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German Pages 700 [704] Year 1969
Großkommentare der Praxis
FGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Nebengesetzen und bundes- und landesrechtlichen Ergänzungsund Ausführungsvorschrifiten
Kommentar bearbeitet von
Paul Jansen Senatspräsident am Kammergericht
2., neubearbeitete und erweiterte Auflage
BERLIN
WALTER
1969
DE G R U Y T E R
& CO.
vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp.
FGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Nebengesetzen und bundes- und landesrechtlichen Ergänzungsund Ausführungsvorschriften
ERSTER BAND Einleitung Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften §§ 1 bis 34 Anfechtung von Justizverwaltungsakten §§ 23 bis 30 EGGVG Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen Art. 7 FamRÄndG
BERLIN
1969
WALTER DE GRUYTER
& CO.
vormals G. J . Göechen'eche Verlagshandlung — J . Gutten tag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp.
Archiv-Nr. 22 52 69 1 Satz und Druck: Druckerei Chmielorz, Berlin Alle Rechte, einschl. des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten
Vorwort Die vorliegende Auflage stellt sich gegenüber dem im Jahre 1959 erschienenen Handkommentar des Verfassers (nebst Ergänzung 1962) als vollständige Neubearbeitung dar. Demgemäß erscheint der Kommentar auch äußerlich in neuem Gewände. Die zunehmende Ausweitung, die das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Rechtsanwendung gefunden hat, ließ es angebracht erscheinen, die Darstellung stärker zu systematisieren und in enger Verbindung mit den Ergebnissen nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch der Wissenschaft und Lehre das Verständnis für die Grundgedanken und Verfahrensgrundsätze der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu fördern und das erforderliche Rüstzeug für eine am Rechtsganzen ausgerichtete Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung zu vermitteln. Dabei war der Verfasser bemüht, auch die jüngsten Ergebnisse der Prozeßrechtswissenschaft für die freiwillige Gerichtsbarkeit fruchtbar zu machen. Ferner kam es darauf an, die allgemeinen Verfahrensgrundsätze der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Anforderungen anzupassen, die unter dem teils unmittelbaren, teils mittelbaren Einfluß der Normen des Grundgesetzes an ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren zu stellen sind. Dem internationalen Recht der freiwilligen Geridhtsbarkeit ist im Hinblick auf die starke Verflechtung des internationalen Rechtsverkehrs die gebührende Beachtung eingeräumt worden. Der vorliegende Band I enthält eine Erläuterung der Allgemeinen Vorschriften (§§ 1 bis 34), der §§ 23 bis 30 E G G V G über die Anfechtung von Justizverwaltungsakten auf dem Gebiete des Zivilrechts und des Art. 7 FamRÄndG über die Anerkennnung ausländischer Entscheidungen in Ehesadien. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum sind nach dem Stande von Mitte Februar 1969 berücksichtigt. Der Band I I wird in einigen Monaten folgen. Berlin, im März 1969 Paul Jansen
V
Inhaltsverzeichnis Seite V VII IX
Vorwort Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis Einleitung
I. Entstehung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Entwicklung und Veränderung der Verhältnisse II. Rechtsentwicklung in der DDR und im Ostsektor Berlins III. Das Verhältnis des FGG zum Reidisrecht (Bundesrecht) und zum Landesrecht
1 5
. .
IV. Landesrecht
9 11
V. Das Preußische Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Gesetze der Länder Hessen und Niedersachsen
12
VI. Die landesgesetzlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in den ehemals preußischen Gebieten
14
VII. Schrifttum
15
Gesetzestext Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
19
Erläuterungen Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften § 1. Geltungsbereich § 2. Rechtshilfe Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7 § 3. Gerichtsstand für Exterritoriale und Beamte im Ausland § 4. Zuständigkeit mehrerer Gerichte § 5. Bestimmung des zuständigen Gerichts § 6. Ausschließung und Ablehnung des Richters § 7. Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter Vorbemerkungen zu den §§ 8 bis 18 § 8. Gerichtssprache, Sitzungspolizei, Beratung und Abstimmung § 9. Dolmetscher . § 10. Geriditsferien § 11. Anträge und Erklärungen § 12. Amtsermittlungspflicht § 13. Beistände und Bevollmächtigte Vorbemerkungen zu § 13 a. Kosten im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . § 13 a. Kostenerstattung, Kostenfestsetzung § 14. Armenrecht § 15. Beweis verfahren
53 97 110 115 119 121 128 138 154 187 203 204 205 212 259 281 288 306 329
VII
Inhaltsverzeichnis Seite 354 374 377 398 412 436 475 483 494 510 519 525 538 541 574 587 599 602 609 611 633
§ 1 6 . Bekanntmachung und Wirksam werden der Verfügungen § 17. Fristen § 1 8 . Änderung geriditlidier Verfügungen Vorbemerkung zu den §§ 19 bis 30. Beschwerde § 19. Statthaftigkeit der Beschwerde. Beschwerdereditszug § 20. Beschwerdeberechtigung § 20 a. Anfechtung von Kostenentscheidungen § 21. Einlegung der Beschwerde § 22. Sofortige Beschwerde. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 23. Beschwerdebegründung. Neues Vorbringen § 24. Aufschiebende Wirkung der Beschwerde § 25. Begründung der Beschwerdeentscheidung § 26. Wirksamkeit der Entscheidung des Beschwerdegeridits § 27. Weitere Beschwerde § 28. Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde § 29. Einlegung der weiteren Beschwerde. Sofortige weitere Beschwerde § 30. Zuständige Kammern und Senate der Beschwerdegerichte § 31. Rechtskraftzeugnis § 32. Folgen der Aufhebung einer Verfügung § 33. Vollziehung gerichtlicher Verfügungen § 34. Akteneinsicht, Abschriften Anhang 1 nach § 34 Anfechtung
von
J u s t i z v e r w a 11 u n g s a k t e n
(§§ 2 3 b i s 3 0
EGGVG)
Vorbemerkung § 23. Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Justizverwaltungsakten § 24. Antragsbefugnis. Vorverfahren § 25. Zuständigkeit § 26. Antragsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 27. Verfahren bei unterlassener Bescheidung eines Vornahmeantrags oder einer Beschwerde § 28. Entscheidung über den Anfeditungs- oder Verpflichtungsantrag § 29. Ergänzende Verfahrensvorsdiriften. Vorlegungspflicht. Armenrecht § 30. Kosten
641 642 649 650 651 654 657 662 664
Anhang II nach § 34 Anerkennung ausländischer (Art. 7 F a m R Ä n d G ) § 1. § 2.
VIII
Entscheidungen
Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen Kosten
in
Ehesachen 667 684
Abkürzungsverzeichnis Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, der obersten Bundesgerichte, des Reichsgerichts, des Bayerischen Obersten Landesgeridits, des Kammergerichts und der Oberlandesgerichte sind, soweit nichts anderes angegeben ist, nach den von den Mitgliedern des Gerichtshofs herausgegebenen Sammlungen angeführt. Entscheidungen, bei denen ein Ortsname ohne weitere Bezeidinung des Gerichts angegeben ist, sind solche eines Oberlandesgerichts. ABl. AcP AG AGO AHKG AKG AktG ALR am. a. M. Anl. Anm. AnwBl. AO AöR AP AV AVO
Amtsblatt Archiv für die civilistische Praxis Amtsgericht oder Ausführungsgesetz Preußische Allgemeine Gerichtsordnung Gesetz der Alliierten Hohen Kommission Allgemeines Kriegsfolgengesetz v. 5. 11. 1957 Aktiengesetz, Aktiengesellschaft Preußisches Allgemeines Landrecht amerikanisch anderer Meinung Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Anordnung Archiv für öffentliches Recht Arbeitsgerichtliche Praxis Allgemeine Verfügung Ausführungsverordnung
BadLFGG BAG BAnz. BaulBeschG BayAGBGB BayAGGVG BayBS BayBSVJu. BayNotG BayNotV BayNotZ BayObLG BayObLGZ BayStA BayVerfGH BayZ BB BBauG BEG
Badisches Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Baulandbeschaffungsgesetz Bayerisches Ausführungsgesetz zum B G B Bayerisches Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Bereinigte Sammlung der bayerischen Justizverwaltungsvorschriften Bayerisches Notariatsgesetz Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Bayerische Notarzeitschrift, Zeitschrift für das Notariat usw. in Bayern Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Das Bayerische Standesamt (Zeitschrift) Bayerischer Verfassungsgerichtshof Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Der Betriebsberater (Zeitschrift) Bundesbaugesetz Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung Bekanntmachung Der Betrieb (Zeitschrift) Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof
Bek. Betr. BetrVerfG BGB BGBl. BGH
IX
Abkürzungsverzeidinis BGHSt. BGHZ BinnSchG BKindGG BMdl BMdJ BNotO br. BRAGebO BRAnwO BRD BRüG BS BSG BSozHG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BVFG BVG BWNotZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Binnenschiffahrtsgesetz Bundeskindergeldgesetz Bundesminister des Innern Bundesminister der Justiz Bundesnotarordnung britisch Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrepublik Deutschland Bundesrückerstattungsgesetz Bereinigte Sammlung Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesvertriebenengesetz Bundesversorgungsgesetz Mitteilungen aus der Praxis, Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg
D DAV DBest. DDR DFG DGWR Die AG Die J Diss. DJ DJZ DNotZ DOfNot DÖV DR DRiZ DRZ DVBl. DVO
Denkschrift zum Entwurf des FGG Der Amtsvormund (Zeitschrift) Durchführungsbestimmungen Deutsche Demokratische Republik Deutsche Freiwillige Gerichtsbarkeit Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Die Justiz, Amtsblatt des bad.-württ. Justizministeriums Dissertation Deutsche Justiz Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Dienstordnung für Notare Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht, ab 1. 4. 39 Wochenausgabe Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtszeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung
EG EGGVG eG EheG Einl. EJF ErbbVO ErgG eV
Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz eingetragene Genossenschaft Ehegesetz (Kontrollratsgesetz Nr. 16) Einleitung Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht Verordnung über das Erbbaurecht Ergänzungsgesetz eingetragener Verein
X
Abkürzungsverzeichnis FamRÄndG FamRZ FG FGB FGG FGVO FinGO FrEntzG G GBl. GBO GenG GenRegVO GesdimMG GesEinhG GG GleidiberG GmbHG GmbHRdsch. GrstVG GrudiBeitr. GS GVB1. GVG GVGA GWB
Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) v. 11. 8. 1961 (BGBl. I 1221) Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht, Zeitschrift, seit 1. 4. 54 Freiwillige Gerichtsbarkeit Familiengesetzbuch der D D R v. 20. 12. 1965 Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Verordnung über die Übertragung der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 15. 10. 52 (DDR) Finanzgerichtsordnung Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen Gesetz Gesetzblatt Grundbuchordnung Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Verordnung über das Genossenschaftsregister Gesetz betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts v. 5. 3. 53 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gleichberechtigungsgesetz v. 18. 6. 57 Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Rundschau für G m b H Grundstücksverkehrsgesetz v. 28. 7. 1961 Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begr. von Grudiot Preußisches Gesetzsammlung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerich tsverfassungsgesetz Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher v. 1. 3. 54 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. v. 3. 1. 1966
HaagVormAbk. (Haager) Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige v. 12. 6. 1902 (RGBl. 1904, 240) HambFGG Hamburgisches Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit HannRpfl. Hannoversche Rechtspflege, bis 1. 7. 47 HansRGZ Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift HausratsVO Hausratsverordnung (6. D V O z. EheG) HessFGG Hessisches Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit HessOrtsGerG Hessisches Ortsgerichtsgesetz HEZ Höchstrichterliche Entscheidungen in Zivilsachen HGB Handelsgesetzbuch h.M. herrschende Meinung HöfeO Höfeordnung Handelsregisterverfügung HRegVfg. HRR Höchstrichterliche Rechtsprechung i. d. F. IHK IPR IPRspr. i. V. m. IzRspr.
in der Fassung Industrie- und Handelskammer Internationales Privatrecht Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts in Verbindung mit Sammlung der deutschen Entscheidungen zum interzonalen Privatrecht (Sonderveröffentlichung von RabelsZ f. ausl. und intern. Privatrecht), 1956 ff.
XI
Abkürzungsverzeichnis JBeitrO JBl. JFG JFGErg. JGG JheringJ JMB1. JR JurBüro JuS JVBl. JVKostO JW JWG JZ KG KGaA KGB1. KGJ KindGG KO KommBericht KonsG KostÄndG KostO KostVfg. KuT (KTS) KWG LAG LG LM LöschungsG LösdiungsVO LPachtG LuftfzRG LuftVerkG LVO LwG LwVG LZ (LeipzZ)
XII
Justizbeitreibungsordnung Justizblatt Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, Bd. 1 bis 23, 1924 bis 1943 Entscheidungen des Kammergerichts in Miet-, Pachtschutz-, Kosten- und Strafsachen, Bd. 1 bis 22, 1924 bis 1941 Jugendgerichtsgesetz Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Justizministerialblatt Juristische Rundschau Das juristische Büro (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Justizverwaltungsblatt Verordnung über die Kosten im Bereich der Justizverwaltung v. 14. 2. 40 (RGBl. I 357, BGBl. III 3 Nr. 363—1) Juristische Wochenschrift Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen, Bd. 1 bis 53, 1884 bis 1922 Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen Konkursordnung Bericht der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit Gesetz über die Organisation der Bundeskonsulate sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln (Konsulargesetz) v. 8. 11. 1867 Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. 7. 57 (BGBl. I 861) Kostenordnung Kostenverfügung Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Gesetz über das Kreditwesen v. 10. 7. 1961 Lastenausgleichsgesetz Landgericht Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen herausgegeben von Lindenmaier und Möhring Gesetz über die Auflösung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. 10. 1934 Verordnung über die Löschung der Entschuldungsvermerke v. 31. 1. 1962 Gesetz über das landwirtschaftliche Pachtwesen (Landpachtgesetz) v. 25. 6. 52 Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen v. 26. 2. 1959 Luftverkehrsgesetz i. d. F. v. 22. 10. 1965 Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen v. 2. 12. 47 (BrZ) Landwirtschaftsgericht Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
Abkürzungsverzeichnis MBliV MDR MilReg. MitbestG
Mot.
Ministerialblatt für die innere Verwaltung Monatsschrift für Deutsches Recht Militärregierung Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v. 21. 5. 51 (BGBl. I 347) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer usw. v. 7. 8. 56 (BGBl. I 707) Motive zum BGB
NachlG NachlO NamÄndG NdsFGG NdsRpfl. NJ NJW NotMaßnG NotVerfO NRW
Nachlaßgericht Bayerische Nachlaßordnung Gesetz über Änderung von Familien- und Vornamen v. 5. 1. 1938 Niedersächsisches Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Niedersächsische Rechtspflege Neue Justiz (DDR) Neue Juristische Wochenschrift Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet des Notarrechts v. 16. 2. 1961 Notariatsverfahrensordnung v. 16. 11. 56 (DDR) Nordrhein-Westfalen
OGHbrZ OHG OLG OLGR
ORG OVG
Oberster Gerichtshof für die britische Zone Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, Bd. 1 bis 46, 1900 bis 1928 Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, seit 1965 Oberstes Rückerstattungsgericht Oberverwaltungsgericht
PaditKrG PatG PatAnwO PosMSchr PrFGG PStG
Pachtkreditgesetz i. d. F. v. 5. 8. 1951 Patentgesetz i. d. F. v. 9. 6. 1961 Patentanwaltsordnung v. 7. 9. 1966 Juristische Monatsschrift für Posen, Ost- und Westpreußen Preußisches Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Personenstandsgesetz v. 8. 8. 57
R RabelsZ
Reskript Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet v. Ernst Rabel, früher (bis 1961) ZAIP Reichsabgabenordnung Deutscher Reichsanzeiger Rechtsanordnung Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung v. 13. 12. 1935 Recht der Arbeit (Zeitschrift) Runderlaß Recht der Landwirtschaft (Zeitschrift) Randnote Rückerstattungsanordnung für das Land Berlin, BK/O (49) 180 v. 26. 7. 49 (VOB1. I 221)
MitbestErgG
OLGZ
RAbgO RAnz. RAO RBerG RdA RdErl. RdL Rdn. REAO
XIII
Abkürzungsverzeichnis Redit RechtspflG
RpflBl. Rpfleger RuStAngG RzW
Zeitschrift „Das Recht" Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts (Rechtspflegergesetz) v. 8. 2. 57 (BGBl. I 18) Rückerstattungsgesetz Regierungsblatt Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege usw. v. 12. 9. 50 (BGBl. 455) Reichsentlastungsverfügung v. 3. 7. 43 (DJ 339) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben (Festschrift) 1929 Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts. Zusammengestellt im Reichs-Justizamte. Bd. 1 bis 17, 1900 bis 1922 Rundschau für den Lastenausgleich Reichsnotarordnung Recht in Ost und West, Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme Rechtspflegerblatt Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz v. 22. 7. 1913 Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht
SaBl. SächsAnn. SächsRpflA SchiffsRG SchiffsRegO SchlHA SeuffA SeuffBl. SJZ StAZ
Sammelblatt für Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder Annalen des Sächsischen Oberlandesgerichts Dresden Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken Schiffsregisterordnung Schleswig-Holsteinische Anzeigen Seufferts Archiv für Entscheidungen oberster Gerichte Seufferts Blätter für Rechtsanwendung Süddeutsche Juristenzeitung Das Standesamt, Zeitschrift für Standesamtswesen
TestG TV
Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen v. 31. 7. 38 Testamentsvollstrecker
UdG ÜG UJ UmstErgG UmstG
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Übernahmegesetz Unsere Jugend (Zeitschrift) Umstellungsergänzungsgesetz v. 21. 9. 53 (BGBl. I 1439) Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) vom 20. 6. 1948 Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften v. 12. 11. 1956 Unterbringungsgesetz Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) v. 9. 9. 1965 Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Verwertungsgesellsdiaftengesetz) v. 9. 9. 1965
REG RegBl. REinhG REntlVfg. RG RGBl. RGPraxis RheinZ RJA RLA RNotO ROW
UmwandlG UntG UrhRG UrhWG VAG
XIV
Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) v. 6. 6. 1931
Abkürzungsverzeichnis VereinsG VerglO VerschÄndG VerschG VersR VerwRspr. Vfg. VGH VHG VOBlbrZ VormG WaG VVG VwGO
Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts v. 5. 8. 1964 Vergleichsordnung v. 26. 2. 1935 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsrechts Verschollenheitsgesetz v. 15. 1. 51 Versicherungsrecht. Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Verfügung Verwaltungsgerichtshof Vertragshilfegesetz v. 26. 3. 52 Verordnungsblatt f ü r die britische Zone Vormundschaftsgericht Versidierungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag v. 30. 5. 1908 Verwaltungsgerichtsordnung v. 21. 1. 1960
WarnR WBG WEG WG WM
Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Wertpapierbereinigungsgesetz v. 19. 8. 49 Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht v. 15. 3. 51 Wechselgesetz Wertpapier-Mitteilungen, Teil IV, Wertpapier- und Bankfragen, Rechtsprechung Jahrbücher der württembergischen Rechtspflege Zeitschrift des Württ. Notarvereins (jetzt BWNotZ) Württembergische Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung Zeitschrift für die freiwillige Gerichtsbarkeit in Württemberg
WürttJ WürttNotV WürttRpflZ WürttZ ZAIP ZAkDR ZB1DR ZB1FG ZBlJR ZfG ZfRV ZJBlbrZ ZPO ZRHO ZS ZuSEntsdiG ZustErgG ZVOBl. ZZP
Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begr. von Rabel (jetzt RabelsZ) Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zentralblatt für das Deutsche Reich Zentralblatt für die freiwillige Gerichtsbarkeit Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zentraljustizblatt f ü r die britische Zone Zivilprozeßordnung i. d. F. v. 12. 9. 1950 Rechtshilfeordnung für Zivilsachen Zivilsenat Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 26. 7. 1957 i. d. F. v. 29. 6. 1963 Zuständigkeitsergänzungsgesetz v. 7. 8. 52 Zentralverordnungsblatt der deutschen Justizverwaltung der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland Zeitschrift für Zivilprozeß (Band, Seite)
XV
Einleitung I. Entstehung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Entwicklung und Veränderung der Verhältnisse Von alters her sind in Deutschland den Gerichten gewisse Gegenstände zugewiesen worden, die keine Prozesse und doch auch keine reinen Verwaltungsangelegenheiten darstellen und demgemäß von den Gerichten nicht als Organen der Verwaltung, sondern als solchen der Rechtspflege und deshalb in Formen geordneter Justizübung erledigt werden. Gemeinrechtlich faßte man diese — in sich sehr verschieden gearteten — Sachen unter dem Begriff der Extrajudizialien zusammen. Das vorliegende Gesetz nennt sie „Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit", wenngleich zahlreiche Tätigkeiten hierher gehören, die durchaus nicht das Wesen der Freiwilligkeit in sich tragen, wie z. B. das Vormundschaftswesen. Entgegen einer auch jüngst wieder in Erscheinung getretenen Strömung, welche alle diese Gegenstände den Gerichten abgenommen wissen wollte, hat die Reichsgesetzgebung die Zuständigkeit der Gerichte vielmehr bestätigt und noch weiter ausgedehnt. Das BGB ist dieser Anschauung gefolgt. Mit der einheitlichen Regelung des sachlichen Rechts ergab sich die Notwendigkeit, auch an ein einheitliches Verfahren in diesen Angelegenheiten zu denken, zumal auf diesem Gebiet sachliches Recht und Verfahren besonders eng miteinander zusammenhängen und das BGB einzelne Vorschriften über das Verfahren bereits selbst in sich aufgenommen hat. Deshalb hatte man schon in den verschiedenen Abschnitten der Beratung des BGB1) sowie des HGB 2 ) ein Gesetz wegen des Verfahrens in den Extrajudizialsachen in Aussicht genommen, bald mit weitergehenden, bald mit enger begrenzten Vorstellungen über seinen Umfang, und das EGBGB (Art. 1) machte das Inkrafttreten des BGB von dem Erlaß eines Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abhängig.
•j
Das vorliegende Gesetz hat den Kreis der zu regelnden Angelegenheiten möglichst weit gezogen, seine kodifizierende Natur gegenüber dem Landesrecht dagegen möglichst eng begrenzt (s. unten zu III). Der Entwurf des Gesetzes wurde mit einer erläuternden Denkschrift unter dem 26. 11. 97 dem Reichstag vorgelegt 3 ). Die erste Lesung fand am 3. 12. 97 4 ), die zweite nach voraufgegangener Kommissionsberatung 5 ) am 15. 2. 98, die dritte am 8. und 10. 3. 98 statt 6 ). Nach Zustimmung des Bundesrats wurde der Entwurf als Gesetz v. 17. 5. 98 in N r . 21 des RGBl, verkündet. Gleichzeitg hiermit hatte eine Reihe anderer, in dem Gesetz angeführter Reichsgesetze, namentlich die ZPO, das GenG, das Ges. betreffend die Gesellschaften m. b. H., und das Binnen-SchG eine neue Paragraphierung erhalten. Um die Hinweise des Gesetzes mit der neuen Paragraphierung in Einklang zu bringen, wurde der Reichskanzler durch Gesetz v. 17. 5. 98 zur Herstellung eines neuen Gesetzestextes ermächtigt. Der neue Text ist vom 20. 5. 98 und in Nr. 25 des RGBl, bekanntgemacht.
2
Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Gesetzes hatte der Reichstag beschlossen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen: a) das Kostenwesen in den Angelegenheiten der FG grundsätzlich einheitlich zu gestalten, b) einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher das Notariatswesen tunlichst einheitlich ordnet.
g
' ) Vgl. E I BGB Anm. zum Text des Familienrechts (Amtliche Ausgabe 279); E II in Gruchots Beitr., Beilagehefte, betr. den Entwurf d. BGB, 5 Anm. 1 und v. Jecklin, ebenda 35, 836; Drucksachen des Reichstags 1895/97, D. zu N r . 87 Einleitung 4. l ) Drucksadien aaO., D. zu N r . 362 Vorbem. 4.
3
) *) 5 ) «)
Drucksadien des Reichstags 1897/98 N r . 21. StenB. von 1897/98 14—24. Drucksadien aaO. N r . 100. StenB. aaO. 1060 f., 1402—1407, 1442—1460, dazu die Abänderungsanträge N r . 149 der Drucksadien.
1
Einl.
Einleitung
4
Diese Beschlüsse haben Jahrzehnte keine Folge gehabt. Erst die Kostenordnung v. 25. 11. 35 (RGBl. I 1371), jetzt in der Fassung der Bekanntmachung v. 26. 7. 57 (BGBl. I 1960), brachte eine einheitliche Regelung des Kostenwesens der Gerichte und Notare. Für die Gebühren der Rechtsanwälte in Angelegenheiten der FG blieb im wesentlichen weiter das Landesrecht maßgebend, bis die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte v. 26. 7. 57 (BGBl. I 907) auch diese Materie in den §§ 63, 64, 112, 118, 120 bundesrechtlich ordnete. Auf dem Gebiete des Notariatswesens brachte die Reichsnotarordnung v. 13. 2. 37 (RGBl. I 191), jetzt in der Fassung der Bundesnotarordnung v. 24. 2. 61 (BGBl. I 98), eine gewisse Rechtseinheit, die allerdings durch Ausnahmen zugunsten des Anwaltsnotariats und des Behördennotariats durchbrochen ist.
5
Das Gesetz hat mehrfache Änderungen erfahren, auf welche im Text an zutreffender Stelle verwiesen wird, und nicht unerheblich an Bedeutung dadurch gewonnen, daß zahlreiche neuere Gesetze (vgl. die Aufzählung bei § 1 Rdn. 17 ff. und dazu § 1 Rdn. 16) seine Anwendung auf weitere Verfahren anordneten. Nach dem Zusammenbruch des Reiches im zweiten Weltkrieg hatte sich beim Fehlen einer Regierung und gesetzgebender Organe des Reiches neben den in erster Linie maßgebenden Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Anordnungen der von den Besatzungsmächten eingesetzten Organe, wie des Kontrollrats für ganz Deutschland, der Militärregierungen für einzelne Zonen u. a., eine umfassende, auch zonenmäßige Rechtssetzung der deutschen Länder (s. KontrollRGes. Nr. 46 v. 25. 2. 47 über die Auflösung Preußens und unten unter V), entwickelt, die entgegen dem bis dahin anerkannten Grundsatz: Reichsrecht bricht Landesrecht (vgl. EGBGB Art. 55), unter Beschränkung der Wirkung auf ihr Gebiet auch reichsrechtliche Bestimmungen abändern und aufheben konnten. Diese Vorschriften sind ebenso wie die das Verfahren beschränkenden Bestimmungen der Kriegsgesetzgebung durch das RechtseinheitsG v. 12. 9. 50 (BGBl. 455) Art. 8 und das Berliner RechtseinheitsG v. 9. 1. 51 (VOB1. I 99) Art. 7 aufgehoben worden, von einigen in der Nachkriegszeit in der ehemals französischen und der britischen Zone erlassenen Einzelvorschriften abgesehen, die insbesondere die Ersatzzuständigkeit des Amtsgerichts Berlin (vgl. § 36 Rdn. 21) und das Verfahren bei der Annahme an Kindes Statt (vgl. § 66a Rdn. 1) betrafen.
6
7
Das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Gleichberedotigungsgesetz) v. 18. 6. 1957 (BGBl. I 609) führte zu einer Änderung der §§ 43 Abs. 2, 44, 45, 48, 50, 51, 53, 57 Abs. 1, 58 Abs. 2, 60 Abs. 1 Nr. 1 und 99 und fügte die §§ 53a, 57a neu in das Gesetz ein.
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Das Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11. August 1961 (BGBl. 11221) war nach dem Gleichberechtigungsgesetz das zweite größere Gesetz auf dem Gebiet des Familienrechts. Das Gesetz brachte eine weitere Teilreform des Familienrechts auf Gebieten, deren Neuregelung so vordringlich erschien, daß der Gesetzgeber sie bis zu der in Aussicht genommenen Gesamtreform des Familienrechts nicht zurückstellen wollte. Ferner wurde die auf einigen Teilgebieten entstandene Rechtszersplitterung durch Herstellung der Rechtseinheit beseitigt 7 ), 8 ). 7
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) Gesetzesmaterialien: Entwurf der Bundesregierung nebst Begründung und Stellungnahme des Bundesrats v. 7. 8. 58, BT-Drucks. 530; Bericht des Rechtsausschusses v. 9. 6. 61, BTDrucks. 2812 und ru 2812; BR-Drudcs. 246/ 61 v. 30. 6. 61; 2. u. 3. Lesung im Bundestag in „Das Parlament" v. 5. 7. 61; BTSitzungsberichte, 3. Wahlpcr. S. 9459—9504; BR-Sitzungsprot. v. 14. 7. 61 S. 181—183; Protokolle des BT-Reditsaussdiusses v. 14., 26., 27. 4. und 8./9. 6. 61. Vorläufer des Entwurfs waren der Entwurf eines Familienrechtsgesetzes v. 23. 10. 52, BT-Drucks. 3802, und der Entwurf eines Familienrechtsänderungsge-
setzes v. 9. 7. 55, BT-Drucks. 1586; beide Entwürfe wurden vom Bundestag in der 1. bzw. 2. Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet. 8 ) Schrifttum zum FamRÄndG: Finke, FamRZ 1958, 353, 405; Schwarzhaupt, FamRZ 1961, 329; Maßfeiler, Betrieb 1961, 1153; ders., StAZ 1961, 241, 273, 301; Dunz, N J W 1961, 2137; Gieseler, Z f F 1961, 277; Meyer-Stolte, Rpfleger 1961, 387, 427; Böhmer, DRiZ 1961, 375; Gustav Boehmer, Die Teilreform des Familienrechts usw. (Recht u. Staat N r . 245/6), 1962; Deisenhofer, U J 1962, 20, 73.
I. Entstehung des Reichsgesetzes
Einl.
Die Neuerungen des Gesetzes beziehen sich, soweit die freiwillige Gerichtsbarkeit berührt wird, auf die Anfechtung der Ehelichkeit, die Rechtsstellung des unehelichen Kindes, die Legitimation durch nachfolgende Eheschließung, die Ehelichkeitserklärung, die Annahme an Kindes Statt, die grundlegend umgestaltet worden ist, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung eines Mündels durch den Vormund, die Bestellung eines Beistandes zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie die Befreiungen bei Eingehung der Ehe, die bisher den Justizverwaltungsbehörden zustanden und nunmehr auf die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen werden. Auf dem Gebiet des internationalen Privat- und Verfahrensrechts sind von Bedeutung die Vorschrift des Art. 9 II Nr. 5 FamRÄndG, durch welche Deutsche i. S. des Art. 116 Abs. 1 GG bürgerlichrechtlich und verfahrensrechtlich deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt werden, sowie Art. 7 FamRÄndG, welcher die gerichtliche Nachprüfung von Bescheiden der Landesjustizverwaltungen über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen den Oberlandesgerichten überträgt, die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entscheiden.
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Die Änderungen des sachlichen Rechts und Gründe der Rechtsvereinheitlichung bedingten eine nicht unwesentliche Änderung des Verfahrensrechts. Änderungen des Gesetzes Uber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthält Art. 4 FamRÄndG. In den zweiten Abschnitt, Vormundschaftssachen, sind die §§ 43a, 44a, 44b, 55a, 56a, 56b und 56c eingefügt worden, während § 36 Abs. 2 geändert worden ist. Der dritte Abschnitt Annahme an Kindes Statt ist durch Änderung der §§ 65, 66 Abs. 2, 67 und 68, Aufhebung des § 66a und Einfügung der §§ 68a, 68b und 68c gänzlich umgestaltet worden. Im fünften Abschnitt, Nachlaß- und Teilungssachen, hat § 73 Abs. 2 aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung eine Änderung erfahren. Aus Gründen der Anpassung sind die Kostenordnung durch Art. 6, das Rechtspflegergesetz durch Art. 8 FamRÄndG, im Interesse der Rechtsvereinheitlichung die Hausratsverordnung v. 21. Oktober 1944 (RGBl. I 256) durch Art. 5 FamRÄndG geändert worden.
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Das Gesetz ist am 1. Januar 1962 in Kraft getreten (Art. 9 I V FamRÄndG). Es gilt auch in Berlin auf Grund des Ubernahmegesetzes v. 21. August 1961 (GVBl. 1121) und der AnO BK/O (61) 19 v. 21. November 1961 (GVBl. 1672).
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Weitere Gesetzesänderungen brachten das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) v. 5. 8. 64 (BGBl. I 593) durch Einfügung des § 160a, das Gesetz über den Fristablauf am Sonnabend v. 10. 8. 65 (BGBl. I 753) durch Änderung des § 17 Abs. 2 und das Einführungsgesetz zum Aktiengesetz v. 6. 9. 65 (BGBl. I 1185) durch Änderung der §§ 132 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 1, 145 Abs. 1, 146 Abs. 2 und 3. Durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 8. 2. 67 (BGBl. I 502) ist § 6 Abs. 2 Satz 2 für nichtig erklärt worden.
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Im Saarland galt das Gesetz zunächst mit einer Ausnahme in derselben Fassung wie im übrigen Bundesgebiet. Durch ReditsanglG v. 22. 12. 56 (ABl. 1667) Art. 4 I Nr. 1 bis 3 wurde das Gesetz durch Änderung des § 15 Abs. 1 und des § 199 Abs. 2 sowie durch Einfügung des § 20a der im übrigen Bundesgebiet auf Grund des Art. 5 RechtseinhG v. 12. 9. 50 (BGBl. 455) geltenden Fassung angepaßt. § 13a FGG wurde im Saarland durch das G Nr. 637 v. 18. 6. 58 (ABl. 1039) eingeführt. Dagegen waren durch das ReditsanglG (Art. 10 Nr. 69) unberührt geblieben die Aufhebung des § 66a und die Änderung des §§ 67, 68 FGG durch das FamilienrechtsanpassungsG v. 27. 1. 51 (ABl. 320) §§ 39—41. Das G zur Einführung von Bundesrecht im Saarland v. 30. 6. 59 (BGBl. I 313) — EinfG — bestimmt in § 1 als Grundsatz, daß mit dem Ende der Ubergangszeit nach Art. 3 des Saarvertrages v. 27. 10. 56 (BGBl. II 1587) im Saarland das im gesamten übrigen Bundesgebiet geltende Bundesrecht in Kraft tritt, soweit nicht etwas anderes bestimmt wird. Unberührt bleiben das während der Übergangszeit und das durch besondere Regelung mit dem Ende der Übergangszeit für das Saarland gesetzte Bundesrecht. Entgegenstehendes Recht tritt außer Kraft. Die Beendigung
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Einleitung
der Übergangszeit ist nadi der Bek. v. 30. 6. 59 (BGBl. I 401) auf den 5. 7. 59, 24 Uhr, festgesetzt worden 9 ). 15
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Die im Saarland geltende Fassung des FGG wurde hierdurch nicht unmittelbar berührt, da das FGG schon vordem der im übrigen Bundesgebiet geltenden Fassung angepaßt worden war (Rdn. 13). Die Abweichungen im Adoptionsrecht (§§ 66a, 67, 68 FGG), die durch das FamRAnpG v. 27. 1. 51 (ABl. Saar 320) eingeführt worden waren, galten zunächst als partielles Bundesrecht fort, da insoweit das FGG nicht im gesamten übrigen Bundesgebiet einheitlich galt, sind aber inzwischen infolge Änderung des Dritten Abschnitts des FGG durch Art. 4 Nrn. 6 bis 10 FamRÄndG v. 11. 8. 61 (BGBl. I 1221) beseitigt worden. Aus den Überleitungs- und Anpassungsvorschriften ergeben sich jedoch für die Geltung von Gesetzen, die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit regeln, folgende Abweichungen : des § 2 EinfG sind von dem Inkrafttreten nach § 1 Abs. 1 aus-
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1. Nach der Negativliste genommen :
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a) % 2 l Nr. 5: G zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung v. 25. 3. 57 (BGBl. I 203);
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b) § 2 I Nr. 6: G über richterliche Vertragshilfe (VertragshilfeG) v. 26. 3. 52 (BGBl. I 198). Das saarländische G über die richterliche Vertragshilfe v. 30. 6. 51 (ABl. 940) gilt also fort. Ein besonderes Vertragshilfeverfahren wird in den §§ 16—21 EinfG eingeführt für vor dem Ende der Ubergangszeit begründete privatrechtliche Verbindlichkeiten von Schuldnern mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Hauptniederlassung im Saarland, wenn der Schuldner durch die im Rahmen der Eingliederung getroffenen Maßnahmen, insbesondere durch die Umstellung der Währung, in seiner Leistungsfähigkeit schwer beeinträchtigt worden ist. § 19 EinfG regelt die Vertragshilfe für Ansprüche, die unter das Abkommen über deutsche Auslandsschulden v. 27. 2. 53 (BGBl. II 331) fallen; cj 5 2 IV A N r . 3, 9, 14: HeimkehrerG v. 19. 6. 50 (BGBl. 221) mit ÄndG v. 30. 10. 51 (BGBl I 875, 994) und v. 17. 8. 53 (RGBl. I 931); nachträglich im Saarland eingeführt durch G N r . 688 v. 3. 7. 59 (ABl. Saar S. 1321);
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d) § 2 IV A N r . 7, 25: MitbestimmungsG v. 21. 5. 51 (BGBl. I 347), MitbestimmungsErgG v. 7. 8. 56 (BGBl. I 707); diese Gesetze gelten im Saarland seit dem 1. 1. 57 mit den Abweisungen des EinführungsG Nr. 560 v. 22. 12. 56 (ABl. 1703);
22
e) § 2 IV B N r . 4 , 1 1 , 2 7 : BundesvertriebenenG v. 10. 5. 53 (BGBl. I 201), ÄndG v. 3. 8. 54 (BGBl. I 231) und v. 27. 7. 57 (BGBl. I 1207) vgl. aber Gesetz Nr. 704 v. 9. 2. 60 (ABl. Saar S. 355);
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f ) § 2 V I 1 N r . 1, 2, 3, 4, 7, 8: die Wertpapierbereinigungsgesetze (§ 1 Rdn. 58); es gilt das G zur Bereinigung der saarländischen Wertpapiere (WertpapierbereinigungsG) i. d. F. v. 17. 9. 53 (ABl. Saar 614) und v. 16. 5. 62 (ABl. Saar 437);
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S) § 2 VII N r . 9, 11, 12: BundesrückerstattungsG v. 19. 7. 57 (BGBl. I 734), ÄndG v. 24. 3. 58 (BGBl. I 141) und v. 13. 1. 59 (BGBl. I 21);
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t>) § 2 VIII N r . 1, 2: G über Verbreitung jugendgefährdender Schriften (BGBl. I 377) mit DVO v. 4. 3. 54 (BGBl. I 31). 2. Aus den Anpassungs- und Überleitungsvorschriften ist hervorzuheben:
2g
a) § 3 II N r . 1: Das WohnungseigentumsG v. 15. 3. 51 (BGBl. I 175) tritt mit der Maßgabe in Kraft, daß auf Wohnungseigentumsrechte und Dauerwohnrechte, die vor dem Ende der Ubergangszeit begründet worden sind, das G Nr. 331 über Wohnungseigentum ») Vgl. dazu Widhofer, Die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland,
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v. 9. 6. 53
1960; Wagner JBlSaar 1959, 103 u. 1964, 194.
II. Rechtsentwiddung in der DDR
Einl.
und Dauerwohnrecht v. 13. 7. 52 (ABl. Saar 686) weiterhin Anwendung findet; diese Rechte können jedoch kostenbegünstigt in die entsprechenden Rechte nach Bundesrecht umgewandelt werden; b) § III Nr. 3: Das LandpachtG v. 25. 6. 52 (BGBl. I 343, 398) gilt mit der Maßgabe, daß die darin vorgesehenen Stichtage den Verhältnissen des Saarlandes angepaßt werden; vgl. RdL 1959, 178; c) § 10 regelt die Überleitung des Kostenrechts;
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d) § 14: §§ 1, 2 der VO über die Siegelung gerichtlicher und notarischer Urkunden v. 10. 5. 44 (RGBl. I 117) treten drei Monate nach dem Ende der Übergangszeit außer Kraft (vgl. § 182 mit Bern.).
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3. Das G zur Einführung von Bundesrecht auf den Gebieten der Arbeitsbedingungen und des Familienlastenausgleichs im Saarland v. 30. 6. 59 (BGBl. I 361) bestimmt in § 1 Nrn. 8—15 die Einführung der Kindergeldgesetzgebung des Bundes und enthält in § 8 Übergangsvorschriften.
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4. Das D-MarkbilanzG für das Saarland v. 30. 6. 59 (BGBl. I 372) regelt in den §§ 40— 42 das Verfahren vor der Spruchstelle bei der Anfechtung der Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG, KGaA oder der Gesellsdiafterversammlung einer GmbH über die Eröffnungsbilanz, die Einziehung von Aktien (Anteilen) und Neufestsetzung der Kapitals Verhältnisse; bei Genossenschaften finden diese Vorschriften nach § 48 sinngemäß Anwendung auf die Neufestsetzung der Geschäftsguthaben und Geschäftsanteile. Dem Registergericht weist das Gesetz Aufgaben zu in §§ 1, 5 (Verlängerung der Fristen für die Feststellung der FrankenSchlußbilanz und der D-Mark-Eröffnungsbilanz), § 4 (Anmeldung und Eintragung von Zweigniederlassungen und ihrer ständigen Vertreter, bei Säumnis Eintragung und Bestellung von Amts wegen, Festsetzung der Auslagen und der Vergütung), § 35 (Prüfung und Eintragung der Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse, Bestellung von Abschlußprüfern), § 36 (Prüfung und Eintragung der vorläufigen Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse und der Durchführung des Ausgleichs), § 37 (Erzwingung der Durchführung des Umtauschs oder der Abstempelung der Aktien sowie der Anmeldung der Durchführung), § 48 (Prüfung der Neufestsetzung der Geschäftsguthaben und Geschäftsanteile bei der Genossenschaft), § 56 (Eintragung der Auflösung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, welche die Neufestsetzung der Kapitalsverhältnisse oder die notwendigen Änderungen des Statuts nicht bis zum 30. 6. 61, im Falle der Anfechtung innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung der Spruchstelle angemeldet haben; weitere Stichtage in besonderen Fällen 31.12. 61 und 31. 12. 64).
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Zwischen 'Westberlin und dem übrigen Bundesgebiet besteht hinsichtlich des Verfahrensrechts völlige Rechtsgleichheit. Die Änderungen des FGG durch Art. 5 des RechtseinhG v. 12. 9. 50 (BGBl. 455) sind durch Art. 4 des RechtseinhG Berlin v. 9. 1. 51 (VOBl. I 99) auch in Westberlin eingeführt worden. Nach Maßgabe der §§ 13 bis 15 des G über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes ÜberleitungsG) v. 4. 1. 52 (BGBl. 1 1 = BGBl. III 603—5) ist Berlin verpflichtet, Bundesrecht, das für den Geltungsbereich des Grundgesetzes verkündet wird und dessen Geltung im Gebiet des Landes Berlin ausdrücklich bestimmt ist, im Wege der sog. Mantelgesetzgebung binnen eines Monats nach seiner Verkündung gemäß Art. 87 Abs. 2 der Verfassung von Berlin im Lande Berlin in Kraft zu setzen.
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11. Rechtsentwicklung in der DDR und im Ostsektor Berlins 1. Gerichtsverfassung. Die Rechtsentwicklung in dem Teilgebiet Deutschlands, welches die sowjetisch besetzte Zone bildete und auf welchem sich die Deutsche Demokratische Republik mit der Verfassung vom 7. 10. 1949 und 6. 4. 1968 (GBl. DDR I 199) konstituiert hat, sowie im Ostsektor Berlins steht im Zeichen einer fortschreitenden Rezeption des sowjet-
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Einleitung
russischen Rechts10). Die Gerichtsverfassung wurde zunächst geregelt durch die VO über die Neugliederung der Gerichte v. 23. 8. 52 (GBl. D D R 791) und das Gesetz über die Verfassung der Gerichte der D D R v. 2. 10. 52 (GBl. D D R 983) i. d. F. des Gesetzes v. 1. 10. 59 (GBl. D D R 756, Ost-Berlin Übern VO v. 27. 11. 59, VOB1. Großberlin-Ost I 813) nebst Gesetz über die Wahl der Richter der Kreis- und Bezirksgerichte durch die örtlichen Volksvertretungen v. 1. 10. 59 (GBl. D D R 751, Ostberlin ÜbernVO v. 27. 11. 59, VOB1. Großberlin-Ost I 813)11). Diese Regelung wurde ersetzt durch das Gesetz über die Verfassung der Gerichte der D D R (GVG) v. 17. 4. 63 (GBl. D D R I 45, Ost-Berlin ÜbernVO v. 17. 5. 63, VOBl. Großberlin-Ost I 365), geändert durch § 20 des G v. 11. 6. 68 (GBl. D D R I 229), welches in Durchführung eines Erlasses des Staatsrats über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege v. 4. 4. 63 (GBl. D D R I 21, Ost-Berlin ÜbernVO v. 17. 5. 63, VOBl. Großberlin-Ost I 341) ergangen ist 12 ). Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung strafrechtlicher und verfahrensrechtlicher Bestimmungen v. 17. 4. 63 (GBl. D D R I 65, Ost-Berlin ÜbernVO v. 17. 5. 63, VOBl. Großberlin-Ost I 385) enthält in Abschn. III und IV Änderungen verfahrensrechtlicher Bestimmungen des Zivil- und des Notariatsrechts. Durch die VO zur Übertragung der Tätigkeit der Justizverwaltungsstellen des Ministeriums der Justiz v. 30. 5. 63 (GBl. D D R II 373) sind diese Stellen, die bis dahin insbesondere als Beschwerdeinstanzen entschieden, zum 30. 6. 63 aufgelöst und ihre Aufgaben auf die Direktoren der Bezirks- und Kreisgerichte übertragen worden. Danach bestehen Kreisgerichte, Bezirksgerichte und ein Oberstes Gericht mit dem Sitz in Berlin. Kreisgerichte (Stadtbezirksgerichte) werden für jeden Land- oder Stadtkreis oder Stadtbezirk errichtet (§ 36 GVG). Sie sind zuständig als Gerichte erster Instanz in Straf- und Zivilsachen, soweit nicht die Zuständigkeit eines höheren Gerichts begründet ist, für die (endgültige) Entscheidung über Beschwerden gegen Entscheidungen der Staatlichen Notariate oder eines Einzelnotars (§ 38 GVG) sowie für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen (§ 75 GVG). Die Kammern der Kreisgerichte sind mit einem Richter und zwei Schöffen besetzt (§ 39 GVG). Ein Bezirksgericht ist in jedem Bezirk errichtet (§ 25 GVG). Es entscheidet in Zivilsachen als Gericht erster Instanz, wenn der Staatsanwalt des Bezirks wegen der Bedeutung der Sache die Verhandlung vor dem Bezirksgericht beantragt oder der Direktor des Bezirksgerichts die Sache an das Bezirksgericht heranzieht, als Gericht zweiter Instanz über das Rechtsmittel des Protestes, der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Kreisgerichte sowie über die Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Kreisgerichte (§ 28 GVG). Die Senate der Bezirksgerichte entscheiden in erster Instanz in der Besetzung mit einem Oberrichter und zwei Schöffen, in zweiter Instanz mit einem Oberrichter und zwei weiteren Richtern; der Direktor des Bezirksgerichts kann in jeder Sache den Vorsitz übernehmen (§ 34 GVG). Das Oberste Gericht entscheidet durch Senate in der Besetzung mit
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) Vgl. Türke, Staat, Verfassung und Verwaltung in der D D R , VerwArdi. Bd. 51 1960 S. 283—315; Mampel, Die Verfassung der SB2, 1962; Münch, Dokumente des geteilten Deutschland. Quellentexte zur Rechtslage des Deutschen Reichs, der B R D und der D D R , 1968; Stein, Ist die „ D D R " ein Staat?, A ö R Bd. 85 1961, 363—391; Dichgans, Z u r Rechtsn a t u r des mitteldeutschen Regimes, N J W 1966, 2255; Scheuner, Die Rechtslage im geteilten Deutschland, 1960; zur E f f e k t i v i t ä t der D D R Münch J R 1961, 239; Schaumann, Schriften zur Rechtslage des zweigeteilten Staates, J Z 1961, 315; Doehring, Die Teilung Deutschlands als Problem des Völker- u n d staatsrechtlichen Fremdenrechts, 1968; Szostak, Verwaltung und Verwaltungsrecht in der SBZ, J R 1960, 208; Kirchheimer, Die Rechtspflege und der Begriff der Gesetzlichkeit in der D D R , A ö R Bd. 85 1960 S. 1 f f . ; Hirsch, Was be-
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deutet sozialistische Gesetzlichkeit?, J Z 1962, 149; Rosenthal, Die Justiz in der Sowjetzone, 1962; Roggemann, Entwicklungstendenzen in der Zivilrechtspflege der „ D D K " und der Einfluß des sowjetrussischen Redits, J R 1966, 201, 444; 1967, 9; Mampel, Der Sowjetsektor von Berlin, 1963. Dazu Schweichel, Die Stellung des Richters in der Zone, D R i Z 1959, 317; ders., Ein neues G V G in der Zone, D R i Z 1960, 110; Rosenthal, Das Richterwahlgesetz und das neue G V G in der SBZ, R O W 1960, 1—5; Wagner, Die Rechtsstellung der Richter in der D D R nach Erlaß des Richterwahlgesetzes, J Z 1960, 270; Samson, Die Entwicklung des neuen Zivilrechts in Mitteldeutschland, J R 1960, 325. 12 ) Dazu Rosenthal, Gerichtsverfassung in der D D R , R O W 1963, 112; Gotsdier, Polak, Toeplitz, Benjamin, K o h l N J 1963, 257, 260, 263, 265, 269.
II. Rechtsentwicklung in der D D R
Elnl.
drei Richtern als Gericht erster und zweiter Instanz und über die Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Bezirks- und Kreisgeridite (§§ 23, 24 GVG). Die Rechtsmittel der Revision und der weiteren Beschwerde sind abgeschafft. Dem Plenum des Obersten Gerichts obliegt die Leitung der Rechtsprechung der Gerichte; zu diesem Zweck kann es Richtlinien mit bindender Wirkung für alle Gerichte erlassen (§§ 16, 17 GVG). Audi das Plenum des Bezirksgerichts kann Beschlüsse zur Anleitung der Senate des Bezirksgerichts oder der Kreisgerichte erlassen (§ 31 GVG). Das Präsidium des Obersten Gerichts kann auf Antrag seines Präsidenten oder des Generalstaatsanwalts über die Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Senate des Obersten Gerichts und der Präsidien der Bezirksgerichte entscheiden (§ 20 GVG). Die Richter werden auf die Dauer von vier Jahren gewählt, und zwar die Richter des Obersten Gerichts von der Volkskammer, die des Bezirksgerichts vom Bezirkstag, die Richter der Kreisgerichte von den Kreistagen, den Stadtverordnetenversammlungen oder den Stadtbezirksversammlungen (§§ 49, 51). Außerdem fungieren nach Art von Friedensgerichten mit Laien besetzte gesellschaftliche Gerichte, gegen deren Entscheidungen der Einspruch an das Kreisgericht stattfindet, G über die gesellschaftlichen Gerichte v. 11. 6. 68 (GBl. D D R I 229). 2. Freiwillige Gerichtsbarkeit. Die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind in weitem Umfange den Gerichten entzogen und teils auf staatliche Notariate, teils auf Verwaltungsbehörden übertragen worden, abgesehen von einigen im folgenden anzuführenden Ausnahmen zugunsten der Geridite. Hierzu ist ergangen die VO über die Übertragung der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 15. 10. 52 (GBl. D D R 1057), in BerlinOst die V O v. 19. 3. 53 (VOB1. I 99) — F G V O —, abgedruckt in der Voraufl. unter D I I I . Davon sind aufgehoben § 2 Nrn.l und 3 durch § 48 Abs. 2 Nr. 5 VerfAnpVO v. 17. 2. 66 (GBl. D D R I I 171, VOB1. Berlin-Ost I 409), §§ 11 bis 16 (Vormundschaftssachen) durch § 52 Abs. 1 Nr. 1 V O über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Jugendhilfe v. 22. 4. 65 (GBl. D D R I I 359, VOBl. Berlin-Ost I 620) und §§ 21 bis 28 (Verfahren nach der PachtschutzO und dem KontrRG Nr. 45) durch § 21 Abs. 2 GrdStVerkVO v. 11. 1. 63 (GBl. D D R I I 159). Danach ist die Zuständigkeit wie folgt geregelt:
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a) Die Gerichte sind nach § 2 Nr. 2 und 4 F G V O zuständig für das Verfahren nach der StundungsVO v. 4. 7. 46 (ZVOB1. 78) und das Todeserklärungsverfahren (vgl. § 1 Rdn. 64). Das gerichtliche Verfahren ist durch die §§ 43 bis 48 AngleichungsVO v. 4. 10. 52 (GB1DDR 988, Berlin-Ost VOBl. I 538) dahin geregelt, daß das Kreisgericht nach den Vorschriften der Zivilprozeßordung auf Grund mündlicher Verhandlung durch Beschluß entscheidet. Im Todeserklärungsverfahren gilt der Grundsatz der Amtsermittlung.
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b) Verwaltungsbehörden sind wie folgt zuständig: a) Das Grundbuch wird beim Rat des Kreises, Abt. Kataster, geführt. Über Beschwerden nach der GBO entscheidet die Abt. Vermessung des Rats des Bezirks, über weitere Beschwerden die Hauptabt. Vermessung und Kartenwesen des Ministeriums des Innern (§§ 4 bis 10 FGVO). ß) Die Fährung der Personenstandsbücher regeln §§ 17 bis 20 F G V O i. V. mit dem PersonenstandsG v. 13. 10. 66 (GBl. D D R I 87, VOBl. Berlin-Ost I 833); vgl. dazu Vorbem. 20 vor § 69.
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y) Die gerichtlichen Aufgaben bei der Dispache sind den bei der Generaldirektion Schifffahrt gebildeten Havarie-Kommissionen übertragen. Über Beschwerden entscheidet die Generaldirektion Schiffahrt (§§ 29, 30 FGVO). 8) Das Binnenschiffsregister wird bei den Wasserstraßendirektionen Berlin und Magdebürg, das Seeschiffsregister beim Wasserstraßenhauptamt Rostock geführt. Auf diese Stellen gehen auch die Befugnisse des Amtsgerichts als Schiffsregistergericht über; die richterlichen Befugnisse übt der „Leiter des Schiffsregisters" aus. Über Beschwerden entscheidet entgültig die Generaldirektion Schiffahrt (§§ 31 bis 37 FGVO). E) Das Vereinsregister wird bei den Volkspolizeikreisämtern geführt. Dem Verein muß die Rechtsfähigkeit durch Verfügung des Leiters des Volkspolizeikreisamts entzogen werden,
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wenn seine Tätigkeit gegen die demokratische Gesetzlichkeit verstößt oder wenn die Voraussetzungen des § 73 BGB vorliegen. Über Beschwerden entscheidet endgültig die Bezirksdienststelle der Volkspolizei (§§ 38 bis 44 FGVO). y Das Geschmacksmusterregister wird beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen geführt (S§ 45 bis 47 FGVO). r|) Das Genossenschaftsregister wird je nach dem Tätigkeitsbereich der Genossenschaft bei verschiedenen Abteilungen des Rates des Kreises geführt (S 48 FGVO). Für das Verfahren gelten die bisherigen Vorschriften, soweit in der FGVO nichts anderes bestimmt ist. Ober Beschwerden entscheidet endgültig die übergeordnete Abteilung des Rats des Bezirks (S 52 FGVO). 0) Das Handelsregister (Abt. 4 und B) wird bei der Abt. örtliche Industrie und Handwerk des Rates des Kreise geführt, das Register der volkseigenen Wirtschaft beim Referat Staatliches Eigentum beim Rat des Kreises. Vgl. § 125 Rdn. 27.
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0 Im Grundstücksverkehr erläßt Genehmigungen und sonstige Entscheidungen nach der VO über den Verkehr mit Grundstücken (GrdstVerkVO) v. 11. 1. 63 (GBl. D D R II 159) der Rat des Kreises. Über Beschwerden entscheidet entgültig der Rat des Bezirks (S 18 GrdstVerkVO).
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c) Staatliche Notariate. Die Verfassung der Staatlichen Notariate ist geregelt in der V O über die Errichtung und Tätigkeit des Staatlichen Notariats v. 15. 10. 52 (GBl. D D R 1055), für Berlin-Ost in der V O v. 21. 11. 52 (VOBl. I 541). Davon sind aufgehoben §S 1 1 und 14 .durch S 91 Abs. 2 Buchst, b NotVerfO, § 15 durch S 13 Abs. 1 des G v. 17. 4. 63 (GBl. D D R I 65, Berlin-Ost VOBl. I 385). In jedem Kreis wird ein staatliches Notariat errichtet, welches mit der erforderlichen Anzahl von Notaren besetzt wird, die der Minister der Justiz beruft und abberuft und die eine juristische Ausbildung auf einer dazu bestimmten Ausbildungsstätte erworben haben müssen (§§ 3 bis 6 VOStNot). Die Zuständigkeit und das Verfahren sind geregelt in dem G über das Verfahren des Staatlichen Notariats (Notariatsverfahrensordnung) v. 16. 11. 56 (GBl. D D R I 1288) nebst AnO über die Arbeitsordnung des Staatlichen Notariats v. 16. 11. 56 (GBl. D D R I 1310) und Anleitung N r . 1/57 des MdJ zur NotVerfO (Vfg. u. Mitt. d. MdJ 1957 N r . 2 S. I) 13 ). Dieselbe Regelung ist eingeführt im Ostsektor Berlins durch die VO v. 3. 12. 56 (VOBl. f. Großberlin-Ost I 875). Durch S 13 des G v. 17. 4. 63 (GBl. D D R I 65, VOBl. Berlin-Ost I 385) sind S S 21, 47 Abs. 2 NotVerfO aufgehoben und SS 9, 19 Abs. 2, 20, 39 Abs. 2 N o t V e r f O dahin geändert, daß an die Stelle der Justizverwaltungsstelle als Beschwerdeinstanz das Kreisgericht getreten ist. Das Staatliche Notariat ist nach § 2 NotVerfO zuständig für Beurkundungen und Beglaubigungen, für Nachlaßsachen und alle im Zusammenhang mit der Errichtung, Verwahrung und Eröffnung eines Testaments oder Erbvertrages stehenden Angelegenheiten, für Vormundschaften und Pflegschaften im Interesse Volljähriger (dazu Vorbem. vor § 35 Rdn. 8), für Hinterlegungen und Verwahrungen, für die Verrichtungen nach §§ 132 Abs. 2, 176 Abs. 2, 1141 BGB, für die Abnahme von Offenbarungseiden außerhalb der ZPO, für die Entgegennahme von Erklärungen über den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft nach der VO v. 13. 7. 50 (GBl. 660), für die Verwahrung der Akten, Bücher und Urkunden eines Notars, für die Aufnahme von Wechsel- und Scheckprotesten, f ü r die Ersetzung zerstörter oder abhanden gekommener notarieller Urkunden nach der VO v. 16. 11. 56 (GBl. D D R I 1299, VOBl. Berlin-Ost I 886), für die Bestellung von Verwahrern und Sachverständigen, für die Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden (S 797 ZPO) sowie f ü r alle anderen Handlungen, die dem Notar gesetzlich zugewiesen sind oder werden. Die Ausschließung des Notars regelt S 8 NotVerfO, seine Befugnis, sich der Amtsausübung wegen Befangenheit zu enthalten, S 13 VOStNot. Das Gesetz enthält in Teil I Allgemeine Bestimmungen (§S 1 bis 22), in Teil II Besondere Bestimmungen insbesondere über das Verfahren 13) Über das Staatl. Notariat vgl. Kunath, Müller N J 1953, 462, 493; Hennig, N J 1956, 723;
8
Schulz, Das Notariat D N o t Z 1965, 275.
in
der
Sowjetzone,
I I I . Verhältnis zum Reichs- und Landesrecht
Elnl.
bei der Beurkundung von Rechtsgeschäften und Beglaubigungen (§§ 23 bis 38), bei der Ersetzung von Urkunden (§ 39), in Vormundschafts- und Pflegschaftssachen (§§ 40 bis 51), in Nadilaßsachen (§§ 52 bis 66) und über die Abnahme des Offenbarungseides (§ 67). Das Gesetz gilt nach § 89 entsprechend für die Beurkundungen und Beglaubigungen der noch tätigen freiberufliche Notare. Das Beschwerderecht wird in § 18 in Übereinstimmung mit § 20 F G G geregelt, für Vormundschaftssachen in § 50. Über Beschwerden entscheidet endgültig das Kreisgericht (§ 20 Abs. 1 mit § 13 G v. 17. 4. 63, GBl. D D R I 65). Bemerkenswert ist, daß gegen die Erteilung oder Versagung eines Erbscheins keine Beschwerde stattfindet, sondern Feststellungsklage über das Erbrecht zu erheben ist (§ 56 NotVerfO). Das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist nicht förmlich aufgehoben worden. § 91 Abs. 4 NotVerfO bestimmt jedoch, daß es von staatlichen und freiberuflichen Notaren nicht mehr anzuwenden ist. Das Gesetz ist mithin in gewissem Umfange noch die Grundlage für das Verfahren der mit Angelegenheiten der FG befaßten Verwaltungsbehörden, soweit die F G V O nicht Abweichendes bestimmt hat. Vorschriften über die Tätigkeit von Ortsgerichten sind durch die AnO v. 15. 7. 54 (GBl. D D R 629) aufgehoben worden.
46
3. Familienrechtliche Angelegenheiten. Im Hinblick auf das Familiengesetzbuch v. 20. 12. 1965 (GBl. D D R . 1966 I 1, VOBl. Berlin-Ost I 117) ist auch das Verfahren in Ehe- und Familiensachen und über den Schutz Minderjähriger anderweit geregelt worden, und zwar für die Gerichte in der V O zur Anpassung der Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Familiensachen an das FGB v. 17. 2. 66 (GBl. D D R I I 171, VOBl. Berlin-Ost I 409) — VerfAnpVO — und für die Organe der Jugendhilfe in der V O über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Jugendhilfe v. 3. 3. 66 (GBl. D D R I I 215, VOBl. BerlinOst I 422) — JugendhilfeVO. Danach sind teils die Prozeßgerichte, teils Verwaltungsbehörden zuständig. Vgl. dazu im einzelnen die Darstellung in Vorbem. vor § 35 Rdn. 4 bis 7. Für Vormundschaften und Pflegschaften über Volljährige ist es bei der Zuständigkeit des Staatlichen Notariats verblieben (Vorbem. vor § 35 Rdn. 8).
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III. Das Verhältnis des FGG zum Reichsrecht (Bandesrecht) und zum Landesrecht Das Verhältnis des Gesetzes zum Reichsrecht ist dasselbe wie das des BGB zum übrigen Reichsrecht: die Vorschriften der Reichsgesetze, die die freiwillige Gerichtsbarkeit betreffen, bleiben in Kraft, soweit sich nicht ihre Aufhebung aus dem Gesetz ergibt (§ 185 mit EGBGB Art. 32). Dagegen ist das Verhältnis beider Gesetze zum Landesrecht verschieden geordnet. Während das BGB das gesamte Landesprivatrecht außer Kraft setzt, soweit nicht Vorbehalte zu seinen Gunsten gemacht sind, gibt das F G G dem Landesrecht allgemein die Befugnis zum Erlaß von Ergänzungs- und Ausführungsvorschriften (§ 200). Das Gesetz trägt deshalb keinen kodifizierenden Charakter. Es regelt nur eine Reihe von Punkten; die nicht geregelten Punkte können durch Landesgesetz geordnet werden. Hierfür kommt namentlich in Betracht: die Form der gerichtlichen Protokolle bei anderen Handlungen als der Beurkundung von Rechtsgeschäften (Erbeslegitimationen, Zeugenvernehmungen u. dgl.). Diese Gegenstände sind im Gesetz überhaupt nicht geregelt und deshalb allgemein dem Landesrecht überlassen. Bei Fragen, welche im Gesetz geregelt sind, kommt es darauf an, ob die Regelung nach dem Sinn und Zusammenhang der Vorschriften als erschöpfend anzusehen ist oder nicht. Ist die Regelung als erschöpfend gedacht, wie z. B. bei der örtlichen Zuständigkeit der Vormundschaftsgerichte (§§ 36 bis 45), dann sind Ergänzungsbestimmungen durch das Landesrecht unzulässig; etwaige Lücken müssen vielmehr aus dem Sinn und Geiste des Reichsrechts ergänzt werden. Diesem Falle steht es auch gleich, wenn eine Frage im Gesetz zwar keine ausdrückliche Entscheidung gefunden hat, wenn aber aus dem Sinn und Zusammenhang sich ergibt, daß das Reichsrecht die Frage in bestimmtem Sinne hat entschieden sehen wollen, wie z. B. beim Grundsatz der freien Beweiswürdigung, welcher dem Gesetz, wenn auch unausgesprochen, zugrunde liegt. Hier darf das Landesrecht den Gerichten keine Beweisregeln vorschreiben.
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4g
Ein!.
Einleitung
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Wo aber die Regelung nicht als erschöpfend anzusehen ist, wie z. B. bei der Anzeigepflicht zum Zwecke der Bevormundung (§§ 48 bis 50), kann die Landesgesetzgebung ergänzend eingreifen, insbesondere also den Kreis der Anzeigepflichtigen erweitern und auch Nachteile an die Nichterfüllung der Anzeigepflidit knüpfen. Soweit das Landesrecht zu Ergänzungen befugt ist, kann es seine Vorschriften sowohl als Soll- wie als Mußvorschriften treffen. N u r für das Urkundswesen ist im § 200 Abs. 2 eine Ausnahme gemacht.
50
Das Verhältnis des Gesetzes zum B G B und zum H G B ist grundsätzlich so gedacht, daß das B G B und das H G B das sachliche Recht, das F G G dagegen das Verfahren regeln soll. Allein die Unterscheidung ist nicht vollkommen durchgeführt. So ist z. B. für den Erbschein das ganze Verfahren bereits im B G B (§§ 2353 f.) geregelt mit alleiniger Ausnahme der gerichtlichen Zuständigkeit, die — nebst einigen Nachträgen zum Verfahren — im F G G geordnet ist (§§ 72 ff., 84, 85). Umgekehrt liegt es beim Vereins- und Güterrechtsregister. Hier regelt das F G G (§§ 159 ff.) das Verfahren, aber mit Ausnahme der Zuständigkeit, welche — neben einigen das Verfahren betreffenden Punkten — im B G B (§ 55 ff., 1558 ff.) geregelt ist. Endlich gibt es Handlungen, namentlich im Vormundschaftsrecht, bei denen das B G B den einzigen verfahrensrechtlichen Satz in sich aufgenommen hat, daß vor der Entscheidung gewisse Beteiligte anzuhören sind ( z . B . §§ 1826, 1827, 1847, 1862). Dieser Zustand beruht zum einen Teil darauf, daß die Scheidung zwischen sachlichem Recht und Verfahren in der Strenge, wie sie das Privatrecht im Verhältnis zum Zivilprozeß beherrscht, in die freiwillige Gerichtsbarkeit nicht Eingang gefunden hat, zum größeren Teil aber ist er die Folge mangelnder Einheitlichkeit in der Gesetzesabfassung.
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Für die Handhabung des Gesetzes ergibt sich aus Vorstehendem, daß für jede Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Vorschriften über das Verfahren sich zusammensetzen: 1. aus den Bestimmungen des F G G , 2. aus den auf das betreffende Institut bezüglichen Bestimmungen des B G B , des H G B sowie der sonstigen, das Institut behandelnden Reichsgesetze, 3. aus den etwa zur Ergänzung und Ausführung des F G G erlassenen landesrechtlichen Vorschriften.
52
Für einzelne Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde die Zuständigkeit vom Reichsgesetzgeber so geregelt, daß grundsätzlich die Gerichte für zuständig erklärt sind, dem Landesrecht aber freigestellt ist, die Verrichtungen anderen als gerichtlichen Behörden zu übertragen. Es sind dies: die Vormundschafts- und die Nachlaßsachen ( E G B G B Art. 147, vgl. aber V O v. 10. 6. 36, R G B l . I 488), die bei § 1 Rdn. 32 bemerkten Angelegenheiten (ReichsschuldbuchG § 16 Abs. 5) und die Aufwertungssachen; vgl. hierzu F G G § 35 Anm. 2, § 72 Anm. 1. Diese Angelegenheiten gehören, soweit das Landesrecht von seiner Befugnis keinen Gebrauch macht, zu den durch Reichsgesetz den Gerichten übertragenen Angelegenheiten, so daß die allgemeinen Vorschriften des Gesetzes auf sie uneingeschränkte Anwendung finden. Für den Fall, daß die Landesgesetzgebung von dem Vorbehalt Gebrauch gemacht hat, sind grundsätzlich diese allgemeinen Vorschriften gleichfalls für anwendbar erklärt, jedoch enthalten für diesen Fall die §§ 194 bis 196 einige Einschränkungen. Die besonderen Vorschriften des zweiten und fünften Abschnittes des Gesetzes finden auf die Vormundschafts- und Nachlaßsachen auch dann Anwendung, wenn die Geschäfte durch das Landesrecht anderen Behörden zugewiesen sind. N a c h der V O über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Vormundschafts- und Nachlaßsachen v. 10. 6. 36 (RGBl. I 488) sollten diese Sachen, soweit die Länder für sie andere als gerichtliche Behörden für zuständig erklärt haben, auf die Amstgerichte übergehen (§ 1). Den Zeitpunkt des Ubergangs sollte der Reichsjustizminister bestimmen (§ 2), was aber nicht geschehen ist. Vgl. § 35 Anm. 2.
53
Für die Beurkundung von Rechtsgeschäften (Abschn. X des Gesetzes) hat die Landesgesetzgebung zwar die Befugnis, die Zuständigkeit der Gerichte zugunsten der Notare auszuschließen (Art. 141 E G B G B ) , nicht aber die Befugnis, die Verrichtungen der Gerichte auf
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IV. Landesrecht
Einl.
andere Behörden zu übertragen. Die Zuständigkeit der Gerichte wurde auf Grund des Art. 141 ausgeschlossen in Bayern (AGGVG Art. 15 Abs. 2, jetzt AGGVG v. 17. 11. 56, GVB1. 249, Art. 10), Bremen (AGBGB § 6) und Hamburg (Gesetz über Angelegenheiten der FG § 9). Vgl. im übrigen hierzu die §§ 167, 191 mit den Anmerkungen.
IV. Landesrecht In den Ländern der Bundesrepublik einschließlich des Landes Berlin gelten auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit im wesentlichen folgende Vorschriften:
54
1. Ehemals preußische Gebiete außer Hessen und Niedersachsen. Preußisches Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 21. 9. 1899 (GS 249), geltende Fassung in Berlin Slg. d. ber. Berliner Landesrechts 3212-1, in Nordrhein-Westfalen SGV N W Nr. 321, in Schleswig-Holstein GS Schl.-H. Bd. II N r . 315 S. 1 — Anl. 10 —. In Schleswig-Holstein gilt außerdem als partielles Landesrecht für den Bereich des ehemaligen Fürstentums Lübeck (Land Oldenburg, Landesteil Lübeck) das G für das Großherzogtum Oldenburg zur Ausführung des G über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 15. 5. 1899 (GBl. FL Bd. 22 S. 144 = GS Schl.-H. Bd. II Nr. 315 S. 21) und für den Landesteil Lübeck das AusführungsG v. 18. 9. 1899 zum ReichsG v. 17. 5. 1898 (VS 34 = GS Schl.-H. Bd. II Nr. 315 S. 20). (Preußisches) AusführungsG zum Deutschen GerichtsverfassungsG v. 24. 4. 1878 (GS 230), geltende Fassung nach Slg. d. ber. Berliner Landesrechts 311-1 — Anl. 11 —. Die noch geltenden Vorschriften des Gesetzes sind anwendbar in den ehemals preuß. Gebietsteilen des Landes Baden-Württemberg (hohenzollernscher Teil des Regierungsbezirks Südwürttemberg-Hohenzollern). In den ehemals lippischen Gebietsteilen des Landes Nordrhein-Westfalen gelten die Vorschriften des Gesetzes auf Grund des Staatsvertrages zwischen Preußen und Lippe v. 3. 1. 1879 (GS 219).
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2. Hessen. Hessisches Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 12. 4. 1954 (GVB1. 59), davon Art. 104 i. d. F. des HessAG-ZPO-ZVG v. 20. 12. 60 (GVB1. 238) Art. 21 — Anl. 13 —. (Hessisches) Ortsgerichtsgesetz v. 6. 7. 1952 (GVB1. 124) i. d. F. des G v. 5. 7. 1956 (GVB1. 127) und des Art. 8 des AnpG z. HessBeamtG v. 21. 3. 62 (GVBl. 213). Dazu Dienstanweisung für die Ortsgerichte im Lande Hessen v. 15. 10. 52 (JMB1. 73) i. d. F. v. 9. 7. 56 (JMB1. 63) und RdErl. d. JM über die Ortsgerichte v. 29. 10. 52 (JMBL 101); Gebührenordnung für die Ortsgerichte v. 24. 10. 52 (GVBl. 161) i. d. F. v. 10. 7. 56 (GVBl. 129), v. 7. 3. 62 (GVBl. 171) und v. 17. 3. 66 (GVBl. 56)14). In den ehemals preuß. Gebietsteilen Preuß. AGGVG v. 24.4. 1878 i. d. F. v. 21. 9. 1899 und des Art. 108 Nr. 3 HessFGG — Anl. 11 —. Hessisches G, die Ausf. des GerichtsverfassungsG betreffend, v. 3. 9. 78 (Reg.-Bl. 101) i. d . F . v. 18. 7. 1899 (RegBl. 287) und des Art. 108 N r . 4 HessFGG. Vgl. ferner Sammlung des ber. Hess. Landesrechts (HessGVBl. Teil II).
5g
3. Niedersachsen. Niedersächsisdies Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 14. 5. 1958 (GVBl. 117 = Nds. GVBl. Sb I N r . 3112), Art. 83 Abs. 1 aufgehoben durch 1. Gesetz zur Bereinigung des nds.Rechts v. 17. 2. 59 (GVBl. 9) § 1 mit Anl. Nr. 164 — Anl. 14 —. Niedersächsisches AusführungsG zum GerichtsverfassungsG (AGGVG) v. 5. 4. 1963 (GVBl. 225) — Anl. Ii —.
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4. Baden-Württemberg a) Landesteil Baden. Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 17. 6. 1899 i. d . F . der Bek. v. 13. 10. 1925 (GVBl. 287), geändert durch G v. 15. 12. 1927 (GVBl. 235), v. 11. 11. 33 (GVBl. 267), § 39 a eingefügt durch G v. 20. 7. 62 (BWGBl. 73) — Anl. 16 —. VO über die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 3. 12. 1926 (GVBl. 301) mit Änderungen v. 24. 12. 27 (GVBl. 239), v. 4. 12. 32 (GVBl. 207) und v. 16. 11. 33 (GVBl. 270). Bad. AusfG z. d. Reichsjustizgesetzen i. d. F. der Bek. v. 22. 11. 1933 (GVBl. 273) und des § 82 Nr. 10 des G über die Gemeindegerichtsbarkeit v. 7. 3. 1960 (BWGBl. 73). 14
) Dazu Hoof-Vierhaus, Hess. OrtsgeriditsG, 4. Aufl. 1967.
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b) Landesteil Württemberg. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch und zu anderen Reichsjustizgesetzen (AGBGB) v. 29. 12. 1931 (RegBl. 545) i. d. F. der Gesetze v. 29. 1. 1934 (RegBl. 39) v. 25. 10. 34 (RegBl. 261), v. 30. 6. 1958 (GBl. 168), v. 14. 12. 59 (BWGBl. 171) § 37 Abs. 2 Nr. 2 (Aufhebung der Art. 191 bis 224), v. 7. 3. 1960 (BWGBl. 73) § 82 Nr. 2 (Aufhebung der Art. 256 bis 260), v. 19. 12. 1961 (BWGBl. 371) — Anl. 17 —. Dienstvorschriften für die Amtsgerichte v. 26. 11. 1929 (ABl. 105) — Anl. 18 —. V O d. Württ. JMin. über die öffentlichen Notare (ÖNotV) v. 18. 3. 1933 (ABl. 97) — Anl. 19 —. V O d. JMin. v. 27. 10. 1932 (ABl. 321) über die Dienstvorschriften für die Bezirksnotare (DVBNot). V O des JMin. v. 10. 3. 1933 über das Nachlaßwesen (ABl. 1933, 63; 1934, 275). V O des JMin. v. 27. 10. 1932 über das Vormundschaftswesen (ABl. 1932, 345).
60
i . Bayern. AusführungsG zum Bürgerlichen Gesetzbuch v. 9. 6. 1899 (BayBS I I I 89) — Anl. 20 — ; Gesetz das Nachlaßwesen betreffend v. 9. 8. 1902 (BayBS I I I 114) — Anl. 21 —; Bek. über das Nachlaßwesen (NachlaßO) v. 20. 3. 03 (BayBS — VJu I I I 166) mit Änderung v. 12. 11. 1962 (BayJMBl. 209); NotariatsG v. 9. 6. 1899 (BayBS I I I 41) — Anl. 23 —; Gesetz zur Ausführung des GerichtsverfassungsG (AGGVG) v. 17. 11. 1956 (BayBS I I I 3), Art. 46 aufgehoben durch § 232 Nr. 17 BRAnwO, Art. 2, 3, 5, 40 Abs. 2 aufgehoben, Art. 4 geändert und Art. 23 durch Einfügung der Nr. 3 erweitert durch Art. 75 BayRiG v. 26. 2. 1965 (GVBl. 13), Art. 13 Abs. 2 aufgehoben durch G v. 14. 3. 1966 (BayGVBl. 101) — Anl. 22 —. Ober die Fortgeltung bayerischen Landesrechts in den ehemals bayerischen Landesteilen des Landes Rheinland-Pfalz vgl. 2. LandesG zur Bereinigung des Rechts im Lande Rheinland-Pfalz v. 22. 7. 65 (GVBl. 157) mit Bek. der Rechtsvorschriften in GVBl. 1966 Sonder-Nr. 1 a.
61
6. Bremen. AusführungsG zum Bürgerlichen Gesetzbuch v. 18. 7. 1899 (GBl. 61 = Sammlung des bremischen Rechts 400 — a — 1) — Anl. 26 — ; G zur Ausführung des GerichtsverfassungsG (AGGVG) v. 11. 10. 1960 (BremGBl. 123); AusführungsG über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 12. 5. 1964 (BremGBl. 50) — Anl. 25 —.
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7. Hamburg. G über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 29. 12. 1899 (ABl. 1168 = HambGuV Nr. 3212-d) — Anl. 27 —; G zur Ausführung des GerichtsverfassungsG v. 25. 10. 1926 (GVBl. 708 = HambGuV Nr. 311-a); Hamb. AusführungsG zum Bürgerlichen Gesetzbuch i. d. F. v. 1. 7. 1958 (GVBl. 196 = HambGuV 40-e) — Anl. 28 —.
V. Das Preußische Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Gesetze der Länder Hessen und Niedersachsen ß3
Das Preußische F G G (über seine heutige Anwendbarkeit s. unten a. E.) verfolgt ein dreifaches Ziel. Einmal trifft es gemäß § 200 des Reichsgesetzes die zur Ergänzung und Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften. Sodann ordnet es diejenigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche nicht durch Reichsgesetz, sondern durch Landesgesetz den Gerichten zugewiesen sind (vgl. unten zu VI). Endlich regelte es die Verhältnisse des Notariats, ist aber insoweit durch die Reichsnotarordnung v. 13. 2. 37 (RGBl. I 191) außer Kraft gesetzt.
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In der Einteilung lehnt sich das Preußische Gesetz an das Reichsgesetz an; es entspricht: Abschnitt I dem ersten Abschnitt, Abschnitt II dem fünften Abschnitt, Abschnitt I I I dem sechsten1) bis achten Abschnitt, Abschnitt I V dem zehnten Abschnitt des Reichsgesetzes.
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Zum zweiten, dritten, vierten und neunten Abschnitt sind Ergänzungs- und Ausführungsbestimmungen nicht erlassen. Abschnitt V des Preußischen Gesetzes betrifft das Verfahren bei Der
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sechste
Abschnitt
(Sdiiffspfandredit)
ist aufgehoben.
V. Das Preußische Gesetz
Einl.
der freiwilligen gerichtlichen Versteigerung von Grundstücken, Abschnitt VI die Amtsstellung der Notare (jetzt bedeutungslos). Die Abschnitte VII und VIII (Besondere Gerichte, Mitwirkung der Gemeindebeamten und Schlußbestimmungen) enthalten teils eine Ausführung der §§ 189 ff. des FGG, teils auch selbständige Bestimmungen, namentlich über Abänderungen des bisherigen Rechts. Für die landesgesetzlichen Angelegenheiten erstrebt das Gesetz (Art. 1 bis 7) die tunlichste Übereinstimmung mit dem Reichsrecht. Im übrigen ist es so gefaßt, daß seine Vorschriften, wo nichts anderes ersichtlich ist, Anwendung auf die reichsgesetzlichen wie auf die landesgesetzlichen Angelegenheiten finden. Für die Angelegenheiten des Landesrechts enthält indessen der erste Abschnitt („Allgemeine Vorschriften") keine völlig erschöpfende Regelung. Einzelne hierher gehörende Punkte sind nämlich im AGGVG geordnet, wie namentlich die Bestimmung des zuständigen Gerichts, die Rechtshilfe, die Sitzungspolizei, die Beratung und Abstimmung. Eine Aufnahme dieser Bestimmungen in das neue Gesetz ist unterblieben, weil die Vorschriften des AGGVG einen weiteren Wirkungskreis haben als das neu geschaffene Gesetz; sie gelten nämlich auch zugleich für diejenigen streitigen Sachen, welche dem Landesrecht überlassen sind, namentlich für die vor gewisse Sondergerichte gehörigen Prozesse. In den eben erwähnten und auch noch in einigen anderen Punkten bedarf sonach das Preußische FGG einer Ergänzung durch das AGGVG. Ein Auszug dieses Gesetzes ist deshalb in Anl. 11 mitgeteilt.
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Der Entwurf des Gesetzes ist mit Begründung unter dem 31. 1. 99 dem Hause der Abgeordneten vorgelegt 2 ) und nach der ersten Beratung v. 16. 2. 993) an eine Kommission überwiesen worden. Nach schriftlicher Berichterstattung der Kommission4) hat die zweite Beratung am 1. 7., die dritte Beratung am 3. 7. 99 stattgefunden 5 ). Das Herrenhaus hat auf schriftlichen KommB den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses unverändert zugestimmt 6 ). Der Entwurf hat unter dem 21. 9. 99 die Genehmigung des Königs gefunden und ist in Nr. 31 der GS (S. 249 bis 284) veröffentlicht worden. Die Art. 36, 60, 93, 94, 110, 119, 127, 136, 137 des Gesetzes sind später geändert, die Art. 109, 112, 125 aufgehoben worden.
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Preußen hatte die Eigenschaft eines Staates, ebenso wie alle anderen Länder der Weimarer Republik, durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches v. 30. 1. 34 (RGBl. I 75) verloren und war seitdem nur noch eine Gebietskörperschaft mit vom Reich abgeleiteten Hoheitsrechten. Dem Zusammenbruch des Reiches im zweiten Weltkrieg folgte tatsächlich alsbald der Zerfall der Verwaltungseinheit Preußen, während die rechtliche Anerkennung dieser Folge erst im KontrRG N r . 46 v. 25. 2. 47 (ABIKontrR 81) über die Auflösung Preußens ihren Ausdruck fand. Gemäß Art. II des G erhielten diejenigen Gebiete, die ein Teil Preußens waren und der Oberhoheit des Kontrollrats unterstanden, die Rechtsstellung von deutschen Ländern oder wurden solchen einverleibt. Das KontrollratsG verhinderte so, im Gegensatz zu den außerpreußischen Gebieten, das Wiederaufleben eines preußischen Staates. Das in den ehemals preußischen Gebieten geltende Recht wurde damit nicht ohne weiteres außer Kraft gesetzt. Seine Abänderung oder Aufhebung ist Sache der Länder, denen diese Gebiete nunmehr angehören. Dies gilt auch für die Vorschriften des Preußischen Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit.
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Von dieser Befugnis haben Gebrauch gemacht das Land Hessen durch den Erlaß des Hessischen Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (HessFGG) v. 12. 4. 54 (GVBl. 59) und des Ortsgerichtsgesetzes v. 6. 7. 52 (GVBl. 124) i. d. F. v. 5. 7. 56 (GVBl. 127) sowie das Land Niedersachsen durch den Erlaß des Niedersächsischen Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (NdsFGG) v. 14. 5. 58 (GVBl. 117). Beide Gesetze (abgedruckt in Anl. 13 und 14) stellen eine Bereinigung und Fortbildung des preußischen Gesetzes dar und beheben zu-
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2
) ) ) 5 ) 3 4
Drucksachen des A H 1899 N r . 35. StenB. ebenda 629 bis 643. Drucksachen aaO. N r . 273. StenB. aaO. 2689 bis 2706, 2724 bis 2730 mit Schlußabstimmung v. 4. 7. 99, ebenda 2755.
Dazu die Abänderungsanträge N r . 280, 284, 304, 307 der Drucksachen, und die Zusammenstellungen N r . 295 und 308 ebenda. «) Drucksachen 1899 N r . 130 u. 137. StenB. v. 24. 8. 99 371 bis 378.
13
Einl.
Einleitung
gleich für ihren Geltungsbereich die Rechtszersplitterung, die durch die Vereinigung von Gebietsteilen mit unterschiedlicher Rechtsentwicklung zu einem Lande eingetreten war. Für das Verständnis der Vorschriften beider Gesetze können die Erläuterungen zu den entsprechenden Vorschriften des preußischen Gesetzes dienlich sein.
VI. Die landesgesetzlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in den ehemals preußischen Gebieten 70
Durch Landesgesetz wurden in Preußen den Gerichten folgende Angelegenheiten der F G übertragen:
71
A. Die in dem nachstehend abgedruckten P r F G G ihnen zugewiesenen Gegenstände. Hierbei ist zu beachten, daß zu den landesrechtlichen Angelegenheiten nicht nur volle Materien gehören, wie z. B. die Beurkundung von anderen Handlungen als von Rechtsgeschäften, sondern daß jede einzelne Verrichtung, deren gerichtliche Vornahme nur auf Landesgesetz beruht, eine landesgesetzliche Angelegenheit darstellt, und zwar auch dann, wenn die Verrichtung in einer Sache stattfindet, welche an sich kraft Reichsrechts vor die Gerichte gewiesen ist. Dies war namentlich für die Zuständigkeit des Reichsgerichts von Bedeutung, da das Landesrecht diesem keine Geschäfte übertragen konnte. Anders jetzt nach G G Art. 99, vgl. § 28 Rdn. 33.
72
B. Außerdem die nachstehenden Angelegenheiten:
73
1. Die gerichtlichen Geschäfte in Stiftungssachen; vgl. A G G V G A G B G B Art. 1, 2 1 );
74
2. die Angelegenheiten des Bahngrundbuchs ( E G B G B Art. 112; G über die Bahneinheiten v. 8. 7. 02 (GS 237) §§ 8 f f . ;
75
3. dieAuflassung von Grundstücken, falls sie vor einem anderen Gericht als dem Grundbuchamt erklärt wird, war früher auf Grund des Art. 143 E G B G B durch Landesrecht den Gerichten übertragen, und zwar zunächst nur für das Gebiet des rheinischen Rechts ( A G B G B Art. 26), sodann allgemein, G v. 13. 5. 18 (GS 51) und 11. 1. 29 (GS 5). Seit der 2. V O über Auflassungen v. 9. 1. 40 (RGBl. I 46), deren Inhalt in § 925 Abs. 1 B G B i. d. F. des GesEinhG v. 5. 3. 53 (BGBl. I 33) aufgegangen ist, beruht diese Zuständigkeit auf Bundesrecht. Der weitere Vorbehalt des Art. 143 E G B G B für die Einigung über die Bestellung oder Übertragung eines Erbbaurechts ist durch E r b b V O § 11 gegenstandslos geworden;
76
4. die Erteilung der gleichen Bescheinigungen, wie bei § 1 zu Rdn. 31 u. 32 bemerkt, in Angelegenheiten des preußischen Staatsschuldbuchs; E G B G B Art. 97; StaatsschuldbuchG v. 27. 5. 10 (GS 55) § 5 N r . 4, § 9 Abs. 3, § 16 Abs. 1 bis 4;
77
5. die Entgegennahme von Erklärungen über Annahme des vollen Familiennamens durch uneheliche, für ehelich erklärte oder an Kindes Statt angenommene Kinder Adeliger, falls die Geburt nicht von einem preußischen Standesbeamten beurkundet ist; V O v. 3. 11. 19 (GS 179) § 1;
78
6. die Feststellung des Zustandes von Gebäuden und künstlichen Anlagen bei Enteignung; EnteigG v. 11. 6. 74 (GS 221) § 35;
79
7. die Aufnahme gerichtlicher Taxen; A G O II 6 §§ 1 f f . und SchätzungsamtsG v. 8. 6. 18 (GS 83) §§ 20 f.;
80
8. die Aufbewahrung der Duplikate der vor dem 1. 10. 74 (dem Tage des Inkrafttretens des preuß. PersonenstandsG v. 9. 3. 74) geführten Kirchenbücher sowie die Aufbewahrung der vor dieser Zeit geführten gerichtlichen Zivilstandsregister und die Erteilung von Zeugnissen aus beiden; A L R II 11 §§ 503, 504; V O v. 30. 3. 1847 (GS 125); G. v. 23. 7. 1847 (GS 263) §§ 8 f f . ; G. v. 9. 3. 74 § 53; ReichsPStG v. 6. 2. 75 (RGBl. 23) § 73; P S t G v. 1
) D i e Aufgebote in Stiftungssachen ( A G B G B Art. 2 §§ 10 f f . ) gehören nicht zur freiwilli-
14
§ 29 (Anl. 11; und
gen, sondern zur streitigen Gerichtsbarkeit.
V I I . Schrifttum
Einl.
3. I I . 37 (RGBl. I 1146) i. d. F. v. 8. 8. 57 ( BGBl. I 1125) § 70 a; vgl. dazu Rdn. 6 z u P S t G § 50 bei FGG § 69 und PrFGG Art. 133, 142; 9. die Beeidigung der Handelsmäkler nach Maßgabe des AGBGB Art. 13;
81
10. Entgegennahme von Erklärungen über den Ehegüterstand; AGBGB Art. 46, 49 bis 55, 57, 58;
82
11. Führung des Güterrechtsregisters, Ausstellung von Zeugnissen über fortgesetzte Gütergemeinschaft nach Landesrecht; AGBGB Art. 64 bis 66;
83
12. Löschung unzulässiger Eintragungen im Handelsregister; AGHGB Art. 2;
84
13. die Entgegennahme von Erklärungen über den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft öffentlichen Rechts und die Erteilung einer Bescheinigung darüber; G v. 30. 11. 20 (GS 1921, 119) § 1. Gegen die Erteilung der Bescheinigung ist die Beschwerde nach Art. 4 bis 7 PrFGG mit dem Ziel der Einziehung statthaft, K G 30. 12. 07 (35, A 49), 5. 11. 37 ( J F G 16 317);
85
14. die Aufbewahrung von Protokollbüchern der Schiedsmänner; § 28 Abs. 2 SchiedsmannsO v. 3. 12. 24 (GS 751).
86
Die vorstehend zu B benannten Angelegenheiten gehören zur Zuständigkeit der Amtsgerichte. Ausgenommen sind:
87
a) die Stiftungssachen (Nr. 1), sofern der Justizminister das LG oder das O L G mit der Verwaltung oder der Beaufsichtigung der Stiftung beauftragt; s. die bei Nr. 1 angeführten Gesetze; b) die Geschäfte betreffs der älteren Standesregister (Nr. 8) in der ehemaligen Rheinprovinz; vgl. hierüber PrFGG Art. 133; s. aber auch Art. 142 Anm. 3; c) die Entscheidung bei Weigerung des Notars, Ausfertigungen oder Abschriften zu erteilen oder Einsicht der Urschrift zu gestatten; PrFGG Art. 51 Abs. 2.
VII. Schrifttum A. Kommentare
88
Carlebach, Kommentar zu dem Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter Einarbeitung der Landesvorschriften von Elsaß-Lothringen, Bayern, Württemberg und Baden, 1913. Ebert-Dudek-Lindemann, Das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1908. Fuchs, Das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter Berücksichtigung des Preuß. Gesetzes über die freiw. Gerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1907. Günther, Die Gesetze des Reiches und Preußens über die freiw. Gerichtsbarkeit, 8. Aufl. 1939. Josef, Das Reichsgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit und das Preuß. Gesetz über die freiw. Gerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1906. Keidel, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 9. Aufl. 1967.
Handausgabe,
Saage in Das Deutsche Bundesrecht II F 10, Text des F G G mit Erl., 1959. Schlegelberger, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 7. Aufl. 1956 mit Nachtrag 1957. Schneider-Ehard, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 4. Aufl. 1932. Weißler, Kommentar zum Reichsgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit, 1900. Wellstein, Das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1906.
15
Einl.
89
Einleitung
B. Lehrbücher und Grundrisse Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit und Notarrecht, 1968. Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit. 1. Buch Allgemeines Verfahrensrecht, Lehrbuch, 1955. Haegele, Aufgaben und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1950. Josef, Lehrbuch des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Deutschen Reich und in Preußen, 1902. Lent, Freiwillige Gerichtsbarkeit. Ein Studienbuch. 3. Aufl. 1958 Lent, Grundriß der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1922. Lent-Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit. Ein Studienbuch, 4. Aufl. 1962. Lux, Schulung für die juristische Praxis. Ein induktives Lehrbuch. 3. Abt. Freiwillige Gerichstbarkeit, 6. Aufl., bearb. von Jansen. 1969. Pikart-Henn, Lehrbuch der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1963. Schwarz, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Grundriß, 1928. Siehr, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Grundriß. 1930. Wiefels, Freiwillige Gerichtsbarkeit (Schaeffers Grundr. Band 12). 38. Aufl. 1963.
90
C. Formularbücher und Merkbücher Baiser, Die Aktiengesellschaft. Bd. 2; Formularbuch, 1968. Bärmann, Praxis des Wohnungseigentums, 2. Aufl. 1968. Firsching, Nachlaßrecht (Handbuch der amtsger. Praxis, Band VI), 3. Aufl. 1967. —, Familienrecht (Handbuch der amtsger. Praxis, Band V), 2. Aufl. 1962. Formular-Kommentar. Formulare für freiwillige Gerichtsbarkeit und Vertragsgestaltung mit Erläuterungen, von Egon Arnold, Franz Goldmann u. a. 1. Teil. Handels- und Wirtschaftsrecht. 1958. 2. Teil. Bürgerliches Recht. Personenrecht, Rechtsgeschäfte, Allgemeines Schuldrecht. 1960. 3. Teil. Familienrecht, Erbrecht. 1968. Haegele, Merkbuch für Bürgermeister und Ratsschreiber über Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Anleitungen. 3. Aufl. 1959. Keidel-Schmatz, Registerrecht (Handbuch der amtsgerichtlichen Praxis, Band VII), 2. Aufl. 1960. Kersten-Bühling, Formularbuch und Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 14. Aufl. 1969. Knauer-Kehrer, Merkbuch für freiwillige Gerichtsbarkeit, herausgegeb. vom Württ. Notarverein, Stuttgart, 2. Aufl. 1957.
g-|
D. Sonderschrifttum Arndt, Rechtspflegergesetz, 1957. Arnold, Stellung und Aufgaben des Rechtspflegers, 1957. —, Verschollenheitsrecht, 1951. Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 1958. Baumann, Unterbringungsrecht, 1966. Barnstedt, Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, 2. Aufl. 1968. Boschan, Der Nachlaßrichter und seine Abteilung, 2. Aufl. 1941. —, Der Vormundschaftsrichter und seine Abteilung, 3. Aufl. 1943. Brand-Hensel, Die Vormundschafts-, Familienrechts- und Fürsorgeerziehungssachen in der gerichtlichen Praxis, 2. Aufl. 1963. Brand-Kleeff, Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis, 2. Aufl. 1961. Brand-Marowski, Die Registersachen in der gerichtlichen Praxis, 4. Aufl. 1956.
16
VII. Schrifttum
Einl.
Diester, Wohnungseigentumsgesetz, 1952. Drischler, Verfügung über die Führung und Einrichtung des Handelsregisters, 1963. Duden-Rowedder, Ehrhardt-Douverne, Feneberg-Simader,
Vertragshilfegesetz, 1952. Wegweiser durch das Notariatsrecht, 2. Aufl. 1968. Personenstandsgesetz, Handkommentar, 1958.
Gilgan, Das Registerrecht und seine Abteilungen, 1937/38. Glaser, Das Vormundsdiaftswesen, 1951. —, Das Nachlaßwesen, 1952. Gräber, Jugendwohlfahrtsgesetz, 2. Aufl. 1963. Haberstumpf-Barthelmeß-Schäler-Firsching, Nachlaßwesen in Bayern, 1952. Haegele, Beurkundungsrecht, 1956. Hense, Notariatsrecht, 1949. Höfer-Huhn, Allg. Urkundenrecht. Ein Handbuch f. d. Notariatspraxis, 1968. Hoffmann-Stephan, Hausratsverordnung, 2. Aufl. 1965. Hofmann-Kersting, Rechtspflegergesetz, 1957. Hubernagel, Wohnungseigentumsgesetz, 1952. Jans-Happe, Jugendwohlfahrtsgesetz, 1963. Krieger-Lenz, Firma und Handelsregister, 1938. Länge-Wulff, G über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, 1954, mit Nachtr. 1963. Länge-Wulff, Höfeordnung, 6. Aufl. 1965. Lang-Weidmüller, Genossensdiaftsgesetz, 27. Aufl. 1959. Maßfeiler, Das gesamte Personalstandsrecht, Kommentar, seit 1951. Maßfeller-Hoffmann, Das gesamte Personenstandsrecht, seit 1961. Meyer-Meulenberg, Reichsgesetz betr. die Erwerbs- und Wirtsdiaftsgenossenschaften, 9. Aufl. 1961. Möhring, Vermögensverwaltung in Vormundschafts- und Nachlaßsachen, 5. Aufl. 1963. Oberneck, Das Notariatsrecht der deutschen Länder, 10. Aufl. 1929. Pape-Michaelis, Registerwesen, 1930. Pfeiffer-Strickert, Personenstandsgesetz, 1961. Pikalo, Land- und fortswirtschaftliches Bodenrecht, 1960. —, Land- und forstwirtschaftliches Grundstücksverkehrs- und Erbrecht im westl. Europa, 1961. Pape-Nadler-Fechner, Nachlaßwesen, 1928. Pape-Schmeißer, Vormundschaftswesen, 1929. Peters, Personenstandsrecht, 3. Aufl. 1956. Potrykus, Jugendwohlfahrtsgesetz, 1953. Pritsch, Das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, 1955. —, Wohnungseigentumsgesetz, in RGRKomm. z. BGB Band VI, 10. Aufl. 1956. Reichard, Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen, 1956. Riedel, Herrn., Jugendwohlfahrtsrecht, 4. Aufl. 1965. Rietsch, Handbuch der Urkundswissenschaft, 2. Aufl. 1904. Rohs, Die Geschäftsprüfung der Notare, 1961. Saage, Vertragshilfegesetz, 1952.
17
Einl.
Einleitung
—, Freiheitsentziehungsverfahren, 1958. —, Bundesnotarordnung, 1961. Sauter-Schweyer, Der eingetragene Verein, 7. Aufl. 1968. Scheyhing, Höfeordnung, 1967. Schubart-Völker, Verschollenheitsrecht, 1950/51. Seybold-Hornig, Bundesnotarordnung, 4. Aufl. 1962. Sternberg-Siehr, Registerrecht, 1930. Stölzel, Das Personenstandsgesetz, 6. Aufl. 1944. Thomsen, System des Personenstandsrechts, 1962. Vogel, Verschollenheitsrecht, 1949/51. Weitnauer-Wirths, Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauer wohnrecht, 2. Aufl. 1955 mit Nachtr. 1961. Wendel, Der eingetragene Verein, 1952. Wöhrmann-Herminghausen, Das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen. 1954. Wöhrmann, Landwirtschaftsrecht, 2. Aufl. 1966. E. Kostenrecht Beushausen-Küntzel-Kersten-Bühling, Kostenordnung, 5. Aufl. 1965. Gerold, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 1958. Göttlich, Kostenordnung, ABC-Ausgabe, 3. Aufl. 1958. Hodes-Wolter, Kostenrechtsprechung seit 1945 in Zivilsachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1961. Höver, Kostenbestimmungen außerhalb der Bundeskostengesetze, 1961. Jonas-Melsheimer-Hornig-Stemmler, Reichskostenordnung, 4. Aufl. 1942. Korintenberg-Wenz-Ackermann, Kostenordnung, 6. Aufl. 1965. Lappe-Stöber, Kosten in Handelssachen, 1964. Lauterbach-Albers, Kostengesetze, 15. Aufl. 1966. Luetgebrune, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 1957. Maier-Widmann, Kostenordnung, 2. Aufl. 1962. Martini, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 1958. Riedel-Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 1958. Rohs-Wedewer, Kostenordnung, 2. Aufl. 1958/59. Schneider, Egon, Die Notarkosten-Beschwerde, 1966. Schumann, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 1957 mit Erg. 1961. Swolana, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 1958. Tschiscbgale, Anwaltsgebührenberechnung und Geschäftswertbestimmung in der freiw. Gerichtsbarkeit, 1964. Tschischgale-Luetgebrune-Lappe, Kostenrechtsprechung. Nachschlagewerk wichtiger Kostenentsdieidungen mit krit. Anm., seit 1961. Willenbücher, Das Kostenfestsetzungsverfahren und die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 16. Aufl. 1959. F. Zeitschriften und Entscheidungssammlungen sind aus dem Abkürzungsverzeichnis ersichtlich. 18
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Vom 17. Mai 1898 (RGBl. 189) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 771) und der Veröffentlichung im BGBl. I I I 315—1 unter Berücksichtigung späterer Änderungen Erster
§ 1
Abschnitt
Allgemeine Vorschriften [Geltungsbereich der allgemeinen Vorschriften]
Für diejenigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche durch Reichsgesetz den Gerichten übertragen sind, gelten, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die nachstehenden allgemeinen Vorschriften.
§ 2
[Rechtshilfe]
Die Gerichte haben sich Rechtshilfe zu leisten. Die §§ 158 bis 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes 1 ) finden Anwendung.
§ 3
[Gerichtsstand für Exterritoriale und Beamte im Ausland]
(1) Soweit f ü r die örtliche Zuständigkeit der Gerichte der Wohnsitz eines Beteiligten m a ß gebend ist, bestimmt sidi f ü r Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, sowie f ü r Beamte des Reichs oder eines Bundesstaats, die im Ausland angestellt sind, der Wohnsitz nach den Vorschriften des § 15 der Zivilprozeßordnung. (2) Ist der f ü r den Wohnsitz einer Militärperson maßgebende Garnisonort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so wird der als Wohnsitz geltende Bezirk von der Landesjustizverwaltung durch allgemeine Anordnung bestimmt.
§ 4
[Zuständigkeit mehrerer Gerichte]
Unter mehreren zuständigen Gerichten gebührt demjenigen der Vorzug, welches zuerst in der Sache tätig geworden ist.
§ 5*)
[Bestimmung des zuständigen Gerichts]
(1) Besteht Streit oder Ungewißheit darüber, welches von mehreren Gerichten örtlich zuständig ist, so wird das zuständige Gericht durch das gemeinschaftliche obere Gericht und, falls dieses der Bundesgerichtshof 3 ) ist, durch dasjenige Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört. Ist das zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Ausübung des Richteramts rechtlich oder tatsächlich verhindert, so erfolgt die Bestimmung durch das ihm im Instanzenzuge vorgeordnete Gericht. (2) Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. >) Jetzt SS 157—168 GVG. *) S 5 Abs. 1 Satz 1 i. d. F. des G v. 22. 5. 1910 (RGBl. 767). ®) An die Stelle des Reichsgerichts ist in der Bundesrepublik und in Berlin-West der Bun-
desgerichtshof getreten (Art. 8 Nr. 88 RechtseinhG v. 12. 9. 1950, BGBl. 455 Art. 7 Nr. 41, 42 G v. 9. 1. 1951, VOB1. I, 99), ebenso im Saarland (Art. 9 II Nr. 5 RÄG v. 22. 12. 1956, ABl. 1667).
19
§§
§ 6
6-13
Freiwillige Gerichtsbarkeit
[Ausschließung und Ablehnung des Richters]
(1) Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst beteiligt ist oder in denen er zu einem Beteiligten in dem Verhältnis eines Mitberechtigten oder Mitverpflichteten steht; 2. in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. in Sachen einer Person, mit der in gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist; 4. in Sachen, in denen er als Vertreter eines Beteiligten bestellt oder als gesetzlicher Vertreter eines solchen aufzutreten berechtigt ist. (2) Ein Richter kann sich der Ausübung seines Amtes wegen Befangenheit enthalten. Die Ablehnung eines Richters ist ausgeschlossen4).
§ 7
[Handlungen unzuständiger und ausgeschlossener Richter]
Gerichtliche Handlungen sind nicht aus dem Grunde unwirksam, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht oder von einem Richter vorgenommen sind, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.
§ 8
[Gerichtssprache. Sitzungspolizei. Beratung und Abstimmung]
Auf das gerichtliche Verfahren finden die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Gerichtssprache, über die Sitzungspolizei und über die Beratung und Abstimmung entsprechende Anwendung, die Vorschriften über die Gerichtssprache mit den sich aus dem § 9 ergebenden Abweichungen.
§ 9
[Dolmetscher]
Der Zuziehung eines Dolmetschers bedarf es nicht, wenn der Richter der Sprache, in der sich die beteiligten Personen erklären, mächtig ist; die Beeidigung des Dolmetschers ist nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten. Auf den Dolmetscher finden die Vorschriften des § 6 entsprechende Anwendung.
§10
[Gerichtsferien]
Auf das gerichtliche Verfahren sind die Gerichtsferien ohne Einfluß. Die Bearbeitung der Vormundschaftssachen und der Nachlaßsachen kann während der Ferien unterbleiben, soweit das Bedürfnis einer Beschleunigung nicht vorhanden ist.
§11
[Anträge und Erklärungen]
Anträge und Erklärungen können zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts oder der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts erfolgen 5 ).
§12
[Amtsermittlungspf licht]
Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen.
§13
[Beistände und Bevollmächtigte]
Die Beteiligten können mit Beiständen erscheinen. Sie können sich, soweit nicht das Gericht das persönliche Erscheinen anordnet, auch durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Bevollmächtigten haben auf Anordnung des Gerichts oder auf Verlangen eines Beteiligten die Bevollmächtigung durch eine öffentlich beglaubigte Vollmacht nachzuweisen. *) § 6 Abs. 1 N r . 2 i. d. F. des G v. 11. 7. 1922 (RGBl. I 573). § 6 Abs. 2 Satz 2 ist durch Beschl. des BVerfG v. 8. 2. 1967 (BGBl. I
20
502) für nichtig erklärt worden. 5) 5 u ¡, J . p. der V O v. 30. 11. 1927 (RGBl. I 334).
Gesetzestext
§ 13a
§§
13a—17
[Kostenerstattung, Kostenfestsetzung]
(1) Sind an einer Angelegenheit mehrere Personen beteiligt, so kann das Gericht anordnen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlaßt, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen 6 ). (2) Die Vorschriften des § 91 Abs. 1 Satz 2 und der §§ 1021) bis 107 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. (3) Unberührt bleiben bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenerstattung abweichend regeln.
§ 14
[Armenrecbt]
Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Armenrecht sowie die Vorschriften finden entsprechende Anwendung. §§ 34 bis 36 der Rechtsanwaltsverordnung8)
§ 15
der
[Beweisverfahren]
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über den Beweis durch Augenschein8), über den Zeugenbeweis, über den Beweis durch Sachverständige und über das Verfahren bei der Abnahme von Eiden finden entsprechende Anwendung. Ober die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet jedoch, unbeschadet der §§ 393, 402 der Zivilprozeßordnung, das Ermessen des Gerichts. (2) Behufs der Glaubhaftmachung einer tatsächlichen Behauptung kann ein Beteiligter zur Versicherung an Eides Statt zugelassen werden.
§ 16
[Bekanntmachung und Wirksamwerden der Verfügungen]
(1) Gerichtliche Verfügungen werden mit der Bekanntmachung an denjenigen, für welchen sie ihrem Inhalte nach bestimmt sind, wirksam. (2) Die Bekanntmachung erfolgt, wenn mit ihr der Lauf einer Frist beginnt, durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung; durch die Landesjustizverwaltung kann jedoch für Zustellungen im Ausland eine einfachere Art der Zustellung angeordnet werden. In denjenigen Fällen, in welchen mit der Bekanntmachung nicht der Lauf einer Frist beginnt, soll in den Akten vermerkt werden, in welcher Weise, an welchem Orte und an welchem Tage die Bekanntmachung zur Ausführung gebracht ist; durch die Landesjustizverwaltung kann näher bestimmt werden, in welcher Weise in diesen Fällen die Bekanntmachung zur Ausführung gebracht werden soll. (3) Einem Anwesenden kann die Verfügung zu Protokoll bekanntgemacht werden. Auf Verlangen ist ihm eine Abschrift der Verfügung zu erteilen.
§ 17
[Fristen]
(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages 10 ). •) s 13 a eingefügt durch A r t . I X § 4 KostenÄ n d G v. 26. 7. 1957 ( B G B l . I 861, BerlinWest Ü G v. 9. 8. 1957, GVB1. 9 0 1 ) ; im Saarland in Geltung gemäß A r t . 6 § 18 G N r . 637 v . 18. 6. 1958 ( A B l . Saar 1039). 7 ) § 102 Z P O ist mit Wirkung v . 1. 1. 1965 aufgehoben (Art. 2 N r . 1, A r t . 7 G zur Anderung von Wertgrenzen und Kosten Vorschriften in der Zivilgerichtsbarkeit v. 27. 11. 1964, B G B l . I , 9 3 3 ; Berlin-West Ü G v. 8. 12. 1964, GVB1. 1340).
) J e t z t §§ 116 bis 116 b Z P O . ») § 15 Abs. 1 Satz 1 i. d. F . des Art. 5 I N r . 1 R e c h t s E i n G v. 12. 9 . 1950 ( B G B l . 455), B e r lin-West RechtsEinhG v . 9. 1. 1951 ( V O B l . I 99 Art. 4, Saarland RechtsAnglG v. 22. 12. 1956 (ABl. Saar 1167). 10) § 17 Abs. 2 geändert durch G über den Fristablauf am Sonnabend v. 10. 8. 1965, B G B l . I 7 5 3 ; Berlin-West Ü G v. 19. 8. 1965, GVB1. 1006. 8
21
§§ 18-22 §18
Freiwillige Gerichtsbarkeit
[Änderung gerichtlicher Verfügungen]
(1) Erachtet das Gericht eine von ihm erlassene Verfügung nachträglich f ü r ungerechtfertigt, so ist es berechtigt, sie zu ändern; soweit eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, darf die Änderung nur auf Antrag erfolgen. (2) Zu der Änderung einer Verfügung, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, ist das Gericht nicht befugt.
§19
[Statthaftigkeit der Beschwerde. Beschwerderechtszug]
(1) Gegen die Verfügungen des Gerichts erster Instanz findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt. (2) Ober die Beschwerde entscheidet das Landgericht.
§ 20
[Beschwerdeberechtigung]
(1) Die Beschwerde steht jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. (2) Soweit eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.
§ 20a 1 1 '
[Anfechtung von Kostenentscheidungen]
(1) Die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. (2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so findet gegen die Entscheidung über den Kostenpunkt die sofortige Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes fünfzig Deutsche Mark übersteigt.
§ 21
[Einlegung der Beschwerde]
(1) Die Beschwerde kann bei dem Gerichte, dessen Verfügung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. (2) Die Einlegung erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdesdirift oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle desjenigen Gerichts, dessen Verfügung angefochten wird, oder der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts.
§ 22
[Sofortige Beschwerde. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand]
(1) Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Verfügung dem Beschwerdeführer bekanntgemacht worden ist. (2) Einem Beschwerdeführer, der ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, ist auf Antrag von dem Beschwerdegericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Eine Versäumung der Frist, die in dem Verschulden eines Vertreters ihren Grund hat, wird als eine unverschuldete nicht angesehen. Gegen die Entscheidung über den Antrag findet die sofortige weitere Beschwerde statt. Nach dem Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. u
) § 20 a eingefügt für die Bundesrepublik und Berlin-West durch Art. 5 Nr. 2 des RechtseinhG v. 12. 9. 1950 (BGBl. 455, 501), Art. 4
22
Nr. 2 G v. 9. 1. 1951 (VOB1. I, 99); für das Saarland durdi Art. 4 Nr. 2 ReditsanglG v. 22. 12. 1956 (ABl. 1667).
Gesetzestext
§ 23
§§ 23-29
[Beschwerdebegründung. Neues Vorbringen]
Die Beschwerde kann auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden.
§ 24
[Aufschiebende Wirkung der Beschwerde]
(1) Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen eine Verfügung gerichtet ist, durch die eine Strafe festgesetzt wird. (2) Das Gericht, dessen Verfügung angefochten wird, kann anordnen, daß die Vollziehung auszusetzen ist. (3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen ist.
§ 25
[Begründung der Beschwerdeentscheidung]
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist mit Gründen zu versehen.
§ 26
[Wirksamkeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts]
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts wird in den Fällen, in welchen die sofortige weitere Beschwerde stattfindet, erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
§ 27
[Weitere Beschwerde]
Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zulässig, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Vorschriften der §§ 550, 551, 561, 563 der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung.
§ 28
[Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde]
(1) Ober die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. (2) Will das Oberlandesgericht bei der Auslegung einer reichsgesetzlichen Vorschrift, welche eine der im § 1 bezeichneten Angelegenheiten betrifft, von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts, falls aber über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs 12 ) ergangen ist, von dieser abweichen, so hat es die weitere Beschwerde unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Der Beschluß über die Vorlegung ist dem Beschwerdeführer bekannt zu machen. (3) In den Fällen des Abs. 2 entscheidet über die weitere Beschwerde der Bundesgerichtshof.
§ 29
[Einlegung der weiteren Beschwerde. Sofortige weitere Beschwerde]
(1) Die weitere Beschwerde kann bei dem Gericht erster Instanz, bei dem Landgericht oder bei dem Oberlandesgericht eingelegt werden. Erfolgt die Einlegung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, so muß diese von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Der Zuziehung eines Rechtsanwalts bedarf es nicht, wenn die Beschwerde von einer Behörde oder von einem Notar eingelegt wird, der in der Angelegenheit für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt hat. (2) Soweit eine Verfügung der sofortigen Beschwerde unterliegt, findet auch gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die sofortige weitere Beschwerde statt. I2
) An die Stelle des Reichsgerichts ist in der Bundesrepublik und in Berlin-West der Bundesgerichtshof getreten (Art. 8 N r . 88 RechtseinhG v. 12. 9. 1950, BGBl. 455, Art. 7
N r . 41, 42 G v. 9. 1. 1951, VOB1. I, 99); ebenso im Saarland (Art. 9 I I N r . 5 R A G v. 22. 12. 1956, ABl. Saar 1667).
23
§§ 30-34
Freiwillige Gerichtsbarkeit
(3) Das Gericht erster Instanz und das Landgericht sind nicht befugt, der weiteren Beschwerde abzuhelfen. (4) Im übrigen finden die Vorschriften über die Beschwerde entsprechende Anwendung.
§ 30
[Zuständige Kammern und Senate der Beschwerdegerichte]
(1) Die Entscheidungen über Beschwerden erfolgen bei den Landgerichten durch eine Zivilkammer, bei den Oberlandesgerichten und bei dem Bundesgerichtshof 13 ) durch einen Zivilsenat. Ist bei einem Landgericht eine Kammer f ü r Handelssachen gebildet, so tritt für Handelssachen diese Kammer an die Stelle der Zivilkammer.
§ 31
[Rechtskraftzeugnis]
Zeugnisse über die Rechtskraft einer Verfügung sind von der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz zu erteilen 14 ).
§ 32
[Folgen der Aufhebung einer Verfügung]
Ist eine Verfügung, durch die jemand die Fähigkeit oder die Befugnis zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder zur Entgegennahme einer Willenserklärung erlangt, ungerechtfertigt, so hat, sofern nicht die Verfügung wegen Mangels der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unwirksam ist, die Aufhebung der Verfügung auf die Wirksamkeit der inzwischen von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluß.
§ 33
[Vollziehung gerichtlicher Verfügungen]
(1) Ist jemandem durch eine Verfügung des Gerichts die Verpflichtung auferlegt, eine Handlung vorzunehmen, die ausschließlich von seinem Willen abhängt, oder eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so kann ihn das Gericht, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, zur Befolgung seiner Anordnung durch Ordnungsstrafen anhalten. Bei Festsetzung der Ordnungnsstrafe ist der Beteiligte zugleich in die Kosten des Verfahrens zu verurteilen 15 ). (2) Soll eine Sache oder eine Person herausgegeben oder eine Sache vorgelegt werden, oder ist eine Anordnung ohne Gewalt nicht durchzuführen, so kann auf Grund einer besonderen Verfügung des Gerichts auch Gewalt gebraucht werden. Der Vollstreckungsbeamte ist befugt, erforderlichenfalls die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachzusuchen. Die Kosten fallen dem Verpflichteten zur Last. Die Vorschriften des § 752 und des § 790 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden1"). Wird die Sache oder die Person nicht vorgefunden, so kann das Gericht den Verpflichteten zur Leistung des Offenbarungseides anhalten. Der § 883 Abs. 2 und 3, der § 900 Abs. 1 und die §§ 901, 902, 904 bis 910, 91216), 913 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden. (3) Die Ordnungsstrafe (Abs. 1) muß, bevor sie festgesetzt wird, angedroht werden. Die einzelne Strafe darf den Betrag von eintausend Deutsche Mark nicht übersteigen. Die Besondere Verfügung (Abs. 2) soll in der Regel, bevor sie erlassen wird, angedroht werden.
§ 34
[Akteneinsicht. Abschriften]
Die Einsicht der Gerichtsakten kann jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Das gleiche gilt von der Erteilung einer Abschrift; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen. 13 14
) Siehe Fußn. 12. ) § 31 i. d. F. des Art. 6 d. VO v. 30. 11. 1927 (RGBl. I 334).
24
§ 33 i. d. F. des Art. 4 d. V O v. 5. 8. 1935 (RGBl. I 1065). i«) §§ 752, 790 und 912 Z P O sind weggefallen.
Gesetzestext Zweiter
§§ 35-39
Abschnitt
Vormundschaftssachen § 35
[Sachliche Zuständigkeit]
Für die dem Vormundschaftsgericht obliegenden Verrichtungen sind die Amtsgerichte zuständig.
§ 36
[örtliche Zuständigkeit für Vormundschaften]
(1) Für die Vormundschaft ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Mündel zu der Zeit, zu welcher die Anordnung der Vormundschaft erforderlich wird, seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat. Wird die Anordnung einer Vormundschaft über Geschwister erforderlich, die in den Bezirken verschiedener Vormundschaftsgerichte ihren Wohnsitz oder ihren Aufenthalt haben, so ist, wenn für einen der Mündel schon eine Vormundschaft anhängig ist, das f ü r diese zuständige Gericht, anderenfalls dasjenige Gericht, in dessen Bezirke der jüngste Mündel seinen Wohnsitz oder seinen A u f enthalt hat, f ü r alle Geschwister maßgebend. (2) Ist der Mündel Deutscher und hat er im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin-Schöneberg zuständig. Es kann die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht abgeben; die A b g a b e v e r f ü g u n g ist f ü r dieses Gericht bindend 1 7 ). (3) Für die Vormundschaft über einen Minderjährigen, dessen Familienstand nicht zu ermitteln ist, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Minderjährige aufgefunden wurde.
§ 37
[örtliche Zuständigkeit für die Ergänzungspflegschaft]
(1) Soll jemand nach § 1909 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einen Pfleger erhalten, so ist, wenn bei einem inländischen Gericht eine Vormundschaft über ihn anhängig ist, f ü r die Pflegschaft dieses Gericht zuständig. Im übrigen finden auf die Pflegschaft die Vorschriften des § 36 Anwendung. (2) Für die Pflegschaft über einen Ausländer, f ü r den bei einem inländischen Gericht eine Vormundschaft nicht anhängig ist und der im Inlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt.
§ 38
[Gebrechlichkeitspflegsdiaft]
A u f die Zuständigkeit f ü r die Pflegschaft über einen Gebrechlichen finden die Vorschriften des § 36 Abs. 1, 2 und des § 37 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
§ 39
[Abwesenheitspflegschaft]
(1) Für die Pflegschaft über einen Abwesenden ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Abwesende seinen Wohnsitz hat. (2) H a t der Abwesende im Inlande keinen Wohnsitz, so finden die Vorschriften des § 36 Abs. 2 und des § 37 Abs. 2 entsprechende Anwendung. « ) § 36 Abs. 2 neu gefaßt durch Art. 4 Nr. 1 FamRÄndG v. 11. 8. 1961 (BGBl. I 1221; Berlin-West ÜG v. 21. 8. 1961, GVB1. 1121); in Kraft seit 1. 1. 1962 (Art. 9 IV FamR-
ÄndG). Bei den übrigen Änderungen des FGG durch das FamRÄndG gilt für den Zeitpunkt des Inkrafttretens und die Übernahme für Berlin-West das Entsprechende.
25
§§ 40-44 § 40
Freiwillige Gerichtsbarkeit
[Pflegschaft für eine Leibesfrucht]
Für die Pflegschaft über eine Leibesfrucht ist das Gericht zuständig, welches für die Vormundschaft zuständig sein würde, falls das Kind zu der Zeit, zu welcher das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt, geboren wäre.
§ 41
[Pflegschaft für unbekannte Beteiligte]
Wird im Falle des § 1913 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Anordnung einer Pflegschaft für den bei einer Angelegenheit Beteiligten erforderlich, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt.
§ 42
[Pflegschaft für ein Sammelvermögen]
Für die Pflegschaft zum Zwecke der Verwaltung und Verwendung eines durch öffentliche Sammlung zusammengebrachten Vermögens ist das Gericht des Ortes zuständig, an welchem bisher die Verwaltung geführt wurde.
§ 43
[Zuständigkeit für einzelne Verrichtungen]
(1) Die Zuständigkeit für eine Verrichtung des Vormundschaftsgerichts, die nicht eine Vormundschaft oder eine Pflegschaft betrifft, bestimmt sidi, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, nach den Vorschriften des § 36 Abs. 1, 2; maßgebend ist für jede einzelne Angelegenheit der Zeitpunkt, in welchem das Gericht mit ihr befaßt wird. (2) Steht die Person, deretwegen das Vormundschaftsgericht tätig werden muß, unter Vormundschaft oder Pflegschaft oder ist dem Vater oder der Mutter dieser Person ein Beistand bestellt, so ist das Gericht zuständig, bei dem die Vormundschaft, Pflegschaft oder Beistandschaft anhängig ist 18 ).
§ 43a
[örtliche Zuständigkeit für die Ehelichkeitserklärung]
(1) Für die Ehelichkeitserklärung ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Vater seinen Wohnsitz oder, falls ein solcher im Inland fehlt, seinen Aufenthalt hat; maßgebend ist der Wohnsitz oder Aufenthalt in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag eingereicht oder im Falle des § 1733 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs das Gericht oder der Notar mit der Einreichung betraut wird 19 ). (2) Ist der Vater Deutscher und hat er im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin-Schöneberg zuständig. Es kann die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht abgeben; die Abgabeverfügung ist für dieses Gericht bindend.
§ 44
[Zuständigkeit für gewisse einstweilige Maßregeln]
Für die in den §§ 169320), 1846 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und im Art. 23 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bezeichneten Maßregeln ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt. Das Gericht soll, wenn eine Vormundschaft, Pflegschaft oder Beistandschaft anhängig ist, von den angeordneten Maßregeln dem nach § 43 Abs. 2 zuständigen Gerichte Mitteilung machen. 18) § 43 Abs. 2 i. d. F. des Art. 4 N r . 1 GleichberG v. 18. 6. 1957 (BGBl. I 609; BerlinWest O G v. 24. 6. 1957, GVB1. 697). Bei den weiteren Änderungen des FGG durch das GleichberG gilt für die Übernahme nach Berlin-West das Entsprechende.
26
" ) § 43 a eingefügt durch Art. 4 N r . 2 FamRÄndG v. 11. 8. 1961 (BGBl. I 1221). 2») Gemäß Art. 4 N r . 2 GleichberG v. 18. 6. 1957 (BGBl. I 609) wurde die Verweisung auf § 1665 BGB durch die auf § 1693 BGB ersetzt.
Gesetzestext
§ 44a 11 '
§§ 44a—46
[Befreiung vom Eheverbot der Schwägerschaft und der Geschlechtsgemeinschaft]
(1) Für die Befreiung vom Eheverbot wegen Schwägerschaft und Geschlechtsgemeinsdiaft ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. H a t keiner von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin-Schöneberg zuständig. Es kann die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht abgeben; die Abgabeverfügung ist für dieses Gericht bindend. (2) Die Verfügung, durch die das Gericht die Befreiung erteilt, ist unanfechtbar. Das Gericht darf sie nicht mehr ändern, wenn die Ehe geschlossen worden ist.
§ 44b 11 '
[Befreiung vom Eheverbot des Ehebruchs]
(1) Für die Befreiung vom Eheverbot wegen Ehebruchs ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der wegen Ehebruchs geschiedene Verlobte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sind beide Verlobte wegen Ehebruchs geschieden, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Mann seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. H a t im Falle des Satzes 1 der geschiedene Verlobte, im Falle des Satzes 2 der Mann im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der andere Verlobte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. H a t keiner der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist § 44 a Abs. 1 Satz 2, 3 anzuwenden. (2) Die Verfügung, durch die das Gericht die Befreiung erteilt, ist unanfechtbar. Das Gericht darf sie nicht mehr ändern, wenn die Ehe geschlossen worden ist.
§ 45"'
[Zuständigkeit für Streitigkeiten unter Ehegatten]
(1) Wird in einer Angelegenheit, welche die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten oder der geschiedenen Ehegatten zueinander oder das eheliche Güterrecht betrifft, eine Tätigkeit des Vormundschaftsgerichts erforderlich, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben. (2) H a t keiner der Ehegatten im Bezirk dieses Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder haben sie einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nicht gehabt, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, dessen Recht durch die beantragte Verfügung beeinträchtigt würde. H a t dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland oder läßt sich sein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland nicht feststellen, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (3) Ist ein Ehegatte verstorben, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der überlebende Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt gehabt hat. (4) Ist die Zuständigkeit eines Gerichts nach den vorstehenden Vorschriften nicht begründet, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin-Schöneberg zuständig. (5) Für die Zuständigkeit ist in jeder einzelnen Angelegenheit der Zeitpunkt maßgebend, in dem das Gericht mit ihr befaßt wird.
§ 46
[Abgabe von Vormundschaftssachen]
(1) Das Vormundschaftsgericht kann die Vormundschaft aus wichtigen Gründen an ein anderes Vormundschaftsgericht abgeben, wenn sich dieses zur Übernahme der Vormundschaft bereit erklärt; nach der Bestellung des Vormundes ist jedoch dessen Zustimmung erforderlich. Als ein wichtiger Grund ist es in der Regel anzusehen, wenn ein unter Vormundschaft stehender Minderjähriger wegen einer strafbaren Handlung vor einem anderen Gericht angeklagt ist23). sl
) SS 44 a und 44 b eingefügt durch Art. 4 Nr. 3 FamRÄndG v. 11. 8. 1961 (BGBl. I 1221). 22) S 45 i. d. F. des Art. 4 Nr. 3 GleichberG v. 18. 6. 1957 (BGBl. I 609).
23
) S 46 Abs. 1 Satz 2 i. d. F. des JGG v. 16. 2. 1923 (RGBl. I 135).
27
§§ 47-51
Freiwillige Gerichtsbarkeit
(2) Einigen sich die Gerichte nicht oder verweigert der Vormund oder, wenn mehrere Vormünder die Vormundschaft gemeinschaftlich führen, einer von ihnen seine Zustimmung, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht und, falls dieses der Bundesgerichtshof ist, dasjenige Oberlandesgericht, zu dessen Bezirke das Gericht gehört, an welches die Vormundschaft abgegeben werden soll 24 ). Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. (3) Diese Vorschriften finden auf die Pflegschaft und die im § 43 bezeichneten Angelegenheiten entsprechende Anwendung.
§ 47
[Vormundschaft und Pflegschaft im Ausland. Abgabe an das Ausland]
(1) Ist über einen Deutschen, der im Auslande seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs erforderliche Vormundschaft im Ausland angeordnet, so kann die Anordnung der Vormundschaft im Inland unterbleiben, wenn dies im Interesse des Mündels liegt. (2) H a t ein Deutscher, über den im Inland eine Vormundschaft angeordnet ist, im Auslande seinen Wohnsitz oder Aufenthalt, so kann das Gericht, bei welchem die Vormundschaft anhängig ist, sie an den ausländischen Staat abgeben, wenn ») BayObLGZ 5, 516; BayObLG J W 1932, 1395; KG KGB1. 1926, 70 = H R R 1926 Nr. 811. S 4 ) Keidel $ 2 Rdn. 7. 3 5 ) Jena OLGR 5, 261; Celle OLGR 12, 184; Colmar OLGR 30, 147.
»«) Rostock OLGR 6, 497; Kassel OLGR 10, 20; Keidel § 2 Rdn. 7; Wollstein» § 16 Anm. 30. « ) RGZ 95, 286; K G J 44, 102; a. M. Kiel JW 1938, 825; wie hier SAlegelberger Anm. 12, Keidel Rdn. 6. 3 8 ) Keidel Rdn. 13. 3») RG J R 1927, 607; RGZ 115, 368; R G D J Z 1910, 478. 4 ») RGZ 69, 271. 4 1 ) So mit Recht Sdilegelberger § 2 Rdn. 10.
101
Freiwillige Gerichtsbarkeit ments oder ob er die Erbschaft angenommen hat 4 2 ); um Entgegennahme der Erbaussdilagungserklärung 4 3 ); um Aufnahme des Nachlaßverzeidinisses nach § 2003 BGB 44 ); um Abnahme des Offenbarungseides nach § 2006 BGB 45 ).
11
IV. Das Vormundschaftsgericht kann im Rahmen einer einzuleitenden oder anhängigen Vormundschaft um Rechtshilfe ersuchen zur Befragung des zum Vormund Berufenen, ob er seiner Übergehung zustimmt 46 ), zur Vernehmung der Mutter über den Verbleib des Mündels 47 ), zur Befragung des Vormunds, ob er der Abgabe der Vormundschaft an ein anderes Gericht zustimmt 48 ) oder zur Verpflichtung des Vormundes oder Pflegers nach §§ 1789, 1915 BGB (vgl. ferner Rdn. 9 a. E. sowie zur Befugnis des VormG, die Anerkennung der außerehelichen Vaterschaft und die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung im Wege der Rechtshilfe herbeizuführen, die Ausführungen zu Rdn. 5). Das Ersuchen muß erkennen lassen, in welcher Angelegenheit es ergeht, insbesondere bei einem Ersuchen um Zeugenvernehmung, ob es sich um Durchführung einer den Gerichten zugewiesenen Angelegenheit der F G handelt. Zeugniszwang darf nur angewendet werden, wenn die Feststellung der durch das Zeugnis zu ermittelnden Tatsachen gesetzlich zu den Aufgaben des betreffenden Verfahrens gehört, wie z. B. bei der Feststellung derjenigen Tatsachen, von denen die Einleitung einer Vormundschaft oder die Auswahl des Vormundes abhängt, nicht aber zum Zweck bloßer Vorbereitung oder Vermeidung von Prozessen, also z. B. nicht um die ausstehenden Forderungen eines Mündels festzustellen oder um den außerehelichen Vater eines Mündels zu ermitteln 49 ). Bei solchen rein privatrechtlichen Ansprüchen h a t der Mündel keine andere Stellung als jeder Privatmann bei der Vorbereitung seiner Prozesse. Ein Ersuchen des Vormundschaftsgerichts um Vernehmung im Wege der Rechtshilfe muß klarstellen, nach welcher dieser Richtungen es zielt; sonst ist es abzulehnen 50 ) Vor allem gehört die selbständige Ermittlung des Erzeugers nicht zu den Aufgaben des VormG. Es darf deshalb auch nicht auf Verlangen oder zur Unterstützung des Vormundes förmliche Beweiserhebungen zur Feststellung des Erzeugers des unehelichen Kindes durchführen 5 1 ). Aus denselben Gründen ist im Verfahren zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Vaterschaftsanerkennung des minderjährigen Erzeugers ein Ersuchen um eidliche Vernehmung der Mutter über Mehrverkehr unzulässig 52 ); ebenso sind Beweiserhebungen über die Abstammung des ehelichen Kindes im Verfahren zur Erreilung der Genehmigung zur Anfechtung der Ehelichkeit nach § 1597 BGB unzulässig. Anders ist es, wenn dem VormG in einem besonderen Verfahren gerade die Feststellung des Status des Kindes übertragen ist und es hierzu der Klärung seiner Abstammung bedarf, z. B. im Verfahren zur Feststellung der Legitimation durch nachfolgende Ehe nach § 31 PStG 5 3 ) oder bei der Ehelichkeitserklärung (vgl. § 56a R d n . 11) oder bei der Entscheidung des VormG über die Anfechtung der Ehelichkeit nach dem Tode des Kindes oder des Mannes (vgl. § 56b Rdn. 30). In diesen Fällen ist Rechtshilfe unbeschränkt zulässig. Das VormG kann auch um persönliche Anhörung des Kindes (§ 1695 Abs. 2 BGB) ersuchen 54 ).
•|2
Cr. Rechtshilfeverfahren Auf das Rechtshilfeverfahren finden nach § 2 die Vorschriften der §§ 157 bis 168 G V G (i. d. Fassung vom 12. 9. 1950, BGBl. 513) Anwendung. Diese Vorschriften bestimmen: 42
) RGZ 69, 271; Frankfurt FamRZ 1960, 165. « ) BayOblGZ 18, 103 = KGJ 53, 253 = OLGR 36, 226 = RJA 16, 48; BayOblGZ 1952, 295. 44 ) RGZ 106, 287. 45 ) München OLGR 30, 401. « ) Dresden OLGR 12, 184. " ) München OLGR 21, 190. 4S ) Colmar OLGR 25, 275. 4 ») KG JPG 22, 37 = DJ 1940, 1174; KG JFG 22, 40,
102
5
«) KGJ 22, A 205; KG DJ 1905, 748; Kassel OLGR 2, 392 u. ZB1FG 5, 630; a. M. Keidel § 15 Anm. 2. 51 ) KG JFG 22, 37; München JFG 23, 315. 52 ) Hamm JMB1NRW 1961, 247. 5S ) München JFG 22, 229; KG JFG 22, 292; RGZ 162, 316; 169, 158. « ) Frankfurt OLGZ 1967, 345.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
2
I. Rechtshilfegericht § 157 G V G lautet: Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das Amtsgericht zu richten, in dessen Bezirk § 157. die Amtshandlung vorgenommen werden soll. 1. Das Rechtshilfeersuchen erläßt der Vorsitzende des ersuchenden Gerichts (vgl. § 382 Z P O ) oder nach § 194 G V G die nach Landesrecht zuständige nichtgerichtliche Behörde. Audi der Rechtspfleger kann in übertragenen Sachen selbständig gemäß § 4 Abs. 1 RechtspflG um Rechtshilfe ersuchen 55 ), jedoch nach § 4 Abs, 2 N r . 1 RechtspflG nicht um die Abnahme von Eiden 5 6 ). Das Ersuchen muß ausdrücklich gestellt werden; stillschweigende oder vermutete Ersuchen gibt es nicht 57 ). Der Gegenstand muß hinreichend bestimmt sein; ein allgemeines E r suchen um Vornahme von Ermittlungen ist unzulässig (Ausnahme § 82a Satz 2 G B O ) . Ein Beweisbeschluß ist jedoch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht erforderlich 58 ).
13
2. Sachlich zuständig für die Erledigung des Ersuchens sind ausschließlich die Amtsgerichte, gemäß § 194 F G G aber auch (neben dem AG) die nach Landesrecht zuständigen nichtgerichtlichen Behörden sowie nach § 17 Abs. 2 AuslWBG v. 25. 8. 52 (BGBl. I 553) die Kammer für Wertpapierbereinigung. In übertragenen Sachen kann der Rechtspfleger das Ersuchen eines anderen Rechtspflegers erledigen, dagegen nicht das Ersuchen eines Richters in einer nicht übertragenen Angelegenheit 59 ). Auch wenn eine übertragene Sache nach §§ 5 Abs. 2, 6, 7 Abs. 1 RechtspflG von dem Richter des ersuchenden Gerichts bearbeitet wird, ist das Reditshilfeersuchen von dem Richter zu erledigen, sofern in dem Ersuchen die Erledigung durch den Rechtspfleger nicht ausdrücklich zugelassen ist. Ersuchen eines Beschwerdegerichts um förmlidie Beweiserhebungen dürfen niemals vom Rechtspfleger erledigt werden, da diesem im Beschwerdeverfahren keine Zuständigkeit zukommt. Erledigung durch den nicht zuständigen Rechtspfleger rechtfertigt die Wiederholung des Ersuchens" 0 ). Wegen der zulässigen Übertragung auf Referendare vgl. § 10 Abs. 1 G V G .
14
3. örtlich zuständig ist das Gericht des Ortes der vorzunehmenden Amtshandlung, wofür es auf die Art der Handlung und die Umstände ankommt' 1 ). Die Zuständigkeit zur Zeugenvernehmung richtet sich nach dem Wohnort oder ständigen Aufenthalt des Zeugen; auch ein vom Wohnort verschiedener Beschäftigungsort kann in Betracht kommen* 2 ). Für die Gegenüberstellung mehrerer in verschiedenen Bezirken wohnender Personen ist jedes der beteiligten Amtsgerichte örtlich zuständig 83 ). Unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten hat das ersuchende Gericht die Wahl' 4 ).
15
von Gerichtsbezirken. Nach Teil I X § 4 der N o t V O v. 1. 12. 30 4. Zusammenfassung ( R G B l . I 604) kann die Landesjustizverwaltung die Rechtshilfeersuchen für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte einem von ihnen ganz oder zum Teil zur Erledigung zuweisen. Dazu A V v. 21. 6. 33 (PrJMBl. 196) u. Bek. d. KGPräs. v. 27. 3. 49 ( V O B l . Berlin I 128) betr. E r ledigung von Rechtshilfeersuchen in Berlin durch das A G Schöneberg. Erledigung von Rechtshilfeersuchen durch Zweigstellengerichte in Bayern: Bek. v. 3. 6. 55 (JMBl. 124). In Hamburg ist das A G Hamburg zuständig, wenn in einer Sache mehrere Personen zu vernehmen sind, A V v. 1. 7. 52 (HambJVBl. 1952, 8); vgl. Bek. d. B a y S t M d J v. 28. 4. 65 (BayJMBl. 1965, 80).
1g
5. Verfahren des ersuchten Gerichts. Das ersuchte Gericht handelt nicht in Vertretung, sondern kraft eigener, durch das Ersuchen begrenzter Amtsgewalt 6 5 ). Bei seinem Verfahren hat es die Grundsätze der maßgebenden Verfahrensordnung zu beachten. Von einem Beweistermin hat es, auch ohne daß besonders darum ersucht ist, die Beteiligten so rechtzeitig
17
) Arndt RechtspflG, § 4 Rdn. 2; Keidel Anm. 18. ) Oldenburg Rpfleger 1958, 281. 5 7 ) Keidel N J W 1953, 1190; a. M. Frankfurt N J W 1953, 1189. 5 8 ) RGZ 95, 288. 5 8 ) Celle NdsRpfl. 1961, 36; Hamm JMB1NRW 1963, 44. 55 56
«») Schleswig SA1HA 1955, 62; Hamm aaO. 81) Vgl. Wieczorek ZPO § 157 GVG Bern. B II. 82) Vgl. RG J W 1912, 305; KG J W 1925, 2494; München NJW 1962, 56. 83) RG JW 1912, 305. M) Hamm NJW 1956, 1446. 85) RGZ 71, 303; BayObLG K G J 53, 253. 103
Freiwillige Gerichtsbarkeit zu benachrichtigen, daß diese in der Lage sind, der Beweisaufnahme beizuwohnen; andernfalls ist eine Wiederholung des Ersuchens zu besorgen. Wegen der Befugnisse des ersuchten Gerichts gegenüber den Beweispersonen und den Beteiligten vgl. §§ 400, 402 ZPO. Weitergabe an ein anderes Gericht nach § 365 ZPO ist statthaft; § 360 ZPO (Ergänzung der Beweistatsachen, Vernehmung anderer Beweispersonen) ist sinngemäß anwendbar. I L Ablehnung der Rechtshilfe Hierüber bestimmt § 158 GVG: § 158. Das Ersuchen darf nicht abgelehnt werden. Das Ersuchen eines nicht Im Rechtszuge vorgesetzten Gerichts Ist jedoch abzulehnen, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist. Ist das ersuchte Gericht örtlich nicht zuständig, so gibt es das Ersuchen an das zuständige Gericht ab. 1. Ablehnung des Ersuchens ist unstatthaft, wenn es von einem im Rechtszuge vorgesetzten Gericht ausgeht. Vorgesetzt sind dem AG das LG und das OLG (BayObLG), zu deren Bezirken es gehört, sowie der BGH; auch das BVerfG ist hierher zu rechnen (Wieczorek § 158 GVG Bern. B II a 1). Audi deren Ersuchen dürfen aber abgelehnt werden, wenn kein Fall der Rechtshilfe vorliegt oder wenn das Ersuchen unklar, unbestimmt (vgl. § 157 Rdn. 13) oder unausführbar ist. Sonst, insbesondere bei Zweifeln über die rechtliche Zulässigkeit, kommen nur Gegenvorstellungen in Betracht. 2. Verbotene Handlungen. Ersuchen anderer als im Rechtszuge vorgeordneter Gerichte (Anm. 1) sind abzulehnen, wenn die Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist86). Das Gesetz meint in erster Linie den Fall der Rechtsverschiedenheit87), doch fallen darunter auch Amtshandlungen, die nach dem bei beiden Gerichten übereinstimmend geltenden Recht verboten sind"8). Verboten ist eine Handlung, wenn sie nach gesetzlichen Vorschriften oder klaren Rechtsgrundsätzen unzulässig ist. Jedoch trägt die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit seines Verfahrens grundsätzlich das ersuchende Gericht. Die Handlung muß schlechthin, d. h. ohne die Notwendigkeit einer auf den Einzelfall abgestellten Prüfung verboten sein, z. B. Vernehmung eines Beteiligten als Zeugen oder unzulässige Anwendung von Zwang zur Herbeiführung einer ärztlichen Untersuchung der Beweisperson'®). Bei Zweifeln hat das ersuchte Gericht seiner Rechtshilfepflicht zu genügen70). Es genügt daher nicht, wenn die Entschließung der ersuchenden Behörde nach den tatsächlichen Umständen des gegebenen Falles verfahrensrechtlich zu beanstanden wäre71) oder wenn es an den tatsächlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Rechtshilfe oder an der sachlichen Zuständigkeit des ersuchenden Gerichts im Einzelfall fehlt71). Das Verfahren des ersuchenden Gerichts darf nicht auf seine Richtigkeit75), Zweckmäßigkeit74) oder Angemessenheit75) nachgeprüft werden. Ob jemand als Zeuge oder Sachverständiger zu vernehmen ist, entscheidet das ersuchende Gericht7®). Hält das Rechtshilfegericht das Ersuchen für teilweise unzulässig, so hat es zunächst den zulässigen Teil zu erledigen77). 3. Ablehnung ist ferner geboten, wenn nur das ersuchende Gericht die Amtshandlung vornehmen darf78) oder wenn das ersuchte Gericht sachlich unzuständig ist. Die Wiederholung einer schon ausreichend vorgenommenen Amtshandlung kann abgelehnt werden7'); bei Er««) Dazu Berg MDR 1962, 787; Stein-Jonas ZPO 1 9 Bern. V I I I 2 b vor § 1; Keidel Anm. 21, 22. « 7 ) K G J 43, 17. «») KG RLA 1957, 254; Stein-Jonas ZPO 1 » Bern. V I I 2 b vor § 1. •») RG Gruch. 62, 651; Stein-Jonas aaO. 7°) Düsseldorf JMB1NRW 1957, 34; München OLGZ 1967, 50 = FamRZ 1966, 380. 7 1 ) BGH LM S 158 GVG Nr. 2 = J Z 1953, 230 gegen Freiburg J Z 1953, 229.
104
RGZ 106, 419. ") RGZ 95, 288. « ) RGZ 69, 271, 274; Karlsruhe OLGZ 1966, 564. 7») RGZ 162, 317. 7 «) Köln OLGZ 1966, 188. 77) Karlsruhe OLGZ 1967, 50 = FamRZ 1966, 380. 7 8 ) R G J W 1909, 21 1 7 ; K G J 43, 18. 7») Schleswig MDR 1955, 298; Hamm JMB1NRW 1963, 44. 7
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§ 2
suchen um wiederholte Vernehmung eines Zeugen muß ersichtlich sein, daß der Zeuge ergänzende Bekundungen wird machen können 80 ). Bei örtlicher Unzuständigkeit erfolgt keine Ablehnung (Abs. 2 Satz 2), vielmehr wird das Ersuchen unter Abgabenachricht an das zuständige Gericht weitergeleitet. Die Abgabeverfügung ist nicht bindend. Bei Zuständigkeitsstreit gilt § 5 FGG 81 ).
III. Anrufung des Oberlandesgeridits. Beschwerde Hierüber bestimmt § 159 GVG: § 159. Wird das Ersuchen abgelehnt oder dem Ersuchen stattgegeben, so entscheidet ersuchte Gericht geh5rt. Die Entscheidung f ü r unzulässig erklärt und das ersuchende schiedener Oberlandesgerichte angehören. desgerichtshof.
wird der Vorschrift des § 158 Abs. 2 zuwider das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das ist nur anfechtbar, wenn sie die Rechtshilfe und das ersuchte Gericht den Bezirken verÜber die Beschwerden entscheidet der Bun-
Die Entscheidungen ergehen auf Antrag der Beteiligten oder des ersuchenden Gerichts ohne mündliche Verhandlung. 1. Rechtsbehelf. Das Oberlandesgericht kann sowohl gegen die Ablehnung des Ersuchens, gleich aus welchem Grunde, als auch gegen die beabsichtigte Stattgabe angerufen werden. Gegen Verfügungen des Rechtspflegers ist zunächst die Entscheidung des nach § 27 RechtspflG zuständigen Richters anzurufen (§ 10 RechtspflG) 81 »), ebenso bei Ablehnung durch den Urkundsbeamten (nicht nur Dienstaufsichtsbeschwerde). Das örtlich zuständige OLG entscheidet auch dann, wenn es sonst (§ 199 FGG) nicht Beschwerdeinstanz ist. Dieser Rechtszug gilt auch, wenn das Amtsgericht das Ersuchen eines ihm vorgeordneten Gerichts entgegen § 158 Abs. 1 ablehnt (h. M. gewährt nur Dienstaufsichtsbesdiwerde), die Befolgung des Ersuchens eines solchen Gerichts dagegen ist in keinem Falle anfechtbar, auch nicht mit Dienstaufsichtsbeschwerde.
21
2. Abhilfe. Aussetzung der Vollziehung. Das Gesetz nennt nicht schon die Anrufung des OLG, sondern erst den gegen dessen Entscheidung gerichteten weiteren Rechtsbehelf eine Beschwerde. Jedoch kann das Amtsgericht abhelfen ( § 1 8 FGG); AG und OLG können, wenn die beabsichtigte Erledigung des Ersuchens angefochten wird, entsprechend § 24 Abs. 2, 3 FGG vorläufig anordnen, daß ihm einstweilen nicht stattzugeben ist.
22
3. Form, Frist. Anrufung des OLG und Beschwerde an den BGH unterliegen keiner Form oder Frist. Über Ausschluß der Beschwerde in den Fällen verweigerter Amtshilfe (§ 87 PrFGG) vgl. oben Rdn. 3. Die Zuständigkeit des BGH zur Entscheidung über die Ersuchen anderer Behörden als Gerichte ergibt sich aus § 159 GVG nicht, sondern bedarf besonderer gesetzlicher Grundlage 84 ), die jetzt auch vom Landesrecht geschaffen werden kann (Art. 99 GG).
23
4. Verfahren des OLG (BGH). Die Vorschriften der §§ 20 ff. FGG sind nicht anwendbar 83 ). Wohl aber ist der Begriff des Beteiligten dem FGG zu entnehmen. OLG und BGH entscheiden als Tatsachengerichte. Antrags- und bescbwerdeberechtigt ist bei Ablehnung das ersuchende Gericht, in übertragenen Sachen der ersuchende Rechtspfleger84), ferner bei Ablehnung und beabsichtigtem Stattgeben, welches sich ohne förmlichen Bescheid aus dem Verhalten des Gerichts, z. B. der Ladung ergeben kann, jeder Beteiligte des Ausgangsverfahrens; aber nicht der zu vernehmende Zeuge85). Das ersuchte Gericht kann, wenn es das Ersuchen ablehnt, die Entscheidung des höheren Gerichts nicht einholen; diese Entscheidung kann auch nicht von Amts wegen ergehen.
24
8
») R G Z 114, 2. ) Keidel Anm. 23. 81 *) Wieczorek ZPO-HdAusg.* § 159 GVG Anm. A; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 159 GVG Anm. 3; Keidel % 2 Anm. 31; Stöber Rpfleger 1967, 129 zu VII. 81
82
) ») ) 85 )
8
84
R G Z 102, 368. R G J W 1906, 716. Celle Rpfleger 1959, 161. A. M. Sdilegelberger $ 2 Anm. 33.
105
Freiwillige Gerichtsbarkeit
IV. Vollstreckungen, Ladungen, Zustellungen Hierüber bestimmen §§ 160, 161 G V G :
§ 160. Vollstreckungen, Ladungen und Zustellungen werden nadi Vorschrift der Prozeßverordnungen bewirkt ohne Rücksicht darauf, ob sie in dem Land, dem das Prozeßgericht angehört, oder in einem anderen deutschen Land vorzunehmen sind. § 161. Gerichte, Staatsanwaltschaften und Geschäftsstellen der Gerichte können wegen Erteilung eines. Auftrags an einen Gerichtsvollzieher die Mitwirkung der Geschäfsstelle des Amtsgerichts in Anspruch nehmen, in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll. Der von der Geschäftsstelle beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als unmittelbar beauftragt. 25
1- Die Vorschriften stellen klar, daß Deutschland seit der Geltung der Reichsprozeßgesetze ein einheitliches Rechtspflegegebiet ist 8 6 ). Jedes Gericht verfährt bei Ladungen, Zustellungen und Vollstreckungen (mit Ausnahme der Vollstreckung von Freiheitsstrafen, §§ 162, 163) so, als ob das ganze deutsche Gebiet zu seinem Lande gehörte; insoweit bedarf es daher keiner Rechtshilfe. Jedes Geridit ist berechtigt, den Gerichtsvollzieher oder die Post mit der Vornahme solcher Handlungen außerhalb des Gerichtsbezirks zu beauftragen. Nach § 161 kann aber bei der Erteilung von Aufträgen an einen Gerichtsvollzieher die Vermittlung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts in Anspruch genommen werden, in dessen Bezirk der Auftrag auszuführen ist. Da die Vollziehung gerichtlicher Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 33 jetzt bundesrechtlich geregelt ist, ist § 160 auch insoweit anwendbar.
V. Vollstreckung von Freiheitsstrafen Hierüber bestimmen §§ 162, 163 G V G :
§ 162. Hält sich ein zu einer Freiheitsstrafe Verurteilter außerhalb des Bezirks der Strafvollstreckungsbehörde auf, so kann diese Behörde die Staatsanwaltschaft des Landgerichts, in dessen Bezirk sich der Verurteilte befindet, um die Vollstreckung der Strafe ersuchen. § 163. Soll eine Freiheitsstrafe in dem Bezirk eines anderen Gerichts vollstreckt oder ein in dem Bezirk eines anderen Gerichts befindlicher Verurteilter zum Zwecke der Strafverbüßung ergriffen und abgeliefert werden, so Ist die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht des Bezirks um die Ausführung zu ersuchen. 26
1- Die Vorschriften sind auch auf Zivilhaftstrafen anwendbar, z. B. wegen Zeugnisverweigerung oder zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 15 F G G mit §§ 380, 390 Z P O ) , zur E r zwingung des Offenbarungseides (§ 901 Z P O ) oder nach §§ 888 bis 890 Z P O , soweit in der freiwilligen Gerichtsbarkelt eine Zwangsvollstreckung nach der Z P O stattfindet. Auf die rechtliche N a t u r der H a f t (Ungehorsamsstrafe oder Beugemittel) kommt es nicht an 8 7 ). Nach § 162 ist jedoch nur noch zu verfahren, wenn Verurteilter sich im Gebiet eines anderen deutschen Landes aufhält; andernfalls ist die StrafVollstrO v. 15. 2. 56 (BAnz. N r . 42) i. d. F. der A V d. B M d J v. 1. 12. 58 (BAnz. N r . 240), v. 1. 6. 65 (BAnz. N r . 112) und v. 31. 8. 68 (BAnz. N r . 164) maßgebend.
VI. Kosten der Rechtshilfe § 164. Kosten und Auslagen der Rechtshilfe werden von der ersuchenden Behörde nicht erstattet. Gebühren oder andere öffentliche Abgaben, denen die von der ersuchenden Behörde übersendeten Schriftstücke (Urkunden, Protokolle) nach dem Recht der ersuchten Behörde unterliegen, bleiben außer Ansatz. § 165. [Aufgehoben durch KostXndG v. 26. 7. 57 (BGBl. I 861) Art. X § 2 Nr. 4 und saarl. G Nr. 637 v. 18. 6. 58 (ABl. Saar 1039)]. 86
) Stein-Jonas ZPO 1 9 V I I 1 vor § 1; Schlegelberger § 2 Anm. 34.
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»») Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 162 GVG Anm. 1; Wieczorek ZPO § 162 GVG Anm. A; a. M. Keidel § 2 Anm. 34.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften 1. Nach § 14 Abs. 1 KostO werden die bei dem ersuchten Gericht entstandenen Kosten zu Lasten des zahlungspflichtigen Beteiligten bei dem ersuchenden Gericht angesetzt. Entsteht zwischen den beteiligten Gerichten Streit über die Zuständigkeit zur Festsetzung von Zeugenoder Sachverständigengebühren, so ist darüber nach § 159 zu entscheiden88).
27
VII. Amtshandlungen außerhalb des Gerichtsbezirks Hierüber bestimmt § 166 GVG: § 166. Ein Gericht darf Amtshandlungen außerhalb seines Bezirks ohne Zustimmung des Amtsgerichts nur vornehmen, wenn Gefahr im Verzug ist. In diesem Falle ist dem Amtsgericht des Ortes Anzeige zu machen. 1. Bedeutung. Das Gericht darf innerhalb seines Bezirks (Sprengeis) an jedem Orte tätig werden. Termine finden regelmäßig an Gerichtsstelle statt, ausnahmsweise an anderen Orten des Bezirks (Lokaltermine). Die Vorschrift des § 166 trägt außerdem den Fällen Rechnung, in denen die Inanspruchnahme der Rechtshilfe eines anderen Gerichts aus besonderen Gründen nicht angebracht ist (z. B. bei Augenscheinseinnahmen, Zeugenvernehmungen) und gestattet es dem Gericht, Amtshandlungen im Inland außerhalb seines Gerichtsbezirks vorzunehmen. Aus Gründen der behördlichen Ordnung soll dies aber nur geschehen, wenn entweder das Amtsgericht des Handlungsortes seine Zustimmung erteilt oder Gefahr im Verzuge ist, z. B. bei schwerer Erkrankung eines Zeugen; im letztgenannten Fall ist dem Amtsgericht des Handlungsortes Anzeige zu machen. Für ein LG oder OLG kommt es darauf an, ob es außerhalb seines Bezirks handelt; für den BGH kommen die Beschränkungen des § 166 nicht in Betracht, da sein Bezirk sich auf den gesamten Geltungsbereich des GVG erstreckt. Die Vorschrift bringt nicht etwa zum Ausdruck, daß dem Gericht außerhalb seines Bezirks die Gerichtsgewalt fehle, daß es also Amtshandlungen mit rechtlicher Wirksamkeit nicht vornehmen könnte89), sondern es handelt sich lediglich um eine Frage der Gerichtsorganisation80).
28
2. Zustimmung. Die Erteilung der Zustimmung liegt im Ermessen des Amtsgerichts. Sie ist keine Rechtshilfe im eigentlichen Sinne, aber auch kein Akt der Justizverwaltung, sondern ein Verzicht auf die Ausübung der eigenen Gerichtsgewalt durch Duldung der Tätigkeit des anderen Gerichts. Deshalb findet gegen die Verweigerung der Zustimmung nicht die Dienstaufsichtsbeschwerde, sondern die Anrufung des OLG entsprechend § 159 statt®1).
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3. Gefahr im Verzuge. Sie liegt vor, wenn die Zustimmung nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden kann und das Amtsgeschäft keinen Aufschub duldet. Darüber entscheidet das keiner Nachprüfung unterliegende Ermessen des tätig werdenden Gerichts. Die Unterlassung der in diesem Fall vorgeschriebenen Anzeige hat nur dienstaufsichtsrechtlidie Folgen. Einer nachträglichen Genehmigung bedarf es nicht.
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4. Eine Verletzung des § 166, mögen selbst die Landesgrenzen überschritten sein, berührt die Gültigkeit der Amtshandlung nicht92). Für Beurkundungen der Notare ist dies bestimmt in § 11 Abs. 3 BNotO, nachdem zunächst Art. 4 des OberleitungsG v. 16. 2. 34 (RGBl. I 91) vorangegangen war, für Beurkundungen der Gerichte und von Beamten in Alt. 39 PrFGG, Art. 47 HessFGG, Art. 31 NdsFGG. Zweifelhaft kann nur sein, inwiefern dieser Grundsatz auch auf den Gebieten gilt, in denen für die sachliche Zuständigkeit der Gerichte landesrechtliche Abweichungen bestehen, wie auf dem Gebiet des Beurkundungswesens auf Grund der Vorbehalte in Art. 141 EGBGB und § 191 Abs. 2 FGG. Die Annahme, daß die Handlung des fremden Gerichts nichtig sei, wenn die Gerichte des Landes, auf dessen Gebiet es tätig
31
) ) »») 91) 88
M
B G H Rpfleger 1958, 312. So Keidel Anm. 37. Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » V I I 1 vor $ 1. Kiel O L G R 5, 263; Köln O L G R 17, 43; Dresden LeipzZ 1916, 1067; Wieczorek § 166 G V G Anm. B ; a. M. (nur Dienstaufsichtsbesdi werde)
K G O L G R 12, 187; Celle N J W 1966, 1473; SAlegelberger Anm. 36; Keidel Anm. 39; Stein-Jonas ZPO 1 » V I I 2 a vor § 1. »*) Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 $ 166 GVG Anm. 1; Baur § 7 I V 5 ; SAlegelberger Anm. 36 Abs. 2 ; a . M . Keidel Anm. 37.
107
Freiwillige Gerichtsbarkeit wird, dafür sachlich nicht zuständig sind"), dürfte nicht zu billigen sein. Denn dieses Gericht übt seine eigene Gerichtsgewalt aus, nicht die des Amtsgerichts des Handlungsortes. Die gegenteilige Auffassung ist bei dem heutigen Grade der Verkehrsverflechtung und der Möglichkeit eines Irrtums über die Grenzen des Amtsbereichs nicht vertretbar. Sie verkennt, daß trotz der Aufteilung der Gerichtsbarkeit zwischen Bund und Ländern (GG Art. 92) die Bundesrepublik ein einheitliches Rechtspflegegebiet ist; vgl. auch Karlsruhe (Freiburg) 2. 1. 57 (JZ 380) über die Gültigkeit des vor einem Bürgermeister außerhalb seiner Gemeinde errichteten Dorftestaments.
32
vni. § 167 GVG
über die Nacheile ist für die freiwillige Gerichtsbarkeit ohne Bedeutung. I X . Mitteilung von Akten Hierüber bestimmt § 168 GVG: § 168. Die in einem deutschen Land bestehenden Vorschriften Aber die Mitteilung von Akten einer öffentlichen Behörde an ein Gericht dieses Landes sind auch dann anzuwenden, wenn das ersuchende Gericht einem anderen deutschen Land angehört.
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1. Die Vorschrift besagt nur, daß die Bestimmungen über die Mitteilung von Akten an die Gerichte eines anderen Landes (oder des Bundes, GG Art. 35) nicht ungünstiger sein dürfen als die für die Gerichte des Landes erlassenen. Ober die Verpflichtung selbst entscheidet also das Landesrecht; vgl. PrAGGVG 5 87 Anm. 3. Es handelt sich um einen Fall der Amtshilfe (Beistandsleistung), gegen deren Verweigerung in den ehemals preuß. Gebieten und in Hessen nach PrAGGVG 5 87 Abs. 2 das OLG anzurufen ist, es sei denn, daß die Weigerung auf Verwaltungsrücksichten (Verlustgefahr) oder Gründe der Geschäftslage, etwa daß die Akten nicht entbehrlich seien, gestützt wird; in diesem Fall nur Dienstaufsichtsbeschwerde. Wo das Landesrecht einen Rechtszug nicht vorsieht, nur Dienstaufsichtsbeschwerde, so in Bayern®4) und Hamburg*5).
34
2. Die Versendung von Registerakten ist meist landesrechtlich beschränkt, so Bek. d. BayStMdJ v. 8. 8. 51 (JMBl. 141), HessFGG Art. 32, BadLFGG § 18. Versendung von Grundakten: AV d. RJM v. 25. 2. 36 (DJ 350) § 17. Die Aktenversendung an Gerichte und Behörden der DDR ist nicht verboten, da mit ihnen unmittelbarer Rechts- und Amtshilfeverkehr besteht, vgl. FGG § 2 Rdn. 2, Jedoch sind hierbei besondere Gesichtspunkte zu beachten, auf die in Verfg. der Landesjustizverwaltungen hingewiesen wird. Aktenversendung in das Ausland ist Justizverwaltungssache.
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H. Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland I. Allgemeines Der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland ist Verwaltungsangelegenheit. Ober die Gewährung oder Versagung der Rechtshilfe wird im Justizverwaltungswege entschieden. Die Entscheidung der Justizverwaltungsbehörde über die Zulassung oder Versagung der Rechtshilfe ist nicht nach § 159 GVG anfechtbar, auch nicht im Verwaltungsrechtswege; es handelt sich um einen Verwaltungsakt auf dem Gebiet des Zivilprozesses oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit, über dessen Rechtmäßigkeit auf Antrag das Oberlandesgericht im Verfahren nach § 23 EGGVG entscheidet (Anh. I nach § 34, § 23 EGGVG Rdn. 7).
36
n . Rechtshilfe im Verhältnis zum Ausland wird entweder auf vertraglicher Grundlage oder in einem vertraglosen Zustand geleistet. Das Haager Abkommen über den Zivilprozeß vom 17. 7. 1905 (RGBl. 1909 410) mit AusführungsG v. 5. 4. 1909 (RGBl. 430) gilt zur Zeit noch im Verhältnis zu Island (RGBl. 1909 •») Sdilegelberger Anm. 36; Baur § 7 I V 5 ; Ke!del Anm. 40; vgl. auch Staudinger-Firsdiing B G B » § 2231 Anm. 23.
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) Augsburg O L G R 9, 147. »') O L G R 9, 145.
M
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§2
409, 1926 II 553) und den Niederlanden nur für das Gebiet von Surinam (BGBl. 1955 II 894, 944). Im Verhältnis zu Rumänien ist das Abkommen noch suspendiert. Im Verhältnis zu den meisten übrigen Vertragsstaaten ist das Abkommen ersetzt durch das Haager Übereinkommen v. 1. 3. 1954 über den Zivilprozeß (BGBl. 1958 II 576) mit AusführungsG v. 18. 12. 1958 (BGBl. I 939), für die BRD und Berlin West in Kraft seit dem 1. 1. 1960 (BGBl. 1959 II 1388, GVB1. Berlin 1959, 624). Es erstreckt sich auf «Zivil- oder Handelssachen" im weitesten Sinne, also auch auf Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es ist zur Zeit in Geltung für den Rechtshilfeverkehr Deutschlands mit Belgien (BGBl. 1959 II 1388), Dänemark (BGBl. 1959 II 1388), Finnland (BGBl. 1959 II 1388), Frankreich (BGBl. 1959 II 1388, 1961 II 355, 1962 II 854), Israel (BGBl. 1968 II 809), Italien (BGBl. 1959 II 1388), Jugoslawien (BGBl. 1963 II 1328), Luxemburg (BGBl. 1959 II 1388), Niederlande einschließlich der niederländischen Antillen außer Surinam (BGBl. 1959 II 1388, 1968 II 95), Norwegen (BGBl. 1959 II 1388), Österreich (BGBl. 1959 II 1388, mit Zusatzvereinbarung v. 6. 6. 1959, BGBl. 1959 II 1523), Polen (BGBl. 1963 II 1466), Portugal mit überseeischen Besitzungen (BGBl. 1967 II 2299, 1968 II 809), Schweden (BGBl. 1959 II 1388), der Schweiz (BGBl. 1959 II 1388), Sowjetunion (BGBl. 1967 II 2046), Spanien (BGBl. 1961 II 1660), der Tschechoslowakei (BGBl. 1966 II 767), Ungarn (BGBl. 1966 II 84) und Vatikanstadt (BGBl. 1967 II 1536). Zusatzvereinbarungen zur Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs bestehen zwischen Deutschland und Belgien (BGBl. 1959 II 1525), Dänemark (RGBl. 1910 871, 873, 1914 205, 1932 II 20, BGBl. 1953 II 186, 1960 II 1853), Frankreich (BGBl. 1961 II 1140), Luxemburg (RGBl. 1909 907, 910, BGBl. 1954 II 718, 1960 II 1853), den Niederlanden (BGBl. 1964 II 468), Norwegen (RGBl. 1909, 907, 912, BGBl. 1953 II 257), Österreich (BGBl. 1959 II 1523, Bek. v. 2. 8. 1954, BAnz. Nr. 155/54, über den unmittelbaren Geschäftsverkehr), Schweden (RGBl. 1910, 455, BGBl. 1960 II 1853) und der Schweiz (RGBl. 1910, 674, 1930 II 1, BGBl. 1960 II 1853, ferner Vereinbarung v. 26. 6. 1914 zur Vereinfachung des Verkehrs in Vormundschaftssachen, RGBl. 1914,251, Bek. v. 15. 9.1953, BAnz. Nr. 180/53, über den unmittelbaren Geschäftsverkehr). Zwischen Deutschland und Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz besteht hiernach unmittelbarer Geschäftsverkehr der beiderseitigen Justizbehörden. Zweiseitige Rechtsverkehrsverträge bestehen zwischen Deutschland und Griechenland (RGBl. 1939 II 848, BGBl. 1952 II 634, AusfVO v. 31. 5. 1939, RGBl. 1939 II 847), Großbritannien und Nordirland einschließlich Australien, Kanada und Neuseeland (RGBl. 1928 II 623, 1929 II 133, BGBl. 1953 II 116, 118, 1954 II 15 — Kanada —), in Kraft auch für Rhodesien und Nyassaland (BGBl. 1957 II 1276) und weitere überseeische Gebiete (BGBl. 1960 II 1518, 1961 II 1108 u. 1681) und der Türkei (RGBl. 1930 II 6, 1931 II 539, BGBl. 1952 II 608, BAnz. Nr. 50/52, 145/52, AusfVO v. 26. 8. 31, RGBl. 1931 II 537). Zwischen Deutschland und Österreich wird Rechtshilfe im unmittelbaren Geschäftsverkehr geleistet auf Grund Notenwechsels v. 15. 11./22. 12. 1951, ebenso mit Liechtenstein nach Bek. v. 25. 3. 1959 (BAnz. Nr. 73/59). Mit den USA besteht der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag v. 29. 10. 1954 (BGBl. 1956 II 487, 763). Zu anderen Staaten besteht ein vertragloser Zustand, in dem beiderseits Rechtshilfe geleistet wird, so mit Bulgarien, den USA96). Die Rechtshilfe durch und gegenüber Behörden der Streitkräfte regelt das Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatuv v. 3. 8. 1959 (BGBl. 1961 II 1218) nebst Gesetz zum Nato-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen (NTrStatutG) v. 18. 8. 1961 (BGBl. II 1183). III. Rechtshilfeverfahren Zum Rechtshilfeverfahren ist die Bundeseinheitliche Reditshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) v. 19. 10. 56 (BAnz. Nr. 63 v. 30. 5. 57 und Sonderdruck) ergangen; sie ist eine Verwaltungsanordnung, die sich an die Gerichte und Justizbehörden wendet und in einem Allg. Teil Vorschriften für die deutschen Inlandsbehörden, im Länderteil Hinweise auf die 86
) Vgl. Bülow-Arnold, E 991 S. 68.
Intern. Rechtsverkehr,
87
) Dazu Lansky FamRZ 1959, 193; zum persönliehen Geltungsbereich vgl. Dölle NJW 1967,
§§ 3 - 7 Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Besonderheiten enthält, die im Rechtshilfeverkehr mit den einzelnen fremden Staaten zu beachten sind. Ausgehende Ersuchen und die Unterlagen über die Erledigung (Zustellungszeugnis, Vernehmungsniederschrift) sind stets der Justizverwaltung vorzulegen, auch wenn unmittelbarer Geschäftsverkehr besteht. Der Unterschied zwischen vertraglichem und vertraglosem Rechtshilfeverkehr wirkt sich dahin aus, daß bei vertraglosem Zustand auch die Ausführung der Rechtshilfe Justizverwaltungssache und die Ausübung von Zwang nicht statthaft ist, während bei vertraglich gewährter Rechtshilfe die Ausführung des Ersuchens ein Akt der Rechtspflege ist, auf den die Vorschriften der einschlägigen Verfahrensgesetze, insbesondere über die förmliche Zustellung und den Zeugniszwang anwendbar sind. Zum Ganzen Bülow-Arnold-Möhring, Der intern. Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2. Aufl. 1969; Arnold, Die Rechtshilfeordnung in Zivilsachen, MDR 1957, 385; Nehlert, Grundsätze des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland in Zivilsachen, JR 1958, 121. Zum Haager Übereinkommen Bülow, Rpfleger 1959, 141.
IV. Das Verfahren zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland wird für Angehörige der Vertragsstaaten geregelt durch das G zu dem Ubereinkommen vom 20. 6. 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland v. 26. 2. 1959 (BGBl. II 149). Es ist für die BRD und Berlin West in Kraft seit dem 19. 8. 1959 (BGBl. II 1377). Vertragsstaaten sind (ohne Fundstelle gemäß BGBl. 1959 II 1377), Belgien (BGBl. 1966 II 1439), Brasilien (BGBl. 1961 II 80), Ceylon, Chile (BGBl. 1961 II 356), China, D ä nemark, Finnland (BGBl. 1963 II 108), Frankreich (BGBl. 1960 II 2328), Griechenland (BGBl. 1966 II 251), Guatemala, Haiti, Israel, Italien, Jugoslawien, Marokko, Monaco (BGBl. 1961 II 1629), Niederlande (BGBl. 1963 II 108, 1075), Niger (BGBl. 1967 II 2580), Norwegen, Obervolta (BGBl. 1963 II 108), Pakistan, Polen (BGBl. 1961 II 16), Portugal (BGBl. 1966 II 251), Schweden, Spanien (BGBl. 1966 II 1577), Tschechoslowakei, Ungarn, Vatikanstadt (BGBl. 1965 II 462), Zentralafrikanische Republik (BGBl. 1963 II 108). Steht ein Berechtigter unter Vormundschaft, so soll das Gesuch bei dem f ü r die Vormundschaft zuständigen Amtsgericht eingereicht werden (Art. 3, 97). Dazu bundeseinheitl. AV d. J M v. 10. 2. 1960 (JMB1NRW i960, 53; NdsRpfl. 1960, 56; Die Justiz 1960, 39; ABl. Berlin 1960, 201), geändert durch AV v. 20. 6. 1961 (JMBlNRW 1961, 171; NdsRpfl. 1961, 167; Justiz 1961, 201; ABl. Berlin 1961, 815; Bek. d. BayJM v. 1. 2. 1965, BayJMBl. 7). Über weitere Abkommen zum internationalen Unterhaltsrecht Lansky, FamRZ 1962, 347. Zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen deutscher unehelicher Kinder in den USA Schmidt, N J W 1959, 1310.
V. Zur Vollstreckung im Ausland allgemein Schlosser, N J W 1960, 1234; im EWG-Bereich Schweitzer-Faust, WRP 1960, 118 und Nagel, N J W 1960, 985.
Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7 •j
1. Die §§ 3 bis 7 enthalten einige allgemeine Vorschriften über die Zuständigkeit der Gerichte in Angelegenheiten der FG, nämlich über den Gerichtsstand deutscher Exterritorialer und im Ausland angestellter Beamten, sofern dafür der Wohnsitz maßgebend ist (§ 3), über das Zusammentreffen mehrerer Gerichtsstände (§ 4), über die Bestimmung des zuständigen Gerichts bei Streit oder Ungewißheit oder Verhinderung des zuständigen Gerichts (§ 5), über die Wirkung des Mangels der örtlichen Zuständigkeit (§ 7) und über die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen (§ 6).
2
A. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich wegen der Vielgestaltigkeit der zu regelnden Angelegenheiten nach den verschiedenartigsten Anknüpfungspunkten; als Gerichtsstand kommen in Betracht: Der Wohnsitz eines Beteiligten (FGG §§ 36 bis 40, 43 Abs. 1, 43a Abs. 1, 66, BGB §§ 132, 261 Abs. 1 110
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
V o r b e m . § § 3—7
Satz 2, 1558); sein gewöhnlicher Aufenthalt (FGG §§ 44a Abs. 1 Satz 1, 44b Abs. 1, 45, FrEntzG § 4); der Wohnsitz des Antragstellers (VersdiG § 15a); der letzte Wohnsitz des Erblassers oder Verschollenen (FGG § 73, VerschG § 15); in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes der Aufenthalt (FGG §§ 36 Abs. 1, 2, 43a Abs. 1, 66, 73); der Gerichtsstand der Handelsniederlassung (HGB §§ 29) oder der Zweigniederlassung (GenG § 14, ZustErgG § 10 Abs. 3 Satz 2) oder des Sitzes (BGB SS 29, 55, HGB §§ 106, 157 Abs. 2, 161 Abs. 2, AktG § 14, GmbHG SS 7, 12, 66, 74, GenG §§ 10, 45, 83, UmwG § 30); oder des Zusammenhangs (FGG § 43 Abs. 2, HausratsVO § 11 Abs. 1 Satz 2); oder des Fürsorgebedürfnisses (FGG SS 37 Abs. 2, 38, 39 Abs. 2, 40, 41, 44, 74, ZustErgG § 10 Abs. 3) oder des Bedürfnisses für die Freiheitsentziehung (FrEntzG § 4) oder des Auffindungsortes (FGG § 36 Abs. 3) oder des Verwahrungsortes (FrEntzG § 4 Abs. 1 Satz 2); der Gerichtsstand der belegenen Sache (GBO S§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Satz 2, WEG § 43, 40. DVO/UmstG § 6, VHG S 7 Abs. 3); der Heimathafen, Heimatort oder Bauort (SchiffsRegO SS 4, 67); der Ort, an dem sich eine Sache befindet oder aufbewahrt wird (FGG SS 165, 166) oder an dem ein Schaden entstanden ist (VersVertrG SS 64 > 1 8 4 ) i d e r s i t z d e s Ausstellers eines Wertpapiers (WBG S 29 Abs. 2) oder der Sitz der zunächst mit der Angelegenheit befaßten Behörde (PStG S 50 Abs. 2, REGbrZ Art. 51, 55, REAO Berlin Art. 53, 57); der Ort, an dem die Hofstelle oder das Grundstück liegt oder an dem die Rechte im wesentlichen ausgeübt werden (LwVG S 10)Auch auf die Vorschriften der ZPO über den allgemeinen Gerichtsstand wird verwiesen (BGB S 176 Abs. 2, VHG % 7 Abs. 1, ZustErgG S 6 Abs. 1). Fehlt es an hinreichenden örtlichen Beziehungen, ist aber ein Bedürfnis für eine innerstaatliche Zuständigkeit vorhanden, so wird die örtliche Zuständigkeit eines zentralen Amtsgerichts begründet (FGG SS 36 Abs. 2, 43 Abs. 2, 44a Abs. 1 Satz 2, 44b Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2, ZustErgG S 7 Abs. 1 Satz 2 mit S 73 Abs. 2 FGG, FGG § 45 Abs. 4, VerschG S 15b): AG Schöneberg in BerlinSchöneberg. B. Die sachliche Zuständigkeit für Verrichtungen der FG kann einem Gericht, einem Notar oder einer nichtgerichtlichen Behörde übertragen sein. Gericht des ersten Rechtszuges ist in der Regel das Amtsgericht (FGG SS 35, 72, 125, 145, 167, WEG S 43, VerschG S 14, HausratsVO S 11, GBO S 1, SchiffsRegO § 1, LwVG § 2). Ist landesrechtlich eine andere als gerichtliche Behörde zuständig (FGG S 194,) so gilt diese als erste Instanz im Sinne des S 19, vorbehaltlich landesrechtlicher Bestimmungen, die die Anrufung des AG gegen Entscheidungen dieser Behörden vorsehen (FGG S 195). Der Amtsrichter entscheidet in der Regel als Einzelrichter (GVG S 22 Abs. 4). Als Spruchkörper werden beim Amtsgericht gebildet der Familienrat (BGB SS 1858 ff.) und das Landwirtschaftsgericht (LwVG S 2 Abs. 2). I. Das Landgericht ist als Gericht des ersten Rechtszuges sachlich zuständig für folgende Angelegenheiten: a) Anordnung von Amtslöschungen im Handels-, Genossenschafts-, Vereins- und Güterrechtsregister, FGG SS 143, 144, 147, 159, 161, unbeschadet der daneben bestehenden Zuständigkeit des AG. b) Entlassung eines Familienratsmitgliedes gegen seinen Willen, BGB § 1878 Abs. 2. c) Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsicbtsrats einer AG, KGaA, GmbH oder bergrechtlichen Gewerkschaft nach SS 98, 278 Abs. 3 AktG, S 27 EGAktG, anwendbar auch in den Fällen der SS 30 Abs. 3, 31 Abs. 3 AktG, bei Umwandlungen nach SS 363 Abs. 1, 366 Abs. 4, 370 Abs. 1, 377 Abs. 1, 384 Abs. 6, 386 Abs. 3, 389 Abs. 5, 393 Abs. 3 AktG sowie nach S 3 Satz 2 d. Ges. über Kapitalanlagegesellschaften v. 6. 4. 57 (BGBl. I 378) i. d. F. d. S 34 Abs. 1 Nr. 1 EGAktG, S 35 Abs. 3 PrVersAufsG i. d. F. d. § 37 Nr. 3 EGAktG und S 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVerfG i. d. F. d. S 40 Abs. 1 Nr. 4 EGAktG. Es entscheidet die Zivilkammer. In Niedersachsen ist das LG Hannover zuständig, VO v. 29. 3. 67 (NdsGVBl. 102), in Baden-Württemberg die LGe Stuttgart und Mannheim, VO v. 10. 10. 67 (BWGB1. 218),
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§§ 3 - 7
Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
in Nordrhein-Westfalen die LGe Düsseldorf, Dortmund und Köln, VO v. 15.2. 66 (NWGVBl. 65). d) Entscheidung über das Auskunftsrecht eines Aktionärs nach § 132 AktG und § 36 PrVersAufsG i. d. F. d. § 37 Nr. 3 EGAktG. Es entscheidet die Kammer für Handelssachen. In Niedersachsen ist das LG Hannover zuständig, VO v. 29. 3. 67 (NdsGVBl. 102), in BadenWürttemberg die LGe Stuttgart und Mannheim, VO v. 10. 10. 67 (BWGB1. 218), in Nordrhein-Westfalen die LGe Düsseldorf, Dortmund und Köln, VO v. 15. 2. 66 (NWGVBl. 65). e) Entscheidung bei Meinungsverschiedenheit zwischen den Abschlußprüfern und der Gesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht nach §§ 169 Abs. 1, 270 Abs. 3 Satz 3 AktG, anwendbar nach § 278 Abs. 3 AktG auf die KGaA, nach § 336 Abs. 2 Satz 3 AktG auf Meinungsverschiedenheit zwischen den Konzernabschlußprüfern und der Obergesellschaft und nach § 57 Abs. 2 PrVersAufsG i. d. F. d. § 37 Nr. 9 EGAktG auf die Prüfung des Rechnungsabschlusses einer Versicherungsunternehmung. Es entscheidet die Kammer für Handelssachen. In Niedersachen ist das LG H a n nover zuständig, VO v. 29. 3. 67 (NdsGVBl. 102), in Baden-Württemberg die LGe Stuttgart und Mannheim, VO v. 10. 10. 67 (BWGB1. 218), in Nordrhein-Westfalen die LGe Düsseldorf, Dortmund und Köln, VO v. 15. 2. 66 (NWGVBl. 65). f ) Entscheidungen über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer über unzulässige Unterbewertungen im Jahresabschluß nach §§ 260, 278 Abs. 3 AktG und § 36 PrVersAufsG i. d. F. d. § 37 Nr. 3 EGAktG. Es entscheidet die Kammer f ü r Handelssachen. In Niedersachsen ist das LG Hannover zuständig, VO v. 29. 3. 67 (NdsGVBl. 102), in BadenWürttemberg die LGe Stuttgart und Mannheim, V O v. 10. 10. 67 (BWGBl. 218), in Nordrhein-Westfalen die LGe Düsseldorf, Dortmund und Köln, V O v. 15. 2. 66 (NWGVBl. 65).
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g) Festsetzung des angemessenen Ausgleichs oder der angemessenen Abfindung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen nach §§ 304 Abs. 3, 305 Abs. 5, 306 AktG oder der angemessenen Abfindung ausgeschiedener Aktionäre bei Eingliederung der Gesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft nach § 320 Abs. 6 AktG oder der angemessenen Barabfindung eines Aktionärs bei Umwandlung einer AG in eine GmbH nach § 375 Abs. 2 AktG. Es entscheidet die Kammer für Handelssachen. In Niedersachsen ist das LG Hannover zuständig, V O v. 29. 3. 67 (NdsGVBl. 102), in Baden-Württemberg die LGe Stuttgart und Mannheim, VO v. 10. 10. 67 (BWGBl. 218), in Nordrhein-Westfalen die LGe Düsseldorf, Dortmund und Köln, VO v. 15. 2. 66 (NWGVBl. 65).
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h) Feststellung der Abfindung der bei der Umwandlung einer AG, KGaA, G m b H oder bergrechtlichen Gewerkschaft ausgeschiedenen Aktionäre, Gesellschaft oder Gewerken nach § 30 d. Ges. über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften v. 12. 11. 56 (BGBl. I 844) i. d. F. d. § 39 Nr. 9 EGAktG. Es entscheidet die Kammer für Handelssachen. In Niedersachsen ist das LG Hannover zuständig, VO v. 29. 3. 67 (NdsGVBl. 102), in Baden-Württemberg die LGe Stuttgart und Mannheim, VO v. 10. 10. 67 (BWGBl. 218), in Nordrhein-Westfalen die LGe Düsseldorf, Dortmund und Köln, VO v. 15. 2. 66 (NWGVBl. 65).
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') Entscheidung über die Abfindung ehemaliger Reichsbankanteilseigner nach § 4 Abs. 2 d. G. über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank v. 2. 8. 61 (BGBl. I 1165); örtlich zuständig ist nur das LG Berlin. k) Spruchverfahren nach § 58 DM-BilG v. 21. 8. 49 (WiGBl. 279) mit VO v. 13. 12. 49 (BGBl. 1905 2). Dazu in Hessen V O v. 26. 8. 60 (HessGVBl. 174). l) Wertpapierbereinigungssachen nach § 29 des WertpapierbereinigungsG v. 19. 8. 49 (WiGBl. 295) mit VO v. 12. 3. 50 (BGBl. 180), 1. ErgG v. 29. 3. 51 (BGBl. I 211), 2. ErgG v. 20. 8. 53 (BGBl. I 940), 3. ErgG v. 16. 11. 56 (BGBl. I 850), 4. ErgG (Wertpapierbereinigungsschlußgesetz) v. 28. 1. 64 (BGBl. I 237). Dazu für Bayern VO über die Zuständigkeit der Kammern für Wertpapierbereinigung v. 13. 7. 60 (BayGVBl. 134), in Hessen VO über die Zuweisung von Wertpapierbereinigungssachen an einzelne Gerichte v. 26. 8. 60 (HessGVBl.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
V o r b e m . § § 3—7
174): LG Frankfurt. In Nordrhein-Westfalen VO über die Zuweisung von Wertpapierbereinigungssachen an einzelne Gerichte v. 6. 12. 64 (GV. NW. S. 414) i. d. F. der VO v. 25. 11. 66 (GV. NW. S. 512): LG Düsseldorf für die OLGBez. Düsseldorf und Köln, LG Hagen für den OLGBez. Hamm. Hamburg VO v. 23. 7. 68 (HambGVBl. 196): Kammer für Handelssachen beim LG Hamburg; Schleswig-Holstein VO v. 21. 9. 68 (GVBl. 295): Kammer für Handelssachen beim LG Kiel. m) Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung aus Mitteln des Ausgleichsfonds bei unverschuldetem Unterbleiben der Nachanmeldung oder Wiederanmeldung eines im Wertpapierbereinigungsverfahren anzumeldenden Rechts nach § 16 Abs. 4 4. ErgGWBG (Wertpapierbereinigungsschlußgesetz) v. 28. 1. 64 (BGBl. I 237). n) Verfahren nach dem BereinigungsG für deutsche Auslandsbonds v. 25. 8. 52 (BGBl. I 553), §§ 31, 47 und nach dem Gesetz zur Bereinigung der auf Reichsmark lautenden Wertpapiere der Konversionskasse für deutsche Auslandsschulden v. 5. 3. 55 (BGBl. I 86). Dazu in Niedersachsen VO v. 3. 8. 60 (NdsGVBl. 224). o) Verfahren nach dem Gesetz über die innerdeutsche Regelung von VorkriegsremboursVerbindlichkeiten v. 20. 8. 53 (BGBl. I 999), § 14. p) Entscheidung über Aufhebung und Änderung von Sicherheiten nach dem G zur Ausf. des Abkommens über deutsche Auslandsschulden v. 24. 8. 53 (BGBl. I 1003), 9. 2. 55 (BGBl. I 57), 5. 3. 56 (BGBl. I 99), § 79. q) Entscheidung über den Einspruch gegen Entscheidungen der Prüfstelle im Verfahren nach den §§ 40 bis 67 des Allgemeinen KriegsfolgenG v. 5. 11. 57 (BGBl. I 1747) i. d. F. d. 14. ÄndG-LAG v. 26. 6. 61 (BGBl. I 785) u. d. 18. ÄndG-LAG v. 3. 9. 65 (BGBl. I 1043). r) Verfahren nach dem UmstErgG v. 21. 9. 53 (BGBl. I 1439) § 22, dem 2. UmstErgG v. 23. 3. 57 (BGBl. I 285) § 9 und dem Berliner AltbankenG v. 10. 12. 53 (GVBl. Berlin 1483) § 7 Abs. 7, geändert durch 3. UmstErgG v. 22. 1. 64 (BGBl. I 33) und 4. UmstErgG v. 23. 12. 64 (BGBl. 1 1083).; örtlich zuständig ist nur das LG Berlin. s) Verfahren nach dem VertragshilfeG v. 26. 3. 52 (BGBl. I 198) §§ 18, 18a, wenn der Antrag eine Verbindlichkeit betrifft, die 6000 DM übersteigt oder unter das Londoner Schuldenabkommen fällt, anwendbar auch auf die Schuldenregelung für Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge nach dem BundesvertriebenenG i. d. F. v. 14. 8. 57 (BGBl. I 1215, 1330) §§ 82 bis 89, und der Heimkehrer nach § 26a HeimkehrerG v. 30. 10. 51 (BGBl. I 875) sowie auf die Vertragshilfe nach den §§ 87 bis 91 des Allgemeinen KriegsfolgenG v. 5. 11. 57 (BGBl. I 1747). t) Verfahren vor den Wiedergutmachungskammern, REGamZ Art. 67, REGbrZ Art. 59, REAO Berlin Art. 61, BundesrückerstattungsG v. 19. 7. 57 (BGBl. I 734) i. d. F. v. 24. 3. 58 (BGBl. I 141) v. 13. 1. 59 (BGBl. I 21) und 2. 10. 64 (BGBl. I 809) §§ 27 Abs. 4, 29 Abs. 5, 42 Abs. 3 bis 5. Dazu für Niedersachsen VO über die Zuständigkeit in Rüdkerstattungssachen v. 3. 8. 60 (NdsGVBl. 225); zuständig WGK beim LG Hannover. u) Verfahren nach dem Berliner G über die Vollstreckung von Entscheidungen auswärtiger Gerichte i. d. F. v. 26. 2. 53 (GVBl. 152). v) Beschwerden wegen Amtsverweigerung des Notars nach § 15 Satz 2 BNotO; vgl. auch Art. 51 Abs. 2 PrFGG, Art. 89 HessFGG, Art. 69 NdsFGG, Art. 44 BayNotG. w) Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 FGG, § 4 Abs. 2 Satz 2 GBO sowie im Abgabestreit nach §§ 46, 75 GBO, § 7 Abs. 2 VertrHilfeG, wenn das LG gemeinschaftliches oberes Gericht der streitenden Gerichte ist. II. Das Oberlandesgericfat ist als Gericht des ersten Rechtszuges zuständig: a) als Fideikommißauflösungsbehörde, § 1 des G v. 26. 6. 35 (RGBl. I 785). b) für die Entscheidung über die Berechtigung der Ablehnung der Wahl des elften Aufsichtsratsmitglieds nach § 8 Abs. 3 Satz 4 MitBestG v. 21. 5. 51 (BGBl. 347) i. V. m. § 18 MitBestErgG v. 7. 8. 56 (BGBl. I 707). 113
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§§ 3—7 Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
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c j für die Amtsenthebung eines Handelsrichters nach § 113 GVG, in Notarsachen für die Amtsenthebung eines Beisitzers aus den Reihen der Notare nach § 104 Abs. 2 BNotO.
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d) für die Amtsenthebung nach § 7 LwVG.
30
e ) für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 FGG, § 4 Abs. 2 Satz 2 GBO sowie im Abgabestreit nach §§ 46, 75 FGG, § 7 Abs. 2 VertrHilfeG.
31
f ) für die Anfechtung von Justizverwaltungsakten von Justizbehörden auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses und der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach §§ 23 bis 30 EGGVG (Anh. I nach § 34).
32
S) für die Anfechtung von Entscheidungen der Landesjustizverwaltung über Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art. 7 § 1 FamRÄndG (Anh. II nach § 34).
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h) für die Anfechtung von Verwaltungsakten, die nach der Bundesnotarordnung ergehen, nach § 111 BNotO; das OLG entscheidet in der für Disziplinarsachen gegen Notare vorgeschriebene Besetzung.
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0 für die Anfechtung von Verwaltungsakten, die nach der Bundesrechtsanwaltsordnung ergehen, sowie die Nichtigerklärung von Wahlen und Beschlüssen der Organe der Rechtsanwaltskammern nach §§ 11, 16, 21, 28, 29, 35, 90, 223 BRAO; es entscheidet der Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte in der Besetzung nach §§ 101, 104 BRAO.
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k) für die Anfechtung von Verwaltungsakten, die in Zulassungssachen nach der Patentanwaltsordnung v. 7. 9. 66 (BGBl. I 557) ergehen, sowie f ü r die Nichtigerklärung von Wahlen oder Beschlüssen der Organe der Patentanwaltskammer nach §§ 16 Abs. 2, 18 Abs. 2, 23 Abs. 4, 33, 36 Abs. 4, 83, 84 Abs. 7, 184 PatAnwO; es entscheidet das OLG, in dessen Bezirk das Patentamt seinen Sitz hat (OLG München), als Senat für Patentanwaltssachen unter Hinzuziehung zweier Patentanwälte (§§ 85, 86 PatAnwO).
36
l) für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Bescheide des Patentamts, durch welche die Eintragung anonymer oder pseudoanonymer Werke in die Urheberrolle abgelehnt wird, nach § 138 Abs. 2 UrheberrechtsG v. 9. 9. 65 (BGBl. I 1273) mit VO über die Urheberrolle v. 18. 12. 65 (BGBl. I 2105). Es entscheidet das f ü r den Sitz des Patentamts zuständige OLG (München) endgültig im Verfahren der freiw. Gerichtsbarkeit 1 ).
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m) für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Bescheide der beim Patentamt gebildeten Schiedsstelle nach § 14 des G über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten v. 9. 9. 65 (BGBl. I 1297) — UrhWG — über den Abschluß von Gesamtverträgen einer Verwertungsgesellschaft (§ 1 Abs. 4 UrhWG) mit einer Vereinigung oder von Verträgen einer Verwertungsgesellschaft mit einem Sendeunternehmen (§ 55). Es entscheidet das für den Sitz der Schiedsstelle zuständige OLG (München) endgültig im Verfahren der freiw. Gerichtsbarkeit; für den Antrag, der innerhalb eines Monats zu stellen ist, besteht Anwaltszwang (§§ 14 Abs. 5, 15 UrhWG) 2 ). Zuständigkeiten desselben OLG für Nebenentscheidungen begründen §§ 1 Abs. 2, 8 Abs. 5, 9 Abs. 2, 11 Abs. 2, 12 Abs. 2 der VO über die Schiedsstelle nach dem UrhWG v. 18. 12. 65 (BGBl. I 2106).
eines landwirtschaftlichen
Beisitzers
des AG oder des OLG
III. Der Bundesgerichtshof ist als Gericht des ersten Rechtszuges zuständig: a
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) für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 Abs. 1 Satz 2 FGG, wenn es im Bundesgebiet an einem Gericht fehlt®).
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b) für die Amtsenthebung eines landwirtschaftlichen Beisitzers des B G H nach § 7 LwVG. ») Vgl. Keidel» Bern. 47 a vor S 19. *) Vgl. Keidel» Bern. 47 f vor $ 1 9 . 114
») BGHZ 19, 102 = NJW 1956, 183.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften c) für die Nichtigerklärung von Wahlen oder Beschlüssen des Präsidiums oder der H a u p t Versammlung der Bundesrechtsanwaltskammer nach § 191 BRAO.
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2. Zuständigkeitsvereinbarungen der Beteiligten über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit sind der freiwilligen Gerichtsbarkeit fremd u n d deshalb unstatthaft; die §§ 38 bis 40 Z P O sind auch in echten Streitsachen nicht anwendbar. Das gilt audi f ü r Vertragshilfesachen und in Landwirtschaftssachen (str.). Es kann daher weder die Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts statt des Prozeßgerichts ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden 4 ) noch umgekehrt 5 ). Die örtliche Zuständigkeit ist stets ausschließlich. Bei Doppelwohnsitz des Kindes kann erst der Vorgriff eines der beiden zuständigen Vormundschaftsgerichte (§ 4) die Zuständigkeit des anderen ausschließen, nicht etwa eine Einigung der Eltern"). Ausnahmsweise unterliegt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts der Vereinbarung der Beteiligten nach § 164 F G G und §§ 64 Abs. 2, 184 Abs. 2 VersVertrG (vgl. § 164 Rdn. 5, 9 ff.).
4-)
3. Schiedsrichterlicher Entscheidung können Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbargrundsätzlich nicht unterstellt werden. Für Pachtschutzsachen ist das in § 10 Abs. 3 LPachtG besonders bestimmt, gilt aber audi sonst, z. B. f ü r die Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) 7 ). Die Zuständigkeit des VormG zur Regelung des Verkehrs der Eltern mit dem Kinde nach § 1634 BGB kann durch Vereinbarung der Eltern weder ausgeschlossen noch beschränkt werden 8 ). Dagegen ist der Abschluß eines förmlichen Schiedsvertrages im Sinne des § 1025 Z P O f ü r statthaft zu erachten in Angelegenheiten, deren Gegenstand der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt (§ 1025 Abs. 1 Z P O : wenn sie „über den Gegenstand des Streits einen Vergleich zu schließen" berechtigt sind), z. B. in Pachtrechtsstreitigkeiten 9 ). Die (verzichtbare) Einrede des Schiedsvertrages (§ 274 Abs. 2 N r . 3 Z P O ) ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Die den Gerichten der streitigen Gerichtsbarkeit im schiedsrichterlichen Verfahren obliegenden Aufgaben nimmt das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit in entsprechender Anwendung der §§ 1025 f f . Z P O wahr 1 0 ).
42
Gerichtsstand
für Exterritoriale
und Beamte im
Ausland
3 Soweit für die örtliche Zuständigkeit der Gerichte der Wohnsitz eines Beteiligten maßgebend ist, bestimmt sich für Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, sowie für Beamte des Reichs oder eines Bundesstaats, die im Ausland angestellt sind, der Wohnsitz nach den Vorschriften des § 15 der Zivilprozeßordnung. Ist der für den Wohnsitz einer Militärperson maßgebende Garnisonort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so wird der als Wohnsitz geltende Bezirk von der Landesjustizverwaltung durch allgemeine Anordnung bestimmt.
A. Allgemeines Die Vorschrift enthält in Abs. 1 eine Sonderregelung rein verfahrensrechtlicher Art zur Begründung eines Gerichtsstandes f ü r einen bestimmten Kreis von Beteiligten deutscher Staatsangehörigkeit in den Fällen, in denen in einer Angelegenheit der F G f ü r die örtliche Zuständigkeit des Gerichts der Wohnsitz eines Beteiligten maßgebend ist (§§ 36 bis 40, 43 Abs. 1, 43a Abs. 1, 66, 73 F G G , §§ 132, 261 Abs. 1 Satz 2, 1558 BGB). Diese Beteiligten werden in der Regel im Inland keinen Wohnsitz haben; aber auch wenn sie einen inländischen Wohnsitz haben, z. B. als exterritoriales Geschäftspersonal einer ausländischen diplomatischen 4 ) 5
) ) ') 8 ) 6
BGH RdL 1952, 249 = NJW 1952, 1055. Schleswig SchlHA 1954, 126. A. M. München Rpfleger 1968, 226. RGZ 133, 132. KGJ 44, 20.
») BGHZ 6, 253 = RdL 1952, 210. 1») BGH aaO.; zum Ganzen Habscheid ZZP 66, 188; Bärmann WEG § 43 Anm. VIII; Keidel § 1 Anm. 5. 115
Freiwillige Gerichtsbarkeit Vertretung (Rdn. 6) geht die Regelung des § 3 den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften vor
/ Der persönliche Geltungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auf: a) Deutsche, also deutsche Staatsangehörige und Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG (vgl. § 36 Rdn. 22), die (im Ausland oder Inland) das Recht der Exterritorialität genießen (Rdn. 6); b) Beamte des Bundes oder eines deutschen Landes, die im Ausland angestellt sind, d. h. dauernd dienstlich verwendet werden, auch soweit sie im Ausland nicht exterritorial sind. Vorübergehender, auch längerer Aufenthalt, z. B. zur Ausbildung, genügt nicht. c) Angehörige der zu a) und b) genannten Personen, soweit sie einen abgeleiteten Wohnsitzgerichtsstand haben. d) Auf Wahlkonsuln ist § 3 nach § 15 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar. 2. Exterritorialität in dem hier gebrauchten Sinne bedeutet Exemption (Befreiung) von der Gerichtsbarkeit des Staates, in dem der Beteiligte sich aufhält 1 ). Für die Anwendbarkeit des § 3 kommen in Betracht Deutsche, die sich im Ausland aufhalten und dem Staate ihres Aufenthalts gegenüber das Recht der Exterritorialität genießen. Wer zu diesem Personenkreis gehört, bestimmt sich nach den Regeln des Völkerrechts, nach Staatsverträgen und nach der Gesetzgebung des in Betracht kommenden fremden Staates. Nach überwiegend anerkannten Regeln genießen dem Empfangsstaat gegenüber das Recht der Exterritorialität die Leiter und Mitglieder der dort akkreditierten diplomatischen Vertretungen, deren Familienmitglieder, ihr Geschäftspersonal und ihre Bediensteten, diese jedoch nur, soweit sie nicht Angehörige des Empfangsstaates sind. Konsuln genießen das Recht der Exterritorialität nur, soweit dies durch Staatsvertrag anerkannt ist (vgl. § 21 GVG). Deutsche können von der inländischen Gerichtsbarkeit nach Maßgabe der §§ 18 bis 21 GVG befreit sein, z. B. als Familienmitglieder oder Geschäftspersonal ausländischer diplomatischer Vertreter, nicht aber als ihre Bediensteten. 3. Die örtliche Zuständigkeit wird für den in Anm. 1 angeführten Personenkreis geregelt durch Verweisung auf § 15 ZPO. Diese Vorschrift lautet: § 15. Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, sowie die im Ausland angestellten Beamten des Bundes oder eines deutschen Landes behalten hinsichtlich des Gerichtsstandes den Wohnsitz, den sie im Inland hatten. Wenn sie einen solchen Wohnsitz nicht hatten, so gilt der Sitz der Bundesregierung als ihr Wohnsitz. Auf Wahlkonsuln sind diese Vorschriften nicht anzuwenden. Hiernach gilt „hinsichtlich des Gerichtsstandes", also nur für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, soweit sie sich nach dem Wohnsitz richtet, als Wohnsitz: a) der Wohnsitz, den der betroffene Beteiligte im Inland, also in einem der deutschen Länder, zuletzt gehabt hat, bevor er das Recht der Exterritorialität erwarb oder im Ausland angestellt wurde. Dieser Wohnsitz gilt auch dann, wenn er inzwischen aufgegeben worden ist oder wenn der Beteiligte nach Erwerb der Exterritorialität einen anderen inländischen Wohnsitz begründet hat, z. B. als Geschäftspersonal einer ausländischen diplomatischen Vertretung; b) der Sitz der Bundesregierung, jetzt also Bonn, wenn der Beteiligte zu dem nach a) maßgebenden Zeitpunkt keinen Wohnsitz im Inland hatte. Diese Regelung geht nicht nur den allgemeinen, an den Wohnsitz anknüpfenden Zuständigkeitsvorschriften (Rdn. 1) vor, sondern verdrängt auch die zentrale Zuständigkeit des AG Schöneberg nach §§ 36 Abs. 2, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2 FGG; auch wenn in Ermangelung eines ') Zu Begriff und Umfang der Exterritorialität vgl. Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl. i960, Art. Exterritorialität; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 Vorbem. V vor $ 1;
116
Wieczorek, Erl. zu SS 18—21 G V G ; Sdinitzer, H d b . d. IPR, 4. Aufl., S. 830 f f . ; Kiezler, Internationales Zivilprozeßrecht S. 197 f f . ; Rosenberg ZPR» S 16. Vgl. ferner Anm. B.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften inländischen Wohnsitzes an den schliditen Aufenthalt im Inland angeknüpft wird (§ 36 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 Halbs. 2), kommt die Aufenthaltszuständigkeit gegenüber der nach § 3 begründeten nicht in Betracht. 4. Der Begriff des Wohnsitzes
bestimmt sich nach §§ 7 bis 11 BGB (vgl. § 36 Anm. D).
5. Für nach Landesrecht zuständige nichtgerichtliche Behörden gilt § 3 gemäß § 194. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 3 durchweg für anwendbar erklärt, vgl. § 1 PrFGG und § 1 Rdn. 131. 6. Militärpersonen (Abs. 2) a) Abs. 2, ein dem § 14 Z P O entsprechender Zusatz des G v. 5. 3. 06 (RGBl. 387), ist durdi das KontrRG Nr. 34 Art. III gegenstandslos und auch durch das SoldatenG v. 19. 3. 56 (BGBl. I 114) nicht wiederhergestellt worden. Soldaten haben einen gesetzlichen Wohnort am Standort nach § 9 BGB i. d. F. d. § 68 SoldatenG; die Vorschrift gilt nicht in Berlin. Die Regelung erstreckt sich nur auf Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit i. S. d. §§ 39„ 40 SoldatenG, nicht auf Dienstpflichtige und auf minderjährige Soldaten (§§ 9 Abs. 2, 8 Abs. 1 BGB) und nicht auf Beamte der Bundeswehr. Die Begründung eines gewählten Wohnsitzes nach § 7 BGB ist auch Soldaten nicht verwehrt (RG JW 1930, 51 mit Anm. v. Wagner). Auf die Angehörigen der in Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte ist § 9 BGB nicht anwendbar. b) An die Stelle des Abs. 2 wird der Grundsatz treten müssen, daß, wenn die Zuständigkeit des Gerichts durch den Wohnsitz eines Beteiligten bestimmt wird, dieser Ort aber in mehrere Gerichtsbezirke geteilt ist, dasjenige Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, von dem sich der Wohnsitz herleitet (RGZ 67, 191).
B. Gerichtsbarkeit Unter Gerichtsbarkeit ist die Gerichtshoheit zu verstehen, d. h. die aus der staatlichen Souveränität fließende, durch den Staat seinen Gerichten allgemein verliehene Entscheidungsgewalt (facultas iurisdictionis) 2 ). Als Teil der Souveränität erstreckt sich die Gerichtsbarkeit nur auf das Staatsgebiet, ist in dessen Grenzen grundsätzlich aber unbeschränkt ohne Rücksicht darauf, ob zu den Verfahrensbeteiligten oder zu dem Gegenstand des Verfahrens eine hinreichende Inlandsbeziehung besteht 8 ). Die Regel ist, daß die Gerichtsbarkeit eines Staates innerhalb seines Staatsgebiets immer gegeben ist, es sei denn, daß ausnahmsweise eine durdi eine Rechtsnorm begründete Befreiung vorliegt. Eine solche Norm kann sich ergeben aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die durch Art. 25 Satz 1 GG in das deutsche Recht transformiert werden, aus dem nationalen Recht (§§ 18 bis 21 GVG), welches nur weitergehende Befreiungen gewähren, aber nach Art. 25 Satz 1 GG nicht hinter den Anforderungen des Völkerrechts zurückbleiben darf, sowie aus Staatsverträgen. Von der Gerichtsbarkeit zu unterscheiden ist die internationale Zuständigkeit (vgl. dazu § 1 Rdn. 134). Die internationale Zuständigkeit setzt die Gerichtsbarkeit voraus 4 ). Beide haben gemeinsam, daß ihr Fehlen in jeder Lage des Verfahrens, auch im Rechtsbeschwerdeverfahren, von Amts wegen zu prüten und zu beachten ist. Während aber das Fehlen der internationalen Zuständigkeit keine Unwirksamkeit begründet und durch die formelle Rechtskraft geheilt wird, ist eine unter Überschreitung der Gerichtsbarkeit ergangene Entscheidung wirkungslos 5 ). Es wird jedoch anzunehmen sein, daß innerstaatlich die Wirksamkeit der Entscheidung nicht in Frage gestellt *) Vgl. Pagenstecher, RabelsZ 4, 713; 11, 342; Nußbaum IPR S. 386; Riezler IZPR S. 201; Matthies, Die dt. intern. Zuständigkeit S. 30; Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausl. Urteile 1966 $ 9 I ; SteinJonas-Pohle Z P O 1 9 V 1 vor § 12. i) Nußbaum IPR S. 388; Neuhaus RabelsZ 20, 209.
4 5
) Matthies aaO. S. 30; Gelmer aaO. § 9 II; Stein-Jonas-Pohle Z P O ' 9 V 1 vor § 12. ) Stein-Jonas-Pohle Z P O " V D 4 vor § 1 Fn. 74; Wieczorek § 18 GVG Anm. A I; Riezler IPR S. 361; Soergel-Kegel 19 Anm. 301 vor Art. 7 EGBGB; a. M. Kralik ZZP 74, 23; Schlosser ZZP 79, 176 ff.
117
H -J2
13
-j^
Freiwillige Gerichtsbarkeit werden kann, wenn das Gericht die Gerichtsbarkeit geprüft und bejaht hat'). Wegen der Möglichkeit einer Unterwerfung unter die inländische Gerichtsbarkeit vgl. Stein-Jonas-Pohle, Z P O 19 Bern. V B 5 b vor § 1. 16
1• Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit genießen Exterritoriale (Geriditsfreie, Eximierte). Dazu gehören ausländische Staatsoberhäupter 7 ), fremde Staatsvertreter oder Abordnungen auf staatlichen oder zwischenstaatlichen Veranstaltungen, im Empfangsstaat die Leiter und Mitglieder der dort akkreditierten diplomatischen Vertretungen und ihre Familienmitglieder ( S § 18, 19 GVG; vgl. auch Art. 31 § 1 der Wiener Konvention v. 18. 4. 61 über diplomatische Beziehungen, BGBl. 1964 II 957), ihr Geschäftspersonal und ihre Bediensteten, diese nur, soweit sie nicht Deutsche sind. Fremde Staaten genießen nach neuerer Auffassung Exterritorialität nur, soweit sie sich hoheitlich betätigen und insofern, als ihr öffentliches Vermögen der Einwirkung anderer Staaten im Wege des Zwanges entzogen ist, nicht aber, soweit sie sich privatrechtlich betätigen (Handeln iure imperii oder iure gestionis) 9 ). Nicht exterritorial sind ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts8) oder wirtschaftlidie Unternehmen eines ausländischen Staates mit eigener Rechtspersönlichkeit 10 ).
17
2. Die Beschränkungen der deutschen Gerichtsbarkeit durch G N r . 13 der Alliierten Hohen Kommission v. 21. 11. 49 (AB1AHK 54) i. d. F. der G N r . 28 v. 31. 5. 50 (AB1AHK 391) u. N r . 59 v. 12. 7. 51 (AB1AHK 989) sind infolge der Aufhebung dieser Gesetze auf Grund des Deutschlandvertrages (BGBl. 1955 II 213, 305) durch Art. 3 A H K G A 37 v. 5. 5. 55 (ABlA H K 3267) fortgefallen. Die deutsche Gerichtsbarkeit in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten, an denen Mitglieder der in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte beteiligt sind, wurde zunächst nach Maßgabe des Truppenvertrages v. 26. 5. 52 i. d. F. des Protokolls v. 23. 10. 54 (BGBl. 1955 II 321 [334]) ausgeübt. Die Militärgerichte der Streitkräfte üben seitdem Zivilgerichtsbarkeit nicht mehr aus. Die Mitglieder der Streitkräfte (Begriffsbestimmung Art. 1 N r . 7) unterstehen der deutschen Gerichtsbarkeit (Art. 9). Diese Regelung ist abgelöst worden durch das G zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen v. 18. 8. 61 (BGBl. II 1183), in K r a f t getreten am 1. 7. 63 (Bek. v. 16. 6. 63, BGBl. II 745). Bei der Ausübung der Zivilgerichtsbarkeit über Mitglieder der Truppe, des zivilen Gefolges oder ihrer Angehörigen sind zu beachten die Bestimmungen der Art. 31 bis 39 des Zusatzabkommens v. 3. 8. 59 (BGBl. 1961 II 1218), die Ausführungsbestimmungen des NTrStG und die ergänzenden Bestimmungen des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen v. 3. 8. 59 (BGBl. II 1313). Sie enthalten Vorschriften über das Armenrecht, Zustellungen, Vollstreckungen, Ladungen, Erscheinen vor Gericht, Aussagegenehmigungen, Ausschluß der Öffentlichkeit und Rechte der Zeugen und Sachverständigen. Das Zusatzabkommen gilt für die BRD, Belgien, Frankreich, Kanada, die Niederlande, Großbritannien und Nordirland und die USA 11 ).
18
3. Für Berlin sind der Truppen vertrag und das Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut nicht in Geltung gesetzt worden. Die Beschränkungen der Gerichtsbarkeit auch in niditstrafrechtlichen Angelegenheiten durch das G N r . 7 über Gerichtsbarkeit auf den vorhandenen Gebieten v. 17. 3. 50 (VOBl. Berlin I 89) i. d. F. d. G N r . 17 v. 27. 8. 51 (GVBl. Berlin 639) mit AuslG Nr. 21 v. 20. 2. 52 (GVBl. 148) sind aufrechterhalten durch die Erklärung der All. Kommandantur über Berlin BKC/L (55) 3 v. 5. 5. 55 (GVBl. Berlin 335, SaBl. 586) Art. III Buchst, a. Vgl. auch Berliner G zur Aufhebung des Besatzungsrechts v. 11. 9. 58 (GVBl. 866) und v. 5. 12. 58 (GVBl. 1288). •) Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil S. 163; Geimer aaO. § 9 I I Fn. 26; Waldishöfer ZZP 80, 165 f f . Fn. 54. 7 ) R G Z 157, 389, 392; Riezler IZPR S. 349; Verdroß, Völkerrecht® S. 292. 8) BVerfGE 16, 27; Aubin J Z 1964, 118; Dahm in Festschr. f. Nikisdi S. 162; vgl. ferner Berber, Lb. d. Völkerrechts I 217; Wengler Völ-
118
kerrecht I I 949 f f . ; Münch ZaöR 24, 265 f f . ; Sonnenberger AcP 162, 485 ff. *) R G J W 1922, 398; R G Z 110, 317. ">) B G H Z 18, 1. " ) Vgl. dazu Schwenk, N J W 1964, 1000; SteinJonas-Pohle ZPO 1 * V C vor § 1; BaumbachLauterbach Z P O 2 8 Sdilußanh. I I I ; Keidel» § 3 Anm. 10.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Zuständigkeit
mehrerer
§4
Gerichte
4 Unter mehreren zuständigen Gerichten gebührt demjenigen der Vorzug, welches zuerst in der Sache tätig geworden ist. 1. Allgemeines. Die Vorschrift regelt die Konkurrenz mehrerer örtlich zuständiger Gerichte, bezieht sich also nicht auf eine mehrfache sachliche Zuständigkeit, z. B. des Registergerichts und des vorgeordneten Landgerichts im Amtslöschungsverfahren nach §§ 143, 144, 147, 159, 161 FGG 1 ), vgl. dazu § 143 Rdn. 1. Zweck der Vorschrift ist Ausschluß einer D o p pelbehandlung derselben Sache; hat ein zuständiges Gericht bereits ein Verfahren eingeleitet, so gebietet das öffentliche Interesse und das Interesse der Beteiligten an der Vermeidung von Doppelarbeit und widersprechenden Entscheidungen, daß jedes andere zuständige Gericht sich einer Tätigkeit enthält'). 2. Mehrfache örtliche Zuständigkeit. Mehrere Geridite können örtlich zuständig sein, wenn die für die Zuständigkeit maßgebenden Umstände (vgl. Vorbem. 1 A vor § 3) die örtliche Zuständigkeit verschiedener Geridite begründen, z. B. bei Maßgeblichkeit des Wohnsitzes (§§ 36 Abs. 1, 73 Abs. 1), wenn jemand einen gewählten doppelten Wohnsitz hat (§ 7 Abs. 2 BGB) oder wenn ein Kind die verschiedenen Wohnsitze der gemeinsam vertretungsberechtigten Eltern als abgeleitete Wohnsitze teilt®), oder im Fall des § 73 Abs. 3, wenn sich Nachlaßgegenstände in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte befinden 4 ). Es muß mithin eine Zuständigkeit mehrerer Gerichte wirklich begründet sein. Der Vorgriff eines unzuständigen Gerichts, welches sich irrig f ü r zuständig hält, begründet keine Zuständigkeit dieses Gerichts 5 ), auch nicht das Tätigwerden im Eilgeriditsstand nadi § 44 FGG, § 77 Abs. 1 J W G ' ) . Das unzuständige Gericht muß die Sache an das zuständige Geridit abgeben; bei Streit hierüber ist nach § 5 zu verfahren. Eine mehrfache örtliche Zuständigkeit ist auch gegeben, wenn die die örtliche Zuständigkeit begründenden, noch nicht aufgeklärten Tatsachen mit den f ü r die Sachentscheidung maßgebenden Tatsadien zusammenfallen; dann ist jedes Geridit zuständig, das nach den verschiedenen denkbaren Ergebnissen der Sadientsdieidung in Betracht kommt 7 ). 3. Vorgriffszuständigkeit (Gerichtsstand der Prävention). Der Vorzug gebührt demjenigen der mehreren örtlich zuständigen Gerichte, welches zuerst in der Sache tätig geworden ist. Tätigwerden ist mehr als nur durch den Eingang der Sache mit ihr i. S. der §§ 5, 43, 45 bef a ß t zu sein. P r ü f u n g der eigenen Zuständigkeit genügt nicht, auch nicht Entgegennahme eines Antrags zum Protokoll der Geschäftsstelle (§ 11). Wohl aber Entgegennahme von Erklärungen, die vor oder gegenüber dem Gericht abzugeben sind, durch den Richter oder in übertragenen Geschäften durch den Rechtspfleger. Entgegennahme der Erklärung der Kindesmutter über ihre Ansprüche und des Erzeugers über Anerkennung der Vaterschaft ist noch kein Tätigwerden als VormG 8 ). Im übrigen muß das Gericht eine auf die Förderung der Sache gerichtete Verfügung getroffen haben'), die jedodi noch nicht nach außen in Erscheinung getreten zu sein braucht. Auf den U m f a n g der von dem einen oder anderen Gericht entfalteten Tätigkeit kommt es nicht an 10 ), ebensowenig darauf, ob das Verfahren des einen Gerichts bereits weiter gediehen ist als das des anderen. L ä ß t sich nicht feststellen, welches der beiden Gerichte zuerst tätig geworden ist oder sind sie gleichzeitig oder überhaupt noch nicht in der Sadie tätig geworden, so ist die Bestimmung unter ihnen im Verfahren nach § 5 nadi Zweckmäßigkeitsgründen zu treffen 1 1 ). In übertragenen Sachen genügt ein Tätigwerden des Rechtspflegers. 4. Dieselbe Sache liegt vor, wenn die Angelegenheit Gegenstand eines selbständigen und einheitlichen Verfahrens sein k a n n ; hieran fehlt es f ü r die einzelnen gerichtlichen Handlungen ') *) ») 4 ) «) •)
Sdilegelberger Anm. 1. Baur § 17 II 2 c. OLG Karlsruhe OLGZ 1966, 240. KG JFG 21, 203. BayObLGZ 7, 118; 1967, 47. Keidel Anm. 2.
7) BayObLGZ 1965, 366 = NJW 1966, 356, 786. 8) BayObLGZ 17, 221 = DJZ 1917, 338. ») München BayJMBl. 1952, 249 = JZ 665 = Rpfleger 591. I0 ) Wellstein8 Anm. 3. » ) Hamm JMBINRW 1957, 149; BayObLGZ
§4
Freiwillige Gerichtsbarkeit
innerhalb einer Vormundschaft oder Pflegschaft, deren Führung als Ganzes eine Sadie ist. Dagegen sind die Einzelverrichtungen des VormG i. S. des § 43 verschiedene Sachen, z. B. die Zuweisung der elterlichen Gewalt (§ 1671 BGB) im Verh. zu der Änderung dieser Entscheidung (§ 1696 BGB) 1 *). In Nachlaßsachen sind die Führung einer Nachlaßpflegschaft, Nachlaßverwaltung oder die Vermittlung der Erbauseinandersetzung (§ 86) einschließlich der in ihrem Rahmen anfallenden Geschäfte eine einheitliche Sache; dagegen sind die einzelnen Verrichtungen des NachlG in Bezug auf denselben Nachlaß verschiedene Sachen, z. B. die Nachlaßpflegschaft, die Testamentseröffnung und die Erbscheinserteilung 1 '), ebenso die nacheinander beantragte Erteilung verschiedener Teilerbscheine. Die Auffassung, daß verschiedene nachlaßgerichtliche Verrichtungen so ineinandergreifen könnten, daß sie als eine einheitliche Sache anzusehen seien 14 ), beruht auf Besonderheiten des bayer. Landesrechts (Art. 3 Abs. 1 BayNachlG) und ist daher auf andere Länder nicht zu übertragen. Eine Ausnahme von § 4 enthält § 7 Abs. 2 ZustErgG. Für die Einziehung des Erbscheins bleibt das Gericht zuständig, das ihn erteilt hat 1 5 ). Bei echten Antragssachen wird durch Zurücknahme des Antrags und seine Erneuerung bei einem anderen Gericht eine andere Sache eingeleitet. Wenn aber bei einem nur von Amts wegen oder sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag zu betreibenden Verfahren (Fürsorgeerziehung, Volljährigkeitserklärung) der „Antrag" bei dem einen Gericht zurückgenommen und statt dessen bei einem anderen Gericht gestellt wird, bleibt die Sache dieselbe 1 '). f . Wirkung
des
Vorgriffs
a) Ist ein zuständiges Gericht in der Sadie tätig geworden, so schließt es damit f ü r diese Sache (Anm. 4) die Zuständigkeit aller anderen, nach den Normen über die Begründung der örtlichen Zuständigkeit ebenfalls als zuständig in Betracht kommenden Gerichte aus 17 ). Ihre Zuständigkeit erlischt und sie haben ihre Tätigkeit einzustellen; die bei ihnen erwachsenen Vorgänge geben sie zweckmäßig an das zuerst tätig gewordene, nunmehr allein zuständige Gericht ab. Eine Abgabe durch dieses Gericht aus wichtigen Gründen (§§ 46, 75) an ein anderes Gericht, welches auch ein ohne den Vorgriff zuständig gewesenes Gericht sein kann, bleibt natürlich weiterhin möglich, ebenso die Begründung einer anderen Zuständigkeit durch Vereinbarung der Beteiligten, soweit Zuständigkeitsvereinbarungen statthaft sind (vgl. Vorbem. vor § 3 Rdn. 41). Bei Doppelwohnsitz des Kindes kann die Zuständigkeit eines der beiden zuständigen Vormundschaftsgerichte erst durch das Tätigwerden eines von ihnen ausgeschlossen werden, nicht schon durch eine Einigung der Eltern auf die Zuständigkeit eines der Gerichte 18 ); regelmäßig wird es zwar angebracht sein, daß dasjenige VormG tätig wird, welches von den Eltern übereinstimmend angerufen wird, und wenn noch keines von ihnen tätig geworden ist und die Gerichte untereinander streiten, wird es regelmäßig geboten sein, nach Zweckmäßigkeitsgründen dasjenige VormG als zuständig zu bestimmen (§ 5 Rdn. 20), auf welches sich die Eltern geeinigt haben; rechtliche Wirkung kommt der Einigung der Eltern aber nicht zu. b) Verfügungen des unzuständigen Gerichts, die nach § 7 nicht unwirksam, wenn auch im Beschwerdewege anfechtbar sind, können von dem Gericht der Vorgriffszuständigkeit nadi Maßgabe des § 18 geändert werden 1 '). c) Die Grundsätze des § 4 gelten nicht, wenn das AG Schöneberg als Auffanggericht allein zuständig ist (§§ 36 Abs. 2, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Satz 2 ZustErgG). Es kann die Sache an ein anderes, bisher nicht zuständig gewesenes Gericht auch dann noch abgeben und damit dessen Zuständigkeit anstelle der des A G Schöneberg begründen, wenn es bereits in der Sache tätig geworden ist 10 ). 1958, 159 = Rpfleger 271 = NJW 1447. " ) Freiburg Rpfleger 1951, 319; BayObLGZ 1953, 222; KG NJW 1955, 552. « ) KGJ 32 A 10; KG Rpfleger 1959, 54; BayObLGZ 1951, 1; Hamm JMB1NRW 1957, 149. " ) BayObLGZ 1954, 213.
120
15
) KGJ 44, 104. " ) BayObLGZ 1964, 109. " ) KGJ 51, 1; Darmstadt OLGR 23, 358. I8 ) A. M. München Rpfleger 1968, 227. " ) Baur § 7 III 3 b; Keidel Anm. 6. *») KGOLGZ 1966, 127.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§5
6. Die Vorschrift gilt nadi § 194 auch für nach Landesrecht zuständige nichtgerichtliche Behörden, und zwar im Verhältnis zueinander und zu den Gerichten anderer Länder. Sondervorschrift für Vertragshilfesachen: § 7 Abs. 4 V H G . In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 4 durchweg für anwendbar erklärt, vgl. § 1 PrFGG und § 1 Rdn. 131.
Bestimmung
des zuständigen
Gerichts
5 Besteht Streit oder Ungewißheit darüber, welches von m e h r e r e n Gerichten ö r t lich zuständig ist, so wird das zuständige Gericht durch das gemeinschaftliche obere Gericht und, falls dieses der Bundesgerichtshof ist, durch dasjenige Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört. Ist das zuständige Gericht in einem einzelnen F a l l e an der Ausübung des Richteramts rechtlich oder tatsächlich verhindert, so erfolgt die B e s t i m m u n g durch das ihm im Instanzenzuge vorgeordnete Gericht. Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. Übersicht A. Allgemeines
Rdn.
Rdn.
1
1. Verhinderung 13-14 2. Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts 15
B. Anwendungsbereich 2-3 1. Gegenständlich 2 2. Räumlicher Anwendungsbereich 3 C. Zuständigkeitsbestimmung bei Streit oder Ungewißheit über die örtliche Zuständigkeit 4-12 1. örtliche Zuständigkeit 4-5 2. Streit 6 3. Ungewißheit 7 4. Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts 8-12 D. Zuständigkeitsbestimmung bei Verhinderung des zuständigen Gerichts an der Ausübung des Richteramts 13-15
E. Verfahren des Bestimmungsgerichts 1. Einleitung des Verfahrens 2. Ermittlungen 3. Entscheidung
16-24 16-18 19 20-24
F. Wirksamwerden
25
G. Wirkung der Bestimmung
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H . Unanfechtbarkeit. Bindung. Änderung
27
I.
28
Beteiligung nichtgerichtlicher Behörden
K . Landesrecht
29
L. Gebühren
30
A. Allgemeines Die Vorschrift regelt das Verfahren zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts, wenn über die örtliche Zuständigkeit Streit oder Ungewißheit besteht oder das zuständige Gericht an der Ausübung des Richteramts verhindert ist. Das Verfahren zielt darauf ab, Verzögerungen der sachlichen Entscheidung durch Streit über die Zuständigkeit tunlichst zu verhindern. Die Zuständigkeitsbestimmung ist kein Justizverwaltungsakt 1 ), aber auch keine Rechtsprechung im materiellen Sinne, sondern ein den Gerichten zugewiesener Akt der Rechtspflege 2 ). Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G liegt, auch wenn die Bestimmung nach Zweckmäßigkeitserwägungen getroffen wird (Rdn. 20), nicht vor, weil der bestimmende wie der bestimmte Richter gesetzliche Richter i. S. des G G sind 3 ). B . Anwendungsbereich 1. Gegenständlich. Die Vorschrift gilt in den bundesrechtlichen Angelegenheiten der F G i. S. des § 1. Dazu gehören auch die Grundbuchsachen4); in §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 2, 5 Satz 2 GBO wird auf § 5 FGG verwiesen. Audi das zur Führung des Berggrundbuchs gemäß § 12 PrAGGBO örtlich zuständige Grundbuchamt wird nicht nach § 20 PrAGGVG, sondern nadi !) So Unger, ZZP 34, 241/2; Josef, F F G 2 § 5 Anm. 6 a. 2) RGZ 125, 310; Stein-Jonas-Pohle, Z P O " § 36 Anm. I 1; Baumbach-Lauterbach, Z P O 2 8 § 36 Anm. 1 A.
) Stein-Jonas-Pohle aaO.; vgl. BVerfGE 6, 45; 9, 223; 20, 336; a. M. Bettermann, Die Grundrechte I I I 2 S. 569 zu § 36 ZPO. *) K G J F G 14, 209; J F G 18, 124; Köln J M B I N R W 1961, 132 (Gesamterbbaurecht).
3
121
Freiwillige Gerichtsbarkeit § 1 Abs. 2 GBO mit § 5 FGG bestimmt5). Anwendbar ist die Vorschrift z. B. bei Erteilung des Auseinandersetzungszeugnisses nach § 9 EheG8), im Fürsorgeerziehungsverfahren7), in Verschollenheitssachen8), bei Bestimmung des zuständigen Landwirtschaftsgerichts®) und in bundesrechtlichen Freiheitsentziehungssachen10). Nach § 5 ergeht die Bestimmung auch im Armenrechtsverfahren oder wenn das Gericht nur als ersuchtes Gericht befaßt ist, ferner bei Streit um die Verwahrung oder Eröffnung eines Testaments11). Nicht anwendbar ist § 5 auf einen Streit wegen Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen gerichtlicher Urkunden1®), bei Übernahme der Registereintragung über Verlegung des Heimatortes eines Schiffes nach BinnenSchG § 126, jetzt § 17 SchiffsRegO13), und in Justizverwaltungssachen14). In § 6 Abs. 1 Satz 2 40. DVO-UmstG ist § 36 Nr. 4 ZPO für entsprechend anwendbar erklärt. Hat das Prozeßgericht eine Streitsache gemäß § 18 HausratsVO bindend an das nach § 11 HausratsVO zuständige Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgegeben und weigert sich dieses, die Sache zu übernehmen oder verweist es sie an das Prozeßgericht zurück, so hat das nach § 5 zuständige Obergericht darüber zu befinden, welches Gericht der freiwilligen oder streitigen Gerichtsbarkeit zuständig ist14a). 3
2. Räumlicher Anwendungsbereich. Bestimmt werden kann nur ein dem bestimmenden Gericht nachgeordnetes Gericht. Soweit aber das OLG nach § 5 Abs. 1 Satz 1 anstelle des BGH zuständig ist, kann es jedes dem BGH nachgeordnete Gericht bestimmen. Die Zuständigkeit des BGH erstreckt sich gemäß Art. 8 Nr. 88 Abs. 2 REinhG i. V. m. dem Berliner REinhG v. 9. 1. 51 (VOBl. Berlin 99) Art. 7 Nr. 42 auch auf West-Berlin. FGG § 5 ist daher auch im Verhältnis zwischen West-Berlin und dem übrigen Bundesgebiet anwendbar15). Dagegen kann in Ermangelung eines gemeinschaftlichen oberen Gerichts ein Gericht, ein Staatliches Notariat oder eine sonstige Behörde der DDR oder des Ostsektors Berlins nicht nach § 5 bestimmt werden1'). In diesem Fall muß die Bestimmung abgelehnt werden; einen verbindlichen Ausspruch, daß kein Gericht zuständig sei, gibt es nicht17). In landesrechtlichen Angelegenheiten sind, auch soweit das Landesrecht die entsprechende Anwendung des § 5 vorschreibt (Rdn. 28), die Grenzen der Landesgerichtsbarkeit einzuhalten; im Verfahren nach den Landesgesetzen zur Unterbringung von Geisteskranken und Süchtigen kann z. B. nicht ein Gericht eines anderen Landes bestimmt werden18). C. Zuständigkeitsbestimmung bei Streit oder Ungewißheit über die örtliche Zuständigkeit
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f. Die örtliche Zuständigkeit allein kann Gegenstand der Entscheidung nach § 5 sein. Darunter ist die Verteilung der Rechtspflegeaufgaben unter die gleichartigen Gerichte verschiedener Bezirke zu verstehen. Hierfür kommt es auf die Verschiedenheit der Gerichtsbehörden an; das Verhältnis mehrerer Abteilungen, Kammern oder Senate desselben Gerichts betrifft nicht die örtliche Zuständigkeit, selbst wenn die Geschäfte nach örtlichen Gesichtspunkten verteilt sind. Als besondere Gerichtskörper gelten jedoch die Kammern für Handelssachen, die nach § 93 Abs. 1 GVG für örtlich abgegrenzte Teile des LGBezirks gebildet sind, auch wenn sie ihren Sitz nicht nach § 93 Abs. 2 GVG an einem Ort haben, der nicht der Sitz des LG ist; ein Streit zwischen mehreren derartigen Kammern für Handelssachen kann daher nach § 5 entschieden werden1®). Dagegen ist nach § 5 nicht zu entscheiden über die sachliche Zuständigkeit, also darüber, ob das AG oder das LG als Gericht des ersten Rechtszuges zuständig oder ) •) 7) e) ») 10) ")
Hamm JMB1NRW 1957, 200. BayObLG Recht 1918 Nr. 1050. K G J 50, 15; Karlsruhe N J W 1955, 1885. KG N J W 1955, 108. BayObLGZ 1956, 329. München OLGZ 1965, 220. München J F G 14, 73; BayObLGZ 1958, 1; Keidel Anm. 20. >*) K G J 26 A 178. »») K G J 28 A 243. 5
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" ) Vgl. KG J F G 14, 198 zu § 1723 BGB a. F. 14 ») BayObLGZ 1968, 89 = FamRZ 1968, 319; vgl. auch BGHZ 44, 14. Vgl. § 1 Rdn. 97. 1 5 ) BayObLGZ 1951, 408 = N J W 1952, 746. " ) BayObLGZ 1955, 73; Karlsruhe N J W 1955, 1885. 1 7 ) KG FamRZ 1958, 426 = E J F B I I Nr. 22. " ) Kersting, J Z 1960, 310; Keidel Anm. 41. » ) RGZ 48, 27.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften ob das VormG oder das NachlG zu einer Verrichtung berufen i s t " ) . Audi ein Streit zwischen der Zivilkammer und der Kammer für Handelssachen gehört nicht hierher 8 1 ), wohl aber ein Streit zwischen mehreren Landgerichten als Gerichten erster Instanz, aber auch als Beschwerdegerichten 2, ). Über andere Zuständigkeitsarten als die örtliche ist im Verfahren nach § 5 nicht zu entscheiden, also nicht über die funktionelle, die internationale, interzonale oder interlokale Zuständigkeit 23 ). O f t ist aber beim Fehlen einer Gerichtsstandsbestimmung im gesetzten Recht die örtliche Zuständigkeit aus der vorhandenen internationalen oder interzonalen Zuständigkeit herzuleiten 2 4 ); dann ist diese bei der Entscheidung nach § 5 incidenter zu prüfen; bindend (Rdn. 27) ist die Entscheidung aber nur in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit. D a es nur auf die Verschiedenheit der Gerichtsbehörden ankommt, kann auch der Streit der Rechtspfleger mehrerer Gerichte in übertragenen Angelegenheiten im Verfahren nach § 5 ausgetragen werden, ohne daß zuvor gegen die Entscheidung des Rechtspflegers der Richter angerufen werden müßte 2 5 ).
5
2. Streit liegt vor, wenn jedes von mehreren Gerichten entweder die örtliche Zuständigkeit zur Erledigung der Angelegenheit für sich in Anspruch nimmt und die des anderen Gerichts verneint (positiver Kompetenzkonflikt) oder wenn ein Gericht nicht sich, sondern das andere Gericht entgegen dessen Auffassung für zuständig erachtet (negativer Konmpetenzkonflikt); aus der Notwendigkeit eines Streites ergibt sich weiter, daß wenigstens eines der Gerichte seine Entscheidung in Kenntnis der Entscheidung des anderen und im bewußten Gegensatz dazu erlassen hat 2 6 ). Ein positiver Kompetenzkonflikt kann sich auch erst daraus ergeben, daß von den Gerichten A und B, die übereinstimmend das Gericht A für zuständig halten, das Gericht B im Wege der Beschwerde gegen die Abgabe vom L G für zuständig erachtet wird 2 7 ). Ein negativer Kompetenzkonflikt liegt nicht vor, wenn das Gericht A das Gericht B , dieses aber weder sich selbst noch das Gericht A, sondern das Gericht C für zuständig hält; in diesem Fall muß erst das Gericht C angegangen werden; erst wenn dieses nicht sich selbst, sondern das Gericht A oder B für zuständig hält, ist ein Zuständigkeitsstreit gegeben 28 ). Die Stellungnahme des Gerichts muß abschließend sein; bloße rechtliche Zweifel des angegangenen Gerichts genügen nicht 29 ). Der Streit muß sich auf eine bereits anhängige, nicht erst künftig möglicherweise entstehende Angelegenheit®0) und auf dieselbe Sache i. S. des § 4 beziehen. Besteht die Meinungsverschiedenheit nur zwischen einem Gericht und einem Beteiligten, so ist sie nicht nach § 5, sondern mit der Sachbeschwerde auszutragen' 1 ). Einigen sich die Gerichte nach anfänglichem Streit, so wird dadurch allerdings eine in Wirklichkeit nicht bestehende Zuständigkeit nicht begründet. Bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit wird ein Streit der Gerichte und die Anrufung des Obergerichts durch eine Einigung der Beteiligten über die Zuständigkeit eines von ihnen nicht ausgeschlossen, soweit nicht ausnahmsweise Zuständigkeitsvereinbarungen statthaft sind (§ 4 Rdn. 5, Rdn. 41 vor § 3).
6
3. Ungewißheit ist die objektive, durch Ermittlungen nicht zu beseitigende Unsicherheit der für die rechtliche Beurteilung der Zuständigkeit maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse. Subjektive Zweifel eines Beteiligten oder rechtliche Zweifel bei feststehendem oder noch aufklärbarem Sachverhalt begründen keine Ungewißheit 3 2 ). Es kommt in Betracht Unsicherheit über die örtlichen Grenzen des Gerichtsbezirks oder das Bestehen unaufklärbarer Zweifel darüber, in welchem Gerichtsbezirk der die örtliche Zuständigkeit begründende Ort liegt. Das kann z. B . der Fall sein, wenn von einem Verschollenen nur feststeht, daß er seinen letzten
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») ) ) 2S )
BayObLGZ BayZ 1919, 389. K G J 38 A 3. KG JFG 20, 118. KG TR 1963, 144 (internationale Z.); Hamm JMB1NRW 1963, 109 (interzonale Z.). 2 1 ) KG FamRZ 1961, 477 = StAZ 1961, 339; KG JR 1963, 144; vgl. § 35 Rdn. 60. 2 ' ) KG JFG 1, 43; 3, 41; Hamm Rpfleger 1958, 275; Köln Rpfleger 1958, 279 = JMBlNRW 2
21 22
1959, 19; Stöber, Rpfleger 1967, 129; KG OLGZ 1968, 472 = Rpfleger 1968, 225. °) KGJ 32 A 4. " ) Karlsruhe OLGZ 1966, 240. 2 8 ) Oldenburg NdsRpfl. 1963, 155 = Rpfleger 1963, 297. 2 9 ) Hamm RdL 1957, 267. 3 °) BayObLGZ 1950, 171. 3 1 ) Keidel Anm. 10. 3 2 ) KGJ 20 A 122 = OLGR 1, 137. 2
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Freiwillige Gerichtsbarkeit inländischen Wohnsitz in Berlin gehabt, aber nicht ermittelt werden kann, in welchem der mehreren Berliner AGBezirke seine Wohnung lag 33 ). Nicht vorausgesetzt wird, daß zuvor ein anderes Gericht seine Zuständigkeit abgelehnt hat 34 ). 4. Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts a) Bei Streit oder Ungewißheit wird das zuständige Gericht von dem gemeinschaftlichen oberen Gericht der streitenden Gerichte bestimmt. Das ist bei einem Streit mehrerer AGe desselben LGBezirks das LG, bei mehreren AG im Bezirk verschiedener LGe oder mehrerer erstinstanzlich zuständigen LG desselben OLG-Bezirks dieses OLG, bei AG oder LG im Bezirk verschiedener OLGe anstelle des BGH das OLG, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört. Für diesen Fall galt nach § 4 der VO v. 23. 3. 36 (RGBl. I 251), das KG oder das OLG München als gemeinschaftliches oberes Gericht. An die Stelle dieser Zentralgerichte trat nach § 15 Abs. 2 der 2. KriegsmaßnahmenV O v. 27. 9. 44 (RGBl. I 229) das Reichsgericht. Die VO v. 23. 3. 36 wurde aufgehoben durch REinhG v. 12. 9. 50 (BGBl. 455) Art. 8 N r . 9, die 2. Kriegsmaßnahmen VO durch REinhG Art. 8 Nr. 39. Es entscheidet also nunmehr wieder nach der unverändert geltenden Vorschrift des § 5 das OLG, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört, wenn die streitenden Gerichte verschiedenen OLG-Bezirken angehören. In Bayern tritt jedoch an die Stelle dieses bayerischen OLG das Oberste Landesgericht, wie sich unmittelbar aus FGG § 199 Abs. 2 S. 2 ergibt, BayObLGZ 1957, 1 = N J W 1957, 754, und zwar auch dann, wenn das zuerst mit der Sache befaßte Gericht ein bayerisches ist, das andere aber einem anderen deutschen Lande angehört; dagegen ist das BayObLG nicht zur Entscheidung berufen, wenn die streitenden Gerichte dem Bezirk desselben bayer. OLG angehören. Im Lande Rheinland-Pfalz, in dem die OLGe Zweibrücken und Koblenz bestehen, ist die entsprechende Zuständigkeit für das OLG Zweibrücken begründet worden durch G v. 15. 6. 49 (GVB1.1 225) § 3 (Neustadt MDR 1952, 627). b) Die zur Entlastung des Reichsgerichts durch G v. 22. 5. 10 (RGBl. 767) eingeführte Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 paßt nicht, wenn der Zuständigkeitsstreit zwischen mehreren als Gericht erster Instanz zuständigen Oberlandesgerichten (Vorbem. 1 B II vor § 3) besteht. In diesem Fall wird der Zuständigkeitsstreit entsprechend § 5 vom BGH zu entscheiden sein (vgl. § 29 EGGVG Anm. 3 e), bei Beteiligung nur bayerischer OLGe vom BayObLG. In Fideikommiß- und Stiftungssachen entscheidet bei Streit oder Ungewißheit über die örtliche Zuständigkeit eines OLG (Fideikommißsenats) oder Fideikommißgerichts der BGH, bei Beteiligung nur bayerischer OLGe das BayObLG als Oberstes Fideikommißgericht, G v. 28. 12. 50 (BGBl. 820) § 3. c) Die Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts richtet sich auch dann nach § 5, nicht nach § 46, wenn der Streit darum geht, ob die örtliche Zuständigkeit durch eine Abgabe des AG Schöneberg nach §§ 36 Abs. 2, 43 Abs. 2, 44a Abs. 1 Satz 2, 44b Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Satz 2 ZustErgG auf das andere Gericht übergegangen ist55). d) Für einen negativen Kompetenzkonflikt der nach § 5 zuständigen OLGe hat das setz keine Vorsorge getroffen; eine Vorlegung an den B G H kommt nicht in Betracht. bei einem Streit zweier zum Bezirk verschiedener OLGe gehörender Gerichte das nach zuständige OLG sich fälschlich für unzuständig erklärt, so ist das dem anderen Gericht geordnete OLG zur Entscheidung verpflichtet 36 ).
GeHat § 5 vor-
e) Bestimmungsgericht anstelle des BGH, wenn also dieser gemeinschaftliches oberes Gericht wäre, ist das OLG (ObLG), zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört. Befaßt mit der Sache ist das Gericht im Amtsverfahren, sobald es amtlich von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die Anlaß zum Einschreiten bieten 37 ); im Antrags verfahren, so33
) Jastrow, ZZP 34, 447; Josef FGG 2 § 5 Anm. 1; Keidel Anm. 22. 34 ) Hamm JMB1NRW 1959, 163. 35 ) KG JFG 14, 200; BayObLGZ 1951, 408; 1954, 161.
3
«) KG 1 AR 9/53; BayObLGZ 1958, 210 = FamRZ 1958, 387; 1968, 89 zu II 5. " ) KG OLGR 44, 77; BayObLG JFG 8, 68; BayObLGZ 1950, 174; Karlsruhe NJW 1955, 1885.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften bald der Antrag mit dem Ziel der Erledigung durch dieses Gericht bei ihm eingeht, nicht erst mit dem Tätig werden 38 ). Mit einer Nachlaßsache ist das Gericht daher noch nicht befaßt, wenn es als Beurkundungsgericht die Erbscheinsverhandlung zur Weitergabe an ein anderes Gericht aufnimmt 39 ), oder wenn es als Verwahrungsgericht nach § 2261 BGB ein bei ihm abgeliefertes Testament eröffnet 40 ). War noch kein Gericht mit der Sache befaßt oder sind zwei Gerichte gleichzeitig befaßt worden, so ist entsprechend § 4 das OLG zuständig, das zuerst im Verfahren nach § 5 tätig geworden ist 11 ). Andererseits ist § 5 auch noch anwendbar, wenn das zuerst angegangene Gericht sich anfangs irrig für örtlich zuständig gehalten hat und in der Sache tätig geworden ist 42 ). Dasjenige OLG, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht A gehört, bleibt auch zuständig, wenn der Streit nur noch zwischen den (anderen OLG-Bezirken angehörenden) Gerichten B und C besteht, diese also sich darüber einig sind, daß A nicht zuständig ist; die mögliche Folge, daß das OLG einen Streit zwischen zwei Gerichten entscheidet, die nicht zu seinem Bezirk gehören, widerstreitet nicht dem Sinn des Gesetzes, weil das OLG an der Stelle des BGH steht.
D. Zuständigkeitsbestimmung bei Verhinderung des zuständigen Gerichts an der Ausübung des Richteramts 1. Die Verhinderung muß ein örtlich und sachlich zuständiges Gericht betreffen; die Zuständigkeit ist daher als Voraussetzung der Bestimmung zu prüfen 43 ). Wird sie verneint, ist die Bestimmung abzulehnen. D a ß daneben auch ein anderes Gericht zuständig ist, ist unschädlich. Vorausgesetzt wird die Verhinderung des Gerichts, nicht nur eines einzelnen Richters. Ein Amtsgericht ist verhindert, wenn sämtliche Amtsrichter und ihre Vertreter verhindert sind, ein Kollegialgericht, wenn so viele Mitglieder verhindert sind, daß auch unter Hinzuziehung der Vertreter das Gericht nicht mehr beschlußfähig ist. Die Verhinderung muß einen einzelnen Fall oder eine Gruppe von Einzelfällen betreffen. Den Gegensatz dazu bildet ein Stillstand der Rechtspflege wegen Krieges, Überschwemmung oder ähnlicher Ereignisse (vgl. § 245 ZPO). Tatsächliche Verhinderung liegt vor, wenn die Amtsausübung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, z. B. wegen Erkrankung, Tod, Absperrung. Rechtliche Verhinderung kann beruhen auf der Ausschließung vom Richteramt, auf erfolgreicher Ablehnung, soweit diese zulässig ist (vgl. § 6 Rdn. 1), oder auf Enthaltung von der Amtsausübung wegen Befangenheit nach § 6 Abs. 2; ebenso wenn die Richter als Zeugen vernommen werden sollen 44 ). Auf die Verhinderung aller Rechtspjleger des Amtsgerichts ist die Vorschrift nicht anwendbar, weil der Rechtspfleger kein Richteramt ausübt; vielmehr tritt dann der Amtsrichter ein (vgl. § 7 Abs. 1 RechtspflG 45 ).
"13
Eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 2 wird vom BGH zugelassen, wenn es im Inland an einem zuständigen Gericht fehlt, z. B. wenn die Anteilsrechte an einer AG mit dem Sitz im Ausland dort enteignet worden sind und die Verhältnisse der im Inland etwa fortbestehenden abgespalteten Gesellschaft geordnet werden sollen 46 ); jedoch kann nur ein nach geltendem inländischen Recht sachlich zuständiges Gericht bestimmt werden 47 ). Im übrigen sind Zulässigkeit und Aussichten des beabsichtigten Verfahrens bei der Gerichtsstandsbestimmung nicht zu prüfen 48 ). Die Gerichtsstandsbestimmung kann in besonderen Fällen unterbleiben, wenn das Rechtsschutzinteresse an der Bestimmung fehlt, nicht aber, wenn das Rechtsschutzinteresse an dem Verfahren vor dem zu bestimmenden Gericht fehlt 49 ).
14
38
) K G MDR 1957, 366. ) K G aaO. Anm. 38; KG Rpfleger 1968, 227; Oldenburg, NdsRpfl. 1954, 129; Schleswig, SdilHA 1958, 334; H a m m JMB1NRW 1959, 175; Keidel Rpfleger 1958, 380. 40 ) Oldenburg aaO. 41 ) Hamm JMB1NRW 1960, 204; die Zuständigkeit der Justizverwaltung, wie Schlegelberger (Anm. 4, 5) meint, kommt keinesfalls in Betracht. 42 ) BayObLGZ 1957, 47; Hamm J Z 1957, 511 = S9
JMB1NRW 1957, 116; Frankfurt Rpfleger 1958, 314 mit Anm. v. Keidel. ) Stein-Jonas-Pohle 1 8 § 36 Anm. I I I 1 a;Baumbach-Lauterbach 2 8 § 36 Anm. 3 A. 44 ) R G Z 44, 394. 45 ) A. M. Keidel Anm. 34. 46 ) BGHZ 19, 102. BGHZ 9, 270 = N J W 1953, 943. 48 ) R G Z 125, 310; B G H Z 19, 102. 49 ) A . M. B G H Z 19, 108; B G H WM 1963, 81; wie hier Schlegelberger Nachtr. § 5 Anm. 4. 43
125
Freiwillige Gerichtsbarkeit 15
2. Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts. Zuständig ist das dem verhinderten Gericht im Instanzenzuge vorgeordnete Gericht. Das ist bei Verhinderung eines AG das LG, bei Verhinderung eines LG das OLG, bei Verhinderung eines OLG der BGH. In Bayern ist jedoch nach § 199 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 das BayObLG zuständig, wenn das im Instanzenzuge vorgeordnete Gericht ein OLG oder der B G H wäre, in Rheinland-Pfalz das O L G Zweibrüdcen (vgl. Vorbem. zu § 199) anstelle des OLG Koblenz, nicht aber anstelle des B G H .
E. Verfahren des Bestimmungsgerichts 1. Die Einleitung
des Verfahrens
vor dem oberen Gericht geschieht
16
a) auf Vorlegung eines der streitenden Gerichte oder des verhinderten Gerichts. Hierzu sind die Gerichte, insbesondere bei Verfahren mit Amtsbetrieb und bei negativem Kompetenzkonflikt, verpflichtet, sie dürfen den Vorgang nicht etwa unerledigt weglegen 50 );
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b) auf Anrufung eines am Verfahren Beteiligten51); es ist nicht erforderlich, daß die Beteiligten die Zuständigkeitsfrage zunächst mit der Sachbeschwerde im Beschwerdewege austragen 52 ); allerdings ist erforderlich, daß die Zuständigkeit nicht nur zwischen dem Beteiligten und dem Gericht, sondern zwischen mehreren Gerichten streitig ist (Rdn. 6); fehlt es an einem Streit der Gerichte, so ist bereits die Abgabeverfügung oder die Obernahmeverfügung eine nach § 19 anfechtbare Verfügung;
18
c) von Amts wegen, wenn das obere Gericht von dem Vorliegen eines Zuständigkeitsstreits oder der Verhinderung eines Gerichts Kenntnis erlangt, z. B. durch eine ihm vorliegende Sachbeschwerde oder auf Anzeige einer interessierten Behörde oder eines Notars 53 ).
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2. Ermittlungen. Das obere Gericht wird als Tatsachengericht tätig. Es ist daher befugt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, soweit die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit oder die Feststellung der Verhinderung von den tatsächlichen Verhältnissen abhängt (§ 12), in der Regel durch formlose Ermittlungen im Wege des Freibeweises. Grundsätzlich ist es jedoch Aufgabe des zuerst mit der Sache befaßten Gerichts, vor der Anrufung des oberen Gerichts eine etwa bestehende Ungewißheit durch Ermittlungen zu beheben oder die tatsächlichen Verhältnisse aufzuklären, die für die örtliche Zuständigkeit, z. B. den Wohnsitz, maßgebend sind 54 ). Fehlt es hieran, so ist das Obergericht nach seinem Ermessen befugt, die Sache zur Nachholung der Ermittlungen an das zuerst mit der Sache befaßte untere Gericht zurückzugeben und die Bestimmung vorerst abzulehnen.
20
3. a) Die Entscheidung trifft das Obergericht in erster Linie unter rechtlichen Gesichtspunkten, indem es die gesetzlichen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit auf den festgestellten Sachverhalt anwendet 55 ). Ergibt sich hierbei die Zuständigkeit beider streitenden Gerichte, so ist zu prüfen, welches durch seinen Vorgriff die Zuständigkeit des anderen nach § 4 ausgeschlossen hat. Ist noch keines der beiden zuständigen Gerichte in der Sache tätig geworden oder ist das gleichzeitig geschehen oder läßt sich dieReihenfolge ihres Tätigwerdens nicht feststellen, so ist eines der beiden Gerichte nach Zweckmäßigkeitsgründen zu bestimmen 56 ); zweckmäßig ist es in der Regel, daß das zuerst angegangene zuständige Gericht bestimmt wird, wenn nicht besondere Gründe dafür vorliegen, daß das andere Gericht die Bearbeitung übernimmt 57 ). Zweckmäßigkeitsgründe sind auch maßgebend bei unaufklärbarer Ungewißheit (Rdn. 7); zweckmäßig wird das Gericht bestimmt, dessen Zuständigkeit die 50)
K G J 47, 55, 5 8 ; 32 A 4. K G J 32 A 3. " ) K G J 32 A 3 unter Aufgabe von K G J 20 A 121 = OLGR 1, 137; Colmar OLGR 17, 359; Sdilegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 13. M ) Karlsruhe OLGR 3, 36; BayObLGZ 5, 142; K G J 32 A 3 und 6 ; 47, 55, 60; BayObLG J W 1920, 788. 51)
126
51)
KGJ 42 A 32; K G Rpfleger 1959, 5 4 ; BayOblGZ 20, 147; 20, 298; 1952, 1. Baur § 7 III 4 c; Keidel Anm. 19. 5 «) BayObLGZ 1958, 159; 1968, 4 ; K G OLGZ 1968, 345; Schleswig SdilHA 1959, 196; Hamm JMB1NRW 1959, 163. « ) Karlsruhe Rpfleger 1962, 276; Pikart-Henn, Lb. d. freiw. Gerbkt. S. 4 1 ; K G OLGZ 1968, 345, 348. 55)
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften größte Wahrscheinlichkeit für sich hat; es muß allerdings dem bestimmenden Gericht nachgeordnet sein, sofern nicht das anstelle des B G H tretende OLG entscheidet (Rdn. 3). b) Auch ein drittes, bisher an dem Streit nicht beteiligtes Gericht kann bestimmt werden, wenn die Prüfung dessen Zuständigkeit ergibt; zweckmäßig wird es vorher gehört. Das Verfahren nach § 5 Abs. 1 Satz 1 kann auf ein vorsorglich gestelltes Ubernahmeverlangen des vorlegenden Gerichts mit einem Verfahren nach § 46 verbunden werden, wenn das obere Gericht auch hierfür zuständig ist und die Erfordernisse des § 46 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 2, 3 erfüllt sind 58 ). c) Eine Entscheidung im Zuständigkeitsstreit entfällt, wenn das Verfahren formell rechtskräftig abgeschlossen ist59) oder der Streit, z. B. durch eine auf Sachbeschwerde ergangene Beschwerdeentscheidung, sich erledigt hat. Andererseits wird das Verfahren nach § 5 durch eine Beschwerdeentscheidung nicht berührt, wenn sie den Streit nicht behoben oder gar erst begründet hat; das obere Gericht darf ein anderes Gericht bestimmen, als es das Beschwerdegericht als zuständig angenommen hat 60 ). Für eine Zuständigkeitsbestimmung ist kein Raum, wenn das vor dem zu bestimmenden Gericht zu verfolgende Begehren im Gesetz offensichtlich keine Grundlage findet 60 a). d) Bei Verhinderung des zuständigen Gerichts (Abs. 1 Satz 2) wählt das Gericht aus dem Kreis der ihm nachgeordneten Gerichte das Gericht gleichen Grades aus, dessen Bestimmung nach Lage des Falles den Interessen der Beteiligten am besten entspricht. e) Eine Pflicht zur Vorlegung an den B G H nach § 28 Abs. 2 besteht nicht 61 ).
2t
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F. Wirksamwerden
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Der Beschluß über die Zuständigkeitsbestimmung wird nach § 16 Abs. 1 mit der Bekanntmachung an das bestimmte Gericht wirksam. Eine nachrichtliche Bekanntmachung an das andere Gericht und an die Beteiligten, soweit sie in dem Verfahren bereits hervorgetreten sind, ist angebracht 62 ).
G. Wirkung der Bestimmung")
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Die Wirkung der Bestimmung besteht darin, daß das bestimmte Gericht zuständig ist und, wenn es bisher mit der Sache nicht befaßt war, die Sache in der Lage zu übernehmen und fortzuführen hat, in der sie sich befindet. Die Verfügungen des bisher tätig gewordenen Gerichts, die nach § 7 wirksam bleiben, gelten als solche des nunmehr zuständigen Gerichts; sie können nach § 18 nur von diesem, nicht mehr von dem bisherigen Gericht geändert werden 64 ). Auch die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen die Verfügungen des bisherigen Gerichts geht auf das dem neuen Gericht vorgeordnete LG (OLG) über, mag auch der Übergang erst nach Einlegung des Rechtsmittels eingetreten sein85). Die Beschwerde kann sowohl bei dem bisherigen als auch bei dem jetzt zuständigen Gericht oder den ihnen vorgeordneten Landgerichten eingelegt werden 66 ).
H. Unanfechtbarkeit. Bindung. Änderung
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Die Zuständigkeitsbestimmung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, auch wenn ein LG den Beschluß erlassen hat (Abs. 2). Sie ist für die Verfahrensbeteiligten sowie die streitenden 6S
) BayObLGZ 1961, 317. ») H a m m JMB1NRW 1959, 163; Keidel Anm. 36. •») Karlsruhe O L G Z 1966, 240. oo«) B G H LM § 5 FGG Nrn. 2, 4. 61 ) Vgl. § 28 Rdn. 4; Köln JMB1NRW 1957, 15; Keidel Rpfleger 1958, 380. Str., teilw. a. M. Schlegelberger Anm. 7, Keidel Anm. 35.
5
63
) Schrifttum: Sdimidt-Bardeleben, Rechtszug nach einem Gerichtswechsel in Angelegenheiten der FG, 1910. 64 ) KG R J A 6, 11; Schlegelberger Anm. 8. 65 ) K G J 43, 30; J F G 3, 94; Keidel Anm. 26. 66 ) KG J F G 3, 94; BayObLG J F G 6, 40; Baur § 7 I I I 4 d ; Keidel Anm. 26; a. M. Schlegelberger Anm. 8; Pikart-Henn S. 158 (nur bei dem neuen Gericht).
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Freiwillige Gerichtsbarkeit und dritte Gerichte bindend 6 7 ). D a s bestimmende Gericht kann sie jedoch von Amts wegen oder auf Gegenvorstellungen ändern, wofür eine Veränderung der Sachlage nicht vorausgesetzt wird. Auch wenn das zuständige Gericht wegen Ungewißheit (Rdn. 7) bestimmt worden ist und nachträglich Gewißheit eintritt, entfällt die Bestimmung nur auf Grund einer Änderung nach § 18. D i e Ablehnung der Bestimmung ist ebenfalls unanfechtbar, aber nicht bindend, soweit dabei die Unzuständigkeit der streitenden Gerichte ausgesprochen wird 6 8 ).
2g
I- Bei Beteiligung nichtgerichtlicher Behörden gilt § 5 entsprechend mit einer Abwandlung (§ 194 Abs. 1 , 2 ) ; vgl. § 194 Rdn. 3.
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K. Landesrecht Wegen Anwendung des § 5 auf Angelegenheiten des Landesrechts s. § 1 Anm. 131. In den ehemals preuß. Gebieten außer Hessen und Niedersachsen gilt statt des § 5 der § 20 A G G V G (Anl. 11).
30
L. Gebühren entstehen nicht (§ 1 KostO).
Ausschließung
6
und Ablehnung
des
Richters
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen:
1. in Sachen, in denen er selbst beteiligt ist oder in denen er zu einem Beteiligten in dem Verhältnis eines Mitberechtigten oder Mitverpflichteten steht; 2. in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist; 4. in Sachen, in denen er als Vertreter eines Beteiligten bestellt oder als gesetzlicher Vertreter eines solchen aufzutreten berechtigt ist. Ein Richter kann sich der Ausübung seines Amtes wegen Befangenheit enthalten. Die Ablehnung eines Richters ist ausgeschlossen. Die Fassung des Abs. 1 Nr. 2 beruht auf dem G v. 11. 7. 22 (RGBl. I 573) Art. V. Abs. 2 Satz 2 ist durch Beschluß des BVerfG v. 8. 2. 1967 (BVerfGE 21, 139, BGBl. I 502) für nichtig erklärt worden.
A. Allgemeines B. Anwendungsbereich
Übersicht Rdn. 1 2-3
C. Ausschließung 4-13 1. Beteiligte 5-6 a) Begriff des Beteiligten 5 b) Behörden als Beteiligte 6 2. Ausschließungsgründe 7-13 a) Beteiligung des Richters 8 b) Mitberechtigung oder Mitverpfliditung des Richters 9 c) Beteiligung des Ehegatten 10 d) Verwandtschaft oder Schwägerschaft 11 e) Vertretungsbefugnis für einen Beteiligten 12 67
) BayObLGZ 1955, 132; Keidel Anm. 37; Schlegelberger Anm. 7.
128
f) Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung D. Befangenheit E. Ausschließungs- und Ablehnungsverfahren 1. Verfahren auf Ablehnungsgesuch 2. Verfahren ohne Ablehnungsgesuch F. Verfahrensrügen im Verfahren zur Hauptsache G. Ausschließung und Ablehnung anderer Geriditspersonen 1. Urkundsbeamter der Geschäftsstelle 2. Rechtspfleger 3. Gerichtsvollzieher 4. Dolmetscher
68
Rdn. 13 14 15-24 16-22 23-24 25 26-29 26 27 28 29
) KG FamRZ 1958, 426 = EJF B II Nr. 22.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
A. Allgemeines Die Vorschrift regelt die verfahrensrechtliche Fähigkeit, das Richteramt in der einzelnen Sache auszuüben, im Gegensatz zu der staatsrechtlichen Befähigung zum Richteramt, d. h. der Fähigkeit, zum Richter ernannt zu werden, und der gerichtsverfassungsrechtlichen Befugnis, auf Grund einer Berufung in das Richterverhältnis und der Verleihung eines Richteramts ein bestimmtes Richteramt auszuüben (§§ 1, 10 GVG, §§ 5 bis 7, 17, 18 DRiG). Insofern kann man der absoluten Unfähigkeit zur Ausübung des Richteramts eine relative gegenüberstellen, die den Richter zur Mitwirkung im einzelnen Falle untauglich macht. Zur Gewährleistung einer unparteiischen Entscheidung ist einerseits die Unabhängigkeit des Richters gegenüber der Staatsgewalt (Art. 97 GG, § 1 GVG, §§ 25, 45 DRiG), andererseits seine Unabhängigkeit gegenüber den Beteiligten erforderlich; der Sicherung dieser Unabhängigkeit dienen die Vorschriften, die den Richter im einzelnen Verfahren ausschließen oder seine Ablehnung zulassen. Für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist der Gesetzgeber der Auffassung gewesen, daß die gesetzlichen Ausschließungsgründe tunlichst zu beschränken seien und daß ein Bedürfnis, die Ablehnung eines Richters durch die Beteiligten zuzulassen, nicht bestehe (Denkschrift 33). Die Unterschiede gegenüber der Regelung desselben Gegenstandes in den §§ 41 bis 48 ZPO sind daher erheblich. Das hat dazu geführt, daß verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden sind1) und für eine Reform eine Angleichung an die Vorschriften der Z P O empfohlen worden ist 2 ); dem ist zuzustimmen. Inzwischen hat das BVerfG auf eine Verfassungsbeschwerde den Ausschluß der Richterablehnung durch § 6 Abs. 2 Satz 2 als mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar für nichtig erklärt 3 ). Die Entscheidung ist als gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG mit Gesetzeskraft versehen im BGBl. 1967 I 502 veröffentlicht worden.
B. Anwendungsbereich 1. Die Vorschrift gilt in allen Angelegenheiten der FG, soweit in den Verfahrensgesetzen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, mithin auch in echten Streitsachen 3 ) und in Rückerstattungssachen 4 ). Auf die Beurkundung von Rechtsgeschäften (Abschn. X) und auf die Mitwirkung bei der Errichtung von Testamenten (BGB §§ 2234 bis 2236) und Erbverträgen (BGB § 2276) sind die §§ 6 und 7 nicht anwendbar, wohl aber auf die Beglaubigung von Unterschriften und Handzeichen sowie auf die Beurkundung tatsächlicher Vorgänge, wie von Hauptversammlungsbeschlüssen (vgl. § 183 Anm. 2, § 168 Anm. 2). Die Ausschließung der Mitglieder des Familienrats ist in BGB § 1874 Abs. 3 geregelt. Anwendbar sind die §§ 6, 7 gemäß FGG § 1, GBO § 1 auch in Grundbuchsachen. Dagegen sind Z P O §§ 41 bis 48 anzuwenden auf die Ausschließung und Ablehnung der Richter und landwirtschaftlichen Beisitzer nach LwVG § 11 sowie auf die Beschwerdegeridite in Grundbuch-, Schiffsregistersachen und Sachen des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen nach GBO § 81 Abs. 2, SchiffsRegO § 89 Abs. 2, L u f t f R G § 95. In landesrechtlichen Angelegenheiten sind die §§ 6, 7 durchweg für anwendbar erklärt, s. § 1 Rdn. 131 und PrFGG Art. 1. Auf andere als gerichtliche Behörden findet § 6 keine Anwendung, § 194 Abs. 3. Für den Notar s. § 16 BNotO. 2. Dem persönlichen Geltungsbereich nach ist § 6 anwendbar sowohl auf Berufsrichter (§ 2 DRiG) als auch auf ehrenamtliche Richter, z. B. die Handelsrichter als Mitglieder einer Kammer für Handelssachen (§ 30 Abs. 1 Satz 2) oder die sachkundigen Beisitzer der Kammer für Wertpapierbereinigung (§ 30 WBG). Nicht erforderlich ist, daß der Richter in der Sache zur Entscheidung berufen ist. Die Ausschließungsgründe gelten mithin auch für den beauftragten und den ersuchten Richter und für die Ausübung jeder richterlichen Handlung, >) Habscheid JR 1958, 361, 363; ders., Rpfleger 1964, 200. 2 ) Bericht der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit, 1961, S. 377.
3
) BVerfGE 21, 139 = N J W 1967, 1123 FamRZ 1967, 317 = D R i Z 1967, 164 Rpfleger 1967, 210 = JZ 1967, 283. 3 ) B G H D N o t Z 1962, 612. *) ObRückerstG Berlin R z W 1957, 16.
= =
Freiwillige Gerichtsbarkeit z. B. eine Terminsanberaumung oder die Verlängerung einer Frist. Wegen der Anwendung auf andere Gerichtspersonen s. Rdn. 26—29.
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C. Die Ausschließung, also die kraft Gesetzes eintretende relative Unfähigkeit zur Ausübung des Richteramts, ist geknüpft an die Beteiligung des Richters in der Sache oder an persönliche Beziehungen des Richters zu einem in der Sache Beteiligten. Es bedarf daher einer Klarstellung des Begriffs des Beteiligten, der im übrigen außer für die Ausschließung und Ablehnung auch von Bedeutung ist für die Bekanntmachung der gerichtlichen Verfügungen, für die Frage, wem gegenüber rechtliches Gehör zu gewähren und wer zu dem Verfahren hinzuzuziehen ist, für die Fähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger vernommen zu werden, und für die Pflicht zur Kostentragung.
5
1. a) Der Begriff des Beteiligten5), der an die Stelle des der FG fremden Parteibegriffs tritt, ist im Gesetz nicht bestimmt und wird von ihm in verschiedenem Sinne verwendet. Beteiligter im materiellen Sinne ist, wessen Rechte und Pflichten durch die Regelung der Angelegenheit unmittelbar betroffen werden können ohne Rücksicht darauf, ob er an dem Verfahren teilnimmt. So ist in Vormundschaftssachen materiell Beteiligter der Mündel in dem Verfahren zur Entlassung des Vormundes 6 ), in Nachlaßsachen jeder Miterbe in dem auf Antrag eines anderen eingeleiteten Verfahren zur Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins7). In diesem Sinne verwendet das FGG den Begriff in den §§ 41, 86 bis 89, 91 bis 97, 127, 132, 140, 142, 151, 152, 164, 165, auch § 6 der 40. DVO/UmstG 8 ). Beteiligter im verfahrensrechtlichen oder formellen Sinne ist, wer von einem ihm im Gesetz verliehenen Antrags- oder Beschwerderecht (vgl. FGG § 126) Gebrauch macht sowie jeder, der zur Wahrnehmung (sei es auch nur vermeintlicher) sachlicher Interessen im Verfahren auftritt oder zu dem Verfahren hinzugezogen wird. Formell Beteiligter wird jemand durch eine Verfahrenshandlung, etwa einen Antrag oder eine Beschwerde, im Amtsverfahren dadurch, daß das Gericht gegen ihn ein Verfahren einleitet. In echten Streitsachen ist der Antragsgegner formell Beteiligter auch dann, wenn er sich auf das Verfahren nicht einläßt. Im Amtsverfahren wird der Kreis der richtigen formell Beteiligten, die zulässigerweise zu dem Verfahren hinzugezogen werden oder in ihm als Beteiligte auftreten können, durch die materielle Beteiligung bestimmt; jedoch wird formell Beteiligter auch, wer ohne materielle Beteiligung (also zu Unrecht) in ein Verfahren hineingezogen wird 9 ) oder in ihm, z. B. durch Einlegung einer Beschwerde, auftritt. Wer ein erweitertes Beschwerderecht nach § 57 hat, wird formell Beteiligter zunächst dadurch, daß er von diesem Recht Gebrauch macht; dieser erweiterte Personenkreis ist aber auch für befugt zu erachten, schon im ersten Rechtszuge als formell Beteiligter am Verfahren teilzunehmen, um eine ihm ungünstige Entscheidung, gegen die er ein Beschwerderecht hätte, durch seine Verfahrensbeteiligung von vornherein abzuwenden 10 ). Bei materieller Beteiligung besteht ein Recht auf formelle Beteiligung, d. h. die Befugnis, sich an dem Verfahren zu beteiligen, und die Pflicht des Gerichts, den Beteiligten zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Bei nur formeller Beteiligung nach § 57 besteht eine solche Pflicht des Gerichts schon wegen der Unbestimmtheit dieses Personenkreises nicht; diese Personen müssen ihr Recht zur Teilnahme am Verfahren aus eigenem Antriebe ausüben. Formell Beteiligter ist nicht schon, wer durch seine Anregung ein Amtsverfahren veranlaßt, z. B. ein Fürsorgeerziehungsverfahren gegen das Kind seines Nachbarn, auch nicht, wer ein FirmenmißbrauchsverSchrifttum: Nothdurft, Der Begriff des Beteiligten in der FG, 1925; Baur, Lehrbuch § 12; Lent-Habsdieid 4 § 14; Pikart-Henn, Lehrbuch S. 67 ff.; Unger ZZP 34, 281; Hw. Müller, NJW 1954, 869; Keidel JZ 1954, 564. «) KG JFG 12, 122. 7 ) Hamm Rpfleger 1956, 243; BayObLGZ i960, 216. 8) BayObLGZ 1954, 111; 1960, 112.
5)
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B
) BayObLGZ 1965, 333, 341; 1956, 49, 66; FamRZ 1965, 279; Baur § 12 III 2; LentHabsdieid § 14 II Nr. 3. 10 ) KG FamRZ 1968, 472; Unger, ZZP 34, 305""; Baur § 12 III 1 Fn. 8; H. Keidel, Der Grundsatz des rechtl. Gehörs im Verfahren der FG Diss. Köln 1964 S. 80; a. M. BayObLGZ 1958, 171, 175.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften fahren nach F G G § 140, H G B § 37 Abs. 1 aus Wettbewerbsgründen anregt; anders, wenn er durch den unbefugten Gebrauch der Firma im Sinne des § 37 Abs. 2 H G B in seinen Rechten verletzt wird 11 ). Den Beteiligten im verfahrensrechtlichen Sinne meint das Gesetz in den §§ 9, 13, 13 a, 15, 168 Satz 2. b) Behörden sind fähig, am Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligt zu sein 12 ), auch wenn sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, sondern lediglich Einrichtungen ihres öffentlichrechtlichen Trägers sind (vgl. zum Behördenbegriff § 29 Rdn. 12). Beteiligter ist das in seinem Bestände von dem Wechsel der Amtsinhaber unabhängige Organ der Staatsgewalt, nicht der jeweilige Amtsinhaber 13 ). Da Beteiligung die Eigenschaft ist, Subjekt eines Prozeßrechtsverhältnisses zu sein, werden Behörden nicht schon dadurch Beteiligte, daß sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wahrung des öffentlichen Interesses oder zur Unterstützung des Gerichts in dem Verfahren hinzugezogen werden, z. B. das Jugendamt nach JugWohlfG § 48, die Industrie- und Handelskammer nach HRegVfg. § 23, der Staatsanwalt nach VerschG § 22, oder daß sie dem Gericht von einem Sachverhalt Kenntnis geben, der ein Einschreiten rechtfertigen kann, z. B. F G G §§ 48 bis 50, 125a Abs. 1, 126, BGB §§ 1694, 1850. Hier wird die Behörde Beteiligte im formellen Sinne erst, wenn sie von einem ihr verliehenen Antrags- oder Beschwerderecht Gebrauch macht, z. B. F G G § 126, JugWohlfG § 65 Abs. 1, 67 Abs. 2, VerschG § 16 Abs. 2a. Eine Behörde kann aber durch das Verfahren auch in ihrer eigenen Rechtsstellung betroffen werden; dann ist sie materiell und bei Teilnahme am Verfahren formell Beteiligte. In diesem Sinne ist bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten Beteiligter die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat (§ 29 E G G V G Rdn. 12, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rdn. 44). Tritt die Behörde als gesetzlicher Vertreter eines öffentlichrechtlichen Rechtsträgers auf, dann ist Beteiligter der Vertretene, nicht die vertretende Behörde.
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2. Die Ausschließungsgründe sind nach der Vorstellung des Gesetzgebers in § 6 Abs. 1 abschließend aufgezählt 14 ). Es sind dies:
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a) Beteiligung des Richters (Nr. 1). Nach § 6 schließt sowohl die formelle als auch die materielle Beteiligung den Richter aus. Der Vormundschaftsrichter ist sachlich beteiligt bei der Genehmigung eines Vertrages, den er (oder ein naher Angehöriger im Sinne des § 6 Nr. 3) mit dem Mündel geschlossen hat; der Nachlaßrichter, wenn er Erbe, Nacherbe, Testamentsvollstrecker des zu regelnden Nachlasses ist; als Nachlaßgläubiger (Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigter) ist er nur dann ausgeschlossen, wenn dem Gläubiger in dem zu erledigenden Verfahren die Stellung eines Beteiligten zukommt, z. B. B G B §§ 1981 Abs. 2, 1994, 2006, 2198 Abs. 3, 2200 Abs. 2, 2202 Abs. 3, denn ein nur mittelbares (rechtliches, wirtschaftliches, ideelles) Interesse genügt zur Annahme einer materiellen Beteiligung nicht.
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b) Mitberechtigung oder Mitverpflichtung des Richters (Nr. 1, 2. Altern.). Auch die Mitbeteiligung muß eine unmittelbare sein; der Richter muß in die Lage kommen können, in der Sache Rechte auszuüben oder Pflichten zu erfüllen 15 ), ein bloßes Interesse am Ausgang der Angelegenheit genügt nicht; abweichend von ZPO § 41 Nr. 1, dem die Vorschrift im übrigen nachgebildet ist, auch nicht die Gefahr des Rückgriffs. Als Mitberechtigter oder Mitverpflichteter ist der Richter ausgeschlossen in den Sachen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, deren Gesellschafter er ist, dagegen nicht als Mitglied einer juristischen Person, also eines rechtsfähigen Vereins 16 ), einer Aktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung 1 7 ), sofern nicht gerade Sonderrechte des Mitgliedes betroffen sind, einer Gemeinde oder Genossenschaft 1 ^). Keine Mit-
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R G Z 132, 311. ) Zimmermann, Behörden als Beteiligte im Verfahren der FG, Rpfleger 1958, 209; Pikart-Henn, Lb. S. 71; Bärmann § 9 I 3. 1 3 ) Pikart-Henn aaO.; das verkennt Habsdieid, Rpfleger 1964, 200 Fn. 11. 12
) K G J 35 A 149; Sdilegelberger Anm. 10. ) K G J 22 A 12; Habsdieid Rpfleger 1964, 200. 1 6 ) RGZ 7, 311. " ) RG J W 1902, 394. " * ) Zimmermann u. Keidel, Rpfleger 1957, 9.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit beteiligung begründet die Mitgliedschaft bei einem nicht rechtsfähigen Verein. Denn daß die einzelnen Mitglieder Träger des Vereinsvermögens sind, macht sie noch nicht zu Mitverpflichteten; das Gesetz denkt hierbei an eine persönliche Haftung des Richters neben dem Beteiligten; im allgemeinen haftet aber auch beim nicht rechtsfähigen Verein nur das Vereinsvermögen, nicht das einzelne Mitglied persönlich 18 ). Ein Handelsrichter ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er Mitglied der am Beschwerdeverfahren beteiligten Handelskammer ist, es sei denn daß er für die Handelskammer eine Erklärung in der Sache abgegeben hat, weil er dann deren bestellter Vertreter im Sinne des § 6 N r . 4 ist 19 ). Ein Mitglied des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte ist nicht schon wegen seiner Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen, deren Beschlüsse angefochten werden, sondern nur, wenn er an der Beschlußfassung teilgenommen hat 19 a). Das Verhältnis als Beteiligter oder Mitbeteiligter muß noch zu der Zeit bestehen, zu der der Richter tätig wird 20 ). 10
c) Beteiligung des Ehegatten (Nr. 2) schließt den Richter aus, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht, also durch Tod, Scheidung, Aufhebung oder Wiederverheiratung nach Todeserklärung ( § 3 8 Abs. 2 EheG) aufgelöst ist. Auch Nichtigerklärung der Ehe (§ 23 EheG) beseitigt den Ausschließungsgrund nicht 21 ). Eheähnliches Zusammenleben und Verlöbnis rechtfertigen die Ablehnung wegen Befangenheit (Anm. D, E).
"11
d) Verwandtschaft oder Schwägerschaft (Nr. 3) mit einem Beteiligten, gleichviel ob dieser allein oder mitbeteiligt (Rdn. 9) ist. Für die Begriffe Verwandtschaft und Schwägerschaft sind die Vorschriften des BGB (§§ 1589, 1590) maßgebend, obwohl Art. 33 EGBGB in § 185 FGG nicht für anwendbar erklärt ist; das folgt unmittelbar aus dem Verhältnis des FGG zum BGB22). Verwandtschaft und Schwägerschaft in gerader Linie begründen einen Ausschließungsgrund ohne Rücksicht auf die Nähe des Grades, in der Seitenlinie bis zum zweiten Grade; insofern weicht die Vorschrift zwar ab von § 41 N r . 3 ZPO, der Verwandtschaft in der Seitenlinie bis zum dritten Grade berücksichtigt, sie steht jedoch im Einklang mit § 2234 Nr. 2 BGB und § 170 Nr. 3 FGG. Daß der Ausschließungsgrund der Schwägerschaft durch die Auflösung der sie begründenden Ehe nicht beseitigt wird, brauchte anders als in § 41 Nr. 3 Z P O im Hinblick auf § 1590 Abs. 2 BGB nicht besonders gesagt zu werden; jedoch kann Schwägerschaft nach Auflösung der Ehe nicht mehr entstehen (§ 44a Rdn. 4). Ehelichkeitserklärung und Annahme an Kindes Statt schließen nur aus, soweit Verwandtschaft begründet wird (S§ 1737, 1762, 1763 BGB), während zu § 41 N r . 3 Z P O aus den Worten „durch Adoption verbunden" geschlossen wird, daß Adoption in der geraden Linie ohne Rücksicht darauf ausschließe, ob sie eine Verwandtschaft begründe 23 ). Verwandtschaft oder Schwägerschaft zwischen Richtern desselben Spruchkörpers oder der unteren und der oberen Instanz oder mit dem gesetzlichen Vertreter oder dem Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten oder mit einem Zeugen oder Sachverständigen sind kein gesetzlicher Ausschließungsgrund, können aber nach Lage des Falles die Ablehnung rechtfertigen. Bei Beteiligung einer Partei kraft Amtes schließt sowohl das Verhältnis zu dem Verwalter als auch zu dem Träger des Vermögens den Richter aus 24 ).
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e ) Vertretungsbefugnis für einen Beteiligten (Nr. 4). Maßgebend ist nur das Bestehen der Vertretungsbefugnis. Es genügt, wenn die Berechtigung als Bevollmächtigter oder gesetzlicher Vertreter besteht, mag auch der Vertreter nicht als solcher auftreten. Wer gesetzlicher Ver-
>8) BAG AP § 41 ZPO Nr. 1; vgl. auch NJW 1968, 157; Stein-Jonas-Pohle 18 Anm. 9 III 1 b; a. M. Königsberg JW 226; Keidel Anm. 19; Voraufl. 18 ) KGJ 22 A 12 = RJA 2, 172; KGJ 145; KG OLGR 43, 196. « • ) BGH NJW 1968, 157. 2 °) Keidel Anm. 19 a.
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BGH § 41 1931, 35 A
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) Vgl. RG HRR 1930, Nr. 1059 zu § 383 Nr. 2 ZPO; Keidel Anm. 20; a. M. Schlegelberger Anm. 7. 22 ) Vgl. Einl. III; Staudinger-Lauterbach BGB 11 § 1589 Rdn. 49. 23) Stein-Jonas-Pohle1® § 41 III 3 a. 24 ) Stein-Jonas-Pohle § 41 III 3 b; BaumbachLauterbach28 Anm. 2 C; a. M. Jaeger-Lent KO 8 Bern. V 3 vor § 6.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften treter ist, ergibt sich aus dem sachlichen Recht. Die Zugehörigkeit zu einem mehrköpfigen vertretungsberechtigten Organ genügt, auch wenn Gesamtvertretungsmadit besteht. Gesetzlicher Vertreter ist auch der Beistand im Rahmen des § 1690, dagegen begründet keine Vertretungsbefugnis die Beistandsleistung nach § 13 Satz 1. Die Vertretungsbefugnis muß sich auf die zu verhandelnde Sache beziehen; daher ist der Pfleger nicht ausgeschlossen in einer Sache, die nicht zu seinem Wirkungskreis gehört. Abweichend von § 41 Nr. 4 ZPO ist der Richter nicht mehr ausgeschlossen, wenn seine Vertretungsbefugnis beendet ist. f) Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung muß als übergesetzlicher Ausschließungsgrund anerkannt werden, obwohl § 6 diesen Fall abweichend von § 41 Nr. 6 ZPO nicht nennt, weil es im Wesen des Rechtsmittels liegt, daß ein Richter der Vorinstanz an der Entscheidung der höheren Instanz nicht mitwirken darf 25 ). In öffentlichrechtlichen Streitsachen ist die Vorschrift des § 54 Abs. 2 VwGO entsprechend anzuwenden, nach der von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen ist, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat (vgl. auch § 41a Abs. 2 PatG)"). Dagegen läßt es sich nicht hinreichend rechtfertigen, den Ausschließungsgrund der Vernehmung ah Zeuge oder Sachverständiger (§ 41 Nr. 5 ZPO) contra legem auf die freiwillige Gerichtsbarkeit zu übertragen27). In diesen Fällen kann aber Befangenheit vorliegen. Ein Richter, der an einer im Rechtsmittelzuge aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist nach Zurückverweisung der Sache weder kraft Gesetzes von der Mitwirkung im neuen Verfahren ausgeschlossen, noch rechtfertigt seine Mitwirkung an der aufgehobenen Entscheidung für sich allein die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit 2 ^).
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D. Befangenheit
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Ober die gesetzlichen Ausschließungsgründe (Anm. C 2) hinaus können im Einzelfall wegen der Beziehungen des Richters zu einem oder mehreren Beteiligten oder zum Verfahrensgegenstand Umstände vorliegen, welche die Unparteilichkeit des Richters in Frage stellen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters begründet sind und ob der Richter tatsächlich als befangen anzusehen ist, sondern ob ein Verfahrensbeteiligter berechtigten Anlaß hat, die Befangenheit des Richters zu besorgen28). Abzustellen ist allerdings nicht auf das subjektive Meinen des Beteiligten, sondern darauf, ob er zwar von seinem Standpunkt aus, aber bei besonnener, vernünftiger Würdigung Grund zum Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann28). Der Ablehnungsgrund muß ferner gegenständlich in der einzelnen Sache verwurzelt sein; es genügt nicht, daß er allgemein aus der sozialen Stellung, der Konfessions- oder Parteizugehörigkeit des Richters her) Wellstein 2 Anm. 2 ; Birkenbihl § 6 Anm. 4 ; Sdilegelberger § 7 Anm. 11; Voraufl. § 30 Anm. 1; Habsdieid J R 1958, 361 zu I I I 1 a ; ders., Rpfleger 1964, 200; vgl. auch Hw. Müller, N J W 1961, 102; jetzt auch Keidel Anm. 11; Bärmann § 7 I ; a. M. Hamm M D R 1950, 495; Josef 2 Anm. 8; Siehr S. 23. 2 «) Vgl. B G H F a m R Z 1963, 556; B G H N J W 1965, 157; Habsdieid, FamRZ 1964, 83; ders., Rpfleger 1964, 200. 2 ' ) Wellstein 2 Anm. 2 ; Keidel Anm. 11; a. M. Bärmann § 7 I 2 ; Habsdieid a a O . ; auch das BVerfG betont (BVerfGE 21, 139, 146), daß der Gesetzgeber hinsichtlich einzelner Aussdiließungsgründe an das Vorbild anderer Verfahrensordnungen nicht gebunden und zu sachlich vertretbaren Abweichungen befugt ist. " » ) Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 41 I I I 6, § 42 I I 2 ; zum Strafprozeß B G H N J W 1967, 62 Anm. v. Hanack N J W 1967, 580.
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28) Baur § 8 I I I ; Bärmann § 7 I I 1 b; Keidel 8 Anm. 25; Sdilegelberger Anm. 12; Lent-Habsdieid § 12 I I I 2 ; Habsdieid Rpfleger 1964, 200; Stein-Jonas-Pohle 1 8 § 42 I I ; B V e r f G E 20, 5, 14, 29 = N J W 1966, 923; a. M. Schleswig SdilHA 1957, 343; Wellstein 2 Anm. 5 a, nach denen es auf die Besorgnis der Beteiligten nicht ankommt; vgl. zum Begriff der Befangenheit Rosenberg J Z 1951, 214; Swarzenski J R 1956, 176; Seibert J Z 1960, 85; Teplitzky N J W 1962, 2044; Wassermann J R 1961, 401; ders., N J W 1963, 429; Rasehorn N J W 1966, 666. 2 8 ) Rosenberg ZPR» % 222 I I I 1; Stein-JonasPohle Z P O 1 8 § 42 Anm. I I 1; Wieczorek ZPO § 42 Anm. C I ; BVerfGE 20, 5 = N J W 1966, 924; Wassermann N J W 1963, 429; a. M. Rasehorn N J W 1966, 666.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit geleitet wird 30 ). Ob die vorliegenden Umstände die Ablehnung rechtfertigen, entscheidet, wie im Zivilprozeß 31 ), das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts.
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E. Ausschließungs- und Ablehnungsverfahren Nach der Regelung des Abs. 2 kann das Vorliegen eines Ausschließungs- oder Ablehnungsgrundes abweichend von §§ 42 bis 48 ZPO nicht in einem besonderen Verfahren geltend gemacht werden. Der Richter entscheidet über seine Ausschließung oder Befangenheit selbst, indem er sich entweder der Amtsausübung enthält oder dem Verfahren Fortgang gibt. Die Entscheidung durch einen ausgeschlossenen Richter stellt sich zwar als Verfahrensfehler dar, der mit der Beschwerde gegen die Sachentscheidung gerügt werden kann, sofern dieses Rechtsmittel im übrigen zulässig ist; eine Ablehnung des Richters wegen Befangenheit durch die Beteiligten dagegen findet nicht statt. Die Entschließung des Richters nach Abs. 2 Satz 1 darüber, ob er sich wegen Befangenheit der Amtsausübung enthalten soll, ist weder selbständig anfechtbar noch unterliegt sie der Nachprüfung im Beschwerdewege gegen die von ihm erlassene Sachentscheidung32). Diese Regelung wird dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) auch gegenüber den Beteiligten (Anm. A) nicht ausreichend gerecht; sie ist daher durch eine entsprechende Anwendung der §§ 42 bis 48 ZPO zu ersetzen 33 ). Das gilt nicht nur für echte Streitsachen, da die richterliche Unabhängigkeit in allen Verfahren gleichmäßig gewahrt sein muß. Inzwischen ist der Ausschluß der Richterablehnung in Abs. 2 Satz 2 durch das BVerfG für nichtig erklärt worden (Anm. A). Aber auch § 6 Abs. 2 Satz 1 ist nicht mehr anzuwenden, soweit der Richter sich danach ohne Ablehnungsgesuch selbst der Amtsausübung wegen Befangenheit enthalten kann 34 ). Demgemäß gestaltet sich das Verfahren wie folgt: I.Verfahren
auf
Ablehnungsgesuch
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) Das Ablehnungsgesuch kann sowohl auf das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes als auch auf Besorgnis der Befangenheit gestützt werden (§ 42 Abs. 1 ZPO). Es ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, mündlich oder schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen (§ 44 Abs. 1 ZPO, § 11 FGG). Als Verfahrenshandlung setzt es Verfahrensgeschäftsfähigkeit voraus; das Gesuch kann auch von einem Beteiligten angebracht werden, der nach der Art des Verfahrensgegenstandes ohne Rücksicht auf seine bürgerlichrechtliche Geschäftsfähigkeit verfahrensgeschäftsfähig ist (§ 13 Rdn. 20 bis 23).
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b) Unzulässig ist ein auf Besorgnis der Befangenheit gestütztes Ablehnungsgesuch, wenn der Beteiligte sich vor dem Richter in Kenntnis des Ablehnungsgrundes in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat (§ 43 ZPO). Erforderlich ist Kenntnis der Person des mit der Sache befaßten Richters und der Tatsachen, welche die Besorgnis der Befangenheit begründen. Kenntnis eines Vertreters steht der Kenntnis des Beteiligten gleich. Die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes und Schriftlichkeit des Verfahrens stehen der Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen 35 ). Nach Beendigung des Rechtszuges kann ein Ablehnungsgesuch mit Wirkung für die erlassene Entscheidung nicht mehr angebracht werden, auch wenn
a
*>) Vgl. B V e r f G G § 18 Abs. 2 ; B V e r f G E 2, 295, 297; 11, 1, 3 ; B G H D N o t Z 1962, 612; Wieczorek § 42 Anm. B I I ; Wassermann N J W 1963, 429; Keidel Anm. 25. 3 1 ) Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 42 Anm. I I . 3 2 ) BayObLGZ 34, 200; 1954, 66; München D F G 1937, 89; Schleswig SdilHA 1957, 343; Keidel« Anm. 26; Pikart-Henn S. 61. 33) BGHZ 46, 195 = N J W 1967, 155; Habs&eid J R 1958, 361 zu I I I 1 a ; ders., Rpfleger 1964, 200; Lent-Habsdieid 4 § 12 I I 2 ; Göppinger J R 1962, 49; Staudinger-Göppinger B G B 1 1 Anh. zu § 1666 Anm. 277; Bär-
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mann § 7 I I I 2 ; Keidel 9 Anm. 26; a. M. noch K G N J W 1964, 778 = Z B I J R 1964, 28 = FamRZ 1964, 162; Köln O L G Z 1966, 350; B a y O b L G v. 23. 1. u. 14. 2. 64, angeführt von Keidel aaO. Fn. 1. 3 4 ) B G H aaO. Fn. 33; vgl. B V e r f G E 20, 26, 29; a. M. Keidel 9 Anm. 25 ; Zimmermann N J W 1967, 631 Anm.; Baur J Z 1967, 66 Anm. 3 5 ) Vgl. Pritsdi L w V G § 11 Anm. B I I I a 2 ; Stein-Jonas-Pohle § 43 Anm. I I ; Baumbach2 9 Lauterbach Z P O § 43 Anm. 2 C ; a. M. Keidel 9 Anm. 26 a.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften die Unterlassung eines rechtzeitigen Ablehnungsgesuchs auf unverschuldeter Unkenntnis des Ablehnungsgrundes beruht. Der Umstand, daß der abgelehnte Richter ein Abhilferecht hat (§ 18 Abs. 1), berührt nicht die Unzulässigkeit des nach der Sachentscheidung angebrachten Ablehnungsgesuchs, wenn der Richter von der Abhilfebefugnis keinen Gebrauch gemacht, sondern die Beschwerde dem Landgericht vorgelegt hat 36 ). Ausschließungsgründe können nur noch mit der Sachbeschwerde gerügt werden; ein auf Besorgnis der Befangenheit gestütztes vor Beendigung des Rechtszuges angebrachtes Gesuch bleibt zulässig, wenn die Sachentscheidung anfechtbar ist und die Anfechtung auf eine begründete Ablehnung gestützt werden könnte37). Der nach § 43 ZPO eingetretene Verlust des Ablehnungsrechts gilt auch für andere Verfahren38). c) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf der Beteiligte nicht zugelassen werden, er kann aber auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug nehmen, der sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat (§ 44 Abs. 2, 3 ZPO). Zu der dienstlichen Äußerung ist dem Gesuchsteller rechtliches Gehör zu gewähren, wenn sie tatsächliche Anführungen oder Bestreitungen enthält39). Im Fall des § 43 (Rdn. 17) ist glaubhaft zu machen, daß der Ablehnungsgrund erst nach der Einlassung auf die Verhandlung oder der Antragstellung entstanden oder dem Beteiligten bekannt geworden ist (§ 44 Abs. 4 ZPO). Insoweit gilt mithin, wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Rdn. 27), nicht der Amtsermittlungsgrundsatz, sondern der Beibringungsgrundsatz40).
-|g
d) Der abgelehnte Richter darf bis zur rechtskräftigen Erledigung des Ablehnungsgesudis nur Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub dulden (§ 47 ZPO), z. B. eine vorläufige Anordnung erlassen oder einen Beweis erheben, dessen Verlust droht, es sei denn, daß das Gesuch ersichtlich nicht ernst gemeint oder zur Verschleppung bestimmt ist41). Unaufschiebbar kann in besonderen Fällen auch der Erlaß der Endentscheidung sein42), z. B. die Anordnung der endgültigen Fürsorgeerziehung, wenn anderenfalls die vorläufige Fürsorgeerziehung wegen Fristablaufs nach § 67 Abs. 5 JWG aufgehoben werden müßte. Bei Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit bleiben die nach § 47 gestatteten Handlungen wirksam und sind nicht aus diesem Grunde angreifbar, auch wenn das Gesuch später für begründet erklärt wird. Bei Überschreitung der Grenzen des § 47 und stets bei Feststellung eines Ausschließungsgrundes kann der Verfahrensfehler mit der Sachbeschwerde gerügt werden43).
"J9
e) Entscheidung
20
a) Wird ein Amtsrichter abgelehnt, so entscheidet nach § 45 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Zivilkammer des Landgerichts44), in Handelssachen nach § 30 Abs. 1 Satz 2 FGG die Kammer für Handelssachen, in Landwirtschaftssachen der Senat für Landwirtschaftssachen des vorgeordneten OLG. Der Amtsrichter kann das Gesuch selbst zurückweisen, wenn es zweifelsfrei nicht ernst gemeint ist und nur der Verschleppung dient45). Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Amtsrichter das Gesuch für begründet hält (§ 45 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Der Sachverhalt ist aktenkundig zu machen und auf dienstlichem Wege für den Eintritt des geschäftsplanmäßigen Vertreters zu sorgen. Hat das Ausscheiden eine Verhinderung des Gerichts zur Folge (§ 5 Abs. 1 Satz 2), so ist eine Bestimmung des zuständigen Gerichts herbeizuführen (§ 5 Rdn. 13). «) B a y O b L G Z 1967, 474 = N J W 1968, 802. ) Stein-Jonas-Pohle § 44 Anm. I I I . 3 8 ) Hamm N J W 1967, 1864; a. M. Stein-JonasPohle Z P O 1 9 §43 Fn. 1; Teplitzky N J W 1967, 2318. 3 9 ) BVerfG D R i Z 1968, 283. 4 °) Düsseldorf O L G Z 1967, 387. 4 1 ) Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 « § 47 I I ; BaumbachLauterbach Z P O 2 9 § 47 Anm. 1, § 42 Anm. 1 B. 3
37
) Baumbach-Lauterbach § 47 Anm. 1; a. M. Stein-Jonas-Pohle § 47 Anm. I I . ) Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 47 Anm. I I I ; vgl. unten Rdn. 25. « ) Düsseldorf O L G Z 1967, 387; a. M. Habscheid Rpfleger 1964, 203, der eine Zurückweisung des Gesuchs durch den Amtsrichter für zulässig hält; vgl. Keidel Anm. 26. 4 5 ) Stein-Jonas-Pohle § 45 Anm. II. 42
43
135
§ 6
Freiwillige Gerichtsbarkeit
21
ß) Bei Kollegialgerichten entscheidet das Gericht (Kammer, Senat), dem der Abgelehnte angehört. Anstelle des Abgelehnten ist der regelmäßige oder zeitweilig bestimmte Vertreter hinzuzuziehen. Ein mißbräuchliches und zweifelsfrei nicht ernst gemeintes Gesuch kann unter Mitwirkung des Abgelehnten als unzulässig verworfen werden 46 ). Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Gesuch f ü r begründet hält und das Kollegium zustimmt. Über die Ablehnung oder Ausschließung landwirtschaftlicher Beisitzer entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne Hinzuziehung der lw. Beisitzer (§§ 11, 20 Abs. 1 N r . 1 LwVG) 47 ).
22
f) Rechtsmittel. Ein Beschluß, durch den das Gesuch f ü r begründet erklärt wird, ist unanfechtbar (§ 46 Abs. 2 ZPO). Gegen den Beschluß des LG, durch den die Ablehnung eines Amtsrichters oder eines Mitglieds des LG für unbegründet oder unzulässig erklärt wird, findet entsprechend § 46 Abs. 2 Z P O die sofortige (erste Tatsachen-)Beschwerde nach den §§ 19, 22 FGG (vgl. Vorbem. 6 vor § 19) an das OLG (KG, BayObLG, OLG Zweibrücken) statt 48 ). Die Beschwerde wird durch den Erlaß der den Rechtszug abschließenden Sachentscheidung nicht unzulässig, wenn diese anfechtbar ist und auf eine begründete Ablehnung gestützt werden könnte oder wenn von dem abgelehnten Richter in derselben Sache noch weitere Anträge zu behandeln sind (§ 19 Rdn. 35). Entscheidungen des OLG (ObLG) und des B G H sind endgültig. 2. Verfahren
ohne
Ablehnungsgesuch
a
23
) Liegt ein gesetzlidier Ausschließungsgrund zweifelsfrei vor, so hat der Richter ihn von Amts wegen zu beachten und sich jeder Amtsausübung zu enthalten. Ein Verzicht der Beteiligten auf den Ausschließungsgrund ist unbeachtlich. Ein besonderes Ausschließungsverfahren findet nicht statt. Es ist gemäß Bern, zu Rdn. 20 für den Eintritt des geschäftsplanmäßigen Vertreters zu sorgen.
24
h) Bestehen Zweifel über einen gesetzlichen Ausschließungsgrund, so entscheidet gemäß § 48 Z P O das nach Rdn. 20 zuständige Gericht auf Anzeige des Richters oder aus sonstiger Veranlassung, ebenso wenn der Richter von einem Verhältnis Anzeige macht, welches seine Ablehnung wegen Befangenheit rechtfertigen könnte, wozu ihm eine Rechtspflicht nicht auferlegt wird. Auch der Amtsrichter kann sich ohne die Entscheidung des hiernach zuständigen Gerichts nicht wegen Befangenheit der Amtsausübung enthalten 49 ). Die Entscheidung ergeht ohne Gehör der Beteiligten, wird ihnen nicht mitgeteilt und ist unanfechtbar; wird ein Ausschließungs- oder Ablehnungsgrund verneint, so steht die Entscheidung einem Ablehnungsgesuch der Beteiligten oder der Geltendmachung einer zulässigen Verfahrensrüge (Rdn. 25) nicht entgegen.
F. Verfahrensrügen im Verfahren zur Hauptsache Eine Entscheidung kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, daß ein mitwirkender Richter wegen Besorgnis der Befangenheit hätte abgelehnt werden können, oder daß er eine Selbstablehnung hätte erklären müssen 50 ). Die rechtskräftige Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs ist f ü r das weitere Verfahren maßgebend; ein Rechtsmittel kann auf den verworfenen Ablehnungsgrund nicht gestützt werden 51 ). Die Entscheidung kann, soweit die sofortige Beschwerde stattfindet, nach § 18 Abs. 2, aber auch soweit sie unanfechtbar ist (Rdn. 22), nach 4e
) Stein-Jonas-Pohle § 45 Anm. I. " ) Pritsch, LwVG § 11 Anm. B II. « ) Düsseldorf O L G Z 1967, 387; Köln FamRZ 1968, 331; BayObLGZ 1967, 474 = N J W 1968, 802; Stuttgart, Die Justiz 1968, 144. 40 ) Stein-Jonas-Pohle § 48 Anm. I 2; a. M. Keidel Anm. 25; Zimmermann N J W 1967, 631 Anm.; vgl. oben Anm. E Fn. 34. Wie hier
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für Streitsachen BayObLG 9. 1. 69 (lb Z 96/68). ») B G H Z Z P 67, 302; K G O L G Z 1967, 215; a. M. Habsdieid Rpfleger 1964, 202; Köln O L G Z 1968, 464. 51 ) B G H N J W 1964, 658; Stein-Jonas-Pohle 1 9 S 46 Anm. 11; Keidel 9 Anm. 26 c. 5
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften dem Zweck der Regelung nicht geändert werden, es sei denn, daß ein neues noch zulässiges Gesuch auf neue Tatsachen gestützt wird. Die Mitwirkung eines gesetzlich ausgeschlossenen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnten Richters berührt zwar nach § 7 nicht die Wirksamkeit der Entscheidung, stellt sich aber als Verfahrensfehler dar, der mit Beschwerde gerügt werden kann, sofern dieses Rechtsmittel nach allgemeinen Grundsätzen (§ 19) statthaft ist und dem Beschwerdeführer im übrigen ein Beschwerderecht zusteht. Der Verfahrensfehler wird in der Regel die Zuriickverweisung rechtfertigen (§ 25 Rdn. 13). Die Beschwerde führt aber nicht notwendig zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn diese sich als sachlich richtig erweist und das Beschwerdegericht Tatsachengericht ist, da das Beschwerdegericht vollständig an die Stelle der ersten Instanz tritt, sofern die Entscheidung allein auf der Würdigung des Beschwerdegerichts beruht52). Erst im Rechtsbesdiwerdeverfahren bildet die Mitwirkung eines ausgeschlossenen oder mit Erfolg abgelehnten Richters des LG den unbedingten Rechtsbeschwerdegrund des § 27 Satz 2 FGG mit § 551 Nr. 2, 3 ZPO, der ohne Rücksicht auf die Ursächlichkeit des Mangels zur Aufhebung nötigt. Auf eine Ausschließung des Amtsrichters (oder gar Rechtspflegers) kann die weitere Beschwerde nicht gestützt werden (§ 27 Rdn. 30). Soweit eine Wiederaufnahme des Verfahrens statthaft ist (§ 18 Rdn. 40), kann der Nichtigkeitsgrund des § 579 Nr. 2 ZPO vorliegen. Nach Erschöpfung des Rechtswegs kann Verfassungsbeschwerde auf Grund des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Betracht kommen, sofern willkürliche Erwägungen maßgebend waren5'). Unanfechtbare Verfügungen kann das Gericht in anderer Besetzung ändern (§ 18 Rdn. 10). G. Ausschließung und Ablehnung anderer Gerichtspersonen
26
1. Die Ausschließung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in Angelegenheiten der FG ist bundesrechtlich nur geregelt für die Mitwirkung bei der Errichtung von Testamenten und Erbverträgen nach BGB §§ 2234 bis 2236, bei der Beurkundung von Rechtsgeschäften, FGG § 1 7 0 bis 172, sowie in Grundbuch-, Handelsregister- und Genossenschaftsregistersachen, in denen die §§ 6, 7 auf ihn entsprechend anzuwenden sind nach AusfVO z. GBO v. 8. 8. 35 (RGBl. I 1089) § 4 Abs. 4, Handelsregisterverfügung (Anl. 3) § 4, GenRVO § 1. Im übrigen ist die Regelung dem Landesrecht vorbehalten. Die Anwendung der §§ 6, 7 schreiben vor PrFGG Art. 2, HessFGG Art. 8, NdsFGG Art. 3. Nach Aufhebung des § 6 Abs. 2 Satz 2 FGG kann, wo auf diese Vorschrift verwiesen ist, auch der Urkundsbeamte entsprechend § 49 ZPO abgelehnt werden54). 2. Auf den Rechtspfleger sind die Vorschriften über den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht mehr anzuwenden (§ 25 Abs. 2 RechtspflG); für ihn gelten §§ 6, 7 unmittelbar nach § 9 Satz 1 RechtspflG, mithin anstelle des § 6 Abs. 2 die §§ 42 bis 48 ZPO entsprechend55). Er hat also das Selbstablehnungsrecht des § 6 Abs. 2 Satz 1 nicht mehr und kann von den Beteiligten entgegen § 6 Abs. 2 Satz 2 abgelehnt werden. Ober Ablehnungsgesuche und Anzeigen nach § 48 ZPO entscheidet der Amtsrichter.
27
3. Für die Ausschließung und Ablehnung des Gerichtsvollziehers in Angelegenheiten der FG ist ausschließlich das Landesrecht maßgebend; PrAGGVG § 76, HessFGG Art. 8 Abs. 2, BremAGGVG v. 11. 10. 60 (GBl. 123) § 22 und BayAGGVG Art. 35 erklären GVG § 155 für entsprechend anwendbar, während nach NdsFGG Art. 3 Abs. 2 die §§ 6, 7 FGG gelten. Vgl. im übrigen die landesrechtl. Anhänge zur bundeseinheitl. GeschAnw. f. GerVollz. v. 1. 1. 69, jeweils §§ 274 ff., und Anm. 2, 3 zu PrAGGVG § 76 (Anl. 11).
28
4. Für den Dolmetscher gilt § 6 ebenfalls; vgl. § 9 Satz 2.
52) A. M. Baur § 8 I V 3 ; Keidel Anm. 9. 5 3 ) Vgl. B V e r f G E 11, 1 , 6 .
29
) A. M. Barnstedt L w V G § 11 Anm. 8; Keidel Anm. 3. 5 5 ) Ebenso Keidel® Anm. 26.
54
137
§
Freiwillige Gerichtsbarkeit
7
Handlungen
unzuständiger
oder ausgeschlossener
Richter
7 Gerichtliche Handlungen sind nicht aus dem Grunde unwirksam, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht oder von einem Richter vorgenommen sind, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Übersicht Rdn.
Rdn. A. Allgemeines
1-3
B. Voraussetzungen 4-10 1. Gerichtliche Handlung 4-6 2. Handlungen eines ausgeschlossenen oder abgelehnten Richters 7-8 a) Grundsatz 7 b) Beurkundung von Rechtsgeschäften 8 3. Handlungen eines örtlich unzuständigen Gerichts 9 4. Handlungen eines nach dem Geschäftsplan unzuständigen Richters 10 C. Unwirksamkeit D. Rechtsmittel 1. Anfechtungsgrund 2. Unanfechtbare Verfügungen 3. Registereintragungen E. Einfluß anderer Mängel auf die Wirksamkeit gerichtlicher Handlungen 1. Mangel der sachlichen Zuständigkeit 2. Fehlen der internationalen oder interzonalen Zuständigkeit 3. Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit 4. Vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts
11 12-14 12 13 14
5. Grenzüberschreitungen zwischen freiwilliger und streitiger Gerichtsbarkeit 19-21 a) Grenzüberschreitende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit " " 19 b) Urteile der Prozeßgerichte 20 c) Echte Streitsachen 21 22-24 6. Fehlen des Antrags 7. Fehlerhaftigkeit wegen sachlichrechtlicher oder verfahrensrechtlicher 25-30 Mängel 25 a) Grundsatz 26 b) Verfahrensfehler insbesondere c) Gesetzlich angeordnete Nichtig27 keitsfolge d) Unwirksamkeit wegen Fehlens 28 jeder gesetzlichen Grundlage e) Unzulässige Rechtsfolge 29 30 f) Gegenstandslose Verfügungen F. Besonderheiten f ü r Entscheidungen in echten Streitsachen
31
15
G. Folgen und Beseitigung der nichtigen oder wirkungslosen Verfügung
32
16
H . Übergangsrecht
33
I. Erweiterter Anwendungsbereich
34
J. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht
35
K. Recht der D D R
36
17 18
A. Allgemeines Die Vorschrift soll den Unzuträglichkeiten vorbeugen, die auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit der Nichtigkeit gerichtlicher Handlungen verbunden sein können (Denkschrift S. 33, 34). Sie bestimmt daher für zwei besondere Fälle, daß gewisse Verfahrensverstöße nicht die Unwirksamkeit der gerichtlichen Handlung zur Folge haben. Die Vorschrift dient im wesentlichen nur der Klarstellung, da die in § 7 gezogene Folgerung sich schon aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen ergeben müßte; sie rechtfertigt mithin auch keinen Umkehrschluß in dem Sinne, daß andere als die in § 7 genannten Mängel Nichtigkeit begründen müßten. Das ist vielmehr für andere Mängel je nach dem Grad ihrer Schwere und Evidenz besonders zu untersuchen. Die Vorschrift spricht nur aus, daß auf die etwaige Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer gerichtlichen Handlung der Umstand ohne Einfluß ist, daß die Handlung von einem örtlich unzuständigen Gericht oder einem k r a f t Gesetzes ausgeschlossenen Richter vorgenommen worden ist. Audi eine solche Handlung kann aber ebenso wie die eines örtlich zuständigen Gerichts oder eines nicht ausgeschlossenen Richters aus einem sonstigen Grunde der Wirksamkeit entbehren oder ungültig sein. Ist eine gerichtliche Handlung aus sonstigen Gründen nichtig, z. B. wegen Überschreitung der Grenzen der Gerichtsbarkeit oder wegen funktioneller Unzuständigkeit (s. nächst. Rdn. 17), so bleibt sie nichtig; liegen aber sonst keine Gründe vor, aus denen die Handlung ungültig oder unwirksam wäre, so sind in § 7 genannten Umstände für die Wirksamkeit bedeutungslos. Eine weitergehende Bedeutung kommt der Vorschrift nicht zu. Sie ist vor allem nicht dahin zu verstehen, daß die in § 7 genannten Mängel durch die Vornahme der gerichtlichen 138
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Handlung geheilt würden. Die Handlungen sind zwar, vorbehaltlich ihrer Aufhebung im Beschwerdewege (Rdn. 12), wirksam und brauchen nicht wiederholt zu werden, aber die örtliche Unzuständigkeit und die Ausschließung bleiben auch weiterhin in der Sache bestehen. Die nach § 7 wirksame Handlung eines örtlich unzuständigen Gerichts begründet daher im Sinne des § 4 keine Vorgriffszuständigkeit gegenüber dem örtlich zuständigen Gericht, und die Vornahme einer Handlung durch den ausgeschlossenen Richter heilt dieser Mangel nicht mit Wirkung für weitere Handlungen.
B. Voraussetzungen 1. Gerichtliche Handlung. Die Anwendbarkeit der Vorschrift ist beschränkt auf gerichtliche Handlungen. Darunter ist jede Amtshandlung zu verstehen, durch welche das Gericht tätig wird. Dazu gehören sowohl verfahrensrechtliche Willenserklärungen des Gerichts (Verfügung, Anordnung, Beschluß, Entscheidung, vgl. § 19 Rdn. 5) als auch Handlungen tatsächlicher Art wie die Inverwahrungnahme einer Sache oder Eintragungen in ein Register. Der Begriff ist aber enger als der der Verrichtungen (vgl. § 19 Rdn. 3, 4); Vorgänge, bei denen das Gericht ein nur passives Verhalten an den Tag legt, z. B. Empfangsstelle für Erklärungen und Mitteilungen ist, können nicht darunter verstanden werden 1 ). Handlungen Beteiligter, die dem Gericht gegenüber vorzunehmen sind, können ohnehin nicht aus dem Grunde, daß der zuständige Richter k r a f t Gesetzes ausgeschlossen ist, unwirksam sein; denn Erklärungsempfänger ist das Gericht als Behörde, nicht der einzelne Richter. Daraus ergibt sich bereits, daß § 7 Handlungen Beteiligter nicht gut im Auge haben kann. Aber auch Handlungen Beteiligter gegenüber einem örtlich unzuständigen Gericht können nicht auf Grund des § 7 für wirksam erachtet werden, weil hierbei eine Handlung des Gerichts nicht in Frage steht. Wenn vorgeschrieben ist, daß dem Nachlaßgericht gewisse Anzeigen zu erstatten sind (§§ 2146, 2384 BGB) oder daß eine Erklärung dem Gericht gegenüber abgegeben werden kann oder muß (§§ 1748, 1945 BGB), so verhält sich das Gericht dabei völlig passiv. Die Erklärung wird nach § 130 Abs. 3 BGB wirksam, wenn sie in den Machtbereich des zuständigen Gerichts dergestalt gelangt, daß die Kenntnisnahme davon möglich und zu erwarten ist. Die Erklärung ist selbst dann zugegangen, wenn zur Zeit keine zur amtlichen Kenntnisnahme für die Behörde befugte Person da ist 2 ). Es bedarf daher keiner Annahmetätigkeit des Gerichts 3 ). Auch in der Vorlegung der Erklärung ist nichts weiter als die Erfüllung einer auf der Geschäftsordnung beruhenden äußeren Förmlichkeit zu erblicken. An einer Handlung des Gerichts im Sinne des § 7 fehlt es auch, wenn die Anzeige oder Erklärung von dem Gericht zu Protokoll genommen wird; denn in der Protokollaufnahme ist in diesen Fällen nur die Herstellung der an sich dem Erklärenden obliegenden Verkörperung der Erklärung zu finden 4 ). Anders liegt es, wenn bestimmt ist, daß eine Erklärung vor einem Gericht (Notar) oder Beamten abzugeben ist (§§ 925 Abs. 1, 1410, 1750 Abs. 2, 2231 Nr. 1, 2249, 2276 BGB, § 13 Abs. 1 EheG); in diesen Fällen ist die Mitwirkung des Gerichts wesentlich (vgl. §§ 170, 176)5). Demnach sind Handlungen Beteiligter, die einem örtlich unzuständigen Gericht gegenüber vorgenommen werden, unwirksam, auch wenn sie fristgebunden sind, wie Erbausschlagungen 6 ). Es wird angenommen, daß die Erbausschlagung gegenüber dem örtlich unzuständigen Gericht wirksam sei, wenn dieses sich für das örtlich zuständige Nachlaßgericht gehalten und als solches betätigt habe"). Jedoch greift diese Erwägung schwerlich durch, weil das unzu*) Ebert-Dudek-Lindemann 2 Anm. 1; Wellstein 2 Anm. 2 mit § 4 Anm. 3; Josef 2 Anm. 2; Sdilegelberger Anm. 16; Keidel Anm. 2; Jastrow ZZP 34, 499; Siehr S. 13. 2 ) Staudinger-Coing BGB 1 1 § 130 Anm. 19. 3 ) Womit Lent-Habscheid 4 § 13 I 2 die Anwendbarkeit des § 7 begründen wollen. 4 ) Wellstein 2 Anm. 3 zu § 4. 5 ) Wellstein aaO.; Staudinger-Coing BGB 1 1 § 130 Anm. 20; der Hinweis bei Lent-Habscheid 4 s 13 I 3 auf § 15 Abs. 1 EheG ist daher nicht beweiskräftig.
6
) KGJ 39 A 57 = R J A 10, 243; für Anmeldungen bei einer örtlich unzuständigen A u f wertungsstelle R G Z 117, 346; Jastrow ZZP 34, 499; Ebert-Dudek-Lindemann 2 Anm. 1; Josef 2 Anm. 2; Wellstein 2 Anm. 1; Sdilegelberger Anm. 16; Pikart-Henn S. 64; a. M. Lent-Habscheid 4 § 13 I 2; Baur § 7 IV 2 d ; Keidel Anm. 5; Bärmann § 6 I V 4 b; Müller ZZP 67, 14. 7 ) RGZ 71, 380; Rostock OLGR 35, 16; B G H Z 36, 197 = N J W 1962, 491 = LM N r . 2 zu Art. 8 I N r . 8 GleichberG mit Anm. v. Johannsen.
Freiwillige Gerichtsbarkeit ständige Gericht durch sein späteres Tätigwerden nicht zuständig wird (Rdn. 3) und der Zweck der Zusammenfassung aller den Nachlaß betreffenden Erklärungen bei demselben Nachlaßgericht dadurdi nicht gewahrt wird 8 ). Das örtlich unzuständige Gericht hat jedoch die Erklärung, sobald es seine Unzuständigkeit erkennt, an das zuständige Nachlaßgericht weiterzuleiten; die Erklärung wird wirksam, wenn sie bei diesem Gericht rechtzeitig eingeht. Nach einer neuerdings vertretenen Auffassung soll in diesem Fall die Erklärung mit der Einreichung beim unzuständigen Gericht wirksam werden, auch wenn die Frist zur Zeit des Eingangs beim zuständigen Geridit bereits verstrichen war 9 ). Diese Auffassung findet im Gesetz keine ausreichende Grundlage. Daß eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam wird, in welchem sie der zuständigen Behörde zugeht, bestimmt § 130 Abs. 3 BGB. Gegen die hier vertretene Auffassung ist weder der Vorwurf des Formalismus begründet noch verkennt sie, daß die Ermittlung des örtlich zuständigen Gerichts für die Beteiligten oft schwierig sein mag und daß Fehler des Gerichts nicht den Beteiligten überbürdet werden sollten. Denn eine Gesetzeslücke, die zu einer Rechtsfortbildung contra legem Anlaß geben könnte, liegt nicht vor; vielmehr ist die Frage ausreichend gesetzlich geregelt. Nach § 1944 Abs. 2 Satz 3 mit § 203 Abs. 2 BGB treten die Folgen der Fristversäumnis nicht ein, wenn die irrige Einreichung beim unzuständigen und der verspätete Eingang beim zuständigen Gericht auf höhere Gewalt zurückzuführen sind. Höhere Gewalt ist in den Fällen, in denen es sich um die Vornahme von Rechtshandlungen innerhalb einer Frist handelt, gleichbedeutend mit unabwendbarem Zufall im Sinne des § 233 ZPO 1 0 ). Eine Beschränkung auf Ereignisse, die von außen her einwirken, kommt hierbei nicht in Betracht. Mithin ist die Erklärung wirksam, wenn der verspätete Eingang bei dem zuständigen Gericht ein Ereignis war, welches der Beteiligte bei Würdigung der besonderen Umstände des Falles auch durch die äußerste, diesen Umständen angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt weder abwehren noch in seinen schädlichen Folgen verhindern konnte 11 ). Nur unter diesen Voraussetzungen können die Folgen der Fristversäumnis abgewendet werden, falls nicht eine Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen Irrtums (§ 1956 BGB) hilft 1 2 ). Eine Analogie zu § 7 F G G paßt im übrigen auch deswegen nicht, weil die durch § 7 begründete Wirksamkeit gerichtlicher Handlungen keineswegs endgültig ist, sondern im Beschwerdewege beseitigt werden kann, u. U. sogar mit rückwirkender Kraft (Rdn. 12 a. E.), während die nach der Gegenmeinung eingetretene Wirksamkeit von Handlungen der Beteiligten unaufhebbar ist. Einigkeit besteht darüber, daß Unwirksamkeit eintritt, wenn das unzuständige Gericht die Entgegennahme der Erklärung ablehnt oder sie sofort zurückgibt. Vgl. auch § 56b Rdn. 22. 5
Hat das zuständige Gericht im Wege der Rechtshilfe um die Entgegennahme der Erklärung ersucht, so wahrt der Eingang beim ersuchten Gericht die Frist 13 ).
6
Eine Übergangsvorschrift für Erklärungen, die in der Zeit vom 8. 5. 1945 bis zum Inkrafttreten des ZustErgG an Stelle eines Gerichts, an dessen Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, gegenüber einem anderen Gericht abgegeben worden sind, enthält § 12 ZustErgG (Anl. 1). 2. Handlungen
y
eines ausgeschlossenen
oder abgelehnten
Richters
a) Grundsatz. Eine gerichtliche Handlung ist nicht deswegen unwirksam, weil sie von einem kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richter vorgenommen worden ist. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Ausschließung auf § 6 Abs. 1 oder auf §§ 41 bis 48 ZPO in den Verfahren beruht, in denen diese Vorschriften an Stelle des § 6 anzuwenden sind (vgl. § 6 Rdn. 2). Unerheblich ist es, ob der Richter als Einzelrichter oder als Mitglied eines Kolle8 ) K G J 39 A 5 7 ; Sdilegelberger Anm. 16. ») Staudinger-Lehmann BGB 1 1 § 1945 Anm. 12; Soergel-Ehard-Eder BGB 9 § 1945 Anm. 1; Palandt-Keidel B G B " § 1945 Anm. 2 b; Hw. Müller ZZP 67, 14, 15. 10) RG J W 1938, 176; K G Rpfleger 1958, 377 = N J W 959, 295 = DNotZ 1959, 51.
140
" ) RGZ 77, 171; B G H N J W 1952, 425; KG N J W 1959, 295. 1 2 ) Vgl. RGZ 143, 419. 1 3 ) BayObLGZ 18, 103 = R J A 16, 48 = K G J 53, 253; Staudinger-Lehmann BGB 1 1 § 1945 Anm. 12.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften gialgerichts gehandelt hat. Die Vorschrift ist auch anzuwenden, wenn ein Ablehnungsgesuch rechtskräftig für begründet oder eine Selbstablehnung im Verfahren nach § 48 Z P O (vgl. § 6 Rdn. 24) für gerechtfertigt erklärt ist 14 ). b) Für die Beurkundung von Rechtsgeschäften gilt § 7, soweit er sidi auf die Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters bezieht, nicht. Vielmehr begründet die Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters, Notars oder Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach §§ 170, 171, 172 FGG, § 16 Abs. 2 BNotO die Nichtigkeit der Beurkundung, im Fall des § 171 Abs. 2 mit der dort genannten Beschränkung. Dasselbe gilt f ü r die Beurkundung von Testamenten und Erbverträgen nach §§ 2234, 2235, 2276 BGB. Ist ein Nachlaßrichter kraft Gesetzes ausgeschlossen, so ergibt sich hieraus, daß die von ihm vorgenommene Beurkundung des Erbauseinandersetzungsplans nichtig ist, da hierfür die Vorschriften über die Beurkundung von Rechtsgeschäften gelten (§ 91 Rdn. 3), während der von ihm erteilte Erbschein und die Bestätigung der Erbauseinandersetzung (§§ 91, 93) gemäß § 7 wirksam sind. 3. Handlungen eines örtlich unzuständigen Gerichts. Die Vorschrift regelt die Folgen der Verletzung von Normen über die örtliche Zuständigkeit, also der Vorschriften, welche die Rechtspflegeaufgaben auf die verschiedenen einander nebengeordneten gleichartigen Gerichte erster Instanz (Amtsgericht oder Landgericht) verteilen, wobei die Wahl in der Regel an verschiedenartige Beziehungen der Beteiligten oder des Verfahrensgegenstandes zu dem Gerichtsbezirk anknüpft (vgl. Vorbem. 2 vor § 3). Die örtliche Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts folgt allein daraus, daß es dem Untergericht vorgeordnet ist, auch wenn dieses örtlich unzuständig war. Bei einem Gerichtswechsel infolge einer Abgabe oder des Übergangs der Sache vom Gericht des Eilgerichtsstands an das endgültig zuständige Gericht ist jedoch das Beschwerdegericht zuständig, welches dem nunmehr zuständigen Gericht vorgeordnet ist (§ 19 Rdn. 43); entscheidet statt dessen ein unzuständiges Beschwerdegericht, so ist dessen Entscheidung nach § 7 wirksam 15 ). Die Vorschrift ist nach richtiger, wenn auch bestrittener Auffassung auch anzuwenden auf Eintragungen des Registergerichts und im Ordnungsstrafverfahren nach § 132 FGG 16 ). Da die örtliche Zuständigkeit in der freiwilligen Gerichtsbarkeit stets (mit wenigen Ausnahmen) ausschließlich ist (Vorbem. 41 vor § 3), kann die Anwendbarkeit des § 7 nicht mit der Begründung verneint werden, es handele sich um einen Fall ausschließlicher Zuständigkeit16®). Keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der territorialen Abgrenzung der Gerichtsbezirke, also eine bloße Frage der Gerichtsorganisation 16b ), ist
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es, wenn ein Gericht unter Verletzung des § 166 GVG Amtshandlungen außerhalb seines Bezirkes vornimmt; deren Gültigkeit bestimmt sich nicht nach § 7, sondern nadi anderen Grundsätzen (Vgl. § 2 Rdn. 28, 31). Eine Verfügung, die auf Beweiserhebungen beruht, die unter Verletzung des § 166 GVG gewonnen sind, ist jedenfalls nicht aus diesem Grunde unwirksam. Im Ausland vorgenommene Amtshandlungen sind unwirksam. 4. Handlungen eines nach dem Geschäftsplan unzuständigen Richters. Nach § 22d GVG, der auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden ist, wird die Gültigkeit der Handlung eines Amtsrichters nicht dadurch berührt, daß die Handlung nach dem Gesdiäftsplan von einem anderen Richter wahrzunehmen gewesen wäre. Da die Vorschrift auf dem Gedanken beruht, daß für das vorzunehmende Geschäft das Amtsgericht als solches, nicht der einzelne Richter zuständig ist, wird sie auf die Handlungen eines mit richterlichen Geschäften betrauten Rechtspflegers, der an Stelle eines anderen nach dem Geschäftsplan zuständigen Rechtspflegers tätig wird, entsprechend anwendbar sein. Der Mangel ist jedoch nicht gänzlich unbeachtlich, sondern kann mit der Beschwerde gerügt werden 17 ). Wenn die Annahme der Zuständigkeit auf Willkür oder sachfremden Erwägungen beruht, kann darin eine verfassungsrechtliche Ungesetzlichkeit des Richters liegen (§ 27 Rdn. 30). " ) Lent-Habsdieid 4 § 13 IV 1; Keidel Anm. 32. " ) K G J F G 4 , 94; BayObLGZ 1959, 182; Hamm ZB1JR 1961, 216; Bremen E J F E I N r . 23; Keidel Anm. 30. " ) Vgl. S 125 Rdn. 7, § 132 Rdn. 88; a. M. K G J 31 A 206; Keidel Anm. 30.
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) So aber Keidel Anm. 30. ) Stein-Jonas ZPO 1 9 V I I 1 vor § 1. " ) B G H Z 37, 127; a. M. Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 22 d GVG Anm. 1; Wieczorek Z P O § 22 d Anm. A. 16b
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Freiwillige Gerichtsbarkeit
C. Unwirksamkeit Unter Unwirksamkeit im Sinne des § 7 ist die Aufhebung oder Minderung der normalen Rechtsbedeutung zu verstehen, die als Folge der Fehlerhaftigkeit eines Staatsakts angenommen werden muß 18 ). Die unwirksame Handlung ist in der Weise schlechthin unverbindlich, daß diese Unverbindlichkeit ohne vorherige förmliche Anfechtung oder Aufhebung jederzeit geltend gemacht werden, mithin auch von jedem Gericht incidenter festgestellt werden kann 19 ). Eine in diesem Sinne materiell unwirksame (nichtige) Verfügung wird auch nicht dadurch gültig, daß die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den zeitlichen Eintritt ihrer Wirksamkeit (§§ 16, 51, 52, 53, 53a Abs. 2, 56 Abs. 2, 56a Abs. 1, 56b, 56c Abs. 1, 67) erfüllt sind. In § 7 wird bestimmt, daß die in ihm genannten Verfahrensfehler auf die materielle Wirksamkeit der Handlung ohne Einfluß sind; das bedeutet, daß die Handlung oder Verfügung, wenn außerdem die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt ihrer Wirksamkeit gegeben sind, verbindliche K r a f t hat und die Wirkungen äußert, die sie ihrem Inhalt nach herbeizuführen geeignet und bestimmt ist 20 ). Wird die Entscheidung nicht mit Rechtsmitteln angefochten (Rdn. 12), so bleibt sie trotz des Mangels wirksam und ist in anderen Verfahren als wirksam zu beachten 21 ). H a t aber ein örtlich unzuständiges Gericht eine Vormundschaft (Pflegschaft) angeordnet und wird der Mangel später erkannt, so hat es die Sache an das örtlich zuständige Gericht abzugeben (§ 4 Rdn. 2), da das Tätigwerden den Mangel nicht heilt (Rdn. 3).
D. Rechtsmittel 1. Anfechtungsgrund. Der Umstand, daß die örtliche Unzuständigkeit des Gerichts oder die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Besorgnis der Befangenheit (Rdn. 7) mit Erfolg abgelehnten Richters auf die Wirksamkeit der Amtshandlung ohne Einfluß ist, ändert nichts daran, daß die Amtshandlung mit einem Verfahrensfehler behaftet ist. Die Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit oder des § 6 kann daher, wenn die Handlung eine nach § 19 beschwerdefähige Verfügung ist, mit der Beschwerde gerügt werden, und zwar mit dem Ziel der Aufhebung des Verfahrens 22 ). Das gilt auch für die von einem unzuständigen Gericht angeordnete Vormundschaft 23 ); demnach ist die Vormundschaft oder vorläufige Vormundschaft aufzuheben. Die örtliche Zuständigkeit ist im übrigen auch ohne Rüge in jeder Lage des Verfahrens, auch vom Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdegericht, von Amts wegen zu prüfen 2 4 ); Ausnahme: LwVG §§ 23, 27 Abs. 2. In der Regel ist es geboten, unter Aufhebung der Vorentscheidung das Amtsgericht anzuweisen, die Sache an das zuständige Gericht abzugeben 25 ). Eine Aufhebung und Zurückverweisung zwecks Abgabe an das zuständige Gericht ist aber entbehrlich, wenn das Beschwerdegericht das gemeinsame obere Gericht für das zuständige und das unzuständige Gericht und wenn es in der Lage ist, auf Grund eigener Würdigung des Sachverhalts zu entscheiden, da dann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allein die Entscheidung des örtlich zuständigen Beschwerdegerichts maßgeblich ist26). Ist erst das Rechtsbeschwerdegericht das gemeinschaftliche obere Gericht für das zuständige und das unzuständige Gericht, ist also das entscheidende Landgericht dem zuständigen Gericht nicht vorgeordnet, so erübrigt sich eine Aufhebung und Zurückverweisung, wenn es in dem Verfahren nur auf Rechtsfragen ankommt, da insoweit letztlich die ls
) Vgl. v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsakts 2 S. 4. 19 ) Bachof, SJZ 1950, Sp. 488; Winkler, Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, 1960, S. 9 Fn. 20; Jansen N J W 1966, 331 zu I ; vgl. ferner Rdn. 32. 2 ») Sdiefold AcP 87, 460, 461; Glassing, ZB1FG 1, 183 ff.; Josef 2 Anm. 6 A. 21 ) Schleswig SchlHA 1956, 242 = ZBlJR 1957, 155. 22 ) Colmar K G J 30 A 289 = R J A 6, 1; BayObLG K G J 35 A 345 = R J A 9, 73; BayObLGZ 23, 206; KG K G J 53, 27, 62, 88; K G J F G 12, 159; Sdilegelberger Anm. 19; Keidel
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Anm. 36; a. M. Lent-Habsdieid 4 § 32 I I I 2; auch Baur § 29 A III 3 b. K G JFG 14, 205 = D F G 1, 258 u. JFG 14, 255 = D F G 2, 23 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung; Sdilegelberger Anm. 19; Keidel Anm. 36; Baur § 7 I V ; Lent-Habsdieid 4 § 13 I 1. BayObLGZ 1956, 396; 1968, 63, 65; H a m m OLGZ 1966, 125; vgl. § 27 Rdn. 40. BayObLGZ 1955, 122; 1964, 257/263; Hamm OLGZ 1966, 125. H a m m ZBlJR 1954, 240; BayObLGZ 1955, 122; 1961, 119; K G O L G Z 1966, 321, 324; Keidel Anm. 36.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Rechtsauffassung des in jedem Fall zuständigen Rechtsbeschwerdegerichts maßgebend ist. Beruht aber die Entscheidung auf einer Tatsachenwürdigung durdi das Gericht der ersten Beschwerde, so ist eine Aufhebung durch das Rechtsbeschwerdegericht nebst Zurückverweisung unvermeidlich; es darf also weder die weitere Beschwerde zurückweisen, weil die Tatsachenwürdigung rechtsfehlerfrei sei, noch nach Aufhebung der Entscheidung wegen eines Rechtsfehlers, etwa gerade wegen des Mangels der örtlichen Zuständigkeit, auf Grund eigener Würdigung des Sachverhalts entscheiden (vgl. § 27 Rdn. 45); denn es kann sein, daß das dem zuständigen Gericht vorgeordnete Landgericht den Sachverhalt anders, aber ohne Gesetzesverletzung und deshalb für das Rechtsbeschwerdegericht unangreifbar gewürdigt hätte; das lediglich im Interesse der Prozeßwirtschaftlichkeit vertretbare Absehen von der Aufhebung und Zurückweisung darf nicht dazu führen, daß die Entscheidung im Ergebnis anders ausfällt, als wenn das zuständige Gericht und das diesem vorgeordnete Landgericht enstchieden hätten 2 6 "). — Das Rechtsmittel muß nach allgemeinen Grundsätzen statthaft sein, und dem Beschwerdeführer muß ein Beschwerderecht zustehen. Die Anordnung der Pflegschaft durch ein unzuständiges Gericht beeinträchtigt das Recht des Pflegebefohlenen, die Bestellung des Pflegers dessen Recht; der Pfleger kann daher Beschwerde sowohl im eigenen Namen als in dem des Pflegebefohlenen einlegen 27 ). O b das Rechtsmittel die sofortige oder die unbefristete Beschwerde ist, richtet sich nach der Art der jeweils angefochtenen Verfügung. In den Fällen des § 18 Rdn. 28, 29, 31 hat die Aufhebung, vorbehaltlich des § 32, rückwirkende Kraft. 2. Soweit eine Verfügung unanfechtbar ist (§ 19 Rdn. 31), kann der Beschwerderechtszug auch nicht mit der Behauptung eröffnet werden, das Gericht sei örtlich unzuständig oder der Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen 28 ). Bestätigt mithin ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter einen Kinderannahmevertrag, so ist diese Verfügung nicht nur nach § 7 wirksam, sondern nach § 67 Abs. 3 auch unanfechtbar und unabänderlich. Ebenso ist eine Nachprüfung im Beschwerdewege nicht mehr möglich, wenn die Anfechtbarkeit der Verfügung wegen verfahrensrechtlicher Überholung, Erledigung der Hauptsache oder unaufhebbaren Eintritts ihrer Wirkungen fortgefallen ist (§ 19 Rdn. 34 bis 38). Ist daher die Führung einer Vormundschaft durch ein unzuständiges Gericht bis zu ihrer Beendigung unbeanstandet geblieben, so hat es damit sein Bewenden und die im Rahmen der Vormundschaft getroffenen Verfügungen können nicht mehr in Frage gestellt werden.
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3. Registereintragungen eines örtlich unzuständigen Gerichts sind im Amtslöschungsverfahren nach §§ 142, 143, 147, 159, 161 F G G zu beseitigen (§ 125 Rdn. 7). Auch der von einem örtlich unzuständigen NachlG erteilte Erbschein ist ohne Rücksicht auf seine sachliche Richtigkeit einzuziehen 29 ).
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E. Einfluß anderer Mängel auf die Wirksamkeit gerichtlicher Handlungen 1. Ein Mangel der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts macht die Handlung ebenfalls nicht unwirksam; insoweit ist weder ein Umkehrschluß aus § 7 gerechtfertigt noch kann der einschränkenden Bemerkung in § 32 ein gegenteiliger Standpunkt des Gesetzes entnommen werden 3 0 ). Der Mangel liegt vor, wenn statt des Amtsgerichts das Landgericht (im Verfahren der F G ) oder die Zivilkammer statt der Kammer für Handelssachen (§ 30 F G G ) oder umgekehrt als Gericht erster Instanz entscheidet. Wird gegen die Vorschriften über den Instanzenzug verstoßen, also gegen die Vorschriften über die Verteilung der Rechtspflegeaufgaben in derselben Sache auf verschiedene Arten von Gerichten, so liegt eine Verletzung der funktionellen Zuständigkeit vor 3 1 ); dieser Verstoß zieht ebenfalls 26») A. M. BayObLGZ 1968, 63. 2 7 ) BayObLGZ OLGR 10, 17; Josef 2 Anm. 3. ) Josef 2 Anm. 6 A; Keidel Anm. 37; Sdilegelberger Anm. 19; Lent-Habsdieid4 § 13 I 1. 2 9 ) KGJ 53, 88; Köln JMB1NRW 1957, 15; vgl. § 84 Rdn. 12, § 4 Rdn. 4. 3 0 ) Baur § 27 B I 2 b; Bärmann § 6 III 3; LentHabscheid4 § 13 I I ; Habsdieid NJW 1966, 1787 zu IV 3 b; Pikart-Henn S. 65; Keidel Anm. 24 b; a. M. noch BGHZ 24, 47 = NJW
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1957, 832 und die ältere Rechtsprechung und Rechtslehre: Colmar K G J 30 A 289 = R J A 6, 1; BayObLG KGJ 35 A 345 = R J A 9, 73; KG KGJ 51, 1; S&legelberger Anm. 12; Josef 2 Anm. 4; Wellstein2 Anm. 1; Ebert-Dudek-Lindemann2 Anm. 2 a; Josef ZZP 30, 115 f.; Unger ZZP 34, 325. 31) Vgl. Blomeyer ZPR § 5 I I ; Stein-Jonas-Pohle ZPO 19 Vorbem. I X 1 c vor § 1. 143
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Freiwillige Gerichtsbarkeit keine Unwirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung (wohl aber Anfechtbarkeit) nach sich32). Wirksam ist daher die Entscheidung, durch welche in Landwirtschaftssachen entgegen § 22 LwVG statt des Oberlandesgerichts das Landgericht über eine Beschwerde befindet. Entscheidet in Landwirtschaftssadien das Gericht entgegen §§ 2 Abs. 2, 20 LwVG ohne landwirtschaftliche Besitzer, so liegt ein Fall vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts (Rdn. 18) vor. Ein vom Beschwerdegericht erteilter Erbschein ist mithin auf weitere Beschwerde zwar durch das Amtsgericht einzuziehen, bis dahin aber nicht unwirksam33). Ein Erbschein über einen Nachlaß, zu dem ein Hof gehört, ist wirksam, auch wenn er statt vom Landwirtschaftsgericht (LwVG § 20 Abs. 3) vom Nachlaßgericht oder, wenn es sich um Erbfolge nach dem Reichserbhof recht handelt, statt vom Nachlaßgericht (§ 15 Abs. 2 EHRV) vom Landwirtschaftsgericht erteilt ist. Wirksam ist auch die Erteilung einer Genehmigung durch den Vormundschaftsrichter statt durch den Nachlaßrichter und im Vertragshilfeverfahren die Entscheidung des Amtsgerichts statt des nach VHG § 18 Abs. 1 wegen Überschreitung der Wertgrenze als Gericht des ersten Rechtszuges zuständigen Landgerichts35); allerdings können für dieses Ergebnis nicht zivilprozessuale Grundsätze (rügelose Einlassung nach ZPO § 39) herangezogen werden. Eine Zuständigkeitsvereinbarung entsprechend ZPO §§ 38, 39 ist in Angelegenheiten der FG, auch in Streitsachen, unstatthaft 38 ). Hat statt des Landwirtschaftsgerichts die Verwaltungsbehörde über eine Genehmigung nach K R G 45 Art. IV, VI entschieden, so richtet sich die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes nach den Grundsätzen über die Nichtigkeit fehlerhafter Staatsakte 37 ). Hat umgekehrt das Landwirtschaftsgericht im Genehmigungsverfahren an Stelle der zuständigen Verwaltungsbehörde entschieden, so hat es bei der Entscheidung des Gerichts sein Bewenden (LVO § 31 Abs. 4) 38 ). Die Vorschrift des § 10 ZPO ist in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar; entscheidet mithin statt des Amtsgerichts das Landgericht, so ist die Entscheidung zwar wirksam, der Mangel kann aber mit einem statthaften Rechtsmittel gerügt werden39). 2. Das Fehlen der internationalen oder interzonalen Zuständigkeit der (west-)deutschen Gerichte führt keine Unwirksamkeit der Entscheidung herbei 40 ); der Verfahrensfehler kann jedoch mit Rechtsmitteln gerügt werden, wobei Vorschriften, welche die Anfechtbarkeit wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit ausschließen oder beschränken, keine Anwendung finden 41 ), und der Mangel wird durch die formelle Rechtskraft der Entscheidung geheilt. Daher ist eine im Inland trotz Fehlens der internationalen Zuständigkeit (Art. 23 EGBGB) angeordnete Vormundschaft über einen Ausländer bis zu ihrer Aufhebung als gültig anzusehen42). Fehlt einem fremden Gericht vom Maßstab des (west-)deutschen Rechts aus die internationale oder interlokale (interzonale) Zuständigkeit, so handelt es sich nicht um eine Frage der Wirksamkeit dieser Entscheidung, die im Entscheidungsstaat durchaus gegeben sein mag, sondern um die Frage, ob die Entscheidung im (west-)deutschen Rechtsgebiet anerkannt werden kann. Diese Frage ist grundsätzlich zu verneinen43). Entscheidungen der Vormundschaftsbehörden der DDR, denen die interzonale Zuständigkeit fehlt, sind daher ) Vgl. für den Zivilprozeß Rosenberg Z P R § 29 I V 4. 3 3 ) Keidel Anm. 26; a. M. K G J 50, 91 = R J A 16, 40. 3 4 ) Kiel J R 1948, 159. 3 5 ) Hamburg N J W 1953, 1230; Keidel J Z 1954, 233; Schlegelberger Anm. 12; Saage V H G S. 185. 3 «) B G H N J W 1952, 1055. " ) BayObLGZ 1951, 637; a. M. (Nichtigkeit des Verwaltungsakts) Frankfurt N J W 1953, 1559 = D N o t Z 1953, 443. 3 8 ) B G H Rdl 1951, 129 = D N o t Z 1951, 343 = N J W 1951, 803; Pritsch L w V G § 2 Anm. F I I I 3 e. 3 9 ) Katholnigg N J W 1960, 1260; Keidel Anm. 25 Fn. 8 ; Pikart-Henn S. 65; a. M. Hamburg 32
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N J W 1960, 874; Lent-Habsdieid 4 S 13 I I 1 c ; vgl. auch Celle NdsRpfl. 1963, 177. K G J F G 2, 146 für deutsches Ehescheidungsurteil; Matthies, Die deutsche intern. Zuständigkeit, 1955, S. 86; Kegel I P R § 22 I I ; LentHabsdieid 4 § 13 I I I ; Keidel Anm. 27; a. M. für vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen R G J W 1932, 588 mit Anm. v. Frankenstein; Josef ZB1FG 14, 160. B G H Z 44, 46. K G J F G 5, 9 8 ; Karlsruhe Rpfleger 1957, 308; Lent-Habsdieid 4 § 13 I I I ; Keidel Anm. 27. Vgl. für ausländische Urteile § 328 Abs. 1 Nr. 1 Z P O ; für ausländische Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Kegel I P R § 22 I I . Vgl. näher § 1 Rdn. 148.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
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im westlichen Rechtspflegegebiet nicht zu beachten 44 ), sofern nicht die Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 47 vorliegen oder nach Lage des Falles eine konkurrierende interzonale Zuständigkeit anzunehmen ist 45 ). Bei Bestellung verschiedener Vormünder in beiden Rechtspflegegebieten für ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik ist daher die mitteldeutsche Vormundschaft nicht anzuerkennen 46 ). 3. Die Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit, soweit es sich um die Verletzung der Vorschriften über die Verteilung verschiedenartiger Rechtspflegeaufgaben in derselben Sache auf verschiedenartige Rechtspflegeorgane handelt, hat grundsätzlich Unwirksamkeit, also Nichtigkeit zur Folge. Wirkungslos ist daher ein Geschäft, welches der Richter vornimmt, obwohl das Gesetz es dem Urkundsbeamten zugewiesen hat, oder umgekehrt 47 ). Für das Verhältnis zwischen Richter und Recbtspfleger bestimmt RechtspflG § 7 Abs. 1, daß ein dem Rechtspfleger übertragenes Geschäft wirksam auch vom Richter wahrgenommen werden kann. Es ist daher stets unschädlich, wenn der Richter ein dem Rechtspfleger übertragenes Geschäft an sich zieht, da die Übertragung auf den Rechtspfleger das Wesen des Geschäfts als richterliches unberührt gelassen hat. Die Wahrnehmung eines übertragenen Geschäfts durch den Richter begründet deshalb nicht die Sachbeschwerde48), noch weniger die Dienstaufsichtsbeschwerde 49 ). H a t dagegen der Rechtspfleger ein Geschäft wahrgenommen, das ihm nicht übertragen oder auf dem Gebiet der Vorbehaltsübertragung dem Richter vorbehalten ist, dann ist es unwirksam (RechtspflG § 7 Abs. 2 Satz 1), die Verfügung also wirkungslos (nichtig); die Nichtigkeit wird auch durch den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht geheilt 494 ). Eintragungen in Register, die der zuständige Registerführer bewirkt hat, sind jedoch wirksam, auch wenn die Eintragungsverfügung statt vom Richter vom Rechtspfleger erlassen wurde 50 ). Die Verpflichtung eines Vormundes oder Pflegers nach BGB §§ 1789, 1915 durch den dafür zuständigen Rechtspfleger ist zwar als fehlerhaft aufzuheben, wenn die Vormundschaft oder Pflegschaft nicht von dem Richter angeordnet und die Person des Vormundes (Pflegers) nicht von dem Richter ausgewählt war (RechtspflG § 12 Nr. 4), bis dahin aber nicht unwirksam, da jedenfalls der für Bestellung maßgebende Akt der Verpflichtung 51 ) von dem zuständigen Rechtspflegeorgan vorgenommen worden ist 52 ). Diese Rechtsgrundsätze haben unter der Geltung des Rechtspflegergesetzes ihre Bedeutung behalhalten. Für die Bestellung von Vormündern durch schriftliche Verfügung (JWG §§ 46 Abs. 2, 53), die dem Richter vorbehalten ist53), versagt allerdings die Erwägung aus BGB § 1789; die vom Rechtspfleger verfügte Bestellung ist daher unwirksam 54 ). Von dem hier vertretenen Standpunkt aus, daß der Erbschein keine Verfügung ist (§ 84 Rdn. 8), läßt sich auch die Annahme rechtfertigen, daß der Erbschein als für den Rechtsverkehr bestimmtes Zeugnis des Gerichts zwar als unrichtig einzuziehen (§ 84 Rdn. 12), aber nicht unwirksam ist, wenn die Anordnung der Erbscheinserteilung von dem Rechtspfleger statt vom Richter (RechtspflG § 13 N r . 5) verfügt worden ist. Bloße Billigung des Richters heilt nicht 55 ). Handlungen und Verfügungen eines Nicht-Rechtspflegers, z. B. eines ausschließlich mit 44
) K G N J W 1955, 552; vgl. B G H FamRZ 1959, 207 = N J W 1959, 1032 (Scheidung); dahingestellt in BayObLG N J W 1959, 533; a. M. Soergel-Kegel BGB 9 Vorbem. 373 vor Art. 7 EGBGB mit Nachw.; einschränkend Keidel Anm. 27, für Anwendbarkeit des § 7 ebenda Anm. 22. 45 ) Dazu KG N J W 1957, 1198 = FamRZ 1957, 272 = E J F B I I N r . 10. 46 ) A. M. Braunsdiweig J R 1955, 382 mit Anm. v. Keidel; wie hier Soergel-Kegel BGB» vor Art. 7 EG Anm. 358, Art. 23 Anm. 19 Fn. 35; KG FamRZ 1958, 426 = EJF B II N r . 22. " ) Vgl. Rosenberg Z P R 9 § 25 I I I 4, § 30 IV 2; a. M. Wieczorek Z P O § 153 GVG Anm. C II Abs. 4). « ) Keidel, N J W 1957, 521 zu IV 4; Arnold Anm. 2, Hofmann-Kersting Anm. 2 je zu § 7 RechtspflG.
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) A. M. Arndt, RechtspflG § 7 Anm. 9. *) Vgl. Rosenberg ZPR» § 73 IV 1; Zeller ZVG 7 § 1 Anm. 257; unentschieden Arndt RechtspflG § 7 Rdn. 16; offen gelassen in B G H WM 1968, 927. 5 ») KG J F G 11, 178; Neustadt Rpfleger 1961, 17; Dubro Rpfleger 1960, 353; Keidel Anm. 15. 51 ) K G J 38 A 41. 52) K G JFG 3; 43; 4, 47; H a m m FamRZ 1962, 397; LG Dortmund FamRZ 1965, 580; Soergel-Germer BGB 9 § 1789 Anm. 8. 53 ) Arndt RechtspflG § 12 Anm. 23; a. M. Prey Rpfleger 1959, 210. 54) BayObLGZ 1959, 45 = Rpfleger 1959, 161; 1961, 299; LG Berlin DAV 1959/60, 214; Keidel Anm. 15; a. M. Prey, Kersting, H o f richter, Rpfleger 1959, 210, 301; 1962, 164. 55) BayObLGZ 1959, 89, 93 = N J W 1959, 1042; a. M. Zeller ZVG 7 § 1 Anm. 257. 48
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Justizverwaltungsaufgaben betrauten Justizbeamten, sind, wenn er wie ein ordentlich bestellter Rechtspfleger gehandelt hat, dem Gericht als Behörde zuzurechnen und daher, wenn das Geschäft an sich dem Rechtspfleger übertragen ist, wirksam 56 ); es handelt sich lediglich um einen Fall vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts (Rdn. 18). 4. Nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts im Sinne des § 551 Nr. 1 Z P O macht auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Entscheidung nicht unwirksam, sondern begründet einen Verfahrensfehler, der mit Rechtsmitteln gerügt werden kann 5 '). Der Mangel liegt beim Kollegialgericht nicht nur vor, wenn der Spruchkörper nicht gesetzmäßig gebildet ist (vgl. § 27 Rdn. 30), sondern auch, wenn das Gericht nicht mit der gesetzmäßigen Anzahl von Richtern entschieden hat 58 ). Auch die Betätigung eines Nichtrichters als Alleinrichter oder Mitglied eines Kollegialgerichts, sofern er wie ein ordentlich bestellter Richter gehandelt hat, ist dem Gericht als Behörde zuzurechnen und begründet deshalb nach neuerer, aber zutreffender Auffassung keine Nichtigkeit, sondern nur den Mangel vorschriftswidriger Besetzung 59 ). Dasselbe muß für Verfügungen und Entscheidungen eines bei dem Gericht beschäftigten Referendars gelten, die er unter Überschreitung des § 10 Abs. 1 GVG getroffen hat 60 ), sowie in auf den Rechtspfleger übertragenen Angelegenheiten für den nicht mit Rechtspflegergeschäften betrauten Justizbeamten, der sich wie ein Rechtspfleger geriert hat 61 ). Dagegen kann die Wahrnehmung richterlicher oder auf den Rechtspfleger übertragener Geschäfte durch den Urkundsbeamten, den Gerichtsvollzieher oder Justizwachtmeister nicht dem Gericht zugerechnet werden, da diese als solche nicht dem „beschließenden" oder „erkennenden" Gericht angehören; hier liegt eine Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit vor, die Nichtigkeit begründet 62 ). Unwirksam sind auch Entscheidungen, die ein ersuchter Richter an Stelle des ersuchten Gerichts erläßt, sowie beim Kollegialgericht Entscheidungen des beauftragten Richters 63 ). Körperliche Gebrechen des Richters (Taubheit, Erblindung) begründen im schriftlichen Verfahren keinen Verfahrensmangel, bei der Mitwirkung an mündlichen Verhandlungen oder Beweiserhebungen (Augenscheinseinnahme, Zeugenvernehmung) nur dann, wenn der Richter nicht mehr in der Lage ist, den Gang der Verhandlungen wahrzunehmen 64 ). Andere Grundsätze gelten für das Beurkundungswesen (vgl. § 170 mit Bern.). Auch Amtshandlungen eines geisteskranken Richters sind nicht nichtig, sondern, soweit es sich um Entscheidungen handelt, wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts anfechtbar, sofern im Einzelfall das geistige Gebrechen den Richter unfähig gemacht hat, die Vorgänge im Verfahren aufzunehmen oder zu beurteilen 65 ); Eintragungen in Register und Beurkundungen des geisteskranken Richters sind wirksam, sofern sie im übrigen gesetzmäßig sind 66 ), ebenso Beurkundungen eines geisteskranken Notars 67 ). Die in der freiwilligen Gerichtsbarkeit noch vorherrschende Gegenmeinung 68 ) ist jedenfalls unter der Geltung des DRiG nicht mehr vertretbar, da selbst die Nichtigkeit der Ernennung eines Entmündigten zum Richter nach § 18 Abs. 3 DRiG erst geltend gemacht werden kann, nach58
) Vgl. für Urteile eines Nichtrichters Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958, 24; für Verwaltungsakte Wolff VerwR I« § 51 II a; für Erbschein dahingestellt gelassen in Frankfurt O L G Z 1968, 110. 57 ) Baur § 27 B I 1 a; Bärmann § 24 IV 2 b; Lent-Habscheid" § 25 II 9; Keidel Anm. 42; a. M. Unger ZZP 34, 328; Sdilegelberger Anm. 11. 58 ) Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 551 Anm. II 1 ; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 551 Anm. 2; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil S. 27. 59 ) Vgl. Jauernig aaO. S. 24 f. mit N a c h w . ; a. M. Keidel Anm. 48 Fn. 1. «») Frankfurt N J W 1954, 207; Sdilegelberger Anm. 11; a. M. Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 10 G V G Anm. 1. 61 ) Oben Rdn. 17. 62 ) Jauernig aaO. S. 11 ff., 28. ° 3 ) Vgl. näher Jauernig aaO. S. 29 f.
M
) R G Z 124, 153 = JW 1929, 1464; BGHSt. 4, 193 = N J W 1953, 1115 = LM § 338 Ziff. 1 StPO N r . 9 mit Anm. v. Geier; BGHSt. 5, 355; BSozG DVB1. 1965, 948 = N J W 1965, 2422; Bärmann § 24 I V 2 b; zu weitgehend Wimmer JZ 1953, 670; Siegert N J W 1957, 1622. 65 ) Im Zivilprozeß ganz h. M., vgl. R G JW 1928, 821 = D J Z 1928, 522; Rosenberg ZPR § 21 III 3 b; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 551 Anm. 2; Jauernig, D a s fehlerhafte Zivilurteil S. 24 Fn. 42; v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsakts 2 S. 76; wie hier Bärmann § 24 II 2 b. 66 ) Josef JW 1929, 1862. 67 ) A . M. Frankfurt Recht 1907 N r . 3190; Keidel § 170 Anm. 22. 68 ) Sdilegelberger Anm. 11 a. E.; Keidel Anm. 43; Baur § 27 B I a; Lent-Habsdieid 1 § 25 II 9.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften dem ein Dienstgericht sie rechtskräftig festgestellt hat. Ersichtlich ist es mit der Gewahrleistung der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG) unvereinbar, wenn die Amtsunfähigkeit eines Richters in jedem beliebigen Verfahren bei der Prüfung der Wirksamkeit seiner Verfügungen festgestellt werden dürfte 69 ). 5. Grenzüberschreitung
zwischen freiwilliger und streitiger
Gerichtsbarkeit
a) Grenzüberschreitende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Nicht um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit (Rdn. 15) oder der bloßen Geschäftsverteilung (Rdn. 1070) handelt es sich, wenn ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Entscheidung unter Verletzung der Vorschriften über die Abgrenzung der freiwilligen von der streitigen (Zivil-, Straf- oder Verwaltungs-) Gerichtsbarkeit erläßt. Ein solcher Verstoß hat grundsätzlich Nichtigkeit zur Folge 71 ). Das ist jedenfalls die Auffassung des historischen Gesetzgebers gewesen, die in § 32 ihren Niederschlag gefunden hat, da unter der dort genannten „sachlichen Zuständigkeit" nach dem damaligen Sprachgebrauch gerade Fälle der in Rede stehenden Art zu verstehen sind 72 ). Der Gesichtspunkt der Einheit der rechtsprechenden Gewalt greift demgegenüber nicht durch, weil die Tätigkeit der Gerichte auf dem klassischen Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Vormundschafts-, Nachlaß- und Registerwesen) zwar Rechtspflege, aber keine Rechtsprechung ist, ebensowenig der Gesichtspunkt, daß die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit Teile der ordentlichen Zivilgerichte sind, da den Zivilgerichten auch andere als Rechtsprechungsaufgaben übertragen sind. Unwirksam ist deshalb die dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht zugewiesene Festsetzung der Vergütung für den gerichtlich ernannten Liquidator einer oHG 73 ) oder die Verurteilung zu Leistungen im Dispacheverfahren 74 ). Schlechthin nichtig wäre z. B. die Verurteilung zur Auflassung eines Grundstücks durch Beschluß des Grundbuchamts. b) Urteile der Prozeßgerichte, die irrigerweise in einer Angelegenheit der freiwilligen ergehen, sind zwar nicht wegen dieser Grenzüberschreitung nichtig, sie können aber wirkungslos oder wirkungsgemindert sein, weil sie nur unter den Parteien wirken und nicht die rechtsgestaltende Kraft mit Wirkung inter omnes wie der entsprechende Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit entfalten können 75 ). Das Prozeßgericht kann zwar eine Partei im Einzelfall so behandeln, als ob sie volljährig wäre, sie nicht aber mit Wirkung inter omnes für volljährig erklären 76 ), und es kann den im Rechtsstreit als Vormund der Partei Aufgetretenen zwar als solchen gelten lassen, ihn aber nicht mit rechtsgestaltender Wirkung zum Vormund bestellen; die ausdrückliche Stellungnahme zu diesen Fragen würde gegenüber dem rechtskräftigen Urteil nur den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 Z P O ausschließen77). Bei Übergriffen der Prozeßgerichte auf den klassischen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in welchem es sich um die Ausübung staatlicher Fürsorge durch privatrechtsgestaltende Staatsakte (Ernennung eines Vormundes) oder Schaffung rechtserheblicher Tatsachen (Eintragung in Register) handelt, kann die volle Wirksamkeit auch von Urteilen der Prozeßgerichte über den Kreis der Parteien hinaus nicht auf § 17 Abs. 1 GVG gestützt werden, weil diese Vorschrift die Kompetenzkompetenz der Gerichte nur für die Ausübung 69
) Vgl. für Richter im Bundesdienst §§ 18 Abs. 3, 35, 46 DRiG mit § 14 BBeamtG und dazu Sdimidt-Räntsdi DRiG § 18 Rdn. 4 u. 16, § 46 Rdn. 20. 70 ) So aber für den Fall, daß für beide Verfahrensarten dasselbe Gericht zuständig ist, SteinJonas-Pohle Z P O 1 9 vor § 1 I I I 3 a. « ) Ganz h. M „ Rosenberg ZPR § 13 III 2 a; Nikisdi ZPR § 13 III 2; de Boor Grundriß § 6 III 2; Aron GruchBeitr. 45, 606; Unger Z Z P 34, 324; Ebert-Dudek-Lindemann 2 § 7 Anm. 2 a; Josef 2 § 1 Zus. V I A, § 7 Anm. 4; Lent FGG 3 S. 21; Wurzer, Nichturteil und nichtiges Urteil, 1927, S. 71, 104; Pritsdi LwVG § 2 Anm. F I I I 3 c; Siehr Freiw. Gerbkt. S. 11; Baur § 2 B V 1, § 27 B I 2 a; Lent-Habsdieid 4 § 13 I I 1 a; Sdilegelberger
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) )
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Anm. 12 ß; Pikart-Henn S. 66; K G J 27 A 222, 225 = R J A 4, 144; B G H WM 1957, 1573, B G H Z 29, 223; a. M. neuerdings H a b sdieid N J W 1966, 1787 zu IV 3 c und ihm folgend Keidel Anm. 24 a. Baur § 2 B V 1; Lent-Habscheid 4 § 13 II 1 c. K G J 27 A 222 = R J A 4, 144; Sdilegelberger Anm. 12. B G H Z 29, 233; vgl. weiteres Schrifttum bei § 155 Fn. 7. Rosenberg ZPR § 13 I I I 2 c Y; Lent-Habsdieid 4 § 25 II 1; vgl. auch Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 172; B G H WM 1957, 1573. Wieczorek Z P O § 13 GVG Anm. C II b 2. Blomeyer ZPR § 106 I I 3 a; Rosenberg ZPR § 155 I 3.
Freiwillige Gerichtsbarkeit der streitentscheidenden Gerichtsbarkeit begründet. Für das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbeachtlich ist daher eine einstweilige Verfügung des Prozeßgerichts, in welcher angeordnet wird, daß das Registergericht Liquidatoren einer oHG (§§ 146 Abs. 2, 147 HBG) zu bestellen oder abzuberufen und dies in das Handelsregister einzutragen habe 78 ), oder die Bewilligung des Armenrechts für ein Verfahren der FG durch das Prozeßgericht' 9 ). 21
c) Echte Streitsachen. Andere Grundsätze gelten für das Verhältnis der streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur streitigen Gerichtsbarkeit. Hier hat eine Überschreitung der Zuständigkeitsgrenzen nach beiden Richtungen hin entsprechend § 17 Abs. 1 GVG keine Nichtigkeit (wohl aber Anfechtbarkeit) zur Folge 80 ). In den echten Streitsachen ergeht zwar die Entscheidung, wie auch sonst, durch Beschluß, so daß es an einem Urteil im formellen Sinne fehlt; es wird aber materiell Rechtsprechung ausgeübt, weil der Richterspruch den verselbständigten und verbindlichen, der materiellen Rechtskraft fähigen Ausspruch dessen, was in dieser Sache Rechtens ist, enthält und sich deshalb als Urteil im materiellen Sinne darstellt 81 ). Wirksam ist daher das Urteil des Prozeßgerichts, durch welches ein Elternteil entgegen § 1632 Abs. 2 BGB zur Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil verurteilt wird, aber auch die Entscheidung, durch die im Wohnungsauseinandersetzungsverfahren nach der 6. DVO/EheG einem Untermieter der geschiedenen Eheleute die Räumung der Wohnung (unzulässigerweise) aufgegeben wird. Die im Landwirtschaftsrecht umstrittene Frage, ob Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines (formgerechten oder formlosen) Hofübergabevertrages vom Prozeßgericht oder vom Landwirtschaftsgericht zu entscheiden sind 82 ), kann jedenfalls nicht die Wirksamkeit der ergangenen Entscheidung berühren 83 ), zumal die Rüge, die Sache gehöre vor das Prozeßgericht, nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG begründet 84 ).
22
Fehlen des Antrags. Im Zivilprozeß wird ein ohne Klage erlassenes Urteil als wirkungslos erachtet 85 ); es muß ein Rechtsschutzgesuch vorliegen, welches die Parteien und den Inhalt der begehrten Entscheidung wenigstens in Umrissen erkennen läßt. Dieser Grundsatz wird in den nur auf Antrag einzuleitenden Streitsachen entsprechend anzuwenden sein, da in diesen in gleicher Weise wie im Zivilprozeß die Dispositionsmaxime gilt 86 ). Das Fehlen oder die Überschreitung des Sachantrags kann aber dem Fehlen des Verfahrensantrags nicht gleichgestellt werden und berührt daher das Wirksamwerden der Entscheidung nicht. In anderen, nicht streitigen Antragsverfahren wird man unterscheiden müssen 87 ). Das Fehlen des Erbscheinsantrags rechtfertigt zwar die Einziehung des Erbscheins (§ 84 Rdn. 12), kann aber wegen des Vertrauensschutzes (§§ 2365—2367 BGB) nicht seine Unwirksamkeit begründen. Im registergerichtlichen Anmeldeverfahren führt das Fehlen der Anmeldung ( = Antrag) bei rechtsbekundenden und solchen rechtsändernden Eintragungen, die erzwungen werden können, nicht zur Einleitung des Amtslöschungsverfahrens, wenn die Eintragung sachlich richtig ist (§ 142 Rdn. 6, § 159 Rdn. 43; vgl. auch § 161 Rdn. 18). Im Verfahren nach § 1672 BGB wird man das Fehlen des Antrags für unschädlich ansehen müssen, da das Gericht einen ähnlichen Rechtserfolg auch ohne Antrag herbeiführen kann (vgl. § 1666 BGB) und weil die Verfügung jederzeit geändert (§ 18) und mit der unbefristeten Beschwerde angefochten werden kann. Es ist anerkannt, daß zwischen Rechtsschutz und Nichtigkeit eine 78
) Dresden OLGR 16, 196 = ZBlFG 8, 337; K G J W 1931, 2992; vgl. § 145 Rdn. 2. 79 ) K G J W 1937, 1656; K G J W 1938, 2420; Wieczorek Z P O § 13 GVG Anm. C II a 1. 80 ) Insoweit ist Habscheid N J W 1966, 1787 zu IV 3 c zuzustimmen; vgl. bereits Voraufl. Anm. 5; dahingestellt gelassen in B G H WM 1957, 1573; vgl. audi Wieczorek Z P O § 13 GVG Anm. C I a. 81 ) Bettermann, Festschr. f. Lent, 1957, S. 24 ff., 38 ff.; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil S. 10. 82 ) Vgl. Oldenburg RdL 1957, 210; H a m m RdL 1958, 41.
148
83
) Pritsdi LwVG § 2 Anm. F I I I a 1; Keidel Anm. 25. ) B G H Z 4, 352 = RdL 1952, 188 = N J W 1952, 424. 85 ) Blomeyer ZPR § 81 I I I 2 a; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil S. 152; Rosenberg ZPR» § 73 IV 2 d; BayVGH N J W 1959, 1988 mit Anm. v. Habscheid. 8 «) Habscheid N J W 1966, 1787 zu IV 7 b ; LentHabscheid 4 § 25 II 12. 87 ) A.M. Habscheid N J W 1966, 1795; anders noch Lent-Habsdieid 4 § 25 I I 11.
84
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Wechselwirkung besteht; je unvollkommener der Rechtsschutz, desto eher werden Fehler zur Nichtigkeit führen und umgekehrt 88 ). Da die Bestätigung der Kindesannahme und die Ehelichkeitserklärung unanfechtbar sind (§§ 67 Abs. 3, 56a Abs. 1 Satz 2), wird das Fehlen des notwendigen Antrags, ähnlich wie bei Verwaltungsakten, die ohne Antrag nicht ergehen dürfen, die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen müssen89). Zu beachten ist, daß auch ein nichtiger Antrag, z. B. eines Geschäftsunfähigen, ein Verfahren einleitet, wenn es auch nicht zur Sachentscheidung führen kann, und deshalb dem Fehlen eines Antrags nicht gleichsteht 90 ). Dem Fehlen des Antrags steht seine Zurücknahme gleich. Darf ein Verfahren sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitet werden (z. B. § 65 J W G ) oder „soll" das Gericht nur auf Antrag tätig werden (§ 13 GBO, § 56 FGG), so ist das Fehlen des Antrags ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der Entscheidung. Die Beschwerde steht für den Beschwerderechtszug, den sie eröffnet, dem Verfahrensantrag gleich. Eine Beschwerdeentscheidung, die ohne Beschwerdeeinlegung oder nach Zurücknahme der Beschwerde ergeht, ist wirkungslos (§ 21 Rdn. 15).
23
Eine Sachentscheidung trotz Rücknahme des Antrags oder der Beschwerde ist aber wirksam, wenn das Gericht dahin entschieden hat, daß die Rücknahme unwirksam sei 91 ). Entsteht Streit darüber, ob die Rücknahme eines Antrags oder einer Beschwerde oder ein Prozeßvergleich wirksam sind und das Verfahren beendet haben, so kann mit der Behauptung der Unwirksamkeit, über die das Gericht dann zu befinden hat, die Fortsetzung des Verfahrens beantragt werden.
24
7. Fehlerhaftigkeit
wegen sachlichrechtlicher
oder verfahrensrechtlicher
Mängel
a) Grundsatz. Eine unter gewissen gesetzlichen Voraussetzungen zulässige und ihrer Art nach zu dem Geschäftskreis der Behörde gehörige gerichtliche Verfügung oder Entscheidung ist nicht schon deswegen wirkungslos oder nichtig, weil sie nach Lage des Falles sachlich unrichtig oder verfahrenswidrig ergangen ist, etwa weil in tatsächlicher Hinsicht das Vorliegen des gesetzlichen Tatbestandes zu Unrecht unter Verletzung von Verfahrensvorschriften angenommen oder das Recht auf den festgestellten Sachverhalt unrichtig angewendet worden ist. Solche Mängel können nur Anlaß sein, die Aufhebung der Verfügung im Beschwerdewege (oder gemäß § 18 Abs. 1) zu betreiben; das erfordern die Sicherheit des Rechtsverkehrs und die Wahrung des Vertrauens auf die Verbindlichkeit staatlicher Hoheitsakte. Außerdem entspricht dies dem Sinn der Verteilung der verschiedenen staatlichen Aufgaben auf die einzelnen Staatsorgane (Grundsatz der Funktionsreinheit), der es ausschließt, daß eine Behörde die Akte einer anderen unbeachtet läßt, weil sie die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Aktes anders beurteilt als die Behörde, der das Gesetz die Prüfung und Entscheidung zugewiesen hat. Derartige Mängel begründen daher grundsätzlich keine Unwirksamkeit 92 ). Wirksam ist daher die gerichtliche Ernennung eines Testamentsvollstreckers auch dann, wenn das Testament ein Ersuchen des Erblassers (§ 2200 BGB) nicht enthält, mag es sogar für eine Auslegung in diesem Sinne keinen Raum bieten 93 ). Die Anordnung einer Pflegschaft für eine natürliche Person ist trotz Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen bis zu ihrer Beendigung kraft Gesetzes (§§ 1918, 1921 Abs. 3) oder ihrer Aufhebung durch das VormG (§§ 1919, 1920, 1921 Abs. 1, 2 BGB) wirksam 94 ). Die Bestellung ) Winkler, Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, 1960, S. 35; Bender DVB1 1953, 33; Baur § 27 A ; Lerche, Ordentlicher Rechtsweg und Verwaltungsrechtsweg, 1953, S. 47. 8») Bärmann § 24 I V 2 c cc; Habscheid N J W 1966, 1795; bei begünstigenden Verwaltungsakten wird allerdings nur Anfechtbarkeit angenommen, Bulling D Ö V 1962, 378. 9 0 ) Jauernig aaO. S. 154; vgl. auch Blomeyer, Zum Urteilsgegenstand im Leistungsprozeß, Festschr. f. Lent, 1957, S. 48 f f . ; Böttidier AcP 158, 267; auch Baur § 27 B I 3 a. 9 1 ) Jauernig aaO. S. 153.
88
) Ganz h.M., vgl. Baur § 27 A ; Lent-Habsdieid 4 § 25 I V 1; Keidel Anm. 40; PikartHenn S. 66 zu c; K G D N o t Z 1955, 650; B G H J Z 1961, 127 = M D R 1961, 44; B G H Z 41, 303; sog. Gültigkeitstheorie, Sdilegelberger § 7 Anm. 7 ; Baur § 27 B I I ; Lent-Habsdieid 4 § 25 I V 5. 9 S ) K G Recht 1925 Nr. 2438; K G D N o t Z 1955, 649; Stuttgart J W 1934, 923; Kipp-Coing E r b R « § 67 I 7 Fn. 14; Jansen N J W 1966, 331 zu I. 9 4 ) K G J 38 A 11; BayObLGZ 1958, 204; 1959, 328; B G H Z 33, 195; 41, 303.
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25
Freiwillige Gerichtsbarkeit des Jugendamtes zum Amtsvormund eines volljährigen Mündels ist trotz des § 47 JWG nicht nichtig 95 ). 26
b) Verfahrensfehler insbesondere. Mangelnde gesetzliche (oder rechtsgeschäftliche) Vertretung begründet keine Nichtigkeit 96 ). Versagung des rechtlichen Gehörs berührt weder die Gültigkeit der Entscheidung 97 ) noch schließt sie den Eintritt der formellen Rechtskraft aus. Auch offensichtlicher Ermessensmißbrauch macht die Entscheidung nicht nichtig98). Die Entscheidung des Landgerichts im Verfahren zur Nachprüfung von Notarkosten (§ 156 KostO) ist nicht deswegen unwirksam, weil die Kostenberechnung des Notars nichtig war 99 ). Dasselbe wird anzunehmen sein, wenn das OLG im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG oder Art. 7 § 1 FamRÄndG über einen nichtigen Justizverwaltungsakt sachlich entscheidet. Wirkungslos ist aber eine Entscheidung, wenn der betroffene Beteiligte von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit (exterritorial) ist100).
2Y
c Eine Verfügung (Entscheidung) ist nichtig, ) Gesetzlich angeordnete Nichtigkeitsfolge. wenn das Gesetz dies als Rechtsfolge bestimmt. Das geschieht jedoch nur in wenigen Fällen, z. B. §§ 18 Abs. 2, 55, 62 FGG (vgl. § 18 Rdn. 24), § 7 Abs. 2 Satz 1 RechtspflG, oben Rdn. 17. Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers ist beim Vorliegen der Unfähigkeitsgründe des § 2201 unwirksam, ebenso die Bestellung eines nach § 1780 BGB dazu unfähigen Vormunds 101 ). Es wird angenommen, daß, wenn der nachträgliche Wegfall von Voraussetzungen das Ende der Wirkungen einer Verfügung zur gesetzlichen Folge hat, daraus geschlossen werden müsse, daß bei ihrem ursprünglichen Fehlen die Verfügung von vornherein unwirksam sei. Da die Vormundschaft nach §§ 1882, 1897 BGB mit dem Wegfall der in §§ 1773, 1896 BGB bestimmten Voraussetzungen kraft Gesetzes endigt, soll die Anordnung der Vormundschaft unwirksam sein, wenn diese Voraussetzungen von Anfang an gefehlt haben 102 ); dasselbe müßte nach §§ 1915, 1897, 1882 für die Fälle gelten, in denen eine Pflegschaft kraft Gesetzes endigt. Diese Erwägung hat gewiß die formale Logik für sich, übersieht aber, daß die Nichtigkeit von Staatsakten nicht nach formallogischen, sondern nach wertenden (teleologischen) Maßstäben zu beurteilen ist103). Außerdem wird übersehen, daß der anfänglich wirksam Bestellte nach §§ 1893, 1698a BGB das Recht zum Handeln als Vormund behält, bis er die Beendigung kennt oder kennen muß; auf diese Vorschrift aber könnte sich ein anfänglich wirkungslos bestellter Vormund nicht berufen 104 ). Die trotz anfänglichen Fehlens der sachlichrechtlichen Voraussetzungen angeordnete Vormundschaft bleibt daher bis zu ihrer Aufhebung durch das VormG in dem Sinne wirksam, daß der Vormund die Befähigung erlangt, Rechtsgeschäfte mit Wirkung für und gegen den Quasi-Mündel vorzunehmen, etwa wenn das VormG irrig angenommen hat, daß der Minderjährige nicht unter elterlicher Gewalt stehe (§ 1773) oder wenn es einen Volljährigen irrig f ü r min-
° 5 ) BayObLGZ 1962, 274; in B G H FamRZ 1956, 379 hätte die Bestellung eines Vereins (statt des Vorstandes) richtigerweise für gültig angesehen werden sollen, statt dasselbe Ergebnis durdi Anwendung des § 32 zu gewinnen, der für nichtige Verfügungen nicht gilt; vgl. jetzt § 53 JWG. »«) Baur § 27 B I 3 a; Lent-Habsdieid 4 § 25 II 10; Keidel Anm. 44. BayVerfGH Rpfleger 1964, 12; Henckel Z Z P 77, 322; Jansen, Wandlungen usw. 1964, S. 29; Keidel Anm. 44; Baur § 27 B I 3 b; LentHabscheid 4 § 25 II 13. •«) K G N J W 1955, 108; Keidel Anm. 41; LentHabsdieid 4 § 25 IV 3. " ) Schneider D N o t Z 1968, 19; a.M. München D N o t Z 1941, 393; Rohs-Wedewer KostO § 156 Anm. I b; Korintenberg-Wenz-Ackermann KostO» § 156 Anm. II 1 Fn. 5; vgl. jetzt BayObLGZ 1964, 84, 87.
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°) Rosenberg ZPR 9 § 73 IV 2 a; Blomeyer ZPR § 81 III 2 a; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 159; vgl. näher § 3 Rdn. 6 u. 15. 101 ) Kipp-Wolff, Familienrecht, § 104; RGSt. 45, 311; Dölle FamR § 119 II 1; Baur § 27 B II a. 102 ) Sdilegelberger Anm. 7; Baur § 27 B I I a; Lent-Habscheid 4 § 25 IV 4, § 27 I I I 3; H a b scheid N J W 1966, 1787 zu IV 5 c; Staudinger-Engler BGB 11 § 1773 Anm. 16. 103) Vgl. v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsaktes, Beiträge zur Methode einer teleologischen Reditsauslegung, 2. Aufl. 1960, insbes. S. 42 ff., 143 f f . 104 ) Kipp-Wolff FamR 7 § 102 V 3 a.E.; auch Habsdieid nimmt an, daß wirkungslose Verfügungen keinen Vertrauensschutz genießen, N J W 1966, 1897 zu IV 5 d ; vgl. dazu § 32 Rdn. 7.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
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derjährig gehalten oder die Voraussetzungen des § 1896 irrig für gegeben erachtet hat 1 0 5 ); wegen der vorläufigen Vormundschaft vgl. § 52 Rdn. 2. D i e Anordnung beeinträchtigt aber nicht die Geschäftsfähigkeit des Volljährigen und entzieht dem richtigen gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen nicht die Vertretungsbefugnis; es kommt zu einer doppelten Rechtszuständigkeit, die erst mit der Aufhebung der Vormundschaft endet 1 0 6 ). Audi die A n ordnung einer Vormundschaft in Unkenntnis des Todes des Mündels ist nicht wirkungslos 1 0 7 ); der Vormund handelt, soweit er auf dem Gebiet der Vermögenssorge tätig wird, mit Wirkung für und gegen die Erben, w i e dies für die Abwesenheitspflegschaft anerkannt ist 108 ). Nichtig wäre aber eine Vormundschaft oder Pflegschaft für eine erdichtete Person. Wegen des Einflusses v o n Mängeln auf die Wirksamkeit der Volljährigkeitserklärung vgl. § 56 Rdn. 20. d) Unwirksam ist eine gerichtliche Handlung, wenn es an jeder gesetzlichen Grundlage für die gerichtliche Tätigkeit fehlt. Das gilt insbesondere für rechtsgestaltende Verfügungen, für die es an einer gesetzlichen Ermächtigung allgemein, also nicht nur nach der Lage des Einzelfalls fehlt oder die ihrer Art nach dem Gesetz unbekannt sind 108 ). Nichtig ist daher die Ersetzung der Zustimmung eines Beteiligten zu einem Rechtsgeschäft ohne gesetzliche Ermächtigung, da die Ausdehnung der Vorschriften, in denen das Gesetz die Ersetzung einer Zustimmung oder Ermächtigung vorsieht, auf ähnliche Fälle unzulässig ist 110 ). Dasselbe gilt für die (durch § 29 BGB nicht gedeckte) Bestellung eines Notvorstandes für einen nicht rechtsfähigen Verein oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts (vgl. § 160 Rdn. 14). Dagegen wird die Bestellung eines Pflegers für eine juristische Person oder Gesellschaft nicht stets für nichtig erachtet werden können, da § 10 ZustErgG eine solche Möglichkeit vorsieht.
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e) Unzulässige Rechtsfolge. Wirkungslos ist eine gerichtliche Handlung, Verfügung oder Entscheidung, wenn sie, losgelöst v o n den besonderen Umständen des einzelnen Falles, bei keiner vorstellbaren Sachlage gerechtfertigt sein kann, weil sie eine der Rechtsordnung ihrer Art nach unbekannte Rechtsfolge anordnet oder feststellt 1 1 1 ). Ohne Wirkung ist ferner eine
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) KG OLGR 40, 401; 43, 376; Stuttgart OLGR 43, 375; BayObLG OLGR 43, 375 Fn. 2; RGZ 84, 92; RG HRR 1933 Nr. 1588; KippWolff FamR 7 § 102 V; Gernhuber FamR § 63 II 3; Dölle FamR § 117 IV 3 a; Soergel Germer BGB» § 1774 Anm. 7; ErmanHefermehl BGB 3 § 1774 Anm. 4; PalandtLauterbadi BGB 27 2 vor § 1773; BGBRGRK 1 1 § 1774 Anm. 2. "«) Soergel-Germer BGB» § 1774 Anm. 8; BGBRGRK 1 1 § 1774 Anm. 2. 107 ) Josef Dogm. Jb. 70, 70 ff.; a.M. BayObLGZ 19, 126; Kipp-Wolff FamR § 102 V. 108 ) RG JW 1911, 100; Kipp-Wolff FamR § 128 IV; Jansen DNotZ 1954, 592 zu I. 109 ) Vgl. Baur § 27 B II c; Habsdieid N J W 1966, 1787 zu IV 5 a; vgl. zum Problem des rechtsfremden Urteils Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958, S. 179 ff.; die Gründe, aus denen Urteile, die eine unbekannte Rechtsfolge verhängen, wirksam sein mögen, können für Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht durchgreifen. 110 ) KG JFG 7, 82; Schlegelberger Anm. 6. ln ) Dieser Grundsatz ist im Zivilprozeß, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und im Verwaltungsrecht in gleicher Weise anerkannt, vgl. Rosenberg ZPR° § 73 IV 2 b u. c; Blomeyer ZPR § 81 III 2 a; für die freiw. Gerichtsbarkeit KG N J W 1955, 108, 109; Jansen N J W 1966, 331 zu I; Habsdieid N J W 1966, 1787 zu IV 5 a; Bärmann § 24 IV 3
b; für Verwaltungsakte BGHZ 4, 10, 22 und 302; 48, 239; Wolff VerwR I 6. Aufl. § 51 I 4 u. III a (Unmöglichkeitstheorie); kritisch dazu v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsakts. 2. Aufl. 1960, S. 166; zum Zivilprozeß Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil S. 179. Es handelt sich daher ersichtlich um einen allen drei Teilbereichen staatlichen Handelns gemeinsamen Rechtsgrundsatz, der der Lehre vom fehlerhaften Staatsakt angehört. Denn auch die Lehre von der fehlerhaften Verfügung der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ein Teilbereich der Lehre vom fehlerhaften Staatsakt (so Kipp-Wolff, Familienrecht, § 102 V; Baur § 2 B V 1), ebenso wie die Lehre vom fehlerhaften Zivilurteil (Jauernig aaO. S. 2) und vom fehlerhaften Verwaltungsakt (Winkler, Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, 1960, S. 11), was nicht bedeutet, daß die genannten drei Erscheinungsformen staatlichen Handelns bis in die letzte Verästelung nach denselben Grundsätzen beurteil werden müßten. Es ist daher nicht verständlich, wenn Habscheid (NJW 1966, 1787 zu II) dem Verf. zum Vorwurf macht, daß er in N J W 1966, 331 zu I fehlerhafte Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Staatsakt unterstellt hat. Dieser Einwand beruht auf einer unzulässigen Gleichsetzung von Staatsakt und Verwaltungsakt (Habsdieid aaO.), der eine besondere Erscheinungsform, eine Unterart
151
Freiwillige Gerichtsbarkeit Verfügung, die ein nicht bestehendes Rechtsverhältnis gestaltet 112 ), z. B. einen Testamentsvollstrecker nach § 2227 BGB entläßt, der sein Amt nach § 2226 BGB bereits gekündigt hat; die Verfügung äußert aber ihre vollen Wirkungen, wenn sich ergibt, daß die Kündigung unwirksam war; die Verfügung ist also nicht nichtig113). 30
f) Gegenstandslose Verfügungen. Eine rechtsgestaltende Verfügung kann fehlerfrei oder mit Fehlern, die ihre Wirksamkeit nicht berühren, behaftet sein, gleichwohl aber keine Rechtswirkungen erzeugen. Dieser Fall kann eintreten bei Verfügungen, die ähnlich dem abhängigen (akzessorischen) Verwaltungsakt in notwendigem Zusammenhang mit einem Privatrechtsgeschäft oder einem anderen Staatsakt stehen, so daß erst die kumulative Geltung beider den Rechtserfolg herbeiführt. Wird z. B. ein nichtiger Kindesannahmevertrag bestätigt (§ 65 Rdn. 24), so liegt der Mangel in dem Vertrage; die Bestätigung ist ohne Wirkung, aber nicht wegen eigener Fehlerhaftigkeit, sondern deshalb, weil sie nur eine der mehreren für den Eintritt der Rechtsänderung erforderlichen Voraussetzungen ist und weil eine der weiteren Voraussetzungen fehlt und durch die gerichtliche Bestätigung nicht ersetzt wird 114 ). Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen wird gegenstandslos, wenn die ausländische Entscheidung auf Grund Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines anderen Rechtsbehelfs des ausländischen Prozeßrechts aufgehoben wird (Art. 7 § 1 FamRÄndG Rdn. 53). Ebenso ist die gerichtliche Ernennung eines Testamentsvollstreckers trotz Fehlens eines Ersuchens des Erblassers an das NachlG (§ 2200 BGB) zwar wirksam (oben Rdn. 25), gleichwohl aber gegenstandslos, wenn das Prozeßgericht oder ein anderes Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wozu es befugt ist, feststellt, daß es an einer Anordnung der Testamentsvollstreckung durch den Erblasser fehlt oder daß die Testamentsvollstreckung zur Zeit des Erlasses der Verfügung infolge Erledigung aller Aufgaben bereits beendet war 115 ). In gleicher Weise schließt die Wirksamkeit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht aus, daß die Nichtigkeit des genehmigten Rechtsgeschäfts festgestellt wird.
31
F. Besonderheiten für Entscheidungen in echten Streitsachen Bei Entscheidungen in echten Streitsachen üben die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit Rechtsprechung im materiellen Sinne aus (oben Rdn. 21). Die Entscheidungen erwachsen in materielle Rechtskraft (§ 31 Rdn. 10) und es findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens statt ( § 1 8 Rdn. 40). Diese Umstände rechtfertigen es, die Nichtigkeit oder Wirkungslosigkeit einer Entscheidung in echten Streitsachen nur unter den engeren und strengeren Voraussetzungen anzunehmen, unter denen diese Rechtsfolgen bei fehlerhaften Zivilurteilen eintreten 116 ). Insoweit ist daher, wie schon für den Fall der Grenzüberschreitung zum Zivilprozeß (Rdn. 21) eine Gleichstellung mit dem Zivilurteil geboten 117 ). Dagegen fehlt es an den Voraussetzungen f ü r diese Gleichstellung bei Verfügungen im fürsorgerischen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit 118 ), die, auch wenn ein Richter sie erlassen hat, für Fehler anfälliger bleiben als ein Zivilurteil. Audi kann die Bestandskraft eines Zivilurteils schwerlich den Verfügungen eines Rechtspflegers in übertragenen Angelegenheiten oder einer nach Landesrecht zuständigen nichtgerichtlichen Behörde (§ 194) beigemessen werden, die formell rechtskräftig geworden sind. des Staatsakts ist (Winkler aaO.). Demselben Mißverständnis erliegen Keidel § 7 Rdn. 24 a Fn. 3 zu 2 und Rdn. 45 sowie Bärmann § 24 I I 3. t12 ) Rosenberg § 73 IV 2 c; Blomeyer ZPR § 81 III 2 a; Habscheid N J W 1966, 1787 zu IV 5 b. 113 ) Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil S. 176; Blomeyer aaO. 4 » ) Unger, Z Z P 34, 328; Schlegelberger § 7 Anm. 13; Wolff, VerwR I« § 51 I I I b 2, c nimmt in diesen Fällen Nichtigkeit wegen „Mangels am rechtlichen Substrat' an; da-
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gegen kritisch v. Hippel, Untersuchungen usw. 2. Aufl. S. 170. B G H Z 41, 23 = N J W 1964, 1316 und dazu Jansen, N J W 1966, 331 gegen Hamburg N J W 1965, 1968, dem Keidel § 1 Rdn. 13 a zustimmt. Vgl. dazu Blomeyer ZPR § 81 I I I ; Rosenberg ZPR® § 73; eingehend Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958. Das hat Habsdieid N J W 1966, 1787 zu I I I überzeugend nachgewiesen. A.M. Habsdieid aaO. zu IV 2, V („Einheitslösung").
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften G. Folgen und Beseitigung der nichtigen oder wirkungslosen Verfügung Im Gegensatz zu einer Nidit-Verfügung, die dem Gericht nicht zugerechnet werden kann, weil sie auch dem Rechtsschein nach nicht von dem Gericht ausgeht, ist die nichtige oder wirkungslose Verfügung ein existenter Staatsakt, der nur seine bestimmungsgemäßen Wirkungen nidit entfaltet 119 ). Die Verfügung kann daher mit Rechtsmitteln angefochten werden, um durch ihre förmliche Aufhebung den Rechtssdiein ihrer Gültigkeit und Wirksamkeit zu beseitigen120), und die Verfügung kann formell rechtskräftig werden, so daß die höhere. Instanz zum Zwecke ihrer Aufhebung nidit mehr angerufen werden kann 121 ). Auch kann die Kostenentscheidung der wirkungslosen Verfügung wirksam sein122). Aber es bedarf einer förmlichen Aufhebung der Verfügung nidit, vielmehr kann jedermann in jedem Verfahren, in dem es darauf ankommt, die Nichtigkeit oder Wirkungslosigkeit geltend machen, und zu dieser Prüfung ist jedes Gericht der streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit befugt. Außerdem kann das Gericht, das die Verfügung erlassen hat, sie gemäß § 18 aufheben, ohne durch § 18 Abs. 2 daran gehindert zu sein. Wird die Verfügung im Beschwerdewege angefochten und die Wirkungslosigkeit außerdem in einem anderen Verfahren geltend gemacht, so kann dessen Aussetzung geboten sein. H.
Übergangsrecht In § 12 Satz 1 ZustErgG (Anl. 1) ist klarstellend bestimmt, daß die Wirksamkeit von gerichtlichen Handlungen, die in der Zeit vom 8. 5. 1945 bis zum 22. 8. 1952 an Stelle eines Gerichts, an dessen Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nidit mehr ausgeübt wird, von einem anderen als dem nach dem ZustErgG zuständigen Geridit vorgenommen worden sind, durch den Mangel der örtlichen Zuständigkeit nidit berührt wird. Vgl. ferner über die Rechtsgültigkeit richterlicher Handlungen Bayern VO vom 5. 9. 1946 (GVBl., 304), Hessen VO vom 13. 11. 1946 (GVBl., 226), Württemberg-Baden G vom 31. 7. 1947 (RGBL, 68), wonach Entscheidungen und sonstige Amtshandlungen eines Richters, der von der MilReg. oder mit deren Genehmigung von der Justizverwaltung in das Riditeramt eingesetzt war, nicht mit der Begründung für nichtig erklärt werden können, daß der Riditer die im GVG bestimmten Voraussetzungen der Befähigung zum Riditeramt nidit erfülle. I. Erweiterter Anwendungsbereich Über die Anwendbarkeit des § 7 auf Rechtspfleger, Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und Gerichtsvollzieher vgl. § 6 Rdn. 26 bis 28. Die Anwendbarkeit auf diese niditrichterlichen Beamten bedeutet, daß ihre Handlungen nidit deswegen unwirksam sind, weil das Gericht, dem sie angehören, örtlich unzuständig ist oder sie selbst gesetzlich ausgeschlossen oder mit Erfolg abgelehnt sind. Bei der Zuständigkeit zur Entgegennahme der weiteren Beschwerde zum Protokoll der Geschäftsstelle (§ 29 Rdn. 2, 18) handelt es sich nicht um eine örtliche, sondern eine funktionelle; bei den mit der Sadie befaßten Gerichten muß die weitere Beschwerde auch eingelegt werden, wenn sie örtlich unzuständig waren, nicht etwa bis dem für die Sache örtlich zuständigen, aber nicht mit ihr befaßten Gericht. J. Für nichtgerichtliche Behörden, die auf Grund der Vorbehalte in Art. 147 EGBGB und § 192 FGG nach Landesgesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind, gilt § 7 gemäß § 194 ebenfalls. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 7 durchweg für anwendbar erklärt, s. § 1 Rdn. 131 und Art. 1 PrFGG. K. In der DDR ist § 7 FGG nicht mehr anzuwenden ( § 9 1 Abs. 4 NotVerfO) Für die staatlichen Notariate bestimmt § 3 Abs. 3, daß ihre Handlungen nidit deshalb unwirksam sind, weil ein für das Kreisgebiet nidit zuständiger Notar sie vorgenommen hat. Die Ausschließung des Notars hat nach § 8 Abs. 2 NotVerfO ohne Unterschied, ob es sich 119) Bettermann DVB1 1963, 826. ») KG R J A 4, 146; JFG 5, 54; BayObLGZ 1964, 84, 87; Keidel Anm. 28; Schlegelberger Anm. 14.
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) Habs&eid N J W 1959, 1989; a.M. Rosenberg ZPR § 73 IV 1. ) Jauernig aaO. S. 145; Rosenberg aaO.
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§§ 8—18 Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
um Beurkundungen oder andere Geschäfte handelt, Nichtigkeit zur Folge. Eine Ablehnung wegen Befangenheit ist nicht vorgesehen. U b e r die Ausschließung entscheidet, wenn der N o t a r sie nicht f ü r berechtigt anerkennt, das Kreisgericht (§ 9 N o t V e r f O i. d. F. des § 13 G v o m 17. 4. 1963 [GBl. D D R I, 65]).
Vorbemerkungen zu den §§ 8 bis 18 Übersiebt A . Oberblick zu den §§ 8 bis 18
Rdn. 1-3 4 4 4 5-6 7
B. Allgemeine Verfahrensgrundsätze I. Offizialmaxime, Amtsverfahren 1. Grundsatz 2. Verfahrensgang 3. Fälle des Amts Verfahrens II. Dispositionsmaxime, Antragsverfahren 8 1. Grundsatz 9 2. Form des Antrags 10 3. Antragsfrist 11-13 4. Inhalt des Antrags 14 5. Antragsberechtigung 15 6. Verzidit, Verwirkung 16 7. Reditsschutzbedürfnis 17 8. Feststellungsinteresse 18-20 9. Zurücknahme des Antrags I I I . Amtsermittlungsgrundsatz (Untersudiungsgrundsatz, Inquisitions21 maxime) 22 IV. Amtsbetrieb V. Amtsprüfung (Instruktions23-26 maxime) VI. Mündlichkeit oder Schriftlichkeit 27-32 des Verfahrens V I I . Unmittelbarkeitsgrundsatz 33 V I I I . Stillstand des Verfahrens 34 1. Unterbrechung 35 36-37 a) Tod des Beteiligten 38 b) Konkurseröffnung
Rdn. 2. Aussetzung 3. Ruhen I X . Normenkontrollverfahren 1. Voraussetzungen 2. Verfahren des vorlegenden Gerichts
39-43 44 45 45-49 50-52
C . Edite Streitsachen 54 I. Privatrechtlidie Streitsachen 54 1. Bedeutung 54-57 2. Eigenart der echten Streitsachen 58 59-69 3. Verfahrensgrundsätze 70 II. öffentlichrechtliche Streitsachen 70-78 1. U m f a n g 2. Verfahrensgrundsätze 79 D . Vergleich 1. Grundsatz 2. Zulässigkeit des Vergleichs 3. Vergleich als Beurkundungsgeschäft 4. Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich 5. Vergleich in öffentlichreditlichen Streitsachen E. Streitgenossensdiaft 1. Einfache Streitgenossenschaft 2. Notwendige Streitgenossenschaft F. Verbindung und Trennung von Verfahren
80 80 81-83 84 85
86 87 87 88 89-90
A. Uberblick zu den §§ 8 bis 18 In den §§ 8 bis 18 enthält das Gesetz eine Reihe von allgemeinen Verfahrens Vorschriften. Die §§ 8, 9 regeln die Gerichtssprache, die Sitzungspolizei, die Beratung und Abstimmung durch Verweisung auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften des G V G mit einigen Abweichungen in bezug auf die Gerichtssprache. In § 10 w i r d bestimmt, daß die Gerichtsferien auf das Verfahren grundsätzlich ohne Einfluß sind. § 11 enthält eine Vorschrift gerichtsorganisatorischer A r t , welche die Anbringung von Anträgen und Erklärungen erleichtern soll. A n diese mehr dem Gerichtsverfassungsrecht zugehörigen Bestimmungen schließen sich einige Vorschriften an, durch welche das eigentliche Verfahren in einigen Punkten geregelt wird. D i e bedeutendste dieser Vorschriften ist die des § 12, welche die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime) normiert. In § 13 wird das Recht der Beteiligten geregelt, Beistände und Bevollmächtigte zuzuziehen. § 13a ermächtigt zur Auferlegung von Kosten der Beteiligten und regelt das Kostenfestsetzungsverfahren durch Verweisung auf Vorschriften der Z P O . Ebenfalls durch Verweisung auf Vorschriften der Z P O wird in § 14 das Armenrecht, in § 15 mit einigen Abweichungen das Beweisverfahren geregelt. § 16 enthält Bestimmungen über die Bekanntmachung
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
Vorbem. § § 8—18
und das Wirksamwerden gerichtlicher Verfügungen. § 17 verweist für die Berechnung von Fristen auf die Vorschriften des BGB. § 18 bezieht sich auf die Änderung gerichtlicher Verfügungen. Diese Vorschriften regeln das gerichtliche Verfahren keineswegs erschöpfend. In dieser Hinsicht ist zunächst zu bedenken, daß auch das BGB und das HGB, deren verfahrensrechtlicher Ergänzung des F G G dient, nicht frei von verfahrensrechtlichen Vorschriften sind, da die Unterscheidung zwischen sachlichem Recht und Verfahrensrecht bei den Gesetzesvorarbeiten nicht sorgfältig beachtet worden ist. So ist das Erbscheinsverfahren im wesentlichen im BGB geregelt (§§ 2353 ff.), während das FGG nur Vorschriften über die Zuständigkeit (§§ 72, 73) und wenige ergänzende Verfahrensbestimmungen (§§ 84, 85) enthält. Ähnlich sind die Verfahrensvorschriften über das Vereins- und das Güterrechtsregister über das BGB (§S 55 ff., 1558 ff.) und das FGG ( S S 159 bis 162) verteilt. Vielfach enthält das BGB verfahrensrechtliche Bestimmungen darüber, daß gewisse Beteiligte vor der Entscheidung zu hören seien oder gehört werden sollen ( S S 1695, 1826, 1827, 1847, 1862, 2227,2368 Abs. 2) oder daß ein Verfahren nur auf Antrag einzuleiten ist ( S S 1631 Abs. 2, 1672, 1707 Abs. 2, 2202 Abs. 3, 2227). Ferner hat der Gesetzgeber die Geltung gewisser Verfahrensgrundsätze als selbstverständlich vorausgesetzt und deshalb davon abgesehen, sie besonders zu normieren, z. B. als dem Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend den Grundsatz, daß das Gericht, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist, das Verfahren von Amts wegen einzuleiten hat 1 ) (Offizialmaxime) oder daß die Zulässigkeit von Anträgen und Rechtsmitteln von Amts wegen zu prüfen ist 2 ) (Amtsprüfung), ein Grundsatz, der keine Besonderheit des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellt, sondern notwendig in jeder Verfahrensart Geltung beansprucht. Das Schweigen des Gesetzes über die Partei- und Prozeßfähigkeit der Beteiligten erklärt sich ersichtlich aus dem engen Zusammenhang des F G G mit dem BGB, dessen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit in S 59 Abs. 2 als auch für das Verfahren geltend stillschweigend vorausgesetzt werden. Soweit gesetzlich nicht geregelte Fragen offen bleiben, sind sie unter Heranziehung von Grundsätzen der allgemeinen Prozeßrechtslehre zu beantworten, soweit sie mit den sonstigen Verfahrensgrundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vereinbar sind; derartige Grundsätze können auch in den Vorschriften anderer Verfahrensordnungen (ZPO, VwGO) ihren Niederschlag gefunden haben. Letzten Endes ist es Aufgabe der Rechtslehre und der Rechtsprechung, insbesondere der Obergerichte, die Verfahrensgrundsätze herauszuarbeiten, die einerseits rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen, andererseits der zweckmäßigen Verfahrensgestaltung unter Berücksichtigung der Eigenart der dem Gericht der freiwilligen gestellten Aufgaben dienlich sind. Zu eng gestellt ist jedenfalls die neuerdings in Rechtsprechung und Schrifttum viel erörterte Frage, ob und in welchem Umfange wirkliche oder vermeintliche Lücken des FGG durch eine entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO ausgefüllt werden können. Diese Frage ist für den klassischen Bereich der F G grundsätzlich zu verneinen, weil eine solche Art der Rechtsfindung der Wesensverschiedenheit des streitigen Erkenntnisverfahrens und des Verfahrens der F G nicht Rechnung trägt 3 ). Das Verfahren der F G ist im Vergleich zu dem auf förmlicher Grundlage beruhenden, in allen Einzelheiten des Verfahrensganges sorgfältig geregelten Zivilprozeß sehr viel freier gestaltet und hat nach dem Willen des Gesetzgebers eine gewisse Beweglichkeit erhalten, welche es dem Gericht ermöglichen soll, bei seinem Vorgehen den Bedürfnissen der jeweils zu erledigenden Angelegenheit Rechnung zu tragen, ohne durch förmliche Schranken eingeengt zu sein 4 ). Wäre es hiernach verfehlt, das Gericht der F G durch eine über die gesetzlich angeordneten Fälle hinausgehende entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO an Förmlichkeiten zu binden, so geht es andererseits auch nicht an, zur Stärkung der Befugnisse des Gerichts der F G Vorschriften !) Denksdir. S. 35. 2 ) Denksdir. S. 40. 3 ) Grundsätzlich ablehnend auch B G H Z 6, 257; 14, 179, 183; 28, 117; B G H RdL 1954, 128; KG FamRZ 1967, 170; Hamm RdL 1961, 205; Zimmermann Rpfleger 1967, 329 zu IV 5 ; auch Keidel 1 vor § 8 ; Bärmann AcP 154,
373 zu I I ; weitergehend Schlegelberger 3 vor § 1; Lent-Habscheid 4 § 7 I I I ; zu weitgehend Lindacker Rpfleger 1965, 41. 4 ) K G J 30 A 61; BGH LM § 20 a FGG Nr. 1; B G H Z 30, 220, 225; Müller ZZP 67, 8; Zimmermann, Die freie Gestaltung des Verfahrens der FG, Rpfleger 1967, 329.
§§ 8—18 Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
der Z P O heranzuziehen, die dem Prozeßgericht eine dem Gericht der F G vorenthaltene Rechtsmacht verleihen, z. B. das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu erzwingen (ZPO § 141) 5 ) oder einen Beteiligten eidlich zu vernehmen (ZPO § 452) 6 ). Bei dieser Sachlage kommt den das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit beherrschenden allgemeinen Verfahrensgrundsätzen (Prozeßmaximen) besondere Bedeutung zu. Darunter sind die gesetzlich bestimmten oder in Rechtslehre und Rechtsanwendung unter Beachtung der geschichtlichen Entwicklung, rechtsstaatlicher Grundsätze, der Eigenart des im Verfahren verfolgten Rechtsschutzziels und nach Erwägungen der Zweckmäßigkeit entwickelten verfahrensrechtlichen Prinzipien zu verstehen, die einen gleichmäßigen Ablauf des Verfahrens nach feststehenden Regeln gewährleisten und dadurch Willkür bei der Tatsachenfeststellung und Rechtsfindung ausschließen 7 ). Diese Verfahrensgrundsätze beziehen sich vor allem auf die Art der Einleitung des Verfahrens, auf die Methode der Einführung des Verfahrensstoffs und auf die Formen, unter denen sich die Entscheidungsfindung vollzieht.
B. Allgemeine Verfahrensgrundsätze I. Offizialmaxime8), Amtsverfahren 1. Grundsatz. Das Gesetz geht von dem Grundsatz aus, daß das Gericht seine Anordnungen von Amts wegen zu treffen habe, sofern nicht die Einleitung des Verfahrens von der Stellung eines Antrags abhängig ist. Das ergibt sich nicht aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 12 F G G ; denn diese Vorschrift verpflichtet das Gericht, in einem eingeleiteten Verfahren den der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, besagt aber nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Verfahren eingeleitet werden darf. Vielmehr hat der Gesetzgeber davon abgesehen, den Grundsatz des Vorgehens von Amts wegen besonders zum Ausdruck zu bringen, weil er sich aus dem Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit von selbst ergebe 9 ). Der Grundsatz des Amts Verfahrens ergibt sich daher als Regel aus dem Schweigen des Gesetzes, wenn es dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Aufgabe zuweist, ohne die Einleitung des Verfahrens von einem Antrag abhängig zu machen (vgl. § 1671 gegen § 1672 BGB). Mitunter bestimmt das Gesetz, daß eine Maßnahme sowohl auf Antrag als auch von Amts wegen angeordnet werden kann (§§ 50 Abs. 2, 57 Abs. 2, 65 Abs. 1 J W G ) ; dann hindert die Zurücknahme des Antrags das Gericht nicht, das auf Antrag eingeleitete Verfahren von Amts wegen fortzusetzen 10 ). Im rechtsfürsorgerischen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere in Vormundschafts- und Nachlaßsachen, entspricht es der Natur dieser Angelegenheiten, daß das Gericht sich der seinem Schutz anvertrauten privaten Interessen von Amts wegen annimmt; dadurch erfüllt es zugleich eine öffentliche Ordnungsaufgabe. ) Vgl. § 12 Rdn. 66, 69. ) Vgl. § 1 5 Rdn. 78. ) Vgl. Baur § 16 I ; Lent-Habsdieid 4 § 19 pr.; Pikart-Henn D I 1 S. 75; Bärmann § 12; Baur, Juristen-Jahrbuch 1962/63 S. 50 ff., 57 f.; Habsdieid, Freiw. Gerichtsbarkeit in Dt. Landesreferate z. V I I . Intern. Kongreß f. Reditsvergleichung 1966, 213 ff., 236 f. 8 ) Zur Terminologie: Mitunter wird der Begriff Offizialmaxime der Inquisitionsmaxime gleichgestellt, so Blomeyer ZPR § 14 I 1; Rosenberg ZPR § 63 I I ; ders., Beweislast 5 S. 30; Jaeger-Weber K O 8 § 72 Anm. 4; Lent FG § 12 II. Richtigerweise sollte der Begriff Offizialmaxime der Kennzeichnung der von Amts wegen erfolgten Verfahrenseinleitung vorbehalten bleiben und damit den Gegensatz zur Dispositionsmaxime, der Einleitung des Verfahrens auf Klage (Antrag) bilden, während den Gegensatz zur Inquisitionsmaxime (Amtsermittlungsgrundsatz) die Verhandlungs5 6 7
156
maxime bildet. Offizialmaxime und Inquisitionsmaxime brauchen sich nidit zu decken, wie der Verwaltungsprozeß zeigt, wo zwar der Untersuchungsgrundsatz gilt (§§ 86 Abs. 1. 125, 141 VwGO), für die Einleitung des Verfahrens aber die Dispositionsmaxime maßgeblieh ist (§§ 42, 43, 68, 81 VwGO); wie hier Lent-Habscheid 4 § 19 I 1; Baur § 16 I I , I I I ; Bettermann DVB1. 1951, 39; Menger, System des verwaltungsger. Rechtsschutzes, S. 81; Fenn, Die Anschlußbeschwerde, 1961, S. 60 Fn. 67; Luke JuS 1961, 41; Schröder, JuS 1961, 48; Bärmann § 13 I 1; Stein-JonasPohle ZPO 1 9 V I vor § 128. 9 ) Denkschr. S. 35; Wellstein 2 § 12 Anm. 1; Sdilegelberger § 12 Anm. 1; Keidel § 12 Anm. 2; Baur § 16 I I 1. 1 0 ) Celle ZB1JR 1948, 148; BayObLGZ 1961, 318; Pikart-Henn S. 76; Riedel J W G § 65 Anm. 7 ; Keidel § 12 Anm. 2.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
Vorbem. §§
8—18
2. Verfahrensgang. Das Gericht muß durch (formlose) Einleitung des Verfahrens von Amts wegen tätig werden, sobald es hinreichenden Anlaß hat zu der Annahme, daß ein Sachverhalt vorliegen könnte, der eine im Amtsverfahren zu treffende Maßnahme rechtfertigen würde. Die Einleitung des Verfahrens hängt daher nicht davon ab, daß die Voraussetzungen für das Eingreifen bereits feststehen; denn da der Betroffene Anspruch auf rechtliches Gehör hat, und im Hinblick auf den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme ( § 1 5 Rdn. 8) muß der Betroffene schon zu den Beweisverhandlungen des Gerichts, welche die Feststellung des gesetzlichen Tatbestandes bezwecken, hinzugezogen werden. Die Kenntnis davon, ob nach Lage der Sache überhaupt Anlaß zum Einschreiten gegeben sein könnte, kann das Gericht auf beliebige Weise erlangen, z. B. durch Berichte des Jugendamts (§ 1694 BGB, § 48 J W G , § 49 FGG), durch Anzeigen der Gerichte (§ 50 FGG), in Nachlaßsachen durch Anzeigen der Ortsbehörde ( § 1 9 PrFGG, § 10 NdsFGG) oder auf Grund von Mitteilungen eines beliebigen Dritten. Die Stichhaltigkeit solcher Mitteilungen wird häufig durch formlose Ermittlungen geprüft werden müssen, bevor durch Hinzuziehung des Betroffenen das Verfahren förmlich eingeleitet wird. Entschließungen anderer Personen oder Stellen können das Gewicht an der Einleitung oder Fortsetzung des Amts Verfahrens nicht hindern; eine Gebrechlichkeitspflegschaft kann daher auch angeordnet werden, wenn der Antrag eines Angehörigen zu ihrer Anordnung zurückgenommen wird 11 ). Ein Antrag hat nur die Bedeutung einer Anregung, die von Amts wegen zu treffende Maßnahme anzuordnen. Der Anregende hat aber die Stellung eines formell Beteiligten, wenn ihm im Fall der Ablehnung der Maßnahme ein Beschwerderecht aus § 20 Abs. 1 oder aus § 57 zustände (§ 6 Rdn. 5). Wird ein Antrag gestellt, z. B. über die Ausgestaltung der Verkehrsregelung (§ 1634 BGB), so ist das Gericht nicht daran gebunden, sondern es hat die Regelung zu treffen, die es nach der Sachlage für angemessen erachtet 11 "). Führen die Ermittlungen zu dem Ergebnis, daß kein Anlaß zum Eingreifen besteht, so ist das Verfahren formlos einzustellen; war der Betroffene bereits gehört, so ist ihm der Bescheid zu erteilen, daß nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu Maßnahmen kein Anlaß bestehe. Wer ohne eigenes Recht durch seine Anregung den Anstoß zur Einleitung des Amtsverfahrens gegeben hat, hat kein Recht auf Bescheidung. Hatte dagegen ein Beschwerdeberechtigter die Maßnahme angeregt (vgl. § 1666 mit § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG), so ist ihm ein ablehnender Bescheid zu erteilen und auch die stattgebende Verfügung mit Rücksicht auf seine Befugnis, sich am Beschwerdeverfahren als Gegner zu beteiligen, bekanntzumachen. Im Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung der Maßnahme ist dem für den Fall ihrer Ablehnung Beschwerdeberechtigten, der im ersten Rechtszuge die Maßnahme angeregt hatte, rechtliches Gehör zu gewähren, auch wenn ihm nur das erweiterte Beschwerderecht aus § 57 zusteht, da er durch seine Teilnahme am Verfahren formell Beteiligter geworden ist (§ 6 Rdn. 5). Hält das Beschwerdegericht die vom AG angeordnete Maßnahme für ungerechtfertigt, so hat es nicht nur die Verfügung des AG aufzuheben, sondern auch auszusprechen, daß der Erlaß der Maßnahme abgelehnt werde (§ 25 Rdn. 12).
5
Wegen Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen kann auch ein zunächst eingeleitetes Amtsverfahren zu einem negativen Abschluß führen, z. B. wenn sich nachträglich ergibt, daß die örtliche oder internationale Zuständigkeit fehlt. Auch in diesem Fall entspricht es einem geordneten Verfahrensgang, die Beteiligten zu bescheiden llb ). Der Verwirkung kann die Befugnis des Gerichts, ein Verfahren von Amts wegen einzuleiten, keinesfalls unterliegen11«:).
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3. Fälle des Amtsverfahrens sind nicht nur solche, bei denen ein öffentliches Interesse an der amtswegigen Regelung der Angelegenheit ohne weiteres einleuchtet, wie bei der Fürsorgeerziehung (§ 65 Abs. 1 J W G ) , Maßnahmen nach § 1666 BGB, der Anordnung der Vormundschaft (§ 1774 BGB) oder Pflegschaft 12 ), oder der Entlassung des Vormundes (§ 1886), sondern auch Maßnahmen, deren Regelung ganz vornehmlich im Privatinteresse liegt und zu deren Regelung das Gericht ohne Ansuchen des zu begünstigenden Beteiligten schwerlich
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» ) K G O L G Z 1967, 347. " • ) Braunschweig M D R 1962, 132. l l h ) Bärmann § 19 I I 2 a gegen Baur § 22 B I I I 2.
llc
) B G H Z 47, 58 (Erbsdieinseinziehung). K G O L G Z 1967, 347.
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§§ 8—18 Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Anlaß haben wird, wie die Festsetzung der Vergütung des Vormundes 13 ), die Erteilung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen 14 ), die Regelung des Verkehrs der Eltern mit dem Kinde 15 ) (§ 1634, vgl. dagegen § 1672), die Befreiung von den Eheverboten der Schwägerschaft und der Geschlechtsgemeinschaft sowie des Ehebruchs (§ 44a Rdn. 10, § 44b Rdn. 6) und die Befreiung von Erfordernis der Ehemündigkeit (Anh. nach § 56 Rdn. 8); für die Volljährigkeitserklärung ist nur bestimmt, daß sie nicht ohne Antrag erfolgen soll (§ 56 Abs. 1). Die Bedeutung des Umstandes, daß das Gesetz in diesen Fällen einen förmlichen Antrag nicht erfordert, besteht vor allem darin, daß § 18 Abs. 1 Halbs. 2 und § 20 Abs. 2 nicht anwendbar sind; das Gericht darf eine ablehnende Verfügung mithin auch ohne Antrag ändern, und die Beschwerde dagegen steht nicht nur dem Antragsteller zu.
8
II. Dispositionsmaxime, Antragsverfahren 1. Grundsatz. Während der Gesetzgeber des FGG davon ausgeht, daß die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen die Regel bilde, hat die Entwicklung dazu geführt, daß die Zahl der Fälle, in denen das Verfahren nur auf Antrag eingeleitet wird, durchaus überwiegt. In diesen Fällen ist ein Antrag die notwendige Verfahrensvoraussetzung für ein Tätigwerden des Gerichts. Das Vorliegen des Antrags ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch vom Rechtsbeschwerdegericht, von Amts wegen zu prüfen; der Mangel kann allerdings auch im Rechtsbeschwerdeverfahren noch durch Nachholung des Antrags geheilt werden (§ 27 Rdn. 40). Wegen der Folgen des Fehlens des Antrags für die Wirksamkeit der Entscheidung vgl. § 7 Rdn. 22. Antragsverfahren sind die Verfahren nach §§ 86,99, 150, 153 FGG, §§ 113 Abs. 3, 1357 Abs. 2, 1365 Abs. 2, 1369 Abs. 2, 1382, 1383, 1426, 1452, 1487, 1507,1612 Abs.2,1631 Abs.2,1671,1685,1690,1707Abs.2,1723,1727,1747Abs.3,1754 (vgl.§ 65 Rdn.4), 1770,1770b Abs.2, 1859, 1889, 1895, 1915, 1961, 1981, 1994, 2005 Abs. 2, 2198 Abs. 2,2202 Abs. 2, 2216 Abs. 2, 2227, 2353, 2368 BGB, §§ 3 Abs. 3, 30 Abs. 3, 57 EheG, Art. 7 § 1 Abs. 3 FamRÄndG, §§ 146 Abs. 2, 147, 166 Abs. 3 HGB, §§ 85 Abs. 1, 98 Abs. 1, 104 Abs. 1, 132 Abs. 1, 142 Abs. 2, 147 Abs. 3, 163 Abs. 2, 169 Abs. 1, 258 Abs. 1 260 Abs. 1, 265 Abs. 3, 273 Abs. 4, 278 Abs. 3, 304 Abs. 3, 315, 320 Abs. 6, 350 Abs. 1, 375 Abs. 2 AktG, § 47 Abs.2 VersAufsG, §§ 45, 47 PStG, §§ 16, 33a, 39, 40 VerschG,Art.2 §§ 1, 2, 3, 8 VerschÄndG. Vor allem ist in den echten Streitverfahren, der Natur der Sache entsprechend, die Einleitung des Verfahrens durchweg von einem Antrag der Beteiligten abhängig, und zwar sowohl in den privatrechtlichen Streitverfahren (§ 1 HausratsVO, § 43 WEG, § 8 VHG, § 6 40. DVO/UmstG, § 21 Abs. 2 UmstErgG, § 14 Abs. 1 LwVG, §§ 37 Abs. 1, 38 Abs. 1 LVO) als auch in den öffentlichrechtlichen Streitsachen (§ 3 FrEntzG, § 23 EGGVG, § 111 BNotO, §§ 11, 16, 21, 28, 29, 35, 90, 191, 233 BRAO, Art. X I § 1 KostÄndG). Im Antragsverfahren ist die Eröffnung des Verfahrens der Disposition der Beteiligten anheimgestellt. Mitunter wird aber die Stellung des Antrags durch Ordnungsstrafen erzwungen, nämlich in Register- und Grundbuchsachen (§ 132 FGG, § 160 GenG, § 78 BGB, § 82 GBO mit § 33 FGG); dann handelt es sidi in Wahrheit um ein verkleidetes Amtsverfahren, welches jedodi in den Formen des Antragsverfahrens abläuft.
g
2. Form des Antrags. Für die Form des Antrags bestehen grundsätzlich keine Vorschriften. Der Antrag kann also, wenn nichts anderes bestimmt ist, durch Einreichung einer Antragsschrift, durdi Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts oder jedes Amtsgerichts (§ 11), aber auch mündlich oder telegrafisch gestellt werden. In Grundbuchsachen ist der Eintragungsantrag als solcher (§ 30 GBO), in Erbscheinssachen der Erbscheinsantrag formlos; formlos zulässige Anträge können auch formlos geändert werden (Ausnahme § 31 GBO). Schriftform oder Erklärung zum Protokoll einer Geschäftsstelle ist vorgeschrieben für Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG (vgl. § 26 EGGVG Rdn. 2) und nach Art. 7 § 1 Abs. 6 Satz 4 FamRÄndG mit § 21 Abs. 2 FGG (vgl. Art. 7 § 1 FamRÄndG Rdn. 48) sowie für die Anrufung des Landwirtschaftsgerichts gegen Bescheide der Genehmigungsbehörde (§ 22 Abs. 2 GrdstVerkG), während Anträge in Zulas13 ) KG NJW 1957, 1441. " ) BayObLGZ 1964, 240 zu II 3.
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) Staudinger-Schwoerer BGB 11 § 1634 Anm. 46; BayObLGZ 1966, 102, 106.
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sungssachen nadi der B R A O und bei der Anfechtung von Verwaltungsakten nach der BNotO allein schriftlich gestellt werden können (§ 37 B R A O , § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO mit § 37 BRAO). Wenn Schriftform vorgeschrieben ist, ist die Unterschrift des Antragstellers kein wesentliches Formerfordernis ( § 1 1 Rdn. 14). In Registersadien wird für Anmeldungen in der Regel eine besondere Form erfordert (für das Handelsregister § 12 H G B mit § 128 FGG, für das Genossenschaftsregister § 157 Abs. 1 GenG, §§ 6, 7, 8 GenRegVO, §§147 Abs. 1, 128 FGG, für das Vereinsregister § 77 BGB, §§ 159, 128 FGG, für das Güterrechtsregister § 1560 BGB, §§ 161 Abs. 1, 128 FGG). 3. Eine Antragsfrist kommt hauptsächlich in Betracht für rechtsbehelfsähnliche Anträge, mit denen ein Verwaltungsakt angefochten wird, sowie für auf Rechtsgestaltung gerichtete Anträge, wenn im Interesse der Rechtsgewißheit die Möglichkeit zu einer Änderung der Rechtslage zeitlich begrenzt sein soll. Eine Antragsfrist von einem Monat ist vorgesehen für die Anfechtung von Justizverwaltungsakten nach § 23 E G G V G (§ 26 E G G V G Rdn. 1), nicht aber für die Anfechtung von Bescheiden über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (Art. 7 § 1 FamRÄndG Rdn. 33) oder von Verwaltungsakten, die im Bereich der Justizverwaltung beim Vollzug der Kostengesetze ergehen (Art. X I § 1 KostÄndG). Anträge auf gerichtliche Entscheidung in Zulassungssachen nach der B R A O und zur Anfechtung von Verwaltungsakten nadi der BNotO sind innerhalb eines Monats zu stellen (§§ 11, 16, 21, 28, 29, 35 BRAO, § 111 Abs. 2 BNotO), während Bescheide der Genehmigungsbehörde binnen zwei Wochen beim Landwirtschaftsgericht anzufechten sind (§ 22 GrdstVerkG). Die Kostenberechnung des Notars kann nach Ablauf des Kalenderjahres, welches dem Jahr der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung der Kostenberechnung folgt, nicht mehr angefochten werden (§ 156 Abs. 3 KostO). Bei der Nadilaßverwaltung ist das Antragsrecht des Nachlaßgläubigers auf zwei Jahre seit der Annahme der Erbschaft befristet (§ 1981 Abs. 2 BGB). Antragsfristen sind vorgesehen in § 8 Abs. 3 LPachtG und im Aktienrecht in den §§ 132 Abs. 2 Satz 2, 163 Abs. 2 Satz 2 (2 Wochen), 258 Abs. 2 Satz 1, 260 Abs. 1 (1 Monat), 304 Abs. 4 Satz 2, 305 Abs. 5 Satz 4, 320 Abs. 7 Satz 2 AktG (2 Monate). Im Wohnungsauseinandersetzungsverfahren ist die Entscheidungsbefugnis des Gerichts gegenüber dem Vermieter und anderen Drittbeteiligten beschränkt, wenn der Antrag nicht innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft des Scheidungsurteils gestellt ist (§ 12 HausratsVO). Vorschriften, welche das Antragsrecht befristen, gestatten keine ausdehnende Anwendung 16 ). Ist der Antrag befristet, so ist die Frist, wie bei Rechtsmitteln ( § 2 1 Rdn. 2), nur gewahrt, wenn der Antrag in der gesetzlich etwa vorgeschriebenen Form innerhalb der Frist bei dem örtlich und sachlich zuständigen Gericht oder bei der als zuständig bestimmten Behörde (vgl. § 22 Abs. 2 GrdstVerkG) eingeht 17 ); insbesondere wahrt die Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle eines anderen als des zuständigen Gerichts nicht die Antragsfrist (§ 11 Rdn. 7); Ausnahme: § 26 Abs. 1 E G G V G (§ 26 E G G V G Rdn. 5, 7). Ober die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung von Antragsfristen vgl. § 22 Rdn. 30, 31. Soweit eine Wiederaufnahme des Verfahrens statthaft ist, gelten für den Antrag die Fristen des § 586 Abs. 1, 2 ZPO entsprechend (§ 18 Rdn. 40). Von den Antragsfristen zu unterscheiden sind Ausschlußfristen, wie sie z. B. für neue Feststellungsanträge nadi § 37 Abs. 4 L V O bestehen.
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4. Inhalt des Antrags. Über den Inhalt des Antrags enthält das Gesetz, anders als § 253 ZPO und § 82 V w G O für die Klageschrift, keine Vorschriften (Ausnahme: § 39 Abs. 2 B R A O , § 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 BNotO). Der Antrag muß jedenfalls ergeben, wer Antragsteller und sonstiger Beteiligter ist, und das erstrebte Rechtsschutzziel im allgemeinen erkennen lassen 18 ). Bestehen hinsichtlich der Tragweite des Antrags Unklarheiten, so hat das Gericht entsprechend dem Grundgedanken des § 139 ZPO, der im Hinblick auf den Amtsbetrieb (Rdn. 22) im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erst recht Geltung beanspruchen kann, auf eine Klarstellung und Ergänzung und die Stellung eines sachdienlichen Antrags hinzuwir-
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" ) K G O L G Z 1966, 90 gegen Celle D N o t Z 1961, 216 zu § 156 Abs. 3 KostO. " ) Keidel § 12 Rdn. 4 ; Barnstedt L w V G 2 S 14 Anm. 7.
"») Baur § 17 I I I 3 b; Keidel § 12 Anm. 7 ; Zimmermann Rpfleger 1967, 329 zu I I 1 b.
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§§ 8 - 1 8
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Freiwillige Gerichtsbarkeit
ken 1 9 ). D u r c h den A n t r a g (Verfabrensantrag) w i r d der V e r f a h r e n s g e g e n s t a n d bestimmt, über den eine Sachentscheidung des Gerichts erstrebt w i r d . D a g e g e n gibt es in d e r Regel keinen Sachantrag in dem Sinne, d a ß das Gericht n u r e n t w e d e r in der v o n d e m Antragsteller erstrebten Weise über den V e r f a h r e n s g e g e n s t a n d entscheiden oder, w e n n es diesen A n t r a g f ü r u n b e g r ü n d e t erachtet, den A n t r a g zurückweisen m ü ß t e . I m H o f e r b e n f e s t s t e l l u n g s v e r f a h r e n (§ 37 Abs. 1 Buchst, f L V O ) h a t das Gericht auf A n t r a g d a r ü b e r zu entscheiden, w e r H o f e r b e g e w o r d e n ist. D e r A n t r a g s t e l l e r braucht d a r ü b e r , w e n er f ü r d e n H o f e r b e n hält, keine A n g a b e n zu machen u n d keinen Sachantrag dieses I n h a l t s stellen. B e a n t r a g t er festzustellen, d a ß er selbst H o f e r b e g e w o r d e n sei, so ist das Gericht d a r a n nicht gebunden. E r g i b t sich, d a ß nicht der Antragsteller, sondern ein a n d e r e r H o f e r b e g e w o r d e n ist, so h a t das Gericht den A n t r a g nicht zurückzuweisen, sondern die richtige H o f e r b f o l g e festzustellen 2 0 ). Es d a r f aber nicht den V e r f a h r e n s g e g e n s t a n d auswechseln, z. B. nicht feststellen, d a ß die Besitzung kein H o f ist (§ 37 Abs. 1 Buchst, a L V O ) , w e n n n u r die Feststellung der P e r s o n des H o f e r b e n o d e r seiner W i r t s c h a f t s f ä h i g k e i t (§ 37 Abs. 1 Buchst, c L V O ) b e a n t r a g t ist. W e n n das Gericht einem A n t r a g auf Feststellung der H o f e i g e n s d i a f t (§ 37 Abs. 1 Buchstaben a L V O ) aus sachlichen G r ü n d e n nicht stattgeben will, d a r f es den A n t r a g nicht zurückweisen, s o n d e r n es m u ß feststellen, d a ß die Besitzung kein H o f ist 2 1 ). W i r d d e r A n t r a g auf Z u s t i m m u n g zu einer V e r f ü g u n g v o n Todes wegen (§ 7 H ö f e O , § 38 L V O ) f ü r u n b e g r ü n d e t b e f u n d e n , so ist nicht der A n t r a g zurückzuweisen, sondern die Z u s t i m m u n g zu versagen 2 2 ). Stellt ein Elternteil g e m ä ß § 1672 B G B den A n t r a g , die elterliche G e w a l t auf ihn zu ü b e r t r a g e n , so k a n n das V o r m G sie d e m a n d e r e n E l t e r n t e i l zuweisen, auch w e n n dieser einen solchen A n t r a g nicht gestellt h a t 2 3 ) ; es k a n n aber, w e n n d e r A n t r a g auf eines v o n mehreren K i n d e r n beschränkt ist, die Entscheidung nicht auf die a n d e r e n K i n d e r erstrecken, weil d a r i n eine Überschreitung des V e r f a h r e n s g e g e n s t a n d e s läge. I m V e r f a h r e n z u r U m s t e l l u n g v o n G r u n d p f a n d r e c h t e n nach § 6 40. D V O - U m s t G h a t das Gericht, w e n n es den A n t r a g auf Feststellung der U m s t e l l u n g im Verhältnis 1 : 1 f ü r u n b e g r ü n d e t erachtet, den A n t r a g nicht zurückzuweisen, sondern die U m s t e l l u n g im Verhältnis 10 : 1 festzustellen 2 4 ). D e r A n t r a g , die Rechtsverhältnisse a m H a u s r a t zu regeln (§ 1 H a u s r a t s V O ) stellt den gesamten H a u s r a t , soweit nicht schon eine E i n i g u n g vorliegt, z u r Entscheidung des Gerichts; d e r A n t r a g eines Beteiligten, ihm bestimmte G e g e n s t ä n d e zuzuweisen, h a t nicht die Bedeut u n g eines b i n d e n d e n Sachantrags, sondern n u r eines Vorschlags über die erstrebte A r t d e r Teilung, da a n d e r n f a l l s das Gericht seiner A u f g a b e , den H a u s r a t „gerecht u n d z w e c k m ä ß i g " zu verteilen, nicht genügen k a n n 2 5 ) ; eine Beschränkung des V e r f a h r e n s g e g e n s t a n d e s auf einen Teil des ungeteilten H a u s r a t s ist nicht s t a t t h a f t 2 8 ) . B e a n t r a g t ein E h e g a t t e , die Ehew o h n u n g ihm zuzuweisen, so ist das Gericht nicht in der Weise gebunden, d a ß es n u r die W a h l h a t , a n t r a g s g e m ä ß zu entscheiden o d e r d e n A n t r a g zurückzuweisen; vielmehr h a t es die Rechtsverhältnisse an d e r E h e w o h n u n g z u regeln (§§ 1, 2 H a u s r a t s V O ) u n d k a n n desh a l b entgegen diesem A n t r a g die E h e w o h n u n g auch d e m a n d e r e n E h e g a t t e n zuweisen 2 7 ). H a u s r a t u n d E h e w o h n u n g sind jedoch verschiedene V e r f a h r e n s g e g e n s t ä n d e . I m P a c h t b e a n s t a n d u n g s v e r f a h r e n h a t das Gericht, w e n n es die B e a n s t a n d u n g des V e r t r a g e s durch die L a n d w i r t s c h a f t s b e h ö r d e als b e g r ü n d e t erachtet, auf den gegen die B e a n s t a n d u n g gerichteten A n t r a g der Vertragsteile den P a c h t v e r t r a g a u f z u h e b e n (§ 5 Abs. 3 Satz 2 L P a c h t G ) . E i n V e r f a h r e n s a n t r a g ist auch d e r G e n e h m i g u n g s a n t r a g nach § 3 G r d s t V e r k G 2 7 " ) . i») K G J 50, 1; KG D J Z 25, 347; Celle RdL 1960, 131; BGH MDR 1953, 285; Baur § 17 III 3 b; Sdilegelberger § 12 Anm. 4 Abs. 3; Keidel § 12 Anm. 13; Zimmermann Rpfleger 1967, 329 zu II 1 a. 2 °) BGH RdL 1953, 191; FamRZ 1962, 18; Hamm RdL 1960, 21; Pritsdi LwVG S. 192; Wöhrmann, Landwirtschaftsrecht 2 S. 505. 21) Pritsdi aaO.; Wöhrmann aaO. S. 87. 22 ) Wöhrmann aaO. S. 223; Celle NdsRpfl. 1962, 77. 2S ) Schwoerer, FamRZ 1958, 433, 443; StaudingerSdiwoerer BGB 11 § 1672 Anm. 4; BayObLG FamRZ 1968, 659.
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) BayObLGZ 1952, 134; 1960, 361 zu IV 1; Hamm JMB1NRW 1954, 84. ) BGHZ 18, 143; Keidel J Z 1955, 707; H o f f mann-Stephan EheG 2 § 13 Anm. 1 A ; Baur § 17 IV I a; a.M. Zimmermann Rpfleger 1967, 329 zu II 2 b; kritisch Bärmann § 13 II 2 a, der dem Gericht aber jedenfalls Entscheigungsspielraum einräumt. 26 ) Hamm JMB1NRW 1961, 124; a.M. HabsAeid FamRZ 1963, 81. " ) Köln JMB1NRW 1961, 123; Hoffmann-Stephan HausratsVO 2 § 13 Anm. 1 A; a.M. Zimmermann Rpfleger 1967, 329 zu II 2 b. 27 *) BGHZ 49, 302 = DNotZ 1968, 561.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
Vorbem.
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Eine Zurückweisung des Verfahrensantrags k o m m t in V e r f a h r e n o h n e Sachantrag n u r in Betracht, w e n n das Gericht den A n t r a g aus verfahrensrechtlichen G r ü n d e n f ü r unzulässig erachtet u n d deshalb eine Sachentscheidung ablehnt, z. B. weil der Antragsteller nicht antragsberechtigt ist o d e r ein R e d i t s s d i u t z b e d ü r f n i s f e h l t . Diese Zurückweisung steht einer E r n e u e r u n g des A n t r a g s nicht entgegen, w e n n der M a n g e l behebbar ist u n d behoben w i r d . E i n Sachantrag ist zulässig u n d erforderlich in solchen echten Streitsachen, in denen die Vermögensinteressen der Beteiligten im V o r d e r g r u n d e stehen, z. B. in Vertragshilfesachen 2 8 ), im R ü c k e r s t a t t u n g s v e r f a h r e n , im V e r f a h r e n nach § 1383 BGB zur Regelung des Z u g e w i n n ausgleichs durch Ü b e r t r a g u n g v o n Vermögensgegenständen (§ 53a R d n . 6), nicht aber im S t u n d u n g s v e r f a h r e n nach § 1382 B G B (§ 53a R d n . 2), in Pachtschutzangelegenheiten (§§ 7, 8 L P a c h t G ) , in einigen echten Streitsachen im L a n d w i r t s c h a f t s v e r f a h r e n 2 9 ) o d e r w e n n das Landwirtschaftsgericht nach § 13 Abs. 1 L w V G auf A n t r a g an Stelle des Prozeßgerichts entscheidet. Soweit ein Sachantrag erforderlich ist, ist das Gericht an den Antrag in der Weise gebunden, d a ß es ihm n u r (ganz o d e r teilweise oder eingeschränkt) stattgeben oder ihn zurückweisen, nicht aber d e m Antragsteller m e h r oder e t w a s anderes zusprechen d a r f , als er b e a n t r a g t hat 3 0 ). Eine V e r b i n d u n g v o n H a u p t - u n d H i l f s a n t r ä g e n ist zulässig. D e r Antragsteller k a n n seinen Sachantrag im L a u f e des V e r f a h r e n s ä n d e r n , nämlich einschränken o d e r e r w e i t e r n , o h n e durch ein V e r b o t der Klageänderung (§ 264 Z P O ) d a r a n gehindert zu sein 3 1 ). I n öffentlich-rechtlichen S t r e i t v e r f a h r e n ist ein Sachantrag erforderlich, über den das Gericht entsprechend § 88 V w G O nicht hinausgehen d a r f , ohne jedoch an die Fassung des A n t r a g s g e b u n d e n zu sein 3 2 ). Eine B i n d u n g an Sachanträge besteht auch im Berichtig u n g s v e r f a h r e n nach § 4 7 P S t G ( § 6 9 R d n . 21) u n d im V e r f a h r e n z u r N a c h p r ü f u n g von N o t a r kosten nach § 156 K o s t O 3 3 ) , nicht aber im R e c h t s m i t t e l v e r f a h r e n nach § 14 K o s t O 3 4 ) . Anderer A r t ist die B i n d u n g an den Sachantrag im Erbscheinsverfahren insofern, als das N a c h l G einen v o m S a c h a n t r a g inhaltlich abweichenden Erbschein nicht erteilen d a r f , also auch keinen Erbschein, d e r ein geringeres o d e r eingeschränkteres Erbrecht als b e a n t r a g t bezeugt (§ 84 R d n . 2). i . Antragsberechtigung. D i e Antragsberechtigung ist überwiegend im Gesetz ausdrücklich geregelt ( z . B . § § 8 6 A b s . 2 , 150, 151 F G G , § § 1 1 3 Abs.3, 1612 Abs.2, 1631 A b s . 2 , 1685 A b s . l , 1690, 1707 Abs. 2, 1727, 1747 Abs. 3, 2353, 2368 BGB, §§ 3 A b s . 3 , 30 A b s . 3 , 57 E h e G , § 792 Z P O , § 104 Abs. 1 A k t G , § 24 Abs. 1 E G G V G , § 16 VerschG, § 8 L P a c h t G ) . S o f e r n das nicht der Fall ist, ist antragsberechtigt jeder materiell Beteiligte, also wer durch die zu regelnde Angelegenheit u n m i t t e l b a r in seinen Rechten u n d Pflichten b e t r o f f e n w i r d (§ 6 R d n . 5) 35 ). Soweit das Gesetz ein Antragsrecht den „Beteiligten" e i n r ä u m t (vgl. §§ 29, 2198 Abs. 2, 2202 Abs. 3, 2216 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 85 A k t G ) , ist d a r u n t e r jeder zu verstehen, der ein rechtliches Interesse an d e r Angelegenheit h a t , also nicht n u r der u n m i t t e l b a r materiell Beteiligte 3 6 ). Bei einer M e h r h e i t v o n Antragsberechtigten k a n n jeder v o n ihnen sein A n tragsredit grundsätzlich selbständig ausüben, z. B. im T o d e s e r k l ä r u n g s v e r f a h r e n 3 7 ) . M i t u n t e r ist a b e r das A n t r a g s r e d i t einer M e h r h e i t v o n Personen in der Weise verliehen, d a ß sie es n u r gemeinsam ausüben k ö n n e n , z. B. einem Bruchteil o d e r einer M i n d e s t z a h l von A r b e i t n e h m e r n (§ 104 Abs. 1 S a t z 3 N r . 4 A k t G ) o d e r einer M i n d e r h e i t v o n A k t i o n ä r e n (§§ 122 Abs. 3, 142 A b s . 2 , 147 Abs. 3, 163 A b s . 2 , 258 A b s . 2 , 265 A b s . 3 A k t G ) oder Vereinst9
) Saage V H G S 15 Anm. II 1 d ; Baur $ 17 IV 1 a. «») PritsA LwVG § 14 B VI; Barnstedt LwVG« S 14 Anm. 9, 25. ">) Pritsdb LwVG § 14 Anm. B VI c; Baur § 17 IV 1 a; Bärmann § 13 II 2 a, b; Keidel § 12 Anm. 9. 81 ) Baur § 17 IV 2 a; Bärmann § 13 II 4 a; Barnstedt LwVG 2 § 9 Anm. 23 g; a.M. LentHabscheid 4 § 19 I 1 d. S! ) Zimmermann, Rpfleger 1962, 42 zu IV 3 b bb; ders., Rpfleger 1967, 329 zu II 2 b. ss ) KG JFGErg. 19, 31; 23, 73, 83; BayObLGZ
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)
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) )
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1960, 126; Hamm Rpfleger 1964, 88; Frankfurt DNotZ 1965, 318; Schmidt Büro 1962, 537 zu I I ; Rohs-Wedewer KostO § 156 II A b, V b i; Korintenberg-Wenz-Adtermann KostO« § 156 Anm. V 1 b. Frankfurt Rpfleger 1963, 355; Jonas-Melsheimer RKostO 4 § 13 Anm. II 5 a; a.M. Korintenberg-Wenz-Ackermann KostO 6 § 14 Anm. 4. Baur § 17 III 2; Keidel § 12 Anm. 7 a. Vgl. § 20 Rdn. 16, § 145 Rdn. 21, § 160 Rdn. 11; a.M. Baur § 17 III 2. Hamm JMB1NRW 1962, 128.
§ § 8—18 V o r b e m .
Freiwillige Gerichtsbarkeit
mitgliedern (§ 37 BGB) oder nur allen Erben gemeinschaftlich (§ 2062 BGB); ein Pachtschutzantrag kann, wenn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Pächter ist, nur namens sämtlicher Gesellschafter gestellt werden 38 ). Anmeldungen zum Handelsregister sind bei der O H G und KG grundsätzlich von sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken, sonst von der Gesamtheit der Mitglieder bestimmter Organe (§ 128 Rdn. 6 bis 10). Fehlt es an der erforderlichen Zahl von Antragstellern, so ist der Antrag mangels Antragsberechtigung als unzulässig zurückzuweisen, ebenso als wenn sonst ein nicht Antragsberechtigter einen Antrag gestellt hat. Grundsätzlich leitet jeder Antrag eine besondere Angelegenheit ein 39 ). Solange ein Antragsberechtigter von seinem Antragsredit noch keinen Gebrauch gemacht hat, ist er an dem auf Antrag eines anderen Antragsberechtigten eingeleiteten Verfahren (in der Regel) zwar materiell, aber nicht formell beteiligt. Der Antragsteller ist formell Beteiligter und muß beschieden werden, audi wenn er kein Antragsredit hat. "15
Verzicht, Verwirkung. Ein Verzicht auf das Antragsredit kann in engen Grenzen für zulässig eraditet werden, wenn das Antragsredit bereits entstanden ist und sich auf einen vermögensrechtlichen Gegenstand bezieht, der der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt; anders, wenn der Verzicht auf die Anrufung des Gerichts einen Gegenstand betrifft, der der Verfügung der Beteiligten entzogen ist, oder die Umstände den Verzicht als sittenwidrig erscheinen lassen40). Der Verzicht kann gegenüber dem Gegner einseitig erklärt oder mit ihm vereinbart werden; bringt der Gegner den Verzicht vor, so ist der gleichwohl gestellte Antrag unzulässig. Eine Verwirkung der verfahrensrechtlichen Befugnis zur Anrufung des Gerichts gibt es nicht 41 ); nur ein sachlich-rechtlidier Anspruch kann verwirkt werden.
"(6
7. Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Es kann fehlen, wenn ein billigerer und einfacherer Weg zur Erlangung des verfahrensrechtlichen Ziels oder kein Interesse an ihm besteht. Daß auch im Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Antrag nach der besonderen Lage des Falles wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig sein kann, läßt sich nicht rechtsgrundsätzlich ausschließen42). Jedoch ist von dieser Reditseinrichtung wegen ihrer begrifflichen Unschärfe und der Rechtsunsicherheit, die sie in die Rechtspflege zu bringen geeignet ist, nur mit Zurückhaltung und nur bei ganz eindeutiger Sachlage Gebrauch zu machen43). In erster Linie ist zu prüfen, ob nicht eine anderweit eindeutig geregelte Verfahrensvoraussetzung fehlt oder ein herkömmliches Verfahrenshindernis gegeben ist, z. B. Rechtshängigkeit (§ 31 Rdn. 14), verfahrensrechtliche Überholung (§ 19 Rdn. 35), Gegenstandslosigkeit wegen Fortfalls des Verfahrensgegenstandes (§ 19 Rdn. 36)44). Die offensichtliche Erfolglosigkeit eines Antrags wegen offen zutage liegender Unbegründetheit kann nicht seine Unzulässigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses begründen; das wäre eine unzulässige Vorverlegung der Sachprüfung in die Zulässigkeitsprüfung. Ein Verfahren zur Aufhebung der Ausschließung der Schlüsselgewalt ist nach rechtskräftiger Ehescheidung nidit wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses45), sondern wegen Fehlens eines Gegenstandes unzulässig. Liegt eine Einigung der früheren Eheleute über Wohnung und Hausrat vor, so ist der Antrag 38) B G H N J W 1963, 1107. 39 ) Unger Z Z P 34, 315; Schlegelberger § 12 Anm. 5. 4 °) Vgl. Faßbender, D N o t Z 1965, 467 (z. GrdstVerkG); Keidel § 12 Rdn. 5 a. 41 ) KG O L G Z 1966, 90; Baumgärtel, Die Unverwirkbarkeit der Klagebefugnis, Z Z P 75, 385; Bötticher AP § 242 BGB Prozeß verwirkung N r . 1 Anm.: Staudinger-Weber BGB 11 § 242 Anm. D 746; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 Einl. III 6 a; a.M. BArbG N J W 1962, 463; Schlegelberger § 12 Anm. 4. Zur Verwirkung des Beschwerderechts vgl. § 21 Rdn. 20. 42 ) KG JFG 16, 199; München D N o t Z 1954, 3 1 4 mit Anm. v. Baur; BayObLGZ 1958, 13; Düsseldorf JMB1NRW 1960, 103; H a m m JMB1-
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N R W 1963, 203; Bärmann § 13 I 2; Baur § 17 I I I 2; Habscheid, Streitgegenstand S. 224; Lent-Habscheid 4 % 7 I I I 1, § 28 III 3; Keidel § 12 Anm. 16; Pritsch LwVG § 14 Anm. B III b; K G WM 1968, 1210. 4S ) So jetzt mit Recht Pohle, Zur Lehre vom Rechtssdiutzbedürfnis, Festsdir. f. Lent 1957, 195 ff.; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 ' I I I 4 vor § 253; Blomeyer ZPR § 30 X, gegen die Verallgemeinerungen bei Sdiönke, Das Reditssdiutzbedürfnis, 1950, der darin eine „allgemeine Rechtsschutzgewährungsvoraussetzung" sieht. 44 ) Vgl. Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 I I I 4 c vor § 253. 45 ) So K G J F G 16, 199.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
Vorbem. §§
8—18
nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses46), sondern wegen der negativen Verfahrensvoraussetzung des § 1 HausratsVO unzulässig. Im Erbscheinsverfahren steht dem NachlG eine Prüfung, ob der Erbe darauf angewiesen ist, sich durch Erbschein auszuweisen, und demnach ein Rechtsschutzbedürfnis hat, nicht zu 47 ). Einem Antrag, die Bestimmung des Vaters über die Art der Unterhaltsgewährung nach § 1612 Abs. 2 BGB aufzuheben, kann das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn die Bestimmung ohnehin unwirksam ist; gleichwohl kann es gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, daß andere Personen oder Stellen (Prozeßgericht) sie für wirksam halten 48 ). Die Verweigerung des Rechtsschutzes wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses kann nur gerechtfertigt werden, wenn das Betreiben des Verfahrens eindeutig zweckwidrig ist und sich als Mißbrauch der Rechtspflege darstellt 49 ), wofür Mutwilligkeit, Geringfügigkeit oder prozeßfremde Zwecke allein keineswegs ausreichen müssen50). Für die Einlegung von Rechtsmitteln begründet schon das Erfordernis einer Beschwer ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis (§ 25 Rdn. 4). Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses für den Antrag ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, auch vom Rechtsbeschwerdegericht, und führt zur Abweisung des Antrags als unzulässig. 8. Feststellungsinteresse. Für Feststellungsanträge erfordert das Gesetz ein besonderes Feststellungsinteresse als gesetzlich geregelte Ausprägung des Rechtsschutzinteresses, nämlich ein rechtliches Interesse des Antragstellers an der alsbaldigen Feststellung, so § 37 Abs. 1 LVO. Soweit in echten Streitsachen Feststellungsanträge zulässig sind, ist ein Feststellungsinteresse entsprechend § 256 ZPO zu erfordern, so im Verfahren nach § 43 Abs. 1 WEG 5 1 ), im Hausratsverfahren 52 ) oder im Landwirtschaftsverfahren 53 ). 9. Zurücknahme
des
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Antrags
a) Die Zurücknahme des Antrags durch den Antragsteller ist als Ausfluß der Dispositionsmaxime in allen Antragsverfahren zulässig 54 ). Sie beendet das Verfahren ohne Entscheidung über den Verfahrensgegenstand; weder über die Zulässigkeit des Antrags noch über seine Begründetheit kann noch entschieden werden. Eine Entscheidung über die Kosten bleibt zulässig (§ 13a Rdn. 18, § 20a Rdn. 14). Bei Teilbarkeit des Verfahrensgegenstandes ist eine teilweise Antragsrücknahme statthaft 55 ). Der Umstand, daß bereits eine Sachentscheidung über den Antrag ergangen ist, steht seiner Rücknahme nicht entgegen. Der Antrag kann daher nicht nur im ersten Rechtszuge, sondern bis zur formellen Rechtskraft der Entscheidung auch im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren zurückgenommen werden; in diesem Fall muß das Beschwerdegericht den angefochtenen Beschluß aufheben und das Verfahren für erledigt erklären 58 ). Die Zurücknahme des Antrags in der Rechtsmittelinstanz setzt jedoch die Zulässigkeit des Rechtsmittels voraus; der Wille, den Verfahrensantrag zurückzunehmen, macht ein unzulässiges Rechtsmittel nicht zulässig, begründet auch kein Beschwerderecht57). Der Antragsteller bedarf aber keines Rechtsmittels, wenn er in der Zeit zwischen den Rechtszügen, also nach dem Erlaß der Entscheidung und dem Ablauf der Rechtsmittelfrist den Antrag zurücknimmt, sofern es sich um eine Entscheidung han) So B a y O b L G Z 1953, 106 u. 330. " ) BayObLGZ 3, 667; BayObLG J F G 3, 144, 146; K G J R 1963, 144; Staudinger-Firsching B G B 1 1 § 2353 Rdn. 20. « ) B a y O b L G Z 1958, 13, 15. « ) Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 I I I 4 vor § 253; Blomeyer Z P R § 30 X 2 ; z. B. Genehmigung eines offenbar nichtigen Vertrages, vgl. Herminghausen D N o t Z 1963, 465. 5 °) Pohle aaO. S. 219 ff. 5 1 ) BayObLGZ 1965, 283 = Rpfleger 1965, 334 mit Anm. v. Diester. 5 2 ) Bremen FamRZ 1963, 366; Keidel § 12 Anm. 16, 17. NJW 53) B G H Z 3, 391 = R d L 1952, 49 = 1952, 379; B G H Z 18, 63 = M D R 1956, 283 mit Anm. v. Rötelmann; B G H R d L 1961, 13; Hamm J M B 1 N R W 1951, 14; Hamm R d L 48
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1963, 101 mit Anm. v. Schulte; Schleswig R d L i960, 128; Wöhrmann Landwirtschaftsrecht 2 S. 505; Barnstedt L w V G 2 § 9 Anm. 23 d; Lent-Habsdieid § 7 I I I 1; Bärmann $ 1 3 1 2 . B G H N J W 1959, 1323; Pritsch L w V G § 14 Anm. B V ; Keidel § 12 Anm. 5 ; Bärmann § 18 I 1; Baur § 22 I I ; Lent-Habscheid 4 § 22 I I 1. München WM 1952, 596; Bärmann § 18 I 1. Schleswig R d L 1958, 82; Stuttgart RdL 1958, 77; B G H N J W 1959, 1323 = M D R 1959, 479 = RdL 1959, 159; B G H Z 41, 114 = RdL 1964, 122; Barnstedt L w V G 2 § 14 Anm. 5 ; Pritsch § 14 Anm. B V ; Wöhrmann-Herminghausen L w V G § 1 Anm. 54, § 14 Anm. 19. B G H N J W 1959, 1323; Pritsch L w V G § 14 Anm. B V .
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§ § 8 - 1 8 Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
delt, die erst mit der Rechtskraft wirksam wird 58 ). Die Entscheidung wird damit hinfällig (§ 271 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 Z P O entsprechend) und kann, da die Rechtsmittelfrist nach Rücknahme des Antrags wegen Beendigung des Verfahrens nicht mehr ablaufen kann, nicht mehr wirksam werden 6 '). Wird die Entscheidung aber bereits mit der Bekanntmachung wirksam (§ 16 Abs. 1), so kann die Zurücknahme des Antrags nach Erlaß der Verfügung nicht von selbst deren Unwirksamwerden herbeiführen; das wäre vor allem in den Fällen der unbefristeten Beschwerde unerträglich. In diesem Fall muß der Antragsteller, sofern er beschwerdeberechtigt ist (vgl. dazu § 20 Rdn. 20), Beschwerde zwecks Zurücknahme des Antrags einlegen60) und die Verfügung vom Beschwerdegericht oder vom Amtsgericht im Wege der Abhilfe aufgehoben werden. Wirkungslos ist die Rücknahme des Antrags, wenn die erlassene Verfügung unanfechtbar ist und nicht mehr geändert werden kann, z. B. in den Fällen der §§ 55, 62"), 76 62 ), 84, 56a Abs. 1 Satz 2, 67 Abs. 3 FGG. 19
b) Zur Rücknahme berechtigt ist der Antragsteller, ggf. sein Rechtsnachfolger. Die Rücknahme läßt das Antragsrecht anderer Antragsberechtigter und das auf deren Antrag eingeleitete Verfahren unberührt. Sind nur mehrere gemeinsam antragsberechtigt (oben Rdn. 14), so hat die Rücknahme des Antrags durch einen von ihnen das Unzulässigwerden des Antrags zur Folge, da den restlichen Antragstellern allein die Antragsbefugnis, die hier der Sachlegitimation gleichkommt, nicht zusteht 63 ). Für Anmeldungen zum Handelsregister vgl. § 128 Rdn. 3. c
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) Die Rücknahme wird durch einseitige unbedingte Erklärung gegenüber dem Gericht erklärt und bedarf keiner Form (Ausnahme § 31 GBO). Die Einwilligung des Gegners etwa entsprechend § 271 Abs. 1 Z P O ist auch in echten Streitsachen nicht erforderlich 64 ). In öffentlichrechtlichen Streitsachen ist § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht entsprechend anwendbar 85 ). Die Rücknahmeerklärung ist als Verfahrenshandlung unwiderruflich und nicht wegen Willensmangels anfechtbar 86 ). Entsteht Streit über die Zulässigkeit oder Wirksamkeit der Zurücknahme, so entscheidet darüber das Gericht unter Fortsetzung des Verfahrens 67 ). Der zurückgenommene Antrag kann erneut gestellt werden, sofern nicht eine etwaige Antragsfrist inzwischen verstrichen ist.
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III- Amtsermittlungsgrundsatz (Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime) Nach § 12 FGG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Abweichend vom Zivilprozeß, in welchem mit Ausnahme der Ehe- und Familienstandssachen auf Grund der Verhandlungsmaxime die Beibringung des Tatsachenstoffs, der Entscheidungsgrundlage werden soll, und die Beschaffung der Beweise dafür grundsätzlich der Disposition der Parteien unterstellt ist, aber in Ubereinstimmung mit dem Verfahren vor den allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichten (§ 86 Abs. 1 VwGO, § 103 SozGG, § 76 Abs. 1 FinGO), gilt mithin der Amtsermittlungsgrundsatz, nach welchem das Gericht von Amts wegen, ohne an das Vorbringen der Beteiligten und deren Beweisangebote gebunden zu sein, den seiner Sachentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachenstoff beizu58
) Vgl. für den Zivilprozeß Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 § 271 Anm. IV 1; Blomeyer ZPR § 63 II 2. 59 ) Mit Beschränkung auf edite Streitsachen ebenso Baur § 21 II 2 c; mit Vorbehalten Keidel § 12 Anm. 5. 6 ») Hamm RdL 1961, 205; Bärmann § 18 I 1 a; Keidel Anm. 5. « ) Schlegelberger § 12 Anm. 5. 62 ) KG JFG 22, 65. 63 ) KG JW 1932, 1389 = H R R 1932 N r . 956 zu § 2062 BGB; Baur S 21 II 2 a; Bärmann § 18 I 1; Keidel § 12 Anm. 5; vgl. zur notwendigen Streitgenossenschaft, die hier vorliegt, Stein-Jonas-Pohle Z P O " S 62 V 5;
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a. M. Josef FGG 2 § 11 Anm. 1 b; Sdilegelberger § 12 Anm. 5. Hamm RdL 1961, 205; Keidel § 12 Anm. 5; Barnstedt LwVG 8 § 14 Anm. 5; Pikart-Henn S. 76; Bärmann § 18 I 1 b ; a. M. Lent-Habsdieid § 19 I 1 d; Lindacher Rpfleger 1965, 41. Zimmermann Rpfleger 1967, 329 zu IV 7 b; a. M. Lent-Habsdieid u. Lindacher aaO. Schlegelberger § 12 Anm. 5; Keidel S 12 Anm. 5; Pritsdi LwVG § 14 B V; Baur S 21 II 2 b ; vgl. Stein-Jonas-Pohle Z P O « § 271 Anm. III 1. B G H Z 4, 328, 341; Celle NdsRpfl. 1955,213.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
V o r b e m . § § 8—18
bringen, den Sachverhalt festzustellen und die erforderlichen Beweise in eigener Initiative zu erheben hat. Vgl. dazu näher die Bern, zu § 12.
IV. Amtsbetrieb
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Der Grundsatz des Amtsbetriebes (Gegensatz Parteibetrieb) bezieht sich nicht auf Beginn und Beendigung des Verfahrens, sondern auf das formale Inganghalten des (von Amts wegen oder auf Antrag) eingeleiteten Verfahrens 68 ). Während der im zivilprozessualen Anwaltsprozeß früher vorherrschende Parteibetrieb inzwischen bis auf wenige Ausnahmen durch den Amtsbetrieb verdrängt worden ist, gilt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchweg der Grundsatz des Amtsbetriebes. Über Termine und Fristen, die nicht schon gesetzlich bemessen sind, bestimmt ausschließlich das Gericht. Ladungen und Zustellungen werden von Amts wegen veranlaßt. Handlungen des Prozeßbetriebes, die ein Beteiligter an Stelle des Gerichts vornimmt, sind unwirksam 69 ); die Zustellung einer Entscheidung entgegen § 16 Abs. 2 im Parteibetriebe wäre mithin nicht geeignet, die Beschwerdefrist in Lauf zu setzen. Hinsichtlich der Prozeß- und Sachleitung besteht gegenüber dem Zivilprozeß kein Unterschied darin, daß sie allein dem Gericht obliegt 70 ).
V. Amtsprüfung (Instruktionsmaxime)
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Zivilprozeß einerseits und Antragsverfahren sowie Besdiwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit andererseits stimmen darin überein, daß die Eröffnung des Verfahrens oder des Rechtsmittelzuges der Initiative der Beteiligten überlassen ist; insoweit gilt mithin in beiden Verfahrensarten die Dispositionsmaxime 71 ). Die Zulässigkeit des ganzen Verfahrens oder eines Rechtsmittels oder einer einzelnen Verfahrenshandlung muß aber im Interesse der Einhaltung der prozessualen Ordnung notwendig in jeder Verfahrensart der Herrschaft der Parteien entzogen sein. Im Zivilprozeß hat der Grundsatz der Prüfung von Amts wegen78 j für Voraussetzungen dieser Art mehrfach seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden; so ist der Mangel der Prozeß- und Parteifähigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 56 ZPO), ebenso der Mangel der gesetzlichen (§ 56 ZPO) und der gewillkürten Vertretung (§§ 88 Abs. 2, 613 Abs. 2 ZPO). Die Zulässigkeit des Einspruchs (§ 341 ZPO), von Rechtsmitteln (§§ 519b, 554a, 574 ZPO) und des Wiederaufnahmeverfahrens (§ 589 ZPO) ist von Amts wegen zu prüfen. Auf Bedenken, die in Ansehung der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen, hat der Vorsitzende hinzuweisen (§ 139 Abs. 2 ZPO). Derartige Vorschriften fehlen im FGG. Es handelt sich aber um einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der unabhängig davon gilt, ob das Verfahren im übrigen von der Verhandlungsmaxime oder vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht wird. Demgemäß wird auch in der Denkschrift zum FGG (S. 40) das Fehlen von Vorschriften über die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, wie die Z P O sie enthält, nidit mit der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes, sondern damit gerechtfertigt, daß sich dies von selbst verstehe. Die Geltung des Grundsatzes wird also, ebenso wie die Geltung der Offizialmaxime (oben Rdn. 4) stillschweigend vorausgesetzt. Die Frage, ob für die Einführung und den Nachweis von Tatsachen, von deren Vorliegen die Zulässigkeit des Antrags oder des Rechtsmittels abhängt, der Beibringungsgrundsatz oder der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, beantwortet sich deshalb nicht ohne weiteres nach § 12 FGG; dafür sind andere Gesichtspunkte maßgebend. Im Zivilprozeß bedeutet der Grundsatz der Amtsprüfung, daß die von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte der Parteidisposition entzogen sind, die Parteien also eine Uberzeugung des Gerichts hierüber weder durch übereinstimmende Erklärungen noch durch Nichtbestreiten, Geständnis oder Säumnis erzwingen können; er bedeutet aber nicht, daß die Parteiinitiative für die Einführung des Tatsachenstoffs und die Herbeiführung der Uberzeugung des Gerichts von dem Vorliegen oder NichtVorliegen der von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstände aus• 8 ) Göppinger, Die Justiz 1967, 124 zu 1 a E.; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » IV 2 vor § 128; a. M. Sdilegelberger § 12 Anm. 1. ••) Blomeyer ZPR § 24 IV.
Vgl. 71 72
S
Stein-Jonas-SAönk e ZPO 1 " IV 2 vor
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) Rosenberg ZPR» § 63 IT; Baur § 16 II 2. ) Vgl. Rimmelspadier, Zur Prüfung von Amts wegen im Zivilprozeß, 1966.
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Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
geschlossen und durch den Untersuchungsgrundsatz ersetzt ist 73 ). Hierfür macht es keinen Unterschied, ob das Verfahren im übrigen von der Verhandlungsmaxime oder, wie in Eheund Kindschaftssachen, vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird. Für den Zivilprozeß ergibt sich insoweit die Geltung des Beibringungsgrundsatzes aus der Erwägung, daß keine Veranlassung besteht, bei Tatsachen, welche die Zulässigkeit eines Verfahrens oder einer Prozeßhandlung stützen können, der interessierten Partei die Verantwortung abzunehmen und sie dem Gericht zu übertragen 74 ). Auf ähnlichen Gründen beruht die Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes für ehefeindliche Tatsachen in § 622 Abs. 2 ZPO, nämlich auf der Erwägung, daß die Parteien die Möglichkeit haben, über ehefeindliche Tatsachen zu verfügen, da das Recht auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe verzichtbar ist; diese Dispositionsfreiheit über ehefeindliche Tatsachen führt im Ergebnis zur Geltung des Instruktionsgrundsatzes, nach welchem den Parteien die Behauptung solcher Tatsachen, dem Gericht ihre Feststellung zusteht 74 "). Derselbe Gesichtspunkt muß im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, da diese Frage in § 12 nicht geregelt ist, im Anwendungsbereich der Dispositionsmaxime dazu führen, daß das Gericht befugt ist, dem Beteiligten die Anführung der Tatsachen und die Benennung der Beweismittel dafür aufzugeben, von denen die Zulässigkeit seines Antrags oder Rechtsmittels abhängt 75 ), da es auch in diesem Verfahren nicht Pflicht des Gerichts sein kann, derartige Mängel eines zur Disposition der Beteiligten stehenden Aktes durch Ermittlungen und Beweiserhebungen von Amts wegen zu beheben. Die Vorschriften der §§ 13 Satz 3, 22 Abs. 2 Satz 1, 87, 154 FGG, § 1994 Abs. 2 BGB sind nur Anwendungsfälle dieses Grundsatzes 76 ). Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 F G G bezieht sich daher grundsätzlich nur auf die Beschaffung des der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachenstoffs. Es ist daher z. B. Sache des Antragstellers, die Tatsachen anzuführen und unter Beweis zu stellen, aus denen sich seine Antragsberechtigung ergibt. Auch soweit die örtliche Zuständigkeit von Tatsachen abhängt, z. B. dem Wohnsitz, steht dem Gericht dieselbe Befugnis zu. Wegen der Amtsprüfung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln vgl. § 25 Rdn. 5, wegen des Nachweises der Beschwerdesumme Vorbem. vor § 19 Rdn. 21, wegen des Vollmachtsnachweises vgl. § 13 Rdn. 38. Andererseits ist es dem Gericht, wie im Zivilprozeß 77 ), gestattet, Tatsachen, welche die Unzulässigkeit des Verfahrens begründen könnten, von Amts wegen in das Verfahren einzuführen und insoweit die Beweisinitiative zu ergreifen. Nur ist es den Beteiligten gegenüber nicht dazu verpflichtet, zur Stützung ihres Antrags oder Rechtsmittels den Sachverhalt, soweit Verfahrens- oder Rechtsmittelvoraussetzungen in Frage stehen, von Amts wegen aufzuklären und Beweise zu erheben. Im Amtsverfahren hat das Gericht, wie keiner Hervorhebung bedarf, die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Einleitung des Verfahrens von Amts wegen festzustellen und die dazu erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten, ohne an das Vorbringen der Beteiligten gebunden zu sein oder ihnen Auflagen machen zu dürfen. Das folgt auch hier nicht aus dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 12, sondern aus der Offizialmaxime. BArbGE 6, 76 = N J W 1958, 1699; R G Z 160, 338, 346; Rosenberg Z P R 9 § 63 I V ; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 Gr. 3 H vor § 128; Blomeyer Z P R § 14 I V ; Stein-Jonas-Pohle Z P O " V I I 3 vor § 128; Wieczorek Z P O § 274 Anm. C I I ; Lent-Jauernig Z P R 1 1 § 25 I X ; Nikisch Lb. 2 S 50 I V 2 ; Lüke J u S 1961, 44. Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 V I I 3 b vor § 128. 7 4 a ) Blomeyer Z P R § 14 I I I . 7 5 ) So bereits Unger ZZP 39, 96; aus der Rechtsprechung grundlegend K G N J W 1961, 1028 = Rpfleger 1961, 159; K G O L G Z 1967, 97, 99; vgl. auch K G FamRZ 1960, 241 = Rpfleger 1960, 162. Diese Auffassung war im älteren Schrifttum vorherrschend (Weissler, F G G , § 12 Anm. 2 ; Wellstein, F G G , 2. Aufl., § 12 Anm. 2 a Abs. 4 ; Rausnitz, F G G , § 12
A b , § 13 B ; Ebert-Dudek-Lindemann, F G G , 2. Aufl., § 12 Anm. I i « T ; Unger, Z Z P , Bd. 37 S. 455/456 mit Fußn. 162, Bd. 38 S. 510 zu Fußn. 30, Bd. 39 S. 43, 80 und 96; Josef, ZZP, Bd. 42 S. 23; a. M. Sdilegelberger, F G G , 7. Aufl., § 12 Randn. 4. § 25 Randn. 2 ; Keidel § 12 Anm. 20; B a y O b L G Z 1959, 472 = Rpfleger 1960, 162). Mit Recht betont Blomeyer, Z P R § 14 1 4 , daß die ausnahmslose Durchführung des Untersudiungsgrundsatzes die Initiative des Gerichts überfordere. 7 «) Ebert-Dudek-Lindemann F G G 2 § 12 Anm. 1 a a) ßß). v. Weber ZZP 57, 91; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » V I I 3 b, d vor § 128; a. M. Rimmelspacher aaO. (Fn 72) S. 151.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
V o r b e m . § § 8—18
Die Form der Ermittlungen und Beweiserhebungen über Verfahrensvoraussetzungen vollzieht sich nach den Grundsätzen des an Förmlichkeiten des Beweisverfahrens nicht gebundenen Freibeweises. Das Gericht kann sich also auf beliebigem Wege und mit beliebigen Mitteln von dem Vorhandensein der Verfahrensvoraussetzungen überzeugen 78 ). Insbesondere gelten nicht die Grundsätze der Unmittelbarkeit und der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme.
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VI. Mündlichkeit oder Schriftlichkeit des Verfahrens
27
Weder der Mündlichkeitsgrundsatz noch das Schriftlichkeitsprinzip ist als allgemeiner Verfahrensgrundsatz vorgeschrieben 79 ). In einzelnen Vorschriften oder für besondere Verfahrensarten ist zwar eine mündliche Erörterung oder Verhandlung mit den Beteiligten vorgesehen. Im handelsregistergerichtlichen Ordnungsstrafverfahren hat das Gericht, wenn Einspruch eingelegt wird, den Beteiligten zur Erörterung der Sache zu einem Termin zu laden (§ 134). Nach § 53a Abs. 1 Satz 1 FGG, § 14 V H G soll das Gericht, nach § 13 Abs. 2 HausratsVO, § 44 WEG soll es in der Regel mit den Beteiligten mündlich verhandeln. Nach § 83 AG-AuslSchuldenAbk. hat das Gericht eine mündliche Verhandlung anzuordnen. Nach §§ 40 Abs. 2, 42 Abs. 6 Satz 1, 223 Abs. 3 Satz 2 BRAO, § 111 Abs. 4 BNotO hat das Gericht auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, daß die Beteiligten auf sie verzichten. Dagegen ist nach § 15 Abs. 1, 5 LwVG mündliche Verhandlung nur auf Antrag eines Beteiligten anzuordnen, über das Ergebnis einer Beweisaufnahme aber stets mündlich zu verhandeln, sofern die Beteiligten nicht übereinstimmend darauf verzichten. In Art. 61 REGamZ, Art. 59 REGbrZ, Art. 71 R E A O Berlin ist die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zwingend vorgeschrieben; jedoch können die Beteiligten auch hier darauf verzichten 80 ). Gemeint ist jeweils eine Verhandlung in der Sache; unzulässige Anträge und Beschwerden können ohne mündliche Verhandlung verworfen werden 80 '). Nach § 5 Abs. 1 FrEntzG hat das Gericht den Betroffenen mündlich zu hören. In anderen Fällen kann das Gericht im Hinblick auf das Schweigen des Gesetzes nach seinem Ermessen einen Beteiligten auf Grund einer Vorladung oder ohne eine solche mündlich hören oder mit streitenden Beteiligten in einem Termin mündlich verhandeln; das kann zur Klärung des Vorbringens der Beteiligten oder, wenn es auf den persönlichen Eindruck eines Beteiligten ankommt, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12) oder bei unbeholfenen Beteiligten auch zur vollständigen Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nach Lage der Sache geboten sein. Auch soweit aber hiernach das Gericht mündliche Verhandlungen abhalten soll oder muß oder abhält, gilt nicht der Mündlichgrundsatz des Zivilprozesses in dem Sinne, daß bei obligatorischer mündlicher Verhandlung das Gericht als Prozeßstoff nur das ihm in der mündlichen Verhandlung Vorgetragene berücksichtigen darf. Vielmehr ist auch in diesen Fällen Entscheidungsgrundlage nicht nur das von den Beteiligten mündlich Vorgebrachte, sondern der gesamte Akteninhalt 81 ). Auch ist die mündliche Verhandlung nicht, wie im Zivilprozeß, ein Verhandeln der Parteien vor dem Gericht (§ 128 Abs. 1 ZPO), sondern ein Verhandeln des Gerichts mit den Beteiligten. Die mündliche Verhandlung ist daher, auch wenn sie zwingend vorgeschrieben ist, in ihrer rechtlichen Bedeutung der fakultativen mündlichen Verhandlung des Zivilprozesses vergleichbar; wie diese dient sie, abgesehen von dem Versuch einer gütlichen Einigung, in der Regel der Ergänzung des schriftlichen Vorbringens; das bisherige schriftliche Vorbringen bleibt weiterhin Entscheidungsgrundlage, soweit es nicht durch die mündlichen Erklärungen überholt ist, und es können auch spätere 78
) B G H LM § 56 Z P O N r . 1; Blomeyer ZPR § 14 IV, § 66 I I 3; Rosenberg ZPR» $ 63 IV 2 c; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 VII 3 d vor § 128, I I I vor § 355; v. Weber ZZP 57, 97; Müller, Der Freibeweis im Zivilprozeßredit, Diss. Halle 1936; die für den Zivilprozeß vertretenen gegenteiligen Meinungen (Wieczorek Z P O § 274 Anm. A I 2 a; Peters, Der sog. Freibeweis, 1962, S. 110; Rimmels-
pacher, Zur Prüfung von Amts wegen, 1966, S. 171 f.) können jedenfalls in der freiw. Gerichtsbarkeit keine Geltung beanspruchen. 79 ) Lent-Habsdieid 4 § 19 I I I 1. 8 °) Hamburg RzW 1960, 16. 8 °») BGHZ 44, 25. 81 ) Keidel J Z 1953, 272; Schlegelberger § 12 Anm. 19c.
167
28
§§ 8 - 1 8 Vorbem. schriftliche nicht 82 *).
Äußerungen
Freiwillige Gerichtsbarkeit berücksichtigt
werden 8 2 ).
Eine
Versäumnisentscheidung
ergeht
29
Ein Richterwechsel, der nach Abhaltung der mündlichen Verhandlung bis zur Beschlußfassung über die Entsdieidung eintritt, ist unschädlich, wie sich aus der Nichtgeltung des Mündlichkeitsgrundsatzes ergibt. Ebenso wie im Zivilprozeß bei Oberleitung des Rechtsstreits nach mündlicher Verhandlung in das schriftliche Verfahren 8 3 ) braucht die Entsdieidung nicht von denselben Richtern gefällt zu werden, die der mündlichen Verhandlung beigewohnt haben; § 309 Z P O ist nicht anwendbar 8 4 ). Erst recht gilt dies für gesetzlich nicht vorgeschriebene mündliche Erörterungen, die das Gericht nach Ermessen abhält 8 5 ). Es muß jedoch dafür Sorge getragen sein, daß das mündlich Vorgebrachte auch nach einem Richterwechsel berücksichtigt werden kann, indem es in eine Niederschrift oder in einen Aktenvermerk aufgenommen ist 8 6 ); anderenfalls muß eine vorgeschriebene mündliche Verhandlung wiederholt und sonst den Beteiligten mindestens Gelegenheit gegeben werden, das mündlich Erklärte schriftsätzlich anzubringen.
30
Die Abhaltung von Verhandlungsterminen bei der Vermittlung der Auseinandersetzung eines Nachlasses oder Gesamtguts oder bei der Dispache (§§ 89, 99 Abs. 1, 153) hat nicht die Bedeutung einer mündlichen Verhandlung in dem erörterten verfahrensrechtlichen Sinne, da sie nicht dazu dient, eine Entscheidungsgrundlage zu gewinnen, sondern eine (erklärte oder im Säumnisverfahren fingierte) Einigung der Beteiligten zu vermitteln und zu beurkunden oder verbleibende Streitpunkte festzustellen (§§ 95, 155 Abs. 3, 156). Die Tätigkeit des Gerichts ist also im wesentlichen eine beurkundende. Ein Richterwechsel zwischen dem Termin und der Bestätigung (§§ 91 Abs. 2, 93 Abs. 1, 155 Abs. 1, 156 Abs. 2) ist ohne jede Bedeutung. Andere Grundsätze gelten auch im Beurkundungsrecht (vgl. § 174).
31
Protokolle über den Hergang bei mündlichen Verhandlungen und Erörterungen sind im F G G nicht vorgesehen. Im Landwirtschaftsverfahren ist jedoch über die mündliche Verhandlung eine Niederschrift gemäß den §§ 159 bis 164 Z P O zu führen (§ 15 Abs. 6 L w V G ) 8 7 ) . Ferner ist in echten Streitsachen über Vergleiche, aus denen die Zwangsvollstreckung stattfindet, eine Niederschrift nach den Vorschriften der Z P O herzustellen (§ 14 V H G , § 13 Abs. 3 HausratsVO, § 44 Abs. 2 W E G , § 53a Abs. 1 F G G ) . Im übrigen ist es verfahrensrechtlich nicht zwingend geboten, daß mündliche Erklärungen und Anträge der Beteiligten in einem Protokoll oder einem Aktenvermerk schriftlich niedergelegt werden. Das Geridit kann sie auch ohne Wahrung einer derartigen Form bei der Entscheidung verwerten, sofern kein Richterwechsel eingetreten ist. Im allgemeinen ist aber die aktenmäßige Festhaltung von Erklärungen, die für eine Entsdieidung erheblich werden können, zur Vermeidung von Weiterungen dringend zu empfehlen und in der Praxis auch üblich. Notwendig ist dies, wenn entscheidungserhebliche mündliche Erklärungen vor einer Gerichtsperson abgegeben werden, die an der Entscheidung nidit mitwirkt, z. B . einem beauftragten Richter 8 8 ). Wegen der Beurkundung des Ergebnisses von Beweisaufnahmen vgl. § 15 Rdn. 11. Uber Eidesabnahmen ist stets eine Niederschrift zu fertigen (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 2 und § 11 Rdn. 11).
32
D a auch der Schriftlichkeitsgrundsatz nidit allgemein gilt, ist die Schriftform für Erklärungen der Beteiligten nur zu wahren, wenn sie im Einzelfall für die jeweilige Verfahrenshandlung vorgeschrieben ist, wie teilweise für Verfahrensanträge (oben Rdn. 9) und für Beschwerden (vgl. § 21 Rdn. 4, § 29 Rdn. 6, 11, 14). Über Sduriftform im allgemeinen vgl. § 11 Rdn. 14. ) Rosenberg ZPR» § 66 I 2; Blomeyer ZPR § 20 II 3. 8 2 a ) Hamm RdL 1960, 102. «3) BGHZ 11, 27, 29; Blomeyer ZPR § 81 I 1. 8 4 ) Frankfurt RzW 1951, 71; Celle RzW 1952, 87; ORG Berlin RzW 1958, 176; Schlegelberger § 12 Anm. 19c; Keidel § 12 Anm. 9, 10; Baur § 16 IV; Bärmann § 16 I 8 b; a. M. Hamm, Köln RzW 1951, 80, 145, 261; KG RzW 1954, 185. 82
168
) BayObLGZ fahren). «) BGH NJW 645; 1956, mann § 14 S7) Dazu BGH ««) BayObLGZ
85 8
1964, 433, 440
(ErbsAeinsver-
1953, 1547; BayObLGZ 1951, 640, 300, 303; 1964, 433, 440; BärIII 1 b. RdL 1963, 270; 1966, 211. 1956, 300.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
VorbCITI. § §
8—18
VII. Unmittelbarkeitsgrundsatz
33
Vom Grundsatz der Unmittelbarkeit kann (theoretisch) sowohl ein nach dem Grundsatz der Mündlichkeit als auch ein nach dem Sdiriftlichkeitsprinzip ausgestaltetes Verfahren beherrscht sein; er bedeutet, daß die Verhandlungen und Beweiserhebungen unmittelbar vor dem entscheidenden Gericht selbst ohne Vermittlung eines anderen Richters oder einer anderen Behörde stattfinden 8 9 ). Für Verhandlungen mit den Beteiligten gilt der Unmittelbarkeitsgrundsatz in der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung des Verkehrs des Gerichts mit den Beteiligten nicht 90 ). N u r in einzelnen Verfahrensarten und in diesen nur f ü r einen Abschnitt des Verfahrens ist der Grundsatz annähernd verwirklicht, nämlich wenn vorgeschrieben ist, daß eine mündliche Verhandlung stattfinden soll oder muß (oben Rdn. 27); diese Verhandlungen müssen mithin unmittelbar vor dem vollbesetzten Gericht stattfinden, wenn auch nicht gewährleistet ist, daß die Entscheidung in derselben Besetzung ergeht. Im übrigen ist es nicht ausgeschlossen, daß das Gericht sich für die Verhandlungen mit den Beteiligten einer Mittelperson bedient, etwa eines beauftragten Richters oder in Vormundschaftssachen des Jugendamts, in Registersachen (Ausnahme § 134 FGG) der Industrie- und Handelskammer, sofern dadurch die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 12) nicht verletzt und die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber den Beteiligten (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht beeinträchtigt wird 9 1 ). Der Grundsatz der Unmittelbarkeit greift ferner nicht ein bei formlosen Ermittlungen auf Grund des § 12, da das Wesen dieser Ermittlungen (und die Quelle der gegen sie zu erhebenden Bedenken) gerade darin liegt, daß die Verfahrensgarantien des Strengbeweises, nämlich die Förmlichkeiten eines gesetzlich geregelten Beweisverfahrens, Unmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit nicht gelten 92 ). Wegen der Geltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bei förmlichen Beweisaufnahmen vgl. § 15 Rdn. 5.
VIII. Stillstand des Verfahrens
34
Darunter sind die Unterbrechung, die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens zu verstehen. 1. Unterbrechung. Eine Unterbrechung des Verfahrens mit den gesetzlichen Folgen des § 249 Z P O ist dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbajkeit unbekannt. Das gilt auch in echten Streitsachen, z. B. im Rückerstattungsverfahren 9 3 ) und im Verfahren vor den Landwirtschaftsgerichten 94 ) .
35
a) Tod des Beteiligten. Der Tod eines Beteiligten zieht rechtlich den Stillstand des Verfahrens nicht notwendig nach sich. Der Tod ist aber häufig ein Tatbestand, der die Beendigung eines Verfahrens zur Folge hat. Der Tod des Mündels beendet die Vormundschaft, der Tod des Pflegebefohlenen (in der Regel) die Pflegschaft; Verfahren, welche die Anhängigkeit der Vormundschaft oder Pflegschaft voraussetzen, werden dadurch gegenstandslos, z. B. die Erteilung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung oder ein Verfahren zur Entlassung des Vormundes. Der Tod des Abwesenden gibt Anlaß zur Aufhebung der Abwesenheitspflegschaft (§ 1921 Abs. 2 BGB). Mit dem Tode des Kindes erledigen sich wegen Fortfalls des Verfahrensgegenstandes Verfahren nach den §§ 1666, 1671, 1672, 1696 BGB. Der Tod des Annehmenden hindert unter den Voraussetzungen des § 1753 Abs. 2 BGB nicht die Bestätigung des Annahme Vertrages, wohl aber der Tod des Kindes (§ 67 Rdn. 2, 4). Eine auf persönliche Beziehungen zu dem Kinde (§ 57 Abs. 1 N r n . 8, 9) gestützte Beschwerde
3g
8») Rosenberg ZPR» § 64 I 1, Blomeyer ZPR § 21 pr. »») Lent-Habsdieid4 § 19 III 2; Habsdieid in Dt. Landesreferate z. VII Intern. Kongreß für Reditsvergleidiung 1966, 213 ff., 238; Bärmann § 14 II 1 c; vom Beurkundungsredit ist hier nicht die Rede. « ) Lent-Habscheid4 § 19 III 2; Bärmann § 15 I 3. 92 ) Vgl. Blomeyer ZPR § 66 II 3; Habscheid in
Dt. Landesreferate usw. 1966 S. 237; BGHZ 44, 65, 71; a. M. Baur § 16 IV, der die Geltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes gerade aus § 12 FGG herleitet (!). 9S ) Düsseldorf RzW 1952, 306; Celle RzW 1960, 492; Keidel $ 12 Anm. 50; a. M. Kassel RzW 1951, 136. " ) Oldenburg RdL 1954, 278; München RdL 1961, 204; Pritsdi LwVG $ 14 Anm. E, VI, F III.
169
§§ 8—18 Vorbem.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
erledigt sich mit dem Tode des Beschwerdeführers 95 ). Streitigkeiten unter Eheleuten erledigen sidi in der Regel bei Auflösung der Ehe durch Tod, z. B. über die Ausschließung der Schlüsselgewalt oder das Wohnungs- und Hausratsauseinandersetzungsverfahrens, welches mit den Erben nicht fortgesetzt werden kann 9 6 ). Tod des Hofübergebers erledigt das Genehmigungsverfahren, wenn der Übernehmer zum Hoferben berufen ist 9 7 ). 37
Führt der Tod weder eine Beendigung des Verfahrens noch einen Fortfall des Verfahrensgegenstandes herbei, wie stets, wenn der Verfahrensgegenstand vererblich ist, so ist das Verfahren ohne förmliche Unterbrechung für und gegen die Rechtsnachfolger des verstorbenen Beteiligten von Amts wegen fortzusetzen. Im Amtsverfahren hat das Gericht den Rechtsnachfolger von Amts wegen zu ermitteln und zu dem Verfahren hinzuzuziehen, z. B. den Erbeserben im Brbscheinseinziehungsverfahren (§ 2361 B G B ) . Im Antragsverfahren unterliegt die Prüfung einer auf Seiten des Antragstellers oder des Antragsgegners in Anspruch genommenen oder behaupteten Rechtsnachfolge den Grundsätzen über die Prüfung von Amts wegen (oben Rdn. 23); das Gericht ist mithin zwar berechtigt, den Beteiligten gegenüber aber nicht dazu verpflichtet, über die Rechtsnachfolge Eirmittlungen anzustellen. Sind die Rechtsnachfolger des Antragstellers dem Gericht unbekannt, so ist das Gericht nicht genötigt, sie von Amts wegen zu ermitteln; ist dem Gegner an der Fortsetzung des Verfahrens gelegen, so mag er die Rechtsnachfolger des Antragstellers bezeichnen. Wollen die Rechtsnachfolger des Antragstellers das Verfahren fortsetzen, so haben sie ihre Rechtsnachfolge nachzuweisen. Dem Gericht steht es frei, einen Erbschein zu verlangen, es kann aber auch die für die Rechtsnachfolge vorgebrachten Tatsachen selbständig würdigen. Die Rechtsnachfolge nach dem verstorbenen Antragsgegner darzulegen, ist regelmäßig Sache des Antragstellers 98 ). Das Entstehen eines Zwischenstreits über die Rechtsnachfolge ist nicht ausgeschlossen. Stellt das Gericht die Rechtsnachfolge fest, so ergeht darüber keine Zwischenentscheidung, die ohnehin nicht selbständig anfechtbar wäre, sondern das Verfahren wird fortgesetzt und die Annahme der Rechtsnachfolge kann mit der Beschwerde gegen die Endentscheidung angefochten werden 9 9 ). Verneint das Gericht die Rechtsnachfolge desjenigen, der Rechtsnachfolger zu sein behauptet oder als solcher von dem Gegner in Anspruch genommen wird, so kann darüber eine besondere Entscheidung ergehen, welche die anhängig bleibende Hauptsache unberührt läßt und mit Rechtsmitteln (§ 19) selbständig angefochten werden kann 1 0 0 ). b) Konkurseröffnung. Auch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten hat nicht von Rechts wegen eine Unterbrechung des Verfahrens im Sinne des § 240 Z P O zur Folge 1 0 1 ). Der Konkurs kann zunächst ein Tatbestand sein, der Rechtsfolgen auslöst und zu gerichtlichen Maßnahmen Anlaß gibt, wie Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Elternteils und dessen Aufhebung (§§ 1670, 1680 B G B ) . Die Nachlaßverwaltung endet mit der Eröffnung des Nachlaßkonkurses (§ 1988 Abs. 1 BGB). Vormund und Pfleger sind zu entlassen, wenn sie in Konkurs geraten (§§ 1886, 1915, 1781 Nr. 3 B G B ) . Die Fähigkeit des Gemeinschuldners, in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufzutreten oder zu ihm hinzugezogen zu werden, insbesondere Anträge zu stellen und Beschwerden einzulegen, wird durch die Konkurseröffnung ebensowenig berührt wie die Prozeßfähigkeit 1 0 2 ). In Angelegenheiten, die nicht das konkursbefangene Vermögen (§ 1 K O ) betreffen, bleibt seine Rechtsstellung auch sonst ungeschmälert, insbesondere in familienrechtlichen Angelegenheiten. Die Rechnungslegungspflicht (§ 1890 B G B ) trifft den wegen des Konkurses entlassenen Vormund, nicht den Konkursverwalter. Die Kaufmannseigen•5) K G J 41, 8; Sdilegelberger % 12 Anm. 32; dazu Josef AcP 110, 405; Staudinger-Boehmer BGB 1 1 § 1922 Anm. 232. 85) Stich aaO. S. 423. 18«) Vgl. Saage, Freiheitsentziehungsverfahren, 1958; Baumann, Unterbringungsredbt, 1966.
180
) In Berlin und Bremen sind sogar allgemein Freiheitsentziehungen durch Polizeibehörden auf Grund von Landesrecht den Verwaltungsgeriditen entzogen und dem Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen worden; PolizeiverwaltungsG Berlin i. d. F. vom 2. Oktober 1958 (GVB1. 961) § 15 Abs. 3 ; Brem. PolizeiG vom 5. Juli 1960 (GBl. 73) S 11 Abs. 4. 1 8 8 ) Nürnberg R d L 1964, 210; Celle NdsRpfl. 1962, 77; Schulte RdL 1961, 282. 1 8 > ) Frankfurt R d L 1965, 2 3 3 ; Barnstedt LwVG« $ 21 Anm. 20. 187
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
Vorbem. §§ 8—18
eingefügt durch § 179 VwGO mit Wirkung vom 1. April 1960; zuständig ist ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts. Vgl. die Erläuterung dieser Vorschriften in Anh. I zu § 34. d) Anfechtung von Bescheiden der Landesjustizverwaltung über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art. 7 FamRAendG; zuständig ist ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts190). Vgl. die Erläuterung dieser Vorschrift in Anh. II zu § 34. e) Die Anfechtung von Verwaltungsakten, die im Bereich der Justizverwaltung beim Vollzuge der Kostengesetze ergehen, nach Art. X I § 1 des Kostenänderungsgesetzes; zuständig ist das Amtsgericht.
75
f ) Die Anfechtung von Verwaltungsakten, die nach der Bundesnotarordnung ergehen, nach § 111 BNotO; zuständig ist im ersten Rechtszuge das OLG, im zweiten Rechtszuge der Bundesgerichtshof, jeweils in der für Disziplinarsachen gegen Notare vorgeschriebenen Besetzung191).
76
g) Die Anfechtung von Verwaltungsakten, die nach der Bundesrechtsanwaltsordnung ergehen, sowie die Nichtigerklärung von Wahlen und Beschlüssen der Organe der Rechtsanwaltskammern; zuständig ist der Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte beim OLG oder der Senat für Anwaltssachen beim BGH 1 ' 2 ). Der Ehrengerichtshof ist ein gegenüber dem OLG selbständiges Gericht; er gehört nicht zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Der Senat für Anwaltssachen ist kein selbständiges Bundesgericht, sondern ein unselbständiger Teil des BGH und gehört deshalb zur ordentlichen Gerichtsbarkeit19®).
77
h) Für andere öffentlichrechtliche Streitsachen kann unter Umständen der Rechtsweg zu den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kraft Sachzusammenhangs eröffnet sein194)
78
2. Verfahrensgrundsätze. Die zu c) bis g) angeführten Verfahren stimmen darin üWe'n daß zur Ergänzung die Vorschriften des FGG entsprechend anzuwenden sind 29 Abs. 2 EGGVG; Art. 7 § 1 Abs. 6 FamRAendG; §5 40 Abs. 4, 91 Abs. 7, 191 Abs. 3 BRAO; ^ III Abs. 4 Satz 2 BNotO mit § 40 Abs. 4 BRAO). Die Eigenart des Verfahrenseeeenstandes bringt es jedoch mit sich, daß, während in den privatrechtlichen Streitsachen Parallelen zum Zivilprozeß gezogen werden müssen, hier Anklänge an das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten auftreten. Entsprechend der Anfechtungsklage und der Verpfl'chtunasklaee des Verwaltungsprozesses gibt es hier einen Anfechtungsantrag und einen Verpflichtungs-
79
,9°)
E s h a n d e l t sich u n b e s c h a d e t des v o r a u s g e g a n g e n e n Bescheides d e r L a n d e s i u s t i z v e r w a l t u n g u m eine A n g e l e g e n h e i t des Z i v i l p r o z e s ses, die schon v o r E i n f ü h r u n g des A r t . 7 F a m R A e n d G nicht v o r die V e r w a l t u n g s g e richte, s o n d e r n v o r die o r d e n t l i c h e n G e r i c h t e gehörte ( B G H F a m R Z 1958, 1 8 0 ) ; da aber der Zivilprozeß dem öffentlichen Recht zugeh ö r t , ist die E i n o r d n u n g a n dieser Stelle g e rechtfertigt.
191)
Vgl Seybold-Hornig, B N o t O , 4. Aufl.; Saage, B N o t O , je z u § 1 1 1 ; K e i d e l V o r b e m . v o r § 1 9 R d n . 4 2 f f . ; die R e c h t s p r e c h u n g z e i g t e i n d r u c k s v o l l s o w o h l die A n w e n d u n g verwaltungsrechtlicher Grundsätze (vgl. BGH D N o t Z 1 9 6 3 , 3 5 7 z u m B e g r i f f des V e r w a l t u n g s a k t s ) als au dl d e r V e r f a h r e n s v o r s c h r i f ten des F G G ( v g l . B G H Z 3 9 , 1 6 2 ü b e r m a n gelnde aufschiebende W i r k u n g des A n f e c h t u n g s a n t r a g s nach § 2 4 A b s . 1 F G G ) .
192)
A n f e c h t u n g v o n V e r w a l t u n g s a k t e n : § 5 H> 16, 2 1 , 2 8 , 2 9 , 3 5 , 2 2 3 B R A O ; U n g ü l t i g oder Nichtigerklärung v o n W a h l e n und Beschlüssen: § § 9 0 , 191 B R A O . 1 9 3 ) Finkelnburg, O b e r den Rechtsschutz bei a n waltlichen Zulassungsstreitigkeiten, 1964, S. 4 7 , 5 3 . 194) Der G e s i c h t s p u n k t des S a d i z u s a m m e n h a n g e s k a n n d a z u f ü h r e n , d a ß auch in gesetzlich
nicht geregelten F ä l l e n V e r w a l r u n g s a k t e im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit a n g e f o c h t e n w e r d e n , d a A r t . 1 9 Abs. 4 G G sich nicht d a r i n erschöpft, den ordentlichen R e c h t s w e g hilfsweise zu e r ö f f n e n , sondern auch einen an sich gegebenen, aber in seiner Ausgestaltung unvollständig gcbl'cbcnen besonderen Rechtsweg erweitert (BOT-TZ 3 4 , 2 4 4 . 2 4 9 V D e s h a l b k a n n z. B . d a s V o r m u n d schaftsgericht a n g e r u f e n w e r d e n gegen V e r waltungsakte auf dem Gebiet der Fürsorgee r z i e h u n g ( O L G B r a u n s c h w e i g , N TW 1 9 6 4 , 4 5 6 ; dazu Staudinger-Göppinger B G B 1 1 Anh. zu 5 1 6 6 6 R d n . 4 9 6 f f . , d e r a b e r zu U n recht a n n i m m t , d a ß die gerichtliche N a c h p r ü f u n g durch das V o r m G nicht a u f E r m e s sensfehler d e r E r z i e h u n g s b e h ö r d e b e s c h r ä n k t sei) o d e r d a s O L G gegen V e r w a l t u n g s a k t e a u f d e m G e b i e t des S c h ' e d s m a n n s w e s e n s ( v g l . § 2 3 E G G V G R d n . 1 1 ) . Auch dem G r u n d satz nach privatrechtliche Streitverfahren haben m i t u n t e r einen öffentlich-rechtlichen E i n s c h l a g , d e r in d e r H i n z u z i e h u n g eines V e r t r e t e r s des ö f f e n t l i c h e n Interesses zum A u s d r u c k k o m m t (§ 5 6 A K G , § 2 2 U E G , § 7 Abs. 7 A l t b G ) und zur Anwendung verwaltungsrechtlicher Rechtsgrundsätze führen k a n n , z. B . über die Anfechtbarkeit von Zweitbescheiden ( K G N J W 1960, 1817).
181
§ § 8—18 V o r b e m .
Freiwillige Gerichtsbarkeit
antrag und, wenn der Erlaß des abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts im Ermessen der Behörde steht, einen Bescheidungsantrag195). Audi Feststellungsanträge sind in beschränktem Umfange möglich196). Soweit das Verfahren in den jeweiligen Vorschriften gesetzlich geregelt ist — meist ist das nur in sehr spärlichem Umfange geschehen —, ist deutlich erkennbar, daß die Vorschriften denjenigen der Verwaltungsgerichtsordnung nachgebildet sind. Darüber hinaus wird es oft angebracht sein, bei der Lösung auftauchender Zweifelsfragen verfahrensrechtliche Grundsätze, die im Verwaltungsprozeß erarbeitet worden sind entsprechend anzuwenden 197 ), zum Beispiel zu der Frage, ob es für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit seines Erlasses oder zur Zeit der Entscheidung des Gerichts ankommt 198 ). Das FGG ist damit diejenige Verfahrensordnung geworden, welche die ordentlichen Gerichte anwenden, wenn sie materiell Verwaltungsgerichtsbarkeit ausüben199). Zur Klarstellung ist hervorzuheben, daß die ordentlichen Gerichte insoweit nicht, wie im Schrifttum vereinzelt bemerkt wurde 200 ), als besondere Verwaltungsgerichte tätig werden. Das wäre im Hinblick auf Art. 96 GG bedenklich. Sie bleiben vielmehr ordentliches Gericht. Nur der Gegenstand der Rechtsprechung stellt sich insoweit materiell als Verwaltungsgerichtsbarkeir dar 201 ). Die in der Zuweisung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten an die ordentlichen Gerichte liegende Abweichung von Art. 96 Abs. 1 GG und die daraus folgende Auswechselung zweier Rechtswege ist unbedenklich, weil sie wegen des Sachzusammenhanges mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch vernünftige Gründe gerechtfertigt wird und, wie das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen hat, es kein verfassungsgeschütztes Entscheidungsmonopol der Verwaltungsgerichte für alle öffentlich-rechtlichen Fragen schlechthin gibt 202 ). 80
D. Vergleich») 1. Grundsatz. Ein Vergleich der Beteiligten bindet den Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit regelmäßig nicht. Der gerichtliche Vergleich, der zur Beilegung eines anhängigen Rechtsstreits über den Verfahrensgegenstand geschlossen wird, setzt die Freiheit der Beteiligten zur Verfügung über den Verfahrensgegenstand und über den Gang des Verfahrens voraus (Dispositionsmaxime). An beiden Erfordernissen fehlt es im Amtsverfahren. Eine Einigung der Eltern über die Regelung der elterlichen Gewalt nach der Scheidung (BGB § 1671) erübrigt nicht eine Entscheidung des VormG. Allenfalls kann eine Vereinbarung der Beteiligten die Sachlage so verändern, daß zu Maßnahmen von Amts wegen kein Anlaß mehr besteht, etwa wenn Eltern sich über die Regelung des Verkehrs (BGB § 1634) einigen. Ein gerichtlicher Vergleich im Rechtssinne liegt dann aber nicht vor, selbst wenn die Ver195
) Vgl. § 23 EGGVG Rdn. 21 ff. (Anh. I nach § 34); für Notarsachen B G H D N o t Z 1963, 357. 10 «) Vgl. § 28 EGGVG Rdn. 7 (Anh. I nach § 34); Zimmermann Rpfleger 1962, 42 zu I I I 3; in Anwalts- und Notarsachen läßt der BGH, von dem Sonderfall des § 38 Abs. 2 BRAO abgesehen, Feststellungsanträge entsprechend § 43 V w G O nicht zu (BGHZ 34, 244; B G H D N o t Z 1963, 357). 197 ) Zimmermann, Rpfleger 1962, 42 zu IV 3; Lent-Habscheid, Freiw. Gerichtsbarkeit, 4. Aufl. § 8 I I I ; Baur, Der gegenwärtige Stand der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Juristen-Jahrbuch Bd. 3 1962/63 S. 50 [61]; Jansen, Wandlungen im Verfahren der freiw. Gerichtsbarkeit, 1964, S. 6 f f . ; Bärmann § 4 I I I 3. Im einzelnen vgl. § 28 EGGVG (Anh. I nach § 34) Rdn. 5 ff. 198 ) Vgl. § 28 EGGVG Rdn. 5 (Anh. I nach § 34). 199 ) Beispiel aus der Rechtsprechung: KG DVB1. 1963, 295 = JVB1. 1963, 136 (Zulassung als Prozeßagent).
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ao
°) Ule J Z 1958, 630; Stich D Ö V i960, 368. ) Vgl. § 25 EGGVG Rdn. 1 (Anh. I nach § 34); allgemein Bettermann, Festschr. f. Lent, 1957, S. 24; Stich in Staatsbürger und Staatsgewalt Bd. II, 1963, S. 409; vgl. auch Finkelnburg aaO. S. 69. 202 ) BVerfGE 4, 387; für Notarsachen B G H Z 38, 208; a. M. Ule VwGO, 2. Aufl., § 2 Anm. I I I 1. ») S c h r i f t t u m : Bonin, Der Prozeßvergleich, 1957, S. 171 f f . ; Josef, Der Vergleich im echten Streitverfahren der FG, Gruchot 48, 557; Munding, Vergleiche im Verfahren der FG, Diss. Frankfurt 1957; H w . Müller, Der Vergleich im Verfahren der FG, J Z 1954, 17; Keidel, der gerichtliche Vergleich vor dem LwGericht usw., D N o t Z 1952, 103; 1954, 342; Staehlin, Vergleiche im Erbscheinsverfahren, D F G 1942, 71; Baur § 21 I I I ; Lent-Habscheid 4 § 22 II 3; Pikart-Henn S. 76/77; Bärmann § 18 I I I ; Keidel Vorbem. vor § 8 Rdn. 22 ff. 201
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
Vorbem. §§ 8—18
einbarung durch Vermittlung des Gerichts zustande kommt und von ihm protokolliert wird. Eine Vereinbarung über das Verkehrsrecht wird durch eine anderweite Regelung des VormG unwirksam 203 ). Dasselbe gilt grundsätzlich auch im Antragsverfahren. Über den Inhalt des Erbscheins können die Beteiligten keine Vereinbarung treffen 204 ). Mitunter können die Beteiligten durch eine Rechtshandlung die Erledigung des Antragsverfahrens herbeiführen, indem z. B. der Gegner die zu ersetzende Willenserklärung abgibt oder der Testamentsvollstrecker, dessen Entlassung nach BGB § 2227 beantragt ist, sein Amt nach § 2226 kündigt oder die geschiedene Ehefrau, gegen die sich ein Verfahren nach EheG § 57 richtet, gemäß EheG § 55 durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten ihren Familiennamen wieder annimmt. Eine Vereinbarung hierüber ist möglicherweise ein bürgerlich-rechtlicher Vergleich im Sinne des § 779 BGB. Die bloße Übernahme der Verpflichtung beendet aber nicht das auf den Erlaß einer rechtsgestaltenden Entscheidung gerichtete Verfahren, selbst wenn sie zur Niederschrift des Gerichts erklärt ist, und es findet aus ihr keine Zwangsvollstreckung statt. Ferner sind auch da, wo der Verfahrensgegenstand der Verfügung der Beteiligten entzogen ist, in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB Vereinbarungen möglich, soweit das Verfahren der Herrschaft der Beteiligten Raum läßt. Gegenstand einer Einigung kann dann das Aufgeben einer verfahrensrechtlichen Stellung sein. Für das Antragsverfahren der FG kommt hierfür die Verpflichtung zur Zurücknahme des Antrags, ein Verzicht auf das Antragsrecht (oben Rdn. 15), für Amts- und Antrags verfahren zur Zurücknahme des Rechtsmittels oder zum Rechtsmittelverzicht (§ 21 Rdn. 15, 18) in Betracht. Eine solche Vereinbarung beendet ebenfalls nicht unmittelbar das Verfahren, selbst wenn sie zu Protokoll des Gerichts erklärt ist. Dazu bedarf es noch der gebotenen Verfahrenshandlung des Beteiligten (Zurücknahme des Antrags oder der Beschwerde, Verzicht auf die Beschwerde), wenn auch Verpflichtung und Vollzug in einer Erklärung liegen können. Es muß aber zu Unklarheiten führen, Vereinbarungen dieses Inhalts, die weder verfahrensbeendende noch vollstreckungsirechtliche Wirkung haben, „Prozeßvergleich" zu nennen. Den Normen über gerichtliche Vergleiche unterliegen sie nicht 205 ). 2. Zulässigkeit des Vergleichs. In echten Streitsachen ist die Aufgabe des Gerichts vornehmlich auf Vermittlung und Ausgleich gerichtet. Deshalb ist in einigen Verfahrensarten ein echter, das Verfahren unmittelbar beendender gerichtlicher Vergleich, aus dem die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Z P O stattfindet, zugelassen (FGG § 53a Abs. 4, V H G § 14, HausratsVO § 16 Abs. 3, WEG § 45 Abs. 3, LwVG §§ 16 Satz 3, 19, 20 Abs. 2, 31). Darüber hinaus ist ein gerichtlicher Vergleich mit den Wirkungen des § 794 Abs. 1 Nr. 1 Z P O zuzulassen, wenn aus der gerichtlichen Entscheidung die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Z P O stattfindet 206 ), z. B. im Rückerstattungsverfahren. Auch ein Teilvergleich über die Kostenerstattung ist in allen Angelegenheiten der FG als zulässige Grundlage eines Kostenfestsetzungsverfahrens nach FGG § 13a Abs. 2, Z P O § 103 anzusehen. Auf diese Vergleiche können die Grundsätze der Z P O über den Prozeßvergleich unbedenklich entsprechend angewendet werden. Es kann also ein Dritter dem Vergleichsabschluß beitreten, so daß ein vollstreckbarer Titel auch für oder gegen ihn geschaffen wird. Der Gegenstand des Vergleichs kann über den Gegenstand des Verfahrens hinausgehen, selbst wenn das Gericht der FG f ü r die einbezogenen weiteren Streitpunkte nicht zuständig ist207). Für die Form der Vergleichsniederschrift sind nach den angeführten Vorschriften die Bestimmungen der Z P O maßgebend (ZPO §§ 159, 160, 162 bis 163a). Ein in dieser Form abgeschlossener gerichtlicher Vergleich ersetzt jede nach sachlichem Recht f ü r das Rechtsgeschäft vorgesehene Beurkundungsform 208 ). Ist ein gerichtlicher Vergleich unter Nichtbeachtung der §§ 160 Abs. 2 N r . 1, 162 Z P O protokolliert worden, so kann der Vergleich zwar sachlich-rechtlich nach § 779 BGB gültig sein, er führt aber nicht zur Beendigung des an2»') R G JW 1925, 2115; Staudinger-SAwoerer BGB 1 1 § 1634 Anm. 45. 204 ) K G J 37 A 251; BayObLGZ 29, 208 = JFG 6, 165; BayObLGZ 1966, 236. 205 ) Im einzelnen besteht Streit, vgl. Keidel, Rpfleger 1953, 50; D N o t Z 1952, 103; 1954, 342; Müller, JZ 1954, 17; Baur § 21 I I I ;
Lent § 15 IV; Staudinger-Brändl, 11. Aufl. Vorbem. 6 vor § 779. «) Sdiönke, JZ 1953, 341; Munding aaO. S. 64 f f . ; Keidel Vorbem. vor § 8 Rdn. 29; Pikart-Henn S. 76; Bärmann § 18 III 2 b. 2 ») Bruns ZPR § 32 III 1. " ) B G H Z 16, 383 = MDR 1955, 347 = LM § 3 V H G N r . 5; BayObLGZ 1959, 264; 1965, 133; KG RzW 1960, 64; Schleswig, WM 1961, 127; Keidel Anm. 54; Lent-Habsdieid« § 19 IV 5; Bärmann § 15 I I I 2 a; Pikart-Henn S. 78. 19 *) Zum Verwaltungsprozeß vgl. BVerwGE 19, 87, 94; BVerwG D Ö V 1962, 555; BSG DVB1. 1956, 583; Tietgen in Vhdlg. d. 46. Dt. Juristentages 1966, Teil 2 B S. 28. 2 °) Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 139 Anm. I 1.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit liehen Erklärungen abgegeben werden." Dieser Grundsatz gilt, ohne daß er besonders ausgesprochen werden müßte, auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit 21 ). Das Gericht hat ferner auf die Bedenken hinzuweisen, die in Ansehung der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen (§ 139 Abs. 2 2 P O ) , nämlich der Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Verfahrens oder des Rechtsmittels, für welche die Instruktionsmaxime gilt (Vorbem. 23 ff. vor § 8). Die Fragepflicht besteht nur insofern, als das Gericht nach Lage des Falles Zweifel hinsichtlich des Vorbringens des Beteiligten hat; sie besteht nicht, wenn das sonstige Vorbringen der Beteiligten keinen Anlaß oder Anhaltspunkt für eine Fragestellung gibt, oder wenn das Gericht nach den Umständen zu der Annahme berechtigt ist, daß der Beteiligte die Tatsache gar nicht vorbringen kann. Hauptsächlich wird es sich darum handeln, unvollständiges und unklares Vorbringen geschäftsungewandter Beteiligter daraufhin klarzustellen, welches Ziel der Beteiligte verfolgt und auf welchen Sachverhalt er sein Begehren stützt. Die Fragepflicht besteht nicht, wenn der Beteiligte bereits anderweit die Mängel seines Vorbringens erkennen konnte, z. B. durch Befragung in der Vorinstanz oder durch Belehrung in den Gründen der Vorentscheidung, oder wenn das Gericht sonst mit Rücksicht auf die Unbestimmtheit des Vorbringens von der Aussichtslosigkeit weiterer Aufklärungsversuche überzeugt sein kann. Die Nichterfüllung der Fragepflicht ist eine Gesetzesverletzung, welche die Rechtsbeschwerde begründen kann, wenn die Entscheidung darauf beruht 22 ). Die Prüfung dieser Verfahrensrüge setzt aber voraus, daß der Beschwerdeführer angeben kann, was er auf die unterlassene Frage hätte vorbringen können 23 ).
C. Beweislast Unter Beweislast ist die einer Partei obliegende Last zu verstehen, bei Vermeidung des Prozeßverlustes durch eigene Tätigkeit den Beweis einer streitigen Tatsache zu führen 24 ). In diesem Sinne kann es eine subjektive Beweislast (Beweisführungslast) im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht geben, auch nicht in echten Streitsachen, weil infolge der Ermittlungspflicht des Gerichts den Beteiligten die Last einer Beweistätigkeit nicht auferlegt ist. Daher kann eine Entscheidung nicht damit begründet werden, ein Beteiligter sei mit seinen Behauptungen beweisfällig geblieben 25 ). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit muß es aber Regeln dafür geben, wie zu entscheiden ist, wenn eine erhebliche Tatsache nach Anstellung der erforderlichen Ermittlungen sich als nicht erweisbar herausstellt. Die Folgen der Nichtfeststellbarkeit oder objektiven Beweislosigkeit einer Tatsache richten sich nach den Grundsätzen über die objektive (materielle) Beweislast (Feststellungslast), die, wie in jedem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz26), auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten 27 ). Da ein Rechtssatz nur angewendet werden kann, wenn seine tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, ergibt sich der Grundsatz, daß die Feststellungslast derjenige Beteiligte trägt, der aus der nicht feststellbaren Tatsache ein Recht herleitet (oder zu dessen Gunsten das Gericht im Amtsverfahren ein Recht begründen oder feststellen dürfte). Hierbei ist zwischen rechtsbegründenden Tatsachen einerseits und redits) K G J 50, 1; K G D N o t Z 1955, 408; B G H M D R 1953, 285; Hamburg N J W 1960, 870, 872; Celle R d L 1960, 131; Court of RestApp. R z W 1955, 99; Keidel Anm. 13; Bärmann § 15 I I I 1. Vgl. allgemein Baur, Richterliche Hinweispflicht und Untersuchungsgrundsatz, in Rechtsschutz im Sozialrecht, 1965, S. 35 f f . ; Kuchinke, Die vorbereitende richterliche Sachaufklärung, JuS 1967, 295; Lepa, Rechtsgespräch im Zivilprozeß, D R i Z 1969, 5. **) Zum Zivilprozeß vgl. Siegert N J W 1958, 1025; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 « § 139 Anm. I 2 ; Kuchinke J u S 1967, 295 zu V I I . 2 3 ) R G J W 1931, 1795. 2 4 ) Rosenberg, Beweislast 5 S. 16. > 5 ) K G WM 1957, 773; K G J R 1963, 100 = N J W 1963, 766 zu C ; B a y O b L G Z 1961, 132, 21
139; Schlegelberger Anm. 28; Keidel Anm. 102; Habscheid J Z 1962, 418 zu I. 2 «) Vgl. BVerwG N J W 1956, 1214; BSozG N J W 1958, 30; Bettermann, Zur Beweislast im Verwaltungsprozeß, DVBl. 1957, 84; Tietgen, Beweislast und Beweiswürdigung im Zivil- und Verwaltungsprozeß, in Vhdlg. d. 46. D t . J u ristentages, 1966, Teil 2 B, S. 11 ff. " ) Josef, ZZP 25, 156 f f . ; 40, 297; Rosenberg, Beweislast 5 S. 4 1 ; Habscheid J Z 1962, 418; ders., N J W 1966, 768; Lent-Habsdieid* § 21 I I I ; Bärmann § 16 I 4 ; Pikart-Henn S. 86; Keidel Anm. 102; B a y O b L G Z 1957, 268; 1962, 299; K G J R 1963, 100 = N J W 1963, 766; Hamm O L G Z 1966, 497; Stuttgart Die Justiz 1967, 150; a.M. Baur § 16 V ; Schlegelberger § 12 Anm. 28.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften hindernden oder rechtsvernichtenden Tatsachen andererseits zu unterscheiden 28 ). Im Erbscheinsverfahren trägt die Feststellungslast für die das Erbrecht begründenden Tatsachen der Beteiligte, der aus ihnen ein Recht herleitet, der Testamentserbe also z. B. für das Vorhandensein und die Echtheit des Testaments, der Anfechtende aber für rechtsvernichtende Tatsachen, z. B. für den Anfechtungsgrund 29 ), der Testamentserbe wiederum für Tatsachen, welche die Anfechtung ausschließen, z. B. nach § 2079 Abs. 2 BGB 30 ). Wer gegenüber dem Testamentserben geltend macht, daß die Testierfreiheit des Erblassers durch ein früheres gemeinschaftliches Testament eingeschränkt sei, trägt dafür die Feststellungslast 31 ). Im gerichtlichen Verfahren über die Abschiebungshaft (FrEntzG § 3, AuslG § 16) trägt die Feststellungslast für die politische Verfolgung als Voraussetzung des Asylrechts der Betroffene 32 ). Im übrigen gilt der Grundsatz, daß ein nicht widerlegter, aber auch nicht feststellbarer Ausnahmezustand nicht anzunehmen ist, z. B. Lesensunkunde oder Erblindung des Erblassers bei der Testamentserrichtung 33 ). Die Testierunfähigkeit des Erblassers muß zur vollen Überzeugung des NachlG feststehen, wenn ein Testament aus diesem Grunde für nichtig erachtet werden soll; bei nicht behebbaren Zweifeln muß der Erbschein nach dem Testament erteilt werden 34 ). Dasselbe gilt für andere rechtshindernde Tatsachen, z. B. einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten. Die Grundsätze für die Verteilung der Feststellungslast ergeben sich aus dem materiellen Recht; deshalb ist die Stellung der Beteiligten im Verfahren darauf ohne Einfluß. Es ist daher ohne Bedeutung, ob derjenige, zu dessen Gunsten sich die Anwendung der Norm auswirken würde, Antragsteller oder Antragsgegner ist 35 ). Ebenso bewirkt die Art des Verfahrens (Amts- oder Antragsverfahren) grundsätzlich keinen Unterschied, sofern in dem Amtsverfahren über Rechte eines Beteiligten im Verhältnis zu anderen entschieden wird, z. B. über die Vergütung des Vormunds zu Lasten des Mündels (§ 1836 BGB). Im Erbscheins verfahren ist die Verteilung der Feststellungslast dieselbe, gleichgültig ob auf Antrag (§ 2353 BGB) über die Erteilung oder von Amts wegen (§ 2361 BGB) über die Einziehung zu befinden ist36). Handelt es sich aber darum, daß im Amtsverfahren in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) oder ein sonstiges Grundrecht (z. B. Art. 6 Abs. 2, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eingegriffen werden soll, so muß die Maßnahme unterbleiben, wenn der gesetzliche Tatbestand dafür nicht festgestellt werden kann, z. B. für die Anordnung der Fürsorgeerziehung, der Gebrechlichkeitspflegschaft (§ 1910 BGB) oder für die Entziehung des Sorgerechts (§ 1666 BGB). Man könnte hier von einer Beweislast des Gerichts sprechen37), die dann mit Rücksicht auf die Ermittlungspflicht des Gerichts eine (subjektive) Beweisführungslast wäre; jedoch ist das nicht üblich38). Kann eine Maßnahme nur auf Antrag einer Behörde angeordnet werden (z. B. § 3 FrEntzG), so trägt diese die Feststellungslast für die Voraussetzungen des Eingriffs.
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Die Frage nach der Beweislast erhebt sich erst, wenn das Gericht nach Anstellung der gebotenen Ermittlungen und Beweiserhebungen und ungeachtet aller Möglichkeiten der Beweiswürdigung nicht zur Feststellung der erheblichen Tatsache kommt. Die Feststellung einer Tatsache in freier Beweiswürdigung auf Grund von Beweisanzeichen und Erfahrungssätzen (vgl. § 27 Rdn. 14), also durch den Schluß von tatbestandsfremden Tatsachen auf ein
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28
) Rosenberg, Beweislast» S. 27; K G J R 1963, 100 = N J W 1963, 766; Bärmann § 16 I 4 b. 2B ) K G J R 1963, 100 = N J W 1963, 766; BayObLGZ 1962, 299; Keidel Anm. 102; H a m m O L G Z 1966, 497. 3 ») KG JR 1963, 100 = N J W 1963, 766; BayObLGZ 1963, 260. 31 ) Stuttgart Die Justiz 1967, 150. 32 ) BayObLGZ 1957, 268. 33 ) K G J W 1936, 3484 = D F G 1936, 238 = H R R 1936 N r . 1641 = D N o t Z 1937, 343; Neustadt FamRZ 1961, 541 mit Anm. v. Luther = JZ 1962, 417 mit Anm. v. Habscheid. 34 ) BayObLGZ 1956, 380; K G N J W 1963, 766 a.E.; B G H Z 40, 54, 59.
35
) Rosenberg Beweislast 5 S. 173; Stein-JonasPohle ZPO 1 » § 282 IV 8; Bärmann § 16 I 4 b ; für den Verwaltungsprozeß vgl. BVerwGE 18, 168; BSozG N J W 1958, 39; Ule VerwGO* S. 302; Hans-J. Wolff, VerwR I I I S. 392; Badiof, Verfassungsredit, Verwaltungsrecht, Verfahrensredit S. 190; Tietgen, Beweislast und Beweiswürdigung in Vhdlg. d. 46. D t . Juristentages 1966, Teil 2 B S. 46. »«) K G J R 1963, 100 = N J W 1963, 766 zu C ; Rosenberg Beweislast 5 S. 239; ebenso zu §§ 22, 53 GBO H a m m O L G Z 1968, 209. 37 ) So Bärmann § 16 I 4 c; Voraufl. Anm. 2 c. 88 ) Rosenberg Beweislast 5 S. 24 Fn. 2.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Tatbestandsmerkmal, wird durch die Beweislastregeln nicht beschränkt. Bevor das Ergebnis der Beweiswürdigung feststeht, ist dem Gericht eine Entscheidung nach Beweislastregeln verwehrt. Bei der Würdigung des Beweisergebnisses muß sich der Richter jedoch der richtigen Verteilung der Beweislast bewußt sein39). Die Verkennung der Beweislastnormen ist ein Rechtsbeschwerdegrund. Eine nach Beweislastregeln ergangene Entscheidung ist eine Sachentscheidung40).
D. Gesetzliche Vermutungen 1. Tatsachenvermutungen. Gesetzliche Vermutungen von Tatsachen sind Rechtssätze, die das Vorliegen einer als Tatbestandsmerkmal einer Rechtswirkung erforderten Tatsache aus einem tatbestandsfremden Umstände erschließen41). Hierher gehören die Vermutungen nach §§ 938 Abs. 1, 1117 Abs. 3, 1253 Abs. 2, 1377 Abs. 1 und 3, 1540, 1720 Abs. 2, 2009 BGB, §§ 9 Abs. 1, 10, 11, 44 Abs. 2 VerschG. Sie gelten auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die durch Todeserklärung begründete Vermutung gilt auch gegenüber dem Nachlaßgericht, mag es sich um die Beerbung des Verschollenen oder um den Nachweis des Wegfalls einer der in § 2354 Abs. 2 BGB bezeichneten Personen handeln 42 ). Vermutete Tatsachen bedürfen keines Beweises, wenn der Tatbestand feststeht, an den sich die Vermutung knüpft (Vermutungsbasis). Vermutungen können aber durch den Beweis des Gegenteils entkräftet werden 43 ). Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Feststellung des Gegenteils der vermuteten Tatsache oder ihrer Unrichtigkeit Gegenstand der Amtsermittlung. Die durch Todeserklärung begründete Todeszeitvermutung kann daher auch im Erbscheinsverfahren widerlegt werden 44 ). Die Möglichkeit einer Änderung des Todeszeitpunktes nach § 33a VerschG, Art. 2 § 3 VerschÄndG steht nicht entgegen, weil dadurch die vorhandene Vermutung nur durch eine andere ersetzt wird, während sie hier widerlegt werden soll. Die Vermutung gleichzeitigen Todes mehrerer mit verschiedenen Todeszeitpunkten für tot erklärter Personen nach § 11 VerschG muß durch den Beweis des Überlebens entkräftet werden 45 ). Die auf das Entschädigungsverfahren beschränkten Todeszeitvermutungen nach § 180 BEntschG46) sind auch in dem Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins nur für den Entschädigungsanspruch nach § 181 BEntschG maßgebend, ohne daß es der Vorlegung einer Todeserklärung bedarf, und zwar weder zum Nachweis des Todes des Erblassers noch des Wegfalls anderer als Erben in Betracht kommender Verfolgter 47 ). Die Todeszeitvermutungen nach Art. 51 REGamZ, Art. 43 REGbrZ, Art. 44 R E A O Berlin gelten nach § 7a Abs. 2 BRüErstG i. d. F. vom 2. 10. 1964 (BGBl. I, 809) auch bei Erteilung eines auf den Rückerstattungsanspruch beschränkten Erbscheins. 2. Rechtsvermutungen sind auf das gegenwärtige Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses gerichtet 48 ). Dazu gehören die Vermutungen nach §§ 891 (1138, 1155), 921, 1006 (1065, 1227), 1362, 1527, 1964, 2365 (1507, 2368 Abs. 3) BGB, § 8 Abs. 2 HausratsVO. Das Bestehen des Vermutungstatbestandes führt dazu, daß das Gericht das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Der zulässige Beweis des Gegenteils, der Gegenstand von Amtsermittlungen sein kann, ist erbracht, wenn das Gericht die Gewißheit erlangt hat, daß das als bestehend und dem Rosenberg Beweislast 5 S. 67 f f . Rosenberg aaO. S. 2. Rosenberg Beweislast 5 § 15 I 2. K G J 45, 150. K G J 39 A 89; Rosenberg aaO. S. 222. Hamburg N J W 1952, 147; BayObLGZ 1953, 120 = J Z 1953, 474; K G N J W 1954, 1652 = D N o t Z 1954, 374; Staudinger-Firsching BGB 11 § 2356 Anm. 14; a.M. Arnold MDR 1951, 278; Rpfleger 1957, 142, 147; Schlegelberger § 84 Anm. 4a. « ) KG N J W 1954, 1652 = D N o t Z 1954, 374; D N o t Z 1957, 156; N J W 1958, 24; RzW 1963, 467; FamRZ 1967, 514; OLG Celle RzW 1961, 223; LG Hannover RzW 1961, 223;
'») 4 °) 41 ) «) 43 ) 44 )
OLG Hamburg RzW 1965, 35; im Ergebnis audi BayObLGZ 1964, 433, 443; SchubartVölker VerschR § 11 Anm. 4; Soergel-EhardEder BGB« § 2356 Rdn. 7; a.M. Dandcelmann N J W 1954, 1652 u. 1958, 24. 4 «) Dazu K G RzW 1955, 189; 1962, 26; Neustadt RzW 1962, 374; Krohn RzW 1964, 12. " ) KG R z W 1958, 115; Staudinger-Firsdiing B G B » § 2356 Anm. 3. Jedoch geht die durch Todeserklärung begründete Todeszeitvermutung des § 9 VersdiG der besonderen Todesvermutung des § 180 BEG vor, B G H RzW 1959, 42, 138, 239. 48 ) Rosenberg Beweislast 5 S. 225.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
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Begünstigten zustehend vermutete Redit nicht besteht oder ihm nicht zusteht 48 ). Die Rechtsvermutung des § 2365 BGB hat aber im Erbscheinseinziehungsverfahren keine Bedeutung 50 ), wohl aber im Grundbuchverfahren 51 ).
E. Vorfragenkompetenz 1. Grundsatz. Das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, einem anerkannten Grundsatz des deutschen Prozeßrechts entsprechend, befugt, über Vorfragen und Einwendungen aus einem nicht zu seiner Zuständigkeit gehörenden Rechtsgebiet zu entscheiden, sofern und soweit es in dem Verfahren überhaupt zur Entscheidung berufen ist und sofern es die Entscheidung der Vorfrage für seine Entscheidung für erheblich erachtet. Das gilt zunächst für die Beurteilung streitiger Rechtsverhältnisse aus dem Gebiet des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, für deren Entscheidung auch die Zuständigkeit des Prozeßgerichts begründet werden könnte; hängt die Entscheidung in der dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheit davon ab, so ist das Gericht befugt, die Entscheidung über die Vorfrage selbst zu treffen und zur Aufklärung des Sachverhalts die erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten 52 ). Zur Vorfrage wird eine Frage dadurch, daß ihre Beantwortung zum Zwecke der Beurteilung einer anderen Frage notwendig ist. Bei der Testamentseröffnung, der Entgegennahme von Erbausschlagungs- und Testamentsanfechtungsarklärungen (§§ 1945, 2081 BGB) hat das Nachlaßgericht zwar über die Gültigkeit dieser Rechtsgeschäfte nicht zu befinden; selbständige feststellende Entscheidungen darüber sind ihm nicht zugewiesen 53 ). Dagegen ist das Nadilaßgericht zur Entscheidung über diese Fragen berufen, wenn es in einem ihm zugewiesenen selbständigen Verfahren über die Erbeneigenschaft oder die Erbfolge zu befinden hat, z. B. bei der Bestimmung einer Inventarfrist (§ 1994 BGB) 54 ), bei der Feststellung des Erbrechts des Fiskus (§ 1964) oder im Verfahren zur Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins (vgl. § 84 Rdn. 5). Im Erbsdieinsverfahren ist daher zu befinden über die Wirksamkeit einer Testamentsanfechtung 55 ) oder über das Bestehen eines Kindesannahmeverhältnisses 56 ). Das Vormundschaftsgericht entscheidet über die Gültigkeit und Auslegung eines Testaments, wenn eine Pflegschaft nach § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnet werden soll 57 ). In dem Verfahren zur Anordnung der Mitteilung einer Bilanz nach §§ 166 Abs. 3, 338 Abs. 3 HGB hat das Gericht über streitige Vorfragen über das Bestehen der Gesellschaft, ihre Beendigung oder die Eigenschaft des Antragstellers als Kommanditisten zu befinden 58 ). Vor der Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB hat das Gericht zu prüfen, ob die bisherigen Vorstandsmitglieder wirksam abberufen sind, wenn darüber Streit besteht.
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2. Aufrechnung. In echten Streitsachen kann, gegebenenfalls mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 2 ZPO), auch über solche zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen befunden werden, die sonst vor dem Prozeßgericht eingeklagt werden müßten, z. B. im Landwirtschaftsverfahren 58 ). Im Verfahren zur Rückerstattung von Notarkosten (§ 157 KostO) kann über einen zur Aufrechnung gestellten Vergütungsanspruch des Anwaltsnotars aus anwaltlicher Tätigkeit entschieden werden 60 ). In Nichtstreitsachen dagegen ist die Entscheidung über zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen unzulässig, z. B. bei Festsetzung der Vergütung des Vormunds (§ 1836 BGB) 61 ). 3. Ausschluß der Vorfragenkompetenz. Eine Inzidententscheidung ist aber ausgeschlossen, wenn über die präjudizielle Vorfrage ausschließlich durch Gestaltungsurteil entschieden wer-
-jg
48
) ) 51 ) 52 ) 50
Rosenberg aaO. S. 233, 242. Rosenberg aaO. S. 238; vgl. § 84 Rdn. 13. Henke-Möndi-Horber GBO» § 35 Anm. 3 D b. Unger ZZP 39, 104; Josef ZB1FG 3, 589 ff.; 6, 545 ff.; Recht 10, 464 ff.; Josef FGG 2 Zus. IX zu § 1, Zus. A zu § 12; Sdilegelberger Anm. 14; Keidel Anm. 33; Bärmann § 15 IV; Lent-Habsdieid § 19 V 4 b; KGJ 35 A 113 = RJA 9, 75; KG NJW 1960, 633; BayObLGZ 1954, 6, 8; 1964, 35 u. 387; BGHZ 5, 259 = NJW 1952, 742.
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) KGJ 35 A 58; vgl. aber BayObLGZ 1968, 68. ) BayObLG RJA 3, 176; dazu Josef ZB1FG 3, 607; Redit 10, 466. 55 ) KG NJW 1963, 766 = JR 1963, 100. 56 ) BayObLGZ 1964, 385. " ) KGJ 22 A 25; Sdilegelberger Anm. 14. 58) K G OLGR 42, 177; KG JFG 6, 212. 5 ») BGHZ 40, 338 = NJW 1964, 863. «°) KG v. 17. 2. 63, 1 W 2022/62 (unveröffentlicht). 61 ) KG JFG 17, 148; KG N J W 1957, 1441.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit
den kann, wie über die Erbunwürdigkeit (§ 2342 BGB) 62 ), die Ehenichtigkeit oder die Ehelichkeitsanfechtung; in diesen Fällen ist entsprechend §§ 151, 153 Z P O auszusetzen (Vorbem. vor § 8 Rdn. 39 a. E.). Ehescheidung und Eheaufhebung können nicht vorgreiflich sein, weil sie nicht zurückwirken 68 ). Ebenso ist eine Entscheidung über die Vorfrage ausgeschlossen, wenn darüber durch eine rechtsgestaltende Entscheidung der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu befinden ist, z. B. über die Ehelichkeitsanfechtung nach § 1599 Abs. 2 BGB, § 56b FGG. Auch über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen kann nicht als Vorfrage beiläufig entschieden werden, soweit die Justizverwaltungsbehörde zuständig ist (Art. 7 FamRÄndG § 1 Rdn. 6). Dagegen steht der Umstand, daß über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe oder eines Eltern- und Kindesverhältnisses (§ 154 ZPO) auch im Statusprozeß mit Wirkung für und gegen alle entschieden werden könnte (§§ 638 Satz 2, 643 ZPO), der Entscheidung als Vorfrage in einem anderen Verfahren nicht entgegen 64 ). 17
4. öffentlichrechtliche Vorfragen unterliegen grundsätzlich ebenfalls der Entscheidungsbefugnis des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit 65 ). Selbständig zu prüfen ist daher die Staatsangehörigkeit, wenn es für die Zuständigkeit, das nach internationalem Privatrecht anzuwendende Recht oder nach dem Tatbestand der anzuwendenden Norm (z. B. § 16 Abs. 2 AuslG) darauf ankommt 66 ). Im Verfahren zur Anordnung von Abschiebungshaft ist die Ausländereigenschaft selbständig zu prüfen 67 ), ebenso das Bestehen eines Asylrechts nach der Genfer Kovention 66 ). Die Entscheidungsbefugnis entfällt aber, wenn die Feststellung des Rechtsverhältnisses mit bindender Wirkung zur ausschließlichen Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde gehört, wie die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art. 7 § 1 FamRÄndG (vgl. Anh. II nach § 34, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rdn. 6).
F. Bindung an Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte 18
1. Begriff und Umfang. Die selbständige Entscheidung von Vorfragen kann dem Gericht verwehrt sein, wenn über die Vorfrage bereits eine Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde vorliegt, an die das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit gebunden ist. Bindung bedeutet Maßgeblichkeit der früheren Entscheidung im Sinne eines Verbots, sich zu ihr in Widerspruch zu setzen. Bei feststellenden Entscheidungen bedeutet dies das Verbot, die Rechtslage in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht anders zu beurteilen, als es in der Entscheidung geschehen ist, bei rechtsgestaltenden Entscheidungen das Gebot, die durch den Akt bewirkte Gestaltung der Rechtslage anzuerkennen und der Entscheidung zugrunde zu legen 69 ). Bindung bedeutet aber nicht ein Verbot der Nachprüfung schlechthin; die Nachprüfbarkeit ist lediglich beschränkt. Das Gericht darf jedenfalls prüfen, ob der Akt überhaupt erlassen ist, ob er ordnungsgemäß verlautbart oder formell rechtskräftig ist, wenn der Eintritt seiner Wirkungen hiervon abhängt, und ob er nicht etwa widerrufen oder aufgehoben ist. Es darf den Akt auch auslegen und darf schließlich prüfen, ob der Akt nicht etwa nichtig ist, d. h. in der Weise schlechthin unverbindlich (wirkungslos), daß diese Unverbindlichkeit ohne vorherige förmliche Anfechtung oder Aufhebung von jedermann jederzeit geltend gemacht werden, somit auch von jedem Gericht incidenter festgestellt werden kann 70 ). Die Befugnis zur Nachprüfung auf Nichtigkeitsgründe besteht im Grund«2) Palandt-Keidel BGB 2 7 § 2342 Anm. 1; Staudinger-Ferid BGB 11 § 2342 Anm. 9. Zur Bindungswirkung vgl. Brox FamRZ 1963, 392 zu I I I und dagegen Nicklisch, Die Bindung der Geridite usw., 1965, S. 170 f f . 3 • ) Blomeyer ZPR § 28 I I I 2 c Fn. 1; Wieczorek Z P O § 152 Anm. A I. • 4 ) BayObLGZ 1964, 385 zu I I I ; Stein-JonasPohle Z P O 1 8 § 154 Anm. I. Schlegelberger § 12 Anm. 10; Keidel Anm. 32; Josef ZB1FG 21, 260; Lent-Habscheid 4 § 19 V 4 a; Bärmann § 18 IV. 66 ) K G J 27 A 165; 32 A 28; 36 A 102; 41, 25; 42, 11; K G R J A 6, 102; OLGR 34, 262. 67 ) BayObLGZ 1958, 309.
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) BayObLGZ 1958, 329; Celle NdsRpfl. 1961, 121. ) Vgl. Bötticher, Beiträge zur Lehre von der Rechtskraft, 1930, S. 72 ff.; ders., Die Bindung der Gerichte an die Entscheidungen anderer Gerichte, in Festsdir. Dt. Juristentag, 1960, S. 511 ff.; Brox, ZZP 73, 46, 49; Nidklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Geriditsentscheidungen und Verwaltungsakte, 1965, S. 37 f. 70 ) Bachof, SJZ 1950, Sp. 488; Winkler, Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, 1960, S. 9 Fn. 20; Nicklisch aaO. S. 38; Stein-JonasPohle ZPO 1 » Einl. D I 3 f ; Lent-Habsdieid 4 § 19 V 4 a.
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satz gegenüber Entscheidungen jeder Art, jedoch sind die Voraussetzungen, unter denen Nichtigkeit oder Wirkungslosigkeit angenommen werden kann, bei Urteilen 71 ) der Prozeßgerichte und Verwaltungsgerichte und bei Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 7 Rdn. 15 ff.) nur in seltenen Fällen gegeben und jedenfalls weit enger als bei Verwaltungsakten, bei denen es auf die Schwere der Rechtsverletzung und die Offenkundigkeit des Fehlers (Evidenz und Gravidität) ankommt 72 ). Dagegen erstreckt sich die Prüfungsbefugnis nicht darauf, ob die Entscheidung sachlich richtig und fehlerfrei (rechtmäßig) ist oder nicht, so daß sie in dem für sie vorgesehenen Rechtsweg aufgehoben werden müßte oder hätte aufgehoben werden können. Der Umfang der Bindung ergibt sich bei Entscheidungen mit Feststellungswirkung aus den objektiven und subjektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft 7 3 ); bei rechtsgestaltenden Entscheidungen besteht eine Bindung nur in Ansehung der durch sie herbeigeführten Gestaltungswirkung, nicht an die Beurteilung der Vorfragen, auf der das Recht zur Gestaltung beruht 74 ). Hat daher das NachlG einen Testamentsvollstrecker ernannt (§ 2200 BGB), so ist diese Verfügung für das Prozeßgericht oder das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwar insoweit bindend, als die Person des Amtsinhabers nicht in Frage gestellt werden kann, nicht aber insoweit, als es sich um die Anordnung oder Fortdauer der Testamentsvollstreckung handelt 75 ). Die Bindungswirkung besteht nicht nur im Verhältnis der verschiedenen Geirichtszweige zueinander, sondern auch innerhalb desselben Gerichtszweiges76). Zu unterscheiden ist die Bindung an Entscheidungen mit Gestaltungswirkung, mit Tatbestandswirkung und an feststellende und verurteilende Entscheidungen. 2. Rechtsgestaltende Entscheidungen. Die Gestaltungswirkung einer Entscheidung besteht darin, daß durch eine in ihr enthaltene staatliche Willenserklärung eine Änderung der Rechtslage (Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses) herbeigeführt wird. Gestaltungswirkung ist keine Eigenart gerichtlicher Urteile; sie ist eher typisch für Verwaltungsakte, die, ebenso wie Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, überwiegend rechtsgestaltender Natur sind 77 ). An wirksame gestaltende Gerichtsentscheidungen (der streitigen, freiwilligen oder Verwaltungsgerichtsbarkeit) und Verwaltungsakte sind die Gerichte gebunden. Die Bindung ergibt sich daraus, daß das Gericht infolge seiner Bindung an das Recht (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG) die von der Rechtsordnung an den (wirksamen) Gestaltungsakt geknüpften Rechtsfolgen seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat; eine Prüfung, ob der Staatsakt hätte erlassen werden dürfen, ist dem Gericht verwehrt, weil die Rechtsordnung die Rechtsfolge an den Gestaltungsakt als Tatbestandsmerkmal, nicht an den ihn rechtfertigenden Sachverhalt knüpft 78 ). Bindend sind daher rechtsgestaltende Verwaltungsakte, wie die Einbürgerung, die Namensänderung (§§ 1, XI NamÄndG), die Ernennung oder Entlassung eines Beamten, die Verleihung oder Entziehung der Rechtsfähigkeit eines Vereins (§§ 22, 43, 44 BGB). Im Verfahren zur Anordnung der Abschiebungshaft ist das Aufenthaltsverbot der Verwaltungsbehörde, sofern es wirksam und vollziehbar ist, für das Gericht bindend 79 ). Nicht bindend sind Entscheidungen und Verwaltungsakte, die eine beantragte Gestaltung ablehnen; ein Urteil des Prozeßgerichts, durch welches die Klage auf Nichtigerklärung einer AG oder GmbH oder ihrer Beschlüsse abgewiesen wird, hindert ) Vgl- Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958; Blomeyer Z P R § 81 I I I . 7 ! ) Vgl. Ule in Redit, Staat, Wirtschaft, Bd. I I I 1951, S. 278 f f . ; Badiof S J Z 1950, Sp. 490; Lerche, Ordentlicher Rechtsweg usw. 1953, S. 49; Winkler, Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, i960, S. 31 f f . ; Stein-JonasPohle Z P O 1 9 Einl. D I 3 f. 7 3 ) Brox ZZP 73, 46, 57 ff. 7 4 ) Nicklisch aaO. S. 160. 7 5 ) Jansen N J W 1966, 331; Bärmann § 15 I V 2 a ; a.M. Hamburg N J W 1965, 1968; Keidel § 1 Anm. 13a. Nicklisch aaO. S. 165. 71
) Vgl. Jesch, Die Bindung des Zivilrichters an Verwaltungsakte, 1956; Niddisdi, Die Bindung der Gerichte an gestaltende GerichtsentScheidungen und Verwaltungsakte, 1965; Klein, Untersuchungen zur sachlichen Zuständigkeit der Zivilgerichte im öffentlichreditlichen Bereich, 1954, S. 23; Siebert, Zulässigkeit des Rechtswegs und richterlidie Prüfungszuständigkeit, 1959, S. 42 Rdn. 128. 7 8 ) Bötticher, Die Bindung der Gerichte usw. in Festschr. D t . Juristentag 1960, S. 522; Nicklisch aaO. S. 138, 156; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 Einl. D I 3 f ; Bärmann § 15 I V 1. BayObLGZ 1962, 121; K G O L G Z 1968, 193; Keidel Anm. 40. 77
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das Registergericht nicht, ein Amtslöschungsverfahren nach § 144 F G G einzuleiten 80 ). Hat die Genehmigungsbehörde entschieden, daß ein Geschäft einer dem Schutz öffentlicher Interessen dienenden Genehmigung nicht bedürfe (Negativ-Attest), so ist das Gericht hieran gebunden, da die Wahrung des öffentlichen Interesses allein der Behörde obliegt 81 ). Bei Anordnung der vorläufigen Vormundschaft (§ 1906 BGB) ist das VormG zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der das Entmündigungsverfahren einleitenden Verfügung nicht befugt (§ 52 Rdn. 2). Hat das Jugendgericht gemäß § 53 J G G dem VormG die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln überlassen, so muß dieses grundsätzlich eine Erziehungsmaßregel anordnen 82 ). 20
Die bindende Wirkung beginnt, sobald der Gestaltungsakt wirksam geworden ist, und besteht, solange er wirksam ist. Bei Gestaltungsakten, die schon vor Eintritt der Unanfechtbarkeit mit ihrem Erlaß oder ihrer Bekanntmachung wirksam werden, wie meistens bei Verwaltungsakten und Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ist es daher für die Bindungswirkung gleichgültig, ob der Akt schon unanfechtbar geworden ist oder nicht 83 ). Aufgeschoben wird die bindende Wirkung jedoch durch die Einlegung eines Widerspruchs (§ 80 Abs. 1 VwGO) oder, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat, durch gerichtliche Anordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO. Wegen rechtsgestaltender Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. § 24 Rdn. 7. Bei Gestaltungsurteilen tritt die Gestaltungswirkung erst mit der formellen Rechtskraft ein, mitunter (Erbunwürdigkeit, Ehelichkeitsanfechtung) aber mit Rückwirkung 83 ").
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Tatbestandswirkung. Von Tatbestandswirkung oder Nebenwirkung eines Staatsaktes spricht man, wenn die Rechtsänderung nicht Gegenstand des Verfahrens ist und in dem Staatsakt nicht besonders ausgesprochen wird, wenn aber das Vorliegen einer Entscheidung zum gesetzlichen Tatbestand einer Rechtsnorm gehört und das Gesetz damit an die Entscheidung Wirkungen knüpft wie an ein anderes Tatbestandsmerkmal 84 ). Ob einer Entscheidung neben ihrer eigentlichen Bedeutung eine solche Tatbestandswirkung beigelegt ist, muß durch Auslegung der jeweiligen Norm ermittelt werden. Tatbestandswirkung können gerichtliche Urteile, Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder Verwaltungsakte haben. Tatbestandswirkung hat die Feststellung des Ehebruchspartners im Scheidungsurteil für das Ehehindernis des Ehebruchs; die Feststellung ist daher für den Standesbeamten und das Gericht (§ 45 PStG, § 6 Abs. 2 EheG) bindend (§ 44b Rdn. 3). Der Schuldausspruch des Scheidungsurteils hat Rechtswirkungen in bezug auf die Unterhaltspflicht (§§ 58—61 EheG), das Namensrecht (§§ 55, 56 EheG), den Schenkungswiderruf (§ 73 EheG), die Regelung der elterlichen Gewalt (§ 1671 Abs. 3 Satz 2 BGB), die Auseinandersetzung des Gesamtguts bei der Gütergemeinschaft (§ 1478 BGB) und den Anspruch auf Einbürgerung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 RuStAngG); hierbei handelt es sich um Tatbestandswirkungen des Scheidungsurteils85). Die rechtskräftige Feststellung der Alleinschuld eines Elternteils ist daher für das VormG bei der Regelung der elterlichen Gewalt nach Maßgabe des § 1671 Abs. 3 Satz 2 B G B bindend 88 ). 8») V g l . § 144 R d n . 2 1 ; Baur § 2 B V I S. 47. 8') B G H Z 1, 3 0 2 ; B G H N J W 1951, 6 4 5 ; B a y O b L G Z 1952, 5 7 ; vgl. auch B G H Z 44, 3 2 6 ; Riedel J Z 1961, 597 zu I V 5 ; zu § 3 W ä h r G Dürkes M D R 1961, 283 gegen L G Duisburg ebd. S. 3 2 4 ; a . M . Schulz N J W 1951, 645 zu 3 ; Jesdi, Bindung S. 50 F n . 36. V g l . jetzt § 5 G r d s t V G , § 23 Abs. 2 B B a u G . 82) K G J F G 3, 8 0 ; Dallinger-Lackner J G G § 53 Anm. 11. e s ) Nidclisch a a O . S. 166. 83") Vgl. Schlosser, Gestaltungsklagen und G e staltungsurteile, 1966, § 8 ; eine vorläufige Vollstreckbarkeit von Gestaltungsurteilen (dazu Schlosser a a O . § 24 I I I ) kommt jedenfalls bei Statusurteilen nicht in Betracht. 8 4 ) Kuttner, D i e privatrechtlichen Nebenwirkungen der Zivilurteile, 1908 S . 5 ; B r o x , Z Z P 73,
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46, 5 0 ; Nicklisch a a O . S. 1 1 0 ; Rosenberg Z P R 9 § 146 I I 3 ; Bärmann § 23, 4. er>) Kuttner, Nebenwirkungen S. 33 f . , 60 f., 9 7 ; Jesdi, D i e Bindung des Zivilrichters, 1956, S. 5 8 ; Bötticher in Festgabe f . Rosenberg, 1949, S. 88 F n . 12; Blomeyer Z P R § 120 V I I I 3 ; Nidclisch a a O . S. 124 sieht darin eine feststellende Entscheidung mit QuasigestaltungsWirkung; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, § 10 I ein unvollkommenes Gestaltungsurteil. Vgl. auch Gaul F a m R Z 1957, 237, 240. 8 8 ) B G H Z 3, 5 2 ; K G J R 1949, 3 2 1 ; K G O L G Z 1967, 1 9 9 ; Frankfurt F a m R Z 1962, 171; N e u Stadt F a m R Z 1964, 9 1 ; Staudinger-Sdiwoerer B G B 1 1 § 1671 Anm. 1 1 4 ; Soergel-Lange BGB 1 1 § 1671 Anm. 34.
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Für die gegenüber rechtskräftigen Urteilen zulässige Arglisteinrede genügt die inhaltliche Unrichtigkeit des Schuldausspruchs für sich allein nicht 87 ); es kann aber der in § 162 B G B zum Ausdruck gekommene allgemeine Rechtsgedanke in Betracht kommen, wonach jemand, der wider Treu und Glauben einen Tatbestand gesetzt hat, an den eine ihn begünstigende Rechtsfolge geknüpft ist, sich so behandeln lassen muß, als sei der Tatbestand nicht verwirklicht 88 ). Im Verfahren nach § 1672 B G B kann bei Berücksichtigung der Trennungsschuld (§ 1672 Satz 1 mit § 1671 Abs. 3 Satz 2 BGB), wenn bereits der Scheidungsrechtsstreit schwebt, eine Bindung an die jeweilige Beweislage des Scheidungsrechtsstreits oder an ein noch nicht rechtskräftiges Urteil nicht in Betracht kommen, weil noch keine Entscheidung vorliegt, die Tatbestandswirkung haben kann 8 9 ); das VormG kann die Ergebnisse der Beweiserhebungen im Scheidungsrechtsstreit selbständig würdigen und durch eigene Ermittlungen ergänzen, ist aber zu umfangreichen, neben dem Scheidungsrechtsstreit gleichlaufenden Beweiserhebungen nicht verpflichtet, wenn die alleinige Trennungsschuld eines Elternteils sich nicht zweifelsfrei feststellen läßt 9 0 ). Im Wohnungs- und Hausratsauseinandersetzungsverfahren ist der Schuldausspruch des Scheidungsurteils nicht bindend, weil nach § 2 HausratsVO Tatbestandsmecrkmal nicht der Schuldausspruch, sondern die Ursachen der Eheauflösung sind 91 ). Die Eröffnung des Konkurses zieht als Tatbestandswirkung die Auflösung von Handelsgesellschaften (vgl. § 128 Rdn. 16) und mit dem Eintritt der Rechtskraft die Beendigung der Vermögensverwaltung des Elternteils nach sich (§ 1670 BGB). Die Anordnung einer Gebrechlichkeitspflegschaft hat als Nebenwirkung das Ruhen der elterlichen Gewalt (§ 1673 Abs. 2 BGB) und weitere Minderungen der Rechtsstellung zur Folge (vgl. § 3 8 Rdn. 8). Die Änderung des Familiennamens des Ehemanns und Vaters durch Verwaltungsakt (§§ 1, 4, 10 NamÄndG) zieht nach §§ 1355, 1616 BGB als Tatbestandswirkung die Änderung des Namens der Ehefrau und der Kinder nach sich92). 4. Feststellungswirkung. An Entscheidungen der Prozeß- und Verwaltungsgerichte, die nicht rechtsgestaltend sind und nach der anzuwendenden Rechtsnorm keine Tatbestandswirkung haben, insbesondere also an Leistungs-, Feststellungs- und klagabweisende Urteile, mögen sie auch materiell rechtskräftig sein, ist das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich nicht gebunden 93 ). Es ist vielmehr berechtigt und verpflichtet, auch gegenüber bereits vorliegenden rechtskräftigen Urteilen eines anderen Gerichts die Rechtslage selbst zu prüfen und über Vorfragen selbständig zu entscheiden. Das folgt zwar nicht daraus, daß im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Amtsermittlungsgrundsatz, im Zivilprozeß aber die Verhandlungsmaxime gilt; denn der angeführte Grundsatz gilt auch für Urteile der Verwaltungsgerichte, die in einem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz ergangen sind. Die Folgerung ergibt sich aber aus den subjektiven Grenzen der Rechtskraft, die grundsätzlich auf die Parteien des Rechtsstreits und ihre Rechtsnachfolger beschränkt ist 94 ), während im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglicherweise über die Rechte weiterer Beteiligter zu befinden ist, sowie aus dem Umstand, daß im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit das Gericht bei manchen Verfahrensgegenständen auch öffentliche Belange zu wahren hat (vgl. zur Bindung des Registergerichts § 127 Rdn. 25). Fehlen diese besonderen Gründe, so ist eine Bindung des Gerichts an rechtskräftige Urteile anzuerkennen, also wenn zwischen den Parteien des anderen Prozesses oder ihren Rechtsnachfolgern (§ 325 ZPO) und ) Bremen E J F 1953, 35 mit zust. Anm. v. Sdiwoerer; Staudinger-Sdiwoerer B G B 1 1 § 1671 Anm. 115; Soergel-Lange B G B 9 § 1671 Anm. 34. Dazu auch Gaul FamRZ 1957, 237. 88) Sdiiedermair, Das Anwendungsgebiet des § 162 B G B , 1929 S. 122; Enneccerus-Nipperdey § 196 I V ; Nicklisch, Die Bindung der Gerichte usw., 1965, S. 169. 8°) Staudinger-Sdiwoerer B G B » § 1672 Anm. 9 ; B G B - R G R K » § 1672 Anm. 4 ; K G N J W 1968, 1835; a.M. Neustadt FamRZ 1962, 308; Keidel § 12 Anm. 35 Fn. 4. «») BayObLGZ 1965, 396; K G O L G Z 1967, 253; 87
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Karlsruhe O L G Z 1967, 489; Dölle FamR § 97 X I 3 a ; Staudinger-Sdiwoerer B G B 1 1 § 1672 Anm. 9. BayObLGZ 1956, 370; 1964, 40, 4 8 ; K G FamRZ I960, 445; Hamburg N J W 1954, 1892; Hoffmann-Stephan HausratsVO § 2 Anm. 2 ; unbegründete Bedenken äußert Habscheid FamRZ 1965, 185 zu B I I I . Frankfurt FamRZ 1967, 481; Maßfeller-Hoffmann P S t G § 15c Anm. 16. Sdilegelberger § 12 Anm. 15; Baur § 2 B V I 3 b) bb). Vgl. Blomeyer Z P R § 91.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit den materiell Beteiligten des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit Personengleidiheit besteht und das Gericht in dem Verfahren keine öffentlichen Belange zu wahren hat. Die Maßgeblichkeit ist eine Reflexwirkung der Verpflichtung der Parteien, im Verhältnis zueinander das materiell rechtskräftige Urteil zu beachten. Wenn andere als private Belange der Beteiligten nicht in Betracht kommen, ist im Interesse der Entscheidungsharmonie eine Beschränkung der richterlichen Entscheidungsfreiheit auch in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz vertretbar. Diese Lage wird häufig in (privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen) Streitsachen gegeben sein, kann aber auch in anderen Verfahren, z. B. vor dem Nadilaßgericht, dem Registergericht oder dem Grundbuchamt auftreten. Daher ist das Nachlaßgericht im Verfahren zur Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins innerhalb der subjektiven und objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft an ein rechtskräftiges Urteil über die Feststellung des Erbrechts gebunden. Kommen als Erbprätendenten nur die Parteien des Feststellungsprozesses in Betracht, so muß das NachlG den Erbschein dem Beteiligten erteilen, der im Rechtsstreit obgesiegt hat; dagegen ist es nicht gehindert, einer dritten Person den Erbschein zu erteilen, wenn es der Meinung ist, daß keine der Prozeßparteien, sondern der Dritte Erbe ist 05 ). Die Bindung entfällt jedoch, wenn ein Wiederaufnahmegrund, etwa nach § 580 Nr. 7 Buchst, b ZPO, gegeben ist oder nachträglich dem Prozeßgericht unbekannt gewesene Umstände hervortreten, die dem Unterlegenen die Einrede arglistiger Ausnutzung der Rechtskraft gewähren würden 96 ). Die Bindung besteht ferner nur in den objektiven Grenzen der Rechtskraft, daher nicht an bloße Urteilselemente, auf die sich die Rechtskraft nicht erstreckt; deshalb ist das Nachlaßgericht nicht gebunden an Urteile über den Anspruch des Erben gegen Erbsdiaftsbesitzer oder Nachlaßschuldner, über Ansprüche aus Vermächtnissen oder Pflichtteilsrechten oder über die Erbauseinandersetzung. In demselben Umfang kann eine Bindung an rechtskräftige Urteile der Verwaltungsgerichte bestehen 97 ). Eine weitergehende Bindung kann gesetzlich angeordnet sein, z. B. für das Registergericht in § 16 HGB (vgl. dazu § 127 Rdn. 18 bis 24). f . Strafurteile. An Feststellungen in einem Straf urteil ist das Gericht nicht gebunden; es ist befugt, den Sachverhalt selbständig aufzuklären und nicht gehindert, die Tatsachen, die der Strafrichter als nicht erwiesen erachtet hat, gleichwohl als wahr festzustellen oder umgekehrt 97 '). Dem Gericht ist es aber nicht verwehrt, den Inhalt von Strafakten im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, wenn keine Tatsachen hervorgetreten sind, welche die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen zu erschüttern geeignet sein könnten 97 "). 6. An feststellende Verwaltungsakte deklaratorischer Art, z. B. über die Staatsangehörigkeit, ist das Gericht nicht gebunden 98 ), soweit eine Bindung nicht gesetzlich angeordnet ist wie in § 8 NamÄndG oder in Art. 7 § 1 Abs. 8 FamRÄndG. Es gibt jedoch gewisse Verwaltungsakte, die eine der materiellen Rechtskraft wesensverwandte Beständigkeit besitzen; diese Eigenschaft können feststellende streitentscheidende Verwaltungsakte haben, wenn über widerstreitende Interessen mehrerer Beteiligter durch eine Verwaltungsbehörde als unbeteiligte dritte Stelle in einem geregelten Verfahren nach Aufklärung des Sachverhalts »5) Kuttner, Festgabe f. Gierke, Bd. II S. 163 ff.; Böttidier, Festsdir. z. Dt. Juristentag S. 538; Unger Z Z P 41, 195; Schwab J W 1960, 2169 zu II 2; Sdilegelberger § 12 Anm. 17; Keidel Anm. 37; Baur § 2 B VI 3 b; Bärmann § 15 IV 2 b ; Lent-Habsdieid 4 § 19 V 4 c) bb); Staudinger-Firsching BGB 11 § 2360 Rdn. 8 f f . ; a.M. Josef JheringsJb. 61, 197. 96 ) Sdilegelberger Anm. 17a; Palandt-Keidel BGB 27 § 2359 Anm. 1 a. ) Keidel Anm. 72 hält die §§ 794 Abs. 1 Nr. 2, 795, 795a, 798 ZPO ohne weiteres für anwendbar.
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Wo das Kostenfestsetzungsverfahren in bundesrechtlichen Sondergesetzen geregelt ist, ist die Vollstreckbarkeit des Festsetzungsbeschlusses entweder besonders bestimmt (VerschG § 38, LwVG § 31) oder die §§ 794 Abs. 1 Nr. 2, 795a, 798 ZPO sind auf Grund einer allgemeinen Verweisung auf die Vorschriften der ZPO anwendbar (FrEntzG § 16, AG zum AuslSchuldenAbk. § 89 Abs. 5). UmstErgG § 26 und EGGVG § 30 Abs. 2 dagegen verweisen ebenfalls nur auf §§ 103 bis 107 ZPO.
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H. Aufrechterhaltenes abweichendes Bundesrecht Nach § 13a Abs. 3 bleiben bundesrechtliche Vorschriften, welche die Kostenerstattung abweichend regeln, unberührt. Danach gilt folgendes:
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1. Ausgeschlossen ist die Kostenerstattung im Verfahren nach dem VertragshilfeG vom 26. 3. 1952 (BGBl. I, 198) § 20, anwendbar auch auf die Vertragshilfe nach dem BVertriebenenG i. d. F. vom 23. 10. 1961 (BGBl. I, 1883) §§ 83 Abs. 1, 88 Abs. 4, dem HeimkehrerG vom 30. 10. 1951 (BGBl. I, 875) § 26a, dem Allg. KriegsfolgenG vom 5. 11. 1957 (BGBl. I, 1747) § 87 Abs. 2 und auf das Verfahren nach dem G über die innerdeutsche Regelung von Vorkriegsremboursverbindlichkeiten vom 20. 8. 1953 (BGBl. I, 999) § 16 Abs. 2; ferner im Wertpapierbereinigungsverfahren, WBG § 59 Abs. 9, anwendbar auch im Prüfungsverfahren nach dem Allg. KriegsfolgenG § 63 Abs. 1. Auch im Armenrechtsverfahren werden Kosten nicht erstattet, FGG § 14 mit ZPO § 118a Abs. 4, auch nicht im Beschwerdeverfahren107). Im Verfahren nach §§ 98, 99 AktG werden Kosten der Beteiligten nicht erstattet (§ 99 Abs. 6 Satz 10 AktG).
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2. Zugelassen ist die Anordnung der Kostenerstattung unter teilweise abweichenden Voraussetzungen nach LwVG § 45, VerschG § 34, HausratsVO § 20, WEG § 47, UmstErgG § 26, FrEntzG § 16, AG z. AuslSchuldenAbk. § 89 Abs. 5, EGGVG § 30 Abs. 2; auch § 6 Abs. 4 40. DVO/UmstG ermächtigt zur Auferlegung außergerichtlicher Kosten108). 3. Zu den aufrechterhaltenen Vorschriften gehören auch die des BGB über die Kosten der Abnahme des Offenbarungseides, §§ 261, 2028, 2057, der Feststellung des Zustandes oder Wertes einer Sache, §§ 1034, 1067, 1093, 1377, 2122, der Aufnahme eines Verzeichnisses, §§ 1035, 1377, 2121, 2314, und der Sicherheitsleistung, §§ 1668 Abs. 2, 1844 Abs. 3. Armenrecht 14 Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Armenrecht sowie die Vorschriften der §§ 34 bis 36 der Rechtsanwaltsordnung finden entsprechende Anwendung. Übersicht A. Allgemeines B. Anwendungsbereich C. Voraussetzungen, Wirkungen und Verfahren der Armenreditsbewilligung
Rdn. 1 2 3-88
I. Voraussetzungen der Armenreditsbewilligung 3-12 1. Inländische natürliche Personen 4 2. Ausländer 5-7 3. Staatenlose 8 4. Parteien k r a f t Amtes 9 5. Inländische juristische Personen 10 107
) Hamburg Rpfleger 1958, 38; Nürnberg BayJMB1. 1957, 431; Celle N J W 1967, 56; München JVB1. 1967, 280.
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Rdn. 6. Mittellosigkeit 11 7. Erfolgsaussicht und fehlende Mutwilligkeit 12 II. Inhalt und Wirkungen des Armenrechts 13-20 1. Wirkung 14 2. Gerichtskosten 15 3. Erstattung der Auslagen 16 4. Beiordnung eines Gerichtsvollziehers 17 5. Beiordnung eines Rechtsanwalts 18-19 6. Unvollständige Kostenbefreiung 20 "8) B G H LM § 6 40. DVO/UmstG N r . 2; Hamm JMB1NRW 1952, 110; BayObLG N J W 1952, 882; Frankfurt N J W 1953, 1148; Oldenburg N J W 1956, 427; K G 1 W 140/56.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Rdn.
Rdn.
III. Beiordnung eines Rechtsanwalts 21-47 a) Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verfahren ohne Anwaltszwang 22-31 b) Beiordnung eines Beweisanwalts oder Verkehrsanwalts 32-37 c) Auswahl des beizuordnenden Rechtsanwalts 38-47 IV. Wirkung des Armenrechts im Verhältnis zum Gegner 48 V. Armenrechtsgesuch 49-51 1. Zuständigkeit 49 2. Armutszeugnis 50 3. Darlegungspflicht 51 VI. Armenrechtsprüfungsverfahren 52-57 1. Prüfungsverfahren 52 2. Anhörung 53 3. Vergleich im Armenrechtsvertahren 54 4. Kostenerstattung 55 5. Gerichtskosten 56 6. Rechtspfleger 57 VII. Gegenständlicher Umfang des Armenrechts. Beschwerderechtszug 58-60 1. Gegenständlicher Umfang 58 2. Beschwerdeinstanz 59-60 a) Nachweis des Unvermögens 59 b) Notwendiges Armenrecht 60 VIII. Wirkungen des Armenrechts für den Gegner 61 1. Einstweilige Kostenbefreiung des Gegners 61 IX. Entziehung des Armenrechts 62-63 1. Entziehung 62 2. Wirkung 63 X. Erlöschen durch Tod 64
XI. Beitreibung der Gerichtskosten vom Gegner 65-67 XII. Beitreibungsrecht des Armenanwalts 68-69 1. Beitreibungsrecht 68 2. Festsetzung auf den Namen des Beteiligten. Neufestsetzung für den Armenanwalt 69 XIII. Nachzahlung 70-72 1. Nachzahlungspflicht 70 2. Wirkung 71 3. Zuständigkeit 72 XIV. Entscheidungen im Armenrechtsverfahren 73-78 1. Form 73 2. Antrag 74 2. Rechtliches Gehör 75 4. Inhalt der Entscheidung 76-78 a) Begründung 76 b) Nachzahlungsanordnung 77 c) Kostenentscheidung 78 5. Bekanntmachung 79 XV. Rechtsmittel im Armenrechtsverfahren 80-88 1. Grundsatz 80 2. Unanfechtbare Entscheidungen 81 3. Beschwerde 82-83 4. Beschwerdesumme 84 5. Beschwerdegericht 85 6. Verfahrensrechtliche Überholung 86 7. Keine weitere Beschwerde 87 8. Anfechtbarkeit von Verfügungen des Rechtspflegers 88 D. Notare
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E. Landesrecht
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A. Allgemeines D i e Vorschrift ist durch die Reichstagskommission in das Gesetz eingefügt und mit dem Hinweis begründet worden, daß es der Idee des Rechtsstaats entspreche, dem auf dem Gebiet des Zivil- und des Strafprozesses geltenden Grundsatz, den § 14 zum Ausdruck bringt, auch auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit Geltung zu verschaffen, weil in vieler Hinsicht eine vollkommene Ähnlichkeit der Verhältnisse mit denen des Zivilprozesses bestehe und damit die N o t w e n d i g k e i t gegeben sei, die Gewährung des Armenrechts übereinstimmend zu regeln 1 ). Nunmehr ergibt sich aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit der Sozialpflicht des Staates (Art. 20 Abs. 1 GG), daß eine weitgehende Angleichung der Lage der Unbemittelten an die der Bemittelten im Bereich des Rechtsschutzes geboten ist, um ihnen in einer der Eigenart des Verfahrens angepaßten und hiernach ausreichenden Weise den Zugang zum Gericht und ein sachgemäßes Vorbringen ihrer Anliegen zu ermöglichen 2 ). Das Armenrecht umfaßt in erster Linie die einstweilige Befreiung v o n Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und unter Umständen die Beiordnung eines Rechtsanwalts zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte des unbemittelten Beteiligten. Es wird nur bei hinreichender Erfolgsaussicht gewährt; der Unbemittelte soll in gleicher Weise Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, wie das ein seine Erfolgsaussichten und das Kostenwagnis vernünftig abwägender Begüterter tun könnte.
') KommBer. S. 14.
2
) BVerfGE 9, 124, 131.
307
Freiwillige Gerichtsbarkeit 2
B . Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt für alle bundesrechtlichen Angelegenheiten der FG im Sinne des § 1, gemäß § 194 auch dann, wenn für diese Angelegenheiten nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig sind. Nach § 14 wird das Armenrecht auch im Landwiirtschaftsverfahren und für andere in Sondergesetzen geregelte Verfahren bewilligt 3 ). Audi in Grundbuchsachen kann das Armenrecht gemäß § 14 bewilligt werden4), ebenso für die gerichtliche Beurkundung von Rechtsgeschäften5); wegen der Notare vgl. Rdn. 88. In § 29 Abs. 3 EGGVG ist übereinstimmend mit § 14 bestimmt, daß auf die Bewilligung des Armenrechts die Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden sind. Das Armenrecht kann den Beteiligten sowohl im Antragsverfahren als auch im Amtsverfahren bewilligt werden. Der Umstand, daß in einem Verfahren der Untersuchungsgrundsatz gilt, ist kein Grund, die Bewilligung zu versagen6).
3
C. Voraussetzungen, Wirkungen und Verfahren der Armenrechtsbewilligung I. Voraussetzungen der Armenrechtsbewilligung Der nach § 14 entsprechend anwendbare § 114 ZPO bestimmt: § 114. Einer Partei, die außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, ist auf Antrag das Armenrecht zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung ist auch dann als mutwillig anzusehen, wenn mit Rücksicht auf die für die Beitreibung des Anspruchs bestehenden Aussichten eine nicht das Armenrecht beanspruchende Partei von einer Prozeßführung absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde. Angehöriger fremder Staaten haben auf das Armenrecht nur insoweit Anspruch, als die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Einem Staatenlosen kann das Armenrecht gewährt werden, wenn es ihm als Inländer zu gewähren wäre. Einer Partei kraft Amtes kann bei Vorliegen der im Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen das Armenrecht bewilligt werden, wenn die zur Führung des Prozesses erforderlichen Mittel weder aus der verwalteten Vermögensmasse noch von den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können. Einer inländischen juristischen Person kann bei Vorliegen der im Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen das Armenrecht bewilligt werden, wenn die zur Führung des Prozesses erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
4
1• Inländische natürliche Personen haben einen Rechtsanspruch auf Bewilligung des Armenrechts, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Inländer sind auch die Bewohner der D D R ; bei ihnen ist zu berücksichtigen, daß sie wegen der Währungsspaltung zur Zahlung von Kosten an Gericht und Wahlanwalt häufig nicht in der Lage sind7). Bei einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft kommt es darauf an, ob das Gesellschaftsvermögen unzulänglich ist und die Gesellschafter arm sind; § 114 Abs. 4 gilt für sie nicht8). Bei einem Idealverein müssen die Mitglieder arm sein9). Das Gesuch des Erben, ihm für die Aufnahme des Nachlaßinventars (§ 2003 BGB) das Armenrecht zu bewil) Vgl. Pritsch LwVG § 14 Anm. E V ; Hoffmann-Stephan HausratsVO 2 § 21 Anm. 2 ; Bärmann W E G § 48 Anm. 7 ; Silage FrEntzG § 3 Anm. 3 0 ; Saage VHG § 8 Anm. 12. 4 ) Hesse DFG 1936, 23, 2 6 ; Meikel-Imhof-Riedel GBO 5 § 1 Anm. 32. 5 ) Wellstein 2 Anm. 6 ; vgl. § 1 Rdn. 11. 0) BVerfGE 7, 54.
3
308
) Kassel N J W 1949, 187; Bamberg J Z 1951, 593; LG München DAV 1965, 251; LG Lüneburg DAV 1959/60, 2 5 7 ; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 111 Anm. 2 A ; Keidel Anm. 10. 8) KG J W 1929, 1678; J W 1937, 1428; BGH N J W 1954, 1933 = J Z 1955, 50. 9 ) KG N J W 1955, 469. 7
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften ligen, kann nicht mit der Armut des Nachlasses begründet werden, sondern der Erbe muß seine eigene Armut dartun 10 ). Einem Nachlaßpfleger als gesetzlichem Vertreter der Erben ist das Armenrecht zu gewähren, wenn die Kosten aus dem Nachlaß nicht gedeckt werden können, sofern die Erben nicht feststehen oder selbst arm sind 11 ). Unter Umständen ist zu prüfen, ob ein zahlungsfähiger Dritter vorhanden ist, der dem Armen gegenüber die Kosten zu tragen hat, z. B. Versicherer, Zessionar 12 ), Konkursgläubiger, am Ausgang des Rechtsstreits wirtschaftlich Interessierte 13 ), der Zedent bei treuhänderischer Abtretung an den Armen, oder ob es dem Armen möglich und zumutbar ist, eine andere vermögende Person zu den Kosten heranzuziehen 14 ). Doch genügt es nicht, daß der Beteiligte vermögende Gläubiger hat, die am Ausgang des Verfahrens interessiert sind 15 ). Die Pfändung und Uberweisung der Forderung an einen nicht armen Gläubiger steht der Armenrechtsbewilligung in der Regel nicht entgegen 16 ). Insbesondere ist die Prozeßkostenvorschußpflicht unter Ehegatten nach § 1360a Abs. 4 BGB zu berücksichtigen17). Verwandte, vor allem Eltern gegenüber den Kindern, sind im Rahmen der Unterhaltspflicht nach § 1610 BGB vorschußpflichtig für Verfahren, die persönliche Angelegenheiten betreffen oder die sich auf die Beschaffung des Lebensbedarfs beziehen 18 ); dazu gehören aber nicht Verfahren, die lediglich der Vermögensbildung oder -erhaltung dienen, wie ein Erbscheinsverfahren 18 ). 2. Ausländer haben Anspruch auf Bewilligung des Armenrechts unter den Voraussetzungen, unter denen es einem Inländer zu gewähren wäre, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Hierfür kommt es darauf an, ob die innerstaatliche Gesetzgebung oder Gerichtspraxis in gesicherter tatsächlicher Übung eine dem Armenrecht der Z P O etwa vergleichbare Vergünstigung gewährt und auch Ausländern zugute kommen läßt, was von Amts wegen festzustellen ist. Im einzelnen Bülow-Arnold, Intern. Rechtsverkehr, Teil E jeweils zu III. Die Regelung des § 114 Abs. 2 Satz 1 wird überlagert durch kollektive oder zweiseitige Staatsverträge, die in verschiedener Weise den Angehörigen eines Vertragsstaates vor Gerichten des anderen Vertragsstaates die Gewährung des Armenrechts zusichern20). Der wichtigste Kollektivvertrag ist das Haager Übereinkommen vom 1. 3. 1954 über den Zivilprozeß (BGBl. 1958 II, 576), für die BRD und Berlin West in Kraft seit dem 1.1.1960 (BGBl. 1959 II, 1388, GVB1. Berlin 1959, 624), welches das Armenrecht in den Art. 20 bis 24 regelt 21 ); dazu ergänzend §§ 8, 9 des AusfG vom 18. 12. 1958 (BGBl. I, 939). Für Angehörige der Vertragsstaaten des Haager Abkommens über den Zivilprozeß vom 17. 7. 1905 (RGBl. 1919, 410), welche das neue Obereinkommen noch nicht ratifiziert haben, gelten noch die Art. 20 bis 23 dieses Abkommens. Wegen des Kreises der Vertragsstaaten vgl. § 2 Rdn. 36. Von Bedeutung ist ferner § 8 Abs. 1 des Europäischen Niederlassungsabkommens vom 13. 7. 1955 (BGBl. 1959 II, 997), in K r a f t seit dem 23. 2. 1965 (BGBl. II, 1099)22). Die Mitglieder der in der BRD stationierten Streitkräfte und des zivilen Gefolges haben nach Art. 31 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 3. 8. 1959 (BGBl. 1961 II, 1218), in Kraft getreten am 1. 7. 1963 (BGBl. I, 428), hinsichtlich des Armenrechts die Rechte, die in den zwischen der BRD und dem Entsendestaat hierüber etwa geschlossenen Staatsverträgen vereinbart sind. 10
) K G J 42, 99 = R J A 11, 268. " ) B G H N J W 1964, 1418. 12 ) Frankfurt Rpfleger 1955, 212; Nürnberg Rpfleger 1956, 300. 13 ) B G H N J W 1953, 1431; VersR 1957, 601; Koblenz Rpfleger 1956, 148; Köln MDR 1957, 425. » ) Köln JMBINRW 1957, 29. 15 ) Düsseldorf N J W 1958, 2021; Stein-JonasPohle Z P O 1 9 § 114 II 1 b. 1S ) B G H Z 36, 280. 17 ) Vgl. Palandt-Lauterbach BGB 27 § 1360 a Anm. 3. 18 ) Vgl. Staudinger-Gotthardt BGB" § 1610 Anm. 20 f f . ; Soergel-Siebert BGB» § 1610
1S 20
21 22
) )
) )
Anm. 5; Palandt-Lauterbach B G B " § 1610 Anm. 3; Düsseldorf N J W 1959, 820 mit Anm. Pohlmann S. 1327; B G H N J W 1964, 2151; 1968, 446; Bielefeld N J W 1965, 1279 (unehel. Mutter); zu weit gehend Nürnberg MDR 1966, 147. LG Berlin N J W 1966, 660. Vgl. die Aufzählung der Einzelstaatsverträge bei Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 vor § 1 V I I I C 3; auch Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 Einl. IV. Dazu Bülow, Rpfleger 1959, 141 zu IV. Vgl. dazu Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 § 110 Anm. I I I 2 f., § 114 Anm. I I I 2 e.
Freiwillige Gerichtsbarkeit Über die Verbürgung
der Gegenseitigkeit
ergibt sich folgende Übersicht: 23 ).
Verbürgt ist die Gegenseitigkeit zur Zeit im Verhältnis zu Ägypten, Argentinien, Äthiopien (Abessinien), Australien, Belgien, Chile, Cuba (bei Wohnsitz im Inland), Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien und Nordirland, Indien, Iran, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Libyen, Liechtenstein (RdSchr. d. BMdJ vom 21. 3. 1957), Luxemburg, Marokko (BayJMBl. 1962, 26), Neuseeland, Niederlande, N o r wegen, Österreich, Pakistan, Paraguay, Peru, Polen (RdSchr. d. BMdJ vom 13. 1. 1956), Portugal, Schweden, Schweiz, Sowjetunion, Spanien, Südafrik. Union (bei Wohnsitz im Inland), Syrien ( B G H W M 1967,1238), Tanganyika, Tschechoslowakei, Türkei, Uruguay (RdSchr. d. BMdJ vom 14. 3. 1956), Vatikanstaat, Venezuela, Vereinigte Staaten von Amerika uneingeschränkt nur vor den Bundesgerichten (Prot. N r . 7 zu Art. V I Abs. 1 Freundsch.-Handelsund Schiffahrtsvertr., BGBl. 1956 II, 487) und den Gerichten folgender Einzelstaaten: Arkansas, California, Colorado, Illinois, Indiana, Nebraska, Virgina, West Virginia; nur bei Wohnsitz im Inland: Kansas, Kentucky, Louisiana, Michigan, Oregon, Tennessee, Wisconsin; nur f ü r den Kläger: Montana, N e w Jersey, New Mexiko, N e w York, N o r t h Carolina, Oklahoma, Texas; sonst nein. Nicht verbürgt ist die Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Afghanistan, Albanien, Algerien, Brasilien 24 ), Bulgarien, Ceylon, China, Costa Rica, Dominik. Republik, Ecuador, Honduras, Indonesien, Irak (ungeklärt), Jordanien, Kolumbien, Libanon, Liberia, Mexiko (ungeklärt), Nicaragua, Panama, Rumänien, Salvador, Thailand (Siam), Tunis, Ungarn. 3. Staatenlose können nach dem Ermessen des Geridits unter denselben Voraussetzungen wie Inländer zum Armenrecht zugelassen werden. Heimatlose Ausländer i. S. der §§ 1, 2 d. G über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer vom 25. 4. 1951 (BGBl. I, 269) erhalten nach § 11 d. G das Armenrecht unter den gleichen Bedingungen wie deutsche Staatsangehörige; ebenso nur in Ehe- und Statussachen verschleppte Personen und ausländische Flüchtlinge unter Betreuung einer internationalen Organisation ( A H K G N r . 23 Art. 3). 4. Parteien kraft Amtes kann nach dem Ermessen des Geridits das Armenrecht bewilligt werden (§ 114 Abs. 3), wenn die Kosten weder aus der verwalteten Vermögensmasse noch von den wirtschaftlich Beteiligten (Erben, Konkursgläubiger) aufgebracht werden können und die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Parteien k r a f t Amtes sind Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter, Nachlaßverwalter 2 5 ), Zwangsverwalter, Treuhänder nach dem MilRegG 5226) und nach § 9 35. D V O / U m s t G und § 16 AltbankenG 2 7 ). Dagegen ist der Nachlaßpfleger nach §§ 1960, 1961 BGB gesetzlicher Vertreter der Erben f ü r die Erhaltung und Verwaltung des Nachlasses 28 ). 5. Inländischen juristischen Personen kann nach dem Ermessen des Geridits das Armenredit bewilligt werden, wenn abgesehen von Erfolgsaussicht und Mittellosigkeit der juristischen Person und der wirtschaftlichen Beteiligten die Unterlassung der Reditsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 114 Abs. 4). Letztere Voraussetzung liegt vor, wenn die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens berühren und soziale Wirkungen nach sidi ziehen würde; das allgemeine Interesse an der Richtigkeit der Entscheidung genügt nidit 29 ), auch nidit das Interesse an der Klärung von Rechtsfragen 30 ) oder an der Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person, wenn nidit eine größere Zahl von Arbeitnehmern davon betroffen würde 3 1 ). 6. Mittellosigkeit. Der Beteiligte muß nach seinen derzeitigen Verhältnissen außerstande sein, die Kosten des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des f ü r ihn und seine Familie, 23
) Vgl. dazu Bülow-Arnold, Intern. Rechtsverkehr A I 1 u. Teil E jeweils zu III; SteinJonas-Pohle ZPO 19 S 114 III 3; BaumbachLauterbach ZPO 28 Anh. 2 zu § 114; Keidel Anm. 7, 8. « ) Köln JMB1NRW 1962, 195; a. M. Stein-Jonas-Pohle ZPO1® § 114 III 3 Fn. 109.
25 ) 26
) ") 2S ) 2 ») 3 ») 31 )
RGZ 65, 287. BGHZ 12, 385 = NJW 1954, 918. KG WM 1955, 1135. RGZ 106, 47. BGHZ 25, 183 = NJW 1957, 1636. BGH NJW 1965, 585. Köln JMB1NRW 1964, 144.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften nämlidi die Personen, denen gegenüber er kraft Familienrechts unterhaltspflichtig ist, notwendigen Unterhalt zu bestreiten. Auszugehen ist von der voraussichtlichen Höhe der Kosten einer Instanz, auch im Falle des Unterliegens. Notwendiger Unterhalt ist mehr als der notdürftige und weniger als der angemessene (standesgemäße) Unterhalt; Richtschnur ist im allgemeinen die Pfändungsgrenze des § 850c ZPO 32 ). Jedoch ist eine individuelle Betrachtungsweise geboten und eine schematische Handhabung zu vermeiden. Wer wegen Arbeitsunlust oder Verzichts auf Barlohn sich einkommenslos macht, kann das Armenrecht nicht beanspruchen33). Verfügbares Vermögen ist heranzuziehen' 4 ). 7. Erfolgsaussicht und fehlende Mutwilligkeit. Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, im Amtsverfahren des ersten Rechtszuges die Teilnahme am Verfahren, muß hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und nicht mutwillig erscheinen. Eine Versagung des Armenrechts wegen Fehlens dieser Voraussetzungen stellt keine Verletzung des Gleichheitssatzes und des Grundrechts auf rechtliches Gehör dar 36 ). Hinreichende Erfolgsaussicht muß in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bestehen. Aus Rechtsgründen soll das Armenrecht nicht versagt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage in der Rechtslehre streitig und obergerichtlich noch nicht geklärt ist39). Soweit es auf Tatsachen ankommt, genügt es, daß die nicht ganz entfernte Möglichkeit ihrer Erweislichkeit besteht, gegebenenfalls nach Anstellung vorläufiger Erhebungen (§ 118a)37). In diesem Sinne kann hinreichende Erfolgsaussicht bei gegnerischen Beteiligten gleichzeitig bestehen. Mutwillig ist eine Prozeßführung, die durch sachliche Erwägungen nicht veranlaßt ist; dafür bringt § 114 Abs. 1 Satz 2 ein Beispiel. Eine beabsichtigte Rechtsverteidigung ist aber nicht schon deswegen mutwillig, weil das Verfahren von dem Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht wird 38 ).
12
II. Inhalt und Wirkungen des Armenrechts
13
Hierüber bestimmt § 115 ZPO: § 115. Durch die Bewilligung des Armenrechts erlangt die Partei: 1. die einstweilige Befreiung von der Berichtigung der rückständigen und künftig erwachsenden Gerichtskosten einschließlich der Gebühren der Beamten, der den Zeugen und den Sachverständigen zu gewährenden Vergütung und der sonstigen baren Auslagen; 2. die Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten; 3. das Recht, daß ihr zur vorläufig unentgeltlichen Bewirkung von Zustellungen und von Vollstreckungshandlungen ein Gerichtsvollzieher und, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte ein Rechtsanwalt beigeordnet werde. Ist die arme Partei imstande, die Kosten des Prozesses ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts zu einem Teil zu bestreiten, so ist zu bestimmen, daß wegen dieses Teiles die einstweilige Befreiung von der Berichtigung der Gerichtskosten sowie der Gebühren und Auslagen des Anwalts nicht eintritt; das Gericht kann statt dessen auch bestimmte Gebühren ganz oder teilweise von der Befreiung ausnehmen. In den Fällen des § 114 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und 4 gelten diese Vorschriften entsprechend. 1. Wirkung. Die Bewilligung des Armenrechts hat kiraft Gesetzes die in § 115 bestimmten Wirkungen, jedoch ist Abs. 1 Nr. 2 in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar. 32
) KG JR 1951, 27 u. 184; Schleswig SdilHA 1953, 55; BSozG NJW 1957, 80; Stein-JonasPohle ZPO19 § 114 II 1 a. 33 ) Frankfurt MDR 1962, 138; Kassel HEZ 2, 49; Neustadt Büro 1960, 542; BGH KostRspr. $ 114 ZPO Nr. 18. 34 ) KG JW 1930, 1520; Bremen NJW 1957, 1931. M) BVerfGE 2, 341; 9, 256. 3 ») Schleswig SdilHA 1949, 41 = NJTW 1949, 312; KG JR 1953, 61 = NJW 1953, 29;
Stuttgart MDR 1965, 492; Stein-Jonas-Pohle ZPO" § 114 II 2. ) Blomeyer ZPR § 130 I 2 a; Stein-JonasPohle ZPO19 § 28 114 II 2; zu eng BaumbachLauterbach ZPO § 114 2 C, wo Wahrscheinlichkeit des Obsiegens erfordert wird. 38 ) KG JW 1931, 1386; JW 1936, 1479; Celle NJW 1958, 187; BVerfGE 7, 53 = NJW 1957, 1228 = JZ 1957, 542; Keidel Anm. 5. 37
311
^
§ 14
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Das Gericht kann die Wirkungen nicht abweichend vom Antrag beschränken und nicht erweitern, insbesondere nicht sonstige Aufwendungen des Beteiligten auf die Staatskasse übernehmen. Die Wirkungen treten mit der Bekanntgabe des Beschlusses an den Gesuchsteller ein (§ 16 Abs. 1, 3); sie enden unabhängig von der Beendigung des Rechtszuges oder des Verfahrens erst nach Maßgabe der §§ 121, 123, 125 ZPO. Die Bewilligung wirkt grundsätzlich nur für die Zukunft; daher keine Bewilligung nach Beendigung des Rechtszugs39). Ausnahmsweise wird die rückwirkende Bewilligung zugelassen, wenn der Antrag rechtzeitig, d. h. spätestens vor Beendigung des Rechtszuges, gestellt, aber auf Grund vom Antragsteller nicht zu vertretender Umstände nicht beschieden worden ist40). Die Rückwirkung ist nicht auf den Tag der Antragstellung, sondern auf den Zeitpunkt anzuordnen, in welchem bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang über das Gesuch hätte entschieden werden müssen41). 15
2. Gerichtskosten. Die Wirkung der Armenrechtsbewilligung besteht in erster Linie darin, daß der Gesuchsteller einstweilen von der Berichtigung der rückständigen und künftig fällig werdenden Gerichtskosten (Gebühren und gerichtlichen Auslagen) befreit wird, wodurch auch eine etwa nach § 8 KostO begründete Verpflichtung zur Vorsdilußleistung entfällt.
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3. Erstattung der Ausladen, die dem armen Beteiligten selbst erwachsen sind, ist möglich, insbesondere der Kosten einer Reise zum Ort einer Verhandlung, Vernehmung oder Untersuchung (vgl. KostO § 137 Nr. 8)42), jedoch nur auf Grund besonders zu beantragender zusätzlicher Bewilligung des Gerichts. Dazu bundeseinheitliche AV vom 12. 9. 1958 über Bewilligung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschußzahlungen an Zeugen und Sachverständige: Baden-Württemberg AV vom 20. 11. 1958 (Die Justiz, 389); Bayern Bek. vom 11. 12. 1958 (JMBl., 193); Berlin AV vom 12. 12. 1958 (ABl., 1613); Hessen AV vom 14. 11. 1958 (JMBl., 101); Niedersachsen AV vom 10. 10. 1958 (NdsRpfl., 223); Nordrhein-Westfalen AV vom 16. 12. 1958 (JMBl. 1959, 5); Rheinland-Pfalz AV vom 22. 12. 1958 (JBl., 128); Schleswig-Holstein AV vom 10. 10. 1958 (SchlHA, 310). Die Gewährung ist Justizverwaltungssache; gegen die Versagung ist nicht der Rechtsweg nach Art. XI § 1 KostÄndG oder nach § 23 EGGVG gegeben, sondern es findet kraft Sachzusammenhangs die Beschwerde nach § 127 Z P O statt 43 ).
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4. Beiordnung eines Gerichtsvollziehers. Zustellungen im Parteibetrieb gibt es in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, abgesehen vom Fall des § 132 Abs. 2 BGB, nicht (FGG § 16 Abs. 2, 3, PrFGG Art. 1). Das vom Gericht der FG bewilligte Armenrecht erstreckt sich im Umfang der Nr. 3 auch auf Vollstreckungen auf Grund der §§ 13a Abs. 2, 53a, 98, 158 FGG, 16 Abs. 2 VHG, 16 Abs. 3 HausratsVO, 45 Abs. 3 WEG, 31 LwVG; vgl. FGG § 33 Rdn. 7.
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5- Beiordnung eines Rechtsanwalts. Ein unbedingtes Recht auf Beiordnung eines Rechtsanwalts erlangt die Partei durch die Bewilligung des Armenrechts nach § 115 Abs. 1 N r . 3 nur, wenn eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, also in den Fällen des Anwaltszwangs (§ 78 ZPO). In der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist eine Vertretung durch Anwälte in diesem Sinne nur geboten, wenn ausnahmsweise bestimmt ist, daß die Beteiligten sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen (§ 29 LwVG) oder wenn eine Beschwerde unter Ausschluß der Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle ausschließlich durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Beschwerdeschrift eingelegt werden kann (Vorbem. vor § 19 Rdn. 7, 8, 12). Dagegen ist bei der Einlegung der weiteren Beschwerde nach § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG die Zuziehung eines Rechtsanwalts zwar gestattet, aber nicht geboten, 3
») R G Z 157, 97; BayObLGZ 1960, 514; Düsseldorf JMB1NRW 1968, 165. °) R G Z 152, 221; K G J W 1925, 2340; JW 1936, 200; OLGZ 1965, 222 zu I I ; Stein-JonasPohle ZPO 1 » § 119 Anm. IV 2; Keidel Anm. 17; Diederidcsen DRiZ 1963, 400. 41 ) KG J W 1936, 200; Kassel H E Z 2, 139; Stuttgart MDR 1952, 685; keinesfalls aber über den Zeitpunkt der Antragstellung hinaus, BayObLG FamRZ 1968, 315 zu IV. 4
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42
) R G Z 145, 357; K G J W 1937, 2240; Stuttgart, N J W 1956, 473; TschisAgale JVB1. 1959, 21; ders., Rpfleger 1963, 30. 4S ) KG J W 1937, 2240; D R 1940, 205; 1941, 654; Düsseldorf N J W 1959, 728; Bremen N J W 1965, 1617; Rosenberg ZPR 9 § 82 II 1 e; Thomas-Putzo Z P O 3 § 115 Anm. 1; a. M. (§ 23 EGGVG) Celle NdsRpfl. 1962, 55; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 115 Anm. I 2; noch anders (Art. X I § 1 KostÄndG) K G KostRspr. § 115 Z P O N r . 3.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften weil das Rechtsmittel auch zum Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann; die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist daher zwar nach Maßgabe des § 116 ZPO zulässig, aber nicht durch § 115 Abs. 1 Nr. 3 zwingend geboten44). Die Erwägung, daß jeder Beteiligte ein Recht darauf habe, sein Rechtsmittel durch einen Rechtsanwalt einlegen zu lassen, greift nicht durch, weil dieses Recht auch im Parteiprozeß besteht und es nach § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht auf die Befugnis zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ankommt, sondern auf die gesetzliche Nötigung dazu. Soweit die Beiordnung eines Rechtsanwalts in Betracht kommt, kann in der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt beigeordnet werden 45 ). Die Beiordnung begründet für den Rechtsanwalt die öffentlichrechtliche Pflicht zur Übernahme der Vertretung (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 BRAO). Ein privatrechtlicher Anwaltsvertrag kommt erst dadurch zustande, daß der Beteiligte dem Rechtsanwalt den Vertretungsauftrag erteilt. Für den Nachweis der Vertretungsbefugnis des beigeordneten Rechtsanwalts gilt § 13 FGG. Der Rechtsanwalt darf das Mandat nicht einseitig niederlegen46). Er kann nur nach § 48 Abs. 2 BRAO die Aufhebung seiner Beiordnung beantragen, wenn dafür wichtige Gründe vorliegen47) oder die Entziehung des Armenrechts (§ 121 ZPO) anregen. Ein anderer Anwalt ist der armen Partei auf Antrag beizuordnen, wenn der bisher beigeordnete ohne ihr Zutun wegfällt oder wenn sie aus Gründen kündigt, die auch einer verständigen vermögenden Partei Anlaß zur Entziehung des Mandats geben würden 48 ); bei unbegründeter Mandatsentziehung oder von dem Beteiligten verschuldeter Aufhebung der Beiordnung kann die Beiordnung eines anderen Anwalts in Verfahren ohne Anwaltszwang in der Regel nicht in Betracht gezogen werden. Wegen der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts aus der Staatskasse vgl. Vcurbem. 12 vor § 13a.
19
6. Unvollständige Kostenbefreiung (Abs. 2). Nach Abs. 2 ist ein eingeschränktes Armenrecht zulässig entweder als Quotenarmenrecht oder unter Begrenzung auf bestimmte Gebühren (etwa nur auf die Gerichtsgebühren) oder auf bestimmte Auslagen (etwa die Kosten einer Beweiserhebung) oder nur für den einen bestimmten Gerichts- oder Anwaltsgebührenbetrag übersteigenden Betrag. Kein „Ratenarmenrecht"; einem Beteiligten, der die Kosten nur durch Ratenzahlungen bestreiten kann, ist das uneingeschränkte Armenrecht in Verbindung mit einer Nachzahlungsanordnung zu bewilligen49).
20
III. Beiordnung eines Rechtsanwalts
21
Durch § 230 der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. 8. 1959 (BGBl. 1,565) sind die bisher in der RAnwO vom 1. 7. 1878 (§§ 34 bis 36 ), in der RAnwO vom 21. 2. 1936 (§§ 39 bis 42) und in den an deren Stelle getretenen Rechtsanwaltsordnungen der Länder enthaltenen Vorschriften über die Beiordnung von Rechtsanwälten aus Gründen des Zusammenhangs als §§ 116, 116a, 116b in die ZPO eingefügt und dabei zugleich vereinheitlicht worden. Die neue Regelung ist am 1. 10. 1959 in Kraft getreten. Sie ersetzt die in § 14 FGG angeführten Vorschriften der §§ 34 bis 36 RAnwO 1878 und des § 116 ZPO. Es entspricht Abs. 1 des neuen § 116 ZPO dem § 34, Abs. 3 dem § 35 RAnwO 1878; Abs. 2 entspricht dem nur sprachlich geänderten bisherigen § 116 ZPO. Daraus ergibt sich folgende Regelung: a) Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verfahren ohne Anwaltszwang. § 116. Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, hat das Prozeßgericht einer Partei, der das Armenrecht bewilligt ist, auf ihren Antrag einen Rechtsanwalt zur « ) KG JFG 12, 67; Düsseldorf JMB1NRW 1961, 212; BayObLGZ i960, 514, 517; Sdilegelberger Anm. 16; Wellstein 2 Anm. 5; Siehr Freiw. Gerbkt. S. 73; Pikart-Henn S. 146; Bärmann § 37 II 2 b; Meikel-Imhof-Riedel GBO 5 § 1 Anm. 33; a. M. Keidel Anm. 15; Baur § 34 III 2. Müller NJW 1955, 1181. 4 «) BGHZ 27, 166.
" ) Dazu Schleswig NJW 1961, 131; Brangsch NJW 1961, 110. 4 ®) Nürnberg KostRspr. § 115 ZPO Nr. 2; Braunsdiweig NJW 1962, 256. 4 ») KG JR 1950, 759; BGHZ 10, 139 = N J W 1953, 1510 = MDR 1953, 674 = JZ 1953, 607; Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 115 Anm. 8 A; Köln NJW 1965, 1721.
313
§ 14
Freiwillige Gerichtsbarkeit
vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Wird der armen Partei ein Rechtsanwalt nach Absatz 1 nicht beigeordnet, so kann ihr auf Antrag zur unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte ein Referendar oder ein anderer Justizbeamter beigeordnet werden. Die hierdurch entstehenden baren Auslagen werden von der Staatskasse bestritten und als Gerichtskosten in Ansatz gebracht. Gegen den Beschluß, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die Beschwerde statt. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. 22
Die Vorschrift bildet die Grundlage für die Anwaltsbeiordnung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit nicht ausnahmsweise Anwaltszwang besteht und die Beiordnung sich deshalb nach § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO richtet (oben Rdn. 18). Über die Beiordnung entscheidet an Stelle des Prozeßgerichts das mit der Sache befaßte Gericht. Das Gesetz hat die Fassung des § 34 RAnwO 1878 und des Entwurfs der BRAnwO „kann . . . beiordnen" in „hat . . . beizuordnen" verschärft. Ein Rechtsanwalt muß daher beigeordnet werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (Rdn. 24) vorliegen.
23
2. Der Antrag des Armen ist notwendige Voraussetzung der Beiordnung. Außerdem muß das Armenrecht bereits bewilligt sein oder gleichzeitig bewilligt werden.
24
Uber die Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände, die der Sache und der Person des Beteiligten zu entnehmen sind. Keine Ermessensentscheidung (Rdn. 22); die Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist unbestimmter Rechtsbegriff (§ 27 Rdn. 25). Maßgebend dafür sind Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache sowie die Geschäftsgewandtheit des Beteiligten. Die arme Partei kann aber die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht schon deshalb verlangen, weil der Gegner anwaltlich vertreten ist 50 ). Auch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet nur das rechtliche Gehör als solches, nicht rechtliches Gehör gerade durch Vermittlung eines Rechtsanwalts51). Im dritten Rechtszuge kann eine Vertretung für den Beschwerdeführer erforderlich sein, wenn er infolge weiter Entfernung gehindert ist, die weitere Beschwerde zum Protokoll der Geschäftsstelle eines der mit der Sache befaßten Gerichte einzulegen, aber auch, wenn die Inanspruchnahme der Geschäftsstelle der Bedeutung und Schwierigkeit der Sache nicht angemessen ist. Ein Bedürfnis für die anwaltliche Vertretung des Beschwerdegegners im dritten Rechtszuge kann nur in Ausnahmefällen bestehen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs erfordert nicht, daß der rechtsunkundige arme Beteiligte durch Aufwand öffentlicher Mittel instandgesetzt werde, Rechtsausführungen zu machen, es sei denn, daß davon mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Förderung der Sachentscheidung zu erwarten ist 52 ).
OK
Für den Nachweis der Vertretungsbefugnis des beigeordneten Rechtsanwalts gilt § 13 FGG.
2g
4. Als Armenvertreter, der nicht Rechtsanwalt ist, kann nur ein Referendar oder anderer Justizbeamter (UdG, Rechtspfleger) beigeordnet werden, nicht ein Gerichtsassessor oder Justizangestellter. Die Beiordnung eines Rechtsbeistandes (Prozeßagenten) ist unstatthaft (AV d. R J M vom 16. 12. 1938, D J 2011). Auch das Jugendamt kann nicht beigeordnet werden 53 ).
27
i . Ein Antrag des Armen ist Voraussetzung auch für die Beiordnung eines Justizbeamten. Der Antrag ist nicht schlechthin als das Mindere in dem Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts enthalten. Ergibt sich aus dem Antrag oder den Umständen, daß der Antragsteller die Beiordnung eines Rechtsanwalts und nicht nur eines Vertreters überhaupt erwartet und hält das Gericht die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht für geboten, dann kann ein Justizbeamter nicht bestellt werden (Gaedeke, J W 1937, 1036). Die Bestellung eines Vertreters nach Abs. 2 ist zwar nicht mehr, wie bis zur Novelle vom 27. 10. 1933, auf die 50 51 52
) BVerfGE 9, 124, 130. ) BVerfGE 9, 124, 132. ) BVerfGE 10, 262, 263; BayObLG FamRZ
314
53
1962, 480 zu III; a. M. Arndt NJW 1959, 1297, 1330. ) Bergmann NJW 1956, 1748.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Wahrnehmung der Redite auswärtiger Beteiligter in der mündlichen Verhandlung beschränkt, doch wird die Bestellung in der Regel nur zu dem Zweck erfolgen, dem auswärtigen Beteiligten, der im übrigen das Verfahren selbst betreibt, die Wahrnehmung eines Termins durch einen Vertreter zu ermöglichen, etwa bei der Nachlaßteilung (FGG §§ 91, 93) oder wenn eine mündliche Verhandlung stattfinden soll (FGG § 53a, WEG § 44, HausratsVO § 13 Abs. 2, VHG § 14) oder muß (LwVG § 15). Zur Einlegung der weiteren Beschwerde ist ein solcher Beamter nicht befähigt (FGG § 29 Satz 2). Eine Pflicht zur Übernahme der Vertretung wird durch die Beiordnung nicht begründet; doch kann der Beamte dienstrechtlich angehalten werden, sich dieser Aufgabe nicht zu entziehen. Zu dem Beteiligten, dessen Vollmacht er einholen muß, steht er in einem privatrechtlichen Auftragsverhältnis, daher keine Staatshaftung 54 ); die Vollmacht erlischt nicht schon durch das Ausscheiden aus dem Dienst 55 ).
28
6. Gebühren stehen dem beigeordneten Beamten nidit zu, auch nicht im Falle des Obsiegens gegenüber dem Gegner. Die Annahme einer Vergütung von dem vertretenen Beteiligten würde dienststrafrechtliche Ahndung nach sich ziehen (Wedewer, J W 1934, 1544). Für die Herstellung des Schreibwerks können dienstliche Einrichtungen in Anspruch genommen werden (Bek. d. BayStMdJ vom 15. 5. 1957, JMBL, 321). Die Auslagen werden auf Anweisung des Gerichts aus der Staatskasse erstattet.
29
7. Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Beiordnung überhaupt (oder gegen ihre Wiederaufhebung), nicht gegen die Auswahl, deren Anfechtung in § 116b Abs. 3 geregelt ist. Die Beschwerde kann außer gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts nach Abs. 1 auch gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Justizbeamten nach Abs. 2 gerichtet werden (Gaedeke, J W 1937, 1036) oder gegen die Beiordnung eines Justizbeamten an Stelle eines Rechtsanwalts oder umgekehrt. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den §§ 19 ff. FGG 5 6 ). Wegen des Umfangs der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht s. § 23 Rdn. 8.
30
8. Der Ausschluß keit 57 ).
31
b) Beiordnung
der weiteren
eines Beweisanwalts
Beschwerde oder
gilt auch in der freiwilligen Gerichtsbar-
Verkehrsanwalts
§ 116a. Einer Partei, der das Armenrecht bewilligt und § 115 Abs. 1 Nr. 3 oder nach § 116 Abs. 1 beigeordnet ist, Antrag einen besonderen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung aufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung zeßbevollmächtigten beiordnen, wenn besondere Umstände
der ein Rechtsanwalt nach kann das Prozeßgericht anf eines Termins zur Beweisdes Verkehrs mit dem Prodies erfordern.
Gegen den Beschluß, durch den die Beiordnung eines besonderen Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn das Berufungsgericht den Beschluß erlassen hat. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. 1. Ein besonderer Rechtsanwalt zur 'Wahrnehmung eines auswärtigen Beweistermins oder ein Verkehrsanwalt wird nur auf besonderen Antrag und nur durch das mit der Sache befaßte Gericht, nicht durch das ersuchte Gericht oder das Gericht des Wohnsitzes des Beteiligten bestellt. Auswahl des Rechtsanwalts: § 116b Abs. 2. 2. Zur Wahrnehmung eines auswärtigen Beweistermins wird dem armen Beteiligten über den Wortlaut des Abs. 1 hinaus ein Rechtsanwalt auch dann beigeordnet werden können, wenn ihm sonst kein Anwalt nach § 116 Abs. 1 beigeordnet ist. Auch die Beiordnung eines Justizbeamten nach § 116 Abs. 2 zu diesem Zweck ist nicht ausgeschlossen (Gaedeke, J W M
) Wedewer JW 1934, 1544; ders., JVB1. 1961, 69; Rosenberg ZPR» § 82 III 1 d; Stein-Jonas-Pohle ZPO1» § 116 Anm. IV 5; a. M. Weimar JVB1. 1960, 49; Hiendl NJW 1960, 1749; Soergel-Glaser BGB» § 839 Anm. 77.
) RArbG 11, 114. «) KG JW 1928, 1508; vgl. Vorbem. vor § 19 Rdn. 23. " ) Vgl. unten Rdn. 87 zu § 127 ZPO; a. M. Keidel Anm. 21.
55 5
315
J2
Freiwillige Gerichtsbarkeit 1937, 1036). Ober das Recht der Beteiligten, auch in Angelegenheiten der FG aufnahme beizuwohnen, s. FGG § 15 Rdn. 8.
der Beweis-
33
3. Ein Verkehrsanwalt wird in Angelegenheiten der FG nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Da die Grundsätze der Mündlichkeit und der Lokalisierung der Anwaltschaft (ZPO § 78) in der FG nicht gelten, wird es in der Regel zweckmäßig sein, einen am Wohnsitz des Beteiligten ansässigen Rechtsanwalt beizuordnen, jedenfalls dann, wenn sich die Notwendigkeit zur Wahrnehmung von Terminen vor dem mit der Sache befaßten Gericht voraussichtlich nicht ergeben wird. Notfalls kann in diesem Fall ein Terminsvertreter gemäß § 116 Abs. 2 beigeordnet werden.
34
Die Beiordnung eines besonderen Rechtsanwalts ist nicht die Regel, sondern bedarf besonderer Rechtfertigung durch die Umstände des Einzelfalls.
35
5. Beschwerde
des Antragstellers (FGG § 20 Abs. 2) nach FGG §§ 19 ff., vgl. Rdn. 30.
36
Der Ausschluß der Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung durch das Berufungsgericht gilt in Angelegenheiten der FG nicht entsprechend für eine Ablehnung durch das Beschwerdegericht; über die (erste) Beschwerde entscheidet das OLG, in Bayern das BayObLG, in Rheinland-Pfalz das OLG Zweibrücken, wenn diese Obergorichte gemäß FGG § 199 in dem Verfahren zur Entscheidung über eine weitere Beschwerde berufen wären 58 ).
37
7. Der Ausschluß Rdn. 31.
der weiteren
c) Auswahl des beizuordnenden
Beschwerde
gilt auch in Angelegenheiten der FG; vgl.
Rechtsanwalts
§ 116 b. In den Fällen des § 115 Abs. 1 Nr. 3 und des § 78 a wird der beizuordnende Rechtsanwalt durch den Vorsitzenden des Gerichts aus der Zahl der bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt. Im Fall des § 116 Abs. 1 ordnet der Richter möglichst einen Rechtsanwalt bei, der bei dem Prozeßgericht zugelassen ist. Im Fall des § 116a Abs. 1 wird der Rechtsanwalt auf Ersuchen von dem Amtsgericht ausgewählt, in dessen Bezirk die Beweisaufnahme stattfinden soll oder die Partei wohnt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Gegen eine Verfügung, die nach den Absätzen 1 und 2 getroffen wird, steht der Partei und dem Rechtsanwalt die Beschwerde zu. Dem Rechtsanwalt steht die Beschwerde auch zu, wenn der Vorsitzende des Gerichts den Antrag, die Beiordnung aufzuheben (§ 48 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung), ablehnt. Die Beschwerde ist jedoch nicht zulässig, wenn der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Verfügung erlassen hat. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. 38 39
40
Die Vorschrift regelt die Auswahl des Anwalts in allen Fällen einer Beiordnung im Armenrecht sowie als Notanwalt, ferner die Zuständigkeit und das Beschwerderecht. a) Eine Beiordnung nach § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt nur in den wenigen Ausnahmefällen in Betracht, in denen in der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwaltszwang gilt (oben Rdn. 18), nicht aber für die Einlegung der weiteren Beschwerde nach § 29 FGG. Die Beschränkung in § 116b Abs. 1 Satz 1 auf die beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwälte trägt der nur im Zivilprozeß geltenden Lokalisierung dar Anwaltschaft Rechnung und gilt daher in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. h) Ein Notanwalt ist nach § 78a ZPO beizuordnen, wenn im Fall des Anwaltszwanges eine Partei keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Regelung schafft einen Ausgleich nicht nur für den Anwaltszwang, sondern auch für die Lokalisierung der Anwaltschaft (§ 78 ZPO); sie ist deshalb in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar, weil, selbst wenn die Beschwerdeführung zu Protokoll ausgeschlossen ist, der Beteiligte die Auswahl unter allen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälten hat und der Fall, daß iB
) Vgl. unten Rdn. 85 zu § 127 ZPO; ebenso Keidel Anm. 24.
316
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften sich unter diesen kein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt findet, nur in völlig aussichtslosen Sachen vorkommen wird 59 ). 2. In Angelegenheiten der F G wird es, wenn der Beteiligte außerhalb des Gerichtsbezirks wohnt, häufiger als im Zivilprozeß vorkommen, daß ein nicht bei dem mit der Sache befaßten Gericht zugelassener Rechtsanwalt beigeordnet wird (vgl. § 116a, Rdn. 33 und Müller, N J W 1955, 1181). Die Auswahl trifft der Richter (Rechtspfleger), bei Kollegialgerichten der Vorsitzende, nach pflichtmäßigem Ermessen. Der Beteiligte hat kein Recht darauf, daß ihm ein bestimmter, von ihm vorgeschlagener Rechtsanwalt beigeordnet wird, wenn der Vorsitzende auch einem berechtigten Wunsch des Beteiligten Rechnung tragen kann. Diese Befugnis des Gerichts hat den Vorrang vor dem in § 3 Abs. 3 BRAnwO jedermann „im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften" zugebilligten Recht, den Rechtsanwalt selbst auszuwählen (Amtl. Begr. zur BRAnwO, BTDrucks. Nr. 120/58 zu § 3 und zu § 244). Diese Regelung ist nicht verfassungswidrig60).
41
3. Um die Auswahl des nach § 116a für eine auswärtige Beweisaufnahme oder als Verkehrsanwalt beigeordneten Rechtsanwalts kann das mit der Sache befaßte Gericht das in Abs. 2 genannte andere Gericht im Wege der Rechtshilfe ersuchen; es kann den Rechtsanwalt aber auch selbst auswählen. Ein Ersuchen wird auch dann statthaft sein, wenn das Gericht gemäß § 116b Abs. 1 Satz 2 einen Rechtsanwalt, der bei einem anderen Gericht zugelassen ist, nach § 116 Abs. 1 oder einen Justizbeamten eines anderen Gerichts nach § 116a mit § 116 Abs. 2 beiordnet. Das Ersuchen setzt voraus, daß ein Beschluß des mit der Sache befaßten Gerichts über die Bewilligung des Armenrechts und die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Vertreters überhaupt vorliegt. Nur die Auswahl der Person des Beizuordnenden kann dem ersuchten Gericht überlassen werden.
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4. Die Beschwerde (nach F G G §§ 19 ff.) gegen die Auswahl des beigeordneten Anwalts steht dem Armen und dem beigeordneten Rechtsanwalt zu. Der Arme kann die Beschwerde nicht mit Erfolg darauf stützen, daß nicht der von ihm benannte Rechtsanwalt beigeordnet sei, sofern nicht ganz besondere Gründe vorliegen 61 ). Der beigeordnete Rechtsanwalt kann mit der Beschwerde die Beiordnung nicht ablehnen, da ihm die Übernahme der Vertretung durch § 48 Abs. 1 BRAnwO zur Berufspflicht gemacht ist, sondern nur seine Auswahl mit Gründen, die der Sache oder der Person des Beteiligten entnommen sind, bekämpfen, z. B. wenn Gründe für die Versagung der Berufstätigkeit nach § 45 BRAnwO vorliegen. Bei begründet befundener Beschwerde kann das Beschwerdegericht die neue Auswahl dem unteren Gericht überlassen. Gegen die Versagung seiner Beiordnung hat der Rechtsanwalt kein eigenes Beschwerderecht62). Der Justizbeamte (§ 116 Abs. 2) hat gegen seine Beiordnung kein Beschwerderecht, da er zur Übernahme nicht verpflichtet ist.
43
Í . Die Aufhebung der Beiordnung kann der Rechtsanwalt nach § 48 Abs. 2 BRAnwO beantragen, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Er darf also nicht einseitig niederlegen. Gegen die Ablehnung dieses Antrags durch den Vorsitzenden gewährt Abs. 3 Satz 2 dem Rechtsanwalt die Beschwerde.
44
6. Gegen die Auswahl des Rechtsanwalts durch das ersuchte Gericht gewährt Abs. 3 ebenfalls die Beschwerde, also abweichend von ZPO § 576 nicht die Anrufung des Prozeßgerichts. Hiernach entscheidet über Beschwerden gegen die vom ersuchten Gericht getroffene Auswahl und die von ihm abgelehnte Aufhebung der Beiordnung das dem ersuchten Gericht übergeordnete Gericht 63 ).
45
7. Der Ausschluß der Beschwerde gegen Verfügungen des Vorsitzenden des Berufungsgericht gilt in der FG nicht entsprechend für Verfügungen des Vorsitzenden des Beschwerdegerichts (§ 116a Rdn. 36 und unten Rdn. 85).
46
5») K G J F G 12, 6 7 ; a. M. Keidel Anm. 48. «») BVerfGE 9, 36 = N J W 1959, 571 = Rpfleger 1959, 216 zu § 142 StPO. Ol) Vgl. Anm. 2 und K G J W 1931, 1126; Koblenz N J W 1956, 65.
62 63
) Celle J R 1950, 279; München BayJMBl. 1952, 236. ) Ebenso Keidel Anm. 27.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit 47
8. Der Ausschluß der weiteren Rdn. 87 zu § 127 ZPO).
Beschwerde
gilt audi in Angelegenheiten der FG (unten
IV. Wirkung des Armenrechts im Verhältnis zum Gegner § 117. Die Bewilligung des Armenrechts hat auf die Verpflichtung zur Erstattung der dem Gegner erwachsenden Kosten keinen Einfluß. 48
1• Der Gegner der armen Partei kann ohne Rücksicht auf deren Armenrecht den ihm etwa nach § 13a FGG zustehenden Kostenerstattungsansprudi gegen die arme Partei festsetzen lassen und beitreiben, auch hinsichtlich der von ihm gezahlten Gerichtskosten, sofern er von deren Entrichtung nicht nach § 120 ZPO selbst befreit war 64 ). V. Armenrechtsgesuch § 118. Das Gesuch um Bewilligung des Armenrechts ist bei dem Prozeßgericht anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Dem Gesuch ist ein von der zuständigen Behörde der Partei ausgestelltes Zeugnis beizufügen, in dem unter Angabe des Standes oder Gewerbes, der Vermögens- und Familienverhältnisse der Partei sowie des Betrags der von dieser zu entrichtenden direkten Steuern das Unvermögen zur Bestreitung der Prozeßkosten ausdrücklich bezeugt wird. Für Personen, die unter Vormundschaft oder Pflegschaft stehen, kann das Zeugnis auch von der vormundschaftlichen Behörde ausgestellt werden; soll von einem unehelichen Kinde ein Anspruch auf Unterhalt gegen seinen Vater geltend gemacht werden, so bedarf es des Zeugnisses nicht. In dem Gesuch ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzulegen.
4g
1. Zuständigkeit. Das Armenrechtsgesuch ist bei dem Gericht, welches zur Zeit der Einreichung des Gesuchs im ersten oder höheren Rechtszug mit der Sache befaßt ist oder befaßt werden soll, schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen. In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann es auch zum Protokoll der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts erklärt werden (§ 11); bei befristeten Rechtsmitteln muß das Gesuch aber spätestens am letzten Tage der Frist bei dem Gericht eingehen, bei dem das Rechtsmittel eingelegt werden kann (§ 22 Rdn. 23), also nicht notwendig bei dem Rechtsmittelgericht (§ 21 Rdn. 2, § 29 Rdn. 2). Für die Bewilligung des Armenrechts für die Zwangsvollstreckung aus einer gerichtlichen oder notariellen Urkunde (§§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 800 ZPO) ist das Vollstrec&ungsgericht zuständig65). Auch sonst wird anzunehmen sein, daß für die Armenrechtsbewilligung nur für die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel (vgl. § 33 Rdn. 7) nicht das Gericht, welches den Titel erlassen hat, sondern das Vollstreckungsgericht zuständig ist 69 ).
gg
2. Armutszeugnis. Das nach Abs. 2 dem Gesuch beizufügende Zeugnis über das Unvermögen zur Bestreitung der Verfahrenskosten wird von der nach Landesrecht zuständigen Verwaltungsbehörde ausgestellt. Für Ausländer vgl. Art. 21, 22 Haager ZPrUbk. Von der Beibringung des Zeugnisses kann das Gericht absehen, wenn den Umständen nach dem Beteiligten die Anrufung der für seinen Wohnsitz zuständigen Behörde (Ostwährungsgebiet) nicht zuzumuten ist 67 ). Wenn die Behörde nach der Sachlage (juristische Personen, Parteien kraft Amtes) gar nicht imstande ist, sich ein Urteil über das Unvermögen zu bilden, sind andere Unterlagen beizubringen. Das Gericht ist an das Zeugnis nicht gebunden, sondern kann (und soll) selbständig prüfen. Für Mündel und Pflegebefohlene kann das Vormundschaftsgericht das Zeugnis ausstellen. Das VormG darf die Erteilung nicht von den Erfolgs« 4 ) Düsseldorf KostRspr. § 117 ZPO N r . 1; Tsdiisdigale KostRspr. § 91 Abs. 1 ZPO Nr. 55 Anm.; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 117 Anm. I. 6 5 ) LG Köln ZZP 70, 271, 272; L G Augsburg Rpfleger 1962, 2 4 ; LG Mannheim Rpfleger 1963, 122 mit zust. Anm. Stöber; Pohle MDR
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1954, 385, 386; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 118 I 2 b; a. M. (Prozeßgericht) Keidel Anm. 29. 6 ») Vgl. für den Zivilprozeß Pohle MDR 1954; 385; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 118 Anm. I 2 b; a. M. Gaedeke J W 1935, 484. « 7 ) BGH N J W 1957, 1719.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften aussiebten abhängig machen; es kann aber, wenn in der Führung eines aussichtslosen Prozesses eine Pflichtwidrigkeit liegt, gegen den Vormund nach §§ 1837, 1886 BGB einschreiten 68 ). Gegen die Ablehnung des Zeugnisses steht dem Mündel die Beschwerde nach §§ 19 ff. FGG zu 69 ). Die Erteilung ist unanfechtbar 70 ). 3. Darlegungspflicht (Abs. 3). Um die Vorprüfung der Erfolgsaussichten (§ 118a) zu ermöglichen, hat der Antragsteller das Sachverhältnis darzulegen. Dazu gehört im Amtsverfahren die Angabe des erstrebten Verfahrensziels, im Antragsverfahren des beabsichtigten Antrags, eine ausreichende tatsächliche Begründung und die Anführung der für die erheblichen Tatsachen vorhandenen Beweismittel. Im Rechtsmittelverfahren ist die Darlegung des Sachverhältnisses nicht mehr erforderlich 71 ); jedoch muß der Beschwerdeführer die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels darlegen. Im Landwirtschaftsverfahren müssen im Armenrechtsgesuch für eine beabsichtigte Abweichungsrechtsbeschwerde nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG die Umstände angegeben werden, welche die Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne Zulassung begründen sollen 72 ). VI. Armenrechtsprüfungsverfahren g 118a. Das Gericht kann verlangen, daß der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Es soll, wenn dies nicht aus besonderen Gründen unzweckmäßig erscheint, vor der Bewilligung des Armenrechts den Gegner hören. Es kann auch, soweit dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist, Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und von Behörden Auskünfte einholen. Die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen ist nur zulässig, wenn der Sachverhalt, soweit dies zur Entscheidung über das Armenrechtsgesuch erforderlich ist, auf andere Weise nicht hinreichend geklärt werden kann; eine Beeidigung findet nicht statt. Die im Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen sind von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts oder einem von ihm ersuchten Richter durchzuführen. Die Anhörung des Gegners kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Prozeßgerichts oder des ersuchten Gerichts erfolgen. Einigen sich die Parteien bei der Anhörung des Gegners über den streitigen Anspruch, so ist der Vergleich zu richterlichem Protokoll zu nehmen. Eine Erstattung der dem Gegner durch die Anhörung gemäß Abs. 1 Satz 2 erwachsenen Kosten findet nicht statt. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen gemäß Abs. 1 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind. 1. Prüfungsverfahren. Die Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob die Voraussetzungen des § 114 für die Bewilligung vorliegen. Keinesfalls darf in einer für den Gesuchsteller unzumutbaren Weise der Streit praktisch im Armenrechtsverfahren ausgetragen werden 73 ). Dem Antragsteller obliegt, abgesehen von seiner Darlegungspflicht (Rdn. 51), eine Förderungspflicht insofern, als ihm die Glaubhaftmachung seiner tatsächlichen Angaben aufgegeben werden kann; jedoch ist bei Auflagen, eidesstattliche Versicherungen beizubringen, im Hinblick auf die im Hauptverfahren gebotene Zeugenvernehmung Zurückhaltung angebracht. Soweit die Förderungspflicht des Antragstellers reicht, ist die Amtsermittlungspflicht (§ 12) eingeschränkt; das Gericht ist aber berechtigt, Ermittlungen von Amts wegen anzustellen (Abs. 1 Satz 3), auch soweit der Antragsteller (oder Gegner) sie nicht angeregt hat. Das darf aber nicht zu einer erheblichen Verzögerung führen. Die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen ist nur subsidiär gestattet, wenn die Erfolgsaussichten auf andere Weise nicht geklärt werden können. Sieht das Gericht von der Vernehmung der für beweiserhebliche Tatsachen benannten Zeugen ab, so hat es das Armenrecht grundsätzlich zu bewilligen; anders, wenn nach dem Ergebnis der sonstigen Erhebungen von der Ver«8) «9) ™) 71 )
KG HRR 1936 Nr. 1130. KG JFG 14, 1. KG DFG 1939, 115. BGH LM § 118 ZPO Nr. 3.
72
) BayObLGZ 1954, 210 = RdL 1954, 340; BGHZ 26, 38 = NJW 1958, 63; dazu Stöber Rpfleger 1961, 144. 73 ) BGH NJW 1960, 98; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 § 1 1 8 » Anm. I.
§
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Freiwillige Gerichtsbarkeit
nehmung dieser Zeugen im Hauptverfahren ein Erfolg für die arme Partei nicht zu erwarten ist 74 ). Die Anhörung kann formlos schriftlich oder mündlich erfolgen; Zeugniszwang ist unzulässig75), eine Beeidigung findet ebenfalls nicht statt, auch keine eidliche Vernehmung der Beteiligten. Die Ablehnung eines Sachverständigen durch den Armen (nicht den Gegner) wegen Befangenheit (§ 406 ZPO) ist statthaft 7 5 '). Da es sich bei den formlosen Erhebungen nach § 118a nicht um eine förmliche Beweisaufnahme i. S. der §§ 15 FGG, 355 ff. ZPO handelt, besteht kein Recht auf Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen 76 ); die Zuziehung des Antragstellers und des Gegners oder ihrer Vertreter ist aber stets zweckdienlich, weil andernfalls der späteren Verwertung der Erhebungen im Hauptverfahren im Wege des Urkundenbeweises mit Erfolg widersprochen werden könnte. Wegen Aussetzung vgl. Vorbem. vor § 8 Rdn. 43. 53
2. Anhörung. Dem Antragsteller ist rechtliches Gehör auch im Armenrechtsverfahren zu gewähren, insbesondere also zum Ergebnis der Ermittlungen 77 ). Den Gegner soll das Gericht hören und wird dies regelmäßig tun, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen (Abs. 1 Satz 2). Da aber die Bewilligung des Armenrechts ein Akt staatlicher Fürsorge ist, durch deren Gewährung in Rechte des künftigen Gegners nicht eingegriffen wird, hat dieser keinen Anspruch auf rechtliches Gehör 78 ). Das persönliche Erscheinen des Antragstellers und des Gegners kann angeordnet, aber nicht erzwungen werden 78 ).
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Vergleich (Abs. 3). Der im Armenrechtsverfahren zu Protokoll des Richters (oder Rechtspflegers, Rdn. 57) geschlossene Vergleich 80 ) ist vollstreckbarer Schuldtitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Vorschrift ist anwendbar, soweit der Verfahrensgegenstand einem Vergleichsabschluß zugänglich ist (Vorbem. 81 vor § 8).
55
Kostenerstattung. Die dem Gegner durch seine Anhörung erwachsenen Kosten werden nicht erstattet, auch nicht die Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts; das gilt auch für die Beteiligung am Beschwerdeverfahren, selbst wenn die Armenrechtsbeschwerde erfolglos geblieben ist 81 ). Die Kosten sind auch dann nicht zu erstatten, wenn der Gegner im späteren Hauptverfahren obsiegt 82 ).
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i- Gerichtskosten. Das Armenrechtsverfahren des ersten Rechtszuges ist gebührenfrei; Schuldner der gerichtlichen Auslagen ist der Antragsteller (§ 2 Nr. 1 KostO) 8 3 ). Wird das Armenrecht bewilligt, so erstreckt sich die einstweilige Befreiung nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 auch auf diese Auslagen. Sie gehören nunmehr zu den Kosten des Rechtsstreits, sind also, auch wenn das Ergebnis der Ermittlungen in der Hauptsache nicht als Beweis verwertet worden ist, gegebenenfalls von dem in die Kosten verurteilten Gegner des armen Beteiligten zu tragen, soweit die Auslagen den Gegenstand betreffen, zu dem das Armenrecht bewilligt und in der Hauptsache eine Verurteilung erfolgt ist 84 ). ) BGH NJW 1960, 9 8 ; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 118a Anm. I 3. 7 5 ) Vgl. J W 1933, 501; Gaedeke J W 1934, 2119. « » ) B G H V R S 29 (1965), 430. 7 «) Gaedeke J W 1934, 2119; Zöller Z P O 9 § 118a Anm. 1; a. M. Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 118a Anm. 1 E ; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 118a Anm. I 3. " ) BVerfGE 20, 280 u. 347. 7 8 ) Bettermann J Z 1962, 673; Blomeyer ZPR § 130 I I 2 ; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 118a Anm. I 2 ; Dunz N J W 1962, 814; a. M. BayV e r f G H N J W 1962, 627; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 118a Anm. 1 C ; Keidel Anm. 31. 7 9 ) Hamm N J W 1954, 1688; J M B 1 N R W 1959, 181; Pohlmann N J W 1954, 947; Stein-JonasPohle Z P O 1 9 § 118a Anm. I 2. 8 0 ) Dazu Gaedeke J W 1935, 2865; Lappe Rpfleger 1960, 146.
74
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) K G J W 1937, 2240; Hamburg Rpfleger 1958, 38; Nürnberg B a y J M B l . 1957, 431; Nürnberg KostRspr. § 118a ZPO Nr. 2 ; Düsseldorf ebenda Nr. 4 ; Celle N J W 1967, 56; BayObLGZ 1965, 290; Keidel Anm. 46; a. M. L G Braunschweig Rpfleger 1964, 183 mit abl. Anm. Tsdiisdigale. 8 2 ) Düsseldorf M D R 1959, 672; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 118a Anm. I I I 1 b ; a. M. K G J W 1938; 55; Karlsruhe M D R 1960, 509; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 118a Anm. 4 B . 8 3 ) Vgl. Tsdiisdigale N J W I960, 932. a 4 ) Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 118a Anm. I I I 1 a ; L G Hamburg KostRspr. § 118a Z P O Nr. 3 ; a. M. Tsdiisdigale N J W 1960, 932, der meint, daß die Auslagen von dem später unterlegenen Gegner auch bei Versagung des Armenrechts zu tragen seien. 81
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
14
6. Rechtspfleger. Nach § 19 Nr. 4 RechtspflG kann der Vorsitzende (Amtsrichter) den Rechtspfleger mit den vorbereitenden Maßnahmen nach Abs. 1 einschließlich der Beurkundung eines Vergleichs beauftragen; die Entscheidung über das Armenrechtsgesuch bleibt dem Richter vorbehalten. Bei übertragenen Geschäften entscheidet der Rechtspfleger auch über die Bewilligung (oder Entziehung) des Armenrechts selbständig (§ 4 Abs. 1 Rechtspflegergesetz).
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VII. Gegenständlicher Umfang des Armenrechts. Beschwerrechtszug § 119. Die Bewilligung des Armenrechts erfolgt für jeden Rechtszug besonders, für den ersten Rechtszug einschließlich der Zwangsvollstreckung. In dem höheren Rechtszuge bedarf es des Nachweises des Unvermögens nicht, wenn das Armenrecht in dem vorherigen Rechtszuge bewilligt war. Hat der Gegner das Rechtsmittel eingelegt, so ist in dem höheren Rechtszuge nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung der Partei hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint. 1. Gegenständlicher Umfang. Das Armenrecht muß für jeden Rechtszug besonders nachgesucht und bewilligt werden. Der Begriff des Rechtszuges ist für die Anwendung des § 119 ZPO vor allem dem Kostenrecht zu entnehmen85). Die Bewilligung des Armenrechts für einen Rechtszug umfaßt das gesamte Verfahren in dieser Instanz, auch vor dem beauftragten und ersuchten Richter, und das weitere Verfahren nach Zurück Verweisung86). Es umfaßt auch das Verfahren der vorläufigen oder einstweiligen Anordnung und das Änderungsverfahren nach § 18 Abs. I 8 7 ) sowie die Fortsetzung des Verfahrens nach Anfechtung eines gerichtlichen Vergleichs. Das Armenrecht für den ersten Rechtszug gilt auch für das Kostenfestsetzungsverfahren88) und kraft Gesetzes für die Zwangsvollstreckung, wenn diese nicht ausdrücklich ausgenommen ist 89 ), deshalb auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit aus der Entscheidung oder einem Vergleich die Zwangsvollstreckung nach der ZPO stattfindet (§ 33 Rdn. 7). Jede Beschwerde eröffnet einen neuen Rechtszug. Die Wiederaufnahme eröffnet ein neues Verfahren. 2.
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Beschwerdeinstanz
a) Der Nachweis des Unvermögens entfällt, wenn das Armenrecht in der unmittelbar vorausgegangenen Instanz bewilligt war. Dadurch wird eine erneute Prüfung nicht ausgeschlossen, wenn Anlaß dazu besteht, insbesondere wenn das frühere Zeugnis inzwischen veraltet ist 90 ).
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b) Notwendiges Armenrecht. Soweit es in der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gegner gibt, d. h. Beteiligte, die sich im Verfahren mit widerstreitenden Interessen gegenüberstehen, z. B. §§ 53, 86 ff., 146, 148, 163 ff. und besonders in echten Streitsachen, sind bei der Bewilligung des Armenrechts für den Beschwerdegegner Erfolgsaussichten und Mutwilligkeit nicht zu prüfen, da er in der Vorinstanz obgesiegt hat. Jede Prüfung der Erfolgsaussichten ist schlechthin ausgeschlossen, auch in der Richtung, ob die Sachlage sich nachträglich durch Eintritt neuer Tatsachen zuungunsten des Rechtsmittelgegners geändert hat 91 ). Zur Anschließung an das gegnerische Rechtsmittel bedarf der Beschwerdegegner einer besonderen Bewilligung des Armenrechts auf Grund sachlicher Prüfung. Der Armenrechtsbewilligung für den Beschwerdegegner bedarf es im übrigen nicht, wenn das Rechtsmittel auch ohne seine Beteiligung keinen Erfolg haben kann, nämlich wenn es als unzulässig verworfen werden muß 92 ), im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch, wenn ohne weitere Erhebungen
60
«5) 88) 87) 88) 89) o»)
R G J W 1925, 756. KG J W 1935, 3485. Vgl. § 18 Rdn. 11; a. M. Keidel Anm. 34. Celle J W 1930, 3355. K G J W 1937, 2465. Kassel H E Z 2, 139; R G Z 100, 270; Oldenburg NdsRpfl. 1958, 70. »») RGZ 65, 285; Stein-Jonas-Pohle ZPO"
§ 118a Anm. III 1; Keidel Anm. 35; a. M. bei Veränderung der Sachlage BGHZ 36, 281; KG, Dresden J W 1937, 1430; Köln N J W 1954, 153; Baumbadi-Lauterbadi ZPO*8 § 118a Anm. 2 B. 2 ° ) BGH LM § 119 ZPO N r . 1, 3; Blomeyer ZPR § 130 I 3 ; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 118a Anm. III 1.
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§14
Freiwillige Gerichtsbarkeit
feststeht, daß es unbegründet ist. Soweit die Bewilligung des Armenrechts im Ermessen des Gerichts steht (oben Rdn. 8, 9, 10), gilt das audi für den Rechtsmittelgegner.
VIII. Wirkungen des Armenrechts für den Gegner § 120. Die Bewilligung des Armenrechts f ü r den Kläger, den Berufungskläger und den Revisionskläger hat zugleich f ü r den Gegner die einstweilige Befreiung von den im § 115 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Kosten zur Folge. 6"!
1. Einstweilige Kostenbefreiung des Gegners. Die Vorschrift findet im ersten Rechtszug und in den Beschwerdeinstanzen nur Anwendung, wenn Beteiligte im entgegengesetzten Sinne vorhanden sind (Rdn. 60), und nur zugunsten des angegriffenen Beteiligten; andere Beteiligte, die nicht Gegner des Armen sind, erlangen die Vergünstigung nicht93). Ist einem Beteiligten das Armenrecht bewilligt, so ist der angegriffene Gegner im Umfang des § 115 Abs. 1 Nr. 1 wie der Arme von Gerichtskosten befreit, bei Bruchteils- oder Teilarmenrecht in dem entsprechenden Verhältnis. Stehen auf der angreifenden Seite mehrere Beteiligte, so ist der Gegner nur befreit, wenn allen das Armenrecht bewilligt ist94). Die Befreiung gilt nur, soweit der Gegner sich auf die Verteidigung beschränkt, nicht soweit er durch Anträge oder Rechtsmittel (Anschlußrechtsmittel) das Verfahren selbst betreibt, es sei denn, daß die Kosten sich nicht trennen lassen. Die Befreiung endet nach Maßgabe des § 123 Abs. 2, mit Wirkung für die Zukunft bei Entziehung oder Erlöschen des Armenredits (§§ 121, 122), nicht schon durdi eine Nachzahlungsanordnung (§ 125).
IX. Entziehung des Armenredits g 121. Das Armenrecht kann zu jeder Zeit entzogen werden, wenn sich ergibt, daß eine Voraussetzung der Bewilligung nicht vorhanden war oder nicht mehr vorhanden ist. 62
!• Entziehung des Armenrechts. Das Armenrecht kann durch Beschluß des Gerichts, welches es bewilligt hat, für die Zwangsvollstreckung des Vollstreckungsgerichts (Rdn. 49), von Amts wegen entzogen werden, wenn die Voraussetzungen der Bewilligung von Anfang an gefehlt haben oder später fortgefallen sind; u. U. ist beschränkte Entziehung nach § 115 Abs. 2 statthaft. Nach Beendigung des Rechtszugs ist Entziehung nicht mehr statthaft 95 ). Auch Entziehung wegen mangelnder Erfolgsaussichten kurz vor Beendigung des Rechtszuges, etwa auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, ist unangebracht9l)). Entziehung entgegen § 119 Abs. 2 Satz 2 ist nicht statthaft 96 ").
63
2. Wirkung. Die Entziehung wirkt nur für die Zukunft; eine Aufhebung des Armenrechts mit rückwirkender Kraft ist nicht zulässig 9 '). Eine ausdrücklich angeordnete Rückwirkung ließe ohnehin den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse unberührt 98 ). Eine Nachforderung entstandener und nicht wieder neu zur Entstehung gelangender Kosten setzt eine Nachzahlungsanordnung (§§ 125, 126 ZPO) voraus.
X. Erlöschen durch Tod g 122. Das Armenrecht erlischt mit dem Tode der Person, der es bewilligt ist. 64
Die Vorschrift regelt einen Fall der gesetzlichen Entziehung des Armenrechts, daher tritt nur Wirkung für die Zukunft ein (Rdn. 63). Eine Nachzahlungspflicht der Erben besteht nur nach Maßgabe der §§ 125, 12698). Ein anhängiges Bewilligungsverfahren erledigt sich 93
) Keidel Anm. 36. Stein-Jonas-Pohle § 120 Anm. I 3. ) R G JW 1927, 842 = JR 1927 N r . 412. 9 °) Karlsruhe J W 1934, 708; H a m m N J W 1955, 1576; Neustadt MDR 1962, 744; Stein-JonasPohle Z P O 1 9 § 121 Anm. I 4. ««") A. M. Sundermann MDR 1959, 621. 97 ) Frankfurt OLGR 29, 176; KG J W 1935, 802; Rosenberg Z P R 9 § 82 IV 1 c; Blomeyer ZPR § 130 IV 1; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 § 121 Anm. I I ; Wieczorek Z P O § 121 Anm. B; Zöller Z P O 9 § 121 Anm. ; das gilt auch, 96
322
wenn die Partei nicht arm gewesen ist, Friedländer J W 1933, 549; Geiershöfer J W 1933, 564; Swolana N J W 1950, 229; a. M. R G Z 125, 106 = J W 1929, 3162 mit Anm. v. Sonnen; Düsseldorf N J W 1950, 229; Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 121 Anm. 2 A ; Thomas-Putzo Z P O 3 § 121 Anm. 2. 98 ) KG N J W 1961, 1587 = AnwBl. 1961, 174 = KostRspr. § 121 Z P O N r . 3. 99 ) H . M „ a. M. Schneider N J W 1962, 1335; Lappe KostRspr. § 125 Z P O N r . 17 Anm.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorsdiriften
§
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durch den Tod des Antragstellers100). Bei juristischen Personen und Gesellschaften endet das Armenrecht nicht schon mit ihrer Auflösung, sondern erst mit ihrer vollständigen Beendigung.
XI. Beitreibung der Gerichtskosten vom Gegner § 123. Die Gerichtskosten und die Gerichtsvollzieherkosten, von deren Berichtigung die arme Partei einstweilen befreit ist, können von dem in die Prozeßkosten verurteilten Gegner nach den für die Beitreibung rückständiger Gerichtskosten geltenden Vorsdiriften eingezogen werden. Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung der Gegner der armen Partei einstweilen befreit ist, sind von ihm einzuziehen, soweit er in die Prozeßkosten verurteilt oder der Rechtsstreit ohne Urteil über die Kosten beendigt ist. 1. Die Gerichtskosten, die dem Armen nach § 115 gestundet sind, können von dem Gegner eingezogen werden, wenn sie ihm durch die Kostenentscheidung auferlegt sind (vgl. § 20a Rdn. 5). Im Zivilprozeß muß die Kostenentscheidung rechtskräftig sein101). Das wird in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht gelten können, wenn das Rechtsmittel gegen die Kostengrundentscheidung die unbefristete Beschwerde ist und nicht in angemessener Zeit eingelegt wird.
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2. Die Einziehung der dem Gegner selbst nach § 120 gestundeten Kosten regelt Abs. 2.
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3. Ist der arme Beteiligte in die Kosten verurteilt, so gilt für die Einziehung § 125.
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XII. Beitreibungsrecht des Armenanwalts § 124. Die für die arme Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozeßkosten verurteilten Gegner beizutreiben. Eine Einrede aus der Person der armen Partei ist nur insoweit zulässig, als die Aufrechnung von Kosten verlangt wird, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der armen Partei zu erstatten sind. 1. Beitreibungsrecht des Armenanwalts. Sind die außergerichtlichen Kosten des armen Beteiligten dem Gegner auferlegt worden, z. B. nach § 13a FGG, so ist der Armenanwalt, solange er nicht in Höhe seiner vollen Gebühren von dem Armen befriedigt ist, berechtigt, die Kosten, deren Erstattung die arme Partei wegen seiner Tätigkeit von dem Gegner verlangen kann, auf seinen eigenen Namen festsetzen zu lassen und von dem Gegner beizutreiben, soweit er nicht aus der Staatskasse vergütet worden ist und der Anspruch deshalb insoweit nach § 130 BRAGebO der Staatskasse zusteht102). Die arme Partei kann über ihren Kostenerstattungsanspruch nicht mit Wirkung gegenüber dem Anwalt verfügen. Mit Ausnahme der in § 124 Abs. 2 genannten Einrede sind daher dem Gegner gegenüber dem Anwalt solche Einreden verwehrt, die nicht die Entstehung des Anspruchs betreffen, sondern sein Erlöschen durch Verfügungen des Armen (Tilgung, Erlaß, Aufrechnung durch oder gegen ihn) 103 ). Zulässig sind aber Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis der armen Partei zu ihrem Anwalt, z. B. Tilgung durch die arme Partei.
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2. Festsetzung auf den Namen des Beteiligten. Neufestsetzung für den Armenanwalt. Unbeschadet des Rechts des Armenanwalts aus § 124 können die Kosten auch auf den Namen des erstattungsberechtigten Beteiligten festgesetzt werden 104 ). Dadurch wird der Armenanwalt nicht gehindert, eine Neufestsetzung (sogenannte Umschreibung) auf seinen Namen zu beantragen. Voraussetzung dafür ist die Rückgabe des auf den Namen des Beteiligten erwirkten Kostenfestsetzungsbeschlusses und die vom Kostenbeamten von Amts wegen durch Anhörung des Schuldners vorzunehmende Prüfung, ob inzwischen Verfügungen über den Erstattungsanspruch getroffen sind. Denn nachdem die Kosten auf den Namen des armen Beteiligten
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100 101 102
) Bremen O L G Z 1965, 183. ) R G Z 80, 352; K G J W 1931, 1838. J Dazu grundsätzlich Habscheid u. Schlosser, ZZP 75, 302; Gaedeke, Das Beitreibungsrecht des Armenanwalts, 1936.
" 3 ) B G H Z 5, 251, 259; Gaedeke aaO. S. 20 f. 1 0 4 ) K G J W 1935, 797; 1937, 566; K G KostRspr. § 124 Z P O Nr. 9.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit festgesetzt worden sind, darf der Erstattungsschuldner im Vertrauen auf diesen Titel trotz des § 124 Abs. 2 mit befreiender Wirkung auch gegenüber dem Armenanwalt an den armen Beteiligten zahlen, ihm gegenüber aufredinen oder die Kostenforderung anderweit tilgen 105 ). Wird der Einwand des Erlöschens erhoben, so ist eine Beweisaufnahme darüber in diesem Verfahren nicht angebracht 106 ). Zu einer Ablehnung der Neufestsetzung kann dies nur führen, wenn die Anhörung des Schuldners eine schlüssige und ausreichende Darlegung für das Bestehen der Einwendung ergibt 107 ).
XIII. Nachzahlung § 125. Die zum Armenrecht zugelassene Partei ist zur Nachzahlung der Beträge, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit war, verpflichtet, sobald sie ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts dazu imstande ist. Das gleiche gilt für die Beträge, von deren Berichtigung der Gegner einstweilen befreit war, soweit die arme Partei in die Prozeßkosten verurteilt ist. 1. Nachzahlungspflicht10B). Zur Nachzahlung der gestundeten Beträge, nämlich der Gerichts-, Gerichtsvollzieher- und Armenanwaltskosten sowie der dem Gegner nach § 120 gestundeten Gerichtskosten, soweit sie dem Armen auferlegt sind (Abs. 2), ist der arme Beteiligte während des Verfahrens oder nach dessen Abschluß verpflichtet, sobald er i. S. des § 114 nicht mehr mittellos ist. Die Anordnung setzt voraus, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Armen sich gegenüber dem Zeitpunkt der Armenrechtsbewilligung nicht nur unwesentlich gebessert haben 109 ). Eine lediglich andere Beurteilung der früheren Verhältnisse genügt nicht; sie könnte nur eine Entziehung nach § 121 rechtfertigen 110 ). Die nachträglich eingetretene Besserung darf im Zeitpunkt der Nachzahlungsanordnung nicht schon wieder fortgefallen sein111). Grund der Besserung kann auch der infolge Obsiegens erlangte Kapitalbetrag sein, jedoch ist dessen etwaige Zweckgebundenheit (Kapitalabfindung für Körperschäden) zu berücksichtigen112). Die Nachzahlung kann auf Bruchteile oder Teilbeträge oder bestimmte Gebühren beschränkt oder es können Ratenzahlungen eingeräumt werden (§ 115 Abs. 2)113). 2. Wirkung. Die Nachzahlungsanardnung ist rechtsgestaltend insofern, als sie die bisherige Stundung beseitigt. Sie ist nicht vollstreckbar, sdiafft aber erst die Grundlage dafür, daß die Gcrichtskosten angesetzt und eingezogen werden können und der Armenanwalt die Differenzgebühren gegen seinen Mandanten geltend machen und nach § 19 BRAGebO festsetzen lassen kann. Die Anordnung der Nachzahlung in Teilen oder Raten kann bei Verschlechterung oder weiterer Besserung der wirtschaftlichen Lage geändert werden (§ 18 Abs. 1 FGG) 114 ). 3. Zuständig ist während des Verfahrens das Gericht, bei dem das Verfahren noch anhängig ist, und zwar für die Kosten aller Rechtszüge, nach dessen Beendigung das Gericht erster Instanz 115 ). Die Entscheidung ist auf den Rechtspfleger übertragen (§ 19 Nr. 5 Rechtspflegergesetz); wenn aber gleichzeitig, weil das Verfahren noch anhängig ist, das Armenrecht entzogen wird oder die Anordnung in Verbindung mit der Bewilligung des Armenrechts ergeht, ist wegen des Zusammenhangs der Richter zuständig (§ 6 RechtspflG). Wegen des Verfahrens im übrigen vgl. zu § 126 Rdn. 74—78. 105
) K G JW 1932, 254; 1936, 3586; KG KostRspr. § 124 Z P O Nr. 9; B G H Z 5, 251, 255. 10 «) KG JW 1936, 56; Gaedeke, ArmAnwKostG S. 315. 107 ) KG KostRspr. § 124 Z P O N r . 14. 10 ®) Dazu Gaedeke JW 1936, 1634; Lappe Rpfleger 1957, 279; 1958, 137, 175; Tsdiischgale Rpfleger 1952, 165 u. JVB1. 1958, 27. 10 ») K G JW 1935, 794; 1938, 698; KG KostRspr. § 125 Z P O N r . 13; Koblenz Rpfleger 1953, 135; Schleswig M D R 1954, 752.
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) Freiburg N J W 1959, 1373; Schleswig Büro 1966, 887; L A G Frankfurt N J W 1965, 1550. ) Nürnberg Rpfleger 1956, 300; a. M. K G JW 1935, 794; Müller JR 1957, 375; Lappe Rpfleger 1958, 137, 140. 112 ) Schleswig M D R 1954, 752; KG KostRspr. § 125 Z P O Nr. 13; Stein-Jonas-Pohle" § 125 Anm. I. 113 ) KG D R 1940, 1147. 114 j KG N J W 1958, 1190; Celle N d s R p f l . 1961, 246. 115 ) H . M., vgl. Gaedeke JW 1936, 1634 zu 8. m
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
XIV. Entscheidungen im Armenrechtsverfahren § 126. Ü b e r d a s G e s u c h u m B e w i l l i g u n g d e s A r m e n r e c h t s , ü b e r s e i n e E n t z i e h u n g u n d ü b e r die V e r p f l i c h t u n g z u r N a c h z a h l u n g d e r B e t r ä g e , v o n d e r e n B e r i c h t i g u n g die z u m A r m e n r e c h t z u g e l a s s e n e P a r t e i oder d e r G e g n e r e i n s t w e i l e n b e f r e i t ist, k a n n o h n e m ü n d l i c h e V e r h a n d l u n g entschieden w e r d e n . D e m Beschluß, durch d e n d a s A r m e n r e c h t v e r w e i g e r t o d e r entzogen w i r d , soll, s o f e r n d i e s nicht nach L a g e d e s F a l l e s entbehrlich o d e r u n z w e c k m ä ß i g erscheint, e i n e k u r z e B e g r ü n d u n g b e i g e f ü g t w e r d e n , a u s d e r d i e f ü r d i e E n t s c h e i d u n g m a ß g e b e n d e n rechtlichen o d e r tatsächlichen G r ü n d e ersichtlich s i n d . Ü b e r die V e r p f l i c h t u n g z u r N a c h z a h l u n g entscheidet d a s Gericht v o n A m t s w e g e n oder auf A n t r a g der Bundes- oder S t a a t s k a s s e oder des beigeordneten Rechtsanwalts; die zum Armenrecht zugelassene Partei, die Bundes- oder Staatskasse und der beig e o r d n e t e R e c h t s a n w a l t s i n d v o r h e r zu h ö r e n . W i r d d i e N a c h z a h l u n g nicht in v o l l e r H ö h e a n g e o r d n e t o d e r w e r d e n T e i l z a h l u n g e n b e w i l l i g t , so ist a u s z u s p r e c h e n , d a ß a u f die F o r d e r u n g d e r B u n d e s - o d e r S t a a t s k a s s e u n d a u f die F o r d e r u n g d e s b e i g e o r d n e t e n R e c h t s a n w a l t s j e z u r H ä l f t e zu z a h l e n ist. Abs. 2 eingefügt durch G v. 27. 10. 33 (RGBl. I 780), Abs. 3 i. d. Fassung des G v. 30. 6. 65 (BGBl. I 577). im Armenrechtsverfahren ergehen in der freiwilligen Ge1. Form. Die Entscheidungen richtsbarkeit stets im schriftlichen Verfahren, d a der Mündlichkeitsgrundsatz der Z P O nicht gilt; mündliche Erörterungen und Bekanntmachung zu Protokoll (§ 16 Abs. 3) werden dadurch nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung ergeht durdi Beschluß.
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2. Antrag. D i e Bewilligung des Armenredits erfordert einen A n t r a g des armen Beteiligten (§ 114 Abs. 1). D i e Entziehung (§ 121) wird von A m t s wegen angeordnet. Über die Verpflichtung zur Nachzahlung (§ 125) wird von A m t s wegen oder auf A n t r a g der Staatskasse oder des beigeordneten Rechtsanwalts entschieden (Abs. 3 S a t z 1).
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3. Rechtliches Gehör ist im Bewilligungs- und Entziehungsverfahren gegenüber dem armen Beteiligten zu wahren (oben R d n . 53), im Verfahren zur Anordnung der Nachzahlung außerdem auch gegenüber der Staatskasse und dem beigeordneten Rechtsanwalt (Abs. 3 S a t z 1 H a l b s . 2). D a s rechtliche Gehör umfaßt auch die Gewährung von Gelegenheit, zu dem Ergebnis der Ermittlungen, etwa eingeholten Auskünften, Stellung zu nehmen 1 1 6 ). Unter Umständen kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Nachzahlungsverfahren in Betracht kommen.
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4. Inhalt
der
Entscheidung
a) Begründung. Beschlüsse über die Verweigerung oder Entziehung des Armenredits sollen eine kurze Begründung enthalten (Abs. 2). Der bloße Hinweis, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf E r f o l g biete, genügt den an die Begründung zu stellenden Anforderungen nicht 111 ). Entbehrlich ist die Begründung, wenn die G r ü n d e dem Beteiligten aus den gepflogenen Erörterungen bereits bekannt sind; unzweckmäßig kann sie gegenüber Querulanten sein 1 1 8 ). D a s Fehlen der Gründe berührt nicht die Wirksamkeit der Entscheidung. N a c h rechtsstaatlichen Grundsätzen versteht es sich von selbst, daß auch eine Entscheidung über die Nachzahlung mit Gründen versehen sein muß 1 1 9 ). Ist ein Armenrechtsgesuch unanfechtbar abgelehnt, so besteht bei Wiederholung des Gesuchs, wenn die Sach- und Rechtslage sich nicht geändert hat, kein Anspruch auf erneute P r ü f u n g ; es genügt die Verweisung auf den früheren Bescheid 1 2 0 ).
76
h) Wird eine Nachzahlung teilweise oder in Raten angeordnet, so sind die Zahlungen nach Maßgabe des Abs. 3 S a t z 2 zu verteilen. Aus § 130 Abs. 1 S a t z 2 B R A G e b O folgt, daß
77
) LAG Frankfurt AuR 1965, 218 = N J W 1965, 1550. ) Darmstadt JW 1935, 2908. 18 < ) Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 126 Anm. II.
116 117
" » ) Vgl. LAG Frankfurt AuR 1965, 218 = N J W 1965, 1550. 12 «) Celle NdsRpfl. 1962, 35; Keidel Anm. 46. 325
Freiwillige Gerichtsbarkeit ein auf die Staatskasse auf Grund Erstattung der Armenanwaltsgebühren übergegangener Anspruch erst nach den diese Gebühren übersteigenden Ansprüchen des Anwalts berücksichtigt werden darf; auch das ist in dem Beschluß zu regeln 121 ). 78
c) Eine Kostenentscheidung kann im Bewilligungsgehen, auch nicht im Beschwerdeverfahren (Rdn. 55). chem der Arme, der Armenanwalt und die Staatskasse ist die Anordnung einer Kostenerstattung nach § 13a Beschwerden nach Maßgabe des § 13a Abs. 1 Satz 2 1 2 2 ).
und Entziehungsverfahren nicht erIm Nachzahlungsverfahren, in welum ihre subjektiven Rechte streiten, Abs. 1 zulässig, bei unbegründeten
79
i . Bekanntmachung. Beschlüsse im Armenreditsverfahren werden nach § 16 Abs. 1 mit der formlosen Bekanntmachung an den armen Beteiligten (oder seinen Verfahrensbevollmächtigten) wirksam. Wenn aber das Armenrecht für die beabsichtigte Einlegung eines befristeten Rechtsmittels nachgesucht ist, muß die Entscheidung darüber nach § 16 Abs. 2 förmlich zugestellt werden, weil die Wiedereinsetzungsfrist des § 22 Abs. 2 in Lauf gesetzt wird 123 ); der Mangel wird durch Erteilung der Vollmacht an den beigeordneten Rechtsanwalt behoben124). Nachrichtlich sind Beschlüsse über Bewilligung oder Entziehung des Armenrechts außer dem Armen dem beigeordneten Rechtsanwalt (Justizbeamten) und wegen § 120 ZPO dem Gegner mitzuteilen. Beschlüsse im Nachzahlungsverfahren sind außer dem Armen formlos mitzuteilen der Staatskasse und dem beigeordneten Rechtsanwalt (u. U. den mehreren der verschiedenen Intanzen), bei Ablehnung wegen ihres Beschwerderechts, bei Anordnung der Nachzahlung wegen der dadurch bewirkten Beseitigung der Stundung (Rdn. 71). X V . Rechtsmittel im A r m e n r e d i t s v e r f a h r e n g 127. Der Beschluß, den Beschluß, durch den Beschluß nach § Berufungsgericht den
durch den das Armenrecht bewilligt wird, ist unanfechtbar. Gegen den das Armenrecht verweigert oder entzogen wird, und gegen 126 Abs. 3 findet die Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn das Beschluß erlassen hat. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen.
Satz 2 Halbs. 1 i. d. Fassung des G v. 30. 6. 65 (BGBl. I 577). 80
Grundsatz. In § 127 ZPO kommt der Grundsatz zum Ausdruck, daß alle dem Armen günstigen Entscheidungen unanfechtbar, alle ihm ungünstigen anfechtbar sein sollen. Dieser Grundsatz wird nach der Änderung des Satzes 2 Halbs. 1 durch Gesetz vom 30. 6. 1965 (BGBl. I, 577) im Hinblick auf die Interessen der Staatskasse und der Armenanwälte nur dahin durchbrochen, daß diesen gegen die Ablehnung der Nachzahlungsanordnung (§ 125) die Beschwerde zusteht 125 ). Weiter ergibt sich aus Satz 2 Halbs. 2 der Grundsatz, daß im Armenreditsverfahren kein weiterer Rechtszug als in der Hauptsache eröffnet sein soll 126 ). Schließlich wird der Rechtsmittelzug im Armenrechtsverfahren mit Rücksicht auf dessen geringere Bedeutung und zur Entlastung der Obergerichte allgemein dadurch verkürzt, daß die weitere Beschwerde in § 127 Satz 3 (ebenso in §§ 116, 116a, 116b, jeweils a. E.) ausgeschlossen wird.
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2. Unanfechtbare Entscheidungen. Der Ausschluß der Anfechtbarkeit durch § 127 Satz 1 gilt als Ausnahme von § 19 Abs. 1 FGG auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit 127 ). Unanfechtbar ist nach Satz 1 die Bewilligung des Armenrechts, aber (Umkehrschluß aus Satz 2) auch die Ablehnung der Entziehung (§ 121) 128 ). Der Gegner wird in seiner Rechtsstellung ) K G KostRspr. § 126 Z P O N r . 2 ; Nürnberg M D R 1958, 702; Hamburg N J W 1958, 1449; Tschischgale JVB1. 1958, 27; Rewolle N J W 1959, 1116. 1 2 2 ) Vgl. für den Zivilprozeß Frankfurt Büro 1966, 1045. 123) RGZ 147, 154; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 126 Anm. I ; Thomas-Putzo Z P O 3 § 126 Anm. 1; a. M. Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 126 Anm. 2 B. 1 2 4 ) R G J W 1937, 1429. 121
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125) Vgl. zu den vorangegangenen Erörterungen im Schrifttum Bettermann N J W 1964, 1004; Arndt N J W 1965, 28; Tschischgale Rpfleger 1964, 301. 128) K G J W 1936, 3073; K G O L G Z 1965, 222; BayObLGZ 1950, 159. 1 2 7 ) Vgl. Vorbem. vor § 19 Rdn. 25; Sdilegelberger Anm. 18; Keidel Anm. 42. 128) RG J W 1900, 129; Keidel Anm. 4 2 ; vgl. auch Köln J M B 1 N R W 1960, 43 (Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts).
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften durdi die Bewilligung oder Aufrechterhaltung des Armenredits nicht beeinträchtigt; sein Interesse daran, daß dem Armen die Rechtsverfolgung unmöglich gemacht werde, ist nicht schutzwürdig. Das fiskalische Interesse der Staatskasse hat der Gesetzgeber, wie Satz 1 zeigt, nicht für gewichtig genug gehalten, um die mit der Einräumung eines Beschwerderechts verbundenen Weiterungen in Kauf zu nehmen. Wegen der Beschwerde des Armen und des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Auswahl des Anwalts vgl. oben Rdn. 43 zu § 116b ZPO. 3. Beschwerde. Die Beschwerde ist nadi Satz 2 Halbs. 1 statthaft gegen a) Beschlüsse, durch die das Armenrecht verweigert wird, b) Beschlüsse, durch die das Armenrecht entzogen wird (§ 121), c) Beschlüsse, durch die (ganz oder teilweise) die Nachzahlung von Kosten angeordnet oder abgelehnt wird (§ 125). Das Rechtsmittel ist die unbefristete Beschwerde nach § 19 FGG. Für das Beschwerdeverfahren sind nicht die Vorschriften der ZPO, sondern diejenigen des FGG maßgebend (Vorbem. vor § 19 Rdn. 22 ff.). Die Form der Beschwerdeeinlegung richtet sich daher nach § 21 FGG, die Abänderungsbefugnis des Gerichts nach § 18 FGG. Das Beschwerderecht gegen die Verweigerung des Armenredits steht nur dem Antragsteller zu (§ 20 Abs. 2). Dasselbe gilt (§ 20 Abs. 1) für die Entziehung; ein Beschwerderecht eines anderen kommt mangels denkbarer Rechtsbeeinträchtigung nicht in Betracht; der Gegner verliert zwar die Vergünstigung aus § 120 Z P O als Reflexwirkung des Armenredits, er hat aber kein eigenes Recht auf den Fortbestand des Armenrechts für den anderen Teil 12 '). Auch dem beigeordneten Rechtsanwalt steht, wie er kein eigenes Recht auf die Bewilligung und seine Beiordnung hat, kein Recht auf die Aufrediterhaltung des Armenredits zu. Gegen die Anordnung der Nachzahlung steht das Beschwerderecht dem Armen zu; der beigeordnete Rechtsanwalt und die Staatskasse können die Anordnung wegen unrichtiger Verteilung (§ 126 Abs. 3 Satz 2) anfechten 130 ). Gegen die Ablehnung oder Beschränkung der Nachzahlungsanordnung steht das Beschwerderecht dem beigeordneten Rechtsanwalt und der Staatskasse zu 131 ); auch soweit sie den Antrag nicht gestellt haben; § 20 Abs. 2 ist nidit anwendbar, da die Anordnung auch von Amts wegen ergehen kann.
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4. Eine Beschwerdesumme, etwa entsprechend § 567 Abs. 2 Z P O oder § 20a Abs. 2 FGG, ist für die Armenrechtsbeschwerde nicht erforderlich, auch nicht bei der Anfechtung einer Nachzahlungsanordnung, da es sich nidit um eine Kostenentscheidung im Rechtssinne handelt, sondern um den dem Armen zu gewährenden Rechtsschutz132). i . Beschwerdegericht ist, wenn eine Entscheidung des Amtsgerichts angefochten wird, das Landgericht (§ 19 Abs. 2). H a t das Landgericht in einem Verfahren entschieden, für welches es als Gericht des ersten Reditszuges zuständig ist, so ist zur Entscheidung über die (erste) Beschwerde das OLG (ObLG) berufen (§ 19 Rdn. 47). Die erste, nidit auf Gesetzesverletzung beschränkte Beschwerde an das OLG oder an das nach § 199 Abs. 1 FGG errichtete zentrale Obergericht ist aber auch zulässig, wenn das Landgericht das Armenrecht für das Beschwerde verfahren versagt oder entzogen oder als Beschwerdegericht über die Nachzahlung entschieden hat 133 ). Denn der Ausschluß der Beschwerde gegen Entscheidungen des Berufungsgerichts durch Satz 2 Halbs. 2 beruht auf dem Gedanken, daß im Armenrechtsverfahren kein weiterer Rechtszug als in der Hauptsache eröffnet sein soll (Rdn. 80), und ist deshalb in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar 134 ), soweit nicht auch hier aus-
84
12
°) Vgl. Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 § 127 Anm. III 1. 13 °) KG JVB1. 1961, 114 = KostRspr. § 126 ZPO Nr. 1. 131 ) Schleswig SA1HA 1967, 149. 132 ) KG Rpfleger 1953, 466; KG JVB1. 1961, 114 = KostRspr. § 126 ZPO Nr. 1; KG OLGZ 1965, 2 2 2 = N J W 1965, 920 = MDR 1965, 670; Oldenburg Rpfleger 1953, 470; Gaedeke DR 1942, 815; Tsdiisdigale Rpfleger 1952, 168;
Stein-Jonas-Pohle Z P O " § 127 Anm. II 3; Baumbach-Lauterbadi ZPO 2 8 § 127 Anm. I B; a. M. Hamm MDR 1958, 934; Thomas-Putzo ZPO 3 § 127 Anm. 1. 133 ) KG OLGZ 1965, 222 = NJW 1965, 920; BayObLGZ 1965, 290; Schleswig AnwBI. 1968, 86; Keidel Anm. 43; a. M. Celle NJW 1963, 1786; Schleswig SchlHA 1965, 19; Bärmann § 37 III 2 d. 134 ) Hamm JZ 1951, 420.
327
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§ "14
Freiwillige Gerichtsbarkeit
nahmsweise eine weitere Sachbeschwerde gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts ausgeschlossen ist (vgl. dazu § 27 Rdn. 5). Entscheidungen des OLG (ObLG, KG) sind unanfechtbar. gg
6. Verfahrensrechtliche Überholung. Eine gegen die Entziehung des Armenrechts eingelegte Beschwerde bleibt auch nach Beendigung des Rechtszugs zulässig135). Dagegen kann einer Beschwerde gegen die Versagung des Armenrechts nicht mehr stattgegeben werden, wenn das Verfahren der Vorinstanz beendet ist, mag die Beendigung vor oder nach der Beschwerdeeinlegung eingetreten sein, es sei denn, daß ausnahmsweise eine rückwirkende Bewilligung des Armenrechts (oben Rdn. 14 zu § 115) geboten ist, die jedoch nicht in jedem Fall einer sonst begründeten Beschwerde in Betracht kommt 136 ).
g7
7. Keine weitere Beschwerde (Satz 3). Der durch die NotVO vom 6. 10. 1931 (RGBl. I, 564) 6. Teil Kap. I § 11 Abs. 5 eingeführte Ausschluß der weiteren Beschwerde im Armenrechtsverfahren, inzwischen durch die Nov. v. 27. 10. 1933 (RGBl. I, 780) und das REinhG vom 12. 9. 1950 (BGBl., 455) als Dauerrecht beibehalten und in den §§ 116, 116a, 116b auf weitere Fälle ausgedehnt, gilt audi in der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Denn wenn das FGG auf die entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO verweist, so bedeutet das zwar, daß auf die Ausgestaltung des Verfahrens die Grundsätze der FG anzuwenden sind; Vorschriften aber, die sich auch innerhalb der ZPO als Sondervorschriften darstellen, sind auch in der FG zu beachten (Vorbem. vor § 19 Rdn. 22). Der Ausschluß der weiteren Beschwerde nach Satz 3 gilt daher in der FG ebenso wie der Ausschluß der ersten Beschwerde nach Satz 1 des § 127 13 ').
gg
8. Anfechtbarkeit von Verfügungen des Rechtspflegers. Hat der Rechtspfleger für ein ihm übertragenes Geschäft das Armenrecht versagt oder entzogen (§ 4 Abs. 1 RechtspflG) oder über die Nachzahlungsverpflichtung entschieden (§ 19 Nr. 5 RechtspflG), so ist dagegen die Erinnerung gegeben, über die der Richter entscheidet (§ 10 Abs. 1, 2 RechtspflG); auch kann bedingte Beschwerde nach § 10 Abs. 4 RechtspflG eingelegt werden. Dagegen ist eine Verfügung, durch die das Armenrecht bewilligt oder seine Entziehung abgelehnt wird, unanfechtbar auch, wenn der Rechtspfleger sie erlassen hat, weil dadurch niemand beeinträchtigt wird und deshalb kein zur Erinnerung Berechtigter vorhanden ist (Rdn. 80) 13S ). Hat allerdings der Rechtspfleger das Armenrecht bewilligt oder entzogen für ein Geschäft, das ihm nicht übertragen ist, so ist die Verfügung unwirksam (§ 7 Abs. 2 RechtspflG).
gg
D. Notare Auch der Notar muß unbemittelten Beteiligten, denen nach der ZPO das Armenrecht zu bewilligen wäre, vorläufige Gebührenfreiheit gewähren (BNotO § 17 Abs. 2), jedoch nur im Rahmen der Urkundstätigkeit (BNotO §§ 20 bis 22), nicht für seine sonstige Amtstätigkeit nach BNotO §§ 23, 24 und nicht wegen der Auslagen. Bei Streit entscheidet das LG, vgl. PrFGG Art. 51 Anm. 10. Ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse steht dem Notar nicht zu 139 ).
90
E. Landesrecht Die Vorschrift des § 14 gilt überall auch in landesrechtlichen Angelegenheiten, Art. 1 PrFGG und oben § 1 Rdn. 131. ) KG J W 1935, 1706. ) K G DR 1940, 926; KG OLGZ 1965, 222, 224; Düsseldorf J M B L N R W 1968, 165; Schleswig SdilHA 1956, 115 u. 1958, 4 7 ; Celle MDR 1956, 684; vgl. auch Celle NdsRpfl. 1962, 110; OVG Lüneburg N J W 1968, 565; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 9 § 127 Anm. 1 B ; a. M. München J F G 15, 161; Braunschweig NdsRpfl. 1958, 90. ) So mit überzeugender Begründung bereits RErbhG 4, 64 = J W 1937, 2158; Hamm N J W 1964, 1530; K G OLGZ 1967, 84 =
135 136
m
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N J W 1967, 1237 = MDR 1967, 501; Bärmann § 37 III 2 d; a. M. früher K G J W 1933, 1263; Braunsdiweig H R R 1935 Nr. 1626; München J F G 15, 118 = DFG 1937, 84; Keidel Anm. 4 3 ; Pikart-Henn S. 146; Baur § 34 III. « 8 ) Ebenso Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 127 Anm. I I I ; a.M. Arndt, RechtspflG § 10 Anm. 10; Hofmann-Kersting RechtspflG § 10 Anm. II A 2 ; Keidel Anm. 42. 1 3 9 ) KG J W 1931, 2036.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
15
Beweisverfahren 15 Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über den Beweis durch Augenschein, über den Zeugenbeweis, über den Beweis durch Sachverständige und über das Verfahren bei der Abnahme von Eiden finden entsprechende Anwendung. Uber die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet jedoch, unbeschadet der §§ 393, 402 der Zivilprozeßordnung, das Ermessen des Gerichts. Behufs der Glaubhaftmachung einer tatsächlichen Behauptung kann ein Beteiligter zur Versicherung an Eides Statt zugelassen werden. Die Worte „über den Beweis durdi Augenschein" sind für die brit. Zone durch VO v. 17. 6. 47 (VOBlBrZ 93) Art. I I eingefügt worden. Diese Änderung wurde durch REeinhG v. 12. 9. 50 (BGBl. 455) Art. 5 Nr. 1 für das übrige Bundesgebiet, durch REinhG Berlin v. 9. 1. 51 (VOB1. I 99) Art. 4 für Berlin und durch RechtsanglG v. 22. 12. 56 (ABl. 1667) für das Saarland übernommen.
Ubersicht A. Bedeutung B. Beweisverfahren I. Allgemeine Grundsätze des Beweisverfahrens 1. Beweisantritt 2. Beweisbeschluß 3. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme 4. Parteiöffentlichkeit der Beweis aufnähme I I . Niederschrift
Rdn.
Rdn.
1
4. Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung 47-50 a) Verfahren 47 b) Rechtsmittel 48-49 c) Verweigerung der Eidesleistung 50 5. Zwangsmittel zur Erzwingung der Aussage und der Eidesleistung 51-53 6. Beeidigung 53-58 a) Eidespflicht _ 54 b) Anordnung der Beeidigung 55-58
2-11 2-10 3 4 5-7 8-10
11
C. Beweis durch Augenschein 12-19 I. Augenscheinsbeweis 12 I I . Gegenstand des Augenscheinsbeweises 13 I I I . Verfahren bei der Augenscheinseinnahme 14 IV. Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung 15-18 1. Voraussetzungen 15 3. Art der Untersuchung 16 3. Duldungspflicht 17 4. Erzwingung der Untersuchung 18 V. Tonbandaufnahmen 19 D. Zeugenbeweis I. Zeugnisfähigkeit I I . Zeugnispflicht 1. Pflicht zum Erscheinen a) Grundsatz b) Ladung 2. Folgen des Ausbleibens a) Zwangsmittel zur Erzwingung des Erscheinens b) Rechtsmittel c) Verfügungen des Rechtspflegers 3. Aussagepflicht a) Schutz von Staats- und Verwaltungsgeheimnissen b) Aussageverweigerungsrechte
20-58 20-23 24-58 25-28 29 31-33 31 32 33 34-46 35-38 39-46
E. Beweis durch Sachverständige 59-71 I. Bedeutung 59 II. Verfahren 1. Gesetzliche Grundlagen 60 2. Gutachterpflicht 61 3. Erzwingung der Gutachterpflicht 62-64 4. Ablehnung des Sachverständigen 65-68 a) Ablehnungsgründe 65 b) Ablehnungsgesuch 66 c) Entscheidung 67 d) Rechtsmittel 68 5. Form der Gutachtenerstattung 69 6. Beeidigung des Sachverständigen 70 7. Gegen- oder Obergutachten 71 F. Entschädigung der Zeugen und Sachverständigen
72
G. Verfahren bei der Abnahme von Eiden I. Anwendungsbereich I I . Verfahren I I I . Art der Eidesleistung
73-75 73 74 75
H. Urkundenbeweis
76-77
J . Vernehmung Beteiligter K. Beweissicherung L. Glaubhaftmachung M. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht
78
79 80-82 83
329
Freiwillige Gerichtsbarkeit
1
A. Bedentang Das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann es für notwendig oder doch zweckmäßig halten, sich zur Aufklärung des Sachverhalts der im Zivilprozeß zulässigen Beweismittel zu bedienen, wenn formlose Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ausreichend erscheinen oder das Mitwirkungsrecht der Beteiligten bei der Beschaffung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen nicht ausreichend gewährleisten würden (vgl. § 12 Rdn. 39). Die Bedeutung des § 15 Abs. 1 besteht darin, die Form der Erhebung der in ihm bezeichneten Beweise zu regeln, nämlich des Augenscheinsbeweises, des Zeugenbeweises und des Sachverständigenbeweises. Das geschieht in der Weise, daß die Vorschriften der Z P O über die Erhebung dieser Beweise für entsprechend anwendbar erklärt werden. Dadurch wird dem Gericht zugleich die Rechtsmacht verliehen, gegen Beweispersonen die in der Z P O zugelassenen Zwangsmittel anzuwenden und Eide abzunehmen, eine Befugnis, die sich aus der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 12) allein nicht ergeben würde ( § 1 2 Rdn. 66, 67). Die entsprechende Anwendung von Vorschriften der Z P O bedeutet, daß die Vorschriften so anzuwenden sind, als wenn sie integrierende Bestandteile des FGG wären; sie sind deshalb den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes anzupassen 1 ). Für das Beweisverfahren insbesondere bedeutet dies, daß Anpassungen vor allem insoweit geboten sind, als die anzuwendenden Vorschriften auf der Verhandlungsmaxime und dem Mündlichkeitsgrundsatz des Zivilprozesses beruhen. Ferner werden ergänzend die Vorschriften über das Verfahren bei der Abnahme von Eiden (§§ 478 bis 484 ZPO) für entsprechend anwendbar erklärt. Schließlich enthält Abs. 2 eine Einzelvorschrift über die Glaubhaftmachung tatsächlicher Behauptungen.
2
B. Beweisverfahren I. Allgemeine Grundsätze des Beweisverfahrens Aus der Obereinstimmung der Ausdrucksweise in § 15 Abs. 1 mit den in der Z P O im Zweiten Buch, 1. Abschnitt, zu den Titeln 6, 7, 8 und 11 verwendeten Überschriften ergibt sich, daß lediglich die Vorschriften dieser Titel entsprechend anwendbar sein sollen. Auf die allgemeinen Vorschriften über die Beweisaufnahme (§§ 355 bis 370 ZPO) wird nicht verwiesen; diese Vorschriften sind daher nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar 2 ). Das Beweisverfahren ist, der Vielgestaltigkeit der zu entscheidenden Angelegenheiten entsprechend, an gesetzliche Einzelregelungen nicht gebunden. Das Verfahren ist vom Richter so zu gestalten, daß der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12), der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 12 Rdn. 84 ff.) und das Mitwirkungsrecht der Beteiligten bei der Gewinnung der Entscheidungsgrundlagen in gleicher Weise gewahrt bleiben. Hieraus ergeben sich im einzelnen folgende Folgerungen:
3
1. Die Vorschriften über den Beweisantritt (§§ 371, 373, 403, 420 ZPO) sind nicht anwendbar; ihre Anwendbarkeit wird durch den Amtsermittlungsgrundsatz ausgeschlossen, unter dessen Geltung es keine subjektive Beweisführungslast und demgemäß keinen Beweisführer geben kann. Natürlich ist es den Beteiligten nicht verwehrt, das Gericht durch geeignete Vorschläge bei der Heranziehung von Beweismitteln zu unterstützen, und die Sachaufklärungspflicht kann es gebieten, solche Beweise, wenn sie erheblich sind, zu erheben. Benennen die Beteiligten Zeugen ohne hinreichende Bezeichnung der Tatsachen, die der Zeuge soll bekunden können (§ 373 ZPO), so ist das richterliche Fragerecht (§ 12 Rdn. 7) auszuüben. Unanwendbar sind auch § 283 Abs. 2 Z P O über die Zurückweisung von Beweismitteln, § 399 Z P O über den Verzicht auf Zeugen und § 379 Z P O über Abhängigmachung der Ladung von einer Vorschußzahlung (§ 12 Rdn. 79).
4
2. Ein Beweisbeschluß (§§ 358, 359 ZPO) ist nicht erforderlich. Die Festhaltung der Beweisfragen, die das Gericht für aufklärungsbedürftig hält, wird sich zwar häufig als not1) Vgl. Vorbem. vor $ 19 Rnd. 22; Wellstein 8 § 1 Anm. 1 f 0 ; Keidel § 1 5 Anm. 11.
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2
) Wellstein 2 § 15 Anm. 3; Josef 2 Anm. Sdilegelberger Anm. 2; Keidel Anm. 4.
2;
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften wendig oder wenigstens zweckmäßig erweisen, es ist aber nidit erforderlich, die Form eines Beweisbeschlusses d a f ü r zu wählen, auch nicht in den echten Streitsachen oder als Grundlage für ein Rechtshilfeersudien; es genügt, daß der Gegenstand der Vernehmung hinreichend deutlich bezeichnet wird. Immerhin ist es dem Gericht nach seinem Ermessen gestattet, einen Beweisbeschluß zu erlassen, wobei die Angabe des Beweisführers (§ 359 N r . 3 Z P O ) entfallen muß und an die Stelle der streitigen Tatsachen (§ 359 N r . 1 Z P O ) die vom Gericht für aufklärungsbedürftig gehaltenen treten. Ergeht eine Beweisanordnung, so ist ihre Wirksamkeit als prozeßleitende Anordnung zwar nidit von einer Bekanntmachung (§ 16 Abs. 1) abhängig, ihre nachrichtliche Mitteilung an die Beteiligten aber gleichwohl geboten, damit diese ihr Prozeß verhalten danach einrichten können; erfordert die Beweisaufnahme, gleichgültig ob es sich um formlose Ermittlungen oder eine förmliche Beweiserhebung handelt, einen Termin, so sind die Beteiligten davon zu benachrichtigen. Denn selbstverständlich bedeutet die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes nidit, daß das Verfahren sich im geheimen hinter den verschlossenen Türen der Amtsstuben abspielen dürfte. Für den Sachverständigenbeweis folgt eine Pflicht zur Bekanntgabe bereits aus dem Ablehnungsrecht der Beteiligten (§ 406 Z P O ) , für den Zeugen- und Sachverständigenbeweis ferner aus dem Fragerecht (§§ 397, 402, 411 Abs. 3 Z P O ) ; vgl. nächst. Rdn. 8. Eine Beweisanordnung ist nidit selbständig mit der Beschwerde anfechtbar 3 ), ebensowenig die Ablehnung von Beweisanträgen 4 ). Das Gericht kann die Beweisanordnung jederzeit ändern oder von der beschlossenen Beweiserhebung absehen; eine Verständigung der Beteiligten darüber ist in der Regel angebracht, ihr Unterbleiben aber nidit schon für sich allein ein Verfahrensfehler 5 ). Von präsenten Beweismitteln (vorgelegten Urkunden oder Augenscheinsobjekten, gestellten Zeugen) kann ohne weiteres Verfahren Gebrauch gemacht werden; den Beteiligten muß aber rechtliches Gehör gewährt werden.
3. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Die Vorschrift des § 355 Z P O , nach welcher die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht erfolgt (Unmittelbarkeitsgrundsatz), gehört nicht zu den Bestimmungen, deren Anwendung durch § 15 Abs. 1 vorgeschrieben wird (oben Rdn. 2). Das erklärt sich daraus, daß es dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit freisteht, auf Grund des § 12 formlose Ermittlungen im Wege des Freibeweises zu veranstalten, bei weldien ihrer N a t u r die Wahrung der Unmittelbarkeit nicht in Betradit kommt. Wenn aber das Geridit sich entschließt, förmliche Beweiserhebungen nach § 15 zu veranstalten, so gilt f ü r sie audi der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme 6 ). Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß es wenig sinnvoll wäre, wenn § 15 Abs. 1 Satz 1 die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften zu diesem Grundsatz anordnet (§§ 372 Abs. 2, 375, 402, 405, 479 Z P O ) , ohne daß der Grundsatz selbst anwendbar ist 7 ). Die Beweisaufnahme darf daher nur in den gesetzlich bestimmten Fällen einem Mitglied des Kollegiums als beauftragtem Richter oder einem anderen Gericht als ersuchtem Richter übertragen werden. Die Übertragung ist bei der Augenscheinseinnahme unbeschränkt zulässig (§ 372 Abs. 2 ZPO), beim Zeugen- und Sadiverständigenbeweis gemäß §§ 375, 402 Z P O nur, wenn die Vernehmung nicht an der Gerichtsstelle stattfindet, weil einer der Gründe des § 375 N r n . 1 bis 3 dies rechtfertigt. Die Einrichtung des Einzelriditers, der im Rahmen seiner Befugnisse an Stelle des Kollegiums handelt (§ 350 Z P O ) , ist in der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbekannt. Förmliche Beweisaufnahmen durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen müssen daher, wenn die Voraussetzungen des § 375 N r n . 1 bis 3 Z P O nicht vorliegen, beim Landgericht als Geridit des ersten Reditszuges oder als Besdiwerdegericht vor der
3
) Jena KGJ 21 D 3 = RJA 1, 177; KG OLGR 12, 196; KG DFG 1943, 121; KG OLGZ 1966, 380, 383; Hamm JMB1NRW 1956, 185; Schlegelberger § 19 Anm. 8; Keidel § 15 Anm. 4. 4 ) Schleswig SdilHA 1966, 152 = RzW 1966, 313; Keidel Anm. 4; a. M. Josef ZZP 32, 307.
5
) Vgl. BVerwG NJW 1965, 413; Keidel Anm. 4. «) Lent § 12 VIII; Lent-Habscheid4 % 19 III 2 Abs. 3; Bärmann § 14 II 1 c, § 16 III; Baur § 20 I; Keidel Anm. 5; Düsseldorf NJW 1967, 454. 7 ) Bärmann § 16 III.
Freiwillige Gerichtsbarkeit Kammer erfolgen 8 ). Mit der freieren Gestaltung des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann eine abweichende Übung nicht gerechtfertigt werden, da insoweit gemäß § 15 FGG, § 375 Z P O eine Bindung vorliegt und der Untersuchungsgrundsatz kein Hindernis ist, diese Vorschriften anzuwenden. Im Landwirtschaftsverfahren ist die Übertragung von Beweisaufnahmen auf ein Mitglied des Gerichts nach Maßgabe des § 16 LwVG zugelassen. De lege ferenda mag eine Lockerung nach dem Vorbild des § 96 Abs. 2 VwGO angebracht sein. g
Soweit § 375 Z P O die Übertragung der Beweisaufnahme auf einen beauftragten oder ersuchten Richter an sich zuläßt, ist die Abstandnahme von unmittelbarer Beweiserhebung vor dem vollbesetzten beschließenden Gericht in das vom Rechtsbeschwerdegericht nicht nachprüfbare Ermessen des Tatsachengerichts gestellt 9 ). Dagegen ist es ein Verfahrensmangel, der mit der Beschwerde gegen die Endentscheidung gerügt werden kann, wenn Beweise an der Gerichtsstelle von dem beauftragten Richter erhoben werden 10 ). Eine Heilung des Mangels kann aber entsprechend § 295 Z P O durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht gegenüber dem Gericht oder durch Zurücknahme einer bereits erhobenen Rüge eintreten, im Antragsverfahren, nicht auch im Amtsverfahren, auch durch Rügeverlust infolge rügeloser Einlassung 11 ).
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Formlose Ermittlungen, auch Anhörung von Beteiligten und Auskunftspersonen, kann der Berichterstatter anordnen und durchführen 12 ). Soweit daheir Zeugen an der Gerichtsstelle nur von einem Mitglied des Kollegiums als beauftragten Richter gehört werden, ist zu prüfen, ob die darin liegende Abstandnahme von förmlicher Beweisaufnahme mit der Aufklärungspflicht vereinbar ist (§ 12 Rdn. 39) 13 ). 4. Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme. Die Frage, ob die Beteiligten ein Recht darauf haben, zu der Beweisaufnahme hinzugezogen zu werden und Fragen zu stellen, und demgemäß zu den Beweisterminen geladen werden müssen, wurde früher mit der Erwägung verneint, daß § 357 Z P O nach § 15 FGG nicht anwendbar sei und die Zubilligung eines Fragerechts an die Beteiligten (§ 397 ZPO) dem Amtsermittlungsgrundsatz widerspreche 14 ). Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes ist jedoch weder in der ZPO (§§ 622, 640, 641, 643) noch in anderen Verfahrensordnungen (§ 97 VwGO, § 116 SozGG, § 240 Abs. 2 StPO) ein Hindernis, den Beteiligten das Recht zur Teilnahme an der Beweisaufnahme und das Frageredit einzuräumen. Außerdem ist diese Auffassung mit der geläuterten Erkenntnis unvereinbar, daß die Beteiligten auch in Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz, wenn auch nicht die Pflicht, so doch das Recht haben, an der Gewinnung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen mitzuwirken; in diesem Mitwirkungsrecht kommt die prozessuale Rechtsstellung der Beteiligten als Prozeßsubjekte zum Ausdruck 15 ). Das positive Recht steht dieser
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8
) Wie hier Bosch, Grundsatzfragen des Beweisrechts, 1963, S. 119; wohl auch Lent-Habscheid4 § 19 I I I 2 Abs. 3; Keidel 8. Aufl., Anm. 5, anders 9. Aufl. Anm. 5; a.M. BayObLGZ 1956, 303; Hampel FamRZ 1964, 125, 129; dahingestellt gelassen in Neustadt FamRZ 1964, 475. Eine Übertragung der Beweisaufnahme auf den Vorsitzenden und Berichterstatter der Kammer ist ebenfalls nicht statthaft, so mit Recht Düsseldorf N J W 1967, 454 im Anschluß an B G H N J W 1960, 1252; ein bei der Beweisaufnahme gewonnener persönlicher Eindruck darf, wenn nicht alle Mitglieder der Kammer dabei mitgewirkt haben, nur verwertet werden, wenn er in der Niederschrift niedergelegt ist, Koblenz N J W 1960, 1014; Düsseldorf N J W 1967, 454. •) R G Z 149, 287; 159, 241 für die Revision. 10 ) Bosch, Grundsatzfragen des Beweisrechts, 1963, S. 105 ff.; Rosenberg Z P R 9 § 115 I I I 1 b; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 355 Anm. I I I ; Saarbrücken JB1. Saar 1961, 103; O G H b r Z 1,
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")
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226 läßt die Nachprüfung zu, ob sich das Gericht im Rahmen sachgemäßen Ermessens gehalten hat; offen gelassen in R G Z 149, 290. Vgl. § 27 Rdn. 41; Neustadt FamRZ 1964, 475; zum Zivilprozeß vgl. B G H Z 40, 179 = FamRZ 1964, 39; Bosch aaO. S. 121; a.M. Peters, Der sog. Freibeweis im Zivilprozeß, 1962, S. 103 zu Fn. 100; vgl. auch Peters, ZZP 76, 158. KG FamRZ 1959, 509, 511 = N J W 1960, 486; BayObLG FamRZ 1965, 152. So im Ergebnis auch Keidel Anm. 5. KGJ 26 A 175 = R J A 4, 1; R G Z 63, 275 = R J A 7, 76; ebenso noch Schlegelberger § 15 Anm. 5, 19; Baur § 16 IV, § 20 I ; Riedel JWG 4 § 65 Anm. 11 b; anders aber schon früher Josef 2 (1905) § 15 Anm. 4 c; JastrowGünther FGG 7 (1928) § 397 Z P O Anm. 1. Jansen, Wandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1964, S. 18 f f . ; Kuchinke, JuS 1967, 295 zu I 3.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Annahme nicht entgegen; denn nach § 15 F G G ist die Vorschrift des § 397 Z P O über das Fragerecht der Beteiligten entsprechend anzuwenden. Die Ausübung dieses Rechts setzt aber die Anwesenheit der Beteiligten voraus. Mit dem Hinweis auf die nur „entsprechende" Anwendung der Vorschriften der Z P O kann der Ausschluß des Fragerechts der Beteiligten nidit gerechtfertigt werden. Weder der Amtsermittlungsgirundsatz noch sonstige Eigenheiten des F G G - V e r f a h r e n s gebieten es, die Beteiligten von der Beweisaufnahme fernzuhalten, soweit in ihrer Person nicht besondere G r ü n d e (Minderjährigkeit, Geisteskrankheit) d a f ü r vorliegen. Regelmäßig werden Anwesenheit u n d Vorhaltungen der Beteiligten an Zeugen und Sachverständige der Wahrheitsfindung n u r dienlich sein. Die Führung der Ermittlungen bleibt auch dann in der H a n d des Gerichts, wenn die Beteiligten in der durch § 397 Z P O gebotenen Weise zur A u f k l ä r u n g des Sachverhalts hinzugezogen werden. Dadurch w i r d zugleich das rechtliche Gehör unmittelbar und in vollkommener Weise gewährleistet. Ein Unterschied zwischen echten Streitsachen und anderen V e r f a h r e n ist hierbei nicht zu machen, d a die angeführten G r ü n d e unabhängig von der A r t des Verfahrensgegenstandes Geltung beanspruchen können. Demnach entspricht es nunmehr der herrschenden Meinung, d a ß die Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu wahren ist 16 ). Im Landwirtschaftsverfahren ist die Geltung des Grundsatzes dadurch gesichert, d a ß § 15 Abs. 4 L w V G die sinngemäße A n w e n d u n g der §§ 357, 357a, 367 Abs. 1, 397, 402 Z P O vorschreibt. Das Interesse an der Wahrheitsfindung kann es rechtfertigen, die Beteiligten von einzelnen Erhebungen auszuschließen, z. B. bei der Anhörung von Kindern (§ 1695 Abs. 2 BGB) 1 7 ); d a n n ist den Beteiligten durch Mitteilung des Ergebnisses der Anhörung rechtliches Gehör zu gewähren. Eine Verletzung der Parteiöffentlicbkeit der Beweisaufnahme hindert die Verwertung der erhobenen Beweise, die vielmehr wiederholt werden müssen, und begründet die Rechtsbeschwerde, wenn die Möglichkeit, d a ß die Entscheidung darauf beruht, sich nicht ausschließen läßt 1 8 ). Es darf jedoch nicht angenommen werden, d a ß der Zeuge in Anwesenheit des Beteiligten ebenso ausgesagt hätte 1 9 ). Der Verfahrensmangel kann durch Rügeverzicht oder, außer im Amtsverfahren, durch rügelose Einlassung geheilt werden 2 0 ). Das Anwesenheitsrecht ist verfassungsrechtlich durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht gewährleistet 21 ), weil A r t . 103 Abs. 1 G G den Beteiligten keinen Anspruch darauf gewährt, d a ß die Beweise nach bestimmten Verfahrensregeln erhoben werden müßten 2 2 ). Es beruht also auf einfachem Verfahrensrecht.
9
Die Parteiöffentlichkeit setzt voraus, d a ß das Gericht überhaupt zu einer förmlichen Beweisaufnahme schreitet. Entschließt es sich zulässigerweise zu formlosen Ermittlungen (§ 12 Rdn. 39), etwa indem es einen Zeugen oder Sachverständigen schriftlich hört, so entfällt damit auch die Parteiöffentlichkeit und es bleibt nur das rechtliche Gehör zu wahren 2 3 ). Diese Lage kann auch bei mündlichen formlosen Anhörungen an Gerichtsstelle eintreten; aber natürlich entspricht es nicht einem rechtsstaatlichen Verfahren, wenn geladene Zeugen
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1«) KG N J W 1962, 2114 = FamRZ 1962, 537; KG FamRZ 1965, 159; Köln O L G Z 1965, 134; KG FamRZ 1968, 605; BayObLGZ 1967, 137, 147; Habscheid Rpfleger 1957, 171; Jansen, Wandlungen usw. 1964, S. 34 f f . ; Lent-Habsdieid 4 § 19 IV 2; Bärmann § 17 IV 3; Pikart-Henn S. 85; Keidel § 15 Anm. 6; Staudinger-Göppinger BGB 1 1 § 1666 Anm. 348; dahingestellt gelassen in H a m m OLGZ 1968, 334. " ) Staudinger-Donau BGB 1 1 § 1695 Anm. 52; Staudinger-Göppinger BGB 1 1 § 1666 Anm. 349; Köln OLGZ 1965, 134; H a m m O L G Z 1968, 506. 1S ) K G FamRZ 1968, 605; zum Zivilprozeß R G Z 100, 174; 136, 299; R G JW 1938, 3255 =
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) ») )
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) )
H R R 1938 N r . 1641 = Warn. 1939, 12 = SeuffA 93, 23. Blomeyer ZPR § 74 I V 2 Fn. 5. Oben Rdn. 6; H a m m OLGZ 1968, 334. B a y V e r f G H 15, 5 = N J W 1962, 531; K G N J W 1962, 2114; dahingestellt gelassen in BayObLGZ 1967, 137, 146; a.M. Köln O L G Z 1965, 134; H . Keidel, Diss, S. 122; die gegenteilige Auffassung in Wandlungen usw. 1964 S. 37 wird aufgegeben. BVerfGE 1, 418, 429 = N J W 1953, 177. KG FamRZ 1959, 509 = N J W 1960, 486; BayObLGZ 1960, 216 = N J W 1960, 2287; 1963, 235, 240; Köln O L G Z 1965, 134; Keidel Anm. 6.
333
Freiwillige Gerichtsbarkeit nidit förmlich vernommen, sondern nur formlos mündlich gehört werden, um die Beteiligten nicht zu dem Beweistermin laden zu müssen24).
II. Niederschrift Vorschriften darüber, in welcher Form das Ergebnis einer Beweisaufnahme festzuhalten ist, bestehen nicht. Z P O §§ 159 bis 164 über das Protokoll sind nur im Landwirtschaftsverfahren (LwVG § 15 Abs. 6) für sinngemäß anwendbar erklärt worden. Die Zuziehung eines Urkundsbeamten steht im Ermessen des Gerichts (PrFGG Art. 2 Abs. 2, HessFGG Art. 9, NdsFGG Art. 2). Die Aussagen müssen jedoch, um verwertbar zu sein, aktenkundig gemacht werden, sei es durch Aufnahme in eine Niederschrift, durch Aktenvermerk oder durch Wiedergabe in den Gründen der Entscheidung; im letztgenannten Fall darf kein Richterwechsel eingetreten sein25). Das gilt grundsätzlich auch für die Niederlegung des Ergebnisses einer Augenscheinseinnahme 26 ); wenn aber die Augenscheinseinnahme nach § 372 Abs. 2 Z P O einem Mitglied des Gerichts oder einem anderen Gericht übertragen ist, ist das Ergebnis des Augenscheins unter Beachtung der §§ 160 Abs. 2 N r . 4, 162 Z P O in eine Niederschrift aufzunehmen, und in jedem Falle ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, zu den Feststellungen des Gerichts Stellung zu nehmen 27 ). Über Eidesabnahmen ist stets eine Niederschrift zu fertigen. Ober das Protokoll im übrigen vgl. Vorbem. vor § 8 Rdn. 31, über Verwendung des Tonbandes im Verfahren Joos, Justiz 1965, 338. Kurzschriftprotokolle nach § 163a Z P O sind statthaft 2 ").
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C. Beweis durch Augenschein I. Der Augensch einsbeweis war im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Grund des § 12 von jeher als Beweismittel zugelassen 20 ), obwohl dieses Beweismittel erst durch REinhG vom 12. 9. 1950 (BGBl., 455) Art. 5 Nr. 1 in § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG eingefügt worden ist. Hierdurch wird klargestellt, daß auch insoweit die Vorschriften der Z P O (§§ 371 bis 372a) entsprechend gelten. Jedoch wird der Augenscheinsbeweis stets von Amts wegen angeordnet, ohne daß es eines Beweisantritts bedarf (oben Rdn. 3).
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!!• Gegenstand des Augenscheinsbeweises sind Sachen im Besitze Beteiligter oder Dritter sowie Personen, mögen sie Beteiligte oder Dritte sein. Die Zeugnispflicht begründet keine Verpflichtung zur Duldung der Augenscheinseinnahme. Ein verfahrensrechtlicher Zwang zu ihrer Duldung kann auch im Verfahren mit Amtsprüfung nicht ohne gesetzliche Ermächtigung ausgeübt werden. FGG § 12 gestattet zwar dem Gericht, sich zur Aufklärung des Sachverhalts jedes ihm zu Gebote stehenden Mittels zu bedienen, ermächtigt es aber nicht zur Anwendung jedes beliebigen Zwanges, vgl. § 12 Rdn. 66, 68. Verweigert ein Beteiligter die Einnahme des Augenscheins ohne triftigen Grund, so kann das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung Schlüsse daraus ziehen. Im Antragsverfahren wird der Beteiligte, der die Feststellungslast (§ 12 Rdn. 9) trägt, für die Bereitstellung des Augenscheinsobjektes Sorge tragen; soweit ihm ein privatrechtlicher Anspruch auf Herausgabe oder Vorlegung gegen einen Dritten zusteht (BGB §§ 495 Abs. 2, 809, HGB § 418), kann ihm zur Durchsetzung dieses Anspruchs eine Frist gesetzt werden. Niemand kann gegen seinen Willen genötigt werden, seinen Körper zur Besichtigung, auch nicht durch Ärzte, bereitzustellen 28 ). Dieser allgemein anerkannte Grund24
) Insofern ist Staudinger-Göppinger BGB 11 § 1666 Anm. 348 zuzustimmen. 25 ) BayObLGZ 1951, 645. 2 °) Celle N J W 1965, 921. " ) B G H MDR 1953, 669 zu §§ 12, 17 LVO. 2 " ) BGH N J W 1954, 1886, 1888; dazu Bergemann DRiZ 1960, 174; Kreuzer DRiZ 1962, 51; BArbG N J W 1964, 220.
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28 29
) KG R J A 1, 145. ) R G Z 63, 410; R G Grudi. 62, 651; K G J 51, 13; B G H N J W 1952, 1215; Baumbadi-Lauterbach ZPO 2 9 Übers. 3 A vor § 371; Stein-Jonas Z P O 1 8 § 371 Vorbem. IV 1; Wieczorek Z P O § 402 Anm. B III b 4; Rosenberg ZPR» § 117 II 2, III 3; Blomeyer ZPR § 76 4 a; Lent-Jauernig ZPR 1 3 § 52 II.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
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satz wird in der freiwilligen Gerichtsbarkeit neuerdings mitunter verkannt 30 ). Ausnahmen bedürfen besonderer gesetzlicher Ermächtigung, wie in § 372a ZPO.
i n . Für das Verfahren bei der Augenscheinseinnahme
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gilt § 372 ZPO. Danach kann das Gericht die Zuziehung eines oder mehrerer Sachverständiger anordnen, nämlich zur Unterstützung des Gerichts, wenn die Wahrnehmung des Wesentlichen Sachkunde erfordert, oder damit der Sachverständige sich Unterlagen für ein Gutachten beschaffen kann. Die Augenscheinseinnahme kann nach § 372 Abs. 2 Z P O nach dem Ermessen des Gerichts einem beauftragten oder ersuchten Gericht übertragen werden, z. B. wenn die Besichtigung nicht an Gerichtsstelle stattfinden kann. Selbstverständlich haben die Beteiligten das Recht, der Augenscheinseinnahme beizuwohnen (oben Rdn. 8).
IV. Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung 1. Voraussetzungen. Ist es zur Feststellung der Abstammung nach §§ 1591, 1717 BGB oder in anderen Fällen erforderlich, so hat nach § 15 FGG, § 372a Z P O jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben zum Zwecke der Blutgruppenuntersuchung zu dulden, soweit die Untersuchung nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht und dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung, nach den Folgen ihres Ergebnisses für ihn oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen und ohne Nachteil für seine Gesundheit zugemutet werden kann. Die Feststellung der Abstammung kann in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erforderlich werden im Verfahren vor dem VormG nach § 1599 Abs. 2 BGB mit § 56b FGG (vgl. dazu § 56b Rdn. 30), nach § 1723 mit §§ 43a, 56a FGG (dazu § 56a Rdn. 11), nach § 1719 BGB mit § 31 PStG (dazu Anh. zu § 56a Rdn. 11), aber auch als Vorfrage in jedem anderen Verfahren, z. B. über die Anfechtung eines Testaments, in welchem der Erblasser eine vermeintlich von ihm erzeugte Person bedacht hat. Die Vorschrift begründet eine Pflicht zur Duldung der Augenscheinseinnahme; ihre Verfassungsmäßigkeit wird bejaht 31 ).
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2. Art der Untersuchungen. Das Gericht kann nach seinem Ermessen Untersuchungen jeder Art anordnen, soweit sie nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts versprechen; die Entnahme von Blutproben wird nur als Beispiel genannt. Es kommen in Betracht Untersuchungen über die Zeugungsfähigkeit, blutgruppenserologische Gutachten 32 ) und erbkundliche Ähnlichkeitsgutachten 33 ). Der Beweiswert des Lönsverfahrens ist zweifelhaft und umstritten 34 ). 3. Der Duldungspflicbt unterliegen Beteiligte und Zeugen, aber auch am Verfahren Unbeteiligte 35 ). Das Weigerungsrecht ist in § 372a Abs. 1 Z P O selbständig geregelt. § 384 Z P O ist nicht anwendbar; die Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 386 bis 390 ZPO) sind in § 372a Abs. 2 Z P O nur insoweit für anwendbar erklärt, als sie das Verfahren
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) BayObLGZ 1966, 367; dagegen mit Recht Bloedhorn N J W 1967, 1284. 31 ) BVerfGE 5, 13. 32 ) Über den Beweiswert von Blutgruppengutaditen, insbesondere der verschiedenen Blutgruppenmerkmale vgl. B G H Z 2, 6; 12, 22; 21, 337 mit Anm. Webler in N J W 1957, 383; Dahr, Der heutige Stand der blutgruppenserologisdien Vaterschaftsuntersuchungen, Ärztl. Mitt. 1960, 2324; Köln N J W 1966, 405 (Haptoglobin-Typen); Schleswig SchlHA 1966, 11 (GcGruppensystem); LG Wuppertal N J W 1966, 406 (Merkmal Fya nach dem Duffy-System); Köln N J W 1966, 405 (Merkmale H p , Gc, Gm und Fya); vgl. näher die Darstellungen bei Staudinger-Lauterbach B G B " § 1591 Rdn. 34 ff.; Palandt-Lauterbadi B G B " § 1591 Anm. 4; Baumbach-Lauterbadi Z P O 2 8 § 372a Anm. 3 A ; Stuttgart N J W 1968, 2295.
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) Zu deren Beweiswert B G H J Z 1951, 643; BGHZ 7, 116; BGH N J W 1954, 83 und grundlegend B G H LM § 286 (B) Z P O N r . 14 = DRiZ 257 = MDR 583 = JZ 461 = FamRZ 306, je 1961; Harrasser, N J W 1962, 659; Keiter N J W 1967, 1500; Hamm N J W 1962, 679 (Einmann-Gutaditen); Köln N J W 1966, 405 (Beweiswert gegenüber Aussdiließung durch Blutgruppengutaditen). 34 ) Celle N J W 1954, 1331; Köln MDR 1957, 37; B G H Z 12, 41; vgl. Staudinger-Lauterbach BGB 11 § 1591 Anm. 41. 35 ) Über die Ausübung des Verweigerungsrechts Minderjähriger vgl. Bosch. Grundsatzfragen des Beweisrechts, 1963, § 4; auch BGHSt. 12, 235, 240 = FamRZ 1959, 160.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit im Falle einer Weigerung und zur Erzwingung der Duldung regeln. Wann die Untersuchung nach ihrer Art, d. h. der Schwere und Lästigkeit des Eingriffs, den Folgen ihres Ergebnisses, z. B. der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung, oder den zu erwartenden gesundheitlichen Nachteilen zugemutet werden kann, ist unter Abwägung der Belange der Beteiligten nach Lage des Falles zu entscheiden. Die Rechtsprechung wendet einen strengen Maßstab an 36 ). Die Befürchtung vermögensrechtlicher Nachteile genügt nicht 37 ). Auf mangelnde Notwendigkeit oder Zulässigkeit der Beweiserhebung (Ausforschungsbeweis) kann die Weigerung nicht gestützt werden 38 ). Bei der Beurteilung der Eignung und Erheblichkeit des Beweismittels ist von der Rechtsansicht des Gerichts der Hauptsache auszugehen 39 ). 4. Erzwingung der Untersuchung. Zur Erzwingung der Duldungspflicht sind nach § 372a Abs. 2 Z P O die §§ 386 bis 390 Z P O über Zeugnisverweigerung und Zeugniszwang anwendbar. Danach sind die in § 390 Abs. 1 Z P O vorgesehenen Rechtsfolgen (Verurteilung in die durch die Weigerung verursachten Kosten, Ordnungsstrafe in Geld und für den Fall der Niditbeitreibbarkeit Haftstrafe bis zu sechs Wochen), bei wiederholter unberechtigter Weigerung Erzwingungshaft (§ 390 Abs. 2) oder nach § 372a Abs. 2 Satz 2 unmittelbarer Zwang (Vorführung) von Amts wegen durch Beschluß anzuordnen, wenn die Untersuchung ohne Angabe eines Grundes oder nachdem der vorgeschützte Grund rechtskräftig für unerheblich erklärt worden ist, verweigert wird. Gegen diese Beschlüsse steht dem Betroffenen nach § 390 Abs. 3 Z P O die unbefristete Beschwerde nach § 19 FGG zu, gegen ihre Unterlassung oder Ablehnung dem Beteiligten, der durch die Weigerung beeinträchtigt sein kann (vgl. nächst. Rdn. 51, 52). Ein Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit der Weigerung (§ 387 ZPO) findet nur statt, wenn der Zeuge seine Weigerungsgründe in der Form des § 386 Z P O bei dem Gericht vorgebracht hat 40 ); über das Verfahren dabei vgl. nächst. Rdn. 47, 48. Das Nichterscheinen vor dem Sachverständigen löst als solches keine Ordnungsstrafe aus, da §§ 380, 381 Z P O nach § 372a Abs. 2 Z P O nicht anwendbar sind 41 ), sondern nur, wenn darin eine Weigerung liegt, was nach Lage des Falles zu beurteilen ist; in diesem Fall sind Zwangsmaßnahmen nach § 390 Z P O zulässig 42 ).
V. Tonbandaufnahmen sind, auch soweit sie zu Gehör gebracht werden, Gegenstand des Augenscheinsbeweises43). Sie sind als Beweismittel zugelassen, sofern sie nicht ohne Zustimmung des Sprechers und unter Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgenommen sind 44 ).
D. Zeugenbeweis I. Zeugnisfähigkeit Zeugen sind Personen, die über ihre Wahrnehmungen von Tatsachen und Zuständen aussagen sollen45). Nach dem Grundsatz, daß niemand Zeuge in eigener Sache sein kann 46 ), ist zunächst von der Vernehmung als Zeuge ausgeschlossen, wer als Beteiligter im formellen 3
«) Hamburg N J W 1953, 1873; Nürnberg N J W 1953, 1874; N J W 1955, 1883; dazu Sautter AcP 161, 215 f f . ; Weber N J W 1963, 574. " ) Karlsruhe FamRZ 1962, 395; vgl. ferner die Nachweise aus Rechtsprechung und Schrifttum bei Staudinger-Weber B G B " § 242 Anm. B 332; Staudinger-Lauterbach BGB 11 § 1591 Anm. 58, 59. 88 ) Celle N J W 1955, 1037 = NdsRpfl. 1955, 152 = FamRZ 1955, 367; Düsseldorf N J W 1958, 265; Stuttgart DA Vorm. X X X . 15; Stein-Jonas Z P O 1 8 § 372a Anm. II a; Rosenberg ZPR 9 § 117 II 3; Blomeyer ZPR § 76 4 b; Haußer N J W 1959, 1811 zu 4; a.M. Schleswig SchlHA 1955, 360; Bosch DRiZ 1951, 107; Esser MDR 1952, 537; Niclas ZBIJugR 1960, 9 zu I I ; vgl. auch StaudingerWeber B G B " § 242 Anm. B 332. 3 ») Stuttgart FamRZ 1961, 490; Weber N J W 1963, 574.
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°) Karlsruhe FamRZ 1962, 395; Düsseldorf JMB1NRW 1964, 30. ) Düsseldorf aaO.; a.M. Keidel Anm. 18a. 4 -) Karlsruhe und Düsseldorf aaO. 43 ) Pleyer ZZP 69, 322; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 E 4 vor § 371. 44 B G H Z 27, 284; Celle N J W 1965, 1677 (StPO); Baumbadi-Lauterbach aaO.; Stein-Jonas-Sdiumann-Leipold ZPO 1 9 § 284 Anm. B I I I 1 a; Keidel § 12 Anm 95; Habscheid JR 1958, 361, 366; Lent-Habscheid 4 § 21 II 1 ; Schmidt, Z Z P 76, 81; Peters, Beweisverbote im deutschen Strafverfahren, in Vhdlg. d. 46. Dt. Juristentages, 1966, Bd. I Teil 3 A S. 149 ff. 45 ) Rosenberg ZPR» § 119 I ; Blomeyer ZPR § 78 I 1. 46 ) K G J 29 A 78; Lent. ZZP 69, 85, 87; Schiedermair AcP 154, 444, 447. 41
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Sinne (§ 6 Rdn. 5) an dem Verfahren teilnimmt, im Antragsverfahren mithin Antragsteller und Antragsgegner 47 ), im Amtsverfahren derjenige, gegen den das Verfahren sich richtet. Sowohl im Antrags- als auch im Amtsverfahren sind zeugnisunfähig aber auch die materiell Beteiligten, um deren Angelegenheit es geht, d. h. deren Rechte unmittelbar von der Entscheidung betroffen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie sich am Verfahren beteiligen 48 ). Zeugnisunfähig ist mithin jeder, der nach § 20 Abs. 1 (allein oder gemeinsam mit anderen) beschwerdebereditigt wäre, nicht dagegen schon jeder, dem ein Beschwerderecht unter den erweiterten Voraussetzungen des § 57 zustände, solange er sich am Verfahren nicht beteiligt. Die Tatsachenkenntnis Zeugnisunfähiger kann durch ihre Vernehmung als Beteiligte verwertet werden, wenn auch ihre Beeidigung ausgeschlossen ist (nächst. Rdn. 78). Ausgeschlossen von der Zeugenvernehmung ist audi der gesetzliche Vertreter eines Beteiligten 49 ), der in dem Verfahren die gesetzliche Vertretung auszuüben hat oder ausübt, sofern nicht der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte oder geschäftsunfähige Beteiligte ausnahmsweise befähigt ist, seine Rechte in dem Verfahren unabhängig von dem gesetzlichen Vertreter wahrzunehmen (vgl. § 13 Rdn. 20 bis 23, § 59 Rdn. 8) und von diesem Recht Gebrauch macht 50 ), ferner Parteien kraft Amtes. Demnach kann nicht Zeuge sein der Kommanditist in Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft 51 ), das Vereinsmitglied in Angelegenheiten des nicht rechtsfähigen Vereins, der Gemeinschuldner, dessen Rechte in dem Verfahren von dem Konkursverwalter wahrgenommen werden 52 ). Im Verfahren zur Entlassung des Testamentsvollstreckers sind formell beteiligt der antragstellende Miterbe und der TV, materiell beteiligt und deshalb zeugnisunfähig sind aber auch alle übrigen Miterben, weil ihre Rechte sowohl durch die Entlassung wie ihre Ablehnung betroffen werden 53 ). Der Erbe kann nicht Zeuge sein, wenn an seiner Stelle sein Gläubiger die Erteilung des Erbscheins nachsucht (§ 792 ZPO), ebensowenig der Nacherbe, Ersatzerbe und Ersatznacherbe 54 ). Die Mitglieder einer juristischen Person sind in deren Angelegenheiten zeugnisfähig, so der Aktionär, der Gesellschafter der GmbH, das Mitglied des rechtsfähigen Vereins 55 ), die Genossen in Angelegenheiten der eingetragenen Genossenschaft 56 ). Kinder und Mündel sind an Verfahren, in denen die elterliche Gewalt geregelt wird (§§ 1671, 1672 BGB) oder die sich gegen den Gewalthaber richten (§§ 1666, 1667, 1837, 1886 BGB), materiell beteiligt, da ihnen ein Beschwerderecht aus § 20 zusteht (vgl. § 6 Rdn. 5). Sie sind deshalb zeugnisunfähig jedenfalls, wenn sie älter als 14 Jahre sind und demnach ihr Beschwerderecht selbständig ausüben können (§ 59 Abs. 2); sind sie jünger, so sollte das VormG von der förmlichen Vernehmung als Zeuge ohnehin absehen und sich mit der persönlichen Anhörung nach § 1695 Abs. 2 BGB begnügen 57 ). Der Verfahrensbevollmächtigte ist als Zeuge nicht ausgeschlossen57"). Wer ohne materielle Beteiligung die Einleitung eines Amtsverfahrens anregt, wird dadurch nicht formell Beteiligter und ist daher zeugnisfähig. Dagegen wird formell Beteiligter, 47
) B G H N J W 1958, 1881. ) K G J 22 A 208; 32 A 43; München OLGR 28, 325; BayObLGZ 1953, 5; 1960, 216; 1960, 267, 272; Hamm Rpfleger 1956, 243 mit Anm. V. Keidel; JMB1NRW 1963, 120; OLGZ 1967, 390; Keidel Anm. 31; Lent-Habscheid 4 § 14 IV 4; Bärmann § 16 I I I 6 c; abw. hiervon hält Baur § 12 IV 5 materiell Beteiligte für zeugnisfähig, solange sie nidil formell am Verfahren teilnehmen; dagegen auch Scliiedermair AcP 154, 447; Lent ZZP 69, 85. 49 ) R G Z 45, 427; B G H Z 40, 367, 373 = FamRZ 1964, 150; Baur § 12 zu Fn. 30; Keidel Anm. 31. 50 ) Schlegelberger Anm. 8, Keidel Anm. 31. 51 ) R G Z 32, 398; 49, 425; R G JW 1908, 748; Schlegelberger Anm. 8; die im Zivilprozeß vertretene gegenteilige Auffassung (BGH J Z 1965, 725), der Keidel Anm. 31 zustimmt, beruht auf der formalen Abgrenzung der 48
Zeugnisfähigkeit im Zivilprozeß, wonach Zeuge jeder sein kann, soweit er nicht als Partei zu vernehmen ist; diese Abgrenzung ist aber wegen des materiellen Beteiligtenbegriffs der freiwilligen Gerichtsbarkeit hier nicht verwendbar. 52 ) A. M. Schlegelberger Anm. 8; die Gründe dafür sind dieselben wie in Fn. 51. 5i) ) BayObLG BayZ 1925, 313; a.M. Schlegelberger Anm. 8. 51 ) Hamm O L G Z 1967, 390. 55 ) Schlegelberger Anm. 8; Keidel Anm. 33. 5li ) Vgl. § 6 Rdn. 9; a.M. (durch Änderung des GenG überholt) Schlegelberger Anm. 8. 57 ) Str.; für Zeugnisfähigkeit, da nicht beteiligt, sondern nur Schutzobjekt, Josef ZB1FG 18, 188, 195; Schlegelberger Anm. 8; Keidel Anm. 31. 57 °) Dazu H w . Müller, DVB1. 1959, 502.
§
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"15
Freiwillige Gerichtsbarkeit
wer ein Antragsverfahren durch seinen Antrag einleitet, obwohl er nicht antragsberechtigt ist. Wer nicht Zeuge sein kann, ist auch als Sachverständiger ausgeschlossen.
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Ein Verfahrensfehler, der die Rechtsbesdiwerde begründen kann, wenn die Entscheidung darauf beruht, liegt vor, wenn ein Zeugnisunfähiger als Zeuge vernommen und seine Aussage als solche gewürdigt wird; der Mangel entfällt aber, wenn das Gericht rechtzeitig vor der Entscheidung den Fehler erkannt und die Bekundung nur noch als solche eines Beteiligten gewürdigt hat 58 ).
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II. Zeugnispflicht Sie ist eine öffentlichrechtliche Pflicht, der ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit jeder der deutschen Gerichtsbarkeit Unterworfene unterliegt; ausgenommen sind nur die Exterritorialen 59 ). Die Zeugnispflicht umfaßt die Pflicht zum Erscheinen vor Gericht, zur Aussage und zur Beeidigung der Aussage. 1. Pflicht zum
Erscheinen
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" ) Grundsati. Der Zeuge hat zu dem in der Ladung bestimmten Termin vor Gericht zu erscheinen. Hiervon bestehen eine Reihe von Ausnahmen.
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oi) Ausnahmen bestehen für den Bundespräsidenten, der in seiner Wohnung zu vernehmen ist (§§ 219 Abs. 2, 375 Abs. 2 ZPO), sowie für die Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung und die Abgeordneten der Parlamente, die nur vor dem Gericht des in § 382 ZPO bezeichneten Ortes zu erscheinen brauchen. Diese Beschränkungen sind von Amts wegen zu beachten, auch wenn der Zeuge einverstanden ist. Die zu einer Abweichung hiervon nach § 382 Abs. 3 ZPO erforderliche Genehmigung ist von dem mit der Sache befaßten Gericht über den Justizminister einzuholen.
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ß) Eine Befreiung vom Erscheinen kann das Gericht bei der Ladung unter der Bedingung anordnen, daß der Zeuge vorher eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage unter eidesstattlicher Versicherung ihrer Richtigkeit einreicht, sofern die Auskunft an Hand von Aufzeichnungen gegeben werden kann oder nach dem Ermessen des Gerichts auch in anderen Fällen (§ 377 Abs. 3, 4 ZPO). Das in § 377 Abs. 4 ZPO vorgesehene Einverständnis der Beteiligten ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht erforderlich (§ 12 Rdn. 43). Im Hinblick auf § 15 Abs. 1 Satz 2 FGG wird das Gericht auch für befugt zu erachten sein, auf die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit zu verzichten (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 ArbGG). Erteilt der Zeuge die Auskunft nicht, so bleibt die durch die Ladung begründete Pflicht zum Erscheinen bestehen; die Folgen des Ausbleibens im Termin bestimmen sich nach § 380 ZPO.
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V) Der Zeuge braucht nicht zu erscheinen, wenn er vor dem Termin schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle des mit der Beweiserhebung befaßten Gerichts oder jedes Amtsgericht (§ 11) erklärt, daß er ein ihm zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht ausüben werde (§ 386 Abs. 3 ZPO). Die Tatsachen, auf die der Zeuge die Weigerung gründet, hat er anzugeben und glaubhaft zu machen (§ 386 Abs. 1 ZPO, Ausnahme von § 12 FGG). Glaubhaftmachung ist unnötig, wenn der Weigerungsgrund, wie bei § 384 Nr. 4 ZPO, sich schon aus der Beweisfrage ergibt 60 ). Ist die Weigerung offenbar grundlos und mußte der Zeuge dies erkennen, so ist der Zeuge bei Ausbleiben im Termin nach § 380 ZPO zu bestrafen 61 ). Von der Erklärung des Zeugen hat die Geschäftsstelle die Beteiligten zu benachrichtigen (§ 386 Abs. 4 ZPO), wenn die Vernehmung von einem Beteiligten angeregt war (vgl. nächst. Rdn. 47).
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b) Ladung. Die Ladung wird von der Geschäftsstelle von Amts wegen bewirkt (§ 377 Abs. 1 ZPO); die Bezugnahme auf den Beweisbeschluß entfällt, wenn ein solcher nicht 5a 59
) Hamm O L G Z 1967, 390. ) Rosenberg ZPR» § 119 I I I ; Blomeyer Z P R § 78 I 2 ; vgl. zur Exterritorialität § 3 Rdn. 6, 16.
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») R G H R R 1933 Nr. 539. ) Bamberg B a y J M B l . 1952, 237; Baumbadi-Lauterbach Z P O 2 8 § 386 Anm. 2.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften erlassen ist (oben Rdn. 4); statt dessen ist auf die richterliche Anordnung Bezug zu nehmen. Förmliche Zustellung erfolgt nur auf Anordnung des Gerichts, etwa wenn zu besorgen ist, der Zeuge werde sich der Vernehmung entziehen. Für den notwendigen Inhalt der Ladung gilt § 377 Abs. 2 Z P O mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Bezeichnung der Parteien in editen Streitsachen die der Beteiligten tritt, sonst die Bezeichnung der Angelegenheit (z. B. „in der Vormundschaftssache über N. N."). Dagegen ist die Angabe des Gegenstandes der Vernehmung (§ 377 Abs. 1 Nr. 2) auch hier erforderlich, wofür eine knappe Kennzeichnung genügt, sofern der Zeuge nicht schon aus der Bezeichnung der Angelegenheit den Gegenstand der Vernehmung erkennen kann 62 ). Wegen der Folgen der Nichtbeachtung vgl. nadist. Rd. 31. Soldaten werden wie andere Personen geladen, Erlaß d. BMin. f. Verteidigung vom 7. 6. 1957 (BAnz. 113) Nr. 1463). Für die Ladung von Mitgliedern der ausländischen Streitkräfte und des zivilen Gefolges gilt Art. 37 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (BGBl. 1961 II, 1218). Gegen die Ladung steht dem Zeugen eine Beschwerde nicht zu' 4 ), auch nicht mit der Begründung, daß das Gericht seine Ermittlungen zu weit ausdehne 65 ). 2. Folgen des Ausbleibens a) Zwangsmittel zur Erzwingung des Erscheinens. Erscheint der zum Erscheinen verpflichtete Zeuge trotz ordnungsmäßiger Ladung und ohne genügende Entschuldigung (§ 381 Abs. 1 Satz 1) nicht, so ist er von Amts wegen durch Beschluß in die durch das Ausbleiben verursachten Kosten sowie zu einer Ordnungsstrafe in Geld von 1 bis 1000 DM (VO vom 6. 2. 1924, RGBl. I, 44, Art. II Abs. 2 mit § 2 WährG) und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit zu einer Ersatzhaftstrafe bis zu sechs Wochen zu verurteilen. Die Verhängung dieser Maßnahmen steht nicht im Ermessen des Gerichts. Nachweis des Zugehens der Ladung ist nicht erforderlich. Entspricht die Ladung nicht der Vorschrift des § 377 ZPO, so darf der Zeuge nicht bestraft werden 66 ). Die Bestrafung unterbleibt, wenn der Zeuge glaubhaft macht, daß ihm die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist, oder wenn sein Ausbleiben genügend entschuldigt ist (§ 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Zeuge muß die Tatsachen vorbringen, die dem Gericht die Prüfung ermöglichen, ob das Fernbleiben gerechtfertigt ist 67 ). Das Ausbleiben ist genügend entschuldigt, wenn Umstände vorliegen, die das Fernbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen, so Krankheit, Verkehrsstörung, schwere Erkrankung oder Tod naher Angehöriger; auch Abbestellung durch den Anwalt 68 ), Nichtbescheidung eines Verlegungsgesuchs durch das Gericht 69 ), aber nicht Vergessen oder Irrtum über den Terminstag 70 ). Erkennt das Gericht die Entschuldigung an, so bedarf es eines Beschlusses nur, wenn ein Beteiligter wegen der Kosten Bestrafung beantragt. Die Kostenauferlegung ist ein Titel für die Kostenfestsetzung (§§ 103, 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Bringt der Zeuge nachträglich genügende Entschuldigungsgründe vor, so werden die Maßnahmen aufgehoben (§ 381 Abs. 1 Satz 2); die Kostenverurteilung bleibt jedoch bestehen, wenn Entschuldigung vor dem Termin möglich war 71 ). Gegen den wiederholt ausbleibenden Zeugen dürfen die Maßnahmen des § 380 Abs. 1 Z P O für jeden Fall des Ausbleibens verhängt werden, also nicht nur zweimal 72 ), auch kann Vorführung angeordnet werden, die von dem Gerichtswachtmeister oder Gerichtsvollzieher zu vollziehen ist. b) Rechtsmittel. Gegen die Beschlüsse, durch die Maßnahmen gegen den Zeugen nach § 380 Abs. 1, 2 angeordnet oder abgelehnt oder solche Beschlüsse nach § 381 Abs. 1 Satz 2 Z P O aufgehoben werden oder ihre Aufhebung abgelehnt wird, findet nach § 380 Abs. 3 Z P O die unbefristete Beschwerde statt. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nicht nach «2) Düsseldorf JMB1NRW 1956, 91; Hamm OLGZ 1968, 344. 6 3) Dazu Arnold N J W 1957, 1220. 64 ) K G J 22 A 205; Unger Z Z P 42, 390; Keidel Anm. 16. 65 ) K G aaO.; Sdilegelberger Anm. 14; a.M. Voraufl. § 384 Z P O Anm. 1. 66 ) K G J 52 A 13; Düsseldorf JMB1NRW 1956, 91; Keidel Anm. 18.
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) ) ) 7 °) 71 )
Frankfurt N J W 1957, 1725. KG OLGR 20, 322. KG SeuffA 56, 33. München N J W 1957, 306. Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 381 Anm. 1 B; Zöller Z P O 9 § 381 Anm. a.E.; Stuttgart J R 1963, 187. 72 ) KG N J W 1960, 1726 = J Z 1960, 446 = MDR 1960, 768. 68
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Freiwillige Gerichtsbarkeit §§ 567 ff. ZPO, sondern, da § 15 F G G nur die entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO anordnet, nach §§ 19 ff. FGG 7 3 ). Die Beschwerde gegen die Straffestsetzung hat nach § 24 Abs. 1 F G G aufschiebende Wirkung (§ 24 Rdn. 3). Wird eine Entscheidung nach §§ 372a Abs. 2, 380, 387, 390, 406, 409 ZPO in einem Verfahren des zweiten Rechtszuges von dem Landgeridit erlassen, so findet dagegen die erste Beschwerde an das O L G statt oder an Stelle des örtlichen O L G an das O L G oder ObLG, dem nach § 199 Abs. 1 F G G die Entscheidung über weitere Beschwerden zugewiesen ist 74 ). Die Entscheidung des O L G (ObLG) ist unanfechtbar. Das Beschwerderecht steht gegen die Straffestsetzung und die Ablehnung ihrer Aufhebung (§ 381 Abs. 1 Satz 2) dem betroffenen Zeugen zu, gegen die Ablehnung und die Aufhebung in Ansehung des Kostenausspruchs den Beteiligten 75 ). 33
c) Verfügungen des Rechtspflegers. Der Rechtspfleger ist in übertragenen Sachen befugt, Zeugen und Sachverständige laden zu lassen und zu vernehmen (§ 4 Abs. 1 RechtspflG). Haftstrafen darf er jedoch weder androhen noch verhängen (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 RechtspflG). Zeugniszwang kann er mithin in eigener Zuständigkeit nur insoweit ausüben, als es sich um die Festsetzung von Ordnungsstrafen in Geld handelt. Hält er schon bei der Ladung die Androhung oder nach erfolgter Androhung die Festsetzung einer Ersatzhaftstrafe für erforderlich, so muß er die Entscheidung des Richters herbeiführen 76 ). Auch eine Vorführung kann nur der Riditer anordnen. Gegen die Verfügung des Rechtspflegers über die Verhängung von Ordnungsstrafen ist die Erinnerung oder bedingte Beschwerde gegeben (§ 10 Abs. 1, 4 RechtspflG).
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Aussagepflicht. Die Aussagepflicht kann durch Beweisverbote (Beweisthema- und Beweismittelverbote) ausgeschlossen oder beschränkt sein. a) Schutz von Staats- und Verwaltungsgeheimnissen. In § 376 ZPO wird für die Vernehmung und das Erfordernis der Genehmigung zur Aussage von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, auf die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften, für Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung auf die für sie maßgebenden besonderen Vorschriften verwiesen. Die Vorschrift ist eine ausfüllungsbedürftige Blankettnorm; der Kreis der Personen, für die eine Aussagegenehmigung benötigt wird, bestimmt sich nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder für den öffentlichen Dienst. Diese Regelung ist enthalten für Beamte und Richter im Bundesdienst in §§ 61, 62 BBeamtG i. d. F. vom 22. 10. 1965 (BGBl. I, 1776), § 46 D R i G ; die Landesbeamten- und Landesrichtergesetze (angeführt bei § 38 Rdn. 16) enthalten auf Grund der §§ 1, 39 BeamtRRG i. d. F. vom 22. 10. 1965 (BGBl. I Seite 1754) im wesentlichen gleichlautende Regelungen. Die Beamtengesetze dehnen den Personenkreis auch aus auf mittelbare Beamte und die Bediensteten sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Kreise und Gemeinden sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (vgl. § 1 Abs. 2 BBeamtG, Art. 1 BayBeamtG i. d. F. vom 20. 12. 1966, BayGVBl. 1967, 153). Für Vorstände der Rechtsanwaltskammern vgl. § 76 B R A O . Ob Ehrenbeamte der Amtsverschwiegenheit unterliegen, bestimmt das Beamtenrecht; grundsätzlich ist die Frage zu bejahen (vgl. z. B. Art. 200 BayBeamtG) 7 7 ). Für Mitglieder der Bundesregierung gelten §§ 6, 7 BMinG vom 17. 6. 1953 (BGBl. I, 407), für Mitglieder der Landesregierungen entsprechende Vorschriften des Landesrechts, z. B. Saarl. MinG (G Nr. 784) vom 17. 7. 1963 (ABl. Saar S. 435), Hamb. SenatsG vom 29. 3. 1963 (GVBl. S. 55). Für Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes ergibt sich die Verschwiegenheitspflicht aus dem Tarifrecht 78 ). Abgeordnete haben ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1
35
) K G J 50, 6 ; KG J F G 20, 86; K G OLGZ 1966, 5 8 7 ; 1967, 84 = N J W 1967, 1237; Jansen N J W 1963, 1162; Keidel Anm. 18; Sdilegelberger Anm. 17; vgl. Vorbem. vor § 19 Rdn. 22 ff. 7 4 ) K G J 34 A 3 = R J A 9, 1; K G N J W 1965, 1086 = FamRZ 1965, 344; BayObLGZ 1957, 134; vgl. § 199 Rdn. 4, § 19 Rdn. 48. 7S
340
) Baumbach-Lauterbadi Z P O 2 8 § 380 Anm. 1 D a, § 381 Anm. 1 B. 7 8 ) Arndt, RechtspflG § 4 Anm. 6, 15, § 5 Anm. 16; Keidel Anm. 19. " ) Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 376 Anm. II 1 ; Feller, J Z 1961, 628 zu 1 f.; a.M. BaumbachLauterbach Z P O 2 8 § 376 Anm. C 1. 7 8 ) Vgl. dazu Feller, J Z 1961, 628; BaumbachLauterbadi aaO. 75
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
15
Nir. 5 Z P O mit Art. 47 GG und entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen, z. B. Art. 29 BayVerf. Für den Notar gilt § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, sofern er nicht von den Beteiligten, notfalls dem LGPräs., von der Verschwiegenheitspflicht befreit ist ( § 1 8 BNotO). Für Bedienstete der Kirchen kann sich eine Verschwiegenheitspflicht nicht aus dem staatlichen Beamtenrecht, sondern nur aus dem kirchlichen Dienstrecht ergeben' 9 ). Aussagegenehmigungen für Angehörige der ausländischen Streitkräfte sind nach Art. 38 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (BGBl. 1961 II, 1218) einzuholen. Für ausländische Personen des öffentlichen Dienstes gilt § 376 Z P O nicht. Über richterliche Verschwiegenheitspflicht über Beratungs- und Abstimmungsvorgänge vgl. § 8 Rdn. 59. Zu Vorgängen, die zu ihrer Amtstätigkeit in keiner Beziehung stehen, können auch Personen des öffentlichen Dienstes unbeschränkt vernommen werden. Sachverständige, die im öffentlichen Dienst stehen, bedürfen ebenfalls der Genehmigung des Dienstvorgesetzten, falls das Gutachten die Amtsverschwiegenheit berührt (§ 408 Abs. 2 ZPO, § 62 Abs. 2 BBeamtG). Die Genehmigung des (bei ausgeschiedenen Beamten: letzten) Dienstvorgesetzten ist vom Gericht (nicht dem ersuchten Richter) von Amts wegen einzuholen und dem Zeugen mit der Ladung bekanntzumachen (§ 376 Abs. 3 ZPO); sonst braucht der Zeuge, wenn er das Zeugnis schriftlich verweigert, nicht zu erscheinen (§ 386 Abs. 3 ZPO). Auch darüber, ob „eine Tatsache ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedarf" (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBeamtG) entscheidet ausschließlich die Verwaltungsbehörde 80 ). Die Genehmigung darf nur unter bestimmten Voraussetzungen von der obersten Aufsichtsbehörde versagt werden (§ 62 BBeamtG). Die Entscheidung ist für das Gericht und den Beamten bindend. Der beeinträchtigte Beteiligte kann die Versagung der Genehmigung durch Klage im Verwaltungsstreitverfahren anfechten 81 ).
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Eine Vernehmung ohne die erforderliche Genehmigung verstößt gegen das Beweisverbot des § 376 Z P O und darf nicht verwertet werden 82 ). Der Mangel kann aber durch nachträgliche Erteilung der Genehmigung geheilt werden, auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren 83 ).
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b) Aussageverweigerungsrechte a) Nahe Angehörige. Wegen naher Beziehungen zu den Beteiligten und der dadurch möglichen Konfliktslage sind nach § 383 Nr. 1 bis 3 Z P O zur Aussageverweigerung berechtigt der Verlobte, der Ehegatte, Verwandte, Verschwägerte und Adoptierte in gerader Linie sowie in der Seitenlinie Verwandte bis zum dritten und Verschwägerte bis zum zweiten Grade; die Ehe, welche das Ehegattenverhältnis oder die Schwägerschaft begründet, braucht nicht mehr zu bestehen. Das Verlöbnis muß nicht unbedingt wirksam, aber ernstlich und nicht sittenwidrig eingegangen sein. Das Verhältnis zu einem Streitgenossen oder zu einem materiell Beteiligten, auch wenn er an dem Verfahren nicht teilnimmt, z. B. dem Mündel 83 "), genügt, sofern nicht die Aussage nur die übrigen betrifft. Angehörige einer Partei kraft Amtes ( § 1 4 Rdn. 9) scheiden aus, weil für sie die Konfliktslage nicht besteht. Die Aussageverweigerung ist bis zum Abschluß der Vernehmung zulässig und kann auf einen Teil der Aussage oder die Eidesleistung beschränkt werden. Die Vernehmung ist nur zulässig, wenn der Zeuge über sein Weigerungsrecht belehrt worden ist, auf sein Recht verzichtet und diesen Verzicht nicht widerrufen hat (§ 383 Abs. 2 ZPO). Eine Vernehmung ohne Belehrung ist ungesetzlich und führt dazu, daß das Beweismittel nicht verwertet werden darf; der Verfahrensfehler kann die Rechtsbeschwerde begründen 84 ), sofern er nicht durch Rügever-
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Vgl. Feller JZ 1961, 628 zu 1 e. °) Feller JZ 1961, 628 zu 2 b; Stein-Jonas ZPO 1 8 § 376 Anm. I 3. 81 ) OVG Münster MDR 1955, 61; DÖV 1959, 874; NJW 1960, 2116 mit Anm. v. Finkeinbürg NJW 1961, 476; OVG Berlin DVB1. 1955, 568; VG Freiburg NJW 1956, 1941; Str., a.M. Peters in Vhdlg. d. 46. dt. Juristentages 1966, Bd. I Teil 3 A S. 107.
8
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) Peters aaO. (Fn. 81) S. 109; a.M. BGH MDR 1951, 275; NJW 1952, 151. ) Peters aaO.; vgl. § 27 Rdn. 40. 83») K G JFG 22, 37, 39; vgl. auch KG RJA 16, 20. 8 *) BayObLGZ 1956, 389; Zöller ZPO 1 0 § 383 Anm. III; Baumbach-Lauterbadi ZPO 2 8 § 383 Anm. 4. 83
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Freiwillige Gerichtsbarkeit lust (§ 27 Rdn. 41) geheilt ist. Ferner kann der Mangel in der Tatsacheninstanz dadurch geheilt werden, daß der Zeuge nachträglich erklärt, ihm sei das Aussageverweigerunsgrecht bekannt gewesen oder er hätte auch bei vorheriger Belehrung ausgesagt 85 ). Die Belehrung ist bei Einholung einer schriftlichen Aussage (§ 377 Abs. 3, 4, oben Rdn. 27) und bei formloser (mündlicher oder schriftlicher) Anhörung (§ 12 Rdn. 45) nicht entbehrlich, weil das Beweisverbot gewährleisten soll, daß der Zeuge nur aussagt, wenn er sich seiner Entscheidungsmöglichkeit bewußt ist, und hierfür die Form der Beweiserhebung ohne Bedeutung ist; gesetzlichen Verboten unterliegt das Gericht auch im Rahmen des § 1286). 4Q
Minderjährige Zeugen entscheiden selbständig über ihr Zeugnisverweigerungsrecht und sind im Zwischenstreit über das Weigerungsrecht (§§ 387, 390 ZPO) selbständig beteiligtenfähig, wenn sie die für eine selbstverantwortliche Entscheidung erforderliche Verstandesreife besitzen. Fehlt es hieran, so bedarf die Vernehmung der Zustimmung des zu belehrenden gesetzlichen Vertreters; erteilt dieser sie, so darf der Minderjährige gleichwohl erklären, daß er nicht aussage87). Bei Interessenwiderstreit des gesetzlichen Vertreters (§§ 1796, 1629 Abs. 2 BGB) ist ein Pfleger zu bestellen 88 ). Ausgeschlossen ist das Zeugnisverweigerungsrecht naher Angehöriger nach § 385 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 Z P O bei Aussagen über den Abschluß von Rechtsgeschäften, zu denen er als Zeuge hinzugezogen war (z. B. Testamentserrichtung, Nr. 1), über Geburten, Verheiratungen und Sterbefälle von Familienmitgliedern (Nr. 2), über durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten (Nr. 3) und über Handlungen als Rechtsvorgänger oder Vertreter eines Beteiligten (Nr. 4). Nr. 2 ist nicht auf den Fall der Zeugung von Familienmitgliedern auszudehnen 89 ).
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ß) Auskunftsverweigerungsrecht der Selbst- und Angehörigenbelastung. Nadi § 384 N r . 1, 2 Z P O kann der Zeuge die Auskunft über solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem nahen Angehörigen (Rdn. 39) unmittelbaren Vermögensschaden bringen (Nr. 1), zur Unehre gereichen oder die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung zuziehen würde (Nr. 2). Im Fall des § 384 N r . 1 ist das Weigerungsrecht jedoch unter den Voraussetzungen des § 385 Abs. 1 (Rdn. 41) ausgeschlossen. Eine Belehrung ist nicht vorgeschrieben, aber angebracht. Der Richter darf die Frage stellen, der Zeuge braucht sie aber nicht zu beantworten. Der Zeuge braucht den Weigerungsgrund nicht glaubhaft zu machen, weil er anderenfalls offenbaren müßte 90 ). Das Weigerungsrecht ist gegeben ohne Rücksicht darauf, wie die Aussage bei wahrheitsgemäßer Beantwortung zu lauten hätte, also auch wenn sie dem Zeugen unschädlich wäre; der Zeuge braucht sich auf derartige Fragen überhaupt nicht einzulassen 91 ). Welche Schlüsse bei der Beweiswürdigung aus der Zeugnisverweigerung als Beweisanzeichen zu ziehen sind, darf das Gericht unter Heranziehung der sonstigen Umstände des Falles frei würdigen 92 ). Dabei ist jedoch zu beachten, daß das Zeugnisverweigerungsrecht auch besteht, wenn die wahrheitsgemäße Beantwortung den Zeugen nicht der Gefahr der Nr. 2 aussetzen würde. Die Würdigung setzt daher voraus, daß das sonstige Beweisergebnis die mutmaßlichen Motive des Zeugen erkennen läßt. Aus der Zeugnisver85) RGSt. 25, 262; 29, 355. 8 «) A. M. Schleswig SchlHA 1956, 327; Keidel Anm. 21; Voraufl. § 383 Z P O Anm. 4. 87 ) BayObLGZ 1966, 343 = N J W 1967, 206 = FamRZ 1966, 644; Stuttgart FamRZ 1965, 515; Bosch, Grundsatzfragen des Beweisredits. 1963, S. 49 ff., der eine feste Altersgrenze von 14 Jahren befürwortet; Gernhuber FamR § 49 V I 5; Soergel-Germer BGB 9 § 1626 Anm. 17; a.M. Staudinger-Donau BGB 1 1 § 1626 Anm. 74 f f . (Vetorecht des ges. Vertreters bis zur Volljährigkeit); noch anders Peters in Vhdlg. d. 46. Dt. Juristentages, 1966, Bd. I Teil 3 A S. 115 ff., der bei Verstandesreife selbständige Entscheidungsbefugnis des Minderjährigen an-
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88) 89 ) 9 ») 91 92
)
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nimmt, anderenfalls die Vernehmung ausschließt. BayObLG aaO., Bosch aaO. S. 54. R G Z 169, 48. R G JW 1896, 130; R G H R R 1933 N r . 539; Zöller Z P O 1 0 § 384 Anm. I. B G H Z 26, 391 = LM § 384 Z P O Nr. 2 mit Anm. v. Johannsen; Blomeyer ZPR § 78 III 4. B G H Z 26, 391; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 384 Anm. 3 B; Wieczorek Z P O § 286 Anm. D II d 4; Thomas-Putzo Z P O 3 § 384 Anm. 1; a.M. Blomeyer ZPR § 78 III 5, der die Bewertung als Beweisanzeichen für unzulässig hält.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Weigerung eines nahen Angehörigen (§ 383 Nr. 1 bis 3) können keine Schlüsse gezogen werden"). Y) Offenbarung eines Kunst- oder Gewerbegeheimnisses (§ 384 Nr. 3 ZPO). Dem Zeugen wird die Inkaufnahme eigener beruflicher oder gewerblicher Nachteile durch seine Aussage nicht zugemutet. Das Geheimnis kann ein eigenes oder ein fremdes sein, zu dessen Wahrung der Zeuge kraft seines Berufs verpflichtet ist, z. B. der Angestellte des Unternehmens94), ein Verbandsgeschäftsführer hinsichtlich der Geschäftsgeheimnisse der Mitgliedsfirmen 94 *), eine Auskunftei 95 ). Gewerbegeheimnisse können Produktionsvorgänge, Preiskalkulationen, Bezugsquellen sein.
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8) Zeugnisverweigerungsrecht kraft besonderer beruflicher Vertrauensstellung. Nach § 383 Abs. 1 Nr. 4, 5 ZPO haben Personen in besonderer Vertrauensstellung ein Zeugnisverweigerungsrecht, soweit Verschwiegenheit von ihnen erwartet werden darf 99 ). Wer in Wahrnehmung schutzwürdiger Interessen den Rat oder die Dienste eines hierzu durch Amt, Stand oder Gewerbe Berufenen in Anspruch nimmt und sich ihm anvertraut, soll auf dessen Verschwiegenheit rechnen dürfen und die Gewißheit haben, daß der Dritte zur Preisgabe des ihm Anvertrauten auch nicht gezwungen werden kann. Hierher gehören außer Geistlichen (Nr. 4) 97 ) Ärzte und andere in der Gesundheitspflege Tätige 98 ), Rechtsanwälte99), Verteidiger, Patentanwälte, Notare ( § 1 8 BNotO) 9 9 "), Dolmetscher, Übersetzer, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sowie die Angehörigen sonstiger Berufe, deren Ausübung das Anvertrauen schutzwürdiger Interessen Dritter mit sich bringt, wie Bankiers 100 ), Aufsichtsratsmitglieder101), Abschlußprüfer (§ 168 AktG), Auskunfteien, Schriftleiter, Redakteure, Journalisten einschließlich ihres Büro- und Hilfspersonals. Anvertraut ist jede auf der Vertrauensstellung beruhende Wahrnehmung. Der Umfang der Schweigepflicht richtet sich in erster Linie nach dem Gesetz, sonst nach der Natur der Sache; oft wird es sich um eine durch Vertrag begründete Verschwiegenheitspflicht handeln (Bankier), sonst sind die Verkehrsanschauungen und die berechtigten Erwartungen des Anvertrauenden maßgebend.
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Bei Entbindung von der Schweigepflicht entfällt das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 Abs. 1 Nr. 5 (§ 385 Abs. 2 ZPO). Die Aussageermächtigung kann dem Zeugen, dem Gericht oder den Beteiligten gegenüber erklärt werden. Sie ist eine Einwilligung, durch welche die Offenbarung des Geheimnisses rechtmäßig wird; eine mutmaßliche Einwilligung gibt es nicht 102 ). Einwilligungsberechtigt ist der über das Geheimnis Verfügungsberechtigte; das kann außer dem Anvertrauenden auch ein Dritter sein, dessen Geheimnis anvertraut worden ist 103 ). Natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Ermächtigenden genügt 104 ); anderenfalls handelt der gesetzliche Vertreter. Die Schweigepflicht dauert nach dem Tode des Geschützten fort 105 ). Die Erben sind zur Entbindung von der Schweigepflicht nur insoweit berechtigt, als das geschützte Rechtsgut auf sie übergegangen ist (§ 1922 BGB), mithin nicht in Ansehung
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) Zöller Z P O 1 0 § 383 Anm. I a.E; Egbert Peters ZZP 77, 444; Karl Peters in Vhdlg. d. 46. Dt. Juristentages, 1966, Bd. I Teil 3 A S. 120; K G N J W 1966, 605; B G H N J W 1968, 1246; a.M. BGHSt. 2, 351; Ostermeyer N J W 1968, 1789 Anm. M ) SeuffArch. 56, 188. 9 4 ") LG Tübingen J Z 1960, 493 mit Anm. v. Wieczorek. 9 5 ) Kiel J W 1936, 2941. 9 6 ) Vgl. dazu Lenckner, N J W 1965, 321. 9 7 ) Zum Begriff des in Ausübung der Seelsorge Anvertrauten vgl. Nürnberg FamRZ 1963, 260 mit Anm. v. Bosch; LG Nürnberg-Fürth FamRZ 1964, 513. M) B G H Z 40, 288 = N J W 1964, 449; Karlsruhe N J W 1960, 1392; B D H N J W 1963, 409 (Truppenarzt); Schmidt N J W 1962, 1745. 9 9 ) Vgl. BayObLGZ 1966, 86. 93
»*) Dazu Breuig, MittRheinNotK 1960, 3 0 3 — 321. ) Dazu Müller N J W 1963, 835; Siditermann MDR 1965, 697. 1 0 1 ) Spieker N J W 1965, 1937; Zöller Z P O 1 0 § 383 Anm. I I zu 5 b. 1 0 2 ) Lenckner N J W 1964, 1188 gegen LG Augsburg ebenda. 1 0 S ) Vgl. Göppinger N J W 1958, 242; Kohlhaas GoltdA 1958, 73. 104) Vgl. Bosdi, Grundsatzfragen des Beweisrechts, 1963, S. 95; Lenckner N J W 1965, 321 Fn. 12. 1 0 5 ) BayObLGZ 1966, 86; einschränkend Düsseldorf N J W 1959, 820 (Erbscheinsverfahren); dagegen Eb. Schmidt N J W 1962, 1745; BayLSozG N J W 1962, 1789; Peters in Vhdlg. d. 46. Dt. Juristentages, 1966, Bd. I Teil 3 A S. 126. 9
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§ 15
Freiwillige Gerichtsbarkeit
der persönlichen Intimsphäre des Erblassers 106 ); eine „Funktionsnachfolge" von Angehörigen kommt nicht in Betracht 107 ). Der Schweigepflichtige darf, wenn eine Entbindung wegen Todes nicht mehr möglich ist, selbst nach pflichtmäßigem Ermessen entscheiden, ob er aussagen will, so wie er auch sonst trotz fehlender Befreiung sich zur Aussage entschließen darf 1 0 8 ). 46
Für Geistliche ist § 385 Abs. 2 ZPO obsolet; katholische Geistliche bleiben nach Art. 9 des Reichskonkordats vom 20. 7. 1933 (RGBl. II, 679) auch bei Entbindung von der Schweigepflicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt, nach Art. 144 Abs. 2 BayVerf. auch Geistliche anderer Bekenntnisse. Dieser Grundsatz ist auch sonst auf Geistliche aller Konfessionen auszudehnen 109 ).
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Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung a) Verfahren. Hat der Zeuge die Weigerung ordnungsgemäß im Beweistermin oder vorher (§ 386 Abs. 3 ZPO) erklärt, und ist der Weigerungsgrund nicht offensichtlich abwegig, so ist über die Rechtmäßigkeit der Weigerung zu entscheiden (§ 387 Abs. 1 ZPO), sofern die Vernehmung im Amtsverfahren nicht lediglich von Amts wegen beschlossen worden war (§ 12) und das Gericht die Weigerung nicht ohne weiteres für begründet erachtet; in diesem Fall verzichtet das Gericht kurzerhand auf die Vernehmung. War aber die Vernehmung von einem der Beteiligten angeregt, so sind diese zu den vorgebrachten Weigerungsgründen zu hören (§§ 386 Abs. 4, 387 Abs. 1 ZPO). Die Geltung des Untersuchungsgrundstazes macht die Anhörung im Hinblick auf das Beschwerderecht der Beteiligten (Rdn. 48) nicht entbehrlich, insbesondere in echten Streitsachen, aber auch in anderen Verfahren, wenn ein Beteiligter die Vernehmung verlangt 110 ), es sei denn, daß das Gericht ohne Rüdssicht auf die Berechtigung des Weigerungsgrundes die Vernehmung nach pflichtmäßigem Ermessen zur Sachaufklärung nicht mehr für erforderlich erachtet. Der Zeuge hat den Weigerungsgrund, wenn er nicht ohne weiteres aus der Beweisfrage oder den Beziehungen des Zeugen zu den Beteiligten erhellt, glaubhaft zu machen (§ 386 Abs. 1, 2, Ausnahme von § 12 FGG). Die Verfahrensvorschriften der §§ 388, 389 Abs. 2, 3 beruhen auf dem Mündlichkeitsgrundsatz und sind deshalb in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar; das Novenverbot für Zeugen und Beteiligte bei Weigerung vor dem Richterkommissar 111 ) nach § 389 Abs. 3 a. E. gilt aber auch in diesem Verfahren. Dem Zeugen und den Beteiligten ist zwar rechtliches Gehör zu gewähren, die Form der Anhörung liegt aber im Ermessen des Gerichts. Die Entscheidung ergeht nicht durch Zwischenurteil (so § 387 Abs. 3), sondern durch Beschluß, der im Termin verkündet oder schriftlich erlassen werden kann. Der Beschluß muß dem Zeugen und den Beteiligten förmlich zugestellt oder Anwesenden zu Protokoll bekannt gemacht werden (§ 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3).
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b) Rechtsmittel. Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt (§ 387 Abs. 3 ZPO) und zwar nicht nach den Vorschriften der ZPO, sondern nach § 22 FGG 1 1 2 ). Die Beschwerdeberechtigung richtet sich nach dem F G G ; vgl. insbesondere §§ 20, 57, 82, 126. Wer danach zur Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache berechtigt wäre, kann auch gegen eine Entscheidung, welche die Weigerung für gerechtfertigt erklärt, Beschwerde (und weitere Beschwerde) einlegen, wenn die Möglichkeit besteht, daß infolge der Weigerung eine seine Rechte beeinträchtigende Entscheidung in der Hauptsache ergeht. Wird die Weigerung des Zeugen für ungerechtfertigt erklärt, so ist nur der Zeuge beschwerdeberechtigt. Die Beschwerde des Zeugen wird nicht dadurch gegenstandslos, daß er die Aussage geleistet hat, nachdem zu seinen Ungunsten entschieden worden war 113 ). Ist erst im Beweisverfahren vor dem Landgericht als Beschwerdegeridit über die Zeugnisverweigerung «) LG Augsburg N J W 1964, 1189; Zöller Z P O 1 0 § 383 Anm. I ; vgl. auch Erdsiek N J W 1963, 632. 1 0 7 ) So aber Bosch aaO. S. 89 ff.; Keidel Anm. 2 1 ; dagegen Lenckner N J W 1965, 321 Fn. 16. 10 8) BGHSt. 15, 200; Peters aaO. S. 126. 1 0 °) Rosenberg ZPR» S. 580; Bosch aaO. S. 82; ders., FamRZ 1963, 262; L e n i n e r N J W 1965, 321 Fn. 8; LG Fulda SJZ 1950, 286.
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) Keidel Anm. 2 1 ; Baur § 20 III 2 bb; LentHabsdieid 4 § 21 II 3; Bärmann § 16 III 1 a ; offen gelassen in BayObLGZ 1956, 393; a.M. Sdilegelberger Anm. 15. » i ) Vgl. dazu KG OLGR 29, 121. 1 1 2 ) K G J 50, 6 ; BayObLGZ 1956, 389; vgl. oben Rdn. 32. 1 1 3 ) BayObLGZ 1956, 389; Keidel Anm. 21.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften durch Zwischenbeschluß entschieden worden, so findet dagegen die sofortige erste Tatsachenbeschwerde an das O L G (ObLG) statt 1 1 4 ), aber keine weitere Beschwerde; ebenso, wenn das L G Gericht des ersten Rechtszuges ist. H a t der Rechtspfleger über die Weigerung entschieden, so ist die befristete Erinnerung gegeben (§ 10 Abs. 1, 4 RechtspflG).
49
c) Wird die Eidesleistung mit Angabe von Gründen verweigert, so findet dieses Verfahren ebenfalls Anwendung (§ 390 Abs. 1 Z P O ) .
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5. Zwangsmittel zur Erzwingung der Aussage und der Eidesleistung. H a t der Zeuge die Aussage oder die Eidesleistung, sofern sie verlangt worden ist, mit Angabe von Gründen verweigert, so dürfen Zwangsmaßnahmen erst angewendet werden, wenn der Beschluß nach § 387 Z P O über die Verwerfung des Weigerungsgrundes (Rdn. 47) rechtskräftig geworden ist (§ 390 Abs. 1 Z P O ) . Bleibt der Zeuge gleichwohl bei seiner Weigerung oder hat er sich ohne Angabe eines Grundes oder unter Vorschützen eines offensichtlich unzulässigen und abwegigen Grundes geweigert, so sind nach § 390 Abs. 1 Z P O von Amts wegen dieselben Maßnahmen (Ordnungsstrafe, Kosten) gegen ihn zu verhängen wie nach § 380 Abs. 1 Z P O für den Fall des Ausbleibens im Termin (vgl. oben Rdn. 31), nur mit dem Unterschied, daß diese Ordnungsstrafe nur einmal verhängt werden darf. Statt dessen darf das Gericht bei wiederholter Weigerung nach seinem Ermessen, wenn es im Interesse der Sachaufklärung und des Beteiligten, der die objektive Beweislast trägt, auf die Vernehmung nicht glaubt verzichten zu können, nach § 390 Abs. 2 Z P O zur Erzwingung des Zeugnisses die H a f t anordnen. Ein Antrag (§ 390 Abs. 2) ist im Hinbiidt auf § 12 nicht erforderlich. Der Beschluß, der dem Zeugen zu Protokoll bekannt zu machen ( § 1 6 Abs. 3) oder förmlich zuzustellen ist, enthält keine zeitliche Grenze; der Haftbeschluß ist aber aufzuheben, wenn der Rechtszug durch Erlaß der Entscheidung ( § 1 8 Rdn. 5), im Hinblick auf welche der Zeuge vernommen werden sollte, beendet ist oder wenn die Vernehmung sich vorher aus anderen Gründen erübrigt. Die Vollstreckung der H a f t richtet sich nach §§ 904 bis 910, 913 Z P O . In dem Haftbefehl (§ 908) ist außer dem Haftgrund die Sache, in der das Zeugnis abgelegt werden soll, zu bezeichnen. Die Höchstdauer der H a f t beträgt 6 Monate (§ 913 Z P O ) . Von einem Haftkostenvorschuß (§ 911 Z P O ) kann die Vollziehung wegen des Amtsbetriebes (§ 12) nicht abhängig gemacht werden. Gegen die Beschlüsse findet gemäß § 390 Abs. 3 Z P O die unbefristete Beschwerde statt, hier jedoch nadi § 19 F G G (oben Rdn. 32). Die Beschwerde gegen die Erzwingungshaft hat ebenso wie die gegen die Ordnungsstrafe nach § 24 Abs. 1 aufschiebende Wirkung 1 1 5 ).
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Die Befugnisse aus §§ 380, 381, 390 (nicht auch aus § 387, vgl. § 389) stehen auch dem verordneten Richter zu (§ 400). Gegen dessen Entscheidung Erinnerung entsprechend § 576 Z P O an das mit der Sache befaßte Gericht; erst gegen dessen Entscheidung ist die Beschwerde gegeben 116 ). Wegen des Rechtspflegers vgl. oben Rdn. 33.
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6.
Beeidigung
a) Eidespflicht. Die Pflicht zur Eidesleistung, sofern sie angeordnet wird, besteht für jeden aussagepflichtigen Zeugen, soweit nach § 393 Z P O kein Eidesverbot besteht. Danach sind stets unbeeidigt zu vernehmen Personen im Alter unter 16 Jahren und solche, die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche vom Wesen und von der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben, sowie solche, denen die Eidesfähigkeit nach § 161 StGB aberkannt worden ist. D e r Zeuge ist nicht verpflichtet, ungefragt auf seine Eidesunfähigkeit nach § 161 S t G B hinzuweisen 117 ); auf eine entsprechende Frage darf er nach § 384 Nr. 2 Z P O schweigen. Die Fähigkeit, eidesstattliche Versicherungen abzu) Düsseldorf NJW 1959, 821 = JMB1NRW 1959, 91; KG MDR 1965, 670; BayObLGZ 1966, 86; Keidel Anm. 21. 1 1 5 ) Vgl. § 24 Rdn. 3; a.M. SAlegelberger § 24 Anm. 2; Voraufl. § 390 ZPO Anm. 5. 114
"«) Zöller ZPO 1 » § 400 Anm. 2; a.M. LG Frankenthal NJW 1961, 1363. 1 1 7 ) BGHSt. 5, 25 = NJW 1953, 1922.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit geben, wird durch die Eidesunfähigkeit nicht berührt. Wer zur Verweigerung der Aussage berechtigt ist, darf auch die Eidesleistung verweigern, selbst wenn er bereits ausgesagt hat 1 1 8 ); dadurch kann allerdings der Beweiswert der Aussage gemindert werden 119 ). Auch hierüber ist der Zeuge zu belehren 120 ). Eidesbelehrung nach §§ 395, 480 ZPO. 55
b) Anordnung der Beeidigung a) VorAussetzungen. Über die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet das Gericht, soweit kein Eidesverbot entgegensteht (§§ 393, 402 ZPO), gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 F G G nach pflichtmäßigem Ermessen. Insoweit besteht gegenüber dem Zivilprozeß seit der Änderung des § 391 ZPO durch die Novelle vom 27. 10. 1933 kein Unterschied mehr, abgesehen davon, daß der in § 391 ZPO vorgesehene Verzicht der Beteiligten auf die Beeidigung das Gericht nicht bindet. Das Ermessen ist pflichtgemäß auszuüben; die Möglichkeiten der Wahrheitserforschung, die in der Beeidigung liegen, dürfen nicht grundsätzlich ungenutzt bleiben. Die Beeidigung kann etwa unterbleiben, wenn es auf die Aussage nicht ankommt oder die Ergebnisse mehrerer Aussagen übereinstimmen, zwischen den Aussagen der Zeugen und dem Vorbringen der Beteiligten kein wesentlicher Widerspruch besteht oder das Gericht auch die uneidliche Aussage für genügend glaubwürdig erachtet und beachtlich abweichende Beweisergebnisse nicht hervorgetreten sind. Zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage ist die Beeidigung geboten, wenn die Aussage einerseits erheblich ist, andererseits gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen gewisse Bedenken bestehen; wenn auf Grund besonderer Umstände des Falles schwerwiegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen, kann eine Beeidigung jedoch wertlos erscheinen121). Grundsätzlich geboten ist die Beeidigung mit Rücksicht auf die Bedeutung der Aussage, wenn die Entscheidung von ihr abhängt und im Widerspruch zu anderen Beweisergebnissen auf die Aussage gestützt werden soll 122 ).
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Verkennung oder Außerachtlassung der Grenzen der Ermessensausübung bei der Beeidigung ist ein Verfahrensfehler, der die Rechtsbeschwerde begründet, wenn die Möglichkeit, daß die Entsdieidung darauf beruht, sich nicht ausschließen läßt 1 2 3 ).
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ß) Zuständigkeit. Die Anordnung der Beeidigung steht dem mit der Sache befaßten Gericht zu. Da sie eine Bewertung der Aussage voraussetzt, kann sie grundsätzlich erst nach der Vernehmung und in ihrer Kenntnis ergehen 124 ). Wenn aber die Notwendigkeit der Beeidigung im voraus zu erkennen ist, bestehen keine Bedenken dagegen, daß das Gericht den beauftragten oder ersuchten Richter dazu ermächtigt; auch kann dieser in klar liegenden Fällen die Beeidigung selbständig anordnen 125 ). Das Beschwerdegeridit kann die Beeidigung einer im ersten Rechtszuge gemachten Aussage anordnen. Zur Abnahme von Zeugenund Sachverständigeneiden sind gemäß § 194 Abs. 1 auch die nach Landesgesetz zuständigen nichtgerichtlichen Behörden befugt 126 ), dagegen nicht der Rechtspfleger; hält er die Beeidigung für geboten, so muß er die Sache dem Richter vorlegen (§ 4 Abs. 3 RechtspflG).
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v) Verstöße. Ist trotz eines Eidesverbots (§ 393) beeidigt worden, so ist die Aussage als uneidliche zu werten; anderenfalls liegt ein Verfahrensfehler vor. Ist die Beeidigung irrig wegen vermeintlichen Eidesverbots oder Eidesverweigerungsrechts unterblieben, so muß sie, falls geboten, nachgeholt werden. Ist statt des Zeugeneides der Sachverständigeneid abgenommen worden oder umgekehrt, so gilt die Aussage als unbeeidigt; der richtige Eid muß, falls geboten, nachgeholt werden. ) B G H Z 43, 368. ) Vgl. O G H Z 1, 226; B G H LM § 452 Z P O Nr. l j B G H Z 43, 368, 374. 1 2 °) Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 391 Anm. 4. 121) BGHZ 43, 368; dazu Sdineider, J W 1966, 333; Grunsky, ZZP 79, 141. 1 2 2 ) Baumbadi-Lauterbadi Z P O 2 8 § 391 Anm. 2 B a ; vgl. auch BVerwG VerwRspr. 17 (1966), 1012. 11S
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) B G H Z 43, 368, 370; Sdineider N J W 1966, 333. 1 2 4 ) Rosenberg ZPR» § 119 I I I 3 ; Blomeyer § 78 I V 3. 1 2 5 ) Stein-Jonas-Pohle 1 8 § 391 Anm. I 4 ; Baumbadi-Lauterbadi Z P O 2 8 § 391 Anm. C ; a.M. Rosenberg u. Blomeyer a a O . ; Zöller Z P O 1 0 § 391 Anm. 4. 1 2 6 ) Wirth, WürttNotV 1951, 103; Keidel Anm. 12; vgl. § 194 Rdn. 2. 1M
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
E. Beweis durch Sachverständige I. Bedeutung*)
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Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht eine besondere Sachkunde zu verschaffen, die zur Feststellung von Tatsachen oder zu ihrer Beurteilung erforderlich ist. Vom Zeugen unterscheidet er sich dadurch, daß dieser Tatsathen mitzuteilen, der Sachverständige aber sie auf Grund seines Fachwissens zu beurteilen hat 127 ). Zeuge ist auch, wer über vergangene Tatsachen berichten soll, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war (§ 414 ZPO); soll dieser „sachverständige Zeuge" aus seinen Wahrnehmungen außerdem gutachtliche Schlüsse ziehen, so ist er Zeuge und Sachverständiger zugleich. Sachverständiger kann nicht nur eine natürliche Person sein, sondern auch eine öffentlichrechtliche Körperschaft, z. B. Handels-, Handwerks-, Anwalts- und Ärztekammern, oder die Gutachterausschüsse nach § 137 BBauG. Auf derartige Gutachterstellen finden jedoch die Vorschriften über die Erscheinungspflicht (§ 411 Abs. 3 ZPO) und über die Beeidigung (§ 410 ZPO) keine Anwendung; auch können sie nicht wegen Befangenheit (§ 406 ZPO) abgelehnt werden 128 ); in § 139 Abs. 3 BBauG wird jedoch die Ausschließung von Mitgliedern der Gutachterausschüsse besonders geregelt. Über die amtliche Auskunft vgl. § 12 Rdn. 41, über die Frage, wann die Einholung eines Sachverständigengutachtens veranlaßt ist, § 12 Rdn. 76. Wer nicht Zeuge sein kann (oben Rdn. 20), kann auch nicht Sachverständiger sein.
II. Verfahren 1. Gesetzliche Grundlagen. Auf das Verfahren bei der Erhebung des Sachverständigenbeweises finden nach § 15 Abs. 1 Satz 1 die Vorschriften der §§ 402 bis 414 Z P O entsprechende Anwendung. Hiervon sind als mit dem Amtsermittlungsgrundsatz unvereinbar § 403 Z P O (Beweisantritt) und § 404 Abs. 4 Z P O (Einigung der Parteien über die Person des Sachverständigen) nicht anwendbar. Von den Vorschriften über den Zeugenbeweis, die nach § 402 Z P O entsprechend gelten, sind diejenigen ebenfalls nicht anwendbar, die auf der Vorhandlungsmaxime und dem Mündlichkeitsgrundsatz beruhen (oben Rdn. 3, 47). Im übrigen ergeben sich die Besonderheiten des Sachverständigenbeweises gegenüber dem Zeugenbeweis daraus, daß der Sachverständige im Gegensatz zum Zeugen vertretbar ist. Die Einholung gutachtlicher Äußerungen als formlose Ermittlung im Wege des Freibeweises nach § 12 wird dadurch, daß § 15 auf die Vorschriften der Z P O verweist, nicht ausgeschlossen.
60
2. Gutachterpflicht. Zur Erstattung des Gutachtens verpflichtet ist nach § 407 Z P O nur, wer dazu öffentlich bestellt ist (vgl. § 36 GewO) oder das Fach öffentlich zum Erwerb ausübt oder zu seiner Ausübung öffentlich bestellt oder ermächtigt ist oder sich zu der Erstattung dem Gericht gegenüber allgemein oder im Einzelfall bereit erklärt hat. Andere Personen können die Gutachtertätigkeit nach Belieben ablehnen. Auch ein zur Erstattung des Gutachtens an sich Verpflichteter ist zur Verweigerung berechtigt, wenn er als Zeuge nach §§ 383 bis 385 Z P O ein Zeugnisverweigerungsrecht hätte (§ 408 Abs. 1 Satz 1). Bei im öffentlichen Dienst stehenden Sachverständigen besteht ferner bei Beweisfragen, die ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit berühren, das Beweisverbot des § 408 Abs. 2 ZPO, wenn nicht die Genehmigung des Dienstvorgesetzten eingeholt ist (oben Rdn. 35—38). Über Beweisfragen, die Gegenstand einer unter Mitwirkung des Sachverständigen ergangenen richterlichen Entscheidung waren, soll der Sachverständige nach § 408 Abs. 3 Z P O nicht vernommen werden.
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*) Schrifttum: Kerameus, Die Entwicklung des Sachverständigenbeweises, 1963; Lent, Zur Abgrenzung des Sachverständigen vom Zeugen im Zivilprozeß, ZZP 60, 9 f f . ; Schmidthäuser, Zeuge, Sachverständiger und Augenscheinsgehilfe, Z Z P 72, 365 ff.; Döhring, Die Erforschung des Sachverhalts im Prozeß, 1964;
Bremer, Der Sachverständige, 1963; Jessnitzer, Der gerichtliche Sachverständige, 1963. ) Lent aaO. 128 ) Blomeyer ZPR § 179 I 2; München MDR 1959, 667; Frankfurt N J W 1965, 306 mit Anm. Hönn ebd. S. 542; Nürnberg N J W 1967, 401. 127
347
§ 15 3. Erzwingung 62
63
Freiwillige Gerichtsbarkeit der
Gutachterpflicht
) Zust. Keidel Anm. 10. 5 4 ) Vgl. Habscheid, Der Streitgegenstand, S. 234. 5 5 ) K G R J A 6, 11; K G J 43, 30 = R J A 12, 174; K G J 51, 1 = O L G R 38, 3 = R J A 16, 157; 2 Wellstein Anm. 1; Keidel Anm. 6. 5 6 ) Vgl. K G O L G Z 1966, 127. 6 7 ) Schlegelberger Anm. 4 ; Keidel Anm. 6. 5») Wellstein 2 Anm. 1; zu § 77 Abs. 1 J W G Staudinger-Göppinger B G B 1 1 Anh. zu § 1666 Anm. 400; a. M. Keidel § 18 Anm. 6, § 44 Anm. 2 ; Schlegelberger § 44 Anm. 3. 5 ») So K G J 51, 1; dagegen mit Recht Baur § 17 I I c. 6 0 ) So aber Baur § 17 I I c ; Bremen Rpfleger
1961, 209; vgl. zu diesem Begriff § 7 Rdn. 17. Funktionell zuständig ist der Riditer, in übertragenen Sachen der Rechtspfleger. 6 1 ) R G Z 70, 236; 134, 322; K G J 46, 3; 53, 11; K G J F G 23, 287; K G N J W 1955, 1074; K G O L G Z 1966, 608; München J F G 21, 73; LentHabsdieid 4 § 27 II 1 c ; Baur § 24 B I V 2 mit § 24 C I V ; Siehr Freiw. Gerbkt. S. 66; Schlegelberger Anm. 7 ; Lent J W 1929, 2527; Bärmann § 21 II 2 ; Rothe S. 92 f f . ; Keidel Anm. 8 (die früher abw. M. ist bei § 18 Anm. 26, § 29 Anm. 46 wohl nur versehentlich erhalten); a. M. Unger ZZP 41, 184; 42, 167; Pikart-Henn S. 128.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Ä n d e r u n g s v e r l a n g e n auf neue Tatsachen u n d Beweise oder auf eine nachträglich eingetretene V e r ä n d e r u n g der tatsächlichen Verhältnisse gestützt w i r d , d a d a n n im R a h m e n des § 18 Abs. 1 vorbehaltlich des § 29 Abs. 3 die Ä n d e r u n g s b e f u g n i s des Gerichts erster I n s t a n z eingreift ( R d n . 8) 6 2 ). Auch einen Beschluß, durch den das Beschwerdegericht eine Beschwerde als unzulässig v e r w i r f t , d a r f es nicht ä n d e r n 6 3 ) . W i r d eine zunächst wegen F o r m m a n g e l s als unzulässig v e r w o r f e n e Beschwerde u n t e r V e r m e i d u n g des Mangels noch einmal eingelegt, so bleibt die erste Entscheidung bestehen, h i n d e r t auch nicht eine Sachentscheidung über das zweite Rechtsmittel. Durch G e w ä h r u n g v o n W i e d e r e i n s e t z u n g in den vorigen S t a n d w i r d eine vorherige V e r w e r f u n g des Rechtsmittels h i n f ä l l i g (§ 22 R d n . 28). F e r n e r ist das Beschwerdegericht nicht gehindert, v o n einer Vorentscheidung abzuweichen, w e n n es in einem neuen V e r f a h r e n auf Beschwerde w i e d e r u m mit d e r Sache b e f a ß t w i r d , z. B. w e n n ein Erbschein auf A n o r d n u n g des Beschwerdegerichts erteilt w o r d e n ist u n d derselbe Sachverh a l t in d e m V e r f a h r e n z u r E i n z i e h u n g dieses Erbscheins w i e d e r u m der Beurteilung des Besch werdegerichts unterliegt 6 4 ). Ü b e r W i e d e r h o l u n g der Beschwerde vgl. § 21 R d n . 22. Z w i schenverfügungen, v e r f a h r e n s l e i t e n d e V e r f ü g u n g e n u n d Entscheidungen, die d e r Beschwerdeentscheidung vorausgehen (z. B. B e w e i s a n o r d n u n g e n , Aussetzung) oder neben d e m Bes c h w e r d e v e r f a h r e n ergehen (z. B. Armenrecht), k a n n auch das Landgericht nach M a ß g a b e des § 18 ä n d e r n , soweit nicht die sofortige Beschwerde s t a t t f i n d e t (z. B. § 15 F G G mit § 387 Abs. 3 Z P O ) . W e g e n der Ä n d e r u n g s b e f u g n i s des Rechtsbeschwerdegerichts vgl. § 29 R d n . 33.
F. Änderungsverbot bei Verfügungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen (Abs. 2) D u r c h A b s a t z 2 w i r d die verfahrensrechtliche Befugnis z u r Ä n d e r u n g von 1. Grundsatz. V e r f ü g u n g e n , die d e r s o f o r t i g e n Beschwerde unterliegen, ausgeschlossen. D a s gilt auch f ü r V e r f ü g u n g e n , die im Sinne des Abs. 1 H a l b s . 2 n u r auf A n t r a g erlassen w e r d e n k ö n n e n . Es k o m m t n u r d a r a u f an, d a ß das s t a t t h a f t e Rechtsmittel die befristete Beschwerde ist, gleichviel, ob sie eingelegt w i r d o d e r nicht. D e m g e m ä ß ist d e m Gericht, hier in O b e r e i n s t i m m u n g m i t §§ 318, 577 Abs. 3 Z P O , schon v o n dem E r l a ß seiner Entscheidung an ( R d n . 5) eine Ä n d e r u n g v e r w e h r t . D a s Ä n d e r u n g s v e r b o t besteht schon v o r E i n t r i t t der f o r m e l l e n Rechtsk r a f t ; einer Beschwerde d a r f das Gericht nicht a b h e l f e n , auch w e n n sie auf neue Tatsachen u n d Beweise o d e r auf eine nach E r l a ß d e r Entscheidung eingetretene V e r ä n d e r u n g der T a t u m s t ä n d e gestützt w i r d . N a c h E i n t r i t t d e r f o r m e l l e n R e c h t s k r a f t gilt das Ä n d e r u n g s v e r b o t fort 6 5 ), u n d z w a r auch gegenüber einer V e r ä n d e r u n g der T a t u m s t ä n d e , d a eine V e r f ü g u n g , die bereits d e m iudex a q u o gegenüber Bestandsschutz e r l a n g t h a t , diesen Schutz nicht d a d u r c h w i e d e r verlieren k a n n , d a ß sie a u ß e r d e m auch d e m i u d e x ad q u e m gegenüber durch E i n t r i t t der f o r m e l l e n R e c h t s k r a f t u n a n g r e i f b a r w i r d ( R d n . 3). V e r f ü g u n g e n , die mit der sofortigen Beschwerde a n f e c h t b a r sind, h a b e n regelmäßig Angelegenheiten z u m G e g e n s t a n d , die möglichst b a l d in b e s t i m m t e r Weise abschließend geregelt w e r d e n müssen. Deshalb sollen nach d e m Zweck des Gesetzes V e r f ü g u n g e n dieser A r t nach E i n t r i t t d e r formellen R e c h t s k r a f t n u r a u f g e h o b e n o d e r g e ä n d e r t w e r d e n k ö n n e n , w e n n das sachliche Recht es gestattet 8 6 ). D e r a r t i g e Änderungsmöglichkeiten e r ö f f n e t das sachliche Recht z. B. in den §§ 17 H a u s r a t s V O , 45 Abs. 4 H E G , 17 V H G , 1382 Abs. 6 BGB. D a hier n u r der U m f a n g d e r verfahrensrechtlichen Ä n d e r u n g s b e f u g n i s aus § 18 in R e d e steht, k o m m e n h i e r f ü r nicht die Fälle in Betracht, in denen das sachliche Recht das Gericht berechtigt u n d verpflichtet, den durch eine V e r f ü g u n g geschaffenen Z u s t a n d wegen einer Ä n d e r u n g der tatsächlichen Verhältnisse w i e d e r a u f z u h e b e n o d e r anders zu r e g e l n ; w e n n z. B. das V o r m G die mit der sofortigen Beschwerde a n f e c h t b a r e G e n e h m i g u n g der U n t e r b r i n g u n g eines M ü n d e l s nach § 1800 Abs. 2 Satz 3 BGB z u r ü c k n e h m e n k a n n , w e n n das W o h l des M ü n d e l s die U n t e r b r i n 62
) KG OLGZ 1966, 608; a. M. Staudinger-Donau BGB 11 § 1696 Anm. 8, 11, der dies irrig für h. L. hält; Keidel 8 Anm. 8, ohne Stellungnahme 9. Aufl. Anm. 8. 63 ) BayObLGZ 1951, 342; Keidel Anm. 8; vgl. aber § 21 Rdn. 20.
«") KG N J W 1955, 1074; Keidel Anm. 8. 85 ) A. M. Keidel Anm. 13. 96 ) KomBeridit zum FGG bei Hahn-Mugdan Bd. 7 S. 120; Bötticher, JZ 1956, 582.
Freiwillige Gerichtsbarkeit gung nicht mehr erfordert, so liegt darin nicht eine Durchbrechung des § 18 Abs. 2 FGG, sondern die Einleitung eines vom sachlichen Recht gestatteten neuen und selbständigen Verfahrens, dessen Zulässigkeit und Ablauf von der Verfahrenslage des Verfahrens zur Erteilung der Genehmigung gänzlich unabhängig ist und aus diesem Grunde nicht den Beschränkungen des § 18 unterliegt (Rdn. 2). Entscheidungen in echten Streitsachen, die formell rechtskräftig geworden und der materiellen Rechtskraft fähig sind, können möglicherweise in den Formen und unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens geändert werden (Rdn. 46). Vor allem sind die in der freiwilligen Gerichtsbarkeit besonders zahlreichen privatrechtsgestaltenden gerichtlichen Verfügungen, wenn sie mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind, sowohl in demselben als auch in einem neuen Verfahren der Änderung durch den iudex a quo entzogen, und zwar auch bei Eintritt veränderter tatsächlicher Verhältnisse, wenn nicht das sachliche Recht die Änderung gestattet. Rechtsgestaltungen durch gerichtliche Entscheidung bedürfen stets einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung 67 ). Wenn daher durch eine wirksam und formell rechtskräftig gewordene rechtsgestaltende Entscheidung eine Veränderung der materiellen Rechtslage herbeigeführt ist, ist das Gericht zu einer Wiederaufhebung dieses Rechtszustandes nur befugt, wenn sich dafür eine Grundlage im materiellen Recht findet. Die Volljährigkeitserklärung ist verfahrensrechtlich durch § 18 Abs. 2 und den Eintritt der formellen Rechtskraft jeder Aufhebung durch den iudex a quo oder ad quem entzogen, und daß der für volljährig Erklärte in einem neuen Verfahren nicht wieder in den Status des Minderjährigen zurückversetzt werden kann, ist ein Postulat des sachlichen Rechts68). Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers (§ 2200 BGB, § 81 FGG) kann nicht aufgehoben werden, weil sie sich nachträglich als unrichtig erweist 69 ), sondern der Testamentsvollstrecker kann allenfalls unter den Voraussetzungen des § 2227 BGB auf Antrag entlassen werden. Die formell rechtskräftige Entlassung des Testamentsvollstreckers kann nicht wieder aufgehoben werden, auch wenn der Entlassungsgrund sich später als hinfällig erweist oder in Wegfall kommt 70 ). Die auf Antrag eines Nachlaßgläubigers formell rechtskräftig angeordnete Nachlaßverwaltung (§ 1981 Abs. 2 BGB, § 76 Abs. 2 FGG) kann nur aus den sachlichrechtlichen Gründen des § 1919 mit § 1975 und des § 1988 Abs. 2 BGB aufgehoben werden 71 ). Ebenso kann die Erteilung oder Versagung der Genehmigung von Rechtsgeschäften im Landwirtschaftsverfahren nicht geändert werden 72 ). "19
2. Feststellende Entscheidungen. Ist eine der sofortigen Beschwerde unterliegende und formell rechtskräftig gewordene Entscheidung ergangen, die keine rechtsgestaltende, sondern nur feststellende Wirkung hat und nidit in materielle Rechtskraft erwächst, so kann in einem zulässigen neuen Verfahren eine gegenteilige oder andersartige Feststellung getroffen werden, wenn die frühere sich als unrichtig erweist. Deshalb steht die formell rechtskräftig angeordnete Berichtigung eines Personenstandsbuchs der Anordnung einer Rück- oder Weiterberichtigung in einem auf Antrag einzuleitenden neuen Verfahren nicht entgegen (§ 70 Rdn. 6 zu § 49 PStG). Ebenso kann die Unrichtigkeit der Feststellung der Legitimation durch nachfolgende Ehe nach §§ 1719 BGB, 31 PStG in einem neuen Verfahren festgestellt werden, im Hinblick auf § 1721 BGB allerdings nur, wenn die Unrichtigkeit auf anderen Gründen als der fehlenden Vaterschaft des Ehemanns der Mutter beruht (Anh. zu § 56a, § 31 PStG Rdn. 17).
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3. Zurückweisende Entscheidungen. Ist der Erlaß einer Maßnahme durch eine Verfügung, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, formell rechtskräftig abgelehnt worden (z. B. §§ 68, 160a FGG, § 65 Abs. 4 JWG), so steht dieser Umstand der Überholung der früheren Verfügung durch eine inhaltlich abweichende Entscheidung in einem neuen Verfahren auch bei unverändertem Sachverhalt nicht entgegen, wenn die zurückweisende Verfügung nicht 67
) Bötticher Festsdir. DJT 1960, S. 522. ) Göppinger FamRZ 1960, 347 zu III c; Bötticher JZ 1956, 582 zu III 1. 6 °) Höver DFG 1929, 25 zu IV; Jansen NJW 1966, 331 zu I; zust. Keidel Anm. 21. KG SeuffBl. 76, 740 = Recht 1911 Nr. 3855;
68
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BayObLGZ 1964, 153; Sdileswig SchlHA 1965, 107. ) KG JW 1935, 2159 = HRR 1935 Nr. 1022 = DNotZ 1935, 833. 72 ) Celle MDR 1956, 170; dazu auch Bötticher JZ 1956, 582 zu III 1. 71
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
18
in materielle Rechtskraft erwächst (oben Rdn. 3; vgl. unten Rdn. 43, § 68 Rdn. 7, § 160a Rdn. 1). Auch hier können Gründe des sachlichen Rechts einer inhaltlich abweichenden Entscheidung entgegenstehen; da der Kindesannahme vertrag mit der endgültigen Versagung der Bestätigung seine Kraft verliert (§ 1754 Abs. 2 Satz 2 BGB), kann die Bestätigung nur noch einem von den Beteiligten geschlossenen neuen, wenn auch inhaltsgleichen, Vertrage erteilt werden. 4. Ausnahmen vom Änderungsverbot des Abs. 2. Eine Ausnahme von § 18 Abs. 2 enthält § 67 Abs. 2 Satz 3 J W G für die Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung. Das VormG kann mithin der sofortigen Beschwerde gegen ihre Anordnung abhelfen oder die vorläufige Fürsorgeerziehung von Amts wegen aufheben, und zwar sowohl vor als nach Eintritt der formellen Rechtskraft 73 ). Im handelsregisterrechtlichen Ordnungsstrafverfahren ist § 18 Abs. 2 im Fall des § 136 nicht anzuwenden. Im übrigen können rechtskräftige Beschlüsse über die Festsetzung von Ordnungsstrafen wegen des Zwecks dieser Strafe allgemein aufgehoben werden, wenn vor Einziehung der Strafe eine Veränderung der Umstände eingetreten ist (§ 133 Rdn. 6). Kostenfestsetzungsbeschlüsse können nach § 13a Abs. 2 FGG, § 45 Abs. 2 LwVG mit § 107 ZPO, § 37 VerschG auf Antrag geändert werden, wenn der Streitwert nachträglich anders festgesetzt wird. Eine Entscheidungsergänzung ist in Durchbrechung des § 18 Abs. 2 nach Maßgabe des entsprechend anwendbaren § 321 ZPO statthaft (Rdn. 39).
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G. Verfügungen des Rechtspflegers
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Für Verfügungen des Rechtspflegers in übertragenen Angelegenheiten gilt § 18 ebenfalls (§§ 4, 10 Abs. 2 RechtspflG). In § 10 Abs. 2 RechtspflG wird ferner bestimmt, daß der Rechtspfleger der Erinnerung abhelfen kann, entsprechend § 18 Abs. 2 jedoch nicht, wenn die Erinnerung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 RechtspflG befristet ist. Der nach § 18 Abs. 1 Halbs. 2 erforderliche Antrag zur Änderung zurückweisender Verfügungen im Antragsverfahren liegt regelmäßig in der Erinnerung 74 ). Vgl. ferner § 19 Rdn. 51.
H. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht
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Die Vorschrift des § 18 gilt nach § 194 auch für nicht gerichtliche Behörden, die nach Landesgesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind. Wegen der Anwendbarkeit des § 18 in landesrechtlichen Angelegenheiten außer Preußen vgl. § 1 Rdn. 131. In Preußen ist § 18 nicht für anwendbar erklärt worden. Abs. 1 versteht sich gleichwohl überall da von selbst, wo nicht aus der Natur der Sache die Unzulässigkeit einer Änderung folgt, wie z. B. bei den — dem § 55 entsprechenden — Genehmigungen von Stiftungssachen. Die Geltung des Abs. 2 in preußischen landesrechtlichen Sachen ist dagegen nicht unzweifelhaft, aber zu bejahen 75 ).
J . Wirksamkeit und Wirkungen der Änderung
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Die Verfügung, mit der das Gericht erster Instanz eine erlassene und wirksam gewordene Verfügung ändert oder aufhebt, wird nach den allgemein für Verfügungen dieser Art geltenden Regeln wirksam (§ 16); dasselbe gilt für die Beschwerdeentscheidung, welche den durch die angefochtene Verfügung bewirkten Rechtserfolg ändert (vgl. § 26). Unzulässige Änderungen, z . B . unter Verstoß gegen §§ 55, 62 vorgenommene, sind nichtig7®); die geänderte Verfügung bleibt in Kraft. 1. Die Wirkung der neuen Verfügung (Entscheidung) besteht darin, daß sie die Wirkungen der bisherigen Verfügung aufhebt und den Rechtserfolg beseitigt, der infolge der aufgehobenen Verfügung eingetreten war. Hierbei entsteht die Frage, ob die durch die geänderte 73 74
) BayObLGZ 1953, 44. ) Vgl. dazu Arndt RechtspflG § 10 Anm. 15, 42—44; Hofmann-Kersting RechtspflG 5 10 Anm. 3 D a ; Arnold RechtspflG § 10 Anm. 5.
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K G J 23 A 188; Schlegelberger Anm. 31. «) K G J F G 13, 23; Schlegelberger § 18 Anm. 26; vgl. § 55 Anm. 60.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Verfügung eingetretene Rechtsfolge in dem Sinne rüdewirkend beseitigt wird, daß es so anzusehen ist, als ob die Verfügung von vornherein so gelautet hat, wie sie durch die Änderung gestaltet ist, oder ob der durch die geänderte Verfügung bewirkte Rechtserfolg nur mit Wirkung für die Zukunft durch die Änderungsverfügung abgelöst wird (Wirkung ex tunc oder ex nunc). Diese Frage erhebt sich natürlich nicht, wenn die Verfügung vor dem Eintritt ihrer Wirksamkeit geändert wird, z. B. wenn eine Verfügung, die erst mit der Rechtskraft wirksam wird (§ 16 Rdn. 17), vom Beschwerdegericht geändert wird; auch bei Verfügungen dieser Art kann die Frage aber von Bedeutung werden, wenn die bereits eingetretene formelle Rechtskraft und damit die Wirksamkeit durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigt und die Verfügung sodann aufgehoben wird. Ferner tritt die Frage nicht auf, wenn im Antragsverfahren der Antrag zurückgewiesen oder im Amtsverfahren eine Maßnahme abgelehnt wird; wird diese Verfügung auf Grund des § 18 oder im Beschwerdewege aufgehoben, so tritt der Rechtserfolg der ändernden Entscheidung erst mit deren Wirksamwerden ein. 26
2. Für eine Rückwirkung verbleiben die Fälle, in denen eine Verfügung positiven Inhalts, die eine Rechtsfolge herbeizuführen geeignet und bestimmt ist oder sie ausspricht, durch eine weitere Verfügung oder durch eine Beschwerdeentscheidung aufgehoben, geändert oder durch eine andere ersetzt wird. Nicht beizutreten ist zunächst der Meinung, das Gericht dürfe bestimmen, ob die Änderung rückwirkend eintreten solle oder nicht 77 ). Im übrigen sind die Meinungen geteilt; während im älteren Schrifttum überwiegend Wirkung ex tunc angenommen wurde 78 ), ist jetzt die Meinung vorherrschend, daß grundsätzlich keine Rückwirkung eintrete"). Diese Auffassung wird darauf gestützt, daß § 32 FGG die Rückwirkung für die in ihm geregelten Fälle ausschließe und einen der Verallgemeinerung fähigen Rechtsgedanken enthalte. Zu dieser Folgerung berechtigt § 32 jedoch nicht. Gerade der Umstand, daß der Gesetzgeber diese Vorschrift für erforderlich gehalten hat, zeigt, daß nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen Rückwirkung angenommen werden dürfte. Auch für die Aufhebung der Entmündigung auf Anfechtungsklage wird aus der Vorschrift des § 115 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht geschlossen, daß die Aufhebung keine rückwirkende Kraft habe, vielmehr verfahrensrechtlich rückwirkende Vernichtung des Entmündigungsbeschlusses angenommen 80 ); ebenso werden mit der Aufhebung des Konkurseröffnungsbeschlusses die Rechtsfolgen der Konkurseröffnung rückwirkend beseitigt, obwohl die Rechtshandlungen des Konkursverwalters entsprechend § 32 FGG wirksam bleiben 81 ). Die Vorschrift des § 32 (und die des § 61 FGG) ist ebenso wie die des § 115 BGB materiellrechtlicher Natur 8 2 ); im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs schützt sie das Vertrauen in den Rechtsbestand der gerichtlichen Verfügung 83 ). Die Rückwirkung ist aber eine Verfahrensfrage, die nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen zu beantworten ist84). Die angeführten Lösungen leiden im übrigen darunter, daß sie die Frage entweder in dem einen oder dem anderen Sinne beantworten wollen, während eine Differenzierung geboten ist.
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3. Nach der Art der geänderten Verfügung ist für die Beurteilung der Rückwirkung eine differenzierende Betrachtung geboten. Zu unterscheiden ist zwischen feststellenden Verfügungen (a), Verfügungen, die zu einer Leistung verpflichten (b), und rechtsgestaltenden 77
) So Wellstein, FGG 2 , § 18 Anm. 3; Keidel § 18 Anm. 30; dagegen mit Recht Baur § 24 B V 2 c; Lent-Habscheid § 27 IV 3. 78 ) Ebert-Dudek-Lindemann FGG 2 § 18 Anm. 2 c, § 26 Anm. 1; Sdiultze-Görlitz, FGG, § 18 Anm. 1 b; Wellstein FGG 2 § 18 Anm. 3; Frese, SächsArch. 11, 451; Aron Z Z P 27, 330 gegen GruchBeitr. 45, 602; Josef, D N o t V 4, 268—279; Hellwig, D J Z 1904, 834 ff., 835; ders., Grenzen der Rüdewirkung S. 39 f f . ; Riezler, AcP 98, 372 ff., 376. 7») Unger ZZP 36, 26—34; Sdilegelberger § 18 Anm. 29; Keidel § 18 Anm. 40; Lent-Habscheid § 27 IV 2 ; Baur § 24 B V 1 a.
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°) Rosenberg, ZPR, § 163 I I I 6; Blomeyer, ZPR, § 122 III 5; Baumbadi-Lauterbacfc, Z P O 2 8 § 672 Anm. 1 B. 81 ) Jaeger-Weber, K O 8 § 109 Anm. 4. 82 ) Staudinger-Coing, BGB 11 , § 115 Anm. 1; vgl. § 32 Anm. A. 83 ) Riezler, AcP 98, 376; Hellwig, D J Z 1904, 835. 84 ) a. M. Schlegelberger, § 18 Anm. 29, der meint, daß es sich um eine Frage des materiellen Redits handele.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Verfügungen (c); bei diesen ist wieder zu unterscheiden, ob sie mit der sofortigen oder der unbefristeten Beschwerde anfechtbar oder ob sie unanfechtbar sind. a) Die Aufhebung einer feststellenden Verfügung hat rückwirkende Kraft. Das folgt aus dem Gesichtspunkt, daß die aufhebende Verfügung nur das ausspricht, was bei richtiger Würdigung der Sadi- und Rechtslage schon in der aufgehobenen Verfügung hätte ausgesprochen werden sollen. Wird die formell rechtskräftige Feststellung der Legitimation durch nachfolgende Ehe (§§ 1719 BGB, 31 PStG) vom VormG aufgehoben, soweit das unbeschadet des § 1721 BGB statthaft ist (oben Rdn. 19), so steht damit fest, daß das Kind zu keiner Zeit die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes dieser Eheleute gehabt hat; ist der Ehemann der Mutter inzwischen verstorben, so beerbt das Kind ihn nicht. Zu beachten ist jedoch, daß mitunter Entscheidungen in die Form einer Feststellung in der Weise gekleidet sind, daß sich erst an die Feststellung der Eintritt einer Rechtsfolge geknüpft, z B. das Ruhen der elterlichen Gewalt an die Feststellung der tatsächlichen Verhinderung des Elternteils durch das VormG (§ 1674 BGB) oder der Status der Unehelichkeit an die Feststellung des VormG, daß das Kind nicht ehelich ist (§§ 1593, 1599 Abs. 2 BGB, 56b FGG). Diesen „Feststellungen" kommt gestaltungsähnliche Wirkung zu 85 ). Für die Wirkungen ihrer Aufhebung gelten daher die Grundsätze, die bei der Aufhebung rechtsgestaltender Verfügungen anwendbar sind (nächst. Rdn. 30—32). h) Verfügungen, die zu einer Leistung verpflichten, entfallen rückwirkend mit der Aufhebung. Hierher gehört z. B. die Aufhebung der Festsetzung einer Ordnungsstrafe (§ 133 Anm. 2, § 136) 8 '), die Auferlegung von Leistungen im Verfahren zur Regelung der Ausgleichsforderung (§ 53a Rdn. 15—17), wenn die Verfügung, die erst mit der Rechtskraft wirksam wird, nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgehoben wird; nicht aber die Aufhebung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 1382 Abs. 6 BGB. Ferner kommt in Betracht die Bewilligung einer Vergütung nach § 1836 BGB, wenn sie nicht auf Grund der materiellen Vorschrift des § 1836 Abs. 1 Satz 4, sondern im Beschwerdewege oder, was zulässig ist87), auf Grund des § 18 geändert wird. c) Bei rechtsgestaltenden Verfügungen und feststellenden Verfügungen mit Quasigestaltungswirkung (oben Rdn. 28) ist zu unterscheiden, ob sie mit der sofortigen oder der unbefristeten Beschwerde anfeditbar sind. a) Die Aufhebung einer rechtsgestaltenden Verfügung, gegen welche die sofortige Beschwerde stattfindet, hat rückwirkende Kraft. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Verfügung nach § 16 Abs. 1 FGG mit der Bekanntmachung wirksam wird, wie die Ernennung oder Entlassung eines Testamentsvollstreckers (§ 16 Rdn. 11), oder erst mit der Rechtskraft, wie die Volljährigkeitserklärung (§ 56 Abs. 2 FGG); nur kann bei Verfügungen, deren Wirksamkeit an den Eintritt der Rechtskraft geknüpft ist, die Rückwirkung der Aufhebung nur bedeutsam werden, wenn die bereits eingetretene Rechtskraft durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigt und die Verfügung alsdann aufgehoben wird. Dasselbe gilt bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens. Ferner kommt wegen des Änderungsverbots des § 1 8 Abs. 2 FGG nur eine Aufhebung durch das Beschwerdegericht in Betracht. Es ist aber ein allgemeiner Grundsatz des Verfahrensrechts, daß die Wirkungen einer wirksam gewordenen rechtsgestaltenden Entscheidung mit Rückwirkung entfallen, wenn die Verfügung auf sofortige Beschwerde aufgehoben wird. So treten die Wirkungen des Zuschlagsbeschlusses mit seinem Wirksamwerden ein, in der Regel also mit der Verkündung (§ 89 ZVG), entfallen aber rückwirkend mit der rechtskräftigen Versagung des Zuschlags88). Die Wirkungen des mit seinem Erlaß wirksam gewordenen Konkurseröffnungsbeschlusses entfallen rückwirkend mit dem Wirksamwerden der aufhebenden Beschwerdeentscheidung 89 ). Wird ein Scheidungsurteil im Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben und die Klage abgewiesen, so wird 85
) Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, 1965, S. 115 f f . spricht von Quasigestaltungswirkung. 88 ) So auch Keidel § 18 Anm. 30.
K G J 51, 44 = R J A 16, 159; Josef, GruchBeitr. 65, 462 und Recht 1915, 578. ) Steiner-Riedel, ZVG, 7. Aufl., § 89 Anm. 1. 8 ») Jaeger-Weber, KO 8 , § 109 Anm. 4. 88
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Freiwillige Gerichtsbarkeit die geschiedene Ehe rückwirkend wiederhergestellt 90 ). Diese Grundsätze müssen auch in der FG Geltung beanspruchen. Demgemäß verliert die vom NachIG angeordnete Entlassung des Testamentsvollstreckers ihre Wirkung ex tunc mit dem Wirksamwerden der aufhebenden Beschwerdeentscheidung81). Hierbei handelt es sich nicht darum, daß die Wirkung der Verfügung durch die Aufhebung im Beschwerdewege auflösend bedingt ist92), was im Hinblick auf § 158 Abs. 2 BGB keine Rüdswirkung zur Folge hätte, vielmehr ist die Nichtaufhebung der Verfügung im Rechtsmittelwege die gesetzliche Voraussetzung ihrer Wirksamkeit 83 ). Audi die Entlassung des Vormundes (Pflegers) durch das AG nach den §§ 1886, 1915 BGB verliert mit der Rechtskraft der aufhebenden Beschwerdeentscheidung ihre Wirkung ex tunc, so daß es keiner erneuten Bestellung nach § 1789 bedarf 94 ) (anders bei Aufhebung der Vormundschaft oder Pflegschaft, vgl. nächst. Rdn. 32). Wird die formell rechtskräftige und damit wirksame Feststellung des VormG, daß das Kind nicht ehelich ist (§§ 1593, 1599 Abs. 2, 56b FGG) nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben, so steht damit rückwirkend fest, daß das Kind unverändert den Status eines ehelichen behalten hat. Rückwirkung tritt bei Verfügungen dieser Art auch ein, wenn die sofortige Beschwerde auf neue Tatsachen gestützt wird, mögen sie auch erst nach Erlaß der angefochtenen Verfügung eingetreten sein. ß) Die Aufbebung einer rechtsgestaltenden Verfügung, gegen welche die unbefristete Beschwerde stattfindet oder die unanfechtbar ist (oben Rdn. 10), hat keine rückwirkende Kraft. Das gilt auch, wenn die Verfügung wegen anfänglicher Unrichtigkeit aufgehoben wird. Wenn das Gesetz eine Verfügung dieser Art einerseits sogleich mit der Bekanntmachung wirksam werden läßt (§ 16 Abs. 1), andererseits ihre Anfechtung im Beschwerdewege oder ihre Aufhebung nach § 18 Abs. 1 noch nach geraumer Zeit gestattet, so kann dies nur unter der Voraussetzung geschehen sein, daß der Bestand der Verfügung für die Zeit bis zu ihrer Aufhebung dadurch nicht berührt wird. Es ist mit der Sicherheit des Rechtsverkehrs und dem notwendigen Vertrauensschutz unvereinbar, daß der Bestand der durch die Verfügung eingetretenen Rechtsänderung auf ungewisse Zeit in der Schwebe bleibt. Diese Ungewißheit ist nur erträglich, wenn infolge Befristung des Rechtsmittels (sofortige Beschwerde) mit einem baldigen Eintritt der formellen Rechtskraft und der Beendigung des Schwebezustandes gerechnet werden kann. Deshalb bewirkt eine die Vormundschaft (Pflegschaft) aufhebende Verfügung endgültige Aufhebung, auch wenn sie auf Beschwerde aufgehoben wird; dann ist der Vormund (Pfleger) neu zu verpflichten 95 ). Die mit der Feststellung des VormG nach § 1674 Abs. 1 BGB eintretende Rechtsfolge des Ruhens der elterlichen Gewalt (vgl. oben Rdn. 28) endet erst mit der Aufhebung dieser Verfügung. Die Aufhebung der Verfügung, durch welche einem Elternteil das Personensorgerecht einschließlich der Vertretung nadi § 1666 BGB entzogen wird, als ungerechtfertigt hat keine rückwirkende Kraft 9 6 ). Der Satz, daß die Aufhebung einer Verfügung, durch die jemandem die Vertretungsmacht entzogen wurde, rückwirkende Kraft hat 97 ), ist daher richtig, sofern die Verfügung der sofortigen Beschwerde unterlag (Rdn. 31); bei unbefristeter Beschwerde dagegen bleibt die Vertretungsmacht bis zur Aufhebung entzogen. 9
») Blomeyer ZPR § 106 V 2 a ; Rüßmann, AcP 167, 410. « ) KG R J A 16, 67; BayObLGZ 1959, 131; diese Folgerung ist unvermeidlich, da das NachIG, wenn der TV von dem Erblasser ernannt ist und kein Ersuchen nadi § 2200 BGB vorliegt, nicht befugt wäre, den wirksam, aber unrechtmäßig entlassenen TV erneut durch reditsgestaltende Verfügung in sein Amt einzusetzen. Vgl. au dl BayObLGZ 1964, 267, 271 und oben Rdn. 18. 92 ) So Schlegelberger § 16 Anm. 6 Abs. 2; BayObLGZ aaO. 03) R G Z 171, 120; B G H Z 39, 236 für den Zuschlagsbeschluß. 94 ) a. M. K G JFG 12, 125; wie hier Josef,
D N o t V 4, 268—279; Ebert-Dudek-Lindemann, FGG 2 § 18 Anm. 2 c. Zutreffend nimmt BayObLGZ 1964, 267 an, daß mit der Rechtskraft der Besch Werdeentscheidung, mit der die Entlassung des Amtsvormundes aufgehoben wird, die gesetzliche Amtsvormundschaft wieder eintritt. 95 ) KG R J A 15, 101; BayObLG BReg. 1 Z 145/ 63, angeführt in BayObLGZ 1964, 271. 96 ) BayObLGZ 1952, 178; Staudinger-Göppinger, BGB 11 § 1666 Anm. 384; a. M. Keidel § 32 Anm. 13. " ) Josef, FGG 2 § 25 Zus.; Wellstein, FGG 2 § 32 Anm. 3; Ebert-Dudek-Lindemann, FGG 2 § 3 2 Anm. 2 b; Schlegelberger § 32 Anm. 6; Keidel § 32 Anm. 12; BayObLGZ 1959, 131.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Hatte die Vorinstanz eine Entscheidung des AG aufgehoben, und wird auf weitere Beschwerde die zweitinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Sache in die zweite Instanz zurückverwiesen, so tritt die erstinstanzliche Entscheidung vom Zeitpunkt der Aufhebung der Beschwerdeentscheidung an wieder in Wirksamkeit (§ 16), sofern nicht das Gericht der weiteren Beschwerde auf Grund des § 24 Abs. 3 ein anderes bestimmt (RG, GruchotsBeitr. 50, 1002). H a t z. B. das AG dem Vater am 1. 4. das Sorgerecht entzogen, ist dieser Beschluß am 1. 6. vom LG aufgehoben, diese Entscheidung wiederum am 1. 8. vom OLG aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen worden und wird sodann die Beschwerde am 1. 10. zurückgewiesen, so ist dem Vater das Sorgerecht entzogen vom 1. 4. bis 1. 6. und vom 1. 8., nicht erst vom 1. 10. an, wie Schlegelberger, § 29 Rdn. 11 Abs. 2, meint.
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4. Die Aufhebung einer Verfügung als nichtig oder wirkungslos (§ 7 Rdn. 32) stellt lediglieh fest, daß die Verfügung niemals Wirksamkeit gehabt hat und beseitigt insoweit rückwirkend den Rechtsschein ihrer Gültigkeit.
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Im sachlichen Recht begründete Änderungen von Verfügungen wegen einer Veränderung der Sachlage (oben Anm. B) haben keine rückwirkende Kraft 9 8 ). Hierbei handelt es sich überhaupt nicht um die Anwendung des § 18; es wird auch in der Regel nicht die frühere Verfügung, sondern der durch sie geschaffene Rechtszustand durch einen contrarius actus geändert. Auf Grund der §§ 1919 bis 1921 BGB wird nicht die die Pflegschaft anordnende Verfügung, sondern die Pflegschaft selbst aufgehoben.
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K. Sonstige Berichtigungen und Ergänzungen
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Nicht zum Anwendungsbereich des § 18 gehören formale Veränderungen und Ergänzungen der Verfügung, sogenannte Nachtragsentscheidungen. Ihre Zulässigkeit beruht auf anderen Rechtsgrundlagen"). 1. Offenbare Unrichtigkeiten der Verfügung können in Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 319 ZPO jederzeit auf Antrag oder von Amts wegen durch Beschluß berichtigt werden 100 ); in Niedersachsen besteht eine gesetzliche Regelung nach § 5 NdsFGG. Es kommt weder auf die Verfahrensart 101 ) noch auf den Rechtszug an, in dem die Entscheidung ergangen ist. Die Berichtigung ist zeitlich unbeschränkt auch nach Einlegung eines Rechtsmittels und nach Eintritt der formellen Rechtskraft zulässig 102 ); § 18 Abs. 2 steht nicht entgegen. Für die Rechtsmittel ist es so anzusehen, als wenn die Verfügung von vornherein in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses ergangen wäre; wenn jedoch der Umfang der Beschwer aus der ursprünglichen Fassung nicht hinreichend erkennbar war, beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses103). Eine Mitwirkung derselben Richter ist nicht erforderlich. Das höhere Gericht darf Beschlüsse der Vorinstanzen, mit denen es als Rechtsmittelgericht befaßt ist, berichtigen 104 ). Die Unrichtigkeit kann sich im Entscheidungssatz, dem Sachverhalt, den Gründen oder im Rubrum (Bezeichnung der Beteiligten, Richter, Datum) befinden. Das Gesetz nennt Schreib- und Rechenfehler nur als Beispiele für offenbare Unrichtigkeiten. Gemeint sind Unstimmigkeiten zwischen Wille und Ausdruck, die offenbar sind, d. h. sich aus dem Sinnzusammenhang der Entscheidung für jeden Einsichtigen ergeben 105 ). Irrtümer bei der richterlichen Willensbildung können zu einer Änderung der Verfügung nur nach Maßgabe des § 18 führen. Die Berichtigung ist wirkungslos, wenn die Voraussetzungen der Berichtigung (und des § 18) nicht vorgelegen »«) Baur § 24 C I, V; Lent-Habscheid4 § 27 IV 1 c. 8S ) Vgl. dazu Hw. Müller MDR 1954, 595. 10 °) KG OLGR 30, 93; KG DFG 1937, 87; KG JFG 19, 258; BayObLGZ 1968, 190; Schleswig SchlHA 1968, 123; BGH RdL 1955, 73; Keidel Anm. 57; Schlegelberger Anm. 2; Baur § 24 A I 2. 101 ) Vgl. zum Todeserklärungsverfahren BayObLGZ 1960, 289; zum Wertpapierbereini-
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) )
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)
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)
gungsverfahren KG WM 1952, 184; 1960, 1134; Düsseldorf WM 1951, 476; München WM 1952, 641; Schleswig WM 1967, 834. RG JW 1935, 806; BGHZ 18, 356. RGZ 170, 186, 189; BGHZ 17, 149; KG OLGZ 1966, 606 = WM 1966, 1211; Blomeyer ZPR § 87 II 1 b; Keidel Anm. 58. Baumbach-Lauterbadi ZPO 2 8 § 319 Anm. 3 A; Keidel Anm. 58. BGHZ 20, 192; Blomeyer ZPR § 87 II 1 a.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit haben und der Berichtigungsbeschluß die ihm gesetzten Grenzen überschreitet 106 ). Gegen die Berichtigung und ihre Ablehnung ist die Beschwerde nach §§ 19 ff. zulässig, und zwar die sofortige, wenn die Beschwerde in der Hauptsache befristet ist 107 ). Der Ausschluß der Beschwerde gegen die Ablehnung der Berichtigung in § 319 Abs. 3 Z P O gilt nicht 108 ); anders aber Art. 5 Abs. 2 NdsFGG. Auf Protokollberichtigungen ist § 319 nicht anwendbar 109 ). Sie geschieht durch einen Berichtigungsvermerk, der von dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten, wenn ein solcher mitgewirkt hat, zu unterschreiben ist. Gegen den Berichtigungsvermerk und seine Ablehnung gibt es keine Beschwerde110). Die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten in Erbscheinen und ähnlichen Zeugnissen ist zwar nicht ausgeschlossen, doch kann die Einziehung eines sachlich unrichtigen Erbscheins durch seine „Berichtigung" nicht abgewendet werden 111 ) (vgl. § 84 Rdn. 11). 3g
2. Tatbestandsberichtigung. Eine Berichtigung des Sachverhalts ist bei Entscheidungen der Tatsacheninstanzen auf Antrag in sinngemäßer Anwendung des § 320 Z P O statthaft 112 ). Das gilt im Hinblick auf § 27 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 1 Z P O uneingeschränkt für Entscheidungen des LG als Beschwerdegericht oder als Gericht erster Instanz, wenn gegen seine Entscheidung die Rechtsbeschwerde stattfindet, aber auch für andere erstinstanzliche Entscheidungen, soweit sie überhaupt einen Sachverhalt enthalten. Dagegen kommen Entscheidungen des Rechtsbeschwerdegerichts nicht in Betracht, weil sie keinen Tatbestand, sondern, wenn überhaupt, eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts nur insoweit enthalten, als es zum Verständnis der nachfolgenden Gründe erforderlich ist113). Die einwöchige Antragsfrist des § 320 Abs. 1 Z P O gilt nur, wenn das Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache befristet ist; die Ausschlußfrist von drei Monaten nach § 320 Abs. 2 gilt aber auch hier 114 ). Mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, sofern sie nicht, wie nach § 15 Abs. 1 LwVG, auf Antrag anberaumt werden muß; die übrigen Beteiligten sind aber zu hören. Berichtigungsfähig ist ohne Rücksicht auf die Stelle, an der es sich in der Entscheidung befindet, alles, was seinem Wesen nach zum Tatbestand gehört und nicht sachliche oder rechtliche Würdigung ist 115 ). Die Vorschrift, daß nur diejenigen Richter mitwirken, die an dem Urteil mitgewirkt haben (§ 320 Abs. 4 Satz 2), ist in Fortführung des § 309 Z P O ein Ausfluß der Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Verhandlung und gilt deshalb nicht in Verfahren ohne mündliche Verhandlung 116 ), daher nicht in der freiwilligen Gerichtsbarkeit 117 ) (Ausnahme § 15 Abs. 1 LwVG). Der die Berichtigung zulassende oder aus sachlichen Gründen ablehnende Beschluß ist unanfechtbar 118 ). Die (unbefristete) Beschwerde ist jedoch statthaft, wenn der Beschluß den Berichtigungsantrag ohne Sachprüfung als unzulässig verwirft oder in einem unzulässigen Verfahren ergangen ist118). Gegen eine derartige Entscheidung des LG findet die erste Beschwerde an das OLG (ObLG) statt 120 ).
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3. Entscheidungsergänzung. Die Vorschrift des § 321 Z P O über die Ergänzung von Entscheidungen, wenn ein Sachantrag oder der Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen, " • ) R G Z 122, 332; 129, 155, 162; B G H Z 20, 188; Schleswig WM 1967, 834; Rosenberg ZPR" § 73 IV 2 d; Stein-Jonas 1 8 S 319 Anm. I I I ; Wieczorek § 319 Anm. E I I 2; Fischer LM § 319 Z P O Anm. 107 ) KG DFG 1937, 87; Keidel Anm. 58. 108 ) B G H RdL 1955, 73; Keidel Anm. 58 Fn. 4; a. M. Schleswig SdilHA 1956, 153. 10 °) BArbG N J W 1965, 931 ; a. M. Wieczorek § 159 Anm. B II c; Keidel Anm. 59. BArbG aaO.; vgl. zu § 320 Z P O BayObLGZ 1965, 137; a. M. Keidel Anm. 59. »») K G J 50, 103; K G O L G Z 1966, 612; BayObLGZ J F G 3, 153; Celle NdsRpfl. 1955, 189; Keidel Anm. 59. 112 ) Celle RdL 1955, 333; BayObLGZ 1965, 137; Hamm O L G Z 1967, 228 = N J W 1967, 1619; Schleswig SdilHA 1968, 123; Baur § 24 A I 2; Keidel Anm. 60; Barnstedt RdL
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1959, 144; Pritsch LwVG § 21 Anm. E I I c. »3) München RzW 1953, 199; K G O L G Z 1965, 328; ebenso für die Revision R G Z 80, 172; B G H N J W 1956, 1480; BVerwG DVB1. 1960, 519. ") LG Miinchen N J W 1956, 795. 8 0 ) Muller J R 1954, 53; Staudinger-Goppinger B G B 1 1 § 1666 Anm. 356. 8 1 ) Keidel Anm. 25. 8 2 ) Stuttgart OLGZ 1966, 471. 83) KG OLGR 16, 8; K G J F G 20, 247; BayObLGZ 1961, 262; Staudinger-Goppinger B G B 1 1 § 1666 Anm. 357, 358. 84) KG J F G 20, 247; BayObLGZ 1961, 262; Staudinger-Goppinger B G B 1 1 § 1666 Anm. 360; Keidel Anm. 26. 8 5 ) So aber im Recht der D D R nadi § 22 JugendhilfeVO, vgl. Vorbem. 4 b vor § 35. 8 ") Braunschweig OLGZ 1966, 83 = FamRZ 1965, 617.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften dem Wirksamwerden der endgültigen Entscheidung ohne weiteres hinfällig, ohne daß dies von einem besonderen Ausspruch abhängig ist, und damit unanfechtbar 87 ); ein anhängiges Beschwerdeverfahren erledigt sich dadurch. Das VormG kann nicht bestimmen, daß die vorläufige Anordnung über die endgültige Entscheidung hinaus Geltung behalten soll. b) Sonderfälle. Eine vorläufige Sorgerechtsregelung bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses ist nicht zulässig. Im Zusammenhang mit der Aussetzung eines Verfahrens nach §§ 1671, 1672, 1696 (nicht auch § 1666) können aber vorläufige Regelungen des Sorgerechts getroffen werden 88 ). Die Anordnung der vorläufigen Vormundschaft (§ 1906 BGB) ist keine vorläufige Anordnung in dem hier erörterten Sinne (vgl. dazu § 52 mit Bern.). Die vorläufige Fürsorgeerziehung ist in § 67 J W G besonders geregelt; sie ist nadi § 67 Abs. 5 J W G aufzuheben, wenn das VormG die Anordnung der endgültigen Fürsorgeerziehung ablehnt oder innerhalb von sechs Monaten darüber keinen Beschluß erlassen hat; diese Frist beginnt mit dem Erlaß des die vorläufige Fürsorgeerziehung anordnenden Beschlusses89). Für einstweilige Anordnungen des VormG im Verfahren zur Genehmigung der Unterbringung eines Mündels nach § 55a Abs. 3 gelten entsprechende Grundsätze wie bei sonstigen vorläufigen Anordnungen des VormG (§ 55a Rdn. 29). Im Verfahren vor dem Nachlaßgericht ist eine vorläufige Amtsenthebung des Testamentsvollstreckers nicht zulässig 80 ), audi nicht die Einziehung eines Erbsdieins auf Grund einer vorläufigen Anordnung 91 ), vorbehaltlich einstweiliger Sicherungsmaßregeln nach § 24 Abs. 2, 3.
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4. Einstweilige Anordnungen kann das Gericht erster Instanz in echten Streitsachen (Regelungsstreitigkeiten) nach § 53a Abs. 3 FGG, §§ 12, 13 Abs. 2, 18 Abs. 2 VHG, § 44 Abs. 3 WEG und § 13 HausratsVO erlassen. Diese Vorschriften sollen es dem Gericht ermöglichen, für die Dauer des Verfahrens einen gesicherten rechtlich geordneten Zustand zu schaffen und dafür zu sorgen, daß durch eine Veränderung der Sachlage nicht der Endentscheidung vorgegriffen wird. Der das Verfahren einleitende Antrag muß gestellt sein; ein Armenrechtsgesuch genügt nicht. Die Anordnung selbst bedarf keines Antrags (vgl. § 53a Rdn. 21). Diese Anordnungen sind wegen ihres genannten beschränkten Zwecks nicht selbständig anfechtbar; das gilt auch für § 13 Abs. 4 Hausrats VO 9 2 ). Auch gegen ihre Ablehnung findet keine Beschwerde statt 93 ). Das Gericht erster Instanz ist aber zur Änderung befugt (§ 18 Rdn. 10). Unanfechtbar sind auch bei Einlegung einer Beschwerde die Anordnungen des iudex a quo oder ad quem nach § 24 Abs. 2, 3 (§ 24 Anm. E). Im Landwirtschaftsverfahren sind vorläufige Anordnungen des Amtsgerichts und ihre Ablehnung nach § 18 Abs. 2 LwVG mit der einfachen Beschwerde anfechtbar, solche des O L G unanfechtbar (§ 24 Abs. 3 LwVG). Im Freiheitsentziehungsverfahren ist die Anordnung der einstweiligen Freiheitsentziehung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (§§ 11, 7 FrEntzG), ebenso nach den einschlägigen Landesunterbringungsgesetzen. Im Rückerstattungsverfahren lassen Art. 52 REGamZ, Art. 44 REGbrZ, Art. 45 R E A O Berlin einstweilige Verfügungen oder Arrestbefehle der Wiedergutmachungsbehörden zu, auf welche die Vorschriften der ZPO über Arreste und einstweilige Verfügungen entsprechend anwendbar sind; die Wiedergutmachungskammer kann nach Art. 67 Abs. 2 Buchst, e REGamZ, Art. 59 Abs. 2 Buchst, d REGbrZ, Art. 61 Abs. 2 Buchst, d R E A O Berlin die vorläufige Herausgabe entzogener Vermögensgegenstände an den Berechtigten anordnen; hiergegen ist die sofortige Beschwerde gegeben94). Einstweilige Anordnungen werden mit dem Wirksamwerden der endgültigen Entscheidung hinfällig, ohne daß es einer förmlichen Aufhebung bedarf.
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«') KG OLGR 16, 2 2 7 ; K G J F G 13, 32; J F G 20, 247, 250; Staudinger-Göppinger BGB 1 1 § 1666 Anm. 361; Keidel Anm. 26. 8 8 ) Schwoerer E J F A III Nr. 6 zu c zu Saarbrücken FamRZ 1955, 145 und Hamm ZB1J R 1955, 138; vgl. auch Keidel Anm. 27. 8 ») BayObLGZ 1962, 328 = N J W 1963, 208; KG N J W 1964, 778 = FamRZ 1964, 162 = ZB1JR 1964, 2 2 ; Staudinger-Göppinger BGB 1 1 Anh. zu S 1666 Anm. 441. «») KG J F G 3, 172; vgl. § 81 Anm. D 3.
»i) B G H Z 40, 54 = LM § 2361 BGB Nr. 4 mit Anm. v. Piepenbrock. » 2 ) KG O L G Z 1965, 233 = FamRZ 1965, 571 = J R 1965, 425; a. M. Göppinger J R 1962, 47. »3) KG OLGZ 1965, 233; vgl. § 53 a Anm. 9 ; Bärmann W E G § 44 Anm. 5 ; WeitnauerWirths W E G § 44 Anm. 3 ; B G B - R G R K 1 0 § 44 W E G Anm. IV. M) München RzW 1950, 83; Keidel Anm. 28.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit 31
i . Unanfechtbare Verfügungen. In einer Reihe von Fällen sind Verfügungen in Abweichung von § 19 Abs. 1 gesetzlidi für unanfechtbar erklärt, so §§ 5 Abs. 2, 20a Abs. 1, 44a Abs. 2, 44b Abs. 2, 46 Abs. 2, 47 Abs. 2, 56a Abs. 1 Satz 2, 67 Abs. 3, 75 Satz 2 Halbs. 2, 76 Abs. 1, 84, 132 Abs. 2, 146 Abs. 3, 148 Abs. 2 Satz 2, 164 F G G , § 33 VerschG, §§ 64, 184 V V G (dazu § 164 Rdn. 9), § 73 Abs. 1 A k t G (dazu § 145 Rdn. 20). Unanfechtbar sind auch Abgabeverfügungen, die das Gesetz für bindend erklärt (§§ 36 Abs. 2, 43a Abs. 2, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2 F G G , § 11 Abs. 2 HausratsVO, § 15b VerschG, § 7 Abs. 1 ZustErgG) 9 5 ). Überwiegend unterliegen diese Verfügungen aber der Änderungsbefugnis des Gerichts nach § 18 Abs. 1 F G G (§ 18 Rdn. 10). Eine Beschwerde ist gegen gesetzlidi unanfechtbare Entscheidungen gleichwohl zuzulassen, wenn die Entscheidung jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist, insbesondere wenn eine Entscheidung dieser Art oder dieses Inhalts oder dieser Stelle oder auf Grund eines derartigen Verfahrens im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist 9 6 ). Ein Verfahrensfehler genügt nicht; auch reicht es nicht aus, daß das Gericht die Voraussetzungen seiner Entscheidungsbefugnis verkannt hat 9 7 ). Auch die Behauptung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht geeignet, einen gesetzlich verschlossenen weiteren Rechtsmittelzug zu eröffnen 8 8 ) oder gar die Nichtigkeit der Entscheidung zu begründen 99 ). Soweit jedoch Entscheidungen der Anfechtung entzogen sind, weil es sich um Ermessensfragen handelt, für deren Nachprüfung im Rechtsmittelwege kein Bedürfnis besteht, wie einstweilige Anordnungen nach F G G §§ 24 Abs. 3, 53a Abs. 3, V H G § 13 Abs. 2, § 18 Abs. 2, W E G § 44 Abs. 3, HausratsVO § 13 Abs. 4, ist die Beschwerde nicht ausgeschlossen, wenn es sich um die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Vorschrift im Gegensatz zur sachlichen Nachprüfung der Ermessensausübung handelt10®).
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Form der Verfügung. Für die Anfechtbarkeit ist es unerheblich, in welcher Form die Verfügung erlassen ist. Da für Verfügungen des Gerichts erster Instanz die Schriftform nicht grundsätzlich vorgeschrieben ist, soweit sie nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 der Zustellung bedürfen, können auch mündliche Verfügungen Gegenstand der Beschwerde sein 101 ). Das gilt auch, wenn das Gesetz die Schriftform vorschreibt, z. B. in § 46 Abs. 2 Satz 2 J W G für die bestellte Amtsvormundschaft. Selbst wenn der in § 16 Abs. 2 Satz 2 vorgesehene Aktenvermerk nicht gemacht ist, kann der vom unteren Gericht dem Beschwerdegericht zu erstattende Bericht eine genügende Grundlage für die Beschwerdeentscheidung bilden 1 0 2 ). Jedoch ist diese Form ungewöhnlich; sie wird nur für Verfügungen minderer Bedeutung, z. B. Verweigerung der Akteneinsicht oder bei Eilmaßnahmen (fernmündliche Verfügung) in Betracht kommen. Jedenfalls wird in Zweifelsfällen die Prüfung angebracht sein, ob wirklich eine Verfügung (Anm. E) gewollt war und nicht nur eine Meinungsäußerung vorliegt. In Stillschweigen und schlüssigem Verhalten kann eine Verfügung nicht gefunden ) Vgl. KG J F G 23, 201; zu § 11 Abs. 2 HausratsVO BayObLGZ 1952, 2 und dazu KG FamRZ i960, 239, 240 zu II a. E. »«) BGHZ 21, 142 (146); 28, 349 (350 f.); BGH, LM Nr. 2 zu § 13 LwVG = J Z 1958, 482 = RdL 1958, 20 mit umfassenden Nachweisen; Keidel Anm. 86; Stein-Jonas-Grunsky ZPO 19 § 567 I 4; Kritik üben Blomeyer, § 105 I 2 und Schönke-Baur, ZwVollstr-, Konkurs- u. VglR 7 , § 9 III 5. 7 • ) KGJ 43, 9; a. M. BayObLGZ 1952, 81; 1953, 38. »8) BGH, LM Nr. 2 zu § 84 BVFG = NJW 1957, 713 (zu § 84 I BVFG); LM Nr. 2 zu § 13 LwVG = JZ 1958, 482 mit Anm. Baumgärtel = RdL 1958, 20 mit Anm. Baur (zu § 13 I 3 LwVG); LM Nr. 25 zu § 24 LwVG = MDR 1961, 309 (zu § 24 LwVG); BGH, PatGE 2, 253 (254 f.) (für nicht zugelassene Rechtsbesdiwerde nach § 41 p PatG); 95
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)
"">) 101) 102
)
BGHZ 43, 12; KG OLGZ 1966, 122 = NJW 1966, 1365; Hamm MDR 1965, 507; BVerwG, DVBI. 1965, 840 (zu § 152 I VwGO), LG Lübeck, SchlHA 1959, 81 (zu § 813a V 4 ZPO); ferner allgemein: Dürig in MaunzDürig, Art. 103 I Rn. 89; Mührer, SdilHA 1959, 73 (75); Röhl, N J W 1964, 273 (274) u. ö.; Bettermann, ZZP 77, 48; Henckel, ZZP 77, 331 ff.; Fenn ZZP 79, 308 ff.; SteinJonas-Grunsky ZPO 19 Einl. IV 1 vor § 511; Jansen, Wandlungen im Verf. der FG, 1964, S. 29 Fn. 76; Keidel Anm. 86; a. M. Düsseldorf Rpfleger 1964, 277. BayVerfGH Rpfleger 1964, 12; Jansen, Wandlungen aaO. So zu § 13 VHG BayObLGZ 1953, 36. Colmar R J A 2, 151 = K G J 23 D 3; KG OLGR 9, 350; 35, 9; Unger ZZP 36, 74; Sdilegelberger Anm. 10; Keidel Anm. 34. Colmar RJA 2, 151; Keidel Anm. 34.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften werden103). Daher liegt keine nadi §§ 1634, 1671 BGB erforderliche gerichtliche Verfügung vor, wenn der Richter eine Vereinbarung der Eltern über die Ausübung des Verkehrsrechts oder die Regelung der elterlichen Gewalt nach der Scheidung lediglich zu Protokoll nimmt oder einen Vergleich beurkundet. Der Erlaß einer Verfügung kann jedoch in Maßnahmen zum Ausdrude kommen, welche ihrer Ausführung dienen, z. B. die Anordnung der Einziehung des Erbsdieins in dem Beschluß über die Kraftloserklärung, die Anordnung der Vormundschaft in der Auswahl des Vormundes oder in dem Reditshilfeersuchen um Verpflichtung des Vormunds104).
F. Statthaftigkeit der Beschwerde 1. Erlaß der Verfügung. Da das Rechtsmittel sich gegen eine Verfügung richten muß, kann es in Ermangelung eines Gegenstandes wirksam nicht eingelegt werden, bevor die Verfügung rechtlichen Bestand erlangt hat. Das ist der Fall, wenn die Verfügung im Sinne der Bern, zu § 18 Rdn. 5 „erlassen" ist. Der Erlaß der Verfügung ist Voraussetzung der Wirksamkeit der in der Beschwerdeeinlegung liegenden Verfahrenshandlung. Ein im voraus gewissermaßen „auf Vorrat" eingelegtes Rechtsmittel gegen eine möglicherweise künftig ergehende Entscheidung (Eventualbeschwerde) ist unzulässig; es tritt auch keine Heilung der Unwirksamkeit dadurch ein, daß die Entscheidung später erlassen wird 105 ). Nur für den beschränkten Fall, daß zur Zeit der Einlegung der Beschwerde die Entschließung bereits gefaßt und zu den Akten gebracht war, wird Heilung durch den späteren Erlaß der Verfügung anzunehmen sein100). Nicht behebbare Zweifel über die Wirksamkeit einer Verfahrenshandlung sind im Sinne der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu entscheiden107). Unschädlich ist es, wenn die Beschwerde gegen eine bereits erlassene Verfügung für den Fall eingelegt wird, daß einem Antrag auf Änderung der Verfügung nicht stattgegeben wird; darin liegt keine (unzulässigerweise) bedingte Beschwerde (dazu § 21 Rdn. 14), sondern ein Hinweis auf die ohnehin bestehende Änderungsbefugnis des Gerichts; wo eine Änderungsbefugnis nicht besteht ( § 1 8 Abs. 2), ist der Vorbehalt gegenstandslos und die Beschwerde zulässig. Nicht erforderlich ist es, daß die erlassene Verfügung dem Beschwerdeführer zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels bereits bekanntgemacht und nach Maßgabe des § 16 wirksam geworden ist; auch die sofortige Beschwerde kann nach dem Erlaß der Verfügung bereits vor dem Beginn der Beschwerdefrist eingelegt werden, also auch, wenn die nach § 16 Abs. 2 Satz 1 erforderliche Zustellung fehlt oder unwirksam ist 108 ).
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2. Fortfall der Anfechtbarkeit. Eine an sich anfechtbare Verfügung kann durch verfahrensrechtliche oder sachlichrechtliche Vorgänge unanfechtbar werden:
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a) Verfahrensrechtliche Überholung. Die Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Verfügung durch die spätere Fortentwicklung desselben Verfahrens bedeutungslos und unschädlich geworden ist oder wenn die Verfügung inhaltlich in eine spätere, in demselben Verfahren ergangene Entscheidung übergegangen ist, durch welche die Selbständigkeit des Bestandes und der Fortwirkung der früheren Verfügung aufgehoben wird, so daß die nachteiligen Wirkungen der Verfügung nur noch durch Anfechtung der späteren Entscheidung beseitigt werden können 100 ). Aus diesem Grunde sind insbesondere verfahrensleitende Verfügungen nicht mehr selbständig anfechtbar, sobald die den Rechtszug abschließende Sachentscheidung ergangen ist; die Richtigkeit der Verfügung kann jetzt nur noch mit der Beschwerde gegen die abschließende Sachentscheidung zur Nachprüfung gestellt werden. Mit
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103) Ebert-Dudek-Lindemann 2 2 vor § 16; Oetker RheinZ 23, 240; Schlegelberger Anm. 11. 104) K G O L G R 16, 259; Unger ZZP 36, 7 4 " ' ; Schlegelberger Anm. 11. « 5 ) R G Z 46, 418; K G O L G R 11, 253; BayObL G Z 21, 40; Schlegelberger Anm. 14; Keidel Anm. 75, $ 21 Anm. 21; Baur § 29 B I I I ; vgl. für den Zivilprozeß BaumbadiLauterbach Z P O 2 8 § 569 Anm. 2 B c ; Jau-
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') )
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109)
ernig N J W 1964, 723; a. M. für den Strafprozeß Erdsiek N J W 1961, 1637. Schlegelberger Anm. 15; vgl. zum Zivilprozeß B G H N J W 1964, 248 und dazu Jauernig N J W 1964, 722 Anm. R G Z 106, 264. K G J 22 A 198 = R J A 2, 210; Schlegelberger Anm. 16. U n g e r ZZP 36, 79.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit dem Erlaß der Endentscheidung erledigt sich die Beschwerde gegen eine Verfügung, durch welche das Gericht seine örtliche Zuständigkeit bejaht oder eine Abgabe abgelehnt hat, oder gegen eine auf die Beseitigung von Hindernissen gerichtete Zwischenverfügung (oben Rdn. 27) oder gegen eine vorläufige Anordnung des VormG (oben Rdn. 28). Die Beschwerde gegen die Anordnung der Aussetzung erledigt sich mit der Wiederaufnahme des Verfahrens. Maßgebend ist der Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Beschwerdegerichts. Eine prozessuale Überholung tritt aber nicht ein, wenn über einen Zwischenstreit in einem besonderen Verfahren zu entscheiden ist, so daß der Zwischenstreitpunkt mit der Beschwerde im Verfahren zur Hauptsache nicht zur Nachprüfung gestellt werden könnte, wie die Begründetheit der Richterablehnung (§ 6 Rdn. 25), die Rechtmäßigkeit einer Zeugnisverweigerung (§ 15 mit § 387 ZPO) oder die Berechtigung der Ablehnung eines Sachverständigen (§ 15 mit § 406 Abs. 5) 110 ); in diesen Fällen tritt Unanfechtbarkeit erst mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache ein. Keine Unanfechtbarkeit tritt auch ein, wenn der Nebenpunkt gegenüber der Entscheidung in der Hauptsache seine Bedeutung behält, z. B. bei Versagung der Akteneinsicht. Keiner Hervorhebung bedarf es, daß die Beschwerde unzulässig wird, wenn das Gericht erster Instanz ihr gemäß § 18 abgeholfen hat 111 ). b) Erledigung der Hauptsache 36
«) Verfahrensrechtliche Bedeutung. Ein Verfahren erledigt sich, d. h. eine Sachentscheidung kann nicht mehr ergehen, wenn der Verfahrensgegenstand nach der Einleitung des Verfahrens durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, fortgefallen ist. Ein Amtsverfahren ist einzustellen; im Antragsverfahren kann der Antrag nicht mehr mit dem Ziel des Erlasses einer Sachentscheidung weiterverfolgt werden. Tritt das erledigende Ereignis nach dem Erlaß der Verfügung ein, so ist eine Beschwerde unzulässig, weil die Verfügung keine Beschwer in der Hauptsache mehr begründet 112 ). Bei Eintritt der Erledigung nach Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels wird die Beschwerde in der Hauptsache unzulässig; der Beschwerdeführer muß die Beschwerde auf den Kostenpunkt beschränken (vgl. § 20a Rdn. 11); verfolgt er die Beschwerde auch in der Hauptsache weiter, so ist sie in vollem Umfange als unzulässig zu verwerfen. Ob eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, stellt das Gericht im Amtsverfahren auch ohne darauf gerichtete Erklärungen der Beteiligten fest 113 ), ebenso im Antragsverfahren und im Beschwerdeverfahren 114 ). In echten Streitsachen, deren Gegenstand der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt, ist das Gericht an die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten gebunden 115 ); es kann die Erledigung aber auch ohne und entgegen den Erklärungen der Beteiligten feststellen, worüber alsdann ein Beschluß zu ergehen hat 116 ), weil darin eine Entscheidung zur Hauptsache liegt (§ 20a Rdn. 8). Eine Erledigung des Rechtsmittels ist jedenfalls für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anzuerkennen 116 ').
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ß) Erledigende Ereignisse sind im Verfahren zur Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227) die Kündigung des Amtes 117 ), im Verfahren zur Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds (§ 104 AktG) die Beseitigung der Vakanz durch Wahl 118 ), im Hausratsverfahren der " 0 ) KG N J W 1965, 1086; Keidel Anm. 44; Kollnig N J W 1967, 2045; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 44 Anm. III, § 46 Anm. II, § 406 Anm. I V ; a. M. Rosenberg ZPR» § 22 III 4; Baumbach-Lauterbadi Z P O 2 8 § 46 Anm. 2, § 406 Anm. 4. i » ) BayObLGZ 12, 225 = OLGR 23, 376 = Redit 1911 N r . 1798; Keidel Anm. 42; Schlegelberger Anm. 17 a. E. 112 ) Baur § 29 A II 3 b bb; Keidel Anm. 43; Schlegelberger Anm. 17 zu a; KG OLGZ 1966, 596 zu 2; BayObLGZ 1966, 82 zu II 2 e. 113 ) BayObLGZ 1958, 222. 114 ) K G Rpfleger 1959, 385; Keidel § 20 a Anm. 7.
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us
) Müller-Tochtermann N J W 1959, 421, 422; Keidel § 20 a Anm. 7; Bärmann § 18 IV 3 a; a. M. BayEGH Ëhrenger. Entsdi. I X , 153; dahingestellt gelassen in B G H N J W 1968, 1725. 116 ) LG Hamburg N J W 1959, 2122. 116 *) Vgl. KG Rpfleger 1959, 385; zum Streitstand im Zivilprozeß vgl. Habsdieid N J W 1960, 2132; Blomeyer ZPR § 98 I I I ; SteinJonas-Pohle Z P O 1 9 § 91 a Anm. V 2; wie hier Bärmann § 18 IV 1. » " ) BayObLGZ 1955, 271, 273; KG Rpfleger 1959, 385; Celle NdsRpfl. 1961, 199. 118 ) KG OLGZ 1966, 596 zu 2.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Tod eines Ehegatten 119 ), Tod des Hofübergebers während des Genehmigungsverfahrens, wenn der Ubernehmer zum Hoferben berufen ist 120 ), Tod des Mündels (Pflegebefohlenen) im Verfahren wegen der Anordnung oder Aufhebung der Vormundschaft (Pflegschaft) 121 ), Tod des Kindes in Sorgerechtssachen, Aufhebung der Vormundschaft (Pflegschaft) im Beschwerdeverfahren wegen der Auswahl des Vormundes (Pflegers) und der Versagung oder Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung 122 ), zeitliche Überholung in Verkehrsregelungssachen (§ 1634 BGB), rechtskräftige Ehescheidung im Verfahren zur Aufhebung der Ausschließung der Schlüsselgewalt, da die Verfügung erst mit der Rechtskraft wirksam wird (§ 53) und die Aufhebung keine rückwirkende K r a f t hat 123 ). Eine nach § 1672 BGB getroffene und nach § 16 wirksam gewordene Regelung bleibt auch nach (rechtskräftiger Auflösung der Ehe bestehen; es ist nunmehr das Verfahren nach § 1671 von dem dafür örtlich zuständigen VormG durchzuführen 124 ); dagegen erledigt sich ein anhängiges Verfahren nach § 1672 durch die rechtskräftige Scheidung der Ehe; das VormG kann eine Entscheidung nach § 1672 nidit mehr erlassen, und eine Beschwerde ist unzulässig, wenn die Rechtskraft der Ehescheidung nach dem Erlaß der Verfügung eintritt 125 ). Ein Verfahren nach § 1671 erledigt sich durch die Wiederverheiratung der Eltern oder wenn die Unehelichkeit des Kindes rechtskräftig festgestellt wird 126 ). Ein Verkehirsregelungsverfahren (§ 1634) erledigt sich durch die rechtskräftige Ehescheidung nicht126"). Das Verfahren zur Entlassung des Vormundes oder Pflegers (§§ 1886, 1915 BGB) wird durch die Aufhebung der Vormundschaft (Pflegschaft) gegenstandslos, wenn die Entlassung zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfügt war; war die Entlassung vor Beendigung der Vormundschaft wirksam geworden (§ 16), so tritt Erledigung nicht ein, weil die Aufhebung zurückwirkt (§ 18 Rdn. 31). Beschwerden gegen Strafandrohungen werden durch die Festsetzung der Strafe nicht gegenstandslos, wenn die Strafandrohung noch Grundlage weiterer Straffestsetzungen sein kann. Ein auf Aufhebung der Pflegschaft gerichtetes Verfahren erledigt sich, wenn die Pflegschaft kraft Gesetzes beendigt ist 127 ). Ein Verfahren zur Anordnung der vorläufigen Vormundschaft (§ 1906 BGB) dagegen erledigt sich nicht dadurch, daß die vorläufige Vormundschaft kraft Gesetzes gemäß § 1908 Abs. 2 BGB beendigt ist oder das VormG sie nach § 1908 Abs. 3 BGB aufgehoben hat (§ 52 Anm. D). In Verfahren, deren Gegenstand durch die Beendigung der Vormundschaft oder des Amtes des Vormundes nicht berührt wird, tritt eine Erledigung nicht ein, z. B. bei Festsetzung der Vergütung nach § 1836 BGB 128 ). Im Freiheitsentziehungs- und Unterbringungsverfahren tritt eine Erledigung der Hauptsache ein, wenn die Unterbringungsfrist abgelaufen und bei einstweiliger Unterbringung mit einer zulässigen Verlängerung nicht zu rechnen ist, ferner nach formell rechtskräftiger Aufhebung der Unterbringungsanordnung mit der Folge, daß die Freiheit nur in einem neuen Verfahren beschränkt werden könnte 129 ). Die Fortsetzung eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens, um etwa im Hinblick auf die beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung entsprechend den §§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, 131 Abs. 1 Satz 2 SozGG, § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG zu erwirken, ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht vorgesehen 130 ); es ist stets erforderlich, daß die Aufhebung der Verfügung auf die Rechts119
) H a m m J M B l N R W 1965, 91 = FamRZ 1965, 220. 12 °) B G H M D R 1961, 125. 121 ) BayObLGZ 1965, 348. 122 ) KG OLGR 2, 499; Schlegelberger Anm. 17. 12 ») KG JFG 16, 199; Schlegelberger Anm. 17; a. M. München JFG 15, 174. 124 ) H a m m J M B l N R W 1962, 190; BayObLGZ 1964, 410; 1967, 238, 286; StaudingerSdiwoerer BGB 1 1 § 1672 Anm. 23. 125 ) A.M. Keidel § 27 Anm. 52. 126 ) Stuttgart Die J 1965, 276. 126 *) Staudinger-Sdiwoerer BGB 1 1 § 1634 Anm. 115 a gegen H a m m J M B l N R W 1963, 203. 127 ) BayObLGZ 1966, 82.
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«) Vgl. KG N J W 1957, 1441; BayObLGZ 1965, 348 zu II 2; Schlegelberger Anm. 19. ») Düsseldorf J M B l N R W 1957, 162 = M D R 1957, 492; H a m m J M B l N R W 1959, 267; Köln J M B l N R W 1967, 275; Frankfurt OLGZ 1968, 341; Celle N d s R p f l . 1965, 155; BayObLGZ 1964, 149 unter Aufgabe von BayObLGZ 1954, 251; 1956, 425, 432; 1956, 466; Kersting JZ 1959, 552; Böning SciilHA 1960, 160, 166; Keidel § 20 a Anm. 7, § 27 Anm. 52; a. M. Saage FrEntzG § 11 Anm. 20; Baumann, Unterbringungsredit S. 468. 13 °) BayObLGZ 1964, 149 zu 4; 1966, 82 zu II 2 d. 12
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Stellung des Betroffenen unmittelbar einwirkt. Unter den Begriff der Erledigung in der Hauptsache fällt es nicht, wenn im Antragsverfahren der Antrag zurückgenommen wird 131 ) oder wenn durch den Eintritt einer neuen Tatsache im Antragsverfahren der Antrag oder im Amtsverfahren die zu treffende Maßnahme unbegründet geworden ist. Daher sind Verfügungen, mit denen dem Vormund wegen der Führung der Vormundschaft Weisungen nach § 1837 Abs. 1 BGB erteilt oder Ordnungsstrafen angedroht oder gegen ihn festgesetzt werden, nach Beendigung der Vormundschaft oder des Amtes als Vormund schon aus diesem Grunde, auch wenn sie zur Zeit ihres Erlasses berechtigt waren, auf eine zulässige Beschwerde hin aufzuheben (§ 23 FGG), soweit nicht das VormG auch nach Beendigung des Amtes noch befugt bleibt, den Vormund zur Erfüllung seiner Pflichten, z. B. zur Rückgabe der Bestallung und Legung der Schlußrechnung, anzuhalten 132 ). Ferner tritt keine Erledigung in der Hauptsache ein, wenn der zur Fürsorgeerziehung zu bringende Minderjährige im Laufe des Beschwerdeverfahrens das 20. Lebensjahr vollendet (§ 64 J W G ) ; vielmehr wird die angeordnete oder erstrebte Maßnahme nunmehr unbegründet, soweit die neue Tatsache verfahrensrechtlich noch berücksichtigt werden kann (dazu § 27 Rdn. 38). c) Wirkungslosigkeit einer aufhebenden Beschwerdeentscheidung. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn die Wirkung der Verfügung durch den Hinzutritt einer weiteren Tatsache so endgültig eingetreten ist, daß sie durch deren Aufhebung nicht mehr beseitigt werden könnte 133 ). Das ist z. B. der Fall, wenn auf Bewilligung des Amtsgerichts die Kraftloserklärung einer Vollmachtsurkunde (§ 176 BGB) bewirkt oder wenn auf Grund einer nach § 1 6 6 FGG ergangenen Entscheidung das Pfand verkauft ist oder wenn nach Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zur Abgabe von Geboten in der Zwangsversteigerung das aus diesem Grunde zurückgewiesene Gebot des Vormundes nach §§ 71, 72 ZVG erloschen ist 134 ) oder wenn nach Erteilung des Zeugnisses nach § 9 EheG die Ehe geschlossen ist. Da die vollzogene Einziehung oder Kraftloserklärung eines Erbscheins nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, ist auch eine Beschwerde gegen die Einziehungsanordnung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nach dem Kraftloswerden des Erbscheins (BGB § 2361 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3) unzulässig; zulässig bleibt sie mit dem Ziel der Erteilung eines neuen, mit dem eingezogenen gleichlautenden Erbscheins 135 ). Die Beschwerde ist aber nidit schon deswegen unzulässig, weil eine Verfügung bereits mit der Bekanntmachung wirksam geworden ist und ihre Aufhebung keine rückwirkende Kraft hätte (vgl. § 18 Rdn. 32); vielmehr hat dann das Beschwerdegericht zum erneuten Erlaß der aufgehobenen Verfügung anzuweisen. Gegen die wirksam gewordene Aufhebung der Pflegschaft kann daher Beschwerde mit Ziel ihrer erneuten Anordnung eingelegt werden 136 ). Eine Pflegschaft zur Führung eines Rechtsstreits ist nicht deswegen der Aufhebung im Beschwerdewege entzogen, weil die Klage bereits erhoben ist; denn die Aufhebung hätte nur zur Folge, daß die Klage wegen mangelnder gesetzlicher Vertretung des Kindes durch Prozeßurteil abzuweisen ist, was dem Interesse des Kindes nicht zu widersprechen braucht 137 ). Der Verbrauch einer erteilten Ermächtigung, z. B. zur Einberufung einer Hauptversammlung, macht die Beschwerde gegenstandslos, es sei denn, daß die erste Einberufung Mängel hatte und wiederholt werden muß 138 ). Die Ausführung einer Verfügung steht ihrer Anfechtung nicht entgegen, wenn sich Hindernisse nicht aus der Natur der Ausführungshandlung (Eintragung in Register, Erbschein) ergeben. Die vorläufige Fürsorgeerziehung kann aufgehoben werden, auch wenn mit ihrer Ausführung begonnen ist. Die Beschwerde gegen die Anordnung der Herausgabe eines Kindes (§ 1632 Abs. 2 BGB) wird durch die Vollziehung der Herausgabe nicht unzulässig 138 );
) A. M. Keidel § 20 a Anm. 7 ; § 13 a Anm. 44; wie hier Bärmann § 18 I V 1. ) Vgl. K G J 30 A 24; Hamm O L G Z 1966, 484, 486. 1 3 3 ) Frese ZB1FG 4, 677; Unger ZZP 36, 7 8 1 8 3 ; Sdilegelberger Anm. 18; Keidel Anm. 44; K G J F G 5, 272; München J F G 20, 303; Karlsruhe FamRZ 1962, 197. 1 3 4 ) Schlegelberger Anm. 17. 131
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« » ) K G J 36 A 116; J F G 10, 79; Darmstadt J F G 10, 77; BayObLGZ 1951, 416; 1953, 197; vgl. § 84 Rdn. 21. 1 3 8 ) K G R J A 15, 101; BayObLGZ 1965, 348. 1 3 7 ) A. M. K G J 31 A 10; Sdilegelberger Anm. 18. " 8 ) München J F G 20, 303, Keidel Anm. 44. 1 3 8 ) Oldenburg NdsRpfl. 1960, 250; Keidel Anm. 44; a. M. Sdilegelberger Anm. 17 zu a).
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften es muß für zulässig erachtet werden, daß das Beschwerdegeridit auf Antrag des Beschwerdeführers (§ 1632 Abs. 2) unter Aufhebung der Vorentscheidung die Rückgabe des Kindes anordnet, da der Verfahrensgegenstand derselbe bleibt. Die Vollziehung dieser Anordnung obliegt nach § 33 dem VormG. 3. Nichtige Verfügungen. Auch gegen nichtige oder wirkungslose Verfügungen (§ 7 Rdn. 32) findet die Beschwerde statt. Denn obwohl soldie Verfügungen für die Beteiligten und andere Behörden und Gerichte schlechthin unverbindlich sind und ihre Unverbindlichkeit auch ohne vorherige förmliche Anfechtung oder Aufhebung jederzeit geltend gemacht werden, also in einem anderen gerichtlichen Verfahren auch incidenter festgestellt werden könnte, sind sie durch ihr Bestehen doch geeignet, die Rechtslage der Beteiligten zu beeinträchtigen; es ist daher zulässig, den Rechtsschein ihrer Gültigkeit durch ihre förmliche Aufhebung im Beschwerdewege rückwirkend zu beseitigen 140 ).
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4. Dienstaufsichtsbeschwerde. Dienstaufsichtsbeschwerden werden nach § 17 der V O vom 20. 3. 1935 (RGBl. I, 403 = BGBl. III, 300-5) im Verwaltungswege beschieden141). Eine Dienstaufsichtsbeschwerde kann unter Ausschluß der Sachbeschwerde oder neben ihr gegeben sein. a) Nach dem Inhalt der Verfügung ist an Stelle der Sachbeschwerde ausschließlich die Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben, wenn eine Handlung aus Gründen abgelehnt wird, die nicht dem sachlichen oder dem Verfahrensrecht entnommen sind, sondern den Geschäftsbetrieb und die äußere Ordnung betreffen 142 ). Dieser Fall liegt z. B. vor, wenn die Weigerung, Akten zur Einsicht zu versenden, auf Verwaltungsrücksichten (Verlustgefahr) gegründet 143 ) oder dem Verfahrensbevollmächtigten die Mitnahme von Gerichtsakten in seine Kanzlei verwehrt wird 144 ). Letzten Endes ist der Verwaltungsrechtsweg, nicht etwa der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG, gegeben. Jedoch steht der Umstand, daß eine Verfügung sich außer auf sachliche Gründe auch auf Bedenken stützt, die dem Gebiet der Justizverwaltung entnommen sind, der Zulässigkeit der Sachbeschwerde nicht entgegen145). Die Ablehnung der Herausgabe von Urkunden, die in einem gerichtlichen Verfahren zu den Gerichtsakten eingereicht sind, ist als Akt der Rechtspflege mit der Sachbeschwerde anzufechten, wenn die Ablehnung darauf gestützt wird, daß die Urkunden für die Rechtsfindung noch nicht entbehrlich seien146).
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b) Nach dem Ziel der Beschwerde sind Dienstaufsichtsbeschwerden solche Eingaben, die nicht den Inhalt einer Verfügung, sondern nur den Geschäftsbetrieb oder Verzögerungen betreffen. Aber auch Eingaben, die sich zwar gegen die Sachentscheidung wenden, aber erkennbar an die Aufsichtsbehörde gerichtet sind und eine Abhilfe von dieser, nidit von dem vorgeordneten Gericht erhoffen, sind als Dienstaufsichtsbeschwerden zu behandeln. Bei Zweifeln wird anzunehmen sein, daß mit dem Abhilfeverlangen die zur Herbeiführung einer Änderung geeignete Sachbeschwerde gemeint ist, wenn nicht die Umstände diese Annahme ausschließen147).
J^
G. Beschwerdegericht (Abs. 2)
43
Beschwerdegericht ist nach Abs. 2 das Landgericht, und zwar, wie zu ergänzen ist, welches nach der Gerichtsverfassung dem Amtsgericht vorgeordnet ist, dessen Verfügung angefochten wird. Die örtliche Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts folgt allein daraus, daß es dem Untergericht vorgeordnet ist, besteht also auch dann, wenn dieses örtlich unzustän14
°) Jena OLGR 7, 134; K G J 27 A 222 = R J A 4, 146; K G JFG 1, 48; München JFGErg. 22, 88; BayObLGZ 1964, 97; Sdilegelberger § 7 Anm. 14, § 19 Anm. 20; Keidel § 7 Anm. 28, S 19 Anm. 66. 141 ) Die Fortgeltung der Bestimmung nimmt an Baur, Justizaufsidit und riditerliche Unabhängigkeit, 1954, 57, Keidel Anm. 98. 142 ) K G J 44, 88; vgl. auch K G OLGR 42, 181
143 144 145 148 147
) ) ) ) )
Fn. b (Ablehnung der Sichtung der Akten nach zurückzugebenden Urkunden). K G J 38 A 6; KG OLGR 26, 366. Vgl. V H G München AnwBl. 1967, 158 mit Anm. v. Leeb. K G J 44, 88. K G J 25 A 322; Colmar OLGR 3, 227; Sdilegelberger 2 vor § 19. Unger Z Z P 38, 516 Fn. 46.
431
Freiwillige Gerichtsbarkeit dig war. Nach der Abgabe einer Vormundschafts- oder Pflegschaftssache an ein anderes Gericht (§§ 46, 75) entscheidet über die Beschwerde gegen vor der Abgabe erlassene Verfügungen das dem neuen Gericht vorgeordnete Landgericht 148 ). Dasselbe gilt, wenn das AG Sdiöneberg eine Sache nach §§ 36 Abs. 2, 43a Abs. 2, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2 FGG, § 7 Abs. 1 Satz 2 ZustErgG an ein anderes Gericht abgibt oder wenn nach dem Erlaß der Verfügung ein anderes Gericht gemäß § 5 als zuständig bestimmt wird 149 ). Über die Beschwerde gegen Verfügungen, die das Gericht des Eilgerichtsstandes (§§ 44, 74 FGG, §§ 40 Abs. 2, 77 Abs. 1 J W G , § 4 Abs. 2 FrEntzG) getroffen hat, entscheidet nach der Übernahme der Sache durch das ordentliche Gericht das diesem vorgeordnete Landgericht 150 ). Die Beschwerdeentscheidung des unzuständigen, dem Eilgericht vorgeordneten Landgerichts ist auf weitere Beschwerde aufzuheben 151 ). Die Anfechtung einer vorläufigen Unterbringung, die das Gericht des Anstaltsorts nach Art. 5 Abs. 2, 4 Abs. 6 BayVerwahrG angeordnet hat, ist, sobald die Sache von dem zuständigen Gericht übernommen ist, an das diesem vorgeordnete Landgericht zu richten 152 ). Wegen der Zuständigkeit für die Einlegung der Beschwerde in diesen Fällen siehe § 21 Rdn. 3. Abweichungen: 44
a) In Landwirtschaftssachen ist Beschwerdegericht gegen Entscheidungen des Amtsgerichts (LwG) das Oberlandesgericht (§ 22 Abs. 1 LwVG). In Rheinland-Pfalz ist das Oberlandesgericht Koblenz zuständig, § 2 der V O vom 23. 9. 1953 (GVB1., 98).
45
b) I"1 Rechtshilfeverfahren ist nach § 2 FGG, § 159 G V G statt des Landgerichts das Oberlandesgericht (nicht das nach § 199 Abs. 1 F G G bestimmte zentrale Obergericht) anzurufen, zu dessen Bezirk das ersuchte Gericht gehört. Über Beschwerden gegen die Verweigerung der vom Jugendamt nach § 10 J W G erbetenen Amtshilfe entscheidet im Geltungsbereich des § 87 Abs. 2 PrAGGVG (Anl. 11) das Oberlandesgericht; sonst ist die Beschwerde nach § 19 gegeben 153 ).
46
c ) Über Beschwerden gegen wegen Ungebühr festgesetzte Ordnungsstrafen nach § 8 FGG, § 181 Abs. 3 G V G das Oberlandesgericht.
47
H. Verfügungen des Landgerichts als Gericht des ersten Recfatszuges
entscheidet
Ist nicht das Amtsgericht, sondern das Landgericht Gericht erster Instanz, so unterliegen Verfügungen des Landgerichts gemäß § 19 Abs. 1 in diesen ihm als Eingangsgericht zugewiesenen Verfahren ebenso der Beschwerde wie Verfügungen des Amtsgerichts. Das ist in den §§ 64, 143 Abs. 2 nur für zwei Einzelfälle ausgesprochen, die aber einen allgemeinen Grundsatz der Gerichtsverfassung zum Ausdruck bringen und deshalb auch sonst Geltung beanspruchen können 154 ). In den in Vorbem. 1 B I vor § 3 angeführten Fällen, in denen das Landgericht Gericht des ersten Rechtszuges ist, ist daher die Beschwerde sowohl gegen die den Rechtszug abschließenden Endentscheidungen als auch gegen Zwischenverfügungen gegeben, soweit diese überhaupt der Anfechtung unterliegen (oben Anm. E 2). Jedoch ist zu beachten, daß die Anfechtung der Endentscheidung in diesen Verfahren überwiegend abweichend von § 19 Abs. 1 geregelt ist, insbesondere durch Befristung des Rechtsmittels oder durch die Notwendigkeit einer Zulassung (Vorbem. 3, 4 vor § 19). Gegen Zwischenverfügungen findet auch in diesen Verfahren die unbefristete Beschwerde statt, auch wenn gegen die Endentscheidung die sofortige Beschwerde gegeben ist oder das Rechtsmittel gegen diese von einer Zulassung abhängig ist 155 ). Beschwerdegericht ist abweichend von § 19 Abs. 2 das ) K G J 43, 30 = R J A 12, 174; 50, 20; K G J F G 3, 94; BayObLG O L G R 36, 208; BayObLGZ 28, 426 = J F G 6, 42; Karlsruhe FamRZ 1958, 387; Keidel Anm. 26. » » ) Sdilegelberger § 5 Anm. 8. 1 5 0 ) K G J F G 20, 118. 1 5 1 ) Bremen E J F E I Nr. 23; a. M. BayObLGZ 1959, 182; Hamm ZB1JR 1961, 216; Stau1 1 dinger-Göppinger B G B Anh. zu § 1666 Anm. 401. 148
432
) München N J W 1959, 539; vgl. auch zu § 20 SchlH-UnterbringungsG Böning SchlH A 1960, 160, 164; Saage, FrEntzG § 4 Anm. 7. 1 5 3 ) München J F G 23, 315. 1 5 4 ) Vgl. K G J 28 A 233; 33 A 5 ; Sdilegelberger Anm. 24 zu a, Anm. 45; vgl. § 143 Anm. 4, 5. 1 5 5 ) Vgl. Keidel J Z 1953, 304; Sdilegelberger Anm. 8 a Abs. 5; Zweibrücken N J W 1967, 1760 zu § 132 AktG. 152
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Oberlandesgericht, soweit nicht nach § 199 Abs. 2 die Z u s t ä n d i g k e i t des z e n t r a l e n gerichts b e g r ü n d e t ist (§ 199 R d n . 4).
§
19
Ober-
J. Verfügungen des Landgerichts als Beschwerdegericht
48
V e r f ü g u n g e n , die das Landgericht, w e n n es als Beschwerdegericht mit d e r Sache b e f a ß t ist, i m L a u f e des Beschwerdeverfahrens t r i f f t , sind keine V e r f ü g u n g e n des Gerichts des ersten Rechtszuges, sondern solche des Beschwerdegerichts (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 3 F G G , w o das Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den A n t r a g auf Wiedereinsetzung in den vorigen S t a n d als sofortige „weitere" Beschwerde bezeichnet wird) 1 5 6 ). Gegen diese der Beschwerdeentscheidung vorausgehenden V e r f ü g u n g e n f i n d e t d a h e r nach d e m eindeutigen W o r t l a u t des § 19 Abs. 1 keine erste Beschwerde statt, u n d , w o r ü b e r Einigkeit besteht, auch keine weitere Beschwerde, d a § 27 ein Rechtsmittel n u r gegen die auf die Beschwerde ergehende, ü b e r den Beschwerdegegenstand b e f i n d e n d e Entscheidung des Beschwerdegerichts e r ö f f n e t ; diese V e r f ü g u n g e n des Beschwerdegerichts sind d a h e r u n a n f e c h t b a r 1 5 7 ) . M i t Recht w i r d d a r a u f hingewiesen, d a ß f ü r die N a c h p r ü f b a r k e i t v o n Z w i s c h e n v e r f ü g u n g e n eines Kollegialgerichts durch ein Obergericht nicht in gleichem M a ß e ein B e d ü r f n i s besteht wie f ü r die N a c h p r ü f u n g v o n V e r f ü g u n g e n des Amtsgerichts 1 5 8 ). Auch ist die umfassende Zulassung der N a c h p r ü f u n g v o n Z w i s c h e n v e r f ü g u n g e n des Beschwerdegerichts in tatsächlicher u n d rechtlicher Hinsicht nicht d a m i t v e r e i n b a r , d a ß d e m Gericht des d r i t t e n Rechtszuges grundsätzlich durch § 27 A u f g a b e n eines Revisionsgerichts zugewiesen sind 1 5 9 ). Nicht anfechtb a r sind d a h e r V e r f ü g u n g e n des Beschwerdegerichts, durch die es die Einsicht in die ihm vorliegenden A k t e n versagt 1 6 0 ) o d e r das B e s c h w e r d e v e r f a h r e n aussetzt 1 6 1 ). Gegen die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens im V e r f a h r e n z u r A n o r d n u n g der endgültigen Fürsorgeerziehung ist die sofortige weitere Beschwerde durch § 68 Abs. 2 J W G , § 29 Abs. 2 F G G besonders zugelassen 1 6 2 ); vgl. z u r Aussetzung auch § 27 R d n . 2. V e r f ü g u n g e n des Beschwerdegerichts, die nicht über die Beschwerde b e f i n d e n , sind d a h e r n u r a n f e c h t b a r , w e n n die Beschwerde im Gesetz besonders zugelassen ist. D a s ist geschehen f ü r Beschwerden im A r m e n rechtsverfahren durch die V e r w e i s u n g des § 14 F G G auf §§ 116 Abs. 3, 116a Abs. 2, 116b Abs. 3, 127 Z P O u n d f ü r Beschwerden gegen Zwischenentscheidungen im B e w e i s v e r f a h r e n durch die V e r w e i s u n g in § 15 F G G auf §§ 372a Abs. 2, 380 Abs. 3, 387 Abs. 3, 390 Abs. 3, 406 Abs. 5, 409 Abs. 2 Z P O 1 6 3 ) , ferner nach d e r N i c h t i g e r k l ä r u n g des § 6 Abs. 2 Satz 2 F G G f ü r die Beschwerde gegen Entscheidungen des Landgerichts im R i c h t e r a b l e h n u n g s v e r f a h r e n nach § 46 Abs. 2 Z P O . D a r ü b e r hinaus ist entsprechend den oben R d n . 31 dargelegten G r u n d sätzen über die Zulassung v o n Beschwerden gegen u n a n f e c h t b a r e V e r f ü g u n g e n die Beschwerde zuzulassen gegen V e r f ü g u n g e n des Beschwerdegerichts, die jeder gesetzlichen G r u n d l a g e e n t b e h r e n u n d einen gesetzwidrigen E i n g r i f f in die persönliche Freiheit e n t h a l ten, so w e n n das L G u n t e r u n z u t r e f f e n d e r B e r u f u n g auf §§ 12, 33 F G G (vgl. § 12 R d n . 66, 68) die zwangsweise U n t e r b r i n g u n g eines Beteiligten in einer H e i l a n s t a l t zwecks Beobachtung seines Geisteszustandes o d e r seine V o r f ü h r u n g v o r einen Sachverständigen a n o r d net 1 6 4 ). F e r n e r ist nach d e m G r u n d s a t z , d a ß den Beteiligten durch unrichtiges V e r f a h r e n 158
) So auch RG RJA 14, 85; KGJ 48, 49. ) Ebenso Unger ZZP 36, 85; Schlegelberger Anm. 24 zu b; Baur § 31 A II 2, 4 b; Bärmann § 28 III 2; vgl. auch Pikart-Henn S. 109, 129; Lent-Habscheid 4 § 35 vor I ; Hamm JBM1NRW 1956, 185; KG N J W 1957, 1197; KG N J W 1960, 1625 = Rpfleger i960, 374; im Ergebnis ebenso BayObLGZ 12, 193 = RJA 11, 81; BayObLGZ 1951, 649; a. M. Keidel Anm. 18 u. Rpfleger 1960, 358. 158 ) Baur § 31 A II 2. 156) Vgl. über die Zwecke der Revision Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts, 2. Aufl. 1960. 166 ) Hamburg OLGR 28, 332; KG N J W 1960, 1625 = Rpfleger 1960, 374; Sdilegelberger Anm. 24 zu b; a. M. KG DFG 1937, 226; 157
BayObLGZ 14, 42; 1956, 114; Keidel Anm. 20 und Rpfleger 1960, 358. ) KG N J W 1957, 1197; vgl. auch KG RJA 15, 169 = OLGR 36, 193; a. M. BayObLGZ 1966, 323; 1967, 19 = N J W 1967, 1285. 162 ) BGHZ 38, 195. 163 ) Ebernso Schlegelberger Anm. 24. 1M ) Vgl. KGJ 51, 8; dagegen rechtfertigt BayObLGZ 1966, 367 = N J W 1967, 685 die Beschwerde gegen eine Beweisanordnung des LG (Einholung eines Sachverständigengutaditens) gerade damit, daß das Erscheinen vor dem Sachverständigen durch Vorführung erzwungen werden könne (!); dagegen mit Recht Bloedhorn N J W 1967, 1284 Anm.
161
433
Freiwillige Gerichtsbarkeit nicht die Möglichkeit zur Anfechtung einer Entscheidung entzogen werden darf, die (erste) Beschwerde zuzulassen, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat, für die das Amtsgericht zuständig ist und die, wenn das A G entschieden hätte, anfechtbar gewesen wäre 1 6 5 ).
4g
K. Anfechtbarkeit von Verfügungen des Rechtspflegers der Erinnerung. Die Anfechtbarkeit von Verfügungen des Rechtspflegers 1. Statthaftigkeit in übertragenen Angelegenheiten ist in § 10 RechtspflG geregelt. Danach findet gegen die „Entscheidungen" des Rechtspflegers, worunter in der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein Verfügungen der in § 19 Anm. E erörterten Art zu verstehen sind 1 6 6 ), der Rechtsbehelf der Erinnerung statt, wenn die Entscheidung, sofern der Richter sie getroffen hätte, entweder endgültig, z. B. F G G §§ 146 Abs. 3, 148 Abs. 2, 164 Abs. 2, V V G § 64 Abs. 2, § 184 Abs. 2, oder mit der Beschwerde anfechtbar wäre. Mithin findet in den Fällen, in denen gegen die Verfügung des Richters kein Rechtsmittel, sondern der Rechtsbehelf des Einspruchs oder des Widerspruchs gegeben ist, F G G §§ 132, 140, 142, 159, 161, SchiffsRegO § 19, keine Erinnerung, sondern der genannte Rechtsbehelf statt, über den der Rechtspfleger befindet. Erst gegen die den Einspruch verwerfende oder den Widerspruch zurückweisende Entscheidung des Rechtspflegers ist die Erinnerung gegeben (§ 132 Rdn. 100). Besondere Vorschriften, welche die Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine richterliche Verfügung beschränken, z. B . F G G § 20a, gelten nicht für die Erinnerung. Denn die Statthaftigkeit der Erinnerung richtet sich allein nach RechtspflG § 10 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 6 ; § 10 Abs. 5 ordnet die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Beschwerde nur „im übrigen" an, d. h. soweit das Erinnerungsverfahren nicht in § 10 geregelt ist 1 8 7 ). Die Anrufung des Richters gegen Verfügungen des Rechtspflegers, die in Rechte der Beteiligten eingreifen, muß im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4, 101 Abs. 1 Satz 2 G G stets gewährleistet sein. Unzulässig ist die Erinnerung nach RechtspflG § 10 Abs. 6 Satz 1 gegen vom Rechtspfleger verfügte Eintragungen in öffentliche Bücher (Anm. D 4) sowie gegen Verfügungen, die wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, wie die Erteilung oder Verweigerung einer Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 und die Erteilung mit öffentlichem Glauben versehener Zeugnisse (Erbschein). Es kann aber beim Richter die Vornahme einer Amtslöschung oder die Eintragung eines Amtswiderspruchs ( G B O § 53, SchiffsRegO § 56), die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens ( F G G §§ 142, 144, 147) oder die Einziehung des Erbscheins angeregt werden, in Vereins- und Güterrechtsregistersachen beim Rechtspfleger selbst mit der Maßgabe, daß gegen die Ablehnung der Anregung die Erinnerung stattfindet.
50
2. Form und Frist der Erinnerung. Bedingte Beschwerde. Die Erinnerung wird bei dem Gericht eingelegt, dem der Rechtspfleger angehört, und zwar entweder schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle (§ 21). Entgegennahme zum Protokoll des Rechtspflegers, der die Verfügung erlassen hat, in seiner Eigenschaft als Urkundsbeamter (RechtspflG § 26) ist zwar nicht verboten, aber nicht zu empfehlen. Grundsätzlich ist die Erinnerung, wie die Beschwerde, unbefristet. Die sofortige Erinnerung innerhalb der Beschwerdefrist ist gegeben, wenn gegen die Entscheidung, hätte der Richter sie erlassen, die sofortige Beschwerde stattfinden würde (§ 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1). In diesen Fällen muß daher die Entscheidung des Rechtspflegers gemäß F G G § 16 Abs. 2 Satz 1 förmlich zugestellt werden. Statt des Rechtsbehelfs der Erinnerung läßt das Gesetz in § 10 Abs. 4 die sogenannte bedingte Beschwerde mit der Wirkung zu, daß der Richter sie, wenn er ihr nicht abhelfen will, unmittelbar dem Beschwerdegericht vorzulegen hat (vgl. dazu § 21 Rdn. 14). In diesem Fall müssen für eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts die besonderen Zulässigkeitserfordernisse der Beschwerde, die über die der Erinnerung hinausgehen können (Beschwerdesumme), erfüllt sein. 165 166
) BayObLGZ 1960, 176; 1967, 279. ) KG JFG 1, 45; Arndt, ReditspflG, § 1 0 Anm. 8.
434
187
) Hofmann-Kersting, ReditspflG, § 10 Anm. 3 A d; a. M. Keidel Anm. 63.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Der Antrag, die Erinnerung unmittelbar dem Beschwerdegericht vorzulegen, wenn der Richter ihr nicht abhilft, kann nur zugleich mit der Einlegung der Erinnerung, nicht erst nachträglich, gestellt werden1'8). Wird der Vorlageantrag nicht oder erst verspätet nach Einlegung der Erinnerung gestellt, so bleibt der Amtsrichter zuständig; die Beschwerde ist ohne Vorentscheidung des Amtsrichters unzulässig188). Ist der Antrag nicht gestellt und hat nach Ablehnung der Abhilfe durch den Amtsrichter das Landgericht unzulässigerweise unmittelbar über die Erinnerung entschieden, so muß auf weitere Beschwerde der Beschluß des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur Nachholung der Entscheidung des Amtsrichters an diesen zurückverwiesen werden170). 3. Abhilferecht. Der Reditspfleger ist berechtigt, der unbefristeten Erinnerung abzuhelfen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 ReditspflG). Hierzu ist er grundsätzlich verpflichtet, wenn er die Erinnerung für begründet erachtet171); man wird ihm aber die Befugnis zugestehen müssen, von einer Abhilfe abzusehen, wenn er eine grundsätzliche Stellungnahme des Richters herbeiführen möchte172). Der Reditspfleger ist zur Abhilfe auch noch berechtigt, nachdem er die Erinnerung dem Richter zur Entscheidung vorgelegt hat 173 ). Keine Änderungsbefugnis besteht entsprechend § 18 Abs. 2 FGG, wenn die Erinnerung befristet ist (§ 10 Abs. 2 mit Abs. 1 Satz 2 RechtspflG). Für den Umfang dieses Änderungsverbots gelten die Bern, zu § 18 Anm. F; vgl. auch § 18 Anm. G.
51
4. Entscheidung Uber die Erinnerung. Uber die Erinnerung entscheidet der Richter (§ 27 RechtspflG). Für die Zulässigkeitsvoraussetzungen, soweit sie nicht in § 10 ReditspflG geregelt sind, und das Verfahren des Gerichts gelten die Vorschriften über die Beschwerde sinngemäß (§ 10 Abs. 5 RechtspflG). Die Befugnis zur Einlegung der Erinnerung richtet sich nach den Vorschriften über das Beschwerderecht, z. B. §§ 20, 57, 59, in Antragssachen einschließlich des § 20 Abs. 2. Für die Form der Erinnerung gilt § 21, für den Beginn der Erinnerungsfrist und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 22. Die Erinnerung kann nach § 23 auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden; diese können auch von Amts wegen Berücksichtigung finden. Das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist in demselben Umfange wie im Beschwerdeverfahren zu wahren (vgl. § 23 Rdn. 7). Für die aufschiebende Wirkung der Erinnerung gilt § 24 Abs. 1, für die Befugnis des Reditspflegers (und des Richters), die Vollziehung der Verfügung auszusetzen, gilt § 24 Abs. 2; dagegen hat der Richter nicht die Befugnis des Beschwerdegerichts aus § 24 Abs. 3 Halbs. 1, einstweilige Anordnungen zu erlassen. Denn die besonderen Befugnisse des Beschwerdegerichts stehen ihm nicht zu, da die Sache in der Instanz bleibt174). Begründungszwang nach § 25 FGG besteht nicht, da diese Vorschrift im Hinblick auf die Bindung des Gerichts der weiteren Beschwerde an den vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt geschaffen ist (§ 27 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO); die Beifügung einer die wesentlichen Gedankengänge wiedergebenden Begründung ist aber in der Regel aus rechtsstaatlichen Gründen geboten (§ 16 Rdn. 4). Die Vorschrift des § 26 FGG über das Wirksamwerden der Entscheidung des Beschwerdegeridits gilt nicht für die Entscheidung des Amtsrichters; diese wird, auch wenn die sofortige Beschwerde stattfindet, wie andere Verfügungen erster Instanz, sogleich nach Maßgabe des § 16 wirksam, sofern es sich nicht um eine Verfügung handelt, die erst mit der Rechtskraft wirksam wird (§ 26 Rdn. 13). Das Verbot der Sdilediterstellung ist von dem Richter zu beachten, soweit es in dem jeweiligen Verfahren Geltung besitzt (vgl. § 25 Rdn. 8) 17S ). Über Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei befristeter Erinnerung (FGG
52
" 8 ) KG N J W 1959, 2270 = Rpfleger i960, 18; BayObLGZ 1963, 132, 135; 1966, 340; 1967, 462; Grund, Rpfleger 1959, 306; Keidel Anm. 61; a. M. Arndt ReditspflG % 10 Anm. 56; Stein-Jonas-Grunsky ZPO 1 9 Anh. zu § 576 Anm. V la. 1 6 9 ) LG Essen, Rpfleger 1962, 98; Keidel Anm. 61. "») BayObLGZ 1963, 132, 135; Keidel Anm. 61. «») Arndt ReditspflG J 10 Anm. 42.
) Keidel Anm. 56. ) Vgl. § 18 Anm. D 3 zu Fn. 27; a. M. Arndt ReditspflG § 10 Anm. 44; Keidel Anm. 56; AG Bremen Rpfleger 1961, 157. 1 7 4 ) Vgl. § 24 Anm. G; a. M. Keidel Anm. 59. 175) Vgl. für die Erinnerung gegen Zwisdienverfügungen nadi § 18 GBO KG H R R 1941 Nr. 604; Jansen DNotZ 1958, 109, 111; a. M. Arndt $ 10 Anm. 50; Keidel Anm. 60. 172
173
435
Freiwillige Gerichtsbarkeit § 22 Abs. 2) entscheidet der Richter, bei bedingter Beschwerde nur, wenn er ihr stattgeben will, sonst das Beschwerdegericht. Gegen die auf Erinnerung ergehende Entscheidung des Richters findet die Beschwerde in demselben Umfange statt, als wenn er ohne die Vorschaltung des Rechtspflegers entschieden hätte (§ 10 Abs. 3). i . Kosten. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 10 Abs. 7 RechtspflG). Für die Erstattung außergerichtlicher Kosten gilt § 13a Abs. 1 Satz 1, nicht Satz 2 (§ 13a Rdn. 13). Die Rechtsanwaltsgebühren bestimmen sich nach § 118 BRAGebO; § 55 BRAGebO gilt in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht176). Beschwerdeberechtigung 20 Die Beschwerde steht jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Soweit eine Verfügung n u r auf A n t r a g erlassen w e r d e n k a n n und der A n t r a g zurückgewiesen worden ist, steht die B e s c h w e r d e n u r dem Antragsteller zu. Übersicht Rdn. A . Allgemeines 1. Bedeutung 2. Entstehungsgesdiichte B . Voraussetzungen der Beschwerdeberechtigung 1. E i n g r i f f in ein Recht 2. Recht des Beschwerdeführers 3. Rechtsbeeinträditigung 4. G r a d der Beeinträchtigung 5. Maßgebender Zeitpunkt. Rechtsnachfolge
3 4-5 6 7-8 9-10 11
C . Mehrheit Besdiwerdebereditigter
12
D . Verfahrensrechtliche Bedeutung der Beschwerdebefugnis
13
E . Abweidiende Regelungen 1. Beschwerdeberechtigung ohne Beschwer 2. Rechtliches Interesse 3. Berechtigtes Interesse
14 15 16 17
F. Formelle und materielle Beschwer 1. Allgemeines 2. Beschwerderecht des obsiegenden Antragstellers im Antragsverfahren
II.
18 18-19 20-21
G . Beschwerderecht bei Zurückweisung von Anträgen (Abs. 2) 22 1. Anwendungsbereich 22-23 2. Beschwerderecht des zuriickgewieser.cn Antragstellers 24 3. Ausschluß anderer Beteiligter als des zurückgewiesenen Antragstellers von der Beschwerdeführung 25 4. Gesetzliche Eintrittsrechte 26 5. Abweichende Regelungen 27 H . Anwendungsfälle I . Vormundsdiaftssadien 1. Vormundschaft 2. Pflegschaft 3. Auswahl des Vormundes (Pflegers)
Rdn.
1 1 2
28 28 29 30 31
III.
IV. V.
4. Entlassung des Vormundes (Pflegers) 32 5. Vormundschaftsgenchtliche Genehmigung 33 a) Versagung 33 b) Erteilung 34 c) N e g a t i v a t t e s t 35 6. V o r m u n d oder Pfleger 36-37 7. Gegenvormund. Beistand 38 8. Eltern 39 9. Uneheliche M u t t e r 40 10. Außerehelicher V a t e r 41 11. E h e g a t t e 42 12. N a h e Angehörige 43 13. K i n d , Mündel, Pflegebefohlener 44 14. Beschwerderecht D r i t t e r 45 15. Fürsorgeerziehung 46-51 16. Erziehungsbeistandschaft 52 Nachlaßsachen 53 1. Erbscheins verfahren 53-55 2. Testamentsvollstreckung 56-58 3. Testamentsverwahrung und -eröffnung 59 4. Feststellung des Erbrechts des Fiskus 60 5. Weitere Verrichtungen des Nachlaßgerichts 61 Handelssachen 62 1. Handelsregister 63 a) Anmeldeverfahren 63 b) Ordnungsstrafverfahren 64 c) Firmenmißbrauchsverfahren 65 d) Amtslösdiung erloschener Firmen 66 e) Amtslösdiung unzulässiger Eintragungen 67 f) Sonstige handelsrechtliche Verrichtungen 68 2. Genossenschaftssachen 69 Vereinssachen 70 Personenstandssachen 71
" « ) R i e d e l - C o r v e s - S u ß b a u e r , B R A G e b O , § 55 A n m . 3 ; Keidel A n m . 65.
436
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Rdn. VI. Wohnungseigentumssachen 72-73 VII. Wohnungs- und Hausratsauseinandersetzungsverfahren 74 VIII. Verschollenheitssadien 75 IX. Landwirtschaftssachen 76 X. Beschwerderecht von Behörden 77 1. Ersuchen 78 2. Antrags- und Beschwerderecht im öffentlichen Interesse 79 3. Beschwerderecht im Interesse der öffentlichen H a n d 80
Rdn. 4. Beschwerderecht der Behörde aus eigenem Recht 5. Unterstützungspflicht der Behörden 6. Erweitertes Beschwerderecht 7. Aufsichtsbehörde XI. Notare j Rechtspfleger J- Nichtgerichtliche Behörden K, Landesrechtliche Angelegenheiten
81 82 83 84 85 86 87 88
A. Allgemeines 1. Bedeutung. Die Beschwerde als Rechtsmittel ist der Antrag, durch den die Nachprüf u n g der Verfügung oder Entscheidung des unteren Gerichts durch das höhere Gericht mit dem Ziel ihrer Beseitigung nachgesucht wird. Das Beschwerdegericht wird niemals aus eigenem Antriebe, sondern stets nur auf Antrag tätig. Das gilt auch, wenn das Verfahren des ersten Rechtszuges von Amts wegen eingeleitet w i r d ; das Beschwerdeverfahren ist mithin stets ein Antragsverfahren. Ebenso wie im Antragsverfahren die Antragsberechtigung bestimmt sein muß, ist es erforderlich, f ü r die Einleitung des Beschwerde Verfahrens die Beschwerdeberechtigung, auch Beschwerdebefugnis oder subjektives Beschwerderecht genannt, zu regeln. Das ist die Aufgabe des § 20; indem Halbs. 1 des § 20 Abs. 1 von einem „Zustehen" der Beschwerde spricht, wird der Zweck der Vorschrift zum Ausdruck gebracht, den Kreis der Personen abzugrenzen, die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit befugt sein sollen, eine Entscheidung mit Rechtsmitteln anzufechten. Während im Zivilprozeß die Anfechtungsberechtigung den durch ihre formale Stellung im Verfahren bestimmten P a r teien und nur zuweilen auch Dritten, wie dem Nebenintervenienten zusteht und daher normalerweise nicht problematisch ist 1 ), folgt f ü r die freiwillige Gerichtsbarkeit die N o t w e n digkeit zur Regelung der Beschwerdeberechtigung daraus, daß dieses Verfahren kein starres Zweiparteiensystem mit einem formellen Parteibegriff kennt, so daß sich nicht schon aus dem Rubrum der nachzuprüfenden Entscheidung ergibt, wer f ü r deren Anfechtung überhaupt in Betracht kommt. Es war also Aufgabe des Gesetzgebers, zu bestimmen, welche Beziehungen zu dem Gegenstand des Verfahrens f ü r eine Anfechtung noch ausreichen sollen und diese Beziehungen näher zu umschreiben. Das ist durch die Generalklausel des § 20 Abs. 1 geschehen. 2. Entstehungsgeschichte. In Lehre und Praxis des früheren Rechts war die Frage, wer im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, namentlich in Vormundschaftssachen, zur Beschwerdeführung berechtigt sei, bestritten und unsicher. Der Gesetzgeber stand mithin vor der Aufgabe, einerseits dieser Unsicherheit ein Ende zu machen, andererseits den Kreis der zur Beschwerde Berechtigten so zu umschreiben, daß er weder zu weit noch zu eng gezogen ist. Uber die Fassung der hierauf bezüglichen Vorschrift gingen die Ansichten in der Reichstagskommission weit auseinander 2 ). Von anderen Erwägungen abgesehen, verbot schon die Einführung der sofortigen Beschwerde (§ 22) die Zulassung einer Popularbeschwerde, und eine Anlehnung an die ältere preußische Praxis, in der sich in bezug auf die Beschwerdebefugnis im allgemeinen zwei Richtungen gegenüberstanden, von denen die eine jedes Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der Verfügung für genügend hielt, während die andere eine besondere Absicht des Gesetzes, den Rechtskreis des Beschwerdeführers zu schützen, erforderte, erschien nicht angebracht, teils weil der Kreis der Beschwerdeberechtigten unangemessen erweitert würde, teils wegen der Unbestimmtheit dieser Kriterien. Die in § 20 gewählte Fassung bedeutet zweifellos im Verhältnis zu dem vorausgegangenen Recht eine erhebliche Einschränkung des Beschwerderechts und eine be') Vgl. Blomeyer ZPR § 97 I 2; Foth ZZP 68, 365; Baur, Festschr. f. Lent S. 1 ff., 8. ) Zur Entstehungsgeschichte vgl. Hahn-Mugdan,
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Die ges. Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 7 S. 122; Unger ZZP 36, 102 ff.; Schlegelberger FGG 4. Aufl. § 20 Anm. 1.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit stimmtere Abgrenzung des Kreises der Beschwerdeberechtigten. Die Auslegungsschwierigkeiten, welche die Generalklausel des § 20 Abs. 1 noch bieten kann, sind in Lehre und Rechtsprechung im allgemeinen befriedigend gelöst worden, so daß die getroffene Regelung sich bewährt hat.
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B. Voraussetzungen der Beschwerdeberechtifrung In Abs. 1 wird als allgemeines Erfordernis verlangt, d a ß ein Recht des Beschwerdeführers durch die angefochtene Verfügung beeinträchtigt ist. Voraussetzungen der Beschwerdebefugnis sind demnach:
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1- Eingriff in ein Recht. Nach Denkschr. S. 39 zu §§ 18 bis 29 genügt es nicht, „daß die Verfügung auf die rechtlichen Beziehungen des Beschwerdeführers von Einfluß ist und daß er insofern ein Interesse an ihrer Änderung hat, vielmehr ist stets erforderlich, daß eine Beeinträchtigung seines Rechts vorliegt". Die Beeinträchtigung schutzwürdiger (privater oder öffentlicher) Interessen reicht daher nicht aus; erforderlich ist ein unmittelbarer Eingriff in ein Recht des Beschwerdeführers, der eine Aufhebung oder Minderung seines Rechts darstellt®). Unter „Recht" im Sinne des § 20 ist ein vom Gesetz anerkanntes, von der Staatsgewalt geschütztes subjektives Recht zu verstehen 4 ); es kann personenrechtlicher, schuldrechtlicher, dinglicher, familienrechtlicher oder erbrechtlicher A r t sein; es kann seine Grundlage auch im öffentlichen Recht haben 5 ). Das Vorhandensein eines rechtlichen oder berechtigten Interesses an der Änderung der Verfügung reicht nicht aus, ein Beschwerderecht nach § 20 Abs. 1 zu begründen, wie sich darin zeigt, daß das Gesetz in § 57 Abs. 1 N r n . 1, 3 und 9 in der Anerkennung von Interessen dieser A r t als Grundlage der Beschwerdeberechtigung eine Erweiterung des Kreises der Beschwerdeberechtigten gegenüber der engeren Vorschrift des § 20 Abs. 1 sieht. Noch weniger genügt die Verletzung eines bloß wirtschaftlichen oder ideellen Interesses 6 ) oder einer sittlichen Pflicht 7 ) oder eine nur tatsächliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung oder Gefährdung 8 ). Das Beschwerderecht einer Privatperson kann auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Wahrung öffentlicher Belange gerechtfertigt werden 9 ). Eine rechtlich gesicherte Anwartschaft, z. B. des einzigen wirtschaftsfähigen Abkömmlings auf den Anfall des Hofes, genügt 10 ). Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt auch in der Vorenthaltung einer Besserung der Rechtsstellung durch rechtsgestaltende Verfügung, z. B. in der Versagung einer Vergütung (§ 1836 BGB) oder der Ablehnung der Übertragung der elterlichen Gewalt (§ 1707 Abs. 2 BGB), sowie in der Verletzung eines Grundrechts, z. B. durch Auferlegung einer nicht obliegenden Verpflichtung, da dadurch das in Art. 2 Abs. 1 G G gewährleistete Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt wird. Ein Beschwerderecht kann nur aus dem Inhalt der Entscheidung, nicht aus der A r t der Begründung hergeleitet werden 1 1 ). Die Belastung mit den Kosten der Vorentscheidung genügt nach der Einführung des § 20a nicht mehr, ein Beschwerderecht f ü r die Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache zu begründen 1 2 ). Das verletzte Redit kann auch auf dem Verfahrensrecht beruhen 13 ), z. B. wenn zum Nachteil des Erben die Vorschriften der §§ 2260, 2262 über die Bekanntgabe des Inhalts letztwilliger Verfügungen verletzt werden 1 4 ) oder wenn die Akteneinsidit (§ 34 FGG) versagt wird. Ein Beschwerderecht entfällt nicht deswegen, weil die Vornahme der nachgesuchten H a n d l u n g in das Ermessen
3 ) 4
KG RJA 13, 69; JFG 4, 131; RGZ 132, 312. ) KGJ 48, 16; München JFG 13, 328; BGHZ 1, 267, 270; 1, 352; Sdilegelberger Anm. 4; Kamm JuS 1961, 146 zu II 3; Baur § 29 Anm. A III 2 a. 5 ) KommBer. 24 zu § 19; KGJ 21 A 181 = RJA 2, 10; KGJ 48, 16; BayObLG OLGR 40, 150. 6 ) KG OLGR 12, 199; 33, 379. 7 ) KG OLGR 7, 203. 8 ) BGHZ 1, 351. Vgl. auch zu § 75 GWB BGHZ 46, 168, 184; BGH NJW 1968, 1723. 438
») BGHZ 1, 351; Kamm JuS 1961, 146 zu II 3. ) BGHZ 3, 203 = NJW 1952, 380; BayObLGZ 1959, 502, 508. ») KG RJA 11, 269; KG OLGR 34, 274; KG OLGZ 1966, 74; München JFG 16, 109; 21, 181, 184; Keidel Anm. 6. 12 ) A. M. BayObLGZ 1953, 192; Furtner JZ 1961, 526 zu I 2 c; Keidel Anm. 10 a. E.; wie hier jetzt BayObLGZ 1959, 389. 13 ) RG RJA 16, 200, 204; BGHZ 1, 270. 14 ) Düsseldorf OLGZ 1966, 74. 10
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften des Gerichts gestellt ist 15 ); in diesen Fällen besteht zwar kein subjektives Recht auf Vornahme, aber ein auf dem öffentlichen Recht beruhender Anspruch auf rechtmäßigen Ermessensgebrauch (Prüfungsanspruch), also auf Bescheidung ohne Überschreiten oder Mißbrauch des Ermessens; dieser im Verwaltungsrecht entwickelte Grundsatz (vgl. § 24 EGGVG Randnote 3) kann auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit Geltung beanspruchen, zumal er in der Rechtsprechung unter anfänglichem Widerspruch des Schrifttums stets vertreten worden ist1«). Dagegen kann das Beschwerderecht nicht gestützt werden auf ein vermeintliches Recht des Beschwerdeführers „auf richtige Besorgung seiner Angelegenheit, auf gerechte und sachgemäße Gestaltung und Abgrenzung seines Rechtskreises" 17 ), insbesondere nicht, wenn die Reditsbeeinträchtigung in einem Verfahrensfehler der Vorinstanz soll bestehen können 18 ). Ein Verfahrensfehler kann möglicherweise, wenn er im Beschwerde verfahren nicht behoben wird, dazu führen, daß die angefochtene Verfügung aufgehoben wird. In diese Prüfung darf das Besdiwerdegericht aber erst eintreten, wenn die Verfügung zulässigerweise von einem Besdiwerdebereditigten angefochten worden ist; die Rechtsverletzung muß daher in einem anderen Bereich liegen als nur in dem Verfahren des unteren Gerichts. Der Vertragsgegner kann gegen die Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung auch dann keine Beschwerde einlegen, wenn ein örtlich unzuständiges Gericht entschieden hat. Die Gegenmeinung muß daher auch einräumen, daß ein Dritter, „nicht im Rechtssinne Beteiligter", aus der angeführten Formel kein Beschwerderecht herleiten könne; damit wird aber das Problem der Besthwerdebefugnis nicht gelöst, sondern nur auf die Prüfung, wer Beteiligter ist, verlagert, und der Begriff der Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs. 1 durch den noch unbestimmteren der Beteiligung ersetzt, was der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte 1 '). Das Beschwerderecht ergibt sich nicht schon daraus, daß jemand als Beteiligter hinzugezogen war und Anträge gestellt hat 20 ), und ein Beschwerderecht hat jemand nicht, wenn er ohne sachliches Redit eine Anregung zum Einschreiten von Amts wegen gegeben hat 81 ). Andererseits ist es für die Ausübung eines Beschwerderechts unerheblich, ob der Beteiligte an dem Verfahren des ersten Rechtszuges teilgenommen hat oder hätte teilnehmen können, und es ist für das Beschwerderecht unschädlich, daß im Amtsverfahren eine Verfügung mit Zustimmung des Beschwerdeführers oder auf seine Anregung ergangen ist, wenn gleichwohl eine Beeinträchtigung seines Rechts vorliegt 22 ). 2. Recht des Beschwerdeführers. Das beeinträchtigte Recht muß ein solches des Beschwerdeführers sein; dieser muß also selbst Träger des beeinträchtigten Rechts sein. Wird die Beschwerde durch einen gewillkürten oder gesetzlichen Vertreter eingelegt, so kommt es auf die Reditsbeeinträchtigung des Vertretenen an. Das schließt nicht aus, daß außerdem dem Vertreter ein Beschwerderecht aus eigenem Recht zusteht, z. B. wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt namens des Kindes und zugleich aus eigenem Recht gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 9 Besdiwerde einlegt. Wird die Beschwerde von einem materiell Rechtsfremden eingelegt, der hinsichtlich des streitigen Rechtsverhältnisses sachlichrechtlich zur Verfügung befugt ist (Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter), so ist die Reditsbeeinträchtigung der verwalteten Vermögensmasse maßgebend, sofern Verfahrensgegenstand nicht die Rechtsstellung des Reditsfremden selbst ist, z. B. bei Entlassung des Testamentsvollstreckers. Das von 15) BayObLGZ 18, 75; K G JFG 12, 207; K G O L G Z 1967, 248; Celle NdsRpfl. 1968, 131; Keidel Anm. 7. »•) K G J 20 A 3; 27 A 11; dagegen Wellstein 2 § 20 Anm. 2 a, § 34 Anm. 3 a; Kamm JuS 1961, 146 zu I I 4. " ) So zuerst Unger Z Z P 36, 108; ihm folgend Sdilegelberger Anm. 2, 3; Keidel Anm. 7; Furtner J Z 1961, 526; ders., D N o t Z 1966, 7 zu 2; aus der Rechtsprechung München JFG 13, 348; 14, 63; 23, 156; wie hier Lent § 22 V; Baur § 29 A I I I 3; Lent-Habsdieid 4 § 32 I I I 1; Bärmann § 29 I I 4; Pikart-Henn S. 119; Seeger AcP 126, 127; Kamm JuS 1961,
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146 zu I I 3; vor allem B G H Z 1, 267, wo dargelegt wird, daß die Gegenmeinung sich nicht auf R G RJA 16, 200 stützen kann. Wie Schleswig ScMHA 1954, 191, Bremen JZ 1957, 350 mit abl. Anm. v. Lent und Celle RdL 1960, 125 mit abl. Anm. v. Schulte annehmen. Vgl. Lent § 22 V S. 82; Kamm JuS 1961, 146 zu II 3; Hahn-Mugdan Bd. 7 S. 123. B G H Z 41, 114, 116; KG WM 1960, 1422. KG JFG 17, 174 gegen München JFG 13, 140. BayÖbLG R J A 15, 22; Braunschweig JFG 4, 54; vgl. auch KG JFG 19, 65.
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§ 20
Freiwillige Gerichtsbarkeit
einem Nichtberechtigten im eigenen Namen eingelegte Rechtsmittel kann nicht durch Genehmigung des Berechtigten (§ 185 BGB) wirksam werden. 3. Rechtsbeeinträchtigung. Durch das Erfordernis der Rechtsbeeinträchtigung wird zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung in seiner Rechtsstellung negativ betroffen sein muß, daß sie eine materielle Beschwer für ihn begründet, indem entweder seine Rechtsstellung aufgehoben, beschränkt oder gemindert oder eine Verbesserung seiner Rechtsstellung ihm vorenthalten wird. Beeinträchtigung bezeichnet mithin die nachteilige Betroffenheit. Ob diese Benachteiligung mit Recht oder zu Unrecht zugefügt worden ist, ist für die Prüfung der Beschwerdebefugnis als Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne Bedeutung und ist erst bei der Prüfung der Begründetheit des Rechtsmittels zu untersuchen23). In die Sachprüfung, d. h. die Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Verfügung, darf daher bei der Prüfung der Beschwerdebefugnis nicht eingetreten werden 24 ). Allenfalls darf die Unrichtigkeit der angefochtenen Verfügung unterstellt werden, so daß die Frage dahin zu stellen ist: Wäre ein Recht des Beschwerdeführers beeinträchtigt, wenn die angefochtene Entscheidung sich in seinem Sinne als ungerechtfertigt herausstellen sollte? 25 ). Das nachteilige Betroffensein des Beschwerdeführers in seinen Rechten, vorbehaltlich der Rechtswidrigkeit des Eingriffs, muß wirklich gegeben sein; die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, in seinen Rechten nachteilig betroffen zu sein, oder das Vorbringen von Tatsachen, aus denen sich schlüssig ergeben soll, daß der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung in seiner Rechtsstellung betroffen ist, genügt nicht; das Beschwerderecht in dem dargelegten Sinne muß wirklich bestehen 26 ). Das leuchtet ohne weiteres ein in den Fällen, in denen die Beschwerdeberechtigung ohne Beeinträchtigung eigener Rechte des Beschwerdeführers verliehen ist; im Fall des § 57 Abs. 1 Nr. 8 genügt es nicht, daß der Beschwerdeführer behauptet, ein Verwandter oder Verschwägerter des Kindes zu sein, er muß es wirklich sein. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für § 20 Abs. 1, wie schon der Wortlaut „beeinträchtigt (d. h. betroffen) ist" zum Ausdruck bringt. Nur in dem besonderen Fall, daß die Tatsachen, welche das Betroffensein ergeben, mit den Tatsachen zusammenfallen, von denen die Begründetheit des Rechtsmittels abhängt, gilt der allgemeine Grundsatz, daß prozessuale Voraussetzungen keines Nachweises bedürfen, soweit sie mit den sachlichen Voraussetzungen identisch sind 27 ). Das ist nicht dahin zu verstehen, daß bloße Rechtsbehauptungen genügen, um die Beschwerdebefugnis zu begründen; vielmehr muß das tatsächliche Vorbringen, seine Richtigkeit unterstellt, bei zutreffender rechtlicher Würdigung das Betroffensein ergeben 28 ). Der gesetzliche Erbe ist daher beschwerdeberechtigt, wenn er geltend macht, der dem Testamentserben erteilte Erbschein sei wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unrichtig; erweist sich dieses Vorbringen als unzutreffend, so ist die Beschwerde wegen gegebenen Beschwerderechts zulässig, aber unbegründet 29 ). Ebenso genügt es für das Beschwerderecht des Ersatzhoferben, wenn er
) Baur § 29 A I I I 1 ; Lent-Habscheid 4 § 32 I 2 ; Luke A ö R 84, 185 ff., 1 8 9 ; wer der Meinung ist, das W o r t „Rechtsbeeinträditigung" impliziere bereits die Rechtswidrigkeit, muß eine Korrektur am Gesetzeswortlaut vornehmen und den Begriff auf das nachteilige Betroffensein reduzieren (so Baur, Lent-Habscheid, L ü ke a a O . ) ; anders, wenn man der Meinung ist, das W o r t bezeichne sprachlich nur die nachteilige Betroffenheit und sei in Bezug auf die Reditswidrigkeit wertfrei (so Bettermann in Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, Bd. I I S. 4 4 9 ff., 4 6 0 ff). Diese terminologische MeinungsVerschiedenheit ist sachlich ohne Bedeutung. 2 4 ) Wellstein 2 Anm. 2 e ; Schlegelberger 4. Aufl. § 25 Anm. 3 ; seit der 5. Aufl. fehlt an dieser Stelle infolge eines Druckfehlers ein „nicht"; das übersieht Lüke bei seiner Polemik gegen Schlegelberger in A ö R 84, 189 . 23
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) R G R J A 5, 9 ; K G J F G 3, 1 1 4 ; B G H R d L 1963, 1 7 ; Schlegelberger § 2 5 A n m . 3 ; Keidel A n m . 2. 2«) K G O L G R 6, 3 4 6 ; Lent StB S. 8 0 ; L e n t - H a b scheid 4 § 3 2 I I 1 ; Furtner J Z 1961, 527 zu I 2 b ; ders., D N o t Z 1966, 7 zu 3 ; Bärmann § 2 9 I I 2 ; ebenso zu § 75 G W B B G H Z 41, 61, 7 1 ; 46, 168, 1 8 9 ; für die Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß wie hier Bettermann in Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, B d . I I S. 449 ff., 4 6 3 ; a. M. Keidel A n m . 2 ; Lüke A ö R 84, 1 9 0 ; B a y O b L G J F G 7, 150. " ) Vgl. zum Zivilprozeß R G Z 29, 3 7 1 ; R G Z 95, 2 7 0 ; R G Z 158, 1 ; Blomeyer Z P R § 9 7 I V ; ähnlich jetzt Bärmann § 29 I I 2 d, nur kann es nicht darauf ankommen, ob die Möglichkeit des Betroffenseins mehr oder weniger ernsthaft besteht. 2 S ) Vgl. R G J W 1912, 6 4 3 ; R G Z 95, 2 7 0 . 2 9 ) Baur § 29 A I I I 2 a Beisp. 4 .
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften geltend macht, der durch letztwillige Verfügung berufene Hoferbe sei wirtschaftsunfähig 30 ). Lehnt das Beschwerdegericht die Erteilung eines Erbscheins ab, weil es unter Auslegung des Testaments das Erbrecht des Beschwerdeführers verneint, so ist die Beschwerde nicht unzulässig, sondern aus gegebenem Beschwerderecht zulässig, aber unbegründet 31 ); ebenso, wenn jemand den ohne Testamentsvollstreckervermerk erteilten Erbschein mit der sich als unrichtig erweisenden Behauptung bekämpft, der Erblasser habe ihn zum Testamentsvollstrecker ernannt 32 ). Wenn jedoch das Betroffensein, weil es mit der Sachprüfung zusammenfällt, zunächst unterstellt werden muß, ist die Prüfung des Beschwerdegerichts darauf beschränkt, ob die angefochtene Verfügung im Sinne des Beschwerdeführers ungerechtfertigt ist; die Prüfung darf, wenn diese Frage zu verneinen ist, nicht darauf erstreckt werden, ob die Verfügung etwa in anderer, den Beschwerdeführer nicht berührender Richtung zu beanstanden ist. Wenn daher der gesetzliche Erbe mit der Behauptung der Nichtigkeit des Testaments den dem Testamentserben erteilten Erbschein anficht und dieses Vorbringen sich als unrichtig erweist, darf das Landgericht nicht etwa gleichwohl der Beschwerde stattgeben und die Einziehung des Erbscheins anordnen, weil trotz einer im Testament angeordneten Testamentsvollstreckung der Erbschein keinen Testaments Vollstrecker vermerk enthalte; wenn ein Erbschein mit der Begründung angefochten wird, nicht der darin ausgewiesene A, sondern der Beschwerdeführer B sei Erbe, und das LG kommt zu dem Ergebnis, Erbe sei der C, so muß es die Beschwerde zurückweisen und darf nicht etwa die Einziehung des dem B erteilten Erbscheins anordnen. Ebenso darf das LG nicht etwa die Richtigkeit der Rechtsbehauptung des Beschwerdeführers dahingestellt sein lassen und die Einziehung des Erbscheins aus dem den Beschwerdeführer nicht berührenden Grunde anordnen. Denn anderenfalls wäre dem Beschwerdeführer wegen der ihn allein berührenden Frage das Beschreiten des dritten Rechtszuges verwehrt, weil er nach Anordnung der Einziehung des Erbscheins nicht mehr beschwert ist 33 ). In diesen Fällen muß sich das LG, wenn es überhaupt auf diese weiteren Fragen eingehen will, auf wegweisende Bemerkungen beschränken und es dem Amtsgericht überlassen, gemäß § 2361 BGB von Amts wegen vorzugehen. Diese Beschränkung beruht darauf, daß dem Beschwerdegericht auf Grund des Dispositionsmaxime eine Prüfungsbefugnis nur im Rahmen des Beschwerdeziels zusteht und daß ihm nicht die umfassende Befugnis des NachlG aus § 2361 B G B verliehen ist, von Amts wegen die Richtigkeit des Erbscheins nach allen Richtungen hin zu prüfen. Auch kann es nicht angehen, daß jemand die Rechtsstellung, die er durch eine wenn auch unrichtige Verfügung erlangt hat, durch das Rechtsmittel eines dazu nicht Legitimierten verliert. Keine selbständige Zulässigkeitsvoraussetzung ist die Behauptung der Unrichtigkeit der Entscheidung3*). Wird ein Rechtsmittel von einem in seinen Rechten nachteilig Betroffenen eingelegt, so kommt es im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) nicht darauf an, ob und wie der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel in tatsächlicher (und rechtlicher) Hinsicht begründet, sondern ob es wirklich begründet ist, ob sich also die angefochtene Verfügung als ungerechtfertigt erweist. Hierüber steht dem Beschwerdeführer keine Dispositionsbefugnis zu; es berührt also die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht, daß der Beschwerdeführer sich (insgeheim oder ausdrücklich) für nicht beeinträchtigt hält, solange er nur das Rechtsmittel aufrechterhält. Nur die Einlegung oder Zurücknahme des Rechtsmittels unterliegt seiner Dispositionsbefugnis. Warum sollte auch ein Beteiligter, vorausgesetzt, daß er nachteilig betroffen ist, selbst wenn er die Entscheidung für richtig hält, nicht zur Klä3
° ) B G H R d L 1954, 55 = M D R 1954, 1 6 2 ; B G H R d L 1963, 4 7 ; damit nicht vereinbar B G H R d L 1968, 44, wo Tatsadienvortrag für die Besdiwerdebefugnis (nächstberufener hoferbenberechtigter Abkömmling) und für die Sadientsdieidung (Hofeigenschaft) nicht zusammenfielen, so daß die bloße Schlüssigkeit des Vorbringens für die Besdiwerdebefugnis nicht ausreichen konnte. Wiederum anders nimmt B a y O b L G Z 1964, 4 0 = F a m R Z 1964, 3 0 6 zu I I 2 e unter Mißverstehen von B G H R d L 1963, 17 an, auch wenn erst eine Sachprüfung das
31) 32) 33) 34)
Fehlen einer Rechtsbeeinträchtigung ergeben habe, fehle die Beschwerdebefugnis; jedoch sei dies ein Fall, in welchem die mangelnde Besdiwerdebefugnis nicht zur Verwerfung als unzulässig, sondern als unbegründet führe. B G H R d L 1963, 17 = M D R 1963, 3 9 . Oldenburg Rpfleger 1965, 305. Vgl. K G O L G Z 1966, 74. So aber Lent StB S. 8 1 ; Lent-Habscheid 4 § 3 2 I I 3 ; dagegen Lüke A ö R 84, 1 9 0 ; wohl auch Baur § 2 9 A I I I 1 S. 3 1 8 ; Furtner J Z 1961, 526 zu I 2 b; Bärmann § 2 9 I I 2 d.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
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rung einer Grundsatzfrage die Rechtsmittelgerichte anrufen können; das geschieht in der Praxis häufig genug (vgl. auch Rdn. 15). 4. Grad der Beeinträchtigung a) Der Eingriff braucht nicht zur Vereitelung des Rechts in der Weise zu führen, daß das Recht gänzlich beseitigt oder seine Ausübung verhindert wird, indem etwa jemandem durch eine rechtsgestaltende Verfügung ein Recht oder eine Befugnis entzogen wird. Es genügt, daß der Beteiligte in der freien Ausübung seines Rechts gestört oder diese ihm erschwert oder wenn der Bestand seines Rechts rechtlich gefährdet wird 85 ). So wird der wirkliche Erbe in der Ausübung seines Erbrechts im Hinblick auf §§ 2365, 2366 gefährdet, wenn einem Nichterben ein Erbschein erteilt wird; der wahre Erbe ist also beeinträchtigt und zur Beschwerde berechtigt, obwohl über das Erbrecht mit Rechtskraftwirkung nur im Prozeßwege, nicht im Erbscheinsverfahren entschieden werden kann. Eine nur tatsächliche (wirtschaftliche) Gefährdung genügt dagegen nicht, auch nicht die Befürchtung, daß eine Verfügung in Zukunft zu einer Beeinträchtigung führen könnte 36 ). b) Unmittelbarkeit. Es genügt für die Beschwerdebefugnis aus § 20 nicht, daß die angefochtene Verfügung auf die rechtlichen Beziehungen des Beschwerdeführers mittelbar von Einfluß ist; erforderlich ist vielmehr ein unmittelbarer Eingriff in ein Recht des Beschwerdeführers 37 ). Eine nur mittelbare Beeinträchtigung liegt vor, wenn die Rechts Wirkungen einer Verfügung nur durch das Medium des unmittelbar Betroffenen die Rechtssphäre eines Dritten berühren und beeinträchtigen, z. B. wenn die Anordnung einer Pflegschaft mit der Begründung bekämpft wird, der Pfleger werde Ansprüche gegen den Beschwerdeführer geltend machen, von deren Erhebung der Pflegebefohlene absehe 38 ). Nur mittelbar betroffen und deshalb nicht beschwerdeberechtigt ist der Pächter im Verfahren zur Genehmigung der Veräußerung des Pachtgrundstücks 38 ). Nur mittelbar in ihren Rechten betroffen sind die Verwandten bei der Ehelichkeitserklärung und bei der Bestätigung des Kindesannahmevertrages; das Gesetz räumt ihnen daher mit Recht kein Beschwerderecht ein (vgl. § 56a Rdn. 20, § 67 Rdn. 7, § 68a Rdn. 8). Wenn das Gesetz die Belange nur mittelbar, wenn auch rechtlich Betroffener berücksichtigt sehen will, geschieht dies dadurch, daß in Erweiterung des § 20 Abs. 1 das Bestehen eines rechtlichen Interesses für genügend erklärt wird, so bei der Todeserklärung (§§ 16 Abs. 2 Buchst, c, 26 Abs. 2 Buchst, a VerschG), bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art. 7 § 1 Abs. 3, 7 FamRÄndG sowie in den Fällen des § 57 Nrn. 1, 3 FGG. Außerdem kann der Gesetzgeber rechtlich interessierten Dritten gleichsam Prozeßstandschaft zur Wahrnehmung des fremden Rechts dadurch einräumen, daß er ihnen ein Antragsrecht verleiht (z. B. §§ 792, 896 ZPO, § 1961 BGB). Zu einer bedenklichen Ausweitung der Grenzen des § 20 Abs. 1 führt aber die Auffassung, unmittelbair beeinträchtigt könnten nicht nur die Träger der Rechte und Rechtsverhältnisse sein, deren Regelung Gegenstand des Verfahrens ist, sondern auch diejenigen, in deren Rechtskreis die Regelung eines ihnen fremden Rechtskreises eingreift 38 *). Das sind in Wahrheit die zwar rechtlich Interessierten, aber nur mittelbar Betroffenen, weil die Rechtswirkung der Verfügung nur durch das Medium des unmittelbar Betroffenen ihre Rechtssphäre berührt. 5. Maßgebender Zeitpunkt. Rechtsnachfolge. Die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers muß schon zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bestanden haben 40 ). Denn 83) K G D N o t Z 1955, 156; München JFG 23, 154, 156; BayObLGZ 29, 81; Braunschweig R J A 2, 207; Sdilegelberger Anm. 6; Keidel Anm. 10; Pritsdi LwVG 5 22 D c a. M. Wellstein 2 Anm. 2 b ; Schultzenstein ZZP 25, 189 ff., 217. 3 «) K G J 51, 50. " ) Wellstein 2 Anm. 2 b ß; Sdilegelberger Anm. 6; Keidel Anm. 10; Pritsdi LwVG § 22 D c ß; Baur § 29 A III 2 c; K G R J A 13, 69; K G JFG 4, 130; Karlsruhe FamRZ 1956, 252; a. M. Schultzenstein Z Z P 25, 189 ff., 217.
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) Karlsruhe FamRZ 1956, 252. ») B G H LM § 23 LVO N r . 18 = RdL 1952, 322. 3 ) K G R J A 17, 17. 25) K G J 44, 4 ; Sdilegelberger § 25 Anm. 10; a.M. Lent-Habscheid 4 § 34 I I I 3 c. 2 5 *) A.M. für das landw. Genehmigungsverfahren Oldenburg O L G Z 1967, 477.
514
) Vgl. K G O L G Z 1966, 602, 606. ) Hamm J M B 1 N R W 1963, 192; Keidel § 25 Anm. 3. 2 8 ) K G J F G 12, 172; Stuttgart O L G Z 1966, 590; Staudinger-Göppinger B G B 1 1 § 1666 Anh. Anm. 361; Riedel J W G 4 § 65 Anm. 24. 2 9 ) Staudinger-Göppinger B G B 1 1 Anh. zu § 1666 Anm. 440; Gräber J W G § 65 Anm. 21; a.M. Jans-Happe J W G § 65 Anm. 14 B. 3 0 ) Staudinger-Göppinger B G B " § 1666 Anm. 379. 26
27
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften dessen Erziehungsbeistandsdiaft anordnen 31 ). Da ferner die Anordnung der Fürsorgeerziehung stets die Prüfung voraussetzt, ob Maßnahmen nach § 1666 BGB als mildere Erziehungsmaßnahmen ausreichen (§ 64 Satz 2 JWG), kann das Beschwerdegeridit auf die Beschwerde gegen die Anordnung oder Ablehnung der Fürsorgeerziehung Maßnahmen nach § 1666 BGB treffen 32 ). Ebenso darf das Beschwerdegericht Fürsorgeerziehung anordnen, wenn diese im ersten Rechtszug beantragt oder das Verfahren mit diesem Gegenstand von Amts wegen eingeleitet war, das AG schließlich aber nur eine Maßnahme nach § 1666 BGB oder Erziehungsbeistandsdiaft angeordnet hat 33 ). Wegen der Zulässigkeit neuer Besdiwerdeanträge im Erbscheinsverfahren vgl. § 84 Rdn. 15, 18. Eine Überschreitung der hiernach dem Beschwerdegeridit durch den Verfahrensgegenstand gezogenen Grenzen hat die Nichtigkeit der Beschwerdeentscheidung nicht zur Folge 34 ); wirkungslos ist eine Beschwerdeentscheidung nur, wenn keine Beschwerde eingelegt ist.
g
Rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren. Im Beschwerdeverfahren ist den Beteiligten rechtliches Gehör in demselben Umfange wie im ersten Rechtszuge zu gewähren 35 ). Es trifft daher nicht zu, daß die Anhörung nur bei neuem Vorbringen oder neuen rechtlichen Gesichtspunkten oder wenn sie in der unteren Instanz unterlassen ist erforderlich sei36). Der Beschwerdeentscheidung dürfen daher nur solche Tatsachen und Beweise zugrunde gelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war 37 ), gleichgültig ob der neue Tatsachenstoff sich aus dem Vorbringen der Beteiligten oder den von Amts wegen angestellten Ermittlungen des Beschwerdegerichts ergeben hat. Im Rahmen des rechtlichen Gehörs muß den Beteiligten auch Gelegenheit gegeben werden, Rechtsausführungen zu machen oder auf Rechtsausführungen des Gegners zu erwidern (§ 12 Rdn. 91). Anspruch auf rechtliches Gehör hat auch eine Behörde, die in dem Verfahren die Stellung eines Antragstellers oder sonst Beteiligten hat, insbesondere, wenn die angefochtene Entscheidung auf ihren Antrag ergangen ist38). War im ersten Rechtszuge rechtliches Gehör nicht ausreichend gewährt worden, so kann der Mangel im Verfahren der ersten Beschwerde, da das LG Tatsachengericht ist, dadurch geheilt werden, daß es nachträglich gewährt wird 39 ); es ist regelmäßig Pflicht des LG, den Mangel selbst zu beheben (vgl. § 25 Rdn. 13). Richtet sich die Beschwerde gegen den Erlaß einer vorläufigen Anordnung, so kommt im Beschwerdeverfahren der Grundsatz des Art. 103 Abs. 1 GG wieder voll zur Geltung, weil dann die besonderen Gründe, die vor dem Erlaß derartiger Anordnungen zur Einschränkung dieses Grundsatzes führen können (§ 12 Rdn. 95) nicht mehr vorliegen 40 ). Richtet sich die Beschwerde gegen die Ablehnung einer vorläufigen Maßnahme, so können die besonderen Gründe, aus denen sich die vorherige Anhörung verbietet, audi noch im Beschwerdeverfahren gegeben sein41).
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Dem Beschwerdeführer ist ausreichende Gelegenheit zu geben, die Beschwerde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu begründen (oben Anm. 2). Da der Grundsatz des
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31
) Karlsruhe JFG 3, 85; München JFG 14, 57; Potrykus JWG § 65 Anm. 11 e; StaudingerGöppinger BGB 1 1 § 1666 Anm. 379, Anh. zu § 1666 Anm. 425; a.M. Sdilegelberger § 25 Anm. 10. 32 ) Staudinger-Göppinger BGB 1 1 § 1666 Anm. 379, Anh. zu § 1666 Anm. 362; a.M. K G J W 1937, 2207. 33 ) Staudinger-Göppinger BGB 1 1 § 1666 Anm. 379. 34 ) A.M. Unger ZZP 34, 325; 41, 144; vgl. Blomeyer, Zum Urteilsgegenstand, in Festschr. f. Lent S. 49. 35 ) BVerfGE 7, 95, 98; 7, 109, 111; 11, 29, 30; 14, 54, 56; 17, 188, 190; 17, 191, 193; 19, 49, 51; B G H Z 42, 109, 116; KG O L G Z 1966, 120; BayObLGZ 1963, 335, 338; Jansen, Wandlungen im Verfahren der freiw. Gerbkt., 1964, S. 22; Keidel § 12 Anm. 79. s ») So aber Soergel-Lange BGB» § 1695 Anm. 14;
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ähnlich Palandt-Lauterbach BGB 2 8 § 1695 Anm. 2; Schlegelberger § 25 Anm. 7; richtig Erman-Ronke BGB 3 § 1695 Anm. 3 c; Staudinger-Donau BGB 1 1 § 1695 Anm. 45. BVerfGE 18, 404; KG O L G Z 1966, 120. B G H Z 42, 109, 116; KG FamRZ 1965, 52, 53 (JA); K G OLGZ 1966, 120 (Gesundheitsamt). BVerfGE 5, 9, 10; 5, 22; 8, 184, 185; 22, 282, 286; B a y V e r f G H E 10, 1; BayObLGZ 1960, 148; KG FamRZ 1964, 162; KG OLGZ 1966, 90, 98; 1967, 123; Keidel § 12 Anm. 84b; Jansen, Wandlungen S. 28. H a m m ZB1JR 1959, 56; Neustadt JR 1960, 187; BayObLGZ 1959, 182; KG FamRZ 1965, 52, 53; Jansen Wandlungen S. 25; Keidel § 12 Anm. 82 a. Vgl. BVerfGE 9, 89, 95; Jansen Wandlungen S. 25; a. M. Keidel § 12 Anm. 82 a.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Art. 103 Abs. 1 GG sich nicht nur auf den der Sachentsdieidung zugrunde zu legenden Tatsachenstoff, sondern auch auf verfahrensrechtlich erhebliche Tatsachen bezieht, ist der Beschwerdeführer auch zu den Tatsachen zu hören, von denen die Zulässigkeit des Rechtsmittels abhängt, wenn in dieser Hinsicht Bedenken bestehen, die der Beschwerdeführer noch nicht erkannt hat und die durch tatsächliche oder rechtliche Hinweise entkräftet werden könnten (vgl. § 22 Rdn. 24). Eine Beschwerdeerwiderung ist dem Beschwerdeführer grundsätzlich mitzuteilen; eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann in der Unterlassung der Mitteilung oder des Abwartens einer Gegenerwiderung des Beschwerdeführers aber nur liegen, wenn die Beschwerdeerwiderung tatsächliche oder rechtliche Ausführungen enthält, die zum Nachteil des Beschwerdeführers bei der Entscheidung verwertet worden sind 42 ). Q
Der Beschwerdegegner muß zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht nur von der Beschwerdeeinlegung, sondern auch von der Beschwerdebegründung Kenntnis erhalten, und zwar unabhängig davon, ob das Beschwerdevorbringen neue Tatsachen und Beweismittel enthält 43 ). Er ist auch zu einem Wiedereinsetzungsantrag zu hören (§ 22 Rdn. 28). In jedem Fall ist seine Anhörung unerläßlich, wenn die angefochtene Entscheidung zu seinen Ungunsten geändert werden soll, und zwar auch, wenn dies ohne Verwertung neuer Tatsachen und Beweise bei unverändertem Sachverhalt geschieht44). Zur Wahrung seiner Rechte ist ihm zur Erwiderung eine angemessene Zeit einzuräumen oder eine Frist, die keine Ausschlußfrist sein kann, zu setzen. Ist die Beschwerde unzulässig oder unbegründet, so liegt in der unterbliebenen Anhörung des Beschwerdegegners keine Verletzung des rechtlichen Gehörs ihm gegenüber. Unbedenklich ist dieses Verfahren aber nur, wenn die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Rechtsmittels offensichtlich und unzweifelhaft ist; anderenfalls müßte eine weitere Beschwerde, wenn das Rechtsbeschwerdegericht über den Erfolg der ersten Beschwerde anderer Meinung als das LG ist, regelmäßig zu einer Zurückweisung führen, sofern eine abschließende Entscheidung nur getroffen werden kann, nachdem dem Beschwerdegegner die bisher vorenthaltene Gelegenheit zu tatsächlichen Ausführungen in der Tatsacheninstanz gewährt worden ist 45 ). Außerdem dürfen die Beteiligten unabhängig von dem Ausgang der Sache das Recht beanspruchen, durch Teilnahme am Verfahren an der Wahrheits- und Rechtsfindung mitzuwirken.
"10
Sind mehrere Beteiligte vorhanden, die selbständig zur Beschwerde berechtigt wären (§ 20 Rdn. 12), macht aber nur einer von ihnen von seinem Beschwerderecht Gebrauch, so braucht das rechtliche Gehör gegenüber den übrigen, durch die Verfügung beeinträchtigten Beteiligten, die keine Beschwerde eingelegt haben, nicht gewahrt zu werden; insofern verengt sich infolge der Dispositionsmaxime im Beschwerdeverfahren der Kreis der (formell) Beteiligten. Ob das Beschwerdegericht sie zur Aufklärung des Sachverhalts hören will, steht in seinem Ermessen.
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6. Prüfung und Würdigung des Sachverhalts durch das Beschwerdegericht. Das durch eine zulässige Beschwerde eröffnete Verfahren vor dem Beschwerdegericht stellt sich, wie das Verfahren in der Berufungsinstanz, als eine Fortsetzung der Verhandlung des ersten Rechtszuges dar. Das Beschwerdegericht darf sich mithin nicht auf die Prüfung beschränken, ob die Feststellungen und Erwägungen des Amtsgerichts die angefochtene Verfügung rechtfertigen; vielmehr führt die Beschwerde zu einer Erneuerung und Wiederholung des Verfahrens vor dem vorgeordneten Gericht. Das Beschwerdegericht steht dem Verfahrensgegenstand, wie er durch die Beschwerde angefallen oder im Beschwerdeverfahren zulässigerweise erweitert worden ist (Rdn. 3), grundsätzlich mit denselben Befugnissen und Pflichten wie das Gericht erster Instanz gegenüber. Seine Eigenschaft als Tatsachengericht kommt darin zum Ausdruck, daß es den bereits vom AG festgestellten Sachverhalt, audi wenn zu weite42
) BayObLGZ 1963, 335; Jansen Wandlungen S. 23; Keidel § 12 Anm. 79 e. ) BVerfGE 17, 188, 190. 44 ) BVerfGE 7, 95, 98; 19, 49, 51; BGHZ 42, 109, 116; KG NJW 1954, 1410; KG OLGZ 1966, 120; BayObLGZ 1954, 1; 1958, 74;
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Hamm JMB1NRW 1964, 138; FamRZ 1966, 39, 40; Hw. Müller NJW 1953, 1659; Jansen Wandlungen S. 22; Keidel § 12 Anm. 79 b. 45 ) KG FamRZ 1965, 52, 53; Jansen Wandlungen S, 23, 24; Keidel § 12 Anm. 79 b, c.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften ren Ermittlungen im Beschwerdeverfahren kein Anlaß bestand, in tatsächlicher Hinsicht anders würdigen kann, selbst wenn die Würdigung des AG rechtlich möglich wäre und mithin mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen werden könnte. Die Nachprüfung von Ermessensentscheidungen des Amtsgerichts ist nicht auf Ermessensfehler beschränkt, sondern das Beschwerdegericht ist als Tatsachengericht berechtigt und verpflichtet, nach seinem eigenen pflichtmäßigen Ermessen zu entscheiden und, wenn der Sachverhalt dazu Anlaß bietet, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des Amtsgerichts zu setzen46). In der Beschränkung der Nachprüfung auf Ermessensfehler läge ein Rechtsfehler des Landgerichts (Ermessensmangel), der die weitere Beschwerde begründen würde47). Die allgemeinen Vorschriften über das Verfahren des ersten Reditszuges gelten auch für das Beschwerdeverfahren. Auch für das Beschwerdegericht gilt für den der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachenstoff der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG 4 8 ). Ein förmliches Beweisverfahren richtet sich nach § 15 FGG. Uber neue Tatsachen Beweis zu erheben ist das Beschwerdegericht nicht schon deswegen verpflichtet, weil sie von dem Beschwerdeführer oder dem Beschwerdegegner vorgebracht worden sind; es kommt vielmehr darauf an, ob sie für die Entscheidung erheblich sind ( § 1 2 Rdn. 74). Die im ersten Rechtszuge angestellten Ermittlungen und Beweiserhebungen wirken im Beschwerderechtszug fort; ihre Wiederholung liegt im Ermessen des Beschwerdegerichts49). Eine Wiederholung wird aber in der Regel der Ausübung pflichtmäßigen Ermessens entsprechen, wenn das Beschwerdegericht von der Beweiswürdigung des ersten Richters abweichen will. Zwar ist es dem Beschwerdegericht nicht verwehrt, die Bekundung eines im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen entgegen der Würdigung des Erstrichters zur Führung des erforderlichen Beweises für nicht ausreichend zu halten 49 '). Dagegen ist grundsätzlich eine Wiederholung der Vernehmung geboten, wenn das Beschwerdegericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen oder den Sinn seiner mehrdeutigen Aussage anders verstehen will als der Erstrichter49"). Im ersten Rechtszuge bereits angebotene, aber nicht erhobene Beweise sind vom Beschwerdegericht aufzunehmen, wenn die Unterlassung der Beweiserhebung sich als Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes darstellen würde. Bei der wiederholten Vernehmung eines im ersten Rechtszuge bereits vernommenen und beeidigten Zeugen kann das Beschwerdegericht den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen (§ 15 FGG, § 398 Abs. 3 ZPO); es kann auch die erstmalige Beeidigung eines vom ersten Richter vernommenen Zeugen anordnen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen (§ 15 FGG, § 391 ZPO). Hiernach hat die Beschwerdeentscheidung nach dem Sachverhalt zu ergehen, wie er sich auf Grund der Erörterungen, Ermittlungen und Beweiserhebungen im Beschwerdeverfahren zur Zeit des Erlasses der Beschwerdeentscheidung ergibt 50 ). Dieser Grundsatz kann dazu führen, daß die angefochtene Verfügung vom Beschwerdegericht aufrechtzuerhalten ist, obwohl sie nach dem zur Zeit ihres Erlasses bestehenden Sachverhalt nicht berechtigt war, die maßgeblichen Tatsachen vielmehr erst im Beschwerderechtszug eingetreten sind, oder daß die Verfügung aufzuheben ist, weil sie zwar dem zur Zeit ihres Erlasses bestehenden Sachverhalt, nicht aber der später durch neue Tatsachen veränderten Sachlage entspricht. Das Beschwerdegericht muß sich auf den Standpunkt stellen, als ob die angefochtene Verfügung noch nicht erlassen wäre, und prüfen, ob sie nach Maßgabe des zur Zeit des Erlasses der Beschweirdeentscheidung gegebenen Sachverhalts nunmehr oder noch erlassen werden dürfte. Da die Beschwerde gegen den Erlaß einer Anordnung auf deren Aufhebung gerichtet ist und das Rechtsmittel nach § 23 auf eine nachträglich eingetretene Veränderung der Sach-
) K G J 20 A 275; 24 A 85; J F G 5, 357, 360; 12, 207; KG OLGZ 1966, 357; 1966, 602, 604; Celle NdsRpfl. 1968, 131 (zu § 2356 Abs. 2 BGB); Lent-Habscheid 4 § 32 IV 2. " ) KG OLGZ 1966, 357, 360. 4 8 ) Unger ZZP 39, 7 8 ; S&legelberger § 25 Anm. 7 ; Keidel § 23 Anm. 3, 8. 4 9 ) Vgl. RGZ 110, 49. 48
") BGH WM 1967, 900, 901. ) BGH LM § 398 ZPO Nr. 2 und 3 = N J W 1964, 2414; BGH N J W 1968, 1138. 5 0 ) KG OLGR 41, 34; B G H Z 14, 398; 25, 9 6 ; BGH N J W 1956, 1277 = LM § 3 VHG Nr. 11; BayObLGZ 1954, 251, 256; Köln N J W 1963, 541; Keidel § 25 Anm. 2 ; Schlegelberger § 25 Anm. 6. 49
49b
§
23
Freiwillige Gerichtsbarkeit
läge gestützt werden k a n n , d a r f die Berücksichtigung von Aufhebungsgründen des sachlichen Rechts nicht, wie mitunter behauptet w i r d 5 1 ) , mit der Begründung abgelehnt werden, die Aufhebung einer M a ß n a h m e sei eine andere Angelegenheit als ihre Anordnung. D a s gilt zunächst von Verfügungen, die erst mit der R e c h t s k r a f t wirksam werden. D i e Genehmigung der Unterbringung eines Mündels (§ 1800 Abs. 2 B G B , § 5 5 a F G G ) d a r f v o m Beschwerdegericht nicht mehr bestätigt werden, wenn nachträglich U m s t ä n d e eingetreten sind, welche die Zurücknahme der Genehmigung rechtfertigen würden (§ 1 8 0 0 Abs. 2 S a t z 3), obwohl die Zurücknahme Gegenstand eines besonderen V e r f a h r e n s sein k ö n n t e ; es dürfte unbestreitbar sein, d a ß unter diesen U m s t ä n d e n die Genehmigung durdi E i n t r i t t der formellen R e c h t s k r a f t gar nicht erst w i r k s a m und vollziehbar werden d a r f . Fürsorgeerziehung d a r f nicht mehr angeordnet werden, wenn feststeht, d a ß sie nach § 75 Abs. 2 J W G wieder aufgehoben werden m ü ß t e 5 2 ) . Dasselbe gilt für Verfügungen, die nach § 16 mit der Bekanntmachung wirksam werden und der unbefristeten Beschwerde unterliegen. D i e Beschwerde gegen die Regelung der elterlichen G e w a l t nach § 1 6 7 1 B G B k a n n auf U m s t ä n d e gestützt werden, die eine Ä n d e rung nach § 1 6 9 6 B G B rechtfertigen würden 5 3 ). D i e Anordnung einer Pflegschaft ist auf Beschwerde aufzuheben, wenn das Fürsorgebedürfnis inzwischen fortgefallen ist (§ 1 9 1 9 B G B ) ; ist die Pflegschaft k r a f t Gesetzes beendigt, so ist das V e r f a h r e n in der Hauptsache erledigt 5 4 ). In diesen F ä l l e n unterscheidet sich übrigens die Aufhebung durch das B e schwerdegericht im E r f o l g nicht von der Aufhebung durch das V o r m G , da die Aufhebung nicht zurückwirkt ( § 1 8 R d n . 3 2 ) ; dem U m s t a n d , d a ß die neue Tatsache nur in einer Instanz geprüft wird, legt der Gesetzgeber, wie § 23 zeigt, kein Gewicht bei. K e i n e Ausnahme von der Berücksichtigung neuer Tatsachen gilt aber auch für Verfügungen, die mit der B e k a n n t machung wirksam werden und gegen welche die sofortige Beschwerde stattfindet, so d a ß eine Aufhebung durch das Beschwerdegericht rückwirkende K r a f t h a t (§ 18 R d n . 3 1 ) . D i e sofortige Beschwerde gegen die Ernennung des Testamentsvollstreckers (§ 2 2 0 0 B G B , § 81 Abs. 1 F G G ) k a n n daher auf nach der E r n e n n u n g eingetretene und gerade aus der A r t seiner Amtsführung hergeleitete Tatsachen gestützt w e r d e n 5 5 ) . D i e auf A n t r a g eines N a c h laßgläubigers angeordnete N a c h l a ß v e r w a l t u n g ist a u f sofortige Beschwerde aufzuheben, wenn nachträglich ein Aufhebungsgrund eingetreten, z. B . der antragstellende G l ä u b i g e r nach dem E r l a ß der A n o r d n u n g befriedigt worden ist 5 6 ). Durch die Befristung der Beschwerde ist d a f ü r Sorge getragen, d a ß f a c t a supervenientia nur für eine kurze Übergangszeit zur A u f hebung führen k ö n n e n ; die Rechte D r i t t e r sind durch § 3 2 F G G geschützt. K e i n e r H e r v o r hebung b e d a r f es, d a ß das Beschwerdegericht im F a l l einer Gesetzesänderung das zur Zeit seiner Entscheidung geltende sachliche Recht anzuwenden hat (vgl. § 27 R d n . 15). Bei der Erteilung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen und der Ersetzung der Zustimmung zu Rechtsgeschäften (z. B . § 1 3 6 5 ) ist nicht auf die Verhältnisse im Z e i t p u n k t des V e r tragssdilusses, sondern a u f den Z e i t p u n k t der Entscheidung des V o r m G , gegebenenfalls also des Beschwerdegerichts abzustellen 5 6 ').
) Schlegelberger § 25 Anm. 6. ) Hamm JMB1NRW 1963, 107 = FamRZ 1964, 101; Düsseldorf JMB1NRW 1963, 249; Neustadt ZB1JR 1964, 54; Stuttgart OLGZ 1966, 590; Staudinger-Göppinger B G B 1 1 Anh. zu § 1666 Anm. 253. 5 3 ) Staudinger-Schwoerer B G B 1 1 § 1671 Anm. 180; Schwoerer FamRZ 1962, 29 Anm. gegen Neustadt FamRZ 1961, 535; B G B - R G R K 1 1 § 1696 Anm. 2. " ) BayObLGZ 1966, 82; vgl. § 19 Rdn. 37. 5 5 ) A. M. Hamm JMB1NRW 1962, 211; ein Antrag auf Entlassung des TV (§ 2227) kann natürlich nicht erst im Beschwerdeverfahren gegen die Ernennung gestellt werden (oben Anm. 4). Der Unterschied zeigt sich aber darin, daß zu einem Absehen von der Ernennung durch das Beschwerdegericht ersichtlich weniger ge-
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wichtige Gründe ausreichen als für die Entlassung. 5 «) A. M. K G J 35 A 72 = R J A 9, 11 = O L G R 17, 366; BayObLGZ 1966, 75; Sdilegelberger § 25 Anm. 6 ; Keidel § 76 Anm. 4 ; wie hier Unger ZZP 39, 102 Fn. 143; vgl. zu der entsprechenden Frage im Konkursverfahren Jaeger-Lent K O 8 § 103 Rn. 10. Das K G hat sich zu seiner Konstruktion ersichtlich dadurch gedrängt gesehen, daß die Anordnung nicht förmlich zugestellt und deshalb die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt war, um der mißlichen Folge zu entgehen, eine anfänglich gerechtfertigte Verfügung wegen einer erst nach längerer Zeit eingetretenen Veränderung aufheben zu müssen. 5 6 *) K G O L G R 43, 382; BayObLG FamRZ 1968, 315.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften 7. Beschränkung der Beschwerdegründe. In einigen Fällen sind, wie in § 100 ZVG, die Beschwerdegründe ihrer Art nach beschränkt, so in §§ 96 Satz 2, 99, 139 Abs. 2, 157 Abs. 2 FGG, §§ 23, 27 Abs. 2 Halbs. 2 LwVG (vgl. dazu § 96 Rdn. 4, 5, § 139 Rdn. 11, § 157 Rdn. 5). In diesem Fall gilt § 23 auch im Rahmen der zugelassenen Beschwerdegründe; für deren Vorliegen können daher neue Tatsachen und Beweise angeführt werden 57 ). Ausgeschlossene Beschwerdegründe dürfen bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts so, als wenn sie nicht vorhanden wären, nicht berücksichtigt werden. Wird die Beschwerde von einem Beschwerdeberechtigten auf nicht zugelassene Beschwerdegründe gestützt, so ist sie nicht unzulässig, sondern unbegründet, nicht anders, als1 wenn eine Rechtsbeschwerde auf neue Tatsachen gestützt wird 58 ).
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8. Abhilferecht. Wird eine unbefristete Beschwerde eingelegt, so ist das untere Gericht nach § 18 Abs. 1 berechtigt und verpflichtet, der Beschwerde abzuhelfen, wenn es sie für begründet erachtet, d. h. wenn es sich davon überzeugt, daß die Entscheidung unrichtig war oder auf Grund neuer Tatsachen nicht mehr richtig ist (vgl. § 18 Rdn. 7). Dieser Grundsatz, der in § 75 GBO besonders ausgesprochen wird, gilt allgemein 59 ). Das AG kann über die neuen Tatsachen auch selbst Ermittlungen anstellen, zumal der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht, wie der Zivilprozeßrichter nach § 571 ZPO, durch eine Vorlegungsfrist eingeengt ist. Bevor das Gericht der Beschwerde abhilft, muß es dem Gegner rechtliches Gehör gewähren 60 ). Führen die neu angestellten Ermittlungen nicht zur Abhilfe, so muß den Beteiligten zu dem Ergebnis dieser Ermittlungen spätestens im Beschwerdeverfahren Gehör gewährt werden.
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9. Geltung für das Oberlandesgericht. Die Vorschrift des § 23 gilt auch, wenn das Landgericht Gericht des ersten Rechtszuges und die erste Beschwerde an das O L G eine Tatsachenbeschwerde ist (vgl. Vorbem. 3 vor § 19), ferner für erste Beschwerden gegen Verfügungen des Landgerichts als Beschwerdegericht, die der Beschwerdeentscheidung vorausgehen, sofern diese Verfügungen anfechtbar sind (§ 19 Rdn. 48), ferner für die weitere Beschwerde nach der ZPO (Vorbem. 7 vor § 19). Soweit dagegen die erste Beschwerde gegen Entscheidungen des Landgerichts eine Rechtsbeschwerde ist (Vorbem. 3 vor § 19), wird die Anwendung des § 23 durch die für weitere Beschwerden nach § 27 geltenden Grundsätze ausgeschlossen.
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10. Für die Erinnerung nach § 10 RechtspflG (vgl. § 19 Anm. K) und im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 13a Abs. 2 F G G mit § 104 Abs. 3 ZPO gilt § 23 entsprechend.
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Aufschiebende
Wirkung
der
Beschwerde
2 4 Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen eine Verfügung gerichtet ist, durch die eine Strafe festgesetzt wird. Das Gericht, dessen Verfügung angefochten wird, kann anordnen, daß die Vollziehung auszusetzen ist. Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen ist.
) Unger ZZP 39, 55 Fn. 38; Schlegelberger Anm. 2 ; Keidel Anm. 12. 58) A. M. Pritsdi L w V G § 23 Anm. 5 ; vgl. zu derselben Streitfrage zu § 512 a ZPO Baumbach-Lauterbadi Z P O 2 8 § 512 a Anm. 2. 5 ») K G R J A 11, 82. 57
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) Hw. Müller N J W 1960, 21 u. 709; MaunzDürig G G Art. 103 Anm. 85 Fn. 5 ; Röhl N J W 1964, 273 zu I I 2 a; Jansen, Wandlungen S. 23 Fn. 54; Keidel § 12 Anm. 81; a. M. Ulrich N J W i960, 709.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Ubersicht A. Aufschiebende Wirkung der Beschwerde I. Grundsatz I I . Ausnahmen 1. Straffestsetzungen 2. Weitere Ausnahmefälle I I I . Beginn und Ende der aufschiebenden Wirkung B. Aussetzung der Vollziehung I. Zuständigkeit I I . Aussetzungsfähige Verfügungen I I I . Verfügung über die Aussetzung
Rdn.
Rdn.
1-5 1 2-4 3 4
C . Einstweilige Anordnungen des Besdiwerdegerichts 9-11 I. Zulässigkeit 9 I I . Zeitliche Grenzen und Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung 10 I I I . Rechtsbeschwerdegericht 11 D . Rechtliches Gehör 12 E. Rechtsmittel 13 F. Sondervorschriften 14 G. Reditspfleger 15 H . Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht 16
5 6-8 6 7 8
A. Aufschiebende Wirkung der Beschwerde I. Grundsatz Das Rechtsmittel der Beschwerde hat stets Hemmungswirkung (Suspensiveffekt) in dem Sinne, daß es den Eintritt der formellen Rechtskraft hemmt (Vorbem. 1 vor § 19); das gilt auch für die unbefristete Beschwerde (§ 31 Rdn. 5). In der Regel werden aber gerichtliche Verfügungen schon vor dem Eintritt der formellen Rechtskraft, also ihrer Unanfechtbarkeit, mit der Bekanntmachung an den, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind, wirksam (§ 16 Abs. 1) und, soweit sie einer Vollziehung fähig und bedürftig sind, vollziehbar. Für diese Verfügungen spricht Abs. 1 in Übereinstimmung mit § 572 Abs. 1 ZPO den Grundsatz aus, daß die Einlegung der Beschwerde auf die Wirksamkeit und Vollziehbarkeit der angefochtenen Verfügung keinen Einfluß, insoweit also keine Hemmungswirkung hat. Das gilt auch für die sofortige Beschwerde1) und gemäß § 29 Abs. 4 auch für die weitere Beschwerde. Die Vorschrift hat keine Bedeutung für die Fälle, in denen bestimmt wird, daß die Entscheidung erst mit der Rechtskraft wirksam wird (§§ 26, 53 Abs. 1, 53a Abs. 2, 55a Abs. 1, 56 Abs. 2, 56b, 56c, 82 Abs. 2, 97, 98, 141 bis 144, 158 Abs. 2 und die weiteren in § 16 Rdn. 17 und § 60 Rdn. 14 angeführten Fälle), da vor dem Wirksamwerden auch die Vollziehbarkeit nicht eintreten kann. Mitunter ist aber dem Gericht in diesen Fällen die Befugnis eingeräumt, die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung anzuordnen (§§ 26 Satz 2, 53 Abs. 2, 82 Abs. 2 FGG, § 8 FrEntzG, § 30 Abs. 2 LwVG); ergeht eine solche Anordnung, so gilt auch für diese Entscheidungen der Grundsatz des § 24 Abs. 1, daß die (erste oder weitere) Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, und es greift die Befugnis des Instanzgerichts oder des Beschwerdegerichts ein, Anordnungen nach § 24 Abs. 2 oder 3 zu treffen. Außerdem muß es für zulässig erachtet werden, die Vollziehung einer bereits rechtskräftig gewordenen Entscheidung gemäß Abs. 2 oder 3 auszusetzen, wenn nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wird (vgl. § 707 ZPO).
II. Ausnahmen, in denen die Beschwerde kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, also die (weitere) Vollziehung der wirksam und vollziehbar gewordenen Verfügung hemmt, sieht das Gesetz in folgenden Fällen vor: 1. Gegen eine Verfügung, durch die eine Strafe festgesetzt wird, hat die Beschwerde aufschiebende Wirkung (Abs. 1). Für den Begriff der Strafe macht es keinen Unterschied, ob es sich um eine Ungehorsamsstrafe (§ 1875 Abs. 2 BGB, § 15 FGG mit §§ 380, 390 Abs. 1, 372a Abs. 2, 409 ZPO) oder um eine Ordnungsstrafe mit dem Charakter eines Beugemittels im Sinne des § 33 F G G handelt (Beispiele: §§ 78, 1788, 1837 Abs. 2 BGB, §§ 83 Abs. 1, 133, 135, 140, 151, 154, 159 FGG, §§ 14, 37 H G B , §§ 407, 408 AktG, § 28 Absatz 3 EGAktG, § 160 GenG, § 79 GmbHG, § 2 4 G r d S t V G ) . Deshalb gilt § 24 Abs. 1 auch für die Haftanordnung zur Erzwingung des Offenbarungseides nach §§ 33 Abs. 5, 83 Abs. 2 ») K G J F G
520
12, 122, 1 2 4 ; Unger Z Z P 38,
529.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften F G G mit § 901 Z P O und für die H a f t zur E r z w i n g u n g des Zeugnisses nach § 15 F G G , § 3 9 0 Abs. 2 Z P O 2 ) ; das m u ß um so mehr gelten, als § 5 7 2 Abs. 1 Z P O , dem § 2 4 Abs. 1 nachgebildet ist, aufschiebende W i r k u n g auch im F a l l des § 3 9 0 Abs. 2 Z P O a n o r d n e t ; die E r w ä g u n g ferner, d a ß im Z i v i l p r o z e ß die sofortige Beschwerde gegen die H a f t a n o r d nung nach § 901 Z P O keine aufschiebende W i r k u n g hat, greift nicht durch, weil dort der Schuldner die Möglichkeit hat, zuvor durch Widerspruch eine rechtskräftige Entscheidung über seine Verpflichtung zur Eidesleistung herbeizuführen (§ 9 0 0 Abs. 5 S a t z 2 Z P O ) . A u f schiebende W i r k u n g hat auch die erste Beschwerde gegen S t r a f e n , die das L G als B e schwerdegericht im Beweisverfahren festsetzt (§ 15 F G G mit § 3 8 0 Abs. 3, 3 9 0 Abs. 3, 4 0 9 Abs. 2 Z P O , vgl. § 19 R d n . 4 8 ) . K e i n e aufschiebende W i r k u n g tritt ein bei Festsetzung von Auslagenersatz ( § § 1847 Abs. 2, 1877 B G B ) 3 ) , dagegen nimmt eine gleichzeitig mit der V e r hängung der Ordnungsstrafe ausgesprochene Verurteilung in Kosten (§ 1875 B G B , § § 3 8 0 Abs. 1, 3 9 0 Abs. 1, 4 0 9 Z P O ) an der aufschiebenden W i r k u n g teil 4 ). F ü r Beschwerden gegen die Festsetzung v o n Ordnungsstrafen in Ausübung der Sitzungspolizei gilt nicht § 2 4 Abs. 1, sondern nach § 8 F G G § 181 Abs. 2 G V G . D i e Beschwerde gegen eine S t r a f a n d r o h u n g hat keine aufschiebende W i r k u n g . 2. Weitere Fälle aufschiebender W i r k u n g sind angeordnet bei der Versteigerung eines Wohnungseigentums durch den N o t a r (§ 58 W E G ) , für die sofortige Beschwerde gegen die Aufhebung der Fürsorgeerziehung nach § 75 Abs. 5 S a t z 2 J W G und die Anordnung der Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens nach § 66 Abs. 3 J W G ; die in § 65 Abs. 4 J W G vorgesehene aufschiebende W i r k u n g der sofortigen Beschwerde gegen die Anordnung der endgültigen Fürsorgeerziehung (nicht auch der vorläufigen, § 67 Abs. 2 S a t z 2 J W G ) hat keine selbständige Bedeutung, da die endgültige Fürsorgeerziehung nach § 6 9 Abs. 2 J W G erst mit der R e c h t s k r a f t ausführbar ist. Aufschiebende W i r k u n g haben die sofortigen Beschwerden n a d i §§ 4 2 Abs. 4, 91 Abs. 6 B R A O , § 111 Abs. 4 B N o t O .
4
III. Beginn und Ende der aufschiebenden Wirkung
5
N u r die tatsächliche Einlegung der Beschwerde b e w i r k t einen Aufschub; bis dahin kann mit der Vollziehung der wirksam gewordenen Verfügung begonnen und fortgefahren w e r den. M i t der Einlegung des Rechtsmittels t r i t t die aufschiebende W i r k u n g k r a f t Gesetzes e i n ; mit der Vollziehung d a r f nicht mehr begonnen, eine bereits begonnene m u ß ohne A n t r a g von A m t s wegen eingestellt werden. D i e aufschiebende W i r k u n g endet mit dem W i r k s a m w e r d e n der Beschwerdeentscheidung (dazu § 2 6 R d n . 1), kann aber mit der E i n legung der weiteren Beschwerde erneut beginnen. D i e Verhängung weiterer S t r a f e n auf G r u n d eines neuen Sachverhalts (z. B . § 3 8 0 Abs. 2 Z P O ) wird durch die Anhängigkeit der Beschwerde nicht gehindert.
B . Aussetzung der Vollziehung (Abs. 2, 3) I. Zuständigkeit
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Einem dringenden praktischen Bedürfnis Rechnung tragend, ist es dem Gericht gestattet, die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen. D i e Befugnis hierzu steht zu dem Gericht, dessen Verfügung angefochten w i r d (iudex a quo), also dem Gericht erster Instanz ( A G , L G ) oder bei Einlegung der weiteren Beschwerde dem L G als Beschwerdegericht 5 ), ferner dem Beschwerdegericht (iudex ad quem), also dem Gericht, welches über die erste Beschwerde zu entscheiden hat ( L G , O L G ) oder nach § 2 9 Abs. 4 dem Gericht der weiteren Beschwerde ( O L G , K G , O b L G , bei Vorlegung nach § 28 Abs. 2 auch B G H ) . D i e Befugnis beginnt erst mit der Einlegung des Rechtsmittels; sie endet für den iudex a quo mit dem E r l a ß der Entscheidung des ihm vorgeordneten Beschwerdegerichts, für den iudex ad quem mit dem E r l a ß seiner Beschwerdeentscheidung. D e r iudex a quo k a n n mithin die 2)
Str., wie hier Unger ZZP 38, 530 (audi zur Entstehungsgeschichte); Ehard Anm. 2; a. M. Schlegelberger Anm. 2; die Frage offen lassend Wellstein 2 Anm. 2 a; Keidel Anm. 7.
3)
4)
5)
Josef 2 Anm. 1. a. M. Schlegelberger Anm. 2. K G O L G R 33, 382.
521
Freiwillige Gerichtsbarkeit Vollziehung nodi aussetzen, wenn bereits Anfallwirkung (Vorbem. 1 vor § 19) eingetreten ist6), der iudex ad quem kann nicht die Vollziehung seiner eigenen Entscheidung aussetzen, es sei denn, daß diese mit der weiteren Beschwerde angefochten wird. Die Befugnis des iudex a quo, der Beschwerde abzuhelfen (§ 18), bleibt unberührt; andererseits steht ein Änderungsverbot (§§ 18 Abs. 2, 29 Abs. 3) der Aussetzung nicht entgegen.
7
II. Aussetzungsfähig sind nur Verfügungen, bei denen die Rechtsfolge, welche die Verfügung zu äußern bestimmt und geeignet ist, nicht ohne weiteres mit ihrem Wirksamwerden eintritt, sondern die noch einer Vollziehung bedürfen. Nicht ausgesetzt werden kann daher die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft, die Ersetzung einer Willenserklärung, die Bestellung eines Vormundes, die Ermächtigung zur Einberufung einer Generalversammlung nach § 45 Abs. 3 GenG 7 ), die Übertragung der elterlichen Gewalt nach §§ 1671, 1672 BGB7*), überhaupt jede rechtsgestaltende Verfügung, etwa die Entlassung eines Vormundes oder Testamentsvollstreckers. Nicht aussetzungsfähig ist auch eine Fristbestimmung nach § 80, weil sie keiner Vollziehung fähig ist 8 ). In diesen Fällen kommt nur eine einstweilige Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 24 Abs. 3 in Betracht (nächst. Rdn. 9). Der Unterschied wirkt sich dahin aus, daß in diesen Fällen dem iudex a quo ein einstweiliges Eingreifen verwehrt ist, nicht aber dem iudex ad quem. Aussetzungsfähig ist mithin z. B. die Entscheidung über die Herausgabe eines Kindes nach § 1632 Abs. 2 BGB, die Regelung des Verkehrs nach § 1634 BGB, die Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung"), die Entscheidung über die Zuweisung der Ehewohnung nach § 1 HausratsVO, wenn nach Eintritt der Rechtskraft Beschwerde nebst Wiedereinsetzungsgesuch eingelegt wird (Anm. A). Die Aussetzung erfaßt audi die Entscheidung über die Kostenerstattung (§ 13a Abs. 1), wenn sie nicht von der Aussetzung ausgenommen ist. Im Kostenfestsetzungsverfahren ergibt sich die Befugnis des Gerichts, die Vollziehung des Kostenfestsetzungsbeschlusses auszusetzen, bei Einlegung der Erinnerung aus § 13a Abs. 2 FGG mit § 104 Abs. 3 Satz 4 ZPO, bei Einlegung der Beschwerde aus § 24 Abs. 2, 3.
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III. Die Verfügung über die Aussetzung ergeht von Amts wegen; Anträge Beteiligter haben nur die Bedeutung einer Anregung. Die Verfügung wird nach § 16 mit der Bekanntmachung wirksam und kann nach § 18 Abs. 1 Halbs. 1 ohne Antrag geändert werden. Die Aussetzung liegt im Ermessen des Gerichts. Für das untere Gericht kann sie z. B. in Betracht kommen, wenn die Beschwerde auf neue Tatsachen gestützt wird, die eine Änderung wahrscheinlich machen, dem Gericht aber eine Änderung durch § 18 Abs. 2 verwehrt ist, oder wenn ein mehrfacher Wechsel des bestehenden Zustandes zu Unzuträglichkeiten führen würde, z. B. bei Herausgabe eines Kindes, und eine spätere Vereitelung der Vollziehung nicht zu befürchten ist; auch die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels sind abzuwägen. Die Aussetzung wird, da nur für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bestimmt, mit dem Erlaß der Beschwerdeentscheidung von selbst hinfällig, falls ihr nicht eine frühere zeitliche Grenze gesetzt ist, ohne daß es einer förmlichen Aufhebung bedarf.
C. Einstweilige Anordnungen des Beschwerdegerichts 9
I. Zulässigkeit Die dem Beschwerdegericht (iudex ad quem) durch Abs. 3 eingeräumte Befugnis, vor der Entscheidung einstweilige Anordnungen zu erlassen, geht über die Befugnis, die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen hinaus. Gleichgültig, ob die angefochtene Verfügung einer Vollziehung fähig ist oder nicht, kann nicht nur die Fortdauer des bisherigen, sondern auch die Herstellung oder der Eintritt eines einstweiligen neuen rechtlichen «) Unger Z Z P 38, 532. 7 ) R G Z 170, 83 = Recht 1942 N r . 4196. '•) Staudinger-Sdiwoerer BGB 11 § 1671 Anm. 173 gegen BayObLGZ 1963, 191.
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8
) Unger ZZP 38, 535»=; a. M. Keidel Anm. 10 unter Hinweis auf K G J 43, 86. ") Stuttgart Die Justiz 1961, 267; StaudingerGöppinger B G B " § 1666 Anh. Rdn. 422.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
24
oder tatsächlichen Zustandes bis zum Erlaß der Beschwerdeentscheidung angeordnet werden, um zu vermeiden, daß durch eine Veränderung der Sachlage, die auf G r u n d der angefochtenen Verfügung eintreten oder herbeigeführt werden könnte, der Endentscheidung vorgegriffen wird 1 0 ). D i e Maßnahmen müssen im Rahmen des Gegenstandes der angefochtenen Verfügung und des Beschwerdebegehrens liegen. Demnach kann das Beschwerdegericht eine bereits wirksam gewordene Verfügung einstweilen außer K r a f t setzen, die Befugnis, von der angefochtenen V e r f ü g u n g Gebrauch zu machen, einstweilen entziehen oder die durch die angefochtene Verfügung abgelehnte Herstellung eines Zustandes als eines einstweiligen anordnen 1 1 ). S o kann es die Bestellung zum Vormund oder die Ernennung zum Testamentsvollstrecker einstweilen außer K r a f t setzen 1 2 ), die vorläufige gerichtliche Verwahrung der dem Vormund erteilten Bestallung oder des dem Erben erteilten Erbscheins anordnen, die Ermächtigung zur Einberufung einer Mitgliederversammlung (§ 37 B G B ) einstweilen entziehen 1 3 ), dem entlassenen Testamentsvollstrecker die einstweilige Fortführung seines Amtes gestatten, die H e m m u n g einer Fristsetzung bis zum E r l a ß der Beschwerdeentscheidung anordnen oder die Bewilligung einer Vergütung an den Vormund ganz oder teilweise einstweilen außer K r a f t setzen 1 4 ). Im Verfahren nach §§ 1666, 1671, 1672 B G B kann der A u f enthalt des Kindes einstweilen bestimmt werden mit der Folge, daß der Personensorgeberechtigte mit auch das Prozeßgericht bindender Wirkung die Herausgabe des Kindes zunächst nicht verlangen kann 1 5 ), im Verfahren nach § 1634 B G B kann der Verkehr mit dem K i n d e einstweilen geregelt oder g a n z untersagt werden. Eine Genehmigung des V o r m G zu einem Rechtsgeschäft kann einstweilen außer K r a f t gesetzt werden, wenn sie noch nicht nach den §§ 55, 62, 63 unabänderlich geworden ist 1 6 ). Jedoch darf der mit der Beschwerde erstrebte Zustand durch einstweilige Anordnung nicht schon endgültig herbeigeführt, z. B. eine nachgesuchte Ermächtigung erteilt werden. D a s Beschwerdegericht ist ferner nicht befugt, die sofortige Wirksamkeit einer gesetzlich erst mit der Rechtskraft wirksam werdenden V e r f ü g u n g anzuordnen, soweit dies nicht besonders gestattet ist, wie in §§ 53 Abs. 2, 82 Abs. 2 " ) .
II. Zeitliche Grenzen und Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung D a s Beschwerdegericht kann eine einstweilige Anordnung erlassen, sobald Beschwerde eingelegt und A n f a l l w i r k u n g eingetreten ist. D i e Anordnung kann, d a sie nur eine Zwischenregelung bis z u m Abschluß des Beschwerderechtszugs darstellt, nur vor der Beschwerdeentscheidung ergehen 1 8 ). Sie wird mit der Bekanntmachung nach § 16 wirksam und kann nach § 18 Abs. 1 H a l b s . 1 auch ohne A n t r a g geändert werden. Mit dem E r l a ß der Beschwerdeentscheidung wird sie von selbst hinfällig, ohne daß es einer förmlichen A u f hebung bedarf. Deshalb kann das Beschwerdegericht in seiner abschließenden Entscheidung über die Beschwerde nicht zugleich eine einstweilige Anordnung treffen 1 9 ). Diese Befugnis oder die Möglichkeit, die Vollziehung der Entscheidung des A G auszusetzen, hat auch das Gericht der weiteren Beschwerde nicht mehr, wenn es die Entscheidung des L G aufhebt und die Sache an das L G zurückverweist 2 0 ); diese Befugnis hat jetzt nur noch das L G 2 1 ) . Wird die Beschwerdeentscheidung des L G auf weitere Beschwerde aufgehoben, so lebt die Aussetzungsverfügung des L G nicht von selbst witfder a u f 2 2 ) .
III. Rechtsbeschwerdegericht Im Verfahren der weiteren Beschwerde ist § 24 Abs. 3 nach § 29 Abs. 4 F G G entsprechend anwendbar. Auch im dritten Rechtszuge können daher, der ständigen Ü b u n g der Obergerichte entsprechend, einstweilige Anordnungen nach Abs. 3 ergehen oder es kann ) Unger ZZP 38, 535; BayObLGZ 1961, 166. » ) Unger ZZP 38, 537 1 « 1 ; Keidel Anm. 14; BayObLGZ 1967, 304, 309. 12 ) Unger ZZP 536» 8 ; Schlegelberger Anm. 7. 13 ) K G OLGR 43, 197. » ) Schlegelberger Anm. 8; Josef ZZP 40, 291. 1 5 ) K G R J A 4, 189; Hamm JMB1NRW 1960, 67; BayObLGZ 1961, 166; 1963, 191. « ) Keidel Anm. 14. 10
) Unger ZZP 38, 5 3 6 " ; Sdilegelberger Anm 9; Keidel Anm. 13. ) RGZ 170, 83. 1 9 ) K G J F G 14, 423 = 1936, 639. 2 0 ) A. M. Stuttgart, FamRZ 1956, 191 ; Keidel Anm. 12. 2 1 ) Vgl. Hamm JMB1NRW 1959, 233 a. E. 2 2 ) BayObLGZ 1963, 193. 17
18
523
Freiwillige Gerichtsbarkeit die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung ausgesetzt werden23). Soweit erforderlich, kann das Rechtsbeschwerdegericht zu diesem Zweck im Wege des Freibeweises auch Erhebungen anstellen24).
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Rechtliches Gehör
Vorherige Anhörung ist durch den Verfassungsgrundsatz des Art. 103 Abs. 1 GG nicht unbedingt geboten, und zwar wegen des Zwecks dieser rein verfahrensrechtlichen Sicherungsmaßnahmen, zu vermeiden, daß durch eine Veränderung der Sachlage der Endentscheidung vorgegriffen wird, und wegen der regelmäßig vorhandenen Eilbedürftigkeit 24 *). Dem Erfordernis, daß dem Betroffenen nachträglich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben sein muß 24 "), wird dadurch genügt, daß die Anordnungen, wie ausgeführt, von Amts wegen oder auf Gegenvorstellungen gemäß § 18 Abs. 1 geändert werden können. Eine Belehrung des Betroffenen darüber ist nicht erforderlich240).
E. Rechtsmittel Anordnungen des Beschwerdegerichts nach Abs. 2, 3 sind weder mit der ersten noch mit der weiteren Beschwerde anfechtbar, weil die Verfügung nicht eine solche des Gerichts erster Instanz i. S. des § 19 Abs. 1 ist und weil die weitere Beschwerde durch § 27 nur gegen die Endentscheidung des Beschwerdegerichts zugelassen wird (§ 27 Rdn. 2), außerdem aber auch, weil die Anfechtbarkeit mit dem Zweck der Anordnung, für die Dauer des Besdiwerdeverfahrens eine einstweilige rechtliche Ordnung herzustellen, unvereinbar wäre 25 ). Unanfechtbar ist auch die Ablehnung der Anordnung26) und ihre Wiederaufhebung27). Der letzterwähnte Grund rechtfertigt auch die Unanfechtbarkeit der Verfügung, durch die der iudex a quo nach Abs. 2 die Vollziehung der von ihm erlassenen Verfügung aussetzt oder die Aussetzung ablehnt 28 ), ebenso wie im Zivilprozeß die Unanfechtbarkeit von Anordnungen nach § 572 Abs. 2 ZPO angenommen wird 29 ). Es bedarf auch keines selbständigen Rechtsmittels, weil das Beschwerdegericht, welches auf Grund der Beschwerde in der Hauptsache ohnehin mit der Sache befaßt ist, nach Abs. 3 auf Antrag oder von Amts wegen eine abweichende Anordnung erlassen kann. Anordnungen, die den zulässigen Rahmen einstweiliger Anordnungen überschreiten, können nach den bei § 19 Rdn. 48 a. E. erörterten Grundsätzen anfechtbar sein 30 ), ebenso solche, die ihrem Erfolge nach die Hauptsache entscheiden31).
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F. Sondervorschriften über einstweilige Anordnungen des Beschwerdegerichts enthalten § 76 GBO, § 81 SchiffsRegO, § 18 Abs. 3 LwVG. Entspreebend anwendbar ist § 24 Abs. 3 nach § 8 FrEntzG, § 35 Abs. 3 VerschG, bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten (§ 29 EGGVG Rdn. 7), im gerichtlichen Verfahren über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (Art. 7 § 1 FamRÄndG Rdn. 52), in Zulassungssachen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 40 Abs. 4 BRAO, vgl. auch §§ 91 Abs. 7, 191 Abs. 3 BRAO) und bei der Anfechtung von Verwaltungsakten auf dem Gebiet des Notarwesens (§ 111 Abs. 4 BNotO mit § 40 Abs. 4 BRAO) 3 2 ). Ausgeschlossen ist § 24 Abs. 3 bei der Annahme an Kindes Statt (§ 68 ) R G Z 170, 83 (91/92); Keidel Anm. 19; a. M. Schlegel berger § 24 Anm. 7, § 29 Anm. 10 im Widerspruch zu § 26 Anm. 3 a. E . und für das Landwirtschaftsverfahren B G H Z 3, 149; 13, 218 = N J W 1954, 1242 = R d L 1954, 179. 2 4 ) A. M. Keidel Anm. 19; vgl. zur Aussetzungsbefugnis des Revisionsgeridits in der VerwGerbkt. BVerwGE 1, 45; 4, 153. 2 4 *) Jansen, Wandlungen im Verfahren der freiw. Gerbkt., 1964, S. 23 Fn. 54; Keidel § 12 Anm. 82; vgl. für den Strafprozeß Rahn N J W 1959, 1167. 2 4 b ) BVerfGE 9, 89, 98. 2 4 c ) A. M. Keidel § 12 Anm. 82 b. 2 5 ) K G J 23 A 3 = R J A 3, 1; K G J 28 A 273 = R J A 4, 189; B a y O b L G Z 1961, 167. 23
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«) München J F G 15, 13; K G J F G 19, 36; Köln M D R 1960, 683; B G H Z 39, 162, 168; a. M. Pikart-Henn S. 109. " ) K G ZB1FG 16, 617. 2 8 ) So auch Wellstein F G G 2 § 24 Anm. 2 b ; anders die h. M., Sdilegelberger Anm. 6 ; Keidel Anm. 18; Pikart-Henn S. 109. 2 9 } Baumbach-Lauterbadi § 572 Anm. 2 B ; SteinJonas-Grunsky Z P O 1 8 § 572 Anm. I I 3 ; R o senberg ZPR® § 145 I I 2. 3 0 ) BayObLGZ 1967, 279. 3 1 ) Köln J M B 1 N R W 1968, 9 ; Stein-Jonas-Grunsky Z P O « S 572 Anm. I I 3. 3 2 ) B G H Z 39, 162 = LM § 111 B N o t O Nr. 1 a mit Anm. v. Greuner; abw. Keidel Anm. 16 a u. M D R 1963, 590. 2
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften R d n . 8). I n N o t a r k o s t e n s a c h e n (§ 156 K o s t O ) sind einstweilige A n o r d n u n g e n des Landgerichts nach § 572 Abs. 3 Z P O s t a t t h a f t , a b e r u n a n f e c h t b a r 3 3 ) .
G. Der Rechtspfleger ist in ü b e r t r a g e n e n Angelegenheiten bei E r i n n e r u n g o d e r bedingter Beschwerde (§ 10 Abs. 4 RechtspflG) b e f u g t , die Vollziehung seiner V e r f ü g u n g entsprechend § 24 Abs. 2 auszusetzen 3 4 ). H i e r g e g e n o d e r gegen die A b l e h n u n g der A u s s e t z u n g ist E r i n n e r u n g nicht gegeben ( R d n . 13) 3 5 ). D e r Amtsrichter k a n n auf E r i n n e r u n g in der H a u p t s a c h e diese V e r f ü gung ä n d e r n (§ 18); er h a t a b e r nicht die Befugnis des Beschwerdegerichts nach § 24 Abs. 3, einstweilige A n o r d n u n g e n zu erlassen. D i e Vollziehung seiner auf E r i n n e r u n g ergehenden Entscheidung k a n n der Amtsrichter nach § 24 Abs. 2 aussetzen, w e n n Beschwerde eingelegt ist.
H. Für nichtgerichtliche Behörden die nach Landesgesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten z u s t ä n d i g sind, ist § 24 nach § 194 Abs. 1 a n w e n d b a r . D i e Vorschrift ist durchweg auch in landesrechtlichen Angelegenheiten f ü r a n w e n d b a r e r k l ä r t ( A r t . 6 P r F G G u n d § 1 R d n . 131).
Begründung
25
der
Bescbwerdeentscheidung
Die Entscheidung des Bescbwerdegerichts ist mit Gründen zu versehen. Übersicht Rdn.
A. Allgemeines B. Verwerfung als unzulässig I. Zulässigkeit des Rechtsmittels II. Zulässigkeitserfordernisse III. Amtsprüfung IV. Wirkung der Verwerfung als unzulässig C. Zurückweisung als unbegründet I. Schlichte Zurückweisung II. Schlechterstellung des Beschwerdeführers 1. Begriff der Schlechterstellung 2. Geltung des Verbots der Schlechterstellung
1 2-6 2-3 4 5
D. Begründetes Rechtsmittel I. Entscheidung in der Sache II. Zu rück Verweisung 1. Voraussetzungen 2. Wirkung der Zurück Verweisung. Bindung
Rdn. 12-16 12 13-16 13 14-16
6 7-11 7
E. Begründung der Beschwerdeentscheidung
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F. Form der Besch Werdeentscheidung
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8-11 8
G. Bekanntmachung
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H. Entscheidung des Amtsrichters über die Erinnerung
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9-11
A. Allgemeines D i e §§ 25 bis 27 beziehen sich auf „die Entscheidung des Beschwerdegerichts"; d a r u n t e r ist die den Beschwerderechtszug abschließende Entscheidung über die Beschwerde zu v e r stehen, m a g sie den Beschwerdegegenstand ganz oder hinsichtlich eines a b s o n d e r u n g s f ä h i gen S t r e i t p u n k t s o d e r bei Teilbarkeit des V e r f a h r e n s g e g e n s t a n d e s zu einem Teil erledigen. A n d e r e V e r f ü g u n g e n des Beschwerdegerichts, die der Beschwerdeentscheidung vorausgehen o d e r neben ihr ergehen (z. B. Festsetzung des Beschwerdewerts, Entscheidung über A r m e n rechtsgesuche) gehören nicht hierher. D i e Vorschrift des § 25 beschränkt sich auf den Ausspruch, d a ß die Beschwerdeentscheidung mit G r ü n d e n zu versehen ist. D e r I n h a l t des v e r f ü g e n d e n Teils d e r Entscheidung ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. E r ergibt sich aus der dem Rechtsmittelgericht zugewiesenen A u f g a b e . D i e Entscheidung k a n n lauten auf V e r w e r f u n g d e r Beschwerde als unzulässig (B), auf ihre Zurückweisung als u n b e g r ü n d e t (C), auf A u f h e b u n g der Vorentscheidung u n t e r gleichzeitiger abweichender Entscheidung in 33 34
) BayObLGZ 1968, 153 = JurBüro 1968, 732. ) Arndt, RechtspflG, § 10 Anm. 41; HofmannKersting Rechtspfl § 10 Anm. 3 C.
3S
) A. M. Hofmann-Kersting aaO.
525
§
25
Freiwillige Gerichtsbarkeit
der Sache ( D I ) oder a u f A u f h e b u n g der Vorentscheidung unter Zurückverweisung der Sache zur anderweiten E r ö r t e r u n g und Entscheidung an das untere Gericht ( D I I ) . B . V e r w e r f u n g als unzulässig I. Zulässigkeit des R e c h t s m i t t e l s D i e mit dem Rechtsmittel erstrebte neue Entscheidung über den Gegenstand der angefochtenen V e r f ü g u n g setzt voraus, d a ß das Rechtsmittel zulässig ist. F e h l t es hieran, so ist dem Beschwerdegericht ein Eingehen auf die Sache selbst gesetzlich v e r w e h r t ; die V e r w e i gerung der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung wird dadurch zum Ausdruck gebracht, d a ß das Rechtsmittel als unzulässig v e r w o r f e n wird. D i e P r ü f u n g der Zulässigkeit geht jeder sonstigen P r ü f u n g voraus. V o m S t a n d p u n k t des dritten Rechtszuges aus ist die P r ü f u n g in folgender R e i h e n f o l g e anzustellen: a) P r ü f u n g der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde; b) P r ü f u n g der Zulässigkeit der ersten Besdiwerde; c) P r ü f u n g der Zulässigkeit des V e r f a h r e n s des ersten Rechtszuges; d) Sachliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung. Hieraus ergibt sich, d a ß das Gericht, wenn es die (erste oder weitere) Beschwerde für unzulässig erachtet, nicht in eine P r ü f u n g der Zulässigkeit des V e r f a h r e n s des ersten Rechtszuges eintreten und das Gericht der weiteren Beschwerde nicht prüfen d a r f , ob die erste Beschwerde zulässig w a r . F e r n e r ergibt sich hieraus, d a ß die P r ü f u n g der Beschwerdebefugnis nicht der erste Abschnitt der Sachprüfung (d) sein k a n n , sondern in allen Fällen ein Bestandteil der Zulässigkeitsprüfung ist (vgl. § 2 0 R d n . 1 3 ) ; denn ersichtlich d a r f es dem Beschwerdegericht nicht gestattet sein, a u f die Beschwerde eines nicht Beschwerdeberechtigten zu prüfen, ob das V e r f a h r e n des ersten Rechtszuges oder (bei der weiteren Beschwerde) die erste Beschwerde zulässig w a r , und, wenn es hieran fehlt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. D e r G r u n d s a t z , daß, wenn die Beschwerde unzulässig ist, eine Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht mehr stattfinden d a r f , auch nicht in einer H i l f s erwägung 1 ), gilt daher auch beim Fehlen der Beschwerdebefugnis 2 ). E i n e gleichwohl gegebene sachliche Begründung ist als nicht geschrieben anzusehen 3 ). D i e Zulässigkeit des Rechtsmittels d a r f auch nicht dahingestellt bleiben oder unterstellt werden 4 ). H a t das G e richt gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels keine Bedenken, so ist in die sachliche P r ü fung einzutreten. D i e Zulässigkeit wird erst in den G r ü n d e n der Endentscheidung ausgesprochen; ist die Zulässigkeit u n z w e i f e l h a f t und von keiner Seite in F r a g e gestellt worden, so ist eine förmliche Feststellung darüber nicht einmal erforderlich. E i n e Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit entsprechend § 303 Z P O ergeht nicht; sie w ä r e für das B e schwerdegericht nicht bindend und auch nicht selbständig anfechtbar 5 ). II. Zulässigkeitserfordernisse D i e V e r w e r f u n g des Rechtsmittels als unzulässig ist geboten, wenn es an der S t a t t h a f t i g keit, einer etwa erforderlichen Zulassung ( V o r b e m . 4 v o r § 19), der Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers (§ 2 0 R d n . 1 3 ) , der Beschwerdesumme ( V o r b e m . 5 v o r § 19) oder der W a h rung der gesetzlichen F o r m oder Frist fehlt, ferner wenn die Beschwerde in der Hauptsache aufrechterhalten wird, o b w o h l sie wegen eines nachträglich eingetretenen Umstandes gegenstandslos geworden ist, z. B . die Beschwerde gegen eine vorläufige Anordnung oder ge!) K G J 51, 15; K G OLGZ 1965, 237, 239; BayObLGZ 1952, 2, 4; Baur § 29 D I I ; Schlegelberger Anm. 5; Keidel Anm. 5. 2) München J F G 15, 283; Karlsruhe FamRZ 1956, 252; Keidel DNotZ 1958, 269. 3 ) K G J 51, 15; K G OLGZ 1965, 237, 239; R G Z 158, 145, 155; BGHZ 4, 58, 60; Blomeyer ZPR § 97 I V ; Keidel Anm. 5. 526
) Baur J Z 1952, 726; Keidel Anm. 5. Im Zivilprozeß wird dieser Grundsatz neuerdings in Zweifel gezogen, vgl. Rimmelspadier, Zur Prüfung von Amts wegen im Zivilprozeß, 1966, S. 51 ff., Grunsky, ZZP 80, 55 ff., Lindadier N J W 1967, 1389; Stein-Jonas-Grunsky ZPO 1 8 I I vor § 511; dagegen Berg J R 1968, 257. 5 ) Schlegelberger Anm. 5. 4
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften gen eine Zwischenverfügung wegen verfahrensrechtlicher Überholung, wenn inzwischen die Endentscheidung ergangen ist (vgl. § 19 Rdn. 27, 28, 35, 36, 38). Maßgebend für die Zulässigkeit des Rechtsmittels sind die Verhältnisse zur Zeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts6). Die Rechtsbeeinträchtigung als Voraussetzung der Beschwerdebefugnis muß schon zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bestanden haben 7 ) und zur Zeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts noch fortbestehen 8 ). Wegen des maßgeblichen Zeitpunkts für das Vorhandensein einer Beschwerdesumme vgl. Vorbem. vor § 19 Rdn. 21. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist für die Zulässigkeit der Beschwerde nicht besonders zu erfordern; es liegt schon in dem Erfordernis einer Beschwerdebefugnis'). Genügt die Beschwerdeeinlegung nicht der gesetzlichen Form, so entspricht es der Gepflogenheit der Gerichte, den Beschwerdeführer über die Form zu belehren, und zwar bei befristeter Beschwerde stets, sofern die Beschwerdefrist durch formgerechte Einlegung noch gewahrt werden kann, bei unbefristeter Beschwerde nur, wenn das Rechtsmittel nicht offensichtlich aussichtslos ist 10 ). Bei Überschreitung der Beschwerdefrist ist in der Regel Anhörung des Beschwerdeführers vor Verwerfung des Rechtsmittels geboten (§ 22 Rdn. 24, § 23 Rdn. 7). Wegen des Einflusses mangelnder Prozeßfähigkeit auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels vgl. § 13 Rdn. 16, 25, wegen der Bedeutung von Vertretungsmängeln § 21 Rdn. 12.
III. Amtsprüfung Die Zulässigkeit des Rechtsmittels hat das Beschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen. Dieser Grundsatz ist im FGG, anders als in den §§ 519b, 554a, 574 ZPO, nicht besonders ausgesprochen, weil er sich von selbst versteht 11 ). Die Zulässigkeit des ganzen Verfahrens oder eines Rechtsmittels muß notwendig in jeder Verfahrensart der Herrschaft der Parteien entzogen sein, gleichgültig, ob in dem Verfahren im übrigen die Verhandlungsmaxime oder der Untersuchungsgrundsatz gilt. Die Amtsprüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist ein Anwendungsfall der Instruktionsmaxime (Vorbem. vor § 8 Rdn. 23), nicht etwa ein Ausfluß des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 12 FGG. Die Amtsermittlungspflicht bezieht sich nur auf den der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachenstoff. Im Zivilprozeß bedeutet Amtsprüfung nicht, daß die Parteiinitiative für die Herbeiführung der Überzeugung des Gerichts von dem Vorliegen oder NichtVorliegen der von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstände ausgeschlossen und durch den Untersuchungsgrundsatz ersetzt ist 12 ). Da Zivilprozeß und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sich darin gleichen, daß die Eröffnung des Rechtsmittelverfahrens den Beteiligten freigestellt ist, insoweit also in beiden Verfahren übereinstimmend die Dispositionsmaxime gilt, kann es auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht Pflicht des Gerichts sein, Zweifel tatsächlicher Art über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels durch Ermittlungen und Beweiserhebungen von Amts wegen zu beheben und aufzuklären. Vielmehr darf das Gericht dem Beschwerdeführer den Nachweis der Tatsachen aufgeben, von denen die Zulässigkeit seines Rechtsmittels abhängt 13 ). Das gilt insbesondere von Tatsachen, von denen die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers abhängig ist; ersichtlich kann es nicht Aufgabe des Gerichts sein, im Fall des § 57 «) Unger ZZP 39, 9 8 ; Sdilegelberger Anm. 4 ; Baur § 29 D I I I 1. 7) B G H N J W 1958, 1538 = M D R 1958, 761 = FamRZ 1958, 416 = R d L 1958, 239. 8 ) K G J R 1926 Nr. 165; B a y O b L G Z 1952, 270 = N J W 1953, 144; Sdilegelberger Anm. 4 ; Keidel § 20 Anm. 94; a. M. B G H RdL 1952, 154 = LM § 23 L V O Nr. 13, B G H N J W 1956, 1758 = LM S 22 L w V G Nr. 8, der in Landwirtsdiaftssadien den Wegfall der Beschwerdebefugnis nadi Reditsmitteleinlegung für unschädlich hält. ») Baur § 29 D I I I 1; ders., D N o t Z 1954, 315; Blomeyer Z P R § 30 X 1; a. M. Keidel § 20 Anm. 4, § 25 Anm. 5 ; Hamm J M B 1 N R W 1963, 203.
) Vgl. K G J 20 A 6 = R J A 1, 1; K G J 20 A 147; Sdilegelberger Anm. 2. " ) Denkschr. z. F G G S. 40; Unger ZZP 39, 96 Fn. 123. 1 2 ) BArbGE 6, 76 = N J W 1958, 1699; Rosenberg Z P R 9 § 63 I V ; Baumbadi-Lauterbadi 2 8 ZPO Gr. 3 H vor § 128. 1 S ) K G N J W 1961, 1028 = Rpfleger 1961, 159; Pikart-Henn, Lb. d. freiw. Gerbkt., S. 118; Weißler § 12 Anm. 2 ; Wellstein 2 § 12 Anm. 2 a Abs. 4 ; Rausnitz § 12 A b, § 13 B ; EbertDudek-Lindemann 2 § 12 Anm. 1 a V; J o sef ZZP 42, 23; Unger ZZP 39, 96; a. M. BayObLGZ 1959, 472; Sdilegelberger § 12 Anm. 4, § 25 Anm. 2 ; Keidel § 12 Anm. 20. 10
Freiwillige Gerichtsbarkeit Abs. 1 Nr. 8 von Amts wegen aufzuklären, ob der Beschwerdeführer, wie er behauptet, ein Verwandter oder Verschwägerter des Kinden ist oder im Fall des § 57 Abs. 1 Nr. 9, ob er in einer persönlichen Beziehung zu dem Kinde steht, welche ihm verständlichen Anlaß gibt, für dessen Wohl einzutreten. Die Notwendigkeit, Wiedereinsetzungsgründe nachzuweisen (§ 22 Rdn. 27), ist nur ein besonderer Anwendungsfall dieses Grundsatzes. Kann ein der Aufklärung bedürftiges tatsächliches Erfordernis der Zulässigkeit vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen und deshalb vom Gericht nicht festgestellt werden, so fehlt es an den Voraussetzungen für eine Sachentscheidung und das Rechtsmittel muß als unzulässig verworfen werden 14 ). Etwas anderes gilt nur für den Beginn der Beschwerdefrist; da Zustellungen im Amtsbetriebe vorzunehmen sind, müssen Unerweislichkeit der Zustellung oder nicht behebbare tatsächliche Zweifel an ihrer Wirksamkeit oder über ihren Zeitpunkt dazu führen, daß die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt ist. Hinsichtlich ihrer Bedeutung sind die Zulässigkeitserfordernisse (Statthaftigkeit, Zulassung, Beschwerdebefugnis, Beschwerdesumme, Frist, Form) nicht gleichwertig, da ein Mangel der Form nachträglich behoben und die Fristversäumnis durch Wiedereinsetzung beseitigt werden kann. Es empfiehlt sich daher, bei einer Mehrheit von Zulässigkeitsmängeln das Rechtsmittel aus dem stärkeren, nicht behebbaren Grund zu verwerfen, wenn dieser Grund entscheidungsreif ist, um einer Wiederholung des Rechtsmittels vorzubeugen 16 ). Würde das Gericht ein unstatthaftes Rechtsmittel nur wegen eines Mangels der Form als unzulässig verwerfen, so bestände Anlaß, die durch diese Verwerfung entstandenen Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen (§ 16 KostO), wenn das Rechtsmittel in der gesetzlichen Form wiederholt wird.
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IV. Wirkung der Verwerfung als unzulässig Mit der Verwerfung als unzulässig entfällt die Wirkung des Rechtsmittels, den Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung zu hemmen (Vorbem. 1 vor § 19), sofern die Beschwerdeentscheidung nicht ihrerseits wieder angefochten wird; wenn in den Fällen der sofortigen Beschwerde die Wiederholung des Rechtsmittels wegen Ablaufs der Beschwerdefrist ausgeschlossen ist, wird die angefochtene Entscheidung formell rechtskräftig. Eine unselbständige Anschlußbesdiwerde wird mit der Verwerfung des Hauptrechtsmittels von selbst hinfällig (§ 22 Rdn. 15). Soweit die Entscheidung der materiellen Rechtskraft fähig ist (§ 31 Rdn. 10), bestimmt sich diese ohne Rücksicht auf das Rechtsmittelverfahren nach dem Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung. Der iudex a quo bleibt nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 zur Änderung der Entscheidung befugt (§ 18 Rdn. 8). Einer Wiederholung des Rechtsmittels steht die Verwerfung nicht entgegen, sofern der Grund der Unzulässigkeit behebbar und die Beschwerde unbefristet oder die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist oder gegen ihre Versäumung Wiedereinsetzung gewährt wird (§ 21 Rdn. 22).
C. Zurückweisung als unbegründet 7
I. Schlichte Zurückweisung Die Zurückweisung der Beschwerde als unbegründet ist geboten, wenn die sachliche Prüfung des Beschwerdegerichts in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ergibt, daß die angefochtene Entscheidung im Ergebnis gerechtfertigt ist, sei es auch aus anderen Gründen und selbst dann, wenn die Vorentscheidung zur Zeit ihres Erlasses ungerechtfertigt war und sich nur auf Grund erst im Beschwerderechtszuge hervorgetretener neuer Tatsachen als gerechtfertigt erweist (§ 23 Rdn. 1, 8). Unbegründet ist die Beschwerde auch, wenn das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem unteren Gericht zu der Auffassung gelangt, daß der das Verfahren einleitende Antrag oder die Einleitung des Amtsverfahrens unzulässig war 16 ).
14 15
) Unger ZZP 39, 99. ) Unger ZZP 39, 97; vgl. auch Schlegelberger Anm. 1.
528
16
) Baur § 29 D I I I 2 ; Keidel Anm. 5.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
II. Schlechterstellung des Beschwerdeführers 1. Begriff
der
Schlechterstellung
Eine Schlechterstellung des Beschwerdeführers (reformatio in pejus) liegt vor, w e n n das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung in der H a u p t s a c h e z u m Nachteil desjenigen ä n d e r t , der das Rechtsmittel eingelegt h a t . D e r Nachteil m u ß also denjenigen t r e f f e n , der mit seinem Rechtsmittel eine günstigere Entscheidung erstrebt; die durch ein erfolgreiches Rechtsmittel h e r b e i g e f ü h r t e Benachteiligung des Beschwerdegegners ist keine Schlechterstellung in diesem Sinne. Entsprechend ist der R e c h t s m i t t e l f ü h r e r nicht gegen eine Benachteiligung geschützt, die auf einer selbständigen Beschwerde o d e r einer unselbständigen Anschlußbeschwerde des Gegners b e r u h t ; v o n einer Schlechterstellung k a n n mithin n u r die R e d e sein, w e n n sie v o n A m t s wegen in einem B e s c h w e r d e v e r f a h r e n h e r b e i g e f ü h r t w i r d , welches allein durch den Beschwerdeführer e r ö f f n e t w o r d e n ist. Die Schlechterstellung m u ß f e r n e r in d e m v e r f ü g e n d e n Teil d e r Entscheidung z u m Ausdruck k o m m e n ; die H i n z u f ü g u n g weiterer, d e m B e s c h w e r d e f ü h r e r ungünstiger G r ü n d e ist keine A b ä n d e r u n g der Entscheid u n g zu seinem Nachteil 1 7 ). Auch Nebenentscheidungen, die v o n A m t s wegen g e t r o f f e n w e r den, unterliegen keiner Beschränkung in d e r Richtung, ob sie sich als Schlechterstellung d a r stellen o d e r nicht, insbesondere die Kostenentscheidung 1 8 ). Schließlich gilt ein V e r b o t der Schlechterstellung, wie im Z i v i l p r o z e ß , f ü r das B e s c h w e r d e v e r f a h r e n allgemein nicht, w e n n das erstinstanzliche V e r f a h r e n ü b e r h a u p t unzulässig w a r o d e r gegen v o n A m t s wegen zu beachtende V e r f a h r e n s v o r a u s s e t z u n g e n verstieß 1 9 ). H a t das u n t e r e Gericht einen A n t r a g als unzulässig abgewiesen, so darf das Beschwerdegericht die Beschwerde zurückweisen, weil es den A n t r a g f ü r sachlich u n b e g r ü n d e t erachtet 2 0 ), sofern nicht eine Zurückverweisung geboten ist. U b e r Schlechterstellung nach Z u r ü c k v e r w e i s u n g vgl. R d n . 16. 2. Geltung des Verbots der Schlechterstellung. I n w i e w e i t das V e r b o t der Schlechterstell u n g im V e r f a h r e n der freiwilligen Gerichtsbarkeit G e l t u n g beanspruchen k a n n , ist streitig; ein Teil des Schrifttums t r i t t f ü r die uneingeschränkte G e l t u n g des V e r b o t s ohne U n t e r schied des V e r f a h r e n s g e g e n s t a n d e s ein 2 1 ). Sicher ist, d a ß die Zulässigkeit der Schlechterstell u n g nicht m i t der G e l t u n g des Untersuchungsgrundsatzes gerechtfertigt w e r d e n k a n n ; d e n n f ü r die Frage, ob das Gericht den z u t a g e getretenen Tatsachenstoff n u r zugunsten oder auch z u u n g u n s t e n des Beschwerdeführers berücksichtigen d a r f , k o m m t es nicht d a r a u f an, auf welchem Wege der Tatsachenstoff in das V e r f a h r e n e i n g e f ü h r t w o r d e n ist 2 2 ). D e m g e m ä ß steht auch in a n d e r e n V e r f a h r e n s o r d n u n g e n der U n t e r s u c h u n g s g r u n d s a t z der G e l t u n g des V e r bots der Schlechterstellung nicht entgegen (vgl. §§ 129, 141 V w G O , §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 S t P O ) . Auch das h ä u f i g z u r R e c h t f e r t i g u n g d e r Schlechterstellung a n g e f ü h r t e öffentliche I n teresse 23 ) a n d e m V e r f a h r e n s g e g e n s t a n d ist ein wenig ü b e r z e u g e n d e r Beweisgrund, d a rechtsstaatliche G r u n d s ä t z e es e r f o r d e r n , d a ß öffentliche Interessen nicht v o n dem Richter v o n A m t s wegen, sondern v o n einer V e r w a l t u n g s b e h ö r d e durch Stellung v o n A n t r ä g e n v o r d e m 17
) München DFG 1937, 128; BayObLGZ 1962, 47 zu III 1. 18 ) BayObLGZ 33, 254, 257; 1958, 41; KG Rpfleger 1959, 385, 386; KG FamRZ 1968, 472; Zimmermann Rpfleger 1959, 259 u. 388; Keidel Anm. 91; vgl. Baumbach-Lauterbadi ZPO 2 8 § 308 Anm. 2. 19 ) KG RJA 4, 144; KG N J W 1955, 229; BayObLG HRR 1928 Nr. 1150; BayObLGZ 1950, 233; Schleswig SdilHA 1954, 126; vgl. für den Zivilprozeß Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 536 Anm. II 2; Rosenberg ZPR § 138 I 2 b; Böttidier, Reformatio in pejus und Prozeßurteil, ZZP 65, 464 ff.; Bedenken bei Blomeyer ZPR § 99 II 2. 2 °) Vgl. für den Zivilprozeß BGHZ 23, 36, 50; BGH LM § 565 Abs. 3 ZPO Nr. 2; Blomeyer ZPR § 99 II 1; a. M. Sdilegelberger Anm. 10.
21
) Unger ZZP 41, 147; Josef, Lb. Kap. 21 I ; ders., FGG 2 § 19 Anm. 1 H ; ders., ZZP 33, 520; ZB1FG 5, 163; 6, 844; 12, 579; Rausnitz FGG § 19 Anm. 14; Weißler FGG § 26 Anm. 3; Lent § 22 IV; Baur § 29 C I 5; Sdiiedermair AcP 154, 449; Schlieper, Das LG als Beschwerdeinstanz S. 167; Magen, Ref. i. p. in der FG, Diss. Ffm. 1951 S. 59 ff.; Jesch DÖV 1955, 392 Fn. 16; Fenn, Die Ansilußbeschwerde, 1961, S. 209; Bärmann § 31 II 5 b. 22 ) Rosenberg ZPR § 63 I I ; Lüke JuS 1961, 42; Fenn, Die Ansdilußbesdiwerde S. 59; dieses Argument verwenden daher zu Unrecht LentHabsdieid 4 § 34 III 3 c. 23 ) So Schlegelberger § 25 Anm. 12; Keidel § 19 Anm. 90.
§ 25
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Richter vertreten werden 24 ), und deshalb auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vielfach Behörden zur Wahrung des öffentlichen Interesses die erforderliche verfahrensrechtliche Stellung eingeräumt worden ist. Das Verbot der Schlechterstellung ist vielmehr eine Folgerung aus der Dispositionsmaxime. Es muß daher auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jedenfalls insoweit gelten, als die Einleitung, Begrenzung und Beendigung des Verfahrens zur Disposition der Beteiligten steht und zugleich der Gegenstand des Verfahrens der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt, also in den auf Antrag einzuleitenden echten Streitverfahren25), mag es sich um privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Streitsachen handeln. Die Geltung des Verbots ist daher anerkannt worden für das Schuldenbereinigungsverfahren 26 ), für Pachtschutzangelegenheiten27), für das Vertragshilfeverfahren 28 ), im Verfahren nach dem Berliner Altbankengesetz 39 ), für Rückerstattungssachen30), in Umstellungssachen31), in denen jedoch die Ausdehnung der Entscheidung über die Umstellung der Hypothek auf die Umstellung der Forderung zugelassen wird 32 ), im Notariatskostenverfahren nach § 156 KostO 3 3 ), im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. § 13a Rdn. 42). Im Wertpapierbereinigungsverfahren ist die Zulässigkeit der Schlechterstellung damit gerechtfertigt worden, daß von der Entscheidung eine unbestimmte Personenmehrheit berührt werde 34 ), was allerdings im Hinblick auf die Beteiligung der Bankaufsichtsbehörde (§ 54 Abs. 3 WBG) nicht durchgreifen dürfte. Im Ablösungsverfahren nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz wird die Geltung des Verbots im Hinblick auf die Beteiligung des Vertreters des Bundesinteresses (§ 56 AKG), im Verfahren nach § 16 Abs. 4 WBSchlußG im Hinblick auf die Beteiligung des Präsidenten des Bundesausgleichsamts anzunehmen sein, ebenso in allen anderen öffentlichrechtlichen Streitsachen, in denen die Wahrung des öffentlichen Interesses einer Behörde anvertraut ist. Das Verbot gilt auch in Grundbuchsachen35), grundsätzlich auch in anderen Registersachen (vgl. § 128 Rdn. 33) sowie im Berichtigungsverfahren nach § 47 P S t G ; dagegen wird die Geltung des Verbots im Anweisungsvarfahren nach § 45 PStG (Ablehnung von Amtshandlungen durch den Standesbeamten) nicht angenommen (vgl. § 70 Rdn. 5 zu § 49 PStG). Im Hausratsverfahren (6. DVO-EheG) ist eine Schlechterstellung ausgeschlossen, soweit Beschwerdegegenstand die Zuweisung der Ehewohnung ist 38 ); dagegen soll eine Schlechterstellung in bezug auf die Verteilung des Hausrats zulässig sein, weil die Beschwerde, auch wenn sie nur ein beschränktes Ziel verfolge, den gesamten Hausrat als einheitlichen Sachinbegriff der Entscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts unterstelle 37 ); diese Erwägung erledigt sich aber bei Zulassung der Anschlußbeschwerde (vgl. § 22 Anm. E). Im Landwirtschaftsverfahren wird wegen der Geltung des Verbots nach dem Verfahrensgegenstand unterschieden; eine Schlechterstellung wird mit Recht für unzulässig erachtet im landwirtschaftlichen Zuweisungsverfahren 38 ) und im Verfahren nach § 10 HöfeO 3 *), dagegen zugelassen im Genehmigungsverfahren für den landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr 40 ). Im Verfahren nach dem Freiheitsentziehungsgesetz wird eine ) Zutreffend Fenn, Die Ansdilußbesdiwerde, S. 58, 207. 2 5 ) h . M„ vgl. Zimmermann Rpfleger 1959, 251; Keidel § 19 Anm. 9 0 ; Schlegelberger § 25 Anm. 12; Lent-Habsdieid 4 § 34 III 3 b; Pikart-Henn S. 127; Bärmann AcP 154, 410. 2B ) KG J F G 21, 227; a. M. Posen D R 1944, 82. 2 7 ) Hamm H E Z 2, 138 = JMB1NRW 1948, 246 = MDR 1949, 29. 2 8 ) München MDR 1951, 488; B G H Z 19, 199 = N J W 1956, 380 = J Z 1956, 372. 2 S ) KG WM 1962, 122 zu II. 3 ») Court of RestAppeals RzW 1955, 316; ORG Berlin RzW 1959, 451. 3 1 ) BayObLGZ 1953, 4 ; Celle N J W 1954, 1648 . 82) Schleswig SchlHA 1959, 288; BayObLGZ 1960, 203, 211. 3 3 ) BayObLGZ 1955, 197 = Rpfleger 1955, 3 3 7 ; Hamm Rpfleger 1957, 2 6 ; Hamm KostRspr. § 156 KostO Nr. 48. 3 4 ) München N J W 1952, 629; Frankfurt WM
24
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35
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36
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37
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40
)
1964, 788; Keidel § 19 Anm. 9 0 ; anders München WM 1951, 380; Keidel WM 1951, 695 f. K G J F G 8, 239; KG H R R 1941 Nr. 604; BayObLGZ 1954, 225. BayObLGZ 1956, 268; 1965, 227. B G H Z 18, 143 = N J W 1955, 1355 = J Z 1955, 706 mit Anm. v. Keidel; Keidel § 19 Anm. 93; Bedenken dagegen bei Zimmermann Rpfleger 1959, 251 zu VII 1; Hoffmann-Stephan HausratsVO 2 § 14 Anm. 3. Oldenburg NdsRpfl. 1950, 104; RdL 1952, 2 4 ; B G H RdL 1955, 26. BGH RdL 1952, 246, 248; RdL 1953, 110 = Rpfleger 1953, 236, 239. BGH RdL 1953, 110 = Rpfleger 1953, 236; BayObLGZ 1956, 19; Celle NdsRpfl. 1963, 246; Barnstedt RdL 1959, 145; Lange § 22 GrdstVerkG Anm. 14; Pikart-Henn Lb. d. Freiw. Gerbkt. S. 447; a. M. Vorwerk-v. Spredcelsen, GrdstVG § 22 Anm. 27 ff.; Pikalo-Bendel GrdstVG § 22 Anm. E IV 2.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Schlechterstellung zum Nachteil des Betroffenen schwerlich zugelassen werden können 41 ). Im Kostenansatzverfahren nach § 14 KostO kommt die Geltung des Verbots nicht in Betracht, weil das Rechtsmittelgericht durch § 14 Abs. 2 Satz 4 KostO ermächtigt ist, den Kostenansatz von Amts wegen zu ändern 42 ). Im Antragsverfahren wird die Geltung des Verbots im allgemeinen anzunehmen sein, auch soweit das Verfahren nicht zu den echten Streitsachen zählt 43 ). Eine abweichende Auffassung ist jedoch für Amtsverfahren geboten, vor allem in Vormundschaftssachen, in denen das Wohl des Kindes im Vordergrund steht, sowie in Nachlaßsachen, soweit das NachlG von Amts wegen zugunsten unbekannter oder ungewisser Beteiligter tätig zu werden hat (§§ 1960, 1964 BGB, § 88 FGG). Zwar ist einzuräumen, daß die Zulassung einer Schlechterstellung in diesen Verfahren sich mit dogmatischen Gründen kaum rechtfertigen läßt, da auch hier das Beschwerdeverfahren ein Antragsverfahren ist, dessen Eröffnung der Disposition des beschwerdeberechtigten Beteiligten unterliegt; der entscheidende Grund für die Zulassung der Schlechterstellung ist aber, daß es in diesen Verfahren um die Belange schutzbedürftiger Personen (Kinder, Mündel, Pflegebefohlene, Abwesende) geht, die entweder durch die Umstände gehindert oder nach ihren persönlichen Eigenschaften nicht hinreichend fähig sind, ihre Rechte selbst wahrzunehmen, auch soweit das Gesetz (§ 59 Abs. 1 FGG) ihnen diese Befähigung einräumt; das erweiterte Beschwerderecht Dritter, auch des Jugendamts, nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 gewährt keinen hinreichenden Sdiutz, zumal es gegenständlich eingeschränkt und bei sofortiger Beschwerde (§ 57 Abs. 2) ausgeschlossen ist 44 ). Das Verbot der Schlechterstellung gilt daher nicht in allen von Amts wegen betriebenen Sorgerechtssachen15) und in Verkehrsregelungssachen 46 ). Auch in dem auf Antrag betriebenen Verfahren zur Regelung der elterlichen Gewalt während bestehender Ehe nach § 1672 BGB wird es keine Geltung beanspruchen können. In rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten wird allerdings, auch wenn sie von Amts wegen betrieben werden, eine Schlechterstellung nicht zuzulassen sein, so bei der Festsetzung der Vergütung des Vormundes (§ 1836 BGB) 47 ).
10
Soweit hiernach eine Schlechterstellung zulässig ist, ist zu beachten, daß sie sich im Rahmen des Verfahrensgegenstandes halten muß (vgl. § 23 Rdn. 4); der Erlaß einer andersartigen Maßnahme, z. B. der Entlassung des Vormundes, der gegen die Festsetzung einer Ordnungsstrafe Beschwerde einlegt, überschreitet die Grenzen der Entscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts48).
H
D. Begründetes Rechtsmittel I. Entscheidung in der Sache
12
Erweist die Beschwerde sich als zulässig und begründet, so hat das Beschwerdegericht unter Aufhebung der Vorentscheidung grundsätzlich selbst die Sachentscheidung zu erlassen, also im Antragsverfahren den Verfahrensantrag zurückzuweisen oder ihm stattzugeben und die begehrte oder erforderliche sachliche Anordnung zu treffen, im Amtsverfahren eine Maß41
) A. M. BayObLGZ 1962, 42, 47; Saage FrEn tzG § 7 Anm. 31; Keidel § 19 Anm. 93. ) BayObLGZ 1956, 146/153, 293/300; H a m m Rpfleger 1963, 57; vgl. Vorbem. 5 vor § 13 a. 43 ) Zimmermann Rpfleger 1959, 251 zu IV 2 b aa; Lent-Habsdieid 4 § 34 III 3 a; Keidel § 19 Anm. 90. 44 ) Zimmermann Rpfleger 1959, 251 zu V; das verkennen Baur § 29 C I 4; Fenn, Die Ansdilußbeschwerde S. 205 ff.; wie hier im Ergebnis Lent-Habsdieid 4 § 34 I I I 3 c; Keidel § 19 Anm. 90; Pikart-Henn S. 127; Dölle FamR § 97 I X 8; Vorbehalte macht Schwoerer EJF A I I I N r . 6 S. 21; Staudinger-Schwoerer BGB 11 § 1671 Anm. 178; a. M. Staudinger-Göppinger BGB 11 § 1666 Anm. 380. 42
« ) KG OLGR 12, 204; K G J 31 A 3 = R J A 7, 5; KG N J W 1955, 229; FamRZ 1968, 664; BayObLGZ 20, 293; 1962, 409, 410; 1964, 122, 124; München J F G 23, 72 = H R R 1942 N r . 266; Düsseldorf ZB1JR 1955, 178; Celle ZB1JR 1956, 108 = FamRZ 1956, 288; Hamm ZB1JR 1957, 24; für das Verfahren nadi § 8 Abs. 2 KindGG BayObLGZ 1956, 51; H a m m Rpfleger 1956, 101. 46 ) KGJ 31 A 3; Köln OLGZ 1966, 76; BayObLGZ 1966, 102; H a m m ZB1JR 1967, 314. " ) KG R J A 14, 96; Mündien DFG 1936, 234; Pikart-Henn S. 194. 48 ) K G J 44, 4; das verkennen Zimmermann Rpfleger 1959, 251 zu V 4; Baur S. 343; Lent-Habsdieid 4 § 34 I I I 3 c.
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§ 25
Freiwillige Gerichtsbarkeit
nähme abzulehnen oder anzuordnen. Es hat also die Entscheidung zu erlassen, die das Amtsgericht hätte treffen sollen, und darf sich nicht darauf beschränken, die gebotene Anordnung dem Amtsgericht zu übertragen und ihm nur die Richtlinien anzugeben, von denen es bei dieser Anordnung auszugehen hat. Denn das Beschwerdegericht tritt in den Grenzen des Rechtsmittels vollständig an die Stelle des Amtsgerichts 40 ), und kann der Beschwerde auch durch eine eigene Sachentscheidung abhelfen 50 ), z. B. den vom Amtsgericht gemäß BGB § 29 bestellten Notvorstand durch einen anderen ersetzen (BGH a. a. O.), die Aufhebung einer Pflegschaft verfügen oder die abgelehnte Abschiebungshaft anordnen 51 ). Wegen des Umfangs der Entscheidungsbefugnis im registergerichtlichen Anmeldeverfahren vgl. § 128 Rdn. 33. Soweit jedoch die Durchführung der Anordnung einer besonderen Ausführungshandlung bedarf, ist diese dem Gericht des ersten Rechtszuges zu überlassen, z. B. die Bestellung eines Vormundes wegen BGB § 1789; die Einleitung eines Ordnungsstrafverfahrens nach FGG § 132 wegen des anschließenden Einspruchsverfahrens, wenn das Beschwerdegericht die ablehnende Verfügung des Registergerichts aufhebt 52 ), oder die Erteilung, Einziehung oder Kraftloserklärung eines Erbscheins53). Das Amtsgericht ist an die Anordnung des Beschwerdegerichts gebunden und hat sie auszuführen, vorbehaltlich einer inzwischen eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage, die der Ausführung der Beschwerdeentscheidung entgegensteht. Die in Ausführung der Beschwerdeentscheidung ergangene Verfügung des Amtsgerichts kann nicht wiederum mit der Beschwerde angefochten werden, weil auch das Landgericht an seine Entscheidung gebunden ist, sondern es ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts gegeben 54 ); anders, wenn geltend gemacht wird, die Beschwerdeentscheidung hätte wegen einer inzwischen eingetretenen Änderung der Sachlage nicht ausgeführt werden dürfen 55 ).
II. Zurückverweisung 1. Voraussetzungen56). Bei der Zurückverweisung beschränkt sich das Beschwerdegericht darauf, die angefochtene Verfügung durch eine kassatorische Entscheidung (judicium rescindens) aufzuheben, während es die in der Regel damit zugleich zu verbindende neue reformatorische Entscheidung (judicium rescissorium) auf das untere Gericht überträgt, weil es dazu einer weiteren tatsächlichen Prüfung bedarf. Die Zulässigkeit der Zurückverweisung ist trotz des Schweigens des Gesetzes auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt 57 ). Da aber das Beschwerdegericht, auch wenn es zur Aufhebung kommt, grundsätzlich die abschließende Sachentscheidung selbst zu treffen hat (Rdn. 12), bedarf die Zurückverweisung der Rechtfertigung durch besondere Gründe. Sie ist zulässig, wenn das untere Gericht eine Sachentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt hat, z. B. wegen fehlender örtlicher, interzonaler oder internationaler Zuständigkeit oder mangelnder Antragsberechtigung des Antragsstellers, da in erster Instanz eine Sachprüfung noch nicht stattgefunden hat. Die Zurückverweisung ist aber auch in diesem Fall nicht schlechthin geboten, sondern das Beschwerdegericht ist nach seinem Ermessen zur Sachentscheidung berechtigt, wenn es dies für sachdienlich hält (vgl. §§ 538, 540 ZPO) 58 ). Sachdienlichkeit ist anzunehmen, wenn nach Lage des Einzelfalls der baldigen Beendigung des Verfahrens der Vorzug vor dem Verlust einer Tatsacheninstanz gebührt, z. B. wenn die Tatfragen ohne umfangreichere Beweisaufnahme festgestellt werden können oder schon im ersten Rechtszuge « ) BayObLGZ 1953, 223; 1962, 42 zu I V ; K G FamRZ 1968, 331, 333. 5 «) B G H Z 24, 52 = N J W 1957, 832. 51 ) BayObLGZ 1962, 42. 52 ) KGJ 31 A 201 = R J A 6, 194. 53 ) KGJ 50, 91; KG N J W 1955, 1074. 54 ) K G J 29 A 11; 53, 11; JFG 3, 264; N J W 1955, 1074; RGZ 70, 234; Keidel Anm. 6 a; a. M. Schlegelberger Anm. 15. 55 ) KGJ 53, 11; Keidel Anm. 6 a. 8e ) Schrifttum: Bettermann, D i e Zurück Verweisung durch das Berufungsgericht im Verwaltungs- und Zivilprozeß, DVB1. 1961, 65;
532
ders., D i e Sprungzurück Verweisung des Revisionsgerichts, N J W 1969, 170. « ) R G R J A 8, 247; KG J W 1926, 1835; 1938, 2211 = D F G 1938, 133; BayObLGZ 29, 343; B G H RdL 1952, 69; Unger ZZP 41, 154 f f . ; Sdilegelberger Anm. 13; Keidel § 12 Anm. 24, § 25 Anm. 7; Baur § 29 D III 3 b; LentHabsdieid 4 § 34 III 1; a. M. früher KGJ 31 A 6 u. 14; 33 A 104; Wellstein 2 § 23 Anm. 2. 5S ) A. M. Sdilegelberger Anm. 10; Keidel § 12 Anm. 24 a. E.; Lent-HabsAeid § 34 III 1; wie hier Baur § 29 D III 3 b.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften hinreichend erörtert wurden; anders, wenn der Verlust einer Instanz durch eine erstmalige umfangreiche Sachuntersuchung des Beschwerdegerichts der Sachlage nicht angemessen wäre 59 ). Kein Zurückverweisungsgrund ist gegeben, wenn das untere Gericht ohne Verfahrensfehler sachlich entschieden hat, von der abweichenden Rechtsauffassung des Beschwergerichts aus aber noch weitere Punkte der Aufklärung bedürfen, z. B. wenn eine stattgebende Sachentscheidung von mehreren sachlichen Voraussetzungen abhängt, von denen das untere Gericht, ohne die übrigen zu prüfen, das Vorliegen der einen verneint hat, während das Beschwerdegeridit sie für gegeben erachtet, oder wenn umgekehrt die Entscheidung aus jedem von mehreren selbständigen Gründen gerechtfertigt sein kann, von denen das untere Gericht einen für gegeben erachtet hat, während das Beschwerdegeridit ihn für nicht stichhaltig hält; in diesem Fall hat vielmehr das Beschwerdegericht die von seiner Rechtsauffassung aus erforderliche ergänzende Sachprüfung selbst vorzunehmen 60 ). Richtet sich die Beschwerde gegen die Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins, so darf das LG sich nicht darauf beschränken, das AG zur Abstandnahme von den erhobenen Bedenken anzuweisen, sondern es hat abschließend in der Sache zu entscheiden und nur die erforderliche Ausführungshandlung (Erteilung oder Einziehung des Erbscheins) dem AG zu überlassen60"). Wegen des Umfangs der Nachprüfung von Zwischenverfügungen des Registergerichts vgl. § 128 Rdn. 33. Ferner ist eine Zurückverweisung zulässig, wenn das Verfahren des ersten Rechtszuges an so schwerwiegenden Mängeln leidet, daß ihre Beseitigung durch das Beschwerdegeridit dem Verlust einer Instanz gleichkäme61). Verfahrensmangel ist jeder Verstoß gegen Verfahrensnormen im Gegensatz zu Mängeln in der sachlichen Beurteilung; Mängel der angefochtenen Entscheidung, die sich erst von der abweichenden sachlichrechtlichen Beurteilung des Beschwerdegerichts aus ergeben, nicht aber nach dem, wenn auch verfehlten, sachlichreditlichen Standpunkt des unteren Gerichts, sind keine Verfahrensfehler 62 ). Wesentlich ist ein Verfahrensfehler nicht schon deswegen, weil er für die Entscheidung ursächlich war oder möglicherweise gewesen ist; denn in der Regel soll das Beschwerdegeridit die Folgen des Verfahrensfehlers selbst beseitigen, also z. B. eine verfahrenswidrige Zeugenvernehmung wiederholen, die unterbliebene Gewährung rechtlichen Gehörs nachholen 63 ), da sie im Beschwerdeverfahren geheilt werden kann (§ 23 Rdn. 7), oder die Sachaufklärung in einzelnen Punkten ergänzen. Kein Zurückverweisungsgrund ist es, wenn die Beweisunterlagen, auf weldie die erstinstanzliche Entscheidung gestützt ist, dem Beschwerdegeridit nicht ausreichend erscheinen oder wenn die angefochtene Entscheidung lükkenhaft oder garnicht begründet ist64). Ein Mangel der in § 551 Nrn. 1 bis 3 Z P O genannten Art wird zwar in der Regel wesentlich sein und die Zurückverweisung rechtfertigen, hindert aber das Beschwerdegericht nicht, in der Sache selbst zu entscheiden 65 ). Der Mangel muß vielmehr so schwer wiegen, daß ihn das Besdiwerdegericht nicht ohne wesentliche Beeinträchtigung der Belange der Beteiligten beseitigen könnte, wenn nämlich das erstinstanzliche Verfahren für eine Sachentscheidung unbrauchbar ist und die Beteiligten bei abschließender Entscheidung des Beschwerdegerichts hinsichtlich des ganzen oder eines wesentlichen Teils des Streitstoffs eine Instanz verlören; das setzt auch voraus, daß die Sache nicht entscheidungsreif ist66). Auch hier darf das Beschwerdegeridit nach seinem Ermessen von einer Zurückverweisung absehen und in der Sache selbst entscheiden, wenn es dies für sachdien-
59
) Vgl. für den Zivil- und Verwaltungsprozeß Bettermann DVB1. 1961, 65, 72; Blomeyer ZPR § 103 IV 2 c, § 99 II 1; BaumbadiLauterbach ZPO 2 8 § 540 Anm. 2, § 536 Anm. 3 d. 0°) KG JFG 5, 434; Hamm OLGZ 1966, 216; 1968, 80; KG OLGZ 1968, 467; a. M. Unger ZZP 41, 160/161; zum Zivilprozeß vgl. BGH NJW 1968, 1234. •»•) KG NJW 1955, 1074; BayObLGZ 1954, 75; 1964, 6; Hamm OLGZ 1968, 80. 61 ) KG JFG 17, 286; München JFG 23, 193; Müller DFG 1944, 83; Keidel § 12 Anm. 24, § 25 Anm. 7; Schlegelberger Anm. 13.
62
) Vgl. RG HRR 1939 Nr. 488 u. 577; BGHZ 18, 107 = NJW 1955, 1358; BSGE 2, 84; Blomeyer ZPR § 103 IV 2 b. 83) BayObLGZ 1966, 435 zu II 3 b; vgl. § 12 Rdn. 103. M ) BayObLGZ 1966, 435 zu II 3 c; 1967, 194; a. M. Bärmann § 19 III 3; vgl. auch § 16 Rdn. 4. 65 ) BGH LM § 549 ZPO Nr. 45 = NJW 1958, 1398 = MDR 1958, 676; München MDR 1955, 426. ««) KG JW 1938, 2211 = DFG 1938, 133.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit lieh hält, z. B. wenn über die Tatfragen ohne größere kann. Die Frage, ob ein Grund zur Zurückverweisung im dritten Rechtszuge 67 ), die Ausübung des Ermessens befugnis Gebrauch zu machen oder in der Sache zu prüfbar 6 8 ).
Beweisaufnahme entschieden werden vorlag, unterliegt der Nachprüfung dahin, von der Zurüdcverweisungsentscheiden, ist dagegen nicht nach-
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2. Wirkung der Zurückverweisung. Bindung. Die zurückverweisende Entscheidung beendet den Beschwerderechtszug; sie ist daher mit der weiteren Beschwerde anfechtbar (§ 27 Rdn. 3). Mit dem Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung (§ 26 Anm. 1, 2) wird die Sache wieder beim Gericht des ersten Rechtszuges anhängig. Dieses ist verpflichtet, dem Verfahren Fortgang zu geben und die Sache von neuem zu verhandeln und zu entscheiden. In der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung ist das Untergericht von seinen eigenen f r ü heren Feststellungen und Rechtsansichten völlig frei; es kann in dem neuen Verfahren die Beweise anders würdigen und zur Feststellung eines anderen Sachverhalts gelangen; es braucht auch nicht an seiner früheren Rechtsauffassung festzuhalten. In gewissem Umfang tritt aber eine Bindung des Untergerichts an die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts ein. Der Grundsatz des § 565 Abs. 2 Z P O , nach welcher das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung des Revisionsgeridits, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, gilt als im Wesen des Instanzenzuges liegend auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, und zwar sowohl im Verhältnis zwischen dem Rechtsbeschwerdegericht und dem Beschwerdegericht als auch, wie im Zivilprozeß, im Verhältnis zwischen dem Beschwerdegericht und dem Gericht des ersten Rechtszuges 69 ). Das Gericht erster Instanz ist mithin an die der Aufhebung unmittelbar zugrunde liegende Beurteilung der Rechts- und Tatfrage gebunden, außer wenn sich nachträglich der Sachverhalt oder das anzuwendende Recht maßgeblich geändert hat 7 0 ). Die Bindung erstreckt sich nur auf diejenigen Punkte, deren rechtsirrige Würdigung die Aufhebung unmittelbar herbeigeführt hat; soweit die Rechtsauffassung des Untergerichts von dem Beschwerdegericht in der aus anderen Gründen aufhebenden Entscheidung gebilligt worden ist, besteht keine Bindung' 1 ).
15
Die der Aufhebung zugrunde liegende Rechtsauffassung ist von der Rechtsauffassung zu unterscheiden, welche die Zurückverweisung erforderlich gemacht hat; nur an die erstere ist das Untergericht gebunden. Die Erwägungen, die das Beschwerdegericht bestimmten, die Sache, statt sogleich abschließend zu entscheiden, zurückzuverweisen, und die Meinungen, die es über die weitere Behandlung der Sache geäußert hat, sind nicht bindend, weil das Beschwerdegericht hierüber eine eigene Entschließung noch nicht hat treffen wollen, jedenfalls den Inhalt der reformatorischen Entscheidung insoweit nicht bindend bestimmen kann 72 ). Ist nur wegen Verfahrensmangels aufgehoben worden, so ist das untere Gericht in der sachlichrechtlichen Beurteilung frei und kann sogar von seiner früheren, vom Beschwerdegericht gebilligten Rechtsauffassung abweichen 73 ); ist etwa eine Entscheidung wegen Nichterhebung von Beweisen aufgehoben worden, so darf das untere Gericht unter Aufgabe seiner vom Beschwerdegericht gebilligten Rechtsauffassung zu einer Ansicht gelangen, bei welcher das Beweisthema unerheblich ist, während es bei unveränderter sachlichrechtlicher Beurteilung wegen seiner Bindung den Verfahrensfehler nicht wiederholen darf, also den Beweis erheben muß. Noch weniger besteht eine Bindung an sog. wegweisende Bemerkungen •7) BayObLGZ 1966, 435; Hamm OLGZ 1966, 216. ««) BGHZ 31, 358, 365. ««) KG OLGR 1, 311; KG DFG 1939, 180; BayObLG OLGR 39, 3; BayObLGZ 1962, 47; RGZ 124, 322 = JW 1929, 2527 mit zust. Anm. v. Lent; BGHZ 15, 122 = NJW 1955, 21 = JZ 1955, 50; Unger ZZP 41, 163; Sdilegelberger Anm. 14; Keidel Anm. 8; Baur § 29 D III 3 b. ') KG JFG 20, 203; BayObLGZ 1960, 98, 104; Keidel Anm. 8; zum Zivilprozeß BGH LM § 565 Abs. 2 ZPO Nr. 1. 534
" ) RGZ 94, 11, 14; RG DR 1942, 1237; BGHZ 3, 226; 6, 76; 22, 370; Hußla DRiZ 1964, 33 zu 2; Blomeyer ZPR § 104 VII 3 b; a. M. Wieczorek § 565 Anm. C III b 5; teilw. abw. auch Bötticher, MDR 1961, 805. 72 ) KG RJA 2, 130; KG OLGR 7, 344; KGJ 37 A 198; Unger ZZP 41, 164; Sdilegelberger Anm. 14; vgl. für den Zivilprozeß BGH LM § 675 BGB Nr. 3; Blomeyer ZPR § 104 VII 3 b; mißverständlich Lent-Habsdieid4 § 34 III 1 Abs. 6. 73 ) BGHZ 3, 321; 6, 79.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften über die weitere Sachbehandlung 74 ). H a t das Beschwerdegericht die Einleitung eines Firmenmißbrauchs- oder Amtslösdiungsverfahrens angeordnet, so hat das Registergericht über die Rechtmäßigkeit des Einspruchs (Widerspruchs) ohne Bindung an die der Beschwerdeentscheidung zugrunde liegende Reditsauffassung zu befinden, weil die Bindung sich nur auf die Verpflichtung zur Einleitung des Verfahrens, nicht aber auf die nach Abschluß des Verfahrens zu treffende Sachentscheidung beziehen kann 75 ). Soweit eine Bindung an die der Aufhebung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung besteht, erstreckt sie sich nicht nur auf die abstrakte Auslegung einer Rechtsnorm oder unbestimmter Rechtsbegriffe, sondern auch auf die konkrete Subsumtion des Sachverhalts, sofern er unverändert bleibt, sowie auf die vom Beschwerdegericht angewendeten Erfahrungssätze. Die Bindung bezieht sich auch auf die Verfassungsmäßigkeit des anwendbaren Gesetzes, mag sie auch nur stillschweigend bejaht worden sein; das untere Gericht darf darüber kein Normenkontrollverfahren einleiten 76 ). Der Bindung in dem angeführten Umfang unterliegt auch das Beschwerdegericht selbst, wenn es nach der Zurückverweisung im wiederholten Rechtszuge wiederum mit derselben Sache befaßt wird 77 ), und zwar auch, wenn es inzwischen seine Reditsauffassung geändert hat oder wenn das Rechtsbeschwerdegericht jetzt seine frühere Auffassung, wenn es nicht gebunden wäre, ohne Verletzung seiner Vorlegungspflicht (§ 28 Abs. 2) nicht mehr vertreten dürfte 78 ). Die Bindung ergreift das Gericht als solches, also nach einer Änderung der Geschäftsverteilung auch den Spruchkörper (Kammer, Senat), der für die neue Entscheidung zuständig ist 79 ). Schließlich besteht eine Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, wenn dessen zurückverweisende Entscheidung nicht angefochten worden ist und die Sache nach erneuter Entscheidung des Amtsgerichts im weiteren Verfahren an das OLG gelangt 80 ). Gegen die nach der Zurückverweisung ergangene Entscheidung findet die Beschwerde nach den allgemeinen Grundsätzen statt, also die erste Beschwerde an das LG, wenn an das AG zurückverwiesen worden war, und die weitere Beschwerde an das OLG, wenn dieses an das LG als Beschwerdegericht zurückverwiesen hatte. Das1 Verfahren nach der Zurückverweisung kann für den Beschwerdeführer zu einem gegenüber der aufgehobenen Entscheidung ungünstigeren Ergebnis führen. Das Verbot der Schlechterstellung, selbst wenn es in dem Verfahren für das Beschwerdegericht Geltung hat, hindert das untere Gericht nicht an einer dem Beschwerdeführer nachteiligeren Entscheidung 81 ). Zwar ist das Verfahren nach der Zurückverweisung kein „völlig neues Verfahren" 81 "), sondern eine Fortsetzung des Verfahrens nach Wiedereröffnung der unteren Instanz 82 ). Aber nach der Aufhebung der ersten Entscheidung kann diese für das weitere Verfahren keine bestimmende Wirkung mehr haben, insbesondere wenn an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen worden ist und das Verfahren vor diesem ein Amtsverfahren ist. H a t aber das OLG eine Besdiwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache an das LG als Beschwerdegericht zurückverwiesen, so darf die neue Entscheidung des LG ge74
) Freiburg ZB1JR 1953, 81; BayObLGZ i960, 216, 220. ) K G J 37 A 198; KG J W 1937, 1985 = H R R 1937 N r . 1104; KG N J W 1955, 1926. ™) BVerfGE 2, 406. 77 ) R G J W 1927, 1208 = Recht 1927 N r . 1035; R G Z 124, 322 = JW 1929, 2527 mit zust. Anm. v. Lent; B G H Z 15, 122 = LM S 25 FGG N r . 2 mit Anm. v. Ascher = N J W 1955, 21 = J Z 1955, 50; K G D F G 1939, 180; Schlegelberger Anm. 14; Keidel Anm. 9; a. M. Bettermann DVB1. 1955, 22; N J W 1955, 262. 78 ) R G aaO. Fn. 77; B G H LM § 28 FGG N r . 14 = N J W 1954, 1445; dazu auch Schmitt J Z 1959, 221; Keidel § 28 Anm. 25; a. M. PikartHenn S. 135; BSozG N J W 1968, 1800; im RE-Verfahren O R G RzW 1964, 115 mit abl. Anm. v. Dubro. •">) BVerwG WM 1966, 1139. 8 °) B G H Z 15, 122 = LM § 25 FGG N r . 2 mit 75
Anm. V. Ascher; B G H Z 25, 200, 204; ebenso bereits K G J 53, 11 = OLGR 42, 183; vgl. auch BayObLGZ 1960, 103; Keidel Anm. 9; Rosenberg ZPR § 143 I I I 1 b; Blomeyer ZPR § 102 II 3; Schröder in Festsdir. f. Nikisdi S. 206, 215; a. M. Schlegelberger Anm. 14 a; Bettermann N J W 1955, 262. 81 ) München N J W 1952, 629; Peters M D R 1952, 137, 141; Keidel § 19 Anm. 95; Lent-Habsdieid 4 § 34 III 3 c; das nehmen auch die Vertreter der Meinung an, die sonst für die allgemeine Geltung des Verbots eintreten, so Schlegelberger Anm. 14, Baur § 29 D III 3 b bb V; Bärmann § 31 I I I 2; a. M. Unger Z Z P 41, 165, Fn. 45; für den Zivilprozeß neuerdings auch Stein-Jonas-Grunsky Z P O 1 9 § 539 IV unter Abweichung von der Voraufl. 81a ) So Schlegelberger, Baur aaO. 82 ) Blomeyer ZPR § 103 IV 2 d, § 104 V I I 2; Stein-Jonas-Grunsky ZPO 1 » § 538 Anm. I X 1.
Freiwillige Gerichtsbarkeit genüber der (bestehen gebliebenen) Entscheidung des Amtsgerichts dem Beschwerdeführer nur ungünstiger sein, soweit in dem Verfahren auch sonst das Verbot der Schlechterstellung nicht gilt (vgl. d a z u oben R d n . 9) 8 2 a ).
E. Begründung der Beschwerdeentscheidung Eine Begründung ist im Hinblick d a r a u f vorgeschrieben, daß die weitere Beschwerde nach § 27 S a t z 1 nur auf Gesetzesverletzung gestützt werden kann und die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts für das Gericht der weiteren Beschwerde nach § 27 S a t z 2 F G G , § 561 Abs. 2 Z P O bindend sind, sofern die Feststellungen ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen sind. Aus dem Zweck der Begründung, dem Gericht der weiteren Beschwerde eine N a c h p r ü f u n g der Entscheidung in diesem U m f a n g e zu ermöglichen, ergeben sich zugleich die an die Begründung zu stellenden Anforderungen. D i e Gründe müssen die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts unter Würdigung des Ergebnisses der Ermittlungen, einer Beweisaufnahme und des Vorbringens der Beteiligten enthalten und die Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt, die zu dem Entscheidungsausspruch geführt hat, darstellen. Eine äußerliche Trennung zwischen Tatbestand und Entscheidungsgründen ist nicht vorgeschrieben und in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht üblich; jedoch muß, wenn ein U m s t a n d in den Gründen erwähnt wird, klar zu erkennen sein, ob es sich dabei um eine tatsächliche Feststellung, um die Wiedergabe des Vorbringens der Beteiligten oder um eine rechtliche E r w ä g u n g handelt 8 3 ). D i e Gründe müssen auch eine vollständige Sachdarstellung enthalten 8 4 ), um dem Rechtsbeschwerdegericht eine N a c h p r ü f u n g des verfahrensrechtlich einwandfreien Zustandekommens der tatsächlichen Feststellungen und der Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt zu ermöglichen. D i e Gründe müssen ergeben, welche Tatsachen das Gericht f ü r erwiesen hält, und darüber Aufschluß geben, auf G r u n d welcher Ermittlungen, Unterlagen und E r w ä g u n g e n die Feststellungen getroffen sind; denn auch das verfahrensrechtlich einwandfreie Zustandekommen der Feststellungen unterliegt der N a c h p r ü f u n g durch das Rechtsbeschwerdegericht 8 5 ). Eine Bezugnahme auf die Vorentscheidung ist hierbei z w a r nicht schlechthin unstatthaft, jedoch müssen dann die G r ü n d e der Vorentscheidung den angeführten Anforderungen entsprechen und bei einer Veränderung der Sachlage in der Beschwerdeinstanz ist jedenfalls insoweit eine Darstellung des Sachverhalts erforderlich 8 6 ). L ä ß t die Entscheidung den f ü r festgestellt erachteten Sachverhalt nur undeutlich oder gar nicht erkennen, fehlt es insbesondere an Tatsachen, die unter ein Gesetz subsumiert werden können, und kann deshalb die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses v o m Rechtsbeschwerdegericht nicht nachgeprüft werden, so muß die Entscheidung aufgehoben werden 8 7 ). Eine allgemeine Verweisung auf den Akteninhalt genügt nicht 8 8 ); eine Bezugnahme auf einzelne Aktenbestandteile ist zulässig, wenn die in Bezug genommenen einzelnen Tatsachen und rechtlichen E r w ä g u n g e n zweifelsfrei gekennzeichnet sind und das Verständnis der Entscheidung durch die Bezugnahme nicht beeinträchtigt wird 8 9 ). D i e Verweisung auf die Begründung einer früher in derselben oder in einer anderen gleichliegenden Angelegenheit ergangenen Entscheidung kann genügen, wenn diese den Beteiligten bekannt ist 9 0 ), nicht aber auf die Gründe einer unter anderen Beteiligten ergangenen Entscheidung 9 1 ). D e r Inhalt der Gründe muß über die wesentlichen Punkte der leitenden E r wägungen Aufschluß geben 9 2 ), insbesondere bei Ermessensentscheidungen (Vergütung des Vormunds) die f ü r die Ermessensausübung maßgeblich gewesenen Gesichtspunkte hervor) Vgl. für den Zivilprozeß RGZ 58, 248, 256; BGH N J W 1961, 1813, 1814. 83) Vgl. RGZ 102, 328, 330; BSG N J W 1960, 264; Rosenberg ZPR § 56 II 2 e; Blomeyer ZPR § 81 II 6. 8 4 ) Dresden J F G 3, 179; Schlegelberger Anm. 17. ®5) K G JW 1937, 2602; Schlegelberger Anm. 17; a. M. Unger ZZP 41, 171. 8 ») K G OLGR 4, 351; K G R J A 4, 289; K G J 48, 1; KG J F G 7, 103; Rostode J F G 2, 61; BayObLGZ 1965, 328; BayObLG FamRZ 1968, 257 zu III 1 a; Köln OLGZ 1968, 324, 328; 82a
8
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88
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8S
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90 81 92
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vgl. auch K G J 48, 44; Keidel Anm. 11; Schlegelberger Anm. 17. Hamm JMB1NRW 1959, 113; BSG N J W i960, 264. K G J F G 7, 103, 105; BayObLGZ 1965, 328; Schlegelberger Anm. 17. Unger ZZP 41, 172; Schlegelberger Anm. 17. RG JW 1910, 482; Schlegelberger Anm. 17. RG JW 1926, 815; Düsseldorf WM 1952, 104; Keidel Anm. 11; Rosenberg ZPR § 56 II 2 e. K G JW 1931, 1495; vgl. auch München J F G 15, 1 u. 253.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften treten lassen93). Haben die einzelnen Erhebungen nicht ein übereinstimmendes Ergebnis gehabt oder ist der Beweiswert der verwendeten Beweismittel angefochten worden, so müssen die Gründe audi über die Beweiswürdigung Rechenschaft geben. Nichteingehen auf neues Vorbringen ist ein Mangel der Begründung 94 ). Das Gericht braucht zwar nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden, insbesondere, wenn sich aus dem Zusammenhang der Gründe ergibt, daß es das Vorbringen für unerheblich gehalten hat oder wenn es nach dem Rechtsstandpunkt des Beschwerdegerichts darauf nicht ankommen kann; die Gründe dürfen aber nicht den Schluß zulassen, daß das Gericht das Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und deshalb nicht berücksichtigt hat; darin kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zutage treten 95 ). Auf irrige Rechtsausführungen eines Beteiligten braucht das Gericht nicht einzugehen 96 ); überhaupt genügt es, wenn das Gericht seine Rechtsauffassung darlegt; auf wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit anderen Meinungen braucht es sich nicht einzulassen. Allgemeine Redewendungen genügen nicht97). Bloße Werturteile sind keine tatsächlichen Feststellungen, z. B. nicht die allgemeine Feststellung, der Beschwerdeführer sei dem Trünke ergeben und gefährde dadurch das Kindeswohl 98 ) oder dem für volljährig zu Erklärenden fehle die sittliche Reife 99 ) oder der Pfleger habe es zu unerquicklichen Auftritten kommen lassen 100 ); vielmehr müssen die Tatsachen festgestellt sein, auf denen das Werturteil beruht. Entsprechen die Gründe nicht diesen Anforderungen, so liegt in der Verletzung des § 25 ein Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung führen kann, vorausgesetzt, daß die Entscheidung auf dem Mangel beruht und das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung nicht aus anderen Gründen für richtig erachtet (§ 27 Satz 2 mit § 563 ZPO). Wegen der strengeren Voraussetzungen, die der absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 551 Nr. 7 Z P O erfordert, vgl. § 27 Rdn. 36.
F. Form der Beschwerdeentscheidung Die Entscheidung muß schriftlich abgefaßt werden. Die Ordnung gebietet es, daß die mitwirkenden Richter entweder im Kopf der Entscheidung bezeichnet oder aus ihren Unterschriften ersichtlich sind. Ein Richter auf Probe, kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter muß als solcher aus der Entscheidung erkenntlich sein (§ 29 Satz 2 DRiG). Wirksamkeitserfordernis ist nur die Bezeichnung des Gerichts und die (den Gründen nachfolgende) Unterschrift mindestens des Vorsitzenden. § 14 der Geschäftsordnung des B G H (Bek. v. 3. 3 1952, BAnz. 83) läßt für nicht verkündete Beschlüsse die Unterschrift des Vorsitzenden und des Berichterstatters genügen. Die Unterschrift aller mitwirkenden Richter ist daher, wenn auch ratsam, nicht erforderlich 101 ). H a t der Vorsitzende oder sein Stellvertreter unter der Entscheidung vermerkt, daß ein Richter an der Unterzeichnung verhindert sei, und als Grund der Verhinderung eine Tatsache angegeben, die ein Verhinderungsgrund sein kann, so kann die Entscheidung nicht mit der Begründung angefochten werden, der Richter habe gleichwohl unterzeichnen können 102 ); der Vermerk, der die Verhinderung bescheinigt, bedarf der Unterzeichnung, sofern die fehlende Unterschrift für die Form der Entscheidung wesentlich ist. Im Landwirtschaftsverfahren ist die Unterschrift der landw. Beisitzer nicht notwendig. — Beratung und Abstimmung müssen mündlich sein (§ 8 Rdn. 53 zu § 194 GVG).
G. Bekanntmachung Die Bekanntmachung der Beschwerdeentscheidung veranlaßt die Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts; sie ergeht an alle im Verfahren aufgetretenen (formell) Beteiligten und an alle materiell Beteiligten (§ 6 Rdn. 5), deren Recht durch die Beschwerdeentscheidung ge93
) München JFG 15, 34. ) Karlsruhe BadRspr. 1932, 3. ) BVerfGE 5, 22, 24; 22, 267, 273 = NJW 1967, 1955; Hendtel ZZP 77, 320, 354; Köln OLGZ 1968, 324, 328. 9 «) München JFG 15, 51. »') KG DFG 1938, 134. 98 ) Schlegelberger Anm. 17. 94
95
90
) Stuttgart FamRZ i960, 286. °) KG JFG 7, 103, 105. ) BGHZ 9, 24 = NJW 1953, 663 = JZ 1953, 284 = MDR 1953, 290; Oldenburg NdsRpfl. 1956, 198 = RdL 1956, 306; Keldel Anm. 14; Schlegelberger Anm. 18; a. M. Rasehorn NJW 1957, 1866. 102 ) BGH NJW 1961, 782. 10
101
Freiwillige Gerichtsbarkeit genüber der Vorentscheidung beeinträchtigt wird, und zwar, wenn die sofortige weitere Beschwerde gegeben ist, gemäß § 16 Abs. 2 durch förmliche Zustellung. Eine Rechtsmittelbelehrung ist nur in LwVG § 25 mit § 21 Abs. 2 vorgesehen. Vgl. ferner § 26 Rdn. 1. Über die Notwendigkeit öffentlicher Bekanntmachung der Beschwerdeentscheidung vgl. §§ 24, 32, 27, 28 VerschG, Art. 2 § 5 VersdiÄndG, § 99 Abs. 4 AktG.
20
H. Auf Entscheidungen des Amtsrichters über die Erinnerung nach § 10 RechtspflG ist § 25 nicht entsprechend anwendbar (vgl. § 19 Rdn 52) 103 ). Wirksamkeit
der Entscheidung des Beschwerdegerichts
26 Die Entscheidung des Beschwerdegerichts wird in den Fällen, in welchen die sofortige weitere Beschwerde stattfindet, erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen. 1
1. Allgemeines. Die Vorschrift regelt das Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung für den Fall, daß die weitere Beschwerde eine sofortige ist. Wirksamkeit als Eigenschaft der Entscheidung, die rechtlichen Wirkungen zu äußern, die sie ihrem Inhalt nach herbeizuführen bestimmt und geeignet ist (§ 16 Rdn. 19) ist kein notwendiges Begriffsmerkmal aller Beschwerdeentscheidungen. Die Wirkung der Entscheidung, durdi welche eine Beschwerde als unzulässig verworfen oder zurückgewiesen wird, erschöpft sidi in der Beendigung des Rechtszuges und in der Eröffnung des dritten Rechstzuges; diese Wirkung tritt bereits mit dem „Erlaß" der Entscheidung (§ 18 Rdn. 5) ein, also im Zeitpunkt ihres ersten Hinausgehens1). Im übrigen bleibt der bereits durch das Wirksamwerden der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Rechtserfolg unverändert bestehen. Von einem Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung kann daher nur gesprochen werden, wenn der durch die angefochtene Entscheidung bewirkte Rechtserfolg geändert wird, wenn also die Entscheidung aufgehoben, geändert oder durch eine andere ersetzt wird. Diese Wirksamkeit tritt auch für die Beschwerdeentscheidung nach der Regel des § 16 Abs. 1 grundsätzlich mit der Bekanntmachung an denjenigen ein, f ü r den sie ihrem Inhalt nach bestimmt ist 2 ). Die Bekanntmachung als Voraussetzung des Wirksamwerdens der Beschwerdeentscheidung (nicht zu verwechseln mit der Bekanntmachung an die Beteiligten zur Herbeiführung der formellen Rechtskraft, § 25 Rdn. 19), muß daher an den erfolgen, dem die Entscheidung bekanntgemacht werden müßte, wenn sie eine erstinstanzliche wäre. Das braucht nicht immer ein Verfahrensbeteiligter zu sein; die vom Amtsgericht abgelehnte Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB durch das Beschwerdegericht wird mit der Bekanntgabe an den Bestellten wirksam (§ 16 Rdn. 11). Die Einlegung der weiteren Beschwerde hemmt nicht den Eintritt der Wirksamkeit, da sie ebenso wie die erste Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat (§ 24 Abs. 1 mit § 29 Abs. 4). Diese Grundsätze gelten entsprechend für das Wirksamwerden der Entscheidung über die weitere Beschwerde.
2
2. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde anfechtbare Beschwerdeentscheidungen werden abweichend von § 16 Abs. 1 erst mit der (formellen) Rechtskraft wirksam. Die befristete Beschwerde ist regelmäßig in solchen Angelegenheiten gegeben, die eine baldige abschließende Regelung erfordern. In Fortführung des dem § 18 Abs. 2 zugrundeliegenden Gedankens (§ 18 Rdn. 18) soll deshalb durch die Regelung des Satzes 1 des § 26 ein nachteiliger Wechsel in der durch die erste Entscheidung geschaffenen Ordnung des Rechtsverhältnisses bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens verhütet werden, zumal infolge der Befristung der weiteren Beschwerde mit einer baldigen Klarstellung über den endgültigen Ausgang des Verfahrens zu rechnen ist3). Eine Parallele hat die Vorschrift in § 74 KO. 103
) A. M. Keidel Anm. 17. 1) Hamm JMB1NRW 1958, 103. 2 ) Schlegelberger Anm. 1; Keidel Anm. 1.
538
3
) Wellstein 2 Anm. 1; Baur § 23 B III 2 a; Jansen, D N o t Z 1953, 405.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Die weitere Beschwerde
ist eine
sofortige:
a) wenn die Besdiwerdeentscheidung auf eine sofortige erste Beschwerde ergangen ist (§ 29 Abs. 2), ohne daß es hierbei auf den Inhalt der Besdiwerdeentscheidung ankommt,
3
b) wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts ihrem Inhalt nach, falls sie als erstinstanzliche ergangen wäre, der sofortigen Beschwerde unterliegen würde oder das Amtsgericht zu einer Verfügung anweist, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, selbst wenn die erste Beschwerde keine sofortige war (§ 29 Rdn. 26),
4
c) wenn das Beschwerdegericht über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gesondert entschieden hat (§ 22 Abs. 2 Satz 3).
5
3. Über den Eintritt der formellen Rechtskraft s. § 31 Rdn. 4. Bei Beteiligung mehrerer wird die Beschwerdeentscheidung zwar für jeden Beteiligten nach den bei ihm vorliegenden Verhältnissen unanfechtbar, die formelle Rechtskraft und damit die Wirksamkeit der Entscheidung tritt jedoch für alle Beteiligten einheitlich erst ein, wenn die Entscheidung für alle Beteiligten unanfechtbar geworden ist 4 ); vgl. § 31 Rdn. 5.
6
4. Die Folge der Regelung des Satzes 1 ist, daß die Verfügung des Gerichts des ersten Rechtszuges trotz einer Änderung durch das' Beschwerdegericht bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Beschwerdegerichts aufrecht erhalten bleibt. Hat das AG den Antrag auf Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB, § 81 Abs. 2 FGG) abgelehnt, das LG aber auf die (unbefristete) Beschwerde des Antragstellers (§ 20 Abs. 2) die Entlassung angeordnet und sodann das OLG auf die sofortige weitere Beschwerde des Testamentsvollstreckers (oben Rdn. 4) die Entscheidung des LG aufgehoben und die erste Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen, so ist der Testamentsvollstrecker unverändert in seinem Amt verblieben. Hat das AG die Entlassung angeordnet, das LG diese Entscheidung aufgehoben und das O L G auf sofortige weitere Beschwerde (oben Rdn. 3) die Entscheidung des AG wiederhergestellt, so hat das Amt des Testamentsvollstreckers mit der Bekanntmachung der Entscheidung des AG an ihn (§ 16 Abs. 1) geendet. Hat das AG auf Antrag eines Nachlaßgläubigers die Nachlaßverwaltung angeordnet (§ 1981 Abs. 2 BGB, § 76 Abs. 2 FGG), das LG auf sofortige Beschwerde diese Anordnung aufgehoben, so bleibt diese gleichwohl solange wirksam, bis der Beschluß des L G rechtskräftig geworden ist. Bestätigt das O L G auf sofortige weitere Beschwerde die Anordnung der Nachlaßverwaltung, so bedarf es keiner neuen Verpflichtung des Verwalters und keiner neuen öffentlicheen Bekanntmachung (§ 1983); die Nachlaß Verwaltung hat ununterbrochen fortbestanden. Vgl. für den gleichliegenden Fall des Konkurses Jaeger-Weber, K O 8. Aufl., § 74 Anm. 1.
7
Satz 1 gilt auch für den Fall, daß eine vorläufige Vormundschaft erst vom Beschwerdegericht angeordnet oder auf sofortige Beschwerde von ihm aufgehoben wird; da das zulässige Rechtsmittel die sofortige weitere Beschwerde ist (§§ 60 Abs. 1 Nr. 5, 29 Abs. 2), wird die Beschwerdeentscheidung nur nach Maßgabe des § 26 wirksam. Die Vorschrift des § 52 begründet insoweit keine Ausnahme (vgl. § 52 Rdn. 10).
8
In Rüdeerstattungssachen mer4»).
8a
gilt § 26 nicht für die Beschlüsse der Wiedergutmachungskam-
5. Sofortige Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung. Nach Satz 2 kann das Beschwerdegericht, wenn besondere Gründe dies gerechtfertigt erscheinen lassen, nach seinem Ermessen die sofortige Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung anordnen. Mit der Wirksamkeit dieser Anordnung (§ 16 Abs. 1) und der nach der Maßgabe der Anm. 1 herbeigeführten Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung tritt die Verfügung des A G außer Kraft und wird durch die Beschwerdeentscheidung ersetzt 5 ). Die Anordnung wird z. B. in Betracht kommen, wenn das AG den Antrag eines Nachlaßgläubigers auf Anordnung der Nachlaßverwaltung zu Unrecht abgelehnt hat, um die Verfügungsbeschränkung des Erben (§ 1984 BGB) sogleich wirksam werden zu lassen; in dem umgekehrten Falle, daß das L G die vom AG an4
) Wellstein Anm. Keidel Anm. 1.
1;
Schlegelberger
Anm. 2 ;
4
") Jansen D N o t Z 1953, 403, 405; Keidel § 16 Anm. 15; vgl. auch K G N J W 1955, 1233. ) Keidel Anm. 5.
5
539
9
Freiwillige Gerichtsbarkeit geordnete Nachlaß Verwaltung aufhebt, wird die Anordnung sofortiger Wirksamkeit nur selten angebracht sein. 10
a ) Die Anordnung kann auf Antrag oder von Amts wegen, gleichzeitig mit dem Erlaß der Beschwerdeentscheidung oder naditräglidi ergehen. Sie ist ebenso wie ihre Ablehnung unanfechtbar. Nach Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde kann aber das Gericht der weiteren Beschwerde die nach Satz 2 erlassene Anordnung des Beschwerdegerichts durch den Erlaß einer einstweiligen Anordnung außer Kraft setzen, daß die Vollziehung der Beschwerdeentscheidung auszusetzen ist (§ 29 Abs. 4 mit § 24 Abs. 3). Dagegen kann das Gericht der weiteren Beschwerde nicht umgekehrt nach Satz 2 die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung anordnen, wenn das LG diese Anordnung nicht getroffen hat 8 ). Bei Beschwerdeentscheidungen, gegen welche die unbefristete weitere Beschwerde stattfindet und die deshalb nach der Regel des § 16 Abs. 1 ohnehin sogleich wirksam werden, kann eine Anordnung nach Satz 2 nicht ergehen 7 ).
•J1
b) Die Befugnis, nach Satz 2 die sofortige Wirksamkeit anzuordnen, gilt im übrigen nur für Angelegenheiten, in welchen die erstinstanzliche Entscheidung nach § 16 Abs. 1 wirksam wird und diese Regel lediglich für die Beschwerdeentscheidung durch § 26 Satz 1 ausgeschlossen wird 8 ); Satz 2 bezieht sich mithin nicht auf solche Angelegenheiten, für welche bestimmt ist, daß jede, auch die erstinstanzliche Verfügung überhaupt erst mit der Rechtskraft in Wirksamkeit tritt (vgl. §§ 53, 53a, 55a, 56, 56b, 56c, 70, 82, 97, 98, 141 Abs. 4, 142 bis 144, 158 Abs. 2) 9 ). Hier hat das Beschwerdegericht eine Befugnis zu einstweiligen Anordnungen nur in demselben Umfange wie das Gericht des ersten Rechtszuges, nämlich bei Gefahr im Verzuge nach §§ 53 Abs. 2, 82 Abs. 2. Audi im Hausratsverfahren kann deshalb im Hinblick auf § 16 Abs. 1 HausratsVO die sofortige Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung nach § 26 Satz 2 nicht angeordnet werden 10 ). In den Fällen, in denen aus der rechtskräftigen Entscheidung die Zwangsvollstreckung nach der Z P O stattfindet (§§ 53a, 98, 99, 158 FGG, § 16 Abs. 3 HausratsVO, § 45 Abs. 3 WEG), kann die Entscheidung nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden; Ausnahme § 30 Abs. 2 LwVG.
12
c ) Unanwendbar nach ausdrücklicher Vorschrift ist Satz 2 bei der Annahme an Kindes Statt (§ 68 Satz 3) und bei Todeserklärungen nach §§ 29 Abs. 2, 40 VerschG.
•J3
6. H a t der Rechtspfleger entschieden, so gilt § 26 auch für die auf bedingte Beschwerde (§ 10 Abs. 4 RechtspflG) ergangene Entscheidung des Beschwerdegerichts, sofern gegen diese die sofortige weitere Beschwerde stattfindet. Auf die Entscheidung des Amtsrichters über die Erinnerung dagegen ist § 26 nicht anwendbar; sie wird nach der allgemeinen Regel des § 16 Abs. 1 wirksam, auch wenn die sofortige Beschwerde gegeben ist. Denn wenn auch auf die Erinnerung die Vorschriften über die Beschwerde sinngemäß anwendbar sind ( § 1 0 Abs. 5 RechtspflG), so bleibt dodi die Entscheidung des Amtsrichters eine „Verfügung des Gerichts erster Instanz" i. S. des § 19, wie § 10 Abs. 3 RechtspflG zeigt; sie ist keine „Entscheidung des Beschwerdegerichts" i. S. der §§ 25 bis 27. Die Vorschriften der §§ 25 bis 27 über Inhalt, Wirksamkeit und Anfechtbarkeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts gelten daher nicht für die Entscheidung des Amtsrichters über die Erinnerung. Das ist für § 27 unbestritten, gilt aber auch für § 26 11 ). Mit dieser Auffassung steht es im Einklang, daß § 26 nach § 195 Abs. 1 Satz 2 auch auf die Entscheidung des Amtsgerichts über die Erinnerung gegen Verfügungen des württ. Bezirksnotars nicht anwendbar ist 12 ). Es ist nicht gerechtfertigt, diese Frage unterschiedlich zu beurteilen. Das Gesetz sieht erst die Entscheidung des Amtsrichters als die Endentscheidung des ersten Rechtszuges an, die nach Maßgabe des § 26 s
) Schlegelberger § 24 Anm. 9; Keidel § 24 Anm. 13; vgl. Jaeger-Weber K O 8 § 74 Anm. 2. ' ) München J F G 15, 340. 8 ) Wellstein 2 Anm. 1; Josef 2 Anm. 4. •) Schlegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 11. I0 ) Hoffmann-Stephan, HausratsVO, 2. Aufl., § 1 6 Anm. 1 A ; Schlegelberger Anm. 3; a. M. Völker N J W 1949, 538; Keidel Anm. 11.
540
" ) A. M. Hofmann-Kersting, RechtspflG § 10 Anm. 3 E g; Keidel Anm. 14. 12 ) Weißler zu § 195; Wellstein 2 § 195 Anm. 3; Schlegelberger 4 § 195 Anm. 3; Keidel § 195 Anm. 4.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
27
Satz 1 bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Beschwerdegerichts Bestandschutz haben soll. 7. § 26 gilt nach § 194 Abs. 1 auch, wenn nach Landesrecht in bundesrechtlichen Angelegenheiten (§ 1 FGG) im ersten Rechtszuge andere als gerichtliche Behörden zuständig sind und das Landgericht Beschwerdegericht ist (§ 194 Anm. 2), sowie in allen Ländern auch in landesrechtlichen Angelegenheiten (§ 1 Rdn. 131 und PrFGG Art. 6 Abs. 1).
Weitere
Beschwerde
2 7 Gegen die Entscheidung des Beschwerdegericbts ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zulässig, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Vorschriften der §§ 550, 551, 561, 563 der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. Übersicht Rdn.
Rdn.
A. Allgemeines
1
I. Ursächlichkeit der Gesetzesverletzung
28
B. Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde 1. Gegenstand der Anfechtung a) Endentscheidungen b) Zurückverweisende Entscheidungen 2. Verhältnis der weiteren Beschwerde zur Zulässigkeit der ersten Beschwerde C. Ausschluß der weiteren Beschwerde 1. Gesetzlicher Ausschluß 2. Ausschluß der weiteren Beschwerde nadi dem Inhalt der Beschwerdeentscheidung D. Anfechtbarkeit von Entscheidungen der Oberlandesgerichte E. Beschwerdebefugnis F. Bedeutung der Gesetzesverletzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels G. Die weitere Beschwerde als Rechtsbeschwerde 1. Begriff des Gesetzes 2. Revisibles und irrevisibles Recht 3. Soll- und Kannvorschriften 4. Erfahrungssätze. Denkgesetze, Sprachgebrauch 5. Gesetzesänderung 6. Änderungen des Verfahrensrechts H. Fehlerhaftigkeit der Gesetzesanwendung 1. Gesetzes Verletzung 2. Revisibilität der Beweiswürdigung 3. Revisibilität der Auslegung a) Auslegung von Willenserklärungen b) Auslegung von Testamenten und Erbverträgen c) Selbständige Auslegung im dritten Rechtszuge 4. Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen a) Handlungsermessen b) Beurteilungsermessen 5. Unbestimmte Rechtsbegriffe a) Nachprüfbarkeit b) Einzelfälle c) Beschränkte Nachprüfbarkeit
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J. Unbedingte Rechtsbeschwerdegründe 1. Vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts 2. Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters 3. Mitwirkung eines wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnten Richters 4. Irrige Annahme der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit 5. Mangelnde Vertretung eines Beteiligten 6. Verletzung von Vorschriften über die Öffentlichkeit 7. Mangel der Entscheidungsgründe
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4 5 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 20 21 22 23 23 24 25 25 26 27
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K. Tatsächliche Grundlagen der Nachprüfung 37 I. Beschränkung des Verfahrensstoffs 38 1. Grundsatz 39 2. Ausnahmen 39 a) Restitutionsgründe 39 b) Verfahrensmängel 40 3. Heilung von Verfahrensmängeln durch Verlust des Rügerechts 41 4. Tatsächliche Voraussetzungen eines zulässigen Verfahrens vor dem Rechtsbeschwerdegericht 42 II. Bindung an tatsächliche Feststellungen 43 III. Tatrichterliche Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts 44-45 L. Verfahren des Rechtsbeschwerdegerichts M. Die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts 1. Verwerfung als unzulässig 2. Zurückweisung als unbegründet 3. Aufhebung und Entscheidung in der Sache 4. Aufhebung und Zurückverweisung a) Voraussetzungen b) Sprungzurück Verweisung c) Wirkung der Zurückverweisung 5. Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung 6. Form der Bekanntmachung
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Freiwillige Gerichtsbarkeit
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A. Allgemeines Wie im Zivilprozeß werden audi im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Beteiligten in der Regel drei Rechtszüge zur Verfügung gestellt. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegenchts findet die weitere Beschwerde statt. Wenn auch auf dieses Rechtsmittel die Vorschriften über die erste Beschwerde im allgemeinen entsprechende Anwendung finden (§ 29 Abs. 4), so ist die weitere Beschwerde doch in mehrfacher Hinsicht abweichend geregelt. Die Form der Einlegung ist erschwert (§ 29 Abs. 1), und den unteren Instanzen steht nicht die Befugnis' zu, der weiteren Beschwerde, auch wenn sie nidit eine sofortige ist, abzuhelfen (§ 29 Abs. 3). Der wesentliche Unterschied gegenüber der ersten Beschwerde und der weiteren Beschwerde nach der Z P O (dazu Vorbem. 7 Rdn. 30—38 vor § 19) besteht aber darin, daß die weitere Beschwerde nur auf eine Verletzung des Gesetzes gestützt werden kann. Weitere Voraussetzungen, wie insbesondere die Zivilprozeßordnung sie für die weitere Beschwerde und die Revision kennt, bestehen für die weitere Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. Das Rechtsmittel ist nidit von einer Zulassung abhängig (Ausnahmen Vorbem. Rdn. 14 vor § 19). Eine Beschwerdesumme wird für weitere Beschwerden gegen Entscheidungen in der Hauptsache nicht erfordert (vgl. Vorbem. 5 Rdn. 17—21 vor § 19). Auch ist es nicht erforderlich, daß in der Entscheidung des Beschwerdegerichts ein neuer selbständiger Beschwerdegrund enthalten ist (§ 568 Abs. 2 ZPO); das Vorliegen von zwei übereinstimmenden Entscheidungen („duae conformes") schließt mithin die weitere Beschwerde nicht aus. Die weitere Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist vielmehr nach Revisionsgrundsätzen gestaltet; der dritte Rechtszug wird nur für Rechtsrügen und zur rechtlichen Nachprüfung eröffnet, nicht zur Nachprüfung von Tat- und Ermessensfragen. Zur Beschränkung des dritten Rechtszuges bedient sich das Gesetz in § 27 FGG des gleichen Mittels wie die Zivilprozeßordnung bei der Anfechtung von Berufungsurteilen der Oberlandesgerichte. Wie die Revision dient daher die Rechtsbeschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit in erster Linie der Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsanwendung; nur soweit die Prüfungsbefugnis des Rechtsbeschwerdegerichts reicht, deckt sich das allgemeine Interesse an einheitlicher Rechtsanwendung mit dem Interesse der Beteiligten an einer richtigen Entscheidung. Soweit die weitere Beschwerde, wie die Revision, auf Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützt werden kann, dient sie außerdem dem Zweck, den Unterrichter zur gewissenhaften Beachtung der Verfahrensgesetze anzuhalten; insofern erfüllt sie die ebenfalls im Interesse der Allgemeinheit liegende Aufgabe, die Güte der Rechtsprechung bei der Tatsachenfeststellung zu gewährleisten. Bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften kommt es deshalb nicht darauf an, ob die Nichtanwendung der Verfahrensnorm im Sinne der Gewährleistung einheitlicher Rechtsanwendung von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung ist; es genügt, daß sie die Richtigkeit der Entscheidung beeinflußt haben kann"). Obwohl die Entscheidung über die weitere Beschwerde nicht, wie bei der Revision, bei einem einzigen Gerichtshof zusammengefaßt ist, wird die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung durch gerichtsverfassungsrechtliche Einrichtungen im wesentlichen gesichert: Nach § 199 Abs. 1 kann die Landesgesetzgebung die Entscheidung über die weitere Beschwerde einem von mehreren Oberlandesgerichten oder einem obersten Landesgericht zuweisen, wodurch die Rechtseinheit innerhalb dieses Landes gesichert ist, und Divergenzen in der Rechtsprechung der OLG (ObLG) werden auf Grund der Vorlegungspflicht nach § 28 Abs. 2 durch den Bundesgerichtshof mit bindender Wirkung für alle Oberlandesgerichte des Bundesgebiets ausgeglichen2).
Vgl. Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts, 2. Aufl. 1960 S. 26 ff., 34 ff.; Blomeyer ZPR § 104 I ; Henke, Die Tatfrage, 1966 S. 191 f f . ; anders unter Hervorhebung der Einzelfallgerechtigkeit Stein-Jonas-Grunsky Z P O 1 9 I 2 vor § 545.
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2
) Zur reditsgesdiiditlidien Entwicklung in Bezug auf die Gestaltung der weiteren Beschwerde vgl. Unger Z Z P 41, 370 ff.; die Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit setzt sich für eine Beibehaltung der weiteren Beschwerde als Rechtsbeschwerde ein, Bericht (1961) S. 365.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§27
B. Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde 1. Gegenstand
der
Anfechtung
a) Endentscheidungen. Mit der weiteren Beschwerde anfechtbar sind die vom Beschwerdegericht als solchem getroffenen Endentscheidungen über das Rechtsmittel der ersten Beschwerde gegen eine Verfügung des Amtsgerichts. Darunter ist nur die das Beschwerdeverlangen bescheidende und erledigende Endentschließung des Beschwerdegerichts zu verstehen3), wozu auch die Verwerfung der ersten Beschwerde als unzulässig gehört. Endentscheidungen sind aber auch Entscheidungen, durch die über einen Teil des (teilbaren) Beschwerdegegenstandes abschließend befunden oder über einen die Endentscheidung präjudizierenden Streitpunkt vorab entschieden wird, z. B. Teilendentscheidungen (vgl. § 15 Abs. 3 VHG) 4 ) oder Vorabentscheidungen über die örtliche Zuständigkeit 5 ). Mit der weiteren Beschwerde anfechtbar sind ferner Entscheidungen des Beschwerdegerichts über Beschwerden gegen eine Zwischenverfügung des Amtsgerichts, da sie den Beschwerderechtszug beenden und über den allein in die Beschwerdeinstanz gediehenen Beschwerdegegenstand befinden 6 ); hierher gehört auch die Beschwerdeentscheidung gegen Verfügungen, durch die das Gericht erster Instanz das Verfahren aussetzt7). Aus demselben Grunde ist mit der weiteren Beschwerde anfechtbar eine Entscheidung, durch die das Beschwerdegericht eine Endentscheidung des Amtsgerichts aufhebt und durch eine Zwischenverfügung ersetzt, z. B. das Verfahren des ersten Rechtszuges aussetzt 8 ). Dagegen ist die weitere Beschwerde nicht statthaft gegen solche der Endentscheidung vorausgehenden Anordnungen, Verfügungen und Entscheidungen des Beschwerdegerichts, welche noch nicht über den Beschwerdegegenstand sachlich befinden, sondern die Beschwerdeentscheidung nur vorzubereiten oder das Beschwerdeverfahren zu leiten bestimmt sind9), auch wenn sie bereits im Sinne des § 20 Abs. 1 ein Recht der Beteiligten zu beeinträchtigen geeignet sind und, wenn das Amtsgericht eine Verfügung gleichen Inhalts erlassen hätte, mit der Beschwerde nach § 19 anfechtbar wären 10 ). In diesen Fällen kann das Verfahren des Beschwerdegerichts erst nach dem Erlaß der Beschwerdeentscheidung durch Einlegung der weiteren Beschwerde der Nachprüfung durch das obere Gericht unterstellt werden. Zu den nur das Verfahren leitenden und deshalb mit der weiteren Beschwerde nicht anfechtbaren Verfügungen des Beschwerdegerichts gehört auch die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens 11 ). Nur dann ist ausnahmsweise die weitere Beschwerde gegeben, wenn die Entscheidung sich als eine nur in die Form der Aussetzung gekleidete Sachentscheidung über die Beschwerde darstellt, z. B. wenn die Beschwerde gegen die Anordnung einer vorläufigen Vormundschaft bis zur Entscheidung über den Entmündigungsantrag ausgesetzt wird, da die vorläufige Vormundschaft überhaupt nur bis zur Beendigung des Entmündigungsverfahrens von Bedeutung ist 12 ), oder wenn das Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung auf sechs Monate ausgesetzt wird, da darin die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme für die Dauer der Aussetzung liegt 13 ), oder wenn die Beschwerde gegen die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ausgesetzt wird, damit die Mutter inzwischen ihren Lebenswandel ändere 14 ).
3)
4)
5) «) ?) 8) 9)
RG R J A 14, 85; K G N J W 1957, 1197; Unger ZZP 36, 87; Schlegelberger Anm. 2; Baur § 31 A II. Vgl. BGH N J W 1958, 1540 = MDR 1958, 764; Keidel Anm. 1. K G J 53, 6 = O L G R 42, 116; Josef WürttZ 1923, 31; du Chesne WürttZ 1923, 1; Schlegelberger Anm. 2 ; Keidel Anm. 1. München J F G 15, 177; BGHZ 25, 166; Schlegelberger Anm. 2; Keidel Anm. 3. München J F G 15, 65; Oldenburg NdsRpfl. 1952, 173; KG OLGZ OLGZ 1966, 357; Baur § 29 A II 2 Fn. 14. KG R J A 15, 89. BayObLGZ 34, 292; München J F G 15, 178; KG OLGR 36, 193 = R J A 15, 169; Hamm JMB1NRW 1956, 185; KG N J W I960, 1625
10)
")
12) 13)
14)
= Rpfleger I960, 375; Unger ZZP 36, 87; Baur § 31 A II 2; Schlegelberger Anm. 2; Keidel Anm. 3. RG R J A 14, 85; KG N J W 1957, 1197; Baur § 31 A II 2. RG R J A 14, 85; KG R J A 15, 169 = O L G R 36, 193; K G DRiZ 1929 Nr. 284; K G J F G 13, 297 = J W 1936, 1386; KG N J W 1957, 1197; Düsseldorf MDR 1950, 354; BayObLGZ 1966, 323; Unger ZZP 41, 396 Fn. 50; Schlegelberger Anm. 2; Baur § 29 A II 4 b Fn. 20; a. M. Freiburg N J W 1953, 708; Keidel J Z 1954, 235. KG J F G 13, 297. KG J F G 20, 164. KG J F G 23, 101; Schlegelberger Anm. 2.
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2
Freiwillige Gerichtsbarkeit Dagegen liegt in dem Aussetzungsbeschluß eine Entscheidung in der Sache nicht schon deswegen, weil die Endentscheidung dadurch hinausgeschoben wird. Dem Sinn des Gesetzes, welches in § 27 die Nachprüfung gewisser Verfügungen des Beschwerdegerichts sogar in der Beschränkung auf eine Gesetzesverletzung ausschließt, widerspricht es, gegen diese Verfügungen gleichwohl ein Rechtsmittel zuzulassen, welches als „erste" Beschwerde ausgegeben wird mit der Folge, daß minder wichtige Verfügungen sogar in tatsächlicher Hinsicht vom Obergericht nachzuprüfen sind 15 ). Über die Voraussetzungen, unter denen die erste Beschwerde gegen Verfügungen des Beschwerdegerichts, die nicht über die Beschwerde befinden, im Gesetz zugelassen oder aus besonderen Gründen zuzulassen ist, vgl. § 19 Rdn. 48 Die weitere Beschwerde findet auch in Wohnungseigentumssachen statt 16 ). Im Hausratsverfahren ist die weitere Beschwerde in § 14 Abs. 2 HausratsVO selbständig, aber übereinstimmend mit § 27 F G G geregelt. 3
b) Zurückverweisende Entscheidungen. Mit der weiteren Beschwerde anfechtbar sind auch Entscheidungen, durch welche das Beschwerdegericht die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an die Vorinstanz zurückverweist (vgl. § 25 Rdn. 13), weil solche Entscheidungen den Beschwerderechtszug beenden 11 ). Anfechtbar ist sowohl die Aufhebung als auch die Zurückverweisung18). Der Beschwerdeführer ist zwar nicht durch die aufhebende (kassatorische) Entscheidung, wohl aber durch die Zurückverweisung, also das Unterbleiben einer reformatorischen Entscheidung zu seinen Gunsten beschwert, der Beschwerdegegner ist beschwert durch die Aufhebung. Die Frage, ob ein gesetzlicher Grund zur Zurückverweisung vorlag, unterliegt der Nachprüfung im dritten Rechtszuge 19 ); die Ausübung des Ermessens dahin, von einer bestehenden Zurückverweisungsbefugnis Gebrauch zu machen, oder in der Sache zu entscheiden (vgl. § 25 Rdn. 13), ist dagegen nicht nachprüfbar 20 ). Die weitere Beschwerde ist auch noch statthaft, nachdem das Amtsgericht inzwischen erneut in der Sache entschieden hat 21 ), es sei denn, daß diese Entscheidung formell rechtskräftig geworden ist 22 ) und nicht mehr nach § 18 Abs. 1 geändert werden kann.
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2. Verhältnis der weiteren Beschwerde zur Zulässigkeit der ersten Beschwerde. Die Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde richtet sich, soweit keine Sondervorschriften gerade für dieses Rechtsmittel gegeben sind, ausschließlich nach § 27 FGG. Das Erfordernis einer Beschwerdesumme für die erste Beschwerde (z. B. § 14 HausratsVO, § 45 Abs. 1 WEG) gilt deshalb nicht für die weitere Beschwerde (vgl. Vorbem. vor § 19 Rdn. 17—20). Wegen der weiteren Beschwerde gegen eine isolierte Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts vgl. § 20a Rdn. 18—22. Die Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde ist unabhängig davon, ob die Verfügung des Amtsgerichts beschwerdefähig war oder nicht. Ist eine Verfügung des Amtsgerichts nach gesetzlicher Vorschrift unanfechtbar, und verwirft deshalb das Landgericht die gleichwohl eingelegte Beschwerde als unzulässig, so ist die weitere Beschwerde nicht etwa ebenfalls unzulässig, sondern nach § 27 zulässig, aber unbegründet 23 ). Die etwaige Unzulässigkeit der ersten Beschwerde steht nicht auch der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde entgegen, sondern kann nur, mag sie vom Landgericht anerkannt, verneint oder übersehen sein, den Gegenstand der weiteren Beschwerde bilden (nächst. Rdn. 40). Hat das Landgericht eine erste Beschwerde als sachlich unbegründet zurückgewiesen, während es sie richtigerweise als unzulässig hätte verwerfen sollen, so ist es angebracht, die weitere Beschwerde, mag sie auch im Ergebnis erfolglos geblieben sein, nicht schlechthin zurückzuweisen, sondern in ) So aber BayObLGZ 1966, 323; 1967, 19; Keidel Anm. 1. N>) K G N J W 1956, 1679; BayObLGZ 1957, 9 8 ; Celle N J W 1958, 307. 17) K G J 53, 9 3 ; München J F G 15, 134; BayObLGZ 1953, 60; Köln JMB1NRW 1959, 7 0 ; Unger ZZP 41, 397; Schlegelberger Anm. 2 ; Keidel Anm. 2. 1 8 ) Unger ZZP 41, 397. 19) BayObLGZ 1966, 435; Hamm OLGZ 1966, 216. 15
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) Vgl. B G H Z 31, 358, 365; BGH RdL 1952, 59; Keidel Anm. 29. ) KG DFG 1938, 133 = J W 1938, 2211; Keidel Anm. 2. 2 2 ) BayObLGZ 1960, 354. 23) München J F G 15, 178; K G FamRZ 1960, 239; BayObLGZ 1962, 380; 1963, 1 , 3 ; Unger ZZP 42, 154; Keidel Anm. 6 ; a. M. KG DNotZ 1955, 4 3 7 ; Hamm Rpfleger 1958, 155, weldie die weitere Beschwerde ebenfalls für unstatthaft erachten.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften der Formel zum Ausdruck zu bringen, daß die erste Beschwerde unzulässig war, um klarzustellen, daß die Änderungsbefugnis des A G ( § 1 8 Abs. 1) bestehengeblieben ist 24 ).
C. Ausschluß der weiteren Beschwerde 1. Gesetzlicher Ausschluß. Abweichend von § 27 ist die weitere Beschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts unstatthaft im Armenrechtsverfahren nach § 14 F G G mit § 127 Satz 3 Z P O (vgl. § 14 Rdn. 86), im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 13a Abs. 2 F G G mit §§ 104 Abs. 3 Satz 5, 568 Abs. 3 Z P O (vgl. § 13a Rdn. 44), bei der Abhängigmachung von der Vorschußzahlung nach § 8 Abs. 2, 3 KostO 2 5 ), ferner nach § 84 Abs. 1 BundesvertriebenenG, § 13 Abs. 2 G zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung v. 25. 3. 1952 (BGBl. I, 203) und nach §§ 35 Abs. 2, 85 Abs. 3, 104 Abs. 6, 142 Abs. 6, 147 Abs. 3, 163 Abs. 3, 258 Abs. 5, 265 Abs. 4, 270 Abs. 3, 273 Abs. 4, 350 Abs. 4 AktG.
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2. Ausschluß der weiteren Beschwerde nach dem Inhalt der Beschwerdeentscheidung. Hat erst das Landgericht auf die erste Beschwerde gegen eine Verfügung, die ihrer Art nach beschwerdefähig ist, eine sachliche Entscheidung getroffen, gegen die, wenn das Amtsgericht sie erlassen hätte, die erste Beschwerde ausgeschlossen oder beschränkt wäre, so gilt diese Ausschließung oder Beschränkung nach § 29 Abs. 4 auch für die weitere Beschwerde 26 ). Dieser Fall ist gegeben, wenn die ablehnende Verfügung mit der Beschwerde anfechtbar, die stattgebende aber unanfechtbar ist und erst das Landgericht auf eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Maßnahme die positive Anordnung erläßt. Deshalb ist mit der weiteren Beschwerde nicht anfechtbar die Entscheidung, mit welcher das Beschwerdegericht dem Antrag auf Ehelichkeitserklärung stattgibt (§ 56a Rdn. 21) oder einen Kindesannahmevertrag bestätigt (§ 67 Rdn. 9) oder vom Erfordernis der Kinderlosigkeit Befreiung gewährt 2 7 ). Hat das Landgericht das Registergericht zur Einleitung des Ordnungsstrafverfahrens nach § 132 F G G oder des Amtslöschungsverfahrens nach § 142 F G G angewiesen, so ist nicht die weitere Beschwerde, sondern nur der Einspruch oder Widerspruch gegen die vom Registergericht zu erlassende Verfügung gegeben 28 ). H a t die Beschwerdeentscheidung bereits zu einer Eintragung in das Handelsregister oder zur Erteilung eines Erbscheins geführt, so ist die weitere Beschwerde statthaft mit dem Ziel, die Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens nach § 142 F G G oder die Einziehung des Erbscheins anzuordnen 29 ).
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D. Anfechtbarkeit von Entscheidungen des Oberlandesgerichts
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Gegen die Entscheidungen des O L G ( K G , B a y O b L G ) über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gibt es kein weiteres Rechtsmittel 30 ). Audi in den Fällen, in denen das O L G als Gericht des ersten oder des zweiten Rechtszuges entscheidet, ist in der Regel ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben, so ausdrücklich G über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften v. 12. 11. 1956 (BGBl. I, 844) § 34 i. d. F. des § 39 Abs. 1, Nr. 9 E G A k t G , § 99 Abs. 3 AktG, G zur Ergänzung des MitbestimmungsG v. 7. 8. 1956 (BGBl. I, 707) § 18 Abs. 1; F G G §§ 64 Satz 2, 143 Abs. 2 mit 144, 147, 159, 161; Auslands-WBG v. 25. 8. 1952 (BGBl. I, 553) §§ 31 Abs. 6, 47 Abs. 9; AusfG zum Abkommen v. 27. 2. 1953 über deutsche Auslandsschulden v. 24. 8. 1953 (BGBl. 1,1003) § 86 Abs. 5, ferner in allen sonstigen Fällen, in denen das O L G über die Beschwerde gegen Entscheidungen des Landgerichts als Gericht des ersten Rechtszuges befindet 3 1 ), vgl. Vorbem. 1 B I vor § 3. ) BayObLGZ 1961, 200 = JR 1962, 61 = JZ 1962, 124; KG NJW 1962, 2354 = FamRZ 1962, 531 a. E. 25) Tschischgale MDR 1958, 292 zu II 2 3. 2«) Unger ZZP 41, 394. " ) Hamm OLGZ 1965, 365; BayObLGZ 1965, 313. 2®) RGZ 85, 276; KG RJA 10, 23; KG JW 1937, 1985 = HRR 1937 Nr. 1104; Hamm NJW 1956, 428; JMB1NRW 1957, 234. 24
) KG JFG 16, 189 = DFG 1937, 227; Hamm OLGZ 1966, 598, je zu § 142 FGG; RGZ 61, 273; KG JFG 10, 79; BayObLGZ 1951, 416, je zu § 2361 BGB. 3 °) RG JFG 13, 192; RGZ 138, 98. 3 1 ) BGH WM 1962, 157 zum UEG; KG « 1960, 207. 28
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Ein gleichwohl eingelegtes Rechtsmittel k a n n das O L G selbst als unzulässig verwerfen, es sei denn, d a ß t r o t z Belehrung ausdrücklich Vorlegung der Beschwerde an den B G H v e r langt wird 3 2 ). Endgültig ist auch die Entscheidung des O L G als Gericht erster Instanz im V e r f a h r e n zur Anfechtung von J u s t i z v e r w a l t u n g s a k t e n (§ 2 9 E G G V G A n m . 1) und über die A n e r k e n n u n g ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (Art. 7 § 1 Abs. 6 S a t z 5 F a m R Ä n d G ) . Ausnahmsweise ist die weitere Beschwerde an den B G H in V e r t r a g s h i l f e sachen nach § 18 Abs. 3 V G H zugelassen. Ü b e r die Rechtsbeschwerde an den B G H in L a n d wirtschaftssachen vgl. V o r b e m . 2 a v o r § 19.
E. Beschwerdebefugnis D i e Vorschriften über die Beschwerdebefugnis finden a u f die weitere Beschwerde entsprechende A n w e n d u n g (§ 2 9 Abs. 4 mit § 2 0 ) . I m A n t r a g s v e r f a h r e n gilt § 2 0 Abs. 2 auch für die weitere Beschwerde; das Beschwerderecht steht also nur dem Antragsteller zu, wenn das L G eine den A n t r a g zurückweisende V e r f ü g u n g des A G bestätigt oder unter Aufhebung der Vorentscheidung d«n A n t r a g zurückweist 3 3 ) I n Vormundschaftssachen gelten gemäß § 63 die Erweiterungen des Beschwerderechts nach §§ 5 7 bis 59 auch f ü r die weitere Beschwerde. D i e Beeinträchtigung eines Rechts m u ß durch die Beschwerdeentscheidung begründet sein. H a t das Beschwerdegericht die Verfügung des Amtsgerichts geändert, so ist für die Befugnis zur weiteren Beschwerde mir noch der I n h a l t der Beschwerdeentscheidung maßgebend, auf den I n h a l t der Verfügung erster Instanz k o m m t es nicht mehr an. D i e Beeinträchtigung eines Rechts durch die Beschwerdeentscheidung liegt aber auch v o r , wenn das Beschwerdegericht die beeinträchtigende V e r f ü g u n g des Amtsgerichts aufrechterhalten hat, ohne ihr gegenüber eine neue Beschwer zu schaffen. D e r Beteiligte, der v o n seinem Recht zur ersten B e schwerde keinen Gebrauch gemacht hat, bleibt daher zur weiteren Beschwerde berechtigt 3 4 ); er muß allerdings in K a u f nehmen, d a ß er nur noch eine rechtliche Nachprüfung der von einem anderen Beteiligten herbeigeführten Beschwerdeentscheidung erreichen kann. F e r n e r w i r d in den F ä l l e n der sofortigen Beschwerde die erstinstanzliche Verfügung für den B e t e i ligten, der sie nicht angefochten h a t , durch den A b l a u f der ihm gegenüber in L a u f gesetzten Beschwerdefrist unanfechtbar, so d a ß er auch die Beschwerdeentscheidung nicht mehr anfechten k a n n , es sei denn, d a ß diese eine weitere Beeinträchtigung seines Rechts, also eine über die erste V e r f ü g u n g noch hinausgehende Beschwer enthält 3 5 ). Dieser Grundsatz k a n n aber keine Geltung beanspruchen, wenn die mehreren Beteiligten materiell das B e schwerderecht desselben B e t r o f f e n e n ausüben, wie in Freiheitsentziehungs-, Unterbringungsund Verwahrungssachen der Verfahrenspfleger oder gesetzliche V e r t r e t e r des B e t r o f f e n e n , dem das Beschwerderecht z w a r zur Ausübung im eigenen N a m e n , aber zur W a h r u n g der Rechte des B e t r o f f e n e n eingeräumt ist 3 8 ). Ist die erste Beschwerde als unzulässig v e r w o r f e n worden, so steht die weitere Beschwerde nur dem ersten Beschwerdeführer zu, da durch eine solche Entscheidung weder die Sache selbst noch das Verfahrensrecht eines anderen B e teiligten berührt w i r d 3 7 ) . E i n Beschwerderecht w i r d auch dem Beschwerdeführer eingeräumt, dessen erste Beschwerde als sachlich unbegründet zurückgewiesen worden ist, w ä h rend sie richtigerweise als unzulässig h ä t t e v e r w o r f e n werden müssen 3 8 ). W a r die erste B e schwerde wegen mangelnden Beschwerderechts erfolglos, so steht diesem Beschwerdeführer schon aus diesem G r u n d e ein Beschwerderecht für die Einlegung der weiteren Beschwerde zu 3 "). I m Ergebnis folgt hieraus, d a ß dem ersten Beschwerdeführer stets ein Beschwerde-
) KG WM 1960, 207. ) KG OLGZ 1966, 596 zu 1; Unger ZZP 41, 400; Schlegelberger § 29 Anm. 9. 3 4) BGHZ 5, 52; Unger ZZP 41, 400; Schlegelberger § 29 Anm. 8. 35) BayObLGZ 27, 110 = J F G 5, 82; 30, 131; 1961, 83; 1963, 289; BayObLGZ BayZ 1934, 78 u. 128; Mundien J F G 15, 270; KG K G J 42, 57; KG J F G 22, 195, 196; BGHZ 3, 214 = LM § 23 LVO Nr. S = N J W 1952, 1111 = MDR 1952, 35 = RdL 1952, 16; BGH MDR 1961, 130 = N J W 1961, 124 = RdL
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1961, 17; Keidel Anm. 10; Potrykus JWG § 65 Anm. 11 c. BayObLGZ 1963, 289. Unger ZZP 41, 400; a. M. wohl Frankfurt N J W 1960, 1063. BayObLGZ 1961, 200; 1963, 332; Sdilegelberger § 29 Anm. 8; Keidel Anm. 10. Karlsruhe OLGR 3, 71 ; München J F G 20, 168; BGHZ 31, 92, 95 = N J W 1960, 148 = MDR 1960, 123 = Rpfleger 1960, 48; BayObLGZ 1963, 1, 3; 1964, 386; Celle NdsRpfl. 1960, 232; Keidel Anm. 10.
Erster Absdinitt. Allgemeine Vorschriften redit für die Einlegung der weiteren Beschwerde zusteht, wenn seine erste Beschwerde, aus welchem Grunde auch immer, ohne Erfolg geblieben ist 40 ). Fehlt es an einem Beschwerderecht, so ist die weitere Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (§ 20 Rdn. 13).
F. Bedeutung der Gesetzesverletzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels
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Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde ist trotz des scheinbar entgegenstehenden Gesetzeswortlauts nicht davon abhängig, daß die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht. Zulässig, d. h. hier statthaft, ist die weitere Beschwerde, wenn die in Anm. B erörterten Voraussetzungen vorliegen und das Rechtsmittel nicht ausnahmsweise ausgeschlossen ist (Anm. C). Ergibt die Prüfung der statthaften und in der gesetzlichen Form, gegebenenfalls auch Frist, von einem Beschwerdeberechtigten eingelegten weiteren Beschwerde, daß eine Gesetzesverletzung nicht vorliegt, oder liegt sie zwar vor, erweist sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig (§ 27 Satz 2 mit Z P O § 563), so ist die weitere Beschwerde trotz des scheinbar entgegenstehenden Gesetzeswortlauts nicht unzulässig, sondern unbegründet 41 ). Die Zulässigkeit erfordert nicht einmal die Behauptung einer Gesetzesverletzung. Auch wenn die weitere Beschwerde unzulässigerweise ausschließlich auf neue Tatsachen oder Beweise i. S. des § 23 gestützt wird, ist sie zulässig41"), möglicherweise trotz der Unbeachtlichkeit des tatsächlichen Vorbringens (§ 27 Satz 2, § 561 Abs. 1 ZPO) sogar begründet, wenn die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, daß die Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung, mag sie auch von dem Beschwerdeführer nicht erkannt worden sein, beruht. Es handelt sich um einen Fall der Beschränkung der Beschwerdegründe, für den der allgemeine Grundsatz gilt, daß das Vorbringen nicht zugelassener Beschwerdegründe die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht berührt (§ 23 Rdn. 9).
G. Die weitere Beschwerde als Rechtsbescfawerde
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Das Rechtsmittel entspricht nicht der nach dem Difformitätsprinzip ausgestalteten weiteren Beschwerde nach der Z P O (vgl. über diese Vorbem. 7 vor § 19), sondern ist im wesentlichen mit einigen Abweichungen der Revision nachgebildet und gewährt wie diese nur eine rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung. Nicht auf Gesetzesverletzung beschränkt ist ausnahmsweise die weitere Beschwerde im Verfahren über die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zur Entlassung aus der Staatsangehörigkeit nach § 19 Abs. 1 RuStAngG 42 ). 1. Begriff des Gesetzes Gesetz ist auch im Sinne des FGG jede Rechtsnorm (§ 185 Abs. 2 FGG mit Art. 2 EGBGB) 43 ). Dazu gehören außer Bundes- und Landesgesetzen im formellen Sinne auch Gesetze im materiellen Sinne, d. h. verbindliche Anordnungen eines Rechtssatzes, die von einer staatsrechtlich dazu befugten Gewalt auf Grund ursprünglicher oder abgeleiteter Rechtssetzungsbefugnis erlassen sind, in die sozialen Beziehungen der Rechtsunterworfenen unmittelbar berechtigend, verpflichtend, versagend oder gewährend eingreifen und den Zweck verfolgen, diese allgemeinverbindlich zu regeln 44 ). In der Rechtsbeschwerdeinstanz nachprüfbar sind daher auf Grund gesetzlicher Ermächtigung (Art. 80, 129 GG) ergangene und ordnungsgemäß verkündete (Art. 82 GG, G über die Verkündung von RechtsVO v. 30. 1. 1950, BGBl. 23)45) Ausführungsvorschriften, wenn sie das Wesen einer Rechtsverord4
°) K G N J W 1962, 2354 = FamRZ 1962, 531; KG O L G Z 1965, 70 u. 321; 1966, 112 u. 238; BayObLGZ 1964, 278; 1965, 331, 332; 1967, 138 u. 231; Keidel Anm. 10; Bärmann § 33 II 2. 41 ) Baur § 31 A I ; Keidel Anm. 11, 61; Hendkel ZZP 77, 321 Fn. 78; Celle N J W 1961, 417 zu § 156 KostO; KG FamRZ 1963, 308. « " ) A. M. Bettermann, Z Z P 77, 3 ff., 30. « ) Dazu BayObLG OLGR 33, 369; München JFG 16, 138; BayObLGZ 1967, 304.
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) Vgl. dazu Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts, 2. Aufl. S. 58 f f . ; Friedrich, Der Begriff des Gesetzes im Sinne des Revisionsrechts, Diss. Marburg 1960; Baur § 31 C II 1; Schlegelberger Anm. 4; Keidel Anm. 21; BGBKomm. zu Art. 2 EGBGB. 44 ) Vgl. Schwinge aaO. 59/60; Friedrich aaO. S. 20, 26, 45; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 549 Anm. II 1; Pritsche LwVG § 27 Anm. B II. 45 ) Vgl. dazu H w . Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 1963; Spiegel N J W 1962, 1187.
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Freiwillige G e r i c h t s b a r k e i t nung haben 4 6 ), nämlich Rechte u n d Pflichten m i t W i r k u n g nach a u ß e n regeln, w ä h r e n d in R e c h t s v e r o r d n u n g e n g e t r o f f e n e Regelungen, welche die Rechte d e r Staatsbürger nicht ber ü h r e n (RechtsVerordnungen im f o r m e l l e n Sinne) nicht revisibel sind 4 7 ). Revisible Rechtsv e r o r d n u n g e n sind die auf G r u n d des § 125 Abs. 3 F G G erlassene H a n d e l s r e g i s t e r v e r f ü gung 4 8 ), die auf der E r m ä c h t i g u n g in § 161 G e n G b e r u h e n d e V O über das Genossenschaftsregister (§ 147 A n m . A) u n d die G r u n d b u c h Verfügung 4 9 ). Gesetze im materiellen Sinne sind a u t o n o m e Satzungen 5 0 ), die v o n einer K ö r p e r s c h a f t des öffentlichen Rechts im R a h m e n der ihr v o m S t a a t verliehenen A u t o n o m i e erlassen w e r d e n , A n s t a l t s o r d n u n g e n , soweit sie u n m i t t e l b a r die Rechtssphäre d e r Benutzer b e r ü h r e n und d e r e n Rechte allgemeinverbindlich regeln 5 1 ), z. B. Satzungsbestimmungen landschaftlicher K r e d i t a n s t a l t e n 5 2 ) , rechtsetzende Vereinbarungen m i t allgemeinverbindlicher W i r k u n g , wie die n o r m a t i v e n Teile v o n T a r i f 53 v e r t r ä g e n (§ 1 T V G ) u n d Betriebsvereinbarungen ) o d e r Eingemeindungs Verträge 5 4 ). K e i n e Rechtssätze e n t h a l t e n in der Regel V e r w a l t u n g s v o r s c h r i f t e n , die z u r D u r c h f ü h r u n g v o n G e setzen erlassen w e r d e n u n d n u r zu erkennen geben, wie das Gesetz nach Ansicht der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e auszulegen ist, sowie nur f ü r den inneren Dienst bestimmte D i e n s t a n w e i sungen ohne A u ß e n w i r k u n g , wie die D i e n s t o r d n u n g f ü r N o t a r e 5 5 ) u n d die bayerische V o r m u n d s c h a f t s o r d n u n g u n d N a c h l a ß o r d n u n g 5 6 ) . D e n Gesetzen im f o r m e l l e n Sinne stehen gleich durch Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 m i t A r t . 32 G G ) in innerstaatliches Recht u m g e w a n d e l t e S t a a t s v e r t r ä g e , z. B. die Europäische K o n v e n t i o n z u m Schutz der Menschenrechte u n d G r u n d f r e i h e i t e n (vgl. V o r b e m . 9 v o r § 19), u n d bestimmte Entscheidungen der V e r f a s sungsgerichte (vgl. § 31 Abs. 2 B V e r f G G ) . Ungeschriebene revisible Rechtsnormen sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die g e m ä ß A r t . 25 G G Bestandteile des Bundesrechts sind 5 7 ), Gewohnheitsrecht, also das durch einen allgemeinen, normalerweise durch Ü b u n g m a n i f e s t i e r t e n Rechtsgeltungswillen der Gemeinschaft erzeugte Recht 5 8 ), sowie O b s e r v a n z e n , w o r u n t e r örtlich beschränktes G e w o h n h e i t s r e c h t zu verstehen ist 5 9 ). O b eine ungeschriebene N o r m besteht, h a t das Revisionsgericht selbständig festzustellen u n d erforderlichenfalls zu ermitteln. D a g e g e n liegt die Frage, ob ein H a n d e l s b r a u c h besteht u n d welchen I n h a l t er h a t , auf tatsächlichem Gebiet u n d k a n n v o m Rechtsbeschwerdegericht nicht n a c h g e p r ü f t w e r den 6 0 ). Als revisibel a n e r k a n n t sind allgemeine Rechtsgrundsätze, die sich aus dem Sinn o d e r Z u s a m m e n h a n g der gesetzlichen Vorschriften ergeben o d e r die im Wege d e r Analogie o d e r d e r A u s f ü l l u n g v o n Lücken des positiven Rechts g e w o n n e n sind 9 1 ). 2. Revisibles und irrevisibles Recht. Eine Unterscheidung zwischen revisiblem u n d irrevisiblem Recht w i r d f ü r die weitere Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht gemacht (anders f ü r den U m f a n g der Vorlegungspflicht nach § 28 Abs. 2, vgl. § 28 R d n . 5). Auf die Vorschrift des § 549 Z P O , nach welcher die Revision n u r auf V e r l e t z u n g v o n Bundesrecht "«) K G J 29 A 213; BayObLG OLGR 34, 242; JFG 2, 233; Keidel Anm. 21. " ) Schack DÖV 1958, 273. 48 ) KG JFG 17, 324 = DJ 1938, 1282 = DFG 1938, 136 = JW 1938, 2282 = H R R 1938 Nr. 1039. 49 ) KG JFG 4, 307; Hesse-Saage-Fisdier GBO 4 Vorbem. III 1 z. GBVfg.; Henke-MönchHorber GBO 8 § 1 6 A; Meikel-Imhof-Riedel GBO 5 § 78 Anm. 7. 5 °) KGJ 53, 203; Friedrich aaO. S. 42 ff. 51 ) Schwinge J W 1938, 770; Friedrich aaO. S. 27 ff. 52 ) RGZ 64, 214; 74, 403; WarnErg. 8, 294; RG Recht 1930, 45 Nr. 169. 53 ) Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 15 § 43 I I I ; Wolff VerwR S. 91; Friedrich aaO. S. 44. 54 ) PrOVGE 58, 89; 93, 41. 55 ) KG OLGZ 1966, 492, 496; Sybold-Hornig BNotO 4 S. 721. 56 ) BayObLGZ 18, 23; Keidel Anm. 21. 57 ) Dazu Pigorsch, Die Einordnung völkerrecht-
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)
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)
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)
licher Normen in das Recht der Bundesrepublik, 1959, S. 5 ff.; Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, 1967; BVerfGE 6, 363. BGH N J W 1958, 709; Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 15 § 38 I; KG FamRZ 1964, 516; BGHZ 44, 346; dazu Hubmann, Entstehung und Außerkrafttreten von Gewohnheitsrecht, JuS 1968, 61. Vgl. Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 15 § 43 V; Friedrich aaO. S. 68. BGH N J W 1966, 502; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 549 Anm. II 3; Rosenberg ZPR» § 140 III 1 a; Keidel Anm. 21. RGZ 110, 294; 124, 194; WarnRspr. 1931 Nr. 53; 1933 Nr. 31; RGZ 159, 86; BGHZ 6, 76; 10, 372; BGH N J W 1954, 1082; Schwinge Gründl. 2 S. 67; Coing N J W 1947/ 48, 213; Haueisen N J W 1956, 1092; Schmidt N J W 1955, 401; Stein-Jonas-Pohle 18 § 549 Anm. II 2; Unger ZZP 43, 126; Schlegelberger Anm. 4.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften o d e r sonstiger nicht dem Bundesrecht a n g e h ö r e n d e r N o r m e n gestützt w e r d e n k a n n , deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, w i r d in § 27 S a t z 2 nicht verwiesen. M i t d e r weiteren Beschwerde n a c h p r ü f b a r sind d a h e r alle Rechtsn o r m e n ( A n m . G 1) ohne Rücksicht auf ihren U r s p r u n g u n d den U m f a n g ihres räumlichen Geltungsbereichs, d a h e r auch N o r m e n des Landesrechts, des P a r t i k u l a r r e c h t s oder des k o m m u n a l e n Rechts, auch soweit sie n u r a u ß e r h a l b des Bezirks des O L G gelten, u n d das Recht der D D R 8 2 ) . Auch auf die V e r l e t z u n g ausländischen Rechts k a n n die weitere Beschwerde gestützt werden 6 3 ). D i e richtige A n w e n d u n g u n d die Feststellung des I n h a l t s des v o m deutschen int e r n a t i o n a l e n P r i v a t r e c h t z u r A n w e n d u n g b e r u f e n e n f r e m d e n Rechts w i r d d a h e r v o m Gericht der weiteren Beschwerde in vollem U m f a n g e wie innerstaatliches Recht n a c h g e p r ü f t 6 4 ) . D a s gilt auch f ü r die Rechtsbeschwerde an d e n B G H nach § 27 L w V G 6 5 ) . D e r I n h a l t des ausländischen Rechts ist v o n A m t s wegen zu ermitteln (§ 1 2 R d n . 24). D i e U n t e r l a s s u n g der P r ü f u n g , ob Tatsachen vorliegen, welche die A n w e n d u n g ausländischen Rechts rechtfertigen, ist ein V e r f a h r e n s f e h l e r 6 6 ) . D i e A n w e n d u n g ausländischen Rechts u m f a ß t auch seine Beweislastvorschriften 6 6 '). 3. Soll- und Kannvorschriften. Bei der Beurteilung d e r Frage, ob die V e r l e t z u n g v o n Sollvorschriften die w e i t e r e Beschwerde b e g r ü n d e n kann 6 7 ), ist zu beachten, d a ß Vorschriften dieser A r t , die sowohl im sachlichen Recht wie im Verfahrensrecht a u f t r e t e n , nicht i m m e r dieselbe B e d e u t u n g haben. Z u m Teil soll durch die Fassung des Gesetzes, v o r allem in sachlichrechtlichen N o r m e n , n u r z u m Ausdruck gebracht w e r d e n , d a ß eine V e r l e t z u n g keine U n w i r k s a m k e i t s f o l g e nach sich z i e h t ; diese N o r m e n sind ebenso z w i n g e n d u n d revisibel wie M u ß v o r s c h r i f t e n , v o n d e n e n sie sich n u r durch die A r t der Verletzungsfolge unterscheiden 6 8 ). N o r m e n dieser A r t sind z. B. §§ 5, 56, 57 Abs. 2, 58, 59 Abs. 2, 1781 B G B ; das Gericht ist nicht b e f u g t , nach seinem Ermessen v o n der Beachtung d e r Vorschrift abzuseh e n ; eine V e r l e t z u n g rechtfertigt die weitere Beschwerde. A n d e r e n Sollvorschriften, auch sachlichrechtlichen Inhalts, k a n n der u n t e r U m s t ä n d e n durch Auslegung zu e r m i t t e l n d e V o r behalt einer Abweichung in atypischen Fällen i n n e w o h n e n , so der Vorschrift des § 1782 BGB 6 9 ), des § 8 Abs. 3 Satz 2 H a u s r a t s V O u n d des § 157 Abs. 3 Satz 2 Z P O 7 0 ) . I n diesen Fällen ist die Beachtung o d e r Abweichung v o n der Sollvorschrift nach den G r u n d s ä t z e n über die N a c h p r ü f u n g eines dem Tatsachenrichter eingeräumten Beurteilungsermessens im Rechtsb e s c h w e r d e v e r f a h r e n n a c h p r ü f b a r (nächst. R d n . 24). A n d e r e , v o r allem d e m Verfahrensrecht a n g e h ö r e n d e Sollvorschriften, sind i h r e m I n h a l t nach Dienstbefehle in Gesetzesform. Sie k ö n n e n im E i n z e l f a l l nicht revisibel sein, w e n n sie sich n u r als I n t e r n u m des Gerichts d a r stellen u n d die Rechtssphäre der Beteiligten nicht berühren 7 1 ). D a s ist aber bei N o r m e n , die, w e n n auch in F o r m einer Sollvorschrift, das gerichtliche V e r f a h r e n regeln, in keinem
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) Vgl. KG OLGZ 1966, 592; Keidel Anm. 21. ) BayObLGZ 13, 178; 1957, 376; Karlsruhe JFG 8, 116; KG JFG 16, 23 = JW 1937, 2527 mit zust. Anm. v. Lewald = DFG 1937, 163 = HRR 1937 Nr. 1376 unter Aufgabe von RJA 17, 70 = OLGR 42, 182; München JFG 16, 98; BGH FamRZ 1960, 229 zu V 2 a = E J F A I i Nr. 12 mit Anm. v. Jansen; BGHZ 44, 127; Schlegelberger Anm. 6; Keidel Anm. 13; Baur § 31 C II 1; Pikart-Henn S. 131; a. M. Unger ZZP 43, 128; Hamburg OLGR 30, 405; 31, 274. «") Vgl. BayObLGZ 1965, 221 zu II 4; Frankfurt StAZ 1967, 98 (divergierende Auslegung des franz. Rechts). 65 ) A. M. Pritsdi LwVG § 27 Anm. B. II. e6 ) KGJ 32 A 23; Keidel Anm. 13. ««') BGHZ 3, 342, 346; Blomeyer ZPR § 69 II 1 a. ®7) Im Zivilprozeß wird die Frage überwiegend verneint, vgl. Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 550 Anm. 2; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8
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§ 549 Anm. I I I A 2; ebenso im Strafprozeß, Löwe-Rosenberg § 337 Anm. 3 a a. E.; Kleinknecht-Müller § 337 Anm. 1 d; Schwarz StPO § 337 Anm. 1 A; Gage-Sarstedt Revision 3 S. 72; für differenzierende Betrachtungsweise Schwinge Gründl. 2 S. 92 ff.; Friedrich aaO. S. 50 ff.; vgl. aber BGHZ 7, 155; BArbG N J W 1956, 59 zu § 315 Abs. 2 ZPO; in der freiw. Gerichtsbarkeit wird die Frage bejaht: Jastrow ZZP 25, 528; Unger ZZP 39, 59; Schlegelberger Anm. 5; Keidel Anm. 34; Pikart-Henn S. 131; a. M. Pritsdi LwVG § 27 Anm. III a ß. 68 ) Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 15 § 49 Fn. 16. 69 ) BayObLGZ 1961, 189. KG DVB1. 1963, 295 = JVBl. 1963, 136; Hamm OLGZ 1966, 507; vgl. für das Verwaltungsrecht BVerwGE 12, 284; BVerwG DVB1. i960, 252; Wolff VerwR I 2. Aufl. § 31 II b. 71 ) Schwinge Gründl. 2 S. 96; Friedrich aaO. S. 50 ff.
Freiwillige Gerichtsbarkeit Falle anzunehmen; die weitere Beschwerde kann daher auf die Verletzung von Vorschriften gestützt werden, welche über den Kreis der Beteiligten hinaus die Anhörung gewisser Personen vorschreiben (z. B. § 1847 BGB) 7 2 ) oder eine besondere, über die Wahrung des rechtlichen Gehörs hinausgehende Form der Anhörung vorsehen (§§ 1695 Abs. 2, § 65 Abs. 2 Satz 2 JWG) 7 3 ). Audi diese Vorschriften stehen unter dem Vorbehalt der Abweichung in atypischen Fällen (vgl. § 1847 B G B : „ohne erhebliche Verzögerung"; § 65 Abs. 2 J W G : „ohne erhebliche Schwierigkeiten") und sind insofern, wenn das Gericht einen solchen Fall angenommen hat, nur beschränkt nachprüfbar. Jedoch kann eine Verkennung der Voraussetzungen und der Grenzen des Ermessens bei der Anwendung der Sollvorschrift sich als Gesetzesverletzung darstellen 74 ). Ferner kann in einer Unterlassung der Anhörung eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 12) liegen 75 ). Soweit eine Anhörung Beteiligter nur durch eine Sollvorschrift (§ 1800 Abs. 2 BGB) oder nur bei Tunlichkeit (§ 146 Abs. 1 FGG) vorgeschrieben ist, werden diese Vorschriften durch die Notwendigkeit der Wahrung rechtlichen Gehörs überlagert (vgl. § 12 Rdn. 60). Auch Kannvorschriften können eine verschiedenartige Bedeutung haben. Sie können die Vornahme einer Handlung in das pflichtmäßige Ermessen des Gerichts stellen (so § 1695 Abs. 2 BGB). Sie können aber auch die Bedeutung haben, dem Gericht die Befugnis zu einer Maßnahme einzuräumen, die es alsdann, ohne daß ihm insoweit ein Ermessen zusteht, erlassen muß, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (so §§ 3 Abs. 1, 1707 Abs. 2 BGB). Mitunter sind beide Elemente in der Weise miteinander vereinigt, daß dem Gericht die Befugnis eingeräumt wird, eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen (so § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG). Der Umstand, daß eine Norm nur die Rechtsfolge festlegt, ohne einen positiv geregelten Tatbestand zu enthalten, macht sie noch nicht zu einer Ermessensnorm; die Auslegung kann ergeben, daß die Vorschrift durch Einfügung einer Tatbestandsseite zu vervollständigen ist 76 ). Die Übertragung der elterlichen Gewalt auf die uneheliche Mutter nach § 1707 Abs. 2 B G B ist keine Ermessensentscheidung; sie muß erfolgen, wenn das Wohl des Kindes nicht entgegensteht 77 ). 4. Erfahrungssätze. Denkgesetze. Sprachgebrauch. Erfahrungssätze und Denkgesetze sind keine Rechtsnormen. Erfahrungssätze haben ihren systematischen Standort im Grundsatz der freien Beweiswürdigung, der keine schrankenlose Freiheit gewährt, sondern die Verwertung des Erfahrungswissens gebietet 78 ). Hat der Tatsachenrichter einen einfachen Erfahrungssatz verkannt, indem er ihn übersehen, mißverstanden oder einen nicht bestehenden Erfahrungssatz angewendet hat, so verstößt er gegen das dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung immanente Gebot, das Erfahrungswissen zu verwenden; dieser Verstoß ist revisibel. Anders ist es mit dem Beweiswert, den der Tatsachenrichter dem richtig erkannten Erfahrungssatz beilegt; diesen Beweiswert zu ermitteln oder abzuschätzen und gegen etwaige Beweisgründe abzuwägen, die im Einzelfall die Geltung des Erfahrungssatzes einschränken können, ist Gegenstand der freien Beweiswürdigung des Tatsachenrichters und der Nachprüfung durch das Rechtsbewerdegericht entzogen 79 ). Dasselbe gilt für die Verkennung von Erfahrungsgrundsätzen, die sich von einfachen Erfahrungssätzen durch ihre auf typischen Hergängen beruhende besondere Beweiskraft unterscheiden; sie lassen zwar ebenfalls noch Ausnahmen zu und bieten insoweit der freien Beweiswürdigung noch Raum; sie
™) BayObLG K G J 23 D 7 = R J A 2, 152; K G O L G R 8, 350; 16, 19 u. 186; Keidel Anm. 34; Sdilegelberger Anm. 5. 7 J ) Hamm J M B 1 N R W 1963, 17 zu § 65 Abs. 2 JWG. 78) « ) R G Z 157, 344; O G H Z 3, 121; Schwinge Gründl. 2 S. 96. 7 S ) Schwinge aaO. ; Keidel Anm. 34. '•) Vgl. Obermayer N J W 1963, 1177 zu I I I 2 ; a. M. BayObLGZ 1963, 116 zu I I 2. 7 7 ) Staudinger-Göppinger B G B 1 1 § 1707 Anm. 142, der es allerdings genügen läßt, daß die Ober79) tragung dem Wohl des Kindes entspricht; Müller-Freienfels in Dt. Landesreferate z. V I I .
Intern. Kongreß f. Rechtsvergleichung 1967 S. 149, 160; a. M. Beitzke F a m R 1 3 S. 208; BayObLGZ 1963, 116; Keidel Anm. 26 b ; zu § 1 Abs. 2 EheG vgl. zutreffend Hamm O L G Z 1965, 363. Schwinge Gründl. 2 S. 157, 190; Blomeyer Z P R § 104 I I I 3 c; ders., Beweislast und Beweiswürdigung im Zivil- und Verwaltungsprozeß, Vhdlg. des 46. Dt. Juristentages 1966 Teil 2 A S. 27; Henke, Die Tatfrage 1966 S. 89/90; Kuchinke, Grenzen der Nadiprüfbarkeit tatriditerlicher Würdigung, 1964, S. 207 ff. B G H Z 12, 22, 25; Blomeyer aaO. S. 49.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften werden aber nur durdi die auf Tatsachen gestützte ernsthafte Möglichkeit eines anderen Verlaufs entkräftet 80 ). Revisibel ist es hierbei, wenn der Tatsachenrichter nicht prüft, ob die Möglichkeit eines anderen Verlauf ernsthaft ist, oder eine solche Möglichkeit annimmt, ohne sie auf Tatsachen zu stützen; die Würdigung der Tatsachen dahin, ob sie den Erfahrungsgrundsatz entkräften oder nicht, ist dagegen der Nachprüfung entzogen 81 ). Diese Grundsätze gelten auch für Verfahren mit Untersuchungsmaxime 82 ). Die Verletzung von Denkgesetzen hat keine selbständige Bedeutung 83 ). Widersprüchliche und sonst gegen die Regeln der Logik verstoßende Tatsadienfeststellung und Subsumtion verletzen die entsprechenden verfahrensrechtlichen (§ 25 FGG) oder sachlidirechtlichen Rechtsnormen. Die Feststellung, daß ein allgemeiner Sprachgebrauch besteht, stellt sich als ein Erfahrungssatz dar im Sinne der Feststellung einer beim Gebrauch der deutschen Sprache allgemein bestehenden Übung und der sich daraus ergebenden Erfahrung 8 4 ). 5. Gesetzesänderung. Bei einem Wechsel der Gesetzgebung nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung entsteht die Frage, ob die Beschwerdeentscheidung am Maßstab des früheren, vom Beschwerdegericht allein anzuwendenden Rechts oder am Maßstab des neuen Rechts zu messen ist. Diese Frage wurde von der Rechtsprechung des RG 85 ) grundsätzlich in dem ersteren Sinne beantwortet, weil ein erst nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung in Kraft getretenes Gesetz vom Gericht nicht verletzt worden sein könne. Das KG hat jedoch schon frühzeitig 86 ) angenommen, für die Aufhebung durch das Rechtsbeschwerdegeridit müsse es genügen, daß die angefochtene Entscheidung im Widerspruch zu der inzwischen eingetretenen, für die Beurteilung des Falles maßgebenden Gesetzeslage stehe, also durch ihren Fortbestand das Gesetz verletze. Diesen Standpunkt vertritt unter Aufgabe der Rechtsprechung des RG nunmehr auch der BGH in der Erwägung, daß es für die Frage, ob eine Verletzung des Gesetzes vorliegt, nicht darauf ankommt, ob das Gericht bei der Handhabung des Gesetzes gefehlt und sidi deshalb subjektiv einer Gesetzesverletzung schuldig gemacht hat, sondern darauf, ob die Entscheidung objektiv mit dem Gesetz im Einklang steht, so daß die rechtliche Nachprüfung nadi Maßgabe des im Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts geltenden Rechts vorzunehmen ist87). Dieser Grundsatz gilt auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit 88 ). Diese Entscheidungen sind nicht als Ausnahmen von einer sonst geltenden gegenteiligen Regel aufzufassen, sondern es ist ihnen der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, daß die angefochtene Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht nach Maßgabe des zur Zeit seiner Entscheidung geltenden Rechts zu prüfen ist, es sei denn, daß der Verfahrensgegenstand nach dem zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts von der Änderung nicht betroffen wird. 6. Änderungen des Verfahrensrechts haben, wenn keine gegenteiligen Übergangsvorschriften ergangen sind, Geltung auch für schon anhängige Verfahren 89 ). Audi im dritten Rechtszug ist neues Verfahrensrecht grundsätzlich zu berücksichtigen90). Verfahrensvoraussetzungen, insbesondere auch die Zulässigkeit des Rechtswegs, sind nach dem zur Zeit der Ent80
) Blomeyer aaO. S. 17, 50 im Anschluß an Hainmüller, Der Ansdieinsbeweis usw., 1966, S. 29—31, 42. 81 ) Blomeyer aaO. S. 50; B G H N J W 1969, 277. 82 ) Blomeyer aaO. S. 17. 83 ) Schwinge Gründl.* S. 196; Blomeyer ZPR § 104 III 3 c; Klug, Die Verletzung von Denkgesetzen als Revisionsgrund in Festsdir. f. Möhring, 1966, S. 365; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 549 III B 2; abw. Henke, Die Tatfrage S. 131. 84 ) R G Z 105, 419; B G H LM § 133 BGB (F b) Nr. 4; Schwinge Gründl. 2 S. 180; Keidel Anm. 32; vgl. auch B G H Z 24, 44 zur Verkennung des allgemeinen Sdiriftgebraudis. 85 ) RGZ 45, 95, 98; 154, 123; 168, 175. 8 «) KG JFG 20, 44.
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) B G H Z 9, 101; 15, 33; 17, 73; 18, 326; 36, 348; B G H LM § 549 Z P O N r . 42; B G H AP § 549 Z P O N r . 9; BVerwGE 1, 291, 298; jetzt h. M.: Rosenberg ZPR» § 140 I I I 4; Blomeyer ZPR § 104 V I ; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 549 Anm. I I I A 1; Baumbadi-Lauterbach Z P O 2 8 § 549 Anm. 2 A; Wieczorek Z P O § 550 D I ; Meiß ZZP 65, 114, 123; Rietschel Z Z P 66, 299. 88 ) B G H Z 10, 296; BayObLGZ 1952, 311 N J W 1953, 826; Karlsruhe FamRZ 1958, 332; KG FamRZ 1959, 253; 1965, 344, 345; Keidel Anm. 22; Pritsdi LwVG § 27 Anm. I I I a. 89 ) B G H Z 7; 167; 10, 282; BVerfGE 11, 139, 146. BGHZ 8, 379; B G H RdL 1954, 135; Rosenberg ZPR 9 § 6 I ; Meiß Z Z P 65, 115.
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"J5
Freiwillige G e r i c h t s b a r k e i t Scheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geltenden Recht zu beurteilen 9 1 ). D a s gilt auch f ü r das Verhältnis des V e r f a h r e n s der freiwilligen Gerichtsbarkeit z u m streitigen P r o z e ß v e r f a h ren oder z u r Verwaltungsgerichtsbarkeit, m a g es sich auch um eine Entscheidung rechtsges t a l t e n d e r A r t h a n d e l n ; n u r ist jeweils besonders zu p r ü f e n , ob der neu e i n g e f ü h r t e Rechtsweg die T a t b e s t ä n d e ü b e r h a u p t e r f a ß t , die nach d e m bisherigen Recht in d e m anderen Rechtsweg zu erledigen waren 9 2 ). D i e Voraussetzungen u n d die W i r k u n g e n eines bestimmten V e r f a h r e n s a k t s richten sich jedoch nach d e m z u r Zeit seiner V o r n a h m e geltenden Recht 8 3 ). D a s gilt auch, w e n n erst das neue Recht an das Unterlassen einer V e r f a h r e n s h a n d lung i n n e r h a l b einer Frist rechtliche W i r k u n g e n k n ü p f t 9 4 ) . F ü r die Zulässigkeit v o n Rechtsmitteln k a n n es nach dem G r u n d s a t z der Rechtsmittelsicherheit n u r auf das zur Zeit der Einlegung geltende Recht a n k o m m e n . W a r das Rechtsmittel nach d e m z u r Zeit der Einlegung geltenden Verfahrensrecht s t a t t h a f t u n d zulässig, so bleibt es dies, auch w e n n es nach neuem Recht nicht m e h r zulässig w ä r e ; d a s neue Recht e r g r e i f t n u r die Rechtsmittel, die nach seinem I n k r a f t t r e t e n eingelegt werden 9 5 ). W a r das Rechtsmittel d e r weiteren Beschwerde nach bisherigem Recht nicht s t a t t h a f t , so h a t eine Ä n d e r u n g des Verfahirensrechts d a r a u f keinen Einf l u ß ; d e r Zulässigkeit steht die bereits eingetretene R e c h t s k r a f t der Entscheidung entgegen 9 6 ). Ä n d e r u n g e n des Instanzenzuges erfassen n u r Rechtsmittel, die nach dem I n k r a f t t r e t e n der Ä n d e r u n g eingelegt w e r d e n .
17
H. Fehlerhaftigkeit der Gesetzesanwendung D i e nach § 27 Satz 2 entsprechend a n w e n d b a r e Vorschrift des § 550 Z P O l a u t e t : § 550. D a s G e s e t z ist verletzt, w e n n e i n e R e c h t s n o r m nicht oder nicht richtig g e w e n d e t w o r d e n ist.
"18
an-
Gesetzesverletzung. J e d e R e c h t s f i n d u n g besteht d a r i n , einen festgestellten Sachverhalt, den zu beurteilenden Lebensvorgang (Untersatz), einer bestimmten Rechtsnorm (Obersatz) u n t e r z u o r d n e n . D e m g e m ä ß k ö n n e n Fehler bei der R e c h t s f i n d u n g zunächst in I r r t ü m e r n bestehen, die bei der Bildung des Obersatzes, nämlich der Feststellung u n d E r m i t t l u n g de? Gesetzesinhalts u n t e r l a u f e n , i n d e m das Gericht eine a n z u w e n d e n d e Rechtsnorm über-leht o d e r irrig f ü r v e r f a s s u n g s w i d r i g hält oder u m g e k e h r t eine Rechtsnorm zu U n r e c h t als bestehend oder als gültig erachtet 8 7 ). Z u r Bildung des Obersatzes gehört f e r n e r die richtige Auslegung der a n g e w e n d e t e n Rechtsnorm 9 8 ) (Interpretationsfehler); die Gesetzesverletzung k a n n d a r i n bestehen, d a ß ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l der a n z u w e n d e n d e n N o r m nicht richtig e r k a n n t w i r d ( B e g r i f f s v e r k e n n u n g ) u n d d a d u r c h die Rechtsnorm falsch u n d die richtige nicht a n g e w e n d e t w o r d e n ist 9 9 ). D e r N a c h p r ü f u n g im d r i t t e n Rechtszuge unterliegt aber auch die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts u n t e r die richtig e r k a n n t e n T a t b e s t a n d s m e r k male der R e c h t s n o r m ; das Gesetz ist verletzt, w e n n das Gericht zu U n r e c h t a n g e n o m m e n h a t , d a ß der festgestellte Sachverhalt die T a t b e s t a n d s m e r k m a l e d e r Rechtsnorm e r f ü l l e oder nicht erfülle ( S u b s u m t i o n s f e h l e r J ' 0 0 ) . D i e v e r l e t z t e Rechtsnorm k a n n dem sachlichen Recht o d e r d e m Verfahrensrecht angehören. Als das V e r f a h r e n b e t r e f f e n d e Vorschriften k o m m e n in
»1) RG WarnRspr. 1926 Nr. 167 u. 191; SteinJonas-Pohle ZPO 1 8 § 549 Anm. III A 1 d. « ) Vgl. BGH FamRZ 1967, 464; BayObLGZ 1964, 300 zu § 8 Abs. 2 KindGG; Keidel Anm. 23 Fn. 8. 9S ) RG JW 1925, 362; RGZ 110, 370; BGH JZ 1951, 638; Sieg SJZ 1950, 878; ders., ZZP 65, 249, 256 ff. 94 ) Vgl. zu § 67 Abs. 5 JWG n. F. Köln JMB1.N R W 1963, 18 = ZB1JR 1962, 328; BayObLGZ 1962, 329. 95 ) RG JW 1925, 363; RGZ 135, 123; Rosenberg ZPR § 6 I; Kuchinke, Grenzen der Nachprüfbarkeit, 1964, S. 54; Keidel Anm. 23. »») BGH N J W 1951, 885.
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97
) Schwinge Gründl. 2 S. 66. ) Vgl. zur Gesetzesauslegung allgemein Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 15 §§ 53—57; zur verfassungskonformen Gesetzesauslegung Bender MDR 1959, 441; Schack, Midiel JuS 1961, 269; Spanner AÖR 91 (1966), 503; Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung, 1966. 99 ) Rosenberg ZPR 9 § 140 III 2; Blomeyer ZPR § 104 I I I ; Henke, Die Tatfrage S. 124 ff.; Schuler N J W 1961, 4. 10 °) Rosenberg ZPR § 140 III 2 a ß; Blomeyer ZPR § 104 III 1 a; Schwinge Gründl. 2 S. 66; Sdiuler N J W 1961, 4; Pritsch LwVG § 27 III b «; Henke, Die Tatfrage S. 226. 98
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Betracht die Verfahrensvoraussetzungen als Bedingungen der Zulässigkeit des ganzen Verfahrens, die Verfahrensfortsetzungsbedingungen (z. B. Zulässigkeit eines Rechtsmittels), die den Gang des Verfahrens regelnden Vorschriften, der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12), die W a h r u n g des rechtlichen Gehörs gegenüber den Beteiligten (§ 12 R d n . 84 ff.), der G r u n d satz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme (§ 15 Rdn. 8), die Notwendigkeit, erhebliche Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen, die N o r m e n über die Voraussetzungen und Wirkungen der Verfahrenshandlungen der Beteiligten oder über die Zulässigkeit eines Beweises oder Beweismittels. Die Beweislastnormen (vgl. § 12 R d n . 9—11) gehören nicht dem Verfahrensrecht an; sie sind Beurteilungsnormen, deren Verletzung auch im Zivilprozeß ohne Rüge berücksichtigt wird 1 0 1 ). 2. Revisibilität der Beweiswürdigung. Dem Tatsachenrichter vorbehalten ist die tatsächliehe Würdigung des Sachverhalts und des Ergebnisses der Ermittlungen und Beweiserhebungen. Die Beweiswürdigung ist Teil der Tatsachenfeststellung, an die das Rechtsbeschwerdegericht gebunden ist, soweit die Feststellung nicht unter Verstoß gegen V e r f a h rensrecht getroffen worden ist (§ 27 Satz 2 mit § 561 Abs. 2 Z P O ) . Die Beweiswürdigung unterliegt der N a c h p r ü f u n g nur in der Richtung, ob sie von irrigen rechtlichen Grundlagen ausgeht oder gegen die Denkgesetze verstößt oder ob Schlüsse gezogen werden, die mit einer feststehenden Auslegungsregel oder mit der allgemeinen Lebenserfahrung unvereinbar sind 102 ), etwa wenn das Gericht sich in der freien Beweiswürdigung durch nicht bestehende Beweisregeln f ü r eingeengt hält 1 0 3 ) oder die Beweisanforderungen sonst überspannt oder vernachlässigt 104 ). Für eine einwandfreie Würdigung der Sachlage durch das Tatsachengericht bedarf es zwar nicht immer eines ausdrücklichen Eingehens auf jedes einzelne Vorbringen der Beteiligten oder auf jede einzelne Zeugenaussage oder sonstige Beweismittel und einer ausdrücklichen Auseinandersetzung d a m i t ; es m u ß sich nur ergeben, d a ß eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat 1 0 5 ). Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder der Glaubhaftigkeit seiner Bekundung ist dem Tatsachenrichter überlassen und nicht nachprüfbar; wenn aber auf Tatsachen gestützte Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit aufgetreten sind, m u ß das Gericht sich damit auseinandersetzen 106 .) Fehlerhaft ist die Beweiswürdigung, wenn das Gericht mehrere widersprechende Zeugenaussagen a n f ü h r t u n d erklärt, diese Aussagen seien zwanglos miteinander vereinbar, ohne diese Auffassung näher zu begründen 1 0 7 ), oder wenn es die Feststellung einer Tatsache auf ein Sachverständigengutachten stützt, welches diese Tatsache nur f ü r möglich hält, oder wenn das Gericht nicht erkennt, d a ß ein Gutachten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgeht. Das Recht zur freien Beweiswürdigung ist nicht sachgemäß ausgeübt, wenn das Gericht Schlüsse gezogen hat, die in dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Grundlage finden, oder wenn es die Beweise, die vorgelegen haben, überhaupt nicht oder nur teilweise gewürdigt, teilweise aber übergangen hat, oder wenn wesentlicher Tatsachenstoff übersehen w o r den ist 108 ). Die Würdigung von Sachverständigengutachten durch den Tatsachenrichter ist nur darauf zu p r ü f e n , ob er sich die ihm bietenden wissenschaftlichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft und sich mit beachtlichen wissenschaftlichen Meinungen auseinandergesetzt hat 1 0 9 ). Das Gericht darf von einem Gutachten abweichen, muß dann aber erkennen lassen, d a ß es
101
) Rosenberg ZPR § 140 III 2 b; Blomeyer ZPR § 69 II; ders., Beweislast und Beweiswürdigung, Vhdlg. des 46. D t . Juristentages, 1966, Teil 2 A S. 9; Tietgen, ebenda Teil 2 B S. 89; teilw. abw. Diederidisen ZZP 76, 421; ders., VersR 1966, 211 ff. 102 ) K G WM 1956, 1390; 1960, 504; 1963, 949; K G OLGZ 1966, 85, 87; FamRZ 1968, 265; BayObLGZ 1952, 22; 1953, 108. 1M ) KG WM 1956, 1361. »M) Vgl. Haueisen N J W 1959, 1348; Zillmer N J W 1961, 720; Schwinge Gründl. 2 S. 155 f f . ; Kuchinke, Grenzen der Nadiprüfbarkeit
106
) i") 108 ) 109
)
tatricfeterlidier Würdigung, 1964, 199 f f . ; Blomeyer, Beweislast und Beweiswürdigung im Zivil- und Verwaltungsprozeß, Vhdlg. des 46. Dt. Juristentages, 1966, Teil 2 A ; Tietgen ebenda Teil 2 B S. 91. B G H Z 3, 162, 175; B G H N J W 1960, 100. RG J W 1931, 1494. BGHSt. 3, 213 = N J W 1952, 1386. B G H VersR 1963, 165/66, S. 657 u. 925/27 zu II 1. B G H LM § 411 Z P O N r . 3; B G H LM § 286 (B) Z P O Nr. 2; B G H M D R 1960, 659; KG O L G Z 1967, 87; Keidel Anm. 42.
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19
§
27
Freiwillige Gerichtsbarkeit
genügende eigene Sachkunde hat und daß dies auf wohlerwogenen und stichhaltigen Gründen beruht 1 1 0 ). Widersprechende Gutachten muß das Gericht unter Nachvollziehung der Gedankengänge der Sachverständigen auf ihre Tragfähigkeit prüfen und sich unter Auseinandersetzung mit den abweichenden Meinungen der Gutachter eine eigene Überzeugung bilden 1 1 1 ). Der Nachprüfung im dritten Rechtszuge unterliegt die Richtigkeit eines angewandten Erfahrungssatzes 112 ) und des allgemeinen Sprach- und Schriftgebrauchs (vgl. oben Randnote 14). Ein Verstoß gegen Denkgesetze bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn aus Indizien nur eine allein denkbare Folgerung gezogen werden kann, das Gericht sie aber nicht gezogen hat, oder wenn umgekehrt aus den Indizien mehrere Folgerungen gezogen werden können, das Gericht aber nur eine Folgerung für möglich gehalten hat. Im übrigen genügt es, wenn der vom Tatsachengericht gezogene Schluß möglich, wenn auch nicht gerade zwingend ist, mag selbst eine andere Schlußfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen haben 1 1 3 ); anders, wenn der Tatsachenrichter offenbar unrichtige Schlußfolgerungen gezogen hat 1 1 4 ). Drängt ein Beweisergebnis zu einem besonders naheliegenden Schluß, so muß der Tatsachenrichter, wenn er diesen Schluß nicht ziehen will, seine Auffassung begründen; andernfalls ist die Beweiswürdigung lückenhaft 1 1 5 ). Fehlerhafte Beweiswürdigung ist ein Verfahrensmangel, kein sachlichrechtlicher Rechtsfehler 1 1 6 ); die Fehlerhaftigkeit kann sich aber nur auf die Würdigung der erhobenen Beweise beziehen; werden Beweise, aus denen sich möglicherweise andere Schlußfolgerungen ziehen lassen, nicht erhoben, so hat dieser Mangel seine Grundlage nur in der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 12) 1 1 7 ). Sind die gewürdigten Beweise in einem unzulässigen Verfahren erhoben worden, so liegt die Gesetzesverletzung in dem Verstoß gegen die betreffende Verfahrensnorm. Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Beweiswürdigung nur daraufhin nachgeprüft werden, ob sie spezifisches Verfassungsrecht verletzt, ob also die Beweise willkürlich oder sonst unter Verletzung von Verfassungsrecht gewürdigt worden sind 1 1 8 ). 3. Revisibilität
der
Auslegung
a) Die Feststellung und Auslegung von Willenserklärungen durch den Tatsachenrichter kann nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden, nämlich darauf, ob die Auslegung denk- und erfahrungsgesetzlich möglich ist, den gesetzlichen Auslegungsregeln nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt sind 1 1 9 ). Die Auslegung ist fehlerhaft, wenn der Tatsachenrichter eine Gedankenäußerung nur lückenhaft auslegt, indem er etwa wesentlichen Auslegungsstoff unberücksichtigt läßt 1 2 0 ) oder die Auslegung überhaupt unterläßt 1 2 1 ). Widersprüche und Zweideutigkeiten dürfen grundsätzlich nicht zu einer Verweigerung der richterlichen Auslegung führen; die Auslegung findet aber ihre Grenze dort, wo sich unter Berücksichtigung aller Umstände, die für die Würdigung einer Erklärungshandlung von Bedeutung sind, ein klarer Sinn nicht ermitteln läßt 1 2 2 ). Ein Rechtsfehler ist es ferner, wenn das Gericht eine Aus) BSozG Sozialrecht § 128 SGG Nr. 2 ; Hamm MDR 1966, 62; Rosenberg ZPR» S 120 V; Blomeyer ZPR § 79 III 4. » " ) KG OLGZ 1967, 87; BGH NJW 1961, 2061; 1962, 676. 112 ) RGZ 105, 419; KG WM 1956, 1390; OGH MDR 1950, 156; BGH J R 1957, 62; Blomeyer ZPR § 104 III 3 c. "3) OGHbrZ ZJB1. 1949, 60 Nr. 575; BayObLGZ 1951, 420; KG WM 1956, 1390; öllrich NJW 1954, 532. 1 1 4 ) BGH VersR 1963, 257/58 zu II u. S. 711/ 712. " ' ) Zillmer N J W 1961, 720. "») Haueisen NJW 1959, 1348 zu I I I ; teil. abw. Zillmer NJW 1961, 720; Tietgen, Beweislast und Beweiswürdigung im Zivil- und Verwaltungsprozeß, Vhdlg. des 46. Dt. Juristentages, 1966, Teil 2 B S. 83. 110
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) A. M. Haueisen NJW 1959, 1348 zu II 1. ) BVerfGE 6, 7, 10. ) RGZ 169, 124; (DGHbrZ 1, 137; vgl. allgemein zur Revisibilität der Auslegung Manigk in RG-Praxis, 1929, Bd. 6 S. 94 ff.; Schwinge Gründl.2 S. 173 ff.; May NJW 1959, 708; Stumpf in Festschr. f. Nipperdey 1965 Bd. I S. 957; Kudiinke, Grenzen der Nachprüfbarkeit, 1964, S. 144 ff.; Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 15 § 206 V I I I ; Keidel Anm. 48; Pritsdi LwVG § 27 Anm. B III b ß; für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Uffhausen DDV 1964, 231. 1 2 0 ) BGHZ 24, 41. 1 2 1 ) BGHZ 16, 4, 11; 37, 233, 243. 1 2 2 ) BGHZ 20, 109.
117 118
11S
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften legungsregel verkannt oder Umstände berücksichtigt oder nicht berücksichtigt hat, deren Beachtung unzulässig oder geboten ist. Die Rüge fehlerhafter Auslegung kann nicht darauf gestützt werden, daß der Tatsachenrichter den Sachverhalt anders hätte beurteilen müssen, sondern nur auf die Nichtbeachtung einer Auslegungsregel, von Erfahrungssätzen und Denkgesetzen oder auf die Vernachlässigung oder Verwertung von Umständen, die nach der Auslegungsregel einzubeziehen oder nicht zu berücksichtigen sind 123 ). Gegen Denkgesetze verstößt ein Schluß nur, wenn er unmöglich ist, nicht aber schon, wenn er nicht zwingend ist124). Als zur Rechtsanwendung gehörend nachprüfbar ist aber die Frage, welchem Rechtsbegriff die festgestellte Erklärung unterfällt 125 ). b) Auch die Auslegung von Testamenten und Erbverträgen ist nur daraufhin zu prüfen, ob sie gegen den klaren Wortlaut, gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Brfahrungssätze oder die Denkgesetze verstößt oder ob eine in Betracht kommende andere Auslegung überhaupt nicht erwogen oder ein wesentlicher Umstand übersehen worden ist 126 ); wenn der Tatsachenrichter festgestellt hat, welche Erklärung der Erblasser abgegeben hat, unterliegt jedoch die weitere Frage, wie diese Erklärung rechtlich zu würdigen ist, der Nachprüfung im dritten Rechtszuge127). Bei der Ermittlung des Sinnes der testamentarischen Erklärungen können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände und Äußerungen des Erblassers, die der Ermittlung seiner Willensrichtung dienlich sind, herangezogen werden 128 ). Die Auslegung darf aber nicht einen Sinn in die auszulegende Erklärung hineinlegen, den diese nach ihrem eindeutigen und zweifelsfreien Wortlaut, auch bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles, nicht haben kann 129 ). Die Frage, ob der Wortlaut des Testaments eindeutig und deshalb nicht auslegungsfähig ist, ist eine nachprüfbare Rechtsfrage 150 ). H a t der Tatsachenrichter sich mit einer zur Auslegung des Testaments gehörenden Frage überhaupt nicht auseinandergesetzt, so kann das Rechtsbeschwerdegericht die Lücke durch eine selbständige Würdigung ausfüllen (§ 563 ZPO), wenn der Sachverhalt weiterer Klärung nicht mehr bedarf 131 ). c) Der selbständigen Auslegung im dritten Rechtszuge ohne Bindung an die Würdigung des Tatsachenrichters unterliegen behördliche Willenskundgebungen, die zur Kenntnis für jedermann bestimmt sind 132 ), Verwaltungsakte 133 ), gerichtliche Entscheidungen 134 ), Grundbucheintragungen und die in bezug genommenen Urkunden 135 ), die Satzung einer Kapitalgesellschaft13*), einer Genossenschaft 137 ), eines nicht rechtsfähigen Vereins 138 ), Stiftungsurkunden 139 ), körperschaftsrechtliche Regelungen in Gesellschaftsverträgen 140 ), nicht aber ein gerichtlicher Vergleich141). Der uneingeschränkten Nachprüfung und Auslegung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegen ferner die in demselben Verfahren ergangenen Verfahrenshandlungen der Geriditsorgane (Entscheidungen und verfahrensleitende Verfügungen) sowie die verfah123
) Kuchinke aaO. S. 162. ) BGH MDR 1951, 117; Haueisen NJW 1959, 1348 Fn. 45; Kudunke aaO. Fn. 526. 125 ) Schwinge Gründl. 2 § 8 III c S. 177; Pritsch LwVG § 27 Anm. B III b ß; Rosenberg ZPR 9 § 140 III 2 a U. 126 ) KG HRR 1937 Nr. 1633; KG OLGZ 1966, 503, 505; BayObLGZ 1966, 242, 244; 1967, 1, 6; Keidel Anm. 48. 127 ) KG HRR 1937 Nr. 1633; BGH LM § 133 BGB Nr. 1; BGH RdL 1955, 244; 1957, 129; Bremen DNotZ 1956, 149; Schwinge Gründl. 2 § 8 III c S. 177. 128 ) RG JW 1912, 344 Nr. 8; RGZ 136, 424; 142, 171; 154, 41; BGH LM § 133 BGB Nr. 1, 3 (B); München JFG 16, 247; KG OLGZ 1966, 503, 505; BayObLGZ 1966, 242, 244; Kipp-Coing Erbrecht1» § 18 III 1 e. 12 °) RGZ 70, 393; 82, 316; 160, 109; BGH LM § 2084 BGB Nr. 7; BayObLGZ 1966, 244; Staudinger-Seybold BGB 11 § 2064 Vorb. 9; BGB-RGRK 11 § 133 Anm. 1; Soergel-Hefermehl BGB 9 § 133 Anm. 15. 124
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) BGHZ 32, 60, 63; BayObLGZ 1966, 242, 244; KG FamRZ 1968, 217; Keidel Anm. 48. ) BGHZ 37, 233, 243. 132 ) RGZ 161, 317; KG WM 1957, 1469. 133 ) RGZ 102, 3; BGHZ 3, 15. 134 ) RGZ 58, 243; 153, 254. 135 ) RGZ 136, 232; BGH MDR 1961, 672; Meikel-Imhof-Riedel BGB 5 § 13 Vorb. 12. 13 «) BGHZ 9, 279. 137 ) BGHZ 27, 300. 138 ) BGHZ 21, 370; Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 15 § 108 Fn. 8. 139 ) RGZ 86, 283; RG HRR 1929, 1253; BGH NJW 1957, 708 = FamRZ 1957, 129; Keidel Anm. 49. 14 °) RGZ 164, 140; BGHZ 14, 36/37; 36, 314; BGH WM 1955, 65; 1966, 446, 447; 1966, 1262. 141 ) BGH WM 1964, 1239; vgl. auch RGZ 154, 320; RG WarnRspr. 1916 Nr. 53; Kuchinke aaO. S. 172. 131
Freiwillige G e r i c h t s b a r k e i t rensreditlichen E r k l ä r u n g e n der Beteiligten, die eine v e r f a h r e n s g e s t a l t e n d e W i r k u n g h a b e n , wie A n t r ä g e , Rechtsmittel, Rechtsbehelfe, G r u n d b u c h a n t r ä g e 1 4 2 ) o d e r E r k l ä r u n g e n , welche die Z u r ü c k n a h m e des A n t r a g s o d e r des Rechtsmittels o d e r einen Rechtsmittelverzicht oder die Z u s t i m m u n g zu einer entsprechenden E r k l ä r u n g des Gegners z u m G e g e n s t a n d haben 1 4 3 ). Dasselbe gilt f ü r verfahrensrechtliche E r k l ä r u n g e n in einem a n d e r e n gerichtlichen V e r f a h ren, solange in diesem noch keine rechtskräftige Entscheidung über die E r k l ä r u n g e r g a n gen ist 1 4 4 ). 4.
'Nachprüfbarkeit
von
Ermessensentscheidungen
a) Handlungsermessen. D i e N a c h p r ü f u n g v o n Ermessensentscheidungen ist im d r i t t e n Rechtszuge d a r a u f beschränkt, ob die Rechtsnorm v e r l e t z t ist, welche die Ermessensermächtigung e n t h ä l t (§ 549 Z P O ) . U n t e r einer Ermessensnorm ist jede Rechtsnorm zu verstehen, welche bei Verwirklichung eines T a t b e s t a n d e s verschiedene Rechtsfolgen vorsieht, u n t e r welchen das rechtsanwendende O r g a n nach G r ü n d e n der Z w e c k m ä ß i g k e i t zu w ä h l e n b e f u g t ist. I n das Ermessen des Gerichts k a n n gestellt sein die W a h l zwischen der Unterlassung (Versagung) u n d der V o r n a h m e einer H a n d l u n g , die W a h l zwischen verschiedenen gesetzlich bestimmten H a n d l u n g e n o d e r die n ä h e r e Bestimmung der nach d e r Lage des Einzelfalls erforderlichen H a n d l u n g . Voraussetzung d e r Ermessensbetätigung ist die Verwirklichung des T a t b e s t a n d e s der Ermessensnorm 1 4 5 ), d e r im Gesetz allerdings h ä u f i g nicht eindeutig b e s t i m m t ist, s o n d e r n durch Gesetzesauslegung erschlossen w e r d e n m u ß . D e r Beurteilung im d r i t t e n Rechtszuge unterliegt die Frage, ob eine N o r m Ermessen g e w ä h r t , also eine E r m e s sensermächtigung e n t h ä l t , u n d die zur Subsumtion des Sachverhalts u n t e r das Gesetz geh ö r e n d e Frage, ob die T a t b e s t a n d s m e r k m a l e d e r Ermessensnorm nach dem festgestellten Sachverhalt e r f ü l l t sind. E i n Rechtsfehler liegt vor, w e n n das Gericht Ermessen ausübt, o b w o h l ihm keine Ermessensfreiheit zusteht 1 4 6 ), o d e r w e n n es sich f ü r g e b u n d e n hält, w o es Ermessensfreiheit hat 1 4 7 ), o d e r rechtsirrig a n n i m m t , in der Freiheit des ihm zustehenden Ermessens stärker eingeschränkt zu sein, als es der Fall ist (ErmessensmangelJ148). D i e durch eine Ermessensnorm gedeckte A u s ü b u n g des Ermessens dagegen k a n n , weil sie auf der tatsächlichen W ü r d i g u n g d e r U m s t ä n d e b e r u h t , nicht auf ihre sachliche Richtigkeit u n d Zweckmäßigkeit, sondern n u r d a r a u f h i n n a c h g e p r ü f t w e r d e n , ob die gesetzlichen G r e n z e n des Ermessens überschritten sind (Ermessensüberschreitung) o d e r v o n d e m Ermessen in einer dem Zweck der E r m ä c h t i g u n g nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht w o r d e n ist (Ermessensmißbrauch)liB). V o r a u s z u s e t z e n ist hierbei, d a ß die Ermessensausübung nicht durch V e r f a h r e n s f e h l e r , e t w a die Außerachtlassung erheblicher T a t u m s t ä n d e o d e r u n g e n ü gende S a c h a u f k l ä r u n g , b e e i n f l u ß t ist 1 5 0 ). Ist das Gericht durch eine Ermessensnorm ermächtigt, nach G r ü n d e n d e r Zweckmäßigkeit u n t e r m e h r e r e n möglichen M a ß n a h m e n zu w ä h l e n , so ist jede der im R a h m e n d e r E r m ä c h t i g u n g liegenden möglichen Entschließungen rechtm ä ß i g u n d richtig. Ermessensbetätigungen dieser A r t k o m m e n in der Weise v o r , d a ß eine (geschriebene o d e r ungeschriebene) Ermessensnorm dem Gericht eine gewisse Freiheit bei der zweckmäßigen G e s t a l t u n g des V e r f a h r e n s e i n r ä u m t ( V e r f a h r e n s e r m e s s e n j 1 5 1 ) . H i e r h e r
« 2 ) Braunschweig NdsRpfl. 1961, 173 = N J W 1961, 1362. 143 ) RGZ 104, 136; 124, 185; 134, 132; 136, 207; 157, 369, 378; 168, 56, 57; BGHZ 4, 334; München JFG 13, 378; Rosenberg ZPR» § 140 III 2 a; Kuchinke aaO. S. 171. 144 ) BGH N J W 1959, 2119. 145 ) Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, S. 207 ff., 210; Obermayer, N J W 1963, 1177 zu III 2; ders., Die Grenzen des Ermessensspielraums der Verwaltungsbehörden, in Dt. Landesreferate z. VII. Intern. Kongreß f. Rechtsvergleichung 1966 S. 478 ff.; Stern, Ermessen und unzulässige Ermessensausübung, 1964. 146 ) Friedrichs in HdWtb. d. Rechtswiss. II Art. Ermessen S. 337; Göppinger, Die Erledigung des Rechtsstreits S. 179.
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) KG JFG 12, 207; KG OLGZ 1966, 357, 360; Hamm Rpfleger 1956, 42; Jellinek VerwR 3 S. 37; Wolff VerwR 3 I § 31 II. 148 ) KG FamRZ 1960, 443, 445 = MDR 1961, 64/65; Keidel Anm. 28. 14 «) BayObLGZ 23, 39; 1951, 451; 1953, 52; Dresden JFG 5, 360; München JFG 9, 193; KG JFG 12, 207; KG OLGZ 1966, 357, 360; Keidel Anm. 26. 150 ) KGJ 35 A 51; KG DFG 1940, 26; KG OLGZ 1966, 357, 360; BayObLGZ 33, 147; München JFG 23, 281. 151) Vgl. Göppinger, Die Erledigung des Rechtsstreits S. 182; ders., Das Ermessen des Richters, JurJb. 1968/69 S. 86—125.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften gehört die Wahl zwischen dem Erlaß einer Zwischenverfügung nach § 18 G B O und der alsbaldigen Zurückweisung des Antrags 1 5 2 ), die W a h l zwischen der Zurückverweisung an die Vorinstanz und der Entscheidung in der Sache selbst (§ 25 R d n . 13), die Wahl zwischen f o r m losen Ermittlungen und förmlicher Beweisaufnahme (§ 12 R d n . 39), die Entschließung darüber, ob bei dem Erlaß vorläufiger Anordnungen von der vorherigen Anhörung des Betroffenen abzusehen ist 153 ), die Aussetzung des Verfahrens 1 5 4 ), Abschreibung eines Grundstückteils nach § 6 GBO 1 5 5 ), die Abstandnahme von der Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens nach §§ 142, 144 FGG 1 5 0 ), die Setzung und Bestimmung verfahrensrechtlicher Fristen, die Entscheidung über die Beeidigung eines Zeugen ( § 1 5 Abs. 1 Satz 2 FGG), die Wiederholung der Zeugenvernehmung (§ 398 Abs. 1 Z P O ) oder die Gegenüberstellung von Zeugen bei widersprechenden Bekundungen 1 5 6 "). Ein Handlungsermessen kann dem Gericht auch bei der Regelung von Angelegenheiten nach Maßgabe des sachlichen Rechts eingeräumt sein, wenn nach dem Ermessen des Gerichts darüber zu befinden ist, ob eine M a ß n a h m e zu treffen ist oder nicht, z. B. Zweckmäßigkeit der Bestellung eines Gegenvormundes 1 5 7 ), Bestellung mehrerer Vormünder (§ 1775 BGB), Ernennung des Testamentsvollstreckers nach § 2200 BGB 158 ), G e w ä h r u n g einer Vergütung an den V o r m u n d oder Pfleger 1 5 9 ), Erteilung oder Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, oder wenn die nähere Bestimmung einer Maßnahme mehrere Möglichkeiten o f f e n läßt, unter denen eine W a h l zu t r e f f e n ist, z. B. Auswahl des Vormundes oder Pflegers 1 6 0 ) oder des zu bestellenden Notvorstandes oder A u f sichtsratsmitglieds 161 ) oder Bemessung der D a u e r sachlichrechtlicher Fristen (§§ 1995, 2151, 2153 bis 2155, 2192, 2193, 2198 Abs. 2, 2202 Abs. 3 BGB). Eine Ermessensentscheidung in diesem Sinne ist auch die Gestaltung des Verkehrsrechts (§ 1634 BGB) nach O r t , Zeit und U m fang 1 6 2 ). Mitunter ist nach dem Tatbestand der Ermessensnorm die Ermessensbetätigung davon abhängig, d a ß ein unbestimmter Rechtsbegriff (Rdn. 25) erfüllt oder nicht erfüllt ist; die Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) k a n n nach Ermessensgründen unterbleiben, auch wenn ein wichtiger G r u n d zur Entlassung vorliegt (§ 81 Rdn. 8); die Befreiung von Eheverboten kann beim Fehlen wichtiger G r ü n d e f ü r die Versagung nach Ermessensgründen erteilt oder versagt werden (§ 44a R d n . 10, § 44b R d n . 7). Ist das Vorliegen der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 1666 Abs. 1 BGB festgestellt, so kann das VormG bei der Auswahl der zur Abwendung der G e f ä h r d u n g geeigneten und unter W a h rung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlichen Maßnahmen einen Ermessensspielraum haben 1 6 3 ). b) Beurteilungsermessen. Ein andersartiges Ermessen ist dem Gericht eingeräumt, wenn das Gesetz den Inhalt der Sachentscheidung, die bei E r f ü l l u n g des gesetzlichen Tatbestandes zu t r e f f e n ist, nicht eindeutig bestimmt, sondern dem wertenden Ermessen des Gerichts überläßt. Die Bedeutung und das Wesen dieses Ermessens bestehen darin, d a ß dem Gericht bei der Bestimmung der Rechtsfolge anders als in den Regelfällen, in denen die Rechtsfolge sich unmittelbar aus der Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz ergibt, ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist 164 ). Vom Handlungsermessen unterscheidet sich das Beurteilungsermessen dadurch, d a ß nicht mehrere in gleicher Weise als richtig denkbare Entschließungen zur Wahl stehen, sondern nur eine Entscheidung der Idee nach die richtige sein kann und diese nach Gründen der Billigkeit, nicht der Zweckmäßigkeit zu treffen 152
) Dresden JFG 5, 357; R G Z 126, 107. >53) Stuttgart FamRZ 1960, 247. 154 ) KG JFG 8, 167; KG OLGZ 1966, 357; 1967, 392; BArbG N J W 1968, 565. 155 ) München JFG 9, 193. 156 ) KG JFG 18, 189. 156 *) BArbG N J W 1968, 566. 157 ) Braunsdiweig JFG 4, 133. 15 ®) KGJ 45 A 114; KG H R R 1942 Nr. 691; BayObLGZ 1964, 153, 157; Keidel Anm. 26 b. 15 ») R G Z 149, 172 = JFG 13, 1; BayObLGZ 1965, 350.
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°) BayObLGZ 1964, 277, 281; Celle N J W 1965, 1718. ) München JFG 20, 156. 162 ) München JFG 14, 33; Bremen FamRZ 1956, 190; K G O L G Z 1965, 102; Karlsruhe OLGZ 1967, 468; Staudinger-Sdiwoerer BGB 1 1 § 1634 Anm. 115. 163 ) Staudinger-Göppinger BGB 1 1 § 1666 Anm. 242, 244. 164 ) Zur Terminologie vgl. BArbG 2, 175, 181; 7, 290, 301; 9, 243, 247; 10, 161, 168; H e n ke D i e Tatfrage S. 188. 161
§ 27
Freiwillige Gerichtsbarkeit
ist. Bei der Ausübung des Beurteilungsermessens kommt es auf die Angemessenheit des Ergebnisses, auf die Richtigkeit im Sinne von Gerechtigkeit und Billigkeit an, während bei der Ausübung des Handlungsermessens die Entscheidung vornehmlich nach Gründen der Zweckmäßigkeit auszurichten ist 185 ). Hierher gehören die Gestaltung der Rechtsverhältnisse „nach billigem Ermessen" gemäß § 2 Hausrats VO 1 8 8 ), die Auferlegung von Kosten nach billigem Ermessen (§ 20 Hausrats V O , § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG), das Maß der Stundung oder Herabsetzung einer Forderung im Wege der Vertragshilfe 187 ), die Angemessenheit der dem Vormund oder Pfleger zu bewilligenden Vergütung 168 ), die Höhe einer nach § 8 Abs. 3 Satz 2 HausratsVO auferlegten Ausgleichszahlung, überhaupt alle Rechtsbegriffe des Grades und des Maßes1"), wie die Beurteilung, ob ein Verschulden oder eine Fahrlässigkeit als grob zu bewerten ist 170 ), die Unterscheidung zwischen Geisteskrankheit und Geistesschwäche (§ 6 Nr. 1 BGB) 1 7 1 ), die Bemessung der Höhe von Ordnungs- und Erzwingungsstrafen. In diesen Fällen ist die Nachprüfung der Ausübung des Beurteilungsermessens durch den Tatsachenrichter im Reditsbeschwerdeverfahren beschränkt, weil auf den Einzelfall abgestellte relative und individualisierende Maßstäbe anzuwenden sind. Das Reditsbeschwerdegericht kann nur prüfen, ob der Tatsachenrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung erforscht hat (§ 12 FGG), ob die Ermessensausübung bei der Festsetzung der Rechtsfolge auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob Rechtsvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Tatumstände außer acht gelassen worden sind 172 ). Grundsätzlich fehlerhaft ist eine Erwägung, wenn der Tatsachenrichter die Entscheidung auf Gründe stützt, die gegenüber den rechtlich maßgebenden Gesichtspunkten kein Gewicht haben, oder wenn er umgekehrt rechtlich beachtlichen Gesichtspunkten kein Gewicht beimißt. 25
i . Unbestimmte Rechtsbegriffe a) Nachprüfbarkeit. Der Nachprüfung im dritten Rechtszuge unterliegt die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter Rechtsbegriffe (Rdn. 18). Das gilt auch für die Anwenund unbestimmten Rechtsbegriffen, wie gute Sitten (§ 138 BGB), dung von Generalklauseln grobe Unbilligkeit (§ 1383 BGB), wichtige oder schwerwiegende Gründe (§§ 1671 Abs. 3 Satz 2, 1758a Abs. 2, 2227 BGB, §§ 4 Abs. 3, 6 Abs. 2 EheG, § 265 Abs. 3 AktG, § 66 Abs. 2 GmbHG), Zumutbarkeit (§ 1382 BGB, § 3 Abs. 3 VHG), Gefährdung des' geistigen oder leiblichen Wohls (§S 1666, 1778 BGB), Böswilligkeit (S 1747 Abs. 3 BGB). Tatfrage ist hier die Feststellung der einzelnen Tatumstände; die Frage aber, ob diese in ihrer Gesamtheit die Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffs erfüllen, ist eine Rechtsfrage und ihre unrichtige Beantwortung eine Gesetzesverletzung. Ein Beurteilungsspielraum steht hier dem Tatsachenrichter nicht zu 173 ). " 5 ) Bettermann in Jellinek-Gedächtnisschrift S. 365 f f . ; ders., Festsdir. für Lent S. 33; Göppinger, Die Erledigung des Rechtsstreits S. 186; für Handlungsermessen audi in den hier erörterten Fällen aber Bötticher, Festschr. f. Lent S. 100. 1 8 8 ) BayObLGZ 1951, 451; B a y O b L G Z FamRZ 1955, 211; B G H Z 18, 148; K G N J W 1961, 78. 187) BGH WM 1957, 175; 1957, 1464; BayObLGZ 1957, 43. 168) BayObLGZ 1953, 52; 1965, 348, 352; Köln N J W 1967, 2408. 1 6 9 ) Henke, Die Tatfrage, 1966, S. 279 ff.; Biomeyer, Beweislast und Beweiswürdigung, in Vhdlg. d. 46. Dt. Juristentages, 1966, Teil 2 A S. 48. " » ) B G H Z 10, 14, 17; K G O L G Z 1965, 226, 231 = N J W 1965, 1538. 1 7 1 ) R G Z 50, 203; 131, 69, 71; Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 1 5 § 93 I 1; Henke, Die Tatfrage, S. 287.
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) B G H Z 3, 175; 6, 62; 39, 198, 219 zu § 287 Z P O ; Henke, Die Tatfrage S. 270/71. 1 7 3 ) So in der Rechtsprechung O G H b r Z 2, 253; BayObLGZ N J W 1955, 1678; BayObLGZ 1965, 362; K G FamRZ i960, 500; K G O L G Z 1966, 251, 254; Stuttgart D A Vorm. 1962, 11; FamRZ 1964, 51, 54; Hamburg FamRZ 1959, 255; in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zeigt die neuere Rechtspr. des BVerwG die deutliehe Tendenz, eine uneingeschränkte verwaltungsgeriditliche Nachprüfung bei der AnWendung unbestimmter Rechtsbegriffe wertenden Inhalts anzuerkennen, vgl. BVerwGE 16, 116, 129 u. 285, 287; 18, 40, 42 u. 247, 250; DVB1. 1965, 914 = D Ö V 1965, 633 mit Uberblick, und ein beschränkt nachprüfbares Beurteilungsermessen nur bei Ermächtigung zu höchstpersönlichen Qualifizierungen zuzugestehen (Prüfungsrecht, dienstliche Beurteilungen), vgl. dazu Kellner N J W 1966, 857; Becker N J W 1966, 644; die Rechtsprechung des B G H und des BArbG neigt dazu, die 172
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
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b) Einzelfälle. Ohne Beschränkung auf Ermessensfehler oder eine bloße Vertretbarkeitskontrolle ist daher rechtlich nachprüfbar die Frage, ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt 1 7 4 ) oder ein wichtiger Grund zur Entlassung des Testamentsvollstreckers 1 7 5 ) oder
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zur Abberufung des Abwicklers einer G m b H (§ 6 6 G m b H G ) 1 7 8 ) oder eine dauernde gröbliche Verletzung der elterlichen Pflichten gegenüber dem Kinde 1 7 7 ) oder ein Mißbrauch des Sorgerechts oder ein ehrloses oder unsittliches Verhalten (§ 1 6 6 6 B G B ) 1 7 8 ) oder eine Gefährdung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes 1 7 9 ) oder ob Gefahr im Verzuge ist (§ 67 J W G ) 1 8 0 ) oder der Minderjährige verwahrlost ist oder zu verwahrlosen droht (§ 6 4 J W G ) 1 8 1 ) oder ob die Volljährigkeitserklärung im Sinne des § 5 B G B das Beste des Minderjährigen befördert 1 8 2 ) oder ob eine erhebliche Gefährdung im Sinne der § § 1886, 1 9 0 6 B G B vorliegt 1 8 3 ) oder eine schwere Verfehlung im Sinne des § 57 E h e G 1 8 4 ) oder ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne des § 1 7 2 7 B G B 1 8 5 ) oder eine ungesunde Bodenverteilung 1 8 6 ). Bei der Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe muß die Einwirkung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht berücksichtigt und der in den Grundreditsbestimmungen verkörperten objektiven Wertordnung Rechnung getragen werden 1 8 7 ). c) Beschränkte Nachprüfbarkeit. Von dem Grundsatz der unbeschränkten Nachprüfung der Subsumtion sind jedoch sachgerechte Ausnahmen zu machen für Fälle, in denen eine individualisierende Betrachtungsweise des meist atypischen Einzelfalls im Vordergrund steht oder es auf eine Beurteilung von persönlichen Eigenschaften oder Fähigkeiten ankommt oder die A r t der gesetzlich vorgesehenen „erforderlichen" Maßnahme bei der Verschiedenartigkeit vertretbarer Beurteilungsmaßstäbe über die Einzelfallentscheidung hinaus nicht mit Beispielswirkung für künftige Fälle festgestellt werden könnte 1 8 8 ). Hierzu gehört die Eignung der Eltern zur Kindererziehung, die Fähigkeit der unehelichen Mutter zur Ausübung der elterlichen Gewalt (§ 1 7 0 7 Abs. 2 B G B ) , die Frage, ob eine Maßnahme dem Wohl des Kindes (Mündels) „entspricht" (§§ 1671 Abs. 3 Satz 1, 1 6 7 9 Abs. 1 Satz 1 B G B ) oder zu seinem Nachprüfung darauf zu beschränken, ob der Rechtsbegriff als solcher verkannt ist und ob die Subsumtion keine offenbaren Irrtümer aufweist, vgl. B G H LM § 31 BEG 1956 Nr. 9; LM § 118 a ZPO Nr. 1; B G H WM 1964, 698; BArbGE 4, 152, 155; 9, 182, 183; 12, 36, 39; AP § 626 B G B Nr. 42. Im S c h r i f t t u m wird die im Text dargestellte Auffassung vertreten von Henke, Die Tatfrage, Der unbestimmte Begriff im Zivilrecht und seine Revisibilität, 1966, §§ 6, 7 ; Blomeyer, Beweislast und Beweis Würdigung im Zivil- und Verwaltungsprozeß, Vhdlg. d. 46. Dt. Juristentages, 1966, Teil 2 A S. 48; Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 1 5 § 50 I I 3 b; Göppinger, Die Erledigung des Rechtsstreits, 1958, S. 193; ders., FamRZ 1960, 258; Baur § 31 C 2 b, bb; Pikart-Henn S. 130; Keidel Anm. 30; vgl. bereits früher Titze, J W 1919, 504; 1921, 744; 1925, 945; 1934, 2276; vgl. ferner Kudiinke, Grenzen der Nadiprüfbarkeit, 1964, S. 132 f f . ; Warda, Die dogmatischen Grundlagen des richterlidien Ermessens im Strafredit, 1962, § 2 V ; Engisdi, Die Revisibilität der Reditsbegriffe, 1958; Scheuerle, AcP 157 S. 1 f f . ; Jesch, AöR 82, 163 ff.; Sdieying SchlHA 1962, 113; Eridisen SdilHA 1965, 117; grundsätzlich abweichend Ehmke, Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff im Verwaltungsrecht, 1960. tf«) R G Z 58, 220; 160, 56; B G H LM § 138 B G B Nr. 2 = FamRZ 1954, 195; K G OLGZ 1967, 241. 1 7 5 ) Hamburg O L G R 26, 358; K G J F G 2, 155. 1 7 6 ) BayObLG N J W 1955, 1678.
) K G O L G Z 1966, 251 zu § 1747 Abs. 3 BGB. ) Stuttgart R J A 11, 251; Staudinger-Göppinger B G B " § 1666 Anm. 29, 206, 392; den Begriff des Mißbrauchs erkennt als unbest. Rechtsbegriff an B G H FamRZ 1968, 75. 17 ») Staudinger-Göppinger B G B 1 1 § 1666 Anm. 229; Keidel Anm. 31 a; a. M. BayObLGZ 1957, 316 zu § 1778 BGB. 1 8 °) Karlsruhe ZB1JR 1958, 269; Stuttgart E J F E I Nr. 31; Staudinger-Göppinger B G B 1 1 Anh. zu § 1666 Anm. 381; Keidel Anm. 31 a. 1 M ) Köln ZB1JR 1965, 205; Staudinger-Göppinger B G B 1 ! Anh. zu § 1666 Anm. 202; Keidel Anm. 31 a. 1 8 2 ) K G FamRZ 1960, 500; Karlsruhe N J W 1961, 1924; Köln JMB1NRW 1964, 162; Göppinger FamRZ 1960, 258. 1 8 ' ) BayObLGZ 1963, 91, 94; Frankfurt R d J 1962, 222; Hamm Rpfleger 1966, 17; Göppinger FamRZ 1961, 499. 1 8 4 ) BayObLGZ 1962, 267 = FamRZ 1963, 46; Keidel Anm. 31 a. 185) Neustadt FamRZ 1964, 460; StaudingerBökelmann B G B 1 1 § 1727 Anm. 8. 1 8 8 ) B G H M D R 1962, 896 = RdL 1962, 263. 1 8 7 ) BVerfGE 4, 52, 58; 7, 198; K G OLGZ 1966, 251, 254. 1 8 8 ) Vgl. Henke, Die Tatfrage, 1966, S. 269, 294 ff.; Blomeyer, Beweiswürdigung und Beweislast, Vhdlg. des 46. Dt. Juristentages, 1966, Teil 2 A S. 48; Enneccerus-Nipperdey Allg. Teil 1 5 § 50 I I 3 b; Kudiinke, Grenzen der Nadiprüfbarkeit, S. 227; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 § 549 I I I B 3 b; Henke, Rechtsfrage oder Tatfrage, ZZP 81, 196 ff. u. 321 ff.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit
Wohl erforderlich (§§ 1671 Abs. 2, 1800 Abs. 2 Satz 3 BGB) oder im Interesse des Kindes angezeigt (§ 1696 BGB) ist. In diesem U m f a n g steht dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsermessen (Rdn. 24) zu. Die N a c h p r ü f u n g ist darauf zu beschränken, ob der Tatsachenrichter den Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung aufgeklärt (§ 12 F G G ) , keine wesentlichen Umstände außer acht gelassen (§ 25 FGG), nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, keinen Rechtsbegriff v e r k a n n t und keine allgemeinen Bewertungsmaßstäbe unberücksichtigt gelassen hat 1 8 9 ).
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I- Ursächlichkeit der Gesetzesverletzung Die Gesetzesverletzung rechtfertigt die weitere Beschwerde nur, wenn die Entscheidung auf ihr beruht. Hierbei handelt es sich um eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels (Anm. F). Die Entscheidung beruht im Sinne des § 27 Satz 1 auf einer Verletzung des Gesetzes, wenn sie unrichtig ist u n d diese Unrichtigkeit durch eine Verletzung des Gesetzes (Anm. H ) verursacht worden ist, d. h. d a ß sie ohne die begangene Gesetzesverletzung richtigerweise so, wie sie ergangen ist, nicht hätte ergehen können 1 9 0 ). H i e r f ü r kommt es nicht darauf an, ob das untere Gericht sonst tatsächlich anders entschieden hätte, sondern d a r a u f , wie bei Vermeidung des Fehlers richtig zu entscheiden gewesen ist 191 ). Verfahrensmängel nötigen schon dann zur Aufhebung, wenn die Möglichkeit ihrer Ursächlichkeit f ü r die angefochtene Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann 1 9 2 ); dasselbe gilt f ü r sachlichrechtliche Mängel, wenn die Sache noch nicht entscheidungsreif ist 193 ), wenn es also von dem sadilichrechtlichen S t a n d p u n k t des Rechtsbeschwerdegerichts aus noch weiterer tatsächlicher A u f k l ä r u n g bedarf oder den Beteiligten zur W a h r u n g des rechtlichen Gehörs Gelegenheit gegeben werden muß, zu dem veränderten rechtlichen Gesichtspunkt auch in tatsächlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Ausgeschlossen werden kann die Ursächlichkeit eines V e r f a h rensmangels, wenn die Entscheidung auf mehrere G r ü n d e gestützt ist, von denen jeder die Entscheidung trägt, aber nur einer von dem Mangel berührt wird. Besteht der festgestellte Verfahrensmangel in der Versagung des rechtlichen Gehörs in bezug auf Tatsachenbehauptungen, so k a n n die Ursächlichkeit dieses Verfahrensmangels ausgeschlossen werden, wenn das tatsächliche Vorbringen, welches der betroffene Beteiligte bei Gewährung rechtlichen Gehörs in der Vorinstanz angebracht hätte, unerheblich ist; zu diesem Zweck darf das Rechtsbeschwerdegericht diese Tatsachen anhören und es darf dem Beschwerdeführer a u f geben, diese Tatsachen anzugeben; es ist nur d a r a n gehindert, sie festzustellen 1 9 4 ). Eine Gesetzesverletzung, die im ersten Rechtszuge begangen wurde, ist der weiteren Beschwerde nur zugänglich, wenn auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts noch mit diesem Mangel behaftet ist 195 ). Rechtsirrige Ausführungen, welche ersichtlich nicht die Grundlage der Besdiwerdeentscheidung bilden, sondern nur beiläufig gemacht worden sind, können die weitere Beschwerde nicht begründen. Bei den unbedingten Rechtsbeschwerdegründen des § 551 Z P O (nächst. R d n . 29) ist der Verfahrensmangel unwiderleglich als ursächlich f ü r die Entscheidung anzusehen und § 563 Z P O unanwendbar.
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J. Unbedingte Rechtsbeschwerdegründe Bestimmte Verfahrensverstöße erachtet das Gesetz f ü r so schwerwiegend, d a ß es eine P r ü f u n g , ob die Entscheidung möglicherweise unrichtig ist, ausschließt; der Verfahrensmangel ist unwiderleglich als ursächlich f ü r die Entscheidung anzusehen und § 563 Z P O ist 189
) BayObLGZ 1961, 349, 352; Karlsruhe, ZS. Freiburg, O L G Z 1966, 449; Sdiwoerer in Staudinger BGB 1 1 § 1671 Anm. 186, 187; a. M. BayObLGZ 1965, 362; Keidel Anm. 31 a a. E. "0) Unger ZZP 42, 143. 1»1) Blomeyer ZPR § 104 III 1 b; Henckel ZZP 77, 320, 347; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 549 Anm. VI. 1 92 ) R G Z 57, 330; 82, 273, 275; 136, 299; ZZP 61, 135; Rosenberg ZPR § 140 III 3 b; Blo-
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meyer ZPR § 104 III 1 b; Henckel ZZP 77, 320, 347; Keidel Anm. 18. ) Blomeyer ZPR § 104 III 1 b, V I 3; Henckel ZZP 77, 320, 347; abw. Rosenberg ZPR § 140 III 3 a. 194 ) Henckel ZZP 77, 320, 344; Keidel § 12 Anm. 84 d. 195 ) B G H LM § 549 Z P O Nr. 45 = M D R 1958, 676 = N J W 1958, 1398; Unger ZZP 42, 150; Keidel Anm. 19. 193
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften unanwendbar. Das Rechtsbeschwerdegericht darf nicht in der Sache selbst entscheiden, sondern hat die angefochtene Entscheidung und zugleich den von dem Verfahrensmangel betroffenen Verfahrensabschnitt (§ 564 Abs. 2 Z P O ) aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, selbst wenn die Entscheidung offensichtlich richtig ist. Diese unbedingten Rechtsbeschwerdegründe ergeben sich aus § 551 Z P O , auf dessen entsprechende Anwendung § 27 Satz 2 F G G verweist. Die Versagung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist kein absoluter, sondern ein relativer Rechtsbeschwerdegrund 186 ), führt also zur Aufhebung nur, wenn die Entscheidung auf dem Mangel beruht oder beruhen kann (Anm. I). Wenn aber einem Beteiligten das rechtliche Gehör dadurch nicht gewährt worden ist, daß er zu dem Verfahren überhaupt nicht hinzugezogen worden oder in dem Verfahren durch einen nicht berufenen Vertreter vertreten worden ist, so kann der Beschwerdegrund des § 551 Abs. 5 Z P O vorliegen 197 ). Die Geltendmachung oder Berücksichtigung der unbedingten Rechtsbeschwerdegründe setzt stets die Einlegung einer zulässigen weiteren Beschwerde voraus. Die nach § 27 Satz 2 entsprechend anwendbare Vorschrift des § 551 Z P O lautet: § 551. Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen: 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; 4. wenn das Gericht seine Zuständigkeit oder Unzuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; 5. w e n n eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; 6. wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; 7. wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. 1. Vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (Nr. 1). Die Vorschrift bezieht sich auf die Besetzung des Beschwerdegerichts im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die angefochtene Entscheidung; auf die ordnungsmäßige Besetzung in einem vorausgegangenen Verfahrensabschnitt, z. B. bei der Beweisaufnahme, kommt es nicht an 198 ). Auf vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts des ersten Rechtszuges kann die weitere Beschwerde nicht gestützt werden 189 ). Die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts ergeben sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz (§§ 10, 11, 22, 60, 62—67, 69, 70, 75, 105—110, 116, 117, 122, 125, 130 bis 132, 139, 151, 192 GVG), dem Deutschen Richtergesetz (§§ 8, 18, 21, 28, 29 DRiG), der Verfahrensordnung (§ 30 FGG) und den diese Vorschriften beherrschenden Grundprinzipien 2 0 0 ). Die Vorschriftswidrigkeit der Gerichtsbesetzung kann ihre Ursache haben in der Person des Vorsitzenden oder der beisitzenden (Berufs- oder Laien-)Richter oder im Zustandekommen des Spruchkörpers 201 ). Das beschließende Gericht ist nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn es nicht mit der richtigen Zahl von Richtern entscheidet, z. B. wenn im Landwirtschaftsverfahren von der Heranziehung der landwirtschaftlichen Beisitzer unzulässigerweise abgesehen
"«) B G H Z 27, 169; 31, 43, 47; Henckel ZZP 77, 320, 344 f f . ; Blomeyer ZPR § 16 IV 1 b; Keidel § 12 Anm. 84 d; Jansen Wandlungen S. 28; a. M. v. Winterfeld N J W 1961, 849, 853. m ) Henckel ZZP 77, 320, 344, 351; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, S. 193. 8 i» ) BArbG A P § 551 Z P O Nr. 1; B G H Z 37, 125, 131; Rosenberg ZPR 9 § 140 III 3 c.
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) B G H LM § 549 Z P O Nr. 45 = M D R 1958, 676 = N J W 1958, 1398; Blomeyer ZPR § 104 V I 3 Fn. 5. 20 °) BGHSt. 2, 71, 73; 4, 191 = N J W 1953, 1115. 201 ) Vgl. hierzu Wieczorek Z P O § 551 Anm. B I b 1, 2; B I c 1, 2; Eb. Sdimidt, Lehrkomm., Teil II § 338 StPO Anm. 6-14.
Freiwillige Gerichtsbarkeit wurde 202 ), wenn die Besetzung der zur Entscheidung berufenen Zivilkammer nicht dem § 75 GVG, der Kammer für Handelssachen nicht dem § 105 G V G genügt, wenn ein Richter mitgewirkt hat, der nicht die Befähigung zum Richteramt besitzt oder nicht bei dem entscheidenden Gericht bestellt oder aus tatsächlichen Gründen nicht verhandlungsfähig ist 203 ), wenn im Kollegialgericht ein nicht auf Lebenszeit bestellter Richter den Vorsitz führt (§ 28 Abs. 2 Satz 2 DRiG), wenn ein Stellvertreter hinzugezogen wurde, obwohl ein Vertretungsfall nicht vorlag 204 ) oder wenn die Vorschriften über die Heranziehung eines Stellvertreters nicht beachtet sind, wenn die Vorschriften über die Hinzuziehung von Hilfsrichtern (§§ 10 Abs. 2, 70 GVG, § 29 DRiG) verletzt sind, wenn Hilfsrichter zur Behebung einer nicht nur vorübergehenden, sondern als dauernd erkennbaren Geschäftsbelastung herangezogen worden sind 205 ) oder wenn der Spruchkörper in der Weise verfassungswidrig (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) überbesetzt war, daß er nach der Zahl seiner Mitglieder in zwei personell voneinander verschiedenen Gruppen hätte Recht sprechen können 209 ) oder wenn bei überbesetztem Spruchkörper der Vorsitzende keine Anordnung nach § 69 Abs. 2 G V G erlassen hat oder die erlassene den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt (vgl. § 8 Rdn. 47). Auf eine Verletzung der von dem Vorsitzenden gemäß § 69 Abs. 2 G V G bestimmten Grundsätze kann die Rechtsbeschwerde nur gestützt werden, wenn die Nichtbeachtung willkürlich oder sonst mißbräuchlich war 207 ). Der Nachprüfung unterliegt auch, ob der Geschäftsverteilungsplan gesetzmäßig zustandegekommen oder geändert worden ist 208 ). Hat eine andere als die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Zivilkammer entschieden, so liegt eine Verletzung des § 551 Nr. 1 nicht schon darin, daß dies auf einem Verfahrensirrtum beruht; es ist jedoch die Prüfung geboten, ob darin eine verfassungsrechtliche Ungesetzlichkeit des Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2) liegt, die aber voraussetzt, daß die Annahme der Zuständigkeit auf Willkür oder sachfremden Erwägungen beruht 209 ). Ein Schreibfehler bei der Bezeichnung der mitwirkenden Richter beweist noch keine vorschriftswidrige Besetzung; hat ein Richter unterschrieben, der nicht mitgewirkt hat, so kann der Irrtum auch nach Einlegung der weiteren Beschwerde berichtigt werden 210 ). Der Urkundsbeamte ist kein Mitglied des beschließenden Gerichts. 2. Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters (Nr. 2). Die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters hat zwar nicht die Ungültigkeit der Entscheidung zur Folge (§ 7), verletzt aber das Gesetz und kann deshalb, wenn der ausgeschlossene Richter an der Entscheidung des Beschwerdegerichts mitgewirkt hat (vgl. § 6 Rdn. 25), mit der weiteren Beschwerde gerügt werden. Die Einschränkung, daß ein auf die Ausschließung des Richters gestützten Ablehnungsgesuch nicht endgültig (§ 46 Abs. 2 ZPO) zurückgewiesen sein darf, gilt auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, da richtigerweise anzunehmen ist, daß ein Ablehnungsgesuch entsprechend § 42 Abs. 1 ZPO auch auf Ausschließungsgründe gestützt werden darf (§ 6 Rdn. 16) 211 ). Ist das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden, so steht für das Verfahren fest, daß der Ausschließungsgrund nicht gegeben und durch die Mitwirkung des Richters das Gesetz nicht verletzt ist. Wird der Ausschließungsgrund ohne Ablehnungsgesuch im Verfahren nach § 48 ZPO verneint, so wird dadurch der Verfahrensrüge nicht vorgegriffen 212 ). ) Pritsch LwVG § 27 Anm. B b ß; Keidel Anm. 37; Wieczorek ZPO § 551 Anm. B I c 1. 203) RG J W 1928, 821; BGH N J W 1953, 115. 2 0 4 ) BayObLGZ 1959, 125. 2 °5) B G H Z 12, 1; 20, 209; 20, 250; 22, 142; 28, 338; 34, 260; BGH LM § 337 ZPO Nr. 3; dazu Müller, DRiZ 1963, 37. 2 0 «) BVerfGE 17, 294; 18, 6 5 ; 18, 344; B G H Z 44, 197, 202; BGH N J W 1965, 1434; dazu Schneider ZZP 77 409-443; vgl. ferner § 8 Rdn. 47. 2 " ) BGH N J W 1967, 1622 = DRIZ 1967, 428. 202
») BGHSt. 3, 353; 11, 106, 109; BayObLGZ 1964, 433; Schorn, Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege, S. 105; wegen der Nachprüfbarkeit von Präsidialbeschlüssen auf Fehlerhaftigkeit vgl. Müller, DRiZ 1963, 37. 2 0 9 ) BGH N J W 1958, 429; B G H Z 37, 125, 128; Schorn, Die Präsidialverfassung S. 120-124; Müller DRiZ 1963, 37 zu Fn. 38. 2 1 °) B G H Z 18, 353. 2 1 1 ) Ebenso Keidel Anm. 38; a. M. Schlegelberger Anm. 12. 2 1 2 ) Rosenberg ZPR» § 22 I 2 ; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 48 Anm. 2.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften 3. Mitwirkung eines wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnten Richters (Nr. 3). Die Vorschrift der Nr. 3 ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit uneingeschränkt anwendbar, nachdem § 6 Abs. 2 Satz 2 F G G für nichtig erklärt worden ist (§ 6 Rdn. 15). Die weitere Beschwerde kann aber nicht darauf gestützt werden, daß der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit vorgelegen hätte oder daß der Richter eine Selbstablehnung hätte erklären müssen213), sondern nur darauf, daß der Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; erst von dem Erlaß des der Ablehnung stattgebenden Beschlusses an steht der abgelehnte Richter einem ausgeschlossenen Richter gleich. Wird erst nach dem Erlaß der Beschwerdeentscheidung ein vorher oder unter den Voraussetzungen des § 44 Abs. 4 ZPO nachträglich angebrachtes Ablehnungsgesuch für begründet erklärt, so darf diese neue Tatsache, da sie das Verfahren betrifft, nach §§ 561 Abs. 1 Satz 2, 554 Abs. 3 Nr. 2 Buchst, b ZPO vom Rechtsbeschwerdegericht berücksichtigt werden; es liegt aber nicht der unbedingte Rechtsbeschwerdegrund des § 551 Nr. 3 vor, sondern ein Verfahrensmangel, der nach § 27 Satz 1 FGG, § 550 ZPO zur Aufhebung führt, wenn die Entscheidung darauf beruht oder beruhen kann 214 ). Die rechtskräftige Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs ist für das weitere Verfahren maßgebend und nicht mehr nachprüfbar (§ 6 Rdn. 25).
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4. Irrige Annahme der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit (Nr. 4). Der Anfechtungsgrund bezieht sich sowohl auf die sachliche Zuständigkeit 215 ) als auch auf die örtliche; § 549 Abs. 2 ZPO ist nicht anwendbar. Ausnahmsweise kann im Landwirtschaftsverfahren die Rechtsbeschwerde nicht auf die irrige Annahme der örtlichen Zuständigkeit gestützt werden (§ 27 Abs. 2 LwVG). Hierher gehört auch der Fall, daß statt der Kammer für Handelssachen (§ 30 Abs. 1 Satz 2) eine Zivilkammer entschieden hat 216 ) oder umgekehrt 217 ); das Gericht der weiteren Beschwerde darf nicht in der Sache entscheiden, sondern muß an die zuständige Kammer zurückverweisen. Die Vorschrift gilt auch bei Verletzung der internationalen oder interzonalen Zuständigkeit 218 ).
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5. Mangelnde Vertretung eines Beteiligten (Nr. 5). Die Vorschrift bezieht sich sowohl auf die gesetzliche als auch auf die gewillkürte Vertretung 219 ). Der Mangel liegt vor, wenn ein Beteiligter, dessen Hinzuziehung zu dem Verfahren geboten ist und der wegen Prozeßunfähigkeit eines gesetzlichen Vertreters bedarf, selbst gehandelt hat oder wenn für ihn jemand als gesetzlicher Vertreter aufgetreten ist, der diese Eigenschaft nicht besitzt oder zu dessen Wirkungskreis diese Angelegenheit nicht gehört, oder wenn der für einen Beteiligten als Bevollmächtigter Aufgetretene in Wahrheit nicht bevollmächtigt war. Der Mangel ist von Amts wegen zu beachten und kann audi von dem Gegner des nicht ordnungsgemäß vertretenen Beteiligten, selbst wenn er in der unteren Instanz obgesiegt hat, gerügt werden 220 ). Der Mangel liegt auch vor, wenn ein Beteiligter überhaupt nicht zu dem Verfahren hinzugezogen wurde 221 ). An der ordnungsmäßigen Vertretung muß es noch im zweiten Rechtszuge gefehlt haben; bestand der Mangel nur im ersten Rechtszuge, so ist der Rechtsbeschwerdegrund der Nr. 5 nicht gegeben 222 ). Die Einschränkung, „sofern sie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat" gilt entsprechend auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes ist kein Grund, den Beteiligten die Dispositionsbefugnis über eine ihrem Schutz dienende Vor-
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) B G H ZZP 67, 302; K G O L G Z 1967, 215. " ) Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 47 Anm. I I I 2 ; Rosenberg ZPR» § 22 I I I 5 b; RArbG J W 1934, 1204; vgl. auch Kollnig N J W 1967, 2045; str. 2 1 5 ) Unger ZZP 42, 147; Sdilegelberger Anm. 13; Keidel Anm. 39; für das Landwirtschaftsverfahren vgl. B G H R d L 1960, 9 ; Pritsdi L w V G § 27 Anm. B V b 4. 2 1 «) R G Z 48, 27; Unger Z Z P 42, 147. 2 " ) KGJ 29 A 109 = R J A 5, 187; 43, 4 = R J A 12, 78; BayObLGZ 1953, 147; Keidel Anm. 39; Schlegelberger Anm. 13. 213 2
) Matthies, Die deutsche intern. Zuständigkeit, S 83 ») Unger ZZP 42, 148; Keidel Anm. 40. 2 2 °) R G Z 126, 263; Rosenberg ZPR» § 43 I I I 3 ; Baumbadi-Lauterbadi Z P O 2 8 § 551 Anm. 6. 2 2 1 J Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 » § 551 Anm. I I 5; Henckel ZZP 77, 320, 344, 351; Schlosser, Gestaltungsklagen S. 193. 222) KG D J 1935, 1072 mit Anm. v. Maßfeiler; K G WM 1960, 1018; Keidel Anm. 40.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit sdirift nicht einzuräumen 223 ). Das gilt sowohl in echten Streitsachen als auch für andere Verfahren 224 ). Der Mangel wird geheilt, wenn der zum Verfahren hinzugezogene prozeßunfähige Beteiligte prozeßfähig (z. B. volljährig) wird, der nicht befugte Vertreter die gesetzliche oder gewillkürte Vertretungsmacht erlangt oder der gesetzliche Vertreter in das Verfahren eintritt und sie die gesamte bisherige Verfahrensführung genehmigen. Der Eintritt des gesetzlichen Vertreters unter Genehmigung des bisherigen Verfahrens mit rüdewirkender Heilung kann auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz vollzogen werden 225 ). 35
6. Verletzung von Vorschriften über die Öffentlichkeit (Nr. 6). Im Zivilprozeß gilt die Vorschrift sowohl wenn die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen war als auch wenn entgegen einer zwingenden Vorschrift (§§ 170, 171 GVG) nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt wurde 226 ). Da die Verhandlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich nicht öffentlich sind (§ 8 Rdn. 60), kommt der Anfechtungsgrund der Nr. 6 nur in Betracht, wenn eine öffentliche Verhandlung ausnahmsweise vorgeschrieben ist, wie für die Verhandlungen vor der Wiedergutmachungskammer nach Art. 67 REGamZ, Art. 59 REGbrZ, Art. 61 REAO Berlin, oder soweit Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden ist (§ 8 Rdn. 61). Andererseits ist es mangels einer gesetzlichen Anordnung der NichtÖffentlichkeit auch keine Gesetzesverletzung, wenn Unbeteiligte der Verhandlung beiwohnen, mag dies selbst ohne Gestattung des Gerichts entsprechend § 175 Abs. 2 GVG geschehen sein227).
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7. Mangel der Entscheidungsgründe (Nr. 7). Dieser unbedingte Rechtsbeschwerdegrund liegt nicht schon vor, wenn die Entscheidung nicht in jeder Hinsicht allen Anforderungen entspricht, die gemäß § 25 an die Begründung der Entscheidung gestellt werden können, insbesondere nicht schon deswegen, weil die Gründe die Sach- und Rechtslage nicht erschöpfend würdigen. Die Gründe fehlen nicht schon dann, wenn sie unzureichend oder unvollständig sind, sondern es muß an Gründen überhaupt oder doch für einen ganzen Rechtsbehelf fehlen 228 ) oder ohne Begründung über einen selbständigen Verfahrensgegenstand entschieden sein229) oder auf tatsächliche Feststellungen verwiesen werden, die aus den Gründen oder den Akten nicht ersichtlich sind 230 ). Der fehlenden Begründung gleichzusetzen ist es, wenn Gründe zwar vorhanden, aber so unverständlich und verworren sind, daß sie nicht mehr erkennen lassen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend waren 231 ), oder wenn die Gründe sachlich inhaltslos sind oder sich auf leere Redensarten beschränken 232 ) oder allein eine Wiedergabe des Gesetzes Wortlauts darstellen 233 ). Ein Mangel im Sinne der Nr. 7 liegt nicht vor, solange den Gründen insgesamt noch entnommen werden kann, warum einem bestimmten Vorbringen die Berücksichtigung versagt wurde, wofür es darauf ankommt, ob erkennbar ist, welcher Grund, mag er tatsächlich vorgelegen haben oder nicht und mag er rechtsfehlerhaft beurteilt worden sein oder nicht, für die Entscheidung maßgebend gewesen ist; dies kann auch bei lückenhaften und unvollständigen Gründen der Fall sein234). Die Rüge versagt, wenn ein selbständiger Rechtsbehelf zwar nicht ausdrücklich beschieden, seine Verneinung aber dem Zusammenhang der Gründe zu entnehmen ist235) oder wenn er gänzlich unerheblich und für die Entscheidung bedeutungslos ist 236 ). Gedankliche 223
) A. M. Pritsdi L w V G § 27 Fn. 27. ) Zweifelnd für nichtsstreitige Verfahren Baur D N o t Z 1965, 484, 485; Keidel Anm. 40; einschränkend auch Unger ZZP 42, 148; wie hier Bärmann § 9 II 6. 225 ) R G Z 126, 263; B G H Z 41, 104, 106; B G H V R S 1967 Bd. 32 S. 330; Baur D N o t Z 1965, 484 gegen Frankfurt ebda. S. 482; Keidel Anm. 40; a. M. KG JFG 12, 107. 226 ) R G JW 1938, 1046; Rosenberg ZPR 9 § 140 III 3 c e . 227 ) Schlegelberger § 8 Anm. 31; Baur § 16 I V ; Keidel Anm. 7 vor § 18; a. M. Unger ZZP 42, 145 Fn. 93; Pritsdi L w V G § 27 Anm. B V b ß 6.
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) ) °) 231 ) 229 23
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R G Z 109, 203; R G J W 1928, 1398. KG FamRZ 1960, 70, 71; Keidel Anm. 41. Rostock JFG 2, 59. RG JW 1906, 721; B G H Z 39, 333, 337 = N J W 1963, 2272. R G Z 169, 65, 75; 170, 328, 332; B G H Z 39, 337. Schleswig SchlHA 1949, 209, 210 u. 286; B G H Z 39, 337. B G H Z 39, 333, 338. R G Z 144, 246. RGZ 156, 119; 160, 343; 170, 328, 332; B G H Z 39, 333, 339; Rosenberg ZPR 9 § 140 III 3 c a. E.; Blomeyer ZPR § 104 V I 3 f ; Henckel ZZP 77, 354/355.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Lücken, Unsdilüssigkeit stehen dem Fehlen der Gründe nicht gleich237), auch nicht unterlassenes Eingehen auf Einzelheiten 238 ) und wohl auch nidit vollständiges Fehlen der Beweiswürdigung 239 ). Es kann aber der relative Rechtsbeschwerdegrund der Versagung des rechtlichen Gehörs vorliegen, wenn die Gründe erkennen lassen, daß das Gericht ein tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und deshalb nidit berücksichtigt hat (vgl. § 25 Rdn. 17 zu Fn. 95). Der Besdiwerdegrund der Nr. 7 liegt nidit vor, wenn die Verfügung des Amtsgerichts keine oder unzulängliche Gründe enthält, selbst wenn eine Begründung gesetzlich vorgeschrieben ist; es kommt nur darauf an, ob die Beschwerdeentscheidung hinreichend begründet ist.
K. Tatsächliche Grundlagen der Nachprüfung Die nadi § 27 Satz 2 entsprechend anwendbare Vorschrift des § 561 ZPO bestimmt: § 561. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur das Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die im § 554 Abs. 3 Nr. 2b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden. Hat das Berufungsgericht festgestellt, daß eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, daß in bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
I. Beschränkung des Verfahrensstoffs 1. Grundsatz. Der Beurteilung des Geridits der weiteren Beschwerde unterliegt nur der aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung oder der (ihr zugrunde liegenden) Sitzungsniederschrift ersichtliche Sachverhalt. Mittelbar ersichtlich ist aus den Gründen der Besdiwerdeentsdheidung auch der darin etwa in bezug genommene Inhalt der mit der ersten Beschwerde angefochtenen Verfügung des Amtsgerichts oder von Sitzungsniederschriften und ihren Anlagen. Nicht festgestellte Tatsachen können berücksichtigt werden, wenn sie sich unzweideutig aus den Akten ergeben240). Die tatsächliche Entscheidungsgrundlage wird mithin nicht durch den Zeitpunkt, in dem über die weitere Beschwerde entschieden wird, sondern durch den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschwerdeentscheidung, der hier dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts im Zivilprozeß entspricht, abgeschlossen241). Die weitere Beschwerde kann nicht, wie nach § 23 die erste Beschwerde, auf neue Tatsachen gestützt werden, mögen sie beweisbedürftig sein oder nicht, mögen sie vor oder sogar erst nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung eingetreten sein (Novenverbot). Audi von Amts wegen können neue Tatsachen und Beweise in das Verfahren nidit eingeführt werden. Im dritten Rechtszuge ist es daher unbeachtlich, daß der zur Fürsorgeerziehung zu bringende Minderjährige nach Erlaß der Beschwerdeentsdieidung das 20. Lebensjahr (§ 64 JWG) vollendet hat242) oder im Verfahren zur Aufhebung des Kindesannahmeverhältnisses (§ 1770b BGB) das angenommene Kind volljährig geworden ist (§ 56c Rdn. 3), oder daß der Beschwerdeführer, gegen den eine Ordnungsstrafe festgesetzt worden ist, nach Erlaß der Beschwerdeentscheidung der ihm auferlegten Verpflich237
) R G Z 65, 93. ®) München JFG 14, 42, 47. 23 ») R G JR 1926, N r . 845; Wieczorek Z P O § 551 Anm. B V I I 2 c; a. M. beiläufig B G H Z 39, 333, 338. 24 °) Karlsruhe BadRspr. 1933, 47; Keidel Anm. 42. 24t ) B G H Z 14, 398; B G H N J W 1956, 1277; Keidel Anm. 42. 212 ) KG JFG 22, 195; B G H Z 12, 248; Unger ZZP 42, 156; Sdilegelberger Anm. 16; Achilles-Greiff-Beitzke BGB 2 1 § 63 JWG Anm. 16; Palandt- Lauterbach BGB 2 « § 64 JWG Anm. 2; a. M. Gräber JWG S 64 Anm. 5; 23
Staudinger-Göppinger BGB 1 1 Anh. z u § 1666 Anm. 196 a. E. Ersichtlich zu weitgehend Mattern, JZ 1963, 649, 653, der meint, das Neuvorbringen von Tatsachen, und zwar von Alt- und Neutatsachen, könne nach dem an der Sachdienlichkeit ausgerichteten Ermessen des Revisionsgerichts zugelassen werden, wenn die Tatsachen nicht beweisbedürftig seien; vgl. dagegen Lent N J W 1956, 818; Reichardt JZ 1956, 251; auch Blomeyer ZPR § 104 V 2 d; für Zulassung nicht beweisbedürftiger N o v e n Stein-Jonas-Grunsky ZPO 1 » § 561 Anm. II 2 g; vgl. aber unten Rdn. 45.
Freiwillige Gerichtsbarkeit tung nachgekommen ist 248 ). Das gilt bei Entscheidungen, die nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, auch f ü r solche Tatsachen, die nach den Vorschriften der Z P O eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würden 2 4 4 ). Soweit Verfügungen der Änderungsbefugins nach § 18 Abs. 1 unterliegen, können aber neue Tatsachen und Beweise dem Gericht erster Instanz Anlaß zur Änderung der Verfügung geben (§ 18 Rdn. 8). Sachlichrechtliche Erklärungen der Beteiligten (Anfechtung, Aufrechnung) können keine Berücksichtigung mehr finden. Neue Sachanträge können nicht mehr gestellt werden, auch keine neuen Hilfsanträge 2 4 5 ); ebensowenig ist eine Erweiterung früherer Anträge zulässig 246 ). 2.
Ausnahmen
a) Restitutionsgründe. Neue Tatsachen können von dem Beschwerdeführer vorgebracht oder von Amts wegen berücksichtigt werden zur Geltendmachung von Restitutionsgründen im Sinne des § 580 Z P O , wenn die Entscheidung des Gerichts der weiteren Beschwerde andernfalls im Widerspruch zu einem früher ergangenen rechtskräftigen Urteil stünde (§ 580 N r . 6 und 7a Z P O ) oder wenn andernfalls eine Entscheidung ergehen müßte, die durch Wiederaufnahme des Verfahrens angefochten werden könnte. Diese zunächst im Zivilprozeß entwickelte Durchbrechung des § 561 ZPO 2 4 7 ) ist auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzulassen 248 ), allerdings nur in echten Streitsachen, soweit eine Wiederaufnahme des Verfahrens statthaft ist (vgl. § 18 Anm. L) 249 ). In den Fällen von strafbaren Handlungen nach § 580 N r n . 1—5 muß eine strafgerichtliche Verurteilung (§ 581 Z P O ) vorliegen 250 ). O b der Restitutionsgrund der Urkundenauffindung (§ 580 N r . 7b Z P O ) schon im Verfahren der weiteren Beschwerde berücksichtigt werden soll oder in das Wiederaufnahmeverfahren zu verweisen ist, ist dem Ermessen des Rechtsbeschwerdegerichst anheimgestellt, welches dabei Erwägungen der Sachdienlichkeit anstellen d a r f ; hierfür kommt es auf die jeweilige Verfahrenslage an 251 ). b) Verfahrensmängel. Nach § 27 Satz 2 F G G mit § 561 Abs. 1 Satz 2 Z P O darf das Rechtsbeschwerdegericht die in § 554 Abs. 3 N r . 2b Z P O erwähnten Tatsachen berücksichtigen, nämlich solche, die ergeben, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt ist. Nicht anwendbar ist § 554 Abs. 3 N r . 2b Z P O , soweit er vorschreibt, daß die Bezeichnung dieser Tatsachen in der Revisionsbegründung enthalten sein muß, und § 554 Abs. 3 N r . 2a über die Notwendigkeit der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm. Die weitere Beschwerde braucht die einzelnen Verletzungen des Verfahrens nicht anzugeben und eine Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm, wie überhaupt eine Begründung, nicht zu enthalten (anders nach § 26 Abs. 2 LwVG, vgl. Vorbem. 2a vor § 19). Vielmehr ist die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im U m f a n g der Anfechtung vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in sachlichrechtlicher Hinsicht zu prüfen. Die Nachprüfung ist weder auf das Vorbringen des Beschwerdeführers noch auf die P r ü f u n g der Richtigkeit des von dem Beschwerdegericht f ü r ausschlaggebend erachteten Entscheidungsgrundes beschränkt 252 ). Die im Zivilprozeß erforderliche Unterscheidung zwischen Verfahrensmängeln, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind, und solchen, die der Rügepflicht (§§ 559, 554 Abs. 3 N r . 2b Z P O ) unterliegen 253 ), hat daher für die weitere 243
) Hamm Rpfleger 1955, 241. ) BayObLGZ 1951, 420; a. M. Sdilegelberger Anm. 19. 245 ) Sdilegelberger Anm. 20; Pritsdh LwVG § 27 Anm. C I a. 24 «) OGHZ 2, 310; Pritsdi LwVG $ 27 Anm. C I a. 247 ) RG DR 1944, 498; BGHZ 3, 65; 5, 240; 18, 59; 30, 60, 67; Rosenberg ZPR» $ 142 II 3 a; Blomeyer ZPR § 104 V 2 a; ebenso BVerwG NJW 1955, 1574; I960, 2020; BSozG NJW 1963, 971. ! « ) Sdilegelberger Anm. 19; Keidel Anm. 43; Baur S 31 C I 2 a, dd; Pikart-Henn S. 131; Celle RzW 1958, 59; Mündien RzW 1966, 12 (RE-Verfahren); Frankfurt WM 1960, 1311; 244
249 ) 25
)
251
)
252
)
253
)
KG WM 1964, 394 u. 1255; Düsseldorf WM 1966, 1113; Karlsruhe WM 1967, 266; dahingestellt gelassen in KG WM 1967, 150. Baur aaO.; a. M. Sdilegelberger Anm. 19. BGHZ 3, 65, 67; BGH LM § 688 BGB Nr. 4; Blomeyer ZPR § 104 V 2 a; Sdilegelberger Anm. 19. BGHZ 5, 240, 248; nodi enger BGHZ 18, 59; 30, 60, 67; weitergehend BVerwG NJW 1960, 2020; BSozG NJW 1963, 971; den Gesichtspunkt der Sadidienlidikeit betont audi Mattern, JZ 1963, 649 zu III 2 a. KGJ 20 A 123; 50, 62, 63; KG WM 1960, 989; BayObLGZ 1951, 390 u. 566; 1960, 292; Keidel Anm. 15; Unger ZZP 42, 154. Blomeyer ZPR § 104 III 3.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Beschwerde keine Bedeutung. Das Rechtsbeschwerdegericht hat mithin auch ohne Rüge des Beschwerdeführer seine Prüfung auch in tatsächlicher Hinsicht insoweit vorzunehmen, als Tatsachen in Betracht kommen, die ergeben, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt (oder nicht verletzt) ist. Insoweit sind neue Tatsachen, mögen sie von den Beteiligten vorgebracht oder von Amts wegen in das Verfahren eingeführt sein, im Rechtsbeschwerdeverfahren beachtlich und das Rechtsbeschwerdegericht ist in der Würdigung sowohl des neuen als auch des bereits vom Beschwerdegericht gewürdigten Tatsachenstoffs frei und berechtigt und verpflichtet, eigene tatsächliche Erhebungen anzustellen; eine Zurückverweisung kommt insofern nicht in Betracht 254 ). Hierher gehören die Prüfung der Zulässigkeit der ersten Beschwerde255), etwa hinsichtlich der Wahrung der gesetzlichen Form und Frist, auch des Beschwerderechts des Beschwerdeführers des ersten Beschwerderechtszuges256), und einschließlich der Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 2 5 '); ferner die örtliche oder sachliche, internationale oder interzonale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts 258 ); das Fehlen eines zur Einleitung des Verfahrens erforderlichen Antrags 259 ); die Antragsberechtigung des Antragstellers 260 ); die Prozeßführungsbefugnis 261 ); die Fähigkeit der Beteiligten, am Verfahren teilzunehmen (Prozeßfähigkeit) und ihre ordnungsmäßige gesetzliche Vertretung (§ 551 Nr. 5 ZPO) 262 ), überhaupt das Vorliegen der unbedingten Rechtsbeschwerdegründe des § 551 ; der Ausschluß der Gerichtsbarkeit wegen Exterritorialität, die Parteifähigkeit, das etwa erforderliche Rechtsschutzbedürfnis; ferner alle Fälle, in denen es sich darum handelt, ob bei der Feststellung des Sachverhalts das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt ist (§ 561 Abs. 2 ZPO). Andererseits können auch Tatsachen berücksichtigt werden, welche ergeben, daß ein Verfahrensmangel nicht oder infolge von Heilung nicht mehr vorliegt. Mit der weiteren Beschwerde können daher Tatsachen vorgebracht werden, welche ergeben, daß entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts die erste Beschwerde zulässig war 263 ). Ferner können neue, nach Erlaß der Beschwerdeentscheidung eingetretene Tatsachen berücksichtigt werden, welche geeignet sind, einen in den Vorinstanzen vorhanden gewesenen Verfahrensmangel zu beheben. H a t das Landgericht zur Erteilung eines Erbscheins angewiesen, ohne daß der erforderliche Antrag vorlag, so kann das Rechtsbeschwerdegericht die Heilung dieses Mangels durch nachträgliche Stellung des Antrags berücksichtigen264). Die mangelnde gesetzliche Vertretung eines prozeßunfähigen Beteiligten kann durch Eintritt des gesetzlichen Vertreters unter Genehmigung des bisherigen Verfahrens noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz geheilt werden (oben Rdn. 34 a. E.), der Mangel des Vollmachtsnachweises ( § 1 3 Satz 3) durch Vorlegung der Vollmacht 264 '). Der Mangel der Prozeßführungsbefugnis, z. B. des Erben wegen einer Testamentsvollstreckung, des Gemeinschuldners während des Konkurses, wird geheilt, wenn die Testamentsvollstreckung oder das Konkursverfahren während des Rechtsbeschwerdeverfahrens endet 265 ). 3. Heilung von Verfahrensmängeln durch Verlust des Rügerechts. Auf einen verzichtbaren Verfahrensmangel kann die weitere Beschwerde nicht gestützt werden, wenn der Beteiligte, der aus diesem Mangel einen Rechtsbeschwerdegrund herleitet oder zu dessen Gunsten sich die Berücksichtigung des Mangels von Amts wegen auswirken würde, das Recht zur Rüge dieses Mangels verloren hat. Die §§ 295, 530, 558 Z P O sind zwar nicht ausdrücklich für 254
) BGHZ 31, 279, 282; Rosenberg ZPR» § 142 II 4; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 561 Anm. 4; Mattern JZ 1963, 649 zu II; verkannt von Düsseldorf OLGZ 1965, 325. 255 ) BayObLGZ 1951, 345; KG JR 1955, 185; für die Revision vgl. BGHZ 30, 114. 256 ) BGHZ 1, 344. 2 « ) KG ZZP 71, 229; BayObLGZ 1959, 167; BGHZ 42, 223; Keidel Anm. 45; a. M. Baur § 30 B II a 2 c aa; vgl. audi § 22 Anm. F 2 f. 25 ®) KG FamRZ 1961, 383; BayObLGZ 1962, 13; BGHZ 48, 228 = FamRZ 1967, 606 zu III
2 (örtl. Zust.) = N J W 1967, 2253; Keidel Anm. 45; Jansen JR 1963, 421 Anm. ») BayObLGZ 1956, 387; Keidel § 12 Anm. 1. 2e0 ) BayObLGZ 1951, 366. 261 ) BGHZ 31, 279 für die Revision. 262 ) Hamm JMB1NRW 1956, 159 = EJF A III Nr. 5. 283 ) Vgl. BGHZ 30, 112; 42, 223; a. M. BArbG NJW 1966, 74. 284 ) BayObLGZ 1963, 19, 25; 1964, 313; Keidel § 12 Anm. 1. 264 *) KG RJA 13, 11, 13. 2 5 » ) Vgl. BGHZ 28, 13. 25
Freiwillige Gerichtsbarkeit anwendbar erklärt; ihrer Anwendung stehen aber rechtsgrundsätzliche Bedenken nicht entgegen, insbesondere nicht die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes 286 ). Die Beteiligten können daher auf die Geltendmachung eines Verstoßes gegen eine Verfahrensvorschrift, die ausschließlich dem Interesse des Verzichtenden dient (z. B. Wahrung der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme), durch ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung gegenüber dem Gericht verzichten oder eine bereits erhobene Rüge zurücknehmen. Ein Verlust des Rügerechts tritt ferner ein, ohne daß ein Verzichtswille erforderlich ist, wenn der Verfahrensverstoß nicht in der nächsten schriftsätzlichen Einlassung zur Sache gerügt wird; diese Art des Rügeverlusts kann allerdings nur in Antragsverfahren (nicht nur in echten Streitsachen)267) in Betracht kommen; im Amtsverfahren kann den Beteiligten eine prozessuale Last, verzichtbare Verfahrensfehler bei Vermeidung des Ausschlusses späterer Geltendmachung alsbald zu rügen, nicht auferlegt werden. 4. Tatsächliche Voraussetzungen eines zulässigen Verfahrens vor dem Recbtsbescbwerdegericht. Zu berücksichtigen sind Tatsachen, welche nach dem Erlaß der Entscheidung des Beschwerdegerichts eingetreten und für die Zulässigkeit des Verfahrens vor dem Gericht der weiteren Beschwerde von Bedeutung sind. Diese Tatsachen können in den Vorinstanzen noch nicht vorgebracht worden und vom Tatsachenrichter nicht festgestellt sein; es liegt in der Natur der Sache, daß die Berücksichtigung dieser Vorgänge nicht an ihrem zwangsläufig stets fehlenden Vorbringen in der Vorinstanz scheitern kann. Hierher gehören die Voraussetzungen der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde, die Prozeßfähigkeit des Beschwerdeführers267*), sein Beschwerderecht, die Verwirkung des Beschwerderechts, die im dritten Rechtszuge abgegebenen verfahrensrechtlichen Erklärungen der Beteiligten, wie ein Verzicht auf die weitere Beschwerde oder ihre Rücknahme oder die Zurücknahme des Verfahrensantrags, der bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz durch Erklärung gegenüber dem Rechtsbeschwerdegericht zurückgenommen werden kann, sofern das Rechtsmittel zulässig war 268 ). Das Rechtsbeschwerdegericht hat auch in tatsächlicher Hinsicht selbständig zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung in Vormundschaftssachen etwa nach §§ 55, 62 FGG unabänderlich geworden und die weitere Beschwerde deshalb unzulässig ist269). Zu berücksichtigen sind auch neue Tatsachen, welche die Sachlage so verändern, daß die weitere Beschwerde zweck- und gegenstandslos wird, wofür es auf den Sachverhalt zur Zeit der Entscheidung über die weitere Beschwerde ankommt 270 ). Vorgänge dieser Art können beruhen auf einer verfahrensrechtlichen Überholung (§ 19 Rdn. 35, in bezug auf Zwischenverfügungen vgl. auch § 19 Rdn. 27), auf einer Erledigung der Hauptsache (§ 19 Rdn. 36, 37) oder darauf, daß die Wirkung der Verfügung durch den Eintritt einer Tatsache so endgültig eingetreten ist, daß sie durch deren Aufhebung nicht mehr beseitigt werden könnte (§ 19 Rdn. 38). In bezug auf den verfahrensrechtlichen Einfluß dieser Umstände auf die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde gelten dieselben Grundsätze wie für die erste Beschwerde (vgl. § 19 Rdn. 34—38); tritt das Ereignis nach Erlaß der Beschwerdeentscheidung, aber vor Einlegung der weiteren Beschwerde ein, so ist dieses Rechtsmittel unzulässig 211 ); tritt das Ereignis erst nach Einlegung der weiteren Beschwerde ein, so wird das Rechtsmittel dadurch in der Hauptsache unzulässig; der Beschwerdeführer kann die Beschwerde auf den Kostenpunkt beschränken; verfolgt er sie auch in der Hauptsache weiter, so ist das Rechtsmittel in vollem Umfange als unzulässig zu verwerfen 212 ). Es
266
) Lindacher Rpfleger 1966,199; vgl. auch Fenn, ZZP 77, 306, 309; zum Verwaltungsprozeß Haueisen N J W 1965, 191; dahingestellt gelassen in BayObLGZ 1960, 118; a. M. Bösebeck JW 1927, 526; Schlegelberger § 27 Anm. 5; Keidel Anm. 15. 267 ) So Lindacher aaO.; wie hier H a m m OLGZ 1968, 334; Neustadt FamRZ 1964, 475; Celle NdsRpfl. 1959, 241. 267a ) BayObLGZ 1966, 261. 26 8) B G H RdL 1959, 159 = M D R 1959, 479, 653 mit Anm. v. Rötelmann.
26
») K G JFG 23, 119; München JFG 23, 279; Keidel Anm. 58. °) KG OLGR 25, 410; 43, 385; K G R J A 13, 220; K G O L G Z 1966, 596, 598; BayObLGZ 1953, 21; 1958, 222; Karlsruhe FamRZ 1962, 197; Josef JW 1928, 1943; Keidel Anm. 52; Baur § 31 C I 2 a) cc); Schlegelberger Anm. 16; Pikart-Henn S. 131. 2 « ) BayObLGZ 1964, 149; 1965, 348; Keidel Anm. 54. 272 ) BayObLGZ 1953, 21; 1958, 222; Celle N d s Rpfl. 1965, 155; Keidel Anm. 55. 27
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften kann sein, daß dieselbe Tatsache in doppelter Hinsicht sowohl für das Verfahren als für die Sachentscheidung erheblich ist. Ist z. B. die Anordnung einer Gebrechlichkeitspflegschaft aus dem sachlichrechtlichen Grunde des § 1910 Abs. 3 BGB abgelehnt worden, so hängt das Beschwerderecht Dritter davon ab, daß eine Verständigung mit dem Pflegebefohlenen nicht möglich ist (§§ 63, 57 Abs. 1 Nr. 3); diese Frage darf mithin das Rechtsbeschwerdegericht audi in tatsächlicher Hinsicht aufklären und erforderlichenfalls Beweis darüber erheben. Ergeben diese Ermittlungen, daß eine Verständigung nicht möglich ist, so kann dieses Ergebnis vom Rechtsbeschwerdegericht auch bei der Sachentscheidung berücksichtigt werden 273 ).
II. Bindung an tatsächliche Festellungen
43
Nach § 27 Satz 2 FGG i. V. m. § 561 Abs. 2 Z P O sind die tatsächlichen Feststellungen, welche das Beschwerdegericht getroffen hat, für das Gericht der weiteren Beschwerde bindend, es sei denn, daß die Feststellung unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustandegekommen ist. Die entsprechende Anwendung des § 561 Abs. 2 Z P O führt dazu, daß es nach den Verfahrensgrundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht darauf ankommen kann, ob die Wahrheit oder Unwahrheit einer tatsächlichen Behauptung der Beteiligten festgestellt worden ist, sondern nur darauf, welche tatsächlichen Feststellungen das Beschwerdegericht überhaupt getroffen hat. Auch bedarf es keines Angriffs des Beschwerdeführers gegen die Feststellung, sondern das Rechtsbeschwerdegericht prüft von Amts wegen, ob die Feststellungen verfahrensrechtlich einwandfrei zustandegekommen sind (Rdn. 40). Diese Feststellungen sind der Darstellung des Sachverhalts zu entnehmen, der einen wesentlichen Bestandteil der Beschwerdeentscheidung bildet, in Verbindung mit den darin etwa ausdrücklich oder stillschweigend in bezug genommenen Aktenteilen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat mithin nicht zu prüfen, ob die tatsächlichen Feststellungen sachlich richtig sind, sondern nur, ob sie verfahrensrechtlich fehlerhaft zustandegekommen sind. Als derartige Verfahrensfehler kommen in Betracht die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 12), die Versagung des rechtlichen Gehörs in bezug auf Tatsachen und Beweisergebnisse und die Verletzung von Vorschriften über das Beweisverfahren. Das unzulässigerweise, nämlich einem Beweisverbot oder Beweisverfahrensverbot zuwider erlangte Beweismittel darf bei der Entscheidung nicht verwertet werden. Wird ein zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigter Zeuge ohne Belehrung oder nach irriger oder nicht verstandener Belehrung (Alter, Geisteszustand) oder nach zu Unrecht erfolgter Verneinung des Zeugnisverweigerungsrechts vernommen, so liegt in der Verwertung der Aussage eine Gesetzesverletzung, die mit der weiteren Beschwerde gerügt werden kann 274 ); ebenso hindert eine Verletzung des Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme ( § 1 5 Rdn. 8) deren Verwertung und begründet die Rechtsbeschwerde, wenn der Mangel nicht durch Rügeverlust geheilt ist (Rdn. 41) und die Entscheidung darauf beruht 275 ). Einem Beweisverbot zuwider sind Tatsachen festgestellt, wenn ein Beteiligter zu Unrecht als Zeuge vernommen 276 ) oder unzulässigerweise beeidigt (§ 15 Rdn. 78) worden und seine Aussage als die eines Zeugen oder als eidliche Bekundung gewürdigt worden ist oder wenn eine ärztliche Untersuchung unter unzulässiger Anwendung von Zwang (§ 12 Rdn. 66, 68) herbeigeführt worden ist. Der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt nicht, ob die Ablehnung eines Sachverständigen mit Recht für unbegründet erklärt worden ist277) oder ob der Sachverständige hätte abgelehnt werden können 278 ); anders, wenn ein Sachverständigengutachten verwertet wurde, obwohl über ein Ablehnungsgesuch nodi nicht entschieden war 279 ). Sind tatsächliche Feststellungen
273
) Vgl. Mattern JZ 1963, 649 zu IV. "•») BayObLGZ 1956, 389; Peters, Beweisverbote, Vhdlg. des 46. Dt. Juristentages 1966 Teil 3 A S. 93 ff., 121. 275 ) Vgl. für den Zivilprozeß RGZ 100, 174; 136, 299; RG JW 1938, 3255 = HRR 1938 Nr. 1641 = Warn. 1939, 12 = SeuffA 93, 23; Rosenberg ZPR 9 § 115 III 1 c.
27
«) BayObLGZ 1960, 267, 272; Hamm OLGZ 1967, 390; Keidel Anm. 47. " ) BGHZ 28, 302; KG FamRZ 1965, 344 = NJW 1965, 1086. 278 ) BGH VRS 1965 Bd. 29 S. 430. 279 ) Bremen RzW 1960, 247; Keidel Anm. 44. 2
569
Freiwillige Gerichtsbarkeit aktenwidrig, so m u ß aus den G r ü n d e n der Beschwerdeentscheidung hervorgehen, aus welchen E r w ä g u n g e n das Gericht zu der Feststellung gelangt ist 2 8 0 ). Ü b e r Nachprüfung der O f f e n k u n d i g k e i t vgl. § 12 R d n . 4 8 .
44
III- Tatrichterliche Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts D i e nach § 2 7 S a t z 2 entsprechend anwendbare Vorschrift des § 563 Z P O b e s t i m m t :
§ 563. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen. 45
H a t das Rechtsbeschwerdegericht festgestellt, d a ß die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht, ist es also zu einer kassatorischen Entscheidung berechtigt, so hat es in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur (reformatorischen) E n d e n t scheidung reif ist und nicht e t w a einer der unbedingten Rechtsbeschwerdegründe des § 5 5 1 Z P O vorliegt. D a dieser T e i l der Entscheidung nicht mehr zur N a c h p r ü f u n g der angefochtenen Entscheidung gehört, bestehen insoweit nicht die Schranken der § § 2 7 S a t z 1 F G G , 5 6 1 Z P O . D a s Rechtsbeschwerdegericht t r i t t nunmehr an die Stelle des Beschwerdegerichts und t r i f f t die Entscheidung, die das Beschwerdegericht nach erfolgter Zurückverweisung t r e f f e n könnte und m ü ß t e , vorausgesetzt, d a ß eine weitere Sachaufklärung in tatsächlicher Hinsicht nicht erforderlich ist, da Beweiserhebungen in der Sache selbst im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stattfinden. D a s Gericht der weiteren Beschwerde k a n n nunmehr den Sachverhalt auch in tatsächlicher Hinsicht selbständig und abweichend von dem L a n d gericht würdigen und neue, zur Sachentscheidung führende Tatsachen berücksichtigen, sofern sie keine E r m i t t l u n g e n erfordern, mögen sie auch erst nach dem E r l a ß der angefochtenen Entscheidung eingetreten sein 2 8 1 ). D a s Rechtsbeschwerdegericht d a r f nunmehr die in den Vorinstanzen erhobenen Beweise selbständig würdigen, Willenserklärungen selbständig auslegen, und, wenn die angefochtene Entscheidung eine Ermessensentscheidung w a r , sein H a n d lungs- oder Beurteilungsermessen selbständig ausüben 2 8 2 ). N u n m e h r können auch nachträglich eingetretene neue Tatsachen berücksichtigt werden, welche die weitere Beschwerde begründet oder unbegründet erscheinen lassen, z. B . wenn im Fürsorgeerziehungsverfahren der Minderjährige nach der Entscheidung des Landgerichts das 2 0 . Lebensjahr vollendet hat (vgl. oben R d n . 3 8 ) . I n den V e r f a h r e n , in denen das V e r b o t der Schlechterstellung gilt (§ 25 A n m . C 2 ) , führt die A n w e n d u n g des § 563 zur Zurückweisung des Rechtsmittels, wenn die V o r i n s t a n z ohne die Gesetzesverletzung zu einem dem Beschwerdeführer sachlich ungünstigeren oder nicht günstigeren Ergebnis hätte gelangen müssen.
46
L- Verfahren des Rechtsbeschwerdegerichts D i e Entscheidung über die weitere Beschwerde wird, d a sie in der R e g e l eine Nachprüfung nur der rechtlichen E r w ä g u n g e n der Vorentscheidung erfordert, in den meisten Fällen auf einfachen V o r t r a g der Vorentscheidung, des sonstigen A k t e n i n h a l t s und des Vorbringens des Beschwerdeführers und des e t w a vorhandenen Beschwerdegegners beschlossen werden können. D i e Anberaumung einer mündlichen V e r h a n d l u n g steht in allen F ä l l e n im freien Ermessen des Rechtsbeschwerdegerichts. E i n besonderes V e r f a h r e n k a n n erforderlich werden, wenn sich die N o t w e n d i g k e i t ergibt, über die Voraussetzungen der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde oder über verfahrensrechtlich erhebliche Fragen (oben R d n . 3 9 , 4 0 ) °) Hamburg R J A 17, 95; BayObLG Z B i J R 1953, 167; Karlsruhe FamRZ 1965, 575, 576; Keidel Anm. 44. 28 >) K G J F G 13, 105; K G N J W 1958, 1927 = WM 1958, 1022; K G FamRZ 1966, 239; München J F G 14, 315; BayObLGZ 1960, 506; BayObLGZ 1963, 121; Hamm FamRZ 1960, 404, 406; B G H N J W 1955, 1070; B G H FamRZ 1957, 126 = E J F A I 1 Nr. 2 ; BGHZ 35, 126; B G H WM 1966, 17; Keidel Anm. 59; Schlegelberger Anm. 19; Baur § 31
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C I 2 a, bb; Pikart-Henn S. 134; Lent-Habscheid4 § 35 I I 1; dasselbe gilt für die Revision, vgl. Johannsen LM § 565 I I I ZPO Nr. 4; Henke, Die Tatfrage, S. 271; Blomeyer, Beweislast und Beweiswürdigung, Vhdlg. des 46. Dt. Juristentages 1966, Teil 2 A S. 51; a. M. Göppinger FamRZ 1960, 253, 259. 2 8 2 ) A. M. für Ermessenentsdieidungen Sdilegelberger § 29 Anm. 11 Abs. 3; wie hier Bettermann N J W 1969, 170 zu I I I .
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
27
tatsächliche Erhebungen anzustellen. Insoweit finden nach § 29 Abs. 4 die Vorschriften über die Beschwerde im dritten Reditszuge entsprechende Anwendung. Soweit das Gericht der weiteren Beschwerde hiernach eine tatsächliche Prüfung vorzunehmen hat, ist es berechtigt und verpflichtet, die hierzu erforderlichen tatsächlichen Ermittlungen anzustellen, in der Regel im Wege des an Förmlichkeiten und Anträge der Beteiligten nicht gebundenen Freibeweisesiss). Ferner ist auch das Rechtsbeschwerdegericht gehalten, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren284). Die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs bezieht sich auf die im Wege des Freibeweises ermittelten verfahrensrechtlich erheblichen Tatsachen 285 ), auf andere, nach Anm. K III verwertbare Tatsachen sowie auf die Gelegenheit, seine eigene Rechtsauffassung vorzubringen und der dem Gericht vorgetragenen Rechtsauffassung eines Gegners entgegenzutreten286). In diesem Umfang gelten für die Wahrung des rechtlichen Gehörs im Rechtsbeschwerdeverfahren dieselben Grundsätze wie für die erste Beschwerde (§ 23 Rdn. 7). Das Rechtsbeschwerdegericht ist befugt, einstweilige Anordnungen nach § 24 Abs. 3 zu erlassen (§ 24 Anm. D 3) und die vom Landgericht nach § 26 Satz 2 angeordnete sofortige Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung außer Kraft zu setzen (§ 26 Rdn. 10).
M. Die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
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Die Entscheidung über die weitere Beschwerde kann dahin ergehen, daß das Rechtsmittel als unzulässig verworfen (1) oder als unbegründet zurückgewiesen wird (2); das Rechtsbesdiwerdegericht kann auf eine für begründet befundene weitere Beschwerde die angefochtene Entscheidung aufheben und entweder abschließend in der Sache entscheiden (3) oder die Sache an das untere Gericht zurückverweisen (4). 1. Für die Verwerfung als unzulässig gelten die bei § 25 Anm. B erörterten Grundsätze. Das Landgericht ist nicht befugt, eine bei ihm eingelegte weitere Beschwerde als unzulässig zu verwerfen 287 ).
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2. Zurückweisung als unbegründet. Kommt das Rechtsbesdiwerdegericht zu derselben Entscheidung wie das Beschwerdegericht, so weist es die weitere Beschwerde zurück. Das ist sowohl der Fall, wenn das Beschwerdegericht mit aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Begründung entschieden hat, als auch gemäß § 563 ZPO, wenn das Rechtsbeschwerdegericht aus anderen Gründen zu dem gleichen Ergebnis gelangt (oben Anm. K III). Zur Klarstellung kann der Entscheidungssatz der angefochtenen Entscheidung eine andere Fassung erhalten, wenn darin keine inhaltliche Änderung liegt 288 ). Hat das Landgericht eine unzulässige Beschwerde aus sachlichen Gründen zurückgewiesen oder einen unzulässigen Verfahrensantrag für unbegründet erachtet, statt die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen oder den Verfahrensantrag als unzulässig abzuweisen, so ist die weitere Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die erste Beschwerde als unzulässig verworfen oder der Verfahrensantrag als unzulässig abgewiesen wird 288 ).
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3. Aufhebung und Entscheidung in der Sache. Erweist sich die zulässige weitere Besdiwerde als begründet, so wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben (vgl. § 564 Abs. 1 ZPO), nicht etwa abgeändert 290 ). Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist, also weitere tatsächliche Feststellungen
50
283
) Vgl. für den Zivilprozeß Rosenberg Z P R 8 § 63 I V 2 c, § 111 I 2 c; Blomeyer Z P R § 66 I I 3 ; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 I I I 1 vor § 355; Baumbadi-Lauterbath Z P O 3 8 2 B c vor § 282; E. Peters, Der sog. Freibeweis im Zivilprozeß, 1962; B V e r f G E 7, 275, 279. Die neuerdings hervorgetretene Auffasung, daß auch das Revisionsgericht insoweit nach den Grundsätzen des Strengbeweises zu verfahren habe (Rimmelspacher, Zur Prüfung von Amts wegen im Zivilprozeß, 1966, S. 39 f., 171 f f . ; Stein-Jonas-Grunsky ZPO 1 » § 561 Anm. I V 3), kann jedenfalls für die freiw. Geriditsbarkeit keine Geltung beanspruchen.
) Vgl. BVerfGE 19, 49; Keidel § 12 Anm. 79. ) B V e r f G E 7, 275, 279; 10, 274, 284. 286) K G O L G Z 1966, 90, 95; vgl. näher § 12 Rdn. 91, 104. 287) K G SeuffBl. 77, 9 8 ; Schlegelberger § 29 Anm. 10. 2 8 8 ) O R G R z W 1964, 304; Keidel Anm. 64. 2 8 9 ) B a y O b L G Z 1961, 200 zu I V ; 1964, 137, 143; K G N J W 1962, 2354 a. E . = FamRZ 1962, 531; Pritsch L w V G § 27 Anm. D I b; Keidel Anm. 67. 2 9 0 ) Pritsch L w V G § 27 Anm. D i e « ; vgl. audi Blomeyer Z P R § 102 I 3 ; a. M. Sdilegelberger § 29 Anm. 10 zu 2 c ; Keidel Anm. 65.
284
285
571
Freiwillige Gerichtsbarkeit nicht erforderlich sind. Das kann der Fall sein, wenn der Sachverhalt vom Landgericht verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellt worden, aber rechtlich anders zu würdigen ist. Erweist sich in diesem Fall die Entscheidung des Amtsgerichts im Ergebnis als zutreffend, so ist unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts die erste Beschwerde zurückzuweisen; ergibt sich die Unrichtigkeit auch der Entscheidung des Amtsgerichts, so ist auch sie aufzuheben und vom Rechtsbeschwerdegericht anderweit in der Sache zu entscheiden. Für das Rechtsbeschwerdegericht gilt hierbei der allgemeine Grundsatz, d a ß es in der Sache selbst zu entscheiden hat, wenn nach seiner Rechtsauffassung auf Grund des festgestellten Sachverhalts die Sache zur Endentscheidung reif ist, d. h. wenn zur A n w e n d u n g des materiellen Rechts keine Tatsachenfeststellung mehr nötig und daher eine weitere Verhandlung in der Tatsacheninstanz überflüssig ist; eine Zurückverweisung an die untere Instanz ist demnach nur gerechtfertigt, wenn noch weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind 2 8 1 ). Hiernach ist es nicht rechtsgrundsätzlich ausgeschlossen, d a ß das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache entscheidet, selbst wenn das Landgericht die erste Beschwerde als unzulässig (auch wegen fehlenden Beschwerderechts) v e r w o r f e n hat 2 9 2 ), sofern e t w a schon die Entscheidung des Amtsgerichts hinreichende Feststellungen zum Sachverhalt enthält und weitere tatsächliche Feststellungen nach der Sachlage nicht in Betracht kommen. Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, d a ß das Rechtsbeschwerdegericht stattgebend oder ablehnend in der Sache entscheidet, wenn die Vorinstanzen den Verfahrensantrag oder die von Amts wegen zu treffende M a ß n a h m e für unzulässig erachtet haben 2 9 3 ). Gründe der Prozeßwirtschaftlichkeit sprechen entscheidend d a f ü r , nutzlose Zurückverweisungen zu vermeiden; allerdings m u ß jede Möglichkeit ausscheiden, d a ß erheblicher Tatsachenstoff durch das Vorbringen der Beteiligten oder von Amts wegen anzustellende Ermittlungen noch beigebracht werden könnte, sonst fehlt es an der Entscheidungsreife 2 9 4 ). Auf tatsächliche Feststellungen, die in diesen Fällen in bloßen Hilfserwägungen getroffen sind, k a n n aber die Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht gestützt werden 2 9 5 ). Ausführungshandlungen, die zur Durchführung der Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich sind (Bestellung eines Vormundes oder Pflegers, Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins, Eintragungen i n öffentliche Bücher) sind nach denselben Grundsätzen w i e für die erste Beschwerde (§ 25 R d n . 12) dem Gericht erster Instanz zu übertragen. 4. Aufhebung und Zurückverweisung a) Voraussetzungen. Beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung, so ist unter Aufhebung der Vorentscheidung die Zurückverweisung der Sache stets zwingend geboten, wenn einer der unbedingten Rechtsbeschwerdegründe des § 551 ZPO vorliegt (oben A n m . J ) ; in diesem Fall ist dem Rechtsbeschwerdegericht eine reformatorische Entscheidung gesetzlich verwehrt. In anderen Fällen setzt eine Zurückverweisung voraus, d a ß die Sache noch nicht entscheidungsreif ist, also noch weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind. Das w i r d in der Regel der Fall sein, wenn der Rechtsverstoß in der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 12) oder der Versagung des rechtlichen Gehörs in bezug auf T a t sachen oder in der Unzulässigkeit des Beweisverfahrens besteht oder wenn der Sachverhalt von der abweichenden sachlichrechtlichen Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts aus noch weiterer A u f k l ä r u n g bedarf, in den meisten Fällen auch, wenn in den Vorinstanzen noch keine Sachprüfung stattgefunden hat, weil der Verfahrensantrag oder die erste Beschwerde f ü r unzulässig erachtet w u r d e (vgl. vorst. R d n . 50). Eine Zurüdtverweisung ohne Aufhebung der Vorentscheidung ist, w a s schwerlich sollte verkannt werden können, aus Rechtsgründen nicht denkbar 2 9 6 ), da das Wesen deir Zurückverweisung darin besteht, d a ß das Beschwerde291 )
Vgl. zum Zivilprozeß BGHZ 10, 350, 358; 33, 398, 401; Rosenberg § 143 III 2; Blomeyer § 104 VI 2; Nikisch § 126 IV 3. 292 ) Vgl. BGHZ 4, 58; so bereits Josefa Anm. 10; Düsseldorf FamRZ 1963, 528 a. E.; a. M. Schlegelberger § 29 Anm. 11 Abs. 2; Keidel Anm. 66. 2»3) Vgl. zum Zivilprozeß BGHZ 31, 358, 365;
33, 398, 401 = LM § 565 III ZPO Nr. 9 mit Anm. v. Johannsen; Blomeyer ZPR § 104 VI 2 b. 294 ) BGH LM § 565 III ZPO Nr. 6 a; Johannsen LM § 565 III ZPO Nr. 9 Anm. 295 ) KG OLGZ 1965, 237, 239; BGHZ 11, 222. 29 «) Bettermann NJW 1969, 170 zu I 2; a. M. Keidel Anm. 66 a seit der 9. Aufl.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften gericht sich auf die kassatorische Entscheidung beschränkt und ausnahmsweise die sonst damit zu verbindende reformatorische Entscheidung auf das untere Gericht überträgt (§ 25 Rdn. 13); ohne Aufhebung der Vorentscheidung wäre das weitere Verfahren unzulässig. Hat das Landgericht zur Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins angewiesen und ist diese Anordnung vollzogen, so beziehen sich die Beschränkungen der weiteren Beschwerde (vgl. § 84 Anm. 5g) nur auf den Inhalt der reformatorischen Entscheidung; auch nach Aufhebung der Besdiweirdeentscheidung bleibt die Erteilung oder Einziehung in Kraft, bis nach der Zurüdiverweisung eine anderweite reformatorische Entscheidung ergangen ist. Kein Fall der Zurückverweisung ist es, wenn das Beschwerdegericht abschließend (kassatorisch und reformatorisdi) über den Beschwerdegegenstand entscheidet, aber die erforderliche Ausführungshandlung, für welche allein das Amtsgericht zuständig ist, auf dieses überträgt (vgl. § 25 Rdn. 12, oben Rdn. 50) 297 ) oder wenn Beschwerdegegenstand allein eine Zwischenverfügung ist, während das Verfahren im übrigen im ersten Rechtszuge anhängig geblieben ist 298 ). Erweist sich die Zwischenverfügung als gerechtfertigt, so ist die Beschwerde zurückzuweisen; andernfalls ist unter Aufhebung der Vorentscheidung das Amtsgericht anzuweisen, von dem erhobenen Bedenken Abstand zu nehmen. b) Sprungzurückverweisung. Aus dem Aufbau des Instanzenzuges ergibt sich, daß das Gericht der weiteren Beschwerde grundsätzlich an das Landgericht als das Gericht des zweiten Reditszuges, dessen Entscheidung richtiggestellt werden soll, zurückzuverweisen hat 2 9 9 ). Da aber das Gericht des dritten Rechtszuges infolge der Aufhebung an die Stelle des Beschwerdegerichts tritt, darf es die Sache auch an das Amtsgericht zurückverweisen300), aber nicht nadi freiem Ermessen 301 ), sondern nur, wenn von dem Rechtsstandpunkt des Gerichts der weiteren Beschwerde aus die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das Landgericht die Sache an das Amtsgericht zurückverweisen dürfte oder müßte (vgl. dazu § 25 Rdn. 13). Andererseits darf das Rechtsbeschwerdegericht, wenn eine Zurückverweisung vom Landgericht an das Amtsgericht nur zulässig, aber nicht zwingend geboten wäre, nach seinem Ermessen von einer Zurück Verweisung an das Amtsgericht statt an das Landgericht unter denselben Voraussetzungen absehen, unter denen das Landgericht von einer Zurückveirweisung absehen dürfte, nämlich wenn eine Entscheidung durch das Landgericht sachdienlich erscheint (§ 25 Rdn. 13). Welche Kammer oder Abteilung nach der Zurück Verweisung zu entscheiden hat, ergibt der Geschäftsverteilungsplan. Eine Zurückverweisung an eine andere Kammer oder Abteilung entsprechend § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist mangels gesetzlicher Grundlage auch in echten Streitsachen unzulässig 302 ); ein Bedürfnis dafür hat sich auch noch nicht herausgestellt. Weder aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G noch aus einer sonstigen Verfahrensnorm läßt sich herleiten, daß im Falle der Zurück Verweisung andere Richter über die Sache entscheiden müßten 303 ). Wegen der ZurüdcVerweisung an die Kammer für Handelssachen, wenn zu Unrecht eine Zivilkammer entschieden hat, oder umgekehrt vgl. oben Rdn. 33.
52
c) Wegen der Wirkung der Zurückverweisung, der Bindung des Untergerichts und der Selbstbindung des Beschwerdegerichts an die der Aufhebung zugrunde liegende Rechtsauffassung gelten die Bern, zu § 25 Rdn. 14.
53
5. Begründung der Recbtsbeschwerdeentscheidung. Aus der nach § 29 Abs. 4 entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 25 ergibt sich, daß auch die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts mit Gründen zu versehen ist. Eine Abweichung hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts ergibt sich aber daraus, daß das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich keine Tatsachen festzustellen hat und seiner Beurteilung nach § 561 ZPO nur die
54
) Unger ZZP 42, 161; 41, 165; Schlegelberger § 29 Anm. 11; a. M. Keidel Anm. 66 c. 29®) Unger ZZP 41, 156. 298) Unger ZZP 42, 162. 3 °°) Vgl. BayObLGZ 1964, 357, 362. 3 0 1 ) So Schlegelberger § 29 Anm. 11; Keidel Anm. 66 c. Für die Revision wie hier Bettermann N J W 1969, 170. 297
° ) BayObLG Recht 1912 Nr. 1838; Sdüegelberger Anm. 10; Meikel-Imhof-Riedel GBO 5 § 80 Anm. 19; Länge-Wulff LwVG § 22 Anm. D X I ; a. M. für Rückerstattungsverfahren München RzW 1957, 349; für echte Streitsachen Keidel Anm. 66 b; Pritsch LwVG § 27 Anm. D I c ß 2. 3 0 3 ) BVerfG DRiZ 1968, 141. 3 2
573
§ 28
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Tatsadien unterliegen, die sich aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung oder den Sitzungsprotokollen ergeben. Rechtsbeschwerdeentscheidungen enthalten daher keinen Tatbestand, dem eine rechtlich selbständige Bedeutung zukäme, sondern eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts nur insoweit, als es zum Verständnis der Tragweite der nachfolgenden Gründe erforderlich ist 304 ); deshalb gibt es bei Rechtsbeschwerdeentscheidungen auch keine Tatbestandsberichtigung (§ 18 Rdn. 38). Auf eine kurze Sadidarstellung sollte allerdings im Hinblick auf den Zweck der Reditsbeschwerde, eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, sowie im Hinblick auf die Vorlegungspflicht (§ 28 Abs. 2) nicht verzichtet werden, da die Kenntnis des Sachverhalts zum richtigen Verständnis der Rechtsausführungen in den meisten Fällen unentbehrlich ist. Eine Sadidarstellung erübrigt sich, wenn das Rechtsmittel unzulässig und ein rechtlicher Zweifel daran nach Lage der Sache nicht denkbar ist. Im übrigen haben die Gründe, wenn dazu Anlaß besteht, sich zunächst mit etwa vorliegenden oder gerügten Verfahrensmängeln zu befassen, die möglicherweise und im Fall des § 551 ZPO stets zur Aufhebung führen, ohne daß es auf die sachlichrechtliche Beurteilung ankommt. Erst wenn die Prüfung des Verfahrens keinen Grund zur Aufhebung ergibt, ist in die Prüfung des Inhalts der angefochtenen Entscheidung einzutreten 305 ). 6. Für die Form und Bekanntmachung der Rechtsbeschwerdeentscheidung gelten die Bern, zu § 25 Anm. F, G entsprechend. Eine förmliche Zustellung ist nur erforderlich, wenn die Rechtsbeschwerdeentscheidung ausnahmsweise eine Frist in Lauf setzt; das trifft z. B. zu für den Beginn der Einspruchsfrist im handelsregistergerichtlichen Ordnungsstrafverfahren nach § 135 Abs. 3 Satz 2. Beschwerdeinstanz 28
für die weitere
Beschwerde
Uber die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht.
Will das Oberlandesgericht bei der Auslegung einer reichsgesetzlichen Vorschrift, welche eine der im § 1 bezeichneten Angelegenheiten betrifft, von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts, falls aber Uber die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist, von dieser abweichen, so hat es die weitere Beschwerde unter B e gründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Der B e schluß über die Vorlegung ist dem Beschwerdeführer bekannt zu machen. In den Fällen des Abs. 2 entscheidet über die weitere Beschwerde der Bundesgerichtshof. Fassung gemäß BGBl. (BGBl. 455, 509) sind die für Berlin West nadi Art. land nach Art. 9 I I Nr. 5
I I I 315—1. Nach Art. 8 I I I Nr. 88 des RechtseinheitsG v. 12. 9. 1950 Aufgaben des Reichsgerichts auf den Bundesgerichtshof übergegangen; ebenso 7 Nr. 41, 42 RechtseinheitsG v. 9. 1. 1951 (VOB1. I 99) und für das SaarR A G v. 22. 12. 1956 (ABl. Saar 1667).
Übersicht Rdn.
Rdn. A. Rechtsmittelgericht
1
B. Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs 1. Allgemeines 2. Begründung der Zuständigkeit des B G H 3. Anwendungsbereich
2 2 3 4
C. Vorlegungsfähige Rechtsnorm 1. Rechtsquelle 2. Gegenstand der Rechtsnorm
5 5 6
>M
) Unger ZZP 42, 165; vgl. für die Revision R G Z 80, 172; B G H N J W 1956, 1480.
574
Abweidiung 1. Art der abweichenden Entscheidung 2. Inhalt der beabsichtigten Entscheidung a) Auslegung b) Abweichung Zur Vorlegung nötigende Entscheidungen 1. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs 2. Entscheidungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe 305
) Unger ZZP 42, 157.
7 7 8 8 9 10 10 10a
Erster Absdinitt. Allgemeine Vorschriften Rdn. 3. Entscheidungen von Oberlandesgerichten 11 a) Abgrenzung des Kreises der Oberlandesgerichte 11 b) Anfrage 12 c) Art der zur Vorlegung nötigenden OLG-Entscheidung 13-25 4. Inhalt der zur Vorlegung nötigenden Entscheidung 26 F. Verfahren des vorlegenden Gerichts 27 1. Vorlegungspflicht 27 2. Anhörung der Beteiligten 28
Rdn. 3. Vorlegungsbeschluß 4. Bekanntmachung des Vorlegungsbeschlusses
29
G. Verfahren des Bundesgerichtshofs 1. Zulässigkeit der Vorlegung 2. Entscheidung des Bundesgerichtshofs
31 31 32
H . Landesrecht
33
I.
Verhältnis des VorlegungsVerfahrens zum Normenkontrollverfahren (Art. 100 G G )
30
34
A. Rechtsmittelgericht Zuständig zur Entscheidung über die weitere Beschwerde ist nach Abs. 1 in der Regel das dem Beschwerdegericht im Instanzenzuge vorgeordnete Oberlandesgericht. Dieser Grundsatz wird jedoch modifiziert durch den landesgesetzlichen Vorbehalt in § 199 Abs. 1, nach welchem durch die Gesetzgebung eines Landes, in dem mehrere Oberlandesgerichte bestehen, die Entscheidung über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde einem der mehreren Oberlandesgerichte oder an dessen Stelle dem obersten Landesgericht zugewiesen werden kann. In Bayern tritt demgemäß an die Stelle des dem Landgericht im Instanzenzug übergeordneten Oberlandesgerichts das Oberste Landesgericht, § 199 Abs. 1 FGG mit Art. 23 BayAGGVG vom 17. 11. 1956 (GVBl., 249) — Anl. 22; in Rheinland-Pfalz das Oberlandesgericht Zweibrücken gemäß G vom 15. 6. 1949 (GVBl., 225) — Anl. 29 — in Verbindung mit dem G über die Verlegung des OLG Pfalz nach Zweibrücken vom 9. 8. 1962 (GVBl., 127). In Berlin ist das Kammergericht zuständig. Die frühere Zuständigkeit der Zentralgerichte, nämlich des Kammergerichts und des Oberlandesgerichts München auf Grund der ZuständigkeitsVO vom 23. 3. 1936 (RGBl. I, 251) i. d. F. vom 11. 7. 1938 (RGBl. I, 309) ist beseitigt durch Art. 8 Abs. 2 Nr. 9 REinhG vom 12. 9. 1950 (BGBl., 455); vgl. audi Art. 8 Anm. 1 PrFGG — Anl. 10. Nach § 28 Abs. 1 richtet sich auch die Zuständigkeit des OLG (ObLG, KG) für die Erteilung von Rechtsentscheiden nach § 47 MScbG, nachdem die in § 47 Abs. 2 MSchG genannte VO vom 23. 3. 1936 (RGBl. I, 251) durch Art. 8 II Nr. 9 REinhG vom 12. 9. 1950 (BGBl., 455) aufgehoben worden ist1); vgl. auch § 199 Rdn. 6. Dagegen vollzieht sich die Einholung von Rechtsentscheiden nach Art. III des 3. MietRÄndG vom 21. 12. 1967 (BGBl. I, 1248) im Rahmen eines Zivilprozesses und ist daher keine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit; für das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen ist diese Zuständigkeit auf das OLG Hamm übertragen worden (VO vom 7. 8. 1968, GVBl. NRW, 252). B. Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs 1. Allgemeines. Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet des Bundesrechts zu sichern, wird es in Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen dem nach Abs. 1 oder auf Grund des landesgesetzlichen Vorbehalts in § 199 Abs. 1 zuständigen OLG (ObLG, KG) zur Pflicht gemacht, die weitere Beschwerde dem Bundesgerichtshof (früher dem Reichsgericht) zur Entscheidung vorzulegen. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit anderen Vorschriften, welche die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oberer Gerichte gewährleisten sollen. Die Möglichkeit widersprechender Entscheidungen wird bei den Obergerichten durch Pflichten zur Anrufung des Plenums, des Großen Senats oder der Vereinigten Großen Senate eingeschränkt; vgl. für das BVerfG § 16 Abs. 1 BVerfGG, für den BGH in Zivil- und Strafsachen § 136 GVG, für das BArbG § 45 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, für das BVerwG § 47 Abs. 1 BVerwGG, für das BSozG § 42 SGG und für den BFinH § 66 Abs. 1 AO. Dem gleichen Zweck dienen für die Oberlandesgerichte als Revisionsgerichte in Strafsachen § 121 Abs. 2 GVG und als für die weitere Beschwerde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Grundbuch- und Schiffs1) B G H L M s 30 MSchG Nr. 1 mit Anm. v. Gelhaar; B G H FamRZ 1964, 138.
Freiwillige Gerichtsbarkeit registersachen zuständige Gerichte § 28 Abs. 2 F G G , § 79 Abs. 2 G B O und § 87 Abs. 2 SdiiffsRegO. Es besteht jedoch kein lückenloses System von Vorlegungspflichten für alle Fälle, in denen ein Obergericht letztinstanzlich entscheidet. Die Vorlegungspflicht fehlt z. B. bei Entscheidungen über die weitere Beschwerde nach der Zivilprozeßordnung (§ 568 Z P O ) und in Notariatskostensachen (§ 156 KostO) sowie für Entscheidungen nach Art. 7 § 1 F a m R Ä n d G ; im Verfahren zur Anfechtung von Justiz Verwaltungsakten ist die Vorlegungspflicht in § 29 Abs. 1 E G G V G abweichend von § 28 Abs. 2 F G G geregelt. Dieser Gesichtspunkt ist von Bedeutung für die Frage, inwieweit Vorlegungspflichten durch eine ausdehnende Auslegung des § 28 Abs. 2 begründet werden können. 3
4
2. Begründung der Zuständigkeit des BGH. Durch Abs. 2 wird keine unmittelbare Zuständigkeit des B G H begründet. Dieser kann nur dadurch zuständig werden, daß das O L G (ObLG, K G ) ihm die weitere Beschwerde vorlegt. Von den Beteiligten kann der B G H nicht angerufen werden, auch nicht mit der Anregung, die Sache an sich zu ziehen. Der Übergang der Zuständigkeit auf den B G H vollzieht sich mit der Vollendung des Vorlegungsakts, die darin liegt, daß der Vorlegungsbeschluß bei dem B G H eingeht 1 "). Nach diesem Übergang ist das O L G zu einer Änderung, d. h. zur Aufhebung des Vorlegungsbeschlusses nicht mehr berechtigt, da ein geordnetes Verfahren nicht die gleichzeitige Entscheidungsbefugnis zweier Gerichtsbehörden zuläßt 1 "). Mit Rechtsmitteln ist der Vorlegungsbeschluß nicht anfechtbar. r 3. Anwendungsbereich. Das abweichende O L G (ObLG, K G ) muß auf Grund des § 28 Abs. 1 oder auf Grund von Vorschriften, die auf dem landesgesetzlichen Vorbehalt des § 199 Abs. 1 beruhen, in einer der in § 1 bezeichneten bundesrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Entscheidung über eine weitere Beschwerde berufen sein. Außerdem ist § 28 Abs. 2, 3 mehrfach für anwendbar erklärt worden in Fällen, in denen das Landgericht Gericht des ersten Rechtszuges ist und gegen die Entscheidung die entsprechend § 27 F G G auf Gesetzesverletzung beschränkte Beschwerde stattfindet, über welche das O L G endgültig entscheidet, so in § 14 Abs. 3 des G über die innerdeutsche Regelung von Vorkriegs Verbindlichkeiten, in § 24 Abs. 2 UmstErgG und in §§ 99 Abs. 3 Satz 6, 260 Abs. 3, 363 Abs. 1 Satz 3, 370 Abs. 1 Satz 3 AktG. Hieraus und aus dem Zweck der Regelung ist der Grundsatz abzuleiten, daß eine entsprechende Anwendung des § 28 Abs. 2, 3 stets geboten ist, wenn das O L G in einer bundesrechtlichen Angelegenheit zur Entscheidung über eine erste Rechtsbeschwerde berufen ist, so für Beschwerden im Wertpapierbereinigungsverfahren 2 ) und im Ablösungsverfahren nach §§ 57, 58 A K G 3 ) . Dasselbe wird für die Rechtsbeschwerde nach § 16 Abs. 4 WertpapierBerSchlußG vom 28. 1. 1964 (BGBl. I, 45) anzunehmen sein. Ferner ist § 28 Abs. 2, 3 für entsprechend anwendbar erklärt in § 47 Abs. 2 MSchG im Verfahren zur Erteilung eines Rechtsentscheids 4 ). In Rückerstattungssachen kommt jedoch eine Vorlegung an den B G H nicht in Betracht, da die Rechtseinheit durch die Obersten Rückerstattungsgerichte gewahrt wird (Vorbem. 2b vor § 19). Eine Vorlegungspflicht besteht grundsätzlich nicht, wenn das Landgericht Gericht des ersten Rechtszuges ist und das O L G über die erste Beschwerde wenn auch endgültig, so doch als Tatsachengericht, entscheidet 5 ) (vgl. Vorbem. 3 vor § 19); ausnahmsweise wird auch für diese Fälle eine Vorlegungspflicht begründet durch § 143 Abs. 2 F G G und im Aktienrecht durch §§ 132 Abs. 3, 169 Abs. 2, 306 Abs. 2 mit § 99 Abs. 3 Satz 6 A k t G sowie durch § 34 UmwandlG i. d. F. des Unger Z Z P 41, 393 (nicht etwa mit der Bekanntmachung an den Beschwerdeführer nach § 28 Abs. 2 Satz 2 ) ; vgl. auch Müller Z Z P 66, 2 5 8 ; Keidel Anm. 31. l") H w . Müller Z Z P 66, 2 5 8 ; Unger Z Z P 41, 3 9 3 ; Keidel Anm. 3 1 ; a. M. Hanack, Der Ausgleich divergierender Entscheidungen, 1962, S. 331. 2) B G H Z 3, 1 2 3 ; B G H W M 1958, 9 2 7 ; W M 1960, 9 7 3 ; Schlegelberger Anm. 2 ; Keidel Anm. 1 0 ; Müller Z Z P 66, 255.
576
) K G W M 1964, 329, 3 3 2 ; Stuttgart W M 1964, 1258; B G H Z 43, 3 4 4 ; B G H W M 1968, 506. ) B G H Z 31, 285 = L M § 30 MSchG N r . 1 mit Anm. v. Gelhaar; B G H F a m R Z 1964, 138; Keidel Anm. 10. 5) R G Z 125, 2 7 2 ; München J F G 15, 164; O G H brZ 1, 1 2 ; B G H Z 3, 1 2 3 ; Schlegelberger Anm. 2 ; Keidel Anm. 1 1 ; Hanack, Der Ausgleich divergierender Entscheidungen, 1962, S. 212.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften § 39 N r . 9 E G A k t G . O h n e besondere gesetzliche R e g e l u n g ist eine entsprechende A n w e n d u n g des § 28 Abs. 2 f e r n e r nicht a n g ä n g i g in den V e r f a h r e n , in denen das O b e r l a n d e s gericht als Gericht des ersten Rechtszuges z u s t ä n d i g ist, m a g es auch endgültig entscheiden (vgl. V o r b e m . 1 B I I v o r § 3). Eine Vorlegungspflicht ist demnach nicht b e g r ü n d e t bei der Entscheidung über einen Zuständigkeitsstreit nach § 5 F G G 6 ) u n d im V e r f a h r e n z u r A n e r k e n n u n g ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach A r t . 7 § 1 F a m R Ä n d G (vgl. d o r t R d n . 46). I m V e r f a h r e n z u r A n f e c h t u n g v o n J u s t i z v e r w a l t u n g s a k t e n richtet sich die Vorlegungspflicht ausschließlich nach der v o n § 28 Abs. 2 abweichenden Regelung des § 29 Abs. 1 E G G V G G (vgl. § 29 E G G V G A n m . 2).
C. Vorlegungsfähige Rechtsnorm 1. Rechtsquelle. U n t e r „reichsgesetzlicher V o r s c h r i f t " , u m deren Auslegung es sich h a n deln m u ß , ist sowohl nach d e m Zweck d e r Regelung, die Rechtseinheit auf d e m Gebiet des Reichs(Bundes-)rechts zu w a h r e n , als auch nach dem gesetzlichen Sprachgebrauch (§ 185 Abs. 2 F G G , A r t . 2 E G B G B ) jede reichs(bundes-)rechtliche Rechtsnorm o h n e Unterschied ihrer Quelle z u verstehen 7 ), also auch Bundesgewohnheitsrecht u n d v o n B u n d e s b e h ö r d e n erlassene R e c h t s v e r o r d n u n g e n . O b Recht aus d e r Zeit v o r dem ersten Z u s a m m e n t r i t t des Bundestages (7. 9. 1949) als Bundesrecht f o r t g i l t , richtet sich nach A r t . 124, 125, 127 G G 8 ) . D e m Bundesrecht steht im Sinne des § 28 gleich das v o m K o n t r o l l r a t u n d den Z o n e n b e f e h l s h a b e r n der M i l i t ä r r e g i e r u n g gesetzte Recht, so das R E G b r Z 9 ) , das K o n t r R G N r . 45 10 ) u n d die Gesetze des W i r t s c h a f t s r a t s des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, wie das W e r t p a p i e r bereinigungsgesetz 1 1 ). O b die v o n Berlin im M a n t e l g e s e t z g e b u n g s v e r f a h r e n ü b e r n o m m e n e n Bundesgesetze auch in Berlin als Bundesrecht zu q u a l i f i z i e r e n sind, ist streitig u n d eher zu verneinen, d a ihre G e l t u n g in Berlin auf einem A k t des Berliner Landesgesetzgebers b e r u h t 1 2 ) ; jedenfalls sind sie f ü r die B e g r ü n d u n g der Vorlegungspflicht d e m Bundesrecht gleichzustellen. Eine Vorlegungspflicht b e g r ü n d e t auch die Abweichung v o n N o r m e n des deutschen i n t e r n a t i o n a l e n oder i n t e r z o n a l e n P r i v a t - u n d Verfahrensrechts 1 3 ), nicht aber bei der A n w e n d u n g ausländischen Rechts 1 4 ), o b w o h l die weitere Beschwerde nach § 27 F G G auch auf die V e r l e t z u n g ausländischen Rechts gestützt w e r d e n k a n n (§ 27 R d n . 12). D e r Kreis d e r Rechtsnormen, deren abweichende Auslegung die Vorlegungspflicht b e g r ü n d e t , ist also enger als der U m f a n g der Rechtsnormen, auf deren V e r l e t z u n g die weitere Beschwerde gestützt w e r d e n k a n n . D a s k o m m t insbesondere d a r i n z u m Ausdruck, d a ß bei Abweichungen in d e r Auslegung einer landesrechtlichen Vorschrift keine Vorlegungspflicht besteht 1 5 ); das gilt auch, w e n n die landesrechtliche V o r s c h r i f t im Z i v i l p r o z e ß nach § 549 Z P O revisibel ist 1 6 ). Verweist ein Landesgesetz z u r E r g ä n z u n g seiner N o r m e n auf die entsprechende A n w e n d u n g reichs(bundes-)rechtlicher Vorschriften, so sind diese insoweit Bestandteile des Landesrechts u n d k ö n n e n eine Vorlegungspflicht nicht b e g r ü n d e n 1 7 ) . D a s gilt auch f ü r Landesrecht, das
«) Köln JMB1NRW 1957, 15; BGHZ 48, 228 = FamRZ 1967, 606 zu II; Keidel Anm. 4; für analoge Anwendung des § 28 Abs. 2, die aber wohl den Aufgabenbereich des BGH überschreiten würde, Bosch in FamRZ 1967, 492 Anm. zu Nr. 321. 7 ) Unger ZZP 41, 377. 8) Dazu BGHZ 11, 104. •) BGHZ 1, 9. i») BGHZ 7, 339. " ) BGHZ 3, 123; Sdilegelberger Anm. 3. 12 ) Für Qualifikation als Bundesrecht BVerfGE 19, 377, 388; Stern, DVB1. 1963, 703; Drath AÖR 82, 27 ff.; Kreutzer JR 1951, 645; ders., DÖV 1955, 12; Sendler JR 1958, 81, 83; Steuerwald JR 1957, 5 ff.; Zerndt JR 1961, 419; vgl. auch Böhm JR 1964, 121; Hw. Müller JR 1966, 378; a. M. Görg DöD 1951, 119; Krüger N J W 1954, 1393; Steiger DÖV 1955, 270; Maunz Dt. Staatsrecht 10 1961 S. 364;
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Beyer N J W 1967, 1791 zu 3; die Alliierte Kommandantur Berlin vertritt in der BK/L (67) 10 V . 24. 5. 67 (NJW 1967, 1742) die Auffassung, daß das in Berlin übernommene Bundesrecht Landesrecht sei; dazu Wen gl er N J W 1967, 1743; Beyer N J W 1967, 1791. BGHZ 46, 87, 91; H w . Müller ZZP 66, 250; Keidel Anm. 16. Frankfurt StAZ 1967, 98; Keidel Anm. 16. RGZ 67, 345; Keidel Anm. 16; Schlegelberger Anm. 3. BGHZ 11, 104 zum PrAllgBergG; Schlegelberger Anm. 3 a; Keidel Anm. 16; dazu H w . Müller ZZP 66, 250 und N J W 1964, 187. KGJ 41, 34; 48, 44; KG N J W 1957, 1197; Freiburg N J W 1953, 708; Frankfurt N J W 1953, 148; RGZ 48, 44; Sdilegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 16; Hw. Müller ZZP 66, 250; a. M. Unger ZZP 41, 377; vgl. audi BGHZ 10, 371; 14, 13 zu § 549 ZPO.
Freiwillige Gerichtsbarkeit seine Grundlage in einem bundesrechtlichen Vorbehalt hat 18 ). Rechts Verordnungen, die von Landesregierungen auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung erlassen werden, sind Landesrecht19). 6
2. Gegenstand der Rechtsnorm. Die auszulegende Vorschrift muß eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit i. S. des § 1 betreffen (vgl. dagegen § 136 GVG, der von „Rechtsfrage" schlechthin spricht). Die Auslegung von Vorschriften aus anderen Reditsgebieten nötigt mithin nicht zur Vorlegung, selbst wenn sie vom B G H abweichend beantwortet sind. Diese Einschränkung beruht auf dem Zweck der Vorschrift, die Rechtseinheit auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu wahren 20 ). Für die Abgrenzung wird zu bedenken sein, daß einerseits nicht alle Vorschriften gemeint sein können, deren Maßgeblichkeit für eine Entscheidung in einer Sache der freiwilligen Gerichtsbarkeit jemals denkbar erscheint, sonst wäre der einschränkende Zusatz überflüssig, daß aber andererseits nicht eine Beschränkung auf solche Vorschriften gemeint sein kann, die bei keiner anderen gerichtlichen Tätigkeit als in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, also z. B. auch nicht in Rechtsstreitigkeiten, anwendbar sind; denn sonst käme ein zu enger, meistens nur das Verfahren betreffender Kreis von Vorschriften in Betracht und der Zweck der Regelung, eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, würde gerade in bedeutenderen Fragen nicht erreicht. Es muß daher genügen, daß die Vorschrift auch für die Tätigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Bedeutung ist; es ist nicht erforderlich, daß sie ausschließlich Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrifft 21 ). Gleichgültig ist es, ob die Vorschrift dem Verfahrensrecht oder dem sachlichen Redit angehört 22 ). Es kommen z. B. in Betracht Vorschriften über den Wohnsitz 23 ), sachlichrechtliche Vorschriften des Sachen-, Familien- und Erbrechts, des Handels-, Gesellschafts-, Genossenschafts- und Vereinsrechts24). Hierher gehören auch Vorschriften des Grundgesetzes, die unmittelbar oder wegen ihres Einflusses auf die Auslegung oder die Anwendbarkeit einer Verfahrens- oder sachlichrechtlichen Vorschrift in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Betracht kommen 25 ). Abweichung von einer Vorschrift, die einen Nebenpunkt regelt, z. B. die Kostentragungspflicht, genügt26).
D. Abweichung 7
!• Art der abweichenden Entscheidung. Das OLG (ObLG, KG) muß bei der Entscheidung über die weitere Beschwerde (Rechtsbeschwerde) abweichen wollen, also bei der den Rechtszug beendigenden und den in das Beschwerdeverfahren gediehenen Beschwerdegegenstand erledigenden Entscheidung. Keine Vorlegungspflicht besteht bei Zwischenentscheidungen, die das Verfahren der weiteren Beschwerde betreffen und noch nicht über die Beschwerde befinden, wie einstweilige Anordnungen nach § 24 Abs. 3 oder die Aussetzung des Verfahrens der weiteren Beschwerde, oder bei Entscheidungen, die neben der Hauptsache einhergehen, wie die Festsetzung des Beschwerdewerts27) oder die Bewilligung des Armenrechts für den dritten Rechtszug. Dagegen berührt es die Vorlegungspflicht nicht, wenn Gegenstand der weiteren Beschwerde nur eine anfechtbare Zwischenverfügung des Amtsgerichts oder die Versagung des Armenrechts durch das Amtsgericht28) ist oder wenn die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts dahin geht, daß das Verfahren des ersten Rechtszuges ausgesetzt wird, da diese Entscheidung den dritten Rechtszug beendet 28 ). Eine Vorlegungspflicht besteht BayObLGZ 1951, 639 = N J W 1952, 507. " ) Zippelius N J W 1958, 445; BayVerfGE 15, 104 = Rpfleger 1963, 11; BayVerfGH WM 1963, 1351; BVerfGE 18, 407 = N J W 1965, 1371; a. M. HessStaatsGH DÖV 1957, 189. 2 °) Vgl. Hanack S. 216. 2 1 ) Jastrow ZZP 25, 527; Aron ZZP 27, 322; Unger ZZP 41, 379; Keidel Anm. 12. 2 2 ) RGZ 63, 275; 138, 98; B G H Z 1, 12; Hw. Müller ZZP 66, 250; Hanack S. 216; Baur 2 $ 28 VI 1; Josef Anm. 2; Wellstein 2 Anm. 2 b; Schlegelberger Anm. 4 ; Keidel Anm. 12.
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23)
25)
2 «)
") 28) 2 »)
BGHZ 48, 228 = FamRZ 1967, 606. Unger ZZP 41, 379 Fn. 16; Josef 2 Anm. 2; Schlegelberger Anm. 4; Keidel Anm. 12; H a nack aaO. S. 217. Hanack aaO. S. 217. RGZ 62, 140; 71, 312; 134, 304; BGHZ 28, 117; 31, 92. BayObLGZ 1960, 345, 354 = JVB1. 1960, 260; a. M. Rohs Rpfleger 1961, 302. KG OLGZ 1967, 84, 86; a. M. Hamm N J W 1964, 1350. BGHZ 7, 389; Hanack aaO. S. 215.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften auch, wenn die Abweichung eine Vorschrift über die Zulässigkeit des Rechtsmittels betrifft, insbesondere seine Statthaftigkeit 30 ), die Wahrung von Form und Frist, oder wenn das OLG bei der Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abweichen will 31 ); ob über die Wiedereinsetzung durch gesonderten Beschluß oder zugleich mit der Entscheidung zur Hauptsache entschieden wird, ist dafür ohne Bedeutung. Betrifft die Abweichung die Hauptsache und hält das OLG den Wiedereinsetzungsantrag für begründet, so muß es auch die Entscheidung über die Wiedereinsetzung dem BGH überlassen (§ 22 Rdn. 28). In jedem Fall muß die Abweichung den Inhalt der Beschwerdeentscheidung betreffen; eine Vorlegungspflicht besteht daher nicht, wenn das OLG in der Frage, ob eine Vorlegungspflicht besteht, von einer Entscheidung des BGH abweichen will. 2. Inhalt der beabsichtigten Entscheidung a) Auslegung. Die Vorlegungspflicht besteht bei beabsichtigter Abweichung in der Auslegung, d. h. der Klarstellung des Inhalts einer Rechtsnorm, aber auch bei anderer Subsumtion des Tatbestandes unter das Gesetz 32 ), sofern nicht etwa bei Obereinstimmung in den rechtlichen Ausgangspunkten die Abweichung nur auf dem Gebiet tatsächlicher Würdigung liegt (Verwechslungsfähigkeit zweier Firmen) 33 ); ferner bei Meinungsverschiedenheiten über die Gültigkeit der Norm 34 ), soweit nicht die Verfassungswidrigkeit nachkonstitutioneller Gesetze in Frage steht (vgl. Rdn. 34), sowie über die Frage, ob eine gesetzliche Vorschrift in einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden ist 35 ). Es genügt, daß die Abweichung bei der Auslegung von dem Standpunkt aus, den das OLG einnimmt, erheblich ist, mag auch der B G H die streitige Rechtsfrage nicht für entscheidungserheblich ansehen 36 ); die Auffassung des vorlegenden OLG, daß die Rechtsfrage für die Entscheidung erheblich sei, ist für den B G H bindend 37 ). b) Abweichung. Eine zur Vorlegung verpflichtende Abweichung liegt nur vor, wenn die beabsichtigte Entscheidung auf der abweichenden Rechtsauffassung beruht, daher nicht, wenn das OLG sich bei einer auf anderen Gründen beruhenden Aufhebung und Zurückverweisung lediglich mit die Vorinstanz nicht bindenden Empfehlungen für die weitere Behandlung der Sache in Widerspruch zu einer früheren Entscheidung eines OLG (BGH, RG, ObLG) setzt 38 ). Die Abweichung muß dieselbe Rechtsfrage betreffen 39 ). Dazu ist es nicht erforderlich, daß die frühere Entscheidung zum gleichen Tatbestand und zu derselben Gesetzesvorschrift ergangen ist; es kommt auf die Gleichheit der Rechtsfrage, nicht des Gesetzes, an 40 ). Das ist der Fall, wenn die Abweichung sich auf den gleichen Rechtsgrundsatz bezieht, mag er auch in mehreren Gesetzesbestimmungen seinen Niederschlag gefunden haben 41 ). Ein Vorlegungsfall ist auch gegeben, wenn die ältere Entscheidung zu einer nicht mehr geltenden Gesetzesvorschrift ergangen ist, deren Inhalt aber in das die frühere Gesetzgebung ablösende neue Recht übernommen ist, so im Verhältnis des § 75 BVG zu § 77 RVG 42 ). Keine Vorlegungspflicht besteht, wenn die Rechtsnorm, zu der die frühere Entscheidung ergangen ist, inzwischen in dem einschlägigen Tatbestandsmerkmal inhaltlich geändert worden ist 43 ). Zur Annahme der Nämlichkeit der inhaltlich geänderten Rechtsnorm 3
») BGH NJW 1961, 1405; BGHZ 33, 205; KG OLGZ 1967, 86. 31 ) BGHZ 8, 310; Hanack aaO. S. 215; a. M. München JZ 1952, 346; Keidel Anm. 4. « ) BGH NJW 1957, 19; Keidel Anm. 13. 33 ) RG JW 1933, 97. 34 ) BGH FamRZ 1957, 126 = NJW 1957, 673. 35 ) BGHZ 1, 12; KG OLGZ 1967, 84, 86; Jansen Rpfleger 1960, 169, 170. 3 °) RGZ 155, 211; BGH WM 1960, 973; vgl. RGZ 108, 356; 169, 147. " ) RGZ 136, 405; 155, 213; BGHZ 7, 339, 341; BGH FamRZ 1960, 229; Schlegelberger Anm. 5. 3 8) BGH LM § 28 FGG Nr. 15 = NJW 1954, 1933. 39 ) RG WarnRspr. 1915 Nr. 249.
4
») RGZ 148, 175; BGHZ 7, 339; 25, 188; BGH MDR 1953, 612; BGHZ 38, 36 (stillschw. unterstellend); KG WM 1962, 122; KG OLGZ 1967, 84, 86; Hw. Müller NJW 1963, 2060; Bettermann NJW 1961, 44. 41 ) BGH GSZ 9, 180 = NJW 1953, 821 zu S 136 GVG; KG OLGZ 1966, 84, 86; Hanack aaO. S. 151 ff. 42 ) BGHZ 19, 355 = NJW 1956, 463 = DNotZ 1956, 250; zu § 14 Abs. 2 HausratsVO KG OLGZ 1968, 470 = NJW 1968, 1530. 43 ) BGH LM § 79 GBO Nr. 6; BayObLGZ 1963, 71, 75; BGH RdL 1954, 151; Karlsruhe, ZS. Freiburg, OLGZ 1967, 488, 492; Schwoerer FamRZ 1966, 96; Hw. Müller NJW 1963, 2060 zu II A; Keidel Anm. 18.
Freiwillige Gerichtsbarkeit genügt es aber nicht, daß sich das spätere Gesetz an das außer Kraft gesetzte anschließt oder auf diesem aufbaut 44 ). Die Vorlegungspflicht entfällt nicht deswegen, weil gegenüber der unverändert gebliebenen Norm ein Wandel der Rechtsauffassung eingetreten ist 45 ); denn dieser Umstand betrifft nicht die Geltung der Norm, sondern gerade die Frage, ob ihre abweichende Auslegung geboten ist; anders, wenn die frühere Auslegung durch Normen des Grundgesetzes beeinflußt wird, also nicht mehr verfassungskonform ist45").
E. Zur Vorlegung nötigende Entscheidungen 10
1- Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Zur Vorlegung nötigt die Abweichung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der nach Art. 8 Nr. 88 REinhG vom 12. 9. 1950 (BGBl., 455) an die Stelle des Reichsgerichts getreten ist, und zwar auch für West-Berlin, Art. 7 Nr. 41, 42 REinhG Berlin vom 9. 1. 1951 (VOBl. I, 99). Eine Vorlegungspflicht besteht aber weiterhin gegenüber Entscheidungen des Reichsgerichts46) und des OGHbrZ, und zwar nicht nur für die OLG der ehemals britischen Zone 47 ). Gegenüber Entscheidungen des BGH (RG, OGHbrZ) ist auch dann vorzulegen, wenn sie im streitigen Prozeßverfahren oder im Strafverfahren ergangen sind 48 ), es sei denn, daß die Entscheidung in der Prozeßsache ersichtlich eine auf das Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit beschränkte Rechtsfrage zum Gegenstand hat 49 ). Widersprechende Entscheidungen verschiedener Senate des B G H nötigen in jedem Falle zur Vorlegung 50 ). Vorzulegen ist auch, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, nicht mehr besteht 51 ) oder ein Feriensenat war, solange nicht ein Senat des B G H diese Rechtsprechung aufgegeben hat. 10 a 2. Entscheidungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe. Die Vorlegungspflicht nach § 28 Abs. 2 wird durch § 18 Abs. 2 d. G zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. 6. 1968 (BGBl. I, 661) dahin ergänzt, daß das OLG (KG, ObLG) die Sache dem BGH auch vorzulegen hat, wenn es von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe abweichen will. Zur unmittelbaren Anrufung des Gemeinsamen Senats ist das OLG nicht befugt; dieses Recht steht nur dem BGH zu, wenn er seinerseits von der Entscheidung des Gemeinsamen Senats abweichen will (§ 11 Abs. 2 a. a. O.). Vgl. auch § 30 Rdn. 7, 9. Von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes als des BGH (Art. 95 Abs. 1 GG i. d. F. vom 18. 6. 1968, BGBl. I, 659) darf das OLG (nicht aber der BGH) abweichen. 11
3. Entscheidungen von Oberlandesgerichten a) Abgrenzung des Kreises der in Betracht kommenden Oberlandesgerichte. Eine Vorlegungspflicht besteht nur gegenüber Entscheidungen, die von einem anderen Oberlandesgericht erlassen sind; eine Ausdehnung auf den Fall, daß ein Senat des Oberlandesgerichts von der Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts abweichen will, ist nicht zulässig52). Meinungsverschiedenheiten zwischen den Senaten eines Oberlandesgerichts sind durch dessen innere Ordnung auszugleichen, u. U. auch durch zweckmäßige Gestaltung der Geschäftsverteilung zu verhüten. Die Entscheidung muß nach Inkrafttreten des FGG ergangen sein53). Im übrigen besteht keine zeitliche Grenze 54 ). Die Pflicht zur Vorlegung entfällt, wenn das andere OLG nicht mehr besteht 55 ) oder aus den Reichsgebiet ausgeschieden ist56), " ) So aber BGHZ 44, 220 = FamRZ 1966, 94 mit Anm. v. Schwoerer (Verhältnis des § 1671 BGB zu § 74 EheG). 45 ) A. M. Frankfurt NJW 1958, 713; Keidel Anm. 45
18.
») Vgl. BayObLGZ 1967, 137, 147. «) BGHZ 5, 344; 22, 88; Sdilegelberger Anm. 6; Keidel Anm. 27. " ) BGHZ 8, 23. RGZ 65, 277; BGH NJW 1953, 1708 = MDR 1953, 612. 4S ) Schlegelberger Anm. 9; Keidel Anm. 27; Unger ZZP 41, 384 Fn. 26. 4
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°) BGHSt. 5, 136 = NJW 1954, 202 zu § 121 GVG; Müller ZZP 66, 253; Schlegelberger Anm. 10; Keidel Anm. 17; Hanack aaO. S. 340 ff.; a. M. Karlsruhe NJW 1954, 1945. 51 ) BGH NJW 1962, 1685 zu § 121 GVG. 52 ) KG JW 1927, 1161; OHG Köln 1, 15; Unger ZZP 41, 382; Sdilegelberger Anm. 8; a. M. Hanack aaO. S. 311. 53 ) KGJ 51, 18. 54 ) BGHZ 5, 344, 347 = NJW 1952, 744 = MDR 1952, 418. 55 ) Jena JW 1934, 570. 5 ») RGZ 122, 273.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften oder wenn seine Zuständigkeit auf das jetzt entscheidende übergegangen ist57), oder gegenüber einer vor dem 1. 4. 1936 erlassenen Entscheidung eines Oberlandesgerichts, die in der Folgezeit oder schon vorher von dem zuständig gewordenen Zentralgericht (KG oder OLG München) aufgegeben worden ist 58 ). Nach der früheren Aufhebung des BayObLG durch VO vom 19. 3. 1935 (RGBl.I, 383) Art. 1 § 1, war an seine Stelle das OLG München getreten und setzte im Sinne des § 28 FGG seine Rechtsprechung fort 59 ). Gegenüber der Entscheidung eines OLG, dessen Bezirk nicht zum Bundesgebiet einschließlich West-Berlin gehört, kommt eine Vorlegung nicht in Betracht, da insoweit die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht gewahrt werden kann 60 ). Gegenüber dem OLG Saarbrücken ist auch bei Entscheidungen vor dem 1. 1. 1957 vorzulegen 61 ). H a t das OLG seine Ansicht gewechselt, so kommt nur seine letzte Entscheidung in Betracht®2), wobei es nicht darauf ankommt, daß in beiden Fällen derselbe Senat entschieden hat, da jeder Senat das OLG repräsentiert. b) Die Vorlegung erübrigt sich, wenn das andere OLG auf Anfrage erklärt, daß es an seiner früheren Auffassung nicht mehr festhalte 68 ). Eine Anfrage des OLG beim BGH verbietet sich allerdings, da sonst über die Rechtsprechung des B G H Unklarheit entstände. Ist ein OLG unter Außerachtlassung seiner Vorlegungspflicht von der Entscheidung eines anderen OLG abgewichen, so ist eine Vorlegung stets notwendig, wenn dieselbe Rechtsfrage abermals an ein OLG zur Entscheidung gelangt 64 ), sofern nicht dasjenige OLG, mit welchem das entscheidende OLG nicht übereinstimmt, auf Anfrage erklärt, an seiner Auffassung nicht festhalten zu wollen. Eine Vorlegung ist aber nicht zulässig, wenn das OLG in Übereinstimmung mit dem BGH (RG), aber abweichend von einer wenn auch später ergangenen Entscheidung eines anderen OLG entscheiden will 65 ), ebenso bei Übereinstimmung mit dem OGHbrZ 6 6 ). Ferner muß das OLG bei der Entscheidung der Rechtsfrage noch frei sein. Deshalb ist eine Vorlegung unzulässig, wenn das OLG nach Zurückverweisung im wiederholten Rechtszuge wiederum mit derselben Sache befaßt wird und die Abweichung von einer Entscheidung des B G H oder eines OLG (ObLG) nunmehr wegen der Selbstbindung an seine frühere Rechtsauffassung, die der Aufhebung und Zurückverweisung unmittelbar zugrunde lag (§ 25 Rdn. 15), unvermeidlich ist67), es sei denn, daß inzwischen eine vom Rechtsbeschwerdegericht zu beachtende Gesetzesänderung eingetreten ist 68 ). Dasselbe gilt, wenn die Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts darauf beruht, daß eine zurückverweisende Entscheidung des Landgerichts nicht angefochten worden ist, und die Sache nach erneuter Entscheidung des Amtsgerichts im weiteren Verfahren an das OLG gelangt (vgl. 25 Rdn. 15 zu Fn. 80).
-JJ
c) Art der zur Vorlegung nötigenden OLG-Entscheidung. Das mit einer weiteren Beschwerde befaßte OLG muß bei seiner Entscheidung von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen OLG abweichen wollen. Das abweichende OLG muß auf Grund des § 28 Abs. 1 in einer der in § 1 bezeichneten Angelegenheiten zur Entscheidung berufen sein; dagegen erfordert das Gesetz nicht, daß auch die Angelegenheit der
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" ) RGZ 155, 75; RG JFG 14, 299 = JW 1937, 679. 58 ) München JFG 14, 42; BayObLGZ 1966, 322; Günther FGG 8 Anm. 6. 5 ») RGZ 148, 207. 6 °) Keidel Anm. 22; Krüger N J W 1951, 515; Müller ZZP 66, 257; a. M. Hamm MDR 1952, 756; Schlegelberger Anm. 6. 61 ) BGHZ 29, 244; BGH Rpfleger 1960, 285; Keidel Anm. 22; Schlegelberger Anm. 6; a.M. Hamm NJW 1954, 724. « s ) RGZ 148, 179; BGH WM 1959, 63. 63 ) BGHSt. 14, 319 = NJW 1960, 1533 = JR 1960, 349 = JZ 1960, 644; KG JFG 22, 3; KG NJW 1967, 224; Frankfurt Rpfleger 1959, 275; offen gelassen in RGZ 156, 16; Schröder NJW 1959, 1517, 1520; Keidel Anm. 22; Schlegelberger Anm. 8; a . M . Müller ZZP 66,
254; Hanads aaO. S. 309; Schultz MDR 1960, 276. ) BGHZ 7, 389; Schlegelberger Anm. 6 a. E.; Keidel Anm. 21; Schwoerer NJW 1952, 588. 65 ) BayObLG ZB1FG 11, 414; RG JFG 5, 1; BGHZ 15, 151; KG WM 1964, 329, 332; BayObLGZ 1964, 231, 236; KG OLGZ 1966, 86, 90; 1966, 331, 336; 1968, 470. 66 ) Hamm Rpfleger 1958, 155 mit Anm. v. Keidel. 67 ) RG Recht 1927 Nr. 1035; RGZ 124, 322 = JW 1929, 2527; BGH LM § 28 FGG Nr. 14 = NJW 1954, 1445. 68 ) Hw. Müller ZZP 66, 252; Keidel Anm. 25; BayObLGZ 1960, 98, 104; Hanack aaO. S. 350, 352 will es der Gesetzesänderung gleichstellen, wenn inzwischen eine Entscheidung des BGH ergangen ist. 64
581
Freiwillige Gerichtsbarkeit nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, in welcher die Vorentscheidung des anderen OLG ergangen ist, gemäß § 1 FGG durch Reichs-(Bundes-)Gesetz den Gerichten übertragen ist. Erforderlich ist nur, daß die andere Entscheidung auf eine weitere Beschwerde ergangen ist, worunter nach dem Zusammenhang des Gesetzes nur die weitere Beschwerde des § 27 oder ein ihr gleichgestelltes bundesgesetzliches Rechtsmittel verstanden werden kann 69 ). Diese Frage war erheblich für Grundbuchsachen, als diese in erster Instanz noch nicht, wie jetzt durch § 1 GBO i. d. F. vom 5. 8. 1935 (RGBl. I, 1073), durch Reichsgesetz den Gerichten übertragen waren, und ist vom Reichsgericht70) zutreffend dahin beantwortet worden, daß eine Vorlegungspflicht auch gegenüber auf weitere Beschwerde in Grundbuchsachen ergangenen Vorentscheidungen besteht, da Grundbuchsachen auch nach der früheren Rechtslage jedenfalls im zweiten und dritten Rechtszuge durch Reichsgesetz den Gerichten übertragen waren. Hieraus hat der BGH 71 ) weiter gefolgert, daß eine Vorlegungspflicht auch gegebenüber Vorentscheidungen bestehe, die in einer landesrechtlichen Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen sind. Diese Annahme ist nicht begründet. Bei Grundbuchsachen wird der Zweck der Vorlegungspflicht, die Wahrung der Rechtseinheit, durch die dem § 28 Abs. 2 entsprechende Vorschrift des § 79 Abs. 2 GBO gewährleistet. Die Vorentscheidung muß also auf eine reichs(bundes-)rechtlich geregelte weitere Beschwerde ergangen sein. Daran fehlt es, wenn das andere OLG in einem landesrechtlich geregelten Verfahren entschieden hat 72 ), jedenfalls wenn der Landesgesetzgeber keine Vorlegungspflicht begründet hat, wozu er jetzt durch Art. 99 GG ermächtigt wäre (dazu nächst. Rdn. 33). Es muß weiter hinzukommen, daß auch das andere Oberlandesgericht in dem Verfahren, in dem seine Entscheidung ergangen ist, bei einer Abweichung in derselben Rechtsfrage zur Vorlegung verpflichtet wäre, daß also auch das andere Verfahren eine dem § 28 Abs. 2 entsprechende Vorlegungspflicht begründet. Denn der Zweck der Vorlegungspflicht, eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, wird nur erreicht, wenn die Bindungswirkung für die Oberlandesgerichte eine gegenseitige ist; ersichtlich ist es wenig sinnvoll, ein Oberlandesgericht wegen der Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts zur Vorlegung zu nötigen, wenn dieses andere Gericht weder an die Entscheidung des OLG noch an die auf die Vorlegung ergehende Entscheidung des B G H gebunden wäre, sondern seine abweichende Rechtsprechung fortsetzen dürfte. Hieraus ergeben sich folgende Folgerungen: aa) Vorlegungspflicht ergangen ist:
besteht, wenn die Entscheidung des anderen Oberlandesgerichts
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a) auf weitere Beschwerde nach § 27 FGG; das trifft auch zu, wenn das Beschwerdeverfahren durch Verweisung auf die entsprechende Anwendung von Vorschriften der Z P O geregelt ist (Vorbem. 6 vor § 19) oder wenn in einer Sache der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Beschwerde nach Maßgabe der ZPO stattfindet, was nur noch in Genossenschaftssachen der Fall ist (Vorbem. 7 vor § 19);
15
ß) auf weitere Beschwerde in einer Grundbuchsache, Schiffsregistersache oder in einer Sache des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen (§ 79 Abs. 2 GBO, § 87 Abs. 2 SchiffsRegO, §§ 78, 95 LuftfahrzeugRG);
16 •J7
y) Rechtsentscheid nach § 47 MSchG; 6) auf eine erste Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Landgerichts als Gerichts des ersten Rechtszuges (oben Rdn. 4) mit Ausnahme von Rückerstattungssachen;
•|g
E) auf eine erste Tatsachenbeschwerde, jedoch nur, wenn in dem Verfahren eine Vorlegungspflicht gesetzlich begründet ist, wie in § 143 Abs. 2 FGG und in §§ 132 Abs. 3, 169 Abs. 2, 306 Abs. 2 mit § 99 Abs. 3 Satz 6 AktG, § 34 UmwandlG in der Fassung des •») Vgl. KGJ 51, 18. '«) RGZ 133, 102 = JFG 8, 19. «) BGHZ 17, 108. 582
72
) So bereits KGJ 51, 18; zust. Keidel Anm. 23; a. M. Schlegelberger Anm. 8.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften § 39 N r . 9 E G A k t G ; dagegen nicht in allen anderen Fällen erster Tatsachenbeschwerden (oben Rdn. 4, Vorbem. 3 vor § 19). bb) Keine Vorlegungspflicht gerichts ergangen ist:
besteht, wenn die Entscheidung des anderen Oberlandes-
a) in einem Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit schwerde nach § 568 ZPO 7 3 ) oder im Strafverfahren;
"|9
durch Urteil oder auf weitere Be-
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geregelten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit 74 ); vgl.
21
V) in einem bundesgesetzlich geregelten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf eine erste Tatsachenbescbwerde, soweit nicht in dem Verfahren ausnahmsweise eine Vorlegungspflidit gesetzlich begründet ist (vorst. Rdn. 18); 8) in einem Zuständigkeitsoder Abgabestreit nach §§ 5, 46 F G G und anderen einsdilägigen Vorschriften (oben Rdn. 4); E) auf weitere Beschwerde nach der Kostenordnung (§§ 14 Abs. 3, 31 Abs. 3, 156 Abs. 2 KostO, Art. X I § 1 Abs. 2 KostÄndG) 7 5 );
22
in einem Verfahren, in dem das Oberlandesgericht als Gericht des ersten Rechtszuges entscheidet und eine Vorlegungspflicht nicht gesetzlich besonders begründet ist. Das ist im Verfahren zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art. 7 § 1 FamRÄndG nicht geschehen (vgl. dort Rdn. 46). Für das mit einer weiteren Beschwerde nach § 27 F G G befaßte O L G besteht auch keine Vorlegungspflicht gegenüber der Entscheidung eines anderen OLG, die im Verfahren zur Anfechtung von Justizverwaltungsakten nach §§ 23 ff. E G G V G ergangen ist; in diesem Verfahren besteht nach § 29 Abs. 1 Satz 2 E G G V G eine Vorlegungspflicht nur gegenüber Entscheidungen eines anderen O L G oder des B G H , die auf Grund des § 23 E G G V G ergangen sind (§ 29 E G G V G Anm. 2); das andere O L G brauchte also seinerseits gegenüber einer nach § 28 Abs. 1 ergangenen Entscheidung eines O L G oder einer Entscheidung des B G H nach § 28 Abs. 2 F G G nidit vorzulegen, so daß die Rechtseinheit nicht gewahrt würde; außerdem kann die Entscheidung nach § 29 E G G V G einer Rechtsbeschwerdeentscheidung nicht gleichgestellt werden, weil das O L G Tatsachengericht ist (§ 29 E G G V G Rdn. 6)™). Mit Recht wird betont 77 ), daß die Regelung der Vorlegungspflichten ein bestimmtes Prinzip nicht erkennen läßt, so daß die Entscheidung des Gesetzgebers darüber, inwieweit die Rechtsprechungseinheit hergestellt werden soll, von den Gerichten hinzunehmen ist; außerdem fehlt es, wie ausgeführt, außer bei ersten Rechtsbeschwerden, an den Voraussetzungen für eine Analogie zu § 28 Abs. 2.
25
4. Inhalt der zur Vorlegung nötigenden Entscheidung. Die Abweichung von der Entscheidung eines anderen Gerichts (BGH, R G , O G H b r Z , ObLG, K G , OLG) kann nur darin bestehen, daß von der der Entscheidung des anderen Gerichts zugrunde liegenden Auslegung (oben Rdn. 8) einer vorlegungsfähigen Rechtsnorm (oben Rdn. 5, 6) abgewichen wird, und die Entscheidung des anderen Gerichts muß von der in Rdn. 7 erörterten Art sein. Die Regelung greift daher nicht ein, wenn die Rechtsansicht des anderen Gerichts über die Auslegung der N o r m zwar in der Begründung der Entscheidung ausgesprochen, aber nicht zur Stützung der Entscheidung verwendet worden ist. Abweichung bedeutet vielmehr, daß die Rechtsansicht, von der das O L G abweichen will, die Grundlage jener Entscheidung gebildet hat; das ist dahin zu verstehen, daß die Entscheidung auf der anderen Beurteilung der
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ß) in einem landesrechtlich aber nächst. Rdn. 33;
7S
) KGJ 44, 12; KG RJA 13, 117; KG NJW I960, 1817, 1819; Keidel Anm. 23; Schlegelberger Anm. 8. 74 ) KGJ 51, 18; Keidel Anm. 23; a. M. BGHZ 17, 108; Sdilegelberger Anm. 8. KG DRechtspfl. 1937 Nr. 195 = JVB1. 1937, 152; KG Rpfleger 1959, 20; BGHZ 7, 128 = LM § 28 FGG Nr. 7 mit Anm. v. Johannsen = Rpfleger 1953, 347 mit Anm. v. Keidel; Bremen Rpfleger 1955, 53; BayObLGZ 1960,
345, 354; 1964, 78, 84; Sdilegelberger Anm. 3 b; a. M. Keidel Rpfleger 1953, 350; RohsWedewer KostO2 S 156 Anm. V 1 b 3; Rohs, Rpfleger 1961, 302. ™) A. M. BGHZ 46, 87 = NJW 1966, 1811; zust. Keidel Anm. 24; dagegen mit Redit Dräger u. Jessen NJW 1967, 352. 77 ) Hanadc, Der Ausgleich divergierender Entscheidungen, 1962, S. 214.
583
23 24
Freiwillige Gerichtsbarkeit Rechtsfrage beruhen muß 78 ), wenn auch nicht ausschließlich79); es genügt, daß die Beurteilung der Rechtsfrage von Einfluß auf das Ergebnis der Entscheidung des anderen Gerichts war 80 ). Bei zwei nebeneinanderstehenden Begründungen ist eine Abweichung von beiden Begründungen vorausgesetzt; das gilt sowohl bei zwei Alternativbegründungen als auch, wenn die beiden Begründungen zueinander im Verhältnis von Haupt- und Hilfserwägung stehen 91 ). Zur Vorlegung nötigt auch die stillschweigende Stellungnahme zu einer Rechtsfrage, die notwendige Grundlage der Entscheidung war 82 ). Dagegen besteht keine Pflicht zur Vorlegung gegenüber gelegentlichen Meinungsäußerungen, die nicht den eigentlichen Entscheidungsgrund bilden 83 ); darunter sind Rechtsausführungen zu verstehen, die einführend, erläuternd, ergänzend oder sonst bei Gelegenheit der Entscheidung gemacht werden 84 ). Ebenso beruht eine aufhebende und zurückverweisende Entscheidung nicht auf Hinweisen für die weitere Behandlung der Sache, soweit diese nicht zugleich Bestandteil des Aufhebungsgrundes sind (oben Rdn. 9).
F. Verfahren des vorlegenden Gerichts 27
1- Vorlegungspflicht. Die Vorlegung steht nicht im Ermessen des Oberlandesgerichts, sondern ist unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 gesetzlich geboten. Kenntnis von den Entscheidungen anderer Gerichte (RG, OGHbrZ, BGH, BayObLG, OLG, KG), die zur Vorlegung verpflichten könnten, erlangt das OLG aus den Entscheidungssammlungen (RGZ, BGHZ, R J A , K G J , J F G , BayObLGZ, OLGZ). Zu weiteren Nachforschungen nach abweichenden Entscheidungen ist es nur verpflichtet, wenn besondere, ihm bekannt gewordene Umstände auf deren Vorhandensein hindeuten, etwa wenn sie in einschlägigen Kommentaren und Lehrbüchern angeführt sind. Die Vorlegungspflicht ist aber nicht auf veröffentlichte Entscheidungen beschränkt; sie besteht auch, wenn die Entscheidung dem OLG sonst amtlich bekannt wird, etwa wenn sie von den Beteiligten vorgelegt wird 85 ). Die auf Unkenntnis einer entgegenstehenden Entscheidung oder auf irriger Auslegung des § 28 Abs. 2 beruhende Nichtbeachtung dieser Vorschrift ist auf die Wirksamkeit der Entscheidung ohne Einfluß; eine Anfechtung der Entscheidung des Oberlandesgerichts wegen Unterbleibens einer gebotenen Vorlegung findet ebenfalls nicht statt 86 ). Die als Grundlage einer Verfassungsbeschwerde (§ 90 BVerfGG) in Betracht kommende Vorschrift des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt, wenn die Vorlegung zwar objektiv fehlerhaft, aber irrtümlich unterbleibt 87 ); durch einen error in procedendo wird niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen 88 ).
28
2. Anhörung der Beteiligten. Es entspricht nicht der Übung der Gerichte und wird auch durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht erfordert, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Vorlegung zu geben 89 ). Diese Maßnahme wäre nicht einmal von der vereinzelt gebliebenen Auffassung aus geboten, daß das Gericht mit 78)
79)
8 °)
81)
82) 83)
RGZ 138, 98, 102; BGHZ 21, 234, 236 = N J W 1956, 1516; BGH N J W 1960, 1621; KG N J W 1958, 1827; KG OLGZ 1965, 117; 1966, 117, 119 u. 321, 326; Unger ZZP 41, 381 Fn. 20; Sdilegelberger Anm. 7 ; Keidel Anm. 14, 18; vgl. auch Schröder, N J W 1959, 1517; ders., MDR 1960, 809; Hanact aaO. S. 285 ff. RGZ 76, 171; 127, 77. BGHZ 21, 236. BArbG N J W 1965, 1455; B G H LM § 24 LwVG Nr. 18; kritisch Hanack aaO. S. 262 ff., 285 ff. BGH N J W 1958, 70; Hanack aaO. S. 268. BayObLG R J A 13, 16; München J F G 14, 492; Darmstadt J W 1934, 917; K G J 51, 18; RGZ 138, 98; KG FamRZ 1957, 185 = StAZ 1957, 191; BGH FamRZ 1957, 360; Hw. Müller ZZP 66, 251; Keidel Anm. 14; Sdilegelberger Anm. 7.
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84) 83) 86)
87) 88) 8 «)
BArbG AP Nr. 3 zu § 72 ArbGG; a. M. Hanack aaO. S. 247 ff. Unger ZZP 41, 388; Hanack aaO. S. 134; vgl. auch Schröder N J W 1959, 1517 zu 5. RGZ 48, 15; RG ZB1FG 5, 315 Nr. 264; R G J F G 13, 191; BGHZ 2, 16, 20; Unger ZZP 41, 390; Sdilegelberger Anm. 2; Keidel Anm. 28, 35; Baur § 31 C V 3; Schröder N J W 1959, 1517 zu 5. BVerfGE 17, 99, 104; 6, 45, 53; Stree N J W 1959, 2051; Keidel Anm. 35. BVerfGE 3, 359, 365; Kern, Der gesetzliche Richter, S. 191. A. M. Müller N J W 1957, 1016; Keidel Anm. 30; ebenso zur Vorlegung nach § 136 GVG Hw. Müller in Staatsbürger und Staatsgewalt II, 1963, 550 ff.; Lerche ZZP 78, 1, 31 Fn. 76.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
28
den Beteiligten ein „Rechtsgespräch" f ü h r e n m ü ß t e (vgl. § 12 R d n . 91); d e n n d e r Vorlegungsbeschluß ist keine Entscheidung in der Sache, sondern e n t h ä l t n u r die Feststellung, d a ß das O L G gesetzlich gehindert ist, selbst zu entscheiden. Es bleibt den Beteiligten auch nach d e r V o r l e g u n g u n b e n o m m e n , v o r dem B G H R e c h t s a u s f ü h r u n g e n zu machen. 3. Vorlegungsbeschluß. D e r Vorlegungsbeschluß e n t h ä l t die F o r m e l „Die weitere Beschwerde w i r d d e m Bundesgerichtshof z u r Entscheidung vorgelegt" u n d ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 mit einer B e g r ü n d u n g zu versehen. I n den G r ü n d e n ist d a r z u l e g e n , v o n welcher E n t scheidung das O L G abweichen w ü r d e , i n w i e f e r n die streitige Rechtsfrage f ü r die Entscheid u n g erheblich ist u n d wie das O L G die vorlegungsfähige Rechtsnorm auslegt; d a r a u s w i r d sich zugleich ergeben, wie das O L G über die weitere Beschwerde entscheiden w ü r d e 9 0 ) . Eine K u n d g a b e u n d R e c h t f e r t i g u n g der eigenen Rechtsauffassung des O L G ist auch geboten, w e n n zwei v o n e i n a n d e r abweichende O L G - E n t s c h e i d u n g e n vorliegen, so d a ß die V o r l e g u n g u n v e r meidlich ist, gleichgültig, ob das vorlegende O L G sich d e r einen oder a n d e r e n Ansicht anschließt. Ist d e r Vorlegungsbeschluß nicht ausreichend b e g r ü n d e t , so m u ß der B G H als b e f u g t erachtet w e r d e n , die Vorlegung d e m O L G z u r E r g ä n z u n g der G r ü n d e zurückzugeben.
29
4. Bekanntmachung des Vorlegungsbeschlusses. D e r Vorlegungsbeschluß ist nicht n u r , wie es in Abs. 2 Satz 2 heißt, d e m Beschwerdeführer, sondern bei Beteiligung m e h r e r e r auch den übrigen Beteiligten b e k a n n t zu machen, u n d z w a r einschließlich der G r ü n d e , d a m i t die Beteiligten z u r W a h r u n g des rechtlichen G e h ö r s in die Lage versetzt w e r d e n , v o r d e m B G H R e c h t s a u s f ü h r u n g e n zu machen 9 1 ). Wegen f e h l e n d e r Ä n d e r u n g s b e f u g n i s vgl. R d n . 3.
30
G. Verfahren des Bundesgerichtshofs 1. Zulässigkeit der Vorlegung. D e r Bundesgerichtshof p r ü f t selbständig, ob die Vorlegung zulässig ist, ob also die gesetzlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 vorliegen; an die A u f fassung des v o r l e g e n d e n Oberlandesgerichts hierüber ist er nicht gebunden 9 2 ). D i e P r ü f u n g erstreckt sich insbesondere d a r a u f , ob die a n d e r e Entscheidung eine solche ist, d a ß sie nach A r t u n d I n h a l t eine Vorlegungspflicht b e g r ü n d e t (oben R d n . 11), ob die auszulegende Rechtsnorm v o r l e g u n g s f ä h i g ist, also nicht e t w a dem Landesrecht oder dem ausländischen Recht angehört, u n d ob das O L G nicht e t w a zu U n r e c h t meint, d a ß eine a n d e r e Entscheid u n g seiner R e c h t s a u f f a s s u n g entgegenstehe 9 3 ). D a g e g e n bleibt die A u f f a s s u n g des vorlegenden O L G d a r ü b e r maßgeblich, d a ß die Abweichung in der Rechtsfrage f ü r seine E n t scheidung erheblich sei, m a g auch der B G H sie nicht f ü r erheblich erachten 9 4 ); anders, w e n n das vorlegende Gericht selbst die Rechtsfrage als f ü r seine Entscheidung nicht erheblich ansieht 9 4 *). Ist die V o r l e g u n g hiernach unzulässig, so gibt d e r B G H die Sache durch Beschluß an das vorlegende Gericht z u m B e f i n d e n in eigener Z u s t ä n d i g k e i t zurück; der Beschluß ist den Beteiligten b e k a n n t zu machen. A u ß e r bei Unzulässigkeit der V o r l e g u n g gibt der B G H die Sache an das vorlegende Gericht auch zurück, w e n n die Rechtsfrage, die z u r V o r l e g u n g g e f ü h r t h a t , durch eine nach der Vorlegung erlassene gesetzliche Vorschrift entschieden w i r d 9 5 ) , vorausgesetzt, d a ß das neue Gesetz die Rechtsfrage z w e i f e l s f r e i entscheidet 9 8 ); f e r n e r d a n n , w e n n der B G H nach d e r Vorlegung in einer a n d e r e n Sache im Sinne 90
) Beispiele für Vorlegungsbesdilüsse: BayObLG 10. 7. 56 (Z 240), erledigt durch BGH 24. 1. 57 (NJW 673 = FamRZ 126); Frankfurt 20. 6. 56 (FamRZ 283), erledigt durdi BGH 25. 9. 56 (21, 340 = FamRZ 371); KG 15. 7. 54 (NJW 1955, 185), erledigt durdi BGH 28. 10. 54 (15, 151), 5. 4. 56 (FamRZ 192), erledigt durdi BGH 13. 7. 56 (21, 278 = FamRZ 345), 24. 4. 58 (Rpfleger 185), erledigt durdi BGH 11. 7. 58 (28, 117 = NJW 1493 = Rpfleger 262). »>) Unger ZZP 41, 389; Sdilegelberger Anm. 12; Keidel Anm. 30; Müller ZZP 66, 258. 92 ) Ständige Rechtspr. des RG und des BGH, RG RJA 5, 9; 6, 39; RGZ 102, 26; BGHZ 5,
356; 7, 339; 9, 111; 13, 56; Wellstein2 Anm. 4 Sdilegelberger Anm. 13; Keidel Anm. 32; Baur § 31 C V 2; Hanack aaO. S. 314, 322; a. M. Unger ZZP 41, 392; Dorner FGG (1899) Anm. 7. ">) RGZ 155, 211; BGHZ 7, 339; Sdilegelberger Anm. 13. 94 ) RGZ 155, 211; BGH WM 1960, 973; vgl. RGZ 108, 356; 169, 147; Keidel Anm. 32; Sdilegelberger Anm. 5. 94 a) BGH LM § 28 FGG Nr. 20 = NJW 1968, 1477. °5) BGHZ 15, 207 = NJW 1955, 304. "«) BGHZ 18, 300 = NJW 1955, 1878. 585
31
Freiwillige Gerichtsbarkeit des vorlegenden Gerichts entschieden h a t " ) oder die Entscheidung des B G H , von der abgewichen werden soll, sich inzwischen durch eine Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen im Sinne des vorlegenden Gerichts erledigt hat 9 8 ), oder wenn das andere O L G auf Anfrage des B G H erklärt, daß es an seiner Auffassung nicht mehr festhalte"). Dagegen bleibt die Vorlegung bestehen, wenn die Rechtsfrage nach der Vorlegung vom B G H in einer anderen Sache entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts entschieden wird; eine Anfrage bei dem vorlegenden O L G , ob es die Vorlegung aufrechterhalte, kommt nicht in Betracht, da dieses zur Aufhebung des Vorlegungsbeschlusses nicht berechtigt ist 1 0 0 ). Im Falle der Rüdegabe wegen Unzulässigkeit der Vorlegung ist das O L G zwar daran gebunden, daß ein Vorlegungsfall nicht gegeben ist, nicht aber an die sonstigen in dem Beschluß des B G H zutage getretenen Rechtsauffassungen 101 ); in der rechtlichen Beurteilung ist es nunmehr frei. 32
2. Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Ist die Vorlegung zulässig, so entscheidet der B G H über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts, also nicht etwa über den Vorlegungsbeschluß des O L G , wobei er an die Stelle des vorlegenden O L G tritt, also nicht als ein diesem übergeordnetes Gericht 1 0 2 ). Der B G H entscheidet nicht nur über die grundsätzliche Rechtsfrage, sondern über die Zulässigkeit 103 ) und Begründetheit der weiteren Beschwerde im gleichen Umfange und nach denselben Grundsätzen, als es ohne die Vorlegung Pflicht des O L G wäre 1 0 4 ). Dabei kann es sogar dazu kommen, daß der B G H über die streitige Rechtsfrage nicht entscheidet, weil nunmehr er selbst — anders als bei der Prüfung der Zulässigkeit der Vorlegung, vgl. Rdn. 31 — die Frage für seine Sachentscheidung nicht für erheblich hält, oder weil die weitere Beschwerde durch eine nachträgliche Veränderung der Sachlage unzulässig geworden ist (vgl. § 27 Rdn. 42). Ist außer der bundesgesetzlichen Vorschrift, deren Auslegung die Vorlegung veranlaßt hat, auch noch Landesrecht oder ausländisches Recht für die Entscheidung erheblich, so ist der B G H auch zu dessen Auslegung und Anwendung in der Lage und verpflichtet 1 0 5 ). Der B G H ist auch zuständig, einstweilige Anordnungen nach § 24 Abs. 3 zu erlassen (§ 24 Rdn. 11) und über die Bewilligung des Armenrechts für das Verfahren der weiteren Beschwerde zu entscheiden 106 ). Wegen der Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen, der Vereinigten Großen Senate oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe durch den B G H vgl. § 30 Rdn. 7, 9.
33
H. Landesrecht Abs. 2 und 3 konnten früher durch Landesgesetz nicht auf landesrechtliche Angelegenheiten ausgedehnt werden, weil das Landesrecht nicht befugt war, dem Reichsgericht Geschäfte zu übertragen 1 0 7 ). Nunmehr ermächtigt Art. 99 G G die Länder, die Zuständigkeit der obersten Bundesgerichte in landesrechtlichen Sachen zu begründen. Das bedeutet, daß ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, diese verpflichten kann, bei Meinungsverschiedenheiten untereinander über die Auslegung von Landesrecht den B G H anzurufen. Hiervon hat Niedersachsen Gebrauch gemacht, indem es in Art. 7 N d s F G G (Anl. 14) die entsprechende Anwendung auch des § 28 Abs. 2 und 3 auf landesrechtliche Angelegenheiten der F G angeordnet hat. Außerdem kann der Landesgesetzgeber bestimmen, daß das O L G in einem landesrechtlich geregelten Verfahren zur Vorlegung an den B G H verpflichtet ist, wenn es von der Entscheidung eines O L G eines anderen Landes oder des B G H abweichen will. Diese Bedeutung hat die Verweisung in § 7 Abs. 7 des Berliner AltbankenG auf § 24 Abs. 2 Satz 2 UmstErgG 1 0 8 ). 07) BGHZ 5, 356 = N J W 1952, 744; Hanack aaO. S. 327. »8) BGH WM 1955, 1203. »») BGH NJW 1961, 704 mit BayObLG ebenda S. 688 zum Strafprozeß; Keidel Anm. 32. A. M. Hanack S. 331, 332. 1 0 1 ) BayObLGZ 1952, 192; Keidel Anm. 32. 1 0 2 ) RGZ 48 Nr. 6; Unger ZZP 41, 391. " » ) BGH WM i960, 973; BGH NJW 1964, 781. 586
) BGH WM 1964, 246; Unger ZZP 41, 393. ) Wellstein2 Anm. 4; Werthauer NJW 1957, 1387. >»«) Müller ZZP 66, 264; Keidel Anm. 33. 1 0 7 ) Vgl. RGZ 102, 368; J b ö f f R NF 1, 733; Werthauer NJW 1957, 1387, 1389. 1 0 8 ) KG WM 1962, 122; BGHZ 38, 36 = LM AltbG Nr. 2 mit Anm. v. Rietsdiel = JZ 1963, 359 mit Anm. v. Beitzke. 104
105
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
29
I. Verhältnis des Vorlegungsverfahrens zum Normenkontrollverfahren (Art. 100 GG) H ä l t ein O L G ein nachkonstitutionelles Gesetz, auf dessen Gültigkeit es für die Entscheidung ankommt, in Abweichung v o n einer Entscheidung eines O L G (ObLG) oder des B G H oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe für verfassungswidrig, so hat es das BVerfG unmittelbar selbst anzurufen (vgl. Vorbem. I X vor § 8 Rdn. 45 ff.) und nicht wegen der Abweichung die Sache nach § 28 Abs1. 2 dem B G H vorzulegen 1 0 9 ).
Einlegung
der weiteren
Beschwerde.
Sofortige
weitere
Beschwerde
29 Die weitere Beschwerde kann bei dem Gericht erster Instanz, bei dem Landgericht oder bei dem Oberlandesgericht eingelegt werden. Erfolgt die Einlegung durch Einreichung einer Bescbwerdeschrift, so muß diese von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Der Zuziehung eines Rechtsanwalts bedarf es nicht, wenn die Beschwerde von einer Behörde oder von einem Notar eingelegt wird, der in der Angelegenheit für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt hat. Soweit eine Verfügung der sofortigen Beschwerde unterliegt, findet auch gegen die Entscheidung des Bescbwerdegerichts die sofortige weitere Beschwerde statt. Das Gericht erster Instanz und das Landgericht sind nicht befugt, der weiteren Beschwerde abzuhelfen. Im übrigen finden die Vorschriften über die Beschwerde entsprechende Anwendung. Übersicht Rdn.
Rdn. A. Bedeutung B. Empfangsstellen 1. Grundsatz 2. Abweidiende Regelungen a) Sondergesetze b) Freiheitsentziehungsverfahren C. Form der weiteren Beschwerde I. Einreibung einer Besdiwerdesdirift 1. Besdiwerdesdirift eines Rechtsanwalts a) Rechtsanwalt b) Unterzeichnung c) Sondervorsdiriften d) Telegraphische Beschwerdeeinlegung 2. Besdiwerdesdirift von Behörden a) Behördeneigensdiaft b) Ausübung des behördlichen Beschwerderechts. Form 3. Besdiwerdesdirift von Notaren a) Voraussetzungen b) Form
10 11 12 13 14 15 16
D. E. F. G.
H. I.
4. Verhältnis der Postulationsfähigkeit zur Vertretungsbefugnis 17 II. Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle 18 1. Zuständigkeit 18 a) Zuständige Geschäftsstelle 18 b) Funktionelle Zuständigkeit 19 2. Niederschrift 20 a) Gestaltung der Besdiwerdeerklärung 20 b) Form der Niederschrift 21 Inhalt der Beschwerdeerklärung 22 Umfang des Formerfordernisses 23 Sofortige weitere Beschwerde 24-28 Entsprechende Anwendung der Vorschriften über die erste Beschwerde 29 1. Grundsatz 29 2. Abweichungen 30-31 Abhilfeverbot (Abs. 3) 32 Änderungsbefugnis des Gerichts der weiteren Beschwerde 33
A. Bedeutung D i e Vorschrift bestimmt in Abs. 1 die für die Entgegennahme der weiteren Beschwerde zuständigen Empfangsstellen und regelt die Form der weiteren Beschwerde. Außerdem werden in Abs. 2 bis 4 einige Vorschriften über das Verfahren der weiteren Beschwerde gegeben. IM) BVerfGE 6, 222; BVerfG N J W 1968, 243 zu B I; a. M. H w . Müller ZZP 66, 254; Keidel Anm. 46.
587
Freiwillige Gerichtsbarkeit
B. Empfangsstellen 2
3
1. Grundsatz. Die weitere Beschwerde kann nach Wahl des Beschwerdeführers bei einem der drei Instanzgerichte eingelegt werden, also bei dem Gericht oder der nichtgerichtlichen Behörde (§ 194) des ersten Rechtszuges, welches die angefochtene Verfügung erlassen hat, bei dem Landgericht, welches über die erste Beschwerde entschieden hat, und bei dem Oberlandesgericht, welches diesem Landgericht im Instanzenzuge vorgeordnet ist. H a t jedoch der Landesgesetzgeber von dem Vorbehalt des § 199 Abs. 1 Gebrauch gemacht, so tritt an die Stelle des vorgeordneten OLG das vom Landesgesetzgeber bestimmte zentrale Obergericht, in Bayern also das Bayerische Oberste Landesgericht, in Rheinland-Pfalz das OLG Zweibrücken (vgl. § 28 Anm. A); das im Instanzenzuge vorgeordnete OLG ist zur Entgegennahme der Beschwerde nicht zuständig 1 ). Nur die Einlegung bei einem dieser Gerichte ist zur Fristwahrung geeignet. Wird die weitere Beschwerde bei einem unzuständigen Gericht eingelegt und leitet dieses sie, wie es regelmäßig dem mutmaßlichen Willen des Beschwerdeführers entsprechen wird, an das zuständige Gericht weiter, so wird die Beschwerdeeinlegung erst mit dem Eingang bei diesem Gericht wirksam 2 ). Wird die weitere Beschwerde bei einer der Vorinstanzen eingelegt, so haben diese sie unter Beifügung der Akten ohne weitere Erhebungen dem Gericht der weiteren Beschwerde vorzulegen, da sie nach Abs. 3 zur Abhilfe nicht befugt sind. 2. Abweichende
Regelungen
a) Sondergesetze. Im Wertpapierbereinigungsverfahren und im Prüfungsverfahren nach dem Allgemeinen KriegsfolgenG kann die Rechtsbeschwerde nur bei der Kammer für Wertpapierbereinigung, also nicht bei dem OLG eingelegt werden (§ 34 Abs. 2 WBG, § 16 Abs. 4 WBSchlußG, § 57 Abs. 2 AKG); vgl. Vorbem. vor § 19 Rdn. 9, 11. Die Rechtsbeschwerde in Landwirtsdiaftssachen kann nur beim BGH eingelegt werden (§ 26 Abs. 1 LwVG). Im übrigen kann die weitere Beschwerde beim BGH neben den Instanzgerichten (LG, OLG) eingelegt werden, wenn der BGH Gericht des dritten Rechtszuges ist, wie nach § 18 Abs. 3 VHG, nicht aber in sonstigen Fällen, auch nicht mit der Behauptung, daß eine Vorlegung nach § 28 Abs. 2 an den BGH erforderlich sei, da hierüber das OLG ausschließlich entscheidet (§ 28 Rdn. 3). 4
b) Im Freiheitsentziehungsverfahren kann die weitere Beschwerde nach § 7 Abs. 4 FrEntzG sowohl durch Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle als auch durch Einreichung einer Beschwerdeschrift in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 auch bei dem Amtsgericht eingelegt werden, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, in deren Verwahrung sich der Betroffene bereits befindet, sofern die Verwahrung auf einer Maßnahme in dem anhängigen Verfahren beruht, nicht etwa auf Straf- oder Untersuchungshaft 3 ). Da diese Vorschrift auf dem Gedanken beruht, daß der Gebrauch eines Rechtsmittels gegen eine Freiheitsentziehung nicht gerade durch die Freiheitsentziehung erschwert werden soll, ist sie auch im Verfahren zur Genehmigung der Unterbringung eines Mündels nach § 1800 Abs. 2 BGB und in landesrechtlichen Verwahrungs- und Unterbringungssachen anzuwenden 4 ). In anderen Angelegenheiten dagegen kann die weitere Beschwerde auch von einem in H a f t befindlichen Beschwerdeführer bei dem Amtsgericht des Haftortes nicht wirksam eingelegt werden, wenn dieses nicht nach § 29 Abs. 1 Satz 1 zuständig ist 5 ).
!) K G R J A 7, 159; BayObLGZ 1952, 170; 1953, 336, 339; 1966, 428; Unger ZZP 42, 109; Schlegelberger Anm. 1; Keidel Anm. 3; a. M. Wellstein 2 Anm. 2 2 ) K G R J A 7, 159; BayObLGZ 1952, 170; Keidel Anm. 7. 3 ) Vgl. München O L G Z 1965, 220; Saage, FrEntzG, § 7 Anm. 39; Keidel Anm. 11. 4 ) H a m m FamRZ 1961, 130 = Rpfleger 1961, 154; Düsseldorf JMB1NRW 1961, 212; Bay-
588
ObLGZ 1957, 233; 1964, 330; Schleswig SchlHA 1956, 357; Frankfurt N J W 1953, 148, 1189; Keidel Anm. 11; Baumann, Unterbringungsrecht S. 470; a. M. Kullmann Rpfleger 1958, 107. 5 ) BayObLGZ 1965, 2; B G H N J W 1965, 1182 = FamRZ 1965, 319 = Rpfleger 1965, 140; Keidel JZ 1961, 417 Fn. 14; a. M. Frankfurt N J W i960, 1625.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
C. Form der weiteren Beschwerde D a s Gesetz stellt, ebenso wie bei der ersten Beschwerde (§ 29 Abs. 4 m i t § 21 Abs. 2), zwei Formen der Beschwerdeeinlegung z u r V e r f ü g u n g : E r k l ä r u n g z u m P r o t o k o l l d e r Geschäftsstelle eines d e r Instanzgerichte, auch des O L G ( B a y O b L G ) , oder Einreichung einer Beschwerdeschrift, erschwert aber bei der z w e i t e n F o r m die Beschwerdeeinlegung dadurch, d a ß f ü r die Beschwerdeschrift die U n t e r z e i c h n u n g durch einen Rechtsanwalt g e f o r d e r t w i r d , u m „unzulässige, leichtfertige u n d gänzlich u n b e g r ü n d e t e Beschwerden" v o n den oberen G e richten f e r n z u h a l t e n (Begr. z. E n t w . 1881 S. 134; Schlegelberger R d n . 2).
I. Einreichung einer Beschwerdeschrift D i e Fähigkeit, weitere Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift einzulegen, haben n u r Rechtsanwälte, B e h ö r d e n u n d N o t a r e ; Beschwerdeführer, die diese E i g e n schaft nicht h a b e n , k ö n n e n das Rechtsmittel n u r durch Einreichung einer v o n einem Rechtsa n w a l t unterzeichneten Beschwerdeschrift oder durch E r k l ä r u n g z u m P r o t o k o l l d e r G e schäftsstelle einlegen. D i e g e n a n n t e Fähigkeit stellt sich als P o s t u l a t i o n s f ä h i g k e i t dar 6 ), da es sich u m die B e f ä h i g u n g h a n d e l t , V e r f a h r e n s h a n d l u n g e n prozessual w i r k s a m in das V e r f a h r e n e i n z u f ü h r e n 7 ) . D i e Beschwerdeerklärung eines P o s t u l a t i o n s u n f ä h i g e n ist u n w i r k s a m u n d h i n d e r t nicht den A b l a u f d e r Rechtsmittelfrist 8 ); das Rechtsmittel m u ß als unzulässig v e r w o r f e n w e r d e n . D e r M a n g e l k a n n nicht r ü c k w i r k e n d durch G e n e h m i g u n g geheilt w e r d e n ; die H a n d l u n g k a n n n u r v o n einem P o s t u l a t i o n s f ä h i g e n neu v o r g e n o m m e n w e r d e n 9 ) . 1. Beschwerdeschrift
eines
Rechtsanwalts
a) Rechtsanwalt. D e r R e c h t s a n w a l t m u ß bei einem deutschen Gericht zugelassen sein, nicht gerade bei einem der drei Instanzgerichte. Zulassung bei einem Gericht Mitteldeutschlands o d e r Ost-Berlins genügt ebenfalls 1 0 ). D e m Rechtsanwalt steht gleich sein amtlich bestellter V e r t r e t e r 1 1 ) u n d der Anwaltsassessor, der die Befugnisse des Rechtsanwalts h a t , d e m er überwiesen ist 1 2 ). D u r c h ein Berufs- o d e r V e r t r e t u n g s v e r b o t w i r d die W i r k s a m k e i t v o n R e c h t s h a n d l u n g e n des Rechtsanwalts nicht b e r ü h r t ; der Rechtsanwalt k a n n nur, w e n n er in Person v o r Gericht a u f t r i t t , zurückgewiesen w e r d e n (§§ 155 Abs. 5, 156 Abs. 2 B R A O ) . D e r R e c h t s a n w a l t ist nicht d a d u r c h ausgeschlossen, d a ß er in eigener Sache, als Beteiligter k r a f t A m t e s o d e r als gesetzlicher V e r t r e t e r eines Beteiligten handelt 1 3 ). b) Unterzeichnung. D e r Rechtsanwalt m u ß die Beschwerdeschrift eigenhändig unterzeichnen 1 4 ). Faksimilestempel genügt nicht 1 5 ). D u r c h den Nachweis, d a ß die Schrift v o n dem R e c h t s a n w a l t v e r f a ß t u n d gebilligt w o r d e n ist, k a n n die U n t e r z e i c h n u n g nicht ersetzt w e r den. U n t e r z e i c h n u n g bedeutet weniger als „ U n t e r s c h r i f t " (vgl. auch die Fassung v o n § 345 Abs. 2 S t P O gegen § 130 N r . 6 Z P O ) . Leserlichkeit ist nicht e r f o r d e r l i c h ; es genügt ein i n d i vidueller Schriftzug, aus dessen Schriftbild ein D r i t t e r , der den N a m e n des Unterzeichners k e n n t , diesen N a m e n gerade noch herauslesen kann 1 6 ). Eine bloße P a r a p h e genügt jedenfalls nicht 1 6 8 ). D i e V e r w e n d u n g einer B l a n k o u n t e r s c h r i f t ist nicht zu b e a n s t a n d e n , w e n n sie 6
) Jansen, Zur Postulationsfähigkeit der Notare im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit DNotZ 1964, 707; Keidel Anm. 24 a. ') Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 § 51 Anm. I 1; Rosenberg ZPR 8 § 44 I 2; Blomeyer ZPR § 8 IV. 8 ) Blomeyer ZPR § 8 IV 3. ») Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 § 78 Anm. I 4; BVerfGE 8, 94/95. " ) KG N J W 1957, 1198; BayObLGZ 1 Z 110/57; Keidel Anm. 15; a.M. Müller Betr. 1956, 59; Schlegelberger Anm. 3; vgl. auch BVerfG N J W 1967, 2051 2u III 1. » ) KG JW 1927, 2928. 12 ) BayObLGZ 1957, 292. BayObLG Recht 1911 Nr. 606; BayObLGZ 1951, 546.
" ) BGH WM 1956, 1387; vgl. RG GSZ 151, 82; Unger ZZP 42, 112; Schlegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 13. 15 ) KG HRR 1927 Nr. 1457; SAultzenstein ZZP 27, 565, 570 Fn. 90; Unger ZZP 42, 112 Fn. 20; Schlegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 13; a. M. Stein-Jonas-Pohle 18 § 129 I 2. Ii) BGH N J W 1959, 734; BGHSt. 12, 317; Düsseldorf N J W 1956, 923; BGH MDR 1960, 396 = LM § 170 ZPO Nr. 8; BGH MDR 1964, 747 = Warn. Nr. 143; geringere Anforderungen stellen Stein-Jonas-Schönke ZPO 1 9 § 129 I 2; vgl. auch Ascher, F. Jansen, Jonas, JW 1929, 264, 265, 865. 16 *) BGH N J W 1967, 2310 = JVB1. 1967, 276.
589
Freiwillige Gerichtsbarkeit weisungsgemäß verwertet worden ist17). An die Stelle der unterschriftslosen Urschrift kann eine eigenhändig beglaubigte Abschrift treten18) oder ein ordnungsgemäß unterzeichnetes Anschreiben, welches die beigefügte Sdirift zweifelsfrei deckt19), dagegen nicht die Unterschrift auf beigefügten Anlagen oder Schriftsätzen anderen Inhalts von selbständiger Bedeutung. Unschädlich ist es, wenn sich neben der Unterschrift des Rechtsanwalts noch weitere Unterschriften befinden, z. B. die des Beschwerdeführers20), oder wenn der Rechtsanwalt als einer von mehreren gesamtvertretungsbereditigten gesetzlichen Vertretern unterzeichnet21) oder wenn die Beschwerdeschrift die Eigenschaft ihres Unterzeichners als Rechtsanwalt nicht erkennen läßt 22 ). Die fehlende Unterzeichnung kann nur mit Wirkung für die Zukunft nachgeholt werden; nach Ablauf der Rechtsmittelfrist kann die Nachholung also nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels bewirken23). Das Gesetz verlangt nicht, daß der Rechtsanwalt die von ihm unterzeichnete Schrift auch selbst verfaßt hat 24 ). Es genügt, wenn er durch seine Unterschrift zu erkennen gibt, daß er die Eingabe inhaltlich geprüft hat und die Verantwortung dafür übernimmt. Wenn es hieran aber ersichtlich fehlt, der Rechtsanwalt etwa die Verantwortung für den Inhalt durch einen Zusatz abgelehnt oder eingeschränkt oder seine Unterschrift unter wirre Ausführungen eines Geistesschwachen gesetzt hat, wird die Form nicht gewahrt25). Eine der Beschwerdesdirift des Rechtsanwalts beigefügte Privatschrift macht das Rechtsmittel nicht unzulässig, ist aber unbeachtlich2®), es sei denn, daß der Rechtsanwalt die darin enthaltenen Ausführungen sich nach Prüfung zu eigen gemacht hat und die privatschriftliche Anlage als Bestandteil seiner Beschwerdeschrift aufzufassen ist, so daß die Unterschrift des Rechtsanwalts unter der Beschwerdeschrift auch den Inhalt der Anlage deckt27). Wegen derselben Frage bei Einlegung zum Protokoll der Geschäftsstelle vgl. Rdn. 20. c) Sondervorschriften. In Rückerstattungssachen bedarf die Beschwerdesdirift nicht der Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt (Vorbem. 2b vor § 19). Wegen der Form der Rechtsbeschwerde im Landwirtschaftsverfahren vgl. Vorbem. 2a vor § 19. Besondere Regelungen der Postulationsfähigkeit finden sich insbesondere bei ersten Rechts- oder Tatsachenbeschwerden gegen Entscheidungen der Landgerichte als Gerichte des ersten Rechtszuges, vgl. § 21 Rdn. 5 und Vorbem. vor § 19 Rdn. 7—12. d) Bei telegraphischer weitere Beschwerde28).
Beschwerdeeinlegung
gelten die Bern, zu § 21 Rdn. 6 auch für die
2. Beschwerdeschrijt von Behörden. Behörden ist die Postulationsfähigkeit ersichtlich deswegen eingeräumt worden, weil von ihnen bei Ausübung ihrer Amtspflicht erwartet werden kann, daß sie die Einlegung von Rechtsmitteln, die sich nicht sachgemäß begründen lassen, vermeiden29). Eine Behörde kann daher die weitere Beschwerde selbständig einlegen, wenn sie in Wahrnehmung des ihr anvertrauten öffentlichen Interesses handelt oder wenn sie als gesetzlicher Vertreter eines1 am Verfahren beteiligten öffentlichrechtlichen Rechtsträgers auftritt, sei es auch in dessen privatrechtlichen Angelegenheiten, oder wenn sie zwar nicht gesetzlicher Vertreter, aber durch Gesetz, VO oder VerwAnO zur Vertretung des Bundes, ) B G H M D R 1966, 232 = Warn. 1965 Nr. 268 = N J W 1966, 351 = ZZP 80, 316 mit Anm. v. Kuchinke. 1 8 ) R G J W 1928, 106; R G J W 1934, 420; SteinJonas-Pohle 1 9 § 129 I 2 ; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 S 129 Anm. 1 B . 1») K G J W 1930, 169; Stein-Jonas-Pohle und Baumbach-Lauterbach aaO.; a. M. R G J W 1936, 3331. 2») B a y O b L G Z 1954, 27, 30; Keidel Anm. 14. 2 1 ) K G BLGenossW 1909, 429; K G O L G Z 1966, 606; Sdilegelberger Anm. 3 a. E. 2 2 ) K G O L G Z 1966, 606; vgl. B G H N J W 1966, 1362. 2 ") Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 253 Anm. I V 1, 2 ; Wieczorek Z P O § 253 J I a 2 ; BVerfGE 8, 94. 17
) BayOblGZ 1951, 692; Unger ZZP 42, 113; Schlegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 14. 2 5 ) Vgl. zum Zivilprozeß B G H LM § 519 ZPO Nr. 16 = J R 1954, 463 mit Anm. v. Lent; 1 9 Stein-Jonas-Pohle Z P O § 129 Anm. I 2 ; BSozG N J W 1963, 270. 26) Freiburg Rpfleger 1952, 426. 2 7 ) A. M. (Anlage auch bei Bezugnahme unbeachtlich) München WM 1951, 458, 477; Keidel Anm. 14; Schlegelberger Anm. 3 b. 2 8 ) Vgl. Neustadt N J W 1952, 271; B G H N J W 1953, 25 = J Z 1953, 179 mit Anm. v. Schönke; Pritsch L w V G § 26 Anm. I I I a ; Keidel Anm. 27. 2 9 ) Vgl. Unger ZZP 42, 114; B G H Z 48, 88 = N J W 1967, 2059; Zimmermann, Rpfleger 1960, 141.
24
Erster Absdinitt. Allgemeine Vorschriften eines Landes oder einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts bestellt ist, wie der Vertreter des Bundesinteresses nach § 56 A K G oder der Präsident des Bundesausgleichsamts nach § 16 Abs. 4 WBSchlußG 30 ). Die Aufsichtsbehörde hat nicht schon auf Grund des Aufsichts- und Weisungsrechts die Befugnis, das Rechtsmittel f ü r die untere Behörde einzulegen; sie kann diese nur anweisen, das Rechtsmittel einzulegen 31 ). Es wird aber f ü r zulässig zu erachten sein, daß die Aufsichtsbehörde das Rechtsmittel für die untere Behörde mit deren Vollmacht einlegt 32 ) oder daß eine Behörde eine andere zu demselben Ressort gehörende Behörde zur Einlegung der Beschwerde bevollmächtigt. Das Jugendamt kann als Amtsvormund (§ 40 JWG) oder als bestellter Vormund (§ 46 J W G ) namens des Mündels weitere Beschwerde einlegen 33 ). Dagegen ist es nicht statthaft, daß eine Behörde als gewillkürter Vertreter einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts das Rechtsmittel in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 3 einlegt 34 ). a) Behördeneigenschaft. Behörde ist nach feststehender Rechtsprechung ein in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügtes Organ der Staatsgewalt, das dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein. Das Organ kann unmittelbar vom Staate oder von einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt sein, sofern die Angelegenheiten zugleich in den Bereich der bezeichneten Zwecke fallen; unwesentlich ist es, ob die der Behörde übertragenen Befugnisse Ausübung öffentlicher Gewalt sind oder nicht 35 ). Die Behördeneigenschaft kann ausdrücklich durch Gesetz verliehen sein, z. B. dem Zentralbankrat, dem Direktorium und den Leitern der Hauptstellen der Deutschen Bundesbank sowie den Vorständen der Landeszentralbanken durch G über die Deutsche Bundesbank v. 26. 7. 1957 (BGBl. I, 745) § 29; den Sparkassenvorständen durch SparkG Nordrh.-Westf. v. 7. 1. 1958 (GVBl., 5) § 20, SparkG Rheinland-Pfalz v. 17. 3. 1958 (GVBl., 47) § 10, SparkG Schleswig-Holstein v. 6. 5. 1958 (GVBl., 191) § 8, ebenda § 38 dem Vorstand der Landesbank und Girozentrale Schleswig-Holstein; dem Vorstand der Versicherungsanstalt, R V O § 1343. Der Vorstand öffentlichrechtlicher Körperschaften wird in der Regel Behördeneigenschaft haben 36 ). Als Behörden sind anerkannt worden: die Landschaftsdirektionen 3 7 ), das Berliner Pfandbriefamt' 8 ), der Vorstand eines zum kommunalen Bankbetriebe gegründeten Zweckverbandes 38 ) der Deutschen Girozentrale — Deutschen Kommunalbank 4 0 ), der Landesbank f ü r Westfalen, Girozentrale 4 1 ), Sparkassenvorstände 42 ), Gemeindevorstände 4 3 ), der ev. Gemeindekirchenrat 44 ), kath. Kirchengemeinden 46 ), ev. und kath. Pfarrämter 4 6 ), die Verwaltung einer ortskirchlichen Stiftung 4 '), der Vorstand einer ö f fentlichrechtlidien oder von einer öffentlichen Behörde verwalteten Stiftung 4 8 ), der Präfekt einer kath. Bruderschaft 49 ) der beamtete Arzt 5 0 ), der Vorstand einer Synagogengemeinde 51 ), Vorstände der Knappschaften 5 2 ) Vorstände von ständischen Kammern und In-
30 31
) Zimmermann aaO., S. 141, 145; Keidel Anm. 22.
) KG OLGR 7, 188; Ebert-Dudek-Lindemann FGG2 S. 87; vgl. auch VGH Kassel NJW 1960, 1317. 32 ) BayObLGZ 1956, 339; Keidel Anm. 22. 33 ) KG FamRZ 1957, 185; BGH FamRZ 1957, 360; BayObLGZ 1959, 33/34; Düsseldorf OLGZ 1965, 355 = FamRZ 1965, 289; KG OLGZ 1966, 244 = FamRZ 1966, 375. 34 ) Hamburg MDR 1953, 689; BGHZ 27, 146 = LM § 29 FGG Nr. 5 mit Anm. v. Asdier = EJF B II Nr. 16 mit Anm. v. Hock; KG FamRZ 1964, 325; Sdilegelberger Anm. 4; Zimmermann aaO. S. 146; Keidel Anm. 23; a. M. KGJ 46, 176; München JFG 17, 295. 35 ) RGSt. 18, 246; KG JFG 14, 220; BayObLGZ 1954, 325; BGHZ 3, 110 = LM § 29 FGG Nr. 1 mit Anm. v. Asdier; BGHZ 25, 186; vgl. auch Büß, DOV 1959, 293; Gerth, DOV
36
)
") 38 ) 39 ) 40 ) 41 ) 42 ) 43 ) 44 ) 45 ) 4 «) ") 48 ) 49 ) 5 ») 51 ) 52 )
1959, 849, Sdilegelberger Anm. 4; Keidel Anm. 19. KG JFG 6, 247; 8, 308; BayObLGZ 1954, 329. KGJ 25 A 93; 53, 203. KGJ 29 A 112. KG JFG 4, 262. KG JFG 6, 244. Hamm JMB1NRW 1963, 116. KGJ 42, 1. KGJ 42, 36, 47; BayOblG OLGR 37, 242. RGZ 59, 329. Braunschweig FamRZ 1962, 193. BayObLG JW 1925, 2141; JFG 8, 79. BayObLGZ 1956, 341. KGJ 35 A 217. BayObLGZ 1954, 322. BayObLG JFG 12, 151. KG JFG 5, 147. Hamm JMB1NRW 1954, 106.
Freiwillige Gerichtsbarkeit nungen 5 3 ). Die Behördeneigenschaft der Vorstände der Industrie- und H a n d e l s k a m m e r n ist jetzt wieder anzuerkennen, G zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und H a n delskammern v. 18. 12. 1956 (BGBl. I, 920) § 3 Abs. I) 5 4 ) ebenso der Vorstände der H a n d werkskammern (vgl. §§ 90, 109, 114 H a n d w e r k s O ) . Die beauftragten Stellen nach L A G § 139 gelten, wenn sie die ihnen durch die 4. AbgabenDV-LA v. 8. 10. 1952 (BGBl. I, 662) übertragenen Aufgaben wahrnehmen, als Behörden, 5. A b g a b e n D V - L A v. 21. 8. 1953 (BGBl. I, 1030) § 9. Streitig ist die Behördeneigenschaft der Sozialversicherungsträger, insbesondere der Allgemeinen Ortskrankenkassen 5 5 ) und der Geschäftsleitung der Bundesversicherungsanstalt f ü r Angestellte 5 6 ); richtigerweise ist ihre Behördeneigenschaft anzuerkennen. Keine Behördeneigenschaft haben juristische Personen des Privatrechts (Heimstätten-GmbH) 5 7 ), selbst wenn ihnen öffentliche Aufgaben übertragen sind 58 ). Ausländische Behörden, wie der Generalkonsul eines ausländischen Staates, können die Befugnisse aus § 29 Abs. 1 Satz 3 nicht in Anspruch nehmen 5 9 ). 13
b) Ausübung des behördlichen Beschwerderechts. Form. Z u r Einlegung der weiteren Beschwerde namens der Behörde ist nicht nur deren Leiter oder Stellvertreter im Amt, son90 dern auch der zuständige Sachbearbeiter befugt ). Das J u g e n d a m t als A m t s v o r m u n d kann die weitere Beschwerde namens des Mündels durch den mit der W a h r n e h m u n g der vormundschaftlichen Obliegenheiten nach § 37 Abs. 2 J W G betrauten Beamten einlegen 61 ). Ebenso aber wie die Unterzeichnung der Beschwerdeschrift kein Wirksamkeitserfordernis f ü r die Einlegung der ersten Beschwerde ist, auch wenn sie von einer Behörde eingelegt wird 6 2 ), m u ß die Beschwerdeschrift der Behörde auch bei Einlegung der weiteren Beschwerde, anders als bei Einlegung durch Anwaltsschriftsatz, nicht notwendig unterzeichnet sein 63 ), sofern die Beschwerdeschrift mit dem Willen mindestens des Sachbearbeiters an das Gericht gelangt ist. Deswegen reicht es in jedem Fall aus, wenn eine von der Kanzlei der Behörde beglaubigte Abschrift der mit der Unterschrift des Sachbearbeiters versehenen Beschwerdeschrift eingereicht wird 6 4 ). Bedient sich die Behörde eines rechtsgeschäftlichen Vertreters, der keine Behörde ist, so k o m m t ihr das Vorrecht des Satzes 3 nicht zugute 6 5 ).
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3. Beschwerdeschrift von Notaren. Die Postulationsfähigkeit zur Einlegung der weiteren Beschwerde ist den N o t a r e n neben den Rechtsanwälten mit Rücksicht auf diejenigen N o t a r e eingeräumt worden, die nicht zugleich Rechtsanwälte sind 66 ). Die Vorschrift gilt f ü r alle bundesrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und steht nur unter dem allgemeinen Vorbehalt des § 1 „soweit nicht ein anderes bestimmt ist". Gesetzliche Ausnahmen dieser A r t enthalten diejenigen Vorschriften, welche die Fähigkeit zur Einlegung von Rechtsmitteln (es handelt sich überwiegend um Beschwerden in echten Streitsachen) unter 53) Wolff VerwR II § 76 I d 2. ) Karlsruhe Rpfleger 1963, 204; Keidel Anm. 20; zweifelnd Frentzel-Jäkel, Komm. z. I H K G , S. 99; vgl. zum früheren Recht K G J 40, 217; Karlsruhe JFG 1, 183; München JFG 20, 225; Düsseldorf D N o t Z 1957, 417. 55 ) Verneinend B G H Z 25, 186; bejahend May N J W 1957, 1922; Kosack JR 1958, 8; Martens N J W 1964, 852; Wolff VerwR II § 76 I d 2. 56 ) Verneinend B G H Z 40, 225; Keidel Anm. 20; bejahend Haueisen N J W 1964, 867; Martens N J W 1964, 852. 5 ' ) K G JFG 14, 220. 58) B G H Z 3, 110. 5 ») München JFG 20, 133; Sdilegelberger Anm. 3 a. E. 00) Köln 7. 10. 53 ( N J W 1728), Vorlagebesdiluß, mit B G H 11. 11. 53 (LM § 72 JWG Nr. 1 = N J W 108 = JZ 55 = SchlHA 12 = ZBlJR 87, je 1954), BayObLG 8. 6. 56 (Z 198), KG 3. 1. 57 (Fam R Z 185), Vorlagebesdiluß, mit B G H 13. 7. 57 (FamRZ 360);
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Keidel Anm. 24; BayObLGZ 1959, 301, 304; in übertragenen Sachen namens des A G auch der Rechtspfleger, H a m m Rpfleger 1960, 92. Düsseldorf O L G Z 1965, 355 = FamRZ 1965, 289; KG OLGZ 1966, 244 = FamRZ 1966, 375; Keidel Anm. 20; vgl. auch B G H Z 45, 362. K G JFG 19, 139; vgl. § 21 Rdn. 4. München JFG 21, 1; B G H Z 48, 88 = N J W 1967, 2059; ebenso schon früher Unger ZZP 42, 112 Fn. 19; Schultzenstein ZZP 27, 572; Josef F G G 2 § 29 Anm. 7. KG JW 1927, 2930; B G H Z 48, 88 = N J W 1967, 2059 auf Vorlegung des KG in W M 1967, 81; ebenso im Verwaltungsprozeß BVerwG GS BVerwGE 10, 1; a. M. (Urschrift der Unterzeichnung fordernd) H a m m N J W 1956, 1116 = JMB1NRW 1956, 40; Zimmermann Rpfleger 1958, 209, 231; Keidel Anm. 24. München JFG 15, 124. Vgl. zur Enstehungsgesdiichte Unger ZZP 42, 115; Jansen, D N o t Z 1964, 707, 709.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Ausschluß des Notars allein dem Rechtsanwalt vorbehalten (z. B. § 29 LwVG, § 34 Abs. 2 WBG, § 57 AKG, § 99 Abs. 3 Satz 4 AktG u. a.). Dagegen wird die verfahrensrechtliche Befähigung des Notars zur Einlegung von Rechtsmitteln nicht begrenzt durch Vorschriften des notarischen Berufsrechts, insbesondere die §§ 14, 24 Abs. 1 BNotO; ebenso wie bei einem Rechtsanwalt hängt die Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen des Notars nicht davon ab, ob der Notar bei der Ausübung seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse seine Standespflichten beachtet hat 67 ). Noch weniger können Verfahrenshandlungen eines Notars wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 8 RBerG nach § 134 BGB nichtig sein, da dieses Gesetz auf die Berufstätigkeit der Notare keine Anwendung findet, im übrigen Verstöße gegen dieses Gesetz nicht die Unwirksamkeit der Verfahrenshandlung nach sich ziehen 68 ). Wegen des persönlichen Anwendungsbereichs des § 29 Abs. 1 Satz 3, insbesondere bei einem Wechsel im Notaramt, vgl. § 129 Rdn. 3. a) Voraussetzungen. Der Notar muß in der Angelegenheit, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt haben. Der Notar ist mithin dem Rechtsanwalt in der Fähigkeit zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht vollständig gleichgestellt; denn während der Rechtsanwalt in jeder Lage des Verfahrens namens eines der Beteiligten auftreten kann, also auch erstmals im dritten Rechtszuge durch Einlegung der weiteren Beschwerde, muß der Notar stets schon im ersten Rechtszuge einen Antrag gestellt haben. Es genügt nicht, wenn der Notar erst im Beschwerdeverfahren tätig wird, mag er auch die erste Beschwerde gegen die Verfügung des Amtsrichters beim Amtsgericht eingelegt haben und dieses, weil die Beschwerde unbefristet war, zur Abhilfe befugt gewesen sein6®). H a t er andererseits für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt, so ist es für die Fähigkeit des Notars zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht erforderlich, daß er auch bei der Einlegung der ersten Beschwerde mitgewirkt hat 70 ). Ferner kann der Notar die weitere Beschwerde nur namens des oder der mehreren Beteiligten einlegen, für den oder für die er den Antrag im ersten Rechtszuge gestellt hat, nicht namens anderer Beteiligter. Die Stellung eines Antrags liegt auch darin, daß der Notar die in den Urkunden bereits enthaltenen Anträge der Beteiligten bei Vorlegung der Urkunden oder im weiteren Verlauf des ersten Rechtszuges wiederholt 71 ), mag dies auf Grund gesetzlich vermuteter (§ 13 Rdn. 45) oder besonders erteilter Vollmacht geschehen sein72). Reicht der Notar die Urkunden mit den Anträgen der Beteiligten nur „zum Vollzuge" ein73) oder „zur weiteren Veranlassung" 74 ), so gilt er nur als Bote und ist zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht berechtigt 75 ). Die Wendung „mit der Bitte, den gestellten Anträgen stattzugeben", ist wohl als Wiederholung des Antrags der Beteiligten anzusehen 76 ). In jedem Fall genügt es, wenn der Notar zwar nicht den das Verfahren einleitenden Antrag, aber irgendeinen den Verfahrensbetrieb betreffenden Antrag gestellt hat, z. B. um gerichtliche Entscheidung gebeten 77 ) oder zu Beanstandungen des Gerichts Ausführungen gemacht78) oder gegen eine Verfügung des Rechtspflegers Erinnerung eingelegt79) hat. H a t der Notar einen Antrag im ersten Rechtszuge gestellt, so ist es für seine Befähigung zur Einlegung der weiteren Beschwerde unerheblich, ob er zur Stellung des Antrags auf Grund einer gesetzlich vermuteten oder rechts67
) Jansen DNotZ 1964, 707, 714 ff. gegen Stuttgart DNotZ 1964, 738 ff. = Die Justiz 1964, 119; zust. Keidel Anm. 24 a; im Ergebnis auch Habsdieid, NJW 1964, 1502, der jedoch annimmt, daß die Postulationsfähigkeit des Notars nach § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG durch § 24 BNotO begrenzt werde. «8) Habsdieid NJW 1964, 1502 zu II 2; Jansen DNotZ 1964, 707, 712 ff.; Keidel Anm. 24 a; a. M. Stuttgart DNotZ 1964, 734 u. 738; vgl. allgemein § 13 Rdn. 35. ••) BayObLGZ 2, 213 = RJA 2, 107 = KGJ 22 D 3; BayObLGZ 11, 567, 569; Unger ZZP 42, 118; Schlegelberger Anm. 5; Keidel Anm. 25; Seybold-Hornig BNotO 4 § 24 Anm. 9; Jansen DNotZ 1964, 707, 711.
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°) Unger ZZP 42, 118. ) KGJ 44, 173; RG JW 1929, 741; BayObLGZ 31, 443 = JFG 9, 201; 1952, 272; Jansen DNotZ 1964, 707, 708. 72 ) München DNotZ 1938, 172. 73 ) München JFG 15, 122. 74 ) KG JW 1937, 114. 7ä ) BayObLGZ 1952, 272; a. M. anscheinend BayObLGZ 1959, 255, 258. 7 «) KG DNotZ 1933, 372; a. M. München JFG 22, 33. 77 ) BayObLGZ 1952, 19. 75 ) BayObLGZ 1951, 511. 7 ») BayObLGZ 1967, 70 = DNotZ 1968, 35. 71
Freiwillige Gerichtsbarkeit geschäftlich erteilten Vollmacht berechtigt war 60 ). Audi braucht er keine Erklärungen beurkundet oder beglaubigt zu haben 81 ). Außer nach § 29 Abs. 1 Satz 3 kann dem Notar die Befähigung zur Einlegung weiterer Beschwerden in Grundbuchsachen und in Sachen des Schiffs-, Handels-, Vereins-, Genossenschafts- und Güterrechtsregisters unter anderen Voraussetzungen auch nach §§ 80 Abs. 1 Satz 3 GBO, 88 Abs. 1 Satz 3 SchiffsRegO, 129 Satz 2, 147 Abs. 1, 159, 161 Abs. 1 FGG zustehen; vgl. über das Verhältnis dieser Vorschriften zu § 29 Abs. 1 Satz 3, § 129 Anm. C. Die Befugnis aus § 29 Abs. 1 Satz 3 steht dem Notar auch zu, wenn er in amtlicher Eigenschaft im eigenen Namen weitere Beschwerde eingelegt 92 ). 16
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b) Form. Ebenso wie bei der Einlegung der weiteren Beschwerde durch eine Behörde (Rdn. 13), braucht auch die Beschwerdeschrift des Notars nicht notwendig unterzeichnet zu sein; es ist also unschädlich, wenn die Unterzeichnung versehentlich unterblieben ist oder nicht den Anforderungen entspricht, die an eine formgerechte Unterzeichnung zu stellen sind (Rdn. 8) M ). 4. Verhältnis der Postulationsfähigkeit zur Vertretungsbefugnis. Von der Postulationsfähigkeit, also der Fähigkeit, Verfahrenshandlungen prozessual wirksam in das Verfahren einzuführen, zu unterscheiden ist die Vertretungsmacht. Das Vorhandensein dieser Fähigkeit macht eine gesetzlich vermutete oder wirklich erteilte (wenn auch nicht notwendig nachzuweisende) Verfahrensvollmacht nicht entbehrlich und der Mangel der Postulationsfähigkeit berührt nicht die Wirksamkeit der erteilten Verfahrensvollmacht 84 ). Auch der Notar, der nach Maßgabe der §§ 29 Abs. 1 Satz 3, 129 Satz 2 FGG, 80 Abs. 1 Satz 3 GBO usw. postulationsfähig ist, bedarf einer Vollmacht des von ihm vertretenen Beschwerdeführers, entweder der vermuteten Vollmacht nach § 15 GBO, § 25 SchiffsRegO, § 129 FGG oder einer rechtsgeschäftlich wirklich erteilten. Außerhalb der gesetzlichen Vollmachtsvermutungen haben auch der Notar und der Rechtsanwalt, der die Beschwerdeschrift nicht nur unterzeichnet, sondern die Beschwerde namens des Beschwerdeführers auch eingelegt hat, wie jeder andere Bevollmächtigte auf Verlangen (§ 13 Satz 3) die Bevollmächtigung nachzuweisen 85 ). Allerdings wird das Beschwerdegericht auch außerhalb der gesetzlichen Vollmachtsvermutungen von dem Nachweis der Vollmacht in der Regel absehen können, wenn ein Notar oder ein Rechtsanwalt die Beschwerde eingelegt hat, weil von diesen auf Grund ihrer beruflichen Stellung zu erwarten ist, daß sie nicht ohne Vollmacht handeln 86 ). Der Rechtsanwalt, der die Beschwerdeschrift unterzeichnet, bedarf im übrigen einer Vollmacht nicht für diesen Akt, sondern nur, wenn er außerdem die Beschwerdeeinlegung dem Gericht gegenüber erklärt, was zwar in der Regel der Fall sein wird, im Gegensatz zur Beschwerdeführung durch Behörden und Notare aber gesetzlich nicht notwendig ist; der Beschwerdeführer kann die Beschwerdeerklärung unter Vorlegung der von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift auch selbst abgeben, so daß der Rechtsanwalt nicht zugleich sein Verfahrensbevollmächtigter ist87). Deshalb ist es nicht richtig, das Erfordernis der Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt als „Anwaltszwang" zu bezeichnen, dessen Bedeutung im Zivilprozeß (§ 78 Abs. 1 ZPO) umfassender ist 88 ).
II. Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle 1. 18
Zuständigkeit
a
) Zuständige Geschäftsstelle. Nach § 29 Abs. 4 i. V. m. § 21 Abs. 2 kann auch die weitere Beschwerde zum Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, und zwar gemäß dem 8
°) KG H R R 1933 N r . 949; München JFG 20, 130; JFG 23, 324; Keidel Anm. 25. 81 ) Keidel Anm. 25; Jan-.en D N o t Z 1964, 707, 709. 82 ) Colmar R J A 2, 151 •-= K G J 23 D 3; K G JFG 17, 259; Unger ZZP 42, 118; Sdilegelberger Anm. 5; Keidel Anm. 26; a. M. Josef 2 Anm. 5; Wellstein 2 Anm. 3 c ß; EbertDudek-Lindemann 2 Anm. 2 a ß. 8S ) Sdiultzenstein Z Z P 27, 572; Unger Z Z P 42, 112; Josef 2 § 29 Anm. 7.
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«*) RosenbergZPR 9 § 50 II 5; Blomeyer ZPR § 9 I I I 4; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 9 § 80 II 4; Jansen, D N o t Z 1964, 707, 710. 85) KG R J A 4, 135; Sdilegelberger Anm. 5. 8 «) KG JW 1938, 1834; BayObLGZ 1959, 255, 257; Jansen D N o t Z 1964, 707, 710. Unger ZZP 42, 114 zu Fn. 24; auch Wellstein 2 Anm. 3 b. 88 ) So aber Keidel Anm. 13; wie hier Unger ZZP 42, 114 Fn. 24.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften ersten Satz des § 29 bei der Geschäftsstelle jedes der dort genannten drei Gerichte ( K B 24 zu § 20), nicht aber bei der Geschäftsstelle eines anderen Gerichts 89 ), auch nicht, wenn sie von dem zuständigen Gericht um die Entgegennahme ersucht worden ist 9 0 ). Nach § 7 Abs. 4 FrEntzG kann ein Anstaltsverwahrter die weitere Beschwerde in der Freiheitsentziehungssache auch bei dem Amtsgericht des Anstaltsortes einlegen. Diese Vorschrift ist auch bei der Genehmigung der Unterbringung nach § 1800 Abs. 2 B G B und in landesrechtlichen Verwahrungs- und Unterbringungssachen entsprechend anzuwenden, wenn es sich um die Einlegung eines Rechtsmittels in diesen Sachen handelt, nicht aber in anderen Angelegenheiten des Verwahrten (oben Anm. Rdn. 4). Über Einlegung des Rechtsmittels nach Abgabe der Sache an ein anderes Gericht vgl. § 21 Rdn. 3; vgl. auch § 7 Rdn. 34. b) Funktionelle Zuständigkeit. Für die Entgegennahme der Beschwerdeerklärung zuständig ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. Nach landesrechtlichen Ausführungsvorschriften zu § 153 G V G ist diese Aufgabe durchweg den Beamten des gehobenen Dienstes vorbehalten. Diese Zuständigkeitsabgrenzung hat auch Wirkung nach außen, so daß die Entgegennahme der Erklärung zum Protokoll eines Beamten des mittleren Dienstes oder eines Justizangestellten unwirksam ist, weil dann ungewiß ist, ob der Beschwerdeführer denjenigen rechtlichen Beistand findet, der ihm nach dem Willen des Gesetzgebers zuteil werden soll 91 ). Welche Abteilung der nach § 153 G V G einheitlichen Geschäftsstelle des Gerichts tätig geworden ist, ist unerheblich; Geschäftsstelle ist auch die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes ordnungsgemäß besetzte Rechtsantragsstelle 92 ). Unzulässig ist die Einlegung zum Protokoll des Richters, da diesem die funktionelle Zuständigkeit fehlt 9 3 ), auch wenn ein Urkundsbeamter hinzugezogen war 9 4 ). 2.
Niederschrift
a) Gestaltung der Beschwerdeerklärung. Durch die Beschränkung der Postulationsfähigkeit, die darin liegt, daß der Beschwerdeführer bei der Einlegung der weiteren Beschwerde an die Mitwirkung eines Rechtsanwalts oder Urkundsbeamten gebunden ist, soll erreicht werden, daß einerseits der Beschwerdeführer in seinem Interesse bei der Anbringung seines Rechtsmittels sachgemäß beraten, andererseits das Rechtsbeschwerdegericht davor bewahrt wird, sich mit weitschweifigen, offensichtlich unzulässig begründeten und in ungehöriger Form vorgebrachten Rechtsmitteln befassen zu müssen. Die Beteiligung des Urkundsbeamten darf sich daher nicht auf eine bloß formelle Beurkundung des von dem Beschwerdeführer Vorgebrachten beschränken, sondern der U d G hat den Beschwerdeführer über die Besonderheiten der Rechtsbeschwerde zu belehren, die vorgebrachten Einwände gegen die Entscheidung und das Verfahren des Tatsachenrichters zu sichten, unsachliche Ausführungen auszuscheiden und den verbleibenden Rechtsbeschwerdegründen eine klare und angemessene Form zu geben. Diese Aufgabe erfüllt der Urkundsbeamte nicht, wenn er die Beschwerdeerklärung nur äußerlich und mechanisch in die Form einer protokollarischen Erklärung kleidet, indem er etwa eine von dem Beschwerdeführer übergebene Privatschrift lediglich durch Hinzufügung der Eingangs- und Schlußworte in Protokollform bringt 9 5 ) oder wenn das Protokoll der Geschäftsstelle auf eine beigefügte Privatschrift lediglich Bezug nimmt 9 0 ) oder ») KGJ 20 A 3 = RJA 1 , 1 ; BayObLG OLGR 6, 483; BGH LM § 29 FGG Nr. 10 = NJW 1965, 1182 = Rpfleger 1965, 140 (nicht beim AG des Haftorts); Keidel Anm. 28. •») München JFG 22, 355; Müller DRM 1940, 137; Keidel NJW 1953, 1189; Sdilegelberger Anm. 1; a. M. BayObLGZ 23, 181; München JFG 16, 138. 9 1 ) BGH NJW 1952, 1386 = Rpfleger 1952, 590; BayObLGSt. 1953, 11 = Rpfleger 1953, 252; Celle NdsRpfl. 1951, 91; Hamm JMB1NRW i960, 35; Schmidt Rpfleger 1962, 301 zu I I I ; Keidel Anm. 29. 2 » ) Hamm JMB1NRW 1960, 117 = Rpfleger 1960, 214.
8
) KGJ 20 A 145 = R J A 1, 41; RGZ 110, 311 = JW 1925, 1375 mit Anm. v. Josef; München JFG 14, 68; BGH LM § 29 FGG Nr. 4 = NJW 1957, 990 = J Z 1957, 511 = FamRZ 1957, 257 = Rpfleger 1957, 346 mit Anm. v. Keidel; Stuttgart Die J 1961, 311; Sdilegelberger Anm. 6; Keidel Anm. 30. «4) BGH aaO. ; Keidel Anm. 30; a. M. zum Strafprozeß RG D J 1934, 1193 = J W 1934, 2073; Schmidt Rpfleger 1962, 301 zu III 2. 9 5 ) KGJ 22 A 202; KG R J A 2, 209; Hamburg OLGR 28, 330; RGZ 101, 426; vgl. aber KG RJA 13, 65. 9 6 ) KG OLGR 25, 397; BayObLG OLGR 25, 396; Dresden J F G 5, 66. 93
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Freiwillige Gerichtsbarkeit ihren Inhalt mechanisch nur wörtlich wiederholt®7) oder vom Beschwerdeführer diktiert ist 98 ). Ergibt sich hierbei, daß der UdG sich zum kritiklosen Schreiber des Beschwerdeführers hergegeben hat, so ist das Rechtsmittel unzulässig. Hieraus darf aber nicht grundsätzlich gefolgert werden, daß jede nach Form und Inhalt den Angaben des Beschwerdeführers entsprechende Beschwerdeerklärung wirkungslos ist. Es steht nichts entgegen, daß der Urkundsbeamte sich einer von dem Beschwerdeführer stammenden Fassung bedient, die er nach Prüfung ihrer Sachdienlichkeit und Zweckmäßigkeit für gut befunden hat, weil sie das enthält, was nach seiner Meinung zu einer ordnungsmäßigen Einlegung und Begründung der Beschwerde vorgebracht werden kann, und er keinen Anlaß gefunden hat, der Beschwerde eine andere Fassung zu geben"). Wenn insofern Zweifel bestehen, sind darüber im Wege des Freibeweises unter Wahrung des rechtlichen Gehörs Ermittlungen anzustellen 100 ). Wenn ferner der Urkundsbeamte die Erklärung, daß weitere Beschwerde eingelegt werde, beurkundet, und als Begründung eine dem Protokoll beigefügte oder einverleibte Eingabe des Beteiligten kritiklos verwendet hat, so hat er seine Aufgabe zwar gröblich verkannt, die weitere Beschwerde ist aber, zumal sie ohnehin keiner Begründung bedarf, wirksam eingelegt und nur die Begründung unbeachtlich101). Die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung wird gleichwohl in jeder Hinsicht von Amts wegen geprüft. Kam es allerdings dem Beschwerdeführer entscheidend darauf an, daß die Beschwerde unbesehen in der von ihm für richtig gehaltenen Fassung zu Protokoll gebracht werde, ist die Beschwerdeeinlegung insgesamt unwirksam 102 ). Andererseits darf der Urkundsbeamte dem Beschwerdeführer den Zugang zum Gericht nicht dadurch verschließen, daß er die Protokollierung überhaupt ablehnt, weil er das Rechtsmittel für aussichtslos hält und das Vorbringen keinen zulässigen Rechtsbeschwerdegrund darstellt. Den sachlichen Kern des Vorbringens hat er auch in diesem Fall im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten in die geeignete Form zu bringen 103 ). Allenfalls kann er, um zu belegen, daß er seiner Belehrungs- und Prüfungspflicht genügt habe, den verfahrensrechtlich bedeutungslosen Vermerk beifügen, daß die Protokollierung dem Verlangen des Beschwerdeführers entspreche; die Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung wird dadurch nicht in Frage gestellt 104 ). b) Form der Niederschrift. Wegen der Form der Niederschrift gelten zunächst die Bern, zu § 21 Rdn. 9. Wesentlich ist auch hier die Bezeichnung des Gerichts und die eigenhändige Unterschrift des Urkundsbeamten. Ohne Unterschrift ist das Protokoll ein unbeachtlicher Entwurf. Die Unterschrift kann zwar nachgeholt werden; die Nachholung wirkt aber nicht zurück, so daß bei befristeten Rechtsmitteln die Beschwerdefrist bei Nachholung nach Ablauf der Frist versäumt ist 105 ). Die Qualifikation des UdG als Beamten des gehobenen Dienstes (Rdn. 19) braucht nicht aus dem Protokoll selbst ersichtlich zu sein100). Unterschrift und Feststellung der Genehmigung durch den Beschwerdeführer sind nicht erforderlich. Werden aber Genehmigung oder Unterschrift verweigert, so kommt es auf den Grund der Weigerung an, ob die Beschwerde als eingelegt angesehen werden kann; kommt darin zum Ausdruck, das der Beschwerdeführer den Inhalt der Niederschrift nicht gelten lassen will, ) K G J 53, 1. ° e ) R G Z 150, 15 = J F G 13, 222; BVerfGE 10, 274 = N J W i960, 427 = Rpfleger 1960, 206. B6) R G Z 150, 15 = J F G 13, 222, 225, 226; Hesse-Saage-Fisdier GBO 4 § 80 Anm. II 1; Meikel-Imhof-Riedel GBO 5 § 80 Anm. 4 ; Henke-Möndi-Horber GBO« § 80 Anm. 4 B ; vgl. zum Strafprozeß RG J W 1909, 336; RG Recht 1912, 160 = Warn Jb. 1912, 178; Oldenburg N J W 1952, 908; Sdimid, Rpfleger 1962, 301, 307; zu eng daher RGZ 101, 426; K G J 53, 1 und 3 (Entwurf des Richters) die durch RGZ 150, 15 überholt sein dürften. 1 0 0 ) BVerfGE 10, 274; Sdimid, Rpfleger 1962, 301, 310. 0 1 1 ) K G R J A 13, 6 5 ; BayObLGZ 1952, 4 ; Keidel Anm. 2 9 ; a. M. K G J 53, 1. 97
) R G Z 150, 15 = J F G 13, 222, 2 2 7 ; Keidel Anm. 29. 1 0 3 ) RG J W 1925, 2779; J W 1 9 3 1 , 1 7 6 0 ; B V e r f G E 10, 2 7 4 , 2 8 3 ; Bremen Rpfleger 1967, 423 (zum Strafprozeß). 1 0 4 ) RG J W 1925, 2779; J W 1931, 1760; Bremen Rpfleger 1967, 423; Schmid Rpfleger 1962, 301, 309; Pentz MDR 1962, 532 ff. 1 0 5 ) RG Recht 1903, 2416; Königsberg J W 1930, 1526, 2816; vgl. BVerwG N J W 1956, 1811 u. MDR 1962, 161; Sdimid Rpfleger 1962, 30 zu IV 1. 106) Vgl. zu derselben Frage in Bezug auf die Eigenschaft als Rechtsanwalt oben Anm. D 1 b; Schmid Rpfleger 1962, 301 zu III 2.
102
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
29
so ist das Reditsmittel nicht wirksam eingelegt; anders, wenn er die Weigerung darauf stützt, daß seine Ausführungen nicht sämtlich oder nicht in der von ihm gewünschten Form angebracht seien.
D. Inhalt der Beschwerdeerklärnng
22
Für den Inhalt der weiteren Beschwerde gelten die Bern, zu § 21 Rdn. 7 über den Inhalt der ersten Beschwerde entsprechend. Ebenso wie die erste Beschwerde braucht auch die weitere Beschwerde weder einen Antrag nodi eine Begründung zu enthalten 107 ). Es ist weder die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm noch überhaupt die Behauptung einer Gesetzesverletzung erforderlich (§ 27 Anm. F). Tatsachen, welche ergeben, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt ist, können berücksichtigt werden, auch wenn sie abweichend von § 561 Abs. 1 Satz 2, § 554 Abs. 3 Nr. 2b Z P O nicht in der Beschwerdebegründung bezeichnet sind (§ 27 Rdn. 40). Ausnahmsweise besteht Begründungszwang für die Rechtsbeschwerde nach §§ 26 Abs. 2, 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG (vgl. Vorbem. 2a vor § 19).
E. Umfang des Formerfordernisses
23
Die Beschränkung der Postulationsfähigkeit durch § 29 Abs. 1 gilt nur für die Einlegung der weiteren Beschwerde und der Anschlußrechtsbeschwerde (§ 22 Rdn. 14) und nach dem Zweck der Regelung für nachgeschobene Begründungen, nicht aber für weitere Verfahrenshandlungen, wie die Zurücknahme der weiteren Beschwerde und den Verzicht auf dieses Rechtsmittel 108 ) oder für Anträge auf Erlaß einstweiliger Anordnungen (§ 24 Abs. 3). Audi der Beschwerdegegner unterliegt bei seinem Vorbringen keinen Beschränkungen (anders § 29 LwVG). Für das Wertpapierbereinigungsverfahren wird angenommen, daß die Zurücknahme der Beschwerde nur durch die Anmeldestelle oder einen Rechtsanwalt erklärt werden könne 108 ).
F. Sofortige weitere Beschwerde (Abs. 2)
24
Die weitere Beschwerde ist, ebenso wie die erste Beschwerde, grundsätzlich unbefristet. Für gewisse Fälle ist jedoch die weitere Beschwerde nur als sofortige zugelassen: 1. Die weitere Beschwerde ist eine sofortige gegen alle Beschwerdeentscheidungen, die auf eine sofortige erste Beschwerde ergangen sind, und zwar sowohl wenn dieses Rechtsmittel zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen worden ist, als auch wenn die Verfügung erster Instanz aufgehoben worden ist, selbst wenn die abändernde Beschwerdeentscheidung einen Inhalt hat, bei welchem eine Verfügung erster Instanz gleichen Inhalts der unbefristeten Beschwerde unterworfen wäre. Das ist der Sinn des § 29 Abs. 2 110 ). Wird mithin eine in erster Instanz angeordnete vorläufige Vormundschaft auf sofortige Beschwerde (§ 60 Abs. 1 N r . 5) vom Landgericht aufgehoben, so ist die weitere Beschwerde dagegen eine sofortige. Dieser Grundsatz gilt auch für das Beschwerdeverfahren nach § 49 PStG in Personenstandssachen (§ 49 PStG Anm. 2 bei § 7 0 FGG) und im Fürsorgeerziehungsverfahren 110 "). 2. Die weitere Beschwerde ist ferner, auch wenn die erste Beschwerde keine sofortige war, eine sofortige gegen alle Beschwerdeentscheidungen, die nach ihrem Inhalt, wenn sie als erstinstanzliche Verfügungen ergangen wären, der sofortigen Beschwerde unterlägen oder die das Amtsgericht zu einer Verfügung anweisen, die der sofortigen Beschwerde unterliegt 111 ). H a t z. B. das Amtsgericht im handelsregistergerichtlichen Ordnungsstrafverfahren dem Einspruch stattgegeben, das LG aber auf unbefristete Beschwerde diese Verfügung aufgehoben, den Einspruch verworfen und die Ordnungsstrafe festgesetzt (§ 135 Abs. 2), so I07
) Unger ZZP 42, 119; Sdilegelberger Anm. 9; Keidel Anm. 32. ®) BayObLGZ 1964, 448, 450; Keidel Anm. 34. 109 ) Frankfurt WM 1954, 288; Keidel Anm. 34. 110 ) KGJ 21 A 3 = RJA 2, 1 ; BayObLG OLGR 28, 331; KG JFG 19, 95; Unger ZZP 42, 105; Schlegelberger Anm. 7; Keidel Anm. 38. 110 *) Düsseldorf ZB1JR 1964, 20; BGHZ 42, 109; 10
115; Staudinger-Göppinger BGB" Anh. zu § 1666 Rdn. 429; a. M. Palandt-Lauterbach BGB" § 67 Anm 5. KGJ 29 A 11; KG OLGR 12, 218; München JFG 14, 42; 15, 344; BayObLGZ 1951, 660; BGHZ 30, 132; KG StAZ 1965, 16; Unger ZZP 42, 107; Sdilegelberger Anm. 7; Keidel Anm. 39.
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25
26
Freiwillige Gerichtsbarkeit findet dagegen die sofortige weitere Beschwerde statt (§ 135 Rdn. 3). Das folgt aus der in § 29 Abs. 4 angeordneten entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die erste Beschwerde und ist überdies in Vormundschaftssachen durch die Verweisung in § 63 auf § 60 besonders ausgesprochen. 27
3. Enthält die Beschwerdeentscheidung Anordnungen, die teils der sofortigen, teils der unbefristeten weiteren Beschwerde unterliegen, so ist das Rechtsmittel nicht einheitlich befristet oder unbefristet. H a t das L G auf Beschwerde den Vormund entlassen und einen neuen ausgewählt, so ist gegen die Entlassung nur die sofortige weitere Beschwerde, gegen die Auswahl die einfache weitere Beschwerde zulässig; ein einheitliches Rechtsmittel ist nicht gegeben 112 ).
28
Gegen die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für Einlegung der ersten Beschwerde findet nach § 22 Abs. 2 Satz 3 die sofortige weitere Beschwerde statt. Dazu § 22 Rdn. 29.
G. Entsprechende Anwendung der Vorschriften über die erste Beschwerde 29
1- Grundsatz. Die für die erste Beschwerde gegebenen Vorschriften über Beginn, Dauer und Bedeutung der Beschwerdefrist sowie über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand finden nach § 29 Abs. 4 auf die weitere Beschwerde entsprechende Anwendung. Über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die sofortige weitere Beschwerde entscheidet nach §§ 29 Abs. 4, 22 Abs. 2 das Gericht der weiteren Beschwerde; diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar 1 1 3 ). 2.
Abweichungen
30
a) In Verschollenheitssachen gilt die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 26 Abs. 1 Satz 2 VerschG auch für die sofortige weitere Beschwerde 114 ). Ebenfalls einen Monat beträgt die Beschwerdefrist für die Rechtsbeschwerde im Landwirtschaftsverfahren nach § 25 L w V G ; diese Rechtsbeschwerde ist beim B G H (BayObLG) einzulegen (§§ 26 Abs. 1, 52 Abs. 3 LwVG).
31
b) Für erste Rechtsbeschwerden an das O L G bestehen Abweichungen sowohl hinsichtlich der Dauer der Beschwerdefrist (§ 22 Rdn. 7) als auch hinsichtlich des für die Entgegennahme zuständigen Gerichts ( § 2 1 Rdn. 2).
32
H. Abhilfeverbot (Abs. 3) Während das Gericht erster Instanz nach dem Erlaß einer sachlichen Beschwerdeentscheidung zu einer Änderung seiner Verfügung auf Grund des § 18 Abs. 1 wegen nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen grundsätzlich befugt bleibt ( § 1 8 Rdn. 6), schließt Abs. 3 diese auf dem Verfahrensrecht beruhende Änderungsbefugnis für die Dauer des Verfahrens der weiteren Beschwerde aus. Diese Regelung hat den Zweck, die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung dadurch zu fördern, daß dem Reditsbesdiwerdegericht die durch die Einlegung des Rechtsmittels bereits gebotene Möglichkeit, eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären, durch eine Änderung der angefochtenen Verfügung nicht soll entzogen werden können 1 1 5 ). Das Änderungsverbot beginnt mit der Einlegung der weiteren Beschwerde und endet mit dem Erlaß der Entscheidung des dritten Rechtszuges. Eine entgegen dem Verbot etwa in Unkenntnis der Rechtsmitteleinlegung vorgenommene Änderung ist unwirksam und muß zurückgenommen werden; die geänderte Verfügung bleibt in Kraft 1 1 6 ). Die Vorschrift hat Bedeutung nur für die unbefristete weitere Beschwerde; für die sofortige weitere Beschwerde ergibt sich das Änderungsverbot bereits aus § 29 Abs. 4 i. V. m. ) K G J F G 12, 126; BayObLGZ 1958, 244, 246; Keidel Anm. 42. 113) R G H R R 1929 Nr. 129; Keidel Anm. 41. " < ) K G MDR 1950, 218; Freiburg J R 1952, 174; Hamm N J W 1954, 724; BayObLGZ 1955, 63, 65; Hamburg MDR 1963, 309; B G H Z 30, 56 = LM § 26 VersdiG Nr. 3 mit Anm. 112
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115
lle
v. Asdier; Arnold Rpfleger 1954, 413, 422; Keidel Anm. 44. ) Unger ZZP 42, 121 unter Hinweis auf die Denksdir. z. GBO u. z. F G G ; Sdilegelberger
Anm. 10; Baur § 24 B III 3.
) § 18 Rdn. 24; Keidel § 29 Anm. 46.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften § 18 Abs. 2 117 ). Ferner ist das Landgericht ohnehin auch vor Einlegung der weiteren Beschwerde zur Änderung seiner Beschwerdeentscheidung nicht befugt, auch wenn die Änderung auf neue Tatsachen und Beweise gestützt wird ( § 1 8 Rdn. 17). Auch das Gericht erster Instanz ist infolge der Ausschließung des § 18 Abs. 1 durch § 29 Abs. 3 während der Dauer des Verfahrens der weiteren Besdiwerde gehindert, seine Verfügung auf Grund neuer Tatsachen zu ändern. Unberührt durch verfahrensrechtliche Normen bleibt aber seine Befugnis, nach Maßgabe des sachlichen Rechts ein Neuregelungsverfahren einzuleiten, z. B. auf Grund des § 1696 BGB, oder, wenn sich die weitere Besdiwerde gegen die Anordnung einer Pflegschaft richtet, die Pflegschaft nach § 1919 BGB aufzuheben, da die Befugnis hierzu von der Verfahrenslage des ersten Verfahrens unabhängig ist 118 ). I. Ä n d e r u n g s b e f u g n i s d e s G e r i c h t s d e r w e i t e r e n B e s c h w e r d e Das Geridit der weiteren Beschwerde ist nicht befugt, seine eigenen Sachentscheidungen auf Grund des § 18 zu ändern 1 1 9 ). Gegenvorstellungen mit diesem Ziel sind daher unzuläs120 sig ). Besdilüsse, durch welche die weitere Beschwerde als unzulässig verworfen wird, können aber geändert werden, wenn sich herausstellt, daß die Verwerfung auf Tatsachenirrtum, nicht wenn sie auf Rechtsirrtum beruht 121 ), z. B. wenn wegen Undeutlichkeit des Datums auf der Zustellungsurkunde die Beschwerdefrist zu Unrecht als versäumt oder die gesetzliche Form nidit als gewahrt angesehen wurde, weil die Eigenschaft des Unterzeichners der Beschwerdeschrift als Rechtsanwalt nicht kenntlich gemacht war. Audi Entscheidungen über die Zurückweisung eines bei ihm gestellten Wiedereinsetzungsantrags kann das Geridit der weiteren Beschwerde auf Grund neuen tatsächlichen Vorbringens ändern (§ 22 Rdn. 28). Ist die weitere Besdiwerde vor Erlaß der Entscheidung zurückgenommen worden, so ist der in Unkenntnis der Rücknahme ergangene Beschluß unwirksam und kann zurückgenommen werden 122 ). Besdilüsse über die Festsetzung des Beschwerdewerts kann das Reditsbeschwerdegeridit nach § § 3 1 Abs. 2, 14 Abs. 2 Satz 3 KostO von Amts wegen ändern. Ist eine weitere Beschwerde wegen eines behebbaren Mangels, z. B. wegen Formmangels, verworfen worden, so ist ihre erneute Anbringung unter Behebung des Mangels gestattet 123 ); in der Zulassung dieses Rechtsmittels liegt keine Änderung der vorausgegangenen Entscheidung, die vielmehr (einschließlich der Kostenfolge) unberührt bleibt, sondern die Entscheidung über ein anderes Rechtsmittel (§ 21 Rdn. 22).
Zuständige
Kammern und Senate der
Beschwerdegerichte
30 Die Entscheidungen ü b e r Beschwerden erfolgen bei d e n Landgerichten durch eine Zivilkammer, bei den Oberlandesgerichten u n d bei dem Bundesgerichtshof durch einen Zivilsenat. Ist bei einem Landgericht eine K a m m e r f ü r Handelssachen gebildet, so tritt f ü r Handelssachen diese K a m m e r a n die Stelle der Zivilkammer. D i e V o r s c h r i f t e n d e s § 137 d e s G e r i c h t s v e r f a s s u n g s g e s e t z e s f i n d e n e n t s p r e c h e n d e Anwendung. Fassung gemäß BGBl. III 315—1 " ' ) Unger ZZP 42, 121 Fn. 46; Wellstein 2 Anm. 6. 118) Vgl. § 18 Anm. B u. Anm. D 4, insbes. zu Fn. 32; nicht erkennbar die Tragweite der Bern, bei Keidel § 29 Anm. 46 a. E. 11B ) BayObLGZ 3, 34 = OLGR 4, 350; BayObLGZ 8, 14; 26, 241; KG RJA 7, 94; Hamburg RJA 6, 167 = OLGR 12, 196; Schultzenstein ZZP 31, 21 Fn. 25; Josef DNotV 7, 291; Josef FGG 2 § 18 Anm. 2; Weißler § 18 Anm. 2 b; Schlegelberger § 18 Anm. 7; Wellstein 2 § 29 Anm. 6; Keidel § 29 Anm. 47, § 18 Anm. 9, einschränkend
120
)
121
)
122
) )
123
dort a. E.; für Besdilüsse der Wiedergutmachungssenate Hamburg NJW/RzW 1960, 109; a. M. Unger ZZP 42, 167. BGH DNotZ 1964, 572 für Beschlüsse des BGH in Notarsachen; Keidel § 18 Anm. 9. Vgl. BGH N J W 1951, 771; KG JW 1928, 1603; BayObLGZ 1951, 355; 1963, 286 (dieses Ergebnis ohne Not auf § 17 HausratsVO stützend); Keidel Anm. 47. BayObLGZ 1965, 347; Keidel % 18 Anm. 9. BayObLGZ 8, 14; 8, 546; BayObLG JW 1935, 2518.
599
Freiwillige Gerichtsbarkeit 1
1. Zuständigkeit der Kammern und Senate. Die Vorschrift des Abs. 1 entspricht den für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten gegebenen Vorschriften der §§ 72, 119 Nr. 2, 113 Nr. 2 GVG, indem sie bestimmt, daß für die Entscheidung über Beschwerden in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den Landgerichten die Zivilkammern zuständig sind, soweit die Entscheidung nicht den Kammern für Handelssachen zugewiesen ist, bei den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof die Zivilsenate. Senate für Handelssachen beim OLG und beim BGH gibt es nicht; welcher Zivilsenat zuständig ist, bestimmt der Geschäftsverteilungsplan (§§ 63, 117, 131 GVG). Soweit diese Gerichte nicht als Beschwerdegerichte, sondern als Gericht erster Instanz tätig werden, ist dasselbe entweder besonders bestimmt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 EGGVG, §§ 98 Abs. 1 Satz 1, 132 Abs.l Satz 2 AktG) oder durch Bezugnahme auf § 30 Abs. 1 geregelt (Art. 7 § 1 Abs. 6 Satz 4 FamRÄndG, § 143 Abs. 1 Satz 2 FGG) oder es ergibt sich beim Schweigen des Gesetzes (§§ 5, 64 FGG) aus der Natur der Sache.
2
2. Besetzung. Gerichtsverfassung. Für die Besetzung der Kammern und Senate sind die Vorschriften des GVG maßgebend. Nach § 2 EGGVG finden zwar die Vorschriften des GVG nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit und deren Ausübung Anwendung, worunter die Gerichtsbarkeit in Straf- und Zivilsachen verstanden wird. Diese Beschränkung ist jedoch nur historisch zu verstehen, da im Jahre 1877 die freiwillige Gerichtsbarkeit noch Landesangelegenheit war. In § 10 Abs. 2 EGGVG i. d. F. der Nov. 1898 (RGBl., 252) wird jedoch die Geltung des GVG auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorausgesetzt, und vor allem ergibt sich daraus, daß das FGG die Bezeichnungen „Amtsgericht", „Landgericht" usw. ohne nähere Erläuterung verwendet, daß darunter nur die durch das GVG geschaffenen Behörden dieses Namens in der durch dieses Gesetz bestimmten Verfassung gemeint sein können 1 ). Der Landesgesetzgeber ist nicht befugt, die Verfassung der in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig werdenden Gerichte abweichend zu regeln, und die auf dem GVG beruhende Verfassung der Gerichte ist auch maßgebend, wenn der Landesgesetzgeber diesen Gerichten Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuweist. Es gelten daher für die Besetzung der Zivilkammern § 75 GVG, der Kammern für Handelssachen § 105 GVG, der Zivilsenate des OLG § 122 GVG und des B G H § 139 Abs. 1 GVG. Das BayObLG entscheidet in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 199) ebenfalls in der Besetzung mit drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden (§ 10 Abs. 2 EGGVG, § 122 GVG, Art. 18 BayAGGVG). Die Kammer für Wertpapierbereinigung ist mit einem Richter und zwei sachkundigen Beisitzern besetzt, für welche die Vorschriften des GVG über H a n delsrichter sinngemäß gelten (§ 30 WGB mit G vom 29. 3. 1951, BGBl. I, 211). In Landwirtschaftssachen ist die Besetzung des OLG als Beschwerdegericht und des BGH (ObLG) abweichend geregelt in §§ 2 Abs. 2, 20, 52 Abs. 1 LwVG. Die Zuständigkeit des Einzelrichters bei den Kollegialgerichten (§§ 75, 105, 122 GVG, §§ 348 bis 350 ZPO) kommt in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht in Betracht 2 ). Über die Einrichtung des beauftragten Richters und die Befugnisse des Berichterstatters s. § 15 Rdn. 5—7.
3
3. Kammern für Handelssachen werden nach § 93 GVG für den Bezirk des Landgerichts oder örtlich abgegrenzte Teile davon nur errichtet, wenn die Landesjustizverwaltung nach ihrem Ermessen ein Bedürfnis dafür anerkennt 3 ). Ist eine Kammer für Handelssachen gebildet, so ist sie für Handelssachen an Stelle der Zivilkammer zuständig.
4
a) Handelssachen sind nicht die in § 95 GVG aufgeführten, sondern die im 7. Abschnitt des FGG behandelten Angelegenheiten (Denkschr. 41 zu §§ 18 bis 29) sowie diejenigen, die durch andere Gesetze den Vorschriften des FGG über Handelssachen unterstellt werden 1) K G J 47, I ; B G H Z 9, 30, 32; Unger ZZP 36, 37; Sdilegelberger 4 vor § 1; Wieczorek Z P O 12 GVG Anm. C I ; Pikart-Henn S. 33. 2 ) Sdilegelberger 6 vor § 1; Keidel § 30 Anm. 7; H w . Müller N J W 1953, 1137 gegen Hamm JMB1NRW 1950, 11. s ) Vgl. über die Bildung von Kammern für Handelssachen in Bayern V O v. 13. 7. 60
600
(BayGVBl. 134), in Schleswig-Holstein V O v. 25. 7. 60 (SchlHGBl. 140), in Hessen V O v. 6. 9. 68 (HessGVBl. 265), Baden-Württemberg V O v. 17. 2. 61 (GBl. 39), in Niedersachsen V O v. 24. 2. 67 (NdsGVBl. 53) u. v. 11. 7. 68 (NdsGVBl. 126), in NordrheinWestfalen V O v. 28. 11. 67 (JMB1NRW 1968, 15).
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften (vgl. Vorbem. 2 vor § 125)4). Dazu gehören audi die Angelegenheiten der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, insbesondere die gerichtliche Ernennung von Liquidatoren für sie5), die Führung des Genossenschaftsregisters 6 ) einschließlich der Bestellung von Vorstandsmitgliedern der Genossenschaft 7 ) und der Entscheidung des Gerichts nach § 33 Abs. 3 Satz 4 GenG 8 ), die Bestellung von Notvertretern einer Handelsgesellschaft nach § 29 BGB, § 85 AktG»), Vertragshilfesadien nach § 18 Abs. 1 Satz 2 mit Abs. 2 Satz 5 VHG, sowie die Führung des Musterregisters 10 ), nicht aber des Vereinsregisters 11 ). Die Kammer für Handelssachen ist auch zuständig zur Entscheidung über Kostenbeschwerden, wenn die Kosten in Handelssachen entstanden sind 12 ). Anträge der Besitzer von Schuldverschreibungen auf Ermächtigung zur Berufung einer Generalversammlung (G vom 4. 12. 1899, RGBl., 691, § 4) gehören nicht vor die Kammer für Handelssachen 13 ). Ober Beschwerden in Schiffsregistersachen entscheidet eine Zivilkammer, § 89 SchiffsRegO, ebenso in Sachen des Registers: für Pfandrechte an Luftfahrzeugen, LuftfahrzRG § 95. b) Zuständigkeitsstreit. Für den Fall, daß sowohl die Zivilkammer als auch die Kammer für Handelssachen sich für unzuständig hält, fehlt es an einer besonderen Regelung. Die Vorschriften der §§ 104, 102 GVG über die Verweisung mit bindender Wirkung sind nicht anwendbar 14 ). Auch nach § 5 FGG kann der Zuständigkeitsstreit nicht entschieden werden 15 ); vielmehr findet die weitere Sachbeschwerde statt 16 ). Ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Satz 2 begründet den unbedingten Rechtsbeschwerdegrund des § 551 Nr. 4 Z P O mit § 27 Satz 2 FGG (§ 27 Rdn. 33). Nach § 5 FGG beigelegt werden kann aber der Zuständigkeitsstreit zwischen mehreren nach § 93 GVG für Teile des LG-Bezirks gebildeten Kammern für Handelssachen, da es sich insoweit um die örtliche Zuständigkeit handelt 17 ). 4. Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (Abs. 2). Zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die entsprechende Anwendung des § 137 GVG angeordnet. An die Stelle des § 137 sind die §§ 136, 137 Abs. 1 GVG getreten. a) Danach darf der Zivilsenat, der nach § 28 Abs. 2 über eine ihm vom OLG vorgelegte weitere Beschwerde zu entscheiden hat, von der Entscheidung eines anderen Zivil- oder Strafsenats oder eines Großen Senats nicht abweichen. Will er abweichen, so hat er die Rechtsfrage dem Großen Senat für Zivilsachen oder den Vereinigten Großen Senaten zu unterbreiten (§§ 136, 138 Abs. 1 GVG). Diese Anrufungspflicht ist anders als die Vorlegungspflicht nach § 28 Abs. 2 nicht auf Rechtsfragen zu beschränken, die i. S. des § 28 Abs. 2 eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit betreffen 18 ). Will der Zivilsenat von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe abweichen, so hat er, sofern nicht ein Fall vorliegt, in welchem die Rechtsfrage nach § 136, 138 Abs. 1 GVG dem Großen Senat für Zivilsachen oder den Vereinigten Großen Senaten zu unterbreiten ist, die Entscheidung des Gemeinsamen Senats anzurufen; dessen Entscheidung ist in der vorgelegten Sache für den beschließenden Senat bindend (§§ 2, 11, 16 d. G zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 19. 6. 1968, BGBl. I, 661). Da der Gemeinsame Senat nur über die Rechtsfrage entscheidet (§ 15 a. a. O.), hat der vorlegende Zivilsenat des B G H alsdann noch über die weitere Beschwerde zu befinden. 4
) KGJ 39 A 140 = RJA 10, 189; KGJ 48, 137; München JFG 16, 9; Keidel Anm. 4; Unger ZZP 36, 50. 5 ) KGJ 24 A 209 = RJA 3, 121 = OLGR 5, 441. «) Braunschweig OLGR 19, 352 = ZB1FG 9, 733 Nr. 663. 7 ) BayObLG RJA 15, 44 = OLGR 33, 2. 8 ) BayObLGZ 1954, 11. ») KG DFG 1938, 248; BayObLGZ 1956, 310. »») KGJ 39 A 140 = RJA 10, 189. " ) KGJ 29 A 109 = RJA 5, 187. ,2 ) KGJ 31 B 18; KG JFGErg. 15, 41; Bremen KostRspr. § 14 KostO Nr. 2.
" ) KGJ 43, 4 = RJA 12, 78 = Recht 1913 Nr. 1807. " ) Dresden KGJ 49, 242 = RJA 14, 249; Unger ZZP 36, 53; Sdilegelberger Anm. 1; a. M. LG Berlin Recht 6, 211 Nr. 1009; Wellstein 2 Anm. 2; Keidel § 1 Anm. 28. 15 ) KGJ 38 A 3; Unger ZZP 36, 53; Ebert-Dudek-Lindemann Anm. 1; Sdilegelberger Anm. 1. 18 ) KGJ 38 A 3; Dresden KGJ 49, 242 = RJA 14, 249; Unger ZZP 36, 53; Sdilegelberger Anm. 1. 17 ) Vgl. RGZ 48, 27, 29; Wieczorek ZPO § 93 GVG Anm. B II. 18 ) Henke-Mönch-Horber GBO 8 § 81 Anm. 3 a; a. M. Meikel-Imhof-Riedel GBO 5 § 81 Anm. 6.
601
Freiwillige Gerichtsbarkeit b) Auch wenn keine widersprechende Entscheidung eines anderen Senats vorliegt, kann der zuständige Zivilsenat die Entscheidung des Großen Senats herbeiführen, um in Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung das Recht fortzubilden oder eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern (§ 137 GVG). c) Der Große Senat entscheidet nur über die Rechtsfrage. Auf Grund dieser Entscheidung befindet der zuständige Zivilsenat über die weitere Beschwerde (§§ 138 Abs. 1, 3 GVG). Will der Große Senat von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe abweichen, so hat er die Entscheidung des Gemeinsamen Senats anzurufen; dessen Entscheidung ist in der vorgelegten Sache für das beschließende Gericht bindend (§§ 2, 11 Abs. 2, 16 d. G zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 19. 6. 1968, BGBl. I, 661). Rechtskraftzeugnis
31 Zeugnisse über die Rechtskraft einer Verfügung sind von der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz zu erteilen. Fassung gemäß VO v. 30. 11. 1927 (RGBl. I 334) Art. 6.
A. Rechtskraftzeugnis 1. Zweck und Bedeutung. Die Erteilung von Rechtskraftzeugnissen ist vorgesehen, um den Beteiligten den Nachweis der Rechtskraft zu erleichtern. Von besonderer Bedeutung ist das Rechtskraftzeugnis zu Verfügungen, die erst mit der Rechtskraft wirksam werden, weil in diesem Fall die materiellrechtliche Wirkung von der Rechtskraft der Entscheidung abhängt. Das Zeugnis kann aber auch in anderen Fällen verlangt werden, und die Erteilung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Zeugnis für die Beteiligten entbehrlich sei1). Das Zeugnis kann auch für Verfügungen verlangt werden, die unanfechtbar sind oder der unbefristeten Beschwerde unterliegen 2 ). Das Zeugnis beweist vorbehaltlich des Gegenbeweises (§ 418 ZPO) den Eintritt der Rechtskraft 3 ). Der Beweis der Unrichtigkeit des Zeugnisses kann in jedem Verfahren erbracht werden, in dem es darauf ankommt; die Beweisführung ist nicht davon abhängig, daß das Zeugnis zuvor durch Einlegung von Rechtsbehelfen beseitigt wird 5 *). Das Rechtskraftzeugnis ist aber nicht Grundlage der Zwangsvollstrekkung, soweit aus Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Zwangsvollstreckung nach der ZPO (§ 33 Rdn. 7) stattfindet; dazu ist die Vollstreckungsklausel erforderlich. 2. Antragsberechtigung. Berechtigt zu dem Verlangen auf Erteilung des Rechtskraftzeugnisses ist nicht nur jeder, für den die Verfügung ihrem Inhalt nach bestimmt ist, der also ein Recht auf ihre Bekanntmachung hat (§ 16 Abs. 1), sondern jeder in dem Verfahren hervorgetretene formell Beteiligte und die materiell Beteiligten, insbesondere die Beschwerdeberechtigten, sowie deren Rechtsnachfolger. Diese haben einen Rechtsanspruch auf Erteilung des Zeugnisses. Anderen Personen kann das Zeugnis nach dem Ermessen des Gerichts erteilt werden, wenn sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen (vgl. § 34) 4 ). 3. Zuständig zur Erteilung ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz, und zwar ein Beamter des gehobenen Dienstes 5 ), der hierbei jedoch nicht in seiner Eigenschaft als Rechtspfleger handelt; dem Richter fehlt die funktionelle Zuständigkeit. Gericht erster Instanz ist in der Regel das Amtsgericht; es kann aber auch ein LG oder O L G sein, wenn diese als Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig sind (vgl. Vorbem. B I, II ») R G 2 30, 336; B G H Z 31, 388, 391. ' ) Unger ZZP 37, 498; Fuchs ZZP 31, 411; Wellstein 2 Anm. 1; Josef 1 Anm. 1; Schlegelberger Anm. 1; Keidel Anm. 4, 5 ; a. M. Schneider ZZP 29, 152. ») B G H LM § 706 ZPO N r . 1; B G H Z 31, 388, 391.
») RGZ 46, 357, 360; K G StAZ 1968, 16; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 706 Anm. I. ) Vgl. Wellstein 2 Anm. 3 ; Keidel Anm. 11, 12; Sdilegelberger Anm. 1. 5 ) PrJMBl. 1928, 44, 173; A V v. 15. 9. 42 ( D J 606); vgl. MDR 1960, 426. 3
4
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften vor §§ 3 bis 7). Die Geschäftsstellen der Beschwerdegerichte als solche sind abweichend von § 706 Abs. 1 Z P O nicht zuständig, auch wenn das Verfahren in einem höheren Rechtszuge anhängig ist oder die Akten sich bei dem Rechtsmittelgericht befinden. 4.
Voraussetzungen
a) Die formelle Rechtskraft tritt ein, wenn die Entscheidung erlassen ist und mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann. Ihre Wirkung besteht darin, d a ß sie das Verfahren beendet und die Einlegung einer Beschwerde ausschließt 6 ). Die formelle Rechtskraft macht daher die Verfügung in dem Sinne unangreifbar, daß sie von der höheren Instanz nicht mehr geändert werden kann. Sie besagt aber nichts darüber, ob die formell rechtskräftige Verfügung von dem entscheidenden Gericht noch geändert werden kann, d. h. aus der formellen Rechtskraft folgt nicht schlechthin auch die Unwiderruflichkeit der Verfügung. Der Widerruf einer formell rechtskräftigen Verfügung kann dem Gericht gestattet oder verwehrt sein; darüber befindet § 18 (vgl. § 18 Anm. C). Die formelle Rechtskraft ist ferner Voraussetzung f ü r den Eintritt der materiellen Rechtskraft, soweit Entscheidungen in Angelegenheiten der FG einen der materiellen Rechtskraft fähigen Inhalt haben können (Rdn. 10). Die formelle Rechtskraft zieht nicht schlechthin die materielle nach sich. Andererseits können formell rechtskräftige Entscheidungen der materiellen Rechtskraft entbehren, gleichwohl aber unabänderlich sein (§ 18 Anm. F). Ein Rechtskraftzeugnis kann daher zu einer formell rechtskräftig gewordenen Verfügung unbeschadet des Umstandes erteilt werden, daß sie von dem Gericht erster Instanz noch gemäß § 18 Abs. 1 geändert werden könnte. N u r f ü r den Eintritt der materiellen Rechtskraft ist außer der formellen Rechtsk r a f t auch die verfahrensrechtliche Unabänderlichkeit der Verfügung, also ihre Endgültigkeit, Voraussetzung ( § 1 8 Anm. C); über die materielle Rechtskraft hat sich aber das Rechtskraftzeugnis nicht auszusprechen. b) Der formellen Rechtskraft fähig sind sowohl Verfügungen, die der sofortigen Beschwerde, als audi solche, die der unbefristeten Beschwerde unterliegen 7 ). Unanfechtbare Verfügungen werden mit ihrem Erlaß ( § 1 8 Anm. D 2) formell rechtskräftig, mit Rechtsmitteln anfechtbare Verfügungen mit dem Verzicht auf die Beschwerde (§ 21 Rdn. 18), in allen Fällen mit der Erschöpfung des Instanzenzuges, die mit dem Erlaß, nicht erst mit dem Wirksamwerden der Entscheidung des letzten Rechtszuges eintritt, in den Fällen der sofortigen Beschwerde auch mit dem ungenutzten Ablauf der Beschwerdefrist. Die Zurücknahme eines Rechtsmittels f ü h r t die formelle Rechtskraft nur dann herbei, wenn sie zugleich einen Verzicht auf das Rechtsmittel enthält (§ 21 Rdn. 17); andernfalls muß bei sofortiger Beschwerde der Ablauf der Beschwerdefrist abgewartet werden. Bei Verwerfung einer nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegten sofortigen Beschwerde als unzulässig wird die Verfügung mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig 8 ). Beim Fehlen der Beschwer, einer Beschwerdesumme oder einer etwa erforderlichen Zulassung des Rechtsmittels tritt die Rechtskraft ebenfalls erst mit dem ungenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist oder mit der Rechtskraft der Entscheidung des Beschwerdegerichts ein 9 ). Ist eine Verfügung bei Beteiligung mehrerer diesen zu verschiedenen Zeiten bekannt gemacht worden, so wird bei sofortiger Beschwerde die Verfügung zwar für jeden der Beteiligten nach Maßgabe der für ihn laufenden Beschwerdefrist unanfechtbar, die formelle Rechtskraft tritt aber erst ein, wenn die Verfügung für alle Beteiligten unanfechtbar geworden ist 10 ); solange die Verfügung auch nur für einen Beteiligten noch anfechtbar ist, kann mithin das Rechtskraftzeugnis nicht erteilt werden. Bei einer Mehrheit von Verfahrensgegenständen oder Teilbarkeit des Verfahrensgegenstandes ist Teilrechtskraft möglich, sofern eine Erweiterung der «) KG JFG 13, 246. ?) KGJ 42, 23 = RJA 11, 257; Unger ZZP 37, 498; Lent-Habscheid § 26 II 2 b. 8 ) RG DR 1943, 619; Rosenberg ZPR» § 147 II 1 b; Nikisch § 103 II 3 d; Bötticher JZ 1952, 425. •) Vgl. BGHZ 4, 294 = NJW 1952, 425 =
10
Rpfleger 1952, 177; Schneider ZZP 65, 468, 474; Blomeyer ZPR § 88 I 2 a. ) BGHZ 3, 214; Siehr Freiw. Gerbkt. S. 69; Baur § 23 C I 2 c; Lent-Habscheid4 § 26 II 2 c; Unger ZZP 34, 341; a. M. BayObLGZ 1960, 118; Wellstein2 Anm. 1 c; Sdilegelberger § 16 Anm. 7; Keidel § 31 Anm. 1.
Freiwillige Gerichtsbarkeit anfänglich beschränkten Rechtsmittelanträge nicht mehr statthaft ist (vgl. § 21 Rdn. 13) 11 ). Der Umstand, daß ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt ist, steht der Erteilung des Zeugnisses nidit entgegen, da erst die Gewährung der Wiedereinsetzung den Eintritt der formellen Rechtskraft rückwirkend aufhebt; zweckmäßig wird die Anhängigkeit des Antrags in dem Zeugnis vermerkt 1 2 ). Ebenso hindert ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht die Erteilung des Zeugnisses, da die Wiederaufnahme die formelle Rechtskraft der Entscheidung gerade voraussetzt, und auch die Behauptung, die Zurücknahme des Rechtsmittels oder ein Rechtsmittel verzieht sei wegen Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes widerrufen (§ 21 Rdn. 16, 18), ist bei der Erteilung des Zeugnisses unbeachtlich 13 ). Ein Rechtsmittelverzicht ist nur beachtlich, wenn er nach dem Erlaß der Entscheidung dem Gericht gegenüber erklärt ist. Ein gegenüber dem Gegner erklärter oder mit ihm vereinbarter Rechtsmittel verzieht ist, auch soweit er zulässig ist, nicht zu beachten, da er die formelle Rechtsk r a f t nicht unmittelbar herbeiführt (§ 21 Rdn. 19). 6
i . Verfahren des Urkundsbeamten. Der Urkundsbeamte hat selbständig und in eigener Verantwortung auf der Grundlage des Akteninhalts zu prüfen, ob die Entscheidung formell rechtskräftig geworden ist, insbesondere die ordnungsgemäße Zustellung der Entscheidung an alle Beschwerdeberechtigten und den Ablauf der Rechtsmittelfrist. Vom Ablauf der Beschwerdefrist muß sich die Geschäftsstelle von Amts wegen durch Anfrage bei der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts überzeugen; ist eine Beschwerdeentscheidung bereits ergangen, so ist durch Anfrage bei der Geschäftsstelle des L G und des O L G (vgl. § 29 Abs. 1) zu ermitteln, ob weitere Beschwerde eingelegt ist 14 ). Wird diese Auskunft verweigert, so ist dagegen nur die Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben 15 ). Notfristzeugnisse kennt das F G G nicht 16 ). Von Bedeutung ist dies nur, wenn gegen die Entscheidung ein befristetes Rechtsmittel gegeben ist. In den Fällen der unbefristeten ersten oder weiteren Beschwerde kann, da diese Rechtsmittel jederzeit eingelegt werden können, ein Rechtskraftzeugnis erst erteilt werden, wenn die Entscheidung des dritten Rechtszuges vorliegt.
7
6. Rechtsmittel. W o dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle selbständige Verrichtungen übertragen sind, handelt er als Organ des Gerichts. Gegen die Versagung des Zeugnisses sowie gegen dessen unberechtigte Erteilung findet deshalb die Anrufung des Gerichts (nicht des Rechtspflegers, RechtspflG § 25 Abs. 3), gegen die gerichtliche Entscheidung die Beschwerde nach §§ 19 f f . statt 17 ).
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7. Nichtgerichtliche Behörden. Sind nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig, so ist § 31 nicht anwendbar (§ 194 Abs. 3). Die Regelung ist dem Landesgesetzgeber überlassen; vgl. f ü r Württemberg Art. 65, 75 AGBGB, f ü r Baden § 51 LFGG.
9
8. Landesrecht. Die §§ 31 bis 33 sind in den ehemals preuß. Gebieten auch auf landesrechtliche Angelegenheiten anwendbar, P r F G G Art. 1 sowie HessFGG Art. 1, N d s F G G Art. 7. Wegen anderer deutscher Länder s. § 1 Rdn. 131.
10
B. Materielle Rechtskraft 1. Geltung des Grundsatzes. Materielle Rechtskraft bedeutet die Maßgeblichkeit des Ergebnisses einer formell rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung für künftige Streitfälle unter denselben Beteiligten über denselben Verfahrensgegenstand; sie hat den Zweck, eine zweite widersprechende Entscheidung zu verhindern 1 8 ). Für eine materielle Rechtskraft in " ) K G J R 1952, 174; KG RzW 1954, 148; K G N J W 1958, 106; Riedel J Z 1955, 113; vgl. auch München RdL 1954, 241 mit Anm. Keidel und dazu § 21 Rdn. 13 Fn. 39; Keidel Anm. 3, 13. 12 ) Josef 2 Anm. 3; Keidel Anm. 8. 13 ) Petermann, Rpfleger 1962, 368 zu I I I . K G J 30 A 3 = OLGR 12, 198 = D J Z 1905,
604
1012; SAlegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 10. ) KG aaO. ) K G J R 1952, 174; SAlegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 10. " ) K G J 34 A 65; Keidel Anm. 12. 18 ) Rosenberg ZPR® § 148 I 1; Lent ZPR § 62 I I ; Blomeyer ZPR § 88 I I ; Schwab, N J W 1960, 2169 zu I I 1. 15
19
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorsdiriften diesem Sinne ist in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit im allgemeinen kein Raum 18 ). Der Zweck der materiellen Rechtskraft, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu gewährleisten 20 ), wird in weiten Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Natur der dort zu entscheidenden Angelegenheiten nicht gerecht, bei denen vornehmlich nicht die Rechtsfolgen abgeschlossener Tatbestände verbindlich und abschließend festzustellen, sondern fortdauernde und sich ändernde Lebensverhältnisse dem jeweiligen Bedürfnis entsprechend rechtlich zu ordnen sind. In weitem Umfang ergibt sich das Fehlen der materiellen Rechtskraft bereits aus der diesen Erfordernissen angepaßten Regelung des Verfahrens. Voraussetzung der materiellen Rechtskraft ist nicht nur die formelle Rechtskraft der Entscheidung, sondern auch ihre verfahrensrechtliche Unabänderlichkeit, also ihre Endgültigkeit. Verfügungen, die auch nach Eintritt der formellen Rechtskraft gemäß § 18 Abs. 1 noch geändert werden können (vgl. § 18 Anm. C), können daher schon aus diesem Grunde nicht in materielle Rechtskraft erwachsen. Dasselbe gilt für gerichtliche Handlungen, die zwar nicht nach § 18 Abs. 1 geändert werden können, deren Wirkungen aber auf anderem Wege beseitigt oder eingeschränkt werden können, insbesondere durch Vornahme einer Amtslöschung oder Eintragung eines Amtswiderspruchs (§ 53 GBO, § 56 SchiffsRegO), durch Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens (§§ 142, 144, 147, 159, 161 FGG) oder durch Einziehung des Erbscheins (§ 2361 BGB). Ferner fehlt es häufig an einem rechtskraftfähigen Gegenstand des Verfahrens, nämlich an einem von einem Beteiligten gegen den anderen zu erhebenden „Anspruch" (§ 322 ZPO) 21 ). Hieran fehlt es in allen von Amts wegen betriebenen Verfahren, ferner in den Verfahren, welche die Eintragung in ein Register oder die Erteilung eines Zeugnisses zum Ziel haben, also unmittelbar auf ein Handeln des Gerichts gerichtet sind. Bei der Ausübung rechtsfürsorgerischer Tätigkeit, mag sie einen Antrag erfordern oder von Amts wegen stattfinden, sind die Verfügungen des Gerichts regelmäßig rechtsgestaltender Art; sie führen also mit dem Eintritt ihrer Wirksamkeit unmittelbar eine Veränderung der materiellen Rechtslage herbei, deren Beachtlichkeit nicht nur für die Verfahrensbeteiligten, sondern für jedermann eine Folge dieser Rechtsänderung, nicht aber eine solche der materiellen Rechtskraft ist 22 ). Auch die rechtsgestaltenden Entscheidungen in den Regelungsstreitigkeiten nach der HausratsVO, dem VertragshilfeG, dem WohnungseigentumsG, in Rüdkerstattungssachen und nach § 1382 BGB verändern unmittelbar die materielle Rechtslage und haben deshalb in erster Linie Gestaltungswirkung; ob sie daneben auch noch der materiellen Rechtskraft fähig sind, wie für Gestaltungsurteile des Zivilprozesses in der Rechtslehre zunehmend angenommen wird 23 ), hängt davon ab, ob den Beteiligten ein Recht auf Gestaltung, über welches entschieden worden ist, zusteht, was in den genannten echten Streitsachen wird bejaht werden müssen. Wenn das Gericht den Erlaß einer rechtsgestaltenden Verfügung, z. B. die Entlassung eines Testamentsvollstreckers, ablehnt, tritt ebenfalls keine materielle Rechtskraft ein, weil die Beteiligten kein subjektives: Recht auf Gestaltung haben, über welches entschieden werden könnte 24 ), abgesehen von den genannten echten Streitsachen. Die Bindung des Gerichts an formell rechtskräftig gewordene gerichtliche Entscheidungen rechtsgestaltenden Inhalts mit oder ohne materielle Rechtskraft folgt im übrigen aus § 18 Abs. 2 und entfällt nur, soweit das materielle Recht eine Änderung gestattet, wie in § 17 HausratsVO, § 17 VHG, § 45 Abs. 4 WEG, § 1386 Abs. 6 BGB
« ) RGZ 124, 322; B G H Z 34, 235, 241; KG WM 1961, 334 zu I I I ; Lent-Habsdieid 4 § 28 I I 7; Baur § 25 I 4. 2 ») Rosenberg ZPR» § 148 I 2; B G H Z 34, 235, 241. 21 ) Vgl. Rosenberg ZPR» § 149 I ; Biomeyer ZPR 22
S 89 I.
) Lent § 18 II, I I I ; Bötticher J Z 1956, 582; Blomeyer ZPR § 94 I ; PritsA LwVG § 30 Anm. IV c ß; vgl. auch zur fehlenden materiellen Rechtskraft des Konkurseröffnungsbeschlusses Jaeger-Weber K O 9 Rdn. 4.
23
) Vgl. Blomeyer ZPR § 94 IV mit Nachw.; Gaul FamRZ 1957, 239; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, S. 406 ff.; a. M. Rosenberg Z P R 9 § « 7 1 3 , § 149 I. 24 ) So auch Lent-Habsdieid 4 § 28 II 3; vgl. auch zur mangelnden materiellen Rechtskraft der Ablehnung des Konkurseröffnungsantrags Jaeger-Weber K O 8 § 74 Rdn. 4 c; anders Bärmann § 22 I I 3, 4.
605
Freiwillige Gerichtsbarkeit (§ 18 Anm. F). Allgemein ist dagegen eine materielle Rechtskraft anzuerkennen in Verfahren, in denen, wie im Zivilprozeß, eine feststellende Entscheidung über subjektive Rechte der Beteiligten ergeht oder aus sachlichen Gründen abgelehnt wird (echte StreitsachenJ25), insbesondere nach der 6. DVO/UmstG, dem Umstellungsergänzungsgesetz, dem Wertpapierbereinigungsgesetz, im Ablösungsverfahren nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz und für verurteilende und feststellende Entscheidungen im Landwirtschaftsverfahren, ferner für gewisse, eine Leistung auferlegende Entscheidungen nach §§ 1382, 1383 BGB (vgl. § 53a Rdn. 20). Mitunter erfordern es die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, daß das Gesetz einer feststellenden Entscheidung eine über die nach § 322 ZPO bestehenden subjektiven Grenzen der Rechtskraft noch hinausgehende Wirkung beilegt; so haben die Entscheidungen über die Zusammensetzung des Aufsiditsrats und über die Abfindung außenstehender Aktionäre Wirkung nicht nur unter den Beteiligten, sondern für und gegen alle (§§ 99 Abs. 5 Satz 2, 306 Abs. 2 AktG) 2 8 ). 11
2.
Einzelfälle
a) Verneint wurde die materielle Rechtskraft im registergerichtlidien Ordnungsstraf- und Löschungsverfahren 27 ), für die Zurückweisung eines Grundbuchberichtigungsantrags28), im Personensorgerechtsverfahren (§§ 1666, 1671, 1672, 1696 BGB) 2 9 ), für Beschlüsse, welche die Aufhebung eines Kindesannahmeverhältnisses ablehnen 30 ), im Fürsorgeerziehungsverfahren 31 ), im Verfahren zur Berichtigung des Personenstandsbuchs nach § 47 PStG 3 2 ), im Legitimationsfeststellungsverfahren nach § 31 PStG (vgl. dazu Anh. nach § 56a Rdn. 17) 33 ), im Erbsdieinsverfahren 34 ), für Entscheidungen im Todeserklärungsverfahren 35 ) und wenn eine Todeserklärung abgelehnt wird 36 ), im Feststellungsverfahren nach dem Bad. HofgüterG 3 7 ), im Zwangspachtverfahren 38 ), im Freiheitsentziehungsverfahren und im Verfahren zur Unterbringung von Geisteskranekn und Süchtigen38"). 12
b) Anerkannt wurde die materielle Rechtskraft, wobei jedoch der Unterschied zwischen Gestaltungswirkung als Eigenschaft der Entscheidung und materieller Rechtskraft nicht immer beachtet wurde, für Entscheidungen der Aufwertungsstelle 39 ), in Fideikommißsachen 40 ), bei Zurückweisung eines Schuldenbereinigungsantrags41) oder eines Vertragshilfeantrags 42 ) oder eines Pachtschutzantrags 43 ), überhaupt im Vertragshilfeverfahren 44 ), bei Entscheidungen des Ehrengerichtshofs für Rechstanwälte über die Ablehnung der Zulassung als Rechtsanwalt 45 ), im Wertpapierbereinigungsverfahren 46 ), im Verfahren nach § 21 UmstErG und § 7 25
2
) Baur S 25 II 1; Lent 3 § 18 V ; Lent-Habsdieid4 § 7 II, § 28 I V ; Pikart-Henn S. 98/ 9 9 ; Saage in DBuR II F 10 § 31 Anm. 3 ; Keidel Anm. 18; Bärmann § 22 I I I 1.
«) Dazu Saage DNotZ 1960, 575, 592.
" ) K G J 37 A 182; K G J 47, 108 = R J A 14, 161. ) K G J 44, 301. ) K G J 42, 23 = R J A 11, 2 5 7 ; Bremen MDR 1954, 179; vgl. auch BayObLGZ 17, 22. 3 °) München J F G 21, 206; RGZ 158, 159. 3 1 ) K G J F G 20, 5 5 ; a. M. bei Anordnung Hamm OLGZ 1966, 483; vgl. auch Bettermann, Festschrift f. Lent S. 30 Fn. 28. 3 2 ) K G J 39 A 41; K G J F G 22, 302; BayObLG OLGR 31, 284. 33) KG J F G 23, 360 = D F G 1942, 133; K G N J W 1955, 593; BayObLG H E Z 2, 194; FamRZ 1958, 384; BGH N J W 1957, 1067 = FamRZ 1957, 170; FamRZ 1968, 642.
) Karlsruhe N J W 1955, 1075. ) Frankfurt J Z 1958, 92 = R z W 1958, 34. 3 7 ) Karlsruhe ZS Freiburg R d L 1954, 82 = pfleger 1954, 316 mit Anm. v. Keidel.
35 36
38
28
) K G J F G 14, 286 = N J W 1936, 3486 = DFG 1936, 260 = DNotZ 1937, 6 6 ; KG J F G 18, 164, 170; KG N J W 1955, 1074; BayObLGZ 1953, 264; B G H Z 47, 58, 66.
606
) Frankfurt RdL 1952, 153; 1953, 54. ) Düsseldorf JMB1NRW 1968, 198; Saage, FrEntzG § 8 Anm. 5 S. 141; Baumann, Unterbringungsrecht S. 412 ff.; a. M. Reichard, FrEntzG § 8 Anm. 1 b; Kuhlmann N J W 1954, 562.
38a
28
34
R-
39
) KG J F G 6, 420; K G AufwRspr. 1929, 578. ObFideikommißG D J 1937, 1395.
41
) KG J F G 21, 229. ) KG N J W 1958, 106; Bamberg N J W 1956, 227 mit Anm. v. Münze!.
42
) Oldenburg NdsRpfl. 1954, 199. ) K G J R 1954, 107. « ) B G H Z 34, 235 = LM § 7 BRAO mit Anm. v. Greuner; vgl. auch B G H Z 34, 252 = LM § 7 BRAO Nr. 8 mit Anm. v. Greuner. 43 44
« ) München WM 1952, 8 ; K G WM 1953, 701; Celle WM 1952, 557.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften des Berliner Altbankengesetzes 47 ), im Rückerstattungsverfahren 48 ), im Verfahren nach dem Berliner Gesetz über die Vollstreckung von Entscheidungen auswärtiger Gerichte vom 26. 2. 1953 (GVBl., 152)49), im Hausratsverfahren 50 ), im Todeserklärungsverfahren für den festgestellten Todeszeitpunkt 51 ), im Verfahren nach der 6. DVO/UmstG 5 2 ), für Entscheidungen feststellender oder verurteilender Art im Landwirtschaftsverfahren 53 ), für Entscheidungen in Wohnungseigentumssadien nach § 45 WEG 54 ) und im Verfahren zur Nachprüfung von Kostenansprüchen der Notare nach § 156 KostO 55 ). Den Entscheidungen im Opferausgleichsverfahren nach der VO über die Veräußerung von Entschuldungsbetrieben vom 6. 1. 1937 (RGBl. I, 5) mit § 5 AbwicklungsG vom 25. 3. 1952 (BGBl. I, 203) ist grundsätzlich materielle Rechtskraft vorbehaltlich einer Abänderung bei veränderter Sachlage beizumessen56). 3. Bedeutung und Umfang der materiellen Rechtskraft. Soweit Entscheidungen in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit der materiellen Rechtskraft fähig sind, bedeutet das, daß eine zweite, zu der früheren Entscheidung in Widerspruch stehende Entscheidung über denselben Verfahrensgegenstand unter denselben Beteiligten oder ihren Rechtsnachfolgern nicht ergehen darf; ein gleichwohl gestellter Antrag ist als unzulässig abzuweisen, da ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis vorliegt 57 ). In Rechtskraft erwächst nur die Entscheidung über den prozessualen Anspruch, den der Antragsteller erhoben hat, d. h. der vom Gericht aus dem vorgebrachten oder von Amts wegen ermittelten Sachverhalt gezogene und in der Entscheidung ausgesprochene Schluß auf das Bestehen oder Nichtbestehen der beanspruchten Rechtsfolge 58 ). Im Zivilprozeß sind die Parteien infolge der Rechtskraft mit solchem Tatsachenstoff ausgeschlossen (präkludiert), der im Widerspruch zu den Feststellungen der früheren Entscheidung steht, sofern er vor der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz entstanden ist, mag er auch nicht vorgebracht worden sein59). Die Geltung dieses Grundsatzes wird jedoch von der Verhandlungsmaxime beeinflußt; im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird die Präklusionswirkung nach dem Vorbild des § 44 MSchG auf solche Tatsachen zu beschränken sein, die in dem früheren Verfahren geltend gemacht worden waren oder geltend gemacht werden konnten, die also verschuldet nicht geltend gemacht worden sind; diese Beschränkung steht im Einklang mit der Darlegungs- und Förderungspflicht der Beteiligten 60 ). Die materielle Rechtskraft ergrift aber den geltend gemachten Anspruch immer nur nach Maßgabe des zur Zeit der Entscheidung der letzten Tatsachen47
) KG WM 1961, 334. ) Celle RzW 1954, 48; BGH RzW 1955, 6, 135; 1957, 306; ORG Berlin RzW 1957, 145; ORG Herford RzW 1958, 352; KG RzW 1963, 64; 1965, 417; 1966, 110; BGH LM § 826 BGB (Fa) Nr. 10. 49 ) KG 11 WM 317/54. 5 ») Schleswig SdilHA 1949, 269; Hamm JZ 1952, 634; Hoffmann-Stephan HausratsVO 2 § 16 Anm. 1 B. 5») Neustadt MDR 1956, 238; Frankfurt JZ 1958, 92 = RzW 1958, 34. 52) BGHZ 5, 239; BGH NJW 1953, 1429; Hamm DNotZ 1953, 201; Frankfurt NJW 1953, 1713 = MDR 1953, 742; Celle MDR 1954, 109; Düsseldorf JMB1NRW 1954, 179; vgl. auch BayObLGZ 1960, 110, 120. 53 ) BGH RdL 1951, 269; BGHZ 6, 258 = RdL 1952, 210; Celle RdL 1957, 77; BGHZ 40, 338, 341 = N J W 1964, 863; Länge-Wulff LwVG § 30 Anm. VI; Wöhrmann LwVG § 30 Anm. 7; Pritsch LwVG § 30 Anm. IVc. 54 ) BayObLGZ 1963, 161, 163; Weitnauer-Wirths, WEG 2 § 45 Anm. 5; Diester WEG § 45 Anm. 5; Bärmann WEG Anm. II 8 vor § 43, § 45 Anm. II 2. 55 ) KG JFGErg. 18, 205 = DNotZ 1958, 104; KG DNotZ 1963, 346 = Rpfleger 1962, 456
48
56
)
57
)
58
)
59
)
= KostRspr. § 156 KostO Nr. 10; Oldenburg NJW 1964, 2426. Frankfurt RdL 1954, 126; Schleswig RdL 1954, 278; Stuttgart RdL 1955, 223; Düsseldorf RdL 1956, 302 mit Anm. v. Jacobi; Hamm RdL 1965, 324; Jacobi RdL 1955, 121; Keidel Anm. 21; a. M. Sdilegelberger § 16 Anm. 8 b. KG WM 1961, 334, 336; Baur § 25 II 2 c; vgl. zum Zivilprozeß Rosenberg ZPR 9 § 148 II; Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 Einf. 3 A vor § 322. KG DNotZ 1963, 346 = Rpfleger 1962, 456; vgl. zum Zivilprozeß RGZ 125, 159; RG JW 1935, 39; Rosenberg ZPO 9 150 II. Diese Präklusion ist der Rechtskraft immanent, vgl. Rosenberg ZPR 9 § 150 III 2; Lent ZPR 9 § 62 VI; Nikisdi ZPR 2 § 107 I 2 u. AcP 156, 76; Stein-Jonas-Pohle ZPO 18 § 322 Anm. VIII 3; Bötticher FamRZ 1957, 411 f.; Zeuner JZ 1961, 385; Jauernig, Verhandlungsmaxime, Inquisitationsmaxime und Streitgegenstand, 1967, S. 65; a. M. Habsdieid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß usw., 1956, S. 288 f., 291 f., der eine rechtskraftfremde allgemeine Präklusion neben der Rechtskraft annimmt. Habsdieid, Rpfleger 1957, 164, 173; LentHabscheid 4 § 28 IV 4; Pikart-Henn S. 100.
Freiwillige Gerichtsbarkeit instanz vorliegenden Sachverhalts und stellt das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs für diesen Zeitpunkt fest. Es widerstreitet daher der materiellen Rechtskraft nicht, wenn in einem späteren Verfahren geltend gemacht wird, es seien nach dem E r l a ß der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz im Vorverfahren Tatsachen eingetreten, auf G r u n d deren der früher rechtskräftig abgewiesene Anspruch später entstanden sei, oder der Anspruch sei infolge einer Gesetzesänderung nunmehr entstanden 6 1 ). Wegen der Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens vgl. § 18 R d n . 46.
C. Rechtshängigkeit D i e Rechtshängigkeit einer Sache kann auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Bedeutung werden. Anderweite Anhängigkeit eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit demselben Verfahrensgegenstand steht der gerichtlichen Tätigkeit entgegen und ist von A m t s wegen zu beachten. D a s folgt aus dem allgemeinen Gesichtspunkt, daß nicht mehrere Gerichte mit derselben noch nicht erledigten Angelegenheit nebeneinander befaßt werden sollen 6 2 ). D i e Rechtshängigkeit wird insbesondere in echten Streitsachen in Betracht kommen. Im allgemeinen wird bereits durch die Zuständigkeitsvorschriften der Möglichkeit vorgebeugt, daß dieselbe Angelegenheit bei mehreren Gerichten behandelt w i r d ; insbesondere greift § 4 ein, wonach unter mehreren zuständigen Gerichten das zuerst tätig gewordene ausschließlich zuständig wird und die übrigen die Bearbeitung der Sache einstellen müssen 6 3 ). Im Verhältnis der freiwilligen zur streitigen Gerichtsbarkeit wird Rechtshängigkeit in der Regel deswegen nicht in Betracht kommen, weil es an der Identität des Verfahrensgegenstandes fehlt 6 4 ). Zwischen dem Erbscheinsverfahren und einem Rechtsstreit über die Feststellung des Erbrechts fehlt es an dieser Identität, weil die Verfahrensziele, möglicherweise auch die Beteiligten, verschieden sind (über Aussetzung vgl. Vorbem. vor § 8 R d n . 39). Die Anhängigkeit einer K l a g e auf Feststellung der Unehelichkeit eines legitimierten Kindes (§§ 1721, 1593 B G B ) schließt nicht ein Verfahren vor dem V o r m G darüber aus, daß die Legitimation aus anderen Gründen als der fehlenden Vaterschaft des Ehemanns der Mutter nicht eingetreten ist (vgl. Anh. nach § 56a, § 31 P S t G R d n . 17). Bei Identität des Verfahrensgegenstandes kann Rechtshängigkeit aber auch im Verhältnis zur streitigen G e richtsbarkeit vorliegen, z. B. wenn nach dem T o d e des Mannes die Ehelichkeit des Kindes von den Eltern des Mannes durch K l a g e gegen das K i n d , von dem K i n d durch Antrag beim V o r m G (§ 1599 Abs. 1, 2) angefochten wird (vgl. § 56b R d n . 26) oder wenn das L a n d w i r t schaftsgericht nach § 13 Abs. 1 L w V G beschlossen hat, über eine streitige V o r f r a g e an Stelle des Prozeßgerichts zu entscheiden 6 5 ). Zu berücksichtigen ist auch die Rechtshängigkeit eines Verfahrens vor den Behörden der D D R und des Ostsektors Berlins, es sei denn, daß die dort ergehende Entscheidung nicht anerkannt werden könnte 6 6 ). D i e Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines vor einem ausländischen Gericht anhängigen Verfahrens kann in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn der Anerkennung der zu erwartenden ausländischen Entscheidung keine ernstlichen Bedenken entgegenstehen, unter dem Gesichstpunkt des fehlenden Rechtsschutzinteresses für ein inländisches Verfahren in Betracht kommen oder zur Aussetzung des Verfahrens Anlaß geben 6 7 ). ) K G WM 1960, 989; Pikart-Henn S. 100; zum Zivilprozeß vgl. Rosenberg ZPR® § 150 III 2; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 322 VIII 4; Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 Einf. 3 C vor § 322; zur Gesetzesänderung vgl. auch BayObLGZ 1963, 110, 120. 6 2 ) BayObLG ZB1FG 16, 378; K G J 51, 1; Hamburg N J W RzW 1959, 543; Keidel Anm. 25; Baur § 17 II 2 c; Lent-Habscheid4 § 23 I 1 d. 3 ° ) Lent-Habscheid4 § 23 I 1 d; Keidel Anm. 25. ®4) Vgl. Bettermann, Rechtshängigkeit und Rechtssdiutzform, § 26. Für Ausdehnung der Berücksichtigung der Rechtshängigkeit über die Grenzen der jeweiligen Gerichtsbarkeit hinaus Bötticher, Festsdir. D J T (1960) I 61
S. 540; vgl. auch Pohle, der Bürger vor der Vielzahl der Gerichte, Festschr. f. Apelt (1958) S. 171, 174; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 9 Vorbem. III 1 vor § 1 zu Fn. 26, § 263 I 2. " ) Wöhrmann-Herminghausen LwVG § 13 Anm. 12; Barnstedt LwVG 2 § 13 Anm. 20. 6 6 ) BayObLGZ 1958, 358, 362; Keidel Anm. 25; zum Ersdieinsverfahren vgl. Pernutz MdR 1963, 713, 717. 67 ) Vgl. BayObLGZ 1959, 8, 22, 23; K G O L G Z 1967, 392; zum Zivilprozeß vgl. Schneider, N J W 1959, 88; Schütze N J W 1963, 1486; 1964, 337; RabelsZ 1967, 233; Schweickert N J W 1964, 336; Habsdieid RabelsZ 1967, 254, 267.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Folgen der Aufhebung
einer
Verfügung
3 2 Ist eine Verfügung, durch die jemand die Fähigkeit oder die Befugnis zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder zur Entgegennahme einer Willenserklärung erlangt, ungerechtfertigt, so hat, sofern nicht die Verfügung wegen Mangels der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unwirksam ist, die Aufhebung der Verfügung auf die Wirksamkeit der inzwischen von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluß. A. Bedeutung D i e V o r s c h r i f t dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs u n d schützt denjenigen, der im V e r t r a u e n auf den Rechtsbestand einer w i r k s a m g e w o r d e n e n gerichtlichen V e r f ü g u n g , durch die j e m a n d die im Gesetz g e n a n n t e Fähigkeit o d e r Befugnis erlangt h a t , mit diesem in rechtsgeschäftlichen V e r k e h r getreten ist. Sie entspricht d e m G r u n d s a t z , den § 115 Abs. 1 Satz 2 BGB f ü r den Fall d e r erfolgreichen A n f e c h t u n g eines Entmündigungsbeschlusses hinsichtlich der v o n oder gegenüber d e m gesetzlichen V e r t r e t e r des E n d m ü n d i g t e n v o r g e n o m menen Rechtsgeschäfte e n t h ä l t . Ebenso w i e § 115 BGB, dessen R e g e l u n g aus § 613 Abs. 2 Z P O a. F. ü b e r n o m m e n ist, h a t die Vorschrift materiellrechtlichen I n h a l t 1 ) u n d b e f i n d e t sich m i t h i n im F G G als lex f u g i t i v a . D i e Vorschrift gestattet d a h e r keine Rückschlüsse d a r a u f , ob die A u f h e b u n g der in ihr g e n a n n t e n V e r f ü g u n g e n verfahrensrechtlich r ü c k w i r k e n d e K r a f t h a t , ebensowenig wie derartige Folgerungen f ü r den Fall der A u f h e b u n g der E n t m ü n d i g u n g aus § 115 BGB hergeleitet w e r d e n 2 ) . Vielmehr b e w ä h r t sich die Bestimmung ger a d e d a n n , w e n n die A u f h e b u n g der V e r f ü g u n g verfahrensrechtlich W i r k u n g ex t u n c hat 3 ).
B. Anwendungsbereich G e g e n s t a n d der V e r f ü g u n g k a n n sein die Verleihung der Fähigkeit o d e r der Befugnis V o r n a h m e eines Rechtsgeschäfts o d e r z u r E n t g e g e n n a h m e einer Willenserklärung.
zur
a) Die Fähigkeit hierzu erlangt j e m a n d , d e r nicht o d e r nicht allein i m s t a n d e ist, im eigenen N a m e n w i r k s a m zu h a n d e l n , durch eine gerichtliche V e r f ü g u n g , welche ihm die G e schäftsfähigkeit g a n z o d e r f ü r ein Teilgebiet verleiht oder ihn v o n einer V e r f ü g u n g s beschränkung b e f r e i t . H i e r h e r gehören die V o l l j ä h r i g k e i t s e r k l ä r u n g (§ 3 BGB), die E r m ä c h tigung des M i n d e r j ä h r i g e n z u m selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (§ 112 BGB) o d e r z u r E i n g e h u n g eines D i e n s t - o d e r Arbeitsverhältnisses (§ 113 Abs. 3 BGB), die E r s e t z u n g d e r E r m ä c h t i g u n g o d e r d e r Z u s t i m m u n g eines a n d e r e n zu einem Rechtsgeschäft in den u n t e r § 53 F G G f a l l e n d e n Fällen (vgl. § 53 A n m . B), insbesondere die E r s e t z u n g der Zustimm u n g eines E h e g a t t e n bei Z u g e w i n n g e m e i n s c h a f t (§§ 1365, 1369 BGB) oder die E r s e t z u n g der Einwilligung o d e r nachträglichen G e n e h m i g u n g zur Eheschließung (§§ 3, 30 E h e G ) , f e r n e r die A u f h e b u n g der Beschränkung o d e r Ausschließung der Schlüsselgewalt (§ 1357 Abs. 2 BGB). h) Die Befugnis z u r V o r n a h m e eines Rechtsgeschäfts o d e r z u r E n t g e g e n n a h m e einer W i l lenserklärung erlangt j e m a n d durch die gerichtliche Ermächtigung, in diesem U m f a n g e f ü r einen a n d e r e n zu h a n d e l n . I n Betracht k o m m t die Bestellung z u m V o r m u n d , P f l e g e r o d e r Beistand (auch des J u g e n d a m t s nach §§ 46, 52 J W G ) , N a c h l a ß p f l e g e r , N a c h l a ß v e r w a l t e r , Bestellung eines Vertreters des Grundstückseigentümers nach § 1141 Abs. 2 BGB, E r n e n n u n g eines Testamentsvollstreckers nach § 2200 BGB, Bestellung v o n V o r s t a n d s m i t g l i e d e r n u n d A b wicklern f ü r Vereine u n d S t i f t u n g e n (§§ 29, 48, 86, 88 BGB), f ü r Handelsgesellschaften (§§ 46, 147, 161 H G B , § 66 G m b H G , §§ 85, 265 Abs. 3, 273 Abs. 4 A k t G , § 47 Abs. 2 Satz 1 P r V e r s A u f s G ) u n d Genossenschaften (§ 83 G e n G ) , Bestellung besonderer V e r t r e t e r nach §§ 147 Abs. 3, 350 A k t G , Bestellung v o n Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 A k t G .
C. Die Befugnis oder Fähigkeit muß durch die gerichtlidie Verfügung erlangt sein, also auf ihr beruhen. Sind z u m E r w e r b der Befugnis a u ß e r d e m noch weitere V o r a u s setzungen erforderlich, so w i r d das V e r t r a u e n auf deren Vorliegen durch § 32 nicht geschützt. 1) Wellstein FGG 2 § 32 Anm. 1; StaudingerCoing, B G B " § 115 Anm. 1; ebenso Habsdieid N J W 1966, 1787 zu Fn. 6.
2 3
) Vgl. dazu § 18 Rdn. 26. ) Vgl. § 18 Rdn. 31.
Freiwillige Gerichtsbarkeit Die Ernennung des Testamentsvollstreckers nach § 2200 z. B. verschafft dem TV keine Verfügungsbefugnis, wenn es1 an der Anordnung der TV durch den Erblasser und der Annahme des Amtes fehlt; ist das Testament nichtig, so wird der Dritte nur beim Vorliegen eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (§§ 2368 Abs. 3, 2366 BGB) geschützt4). Die Verfügung muß ferner zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts bereits wirksam gewesen sein, in der Regel nadi Maßgabe des § 16. Wird die Verfügung erst mit der Rechtskraft wirksam, so wird die Fähigkeit (Befugnis) erst mit deren Eintritt erlangt, wenn nicht nach § 26 Satz 2 oder § 53 Abs. 2 die sofortige Wirksamkeit angeordnet worden ist. Die Vorschrift kommt mithin nicht in Betracht, wenn die Verfügung vor ihrer späteren Aufhebung überhaupt noch nicht in Wirksamkeit getreten war. Der Schutz des § 32 endet in dem Zeitpunkt, in dem die aufhebende Verfügung wirksam wird; nur dieser objektive Umstand ist maßgebend. Auf die Kenntnis der Beteiligten kommt es nicht an 5 ).
g
D. Die Aufhebung der Verfügung als ungerechtfertigt hat auf die Wirksamkeit der inzwischen vorgenommenen Rechts, geschäfte keinen Einfluß. Es ist also unschädlich, wenn die Verfügung sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen als unrichtig erweist und deshalb aufgehoben wird. Gleichgültig ist es, ob die Verfügung durch das Gericht erster Instanz auf Grund des § 18 oder auf Erinnerung (§ 10 RechtspflG) oder im Beschwerdeverfahren oder nach eingetretener Rechtskraft infolge Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs. 2) aufgehoben wird. Darauf, ob der Dritte, der sich auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts beruft, den die Aufhebung rechtfertigenden Sachverhalt gekannt hat, kommt es nicht an; bei Kollusion können allerdings Schadensersatzansprüche in Betracht kommen6). Hat die Aufhebung der Verfügung ohnehin keine rückwirkende Kraft (§ 18 Rdn. 32, 35), so bedarf es des Schutzes des § 32 nicht.
7
E. Nichtige oder wirkungslose Verfügungen werden durdi § 32 nicht gedeckt; das Vertrauen in nichtige Verfügungen wird nidit geschützt7). Das hebt das Gesetz durch den Nebensatz „sofern nicht die Verfügung wegen Mangels der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unwirksam ist" besonders hervor. Eine entsprechende Anwendung auf unwirksame Verfügungen ist deshalb nicht angängig 8 ). Die Rechtsgeschäfte eines Vormundes, dessen Bestellung nichtig ist, sind daher nicht auf Grund des § 32 für den Mündel verbindlich9). Ebenso können die Rechtsgeschäfte eines vermeintlichen Amtsvormundes (§ 40 JWG) nicht auf Grund des § 32 wirksam sein, wenn die gesetzliche Amtsvormundschaft in Wirklichkeit nicht eingetreten war 10 ). Unter sachlicher Zuständigkeit ist hier übrigens nicht, wie sonst, die Abgrenzung zwischen der erstinstanzlichen Zuständigkeit des AG und des LG zu verstehen; ein Verstoß hiergegen hat Nichtigkeit nicht zur Folge 11 ). Das Gesetz meint den Fall der Kompetenzüberschreitung und die Nichtigkeit wegen funktioneller Unzuständigkeit (vgl. § 7 Anm. 17). Im übrigen kommt es auf den Grund der Unwirksamkeit nicht an; die Anwendung des § 32 ist in allen Fällen der Unwirksamkeit ausgeschlossen12).
8
F. Die Aufhebung einer Verfügung,
durch die jemandem die Vertretungsmacht entzogen oder jemand in der Geschäftsfähigkeit beschränkt worden ist, wirft die Frage nach der Wirksamkeit der gleichwohl während der Dauer der Entziehung oder Beschränkung von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen ) Jansen, N J W 1966, 331; a. M. Baur § 24 B V 1 in dem dort gegebenen Beispiel. 5 ) Sdilegelberger § 32 Anm. 5; a. M. Keidel § 32 Anm. 6, der meint, daß die Kenntnis des anderen Teils von der Aufhebung der Verfügung für die Wirksamkeit des Geschäfts unschädlich sei. «) Aron, GruchBeitr. 45, 602; Josef, F G G 2 § 32 Anm. 7; ders., ZZP 42, 45. ») Baur § 24 B V 1 a ; Wellstein F G G S § 32 Anm. 2; Sdilegelberger § 32 Anm. 4. 4
610
8) B G H Z 39, 45, 48. 1) So aber B G H FamRZ 1956, 379; zust. Keidel § 32 Anm. 6; dagegen mit Recht Beitzke FamR 1 » § 37 I ; Habscheid N J W 1966, 1787 zu IV 5 d. »•) So aber Schleswig SchlHA 1956, 353; zust. Keidel Anm. 11. " ) Vgl. § 7 Anm. 15; Lent § 7 11; Baur $ 6 III. 1 2 ) Keidel Anm. 8.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Rechtsgeschäfte auf 13 ). Auf diesen Fall ist § 32 nicht anwendbar, weil es an einer gerichtlichen Verfügung als Gegenstand des Vertrauensschutzes fehlt. Die Frage ist danach zu beantworten, ob die Aufhebung der entziehenden oder beschränkenden Verfügung verfahrensrechtlich rückwirkende K r a f t hat; das ist zu bejahen, wenn die Verfügung der sofortigen Beschwerde unterlag, bei unbefristeter Beschwerde aber zu verneinen (§ 18 Rdn. 31, 32). Für den Fall der Aufhebung und der Beendigung der vorläufigen Vormundschaft und der Aufhebung der Entmündigung auf Anfechtungsklage findet sich in § 61 FGG, § 115 BGB eine Regelung zugunsten der Wirksamkeit der von oder gegenüber dem Volljährigen vorgenommenen Rechtsgeschäfte, die aber keiner Verallgemeinerung fähig ist. Wenn widerstreitende Rechtsgeschäfte sowohl von dem eigentlich Berechtigten als auch von dem gerichtlich Ermächtigten vorgenommen sind, ist die Rechtslage ebenso zu beurteilen, als wenn dieselbe Person oder der Vollmachtgeber und der Bevollmächtigte zwei widersprechende Willenserklärungen abgegeben hätten; es geht nicht etwa das Geschäft des Vertreters vor 14 ). Entsprechend anwendbar ist § 32 auf Geschäfte des Konkursverwalters bei Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und des Zwangsverwalters bei Aufhebung des Verfahrens 15 ). G. Erweiterter Geltungsbereich. Landesrecht Die Vorschrift gilt auch für Verfügungen des Rechtspflegers in übertragenen Angelegenheiten sowie nadi § 194 FGG für Verfügungen der nach Landesgesetz zuständigen nichtgerichtlichen Behörden. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist sie durchweg für anwendbar erklärt (§ 1 Rdn. 131 und PrFGG Art. 1). Ein weitergehender Schutz der Rechte Dritter bei Abänderung von Verfügungen findet sich in Art. 4 Satz 3 PrFGG, Art. 6 HessFGG, Art. 9 Abs. 3 NdsFGG; diese Vorschriften gelten als materielles Recht nadi Art. 3 EGBGB nur für den Landesgesetzen vorbehaltene Gebiete. H. In der D D R
Verfügungen
33 Ist j e m a n d e m durch eine Verfügung des Gerichts die Verpflichtung auferlegt, eine Handlung vorzunehmen, die ausschließlich v o n seinem Willen abhängt, oder eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so kann ihn das Gericht, soweit sich nicht aus d e m Gesetz ein anderes ergibt, zur Befolgung seiner Anordnung durch Ordnungsstrafen anhalten. Bei Festsetzung der Ordnungsstrafe ist der Beteiligte zugleich in die Kosten des Verfahrens zu verurteilen. Soll eine Sache oder eine Person herausgegeben oder eine Sache vorgelegt w e r den, oder ist eine Anordnung ohne G e w a l t nicht durchzuführen, so k a n n auf Grund einer besonderen Verfügung des Gerichts auch G e w a l t gebraucht werden. Der Vollstreckungsbeamte ist befugt, erforderlichenfalls die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachzusuchen. Die Kosten fallen dem Verpflichteten zur Last. Die Vorschriften des § 752 und des § 790 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Sache oder die Person nicht vorgefunden, so kann das Gericht den Verpflichteten zur Leistung des Offenbarungseides anhalten. Der § 883 Abs. 2 und 3, der § 900 Abs. 1 und die §§ 901, 902 bis 910, 912, 913 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden. 13
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-|2
gilt eine dem § 32 entsprechende Regelung nach § 48 Abs. 1 NotVerfO.
Vollziehung geridhtlicher
9
) Vgl. dazu Aron, ZZP 27, 238, 329; ders., GruchBeitr. 45, 607; Lent, J Z 1957, 351, 352. 14 ) Riezler, AcP 98, 372; Staudinger-Coing, BGB 11 , § 115 Anm. 2; Enneccerus-Nipperdey,
Allg. Teil 15 S 151 Fußn. 30; a. M. BGBRGRK § 115 Anm. 2. 15 ) Jaeger-Weber K O 8 § 109 Anm. 4; R G Z 36, 93; B G H Z 30, 173.
611
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Die Ordnungsstrafe (Abs. 1) muß, bevor sie festgesetzt wird, angedroht werden. Die einzelne Straße darf den Betrag von eintausend Deutsche Mark nicht übersteigen. Die besondere Verfügung (Abs. 2) soll in der Regel, bevor sie erlassen wird, angedroht werden. Fassung des Art. 4 VO v. 5. 8. 1935 (RGBl. I 1065) Übersicht Rdn.
Rdn.
Vorbemerkung
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A. Bedeutung und Anwendungsbereich
z
F. Androhung und Festsetzung von 30-40 Ordnungsstrafen 30 1. Verfahren 31 2. Verfahrensgegner 32 3. Art und Höhe der Strafe 33-36 4. Androhung der Ordnungsstrafe 33 a) Vorherige Androhung 34 b) Angedrohte Ordnungsstrafe 35 c) Strafandrohungsverfügung 36 d) Bekanntmachung 37-39 5. Festsetzung der Ordnungsstrafe 37 a) Straffestsetzung 38 b) Bemessung der Strafe 39 c) Kosten 40 6. Vollstreckung der Ordnungsstrafe 41-45 G. Rechtsmittel 41-42 1. Strafandrohung 41 a) Statthaftigkeit 42 b) Beschwerderecht 43-45 2. Straffestsetzung 43 a) Zulässigkeit der Beschwerde 44-45 b) Beschwerdegründe 46-47 H. Änderungsbefugnis 46 1. Strafandrohungsverfügung 47 2. Straffestsetzung 48-57 I. Anwendung von Gewalt 48 1. Voraussetzungen 49 a) Herausgabe einer Person b) Herausgabe oder Vorlegung einer 50 Sache c) Anordnungen, die ohne Gewalt nicht 51 durchführbar sind 52 2. Ausschluß der Gewaltanwendung 53 3. Androhung 54 4. Besondere Verfügung 55 5. Vollstreckungsbeamter 56 6. Vollzugsmaßnahmen 57 7. Kosten 58 J. Offenbarungseid 59 K. Zuständigkeit des Rechtspflegers 60 L. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht
B. Nichtvollzugsfähige Verfügungen 3-14 4 1. Gerichtliche Handlungen 2. Rechtsgestaltende Verfügungen 5 3. Regelung von Rechtsverhältnissen un ;r Ausschluß der Vollziehung 6 4. Zwangsvollstreckung nach der ZPO 7-14 a) Statthaftigkeit 7 b) Voraussetzungen der Zwangsvoll Streckung 8 c) Zuständigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren 9-13 aa) Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts 10 bb) Zuständigkeit des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit 11 cc) Prozeßgericht 12 dd) Widerspruchsklagen 13 d) Kostenberechnungen des Notars 14 C. Auferlegbare Verpflichtungen 1. Vormundschaftsgericht a) Vormund (Pfleger) b) Eltern c) Dritte d) Kinder und Mündel e) Fürsorgeerziehung 2. Nachlaßgericht a) Sicherung des Nachlasses b) Sonstige Verpflichtungen 3. Handelssachen 4. Beweisverfahren
15-24 16-20 16 17 18 19 20 21-22 21 22 23 24
D. Gerichtliche Verfügung 25-27 1. Form. Vollziehbarkeit 25 2. Inhalt 26 3. Vergleich 27 E. Gegenstand der Verpflichtung 28-29 1. Vornahme einer Handlung 28 2. Unterlassung oder Duldung der Vornahme einer Handlung 29
Vorbemerkung § 33 wurde durch V O zur Änderung des Verfahrens in Grundbuchsachen v. 5. 8. 1935 (RGBl. I, 1065) Art. 4 neu gefaßt. Die Vollziehung der Anordnungen in der FG, die vorher fast völlig dem Landesrecht überlassen war, ist damit reichsrechtlich geregelt, und zwar im Anschluß an die preuß. Bestimmungen (PrFGG Art. 15—17). Die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften sind dadurch gegenstandslos geworden. In Geltung geblieben ist Art. 16 Abs. 2, 3 PrFGG. Für Hessen enthalten die Art. 13, 18 bis 21 HessFGG ergänzende Vorschriften. D i e in Abs. 2 Satz 4 angeführten §§ 752, 790 Abs. 1 Z P O betrafen die Zwangsvollstreckung gegen Militärpersonen und sind gegenstandslos geworden Es gelten jetzt auch
612
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften für Soldaten die allgemeinen Vorschriften, Erlaß des BM f. Verteidigung v. 7. 6. 1957 (BAnz. Nr. 113) 1 ).
A. Bedeutung und Anwendungsbereich
2
Die Vorschrift regelt das Verfahren und bestimmt die Mittel, die angewendet werden dürfen, wenn eine gerichtliche Verfügung auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichsbarkeit zu ihrer Durchsetzung einer Vollziehung bedarf. Durch diese verfahrensrechtliche Vorschrift wird aber nicht die Befugnis des Gerichts begründet, jemandem eine Verpflichtung aufzuerlegen; vielmehr setzt ihre Anwendung voraus, daß die Befugnis zur Auferlegung der nach § 33 zu vollziehenden Verpflichtung anderweit gesetzlich vorgesehen ist, sei es im F G G selbst, sei es in anderen Gesetzen, insbesondere im B G B und im HGB 2 ). Ferner muß gerade dem Gericht der freiw. Gerichtsbarkeit durch Gesetz aufgegeben sein, für die Erfüllung der gesetzlich begründeten Verpflichtung Sorge zu tragen. Da Maßnahmen nach § 33 stets das durch Art. 2 Abs. 1 G G gewährleistete Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit 3 ) beeinträchtigen, stehen sie unter dem Vorbehalt der Gesetzmäßigkeit des Eingriffs; Maßnahmen, die das subjektive Recht aus Art. 2 Abs. 1 G G verletzen, mit keiner nicht obliegenden Verbindlichkeit belastet zu werden, können mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden 4 ). Die Vorschrift dient ferner nicht der Vollstreckung bürgerlichrechtlicher Ansprüche eines Beteiligten gegen den anderen, sondern der Durchsetzung einer öffentlichrechtlichen Befugnis des Gerichts, von einem Beteiligten ein Tun oder Unterlassen zu verlangen 5 ). Voraussetzung jeder Zwangsanwendung ist weiter, daß nicht nur deren förmliches Mittel, sondern auch materiell die zu erzwingende Anordnung im Zuständigkeitsbereich der den Zwang anwendenden Behörde liegt 6 ). Diese Frage ist von Bedeutung für die Doppelzuständigkeit einerseits des VormG nach §§ 1672, 1632 Abs. 2 BGB, andererseits des Prozeßgerichts nach § 627 ZPO für die Dauer eines Ehescheidungsrechtsstreits; erläßt das Prozeßgeridit, wozu es für befugt zu erachten ist 7 ), nach § 627 ZPO eine Herausgabeanordnung, so ist diese nach § 883 (oder § 888) ZPO zu vollstrecken, nicht nach § 33 vom VormG 8 ).
B. Nicht vollzugsfähige Verfügungen
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Aus dem Erfordernis einer gerichtlichen Verfügung, durch die eine Verpflichtung bestimmten Inhalts auferlegt wird, sowie aus dem Vorbehalt abweichender gesetzlicher Bestimmungen ergibt sich, daß ein erheblicher Kreis gerichtlicher Verfügungen für eine Vollziehung nach Maßgabe des § 33 nicht in Betracht kommt. Es scheiden aus Verrichtungen, die ihrer Natur nach einer Vollziehung nicht zugänglich sind (1), Verfügungen, die ihrem Inhalt nach einer Vollziehung nicht bedürfen (2), Verfügungen, die ein Rechtsverhältnis zwar in der Weise regeln, daß dadurch Rechte und Pflichten begründet werden, deren Verwirklichung aber außerhalb des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchzusetzen ist (3), und schließlich Entscheidungen, aus denen die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung stattfindet (4). 1. Gerichtliche Handlungen, die den Rechtserfolg, dessen Verwirklichung sie dienen, unmittelbar herbeiführen, sind eines Vollzuges weder bedürftig noch fähig, weil bereits ihre Vornahme die Verwirklichung der gerichtlichen Entschließung darstellt. Das gilt z. B. für die Vornahme von Beurkundungen und Eintragungen in öffentliche Bücher 9 ). 1) Dazu Böhle-Stamschräder N J W 1957, 1221. 2 ) KG R J A 14, 57; KG J W 1937, 2289 = H R R 1937 Nr. 1326; K G N J W 1958, 2071 = Rpfleger 1959, 189; Wellstein 2 Anm. 2 ; Schlegelberger Vorbem. 4 vor § 33. 3 ) Vgl. BVerfGE 6, 32. *) BVerfGE 6, 3 2 ; Maunz-Dürig GG Art. 2 Abs. 1 Rdn. 26. 5) KGJ 33 A 57; KG N J W 1958, 2071 = Rpfleger 1959, 189.
) Nußbaum Freiw. Gerichtsbarkeit S. 74. ) Staudinger-Donau BGB 1 1 § 1632 Anm. 34, 35; a. M. Keidel Anm. 35. e ) Staudinger-Donau aaO. Anm. 35; Baur § 26 A 23 S. 283; a. M. Hamm ZB1JR 1957, 81; Firsdiing FamRZ 1956, 137; vgl. auch KG FamRZ 1958, 230. •) Schlegelberger 1 vor § 33; Baur § 26 A II 2 b Keidel Anm. I I a . 8
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§ 33
Freiwillige Gerichtsbarkeit
2. Rechtsgestaltende Verfügungen führen unmittelbar eine Veränderung der materiellen Redislage herbei, deren Maßgeblichkeit nicht eine besondere Vollziehung der Verfügung voraussetzt, sondern lediglich davon abhängt, daß die Verfügung entweder mit der Bekanntmachung (§ 16 Abs. 1) oder nach Eintritt der formellen Rechtskraft (§ 16 Rdn. 18) wirksam geworden ist. Hierher gehören Verfügungen, die jemandem eine bestimmte Rechtsstellung verleihen oder sie ihm entziehen (Bestellung oder Entlassung des Vormundes, Ernennung oder Entlassung des Testamentsvollstreckers, Bestellung eines Notvorstandes), oder durch welche die Einwilligung oder Zustimmung eines anderen zu einem Rechtsgeschäft ersetzt (§ 3 Abs. 3 EheG, §§ 1365 Abs. 2, 1369 Abs. 2, 1727 BGB) oder die Ausschließung oder Beschränkung der Schlüsselgewalt aufgehoben wird (§ 1357 Abs. 2 BGB), ferner feststellende Verfügungen mit gestaltungsähnlicher Wirkung (vgl. § 18 Rdn. 28), wie die Feststellung des Ruhens der elterlichen Gewalt (§ 1674 BGB) oder die auf Grund einer Anfechtung der Ehelichkeit getroffene Feststellung der Unehelichkeit des Kindes (§§ 1593, 1599 Abs. 2 BGB, § 56b FGG). Soweit die durch die rechtsgestaltende Verfügung geschaffene Rechtslage Rechte und Pflichten begründet, hat deren Geltendmachung im Prozeßwege zu erfolgen. H a t das Gericht nach §§ 432 BGB, 165 F G G einen Verwalter bestellt, so ist es Sache des Gläubigers, auf Herausgabe der geschuldeten Sache an den Verwahrer zu klagen 10 ). Das Gericht ist auch nicht befugt, auf Grund des § 33 die Herausgabe des Vermögens vom bisherigen Vormund (Pfleger) an den Mündel (Pflegebefohlenen) anzuordnen 1 1 ) oder die Herausgabe des Vermögens durch den Mündel an den Vormund zwangsweise durchzusetzen 12 ); bei der Nachlaßverwaltung ist es nicht Sache des NachlG, die Herausgabe von Nachlaßgegenständen vom Erben an den Verwalter anzuordnen und zu erzwingen 13 ). Als rechtsgestaltende Verfügung nicht vollziehbar sind auch Entscheidungen über die Regelung der elterlichen Gewalt nach §§ 1671, 1672, 1696 BGB, da sie keine Bestimmung über den Aufenthalt des Kindes enthalten 1 4 ); im Verhältnis der Eltern untereinander nach § 33 vollziehbar ist erst eine vom VormG nach § 1632 Abs. 2 erlassene Herausgabeanordnung (Rdn. 17). 3. Regelung von Rechtsverhältnissen unter Ausschluß der Vollziehung. Mitunter hat das Gesetz dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur die Regelung eines Rechtsverhältnisses übertragen, die Durchsetzung der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen aber den Beteiligten überlassen, so daß diese, wenn es dazu eines Zwanges bedarf, auf den Prozeßweg angewiesen sind; in diesen Fällen ist die Ausübung von Zwang nach § 33, auch wenn die Verfügung ihrem Inhalt nach vollzugsfähig wäre, ausgeschlossen 15 ). Die Entscheidung des VormG nach § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB über A r t und Zeit der Unterhaltsgewährung ist zwar für das Prozeßgericht bindend, aber nicht vollstreckbar, zumal das VormG über das Bestehen des Unterhaltsanspruchs, seine H ö h e und die Fälligkeitstermine nicht zu befinden hat; es entscheidet also nur über eine einzelne, im Unterhaltsrechtsstreit erhebliche Vorfrage 1 '). Die Vollziehung ist ferner dem Gericht nicht zugewiesen bei der Außerkraftsetzung letztwilliger Anordnungen des Erblassers über die Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 Abs. 2 BGB) und bei der Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten unter Testamentsvollstrekkern (§ 2224 Abs. 1 BGB); die Rechte aus der Entscheidung sind notfalls im Zivilprozeß durchzusetzen. Nicht nach § 33 vollziehbar sind auch Entscheidungen über die Gewährung einer Vergütung an den Vormund oder Pfleger (§§ 1836, 1915 BGB) 17 ) oder den gerichtlich bestellten Verwahrer (§ 165 Abs. 2 FGG) sowie die Festsetzung von Auslagen zugunsten der 10
) Sdilegelberger 2 vor § 33. 11) KG RJA 3, 63; KGJ 33 A 54 = OLGR 14, 268; Sdilegelberger 4 vor § 33; Soergel-Germer BGB» § 1890 Anm. 3. 12) Sdilegelberger 4 vor § 33; a. M. Dresden OLGR 26, 118 = SeuffA 67 Nr. 136. 1S ) KG NJW 1958, 2071 = Rpfleger 1959, 189; Sorgel-Ehard-Eder BGB» § 1985 Anm. 1; Palandt-Keidel BGB" § 1985 Anm. 2 a; a. M. Erman-Bartholomeyczik BGB3 § 1985 Anm. 1. H) Frankfurt MDR 1950, 664; Sdiwoerer EJF A III Nr. 18; Pohle FamRZ 1957, 161; Soergel-Lange BGB» § 1671 Anm. 45; Staudinger-
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Schwoerer BGB11 § 1671 Anm. 171; Gerahuber FamR § 56 VII; Keidel Anm. 11. 15 ) Nußbaum, Richterliche Zwangsgewalt in der freiw. Gerbkt., ZZP 29, 440, 445; Sdilegelberger 3 vor § 33; Baur § 26 A II 3. 1B ) KG Recht 1906 Nr. 2128; vgl. audi KG JFG 12, 73; 13, 165; Soergel-Lange BGB» § 1612 Anm. 9; Staudinger-Gotthardt BGB11 $ 1612 Anm. 36. 17 ) KGJ 29 A 22; Dresden OLGR 26, 117; RGZ 127, 103 = JW 1930, 2210 mit Anm. v. Wieruszowski; Soergel-Germer BGB» § 1836 Anm. 7.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Verwandten und Verschwägerten des Mündels oder von Familienratsmitgliedern (§§ 1847 Abs. 2, 1877 BGB). Der Vormund kann die festgesetzte Vergütung dem Mündel vermögen entnehmen; anderenfalls ist er auf den Prozeßweg angewiesen 18 ). Auf Grund des Vorbehalts in § 200 Abs. 1 FGG ist der Landesgesetzgeber jedoch befugt, aus derartigen Festsetzungen die Zwangsvollstreckung nadi der Z P O zuzulassen; hiervon haben Hessen und Niedersachsen für die Festsetzung von Auslagen nach §§ 1847 Abs. 2, 1877 BGB Gebrauch gemacht (Art. 17 N r . 2, 3 HessFGG, Art. 6 N r . 2, 4 NdsFGG), Niedersachsen auch für die Festsetzung der Vergütung für Vormund, Pfleger oder Verwahrer nach §§ 1836, 1915 BGB, § 165 FGG (Art. 6 Nr. 3 NdsFGG). Derartige Vollstreckungstitel sind nach § 801 Z P O mit V O vom 15. 4. 1937 (RGBl. I, 466) im ganzen Bundesgebiet vollstreckbar. 4. Zwangsvollstreckung nach der ZPO a) Statthaftigkeit. Verschiedentlich hat das Gesetz angeordnet, daß aus Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und aus gerichtlichen Vergleichen die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung stattfindet. In diesen Fällen ist § 33 nicht anwendbar; das Betreiben der Zwangsvollstreckung ist wie bei zivilprozessualen Titeln Sache des Gläubigers. Das ist in weitem Umfange geschehen in echten Streitsachen, in denen entweder wie im Zivilprozeß ein bürgerlichrechtlicher Anspruch erhoben oder die gerichtliche Regelung eines unter den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses erstrebt wird, wodurch Leistungspflichten unter den Beteiligten begründet werden können. Die Zwangsvollstreckung nach der Z P O findet statt aus rechtskräftigen Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und einstweiligen Anordnungen im Verfahren zur Regelung der Ausgleichsforderung bei Zugewinngemeinschaft (§ 53a Abs. 4 FGG), im Wohnungsund Hausratsauseinandersetzungsverfahren (§ 16 Abs. 3 HausratsVO), in Wohnungseigentumssachen (§ 45 Abs. 3 WEG), im Vertragshilfeverfahren (§§ 12, 14, 16 VHG), aus gerichtlichen Beschlüssen und Vergleichen im Landwirtschaftsverfahren, die einen vollstreckbaren Inhalt haben (§ 31 LwVG), aus rechtskräftigen Entscheidungen über das Auskunftsredit der Aktionäre (§ 132 Abs. 4 AktG, § 36 VAG), aus rechtskräftigen Beschlüssen der Wiedergutmachungsbehörden und von ihnen ausgefertigten Vereinbarungen sowie aus Beschlüssen der Wiedergutmachungskammern (Art. 65, 68 REGamZ, Art. 57, 60 REGbrZ, Art. 59, 61 REAO Berlin). Ferner findet die Zwangsvollstreckung statt aus rechtskräftig bestätigten vorgängigen Vereinbarungen oder einer Auseinandersetzung über den Nachlaß oder das Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft (§§ 98, 99 FGG) sowie aus der rechtskräftig bestätigten Dispache (§ 158 FGG). Zweckmäßigerweise sind auch für vollstreckbar erklärt rechtskräftige Entscheidungen im Aktienrecht über die Festsetzung von Vergütung und Auslagen der Gründungsprüfer (§§ 35 Abs. 2, 52 Abs. 4 AktG), gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder
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(§ 85 Abs. 3 AktG), Aufsichtsratsmitglieder (§ 104 Abs. 6 AktG), Sonderprüfer (§ 142 Abs. 6 AktG), Abschlußprüfer (§ 163 Abs. 4 AktG), besonderer Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§§ 147 Abs. 3 Satz 4, 350 Abs. 4 AktG) und gemeinsamer Vertreter außenstehender oder ausscheidender Aktionäre (§ 306 Abs. 4 AktG, § 33 Abs. 2 UmwandlG). Landesrechtliche Schuldtitel ergeben sich aus Art. 14 PrFGG, Art. 17 HessFGG, Art. 6 NdsFGG. Wegen der Vollstreckbarkeit gerichtlicher Vergleiche s. Vorb. vor § 8 Rdn. 81, wegen der Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen vgl. § 13a Rdn. 46, 47. b) Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung. Soweit nach den angeführten Vorschriften die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung zugelassen ist, wird der Kreis der in § 794 Z P O genannten Vollstreckungstitel durdi Einbeziehung der vollstreckbaren Titel aus dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit erweitert. Die Vollstreckbarkeit setzt voraus, daß die Entscheidung wirksam geworden ist ( § 1 6 Rdn. 21); die Wirksamkeit tritt bei einstweiligen Anordnungen mit der Bekanntmachung ( § 1 6 Abs. 1) ein; bei vollstreckbaren Endentscheidungen ist in der Regel bestimmt, daß sie erst mit der Rechtskraft wirksam werden, so daß die Vollstreckbarkeit den Eintritt der formellen Rechtskraft voraussetzt. Ausnahmsweise sind Beschlüsse der Wiedergutmachungskammern vorläufig vollstreckbar mit der Maßgabe, daß 1«) KGJ 29 A 22; Hamburg NJW 1960, 1207. 615
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Freiwillige Gerichtsbarkeit §§ 713 Abs. 2,713a bis 720 Z P O anwendbar sind (Art. 68 R E G a m Z , Art. 60 R E G b r Z , Art. 62 R E A O Berlin), und im Landwirtschaftsverfahren kann das Gericht Beschlüsse, die in der Hauptsache ergehen, in der Entscheidung für v o r l ä u f i g vollstreckbar erklären (§ 30 Abs. 2 L w V G ) . Die Vollstreckungsklausel wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz und, wenn das Verfahren bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Urkundsbeamten dieses Gerichts erteilt (§§ 795, 724 Abs. 2 Z P O ) ; zu gerichtlich bestätigten E r b - und Gesamtgutsauseinandersetzungen erteilt die vollstreckbare Ausfertigung die Geschäftsstelle des Gerichts, welches die U r k u n d e verwahrt (§§ 98 S a t z 2, 99 F G G mit § 797 Abs. 1 Z P O ; vgl. § 98 R d n . 2). Im übrigen gelten §§ 725 bis 730 Z P O . Gegen die Verweigerung der Vollstreckungsklausel steht dem Gläubiger die Erinnerung zu (§ 31 R a n d note 7), gegen die Erteilung dem Schuldner die Erinnerung entsprechend § 732 Z P O an das Gericht zu, dessen Urkundsbeamter entschieden h a t ; gegen die Entscheidung des Gerichts findet die unbefristete Beschwerde nach Maßgabe des F G G ( L w V G ) statt 1 9 ). c) Zuständigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren. D a s Vollstreckungsverfahren ist ein selbständiges Verfahren, nicht nur eine Fortsetzung des Verfahrens der Hauptsache 2 0 ). D i e zuständigen Organe bestimmen sich daher auch f ü r die Vollstreckung aus Schuldtiteln der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem V I I I . Buch der Z P O . aa) Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts (§ 764 Z P O ) bleibt bestehen f ü r diejenigen A u f g a b e n , welche die Z P O diesem Gericht zuweist 2 1 ). In Rückerstattungssachen tritt jedoch an die Stelle des Vollstreckungsgerichts das Wiedergutmachungsamt 2 2 ), und z w a r bezieht sich diese in A r t . 65 R E G a m Z , Art. 57 R E G b r Z , Art. 59 R E A O angeordnete Zuständigkeit nicht nur auf Vollstreckungstitel der Wiedergutmadiungsämter selbst, sondern auch auf solche der Wiedergutmachungsgerichte 2 3 ). bb) Das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welches als Gericht des ersten Reciitszuges in der Hauptsache tätig geworden ist, ist zur Entscheidung berufen in den Fällen, in denen die Z P O die Zuständigkeit des Prozeßgerichts im Vollstreckungsverfahren bestimmt (§§ 731, 732, 767, 768, 769, 785, 791, 887, 888, 890 Z P O ) . D a s gilt auch f ü r Einwendungen, die nach der Z P O durch Klage vor dem Prozeßgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen sind (§§ 731, 767, 768, 785, 786 Z P O ) 2 4 ) . Demnach kann zuständig sein das Vormundschaftsgericht (§ 53a R d n . 25), das Vertragshilfegericht, das Landwirtschaftsgericht 2 5 ) oder die Wiedergutmachungskammer 2 6 ). D i e Verfahrensvorschriften der Z P O gelten insoweit nur entsprechend (Vorbem. 6 vor § 19); Verfahrensgrundsätze und Rechtsmittel richten sich nach dem F G G 2 7 ) oder der sonst einschlägigen Verfahrensordnung ( L w V G , W E G , VHG). cc) Ein zuständiges Prozeßgericht, welches auf K l a g e im Zivilprozeßverfahren entscheidet, ist abweichend von den in Anm. bb) erörterten Grundsätzen bestimmt in §§ 98 S a t z 2, 99 F G G mit § 797 Abs. 5 Z P O bei der Zwangsvollstreckung aus rechtskräftig bestätigten Vereinbarungen über die Auseinandersetzung eines Nachlasses oder eines Gesamtguts sowie in § 158 Abs. 3 F G G bei der Zwangsvollstreckung aus der rechtskräftig bestätigten Dispache für K l a g e n auf Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 731 Z P O ) und f ü r K l a g e n , durch welche Einwendungen gegen den festgestellten Anspruch geltend gemacht werden oder der bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung bestritten wird (§§ 767, 768 Z P O ) . Dieselbe Zuständigkeit ist für die nach § 767 Z P O zu erledigenden K l a g e n nach §§ 785, 786 Z P O anzunehmen. ) K G J 46, 18 = R J A 14, 190; vgl. § 98 Rdn. 2; Pritsch LwVG § 31 Anm. IV d. 2 0 ) Pritsch LwVG § 31 Anm. V. 2 1 ) Pritsch LwVG § 31 Anm. V a; Baur § 26 C III. 2 2 ) Nidit die Wiedergutmachungskammer, wie Czapski RzW 1959, 110 meint. 2 3 ) Wagner RzW 1952, 359; LG Hannover RzW 1959, 17 mit Anm. v. Burkhardt; a. M. (Zuständigkeit des AG) Frankfurt RzW 1954, 8; Hamburg RzW 1958, 352. 19
) Saage V H G § 16 Anm. III 3; Pritsch LwVG § 31 V ; Baur § 21 III 2 d, § 26 C II 1; Keidel Anm. 7. 25 ) Pritsch LwVG § 31 Anm. V a; Barnstedt LwVG § 31 Anm. 4 A; Hamm RdL 1963, 183; Celle RdL 1966, 215; Keidel Anm. 7. 2 6 ) Unglaube RzW 1958, 345; LG NürnbergFürth RzW 1965, 522; LG München RzW 1966, 170; Keidel Anm. 7. " ) Vgl. K G J 46, 18 = R J A 14, 190. 24
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften dd) Das Prozeßgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfindet, ist in allen Fällen zuständig zur Entscheidung im Klageverfahren nach der Z P O über Widerspruchsklagen nach §§ 771 bis 774 ZPO 2 8 ).
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d) Kostenberechnungen des Notars werden auf Grund einer von dem N o t a r selbst erteilten vollstreckbaren Ausfertigung nach den Vorschriften der Z P O beigetrieben (§ 155 KostO). Sämtliche Einwendungen gegen die Kostenberechnung und gegen die Vollstreckungsklausel sind mit der Beschwerde an das LG geltend zu machen (§ 156 KostO); dieser Rechtsbehelf tritt an die Stelle der Klagen nach §§ 767, 768, 785, 786 Z P O . Nach den Vorschriften der Z P O vollstreckbar ist auch die Entscheidung des LG über Rückerstattung überhobener Notarkosten und über Schadensersatz aus ungerechtfertigtem Vollstreckungsbetrieb (§ 157 Abs. 2 KostO). Diese Zuständigkeit schließt das Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit aus; die Geltendmachung im Prozeßverfahren wäre unzulässig 29 ). Das gilt auch f ü r sonstige Fälle, in denen an Stelle des Prozeßgerichts das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig ist (oben Rdn. 11).
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C. Auferlegbare Verpflichtungen
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Die zu vollziehende Verfügung muß eine im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zulässige und gerichtlich zu überwachende Verpflichtung auferlegen und mithin dergestalt sein, daß zur Erreichung des beabsichtigten Rechtserfolgs notfalls die Beugung des widerstrebenden Willens des Verpflichteten erforderlich ist. O b das Gericht eine solche Verpflichtung auferlegen kann, ergibt sich aus dem sachlichen Recht. 1.
Vormundschaftsgericht
a) Vormund (Pfleger). Die Befugnis des VormG, gegen Pflichtwidcrigkeiten des Vormundes, Gegenvormundes oder Pflegers durch Gebote und Verbote einzuschreiten und die Befolgung seiner Anordnungen durch Ordnungsstrafen zu erzwingen, ergibt sich aus §§ 1837, 1915 BGB. Das Aufsichtsrecht des VormG beginnt mit der Bestellung (§§ 1789, 1792 Abs. 4, 1915 BGB) und endet mit der Beendigung der Vormundschaft (Pflegschaft) oder der Entlassung des Vormundes oder Pflegers (§§ 1886, 1888, 1889 BGB). Die Ausübung von Zwang zur Übernahme der Vormundschaft wird in § 1788 BGB zugelassen, aber gegenüber § 33 eingeschränkt 30 ). Nach Beendigung des Amtes können noch solche Verpflichtungen auferlegt und erzwungen werden, die gerade dem ehemaligen Vormund obliegen, wie die Rückgabe der Bestallung (§ 1893 Abs. 2 BGB) 31 ) und die Einreichung einer formell ordnungsmäßigen Schlußrechnung (§ 1892 BGB) 32 ); eine sachliche Berichtigung und Ergänzung (§ 1843 Abs. 1) kann das VormG nur während der Dauer des Amtes bei der Zwischenrechnung (§ 1840), aber nicht mehr hinsichtlich der Schlußrechnung erzwingen 33 ). Sonstige Verpflichtungen, die dem Vormund während der Dauer des Amtes obliegen, können nach dessen Beendigung nicht erzwungen werden, z. B. die Auskunftspflicht nach § 1839 BGB 34 ); deshalb können Entlassung und Festsetzung der Ordnungsstrafe nicht miteinander verbunden werden 35 ). Während der Dauer des Amtes können insbesondere erzwungen werden die Einreichung des Vermögensverzeichnisses (§ 1802 BGB), die Pflicht zur Auskunftserteilung (§ 1839 BGB), die die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen 36 ) und zur Vorlegung von
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) Pritsch LwVG § 31 Anm. 5 a. E.; Baur § 26 C H I ; Keidel Anm. 7. 29 ) KG JFGErg. 17, 9 = DNotZ 1938, 51; BGH DNotZ 1961, 430; KG DNotZ 1963, 346; KG OLGZ 1966, 90, 93. 30 ) Vgl. dazu KG RJA 16, 189; KG OLGR 42, 111. 31 ) KG RJA 15, 255; 16, 18; Neustadt NJW 1955, 1724; Nußbaum ZZP 29, 440, 450; Soergel-Germer BGB9 § 1893 Anm. 4; Erman-Hefermehl BGB3 § 1893 Anm. 3.
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) KG RJA 7, 85; KGJ 32 A 53; 33 A 54 = OLGR 14, 268; KGJ 50, 28; Neustadt NJW 1955, 1724. S3 ) KGJ 33 A 54; Erman-Hefermehl BGB9 § 1892 Anm. 2; BGB-RGRK" § 1892 Anm. 2. 34 ) KG RJA 15, 255; 16, 18; KGJ 24 A 23; Hamm OLGZ 1966, 484, 486. 35 ) KG RJA 16, 18. 38 ) KG RJA 13, 70.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Wertpapieren (Sparkassenbüchern) einschließt37), die Verpflichtung zur Redmungslegung einschließlich der Vorlegung von Büchern und Belegen (§§ 1840, 1841)38), zur Berichtigung und Ergänzung der Rechnung (§ 1843 Abs. 1), nicht aber zur Streichung oder Einstellung von Rechnungsposten 39 ), die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung (§ 1844) vorbehaltlich des § 1889 BGB und die Pflicht zur ordnungsmäßigen Anlegung von Mündelgeldern 40 ). Im übrigen ist es nicht erforderlich, daß der Vormund einer bestimmten, gesetzlich besonders normierten Verpflichtung zuwiderhandelt 41 ); es genügt jede Pflichtwidrigkeit, nämlich eine auf einem Tun oder Unterlassen beruhende Verletzung der Pflicht zur Wahrung der Mündelinteressen; die Pflichtwidrigkeit muß schuldhaft sein42). Solange der Vormund nach pflichtmäßigem Ermessen eine vertretbare Auffassung vertritt, ist das VormG nicht befugt, durch Weisungen eine andere Art der Ermessensausübung zu erzwingen 43 ); auch Ermessensentscheidungen können aber unter besonderen Umständen pflichtwidrig sein44). b) Eltern. Inhaber der elterlichen Gewalt sind, anders als Vormund oder Pfleger, nicht der allgemeinen Aufsicht des VormG unterworfen. Auch die Ausübung der elterlichen Gewalt unterliegt aber dem Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), zu dessen Wahrnehmung vor allem das VormG bestellt ist. Das VormG greift erst ein, wenn Anlaß dazu besteht und eine besondere gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Durch die Zwangsmittel des § 33 erzwingbar ist die Vorlegung des Vermögensverzeichnisses nach §§ 1682, 1683 BGB45). In den Fällen, in denen das VormG ermächtigt ist, „die erforderlichen Maßregeln zu treffen" (§§ 1639 Abs. 1 Satz 2, 1666 Abs. 1 Satz 1, 1667 Abs. 1, 1693 BGB), ist es auch befugt, die Befolgung seiner Anordnungen durch die Eltern zu erzwingen, sofern die Anordnung sich nicht in einer Gestaltungswirkung erschöpft, wie die Entziehung von Bestandteilen der elterlichen Gewalt, sondern eines Vollzuges bedarf 46 ). Auch Maßnahmen nach § 1667 BGB zur Abwendung einer Vermögensgefährdung können durch Ordnungsstrafen erzwungen werden; die Ausnahme des § 1669 Satz 2 BGB bezieht sich nur auf die Sicherheitsleistung 47 ). Nach Maßgabe des § 33 durchsetzbar sind ferner Anordnungen des VormG nach § 1634 Abs. 2 BGB zur Regelung des persönlichen Verkehrs eines Elternteils mit dem Kinde 48 ), auch wenn das Sorgerecht einem Vormund oder Pfleger zusteht 49 ), während die Zubilligung eines Verkehrsrechts zugunsten eines Dritten, der nicht Elternteil ist (Großeltern), gegenüber dem Vormund (Pfleger) ihre Grundlage in §§ 1837, 1915 BGB, gegenüber Eltern in § 1666 BGB findet und insoweit gemäß § 33 vollziehbar ist 50 ). In entsprechender Anwendung der §§ 1634 BGB, 33 FGG ist das VormG zur Regelung und Durchsetzung des persönlichen Verkehrs mit dem Kinde auch berufen, wenn den Eltern die Personensorge noch gemeinsam zusteht, weil sie bei bestehender Ehe getrennt leben oder weil nach der Scheidung über die Zuweisung der elterlichen Gewalt noch nicht entschieden ist, oder wenn der sorgeberechtigte Elternteil das Kind in die Obhut des nicht Sorgeberechtigten gegeben hat 51 ). Deshalb ist es auch unbedenklich, bei der Verkehrsregelung nach § 1634 Abs. 2 BGB Verpflichtungen aufzuerlegen und nach § 33 zu vollziehen gegenüber einem Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, ohne Inhaber des Personensorgerechts zu sein52), oder gegenüber einem anderen Dritten (z. B. Großeltern), der zu dem Kinde in « ) KGJ 50, 28. 38) KGJ 36 A 38; KG OLGR 38, 261; KGJ 50, 28, 31. 39 ) KG OLGR 30, 151; BayObLG JFG 6, 104. 40 ) RGZ 88, 264; KG OLGZ 1966, 609; 1967, 255. « ) Nußbaum ZZP 29, 440, 447; BGB-RGRK 11 § 1837 Anm. 3. 42 ) KG RJA 6, 257; BayObLG JFG 8, 94; h. M., a. M. Gernhuber FamR § 64 IV 4. 43 ) KG OLGR 18, 302; BayObLGZ 33, 329; BGHZ 17, 116. 44 ) Bremen OLGZ 1966, 456. 45 ) KG EJF A I Nr. 1; Soergel-Lange BGB« § 1682 Anm. 7. 46 ) Staudinger-Engler BGB" § 1639 Anm. 8; Staudinger-Göppinger BGB 11 § 1666 Anm. 363.
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) Nußbaum ZZP 29, 440, 459; Staudinger-Göppinger BGB 11 § 1667 Anm. 45; Schlegelberger 5 vor § 33; a. M. KG RJA 1, 91. 4S ) München JFG 14, 464; KG JFG 23, 82 (Briefverkehr); KG OLGZ 1966, 352. 49 ) Staudinger-Sdiwoerer BGB 11 § 1634 Anm. 47. 50 ) Darkow JR 1953, 334; Staudinger-Sdiwoerer BGB 11 § 1634 Anm. 123. 51 ) KG JFG 2, 81; 23, 80; KG OLGZ 1965, 102; Hamm JMB1NRW 1963, 80; BayObLGZ 1963, 231; Staudinger-Sdiwoerer BGB 11 § 1634 Anm. 37-41; BGB-RGRK" § 1634 Anm. 1; a. M. Gernhuber FamR § 53 III 8. 52 ) Sdiwoerer FamRZ 1963, 654; a. M. Köln FamRZ 1963, 653.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
33
einer Beziehung steht, die ihm in den Angelegenheiten des Kindes ein Beschwerderecht nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 gewähren würde 53 ). Das VormG kann dem Sorgeberechtigten oder sonst zur Gestattung des Verkehrs Verpflichteten nicht nur die Duldung von Handlungen, etwa der Abholung des Kindes, aufgeben, sondern ihm auch ein positives Tun, etwa die Bereithaltung des Kindes oder seine Zuführung auferlegen 54 ), und der Verkehrsberechtigte kann durch Ordnungsstrafen dazu angehalten werden, das Verkehrsrecht nicht zu überschreiten55). Soweit das VormG berufen ist, nach § 1632 Abs. 2 BGB über das Verlangen eines Elternteils auf Herausgabe des Kindes durch den anderen Elternteil zu entscheiden, ist es auch befugt, die Herausgabeanordnung nach § 33 zu vollziehen. Der Anspruch setzt voraus, daß dem das Verlangen stellenden Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zusteht 56 ). Ist diese Voraussetzung gegeben, so darf das VormG die Anordnung der Herausgabe nur auf Grund einer vorläufigen Anordnung ablehnen, wenn entweder der Grund für die Vorenthaltung des Kindes nur vorübergehend besteht oder Anlaß gegeben ist, die bisherige Regelung der elterlichen Gewalt zu überprüfen (§§ 1666, 1696 BGB) und die endgültige Entscheidung hierüber nicht abgewartet werden kann 57 ). Die Zuständigkeit des VormG nach § 1632 Abs. 2 BGB ist auch gegeben, wenn der Vater des für ehelich erklärten Kindes dessen Herausgabe von der Mutter 58 ) oder der gemäß § 1671 Abs. 5 BGB bestellte Vormund oder Pfleger die Herausgabe von dem Elternteil verlangt 59 ). Ist dem Eltern teil das Personensorgerecht nach § 1666 Abs. 1 BGB entzogen und auf einen Pfleger übertragen oder steht es dem Amtsvormund zu, weil der unehelichen Mutter die Personensorge (§ 1707 Abs. 1 Satz 2) gemäß § 1666 entzogen worden ist, so ergibt sich die Befugnis des VormG, die Herausgabe an den Vormund (Pfleger) anzuordnen, aus § 1666 Abs. 1 BGB; dieselbe Befugnis muß dem VormG aber auch zustehen, wenn das der unehelichen Mutter nach § 1707 Abs. 1 Satz 2 zustehende Personensorgerecht nach §§ 1673, 1674 BGB ruht 60 ). Verlangt umgekehrt die uneheliche Mutter die Herausgabe des Kindes auf Grund ihres Sorgerechts (§ 1707 Abs. 1 Satz 2 BGB) von dem Amtsvormund, so ist zur Entscheidung darüber das VormG nach § 1837 BGB unter Ausschluß des Prozeßgerichts berufen 61 ). Verlangt dagegen ein Inhaber der elterlichen Gewalt, Vormund oder Pfleger die Herausgabe des Kindes von einem Dritten, der nicht Elternteil, Vormund oder Pfleger ist, so ist der Anspruch aus § 1632 Abs. 1 BGB im Prozeßwege geltend zu machen62), z. B. das Herausgabeverlangen der unehelichen Mutter gegen Pflegeeltern oder den Erzeuger 63 ). c) Dritte, die nicht Inhaber der elterlichen Gewalt, Vormund oder Pfleger sind, unterliegen grundsätzlich nicht der Zwangsgewalt des VormG. Insbesondere sollen die §§ 1666, 1667 BGB das Kind nur gegen den Gewalthaber schützen, also die elterliche Gewalt einschränken 64 ). Soweit aber das VormG nach § 1666 Abs. 1 Satz 2, 1838 BGB die Unterbringung des Kindes zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einer Erziehungsanstalt anordnet, ist es befugt, die Herausgabe des Kindes von jedem Dritten zu erzwingen, da es sich um die Durchsetzung einer im öffentlichen Interesse getroffenen Maßregel handelt, zu deren Befolgung jedermann angehalten werden kann 65 ). Über Maßnahmen bei der Verkehrsregelung (§ 1634 BGB) gegen Dritte vgl. Rdn. 17. 53
) BayObLGZ 1956, 191 = E J F A III N r . 4 mit abl. Anm. v. Hock; Staudinger-Sdiwoerer BGB 11 § 1634 Anm. 101; a. M. Voraufl. Anm. 3. 54 ) Staudinger-Schwoerer BGB 11 § 1634 Anm. 118. 55 ) Hamm O L G Z 1966, 206; Staudinger-Schwoerer BGB» § 1634 Anm. 119; a. M. K G OLGR 33, 358. 56 ) H a m m JMB1NRW 1960, 253 = E J F B I I N r . 37; Keidel Anm. 35; Staudinger-Donau BGB 11 § 1632 Anm. 32. « ) Stuttgart O L G Z 1966, 471; StaudingerSchwoerer B G B » § 1671 Anm. 174; vgl. auch BayObLGZ 1963, 191; H a m m O L G Z 1967, 207 = ZB1JR 1967, 313.
58) BGHZ 40, 1 = FamRZ 1963, 560 = LM § 1632 N r . 4 mit Anm. v. Johannsen = Rpfleger 1964, 16 mit Anm. v. Keidel. 59 ) Celle FamRZ 1964, 270; Keidel Anm. 35. 6 °) A. M. Oldenburg NdsRpfl. 1960, 250; Keidel Anm. 36. 61 ) Verkannt in KG FamRZ 1965, 448. 6 ") B G H N J W 1960, 2099 = FamRZ 1960, 396; Karlsruhe ZB1JR 1965, 274. «') München ZB1JR 1960, 124; K G FamRZ 1965, 448; Nürnberg O L G Z 1966, 531. 6 «) Vgl. Mot. IV S. 803; Nußbaum Z Z P 29, 440, 462. 65 ) Köln N J W 1952, 547 mit zust. Anm. v. Keidel; Nußbaum ZZP 29, 440, 454; StaudingerGöppinger B G B " § 1666 Anm. 364.
Freiwillige Gerichtsbarkeit 19
d) Kinder und Mündel. Gegenüber Mündeln und unter elterlicher Gewalt stehenden Kindern kann die Anwendung von Zwang in keinem Falle ihre Grundlage in § 33 FGG finden. Denn die Auferlegung von Verpflichtungen setzt Geschäftsfähigkeit voraus (vgl. auch unten Rdn. 31). Maßnahmen des VormG, die sich unmittelbar gegen Kinder und Mündel richten, und die auch in der Anwendung von Zwang bestehen können, sind gleichwohl nicht ausgeschlossen; sie können in den Fällen in Betracht kommen, in denen das VormG an Stelle des Vormundes oder Gewalthabers tritt, also unter den Voraussetzungen der §§ 1838, 1846, 1666 Abs. 1 Satz 2, 1693 BGB, oder in denen es auf Antrag des Vormundes oder Gewalthabers zu dessen Unterstützung tätig wird (§§ 1631 Abs. 2, 1800 BGB). Die Regeln des Zwangsvollzugs nach § 33 lassen sich auf derartige der Erziehung dienende Maßregeln nicht anwenden und wären ersichtlich unpassend; der Kreis der zulässigen Maßnahmen und die Formen ihrer Durchführung sind unmittelbar den genannten sachlichrechtlichen Vorschriften zu entnehmen66). Das Kind (Mündel) kann, wenn es über 14 Jahre alt und nicht geschäftsunfähig ist, sein Beschwerderecht nach § 59 selbständig ausüben. Wegen der Unterstützung des Vormunds bei der Vollziehung einer vom VormG genehmigten Unterbringung (§ 1800 Abs. 2 BGB) vgl. § 55a Rdn. 35.
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e) Fürsorgeerziehung. Die Anordnung der Fürsorgeerziehung wird, sobald sie vollziehbar geworden ist (§ 69 Abs. 2 JWG) von der Fürsorgeerziehungsbehörde (§§ 69 Abs. 1, 74 Abs. 2 JWG) ausgeführt. Vollstreckt wird nicht der die Fürsorgeerziehung anordnende Beschluß des VormG, sondern die auf Unterbringung in einem bestimmten Heim oder einer Familie gerichtete Verfügung der Fürsorgeerziehungsbehörde, die sich als Verwaltungsakt darstellt 67 ); Zwangsmaßnahmen des VormG nach § 33 kommen daher nicht in Betracht. Die Fürsorgeerziehungsbehörde ist, wie ein Inhaber der elterlichen Gewalt, befugt, sich des Minderjährigen unmittelbar zu bemächtigen und dessen Widerstand notfalls durch Anwendung unmittelbaren Zwangs zu brechen, da die elterliche Gewalt für die Dauer und die Zwecke der Fürsorgeerziehung eingeschränkt und das Aufenthaltsbestimmungsrecht kraft öffentlichen Rechts auf die Fürsorgeerziehungsbehörde übergegangen ist 68 ). Nach Landesrecht kann die Vollzugshilfe der Polizei- und Ordnungsbehörden in Anspruch genommen werden. Diese Rechtslage ergibt sich nach Landesrecht für Hamburg aus § 14 AG-JWG vom 22. 5. 1962 (GVB1., 137), für Bremen aus § 24 A G - J W G vom 26. 6. 1962 (GVBL, 159), für Niedersachsen aus § 25 AG-JWG vom 13. 11. 1966 (GVBL, 246), für Schleswig-Holstein aus § 16 AG-JWG vom 7. 7. 1962 (GVBL, 277), für das Saarland aus § 47 AG-JWG (G Nr. 794) vom 24. 4. 1964 (ABL S. 389), für Bayern aus Art. 31 AG-JWG vom 23. 7. 1965 (GVBL, 194), für Nordrhein-Westfalen aus § 41 A G - J W G vom 1. 7. 1965 (GVBL, 248). Soweit eine besondere landesrechtliche Regelung fehlt (Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz), ergibt sich dieselbe Rechtslage aus den eingangs gekennzeichneten Grundsätzen. Widerstand Dritter, insbesondere der Erziehungsberechtigten, kann im Hinblick auf die Strafvorschrift des § 86 J W G auf Ersuchen der Erziehungsbehörde durch die Polizei gebrochen werden, zu deren Aufgaben nach der polizeilichen Generalklausel die Verhütung strafbarer Handlungen gehört.
2. 21
Nachlaßgericht
") Sicherung des Nachlasses. Ist der Erbe dem Nachlaßgericht unbekannt oder ist er zwar bekannt, hat er aber die Erbschaft noch nicht angenommen oder ist ungewiß, ob er die Erbschaft angenommen hat, so hat das NachlG, wenn ein Fürsorgebedürfnis besteht, von Amts wegen geeignete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen (§ 1960 BGB). Als Beispiele geeigneter Maßnahmen nennt das Gesetz die Siegelung des Nachlasses, die Hinterlegung «') Vgl. Nußbaum ZZP 29, 440, 483; StaudingerDonau B G B 1 1 § 1631 Anm. 40, § 1693 Anm. 8; a. M. B a y O b L G Z 1951, 553, 556, welches meint, daß für die Erzwingung § 33 maßgebend sei. 6 7 ) Claußen, Pflichten und Rechte der Fürsorgeerziehungsbehörde, 1954, S. 54; Potrykus Z B l J R 1967, 161.
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) Potrykus R J W G § 70 Anm. 13; Friedeberg. Polligkeit R J W G § 70 Anm. 12; Claußen aaO. S. 52; Potrykus ZB1JR 1967, 161; a. M. Staudinger-Göppinger B G B 1 1 Anh. nach § 1666 Rdn. 465-467.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten und die Aufstellung eines Nachlaß Verzeichnisses; nach der jeweils gegebenen Sachlage und dem Ermessen des NachlG kommen auch weitere Maßnahmen in Betracht wie die Anstellung eines Grundstückswächters, der Verkauf verderblidier Sachen oder die Sperrung von Konten 6 9 ). Durch § 1960 Abs. 2 BGB wird dem Nachlaßgericht die Sicherung des Nachlasses durch tatsächliche Maßnahmen gestattet und zur Pflicht gemacht. Der mit der Siegelung oder der Inventaraufnahme betraute Beamte ist befugt, verschlossene Räume und Behältnisse gewaltsam zu ö f f n e n ; da eine solche Maßnahme sich nicht gegen eine Person, sondern gegen Sachen richtet, bedarf es keiner Anordnung nach § 33; die Maßnahmen werden unmittelbar durch § 1960 BGB gerechtfertigt 70 ). D a das NachlG selbst f ü r die Sicherung des Nachlasses zu sorgen hat, kann es einem Hausgenossen des Erblassers, einem Erbschaftsbesitzer usw. nicht gebieten, die Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten zu bewirken, ein Inventar aufzunehmen oder für die Sicherung des Sterbehauses zu sorgen; diese Maßnahmen hat es vielmehr selbst zu veranlassen. Zeugniszwang über den Verbleib von Nachlaßgegenständen ist nicht auf Grund des § 33, sondern nur nach Maßgabe der §§ 15 FGG, 390 Z P O statthaft, also nicht gegen einen Erbprätenden, da dieser als Beteiligter nicht zeugnispflichtig ist 71 ). Befinden sich Gegenstände, deren Zugehörigkeit zum Nachlaß vermutet wird, im Besitz eines Dritten, der hierauf als Eigentümer oder Erbprätendent ein Recht zu haben behauptet, so sind Zwangsmaßnahmen gegen ihn zur Erwirkung der Herausgabe oder Sicherstellung unzulässig 72 ); sofern ein Fürsorgebedürfnis bestehen sollte, ist die Bestellung eines Nadilaßpflegers geboten, der die Herausgabe mit zivilprozessualen Mitteln erwirken kann, ohne das Nichterbrecht des dritten Besitzers nachweisen zu müssen 73 ). b) Sonstige Verpflichtungen. Nachlaßpfleger und Nachlaßverwalter unterstehen der A u f sieht des NachlG in gleichem U m f a n g wie ein Vormund (§§ 1960, 1961, 1975, 1915 BGB, § 75 FGG) mit der Maßgabe, daß an die Stelle des VormG das NachlG tritt (§ 1962 BGB). Die Bern, zu Rdn. 16 gelten daher entsprechend. Auch § 1837 Abs. 2 BGB (Ordnungsstrafen) ist anwendbar 7 4 ). Das NachlG ist aber nicht befugt, die Herausgabe von Nachlaßgegenständen von dritten Besitzern an den Pfleger oder nach Beendigung der Pflegschaft vom Pfleger an den Erben anzuordnen und zu erzwingen (oben Rdn. 5). Der Testamentsvollstrecker untersteht nicht allgemein der Aufsicht des NachlG; er kann daher nicht durch Ordnungsstrafen zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden. Nach § 33 zu vollziehen sind Anordnungen über die Ablieferung von Testamenten (§ 2259 BGB, § 83 FGG, vgl. § 83 Rdn. 3) und über die Einziehung von Erbscheinen und Zeugnissen über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft (§§ 2361, 1507, vgl. § 84 Rdn. 14). Auch die Einziehung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses kann nach Maßgabe des § 33 erzwungen werden, wenn es als unrichtig eingezogen worden ist (§§ 2368 Abs. 3, 2361 BGB); ist das Zeugnis aber nach § 2368 Abs. 3 Halbs. 2 BGB k r a f t Gesetzes kraftlos geworden, so soll das NachlG es zwar zurückfordern, es kann diese Anordnung jedoch nicht erzwingen 75 ).
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3. In Handelssachen kann das Gericht (§ 145 FGG) nach Maßgabe des § 33 erzwingen Anordnungen über die Mitteilung einer Bilanz oder sonstiger Aufklärungen sowie über die Vorlegung von Büchern und Papieren der O H G und K G gemäß §§ 166 Abs. 3, 338 Abs. 3 H G B (vgl. § 145 Rdn. 7), über die Gestattung der Einsichtnahme der Bücher und Schriften der AG, der KGaA, des VVaG, der G m b H und der Genossenschaft nach Schluß der Abwicklung gemäß § 273 Abs. 3 A k t G (vgl. § 145 Rdn. 56), § 74 Abs. 2 Satz 2 G m b H G (vgl. § 148 Rdn. 8) und § 93 Satz 3 GenG (vgl. § 148 Rdn. 5), ferner bei der Dispache Anordnungen über die Vorlegung von Schriftstücken und Belegen (§§ 151, 154 FGG). Dagegen wird
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•») Vgl. Kipp-Coing ErbR 10. Bearb. § 78 V 2; Staudinger-Lehmann B G B " § 1960 Anm. 2226. 7 °) Nußbaum ZZP 29, 440, 465. 71 ) A. M. Celle FamRZ 1959, 33. 72 ) Nußbaum ZZP 29, 440, 466; Josef 2 Art. 17 PrFGG Zus. I B; a. M. Firsdiing NachlR 8 S. 105.
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) RG DR 1942, 533; Kipp-Coing ErbR 1 » § 79 III 3. M) KG OLGR 14, 268; 32, 48; Staudinger-Lehmann BGB 11 § 1960 Anm. 43. 75 ) Schlegelberger 6 vor § 33; Nußbaum ZZP 29, 440, 468; a. M. Josef MecklZ 39, 331.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit die Übergabe der Bücher und Sdiriften einer aufgelösten und abgewickelten OHG, KG, GmbH oder Genossenschaft an den gerichtlich bestellten Verwahrer (§§ 157 Abs. 2 Satz 2, 161 Abs. 2 HGB), § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 93 Satz 2 GenG) nicht erzwungen7»); anders bei der AG und KGaA nach §§ 273 Abs. 2, 278 Abs. 3 mit §§ 407 Abs. 1, 408 AktG. Für das Verfahren des Registergerichts in Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregistersachen zur Erzwingung von Anmeldungen, Zeichnungen, der Einreichung von Schriftstücken, der Vornahme sonstiger Handlungen und Unterlassungen und beim Einschreiten gegen Firmenmißbrauch gelten die besonderen Vorschriften der §§ 132 bis 139, 140 FGG (vgl. die Bern, zu §§ 132, 140, 147, 159). Das Registergericht kann aber einen Gewerbetreibenden nicht durch Ordnungsstrafen dazu anhalten, der Industrie- und Handelskammer Auskunft über Art und Umfang eines Geschäftsbetriebes zu erteilen76"). 24
4. ¡m Beweisverfahren können Zwangsbefugnisse des Gerichts weder auf den Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 (vgl. § 12 Rdn. 66—68) noch auf § 33 gestützt werden, da diese Vorschrift keine Grundlage dafür bietet, Verpflichtungen aufzuerlegen (oben Rdn. 2). Bei der Durchführung von Ermittlungen und Beweiserhebungen kann daher Zwang nur insoweit ausgeübt werden, als die nach § 15 FGG entsprechend anwendbaren Vorschriften der ZPO über die Erhebung des Augenscheins-, des Zeugen- und des Sachverständigenbeweises Zwangsmittel vorsehen (§§ 372a, 380 ff., 407 ff. ZPO). Die Meinung, zwecks Erhebung von Beweisen könne Zwang auf Grund des § 33 ausgeübt werden, begegnet außerdem erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken, da sie zu einer uferlosen Ausdehnung der Zwangsbefugnisse führen müßte 77 ). Über die Befugnis, das persönliche Erscheinen Beteiligter vor Gericht anzuordnen, vgl. § 12 Rdn. 69—73.
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D. Gerichtliche Verfügung 1. Form. Vollziehbarkeit. Die durch Ordnungsstrafen oder unmittelbaren Zwang zu erzwingende Verpflichtung muß dem Beteiligten durch eine Verfügung des Gerichts auferlegt sein. Es genügt nicht, daß das Bestehen der Verpflichtung sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt; der Beteiligte muß zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung durch eine ihm gegenüber erlassene Verfügung angehalten worden sein78). Die Verfügung muß entweder durch Bekanntmachung (§ 16) oder Eintritt der formellen Rechtskraft wirksam geworden sein und ihre Vollziehung darf nicht nach § 24 Abs. 1 aufgeschoben oder durch eine einstweilige Anordnung nach § 24 Abs. 2, 3 ausgesetzt sein. Wird die Verfügung auf Grund des § 18 oder im Beschwerdewege aufgehoben oder sachlich geändert, so kann sie nicht mehr Grundlage von Zwangsmaßnahmen sein; eine bereits erlassene Strafandrohungsverfügung wird gegenstandslos70).
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2. Inhalt. Die zu erzwingende Verfügung muß einen vollziehbaren Inhalt haben. Dazu gehört auch eine hinreichende Bestimmtheit darüber, welches Tun, Unterlassen oder Dulden von dem Pflichtigen verlangt wird. Insbesondere Anordnungen über die Verkehrsregelung nach § 1634 BGB müssen genaue Bestimmungen über die Durchführung des Verkehrs nach Art, Ort und Zeit enthalten 80 ). Eine aus einer positiven Anordnung durch Umkehrschluß «) Vgl. § 145 R d n . 6 ; Nußbaum Z Z P 29, 4 4 0 , 4 7 0 ; B a y O b L G Z 1967, 2 4 0 = N J W 1968, 56. « ' ) B a y O b L G Z 1967, 3 8 5 = N J W 1968, 306. 7 7 ) In diesem Sinne bereits Nußbaum Z Z P 29, 440, 472, 4 7 4 ; a. M. B a y O b L G Z 1966, 3 6 7 = N J W 1967, 6 8 5 mit abl. Anm. Bloedhorn ebda. S. 1284, welches meint, in einem Pflegsdiaftsverfahren könne der Beteiligte auf Grund des § 33 Abs. 2 zur Untersuchung seines Geisteszustandes zwangsweise einem ä r z t lichen Sachverständigen zugeführt werden; vgl. dazu § 15 R d n . 1 3 ; a. M. auch Keidel Anm. 13 a. E . Ebenso bedenklich B a y O b L G Z 1967, 3 8 5 = N J W 1968, 306, welches beiläufig un7
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ter Bezugnahme auf das Muster bei KeidelSchmatz, Registerrecht 2 S. 330 meint, auf Grund der Amtsermittlungspflicht könne das Gericht Auskünfte der Beteiligten durch O r d nungsstrafen erzwingen. 7 8 ) Schlegelberger Anm. 1 ; Keidel Anm. 8 ; Nußbaum Z Z P 29, 4 7 7 . 7 9 ) B a y O b L G Z 1957, 1 3 4 ; Keidel A n m . 11. 8 ° ) K G J 36 A 6 ; 51, 3 1 ; K G D F G 1937, 6 6 ; KG O L G Z 1966, 3 5 2 ; B a y O b L G Z 1952, 2 2 8 ; 1964, 357, 3 6 1 ; Karlsruhe O L G Z 1967, 2 0 4 ; H a m m O L G Z 1966, 206, 2 0 8 ; 1967, 4 6 6 ; Staudinger-Schwoerer B G B 1 1 § 1634 Anm. 50, 118.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften lediglich zu erschließende Verpflichtung zu einem Unterlassen kann nicht Grundlage von Vollziehungsmaßnahmen sein81). 3. Vergleich. Soweit aus gerichtlichen Vergleichen, die in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geschlossen werden, die Zwangsvollstreckung nach der ZPO stattfindet (Vorbem. vor § 8 Rdn. 81, oben Rdn. 7), ist eine Vollziehung nach § 33 schon deswegen ausgeschlossen, weil sich insoweit „aus dem Gesetz ein anderes ergibt" (§ 33 Abs. 1 Satz 1); es ist Sache des Gläubigers, die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Auch ein vor dem Prozeßgericht, etwa in einem Verfahren nach §§ 627, 627b ZPO über die Verkehrsregelung geschlossener Vergleich, kann nicht nach § 33 vollzogen werden82). Dasselbe gilt für einen „Vergleich", den die Beteiligten außergerichtlich oder in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit schließen83); abgesehen davon, daß im Amtsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in welchem der Verfahrensgegenstand nicht der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt, ein Vergleich im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit verfahrensbeendender Wirkung ohnehin nicht möglich ist (Vorbem. vor § 8 Rdn. 80), fehlt es an der in § 33 mit gutem Grunde vorausgesetzten gerichtlichen Verfügung. Wenn allerdings die Beteiligten zur Niederschrift des Richters eine Einigung erklären, z. B. über die Verkehrsregelung nach § 1634 BGB, und der Richter unter Bezugnahme hierauf eine Strafandrohungsverfügung erläßt, kann eine Auslegung dieser Verfügung ergeben, daß der Richter sich die Regelung des Vergleichs zu eigen gemacht und den Beteiligten eine dem Vergleich entsprechende Verpflichtung auch seinerseits auferlegt hat 84 ); Gegenstand der Vollziehung ist dann aber nicht der (den Richter ohnehin nicht bindende) „Vergleich", sondern die auslegungsbedürftige Verfügung; daß ein solches Verfahren zur Vermeidung von Unklarheiten und Zweifeln vom Gericht vermieden werden sollte, bedarf keiner Hervorhebung.
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E. Gegenstand der Verpflichtung
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1. Vornahme einer Handlung. Ist die auferlegte Verpflichtung auf Vornahme einer Handlung gerichtet, so setzt die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen voraus, daß die Handlung ausschließlich von dem Willen des Verpflichteten abhängt (vgl. § 888 ZPO). Hieran fehlt es, wenn die Handlung dem Verpflichteten unmöglich ist, oder wenn sie von einem fremden, dem Einfluß des Verpflichteten entzogenen Willen abhängt, gleichgültig, ob dies auf einem Verschulden des Verpflichteten beruht oder nicht. Daß die Handlung unvertretbar sein müsse, ist nicht erforderlich84"). Unmöglichkeit ist anzunehmen, wenn der ernstlich gewollten Vornahme unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen85). Wer aber z. B. ein Vermögensverzeichnis einzureichen hat (§ 1682 BGB), kann sich nicht damit entschuldigen, daß er schreib- oder geschäftsungewandt sei, er muß eine Hilfsperson heranziehen. Der Umstand, daß eine Handlung Geldaufwendungen erfordert, macht sie noch nicht zu einer solchen, die nicht ausschließlich vom Willen abhängt; es kommt darauf an, ob die Mittel nicht ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts (vgl. § 114 ZPO) aufgebracht werden können86). Widerspenstiges Verhalten eines erzieherischen Einflüssen noch zugänglichen Kindes ist kein unüberwindliches Hindernis; der Sorgeberechtigte, der das Kind in seiner Obhut hat, muß seine Erziehungsgewalt geltend machen87); anders, wenn ein erwachsenes, bereits berufstätiges Kind sich weigert, den verkehrsberechtigten Elternteil zu besuchen88), oder wenn sich das Kind bei Großeltern befindet, die sich weigern, dem Elternteil das Kind 81) Hamm O L G Z 1966, 206, 208; vgl. auch Stuttgart FamRZ 1966, 256 zu I I 1 a. 8 2 ) BayObLGZ 1964, 357; Staudinger-Sdiwoerer B G B 1 1 § 1634 Anm. 125; Palandt-Lauterbach B G B 2 7 § 1634 Anm. 4 ; Keidel Anm. 10. 8S) K G D F G 1937, 210; Josef 2 Art. 17 P r F G G Anm. 1 a ; Bärmann § 18 I I I 2 b; Baur § 26 B II 1; i . M. Müller J Z 1954, 17; Keidel Anm. 10; Staudinger-Sdiwoerer B G B 1 1 § 1634 Anm. 122.
) Frankfurt N J W 1964, 307; Hamm O L G Z 1967, 466; BayObLG N J W 1968, 1726. ") A. M. Baur § 26 B II 2 a ; Bärmann § 36 I I . 5 5 ) München J F G 14, 464. 8 «) K G J 36 A 6, 10; K G J F G 1, 27; Sdilegelberger Anm. 2 ; Staudinger-Sdiwoerer B G B 1 1 § 1634 Anm. 118; a. M. Hamburg O L G R 44, 186; Keidel Anm. 12. 87) K G J 37, 18; 48, 8; München J F G 14, 464; Staudinger-Sdiwoerer B G B 1 1 § 1634 Anm. 118. M ) K G J W 1938, 1334. 84
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§ 33
Freiwillige Gerichtsbarkeit
zur Erfüllung der gerichtlichen Verfügung zu überlassen 89 ). Ist Gegenstand der Verpflichtung die Herausgabe oder Vorlegung einer Sache oder Urkunde (vgl. § 62 Abs. 2 GBO), so muß feststehen, daß der zu Verpflichtende gegenwärtig Besitzer ist; hierüber sind gegebenenfalls Ermittlungen anzustellen (§ 12)'°). Ein früherer Besitzer braucht den Verlust nicht glaubhaft zu machen; weigert er sich aber, den Besitzverlust substantiiert darzulegen und den Empfänger zu benennen, so ist das Gericht nicht gehindert, die Angaben über den Besitzverlust für unglaubhaft zu erachten 91 ). Auch der mittelbare Besitzer kann zur Herausgabe angehalten werden, wenn das Besitzmittlungsverhältnis derart ist, daß die Sache jederzeit zurückgefordert werden kann (z. B. § 688, 695 BGB) 9 2 ). 29
Unterlassung oder Duldung der Vornahme einer Handlung. Als erzwingbare Unterlassungspflichten kommen z. B. in Betracht die Unterlassung des Gebrauchs einer nicht zustehenden Firma (§ 37 Abs. 1 H G B , § 140 FGG), die Unterlassung des persönlichen Verkehrs mit dem Kinde außerhalb der festgesetzten Besuchszeiten oder eines nach § 1634 Abs. 2 Satz 2 untersagten Briefverkehrs 93 ), als Duldungspflicht die Duldung der Einsichtnahme in Bücher und Schriften der abgewickelten AG durch gerichtlich dazu ermächtigte Aktionäre und Gläubiger (§ 273 Abs. 3 AktG).
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F. Androhung und Festsetzung von Ordnungsstrafen 1. Verfahren. Das Verfahren wird von Amts wegen eingeleitet und betrieben. Auch in den Fällen, in denen die zu erzwingende Verpflichtung nur auf Antrag auferlegt werden kann (§§ 166 Abs. 3, 338 Abs. 3 H G B , § 151 FGG), erfordert die Einleitung des Zwangsvollzugs keinen erneuten Antrag 94 ). Allerdings ist das Gericht nach seinem Ermessen berechtigt, wenn auch nicht verpflichtet, den Fortgang des Verfahrens von einem Verlangen des begünstigten Beteiligten abhängig zu machen. In den Fällen des Antragsverfahrens ist das Gericht an den Willen des Antragstellers insofern gebunden, als es bei Zurücknahme des Antrags das Verfahren einstellen muß.
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2. Verfahrensgegner. Dem Zwangsvollzug unterworfen ist grundsätzlich die Person, der die Erfüllung der auferlegten Verpflichtung obliegt. Soll aber der Wille einer juristischen Person gebeugt werden, so ist das Verfahren gegen diejenigen natürlichen Personen persönlich zu richten, welche sie im Willen vertreten, also nicht gegen die juristische Person oder den Vorstand als solchen, sondern gegen die einzelnen Vorstandsmitglieder 95 ). Ist der Pflichtige geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist das Verfahren gegen den gesetzlichen Vertreter zu richten; beschränkt Geschäftsfähige können aber persönlich in Anspruch genommen werden, soweit sie in der Angelegenheit selbständig handlungsfähig sind, z. B. der minderjährige Gewerbetreibende (§ 112 BGB), der eine ihm nicht zustehende Firma gebraucht (§ 37 Abs. 1 H G B , § 140 FGG), oder der beschränkt geschäftsfähige Elternteil, dem nach § 1673 Abs. 2 BGB die tatsächliche Personensorge zusteht. Gegen Behörden und Beamte als solche, gegen das Jugendamt als Amtsvormund (§ 38 Abs. 1 Satz 3 J W G ) , gegen den Vereinsvormund (§ 53 Abs. 4 J W G ) , gegen Standesbeamte und Notare findet kein Zwangsvollzug statt; auch gegenüber Vertretern juristischer Personen des öffentlichen Rechts (§ 36 HGB) besteht keine Ordnungsstrafgewalt 96 ). Das Gericht ist notfalls darauf angewiesen, sich an die Aufsichtsbehörde oder vorgesetzte Dienstbehörde zu wenden. ) K G DFG 1937, 163. ») K G J 38 A 291; Henke-Möndi-Horber GBO 8 § 62 Anm. 4 C b; Meiket-Imhof-Riedel GBO 5 § 62 Rdn. 2 8 ; Sdilegelberger Anm. 14. 9 1 ) K G J 38 A 291; zu weit geht es aber, selbst bei erwiesenem Besitzverlust den früheren Besitzer zwangsweise zur Benennung des Empfängers anzuhalten, so aber KG J F G 14, 99. 9 2 ) K G J 38 A 291; KG J F G 14, 99, 100. M ) Hamm OLGZ 1966, 206; Staudinger-Schwoerer BGB 1 1 § 1634 Anm. 119.
89 9
624
) Nußbaum ZZP 29, 477/478; a. M. Sdilegelberger Anm. 2 a Abs. 3. ) K G J 21 A 271; 26 A 232; 30 A 125; 31 A 206; 42, 35; KG J F G 10, 86; München J F G 14, 488, 492; Sdilegelberger Anm. 3 ; Keidel Anm. 16; vgl. § 132 Rdn. 91. 9 6 ) Würdinger in H G B - R G R K 2 § 36 Anm. 11; Sdilegelberger Anm. 3; Keidel Anm. 16; str., 2 a. M. Josef Anm. 3.
94
95
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften 3. Art und Höhe der Strafe. Als Ordnungsstrafen sind nur Geldstrafen vorgesehen. Die Umwandlung in Freiheitsstrafe ist ausgeschlossen, selbst wenn die Geldstrafe nicht beitreibbar ist und deshalb ihren Zweck verfehlt; in diesem Fall bleibt nur die Anwendung von Gewalt (Abs. 2) übrig, soweit nicht das Gesetz andere wirksame Maßnahmen zur Verfügung stellt (§§ 1669, 1682 Abs. 2, 1886 BGB). Der Mindestbetrag der Geldstrafe beträgt 1 D M (Art. I I V O vom 6. 2. 1924, R G B l . I, 44, § 2 WährG), der Höchstbetrag 1000 DM, im Anwendungsbereich der §§ 14 H G B , 407 Abs. 1 Satz 2 AktG, 28 Abs. 3 E G A k t G 10 000 D M (vgl. § 132 Rdn. 95). Die Überschreitung des Höchstbetrages macht die Verfügung nicht nichtig, begründet aber die Beschwerde 97 ); die Verhängung einer Haftstrafe müßte aber als nichtig angesehen werden. Der Höchstbetrag bezieht sich nur auf die für eine einzelne Zuwiderhandlung festzusetzende Strafe 9 8 ); der Gesamtbetrag der für mehrere Zuwiderhandlungen gegen dieselbe Verpflichtung festgesetzten Strafen darf diesen Betrag überschreiten. Die Strafen können, wenn mehrere Zuwiderhandlungen nacheinander begangen werden, beliebig oft wiederholt werden; von diesem Grundsatz ist nur in § 1788 Abs. 2 B G B (Verweigerung der Übernahme einer Vormundschaft) eine Ausnahme gemacht. 4. Androhung
der Ordnungsstrafe
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33
a) Die vorherige Androhung der Ordnungsstrafe (Abs. 3 Satz 1) ist wesentliches Erfordernis für die Zulässigkeit der Straffestsetzung. Das Gesetz erwartet schon von der Strafandrohung einen Einfluß auf die Willensentschließung des Pflichtigen; erst wenn die Androhung fruchtlos bleibt, darf die Ordnungsstrafe festgesetzt werden 99 ). Die Strafandrohung muß sich auf einen bestimmten Tatbestand beziehen und unzweideutig erkennen lassen, wer im Fall der Zuwiderhandlung mit Bestrafung zu rechnen hat 1 0 0 ). Soll eine Unterlassung erzwungen werden, so ist die Strafe für den Fall des Zuwiderhandelns, soll eine Duldung erzwungen werden, so ist sie für den Fall der Widerstandsleistung anzudrohen 101 ). Wird die Vornahme einer Handlung geboten, so muß zwischen der Strafandrohung und der Straffestsetzung eine angemessene Frist liegen, innerhalb derer die Handlung vorgenommen werden kann, sofern eine Frist nicht schon in der die Verpflichtung auferlegenden Verfügung gesetzt ist oder die Handlung, wie bei der Verkehrsregelung, zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen ist. Erklärt allerdings der Pflichtige seine Weigerung, die Handlung vorzunehmen, so kann die Straffestsetzung der Androhung alsbald nachfolgen 102 ). b) Die Ordnungsstrafe muß innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens den besonderen Verhältnissen entsprechend in zahlenmäßig bestimmter Höhe angedroht werden; die bloße Bezugnahme auf den gesetzlichen Strafrahmen oder die Androhung einer erst später zu bestimmenden, zunächst nur durch einen Höchstbetrag begrenzten Ordnungsstrafe („bis zu") genügt nicht 103 ). Das ergibt sich nicht nur aus der Fassung des § 33 Abs. 3 Satz 1, sondern auch aus dem Zweck der Androhung, die Willensbildung zu beeinflussen, der ohne die Inaussichtstellung einer bestimmten Strafe nur unvollkommen erreicht wird. Die angedrohte Strafe darf bei der Festsetzung zwar unterschritten, aber nicht überschritten werden. Das Fehlen einer Strafandrohung überhaupt oder der Androhung einer Strafe in bestimmter Höhe begründet die Beschwerde gegen die Straffestsetzung und rechtfertigt deren Aufhebung 104 ).
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c) Die Strafandrohungsverfügung kann bereits mit der die zu vollziehende Verpflichtung auferlegenden Verfügung verbunden oder, wenn dies nicht geschehen ist, nachträglich be-
35
) Schlegelberger Anm. 7 ; Keidel Anm. 2 0 ; J o sef 2 Anm. 7. «8) K G O L G R 40, 1 7 ; Keidel Anm. 20. °») B a y O b L G O L G R 5, 2 9 1 ; ähnlich Karlsruhe O L G Z 1967, 2 0 4 zu 2 c ; Baur § 26 B I I I 1 b. L G München E J F 1953, 5 mit Anm. v. Keidel; Staudinger-Sdiwoerer B G B 1 1 § 1634 Anm. 120. 1 0 1 ) Nußbaum Z Z P 29, 486. 97
) B a y O b L G O L G R 5, 2 9 1 ; Josef 2 Anm. 3 ; Ebert-Dudek-Lindemann 2 Anm. 2 a ; Schlegelberger Anm. 9 ; Keidel Anm. 22 b. 103) KG OLGR 12, 410, 4 1 2 ; München J F G 15, 4 8 ; Ebert-Dudek-Lindemann 2 § 33 Anm. 2 a ; Schlegelberger Anm. 9 ; a. M. Nußbaum Z Z P 29, 4 8 6 ; Keidel Anm. 2 2 ; Baur § 26 B I I I 1 b a a ) ; vgl. auch § 132 R d n . 95. IM) München J F G 15, 48. 102
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Freiwillige Gerichtsbarkeit sonders erlassen werden 105 ). Ob das Gericht seiner Verfügung sogleich durch eine Strafandrohung Nachdruck verleihen will oder ob es damit abwartet, bis sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß mit einer Zuwiderhandlung zu rechnen ist, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Andererseits setzt die Strafandrohung nicht die Feststellung voraus, daß eine Zuwiderhandlung bereits stattgefunden hat oder zu besorgen ist 106 ). Die Strafandrohung ist auch berechtigt, wenn noch ungewiß ist, ob der Pflichtige der Verfügung Folge leisten werde oder nicht; anderenfalls würde geradezu ein Anreiz zu Verstößen geschaffen, da der Pflichtige eine Sanktion nicht zu befürchten hätte. Ist zur Erzwingung einer Handlung eine Strafe festgesetzt worden, beharrt aber der Pflichtige im Ungehorsam, so muß der Straffestsetzung zur Ahndung der weiteren Zuwiderhandlung gegen dieselbe Verpflichtung wiederum eine Strafandrohung vorausgehen; die erste Strafandrohung ist durch die Straffestsetzung erledigt 107 ). 36
d) Bekanntmachung. Die Strafandrohung muß zu ihrer Wirksamkeit nach § 16 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 dem Pflichtigen bekanntgemacht werden. Förmliche Zustellung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 ist notwendig, wenn die Verfügung zugleich eine Fristsetzung enthält; sie wird aber auch ohne diese Voraussetzung durch Vorschriften der LandesJustVerw. gerade bei der Androhung von Ordnungsstrafen empfohlen (Bek. d. BayStMdJ vom 10. 5. 1957, BayJMBl. 312 — Anl. 24 — § 4 Abs. 3; A V d. PrMdJ vom 15. 12. 1930, PrJMBl. 359 — Anl. 12 — § 2 Nr. 1). Die Straffestsetzung setzt voraus, daß die Strafandrohung zur Kenntnis des Pflichtigen gelangt ist 108 ). 3. Festsetzung
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der
Ordnungsstrafe.
a) Straffestsetzung. Wird die durch die zu vollziehende Verfügung gebotene Handlung innerhalb der vorgeschriebenen oder einer angemessenen Frist nicht vorgenommen oder dem ergangenen Verbot zuwidergehandelt oder der zu duldenden Handlung Widerstand entgegengesetzt, so ist das Gericht berechtigt, die angedrohte Strafe festzusetzen. Ob das Gericht sich zur Festsetzung der Strafe entschließt, steht grundsätzlich in seinem pflichtmäßigen Ermessen 10 "). Eine Pflicht zum Einschreiten besteht aber regelmäßig, wenn durch die zu vollziehende Verpflichtung zugleich ein Recht eines Beteiligten gewahrt werden soll, zum Beispiel des verkehrsberechtigten Elternteils im Fall des § 1634 BGB oder des Kommanditisten im Fall des § 166 Abs. 3 HGB. Bei der Straffestsetzung ist zu berücksichtigen, daß die Ordnungsstrafe eine Beugestrafe ist, also keine Sühne oder Buße für begangene Pflichtwidrigkeiten, sondern ein Zwangsmittel zur Beugung des widerstrebenden Willens des Verpflichteten 110 ). Wenn daher die Anordnung, der zuwidergehandelt worden ist, auf einen bestimmten Zeitpunkt oder ein bestimmtes Ereignis abgestellt war und dieser Tatbestand abgeschlossen oder der Erfolg auf andere Weise, z. B. durch unmittelbaren Zwang herbeigeführt worden ist, setzt die Straffestsetzung voraus, daß unter Berücksichtigung der früheren Verfehlung mit künftigen Zuwiderhandlungen gerechnet werden darf 1 1 1 ). Eine Straffestsetzung entfällt, wenn die Verpflichtung erfüllt worden ist, sei es auch nach Ablauf einer gesetzten Frist 112 ), oder wenn die zu vollziehende Verpflichtung nachträglich durch eine Veränderung der Umstände fortgefallen ist 113 ), z. B. wenn der Vormund ent" 5 ) München J F G 14, 464; K G OLGZ 1966, 352; BayObLGZ 1961, 119, 123; 1965, 182, 188; Schlegelberger Anm. 9 ; Keidel Anm. 22. " « ) K G OLGZ 1966, 352 = FamRZ 1956, 317; Hamm N J W 1967, 446 = JMB1NRW 1967, 135; Celle ZB1JR 1954, 114; Nußbaum ZZP 29, 440, 486; zust. Keidel Anm. 2 2 ; PalandtLauterbach B G B " § 1634 Anm. 4 ; das Für und Wider erörternd Karlsruhe OLGZ 1967, 204; a. M. Stuttgart FamRZ 1966, 256, 258. 1 0 7 ) BayObLGZ 2, 800 = OLGR 5, 291; LG Bonn MDR 1964, 1014; Josef 2 Anm. 3 ; Ebert-Dudek-Lindemann 2 Anm. 2 a ; Schlegelberger Anm. 9 ; Keidel Anm. 22 a. 1 0 8 ) KG DFG 1937, 163.
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) Nußbaum ZZP 29, 440, 4 8 7 ; Ebert-DudekLindemann 2 Anm. 2 b; Schlegelberger Anm. 10. » « ) K G J 36 A 6 ; KG OLGR 32, 4 8 ; KG J W 1932, 1395; KG J F G 22, 115; Nußbaum ZZP 29, 4 8 7 ; Keidel Anm. 4 ; Schlegelberger Anm. 5, 10; Baur § 26 B I I I 1; Lent-Habscheid4 § 37 I 2. m ) KG J F G 1, 26; KG DFG 1938, 5 7 ; Karlsruhe J F G 7, 4 5 ; Staudinger-Schwoerer BGB 1 1 § 1634 Anm. 120; Keidel Anm. 19. 1 1 2 ) K G J 40, 83 = R J A 11, 44 unter Aufgabe von K G J 26 A 7 5 ; K G J 41, 35; Nußbaum ZZP 29, 4 8 7 ; Schlegelberger Anm. 10. 1 1 3 ) KG J F G 15, 202. 109
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften lassen worden ist 1 1 4 ), oder wenn die die Verpflichtung begründende Verfügung als ungerechtfertigt (§ 18) oder im Beschwerdewege aufgehoben oder der erforderliche Antrag (§§ 166, 338 H G B , § 151 F G G ) zurückgenommen wird. Die Straffestsetzung setzt schuldhaftes Handeln oder Unterlassen des Pflichtigen voraus; sie kommt also nicht in Betracht, wenn der Verpflichtete durch Umstände, die außerhalb seines Willens liegen, z. B. durch Krankheit, an der Befolgung der Anordnung gehindert war 1 1 5 ) oder wenn die Nichtbefolgung auf einem entschuldbaren Mißverstehen oder auf dem Verschulden eines Dritten beruht 1 1 6 ). Auch bei wiederholter Straffestsetzung ist das Verschulden jeweils erneut zu prüfen 1 1 7 ). b) Bemessung der Strafe. Die festgesetzte Strafe darf nicht höher als die angedrohte sein (oben Rdn. 33); es darf aber eine geringere Strafe festgesetzt werden. In jedem Fall findet die Ordnungsstrafe für jede einzelne Zuwiderhandlung ihre obere Grenze an dem Strafrahmen des § 33 Abs. 3 Satz 2. O b bei einem Verstoß gegen eine Mehrheit von Verpflichtungen mehrere oder nur eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob bei natürlicher Betrachtungsweise eine natürliche Handlungseinheit gegeben ist 1 1 8 ). Das wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn bei der Ausübung des Besuchsrechts (§ 1634 B G B ) gegen mehrere den Verkehr näher regelnde Auflagen des VormG gleichzeitig verstoßen worden ist. Auch die Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit in Anlehnung an den strafrechtlichen Begriff der fortgesetzten Handlung ist für geboten zu erachten, zum Beispiel wenn auf Grund eines einheitlichen Entschlusses gegen das Verbot des Briefverkehrs mit dem Kinde wiederholt verstoßen wird 1 1 9 ). Die Handlungseinheit wird durch eine Straffestsetzung unterbrochen. Im übrigen hat das Gericht bei der Bemessung der Höhe der Strafe alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Bedeutung des zu schützenden Interesses, die Hartnäckigkeit des widerstrebenden Willens des Verpflichteten, das M a ß seines Verschuldens und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, nach der es sich bemißt, inwieweit er die Strafe als Obel empfindet. Eine Verschärfung wird angebracht sein, wenn frühere Straffestsetzungen sich als wirkungslos erwiesen haben 1 2 0 ).
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c) Kosten. Bei der Festsetzung der Strafe hat das Gericht dem Verpflichteten zugleich die Gerichtskosten des Verfahrens aufzuerlegen (Abs. 1 Satz 2). Die Vorschrift entspricht dem § 138; vgl. die Bern. dort. Für die Gebühren ist § 119 KostO maßgebend; die Androhung der Ordnungsstrafe ist gebührenfrei (§ 119 Abs.4 KostO). Die Erstattung von Kosten der Beteiligten richtet sich nach § 13a Abs. 1.
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der Ordnungsstrafe. Die Vollstreckung der Ordnungsstrafe und der Kosten 6. Vollstreckung des Verfahrens ist Justizverwaltungssache. In den Ländern, in denen die Einziehung im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens angeordnet ist, erfolgt sie im Wege des Verwaltungszwanges, so P r F G G Art. 16, HessFGG Art. 21. Maßgebend sind die Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung vom 11. 3. 1937 ( R G B l . I, 298) i. d. F. vom 26. 7. 1957 (BGBl. I, 861) § 1 Abs. 1 Nr. 1, 7, Abs. 2. Andernfalls ist anzuwenden die auf einer Vereinbarung des B M d J und der LJustVerw. beruhende Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten vom 15. 2. 1956 (BAnz. N r . 42 S. 1) i. d. F. vom 7. 9. 1957 (BayJMBl. 492, J M B l N R W 241, 266) und vom 1. 12. 1958 (BAnz. N r . 240) sowie vom 4. 12. 1967 (BAnz. Nr. 235) und vom 31. 8. 1968 (BAnz. Nr. 164) und Sonderveröffentlichung 121 ). Über Stundungsgesuche wird nicht vom Gericht, sondern im Gnadenwege entschieden 122 ). In den Nachlaß des Verurteilten darf wegen der Ordnungsstrafe nicht vollstreckt werden ( P r F G G Art. 16 Abs. 3, HessFGG Art. 21 Satz 2). Auf die Verjährung wird § 17 KostO entsprechend anwendbar sein. Die Anwendung der Vorschriften über die
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) KG R J A 16, 18; Hamm OLGZ 1966, 484, 486. 1 1 5 ) KGJ 32 A 45; KG OLGR 40, 17; KG J F G 15, 202; 22, 115; Schlegelberger Anm. 4; Keidel Anm. 19. 1 1 6 ) KG DFG 1937, 163. " ? ) Hamburg OLGR 42, 198. 1 1 8 ) Keidel Anm. 22 a. 114
" ) A. M. anscheinend Keidel Anm. 19 a; vgl. KG J F G 23, 82. 12 °) KG JFG 22, 115, 118; Schlegelberger Anm. 8; Keidel Anm. 20 a. 1 2 1 ) Vgl. dazu Drischler JVB1. 1963, 28. 1 2 2 ) Hamm JMBlNRW 1958, 131 = MDR 1958, 524. 1
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Freiwillige Gerichtsbarkeit Strafvollstreckungsverjährung, wie sie für Ungehorsamsstrafen befürwortet wird 1228 ) kommt für Beugestrafen nicht in Betracht.
G. Rechtsmittel 1.
Strafandrohung
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a) Statthaftigkeit. Der Erlaß der Strafandrohung oder ihre Ablehnung ist eine nach § 19 beschwerdefähige Verfügung, da sie eine sachliche Entschließung des Gerichts enthält. Die Beschwerde ist unbefristet; sie hat keine aufschiebende Wirkung (§ 24). Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht es nicht entgegen, daß die angedrohte Strafe inzwischen festgesetzt worden ist 123 ).
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b) Beschwerderecht. Gegen die Androhung steht dem Betroffenen ein Beschwerderecht aus § 20 Abs. 1 zu, da der darin liegende psychische Zwang bereits eine Rechtsbeeinträchtigung (Art. 2 Abs. 1 GG) enthält 124 ). Wird ein Vorstandsmitglied in Anspruch genommen, so steht die Beschwerde auch der juristischen Person zu 125 ). Gegen die Ablehnung der Androhung oder gegen die Androhung einer zu niedrigen Strafe steht das Beschwerderecht aus § 20 Abs. 1 dem Beteiligten, dessen Rechte durchgesetzt werden sollen, in demselben Umfange zu wie gegen die Verfügung, durch welche die Auferlegung der zu erzwingenden Verpflichtung abgelehnt wird 128 ), also z. B. dem verkehrsberechtigten Elternteil (§ 1634), in Antragssachen nur dem Antragsteller (§ 20 Abs. 2). In Angelegenheiten der Personensorge kann das Beschwerderecht auch auf § 57 Abs. 1 Nr. 9 gestützt werden 127 ). 2.
Straffestsetzung
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a) Zulässigkeit der Beschwerde. Gegen die Straffestsetzung ist die unbefristete Beschwerde nach § 19 gegeben, also abweichend vom registergerichtlichen Ordnungsstrafverfahren (§ 139) nicht die sofortige Beschwerde. Das Rechtsmittel hat aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs. 1). Eine nach § 19 beschwerdefähige Verfügung ist auch die Ablehnung der Straffestsetzung. Für das Beschwerderecht gelten dieselben Grundsätze wie für die Strafandrohung oder ihre Ablehnung (Rdn. 42).
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b) Beschwerdegründe. Da die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden kann (§ 23) und das Beschwerdegericht den gesamten zur Zeit seiner Entscheidung vorliegenden Tatsachenstoff zu berücksichtigen hat (§ 12), kommt es für die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht darauf an, ob die Straffestsetzung zur Zeit der Entscheidung des Gerichts erster Instanz gerechtfertigt war, sondern darauf, ob der Beugezwang nach der Sachlage, wie er zur Zeit des Erlasses der Beschwerdeentscheidung besteht, zulässigerweise noch ausgeübt werden darf. Deshalb ist die Straffestsetzung vom Beschwerdegericht aufzuheben, wenn Umstände, welche die Festsetzung ausschließen (oben Rdn. 37), erst nach Erlaß der angefochtenen Verfügung eingetreten sind, z. B. wenn die zu erzwingende Handlung nunmehr vorgenommen ist 128 ) oder wenn die Verpflichtung durch nachträglich eingetretene Umstände (Beendigung des Amtes als Vorstandsmitglied oder als Vormund, Erlöschen der Firma, deren Anmeldung erzwungen werden soll) weggefallen ist 129 ). Der 1 2 2 ")
123)
124)
«5) >26) i")
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Herdemerten, Rpfleger 1968, 13. KG OLGR 4, 350; Sdilegelberger Anm. 9; Keidel Anm. 25. K G OLGR 18, 298; K G J 46, 136 = R J A 14, 135; BayObLG J F G 4, 64; München J F G 14, 464; KG OLGZ 1966, 352 = FamRZ 1966, 317; Karlsruhe OLGZ 1967, 204; Sdilegelberger Anm. 9; Keidel Anm. 25; Baur § 26 B III 1 b, bb. KG J F G 12, 258; BGHZ 25, 154 = N J W 1957, 1558. KG OLGZ 1966, 352 = FamRZ 1966, 317; Nußbaum ZZP 29, 440, 490. K G u. Nußbaum aaO.
12S)
KG K G J 40, 83 = R J A 11, 44; K G J 41, 34; KG R J A 13, 36 = OLGR 28, 337; KG OLGR 38, 360; München DFG 1938, 79; Sdilegelberger Anm. 10; Keidel Anm. 26; Siehr S. 7 8 ; Baur § 26 B III 1 c, aa. 12B ) K G R J A 16, 18; KG J F G 22, 115; München J F G 14, 93; KG DFG 1938, 57; Sdilegelberger Anm. 10; Hamm OLGZ 1966, 484 (Leitsatz 2); a. M. Nußbaum ZZP 29, 440, 488; Josef 2 Anm. 3; ders., D J Z 1917, 271; 1920, 189 mit der Erwägung, daß das Recht des Staates auf die Strafsumme durch nachträgliche Erfüllung nicht berührt werde; dagegen K G J 41, 34; KG J F G 22, 115, 118; Sdilegelberger Anm. 10.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Berücksichtigung neuer Tatsachen steht auch der Umstand nidit entgegen, daß die festgesetzte Strafe inzwischen bezahlt oder beigetrieben ist 1 3 0 ); das ist eine Angelegenheit der Justizverwaltung, durch welche die Nachprüfbarkeit der Zulässigkeit des Beugezwanges im Rechtsmittelwege nicht berührt wird. Allenfalls kann, wenn das Rechtsmittel erst geraume Zeit nach Entrichtung der Strafe und Wegfall der Verpflichtung eingelegt wird, Verwirkung des Beschwerderechts in Betracht kommen (§ 21 Rdn. 20). Die Beschwerde kann auch darauf gestützt werden, daß die auferlegte Verpflichtung oder die Strafandrohung nicht begründet sei; denn die Rechtmäßigkeit der Straffestsetzung ist von dem Bestehen der Verpflichtung und der Strafandrohung abhängig. Hinsichtlich der Höhe der Strafe kann das Beschwerdegericht unter Beachtung des Verbots der Schlechterstellung sein Ermessen anders ausüben als das Amtsgericht. Mit der weiteren Beschwerde können neue Tatsachen, also auch Erfüllung oder Wegfall der Verpflichtung nach Erlaß der Beschwerdeentscheidung, nicht mehr vorgebracht werden 131 ). Die Höhe der Strafe kann nur auf Ermessensfehler (§ 27 Rdn. 24) oder Überschreitung des gesetzlichen Strafrahmens, etwa infolge Verkennung des Begriffs der Handlungseinheit (Rdn. 38), nachgeprüft werden.
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H. Änderungsbefugnis 1. Die Strafandrohungsverfügung kann von dem Gericht erster Instanz gemäß § 18 Abs. 1 jederzeit von Amts wegen oder auf Gegenvorstellung geändert oder aufgehoben werden; eine förmliche Aufhebung erübrigt sich, wenn das Verfahren eingestellt wird, weil die angedrohte Strafe nicht mehr festgesetzt werden soll oder nicht mehr festgesetzt werden darf.
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2. Die Straffestsetzung kann ebenfalls auf Grund des § 18 Abs. 1 geändert oder aufgehoben werden, wenn das Gericht sich überzeugt, daß sie ungerechtfertigt war, oder wenn der Beteiligte sich nachträglich genügend entschuldigt132) oder wenn die die Verpflichtung begründende Verfügung aufgehoben oder gegenstandslos oder die zu erzwingende Handlung nachträglich vorgenommen wird oder die Verpflichtung infolge einer Veränderung der Umstände nachträglich wegfällt 133 ). Die Aufhebung hat zur Folge, daß die etwa bereits gezahlte oder beigetriebene Ordnungsstrafe zurückzuerstatten ist 134 ). Erst eine Änderung der Umstände (Erfüllung, Wegfall der Verpflichtung), die nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Straffestsetzung und der Einziehung der Strafe eingetreten ist, kann eine Änderung oder Aufhebung der Straffestsetzung nicht mehir rechtfertigen 135 ).
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I. Anwendung von Gewalt 1. Voraussetzungen. Auch für die Anwendung von Gewalt enthält Abs. 2, ebenso wie Abs. 1 für die Verhängung von Ordnungsstrafen, keine selbständige Rechtsgrundlage; vielmehr wird vorausgesetzt, daß die zu vollziehende Verpflichtung anderweit gesetzlich begründet und dem Betroffenen durch eine gerichtliche Verfügung auferlegt ist. Die Vorschrift des Abs. 2 regelt das Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen die Anwendung unmittelbaren Zwangs als besonderes Vollziehungsmittel zulässig ist. In sachlicher Hinsicht wird vorausgesetzt, daß entweder der Gegenstand der auferlegten Verpflichtung auf die Herausgabe einer Person oder Sache oder auf die Vorlegung einer Sache gerichtet oder daß eine Verpflichtung anderen Inhalts ohne Gewalt nicht durchführbar ist. °) K G J 48, 117 = R J A 15, 33 unter Aufgabe von K G J 41, 34; Keidel Anm. 26; BrandMarowski Registersadien 4 S. 4 1 ; Siehr S. 7 8 ; Baur § 26 B III 1 c, aa; Sdilegelberger führt K G J 48, 117 bei § 33 Anm. 10, § 139 Anm. 1 ersichtlich zustimmend an; a. M. Düsseldorf N J W 1953, 1105; Hamm OLGZ 1966, 484. 1 3 1 ) Hamm Rpfleger 1955, 241; Sdilegelberger Anm. 10; Keidel Anm. 27.
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) KG J F G 22, 115; so ausdrücklich Art. 20 HessFGG. ) KG Gutachten v. 7. 1. 29 PrJMBl. 1929, 36 = H R R 1929 Nr. 940 = DNotZ 1929, 279; KG DFG 1938, 57; Keidel Anm. 2 4 ; Sdilegelberger Anm. 10. 1 3 4 ) Keidel Anm. 24; Sdilegelberger Anm. 10 a. E. 1 3 5 ) BayObLGZ 1955, 124 = Rpfleger 1955, 239.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit 49
a) Herausgabe einer Person. In Betracht kommt die Vollziehung von Anordnungen über die Herausgabe eines Kindes nach § 1632 Abs. 2 BGB (oben Rdn. 17) oder zum Zwecke der Verkehrsregelung nach § 1634 Abs. 2 Satz 1 BGB 1 3 9 ) oder von Anordnungen des VormG über die Unterbringung eines Kindes oder Mündels nach §§ 1666 Abs. 1 Satz 2, 1838 BGB (oben Rdn. 18). Herausgabe setzt voraus, daß die Person sich in der Obhut oder im Gewahrsam eines anderen befindet und der widerstrebende Wille dieses anderen gebeugt werden soll. Soll eine Person selbst zu einem bestimmten Verhalten genötigt werden, z. B. sich in eine Anstalt zu begeben oder in einem Termin zu erscheinen, so kommt nur die andere Alternative („ist eine Anordnung ohne Gewalt nicht durchzuführen") in Betracht (nachstehende Rdn. 51). Treffen beide Tatbestände zusammen, weigern sich also sowohl die Person, in deren Obhut sich ein Kind befindet, als auch das Kind selbst, der Anordnung Folge zu leisten, so muß die Anwendung von Gewalt gegen beide angeordnet werden 137 ). Die Gewaltanwendung unmittelbar gegen die Person von Kindern, Mündeln oder geschäftsunfähigen Pflegebefohlenen, die das VormG zur Unterstützung des Vormundes, Pflegers oder Gewalthabers (§§ 1631 Abs. 2, 1800, 1915 BGB) oder an ihrer Stelle (§§ 1838, 1846, 1666 Abs. 1 Satz 2, 1693 BGB) anordnen kann, richtet sich aber, da insoweit die Auferlegung von Verpflichtungen nicht in Betracht kommt, nicht nach den Verfahrensregeln des § 33, sondern unmittelbar nach den genannten Vorschriften des sachlichen Rechts (obn. Rdn. 19).
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b) Herausgabe oder Vorlegung einer Sache. In Betracht kommt die Herausgabe eines Erbscheins, eines Testamentsvollstredcerzeugnisses oder eines Zeugnisses über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft nach Anordnung der Einziehung (§§ 2361, 2368, 1507 BGB), die Ablieferung eines Testaments an das1 NachlG (§ 2259 BGB, § 83 FGG), die Vorlegung von Hypotheken- und Grundschuldbriefen (§§ 62 Abs. 2, 70 GBO), die Vorlegung von Büchern und Papieren für den Kommanditisten oder stillen Gesellschafter (§§ 166 Abs. 3, 338 Abs. 3 HGB), für Aktionäre oder Gläubiger der Gesellschaft nach § 273 Abs. 3 AktG, § 74 GmbHG 1 3 8 ). Ober den Nachweis des Besitzes vgl. oben Rdn. 28.
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sind. Hierfür kommen Anordc) Anordnungen, die ohne Gewalt nicht durchführbar nungen in Betracht, die eine andere Verpflichtung zum Gegenstand haben als die Herausgabe einer Person oder die Herausgabe oder Vorlegung einer Sache; Verpflichtungen dieses Inhalts dürfen ohne Rücksicht darauf, ob ihre Erfüllung sich nicht in anderer Weise erreichen läßt, gewaltsam erzwungen werden, so daß das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen Ordnungsstrafzwang und unmittelbarem Zwang wählen darf 139 ). Bei der Erzwingung von Verpflichtungen anderen Inhalts dagegen ist das Ermessen des Gerichts dahin eingeschränkt, daß Gewaltanwendung nur angewendet werden darf, wenn andere Mittel nicht zum Erfolg führen. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Ordnungsstrafverfahren sich wegen Uneinbringlichkeit der Geldstrafe bereits als wirkungslos erwiesen hat oder voraussichtlich erfolglos sein wird oder weil der Erfolg durch den mit dem Ordnungsstrafverfahren verbundenen Zeitverlust vereitelt werden würde, nicht aber schon deswegen, weil das Ordnungsstrafverfahren eine Verzögerung mit sich bringt. Hierfür kommt vor allem die Erzwingung des persönlichen Erscheinens vor Gericht durch Vorführung in Betracht, sofern dafür eine besondere gesetzliche Grundlage vorhanden ist, wie in § 5 Abs. 1 FrEntzG und landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (vgl. § 12 Rdn. 70).
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2. Ausschluß der Gewaltanwendung. Die Anwendung von Gewalt ist ausgeschlossen, wenn das Gesetz die Ordnungsstrafe als das allein zulässige Zwangsmittel vorsieht. Da ist der Fall im registergerichtlichen Ordnungsstrafverfahren nach §§ 132 bis 140, 159 FGG, § 160 Abs. 2 GenG, § 19 Abs. 2 SchiffsRegO, und zur Erzwingung der Übernahme einer Vormundschaft oder Pflegschaft (§§ 1788, 1915 BGB). Dagegen steht der Umstand, daß das Gesetz in den §§ 83, 151, 154 FGG zur Erzwingung der Herausgabe der dort genannten Urkunden Ordnungsstrafen vorsieht, der Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Wegnahme gemäß § 33 Abs. 2 nicht entgegen. Zur Erzwingung des persönlichen Erscheinens «) Dazu Staudinger-Sdiwoerer BGB11 § 1634 Rdn. 121. ) Vgl. AG Kiel SchlHA 1965, 107.
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) Dazu KG JW 1937, 2289 = HRR 1937 Nr. 1326. ) BayObLGZ 1963, 191, 196; Keidel Anm. 43.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften eines Beteiligten nach § 15 Abs. 3 LwVG i. V. m. § 141 Z P O sind nur Ordnungsstrafen, nicht aber unmittelbarer Zwang durch Vorführung zulässig140). Im Beweisverfahren richtet sich die Zulässigkeit unmittelbaren Zwangs ausschließlich nach den gemäß § 15 anwendbaren Vorschriften der Z P O (§§ 372a, 380, 390 ZPO). 3. Androhung. Die Verfügung, durdi welche die Anwendung von Gewalt angeordnet wird, soll in der Regel vor ihrem Erlaß angedroht werden (Abs. 3 Satz 3). Davon kann bei besonderer Eilbedürftigkeit oder wenn die Befürchtung besteht, daß die Vollziehung vereitelt wird, abgesehen werden. Die Androhung kann mit der Verfügung, durch welche die zu vollziehende Verpflichtung auferlegt wird, verbunden werden; es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß Ordnungsstrafen und Gewalt nebeneinander angedroht werden. Die Androhung ist nach § 16 bekanntzumachen; sie unterliegt der Beschwerde nach § 19.
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4. Besondere Verfügung. Die Anwendung von Gewalt muß durch eine besondere Verfügung des Gerichts angeordnet werden. Diese Vorschrift soll den Richter zu wiederholter Prüfung der Angelegenheit veranlassen und vor Übereilung schützen 141 ). Darin wird zum Ausdruck gebracht, daß die Anwendung von Gewalt einer ausdrücklichen Anordnung des Gerichts bedarf; es ist aber nicht ausgeschlossen, daß sie mit der die Verpflichtung begründenden Verfügung verbunden wird 142 ), sofern die Voraussetzungen vorliegen, unter denen von einer vorherigen Androhung abgesehen werden kann und sofern sichergestellt ist, daß mit dem Zwangsvollzug erst begonnen wird, nachdem die die Verpflichtung begründende Verfügung wirksam geworden ist. Eine vorherige Bekanntmachung der die Anwendung von Gewalt anordnenden Verfügung ist nicht erforderlich 143 ). Es genügt, daß der Vollstredsungsbeamte, an den die Anordnung gerichtet ist, im Besitz einer Ausfertigung ist, die keiner Vollstreckungsklausel bedarf, und sie dem Betroffenen bei der Durchführung der Maßnahme vorzeigt; auf Verlangen ist eine Abschrift der Verfügung zu erteilen ( § 2 1 3 GerVollzGeschAnw.). Gegen die Anordnung findet Beschwerde statt (§ 19); auch kann sie gemäß § 18 Abs. 1 geändert werden.
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5. Vollstreckungsbeamter ist der Gerichtsvollzieher, in einfacheren Fällen der GerichtsWachtmeister. Der Vollstreckungsbeamte kann, wenn sich die Notwendigkeit dazu ergibt, selbständig polizeiliche Unterstützung nachsuchen, ohne daß er dazu einer besonderen Ermächtigung des Gerichts bedarf. Das Gericht kann nicht an Stelle des Vollstreckungsbeamten unmittelbar die Polizei um die Vollziehung von Maßnahmen nach § 33 Abs. 2 ersuchen 144 ); dagegen können Maßnahmen zur Unterstützung von Eltern und Vormündern gegenüber Kindern und Mündeln nach §§ 1631 Abs. 2, 1800 BGB, die nicht dem Verfahren nach § 33 unterliegen (oben Rdn. 19), auch darin bestehen, daß die Polizei um die Zuführung des Kindes (Mündels) ersucht wird 145 ). Mit der Durchführung derartiger Maßnahmen gegen Minderjährige und von Maßnahmen bei der Verkehrsregelung (§ 1634 Abs. 2 Satz 1 BGB) kann das VormG nach § 48 Abs. 2 Satz 2 JWG auch das Jugendamt betrauen, mit der Ausführung sonstiger Anordnungen, also auch der Herausgabe von Kindern (§§ 1632 Abs. 2, 1666 Abs. 1 Satz 2, 1838 BGB) nur mit dessen Einverständnis. Das Gericht kann den Beamten des Jugendamts zur Ausübung unmittelbaren Zwangs ermächtigen 148 ), wenn Zwang gegenüber Kindern in Frage steht, aber schwerlich zum Zwang gegen Eltern und Dritte.
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°) Pritsdi LwVG § 15 Anm. I I I e 4. ) KommBer. S. 14; Nußbaum ZZP 29, 440, 497. 142 ) Keidel Anm. 42; Baur § 26 B III 2 b; a. M. Nußbaum Z Z P 29, 497; Josefa Art. 17 PrFGG Anm. 9; Ebert-Dudek-Lindemann 2 Art. 17 P r F G G Anm. 2. 143 ) Sdilegelberger Anm. 17; Keidel Anm. 44; Baur § 26 B I I I 2 b ; a. M. Nußbaum, Josef, Ebert-Dudek-Lindemann aaO.
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) KG OLGR 1, 366, 367. ) KG OLGR 1, 366, 368; K G Recht 1916 N r . 1152; LG Kreuznach Rpfleger 1965, 57; Düsseldorf FamRZ 1967, 43, 44; StaudingerDonau BGB 11 § 1631 Anm. 41; SoergelLange BGB 9 § 1631 Anm. 27. 146 ) Keidel Anm. 40; vgl. Wichmann, ZBlJR 1958, 7; Hermann, ZBlJR 1963, 75, 77. 145
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Freiwillige Gerichtsbarkeit 56
6. Als Vollzugsmaßnahmen kommen nach der jeweiligen Sachlage in Betracht die Wegnahme von Sachen, die Durchsuchung und Abschließung von Räumen, die Öffnung von Behältnissen, die Wegführung von Kindern und Mündeln, deren Herausgabe angeordnet ist, die Vorführung. Findet der Vollstreckungsbeamte Widerstand, so ist er befugt, ihn gewaltsam zu brechen, z. B. einen der Vollzugshandlung Widerstand Leistenden während deren Dauer festzuhalten. Pfändungen sind auf Grund des § 33 nicht zulässig. Einsperrungen und Arrest können als Zuchtmittel auch auf Grund des § 1631 Abs. 2 BGB nicht angeordnet werden 147 ). Das Verfahren des Vollstreckungsbeamten ist völlig formfrei, soweit nicht die GeschAnw. f. GerVollz. dienstrechtliche Beschränkungen enthält. Bei Widerstand oder Abwesenheit des Verpflichteten ist die Zuziehung von Zeugen (vgl. § 759 ZPO) gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber zweckmäßig.
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7. Die Kosten fallen nach Abs. 2 Satz 3 mit § 3 Nr. 4 KostO dem Verpflichteten kraft Gesetzes zur Last; einer Verurteilung dazu bedarf es, anders als im Fall des Abs. 1 Satz 2 (oben Rdn. 39), nicht148). Die Gerichtsgebühren richten sich nach § 134 KostO mit § 40 Abs. 1 Nr. 4 GKG.
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J- Offenbarungseid Ist die herauszugebende oder vorzulegende Sache oder die herauszugebende Person nicht vorgefunden worden, ist also die Vollziehung durch Anwendung unmittelbaren Zwangs fruchtslos verlaufen, so kann das Gericht den Verpflichteten zur Leistung des Offenbarungseides anhalten (Abs. 2 Satz 5). Abweichungen von den entsprechend anwendbaren Vorschriften der Z P O ergeben sich vor allem aus dem Grundsatz des Amtsbetriebes und dem Fehlen eines Gläubigers. Das Verfahren wird von Amts wegen durch Bestimmung eines Termins zur Leistung des Offenbarungseides und Ladung des Verpflichteten eingeleitet (§ 900 Abs. 1 Satz 1 ZPO); nur wenn die zu vollziehende Verpflichtung ein Antragsverfahren voraussetzt (§§ 166, 338 HGB, §§ 151, 154 FGG), ist ein Antrag erforderlich 148 ). § 900 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 5 Z P O sind nicht anzuwenden. Gegen die Anordnung der Eidesleistung und ihre Ablehnung findet die Beschwerde nach § 19 statt. Das Verfahren bei der Abnahme des Eides bestimmt sich nach § 15 FGG mit §§ 478 bis 484 ZPO, die Eidesnorm nach § 883 Abs. 2, 3 ZPO. Bei Nichterscheinen oder grundloser Eidesverweigerung kann das Gericht von Amts wegen die H a f t anordnen, im Antragsverfahren nur auf Antrag (§ 901 ZPO). Der Inhalt des Haftbefehls ergibt sich aus § 908 ZPO, jedoch ist ein Gläubiger nicht zu bezeichnen. Gegen die Haftanordnung oder ihre Ablehnung ist die einfache Beschwerde nach § 19 gegeben. Der Vollzug der H a f t richtet sich nach den §§ 902, 904 bis 907, 909, 910, 913 ZPO. Ein Haftkostenvorschuß (§ 911 ZPO) wird nicht erhoben.
5g
K. Zuständigkeit des Rechtspflegers Der Rechtspfleger ist zuständig, wenn die Auferlegung der zu vollziehenden Verpflichtung auf den Rechtspfleger übertragen ist (§ 4 Abs. 1 RechtspflG). Der Rechtspfleger ist im Rahmen des § 33 befugt, Ordnungsstrafen in Geld anzudrohen und festzusetzen und Anordnungen über die Anwendung unmittelbaren Zwangs zu erlassen, auch wenn sie auf die Herausgabe einer Person gerichtet sind 150 ). Dagegen ist die Anordnung der Leistung des Offenbarungseides und die Eidesabnahme dem Richter vorbehalten (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 RechtspflG) 151 ), ebenso die Anordnung von H a f t (§ 901 ZPO) oder der zwangsweisen Vorführung eines Beteiligten 152 ). ! « ) BayObLGZ 1951, 553; Soergel-Lange BGB» § 1631 Anm. 27; Staudinger-Donau B G B " § 1631 Anm. 40. "8) BayObLG N J W 1968, 1726. 149 ) Keidel Anm. 51; a. M. Nußbaum Z Z P 29, 440, 503. 15 °) Arndt, RPflG, § 4 Anm. 6; Hofmann-Ker-
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sting RechtspflG § 4 Anm. 1, 2 b; Keidel Anm. 9. ) Arndt RechtspflG § 4 Anm. 13; vgl. auch § 83 Rdn. 7. 152 ) Hofmann-Kersting RechtspflG § 4 Anm. 2 b; Arndt RechtspflG § 4 Anm. 14 Abs. 2; Keidel Anm. 9. 151
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
34
h. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht § 33 ist gemäß § 194 Abs. 1 auch anwendbar, wenn in bundesreditlichen Angelegenheiten nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig sind. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 33 durchweg für anwendbar erklärt (§ 1 Rdn. 131).
Akteneinsicht,
Abschriften
34 Die Einsicht der Gerichtsakten kann jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Das gleiche gilt von der Erteilung einer Abschrift; die Abschrift ist auf Verlagen zu beglaubigen. Übersicht 1. Allgemeine Bedeutung 2. Voraussetzungen für die Gestattung der Einsicht und der Absdirifterteilung a) Berechtigtes Interesse b) Umfang der Akteneinsicht und der Absdiriftserteilung c) Glaubhaftmachung d) Ermessensausübung 3. Gegenstand der Akteneinsicht 4. Entscheidung des Gerichts 5. Ausübung des Rechts auf Einsicht a) Einsichtnahme b) Abschriftnahme c) Ort und Zeit der Einsicht
Rdn. R
Rdn.
1
6. Beglaubigung von Abschriften 12 13-16 7. Rechtsmittel 14-15 a) Versagung 16 b) Gewährung 17 8. Behörden 18 9. Auskunftserteilung 19 10. Notariatsakten 20 11. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht 21-24 12. Abweichende Vorschriften 21 a) Nach FGG 22 b) Nachlaßsachen 23 c) öffentliche Register 24 d) Grundbuchsachen
2-6 2-3 4
5
6 7 8 9-11
10 11
11
1. Allgemeine Bedeutung. Die Vorschrift ist von der Reichstagskommission eingefügt worden, weil in vielen Fällen zur Erleichterung der Rechtsverfolgung die Einsicht in gerichtliche Akten über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Erlangung von Abschriften daraus notwendig erscheint. Das Recht auf Akteneinsicht und Abschriftserteilung ist aber anders geregelt als in § 12 GBO f ü r Grundbuchsachen, und zwar erheblich eingeschränkt worden in der Erwägung, daß durch Gewährung der Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten nur vermögensrechtliche Umstände fremder Kenntnis zugänglich gemacht werden, während es sich in Vormundschafts-, Nachlaß- und anderen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit häufig um Familien- und andere sehr persönliche Angelegenheiten handelt, die sich nicht zur Kenntnisnahme durch weitere Kreise eignen. Das Recht ist deshalb nach Ablehnung mehrerer anderer Fassungen dahin eingeschränkt worden, daß das Vorliegen eines berechtigten Interesses und dessen Glaubhaftmachung verlangt wird und außerdem die Gewährung der Akteneinsicht in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (KommBer. S. 33). 2. Voraussetzungen
für die Gestattung der Einsicht und der
Abschriftserteilung.
a) Berechtigtes Interesse. Der Begriff des berechtigten Interesses ist im Gesetz nicht näher bestimmt, aber dahin geklärt, daß er umfassender ist als der des rechtlichen Interesses, der ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis voraussetzt; berechtigt ist jedes verständige, durch die Sachlage gerechtfertigte Interesse, das sich nicht auf ein bereits vorhandenes Recht zu stützen braucht, sondern auch tatsächlicher (wirtschaftlicher) Art sein kann 1 ). Das Interesse muß bei verständiger Würdigung des Einzelfalls und nach dem !) K G J 20 A 173 = R J A 1, 74; KG R J A 16, 6; München JFG 15, 83; R G Z 151, 61; BayObLGZ 1954, 314 = D N o t Z 1955, 433; Hamm JMB1NRW 1962, 283; Wellstein 8 Anm. 2 a; Ebert-Dudek-Lindemann 2 § 34
Anm. 1 a; Keidel Anm. 13; Schlegelberger Anm. 7; Schultzenstein Z Z P 25, 222 f f . ; Monich Z Z P 33, 41 f f . ; du Chesne GruchBeitr. 51, 509 f f .
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Freiwillige Gerichtsbarkeit gewöhnlichen Verlauf der Dinge die Einsichtnahme als Bestimmungsgrund für Entschließungen als berechtigt erscheinen lassen2) und darf der amtlichen Förderung nicht unwürdig sein. Daß die Entschließungen sich gerade auf ein gerichtliches oder sonstiges Verfahren beziehen müßten3), ist nicht erforderlich. Auch ist die Enschränkung nicht gerechtfertigt, daß die Einsichtnahme notwendig sein müßte, das Interesse also auf andere Weise nicht befriedigt werden kann 4 ); dieser Gesichtspunkt kann nur für die Ermessenausübung (Rdn. 6) von Bedeutung sein. Im allgemeinen genügt die Möglichkeit, daß künftiges Verhalten durch die Kenntnis des Akteninhalts beeinflußt wird. Auch wissenschaftliche Interessen können berechtigt sein, etwa für Studien soziologischer Airt, oder das Interesse an der Kenntnis der Rechtsprechung der Obergerichte. Ebenso kann das öffentliche Interesse, das einer Behörde anvertraut ist und von ihr wahrgenommen wird, die Gewährung von Akteneinsicht rechtfertigen5). Dagegen kommt das allgemeine, von der Presse wahrzunehmende Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht in Betracht, da es nicht auf das Interesse an der Kenntnis als solcher, sondern als Bestimmungsgrund für künftiges Verhalten ankommt. Während die Vorschrift einerseits nicht voraussetzt, daß der die Einsicht oder Abschrift Verlangende die Stellung eines Verfahrensbeteiligten hat („jedem"), ist andererseits auch das Recht der Beteiligten grundsätzlich an die Voraussetzungen des § 34 gebunden6). Nur ist das Interesse der Beteiligten an der Akteneinsicht in der Regel ohne weiteres als berechtigt anzuerkennen7), und ein Versagen der Akteneinsicht ihnen gegenüber darf keinesfalls zu einer Verkümmerung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) führen; nach der Beendigung des Verfahrens unterliegt aber das Einsichtsrecht auch der Beteiligten in vollem Umfange den Beschränkungen des § 34. Einzelfälle: Ein berechtigtes Interesse wird in der Regel anzuerkennen sein in Vormundschaftssadien für Verwandte und Verschwägerte, deren Anhörung nach § 1847 BGB geboten ist 8 ), für die nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 Beschwerdeberechtigten, für den nach § 59 beschwerdeberechtigten Mündel9), für den als Erzeuger in Anspruch genommenen10), für den Nachlaßgläubiger eines verstorbenen Mündels an der Einsichtnahme in das bei den Vormundschaftsakten befindliche Vermögens Verzeichnis11). Eine als Erbe in Betracht kommende Person hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht der Nachlaßpflegschaftsakten 12 ), ein von der gesetzlichen Erfolge Ausgeschlossener an der Einsicht des Testaments und der Nachlaßakten 13 ). Der mutmaßlich als Erbe Berufene kann nicht schon zu Lebzeiten des Erblassers dessen Vormundschaftsakten einsehen, um sich über die Vermögensverhältnisse des Mündels zu unterrichten14). Der Aktionär hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht der zum Handelsregister der AG eingereichten Schriftstücke15). Nicht berechtigt ist ein Interesse, welches auf bloßer Neugier beruht oder das Interesse eines am Verfahren nicht oder nicht mehr beteiligten Antragstellers daran, Aufschluß über belastende Angaben zu erhalten, welche von Zeugen oder anderen Auskunftspersonen in dem Verfahren über ihn gemacht worden sind16). Nicht berechtigt ist auch das Interesse Dritter, durch Einsichtnahme in die Vormundschaftsakten Unterlagen zum Vorgehen gegen Mündel oder Vormund zu gewinnen, da es nicht Aufgabe des VormG sein kann, gegen die Interessen des Mündels zu handeln16"). b) Umfang der Akteneinsicht und der Abscbriftserteilung. Das berechtigte Interesse ist auch maßgebend dafür, in welchem Umfang Einsicht zu gewähren ist oder Abschriften zu ) Josef 2 Anm. 6. ) So anscheinend Keidel Anm. 13; Baur § 19 II 7 ; zutreffend Oldenburg Rpfleger 1958, 120. *) So Keidel Anm. 13; ähnlich Karlsruhe OLGZ 1966, 201; vgl. dagegen Hamm JMB1NRW 1962, 283; Baur § 19 II 7 a. 5 ) Sdilegelberger Anm. 7 ; Keidel Anm. 13. •) Sdilegelberger Anm. 7. 7 ) Oldenburg NdsRpfl. 1953, 32; BayObLGZ 1956, 114, 116; Hamm MDR 1954, 427. 8) BayObLGZ 13, 424 = OLGR 25, 370; K G OLGR 43, 196. 2 3
Dresden OLGR 40, 18; Keidel Anm. 13. KG J W 1937, 2848. KG OLGR 10, 28. München J F G 15, 83. BayObLGZ 6, 154 = ZB1FG 6, 219; BayObLGZ 1954, 310, 313; Josef 2 Anm. 6. » ) KG OLGR 25, 370; K G R J A 1, 4. 1 5 ) KG R J A 16, 98. 1 6 ) Sdilegelberger Anm. 7 ; a. M. BayObLGZ 1959, 420, 424. 1 6 *) KG R J A 16, 6. ) ") 12) 13) 10
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften erteilen sind („insoweit"). Wer ein Interesse nur an einer einzelnen in den Akten erörterten Angelegenheit hat, kann deshalb Abschriften oder Einsicht nur in dem entsprechenden Umfange verlangen 17 ). Das Gericht kann in diesem Fall die Einsichtnahme auf Teile der Akten beschränken oder einzelne Teile oder Urkunden davon ausnehmen 18 ). Das Gericht dürfte sogar für verpflichtet zu halten sein, die Einsichtnahme nur insoweit zu gestatten, als ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht ist. Auch wenn ein Recht auf Einsichtnahme in den gesamten Akteninhalt anzuerkennen ist, z. B. für die Beteiligten oder den volljährig gewordenen Mündel, kann es sein, daß ein Recht auf Abschriftserteilung nur in geringerem Umfange besteht, wenn dem Interesse des Gesuchstellers durch Gestattung der Einsicht und der eigenen Abschriftnahme genügend gedient ist und ein besonderes Interesse an der Erlangung von Abschriften nicht besteht 19 ). Ist das Interesse an der Einsichtnahme als berechtigt anzuerkennen, so kann die Einsicht grundsätzlich nicht durch mündliche oder schriftliche Auskünfte aus den Akten ersetzt werden, es muß dem Beteiligten gestattet sein, selbst oder durch einen Rechtskundigen feststellen zu lassen, welche ihm erheblich erscheinenden Tatsachen aus den Akten ersichtlich sind 20 ). Eine solche Beschränkung ist nur statthaft, wenn trotz berechtigten Interesses besondere Gründe für eine Versagung der Einsicht gegeben sind (Rdn. 6). c) Glaubhaftmachung. Das berechtigte Interesse muß nicht nur, wie nach § 12 GBO, dargelegt, sondern glaubhaft gemacht werden. Während unter Darlegung das Vorbringen von Tatsachen zu verstehen ist, aus denen das Gericht hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Darstellung gewinnen kann 21 ), erfordert Glaubhaftmachung das Erbringen eines solchen Grades der Wahrscheinlichkeit (im Gegensatz zur vollen Überzeugung), wie er im gewöhnlichen Verkehr hinreicht, um Verständige die Wahrheit der versicherten Tatsache bis auf weiteres annehmen zu lassen (vgl. § 15 Rdn. 80). Über Form und Mittel der Glaubhaftmachung vgl. § 15 Abs. 2 mit Bern. Sofern eine eidesstattliche Versicherung beigebracht wird, hat sie sich auf die Tatsachen zu beziehen, welche das Interesse begründen sollen. Es müssen also Umstände wahrscheinlich gemacht werden, aus denen sich erfahrungsgemäß ein berechtigtes Interesse ergibt 22 ); der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) gilt insoweit nicht. Häufig wird aber die Beibringung besonderer Mittel der Glaubhaftmachung entbehrlich sein, wenn sich das Interesse bereits aus der aus den Akten ersichtlichen Sachlage ergibt, insbesondere wenn Beteiligte oder ihre Vertreter die Einsicht nachsuchen23). Aus der Eigenschaft als Beteiligter ergibt sich aber nicht ausnahmslos ein berechtigtes Interesse.
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d) Ermessensausübung. Ist ein berechtigtes Interesse nicht glaubhaft gemacht, so darf das Gericht Einsicht nicht gewähren und Abschriften nicht erteilen. Andererseits begründet das Bestehen eines berechtigten Interesses noch kein unbedingtes Recht; das Gericht hat vielmehr nach pflichtmäßigem Ermessen darüber zu befinden, ob gleichwohl Gründe vorliegen, Einsicht oder Abschrift zu versagen 24 ). Solche Gründe können vorliegen, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Antragsteller nur aus Schikane handelt oder unlautere Zwecke verfolgt 25 ). Aber auch sonst hat das Gericht bei der Ausübung seines Ermessens die widerstreitenden Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen 26 ). Es ist zu prüfen, ob der Gewährung der Akteneinsicht ein schutzwürdiges Interesse der Betei-
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» ) KGJ 46, 8. 1S ) Wellstein 2 Anm. 3 b; Josef' Anm. 4. ) Düsseldorf JMB1NRW 1958, 177; Schlegelberger Anm. 9; Keidel Anm. 20. 20 ) BayObLG OLGR 10, 30; Hamm JMB1NRW 1952, 95; Josef 2 Anm. 6. 21 ) KG RJA 1, 75; Jena OLGR 25, 368. 22 ) KG OLGR 5, 199. 2 ®) Oldenburg NdsRpfl. 1953, 32; BayObLGZ 1959, 420, 425; Keidel Anm. 15. 24 ) KG RJA 1, 4; KG OLGR 5, 200; 10, 2&; RJA 16, 6, 8; BayObLG OLGR 28, 331; JFG 4, 90; BayObLGZ 1956, 114, 117; 1959, 420, 19
425; Hamm MDR 1950, 355; Karlsruhe OLGZ 1966, 201 zu 5 = FamRZ 1966, 268; Tröndle ZB1JR 1953, 233, 235; Wellstein 2 Anm. 3 a; Ebert-Dudek-Lindemann 2 Anm. 1 c; Sdilegelberger Anm. 12; Keidel Anm. 16; Pikart-Henn S. 82. 25 ) KG RJA 1, 4; KG OLGR 5, 199; EbertDudek-Lindemann 2 Anm. 1 c; Keidel Anm. 2
18.
«) KG RJA 16, 6, 8; KG OLGR 10, 28; BayObLG OLGR 10, 30; BayObLGZ 1959, 420, 425; Hamm MDR 1950, 355.
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Freiwillige Gerichtsbarkeit ligten an der Geheimhaltung ihrer Verhältnisse entgegensteht27) oder ob ein gleichwertiges oder höher zu bewertendes Interesse der Öffentlichkeit oder eines Dritten die Geheimhaltung geboten erscheinen läßt 28 ). Das Interesse der Beteiligten kann es gebieten, daß Vorgänge, die ihre Persönlichkeitssphäre aufs engste berühren, nicht zur Kenntnis Dritter gelangen, z. B. wenn die Akten Erörterungen über den Geisteszustand des Betroffenen enthalten 28 ), aber auch wenn durch Gewährung der Einsicht an Dritte in das Vertrauensverhältnis zwischen VormG und Vormund oder Mündel störend eingegriffen würde 30 ). Dem Vater, der nach einer Inkognito-Adoption die Ehelichkeit des Kindes anfechten möchte, kann die Einsichtnahme in die Adoptionsakten versagt werden, wenn durch Bestellung eines Pflegers für die Vertretung des Kindes in dem Ehelichkeitsanfechtungsstreit gesorgt ist 31 ). Personen, die in Erfüllung ihrer Zeugnispflicht oder Amtspflicht (Gemeindewaisenrat, Fürsorger) gehört worden sind, müssen im allgemeinen, wenn nicht schwerwiegende Gründe eine andere Beurteilung rechtfertigen, davor geschützt werden, durch Gewährung der Einsichtnahme an am Verfahren nicht beteiligte Dritte wegen ihrer Stellungnahmen Anfeindungen ausgesetzt zu sein 32 ). Die Versagung darf aber nicht auf bloße Vermutungen oder Erwägungen allgemeiner Art gestützt werden, sondern es müssen bestimmte, sidi aus der Sachlage ergebende Gründe vorliegen 33 ). Unter Umständen kann den beiderseitigen Interessen dadurch gedient werden, daß dem Antragsteller die ihn interessierenden Aktenteile mündlich oder auszugsweise mitgeteilt werden, soweit dies ohne Gefährdung anderer Interessen möglich ist 34 ). Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt jedoch nur für die Einsichtgewährung an Dritte und an Beteiligte nach Beendigung des Verfahrens. Während des Verfahrens ist das Ermessen des Gerichts den Verfahrensbeteiligten gegenüber wesentlich dadurch eingeschränkt, daß eine Versagung der Aktieneinsicht nicht zu einer Verkürzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit zu einer Beschränkung der Beteiligten bei der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteilung führen darf 35 ). Hat ein Beteiligter infolge Versagung der Akteneinsicht von Tatsachen oder Beweisergebnissen oder dem Vorbringen anderer Beteiligter keine Kenntnis erlangt, so ist damit auch das rechtliche Gehör verletzt 36 ); ebenso, wenn zwecks Anfertigung der Beschwerdebegründung um Akteneinsicht nachgesucht worden ist, das Gericht aber entschieden hat, ohne über das Gesuch zu befinden und die Besch Werdebegründung abzuwarten 37 ). Andererseits entfällt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn Vorgänge, die dem Beteiligten von Amts wegen hätten mitgeteilt werden müssen, durch Akteneinsicht zu seiner Kenntnis gelangt sind 38 ). Die Beteiligten sind aber nicht verpflichtet, von sich aus durch Einsichtnahme nachzuforschen, ob sich bei den Akten Vorgänge befinden, die ihnen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs hätten mitgeteilt werden müssen39). Die Namen von Zeugen oder Auskunftspersonen, deren Bekundungen bei der Entscheidung verwertet werden sollen, dürfen den Beteiligten keinesfalls vorenthalten werden 40 ). Auch Berichte der Jugendämter (§ 48 JWG) müssen den Beteiligten zugänglich gemacht werden 41 ); die ältere ") BayObLG OLGR 28, 331; K G R J A 16, 6; BayObLGZ 1956, 114; Hamm JMB1NRW 1962, 283; Karlsruhe OLGZ 1966, 201 = FamRZ 1966, 268; Sdilegelberger Anm. 12; Keidel Anm. 16. 28 ) BayObLG OLGR 28, 281; JFG 4, 90; BayObLGZ 1959, 420; K G JFG 14, 214. 21) Hamm JMB1NRW 1962, 283 (Unterbringungsakten). 30 ) KG R J A 16, 6. 3 1 ) Karlsruhe OLGZ 1966, 201 = FamRZ 1966, 32 )
268.
BayObLG JFG 4, 90; Hamm MDR 1950, 355; Hamburg ZB1JR 1950, 137; BayObLGZ 1959, 420; Karlsruhe ZB1JR 1963, 266. 33 ) BayObLG OLGR 10, 30; BayObLGZ 1956, 114, 117; Hamm MDR 1954, 427; Keidel Anm. 16. 3 1 ) BayObLGZ 22, 159 = JW 1923, 690; BayObLGZ 1956, 114, 117.
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M) 38 ) 37 ) 38 ) 38 ) 40 )
BayObLGZ 1956, 114; Keidel Anm. 16. Maunz-Dürig GG Art. 103 Abs. 1 Rdn. 63. BVerfGE 18, 399, 406. BVerfGE 7, 329. BVerfGE 17, 194, 197; 18, 147, 150. Jansen EJF B II Nr. 32 Anm.; ders., Wandlungen pp. S. 38 Fn. 97; Baur § 19 II 7 a; Keidel Anm. 16; H. Keidel, Diss. S. 131, 132; ebenso bereits Karlsruhe OLGR 12, 206; a. M. BayObLGZ 14, 80; 22, 159; Frankfurt FamRZ 1960, 72 = EJF B II Nr. 32; einschränkend für den Fall der Gefährdung des Zeugen Staudinger-Göppinger BGB 11 § 1666 Rdn. 350, 351; dagegen mit Redit Jansen EJF B II Nr. 32 Anm.; H. Keidel Diss. S. 133. 41 ) Tröndle ZB1JR 1953, 190, 192; H. Keidel Diss. S. 132; Staudinger-Göppinger BGB 11 § 1666 Rdn. 350; Staudinger-Sdiwoerer BGB 11 § 1671 Anm. 166.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften einschränkende Rechtsprechung42) zu dieser Frage wird nicht aufrechterhalten werden können. 3. Gegenstand der Akteneinsicht und der Erteilung von Abschriften sind die Gerichtsakten, die in einer bundesrechtlichen Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit i. S. des § 1 erwachsen sind, mit allen darin befindlichen Urkunden, auch soweit sie, z. B. zu Beweiszwecken, nur vorübergehend bei den Akten verwahrt werden. Nicht der Einsicht unterliegen die Entwürfe zu Beschlüssen und Verfügungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung und Schriftstücke über Abstimmungen (vgl. § 299 Abs. 3 ZPO, § 100 Abs. 3 VwGO) sowie Auskünfte der Steuerbehörden an das Registergericht (§ 125a Abs. 2). Die Einsichtnahme in Justizverwaltungsvorgänge (z. B. Entscheidung des OLG-Präs, nach § 10 Abs. 2 EheG) richtet sich nicht nach § 34 43 ). Die Vorschrift bezieht sich nur auf die eigenen Akten des Gerichts, nicht auf Beiakten einer anderen Behörde. Den Beteiligten darf Einsicht in Beiakten nur nach den für diese geltenden Vorschriften gewährt werden, in Prozeßakten nach Maßgabe des § 299 ZPO, in Strafakten nach den Bestimmungen der Richtlinien für das Strafverfahren 44 ). Im Zweifelsfalle ist die Genehmigung der zuständigen Behörde einzuholen. Bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten (Art. 23 ff. EGBGB, Art. 7 § 1 FamRÄndG) unterliegen die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die zu dem Erlaß des angefochtenen Verwaltungsaktes geführt haben, in gleichem Umfange der Einsicht durch die Beteiligten wie die Gerichtsakten 45 ); über die Einsichtsgewährung entscheidet das Gericht. Der Inhalt von Beiakten darf bei der Entscheidung nur verwertet werden, wenn die Beteiligten Gelegenheit hatten, zu ihrem Inhalt Stellung zu nehmen 48 ). Ober einen Vorbehalt der übersendenden Behörde, die Akten den Beteiligten nicht zugänglich zu machen, darf sich das Gericht nicht hinwegsetzen 47 ); die Akten müssen alsdann als unverwertbar zurückgesandt werden. Geheimzuhaltender Akteninhalt darf nidit zum Nachteil eines Beteiligten verwendet werden 48 ). Nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) darf das Gericht jedoch Tatsachen, die als solche nicht geheim sind, auch Akten entnehmen, die den Beteiligten nicht offenstehen, wenn es diese Tatsachen zum Gegenstand seiner Ermittlung und Erörterung mit den Beteiligten macht 49 ). 4. Entscheidung des Gerichts. Uber den Antrag entscheidet nicht, wie nach § 299 Abs. 2 ZPO, der Vorstand des Gerichts oder, wie nach § 4 Abs. 1 GBO-AusfVO, der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, sondern das Gericht, also der Richter, die Kammer oder der Senat, in übertragenen Sachen der Reditspfleger (§ 4 Abs. 1 RechtspflG). Befinden sich die Akten in der Beschwerdeinstanz, so darf das Beschwerdegericht entscheiden. Überläßt der Richter die Entscheidung allgemein dem Urkundsbeamten, so trägt er dafür die Verantwortung. 5. Ausübung des Rechts auf Einsicht. a) Einsichtnahme. Das Recht auf Einsicht kann in dem genehmigten Umfang persönlich oder durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden; in letzterem Falle ist das berechtigte Interesse des Vertretenen maßgebend 50 ). Mündliche oder schriftliche Vollmacht genügt; bestehen begründete Zweifel gegen die Echtheit der Unterschrift, so kann Beglaubigung verlangt werden (§ 13 Satz 3). Dem Bevollmächtigten ist die Einsicht zu verweigern, wenn der begründete Verdacht besteht, daß er statt des berechtigten Interesses seines Auftraggebers das eigene unberechtigte Interesse oder das Interesse Dritter wahrnehmen wird 51 ). 4 2)
Hamm MDR 1950, 355; 1954, 427; BayObLGZ 22, 159 = J F G 1, 28; BayObLGZ 1956, 114 = E J F B II Nr. 1 mit Anm. v. Potrykus; Hamburg ZB1JR 1950, 137; Frankfurt FamRZ 1960, 72 = E J F B II Nr. 32 mit Anm. v. Jansen. 4 3 ) Vgl. KG OLGR 14, 150; KG R J A 15, 253. 4 4 ) A. M. BayObLGZ 14, 43. 4 5 ) Vgl. § 100 Abs. 1 VwGO; Köhler N J W 1956, 1460; vgl. Eyermann-Fröhler VwGO 4 § 100 Rdn. 2; Schunck-De Clerdc VwGO 2 § 100 Anm. 1 b.
4 «) BVerfGE 20, 349. " ) BGH ZZP 65, 271 = N J W 1952, 305; Arnold N J W 1953, 1283. 4 8 ) BayObLGZ 1956, 116; Arndt J Z 1963, 67; Jansen, Wandlungen pp. S. 38; StaudingerGöppinger B G B " § 1666 Anm. 350. 4 9 ) Bedenken dagegen erhebt Staudinger-Göppinger B G B " § 1666 Anm. 350 a. E. 5 °) K G J 22 A 122; KG J W 1936, 2342 = HRR 1936 Nr. 1125. 5 1 ) KG aaO.
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§ 34
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Bevollmächtigten reidien zur Versagung nur aus, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, daß er mit der Einsicht unlautere Zwecke verfolgt 52 ). Auskunfteien steht ein Recht zur Einsicht nicht aus eigenem Recht, sondern nur aus dem berechtigten Interesse ihres Auftraggebers zu. Dem Rechtsanwalt eines Beteiligten ist in der Regel Akteneinsidit zu gewähren. Die Vollmacht des beurkundenden Notars kann in der Regel vermutet werden. "JO
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b) Abscbriftnahme. Das Recht auf Einsicht schließt die Befugnis des Berechtigten ein, sich selbst Aufzeichnungen oder Abschriften aus den Akten zu fertigen 53 ). Das kann auch unter Benutzung einer Schreibhilfe, und zwar in der Weise geschehen, daß die Schreibhilfe auf Anweisung des Berechtigten unmittelbar die Abschrift herstellt, sofern dadurch der Geschäftsbetrieb nicht beeinträchtigt wird 54 ). Es können auch photographische Aufnahmen von Aktenteilen und Urkunden hergestellt werden, sofern durch den technischen Aufwand nicht der sonstige Geschäftsablauf gestört wird, worüber im Verwaltungswege zu entscheiden wäre 55 ). c) Ort und Zeit der Einsicht. Das Recht zur Einsichtnahme ist an der Geschäftsstelle während der üblichen Geschäftsstunden auszuüben. Es besteht kein Recht auf Überlassung der Akten zur Einsichtnahme in der Kanzlei des Anwalts oder Notars; auch besteht kein Rechtsanspruch der Beteiligten oder des Rechtsanwalts darauf, daß die Akten zum Zwecke der Einsichtnahme an die Geschäftsstelle eines auswärtigen Gerichts versandt werden 56 ). Aushändigung und Versendung stehen im Ermessen des Gerichts. Wenn sich allerdings die Akten bei einem auswärtigen Beschwerdegericht (OLG, BGH) befinden, wird ihre Zurücksendung an das Gericht erster Instanz zum Zwecke der Einsichtnahme verlangt werden können.
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Beglaubigung von Abschriften. Ist die Erteilung einer Abschrift bewilligt worden, so ist sie auf Verlangen zu beglaubigen, ohne daß ein berechtigtes Interesse gerade an der Beglaubigung nachgewiesen werden müßte (Satz 2 Halbs. 2). Die Form der Beglaubigung bestimmt sich im allgemeinen nach Landesrecht; vgl. PrFGG Art. 57, HessFGG Art. 67, NdsFGG Art. 50. S. aber auch VO vom 21. 10. 1942 (Anl. 7) §§ 1, 3.
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7. Rechtsmittel. Die Entscheidung über die Gewährung oder Versagung von Akteneinsicht (oder die Erteilung von Abschriften) ist eine nach § 19 beschwerdefähige Verfügung; es findet deshalb die Sachbeschwerde statt. Wird jedoch nicht die Einsichtnahme als solche aus den Gründen des § 34 versagt, sondern nur die besondere Art der verlangten Ausführung (Aushändigung, Versendung, Anfertigung von Abschriften und Photographien in störender Art) aus Gründen der Ordnung des Geschäftsbetriebes oder Verwaltungsrücksichten abgelehnt, so ist nicht die Sachbeschwerde, sondern allenfalls die Dienstaufsiditsbeschwerde gegeben 57 ); auch ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das OLG nach § 23 EGGVG kommt insoweit nicht in Betracht 57 ').
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a ) Gegen die Versagung steht dem Antragsteller ein Beschwerderecht aus § 20 zu; die Rechtsbeeinträchtigung liegt, auch wenn kein Rechtsanspruch auf Einsicht besteht, darin, daß der Anspruch auf rechtmäßigen Ermessensgebrauch verletzt ist58), bei Beteiligten kann auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in Betracht kommen (Rdn. 6). Das Landgericht kann sein Ermessen anders ausüben als das Amtsgericht (§ 23 Rdn. 8). Die weitere Beschwerde, die nicht ausgeschlossen ist, kann nur darauf gestützt werden, daß das LG 52
) 53) 54 ) 55 )
KG JW 1936, 2342 = HRR 1936 Nr. 1125. KGJ 44, 88 = RJA 12, 205. KG DNotZ 1933, 371. KGJ 44, 88 = RJA 12, 205; Schlegelberger Anm. 6. 5 «) BGH NJW 1961, 559 = Rpfleger 1961, 190 zum Zivilprozeß; BFH NJW 1968, 864 zu § 78 FGO; KG JFG 18, 283 für Notare; Keidel Anm. 22. " ) KGJ 38 A 6; 44, 88 = RJA 12, 205; KG OLGR 33, 1; KG JFG 18, 283; Schlegelber-
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ger Anm. 6, 12; Meikel-Imhof-Riedel GBO 5 § 12 Anm. 48; a. M. (Sachbesdiwerde) Keidel Anm. 26. « • ) Hamm NJW 1968, 169 (StPO). 58 ) KGJ 20 A 3 = RJA 1, 1; BayObLG OLGR 10, 30; BayObLGZ 1959, 420; Karlsruhe OLGR 12, 206; Braunschweig OLGR 23, 367; Keidel Anm. 24; Schlegelberger Anm. 12; a. M. Wellstein 2 Anm. 3 a; Schultzenstein ZZP 25, 247 ff. u. 28, 228 ff.; Nußbaum Recht 1900 S. 303.
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§
34
die Rechtsbegriffe des berechtigten Interesses oder der Glaubhaftmachung verkannt oder sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt habe 5 9 ). Mit der weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache kann die Versagung der Akteneinsicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt werden. Ist das Landgericht Gericht erster Instanz (Vorbem. B I vor § 3), so entscheidet über die erste Beschwerde das O L G (ObLG). Die Ablehnung durch das Landgericht, welches als Beschwerdegericht mit der Sache befaßt ist, ist jedoch nicht selbständig anfechtbar, da gegen Zwischenverfügungen des Beschwerdegerichts ein Rechtsmittel nur stattfindet, soweit es besonders zugelassen ist (§ 19 Rdn. 48), was hier nicht zutrifft 6 0 ).
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b) Gegen die Gewährung der Akteneinsicht und die Abschriftserteilung steht ein Beschwerderecht dem Beteiligten zu, dessen Recht durch die Offenlegung verletzt wird 8 1 ). Die Beschwerde wird jedoch durch die Einsichtnahme oder Aushändigung der Abschrift gegenstandslos und damit unzulässig, da eine Abhilfe nicht mehr möglich ist.
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haben die Rechte aus § 34, soweit sie selbst oder die von ihnen vertretene 8. Behörden Körperschaft oder Anstalt die Stellung von Verfahrensbeteiligten haben oder soweit eine K ö r perschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ein berechtigtes Interesse aus seiner Eigenschaft als Vermögensträger herleiten kann. Die Befugnis von Behörden, in Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben Einsicht oder Abschrift zu verlangen, richtet sich nach Landesrecht (vgl. Art. 52 P r F G G ) ; auch der Gesichtspunkt der Amtshilfe (§ 2 Rdn. 1, 3) kommt in Betracht. Verlangt eine Verwaltungsbehörde für öffentliche Belange eine Auskunft aus den Akten und wird diese verweigert, weil eine Verpflichtung dazu nicht bestehe, so findet dagegen nur die Aufsichtsbesch werde statt 6 2 ).
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9. Auskunftserteilung. Aus dem Recht zur Einsichtnahme und auf Erteilung von AbSchriften folgt nicht ein Rechtsanspruch auf Erteilung von Auskünften und Bescheinigungen 63 ), soweit eine Verpflichtung dazu nicht auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschrift begründet ist (vgl. § 9 Abs. 4 H G B , § 162 F G G , § 156 GenG). Die Erteilung von Auskünften über den Akteninhalt wird aber auch ohne Rechtspflicht nach pflichtmäßigem Ermessen häufig in billiger Rücksichtnahme auf die Belange der Beteiligten angebracht sein, wenn die nachgesuchte Auskunft mit Leichtigkeit und ohne besondere Verantwortlichkeit erteilt werden kann. Jedoch sind dabei die Grenzen zu beachten, die für die Einsichtsgewährung gelten. Wird eine Auskunft, auch ohne Bestehen einer Rechtspflicht, erteilt, so erfordert es die Amtspflicht, sie zutreffend, unmißverständlich und vollständig zu erteilen 64 ). Wird die Erteilung einer Auskunft, zu der keine Rechtspflicht besteht, verweigert, so ist dagegen die Sachbeschwerde nicht gegeben 65 ). Die Erteilung einer Auskunft schließt das Recht auf Akteneinsicht nicht aus.
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10. Die Einsichtnahme in Notariatsakten und notarielle Urkunden sowie das Recht auf Erteilung von Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften richtet sich nach Landesrecht« 6 ). Es gelten Art. 49, 50, 61 P r F G G , Art. 86, 80 bis 82, 88 HessFGG, Art. 67, 63, 64 N d s F G G , Art. 22, 42 B a y N o t G . Vgl. die Erläuterungen zu Art. 40 ff. P r F G G (Anl. 10). In dem Entwurf eines BeurkundungsG (BT-Drucks. V/3282) wird die Frage (einschränkend) in § 51 bundesrechtlich geregelt.
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») BayObLG OLGR 10, 30; BayObLGZ 1959, 420, 425; Keidel Anm. 24; vgl. § 27 Rdn. 23. •0) Hamburg OLGR 28, 332; KG N J W 1960, 1625 = Rpfleger 1960, 374; Schlegelberger § 19 Anm. 24 b; Pikart-Henn S. 129; a. M. KG DFG 1937, 226; BayObLGZ 14, 42; 1956, 114; Keidel Anm. 24 u. Rpfleger 1960, 358. 6 1 ) KGJ 53, 64; BayObLGZ 1967, 349; Schlegelberger Anm. 12 a. E . ; Keidel Anm. 26. 6 2 ) KG OLGR 12, 197; vgl. ferner KGJ 21 A 273; 23 A 213. 5
) KG R J A 1, 210; Braunschweig OLGR 23, 370; KG OLGR 40, 99; KG DFG 1937, 228. ) RGZ 170, 129; BGH LM § 839 BGB (Fe) Nr. 19; Leiß, J R 1960, 50. 6 5 ) KG R J A 1, 210; BayObLGZ 1967, 348; Schlegelberger Anm. 3; Meikel-Imhof-Riedel GBO 5 § 12 Anm. 49; Henke-Möndi-Horber GBO 8 § 12 Anm. 5 D c. ««) Vgl. Saage BNotO § 25 Anm. 6 ; SeyboldHornig BNotO 4 § 15 Anm. 21, Anh. zu § 20 Anm. 82 ff. 63
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Freiwillige Gerichtsbarkeit 20
Í-/. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht. Nach § 194 Abs. 1 gilt § 34 auch für die nadi Landesrecht zuständigen niditgerichtlichen Behörden. In landesreditlichen Angelegenheiten der FG ist § 34 durchweg für anwendbar erklärt worden.
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12. Abweichende Vorschriften. a) Nach FGG. Ein unbedingtes Recht auf Erteilung von Abschriften haben Beteiligte nach § 16 Abs. 3; auf Einsicht und Erteilung von Abschriften nach § 91 Abs. 3, 93 Abs. 2; jeder, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, in den Fällen des § 78. Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, hat nach § 85 ein Recht auf Erteilung einer Ausfertigung der dort bezeichneten Urkunden. b) In Nachlaßsachen besteht bei Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses ein unbedingtes Recht auf Einsicht in Akten nach BGB §§ 1953 Abs. 3, 1957 Abs. 2, 2010, 2081 Abs. 2, 2146 Abs. 2, 2228, 2384 Abs. 2, auf Einsicht und Abschriftserteilung von Testamenten nach BGB § 2264, während für eröffnete Erbverträge FGG § 34 gilt. In diesen Fällen ist mithin, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird, für eine Ermessensausübung kein Raum. Neben diesen Vorschriften ist aber auch § 34 als anwendbar anzusehen, so daß das Gericht bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses nach seinem Ermessen Einsicht und Abschriftserteilung gewähren kann 87 ). Der Erblasser kann Einsicht und Erteilung einer Abschrift von seinem in besondere amtliche Verwahrung gebrachten Testament oder Erbvertrage verlangen 68 ). Wenn sich im Fall des § 2264 das rechtliche Interesse nur auf einen Teil des Testaments erstreckt, kann Einsicht und Abschrift nur dieses Teiles verlangt werden; wer aber zur Teilnahme an der Verkündung des Testaments befugt ist, kann stets Einsicht und Abschrift des ganzen Testaments fordern 69 ).
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c) Die öffentlichen Register, nämlich Handels-, Genossenschafts-, Vereins-, Güterrechts-, Schiffs- und Musterregister kann jedermann ohne Nachweis eines Interesses einsehen und Erteilung von Abschriften der Eintragung verlangen. Dasselbe gilt für das Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen einschließlich der Urkunden, auf die eine Eintragung Bezug nimmt. Frei ist auch die Einsicht in die zum Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregister eingereichten Schriftstücke; sie kann auch nicht mit der Begründung verwehrt werden, daß unlautere Zwecke verfolgt würden70). Die Einsicht in das Schiffsbauregister und die Erteilung von Abschriften daraus, die Einsicht in die zum Schiffs- und Schiffsbauregister sowie zum Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingereichten Schriftstücke und die Erteilung von Abschriften der zu diesen Registern und zum Handels- und Genossenschaftsregister eingereichten Schriftstücke kann verlangt werden (kein Ermessen), wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Die Einsicht in die Vereins- und Güterrechtsregisterakten und die Erteilung von Abschriften daraus richtet sich nach FGG § 34. HGB § 9, GenG § 156, BGB §§ 79, 1563, SchiffsRegO §§ 8, 65 Abs. 2, GeschmMG § 11, G über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26. 2. 1959 (BGBl. I, 57) § 85.
d) In Grundbuchsachen
sind GBO §§ 12, 124, GBVfg. §§ 43 bis 46 maßgebend.
•') BayObLGZ 1954, 310 = DNotZ 1955, 433. •8) KG JFG 4, 159.
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«») KGJ 35 A 86 = RJA 9, 79. 7°) KG JFG 9, 94.
Anhang I Anfechtung von Justizverwaltungsakten EGGVG §§ 23 bis 30 i.d. F. des § 179 VwGO Vorbemerkung Nach früherem Rechtszustand waren Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Zivilprozesses, des Strafprozesses und der freiwilligen Geriditsbarkeit von der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel ausgenommen, ohne daß für ihre gerichtliche Nachprüfung ein anderes Verfahren ausdrücklich vorgesehen war (§ 25 Abs. 1 Satz 2 M R V O 165, § 23 Abs. 2 VVG Berlin, f ü r den Geltungsbereich der südd. Verwaltungsgerichtsgesetze BVerwG 19. 12. 57 (6, 86). Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgte hieraus ihre Anfechtbarkeit durch Klage vor den ordenlichen Gerichten. Jedoch war die Abgrenzung im einzelnen zweifelhaft und streitig. Die Verwaltungsgerichte waren geneigt, ihre Zuständigkeit in weitem Umfange anzunehmen, z. B. auf dem Gebiet der familienrechtlichen Befreiungen. Bei der Beratung des Entwurfs der Verwaltungsgerichtsordnung wurde vom Bundesrat vorgeschlagen, die Nachprüfung der spezifisch justizmäßigen Verwaltungsakte der Justizverwaltung den ordendlichen Gerichten zu übertragen und zwar in weiterem Umfange, als es der herkömmlichen Auslegung des Begriffs Justizverwaltungsakt entsprach, weil die ordentlichen Gerichte über die für die Nachprüfung erforderlichen zivil- und strafrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen (BT-Drudts. 3. Wahlp. N r . 55 S. 61, 79, N r . 1094 S. 15). Dieser Vorschlag wurde in der Weise Gesetz, daß § 179 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I 17) in das Einführungsgesetz zum Gerichts Verfassungsgesetz die § § 2 3 bis 30 einfügte. Durch diese Vorschriften wird die Entscheidung über die Anfechtung von Justizverwaltungsakten im U m f a n g der in § 23 Abs. 1 E G G V G enthaltenen Generalklausel den ordentlichen Gerichten zugewiesen und gleichzeitig ein besonderes Verfahren mit grundsätzlich erst- und letztinstanzlicher Zuständigkeit der Oberlandesgerichte geschaffen. Die neue Regelung ist am 1. April 1960 in K r a f t getreten (§ 195 Abs. 1 Satz 1 V w G O ) . Sie gilt auch in Berlin (Übernahme Gv. 4. 3. 1960, GVBl. 207). Inzwischen hat der U m f a n g der nach den §§ 23 ff. E G G V G anfechtbaren Justizverwaltungsakte mit Wirkung vom 1. J a nuar 1962 dadurch eine Einschränkung erfahren, daß das Familienrechtsänderungsgesetz vom 11. August 1961 (BGBl. I 1221) Entscheidungen auf dem Gebiet des Familienrechts, die bisher im Verwaltungswege getroffen wurden, dem VormG zugewiesen und dadurch zu Rechtspflegeakten der freiwilligen Gerichtsbarkeit umgestaltet hat, insbesondere die Ehelichkeitserklärung (unten § 43a), die Befreiung von den Eheverboten der Schwägerschaft, der Geschlechtsgemeinschaft und des Ehebruchs (unten §§ 44a, 44b) und vom Erfordernis der Ehemündigkeit (Anh. zu § 56). Ferner ist die Anerkennung ausländischer Enscheidungen in Ehesachen zwar ein Justizverwaltungsakt geblieben, das gerichtliche Verfahren zur Anfechtung dieser Entscheidungen aber in Art. 7 F a m R Ä n d G besonders und abweichend von den §§ 23 f f . E G G V G geregelt worden (nächst. Anh. II).
Schrifttum a) Rechtspolitisch: Tietgen, N J W 1956, 1129; 1957, 394; Ruscbeweyh, Ule, J Z 1958, 628; Hamann, DVBl. 1959 7.
DVBl. 1958, 686;
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§ 23 EGGVG
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
b) Zum geltenden Recht: Hornig, NdsRpfl. 1960, 52; Stich, DÖV 1960, 368; Lüke JuS 1961, 205; Wieczorek, ZPO-HdAusg. §§ 23 ff. EGGVG; Altenhain, JVBl. 1960, 193; 1961, 173; DRiZ 1963, 8; JZ 1965, 756; JZ 1966,16 (zum Strafprozeß); Schmidt, Ripken, SchlHAnz. 1962, 73, 193; Zöller-Karch ZPO1» §§ 23 ff. EGGVG; Baumbach-Lauterbach, ZPO 28 §§ 23 ff. EGGVG; Ule, VerwProzRedit3 § 32 II 6, Anh. § 32 zu IV; Forsthoff, VerwRecht8 § 6 zu 2, § 28; Eberhard Schmidt, Lehrkomm, zur StPO, Teil III § 23 ff. EG; Hinweise bei Keidel Rdn. 21—27 vor § 19; Zimmermann, Rpfleger 1962, 42; ferner die Kommentare zur VwGO. Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit
von
Justizverwaltungsakten
23 (1) Über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Mafinahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Redits einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden, entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Das gleiche gilt für Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug der Freiheitsstrafen, der Maßregeln der Sicherung und Besserung, des Jugendarrests und der Untersuchungshaft. (2) Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann audt die Verpflichtung der Justiz- oder Vollzugsbehörde zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. (3) Soweit die ordentlichen Gerichte bereits auf Grund anderer Vorschriften angerufen werden können, behält es hierbei sein Bewenden.
1. Justizverwaltungsakt •(
Als Ausnahme von der verwaltungsgeriditlichen Generalklausel des § 40 VwGO weist § 23 die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen (Verwaltungsakte) von Justizbehörden den ordentlichen Gerichten zu; der Umfang dieser Zuweisung wird wiederum durdi eine Generalklausel dahin umschrieben, das der VA, soweit Zivilsachen in Betracht kommen, auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen sein muß. Da diese Gebiete zum Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit gehören, bezieht sich die Regelung nicht auf VAe von Justizbehörden der anderen Gerichtszweige (allgemeine und besondere VerwGe) und der Gerichte in Arbeitssachen; insoweit verbleibt es bei der Zulässigkeit des VerwReditswegs (Schunck-De Clerk, VwGO, § 40 Anm. 7b). Justizbehörden sind die Justizverwaltungsbehörden der ordentlichen Gerichtsbarkeit einschließlich des JustMin. und die Staatsanwaltschaften (Rdn. 14). Mithin scheiden aus Akte, die von einem Gericht als solchem, also von einem mit sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Einzelrichter oder Kollegialgericht erlassen werden, wobei es nur auf die formelle Gerichtsqualität der entscheidenden Stelle, nicht auf die Zurechenbarkeit des Aktes zur Rechtsprechung oder Verwaltung im materiellen Sinne ankommt (Tietgen, NJW 1956, 1129 zu III 6; Maunz-Dürig, GG Art. 19 Abs. 4 Rdn. 17). Keine Justizverwaltungsakte sind hiernach die Zurückweisung von Bevollmächtigten und Beiständen nach § 157 Abs. 1 ZPO (Baumbach26 § 23 EG Anm. 1 A), die Untersagung des weiteren Vortrags nach § 157 Abs. 2 ZPO (Lüke, JuS 1961, 206), Maßnahmen der Sitzungspolizei (§§ 176, 177 GVG), der Erlaß eines Vorführungsbefehls (§ 5 Abs. 1 FrEntzG), die Amtsenthebung eines Handelsrichters (§ 113 Abs. 2 GVG), die richterliche Ablehnung der Entfernung von Urkunden aus Prozeßakten1). Nicht hierher gehören ferner Akte der Rechtspflege im funktionellen Sinne, mag auch das ») Köln N J W 1966, 1761; vgl. ferner Bamberg JVBl. 1963, 175; 1966, 239; Hamburg, HambJVB1. 1965, 28.
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Anfechtung von Justizverwaltungsakten
EGGVG § 23
Rechtspflegeorgan, das sie erlassen hat, ein nichtrichterliches sein, z. B. ein Reditspfleger, ein UdG oder eine nach § 194 F G G zuständige nichtrichterliche Behörde. Deshalb scheiden Verfügungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch soweit diese Tätigkeit materiell als Verwaltung anzusehen sein sollte (vgl. § 1 F G G Rdn. 5—7), aus (Ule, VwGO § 42 I V 3 c; Lüke, JuS 1961, 207). Keine Rechtsprechungsakte, aber auch keine JustVerwAe sind die Anordnungen der Präsidien der Gerichte (§§ 22a, 64, 117, 131, GVG), weil die Präsidien ein von der Justizverwaltung der Idee nach unabhängiges Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung sind. Oberhaupt sind Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, auch soweit sie von dem Präsidenten allein getroffen werden (§§ 22c Abs. 3, 65, 67 GVG), von der Anfechtung sowohl nach § 23, wo das Sachgebiet der Gerichtsverfassung nicht erwähnt wird (a. M. Wieczorek, ZPO-HdAusg. § 23 E G Anm. B I b 2), als auch im VerwRechtsweg ausgeschlossen, weil sie im Rahmen der Selbstverwaltung der Gerichte kraft richterlichen Amtes erlassen werden 2 ). Sonstige hoheitliche Maßnahmen von Justizbehörden, die dem Betrieb und der personellen und sachlichen Ausstattung der Gerichtsbehörden zu dienen bestimmt sind, gehören nicht zu den Sachgebieten des § 23, sind aber möglicherweise im VerwRechtsweg anfechtbar. Es verbleiben mithin für das Verfahren nach § 23 die ihrem sachlichen Gehalt nach spezifisch zu dem unmittelbaren Funktionsbereich der ordentlichen Gerichte gehörenden JustVerwAe (nächst. Rdn. 4 bis 15). Der Begriff des Verwaltungsakts ist derselbe wie der des allgemeinen Verwaltungsrechts; es ist darunter die mit obrigkeitlicher Autorität vorgenommene verbindliche Regelung eines Einzelfalls zu verstehen, soweit sie nicht in der Form eines Gesetzes oder einer gerichtlichen Entscheidung ergeht 3 ). Ein Justizverwaltungsakt ist mithin gegeben, wenn durch die Maßnahme einer Justizbehörde auf einem der in § 23 Abs. 1 E G G V G bezeichneten Gebiete ein Einzelfall mit unmittelbarer Rechtswirkung gegenüber dem Staatsbürger geregelt wird. Zwischenverfügungen, die im Laufe des verwaltungsbehördlichen Verfahrens ergehen, z. B. dem Antragsteller eine Auflage zur Vorbereitung der Entscheidung machen, sind noch keine anfechtbaren Verwaltungsakte, weil sie den Einzelfall noch nicht abschließend regeln 4 ). Für die Anfechtung unselbständiger (akzessorischer) Verwaltungsakte, z. B. Zustimmungen oder Genehmigungen zu privaten Rechtsgeschäften, kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn das Prozeßgericht das private Rechtsgeschäft im gleichen Umfange und nach den gleichen Voraussetzungen nachzuprüfen hat, wie es bei der Nachprüfung der Erteilung der behördlichen Genehmigung geschehen müßte 5 ); das Rechtsschutzbedürfnis ist aber gegeben, wenn die Behörde den Sachverhalt auch unter anderen Gesichtspunkten, insbesondere nach Zweckmäßigkeitsgründen, zu würdigen hat als das Prozeßgericht 6 ). Besondere Gesichtspunkte gelten für die Anfechtbarkeit eines wiederholten Bescheides („Zweitbescheid"), nachdem ein erster belastender Bescheid unanfechtbar geworden ist 7 ). Verweist die Behörde auf Gegenvorstellungen lediglich auf den früheren Bescheid, ohne in eine erneute Sachprüfung einzu) Tietgen, N J W 1956, 1129 zu I I I 6 c; Müller D R i Z 1962, 83; 1963, 416; Thürk N J W 1963, 45; von Gerkan JVB1. 1962, 99 ff., 101; der Gesdoäftsverteilungsplan ist keine Maßnahme der Justizverwaltung (BVerfGE 17, 252, 256 = N J W 1964, 1019 = D R i Z 1964, 173; Köln J M B 1 N R W 1963, 179); er kann nicht selbständig in einem gerichtlichen Verfahren angefochten werden (Rosenberg Z P R 7 S. 82; Wieczorek Z P O § 63 G V G Anm. C I I ; Arndt N J W 1959, 605; Bockelmann J Z 1952, 641; Bettermann in Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. I I I 2 S. 551; a.M. Schorn, Die Präsidialverfassung usw., S. 109 f f . ; Thürk, D R i Z 1963, 4 5 ) ; vgl. auch Ehrig N J W 1963, 1185. s ) Vgl. Ule V w G O 3 § 42 I V ; Koehler VwGO § 42 A I I I ; Eyermann-Fröhler V w G O 4 § 42 Rdn. 12 ff. 2
) Vgl. K G JVB1. 1968, 219 (nach Erlaß der Endentscheidung nicht mehr anfechtbar). 5) BVerwGE 1, 134 f f . ; 4, 317 f . ; 10, 150 f . ; 11, 250; Eyermann-Fröhler V w G O 4 § 42 Rdn. 42. «) BVerwGE 8, 4 6 ; 10, 148 f f . ; K G WM 1968, 856 (Stiftungsaufsicht). 7 ) Vgl. dazu Haueisen, N J W 1959, 2137; ders., N J W 1965, 561; Martens, N J W 1963, 1856; Bullinger J Z 1963, 466; Badiof, J Z 1962, 670; Franz D R i Z 1964, 339; DVB1. 1964, 757; BVerwGE 13, 99 = N J W 1962, 362; BVerwG N J W 1965, 602; Eyermann-Fröhler V w G O 4 § 121 Rdn. 30; Altenhain, D R i Z 1964, 302; Pohl, Zulässigkeit der Klage gegen einen in derselben Sache ergangenen zweiten Bescheid, R z W 1963, 485. 4
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treten, so liegt darin kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Wird geltend gemacht, daß der Sachverhalt, der einem unanfechtbar gewordenen ablehnenden Bescheid zugrunde gelegt worden ist, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen anders beurteilt werden müsse, so ist die Behörde nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen berechtigt, aber nicht verpflichtet, in eine erneute Sachprüfung einzutreten; erläßt sie auf Grund ergänzender Erwägungen einen Zweitbescheid, wenn auch mit dem gleichen Verfügungssatz wie der Erstbescheid, so wird dadurch die Anfechtung erneut eröffnet8). Ein Anspruch auf eine erneute Bescheidung kann mit der Behauptung geltend gemacht werden, die Behörde habe von ihrem Ermessen, in eine erneute Sachprüfung einzutreten, fehlerhafterweise keinen Gebrauch gemacht. Ein solcher Anspruch besteht, wenn bei einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung Wiederaufnahmegründe vorlägen oder wenn eine Veränderung des Sachverhalts oder das Hervortreten bisher nicht berücksichtigter tatsächlicher Umstände geltend gemacht wird. Dagegen ist die Behörde grundsätzlich nicht verpflichtet, ein unanfechtbar abgeschlossenes Verfahren wegen einer Änderung der Rechtsauffassung oder der Rechtsprechung wieder aufzugreifen®). Keine Verwaltungsakte sind Wissensmitteilungen, Belehrungen, Auskünfte10), Bescheide, durch die ein Einschreiten im Dienstaufsichtswege abgelehnt wird11), anders, wenn der ursprüngliche Bescheid im Dienstaufsichtswege geändert wird; ferner Vorhaltungen und Rügen im Rahmen der Dienstaufsicht über Rechtsbeistände12). Weisungen einer Justizbehörde an die ihrem Weisungsrecht unterliegende untere Behörde sind grundsätzlich keine Verwaltungsakte; um die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Wirkung gegenüber dem Staatsbürger darzustellen, muß erst noch eine Verfügung oder sonstige Maßnahme der angewiesenen Behörde hinzutreten13). 2. Als Justizverwaltungsakte in Zivilsachen i. S. des § 23 sind anzusehen: a) Die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses für Ausländer und Staatenlose durch den OLGPräs. nach § 10 Abs. 2 EheG i. d. F. des Art. 2 Nr. 1 Buchst, e FamRÄndG. Sie ist ein JustVA auf dem Gebiet des bürgerl. Rechts14). Die Befreiung ist bei Staatenlosen und Ausländern, deren innere Behörden keine Ehefähigkeitszeugnisse ausstellen, ein gesetzesgebundener JustVA15), das Vorliegen eines „besonderen Falles", in dem auch Angehörigen anderer Staaten Befreiung erteilt werden darf (§ 10 Abs. 2 Satz 3 EheG), ist nachprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff. Die Befreiung ist nicht anfechtbar, weil niemand in seinem Recht verletzt wird. Die Erteilung der Befreiung kann bis zur Eheschließung (aber nicht nachher) zurückgenommen werden, wenn sich nachträglich ein Ehehindernis ergibt. b) Die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter (G v. 23. 6. 50, BGBl. 226, ÄndG v. 7. 3. 56, BGBl. I 104, in Berlin übern, durch G v. 7. u. 10. 9. 56, GVBl. 1003, ) BVerwG DVB1. 1962, 225; Haueisen, N J W 1959, 2139 zu Anm. 19a; ders., N J W 1965, 561, 563. 8 ) BVerwG MDR 1966, 953; zur Frage, ob ein Zweitbescheid ergehen darf, wenn der erste Besdieid erfolglos gerichtlich angefochten worden ist, vgl. Haueisen, N J W 1963, 1334 Anm. 53; BVerwG DÖV 1964, 380 mit Anm. v. Bullinger; BSozGE 13, 181 = N J W 1961, 1499; 19, 164 = N J W 1963, 2093. 1 0 ) Hamm JVB1. 1962, 41. " ) Ule VwGO 3 § 42 IV 5 b; Klinger VwGO 2 § 68 Anm. E 1; Eyermann-Fröhler VwGO 4 § 42 Rdn. 5 4 ; BVerwG DVB1. 1961, 8 7 ; B G H Z 42, 390 (zu § 111 BNotO). 1 2 ) K G JVB1. 1966, 213. 1 3 ) BVerwGE 1, 169; OVG Münster, OVGE 4, 68; MDR 1952, 701; JMB1NRW 1968, 2 3 ; Eyermann-Fröhler VwVG 4 § 42 Rdn. 5 3 ; Redeker-v. Oertzen VwGO § 42 Anm. 3 2 ; Klinger VwGO § 42 Anm. E I 3 a u. c. " ) K G N J W 1961, 2209 = FamRZ 1961, 480; 8
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B G H Z 41, 136; Koehler, VwGO § 179 Anm. I I I 1 d; Ule VerwProzR 3 S. 106; BaumbachLauterbach Z P O 2 8 § 23 Anm. 1 C ; Beitzke FamR 1 « § 9 II 4 ; Lüke JuS 1961, 205 zu II 1; BGB-RGRK 1 1 § 10 EheG Anm. 52; Staudinger-Dietz BGB 1 1 § 10 EheG Anm. 172. Vgl. dazu Guggumos, Die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses, StAZ 1964, 54 ff.; Marquardt, Das EhefähigkeitsZeugnis für Ausländer, StAZ 1965, 2 5 7 ; Riediert, Wiederholte Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses für Ausländer und örtliche Zuständigkeit der Befreiungsbehörden, StAZ 1963, 57. 1 5 ) KG N J W 1961, 2209 = FamRZ 1961, 480; insbesondere darf die Befreiung nicht von der Beibringung einer „Traubereitsdiaftserklärung" abhängig gemacht werden; K G aaO.; Staudinger-Dietz aaO. § 10 EheG Anm. 161; a.M. Celle N J W 1962, 1160; Palandt-Lauterbach B G B 2 ' § 10 EheG Anm. 3.
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EGGVG §
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1010). Bis zum Inkrafttreten der §§ 23 ff. EGGVG wurde der Verwaltungsrechtsweg für zulässig erachtet1'). Nunmehr ist der Rechtsweg nach § 23 eröffnet, weil ein Justizverwaltungsakt auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts vorliegt"). Die Anerkennungsfähigkeit der Verbindung unterliegt in vollem Umfange der richterlichen Nachprüfung18), jedoch hat das Gesetz dem Ermessen der Behörde noch Raum gegeben1'). Die Antragsbefugnis (§ 24 Abs. 1) steht auch den in ihrem Erbrecht geschmälerten Verwandten des verstorbenen Partners zuso). Antragsteller mit gewöhnlichem Aufenthalt in der DDR sind bis zur Ubersiedlung in die BRD oder nach Westberlin als abwesend im Sinne des § 2 Abs. 4 EheanerkG anzusehen"). Anfechtbar ist auch die Rücknahme des Anerkennungsbescheides®2). c) Versagung oder Gewährung von Akteneinsicht oder Erteilung von Abschriften aus Akten, soweit eine JustizVerwBehörde entscheidet, z. B. der Vorstand des Gerichts nach § 299 Abs. 2 ZPO gegenüber Dritten 23 ), in Angelegenheiten der FG, soweit nicht nach § 34 FGG, § 12 GBO das Gericht zu entscheiden hat, z. B. Gestattung der Einsicht in Grundbücher und Grundakten im Verwaltungswege nach § 35 der AV v. 25. 2. 36 (DJ 350). Dagegen ist die Gewährung von Einsicht in Vorgänge der Gerichtsverwaltung, z. B. über die Bildung des Präsidiums, der Schöffen- und Schwurgerichte oder über die Geschäftsverteilung24) kein JustVA i. S. des § 23, sondern ein VA auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung.
g
d) Gewährung oder Versagung von Rechtshilfe im Verkehr mit dem Ausland*'). Darunter fällt auch die Ablehnung der Weiterleitung eines Gesuchs nach dem Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland v. 20. 6. 56 (BGBl. 1959 II 149); Bülow-Arnold, Intern. Rechtsverkehr, A III 3a.
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e) Feststellung der Voraussetzungen für die Übertragbarkeit eines Nießbrauchs oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, die einer juristischen Person zustehen, nach §§ 1059a Nr. 2, 1092 Abs. 2 BGB (Hornig, NdsRpfl. 1960, 52). Dazu v. Spreckelsen, D J 1936, 1985. Zuständig ist der LG (AG)-Präsident, AV d. RJM v. 8. 12. 38 (DJ 1974), Bayern Bek. v. 16. 8. 56 (JMBl. 140), Berlin AV v. 27. 8. 54 (ABl. 1008), NiedersachsenAV v. 15. 3. 54 (NdsRpfl. 58).
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f) Verfügungen in Stiftungsaufsicbtssachen, sofern die Stiftungsaufsicht einer Justizverwaltungsbehörde zusteht und es sich um eine Stiftung des privaten Rechts handelt; vgl. Berliner StiftungsG v. 11. 3. 60 (GVB1. 228); Hamburg AGBGB i. d.F. v. 1. 7. 58 (GVB1. 196) §§ 6 bis 21; Bayern StiftungsG v. 26. 11. 54 (BayBS II 661); Hess. StiftungsG v. 4. 4. 66 (GVB1. 77); Rheinland-Pfalz StiftungsG v. 22. 4. 66 (GVB1. 95); Niedersachsen StiftungsG v. 24. 7. 68 (GVBl. 119); § 2a des G zur Änderung von Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts v. 28. 12. 50 (BGBl. 820) i. d. F. des Art. 1 des G v. 3. 8. 67
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) BVerwGE 1, 74; 6, 167; 10, 192; Bettermann, FamRZ 1957, 18. " ) Hamburg 23. 9. u. 25. 11. 60 (2 VA 1 u. 2/60); München (VA 1/60); KG 10. 8. 61 (I W 1020/61); OVG Berlin 14. 7. 61 (IV ER 138/60); Koehler VwGO § 179 Anm. I I I 1 e; Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 23 Anm. 1 C ; Staudinger-Dietz BGB 1 1 § 11 EheG Rdn. 438; Keidel 23 vor § 19; a.M. Tannert J Z 1960, 592 Fn. 3. 1 8 ) BVerwGE 1, 74; 10, 192; BVerwG FamRZ 1963, 360; Frankfurt N J W 1964, 1678. i») BVerwGE 1, 74. 2 °) BayVGH DVB1. 1956, 764 = N J W 1957, 315; Tannert J Z 1960, 592 u. DVB1. 1958, 752; Bernhardt J Z 1963, 305 Fn. 37, 38, 52; Staudinger-Dietz BGB 1 1 § 11 EheG Rdn. 441; Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 24 EGGVG Anm. 2 B ; a.M. Tietgen N J W 1957, 315; le
)
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)
2S
)
24
)
25
)
Bettermann FamRZ 1957, 151; DVB1. 1958, 830; Menger VerwArch. 1959, 199; Ule VerProzR 3 § 42 I I I 2; BVerwGE 6, 167; BVerwG N J W RzW 1959, 425 = JZ 1959, 543. BVerwG FamRZ 1963, 359; BGH N J W 1964, 1625. BVerwG FamRZ 1961, 524; dazu Rocke FamRZ 1962, 418. Baumbach-Lauterbadi ZPO 2 8 § 299 Anm. 4; Zöller-Karch ZPO1® § 23 EGGVG Anm. 2 a; Karlsruhe AnwBl. 1962, 224. Vgl. zum Einsichtsrecht der Rechtsanwälte BVerwG N J W 1961, 1989. Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 23 EGGVG Anm. 1 C; Zöller-Kardi ZPO 1 0 § 23 EG Anm. 2 b; a.M. bei Bewilligung einer Zustellung Hamm JVB1. 1962, 41; vgl. § 2 FGG Rdn. 35.
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§ 2 3 EGGVG
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
(BGBl. I 839). Justizverwaltungsakte bei der Stiftungsaufsicht sind sachlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzurechnen 26 ). 10
g) In Hinterlegungssachen Entscheidungen des OLGPräs. nach § 3 Abs. 4 HinterlO, soweit nicht durch § 3 Abs. 5 H i n t e r l O der ordentliche Rechtsweg zum L G eröffnet wird, sowie des LGPräs. im Fristsetzungsverfahren nach § 16 Abs. 3 HinterlO 2 7 ).
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h) In Schiedsmannssachen sind JustVAe auf dem Gebiet des Zivilprozesses oder der Strafrechtspflege die Entscheidungen des LGPräs. über Beschwerden gegen die Festsetzung von Ordungsstrafen oder von Gebühren u n d Auslagen (§§ 22 Abs. 3, 39 Abs. 4, 50 PrSchiedsmO). Soweit im übrigen der Aufsichtsbehörde Entscheidungen zugewiesen sind (§ 7 Abs. 2 P r SchiedsmO, §§ 4, 7 Abs. 2, 8, Abs. 2 Satz 2 HessSchiedsmG, Saarland G N r . 793 z. Änd. d. SchiedsmannsO v. 22. 4. 64, ABl. Saar 365), handelt es sich um Verwaltungsakte auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung; der durch Art. 19 Abs. 4 G G erforderte Rechtsschutz wird aber zweckmäßig dadurch verwirklicht, daß die nach § 9 Abs. 2 PrSchiedsmO und HessSdiiedsmG bestehende Zuständigkeit des 1. ZS des O L G f ü r Amtsenthebungen auf diese Fälle erweitert wird (sachlich nächstzuständiges Gericht, vgl. Maunz-Dürig, G G Art. 19 Abs. 4 Rn. 64c). Das sollte auch f ü r die Versagung der Aussagegenehmigung f ü r einen Schiedsmann gelten 89 ).
12
' ) Petitionsbescheide (Art. 17 GG) von Justizverwaltungsbehörden auf den in § 23 Abs. 1 angeführten Gebieten (vgl. Maunz-Dürig, G G Art. 17 R a n d n . 80; Thormann, Zum Status des Petitionsrechts, D Ö V 1961, 888). Auch die Ablehnung eines Gnadengesuchs, das auch f ü r Zivilstrafen in Betracht kommen kann, ist ein JVerwAkt 2 ').
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k) Die Befreiung eines Notars von der Verschwiegenheitspflicht durch die Aufsichtsbehörde nadi § 18 Abs. 1 Satz 2 B N o t O oder ihre Versagung und die Entscheidung bei Zweifeln über die Verschwiegenheitspflicht nach § 18 Abs. 2 BNotO 8 0 ). D a hier nicht die W a h rung von Verwaltungsgeheimnissen in Frage steht, sondern die Wahrung der Belange der befreiungsberechtigten Beteiligten, ist die Rechtslage nicht vergleichbar mit der Erteilung von Aussagegenehmigungen f ü r Beamte, f ü r die der Verwaltungsrechtsweg offen steht.
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l) Maßnahmen des Staatsanwalts auf dem Gebiete des Zivilrechts können JustVAe sein. Die StA ist eine Justizbehörde i. S. des § 23; sie bildet neben den Gerichten einen selbständigen Zweig der Rechtspflege und steht zu ihnen im Verhältnis gleichgeordneter Behörden (Löwe-Rosenberg, StPO 2 0 § 150 G V G Anm. II 2; vgl. auch Leverenz, D R i Z 1961, 101). Nach § 23 anfechtbar ist daher z. B. ein Vorführungsbefehl der StA, Bremen 3. 3. 61 (JVBl. 237). In Zivilsachen kommt in Betracht die Erhebung der Ehenichtigkeitsklage (§ 24 Abs. 1 EheG) oder die Vornahme von Verfahrenshandlungen in Entmündigungssachen, wie Stellung des Antrags, Einlegung einer Beschwerde, Erhebung der Anfechtungsklage (§§ 646 Abs. 2, 663 Abs. 1, 664 Abs. 2, 675, 678 Abs. 2, 679 Z P O ) , ferner die Mitwirkung des StA im Todeserklärungsverfahren (§§ 16 Abs. 2 Buchst, a, 17, 26 Abs. 2 VerschG). Hierbei handelt es sich zwar um Verfahrenshandlungen, die als solche keine JustVAe sind; ein JustVA ist aber die vorausgehende Entschließung der StA (Lüke, JuS 1961, 205 zu I I 2; a. M. BVerwG 16. 12. 58, N J W 1959, 448). Die Bejahung des regelmäßig erforderlichen ö f fentlichen Interesses kann vom Prozeßgericht in dem durch Klage oder A n t r a g der StA eingeleiteten Verfahren nicht nachgeprüft werden, vgl. zu § 1595a BGB a. F. B G H 14. 12. 53 (LM § 1595a BGB N r . 2), zu § 232 Abs. 1 StGB B G H 26. 5. 61 ( N J W 2120); a. M. Lüke " ) KG OLGZ 1965, 336 (Vertretungsbesdieinigung als JVAkt); KG TO 1968, 856 u. 903; Keidel Rdn. 23 vor % 19; Zöller-Karch ZPO 10 5 23 EGGVG Anm. 2 f. « ) LVG Oldenburg NdsRpfl. 1960, 104; Nürnberg JVBl. 1962, 275; Celle TVB1. 1965, 215; Doerry, JVBl. 1960, 270; Zöller-Karch ZPO1» § 23 EGGVG Anm. 2 d; Palandt-Dandcelmann BGB27 3a vor § 372.
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) A.M. (Verwaltungsreditsweg) Hamm NJW 1968, 1440; Härtung, S&iedsmZtg. 1966, 189, 192. 2 ») Maurer JZ 1963, 27, 29; dazu auch Altenhain, DRiZ 1964, 300. 3 °) Hamm OLGZ 1968, 475.
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§
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aaO. Einem Betroffenen, der nach § 24 Abs. 1 antragsbefugt ist, steht daher der Rechtsweg nach § 23 offen (vgl. Thierfelder, DVBl. 1961, 119 u. N J W 1961, 1101, 1962, 116; Kaiser, N J W 1961, 200 u. 1102). Ebenso ist die Ablehnung der angeführten Maßnahmen ein Just V A ; jedoch fehlt es regelmäßig an der Klagebefugnis (§ 24 Abs. 1), weil die StA nur im öffentlichen Interesse tätig wird, ihr Vorgehen mithin nidit den Schutz eines Dritten bezweckt, sondern ihn als Reflexwirkung des objektiven Rechts nur mittelbar bewirkt 8 1 ). m) Die Zulassung als Prozeßagent nach § 157 Abs. 3 Z P O durch den LG(AG)Präs. (§ 5 AV d. R J M v. 23. 3. 35, D J 496). Nach der Rechtsprechung des BVerwG war der Verwaltungsrechtsweg zulässig' 2 ). Die Frage, ob statt dessen die Zuständigkeit des O L G nach § 23 Abs. 1 getreten ist, ist zweifelhaft. Die Bedenken gründen sich darauf, daß § 157 Abs. 3 Z P O trotz der verfahrensrechtlichen Auswirkungen eine Regelung der Berufsausübung enth ä l t " ) ; die Maßnahme beschränkt sich auch nicht auf den Zivilprozeß und die freiwillige Gerichtsbarkeit, da die Zulassung als Prozeßagent zugleich die als Rechtsbeistand enthält (Art. 1 § 3 N r . 3 RechtsberMißbrG) und zur Betätigung in Steuersachen befähigt (§ 107a Abs. 3 N r . 2 AO). Außerdem ist für die Zulassung als Prozeßagent bei einem Verwaltungsgericht oder Sozialgericht weiter der Verwaltungsrechtsweg gegeben 84 ). Bedenkt man weiter, daß auch die Versagung der Zulassung als Rechtsbeistand im Verwaltungsrechtsweg anzufechten ist (Rdn. 17), so ergibt sich, wenn über die Zulassung als Prozeßagent das O L G entscheidet, eine bedauerliche Zersplitterung der Gerichtswege. Gleichwohl wird man unter Zurückstellung dieser Bedenken der A n r u f u n g des O L G wegen der größeren Sachnähe der ordentlichen Gerichte und der Kürze und Billigkeit dieses Rechtsweges den Vorzug geben müssen' 5 ). Die Bedürfnisfrage unterliegt in vollem U m f a n g der gerichtlichen Nachprüfung; auch wenn aber das Bedürfnis zu verneinen ist, steht der Verwaltungsbehörde noch ein begrenzter Ermessensraum o f f e n " ) .
15
n) Über Löschung im Scbuldnerverzeichnis an mittellose Beteiligte s. nächst. Rdn. 20.
16
(§ 915 Z P O ) und Bewilligung
von Reisekosten
3. Justizverwaltungsakte die nicht die Rechtsgebiete des § 23 Abs. 1 betreffen und daher vor die gehören, sind:
Verwaltungsgerichte
a) Die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten (Zulassung als Rechtsbeistand) nach Art. 1 § 1 RechtsberMißbrG v. 13. 12. 35 (RGBl. I 1478) durch den LGPräs. (§ 11 1. A u s f V O v. 13. 12. 35, RGBl. I 1481). Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs 37 ) ist unberührt geblieben").
17
b) Verwaltungsakte bei der Führung der Aufsicht über Vereine, deren Rechtsfähigkeit auf staatlicher Verleihung b e r u h t " ) .
18
c) Entscheidungen von Justizprüfungsämtern 81
) Zust. Zöller-Kardi ZPO1» § 23 EGGVG Anm. 3. " ) BVerwGE 2, 89; 2, 276; 7, 344. " ) BVerwGE 7, 344; BVerfGE 10, 185 zu IV. 51 ) Tietgen DVBl. 1961, 296; Nidcen SdilHA 1961, 127 zu I 2 d; OVG Hamburg NJW 1961, 1421. '«) So die h. M.: BGHZ 46, 357; Celle NdsRpfl. 1961, 106; 1965, 103; Sdileswig SdilHA 1962, 104; Frankfurt MDR 1962, 828; Hamm JVB1. 1962, 43; OLGZ 1966, 506; Düsseldorf JMB1NRW 1965, 24; HessVGH JVB1. 1961, 16; Eyermann-Fröhler VwGO 4 § 40 Rdn. 88; Koehler VwGO § 179 III 2 d; Stidi DOV 1960, 368; Nidcen SdilHA 1961, 127 zu I 2; Baumbach-Lauterbach ZPO 28 § 23 Anm. 1 B; Wieczorek ZPO-HdAusg. § 23 EG Anm. B III; Zöller-Kardi ZPO1« § 23 EG Anm. 1 b
und Richterwahlausschüssen.
19
bb; Hülsmann JVB1. 1966, 73; Keidel 23 vor § 19; a.M. BayVerwGH VerwRspr. 14 Nr. 96; Ule VwGO' § 42 IV 3 b; v. Sdiundt-De Clerck, VwGO' § 40 Anm. 7 c aa; Lüke, JuS 1961, 207; Voraufl. " ) KG JVB1. 1963, 136 = DVBl. 1963, 295; Hamm OLGZ 1966, 506; Celle NdsRpfl. 1963, 106. « ) Vgl. BVerwG NJW 1955, 1532. " ) BT-Drudcs. 1094/3. Wahlp. S. 15; Koehler, VwGO § 179 III 2 c; Eyermann-Fröhler, VwGO § 40 Rdn. 87; Ule, VwGO' § 42 IV 3; Nicken, SdilHA 1961, 127 zu II; Baumbadi" S 23 Anm. 1 B; Zöller-Kardi ZPO1» S 23 EG Anm. 1 b bb; Keidel 23 vor § 19; Hülsmann JVB1. 1966, 73; a.M. Wieczorek, ZPO-HdAusg. § 23 EG Anm. B III. ">) OVG Berlin JR 1967, 155.
647
§ 23 EGGVG 20
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
4. Subsidiarität des Rechtsweges Der Rechtsweg nach § 23 Abs. 1 gilt nicht, soweit JustVAe nach anderen Vorschriften bei den ordentlichen Gerichten angefochten werden können (Abs. 3). Eine anderweitige Regelung enthalten: Art. 7 FamRÄndG über Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (nächst. Anh. I I ) ; Art. X I § 1 KostÄndG über die Anfechtung von JustVAen auf dem Gebiet des Kostenrechts. Die Versagung von Reisekosten an mittellose Beteiligte (§ 14 F G G Rdn. 16), deren Bewilligung zwar keine richterliche Entscheidung, sondern ein Justizverwaltungsakt ist, ist nicht mit dem Antrag an das O L G nach § 23 Abs. 1 anfechtbar 40 ), auch nicht mit dem Antrag an das Amtsgericht nach Art. X I § 1 KostÄndG 4 1 ), sondern es ist kraft Sachzusammenhangs die Sachbeschwerde nach § 127 ZPO gegeben42). Ebenso zweifelhaft ist die Anfechtbarkeit der Eintragung oder Löschung im Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) und der Versagung der Auskunft und Einsicht; richtigerweise sollte die einfache Beschwerde nach § 567 ZPO gewährt werden 43 ).
21
5. Antragsarten Entsprechend der Anfechtungsklage und der Verpflichtungsklage des Verwaltungsprozesses (§ 42 VwGO) läßt § 23 die Anrufung des Gerichts auf zwei Arten zu, nämlich in Abs. 1 durch Anfechtungsantrag, in Abs. 2 durch Verpflichtungsantrag.
22
a) Der Anfechtungsantrag verfolgt das (kassatorische) Ziel der Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts durch Richterspruch. Der Antrag ist auf Gestaltung gerichtet; die dem Antrag entsprechende Entscheidung führt den erstrebten Erfolg unmittelbar herbei, ist also mit Ausnahme des Kostenpunkts einer Vollstreckung nicht fähig.
23
b) Der Verpflichtungsantrag*4) ist auf eine Leistung gerichtet. Der Antragsteller erstrebt damit ein Handeln der Verwaltungsbehörde, nämlich den Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts. Abgelehnt ist ein VA, wenn die Behörde den Vornahmeantrag durch einen inhaltlich negativen VA beschieden oder eine Bescheidung abgelehnt hat; unterlassen ist ein VA, wenn die Behörde die Bescheidung des Vornahmeantrags unterlassen hat. Der Verpflichtungsantrag ist in der Gestalt des Vornahmeantrags oder des Bescheidungsantrags zu stellen. Der Vornahmeantrag, der darauf gerichtet ist, daß das Gericht der Behörde die Verpflichtung auferlege, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen (§ 28 Abs. 2 Satz 1), kann nur Erfolg haben, wenn der abgelehnte oder unterlassene VA gesetzesgebunden ist. Steht der Erlaß des VA im Ermessen der Behörde, so kann nur ein Bescheidungsantrag mit dem Ziel gestellt werden, daß das Gericht die Verpflichtung der Behörde ausspreche, den Antragsteller — bei bisher nicht beschiedenem Vornahmeantrag erstmals, bei abgelehnten Vornahmeantrag anderweit — zu bescheiden (§ 28 Abs. 2 Satz 2). Bei Nichtbescheidung eines Vornahmeantrags oder einer Beschwerde im Vorverfahren regelt § 27 die Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Verpflichtungsantrag, ohne dadurch aber eine weitere Antragsart („Untätigkeitsantrag") einzuführen.
24
Neben dem Verpflichtungsantrag hat ein Antrag auf Aufhebung des ablehnenden Bescheides keine selbstständige Bedeutung 45 ). ») So Celle NdsRpfl. 1962, 55 = Rpfleger 1963, 29 mit Anm. v. Tsdiischgale = KostRspr. § 127 Z P O Nr. 2 ; Baumbach-Lauterbadi Z P O " § 23 E G G V G Anm. 1 C ; Keidel 23 vor § 19; Stein- Jonas-Pohle ZPO 1 » § 115 Anm. I 2. 4 1 ) So Bremen N J W 1965, 1616; Tsdiischgale Rpfleger 1963, 30; vgl. audi Lauterbach, K o stenges. 15 § 30 E G G V G Anm. 1. « ) So audi Zöller-Kardi Z P O » § 23 E G G V G Anm. 2 m. 4 ») Str., vgl. Baumbach-Lauterbadi Z P O 1 8 § 915 Anm. 4 ; Zöller Z P O 1 0 § 915 Anm. 4. 4
648
) Schrifttum: Bettermann, Die Verpfliditungsklage nadi der B V w G O , N J W 1960, 649; die dort vertretene Auffassung hat die Billigung des BVerwG gefunden, BVerwGE 11, 99 = NTW 1961, 792. « ) BVerwGE 1, 296; Bettermann N J W 1960, 651; Koehler, V w G O § 42 B I I I 3 b ; Brück, N J W 1960, 2274; vgl. auch Pfeifer, Der Streitgegenstand bei Anfeditungs- und Verpfliditungsklagen, DVB1. 1963, 653.
44
Anfechtung von Justizverwaltungsakten Antragsbefugnis,
EGGVG § 24
Vorverfahren
24 (1) D e r A n t r a g auf gerichtliche Entscheidung ist n n r zulässig, wenn der A n t r a g steller geltend macht, durch die M a ß n a h m e oder i h r e Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. (2) S o w e i t M a ß n a h m e n der J u s t i z - oder Vollzugsbehörden der Beschwerde oder e i n e m anderen förmlichen Rechtsbehelf im V e r w a l t u n g s v e r f a h r e n unterliegen, k a n n der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach vorausgegangenem B e s c h w e r d e v e r f a h r e n gestellt werden. Antragsbefugnis, Abs. 1 regelt entsprechend § 42 Abs. 2 V w G O die formelle Antragsbefugnis für den Anfechtungsantrag (§ 23 Rdn. 22) und den Verpflichtungsantrag (§ 23 Rdn. 23). Die Vorschrift will ähnlich wie § 20 Abs. 1 F G G für die Beschwerde die Popularklage ausschließen. Als Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags muß der Antragsteller geltend machen, durch den Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Vornahmeantrags oder das Unterbleiben seiner Bescheidung in seinen Rechten verletzt zu sein. Hierfür kommt es nur auf den Vortrag des Antragstellers an. Die Rechtsverletzung erfordert zunächst ein Betroffensein des Antragstellers im Sinne einer subjektiven Beziehung des angefochtenen oder erstrebten V A zu den Rechten des Antragstellers und sodann eine rechtswidrige Schmälerung dieser Rechte. Das wirkliche Betroffensein gehört, anders als bei der Beschwerdebefugnis im FGG-Verfahren (§ 20 Rdn. 13), zur Aktivlegitimation und damit zur Begründetheit des Antrags (§ 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1); im Rahmen der Antragsbefugnis (Prozeßführungsbefugnis) genügt es, wenn der Antragsteller Tatsachen anführt, die, wenn sie zuträfen, sein Betroffensein ergäben. Die bloße Rechtsbehauptung kann allerdings die Antragsbefugnis nicht begründen. Ergibt eine rechtliche Prüfung, daß der Antragsteller nach den angeführten Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, von den Wirkungen des angefochtenen oder erstrebten V A in seinen Rechten nicht betroffen, d. h. überhaupt nicht berührt wird, so ist der Antrag unzulässig 1 ). Für die Rechtsbeeinträchtigung dagegen genügt es, daß der Antragsteller, ohne daß es auf eine Prüfung seiner Rechtsauffassung ankommt, geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Unterlassung in seinen Rechten zu Unrecht geschmälert zu sein. Die Rechtswidrigkeit des Aktes unterstellt, muß also der Antragsteller in den ihm nach seiner substantiierten Behauptung zustehenden Rechten verletzt sein. Betroffen und in seinen Rechten verletzt kann auch sein, wer nicht Adressat des V A ist 2 ). Hieraus ist nicht zu folgern, daß der Antrag, um zulässig zu sein, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht begründet werden müßte. Es genügt, wenn die Antragsbefugnis sich aus dem Sachverhalt und dem erkennbaren Ziel des Antrags ergibt, notfalls nach einer vom Gericht aufgegebenen Ergänzung. Rechte i. S. des § 24 Abs. 1 sind subjektive öffentliche Rechte. Jedoch ist dieser Begriff nicht mehr in der historisch überkommenen engen Auffassung zu verstehen, sondern im Umfang der durch Art. 19 Abs. 4 G G geschützten Rechte. Dazu gehören auch die rechtlich geschützten Interessen. Der Antragsteller muß sich auf eine Norm des objektiven Rechts berufen können. Die Beeinträchtigung nur wirtschaftlicher oder ideeller Interessen genügt nicht 3 ). Bloße Reflexwirkungen des objektiven Rechts begründen keine Antragsbefugnis 4 ). Wenn der !) BVerwGE 10, 122 = NJW 1960, 1315; BVerwG DVB1. 1964, 191; Menger, VerwArdi. 48, 353; Ule, VwGO 2 § 42 III 1; a.M. Bettermann, NJW 1961, 1097 zu 2 b; vgl. zum Meinungsstand im VerwProz. Engelhardt, JZ 1961, 588. 2 ) BVerwGE 3, 237; BVerwG DVB1. 1959, 396; BSozG NJW 1961, 2230; Maunz-Dürig, GG Art. 19 Abs. 4 Rdn. 38; vgl. zur Anfechtung von Verwaltungsakten durch Dritte im Verwaltungsprozeß Bernhardt, J Z 1963, 302.
) Maunz-Dürig GG Art. 19 Abs. 4 Rdn. 33— 35; Ule VwGO § 42 I I I 2; Eyermann-Fröhler VwGO 4 S 42 Anm. 98—100; Koehler, VwGO, § 42 C IV 4; BVerwGE 7, 237; Hamm MDR 1967, 137 = AnwBl. 1967, 360 für die Antragsbefugnis eines Vereins, der die Bestellung seines Vorstandsmitglieds zum Prozeßagenten erstrebt. 4 ) Vgl. $ 23 Rdn. 14; Maunz-Dürig aaO. Rdn. 34, 35; Koehler, VwGO, § 42 C IV 6 c; Eyermann-Fröhler VwGO 4 § 42 Anm. 96. 3
§ 25 EGGVG
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
Erlaß eines Verwaltungsakts in das Ermessen der Behörde gestellt ist, besteht zwar kein Rechtsanspruch auf Vornahme, aber ein Anspruch auf rechtmäßigen Ermessensgebrauch (Prüfungsanspruch), also auf Bescheidung ohne Uberschreiten oder Mißbrauch des Ermessens5). 2. Verwaltungsbehördliches Vorverfahren (Abs. 2) 4
Die Erschöpfung des Verwaltungsweges ist nach Abs. 2 Voraussetzung für die Anrufung des Gerichts nur, soweit ein förmliches Verwaltungs-(Beschwerde-)Verfahren vorgesehen ist; abweichend von § 68 VwGO ist daher ein Widerspruchsverfahren nicht allgemein vorgeschaltet®). Es muß in den einschlägigen Verfahrensregelungen ein förmlicher Rechtsbehelf vorgesehen sein; eine bloße Dienstaufsichtsbeschwerde hemmt die Antragsfrist (§ 26 Abs. 1) nicht7). Ein Vorverfahren dieser Art ist einzuhalten bei Maßnahmen der Vollzugsbehörden i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 2 gemäß der StrafvollzugsO (Altenhain JVBl. 1961, 174), in Hamburg nach § 6 AGVwGO v. 29. 3. 60 (GVBl. 291), in Bremen nach § 26 AGGVG v. 11.10. 60 (GVB1. 123). Ein förmlicher Rechtsbehelf im Sinne des § 24 Abs. 2 ist im Verfahren zur Zulassung von Prozeßagenten nach § 157 Abs. 3 ZPO (§ 23 Rdn. 15) die Beschwerde an den OLGPräs. nach § 5 Abs. 2 der AV d. RJM v. 23. 3. 35 (DJ 486) 8 ). Im übrigen ist in Zivilsachen bei den in § 23 Rdn. 4 bis 15 angeführten Justizverwaltungsakten ein Vorverfahren nur noch in Hinterlegungs- und Schiedsmannssachen (§ 23 Rdn. 10, 11) einzuhalten. Auch gegen die Entscheidung des OLGPräs. nach § 10 EheG (§ 23 Rdn. 4) ist kein förmliches Vorverfahren gegeben9). Ein förmlicher Rechtsbehelf ist aber die Beschwerde nach § 3 Abs. 2 der 2. AusfVO-RBerMißbrG10).
5
Die Einhaltung des Vorverfahrens ist Voraussetzung nicht für die Zulässigkeit des Antrags (so Baumbach2' § 24 EG Anm. 1, 3), sondern der Sachentscheidung („Sachurteilsvoraussetzung"). Der Antrag darf wegen Nichteinhaltung des Vorverfahrens als unzulässig nur zurückgewiesen werden, wenn der Mangel bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht behoben ist, gegebenenfalls nach gebotener Aussetzung11). Die Stellung des Antrags beim Gericht wahrt eine Beschwerdefrist nicht; Prozeßerklärungen der Behörde können den Beschwerdebescheid nicht ersetzen12).
g
Gegenstand der Anfechtung ist bei erfolglosem Beschwerdebescheid der ursprüngliche VA; falls der Beschwerdebescheid für den von dem VA Betroffenen eine zusätzliche Beschwer schafft, sind beide Bescheide zusammen anzufechten. Eine isolierte Anfechtung nur des Beschwerdebescheides ist zulässig, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen VA für den Betroffenen oder einen Dritten eine erstmalige oder zusätzliche Beschwer enthält1®). Zuständigkeit 25 (1) Über den Antrag: entscheidet ein Zivilsenat oder, wenn der Antrag eine Angelegenheit der Strafrechtspflege oder des Vollzugs betrifft, ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Justiz- oder Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Ist ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) vorausgegangen, so ist das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk die Beschwerdebehörde ihren Sitz hat. ) Badiof, Vornahmeklage, S. 6 9 ; Maunz-Dürig aaO. Rdn. 3 6 ; a.M. Koehler VwGO § 42 C IV 4. «) Koehler VwGO, § 179 IV 1 ; Hamm JVBl. 1961, 188. 7 ) Celle NdsRpfl. 1965, 103; K G N J W 1967, 1870; Zöller-Kardi ZPO 1 » § 24 EGGVG Anm. 2. 8) KG JVBl. 1963, 136 = DVB1. 1963, 295; Hamm JVBl. 1966, 215; B G H Z 46, 354 = N J W 1967, 927 mit krit. Anm. v. Jessen; Hülsmann JVBl. 1966, 73; a.M. Celle NdsRpfl. 1963, 106; Keldel 24 vor § 19 Fn. 3.
5
650
») Stuttgart, Die Justiz 1963, 3 4 ; Zöller-Karch ZPO 1 » § 24 EG Anm. 2. 1 0 ) K G JVBl. 1966, 213. " ) Menger, System S. 131; Bettermann, DVB1. 1953, 166; 1959, 308; Dapprich, DVB1. 1960, 194; Stich, DVB1. I960, 378; Ule VwGO, § 68 I ; Koehler, VwGO § 68 A V 3 ; Jessen N J W 1967, 927 zu 3, 4. 1 2 ) Stich DVB1. 1960, 378; OVG Berlin N J W 1965, 1151. 1 3 ) Vgl. § 79 VwGO und Bettermann, N J W 1958, 8 1 ; Jessen N J W 1967, 927 zu 2 ; Hamm JVBl. 1961, 165.
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
EGGVG § 26
(2) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Gesetz die nach Absatz X zur Zuständigkeit des Zivilsenats oder des Strafsenats gehörenden Entscheidungen ausschließlich einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen. 1. Sachlich zuständig ist in Zivilsachen ein Zivilsenat des OLG, für dessen Besetzung § 122 Abs. 1 GVG maßgebend ist (§ 30 FGG). Das OLG ist insoweit nicht ein „besonderes Verwaltungsgeridit" (so Ule, JZ 1958, 630; Stich, DÖV i960, 368), was im Hinblick auf Art. 96 GG bedenklich wäre, sondern bleibt ordentliches Gericht, wenn auch seine Rechtsprechung, wie auch auf anderen Gebieten der freiwilligen Gerichtsbarkeit materiell Verwaltungsgerichtsbarkeit ist. Die in der Zuweisung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten an die ordentlichen Gerichte enthaltene Abweichung von Art. 96 Abs. 1 GG ist unbedenklich, weil sie wegen des engen Zusammenhangs der Sachgebiete des § 23 mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch vernünftige Gründe gerechtfertigt wird und, wie BVerfG 23. 2. 56 (4, 387) ausgesprochen hat, es kein verfassungsrechtlich geschütztes Entscheidungsmonopol der Verwaltungsgerichte für alle öffentlichrechtlichen Fragen schlechthin gibt1). Ebenso ist die Beschränkung auf einen Rechtszug (§ 29 Anm. 1) verfassungsrechtlich unbedenklich, da kein Verfassungsgrundsatz besteht, daß jedes Gerichtsverfahren mehr als eine Instanz umfassen müsse2). 2. Die örtliche Zuständigkeit des OLG knüpft an den Amtssitz der Justizbehörde an, die den VA erlassen oder die Bescheidung des Vornahmeantrags unterlassen hat. War jedoch ein Beschwerdeverfahren vorausgegangen (§ 24 Abs. 2), so ist das OLG am Amtssitz der Beschwerdebehörde örtlich zuständig (Abs. 1 Satz 2), und zwar ohne Rücksicht auf den Inhalt des Beschwerdebescheides (Abweichung von § 78 VwGO). Im Fall des § 27 ist der Amtssitz der Beschwerdebehörde maßgebend, die über die Beschwerde nicht fristgemäß entschieden hat. 3. Von der dem § 199 Abs. 1 FGG entsprechenden Befugnis, anstelle des nach Abs. 1 zuständigen OLG ein zentrales Obergericht für zuständig zu erklären (Abs. 2), hat in Zivilsachen kein Land der BRD Gebrauch gemacht. Nur die den Strafsenaten zugewiesenen Entscheidungen sind in Nordrhein-Westfalen auf das OLG Hamm übertragen, G. v. 8. 11. 60 (GVB1. NRW 352). 4. Verweisung von einem Verwaltungsgericht an das zuständige OLG und umgekehrt ist trotz der besonderen Ausgestaltung des Verfahrens als zulässig anzusehen, da die Verweisungsmöglichkeit durch § 41 VwGO und § 17 GVG i. d. F. des § 178 VwGO allgemein eröffnet wird3). Antragsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 26 (1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß innerhalb eines Monats nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheides oder, soweit ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) vorausgegangen ist, nach Zustellung des Beschwerdebescheides schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts oder eines Amtsgerichts gestellt werden. (2) War der Antragsteller ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, so Ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antrag! ) Forsthoff, Festsdir. für Isay, 1956, S. 118; Lüke, JuS 1961, 206; a.M. zum GWB und zum BaulBesdiG Zweigert, DVB1. 1958, 737; Ule, DVB1. 1959, 541 u. VwGO 2 § 2 Anm. III 1).
) BVerfGE 4, 9 4 ; 4, 411; 6, 12; 8, 8 1 ; K G DNotZ 1961, 217; Maunz-Dürig GG Art. 19 Abs. 4 Rdn. 45. 3) Stich DÖV 1960, 368; vgl. § 1 FGG Rdn. 88 —90. 2
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§ 26 EGGVG
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
Stellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. (4) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. 1
2
1. Antragsfrist Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist innerhalb einer (gesetzlichen Handlungs-) Frist von einem Monat zu stellen. Die Versäumung der Frist hat zur Folge, daß der Antragsteller mit der vorzunehmenden Prozeßhandlung, dem Antrag, ausgeschlossen wird. Versäumung liegt nicht nur vor, wenn die Prozeßhandlung verspätet oder gar nicht vorgenommen wird, sondern auch wenn sie innerhalb der Frist nicht in der gesetzlichen Form (Anm. 2) angebracht wird. Fristberechnung nach § 17 FGG, §§ 187, 188 BGB. Die Frist wird in Lauf gesetzt durch förmliche Zustellung oder durch (formlose) Bekanntgabe eines schriftlichen Bescheides. Auch mündliche Bescheide sind zwar nach § 23 anfechtbar; eine nur mündliche Bekanntgabe setzt jedoch die Antragsfrist nicht in Lauf, so daß der Antrag unbefristet zulässig ist1). Förmliche Zustellungen erfolgen nach dem VerwZustG v. 3. 7. 52 (BGBl. I 379), soweit der Landesgesetzgeber dieses Gesetz für das Verfahren der LJustizbehörden für anwendbar erklärt hat (so in Berlin §§ 1 Abs. 4, 16 VerwVerfG v. 2. 10. 58, GVB1. 951) 2 ). Soweit ein förmliches Vorverfahren vorgesehen ist (§ 24 Anm. 2), wird die Antragsfrist erst mit der förmlichen Zustellung des Beschwerdebescheides in Lauf gesetzt; formlose Bekanntgabe des schriftlichen Beschwerdebescheides genügt nicht. Bescheide im nichtförmlichen Dienstaufsichtsbeschwerdeverfahren haben diese Wirkung nicht. Die Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde hemmt den Fristenlauf nicht8). Der Lauf der Frist ist nicht davon abhängig, daß der JustVerwAkt oder der Beschwerdebescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen ist; eine Belehrungspflicht begründen weder die §§ 23 ff. EG noch die nach § 29 Abs. 2 maßgebenden Vorschriften des FGG; § 58 VwGO ist nicht anwendbar4). 2. Form des Antrags Das Gesetz läßt drei Formen des Antrags zu:
3 4 5 6
a) einfache Schriftform; h) mündliche Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle des nach § 25 zuständigen OLG; c) mündliche Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts. Zu a): Für die Wahrung der Schriftform gelten die Bern, zu § 21 FGG Rdn. 4 entsprechend. Unterzeichnung der Antragsschrift ist mithin nicht schlechthin erforderlich (a. M. Baumbach26 § 26 EG Anm. 3). Einreichung durch Telegramm oder Fernschreiber genügt, nicht aber fernmündlich. Der Antrag kann durch einen Bevollmächtigten gestellt werden. Für den Nachweis der Vollmacht gelten die Bern, zu § 13 FGG. Anwaltszwang besteht nicht. Die Antragsfrist wird erst durch den Eingang der Antragsschrift bei dem nach § 25 zuständigen OLG gewahrt5). Hamm JVB1. 1961, 261 mit zust. Anm. v. Altenhain; Nürnberg JVB1. 1962, 256 mit Anm. v. Altenhain; Bremen JVB1. 1963, 12; Hamm JVB1. 1963, 58 = N J W 1963, 224; BGH N J W 1963, 1789 = MDR 1963, 942; Zöller-Kardi ZPO 1 0 § 26 EG Anm. 3; a.M. Nürnberg JVB1. 1961, 260. 2 ) Zum Zustellungsverfahren vgl. Kohlrust u. Eimert, Die Zustellung nach dem VerwZustG und der Abgabenordnung, DStR 1965, 33. ») KG JVBI. 1962, 93.
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) Hamburg JVBI. 1962, 18; Stich, DÖV 1960, 370; Hornig, NdsRpfl. 1960, 54; Altenhain JVBI. i960, 195; Baumbadi-Lauterbadi ZPO 2 8 § 26 EG Anm. 2; Ule, VwGO 2 § 179 Anm. 4; Eyermann-Fröhler VwGO § 26 EG Anm. 1; vgl. auch BGHZ 42, 390 zu § 111 BNotO; a.M. Düsseldorf JMB1NRW 1965, 24; Noadt, DÖV 1961, 217; Zöller-Kardi ZPO 1 » $ 26 EG Anm. 3; Keidel 24 vor § 19. 5 ) Schleswig SchlHA 1961, 146.
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Anfechtung von Justizverwaltungsakten
EGGVG § 26
Zu b) und c): Bereits die Erklärung zur Niederschrift des OLG oder eines AG wahrt die Antragsfrist. Auf den Zeitpunkt, in welchen die Niederschrift des AG bei dem OLG eingeht, kommt es nicht an. Die Erklärung zur Niederschrift der JustVerwBehörde wahrt die Antragsfrist nicht; die Niederschrift wahrt zwar die Schriftform, sie muß dann aber innerhalb der Antragsfrist bei dem OLG eingehen, ebenso eine etwa bei einem Amtsgericht eingereichte Antragsschrift. 3. Wiedereinsetzung Gegen die Versäumung der Antragsfrist (Abs. 1) ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft (Abs. 2). Die Regelung ist der des § 60 VwGO nachgebildet, entspricht aber im wesentlichen der des § 22 Abs. 2 FGG mit der Abweichung, daß die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag (Abs. 3 Satz 3) sowie bei Versäumung der Jahresfrist (Abs. 4) gewährt werden kann. a) Es genügt, daß die Fristversäumung unverschuldet war. Abweichend von § 233 ZPO, aber in Ubereinstimmung mit § 60 Abs. 1 VwGO und § 22 Abs. 2 FGG ist Anwendung „äußerster Sorgfalt" nicht erforderlich6). Ein Verschulden des gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreters steht auch hier, wie nach § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG, dem des Vertretenen gleich7), obgleich es nicht besonders bestimmt wird; das folgt aus der Entstehungsgeschichte des § 60 VwGO, dem § 26 nachgebildet ist (vgl. Koehler, VwGO, § 60 I 1, III 1). b) Für den Wiedereinsetzungsantrag gilt eine Frist von zwei Wochen seit dem Wegfall des Hindernisses (vgl. § 22 FGG Rdn. 25). Gegen die Versäumung dieser Frist gibt es keine Wiedereinsetzung (§ 22 FGG Rdn. 25); insofern weicht die Regelung von der des § 60 VwGO ab, der Wiedereinsetzung gegen Versäumung aller gesetzlichen Fristen, also auch der Wiedereinsetzungsfrist, zuläßt (Koehler, VwGO, § 60 V 4). Innerhalb derselben Frist, nicht notwendig gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag, muß der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, sollen zwar in der Regel schon im Antrag angeführt und glaubhaft gemacht werden; jedoch ist es unschädlich, wenn das erst im späteren Verlauf des Verfahrens nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geschieht (Abs. 3 Satz 2); das gilt nicht nur für die Mittel der Glaubhaftmachung (so Baumbach26 § 26 EG Anm. 4 B), sondern auch für die Angabe der Tatsachen selbst; eine Abweichung von den hierfür geltenden Grundsätzen des FGG-Verfahrens (§ 22 FGG Rdn. 27) ist nicht geboten. Ohne Antrag kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gestellt worden ist. Das kommt in Betracht, wenn der Wiedereinsetzungsgrund offenkundig oder aktenkundig ist. „Kann" stellt nicht in das Ermessen des Gerichts, sondern beseitigt das Antragserfordernis. c) Nach Ablauf einer Jahresfrist seit dem Ende der versäumten Frist ist die Wiedereinsetzung grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, daß die Stellung des Antrags vor Ablauf der Jahresfrist, also auch noch bei ihrem Ablauf, infolge höherer Gewalt unmöglich war (Abs. 4). Höhere Gewalt ist, wenn es sich um die Vornahme von Rechtshandlungen innerhalb einer Frist handelt, gleichbedeutend mit unabwendbarem Zufall i. S. des § 233 ZPO. Das ist ein Ereignis, welches bei Würdigung der Umstände des Falles auch durch die äußerste, diesen Umständen angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht zu vermeiden war8). Ein strenger Maßstab ist anzulegen. Bloße Schuldlosigkeit genügt nicht (Rosenberg, ZPR 8 § 77 II 2). Leichtes Verschulden schließt die Unabwendbarkeit aus. Die Wiedereinsetzungsfrist nach Abs. 3 ist auch hier zu wahren. d) Für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung gelten die Bern, zu § 22 FGG Rdn. 28 entsprechend. Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 29 Abs. 1 Satz 1). ) Vgl. zum Begriff des Verschuldens § 22 FGG Rdn. 21 und zu § 60 VwGO BVerwG DÖV 1965, 350. 7 ) Ebenso Hamburg N J W 1968, 854 (Strafprozeß), Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 S 26 EG
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Anm. 4 A; Wieczorek ZPO-HdAusg. § 26 EG Anm. B I ; Zöller-Karch ZPO 1 6 § 26 EG Anm. 4 a. 8 ) BGHZ 5, 278; zu § 60 Abs. 3 VwGO vgl. OVG Berlin N J W 1965, 1151.
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§ 27 EGGVG 13
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
4. Zurücknahme des Antrags ist jederzeit bis zum Erlaß ( § 1 8 FGG Rdn. 5) der Entscheidung des OLG ohne Einwilligung des Gegners oder eines sonstigen Beteiligten zulässig (vgl. § 21 FGG Rdn. 15); § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist nicht entsprechend anwendbar®). Eines Beschlusses über die Einstellung des Verfahrens bedarf es nicht. Verfahren
bei unterlassener Bescheidung eines Vornahmeantrags
oder einer
Beschwerde
27 (1) Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann auch gestellt werden, wenn über einen Antrag, eine Maßnahme zu treffen, oder über eine Beschwerde oder einen anderen förmlichen Rechtsbehelf ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten entschieden ist. Das Gericht kann vor Ablauf dieser Frist angerufen werden, wenn dies wegen besonderer Umstände des Falles geboten ist. (2) Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über die Beschwerde oder den förmlichen Rechtsbehelf noch nicht entschieden oder die beantragte Maßnahme noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird der Beschwerde innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären. (3) Der Antrag nach Absatz 1 ist nur bis zum Ablauf eines Jahres seit der Einlegung der Beschwerde oder seit der Stellung des Antrags auf Vornahme der Maßnahme zulässig, außer wenn die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles unterblieben Ist.
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1. Allgemeines1) Die Vorschrift regelt die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anrufung des Gerichts sowie das Verfahren bei Nichtbescheidung eines Vornahmeantrags oder einer Beschwerde in einem nach § 24 Abs. 2 vorgeschriebenen Vorverfahren. Hierdurch wird keine besondere Antragsart eingeführt („Untätigkeitsantrag"), sondern das Verfahren des § 27 kommt für jede der nach § 23 Rdn. 22, 23 zulässigen Antragsarten in Betracht; welche davon der Antragsteller zu wählen hat, bestimmt sich danach, wodurch er beschwert ist (Bettermann, NJW 1960, 1081 zu VII). Verpflichtungsantrag (§ 23 Rdn. 23) ist zu stellen bei Nichtbescheidung eines Antrags auf Erlaß eines VA und bei Nichtbescheidung einer Beschwerde (§ 24 Abs. 2), die sich gegen die Ablehnung eines Antrags richtet, und zwar in der Unterart des Vornahmeantrags, wenn es sich um einen gesetzesgebundenen, in der Unterart des Bescheidungsantrags, wenn es sich um einen in das Ermessen der Behörde gestellten VA handelt. Bei Nichtbescheidung einer Beschwerde gegen den Erlaß eines VA ist Anfechtungsantrag (§ 23 Rdn. 22) mit dem Ziel der Aufhebung zu stellen.
2. Wartefrist 2
Die Anrufung des Gerichts ist statthaft, sobald über einen Antrag auf Erlaß eines VA oder über eine Beschwerde in einem nach § 24 Abs. 2 vorgeschriebenen förmlichen Vorverfahren nicht innerhalb von drei Monaten seit dem Eingang des Antrags oder der Beschwerde bei der Behörde entschieden worden ist. Richtet sich der Verpflichtungsantrag gegen die Unterlassung eines VA (§ 23 Rdn. 23), so entfällt in Ermangelung eines Gegenstandes ein etwa nach § 24 Abs. 2 vorgeschriebenes förmliches Beschwerdeverfahren im Verwaltungswege. Das Erfordernis eines unzureichenden Grundes für die Nichtbescheidung ist keine weitere, zu dem 0) A.M. Lindacher Rpfleger 1965, 41. Schrifttum zu der entspr. Regelung der §§ 75, 76 V w G O : Bettermann, Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz bei Nichtbescheidung des Widerspruchs oder des Vornahmeantrags, N J W
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1960, 1081; Löwer, Zur Problematik der Untätigkeitsklage (§ 75 V w G O ) , M D R 1963, 178; Burchardi, Zulässigkeit der Untätigkeitsbeschwerde nach § 230 Abs. 2 A O , StuW 1967, 347.
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
EGGVG § 27
Fristablauf hinzutretende Antragsvoraussetzung, sondern es greift das Aussetzungsverfahren des Abs. 2 Platz, wenn die Behörde einen zureichenden Grund für die Fristüberschreitung hat (Bettermann, NJW 1960, 1084 zu IV 2). Die Dreimonatsfrist ist nicht starr, sondern verkürzt sich, wenn dies wegen besonderer Umstände, die nur in der Interessensphäre des Antragstellers liegen können, geboten ist (Abs. 1 Satz 2). Die Fristverkürzung tritt, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen, kraft Gesetzes ein, ist also nicht, wie sonst nach § 224 Abs. 2 ZPO, von einer richterlicher Bewilligung abhängig. Der Mangel verfrühter Antragstellung ist heilbar. Die Heilung tritt ein, wenn während des Verfahrens die Dreimonatsfrist abläuft oder die besonderen Umstände des Abs. 1 Satz 2 eintreten und die Behörde den Antragsteller noch immer nicht beschieden hat (Bettermann aaO. zu III 4). Erteilt die Behörde einen Bescheid noch vor Ablauf der Wartefrist, so muß der Antragsteller, wenn der Bescheid ihm günstig ist, das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklären; ist der Bescheid ungünstig, so kann er das Verfahren mit geändertem Antrag fortsetzen, es sei denn, daß bei Ablehnung eines VA ein förmliches Beschwerdeverfahren nach § 24 Abs. 2 vorgeschrieben ist; in diesem Fall muß der Antragsteller, wenn das Gericht ihm nicht gestattet, den Beschwerdebescheid nachzubringen (§ 24 Rdn. 5), und er eine Prozeßabweisung vermeiden will, den Antrag zurücknehmen, Beschwerde im Verwaltungswege einlegen und deren Erfolg abwarten.
3. Ausschlußfrist
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Die Anrufung des Gerichts gegen die Nichtbescheidung des Antrags auf Erlaß eines VA oder einer Beschwerde im förmlichen Vorverfahren wird unzulässig, wenn seit der Stellung des Antrags oder der Einlegung der Beschwerde bei der Behörde ein Jahr verstrichen ist (Abs. 3). Auch diese Frist ist nicht starr, sondern es tritt eine Fristerstreckung ein, wenn die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist a) entweder infolge höherer Gewalt unmöglich war oder b) unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls unterblieben ist. Zum Begriff der höheren Gewalt vgl. § 26 Rdn. 11. Die Voraussetzung zu b) ist erfüllt, wenn die Versäumung der Jahresfrist durch die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls gerechtfertigt wird (sog. Individualklausel) und deshalb die Verlängerung der Frist geboten, d. h. notwendig ist. Die Fristerstreckung tritt, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen, kraft Gesetzes ein; ein besonderes Wiedereinsetzungsverfahren ist weder erforderlich noch überhaupt zulässig2).
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Der Ablauf der Jahresfrist enthebt die Behörde nicht ihrer Verpflichtung, den Antrag auf Erlaß des VA oder die förmliche Beschwerde nach § 24 Abs. 2 zu bescheiden. Nur kann die Bescheidung jetzt nicht mehr durch Anrufung des Gerichts erzwungen werden. In der Regel kann aber der Antrag auf Erlaß des abgelehnten oder unterlassenen VA bei der Behörde wiederholt und dadurch wiederum der Rechtsweg entweder nach § 24 oder nach § 27 eröffnet werden, sofern nicht der Antrag auf Erlaß des VA befristet und die Antragsfrist inzwischen abgelaufen ist3).
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4. Gerichtliches Verfahren
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Ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Ablauf der regelmäßigen oder gemäß Abs. 1 Satz 2 verkürzter Wartezeit gestellt oder ist der Mangel verfrühter Antragstellung geheilt (Rdn. 4) und steht auch die Ausschlußfrist des Abs. 3 nicht entgegen, so verfährt das Gericht nach folgenden Grundsätzen: a) Ist der Antrag unzulässig (nämlich aus anderem Grunde als dem der Warte- oder Ausschlußfrist), so wird er durch Prozeßentscheidung abgewiesen. 2
) Bettermann NJW 1960, 1082 zu III 1, 2; zu § 76 VwGO OVG Lüneburg, NJW 1964, 1637; OVG Koblenz NJW 1968, 1442.
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) So zu § 76 VwGO auch Relgl, NJW 1966, 2202.
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§ 27 EGGVG
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b) Ist der Antrag zulässig, so wird über einen Anfechtungsantrag (vgl. Rdn. 1) nach Maßgabe des § 28 Abs. 1, über einen Verpflichtungsantrag nadi Maßgabe des § 28 Abs. 2 sachlich entschieden, gegebenenfalls aber erst nach einer Aussetzung des Verfahrens (vgl. nachstehend zu c).
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c) Aussetzung des Verfahrens (Abs. 2). Vor Erlaß einer Sachentscheidung (vorstehend zu b) hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob ein zureichender Grund dafür vorliegt, daß die Behörde den Vornahmeantrag oder die Beschwerde noch nicht beschieden hat, z. B. weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen werden konnten oder aus Gründen der Geschäftslage. Liegt dieser Sachverhalt vor, so muß das Gericht (kein Ermessen) das Verfahren durch Beschluß aussetzen und der Behörde eine Frist zur Bescheidung des Antragstellers setzen. Der Behörde wird dadurch Gelegenheit gegeben, die Beschwer des Antragstellers zu beseitigen, während diesem zugemutet wird, seinen Anspruch auf Rechtsschutz einstweilen zurückzustellen. Von einer Prüfung der Erfolgsaussichten darf die Aussetzung nicht abhängig gemacht werden. Audi wenn das Gericht den Antrag für sachlich aussichtslos hält, darf es durch eine Sachabweisung dem Antragsteller nicht die Chance abschneiden, daß die Behörde, deren Entschließung noch aussteht, eine ihm günstigere Auffassung vertritt (a. M. Bettermann, NJW i960, 1086 zu V 3). Hält das Gericht den Antrag schon jetzt für sachlich begründet, so wird es wohl immer an einem zureichenden Grunde für die Nichtbescheidung durch die Behörde und damit an dem Aussetzungsgrunde fehlen.
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Die Aussetzung erfordert keinen förmlichen Antrag, wenn es auch regelmäßig Sache der Behörde sein wird, sich auf den Sachverhalt des Abs. 2 zu berufen. Die Aussetzungsfrist ist kalendermäßig zu bestimmen und so zu bemessen, daß die Behörde voraussichtlich in der Lage sein wird, den Antragsteller innerhalb der Frist zu bescheiden. Die Frist muß ohne Antrag (auch nach ihrem Ablauf) verlängert werden, wenn und solange ein zureichender Grund dafür vorliegt, daß die Behörde noch nicht sachlich entschieden hat. Nach fruchtlosem Ablauf der Aussetzungsfrist wird das Verfahren beim Fehlen eines Grundes zu weiterer Aussetzung von Amts wegen fortgesetzt und über den Antrag sachlich entschieden (oben Rdn. 10). 5. Bescheidung des Antragstellers während des gerichtlichen Verfahrens
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Wird der Antragsteller während des gerichtlichen Verfahrens, d. h. bis zur Hinausgabe der Entscheidung des Gerichts, von der Behörde besdiieden, so nimmt das Verfahren je nach dem Inhalt des Bescheides folgenden Verlauf:
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a) Hat die Behörde den erstrebten VA erlassen oder der Beschwerde (§ 24 Abs. 2) stattgegeben, ist der Antragsteller also klaglos gestellt, so haben die Beteiligten (Antragsteller und Behörde) die Hauptsache für erledigt zu erklären. Das Gebot des Abs. 2 Satz 2 wendet sich an die Beteiligten, nicht an das Gericht4). Das Gericht entscheidet nach Maßgabe des § 30 Abs. 2 nur noch über die Kosten (§ 30 Rdn. 1, 4). Geben die Beteiligten trotz Belehrung keine Erledigungserklärung ab, so erklärt das Gericht die Hauptsache durch Beschluß für erledigt. Erklärt nur der Antragsteller für erledigt, während die Behörde den Zurückweisungsantrag aufrechterhält, so stellt das Gericht durch Beschluß die Erledigung fest. Erklärt nur die Behörde für erledigt, wähend der Antragsteller seinen Sachantrag aufrechterhält, so ist der Antrag abzuweisen. Für dieses Verfahren ist es unerheblich, ob die Erledigung, worauf der Gesetzeswortlaut allein abstellt, während des Laufs der Aussetzungsfrist oder erst später eintritt5); der Unterschied kann nur Kostenfolgen haben.
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Anstelle der Erledigungserklärung kann der Antragsteller auch einen sog. unechten Feststellungsantrag nach § 28 Abs. 1 Satz 4 stellen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, daß der angefochtene und inzwischen aufgehobene VA oder die Ablehnung oder Unterlassung des beantragten VA rechtswidrig war; dieser Antrag wird durch § 27 Abs. 2 «) Bettermann, N J W 1960, 1087 zu V I ; a.M. Baumbach2* § 27 EG Anm. 3.
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) Koehler, VwGO, § 75 IV 1; Bettermann aaO. zu VI 1 c.
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EGGVG § 28
Satz 2 nicht ausgeschlossen6). Der Antrag kann auch bei einem Verpflichtungsantrag nach § 23 Abs. 2, 28 Abs. 2 gestellt werden7). b) Hat die Behörde den Antragsteller nach Eintritt der Rechtshändigkeit während des Laufs der Aussetzungsfrist oder nachher negativ beschieden, hat sie also den Erlaß des erstrebten VA abgelehnt oder eine Beschwerde gegen die Ablehnung des beantragten oder gegen den Erlaß des bekämpften VA (§ 24 Abs. 2) zurückgewiesen, so ist keine Erledigung eingetreten. Vielmehr ist auf Grund des gestellten Anfechtungs- oder Verpflichtungantrags (Rdn. 1) nach Maßgabe des § 28 über die Rechtmäßigkeit des Bescheides zu befinden9). War Verpflichtungsantrag wegen unterlassener Bescheidung gestellt, so findet ein gegen die Ablehnung des VA sonst nach § 24 Abs. 2 etwa vorgesehenes Beschwerdeverfahren im Verwaltungswege nicht mehr statt 9 ). Entscheidung über den Anfechtungs- oder
Verpflid>tungsantrag
28 (1) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme und, soweit ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) vorausgegangen ist, den Beschwerdebescheid auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Justiz- oder Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. (2) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Justiz- oder Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. (3) Soweit die Justiz- oder Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. 1. Allgemeines Die Vorschrift regelt entsprechend §§ 113 Abs. 1 u. 4, 114 VwGO die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Antrag begründet ist, und bestimmt den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung, und zwar in Abs. 1 für den Anfechtungsantrag (§ 23 Rdn. 22), in Abs. 2 für den Verpflichtungsantrag (§ 23 Rdn. 23). Ergänzend zu Abs. 1 und 2 bestimmt Abs. 3, wann eine Ermessensausübung rechtwidrig ist. Durch Umkehrschluß ergibt sich, daß der Antrag unbegründet ist, wenn es an einem Erfordernis des § 28 fehlt. 2. Zurückweisung als unzulässig Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags sind nicht in § 28, sondern in den §§ 23 bis 27 geregelt. Zurückweisung als unzulässig ist geboten: a) wenn die angefochtene oder erstrebte Maßnahme kein JustVerwAkt ist, also entweder überhaupt kein VA oder nicht ein solcher auf den Sachgebieten des § 23 Abs. 1; hierfür ist nicht die Behauptung des Antragstellers, sondern die wirkliche Reditsnatur des Aktes maßgebend1); b) wenn es an der Antrags•) Bettermann aaO. zu VI 1 b. 7 ) BVerwG N J W 1968, 1442; Ule VwGO § 113 Anm. II a. E. 8 ) Bettermann, aaO. zu VI 2; Koehler, VwGO, § 75 IV 2; a.M. Baumbach2» § 27 EG Anm. 3 a. E.
») Koehler VwGO § 75 IV 2; Klinger VwGO § 75 C 3; Redeker-v. Oertzen, VwGO, §§ 75, 76 Anm. 9. ») Ule, VwGO, § 42 I I I 1; Koehler, VwGO, $ 113 B II 1 a.
§ 28 EGGVQ
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
befugnis fehlt (§ 24 Rdn. 1); c) wenn ein vorgeschriebenes Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) nicht stattgefunden hat und der Mangel nicht behoben wird (§ 24 Rdn. 4, 5); d) wenn die Antragsfrist (§ 26) oder bei einem Verpflichtungsantrag wegen Nichtbescheidung eines Antrags oder einer Beschwerde die Wartefrist (§ 27 Rdn. 2) oder die Ausschlußfrist (§ 27 Rdn. 5) nicht gewahrt ist; e) wenn der Antrag nicht bei dem zuständigen OLG (§ 25) und f) nicht in der gesetzlichen Form (§ 26 Rdn. 3—7) angebracht ist. 3. Ein Anfechtungsantrag ist begründet (Abs. 1 Satz 1) wenn zwei Erfordernisse zusammen gegeben sind: a) in objektiver Hinsicht die Rechtswidrigkeit des VA, h) in subjektiver Beziehung eine dadurch verursachte Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten (Sachbefugnis), d. h. ein ihn zu Unrecht beschwerendes Betroffensein seiner Rechte. Das im Rahmen der Klagebefugnis nur substantiiert zu behauptende Betroffensein (§ 24 Rdn. 1) muß nunmehr als wirklich vorliegend festgestellt werden. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so kann es dahingestellt bleiben, ob auch das andere fehlt. Bei begründetem Anfechtungsantrag ist der VA und ein etwa vorausgegangener Beschwerdebescheid (§ 24 Abs. 2) aufzuheben. 4. Rechtswidrig ist ein VA, der erlassen ist, obwohl die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen, die das Gesetz verlangt, nicht vorliegen. Das trifft sowohl zu, wenn die Behörde den Tatbestand falsch subsumiert hat, als auch wenn die Tatsachen, die den VA rechtfertigen, nicht vorgelegen haben (Bachof, Klage auf Vornahme, S. 79). Maßgebend ist die wahre (objektive) Sachlage; ob die Behörde die von ihr zugrunde gelegte Sachlage ohne Pflichtverletzung annehmen durfte, ist nicht entscheidend. Audi kommt es nicht darauf an, ob die Rechtswidrigkeit von dem Betroffenen oder der Behörde verschuldet ist oder ob die Ursache für die Nichtbeachtung eines Rechtssatzes oder das Obersehen einer Tatsache von der einen oder der anderen Seite gesetzt worden ist2). Bei Verpflichtungsanträgen ist die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses der gerichtlichen Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz maßgebend. Beim Anfechtungsantrag bestimmt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nach einer im Verwaltungsprozeßrecht grundsätzlich vertretenen Auffassung nicht nach der Sadi- und Rechtslage zur Zeit der Entscheidung des Gerichts, sondern nach der zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides, dem hier im Fall des § 24 Abs. 2 der Erlaß des Beschwerdebescheides entsprechen würde3). Für die richtige Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt ist dabei von dem Stande der Erkenntnis zur Zeit der Entscheidung des Gerichts auszugehen4). Demgemäß kann ein anfänglich rechtswidriger Verwaltungsakt durch eine nachträgliche Veränderung der Umstände nicht rechtmäßig werden; er muß neu erlassen werden5). Jedoch ist dieser Grundsatz nicht ausnahmslos durchzuführen; bei noch fortwirkenden oder noch nicht vollzogenen Verwaltungsakten darf zur Vermeidung irreparabler Nachteile berücksichtigt werden, daß ihre anfängliche Rechtmäßigkeit durch spätere Umstände entfallen ist, so daß ihre Aufrechterhaltung oder Nichtaufhebung rechtswidrig wäre6). Bei Ermessensentscheidungen darf eine neu hervor) Menger VerwArch. Bd. 51, 156; Haueisen, N J W 1960, 1884; 1962, 335; BVerwG N J W 1962, 360. s ) Ule V w G O , § 108 I I I ; Klinger V w G O § 42 C 2 2b; Redeker-v. Oertzen, V w G O , § 108 Anm. 12—15; Koehler VwGO § 113 B X I ; Schundc-De Clerck V w G O 8 $ 108 Anm. 4 b ; vgl. auch B G H Z 37, 247 = N J W 1962, 1821 zu § 39 Abs. 3 B R A O . 4 ) BSozGE 10, 72 = N J W 1959, 1607; BVerwGE 13, 28. 2
) Eyermann-Fröhler V w G O 4 § 113 Rdn. 13. «) BVerwGE 5, 351 ; BVerwG N J W 1966, 901 ; J Z 1966, 130 mit Anm. v. Bachof; Bachof J Z 1958, 301; 1962, 663, 666 zu Nr. 73—76; Rupp, Rechtsschutz im SozR 1965, 173; Groschupf, N J W 1962, 1806; Czermak N J W 1964, 1662; ders., N J W 1967, 1263; O V G Münster M D R 1965, 419; a.M. Ule VerwGerbkt. 2 § 108 Anm. I I I 1. Vgl. Bahr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage f. d. gerichtliche Beurteilung von VAen, 1967. 5
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
EGGVG § 28
getretene, bereits zur Zeit des Erlasses des angefochtenen VA vorhanden gewesene Sachlage, welche den VA rechtfertigen könnte, nur herangezogen werden, wenn die Behörde sich darauf beruft, weil das Gericht andernfalls in die Ermessensfreiheit der Behörde eingreifen würde; ein Nachschieben von Gründen durch die Behörde ist zulässsig, wenn der Grund schon vor dem Erlaß des Bescheides vorhanden war, den Bescheid in seinem Wesen nicht verändert und den Antragsteller in seiner Rechtsverteidigung nicht beeinträchtigt7). Die Rechtswidrigkeit kann sich auch aus einer Verletzung formellen Rechts ergeben, z. B. aus örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit, sofern letztere nicht Nichtigkeit zur Folge hat. Wegen Rechtswidrigkeit von Ermessensentscheidungen vgl. nächst. Rdn. 13. 5. Folgenbeseitigung (Abs. 1 Satz 2, 3) Die Vollziehung eines VA steht seiner Aufhebung als rechtswidrig nicht entgegen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Vollziehung rückgängig gemacht werden kann8). Zur Verstärkung des Rechtsschutzes läßt das Gesetz es zu, daß das Gericht, wenn es den vollzogenen VA aufhebt, der Behörde au} Antrag aufgibt, die Vollziehung in näher zu bestimmender Weise rückgängig zu machen, sofern dies in der Rechtsmacht der Behörde steht und Spruchreife gegeben ist. Wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht möglich ist, muß ein Zustand angestrebt werden, der dem früheren gleichwertig ist8). Der Antrag ist ein zu dem Anfechtungsantrag hinzutretender Verpflichtungsantrag und kann jederzeit auch während des Verfahrens gestellt werden. Unterbleibt der Ausspruch wegen mangelnder Spruchreife und bleibt die Behörde untätig, so kann der Antragsteller nach § 27 vorgehen10). Die Vollziehung ist keine Erledigung i. S. des Abs. 1 Satz 4 11 ). 6. Unechter Feststellungsantrag (Abs. 1 Satz 4) Der VA kann sidi während des gerichtlichen Verfahrens erledigen durch Zurücknahme (Widerruf eines rechtmäßigen oder Rücknahme eines fehlerhaften VA) durch die Behörde, die ihn erlassen hat, oder auf andere Weise, z. B. durch Aufhebung in einem Verwaltungsverfahren durch die übergeordnete Behörde (§ 24 Abs. 2) oder dadurch, daß er infolge Zeitablaufs gegenstandslos wird, nicht aber durch Vollziehung (Rdn. 6). Dann ist für eine Aufhebung des VA kein Raum mehr. Das Aufhebungsbegehren des Antragstellers ist in der Hauptsache erledigt. Das Gesetz räumt dem Antragsteller jedoch die Befugnis ein, anstelle des Antrags, die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 27 Rdn. 14), zu beantragen, das Gericht möge aussprechen, der VA sei rechtswidrig gewesen. Nichtigkeit steht der Rechtswidrigkeit gleich. Der Antrag braucht nicht ausdrücklich gestellt zu werden, wenn der Wille des Antragstellers, ihn zu stellen, sich aus den Umständen ergibt12). Gegenstand der Feststellung ist nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses (vgl. § 43 VwGO), sondern die Rechtswidrigkeit des erledigten VA. Zulässigkeitserfordernis des Antrags ist ein berechtigtes Interesse (Begriff § 57 FGG Rdn. 32) an der Feststellung. Ein solches Interesse kann bestehen bei Wiederholungsgefahr oder wenn die Feststellung für einen beabsichtigten Zivilprozeß (Amtshaftungsklage) von Bedeutung werden kann, mag auch das ordentliche Gericht an die Feststellung nicht gerade gebunden sein, es sei denn, daß der beabsichtigte Rechtsstreit offensichtlich aussichtslos ist13), oder aber die Feststellung jenen Prozeß nicht erleichtern, zu irgendeiner Verbesserung der Rechtsstellung nicht führen kann13"). Es genügt, daß der An) BVerwGE 1, 12; 8, 234; 11, 170; Koehler VwGO § 113 B I X ; Klinger VwGO § 108 F ; Ule VwGO § 108 IV 1; Zöller-Karch Z P O 1 0 § 28 EG Anm. 1 c; BGH N J W 1964, 2420. 8 ) Bremen JVB1. 1961, 191; Hamburg 1 0 . 3 . 6 1 (VAs 8/61). ») Koehler VwGO § 113 C II 2. 1 0 ) Eyermann-Fröhler VwGO 4 § 113 Rdn. 38; Baumbach-Lauterbach § 28 EG Anm. B 2 ; 1 0 Zöller-Karch Z P O § 28 EG Anm. 2. " ) Bremen JVB1. 1961, 191. 7
1 2 ) BVerwG N J W 1956, 1652 = DÖV 1956, 728. « ) BVerwGE 6, 347 = N J W 1958, 1887; 9, 196 = J Z 1 9 6 0 , 9 8 ; BVerwG N J W 1960, 1363; vgl. ferner BVerwGE 12, 303; 16, 312, 316; Menger, VerwArdi. 1965, 9 3 ; Schunck-De Clerck VwGO 2 § 113 Anm. 2 c bb; EyermannFröhler VwGO 4 § 113 Anm. 41; Karch-Zöller Z P O 1 0 § 28 EG Anm. 3; Baumbach-Lauterbadi Z P O 2 9 § 28 EG Anm. 2 C b. 1 3 ") BVerwG DOV 1964, 171; WM 1967, 731.
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Anfechtung von Justizverwaltungsakten
tragsteiler durch die Entscheidung einem ihm günstigen Ausgang des Schadensersatzprozesses näher kommt14). Das Kosteninteresse (§ 30 Abs. 2) genügt nicht15). Das Interesse entfällt, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des VA anerkennt10). Im Verwaltungsprozeßrecht wird überwiegend angenommen, daß eine Feststellungsklage in erweiternder Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch zulässig ist, wenn der VA sich bereits vor Klagerhebung erledigt hat 17 ); bei Justizverwaltungsakten wird ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung nur sehr selten vorliegen. 8
7. Entscheidung über einen Verpflichtungsantrag (Abs. 2) Für die Entscheidung über einen Verpfliditungsantrag (§ 23 Anm. 5 b) kommt es darauf an, ob der abgelehnte oder unterlassene VA gesetzesgebunden oder in das Ermessen der Behörde gestellt ist.
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a) Bei gesetzesgebundenen VAen hat das Gericht in vollem Umfange in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Hierfür ist die Sach- und Rechtslage zur Zeit der Entscheidung maßgebend (h. M., vgl. Ule, VwGO, § 108 III 2). Soweit der Sachverhalt noch aufklärungsbedürftig ist, hat das Gericht ihn auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 29 Rdn. 10) aufzuklären und die Sache, d. h. den von der Behörde pflichtwidrig abgelehnten oder nicht beschiedenen Vornahmeantrag „spruchreif" zu machen. Es ist im allgemeinen nicht zulässig, daß das Gericht den ablehnenden Bescheid der Behörde wegen ungenügender Aufklärung des Sachverhalts ohne eigene Sadiaufklärung aufhebt18). Nur ausnahmsweise kann das Gericht unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Behörde zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichten, wenn die Behörde zu Unrecht nicht in der Sache entschieden hat oder wenn nach Verwerfung eines von der Behörde als allein entscheidend geltend gemachten Ablehnungsgrundes die Begründetheit des Antrags von bisher nicht berücksichtigten Umständen abhängt, deren Klärung umfangreiche und deshalb besser von der Behörde als vom Gericht zu treffende Ermittlungen erfordert19). Zulässig ist eine Sachentscheidung des Gerichts auf Grund eigener Sachaufklärung auch dann, wenn die Behörde den Antrag als unzulässig ablehnend beschieden hat20). Ebenso, wenn die Behörde bisher untätig geblieben ist (§ 27) 21 ). Erweist der Antrag sich als begründet, so spricht das Gericht die Verpflichtung der Behörde aus, den beantragten VA zu erlassen; das Gericht erläßt ihn also nicht selbst. Die Verurteilung zur Vornahme enthält zugleich die Aufhebung des ablehnenden Bescheides, ohne daß die Aufhebung besonders ausgesprochen werden müßte; jedoch ist ein Ausspruch über die Aufhebung, mag dies beantragt sein oder nicht, jedenfalls unschädlich und mitunter zweckmäßig22).
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b) Ist ein in das Ermessen der Behörde gestellter Vornahmeantrag abgelehnt worden, so ist die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts auf die Umstände begrenzt, die die Behörde selbst ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat 23 ). Es ist nicht zu prüfen, ob die Behörde mit einer anderen Begründung zu dem gleichen Ergebnis hätte kommen können. Außerdem hat das Gericht zu prüfen, ob der Stattgabe des Vornahmeantrags rechtliche Hindernisse zwingend entgegenstehen, aus denen die Behörde dem Antrage nicht stattgeben » ) BVerwG N J W 1961, 1942; HessVGH DVBl. 1964, 597; Zöller-Kardi Z P O 1 0 § 28 EG Anm. 3 ; a.M. Ule VwGO § 113 I 3 a. 1 5 ) BVerwGE 9, 196; Baumbach-Lauterbadi aaO.; a.M. Bergmann N J W 1959, 501. « ) Koehler VwGO § 113 D II 6. " ) BVerwG N J W 1958, 312; Lerche DÖV 1954, 712; Müller DOV 1965, 3 8 ; Sdiunck-De Clerck VwGO 2 § 113 Anm. 2 c cc; Eyermann-Fröhler VwGO 4 § 113 Anm. 5 1 ; ebenso Baumbach-Lauterbadi aaO.; a.M. v. Gelder JuS 1965, 89.
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18) BVerwGE 2, 135 = N J W 1955, 1247; 4, 2 0 ; 7, 100 = N J W 1958, 1458; 10, 202; 11, 95 = N J W 1961, 793; Ule, VwGO § 113 I I ; Bettermann, N J W 1960, 649 zu III 5 ; Baumbadi-Lauterbach Z P O 2 9 § 28 EG Anm. 3 ; Zöller-Kardi Z P O 1 0 § 28 EG Anm. 4 a. 1 S ) Vgl. BVerwG 11, 95 = N J W 1961, 793 zu d. 2 ») BVerwGE 7, 100 = N J W 1958, 1456; Zsdiadte N J W 1958, 1420. 2 1 ) BVerwG N J W 1961, 1956. 2 2 ) Ule VwGO § 113 I I ; Bettermann, N J W 1960, 649 zu III 2 c. 2 3 ) BVerwGE 3, 279 = N J W 1956, 1411.
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EGGVG § 28
darf. Erst wenn feststeht, daß der von der Behörde geltend gemachte Ablehnungsgrund ermessensfehlerhaft ist und der Vornahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht, sie also nach dem nunmehr fehlerfrei auszuübenden Ermessen der Behörde möglich, wenn auch nicht nötig ist, ist die Ablehnung rechtswidrig24). c) Ist ein in das Ermessen der Behörde gestellter Vornahmeantrag nicht beschieden worden, so kommt es nur darauf an, ob die Nichtbescheidung rechtswidrig ist. Das hängt davon ab, ob die Behörde zur Bescheidung des Antragstellers verpflichtet ist. Eine solche Pflicht besteht bei Verwaltungsakten, die nur auf Antrag oder nicht nur von Amts wegen, sondern auch auf Antrag vorgenommen werden dürfen, gegenüber einem Antragsberechtigten; bei ausschließlich von Amts wegen vorzunehmenden VAen kann eine Pflicht zur Bescheidung gegenüber demjenigen bestehen, zu dessen Gunsten das Gesetz die Vornahme der Amtshandlung vorsieht25). Vgl. aber auch Art. 17 GG (Petitionsrecht) und oben § 23 Rdn. 12.
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d) Ist der Verpflichtungsantrag in der Form des Bescheidungsantrags (§ 23 Rdn. 23) in den Fällen vorstehend zu b) und c) begründet, so spricht das Gericht die Verpflichtung der Behörde aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (erstmalig oder anderweit) zu bescheiden. An die der ausdrücklichen oder stillschweigenden Aufhebung des Ablehnungsbescheides zugrundeliegende Rechtsauffassung des Gerichts darüber, daß und warum die Ablehnung des Vornahmeantrags dem Antragsteller gegenüber rechtswidrig ist, ist die Behörde bei ihrer erneuten Entscheidung über den Antrag gebunden (vgl. § 565 Abs. 2 ZPO). Spruchreif i. S. der Auferlegung einer Vornahmeverpflichtung können in das Ermessen der Behörde gestellte Vornahmeanträge nur in dem seltenen Falle sein, daß jede andere Entscheidung als die Vornahme ermessensrechtswidrig ist2®).
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8. Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen
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Abs. 3 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Ermessensausübung der Behörde rechtswidrig ist. Soweit die Behörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist die gerichtliche Nachprüfung darauf beschränkt, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (Ermessensüberschreitung) oder ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensmißbrauch). Darüber hinaus liegt ein Rechtsfehler (Ermessensmangel) vor, wenn die Behörde sich für gebunden hält, wo sie Ermessensfreiheit hat (Jellinek, VerwR' S. 37; Wolff VerwR' I § 31 II) oder wenn sie Ermessen ausübt, obwohl ihr keine Ermessensfreiheit zusteht (Friedrichs in HdWtb. d. Rechtswiss. II Art. Ermessen S. 337). Ferner sind Ermessensentscheidungen rechtswidrig, wenn sie auf Verfahrensmängeln beruhen (vgl. § 27 FGG Rdn. 23). Da das Wesen der Ermessenshandlung darin besteht, daß ihre Vornahme wie ihre Unterlassung in gleicher Weise rechtmäßig sein können, kann die Rechtswidrigkeit bei der Ablehnung von Ermessenshandlungen nicht im Ergebnis liegen, sondern nur auf Rechtsfehlern bei der Bildung der Entscheidung beruhen, also auf Mängeln im Verfahren oder Fehlern in der Motivierung der Ablehnung (Bettermann, NJW 1960, 652). Ermessensmißbrauch liegt vor, wenn sachfremde oder pflichtwidrige Erwägungen angestellt (vgl. Klein, AöR 82, 91 ff.) oder die rechtlich gezogenen inneren Schranken mißachtet werden (Wolff, aaO.) oder die Behörde ohne Vorliegen neuer Umstände von einer ständigen VerwUbung im Einzelfall abweicht (Selbstbindung der Verwaltung)27); jedoch gibt es keinen Gleichheitsanspruch auf Wiederholung von Ermessensfehlern. In keinem Fall ist das Gericht befugt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Behörde zu setzen. Keine Ermessensausübung, sondern Rechtsanwendung und deshalb unbeschränkt nachprüfbar ist die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (vgl. " ) BVerwGE 11, 95 = N J W 1961, 793; Bettermann, N J W 1960, 649 zu I I I 5 e. " ) Obermayer N J W 1956, 361; Bettermann, N J W 1960, 652. 2 ») BVerwG N J W 1963, 1890; Ule VwGO § 113 III.
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) BVerwG N J W 1959, 1843; DDV 1962, 549; BayVerfGH MDR 1962, 458 (Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes); Forsthoff VerwR 8 § 12 Anm. 2 e cc S. 238; Wolff VerwR I 7 § 31 I I d 2.
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§ 29 EGGVG
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§ 27 FGG Rdn. 25). In Grenzfällen, die aber bei JustVerwAen kaum vorkommen werden, können auch unbestimmte Begriffe Raum für (kognitives) Verwaltungsermessen bieten (Beurteilungsspielraum, Vertretbarkeitsbereich)28), z. B. bei der Beurteilung fachlicher Prüfungsleistungen. Ergänzende Verfahrensvorschriften.
Vorlegungspflicht.
Armenrecht
29 (1) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist endgültig. Will ein Oberlandesgericht jedoch von einer auf Grand des § 23 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen, so legt es die Sache diesem vor. Der Bundesgerichtshof entscheidet an Stelle des Oberlandesgerichts. (2) Im übrigen sind anf das Verfahren vor dem Zivilsenat die Vorschriften des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über das Beschwerdeverfahren, auf das Verfahren vor dem Strafsenat die Vorschriften der Strafprozeßordnung über das Beschwerdeverfahren sinngemäß anzuwenden. (3) Auf die Bewilligung des Armenrechts sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. 1
1. Die Entscheidung des OLG ist endgültig, d. h. mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar. Es gibt mithin nur einen Rechtszug (vgl. dazu § 25 Rdn. 1); der Bundesgerichtshof kann von den Beteiligten in keinem Falle angerufen werden. Ein gleichwohl eingelegtes Rechtsmittel kann das OLG selbst als unzulässig verwerfen, es sei denn, daß trotz Belehrung ausdrücklich Vorlegung an den BGH verlangt wird1). Von der Unanfechtbarkeit zu unterscheiden ist die Frage, ob das OLG selbst seine Entscheidung auf Gegenvorstellungen ändern kann. Das ist für Beschlüsse, durch die der Antrag als unzulässig verworfen wird, zu bejahen, wenn die Verwerfung auf Tatsachenirrtum, nicht wenn sie auf Rechtsirrtum beruht, dagegen für Sachentscheidungen zu verneinen*); § 18 Abs. 1 FGG ist nicht anwendbar. Eine 'Wiederaufnahme des Verfahrens ist nicht vorgesehen; § 153 VwGO gilt nicht8).
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2. Vorlegungspflicht (Abs. 1 Satz 2, 3) Zur Wahrung der Rechtseinheit wird dem OLG zur Pflicht gemacht, den Antrag (§ 23) dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Voraussetzung dafür ist, daß das OLG bei seiner Entscheidung über den Antrag von einer Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will, die auf Grund des § 23 ergangen ist. Entscheidungen aus der Zeit vor dem 1. 4. 1960 kommen mithin nicht in Betracht. Auch Entscheidungen auf weitere Beschwerde nach 5 28 Abs. 1 FGG oder über einen Antrag nach Art. 7 § 1 FamRÄndG oder, abweichend von § 28 Abs. 2 FGG, Urteile des BGH im Zivil- oder Strafprozeß begründen keine Vorlegungspflicht. Sowohl die Entscheidung des vorlegenden OLG als auch die des anderen OLG oder des BGH muß eine Entscheidung über einen Anfechtungsantrag oder einen Verpflichtungsantrag (§ 23 Rdn. 22, 23) nach § 23 oder einen Feststellungsantrag nach § 28 Abs. 1 Satz 4 (§ 28 Rdn. 7) sein. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die MeinungsverschiedenAus dem umfangreichen Schrifttum zum Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriff ist außer auf die Kommentare zu 5 114 VwGO hinzuweisen auf Reuß, DVB1. 1953, 585, 649; 1959, 268; Badiof, JZ 1955, 97; 1962, 702; Ule. Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 309; R. Klein, AöR 82, 75; Jesch, AöR 82, 163; Ehmcke, Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff im VerwR, 1960; Czermak, N J W 1961, 1905; ders., Zum gerichtsfreien Beurteiluncssoielraum im Verwaltungsrecht, TZ 1963, 276; Kellner, Zum Beurteilungsspielraum, DÖV
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1962, 572 ff.; Müller-Toditermann, Ober die praktische Brauchbarkeit der Lehre vom Beurteilungsspielraum, SdilHAnz. 1962, 157; Bettermann, Rechtsgleichheit und Ermessensfreiheit, Der Staat 1962, 79; Obermayer, Das Verhaltenserm»ssen der Verwaltungsbehörden, N J W 1963, 1177. ') KG WM 1960, 207; Keidel 27 ror § 19; a.M. BVerwG N J W 1963, 554. 2) Vgl. BGH N J W 1951. 771; DNotZ 1964, 572. S) Zöller-Karch ZPO 1 0 § 29 EG Anm. 1.
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heit die Entscheidung in der Sache oder die Zulässigkeit des Antrags (§ 28 Rdn. 2) oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 26 Rdn. 8) betrifft 4 ). Die Vorlegungspflicht besteht auch, wenn der Meinungsstreit Landesrecht betrifft, da eine dem § 28 Abs. 2 FGG entsprechende Einschränkung fehlt5), und zwar auch bei Abweichung von inhaltsgleichen Rechtsvorschriften eines anderen Landes6). Abweichung bei der Entscheidung über die Pflicht zur Kostentragung genügt7), nicht dagegen bei der Festsetzung des Geschäftswerts (§ 30 Abs. 3) 8 ) oder im Kostenfestsetzungsverfahren (§ 30 Abs. 2). Die Vorlegungspflicht entfällt, wenn das andere OLG auf Anfrage erklärt, an seinen abweichenden Auffassungen nicht mehr festhalten zu wollen (§ 28 FGG Rdn. 12). Die Vorlegung erfolgt durch begründeten Beschluß, der den Beteiligten bekanntzumachen ist. Über den Begriff der Abweichung und das Verfahren des BGH vgl. § 28 FGG Rdn. 7 ff. Der BGH entscheidet, wenn er die Vorlegung für zulässig erachtet, über den Antrag nach § 23 an Stelle des OLG und nach denselben Grundsätzen wie dieses, also als Tatsachengericht, über die Zulässigkeit und die Begründetheit des vorgelegten Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Auch wenn die Meinungsverschiedenheit die Zulässigkeit des Antrags betrifft und der BGH diese bejaht, entscheidet er in der Sache, wie § 29 Abs. 1 Satz 3 eindeutig ausspricht. Der in Strafvollzugssachen zur Entlastung des BGH vertretene Grundsatz, daß in diesen Fällen die Sachentscheidung dem OLG zu belassen sei®), dürfte auf Strafvollzugssachen zu beschränken sein, zumal er mit der geringen Bedeutung dieser Sachen gerechtfertigt wird.
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3. Ergänzende Verfahrensvorschriften (Abs. 2)
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Die Vorschriften des FGG über das Beschwerdeverfahren sind in Zivilsachen für das Verfahren vor dem Zivilsenat ergänzend heranzuziehen, soweit das Verfahren nicht durch die §§ 23 bis 28, 30 Abs. 2 EG abweichend geregelt ist; diese Vorschriften haben mithin den Vorrang vor den allgemeinen Vorschriften des FGG. Auch kann sich aus der Gleichartigkeit des Verfahrensgegenstandes die Notwendigkeit ergeben, beim Schweigen des Gesetzes allgemeine Rechtsgrundsätze des Verwaltungsgerichtsverfahrens heranzuziehen, insbesondere, soweit das Verfahren in den §§ 23 bis 28 dem VerwProzR nachgebildet ist (vgl. die Bern, zu §§ 23 bis 28). Nicht anwendbar sind wegen der in den §§ 23 ff. EG enthaltenen Sonderregelung § 20 FGG über das Beschwerderecht (wegen § 24 Abs. 1 EG), § 21 FGG über die Form der Beschwerde (wegen § 26 Abs. 1 EG), § 22 über die Wiedereinsetzung (wegen § 26 Abs. 2 bis 4), ferner §§ 26 bis 29 FGG (wegen § 29 Abs. 1 EG). Sinngemäß anwendbar sind daher: a) f 23 FGG. Der Antrag kann auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden. Das OLG entscheidet also als Tatsachengericht. Es kann den Sachverhalt auch in tatsächlicher Hinsicht selbständig würdigen, ohne jedoch in das Ermessen der Behörde einzugreifen (§ 28 Rdn. 13), und darf auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12 FGG) von Amts wegen neue Tatsachen und Beweise in das Verfahren einführen, soweit sich nicht aus der Art des Verfahrensgegenstandes eine Beschränkung des Tatsachenstoffes ergibt (§ 28 Rdn. 5, 10). Da der durch Art. 19 Abs. 4 erforderte Rechtsschutz die volle Nachprüfung behördlicher Bescheide in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewährleistet und nur ein Rechtszug vorgesehen ist, darf sich das Gericht nicht auf die Nachprüfung von Rechtsfragen beschränken10). b) § 24 FGG. Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs. 1 FGG); § 80 VwGO ist nicht anwendbar11). Das OLG kann entsprechend § 24 Abs. 3 FGG die Vollziehung eines angefochtenen VA aussetzen oder eine einstweilige Anordnung erlassen18). «) BGHZ 46, 354 = N J W 1967, 927 mit Anm. v. Jessen; a.M. Baumbach-Lauterbach ZPO 2 8 § 29 EG Anm. 2. «) Altenhain N J W 1963, 1463; a.M. anscheinend (z. Strafprozeß) BGH N J W 1963, 1214; vgl. auch Altenhain DRiZ 1964, 299 Fn. 44 u. S. 302. •) Altenhain N J W 1963, 1463. ' ) BGHZ 31, 92.
) BayObLGZ i960, 345. •) BGH N J W 1963, 1789; N J W 1964, 166; N J W 1967, 2368. 1 0 ) BVerfGE 21, 191 = DRiZ 1967, 165 = N J W 1967, 923. « ) Hornig, NdsRpfl. i960, 54; Ule, VwGO, S 179 Anm. 8. 1 2 ) Hornig, Ule aaO.; a.M. Baumbach-Lauterbadi ZPO 2 8 § 29 EG Anm. 3. 8
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§ 30 EGGVG
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c) § 25 FGG. Die Entscheidung des OLG ist mit Gründen zu versehen.
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d) § 30 Abs. 2 FGG. Für das B G H gelten die §§ 136, 137 Abs. 1 GVG.
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e) Entsprechend anwendbar müssen ferner außer den engeren Vorschriften über das Beschwerdeverfahren auch diejenigen Vorschriften des FGG sein, die für das Gericht des ersten Rechtszuges und für das Beschwerdegericht in gleicher Weise gelten, nämlich § 2 (Rechtshilfe), §§ 6, 7 (Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen), §§ 8, 9, 10 (Gerichtssprache, Beratung, Abstimmung, Sitzungspolizei, Gerichtsferien), § 12 (Amtsermittlungsgrundsatz), § 13 (Bevollmächtigte und Beistände), § 15 (Beweiserhebung), § 17 (Fristen), § 31 (Rechtskraftattest), § 34 (Akteneinsicht). Ein Zuständigkeitsstreit ist entsprechend § 5 FGG vom B G H zu entscheiden. § 13 a FGG ist durch § 30 Abs. 2 EG, § 14 FGG durch § 29 Abs. 3 EG ersetzt. Von selbst sollte es sich verstehen, daß ein Sachbearbeiter oder Behördenleiter, der im Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat, von der Mitwirkung an der gerichtlichen Entscheidung ausgeschlossen ist 13 ).
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f) Ein Vergleich ist entsprechend dem Grundsatz des § 106 VwGO für zulässig zu erachten, soweit der Verfahrensgegenstand der Verfügung der Beteiligten unterliegt. Das ist bei gesetzesgebundenen VAen nicht der Fall. Bei Ermessensentscheidungen ist ein Vergleich zulässig, soweit er sich im Rahmen der Ermessensfreiheit der Behörde hält. In demselben Rahmen sind Anerkenntnis und Verzicht möglich.
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4. Verfahrensbeteiligte sind der Antragsteller und die Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den Erlaß des VA abgelehnt oder unterlassen hat. Die Behörde ist daher als Gegner hinzuzuziehen14). Die Behörde, die den ursprünglichen VA erlassen oder den beantragten VA unterlassen hat, kommt allein als Gegner auch dann in Betracht, wenn ein Beschwerdebescheid (§ 24 Abs. 2 EG) ergangen ist oder Verpflichtungsantrag wegen Nichtbescheidung einer Beschwerde nach § 27 Abs. 1 gestellt wird, also nicht die Beschwerdebehörde (Ule, VwGO, Bern, zu § 78 Abs. 3); das gilt auch dann, wenn die örtliche Zuständigkeit des OLG sich gemäß § 25 Abs.l Satz 2 EG nach dem Sitz der Beschwerdebehörde richtet. Nur wenn ein Beschwerdebescheid isoliert angefochten wird (§ 24 Rdn. 6), ist Gegner die Beschwerdebehörde. Inwieweit sonstige Beteiligte hinzuzuziehen sind, richtet sich nach der Lage des Einzelfalles.
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Für die Beteiligtenfähigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze. Da Behörden im Verfahren der FG beteiligtenfähig sind (§ 6 Rdn. 6), ist Beteiligter die Behörde selbst, nicht der Bund oder das Land als Träger der Behörde; § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist nicht anwendbar.
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5. Armenrecht Für die Bewilligung des Armenrechts gelten die Vorschriften der ZPO entsprechend (Abs. 3). Vgl. §§ 114 bis 127 ZPO (abgedruckt und erläutert bei § 14 FGG). Für die Beiordnung eines Rechtsanwalts gilt, da kein Anwaltszwang besteht, § 116 ZPO.
Kosten 30 (1) F ü r die Kosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht gelten die Vorschriften der Kostenordnung entsprechend. Abweichend von § 130 der Kostenordnung wird jedoch ohne Begrenzung durch einen Höchstbetrag bei Zurückweisung das Doppelte der vollen Gebühr, bei Zurücknahme des Antrags eine volle Gebühr erhoben. (2) Das Oberlandesgericht kann nach billigem Ermessen bestimmen, daß die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Die Vor) BGH FamRZ 1963, 556; vgl. § 6 Rdn. 13. " ) Hornig, NdsRpfl. 1960, 54; Keidel 26 vor § 1S
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19; a.M. Baumbadi-Lauterbadi Z P O " § 23 EG Anm. 2.
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
EGGVG § 30
schritten des § 91 Abs. 1 S a t z 2 und der §§ 102 bis 107 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts k a n n nicht angefochten werden. (3) D e r Geschäftswert bestimmt sich nach § 30 der Kostenordnung. E r wird von dem Oberlandesgericht durch unanfechtbaren Beschluß festgesetzt. 1. G e r i c h t s k o s t e n (Abs. 1) Es gelten die Vorschriften der KostO, soweit nicht Abs. 1 eine abweichende Regelung trifft. Die Entgegennahme des Antrags zur Niederschrift (§ 26 Rdn. 4, 5) ist gebührenfrei (§ 129 KostO). Auch der Antrag als solcher löst keine Gebühr aus (§§ 1, 131 Abs. 4 Satz 3 KostO). Das Doppelte der vollen Gebühr (§ 32 KostO) wird erhoben bei Zurückweisung des Antrags, sei es als unzulässig oder als unbegründet. Bei Zurücknahme, bevor die Entscheidung 1. S. des § 18 F G G Rdn. 5 erlassen ist, entsteht eine volle Gebühr. Bei teilweiser Zurückweisung oder Zurücknahme gilt § 130 Abs. 4 KostO. Keine Gerichtsgebühren entstehen, wenn dem Antrage stattgegeben oder die Hauptsache für erledigt erklärt wird (Baumbach § 30 E G Anm. 1). Gebührenfreiheitsvorschriften, die für das Verwaltungsverfahren gelten (z. B . § 3 Abs. 2 EheAnerkG), gelten nicht für das gerichtliche Verfahren. Eines Ausspruchs über die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten oder über die Gebührenfreiheit bedarf es nicht, weil diese Folgen sich aus dem Gesetz ergeben (§ 20a F G G Rdn. 2). Von einer Vorschußzahlung gemäß § 8 Abs. 2 KostO darf die Entscheidung über den Antrag nicht abhängig gemacht werden; auch kann kein Vorschuß in Ansatz gebracht werden (§ 8 Abs. 1 KostO), da der Antrag als solcher keine Gebühr auslöst 1 ). 2. A n w a l t s g e b ü h r e n Nach § 66a B R A G e b O i. d. F. des § 182 V w G O gelten die Vorschriften des 3. Abschnitts der B R A G e b O sinngemäß. 3. G e s c h ä f t s w e r t Er bestimmt sich nach § 30 KostO, ist also in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten regelmäßig mit 3000 D M anzunehmen (§ 30 Abs. 3, 2 KostO). Festsetzung durch Beschluß des O L G entweder in Verbindung mit der Entscheidung zur Hauptsache oder durch besonderen Beschluß. D e r Beschluß ist unanfechtbar, kann aber vom O L G auf Gegenvorstellungen geändert werden. 4. K o s t e n e r s t a t t u n g (Abs. 2) Die Kostenerstattung wird durch Abs. 2 besonders geregelt; § 13a F G G ist mithin nicht anwendbar (§ 13a Abs. 3 F G G ) . Grundsätzlich trägt jeder Beteiligte, auch der Antragsteller, die ihm entstandenen Kosten selbst. Die Nichterstattung der Kosten der Beteiligten ist daher die Regel. Das O L G kann jedoch nach billigem Ermessen anordnen, daß die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers ganz oder teilweise aus der Staatskasse erstattet werden. Dazu genügt das bloße Unterliegen der Behörde abweichend von § 154 Abs. 1 V w G O nicht; die Auflegung der Kosten muß nach der besonderen Lage des Einzelfalls durch Billigkeitsgründe gerechtfertigt sein (vgl. § 13a F G G Rdn. 9 ff.). Uber die Bedeutung der nur teilweisen Bezugnahme auf § 91 Z P O vgl. die Bern, zu § 91 Z P O bei § 13a F G G . Zugunsten oder zu Lasten sonstiger etwa zum Verfahren hinzugezogener Beteiligter (§ 29 Rdn. 12) kann eine Kostenerstattung nicht angeordnet werden. § 102 Z P O über die Verurteilung von Beamten, Vertretern und Rechtsanwälten zur Tragung von Kosten ist aufgehoben durch G . v. 27. 11. 1964 (BGBl. I 933). 4
) Hamm JVB1. 1964, 36; Korintenberg-WenzAckermann KostO 8 § 130 Anm. 10 Abs. 2; Zöller-Karch ZPO 10 § 30 EG Anm. 1; a.M. Hamburg Rpfleger 1966, 27 = KostRspr. § 30
EGGVG Nr. 2 mit Anm. v. Lappe; Lauterbadi-Albers Kostenges." § 30 EGGVG Anm. 2.
§ 30 EGGVG 5
Anfechtung von Justizverwaltungsakten
5. Kostenfestsetzungsverfahren §§ 103 bis 107 2PO (vgl. die Erl. bei § 13a FGG) gelten entsprechend. Die zu erstattenden Kosten setzt der UdG des OLG fest. Dagegen befristete Erinnerung nach § 104 Abs. 3 ZPO, bei Ablehnung aus verfahrensrechtlichen Gründen unbefristet nach § 576 ZPO an das OLG, dessen Entscheidung endgültig ist.
666
Anhang II Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (Art. 7, FamRÄndG) Anerkennung
ausländischer
Entscheidunzen
in
Ehesachen
1 (1) Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durcb die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien festgestellt ist, werden nur anerkannt, wenn die Landesjustizverwaltung festgestellt hat, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen. Die Verbürgung der Gegenseitigkeit ist nicht Voraussetzung f ü r die Anerkennung. Hat ein Gericht des Staates entschieden, dem beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung angehört haben, so hängt die Anerkennung nicht von einer Feststellung der Landesjustizverwaltung ab. (2) Zuständig ist die Justizverwaltung des Landes, in dem ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist die Justizverwaltung des Landes zuständig, in dem eine neue Ehe geschlossen werden soll; die Justizverwaltung kann den Nachweis verlangen, daB das Aufgebot bestellt oder um Befreiung von dem Aufgebot nachgesucht ist. Soweit eine Zuständigkeit nicht gegeben ist, ist die Justizverwaltung des Landes Berlin zuständig. (3) Die Entscheidung ergeht auf Antrag. Den Antrag kann stellen, wer ein rechtliches Interesse an der Anerkennung glaubhaft macht. (4) Lehnt die Landesjustizverwaltung den Antrag ab, so kann der Antragsteller die Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragen. (5) Stellt die Landesjustizverwaltung fest, daß die Voraussetzungen f ü r die Anerkennung vorliegen, so kann ein Ehegatte, der den Antrag nicht gestellt hat, die Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragen. Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung wird mit der Bekanntmachung an den Antragsteller wirksam. Die Landesjustizverwaltung kann jedoch in ihrer Entscheidung bestimmen, daß die Entscheidung erst nach Ablauf einer von ihr bestimmten Frist wirksam wird. (6) Das Oberlandesgericht entscheidet im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Zuständig ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Landesjustizverwaltung ihren Sitz hat. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. § 21 Abs. 2, §§ 23, 24 Abs. 3, §§ 25, 30 Abs. 1 Satz 1 und § 199 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten sinngemäß. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist endgültig. (7) Die vorstehenden Vorschriften sind sinngemäß anzuwenden, wenn die Feststellung begehrt wird, daß die Voraussetzungen f ü r die Anerkennung einer Entscheidung nicht vorliegen. (8) Die Feststellung, daß die Voraussetzungen f ü r die Anerkennung vorliegen oder nicht vorliegen, ist f ü r Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend. Übersicht Rdn.
Rdn. I. Rechtsentwicklung II. Voraussetzungen des Anerkennungsverfahrens 1. Grundsatz 2. Ausländische Entscheidung
1-3 4-18 4-6 7-10
3. Auslandsbegriff a) Ausland b) DDR 4. Ehesachen a) Entscheidung in Ehesachen b) Nebenentscheidungen
11-13 11 12-13 14-15 14 15
667
Art. 7 § 1 F a m R Ä n d G
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen Rdn.
Rdn.
5. Zeitlicher Geltungsbereich 16 6. Persönlicher Geltungsbereich 17-18 III. Sachliche Voraussetzungen der Anerkennung 19-28 1. Internationale Zuständigkeit 20-24 2. Einlassung des deutschen Beklagten 25 3. Kollisionsrechtliche Benachteiligung 26 4. Wahrung des deutschen ordre public 27 5. Staatsrerträge 28 IV. Verwaltungsverfahren 29-45 1. Sachliche Zuständigkeit 29 2. Örtliche Zuständigkeit 30-32 3. Antrag 33 4. Antragsberechtigung 34-37 5. Verfahren der Verwaltungsbehörde 38
6. Entscheidung der Verwaltungsbehörde 39-45 a) Entscheidungssatz 29-42 b) Kein Ermessen 43 c) Begründung 44 d) Wirksamkeit 45 V. Gerichtliches Verfahren 46-52 1. Sachliche Zuständigkeit 46 2. örtliche Zuständigkeit 47 3. Antrag auf gerichtliche Entscheidung 48 4. Antragsberechtigung 49-50 5. Verfahrensgrundsätze 51-52 a) Verfahren der freiw. Gerichtsbarkeit 51 b) Einstweilige Anordnungen 52 VI. Bindende Wirkung. Materielle Rechtskraft 53-54
I. Rechtsentwicklung. 1
Ausländische Entscheidungen in Ehesachen sind im Inlande wirksam, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen (vgl. für Urteile ausländischer Gerichte § 328 ZPO). Hierüber wurde nach früherem Recht, wie noch jetzt bei Urteilen, die nicht in Ehesachen ergangen sind, in dem jeweiligen Sadizusammenhang, in welchem die Frage auftrat, v o n Fall zu Fall entschieden, z. B. v o n dem Standesbeamten, wenn der im Ausland geschiedene Ehegatte im Inland eine neue Ehe eingehen wollte, oder als Vorfrage in einem Rechtsstreit. Wollten die Ehegatten eine Entscheidung mit Wirkung für und gegen alle herbeiführen, so mußten sie im Inland einen Rechtsstreit über die Feststellung des Bestehens der Ehe führen. D a diese Regelung für die Ehegatten unzweckmäßig war und auch nicht dem öffentlichen Interesse an der Klarstellung des Personenstandes entsprach, wurde durch § 24 der 4. D V O - E h e G v. 25. 10. 1941 (RGBl. I 654) eine Regelung eingeführt, nach welcher ausländische Entscheidungen in Ehesachen im Inland nur wirksam sind, wenn der Reichsminister der Justiz durch einen Gerichte und Verwaltungsbehörden bindenden Bescheid festgestellt hat, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung gegeben sind 1 ). Diese Vorschrift wurde ersetzt für die Länder der ehemals brit. Zone durch § 28 A V O - E h e G v. 12. 7. 48 (VOBlBrZ 210), für Berlin West durch G v. 12. 12. 50 (VOB1. I 557). Nach der Entsch. der BReg. gemäß Art. 129 Abs. I Satz 2 G G v. 6. 12. 49 (BGBl. 34) war die Zuständigkeit auf die LJMin. übergegangen. D e r Bescheid konnte als Verwaltungsakt auf dem Gebiet des
!) Schrifttum: Jonas, DR 1942, 55; Satter, ZAkDR 1942, 132; Maßfeiler, DR 1941, 2540; Rexroth, DJ 1941, 1088; Beitzke, Zur Anerkennung ausländischer Ehescheidungsurteile, DRZ 1946, 172; Schwenn, Die internationale Anerkennung von Ehescheidungen, J Z 1955, 565; ders., Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, in Vorschläge und Gutachten zur Reform des dt. intern. Eherechts, 1962, S. 140; Neuhaus, Zur Anerkennung sowjetzonaler und ausländischer Scheidungsurteile, FamRZ 1964, 18; Klaus Müller, Zum Begriff der „Anerkennung" von Urteilen in § 328 ZPO, ZZP 79, 199-245; Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausl. Zivilurteile, 1946, S. 262 f f . ; Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht, 1949, S. 508—594; Hoyer, Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen im Ausland, 1951; Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerken-
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nung ausländischer Urteile, 1966; ders., Das Anerkennungsverfahren für ausländische Entscheidungen in Ehesachen, N J W 1967, 1388; Kleinrahm, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, 1966; ders., Die Anerkennung von Privatscheidungen, FamRZ 1966, 10; Lorenz, Die internationale Zuständigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung ausländischer Eheurteile in Deutschland, FamRZ 1966, 465; Wolfgang Reinl, Die Anerkennung ausländischer Eheauflösungen, Diss. Würzburg 1966 (Bespr. Neuhaus FamRZ 1967, 707); Beitzke, Die deutsche internationale Zuständigkeit in Familienrechtssachen, FamRZ 1967, 592 zu IV. Ferner die Kommentare und Lehrbücher zu § 328 ZPO und zu Art. 17 EGBGB. Vgl. auch Schwind, Das Übereinkommen der Intern. Kommission für das Zivilstandswesen über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, ZfRVgl. 1968, 161—184.
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
F a m R X n d G Art. 7 § 1
Zivilprozesses durch Klage vor den ordentlichen Gerichten angefoditen werden2). In der Zeit vom 1. 4. 60 bis 31. 12. 61 war das OLG im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG i. d. F. das § 179 VwGO anzurufen. Die angeführten Rechtsvorschriften sind aufgehoben mit Wirkung vom 1. 1. 1962 durch Art. 9 I Abs. 2 Nr. 16, 25 und 26 FamRÄndG. Das Verfahren ist nunmehr unter grundsätzlicher Beibehaltung des bisherigen Rechtszustandes geregelt in Art. 7 FamRÄndG. Hierbei wurde in der Annahme, daß das Verfahren zur Anfechtung von Justizverwaltungsakten nach den § § 2 3 ff. EGGVG nur eine Übergangslösung darstelle, die Anrufung des Gerichts (OLG) in Art. 7 FamRÄndG besonders und mit nicht unerheblichen Abweichungen von dem Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG geregelt.
2
Materialien: Entwurf 1952 BTDrudss. Nr. 3802/1. Wahlp. S. 85; Entwurf 1958 BTDrucks. Nr. 530/3. Wahlp. S. 31, Nr. 2812/3. Wahlp. S. 25, zu 2812 S. 10.
3
Schrifttum zur Reform: StAZ 1962, 79.
Finke, FamRZ 1958, 409; Maßfeller, StAZ 1961, 302; Peters,
II. Voraussetzungen des Anerkennungsverfahrens 1. Grundsatz. Im Umfang des Anwendungsbereichs des Art. 7 § 1 (Rdn. 7) ergeben sich für ausländische Entscheidungen in Ehesachen (Rdn. 14) aus § 1 Abs. 1 Satz 1 zwei Grundsätze:
4
a) Die ausländische Entscheidung entfaltet bis zu ihrer Anerkennung im Inland keine Wirkung*). Der Standesbeamte darf eine Eheschließung des im Ausland geschiedenen Ehegatten nicht vornehmen; das Kind einer im Ausland geschiedenen Ehefrau hat er im Geburtenbuch als eheliches Kind des geschiedenen Mannes einzutragen (Raape, IPR 5 § 30 Fußn. 97), da die Ehe im Inland noch als fortbestehend gilt. Der positive Feststellungsbescheid der Verwaltungsbehörde wirkt jedoch auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung zurück4).
5
b) Die Entscheidung über die Anerkennung ist ausschließlich der Landesjustizverwaltung zugewiesen. Einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung stände die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen5). Es handelt sich zwar um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG, aber die Entscheidung darüber ist einer Verwaltungsbehörde übertragen mit der Maßgabe, daß erst gegen deren Entscheidung das ordentliche Gericht angerufen werden kann'). Den Gerichten der streitigen, freiwilligen oder Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die Beurteilung der Anerkennung auch als Vorfrage untersagt. Andererseits darf sich das Gericht, wenn es für die Entscheidung auf den Bestand der Ehe ankommt, nicht etwa auf den Standpunkt stellen, daß das ausländische Urteil unbeachtlich sei, sondern das Verfahren ist, solange kein nach § 1 Abs. 8 bindender Bescheid
Q
) B G H FamRZ 1958, 180 = DVB1. 1958, 709; BVerwG J Z 1957, 625 mit Anm. v. Ule = VerwArdi. 1957, 272 mit Anm. v. Menger; a. M. B a y V G H DVB1. 1956, 763; B a y O b L G Z 1967, 218 zu I I 9. 3 ) B G H FamRZ 1958, 180; Raape M D R 1949, 586; Stein-Jonas-Schönke Z P O 1 8 Anh. nach § 328 V 1; Kleinrahm S. 11. 4 ) B G H FamRZ 1961, 427; Riezler I Z P R S. 515; Beitzke D R Z 1946, 172; Frankfurt F a m R Z 1968, 87; Hoffmann-Stephan EheG 2 78 vor § 58; Staudinger-Dietz B G B 1 1 § 5 EheG Anm. 29. 5 ) Stein-Jonas-Schönke Z P O 1 8 Anh. nach § 328 I ; Wieczorek Z P O § 328 F I I I B 3 ; Geimer N J W 1967, 1398 zu I I 2 a; a. M. Beitzke D R Z 1946, 173; Riezler I Z P R S. 515. 2
6
) Die Bedenken, die im Hinblick auf Art. 92 G G gegen die Verfassungsmäßigk e i t dieser Regelung erhoben werden ( B G H Z 20, 323, 337; B G H FamRZ 1958, 180 zu I I I ; vgl. auch Neuhaus, Die Grundbegriffe des I P R S. 37 zu Fn. 86; Beitzke, StAZ 1964, 340 u. RabelsZ 30 [1966] 644), sind nicht von der Hand zu weisen. Die Entscheidung nach Art. 7 § 1 FamRÄndG ist materiell ein Akt der Rechtsprechung ( B G H Z 20, 337). Im Bereich der Rechtsprechung ist ein „Vorverfahren" vor einer Verwaltungsbehörde auch dann unzulässig, wenn es auf Antrag in ein gerichtliches Verfahren übergeleitet werden kann (BVerfGE 22, 49, 81).
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Art. 7 § 1 FamRÄndG
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
über die Anerkennung oder Nichtanerkennung vorliegt, nach § 148 ZPO auszusetzen7). Wird einem ausländischen Ehenichtigkeits- oder Aufhebungsurteil durch Bescheid der Verwaltungsbehörde die Anerkennung versagt, so kann das Prozeßgericht auf Antrag nach §§ 151, 152 zur Erwirkung eines inländischen Urteils aussetzen. Versagt die Verwaltungsbehörde einem ausländischen Ehefeststellungsurteil die Anerkennung, so kann das Gericht, wenn der Streit das Bestehen der Ehe der Prozeßparteien betrifft, nach § 154 Abs. 1 ZPO auf Antrag aussetzen oder über das Bestehen der Ehe als Vorfrage selbständig befinden, letzteres stets, wenn es auf das Bestehen der Ehe in einem Verfahren unter Dritten (Erbfolge) ankommt (Stein-Jonas-Sdiönke 18 Anh. nach § 328 I I 3 d). 7
2. Ausländische Entscheidung. Eine Entscheidung im Ausland ist Voraussetzung für die Notwendigkeit des Justizverwaltungsverfahrens. Darunter sind nicht nur Entscheidungen staatlicher Gerichte (Urteile i. S. des § 328 ZPO) zu verstehen, sondern auch Entscheidungen geistlicher Gerichte (Israel) oder Behörden, sofern ihnen der ausländische Staat die Ehegerichtsbarkeit mit bürgerlichrechtlicher Wirkung deligiert hat 8 ), überhaupt durch Behörden jeder Art (vgl. klarer § 606 a Z P O : „von einer ausländischen Behörde getroffene Entscheidung"). Die Entscheidung kann mithin auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, durch Verwaltungsakt, durch Hoheitsakt des Staatsoberhaupts oder durch Sondergesetz im formellen Sinne ergangen sein9). Privatscheidung durch vertragliches oder einseitiges Rechtsgeschäft (Verstoßung, Scheidebrief) 10 ) erfordert das Justizverwaltungsverfahren, wenn der Akt durch eine ausländische Behörde mindestens registriert wird 11 ); anderenfalls entfällt das förmliche Anerkennungsverfahren 12 ) mit der Folge, daß über die Anerkennung in dem Verfahren entschieden wird, in welchem es darauf ankommt.
8
Über Auflösung der Ehe kraft Gesetzes, z. B. infolge Verschollenheit, Todeserklärung, Wiederverheiratung nach Todeserklärung, Religionswechsel, lebenslänglicher Freiheitsstrafe, wird ohne förmliches Anerkennungsverfahren nach Maßgabe des durch Art. 17 EG berufenen Rechts entschieden (Soergel-Kegel 9 Art. 17 E G Anm. 9, 43, 85).
9
Die Entscheidung muß formell rechtskräftig, d. h. nach Maßgabe des ausländischen Rechts mit einem befristeten Rechtsbehelf nicht mehr anfechtbar sein. Eine Wiederaufnahmemöglichkeit bleibt außer Betracht. Bei einer anerkennungsfähigen Privatscheidung steht es der formellen Rechtskraft gleich, wenn die rechtsgestaltende Wirkung des Rechtsgeschäfts unwiderruflich eingetreten ist. Soweit nach manchen (islamischen) Rechtsordnungen Verstoßungen unter dem Vorbehalt des Widerrufs zulässig sind, wird zu erfordern sein, daß ein Widerruf nach der Sachlage ausgeschlossen erscheint13).
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Erfordert das ausländische Scheidungsstatut zur konstitutiven Auflösung der Ehe außer einem Urteil dessen standesamtliche Registrierung (Belgien, Luxemburg, Niederlande), so muß dieser Vorschrift genügt sein 14 ).
7)
8)
») 10)
»)
Geimer N J W 1967, 1398 zu II 2 b; LG Stuttgart FamRZ 1968, 391; vgl. auch Hamburg MDR 1965, 828 (erneute inländ. Scheidungsklage) und dazu Lorenz, FamRZ 1966, 465 zu IV 3. Raape IPR« § 30 B I 2; Soergel-Kegel BGB» Art. 17 EG Anm. 84; Kleinrahm S. 14; Reinl S. 63. Vgl. Soergel-Kegel BGB» Art. 17 EG Anm. 42, 81—83; Stein-Jonas-Schönke Z P O 1 8 Anh. nach § 328 II 1. Vgl. Albers, StAZ 1951, 244; Beitzke FamRZ 1960, 126; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10; Soergel-Kegel BGB» Art. 17 EG Anm. 42. Stein-Jonas-Sdiönke ZPO 1 8 Anh. nach § 328 II 1; Jonas DR 1942, 55, 56; Reinl S. 6 6 ; Stuttgart FamRZ 1968, 390.
670
12)
Soergel-Kegel BGB» Art. 17 EG Anm. 65; a. M. Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 zu B 1 f, der Privatentscheidungen jeder Art der Feststellungskompetenz nach Art. 7 § 1 unterstellt; ebenso Maßfeller-Hoffmann PStG, vor § 3 PStG, § 5 EheG Anm. 37; zust. Dierk Müller, FamRZ 1967, 707, abl. Lauterbach ZZP 81, 306; noch anders LG Stuttgart FamRZ 1968, 391, das eine konstitutive behördliche Mitwirkung verlangt. 1S ) Kleinrahm FamRZ 1966, 10 zu B 2 ; vgl. Hamburg StAZ 1965, 249; LG Stuttgart FamRZ 1968, 391. " ) Raape IPR» § 30 B I 3; vgl. Soergel-Kegel BGB 9 Art. 17 EG Anm. 4 2 ; Erman-Marquordt BGB 3 Art. 17 EG Anm. 13 b; Reinl S. 65.
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
FamRXndG Art. 7 § 1
3. Auslandsbegriff a) Ausland ist jede Gebietshoheitsgewalt, die keine deutsche ist. Hierzu sind auch untergegangene Staaten zu redinen. Entscheidungen nichtdeutscher Gerichte und Behörden in den unter sowjetischer oder polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten sind als ausländische anzusehen 14 a). Das Saarland war stets Inland. Entscheidungen ausländischer Stellen, die ganz oder teilweise im Inland vollzogen werden, entsprechen nicht den Erfordernissen des Art. 7 und unterliegen daher nicht dem förmlichen Anerkennungsverfahren 15 ). Der Gesichtspunkt der Exterritorialität hat dabei keine Bedeutung 18 ). Bei Privatscheidungen muß sich der gesamte Vorgang (Ausstellung und Ubergabe des Scheidebriefs) im Ausland vollzogen haben; an diesem Erfordernis fehlt es, wenn einer diese Akte im Inland vorgenommen wurde 17 ).
11
b) Die DDR und der Ostsektor Berlins sind kein Ausland i. S. des Art. 7 FamRÄndG. Die Anerkennung ist daher nicht von einer förmlichen Feststellung durch die LJustizVerw. abhängig, das Feststellungsverfahren also nicht zulässig18). Hierzu hat der B G H den Grundsatz aufgestellt, daß sich niemand auf die Unwirksamkeit eines sowjetzonalen Urteils berufen kann, solange nicht im Widerspruch zu diesem Urteil durch ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichts der BRD im Verfahren nach §§ 606 ff. Z P O das Bestehen der Ehe festgestellt ist, und zwar auf eine binnen angemessener Frist zu erhebende Klage des beschwerten Ehegatten oder, wenn der Versagungsgrund des § 328 Abs. 1 N r . 4 Z P O vorliegt, des Staatsanwalts 19 ). Uber die Anerkennung wird nach Maßgabe der §§ 328, 606 a ZPO entschieden. Das Berliner G über die Vollstreckung von Entscheidungen auswärtiger Gerichte i. d. F. v. 26. 2. 53 (GVBl. 152) ist auf Ehesachen (Rdn. 14) nicht anwendbar.
12
In der D D R und im Ostsektor Berlins ist § 24 der 4. DVO-EheG durch § 26 EGFGB ersetzt worden. Das System des förmlichen Anerkennungsverfahrens durch die Justizverwaltung ist beibehalten worden. Urteile westdeutscher oder West-Berliner Gerichte wirken jedoch ohne förmliche Anerkennung, sofern nicht der Minister der Justiz auf Antrag festgestellt hat, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der Wirksamseit fehlen 20 ).
13
4. Ehesachen a) Entscheidungen in Ehesachen, die zu ihrer Wirksamkeit im Inland der Feststellung nach § 1 Abs. 1 bedürfen, sind solche, die eine Ehe für nichtig erklären, aufheben oder scheiden (trennen), und zwar sowohl dem Bande nach als auch unter Aufrechterhaltung des Ehebandes (Trennung von Tisch und Bett), oder die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe unter den Parteien feststellen, mithin nicht Entscheidungen, die eine Klage dieser Art abweisen oder zur Herstellung des ehelichen Lebens verurteilen oder vermögensrechtliche Beziehungen von Ehegatten regeln; für ihre Anerkennung gelten die allgemeinen Vorschriften 21 ). Sofern klagabweisende Urteile nach dem Recht des Urteilsstaates Wirkungen entfalten, z. B. eine dem § 616 Z P O vergleichbare Präklusionswirkung, sind sie im Inland nicht etwa "*) Lauterbadi N J W 1952, 449; Beitzke MDR 1957, 160; Kleinrahm S. 18 Fn. 30; Reinl S. 63. 15 ) Ihre Anerkennung nach Maßgabe der Vorfragenkompetenz scheitert aber an § 41 EheG. le ) Beitzke FamRZ 1959, 507. Die Gerichtsbarkeit über die Beteiligten ist natürlich Voraussetzung für die Zulässigkeit auch des Verfahrens nach Art. 7 § 1 FamRÄndG; vgl. dazu § 3 Rdn. 15 f f . und Geimer N J W 1967, 1398 zu IV 2 c. " ) K G StAZ 1966, 113 = FamRZ 1966, 149; Düsseldorf O L G Z 1966, 486 = FamRZ 1968, 87; Kleinrahm FamRZ 1966, 10 zu B 3 d ; für Ausdehnung der Zuständigkeit entgegen dem Gesetzeswortlaut Habscheid FamRZ 1967, 357
zu C I I I ; Neuhaus RabelsZ 1967, 579; kritisch Partikel, FamRZ 1969, 15. ) BGHZ 20, 323; Stein-Jonas-Schönke Z P O 1 8 Anh. nach § 328 II 2; Staudinger-Dietz BGB 11 Einl. vor § 1 EheG Rdn. 209; BaumbadiLauterbach ZPO 2 » § 328 Vorbem.; Raape IPR5 § 30 G 2. 1») B G H Z 34, 134 = FamRZ 203 = J Z 667 = N J W 874, je 1961; B G H Z 38, 1 = J Z 1963, 511 mit Anm. v. Beitzke; BGH FamRZ 1965, 36; dazu Drobnig, FamRZ 1961, 341; Beitzke, J Z 1961, 649; Heusinger FamRZ 1965, 235; Stein-Jonas-Schlosser Z P O 1 9 vor § 606 III 4 b. 20 ) Vgl. Gramzow, FamRZ 1966, 217, 220. 21 ) Beitzke D R Z 1946, 173. 1B
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Art. 7 § 1 FamRÄndG
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
unbeachtlich, sondern es ist über ihre Anerkennung im Rahmen der Vorfragenkompetenz zu befinden 22 ). Im Verfahren nach Art. 7 § 1 anerkennungsfähig sind aber klageabweisende Urteile, wenn die Klageabweisung nach dem Recht des Urteilsstaates eine rechtskraftfähige Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe enthält, z. B. wenn die Abweisung der negativen Feststellungsklage das Bestehen der Ehe feststellt 23 ). Urteile auf Trennung von Tisch und Bett sind anerkennungsfähig, wenn sie nichtdeutsche Ehegatten betreffen 21 ), anderenfalls im Inland ohne Wirkung. b) Nebenentscheidungen. Das Anerkennungsverfahren bezieht sich nur auf diejenigen Urteilswirkungen, die unmittelbar den Bestand der Ehe zum Gegenstand haben. Das sind die Gestaltungswirkung bei Ehenichtigkeits-, Eheaufhebungsurteilen und Scheidungsurteilen und die Feststellungswirkung bei Urteilen, welche das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe feststellen. Entscheidungen, welche das ausländische Gericht nebenher, wenn auch in Verbindung mit dem Urteil in der Ehesache getroffen hat, wie die Verurteilung zur Kostentragung oder Unterhaltszahlung oder die Regelung des Sorgerechts über die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder, unterliegen nicht dem Anerkennungsverfahren nach Art. 7 § 1, sondern es gelten für sie die allgemeinen Vorschriften 25 ). Für Verurteilungen zu einer Leistung bedarf es im Inland eines Vollstreckungsurteils nach §§ 722, 723 ZPO, über die Anerkennung der Sorgerechtsregelung ist im Rahmen der Vorfragenkompetenz zu befinden (vgl. § 1 Rdn. 146 ff.). Es dürfte allerdings vorauszusetzen sein, daß zuvor ein Bescheid mit Bindungswirkung nach Art. 7 § 1 Abs. 8 über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung in der Ehesache erwirkt ist 26 ), da die Entscheidung hierüber für die Nebenentscheidungen Tatbestandswirkung hat. Die Anerkennung der Entscheidung in der Hauptsache zieht aber nicht notwendig die Anerkennung auch der Nebenentscheidungen nach sich. 3. Der zeitliche Geltungsbereich erstredet sich auch auf vor dem Inkrafttreten des Art. 7 FamRÄndG und des § 24 4. DVO-EheG (1.11.1941) ergangene ausländische Entscheidungen. Auch Tod eines oder beider Ehegatten enthebt nicht von der Notwendigkeit des Feststellungsverfahrens und gestattet dem Gericht nicht, in einem Erbfolgestreit über die Anerkennung selbständig zu befinden (Rdn. 6). War jedoch am 1. 11. 1941 in einem deutschen Familienbuch (Heiratsregister) gemäß § 12 PStG 1937 auf Grund einer ausländischen Entscheidung die Nichtigerklärung, Aufhebung, Scheidung oder Trennung oder das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe vermerkt, so steht dieser Vermerk nach der Übergangsvorschrift in Art. 9 II N r . 4 FamRÄndG (ebenso bereits § 24 Abs. 3 4. DVO-EheG) einer Feststellung der Anerkennung nach Art. 7 § 1 gleich, d. h., die Wirksamkeit der Entscheidung für das Inland steht in einer Gerichte und Verwaltungsbehörden bindenden Weise fest. Der Vermerk kann auch in einem Verfahren nach § 47 PStG nicht mit der Begründung beseitigt werden, die Entscheidung hätte nicht anerkannt werden dürfen. Die Beurkundung einer Eheschließung des im Ausland geschiedenen Verlobten in der irrigen Annahme der Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung für das Inland hat diese Wirkung nicht. 6. Der persönliche Geltungsbereich wird durch § 1 Abs. 1 Satz 3 ausgeschlossen, wenn ein Gericht des Staates entschieden hat, dem beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung angehört haben. Daß auch eine inländische Zuständigkeit bestanden hätte, steht nicht entgegen (§ 606 a Nr. 1 ZPO). Der Grund der Regelung beruht darauf, daß die Anerkennung von Urteilen des Heimatstaates in der Regel unbedenklich sein wird, da § 328 Abs. 1 Nr. 1—3 entfallen und Nr. 4 nur selten vorliegen wird. Für Verwaltungsentscheidungen trifft das nicht in gleichem Maße zu; deshalb entfällt das Feststellungsverfahren nach dem eindeutigen 22
) Beitzke aaO.; Kleinrahm S. 21; Lauterbach Z Z P 81, 306; Geimer N J W 1967, 1401/1402; a. M. Jonas D R 1942, 60. 23 ) Schütze, D i e Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der B R D als verfahrensrechtliches Problem, Diss. Bonn 1960, S. 169 Fn. 156; Geimer aaO.; Wieczorek Z P O Nachtr. N II b 32 Anm. F II a 1.
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) Soergel-Kegel BGB» Art. 17 EG Anm. 86. ) Geimer N J W 1967, 1398 zu III 2 c; Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip und Scheidungsakt, 1943, S. 90; Beitzke in Festschr. f. H . Lehmann Bd. 2 S. 503, 504. 26 ) Geimer aaO. Fn. 32. 25
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FanftRKtldG Art. 7 § 1
Wortlaut nur, wenn ein Gericht des Heimatstaates entschieden hat"). Satz 3 schließt nur das förmliche Verfahren nach Art. 7 § 1 aus, berührt aber nicht die sachliche Anerkennungsfähigkeit; darüber wird nach § 328 ZPO von dem Gericht oder der Behörde in dem Verfahren, in welchem es darauf ankommt, entschieden28). Ebenso wird frei entschieden über die Vorfrage, ob das Anerkennungsverfahren gemäß Satz 3 entfällt, z. B. bei Zweifeln über die Staatsangehörigkeit"); der Beteiligte allerdings, der behauptet, daß Satz 3 nicht vorliege, z. B. weil ein Ehegatte nicht die Staatsangehörigkeit des Urteilsstaates oder (auch) die deutsche gehabt habe, kann die Entscheidung der Justizverwaltungsbehörde nachsuchen; stellt diese fest, daß Satz 3 eingreift, so weist sie den Antrag als unzulässig zurück. Diese Entscheidung ist zwar nicht nach § 1 Abs. 8 bindend, gibt aber dem Gericht den Weg für eine eigene Prüfung frei. Maßgebender Zeitpunkt für die Staatsangehörigkeit ist der Erlaß der ausländischen Entscheidung. Späterer Erwerb der deutschen oder einer dritten Staatsangehörgikeit schließt Abs. 1 Satz 3 nicht aus. Satz 3 gilt auch für Mehrstaater, die außer der Staatsangehörigkeit des Urteilsstaats noch die eines dritten haben, ausgenommen, daß dies die deutsche ist30). Wenn allerdings bei Mehrstaatern mit deutscher Staatsangehörigkeit die engeren Beziehungen zu dem Urteilsstaat der anderen Staatsangehörigkeit bestehen, dürfte es unbedenklich sein, die ausländische Entscheidung der des Heimatstaates gleichzustellen31). Bei Scheidung von Ausländern im dritten Staat greift das Anerkennungsverfahren Platz. III. Sachliche Voraussetzungen der Anerkennung
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Die sachlichen Voraussetzungen der Anerkennung sind bei Urteilen ausländischer Gerichte nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 zu beurteilen88). Von der Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 Abs. 1 Nr. 5) darf die Anerkennung nach Abs. 1 Satz 2 nicht abhängig gemacht werden. Bei ausländischen Verwaltungsakten oder Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Rdn. 7) beurteilt sich die Anerkennung nach den (geschriebenen oder ungeschriebenen) Normen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts oder Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 1 Rdn. 146 ff.). § 328 ZPO wird entsprechend anzuwenden sein, es sei denn, daß die Behörde keine Entscheidung gefällt, sondern nur Erklärungen entgegengenommen hat33). Die Anerkennung rechtsgeschäftlicher Privatscheidungen bestimmt sich nach Art. 17, 30 EGBGB. Voraussetzung der Anerkennung ist nach § 328 ZPO:
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1. Nr. 1: Internationale Zuständigkeit. Die Gerichte des Entscheidungsstaats müssen nach deutschem internationalen Zivilprozeßrecht international zuständig gewesen sein. Die Regeln hierfür sind den §§ 606—606 b ZPO zu entnehmen. Die fremde internationale Zu» ) Kleinrahm FamRZ 1966, 10 zu B 4 ; Geimer N J W 1967, 1398 zu I I I 2 a ; Stuttgart FamRZ 1968, 390; a. M. Stein-Jonas-Schönke Z P O 1 8 Anh. nach § 328 V I I 1. «>) Rosenberg, Z P R § 149 I I I 2 ; Riezler, Internationales Familienrecht Deutschlands u. Frankreichs, S. 577; Palandt Art. 17 E G Anm. 6 b bb; Raape I P R 5 § 30 Fn. 102; Soergel-Kegel Art. 17 E G Anm. 68, 78; Neuhaus, FamRZ 1957, 394; a. M. Stein-Jonas-Schönke aaO. l 9 ) a . M. Stein-Jonas-Schönke aaO. Bern. V I I 2; Jonas D R 1942, 55; Beitzke, D R Z 1946, 172. M ) Stein-Jonas-Schönke Z P O 1 8 Anh. nadi § 328 V I I 3 ; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 9 § 328 Anm. 7 B e; Celle FamRZ 1963, 365. « ) Vgl. Stuttgart FamRZ 1968, 390 (israelisdideutsAe Mehrstaater); Kegel I P R § 13 I I 5 ; vgl. auch Dierk-Müller FamRZ 1967, 707. Zur Frage, inwiefern es bei USA-Bürgern auf die
Zugehörigkeit zum Gliedstaat ankommt, vgl. Gräber, F a m R Z 1963, 493 zu I I 1; Knittel, RabelsZ 1965, 751. Zum Mehrstaaterproblem vgl. ferner § 36 Rdn. 22. 3 2 ) Dazu Lorenz, Die internationale Zuständigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung ausländischer Eheurteile in Deutschland, FamRZ 1966, 465; Kleinrahm S. 25 f f . ; Reinl, Die Anerkennung ausländ. Eheauflösungen, 1966, S. 93 f f . ; Roth, Der Vorbehalt der ordre public gegenüber fremden gerichtlichen Entscheidungen, 1968; Gesler, $ 328 Z P O , ein Beitrag zu der Lehre von der zwingenden Natur der Kollisionsnormen. 33) R G J W 1938, 1518 mit Anm. v. Maßfeller; Soergel-Kegel BGB» Vorbem. 314—316 vor Art. 7 EG, Art. 17 E G Anm. 81—83; SteinJonas-Schönke Z P O 1 8 § 328 Anm. I I I 2.
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ständigkeit setzt hiernach voraus, daß a) Deutschland nicht die ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht (§§ 606, 606 a) und b) die Gerichte des Entscheidungsstaates, die dortige Geltung der deutschen Zuständigkeitsvorschriften (§§ 606, 606 b) unterstellt, international zuständig wären. Die Zuständigkeitsregeln des Entscheidungsstaats sind hierbei ohne Bedeutung. Hieraus ergibt sich folgende Regelung 3 4 ): 21
a) International zuständig sind die Gerichte eines Staates, dem auch nur einer der Ehegatten angehört (§ 606 Z P O ) .
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b) Gehört keiner der Ehegatten dem Entscheidungsstaat an, so sind die Gerichte dieses Staates international zuständig, a ) wenn ein Ehegatte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und außerdem entweder die zu fällende Entscheidung nach dem Heimatrecht des Mannes anerkannt wird oder ein Ehegatte staaatenlos ist (§ 606 b N r . 1 Z P O ) ; ß) wenn die Ehefrau zur Zeit der Eheschließung dem Entsdieidungsstaat angehörte und sie auf Aufhebung oder Nichtigkeit der Ehe oder auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe oder der Staatsanwalt auf Nichtigerklärung der Ehe klagt (§ 606 b Nr. 2 Z P O ) .
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c) Die nach diesen Vorschriften begründete internationale Zuständigkeit ausländischer Gerichte wird durch die nach a) (§ 606 Z P O ) begründete internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgeschlossen, sofern nicht ein Fall des § 606 a Z P O vorliegt.
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Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Einleitung des ausländischen Verfahrens (perpetuatio fori); auch der Eintritt der die Zuständigkeit begründenden Verhältnisse während des Verfahrens bis zur Entscheidung reicht aus 35 ). Späterer Fortfall dieser Umstände steht der Anerkennung nicht entgegen. Außerdem aber genügt es, wenn die internationale Zuständigkeit des Entscheidungsstaats wenigstens bis zur Anerkennung eingetreten ist 3 9 ). Werden ausländische Ehegatten in einem anderen Staat als demjenigen, dessen Recht nach Art. 17 Abs. 1 E G B G B die Scheidung beherrscht, geschieden, so setzt die Anerkennung voraus, daß auch der Heimatstaat des Mannes das Urteil anerkennt 3 7 ). Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 606 a Nr. 2 Z P O , bei deren Vorliegen das Bestehen einer deutschen internationalen Zuständigkeit (§ 606 Z P O ) unschädlich ist, müssen in dem Zeitraum zwischen dem Eintritt der Rechtshängigkeit und dem Erlaß der ausländischen Entscheidung vorgelegen haben 3 8 ). D e r Hinderungsgrund der deutschen ausschließlichen internationalen Zuständigkeit entfällt nach § 606 a Nr. 3 Z P O , wenn der Beklagte die Anerkennung beantragt; dagegen bleibt auch in diesem Fall das weitere Erfordernis unberührt, daß das ausländische Gericht nach den deutschen Zuständigkeitsvorschriften (§§ 606, 606 b Z P O ) zuständig gewesen sein muß 3 9 ). Die Vorschrift des § 328 Abs. 1 N r . 1 Z P O soll unbegründeten Anmaßungen der ) Lorenz, FamRZ 1966, 465, 472. ) BayObLGZ 1967, 390 = NJW 1968, 363 mit zust. Anm. v. Geimer ebenda S. 800; Kleinrahm S. 28; Reinl S. 180; Riezler IZPR S. 534; Stein-Jonas-Pohle ZPO 18 Anh. zu § 328 IV 1 d; Rosenberg ZPR» § 149 II 1 b; Raape IPR 5 § 30 B I 1; a. M. Baumbach-Lauterbach ZPO 29 § 606 a Anm. 2 A; Wieczorek ZPO §§ 606—606 b Anm. C II b 7. 3«) Stein-Jonas-Schönke ZPO 18 Anh. nach § 328 Anm. IV 1, § 328 Anm. IV 2. •") Raape IPR 5 § 30 B II 2; Neuhaus FamRZ 1964, 18 ff.; München FamRZ 1964, 43 u. 442; a. M. Soergel-Kegel BGB 9 Art. 17 EG Anm. 73; Kleinrahm S. 41; str., vgl. zum Streitstand Reinl S. 112 ff.; Lorenz FamRZ 1966, 465, 473 ff. 3 8 ) BayObLGZ 1967, 390; zust. Geimer NJW 1968, 800; Stein-Jonas-Sdilosser ZPO 19 $ 606 a Anm. II 5. 34 35
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) KG NJW 1964, 981 = FamRZ 1964, 262; Düsseldorf OLGZ 1966, 370 = FamRZ 1966, 200 mit Anm. v. Partikel (zust.); JMB1NRW 1968, 199; Neuhaus, FamRZ 1964, 18; Lorenz FamRZ 1966, 465, 469 ff.; Kleinrahm S. 26 ff.; Reinl S. 183; Beitzke FamRZ 1967, 598; Dierk Müller RabelsZ 31 (1967), 575; ders., FamRZ 1967, 707; Drobnig FamRZ 1961, 341, 342; Erman-Marquordt BGB 4 Art. 17 EG Anm. 12 c; Stein-Jonas-Schlosser ZPO 19 § 606 Anm. I 5 b, § 606 a Anm. I ; Zöller ZPO 1 0 § 328 Anm. 5 b; Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit usw. S. 113 Fn. 81; a. M. München FamRZ 1964, 43 = StAZ 1964, 13 = NJW 1963, 1158; NJW 1964, 983 = FamRZ 1964, 442 mit abl. Anm. Neuhaus S. 511; Hoffmann-Stephan EheG2 70 vor § 41; Wieczorek ZPO §§ 606—606 b Anm. C II c 2; Lauterbach ZZP 81, 306.
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
FamRÄndG Alt. 7 § 1
internationalen Zuständigkeit entgegentreten, die auf einem Gebiet, auf welchem das deutsche Recht die Parteiautonomie sowohl im verfahrensrechtlichen als auch im kollisions- und sachlichrechtlichen Bereich ausschließt, nicht hingenommen werden können; die Parteien können daher auf die Befolgung der Vorschrift nicht wirksam verzichten 40 ). Der Hinderungsgrund besteht deshalb auch, wenn der Kläger, der das ausländische Urteil erwirkt hat, dessen Nichtanerkennung betreibt 41 ). 2. Nr. 2: Einlassung des unterlegenen deutschen Beklagten auf das ausländische Verfahren, wenn ihm die prozeßeinleitende Zustellung weder in dem Entscheidungsstaat in Person, d . h . unter Ausschluß der Ersatz- und der öffentlichen Zustellung, noch durch Gewährung deutscher Rechtshilfe durch eine deutsche Inlands- oder Auslandsbehörde zugestellt worden ist. Die Vorschrift soll die Gewährung rechtlichen Gehörs gewährleisten; sie schützt den inländischen Beklagten vor allem gegen die öffentliche Zustellung im Ausland und gegen die Zustellung an einen gerichtlich bestellten Prozeß Vertreter 42 ). Maßgebend ist der Zeitpunkt der Zustellung. Einlassung ist jede nach Maßgabe der ausländischen Verfahrensordnung ihrer Form nach beachtliche Prozeßbehandlung, mag sie auch nicht die Hauptsache, sondern z. B. die Zuständigkeit betreffen. Staatenlose mit deutschem Personalstatut (Art. 29 EG) stehen deutschen Staatsangehörigen nicht gleich, wohl aber Deutsche i. S. des Art. 116 Abs. 1 GG (Art. 9 II N r . 5 FamRÄndG 4 3 ). Der Hinderungsgrund ist verzichtbar 44 ), aber keine Heilung nach § 187 ZPO. In dem bloß stillschweigenden Hinnehmen der Entscheidung kann ein Verzicht nicht gesehen werden; ein Verzicht liegt jedenfalls in dem Anerkennungsantrag des Beklagten und in der Eingehung einer neuen Ehe. Das Recht zum Verzicht ist höchstpersönlich und kann deshalb nicht auf die Erben übergehen.
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3. Nr. 3: Kollisionsrechtliche Benachteiligung einer deutschen Partei. Das ausländische Urteil darf eine deutsche Partei durch Anwendung eines anderen Rechts nicht ungünstiger stellen, als sie bei Anwendung des vom deutschen IPR berufenen Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung (Art. 13, 17, 27 EG) stehen würde, gleichgültig, ob das fremde Recht nach den Gesetzen des Entscheidungsstaats mit Recht oder zu Unrecht angewendet worden ist. Hierbei kommt es nicht auf eine Nachprüfung der Rechtsanwendung an, sondern auf einen Vergleich des Ergebnisses der ausländischen Entscheidung mit einem hypothetischen inländischen Rechtsstreit; die unrichtige Anwendung deutschen Rechts steht der Anwendung fremden Rechts nicht gleich 44 a). Die Anerkennungsbehörde ist auf die in der ausländischen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht beschränkt; es sind vielmehr unabhängig hiervon alle bei der Anwendung deutschen Rechts in Betracht kommenden Tatsachen festzustellen. Die Parteien können auch Tatsachen vortragen, die in dem Verfahren vor dem ausländischen Gericht nicht vorgebracht worden sind, sofern sie dort hätten vorgetragen werden können 45 ). Wegen deutscher Staatsangehörigkeit vgl. Rdn. 25. Für die Frage, ob die Abweichung der deutschen Partei zum Nachteil i. S. des § 328 Abs. 1 N r . 3 Z P O gereicht, kommt es nicht auf deren subjektive Meinungen oder die im ausländischen Verfahren gestellten Anträge an, sofern im Hinblick auf die zwingende Natur des Scheidungsrechts darauf, ob die Nichtanwendung des deutschen Rechts zum Nachteil des Beklagten zu einer Erleichterung der Scheidung, zum Nachteil des Klägers zu ihrer Erschwerung geführt
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) Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 328 Anm. I 1; Baumbach-Lauterbach Z P O 2 8 § 328 Anm. 1 C ; Kleinrahm S. 32; Reinl S. 187; a. M. beiläufig (lapsus linguae?) B G H Z 34, 134, 143. 41 ) Vgl. Rdn. 34; a. M. Geimer N J W 1968, 800 zu 3. « ) Riezler I Z P R S. 535; Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 328 Anm. V 3 a. Vgl. zu den Erfordernissen der Zustellung R G J W 1936, 2456; K G J W 1936, 3334; Celle StAZ 1962, 10. « ) Vgl. Stein-Jonas-Sdiönke § 328 Bern. V, Anh. nach § 328 Bern. IV 2; Baumbach $ 328 Anm.
3; Beitzke, FamRZ 1966, 638 zu 2 (ungar. Flüchtlinge). ) Celle FamRZ 1963, 365; Kleinrahm S. 32; Reinl S. 185; Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 328 Anm. 5; Wieczorek Z P O § 328 Anm. E II a; KG 1 VA 3/68. 44 *) Vgl. BayObLGZ 1967, 263 zu II 2. 45 ) Stein-Jonas-Pohle Z P O 1 8 § 328 Anm. VI, Anh. nach § 328 Anm. IV 3; vgl. Staudinger-Raape BGB» S. 262 f f . zu Art. 13 EG, S. 408 ff. zu Art. 17 E G ; Riezler IZPR S. 528; B G H Z 38, 1, 5. 44
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hat 48 ). Da die Anwendung des Scheidungsrechts der Parteiautonomie entzogen ist, is'; der Hinderungsgrund der Nr. 3 auch für die benachteiligte Partei unverzichtbar47). 27
4 Nr. 4: Wahrung des deutschen ordre public. Die Anerkennung darf nidit gegeu die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen. Für einen Verstoß fjegen die guten Sitten sind die zu §§ 138, 817, 826 BGB entwickelten Wertungen maßgehend. Hierbei kommt es wesentlich auf die Stärke der Inlandsbeziehung an, die entweder eine persönliche (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, Aufenthalt) oder eine ortsbezogene (Ort 1 der Vornahme) sein kann48). Je schwächer die Inlandsbeziehung ist, »im so weniger greift der Vorbehalt des ordre public ein. Scheidungen auf einseitiges oder einverständliches "^erlangen ohne sachliche Voraussetzungen sind z. B. nicht zu beanstanden, wenn sie im Heimatstaat der Eheleute vorgenommen werden4'); anders, wenn die Ehe deutscher Eheleute im Ausland auf diese Weise geschieden wird®4). Auslandsscheidungen deutscher Eheleute erfordern nach § 41 EheG, dem auch kollisionsrechtlicher Gehalt zukommt, stets ein Urteil 51 ). Die Anerkennung ausländischer Privatscheidungen bestimmt sich nach Art. 17, 30 EGBGB. Ist an der nach dem maßgeblichen fremden Scheidungsstatut (Art. 17 Abs. 1 EGBGB) zulässigen ausländischen Privatscheidung eine deutsche Frau beteiligt, so ist die Anerkennung nicht schlechthin in jedem Falle zu versagen; es kommt auf eine Würdigung der Umstände an52). Der Sittenverstoß kann nicht nur in der Unsittlidikeit der Rechtsfolge, sondern auch in der Art des Zustandekommens der Entscheidung liegen, z. B. bei groben Verfahrensmängeln, insbesondere einer Versagung des rechtlichen Gehörs53). Bei Zuständigkeitserschieichung liegt in der Regel der Versagungsgrund des § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor54). Ein Verstoß gegen den Zwede eines deutschen Gesetzes liegt vor, wenn der Unterschied zwischen dem fremden und dem inländischen Recht politisch und sozial so erheblich ist, daß die Anerkennung die Grundlagen des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens angriffe55). Dazu genügt nicht schon die Abweichung von einem zwingenden Satz des deutschen Rechts, da der Gesetzgeber durch die Verweisung auf fremdes Recht diese Folge in Kauf nimmt, auch nicht allein die Unvereinbarkeit des ausländischen Rechts mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung5®) oder die unrichtige Anwendung deutschen Rechts durch das ausländische Gericht57). Es kommt nicht darauf an, ob der angewandte Rechtssatz als solcher und bei allgemeiner Geltung in Deutschland anstößig wäre, sondern darauf, ob seine Anwendung im Einzelfall im Hinblick auf die deutsche Rechtsordnung schlechthin untragbar ist58). Darunter fällt eine schweizerische Eheschuldstrafe5»),
«) Gamillscheg, Festsdir. f. Dölle, 1963, Bd. 2 S. 301; Neumeyer J W 1928, 2027; vgl. KG IPRspr. 1931 Nr. 146; VHG Stuttgart FamRZ 1955, 178; Kleinrahm S. 33; Neuhaus FamRZ 1964, 18 Fn. 43. Nach anderer Meinung soll es an einem Nachteil fehlen, wenn das Urteil nach dem Ubereinstimmenden Antrag beider Parteien ergangen ist: RGZ 121, 24, 30 mit abl. Anm. v. Neumeyer JW 1928, 2026; BayObLGZ 1967, 263; Staudinger-Raape BGB» Art. 17 EG Anm. G 4; dahingestellt gelassen in BGH FamRZ 1958, 180. " ) Stein-Jonas-Pohle ZPO 1 8 § 328 I 1; Neuhaus FamRZ 1964, 18 zu I I I 3 c; Kleinrahm S. 33; RGZ 36, 381, 384; BGH FamRZ 1958, 180, 183; Celle FamRZ 1963, 365; a. M. Reinl S. 187; beiläufig BGHZ 34, 134, 143. « ) Vgl. Staudinger-Raape BGB» Art. 30 EG Anm. D III 3; Raape IPR 5 § 19 A IV. 4») RG J W 1938, 1518. 5 °) RGZ 136, 142 = J W 1932, 2274 mit Anm. v. Raape; KG J W 1937, 1977 mit Anm. v. Maßfeller; dahingestellt gelassen in BayObLGZ 4
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1967, 390 zu II 6; dazu näher Kleinrahm S. 37 f.; Kegel IPR 2 § 20 IV 3 c. Vgl. Beitzke FamRZ 1959, 507; Kleinrahm FamRZ 1966, 10, 14. Raape IPR 5 § 30 V 2 b; Gamillscheg Festschrift f. Nipperdey, 1965, Bd. 1 S. 339; Kleinrahm FamRZ 1966, 10, 15. Wieczorek ZPO § 328 Anm. E IV b 2; Baumbach-Lauterbadi ZPO 2 8 § 328 Anm. 5 B ; Frankfurt FamRZ 1968, 85. Vgl. Soergel-Kegel BGB» Art. 17 EG Anm. 74, 117, 118; ferner Raape I P R 5 S 19 A IV. RGZ 93, 182; 169, 245; BayObLGZ 1967, 218 zu II 2 und 390 zu II 6. BGH J Z 1965, 99; Kegel I P R 2 S. 183 ff.; Kleinrahm S. 35 f. BayObLGZ 1967, 263. RGZ 150, 283; KG FamRZ 1963, 45; Kegel IPR 2 § 16 IV 2; Palandt-Lauterbach BGB 2 8 Art. 30 EG Anm. 2; Erman-Marquordt BGB 4 Art. 30 EG Anm. 2; Kleinrahm FamRZ 1966, 10, 15. Königsberg H R R 1940 Nr. 499.
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
F a m R Ä n d G Art. 7 § 1
nicht schon ein Versäumnisverfahren im Eheprozeß 60 ). Der Hinderungsgrund der Nr. 4 ist unverzichtbar. i. Staatsverträge berühren nicht die Notwendigkeit des Anerkennungsverfahrens, sondem nur die sachlichen Voraussetzungen der Anerkennung (Stein-Jonas-Schönke Anh. nach § 328 V 2; a. M. Wieczorek, Z P O § 328 Nachtr. N II b 32 Bern. F I). Sie bestehen in Ehesachen mit der Schweiz (Abk. v. 28. 7. 30, RGBl. II 1066, nebst AusfVO v. 23. 8. 30, RGBl. II 1209, Art. 3, 4), Italien (Abk. v. 9. 3. 36, RGBl. 1937 II 145, mit AusfVO v. 18. 5. 37, RGBl. II 143, Art. 3, wieder in Kraft seit 1. 10. 52, Bek. v. 23. 12. 52, BGBl. 986), Belgien (Abk. v. 30. 6. 58, BGBl. 1959 II 766, mit AusfG v. 26. 6. 59, BGBl. I 425, Bek. v. 23. 11. 60, BGBl. II 2408, Art. 2, 4, 5), Großbritannien (Abk. v. 14. 7. 60, BGBl. 1961 II 302, mit AusfG v. 28. 3. 61, BGBl. I 301, Bek. v. 28. 6. 61, BGBl. II 1025, Art. 2, 3, 4 Buchst, c, Unterzeichnungsprotokoll), Griechenland (Vertr. v. 4. 11. 61, BGBl. 1963 II 109, mit AusfG v. 5. 2. 63, BGBl. I 129, 766, in K r a f t seit 18. 9. 63, BGBl. II 1278), Art. 2, 4 Abs. 2, und den Niederlanden (Vertr. v. 30. 8. 62, BGBl. 1965 II 26, mit AusfG v. 15. 1. 65, BGBl. 1965 I 17, 1040, in K r a f t seit 15. 8. 65, BGBl. 1965 II 1155). Auszugsweiser Abdruck bei Baumbach 29 Anh. nach § 723.
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IV. Verwaltungsverfahren.
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1. Sachliche Zuständigkeit. Sachlich zuständig ist die Landesjustizverwaltung, also der Minister oder das Staatsministerium der Justiz eines der Länder der Bundesrepublik, in Berlin der Senator für Justiz, in Hamburg die Senatskommission für die Justizverwaltung, in Bremen der Senator für Justiz und Verfassung. Uber die Aussdiließlichkeit dieser Zuständigkeit s. Rdn. 6 und darüber, daß sie sich nicht auf die Vorfrage erstreckt, ob es des förmlichen Feststellungsbescheides bedarf, Rdn. 17. 2. örtlich zuständig ist nach Abs. 2 die Justizverwaltung des Landes, in dem einer der Ehegatten, unter denen die anzuerkennende Entscheidung ergangen ist, also nicht notwendig der Antragsteller, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieser Begriff ist erläutert bei § 45 Rdn. 8. Auf den Wohnsitz im Rechtssinne kommt es nicht an. Schlichter Aufenthalt genügt nicht. Haben beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Ländern der BRD, so ist jede der beiden Justizverwaltungen örtlich zuständig. Da aber die Entscheidung nur einheitlich ergehen kann, wird anzunehmen sein, daß das Tätigwerden der zuerst angerufenen Justizverwaltung die Zuständigkeit der anderen ausschließt (vgl. § 4 FGG) 61 ). Eine Zuständigkeitsvereinbarung ist nicht zulässig.
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Hat keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, also im Geltungsbereich des Gesetzes (Maßfeller, StAZ 1961, 302), so kommt es darauf an, ob einer von ihnen eine Eheschließung im Inland beabsichtigt. Zuständig ist alsdann die Justizverwaltung des Landes, in dem die neue Ehe geschlossen werden soll. Hierfür ist der Amtssitz des Standesbeamten maßgebend. Das kann ein nach § 15 Abs. 2, 3 EheG zuständiger oder ein von diesem nach § 15 Abs. 4 EheG ermächtigter Standesbeamter sein. Ermächtigt z. B. der Standesbeamte des Standesamts I in Berlin den Standesbeamten in Köln mit der Eheschließung, so ist die Justizverwaltung von Nordrhein-Westfalen örtlich zuständig.
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Die zentrale Zuständigkeit des Senators f ü r Justiz von Berlin ist nach Abs. 2 Satz 3 gegeben, wenn die Zuständigkeit einer anderen Justizverwaltung nicht begründet ist, also wenn keiner der Ehegatten lebt oder keiner von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und eine Eheschließung im Inland nicht beabsichtigt ist. Diese Zuständigkeit gilt auch dann, wenn das Bedürfnis für die Anerkennung im Bereich einer anderen Landesjustizverwaltung hervortritt oder der antragstellende Nicht-Ehegatte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
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LG Dresden JW 1935, 3493.
" ) Zust. Kleinrahm S. 60; Geimer NJW 1967, 1398 zu IV 1 b.
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Art. 7 § 1 FamRÄndG
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
3. Antrag. Ein Antrag ist notwendige Voraussetzung des Verwaltungsverfahrens. Der A n t r a g bedarf keiner besonderen Form und ist an keine Frist gebunden. Anwaltszwang besteht nicht. Der Antrag muß die Entscheidung bezeichnen, um die es geht, und angeben, ob die Anerkennung oder Nichtanerkennung (Abs. 7) erstrebt wird. Der Antrag kann ohne Einwilligung eines Gegners zurückgenommen werden, nach der Entscheidung der Verwaltungsbehörde nur, wenn das Gericht zulässigerweise angerufen worden ist (vgl. auch Rdn. 50). 34
4. Antragsberechtigung. Antragsberechtigt ist jeder, der ein rechtliches Interesse an der Anerkennung oder Nichtanerkennung (Abs. 7) glaubhaft macht (Abs. 3). Das Interesse ist ein rechtliches, wenn es auf einem Rechtsverhältnis des Antragstellers zu einer anderen Person beruht, welches durch die Anerkennung oder Nichtanerkennung beeinflußt wird (§ 57 Rdn. 6). Ein solches Interesse hat jeder der (früheren) Ehegatten. Auch der Ehegatte, der das Scheidungsurteil erwirkt hatte, kann die Nichtanerkennung betreiben 62 ), während umgekehrt die in dem ausländischen Verfahren unterlegene Partei nunmehr die Anerkennung beantragen kann. Zu Lebzeiten beider Ehegatten wird der Kreis dritter Personen, denen ein rechtliches Interesse zuzubilligen ist, wegen der persönlichkeitsbezogenen N a t u r der Angelegenheit eng zu ziehen sei. In Betracht kommt ein Kind der im Ausland geschiedenen Ehefrau, welches bis zur Anerkennung der ausländischen Entscheidung im Inland als Kind des geschiedenen Mannes gilt (Rdn. 5), der neue Ehegatte des im Ausland geschiedenen Ehegatten, nicht aber der Verlobte, der mit dem im Ausland Geschiedenen die Ehe schließen möchte, oder der präsumtive Erbe eines lebenden Ehegatten. Nach dem Tode eines Ehegatten erweitert sich der Kreis der Antragsberechtigten auf dessen Erben oder Erbeserben, deren Erbrecht von der Anerkennung oder Nichtanerkennung abhängt. Ein rechtliches Interesse hat auch der Sozialversicherungsträger, dessen Leistungspflicht von dem Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe abhängt 8 3 ). Dagegen ist das Interesse der Staatsanwaltschaft kein rechtliches; sie steht in keinem Rechtsverhältnis zu den Parteien des ausländischen Verfahrens, welches durch die Anerkennung oder Nichtanerkennung berührt werden könnte; die Antragsbefugnis müßte ihr, wie in § 24 EheG, gesetzlich verliehen sein, was nicht geschehen ist 64 ). Kein Antragsrecht hat die Behörde (Standesamt) oder das Gericht, für deren Entscheidung es auf die Anerkennung oder Nichtanerkennung ankommt; sie können das Verfahren nur aussetzen (Rdn. 6). Auch dem Finanzamt wird schwerlich ein Antragsrecht eingeräumt werden können.
gg
D e r Antragsteller hat sein rechtliches Interesse darzulegen und glaubhaft zu machen. Trotz Glaubhaftmachung muß der Antrag wegen fehlender Antragsberechtigung zurückgewiesen werden, wenn sich ergibt, daß ein rechtliches Interesse in Wahrheit nicht besteht oder bis zur Entscheidung fortgefallen ist.
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Eine Verwirkung des Antragsrechtsss) in dem Sinne, daß bereits die verfahrensrechtliche Befugnis zur A n r u f u n g der Behörde (wegen des Gerichts vgl. Rdn. 48) ausgeschlossen würde und der Antrag demnach unzulässig wäre, kann es nidit geben (vgl. Vorbem. vor § 8 Rdn. 15). Die Erfahrung hat gezeigt, daß Anträge auf Anerkennung oder Nichtanerkennung o f t erst nach Jahrzehnten gestellt werden, weil die Frage erst jetzt, z. B. anläßlich eines Erbfalls, erheblich wird. Der Gesetzgeber hat daher das Antragsrecht mit Recht nidit befristet; es geht nicht an, eine Befristung gleichwohl mit allgemeinen Erwägungen einzuführen.
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Ein Rechtsschutzinteresse könnte nur fehlen, wenn der Antragsteller sein Ziel, nämlich Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung, auch auf anderem Wege erreichen könnte; da es hieran wegen der Ausschließlichkeit des Verfahrens fehlt, begründet schon die Antragsberechtigung ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse. N u r das Antragsrecht könnte 6!
) BGH LM Art. 19 GG Nr. 21 = NJW 1958, 831 = FamRZ 1958, 180; BayObLGZ 1967, 390 = NJW 1968, 363. 63 ) Jonas, DR 1942, 60; Kleinrahm S. 61 Fn. 164; Geimer NJW 1967, 1398 zu IV 2 b. Vgl. zu § 16 Abs. 2 Buchst, c VerschG BGHZ 44, 83.
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es
A. M. Habscheid FamRZ 1963, 6 zu I 2 a; Kleinrahm S. 61; Geimer aaO. ) Erwogen in BayObLGZ 1967, 390.
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F a m R Ä n d G Ali. 7 § 1
entfallen, wenn nach der Sachlage die Anerkennung oder Nichtanerkennung auf die Reditsverhältnisse des Antragstellers ohne Einfluß ist. 5. Verfahren der Verwaltungsbehörde. Das Verfahren der Behörde richtet sich, soweit es nicht in Art. 7 FamRÄndG geregelt ist, nach den landesrechtlichen Vorschriften für das Verwaltungsverfahren vgl. für Berlin VwVerfG v. 2. 10. 58 (GVB1. 951) §§ 1 Abs. 4, 4—6, 16; für Bremen VwVerfG i. d. F. v. 1. 4. 60 (GVB1. 37) § 1 Abs. 2. Das Verfahren wird zweckmäßig und ohne Bindung an Formen durchgeführt. Dem Antragsteller kann die Beibringung von Unterlagen aufgegeben werden"). Im übrigen ist der Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Zeugniszwang kann die Behörde allerdings nicht ausüben, auch darf sie Zeugen nicht eidlich vernehmen, und ebenso fehlt ihr die Zuständigkeit zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen17). In Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigung ist die Behörde auch nidit berechtigt, ein Gericht im Wege der Rechtshilfe um die Vernehmung und Beeidigung von Zeugen zu ersuchen (vgl. § 2 Rdn. 3). Ist eine für die Anerkennung erhebliche Tatsache nach Erschöpfung aller zugänglichen Beweismittel nicht erweislich, so trifft die objektive Feststellungslast den Beteiligten ohne Rücksicht auf seine Verfahrensrechtliche Stellung, der die Anerkennung betreibt88). Anhörung vorhandener Antragsgegner durch Gewährung von Gelegenheit zur Äußerung ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs geboten"). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist auch von den Verwaltungsbehörden zu beachten, wenn feststellende streitentsdieidende Verwaltungsakte in einem geregelten Verfahren nach Aufklärung des Sachverhalts ergehen70). Als Antragsgegner hinzuzuziehen ist jeder, dessen rechtliches Interesse an der Entscheidung dem des Antragsstellers zuwiderläuft, also der andere Ehegatte und jeder, der für die Stellung eines Antrags mit entgegengesetztem Ziel antragsberechtigt wäre (Rdn. 34). Anspruch auf rechtliches Gehör haben insbesondere der neue Ehegatte, der im Falle der Nichtanerkennung Gefahr läuft, als in Doppelehe lebend zu gelten, sowie im Feststellungsstreit um das Bestehen der Ehe die aus der Verbindung hervorgegangenen Abkömmlinge, deren Status als eheliche Kinder in Frage steht71). Nach dem Tode eines Ehegatten sind zu hören die Erben, deren Erbrecht im Falle der Nichtanerkennung eines Scheidungsurteils geschmälert würde. 6. Entscheidung der Verwaltungsbehörde a) Entscheidungssatz. Die Entscheidung kann lauten auf a) Zurückweisung des Antrags als unzulässig, z. B. wegen örtlicher Unzuständigkeit oder fehlender Antragsberechtigung oder weil es nach § 1 Satz 3 einer Feststellung nicht bedarf (Rdn. 17); ß) Zurückweisung des Antrags als unbegründet, wenn es an den sachlichen Voraussetzungen für die beantragte Feststellung der Anerkennung oder Nichtanerkennung fehlt. Die Behörde ist auf die Zurückweisung des Antrags beschränkt; sie darf nicht etwa von Amts wegen die dem Antrage entgegengesetzte Feststellung treffen, wie die Regelung des Rechts zu dem Antrage auf gerichtliche Entscheidung in Abs. 5 Satz 1, Abs. 7 zeigt; Y) Feststellung, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen (Abs. 5); 8) Feststellung, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht vorliegen (Abs. 7). Ist im ausländischen Entscheidungsstaat oder in einem dritten Staat oder gar trotz fehlender Anerkennung im Inland bereits eine neue Ehe geschlossen worden, so steht dieser Um" ) Baden-Württemberg Erl. d. M d J v. 9. 11. 61 (GABI. 639 = StAZ 1962, 5 ) ; SchleswigHolstein RdErl. d. I M v. 30. 10. 57 (ABl. Sdil.-H. 403) i. d. F. v. 28. 12. 61 (ABl. 1962, 24 = StAZ 1962, 41). • 7 ) Kleinrahm S. 62 unter Hinweis auf B G H S t . 2, 220. ° 8 ) Vgl. Riezler I Z P R S. 525; Schütze (Fn. 23) S. 2 5 / 2 6 ; Gamillscheg, Festschr. f. Dölle, 1963, Bd. 2 S. 303; Kleinrahm S. 62 Fn. 106; R a a pe IPR6 § 19 A I I .
" ) Kleinrahm S. 62; Geimer N J W 1967, 1398 zu I V 3 b; Schütze (Fn. 23) S. 44. 7 0 ) Maunz-Dürig G G Art. 103 Rdn. 92. 7 1 ) Vgl. BVerfGE 21, 132; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, §§ 17, 18, 19; ders., J Z 1967, 431; Stein-JonasSchlosser Z P O 1 8 I V 2 vor § 606; a. M. BayO b L G Z 1966, 303 = FamRZ 1966, 639 mit abl. Anm. v. Grunsky.
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stand, selbst wenn das nach Art. 13 EG maßgebende Redit die neue Ehe anerkannt, der Nichtanerkennung der Auflösung der früheren Ehe nicht entgegen; Str., vgl. Raape IPR 5 § 30 B I 4. b) Ein Ermessen steht der Behörde nicht zu; die Entscheidung ist ein gesetzesgebundener Verwaltungsakt78). Sie ist deklaratorisch, nicht konstitutiv73). Anerkennung bedeutet, daß der anerkennende Staat der Entscheidung für sein Rechtsgebiet dieselbe rechtliche Bedeutung beimißt wie der Entscheidungsstaat74); die Entscheidung darf daher nicht inhaltlich geändert, z. B. nur mit Wirkung ex nunc anerkannt werden, wenn sie Wirkung ex tunc hat, oder ergänzt werden, z. B. durch Beifügung eines Schuldausspruchs. Eine klarstellende Erläuterung ist möglich75). Die Anerkennung wirkt auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung zurück (Rdn. 5). c) Eine Begründung der Verfügung ist nicht vorgeschrieben; aus rechtsstaatlichen Gründen ist sie aber angebracht, wenn der Antrag zurückgewiesen oder ihm gegen den Widerspruch eines Beteiligten stattgegeben wird. Ob eine Rechtsmittelbelehrung beizufügen ist, richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren; § 58 VwGO gilt nicht; ihr Fehlen hat keine verfahrensrechtlichen Folgen.
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d) Die Wirksamkeit einer feststellenden Entscheidung (Rdn. 41, 42) tritt für alle Beteiligten mit der Bekanntmachung an den Antragsteller ein (Abs. 5 Satz 2). Eine Bekanntgabe an die übrigen im Verfahren aufgetretenen Beteiligten ist außerdem geboten, aber für das Wirksamwerden der Entscheidung ohne Bedeutung. Förmliche Zustellung ist nicht erforderlich, da keine Frist in Lauf gesetzt wird. Da der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unbefristet ist (Rdn. 48), konnte das Wirksamwerden nicht von dem Eintritt der formellen Rechtskraft abhängig gemacht werden. Jedoch kann die Behörde den Eintritt der Wirksamkeit dadurch aufschieben, daß sie in der Entscheidung eine Frist bestimmt, nach deren Ablauf die Entscheidung wirksam wird (Abs. 5 Satz 3). Das kommt nadi dem Ermessen der Behörde in Betracht, wenn einerseits mit einer Anrufung des OLG, andererseits mit einer baldigen Eheschließung zu rechnen ist oder die Entscheidung einen Erbrechtsstreit beeinflußt und ein Erfolg der Anrufung des OLG nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Die Frist darf nicht länger bemessen werden, als es zur Anrufung des OLG und zur Erwirkung einer einstweiligen Anordnung nach § 24 Abs. 3 FGG (Rdn. 52) angemessen erforderlich ist. Die Behörde kann die Frist auf Antrag abkürzen oder sie vor ihrem Ablauf verlängern, jedoch eine unterlassene Fristbestimmung nidit nach dem Wirksamwerden der Entscheidung nachholen.
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V. Gerichtliches Verfahren
1. Sachliche Zuständigkeit. Sachlich zuständig ist ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts als Gericht erster und letzter Instanz (§ 1 Abs. 4, 5 Satz 1, 6, Satz 3 mit § 30 Abs. 1 Satz 1 FGG). Gemäß Abs. 6 Satz 4 mit § 199 Abs. 1 FGG kann der Landesgesetzgeber die Entscheidung einem der mehreren OLG des Landes oder einem obersten Landesgericht zuweisen. Auf Grund dieser Ermächtigung ist in Bayern seit dem 1. 7. 1965 die Zuständigkeit des BayObLG begründet worden (Art. 23 Nr. 3 BayAGGVG i. d. F. des Art. 75 Nr. 3 BayRiG v. 26. 2. 65. GVB1. S. 13). In Berlin ist das Kammergericht zuständig. Die Entscheidung des OLG (ObLG) ist endgültig (Abs. 6 Satz 5). Es findet mithin kein Rechtsmittel statt. Auch eine Vorlegungspflicht entsprechend § 28 Abs. 2 FGG besteht abweichend von § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG nicht78); der Bundesgerichtshof ist daher in keinem Falle zur Entscheidung berufen. ) Satter, Z A k D R 1942, 133; Maßfeiler, D R 1941, 2541; Riezler I Z P R S. 514. Beitzke, D R Z 1946, 172; Riezler S. 515. 7 4 ) Riezler, I Z P R S. 512; Klaus Müller ZZP 79 (1966), 199, 221. 7 5 ) Stein-Jonas-Schönke Anh. nach § 328 V I I I 3. 7 «) K G N J W 1964, 981 = FamRZ 1964, 262 = StAZ 1965, 45; München N J W 1964, 983 = FamRZ 1964, 442; Düsseldorf O L G Z 1966, 72
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370; Keidel 31 vor § 19; a. M. Lent-Habscheid4 § 11 I 3 ; ein Redaktionsversehen, wie Habscheid aaO. meint, liegt nicht vor; vielmehr wurde die Frage in den Gesetzesvorarbeiten erwogen, aber die Meinung vertreten, daß der B G H mit diesen Angelegenheiten nicht befaßt werden solle ( K G a a O . ) ; das mag man bedauern, die Gerichte können sich aber nicht darüber hinwegsetzen.
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FSITlRÄftdG Alt. 7 § 1
2. örtlich zuständig ist das O L G (ObLG), in dessen Bezirk die Landesjustizverwaltung, deren Entscheidung angefochten wird, ihren Sitz hat (Abs. 6 Satz 2). Es ist daher f ü r jedes Land nur ein O L G zuständig.
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3. Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der Antrag kann schriftlich durch Einreichung einer Antragsschrift bei dem O L G oder durch Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle des O L G gestellt werden (Abs. 6 Satz 4 mit § 21 Abs. 2 FGG). Erklärung zur Niederschrift eines Beamten der LJVerw. oder der Geschäftsstelle eines A G ( § 1 1 FGG) erfüllt die Schriftform. Für die Form der Antragsschrift gelten die Bern, zu § 21. Anwaltszwang besteht nicht. Der Antrag ist an keine Frist gebunden (BT-Drudss. 530/ 58 S. 33). Der Antrag wird durch eine inzwischen im Vertrauen auf die Anerkennung geschlossene Ehe nicht unzulässig (Maßfeller, StAZ 1961, 303), obwohl die neue Ehe bei Aufhebung des Anerkennungsbesdieides vernichtbar ist (§§ 20, 23 EheG). Das Vertrauen auf die Anerkennung wird nicht geschützt 77 ). Wird aber der Antrag unter diesen Umständen erst nadi geraumer Zeit gestellt, so kann Verwirkung vorliegen (§ 21 Rdn. 20). Z w a r kann grundsätzlich das Recht zur Anrufung des Gerichts nicht verwirkt werden (Vorbem. vor § 8 Rdn. 15); die Bedenken dagegen entfallen aber, wenn bereits eine unparteiische Behörde durch einen streitentscheidenden feststellenden Verwaltungsakt nach Aufklärung des Sachverhalts und Anhörung der Beteiligten entschieden hat. Der Antrag kann auf neue Tatsachen u n d Beweise gestützt werden (Abs. 6 Satz 4 mit § 23 FGG).
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4.
Antragsberechtigung
Das Recht zu dem Antrage
auf gerichtliche Entscheidung steht zu:
a) wenn der Vornahmeantrag (auf Anerkennung oder auf Nichtanerkennung) von der Behörde als unzulässig oder als unbegründet zurückgewiesen worden ist (Rdn. 39, 40), nur dem Antragsteller (Abs. 4, 7). Ein anderer Beteiligter kann die Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Grundsatz des § 20 Abs. 2 F G G nicht anfechten, auch wenn er zur Stellung des Vornahmeantrags gemäß den Bern, zu Rdn. 34 berechtigt gewesen wäre; es bleibt ihm unbenommen, seinerseits einen Antrag bei der Behörde zu stellen.
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b) Wenn der Vornahmeantrag (auf Anerkennung oder Nichtanerkennung) Erfolg gehabt hat, steht das Recht zur A n r u f u n g des Gerichts jedem Ehegatten zu, der Antrag nicht gestellt hat (Abs. 5 Satz 1, Abs. 7). Diese Regelung ist weder erschöpfend noch erlaubt sie seinen U m kehrschluß. Allenfalls wird man daraus folgern können, d a ß der Ehegatte oder Nicht-Ehegatte, dessen Antrag Erfolg hatte, den Rechtsbehelf nicht hat, etwa um den Antrag zurückzunehmen, obwohl auch dagegen im Hinblick auf die Grundsätze f ü r die Beschwer in Ehesachen 78 ) Bedenken bestehen. Lebt zur Zeit der Entscheidung der Verwaltungsbehörde keiner der Ehegatten oder derjenige von ihnen nicht mehr, der den Antrag nicht gestellt hat, so muß das Recht zur A n r u f u n g des Gerichts jedem zustehen, der ein rechtliches Interesse i. S. des Abs. 3 (Rnd. 34) an der Aufhebung der Entscheidung h a t ; ein nur berechtigtes Interesse (so Maßfeller, StAZ 1961, 303) reicht nicht aus. Dasselbe m u ß aber auch zu Lebzeiten des Ehegatten gelten, der den Antrag nicht gestellt hat. Ersichtlich m u ß auch das Kind der im Ausland geschiedenen Frau, dessen Ehelichkeit von der Anerkennung oder Nichtanerkennung abhängt (Rdn. 5) oder der neue Ehegatte wie zur Stellung des Antrags bei der Behörde (Rdn. 34), so auch zur Anrufung des Gerichts berechtigt sein. Das gebietet der durch Art. 19 Abs. 4 G G erforderte Rechtsschutz. Abs. 5 Satz 1 schließt also das Anfechtungsrecht Dritter zu Lebzeiten des Ehegatten, der den Antrag nicht gestellt hat, nicht aus 7 *); die scheinbare Dis-
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" ) Str., vgl. Raape IPR 5 § 30 B I 4; nadi Ramm, JZ 1963, 81 zu V 1 e nötigt das Ordnungsprinzip des Art. 6 GG nadi Schließung einer neuen Ehe zur Zurückhaltung bei der Nichtanerkennung ausländischer Scheidungsurteile. 7S ) Vgl. Baumbadi-Lauterbach ZPO1» Ubers. 4 B vor § 606; Stein-Jonas-Grunsky ZPO'» Einl.
V 3 vor $ 511; vgl. audi oben § 20 Rdn. 20. Die Antragsbefugnis des erfolgreichen Antragstellers verneint grundsätzlich Bremen OLGZ 1966, 373, 375. So audi Finke, FamRZ 1958, 410; a. M. anscheinend Maßfeller aaO. 681
Art. 7 § 1 FamRXndG
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
krepanz zwischen Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 beruht darauf, daß Abs. 3 erst vom Rechtsausschuß eingefügt worden ist (BT-Drucks. 2812/61 S. 25, zu 2812 S. 10/11). Hierbei gebührt dem Abs. 3 das Übergewidit, weil das Recht zur Anrufung des Gerichts in demselben Umfange gewährt werden muß wie in Abs. 3 das Antragsrecht. Damit entfällt auch die Erwägung von Maßfeller (a. a. O.), ein Dritter könne das Gericht nicht mehr anrufen, wenn der Ehegatte verstorben ist, ohne innerhalb angemessener Frist von seinem Antragsrecht Gebrauch gemacht zu haben; die Beteiligten sind bei der Ausübung ihrer Rechte selbständig und unabhängig voneinander. Eine andere Frage ist es, ob nach Lage des Falles Verwirkung vorliegt (oben Rdn. 48). 5.
Verfahrensgrundsätze
a) Das Verfahren des OLG (ObLG) ist ein solches der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Abs. 6 Satz 1). Obwohl die Erstredcung der Wirkungen ausländischer Urteile und sonstiger Entscheidungen in Ehesachen auf das Inland materiell eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit (oben Rdn. 6) und deshalb eine Angelegenheit des Zivilprozesses ist, die schon vor dem Inkrafttreten der §§ 23 ff. EGGVG und des Art. 7 § 1 FamRÄndG nicht vor die Verwaltungsgerichte, sondern vor die ordentlichen Gerichte gehörte60), handelt es sich im Hinblich darauf, daß formell über das Recht auf Aufhebung eines erlassenen Verwaltungsaktes entschieden wird, um ein öffentlich-rechtliches Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit81). Die Vorschriften der §§ 23 ff. EGGVG sind nicht anwendbar. Für die Ablehnung und Ausschließung der Gerichtspersonen gelten §§ 6, 7 FGG. Das OLG entscheidet als Tatsachengericbt (Abs. 6 Satz 4 mit § 23 FGG). Für die Aufklärung des Sachverhalts gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12), für Beweiserhebungen § 15 FGG. Die Behörde, deren Bescheid angefochten wird, ist als Beteiligte zu dem Verfahren hinzuzuziehen, indem ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, sofern der Antrag nicht von vornherein als unzulässig oder unbegründet erscheint. Die Zuziehung weiterer Beteiligter richtet sich danach, inwiefern sie nach Lage des Einzelfalls zur Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich ist (Rdn. 38). Mündliche Verhandlung ist nicht vorgeschrieben; ihre Anberaumung steht im Ermessen des Gerichts. Es gilt das Verbot der Schlediterstellung. Das Gericht darf über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung des Antrags nicht gebunden (vgl. § 88 VwGO). Das Gericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluß (§ 25 FGG). Kommt das Gericht zur Aufhebung, so hat es grundsätzlich unter voller Würdigung der Tat- und Rechtsfragen in der Sache selbst zu entscheiden (BT-Drucks. 530/58 S. 33; Maßfeller, StAZ 1961, 303), da eine Ermessensausübung, die der Verwaltungsbehörde zu überlassen wäre, nicht in Betracht kommt (Rdn. 43). Nur ausnahmsweise kann das OLG unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Behörde zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichten, wenn die Behörde zu Unrecht nicht in der Sache entschieden hat oder wenn nach Verwerfung eines von der Behörde als allein entscheidend geltend gemachten Ablehnungsgrundes die Begründetheit des Antrags von bisher nicht berücksichtigten Umständen abhängt, deren Klärung umfangreiche und daher besser von der Behörde als vom Gericht zu treffende Ermittlungen erfordert82). Jedoch ist es in jedem Falle zulässig, daß das Gericht nach eigener Sachaufklärung zur Sachentscheidung kommt, selbst wenn die Behörde den Antrag als unzulässig verworfen hat8»). b) Einstweilige Anordnungen kann das OLG entsprechend § 24 Abs. 3 FGG erlassen, da der Antrag auf gerichtliche Entscheidung keine aufschiebende Wirkung hat (Abs. 6 Satz 3, 4). Die Aussetzung der Vollziehung einer anerkennenden Entscheidung kann mit der Folge angeordnet werden, daß deren Wirksamkeit vorläufig außer Kraft tritt; das kann angebracht 8
») BGH FamRZ 1958, 180; Jansen, Wandlungen im Verfahren der FG, S. 9 Fn. 8; oben Rdn. 1. ) Zimmermann, Rpfleger 1962, 42, 47; PikartHenn S. 280; Lent-Habscheid4 J 8 I 1 b; BayObLGZ 1967, 218 zu II 9.
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) Vgl. BVerwGE 11, 95 = N J W 1961, 793 zu d; BVerwGE 8, 192. 8 3 ) BVerwGE 7, 100 = N J W 1958, 1456; KG 1 VA 3/68; Zschacke, N J W 1958, 1420. 82
Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
FafflRXndG Art. 7 § 1
sein, wenn eine Wiederverheiratung bevorsteht und der Antrag nicht aussichtslos ist. Eine Fristbestimmung des LJustVerw. nach Abs. 5 Satz 3 kann geändert werden. VI. Bindende Wirkung. Materielle Rechtskraft
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1. Bindende Wirkung für Gerichte und Verwaltungsbehörden hat sowohl der positive als auch der negative Feststellungsbescheid (Abs. 8). Das bedeutet, daß die Richtigkeit der Feststellung, wenn der Bescheid wirksam geworden und nicht etwa nichtig ist, in einem anderen Verfahren der streitigen, freiwilligen oder Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht nachgeprüft werden kann. Das gilt auch für den feststellenden Verwaltungsakt der Landesjustizverwaltung, vorbehaltlich seiner Aufhebung durch das OLG 84 ). Ein Antrag desselben Antragstellers oder eines anderen Antragsberechtigten, die entgegengesetzte Feststellung zu treffen, ist unzulässig; es kann nur gegen den ergangenen Bescheid Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Die Behörde kann ihre Entscheidung nicht widerrufen95). Hat erst das OLG, nachdem die Behörde den Feststellungsantrag zurückgewiesen hat, die Feststellung getroffen, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen oder nicht vorliegen, so ist die Entscheidung des OLG in demselben Sinne bindend. Hat das OLG den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen feststellenden Bescheid nach sachlicher Prüfung zurückgewiesen, den Justizverwaltungsakt also bestätigt, so tritt zu dessen Bindungswirkung die materielle Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung hinzu8®), die allerdings im Gegensatz zu der allgemein wirkenden Bindungswirkung auf die zu dem Verfahren hinzugezogenen Beteiligten beschränkt ist (§ 322 ZPO). Auch das OLG kann seine Sachentscheidung auf Grund von Gegenvorstellungen oder neuen Vorbringens nicht ändern87). Für die Zulassung einer Wiederaufnahme des Verfahrens besteht kein Anlaß. Die Anerkennung wird infolge ihrer akzessorischen Natur von selbst gegenstandslos, wenn die ausländische Entscheidung auf Grund einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder einer Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines ähnlichen Rechtsbehelfs des ausländischen Verfahrensrechts wieder aufgehoben wird88). 2. Keine bindende Wirkung hat nach Abs. 8 die Zurückweisung eines Antrags als unzulässig oder unbegründet89). Auch wenn in den Gründen des Bescheides ausgeführt wird, daß die beantragte Feststellung nicht getroffen werden könne, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht vorlägen oder umgekehrt, erschöpft sich die Bedeutung der Entscheidung in der Zurückweisung des Antrags; dieser Zurückweisung kommt nach Abs. 8 Bindungswirkung nicht zu; das erhellt auch aus § 1 Abs. 4, wonach gegen die Zurückweisung des Antrags nur der Antragsteller das OLG anrufen kann. Das Fehlen der Anerkennung hat dann aber schon kraft Gesetzes die Folge, daß die Entscheidung im Inland keine Wirkung entfaltet (Rnd. 5), wenn auch das Gericht bei Vorgreiflichkeit der Anerkennungsfrage sich nicht etwa auf den Standpunkt stellen darf, daß das ausländische Urteil unbeachtlich sei, sondern bis zu einer positiven Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung auszusetzen hat (Rnd. 6). Der zurückgewiesene Antrag kann wiederholt oder von einem anderen Beteiligten erneut gestellt werden. Verweist die Behörde bei einer Wiederholung des Antrags durch denselben Antragsteller nicht nur auf ihren früheren Bescheid, sondern tritt sie in eine erneute Prüfung ein, so eröffnet ein neuer ablehnender Bescheid („Zweitbescheid") wiederum den Rechtsweg'0). Anträge anderer Antragsberechtigter sind ohne Rücksicht auf die Zurückweisung des früheren Antrags sachlich zu bescheiden. War der frühere den Antrag zurück-
) Maßfeiler, StAZ 1961, 303. ) Riezler IZPR S. 515; Stein-Jonas-SAönke ZPO 1 8 Anh. nach § 328 F I I I b 4; Kleinrahm S. 65; München N J W 1962, 2013 = StAZ 1962, 333; Bremen OLGZ 1966, 373. 8B ) München N J W 1962, 2013 = StAZ 1962, 333; BayObLGZ 1967, 218. 8 7 ) München aaO.
) BayObLGZ 1967, 218. ») München N J W 1962, 2013 = StAZ 1962, 333 a. E.; Kleinrahm S. 65; Wieczorek ZPO § 328 Anm. F III b 2; KG 1 VA 3/68; a. M. Geimer N J W 1967, 1398 zu I I ; ders., N J W 1968, 800 Anm. 8I) ) Vgl. zum Zweitbescheid allgemein § 23 EGGVG Rdn. 2.
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Anerkennung ausländ. Entscheidungen in Ehesachen
weisende Bescheid vom Gericht bestätigt worden, so bindet die Rechtskraft dieser Entscheidung die Beteiligten des früheren Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger insoweit, als über den Verfahrensgegenstand entschieden worden ist. Wiederholt der Antragsteller den Antrag, mit dem er in einem früheren, durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung abgeschlossenen Verfahren abgewiesen worden ist, so ist die Verwaltungsbehörde infolge der Bindungswirkung der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung der Verpflichtung enthoben, von neuem in eine Prüfung darüber einzutreten, ob die frühere Ablehnung des Antrags der materiellen Rechtslage entsprach91). Eine Ausnahme gilt nur, wenn nach dem Erlaß der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung eine Änderung des Sachverhalts oder der Rechtslage eingetreten ist. Anträge anderer Antragsberechtigter, auf die sich die Rechtskraft der früheren zurückweisenden Entscheidung nicht erstreckt (§ 322 ZPO), sind stets sachlich zu bescheiden, solange kein nach Abs. 8 bindender Feststellungsbescheid vorliegt.
Kosten 2 (1) Für die Feststellung, daß die Voraussetzungen f ü r die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung vorliegen oder nicht vorliegen (§ 1), wird eine Gebühr von 10 bis 500 Deutsche Mark erhoben. Ein Zuschlag nach Artikel 4 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Kostenrechts vom 7. 8. 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 401) wird nicht erhoben. (2) Für das Verfahren des Oberlandesgeridits werden Kosten nach der Kostenordnung erhoben. Weist das Oberlandesgericht den Antrag nach § 1 Abs. 4, 5, 7 zurück, so wird eine Gebühr von 10 bis 500 Deutsche Mark erhoben. Wird der Antrag zurückgenommen, so wird n u r die Hälfte dieser Gebühr erhoben. Die Gebühr wird vom Oberlandesgericht bestimmt. Hebt das Oberlandesgericht die Entscheidung der Verwaltungsbehörde auf und entscheidet es in der Sache selbst, so bestimmt es auch die von der VerwalungsbehSrde zu erhebende Gebühr.
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1. Kosten a) Die Verwaltungsbehörde erhebt für den positiven oder negativen Feststellungsbescheid eine Rahmengebühr von 10 bis 500 DM (Abs. 1). Ausfüllung des Rahmens nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 2 JustVerwKostO. Wegen der Anwendbarkeit der JustVerwKostO auf die in Justizverwaltungssachen von den Justizbehörden der Länder zu erhebenden Gebühren vgl. Lauterbach, Kostengesetze14, Vorbem. B zu Teil VIII A. Bei Ablehnung oder Zurücknahme des Antrags kann die Behörde dem Antragsteller die Hälfte dieser Gebühr, jedoch nicht weniger als den Mindestbetrag, auferlegen (§ 3 JustVerwKostO). b) Das Gericht erhebt für die Zurückweisung des Antrags eine Rahmengebühr von 10 bis 500 DM, bei Zurücknahme die Hälfte (Abs. 2 Satz 2, 3). Die Gebühr bestimmt das OLG, also der Zivilsenat, nicht der Kostenbeamte. Dabei sind die Bedeutung und der Umfang der Sache, aber auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten zu berücksichtigen (§ 34 KostO). Hat der Antrag auf gerichtliche Entscheidung Erfolg, so ist das gerichtliche Verfahren gebührenfrei (Abs. 2 Satz 1, § 1 KostO). In diesem Fall bestimmt das Gericht, wenn es in der Sache entscheidet, die von der Verwaltungsbehörde nach Rdn. 1 zu erhebende Gebühr (Abs. 2 Satz 5). Von einer Vorschußzahlung darf das Tätigwerden des Gerichts nicht abhängig gemacht werden. c) Gebühren des Rechtsanwalts bemessen sich nach § 118 BRAGebO. Der Geschäftswert für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BRAGebO, ebenso für das Verfahren vor dem OLG (§ 8 Abs. 1 Satz 3 BRAGebO). Beide Verfahren sind verschiedene Angelegenheiten i. S. des § 13 Abs. 2 BRAGebO. Der Geschäftswert für das gerichtliche Verfahren wird auf Antrag von dem OLG gemäß § 10 BRAGebO festgesetzt. " ) Zum Verwaltungsprozeß vgl. BVerwG DÖV 1968, 498. 684
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F a m R Ä i l d G Art. 7 § 2
2. Kostenerstattung. Eine Kostenerstattung kann unter den widerstreitenden Beteiligten, auch zu Lasten der Verwaltungsbehörde, nach § 13a Abs. 1 FGG angeordnet werden. Die Anrufung des OLG ist jedoch kein »Rechtsmittel* i. S. des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Erstattung im Verwaltungverfahren entstandener Kosten kann vom Gericht nicht angeordnet werden, da kein „Vorverfahren" vorliegt1). Die Kosten setzt der UdG des OLG fest (§ 13a Abs. 2 FGG, § 103 ZPO).
i) Vgl. S 162 Abs. 1 VwGO; BGHZ 28, 302; 31, 229.
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Zivilprozeßordnung und Nebengesetze auf Grund der Rechtsprechung kommentiert von Dr. jur. Bernhard Wieczorek, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof 7 Bände. 1957—1963. Lexikon-Oktav. Halbleder DM 1086,— (Großkommentare der Praxis) Die Praxis hat erkannt, daß der Kommentar für sie geschrieben worden ist, und sich auf seine Benutzung eingestellt: das zeigen die vielen Zitate in der Rechtsprechung von Tag zu Tag mehr. Der deutsche Rechtspfleger
Zivilprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz Handausgabe auf Grund der Rechtsprechung erläutert von Dr. jur. Bernhard Wieczorek, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof 2., erweiterte und verbesserte Auflage Oktav. XVI, 2319 Seiten. Dünndruckausgabe 1966. Ganzleinen DM 160,— (Sammlung Guttentag Band 252) Urheber und Verlag haben mit der Herausgabe des „Kleinen Wieczorek" als Kurzkommentar ein nützliches Werk vollbracht. Besonders die Praktiker werden die hiermit gebotene Gelegenheit, sich schnell zu unterrichten, gern ausnutzen. Für die Qualität der Kommentierung bürgt der Name des Verfassers. In der Prägnanz und Kürze der Kommentierung liegt der Wert dieses Buches, welches sich in der Praxis bereits gut eingeführt hat. Juristische Neuerscheinungen
Gerichtskostengesetz Kommentar von Hermann Markl Oberlandesgerichtsrat a. D. Oktav. XVI, 861 Seiten. 1967. Ganzleinen DM 92 — (Sammlung Guttentag Band 15) Alles in allem dürfte der neue Kommentar zum GKG für die Kostenbeamten und die Richter aller Sparten in der Tat ein notwendiges Hilfsmittel darstellen. Darüber hinaus wird auch der Anwalt, insbesondere wenn er sich über Streitwertfragen Klarheit verschaffen will, ihn nicht entbehren können. Sen.-Präs. a. D. Dr. M. Tschischgale in: Juristische Rundschau . . . ist jedem, der sich mit den doch recht oft schwierigen Kostenproblemen abgeben muß, eine wertvolle Hilfe, nicht zuletzt auch wegen des vorzüglichen Sachregisters. Zeitschrift für das Notariat
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G R O S S K O M M E N T A R E DER PRAXIS
Handelsgesetzbuch Großkommentar Begründet von Hermann Staub, weitergeführt von Mitgliedern des Reichsgerichts. Dritte, neubearbeitete Aullage von Dr. Dieter Brüggemann, Oberlandesgerichtsrat in Celle; Dr. Paul Ratz, Oberstlandesgerichtsrat a. D. München; Dr. Robert Fischer, Präsident des Bundesgerichtshofes; Dr. Wolfgang Schilling, Rechtsanwalt in Mannheim; Professor Dr. Hans Würdinger, Hamburg. 5 Bände. Lexikon-Oktav. Halbleder. B a n d I. §§ 1—104. XVI, 908 Seiten. 1967. DM B a n d II. §§ 105—177, §§ 335—342. Das Recht der Kommanditgesellschaft und der Lieferung 1. §§ 105—127. 285 Seiten. B a n d III. §§ 343—372. Lieferung 1. §§ 343—351. B a n d IV. §§ 373—382. Im Druck B a n d V. §§ 383—460. In Vorbereitung
140 — der offenen Handelsgesellschaft, stillen Gesellschaft 1967. DM 38,— 414 Seiten. 1968. DM 56,—
Vergleichsordnung Kommentar von Erich Bley t Dritte Auflage. Neubearbeitet von Jürgen Mohrbutter, Oberamtsrichter i. R. (Erscheint in 5 Lieferungen. Gesamtumfang etwa 1180 Seiten.) L i e f e r u n g 1 : §§ 1—24. XII, 259 Seiten. 1968. Subskriptionspreis DM 44,— L i e f e r u n g 2 : §§ 25—45. IV, S. 259—493. 1969. DM 38,— Die Subskription erlischt bei Erscheinen der Schlußlieferung.
Straßenverkehrsrecht von Fritz Müller t Zweiundzwanzigste völlig neubearbeitete Auflage von Oberstaatsanwalt Dr. Wolfgang Möhl, Oberstlandesgerichtsrat Werner Full, Oberstaatsanwalt Karl Rüth, München. 2 Bände. Lexikon-Oktav. Halbleder. B a n d I. XXII, 1389 Seiten. 1969. DM 240,— Der z w e i t e B a n d w i r d i n m e h r e r e n L i e f e r u n g e n e r s c h e i n e n , deren erste bereits im Druck ist. Diese soll vor allem das neue Ordnungswidrigkeitengesetz mit seinem Einführungsgesetz enthalten, aber auch weitere bisher im Anhang des Kommentars behandelte Nebengesetze, die aus Raumgründen nicht mehr im ersten Band Platz fanden.
Walter de Gruyter & Co • Berlin 30