FGG. Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Band 1 Einleitung; §§ 1-34 FGG [3. Aufl.] 9783110898705, 9783899491531

Volume 1 contains the commentary of regulations pertaining to the fundamental principles of non-contentious proceedings.

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German Pages 1097 [1100] Year 2006

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Table of contents :
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften
ERLÄUTERUNGEN
Einleitung
I. Ursprung der freiwilligen Gerichtsbarkeit
II. Entstehung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
III. Rechtsentwicklung in der ehemaligen DDR und dem ehemaligen Ostsektor Berlins
IV. Das Verhältnis des FGG zum Reichsrecht/Bundesrecht
V. Landesrecht
VI. Besondere Fälle
VII. Reformvorhaben
VIII. Inhaltsübersicht des RefE FamFG
IX. Änderungen des FGG noch vor der Reform
X. Ausgliederung von Aufgaben aus der Justiz
XI. Aufhebung des BayObLG
XII. Verlagerung von Aufgaben der Richter/Staatsanwälte auf den Rechtspfleger
XIII. Reformen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Europa
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§ 1 Geltungsbereich
§ 2 Rechtshilfe
Vor §§ 3 bis 7
§ 3 Gerichtsstand für Exterritoriale und Beamte im Ausland
§ 4 Zuständigkeit mehrerer Gerichte
§ 5 Bestimmung des zuständigen Gerichts
§ 6 Ausschließung des Richters
§ 7 Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter
Vor §§ 8 bis 18
§ 8 Gerichtssprache, Beratung, Sitzungspolizei
§ 9 Dolmetscher
§ 10 (weggefallen)
§ 11 Anträge und Erklärungen
§ 12 Amtsermittlungspflicht
§ 13 Beistände und Bevollmächtigte
Vor § 13a
§ 13a Kosten
§ 14 Prozesskostenhilfe
§ 15 Beweisverfahren
§ 16 Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen
§ 16a Anerkennung ausländischer Entscheidungen
§ 17 Fristberechnung
§ 18 Änderung gerichtlicher Verfügungen
Vor §§ 19 bis 30
§ 19 Beschwerde
§ 20 Beschwerdeberechtigte
§ 20a Anfechtung von Kostenentscheidungen
§ 21 Einlegung der Beschwerde
§ 22 Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 23 Neues Vorbringen
§ 24 Aufschiebende Wirkung
§ 25 Begründung der Beschwerdeentscheidung
§ 26 Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung
§ 27 Weitere Beschwerde
§ 28 Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde
§ 29 Einlegung der weiteren Beschwerde
§ 29a Anhörungsrüge
§ 30 Zuständige Beschwerdegerichte
§ 31 Rechtskraftzeugnis
§ 32 Folgen der Aufhebung einer Verfügung
§ 33 Vollziehung gerichtlicher Verfügungen
§ 34 Akteneinsicht, Abschriften
Sachregister
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FGG. Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Band 1 Einleitung; §§ 1-34 FGG [3. Aufl.]
 9783110898705, 9783899491531

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Großkommentare der Praxis

Jansen

FGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Großkommentar Begründet von

Paul Jansen

Dritte Auflage herausgegeben von

Hans-Joachim von Schuckmann Susanne Sonnenfeld

Erster Band Einleitung; §§ 1–34 FGG Bearbeitet von Lothar Briesemeister, Renate Baronin von König, Peter-Hendrik Müther, Hans-Joachim von Schuckmann, Hartmut Wick

De Gruyter Recht · Berlin

Zitiervorschlag z.B.: von König in Jansen, FGG, § 32 Rn 11

ISBN-13: 978-3-89949-153-1 ISBN-10: 3-89949-153-X

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright 2006 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Datenkonvertierung /Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, 06773 Gräfenhainichen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany

Bearbeiter der 3. Auflage Dr. Lothar Briesemeister, Vors. Richter am Kammergericht, a. D., Berlin. Renate Baronin von König, Diplom-Rechtspflegerin, Lehrkraft an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin. Dr. Jutta Müller-Lukoschek, Professorin an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin. Dr. Peter-Hendrik Müther, Richter am Kammergericht, Berlin. Dr. Peter Ries, Professor an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin. Hans-Joachim von Schuckmann, Diplom-Politologe, Professor, Berlin. Susanne Sonnenfeld, Diplom-Rechtspflegerin, Professorin an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin. Brigitte Steder, Diplom-Rechtspflegerin, Professorin an der Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung, Meißen. Hartmut Wick, Vors. Richter am Oberlandesgericht, Celle. Dagmar Zorn, Diplom-Rechtspflegerin, Lehrkraft auf Zeit an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin.

V

Vorwort Seit dem Erscheinen der 2. Auflage des von Paul Jansen begründeten Kommentars sind 36 Jahre vergangen. Die Arbeit an der Neuauflage hat ihrerseits von der ersten Anfrage des Verlages bis zur Fertigstellung mehrere Jahre in Anspruch genommen. Nachdem unser geschätzter maßgeblich an der Initiierung der Neuauflage beteiligter und als Mitherausgeber neben Prof. Hans-Joachim von Schuckmann vorgesehener Kollege Prof. Diether Huhn 1999 verstarb, stagnierten die Arbeiten. Die von ihm zu bearbeitenden Vorschriften wurden zum Teil auf die Mitautoren verteilt, zum Teil konnten neue Autoren gewonnen werden. Prof. Susanne Sonnenfeld hat darüber hinaus seine Verantwortung als Mitherausgeber übernommen. Es war Ziel der Autoren und Herausgeber, die grundlegenden, noch heute viel zitierten Ausführungen des Begründers soweit wie möglich zu erhalten und zu aktualisieren. Die immer rasanter werdende Rechtsentwicklung hat in dem zwischen den beiden Auflagen liegenden Zeitraum zu weit mehr als 70 Gesetzesänderungen geführt, die in weiten Teilen auch eine vollständige Neubearbeitung und grundlegende Überarbeitung erforderlich machten. So sind zB die Unterabschnitte über Betreuungssachen (§§ 65–69o) und Unterbringungssachen (§§ 70–70n) völlig neu entstanden. Umfangreiche, zum Teil seinen Kernbereich berührende Änderungen hat das FGG nicht nur durch das am 1.1.1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz erfahren, sondern auch beispielsweise durch die zahlreichen Kindschaftsrechtsreformgesetze von 1998, das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16.2.2001, das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 22.7.2001, das Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 19.2.2001, das Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11.12.2001 und das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5.5.2004. Einbezogen wurden mussten auch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24.8.2004, das am 1.1.2005 in Kraft getretene Anhörungsrügegesetz sowie das am 1.7.2005 in Kraft getretene 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz. Anfang Juni 2005 wurde der Referentenentwurf des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) den Landesjustizverwaltungen und den Verbänden zur Stellungnahme übersandt. Er enthält als Artikel 1 das „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)“. Der Entwurf sollte aber noch um das Verfahren in Nachlasssachen, die Eidesstattliche Versicherung, Untersuchung und Verwahrung von Sachen, den Pfandverkauf, das Freiheitsentziehungsgesetz und kostenrechtliche Folgeregelungen ergänzt, außerdem das Rechtspflegergesetz an die Systematik des FamFG angepasst werden. Das neue Gesetz sollte ursprünglich am 1.7.2007 in Kraft treten und gleichzeitig das bisherige FGG außer Kraft setzen. Nunmehr ist der 1.7.2008 vorgesehen. Bis dahin muss

VII

Vorwort

das geltende FGG angewendet werden. Deshalb und mit Rücksicht auf die politische Entwicklung durch die vorgezogene Wahl des Bundestags haben sich Herausgeber und Verlag entschlossen, die Neuauflage wenigstens mit den Bänden 2 und 3 sofort herauszubringen, während Band 1 mit der Einleitung und den Vorschriften des Allgemeinen Teils des FGG erst jetzt vorgelegt wird, um die Reformbestrebungen in den Grundsätzen berücksichtigen zu können. Die Kommentierung berücksichtigt bereits diesen Entwurf und zwar in Band 2 die familiengerichtlichen Verfahren und in Band 3 die Handelssachen. Die Bundestagswahl 2005 mit der Bildung einer neuen Bundesregierung aus CDU/ CSU und SPD hat an dem Reformvorhaben nichts geändert. Der vollständige und gegenüber dem ersten Entwurf teilweise geänderte Entwurf eines FGG-Reformgesetzes wurde am 14.2.2006 vom BMJ an die Verbände zur Stellungnahme übersandt. Es handelt sich um ein sog Artikel-Gesetz, da zugleich 85 andere Gesetze zB das GVG und die ZPO geändert werden müssen. In der Neufassung des GVG wird die Freiwillige Gerichtsbarkeit neben der streitigen Zivilgerichtsbarkeit und der Strafgerichtsbarkeit Bestandteil der ordentlichen Gerichtsbarkeit sein. Die Vorschriften des GVG werden künftig für die Freiwillige Gerichtsbarkeit unmittelbar gelten. Besondere Regelungen und Verweisungsvorschriften auf das GVG sind deshalb in dem Entwurf nicht mehr enthalten. Auf den Inhalt des ergänzten Referentenentwurfs und des Diskussionspapiers zur Herauslösung verfahrensrechtlicher Vorschriften aus dem BGB im Zuge der FGGReform wird unter Berücksichtigung erster Stellungnahmen in der Einleitung im vorliegenden Band 1 eingegangen. Die Neuauflage geht auch in den Bänden 2 und 3 jeweils auf die derzeitigen Reformbestrebungen ein. Dem internationalen Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist im Hinblick auf die starke Verflechtung des internationalen Rechtsverkehrs auch in der Neuauflage die gebührende Beachtung eingeräumt worden. Im vorliegenden Band 1 wurde die bis Mai 2006 – teilweise darüber hinaus – veröffentlichte umfangreiche Literatur und Rechtsprechung eingearbeitet. In den Anhang des Bandes 2 wurden aufgenommen Art 7 FamRÄnG über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, §§ 23–30 EGGVG über die Anfechtung von Justizverwaltungsakten, die 1. Verordnung (EG) Nr 1347/2000 (EuEheVO), der Entwurf eines Gesetzes zum internationalen Familienrecht, das 1. Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz (SorgeRÜbkAG), 2. Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) §§ 1–34, 50–56 und das KSÜ – Kinderschutzübereinkommen. Band 3 enthält als Anhang neben einer Übersicht über die landesrechtlichen Vorschriften, die LFGG-Texte. Für Anregungen, Kritik oder Verbesserungsvorschläge sind Herausgeber und Autoren jederzeit dankbar. Im August 2006

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Die Herausgeber

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften

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VII XI XXXI XLI

ERLÄUTERUNGEN Einleitung I. Ursprung der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entstehung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung in der ehemaligen DDR und dem ehemaligen Ostsektor Berlins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Verhältnis des FGG zum Reichsrecht/Bundesrecht . . . . . . . . . . V. Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Besondere Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Inhaltsübersicht des RefE FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Änderungen des FGG noch vor der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . X. Ausgliederung von Aufgaben aus der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Aufhebung des BayObLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Verlagerung von Aufgaben der Richter/Staatsanwälte auf den Rechtspfleger XIII. Reformen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Europa . . . . . . . . . . .

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6 8 9 10 12 18 65 68 75 75 77

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83 131 151 158 163 167 179 194 215

Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften §1 Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §2 Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor §§ 3 bis 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §3 Gerichtsstand für Exterritoriale und Beamte im Ausland §4 Zuständigkeit mehrerer Gerichte . . . . . . . . . . . . §5 Bestimmung des zuständigen Gerichts . . . . . . . . . . §6 Ausschließung des Richters . . . . . . . . . . . . . . . §7 Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter Vor §§ 8 bis 18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

§8 Gerichtssprache, Beratung, Sitzungspolizei . . . . . . . . . . . §9 Dolmetscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Anträge und Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Amtsermittlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Beistände und Bevollmächtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor § 13a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13a Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16 Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen § 16a Anerkennung ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . § 17 Fristberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 18 Änderung gerichtlicher Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . Vor §§ 19 bis 30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19 Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 20 Beschwerdeberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 20a Anfechtung von Kostenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . § 21 Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22 Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . § 23 Neues Vorbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 24 Aufschiebende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 25 Begründung der Beschwerdeentscheidung . . . . . . . . . . . . § 26 Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung . . . . . . . . . . § 27 Weitere Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 28 Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde . . . . . . . . . § 29 Einlegung der weiteren Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . § 29a Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 30 Zuständige Beschwerdegerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . § 31 Rechtskraftzeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 32 Folgen der Aufhebung einer Verfügung . . . . . . . . . . . . . § 33 Vollziehung gerichtlicher Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . § 34 Akteneinsicht, Abschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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257 276 277 278 290 341 376 397 437 477 527 564 617 624 649 668 692 748 760 778 799 811 819 833 838 888 908 924 935 945 955 959 1005

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis 1. EheRG 1. JuMoG 2. GleichberG 2. VermRÄndG aA aaO ABGB abgedr abl ABl ABlKR Abs Abschn abw AbzG AcP(auch ArchZivPr) AdG (auch: AdoptionsG) AdVermiG

aE aF AG AGBBanken AGB-G AGGVG AGJJ AgrarR AKostG AKostV AktG AktO

ALG allgem allgM Alt

Erstes G zur Reform des Ehe- u Familienrechts v 14.6.1976 (BGBl S 1421 ) idF v 16.12.1993 (BGBl S 2054) Erstes Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) v 24.8.2004 (BGBl S 2198) G zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern v 24.6.1994 (BGBl S 1406, 2103) Zweites Vermögensrechtsänderungsgesetz anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich abgedruckt ablehnend Amtsblatt Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland (1945–1948) Absatz Abschnitt abweichend Gesetz betr Abzahlungsgeschäfte v 16.5.1894 (RGBl S 450) Archiv für civilistische Praxis (1818–1944; 1945 ff) G über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz) idF v 22.12.2001 (BGBl 2002 S 354) G über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz – AdVermiG) i d Neufassung v 22.12.2001 (BGBl 2002 S 354) am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft; auch Ausführungsgesetz, Amtsgericht, Arbeitsgemeinschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken G zur Regelung des Rechts der Allg Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) v 9.12.1976 (BGBl S 3117) G zur Ausführung des GVG Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge Agrarrecht (1971 ff) Auslandskostengesetz v 21.2.1978 (BGBl S 307) AuslandskostenVO v 7.1.1980 (BGBl S 21) Aktiengesetz v 6.9.1965, BGBl S 1089 = BGBl III 4121-1 Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte, der Staatsanwaltschaften und der Amtsanwaltschaft (Aktenordnung – AktO –) in Amtl Sonderdruck „Aktenordnung und ergänzende Vorschriften“ gem AV v 28.8.1974 herausgegeben v Senator für Justiz in Berlin Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, Art 1 des Agrarreformgesetzes 1995 vom 29.7.1994 (BGBl S 1890) allgemein allgemeine Meinung Alternative

XI

Abkürzungsverzeichnis aM amtl Begr ÄndG ÄndVO AnfechtungsG Anh Anl Anm AnwBl AöR ArchZivPr Art AT Aufl ausf AusfG AuslG AußStrG AV AVAG

AVNot AVO AVO-PStG AWD AWG AWV Az Bad (Ba) BadFGV BadLFG BadRPrax BAG BAnz BauGB BauGBMaßnG Bay BayAGBGB BayAGBtG BayAGGVG

XII

anderer Meinung amtliche Begründung G zur Änderung (von), Änderungsgesetz Änderungsverordnung G betr die Anfechtung v Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens v 21.7.1879 (RGBl S 277) Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts (bis 1910: Archiv für öffentliches Recht; seit 1886) siehe AcP Artikel Allgemeiner Teil Auflage ausführlich Ausführungsgesetz Ausländergesetz v 9.7.1990 (BGBl S 1354) Außerstreitgesetz (Österreich) Allgemeine Verfügung Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz – AVAG), Art 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf d Gebiet d Anerkennung u Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 19.2.2001 (BGBl S 288) Allgemeine Verfügung über Angelegenheiten der Notare Ausführungsverordnung Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes idF v 25.2.1977 Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (1958–1974, vorher und danach: Recht d internationalen Wirtschaft) Außenwirtschaftsgesetz v 28.4.1961 (BGBl S 481) VO z Durchführung d Außenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung) idF v 3.8.1981 (BGBl S 853) Aktenzeichen Baden Badische Verordnung über die Freiwillige Gerichtsbarkeit v 3.12.1926 (GVBl 301) Badisches Landesgesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit vom 13.10.1925 (GVBl 287) Badische Rechtspraxis Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger (1949 ff) Baugesetzbuch idF v 8.12.1986 (BGBl S 2253) Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch v 28.4.1993 (BGBl S 622) Bayern Bay AusführungsG zum Bürgerliches Gesetzbuch v 9.6.1899 (BayBS III 89) Bay G zur Ausführung des Gesetzes zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige v 27.12.1991 Bay AusführungsG zum GVG v 23.6.1981 (GVBl S 188)

Abkürzungsverzeichnis BayBS BayBSErgB BayBSVJu BayGeschO (auch: BayNotGeschO) BayJMBl

BayNotG BayNotV BayNotZ

BayObLG BayObLGR BayObLGSt BayObLGZ BayUnterbG BayVerfGE BayVerfGH BayZ BB BBG Bbg BbgGerNeuOG

Bd, Bde BDSG BEG

Begr, begr Beh Bek Bem ber BerHG Berl BerlAnwBl BerlPsychKG BerLR bes betr Betr (auch: DB) BetrAVG

Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts, Ergänzungsband Bereinigte Sammlung der bayerischen Justizverwaltungsvorschriften Bayerische Geschäftsordnung für die Notariate v 30.10.1913 (BayJMBl 1913 S 201; siehe BayBSVJu III 297) Bayerisches Justizministerialblatt (seit 1931, vorher seit 1863: JMBl für das Königreich Bayern, 1918/19: für den Volksstaat Bayern, dann: für den Freistaat Bayern) Bayerisches Notariatsgesetz vom 9.6.1899 (BayBS III 41) Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins (1924–1933, dann: Bayerische Notarzeitschrift) Bayerische Notariats-Zeitschrift und Zs für freiwillige Rechtspflege der Gerichte in Bayern (1864–1899), dann: Zs für das Notariat, für die freiwillige Gerichtsbarkeit und das Grundbuchwesen in Bayern, bis 1922) heute: Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkammer und der Landesnotarkammer Bayern Bayerisches Oberstes Landesgericht OLG-Report des Bayerischen Obersten Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (NF seit 1950) Bay G über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung v 20.4.1982 Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Bayerischer Verfassungsgerichtshof Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Der Betriebsberater (1946 ff) Bundesbeamtengesetz idF v 27.2.1985 (BGBl III 2030-2) Brandenburg Brandenburgisches GerichtsneuordnungsG gem Art 1 des G zur Neuordnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit und zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes im Land Brandenburg v 14.6.1993 (GVBl I S 198) Band, Bände Bundesdatenschutzgesetz i d Bek v 20.12.1990 (BGBl S 2954) Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung – Bundesentschädigungsgesetz i d Bek v 29.6.1956 (BGBl S 559, 562) Begründung, begründet Behörde, Behörden Bekanntmachung Bemerkung berichtigt Beratungshilfegesetz vom 18.6.1980 (BGBl S 689) Berlin Berliner Anwaltsblatt (1927–1933, 1959 ff) Berl G für psychisch Kranke v 8.3.1985 Sammlung des bereinigten Berliner Landesrechts 1945–1967, GVBl Sonderband II, 1970 besonders, besondere(r, s) betreffend Der Betrieb (1948 ff) G zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG) v 19.12.1974 (BGBl S 3610)

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Abkürzungsverzeichnis BeurkÄndG BeurkG BezG BFH BGB BGBl BGH BGHR BGHSt BGHWarn BGHZ BinSchG BKGG BlGBW BlStSozArbR BMI BMJ BNotK BNotO BoSoG

BR BRAGO BRAGOreport BRAO BRDrs BReg Brem BremAGBGB BremAGFGG BremAGGVG BremPsychKG BRRG Brüssel II-VO

Brüssel IIa-VO BSeuchG BSG BSHG

Bsp BStBl BT

XIV

G zur Änderung und Ergänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften v 20.2.1980 Beurkundungsgesetz v 28.8.1969 (BGBl S 1513) Bezirksgericht Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch i d Bek v 2.1.2002 (BGBl S 42) Bundesgesetzblatt, ohne Ziff = Teil I, mit II = Teil II, mit III = Teil III Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung, hrsg von den Richtern des Bundesgerichtshofes (Loseblatt, 1987 ff) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (1951 ff) siehe Warn Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (1951 ff) Binnenschiffahrtsgesetz i d Bek v 15.6.1898 (RGBl S 868) 21.4.1986 (BGBl S 551) Bundeskindergeldgesetz idF v 1.1.2002 (BGBl S 6) Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht (1952 ff) Blätter für Steuerrecht, Sozialrecht und Arbeitsrecht (1946 ff) Bundesminister des Inneren Bundesminister der Justiz Bundesnotarkammer Bundesnotarordnung v 24.2.1961 (BGBl S 97) G über die Sonderung unvermessener und überbauter Grundstücke nach der Karte (Bodensonderungsgesetz – BoSoG) v 20.12.1993 (BGBl S 2215 ) Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte v 26.7.1957 (BGBl S 907) aufgeh d Art 6 Nr 4 KostRMoG Zeitschrift, ab 2004 RVGreport Bundesrechtsanwaltsordnung v 1.8.1959 (BGBl S 565) Drucksachen des Deutschen Bundesrats Bundesregierung Bremen BremAusführungsG zum BGB v 18.7.1899 (GVBl S 61) Brem AusführungsG zum FGG v 12.5.1964 (GBl 50 = SammBremR 315-a-1) Brem AusführungsG zum GVG v 11.10.1960 (GBl S 123) Brem G über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten v 9.4.1979 Beamtenrechtsrahmengesetz idF v 27.2.1985 ( BGBl S 462 ) Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates v 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (Abl EG L 160/19) Siehe EuEheVO Bundes-Seuchengesetz idF d Bek v 18.12.1979 (BGBl S 2262, 1980 S 151) Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz idF v 23.3.1994 (BGBl S 646, 2975) aufgehoben durch Art 68 Abs 1 Nr 1 d G zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v 27.12.2003 (BGBl S 3022) Beispiel Bundessteuerblatt Teil I – III (1951 ff) Bundestag

Abkürzungsverzeichnis BtÄndG

BtBG BTDrs BtG BtPrax BVerfGE BVerwG BW BWAGBGB BWAGBtG BWFGG BWNotZ BWUnterbG bzgl bzw CC CIEC

CR D Denkschr DA (fStA) DAV DAVorm DB (auch: Betr) DBl ders DFG DDR dgl DGVZ dh Die AG Die J dies Diss DJ DJZ DNotI-Report DNotV DNotZ

Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften (Betreuungsrechtsänderungsgesetz – BtÄndG) v 25.6.1998 (BGBl S 1580) Betreuungsbehördengesetz v 12.9.1990, Art 8 BtG Drucksachen des Deutschen Bundestags G zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) v 12.9.1990 (BGBl S 2002 ) Betreuungsrechtliche Praxis, Zeitschrift für soziale Arbeit, gutachterliche Tätigkeit und Rechtsanwendung in der Betreuung Entscheidungen des BVerfG (1952 ff) Bundesverwaltungsgericht Baden-Württemberg BW AusführungsG zum BGB v 26.11.1974 (GBl S 498) G zur Ausführung des Betreuungsgesetzes und zur Anpassung des Landesrechts v 10.11.1991 Baden-Württembergisches Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 12.02.1975 (GBl 116) Mitteilungen aus der Praxis, Zeitschrift für das Notariat in BadenWürttemberg (1955 ff) G über die Unterbringung psychisch Kranker idF v 2.12.1991 bezüglich beziehungsweise Code Civile Commission Internationale de l’Etat (= eine internationale Kommission, die eine Reihe von Staatsverträgen vor allem zum Personenstandsrecht ausgearbeitet hat) Computer und Recht Digesten (zitiert nach Buch, Titel, lex, Paragraph) Denkschrift zum Entwurf des FGG Dienstanweisung f Standesbeamte v 16.4.1968 (Beil z BAnz Nr 85 v 7.5.1968) nun idF d Bek v 27.7.2000 (BAnz Nr 154a v 17.8.2000) Deutscher Anwaltsverein Der Amtsvormund, Rundbrief d Dt Instituts f Vormundschaftswesen (1951/52 ff, vorher: Rundbrief d Dt Inst f Jugendhilfe) Der Betrieb (1948 ff) Dienstblatt derselbe Deutsche Freiwillige Gerichtsbarkeit, Zeitschrift Deutsche Demokratische Republik dergleichen Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung, Zeitschrift f Vollstreckungs-, Zustellungs- und Kostenwesen das heißt Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen siehe Justiz dieselben Dissertation Deutsche Justiz ( 1933–1945; vorher: Justiz-Ministerialblatt für die preußische Gesetzgebung und Rechtspflege) Deutsche Juristenzeitung (1896–1936) Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts Zeitschrift des Deutschen Notarvereins (1901–1933; dann: DNotZ) Deutsche Notar-Zeitschrift, Verkündungsblatt der Bundes (-Reichs-)notarkammer (1933–1944, 1950 ff; vorher: DNotV)

XV

Abkürzungsverzeichnis DÖD DOfNot DONotVO DÖV DR

DRiG DRiZ DRM Drs, auch: Drucks DRspr DRW DRZ DStB DStR DStRE dtsch DtZ DVBl DVO DWE DWW E EBAO

ebd ed(s) EDV EFG EG EGAO EGBGB EGGVG EGH EGMR EGStGB EGV EheG EheNÄndG ehem EheschlAbk EheschlRG Einf Einl

XVI

Der öffentliche Dienst, Zeitschrift Dienstordnung für Notare, AV des Reichsjustizministers v 5.6.1937, DJ 874 (= Vorgänger der DONot) VO über die Dienstordnung für Notare v 22.8.1990 (GBl I Nr 57 S 1332) Die öffentliche Verwaltung (1948 ff) Deutsches Recht ( 1931–1945; seit 1939: Ausgabe A = Wochenausgabe vereinigt mit Juristische Wochenschrift; Ausgabe B = Monatsausgabe vereinigt mit Deutsche Rechtspflege, Ausgabe B bis 1942) Deutsches Richtergesetz vom 8.9.1961 (BGBl 1665) Deutsche Richterzeitung (1909–1935, 1950 ff) DR Monatsausgabe Drucksache Deutsche Rechtsprechung, Entscheidungssammlung und Aufsatzhinweise DR Wochenausgabe Deutsche Rechts-Zeitschrift ( 1946–1950, dann mit der Süddeutschen Juristenzeitung vereinigt zur Juristenzeitung) Der Standesbeamte, Zeitschrift Deutsches Steuerrecht (seit 1962/63) DStR-Entscheidungsdienst deutsch Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift (seit 1990) Deutsches Verwaltungsblatt (1950 ff; vorher: Deutsche Verwaltung – Fortsetzung des Rechtsverwaltungsblattes) Durchführungsverordnung Der Wohnungseigentümer Deutsche Wohnungswirtschaft (1949 ff) Entwurf Einforderungs- und Beitreibungsanordnung idv den Landesjustizverwaltungen und dem BMJ vereinb Neufassung gem Bek d Bay Staatsministeriums der Justiz (BayJMBl Nr 3 v 18. Mai 2001 S 71) ebenda editor(s) Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungen der Finanzgerichte (seit 1953) Einführungsgesetz, Europäische Gemeinschaften EG z Abgabenordnung v 14.12.1976 (BGBl S 3341, 1977 I S 667) EG zum Bürgerlichen Gesetzbuch v 18.8.1896 (RGBl S 604) EG zum Gerichtsverfassungsgesetz v 27.1.1877 (RGBl S 77) Ehrengerichtshof Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EG zum Strafgesetzbuch v 2.3.1974 (BGBl S 469) Vertrag über die Europäische Gemeinschaft Ehegesetz v 20.2.1946 = Kontrollratsgesetz Nr 16 (KRABl S 77, ber S 294) Ehenamensänderungsgesetz v 27.3.79 (BGBl S 401) ehemals, ehemalig Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiet der Eheschließung v 12.6.1902 (RGBl S 1904, 221) G zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 4.5.1998 (BGBl S 833) Einführung Einleitung

Abkürzungsverzeichnis EJF EMRK, auch: MRK engl entspr ErbbauVO ErbStDV ErbStG ErgBd ErgG Erl EStDV EStG ESÜ

EuEheVO

EuGH EuGHMR EuGRZ EuGVÜ

EuR EuZW EV EWGV EWiR EWS f, ff FamFG-E

FamG(e) FamGKG-E FamNamRG FamRÄndG FamRÄndG 1938 FamRB FamRBint FamRZ

Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten v 4.11.1950 (BGBl 1952 II S 686, 953) englisch entsprechend VO über das Erbbaurecht v 15.1.1919 (RGBl S 72) idF v 21.9.1994 (BGBl S 2457) Erbschaftssteuer-DurchführungsVO idF v 19.1.1962 (BGBl S 22) Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz idF v d Bek v 27.2.1997 (BGBl S 378) Ergänzungsband Ergänzungsgesetz Erläuterung(en) Einkommensteuer-DurchführungsVO idF v 23.6.1982 (BGBl S 700) Einkommensteuergesetz idF der Bek v 19.10.2002 (BGBl S 4210) Europäisches Übereinkommen vom 20.5.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (BGBl 1990 II S 220) Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/ 2000 (Abl EG L 338/1) – Brüssel IIa-VO –; abgedruckt im Band II Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Grundrechte, Zeitschrift Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 27.9.1968 (BGBl 72 II S 774) Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Einigungsvertrag vom 31.8.1990 (BGBl II 889 = GBl DDR I 1629) Vertrag z Gründung d Europ Wirtschaftsgemeinschaft v 25.3.1957 (BGBl II S 753, 766) Entscheidungen z Wirtschaftsrecht (seit 1985) Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (seit 1990) folgend, folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) gem Art 1 des RefE FGG-ReformG Familiengericht(e) Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) gem Art 2 des RefE FGG-ReformG G zur Neuordnung des Familiennamensrechts v 16.12.1993 (BGBl S 2054) G zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) v 1.8.1961 (BGBl S 1221) G über die Änderung und Ergänzung familienrechtlicher Vorschriften und über die Rechtsstellung der Staatenlosen v 12.4.1938 Der Familien-Rechts-Berater, Zeitschrift Der Familien-Rechts-Berater international (Zeitschrift) Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (1954 ff)

XVII

Abkürzungsverzeichnis FEVG auch: FreihEntzG FF FG FGB FGG FGG-ReformG FGPrax FGVO FlurbG Fn FPR FRES FrGO

FS FuR G GBl GBO GBV GBVO GDO

geänd gem GenG GenRegV GeschlG GeschlKrG GeschmMG GesO GewO GewSchG

GG ggf

XVIII

G über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen v 29.6.1956 (BGBl S 599) idF v 24.6.1994 (BGBl S 1325) Forum Familienrecht, Zeitschrift Freiwillige Gerichtsbarkeit Familiengesetzbuch der DDR v 20.12.1965 (GBl 1966 I S 1: Berlin/Ost: VOBl S 117) G über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v 17.5.1898 (RGBl S 189) siehe RefE FGG-ReformG Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (vereinigt mit OLGZ), Zeitschrift Verordnung über die Übertragung der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v 15.10.1952 (DDR) Flurbereinigungsgesetz id F v 16.3.1976 (BGBl S 546) Fußnote Familie, Partnerschaft und Recht, Zeitschrift vereinigt mit NJWEFER Entscheidungssammlung zum gesamten Bereich von Ehe und Familie Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Beurkundungsrechtes herausgegeben vom BMJ im Dezember 1977 Festschrift für Familie und Recht, Zeitschrift Gesetz Gesetzblatt Grundbuchordnung v 24.3.1897 (RGBl S 139) idF v 14.6.1995 (BGBl S 778) VO zur Durchführung der GBO (Grundbuchverfügung) v 8.8.1935 (RGBl S 637) idF v 24.1.1995 (BGBl S 114) Anordnung über das Verfahren in Grundbuchsachen – Grundbuchverfahrensordnung – v 30.12.1975 (GBl DDR I 1976 Nr 3 S 42) Verordnung über die staatliche Dokumentation der Grundstücke und Grundstücksrechte in der DDR – Grundstücksdokumentationsordnung – v 6.11.1975 (GBl DDR I Nr 43 S 697) geändert gemäß G betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften v 1.5.1889 (RGBl S 810) idF v 19.8.1994 (BGBl S 2202) VO über das Genossenschaftsregister v 22.11.1923 in der im BGBl III GliederungsNr 315-16 veröffentlichten Fassung G zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten v 23.7.1953 (BGBl S 700) G z Bekämpfung d Geschlechtskrankheiten v 23.7.1953 (BGBl S 700) G über das Urheberrecht an Mustern und Modellen v 11.1.1876 (RGBl S 11) Gesamtvollstreckungsordnung v 6.6.1990 i d Bek v 23.5.1991 (BGBl S 1185) Gewerbeordnung idF v 1.1.1987 (BGBl S 426) Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG), Art 1 des Gesetzes v 11. Dezember 2001 (BGBl S 3513) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v 23.5.1949 (BGBl S 1) idF v 27.10.1994 (BGBl S 3146) gegebenenfalls

Abkürzungsverzeichnis GKG glA GleichberG

GmbHG GmbHRdsch GMBl GmS-OGB GoldtdA GOV Grds GrdstVG

GrEStG Gruchot GRUR GS GV GVBl GVG GVGA GVÜ GWB H HaagEheschlAbk HaagUnterhÜbk HaagVormAbk Halbs, auch: Hs Hamb (auch Hmb) HandwO HannRpfl HansGZ

HansOLG HausratsVO

Hdb HeimG Hess

Gerichtskostengesetz idF des KostRMoG v 5.5.2004 (BGBl S 718) gleicher Ansicht G über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts v 18.6.1957 (BGBl S 609) idF v 16.10.1984 (BGBl S 99) G betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung v 20.4.1892 (RGBl S 477) Rundschau f GmbH (1910–1944, 1950 ff); 1946–1949: CentraleRundschreiben Gemeinsames Ministerialblatt, herausgegeben vom BMI (1950 ff) Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes Goldtammers Archiv für Strafrecht (NF 1954 ff) Geschäftsordnungsvorschriften für die Geschäftsstellen der Gerichte, der Staatsanwaltschaft (GOV) grundsätzlich G über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (Grundstückverkehrsgesetz) v 28.7.1961 (BGBl S 1091) Grunderwerbsteuergesetz v 17.12.1982 (BGBl S 1777) Beiträge zur Erläuterung des Deutschen (bis 1871: des preußischen) Rechts, begründet von Gruchot (1857 b 1933) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Zeitschrift Gesetz-Sammlung für die Kgl. Preußischen Staaten (seit 1907: Preußische Gesetzessammlung) (1810–1945) Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien), auch Gerichtsvollzieher Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz v 27.1.1877 idF v 9.5.1975 (BGBl S 1077) Geschäftsanweisung f Gerichtsvollzieher ab 1.4.1980 siehe EuGVÜ G gegen Wettbewerbsbeschränkungen idF v 20.2.1990 (BGBl S 236) Heft (Haager) Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung v 12.6.1902 (RGBl 1904, 221) Haager Unterhaltsübereinkommen v 24.10.1956 (BGBl 1961 II S 1013) (Haager) Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige v 12.6.1902 (RGBl 1904, 240) Halbsatz Hamburg G zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) idF v 28.12.1965 (BGBl III 7110-1) Hannoversche Rechtspflege (bis 1.7.1947), dann Niedersächsiche Rechtspflege Hanseatische Gerichtszeitung (1880–1927, dann vereinigt mit Hanseatische Rechtszeitschrift, 1918 ff zu: Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift, bis 1943) Hanseatisches Oberlandesgericht VO über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats (Sechste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz) v 21.10.1944 (RGBl I S 256 BGBl III 404-3) Handbuch Heimgesetz id Bek v 5.11.2001 (BGBl S 2970) Hessen

XIX

Abkürzungsverzeichnis HessAGBGB HessFEVG HessFGG HessOrtsGerG HEZ HGB HintO HKÜ hL hM HmbAGBGB HmbFGG HmbAGGVG HmbGuV HmbJVBl HmbPsychKG HöfeO HöfeVfO HRV HRR Hrsg, hrsg HwVG HypBankG HZPrÜbk HZustlÜbk

idF idR idS iErg ieS IheringJ IHK ILR im allg insbes insges IntFamRVG

IPG

XX

Hess AusführungsG zum BGB v 18.12.1984 (GVBl S 344) Hess G über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen v 19.5.1952 Hess G über die freiwillige Gerichtsbarkeit v 12.4.1954 (GVBl S 59, 96 = GVBl II Nr 250-1) Hess OrtsgerichtsG v 6.7.1952 (GVBl 124 = GVBl II Nr 28-1) Höchstrichterliche Entscheidung in Zivilsachen Handelsgesetzbuch v 10.5.1897 (RGBl 219, BGBl III 3 Nr 300-15) idF v 28.10.1994 (BGBl S 285) HinterlegungsO v 10.3.1937 (RGBl I S 285) Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung v 25.10.1980 (BGBl II S 206) herrschende Lehre herrschende Meinung Hmb AusführungsG zum BGB v 1.7.1958 (GVBl S 196) Hmb G über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v 16.1.1989 (GVBl S 5, 8) Hamb G zur Ausführung des GVG v 31.5.1965 (GVBl S 99) Gesetze und Verordnungen der Freien und Hansestadt Hamburg Hamburgisches Justizverwaltungsblatt Hamburger G über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten v 22.9.1977 Höfeordnung idF v 26.7.1976 (BGBl S 1933) Verfahrensordnung für Höfesachen v 29.3.1976 (BGBl S 881, 1977 I S 288) Handelsregisterverordnung (vormals -verfügung) Höchstrichterliche Rechtsprechung (Jahr, Nr) Herausgeber, herausgegeben Gesetz über eine Rentenversicherung der Handwerker (Handwerkerversicherungsgesetz) v 8.9.1960, BGBl S 2104 Hypothekenbankgesetz idF v 5.2.1963 (BGBl S 81) Haager Übereinkommen über den Zivilprozess v 1.3.1954 (BGBl 1958 II 577) Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen v 15.11.1965 (BGBl 1977 II 1453) in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis in engerem Sinne Iherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Industrie- und Handelskammer Interlokales Privatrecht im allgemeinen insbesondere insgesamt Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG) idF des Art 1 des Gesetzes zum internationalen Familienrecht v. 26.1.2005 (BGBl S 162); abgedruckt im Band II Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht 1965–1966, veröffentlich im Auftrage des Deutschen Rats für inter-

Abkürzungsverzeichnis

IPR IPRax IPRG IPRspr

iS(v) iVm iwS IzRspr iZw JA JBeitrO JBl JFG

JFGErg

JGG JKomG

JMBl JR JRRspr JSchG JugendhilfeVO JuMiG JuMiKo JurA Jura JurBüro JurJb JuS Justiz JVBl JVEG

JVKostO

nationales Privatrecht von Ferid, Kegel, Zweigert, Berlin u Tübingen, 1968 Internationales Privatrecht Praxis des Internationales Privat- und Verfahrensrechts (1981 ff) G zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts v 25.7.1986 (BGBl S 1142) Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts im Jahre … (1926/27 bis 1934: 1945/49 ff) = Sonderheft von RabelsZ im Sinne (von) in Verbindung mit im weiteren Sinne Sammlung der deutschen Entscheidungen zum interzonalen Privatrecht, 1956 ff im Zweifel Jugendamt; auch Juristische Arbeitsblätter Justizbeitreibungsordnung v 11.3.1937 (RGBl I S 298) Justizblatt Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, begründet von Ring (1924–1943) Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG München in Miet-, Pachtschutz-, Kosten- und Strafsachen (Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, Ergänzungsband) (1924–1944) Jugendgerichtsgesetz i d Bek v 11.12.1974 (BGBl S 3427) Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) v 22.3.2005 (BGBl S 837) Justizministerialblatt Juristische Rundschau (1925–1935, 1947 ff) Juristische Rundschau, Rechtsprechungsbeilage (1925–1986) Jugendschutzgesetz v 23.7.2002 (BGBl S 2370) VO über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Jugendhilfe v 3.3.1966 (DDR) Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze v 18.6.1997 (BGBl S 1430) Konferenz der Justizministerinnen und -minster Juristische Analysen (1969–1971) Jura (1979 ff) Das juristische Büro (1950 ff: Das Büro, 1956 ff: Das juristische Büro) Juristenjahrbuch (1960 ff) Juristische Schulung, Zeitschrift für Studium und Ausbildung (1960 ff) Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg (1952 ff) Justizverwaltungsblatt (N F 1957 ff) Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen, und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG) gem Art 2 KostRMoG Verordnung über die Kosten im Bereich der Justizverwaltung v 14.2.1940 (RGBl I 357, BGBl III 3 Nr 363-1)

XXI

Abkürzungsverzeichnis JW JWG JZ

Juristische Wochenschrift (1872–1939, dann aufgegangen in DR) Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung (1951 ff, Fortsetzung von DRZ und SJZ)

K&R KAGG Kap KastrG

Kommunikation und Recht G über Kapitalanlagegesellschaften idF v 14.1.1970 (BGBl S 127) Kapitel G über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden v 15.8.1969 (BGBl S 1143) Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Blätter für Rechtspflege im Bezirk des KG Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen (bis 1899; in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit) (1881–1922) Kammergerichtsreport Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) vom 16.12.1997 (BGBl S 2942) Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltsgesetz – KindUG) vom 6.4.1998 (BGBl S 666) Kinder- und Jugendhilfegesetz idF v 3.5.1993 (BGBl S 638) Kommentar G über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz) v 11.9.1974 (BGBl S 2317) Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften v 26.7.1957 G über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung) idF v 26.7.1957 (BGBl S 960) G zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (Kostenrechtsänderungsgesetz 1994) v 24.6.1994 (BGBl S 1325) Gesetz zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf Euro (KostREuroUG) vom 27. April 2001 (BGBl S 751) Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG) vom 5. Mai 2004 (BGBl S 718) Kostenrechtsprechung (Entscheidungssammlung) Kostenverfügung v 1.3.1976 Kontrollratsgesetz Kreisgericht kritisch Körperschaftssteuergesetz idF v 31.8.1976 (BGBl S 2597) Körperschaftssteuergesetz 1981 v 10.12.1981 (BGBl S 1357) Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 Gesetz über die Sozialversicherung der Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz) vom 27.7.1981 (BGBl S 705) Kreditwesengesetz, G über das Kreditwesen idF v 3.5.1976 (BGBl S 1121)

KG KGaA KGBl KGJ

KGR KindRG KindUG

KJHG Komm KonsG KostÄndG KostO KostRÄndG 1994 KostREuroUG

KostRMoG KostRspr KostVfg KRG KrG krit KStG 1977 KStG 1981 KSÜ

KSVG KWG

LAG lfd LFGG

XXII

Landesarbeitsgericht laufend Landesgesetz für die Freiwillige Gerichtsbarkeit

Abkürzungsverzeichnis LG LM LPachtVG LPartG

LS LSA lt LV LVO LwVG LZ

m krit Anm m zust Anm maW MDR MinBl MitbestG MittBayNotV MittRhNotK

MiZi Mot MRK MSA

MV MVAGGerStrG mwN NachlG Nachw NamÄndG Nds NdsAGBGB NdsAGGVG NdsFGG NdsPsychKG

Landgericht Nachschlagwerk des BGH (Loseblatt), Hrsg Lindenmaier, Möhring ua (1951 ff) Landpachtverkehrsgesetz v 8.11.1985 (BGBl S 2075) G über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG), Art 1 des G zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften v 16.2.2001 (BGBl S 266) Leitsatz Land Sachsen-Anhalt laut Literaturverzeichnis, Schrifttumsverzeichnis Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen – LVO – v 2.12.1947 VOBl für die brit Zone S 157 G über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LandwirtschaftsverfG) v 21.7.1953 (BGBl S 667) Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (1907–1933: für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht) mit kritischer Anmerkung (von) mit zustimmender Anmerkung mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht (1947 ff) Ministerialblatt Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG) v 4.5.1976 (BGBl S 1153) Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins (hervorgegangen aus BayNotZ) Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (seit 1961; voher: Niederschriften über die Notarkammersitzungen der Rheinischen Notarkammer) Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen v 1.10.67 Motive zum BGB siehe EMRK Übereinkommen über die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen v 5.10.1961 (BGBl 71 II S 217) Mecklenburg-Vorpommern MV G zur Ausführung des GerichtsstrukturG v 10.6.1992 (GVBl S 314) mit weiteren Nachweisen Bayerisches G, das Nachlasswesen betreffend, vom 9.8.1962 (BayBS III, 114); auch Nachlassgericht Nachweis(e) Gesetz über die Änderung von Familien- und Vornamen v 5.1.1938 (RGBl I S 9; BGBl III 4 Nr 401-1) Niedersachsen Nds AusführungsG zum BGB v 4.3.1971 (GVBl S 73) Nds AusführungsG zum GVG v. 5.4.1963 (GVBl S 225) idF d G v 1.4.1969 (GVBl 99) Nds G über die freiwillige Gerichtsbarkeit v 14.5.1958 (GVBl S 475) Nds G über Hilfen für psychisch Kranke u Schutzmaßnahmen v 30.5.1978

XXIII

Abkürzungsverzeichnis NdsRpfl NDV NEhelG nF NiemeyersZ NJ NJOW NJW NJWE-FER NJW-RR NotBZ NotG NotK NotMaßnG NotO Nov Nr NRW NRWPsychKG NVO NVO-Notar NZG o O oä OG oJ OLG(e) OLGR

OLGVertrÄndG

OLGZ oV PachtKredG PartG PartGG PatAO PatG PersStdGAV phG

XXIV

Niedersächsische Rechtspflege (1947 ff) Nachrichtendienst des Deutschen Vereins f öffentliche u private Fürsorge (1920–1944; 1946 ff) G über die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder v 19.8.1969 (BGBl S 1243) neue Fassung Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht Neue Justiz (1947 ff) Neue juristische Online-Zeitschrift (Internetangebot des Verlages C. H. Beck; URL: http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?) Neue Juristische Wochenschrift (1947/48 ff) NJW-Entscheidungsdienst Familien- und Erbrecht NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (1986 ff) Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis G der DDR über das Staatliche Notariat – Notariatsgesetz – v 5.2.1976 (GVBl I S 93) Notarkammer G über Maßnahmen auf die Gebiete des Notarrechts v 16.2.1961 (BGBl S 77) Notarordnung für Rheinland-Pfalz v 3.9.1949 (GVBl I S 391) Novelle Nummer Nordrhein-Westfalen NRW G über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Nordrhein-Westfalen) v 2.12.1969 Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis v 24.6.1990 (GBl I Nr 37 S 475) Notar im Bereich der NVO Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht oben Ordnung oder ähnlich Oberstes Gericht d DDR ohne Jahr Oberlandesgericht(e) OLG-Report (nach OLG getrennt); auch: die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, Bd 1 bis 46, 1900 bis 1928 Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG-Vertretungsänderungsgesetz – OLGVertrÄndG) vom 23.7.2002 (BGBl S 2850) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, Hrsg Deisenhöfer, Jansen (s 1965) ohne Verfasser Pachtkreditgesetz v 5.8.1951 (BGBl S 494) Parteiengesetz idF v 3.3.1989 (BGBl S 328) G über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe v 25.7.1995 (BGBl S 1744) Patentanwaltsordnung v 7.9.1966 (BGBl I 557) Patentgesetz v 16.12.1980 (BGBl 1981 I S 2) VO zur Ausführung des Personenstandsgesetzes v 12.8.1957 (BGBl S 1139) idF d Bek v 25.2.1977 (BGBl S 377) persönlich haftender Gesellschafter

Abkürzungsverzeichnis PKH PKHÄndG PKHBegrenzGE

PKHG PrAGBGB PrAGGVG PrFGG PrGS Prot PStG PStV

RA RabelsZ RAG

RAussch RBerG RdA RdErl RdL Rdschr Recht RefE FGG-ReformG

RegVBG

ReichssiedlG REinhG

RelKEG, auch RKEG REWG RG RGBl RGSt RGZ RHeimstG RhPf

Prozesskostenhilfe G zur Änderung von Vorschriften über die Prozesskostenhilfe v 10.10.1994 (BGBl S 2954) Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe (ProzesskostenhilfebegrenzungsgesetzPKHBegrenzG) BRDrs 250/06 v 10.4.2006 G über die Prozesskostenhilfe v 13.6.1980 (BGBl S 677) Preußisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch v 20.9.1899 (PrGS 177) Preußisches AusführungsG zum GVG v 24.4.1878 (PrGS 230) Preußisches G über die freiwillige Gerichtsbarkeit v 21.9.1899 (PrGS 249) Preußische Gesetzsammlung Protokoll Personenstandsgesetz v 8.8.1957 (BGBl S 1125) VO zur Ausführung d Personenstandsgesetzes idF v 25.2.1977 (BGBl S 377) Rechtsanwalt Zeitschrift für ausländisches u internationales Privatrecht (bis 1961: ZAIP; ab 26.1.1961: Rabels Zeitschrift für …) (1927 ff) G (DDR) über die Anwendung des Rechts auf internationale zivil-, familien- und arbeitsrechtliche Beziehungen sowie auf internationale Wirtschaftsverträge – Rechtsanwendungsgesetz – v 5.12.1975 (GBl I S 748; Berlin/Ost: VOBl 1976, S 9) Rechtsausschuss Rechtsberatungsgesetz v 13.12.1935 (RGBl I S 1478) Recht der Arbeit (Zeitschrift) Runderlass Recht der Landwirtschaft (1949 ff) Rundschreiben Das Recht (1897–1944; 1928–1933: Beilage zum Zentralblatt für Handelsrecht, seit 1939: Beilage zu DJ) Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) v Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006 G zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren – Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz – v 20.12.1993 (BGBl S 2182) Reichssiedlungsgesetz v 11.8.1919 (RGBl S 1429) G zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts v 12.9.1950 (BGBl S 455) Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15.7.1921 (RGBl S 939; BGBl III 4 Nr 404-9) G zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts v 5.3.1953 (BGBl S 33) Reichsgericht, auch Reichsgesetz Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (1880–1944) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (1880–1945) Reichsheimstättengesetz v 25.11.1937 (RGBl I S 1291) aufgehoben durch G v 23.6.1993 (BGBl S 912) Rheinland-Pfalz

XXV

Abkürzungsverzeichnis RhPfAGBGB RhPfAGGVG RhPfLFGG RhPfUntG Ri RiA RIW RJA

RMBl Rn RNotO RNotZ ROW Rpfleger RPflG RpflJb RpflStud RpflVereinfG Rspr RStBl RuStAG

RuStAÄndG RVG

RVGreport RzW S s sa Saarl SaarlAGGVG SaarlAGJusG SachenRÄndG SachenRBerG Sachsen-Anhalt Sächs SächsGerOrgG

XXVI

RhPf AusführungsG zum BGB v 18.11.1976 (GVBl S 259) RhPf AusführungsG zum GVG v 6.11.1989 (GVBl S 225) RhPf Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit v 24.10.1995 (GVBl S 426) Landesgesetz über die Unterbringung von Geisteskranken und Suchtkranken v 19.2.1959 Richter, Richtlinie Recht im Amt (1954 ff) Recht der internationalen Wirtschaft (seit 1954 und 1975) Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt vom Reichsjustizamt (1900–1922) Reichtsministerialblatt Randnummer (-ziffer) Reichsnotarordnung v 13.2.1937 (RGBl I S 191) Rheinische Notar-Zeitschrift Recht in Ost und West (1957 ff) Der deutsche Rechtspfleger (1948 ff; vorher: Deutsche Rechtspflege; davor Zeitschrift des Bundes deutscher Justizamtmänner) Rechtspflegergesetz v 5.11.1969 (BGBl S 2065) Rechtspfleger-Jahrbuch (1936–1943; 1953 ff) Rechtspfleger-Studienhefte (1977 ff) Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz v 17.12.1990 (BGBl S 2847) Rechtsprechung Reichssteuerblatt (bis 1945) Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz v 22.7.1913 (RGBl I S 583 = BGBl III unter 102-1) gilt durch am 1.1.2000 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999 (BGBl S 1618) mit einigen Änderungen im wesentlichen als Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) fort Gesetz zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigengesetzes v 20.12.1974 (BGBl I S 374) Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG), Art 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG), vom 5.5.2004 (BGBl S 718) Zeitschrift ehemals BRAGOreport Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht Seite, Satz siehe siehe auch Saarland Saarl AusführungsG zum GVG v 4.10.1972 (ABl 601) G z Ausführung bundesrechtlicher Justizgesetze (AGJusG) v 5.2.1997 (Amtbl S 258) G zur Änderung sachenrechtlicher Bestimmungen – Sachenrechtsänderungsgesetz – v 21.9.1994 (BGBl S 2457) G zur Sachenrechtsbereinigung im Beitrittsgebiet – Sachenrechtsbereinigungsgesetz – v 21.9.1994 (BGBl S 2457) siehe LSA Sächsisches, Sachsen G über die Organisation der Gerichte und Staatsanwaltschaften im Freistaat Sachsen (Sächsisches GerichtsorganisationsG – SächsGerOrgG) v 24.5.1994(GVBl 1009)

Abkürzungsverzeichnis SächsJG SchiffsbankG SchiffsRegDVO SchiffsRegO SchiffsRG SchlH SchlHA SchlHAGBGB SchlHOLG SchlHPsychKG SchuldRModG SdH SeuffA SGB SGB-VwVf SGG SJZ Slg so sog SorgeRG SorgeRÜbkAG

SpruchG StA StaatsGH Städtetag StAG StAZ

StBauFG StenB StBerG str stRspr su TestG

G über die Justiz im Freistaat Sachsen (Sächsisches Justizgesetz – SächsJG) v 24.11.2000 (SächsGVBl 482; 2001 S 704) Schiffsbankgesetz idF v 8.5.1963 Verordnung zur Durchführung der Schiffsregisterordnung v 24.11.1980 Schiffsregisterordnung v 26.5.1951 (BGBl S 359) idF v 4.7.1980 G über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffbauwerken v 15.11.1940 (RGBlI S 1499, BGBl III Nr 403-4) Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinische Anzeigen, Justizministerialblatt für SchlH (N F seit 1837) SchlH AusführungsG zum BGB v 27.9.1974 (GVBl S 357) Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht SchlH G für psychisch Kranke v 26.3.1979 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v 26.11.2001 (BGBl S 3138) Sonderheft Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (1847–1944) Sozialgesetzbuch Sozialgesetzbuch, Teil X: Verwaltungsverfahren v 18.8.1980 (BGBl S 1469) Sozialgerichtsgesetz idF v 23.9.1975 (BGBl S 2535) Süddeutsche Juristenzeitung (1946–1950, dann mit DRZ vereinigt zu JZ) Sammlung siehe oben so genannt(e) G zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge v 18.7.1979 (BGBl S 1061) Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und des Europäischen Übereinkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz – SorgeRÜbkAG) vom 5. April 1990 (BGBl S 701) Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz – SpruchG) v 12.6.2003 (BGBl S 838) Standesamt, auch Staatsanwaltschaft Staatsgerichtshof Der Städtetag (1948 ff) siehe RuStAG Das Standesamt, Zeitschrift für Standesamtswesen, Personenstandsrecht, Ehe- und Kindschaftsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht (1948/49 ff; vorher 1921–1944; Zeitschrift für Standesamtswesen, Das Standesamt, Der Standesbeamte) Städtebauförderungsgesetz idF v 18.8.1976 (BGBl S 2318) Stenografische Berichte Steuerberatungsgesetz strittig, streitig ständige Rechtsprechung siehe unten G über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen v 31.7.1938 (RGBl I 973)

XXVII

Abkürzungsverzeichnis Thür ThürAGGVG tlw TSG

TV Tz u ua uä uam UÄndG Überbl Übk UdG üM UmstG UmwG unstr unv UR UrhG UrhWG UStG uU v VA VAG

VAHRG VAÜG

VereinfNov VereinsG VerlG VermG Vers VerschÄndG VerschG

XXVIII

Thüringen Thür AusführungsG zum GVG v. 12.10.1993 (GVBl S 612) teilweise G über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz) v 10.9.1980 (BGBl S 1654) Testamentsvollstrecker Textziffer unten unter anderem, und andere und ähnliche und anderes mehr G zur Änderung unterhaltsrechtlicher, verfahrensrechtlicher und anderer Vorschriften v 20.2.1986 (BGBl S 301) Überblick Übereinkommen Urkundsbeamter der Geschäftsstelle überwiegende Meinung Drittes G zur Neuordnung des Geldwesens v 20.6.1948 (Umstellungsgesetz) Umwandlungsgesetz v 28.10.1994 (BGBl S 3210, ber 1995 S 428) unstrittig unveröffentlicht Urkundenrolle G über Urheberrechte und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) v 9.9.1965 (BGBl 1273) G über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten v 9.9.1965 Umsatzsteuergesetz idF v 27.4.1993 (BGBl S 566) unter Umständen vom, von Versorgungsausgleich G über die Beaufsichtigung d privaten Versicherungsunternehmen u Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) idF v 17.12.1992 (BGBl S 93,3) Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21.2.1983 (BGBl S 105) Gesetz zur Überleitung des Versorgungsausgleichs auf das Beitrittsgebiet (Versorgungsausgleichs-Überleitungsgesetz – VAÜG), Art 31 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) vom 25.7.1991 (BGBl S 1606) G zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren – Vereinfachungsnovelle – v 3.12.1976 G zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts v 5.8.1964 (BGBl S 593) G über das Verlagsrecht v 19.6.1901 (RGBl S 217, BGBl III 4 Nr 441-1) Vermögensgesetz Versicherung G zur Änd v Vorschriften d Verschollenheitsrechts v 15.1.1951 (BGBl S 59) Verschollenheitsgesetz idF v 15.1.1951 (BGBl S 63)

Abkürzungsverzeichnis VersR VFGüG vgl VHG VO Voraufl Vorbem VormG VStG VVAG

VVaG VVG VV RVG VW VwGO VwVfG

VZOG WährG Warn

WEG WGV

WiGBl

WiR WM WPM WPO WRP WStG WuB WÜD WÜK Württ WürttJB WürttNotV

Versicherungsrecht (Jahr und Seite) G über den ehelichen Güterstand v Vertriebenen und Flüchtlingen v 4.8.1969 (BGBl S 1067) vergleiche VertragshilfeG v 26.3.1952 (BGBl S 198) Verordnung Vorauflage Vorbemerkung Vormundschaftsgericht Vermögenssteuergesetz v 17.4.1974 (BGBl S 949) Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung (Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung vom 30.3.2001 (BGBl S 475) Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit G über den Versicherungsvertrag v 30.5.1908 (RGBl S 263) Vergütungsverzeichnis zu § 2 Abs 2 RVG Versicherungswirtschaft (1946ff) Verwaltungsgerichtsordnung idF der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl S 686) Verwaltungsverfahrensgesetz i d seit dem 1. Februar 2003 geltenden Fassung der Neufassungsbekanntmachung vom 23.2.2003 (BGBl S 102) Vermögenszuordnungsgesetz v 22.3.1991 (BGBl 766, 784) Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) v 20.6.1948 (WiGBl Beil 5 S 1, BGBl III 7600-1-a) Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts abgedruckt ist, hrsg von Warneyer (1908–1941; seit 1961: Warneyers Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, soweit nicht in der amtlichen Sammlung abgedruckt, abgekürzt auch als BGHWarn) G über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) v 15.3.1951 (BGBl S 175, ber S 209) Verordnung über die Anlegung und Führung der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher (Wohnungsgrundbuchverfügung – WGV) v 24.1.1995 (BGBl S 134) Gesetzblatt zur Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1947–1949; 1947: Gesetz- und Verordnungsblatt des ZweizonenWirtschaftsrates, bis 1948: Gesetz- und Verordnungsblatt des Vereinigten Wirtschaftgebietes) Wirtschaftsrecht (seit 1972) Wertpapier-Mitteilungen (1947 ff) Wertpapier-Mitteilungen Wirtschaftsprüferordnung Wettbewerb in Recht und Praxis Wechselsteuergesetz idF v 24.7.1959 (BGBl S 536) Entscheidungssammlung zum Wirtschaft- und Bankrecht (seit 1985) Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v 18.4.1961 (BGBl 1964 II S 959) Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v 24.4.1964 (BGBl II S 1589) Württemberg Jahrbücher der württembergischen Rechtspflege Zeitschrift des WürttNotarvereins

XXIX

Abkürzungsverzeichnis WürttZ

Zeitschrift für die Freiwillige Gerichtsbarkeit in Württemberg

Z zB ZBlFG ZBlJR auch ZfJ

Zeitschrift zum Beispiel Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit und Notarrecht (ab 1911) Zentralblatt für Jugendrecht u Jugendwohlfahrt (1924/25 ff, bis 1936; 1950 ff) Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (1951ff) Zeitschrift für Rechtsvergleichung (ab 1991); vorher: Zeitschrift für Internationales Privatrecht u Europarecht (seit 1960) Zivilgesetzbuch der DDR v 19.6.1975 (GBl I S 465; Berlin/Ost: VOBl S 77) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht (seit 1907) und Konkursrecht, begr von Goldschmidt (1858 bis 1944; 1946 ff) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (seit 1983, vorher: Zeitschrift für Insolvenzrecht und: Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht) zitiert Zeitschrift für Konfliktmanagement Zivilprozessordnung v 30.1.1877 (RGBl S 83) idF d Bek v 5.12.2005 (BGBl S 3202 – BGBl III/FNA 310-4) Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (Zivilprozessreformgesetz – ZPO-RG) vom 27.7.2001 (BGBl S 1887) Rechtshilfeordnung für Zivilsachen v 19.10.1956 G über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen v 1.10.1969 (BGBl S 1756) – aufgehoben durch Art 6 Nr 2 KostRMoG zum Teil zustimmend Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG) vom 25.6.2001 (BGBl S 1206) zutreffend Zeitschrift für Zivilprozess, begr von Busch (1879–1943, 1950 ff) Zeitschrift für Wohnungseigentum

ZEV ZfgG ZfRV ZGB ZGR ZHR ZIP zit ZKM ZPO ZPO-RG ZRHO ZSEG

zT zust ZustRG

zutr ZZP ZWE

XXX

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur AK/Bearbeiter/BGB Alberts/Stähnz Andrae Ann AnwK-BGB/Bearbeiter Arndt Arndt/Bearbeiter Arnold/Meyer-Stolte/Bearbeiter Assenmacher/Mathias/Mümmler

Bach/Gildenast Bamberger/Roth Bärmann Bärmann/Pick/Merle, WEG Bärmann/Pick von Bar Barnstedt/Steffen Bassenge/Herbst/Roth Bauer/von Oefele/Bearbeiter Baumbach/Bearbeiter Baumbach/Hopt Baumbach-Hueck Baumbach/Hueck/Bearbeiter Baur Baur/Stürner Baur/Wolf Beck/Samm

Beck’sches Notarhandbuch (siehe auch NotHdb/Bearbeiter) Bengel/Reimann Berenbrok Bergerfurth BerlKommGenG/Bearbeiter

Alternativkommentar z BGB, 1970 ff Betreuungsrecht 2001 Internationales Familienrecht, 1998 Die Erbengemeinschaft, 2001 Anwaltkommentar BGB (Hrsg: Dauner-Lieb/Heidel/Ring), 2004 Rechtspflegergesetz, 1957 Arndt/Lerch/Sandkühler, Bundesnotarordnung, 5. Auflage, Köln 2003 Rechtspflegergesetz, 6. Auflage, 2002 Kostenordnung, 15. Auflage, 2003 (vormals Göttlich/Mümmler) Internationale Kindesentführung, FamRZ-Buch 12, 1999 BGB, Kommentar, 2003 Freiwillige Gerichtsbarkeit und Notarrecht, Berlin 1968 Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2003 Wohnungseigentumsgesetz, Erläuterte Ausgabe, 16. Auflage, 2005 Internationales Privatrecht, Bd 2, Besonderer Teil, 1991 Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, 6. Auflage 2001 FGG/RPflG, 10. Auflage, Heidelberg 2004 Kommentar zur Grundbuchordnung München 1999 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 64. Auflage, München 2006 Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 32. Auflage, München 2006 AktG 13. Auflage, München, 1968 GmbH Gesetz, 18. Auflage, München 2006 Freiwillige Gerichtsbarkeit, 1. Buch: Allgemeines Verfahrensrecht, Tübingen 1955 Sachenrecht 17. Auflage 1999 Grundbegriffe der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. Auflage, 1980 Gesetz über das Kreditwesen, Loseblattsammlung, (§ 43 Stand: 96. Erg-Lfg, März 2003; § 42 Stand: 94. Erg-Lfg, November 2002) Brambring/Jerschke (Hrsg), 3. Auflage, München 2000 Handbuch der Testamentsvollstreckung, 3. Auflage, 2001 Internationale Nachlaßabwicklung: Zuständigkeit und Verfahren, 1989 Der Ehescheidungsprozess und die anderen Eheverfahren, 13. Auflage, 2001 Berliner Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, Hillebrand/Kessler (Hrsg), Hamburg 2001

XXXI

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur Bettermann Bearbeiter in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner Beuthin BFS-KWG/Bearbeiter Bienwald/Bearbeiter Bienwald Verfahrenspflegschaftsrecht Bittis/Kratzenberger/Löhr Blomeyer ZPR Bode Bödicker Bonefeld/Kroiß/Tanck/Bearbeiter Bohnert Böttcher/Ries Brand/Kleef Brehm Brox Brox/Walker Brüggemann

Bruns/Kemper BtKomm/Bearbeiter Bünning Bumiller/Winkler Burhoff/Kindermann Büte

Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform, 1949 Die Grundrechte GenG, 14. Auflage, München 2004 Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, München 2000 Betreuungsrecht, Kommentar, 4. Auflage, 2005 Verfahrenspflegschaftsrecht, Bielefeld 2002 BauGB, Kommentar, 9. Auflage, 2005 Zivilprozessrecht, Erkenntnisverfahren 2. Auflage, 1985 Praxishandbuch Anwalt des Kindes, 2004 Notwendigkeit einer Reform des Rechts der Erbauseinandersetzung bei Immobiliarvermögen, 1988 Der Erbprozeß, 2001 Unterbringungsrecht, 2000 Formularpraxis des Handelsregisterrechts, Köln 2003 Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis, 2. Auflage, 1961 Freiwillige Gerichtsbarkeit, 3. Auflage, Stuttgart 2002 Erbrecht, 20. Auflage, Köln 2003 Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Auflage 2003 Urkundstätigkeit nach §§ 49, 50 JWG, Heidelberg 1983, ab 3. Auflage: Beurkundungen im Kindschaftsrecht, 4. Auflage 1994 siehe Hk-LpartG Dodegge/Roth, Betreuungsrecht Systematischer Praxiskommentar, Köln 2003 Nachlaßverwaltung und Nachlaßkonkurs im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1996 Freiwillige Gerichtsbarkeit, 7. Auflage, München 1999 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2004, 2004 Das Umgangsrecht bei Kindern geschiedener oder getrennt lebender Eltern, 2. Auflage 2005

Coeppius Coeppius, Sachfragen

Handhabung und Reform des Betreuungsgesetzes, 1995 Sachfragen des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, 2000

Dallmayer/Eickmann Damrau/Zimmermann

Rechtspflegergesetz, Kommentar, München 1996 Betreuungsgesetz, Kommentar zum materiellen und formellen Recht, 3. Auflage, Stuttgart/Berlin/Köln 2001 Grundbuchordnung, Kommentar, 24. Auflage, München 2002 – s auch Horber/Demharter – Deutscher Erbrechtskommentar, Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde eV, 2003 siehe BtKomm/Bearbeiter Familienrecht, Darstellung des deutschen Familienrechts mit rechtsvergleichenden Hinweisen, Bd. I: 1964, Bd. II: 1965 Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 2. Auflage 2005

Demharter DErbK/Bearbeiter Dodegge/Roth Dölle Dose

Ebeling/Geck Ebenroth/Bearbeiter Eberl-Borges Ebert, Einstweiliger Rechtsschutz

XXXII

Handbuch der Erbengemeinschaft, Loseblattsammlung Ebenroth/Bouyong/Joost, HGB, Band 1, München 2001 Die Erbauseinandersetzung, 2000 Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 2002

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur Ebert-Dudek-Lindemann Eckebrecht/Große-Boymann/ Gutjahr/Schael/ von Swieykowski-Trzaska Bearbeiter in: von Eicken/ Hellstab/Lappe/Madert Van Els Ensthaler/Bearbeiter Erman/Bearbeiter Eulberg/Ott-Eulberg Exner Eylmann/Vaasen/Bearbeiter

FamGb

FamRefK/Bearbeiter

FamVerf/Bearbeiter Feuerich/Braun Fieseler/Schleicher/Busch (Hrsg), Finkelnburg Firsching/Dodegge Firsching/Graba, FamR Firsching/Graf, NachlR Fitzner FK-InsO/Bearbeiter Frank Frentzel/Jäkel/Junge Frieser/Sarres/Stückemann/ Tschichoflos Geimer Gernhuber/Coester-Waltjen Gerold/Schmidt/ BearbeiterBRAGO Gerold/Schmidt/ BearbeiterRVG Geßler/Hefermehl/Bearbeiter Gießler

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. Auflage, Breslau 1908 siehe FamVerf/Bearbeiter

Die Kostenfestsetzung, 18. Auflage, 2003 Das Kind im einstweiligen Rechtsschutz im Familienrecht, FamRZ-Buch 13, 2000 Gemeinschaftskommentar zum HGB, 6. Auflage, Neuwied 2001 Handkommentar z BGB, 11. Auflage, Münster 2004 Die Nachlaßpflegschaft, 1999 Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im deutschen und im französichen Recht – ein Rechtsvergleich, 1994 Eylmann/Vaasen, Bundesnotarordnung Beurkundungsgesetz, München 2000 Baumeister/Fehmel/Griesche/Hochgräber/Kayser/Wick, Familiengerichtsbarkeit, Kommentar zu den materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften, 1992 Bäumel/Bienwald/Häußermann/Hoffmann/Maurer/ Meyer-Stolte/Rogner/Sonnenfeld/Wax, Familienrechtsreformkommentar, Bielefeld 1998 Eckebrecht/Große-Boymann/Gutjahr/Schael/von SwieykowskiTrzaska, Verfahrenshandbuch Familiensachen, 2001 Kommentar zur Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Auflage, 2000 siehe GK-SGB VIII/Bearbeiter Über den Rechtsschutz bei anwaltlichen Zulassungsstreitigkeiten, 1964 Familienrecht, 2. Halbband: Vormundschafts- und Betreuungsrecht, 6. Auflage, München 1998 Familienrecht: Familiensachen, 6. Auflage, München 1999 Nachlaßrecht, 8. Auflage, München 2000 Deutsches Kolonial-Handbuch Bd I, II, 2. Auflage 1901 Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, Wimmer (Hrsg), 3. Auflage, 2001 Erbrecht, 2. Auflage, 2003 Industrie- und Handelskammergesetz, 6. Auflage, Köln 1999 Handbuch Erbrecht, 2002

Internationales Zivilprozessrecht, 5. Auflage, 2005 Lehrbuch des Familienrechts, 4. Auflage, München 1994 Gerold/Schmidt/v Eicken/Madert, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, Kommentar, 15. Auflage, München 2002 Gerold/Schmidt/v Eicken/Madert, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage, München 2004 Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, Aktiengesetz, Band I (1973–1984) Vorläufiger Rechtsschutz in Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, NJW-Schriftenreihe Band 46, 3. Auflage, München 2000

XXXIII

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur GK-SGB VIII/Bearbeiter Godin-Wilhelmi Göppinger/Wax/Bearbeiter Goessl Göttlich/Mümmler/BRAGO Göttlich/MümmlerKostO Göttlich/MümmlerRVG

Greßmann Großkommentar zum Aktiengesetz/Bearbeiter Grün Gustavus Gustavus Handelsrecht Estland Güthe/Triebel Habscheid Habscheid, Streitgegenstand

Fieseler/Schleicher/Busch (Hrsg), Kinder- und Jugendhilferecht GK-SGB VIII, 16. Lfg., August 2004 Aktiengesetz, 4. Auflage, Berlin 1971 Unterhaltsrecht begründet von Günter Brühl, 8. Auflage, Bielefeld 2003 Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes, 1961 Göttlich/Mümmler, Kommentar zur BRAGO fortgeführt von Braun/Rehberg, 20. Auflage, München 2001 siehe Assenmacher/Mathias/Mümmler Göttlich/Mümmler fortgeführt von Rehberg/Xanke, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 1. Auflage, München 2004 Neues Kindschaftsrecht, 1998 Großkommentar zum Aktiengesetz 3. Auflage, Berlin 1970ff Vaterschaftsfeststellung und- anfechtung für die gerichtliche, anwaltliche und behördliche Praxis, Berlin 2003 Handelsregister-Anmeldungen, 6. Auflage, Köln 2005 Handelsrecht der Republik Estland, Tallinn/Berlin 2000 Kommentar zur Grundbuchordnung, 6. Auflage, 1936/37

Freiwillige Gerichtsbarkeit, 7. Auflage, München 1983 Der Streitgegenstand im Zivilprozess und im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1956 Hachenburg/Bearbeiter Großkommentar zum GmbHG, Hrsg. Ulmer, 8. Auflage, Berlin 1989 ff. Haegele Nachlaßpflegschaft und Nachlaßverwaltung, 1955 Haegele/Schöner/Stöber siehe Schöner/Stöber Haegele/Winkler Der Testamentsvollstrecker nach bürgerlichem, Handels- und Steuerrecht, 15. Auflage, Regensburg 1999 Haft/Gräfin v. Schlieffen/Bearbeiter Handbuch Mediation, 2002 Hahn-Mugdan Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Berlin 1898 Hansens BRAGO, 8. Auflage, 1995 Hartmann, KostG Hartmann, Kostengesetze, Kurz-Kommentar, 34. Auflage, München 2005 Bearbeiter in Hauck/Noftz Sozialgesetzbuch SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe Kommentar, 29. Lfg, August 2003 HB-VP/Bearbeiter Salgo/Zenz/Fegert/Bauer/Weber/Zitelmann, Verfahrenspflegschaft für Kinder und Jugendliche, Köln 2002 Hecker/Müller-Chorus/Bearbeiter Handbuch der konsularischen Praxis, Loseblattausgabe, Stand: 2. Ergänzungslieferung 11/2002 Heidel Aktienrecht, Bonn 2003 HeidelbergerKommInsO/ Eickmann/Flessner/Irschlinger, Heidelberger Kommentar zur Bearbeiter Insolvenzordnung, 3. Auflage, 2003 Henrich Internationales Familienrecht, 2. Auflage, 2001 Henssler/Koch Mediation, 2000 Hepting/Gaaz Kommentar zum PersonenstandsG mit Eherecht und Internationalem Privatrecht 1963 ff (Loseblatt Stand 38. Lieferung Juni 2003) Herbst siehe Bassenge/Herbst Hess/Bearbeiter Hess/Weis/Wienberg, Kommentar zur Insolvenzordnung mit EGInsO, 2. Auflage, Heidelberg 2001 Hettrich/Bearbeiter Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Rohrich, GenG, 2. Auflage, München 2001

XXXIV

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur Heymann/Bearbeiter von Hippel

HK-BUR/Bearbeiter

HK-GmbH-Recht/Bearbeiter HK-InsO/Bearbeiter

Hk-LPartG Hoffmann von Hoffmann/Thorn Holzhauer/Reinicke Honig Horber/Demharter Hüffer Bearbeiter in Huhn/ von Schuckmann, BeurkG Hüßtege Bearbeiter in Jans/Happe/Saurbier Jansen/Köpfel Jauernig Jauernig ZPR Jauernig/Bearbeiter Jayme/Hausmann Jessnitzer

JheringJ J/M/K/W Jochum/Pohl Johannsen/Henrich/ Bearbeiter Johansson/Sachse Josef

Jürgens/Bearbeiter

Junker Kahl

HGB, Band 1, 2. Auflage, 1995, Band 2, 2. Auflage, 1996, Berlin Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsaktes, Beiträge zur Methode einer teleologischen Rechtsauslegung, 2. Auflage, 1960 Bauer/Birk/Klie/Rink, Heidelberger Kommentar zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht, 40. Ergänzungslieferung Stand: März 2004 Bartl/Fichtelmann/Schlarb/Schulze, GmbH-Recht, 5. Auflage, 2002 Eickmann/Flessner/Irschlinger/Kirchof/Kreft/Landfermann/ Marotzke/Stephan, Insolvenzordnung, 3. Auflage, Heidelberg 2003 Bruns/Kemper (Hrsg) LPartG, Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften, 2001 Konsularrecht, Loseblattausgabe 69. Lieferung 2005 Internationales Privatrecht, 8. Auflage, 2005 Betreuungsrecht, Kommentar 1993 HwO, 2. Auflage, München 1999 Grundbuchrecht, 20 Auflage, München 1995; ab 21. Auflage 1995 Demharter, Grundbuchordnung AktG, 6. Auflage, München 2004 Beurkundungsgesetz sowie Dienstordnung für Notare, Kommentar, 4. Auflage, Berlin 2003 Internationales Privatrecht einschließlich Grundzüge des Internationalen Verfahrensrechts, 3. Auflage, 1999 Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Auflage, 26. Lfg, Stand August 2003 Das neue Unehelichengesetz, 1967 Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958 Zivilprozeßrecht, 28. Auflage, München 2003 (fr. Lent/Jauernig) Jauernig/Schlechtriem/Stürner/Teichmann/Vollkommer Kommentar zum BGB, 10. Auflage, München 2003 Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 11. Auflage, 2002 Ein Handbuch für die Praxis der Dolmetscher, Übersetzer und ihrer Auftraggeber in Gerichts-, Beurkundungs- und Verwaltungsverfahren, Köln 1982 Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein, Das neue Betreuungsrecht, 5. Auflage, 2002 Nachlaßpflegschaft, 2. Auflage, 2003 Eherecht, Kommentar, 4. Auflage, München 2003 Anweisungs- und Berichtigungsverfahren in Personenstandssachen, Frankfurt/M – Berlin, 1996 Das Reichsgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit und das Preuß. Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. Auflage 1906 Betreuungsrecht, Kommentar zum materiellen Betreuungsrecht, zum Verfahrensrecht und zum Betreuungsbehördengesetz, 2. Auflage, 2001 Internationales Privatrecht, 1998 Beschwerdeberechtigung und Beschwer in der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1981

XXXV

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur Kalthoener/Büttner

Kegel/Schurig KEHE Keidel/Bearbeiter Keidel/Krafka/Willer Kierig/Kretz Kindermann Kissel/Mayer Kleinknecht Klüsener Knittel Bearbeiter in KölnerKomm Koller/Bearbeiter Kollhosser Kollhosser, FG von König Korintenberg/Bearbeiter KostRspr

Krieger-Lenz Kropholler, IPR Krug/Rudolf/Kroiß/Bearbeiter Krug/Grüner/Dalichau/ Bearbeiter Kübler/Prütting Kunkel (Hrsg) Labuhn/Veldtrup/Labuhn Lang/Bearbeiter Lange/Wulff/HöfeO

Lange/Wulff/Landpacht Lappe Lappe, Justizkostenrecht Leipold Lempp Lent Lerche Linke LM

XXXVI

Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, NJW-Schriftenreihe Band 47, 4. Auflage, München 2005 Internationales Privatrecht, 9. Auflage, München 2004 Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, Kommentar, 6. Auflage, Berlin 2006 Keidel/Kuntze/Winkler ua, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Teil A, Kommentar zum FGG, 15. Auflage, München 2003 Registerrecht, 6. Auflage, München 2003 Formularbuch Betreuungsrecht, 2. Auflage, 2004 Die Abrechnung in Ehe- und Familiensachen, 2005 Kommentar zum Gerichtsverfassungsgesetz, 4. Auflage, 2005 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Strafprozeßordnung, 44. Auflage, 1999 Freiwillige Gerichtsbarkeit, 1987 Betreuungsgesetz, Kommentar (Loseblatt) ), Stand 1.11.2004 Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 1, 2. Auflage, Köln 1986–1988 Koller/Roth/Morck, HGB, 5. Auflage, München 2005 Zur Stellung und zum Begriff des Verfahrensbeteiligten im Erkenntnisverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1970 Freiwillige Gerichtsbarkeit, München 1992 Zivilprozess- und Kostenrecht, Bielefeld 2002 Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kommentar zur KostO, 16. Auflage, München 2005 Kostenrechtsprechung, Nachschlagewerk wichtiger Kostenentscheidungen bearbeitet und mit Anm. von Lappe, von Eicken, Noll, Herget und N. Schneider. 4. Auflage., Köln Firma und Handelsregister, Berlin 1938 Internationales Privatrecht, 5. Auflage, 2004 Erbrecht, 2000 Kinder- und Jugendhilfe, Sozialgesetzbuch (SGB), Achtes Buch (VIII), Kommentar, Stand Januar 2005 InsO, Loseblatt, Stand Februar 2005, Köln siehe Bearbeiter, LPK-SGB VIII Familiengericht und Vormundschaftsgericht, Genehmigung und Verfahren in der Praxis, 1999 Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, GenG, 33. Auflage, Berlin 1997 Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Höfeordnung für die Länder Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen u. SchleswigHolstein, 10. Auflage, 2001 Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, Kommentar, 4. Auflage, 1997 Kosten in Familiensachen, 5. Auflage, 1994 Justizkostenrecht, 2. Auflage, München 1995 Erbrecht, 15. Auflage, 2004 Lempp/von Braunbehrens/Eichner/Röcker, Die Anhörung des Kindes gemäß § 50b FGG, 1987 Freiwillige Gerichtsbarkeit, 3. Auflage, 1958 Ordentlicher Rechtsweg und Verwaltungsrechtsweg, 1953 Internationales Zivilprozessrecht, 2. Auflage 1995 Nachschlagwerk des BGH (Loseblatt), Hrsg. Lindenmaier, Möhring ua (1951 ff.)

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur Löhnig Löwe/Rosenberg/Bearbeiter Looschelders Bearbeiter, LPK-SGB VIII Lüderitz Lutter/Hommelhoff Marschner/Volckart Maßfeller/Hoffmann, PStG Maunz-Dürig Meier Meikel-Bearbeiter

Meilicke/Bearbeiter Melchior/Schulte Meyer Meyer-Großner Meyer/Höver/Bach, JVEG

Meyer/Höver/Bach, ZSEG Meyer/Mittelstädt Michalski Michalski/Römermann Mosler Mrozynski MünchKomm/Bearbeiter

MünchKommAktG/Bearbeiter MünchKommHGB/Bearbeiter MünchKommZPO/Bearbeiter MünchKommZPO/BearbeiterAktualisierungsbd Münder ua Musielak/Bearbeiter Müther Müther Handelsrecht Nothdurft NotHdb/Bearbeiter

Oberloskamp/Bearbeiter

Zivilrechtlicher Gewaltschutz, 2. Auflage 2004 Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Großkommentar, 25. Auflage, 2001 Internationales Privatrecht, Art. 3–46, 2003 Kunkel (Hrsg) Kinder- und Jugendhilfe Lehr- und Praxiskommentar, 2. Auflage, 2003 Familienrecht, 27. Auflage, München 1999 GmbH Gesetz, 15. Auflage, Köln 2000 Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Auflage, 2001 Kommentar zum Personenstandsgesetz, 1980 ff (jetzt: Hepting/Gaaz) Grundgesetz, Loseblatt-Kommentar, Stand: Februar 2005 Handbuch Betreuungsrecht, 2001 Meikel/Bestelmeyer/Böhringer/Göttlinger/Grziwotz/ Morvilius/Nowak, Grundbuchrecht Kommentar, 9. Auflage, München 2004 Meilicke/Westphalen/Hoffmann/Lenz, Kommentar zum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, 1996 HandelsregisterVO, Köln 2003 Gerichtskostengesetz, 7. Auflage, Berlin 2005 StPO, 48. Auflage, 2005 Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, Kommentar, 23. Auflage, Köln 2005 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, Kommentar, 22. Auflage, Köln 2002 Das Lebenspartnerschaftsgesetz, 2001 BGB-Erbrecht, 2. Auflage, 2001 Kommentar zum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, 2. Auflage, 1999 Das Völkerrecht in der Praxis der deutschen Gerichte, 1957 Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII), 4. Aufl., 2004, München Münchner Kommentar zum BGB, Hrsg.: Rebmann, Säcker, Rixecker München 1978 ff, 2. Auflage 1984/1990, 3. Auflage ab 1992; 4. Auflage, 2000 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Band 1, 2000 Münchner Kommentar Handelsgesetzbuch, München, Band 1 (1996), Band 2 (2004), Band 3 (2002) Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Auflage, 2000/2001 Münchner Kommentar zur ZPO-Aktualisierungsband zur ZPO-Reform 2002 Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum KJHG/SGB VIII, 4. Auflage, Stand 1.1.2003 Kommentar zur ZPO, 4. Auflage München 2005 Das Handelsregister in der Praxis, Bonn 2003 Handelsrecht, Bonn 2005 Der Begriff der Beteiligten in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1925 Beck’sches Notarhandbuch, Brambring/Jerschke (Hrsg), 3. Auflage, München 2000 Oberloskamp (Hrsg) Vormundschaft, Pflegschaft und Beistandschaft für Minderjährige, 2. Auflage 1998

XXXVII

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur Odersky Olzen

NichtehelichenG, Kommentar, 4. Auflage 1978 Erbrecht, 2001

Palandt/Bearbeiter Pardey

BGB, Kurz-Kommentar, 65. Auflage 2006 Betreuungs- und Unterbringungsrecht in der Praxis, 2. Auflage 2004, Baden-Baden Rechtsmittel in Familiensachen nach ZPO und FGG, im Verbund-, Haupt- und Nebenverfahren, Berlin 2002 Freiwillige Gerichtsbarkeit, Köln 1993 HGB, 4. Auflage Personenstandsgesetz, Kommentar, 1961 Lehrbuch der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1963 Justizverwaltungsvorschriften, 2. Auflage, 1976 ff Das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, 1955 Rechtstatsächliche Untersuchung zur Reform des Kindschaftsrechts, 2002

Pauling Pawlowski/Smid Peuker/Ruß/Stuhlfelner Pfeiffer/Strickert Pikart/Henn Piller/Hermann Pritsch Proksch

Rahm/Künkel Rauscher Rauscher EuZPR Rausnitz Reichert RGRK/Bearbeiter

Riedel Rimmelspacher Röchling/Bearbeiter Röhricht/Graf von Westfalen/ Bearbeiter Rohs/Wedewer Rosenberg/Schwab/Gottwald Rowedder/Schmidt-Leithoff RS/BearbeiterBRAGO RS/Bearbeiter

Saage Saage FGG Saage BNotO Saage/Göppinger Salgo ua Schack Sarres Schellhammer Bearbeiter in Schellhorn Scherer/MAH/Bearbeiter Schippel/Bearbeiter

XXXVIII

Rahm (Hrsg.), Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, 4. Auflage, Köln 1994 ff Familienrecht, 2001 Europäisches Zivilprozessrecht, 2004 Das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Berlin 1900 Handbuch Vereins- und Verbandsrechts, 10. Auflage, 2005 Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des RG und des BGH, 12. Auflage, Berlin Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980 Zur Prüfung von Amts wegen im Zivilprozeß, 1966 Röchling (Hrsg) Handbuch Anwalt des Kindes, Baden-Baden 2001 HGB, 2. Auflage, Köln 2001 Kommentar zur KostO, 3. Auflage, Hamburg 1985 ff Zivilprozessrecht, 16. Auflage, München 2004 GmbHG, 4. Auflage, München 2002 Riedel/Sußbauer/Fraunholz/Keller/Schneider, BRAGO, Kommentar, 8. Auflage, München 1999 Riedel/Sußbauer/Fraunholz/Keller/Schneider/ Schmahl, RVG, Kommentar, 9. Auflage, München 2005 Vertragshilfegesetz, 1952 In: Das Deutsche Bundesrecht II F 10, Text des FGG mit Erl. 1959 Bundesnotarordnung, 1961 Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Auflage, 2001 siehe HB-VP Internationales Zivilverfahrensrecht, 3. Auflage, 2002 Die Erbengemeinschaft, 1999 Erbrecht nach Anspruchsgrundlagen, 2004 Schellhorn, Kinder- und Jugendhilfe SGB VIII KJHG Kommentar, 2000 Münchener Anwaltshandbuch, Erbrecht, 2002 Bundesnotarordnung, Kommentar von Helmut Schippel ua, begr von Karl Seybold und Erich Hornig, 7. Auflage, 1999

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur Schlegelberger Schlegelberger/Bearbeiter Schleicher

Schlosser Schmidt, Gerd Schmidt/Räntsch Schneider Scholz/Bearbeiter Schöner/Stöber Schoreit/Dehn Schröder Schröder-Kay/Bearbeiter Bearbeiter in: Schröder/ Bergschneider, FamVermR Schwab, FR Seewald/Felix Schrödter Schwab/Bearbeiter Schwarz Sellin/Engels

Seybold/Schippel/Bearbeiter

Soergel/Bearbeiter Sonnenfeld Spanl Staub/Bearbeiter Staudinger/Bearbeiter Staudinger/Bearbeiter Stein/Jonas/Bearbeiter Sternberg-Siehr Stöber Szagunn/Bearbeiter Bearbeiter in Thomas/Putzo

Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 7. Auflage, 1956 mit Nachtrag 1957 HGB, Band I, 5. Auflage, 1973, Band III 1. Halbband, 5. Auflage, 1992, 2. Halbband, 5. Auflage, 1986, München Rechtliches Gehör und (persönlich-) mündliche Anhörung in familienrechtlichen Angelegenheiten und im Freiheitsentziehungsverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1988 EU-Zivilprozessrecht, 2. Auflage, 2003 Handbuch der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. Auflage, München 1996 Deutsches Richtergesetz, 5. Auflage, 1995 Die Befangenheitsablehnung im Zivilprozess, 2. Auflage, 2001 GmbH Gesetz, 9. Auflage, Köln 2000 Handbuch der Rechtspraxis Band 4 Grundbuchrecht, 13. Auflage, München 2004 – vormals Haegele/Schöner/Stöber Beratungshilfe/Prozeßkostenhilfe, Kommentar, 8. Auflage, Heidelberg 2004 Familienmediation, 2004 Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, Kommentar, 11. Auflage, Heidelberg 2002 Schröder/Bergschneider (Hrsg.) Familienvermögensrecht Bielefeld 2003 Familienrecht, 12. Auflage 2003 Kommentar zum Kindergeldrecht, Stand Mai 2005 Baugesetzbuch, 6. Auflage, 1998 Handbuch des Scheidungsrechts. Bearbeitet von Borth/Hahne/ Maurer/Motzer/Schwab; 5. Auflage, München 2004 AO, Praxiskommentar (Loseblatt), 114. Ergänzungslieferung, August 2005 Qualität, Aufgabenverteilung und Verfahrensaufwand bei rechtlicher Betreuung, Eine rechtstatsächliche Untersuchung, 2003 Bundesnotarordnung, erläutert von Seybold, Hornig, O. Weber, Schippel, Reithmann unter Mitwirkung von Kanzleiter, Keidel, 7. Auflage, München 2000 BGB Kommentar, begr. von Soergel, 12. Auflage, 1987 ff Betreuungs- und Pflegschaftsrecht, 2. Auflage, Bielefeld 2001 Vermögensverwaltung durch Vormund und Betreuer, 2001 HGB, 4. Auflage, Berlin 1995 Kommentar zum BGB, 12. Auflage, 1978 ff, 13. Bearbeitung 1993 ff EGBGB/IPR, Art 19–24, 2002 Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 22. Auflage, Tübingen Stand: 2005 Das Registerrecht, Berlin 1930 Vereinsrecht, 9. Auflage, 2004 Szagunn/Haug/Ergenzinger, Gesetz über das Kreditwesen, 6. Auflage, Köln 1997 Kommentar zur ZPO, 26. Auflage, München 2004

Tipke/Kruse

Abgabenordnung, Kommentar (Loseblatt), 106. Ergänzungslieferung, April 2005

Uhlenbruck/Bearbeiter

Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage, München 2003

XXXIX

Literaturverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzten zitierten Literatur Van Els Vogel Vollkommer Vortisch/Bemm

siehe unter E Prozeßkostenhilfe im familiengerichtlichen Verfahren, 1984 Der ablehnbare Richter, 2001 Binnenschiffahrts- und Flößereirecht, 3. Auflage

Walter Weckbach Weike/Tajic

Der Prozeß in Familiensachen, 2. Auflage, 1985 Die Bindungswirkung von Erbteilungsverboten, 1987 Kommentar zum Grundbuchgesetz in Bosnien-Herzegowina, Sarajewo 2005 Freiwillige Gerichtsbarkeit, 1981 WEG Kommentar, 9. Auflage, 2005 Das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. Auflage 1906 Der Versorgungsausgleich, 2004 ZPO u. Nebengesetze, Kommentar, 3. Auflage, 1994 ff Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII Kinderund Jugendhilfe Kommentar, 2. Auflage, 2000 Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, 1960 Das Landwirtschaftserbrecht mit ausführlicher Erläuterung der Höfeordnung, 6. Auflage, 1995 Internationales Privatrecht, 3. Auflage, 1954 Verwaltungsrecht Bd 2, 6. Auflage, 2000

Weirich Weitnauer/Bearbeiter Wellstein Wick Wieczorek/Schütze/Bearbeiter Wiesner/Bearbeiter Winkler Wöhrmann/Stöcker Wolff Wolff/Bachof/Stober Zimmermann Zimmermann Testamentsvollstreckung Zimmermann Erbschein Zimmermann Nachlaßpflegschaft Zimmermann PKH Zimmermann ZPO

Zöller/Bearbeiter

XL

Praktikum der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 6. Auflage, Heidelberg 2004 Die Testamentsvollstreckung, 2. Auflage, Berlin 2003 Erbschein und Erbscheinsverfahren, Berlin 2004 Die Nachlaßpflegschaft, Bielefeld 2001 Prozeßkostenhilfe in Familiensachen, 2. Auflage 2000 Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, Kommentar anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 6. Auflage 2002 Zivilprozessordnung, Kommentar, 25. Auflage, Köln 2005

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898 (RGBl S 189) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 (RGBl S 771) wurde wie folgt geändert: 2006 Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts vom 14.8.2006, BGBl I 1911 Geändert: §§ 145 Abs 1, 147 Abs 3, 148 Abs 1 2005 Gesetz zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom 22.9.2005, BGBl I 2809 Geändert: § 145 Abs 1 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9. 2005, BGBl I 2802 Geändert: § 145 Abs 1 Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts vom 22.5.2005, BGBl I 1373 Geändert: § 145 Abs 1 Zweites Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (Zweites Betreuungsrechtsänderungsgesetz – 2. BtÄndG) vom 21.4.2005, BGBl I 1073 Geändert: §§ 50 Abs 5, 56g Abs 1 Nr 2 und Abs 5 S 1, 65a Abs 1 S 1 und 2 und Abs 2, 69 Abs 1 Nr 5, 69g Abs 1 S 2, 70 Abs 2 S 2 und Abs 3 S 1, 70b Abs 1 S 3 Aufgehoben: § 67 Abs 3 Eingefügt: §§ 65 Abs 6, 67 Abs 1 S 6, 67a, 68b Abs 1a Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz (IntFamRVG) vom 26.1.2005, BGBl I S 162 Geändert: § 31 S 2 Aufgehoben: § 64a 2004 Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22.12.2004, BGBl I 3675 Geändert: § 145 Abs 1 Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügegesetz) vom 9.12.2004, BGBl I 3220 Eingefügt: § 29a Erstes Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) vom 24.8.2004, BGBl I 2198 Geändert: § 8 Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, zur Registrierung von Vorsorgeverfügungen und zur Einführung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern vom 23.4.2004, BGBl I 598 Eingefügt: § 69e Abs 2

XLI

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften Gesetz zur Umsetzung der Richtlinien 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 5.4.2004, BGBl I 502 Geändert: § 145 Abs 1 2003 Gesetz zur Umsetzung familienrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 13.12.2003, BGBl I 2547 Geändert: § 49a Abs 1 Nr 9 2002 Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG-Vertretungsänderungsgesetz OLGVertÄndG) vom 23.7.2002, BGBl I 2850 Geändert: § 8 2001 Siebtes Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 13.12.2001, BGBl I 3638 Geändert: § 33 Abs 3 S 2 Gesetz zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, zur Änderung der Mahnvordruckverordnungen sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 13.12.2001, BGBl I 3574 Geändert: §§ 20a Abs 1 S 2 und Abs 2, 56g Abs 5 S 1 Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11.12.2001, BGBl I 3513 Eingefügt: §§ 49a Abs 2, 64b. Bisheriger § 49a Abs 2 wird Abs 3 Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation (ERJuKoG) vom 10.12. 2001, BGBl I 3422 Eingefügt: §§ 147 Abs 1 S 1, 159 Abs 1 S 1. Bisheriger § 147 Abs 1 S 1 wird S 2, § 159 Abs 1 S 1 wird S 2 Gesetz zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts vom 5.11.2001, BGBl I 2950 Eingefügt: § 43b Abs 2 S 2 Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (Zivilprozessreformgesetz – ZPO-RG) vom 27.7.2001, BGBl I 1887 Geändert: §§ 27 Abs 1 S 1 und 2, 53g Abs 2, 64 Abs 3 S 1, 64a Abs 3 S 3 Eingefügt: § 30 Abs 1 S 3 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.7.2001, BGBl I 1542 Eingefügt: § 21 Abs 2 S 2, Abs 3 Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 19.2.2001, BGBL I 288, berichtigt 436 Eingefügt: §§ 31 S 2, 64a Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16.2.2001, BGBl I 266 Geändert: §§ 50 Abs 2 S 1 Nr 3, 50c S 2, 53 Abs 1 S 1, 55b Abs 1 S 1, 68a S 3, 69g Abs 1 S 1 Eingefügt: §§ 6 Abs 1 Nr 2a, 45 Abs 6, 70d Abs 1 S 1 Nr 1a

XLII

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften 2000 Gesetz zur Durchführung der Richtlinien des Rates der Europäischen Union zur Änderung der Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz – KapCoRiLiG) vom 24.2.2000, BGBl I 154 Geändert: § 132 Abs 1 S 2 Eingefügt: §§ 140a, 185 Abs 3 1998 Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzverordnung und anderer Gesetze (EGInsOÄndG) vom 19.12.1998, BGBl I 3836 Geändert: § 147 Abs 1 Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patenanwaltsordnung und anderer Gesetze vom 31.8.1998, BGBl I 2600 Geändert: § 57 Abs 2 Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt vom 25.8.1998, BGBl I 2489 Geändert: § 148 Abs 2 S 1 Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften (Betreuungsrechtsänderungsgesetz – BtÄndG) vom 25. 6.1998, BGBl I 1580 Geändert: §§ 50 Abs 5, 67 Abs 1, 68 Abs 1 S 3, 68a S 3, 69a Abs 3 S 3 und Abs 4, 69d Abs 2 S 1 und 2, Abs 3 S 1, 69e S 1, 69f Abs 1 S 1 Nr 4 S 3 und 4, 69g Abs 5 S 2, 69i Abs 1 S 2, Abs 7 S 2 und Abs 8, 70 Abs 1S 2 Nr 1 b und Abs 5 S 2, 70b Abs 1 S 2, 70g Abs 3 S 3 Eingefügt: §§ 56g, 67 Abs 3, 69d Abs 3 S 5, 69g Abs 1 S 2, 70b Abs 1 S 3 und Abs 3 Aufgehoben: §§ 69c Abs 1, 69d Abs 1 S 2. Bisheriger § 69c Abs 2 und 3 werden Abs 1 und 2, 69d Abs 1 S 3 und 4 werden S 2 und 3, 70bAbs 3 wird Abs 4 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) vom 22.6.1998, BGBl I 1474 Geändert: §§ 125 Abs 1, Abs 2 S 1 Nr 1, 132 Abs 1 S 1 Eingefügt: 125 Abs 3 S 2. Bisheriger § 125 Abs 3 S 2 wird S 3 Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 4.5.1998, BGBl I 833 Geändert: §§ 44a Abs 1, 49 Abs 1 und Abs 2 S 2, 49a Abs 1, 52a Abs 5 S 3 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl I 786 Geändert: § 145 Abs 1 1997 Zweites Gesetz zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (2. Zwangsvollstreckungsnovelle) vom 17.12.1997, BGBl I 3039 Geändert: § 33 Abs 3 S 5 Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Erbrechtsgleichstellungsgesetz – ErbgleichG) vom 16.12.1997, BGBl I 2968 Geändert: §§ 53a Abs 1 S 1, 83a Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) vom 16.12. 1997, BGBl I 2942

XLIII

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften Geändert: §§ 46a, 48, 49 Abs 1 Nr 1 und 2a, 49a Abs 1, 50a Abs 2, 51, 53 Abs 1 S 2, 55b Abs 1 S 1, Abs 2und 3, 55c, 56c Abs 1, 57 Abs 1 Nr 8, 59 Abs 1, 64 Abs 2 S 1und Abs 3 S 1, 70 Abs 1 S 2 Nr 1a und S 3 Eingefügt: §§ 33 Abs 2 S 2, 49 Abs 4 S 2, 50, 50c S 2, 52, 52a, 56f Abs 2 S 2 Aufgehoben: §§ 43a, 55 Abs 2, 55b Abs 1 S 2, 56a, 56b, 63a. Bisheriger § 33 Abs 2 S 2 bis 5 werden S 3 bis 6, § 55b Abs 1 S 3 wird S 2 Gesetz zur Abschaffung der gesetzlichen Amtspflegschaft und Neuordnung des Rechts der Beistandschaft (BeistandschaftsG) vom 4.12.1997, BGBl I 2846 Geändert: §§ 35b, Abs 1 und 2, 36a S 1, 36b S 1, 37 Abs 1 S 1, 40, 43 Abs 1 und 2, 44 Ss 2, 46 Abs 3, 47 Abs 3, 48, 57 Abs 1 Nr 7, 58 Abs 1, 60 Abs 1 Nr 1 bis 3, Aufgehoben: §§ 36 Abs 5, 49 Abs 1 Nr 1j Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze (JuMiG) vom 18.6.1997, BGBl I 1430 Geändert: §§ 69l Abs 1 S 1, 70n, 147 Abs 1 Eingefügt: §§ 35a S 2 bis 4, 69n, 69o, 159 Abs 2 Aufgehoben: §§ 69k Abs 5 und 6, 69l Abs 3, 69m Abs 2 1996 Gesetz zur Abschaffung der Gerichtsferien vom 28.10.1998, BGBl I 1546 Geändert: § 194 Abs 3 Aufgehoben: § 10 1995 Gesetz zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 sowie des Übereinkommens vom 28. Juli1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens (Ausführungsgesetz Seerechtsübereinkommen 1982/1994) vom 6.6.1995, BGBl I 778 Geändert: § 160b Abs 1 S 2 1994 Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) vom 28.10.1994, BGBl I 3210 Geändert: § 132 Abs 1 S 1, 145 Abs 1 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO) vom 5.10.1994, BGBl I 2911 Geändert: §§ 147 Abs 1 und Abs 5 (neu) Eingefügt: § 141a, 147 Abs 2. Bisheriger § 147 Abs 2 bis 4 werden Abs 3 bis 5 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute vom 28.9.1994, BGBl I 2735 Geändert: § 145 Abs 1 Gesetz zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze vom 25.7. 1994, BGBl I 1744 Geändert: Achter Abschnitt (Überschrift) Eingefügt: § 160b Drittes Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 21.7.1994, BGBl I 1630, ber 3134 Geändert: § 145 Abs 1 Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen (Versicherungsbilanzrichtlinien-Gesetz – VersRiLiG) vom 24.6.1994, BGBl I 1377 Geändert: § 132 Abs 1 S 1

XLIV

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften 1993 Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren (Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz – RegVBG) vom 20.12.1993, BGBl I 2182 Geändert: § 125 Abs 2 und 3 Eingefügt: § 125 Abs 4 und 5 Gesetz zur Neuordnung des Familiennamensrechts (FamNamRG) vom 16.12.1993, BGBl I 2054 Eingefügt: § 46a Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und über Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22.7.1993, BGBl I 1282 Geändert: § 148 Abs 1 1992 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute vom 21.12.1992, BGBl I 2211 Geändert: § 145 Abs 1 1991 Gesetz zur Durchführung der zwölften Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 18.12.1991, BGBl I 2206 Geändert: § 144b S 1 1990 Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.12.1990. BGBl I 2847 Geändert: § 20a Abs 1 S 2 und Abs 2 Eingefügt: § 27 Abs 2 Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten (Bankbilanzrichtlinien-Gesetz) vom 30.11.1990, BGBl I 2570 Geändert: § 132 Abs 1 S 1 Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz – BtG) vom 12.9.1990, BGBl I 2002 Geändert: §§ 10 S 2, 13a Abs 2. Überschrift des Zweiten Abschnitts, 43, 57 Abs 1 Nr 1, 3 und 8, 97 Abs 2, 199 Abs 2 S 1 Eingefügt: §§ 13a Abs 3, 20a Abs 1 S 2, Überschriften I., II. und III. zum Zweiten Abschnitt (§§ 65 bis 70n) Aufgehoben: §§ 38, 46a, 52, 54, 57 Abs 1 Nr 2, 60 Abs 1 Nr 5, 61, 64a bis 64i. Bisheriger § 13a Abs 3 wird Abs 4, § 50 Abs 1 wird § 35a, § 35a wird § 35b, § 50 Abs 2 wird § 74a, § 64k wird § 64 Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG) vom 26.6.1990, BGBl I 1163 Eingefügt: §§ 49, 49a Gesetz zur Ausführung von Sorgerechtsübereinkommen und zur Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie anderer Gesetze vom 5.4.1990, BGBl I 701 Geändert: § 33 Abs 1 S 2, Abs 2 S 1 und 5 (neu), Eingefügt: 24 Abs 1 S 2, 33 Abs 1 S 3,Abs 2 S 1 und Abs 3 S 3 bis 5 Aufgehoben: § 33 Abs 2 S 4 und Abs 3 S 2, bisheriger § 33 Abs 2 S 5 und 6 werden S4 und 5, Abs3 S 3 wird S 6

XLV

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften 1989 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) vom 18.12.1989, BGBl 2261 Geändert: § 53e Abs 1, Abs 2 S 1, Abs 3 1988 Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) vom 14.4.1988, BGBl I 514 Geändert: § 132 Abs 1 1986 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986, BGBl I 1142 Geändert: §§ 43 Abs 1, 43b, 44 S 1, 47 Abs 1 und 2, 185 Abs 2, Eingefügt: 16a, 35a, 36 Abs 3, 43a Abs 1 und 3 (neu) S 3; Bisheriger § 36 Abs 3 und 4 wird Abs 4 und 5, bisheriger § 43a Abs 1 bis 3 werden Abs 2 bis 4 Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs und anderer Gesetze (Zweites Seerechtsänderungsgesetz) vom 25.7.1986, BGBl I 1120 Eingefügt: §§ 145a, 149 S 2 Gesetz zur Änderung unterhaltsrechtlicher, verfahrensrechtlicher und anderer Vorschriften (UÄndG) vom 20.2.1986, BGBl I 301 Geändert: §§ 59 Abs 3, 60 Abs 2 Eingefügt: §§ 46a, 59 Abs 2, 64g Abs 1 S 2, 64k Abs 3 S 4 1985 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinie-Gesetz – BiRiLiG) vom 19.12.1985, BGBl I 2355 Geändert: §§ 132 Abs 1 S 1, 144 Abs 2, 145 Abs 1 Eingefügt: § 132 Abs 1 S 2 1983 Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 29.3.1983, BGBl I 377 Geändert: § 145 Abs 1 1982 Gesetz zur Durchführung der Dritten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz) vom 25.10.1982, BGBl I 1425 Geändert: § 145 Abs 1 1980 Gesetz zur Änderung des Gesetzes betr die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4.7.1980, BGBl I 836 Geändert: §§ 132 Abs 1, 145 Abs 1 Eingefügt: § 144b Gesetz über die Prozesskostenhilfe vom 13.6.1980, BGBl I 677 Geändert: § 14 1979 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18.7.1979, BGBl I 1061 Geändert: §§ 55c, 57 Abs 1 Nr 8, 59 Abs 1 S 2, 60 Abs 1 Nr 1,

XLVI

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften Eingefügt: §§50 Abs 2, 50a bis 50d, 59 Abs 2, 64a bis 64i Aufgehoben: §§ 55a, 57 Abs 1 Nr 4, 60 Abs 1 Nr 4, 64, 190, bisheriger § 64a wird § 64k 1978 Gesetz zur Durchführung der zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13.12.1978, BGBl I 1959 Geändert: § 144a Abs 1 S 1 1976 Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren (Vereinfachungsnovelle) vom 3.12.1976, BGBl I 3182 Geändert: § 64a Abs 2 S 2 Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz) vom 2.7.1976, BGBl I 1749 Geändert: §§ 6 Abs 1 Nr 3, 52, 53 Abs 1 S 2, 56d Eingefügt: §§ 34 Abs 2, 43b, 55c, 56e, 56f Aufgehoben: §§ 65–68c Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14.6.1976, BGBl I 1421 Geändert: §§ 43a Abs 3, 44a Abs 1 S 1, 45 Abs 1, 53 Abs 1 S 1, 56b Abs 1, 63a Eingefügt: §§ 53b bis 53g, 64a Aufgehoben: §§ 44b, 57a Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsansprüchen des Handelsvertreters vom 13.5.1976, BGBl I 1197 Geändert: § 126 Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 24. 3.1976, BGBl I 725 Geändert: § 145 Abs 1 1974 Gesetz zur Entlastung der Landgerichte und zur Vereinfachung des gerichtlichen Protokolls vom 20.12.1974, BGBl I 3651 Geändert: § 20a Abs 2 Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31.7.1974, BGBl I 1713 Aufgehoben: §§ 56, 196 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 2.3.1974, BGBl I 469 Geändert: §§ 24 Abs 1, 33 Abs 1 und 3, 46 Abs 1 S 2, 83 Abs 1, 132 Abs 1, 133 Abs 1, 135 Abs 2, 136, 138, 139, 140 Nr 1 und 2, 151, 159 1972 Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs und anderer Gesetze (Seerechtsänderungsgesetz) vom 21.6.1972, BGBl I 966 Geändert: §§ 145 Abs 1 und 2, 146 Abs 3 1970 Gesetz zur Änderung des Rechtspflegergesetzes, des Beurkundungsgesetzes und zur Umwandlung des Offenbarungseides in eine eidesstattliche Versicherung vom 27.6.1970, BGBl I 911 Geändert: §§ 33 Abs 2, 78 Abs 1 S 2, 79, 83 Abs 2, 163

XLVII

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften 1969 Beurkundungsgesetz vom 28.8.1969, BGBl I 1513 Geändert: §§ 34 S 2, 43a Abs 1, 66 Abs 1 Aufgehoben: §§ 128, 167 bis 184, 191, 198, 200 Abs 2 Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969, BGBl I 1243 Geändert: §§ 36 Abs 1 S 1, 37 Abs 1 S 1, 40, 43 Abs 1 S 1, 43a Abs 1 S 1, 46 Abs 1 S 1 und Abs 3, 47 Abs 1, 2 S 1 und Abs 3, 53 Abs 1 S 2, 53a Abs 1 S 1, 55 Abs 2, 56a Abs 2, 56c (neugefasst), 57 Abs 1 Nr 6 und 7, 58 Abs 1, 60 Abs 1 Nr 1, 68a Abs 1 S 1, 191 Abs 1 S 1, 191 Abs 1 Eingefügt: §§ 36 Abs 4, 36a, 36b, 43a Abs 3, 55b, 56b, 57a S 2, 63a, 83a, 49, 167 Abs 2 S 2. § 56b wurde zu § 56c, 56c wurde zu 56d. Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen vom 15.8.1969, BGBl I 1189 Geändert: §§ 132 Abs 1, 145 Abs 1, 146 Abs 2 S 2 Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15.8.1969, BGBl I 1146 Eingefügt: § 144a 1967 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8.2.1967, BGBl I 502 Nichtig: § 6 Abs 2 S 2 1965 Einführungsgesetz zum Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGBl I 1185 Geändert: §§ 132 Abs 1, 144 Abs 1 S 1, 145 Abs 1, 146 Abs 2 und 3 Gesetz über den Fristablauf am Sonnabend vom 10.8.1965, BGB. I 753 Geändert: § 17 Abs 2 1964 Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 5.8.1964, BGBl I 593 Eingefügt: § 160a 1961 Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11.8.1961, BGBl I 1221 Geändert: §§ 36 Abs 2, 65, 66 Abs 2, 67, 68, 73 Abs 2 Eingefügt: §§ 43a, 44a, 44b, 55a, 56a bis 56c, 68a bis 68c Aufgehoben: § 66a 1957 Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26.7.1957, BGBl I 861 Eingefügt: § 13a Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz) vom 18.6.1957, BGBl I 609 Geändert: §§ 43 Abs 2, 44, 45, 48, 50, 51, 53, 57 Abs 1, 58 Abs 2, 60 Abs 1 Nr 1, 99 Eingefügt: §§ 53a, 57a Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes vom 18.5.1957, BGBl I 518 Geändert: § 167 Abs 2 S 2

XLVIII

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften 1956 Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 7.8.1956, BGBl I 707 Geändert: § 145 Abs 1 1953 Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Handwerkern vom 31.3.1953 BGBl I 106 Geändert: § 126 1950 Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12.9.1950, BGBl 455 Geändert: §§ 15 Abs 1 S 1, 199 Abs 2 S 2 Eingefügt: § 20a 1948 VO über die Annahme an Kindes Statt (Britische Zone) vom 12.3.1948, VOBlBZ 71 Geändert: §§ 67, 68 Aufgehoben: § 66a 1940 VO zur Durchführung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 21.12.1940, RGBl I 1609 Geändert: § 54 Abs 2 Aufgehoben: §§ 100 bis 124 1937 Erste Durchführungsverordnung zum Aktiengesetz vom 29.9.1937, RGBl I 1026 Aufgehoben: § 131 VO zur Änderung und Ergänzung des § 125 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 10.8.1937, RGBl I 900 Geändert: § 125 Eingefügt: § 125a Gesetz über die Eintragung von Handelsniederlassungen und das Verfahren in Handelsregistersachen vom 10.8.1937, RGBl I 897 Geändert: § 126 Einführungsgesetz zum Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30.1.1937, RGBl I 166 Geändert: §§ 132 Abs 1, 144 Abs 1 S 1, 145 Abs 1, 146 Abs 3 1935 VO zur Änderung des Verfahrens in Grundbuchsachen vom 5.8.1935, RGBl I 1065 Geändert: § 33 1934 Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit und anderer Rechtsangelegenheiten in der Wehrmacht vom 24.4.1934, RGBl I 335, ber 352 Aufgehoben: § 184

XLIX

Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften 1933 Gesetz gegen Missbräuche bei der Eheschließung und der Annahme an Kindes Statt vom 23.11. 1933, RGBl I 1979 Geändert: §§ 67, 68 Eingefügt: § 66a 1927 VO über die Abänderung des Wortlauts verschiedener Gesetze und Verordnungen aus Anlaß des Fortfalls der Bezeichnung „Gerichtsschreiberei“ und „Gerichtsschreiber“ vom 30.11.1927, RGBl I 334 Geändert: § 31 1923 Jugendgerichtsgesetz vom 16.2.1923, RGBl I 135 Eingefügt: § 46 Abs 1 S 2 1922 Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege vom 11.7.1922, RGBl I 573 Geändert: § 6 Abs 1 Nr 2 1910 Gesetz betr die Zuständigkeit des Reichsgerichts vom 22.5.1910, RGBl 767 Geändert: §§ 5 Abs 1 S 1, 46 Abs 2 S 1 1906 Gesetz betr Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 5.3.1906, RGBl 387 Eingefügt: § 3 Abs 2

L

KOMMENTAR Einleitung Literatur Arnold Der Kommissionsentwurf einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1979, 161 u 241; ders Zum Kommissionsentwurf einer Verfahrensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit, DRiZ 1980, 321; Bader Zur Geschichte der Vormundschaft, FS zum 50-jährigen Bestehen der Vereinigung schweizerischer Amtsvormünder, Zürich 1963, 9 ff; Blaesing L’Allegement des taches du juge par le Rechtspfleger, Diss Bordeaux I, 1972; ders Die Anwendbarkeit des deutschen Rechtspflegermodells in Frankreich, RpflBl 1973, 51; Böhringer/Hintzen Lasst das Bayerische Oberste Landesgericht bestehen, Rpfleger 2004, 189; Bork Die Erneuerung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit aus deutscher Sicht, ZZP 117, 399; Bosch Familiengerichtsbarkeit – Bewährung und weiterer Ausbau?, FamRZ 1980, 1; Bumiller Zur Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1973, 3; Denk Das Grundbuchverfahren in den französischen Departements Bas-Rhin, Haut-Rhin und Moselle und das deutsche Grundbuchverfahren, BWNotZ 1976, 153; Dichgans Zur Rechtsnatur des mitteldeutschen Regimes, NJW 1966, 2255; Döring Freiwillige Gerichtsbarkeit, in HRG (Bd I 1971) S 1252; Dolkowska/Teichmann/Angermann Immobilienerwerb und neues Grundbuchverfahren in Polen, NotBZ 2005, 393; Eickmann Allgemeine Lehren des Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit und ihre Anwendung im Grundbuchverfahren, in Beiträgen zum Familienrecht und zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit für Hans Winter zum 60. Geburtstag, Publikationen der FHVR Berlin 1982 Nr 35, Europäische Union der Rechtspfleger (EUR), Rechtsstellung und Aufgaben des Rechtspflegers/Greffiers – Vergleichsstudie, 3. Aufl 2001; Firsching Zum Entwurf einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, FS für Beitzke, 1979; Flik Der Wert der freiwilligen Gerichtsbarkeit für die Rechtssuchenden, RpflStud 2006, 65; ders Die notarielle Beurkundung – Zweck und Rechtswirklichkeit, Diss Dresden 2003; Flotho Neue Impulse für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, Vergleiche mit dem Recht der ehemaligen DDR, Rpfleger 1993, 481; Fröhlich/Grimm/ Spät/Wittmann Das Grundbuch in Polen, RpflStud 2000, 119; Frohn Übertragung von Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf außergerichtliche Institutionen? Rpfleger 1993, 265; ders Wieder ein Angriff auf das gerichtliche Nachlassverfahren, Rpfleger 2006, 178; Gustavus Handelsregister – quo vadis? GmbHR 1987, 253; ders Sollte das Handelsregister von Industrie- und Handelskammern geführt werden? BlnAnwBl 1992, 149; Habscheid Procédure en matière gracieuse und Freiwillige Gerichtsbarkeit, ZZP 91 S 267; Harm Die freiwillige Gerichtsbarkeit. Eine Standortbestimmung vor der Reform, RpflBl 2003, 3; Hähnlein Der Vorbescheid im Erkenntnisverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Diss Münster, 1990; Hennig Gesetz über das Verfahren des staatlichen Notariats, NJ 1956, 723; Hirsch Was bedeutet sozialistische Gesetzlichkeit? JZ 1962, 149; Kerwer Bericht über die Diskussion zum Thema „Die Erneuerung der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Außerstreitverfahren) aus deutscher, österreichischer und schweizerischer Sicht“, ZZP 117, 445; Kissel Der Rechtspfleger im Wandel der Zeiten, Rpfleger 1984, 445; Klässel Stellungnahme zu dem Entwurf einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, Der Justizbeamte 1979, 10; Klüsener/Rausch/Walter Richtervorbehalt in Nachlasssachen noch sachgerecht?, Rpfleger 2001, 215; König Probleme eines „Allgemeinen Teils einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, ZZP 1980, 312; Kollhosser Entwicklungstendenzen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FamRZ 1970, 235; ders Zur Problematik eines „Allgemeinen Teils“ in einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, ZZP 1980, 265; Kunath Aus der Tätigkeit der staatlichen Notariate, NJ 1953, 462; Kuntze Referentenentwurf eines FGG-Reformgesetzes, FGPrax 2005, 185; Lorbacher Das BayObLG in der Auflösungsphase, Rpfleger 2006, 119; Lukoschek Der Umgang mit dem Vorbescheid, ZEV 1999, 1; Martiny Nichtstreitige Verfahren in Frankreich (Ein Vergleich der freiwilligen Gerichtsbar-

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Einleitung

keit mit der procédure en matiére gracieuse und dem Verfahren des „juge des tutelles“), Diss München 1976; Meyer-Seitz/Kröger/Heiter Auf dem Weg zu einem modernen Familienverfahrensrecht – die familienverfahrensrechtlichen Regelungen im Entwurf eines FamFG, FamRZ 2005 1430; Ott Freiwillige Gerichtsbarkeit in Europa – Ökonomische Analysen und Perspektiven, notar 2003, 159; Pfeuffer Zur Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1973, 233; Reiß Rechtspfleger, Griffier und Clerk to the Justices, RpflBl 1973, 58; Roggemann Entwicklungstendenzen in der Zivilrechtspflege der „DDR“ und der Einfluss des sowjetrussischen Rechts, JR 1966, 201; 1967, 9; Rosenthal Gerichtsverfassung in der DDR, ROW 1963, 112; Schaumann Schriften zur Rechtslage des zweigeteilten Staates, JZ 1961, 315; Schneider Vorbescheid in jedem Fall? RpflStud 2004, 169; von Schuckmann Der Vorbescheid in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Beiträgen zum Familienrecht und zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit für Hans Winter zum 60. Geburtstag, Publikationen der FHVR Berlin Nr 35; ders Das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz – Eine verpasste Gelegenheit zur Grundbuchreform, RpflStud 1997, 97; ders Noch eine Reform? Erste Schritte auf dem Weg zu einem neuen FGG, RpflStud 2002, 169; Schulz Das Notariat in der Sowjetzone, DNotZ 1965, 275; Stein Ist die „DDR“ ein Staat? AcP Bd 85 1961, S 363 ff; Steffen Entwurf einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, RdL 1979,1; Szostak Rettung und Rettungsrecht in der SBZ, JR 1960, 208; Sztorc Die Gerichtsbarkeit in Polen unter Berücksichtigung des Rechtspflegers, RpflStud 1998, 173; Tiivel Das Grundbuch im Estland, RpflStud 2001, 65; Türke Staat, Verfassung und Verwaltung in der DDR, VerwArch Bd 51 1960, 283–315; Wacke Zur Geschichte der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, DNotZ 1988, 732; Walther Die aktuelle Situation der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach schweizerischem Recht, ZZP 117, 421; Weike Möglichkeiten des erweiterten Einsatzes von Rechtspflegern in der Republik Estland, RpflStud 2002, 39; ders Situation des Grundbuchrechts in Bosnien und Herzegowina, RpflStud 2003, 139; Winkler Der Entwurf einer Verfahrensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit, DNotZ 1979, 452; Winter Die Beweisaufnahme im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, JurA 1971, 113; Zimmermann Das Kodifikationsprinzip bei der Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1982, 85.

Übersicht Rdn I. Ursprung der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortprägung . . . . . . . . . . . 2. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . II. Entstehung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung und Veränderung der Verhältnisse . . . . . . . . . . . . 2. Saarland . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung in der ehemaligen DDR und dem ehemaligen Ostsektor Berlins . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtsverfassung . . . . . . . . 2. Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . a) Gerichte . . . . . . . . . . . . b) Verwaltungsbehörden . . . . . c) Staatliche Notariate . . . . . . 3. Wiedereinführung des FGG . . . . IV. Das Verhältnis des FGG zum Reichsrecht/Bundesrecht . . . . . . . . . . V. Landesrecht . . . . . . . . . . . . . 1. Landesgesetze . . . . . . . . . . . 2. Preußisches FGG . . . . . . . . . 3. Auflösung Preußens . . . . . . . . 4. Gebiete früherer deutscher Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . .

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Rdn VI. Besondere Fälle . . . . . . . . . . . . . 1. Ehemalige deutsche Schutz und Pachtgebiete . . . . . . . . . . . . . 2. Konsulargerichtsbarkeit . . . . . . . 3. Konsularisches Notariat . . . . . . . 4. Militärgerichtsbarkeit . . . . . . . . VII. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . 1. Planung seit 1937 . . . . . . . . . . 2. Ziele einer Verfahrensordnung für die freiwilligeGerichtsbarkeit (FrGO) . . 3. Praxistest . . . . . . . . . . . . . . 4. Justizreform . . . . . . . . . . . . . 5. Problemkatalog . . . . . . . . . . . 6. Referentenentwurf . . . . . . . . . . 7. Leitlinien des Entwurfs . . . . . . . 8. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Der Gesetzentwurf sieht fünf Bücher vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Inhaltsübersicht des RefE FamFG . . . IX. Änderungen des FGG noch vor der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . X. Ausgliederung von Aufgaben aus der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestrebungen seit 1991 . . . . . . . 2. Nachlasssachen . . . . . . . . . . . 3. Handelsregister . . . . . . . . . . . 4. Grundbuch . . . . . . . . . . . . .

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I. Ursprung der freiwilligen Gerichtsbarkeit Rdn XI. Aufhebung des BayObLG . . . . . . XII. Verlagerung von Aufgaben der Richter/ Staatsanwälte auf den Rechtspfleger . XIII. Reformen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Europa . . . . . . . . . . . 1. Freiwillige Gerichtsbarkeit als Ausübung hoheitlicher Gewalt . . . .

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Rdn 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Frankreich . . . . . . Österreich . . . . . . Schweiz . . . . . . . Estland . . . . . . . Polen . . . . . . . . Bosnien-Herzegowina

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I. Ursprung der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1. Wortprägung „Die einer begnadeten Eingebung entsprungene Wortprägung hat Geschichte gemacht“. 1 Mit diesem Satz beschließt Wacke1 seine Darstellung über den Grundbegriff Freiwillige Gerichtsbarkeit. Er ist aus dem römischen Recht übernommen und lehnübersetzt worden aus dem Latein unter der Bezeichnung jurisdictio voluntaria oder frz. jurisdiction gracieuse.2 Wörtlich befindet sich die Unterscheidung zwischen streitiger und nichtstreitiger Gerichtsbarkeit nur in den Digesten3 bei dem Spätklassiker Marcian. Zur nichtstreitigen Gerichtsbarkeit zählte er die Emanzipation von Hauskindern, Sklavenfreilassung und Adoption. Später rechnete man dazu auch die Bestellung von Kuratoren für Pflegekinder, die Kontrolle und etwaige Abberufung unzuverlässiger Vormünder, die Genehmigungspflicht für den Alimentenvergleich, die Einweisung in den Erbschaftsbesitz, die Testamentseröffnung und das öffentliche Urkundenwesen.4 Vom 12. Jahrhundert an ging man dazu über, Grundstücksübereignungen und Verpfändungen zur Verlautbarung in die behördlich angelegten Kauf-, Pfand- und Schuldbücher einzutragen. Die Eintragungen erlangten volle Beweiskraft und genossen öffentlichen Glauben.5 Gegen Ende des Mittelalters war die gesamte Rechtsvorsorge eine Angelegenheit des Landesherrn. So wurden die landesherrliche Gerichtsbarkeit und die Stadt-, Guts- und Dorfgerichte im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig. In Preußen wurde allerdings den Dorfgerichten durch die Allgemeine Gerichtsordnung (AGO) II, 2 § 8 diese Kompetenz fast ganz entzogen.6 Daneben betätigten sich auch das Lehnsgericht, die kirchliche Gerichtsbarkeit und andere Sondergerichte im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit.7 Die Erarbeitung eines besonderen Verfahrensrechts für die Freiwillige Gerichtsbarkeit ging nur langsam voran.8 Erst die preußische AGO II 1–6 brachte wenigstens eine Teillösung. Die Rechtswissenschaft widmete sich dieser Materie nur im geringeren Maße.9 Für das Grundbuchwesen wurde das Edikt vom 28.9.1693 in Preußen eingeführt. Später wurde dann die preußische Hypothekenordnung vom 20.12.1783 in fast allen Landesteilen eingeführt. Im 20. Jahrhundert hat der Gesetzgeber der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht nur Angelegenheiten nichtstreitiger Art zugewiesenen sondern auch Angelegenheiten der verschiedensten Art, wenn ihm für eine bestimmte Materie das bewegliche, dem Richter große Freiheit einräumende, Verfahren angemessener erschien als der Zivilprozess.10

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Wacke DNotZ 1988, 732, 750. Wacke DNotZ 1988, 732, 750. D. 1. 16, 2 pr. zitiert bei Wacke ebd S 733 Fn 7. Wacke DNotZ 1988, 743–745; Döhring HRG (Bd 1, 1971) Sp 1252 mwN Sp 1262.

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Döhring HRG Bd. 1, 1971, Sp 1255. Döhring ebd Sp 1256. Döhring ebd Sp1257. Döhring ebd Sp 1259. Döhring ebd Sp 1260. Döhring ebd Sp 1261.

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Einleitung

2. Begriff

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Der Begriff der „freiwilligen Gerichtsbarkeit“ ist im FGG ebenso wenig definiert worden11 wie der Begriff der streitigen Gerichtsbarkeit in der ZPO. Angesichts der vielen Amtsverfahren, für die das FGG anwendbar ist, kann von Freiwilligkeit keine Rede sein. Auch die Auslegung, diese Verfahren als nichtstreitige Verfahren zu bezeichnen entsprechend den österreichischen „Außerstreitsachen“ führt nicht weiter, wenn man nur an die besonders streitigen Verfahren nach der HausratsVO oder nach § 43 WEG denkt. Die Zuordnung einzelner Verfahren zur freiwilligen Gerichtsbarkeit erscheint zunächst beliebig und willkürlich.12 Flik meint, es müsse doch übergeordnete Gesichtspunkte geben, die das Abweichen von Verfahrensgrundsätzen der ZPO rechtfertigen könnten. Möglicherweise könnte die Entscheidung mit dem Regelwerk des FGG schonender, unmittelbarer, einfacher, kostengünstiger und passgenauer vorbereitet und durchgeführt werden als mit den Regeln der ZPO.13 Er schlägt deshalb vor, vor der Novellierung von Verfahrensgesetzen eine Qualitätsprüfung nach den Regeln der Betriebswirtschaftslehre bei ZPO und FGG durch eine Systemprüfung und eine Funktionsprüfung vorzunehmen.14 Flik kann dabei auf seine Untersuchungen zur Tätigkeit der Notare verweisen.15

II. Entstehung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1. Entwicklung und Veränderung der Verhältnisse

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Von alters her sind in Deutschland den Gerichten gewisse Gegenstände zugewiesenen worden, die keine Prozesse und doch auch keine reinen Verwaltungsangelegenheiten darstellen und demgemäß von den Gerichten nicht als Organen der Verwaltung, sondern als solchen der Rechtspflege und deshalb in Formen geordneter Justizausübung erledigt werden. Gemeinrechtlich fasste man diese – in sich sehr verschieden gearteten Sachen – unter dem Begriff der Extrajudizialien zusammen. Das vorliegende Gesetz nennt sie „Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“, wenngleich zahlreiche Tätigkeiten hierher gehören, die durchaus nicht das Wesen der Freiwilligkeit in sich tragen, wie zB das Vormundschaftswesen. Entgegen einer auch jüngst wieder in Erscheinung getretenen Strömung, welche alle diese Gegenstände den Gerichten abgenommen wissen will, hat die Gesetzgebung die Zuständigkeit der Gerichte vielmehr bestätigt und noch weiter ausgedehnt. Das BGB ist dieser Anschauung gefolgt. Mit der einheitlichen Regelung des sachlichen Rechts ergab sich die Notwendigkeit, 4 auch an ein einheitliches Verfahren in diesen Angelegenheiten zu denken, zumal auf diesem Gebiet sachliches Recht und Verfahren besonders eng miteinander zusammenhängen und das BGB einzelne Vorschriften über das Verfahren bereits selbst in sich aufgenommen hat. Deshalb hatte man schon in den verschiedenen Abschnitten der Beratung des BGB16 sowie des HGB17 ein Gesetz wegen des Verfahrens in den Extrajudizialsachen in

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Vgl hierzu Nussbaum; Siehr; Flik RpflStud 2006, 65; Harm RpflBl 2003, 3. Flik aaO. Ders aaO. Ders aaO. Flik Diss S 65 ff . Vgl Entwurf I BGB Anm zum Text des

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Familienrechts (Amtliche Ausgabe 279); Entwurf II in Gruchots Beitr, Beilagehefte, betr den Entwurf d BGB, 5 Anm 1 und von Jecklin ebd 35, 836; Drucksachen des Reichstags 1895/97, D zu Nr 87 Einl 4. Drucksachen aaO, D zu Nr 362 Vorbem 4.

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II. Entstehung des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

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Aussicht genommen, bald mit weitergehenden, bald mit enger begrenzten Vorstellungen über seinen Umfang, und das EGBGB (Art 1) machte das Inkrafttreten des BGB von dem Erlass eines Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abhängig. Das FGG hat den Kreis der zu regelnden Angelegenheiten möglichst weit gezogen, seine kodifizierende Natur gegenüber dem Landesrecht dagegen möglichst eng begrenzt (siehe unten zu III). Der Entwurf des Gesetzes wurde mit einer erläuternden Denkschrift unter dem 26.11.1897 dem Reichstag vorgelegt.18 Die erste Lesung fand am 3.12.189719, die zweite nach voraufgegangener Kommissionsberatung20 am 15.2.1898, die dritte am 8. und 10.3.1898 statt.21 Nach Zustimmung des Bundesrates wurde der Entwurf als Gesetz vom 17.5.1898 in Nr 21 des RGBl verkündet. Gleichzeitig hiermit hatte einer Reihe anderer, in dem Gesetz angeführter Reichsgesetze, namentlich die ZPO, das GenG, das GmbHG und das BinSchG eine neue Paragraphierung erhalten. Um die Hinweise des Gesetzes mit der Paragraphierung in Einklang zu bringen, wurde der Reichskanzler durch G vom 17.5.1898 zur Herstellung eines neuen Gesetzestextes ermächtigt. Der neue Text ist vom 20.5.1898 und in Nr 25 des RGBl bekannt gemacht. Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Gesetzes hatte der Reichstag beschlossen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen: a) das Kostenwesen in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich einheitlich zu gestalten b) einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher das Notariatswesen tunlichst einheitlich ordnet. Diese Beschlüsse haben Jahrzehnte keine Folgen gehabt. Erst die KostO vom 25.11. 1935 (RGBl I 1371) brachte eine einheitliche Regelung des Kostenwesens der Gerichte und Notare. Für die Gebühren der Rechtsanwälte in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit blieb im wesentlichen weiter das Landesrecht maßgebend, bis die BRAGO vom 26.7.1957 (BGBl I S 907) auch diese Materie in den §§ 63, 64, 112, 118, 120 bundeseinheitlich ordnete. Auf dem Gebiete des Notariatswesens brachte die RNotO vom 13.2.1937 (RGBl I S 191), jetzt idF der BNotO, eine gewisse Rechtseinheit, die allerdings durch Ausnahmen zu Gunsten des Anwaltsnotariats und des Behördennotariats durchbrochen ist. Das Gesetz hat vielfach Veränderungen erfahren, auf welche im Verzeichnis der Änderungsgesetze und geänderten Vorschriften sowie im Text an zutreffender Stelle verwiesen wird, und nicht unerheblich an Bedeutung dadurch gewonnen, dass zahlreiche neue Gesetze seine Anwendung auf weitere Verfahren anordneten. Nach dem Zusammenbruch des Reiches im Zweiten Weltkrieg hatte sich beim Fehlen einer Regierung und gesetzgebender Organe des Reiches neben den in erster Linie maßgebenden Gesetzen, Ordnungen und sonstigen Anordnungen der von den Besatzungsmächten eingesetzten Organe, wie des Kontrollrats für ganz Deutschland, der Militärregierungen für einzelne Zonen ua, eine umfassende, auch zonenmäßige Rechtsetzung der deutschen Länder entwickelt, die entgegen dem bis dahin anerkannten Grundsatz: Reichsrecht bricht Landesrecht (vgl Art 55 EGBGB), unter Beschränkung der Wirkung auf ihr Gebiet auch reichsrechtliche Bestimmungen abändern und aufheben konnten. Diese Vorschriften sind ebenso wie die das Verfahren beschränkenden Bestimmungen der Kriegsgesetzgebung durch das Rechtseinheitsgesetz vom 12.9.1950 (BGBl S 455) Art 8

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Drucksachen des Reichstags 1897/98 Nr 21. Sten B von 1897/98 14–24. Drucksachen aaO, 100.

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Sten B aaO 1060f, 1402–1407, 1442–1460, dazu die Abänderungsanträge Nr 149 der Drucksachen.

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Einleitung

und Art 7 Berliner Rechtseinheitsgesetz vom 9.1.1951 (VOBl I 91) aufgehoben worden, von einigen in der Nachkriegszeit in der ehemals französischen und der britischen Zone erlassenen Einzelvorschriften abgesehen, die insbesondere die Ersatzzuständigkeit des Amtsgerichts Berlin betrafen. Im Übrigen vgl Voraufl Rn 7–12. 2. Saarland

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Im Saarland galt das FGG zunächst mit einer Ausnahme in derselben Fassung wie im übrigen Bundesgebiet. Durch Art 4 Abs 1 Nr 1 bis 3 Rechtsangleichungsgesetz vom 22.12.1956 (ABl 1667) wurde das Gesetz durch Änderung des § 15 Abs 1 und des § 199 Abs 2 sowie durch Einfügung des § 20a der im übrigen Bundesgebiet auf Grund des Art 5 REinhG vom 12.9.1950 (BGBl S 455) geltenden Fassung angepasst. § 13a FGG wurde im Saarland durch das Gesetz Nr 637 vom 18.6.1958 (ABl Saar 1039) eingeführt. Das Gesetz zur Einführung von Bundesrecht im Saarland vom 30.6.1959 (BGBl S 313) – EinfG – bestimmte in § 1 als Grundsatz, dass mit dem Ende der Übergangszeit nach Art 3 des Vertrages vom 27.10.1956 (BGBl II S 1587) im Saarland das im gesamten übrigen Bundesgebiet geltende Bundesrecht in Kraft tritt, so weit nicht etwas anderes bestimmt wird. Unberührt blieben das während der Übergangszeit und das durch besondere Regelung mit dem Ende der Übergangszeit für das Saarland gesetzte Bundesrecht. Entgegenstehendes Recht trat außer Kraft. Die Beendigung der Übergangszeit ist nach der Bekanntmachung vom 30.6.1959 (BGBl S 401) auf den 5.7.1959, 24:00 Uhr, festgesetzt worden.22 Die im Saarland geltende Fassung des FGG wurde hierdurch nicht unmittelbar berührt, 11 da das FGG schon vordem der im übrigen Bundesgebiet geltenden Fassung angepasst worden war. Die Abweichungen im Adoptionsrecht (§§ 66a, 67, 68 FGG), die durch das Familienrechtsanpassungsgesetz vom 27.1.1951 (ABl Saar S 23) eingeführt worden waren galten zunächst als partielles Bundesrecht fort, da insoweit das FGG nicht im gesamten übrigen Bundesgebiet einheitlich galt, sind aber inzwischen infolge Änderung des Dritten Abschnitts des FGG durch Art 4 Nr 6 bis 10 FamRÄndG vom 11.8.1961 (BGBl S 1221) beseitigt worden. Wegen der Abweichungen durch Überleitungs- und Anpassungsvorschriften für die 12 Geltung von Gesetzen, die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit regeln, vgl Vorauflage.

III. Rechtsentwicklung in der ehem DDR und im ehem Ostsektor Berlins 1. Gerichtsverfassung

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Die Rechtsentwicklung in dem Teilgebiet Deutschlands, welches die sowjetisch besetzte Zone bildete und auf welchem sich die DDR mit der Verfassung vom 7.10.1949 und 6.4.1968 (GBl DDR I S 199) konstituiert hatte, sowie im ehemals sowjetisch besetzten Sektor Berlins stand im Zeichen einer fortschreitenden Rezeption des sowjetischen Rechts.23 Näheres vgl Voraufl Einleitung Rn 33.

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Vgl dazu Widhofer Die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland, 1960. S insbes Türke VerwArch Bd 51 1960, S 283–315; Mampel Die Verfassung der SBZ,

1962; Münch Dokumente des geteilten Deutschland. Quellentexte zur Rechtslage des Deutschen Reichs, der BRD und der DDR, 1968; Stein AcP Bd 85 1961, S 363– 391; Dichgans NJW 1966, 2255; Scheuner

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III. Rechtsentwicklung in der ehem DDR und im ehem Ostsektor Berlins

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2. Freiwillige Gerichtsbarkeit Die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit waren in weitem Umfange den Gerichten entzogen worden und teils auf staatliche Notariate, teils auf Verwaltungsbehörden übertragen worden, abgesehen von einigen Ausnahmen zu Gunsten der Gerichte. Hierzu war die VO über die Übertragung der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 15.10.1952 (GBl DDR S 1057), in Berlin (Ost) die Verordnung vom 19.3. 1953 (VOBl I S 99) – FGVO –, (abgedr in der Voraufl unter D III) erlassen worden. Danach ist die Zuständigkeit wie folgt geregelt gewesen: a) Die Gerichte waren nach § Nr 2 und 4 FGVO zuständig für das Verfahren nach der Stundungsverordnung vom 4.7.1946 (ZVOBl S 78) und das Todeserklärungsverfahren sowie die Prozessgerichte in einigen familienrechtlichen Angelegenheiten. b) Verwaltungsbehörden waren zuständig für aa) die Grundbuchführung, bb) die gerichtlichen Aufgaben bei der Dispache, cc) die Schiffsregisterführung dd) die Vereinsregisterführung ee) die Geschmacksmusterregisterführung ff) die Genossenschaftsregisterführung gg) die Handelsregisterführung c) Staatliche Notariate waren nach § 2 G ü d Verfahren des Staatlichen Notariats (NotVerfO) zuständig für Beurkundungen und Beglaubigungen, für Nachlasssachen und alle im Zusammenhang mit der Errichtung, Verwahrung und Eröffnung eines Testaments oder Erbvertrages stehenden Angelegenheiten, für Vormundschaften und Pflegschaften im Interesse Volljähriger, für Hinterlegungen und Verwahrungen, für die Abnahme des Offenbarungseides außerhalb der ZPO, für die Entgegennahme von Erklärungen über den Austritt aus der Religionsgemeinschaft, für die Verwahrung der Akten, Bücher und Urkunden eines Notars, für die Aufnahme von Wechsel- u Scheckprotesten, für die Ersetzung zerstörter oder abhanden gekommener notarieller Urkunden, für die Bestellung von Verwahrern und Sachverständigen, für die Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden sowie für alle anderen Handlungen, die dem Notar gesetzlich zugewiesen waren.24

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3. Wiedereinführung des FGG Das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit war nicht 18 förmlich aufgehoben worden. § 91 Abs 4 NotVerfO bestimmte jedoch, dass es von staatlichen und freiberuflichen Notaren nicht mehr anzuwenden war. Das Gesetz war mithin in gewissem Umfang noch die Grundlage für das Verfahren der mit Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit befassten Verwaltungsbehörden, soweit die FGVO nicht Abweichendes bestimmt hatte. Vorschriften über die Tätigkeit von Ortsgerichten waren

Die Rechtslage im geteilten Deutschland, 1960; Schaumann JZ 1961, 315; Doehring Die Teilung Deutschlands als Problem des völker- und staatsrechtlichen Fremdenrechts, 1968; Szostak JR 1960, 208; Hirsch JZ 1962, 149; Rosenthal Die Justiz in der Sowjetzone,

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1962; Roggemann JR 1966, 201; 1967, 9; Mampel Der Sowjetsektor von Berlin, 1963; Rosenthal ROW 1963, 112. Kunath NJ 1953, 462; Hennig NJ 1956, 723; Schulz DNotZ 1965, 275.

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Einleitung

durch die Anordnung vom 15.7.1954 (GBl DDR 629) aufgehoben worden. Auf Grund des Einigungsvertrages gilt das FGG seit dem 3.10.1990 wieder auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einschl Berlin Ost. Die Einführung erfolgte mit den Maßgaben der Anlage 1 B Kapitel. III Nr 13 Unterabschnitt IV Nr 3d. Die Aufgaben der Verwaltungsbehörden wurden wieder auf die Gerichte zurückgeführt. An Stelle der Staatlichen Notariate traten die Notare in eigener Praxis und in Nachlasssachen die Gerichte.

IV. Das Verhältnis des FGG zum Reichsrecht/Bundesrecht 19

Während das BGB das gesamte Landesprivatrecht außer Kraft gesetzt hat, soweit nicht Vorbehalte zu seinen Gunsten gemacht wurden, gibt das FGG dem Landesrecht die Befugnis zum Erlass von Ergänzungs- und Ausführungsvorschriften (§ 200). Es regelt nur eine Reihe von Punkten; die nicht geregelten Punkte können durch Landesgesetz geordnet werden. Hierfür kommt namentlich in Betracht: die Form der gerichtlichen Protokolle bei anderen Handlungen als der Beurkundung von Rechtsgeschäften (Erbeslegitimationen, Zeugenvernehmungen und dergl). Diese Gegenstände sind im Gesetz überhaupt nicht geregelt und deshalb allgemein dem Landesrecht überlassen. Bei Fragen, welche im Gesetz geregelt sind, kommt es darauf an, ob die Regelung nach dem Sinn und Zusammenhang der Vorschriften als erschöpfend anzusehen ist oder nicht. Ist die Regelung als erschöpfend gedacht, wie zB bei der örtlichen Zuständigkeit der Vormundschaftsgerichte (§§ 36 bis 45), dann sind ergänzende Bestimmungen durch das Landesrecht unzulässig; etwaige Lücken müssen vielmehr aus dem Sinn und Geist des Reichs/ Bundesrechts ergänzt werden. Diesem Falle steht es auch gleich, wenn eine Frage im Gesetz zwar keine ausdrückliche Entscheidung gefunden hat, wenn aber aus dem Sinn und Zusammenhang sich ergibt, dass das Reichs/Bundesrechts die Frage in bestimmten Sinne hat entschieden sehen wollen, wie zB beim Grundsatz der freien Beweiswürdigung, welcher dem Gesetz, wenn auch unausgesprochen, zugrunde liegt. Hier darf das Landesrecht den Gerichten keine Beweisregeln vorschreiben. Wo aber die Regelung nicht als erschöpfend anzusehen ist, wie zB bei der Anzeige20 pflicht gem § 48, kann die Landesgesetzgebung ergänzend eingreifen, insbesondere also den Kreis der Anzeigepflichten erweitern und auch Nachteile an die Nichterfüllung der Anzeigepflicht knüpfen. Soweit das Landesrecht zu Ergänzungen befugt ist, kann es seine Vorschriften sowohl als Soll- wie auch als Mussvorschriften treffen. Für die Handhabung des Gesetzes ergibt sich, dass für jede Angelegenheiten der frei21 willigen Gerichtsbarkeit die Vorschriften über das Verfahren sich zusammensetzen: 1. aus den Bestimmungen des FGG, 2. aus den auf das betreffende Institut bezüglichen Bestimmungen des BGB, des HGB sowie der sonstigen, das Institut behandelnden Reichs-/Bundesgesetze, 3. aus den etwa zur Ergänzung und Ausführung des FGG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften. Für einzelne Angelegenheiten der FG wurde die Zuständigkeit vom Reichsgesetzgeber 22 so geregelt, dass grundsätzlich die Gerichte für zuständig erklärt sind, dem Landesrecht aber freigestellt ist, die Verrichtungen anderen als gerichtlichen Behörden zu übertragen. Es sind dies: die Vormundschafts- und die Nachlasssachen (Art 147 EGBGB), die bei § 1 Rn 93 bemerkten Angelegenheiten (Reichsschuldbuchgesetz); vgl hierzu § 35 Rn 3, § 72 Rn 2. Diese Angelegenheiten gehören, soweit das Landesrecht von seiner Befugnis keinen Gebrauch macht, zu den durch Reichsgesetz den Gerichten übertragenen Angelegenheiten, so dass die allgemeinen Vorschriften des Gesetzes auf sie uneingeschränkte Anwen-

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V. Landesrecht

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dung finden. Für den Fall dass die Landesgesetzgebung von dem Vorbehalt Gebrauch gemacht hat, sind grundsätzlich diese allgemeinen Vorschriften gleichfalls für anwendbar erklärt, jedoch enthalten für diesen Fall die §§ 194 u 195 einige Einschränkungen. Die besonderen Vorschriften des zweiten und fünften Abschnittes des Gesetzes finden auf die Vormundschafts- und Nachlasssachen auch dann Anwendung, wenn die Geschäfte durch das Landesrecht anderen Behörden zugewiesen sind. Nach der VO über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Vormundschafts- und Nachlasssachen vom 10.6.1936 (RGBl I 488) sollten diese Sachen, soweit die Länder für sie andere als gerichtliche Behörden für zuständig erklärt haben, auf die Amtsgerichte übergehen (§ 1). Den Zeitpunkt des Übergangs sollte der Reichsjustizminister bestimmen (§ 2), was aber nicht geschehen ist. Die VO wurde durch das FamRÄndG aufgehoben. Vgl § 35 Anm 3. Für die Beurkundung von Rechtsgeschäften (früher Abschnitt X des Gesetzes) hatte 23 die Landesgesetzgebung zwar die Befugnis, die Zuständigkeit der Gerichte zu Gunsten der Notare auszuschließen (Art 141 EGBGB), nicht aber die Befugnis, die Verrichtungen der Gerichte auf andere Behörden zu übertragen. Die Zuständigkeit der Gerichte wurde auf Grund des Art 141 EGBGB ausgeschlossen in Bayern (Art 10 BayAGGVG), Bremen (§ 6 BremAGBGB) und Hamburg (§ 9 HmbFGG). Diese Bestimmungen sind durch § 60 BeurkG aufgehoben worden.

V. Landesrecht 1. Landesgesetze In den Ländern der Bundesrepublik Deutschland gelten auf dem Gebiet der freiwilli- 24 gen Gerichtsbarkeit die im Anhang zu Bd 3 aufgeführten Vorschriften. 2. Preußisches FGG Das PrFGG verfolgt ein dreifaches Ziel. Einmal trifft es gem § 200 FGG die zur 25 Ergänzung und Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften. Sodann ordnet es diejenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die nicht durch FGG, sondern durch Landesgesetz den Gerichten zugewiesen sind (vgl Anh zu Bd 3). Endlich regelte es die Verhältnisse des Notariats, ist aber insoweit durch die RNotO außer Kraft gesetzt worden. In der Einteilung lehnt sich das PrFGG an das FGG an; es entspricht: 26 Abschnitt I dem ersten Abschnitt, Abschnitt II dem fünften Abschnitt, Abschnitt III dem sechsten25 bis achten Abschnitt, Abschnitt IV dem zehnten Abschnitt des FGG. Zum zweiten, dritten, vierten und neunten Abschnitt sind Ergänzungs- und Ausfüh- 27 rungsbestimmungen nicht erlassen. Abschnitt V des PrFGG betrifft das Verfahren bei der freiwilligen gerichtlichen Versteigerung von Grundstücken, Abschnitt VI die Amtsstellung der Notare (jetzt bedeutungslos). Die Abschnitte VII und VIII (Besondere Gerichte, Mitwirkung der Gemeindebeamten und Schlussbestimmungen) enthalten teils eine Ausführung der §§ 189 ff des FGG, teils auch selbstständige Bestimmungen, namentlich über Änderungen des bisherigen Rechts. 25

Der sechste Abschnitt (Schiffspfandrecht) ist aufgehoben.

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Einl 28

Einleitung

Für die landesgesetzlichen Angelegenheiten erstrebt das Gesetz (Art 1 bis 7) die tunlichste Übereinstimmung mit dem FGG. Im Übrigen ist es so gefasst, dass seine Vorschriften, wo nichts anderes ersichtlich ist, Anwendung auf die reichs/bundesgesetzlichen sowie auf die landesgesetzlichen Angelegenheiten finden. Für die Angelegenheiten des Landesrechtes enthält indessen der erste Abschnitt („Allgemeinen Vorschriften“) keine völlig erschöpfende Regelung. Einzelne hierher gehörende Punkte sind nämlich im AGGVG geordnet, wie namentlich die Bestimmung des zuständigen Gerichts, die Rechtshilfe, die Sitzungspolizei, die Beratung und Abstimmung. Eine Aufnahme dieser Bestimmungen in das Gesetz ist unterblieben, weil die Vorschriften des AGGVG einen weiteren Wirkungskreis haben als das PrFGG; sie gelten nämlich auch zugleich für diejenigen streitigen Sachen, welche dem Landesrecht überlassen sind, namentlich für die vor gewisse besondere Gerichte gehörigen Prozesse. 3. Auflösung Preußens

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Gem Art II Kontrollratsgesetz Nr 46 vom 25.2.1947 (ABlKontrR 81) über die Auflösung Preußens erhielten diejenen Gebiete, die ein Teil Preußens waren und der Oberhoheit des Kontrollrats unterstanden, die Rechtsstellung von deutschen Ländern oder wurden solchen einverleibt. Das in den ehem preußischen Gebieten geltende Recht wurde damit nicht ohne weiteres außer Kraft gesetzt. Seine Abänderung oder Aufhebung ist Sache der Länder, denen diese Gebiete nunmehr angehören. Dies gilt auch für die Vorschriften des PrFGG. Von dieser Befugnis haben Gebrauch gemacht das Land Hessen durch den Erlass des HessFGG und das HessOrtsGerG sowie das Land Niedersachsen durch den Erlass des NdsFGG. 4. Gebiete früherer deutscher Gerichtsbarkeit

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In Bezug auf Gerichte, an deren Sitz deutsche Gerichtsbarkeit infolge des Zusammenbruchs nicht mehr ausgeübt wird, nämlich Gerichte 1. im Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstand vom 31.12.1937 östlich der Oder-Neiße-Linie, 2. in Danzig, in den ehemaligen eingegliederten Ostgebieten und im Memelland, 3. im Elsass, in Lothringen und in Luxemburg, 4. in Eupen, Malmedy und Moresnet, 5. im ehemaligen Sudetendeutschen Gebiet, 6. im ehemaligen Protektorat Böhmen und Mähren, im ehemaligen Generalgouvernement und in den ehemaligen Reichskommissariaten Ostland und Ukraine, ist das ZustErgG zu beachten. Vgl § 1 Rn 123.

VI. Besondere Fälle 1. Ehemalige Deutsche Schutz- und Pachtgebiete26

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Auf Grund des Schutzgebietsgesetzes v 17.4.1886 galt das Konsulargerichtsgesetz und damit auch zunächst das PrFGG und später das FGG des Reiches für die im Schutzgebiet 26

Kolisch Die Kolonialgesetzgebung des Deutschen Reichs mit dem Gesetze über die Konsulargerichtsbarkeit, Hannover 1896.

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VI. Besondere Fälle

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wohnenden oder sich aufhaltenden Reichsangehörigen.27 Der Konsul wurde durch einen Beauftragten und das Konsulargericht durch das Schutzgebietsgericht ersetzt.28 2. Konsulargerichtsbarkeit Nach § 22 Abs 1 Konsulargesetz von 186729 stand deutschen Bundeskonsuln die 32 volle Konsulargerichtsbarkeit in den Ländern zu, in denen ihre Ausübung durch Herkommen oder durch Staatsverträge gestattet war. Der Konsulargerichtsbarkeit waren alle in dem Konsulargerichtsbezirke wohnenden oder sich aufhaltenden Reichsangehörigen und Schutzgenossen unterworfen. Das Nähere wurde durch das Konsulargerichtsgesetz v 187930 geregelt. Das FGG galt auch in den Konsulargerichtsbezirken. Der Konsul trat an die Stelle des Amtsgerichts (§ 7 Nr 2, § 18, § 19 Nr 1 KonsulargerichtsG). Dieses Abhängigkeitsverhältnis aller Reichsangehörigen als „integrierender Teil der Amtsgewalt des Konsuls entspricht nicht mehr der heutigen Auffassung von den Aufgaben der Konsularbeamten“.31 3. Konsularisches Notariat Der Konsularbeamte wird nach dem Konsulargesetz von 1974 (KonsG) auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig (§ 2 KonsG). Nach § 10 KonsG ist auch das BeurkG mit gewissen Ausnahmen, die sich aus der besonderen Situation im Ausland ergeben, anwendbar. Bedeutsam ist auch die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Mitwirkung von Konsularbeamten bei der Bestellung und Beaufsichtigung von Vormündern, Pflegern und Beiständen“ vom 22.2.1983 (GMBl 1983 S 135). Die Vorschrift gilt auch für Betreuer gem Art 9 § 1 BtG vom 12.9.1990 (BGBl S 2002). Darin wurde den Konsularbeamten die Aufgabe übertragen, auf Ersuchen der Vormundschaftsgerichte Vormünder, Pfleger und Beistände (Betreuer) durch Verpflichtung zu bestellen und bei deren Beaufsichtigung mitzuwirken. Zum Amt der Konsularbeamten gehört nach der genannten Verwaltungsvorschrift also lediglich die Bestellung und Beaufsichtigung der Betreuer. Ausgeschlossen oder eingeschränkt werden könnte die Zulässigkeit des Tätigwerdens der Betreuer allerdings dann, wenn der Aufenthaltsstaat gem Art 54 WÜK einschränkende Vorschriften in diesem Bereich erlassen hat. Nach deutschem Kollisionsrecht (Art 24 Abs 1 und 3 EGBGB) unterliegt die Entstehung, Änderung und Beendigung der Betreuung dem materiellen Heimatrecht des zu betreuenden und seine inhaltliche Gestaltung dem Recht des anordnenden Staates.32 Nach Art 16 FGG-ReformG-E wird die sachliche Zuständigkeit (§ 2 KonsG) um den Begriff „Familiensachen“ infolge der Neustrukturierung dieses Bereichs neu gefasst,33 also nicht erweitert. Die Definition der Familiensachen ergibt sich aus § 125 FamFG-E. Auch in § 11 Abs 2 KonsG werden die zitierten Vorschriften der Neustrukturierung der Nachlasssachen angepasst.

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Fitzner Bd 1 S 269. Sack in Hiery, Die deutsche Südsee 1884– 1914, S 325. Gesetz, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate, sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsulate vom 8.11. 1867 (BGBl d Nordd Bundes 1867 S 137).

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Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10.07.1879 (RGBl S 197). Hoffmann Konsularrecht § 1 Rn 3. Hecker/Müller-Chorus/Einhäuser § 5 C Rn 6; Hoffmann KonsularR § 2 Rn 4.1. Begr RefE FGG-ReformG 2006 S 666.

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Einleitung

4. Militärgerichtsbarkeit

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Das Gesetz betreffend die Freiwillige Gerichtsbarkeit und andere Rechtsangelegenheiten in Heer und Marine vom 8.5.1901 (RGBl S 185) wurde aufgehoben durch das Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit und anderer Rechtsangelegenheiten in der Wehrmacht vom 24.4.1934 (RGBl I S 335, 352). Dieses Wehrmachts-FGG ist wiederum geändert worden durch VO vom 30.9.1940 (RGBl I S 1327), v 27.8.1942 (RGBl I S 541) und v 6.9. 1943 (RGBl I S 537). Außerdem ergingen dazu die 1. DVO vom 3.2.1936 (RGBl I S 99), geändert durch VO v 30.9.1940 (RGBl I S 1327), v 27.8.1942 (RGBl I S 541), 2. DVO v 13.9.1939 (RGBl I S 1823), 3. DVO v 30.9.1940 (RGBl I S 1327) geändert durch VO v 6.9.1943 (RGBl I S 537), 4 DVO v 27.8.1942 (RGBl I S 541) und die 5. DVO v 6.9.1943 (RGBl I S 537). Durch Art III KRG Nr 34 (KR ABl S 172) sind sie gegenstandslos geworden.34

VII. Reformvorhaben 1. Planung seit 1937

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Eine „Reform des gesamten Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ war schon 1937 geplant.35 Krieg und Nachkriegsverhältnisse ließen eine Weiterverfolgung des Vorhabens nicht zu. Erst 1964 wurde eine Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit einberufen. Der Auftrag war, „Vorschläge zur Verbesserung des Verfahrens in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entwickeln“.36 Die Kommission hielt es für geboten, das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit „auf eine sichere, übersichtliche, den Erfordernissen des sozialen Rechtsstaats entsprechende Grundlage zu stellen“.37 Eine durchgreifende Abhilfe sei nur durch eine geschlossene Verfahrensordnung möglich. Der Entwurf beschränkte sich allerdings auf die bisher schon im FGG selbst geregelten Verfahren. Der historische Gesetzgeber hatte sich wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der als Kompetenz und fehlender ausreichender wissenschaftlicher Vorarbeiten Zurückhaltung auferlegt und sich mit einer Art Rahmengesetzgebung begnügt.38 Die rechtsstaatlichen Garantien der Beteiligten waren nur schwach ausgebildet, weil das Gesetz an der hoheitlichen Verwaltungstätigkeit ausgerichtet war. 2. Ziele einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FrGO)

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Seit 1950 hat sich die Rechtswissenschaft zunehmend der Probleme der freiwilligen Gerichtsbarkeit angenommen.39 Die ebenfalls eingerichtete Kommission zur Vorberei34 35

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Keidel/Winkler, 10. Aufl, Einl Rn 5. Vgl Schlegelberger, Vorwort zur 5. Aufl (zitiert n d 6. Aufl 1952, VII). Schlegelberger war 1931–1942 Staatssekretär im Reichsjustizministerium. Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, hrsg v Bundesministerium der Justiz, Dezember 1977, Vorwort Vogel S 3; vgl auch Arnold Rpfleger 1979, 161, 241; ders DRiZ 1980, 321; Bumiller Rpfleger 1973, 3; Firsching FS Beitzke, S 981; Klässel Der Justizbeamte 1979, 10/25; von König ZZP 1980, 312; Kollhosser ZZP

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1980, 265; Pfeuffer Rpfleger 1973, 233; Steffen Entwurf einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, RdL 1979, 1; Winkler DNotZ 1979, 452. Bericht Vorwort Vogel S 3. Bericht 1977, S 90. Vogel Bericht S 91; vgl insb Kollhosser Zur Erstellung und zum Begriff der Verfahrensbeteiligten im Erkenntnisverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, München, 1960; dazu Winter Jura 1971, 113; auch Eickmann in FS für Hans Winter, S 9; Schleicher Rechtliches Gehör und mündliche Anhörung in familien-

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VII. Reformvorhaben

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tung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit hat in ihrem Bericht (Weißbuch) eine Reihe von Empfehlungen für eine Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegeben: a) Kodifizierung des Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit b) Ausbau der lückenhaften Regelung des FGG zu einer zusammenhängenden Verfahrensordnung c) rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrens d) Koordinierung mit den anderen Verfahrensordnungen.40 Erstes Ziel war die Kodifizierung des Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Damit sollte das Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht beseitigt werden. Zweites Ziel war der Ausbau der gegenwärtig lückenhaften Regelung des FGG zu einer zusammenhängenden Verfahrensordnung.41 Allerdings wurde überlegt, für die Registersachen in Anlehnung an die Grundbuchordnung eine eigene Registerordnung zu schaffen wie man es auch für das Beurkundungsverfahren mit dem BeurkG gemacht hatte.42 Auch das Verfahren in Schiffsregister- und Schiffsbauregistersachen sollte wegen der Ähnlichkeit mit dem Grundbuchsachen weiterhin durch ein Sondergesetz geregelt werden. Dagegen rechtfertigen weder die Verfahrensvorschriften des LwVG noch der Hinweis auf das BeurkG die Schaffung einer besonderen Registerordnung.43 Bosch hatte sogar die Forderung erhoben, eine große Familiengerichtsbarkeit zu schaffen.44 Für jedes der anderen Verfahren hatte Kollhosser ein eigenes Verfahrensrecht gefordert.45 Arnold wollte ein Verfahren für alle Familiensachen im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit.46 Zimmermann forderte dagegen, bei einer Reform der Freiwilligen Gerichtsbarkeit keine verfahrensrechtlichen Sondervorschriften außer für das Verfahren in Beurkundungs-, Grundbuch-, Schiffs- und Schiffsbauregistersachen zu schaffen.47 Auch Kollhosser sprach sich dafür aus, die Registersachen in die FrGO zu integrieren.48 Die vom Bundesministerium der Justiz eingesetzte Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit hatte 1977 ihre Beratungen beendet und einen Entwurf einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FrGO) vorgelegt, die das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.5.1898 (FGG) ablösen sollte. Der Kommissionsentwurf wollte eine Ablösung der bisherigen bundes- und landesrechtlichen Normenvielfalt, die Sicherstellung der notwendigen rechtsstaatlichen Garantien, die Beibehaltung der bisherigen Verfahrenselastizität und eine Anpassung an die anderen Verfahrensordnungen. Einschneidende Änderungen ergaben sich für die Rechtsstellung der Beteiligten. Der bisherige zweifache Beteiligtenbegriff wurde zu Gunsten eines formellen Beteiligtenbegriffs aufgehoben. Beteiligte waren nur noch die durch den Antrag gekennzeichneten Antragsteller und Antragsgegner sowie die für jedes Verfahren besonders bestimmten Personen. Im Übrigen war Beteiligter nur, wer vom Gericht durch besonderen formellen Akt hinzugezogen wurde. Es bedurfte der Untersuchung, inwieweit die automatische

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rechtlichen Angelegenheiten und im Freiheitsentziehungsverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, Bielefeld 1988. Bericht, S 91, unter Hinweis auf den 1961 erschienen Bericht der Kommission für Zivilgerichtsbarkeit (Weißbuch). Bericht S 91.

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Bericht S 92. Zimmermann Rpfleger 1982, 85. Bosch FamRZ 1980, 1, 9. Kollhosser ZZP 93, 271. Arnold Rpfleger 1979, 166. Zimmermann Rpfleger 1982 S 85, 87. Kollhosser ZZP 93, 271.

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Einleitung

oder auf Antrag erzwungene Beteiligung den Verfahrensablauf fördert oder hemmt zB bei Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins. Die Gestaltung des Verfahrens wurde durch die förmliche Einleitung des Verfahrens, 44 die obligatorische mündliche Verhandlung vor verfahrenserledigenden Entscheidungen insbesondere hinsichtlich des neuen Beteiligtenbegriffs, die Einführung der Strengbeweises, wenn dies für die Wahrheitsfindung erforderlich ist, gekennzeichnet. Diese Vorschriften geboten es zu prüfen, inwiefern die nach dem geltenden Verfahrensrecht bewährte Elastizität des Verfahrens noch gewährleistet würde. Die Vorschriften über Form, Bekanntmachung und Wirksamkeit der Entscheidungen 45 sollten gegenüber dem geltenden Recht erheblich strenger gefasst werden. Für die Erteilung des Erbscheins wurde zB durch Beschluss entschieden. Der Erbschein selbst wurde daraufhin vom UdG erlassen. Dies durfte erst nach Rechtskraft des Beschlusses erfolgen, es sei denn, die sofortige Wirksamkeit wurde angeordnet. Die Beschlüsse mussten allen Beteiligten zugestellt werden. Es musste deshalb festgestellt werden, inwieweit dem gesetzgeberischen Zweck durch die erheblichen Zeitverluste bis zur Rechtsverwirklichung entgegengewirkt wird zB durch die Notwendigkeit ständiger Anordnungen sofortiger Wirksamkeit. Auch die Beschränkung der Abänderungsmöglichkeiten durch das entscheidende Ge46 richt, der Ausschluss der Abhilfemöglichkeit, Beschränkung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen und die Befristung der Rechtsmittel bedurfte eingehender Überprüfung auf ihre Praktikabilität hin. 3. Praxistest

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Auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum 1975 hatte eine Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die Praktikabilität des Entwurfs durch Überarbeitung erledigter Fälle aus der Praxis festzustellen. Die Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die in erster Instanz den Amtsgerichten obliegen, werden zu mehr als 80 vH von Rechtspflegern wahrgenommen. Es lag nahe, die wohl einmalige Chance zu nutzen, den Kommissionsentwurf, bevor er über einen Referentenentwurf und eine verabschiedungsreife Kabinettsvorlage in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird, durch diese Praktiker in den Familien-, Vormundschafts- und Nachlassgerichten zu testen. Die Wirksamkeit des geplanten Gesetzes könnte sowohl auf die Zielvorgabe der Regelungen als auch auch auf die Rationalität der vorgesehenen Verfahrensregelungen geprüft werden. Der Praxistest sollte dazu beitragen, dass der Kommissionsentwurf erst dann als Refe48 rentenentwurf in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird, wenn ausreichende Erfahrungen mit den beabsichtigten Regelungen vorliegen. Das Ergebnis der Arbeiten sollte Aufschluss darüber geben, inwieweit ein Testverfahren nur für Gesetze über gerichtliche Verfahren problemadäquat ist und auch auf andere Verfahrensordnungen anwendbar ist. Ferner könnte das Projekt Erkenntnisse über Kriterien eines verallgemeinerungsfähigen Testverfahrens liefern. Die Untersuchung sollte darüber hinaus einen Beitrag leisten zur Entwicklung eines 49 Berechnungsverfahrens für die Voraussetzung des Arbeitsaufwandes für die Durchführung eines neuen Gesetzes in Gerichten und Verwaltungen des Bundes, der Länder, Gemeinden und sonstigen öffentlichen Stellen sowie bei betroffenen Unternehmen und Bürgern. Die Untersuchung sollte in Form eines Praxistests durchgeführt werden. Die Erpro50 bung des Gesetzentwurfs der Kommission sollte in optimaler Annäherung und Anpas-

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VII. Reformvorhaben

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sung an die spätere reale Situation erfolgen. Dazu wurde der Entwurf unter Annahme seiner Geltung als Gesetz in einem realistischen Ereignisfeld – jedoch ohne Rechtsfolgen – angewandt. Die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin – Fachbereich Rechtspflege – hat in einem Forschungsauftrag des BMJ den Entwurf einer Praxisanalyse49 unterzogen. An dem Praxistext waren zu beteiligen: 1. das Bundesministerium der Justiz, das der Erkenntnisse der gerichtlichen Anwendbarkeit und Durchführbarkeit des Gesetzes zur Erreichung des Gesetzeszwecks für den Referentenentwurf bedurfte, 2. die Amtsgerichte (Familien-, Vormundschaft-, Nachlassgerichte), die „Betroffene“ des Gesetzes sind, 3. die Forschungsgruppe. Das Verhalten der „Verfahrensbeteiligten“ iS des Entwurfs musste dabei simuliert werden, weil der Bürger einen Anspruch auf gerichtliche Entscheidung nach geltendem Recht hat und nicht durch hypothetische Verfahrensweisen verunsichert werden durfte. Die Erprobung des Entwurfs konnte anhand erledigter Akten, aber auch verfahrensbegleitend in Zusammenarbeit mit interessierten Richtern und Rechtspflegern parallel zu laufenden Verfahren in mehreren Varianten erfolgen. Neben der Fallbearbeitung waren durch Fragebogen weitere Informationen zum Kommissionsentwurf einzuholen.50 Wünschenswert war die Beteiligung von mindestens zwei Amtsgerichten je Bundesland, um die unterschiedlichen Bedingungen in Flächen- und Stadtstaaten und der jeweiligen Notariatsform (Anwaltsnotariat, Nur-Notariat, Behördennotariat in Baden-Württemberg) angemessen berücksichtigen zu können. Die Anzahl der Fallbearbeitungen je Gericht sollte ein Dutzend nicht überschreiten, um bei Wahrung des notwendigen repräsentativen Ausschnitts die Arbeitsmöglichkeiten der Gerichte nicht allzu sehr zu belasten. Die Verbände (Bund Deutscher Rechtspfleger, Deutscher Richterbund, Notarkammern usw) wurden von dem Testverfahren unterrichtet, um die Beteiligungsbereitschaft bei den Gerichten zu stärken und Aufschlüsse über die zu testenden Bestimmungen des Entwurfs zu erhalten. Der Test wurde auf die tragenden Neuerungen des Entwurfs beschränkt. Deshalb war die Auswahl der zu testende Bestimmungen von besonderer Bedeutung. Sie war abhängig von der für den Test zur Verfügung stehenden Zeit (Beginn der Ausarbeitung des Referentenentwurfs). Dasselbe galt für die Methodenvariationen. Der Test wurde in mehreren Phasen durchgeführt. Der Vorbereitung des Vortests dienten die Feststellung der testrelevanten Gesetzesbestimmungen, Kontaktaufnahme zu den Gerichten (Verifizierung der Testbedürftigkeit, Ermittlung von Gerichtsakten), die Entwicklung der Testkonzepte, Testvarianten, Fragebogen). Nach der Vor-Test-Durchführung und -auswertung erfolgte dann der Haupttest, dessen ausgewertete Ergebnisse zunächst in einem Bericht51 zusammengefasst wurden.

49 50 51

AK/Huhn/BGB 1. Aufl 1981, § 1910 Rn 3, 7. S hierzu von Schuckmann RpflStud 2002, 169. Praxistest einer Verfahrensordnung für die

freiwillige Gerichtsbarkeit (FrGO), Zwischenbericht April 1980 mit Anlageband 1 u 2.

Hans-Joachim von Schuckmann

15

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54 55

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Einl 58

Einleitung

Dem Entwurf war kein Erfolg beschieden, wie Kollhosser bereits 1980 befürchtet hatte.52 Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18.7.1979 (BGBl I S 1061) wurde ein Referentenentwurf für ein neues FGG offenbar nicht mehr als dringlich angesehen, zumal das Beurkundungsrecht bereits durch ein besonderes Gesetz geregelt worden war.53 4. Justizreform

59

Auf dem 63. Deutschen Juristentag 2000 in Leipzig erklärte die damalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, eine umfassende Justizreform müsse auch die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf den Prüfstand stellen.54 Die Reform befinde sich noch im Stadium des Problemaufrisses und seiner Analyse durch Wissenschaft und Praxis. Zunächst erfolgte eine Anhörung der Landesjustizverwaltungen durch das BMJ. 60 Dabei wurden umfangreiche Vorschläge gemacht. Im April 2001 fand der erste Workshop mit Praktikern und Wissenschaftlern statt. 5. Problemkatalog

61

Danach wurde vom BMJ ein Problemkatalog zur Reform des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit55 zusammengestellt. Dazu haben ua der Deutsche Anwaltsverein56, die Bundesrechtsanwaltskammer57, der Bund Deutscher Rechtspfleger58 Stellung genommen. Im Juni 2002 wurde ein weiterer Workshop „Grundzüge eines neuen FGG und privatrechtliche Streitverfahren abgehalten“. Insgesamt wurden drei Workshops durchgeführt.59 Im Frühjahr 2003 wurden zwei Expertengruppen gebildet,60 die sich mit dem Verfah62 rensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit bzw mit dem familiengerichtlichen Verfahren beschäftigten. 6. Referentenentwurf

63

Anfang Juni 2005 wurde der Referentenentwurf des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) den Landesjustizverwaltungen und in den Verbänden zur Stellungnahme übersandt.61 Der Entwurf war jedoch zunächst unvollständig, da die Regelungen der Nachlass- und Teilungssachen fehlten. Die Bundestagswahl 2005 mit der Bildung einer neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat an dem Reformvorhaben nichts geändert. Der vollständige und gegenüber dem ersten Entwurf teilweise geänderte Entwurf 64 eines FGG-Reformgesetzes wurde am 14.2.2006 vom BMJ an die Verbände zur Stellungnahme übersandt. Es handelt sich um ein sog Artikel-Gesetz, da zugleich 85 andere Gesetze zB das GVG und die ZPO geändert werden müssen. In der Neufassung des GVG 52 53 54

55 56 57

Kollhosser ZZP 93, 311. BeurkG v 28.8.1969 (BGBl S 1513). Das entsprach auch der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/die Grünen vom 16.10.2002. Vgl von Schuckmann RpflStud 2002, 169. FuR 2003, 354–357. Internet: www.brak.de/seite/pdf/famrechtstellungn2.12.pdf (November 2002).

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RpflBl 2002, 25. Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1430. Dies aaO, S 1431 mit Angabe der jeweils 7 Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis. Dies aaO S 1431.

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VII. Reformvorhaben

Einl

wird die Freiwillige Gerichtsbarkeit neben der streitigen Zivilgerichtsbarkeit und der Strafgerichtsbarkeit Bestandteil der ordentlichen Gerichtsbarkeit sein. Die Vorschriften des GVG werden künftig für die Freiwillige Gerichtsbarkeit unmittelbar gelten. Besondere Regelungen und Verweisungsvorschriften auf das GVG sind deshalb in dem Entwurf nicht mehr enthalten.62 Art 1 enthält das „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angele- 65 genheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)“. Zu Recht wird dieser irreführende Titel kritisiert.63 Es handelt sich wie beim bisherigen FGG um ein Verfahrensgesetz mit einem allgemeinen Teil (Buch 1) und besonderen Vorschriften für eine Reihe von Verfahren (Bücher 2 bis 5). Die „unsystematische“64 nur aus politischen Motiven erfolgte Hervorhebung des Verfahrens in Familiensachen ist nicht gerechtfertigt. Man sollte zu dem von der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit seinerzeit gewählten Titel „Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit – FrGO)“ zurückkehren. Kuntze hat vorgeschlagen, allenfalls hinzuzufügen „einschließlich des Verfahrens in Familiensachen“.65 Begrüßt wird jedoch die Zusammenfassung des Verfahrens in Familiensachen und den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in einem Gesetz.66 Art 2 enthält das neue Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG).Vgl 66 dazu Vorbem § 13a Rn 42 ff. 7. Leitlinien des Entwurfes Leitlinien des Entwurfes67 eines Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und 67 in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sind die vollständige Neuregelung des Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des familiengerichtlichen Verfahrens, „damit auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit eine vollständige, modernen rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Ordnung des Verfahrens geschaffen“ wird. Die Reform ist an folgenden Zielen ausgerichtet: a) Ausbau der gegenwärtig lückenhaften Regelung des FGG zu einer zusammenhängenden Verfahrensordnung b) rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrens c) Koordinierung mit den anderen Verfahrensordnungen d) anwenderfreundlicher Gesetzesaufbau; anwenderfreundliche Gesetzessprache e) Stärkung der konfliktvermeidenden und konfliktlösenden Elemente im familiengerichtlichen Verfahren. Die Neukodifizierung des familiengerichtlichen Verfahrensrechts soll die Bedeutung 68 des personalen Grundkonfliktes aller familiengerichtlichen Verfahren betonen und konfliktvermeidende sowie konfliktlösende Elemente stärken, zB durch – Förderung der gerichtlichen und außergerichtlichen Streitschlichtung – Erleichterung der einverständlichen Scheidung bei kinderloser Ehe

62 63 64 65 66

67

RefE-FGG-ReformG S 232 = E 2006 S 338. ZB Kuntze FGPrax 2005, 185. Kuntze aaO. Kuntze aaO. ZB durch den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, www.deutscherverein.de/stellungnahme, S 2. Referentenentwurf des BMJ eines Gesetzes

zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) S 229 ff bzw ergänzter Referentenentwurf (14. Februar 2006) S 334 ff. Im Internet zB unter: www.famrb.de/FGG_RG_2006_02_14.pdf sowie von Jörn Hauß benutzerfreundlich aufbereitet unter: FamFG RefE 14 02 2006 pdf.

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Einl

Einleitung

– Beschleunigung von Verfahren über das Umgangs- und Sorgerecht durch Einführung von Elementen des sog Cochemer Modells – Verstärkung der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte betroffener Kinder durch Präzisierung der Funktionen des Verfahrenspflegers (künftig: Verfahrensbeistand) – effizientere Gestaltung der Durchsetzung von Entscheidungen zum Sorgerecht, zur Herausgabe und zu Umgangsregelungen – Einführung eines einstweiligen Rechtsschutzes, der hauptsacheunabhängig ist und einverständliche Lösungen erleichtert, sowie – Zuständigkeit des „Großen Familiengericht“ insbesondere für alle Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung 8. Kritik

69

Kritisiert wird bereits, dass der Entwurf diese Ziele nur zum Teil umsetze und an vielen Stellen noch nicht ausgereift sei. Obwohl die Aufteilung in einen allgemeinen und einen besonderen Teil begrüßt wird, beanstanden manche, dass sie nicht durchgehend befolgt sei. Viele Regelungen im besonderen Teil stünden im Widerspruch zum allgemeinen Teil, ohne dass auf die Abweichung hingewiesen werde zB bei der örtlichen Zuständigkeit, Verfahrensfähigkeit, Beteiligung oder den Kosten.68 Bemängelt wird auch, der Text sei nicht anwenderfreundlich genug, es würden zu häufig unbestimmte Rechtsbegriffe wie „in geeigneten Fällen“ verwandt, bei Verweisen die gemeinten Vorschriften zu selten genannt. Der E sei unübersichtlich und zu ausführlich, weil viele Selbstverständlichkeiten kodifiziert würden. Der Entwurf enthaltene eine Reihe redaktioneller Fehler, Wiederholungen von Satzteilen, fehlerhafte Verweise und sprachliche Ungenauigkeiten.69 Wenn auch die Zusammenfassung von Vormundschafts-, Adoptions- und Familien70 sachen begrüßt wird, sehen Kritiker die Gefahr, dass die Familiengerichte überfrachtet werden und sich nicht mehr auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können. Deshalb sollten die in § 278 Abs 1 Nr 3 und 5 genannten Ansprüche auf Auseinandersetzung einer Miteigentümergemeinschaft oder Innengesellschaft, Streitigkeiten wegen Gesamtschuldnerausgleichs oder Aufteilung von Steuerguthaben sowie Streitigkeiten aus der Rückabwicklung von Zuwendungen der Schwiegereltern bei den Zivilgerichten verbleiben.70

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E 71

Der Referentenentwurf enthält an vielen Stellen bedeutsame Änderungen gegenüber dem bisherigen FGG. Darauf wird bei der Kommentierung des FGG jeweils unter dem Stichwort Reformvorhaben eingegangen. Dies gilt leider nicht für Band 3, da der ergänzte Gesetzentwurf mit den Vorschriften des 4. Buchs (Verfahren in Nachlass- und Teilungssachen) vom BMJ erst nach Drucklegung von Band 3 bekannt gemacht wurde. In der nachfolgenden Übersicht der Vorschriften des FamFG-E wird nur auf die Kom72 mentierung der entsprechenden Vorschrift des FGG mit dem Stichwort „Reformvorhaben“ verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden. Lediglich in den Fällen, in denen

68 69

Deutscher Verein aaO, S 2. Ders aaO S 3; Stellungnahme der BRAK Nr 22/2006 – im Internet unter www.brak.de (Stellungnahmen) S 37.

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Ders aaO S 4.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Stellungnahmen der Verbände bekannt geworden sind oder der ergänzte Entwurf (Stand 14.2.2006) von dem ersten Entwurf (Stand 5.6.2005) abweicht, wird hier darauf eingegangen. Dagegen sind die Informationen über die Regelungen zum 4. Buch (§§ 354 bis 381) aus den oben genannten Gründen (Rn 64) nur hier zu finden. Mit dieser Übersicht ist keine Kommentierung eines erst im Entstehen befindlichen 73 Gesetzes beabsichtigt. Verlag, Herausgeber und Autoren wollen jedoch der interessierten (Fach)öffentlichkeit die Möglichkeit eines Vergleichs de lege lata/de lege ferenda erleichtern. BUCH 1 ALLGEMEINER TEIL

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Der Gesetzentwurf sieht fünf Bücher vor: Buch 1 Allgemeiner Teil Buch 2 Verfahren in Familiensachen Buch 3 Verfahren in Betreuungssachen, Unterbringungssachen und betreuungsgerichtlichen Zuweisungssachen Buch 4 Verfahren in Nachlass- und Teilungssachen Buch 5 Verfahren in Registersachen, unternehmensrechtliche Verfahren An die Stelle der §§ 1 bis 34 FGG sollen die §§ 1–124 FamFG-E treten, damit ist die Regelung jedoch wesentlich dichter. Der Geltungsbereich dieses Buches erstreckt sich über den besonderen Teil der Verfahrensordnung hinaus auf alle Angelegenheiten, die durch Bundes- oder Landesgesetz den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen sind.71 Eine wesentliche Neuerung ist die gesetzliche Definition der Beteiligung durch eine Generalklausel im allgemeinen Teil (§ 8 FamFG-E), die durch Beteiligtenkataloge im Besonderen Teil ergänzt wird. Damit soll nicht nur klargestellt werden, wem rechtliches Gehör zu gewähren ist sondern auch die umfassende Aufklärung der Tatsachen bereits im erstinstanzlichen Verfahren gefördert werden.72 Der Freibeweis in der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird erhalten (§ 29 FamFG-E). Jedoch ist das Gericht zur förmlichen Beweisaufnahme verpflichtet, wenn eine Tatsache im Freibeweisverfahren streitig geblieben ist (§ 30 Abs 3 FamFG-E). Über die Form der Bekanntgabe von Schriftstücken entweder durch förmliche Zustellung nach den Vorschriften der ZPO oder durch Aufgabe zur Post entscheidet das Gericht künftig nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine förmliche Zustellung der Entscheidung ist dagegen in den Verfahren erforderlich, in denen der Beschluss dem erklärten Willen eines Beteiligten nicht entspricht.73 Neu ist auch die Einführung der Möglichkeit der Vertragsbeendigung durch einen Vergleich der Beteiligten (§ 36 FamFG-E). Ferner sieht der Entwurf eine Rechtsmittelbelehrung für alle Entscheidungen im Rahmen des FamFG vor (§ 39 FamFG-E). Die Beschwerde ist künftig stets befristet. Das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, kann jedoch der Beschwerde abhelfen. Fer71 72

RefE FGG-ReformG S 338. RefE FGG-ReformG (2005) S 233 = RefE FGG-ReformG S 339.

73

RefE FGG-ReformG S 340.

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79 80

Einl

Einleitung

ner wird die Zulassungsbeschwerde in vermögensrechtlichen Streitigkeiten eingeführt.74 An Stelle der zulassungsfreien weiteren Beschwerde wird die zulassungsgebundene Rechtsbeschwerde eingeführt (§73 FamFG-E). Dem Bundesgerichtshof wird eine Annahmekompetenz eingeräumt, um seiner Überlastung entgegenzuwirken.75 Die Regelungen über einstweilige Anordnungen haben diese aus der Abhängigkeit 81 von einer Hauptsache gelöst. Damit soll die ungeschriebene „vorläufige Anordnung“ des FG-Rechts ersetzt werden. Der Entwurf sieht auch eigenständige Vorschriften für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vor (§ 79 FamFG-E). Umfassend geregelt wird die Vollstreckung in Rechtsfürsorgeangelegenheiten (§ 90 FamFG-E): Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften Anwendungsbereich (§ 1) Näheres vgl § 1 FGG Rn 192. 82 Der allgemeine Teil des FamFG ist auch in Familiensachen anwendbar, die weder 83 Familienstreitsachen noch Ehe- oder Lebenspartnerschaftsachen sind. Dagegen richten sich die Familienstreitsachen weitestgehend nach den Vorschriften der ZPO. Dazu zählen insbesondere die Unterhaltssachen und Güterrechtssachen. Um den Eindruck zu vermeiden, dass durch die derzeitige Formulierung das FGG84 Verfahren fortan für „jede Familiensache“ anwendbar sei, wurde vom Deutschen Verein vorgeschlagen § 1 wie folgt zu fassen: „(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten für das Verfahren in Familiensachen sowie in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, so weit sie durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind. Für Verfahren in Familienstreitsachen findet dieses Gesetz nur in dem von § 106 umschriebenen Umfang Anwendung. (2) Nr 1 Verfahren in Familiensachen sind (Definition aus § 125 einfügen). Nr 2 Verfahren in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind (Definition aus § 23a Abs 2 GVG einfügen) Nr 3 Verfahren in Familienstreitsachen sind (Definition aus § 105 einfügen).“ 76 Örtliche Zuständigkeit (§ 2) Näheres vgl § 3 Rn 10; 4 Rn 13; 43 FGG Rn 44 ff. 85 Beanstandet wird, dass es an einer einheitlichen Regelung der örtlichen Zuständig86 keit für Fälle mit Auslandsbezug fehle. Der Deutsche Verein hält es für sinnvoller, eine zentrale Auffangzuständigkeit für alle Verfahren nach dem FamFG mit Auslandsbezug beim Amtsgericht Schöneberg festzuschreiben sowie zur Klarstellung in § 2 einzufügen: „§ 2 bezieht sich nicht auf konkurrierende internationale Gesetzgebung.“77

87

Verweisung bei Unzuständigkeit (§ 3) Näheres vgl § 5 FGG Rn 35.

88

Abgabe an ein anderes Gericht (§ 4) Näheres vgl § 43b FGG Rn 78 ff, § 46 FGG Rn 60 ff, § 65a FGG Rn 40.

74 75

RefE FGG-ReformG S 340. RefE FGG-ReformG S 340 ff.

20

76 77

Deutscher Verein aaO, S 5. Ders aaO S 5.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit (§ 5) Näheres vgl § 5 FGG Rn 35.

89

Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen (§ 6) Näheres vgl § 6 FGG Rn 38.

90

Akteneinsicht (§ 7)

91

Näheres vgl § 34 FGG Rn 32.

Beteiligte (§ 8) Näheres vgl § 6 Rn 38, § 13 Rn 59, § 15 Rn 92, § 46 FGG Rn 60 ff, § 64 FGG Rn 307, 92 § 68a FGG Rn 30. Neu ist, dass das Kind in Kindschaftssachen selbst Verfahrensbeteiligter ist, das aller- 93 dings in der Regel durch seine gesetzlichen Vertreter handelt.78 Der Bund Deutscher Rechtspfleger hält die Absätze 1 und 2 für ausreichend und 94 schlägt deshalb die Streichung der Absätze 3 und 4 vor. Soweit sich in einem Verfahren weitere Beteiligte im Sinne des Absatzes 2 ergeben sollten, seien sie bereits nach diesem Absatz hinzuzuziehen. Es müsse auch aus rechtsstaatlicher Sicht ausreichend seien, nur die als Verfahrensbeteiligte zu bestimmen, deren Rechte selbst unmittelbar von dem Verfahren betroffen werden, während jene, die zum Zwecke der Ermittlungen hinzugezogen werden und sachdienliche Aussagen und Erklärungen abgeben, nicht selbst Beteiligte werden.79 Die Bundesrechtsanwaltskammer fordert, dass der Entscheidung über den Hinzuziehungsantrag generell durch Beschluss erfogen sollte. Beteiligungsfähigkeit (§ 9) 95 Näheres vgl § 13 FGG Rn 59 ff. In § 9 soll nach Meinung des Deutschen Vereins das Merkmal der Rechtsfähigkeit 96 aufgenommen werden, da Konstellationen denkbar seien, in denen Vereinigungen, Personengruppen oder Einrichtungen nicht rechtsfähig und somit auch nicht beteiligungsfähig seien. Außerdem müsste Nr 3 dahingehend beschränkt werden, dass Behörden nur dann beteiligungsfähig sind, wenn ihnen ein Antrags- oder Beschwerderecht zusteht.80 Der Deutsche Verein berücksichtigt dabei nicht, dass im FG-Verfahren die Rechtsfähigkeit keine Voraussetzung ist (s § 13 Rn 1, 9, 11). Verfahrensfähigkeit (§ 10) Näheres vgl § 13 FGG Rn 67.

97

Bevollmächtigte (§ 11) Näheres vgl § 13 FGG Rn 72 ff, § 29 FGG Rn 45. 98 Nach Meinung des Deutschen Vereins sollte die Befreiung vom Anwaltszwang einer 99 einstweiligen Anordnungen in Abs 5 Nr 3 nur dann gegeben sein, wenn es der Vertretung durch einen Rechtsanwalt auch im Hauptsacheverfahren nicht bedürfte, weil einstweilige Anordnungen im FGG-Verfahren häufig sehr lange gelten und ein Hauptsacheverfahren oft nicht mehr angestrebt wird.81 78 79

Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1435. Schreiben des Bundes Deutscher Rechtspfleger (BDR) vom 30.6.2006 an das BMJ – im

80 81

Internet: www.bdr.online.de/base/bin/ download-phpo=0. Deutscher Verein aaO S 6. Ders aaO S 7.

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Einl

Einleitung

100

Verfahrensvollmacht (§ 12) Näheres vgl § 13 FGG Rn 75, 76.

101

Näheres vgl § 13 FGG Rn 75, 77.

Beistand (§ 13)

Abschnitt 2 Verfahren im ersten Rechtszug Ermittlung von Amts wegen (§ 14) Näheres vgl § 12 FGG Rn 146, § 64 FGG Rn 307, § 68 FGG Rn 67, § 70c FGG 102 Rn 33.

103

Einleitung des Verfahrens (§ 15) Näheres vgl Vorbem zu §§ 8–18 FGG Rn 90, 91.

104

Anträge und Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 16) Näheres vgl § 11 FGG Rn 35, 36.

105 106

107 108

Elektronische Akte; elektronisches Dokument (§ 17) Näheres vgl § 11 FGG Rn 37, 38. Nach Art 1 des E eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 20.3.2006 soll § 130a Abs 3 ZPO, der im E 2006 für entsprechend anwendbar erklärt wird, ein neuer S 2 angefügt werden: „Elektronisch eingereichte Dokumente können vorrangig bearbeitet werden, so weit nicht gesetzliche Regelungen, Eilbedürftigkeit oder sonstige Gründe entgegenstehen.“82 Eine Änderung des FGG ist nicht beabsichtigt. Bestimmungen über elektronische Dokumente sollen dem FamFG vorbehalten werden.83 Da § 17 FamFG-E in der jetzigen Fassung ohnehin auf § 130 Abs 3 ZPO verweist, wird die neue Vorschrift im Falle der Gesetzwerdung des Entwurfes eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs auch diese Vorschrift für die Freiwillige Gerichtsbarkeit gelten. Der Gesetzgeber will mit dieser „weichen“ Vorrangklausel (Kann-Bestimmung) dem elektronischen Rechtsverkehr Priorität einräumen. Es werde jedoch dadurch nicht in die verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie der Richter bzw. einfachgesetzliche Unabhängigkeit der Rechtspfleger eingegriffen. Der Gesetzesvorbehalt berücksichtigt darüber hinaus die Vorschriften zum Grundbuchverfahren (§§ 13, 17 GBO iVm § 879 BGB), nach denen der Zeitpunkt des Antragseingangs über die Rangfolge entscheidet. Damit wird auch nicht die nur in den Neuen Ländern geltende Grundbuchvorrangsverordnung (GBVorV) berührt. Verfahren von Amts wegen (§ 18) Näheres vgl Vorbem §§ 8–18 FGG Rn 91. Nach Abs 2 hat das Gericht den Antragsteller unter Angabe von Gründen zu bescheiden, wenn es trotz des Antrags das Verfahren nicht einleitet. Der Deutsche Verein hat deshalb eine Änderung dahingehend angeregt, dass nur derjenige Antragsteller zu bescheiden ist, der über ein Beschwerde- bzw Antragsrecht verfügt. Eine weitergehende Regelung trifft auch der in der Begründung zitierte § 171 S 1 EStG nicht.84 82

Art 1 Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs des BMJ v 20.3.2006 – RA 3 – 3700/19 – 3 – R4 112/2006. www.brak.de/seiten/pdf/ Gesetzesentwürfe.pdf.

22

83 84

Ders aaO S 7. Deutscher Verein aaO S 7.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Bekanntgabe (§ 19) Näheres vgl § 16 FGG Rn 72–74, § 64 FGG Rn 307. 109 Der Deutsche Verein hält es im Interesse der Beteiligten und zur Rechtssicherheit für 110 erforderlich, das zum In-Lauf-Setzen von Fristen immer förmlich nach den Vorschriften der ZPO zugestellt werden soll. Dann sei die Alternative in Abs 2 Nr 2 entbehrlich.85 Formlose Mitteilung (§ 20) Näheres vgl § 16 FGG Rn 74. 111 Wenn auch der Versand von formlosen Mitteilungen per E-Mail begrüßt wird, hält 112 der Deutsche Verein es dennoch für erforderlich, eine dem § 130a ZPO entsprechende Regelung einzufügen.86 Die Anregung ist abzulehnen, weil mit der Regelung keine vorbereitenden Schriftsätze gemeint sind. Verfahrensverbindung und -trennung (§ 21) Näheres vgl Vorbem §§ 8–18 FGG Rn 93, 113.

113

Fristberechnung (§ 22) Näheres vgl § 17 FGG Rn 88.

114

Aussetzung des Verfahrens (§ 23) Näheres vgl Vorbem §§ 8–18 FGG Rn 94.

115

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 24) Näheres vgl § 22 FGG Rn 53.

116

Antrag auf Wiedereinsetzung (§ 25) Näheres vgl § 22 FGG Rn 53.

117

Entscheidung über Wiedereinsetzung (§ 26) Näheres vgl § 22 FGG Rn 53.

118

Mitwirkungspflicht der Beteiligten (§ 27) Näheres vgl § 12 FGG Rn 146.

119

Verfahrensleitung (§ 28) Näheres vgl § 12 FGG Rn 146. 120 Der E 2006 hat einen neuen S 2 eingefügt, wonach die Herstellung des Vermerks über 121 Termine und persönliche Anhörungen durch Aufzeichnung auf Datenträger in Form des § 17 Abs 3 möglich ist. Beweiserhebung (§ 29) Näheres vgl § 12 FGG Rn 146, § 15 FGG Rn 88 ff.

122

Förmliche Beweisaufnahme (§ 30) Näheres vgl § 12 FGG Rn 146, § 15 FGG Rn 89.

123

Glaubhaftmachung (§ 31) Näheres vgl § 15 FGG Rn 91.

124 125

Termine; Ladung (§ 32)

85

Ders aaO S 7.

86

Ders aaO S 8.

Hans-Joachim von Schuckmann

23

Einl

Einleitung

126

Persönliches Erscheinen der Beteiligten (§ 33) Näheres vgl § 12 FGG Rn 146, § 15 FGG Rn 92.

127

Persönliche Anhörung (§ 34) Näheres vgl § 12 FGG Rn 146, § 15 FGG Rn 93, § 46a FGG Rn 18 ff.

128

Antragsrücknahme; Beendigungserklärung (§ 35) Näheres vgl Vorbem §§ 8–18 FGG Rn 92.

129

Vergleich (§ 36) Näheres vgl Vorbem §§ 8–18 FGG Rn 95.

130

Grundlage der Entscheidung (§ 37) Näheres vgl Vorbem §§ 8–18 FGG Rn 96, 97, § 12 FGG Rn 146. Abschnitt 3 Beschluss

131

Entscheidung durch Beschluss (§ 38) Näheres vgl § 69 FGG Rn 32, § 70 f FGG Rn 22.

132 133

Rechtsbehelfsbelehrung (§ 39) Näheres vgl § 25 FGG Rn 39, § 64 FGG Rn 307, § 69 FGG Rn 32, § 70 f FGG Rn 22.

Wirksamwerden (§ 40) Näheres vgl § 16 FGG Rn 75, § 51 FGG Rn 30, § 53 FGG Rn 26, § 55 FGG Rn 46, 134 § 62 FGG Rn 13, § 63 FGG Rn 9. Die Regelung des Abs 2, wonach ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsge135 schäfts zum Gegenstand hat, erst mit Rechtskraft wirksam wird, hat der Bund Deutscher Rechtspfleger begrüßt als bessere Alternative zum Modell des anfechtbaren Vorbescheides. Vorgeschlagen wird jedoch für die sofortige Beschwerde einen Begründungszwang mit sehr kurzer Frist von etwa 10 Tagen einzuführen, um bei großen Vermögenswerten erhebliche Vermögensschäden bei langer Verfahrensdauer zu vermeiden.87

136

Bekanntgabe des Beschlusses (§ 41) Näheres vgl § 16 FGG Rn 76.

137

Berichtigung des Beschlusses (§ 42)

138

Ergänzung des Beschlusses (§ 43) Näheres vgl § 27 FGG Rn 113.

139

Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 44) Näheres vgl § 29a FGG Rn 28.

140

Formelle Rechtskraft (§ 45) Näheres vgl § 31 FGG Rn 20.

87

Schreiben des BDR vom 30.6.2006 s Fn 79 an das BMJ zu § 40 Abs 2; vgl zum Problem des Vorbescheids Hähnlein S 126 ff; Schnei-

24

der RpflStud 2004, 169; von Schuckmann in FS Hans Winter S 43.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Rechtskraft- und Notfristzeugnis (§ 46) Näheres vgl § 31 FGG Rn 21.

141

Wirksam bleibende Rechtsgeschäfte (§ 47) Näheres vgl § 32 FGG Rn 12.

142

Abschnitt 4 Abänderung und Wiederaufnahme Abänderung (§ 48) Näheres vgl § 18 FGG Rn 63.

143

Abänderung bei Änderung der Verhältnisse (§ 49) Näheres vgl § 18 FGG Rn 63.

144

Vorrang des Rechtsmittels (§ 50)

145

Wiederaufnahme (§ 51)

146

Ausschluss von Abänderung und Wiederaufnahme (§ 52) Näheres vgl § 55 FGG Rn 46.

147

Abschnitt 5 Einstweilge Anordnung Einstweilige Anordnung (§ 53) Näheres vgl § 24 FGG Rn 16.

148

Zuständigkeit (§ 54)

149

Verfahren (§ 55) Näheres vgl § 70h FGG Rn 58.

150

Vorläufiger Vergleich (§ 56)

151

Vollstreckung (§ 57)

152

Aufhebung oder Änderung der Entscheidung (§ 58) 153 Der Deutsche Verein schlägt vor, in Abs 1 den Satz einzufügen: „dies gilt nicht für 154 einstweilige Anordnungen im Unterhaltsverfahren“. Er will damit einen Dissens zwischen § 58 unter §§ 249 aufheben, weil nach § 249 nur Abänderungen der Hauptsache möglich sind.88

88

Aussetzung der Vollstreckung (§ 59)

155

Außerkrafttreten (§ 60)

156

Rechtsmittel (§ 61)

157

Deutscher Verein aaO S 9.

Hans-Joachim von Schuckmann

25

Einl

Einleitung

Abschnitt 6 Rechtsmittel Titel 1 Sofortige Beschwerde Sofortige Beschwerde (§ 62) Näheres vgl § 19 FGG Rn 52, § 69a FGG Rn 35, § 69g FGG Rn 75, § 70m FGG 158 Rn 64. Beschwerdeberechtigte (§ 63) Näheres vgl § 20 FGG Rn 122, § 70m FGG Rn 64. Der Deutsche Verein möchte die Fälle, in denen einer Behörde ein Beschwerderecht durch öffentliches Interesse zukommt, durch Einführung eines S 3 regeln: „Wenn einer Behörde kraft Gesetzes ein Beschwerderecht eingeräumt wird, kommt es auf ihre materielle Beschwerde nicht an“, weil in diesem Falle die Behörde nicht in eigenen Rechten verletzt sein müsse.89 Der E 2006 hat einen neuen Abs 3 eingefügt, wonach die Beschwerdebefugnis von Be161 hörden, die im öffentlichen Interesse am Verfahren beteiligt sind, sich nach dem FamFG regelt. Der Bund Deutscher Rechtspfleger schlägt vor, im Zusammenhang mit seinen Ände162 rungsvorschlägen zu § 8 auch § 63 Abs 1 Nr 2 zu überprüfen. Die Beschwerdeberechtigung eines Beteiligten, der hinzugezogen werden könne, eröffnete in gleicher Weise unnötige Rechtsmittelverfahren.90

159 160

163

Verfahrensfähigkeit Minderjähriger (§ 64) Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit (§ 65) Näheres vgl § 20 FGG Rn 122.

164 165

Statthaftigkeit der Beschwerde nach Erledigung der Hauptsache (§ 66)

166

Einlegung der Beschwerde (§ 67) Näheres vgl § 21 FGG Rn 52, § 19 FGG Rn 52, § 22 FGG Rn 53, § 24 FGG Rn 26, § 69g FGG Rn 75.

167 168

Beschwerdebegründung (§ 68) Näheres vgl § 23 FGG Rn 34. Der Bund Deutscher Rechtspfleger hat für Abs 4 eine andere Formulierung angeregt: „Das Gericht kann dem Beschwerdeführer eine Frist zur Einreichung einer von ihm angekündigten Begründung auferlegen, die mindestens 10 Tage betragen muss.“ Zur Begründung wird angeführt, dass in der Praxis häufig Beschwerdeführer eine Begründung der Beschwerde ankündigen und diese dann bewusst verzögern, um Zeit zu gewinnen.91 Anschlussbeschwerde (§ 69) Näheres vgl § 19 FGG Rn 52, § 30 Rn 25, § 57 FGG Rn 69.

169

89 90

Ders aaO S 9. Schreiben des BDR vom 31.10.2005 an das BMJ zu § 8.

26

91

Schreiben des BDR vom 31.10.2005 an das BMJ zu § 68 Abs 4.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Verzicht auf Beschwerde (§ 70) 170 Der Deutsche Verein hält eine Klarstellungen in Abs 1 dahingehend für erforderlich, 171 dass ein Rechtsmittelverzicht auch vor Bekanntgabe des Beschlusses möglich sei, wenn es sich um eine Streitsache handelt oder wenn über den Verfahrensgegenstand verfügt werden könne.92 Gang des Beschwerdeverfahrens (§ 71) Näheres vgl § 23 FGG Rn 34, § 64 FGG Rn 307, § 69g FGG Rn 75, § 70m FGG 172 Rn 64. Beschwerdeentscheidung (§ 72) Näheres vgl § 25 FGG Rn 39, § 27 FGG Rn 134. Nach Meinung der Bundesrechtsan- 173 waltskammer (vgl Fn 79) erwarten die Parteien/Beteiligten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Deshalb sei die „Sollvorschrift“ des § 72 Abs 1 S 3 durch eine „Mussvorschrift“ zu ersetzen. Titel 2 Rechtsbeschwerde Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde (§ 73) Näheres vgl § 28 FGG Rn 50.

174

Frist und Form der Rechtsbeschwerde (§ 74) Näheres vgl § 29 FGG Rn 45.

175

Gründe der Rechtsbeschwerde (§ 75) Näheres vgl § 29 FGG Rn 45. 176 Der Deutsche Verein möchte die Möglichkeit des bisherigen § 27 FGG (Auslegung 177 von Landesrecht insbesondere der landesrechtlichen Psychisch – Kranken – Gesetze in betreuungsrechtlichen Verfahren erhalten. Die nach der Begründung beabsichtigte Einschränkung der Rechtsbeschwerde wird deshalb kritisch gesehen.93

178

Anschlussrechtsbeschwerde (§ 76) Entscheidung über die Rechtsbeschwerde (§ 77) Näheres vgl § 27 FGG Rn 133.

179

Sprungrechtsbeschwerde (§ 78) Näheres vgl § 27 FGG Rn 133.

180

Abschnitt 7 Verfahrenskostenhilfe Voraussetzungen (§ 79) Näheres vgl § 14 FGG Rn 78 ff, § 64 FGG Rn 307.

181

Bewilligung (§ 80) Näheres vgl § 14 FGG Rn 84.

92

Deutscher Verein aaO S 9.

182

93

Ders aaO S 9 f.

Hans-Joachim von Schuckmann

27

Einl

Einleitung

183

Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 81) Näheres vgl § 14 FGG Rn 88 ff.

184

Anwendung der Zivilprozessordnung (§ 82) Näheres vgl § 14 FGG Rn 91. Abschnitt 8 Kosten

185

Grundsatz der Kosten (§ 83) Näheres vgl § 13a FGG Rn 67–71.

186

Kostenentscheidung mit der Endentscheidung (§ 84) Näheres vgl § 13a FGG Rn 72.

187

Kostenpflicht bei Vergleichen (§ 85) Näheres vgl § 13a FGG Rn 73.

188

Anfechtung der Kostenentscheidung (§ 86) Näheres vgl § 20a FGG Rn 25.

189

Umfang der Kostenpflicht (§ 87) Näheres vgl § 13a FGG Rn 74.

190

Rechtsmittelkosten (§ 88) Näheres vgl § 13a FGG Rn 75.

191

Kostenfestsetzung (§ 89) Näheres vgl § 13a FGG Rn 76 ff. Abschnitt 9 Vollstreckung Titel 1 Vollstreckung nach der Zivilprozessordnung

192

Vollstreckbare Verpflichtungen (§ 90) Näheres vgl § 33 FGG Rn 80, 81.

193

Entscheidungsform; keine Vollstreckung vor Rechtskraft bei nicht zu ersetzendem Nachteil (§ 91) Näheres vgl § 26 FGG Rn 16, § 33 FGG Rn 82.

194

Vollstreckung in Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 92) Näheres vgl § 33 FGG Rn 83. Titel 2 Vollstreckung in sonstigen Fällen Grundsätze (§ 93)

195

Näheres vgl § 33 FGG Rn 84.

196

Richterliche Durchsuchungsanordnung (§ 94) Näheres vgl § 33 FGG Rn 84.

28

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Ausschluss und Einstellung der Vollstreckung (§ 95) Näheres vgl § 33 FGG Rn 85. 197 Der Deutsche Verein regt an, in Abs 2 Nr 4 auch die Fälle der Abänderung nach 198 §§ 48, 49 einzubeziehen. Er weist daraufhin, dass in jedem Fall der Abänderung eine Übergangszeit entstünde, in der nicht vollstreckt werden sollte.94 Eidesstattliche Versicherung (§ 96) Näheres vgl § 33 FGG Rn 86.

199

Untertitel 1 Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen und zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen Vollstreckungstitel (§ 97) Näheres vgl § 33 FGG Rn 87, § 50d FGG Rn 11.

200

Vertretbare Handlungen (§ 98) Näheres vgl § 33 FGG Rn 88.

201

Nicht vertretbare Handlungen (§ 99) Näheres vgl § 33 FGG Rn 89.

202

Herausgabe; Unterlassungen und Duldungen; Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung (§ 100) Näheres vgl § 33 FGG Rn 50.

203

Untertitel 2 Vollstreckung von Entscheidungen über die Herausgabe von Personen und die Regelung des Umgangs Grundsätze (§ 101) Näheres vgl § 33 FGG Rn 91, § 50d FGG Rn 11. 204 Der Deutsche Verein regt an, Abs 2 dahin zu ergänzen, dass das Jugendamt und das 205 Gericht einvernehmlich klären, welche Fälle als geeignet und welche als ungeeignet anzusehen sind, um dauernden Streit zwischen beiden zu vermeiden. Es wäre äußerst misslich, wenn die Jugendhilfe am Verfahren nicht beteiligt, aber ungefragt zur Mitwirkung an einer Vollstreckung verpflichtet würde, von der sie eventuell abgeraten hätte.95 Ordnungsmittel (§ 102) Näheres vgl § 33 FGG Rn 91. 206 Der Deutsche Verein wendet sich mit Nachdruck gegen die Verhängung von Zwangs- 207 mitteln bei Umgangsstreitigkeiten. Sie seien nicht zielführend und die Situation für das betroffene Kind werde verschlechtert. Sinnvoll sei eine außergerichtliche Lösung durch eine verzahnte Zusammenarbeit von Jugendbehörden, Fachstellen und Gerichten. Er weist ferner auf verfassungsrechtliche Probleme hin, da dem Umgangsverpflichteten die Beweislast für mangelndes Verschulden zugewiesenen werde (§ 102 Abs 3), während nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Ordnungsmitteln mit sanktionsrechtlichen Elementen das Verschulden vom Staat festgestellt werden müsse. Außerdem sei die Anhörung des Kindes vor der Festsetzung des Ordnungsmittels unerlässlich.96 94 95

Ders aaO S 10. Ders aaO S 11.

96

Ders aaO S 11.

Hans-Joachim von Schuckmann

29

Einl

Vollstreckungsverfahren (§ 103) Näheres vgl § 33 FGG Rn 91.

208 209 210

Einleitung

Anwendung unmittelbaren Zwangs (§ 104) Näheres vgl § 33 FGG Rn 92–94. Neu eingefügt wurde durch den E 2006 der Untertitel 3. Vollstreckung auf gerichtliche Anordnung: Untertitel 3 Vollstreckung auf gerichtliche Anordnung Zwangsgeldfestsetzung § 104a (1) Ist aufgrund einer gerichtlichen Anordnung die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung zu vollstrecken, kann das Gericht, sofern ein Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, gegen den Verpflichteten durch Beschluss Zwangsgeld festsetzen. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend Euro nicht übersteigen. Mit der Festsetzung des Zwangsgeldes sind dem Verpflichteten zugleich die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen. Gegen den Beschluss, durch den das Zwangsgeld festgesetzt wird, findet die sofortige Beschwerde statt. (2) Das Zwangsgeld muss, bevor es festgesetzt wird, angedroht werden. Die Androhung kann in der gerichtlichen Anordnung erfolgen. (3) Mit der Festsetzung des Zwangsgeldes kann die Aufforderung zur Erfüllung der gerichtlichen Anordnung unter Androhung eines erneuten Zwangsgeldes so lange wiederholt werden, bis die Anordnung erfüllt ist. Herausgabevollstreckung § 104b (1) Ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder Vorlage einer Sache zu vollstrecken, so kann das Gericht, so weit ein Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, durch Beschluss neben oder anstelle einer Maßnahme nach § 104a die in § 883 der Zivilprozessordnung vorgesehenen Maßnahmen anordnen. (2) Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib der herauszugebenden oder vorzulegenden Sache richtet sich nach § 96 (3) § 104a Abs 1 Satz 3 und § 104a Abs 2 gelten entsprechend. Abschnitt 10 Verfahren in Familienstreitsachen

211 212

213 214

Familienstreitsachen (§ 105) Näheres vgl § 64 FGG Rn 307. Die Nr 1 wurde durch E 2006 erweitert um die Worte „und Lebenspartnerschaftssachen nach § 281 Abs 1 Nr 7 und 8“; die Nummer zwei um die Worte „und Lebenspartnerschaftssachen nach § 281 Abs 1 Nr 9“ sowie Nr 3 um die Worte „und Lebenspartnerschaftssachen nach § 281 Abs 2“. Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 106) Durch E 2006 wurde in Abs 1 das Wort „entsprechend“ jeweils nach dem Wort Zivilprozessordnung eingefügt. In Abs 3 wurde eine Ausnahme von der Anwaltspflicht bei Verfahren der einstweiligen Anordnung und des Arrests sowie für die Fälle, wenn ein Beteiligter durch das Jugendamt als Beistand vertreten ist, sowie für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts eingeführt.

30

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Entscheidung durch Beschluss (§ 107) Näheres vgl § 64 FGG Rn 307.

215

Rechtsmittel, Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 108) Näheres vgl § 64 FGG Rn 307. 216 Zur Beschleunigung des Verfahrens hält der Deutsche Verein die Hinzufügung folgen- 217 den Satzes für erforderlich: „Die Begründung muss sofort erfolgen, außer wenn das Gericht eine andere Frist festgesetzt hat.“97

218

Einstweilige Anordnung und Arrest (§ 109) Vollstreckung (§ 110)

219

Näheres vgl § 33 FGG Rn 95. Abschnitt 11 Verfahren mit Auslandsbezug Vorrang und Unberührtheit (§ 111)

220

Ehesachen; Verbund von Scheidungs- und Folgesachen (§ 112)

221

Kindschaftssachen (§ 113) Vgl dazu § 35b FGG Rn 117 ff, § 47 FGG Rn 29 f.

222 223

Abstammungssachen (§ 114) Adoptionssachen (§ 115) Näheres vgl § 43b FGG Rn 78 ff.

224

Versorgungsausgleichssachen (§ 116)

225

Lebenspartnerschaftssachen (§ 117)

226

Betreuungs- und Unterbringungssachen; Pflegschaft für Erwachsene (§ 118) Vgl dazu § 35b FGG Rn 117 ff.

227

Andere Verfahren (§ 119)

228

Keine ausschließliche Zuständigkeit (§ 120)

229

Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (§ 121) Näheres vgl § 16a FGG Rn 101 ff, § 28 FGG Rn 50. 230 Durch E 2006 wurde in Abs 7 als neuer Satz 3 die entsprechende Anwendung von § 16 Abs 1, 17 Abs 1 und 2 sowie Abschnitt 5 und 6 angeordnet.

97

Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen (§ 122) Näheres vgl § 16a FGG Rn 101 ff.

231

Anerkennungshindernisse (§ 123) Näheres vgl § 16a FGG Rn 101 ff.

232

Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen (§ 124) Näheres vgl § 16a FGG Rn 101 ff.

233

Ders aaO S 12.

Hans-Joachim von Schuckmann

31

Einl

Einleitung

BUCH 2 VERFAHREN IN FAMILIENSACHEN

234

Von der Möglichkeit, eine gesonderte Verfahrensordnung für Familiensachen zu schaffen, wurde Abstand genommen, weil entweder parallele Regelungen zur ZPO und zum Verfahrensgesetz der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder Verweisungen auf diese Gesetze erforderlich gewesen wären. Gegenüber einer Regelung in der ZPO wurde der Aufnahme in das Verfahrensgesetz der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Vorzug gegeben wegen der Flexibilität seiner Regelungen. Außerdem könnten dort besser Verfahren mit abweichenden Regelungen untergebracht werden. Das hat dazu geführt, dass einheitlich die Entscheidungsform des Beschlusses eingeführt wurde. Außerdem konnte eine Vereinheitlichung des vielgestaltigen Rechtsmittelwesens in Familiensachen erfolgen. So wurde das bisherige sechste Buch der ZPO vollständig aufgehoben.98 Die Zuständigkeit des Familiengerichts wird zu einem so genannten großen Familien235 gericht erweitert. Damit werden Abgrenzungsprobleme verringert, Verweisungen und Abgaben vermieden, auch widersprechende Entscheidungen. Das neue Familiengericht erhält die Zuständigkeit für bisher vor die Zivilgerichte gehörende Verfahren: nach dem Gewaltschutzgesetz und für zivilrechtliche Streitigkeiten aus familienrechtlichen Rechtsverhältnissen. Die mit Betreuung und Unterbringung in Zusammenhang stehenden gerichtlichen Aufgaben werden dem Betreuungsgericht zugewiesen, dass im GVG verankert wird und das bisherige Vormundschaftsgericht ersetzen wird.99 Kennzeichnend für die Neuregelung sind die Vereinheitlichung der Terminologie zB Verfahren statt Prozess, Beschluss statt Urteil, zwingende Rechtsbehelfsbelehrung, Wirksamkeit mit Bekanntgabe, sofortige Beschwerde als einheitliches und einziges Rechtsmittel, einheitliche Ausgestaltung der einstweiligen Anordnung,, nicht öffentliche mündliche Verhandlung, einheitliches Gerichtskostenrecht für alle Familiensachen in einem besonderen FamGKG.100 Durch E 2006 wurde der Katalog um eine Nr 11. „Lebenspartnerschaftssachen“ er236 weitert.

237

Familiensachen (§ 125) Die Definition der Familiensachen in diesem Gesetz ermöglicht den Verzicht auf eine detaillierte Beschreibung in anderen Gesetzen zB im GVG (§ 23a des E).101 Näheres vgl § 16a FGG Rn 101 ff, § 43b FGG Rn 78 ff. Abschnitt 1 Verfahren in Ehesachen; Verfahren in Scheidungssachen und Folgesachen

Titel 1 Verfahren in Ehesachen 238 Die Grundstruktur des Verfahrens in Ehesachen wird nicht verändert.102 Jedoch wird die Pflicht zu einem Informationsgespräch über außergerichtliche Streitbeilegung hinsichtlich der Scheidungsfolgen, Einbeziehung der Kindschaftssachen im Verbund nur auf ausdrücklichen Antrag, Anhörung der Ehegatten nicht nur zur elterlichen

98 99

Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1431. Dies aaO S 1433.

32

100 101 102

Dies 1433 f, s auch Vorbem zu § 13a. Dies FamRZ 2005, 1432. Dies FamRZ 2005, 1434.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Sorge sondern auch zum Umgangsrecht bei gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern neu eingeführt. Ehesachen sind Familiensachen nach § 125 Nr 1 des Entwurfs. Ehesachen (§ 126) Es handelt sich um dieselben Verfahren wie bisher nach § 606 Abs 1 S 1 ZPO. Ledig- 239 lich die Verfahren auf Herstellung des ehelichen Lebens gehören zu den den ZPO-Regeln unterliegenden „sonstigen Familiensachen“.

240 Örtliche Zuständigkeit (§ 127) Der Deutsche Verein will die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufent- 241 halt bestehen lassen, weil er auch bei einer räumlichen Trennung innerhalb der Wohnung vorliegen könne. Ferner wird angeregt, als ausschließlich zuständiges Gericht nicht nur das Gericht vorzusehen, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit allen gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sondern die Zuständigkeit sollte auch dann gegeben sein, wenn die Kinder bei einem Dritten (Großeltern) im selben Ort wie ein Ehegatte leben oder eines der Kinder bei einem Dritten und die anderen oder das andere Kind bei dem Ehegatten im selben Ort wohnt. Deshalb wurde angeregt, in Abs 1 Nr 1 die Worte „mit allen“ durch das Wort „die“ zu ersetzen.103 Abgabe bei Anhängigkeit mehrerer Ehesachen (§ 128)

242

Anwendung der Zivilprozessordnung (§ 129)

243

Vertretung durch einen Rechtsanwalt, Vollmacht (§ 130)

244

Antrag (§ 131)

245

Näheres vgl § 69f FGG Rn 41. Entscheidung durch Beschluss, Rechtsmittel (§ 132)

246

Verfahrensfähigkeit (§ 133)

247

Mehrerer Ehesachen; Ehesachen und andere Verfahren (§ 134)

248

Eingeschränkte Amtsermittlung (§ 135)

249

Persönliches Erscheinen der Ehegatten (§ 136)

250

Mitwirkung der Verwaltungsbehörde oder dritter Personen (§ 137)

251

Säumnis der Beteiligten (§ 138)

252

Tod eines Ehegatten (§ 139)

253

Kosten bei Aufhebung der Ehe (§ 140)

254

Titel 2 Verfahren in Scheidungssachen und Folgesachen Es wird die Pflicht zu einem Informationsgespräch über außergerichtliche Streitbei- 255 legung hinsichtlich der Scheidungsfolgen, Einbeziehung der Kindschaftssachen im Verbund nur auf ausdrücklichen Antrag, Anhörung der Ehegatten nicht nur zur elterlichen

103

Deutscher Verein aaO S 15.

Hans-Joachim von Schuckmann

33

Einl

Einleitung

Sorge sondern auch zum Umgangsrecht bei gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern neu eingeführt.104

256

Inhalt der Antragsschrift (§ 141)

257

Zustimmung zur Scheidung, Widerruf (§ 142)

258

Vereinfachtes Scheidungsverfahren (§ 143) Für die Entscheidung über den Scheidungsantrag ist ein vereinfachtes Scheidungsverfahren vorgesehen, wenn keine gemeinschaftlichen Kinder vorhanden sind, außerhalb der Folgesache Versorgungsausgleich weitere Folgesachen nicht anhängig sind und der Antragsteller mit der Antragsschrift die notariell beurkundete Erklärung beider Ehegatten, dass sie das vereinfachte Scheidungsverfahren wählen, eine Vereinbarung über die durch die Ehe begründete Unterhaltspflicht sowie eine Vereinbarung über die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat vorlegt. Da sich beide Ehegatten nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen (§ 130 Abs 1 S 2), wurde in einem neuen § 17a BeurkG vorgeschrieben, dass der Notar die Ehegatten vor der Beurkundung darauf hinweisen soll, dass eine Beratung im alleinigen Interesse eines Ehegatten nur durch einen Rechtsanwalt erfolgt. Obwohl eine Dokumentation über die Erteilung des Hinweises nicht vorgeschrieben ist, wird dem Notar empfohlen, in der Urkunde einen Vermerk darüber aufzunehmen, dass der Hinweis erteilt worden ist.105 Der Deutsche Verein hat gegen das vereinfachte Scheidungsverfahren erhebliche Be259 denken vorgebracht. Minderbemittelte würden weiterhin das streitige Verfahren nach Gewährung von Prozesskostenhilfe wählen. Außerdem würden die notariellen Urkunden nur Vereinbarungen über die Unterhaltspflicht der Ehegatten und über die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat enthalten, während güterrechtliche Fragen weiterhin im Streitverfahren geregelt werden müssten. Da der Versorgungsausgleich auch erst sechs Monate nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags abgetrennt werden könne, sei eine Beschleunigung des Scheidungsverfahrens nicht zu erwarten.106

260 261

Außergerichtliche Streitbeilegung über Folgesachen (§ 144) Nach Auffassung des Deutschen Vereins sollte es keine Anordnungsbefugnis über Mediation oder sonstige Streitbeilegung geben sondern lediglich ein Vorschlag dazu vorgesehen werden wie es bisher in § 278 ZPO geregelt ist.107

262

Aussetzung des Verfahrens (§ 145)

263

Verbund von Scheidungs- und Folgesachen (§ 146)

264

Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 147)

265

Einbeziehung weiterer Beteiligter und dritter Personen (§ 148)

266

Abtrennung (§ 149)

267

Rücknahme der Scheidungsantrags (§ 150)

268

Einheitliche Endentscheidung; Abweisung der Scheidungsantrags (§ 151)

269

Einspruch; Verzicht auf Anschlussrechtsmittel (§ 152)

104 105

34

Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1434. FGG-ReformG-E S 686.

106 107

Deutscher Verein aaO S 17. Ders aaO S 17.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Befristung von Rechtsmittelerweiterung und Anschlussrechtsmittel (§ 153)

270

Zurückverweisung (§ 154)

271

Erweiterte Aufhebung (§ 155)

272

Wirksamwerden von Entscheidungen in Folgesachen (§ 156)

273

Erstreckung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 157)

274

Kosten in Scheidungssachen und Folgesachen (§ 158) 275 Nach dem E 2006 kann das Gericht bei der Verteilung der Kosten nach billigem Er- 276 messen auch berücksichtigen, ob ein Beteiligter einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem Informationsgespräch nach § 144 Abs 1 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat (Abs 4 S 2).108 Abschnitt 1 Verfahren in Lebenspartnerschaftssachen

277

Abschnitt 2 Verfahren in Kindschaftssachen Kindschaftssachen (§ 161) Dazu gehören alle Verfahren, die die elterliche Sorge, das Umgangsrecht, die Kindes- 278 herausgabe, die Vormundschaft, Pflegschaft, Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Minderjährigen bzw eine Leibesfrucht, Genehmigung oder Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung sowie die Aufgaben des Familiengerichts nach dem JGG betreffen.109 Sie sind Familiensachen gem § 125 Nr 3 des Entwurfs. Näheres vgl § 35 FGG Rn 7, 79, § 36 FGG Rn 77, § 36b FGG Rn 14, § 37 FGG 279 Rn 38, § 40 FGG Rn 15, § 70a FGG Rn 10. Örtliche Zuständigkeit (§ 162) Näheres vgl § 36 FGG Rn 77, § 36a FGG Rn 18, § 37 FGG Rn 38, § 40 FGG Rn 15, 280 § 44 FGG Rn 30 ff. Maßgebend ist der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes. 281 Abgabe an das Gericht der Ehesache (§ 163)

282

Abgabe bei einseitiger Änderung des Aufenthalts des Kindes (§ 164)

283

Beschleunigungsgebot, Hinwirken auf Einvernehmen (§ 165) Anstelle des schriftlichen Jugendamtsberichts soll in einem ersten Erörterungstermin 284 auch ein Vertreter des Jugendamts persönlich anwesend sein. Zum Zwecke der Beschleunigung ist zwingend die Erörterung der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorgeschrieben.110 Näheres vgl § 52 FGG Rn 20. 108

Der 3. Abschn mit den §§ 159, 160 ist durch E 2006 aufgehoben, da die Lebenspartnerschaftssachen nun zum Kreis der Familiensachen (§ 125 Nr 11) gehören. Verfahrensvorschriften siehe Abschnitt 11 §§ 281, 282 (Rn 416, 417).

109 110

Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1435. Dies FamRZ 2005, 1435.

Hans-Joachim von Schuckmann

35

Einl 285

Einleitung

Verfahrensbeistand (§ 166) Der bisherige Pfleger für das Verfahren nach § 50 FGG wird nunmehr Verfahrensbeistand genannt, um deutlich zu machen, dass es sich um einen Fürsprecher für das Kind handelt. Der Verfahrensbeistand ist kein Vertreter des Kindes sondern hat eine eigene Rechtsstellung wie ein Verfahrensbeteiligter.111 Nähers vgl § 50 FGG Rn 97.

286

Persönliche Anhörung des Kindes (§ 167) Näheres vgl § 50b FGG Rn 39.

287

Anhörung der Eltern (§ 168) Näheres vgl § 50a FGG Rn 36.

288

Anhörung der Pflegeperson (§ 169) Näheres vgl § 50c FGG Rn 9.

289

Mitwirkung des Jugendamts (§ 170) Die Aufzählung der einzelnen Tatbestände der Anhörungsrecht in § 49a FGG und wurde durch eine allgemeine Formulierung ersetzt. Aus Abs 2 ergibt sich, dass das Jugendamt durch die Anhörung noch nicht zum Verfahrensbeteiligten wird. Näheres vgl § 49a FGG Rn 33.

290 291

Fristsetzung bei schriftlicher Begutachtung; Inhalt des Gutachtenauftrags (§ 171) Die Fristsetzung schon bei Anordnung des Gutachtens und nicht erst nach Eintritt einer Verzögerung wird zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen. Die Regelung des Abs 2 entspricht zwar einer weit verbreiteten familiengerichtlichen Praxis, dass der Sachverständige auch auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Beteiligten hinwirkt. Sie ist aber mit dem Strengbeweis des Sachverständigengutachtens nicht zu rechtfertigen. Der Deutsche Verein weist daraufhin, dass der Sachverständige nicht zur Konfliktlösung eingesetzt werden darf.112

292

Bekanntgabe der Entscheidung an das Kind (§ 172) Vermittlungsverfahren (§ 173) Näheres vgl § 52a FGG Rn 28.

293 294

Abänderung und Überprüfung von Entscheidungen (§ 174) Unmittelbar vor Drucklegung dieses Bandes hat das BMJ den Berufsverbänden und Vereinigungen ein Diskussionspapier zur Herauslösung verfahrensrechtlicher Vorschriften aus dem BGB im Zuge der FGG-Reform übersandt. Darin ist beabsichtigt, den materiellrechtlichen Inhalt des geltenden § 1696 BGB im BGB zu belassen und nur die verfahrensrechtlichen Regelungen in das FamFG aufzunehmen. Die Absätze 1 und 2 des § 1696 BGB sollen inhaltlich im wesentlichen unverändert bleiben. Abs 1 soll die materiellrechtlichen Eingriffsbefugnisse zur Änderung von sorge- und umgangsrechtlichen Entscheidungen regeln. Darin liegt aber bereits eine inhaltliche Änderung, weil sich die Norm auf sorge- oder umgangsrechtliche Entscheidungen beschränkt. Dagegen heißt es in der amtlichen Begründung zur ursprünglichen Fassung von § 174 FamFG (Seite 507), es handle

111 112

36

Dies FamRZ 2005, 1435. Deutscher Verein aaO S 21, BRAK (Fn 69 S 29).

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

sich im Bereich der Kindschaftssachen um eine Spezialvorschrift. „Kindschaftssachen“ iS des § 161 FamFG-E sind aber nicht nur sorge- und umgangsrechtliche Verfahren, sondern auch solche, die etwa die Vormundschaft oder Pflegschaft betreffen. Sie wären von der vorgeschlagenen Neufassung des § 1696 BGB-E nicht mehr erfasst. Will man den Anwendungsbereich des neuen § 1696 BGB-E so einschränken, müsste zumindest in der Neufassung des § 174 FamFG-E, der hinsichtlich der Änderungsmöglichkeit nur noch einen Verweis auf § 1696 BGB enthält, eine eigenständige Regelung zu den übrigen Kindschaftssachen aufgenommen oder alternativ der Anwendungsbereich des § 1696 BGB auf alle Kindschaftssachen im Sinne des FamFG erweitert werden. Die vorgeschlagene Neufassung des § 174 Abs 2 FamFG-E nimmt den Inhalt des geltenden § 1696 Abs 3 BGB auf. Anwendbare Vorschriften bei Lebenspartnerschaft (§ 175) Durch E 2006 wurde die Vorschrift gestrichen. § 175 nicht belegt.

295

Anwendbare Vorschriften der Unterbringung Minderjähriger (§ 176) Näheres vgl § 70a FGG Rn 10.

296

Beschluss über Zahlungen des Mündels (§ 177) Näheres vgl § 56g FGG Rn 112, § 67a FGG Rn 42, § 69e FGG Rn 19.

297

Abschnitt 3 Verfahren in Abstammungssachen Abstammungssachen (§ 178) Dazu gehören Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines 298 Eltern-Kind-Verhältnisses, der Wirksamkeit bzw Unwirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft und Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft. Sie sind Familiensachen gem § 125 Nr 4 des Entwurfs. Näheres vgl § 55b FGG Rn 48, § 55c FGG Rn 22. 299 Örtliche Zuständigkeit (§ 179) Näheres vgl § 56c FGG Rn 52.

300

Antrag (§ 180) Näheres vgl § 55b FGG Rn 48. 301 Eine Substantiierung des Antrags ist nun nicht mehr erforderlich.113 302 Der Deutsche Verein beanstandet, dass für den das Verfahren einleitenden Antrag eine Begründung nicht erforderlich ist. Damit sei eine genügende Vorbereitung des Erörterungstermins nach § 183 nicht möglich.114 Beteiligte (§ 181) 303 Näheres vgl § 55b FGG Rn 48. Einen Antragsgegner soll es künftig nicht mehr geben, um die Beteiligten nicht in gegnerische Positionen durch Verfahrensvorschriften zu drängen.115

113 114

Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1436 mwN. Deutscher Verein aaO S 22.

115

Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1436.

Hans-Joachim von Schuckmann

37

Einl

Einleitung

304

Durch E 2006 wurde ein neuer § 181a eingefügt: Vertretung eines Kindes durch einen Beistand (§ 181a) Wird das Kind durch das Jugendamt als Beistand vertreten, ist die Vertretung durch den sorgeberechtigten Elternteil ausgeschlossen.

305

Verfahrensbeistand (§ 182)

306 307

Erörterungstermin (§ 183) Wenn der mündliche Vortrag die fehlende schriftliche Begründung ersetzen soll, müsste die Erörterung nebst Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beteiligten als MussVorschrift ausgestaltet werden. Außerdem sollte dem Kind in Abstammungssachen immer ein Verfahrensbeteiligter bestellt werden.116

308

Anhörung des Jugendamts (§ 184) Eingeschränkte Amtsermittlung; förmliche Beweisaufnahme (§ 185) Die Vorschrift entspricht inhaltlich § 640d ZPO.

309 310

Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung (§ 186)

311

Mehrheit von Verfahren (§ 187)

312

Erklärungen zur Niederschrift des Gerichts (§ 188)

313

Tod eines Beteiligten (§ 189)

314

Inhalt des Beschlusses (§ 190)

315

Kosten bei Anfechtung der Vaterschaft (§ 191) Wirksamkeit des Beschlusses, Ausschluss der Abänderung (§ 192) Näheres vgl § 55b FGG Rn 48, § 55c FGG Rn 52, § 56c FGG Rn 52.

316 317

Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 193) Abschnitt 4 Verfahren in Adoptionssachen

Adoptionssachen (§ 194) Zu den Adoptionssachen gehören die Verfahren zur Annahme als Kind, zur Ersetzung 318 einer dazu erforderlichen Einwilligung, zur Aufhebung eines Annahmeverhältnisses, zur Befreiung vom Eheverbot der durch Annahme als Kind begründeten Verwandtschaft (§ 1308 Abs 1 BGB).117 Sie sind Familiensachen gem § 125 Nr 5 des Entwurfs. Näheres vgl § 43b FGG Rn 78 ff, § 49 FGG Rn 27, § 56f FGG Rn 55.

319

Örtliche Zuständigkeit (§ 195) Zuständig wird künftig nicht mehr das Vormundschaftsgericht sondern das Familiengericht sein. Die Zuständigkeit knüpft an den gewöhnlichen Aufenthalt an und unterscheidet sich dadurch von § 43b FGG, der entweder vom Wohnsitz oder vom Aufenthalt ausgeht. Näheres vgl § 43b FGG Rn 78 ff, § 44 FGG Rn 30 ff. 116 117

38

Deutscher Verein aaO S 22. Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1436.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Beteiligte (§ 196) Näheres vgl § 56f FGG Rn 55. 320 Die Beteiligung der Eltern des minderjährigen Anzunehmenden auch bei der so genann- 321 ten Inkognitoadoption wird vom Deutschen Verein kritisch gesehen. Da mit der Einwilligung ein Umgangsverbot (§ 1751 Abs 1 S 1 BGB) besteht, stünde die Beteiligung der Eltern mit dem Offenbarungs- und Ausforschungsverbot im Widerspruch. Eine persönliche Anhörung sei nicht erforderlich, da die Eltern bei der Beurkundung der Einwilligungserklärung notariell belehrt worden seien. Ferner sei es wünschenswert, dass eine „kann“-Beteiligung nach § 8 als Abs 3 in die Vorschrift eingefügt würde.118 Gutachtliche Äußerung einer Adoptionsvermittlungsstelle (§ 197) Näheres vgl § 56d FGG Rn 21.

322 323

Bescheinigung über den Eintritt der Vormundschaft (§ 198) Verfahrensbeistand (§ 199) Näheres vgl § 56f FGG Rn 55.

324

Anhörung der Beteiligten (§ 200)

325

Anhörung weiterer Personen (§ 201)

326

Anhörung des Jugendamts (§ 202) Näheres vgl § 49 FGG Rn 27.

327

Anhörung des Landesjugendamts (§ 203) Näheres vgl § 49 FGG Rn 27.

328 329

Unzulässigkeit der Verbindung (§ 204) Beschluss über die Annahme als Kind (§ 205) Näheres vgl § 56e FGG Rn 62.

330

Beschluss im weiteren Verfahren (§ 206) Näheres vgl § 56f FGG Rn 55.

331 332

Anwendung des Adoptionswirkungsgesetzes (§ 207) Abschnitt 5 Verfahren in Wohnungszuweisungssachen und Hausratssachen

Wohnungszuweisungssachen; Hausratssachen (§ 208) Erfasst werden die Verfahren nach §§ 1361a, 1361b BGB, der HausratsVO und dem 333 LPartG. Sie sind Familiensachen gem § 125 Nr 6 des Entwurfs. Durch E 2006 wurden in den Absätzen 1 und 2 die Nrn 3 und 4 gestrichen, die auf das LPartG verwiesen. Die Vorschrift sieht eine stärkere Einbeziehung des Jugendamtes in Wohnungszuwei- 334 sungssachen vor, wenn minderjährige Kinder im Haushalt der Ehegatten leben. Das Jugendamt ist nicht nur anzuhören sondern auf seinen Antrag auch zu beteiligen.

118

Örtliche Zuständigkeit (§ 209)

335

Abgabe an das Gericht der Ehesache (§ 210)

336

Deutscher Verein aaO S 23.

Hans-Joachim von Schuckmann

39

Einl

Einleitung

337

Antrag (§ 211)

338

Beteiligte (§ 212) Anhörung des Jugendamts in Wohnungszuweisungssachen (§ 213) Näheres vgl § 64b FGG Rn 22.

339 340

Besondere Vorschriften in Hausratssachen (§ 214) Der Entwurf führt in Hausratssachen eine Mitwirkungspflicht119 der Ehegatten hinsichtlich sämtlicher Hausratsgegenstände und der vom Antragsteller begehrten Gegenstände ein.

341

Erörterungstermin (§ 215)

342

Tod eines Ehegatten (§ 216)

343

Durchführung der Entscheidung, Wirksamkeit (§ 217)

344

Anwendbare Vorschriften bei Lebenspartnerschaft (§ 218) Durch E 2006 wurde die Vorschrift gestrichen, § 218 nicht belegt. Abschnitt 6 Verfahren in Gewaltschutzsachen

Gewaltschutzsachen (§ 219) 345 Es handelt sich um Verfahren nach §§ 1 und 2 Gewaltschutzgesetz. Neu ist die Zuständigkeit des Familiengerichts für alle Gewaltschutzsachen (§ 125 Nr 7 E).

346

Örtliche Zuständigkeit (§ 220) Näheres vgl § 64b FGG Rn 22.

347

Näheres vgl § 64b FGG Rn 22.

348

Anhörung des Jugendamts (§ 222) Näheres vgl § 64b FGG Rn 22.

349

Einstweilige Anordnung (§ 223) Näheres vgl § 64b FGG Rn 22.

Beteiligte (§ 221)

350

Durchführung der Entscheidung (§ 224)

351

Wirksamkeit, Vollstreckung vor Zustellung (§ 225)

352

Abschnitt 7 Verfahren in Versorgungsausgleichssachen Näheres vgl Vor § 53b–53g FGG Rn 31.

353

Versorgungsausgleichssachen (§ 226) Näheres vgl § 45 FGG Rn 37 ff, § 53b FGG Rn 85 ff.

119

40

Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1436.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Örtliche Zuständigkeit (§ 227) Näheres vgl § 45 FGG Rn 37 ff.

354 355

Abgabe an das Gericht der Ehesache (§ 228) Beteiligte (§ 229) Näheres vgl § 53b FGG Rn 85 ff.

356

Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht (§ 230) Näheres vgl § 53b FGG Rn 85 ff.

357

Aussetzung des Verfahrens über den Versorgungsausgleich (§ 231) Näheres vgl § 53c FGG Rn 11.

358

Erörterungstermin (§ 232) Näheres vgl § 53b FGG Rn 85 ff.

359

Vereinbarung über den Versorgungsausgleich (§ 233) Näheres vgl § 53d FGG Rn 25.

360

Zahlungen zur Begründung von Rentenanwartschaften (§ 234) Näheres vgl § 53e FGG Rn 18.

361

Aufhebung der früheren Entscheidung bei schuldrechtlichem Versorgungsausgleich (§ 235) Näheres vgl § 53f FGG Rn 5.

362

Einstweilige Anordnung (§ 236)

363

Entscheidung über den Versorgungsausgleich (§ 237) Näheres vgl § 53b FGG Rn 85 ff, § 53g FGG Rn 12.

364

Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, Ausschluss der Rechtsbeschwerde (§ 238) Näheres vgl § 53g FGG Rn 12.

365

Abänderung von Entscheidungen (§ 239)

366

Abänderung von Vereinbarungen (§ 240)

367

Tod des antragstellenden Ehegatten oder des Antragsgegners (§ 241)

368

Anwendbare Vorschriften bei Lebenspartnerschaft (§ 242) Durch E 2006 wurde die Vorschrift gestrichen, nun in § 282 geregelt (§242 nicht 369 belegt). Abschnitt 8 Verfahren in Unterhaltssachen Die Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich aus § 125 Nr 9 des Entwurfes.

370

Titel 1 Besondere Verfahrensvorschriften Unterhaltssachen (§ 243) Durch E 2006 wurden in Abs 1 Nr 4 und 5 gestrichen, die sich auf (gemeinschaft- 371 liche) Kinder der Lebenspartner bezogen.

Hans-Joachim von Schuckmann

41

Einl 372

Einleitung

Örtliche Zuständigkeit (§ 244) Durch E 2006 wurde in Abs 3 als neue Nr 3 eingefügt „das Gericht, bei dem der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn Antragsgegner im Inland keinen Gerichtsstand hat“.

373 374

Abgabe an das Gericht der Ehesache (§ 245) Durch E 2006 wurde ein § 245a eingefügt: Vertretung eines Kindes durch einen Beistand (§ 245a) Wird das Kind durch das Jugendamt als Beistand vertreten, ist die Vertretung durch den sorgeberechtigten Elternteil ausgeschlossen.

375 376

Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht der Beteiligten (§ 246) Der Deutsche Verein hat erhebliche Bedenken gegen die Regelung, dass die Vorlage von Belegen nur über die Einkünfte vorgesehen ist, so weit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. Damit werde dem Gericht die bisherige Möglichkeit genommen, von der Beteiligten auch die Vorlage von Belegen für ihr Vermögen zu verlangen, obwohl nach der Rechtsprechung zu § 1605 BGB von selbstständig Beschäftigten die Vorlage von Bilanzen mit Gewinn- und Verlustrechnung verlangt werden kann.120

Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter (§ 247) Durch diese Vorschrift kann auch eine Auskunft bei Sozialversicherungsträgern, Versicherungsunternehmen bzw beim Finanzamt eingeholt werden.121 Der Deutsche Verein beanstandet auch hier die Beschränkung auf die Einkünfte wie 378 bei § 246.122

377

379

Unterhalt bei Feststellung der Vaterschaft (§ 248)

380

Abänderung gerichtlicher Entscheidungen (§ 249)

381

Abänderung von Vergleichen und Urkunden (§ 250)

382

Abänderung von Entscheidungen nach §§ 248 und 264 (§ 251)

383

Verschärfte Haftung (§ 252)

384

Einstweilige Einstellung der Vollstreckung (§ 253)

385

Kostenentscheidung (§ 254)

386

Unzulässiger Einwand der Volljährigkeit (§ 255)

387 Bezifferung dynamisierter Unterhaltstitel zur Zwangsvollstreckung im Ausland (§ 256)123 (1) Soll ein Unterhaltstitel, der den Unterhalt nach § 1612a des Bürgerlichen Gesetzbuches als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung festsetzt, im Ausland vollstreckt werden, ist auf Antrag der geschuldete Unterhalt auf dem Titel zu beziffern. (2) Für die Bezifferung sind die Gerichte, Behörden oder Notare zuständig, denen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt.

120 121 122 123

42

Deutscher Verein aaO S 25. RefE FGG-ReformG; S 538. Deutscher Verein aaO S 25. Im Entwurf 2005 war in § 256 die Anwen-

dung von Vorschriften bei Lebenspartnerschaft geregelt. Die Vorschrift ist durch E 2006 völlig neu gefasst und der bisherige Regelungsinhalt ist nun in § 282 enthalten.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

(3) Auf die Anfechtung der Entscheidung über die Bezifferung sind die Vorschriften über die Anfechtung der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel entsprechend anzuwenden. Nicht anzuwendende Vorschriften in Unterhaltssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 257)

388

Titel 2 Einstweilige Anordnung Besondere Vorschriften für die einstweilige Anordnung (§ 258)

389

Einstweilige Anordnung bei Feststellung der Vaterschaft (§ 259)

390

Titel 3 Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens (§ 260)

391

Antrag (§ 261)

392

Maßnahmen des Gerichts (§ 262)

393

Einwendungen des Antragsgegners (§ 263)

394

Festsetzungsbeschluss (§ 264)

395

Mitteilungen über Einwendungen (§ 265)

396

Streitiges Verfahren (§ 266)

397

Sofortige Beschwerde (§ 267)

398

Besondere Verfahrensvorschriften (§ 268)

399

Sonderregelungen für maschinelle Bearbeitung (§ 269)

400

Formulare (§ 270)

401

Bestimmung des Amtsgerichts (§ 271)

402

Abschnitt 9 Verfahren in Güterrechtssachen Die Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich aus § 125 Nr 10.

403

Güterrechtssachen (§ 272) Unter Güterrechtssachen versteht der Entwurf die Güterechtsstreitigkeiten (bisher 404 § 621 Abs 1 Nr 8 ZPO) als Familienstreitsachen sowie die Güterstandsverfahren.124 Örtliche Zuständigkeit (§ 273) Näheres vgl § 45 FGG Rn 37 ff.

405

Abgabe an das Gericht der Ehesache (§ 274)

124

406

Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005, 1437.

Hans-Joachim von Schuckmann

43

Einl

Einleitung

Verfahren nach den §§ 1382 und 1383 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 275) Näheres vgl § 53a FGG Rn 43.

407 408

Einheitliche Entscheidung (§ 276)

409

Anwendbare Vorschriften bei Lebenspartnerschaft (§ 277) Durch den E 2006 wurde die Vorschrift aufgehoben. § 278 wurde nunmehr § 277.

Abschnitt 10 Verfahren in sonstigen Familiensachen 410 Die Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich aus § 125 Nr 11 des E. Bei den sonstigen Familiensachen werden zwei Gruppen unterschieden. Einmal sind das Verfahren über Ansprüche, die ihren Grund unmittelbar in einem familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnisse haben, sowie Verfahren bei denen es um die wirtschaftliche Auseinandersetzung der vormaligen Partner geht, die aber im Zusammenhang mit der Beendigung eines familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnisses steht.125 Außerdem gehören dazu die Verfahren nach § 1357 Abs 2 S 1 BGB. Letztere Verfahren gehören allerdings nicht zu den Familienstreitsachen.126

411 412

Sonstige Familiensachen (§ 277) Näheres vgl § 64 FGG Rn 307. Der Deutsche Verein hält die vorgenommene Erweiterung der Familiensachen für das große Familiengericht für problematisch. Die bisherigen zivilrechtlichen Streitigkeiten sollten bei den Zivilgerichten bleiben: Ansprüche auf Auseinandersetzung einer Miteigentümergemeinschaft oder Innengesellschaft, Streitigkeiten wegen Gesamtschuldnerausgleich, Aufteilung von Steuerguthaben, Streitigkeiten aus der Rückabwicklung von Zuwendungen der Schwiegereltern.127 Örtliche Zuständigkeit (§ 278) Näheres vgl § 45 FGG Rn 37 ff.

413 414

Abgabe an das Gericht der Ehesache (§ 279)

415

Nicht vollstreckbare Verpflichtungen (§ 280) Abschnitt 11 Verfahren in Lebenspartnerschaftssachen

416

Lebenspartnerschaftssachen § 281 (1) Lebensspartnerschaftssachen sind Verfahren, welche zum Gegenstand haben 1. die Aufhebung der Lebenspartnerschaft aufgrund des Lebenspartnerschaftsgesetzes, 2. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Lebenspartnerschaft, 3. die elterliche Sorge, das Umgangsrecht oder die Herausgabe in Bezug auf ein gemeinschaftliches Kind, 4. Wohnungszuweisungssachen nach §§ 14 oder 18 des Lebenspartnerschaftsgesetzes, 5. Hausratssachen nach §§ 13 oder 19 des Lebenspartnerschaftsgesetzes, 6. den Versorgungsausgleich der Lebenspartner,

125 126

44

Dies aaO S 1437. Dies aaO S 1437.

127

Deutscher Verein aaO S 30.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

7. die gesetzliche Unterhaltspflicht für ein gemeinschaftliches minderjähriges Kind der Lebenspartner, 8. die durch die Lebenspartnerschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, 9. Ansprüche aus dem lebenspartnerschaftlichen Güterrecht, auch wenn Dritte an dem Verfahren beteiligt sind 10. Entscheidungen nach § 6 des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Verbindung mit den §§ 1365 Abs 2, 1369 Abs 2 und den §§ 1382 und 1383 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 11. Entscheidungen nach § 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Verbindung mit den §§ 1426, 1430 und 1452 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, (2) Sonstige Lebenspartnerschaftssachen sind Verfahren, welche zum Gegenstand haben 1. Ansprüche nach § 1 Abs 3 Satz 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Verbindung mit §§ 1298 bis 1301 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. Ansprüche aus der Lebenspartnerschaft, 3. Ansprüche zwischen Personen, die eine Lebenspartnerschaft führen oder geführt haben, oder zwischen einer solchen Person und einem Elternteil im Zusammenhang mit der Aufhebung der Lebenspartnerschaft, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Buchstabe a bis k der Zivilprozessordnung genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach anderen Vorschriften um eine Lebenspartnerschaft handelt. (3) Sonstige Lebenspartnerschaftssachen sind auch Verfahren über einen Antrag nach § 8 Abs 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Verbindung mit § 1357 Abs 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Anwendbare Vorschriften § 282 (1) In Lebenspartnerschaftssachen nach § 281 Abs 1 Nr 1 sind die für Verfahren auf 417 Scheidung geltenden Vorschriften, in Lebenspartnerschaftssachen nach § 281 Abs 1 Nr 2 die für Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Beteiligten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. In den Lebenspartnerschaftssachen nach § 281 Abs 1 Nr 3 bis 11 sind die in Familiensachen nach § 125 Nr 2, 5 und 7 bis 9 jeweils geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. (2) In sonstigen Lebenspartnerschaftssachen nach § 281 Abs 2 und 3 sind die in sonstigen Familiensachen nach § 125 Nr 10 geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. BUCH 3 VERFAHREN IN BETREUUNGS- UND UNTERBRINGUNGSSACHEN Abschnitt 1 Verfahren in Betreuungssachen Nach § 23c GVG idF des E128 werden bei den Amtsgerichten Abteilungen für Betreu- 418 ungssachen, Unterbringungssachen und betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen (Betreuungsgerichte) gebildet. Sie werden mit Betreuungsrichtern besetzt.

128

Art 28 RefE FGG-ReformG.

Hans-Joachim von Schuckmann

45

Einl 419

Einleitung

Betreuungssachen (§ 283) Zu den Betreuungssachen zählen die Verfahren auf Bestellung eines Betreuers und Aufhebung der Betreuung, Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes sowie sonstige Verfahren, die die rechtliche Betreuung eines Volljährigen (§§ 1896 bis 1908i BGB) betreffen, so weit es sich nicht um eine Unterbringungssache handelt. Sie sind Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gem § 23a Abs 2 Nr 1 GVG-E.

420

Örtliche Zuständigkeit (§ 284) Näheres vgl § 37 Rn 38, § 39 Rn 43, § 41 FGG Rn 18, § 42 Rn 10, § 65 FGG Rn 31.

421

Abgabe bei Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 285) Näheres vgl § 65a FGG Rn 40.

422 423

Beteiligte (§ 286) Näheres vgl § 68a FGG Rn 30. Der Bund Deutscher Rechtspfleger weist daraufhin, dass die Beteiligung der Staatskasse zu einem Verfahrensaufwand führen würde, der mit Aktenübersendung an den Bezirksrevisor, etwaigen Rückfragen usw unangemessen sei. Denkbar wäre allenfalls das Recht eines anderen Beteiligten, wenn die Auswahl des Betreuers streitig ist, die Staatskasse als weiteren Beteiligten festzustellen. Der BDR schlägt deshalb vor, die Staatskasse wegen der seit dem 1.7.2005 geltenden Pauschalierung der Vergütungen für die Betreuer nicht mehr zu beteiligen.129 Verfahrensfähigkeit (§ 287) Näheres vgl § 45 FGG Rn 37 ff, § 66 FGG Rn 18.

424

Verfahrenspfleger (§ 288) Näheres vgl § 67 FGG Rn 71. 425 Gegen den Vorrang ehrenamtlicher Verfahrenspfleger nach Abs 3 sind vom Bund 426 Deutscher Rechtspfleger Bedenken erhoben worden. Nicht nur die Aufgaben des Verfahrenspflegers seien vielfältig, sie benötigen auch Rechtskenntnisse, die in der Regel bei ehrenamtlichen Personen etwa aus der Familie des Betroffenen nicht erwartet werden könnten.130

427

Vergütung und Aufwendungsersatz des Verfahrenspflegers (§ 289) Näheres vgl § 67a FGG Rn 42, § 70b FGG Rn 43.

428

Anhörung des Betroffenen (§ 290) Näheres vgl § 68 FGG Rn 67, § 70c FGG Rn 33.

429

Anhörung der sonstigen Beteiligten, der Betreuungsbehörde und des gesetzlichen Vertreters (§ 291) Näheres vgl § 68a FGG Rn 30.

430

Einholung eines Gutachtens (§ 292) Näheres vgl § 68b FGG Rn 63.

431

Ärztliches Zeugnis; Entbehrlichkeit eines Gutachtens (§ 293) Näheres vgl § 68b FGG Rn 63. 129

46

Schreiben des BDR vom 30.6.2006 an das BMJ zu § 286 Abs 4 Nr 2 (s Fn 87).

130

Schreiben des BDR aaO.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Vorhandene Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 294) Näheres vgl § 68b FGG Rn 63.

432

Vorführung zur Untersuchung (§ 295) Näheres vgl § 68b FGG Rn 63.

433

Unterbringung zur Begutachtung (§ 296) Näheres vgl § 68b FGG Rn 63.

434

Herausgabe einer Betreuungsverfügung oder der Abschrift einer Vorsorgevollmacht (§ 297) Näheres vgl § 69e FGG Rn 19.

435

Inhalt der Beschlussformel (§ 298) Näheres vgl § 69 FGG Rn 32.

436

Wirksamwerden von Entscheidungen (§ 299) Näheres vgl § 69a FGG Rn 35.

437

Bekanntgabe (§ 300) Näheres vgl § 69a FGG Rn 35.

438

Verpflichtung des Betreuers (§ 301) Näheres vgl § 69b FGG Rn 24.

439

Bestellungsurkunde (§ 302) Näheres vgl § 69b FGG Rn 24.

440

Überprüfung der Betreuerauswahl (§ 303) Näheres vgl § 69c FGG Rn 15.

441

Betreuervergütung (§ 304) Näheres vgl § 69e FGG Rn 19.

442

Formulare für Betreuervergütung (§ 305) Näheres vgl § 69e FGG Rn 19.

443

Erweiterung der Betreuung oder des Einwilligungsvorbehaltes (§ 306) Näheres vgl § 69i FGG Rn 54.

444

Aufhebung und Einschränkung der Betreuung oder des Einwilligungsvorbehaltes (§ 307) Näheres vgl § 69i FGG Rn 54.

445

Verlängerung der Betreuung (§ 308) Näheres vgl § 69i FGG Rn 54.

446

Entlassung des Betreuers und Bestellung eines neuen Betreuers (§ 309) Näheres vgl § 69i FGG Rn 54.

447

Sterilisation (§ 310) Näheres vgl § 67 FGG Rn 71, § 69g FGG Rn 75.

448

Verfahren in Fällen des § 1904 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 311) Näheres vgl § 69d FGG Rn 46.

449

Hans-Joachim von Schuckmann

47

Einl 450

451 452

Einleitung

Der Deutsche Verein beanstandet, dass für ärztliche Maßnahmen ein geringerer Schutzstandard als für die Sterilisation gelten soll, obwohl der Grundrechtseingriff nicht geringer ist. Deshalb wird gefordert, dass die Unterrichtung des Betroffenen über den Verlauf des Verfahrens (§ 310 Abs 1 und 2), die Anhörung der zuständigen Behörde auf Verlangen des Betroffenen (§ 310 Abs 2), das Verbot des ersuchten Richters (§ 310 Abs 4) und die zwingende Bestellung eines Verfahrenspflegers (§ 310 Abs 5) auch für die Verfahren nach § 311 gelten.131 Verfahren in anderen Entscheidungen (§ 312) Näheres vgl § 69d FGG Rn 46. Der Bund Deutscher Rechtspfleger vermisst wie in dem bisherigen § 69d FGG die Verweisung auf § 1812 BGB. Derartige Genehmigungen seien ebenso so genannte „Außengenehmigungen“. Es könne sich hier um erhebliche Vermögenswerte („Forderungen“) handeln. Die persönliche Anhörung sei nach dieser Vorschrift für Mitteilungen des Betreuers gemäß § 1907 Abs 2 BGB nicht erforderlich. Es handle sich oft um Fälle der Wohnungsauflösung. Das Gericht müsse unverzüglich überprüfen, ob die faktische Wohnungsaufgabe mit Wunsch und Willen des Betroffenen in Einklang steht. Dazu sei eine persönliche Anhörung unerlässlich. Es handle sich um eine Aufgabe der Rechtsaufsicht 1837 BGB, die mit einer Art „Innengenehmigung“ oder „Weisung“ abschließe. Der BDR hat deshalb folgenden Gesetzestext vorgeschlagen: „Vor einer Entscheidung nach § 1907 Abs 1 und 3 und bei der Prüfung der mitgeteilten Umstände und Maßnahmen nach § 1907 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören.“131a

453

Einstweilige Anordnung (§ 313) Näheres vgl § 69f FGG Rn 41.

454

Einstweilige Anordnung bei gesteigerter Dringlichkeit (§ 314) Näheres vgl § 69f FGG Rn 41.

455

Dauer der einstweiligen Anordnung (§ 315) Näheres vgl § 69f FGG Rn 41.

456 457

Ergänzende Vorschriften über die Beschwerde (§ 316) Der Deutsche Verein kritisiert als nicht nachvollziehbar, dass die Behörde und der Verfahrenspfleger nach Abs 1 abweichend von § 69g FGG auch bei auf Antrag ergangenen Entscheidungen ein Beschwerderecht haben, während den anderen privilegiert beschwerdeberechtigten Personen gemäß Abs 2 dieses Recht nur bei Entscheidungen von Amts wegen zusteht.132

458

Beschwerde der Staatskasse (§ 317) Näheres vgl § 69g FGG Rn 75.

459

Beschwerde des Untergebrachten (§ 318) Näheres vgl § 69g FGG Rn 75.

460

Aufhebung des Einwilligungsvorbehaltes (§ 319) Näheres vgl § 69h FGG Rn 11.

131 131a

48

Deutscher Verein aaO S 32. S Fn 127.

132

Ders aaO S 32.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl 461

Kosten in Betreuungssachen (§ 320) Mitteilung von Entscheidungen (§ 321) Näheres vgl § 69k FGG Rn 20.

462

Besondere Mitteilungen (§ 322) Näheres vgl § 69l FGG Rn 12.

463

Mitteilungen während einer Unterbringung (§ 323) Näheres vgl § 69m FGG Rn 10.

464

Mitteilungen zur Strafverfolgung (§ 324) Näheres vgl § 69n FGG Rn 9.

465

Abschnitt 2 Verfahren in Unterbringungssachen Unterbringungssachen (§ 325) 466 Näheres vgl § 70 FGG Rn 60 f. Ausdrücklich werden jetzt auch unterbringungsähnliche Maßnahmen (§ 1906 Abs 4 BGB) erfasst. Örtliche Zuständigkeit (§ 326) Es gibt nunmehr eine ausschließliche Zuständigkeit für die Unterbringung nach den 467 Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker.

468

Abgabe der Unterbringungssachen (§ 327)

Beteiligte (§ 328) Näheres vgl § 70k FGG Rn 10. 469 Der Deutsche Verein sieht in dem Wegfall der nach § 73d Abs 1 Nr 5 FGG zwingen- 470 den Beteiligung der Einrichtungen im Unterbringungsverfahren ein erhebliches Problem. Deren Beteiligung steht nunmehr nach § 328 Abs 4 Nr 3 im Ermessen des Gerichts. § 46 IntFamRVG setzt bei der Unterbringung von Minderjährigen eine Beteiligung der Einrichtungen voraus.133 Verfahrensfähigkeit (§ 329) Näheres vgl § 70a FGG Rn 10.

471

Verfahrenspfleger (§ 330) Näheres vgl § 70b FGG Rn 43. 472 Der Bund Deutscher Rechtspfleger und der Deutsche Verein bemängeln, dass die Ent- 473 scheidung des EuGHMR vom 12.5.1992134 nicht hinreichend berücksichtigt sei. Danach sei im Unterbringungsverfahren regelmäßig ein „rechtlicher Beistand“ zu bestellen, wenn der Betroffene seine Rechte nicht selbst wahrnehmen könne oder er keinen Bevollmächtigten bestellt habe. Der BDR weist daraufhin, dass die Betroffenen während der Anhörung bereits erheblich ruhig gestellt würden und nur eingeschränkt angehört werden könnten. Es müsste zwingend ein Verfahrenspfleger bestellt werden.135

133 134

Ders aaO S 35. NJW 1992, 2946 ff.

135

Schreiben des BDR vom 31.10.2005 an das BMJ zu § 330; Deutscher Verein aaO S 35.

Hans-Joachim von Schuckmann

49

Einl

Einleitung

474

Vergütung und Aufwendungsersatz des Verfahrenspflegers (§ 331) Näheres vgl § 70b FGG Rn 43.

475

Anhörung des Betroffenen (§ 332) Näheres vgl § 70c FGG Rn 33.

476

Anhörung der sonstigen Beteiligten und der zuständigen Behörde (§ 333) Näheres vgl § 70d FGG Rn 25.

477

Einholung eines Gutachtens (§ 334) Näheres vgl § 70e FGG Rn 30.

478

Vorführung zur Untersuchung; Unterbringung zur Begutachtung (§ 335)

479

Inhalt der Beschlussformel (§ 336) Näheres vgl § 70f FGG Rn 22.

480

Wirksamwerden von Entscheidungen (§ 337) Näheres vgl § 70g FGG Rn 38.

481

Bekanntgabe (§ 338) Näheres vgl § 70g FGG Rn 38, § 70i FGG Rn 17.

482

Zuführung zu Unterbringung (§ 339) Näheres vgl § 70g FGG Rn 38.

483

Vollzugsangelegenheiten (§ 340) Näheres vgl § 70l FGG Rn 21.

484

Aussetzung des Vollzugs (§ 341) Näheres vgl § 70k FGG Rn 10.

485

Dauer und Verlängerung der Unterbringung (§ 342) Näheres vgl § 70f FGG Rn 22, § 70i FGG Rn 17.

486

Aufhebung der Unterbringung (§ 343) Näheres vgl § 70i FGG Rn 17.

487

Einstweilige Anordnung (§ 344) Näheres vgl § 70h FGG Rn 58.

488

Einstweilige Anordnung bei gesteigerter Dringlichkeit (§ 345) Näheres vgl § 70h FGG Rn 58.

489

Dauer der einstweiligen Anordnung (§ 346) Näheres vgl § 70h FGG Rn 58.

490

Einstweilige Maßregeln (§ 347) Näheres vgl § 70h FGG Rn 58.

491

Ergänzende Vorschriften über die Beschwerde (§ 348) Näheres vgl § 70m FGG Rn 64.

492

Einlegung der Beschwerde durch den Betroffenen (§ 349) Näheres vgl § 70m FGG Rn 64.

50

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl 493

Kosten in Unterbringungssachen (§ 350) Mitteilung von Entscheidungen (§ 351) Näheres vgl § 70n FGG Rn 15. Durch den E 2006 wurde folgender § 351a eingefügt:

494 495

Benachrichtigung von Angehörigen (§ 351a) Von der Anordnung oder Genehmigung der Unterbringung unter deren Verlängerung hat das Gericht einen Angehörigen des Betroffenen oder eine Person seines Vertrauens unverzüglich zu benachrichtigen. Abschnitt 3 Verfahren in betreuungsgerichtlichen Zuweisungssachen Betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen (§ 352) Näheres vgl § 39 FGG Rn 43, § 41 FGG Rn 18.

496

Örtliche Zuständigkeit (§ 353) Näheres vgl § 37 Rn 38, § 39 FGG Rn 43, § 41 FGG Rn 18, § 42 FGG Rn 10.

497

BUCH 4 VERFAHREN IN NACHLASS- UND TEILUNGSSACHEN Der zunächst noch fehlende Teil des E für das Nachlassverfahren ist der interessierten 498 Öffentlichkeit am 14. Februar 2006 übergeben worden.136 Unmittelbar vor Drucklegung dieses Bandes wurde vom BMJ ein Diskussionspapier zur Herauslösung verfahrensrechtlicher Vorschriften aus dem BGB im Zuge der FGG-Reform an die Berufsverbände und Vereinigungen übersandt. Darin wird eine Übernahme der Vorschriften über die Eröffnung letztwilliger Verfügungen und über das Verfahren zur Erteilung von Erbscheinen und Testamentsvollstreckerzeugnissen erwogen. Sinnvoll ist, dass die Vorschriften für Testament und Erbvertrag zusammengeführt werden, so weit sie gleichlautenden bzw. bisher nicht gleichlauten, ohne dass ein Grund für die Differenzierung ersichtlich ist. ZB verweist § 2300 BGB nicht auf § 2264 BGB. Deshalb ist für die Einsicht in eröffnete Erbverträge nur das berechtigte Interesse, für die Einsicht in Testamente dagegen das rechtliche Interesse erforderlich. Die Nummerierung der §§ des E soll erneut verändert werden. Da bei Drucklegung von Band 3 der um die Vorschriften für das Nachlassverfahren 499 ergänzte Referentenentwurf noch nicht vorlag, fehlt in der Kommentierung in Band 3 jeweils das Stichwort Reformvorhaben. Um dem Leser dennoch einen Überblick über die beabsichtigte Gesetzgebung in diesem Bereich zu geben, werden nachstehend die entsprechenden Vorschriften teilweise mit rechtlicher Würdigung vorgestellt.137 Die Vorschriften in Nachlass- und Teilungssachen folgen der Systematik des FamFG. 500 Während die Verfahrensvorschriften in Teilungssachen inhaltlich weitgehend unverändert übernommen werden, sieht der E im Nachlassverfahren einige grundlegende Änderungen 136

137

Schreiben des BMJ v 14.2.2006 im Internet: www.kids-lev.com/kids/RefE-FGGVerbaende-E-Mail%60206.pdf. Die Ausführungen wurden dankenswerter-

weise v Prof Dr Jutta Müller-Lukoschek ergänzt (Rn 500, 501, 504 506–512, 518–521, 523–529, 540–543).

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Einl

Einleitung

vor, die aber nicht alle auch zu einer inhaltlichen Änderung des geltenden Rechts führen. Für einige Bereiche wurde nämlich erstmalig überhaupt eine ausdrückliche Regelung geschaffen, wobei sich der Entwurf zu Recht an den Gewohnheiten orientiert, die die Gerichtspraxis bereits selbst hervorgebracht hat. Hier wird also nur das kodifiziert, was bislang ohnehin schon gewohnheitsrechtlich praktiziert wird. Ferner werden in dem E verschiedene Regelungen verfahrensrechtlicher Natur im Verfahrensrecht gebündelt, die bisher – verstreut – im BGB angesiedelt waren,138 während andererseits FGG-Bestimmungen139 an die Stelle verschoben werden, an die sie kraft Sachzusammenhanges gehören.140 Eine weitere Änderung findet sich für die internationale Zuständigkeit, hier will der E bewusst141 neue Wege gehen. Die Änderung gegenüber dem geltenden Recht ist jedoch nicht augenfällig, denn die Regelung erfolgt nicht im Buch 4, sondern ergibt sich erst daraus, dass in diesem Buch gerade keine besondere Bestimmung getroffen wird. Damit kommt es im Bereich der internationalen Zuständigkeit in Nachlassangelegenheiten zu einem Rückgriff auf die Vorschriften des Abschnitts 11 des E. An dieser Stelle befasst sich der E mit den Zuständigkeiten142, und hier finden sich – konsequent – auch die Bestimmungen zur Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei Verfahren mit Auslandsbezug,143 wobei einige Gebiete eine besondere Regelung erfahren,144 jedoch nicht die Nachlass- und Teilungsverfahren. Diese Verfahren sind daher „andere Verfahren“ und unterliegen der (allgemeinen) Vorschrift des § 119, nach der die deutschen Gerichte („in anderen Verfahren“) zuständig sind, wenn ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist. Keine inhaltliche Änderung erfolgt durch den Umstand, dass der E im 4. Buch auf 501 eine dem § 72 FGG entsprechende Vorschrift verzichtet, denn die Zuweisung von Nachlass- und Teilungssachen an die Amtsgerichte soll entsprechend dem Entwurf zukünftig ebenfalls an die systematisch richtige Stelle rücken, nämlich durch das GVG vorgenommen werden, das insofern um eine Bestimmung zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit ergänzt wird: Die sachliche Zuständigkeit für die Nachlass- und Teilungssachen ergibt sich aus (dem neuen) § 23 a Abs 2 Nr 2 GVG.145 Besondere Regelungen zur Erzwingung der Ablieferung von Testamenten (§ 83 FGG) 502 soll es künftig nicht mehr geben, da sie von den Vorschriften zur Vollstreckung von FG-Entscheidungen im Allgemeinen Teil abgedeckt sind.146 Eine besondere Vorschrift für das Verfahren bei einer Nachlasspflegschaft (§ 75 FGG) 503 gibt es nicht mehr, da künftig die Vorschriften des Allgemeinen Teils sowie über § 352 (Betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen) die Vorschriften des Dritten Buches des Entwurfs gelten. Die sachliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts an Stelle des Betreuungsgerichts ist in § 1962 BGB geregelt, während sich die örtliche Zuständigkeit aus dem

138 139 140

52

ZB Verwahrung von letztwilligen Verfügungen. ZB zur sachlichen Zuständigkeit – § 72 FGG. Vorgesehen ist eine Regelung im GVG dessen § 23a durch den Entwurf ein neuer Abs hinzugefügt wird, der den Amtsgerichten auch die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (ua auch Nachlass- und Teilungssachen) zuweist (neuer § 23a Abs 2 Nr 2 GVG; zur Änderung des GVG – vgl Art 18 Nr 7 des Entwurfs).

141 142

143 144 145 146

RefE FGG-ReformG Begr S 465. Die Bündelung der Zuständigkeitsregelungen (im Vergleich zu der vom FGG gewählten Aufsplitterung der Zuständigkeitsregelungen jeweils bei den einzelnen Verfahrensgegenständen) ist wegen der besseren Übersichtlichkeit sinnvoll. Vgl dazu (Reformvorhaben) § 35b Rn 120. Vgl dazu (Reformvorhaben) § 35b Rn 121. Art 18 Nr 7 RefE FGG-ReformG. RefE FGG-ReformG S 592.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

ersten Abschnitt des 4. Buches ergibt. Die Entscheidung ist künftig nach § 62 Abs 1 Nr 1 des Entwurfs mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.147

Abschnitt 1 Begriffsbestimmung; örtliche Zuständigkeit Begriffsbestimmung (§ 354) Die Verfahrensarten des 4. Buches werden im Einzelnen aufgeführt, aber auch eine 504 Auffangvorschrift (Nr 9) berücksichtigt. Dabei wurde ausweislich der Begründung148 insbesondere an die Fristbestimmung bei Vermächtnissen und Auflagen (§§ 2151, 2153– 2155, 2192, 2193 BGB), die Stundung des Pflichtteilsanspruchs (§ 2331a BGB), Aufgaben im Zusammenhang mit der Inventarerrichtung (§§ 1993 ff BGB), die Anzeige über den Eintritt der Nacherbschaft (§ 2146 BGB) und die Anzeige vom Erbschaftskauf (§§ 2384, 2385 BGB) gedacht. Inhaltlich ergibt sich kein Unterschied zum geltenden Recht. In Abs 2 werden die Teilungssachen definiert. Örtliche Zuständigkeit (§ 355) Die Regelung entspricht weitestgehend § 73 Abs 1 bis 3 FGG, allerdings wurde der 505 Begriff „Abgabe“ durch den Begriff „Weiterleitung“ ersetzt, um den Charakter der Spezialvorschrift zu der der Regelung im Allgemeinen Teil (§§ 3, 4) so verdeutlichen.149 Eine grundlegende Neuerung trifft der E dagegen für die internationale Zuständigkeit 506 in Nachlasssachen: Nach geltendem Recht beherrscht der Gleichlaufgrundsatz150 (oder Gleichlauftheorie) die internationale Zuständigkeit in diesem Bereich; die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts setzt also voraus, dass deutsches Recht Erbstatut ist, während bei fremdem Erbstatut grundsätzlich keine Zuständigkeit gegeben ist. Findet nicht deutsches, sondern fremdes Erbrecht Anwendung, so ist die Zuständigkeit nur im Hinblick auf vorhandenes Vermögen im Inland gegeben. Es kann nur ein gegenständlich beschränkter Erbschein– bezogen auf das Vermögen im Inland – erteilt werden (insofern besteht eine durch das Gesetz (§ 2369 BGB) vorgegebene Ausnahme zum Gleichlaufgrundsatz). Der Entwurf setzt die Kritik des Schrifttums151 konsequent um und erteilt der Gleich- 507 lauftheorie eine Absage.152 Es soll vielmehr auch in Nachlassangelegenheiten der sonst übliche Grundsatz gelten, dass die internationale Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit abzuleiten sei.153 § 119 des E sieht dies für Angelegenheiten vor, bei denen – wie für die Verfahren des 4. Buches – keine besondere Regelung zur internationalen Zuständigkeit getroffen wurde. Gleichzeitig wird konsequentermaßen § 2369 BGB aufgehoben,154 denn die Zuständigkeit in den Fällen, in denen ein gegenständlich beschränkter Erbschein zu erteilen ist, folgt nach dem E der in § 355 Abs 3 geregelten örtlichen Zuständigkeit. Diese Vorschrift entspricht – sprachlich geglättet – inhaltlich § 73 Abs 3 FGG 147 148 149 150

151

RefE FGG-ReformG S 593. RefE FGG-ReformG S 584. RefE FGG-ReformG S 585. Vgl zum Gleichlaufgrundsatz und auch zu den derzeit anerkannten Ausnahmen § 73 Rn 50 ff. Nachweise § 73 Fn 97 ff und auch RefE FGG-ReformG S 466.

152 153

154

So die Begründung wörtlich, RefE FGGReformG S 465. Ob in analoger Anwendung oder derart, dass man die internationale Zuständigkeit bei den Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit als stillschweigend mitgeregelt ansieht. Art 43 Nr 55 RefF FGG-ReformG.

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Einl

508 509

510

511

512

Einleitung

(ohne den Verweis auf § 2369 BGB). Die in § 2369 Abs 2 BGB getroffene Bestimmung, welche Gegenstände zum Inlandsvermögen gehören stellt der E ebenfalls in den § 355 ein (Abs 3 S 2, 3). Obwohl E der mit der Absage an die Gleichlauftheorie hier eine wirklich grundlegende Änderung vornimmt, sind die tatsächlichen Auswirkungen dieser im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage vollkommen entgegenstehenden Regelung nicht überzubewerten. In all den Verfahren, bei denen das geltende Recht nur einen gegenständlich beschränkten Erbschein ermöglicht, kann nach dem E ein unbeschränkter Erbschein erteilt werden. Das ist hinnehmbar, denn mit oder ohne den im Erbschein nach § 2369 BGB erklärten Vorbehalt (dass er auf das im Inland befindliche Vermögen beschränkt sei), kann ein Erbschein ohnehin nur im Inland die Wirkung entfalten, die ihm das deutsche Recht beimisst. Auch der (normale) Eigenrechtserbschein ist in seinen rechtlichen Wirkungen auf das Inland beschränkt (obwohl er keine entsprechende Verlautbarung trägt, ist er „faktisch“ beschränkt). Das gilt sogar in den Fällen, in denen eine ausländische Rechtsordnung an die (deutsche) Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft, zB wenn das (deutsche) Nachlassgericht einen Eigenrechtserbschein nach einem deutschen Erblasser erteilt hat, der Erblasser aber auch Vermögen im Ausland hat. Selbst wenn der Belegenheitsstaat zur Anwendung deutschen Erbrechts gelangt, folgt daraus nicht, dass der vom Nachlassgericht erteilte Erbschein dort irgendeine Bedeutung erlangt. Die Entscheidung darüber, ob der ausländische Rechtsverkehr dem von einem deutschen Gericht erteilten Erbschein irgendeine Bedeutung zubilligt, liegt nicht in der Hand des deutschen Gesetzgebers. So hat auch im geltenden Recht der Vorbehalt keine rechtliche Bedeutung, er mag allenfalls der Belehrung des Anwenders über die begrenzten Einsatzmöglichkeiten im Ausland dienen. Mit der Abkehr von der Gleichlauftheorie weitet der E die internationale Zuständigkeit aber auch aus, weil Fälle erfasst werden, bei denen das Nachlassgericht nach der jetzigen Rechtslage nicht zuständig ist, nämlich wenn der Erblasser nach ausländischem Recht beerbt wird, im Inland aber kein Vermögen hinterlässt. Bei inländischem Wohnsitz oder Aufenthalt des Erblassers kann – anders als nach geltendem Recht, das zusätzlich im Inland belegenen Nachlass verlangt – ein (unbeschränkter) Erbschein beantragt werden. Fälle dieser Art werden selten sein, eben weil die Erben im Ausland mit einem deutschen Erbschein nichts anfangen können. Nach der Fassung des E sind Fälle möglich, bei denen die Normen des (fremden) Erbstatuts vom Nachlassgericht Tätigkeiten verlangen, die das deutsche Recht nicht vorsieht (zB die dingliche Zuteilung von Nachlassgegenständen) und damit die fremden materiellrechtlichen Normen mit denen des inländischen Nachlassverfahrens nicht in Einklang zu bringen sind.155 Der E verweist hier in der Begründung recht lapidar auf die Lösung derartiger Problemfälle im Wege der Qualifikation und darauf, dass dem Nachlassgericht – „zudem“ – keine „wesenfremde“ Tätigkeit abverlangt werden dürfe;156 es hätte sich angeboten, diese Einschränkung in den Gesetzesentwurf selbst, und nicht nur in die Begründung aufzunehmen.

Besondere Zuständigkeitsregelungen (§ 356) Abs 1 und 3 entsprechen den Regelungen des §§ 73 Abs 4 und 5 FGG idF d PStRG-E 513 (vgl Rn 630). Abs 2 führt die in § 2273 BGB fehlende Regelung der Zuständigkeit für den Fall ein, dass das gemeinschaftliche Testament nach Eröffnung nach dem Tod des Erstversterbenden wieder verwahrt werden muss. 155

54

Vgl dazu § 73 Rn 62.

156

RefE FGG-ReformG S 466.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Die bisher in § 74 S 1 FGG geregelte besondere Zuständigkeit für Nachlasssiche- 514 rungsmaßnahmen wurde in Abs 4 übernommen. Dasselbe gilt für die örtliche Zuständigkeit für Verfahren zur Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft (§ 99 Abs 2 FGG) in Abs 5. Abschnitt 2 Verfahren in Nachlasssachen Titel 1 Allgemeine Bestimmungen Beteiligte (§ 357) Diese Sondervorschrift zu § 8 regelt den Kreis der Beteiligten in Verfahren auf Ertei- 515 lung eines Erbscheins (Abs 1) oder eines Zeugnisses nach § 1507 BGB, §§ 36, 37 GBO (Abs 3), in Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers (Abs 2) sowie in den sonstigen auf Antrag durchzuführenden Nachlassverfahren (Abs 4). Neben den Beteiligten kraft Gesetzes (Antragsteller bzw TV) sind die Beteiligten kraft Hinzuziehung aufgezählt. Diese müssen auf Antrag hinzugezogen werden. Sie sind deshalb über das Antragsrecht und die Wirkungen des Antrags zu belehren (Abs 5). Titel 2 Verwahrung letztwilliger Verfügungen Verwahrung von Testamenten (§ 358) Der Text wurde im Wesentlichen dem §§ 82a FGG idF des PStRG-E entnommen.157 516 Jedoch wurde in Abs 1 die Regelung des § 2248 S 1 BGB hinzugefügt. Verwahrung von Erbverträgen (§ 359) Auch dieser Text wurde übernommen aus § 82b FGG idF des PStRG-E (vgl Rn 516), allerdings ohne die Bezugnahme auf die Zuständigkeitsbestimmungen, weil diese in § 396 Abs 3 geregelt sind. Ohne Einschränkung begrüßenswert ist die Neusortierung der Verfahrensgegenstände bei der Verwahrung von Testamenten und Erbverträgen. Die im BGB – an systematisch verfehlter Stelle – enthaltenen Regelungen über die Zuständigkeit und das Verfahren bei der besonderen amtlichen Verwahrung (§§ 2258a, 2300 BGB) werden durch den Entwurf aus dem BGB herausgelöst und in das Verfahrensrecht eingestellt (§§ 358, 359 des E). Eine inhaltliche Änderung ergibt sich durch diese Maßnahmen nicht. Gleiches gilt für die Verwahrung eines nach § 2247 BGB errichteten Testaments, das nach § 2248 BGB auf Verlangen des Erblassers in die besondere amtliche Verwahrung zu nehmen ist. § 2248 BGB entfällt, die Vorschrift wird – inhaltlich ohne Änderungen – in § 358 des E eingestellt (Abs 1). In Bezug auf die amtliche Verwahrung gemeinschaftlicher Testamente (und Erbverträge) liegt dagegen mit § 356 Abs 2 eine auch inhaltliche Neuerung vor: Während das geltende Recht keine Regelung zu der Frage trifft, bei welchem Gericht ein bereits nach dem ersten Erbfall eröffnetes gemeinschaftliches Testament zu verwahren ist,158 sieht der

157 158

BRDrs 616/05. § 2273 Abs 2 S 2 BGB sieht nur vor, dass es in die Verwahrung zurückzubringen ist; eine

ausdrückliche Regelung welches Gericht für die Wiederverwahrung zuständig ist, fehlt jedoch.

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517 518

519 520

Einl

Einleitung

E die Zuständigkeit des bisherigen Verwahrgerichts vor, sofern der Erblasser nichts anderes verlangt. Diese Regelung ist schon deshalb zu begrüßen, weil die Frage bislang umstritten ist, 521 welches Gericht für die Wiederverwahrung zuständig sei – das bisherige Verwahrgericht159 oder das (hinsichtlich des ersten Erbfalls zuständige) Nachlassgericht.160 Für die von dem E gewählte Lösung – bisheriges Verwahrgericht – spricht vor allem, dass sich das Verfahren der Wiederverwahrung nur als Fortsetzung des ursprünglichen Verwahrverfahrens darstellt und damit letzteres nicht wiederholt werden muss; es entfällt auch die erneute Mitteilung an das Standesamt und dort die Korrektur der Testamentsdateien,161 es wird also bürokratischer Aufwand vermieden. Titel 3 Erbscheinsverfahren. Testamentsvollstreckung Entscheidung über Erbscheinsanträge (§ 360) Die wichtigste Neuerung für die Entscheidung über einen Erbscheinsantrag ist die obligatorische Form des Beschlusses vor der Erteilung des Erbscheins. Diese Regelung orientiert sich entgegen der Behauptung in der Begründung des E162 jedenfalls für den norddeutschen Raum nicht an der bisherigen Praxis (vgl § 84 Rn 17). Die unter der Überschrift „Entscheidungen über Erbscheinsanträge“ getroffene Rege523 lung versucht vor allem die Gefahr zu bannen, die in der Erteilung eines fehlerhaften Erbscheins liegt: Wegen des öffentlichen Glaubens, den der Erbschein genießt (§ 2366 BGB) kann der Erbscheinserbe auch dann wirksam über Nachlassgegenstände verfügen, wenn er nur der Scheinerbe ist. Stellt sich die Unrichtigkeit des Erbscheins nach seiner Erteilung heraus, so hat das Nachlassgericht ihn zwar gem § 2361 Abs 1 BGB (von Amts wegen) einzuziehen,163 diese Waffe ist aber stumpf: Kraftlos wird der Erbschein erst mit der Einziehung (§ 2361 Abs 1 S 2 BGB), also nur ex nunc, nicht etwa rückwirkend, so dass ein dem Erben entstandener Schaden durch zwischenzeitlich bereits erfolgte Verfügungen des durch den unrichtigen Erbschein legitimierten Scheinerben irreparabel ist. Der Erbschein ist damit für den Zeitraum zwischen Erteilung und Einziehung unzerstörbar. Um diesen Gefahren zu begegnen, ist das Institut des Vorbescheids entwickelt worden,164 dessen die Nachlassgerichte sich seit der Leitentscheidung des BGH aus dem Jahre 1956165 in regelmäßiger Praxis bedienen. 524 Im Lichte dieser Rechtslage166 zum Vorbescheid sieht der E folgende Lösung167 vor: Die Entscheidung über den Inhalt eines zu erteilenden Erbscheins erfolgt durch Beschluss. Dieser Beschluss wird zwar (grundsätzlich) mit Erlass wirksam (§ 360 Abs 1), das Gericht hat aber die Möglichkeit, die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses auszusetzen und die (gefahrträchtige) Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses

522

159 160 161 162 163 164 165

56

Dafür zB BayObLG FamRZ 2000, 638. Dafür zB OLG Zweibrücken Rpfleger 1998, 428. Darauf weist der Entwurf in der Begründung hin, RefE FGG-ReformG S 585. RefE FGG-ReformG S 589. (bzw für kraftlos zu erklären, § 2361 Abs 2 BGB). Vgl § 84 Rn 30. BGHZ 20, 255.

166 167

Vgl RefE FGG-ReformG S 589. Diese Lösung erinnert an den „Gegenentwurf“ zum Vorbescheid (Zurückhalten des Erbscheins bei gleichzeitiger Bekanntgabe des anordnenden Beschlusses an die Beteiligten, Erteilung des Erbscheins erst, wenn keine Beschwerde eingelegt oder die Beschwerde abgewiesen wurde), den ursprünglich das KG vorgeschlagen hat (KG NJW 1955, 1073 m zust Anm Baur).

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

zurückzustellen (§ 360 Abs 2). Es besteht somit die Möglichkeit, die Entscheidung des Nachlassgerichts durch die nächsthöhere Instanz überprüfen zu lassen, bevor überhaupt der Erbschein erteilt wird und so einer Gefährdung des (wahren) Erben vorzubeugen. Wie beim Vorbescheid geht es im Kern darum, die Entscheidung des Nachlassgerichts zu überprüfen, noch bevor sie ergeht (bzw in die Erteilung des Erbscheins mündet). Von dieser Möglichkeit der Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses soll das Nachlassgericht Gebrauch machen, wenn der Beschluss nicht dem „erklärten Willen“ – so der Text des Entwurfs (§ 360 Abs 2) – eines Beteiligten entspricht. Die durch den E vorgesehene Regelung schreibt damit in der Sache kein vollkommen neues Verfahren vor, sondern gestaltet und kleidet das (zum Vorbescheid entwickelte) bislang ungeschriebene aber gewohnheitsrechtlich etablierte Verfahren der Gerichte in Gesetzesform. Eine „grundlegende Änderung“ wie sie der E ankündigt,168 erfolgt also nur gegenüber der (geschriebenen) Gesetzeslage, hier präsentiert sich der E als Neuregelung, nicht aber im Vergleich zur bestehenden Rechtslage. Inhaltlich liegt keine Neuerung, allenfalls eine Modifikation zum Vorbescheidsverfahren vor. Im Übrigen greift die Regelung insofern zu kurz, als die Unklarheiten der bestehenden (ungeschriebenen) Rechtslage zum Umgang mit dem Vorbescheid169 nicht aufgegriffen werden: Die Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses soll nur erfolgen, wenn dieser nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten entspricht; das lässt die bislang streitige Frage offen, wie der Wille erklärt sein muss. Sind etwa zwei sich widersprechende Anträge erforderlich? Oder reicht es dagegen sogar schon aus, wenn nur Bedenken vorgetragen werden? Abgesehen von dieser Regelungslücke besteht die Gefahr, einen unrichtigen Erbschein zu erteilen, nicht nur in den Fällen eines bekanntermaßen entgegenstehenden Willens von Beteiligten; das Nachlassgericht mag mitunter auch ohne solche Umstände Zweifel hegen, zB bei der Auslegung letztwilliger Anordnungen. Dann darf es jedoch nach § 360 nicht aussetzen, weil die Voraussetzungen – entgegenstehender erklärter Wille – nicht vorliegen; das Gericht müsste also in solchen Fällen, in denen es selbst die Aussetzung wünscht, einen der Beteiligten dazu anhalten, einen entgegenstehenden Willen zu erklären. Regelungsbedürftig erscheint auch die Frage, wie zu verfahren ist, wenn kein Rechtsmittel eingelegt wird. Muss das Nachlassgericht dann den Erbschein entsprechend seinem ursprünglichen Beschluss erteilen, selbst wenn es die Rechtslage jetzt anders sieht? Unklar bleibt auch, ob und wie das Nachlassgericht an die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts gebunden ist. Muss das Nachlassgericht zB den seinem ursprünglichen Beschluss entsprechenden Erbschein erteilen, wenn das Rechtsmittel gegen den Beschluss zurückgewiesen wird (das Nachlassgericht selbst aber inzwischen einen Erbschein dieses Inhalts gar nicht mehr erteilen will)?

525 526

527

528

529

Einziehung oder Kraftloserklärung von Erbscheinen( § 361) Während § 84 FGG lediglich die Anfechtung der Kraftloserklärung von Erbscheinen 530 und sonstigen Zeugnissen ausschließt, werden nunmehr in Abs 2 die Möglichkeiten der sofortigen Beschwerde nur für den Fall eingeschränkt, dass der Erbschein bereits eingezogen ist. Die sofortige Beschwerde kann nur mit dem Ziel der Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins eingelegt werden. Abs 3 berücksichtigt die Rechtsprechung zu § 2361 Abs 2 S 2 BGB, dass die sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss, durch

168

RefE FGG-ReformG S 352.

169

Dazu Lukoschek ZEV 1999, 1.

Hans-Joachim von Schuckmann

57

Einl

Einleitung

den ein Erbschein für kraftlos erklärt wird, bis zur öffentlichen Bekanntmachung zulässig ist.170 Sonstige Zeugnisse (§ 362) Die Vorschrift entspricht § 84 S 2 FGG.

531 532

Testamentsvollstreckung (§ 363) Anders als in §§ 80 und 81 Abs 1 FGG regelt Abs 1 nur noch die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bei Fristsetzungen nach § 2198 Abs 2 BGB und die Fristsetzungen zur Annahme des Amtes des Testamentsvollstreckers. Die übrigen der in § 80 FGG genannten Fristbestimmungen und Entscheidungen nach § 81 FGG sollen als Endentscheidungen iS des § 38 des E bereits nach § 62 Abs1 Nr 1 des E mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sein.171 Ob diese der Systematik untergeordnete Regelung der Klarheit des Gesetzes dient, kann bezweifelt werden. Abs 2 übernimmt die Regelung des § 82 Abs 2 FGG, wobei die Verweisung auf § 40 Abs 3 des Entwurfs dem § 53 FGG entspricht. Abs 3 entspricht § 82 Abs 1 FGG.

Titel 4 Sonstige verfahrensrechtliche Regelungen Mitteilungspflichten (§ 364) Die Regelung entspricht im Abs 1 dem § 74a FGG und im Abs 2 dem § 74 S 2 FGG.

533

Akteneinsicht; Ausfertigung eines Erbscheins oder anderen Zeugnisses (§ 365) Diese Sondervorschrift zu § 7 des E übernimmt in Abs 1 und 2 die Regelung des § 78 534 Abs. 1 FGG, in Abs 3 die des § 78 Abs 2 FGG und in Abs 4 die des § 85 FGG.

535

Zwang zur Ablieferung von Testamenten (§ 366) Die Vorschrift übernimmt aus § 83 FGG lediglich die Anordnung zur Ablieferung eines Testaments und schreibt die Beschlussform vor. Die Vollstreckung des Titels soll sich nach den Vorschriften des allgemeinen Teils insbesondere §§ 97 ff des E richten.172 Nachlassverwaltung (§ 367) Die Regelung entspricht § 76 FGG unter Berücksichtigung von § 62 des E.

536 537

Bestimmung einer Inventarfrist (§ 368) Die Regelung des § 77 Abs 3 FGG wurde unter Berücksichtigung des § 62 des E übernommen. Eidesstattliche Versicherung (§ 369) Der Wortlaut des § 79 FGG wurde übernommen.

538 539

Stundung des Pflichtteilsanspruchs (§ 370) Auch hier wurde der Wortlaut des § 83a FGG weithin übernommen. Die Verweisung auf § 53a FGG wurde durch § 275 des E ersetzt.

170 171

58

RefE FGG-ReformG S 590. RefE FGG-ReformG S 591.

172

RefE-FGG-ReformG S 592.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Abschnitt 3 Verfahren in Teilungssachen Der Referentenentwurf sieht für den Bereich der Teilungssachen keine inhaltlichen Veränderungen vor, sondern übernimmt in seinen §§ 371 ff weitgehend die Regelungen, die in §§ 86 ff FGG getroffen sind. Die Vorschriften des E konnten im Vergleich zum Gesetzestext zT gekürzt werden, weil sich der Regelungsinhalt im Allgemeinen Teil des E findet (zB zu den Beteiligten, zur Wiedereinsetzung). Die Vorschriften wurden in sinnvoller Weise sprachlich überarbeitet – zumeist entschlackt – und teilweise neu zusammengefügt, so dass sich der Entwurf als übersichtliche Neufassung des Gesetzestextes präsentiert. Mehr leistet er allerdings an dieser Stelle nicht. Insbesondere wird die Überlegung nicht aufgegriffen, Strukturen für ein nachlassrechtliches Zuteilungsverfahren zu entwickeln, bei dem das Gericht den einzelnen Miterben Nachlassgegenstände mit dinglicher Wirkung zuweisen kann. Da das Vermittlungsverfahren gem §§ 86 ff FGG nicht zuletzt deshalb in der Praxis kaum Bedeutung erlangt, weil das FGG dem Gericht keine Entscheidungsbefugnis einräumt, bietet es sich an, ein entsprechendes Verfahren bereitzustellen. Wenn die Beteiligten sich nicht einigen können, ist die Zuteilung durch das Gericht auch kein verfahrensrechtlicher Fremdkörper; als Muster eines solchen Verfahrens kann das landwirtschaftliche Zuweisungsverfahren dienen173 (§§ 13–17, 33 GrdstVG). Es bietet sich hier also an, den Entwurf um eine solche wirkliche – und in der Praxis auch wirklich erforderliche – Neuerung zu ergänzen.

540

541

542 543

Antrag (§ 371) §§ 86 FGG wurde als Abs 1 und 2, § 87 Abs 1 als Abs 3 übernommen. Der Rege- 544 lungsinhalt von 87 Abs 2 FGG wird durch die Vorschriften des Allgemeinen Teils (§§ 27 bis 29 des E) abgedeckt.174 Pflegschaft für abwesende Beteiligte (§ 372) § 88 S 1 FGG wurde fast wörtlich übernommen. Dagegen fehlt die Regelung des § 88 545 S 2 FGG, obwohl in der Begründung offenbar von der Übernahme ausgegangen wird. Dort wird von der Ersetzung des Begriffes „Vormundschaftsgericht“ durch den Begriff „Betreuungsgericht“ ausgegangen. Die Einrichtung des Betreuungsgerichts ergibt sich aus § 23c GVG des E. Ladung (§ 373) Die Regelung des § 89 FGG wurde fast wörtlich übernommen. Die S 1 und 2 wurden 546 zu einem Abs 1 und die S 3 und 4 zu einem Abs 2 zusammengefasst. Entfallen ist die Regelung der Ladungsfrist (§ 90 FGG) wegen der Bestimmungen im allgemeinen Teil insbesondere § 32 des E.175 Außergerichtliche Vereinbarung (§ 374) Die Vorschrift des § 91 wurde nach sprachlicher Überarbeitung zusammengefasst.

547

Wiedereinsetzung (§ 375) Von § 92 FGG wurde nur ein Teil des S 1 übernommen. Im Übrigen wurde auf die 548 Vorschriften der §§ 24 bis 26 verwiesen, die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 173 174

S dazu § 86 Rn 54; s auch § 86 Rn 4, 5. RefE-FGG-ReformG S 594.

175

RefE-FGG ReformG S 594.

Hans-Joachim von Schuckmann

59

Einl

Einleitung

regeln. Dabei entsprechen §§ 24 Abs 1, 25 Abs 1, 3 des E § 92 S 1 FGG und § 25 Abs 2 des E § 92 S 3 FGG. Nicht übernommen wurde die Regelung des § 92 S 2 FGG, nach der eine Versäumung, die in dem Verschulden eines Vertreters ihren Grund hat, nicht als unverschuldete angesehen wird.

549

Auseinandersetzungsplan; Bestätigung (§ 376) § 93 FGG wurde unter Berücksichtigung der entsprechenden Vorschriften des E übernommen. Der neue Abs 3 übernimmt aus systematischen Gründen den Regelungsinhalt von § 97 Abs 2 FGG, erwähnt jedoch den Beistand nicht mehr, weil durch das Beistandschaftsgesetz vom 4.12.1997 (BGBl S 2846) die Beistandschaft auf die Feststellung der Vaterschaft und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 1712 BGB) beschränkt ist und beim Jugendamt geführt wird.176 Verteilung durch das Los (§ 377) Der Text des § 94 FGG wurde vollständig übernommen.

550 551

Aussetzung bei Streit (§ 378) Die Regelung entspricht fast wörtlich § 95 FGG. Es handelt sich dabei um Abweichungen von §§ 23 und 28 Abs 4 des E. Der Begriff „Protokoll“ wurde durch den Begriff „Niederschrift“ ersetzt. Die Form soll sich nach der Begründung des E „zweckmäßigerweise nach dem Beurkundungsgesetz“ richten.177 Wenn die Beachtung dieser Formvorschriften wirklich gewollt ist, sollte dies auch im Gesetzestext wiedergegeben werden.

Wirkung der Vereinbarung; Zwangsvollstreckung (§ 379) Abs 1 entspricht inhaltlich § 97 Abs 1 FGG. Abs 2 übernimmt die Regelung des 552 § 98 FGG. Dagegen ist der bisherige Abs 2 von § 97 FGG entfallen, der nunmehr in § 376 Abs 3 enthalten ist. (Vgl Rn 549).

553

554

Rechtsmittel (§ 380) Abs 1 regelt die Anfechtbarkeit von Entscheidungen in Teilungsverfahren durch sofortige Beschwerde insbesondere für die Fristbestimmung nach § 72 Abs 3 des E aber auch in Abweichung von § 26 Abs 2 und 3 des E bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.178 Die Vorschrift des Abs 2 entspricht inhaltlich § 96 S 2 FGG. Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft (§ 381) § 99 Abs 1 FGG wurde inhaltlich als Abs 1 in den E übernommen. Der bisherige Abs 2 von § 99 FGG wurde entbehrlich, weil die örtliche Zuständigkeit in § 356 Abs 5 und die sachliche Zuständigkeit in § 23a Abs 2 Nr 2 GVG geregelt wird. Der neue Abs 2 erklärt die §§ 357 Abs 1, 360, 361 und 365 des E für das Verfahren zur Erteilung, Einziehung oder Kraftloserklärung von Zeugnissen über die Auseinandersetzung des Gesamtgutes einer ehelichen und fortgesetzten Gütergemeinschaft nach §§ 36 und 37 GBO für entsprechend anwendbar.

555

§§ 382 bis 399 nicht belegt.

176 177

60

RefE-FGG-ReformG S 595. RefE-FGG-ReformG S 595.

178

RefE-FGG-ReformG S 596.

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

BUCH 5 VERFAHREN IN REGISTERSACHEN, UNTERNEHMENSRECHTLICHE VERFAHREN Abschnitt 1 Begriffsbestimmung Näheres vgl § Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 32.

556

Registersachen (§ 400) Die Definition umfasst wie bisher die Handelsregistersachen, Genossenschaftsregister- 557 sachen, Partnerschaftsregistersachen, Vereinsregistersachen und Güterrechtsregistersachen. Näheres vgl § Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33. Unternehmensrechtliche Verfahren (§ 401) Die Geschäfte des neuen Begriffs „unternehmensrechtliche Verfahren“ sind weitge- 558 hend identisch mit den bisher nach §§ 125 Abs 1, 149, 160b Abs 2 FGG den Amtsgerichten zugewiesenen Aufgaben.179 Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33. Durch den E 2006 wurden in Nr 7 die Worte angefügt „sowie Artikel 54 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl EU Nr L 207 S 1)“. Abschnitt 2 Zuständigkeit Besondere Zuständigkeitsregelungen (§ 402) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

559

Örtliche Zuständigkeit (§ 403) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

560

Abschnitt 3 Registersachen Titel 1 Verfahren

179

Antragsrecht der Notare (§ 404) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

561

Mitteilungspflichten der Behörden (§ 405) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

562

Beteiligung der berufsständischen Organe (§ 406) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

563

Aussetzung des Verfahrens (§ 407) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

564

Entscheidung über Eintragungsanträge (§ 408) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

565

RefE FGG-ReformG S 597.

Hans-Joachim von Schuckmann

61

Einl

Einleitung

Bekanntgabe; Beschwerde (§ 409) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33. Durch E 2006 wurde ein neuer § 409a eingefügt:

566 567

Von Amts wegen vorzunehmende Änderungen (§ 409a) Führt eine von Amts wegen einzutragende Tatsache zur Unrichtigkeit anderer in diesem Registerblatt eingetragener Tatsachen, ist dies von Amts wegen in geeigneter Weise kenntlich zu machen.

568

Einsicht in das Register (§ 410) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

569

Bescheinigungen (§ 411) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

570

Ermächtigungen (§ 412) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

571

Titel 2 Zwangsgeldverfahren Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

572

Androhung (§ 413) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

573

Festsetzung (§ 414) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

574

Verfahren bei Einspruch (§ 415) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

575

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 416) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

576

Sofortige Beschwerde (§ 417) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

577

Verfahren bei unbefugtem Firmengebrauch (§ 418) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33. Titel 3 Löschungsverfahren

578

Löschung einer Firma (§ 419) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33. Durch E 2006 wurde in Abs 3 als neuer S 2 eingefügt, dass mit der Zurückweisung eines Widerspruchs dem Beteiligten zugleich die Kosten des Widerspruchverfahrens aufzuerlegen sind.

579

Löschung vermögensloser Gesellschaften (§ 420) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

580

Löschung unzulässiger Eintragungen (§ 421) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

62

Hans-Joachim von Schuckmann

VIII. Inhaltsübersicht des FamFG-E

Einl

Löschung durch das Landgericht (§ 422) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

581

Löschung nichtiger Gesellschaften (§ 423) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

582

Auflösung wegen Mangels der Satzung (§ 424) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33. 583 Durch E 2006 wurde in Abs 2 als neuer S 3 eingefügt, demgemäß mit der Zurückweisung eines Widerspruchs der Gesellschaft zugleich die Kosten des Widerspruchverfahrens aufzuerlegen sind. Nichteinzahlung von Geldeinlagen (§ 425) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

584

Titel 4 Ergänzende Vorschriften für das Vereinsregister Mitteilungspflichten (§ 426) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

585

Auflösung (§ 427) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

586

Anfechtbarkeit (§ 428) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

587

Abschnitt 4 Unternehmensrechtliche Verfahren Anfechtbarkeit (§ 429) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

588

Weigerung des Dispacheurs (§ 430) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

589

Aushändigung von Schriftstücken; Einsichtsrecht (§ 431) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

590

Termin, Ladung (§ 432) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

591

Verfahren im Termin (§ 433) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

592

Verfolgung des Widerspruchs (§ 434) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

593

Sofortige Beschwerde (§ 435) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

594

Wirksamkeit; Zwangsvollstreckung (§ 436) Näheres vgl Vorbem §§ 125–158 FGG Rn 33.

595

Hans-Joachim von Schuckmann

63

Einl

Einleitung

BUCH 6 Verfahren in sonstigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

596

Sonstige Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 437)

597

Örtliche Zuständigkeit (§ 438)

598

Beteiligte (§ 439)

599

Eidesstattliche Versicherung (§ 440)

600

Unanfechtbarkeit (§ 441)

BUCH 7 Verfahren in Freiheitsentziehungssachen

601

Näheres vgl Vorbem §§ 70–70n.

602

Freiheitsentziehungssachen (§ 442)

603

Örtliche Zuständigkeit (§ 443)

604

Antrag (§ 444)

605

Beteiligte (§ 445)

606

Verfahrenspfleger (§ 446)

607

Anhörung; Vorführung (447)

608

Inhalt der Beschlussformel (§ 448)

609

Wirksamwerden von Entscheidungen (§ 449)

610

Absehen von der Bekanntgabe (§ 450)

611

Aussetzung des Vollzugs (§ 451)

612

Dauer und Verlängerung der Freiheitsentziehung (§ 452)

613

Aufhebung (§ 453)

614

Einstweilige Anordnung (§ 454)

615

Verwaltungsmaßnahme; richterliche Prüfung (§ 455)

616

Ergänzende Vorschriften über die Beschwerde (§ 456)

617

Auslagenersatz (§ 457)

618

Mitteilung von Entscheidungen (§ 458)

619

Benachrichtigungen von Angehörigen (§ 459) § 460–499

620

(nicht belegt)

64

Hans-Joachim von Schuckmann

IX. Änderungen des FGG noch vor der Reform

Einl

BUCH Z SCHLUSSVORSCHRIFTEN Verhältnis zu anderen Gesetzen (§ 500) Näheres vgl § 185 FGG Rn 10.

621

Landesrechtliche Vorbehalte, Ergänzungs- und Ausführungsbestimmungen (§ 501) Näheres vgl § 189 FGG Rn 13.

622

Nachlassauseinandersetzung, Auseinandersetzung einer Güterrechtsgemeinschaft (§ 502) Näheres vgl § 192 FGG Rn 5.

623

Verfahren vor landesgesetzlich zugelassenen Behörden (§ 503) Näheres vgl § 194 FGG Rn 15.

624

Rechtsmittel (§ 504)

625

Näheres vgl § 195 FGG Rn 8.

Inkrafttreten Beabsichtigt war, das Gesetz noch in der 15. Legislaturperiode im BGBl zu veröffent- 626 lichen. Infolge Auflösung des BT ist es dazu nicht mehr gekommen. Der Referentenentwurf 2006 sieht in Artikel Z als Zeitpunkt des Inkrafttretens den 1. Juli 2008 vor. Gleichzeitig sollen das FGG und das FreihEntzG außerkrafttreten (Art X und Y E 2006). Doch es werden bereits Zweifel laut.180 Es fehlen auch noch die Übergangsbestimmungen in einem Einführungsgesetz.181 Der Bund Deutscher Rechtspfleger weist auf die umfangreichen organisatorischen Maßnahmen bei den Landesjustizverwaltungen hin, die zur Einführung des neuen Gesetzes erforderlich seien. Deshalb müsse zwischen Verkündung und Inkrafttreten der Neuregelungen ein ausreichend großer Zeitraum liegen.182

IX. Änderungen des FGG noch vor der Reform Da es bisher noch keinen Regierungsentwurf für eine FGG-Reform gibt, wurden be- 627 reits weitere Änderungen des geltenden FGG vorgesehen, tlw. sogar in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht: Der Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossen- 628 schaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts“ sieht folgende Änderungen vor: 1. In § 145 Abs 1 werden nach der Angabe „(ABl EG Nr L 294 S 1)“ die Wörter „nach Artikel 54 Abs 2 und Artikel 73 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Gemeinschaft (SCE) (ABl EU Nr L 207 S 1)“ eingefügt. 2. In § 147 Abs 3 werden die Wörter „§§ 94, 95 des Gesetzes, betreffend die Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften,“ durch die Wörter „§§ 94 und 95 des Genossenschaftsgesetzes“ ersetzt.

180

181

MdB Joachim Stünker rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion am 19.1.2006 Meyer-Seitz/Kröger/Heiter FamRZ 2005,

182

1431; Schreiben des BMJ v 14.2.2006 – RA 2/RA 5 – 3800/91 – R 5 102/2006. Schreiben des BDR vom 31.10.2005 an das BMJ.

Hans-Joachim von Schuckmann

65

Einl

Einleitung

3. In § 148 Abs 1 werden die Wörter „§§ 45 Abs 3, § 61, § 83 Abs 3, 4, § 93 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,“ durch die Wörter „§§ 45 Abs 3, § 83 Abs 3 und 4 sowie § 93 des Genossenschaftsgesetzes“ ersetzt. Der Deutsche Bundestag hat am 29.9.2006 das Gesetz über elektronische Handelsre629 gister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) beschlossen.183 Danach können ab 1.1.2007 unter der Internet-Adresse www.unternehmensregister.de wesentliche publikationspflichtige Daten eines Unternehmens online abgerufen werden. Dazu werden die §§ 125, 129, 132, 141, 141a, 147 und 160b FGG geändert. § 140a FGG wird aufgehoben und ein neuer § 144c in das Gesetz eingefügt. Am 10.11.2005 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des 630 Personenstandsrechts (Personentandsrechtseformgesetz – PStRG) beschlossen.184 Durch dieses Gesetz soll § 48 FGG neu gefasst werden. Nach § 64b FGG soll ein neuer § 64c eingefügt werden. § 73 FGG wird um die Absätze 4 und 5 erweitert. Nach § 82 FGG werden die §§ 82a und 82b eingefügt. § 48 wird wie folgt gefasst: Wird einem Standesamt der Tod einer Person, die ein minderjähriges Kind hinterlassen hat, oder die Geburt eines Kindes nach dem Tode des Vaters oder die Auffindung eines minderjährigen, dessen Familienstand nicht zu ermitteln ist, angezeigt, so hat das Standesamt dies dem Vormundschaftsgericht mitzuteilen. Der neue § 64c soll lauten: Führen Eltern, die gemeinsam für ein Kind sorgeberechtigt sind, keinen Ehenamen und ist von ihnen binnen eines Monats nach der Geburt des Kindes der Geburtsname des Kindes nicht bestimmt worden, so teilt das Standesamt dies dem für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zuständigen Familiengericht mit. Dem § 73 sollen folgende Absätze angefügt werden: (4) Für die besondere amtliche Verwahrung von Testamenten ist zuständig: 1. wenn das Testament vor einem Notar errichtet ist, das Gericht, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat; 2. wenn das Testament vor dem Bürgermeister einer Gemeinde errichtet ist, das Gericht, zu dessen Bezirk die Gemeinde gehört; 3. wenn das Testament nach § 2247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs errichtet ist, jedes Amtsgericht. (5) Der Erblasser kann jederzeit die Verwahrung bei einem anderen Amtsgericht verlangen. Nach § 82 sollen folgende §§ 82a und 82b eingefügt werden: § 82a (1) Die Annahme zur Verwahrung sowie die Herausgabe des Testaments ist von dem Richter anzuordnen und von ihm und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemeinschaftlich zu bewirken. (2) Die Verwahrung erfolgt unter gemeinschaftlichem Verschluss des Richters und das Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.

183

66

BRDrs 942/05, Newsletter des BMJ vom 29.9.2006 – http://www.bmj.bund.de/ enid/newsletter –.

184

BRDrs 616/05 = BTDrs 16/1831.

Hans-Joachim von Schuckmann

IX. Änderungen des FGG noch vor der Reform

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(3) Dem Erblasser soll über das in Verwahrung genommene Testament ein Hinterlegungsschein erteilt werden. Der Hinterlegungsschein ist von dem Richter und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Siegel zu versehen. (4) Über jedes in Verwahrung genommene Testament ist das für den Geburtsort des Erblassers zuständige Standesamt schriftlich zu unterrichten. Hat der Erblasser keinen inländischen Geburtsort, ist die Mitteilung an das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zu richten. Bei den Standesämtern und beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin werden Verzeichnisse über die in amtlicher Verwahrung befindlichen Testamente geführt. Erhält die das Testamentsverzeichnis führender Stelle Nachricht vom Tod des Erblassers, so teilt sie dies dem Nachlassgericht schriftlich mit, von dem die Mitteilung nach Satz 1 stammt. Die Mitteilungspflichten der Standesämter bestimmen sich nach dem Personenstandsgesetz. (5) Absatz 4 gilt entsprechend für ein gemeinschaftliches Testament, das nicht in besondere amtliche Verwahrung genommen worden ist, wenn es nach dem Tod des Erstverstorbenen eröffnet worden ist und nicht ausschließlich Anordnungen enthält, die sich auf den mit dem Tod des verstorbenen Ehegatten eingetretenen Erbfall beziehen. (6) Die Landesregierungen haben durch Rechtsverordnung Vorschriften über Art und Umfang der Mitteilungen nach den Absätzen 4 und 5 sowie § 34a des Beurkundungsgesetzes, über den Inhalt der Testamentsverzeichnisse sowie über die Löschung der in den Testamentsverzeichnissen gespeicherten Daten zu erlassen. Die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten ist auf das für das Wiederauffinden der letztwilligen Verfügung Unerlässliche zu beschränken. Der das Testamentsverzeichnis führenden Stelle dürfen nur die Identifizierungsdaten des Erblassers, die Art der letztwilligen Verfügung sowie das Datum der Inverwahrnahme mitgeteilt werden. Die Fristen für die Löschung der Daten dürfen die Dauer von fünf Jahren seit dem Tod des Erblassers nicht überschreiten; ist der Erblasser für tot erklärt oder der Todeszeitpunkt gerichtlich festgelegt worden, sind die Daten spätestens nach 30 Jahren zu löschen. (7) Die Mitteilungen nach den Absätzen 4 und 5 sowie § 34a Beurkundungsgesetzes können elektronisch erfolgen. Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an Mitteilungen in ihrem Bereich elektronisch erteilt und eingereicht werden können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form. (8) Die Landesregierungen können Ermächtigung nach Absatz 6 Satz 1 und Absatz 7 Satz 2 durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. § 82b FGG (1) § 73 Abs 4 und 5 sowie § 82a gelten entsprechend für die amtliche Verwahrung von Erbverträgen. Ein Hinterlegungsschein soll jedem der Vertragschließenden ausgehändigt werden. (2) Für Erbverträge, die nicht in besondere amtliche Verwahrung genommen worden sind, sowie für gerichtliche oder notariell beurkundete Erklärungen, nach deren Inhalt die Erbfolge geändert worden ist, gilt § 82a Abs 4 entsprechend; in diesen Fällen obliegt die Mitteilungspflichten der Stelle, die die Erklärungen beurkundet hat. Ziel dieser Änderung ist die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Testamentsdatei. Durch das JuMiG wurden in den §§ 12 ff EGGVG die bisher überwiegend in bundeseinheitlich vereinbarten Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder geregelten Mitteilungspflichten der Gerichte und Staatsanwaltschaften an andere öffentliche Stellen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Da nach § 2 EGGVG das GVG nur für die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit gilt, haben die Regelungen des JuMiG keine unmit-

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telbaren Auswirkungen auf Verfahren der FG. Selbst wenn im Rahmen der beabsichtigten Reform des FGG diese Verfahren dem GVG unterstellt werden, bedarf es einer besonderen gesetzlichen Grundlage für die in der „Allgemeinen Verfügung der Länder über die Benachrichtigung in Nachlasssachen“ vorgesehenen Mitteilungspflichten.185 Diese Vorschriften sollen aber wieder durch die §§ 358 f RefE FamFG (vgl Rn 516) ersetzt werden. Dabei sind freilich die Beschlüsse der JuMiKo vom 17.11.2005 (vgl Rn 636) noch nicht berücksichtigt. Durch das PStRG sollen auch das RPflG (§§ 3 Nr 2, 16 Abs 1, 36b Abs 1 Nr 1)und das BeurkG (§§ 34 Abs 3 S 2 und neu 34a) geändert werden. Die Möglichkeit der Eheschließung vor einem deutschen Konsulat soll wegen geringen Bedarfs abgeschafft werden. Nach Art 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechts631 verkehrs vom 20.3.2006 soll § 130a Abs 3 ZPO ein neuer S 2 angefügt werden: „Elektronisch eingereichte Dokumente können vorrangig bearbeitet werden, so weit nicht gesetzliche Regelungen, Eilbedürftigkeit oder sonstige Gründe entgegenstehen.“ Eine Änderung des FGG ist nicht beabsichtigt. Bestimmungen über elektronische Dokumente sollen dem FamFG vorbehalten werden.186 Gemeint ist wohl § 17 FamFG-E (vgl Rn 106).

X. Ausgliederung von Aufgaben aus der Justiz 1. Bestrebungen seit 1991

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Seit 1991 werden in der Öffentlichkeit immer wieder Forderungen erhoben, Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus den Gerichten auszugliedern und anderen Stellen zu übertragen.187 Der Widerspruch aus der Justiz aus verfassungsrechtlicher Sicht ließ nicht auf sich warten.188 War anfangs nur die Übertragung der Handelsregisterführung auf die IHK und die Erteilung von Erbscheinen sowie die amtliche Verwahrung von Testamenten durch die Notare erörtert worden, wird nunmehr von der Hess Landesregierung die Ausgliederung der Grundbuchsachen und Übertragung auf eine so genannte Bodenmanagementbehörde nicht nur erörtert sondern auch über den BR gesetzgeberisch vorbereitet. Im Sommer 2003 hat die Nds Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann eine Reihe 633 von Persönlichkeiten angesprochen, die Eckpunkte einer Justizreform und ein Gesamtbild der Justiz der Zukunft zu erarbeiten. Die im Juli 2004 vorgelegte Studie „Zukunftsfähige Justiz – Strukturreform durch Konzentration auf ihre Kernaufgaben“189 kommt zu dem Schluss, die Rückbesinnung der Justiz auf ihre Kernaufgaben setze „eine Entlastung der Justiz durch Auslagerung von ,akzidentiellen Aufgaben‘ voraus. Für solche Auslagerung biete sich der materiell der Exekutive zuzurechnende Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit an, insbesondere das Gerichtsvollzieher- und Vollstreckungswesen sowie

185 186 187

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S Gesetzesbegr S 24. BMJ v 20.3.2006 – RA 3 – 3700/19 – 3 – R4 112/2006 – S 7. Vorschlag der Bundesnotarkammer vom 25.11.1991 zur Übertragung nachlassgerichtlicher Aufgaben.

188 189

Frohn Rpfleger 1993, 267. Studie erstellt für die Nds Justizministerin von Horst Eylmann, Christian Kirchner, Rolf Knieper, Hartwin Kramer und Thomas Mayen, Juli 2004.

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das Registerwesen.“ Wie vorauszusehen war, hat der Vorschlag nicht nur bei den Berufsverbänden190 sondern auch in der Öffentlichkeit für erhebliche Unruhe gesorgt.191 Die Präsidentinnen und Präsidenten der OLG, das KG, des BayObLG und des BGH 634 haben auf ihrer Jahrestagung am 14. Dezember 2005 darauf hingewiesen, dass Handelsregistersachen und Nachlasssachen zu den Kernaufgaben der Gerichte gehören. Diese seien wie die übrigen Bereiche der „vorsorgender Rechtspflege“ aus guten Gründen den Gerichten zugewiesen worden. Es würden Rechtsverhältnisse verbindlich gestaltet und in weitem Umfang über widerstreitende Interessen verbindlich entschieden. Viele Entscheidungen wirkten konstitutiv und seien Grundlage des öffentlichen Glaubens vor allem im Grundbuch – und im Registerrecht. Da in der Regel in grundrechtlich geschützte Positionen eingegriffen werde, müsse darüber neutral, zügig und vor allem in rechtlich garantierter Unabhängigkeit entschieden werden. Eine Aufgabenübertragung an Dritte werde die erwartete finanzielle Entlastung der Länderhaushalte nicht herbeiführen können, weil das Gebührenaufkommen dieser Aufgaben zumindest die entstehenden Kosten decke. Gerade die freiwillige Gerichtsbarkeit kann (mit Ausnahme der Vormundschafts- und Betreuungssachen) auf eine hohe Kostendeckung verweisen. In Handelsregistersachen liegt der Wirkungsgrad bei durchschnittlich 99,8 %, in Grundbuchsachen bei 374 %, bei Nachlasssachen bei 180 %.192 2. Nachlasssachen Die BNotK hatte bereits am 25. November 1991 den Vorschlag unterbreitet, dem 635 Notar in Zukunft die Erteilung von Erbscheinen zuzuweisen. Dagegen wurden sogleich verfassungsrechtliche Bedenken laut.193 Im Jahr 1998 wurde dem RAussch des BT vom parlamentarischen Staatssekretär beim BMJ Rainer Funke eine Arbeitsunterlage zum Gesetzentwurf des BR zur Vereinfachung des zivilrechtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeleitet, nachdem § 2353 BGB folgender S 2 angefügt werden sollte: „Der erstmalige Antrag auf Erteilung eines Erbscheins in derselben Nachlasssache bedarf der notariellen Beurkundung.“194 Der vom BT am 18.6.1998 verabschiedete Gesetzentwurf wurde am 19.6.1998 vom BR abgelehnt und fiel infolge der Bundestagswahl der Diskontinuität anheim. Im Dezember 1998 wurde von der Fraktion der CDU/CSU der E eines G zur Vereinfachung des gerichtlichen Verfahrens im BT eingebracht, der in einem Artikel 8 wieder diese Änderung des § 2353 BGB vorsah. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Vorschrift sicherstellen würde, dass derjenige, der die Erteilung eines Erbscheins beantragt, über die erbrechtliche Rechtsstellung fachkundig beraten wird. Auch sollte gewährleistet werden, dass die für die Antragstellung erforderlichen Mitteilungen (vgl §§ 2354, 2355 BGB) dem Nachlassgericht vollständig vorgelegt werden. Durch die Befassung eines Notars würden beide Ziele erreicht. Die Nachlassgerichte würden von einer – zumeist ohnehin nur durch die Zurverfügungstellung von Formblättern erfüllte – Aufgabe entlastet.195 Diese Begründung hat dann zu einer empörten Stellungnahme des Bundes Deutscher Rechtspfleger geführt. Bei dem Formular handele es sich nur um einen Vordruck zur Bezeichnung des Nachlasses, der der Kostenberechnung dient.196 Im November 2003 hat die JuMiKo die Bundesministerin der Justiz gebeten, gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, welche Aufgaben der Zivil190 191 192

ZB Bund Deutscher Rechtspfleger; RpflBl 2005, 7 u 21. Heribert Prantl Süddeutsche Zeitung v 8.9. 2004. RpflBl 2005, 51.

193 194 195 196

Frohn Rpfleger 1993, 265, 267. BTDrs 13/6398. BTDrs 14/163. Schreiben vom 31.5.1999 an den Vorsitzenden des RAussch des BT Dr. Rupert Scholz.

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gerichte – insbesondere im Bereich der FG – mit dem Ziel einer Effektivierung des Verfahrens und der Entlastung der Justiz auf Notare übertragen werden können. Eine BundLänder-Arbeitsgruppe, der auch Vertreter der BNotK angehören, prüft derzeit die Übertragung von Aufgaben.197 Im Frühjahr 2005 wurde dann ein Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgelegt. Darin wird als umfassendste Lösung die Übertragung sämtlicher nachlassgerichtlicher Aufgaben auf die Notare vorgeschlagen.198 Der Bund Deutscher Rechtspfleger hielt dagegen die Übertragung auf Notare weder für geboten noch sachlich begründet, erachtete es jedoch für prüfenswert, einige nachlassgerichtliche Tätigkeiten auf die Notare zu übertragen.199 Auf der Herbstkonferenz der JuMiKo vom 17.11.2005 in Berlin wurde der Abschluss636 bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Aufgabenübertragung auf Notare“ von der JuMiKo zur Kenntnis genommen. Während im familiengerichtlichen Verfahren keine Aufgaben übertragen werden sollten, sprachen sich die Justizminister für eine Aufgabenübertragung auf Notare in folgenden Bereichen aus: Die Notare sollten im Sinne einer Übertragung zusammenhängender Aufgaben im Nachlasswesen Nachlassgericht erster Instanz seien. Dabei soll den unterschiedlichen Gegebenheiten in den Ländern durch eine Öffnungsklausel Rechnung getragen werden. Als Einstieg in eine zentrale Testamentskartei soll die Bundesnotarkammer die Hauptkartei für Testamente übernehmen. Die Notare sollen künftig allein für die Aufnahme von Nachlassverzeichnissen und für Nachlassauseinandersetzungen nach §§ 86 ff FGG zuständig sein. Die Notare sollen im Bereich des Registerrechts notarielle Vollmachtsbescheinigungen als Eintragungsgrundlage erstellen, neben dem Grundbuchamt Grundbucheinsicht gewähren und Grundbuchausdrucke erstellen. Sie sollen über die Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden entscheiden und allein befugt sein, Scheck und Wechselproteste aufzunehmen. Die JuMiKo beauftragte sodann die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Aufgabenübertragung auf Notare“, ihre Arbeit fortzusetzen und ein Konzept für die Realisierung der genannten Aufgabenübertragung zu erstellen. Widerspruch dagegen gab es aus der Praxis insbesondere aus verfassungsrechtlicher Sicht aber auch unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile. Rechtlich möglich sei nur die Übertragung der Aufnahme von Nachlassverzeichnissen, der Nachlassauseinandersetzung und die Ausgliederung der Hauptkartei für Testamente.200 Die Jahreskonferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der OLG, des KG, des BayObLG und des BGH hat am 14.12.2005 gegen diese Absichten erhebliche Vorbehalte angemeldet. Mit der Aufgabenübertragung auf die Notare würde nicht nur ein Verlust an Zuständigkeit für die Gerichte sondern vor allem einen Verlust an Bürgernähe verbunden sein. Während für die Gerichte die kostendeckenden Einnahmen entfielen, würden die Kosten für den Bürger wegen der Umsatzsteuerpflicht der Notare steigen. Außerdem würde es nicht dem hergebrachten Bild des Notars als neutraler Beurkundungsperson entsprechen, wenn er künftig auch Streitfälle zu entscheiden hätte. Die Präsidenten erwarten sogar, dass es wegen des Wegfalls der streitvermeidenden und streitschlichtenden Funktion der Nachlassgerichte zu einer Zunahme von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung der Notare kommen werde. Sie wenden sich auch wegen der zu erwartenden Rechtszersplitterung gegen eine Länderöffnungsklausel.201 Der E 2006 berücksichtigt den Beschluss der JuMiKo vom 17.11.2005 freilich noch nicht. 197 198

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Beschluss der Herbstkonferenz 2003 der JuMiKo. Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Aufgabenübertragung auf Notare“ S III. RpflBl 2005, 36.

200 201

Frohn Rpfleger 2006, 178. Im Internet unter OLG Braunschweig Aktuelle Pressemitteilungen Entschließung v 14.12.2005 zum Download eingestellt (18.7.2006).

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3. Handelsregister Seit langem wird die Einrichtung eines zentralen Handelsregisters in Deutschland 637 unter Hinweis auf ähnliche Einrichtungen in vielen europäischen Ländern gefordert.202 Dem wird jetzt Rechnung getragen mit dem Bundestagsbeschluss vom 29.9.2006 eines Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (E-HUG).203 Der Deutsche Industrie und Handelstag hat Ende 1990 dem BMJ Vorschläge zur Vereinfachung des geltenden Handels- und Handelsregisterrechts unterbreitet, weil das Registerverfahren wegen seiner zu langen Verfahrensdauer und wegen des Umfangs der Prüfung durch das Registergericht, insbesondere Hinblick auf die strengen firmenrechtlichen Vorschriften des HGB und die Gründungsvorschriften für Kapitalgesellschaften, nicht den praktischen Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechen. Hieraus ergäben sich Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen im europäischen Binnenmarkt gegenüber Konkurrenten aus anderen EG-Mitgliedstaaten. Der DIHT regte an, die Führung der Handelsregister von den AG auf die IHK zu übertragen.204 Daraufhin hat die 63. JuMiKo v 18. bis 21.5.1992 in Hannover beschlossen, das BMJ zu bitten, alsbald eine Arbeitsgruppe unter seiner Federführung einzusetzen. Die Arbeitsgruppe hat der 65. JuMiKo vom 3. bis 5.5.1994 einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem Empfehlungen zur Modernisierung des Kaufmannsbegriffs, des Firmenrechts und zur Vereinfachung des Registerverfahrens niedergelegt worden. Im weiteren Verlauf wurde dann ein Gesetzentwurf mit einer Öffnungsklausel vorgelegt. Danach sollte es den Ländern überlassen bleiben, ob sie die Führung des Handelsregisters auf andere Stellen übertragen wollten. Da die Vorlage wegen der im Jahre 2005 erfolgten vorzeitigen Auflösung des BT der Diskontinuität anheim gefallen ist, hat das Land Hamburg den „Entwurf eines Gesetzes zur Führung des Handelsregisters, des Genossenschaftsregisters, des Partnerschaftsregisters und des Vereinsregisters durch von den Ländern bestimmte Stellen (Register-Führungsgesetz RFüG)“205 im BR erneut zur Beschlussfassung eingebracht. Der BR hat sich gegen die Stimmen Bayerns für die Einbringung des Gesetzes am 21.12. 2005 entschieden. Die BReg hat ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf ihre ablehnende Haltung bekräftigt. Die Öffnungsklausel würde zu einer unüberschaubaren Rechtszersplitterung in Deutschland führen.206 Die Präsidentinnen und Präsidenten der OLG, des KG, des BayObLG und des BGH haben auf ihrer Jahrestagung am 14. Dezember 2005 zur beabsichtigten Auslagerung des Handelsregisters die Meinung vertreten, dass es sich nach der weitgehenden Umstellung auf das elektronische Handelsregister unter Einsatz erheblicher Mittel um einen Rückschritt handeln würde. Die Länderöffnungsklausel würde auch zu unvertretbarer Rechtszersplitterung führen. Eine Übertragung der Aufgaben an die IHK sei auch deshalb nicht zweckmäßig, weil diese öffentlichen Körperschaften weder neutral noch unabhängig seien. Auch eine Einbeziehung der Kammern als „obligatorische Anlauf- und Vorprüfungsstelle“ werde eher zu einer Komplizierung als zu einer Entlastung führen (s Rn 634, 636).

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Gustavus GmbHR 1987, 253. Nachzulesen unter BRDrs 942/05, vgl Fn 183. Dazu kritisch Gustavus BlnAnwBl 1992, 149.

205 206

BRDrs 865/05. BTDrs 16/515 Anl 2.

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4. Grundbuch

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Das Grundbuchverfahrensrecht, das in den ersten 93 Jahren seiner Geltung nur elfmal geändert wurde, ist dringend reformbedürftig.207 Aber selbst die von der Kommission für Datenverarbeitung der JuMiKo am 9.6.1971 gegründete Arbeitsgruppe für einen Soll-Konzept für eine Automatisierung des Grundbuchwesens ging davon aus, dass das Grundbuchrecht möglichst wenig verändert werden soll.208 Das Projekt ist dann am Bay Rechnungshof gescheitert. Aber auch mit dem RegVBG wurde die Gelegenheit zur Grundbuch-Reform verpasst,209 weil die damalige Bundesjustizministerin mit diesem Gesetz „vor allem der Einführung der EDV im Grundbuchbereich ermöglichen“ wollte.210 „Schlanker Staat“, „Strukturanalyse der Justiz“, „Privatisierung von Aufgaben der Gerichte“ sind seit vielen Jahren die bekannten Schlagworte.211 So wurde bereits 1996 von einem früheren Berliner Justizsenator in Erwägung gezogen, die Grundbuchführung den Notaren, zu übertragen.212 Die Regierung des Landes Hessen hat im Rahmen des Projektes Verwaltungsreform und Informatik ein Gesetzgebungsverfahren zur Einrichtung einer Bodenmanagementbehörde eingeleitet. Damit soll die Möglichkeit einer Zusammenführung von Grundbuchamt und Katasteramt in ein einheitliches Bodenmanagement bewirkt werden. Die hierdurch erwarteten Synergien sollen dazu führen, dass zum Vorteil des Wirtschaftsstandorts eine einheitliche Beratung und Bedienung der Grundstückseigentümer und Investoren angeboten werden kann. Im Interesse der Qualitätssicherung und in der Einheitlichkeit des Grundbuchrechts und Grundbuchverfahrens sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich das Grundbuchverfahren vor der Bodenmanagementbehörde weiterhin in entsprechender Anwendung nach dem Verfahrensregeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit richtet. Dabei sollte der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten auch für den Fall bestehen bleiben, dass das Grundbuch künftig von der durch Landesrecht bestimmten Stelle geführt wird. Der E eines G zur Änderung der Grundbuchordnung und anderer Gesetze sieht in 639 Art 1 vor, dass die Grundbücher, von den Amtsgerichten (Grundbuchämter) oder durch eine durch Landesrecht bestimmten Stelle (Bodenmanagementbehörde) geführt werden.213 Da neben den Rechtspflegern auch andere Bedienstete für die Führung des Grundbuchs in der Bodenmanagementbehörde zuständig sein sollen, drängt sich der Verdacht auf, die Zusammenlegung von Grundbuch und Kataster diene lediglich der Unterbringung überzähligen Vermessungspersonals.214 Die BReg hat dagegen erhebliche grundbuchrechtliche Bedenken vorgetragen. Die behaupteten Synergieneffekte seien sehr fraglich, da eine Zusammenlegung von Grundbuch und Kataster nicht zu einer Entlastung sondern nur auf Grund der unterschiedlich wahrzunehmenden Aufgaben zur Verlagerung der praktisch gleich bleibenden Arbeiten auf eine neue Behörde führen würde. Die völlig unterschiedliche Ausrichtung der Grundbuchführung und der Katasterführung habe in der ehemaligen DDR dazu geführt, dass die Zusammenlegung von Grundbuchamt und Kataster gescheitert sei. Sowohl der Qualitätsstandard des Grundbuchs als auch der des Katasters hätten bei der einheitlichen

207 208

209 210

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von Schuckmann RpflStud 1997, 99. Soll-Konzept für eine Automatisierung des Grundbuchwesens, Mainz/München, 1973, Bd 1 S 4. von Schuckmann RpflStud 1997, 97. Recht Nr 41/93 v 10.11.1993.

211 212 213 214

von Schuckmann RpflStud 1997, 97. Ders RpflStud 1997, 97 Fn 1. BTDrs 15/3148 S 6. Vgl auch Krisch Fuldaer Zeitung v 18.4. 2006.

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Führung durch die Liegenschaftsdienste nicht gehalten werden können. Eine einheitliche Beratung und Bedienung der Grundstückseigentümer und Investoren sei bereits jetzt möglich. Standorte der Grundbuch- und Katasterämter könnten gebündelt und etwa in einem Gebäude neu geordnet werden. Die Zuordnung eines Grundbuchs oder sonstigen Registers einerseits zum Gericht oder andererseits einer Verwaltungsbehörde hängt in hohem Maße von der im jeweiligen Staat geforderten Qualität der Grundbücher ab. So weit es sich – wie in vielen ausländischen Staaten – um bloße Urkundenregistrierungssysteme mit allenfalls formaler behördlicher Prüfung handelt, kann die Führung des Registers auch Verwaltungsorganen übertragen werden. Beim Grundbuch nach deutschem Recht ist dies aus folgenden Gründen nicht der Fall: nach deutschem Immobiliarsachenrecht kommt der Eintragung im Grundbuch eine konstitutive Wirkung zu. Es bestehe ein umfassender Gutglaubensschutz. Diese Richtigkeitsgewähr finde ihre Grundlage in der Zuverlässigkeit des deutschen Grundbuchwesens. Die Entscheidung des Rechtspflegers als unabhängigem Organ der Rechtspflege komme dabei besondere Bedeutung zu. Durch seine fundierten Kenntnisse im Bereich des Sachenrechts und in anderen für das Grundbuch relevanten Rechtsgebieten, etwa im Erbrecht, können Fehlentscheidungen vermieden werden, die mit Rechtswirkungen verbunden sein können.215 Zu beachten ist weiterhin, dass die neue Verwaltungsbehörde für das Vermessungswesen zuständig sein soll und damit mögliche Interessenkonflikte zwischen Katasterwesen und Grundbuchrechtswesen innerhalb der Verwaltungsbehörde zu lösen wären.216 Auch die BNotK spricht sich entschieden gegen eine Zusammenlegung von Kataster 640 und Grundbuch aus. Das heutige System des deutschen Grundbuchs, das Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, habe sich bewährt. Dies sei nicht zuletzt auf die fundierten Rechtskenntnisse der insoweit vornehmlich zuständigen Rechtspfleger zurückzuführen, deren Ausbildung gerade auf die spezifischen Bedürfnisse des Grundstücksverkehrs ausgerichtet sei. Sie leisteten damit auch einen maßgebenden Beitrag dazu, dass das deutsche Grundbuchsystem nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene eine herausragende Rolle einnehme. Dieser hohe Standard müsse deshalb nicht nur im Interesse einer funktionierenden Wirtschaft, die gerade auch auf Investitionen im Grundstücksbereich angewiesen sei, aufrecht erhalten bleiben. Vielmehr könne Deutschland seine Vorreiterrolle auf europäischer Ebene nur dann behaupten, wenn es geschlossen diese zahlreichen Vorzüge seines Systems darbieten könne. Dem widerspräche es indes, wenn Überlegungen angestellt werden, das der Justizverwaltung unterstehende Grundbuchamt künftig den Katasterämter zu überantworten. Dies würde nämlich bedeuten, das auf rechtlicher Ebene allein maßgebende Grundbuchamt der Führung eines technischen Hilfsregisters, wie es das Liegenschaftskataster darstellt, zu unterstellen. Das Liegenschaftskataster diene allein als technisches Verzeichnis der Grundstücke. Für den Rechtsverkehr sei demgegenüber ausschließlich das Grundbuch ausschlaggebend. So auch der Deutsche Richterbund.217 Die Führung des Katasters hingegen sei Teil der Innenverwaltung und damit originär dem Verwaltungsrecht zugeordnet. Ein Großteil seiner Aufgaben bewege sich insoweit im ingenieurwissenschaftlichen Bereichen, wie die Vermessung und anschließende Registrierung. Die Klärung rechtlicher Sachfragen sei den Katasterämtern fremd. Gerade das Auseinanderfallen der Tätigkeitsbereiche von Grundbuchamt und Liegenschaftsver-

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BTDrs 15/3148 S 8. BTDrs 15/3148 S 8f.

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Arenhövel Fuldaer Zeitung v 18.4.2006.

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waltung führe denn auch dazu, dass ein relevantes Einsparungspotential (im Entwurf als „zu erwartende Synergien“ bezeichnet), das sich aus der angedachten Aufgabenverlagerung ergeben soll, nicht ersichtlich sei. Ältere Bestrebungen in Richtung einer Zusammenlegung seien deshalb wieder fallengelassen worden und stattdessen die EDV-gestützte Vernetzung zwischen Grundbuch, Katasterämtern und sonstigen Stellen, etwa auch den Notaren, nachhaltig verfolgt worden.218 Die Projektgruppe „Bodenmanagementbehörde“ hat in einem Entwurf für eine Rahmenorganisation eine besondere Grundbuchabteilung vorgesehen. Am 8. Juni 2004 wurde aber bereits beschlossen, die Projektgruppe aufzulösen, wenn der BT die Zusammenführung von Grundbuch und Kataster ablehnt. Mit der Ablehnung wird allgemein gerechnet. Das Land Hessen hat den Gesetzentwurf nach der Bundestagswahl 2005 am 21.12. 2005 erneut in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Die Länderkammer hat dazu einen Gesetzentwurf (16/510) vorgelegt. Die BReg äußerte sich ablehnend zu dem E. Sollten von Seiten der Länder konkrete Synergieeffekte nachgewiesen werden, die nicht anders als durch eine Zusammenlegung von Grundbuch- und Katasterämtern erreicht werden können, werde die Regierung erneut in einer Prüfung der vorgeschlagenen Öffnungsklauseln eintreten.219 Baden-Württemberg beabsichtigt sogar, die Führung der Grundbücher den Bezirksnotaren zu entziehen und den AG zu übertragen. Bayern hat zwar gegen derartige Öffnungsklauseln auf Grund allgemeiner Föderalismusgesichtspunkte grundsätzlich nichts einzuwenden, wird aber aller Voraussicht nach von der im Gesetzentwurf vorgesehenen Öffnungsklausel keinen Gebrauch machen.220 Schließlich haben sich auch die Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte auf ihrer Jahrestagung 2005 gegen die Pläne der hessischen Landesregierung ausgesprochen (vgl Rn 634, 636). Unter dem Thema „Entlastung der Grundbuchämter durch Notare“ hat die BNotK 641 1998 vorgeschlagen, dort, wo mit der Einführung des EDV-Grundbuchs die technischen Voraussetzungen dafür gegeben sind, die Gewährung von Einsicht in die Grundbücher allgemein oder zumindest auch den Notaren zu übertragen.221 Die Landesjustizverwaltungen und verschiedene Verbände haben dem Vorschlag mit der Begründung widersprochen, eine nennenswerte Entlastung werde nicht eintreten, weil in den meisten Fällen nicht nur eine Einsicht in das Grundbuch sondern auch in die Grundakten gewünscht werde, um Urkunden, Skizzen und sonstige Eintragungsunterlagen zu prüfen. Das BMJ hat den Vorschlag deshalb 1999 nicht weiterverfolgt.222 Die Justizminister haben sich 2005 aber dann doch dafür ausgesprochen, dass die Notare neben dem Grundbuchamt Grundbucheinsicht gewähren und Grundbuchausdrucke erstellen sollen.223

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Stellungnahme der Bundesnotarkammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Grundbuchordnung und anderer Gesetze (BTDrs 184/04), Stand 15.3.2004 im Internet: www.bnotk.de/ Bundesnotarkammer/Stellungnahmen_ Positionspapier/Grundbuchfuehrung_ Katasteramt.html. Heute im Bundestag – Pressedienst des Deutschen Bundestages Nr 035 vom 8.2.2006 = http://dip.bundestag.de/16/005/1600510.pdf.

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Schreiben der Bay Staatskanzlei vom 29.12. 2005 – Az: B III 1 – 322 – 3 – 17. Schreiben der Bundesnotarkammer an das Bundesjustizministerium vom 2.3.1998. Schreiben des BMJ an die Bundesnotarkammer vom 29.1.1999. Beschluss der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 17.11. 2005 in Berlin.

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XII. Verlagerung von Aufgaben der Richter/Staatsanwälte auf den Rechtspfleger

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XI. Aufhebung des BayObLG Auf Antrag der Bayerischen Staatsregierung hat der Landtag beschlossen, das 642 BayObLG zum 1.7.2006 aufzulösen.224 Da die Aufgaben des BayObLG auf die drei in Bay bestehenden Oberlandesgerichte verteilt wurden, ist ein nennenswerter Spareffekt bezweifelt wurden.225 Durch § 2 Nr 4 BayObLGAuflG wurde jedoch ein neuer Artikel 11a BayAGGVG geschaffen. Darin wurde die Zuständigkeit für die Entscheidung über die weiteren Beschwerden in Grundbuchsachen und in den anderen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich der Kostensachen, die der Kostenordnung unterliegen, dem OLG München auch für die Bezirke der OLG Nürnberg und Bamberg übertragen. Diese Konzentration beruht auf § 199 FGG (s dort Rn 12 ff). Vgl auch die Regelung in RhPf für das OLG Zweibrücken als zuständiges OLG auch für den Bezirk des OLG Koblenz.226

XII. Verlagerung von Aufgaben der Richter/Staatsanwälte auf den Rechtspfleger Bereits seit 1985 fordert der Bund Deutscher Rechtspfleger eine weitere Verlagerung 643 von richterlichen Aufgaben auf den Rechtspfleger vor allem in den Bereichen Vormundschafts-, Nachlass-, Handels- und Registersachen.227 Zur Begründung wurde angeführt, dass der verbesserten Ausbildung durch Abbau von Übertragungsvorbehalten Rechnung getragen werden müsse. Außerdem solle durch Abbau von Doppelzuständigkeiten eine effizientere Gestaltung der Sachbehandlung ermöglicht werden. In der Diskussion um die Strukturelle Binnenreform der Justiz wurde vom Deutschen 644 Richterbund 1998 die Erteilung und Einziehung von Erbscheinen bei Vorliegen letztwilliger Verfügungen durch den Rechtspfleger abgelehnt, weil die Maßnahmen teilweise streitentscheidende Wirkung hätten und diese dem Richter vorbehalten bleiben sollten. Ebenso wurde eine vollständige Verlagerung der Handelsregistersachen auf den Rechtspfleger abgelehnt, solange mit den Eintragungen weitreichende materiellrechtliche Wirkungen verbunden seien. Dagegen wurde vorgeschlagen, die Tätigkeiten aus § 17 Nr 1 RPflG (Handelsregister B) fast vollständig auf den Rechtspfleger zu übertragen. Lediglich die Löschung nichtiger Gesellschaften nach § 144 FGG sollte beim Richter verbleiben, weil in diesen Fällen eine umfangreiche – dem Klageverfahren entnommene – materiellrechtliche Prüfung erforderlich sei. Von den über 50 Einzelgeschäften, die nach § 17 Nr 2a RPflG dem Richter vorbehalten sind, könnten alle Aufgaben auf den Rechtspfleger übertragen werden, bei denen objektive Tatsachen festzustellen seien und keine Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe (zB wichtiger Grund, Zweckmäßigkeit, Pflichtwidrigkeit) erforderlich seien. Außerdem sei die Übertragung auf den Rechtspfleger bei allen Aufgaben sachgerecht, bei denen der Auslagenersatz oder228 die Tätigkeitsvergütung (etwa für Abschlussprüfer, Sonderprüfer oder den besonderen Vertreter) festzusetzen seien.

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Gesetz zur Auflösung des bayerischen Obersten Landesgerichts und der Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht (Gerichtsauflösungsgesetz – BayObLGAuflG) v 25.10. 2004 (GVBl S 400), in Kraft getreten am 1.1.2005 (§ 10 Abs 1 S 1 BayObLGAuflG). Böhringer/Hintzen Rpfleger 2004, 189.

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Lorbacher Rpfleger 2006, 119; s im Übrigen Anm zu § 189. Entwurf zur Änderung des Rechtspflegergesetzes, 1985; Leipziger Programm 1997. Deutscher Richterbund, Diskussionspapier „Strukturelle Binnenreform der Justiz“ (1998) S 7 ff.

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Das Forschungsprojekt Nachlasssachen der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen kam im Jahr 2000 zu dem Ergebnis, dass die Vorbehalte in § 16 Abs 1 Nr 2, 6, 7 und 8 RPflG wegfallen könnten. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Restrisiko bezüglich der streitförmigen Erteilungs- und Einziehungsverfahren wurde dazu alternativ vorgeschlagen § 16 Abs 1 Nr 2 RPflG aufzuheben und § 16 Abs 1 Nr 6 RPflG neu zu fassen: „die Erteilung von Erbscheinen (§ 2353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), von Zeugnissen nach den §§ 36, 37 der GBO oder den §§ 42, 74 der SchiffsRegO sowie von Testamentsvollstreckerzeugnissen (§ 2068 BGB), wenn ein Beteiligter Einwendungen gegen die Erteilung erhebt“. Ebenso sollte § 16 Abs 1 Nr 7 RPflG wie folgt gefasst werden: „… die Einziehung von Erbscheinen (§ 2061 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), von Zeugnissen nach den §§ 36, 37 der Grundbuchordnung oder den §§ 42, 74 der Schiffsregister sowie von Testamentsvollstreckerzeugnissen (§ 2368 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und von Zeugnissen über die Fortsetzung einer Gütergemeinschaft (§ 1507 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), wenn ein Beteiligter der Einziehung widerspricht.“ Ferner sollten § 16 Abs 1 Nr 8 RPflG und § 16 Abs 2 RPflG aufgehoben werden. Der Entlastungseffekt für die Nachlassrichter sei signifikant: für mehr als 97 Prozent aller bisher dem Richter vorbehaltenen Verfahren werde nach den Ergebnissen der Untersuchung und dem Reformvorschlag ein Wegfall richterlicher Zuständigkeit zu erwarten sein.229 Veranlasst durch die Initiative des BDR von 1985 hat die 56. JuMiKo 1985 das BMJ 646 gebeten, die Übertragung weiterer Aufgaben ua im Bereich des Nachlass- und Handelsregisterrechts auf den Rechtspfleger unter Beteiligung der Landesjustizverwaltungen zu prüfen. Die 67. JuMiKo 1996 beschloss, dass über die Übertragung neuer Aufgaben im Nachlass- und Handelsregisterbereich zum damaligen Zeitpunkt insbesondere wegen der noch ungewissen personellen Auswirkungen der Reform des Insolvenzrechts nicht sinnvoll entschieden werden könne. Das BMJ wurde aber gebeten, die Vorschläge des BDR zur Verbesserung der Rechtsstellung des Rechtspflegers jedenfalls in Teilbereichen zusammen mit den Landesjustizverwaltungen weiter zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen. Dieses ist durch das Dritte Gesetz zur Änderung das Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze230 geschehen. Danach hat die Herbstkonferenz der JuMiKo 2001 zur Kenntnis genommen, dass das BMJ im Rahmen der zweiten Stufe der strukturellen Binnenreform der Justiz die Möglichkeit weiterer Aufgabenübertragungen vom Richter auf den Rechtspfleger prüft. Die Umsetzung soll im Rahmen der geplanten FGG-Reform vorgesehen werden. Die Landesjustizverwaltungen wurden am 24.9.2001 gebeten, zu möglichen Aufgabenverlagerungen Stellung zu nehmen. Die Ergebnisse der Umfrage wurden im Mai 2002 vom BMJ in einem Diskussionspapier zusammengefasst.231 Nach dem Inkrafttreten des FamFG soll aber die bisherige Aufgabenverteilung zwischen Richter und Rechtspfleger im Bereich der Vormundschaftsund Familiensachen232 sowie der Registersachen und unternehmensrechtlichen Verfahren unverändert bleiben.233 Infolge der Ausweitung der internationalen Zuständigkeit in Nachlasssachen, insbesondere hinsichtlich der Erteilung nunmehr unbeschränkter Fremdrechtserbscheine, wurde der Richtervorbehalt folglich auf alle Fälle der Anwendung aus-

229

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Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen, Schlussbericht zum Forschungsprojekt Nachlasssachen „Untersuchungen zur Aufgabenverteilung zwischen Richter und Rechtspfleger in Nachlasssachen – Sind die Richtervorbehalte begründet?“, Dez. 2000, S 60.

230 231

232 233

Vom 6.8.1998 (BGBl S 2030). BMJ, Zur Übertragung weiterer richterlicher Aufgaben auf dem Rechtspfleger – Diskussionspapier –, 3. Mai 2002 – RA – 3012/11 R1 644/2001. RefE FamFG S 675. RefE FamFG S 677.

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ländischen Rechts erstreckt.234 Zu inzwischen erfolgter Änderung in Registersachen s Vorbem §§ 125–158 Rn 13. Bei der Diskussion um die Reform der Binnenstruktur der Justiz fällt auf, dass die 647 Frage der Besetzung des Beschwerdegerichts, wenn es um Entscheidungen des Rechtspflegers gilt, nicht gestellt wird. Der damalige Präsident des BAG hat 1984 die Frage aufgeworfen, ob es nicht zweckmäßig sei, Rechtspfleger in der Beschwerdeinstanz mitentscheiden zu lassen, wenn es um eine Entscheidung eines Rechtspflegers geht.235 Er dachte dabei an die Erfahrungen in der Kammer für Handelssachen, Baulandkammer, Strafkammer, den Gerichten in Landwirtschaftssachen, dem Flurbereinigungsgericht, BPatG, den Disziplinargerichten, den Berufsgerichten, Personalvertretungskammern, den Arbeitsund Sozialgerichten sowie den Verwaltungsgerichten, in deren kollegialen Spruchkörpern neben den Berufsrichtern andere Personen als Richter mit und ohne Befähigung zum Richteramt mitwirken. Es gäbe auch keinerlei Bedenken aus verfassungsrechtlicher Sicht, wenn ein Berufsrichter den Vorsitz führt.236

XIII. Reformen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit in Europa 1. Freiwillige Gerichtsbarkeit als Ausübung hoheitlicher Gewalt Die Bestimmungen des Europarechts über die Gewährleistung der Grundfreiheiten 648 des Binnenmarktes und ihre zulassigen Beschränkungen werfen die Frage nach der Rechtsnatur der FG auf. Anders gelagert ist die Kontroverse zwischen der EG-Kommission und der deutschen BReg und anderen Regierungen um die Vereinbarkeit der Ausgestaltung des lateinischen Notariats als hoheitliche Tätigkeit mit den Bestimmungen des EG-Vertrages von Nizza vom 26.2.2001 über die Freizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit.237 Die Bestimmungen des EG-Vertrags zur Niederlassungsfreiheit (Art 45 EGV) und zur Dienstleistungsfreiheit (Art 55 EGV) finden keine Anwendung auf Tätigkeiten, die dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Ob die Aufgaben des Notariats hoheitlicher Natur sind, hängt mit der Frage nach der Rechtsnatur der FG zusammen. Zwischen den Aufgaben und Tätigkeiten der Gerichte und denen der Notare besteht ein enger Zusammenhang. Die Zuordnung bestimmter Aufgaben zur FG durch den deutschen Gesetzgeber wird von der EG-Kommission nicht als europarechtlich bindend angesehen. Die EG-Kommission unterscheidet nämlich nur zwischen streitiger Gerichtsbarkeit und nicht mit staatlicher Gewalt versehener Schiedsgerichtsbarkeit. Sie vergleicht die Tätigkeit der Notare mit denen der Schiedsgerichtsbarkeit.238 Nach Habscheid ändert die Übertragung der hoheitlichen Beurkundungsgewalt des Staates außer auf Behörden auch auf besondere Amtsträger nichts an der engen funktionalen Verknüpfung dieser Urkunden mit Verfahren der FG.239 Als Vergleichsmaßstab zur Beurteilung der Frage, ob Beurkundungen sowie die FG insgesamt eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen, zieht die EGKommission die richterliche Tätigkeit als Vergleichsmaßstab heran.240 Der Gesetzgeber kann bestimmte Angelegenheiten aus Gründen der Zweckmäßigkeit zu einfacheren schnelleren Erledigung aus dem Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit herausnehmen 234 235 236 237

RefE FamFG S 676. Kissel Rpfleger 1984, 445 (452). Kissel Rpfleger 1984, 445 (452); Kissel/ Mayer GVG – Kommentar, Einl Rn 148. BGBl II 2001 S 1667.

238 239 240

Ott notar 2003, 159, 162. Habscheid S 20. Schreiben der EG-Kommission vom 16.07. 2002, SG (2002) D/220099 sowie vom 8.11. 2000, SG (2000) D/108215.

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und besonderen Verfahren zuweisen, die unter der Bezeichnung FG zusammengefasst werden.241 Nach Ansicht der BReg zu Art 45 Abs 1 EGV steht den Mitgliedstaaten die Befugnis zu, durch eigene souveräner Entscheidung Tätigkeiten in ihrem Staatsgebiet mit der Ausübung öffentlicher Gewalt zu verbinden.242 Die EG-Kommission vertritt dagegen die Ansicht, dass der Begriff der öffentlichen Gewalt ein Gemeinschaftsbegriff sei, der vom EuGH auszulegen sei.243 Es ist unzweifelhaft, dass die Tätigkeit der Richter und Rpfleger in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit insgesamt hoheitlicher Art ist.244 Sieht man die Tätigkeit des Notars im Zusammenhang mit den Wirkungen, die notarielle Beurkundungen in weiteren Verfahren der streitigen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit haben, ergibt sich die Verbindung der notariellen Beurkundung mit der Ausübung öffentlicher Gewalt.245 Auch die Führung öffentlicher Register (Grundbuch, Handelsregister) gehört zu den den Gerichten im Rahmen der FG übertragenen Angelegenheiten. Es handelt sich um richterliche Tätigkeiten, weil sie nur an Gesetz und Recht gebunden sind und keinen Weisungen unterliegen.246 Dem Grundbuch kommt öffentlicher Glaube (§ 892 BGB) und Beweiswert (§ 891 BGB) zu, die Eintragungen begründen potenziellen Eingriff zu Lasten des Rechtsinhabers, dessen Recht aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist. Für das Handelsregister gilt es ähnlich. Die Eintragung in das Handelsregister nicht erforderlich, um eine Rechtswirkung herbeizuführen. „In Fällen der positiven wie der negativen Publizität des Handelsregisters führen unrichtige Bekanntmachungen einzutragender Tatsachen zu Eingriffen in die Rechtsstellung des Betroffenen, wenn Rechtsgeschäfte ihm gegenüber unwirksam wären, durch den Rechtsschein des Handelsregisters aber gedeckt sind und dadurch wirksam werden.“247 2. Frankreich

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In Frankreich gibt es anders als beim deutschen FGG kein einheitliches Gesetz über nichtstreitige Verfahren. Die französische màtiere gracieuse ist nur ein Sammelbegriff für besondere Verfahrensarten im 1976 in Kraft getretenen Nouveau Code de procédure civile.248 Es muss stets eine auf jedes Gebiet bezogene Verfahrensabgrenzung vorgenommen werden. Nach Meinung Habscheids sind nicht nur diese Unterschiede wichtig und interessant sonder auch für eine Reform der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sei es unerlässlich, die Regelung anderer Rechtsordnungen insbesondere das französische Recht in die Überlegungen einzubeziehen.249 Da in der französischen Lehre eine Beschreibung nach Rechtsgebieten unüblich ist, werden Gruppen von Verrichtungen nach Zweck und Ziel der richterlichen Entscheidungen bzw Tätigkeiten gebildet, die den engeren Bereich der matière gracieuse ausmachen:250 1. Mitwirkung des Richters beim Zustandekommen oder Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts.251 2. Ermächtigungen zur Ausübung von Rechten und sonstige Schutzmaßnahmen.252 241 242

243 244 245

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Rosenberg/Schwab/Gottwald § 11 II; Ott notar 2003, 165. Ott notar 2003, 165 unter Hinweis auf die Mitteilung der Bundesregierung vom 20.3. 2001. Schreiben der Europäischen Kommission vom 8.11.2000, SG (2000) D/108215. Ott notar 2003, 168. Ott ebd S 168 unter Bezug auf die Mitteilung der Bundesregierung vom 31.10.2002.

246 247 248 249 250 251 252

Ott ebd S 168. Ott ebd S 169. Martiny S 33. Habscheid ZZP 91, 268. Martiny S 33. Martiny S 34. Martiny S 35.

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3. Entscheidungen, die Richtigkeit oder Echtheit verschiedener Umstände oder Akte feststellen bzw überprüfen.253 4. Interne Maßnahmen und Entscheidungen im Laufe streitiger Verfahren.254 Die Bereiche decken sich mithin nur teilweise mit denen der FG.255 Wie in Deutschland ist auch in Frankreich die Frage der Rechtsnatur der matiere gracieuse umstritten. Die hM sieht sie als Verwaltungsangelegenheiten und nicht als Rechtsprechung an.256 Die Gegenmeinung hat aber durch die Integration der procédure en martiére gracieuse in den neuen Code de procédure civile (nCPC) erheblichen Auftrieb erhalten.257 Die für die Praxis der Gerichte bedeutsame Frage der Abgrenzungskriterien für die Beurteilung eines Verfahrens als „streitig“ oder „nicht streitig“ hat in Art 25 nCPC zwar eine Legaldefinition erfahren, ist aber unzureichend, weil sie den Theorienstreit nicht beendet hat.258 Wichtige Bereiche, die nach deutschem Recht zur FG gehören, werden in Frankreich nicht zu den matiéres gracieuses gerechnet: Handelsregistersachen (obwohl das Register beim Gericht geführt wird), Grundbuchsachen und das Beurkundungsverfahren.259 Mangels eindeutiger Zuständigkeitsregelung kommt es zu Zersplitterung und Überschneidungen.260 Das französische Recht kennt anders als das deutsche Recht nur formell Beteiligte.261 Wichtige Ausnahmen sind die verfahrensmäßige Beteiligung der Staatsanwaltschaft und des Dritt-Intervenienten262. Der Staatsanwaltschaft stehen weitgehende Einwirkungsmöglichkeiten zu. Dadurch wird die sonst geringe Rolle der Amtsermittlung ausgeglichen.263 Bei der Verfahrensleitung steht dem Gericht weitgehendes Ermessen zu, das nur durch die enquête sociale eingeschränkt wird.264 Es gibt deshalb auch keine zwingende (nichtöffentliche) mündliche Verhandlung. Der Gerichtsentscheidung kommt nach überwiegender Meinung keine materielle Rechtskraft zu.265 Eine nachträgliche Abänderung der Entscheidung wegen veränderter Verhältnisse ist auch im französischen Recht zulässig.266 Eine Besonderheit ist in Elsass-Lothringen festzustellen. In Elsass-Lothringen wurde während der Zugehörigkeit zum Deutschen Reich das deutsche Grundbuchsystem eingeführt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Elsass-Lothringen in den französischen Staatsverband als Departement Bas-Rhin, Haut-Rhin und Moselle eingegliedert und die französische Zivilgesetzgebung eingeführt. Die deutschen Grundbücher blieben aber im wesentlichen erhalten. Die Grundbucheintragung hatte nicht mehr konstitutive Wirkung sondern nur noch die Kraft einer widerlegbaren Vermutung. Der öffentlicher Glaube der Eintragung wurde beseitigt267 Das Grundbuch (livre foncier) wird beim Tribunal d’Instance geführt. Die Eintragungen werden vom Grundbuchrichter (Juge du livre foncier) entworfen, vom Grundbuchführer (greffier du livre foncier) vorgenommen und vom Grundbuchrichter unterzeichnet.268 Während in Deutschland und Österreich wichtige Aufgaben des Richters in der FG auf den Rpfleger übertragenen wurden, ist dem bei jedem Gericht erster Instanz in Frankreich vorhandenen greffier bislang keine besondere Rolle in der matière gracieuse zuge253 254 255 256 257 258 259 260

Martiny S 36. Martiny S 36. Habscheid ZZP 91 S 270. Martiny S 65. Martiny S 65; Habscheid aaO S 272. Martiny S 84; Habscheid aaO S 275. Martiny S 42f. Martiny S 121.

261 262 263 264 265 266 267 268

Martiny S 149. Martiny S 150. Habscheid aaO S 280. Martiny S 174. Martiny S 34; Habscheid ZZP 91, 270. Martiny S 196. Denk BWNotZ 1976, 153. Ders aaO S 158.

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wiesenen.269 Allerdings wurden durch G vom 8. Februar 1995 dem greffier en chef einige bisher dem Richter vorbehaltene Aufgaben übertragen: die Aufnahme der elterlichen Erklärung zur Namensänderung des unehelichen Kindes (§§ 334-2, 334-5 Code civil) und die Aufnahme der Erklärung betreffend Ausübung der elterlichen Gewalt (§§ 372, 374 Code civil) beim Tribunal de Grande Instanz sowie die Erteilung der Staatsangehörigkeitsbescheinigung (§ 31 Code civil), die jährliche Prüfung der Vermögensabrechnung des Vormundes (§§ 470, 473, 491-3, 500, 512 Code civil) und die Aufnahme der Zustimmungserklärung zur Adoption beim Tribunal d’Instance.270 3. Österreich

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In Österreich ist das Außerstreitverfahren durch ein neues Außerstreitgesetz reformiert worden, das am 1.1.2005 in Kraft getreten ist. Dadurch wurden gleichzeitig weitere Gesetze geändert: AGB, Gesetz über die Einräumung von Notwegen, NotariatsO, Jurisdiktionsnorm, ZPO, ExekutionO, Gerichtsorganisationsgesetz, Liegenschaftsstellungsgesetz, Todeserklärungsgesetz 1950, Kraftloserklärungsgesetz 1951 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, Allgemeines Grundbuchgesetz 1955, AktG 1965, Mietrechtsgesetz, PStG, Gerichtsgebührengesetz, Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Übereinkommens vom 20.5.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts, Rechtspflegergesetz, Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 20.10.1980 über einen die zivilrechtlichen Aspekte der Kindesentführung, Kartellgesetz 1988, Auslandsunterhaltsgesetz, Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischengemeinschaft verbrachten Kulturgütern.271 Bei dem Begriff des Außerstreitverfahrens in § 1 Abs 1 AußStrG handelt es sich um eine althergebrachte Formulierung, aus der keine konkreten Schlussfolgerungen abgeleitet werden können etwa dahin, dass es in der FG keine Streitverfahren gebe.272 Nach § 31 Abs 1 AußStrG kann zur Feststellung des Sachverhalts jedes dafür geeignete Beweismittel verwendet werden. Damit sind jegliche Erkenntnisquellen und nicht nur die in der ZPO geregelten Beweismittel gemeint.273 Nach § 43 Abs 1 AußStrG tritt mit Rechtskraft eines Beschlusses Vollstreckbarkeit, Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung ein. Mit der Verbindlichkeit der Feststellung ist nichts anderes als die materielle Rechtskraft des Beschlusses gemeint.274 Auf der Tagung in der Vereinigung der Zivilprozessrechtslehrer 2004 wurde empfohlen, das österreichische Gesetz als „Experimentierkabinett“ anzusehen und angeregt zu prüfen, wie sich die neuen Vorschriften bewähren und welche Regelungen gegebenenfalls nach Deutschland übernommen werden könnten.275 Die Zuständigkeit des Rechtspflegers in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist geregelt im österr Rechtspflegergesetz.276 Der Wirkungskreis im Verlassenschaft269

270

271

80

Martini S 110; vgl auch Blaesing Diss Bordeaux I; ders RpflBl 1973, 53 ff; Reiß RpflBl 1973, 61 f. Europäische Union der Rechtspfleger (EUR); Rechtsstellung und Aufgaben des Rechtspflegers/Greffiers – Vergleichsstudie, 3. Aufl 2001, S 98. Österr Bundesministerium für Justiz, Entwurf eines Außerstreitgesetzes, Textgegen-

272 273 274 275 276

überstellung, ohne Jahr; Kerwer ZZP 117, 445– 451 (2004); Walther ZZP 117, 4 21, 9 (2004); Bork ZZP 117, 399 (2004). Klicka zitiert nach Kerwer ZZP 117, 445. Ders zitiert nach Kerwer ZZP 117, 445. Ders zitiert nach Kerwer ZZP 117, 445. König zitiert nach Kerwer ZZP 117, 449. Rechtspflegergesetz v 1985.

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sachen umfasst die Geschäfte der Verlassenschaftsabhandlung mit Richtervorbehalten und die Anordnung von Zwangsmaßnahmen nach § 19 AußStrG (§ 18 österr RpflG). Im Pflegschaftsverfahren umfasst er die Geschäfte in Pflegschaftssachen einschließlich der Vormundschafts- und Sachwalterschaftssachen und die Entscheidung über die Bewilligung, Aufhebung oder Einschränkung einer einstweiligen Verfügung mit Richtervorbehalten (§ 19 österr RpflG). Ferner ist der Rechtspfleger für die Geschäfte des Grundbuchverfahrens und des Seeschifffahrts-, Binnenschifffahrts- und Schiffsbauregisters zuständig (§ 21 österr RpflG) sowie für die Führung des Firmenbuchs mit Richtervorbehalten (§ 22 österr RpflG).277 4. Schweiz Nach Art 64 Abs 2 der alten Bundesverfassung waren die 26 Kantone für die Organi- 651 sation der Gerichte, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung zuständig. Daher hat jeder Kanton sein eigenes Prozessrecht. Hinzu kommt noch die Bundes-ZPO. Seit dem 1.1.2000 ist eine neue Bundesverfassung in Kraft. Nunmehr steht dem Bund die Gesetzgebung auf dem gesamten Gebiet des Zivilprozessrechts zu. Die Kantone sind nur noch für Gerichtsorganisation und die Rechtsprechung zuständig. Auffallend ist, dass auch in der neuen Bundesverfassung die Freiwillige Gerichtsbarkeit nicht erwähnt wird.278 Die Rechtslehre bietet ein breites Spektrum von Definitionsversuchen an.279 Gleichwohl besteht Einigkeit darüber, welche Verfahren unter diesem Begriff zu verstehen sind: öffentliche Beurkundung, Handelsregister, Grundbuch, Personenstandsregister, Eigentumsvorbehaltsregister, Viehpfandregister, Verschollenheitssachen und Personenstandstreitigkeiten, Ersetzung der Zustimmung zur Verheiratung entmündigter Personen, die Genehmigung der Unterhaltsverträge, Entziehung der Personensorge, Anordnung von Zahlungen statt an die Eltern an den gesetzlichen Vertreter, Gestattung der Verwendung des übrigen Kindesvermögens zur Bestreitung des Unterhalts, sonstige vormundschaftsrechtliche Maßnahmen (streitig ist, ob die einvernehmliche Ehescheidung ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist), Eröffnung letztwilliger Verfügungen, Inventarrichtung, amtliche Liquidation, Einsetzung eines amtlichen Vertreters, Anordnung sichernder Maßregeln, gerichtliche Maßnahmen zur Erhaltung des Miteigentums und Anordnung notwendiger Verwaltungshandlungen, Einsetzung eines so genannten Sonderprüfers, Kraftloserklärung von Pfandtiteln und Wertpapieren, Eintragungen in das Marken- oder Patentregister, Nachlassstundung und gerichtliche Bestätigung eines Nachlassvertrags.280 Man bezeichnet diejenigen Fälle als zur FG gehörig, „bei denen die richterliche Aufgabe im wesentlichen darin besteht, bei der Begründung, Aufhebung und dergleichen nicht im Streit liegender (privater) Rechte mitzuwirken“.281 Da es anders als in Deutschland und Österreich in der Schweiz keine zusammenhängende Verfahrensordnung für die FG gibt, ist das Konglomerat aus besonderen Verfahrensregeln in einzelnen Gesetzen und Richterrecht eines der Merkmale der schweizerischen FG.282 Nach dem Vorentwurf für eine schweizerische ZPO vom Juni 2003 ist das summarische Verfahren auf die FG anwendbar. Nach Art 268 des E prüft das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen, erlässt die erforderlichen Aufrufe und holt die notwendigen Auskünfte erteilen. Entscheide, die sich im nachhinein als unrichtig erweisen, können aufgehoben oder abgeändert werden, es sei denn, Gesetz oder Rechtssicherheit stünden 277 278 279

Rechtsstellung und Aufgaben der Rechtspfleger/Greffiers 3. Aufl S 162 ff. Walther ZZP 117, 423. Ders ZZP 117, 429 ff.

280 281 282

Vgl die Zusammenstellung bei Walther ZZP 117, 427 ff. Bundesgericht der Schweiz BGE 70 II 166. Walther ZZP 117, 434.

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dem entgegen. Da die Anordnungen der FG auch außerhalb eines förmlichen Rechtsmittelverfahrens aufgehoben oder abgeändert werden können, kommt den Anordnungen keine volle Rechtskraftwirkung zu. Kritisiert wird, dass die „kleine“ Regelung in dem Vorentwurf somit viele Probleme offenlässt wie Anwendungsbereich, Parteibegriff, Verfahrensablauf, Geltung des Antragsgrundsatzes und Antragsbindung, Mitwirkungsverantwortung der Beteiligten, Saumnisfolgen, Vergleichsmöglichkeit, Sachverhaltsermittlung durch Freibeweis, Anhörungsrecht bzw -pflicht von Kindern, Vollstreckung fragen.283 In der Schweiz wird die Frage diskutiert, ob es eine Professionalisierung durch Bildung interdisziplinär zusammengesetzter Fachgerichte geben soll und ob es angesichts zunehmender Verselbstständigung der einzelnen materiellen Materien einen allgemeinen Teil geben soll und müsse.284 Walther beklagt, dass die historische Chance einer umfassenden Regelung des Verfahrens der FG in einem einzigen Gesetz auf der Grundlage des Vorentwurfs für ein Bundesgesetz über das Verfahren vor den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden ungenutzt gelassen wird.285 5. Estland

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Das bei den Gerichten geführte Grundbuch wurde in Estland nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch das Grundbuchgesetz im September 1993 wiedereingeführt.286 Durch das am 1. September 1995 in Kraft getretene estnische HGB wurde auch das Handelsregister wieder angeführt.287 Später kam auch noch das NotariatsG dazu. Infolge der Zuständigkeit der Notare auch für die Bearbeitung der Nachlasssachen sind fast alle Bereiche der freiwilligen Gerichtsbarkeit wiederhergestellt worden. Die Bearbeitung der Grundbuch- und Handelsregistersachen erfolgt durch den Rechtspfleger.288 6. Polen

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Auch in Polen werden das Grundbuch und das Handelsregister wieder bei den Gerichten geführt289 und zwar durch Rechtspfleger.290 Im Zivilverfahren werden der Zivilprozess und das „außergerichtliche“ Verfahren unterschieden. Das außergerichtliche Verfahren umfasst Personenrecht, Familien-, Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht, Sachenrecht, Erbrecht, staatliche Unternehmen und die Selbstverwaltung der Belegschaft in staatlichen Unternehmen sowie die Hinterlegung von Sicherheitsleistungen bei Gericht.291 7. Bosnien-Herzegowina

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In der Republik Bosnien-Herzegowina wurde im Jahr 2002 ein Grundbuchgesetz erlassen.292 Die Entscheidung des Grundbuchreferenten oder Richters ist ein Rechtspflegeakt, auf den die Vorschriften des Grundbuchgesetzes und des Außerstreitgesetzes Anwendung finden293, das noch auf die Zeit der Zugehörigkeit zu Österreich zurückgeht.

283 284 285 286 287 288 289

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Ders ZZP 117, 439. Kerwer ZZP 117, 450. Walther ZZP 117, 442. Tiivel RpflStud 2001, 65;Weike RpflStud 2002, 39. Gustavus Handelsrecht Estland, 13. Rechtsstellung und Aufgaben der Rechtspfleger/Greffiers 3. Aufl S 64. Fröhlich/Grimm/Späth/Wittmann RpflStud

290 291 292 293

2000, 119; Dolkowska/Teichmann/Angermann NotBZ 2005, 393. Rechtspflegergesetz vom 21.8.1997 (GBl Nr 117, Pos 752). Sztorc RpflStud 1998, 174. Weike RpflStud 2003, 139; Weike/Tajic S 9. Weike/Tajic Art 1 Rn 6, 7.

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GESETZ ÜBER DIE ANGELEGENHEITEN DER FREIWILLIGEN GERICHTSBARKEIT – FGG vom 17. Mai 1898 (RGBl 1898, 189), zuletzt geändert durch Art 4 des Gesetzes vom 22. Mai 2005 (BGBl I 1373)

Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften §1 Geltungsbereich Für diejenigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche durch Reichsgesetz den Gerichten übertragen sind, gelten, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die nachstehenden allgemeinen Vorschriften. Literatur Aron Der Geltungsbereich der allgemeinen Vorschriften des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Tragweite einzelner Bestimmungen, ZZP 27, 310; Arndt Ratenvereinbarung der Rechtspfleger, DRiZ 1955, 102; ders Das Schweigen vor Gericht, NJW 1967, 869; Arnold Richter und Rechtspfleger in Verschollenheitssachen, Rpfleger 1960, 1; Bachof Anm zu BGH JZ 1963, 324; Bartholomeyczik Das Berufsbild des deutschen Rechtspflegers. Durch Ausdehnung nach oben dem Richter näher, RpflBl 1965, 4; Baur Der Begriff der Rechtsprechung und die freiwillige Gerichtsbarkeit, DNotZ 1955, 507; ders Anm zu BGH FamRZ 1956, 129; ders Der gegenwärtige Stand der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Juristen Jb Band 3, 1962/63, S 50 ff; Bärmann Echte Streitverfahren in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, AcP 154, 373 ff; Beitzke Internationale Zuständigkeit in Legitimationssachen FS Kraus (1954) S 20; ders Sorgerechtsregelung bei Ausländerkindern, FS Heinrich Lehmann (1956) II 493; ders Anm zu KG, NJW 1960, 248; ders Die deutsche Internationale Zuständigkeit in Familienrechtssachen, FamRZ 1967, 592; Bettermann Die Freiwillige Gerichtsbarkeit im Spannungsfeld zwischen Verwaltung und Rechtsprechung, in FS Lent 1957 S 17 ff; Bötticher Rechtsweg und Verweisung innerhalb der Gerichtsbarkeiten, RdA 1960, 161; Booß Fragen der „wesenseigenen Zuständigkeit“ im internationalen Familienrecht, Diss Bonn 196; Bornhak Wesen und Umfang der Gerichtsbarkeit, ZZP 48, 38; Bosch Anm zu KG FamRZ, 1961, 383; ders Zivilprozeß und Freiwillige Gerichtsbarkeit, AcP 149, 32; Boschan Zuständigkeit und Verfahren der Dorf – und Ortsgerichte in Preußen, ZBlFG 5, 273; Brüggemann Bemerkungen zur Eigenständigkeit des Rechtspflegeramts, JR 1965, 81; Bruhn Anm zu LG Aachen Rpfleger 1958, 183; Busse Schiedsverfahren in Wohnungseigentumssachen, Diss Münster 1993; Buhrow Neuregelung des Rechts des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, NJW 1981, 907; Dölle Über einige Kernprobleme des internationalen Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit, RabelsZ 27, 201; ders Die persönlichen Rechtsverhältnis zwischen Ehegatten im deutschen Internationalen Privatrecht, RabelsZ 1951, 360; Dubro Die Zuständigkeit des Rechtspflegers für Grundgeschäfte in den Fällen des § 17 RechtspflG, Rpfleger 1960, 353; du Chesne Freiwillige Gerichtsbarkeit und Vollstreckung im Grundbuchverfahren, DNotV 1916, 441; Dümig Anhörungspflicht bei nachlaßgerichtlicher Genehmigung, Rpfleger 2000, 248; Eickmann Die dritte Gewalt – Begriff und Wirklichkeit, Rpfleger 1976, 158; ders Anhörungspflicht bei nachlassgerichtlicher Genehmigung, Rpfleger 2000, 245; Ertl Verdeckte Nachverpfändung und Pfandfreigabe von Grundstücken, DNotZ 1990, 684; Felix Zur

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Frage der Erweiterung eines Rechtsweges durch bindende, aber unrichtige Verweisung an ein Gericht der Nachbargerichtsbarkeit, JZ 1959, 656; Frohn Übertragung von Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf außergerichtliche Institutionen, Rpfleger 1993, 265; ders Wieder einmal: Angriff auf das gerichtliche Nachlassverfahren, Rpfleger 2006, 178; Gamillscheg Anm zu OLG Bamberg, RabelsZ 23 (1958), 145; ders Die „wesenseigene Zuständigkeit“ bei der Scheidung von Ausländern, FS f Dölle 1963; Gräber Das Wesen des „richterlichen“ Geschäfts, DRiZ 1955, 7; Gottheimer Zur Anwendung englischen Erbrechts auf Nachlässe in Deutschland, RabelsZ 21 (1956), 36; Gottwald Anm zu BVerfG FamRZ 2000, 1477; Gummer Anm zu OLG Hamm DNotZ1991, 686; Habscheid Grundfragen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1957, 164; ders Die Rechtsprechung zum Eheprozeßrecht, FamRZ 1960, 310; ders Fehlerhafte Entscheidungen im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, NJW 1966, 1787; ders Schiedsverfahren und Freiwillige Gerichtsbarkeit, ZZP 66, 188; ders Rechtspfleger und Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1967, 317; ders Der Rechtspfleger in der Gerichtsorganisation. Zugleich ein Beitrag zum Begriff des „Richters“ im Sinne des Grundgesetzes, Rpfleger 1968, 237; ders Anm zu BayObLG FamRZ 1972, 212; ders Schiedsverfahren in Landwirtschaftssachen, RdL 1972, 228; ders Verfahren vor dem Rechtspfleger – rechtliches Gehör und faires Verfahren, Rpfleger 2001, 209; Haegele Löschung des Entschuldungsvermerks auf Grund der Löschungsverordnung vom 31.1.1962, DNotZ 1962, 373; Hanisch Die „versteckte“ Rückverweisung im internationalen Familienrecht, NJW 1966, 2085; Heintzmann Zur Anfechtbarkeit und Bindungswirkung der Abgabeentscheidung nach § 18 HausratsVO, FamRZ 1983, 957; Heldrich Fragen der Internationalen Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte, NJW 1967, 417; ders Die Interessen bei der Regelung der Internationalen Zuständigkeit, in FS Ficker, 1967, S 205 f; Henrich Anm zu LG Düsseldorf JZ 1961, 745, Herzog Anm zu OLG Celle, JZ 1967, 284; Hesse Die Grundbuchordnung im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, DFG 1936, 4; Hilderscheid Die Entwicklung des Notariats im Lande Rheinland-Pfalz seit dem Zusammenbruch 1945, DNotZ 1950, 92; Hornung Kann der Rechtspfleger einen Rechnungsbeamten hinzuziehen? Rpfleger 1957, 403; van Husen Die Entfesselung der Dritten Gewalt, AöR 78, 49; Jansen Anm zu OLG Stuttgart, JR 1963, 421; ders Anm zu BGH EJF B II Nr 5; Johannsen Anmerkung zu BGHZ 40, 1 in LM § 17 GVG Nr 2; Keidel Das Rechtspflegergesetz, NJW 1957, 521; ders Anm zu BGHZ 40, 1 in Rpfleger 1964, 16; Kern Zur Stellung des Rechtspflegers bei der großen Justizreform, Rpfleger 1962, 197; Kersting Grenzen der Landesgerichtsbarkeit im Unterbringungsverfahren, JZ 1960, 310; Kissel Das Verhältnis des Familiengerichts zu den anderen Abteilungen des Amtsgerichts, NJW 1977, 1034; Kobler Das LwVG und das bisher in Bayern geltende Verfahrensrecht, RdL 1953, 262; Kopp Änderungen der Verwaltungsgerichtsordnung zum 1.1.1991, NJW 1991, 521; Kralik Die internationale Zuständigkeit, ZZP 74 (1961), 26; Kull Zur Rechtsnatur des Verfahrens in Kartell-Verwaltungsachen, JZ 1961, 681; Lappe Die Ausgestaltung des Rechtspflegeramts, JVBl 1963, 150; Leipold Rechtsweg und Rechtsgrundlagen der Rückforderung von Vermögen in der ehemaligen DDR, JZ 1993, 703; Lent Zivilprozess und Freiwillige Gerichtsbarkeit, ZZP 66, 267; Lindacher Verfahrensgrundsätze in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, JuS 1978, 577; Mayer Die Lehre von der materiellen Rechtskraft in Verwaltungssachen, AöR 21 S 1; Marquardt Das Rechtspflegergesetz, MDR 1957, 322; Meyer-Stolte Anm zu BayObLG Rpfleger 1992, 147; ders Anm zu BGH, Rpfleger 1988, 242; Menger Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, VwArch Bd 54 (1963), 393; Möllmann Verweisung bzw. Abgabe in Rückerstattungsverfahren, JR 1953, 414; Müller, H. J. Die Bedeutung der Zulässigkeit des Rechtswegs im Verhältnis zu den sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen, DVBl 1959, 694; Müller, Hanswerner Das Vorlageverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP 66, 245; Müller, H. W. Die Verfahrensverweisung insbesondere in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP 1967, 1; Müller, Horst Die Internationale Zuständigkeit, in Dt Landesreferate zum VII. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung in Uppsala 1966, 1967 S 181; MüllerWebers Die große Justizreform. Ziele und Möglichkeiten, RpflBl 1967, 1; Münster Freiwillige Gerichtsbarkeit und Zivilprozess in der neueren Entwicklung, ZZP 66, 334; Münzel Freiwillige Gerichtsbarkeit und Zivilprozess in der neueren Entwicklung, ZZP 66, 334; Neuhaus Anm zu OLG Neustadt JZ 1951, 644; ders Anm zu KG, FamRZ 1961, 540; ders Internationales Zivilprozessrecht und IPR, RabelsZ 20, 201; ders Internationale Zuständigkeit für rechtsgestaltende Entscheidungen, FamRZ 1959, 482; ders Bespr Diss Booß RabelsZ 31 (1967) 359; ders Zur internationalen Zuständigkeit in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, NJW 1967, 1167; Pagenstecher Gerichtsbarkeit und Internationale Zuständigkeit als selbstständige Prozessvoraussetzungen, RabelsZ 11 (1937), 337;

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Geltungsbereich

§1

Pfleiderer Zur Änderung der württembergischen Grundbuchamtsverfassung, DFG 1936, 73; Pohle Zur Rangordnung der Prozessvoraussetzungen, ZZP 81, 161; Redeker Anm zu BGH AnwBl 1977, 106, 108; Reich Können deutsche Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn sie ausländisches materielles Recht anzuwenden haben, Verrichtungen vornehmen, die von ähnlichen, damit vergleichbaren richterlichen Tätigkeiten aus dem deutschen Recht wesensverschieden sind oder die das deutsche Recht nicht kennt?, Diss Freiburg 1957; Reichhof Die staatliche Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte, Diss München 1938; Rom Anm zu LG Aachen Rpfleger 1958, 183; Rupp Zur Prüfungsreihenfolge von Gerichtszuständigkeit und Zulässigkeit des Rechtsweges – BSG-NJW 1965, 789 –, JuS 1966, 109; Rupp Zur neuen Verwaltungsgerichtsordnung: gelöste und ungelöste Probleme, AöR 85, 149; Schandau Hausratsteilungsverfahren, einstweilige Anordnung und einstweilige Verfügung, JR 1957, 55; Schilken Anm zu BGH ZZP 105, 83; Schlechtriem Ausländisches Erbrecht im deutschen Verfahren, ZZP 27, 300; Schlegelberger Die Unabhängigkeit der Rechtspfleger, Rpfleger 1957, 135; Schmehl Das Rechtspflegergesetz und seine Auswirkungen auf Gerichsverfassung und Gerichtsorganisation im Landesteil Württemberg, Die J 1957, 230; Schmidt Anm zu BayObLG, FGPrax 1999, 144; Schmidt-Räntsch Das Registerpfandrecht an Luftfahrzeugen, DB 1959, 563; Schneider Rechtspflegergesetz und Justizreform, RpflBl 1957, 3; Schoetensack Der Notar und das internationale Urkundsverfahrensrecht, DNotZ 1952, 265; Schorn Die Stellung des Rechtspflegers und seine Unabhängigkeit nach dem Rechtspflegergesetz, Rpfleger 1957, 267; Schüler Die Kindesherausgabevollstreckung nach der ZPO und dem FGG, DGVZ 1977, 133; Schultz Rundschau – Blick in die Zeit, MDR 1957, 208; Schulte Das neue Grundstücksverkehrsgesetz, RdL 1961, 277; Schweizer Die Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess, NJW 1967, 428; ders Gerichtsbarkeit und Internationale Zuständigkeit im Zivilprozess und in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, DRiZ 1968, 365; Schwenn Die Anwendung der §§ 2369 und 2368 BGB auf Erbfälle mit englischem oder amerikanischem Erbstatut, NJW 1952, 1113; Schwimann Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegenüber Ausländern zur Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen geschiedenen Eltern und ihren Kindern, FamRZ 1959, 325; ders Anm zu BayObLG FamRZ 1959, 364; Seidel Grundsätzliche Gedanken über eine Große Justizreform, DRiZ 1956, 141; Siefert Zur Änderung der badischen Grundbuchordnung, DFG 1936, 5; Sonnenfeld Anhörungspflicht bei nachlaßgerichtlicher Genehmigung, Rpfleger 2000, 246; Stein Die Verweisung eines Rechtsstreites von Rechtsweg zu Rechtsweg, MDR 1966, 369; Strauss Das Rechtspflegergesetz, Rpfleger 1957, 33, 131; Tschischgale Das Verfahren vor dem Mieteinigungsamt und seine Kosten, JurBüro 1966, 442; Ule Anm zu BGH DVBl 1963, 596; Vollkommer Der Master im englischen Verfahrensrecht, RpflBl 1964, 49; Walchshöfer Die deutsche internationale Zuständigkeit in der streitigen Gerichtsbarkeit, ZZP 80 (1967), 165; Wahl Zum internationalen Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Personen-und Familiensachen, RabelsZ 10 (1936), 40; Wedewer Die Bedeutung des Rechtspflegergesetzes für die Gerichtsverfassung, JVBl 1958, 1; Weinkauf Grundsätzliches zu der Referenten-Denkschrift über das künftige Richtergesetz, DRiZ 1954, 227; Wendt Dingliche Rechte an Luftfahrzeugen MDR 1963, 448; Wengler Fragen des Deutschen Erbscheinsrechts. für Nachlässe, auf die englisches Intestaterbrecht anwendbar ist, JR 1955, 41; Wertenbruch Gewaltenteilung und Rechtspfleger, Rpfleger 1962, 77; ders Der Rechtspfleger am Scheideweg. Gedanken zur Justizreform, RpflBl 1965, 57; ders Rechtspfleger und Justizreform, RpflBl 1968, 34; ders Registereintragungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Verwaltungsakte, DÖV 1958, 732; Winter Die Beweisaufnahme im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, JurA 1971, 113; Wöhrmann Die Verordnung über die Löschung der Entschuldungsvermerke, RdL 1962, 85; Zimmermann Ein neuer Verfahrenstypen in der freiwilligen Gerichtsbarkeit? Rpfleger 1962, 42; ders Fehlende Unterscheidung zwischen Streitsachen und Nichtstreitsachen, Rpfleger 1980, 209.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Übersicht Rdn I. Allgemeine Vorschriften . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der allgemeinen Vorschriften . II. Geltungsbereich der Allgemeinen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . 1. Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Rechtsprechung . . . . 2. Übertragung auf die Gerichte . . . . . 3. Übertragung durch Reichsgesetz (Bundesgesetz) . . . . . . . . . . . . a) Rechtsquellen . . . . . . . . . . . b) Art der Übertragung . . . . . . . . 4. Von den allgemeinen Vorschriften abweichendes Recht . . . . . . . . . a) Verhältnis zum älteren Reichsrecht . . . . . . . . . . . . b) Abweichende Bestimmungen . . . c) Landesgesetzliche Vorbehalte . . . 5. Selbstständige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . 6. Übersicht über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . a) Echte FGG-Sachen . . . . . . . . b) Unechte FGG-Sachen . . . . . . . III. Verhältnis der freiwilligen zur streitigen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Parteidisposition . . . . . . 2. Amtsprüfung. Verfahrensrechtliche Bedeutung des Unterschieds der Verfahrensarten . . . . . . . . . . . 3. Konkurrierende Zuständigkeit . . . . IV. Verweisung. Abgabe . . . . . . . . . . . 1. Rechtswegverweisung . . . . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . b) Verfahren . . . . . . . . . . . . . c) Wirkungen der Verweisung . . . . 2. Abgabe zwischen freiwilliger und streitiger Gerichtsbarkeit . . . . . . . a) Wohnungseigentum und Hausratssachen . . . . . . . . . . b) Landwirtschaftsverfahren . . . . . aa) Abgabe vom Landwirtschaftsgericht an das Prozessgericht . bb) Abgabe vom Prozessgericht an das Landwirtschaftsgericht . . c) Verweisung beim Fehlen einer besonderen Regelung . . . . . . . d) Negativer Kompetenzkonflikt . . . 3. Abgabe und Verweisung zwischen verschiedenen Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . a) Abgabe wegen örtlicher Unzuständigkeit . . . . . . . . . .

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Rdn

1 1 2 3 4 4

V.

7 10 11 11 12 15 15 16 17 18 19 20 26 125 125

126 128 129 130 130 131 133

VI.

VII.

134 VIII. 135 136 137 138 141 142

143 IX.

b) Abgabe wegen sachlicher Unzuständigkeit . . . . . . . . . c) Abgabe aus Zweckmäßigkeitsgründen . . . . . . . . . . . . . d) Abgabe von landesrechtlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . 1. Richter . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspfleger . . . . . . . . . . . . a) Rechtsentwicklung des Rechtspflegerwesens . . . . . . . b) Stellung des Rechtspflegers . . . . c) Aufgabenkreis des Rechtspflegers d) Vorlegungspflicht . . . . . . . . . e) Zuständigkeitsüberschreitung . . f) Rechtsmitel gegen Entscheidung (Verfügung) des Rechtspflegers . . g) Erinnerung . . . . . . . . . . . . 3. Referendare . . . . . . . . . . . . . a) Richter kraft Auftrags . . . . . . b) Wahrnehmung von Rechtspflegergeschäften . . . . . c) Referendare als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle . . . . . . . . 4. Urkundsbeamte der Geschäftsstelle . 5. Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . 6. Justizwachtmeister . . . . . . . . . . Sonstige Behörden der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . 1. Baden-Württemberg . . . . . . . . . a) Landesteil Württemberg . . . . . b) Landesteil Baden . . . . . . . . . 2. Notare . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Orts- und Gemeindegerichte . . . . . 4. Beurkundungswesen . . . . . . . . . Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften in landesrechtlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . 1. Ehemals preußische Gebiete . . . . . 2. Übrige Länder . . . . . . . . . . . . Internationales Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . 1. Internationale Zuständigkeit . . . . 2. Grundsätze für die Annahme deutscher internationaler Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Regelung . . . . . . . b) Deutsche im Ausland . . . . . . . c) Statutszuständigkeit . . . . . . . d) Anwendbarkeit fremden Sachrechts 3. Fortdauer der Internationalen Zuständigkeit (perpetuatio fori) . . . 4. Gerichtliches Verfahren . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

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144 145 146 147 147 149 149 150 151 157 158 159 161 163 164 165 166 167 168 169 170 170 170 171 172 173 174

175 175 176 178 179

182 182 183 184 185 190 191 193

Geltungsbereich

§1

I. Allgemeine Vorschriften 1. Bedeutung Die im ersten Abschnitt zusammengefassten „Allgemeinen Vorschriften“ sollen für 1 alle durch Reichsgesetz (Bundesgesetz) den Gerichten übertragenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemeinsam gelten. Dieser in § 1 zum Ausdruck kommende Grundsatz ist einerseits insofern folgerichtig durchgeführt, als diese Vorschriften, von gewissen Ausnahmen abgesehen, selbst dann anzuwenden sind, wenn eine Angelegenheit zwar durch Reichsgesetz den Gerichten übertragen ist, aber auf Grund landesgesetzlichen Vorbehalts (zB Art 147 EGBGB) nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig sind (§§ 194, 195); andererseits ist der Grundsatz insofern in doppelter Richtung durchbrochen, als gemäß § 185 Abs 2 FGG in Verbindung mit Art 50 EGBGB die Vorschriften der übrigen Reichsgesetze in Kraft bleiben und nur insoweit außer Kraft treten, als sich aus diesem Gesetz ihre Aufhebung ergibt, und sodann nach § 1 die Vorschriften nicht gelten sollen, soweit etwas anderes bestimmt ist (vgl dazu nachst Rn 15–17). Ebenso wie ferner das Gesetz insgesamt keinen kodifizierenden Charakter hat (vgl Einl Rn 19–23 und § 200 Rn 1), ist auch der erste Abschnitt nicht erschöpfend für den Bereich der Allgemeinen Vorschriften; gemäß § 200 Abs 1 sind vielmehr ergänzende Bestimmungen des Landesrechts auch insoweit zugelassen, als dieses Gesetz Vorbehalte nicht enthält1. Schließlich bieten die Allgemeinen Vorschriften keine einheitliche Verfahrensordnung für alle Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, selbst für diejenigen nicht, für die sie, ohne auf Grund des Vorbehalts in § 1 eine Änderung erfahren zu haben, uneingeschränkte Geltung besitzen. Sie gewährleisten keinen einheitlichen und in allen Fällen gleichförmigen Verfahrensablauf, wie er für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten durch die Allgemeinen Vorschriften der ZPO eingeführt werden konnte. Ein solches Unternehmen konnte auch nicht in der Absicht des Gesetzgebers liegen, weil die dem Gesetz unterfallenden Angelegenheiten unter sich so „wesensungleich“ sind, dass ihre Vielgestaltigkeit dem Verfahrensgang jeweils weit mehr das Gepräge gibt, als dies bei dem im wesentlichen gleichförmigen Ablauf bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten der Fall ist2. Teils beschränkt sich die gerichtliche Tätigkeit auf die bloße Entgegennahme einer Erklärung oder Erlass einer Verfügung, teils ist auf Antrag nach Prüfung des Sachverhalts eine beantragte Maßnahme anzuordnen oder abzulehnen; mitunter obliegt es dem Gericht, zur Befolgung gewisser gesetzlicher Verpflichtungen anzuhalten, auf anderen Gebieten wiederum hat es eine unter Umständen langjährige dauernde Aufsichts- und Verwaltungstätigkeit zu entfalten. Bald hat das Gericht durch seine Vermittlung einen Ausgleich widerstreitender Interessen anzustreben, ohne selbst eine Entscheidungsbefugnis zu haben (§§ 86 ff), bald hat es nicht anders als das Prozessgericht über bestrittene subjektive Rechte maßgeblich zu entscheiden.

1

Die Freiheit des Landesgesetzgebers zum Erlass von Ergänzungs- und Ausführungsvorschriften ist seit dem Inkrafttreten des FGG allerdings erheblich dadurch eingeschränkt worden, dass die Vollziehung gerichtlicher Verfügungen infolge Änderung des § 33 FGG durch die VO zur Änderung des Verfahrens in Grundbuchsachen vom 5.8.1935 (RGBl I

2

1065) und die Kostenerstattungspflicht nach Einfügung des § 13a FGG durch das KostÄndG vom 26.07.1957 (BGBl I 861) im wesentlichen bundesrechtlich geregelt sind. Josef Lb S 17 ff zu IV; Wellstein vor § 1; Schlegelberger 2 vor § 1; Schneider ZZP 29, 96.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Inhalt der Allgemeinen Vorschriften

2

Im ersten Abschnitt werden ohne systematischen Zusammenhang eine Anzahl von Vorschriften allgemeinerer Art zusammengefasst, die zur gleichmäßigen Durchführung der Reichszivilgesetze erforderlich erschienen. Zunächst wird das Anwendungsgebiet der Allgemeinen Vorschriften festgestellt (§ 1). Sodann folgen Vorschriften über die Rechtshilfe (§ 2), die örtliche Zuständigkeit (§§ 3 bis 5), die Ausschließung vom Richteramt und die Wirksamkeit der von einem aus geschlossenen Richter oder einem örtlich unzuständigen Gericht vorgenommenen Handlungen (§§ 6, 7), über Gerichtssprache, Sitzungspolizei, Beratung und Abstimmung (§§ 8, 9), die Form von Anträgen und Erklärungen (§ 11), den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12), Bevollmächtigte und Beistände (§ 13), die Pflicht zur Kostentragung (§ 13a), die Prozesskostenhilfe (§ 14), das Beweisverfahren (§ 15), die Bekanntmachung, Wirksamkeit und Änderung gerichtlicher Verfügungen (§§ 16, 18), die Anerkennung ausländischer Entscheidungen (§ 16a), die Berechnung von Fristen (§ 17), über die Rechtsmittel der Beschwerde und der weiteren Beschwerde sowie der Anhörungsrüge (§§ 19 bis 30), über Rechtskraftzeugnisse (§ 31), über die Folgen der Aufhebung einer Verfügung (§ 32), über die Vollziehung gerichtlicher Verfügungen (§ 33) und schließlich der Akteneinsicht und Erteilung von Abschriften (§ 34). Die Anordnung der Unbeachtlichkeit der Gerichtsferien (§ 10) ist durch Art 3d G z Abschaffung der Gerichtsferien v 28.10.1996 (BGBl S 1546) aufgehoben worden.

II. Geltungsbereich der Allgemeinen Vorschriften 3

In § 1 wird der Geltungsbereich der Allgemeinen Vorschriften durch folgende Kriterien bestimmt: 1. Freiwillige Gerichtsbarkeit

4

a) Begriff. Die Vorschriften des ersten Abschnitts sollen ihrem Gegenstand nach für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten. Deren Begriff wird also vorausgesetzt, aber ebenso offen gelassen wie die Frage, was eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne der §§ 13 GVG, 3 EGZPO ist. Es hat seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die jüngste Zeit hinein nicht an zahlreichen Versuchen gefehlt, unter Anwendung rechtsdogmatischer Maßstäbe das Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu bestimmen und auf diese Weise die Unterscheidungsmerkmale gegenüber der streitigen Gerichtsbarkeit einerseits und anderen Bereichen staatlicher Tätigkeit zu kennzeichnen,3 wobei die 3

BayObLG BB 1989, 19; OLG Köln OLGZ 1967, 3362; OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 449; LG Hamm FGPrax 2003, 98; Schlegelberger § 1 Rn 1 bis 14; Pikart/Henn S 3 ff; Bärmann § 5; Habscheid § 4; W. H. Puchta Über die Grenzen des Richteramts, 1819 S 18 ff; ders., Hdb. des gerichtlichen Verfahrens in nichtstreitigen bürgerlichen Rechtssachen, 1831 § 3; Oesterley Versuche auf dem Gebiete der sog freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Merkel Das Notariat und die willkürliche Gerichtsbarkeit 1860, S 1 ff; Wach Hdb des Civilprozesses 1885 Bd I S 47 ff; Schmidt Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts,

88

1898 S 130 ff; Weißler Reform der vorbeugenden bürgerlichen Rechtspflege in Österreich, 1900 S 34 ff; Nussbaum Die Freiwillige Gerichtsbarkeit, 1900, S 1 ff; Blomeyer FS Hedemann, 1938, 191; Bosch AcP 149, 41; Bärmann AcP 154, 373 ff, 412 ff; Boehmer Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung Band I 1950, S 135 ff; Lent ZZP 66, 267; Münster ZZP 66, 334; Bettermann in FS Lent 1957 S 17 ff; Habscheid Rpfleger 1957, 164; Baur JurJb Band 3, 1962/63, S 50 ff; Baur § 11; Brehm Rn 1– 24; Keidel/Schmidt Rn 3, 4.

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Geltungsbereich

§1

entscheidenden Gesichtspunkte bald im Verfahrensgegenstand, bald in den Mitteln, bald im Zweck des Verfahrens gefunden werden. Jede dieser Theorien ist dadurch gekennzeichnet, dass Wesensmerkmale hervorgehoben werden, die zwar für einen Teilbereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zutreffen, in anderen, ebenso bedeutsamen Bereichen aber nicht gelten, so dass die gefundene Definition nicht den Anspruch erheben kann, alle Erscheinungsformen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu umfassen. Das gilt auch für die noch am ehesten ansprechende Theorie, die das Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Aufgabe sieht, der Gestaltung konkreter Privatrechtsverhältnisse durch Schaffung von Rechten, durch Mitwirkung zu ihrer Begründung, Änderung oder Aufhebung zu dienen, während die Aufgabe der streitigen Gerichtsbarkeit in der Aufrechterhaltung und Bewährung der Rechtsordnung durch Schutz gegen Störung und Gefährdung gefunden wird.4 Die Eigenart der freiwilligen Gerichtsbarkeit, durch die sie sich von der streitigen Gerichtsbarkeit unterscheidet, besteht in weiten Bereichen darin, dass das Gericht selbst ein Tatbestandsstück eines Gesamtatbestandes setzt, das zur Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges erforderlich ist, zB eine Eintragung in das Grundbuch vornimmt, die in Verbindung mit der Auflassung den Eigentumsübergang bewirkt. Es lässt sich daher nicht leugnen, dass es gewisse, wenn auch nur unscharf ausgeprägte allgemeine Vorstellungen darüber gibt, was freiwillige Gerichtsbarkeit ist oder sein sollte; denn sonst wären Aussagen des Inhalts nicht möglich, dass gewisse Angelegenheiten, wie es insbesondere für das Aufgebotsverfahren (§§ 946 bis 1024 ZPO) anerkannt wird, trotz ihrer positivrechtlichen Zuweisung zum Zivilprozess „eigentlich“ der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzurechnen seien.5 Aber diese Vorstellungen haben Bedeutung allenfalls für die Entscheidung von Zweifelsfällen, die aber tatsächlich kaum auftreten, und für die rechtspolitische Entschließung des Gesetzgebers darüber, ob er eine Angelegenheit besser der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder dem Zivilprozess zuweisen sollte.6 Für die Anwendung des geltenden Rechts ist allein die positive Entscheidung des Gesetzgebers maßgebend. Diesem steht aber wegen des Fehlens unüberschreitbarer Schranken weitgehende Ermessensfreiheit bei der Abgrenzung der streitigen von der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu, und in den Grenzen des Art 92 GG (nachst Rn 8) besteht eine gewisse Wahlfreiheit sogar für die Zuweisung von Aufgaben entweder an die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder an Verwaltungsbehörden. Es kann sogar der gleiche Verfahrensgegenstand bald vor dem Prozessgericht, bald vor dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören. Auch die Grenzen zur Verwaltung sind nicht unverrückbar festgelegt. Früher war die Tendenz zu erkennen, Restbestände von Aufgaben bei der Gestaltung 5 privater Rechtsverhältnisse, die noch bei Verwaltungsbehörden verblieben waren, in die Zuständigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu überführen, wo sie ihrer Natur nach hingehören (vgl Voraufl Rn 4). Die Bestrebungen, diese Aufgaben de lege ferenda allgemein Verwaltungsbehörden (Rechtsämtern), zu übertragen,7 bzw Bodenmanagementbehörden, IHKs zu überlassen (vgl Einl Rn 32 ff) würden gegenüber dieser Entwicklung zur Justifizierung einen Rückschritt bedeuten und können deshalb nicht befürwortet werden. Selbst wenn man der Meinung ist, diejenige Tätigkeit der Gerichte, die

4

5

Wach Hdb d dt ZPR I 42 ff; Bornhak ZZP 48, 38; Boehmer aaO S 138; du Chesne DNotV 1916, 441; Aron ZZP 27, 310 ff; Josef Anm 1; Wellstein Anm 1a. Stein/Jonas/Brehm ZPO Vorbem v § 1 Rn § 3; Lent ZZP 66, 367, 275; Baur § 2 B III 2; Bärmann § 5 IV 4; Kommissionsbericht S 327.

6 7

Josef § 1 Anm 1; Bärmann § 5 III. Vgl Weinkauff DRiZ 1954, 277; Gräber DRiZ 1955, 7; Arndt DRiZ 1955, 102; Seydel DRiZ 1956, 141: aA Frohn Rpfleger 2006, 178.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

nicht auf die Gestaltung von privaten Rechtsverhältnissen durch gerichtliche Entscheidung, sondern unmittelbar auf die Schaffung rechtserheblicher Tatsachen, wie die Eintragung in Register oder die Erteilung von Bescheinigungen (Erbscheinen) gerichtet ist, stehe der Verwaltung nahe (vgl Voraufl), bleibt festzustellen, dass das Ziel nur erreicht werden kann, wenn bereits beim „ersten Zugriff“ eine von Verwaltungseinflüssen unabhängige Instanz tätig wird.8 Hier werden Fakten geschaffen, die auch in einer nachfolgenden gerichtlichen Kontrolle nicht oder nur mit schwerwiegenden Folgen beseitigt werden können. Bei der Anfechtung von Verwaltungsakten von Justizverwaltungsbehörden (§ 23 6 EGGVG, § 1059a Abs 1 Nr 2 BGB; § 1092 Abs 2 BGB, § 1309 BGB, § 157 Abs 3 ZPO; § 292 ZPO, § 299 Abs 2 ZPO, § 3 Abs 2 HintO, § 16 HintO, § 380 StPO) üben die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit materiell Verwaltungsgerichtsbarkeit aus. Zutreffend ist daher Bettermann 9 zu dem Ergebnis gelangt, dass die freiwillige Gerichtsbarkeit eine „höchst komplexes Gebilde“ ist, das eine Reihe von Arten staatlicher Tätigkeit umfasst und teils Rechtsprechung, teils Verwaltung, teils streitige, teils nichtstreitige Gerichtsbarkeit, teils Zivil-, teils (materiell) Verwaltungsgerichtsbarkeit ist. Insgesamt ist daher nur eine negative Aussage in der Weise möglich, dass unter freiwilliger Gerichtsbarkeit solche Angelegenheiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit (unter Ausschluss der Strafrechtspflege und im Gegegensatz zur Justizverwaltung und zur Verwaltungsgerichtsbarkeit) zu verstehen sind, bei denen zur Erreichung eines rechtlichen Erfolges ein staatliches Rechtspflegeorgan mitzuwirken hat und die nicht nach den Vorschriften der Prozessgesetze zu den Angelegenheiten der streitigen Gerichtsbarkeit gehören10 (zB § 13 Abs 1 HausratVO, § 43 WEG, § 621a Abs 1 ZPO, §§ 132 Abs 2, 176 Abs 2 BGB),11 § 3 FEVG; § 99 Abs 1 AktG u Kostenfestsetzung in Angelegenheiten d freiw Gerichtsbarkeit.12 b) Verhältnis der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Rechtsprechung

7

Die Frage, ob und inwieweit die Ausübung freiwilliger Gerichtsbarkeit zur Rechtsprechung im verfassungsgeschützten Sinne des Art 92 GG gehört, ist für die Frage von Bedeutung, inwieweit Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit nichtrichterlichen Beamten, insbesondere Rechtspflegern, übertragen werden können. Dagegen hätte die Feststellung, dass gewisse Rechtspflegeakte der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Rechtsprechung im Sinne des Art 92 GG sind, nicht zur Folge, dass gegen sie gem Art 19 Abs 4 GG der Schutz der Gerichte eines anderen Gerichtszweiges angerufen werden könnte.13 Art 19 Abs 4 GG greift nicht ein, wenn von vornherein durch einen unabhängigen Richter im Rechtsweg, sei es auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, entschieden wird.14 Ferner verbliebe es dabei, dass Rechtspflegeakte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch wenn sie keine Rechtsprechung im materiellen Sinne sind, frei von Weisungen der Justizverwaltung in richterlicher Unabhängigkeit (§ 1 GVG, § 25 DRiG, Art 97 Abs 1 GG) ergehen, wenn ein Richter sie vorgenommen hat, und in sachlicher Unabhängigkeit, wenn ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle oder ein Rechtspfleger (§ 9 RPflG) tätig geworden ist. Das Wesen der Rechtspflegeakte, durch das sie sich von Akten der Justiz8

9 10

Winter JurA 1971, 113, 124, 137; Frohn Rpfleger 2006, 178; Meikel/Böttcher Einl F 1, 2. FS Lent 1957 s 17 ff, 24. Schlegelberger Anm 6; Bärmann § 5 II; Habscheid § 4 II 4; Baur § 2 B II aE; Bosch AcP 149, 41; Blomeyer ZPR § 4 I 4; BGHZ 3,

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11 12 13 14

123, 125; Wellstein 2 Anm 1a; Pikart-Henn S 5. Keidel/Schmidt Rn 4; Bassenge/Herbst/Roth Rn 1. So aber Bärmann § 5 IV 1. So aber Bärmann § 5 IV 1. Bettermann FS Lent 1957 S 40.

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Geltungsbereich

§1

verwaltung unterscheiden, besteht gerade in der sachlichen Unabhängigkeit des Rechtspflegeorgans.15 Nur wäre der Gesetzgeber von Verfassung wegen nicht gehindert, derartige Rechtspflegeakte dieser ihrer Eigenschaft dadurch zu entkleiden, dass er sie einem weisungsgebundenen Amtsträger innerhalb der Justiz oder einer Verwaltungsbehörde überträgt, und es erhebt sich nur die rechtspolitische Frage, ob dies zweckmäßig und erstrebenswert sein könnte. Die erörterte Frage hängt davon ab, wie der Begriff der „rechtsprechenden Gewalt“ 8 in Art 92 GG zu verstehen ist. Es besteht jetzt im wesentlichen Einigkeit darüber, dass der Begriff in einem materiellen Sinne zu verstehen oder doch jedenfalls so auszulegen ist, dass materielle Elemente inbegriffen sind.16 Demgemäß gehören zur Rechtsprechung ihrem Mindestumfang nach alle Angelegenheiten, die durch Richterspruch (im materiellen Sinne) erledigt werden, nämlich durch einen verselbständigten und verbindlichen, also der materiellen Rechtskraft fähigen Ausspruch dessen, was in der Sache rechtens ist.17 Aus dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit rechnen hierzu verbindliche Feststellungen über Recht und Rechtsverhältnisse, die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, rechtsgestaltende Entscheidungen, durch die in einem streitigen Verfahren unter mehreren Beteiligten ein Rechtsverhältnis abschließend gestaltet wird, zB Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB), die Zuweisung der Ehewohnung (§ 1 HausratsVO), und mithin durchweg die privatrechtlichen echten Streitsachen (Vorbem §§ 8–18 Rn 54 f), ferner die Fälle, in denen der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit um Rechtsschutz gegenüber einer Rechtsverletzung angerufen wird, insbesondere bei der Anfechtung von Verwaltungsakten (§ 23 EGGVG), aber auch die Ersetzung der Einwilligung zu einer Willenserklärung, die ein Dritter rechts- und pflichtwidrig verweigert.18 Darüber hinaus sind Rechtsprechung im verfassungsgeschützten Sinne des Art 92 GG auch solche Aufgaben, die das Grundgesetz selbst dem unabhängigen Richter zugewiesen hat.19 Auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt hierfür Art 104 Abs 2, 3 GG in Betracht, wonach über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden hat. Dadurch werden als Rechtsprechung im materiellen Sinn charakterisiert die Maßnahmen nach dem FrEntzG, den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen und die Genehmigung der Unterbringung (§§ 1631b, 1800, 1906 BGB).20 Auch damit erschöpft sich der Katalog der dem Richter durch Art 92 GG vorbehaltenen Rechtsprechungsakte noch nicht. Das BVerfG hat hierzu ausgeführt,21 dogmatische, auf die Streitentscheidung durch eine unabhängige staatliche Stelle ausgerichtete materielle Rechtsprechungsbegriff sei insoweit unzureichend, als er nicht alle Gebiete umfasse, die herkömmlicherweise zur Rechtsprechung gezählt würden, wie außer der Strafgerichtsbarkeit Teile der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Damit ist anerkannt, dass auch die nicht streitentscheidende und nicht eine Freiheitsentziehung zum Gegenstand habende Tätigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit Rechtsprechung im Sinne des Art 92 GG sein kann; dem Art 92 GG liegt also nicht eine begrifflich-dogmatische, sondern eine historisch-teleologische Auffassung des Umfangs der rechtsprechenden Gewalt zugrunde.22 Ihr sind mithin auch solche herkömmlicherweise den Gerichten anvertrauten

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16 17 18

BGH Rpfleger 1998, 242; vgl Bornhak ZZP 48, 38; es trifft daher nicht zu, wenn Habscheid § 5 IV 2 Justizverwaltungsakte in den Begriff der Rechtspflegeakte einschließt. BVerfGE 22, 49, 74. Bettermann in FS Lent 1957, S 24. Vgl Bettermann FS f Lent S 35.

19 20 21 22

BVerfGE 22, 49, 76/77. BVerfGE 22, 49, 77; Bettermann FS f Lent S 29; Bärmann § 5 IV 4b. BVerfGE 22, 49, 76. Baur DNotZ 1955, 507, 519; ders JuristenJb Bd 3 S 50 ff, 66; Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann RPflG § 1 Rn 67; Habscheid Rpfleger

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Aufgaben vorbehalten, die wegen der Schwere des Eingriffs und ihrer Bedeutung für die Rechtsstellung des Staatsbürgers der Sicherungen eines gerichtlichen Verfahrens bedürfen.23 Hierher gehören Entscheidungen, die den Status der Person verändern, wie die Anfechtung der Vaterschaft eines Kindes (§ 1599 BGB), die Anordnung der Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft sowie alle Eingriffe in das Elternrecht, wie die Übertragung, Regelung oder Entziehung der elterlichen Sorge (§§ 1671, 1672, 1666, 1667, 1674, 1678 Abs 2, 1680 BGB).24 Dass viele dieser Entscheidungen von Amts wegen ergehen, steht ihrem Rechtsprechungscharakter nicht entgegen, weil entscheidend ist, dass die Bedeutung des Eingriffs den Richter erfordert.25 Gleichwohl verbleiben weite Bereiche der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen zwar 9 Rechtspflege und mithin, soweit ein Gericht tätig wird, Gerichtsbarkeit, aber keine Rechtsprechung ausgeübt wird. Dazu gehören das Beurkundungswesen, die Führung des Grundbuchs und anderer Register, die Aufsicht über Vormünder, Pfleger und Inhaber der elterlichen Sorge einschließlich der Erteilung vormundschafts/familiengerichtlicher Genehmigungen, die Ausstellung von Erbscheinen und sonstigen Zeugnissen. Folgt man der Theorie der „Rechtssprechung im weiteren Sinne“, der neben der Rechtsprechung im materiellen Sinne alle anderen Aufgaben einschließt, die den Gerichten zugewiesen sind, werden diese Rechtspflegeakte von Art 92 GG umfasst. Der Bestand der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dann verfassungsrechtlich geschützt (a A Voraufl).26 Anderseits werden die Gerichte selbst dann, wenn sie materiell Verwaltungsakte erlassen, nicht zu Verwaltungsbehörden. Diese Erwägungen zu Art 92 GG brauchen aber nicht zu der Folgerung zu führen, dass die Gerichte den Teilbereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der keine Rechtsprechung im materiellen Sinne ist, als Ballast abwerfen sollten. Schon wegen des Sachzusammenhangs mit dem bürgerlichen und dem Handelsrecht sind diese Angelegenheiten bei den ordentlichen Gerichten durchaus sachgemäß untergebracht und sollten bei ihnen verbleiben.27 Auch in diesem Bereich können einzelne Akte wegen den Bedeutung des Eingriffs sich als Rechtsprechung darstellen, zB die Amtslöschung von Handelsgesellschaften und Genossenschaften nach § 144 Abs 1, 147 Abs 3 FGG wegen der nach § 277 AktG, § 77 GmbHG, § 97 GenG eintretenden Rechtsfolge der Auflösung und Abwicklung (vgl § 144 Rn 26) sowie im Hinblick darauf, dass die Amtslöschungsbefugnis des Registergerichts als Ersatz für die Befugnis der Staatsbehörde gedacht ist, neben den Gesellschaftern oder sonstigen Beteiligten Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft zu erheben. (§ 144 Rn 1). Rechtsprechung ist ferner stets die Tätigkeit der Beschwerdegerichte, auch wenn ein nicht der Rechtsprechung zuzurechnender Rechtspflegeakt oder dessen Ablehnung angefochten wird,28 nicht anders, als wenn ein Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit des Erlasses oder der Ablehnung eines Verwaltungsaktes entscheidet.29

23 24

25 26

1967, 317 zu II; 1968, 237 zu II 2; Keidel/ Schmidt Rn 2. BVerfGE 22, 49, 77. Wie hier Bärmann § 5 IV 4c; aM in Bezug auf Eingriffe in das Elternrecht Bettermann FS f Lent S 33/34. AA Bettermann FS Lent S 25. Habscheid Rpfleger 1967, 317, 319; Habscheid § 5; Bärmann § 5: Brehm Rn 38; aM Baur § 1 I 1b; Bettermann aaO S 39.

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27 28 29

Habscheid Rpfleger 1968, 237. Bassenge/Herbst/Roth Rn 4; Habscheid § 5 III. Bettermann weist allerdings daraufhin, dass auch die BeschwGer, wenn ihnen bei der Sachentscheidung Handlungsermessen (zum Unterschied von Beurteilungsermessen) zusteht, keine reine Rechtsprechung ausüben (FS Lent S 17 ff zu B III S 37 f u S 28).

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Geltungsbereich

§1

2. Übertragung auf die Gerichte Die Angelegenheit muss den Gerichten übertragen sein, die Gerichte müssen mithin 10 als sachlich zuständig erklärt sein. Das kommt schon in der Bezeichnung als Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit zum Ausdruck. Denn „gerichtsbar“ ist eine Angelegenheit nur, wenn sie zum Geschäftskreis der Gerichte gehört, und unter Gerichtsbarkeit im objektiven Sinne ist die Gesamtheit dieser Angelegenheiten zu verstehen.30 Mit Gerichten sind die nach dem GVG bestehenden ordentlichen Gerichte gemeint. Das GVG gilt mithin für die Verfassung der ordentlichen Gerichte auch insoweit, als sie auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig werden.31 Die richterliche Unabhängigkeit (§ 1 GVG, § 25 DRiG, Art 97 GG) ist daher auch gewährleistet, wenn der Richter freiwillige Gerichtsbarkeit ausübt.32 Der Landesgesetzgeber darf diese Gerichtsverfassung für den Geltungsbereich der FGG nicht ändern; ebenso ist die auf dem GVG beruhende Gerichtsverfassung maßgebend, wenn Angelegenheiten de freiwilligen Gerichtsbarkeit den Gerichten durch Landesgesetz zugewiesen werden. Wenn aber Angelegenheiten, die man nach den begrifflichen Merkmalen der freiwilligen Gerichtsbarkeit im weiteren Sinne oder der „vorsorgenden Rechtspflege“ (vgl § 24 Abs 1 BNotO), zuordnen könnte, anderen Beamten oder Behörden als den Gerichten übertragen sind, zB dem Standesamt, dem Patentamt; den Notaren; sind die Vorschriften des ersten Abschnitts nicht anwendbar, sofern ihre Anwendung nicht besonders bestimmt ist. 3. Übertragung durch Reichsgesetz (Bundesgesetz) a) Rechtsquelle Unter Reichsgesetz ist gem § 185 Abs 2 FGG iVm Art 2 EGGVG jede reichsrechtliche 11 (bundesrechtliche, Art 123, 125 Nr 1 GG) Rechtsnorm zu verstehen, so dass dazu nicht nur Gesetze im formellen Sinne, sondern auch bundesrechtliche Rechtsverordnungen, Staatsverträge des Reiches und der Bundesrepublik und fortgeltendes Besatzungsrecht gehören. Die allgemeine Fassung „durch Reichsgesetz“ soll zum Ausdruck bringen, dass die Übertragung sowohl durch das FGG selbst als auch durch andere Reichsgesetze angeordnet sein kann, und zwar nicht nur durch solche, die zZ des Inkrafttretens des FGG bereits in Geltung waren (HGB, GmbHG, GenG) oder gleichzeitig mit ihm in Kraft traten (BGB), sondern auch durch künftig zu erlassende Gesetze.33 Auf landesrechtliche Angelegenheiten finden die Vorschriften des ersten Abschnitts nur Anwendung, soweit das Landesrecht es bestimmt (Rn 175 f). Art 86 des E eines Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz34 sah vor, das Wort „Reichsgesetz“ durch das Wort „Gesetz“ zu ersetzen. Diese sprachliche Anpassung sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass es für die angeordnete Anwendbarkeit der „nachstehenden allgemeinen Vorschriften“ nicht (mehr) bedeutsam ist, dass den Gerichten Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Reichsgesetz übertragen sind, sondern durch ein Gesetz.35 Der BT hat das G ohne diese Vorschrift verabschiedet.36 30 31

32

Laband StaatsR des Dt Reiches Bd 3 S 346 ff; Kern GerVR 3. Aufl S 7. Schlegelberger III vor § 1; Keidel/Schmidt Rn 47; Bärmann § 3 I 1; Baur § 2 B III 5; Habscheid § 10 I. Schlegelberger § 10 vor § 1; Keidel/Schmidt Rn 47; Habscheid § 10 I 2b.

33 34

35 36

Denkschr S 32. BMJ, Geschäftszeichen IV A 3-1100/3-6-14644/2005 (Gesetzentwurf Bereinigung Bundesrecht 31-01-05.pdf). Begr S 179. BGBl 2006 S 866.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

b) Art der Übertragung

12

Die Übertragung ist nicht, wie in § 13 GVG für die streitige Gerichtsbarkeit und in § 40 VwGO für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, durch eine Generalklausel ausgesprochen, sondern durch zahlreiche einzelne Bestimmungen, die sich verstreut in verschiedenen Gesetzen finden, teils in der Weise, dass eine bestimmte Verrichtung dem Gericht zugewiesenen wird, teils so, dass die Mitwirkung des Gerichts und damit seine Zuständigkeit ausschließlich oder neben der Zuständigkeit anderer Behörden oder Beamten vorausgesetzt wird. Die Übertragung kommt darin zum Ausdruck, dass für die Vornahme einer bestimmten Handlung die Zuständigkeit des Gerichts begründet wird, zB für die Bestellung von Vorständen und Abwicklern für Vereine Stiftungen und Handelsgesellschaften (§§ 29, 48, 86, 88 BGB, § 85 AktG), für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Willenserklärung oder der Kraftloserklärung einer Vollmacht (§§ 132, 176 BGB) oder für die Bestellung eines Vertreters des Grundstückseigentümers zur Empfangnahme einer Kündigung (§§ 1141 Abs 2, 1192, 1, 1200 BGB). Aus dieser Zuweisung iVm § 1 FGG ergibt sich die Anwendung der Vorschriften des ersten Abschnitts, ohne dass dies in der die Zuständigkeit begründenden Norm jeweils besonders bestimmt sein müsste. Hat ein Reichs- (Bundes-) Gesetz bestimmte Angelegenheiten den Gerichten zugewiesenen, zugleich aber den Landesgesetzgeber ermächtigt, diese Angelegenheiten auf andere als gerichtliche Behörden zu übertragen, wie es für Vormundschaft- und Nachlasssachen in Art 147 EGBGB geschehen ist, und macht der Landesgesetzgeber von diesem Vorbehalt Gebrauch, so hören diese Angelegenheiten dadurch nicht auf, durch Reichsgesetz den Gerichten übertragen zu sein; die allgemeinen Vorschriften finden deshalb auch auf das Verfahren vor diesen nicht gerichtlichen Behörden Anwendung, so weit nicht das Gesetz in § 194 selbst Ausnahmen bestimmt.37 Ebenso ist es für die Frage, ob die Beurkundung von Rechtsgeschäften im Sinne des 13 § 1 den Gerichten durch Reichsgesetz übertragen ist, unschädlich, dass der Gesetzgeber die Zuständigkeit der Gerichte durch das BeurkG (§§ 55, 56) ausgeschlossen hat, und, da § 1 nicht die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte voraussetzt, dass nach Bundesrecht die Gerichte in einigen Fällen neben den Notaren zuständig sind. Die Frage ist freilich umstritten; das Reichsgericht38 hat die Frage dahingestellt gelassen, ob die Beurkundung von Rechtsgeschäften, die nach der Vorschrift eines Reichsgesetzes, insbesondere das BGB, gerichtlicher oder notarieller Beurkundung bedürfen, hierdurch im Sinne des § 1 den Gerichten übertragen ist; es hat die Frage verneint für solche Beurkundungen, die, wie in §§ 126 Abs 4, 129 Abs 2 BGB, reichs-/bundesrechtlich nur zugelassen, aber nicht erfordert sind. Die Frage ist jedoch zu bejahen.39 Keine Anwendung finden die Vorschriften des allgemeinen Teils auf Angelegenheiten, 14 in denen der Bundesgesetzgeber es dem Landesgesetzgeber überlässt, die zuständige Behörde zu bestimmen, auch wenn der Landesgesetzgeber alsdann ein Gericht für zuständig erklärt. Grundbuchsachen sind erst durch § 1 GBO idF vom 5.8.1935 (RGBl I, 1073) den Gerichten durch Reichsgesetz übertragen worden, nachdem bis dahin die Bestimmung der Behörde, welche die Aufgaben des Grundbuchamts wahrzunehmen hat, dem Landesgesetzgeber überlassen war. Abweichend von dem bis dahin bestehenden Rechtszustand gelten mithin die Allgemeinen Vorschriften des FGG auch für das Verfah-

37 38

Wellstein Anm 1 GG; Josef Anm 2b; Schlegelberger Anm 17; Keidel/Schmidt Rn 47. RGZ 57, 398; 58, 94.

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39

KGJ 21 A 221; 45, 164; Wellstein Anm 1d; Josef Anm 2b; Schlegelberger Anm 17; aM Keidel/Schmidt Rn 48, Bärmann § 52 II.

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Geltungsbereich

§1

ren vor dem Grundbuchamt, so weit nicht die GBO, wie insbesondere für das Beschwerdeverfahren, besondere Vorschriften enthält.40 4. Von den allgemeinen Vorschriften abweichendes Recht a) Verhältnis zum älteren Reichsrecht Gem § 185 Abs 2 FGG ist Art 50 EGBGB entsprechend anzuwenden. Das bedeutet, 15 dass die Vorschriften der übrigen Reichsgesetze neben dem FGG in Kraft bleiben und nur insoweit außer Kraft treten, als ihre Aufhebung sich aus diesem Gesetz ergibt. Älteres Reichsrecht geht selbst dann vor, wenn es mit den allgemeinen Vorschriften des FGG in Widerspruch steht; denn auf Grund des Art 50 EGBGB ist das Verhältnis des FGG zum älteren Reichsrecht im wesentlichen so zu behandeln, als wenn die Vorschriften der bisherigen Reichsgesetze und die Vorschriften des FGG in dem selben Gesetzgebungsakt enthalten wären.41 Die Aufhebung des früheren Rechts kann auch aus dem Sinnzusammenhang durch Auslegung erschlossen werden;42 das kann aber wegen der Einschränkung in § 1 für den Geltungsbereich des Ersten Abschnitts im allgemeinen nicht angenommen werden. b) Abweichende Bestimmungen Die Vorschriften des ersten Abschnitts sollen gemäß § 1 keine Anwendung finden, so 16 weit etwas anderes bestimmt ist. Derartige abweichende Bestimmungen finden sich zunächst in den übrigen Abschnitten des FGG selbst; im Verhältnis zu den Vorschriften des besonderen Teils sind die Allgemeinen Vorschriften mithin nur anzuwenden, wenn die übrigen Abschnitten des Gesetzes keine abweichende Regelung enthalten, vorausgesetzt, dass die besonderen Vorschriften nicht lediglich eine ergänzende Regelung enthalten, neben der die Vorschriften des Allgemeinen Teils in Geltung bleiben, wie es bei der Regelung des Beschwerderechts in Vormundschaftssachen in § 57 gegenüber § 20 der Fall ist. Abweichende Bestimmungen enthält das FGG zB in den §§ 50a bis 50c, 55c, 68, 70c gegenüber § 12, in §§ 51, 53 Abs 1, 53a Abs 2, 53g Abs 1, 55b Abs 2, 56c Abs 1, 56f Abs 3, 59 Abs 2, 69a Abs 3, 69f Abs 4, 70g Abs 3, 70h Abs 1 gegenüber § 16, in § 55 gegenüber § 18, in § 96 S 2 gegenüber § 23, in § 143 Abs 2 S 2 gegenüber § 27. Abweichende Bestimmungen können sich ferner außer aus dem FGG auch aus anderen Bundesgesetzen ergeben.43 Sie finden sich zahlreich im BGB und im HGB, im GenG. (§§ 80 Abs 2, 54a Abs 2 S 2 GenG), in der Grundbuchordnung für das Beschwerdeverfahren (§§ 71 ff GBO). Der im BGB verwendete Begriff des Beteiligten deckt sich nicht mit dem Begriff des materielle Beteiligten im Sinne des FGG, woraus sich Abweichungen für die Beschwerdeberechtigung ergeben.44 Es ist nicht erforderlich, dass die abweichende Bestimmung ausdrücklich getroffen ist; es genügt, dass die Anwendung der allgemeinen Vorschriften mit der Regelung, die ein besonderes Rechtsgebiet sonst gefunden hat, nicht vereinbar ist.45 Dazu reicht es aber nicht aus, dass die miteinander zu vergleichenden Regelungen zwar gewisse Berührungspunkte haben, aber auf verschiedenen Ebenen lie-

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41 42 43

OLG München JFG 14, 138; KG JFG 16, 322; Hesse DFG 1936, 4, 23; Meikel/Böttcher GBO Einl F Rn 1; Keidel/Schmidt Rn 49. Vgl RGZ 63, 3 149. Staudinger/Merten Art 50 Rn 6. Schlegelberger Anm 21; Keidel/Schmidt Rn 50; aM Wellstein Anm 1 f.

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Vgl § 80 Rn 9, 11, § 160 Rn 20, § 20 Rn 23. Schneider ZZP 29, 96 ff, 98; Ebert/Dudek/ Lindemann Anm 2; Schlegelberger Anm 25; Keidel/Schmidt Rn 50; aM RGZ 120, 276.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

gen und unterschiedliche Zwecke verfolgen; daher wird die verfahrensrechtliche Befugnis zur Änderung von Verfügungen auf Grund des § 18 Abs 1 nicht ausgeschlossen durch die im sachlichen Recht (vgl § 1696 BGB) enthaltene Ermächtigung, den durch die Verfügung begründeten Zustand durch eine neue Verfügung zu ändern.46 c) Landesgesetzliche Vorbehalte

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Zu beachten sind ferner die landesgesetzlichen Vorbehalte, die sich aus § 185 Abs 2 FGG iVm Art 1 Abs 2 (früher Art 3) EGBGB (dazu § 185 Rn 7) sowie aus den §§ 192 bis 195, 199 ergeben und die Abweichungen auch gegenüber den Allgemeinen Vorschriften enthalten können (zB § 199 gegenüber § 28 Abs 1 und § 5). Dagegen dürfen die nach § 200 Abs 1 zulässigen landesgesetzlichen Ergänzungs- und Ausführungsvorschriften den Bestimmungen des FGG nicht widersprechen (§ 200 Rn 3). 5. Selbstständige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

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In einer Reihe neuerer Gesetze, die durchweg Streitsachen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts zum Gegenstand haben, ist das Verfahren durch eine Verweisung auf die Vorschriften des FGG geregelt. Das geschieht in der Weise, dass entweder bestimmt wird, das Verfahren sei eine Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 13 Abs 1 Hausrats VO, § 13 Abs 1 VerschG) oder das Gericht entscheidet im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 43 Abs 1 WEG) oder die Vorschriften des FGG seien „im übrigen“ oder „so weit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt“ entweder unmittelbar (§ 99 Abs 1 AktG, § 3 FEVG; § 4 TSG) oder entsprechend (§ 40 Abs 4 BRAO, § 111 Abs 4 BNotO) oder sinngemäß (§ 9 LwVG, § 29 Abs 2 EGGVG) anzuwenden. In diesen Fällen, für die auch die Bezeichnung „unechte FGG-Sachen“ verwendet wird,47 handelt es sich im Grunde um ebenso viel selbstständige Verfahrensordnungen, wie Materien geregelt werden. Nur wird zur Entlastung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen zu dem gesetzestechnischen Mittel gegriffen, das Verfahren vorbehaltlich der in dem Gesetz getroffenen besonderen Regelungen durch Verweisung auf die Vorschriften des FGG zu ordnen, ebenso wie das FGG seinerseits aus demselben gesetzestechnischen Grunde auf Vorschriften der ZPO verweist (vgl §§ 13a Abs 3, 14, 15, 27 Abs 1 S 2). Hieraus ergibt sich die Folgerung, dass die Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften des FGG nicht auf einer Übertragung im Sinne des § 1 beruht und deshalb auch nicht dessen Einschränkungen (Rn 14) unterliegt, sondern ihre Grundlage unmittelbar in der verweisenden Norm und ihre Grenze in deren Vorbehalten findet. Im übrigen stehen auch diese Materien Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne des § 1 gleich.48 Dagegen ist das Beschwerdeverfahren nach §§ 63 ff GWB keine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit,49 ebenso wenig das Verfahren vor den Kammern und Senaten für Baulandsachen nach §§ 217 ff BauGB. 6. Übersicht über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

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Im Jahre 2000 ging das BMJ nach einer JURIS-Auswertung davon aus, dass in mehr als 200 Gesetzen auf das FGG-Verfahren verwiesen wurde.50 Das bedeutete, dass fast 350 Verfahren nach dem FGG abgewickelt werden mussten.51 Auf Grund einer Übertra46 47 48

KG FamRZ 1959, 259; vgl § 18 Rn 2; aM Baur III A 3c. Wertenbruch Rpfleger 1962, 77, 83. BGHZ 3, 110, 112; 3, 123, 124; 6, 193; Keidel/Schmidt Rn 7, 50.

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Kull JZ 1961, 681. Schreiben des BMJ v 20.10.2000 – Gz: RA 5 3800/9. DAV FuR 2003, 354.

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Geltungsbereich

§1

gung gem § 1 oder einer Verweisung auf die Vorschriften des FGG (Rn 18) sind außer den in den Abschnitten II bis X des Gesetzes selbst behandelten besonderen Angelegenheiten die nachstehende Materien Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit: a) echte FGG-Sachen: die einstweilige Bestellung von Vorstandsmitgliedern und Abwicklern für Vereine und Stiftungen in dringenden Fällen (BGB §§ 29, 48, 86, 88); die Entziehung der Rechtsfähigkeit gegen einen eingetragenen Verein beim Herabsinken der Mitgliederzahl unter 3 (BGB § 73); die Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Willenserklärung bei Unbekanntheit der Person oder des Aufenthalts des Empfängers (BGB § 132); die Bewilligung der öffentlichen Bekanntmachung bei der Kraftloserklärung einer Vollmacht (BGB § 176); die Bestellung eines Vertreters für den Grundstückseigentümer zur Empfangnahme einer Kündigung nach den § 1141 Abs 2, §§ 1192, 1200 BGB; die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zur Erlangung des Erbscheins (BGB § 2356) oder der in den §§ 1507, 2368 BGB genannten Zeugnisse.

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b) unechte FGG-Sachen: Das Einigungsverfahren nach dem G über anderweitige Festsetzung von Geldbezügen aus Altenteilsverträgen vom 18.8.1923 (RGB 11 I, 815), streitig;52 § 5 G über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischen Recht (AdWirkG) vom 5.11.2001, BGBl I S 2953; §§ 99, 241, 242, 262, 275, 289 Aktiengesetz (AktG) vom 6.9.1965, BGBl S 1089, zuletzt geändert durch den am 1.11.2005 in Kraft getretenen Art 1 Art 3 des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9. 2005, BGBl S 2802; § 81 Abgabenordnung 1977 (AO 1977) vom 16.3.1976 (BGBl S 613, ber 1977 S 269), in der seit dem 1.9.2002 geltenden Fassung der Neufassungsbekanntmachung vom 1.10.2002, BGBl I S 3866, zuletzt geändert durch den am 1.1.2006 in Kraft tretenden Art 4 Abs 22, Art 6 S 2 des Gesetzes zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters) vom 22.9.2005, BGBl S 2809; § 12 Abs 3 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) idF d Bek v 27.7.1993 (BGBl S 1361); § 77 G zur Ausführung des Abkommens vom 27.2.1953 über deutsche Auslandsschulden (AuslSchuldAbkAG) v 24.8.1953 (BGBl III 7411-1), zuletzt geändert durch Art 121 G v 25.11.2003 (BGBl S 2304); §§ 17, 69 G zur Bereinigung von deutschen Schuldverschreibungen, die auf ausländische Währung lauten (AuslWBG) v 25.8.1952 (BGBl S 553) zuletzt geändert durch Art 75 VO v 25.11.2003 (BGBl S 2304); § 33 Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) vom 19.2.2001 (BGBl S 288, 436); § 35 G über die Sicherung der Bauforderungen (BauFordSiG) vom 1.6.1909 (RGBl 449), zuletzt geänd d G v 5.10.1994 (BGBl S 2911); 52

Vgl dazu Pritsch LwVG § 50 Anm V; BayObLGZ 1955, 328.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§ 207 S 1 Baugesetzbuch (BauGB) idF d Bek v 23.9.2004 (BGBl S 2414); § 5 Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (BerHG) vom 18.6.1980 (BGBl S 689 = BGBl III 303-15), zuletzt geändert durch den am 21.12.2004 in Kraft getretenen Art 2 des EG-Prozesskostenhilfegesetzes vom 15.12. 2004, BGBl S 3392; §§ 54, 64 Beurkundungsgesetz (BeurkG) in der im BGBl III, Gliederungsnummer 303-13 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 1.1.2005 in Kraft getretenen Art 8 des G über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom 22.3.2005, BGBl S 837; § 3 Abs 2 S 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) idF d Bek v 22.2.2005 (BGBl S 458); Art 1 § 4 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) in der vom 1.10.1994 an geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 21.9.1994 (BGBl S 2494), zuletzt geändert durch den am 1.1.2006 in Kraft tretenden Art 4 Abs 15 Nr 1, 2, Art 6 S 2 des G zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters) vom 22.9.2005, BGBl S 2809; §§ 28, 46 G über die Bundespolizei – Bundespolizeigesetz – (BPolG) (früher Bundesgrenzschutzgesetz) vom 19.10.1994, BGBl S 2978, zuletzt geändert durch den am 1.7. 2005 in Kraft getretenen Art 1 des G zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21.6.2005, BGBl S 1818; §§ 15, 23 G über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKAG 1997) vom 7.7.1997, BGBl S 1650, BGBl III 2190-2 mehrfach geändert, zuletzt geändert durch den am 1.7.2005 in Kraft getretenen Art 22 des G zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21.6.2005, BGBl S 181; §§ 15, 24, 54, 78c Bundesnotarordnung (BNotO) in der im BGBl III, Gliederungsnummer 303-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 29.7.2005 in Kraft getretenen Art 1 des Vierten G zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 22.7.2005, BGBl S 2188; §§ 16, 40, 42, 106 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in der im BGBl III, Gliederungsnummer 303-8, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 1.1.2005 in Kraft getretenen Art 4 des G zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verfahrensvorschriften zur Wahl und Berufung ehrenamtlicher Richter vom 21.12. 2004, BGBl S 3599; § 18 G zur Einführung von Bundesrecht im Saarland (BRSaarEG) v 30.6.1959 (BGBl S 313, 644); § 1 G über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (BtBG) v 12.9.1990, BGBl S 2002, 2025, verkündet als Art 8 des mit Wirkung vom 1.1.1992 in Kraft getretenen G zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz – BtG) vom 12.9.1990, BGBl S 2002, zuletzt geändert durch den am 1.7.2005 in Kraft tretenden Art 9, Art 12 des Zweiten G zur Änderung des Betreuungsrechtes (Zweites Betreuungsrechtsänderungsgesetz – 2. BtÄndG) vom 21.4.2005, BGBl S 1073; § 5 G zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (BtG) v 12.9.1990 (BGBl S 2002); § 9 G über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (BVerfSchG) v 20.12.1990 (BGBl S 2954, 2970) zuletzt geändert durch Art 2 G v 21.6.2005 (BGBl S 1818);

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Geltungsbereich

§1

§ 10 AG zu dem Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (CWÜAG) v 2.8.1994 (BGBl S 1954) zuletzt geändert durch G v 11.10.2004 (BGBl S 2575); §§ 49, 56 G über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung (DMBilG) v 21.8.1949 (WiGBl 1949 S 279) zuletzt geändert durch Art 8 Abs 19 G v 4.12.2004 (BGBl S 3166); § 8 AG zum deutsch-österreichischen Konkursvertrag (DöKVAG) v 8.3.1985 (BGBl S 535) zuletzt geändert durch Art 5 G v 19.11.2004 (BGBl S 2902); Art 12 Erstes G zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) v 14.6.1976 (BGBl I S 1421) geändert durch Art 7 § 4 S 2 G v 16.12.1993 (BGBl S 2054); Anlage I Kapitel III Sachgebiet A – Rechtspflege Abschnitt III, IV (BGBl II 1990, 889, 922), Sachgebiet B – Bürgerliches Recht Abschnitt II, zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (EinigVtr). (Anlage I Kap III A III EinigVtr) Maßgaben für das beigetretene Gebiet (Art 3 EinigVtr). (Anlage I Kap III A IV EinigVtr) Maßgaben für das Land Berlin. (Anlage I Kap III B II EinigVtr) (Anlage II Kap III A III EinigVtr) (Anlage II Kap III D I EinigVtr); § 7 VO über das Erbbaurecht (ErbbauVO) in der im BGBl III, Gliederungsnummer 403-6, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 19. Juli 2005 in Kraft getretenen. Art 16 Nr 1, 2 und Art 20 des G zur Neuordnung des Pfandbriefrechts vom 22. Mai 2005, BGBl S 1373; § 1 Nr 2 VO über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof (ERVVOBGH) idF d Bek v 26. November 2001 (BGBl S 3225); § 64 Abs 2 S 3 Einkommensteuergesetz (EStG) idF d Bek v 19. Oktober 2002 BGBl S 4210; 2003 S 179); Art 7 § 1 FamRÄndG v 11.8.1961 (BGBl S 1221) zuletzt geändert d Art 3 § 5d G v 25.6.1998 (BGBl S 1580); § 15 G zur Vereinheitlichung der Fideikommissauflösung (FideiAuflG) v 26.6.1935 (RGBl I S 785) geändert durch Art 7 Abs 12 G v 27.6.2000 (BGBl S 897); §§ 3, 6, 14, 24 VO zur Durchführung des G zur Vereinheitlichung der Fideikommissauflösung (FideiAuflGDV) v 24.8.1935 (RGBl I S 1103) geändert durch Art 50 G v 27.7.2001 (BGBl S 1887); § 27 VO zur Durchführung und Ergänzung des G über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (FideiErlGDV) v 20.3.1939 (RGBl I 509); §§ 3, 8 G über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG) vom 29. Juni 1956, (BGBl S 599), zuletzt geändert durch den am 1.1.2005 in Kraft getretenen Art 11 Nr 12a des Zuwanderungsgesetzes v 30.7.2004, BGBl S 1950. Das G soll nach dem FGG-ReformG-E 2006 aufgehoben werden, weil die Vorschriften als §§ 325 ff FamFG-E 2006 vorgesehen sind; § 119 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) idF d Bek v 16. März 1976 (BGBl S 546);

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

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§ 2 G über Maßnahmen auf dem Gebiet des Grundbuchwesen (GBMaßnG) vom 20. Dezember 1963 (BGBl S 986), zuletzt geändert durch Art 7 Abs 7 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000, BGBl S 897;

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§§ 1, 4, 5, 12c, 36, 81, 88, 105, 110, 144 Grundbuchordnung (GBO) in der vom 25. Dezember 1993 an geltenden Fassung der Bek vom 26. Mai 1994 (BGBl S 1114), zuletzt geändert durch das am 1.1.2005 in Kraft getretene Anhörungsrügengesetz vom 9.12.2004, BGBl S 3220;

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§§ 1, 5 VO über die Wiederherstellung zerstörter oder abhanden gekommener Grundbücher und Urkunden (GBWiederhV) v 26.7.1940 (RGBl I S 1048);

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§ 81 G betreffend die Erwerbs und der Wirtschaftsgenossenschaften (GenG) in der seit 25. Dezember 1993 geltenden Fassung der Bek vom 19. August 1994 (BGBl S 2202), zuletzt geändert durch den am 1.1.2005 in Kraft getretenen Art 2 des Abschlussprüferaufsichtsgesetzes vom 27.12.2004, BGBl S 3846;

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§§ 6, 22, 23 VO über das Genossenschaftsregister (GenRegV) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 315-16, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 20.12.2001 in Kraft getretenen Art 3 der VO zur Erleichterung der Registerautomation vom 11. Dezember 2001, BGBl S 3688;

67

§ 14 Gewerbeordnung (GewO) in der seit 1. Januar 1999 geltenden Neufassung der Bek vom 22.2.1999, BGBl S 202, zuletzt geändert durch den am14.9.2005 in Kraft getretenen Art 3a des G zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und anderer G vom 6. September 2005, BGBl S 2725;

68

§ 46 Gerichtskostengesetz (GKG 2004) = Artikel 1 des G zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG) vom 5.5.2004 BGBl S 718, das gem Art 8 KostRModG am 1. Juli 2004 in Kraft getreten ist, zuletzt geändert durch den am 1. November 2005 in Kraft getretenen Art 2 Abs 5 Nr 1, 2a, b, Art 3 des G zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005, BGBl S 2802;

69

§ 60 G betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) vom 20. April 1892, in der im BGBl III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 1. April 2005 in Kraft getretenen Art 12, Art 16 des G über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom 22.3.2005, BGBl S 837;

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§§ 22, 33 G über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (GrdstVG) vom 28. Juli 1961 (BGBl S 1091, zuletzt geändert durch den am 18. August 2005 in Kraft tretenden Art 1 des G zur Änderung des Grundstücksverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes vom 14. August 2005, BGBl S 2409 ber S 1652 und 2000), (BGBl III/FNA 7810-1);

71

§ 2 Nr 6 VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung (GVerfReglV) v 20.3. 1935 (RGBl I S 403) Änderungsvorschrift v 26.5.1972 (BGBl S 841);

72

§ 21b Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in der Fassung der Bek vom 9.5.1975 (BGBl S 1077), zuletzt geändert durch das Erste G zur Bereinigung von Bundesrecht im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz v 19. August 2006, BGBl S 866;

73

§§ 10, 15, 23, 29 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) in der im BGBl III, Gliederungsnummer 300-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 30.8.2002 in Kraft getretenen Art 5 Abs 5 des Vierunddreißigsten

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Geltungsbereich

§1

Strafrechtsänderungsgesetzes – § 129b StGB (34. StrÄndG) vom 22. August 2002, BGBl S 3390; Handelsgesetzbuch (HGB) in der im BGBl III Gliederungsnummer 4100-1 veröffentlichten bereinigten Fassung; § 13 VO über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats (HausratsVO) vom 21. Oktober 1944 (RGBl I S 256), in der im BGBl III, Gliederungsnummer 404-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 1.1.2001 in Kraft getretenen Art 12 des G zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11. Dezember 2001 (BGBl S 3513); §§ 4, 25, 38a, 44, 45 VO über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (HRV) Allgemeine Verfügung über Einrichtung und Führung des Handelsregisters vom 12. August 1937 (veröffentlicht in der DJ 1937 S 1251) idF der VO vom 12.11.1958 – Bundesanzeiger Nr 224, zuletzt geändert durch den am 29. Dezember 2004 in Kraft getretenen Art 7, Art 9 des G zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22. Dezember 2004, BGBl S 3675; § 1 Abs 6 S 2 Höfeordnung (HöfeO) idF der Bek v 26. Juli 1976 (BGBl S 1933) zuletzt geändert durch Art 7 Abs 13d G v 27. Juni 2000 (BGBl S 897); Verfahrensordnung für Höfesachen (HöfeVfO)vom 29. März 1976 (BGBl S 881, 885; 1977 S 288) zuletzt geändert durch Art 7 Abs 14d G v 27.6.2000 (BGBl S 897); § 8 Abs 3 Internationales Familienrechtsverfahrensgesetzes (IntFamRVG) vom 26. Januar 2005 (BGBl S 62); G über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden (KastrG) vom 15. August 1969 (BGBl S 1143) zuletzt geändert durch Art 4 Abs 6d G v 26.1.1998 (BGBl S 124); § 1 G über Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (KostO) in der im BGBl III Gliederungsnummer 361-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 21. Oktober 2005 in Kraft getretenen Art 2 Abs 4, Art 4 S 1 des G zur Durchführung der VO (EG) Nr 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) vom 18. August 2005, (BGBl S 2477); § 43 G über das Kreditwesen (KWG) in der seit 1. August 1998 geltenden Fassung der Bek vom 9. September 1998, BGBl S 2777, zuletzt geändert durch den am 28. September 2006 in Kraft getretenen Art 4a Nr 2, Art 6 S 1 des G zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters) vom 22. September 2005, (BGBl S 2809); § 29a Landbeschaffungsgesetz für Aufgaben der Verteidigung (LBG) in der im BGBl III Gliederungsnummer 54-3 veröffentlichten bereinigten Fassung zuletzt geändert durch Art 2 d G v 12.8.2005 (BGBl S 2354); § 96 G über Rechte an Luftfahrzeugen (LuftFzgG) v 26.2.1959 (BGBl S 57, 223) zuletzt geändert durch Art 3 Abs 2 G v 6.4.2004 (BGBl S 550); § 6 VO zur Abwicklung der Landwirtschaftlichen Schuldenregelung (LwSchuldAbwVBrZ) v 5.7.1948 (VOBl BrZ 1948, 199); §§ 9, 26, 52 G über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG) vom 21. Juli 1953 (BGBl S 667) (BGBl III 317-1), zuletzt geändert durch den am 1. April 2005 in Kraft getretenen Art 15d, Art 16 des G über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom 22.3.2005, BGBl S 837;

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Art 2 § 18 G zur Ergänzung des G über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (MontanMitbestGErgG) 7.8.1956 (BGBl S 707) zuletzt geändert durch Art 5 G v 8.6.2005 S 1530); § 2 G über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄG) v 5.11.1938 in der im BGBl III, Gliederungsnummer 401-1, veröffentlichten bereinigten Fassung zuletzt geändert durch das 3. G zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften v 21.8.2002 (BGBl S 3322); Verwahrung von Inventarverpfändungsverträgen nach dem PachtkreditG v 5.8.1951 (RGBl I, 494) zul geändert d Art 4 Nr 4 d G v 8.11.1985 (BGBl S 2065); §§ 23, 36, 38, 90 Patentanwaltsordnung (PatAnwO) v 7.9.1966 (BGBl S 557) zuletzt geändert durch Art 2 Abs 7 G v 12.8.2005 (BGBl S 2354); § 48 Personenstandsgesetz (PStG) in der im BGBl III, Gliederungsnummer 211-1 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 1.2.2003 in Kraft getretenen Art 14 des Dritten G zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21. August 2002, BGBl S 3322. Das Gesetz soll durch das Personenstandsrechtsreformgesetz geändert werden (vgl Einl Rn 630); § 4 G über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank (RBkLiqG) v 2.8.1961 (BGBl S 1165) zuletzt geändert durch § 12 Nr 8 G v 17.12.1975 (BGBl S 3123); §§ 5 Nr 4, 9 Abs 3 ReichsschuldbuchG vom 31.5.1910 (RGBl S 840); Art 19 G zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren (RegVBG) v 20.12.1993 (BGBl S 2182), Änderungen durch Art 7 Abs 3 u Abs 4 G v 17.7.1997 (BGBl S 1823); G über die religiöse Kindererziehung (RelKiErzG) vom 15.7.1921 (RGBl 939, 1263) geänd d urch Art 7 d G v 12.9.1990 BGBl S 2002); §§ 3, 11, 14, 17, 19 Rechtspflegergesetz (RPflG) vom 5.11.1969 (BGBl S 2065), zuletzt geändert durch die am 21. Oktober 2005 in Kraft getretenen Art 2 Abs 1, Art 4 S 1 des G zur Durchführung der VO (EG) Nr 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) vom 18. August 2005, BGBl S 2477; §§ 17, 18, 19, 24 G über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) vom 5. Mai 2004, BGBl S 788 (Art 3 des G zur Modernisierung des Kostenrechts, KostRMOG, vom 5.5.2004, BGBl S 718, zuletzt geändert durch den am 21. Oktober 2005 in Kraft tretenden Art 2 Abs 5 Nr 1, Art 4 S 1 des G zur Durchführung der VO (EG) Nr 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) vom 18. August 2005 (BGBl S 2477); §§ 89, 96 G zur Sachenrechtsbereinigung im Beitrittsgebiet (SachenRBerG) vom 21. September 1994, BGBl S 2457, zuletzt geändert durch den am 1. Januar 2006 in Kraft tretenden Art 4 Abs 16a, Art 6 S 2 des G zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters) vom 22. September 2005 (BGBl S 2809); §§ 2, 19, 62, 87, 89 Schiffsregisterordnung. (SchRegO) in der vom 25. Dezember 1993 an geltenden Fassung der Bek vom 26. Mai 1994 (BGBl S 1114), zuletzt geändert durch das am 1.1.2005 in Kraft getretene Anhörungsrügengesetz vom 9.12.2004, BGBl S 3220;

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Geltungsbereich

§1

§§ 4, 9, 14a, 16 G über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen v 4.12.1899 (BGBl III Gliederungsnummer 4134-1) zuletzt geändert durch G v 5.10. 1994 (BGBl S 2911); §§ 4, 8 G zur Ausführung der VO (EG) Nr 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft SE (SE-Ausführungsgesetz SEAG) vom 22. Dezember 2004, BGBl S 3675, zuletzt geändert durch den am 1. November 2005 in Kraft getretenen Art 2 Abs 7, Art 3 des G zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 (BGBl S 2802); §§ 64, 74 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) vom 18. August 1980, BGBl S 1469, 2218, in der seit 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der Bek vom 18.1.2001, (BGBl S 130), zuletzt geändert durch den am 1. Februar 2006 in Kraft tretenden Art 2 Abs 24 Nr 1, 2 des G zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12. August 2005 (BGBl S 2354); § 94 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) Soziale Pflegeversicherung vom 26. Mai 1994 (BGBl S 1014) mehrfach geändert, zuletzt geändert durch den am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Art 3 des Zweiten G zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer G vom 8. Juni 2005 (BGBl S 1530); § 2, 7, 10, 12, 17 G über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz – SpruchG) vom 12.6.2003, BGBl S 838, durch den am 29. Dezember 2004 in Kraft getretenen Art 5, Art 9 des G zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22. Dezember 2004, BGBl S 3675; § 21 G zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (StAngRegG) v 22.2.1955 (BGBl S 65) zuletzt geändert durch Art 3 § 1 G v 15.7.1999 (BGBl S 1618); § 4 G über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen – Transsexuellengesetz – (TSG) vom 10. September 1980 (BGBl S 1654); § 20 G über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) in der seit 1. August 1998 geltenden Fassung der Neufassungsbekanntmachung vom 9. September 1998, BGBl S 2765, zuletzt geändert durch den am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Art 19a des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 21.6.2002 (BGBl S 2010); §§ 22, 24 G über die Ergänzung von Vorschriften des Umstellungsrechts und über die Ausstattung der Berliner Altbanken mit Ausgleichsforderungen (UErgG) v 21.9.1953 (BGBl S 1439) zuletzt geändert durch § 14 Abs 21 G v 11.12.2001 (BGBl S 3519); § 10 Umwandlungsgesetz (UmwG) vom 28. Oktober 1994, BGBl S 3210, zuletzt geändert durch den am 15.12.2004 in Kraft getretenen Art 10 des G zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das G zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl S 3214); § 138 G über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) vom 9.9.1965 (BGBl S 1273), in der im BGBl III, Gliederungsnummer 440-1veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 13.9.2003 in Kraft getretenen Art 1 des G zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10. September 2003 (BGBl S 1774); §§ 6, 8 VO über die Ersetzung zerstörter oder abhanden gekommener gerichtlicher oder notarischer Urkunden (UrkErsV) v 18.6.1942 (RGBl I S 395); § 10 Abs 4 VereinsG v 5.8.1964 (BGBl S 593) zul geänd d Art 5 Abs 2 d G v 22.8. 2002 (BGBl S 3390;

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§§ 64, 184 Gesetz über den Versicherungsvertrag in der im BGBl III, Gliederungsnummer 7632-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 8.12.2004 in Kraft getretenen Art 6 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2.12.2004, BGBl S 3102; § 47 G über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) in der Fassung der Bek vom 17. Dezember 1992 (BGBl 1993 S 2), zuletzt geändert durch den am 1. November 2005 in Kraft getretenen Art 2 Abs 4, Art 3 des G zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 (BGBl S 2802); §§ 13, 29, 35 Verschollenheitsgesetz (VerschG) vom 15. Januar 1951, in der im BGBl III, Gliederungsnummer 401-6, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art 14 § 11 des G zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl S 2942); §§ 1 Abs 3, 13 VO über das Vereinsregister und andere Fragen des Registerrechts (Vereinsregisterverordnung – VRV) vom 10. Februar 1999 (BGBl S 147), zuletzt geändert durch den am 1.1.2002 in Kraft getretenen Art 1 der VO zur Erleichterung der Registerautomation vom 11. Dezember 2001 (BGBl S 3688); § 16 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) idF d Bek v 23. Januar 2003 (BGBl S 102). § 85 Abs 2 Wehrdisziplinarordnung (WDO) idF d Bek v 21. August 2001 (BGBl S 2093) zuletzt geändert durch Art 14 d G v 22.4.2005 (BGBl S 1106); § 20 G über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (WiPrO) v 24.7.1961 (BGBl S 1049), neu gefasst durch Bek V 5.11.1975 (BGBl S 2803), zuletzt geändert durch Art 1 G v 27.12.2004 (BGBl S 3846); §§ 43, 46, 46a, 58 G über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz – WEG) in der im BGBl III, Gliederungsnummer 403-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 1.7.2004 in Kraft getretenen Art 4 Nr 36 des G zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG – vom 5.5.2004 (BGBl S 718); §§ 20 Abs 3, 23b Abs 3 G über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (ZFdG) v 16.8.2002 (BGBl S 3202) zuletzt geändert durch Art 26 G v 21.6.2005 (BGBl S 1818); § 621a Zivilprozessordnung (ZPO) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-4, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch den am 27. August 2005 in Kraft getretnen Art 1 Nr 1a, Art 3 S 2 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) vom 18. August 2005 (BGBl S 2477); § 12 G zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts (ZustErgG) vom 7.8.1952 (BGBl S 407) i d im BGBl III Gliederungsnummer 310-1 veröffentlichten bereinigten Fassung. Durch das Erste Gesetz zur Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des BMJ (Art 48) sind die §§ 2 bis 5 (Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten), 7 (Nachlasssachen) sowie die Abschnitte 3 (Handelsrecht) und 5 (Übergangs- und Schlussbestimmungen) aufgehoben worden. Der BT hat das G am 16.2.2006 beschlossen;53

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BGBl 2006 S 866.

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Geltungsbereich

§1

§ 181 Abs 2 G über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG) in der 124 im BGBl III, Gliederungsnummer 310-14, veröffentlichten bereinigten Fassung.

III. Verhältnis der freiwilligen zur streitigen Gerichtsarkeit 1. Fehlende Parteidisposition Die gesetzliche Abgrenzung zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit ist der 125 Vereinbarung der Beteiligten entzogen. Weder kann der Kreis der in das Verfahren der FG gehörenden Angelegenheiten mit Einwilligung oder kraft Vereinbarung der Beteiligten erweitert werden54 noch können die Beteiligten in einer der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheit die Zuständigkeit der streitigen Gerichtsbarkeit vereinbaren oder sich ihr unterwerfen. In Pachtschutzangelegenheiten (§§ 7, 8 LPG) und Pachtbeanstandungensachen (§ 5 Abs 3 LPG) kann jedoch das Landwirtschaftsgericht gem § 13 LwVG auf Antrag eines Beteiligten fakultativ an Stelle des Prozessgerichts über Bestehen, Inhalt oder Wirksamkeit der Kündigung eines Landpachtvertrages entscheiden.55 Über die Zulässigkeit der Vereinbarung schiedsgerichtlicher Entscheidung vgl Vorbem vor § 3 Rn 32. 2. Amtsprüfung. Verfahrensrechtliche Bedeutung des Unterschieds der Verfahrensarten Die gesetzliche Abgrenzung zwischen freiwilliger und streitigen Gerichtsbarkeit ist 126 vom Gericht in beiden Verfahrensarten von Amts wegen zu beachten.56 Eine Ausnahme gilt für das Beschwerdeverfahren in Landwirtschaftssachen nach § 23 Abs 2 LwVG. Im Zivilprozess führt die Feststellung, dass über den Rechtsstreit im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden ist, zur Abweisung der Klage als unzulässig,57 sofern keine Verweisung erfolgt (zu §§ 17, 17a GVG vgl Rn 134 ff). In der Berufungs- und Revisionsinstanz sind aber in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die §§ 531 Abs 1, 563 ZPO auch im Verhältnis zum Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden; danach findet eine Prüfung von Amts wegen nicht mehr statt und die Rüge kann nur noch unter den Voraussetzungen des § 534 ZPO erhoben werden.58 Umgekehrt hat das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn vor ihm ein durch Klage geltend zu machender Anspruch erhoben wird, den Antrag als unzulässig abzuweisen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, wie der BGH für das Verhältnis zwischen Prozessgericht und Landwirtschaftsgericht angenommen hat,59 auch

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RGZ 94, 172; 133, 128; Baur § 2 B IV 1, § 6 II 3, § 7 III 1; Keidel/Sternal Vorbem §§ 3 – 5 u 7 Rn 13. Vgl BGH RdL 1956, 76; 1958, 20; OLG Schleswig SchlHA 1957, 85; Pritsch LwVG und Barnstedt LwVG 2. Aufl Bem zu § 13. BGHZ 13, 327; Bärmann § 6 II 3a: Brehm Rn 97; Keidel/Schmidt Rn 13. BGHZ 19, 185, 195. Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl § 528 Rn 11; Barnstedt LwVG 2. Aufl § 23 Anm 5; aM Baur § 2 IV 3; Schulte RdL 1961, 277,

59

282; vgl auch BGHZ 36, 105, 108 (Kartellsenat); 40, 148 (Baulandkammer). Diese Folgerung ergibt sich nicht nur daraus, dass § 534 ZPO nach seinem Zweck weit auszulegen ist, sondern ist auch im Hinblick auf die umgekehrte Regelung des § 23 Abs 2 LwVG unumgänglich; es bleibt zu erwägen, ob § 23 Abs 2 LwVG nicht auch in anderen echten Streitsachen angewendet werden sollte. BGHZ 12, 257 = NJW 1954, 10 Nr 1 = JZ 1954, 644; ebenso allgem Habscheid NJW 1966, 117 87, 1792.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

nicht unmittelbar um die Zulässigkeit des Rechtsweges;60 denn auch die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entscheidenden Abteilungen, Kammern und Senate der Gerichte sind Teile der ordentlichen Gerichte.61 Vielmehr können die Vorschriften der ZPO über die Unzulässigkeit des Rechtsweges auf die Wahl der unrichtigen Verfahrensarten nur entsprechend angewendet werden; diese entsprechende Anwendung ist aber auch geboten, weil die Unterschiede über einen bloßen Mangel der sachlichen Zuständigkeit oder gar einen Verstoß gegen die Geschäftsverteilung hinausgehen.62 Wegen der Folgen der Grenzüberschreitung für die Wirksamkeit der Entscheidung vgl § 7 Rn 25 ff. Infolge der Zuweisung einer Sache in das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist auch der Erlass von einstweiligen Verfügungen des Prozessgerichts ausgeschlossen.63 Das gilt auch in Hausratsteilungssachen;64 sobald ein Antrag nach § 1 Hausrats VO gestellt ist, kann das dafür zuständige Gericht nach § 13 Abs 4 Hausrats VO einstweiliger Anordnungen treffen. Vgl aber nachstehend Rn 128. Auch im Verfahren nach dem FGG hat jeder ablehnungsberechtigte Verfahrensbetei127 ligte Anspruch darauf, den Namen der zur Mitwirkung an der Entscheidung berufenen Richter zu erfahren. Das gilt auch für Handelsrichter.65 Streiten geschiedene Ehegatten darüber, ob ein gemeinsames Kind von dem einen an den anderen herauszugeben sei, so ist das Vormundschaftsgericht berufen, die Entscheidung und gegebenenfalls die zur Durchführung der Herausgabe erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Im Verhältnis zwischen geschiedenen Ehegatten ist der Rechtsweg bei einer solchen Streitigkeit unzulässig.66 Zur Entscheidung über die Frage, ob das Testamentsvollstreckeramt nach Ausführung der Testamentsvollstreckeraufgaben fortbesteht, wenn der Testamentsvollstrecker irrig an das Vorhandensein von Testamentsvollstreckeraufgaben glaubt, ist das Prozessgericht zuständig.67 3. Konkurrierende Zuständigkeit

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In besonderen Fällen kann dasselbe oder ein ähnliches Ziel sowohl im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit als auch durch Klage erreicht werden, zB die Beseitigung eines unrichtigen Erbscheins durch Einziehung seitens des Nachlassgerichts nach § 2361 DGB oder durch Klage des richtigen Erben auf Herausgabe des Erbscheins an das Nachlassgericht nach § 2362 BGB. Das Verfahren des Registergerichts nach § 37 Abs 1 HGB, § 140 FGG kann mit der Unterlassungsklage nach § 37 Abs 2 HGB, dass Amtslöschungsverfahren nach § 144 FGG mit einer Nichtigkeitsklage nach § 275 AktG, § 75 GmbHG konkurrieren. Einander ausschließende Ansprüche mit sich widersprechenden Begründungen können gleichzeitig im Zivilprozess und vor dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (LwG) geltend gemacht werden, wenn dadurch die Wahrheitspflicht nicht verletzt wird.68 Wo ein Wahlrecht besteht, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, 60 61 62

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BGHZ 19, 185 = NJW 1956, 260 = FamRZ 1956, 51. BGHZ 4, 352 = NJW 1952, 424 = RdL 1952, 188; KG WM 1955, 1136. Baur § 2 B III 5, ders FamRZ 1956, 129; Keidel/Schmidt Rn 13, Bärmann § 6 II 2; BGHZ 40, 1 = LM 3 17 GVG Nr 2 m Anm Johannsen = NJW 1963, 2219 = FamRZ 1963, 560 = Rpfleger 1964, 16 m Anm Keidel. OLG Hamm JMBlNRW 1951, 139; OLG Köln JMBlNRW 1959, 120 (§§ 1631, 1632

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BGB); BGHZ 13, 218 = LM § 18 LwVG Nr 1a m Anm Pritsch vor § 916; Keidel/ Schmidt Rn 13. Schandau JR 1957, 55; aM Keidel/Schmidt Rn 13. BayObLG DB 1977, 2272 = Rpfleger 1978, 17 = MDR 1978, 232. BGHZ 19, 185. BGHZ 41, 23. BGH MDR 1959, 834; Keidel/Sternal Vorbem § 3 –7u 7 Rn 13.

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Geltungsbereich

§1

es allgemeinen durch das Erfordernis eines besonderen Rechtsschutzinteresses einzuschränken.69 Der Klage eines Mitgesellschafters auf die Anmeldung zum Handelsregister fehlt das Rechtsschutzinteresse nicht deswegen, weil die Anmeldung nach § 14 HGB, § 132 FGG vom Registergericht erzwungen werden könnte.70 Rechtshängigkeit kann nur vorliegen, wenn die Streitgegenstände identisch sind (vgl § 31 Rn 14); daran fehlt es immer, wenn in dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit öffentlich-rechtliche Verpflichtungen erzwungen oder öffentlicher Interessen verfolgt, im Zivilprozess aber privatrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, oder wenn es im Verfahren vor dem Nachlassgericht nur die Erteilung oder Einziehung des Erbscheins, im Zivilprozess aber um die rechtskräftige Feststellung des Erbrechts geht.

IV. Verweisung. Abgabe Verweisung ist der Vorgang, durch den ein Verfahren von dem unzuständigen Gericht 129 auf das zuständige Gericht übergeht. Zweck dieser Regelung ist es, im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit Abweisungen aus Zuständigkeitsgründen, durch welche die Sache selbst nicht gefördert wird, zu vermeiden. Grundsätzlich liegt eine Verweisung nur vor, wenn das Gericht wechselt, mithin nicht, wenn eine Sache an eine andere gleichartige Abteilung (Kammer, Senat) desselben Gerichts abgegeben wird.71 Einem Gerichtswechsel gleichzustellen ist aber die Überführung der Sache in eine andere Verfahrensart, mag selbst ein Wechsel des Gerichts oder auch nur des Richters nicht eintreten. Verweisung und Abgabe unterscheiden sich nach der Neuregelung (vgl Rn 131) insofern nicht mehr als die Verweisung und die Abgabe von Amts wegen vorgenommen werden.72 Die Bezeichnung Abgabe ist angebracht, wenn ein zuständiges Gericht, sei es auch auf Antrag, eine Sache aus Zweckmäßigkeitsgründen an ein anderes gleichartiges Gericht abgibt (vgl § 11 Abs 2 Hausrats VO). Als Arten des Verfahrensübergangs kommen in Betracht die Verweisung zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige (Rechtswegverweisung),73 zwischen Gerichten der freiwilligen und der streitigen Gerichtsbarkeit und zwischen verschiedenen Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit untereinander. 1. Rechtswegverweisung a) Zulässigkeit Rechtsgrundlage für die Verweisung an ein Gericht eines anderen Gerichtszweiges 130 sind für die ordentlichen Gerichte §§ 17, 17a GVG idF des Art 2 d G v 17.12.1990 (BGBl S 2809), für die Arbeitsgerichte § 48 ArbGG, für die allgemeinen Verwaltungsgerichte § 173 VwGO, für die Finanzgerichte § 155 FinGO und für die Sozialgerichte § 202 SozGG, die auf §§ 17 ff GVG verweisen. Diese Vorschriften gelten auch für das Verhältnis der genannten Gerichtszweige zu den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.74 Hält er daher ein Verwaltungsgericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für nicht gege69 70 71 72 73

So zutreffend Stein/Jonas/Schumann Vorbem v § 253 Rn 111. BGH WM 1963, 259: Keidel/Schmidt Rn 21. BGHZ 6, 178; Stein-Jonas/Leipold 21. Aufl § 281 Rn 5. Vgl Keidel/Schmidt Rn 40; zum früheren Recht Hw Müller ZZP 67, 1. Dazu Bötticher RdA 1960, 161–165; Stein MDR 1966, 369.

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BGH BGHZ 115, 275, 284 = NJW 19912423; KG OLGZ 1994, 279 = NJW-RR 1991, 1356; FG-Prax 1998, 138; Keidel/ Schmidt Rn 19; Bärmann § 6 II; Rosenberg/ Schwab/Gottwald § 11 III 1a; Stein/Jonas/ Leipold § 281 ZPO Rn 72; Zöller/Gummer Vorbem §§ 17–17b Rn 11.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ben, so hat es nach § 17a GVG von Amts wegen in dem Beschluss, in dem es den Rechtsweg für unzulässig erklärt, durch Beschluss die Sache zugleich an das Gericht des ersten Rechtszuges, zu dem es den Rechtsweg für gegeben hält, zu verweisen, und mithin auch unmittelbar an ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zB an das nach § 25 EGGVG zuständige OLG.75 Ebenso kann ein Gericht der freiwilligen Gericht in Anwendung des § 17a Abs 2 GVG, wenn es nicht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg, sondern den Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten für gegeben erachtet, die Sache an das Verwaltungsgericht erster Instanz verweisen. Aus der besonderen Eigenart der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergeben sich aber Schranken nach dem Gegenstand des Verfahrens. Es können nur Verfahren abgegeben werden, in denen Rechtsprechung im materiellen Sinne ausgeübt wird (oben Rn 6), und auch diese nur, wenn es sich um Antragsverfahren handelt, mithin nur echte Streitsachen privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art Ein Verweisungsverhältnis zu anderen Gerichtszweigen (und zur streitigen Zivilgerichtsbarkeit, nachstehend Rn 134) kann nur in echten Streitsachen bestehen.76 Insbesondere kann ein Amtsverfahren in keinem Falle verwiesen werden;77 das folgt daraus, dass in allen anderen Gerichtszweigen die Dispositionsmaxime gilt und ein ohne Klage (Antrag) gefälltes Urteil wirkungslos wäre.78 Die Verweisung eines Amtsverfahren müsste als wirkungslos erachtet werden.79 Unzulässig ist eine Verweisung von einem Gericht an eine Verwaltungsbehörde.80 b) Verfahren

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Das Gericht hat zunächst zu prüfen, ob es nach Maßgabe seiner eigenen Verfahrensordnung örtlich und sachlich zuständig ist; diese Prüfung geht der Rechtswegverweisung vor.81 Die Verweisung kann stets nur von Amts wegen ausgesprochen werden (§ 17a Abs 2 GVG). Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger bzw Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen (§ 17a Abs 2 S 2 GVG). Antragsberechtigt ist nur der Antragsteller, nicht auch der Gegner, es sei denn, dass dieser das Verfahren zulässigerweise ebenfalls durch Anträge betreibt. Der Antrag kann auch hilfsweise gestellt werden. Die Anhörung der Parteien ist zwingend vorgeschrieben (§ 17a Abs 2 S 1 GVG), schriftliche Stellungnahme reicht aber,82 muss aber auch die Aufforderung zur Ausübung des Wahlrechts enthalten.83 Wird das Gericht trotz Belehrung nicht ausgewählt, so ist an das vom Gericht zu betimmende Gericht zuverweisen. Die Verweisung ergeht stets durch Beschluss. In dem Beschluss ist das Gericht, an das verwiesen wird, zu bezeichnen; das kann nur ein erstinstanzliches sein, auch wenn das verweisende Gericht ein Beschwerdegericht ist. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht.84 Der Verweisungsbeschluss ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, (§ 17a Abs 4 S 3 GVG). 75

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BGH MDR 1996, 1290; BayObLG BayObLGZ 1991, 186 = NJW-RR 1991, 1356; Keidel/Schmidt Rn 19. Zöller/Gummer, Vorbem 17–17b GVG Rn 11; Stein/Jonas/Leipold § 281 Rn 73; Keidel/Schmidt Rn 20. AA Keidel/Schmidt Rn 20. Blomeyer ZPR § 81 III 2a; Stein/Jonas/Leipold § 281 ZPO Rn 73; MünchKommZPO/ Wolf § 17a Rn 4. Vgl auch VerwG Freiburg RdL 1965, 15 m Anm Wöhrmann welches die Verweisung eines Genehmigungsverfahrens v LwG an das VerwG für unwirksam erklärt hat.

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OLG Celle RdL 1958, 303 (Landwirtschaftsgericht an Landwirtschaftsbehörde); Keidel/ Schmidt Rn 20; Pritsch LwVG § 12 Anm C I; Barnstedt/Steffen 2 § 12 Rn 22. Rupp JuS 1966, 109; vgl auch H-J Müller DVBl 1959, 694; Keidel/Schmidt Rn 19. Keidel/Schmidt Rn 26; Baumbach/Albers § 17a GVG Rn 11. Keidel/Schmidt Rn 26. Eyermann/Fröhler VwGO § 40 Anm 19; Baumbach/Albers § 17a GVG Rn 8.

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Geltungsbereich

§1

Wenn der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, kann dies das Gericht, auf Antrag muss 132 es dies, aussprechen (§ 17a Abs 3 GVG); dagegen ist ebenfalls die sofortige Beschwerde zulässig. Da es an einer Regelung fehlt, ob eine Fortsetzung des Verfahrens schon vor Eintritt der Rechtskraft dieser Vorabentscheidung und eine in der Hauptsache zu erlassende Entscheidung zulässig wäre; dürfte eine Aussetzung des Verfahrens empfehlenswert sein.85 c) Wirkungen der Verweisung Mit Eingang der Akten nach dem Eintritt der formellen Rechtskraft des Verweisungs- 133 beschlusses ist die Sache bei dem Adressatgericht anhängig (§ 17b Abs 1 S 1 GVG). An die Rechtshängigkeit geknüpfte Wirkungen, insbesondere die Wahrung von Fristen, gelten als mit dem Zeitpunkt der Klageerhebung (Antragstellung) vor dem verweisenden Gericht als eingetreten (§ 17b Abs 1 S 2 GVG). Auch sonst können Ergebnisse des bisherigen Verfahrens (zB Beweisaufnahmen), sofern sie nach Maßgabe der jetzt anwendbaren Verfahrensordnung verfahrensrechtlich einwandfrei gewonnen sind, verwertet werden. Verfahrenshandlungen der Beteiligten, Anerkenntnisse, Geständnisse, Versäumnisse sind nur insofern erheblich, als die nunmehr maßgebliche Verfahrensordnung es vorsieht. Die Verweisungsentscheidung ist für das Adressatgericht insofern bindend, als das verweisende Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt hat (§ 17a Abs 2 S 3 GVG). Das Adressatengericht darf also seinerseits das verweisende Gericht nicht mehr für zuständig halten. Diese Bindung führt, wenn die Verweisung unrichtig, in Wirklichkeit also der Rechtsweg zu dem verweisenden Gericht eröffnet war, dazu, dass der Rechtsweg zu dem Adressatgericht nur für den Einzelfall erweitert wird; das Adressatgericht muss insoweit die Rechtsschutzaufgabe des verweisenden Gerichts übernehmen.86 Bei negativem Kompetenzkonflikt (unzulässige Zurückverweisung) hat gleichwohl bei Eintritt der Rechtskraft Bindungswirkung.87 Die Verweisung hat nach neuem Recht nicht nur abdrängende Wirkung, schließt mithin eine Weiterverweisung an eine anderer Gerichtsbarkeit aus.88 Aber das Adressatgericht bleibt befugt, die Sache wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit oder aus wichtigen Gründen (§ 11 Abs 3 Hausrats VO, § 73 Abs 2 FGG) an ein anderes Gericht seines eigenen Gerichtszweiges abzugeben,89 und über einen daraus entstehenden Streit über die örtliche Zuständigkeit wäre gem § 5 FGG zu entscheiden. 2. Abgabe zwischen freiwilliger und streitiger Gerichtsbarkeit In dieser Hinsicht liegen Teilregelungen für einzelne Verfahrensordnungen vor. Auch 134 sonst ist aber ein Verweisungsverhältnis in echten Streitsachen anzunehmen.

85 86 87

88

Baumbach/Albers § 17a GVG Rn 3; Kissel/ Mayer § 17a Rn 25; Keidel/Schmidt Rn 27. Zöller/Gummer § 17a Rn 13; Kissel/Mayer § 17 Rn 39; Keidel/Schmidt Rn 22. BGHZ 144, 21 = MDR 2000, 598; MünchKommZPO/Wolf § 17a Rn 18; Zöller/ Gummer § 17a Rn 13: Keidel/Schmidt Rn 22. Kissel/Mayer § 17 Rn 37 Stein/Jonas/Leipold

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§ 281 Rn 27, 95; Zöller/Gummer § 17a GVG Rn 12; Keidel/Schmidt Rn 22. BGHZ 25, 346, 350; BAG NJW 1993, 1878; NJW 1994, 1815 = JR 1994, 308; NJW 1996, 742; OLG Karlsruhe MDR 1995, 88; Baumbach/Albers § 17a R 9; Kissel/Mayer § 17 Rn 38; Keidel/Schmidt Rn 23.

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109

§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

a) Wohnungseigentum und Hausratssachen

135

Nach § 18 Hausrats VO, § 46 Abs 1 WEG hat das Prozessgericht, wenn und soweit in dem Rechtsstreit Ansprüche geltend gemacht werden, über die nach § 1 Hausrats VO oder § 43 Abs 1 WEG das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden hat, die Sache von Amts wegen nach Anhörung der Parteien durch Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, an das nach § 11 Hausrats VO oder § 43 Abs 1 WEG zuständige Amtsgericht abzugeben. Ist durch Beschluss über den Rechtsweg vorab ordnungsgemäß entschieden worden, kann das Berufungsgericht die Abgabe nicht mehr überprüfen.90 Der Beschluss ist gem § 17a Abs 4 GVG nach den Vorschriften der ZPO anfechtbar.91 Der Verweisungsbeschluss ist in dem in Rn 133 erörterten Sinne für das Adressatgericht bindend (§ 18 Abs 1 S 3 Hausrats VO, § 46 Abs 1 S 3 WEG). Das Adressatgericht kann nicht nur als zuständiges Gericht die Sache auf Antrag nach § 11 Abs 2 Hausrats VO aus wichtigem Grunde an ein anderes Amtsgericht abgeben, sondern auch, wenn es sich für örtlich unzuständig hält, von Amts wegen, worüber bei Streit gem § 5 FGG zu entscheiden wäre.92 Der Verweisungsbeschluss enthält keine Kostenentscheidung. Wegen der Gerichtskosten vgl § 23 Hausrats VO, § 50 WEG. b) Landwirtschaftsverfahren

136

In § 12 LwVG ist eine Abgabe sowohl vom Landwirtschaftsgericht an das Prozessgericht als auch umgekehrt vorgesehen. aa) Abgabe vom Landwirtschaftsgericht an das Prozessgericht

137

Hält das Landwirtschaftsgericht das Prozessgericht für zuständig, so hat es von Amts wegen, also ohne dass es eines Antrags bedarf und ohne Bindung an gestellte Anträge, nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung (§ 12 Abs 1 S 2 LwVG) und ohne Zuziehung landwirtschaftlicher Beisitzer (§ 20 Abs 1 Nr 3 LwVG) ergehen kann, die Sache an das zuständige Prozessgericht abzugeben. Der Beschluss ist zu begründen (§ 21 Abs 1 LwVG). Er ist für das Prozessgericht in dem in Rn 133 erörterten Sinne bindend, auch wenn er unrichtig ist. Einer Weiterverweisung innerhalb der streitigen Gerichtsbarkeit wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit bleibt also zulässig.93 Gegen die Ablehnung der Abgabe findet die sofortige Beschwerde unter Beachtung der §§ 22 Abs 1, 25 LwVG statt (§ 17a Abs 4 GVG).94 Auch die Anordnung der Abgabe ist anfechtbar (amtliche Begründung zu § 12 Abs 3), und zwar ist das Rechtsmittel unbefristet.95 Es entscheidet das OLG. Ein Beschluss des OLG über die Abgabe ist unanfechtbar (§ 24 Abs 3 LwVG), gegen Beschwerdeentscheidungen findet die Rechtsbeschwerde nicht statt (§ 24 Abs 1 LwVG), weil ein Beschluss in der Hauptsache nicht vorliegt.96 Wird der Beschluss im Beschwerdewege aufgehoben, so entfällt damit die Rechtshängigkeit beim Prozessgericht. Im Beschwerdeverfahren kann eine Verweisung nur noch erfolgen, wenn § 23 Abs 2 LwVG nicht entgegensteht (oben Rn 126). Als rechtshängig gewordenen gilt die Sache in dem Zeitpunkt, in der beim Landwirt-

90 91 92 93 94 95

Keidel/Schmidt Rn 31. Keidel/Schmidt Rn 31. Vgl Fn 95. Barnstedt/Steffen § 12 Rn 40. Keidel/Schmidt Rn 32. OLG Celle RdL 1958, 99; NJW 1963, 865; Nds RPfl 1965, 38, 78; OLG Düsseldorf RdL

110

96

1958, 97; OLG Köln RdL 1961, 153; OLG vom RdL 1966, 185; Wöhrmann/Stöcker LwVG § 12 Anm 12; Barnstedt/Steffen § 12 Rn 18. BGH LM § 12 LwVG Nr 2; Barnstedt/Steffen § 12 Rn 2.

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Geltungsbereich

§1

schaftsgericht gestellte Antrag dem Beteiligten, der nach der Abgabe Beklagter ist, bekannt gemacht worden ist (§ 12 Abs 1 S 4 LwVG). Kommt es darauf an, ob eine Frist zu wahren oder die Verjährung zu unterbrechen ist, so ist die Einreichung des Antrags beim Landwirtschaftsgericht maßgebend, wenn die Bekanntmachung demnächst erfolgt ist (§ 12 Abs 1 S 5 LwVG), Auf die Abgabe eines Prozesskostenhilfegesuchs ist § 12 LwVG nicht anwendbar; entweder wird die Prozesskostenhilfe versagt, weil die Rechtsverfolgung mangels Zuständigkeit aussichtslos ist, oder das Gesuch wurde auf Antrag des Antragstellers an das andere Gericht formlos weitergeleitet; diese Abgabe hat aber keine Bindungswirkung.97 bb) Abgabe vom Prozessgericht an das Landwirtschaftsgericht Hält das Prozessgericht das Landwirtschaftsgericht für zuständig, so hat es ebenfalls 138 ohne Antrag von Amts wegen nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, die Sache an das Landwirtschaftsgericht zu verweisen (§ 12 Abs 2 mit Abs 1 S 2 LwVG, ergänzend §§ 17–17b GVG).98 Die Klage darf also nicht wegen des Zuständigkeitsmangels als unzulässig abgewiesen werden.99 Ist ein Anspruch auch auf einen bürgerlich-rechtlichen Grund (unerlaubte Handlung) gestützt, so kann nur wegen dieses nicht an das Landwirtschaftsgericht verwiesen werden.100 Das Rechtsmittelgericht ist an eine fehlerhafte Entscheidung der ersten Instanz über 139 die Zulässigkeit des Rechtswegs (zB durch Hauptentscheidung unter Bejahung des beschrittenen Rechtswegs ohne Vorabentscheidung obwohl eine Zulässigkeitsrüge erhoben wurde) nicht gebunden. Es muss zunächst selbst durch Beschluss über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs entscheiden. Lag jedoch kein Grund für eine Vorabentscheidung und auch keine Zulässigkeitsrüge vor, ist das Rechtsmittelgericht an die ausdrückliche oder konkludente Rechtswegbejahung gebunden.101 Der Beschluss ist für das Landwirtschaftsgericht in dem in Rn 133 erörterten Sinne 140 bindend, auch wenn er unrichtig ist.102 Eine Kostenentscheidung darf in den Abgabebeschluss nicht ergehen, da sie der Ermessensentscheidung des Landwirtschaftsgerichts nach § 44 LwVG vorgreifen würde.103 Wegen der Gerichtskosten vgl § 12 Abs 3 LwVG. Zur Entscheidung über einen Feststellungsantrag betreffend die Wirksamkeit der Umwandlung einer LPG in eine GmbH und Co KG ist das Landwirtschaftsgericht und zwar als FGG-Gericht berufen, sofern die Feststellung ausschließlich eine Vorfrage für die Geltendmachung von Abfindungsansprüchen nach §§ 44, 51a Landwirtschaftsanpassungsgesetz darstellt. Wenn demgemäß ein beim Zivilprozessrecht anhängig gemachter Rechtsstreit in die Zuständigkeit des FGG-Landwirtschaftsgericht fällt, ist das Verfahren analog §§ 17 ff GVG zu beschreiten. Die Anwendung des § 12 Abs 2 Landwirtschaftsverfahrensgesetz, wonach ohne Antrag eine Abgabe von Amts wegen zur Folge hat, kommt nicht in Betracht, weil kein Fall des § 1 LwVG vorliegt. Auch § 281 ZPO scheidet aus, denn diese Vorschrift kommt nur zur Anwendung, wenn das zuständige Landwirtschaftsgericht im Zivilprozessverfahren zu entscheiden hat.104 97 98 99 100 101

Barnstedt/Steffen § 12 Rn 21. Keidel/Schmidt Rn 32. BGHZ 12, 254, 266. BGH RdL 1952, 189. BGH BGHZ 114, 1 = NJW 1991, 168: BGHZ 131, 228 = NJW 1996, 725; BGH NJW 1994, 387 = MDR 1994, 199; OLG Düsseldorf NJW 1993, 2880 = NVwZ 1993,

102 103 104

405; OLG Hamm NJW-RR 1999, 684; Keidel/Schmidt Rn 29. Vgl OLG Celle RdL 1954, 129; OLG Hamm RdL 1960, 130. BGHZ 12, 254, 267; Barnstedt/Steffen § 12 Rn 27. OLGR Brandenburg 1999, 139.

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111

§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

c) Verweisung beim Fehlen einer besonderen Regelung

141

Zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke ist aus zwingenden Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit in ergänzender Rechtsfindung eine Abgabe vom Prozessgericht in das Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit über die engen Grenzen der §§ 18 HausratsVO, 46 WEG, 12 LwVG mit Recht auch für andere Verfahrensgegenstände für zulässig erachtet worden.105 Nach der Änderung der §§ 17, 17a GVG durch Art 2 G vom 17.12.1990 (BGBl S 2809) ist es im Hinblick auf das Verhältnis des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur streitigen Gerichtsbarkeit (oben Rn 126) geboten, das in § 17a GVG für die Verweisung zwischen den Gerichten verschiedener Gerichtszweige vorgesehene Verfahren auf die Verweisung zwischen Prozessgericht und Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden, sofern der Gesetzgeber für einzelne Materien nicht bereits eine besonderen Regelung getroffen hat.106 In Betracht kommen Arrestverfahren, einstweilige Verfügungen und sonstigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.107 Begründet wird diese Verweisungsbefugnis mit der besonderen Eilbedürftigkeit.108 Dagegen sind die §§ 17–17b auf isolierte PKH-Verfahren nicht anwendbar.109 d) Negativer Kompetenzkonflikt

142

Haben sich unter Nichtbeachtung der §§ 18 Hausrats VO, 46 WEG, § 12 LwVG oder des § 17 GVG sowohl das Prozessgericht als auch das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt, so wird das zuständige Gericht in entsprechender Anwendung des § 36 Nr 6 ZPO durch das im Instanzenzug nächsthöhere Gericht bestimmt werden müssen.110 Bei Beteiligung eines Landwirtschaftsgerichts ist das mindestens das OLG (§ 22 LwVG), bei Beteiligung von Gerichten verschiedener OLGBezirke der BGH (§ 9 EGZPO) oder, wenn nur Gerichte verschiedener bayerischer OLG Bezirke beteiligt sind, (das BayObLG nur noch bis zu dessen Auflösung am 30.6.2006, dann) das OLG München vgl § 199 Rn 4, 12, 13). 3. Abgabe und Verweisung zwischen verschiedenen Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit a) Abgabe wegen örtlicher Unzuständigkeit

143

Hält ein mit einer Sache befasstes Gericht sich für örtlich unzuständig, so kann es die Sache durch Verfügung an das für örtlich zuständig gehaltene Gericht abgeben. Ein

105

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BGHZ 10, 155 = NJW 1953, 1508 = JZ 1953, 759 m Anm Keidel zu § 58 DM-BilG; BArbG AP § 2 ArbGG Nr 25 zu 22 Umstellungsergänzungsgesetz; Schlegelberger § 1 Anm 15. BGHZ 40, 1 = LM § 17 GVG Nr 2 m Anm Johannsen = NJW 1963, 2219 = FamRZ 1963, 560 = Rpfleger 1964, 16 m Anm Keidel. OLG Hamburg OLGZ 1994, 366 = GRUR 1993, 778; OVG NRW NJW 1994, 1020 = NVwZ 1994, 178; Baumbach/Albers § 17a GVG Rn 5; Keidel/Schmidt Rn 36; Kissel/ Mayer § 17 Rn 6; Zöller/Gummer Vorbem §§ 17–17b; aA OVG Hessen NJW 195,

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108 109

110

1170 = DVBl 1995, 164; OVG RhPf NVwZ 1993, 381 = DÖV 1993, 351. OVG NRW NJW 1994, 1020 = NVwZ 1994, 178; Keidel/Schmidt Rn 36. VGH BW NJW 1995, 1916 = NVwZ 1995, 402; OVG NRW 1993, 2766 = DÖV 1993, 831; OVG Sachsen NJW 1994, 1020; Baumbach/Albers § 17a GVG Rn 5; Keidel/Schmidt Rn 35; Zöller/Gummer Vorbem §§ 17–17b GVG Rn 12. OLG Hamm RdL 1967, 210; Barnstedt 2. Aufl LwVG § 12 Anm 2; Vgl auch BayObLGZ 1968, 89, wo der BGH die Bestimmung abgelehnt hatte.

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Geltungsbereich

§1

Antrag ist dazu auch im Antragsverfahren nicht erforderlich.111 Gegen die Abgabeverfügung ist die Beschwerde zulässig.112 Bindende Wirkung hat die Abgabeverfügung nicht; ein Abgabestreit wird im Verfahren nach § 5 entschieden; erst die Entscheidung des oberen Gerichts nach § 5 ist für Gerichte und Beteiligte bindend. Im Landwirtschaftsverfahren ist § 12 Abs 1 LwVG auch für die Abgabe von Landwirtschaftsgericht zu Landwirtschaftsgericht wegen örtlicher Unzuständigkeit anwendbar;113 diese Regelung geht als lex specialis dem § 5 FGG vor. Nach § 5 kann nur verfahren werden, wenn mehrere Landwirtschaftsgerichte örtlich zuständig sind (§ 4)114 und eine Bestimmung nach Zweckmäßigkeitsgründen erforderlich115 ist oder wenn das Gericht, an das nach § 12 Abs 1 LwVG abgegeben ist, die Übernahme verweigert. Die Abgabe nach § 12 Abs 1 Landwirtschaftsverfahrensgesetz wegen örtlicher Unzuständigkeit oder ihre Ablehnung ist im Hinblick auf § 23 Abs 1 LwVG unanfechtbar;116 auch im Beschwerdeverfahren ist eine Abgabe aus diesem Grunde gem § 23 Abs 1 LwVG nicht mehr zulässig. b) Abgabe wegen sachlicher Unzuständigkeit Im Verhältnis mehrerer Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit zueinander kommt 144 ein Mangel der sachlichen Zuständigkeit zunächst in Betracht, wenn eine Sache, für die das Landgericht als Gericht des ersten Rechtszuges zuständig ist, beim Amtsgericht anhängig gemacht wird oder umgekehrt. Wird zB in Handelssachen, ein Verfahren, welches im ersten Rechtszug vor das Landgericht gehört (vgl. Vorbem § 3–7 Rn 13), vor dem Amtsgericht anhängig gemacht, oder ein Verfahren, für welches das Amtsgericht nach § 145 FGG zuständig ist, vor dem Landgericht, so ist eine formlose Abgabe zwar zulässig, aber nicht bindend; im Streitfall muss die Frage mit der Sachbeschwerde ausgetragen werden. Wegen des Verhältnisses zwischen Zivilkammer und Kammer für Handelssachen vgl. § 30 Rn 7. Im Verhältnis des Landwirtschaftsgerichts zu einem anderen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist § 12 Abs 1 LwVG (oben Rn 137) auch bei sachlicher Unzuständigkeit anzuwenden, zB für die Abgabe vom Landwirtschaftsgericht an das Nachlassgericht, das Grundbuchamt, (Eintragung und Löschung des Hofvermerks nach § 1 HöfeO).117 Aber auch umgekehrt ist entsprechend § 12 Abs 1 LwVG zu verfahren, wenn eine Landwirtschaftssache (§§ 1, 50 LwVG) bei einem anderen Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit anhängig wird, zB ein Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses beim Nachlassgericht (§ 18 Abs 2 HöfeO).118 Gegen die Abgabe oder ihre Ablehnung durch das eine oder andere Gericht ist in diesem Fall die unbefristete Beschwerde nach § 19 gegeben.119 Die Abgabe ist für das Adressatgericht bindend (Rn 137, 138). Die Abgabe ist auch noch im Beschwerdeverfahren zulässig.120 Abzugeben ist an das sachlich zuständige Gericht des ersten Rechtszuges.

111 112 113 114 115 116

OLG Celle WM 1968, 1331 (AKG); Keidel/ Schmidt Rn 41; aM H W Müller ZZP 67, 1. Müller aaO. Barnstedt/Steffen LwVG § 12 Rn 24; Pritsch LwVG § 12 Anm C IIa. Keidel/Schmidt Rn 41. BayObLGZ 1956, 21 = DNotZ 1957, 146 m Anm Keidel. BGH RdL 1958, 19; Pritsch LwVG § 12

117 118 119 120

Anm C IIIb 1; Barnstedt/Steffen LwVG § 12 Rn 24; Keidel/Schmidt Rn 41. BGHZ 104, 363 = NJW 1988, 2739. Pritsch LwVG § 12 Anm C IIb; Barnstedt LwVG 2. Aufl § 12 Rn 23. Pritsch aaO § 12 Anm C IIIb 2, 3, 4; Barnstedt aaO § 12 Anm 16, 23. BGH RdL 1953, 222 und 544; Pritsch aaO § 12 C IIb 2.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

c) Abgabe aus Zweckmäßigkeitsgründen

145

Mehrfach ist bestimmt, dass ein zuständiges Gericht eine Sache an ein anderes sachlich zuständiges Gericht abgeben kann, dessen örtliche Zuständigkeit auf diese Weise begründet werden kann. Für Vormundschaftssachen gilt hierfür § 46 FGG (vgl § 46 Rn 3 ff), für die Nachlasspflegschaft §§ 75 S 2 Hs 2 FGG (vgl § 75 Rn 3). Streitigkeiten über die Übernahme werden nach § 46 Abs 2 FGG entschieden. In anderen Fällen ist zugleich bestimmt, dass die Abgabe bindende Wirkung hat (§§ 36 Abs 2, 73 Abs 2 FGG, § 11 Abs 3 Hausrats VO, §§ 15 Abs 2 S 2, 15b S 2, 15c VerschG); in diesen Fällen ist die Abgabeverfügung auch für die Beteiligten und unanfechtbar. § 65a regelt das Verfahren der Abgabe von Betreuungssachen an ein anderes Vormundschaftsgericht. Durch Verweis auf § 46 Abs 1 Hs 1 ist ein wichtiger Grund Voraussetzung für die Abgabe. Dazu sind Zweckmäßigkeitserwägungen erforderlich121 (vgl § 65a Rn 6). d) Abgabe von landesrechtlichen Angelegenheiten

146

In den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (vgl Vorbem §§ 70–70n Rn 41) ist gelegentlich vorgesehen, dass eine Sache von dem zuständigen Gericht aus Zweckmäßigkeitsgründen teils mit bindender Wirkung, teils ohne solche an ein anderes Gericht abgegeben werden kann (zB § 3 Abs 3 hess Freiheitsentziehungsgesetz). In diesen Fällen ist die Abgabebefugnis und der Kreis der Adressatgerichte durch die Regelung d §§ 70 ff überholt (vgl Vorbem §§ 70–70n Rn 9). Für das gerichtliche Verfahren in Unterbringngssachen gelten in allen Bundesländern die Vorschriften der §§ 70 ff.122

V. Gerichtspersonen 1. Richter

147

In der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden wie in auf den übrigen Gebieten der ordentlichen Gerichtsbarkeit Berufsrichter und ehrenamtliche Richter (§ 1 DRiG) tätig. Für die Befähigung der Richter zum Richteramt sind die §§ 5 bis 7 DRiG maßgebend. Die richterliche Unabhängigkeit (§ 1 GVG, § 21 DRiG, Art 97 GG) ist auch gewährleistet, wenn der Richter freiwillige Gerichtsbarkeit ausübt. Auch die ehrenamtlichen Richter (§§ 1, 44, 45 DRiG) sind bei der Ausübung ihres Amtes sachlich unabhängig (§ 45 Abs 1 DRiG), Ehrenamtliche Richter wirken mit als Beisitzer bei der Tätigkeit der Landwirtschaftsgerichte in allen Rechtszügen (§ 2 LwVG), in der Kammer für Handelssachen (§§ 105 bis 113 GVG, § 30 Abs 1 S 2 FGG), als sachkundige Beisitzer im Anwaltsgerichtshof (§§ 100, 101, 106 BRAO, im Disziplinargericht für Notare (§ 111 Abs 3 BNotO mit §§ 101, 106 BNotO) und beim BGH. 148 Auch im Verfahren nach dem FGG hat jeder ablehnungsberechtigte Verfahrensbeteiligte Anspruch darauf, die Namen der zur Mitwirkung an der Entscheidung berufenen Richter zu erfahren. Das gilt auch für Handelsrichter.123

121 122

Bienwald/Sonnenfeld § 65a FGG Rn 10. Damrau/Zimmermann § 70 FGG Rn 4, 5; Keidel/Sternal § 5 Rn 6.

114

123

BayObLG DB 19770, 2272 = Rpfleger 1978, 17 = MDR 1978, 232.

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Geltungsbereich

§1

2. Rechtspfleger a) Rechtsentwicklung des Rechtspflegerwesens Das RPflG hat das Rechtspflegerwesen auf eine neue Grundlage gestellt. Der Rechts- 149 pfleger ist nunmehr ein besonderes Organ der Rechtspflege. Er übt neben den Urkundsbeamten und dem Richter eigene Funktionen innerhalb der Gerichtsverfassung aus. Ursprünglich wurde der Rechtspfleger zur Entlastung der Richter geschaffen, auch in der FG. Rechtspfleger sind Angehörige des gehobenen Justizdienstes, die gewisse vom Gesetz dem Richter zugewiesene Amtsgeschäfte an seiner Stelle selbstständig zu erledigen haben. Diese Entwicklung wurde eingeleitet durch das Reichsgesetz zur Entlastung der Gerichte vom 11.3.1921 (RGBl S 229). Darin wurden die Landesjustizverwaltungen ermächtigt, gewisse richterliche Geschäfte, Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zur selbstständigen Erledigung zu übertragen. Für Preußen erging die Entlastungsverfügung idF der AV vom 1.3.1928 (JMBl 140) mit Änderungen vom 30.4.1931 (JMBl S 175) und vom 22.3.1932 (JMBl S 66). Nach dem Übergang der Rechtspflege auf das Reich wurde das Rechtspflegerwesen vom Reichsminister der Justiz geordnet durch die Reichs-Entlastungsverfügung vom 3.7.1943 (DJ S 339). Dann kam nach dieser sogenannten „kleinen Justizreform“ das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts (Rechtspflegergesetz) vom 8.2.1957 (BGBl S 18). Es wurde aufgehoben durch das Rechtspflegergesetz (RPflG) v 5.11.1969 (BGBl S 2065) idF d G v 27.6.1970 (BGBl 1970 S 911). Die letzte Änderung erfolgte durch das G v 21.6.2006 (BGBl S 1318). Durch das RPflG wurde der Rechtspfleger als besonderes Organ der Gerichtsverfassung neben den Richter und den Urkundsbeamten gestellt und ihm gerade auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein weites Tätigkeitsfeld eröffnet.124 b) Stellung des Rechtspflegers Das RPflG hat das Rechtspflegerwesens auf eine neue Grundlage gestellt. Der Rechts- 150 pfleger ist nunmehr ein besonderes Organ der Rechtspflege. Er übt neben den Urkundsbeamten und dem Richter eigene Funktionen innerhalb der Gerichtsverfassung aus (§ 1). Er ist sachlich unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden (§ 9). Lediglich in den – seltenen – Vorlagefällen des § 5 ist er an eine ihm mitgeteilte Rechtsauffassung des Richters gebunden (§ 5 Abs 3 S 2). Er ist also jetzt auch ausdrücklich sachlich unabhängig. Dagegen fehlt ihm die persönliche Unabhängigkeit; denn er kann jederzeit ohne seine Zustimmung durch die vorgesetzte Dienstbehörde von seinen Rechtspflegeraufgaben entbunden und mit anderen gleichen (gleichwertigen) Geschäften der Justizverwaltung, etwa als geschäftsleitender Beamter, als Kassen- oder Kostenbeamter, betraut werden. Bei kleineren Gerichten wird er diese Geschäfte und diejenigen des Urkundsbeamten sogar häufig neben seinen Rechtspflegeraufgaben wahrzunehmen haben (§ 27). Obwohl der

124

Schrifttum: Reichel Stellung des Rechtspflegers in der Gerichtsorganisation, 1951; Arndt RPflG, 1957; Arnold Stellung und Aufgaben des Rechtspflegers, 1957; Hofmann-Kersting RPflG, 1957; Materialien s RpflBl Sonderheft 1957; Marquardt MDR 1957, 322; Keidel NJW 1957, 521; Schultz MDR 1957, 208; Strauss Rpfleger 1957, 33, 131, Schlegelberger Rpfleger 1957, 135, Habscheid Rpfleger 1957, 164, Schorn Rpfleger

1957, 33, 131, 135, 164, 267; Schmehl Die Justiz 1957, 32; Wedewer JVBl 1958, 1; Schneider RpflBl 1957, 3; Wertenbruch Rpfleger 1962, 77; Brüggemann JR 1965, 81; Habscheid Rpfleger 1968, 237; zur Reform: Bartholomeyczik RpflBl 1965, 4; Kern Rpfleger 1962, 197; Lappe JVBl 1963, 150; Vollkommer RpflBl 1964, 49; Wertenbruch RpflBl 1965, 57; 1968, 34; MüllerWebers RpflBl 1967, 1.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Rechtspfleger hiernach richterliche Geschäfte wahrnimmt, ist er nach hM kein Richter im Sinne der Verfassung und des Gerichtsverfassungsrechts. Besonders deutlich wurde dies durch die „Vorbescheid-Entscheidung“ des BVerfG, die nicht unerhebliche Kritik erfahren hat.125 c) Aufgabenkreis des Rechtspflegers

151

Für die Übertragung der Geschäfte sind nach § 3 Abs 1 drei Arten der Übertragung zu unterscheiden: die Übertragung ganzer Sachgebiete ohne Vorbehalt (Vollübertragung), die grundsätzliche Übertragung von Sachgebieten unter dem Vorbehalt einzelner Geschäfte, die dem Richter verbleiben (Vorbehaltsübertragung) und die Übertragung einzelner Geschäfte aus Sachgebieten des Richters (Einzelübertragung). Die grundsätzliche Übertragung ist in § 3 angeordnet. Auf dem Gebiet der Vorbehaltsübertragung sind die dem Richter vorbehaltenen Geschäfte in den §§ 14 bis 19b, auf dem Gebiete der Einzelübertragung die auf den Rechtspfleger übertragenen Geschäfte in den §§ 20 bis 24b katalogartig aufgezählt. Der Umfang der Übertragung ist grundsätzlich gesetzlich bestimmt. Jedoch sind einige Fälle vorgesehen, in denen dem Richter die Befugnis eingeräumt ist, die Zuständigkeit des Rechtspflegers im Einzelfall zu erweitern. aa) In vollem Umfang sind übertragen (§ 3 Abs 1 Nr 1): die Vereinssachen im Sinne 152 der §§ 29, 37, 57 bis 79 BGB und der §§ 159, 160, 162 FGG, die Verfahren zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen in den Fällen d § 163 FGG, die in den §§ 164 bis 166 geregelten Verfahren bei der Untersuchung und Verwahrung von Sachen sowie beim Pfandverkauf, die Pachtkreditsachen iSd Pachtkreditgesetzes (§§ 2, 15, 16), Güterrechtsregistersachen iSd §§1558 bis 1563 BGB, §§ 161, 162 FGG, Urkundssachen einschließlich der Entgegennahme der Erklärung, Verschollenheitssachen, Grundbuchsachen, Schiffsregister- und Schiffsbauregistersachen sowie Verfahren des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen, Verfahren nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Verteilungsverfahren außerhalb der ZPO, des ZVG, nach § 75 Abs 2 FlurberG, § 54 Abs 3 LandbeschaffG, § 28 Abs 2 LuftverkehrsG, § 119 Abs 3 BauGB u § 94 Abs 4 BbergG. bb) Die Vorbehaltsübertragung umfasst nach § 3 Abs 1 Nr 2 mit Ausnahme der in 153 den §§ 14 bis 18 angeführten Richtervorbehalte, die Vormundschafts-, Familien- und Betreuungssachen im Sinne des 2. Abschnitts FGG (§§ 35 bis 70n), die im BGB u LPartG dem Familiengericht übertragen sind, Nachlass- und Teilungssachen im Sinne der §§ 72 bis 99 FGG sowie die amtliche Verwahrung von Testamenten und Erbverträgen nach den §§ 2258a bis zu 2264, 2300 u 2300a BGB, Handelssachen im Sinne der §§ 125 bis 158 FGG sowie Verfahren nach der InsO, der VO (EG) Nr 1346/2000 des Rats v 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Abl EG I Nr 160 S 1 u nach Art 102 EGInsO, Verfahren nach der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung. cc) Im Wege der Einzelübertragung sind die in den §§ 20 bis 24a aufgeführten Ge154 schäfte aus der ZPO, im Festsetzungsverfahren, in Straf- und Bußgeldsachen, in Verfahren vor dem PatentG, auf dem Gebiete der Aufnahme von Erklärungen, der Beratungs-

125

Rpfleger 2000, 205 = NJW 2000, 1700 = FamRZ 2000, 1709; Arndt RPflG § 1 Anm 6; Schlegelberger Nachtr 1957, S 37; Bettermann in Bettermann-Nipperdey-Scheuner, S 540; Kern Rpfleger 1962, 197 zu III (Rpflege-Beamte), amtl Begr BTDrs V/3134

116

S 13; aM Habscheid Rpfleger 1968, 237; Eickmann Rpfleger 2000, 245; Sonnenfeld Rpfleger 2000, 246; Dümig Rpfleger 2000, 248; Habscheid Rpfleger 2001, 209; Gottwald Anm zu BVerfG 2000, 1477.

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Geltungsbereich

§1

hilfe übertragen worden. Die Amtshilfe kann durch die Landesregierungen übertragen werden (§ 24b). Im Rahmen seiner Zuständigkeit trifft der Rechtspfleger alle zur Erledigung des Ge- 155 schäfts erforderlichen Maßnahmen (§ 4 Abs 1). Er hat für die für seine Entscheidung erforderlichen Ermittlungen, insbesondere die Anhörung von Beteiligten, Zeugen und Sachverständige selbst anzustellen und darf um Rechtshilfe ersuchen. Die Anordnung der Vereidigung und die Abnahme von Eiden ist jedoch dem Richter vorbehalten. Auch Ordnungsgeld kann er androhen und verhängen, jedoch im Hinblick auf Art 104 Abs 2 GG keine Haftstrafen (§ 4 Abs 2). Er kann für die von ihm zu erledigenden Geschäfte auch die Prozesskostenhilfe bewilligen. Bei der Führung der Aufsicht in Vormundschaft-, Betreuungs- und Pflegschaftssachen 156 gehört die Prüfung von Inventaren und Verwaltungsrechnungen zu den Dienstaufgaben des Rechtspflegers. Die Beauftragung besonderer Rechnungsbeamten, die zur Entlastung der Richter von Rechnungsarbeiten zugelassen war, wurde aufgehoben durch Art XI § 4 Abs 2 Nr 1 Kostenrechtsänderungsgesetz vom 26. Juli 1957 (BGBl S 861). Beauftragung durch den Rechtspfleger kommt nicht in Betracht. Der Rechtspfleger erledigt diese Arbeiten in seinem Zuständigkeitsbereich selbst. Der Richter kann im Verfahren die er selbst bearbeitet, den Rechtspfleger oder einen durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmten Rechnungssachverständigen heranziehen (Runderlass des Justizministers Hessen (JMBl 1982, 91); VV des Rh-Pf MdJ (JBl 1996, 288). In Bayern dagegen kann auch der Rechtspfleger Rechnungsbeamte heranziehen (Bekanntmachung des BayStMdJ v 14. April 1980 (BayJMBl 1980, 177)). Wegen der Gebühren vgl § 139 Kostenordnung. Die Zuziehung eines Rechnungsbeamten enthebt den Richter (Rechtspfleger) nicht der eigenen Verantwortung; er haftet jedoch nicht für Rechenfehler, die nicht offensichtlich sind.126 d) Eine Vorlegungspflicht des Rechtspflegers begründet § 5. Er hat ihm übertragene 157 Geschäfte dem Richter vorzulegen, wenn sich bei der Erarbeitung der Sache ergibt, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder eines für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichts eines Landes nach Art 100 GG einzuholen ist oder zwischen dem übertragenen Geschäfte und einem vom Richter wahrzunehmenden Geschäfte ein so enger Zusammenhang besteht, dass eine getrennte Behandlung nicht sachdienlich ist. Der Rechtspfleger kann ihm übertragene Geschäfte dem Richter vorlegen, wenn die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt. Eine Verletzung der Vorlegungspflicht berührt nicht die Wirksamkeit der Verfügung des Rechtspflegers und kann auch nicht mit dem in der Sache gegebenen Rechtsbehelf gerügt werden. Die weitere Bearbeitung der vorgelegten Sachen obliegt dem Richter. Der Richter kann sich jedoch darauf beschränken, mit für den Rechtspfleger bindender Wirkung zu bestimmen, wie zu einer Rechtsfragestellung zu nehmen ist (§ 5 Abs 2). Dagegen ist es nicht statthaft, dass der Richter nicht übertragene Sachen unter Stellungnahme zu einer Grundsatzfrage dem Rechtspfleger zur Bearbeitung überlässt. Bei dem Richtervorbehalt nach § 16 Nr 6 RPflG (Erteilung eines Erbscheins, wenn eine Verfügung von Todes wegen vorliegt) ist es nicht zulässig, dass der Richter nur zur Gültigkeit oder Auslegung der Verfügung Stellung nimmt und das weitere Verfahren dem Rechtspfleger überträgt.127 Durch das 1. JuModG

126 127

Vgl auch Hornung Rpfleger 1957, 403. BayObLG BayObLGZ 1980, 191; LG München NJW 1959, 300; Keidel/Winkler § 72 Rn 11a –11d; Arnold Rpfleger 1960, 1 zu

VI; Bärmann § 40 VII 1d; aM Arndt RPflG 1957 § 24 Anm 1; Meyer-Stolte Rpfleger 1970, 302, 303; Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann § 25 Rn 3 ff.

Hans-Joachim von Schuckmann

117

§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sind die Landesregierungen in § 19 RPflG ermächtigt worden, betimmte Richtervorbehalte ganz oder tlw aufzuheben. e) Zuständigkeitsüberschreitung

158

Überschreitet der Rechtspfleger seine Zuständigkeit, so ist das Geschäft unwirksam, die Verfügung also nichtig (§ 8 Abs 4 RPflG).128 Deshalb ist sorgfältige Beachtung der Zuständigkeitsgrenzen wichtig. Bloße Billigung des Richters heilt den Mangel nicht; der Richter muss die unwirksame Verfügung des Rechtspflegers aufheben und erneut entscheiden.129 Die Wahrnehmung eines übertragenen Geschäfts durch den Richter dagegen ist stets wirksam (§ 8 Abs 1 RPflG) und begründet auch nicht die Sachbeschwerde. f) Rechtsmittel gegen Entscheidungen (Verfügungen) des Rechtspflegers

159

Es ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist, also die Beschwerde, die gegen eine entsprechende Entscheidung des Richters gegeben wäre. Ist gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben, so findet binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statt. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im übrigen die Vorschriften über die Beschwerde sinngemäß anzuwenden (§ 11). Unzulässig ist die Erinnerung gegen Verfügungen, die nach den Vorschriften der 160 Grundbuchordnung, der SchiffsRegO, des FGG und nach den für den Erbschein geltenden Bestimmungen wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können (§ 11 Abs 3 S 1 RPflG). Hierunter fallen Eintragungen in öffentliche Bücher (vgl § 71 Abs 2 S 1 GBO, § 75 SchiffsRegO) und die Erteilung mit öffentlichem Glauben versehener Zeugnisse (Erbschein). Es kann aber die Eintragung eines Amtswiderspruchs oder die Vornahme einer Amtslöschung (§ 53 GBO, § 56 SchiffsRegO), die Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens (§§ 142, 147, 159, 160b, 161 FGG) oder die Einziehung des Erbscheins angeregt werden, und zwar, soweit hierfür ein Richtervorbehalt besteht, beim Richter, sonst beim Rechtspfleger. g) Erinnerung

161

Die Erinnerung im Fall des § 11 Abs 2 RPflG ist grundsätzlich befristet. Die Erinnerung muss innerhalb der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist eingelegt werden (§ 11 Abs 2 RPflG). Der Rechtspfleger ist befugt, der Erinnerung abzuhelfen. Hilft er ihr nicht ab, hat er 162 sie dem Richter vorzulegen (§ 11 Abs 2).

128

129

Arnold/Meyer-Stolte/Hermann RPflG § 8 Rn 12; Bassenge/Herbst/Roth RPflG § 8 Rn 4; Dallmeyer/Eickmann RPflG § 8 Rn 18. BayObLG NJW 1959, 1042; OLG Hamm JMBlNRW 1963, 284; BayObLG Rpfleger 1980, 350; Rpfleger 1982, 292 = MDR 1982, 857; Rpfleger 1987, 58 = FamRZ

118

1987, 412 = NJW-RR1987, 583; Rpfleger 1988, 472; OLG Frankfurt Rpfleger 1996, 280 = FamRZ 1996, 819; Keidel/Schmidt Rn 132; Dallmeyer/Eickmann § 8 RPflG Rn 18 ff; Bassenge/Herbst/Roth § 8 RPflG Rn 4; Arnold/Meyer-Stolte/Hermann RPflG § 8 Rn 11.

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Geltungsbereich

§1

3. Referendare Referendare sind Rechtskundige, die die erste juristische Staatsprüfung bestanden und 163 in der Regel unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den Vorbereitungsdienst aufgenommen worden sind. Ihre Rechtsstellung beruht auf den §§ 5, 6 DRiG vom 8.9.1961 (BGBl I, 603) idF der Bekanntmachung vom 19. April 1972 (BGBl S 713) und den Ausbildungsordnungen der Länder. Es gelten in: – Baden-Württemberg: das Gesetz über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz – JAG) v 16.7.2003 (GBl 354) nebst der VO über die Ausbildung und Prüfung der Juristen (Juristenausbildung und Prüfungsordnung – JAPrO) v 8.10.2002 (GBl S 391); – Bayern: Ausbildung und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) v 13.10.2003 (GVBl S 758); – Berlin: Gesetz über die Ausbildung v Juristinnen und Juristen im Land Berlin (Berliner Juristenausbildungsgesetz – JAG) v 23.6.2003 (GV Bl S 232) mit Ausbildung und Prüfungsordnung für Juristinnen und Juristen im Land Berlin (Berliner Juristenausbildung O – JAO) v 4.8.2003 (GVBl S 298); – Brandenburg: Gesetz über die Juristenausbildung im Land Brandenburg (brandenburgisches Juristenausbildungsgesetz – BbgJAG) vom 4.6.2003 (GVBl I S 166), Ausbildung und Prüfungsordnung für Juristen im Land Brandenburg (Brandenburger Juristenausbildung O – BbgJAO) vom 6.8.2003 (GVBl II S 438); – Bremen: Gesetz über die Juristenausbildung und die erste juristische Prüfung (JAPG) vom 20.5.2003 (GBl S 251) Vorbereitungsdienst-Zulassungsgesetz vom 21.2.1977 (GBl S 111), zuletzt geändert durch Art 2 des Gesetzes vom 11.7.2000 (GBl S 304); – Hamburg: Hamburgisches Juristenausbildungsgesetz (HmbJAG) vom 11.6.2003 (GVBl S 156); – Hessen: Gesetz über die juristische Ausbildung (Juristenausbildungsgesetz – JAG) idF der Bekanntmachung vom 19.1.1994 (GVBl I S 74), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.6.2002 (GVBl I S 255), Verordnung zur Ausführung der Juristenausbildungsgesetzes (Juristische Ausbildungsordnung – JAO) idF vom 8.8.1994 (GVBl I S 334), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.7.2002 (GVBl I S 402); – Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz über die Juristenausbildung im Land Mecklenburg-Vorpommern – Juristenausbildungsgesetz (JAG M-V) – vom 16.12.1992 (GVOBl S 725), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.4.2003 (GVOBl S 234). Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Juristenausbildung (Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung – JAPO MV) vom 4.8.1998 (GVOBl S 775, berichtigt 817 und 1999 S 300), geändert durch VO vom 23.5.2002 (GVBl S 279). VO über die Beschränkung der Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst (KapazitätsVO. des juristischen Vorbereitungsdienstes – KapVO) v 24.3.1993 (GVOBl S 227), geändert durch Gesetz vom 4.7.1996 (GVOBl S 293). – Niedersachsen: Niedersächsisches Gesetz zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen (NJAG) v 22.10.1993 (GVBl S 449), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.9.2003 (GVBl S 346). VO v 2.11.1993 (GVBl S 561), zuletzt geändert durch VO vom 25.9. 2003 (GVBl S 356); – NRW: Gesetz über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz – JAG NRW) v 11.3.2003 (GV NW S 135) nebst VO über die einstufige Juristenausbildung (EJAO) idF d Bek v 16.7.1985 (GV NW S 539); – Rheinland-Pfalz: Landesgesetz über die juristische Ausbildung (JAG) idF vom 23.6. 2003 (GVBl S 116), Juristische Ausbildungs- und Prüfungsordnung JAPO) vom 1.7. 2003 (GVBl S 131);

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119

§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

– Saarland: Gesetz Nr 1228 über die juristische Ausbildung (Juristenausbildungsgesetz – JAG) idF der Bekanntmachung vom 12.11.2001 (ABl S 2466), geändert durch Gesetz vom 10.9.2003 (ABl S 2619), Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die juristische Ausbildung (Ausbildungsordnung für Juristen – JAO) idF der Bekanntmachung vom 12.11.2001 (ABl S 2478), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28.11.2003 (ABl S 2954); – Sachsen: Gesetz über die Juristenausbildung im Freistaat Sachsen vom 27.6.1991 (GVBl S 224), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.8.2003 (GVBl S 318) sowie Ausbildung und Prüfungsordnung für Juristen des Freistaates Sachsen (SächsJAPO) vom 9.9.2003 (GVBl S 501). – Sachsen-Anhalt: Gesetz über die Juristenausbildung im Land Sachsen-Anhalt (Juristenausbildungsgesetz Sachsen-Anhalt – JAG LSA) vom 16.7.2003 (GVBl S 167). Ausbildung und Prüfungsverordnung für Juristen (JAPrVO) vom 2.10.2003 (GVBl S 245, berichtigt S 349). – Schleswig-Holstein: LandesVO über die Ausbildung der Juristinnen und Juristen (JAO) idF d Bek v 17.4.1997 (GVOBl S 280), zuletzt geändert durch Landesverordnung vom 8.1.2002 (GVOBl S 13). – Thüringen: Thüringer Gesetz über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Thüringer Juristenausbildungsgesetz – ThürJAG) idF der Bekanntmachung vom 28.1.2003 (GVBl S 33), Thüringer Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung (ThürJAPO) vom 16.2.1993 (GVBl S 149), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6.4.1999 (GVBl S 261). a) Richter kraft Auftrags

164

Nach § 10 GVG können Referendare unter Aufsicht des Richters Rechtshilfeersuchen (§ 2 FGG, § 156 GVG) erledigen und außer in Strafsachen Verfahrensbeteiligte an hören, Beweise erheben und die mündliche Verhandlung leiten. Eine Beeidigung anzuordnen oder Eide abzunehmen, sind sie nicht befugt. Rechtshilfe ist im weitesten Sinne zu verstehen; sie umfasst hier auch die Amtshilfe.130 Dass der Auftrag aktenkundig zu machen ist, wie § 10 Abs 1 S 2 GVG aF vorsah, ist bundesrechtlich nicht mehr bestimmt, aber zu empfehlen. Ob der aufsichtsführende oder der ausbildende Richter den Auftrag zu erteilen hat, bestimmt das Landesrecht; beim Schweigen des Gesetzes liegt die Zuständigkeit bei dem geschäftsplanmäßig für die Erledigung des Geschäfts zuständigen Richter. Der Amtsrichter soll in Bezug auf jedes einzelne Geschäft prüfen, ob es sich zu Erledigung durch den Referendar eignet. Eine im voraus erteilte allgemeine Ermächtigung ist unstatthaft.131 Fehlte der Auftrag, war er unzulässig oder hat der Referendar die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritten, so war das Gericht zwar nicht vorschriftsmäßig besetzt, jedoch tritt Nichtigkeit der Amtshandlung nicht ein.132 Verfassungsrechtliche Bedenken sind gegen § 10 GVG nicht zu erheben.133 Im übrigen aber ist die Bestellung von Referendaren zu Hilfsrichtern unzulässig.

130 131 132 133

OLG Celle NJW 1967, 993; Herzog JZ 1967, 285. RGZ 29, 222, 226. OLG Frankfurt NJW 1954, 207; vgl auch OLG Hamm JMBlNRW 1964, 31. AA Schmidt-Räntsch DRiG §§ 80 Anm 3;

120

wie hier OLG Celle NJW 1967, 993. Die Bezeichnung „Richter kraft Auftrags“ für diese Tätigkeit des Referendars ist von jeher üblich gewesen; natürlich ist er kein Richter kraft Auftrags iS des § 14 DRiG.

Hans-Joachim von Schuckmann

Geltungsbereich

§1

b) Wahrnehmung von Rechtspflegergeschäften Nach § 2 Abs 5 RPflG können Referendare mit der zeitweiligen Wahrnehmung der 165 Geschäfte eines Rechtspflegers beauftragt werden. Das bedeutet, dass sie nach Bundesrecht die gerichtsverfassungsrechtliche Befähigung zum Rechtspflegeramt haben. Dienstrechtlich kann die Übertragung nach Landesrecht eingeschränkt sein, unbeschadet der Wirksamkeit der im Rahmen des § 2 Abs 5 RPflG vorgenommen Geschäfte. Wo das Landesrecht schweigt, gilt § 2 Abs 5 RPflG uneingeschränkt unmittelbar. c) Referendare als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle Der Referendare können mit der Wahrnehmung von Geschäften des Urkundsbeamten 166 der Geschäftsstelle beauftragt werden, insbesondere mit der Führung der Sitzungsniederschrift oder mit der Leitung der Rechtsantragstelle. So weit die Beauftragung eines Referendars mit der Vernehmung von Parteien und Zeugen außerhalb eines Rechtshilfeersuchens zugelassen ist, kann es sich nur um formlose Anhörungen handeln, so weit auch ein UdG sie vornehmen könnte. 4. Urkundsbeamte der Geschäftsstelle Nach § 153 GVG wird bei jedem Gericht eine Geschäftsstelle errichtet, die mit der er- 167 forderlichen Zahl von Urkundsbeamten besetzt ist. Auch wenn die Geschäftsstelle in Abteilungen aufgegliedert ist, sind dies nur Teile der einheitlichen Geschäftsstelle des Gerichts.134 Die Bestellung der Urkundsbeamten beruht auf Landesrecht. Die Tätigkeit der Geschäftsstelle wird durch Gesetze oder Geschäftsanweisungen der Landesjustizverwaltungen geregelt.135 Die Zuständigkeit des UdG ist durch das RPflG nicht berührt worden (§ 26 RPflG) Abs 1. Der Urkundsbeamte erledigt die ihm als solchem zugewiesenen Aufgaben (nicht aber solche der Justizverwaltung, zB als Kostenbeamter) als selbstständiges und sachlich unabhängiges Rechtspflegeorgan.136 Über Anträge auf Änderung von Entscheidungen des UdG entscheidet auf Erinnerung der Richter. Für Geschäfte, die das Gesetz dem UdG zuweist, fehlt dem Richter die funktionelle Zuständigkeit. 5. Gerichtsvollzieher Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse der Gerichtsvollzieher (§ 154 GVG) werden 168 durch von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich erlassene Gerichtsvollzieherordnung (Fassung vom 1.4.1980) und Geschäftsanweisung (GVGA) geregelt.137 Für die Erzwingung von Handlungen in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl § 33 Abs 2 FGG mit § 213 GVGA. Landesrechtliche Zuständigkeiten ergeben sich aus § 74 pr AGGVG, Art 45 HessFGG, Art 25 NdsFGG, Art 17 BayAGGVG). Der Gerichtsvollzieher übt seine Tätigkeit selbstständig und in eigener Verantwortung aus und unterliegt keinen im voraus erteilten Anweisungen des Gerichts.138 Die Dienstaufsicht steht dem aufsichtsführenden Richter des Amtsgerichts zu. Über Erinnerungen der Beteiligten gegen das von dem Gerichtsvollzieher geübte Verfahren entscheidet das Gericht (vgl § 766 ZPO); gegen Anordnungen des Gerichts, die das Verfahren des Gerichtsvollziehers betreffen, steht diesem kein Beschwerderecht zu.139 134 135 136 137

Vgl OLG Hamm JMBlNRW 1960, 117. Keidel/Schmidt § 1 Rn 121. RGZ 110, 315. Zur GVO Text: Schönfelder Deutsche Ge-

138 139

setze Ergänzungsband, Nr 109a = GVGA Nr 109. RGZ 140, 429; 145, 213. LG Verden MDR 1966, 1010.

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121

§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Gegen die beabsichtigte Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens erhebt sich bereits Widerstand.140 6. Justizwachtmeister

169

Sie sind Vollziehungsbeamte der Justiz, durch die das Gericht unmittelbaren Zwang ausüben kann, zB bei Vorführungen und zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den Sitzungen. Ihr Dienst ist durch Justizwachtmeisterordnungen der Länder geregelt.

VI. Sonstige Behörden der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1. Baden-Württemberg

170

a) In Baden-Württemberg sind nach § 1 LFGG für die durch Bundesrecht den Gerichten übertragenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anstelle der Gerichte staatliche Notariate und Grundbuchämter zuständig. Die Notariate sind zuständig für Nachlass- und Teilungssachen und für die besondere amtliche Verwahrung der Verfügungen von Todes wegen. Im Landesteil Württemberg sind sie außerdem für Vormundschaftssachen zuständig. Die Notariate werden mit Notaren im Landesdienst besetzt. Im württembergischen Landesteil kann zum Notar ernannt werden, wer die Befähigung zum Amt des Bezirksnotars erlangt hat (§ 17 Abs 2 LFGG). Die Bezirksnotare sind staatliche Beamte des gehobenen Justizdienstes, die durch das Bestehen der Notariatsprüfung die Befähigung zum Amt des Bezirksnotars, die die Befähigung zum Rechtspflegeramt einschließt, erworben haben. Vgl auch den Vorbehalt in § 114 BNotO sowie Art 138 GG. b) Im Landesteil Baden werden die Notariate mit Notaren im Landesdienst besetzt, 171 die die Befähigung zum Richteramt haben müssen (§§ 17 Abs 2 LFGG). Über die Tätigkeit der diesen Notariaten zugewiesenen zum Rechtspflegeramt befähigten Personen enthält § 33 RPflG eine Sonderregelung. Vgl dazu § 72 Rn 2, § 193 Rn 2, § 194 mit Bem, § 195 Rn 1. Die Notare sind zugleich Grundbuchbeamte für die zum Notarbezirk gehörenden Grundbuchämter. Im badischen Rechtsgebiet bedarf die Bestellung eines dem Notariat zugewiesenen Rechtspflegers zum Grundbuchbeamten einer besonderen Anordnung des Justizministeriums (§ 29 LFGG). Außerdem bestellt jede Gemeinde, die Sitz eines Grundbuchamts ist, einen Ratschreiber (§ 31 LFGG). Im badischen Landesteil ist er außer zur Gewährung von Grundbucheinsicht, Abschrifterteilung und Präsentat der Eingänge auch zur Beurkundung von Kaufverträgen, Bewilligungen und Auflassungen sowie Unterschriftsbeglaubigungen zuständig. 2. Notare

172

Auf Grund der Vorhalte in Art 147 EGBGB, § 193 FGG (vgl § 193 Rn 1), § 20 Abs 5 BNotO sind die Notare neben den Gerichten zuständig für das Verfahren zur Vermittlung der Auseinandersetzung eines Nachlasses oder eines Gesamtgutes (§§ 86, 99 FGG, und zwar in den ehemals preußischen Gebieten auf Grund einer Überweisung des Gerichts auf Antrag eines Beteiligten (Art 21 bis 28 PrFGG), unmittelbar im Auftrag der

140

Entschließung der Präsidenten der OLG, des KG, des BayObLG und des BGH v 17.12.2005 – s Einl Fn 201.

122

Hans-Joachim von Schuckmann

Geltungsbereich

§1

Beteiligten nach Art 24 ff HessFGG, Art 14 ff NdsFGG, auf Antrag der Beteiligten oder bei Vermittlung von Amts wegen kraft Überweisung des Gerichts in Bayern nach Art 38 BayAGGVGG, vorbehaltlich gewisser dem Amtsgerichts vorbehaltener Geschäfte; vgl Art 21 PrFGG (Anhang Bd 3). Ferner sind die Notare auf Grund des Vorbehalts in § 20 Abs 4 BNotO zuständig, Siegelungen und Entsiegelungen und die Aufnahme von Nachlassinventaren im Auftrage des Gerichts vorzunehmen (Art 87 PrFGG, Art 85 HessFGG, Art 13 NdsFGG). 3. Orts- und Gemeindegerichte Einzelner Verrichtungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind auf 173 Grund landesgesetzlichen Vorbehalts nach Landesrecht Orts- und Gemeindegerichten oder Gemeindebehörden übertragen, insbesondere bei der Nachlasssicherung oder der Aufnahme von Nachlassinventaren (§§ 14, 20, 23 HessOrtsGerG Art 10, 11 NdsFGG).141 4. Im Beurkundungswesen

174

sind neben den Notaren auch andere Behörden oder Beamte zuständig.

VII. Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften in landesrechtlichen Angelegenheiten 1. In den ehemals preußischen Gebieten außer Hessen und Niedersachsen sind in lan- 175 desrechtlichen Angelegenheiten gemäß Art 1, 6 PrFGG (Anhang Bd 3) für anwendbar erklärt die §§ 3, 4, 6, 7, 14, 16 Abs 2, 3, 20 bis 27, 29, 31 bis 33 uneingeschränkt, die §§ 8, 9, so weit sie die Gerichtssprache und die Dolmetscher betreffen, womit einen einschränkenden Vorbehalt zu Gunsten entgegenstehenden Landesrechts die §§ 13, 15, 16 Abs 1, 17 und 34. 2. In den übrigen Ländern gilt folgendes: 176 – Baden-Württemberg BWLFGG § 5 (Anwendung der §§ 2 bis 34); – Bayern: Art 34 AGGVG (Anwendung der §§ 2 bis 34 und 199 Abs 2); – Bremen: AGFGG § 1 (Anwendung der §§ 2 bis 27, 28 Abs 1, 29, 30 Abs 1 S 1, 31 bis 34); – Hessen: HessFGG Art 1 (Anwendung der §§ 2 bis 27, 28 Abs 1, 29, 30 Abs 1 S 1, 31 bis 34); – Niedersachsen: NdsFGG Art 7 (Anwendung der §§ 2 bis 34); In Niedersachsen besteht eine Pflicht zur Vorlegung an den Bundesgerichtshof (§ 28 177 Abs 2, 3) auch in landesrechtlichen Angelegenheiten. Im übrigen vgl § 28 Rn 49.

VIII. Internationales Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit Das internationale Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist auf seinem Gebiet eine 178 parallele Erscheinung einerseits zum internationalen Zivilprozessrecht,142 andererseits 141

Dazu Boschan ZBlFG 5, 273 – 297; ferner Hilderscheid DNotZ 1950, 92, 95; nach BVerfGE 11, 192 hält sich das HessOrtsGerG im Rahmen der landesgesetzlichen Vorhalte und ist nicht verfassungswidrig.

142

Riezler Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949; Neuhaus RabelsZ 20 (1955) 201–269.

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123

§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

zum internationalen Verwaltungsrecht.143 Es befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die inländischen Gerichte oder Behörden zur Vornahme von Verrichtungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit international zuständig sind und wann ihnen im Fall der Zuständigkeit die Verfahrensnormen des deutschen Rechts die Anwendung des vom Internationalen Privatrecht für maßgeblich erklärten materiellen Rechts gestatten, sowie mit der weiteren Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ausländische Rechtsakte der freiwilligen Gerichtsbarkeit von einem deutschen Gericht oder einer deutschen Behörde anerkannt werden können.144 Die hierfür maßgeblichen Rechtsnormen beruhen nicht etwa auf fremden Rechtsquellen, sondern sind innerstaatliches Recht. 1. Internationale Zuständigkeit145

179

In Fällen mit Auslandsberührung, in Fällen also, die nach der Staatsangehörigkeit eines oder mehrerer der Beteiligten oder nach ihrem Aufenthalt oder nach der Belegenheit einer Sache oder eines Rechts oder wegen der Maßgeblichkeit eines vom deutschen Internationalen Privatrechts zur Anwendung berufenen fremden Rechts Beziehungen zum Ausland aufweisen, erhebt sich die Frage, ob die deutschen Gerichte überhaupt zur Entscheidung berufen sind. Diese Frage beurteilt sich nach den Normen über die internationale Zuständigkeit, die innerstaatliches, also deutsches Recht sind und deshalb, so fern nicht eine Regelung durch Staatsvertrag vorliegt, dem geschriebenen oder ungeschriebenen deutschen Verfahrensrechts angehören.146 Mit der örtlichen Zuständigkeit hat die internationale gemeinsam, dass in beiden Fällen die räumliche Abgrenzung der

143 144

145

Neumeyer Internationales VerwR 1936. Swoboda Das internationale Recht der Freiwilligen Gerichtsbarkeit; Diss München 1934; Wahl RabelsZ 10 (1936) 40–52; Dölle Über einige Kernprobleme des internationalen Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit, RabelsZ 27 (1962/63) 201–244; Schoetensack DNotZ 1952, 265; die einschlägigen Verfahrensfragen werden vielfach im Schrifttum zum IPR erörtert hat, vgl Kegel IPR 2. Aufl § 22; Soergel/Kegel 9. Aufl Vorbem 293–404 vor Art 7 EGBGB; Raape IPR 5. Aufl §§ 19, 37, 39; Staudinger/ Raape 9. Aufl Band VI/2; Schnitzer Hdb des IPR 4. Aufl (1958) 3 Teil S 797 ff; Neuhaus Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, 1962; Dölle Internationales Privatrecht, Eine Einführung, 1968, Übersicht der Grundfragen bei Schweizer DRiZ 1968, 365. Schrifttum allgemein: Neuner Internationale Zuständigkeit, 1929; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937) 337– 483; Reu Die staatliche Zuständigkeit im IPR, 1938; Riezler Zur sachlichen internationalen Unzuständigkeit, Festgabe für Rosenberg 1949, S 199 – 215; Matthies die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955; Kralik ZZP 24 (1961)

124

146

2 ff; Walchshöfer ZZP 80 (1967) 165 ff; von Craushaar Die internationale rechtliche Anwendbarkeit deutscher Prozessnormen, 1961; Horst Müller Die internationale Zuständigkeit, in Deutsche Landesreferate zum VII. internationalen Kongress für Rechtsvergleichung in Uppsala 1966, 1967 S 181 ff; Heldrich s FS Ficker 1967, S 205 ff; zur freiwilligen Gerichtsbarkeit insbesondere: Krönig Die international-privatrechtliche Zuständigkeit in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1936; Beitzke FS Krauß (1954) S 20 – 30; ders FS Lehmann (1956) II 507; ders FamRZ 1967, 592; Neuhaus FamRZ 1959, 482; ders Zur Internationalen Zuständigkeit in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, NJW 1967, 1167; Schwimann FamRZ 1959, 325–334; ders Anm zu BayObLG FamRZ 1959, 371; Francescakis und Riezler, Gerichtliche Zuständigkeit im internationalen Familienrecht, in Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs, 1955, S 502–539; Heldrich NJW 1967, 417. BayObLGZ 1959, 8, 20; KG FamRZ 1963, 576; Soergel/Kegel BGB 9. Aufl Vorbem 3 vor Art 7 EGBGB; Schwimann FamRZ 1959, 325, 328 zu Fn 38a.

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Geltungsbereich

§1

Gerichtszuständigkeit in Frage steht; während aber die örtliche Zuständigkeit die Frage regelt, welches der mehreren nach Gerichtsbezirken einander neben geordneten gleichartigen Gerichte eines Staates in der Sache tätig werden darf oder soll, geht es bei der Internationalen Zuständigkeit um die Abgrenzung der Gerichte eines Staates von den Gerichten anderer Staaten. Von dieser Abgrenzung werden andere und gewichtigere Interessen berührt als bei der örtlichen Zuständigkeit, da der Gesichtspunkt der zu unterstellenden Gleichwertigkeit aller erstinstanzlichen Gerichte eines Staates hierbei ausscheidet.147 Deshalb ist die internationale Zuständigkeit neben der örtlichen eine selbstständige Verfahrensvoraussetzung.148 Die Frage, in welcher Rangfolge beide Zuständigkeiten zu einander stehen, hat je nach dem Standpunkt des Fragestellers verschiedene Aspekte. Wenn zu prüfen ist, welches Gericht mit einer Sache befasst werden soll, steht die Prüfung der Internationalen Zuständigkeit logisch an erster Stelle, weil erst, wenn diese Frage geklärt ist, das örtlich zuständige Gericht des international zuständigen Staates ausgewählt werden kann; für die Prüfung durch das bereits mit der Sache befasste Gericht dagegen ist ausschlaggebend, dass über den Bestand oder Fehlen der Internationalen Zuständigkeit nur das örtlich (und sachlich) zuständige Gericht entscheidend darauf, weil die Entscheidung auch dieser Verfahrensfrage, über die verschiedene gleichgeordnete Gerichte möglicherweise verschiedener Meinung sein können, dem durch die Normen über die örtliche Zuständigkeit bestimmten gesetzlichen Richter vorbehalten sein muss; die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit geht mithin im gerichtlichen Verfahren der Prüfung der Internationalen Zuständigkeit voraus.149 Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass es Fälle geben kann, in denen zwar eine deutsche 180 internationale Zuständigkeit gegeben ist, aber keine Gerichtsstandsbestimmung des gesetzten Rechts eine örtliche Zuständigkeit zu begründen scheint.150 Dann kann es notwendig werden, die Lücke in den Gerichtsstandsbestimmungen unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze auszufüllen, die den Zuständigkeitsnormen zugrunde liegen, wofür in Vormundschaftssachen das Bedürfnis der Fürsorge und, wenn dieses Bedürfnis nicht im Inland hervortritt, bei Anwendbarkeit deutschen Sachrechts die Auffangzuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg in entsprechender Anwendung des § 36 Abs 2 FGG in Betracht kommen kann.151 Die internationale Zuständigkeit ist eine Verfahrensvoraussetzung, deren Vorliegen in 181 jeder Lage des Verfahrens, auch vom Rechtsbeschwerdegericht, von Amts wegen zu prüfen ist. Nach dem Grundsatz der Amtsprüfung gilt für die Feststellung von Tatsachen, von deren Vorhandensein die Zuständigkeit abhängt, im Antragsverfahren der Beibringungsgrundsatz, nicht der Amtsermittlungsgrundsatz (Vorbem §§ 8–18 Rn 23 ff). Das 147

148

149

BGHZ 44, 46; Kegel IPR 2. Aufl 2. 20 II; Heldrich FS Ficker, 1967, S 205 ff; Walchshöfer ZZP 80, 165 ff, 185 –190. KG FamRZ 1958, 426; 1961 383; JR 1963, 144; FamRZ 1963, 576; OLGZ 1966, 321; Neuner Internationale Zuständigkeit, 1929, S 45 Fn 189; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 378 mit Fn 22, 22a; Reu S 89; Matthies S 63; Walchshöfer ZZP 80, 165 ff, 189; aM Kralik ZZP 74, 26, 34; für den Zivilprozess offen gelassen in BGHZ 44, 46. KG FamRZ 1958, 426; 1961, 83; 1963, 576; OLGZ 1966, 322; OLG Hamm JMBlNRW 1963, 265; Matthies S 62; Schnitzer Hdb des

150 151

IPR 4. Aufl S 823; Keidel/Schmidt Einl Rn 65; Keidel/Engelhardt § 35b Rn 12: Bärmann § 6 VI 2; Bosch FamRZ 1961, 385; Jansen EJF B II Nr 13 Anm; ders JR 1963, 421 Anm; Walchshöfer ZZP 80, 165 ff, 222; Pohle ZZP 81, 161 ff, 171; Beitzke FamRZ 1967, 592; aM Neuhaus FamRZ 1961, 540; Kralik ZZP 74, 34; vgl auch Schweizer NJW 1967, 428 (Prüfung der Internationalen Zuständigkeit vor Sachprüfung). Vgl Matthies S 50. KG FamRZ 1961, 477 = StAZ 1961, 339; Jansen JR 1963, 421 Anm, Dölle RabelsZ 27 (1962/63) 208 mit Fn 17.

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125

§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Fehlen der Internationalen Zuständigkeit ist ein Verfahrensfehler, der mit der Beschwerde und der weiteren Beschwerde gerügt werden kann, übrigens vom Beschwerdegericht auch ohne Rüge zu beachten ist. Dagegen wird die Wirksamkeit der Entscheidung eines deutschen Gerichts nicht dadurch berührt, dass die internationale Zuständigkeit gefehlt hat;152 möglicherweise wird die Entscheidung dann aber im Ausland nicht anerkannt. 2. Grundsätze für die Annahme deutscher internationaler Zuständigkeit153 a) Gesetzliche Regelung

182

Eine gesetzliche Regelung der deutschen Internationalen Zuständigkeit fand sich bis zum G z Neuregelung d IPR v 25.7.1986 (BGBl S 1142) nur vereinzelt, so im Sinne einer Beschränkung der deutschen Zuständigkeit in Art 23 EGBGB aF für die Anordnung von Vormundschaften oder Pflegschaften über Ausländer (dazu § 35a Rn 4 ff). Im §§ 2369, 2368 Abs 3 BGB wird die Erteilung von Erbscheinen und Testamentsvollstreckerzeugnissen über den Nachlass von Erblassern mit ausländischen Erbstatut mit der im Gesetz genannten gegenständlichen Beschränkung jedenfalls gewährleistet. Gesetzliche Regelungen im Sinne einer Erweiterung der deutschen Internationalen Zuständigkeit finden sich in § 12 Abs 2 VerschG, Art 2 § 1 Abs 4 VerschÄndG für das Todeserklärungsverfahren. b) Deutsche im Ausland

183

Dem § 36 Abs 2 FGG mit den Verweisungen hierauf in §§ 37 Abs 1 S 2, 39 Abs 2 und 43 Abs 1 sowie den §§ 44a Abs 1 S 2, 45 Abs 4, 65 Abs 3, 73 Abs 2 FGG und dem aufgehobenen (vgl Rn 123) § 7 Abs 1 S 2 Zuständigkeitsergänzungsgesetz ist der Grundsatz zu entnehmen, dass außer der in diesen Vorschriften unmittelbar geregelten örtlichen Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte als der Gerichte des Heimatstaats für alle deutschen Staatsangehörigen und Deutschen im Sinne des Art 116 Abs 1 GG (Art 9 II Nr 5 FamRÄndG), deren Personalstatut das anzuwendende Recht bestimmt, stets eröffnet ist ohne Rücksicht darauf, ob sie ihren Wohnsitz, gewöhnlichen oder schlichten Aufenthalt im Ausland haben oder gehabt haben. In diesen Fällen ist die Statutszuständigkeit geeignet, eine etwa fehlende örtliche Zuständigkeit nach sich zu ziehen (§ 36 Rn 58). c) Statutszuständigkeit

184

Die Maßgeblichkeit des deutschen materiellen Rechts zieht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach sich, weil der Staat, der ein Rechtsverhältnis durch sein sachliches Recht regelt, gehalten ist, die seiner Durchführung dienenden Gerichtsorganisation zur Verfügung zu stellen. Die Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts kann beruhen entweder darauf, dass jemand, ohne Deutscher zu sein, ein deutsches Personalstatut hat, nämlich als Staatenloser (Art 5 Abs 2 EGBGB) oder als internationaler Flüchtling mit gewöhnlichen Aufenthalt oder als Flüchtling nach dem Genfer Abkommen mit Wohnsitz, hilfsweise mit schlichtem Aufenthalt im Inland (vgl § 44a Rn 20, 21) oder auf einer Rückverweisung des Heimatrechts (Art 13 EGBGB) auf das deutsche Recht als das Recht des Wohnsitzes oder des domicile oder auf einer „versteckten“ Rückverweisung,

152 153

KG JFG 5, 98; OLG Karlsruhe Rpfleger 1957, 308; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 27. An dieser Stelle ist nur ein allgemeiner Über-

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blick zu geben; wegen der Einzelheiten ist auf die Darstellung bei den einzelnen Materien im besonderen Teil zu verweisen.

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Geltungsbereich

§1

die darin zu finden ist, dass der Heimatstaat dem Domizilstaat die „jurisdiction“ zuweist.154 d) Anwendbarkeit fremden Sachrechts Während in der streitigen Gerichtsbarkeit, jedenfalls in vermögensrechtlichen Streitig- 185 keiten, eine weitgehende Internationalen Fungibilität (gegenseitige Vertretbarkeit) der Gerichte ohne Rücksicht darauf anzunehmen ist, ob der Rechtsstreit sachlichrechtlich nach der lex fori oder einem fremden Recht zu entscheiden ist,155 besteht in der freiwilligen Gerichtsbarkeit vielfach eine enge Verknüpfung mit dem sachlichen Recht insofern, als dessen Tatbestände zu ihrer Verwirklichung die Mitwirkung eines Gerichts erfordern. Daraus ergibt sich eine gewisse Abhängigkeit der Zuständigkeit vom materiellen Recht, und es fragt sich, ob und inwieweit ein „Gleichlauf“ von materiellem Recht und Zuständigkeit in dem Sinne zu fordern ist, dass bei Anwendbarkeit fremden Sachrechts ein Tätigwerden des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit mangels internationaler Zuständigkeit abzulehnen ist.156 Der Gesichtspunkt der engen Verzahnung von materiellem und Verfahrensrecht kann allerdings im Grundsatz nur Gewicht haben, wenn es sich um den Erlass einer vom sachlichen Recht geforderten rechtsgestaltenden Entscheidung oder um die Entgegennahme amtsempfangsbedürftiger rechtsgestaltenden Erklärungen handelt.157 In echten Streitsachen privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art, in denen die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit Rechtsprechung im materiellen Sinne auszuüben (oben Rn 8), unterliegt ihre internationale Zuständigkeit keinen weitergehenden Beschränkungen als die der Prozessgerichte.158 Auch bei anderen vorwiegend feststellenden Entscheidungen steht die Anwendbarkeit fremden Rechts der deutschen Internationalen Zuständigkeit grundsätzlich nicht entgegen. Selbst für rechtsgestaltende Entscheidungen ist ohne Rücksicht auf das anzuwendende Recht internationale Fungibilität anzunehmen, wenn in dem Verfahren allgemeine humanitäre, insbesondere am Kindeswohl ausgerichtete Aufgaben der Fürsorge wahrzunehmen sind und die Entscheidung den Status der Person nicht abschließend verändert oder eine solche Veränderung ermöglicht, sondern der Abänderung durch die Gerichte des Heimatstaates unterliegt; das trifft zu den Fragen der elterlichen Sorge für die Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 BGB,159 für die Regelung der elterlichen Sorge oder des Verkehrsrechts bei Getrenntleben oder nach Scheidung der Ehe der Eltern,160 für die Gewährung von Erziehungshilfe nach Art 154 155 156

157 158

Vgl Hanisch NJW 1966, 2085. Dölle RabelsZ 27 (1962/63) 201 ff, 204; Neuhaus FamRZ 1959, 482 zu II 2c. Zum „Gleichlauf“ vgl Reu S 113 ff; Matthies Die deutsche internationale Zuständigkeit S 13; Neuhaus FamRZ 1959, 482; ders NJW 1967, 1167; Dölle RabelsZ 27 (1962/63), 201 ff, 204; KGJ 46, 27 = OLGR 32, 31, 33; KG Fam RZ 1961, 477 zu IIc; OLG Neustadt JZ 1959, 644 m Anm Neuhaus; BayObLGZ 1956, 119; 1958, 34; 1959, 8, 11; 1961, 176; 1965, 423, 426 = NJW 1967, 447; für Aufgabe dieses Grundsatzes Heldrich NJW 1967, 417. Vgl Neuhaus FamRZ 1959, 482. Zum Hausratsverfahren vgl BayObLGZ 1953, 102; 1960, 370; OLG Hamm OLGZ 1968, 218.

159

160

KGJ 45, 18 = RJA 13, 178; RG WarnR 1927 Nr. 121; BayObLGZ 22, 42; 25, 369; BayObLG JW 1934, 699; OLG München JFG 18, 15; OLG Hamm FamRZ 1965, 89; Soergel/Kegel 9. Aufl Art 19 EG Rn 44; einschränkend nur für vorläufige Maßnahmen, wenn der Heimatstaat die ausschließliche Zuständigkeit beansprucht, Staudinger/ Göppinger 11. Aufl § 1666 Rn 408. KGJ 46, 27, 33; KG FamRZ 1963, 576; KG OLGZ 1966, 321; BayObLG OLGR 40, 86; BayObLGZ 1959, 8, 16 = NJW 1959, 1038; OLG Saarbrücken NJW 1966, 308; OLG Hamm FamRZ 1965, 92; Beitzke FS Heinrich Lehmann S 493, 499; Neuhaus FamRZ 1959, 482 zu II 2c.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

des § 1631 BGB161 oder für die Entscheidung über die Herausgabe des Kindes nach § 1632 Abs 1 BGB. In diesen Fällen sind die an die Person des Kindes anknüpfenden Vorschriften des FGG über die örtliche Zuständigkeit ein hinreichendes Indiz auch für die internationale Zuständigkeit,162 wobei jedoch an die Stelle des gesetzlichen Wohnsitzes der gewöhnliche oder in Ermangelung einer solchen der schlichten Aufenthalt des betroffenen Kindes im Inland zu treten hat.163 Nicht erforderlich ist es, dass sich sämtliche Beteiligte außer dem Kinde also auch beide Eltern, im Inland befinden und dass die Entscheidung im Heimatstaats anerkannt würde.164 Für andere Fälle rechtsgestaltender Entscheidungen, insbesondere solche, die eine 186 Veränderung des Status der Person zur Folge haben, ist jedoch im Hinblick auf den Entscheidungseinklang am Gleichlaufprinzip als grundsätzlichem Ausgangspunkt der Zuständigkeitsprüfung festzuhalten.165 Die deutsche internationale Zuständigkeit ist daher bei ausländischem Personalstatut nicht gegeben für die Befreiung von Eheverboten,166 für die Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit.167 Ferner beansprucht der Grundsatz des Gleichlaufs weitgehende Geltung für die Zuständigkeit in Nachlasssachen (vgl § 73 Rn 50). Zum Problem der Annexzuständigkeit bei Scheidungszuständigkeit nach der Brüssel-II-VO168 vgl Vorbem § 35b Rn 50. Eine Zuständigkeit für ein Verfahren über die elterliche Verantwortung ohne gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes kann sich aus Art 12 der neuen Brüssel-IIa-VO169 ergeben. Vgl § 35b Rn 108. Eine Erweiterung der Internationalen Zuständigkeit kann als Notzuständigkeit unter 187 drei verschiedenen Gesichtspunkten eintreten: a) als einstweilige Eilzuständigkeit (vgl Art 24 Abs 3 EGBGB, §§ 44, 74 FGG). Dieser Fall liegt vor, wenn vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen vom Standpunkt der deutschen öffentlichen Ordnung oder im Interesse des Wohls des Kindes unverzüglich getroffen werden müssen.170 Vorläufige Anordnungen des Vormundschaftsgerichts können unter Anwendung deutschen Rechts ergehen, wenn die Maßnahme so dringlich ist, dass sie nicht bis zur Klärung der Staatsangehörigkeit und des anzuwendenden Rechts zurückgestellt werden kann;171 b) als subsidiärre Notzuständigkeit zur Vermeidung einer Justizverweigerung, etwa wenn ausländische Stellen ein Eingreifen ablehnen oder ihrer Anrufung unzumutbar ist oder wenn eine

161 162

163 164

165

KG JFG 19, 50 = JW 1939, 350 = DFG 1939, 10 = HRR 1939 Nr 223. BayObLGZ 1959, 8 = EJF A II Nr 7 Anm Eppelsheimer = FamRZ 1959, 364 m Anm Schwimann = NJW 1959, 1038; KG Fam RZ 1963, 576; KG OLGZ 1966, 321; OLG Saarbrücken OLGZ 1965, 366; Staudinger/ Schwoerer 11. Aufl § 1671 Rn 195. KG FamRZ 1963, 576. BayObLGZ 1959, 8; 1966, 248; KG FamRZ 1963, 576, beide unter Aufgabe von KG JFG 11, 44 und BayObLGZ 1952, 74 = JZ 1952, 723 m Anm Makarov; Beitzke FamRZ 1967, 592 zu V 4; Soergel/Kegel 9. Aufl Art 19 EG Rn 42; einschränkend Dölle RabelsZ 27 (1962/63) 201 f, 217, der bei fehlender Anerkennung des Heimatstaates Zuständigkeit nur bei dringendem Fürsorgebedürfnis annimmt. Neuhaus S 242 ff; ders RabelsZ 20, 201 ff;

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166

167 168 169 170 171

Fam RZ 1959, 482; JZ 1966, 2 39, 241 ff; NJW 1967, 1167; Dölle RabelsZ 27 (1962/63) S 201 ff, 215; Firsching ZZP 81 (1958) 200, 302. Das Gleichlaufprinzip sieht sich nach dem Vorgang von Kegel (IPR 2. Aufl, 21 IV 1) einer zunehmenden Kritik des Schrifttums ausgesetzt, so weit es das Verfahren des Nachlassgerichts beherrscht, so Reich, von Craushaar, Schlechtriem (aaO Fn 137) und Heldrich NJW 1967, 417. § 44a Rn 20; KG NJW 1961, 2209 = FamRZ 1961, 480; BGHZ 41, 136, 140; OLG Celle NJW 1962, 2012a. § 1303 Abs 2 BGB. Vgl Vorbem § 35b Fn 32. Abgedruckt Bd 2 Anh I. RGZ 162, 335, 336. BayObLGZ 25, 369; OLG Hamm FamRZ 1965, 89.

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Geltungsbereich

§1

andere internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist;172 c) als ordre-public-Notzuständigkeit, wenn eine ausländische Maßnahme wegen der Unerträglichkeit ihres Inhalts nicht anzuerkennen (dazu § 16a Rn 58) und wegen eines dringenden Fürsorgebedürfnisses durch eine andere Regelung zu ersetzen ist. Eine Einschränkung der deutschen Internationalen Zuständigkeit kann sich bei Maß- 188 geblichkeit fremden Sachrechts aus einer Beschränkung des Funktionsbereichs der Rechtspflegeorgane der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergeben, ein Gesichtspunkt, für den die Bezeichnung „wesenseigene Zuständigkeit“ verwendet wird.173 Nach diesem Grundsatz setzt die Vertretbarkeit der Behörden verschiedener Länder für Maßnahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit voraus, dass gleichartige Rechtsakte, die dem Aufgabenkreis der inländischen Behörde entsprechen, auch in der ausländischen Rechtsordnung vorgesehen sind.174 Dazu genügt es allerdings nicht, dass die anzuwendende ausländische Rechtsnorm in ihrem Tatbestand eine weitergehende oder andersartige Prüfung verlangt als die entsprechende inländische Norm; die Rechtsfremdheit muss ihren Standort auf der Rechtsfolgeseite, nicht nur auf der Tatbestandsseite haben. Wenn etwa das maßgebliche ausländische Recht den Eintritt einer Rechtsfolge von der Eintragung in ein öffentliches Register abhängig macht, welches die deutschen Gerichte nicht führen, müssen diese ein Tätigwerden ablehnen.175 Rechtsfremd gegenüber der deutschen Anordnung der Adoption durch Hoheitsakt ist auch die Bestätigung eines Kindes Annahmevertrages nach fremdem Recht (§ 66 Rn 15). Mitunter kann die Äquivalenz der Rechtsinstitute die Angleichung an die nach der lex fori zulässigen Maßnahmen rechtfertigen. Für Maßnahmen, die dem Schutz der deutschen öffentlichen Ordnung dienen und aus 189 vorwiegend polizeilichen Gründen verhängt werden, sieht die örtliche Zuständigkeit ohne weiteres auch die internationale nach sich, ohne dass es auf die Staatsangehörigkeit des Betroffenen und darauf ankommt, ob das Heimatrecht die Maßnahme zulässt und die deutsche Zuständigkeit billigt. Es ist deutsches Sachrecht anzuwenden. Demnach sind Freiheitsentziehungen nach dem Freiheitsentziehungsgesetz und den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (Vorbem § 70 Rn 41) auch gegenüber Ausländern und Staatenlosen zulässig. Die Genehmigung der Unterbringung eines ausländischen Mündels, Betreuten oder Pflegebefohlenen durch den Vormund, Betreuer oder Pfleger nach §§ 1800, 1896, 1915 BGB kann das Vormundschaftsgericht erteilen, wenn eine inländische Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft nach Art 24 Abs 1 EGBGB angeordnet ist176 (vgl § 70 Rn 50 ff): 3. Fortdauer der Internationalen Zuständigkeit (perpetuatio fori) Der für die örtliche Zuständigkeit auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltende 190 Grundsatz, dass sie durch den nachträglichen Wegfall der sie begründenden Umstände 172

173

Vgl Reu S 135 ff, 143 ff; Neuhaus RabelsZ 20 (1955) S 265; BayObLGZ 1965, 423, 427, 431 = NJW 1967, 447 (NachlG). Vgl Reu aaO S 171 ff; Neuhaus S 233 ff; Dölle RabelsZ 27 (1962/63) 201, 22015; Gamillscheg FS Dölle 1963 Bd 2 S 289 ff; Schlosser Gestaltungsklage und Gestaltungsurteile, 1966, S 318; Beitzke NJW 1960, 248, abgeschwächt FamRZ 1967, 592, 604/605; auch Kegel IPR 2. Aufl, 21 IV 366, der darin ein Fehlen der sachlichen Zuständigkeit sieht.

174 175

176

Riezler Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs, S 25. Vgl BayObLG 1965, 423, wo mit Recht die wesenseigene Zuständigkeit geprüft, aber im Ergebnis als nicht verletzt festgestellt wird, weil die nach italienischem Recht zur Herbeiführung der beschränkten Erbenhaftung vorgesehene Eintragung der Inventarrichtung in ein Erbschaftsregister nicht konstitutiv ist. BayObLG FamRZ 1965, 104 zu II 4a; Keidel/Engelhardt § 35b Rn 2.

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§1

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

nicht berührt wird (§ 36 Rn 11, § 43 Rn 34), kann auf die internationale Zuständigkeit nicht unbesehen übertragen werden. Im Hinblick auf die Selbstständigkeit beider Verfahrensvoraussetzungen und den Umstand, dass bei der Internationalen Zuständigkeit andere Interessen als bei der örtlichen berührt werden, ist die Frage, ob eine Fortdauer anzunehmen ist, getrennt von der örtlichen Zuständigkeit und nach anderen Gesichtspunkten zu prüfen.177 Die Annahme der Fortdauer der Internationalen Zuständigkeit trotz Wegfalls der sie begründenden Umstände ist jedenfalls möglich und hängt von einer Abwägung der beteiligten Interessen ab.178 Ein nachträglicher Wegfall der Zuständigkeit setzt in jedem Falle voraus, dass eine andere internationale Zuständigkeit besteht oder eingetreten ist, die vom deutschen Recht anerkannt wird. Auch bei konkurrierender deutscher und fremdstaatlicher Zuständigkeit kann die Fortdauer der deutschen begründet sein; das hängt von den Grad des im Inland fortbestehenden Fürsorgebedürfnisses ab. Wenn die Anerkennung der deutschen Entscheidung durch den Heimatstaat Voraussetzung für die deutsche Zuständigkeit ist, entfällt diese, wenn die nachträglich eingetretenen Umstände die Anerkennung ausschließen. Im übrigen können bei konkurrierender internationaler Zuständigkeit die Grundsätze des forum-non-conveniens-Prinzips entspr Anwendung finden, nach denen das deutsche Gericht befugt ist, sein Tätigwerden trotz Zuständigkeit abzulehnen, wenn die Sache besser der Gerichtsbarkeit des anderen Staates überlassen bleibt. Nach § 261 Abs 1 und Abs 3 Nr 1 ZPO, der auch im FGG-Verfahren von Amts wegen zu beachten ist, hat die Rechtshängigkeit einer Streitsachen die Wirkung, dass sie während der Dauer der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann. Dies gilt auch, wenn die Rechtshängigkeit der Angelegenheit vor einem ausländischen Gericht eingetreten ist, sofern dessen internationale Zuständigkeit besteht und wenn die ausländische Entscheidung im Inland anzuerkennen ist oder sein wird.179 4. Gerichtliches Verfahren

191

Das Verfahren des deutschen Gerichts steht, auch wenn in der Sache fremdes Recht anzuwenden ist, unter der Herrschaft der lex fori und richtet sich daher nach deutschem Recht.180 Das gilt auch für die Zulässigkeit von Beweismitteln und die Form der Beweiserhebung. Das deutsche Verfahrensrecht ist auch dafür maßgebend, ob eine Angelegenheit zur streitigen oder zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört.181 Zur Anerkennung, Änderung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen der 192 freiwilligen Gerichtsbarkeit s Bem zu § 16a.

IX. Reformvorhaben 193

Nach dem Kommissionsentwurf von 1977 sollte der Geltungsbereich in § 1 FrGO-E wie folgt geregelt werden:

177

178 179 180

Vgl Schnitzler Hdb des IPR 4. Auflage S 825; Matthies 1955, S 76 ff; Walchshöfer ZZP 80 (19. 6.), 165 ff, 225 f. Vgl BayObLGZ 1958, 358, 360; 1959, 8, 15, 23; 1961, 384; 1966, 248. OLG Saarbrücken 2004, 467. KGJ 36 A 109; KG OLGR 46, 246 = JW 1927, 2316; KG JR 1951, 762 (Nachlassgericht); BGH JZ 1955, 702 m Anm Gamillscheg; OLG Karlsruhe FamRZ 1960,

130

181

73 m Anm Schwoerer; Soergel/Kegel 9. Aufl vor Art 7 EG Rn 310; kritische Darstellung bei Schlechtriem ZZP 27, 300 ff. RG Warn 1927, 212; KG JW 1938, 2049; BayObLGZ 19, 181; 1953, 102, 106; 1960, 374; OLG Bremen FamRZ 1964, 219; OLG Hamm OLGZ 1968, 218, 22; Dölle RabelsZ 1951, 367; Kegel IPR 2. Aufl, 22 III; Keidel/Schmidt Einl Rn 70.

Hans-Joachim von Schuckmann

§2

Rechtshilfe

„Für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die durch Bundes- oder Landesrecht den Gerichten übertragen sind, gelten die nachstehenden allgemeinen Vorschriften.“ Nach den neueren Reformüberlegungen (§ 1 FamFG-E) soll zwar das familienrechtlichen Verfahren in Familiensachen ausdrücklich erwähnt werden. Dagegen wird auf die Übertragung durch Landesrecht verzichtet. Der E geht damit auch hinter die Fassung des E des 1. Bereinigungsgesetzes zurück (vgl Rn 11). Die allein auf förmliche Kriterien abstellende Definition soll der Unterschiedlichkeit der Verfahren Rechnung tragen.182

§2 Rechtshilfe Die Gerichte haben sich Rechtshilfe zu leisten. Die §§ 158 bis 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes finden Anwendung. Literatur Keidel Anmerkung zu OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.1.1953, 6 W 16/53 (NJW 1953, 1189), NJW 1953, 1189.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff der Rechtshilfe . . . . . 1. Rechtshilfe iSd § 156 GVG . . . 2. Amtshilfe . . . . . . . . . . . . 3. Art der Maßnahme . . . . . . . 4. Rechtshilfe im weiteren Sinne . . III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit der Übertragung . . 3. Anhängigkeit der Angelegenheit IV. Rechtshilfeverfahren . . . . . . . . 1. Rechtshilfegericht (§ 157 GVG) . a) Das Rechtshilfeersuchen . . . b) Die sachliche Zuständigkeit . c) Die örtliche Zuständigkeit . . d) Zusammenfassung von Gerichtsbezirken . . . . . . . e) Das Verfahren vor dem ersuchten Gericht . . . . . . 2. Ablehnung der Rechtshilfe (§ 158 GVG) . . . . . . . . . . a) Ablehnung des Ersuchens . . b) Verbotene Handlungen . . . c) Weitere Ablehnungsgründe . 3. Anrufung des Oberlandesgerichts (§ 159 GVG) . . . . . . . . . .

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1 3 3 6 7 9 11 11 14 15 16 17 17 18 19

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22 22 23 25

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Rdn a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . c) Abhilfe, Aussetzung der Vollziehung . . . . . . . . . . . d) Verfahren des OLG (BGH) . . . 4. Vollstreckungen, Ladungen, Zustellungen (§§ 160, 161 GVG) . 5. Vollstreckung von Freiheitsstrafen (§§ 162, 163 GVG) . . . . . . . . 6. Kosten der Rechtshilfe (§ 164 GVG) . . . . . . . . . . . . 7. Amtshandlungen außerhalb des Gerichtsbezirks (§ 166 GVG) . . . 8. Nacheile (§ 167 GVG) . . . . . . . 9. Mitteilung von Akten (§ 168 GVG) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Registerakten . . . . . . . . . . V. Landesrechtliche Angelegenheiten . . VI. Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen der Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe . . . . . 3. Rechtshilfeverfahren . . . . . . . . VII. Amtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Reformvorhaben . . . . . . . . . . .

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36 37 37 38 39 40 40

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42 46 47 49

RefE FamFG S 357.

Peter-Hendrik Müther

131

§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

I. Allgemeines Die Vorschrift verweist auf den dreizehnten Titel des GVG (§§ 156 bis 168),1 der die Rechtshilfe betrifft und deren Gewährung im Verkehr der deutschen Gerichte untereinander sichert. Die Vorschriften stellen im Rahmen ihres Anwendungsbereichs (vgl dazu Rn 3 ff) eine Konkretisierung des Art 35 GG dar, nach dem sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe zu gewähren haben. Denn zu den Behörden im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die Gerichte.2 Die Verweisung über § 2 gilt unabhängig davon, ob die beteiligten Gerichte demselben Land oder verschiedenen Ländern einschließlich der neuen Länder3 angehören oder Bundesgerichte sind. Durch § 194 Abs 1 und 4 FGG wird die Rechtshilfepflicht nach § 2 erweitert auf die nichtgerichtlichen Behörden, die nach Landesgesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten der FG zuständig sind; diese haben mithin einander und den Gerichten Rechtshilfe zu leisten und können einander sowie die Amtsgerichte um Rechtshilfe ersuchen. Erfasst werden alle bundesrechtlichen Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit auch die Grundbuchsachen;4 für die Familien- und Lebenspartnersachen der fG gelten die Vorschriften des GVG aber direkt (§§ 621a Abs 1 S 2, 661 Abs 2 ZPO). Zu den landesrechtlichen Angelegenheiten, Rn 39. Die Verweisung in § 2 gilt unabhängig davon, welches Rechtspflegeorgan (Richter, Rechtspfleger) handelt, vgl Rn 17. Die Regelung des Art 35 GG, die nicht nur bloße Rahmenvorschrift,5 sondern unmit2 telbar geltendes Verfassungsrecht darstellt, bewirkt, dass die in den Verfahrensordnungen enthaltenen Regelungen zur Rechts- und Amtshilfe nur noch insoweit gelten, wie sie mit Art 35 GG in Einklang stehen. Dies ist allerdings in Bezug auf die Regelungen in den §§ 156 ff GVG der Fall. Denn Art 35 GG schließt nicht die Ablehnung der Rechtshilfe in bestimmten Fällen (§ 158 GVG) und die Gewährung von Rechtsschutz (§ 159 GVG) aus; auch eine zwingende Kostentragungsregelung lässt sich ihm nicht entnehmen.6 Soweit der durch § 156 GVG festgelegte Anwendungsbereich nicht eröffnet ist, ist auf andere Vorschriften zurückzugreifen und, soweit sich keine einschlägigen Vorschriften finden lassen, auf Art 35 GG, der insoweit durch allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsätze zu ergänzen ist;7 zur Amtshilfe, vgl Rn 6, 47 f. Nicht von der Verweisung in § 2 erfasst wird der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland. Zu diesem, vgl Rn 40 ff.

1

II. Der Begriff der Rechtshilfe 1. Rechtshilfe iSd § 156 GVG

3

Der Begriff der Rechtshilfe ist gesetzlich nicht genau definiert. Für den Anwendungsbereich des § 2 wird der Begriff der Rechtshilfe durch § 156 GVG festgelegt. Von der Rechtshilfe in diesem Sinne werden nur Tätigkeiten erfasst, die zur sachlichen Zuständigkeit des ersuchenden Gerichts gehören, die es also auch selbst wirksam vornehmen kann, die es aber aus Zweckmäßigkeitsgründen der verschiedensten Art nicht selbst vornehmen will.8 In Abgrenzung zur Tätigkeit der Justizverwaltung muss die vom Gericht ersuchte 1 2 3

4

Kissel/Mayer § 156 Rn 7. Kissel/Mayer § 156 Rn 2; Baumbach/Albers vor § 156 GVG Rn 1; Keidel/Sternal § 2 Rn 1. Zur sog Interzonalen Rechtshilfe zwischen der BRD und der DDR, vgl Voraufl § 2 Rn 2; Habscheid § 11 VI 2. KG OLGZ 1969, 134.

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5 6 7 8

AA Keidel/Sternal § 2 Rn 1. Kissel/Mayer § 156 Rn 5. Kissel/Mayer § 156 Rn 5, der dies allerdings nicht aus Art 35 GG herleitet. BGH NJW 1990, 2936; RGZ 115, 367, 368; Kissel/Mayer § 156 Rn 30; Zöller/Gummer § 156 GVG Rn 2.

Peter-Hendrik Müther

Rechtshilfe

§2

Handlung der Rechtsprechungstätigkeit, wenn auch nur im formellen Sinne, zuzurechnen sein.9 Kein Rechtshilfefall ist daher gegeben, wenn das Prozessgericht die Bestellung eines 4 Betreuers mit dem Aufgabenkreis Prozessführung (§ 1896 BGB) anregt.10 Keine Rechtshilfe liegt vor, wenn das Ersuchen an eine Verwaltungsbehörde ergeht, die nicht von § 194 Abs 1 FGG erfasst wird. § 156 GVG greift daher auch nicht bei der Konsulartätigkeit nach dem Konsulargesetz11 oder der Mitwirkung zwischen dem Gericht und öffentlich-rechtlichen Institutionen, wie etwa beim Jugendamt nach §§ 50 f SGB VIII.12 Die Handlung muss nicht außerhalb des Bezirks des Gerichts oder (bei LG, OLG, 5 BGH) außerhalb des Bezirks des Amtsgerichts seines Amtssitzes vorzunehmen sein.13 Dementsprechend kann auch ein aufgrund einer Zuständigkeitskonzentration zuständiges Gericht ein aufgrund der Konzentration nicht mehr zuständiges Gericht14 oder das Hauptgericht eine Zweigstelle15 um Rechtshilfe ersuchen. Dies folgt aus dem mit der Rechtshilfe verfolgten Vereinfachungszweck und bei vorgesetzten Gerichten bereits aus § 158 Abs 1 GVG. In diesen Fällen dürfte aber die Anordnung der Rechtshilfe nach ihrem Zweck – der auch im Interesse der Beteiligten liegenden Verfahrensvereinfachung – vielfach ausgeschlossen und damit ermessensfehlerhaft sein. Dies rechtfertigt eine Ablehnung durch das ersuchte Gericht aber nicht, vgl Rn 24. Zu Hilfen durch ein sachlich anderweit zuständiges Gericht, vgl Rn 6. 2. Amtshilfe Zu unterscheiden von der Rechtshilfe in dem genannten Sinn ist die Pflicht zur Hilfe, 6 die eingreift, wenn verschiedene Behörden mit den ihnen eigentümlichen Machtmitteln zur Erreichung eines vom Gesetz gewollten Zweckes zusammenwirken sollen. Diese ist in Abgrenzung zum Anwendungsbereich des § 156 GVG als Amtshilfe zu bezeichnen.16 Unter Amtshilfe ist mithin die Beistandsleistung im Verhältnis zwischen einem Gericht und einer außergerichtlichen Behörde oder zwischen außergerichtlichen Behörden untereinander zu verstehen; aber auch die Anforderung durch ein Gericht, dem die sachliche Zuständigkeit anders als dem ersuchten Gericht fehlt. Für diese Art der Beistandsgewährung gelten der Rechtsbehelf des § 159 GVG und auch § 158 GVG ohne besondere Anordnung nicht. Zur Amtshilfe weitergehend, vgl Rn 47 f. 3. Art der Maßnahme Besonders häufig kommt die Durchführung einer Maßnahme im Wege der Rechtshilfe 7 im Rahmen einer Beweisaufnahme in Betracht. Dementsprechend sehen auch einige der Vorschriften über die Durchführung einer Beweisaufnahme die Erledigung durch ein 9 10

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OLG Celle NJW 1967, 393; Kissel/Mayer § 156 Rn 10, 22. OLG Braunschweig NdsRpfl 1964, 62; vgl dazu auch § 53 ZPO; zur Bestellung eines Prozesspflegers bei einem Prozessunfähigen durch das Prozessgericht: 57 ZPO. BGHSt 26, 140, 142 = NJW 1975, 1612; Kissel/Mayer § 156 Rn 20; es handelt sich um innerstaatliche Amtshilfe. Zur Beweisaufnahme durch den Konsul: Zöller/Geimer § 363 Rn 2; Baumbach/Hartmann § 363 Rn 8.

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13 14 15 16

Kissel/Mayer § 156 Rn 9. Hier liegt wohl auch keine Amtshilfe vor, weil das Jugendamt in eigener Zuständigkeit handelt, vgl § 4 Abs 2 Nr 2 VwVfG. AA Voraufl, § 2 Rn 3. AA OLG Brandenburg OLGR 2002, 211. OLG München MDR 1982, 763, 764 = Rpfleger 1982, 293; Keidel/Sternal § 2 Rn 10. Allgemein Kissel/Mayer § 156 Rn 4; Zöller/ Gummer § 156 GVG Rn 3.

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§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ersuchtes Gericht ausdrücklich vor. Über § 15 FGG finden etwa §§ 372 Abs 2 ZPO, 375, 402 ZPO Anwendung, die eine Beweisaufnahme zur Einholung des Augenscheins und zur Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, aber auch für die Sachverständigenauswahl selbst (§ 372 Abs 2 ZPO) behandeln. Darüber hinaus kann aber auch die Einholung von Auskünften und Erklärungen und die Vornahme gerichtlicher Handlungen, die die persönliche Anwesenheit der Beteiligten erfordern, wie dies bei der Abnahme von eidesstattlichen Erklärungen oder bei der Verpflichtung von Vormündern, Pflegern und Betreuern der Fall ist, Gegenstand der Rechtshilfe sein. Die Gewährung von Rechtshilfe kann dabei nicht deswegen verweigert werden, weil das Ersuchen auch auf andere Weise erledigt werden könnte, etwa durch schriftliche Erklärung oder Auskunftserteilung.17 Überhaupt ist im Interesse der Sache und der Beteiligten sowie im Hinblick auf den weiten Spielraum, den das FGG dem Gericht bei der Gestaltung seines Verfahrens lässt, eine engherzige Beurteilung nicht angebracht. Im Einzelnen, vgl Rn 11 ff. Ist die Art der Maßnahme dem Grunde nach für ein Rechtshilfeersuchen geeignet, darf 8 gleichwohl die konkret erforderte Handlung nicht über die Zuständigkeit des ersuchenden Gerichts hinausgehen. Es muss sich bei der durchzuführenden Maßnahme um die Durchführung einer den Gerichten der FG zugewiesenen Aufgabe handeln. Eine Zeugenvernehmung darf daher die Einleitung eines Vormundschaftsverfahrens oder die Auswahl des Vormunds vorbereiten, nicht aber der Vermeidung oder Vorbereitung etwaiger Prozesse des Mündels gegen den Vormund oder der Ermittlung des außerehelichen Vaters des Mündels dienen. Etwas anderes gilt, wenn es in dem jeweiligen Verfahren gerade um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses geht. Ob die durchzuführende Maßnahme den genannten Anforderungen genügt, ist dem Rechtshilfeersuchen zu entnehmen. Aus dem Rechtshilfeersuchen muss sich aus diesem Grund hinreichend konkret ergeben, zu welchem Zweck bzw mit welchem Ziel die Maßnahme durchgeführt werden soll. Ein diesen Anforderungen nicht genügendes Ersuchen ist unzulässig.18 Die Durchführung der Rechtshilfe kann von dem ersuchten Gericht nach § 158 Abs 2 S 1 GVG abgelehnt werden. 4. Rechtshilfe im weiteren Sinne

9

Teilweise wird angenommen, dass ein Hilfeersuchen, das ein Gericht an ein anderes Gericht richtet, ohne für die Maßnahme selbst sachlich zuständig zu sein, als Rechtshilfe im weiteren Sinne anzusehen sein soll.19 Als Beispiel wird insoweit der Fall des Antrags des Prozessgerichts an das Vormundschaftsgericht auf Bestellung eines Prozesspflegers genannt. Sinn dieser Differenzierung ist es, eine Anwendbarkeit des § 159 GVG zu begründen.20 Eine Notwendigkeit, einem anderen Gericht die Überprüfung sachlicher Entscheidungen eines anderen Gerichts einzuräumen, ist aber nicht zu erkennen. Die Geltendmachung etwaiger Fehler ist Sache der Beteiligten und kann nicht Gegenstand eines Streits verschiedener Gerichte sein. Einen Sonderfall stellt insoweit § 82a S 2 GBO dar, nach dem das Grundbuchamt das 10 Nachlassgericht zur Ermittlung von Erben ersuchen kann. Es handelt sich insoweit nicht um eine Rechtshilfe iSd § 156 GVG, weil Rechtshilfe regelmäßig durch die gleichfalls sachlich zuständige Abteilung zu erbringen und jedenfalls nicht durch das ersuchende Gericht zu bestimmen ist. Hintergrund der gesetzlichen Regelungen sind überdies nicht

17 18

RGZ 69, 271. OLG Karlsruhe Die Justiz 1977, 275; Rpfleger 1994, 255.

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19 20

Keidel/Sternal § 2 Rn 7. Keidel/Sternal § 2 Rn 7 Fn 20, Rn 49.

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Rechtshilfe

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die Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte, die hinter der Regelung des § 156 GVG stehen. Es geht vielmehr darum, den Sachverstand des Nachlassgerichts zu nutzen. Nur in diesem Ausnahmefall mag eine Anwendung der §§ 156 ff GVG gerechtfertigt sein, weil das Nachlassgericht auf andere Weise nicht zur Durchführung der Erbenermittlung angehalten werden kann.21

III. Voraussetzungen 1. Grundsätze Bei der rechtlichen Beurteilung der Rechtshilfe ist die Sicht des ersuchenden Gerichts 11 und die des ersuchten Gerichts zu unterscheiden. Die Zulässigkeit der Anordnung der Rechtshilfe richtet sich nach der Verfahrensordnung des ersuchenden Gerichts und ist von diesem in eigener Verantwortung zu beurteilen. Ob Rechtshilfe bei einer grundsätzlich übertragbaren Aufgabe anzuordnen ist, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.22 Dabei ist davon auszugehen, dass das zur Entscheidung berufene Gericht grundsätzlich alle erforderlichen Handlungen selbst vorzunehmen hat, die Anordnung der Rechtshilfe daher nur eine Ausnahme darstellt.23 Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Rechtshilfe erfolgt dabei nur im Rechtsmittelweg. Dem ersuchten Gericht steht demgegenüber nur ein sehr eingeschränkte Prüfungs- 12 recht hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtshilfeersuchens zu. Ein entsprechendes Gesuch kann nur nach Maßgabe des § 158 GVG abgelehnt werden. Hieraus lässt sich ersehen, dass ein Rechtshilfeersuchen grundsätzlich unabhängig von der Rechtsauffassung des ersuchten Gerichts durchzuführen ist. Dies entspricht der Regelung des Art 35 GG und dient der störungsfreien und schnellen Durchführung gerichtlicher Verfahren. Rechtshilfe setzt voraus, dass das ersuchende Gericht mit einer zu seinem Aufgaben- 13 kreis gehörenden Angelegenheit befasst ist, in welcher zur Vorbereitung einer sachlichen Entschließung (Verfügung, Beschluss, Entscheidung) oder einer gerichtlichen Handlung Ermittlungen oder Beweiserhebungen zulässig sind. Hieraus folgt: 2. Zulässigkeit der Übertragung Das Gericht darf nicht die von ihm selbst zu erlassende Entscheidung oder vorzuneh- 14 menden gerichtlichen Handlungen dem ersuchten Gericht übertragen. Unzulässig ist deshalb ein Ersuchen um Abhaltung des Verhandlungstermins im Verfahren zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung;24 um Erteilung eines Erbscheins;25 um Eröffnung des Testaments;26 zulässig ist demgegenüber die Bekanntgabe des Inhalts eines eröffneten Testaments nach § 2262 BGB,27 Beibringung von Urkunden28 oder die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 2356 Abs 2 BGB.29 Zulässig ist trotz des § 70c S 4 auch

21 22 23 24 25 26

So im Ergebnis KG OLGZ 1969, 134. Kissel/Mayer § 156 Rn 32. Kissel/Mayer § 156 Rn 31. AA Keidel/Winkler § 89 Rn 8. RGZ 95, 286; Erman/Schlüter § 2353 Rn 3; MünchKomm/J. Mayer § 2353 Rn 53. BayObLGZ 31, 91; Palandt/Edenhofer § 2260 Rn 4; MünchKomm/Hagena § 2260 Rn 6; zur Zuständigkeit des Verwahrgerichts,

27 28 29

vgl § 2261 BGB, und des Konsulars, vgl § 11 Abs 3 KonsG. MünchKomm/Hagena § 2262 Rn 7; Soergel/ J. Mayer § 2262 Rn 2. KGJ 44, 102. RGZ 95, 286; Palandt/Edenhofer § 2356 Rn 11; Erman/Schlüter § 2353 Rn 3; MünchKomm/J. Mayer § 2353 Rn 53.

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§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

die Übertragung der Anhörung des Betroffenen in einer Unterbringungssache auf den ersuchten Richter und zwar auch dann, wenn es nicht nur um eine einstweilige Anordnung geht.30 Entsprechendes gilt hinsichtlich der persönlichen Anhörung wegen einer Betreuerbestellung, auch § 68 Absatz 1 Satz 4 enthält kein Übertragungsverbot.31 Weiter ist die Inanspruchnahme von Rechtshilfe in Verfahren zur Entscheidung über das elterliche Sorgerecht wegen der persönlichen Anhörung des Kindes nach § 50b möglich.32 Schließlich kommt Rechtshilfe auch dann in Betracht, wenn das ersuchende Gericht von Amts wegen zur Erbenermittlung verpflichtet ist (Bsp: Art 37 Abs 1 AGGVG), eine entsprechende Verpflichtung beim ersuchten Gericht aber nicht besteht.33 Das Rechtshilfegericht ist demgegenüber nicht zur Auswahl eines Vormunds, Betreuers oder Pflegers oder zur Erteilung einer Bestallung zuständig. Die Verpflichtung des Berufenen kann aber durch das Rechtshilfegericht vorgenommen werden,34 was sich wegen der Notwendigkeit der persönlichen Anwesenheit des zu Verpflichtenden als zweckmäßig erweisen kann. Ferner kommt eine Inanspruchnahme des Rechtshilfegerichts nicht für die Bekanntmachung von Verfügungen und Entscheidungen nach Maßgabe des § 16 Abs 2 FGG in Betracht, selbst wenn die Adressaten nicht im Gerichtsbezirk wohnen. Dies folgt aus § 160 GVG.35 3. Anhängigkeit der Angelegenheit

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Das Gericht muss mit der Angelegenheit, in der es um Rechtshilfe nachsucht, bereits oder noch befasst sein. Die Sache muss also schon und noch bei ihm anhängig sein. Soweit ein Antrag notwendige Voraussetzung für die Tätigkeit des Gerichts ist, muss der Antrag gestellt sein; die Herbeiführung der Antragstellung kann nicht Gegenstand der Rechtshilfe sein. Für das Erbscheinverfahren ist zu beachten, dass der Antrag auf Erteilung des Erbscheins als solcher formlos gestellt werden kann; liegt er vor, so kann mithin das NachlG um die Aufnahme der Erbscheinsverhandlung nach § 2356 BGB im Wege der Rechtshilfe ersuchen. Soweit das Gericht von Amts wegen tätig wird (zB § 1666 BGB), kann es Rechtshilfe in Anspruch nehmen, sobald es Anlass gefunden hat, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Einschreiten vorliegen. Schließlich darf die Anhängigkeit der Sache bei dem ersuchenden Gericht noch nicht beendet sein, zB durch Abgabe der Vormundschaft an ein anderes Gericht. Soweit aber das VormG nach Beendigung der Vormundschaft noch zu Amtshandlungen befugt ist, darf es auch Rechtshilfe beanspruchen, zB zur Entgegennahme der Entlastung des Vormunds, zur Erörterung des Verzichts des Mündels auf die Schlussrechnung oder zur Vermittlung der Herausgabe des Mündelvermögens.36

IV. Rechtshilfeverfahren 16

Auf das Rechtshilfeverfahren finden nach § 2 die Vorschriften des GVG über die Rechtshilfe Anwendung und damit die §§ 157 bis 169 GVG. Diese Vorschriften bestimmen:

30 31

BayObLGR 2004, 255; OLG Frankfurt OLGR 2004, 76. BayObLGR 2000, 30; BayObLGZ 1991, 271 = FamRZ 1993, 450; OLG Frankfurt OLGR 1993, 184; noch zur Gebrechlichkeitspflegschaft: OLG Köln FamRZ 1989, 213.

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OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 934. OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 255. OLG Stuttgart Rpfleger 1990, 357. Zöller/Gummer § 160 GVG Rn 1. RG JR 1927, 607; RGZ 115, 368; RG DJZ 1910, 478.

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Rechtshilfe

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1. Rechtshilfegericht (§ 157 GVG)

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§ 157 GVG lautet: § 157 (1) Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das Amtsgericht zu richten, in dessen Bezirk die Amtshandlung vorgenommen werden soll. (2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Erledigung von Rechtshilfeersuchen für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte einem von ihnen ganz oder teilweise zuzuweisen, sofern dadurch der Rechtshilfeverkehr erleichtert oder beschleunigt wird. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

a) Das Rechtshilfeersuchen Das Rechtshilfeersuchen erlässt der Vorsitzende des ersuchenden Gerichts oder nach § 194 FGG die nach Landesrecht zuständige nichtgerichtliche Behörde. Die Entscheidung über die Durchführung der Rechtshilfe muss aber in der nach den Verfahrensvorschriften vollständigen Besetzung getroffen werden.37 Zuständiger Richter kann dann auch der beauftragte Richter sein.38 Denn diesem wird die Durchführung der Beweisaufnahme vollständig übertragen. Auch der Rechtspfleger kann in übertragenen Sachen selbständig gemäß § 4 Abs 1 RPflG um Rechtshilfe ersuchen;39 nicht aber, wenn er Maßnahmen nach § 4 Abs 2 Nr 1 RPflG für erforderlich hält.40 Denn dann hat er die Sache nach § 4 Abs 3 RPflG dem Richter vorzulegen. Das Ersuchen muss ausdrücklich gestellt werden; stillschweigende oder vermutete Ersuchen gibt es nicht.41 Der Gegenstand der durchzuführenden Maßnahme muss hinreichend bestimmt sein, vgl Rn 8; ein allgemeines Ersuchen um Vornahme von Ermittlungen ist unzulässig, vgl aber zu § 82a S 2 GBO Rn 10. Überhaupt muss nicht nur ein Ersuchen vorliegen, dieses muss auch durchführbar sein. Ein Beweisbeschluss ist in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit allerdings auch im Rahmen der Inanspruchnahme von Rechtshilfe nicht notwendig.42 Um den genannten Anforderungen zu genügen, kann er sich aber auch hier als nützlich erweisen. b) Die sachliche Zuständigkeit Sachlich sind für die Erledigung des Ersuchens die Amtsgerichte zuständig. Nach 18 § 194 Abs 1 sind Rechtshilfeersuchen durch die nach Landesrecht zuständigen nichtgerichtlichen Behörden zu erledigen, nach § 194 Abs 4 bleiben aber die gerichtlichen Behörden ebenfalls zuständig.43 Funktionell kann der Rechtspfleger das Ersuchen eines anderen Rechtspflegers erledigen,44 dagegen nicht das Ersuchen eines Richters in einer nicht übertragenen Sache.45 Entsprechend kann der Rechtspfleger Rechtshilfeersuchen eines Beschwerdegerichts nicht bearbeiten, weil ihm im Beschwerdeverfahren keine Zuständigkeit zukommt. Auch wenn eine eigentlich dem Rechtspfleger übertragene Sache von dem Richter bearbeitet wird, ist dessen Rechtshilfegesuch durch den Richter zu bearbeiten, 37 38 39

40

Keidel/Sternal § 2 Rn 11; Kissel/Mayer § 157 Rn 10. AA Kissel/Mayer § 157 Rn 10. OLG Karlsruhe OLGR 1994, 345 = Rpfleger 1994, 203; BayObLG Rpfleger 1994, 103; BayObLGZ 1995, 158, 160. OLG Celle Rpfleger 1959, 161; OLG Oldenburg Rpfleger 1958, 281; Kissel/Mayer § 157 Rn 11.

41 42 43 44 45

Keidel NJW 1953, 1190; aA OLG Frankfurt NJW 1953, 1189. KG NJW-RR 1990, 586; RGZ 95, 288. OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 255. BayObLG FamRZ 1997, 306. OLG Celle NdsRpfl 1961, 36; OLG Hamm JMBlNRW 1963, 44.

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§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sofern nicht die Erledigung durch einen Rechtspfleger in dem Gesuch zugelassen ist. Wird das Gesuch unzulässiger Weise durch einen Rechtspfleger erledigt, rechtfertigt dies die Wiederholung.46 In Familiensachen muss der ersuchte Richter die Anforderungen nach § 23b Abs 3 S 2 GVG erfüllen. Die Erledigung von Rechtshilfeersuchen durch Referendare ist unter den Voraussetzungen des § 10 GVG zulässig. c) Die örtliche Zuständigkeit

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Örtlich zuständig ist das Gericht des Ortes der vorzunehmenden Amtshandlung, wofür es auf die Art der Handlung und die Umstände ankommt. Die Zuständigkeit zur Zeugenvernehmung richtet sich nach dem Wohnort oder ständigen Aufenthalt des Zeugen; auch ein vom Wohnort verschiedener Beschäftigungsort oder eine grenznahe Lage wegen der Vernehmung eines Ausländers kommt für die Zuständigkeitsbestimmung in Betracht.47 Für die Gegenüberstellung mehrerer in verschiedenen Bezirken wohnender Personen ist jedes der beteiligten Amtsgericht örtlich zuständig. Unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten hat das ersuchende Gericht die Wahl.48 Im Falle der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ist die Sache an das zuständige Gericht abzugeben, § 158 Abs 2 S 2 GVG. Das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit rechtfertigt eine Ablehnung des Ersuchens nicht. d) Zusammenfassung von Gerichtsbezirken

20

Von der Ermächtigung zur Zuständigkeitskonzentration nach Abs 2, durch die auch AG-Bezirke zusammengefasst werden können, die nicht innerhalb eines LG-Bezirks liegen,49 ist vielfach Gebrauch gemacht worden. So erledigt etwa das Amtsgericht Schöneberg, die im Kammergerichtsbezirk anfallenden Rechtshilfeersuchen.50 In Hamburg ist das Amtsgericht Hamburg zuständig, wenn in derselben Sache um die Vernehmung mehrerer Personen ersucht wird, die sonst durch verschiedene Amtsgerichte vernommen werden müssten. Wird ein anderes als das nach der Konzentrationsanordnung zuständiges Amtsgericht angerufen, so hat dieses das Ersuchen nach § 158 Abs 2 S 2 GVG an das zuständige Amtsgericht abzugeben. e) Das Verfahren vor dem ersuchten Gericht

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Das ersuchte Gericht hat bei der Durchführung des Rechtshilfeersuchens die Grundsätze der maßgebenden Verfahrensordnung zu beachten. Es handelt dabei nicht in Vertretung, sondern in durch das Ersuchen begrenzter Amtsgewalt.51 Insoweit hat es etwa auch die Beteiligten von einem bevorstehenden Beweistermin rechtzeitig zu benachrichtigten, so dass deren Teilnahmerecht gewahrt wird. Ein Verstoß macht als wesentlicher Verfahrensfehler eine Wiederholung notwendig. Die Vorschriften der ZPO über die Beweisaufnahme durch den ersuchten Richter gelten auch im FGG-Verfahren. Das ersuchte Gericht kann daher die Maßnahmen nach § 400 ZPO ergreifen, die auch in Bezug auf den Sachverständigen gelten, § 402 ZPO, es kann die Sache an ein anderes Gericht abgeben, § 365 ZPO; es hat auch grundsätzlich die Befugnisse nach § 360 S 3 ZPO zur Änderung eines Beweisbeschlusses, wenn ein solcher vorliegt. Anderenfalls gilt die Befugnis sinngemäß. 46 47 48

OLG Schleswig SchlHA 1955, 62; OLG Hamm JMBlNRW 1963, 44. OLG München NJW 1962, 56; OLG Schleswig SchlHA 1989, 75, 76. OLG Hamm NJW 1956, 1446; Keidel/Sternal § 2 Rn 16; Keidel/Mayer § 157 Rn 4.

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49 50

51

Zöller/Gummer § 157 GVG Rn 3. § 9 der 2. VO über die Konzentration amtsgerichtlicher Zuständigkeiten vom 4. Dezember 1992, GVBl S 2301. RGZ 71, 303; BayObLG KGJ 53, 253.

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Rechtshilfe

§2

2. Ablehnung der Rechtshilfe (§ 158 GVG)

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Hierüber bestimmt § 158 GVG: § 158 (1) Das Ersuchen darf nicht abgelehnt werden. (2) Das Ersuchen eines nicht im Rechtszuge vorgesetzten Gerichts ist jedoch abzulehnen, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist. Ist das ersuchte Gericht örtlich nicht zuständig, so gibt es das Ersuchen an das zuständige Gericht ab.

a) Ablehnung des Ersuchens Das Rechtshilfegesuch muss in der Regel erledigt werden, die Ablehnung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht.52 Das Rechtshilfeersuchen eines im Rechtszuge vorgesetzten Gerichtes kann nur dann abgelehnt werden, wenn es tatsächlich nicht durchführbar ist, was auch dann der Fall ist, wenn es unklar und unbestimmt ist53 (vgl dazu Rn 8). Wird schon keine Rechtshilfe begehrt, ist das Gesuch unter Beachtung des Art 35 GG nach dem jeweiligen Inhalt zu behandeln. Die Vorschrift des § 158 GVG gilt allein für Rechtshilfe im Sinne des § 156 GVG oder aufgrund ausdrücklicher Anordnung, nicht für die sog erweiterte Rechtshilfe, vgl Rn 9. Als vorgesetztes Gericht sind das zu dem Bezirk gehörende LG, das OLG und der BGH anzusehen. Aufgrund seiner besonderen Stellung im Gerichtssystem ist das BVerfG ebenfalls immer als vorgesetztes Gericht anzusehen. Dessen Rechtshilfeersuchen sind aber ohnehin nach § 27 BVerfGG zu beurteilen. Ist die Ablehnung unzulässig, kommt für das ersuchte Gericht bei Zweifeln an dem Ersuchen nur die Gegenvorstellung in Betracht. b) Verbotene Handlungen Stammt das Rechtshilfeersuchen nicht von einem vorgesetzten Gericht, kann seine 23 Durchführung nur nach Abs 2 S 1 abgelehnt werden. Auch dies setzt aber ein durchführbares Ersuchen voraus (vgl dazu Rn 22). Ist das ersuchte Gericht unzuständig, ist die Sache an das zuständige Gericht weiterzugeben, Abs 2 S 2. Ist das Ersuchen nicht Undurchführbar, kommt eine Ablehnung nur dann in Betracht, 24 wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist. Eine Überprüfung des Gesuchs auf seine Richtigkeit, Zweckmäßigkeit oder Angemessenheit scheidet daher von vornherein aus. Ein Verbot im Sinne der Vorschrift liegt dabei auch dann vor, wenn die vorzunehmende Handlung sowohl dem ersuchten als auch dem ersuchenden Gericht verboten ist. Verboten ist allerdings eine Handlung nur dann, wenn sie nach gesetzlichen Vorschriften oder klaren Rechtsgrundsätzen unzulässig ist. Das Verbot kann sich dabei aber auch durch Auslegung ergeben.54 Die Verantwortung für ein ordnungsgemäßes Verfahrens trägt das ersuchende Gericht. Die Handlung muss schlechthin, dh ohne die Notwendigkeit einer auf den Einzelfall abgestellten Prüfung verboten sein. Bei Zweifeln hat das ersuchte Gericht seiner Rechtspflicht zu genügen. Hält das Rechtshilfegericht das Ersuchen für teilweise unzulässig, so hat es zunächst den zulässigen Teil zu erledigen.55 Zu Einzelfällen, vgl Rn 14.

52

53

OLG Frankfurt OLGR 2004, 76; OLGR 1993, 184; OLG Koblenz OLGZ 1989, 367; OLG Naumburg NJW-RR 1994, 1551: enge Auslegung der Vorschrift. Keidel/Sternal § 2 Rn 22; Zöller/Gummer

54 55

§ 158 GVG Rn 1; Baumbach/Albers § 158 GVG Rn 1. BGHSt 44, 345 = NJW 1999, 961. OLG Karlsruhe OLGZ 1967, 50 = FamRZ 1966, 380.

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§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

c) Weitere Ablehnungsgründe

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Als weiterer Fall eines Ablehnungsgrundes wird der offensichtliche Rechtsmissbrauch genannt.56 Ein solcher Fall soll etwa dann gegeben sein, wenn das ersuchende Gericht trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen zum wiederholten Male in gleicher Weise die Akten versendet, um sich Arbeit zu ersparen.57 Ebenfalls soll die Wiederholung einer nach Auffassung des ersuchten Gerichts bereits hinreichend vorgenommenen Handlung die Ablehnung rechtfertigen. Als Beispiel wird die Anordnung der erneuten Vernehmung eines Zeugen ohne ergänzende Fragen angesehen.58 Bei einer Anwendung dieser Ablehnungsgründe ist erhebliche Vorsicht geboten. Die genannten Kriterien rechtfertigen eine Ablehnung grundsätzlich nicht, weil eine derartige Prüfung allein dem ersuchenden Gericht vorbehalten ist, vgl Rn 24. Entscheidend ist daher das Kriterium der Offensichtlichkeit der fehlerhaften Handhabung des Rechtshilferechts durch das ersuchende Gericht. Eine derartige Offensichtlichkeit dürfte regelmäßig zu verneinen sein. 3. Anrufung des Oberlandesgerichts (§ 159 GVG)

26

Hierüber bestimmt § 159 GVG: § 159 (1) Wird das Ersuchen abgelehnt oder wird der Vorschrift des § 158 Abs 2 zuwider dem Ersuchen stattgegeben, so entscheidet das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das ersuchte Gericht gehört. Die Entscheidung ist nur anfechtbar, wenn sie die Rechtshilfe für unzulässig erklärt und das ersuchende und ersuchte Gericht den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte angehören. Über die Beschwerden entscheidet der Bundesgerichtshof. (2) Die Entscheidungen ergehen auf Antrag der Beteiligten oder des ersuchten Gerichts ohne mündliche Verhandlung.

a) Allgemeines Die Vorschrift regelt das Rechtsbehelfssystem im Rechtshilfeverfahren. Das Oberlandesgericht kann sowohl gegen die Ablehnung des Ersuchens, gleich aus welchem Grund, als auch gegen die beabsichtigte Stattgabe angerufen werden. Der Rechtsbehelf wird nicht näher bezeichnet, die Bezeichnung „Beschwerde“ ist dem Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes vorbehalten.59 Die sonst für Beschwerden geltenden Vorschriften finden daher keine Anwendung.60 Der Rechtsbehelf nach Abs 1 kommt aus systematischen Gründen auch in Betracht, wenn das Rechtshilfeersuchen entgegen § 158 Abs 1 GVG abgelehnt worden ist61 oder ein gerichtsinterner Streit vorliegt, wie zwischen der Grundbuchabteilung und der Nachlassabteilung aufgrund des § 82a S 2 GBO,62 vgl dazu Rn 10; nicht aber, wenn es sich tatsächlich nicht um ein Rechtshilfeersuchen im Sinne des § 156 GVG handelt,63 vgl dazu Rn 6, 9. Es sei denn, das Verfahren ist aufgrund gesetzlicher Regelung entsprechend anwendbar. Für die Frage der Zulässig56 57

58 59

Keidel/Sternal § 2 Rn 28; Zöller/Gummer § 158 GVG Rn 5. OLG Schleswig FamRZ 1995, 1596 = FGPrax 1995, 114 = MDR 1995, 607; OLG Frankfurt FamRZ 1984, 1030; OLG Jena MDR 2000, 1095; vgl auch OLG Frankfurt OLGR 2004, 76: eklatant unrichtige Gesetzesanwendung. OLG Nürnberg OLGZ 1976, 480, 481. AA Kissel/Mayer § 159 Rn 1; Keidel/Sternal

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60 61 62 63

§ 2 Rn 44; OLG Stuttgart Rpfleger 2002, 255. RGZ 64, 178, 180; Keidel/Sternal § 2 Rn 44; Kissel/Mayer § 159 Rn 1. Ebenso Keidel/Sternal § 2 Rn 49; Zöller/ Gummer § 159 Rn 1. KG OLGZ 1969, 134 = Rpfleger 1969, 57; Rpfleger 1977, 30. Kissel/Mayer § 159 Rn 2.

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Rechtshilfe

§2

keit des Rechtsbehelfs ist dabei allerdings von der Auffassung des Rechtsbehelfsführers über die Einordnung der Maßnahme auszugehen, für die Begründetheit von der tatsächlichen Rechtsnatur.64 Wegen eines Kostenstreits, vgl Rn 33. b) Zulässigkeit Der Rechtsbehelf findet nur in einem Verfahren statt, in dem es um ein Rechtshilfe- 27 ersuchen iSd § 156 GVG geht. Die zur Zulässigkeit notwendige Ablehnung liegt nicht nur dann vor, wenn das Gesuch überhaupt nicht ausgeführt wird. Auch eine nur teilweise oder unvollständige Ausführung eines Ersuchens rechtfertigt den Rechtsbehelf nach § 159 GVG.65 Auch soweit der Rechtspfleger das Ersuchen abgelehnt hat, ist unmittelbar das OLG anzurufen.66 Einer Entscheidung des Richters am Amtsgericht bedarf es nicht, § 11 Abs 1 RpflG.67 Anrufung des OLG und Beschwerde an den BGH unterliegen keiner besonderen Form oder Frist. Es besteht kein Anwaltszwang. Zuständig ist das OLG zu dessen Bezirk das ersuchte Gericht gehört. Dies gilt auch, wenn dieses OLG nicht Beschwerdegericht ist. Die Regelung des § 199 FGG gilt zwar nicht, das BayObLG (zuständig seit dem 1.1.2005: OLG München) geht aber gleichwohl davon aus, dass seine Zuständigkeit für das Verfahren nach § 159 GVG aus seiner Hauptzuständigkeit für die weiteren Beschwerden in FGG-Sachen folgt.68 Antrags- und beschwerdeberechtigt ist bei Ablehnung das ersuchende Gericht, in über- 28 tragenen Sachen der ersuchende Rechtspfleger, ferner bei Ablehnung und beabsichtigtem Stattgeben, welches sich ohne förmlichen Bescheid aus dem Verhalten des Gerichts, zB der Ladung ergeben kann, jeder Beteiligte des Ausgangsverfahrens; aber nicht der zu vernehmende Zeuge, weil seine Rechtsstellung allenfalls durch seine Inanspruchnahme als Beweismittel, nicht aber durch das Rechtshilfeverfahren tangiert sein kann.69 Der Begriff des Beteiligten ist dem FGG zu entnehmen. Das ersuchte Gericht kann die Entscheidung des OLG nicht einholen. Der Antrag auf Entscheidung ist Zulässigkeitsvoraussetzung für das Verfahren, § 159 Abs 2 GVG. c) Abhilfe, Aussetzung der Vollziehung Das ersuchte Gericht kann seiner Entscheidung nach den allgemeinen Regeln abhelfen 29 (§ 18), so dass sich für das ersuchende Gericht im Falle der Ablehnung die Anrufung des OLG über das Rechtshilfegericht empfiehlt. Rechtshilfegericht und OLG können, wenn die beabsichtigte Erledigung des Ersuchens angefochten wird, entsprechend § 24 Abs 2, 3 vorläufig anordnen, dass es einstweilen nicht erledigt werden darf. Dies folgt nicht aus der Rechtsnatur des Rechtsbehelfs, weil insoweit nach dem Gesetzeswortlaut keine Beschwerde vorliegt, aber aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes.

64 65

66 67

Kissel/Mayer § 156 Rn 11; Baumbach/Albers § 156 GVG Rn 1. BGH NJW 1958, 1310 = Rpfleger 1958, 312; Keidel/Sternal § 2 Rn 46 mit näheren Beispielen; Zöller/Gummer § 159 GVG Rn 1. OLG Stuttgart Rpfleger 2002, 255; OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 149. Zur früheren Rechtslage: Voraufl, § 2 Rn 21 mwN.

68

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BayObLG FamRZ 1993, 450; Rpfleger 1994, 103 = FamRZ 1994, 639; FamRZ 1995, 304, 305; FamRZ 1998, 841. Keidel/Sternal § 2 Rn 51; Kissel/Mayer § 159 Rn 8; aA Baumbach/Albers § 159 GVG Rn 3; Zöller/Gummer § 159 GVG Rn 2.

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§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

d) Verfahren des OLG (BGH)

30

Die Vorschriften über das Beschwerdeverfahren sind jedenfalls für das Verfahren vor dem OLG nicht anwendbar.70 Die Entscheidung nach § 159 ergeht nur auf Antrag, eine Entscheidung von Amts wegen ist unzulässig. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergeheben, den Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren. Sie ergeht durch Beschluss; geprüft wird allein das Vorliegen der Voraussetzungen des § 158 GVG, wobei sowohl OLG als auch BGH Tatsacheninstanzen sind. § 28 FGG gilt nicht. Hat der Rechtsbehelf, der auf die Durchführung des Rechtshilfeersuchens bzw seine Ablehnung gerichtet sein muss, keinen Erfolg, wird er zurückgewiesen; hat er Erfolg, wird das Amtsgericht zur Durchführung des Ersuchens angewiesen bzw die Rechtshilfe für unzulässig erklärt. Die Entscheidungen ergehen gerichtsgebührenfrei,71 wegen der außergerichtlichen Kosten gilt § 13a FGG. 4. Vollstreckungen, Ladungen, Zustellungen (§§ 160, 161 GVG)

31

Hierüber bestimmen §§ 160, 161 GVG: § 160 Vollstreckung, Ladungen und Zustellungen werden nach Vorschrift der Prozessordnungen bewirkt ohne Rücksicht darauf, ob sie in dem Land, dem das Prozessgericht angehört, oder in einem anderen deutschen Land vorzunehmen sind. § 161 Gerichte, Staatsanwaltschaften und Geschäftsstellen der Gerichte können wegen Erteilung eines Auftrages an einen Gerichtsvollzieher die Mitwirkung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts in Anspruch nehmen, in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll. Der von der Geschäftsstelle beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als unmittelbar beauftragt.

Die Vorschriften stellen klar, dass Deutschland seit der Geltung der Reichsprozessgesetze ein einheitliches Rechtspflegegebiet ist. Jedes Gericht verfährt bei Ladungen, Zustellungen und Vollstreckungen (mit Ausnahme der Vollstreckung von Freiheitsstrafen, §§ 162, 163) so, als ob das ganze deutsche Gebiet zu seinem Land gehörte; insoweit bedarf es daher keiner Rechtshilfe. Jedes Gericht ist berechtigt, den Gerichtsvollzieher oder die Post mit der Vornahme solcher Handlungen außerhalb des Gerichtsbezirks zu beauftragen. Nach § 161 kann aber bei der Erteilung von Aufträgen an einen Gerichtsvollzieher die Vermittlung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts in Anspruch genommen werden, in dessen Bezirk der Auftrag auszuführen ist. Da die Vollziehung gerichtlicher Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 33 bundesrechtlich geregelt ist, ist § 160 auch insoweit anwendbar. 5. Vollstreckung von Freiheitsstrafen (§§ 162, 163 GVG)

32

Hierüber bestimmen §§ 162, 163 GVG: § 162 Hält sich ein zu einer Freiheitsstrafe Verurteilter außerhalb des Bezirks der Strafvollstreckungsbehörde auf, so kann diese Behörde die Staatsanwaltschaft des Landgerichts, in dessen Bezirk sich der Verurteilte befindet, um die Vollstreckung der Strafe ersuchen. § 163 Soll eine Freiheitsstrafe in dem Bezirk eines anderen Gerichts vollstreckt oder ein in dem Bezirk eines anderen Gerichts befindlicher Verurteilter zum Zwecke der Strafverbüßung ergriffen 70

Auch für das Beschwerdeverfahren wohl: RGZ 64, 178, 180; Keidel/Sternal § 2 Rn 44; Kissel/Mayer § 159 Rn 1.

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71

OLG Celle NdsRpfl 1950, 57, 58.

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Rechtshilfe

§2

und abgeliefert werden, so ist die Staatsanwaltschaft bei dem Landgerichts des Bezirks um die Ausführung zu ersuchen.

Die Vorschriften sind auch auf Zivilhaftstrafen anwendbar,72 zB wegen Zeugnisverweigerung oder zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 15 iVm §§ 380, 390 ZPO), zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 901 ZPO) oder nach §§ 888 bis 890 ZPO, soweit in der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Zwangsvollstreckung nach der ZPO stattfindet. Auf die rechtliche Natur der Haft (Ungehorsamsstrafe oder Beugemittel) kommt es nicht an.73 Wegen der Vollstreckungsmaßnahmen in Bußgeld- und Strafsachen wird § 162 durch die StrafVollstrO v 15.2.1956 (BAnz Nr 42) idF der AV d BMdJ v 1.4.2001 (BAnz Nr 87) ersetzt, bei der es sich allerdings um eine Verwaltungsanordnung handelt. 6. Kosten der Rechtshilfe (§ 164 GVG) Die Regelung des § 164 GVG lautet:

33

§ 164 Kosten und Auslagen der Rechtshilfe werden von der ersuchenden Behörde nicht erstattet. Gebühren und andere öffentliche Abgaben, denen die von der ersuchenden Behörde übersendeten Schriftstücke (Urkunden, Protokolle) nach dem Recht der ersuchten Behörde unterliegen, bleiben außer Ansatz. § 165 [Aufgehoben durch KostÄndG v 26.7.1957 (BGBl I 861) Art X § 2 Nr 4 und saarl G Nr 637 v 18.6.1958 (Abl Saar 1039)]

Nach § 14 Abs 1 KostO werden die bei dem ersuchten Gericht entstandenen Kosten zu Lasten des zahlungspflichtigen Beteiligten bei dem ersuchenden Gericht angesetzt. Entsteht zwischen den beteiligten Gerichten Streit über die Zuständigkeit zur Festsetzung von Zeugen- oder Sachverständigengebühren, so ist darüber nach § 159 zu entscheiden.74 Die Zuziehung des mit der Verfahrensführung beauftragten Rechtsanwalts eines Be- 34 teiligten zur Vernehmung eines Zeugen vor dem durch das Gericht ersuchten Rechtshilfegericht ist in aller Regel als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung anzusehen.75 Ergeht daher zu Gunsten dieses Beteiligten eine Kostengrundentscheidung, kommt eine Erstattung dieser Kosten in Betracht.

35

7. Amtshandlungen außerhalb des Gerichtsbezirks (§ 166 GVG) § 166 GVG Ein Gericht darf Amtshandlungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes auch außerhalb seines Bezirks vornehmen.

Die jetzige Fassung des Gesetzes gilt erst seit dem 1. April 1991 und ist durch Art 2 Nr 14 RpflVereinfG eingeführt worden. Sie hat die vorhergehende Regelung ersetzt, nach der ein Gericht außerhalb seines Bezirks Amtshandlungen nur mit Zustimmung des AGs des Ortes vornehmen durfte, wenn nicht Gefahr im Verzuge war.76 Diese Zustimmungsnotwendigkeit wurde allgemein als leerer, zeit- und kostenaufwändiger Formalismus angesehen, da in der Praxis die Zustimmung regelmäßig erteilt zu werden pflegte; darüber hinaus fehlte es an konkreten Entscheidungsvoraussetzungen.77 Mit der Neufassung ist das Zustimmungserfordernis entfallen und gleichzeitig festgelegt, dass ein Gericht auch außerhalb seines Gerichtsbezirks wirksam Handlungen vornehmen kann. 72 73 74

Kissel/Mayer § 162 Rn 1. Baumbach/Albers § 162 Rn 1. BGH NJW 1958, 1310 = Rpfleger 1958, 312.

75 76 77

BGH NJW-RR 2005, 725. Vgl dazu noch Voraufl, § 2 Rn 28 ff. BTDrs 1/3621 S 55 f.

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§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

8. Nacheile (§ 167 GVG)

36

Die Regelung über die Nacheile ist für die Freiwillige Gerichtsbarkeit ohne Bedeutung. 9. Mitteilung von Akten (§ 168 GVG)

37

Hierüber bestimmt § 168 GVG: § 168 Die in einem deutschen Land bestehenden Vorschriften über die Mitteilung von Akten einer öffentlichen Behörde an ein Gericht dieses Landes sind auch dann anzuwenden, wenn das ersuchende Gericht einem anderen deutschen Land angehört.

a) Allgemeines Die Vorschrift besagt nur, dass die Bestimmungen über die Mitteilung von Akten an die Gerichte eines anderen Landes (oder auch des Bundes, GG Art 35) nicht ungünstiger sein dürfen als die für die Gerichte des Landes erlassenen. Über die Verpflichtung selbst entscheidet also das Landesrecht. Es handelt sich um einen Fall der Amtshilfe (Beistandsleistung), gegen deren Verweigerung in den ehemals preußischen Gebieten und in Hessen nach PrAGGVG § 87 Abs 2 aF das OLG angerufen werden konnte, es sei denn, dass die Verweigerung auf Verwaltungsrücksichten (Verlustgefahr) oder Gründe der Geschäftslage, etwa dass die Akten nicht entbehrlich seien, gestützt wurde; in diesem Fall nur Dienstaufsichtsbeschwerde. Wo das Landesrecht einen Rechtszug nicht vorsieht, nur Dienstaufsichtsbeschwerde. Dies gilt etwa für Bayern und Hamburg. b) Registerakten

38

Die Versendung von Registerakten ist meist landesrechtlich beschränkt, so Bek d BayStMdJ v 8.8.1951 (JMBl 141), HessFGG Art 32; BadLFGG § 18. Versendung von Grundakten: AV d RJM v 25.2.1936 (DJ 1936, 350) § 17. Zur Aktenversendung an DDR Behörden, vgl Voraufl, § 2 Rn 34. Eine Aktenversendung ins Ausland ist Justizverwaltungssache.

V. Landesrechtliche Angelegenheiten 39

In landesrechtlichen Angelegenheiten ist überwiegend eine entsprechende Geltung des § 2 angeordnet, vgl § 5 Abs 1 S 1 BaWüLFGG, § 1 BremAGFGG, Art 7 NdsFGG. Die Rechtshilfepflicht nach dieser Vorschrift gilt daher zwischen den Gerichten bzw Behörden des dortigen Landes. Insoweit verbleibt es auch bei der Verweisung auf § 159 Absatz 1 Satz 2 GVG, der eine Zuständigkeit des BGH vorsieht, wenn die streitenden Gerichte verschiedenen OLG-Bezirken angehören. Denn die Zuständigkeit des BGH in Länderangelegenheiten kann nach Art 99 GG wirksam begründet werden. Länderübergreifend gilt Art 35 GG, wobei wegen der Vergleichbarkeit der Rechtslage und der Vorbildfunktion der §§ 157 ff GVG78 auf eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften zurückgegriffen werden kann. Auf eine Einordnung einer Maßnahme als bundesrechtliche oder landesrechtliche Angelegenheit der fG kommt es danach nicht mehr an.79 78 79

RGZ 68, 178, 179/180. Voraufl, § 2 Rn 6 zum Beurkundungsrecht; vgl auch KGJ 45, 165.

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Rechtshilfe

§2

VI. Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland 1. Allgemeines Der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland ist sowohl hinsichtlich der Gewährung als 40 auch der Inanspruchnahme von Rechtshilfe Verwaltungsangelegenheit und unterfällt nicht der Rechtsprechung. Damit entfällt auch eine Anwendung der §§ 156 ff GVG. Die Entscheidung der Justizverwaltungsbehörde über die Weiterleitung eines Rechtshilfeersuchen an einen anderen Staat oder die Gewährung oder Ablehnung der aus dem Ausland begehrten Rechtshilfe stellt einen Verwaltungsakt auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar, über dessen Rechtmäßigkeit auf Antrag durch das Oberlandesgericht im Verfahren nach § 23 EGGVG zu entscheiden ist. Wegen der Schwierigkeiten, die mit der Inanspruchnahme der Rechtshilfe im Aus- 41 land, insbesondere im Rahmen der Beweisaufnahme, verbundenen sind, werden die Beteiligten durch das Gericht häufig zur Beibringung des Beweismaterials aus dem Ausland angehalten. Bei der Zeugenvernehmung wird oft der Weg über die konsularische Vernehmung nach § 363 Abs 2 ZPO gewählt. Selbst wenn sich eine derartige Beweisaufnahme – etwa wegen der fehlenden Zustimmung des ausländischen Staates zur Vernehmung eines dortigen Bürgers – dann als völkerrechtswidrig herausstellt, kann immer noch der Konsul selbst bzw derjenige, der die Beweisaufnahme durchgeführt hat, als Zeuge vernommen werden.80 Denkbar ist auch die Vorlage schriftlicher Erklärungen der Zeugen durch die Beteiligten. Wegen der örtlichen Zuständigkeit des ersuchten Gerichts bei grenznaher Vernehmung ausländischer Zeugen, vgl Rn 19. 2. Grundlagen der Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe Rechtshilfe im Verhältnis zum Ausland wird entweder auf vertraglicher Grundlage 42 oder in einem vertraglosen Zustand geleistet. In Bezug auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wird die Rechtshilfe zur Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch die Verordnung Nr 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 – Verordnung über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedsstaaten (EuZustVO)81 – und die Rechtshilfe auf dem Gebiet der Beweisaufnahme durch die Verordnung Nr 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 – Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (EuBVO)82 – geregelt. Diese Verordnungen verdrängen bestehende bilaterale und multilaterale Übereinkünfte und Vereinbarungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EG wie sie im Folgenden aufgeführt werden (vgl dazu Art 20 EuZustVO, Art 21 EuBVO). Die Verordnungen gelten zur Zeit noch nicht gegenüber Dänemark. Die EuZustVO ist am 31. Mai 2001 und die EuBVO am 1.1.2004 in Kraft getreten. Als Kollektivverträge sind zu berücksichtigen das Haager Übereinkommen v 1.3.1954 43 über den Zivilprozess,83 das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher

80 81 82 83

BGH NJW 1984, 2039. ABl EG Nr L 160 vom 30.6.2000, S 37. ABl EG Nr L 174 vom 27.6.2001, S 1. BGBl II 1958 S 576. Das Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland am 1.1. 1960 im Verhältnis zu Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg,

den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden und der Schweiz in Kraft getreten (Bek v 2.12.1959, BGBl II S 1388). Es gilt heute ferner für Spanien (seit 19.11.1961, BGBl II S 1660), Polen (seit 13.3.1963, BGBl II S 1466), Ungarn (seit 18.2.1966, BGBl II S 84), die Vatikanstadt (seit 17.5.1967, BGBl II

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§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

und außergerichtliche Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11. 1965 – HZÜ –84 und das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18.3.1970 – HBÜ –.85 Teilweise bestehen Zusatzverein-

84

S 1536), Portugal (seit 31.8.1967, BGBl II S 2299), Israel (seit 19.8.1968, BGBl II S 809), Japan (seit 26.7.1970, BGBl II S 751), Rumänien (seit 29.1.1972, BGBl II S 78), Marokko (seit 14.9.1972, BGBl II S 1472), die Türkei (seit 11.7.1973, BGBl II S 1415), den Libanon (seit 7.1.1975, BGBl II S 42), Surinam (seit 7.9.1977, BGBl II S 641), Ägypten (seit 16.11. 1981, BGBl II S 1028), Argentinien (seit 9.7. 1988, BGBl II S 939), Slowenien (seit 25.6. 1991, BGBl II 1993 S 934), die Ukraine (seit 24.8.1991, BGBl II 2000 S 18), Weißrussland (seit 27.8.1991, BGBl II 1994 II S 83), Mazedonien (seit 17.9.1991, BGBl II 1996 S 1222), Kroatien (seit 8.10.1991, BGBl II 1993 S 1936), die Russische Föderation (seit 24.12.1991, BGBl II 1992 S 1016), Bosnien und Herzegowina (seit 6.3.1992, BGBl II 1994 S 83), Serbien und Montenegro (seit 27.4.1992, BGBl II 2002 S 323), die Slowakei und die Tschechische Republik (jeweils seit 1.1.1993, BGBl II S 1936), Lettland (seit 12.9.1993, BGBl II S 1936), die Republik Moldau (seit 3.11.1993, BGBl II 1994 S 83), Usbekistan (seit 2.12.1996, BGBl II. S 2757), Armenien (seit 29.1.1997, BGBl II S 554), Kirgisistan (seit 14.8.1997, BGBl II S 1521), Zypern (seit 1.3.2001, BGBl II S 499) und Litauen (seit 17.7.2003, BGBl II S 1542). Es galt außerdem für die SFRJugoslawien (seit 11.12.1962, BGBl. 1963 II S 1328), die ehemalige Tschechoslowakei (seit 11.8.1966, BGBl II S 767) und die ehemalige Sowjetunion (seit 26.7.1967, BGBl II S 2046). BGBl II 1977 S 1452. Das Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland am 26.6.1979 im Verhältnis zu Ägypten, Barbados, Belgien, Botsuana, Dänemark, Finnland, Frankreich, Israel, Japan, Luxemburg, Malawi, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Schweden, der Türkei, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten in Kraft getreten (Bek. v. 21.6.1979, BGBl II S 779, und v. 23.6.1980, BGBl II S 907). Es gilt heute ferner für die Seychellen (seit 1.7. 1981, BGBl II S 1029), Antigua und Barbuda (seit 1.11.1981, BGBl II 1987 S 614), Italien (seit 24.1.1982, BGBl II S 522), Zypern (seit 1.6.1983, BGBl II 1984 S 506), Griechenland (seit 18. 9.1983, BGBl II S 575), Spanien (seit

146

85

3.8.1987, BGBl II S 613), Kanada (seit 1.5. 1989, BGBl II S 807), Pakistan (seit 1.8.1989, BGBl II 1990 S 1650), China (seit 1.1.1992, BGBl II S 146), die Slowakei und die Tschechische Republik (jeweils seit 1.1.1993, BGBl II S 2164), Irland (seit 4.6.1994, BGBl II 1996 S 2758), Venezuela (seit 1.7.1994), die Schweiz (seit 1.1.1995, jeweils BGBl II 1995 S 755), Lettland (seit 15.10.1995, BGBl II S 1065), Polen (seit 1.9.1996, BGBl II S 2531), Estland (seit 1.10.1996, BGBl II S 2758), Bahamas und Weißrussland (jeweils seit 1.2. 1998, BGBl II S 288), Mexiko (seit 1.6.2000, BGBl II 2001 S 270), Bulgarien und Korea (jeweils seit 1.8.2000, BGBl II 2001 S 270), Litauen, Slowenien und Sri Lanka (jeweils seit 1.6.2001, BGBl II 2002 S 2436), Argentinien, die Russische Förderation und die Ukraine (jeweils seit 1.12.2001, BGBl II 2002 S 2436), San Marino (seit 1.11.2002), Kuwait (seit 1.12.2002, jeweils BGBl II 2003 S 205) und Rumänien (seit 1.3.2004, BGBl II S 644). Für die ehemalige Tschechoslowakei galt das Übereinkommen seit 1.6.1982 (BGBl II S 722). Die Vereinigten Staaten haben das Übereinkommen mit Wirkung vom 30.5.1994 auf die Nördlichen Marianen erstreckt (BGBl II 1995 S 757) und haben am 17.7.2003 (BGBl II 2004 S 644) Änderungen des Verfahrens bei der Gewährung von Rechtshilfe nach diesem Übereinkommen bekannt gegeben. Portugal hat das Übereinkommen mit Wirkung v 12.4.1999 auf Macao erstreckt (BGBl II S 400); vgl dazu die Erklärungen Chinas (BGBl II 2001 S 271 und BGBl II 2002 S 2862). BGBl II 1977 S 1472. Das Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland am 26.6.1979 im Verhältnis zu Dänemark, Finnland, Frankreich, Luxemburg, Norwegen, Portugal, Schweden, der Tschechoslowakei, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten in Kraft getreten (Bek v 21.6. 1979, BGBl II S 780, und v 5.9.1980, BGBl II S 1290). Es gilt heute ferner im Verhältnis zu Israel (seit 17.9.1979, BGBl II 1980 S 1290, und BGBl II 1981 S 374), den Niederlanden (seit 7.6.1981, BGBl II S 573), Singapur (seit 13.9.1981, BGBl II S 962), Barbados (seit 5.4.1982, BGBl II S 539), Italien (seit 21.8.

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Rechtshilfe

§2

barungen zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach den Haager Zivilübereinkommen.86 Gegenüber Island gilt noch das Haager Abkommen vom 17.7.1905.87 Daneben bestehen bilaterale Verträge der BRD zu anderen Staaten. Zu nennen sind 44 das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20.3.1920,88 das auch in Gebieten gilt, für deren internationale Beziehungen das Vereinigte Königreich zuständig ist,89 das deutsch-griechische Abkommen über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts vom 11.5.1938,90 in Bezug auf Tunesien der Vertrag vom 19. Juli 1966 über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit91 und das deutsch-türkische Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 28. Mai 1929.92 Neueren Datums ist der Vertrag zwischen der BRD und dem Königreich Marokko über die Rechtshilfe und Rechtsauskunft in Zivil- und Handelssachen vom 29. Oktober 1985.93 Bestehen keine Vereinbarungen über die Gewährung von Rechtshilfe94 bedeutet dies 45 nicht, dass diese ausscheidet. Auch im vertragslosen Rechtshilfeverkehr bedienen sich die

86

87 88 89 90

1982, BGBl II S 998), Zypern (seit 27.6.1983, BGBl II S 567), Monaco (seit 12.8.1986, BGBl II S 1135), Spanien (seit 21.7.1987, BGBl II S 615), Argentinien (seit 21.6.1988, BGBl II S 823), Mexiko (seit 23.3.1990, BGBl II S 298), der Slowakei und der Tschechischen Republik (jeweils seit 1.1.1993, BGBl II S 2398), Australien (seit 3.7.1993, BGBl II S 2398), Venezuela (seit 21.10.1994, BGBl II S 3647), der Schweiz (seit 1.1.1995, BGBl II S 532), Lettland (seit 17.11.1995, BGBl II 1996 S 16), Estland (seit 31.8.1996, BGBl II S 2494), Polen (seit 14.9.1996, BGBl II S 2494), Südafrika (seit 6.9.1997, BGBl II S 2225), China (seit 6.7.1998, BGBl II S 1729), Bulgarien (seit 30.4.2001, BGBl II S 1004), Litauen, Slowenien und Sri Lanka (jeweils seit 11.9.2001, BGBl II 2002 S 153), der Ukraine (seit 13.11.2001) und Weißrussland (seit 7.4.2002, jeweils BGBl II 2002 II S 1161), Rumänien (seit 20.10.2003) und den Seychellen (seit 7.3.2004). Portugal hat das Übereinkommen mit Wirkung v 14.12.1999 auf Macau erstreckt; vgl dazu die Erklärungen Chinas (BGBl II 2001 S 1005). Vgl dazu Jayme/Hausmann S 640 Fn 1: zB auch zur Schweiz und zu zahlreichen EGMitgliedsstaaten. RGBl 1909 S 409. RGBl II S 623. Vgl Jayme/Hausmann Nr 228 Fn 2: zB Australien, Kanada, Malta. RGBl II 1939 S 848; für das Deutsche Reich in Kraft seit 17.7.1938 gem Bek v 28.6.1939, RGBl II S 848; nach dem 2. Weltkrieg wieder anwendbar mit Wirkung v 1.2.1952 gem Bek

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v 26.6.1952, BGBl II S 634; siehe dazu die deutsche AusführungsVO v 31.5.1939, RGBl II S 847). Griechenland ist außerdem Vertragsstaat des Haager Übereinkommens über die Zustellung im Ausland v 15.11.1965 und des Europäischen Niederlassungsabkommens v 13.12.1955. BGBl II 1969 S 890; in Kraft seit 13.3.1970 gem Bek v 2.3.1970, BGBl II S 125; siehe dazu das deutsche AusführungsG v 29.4.1969, BGBl I S 333, und BGBl I 1970 S 307. RGBl II 1930 S 7; für das Deutsche Reich in Kraft seit 18.11.1931 gem Bek v 20.8.1931, RGBl II S 608; nach dem 2. Weltkrieg wieder anwendbar mit Wirkung v 1.3.1952 gem Bek v 29.5.1952, BGBl II S 608; siehe dazu die deutsche AusführungsVO v 26.8.1931, RGBl II S 537. Die Türkei ist außerdem Vertragsstaat der Haager Übereinkommens über den Zivilprozess v 1.3.1954 und über die Zustellung im Ausland v 15.11.1965. BGBl II 1988 S 1055. Der Vertrag ist am 23. Juni 1994 in Kraft getreten, Bek v 24.6.1994, BGBl II S 1192. Wie etwa mit Afghanistan, Algerien, Argentinien, Äthiopien, Bangladesch, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Burundi, Chile, China, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Elfenbeinküste, El Salvador, Gabun, Ghana, Guatemala, Haiti, Honduras, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Jemen, Jordanien, Kamerun, Katar, Kolumbien, Kongo, Kongo (Kinshasa), Republik Korea, Kuba, Kuwait, Liberia, Libyen, Liechtenstein, Madagaskar, Mauretanien, Mexiko, Myanmar (Birma), Nicaragua, Niger, Pakistan,

Peter-Hendrik Müther

147

§2

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

beteiligten Staaten der nach den Abkommen vorgesehenen Übermittlungswege. Es fehlt lediglich an der Durchsetzbarkeit der Ersuchen. Eine völkerrechtliche Pflicht zur Gewährung von Rechtshilfe besteht nicht. Die Grundsätze über die vertraglose Rechtshilfe sind in der ZHRO (vgl Rn 46) niedergelegt. 3. Rechtshilfeverfahren

46

Zum Rechtshilfeverfahren ist die Bundeseinheitliche Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) vom 19.10.1956 (BAnz Nr 63 v 30.5.1957 und Sonderdruck) ergangen; sie ist eine Verwaltungsanordnung, die sich an die Gerichte und Justizbehörden wendet und in einem Allgemeinen Teil Vorschriften für die deutschen Inlandsbehörden, im Länderteil Hinweise auf die Besonderheiten enthält, die im Rechtshilfeverkehr mit den einzelnen fremden Staaten zu beachten sind. Ausgehende Ersuchen und die Unterlagen über die Erledigung (Zustellungszeugnis, Vernehmungsniederschrift) sind stets der Justizverwaltung vorzulegen, auch wenn unmittelbarer Geschäftsverkehr besteht. Der Unterschied zwischen vertraglichem und vertraglosem Rechtshilfeverkehr wirkt sich dahin aus, dass bei vertraglosem Zustand auch die Ausführung der Rechtshilfe Justizverwaltungssache und die Ausübung von Zwang nicht statthaft ist, während bei vertraglich gewährter Rechtshilfe die Ausführung des Ersuchens ein Akte der Rechtspflege ist, auf den die Vorschriften der einschlägigen Verfahrensgesetze, insbesondere über die förmliche Zustellung und den Zeugniszwang anwendbar sind.

VII. Amtshilfe 47

Amtshilfe ist nach dem hier vertretenen Verständnis jede keine Rechtshilfe iSd § 156 GVG darstellende Unterstützung (vgl dazu oben, Rn 6), die demnach in erster Linie von Gerichten von Behörden oder von diesen von Gerichten erbeten wird. Sie kann aber – weil von § 156 GVG nicht erfasst – auch die Unterstützung eines Gerichts der fG an ein anderes Gericht oder eines anderen Gerichts an ein Gericht der fG erfassen. Für die rechtliche Beurteilung sind die jeweiligen Spezialvorschriften heranzuziehen, wie etwa §§ 4 ff VwVfG des Bundes und der Länder, §§ 111 ff AO, §§ 3 ff SGB X. Soweit sich eine solche Spezialvorschrift nicht finden lässt, ist auf Art 35 GG zurückzugreifen, der unmittelbar geltendes Recht beinhaltet. Die Vorschriften der §§ 156 ff GVG, insbesondere des § 158 GVG finden nur insoweit Anwendung, wie dies gesetzlich angeordnet ist, wie etwa in § 4 NdsAGGVG. Die Pflicht zur Gewährung von Amtshilfe ist nicht unbeschränkt. Insoweit sind die 48 geschriebenen Vorbehalte zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich etwa um Vorschriften, die eine Pflicht zur Geheimhaltung bestimmter Tatsachen begründen und die Weitergabe personenbezogener Daten verbieten. Darüber hinaus entfällt die Pflicht zur Amtshilfe, wenn sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unausführbar ist. Zur Durchsetzung der Pflicht zur Amtshilfe kommt, soweit keine speziellen Regelungen vorhanden sind, lediglich die Überprüfung im Dienstweg in Betracht.

Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Saudi-Arabien, Senegal, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Südafrika, Syrien,

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Thailand, Togo, Tschad, Uganda, Uruguay, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam.

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Rechtshilfe

§2

VIII. Reformvorhaben Der Referentenentwurf 2005 zum FGG-Reformgesetz sieht keine Regelung über die 49 Rechtshilfe mehr vor. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es keine Rechtshilfe mehr geben wird, was angesichts des Art 35 GG auch nicht möglich wäre. Mit den Änderungen des FGG sollen vielmehr auch Änderungen des GVG einhergehen. Danach gelten die Vorschriften des GVG dann auch für die Verfahren der fG unmittelbar, vgl § 2 EGGVG nach dem Referentenentwurf 2005 zum FGG-Reformgesetz. Es ist einer der Grundpfeiler der Neuregelungen, dass die freiwillige Gerichtsbarkeit als Bestandteil der ordentlichen Gerichtsbarkeit anerkannt wird.95

95

Referentenentwurf 2005 zum FGG-Reformgesetz, S 232.

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Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7 Übersicht Rdn I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . II. Die örtliche Zuständigkeit . . . . . . III. Die sachliche Zuständigkeit . . . . . 1. Grundsätzliche Zuständigkeit des Amtsgerichts . . . . . . . . . . . 2. Die Zuständigkeit des Landgerichts 3. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts . . . . . . . .

Rdn

. . . . . .

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. . .

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VI.

. .

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VII.

IV. V.

4. Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs . . . . . . Die internationale Zuständigkeit Die Zuständigkeitsvereinbarungen und Schiedsvereinbarungen . . . Die Prüfung der Zuständigkeit im Verfahren . . . . . . . . . . . . Zuständigkeitsstreitigkeiten . . .

. . . . . . . .

28 29

. . . .

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. . . . . . . .

33 36

I. Überblick Die Zuweisung der zu erledigenden Aufgaben an bestimmte Rechtspflegeorgane durch 1 Regelungen über die Zuständigkeiten ermöglicht ein rationelles und effektives Gerichtssystem. Aufgrund der Zuständigkeitsbestimmungen und der Geschäftsverteilung wird außerdem der im konkreten Einzelfall zuständige gesetzliche Richter (Art 101 GG) im Voraus festgelegt. Die Zuständigkeit wird unterteilt in die sachliche, die örtliche und die internationale 2 Zuständigkeit. Die sachliche Zuständigkeit betrifft die Zuweisung der Zuständigkeit der Eingangsinstanz nach dem jeweiligen Verfahrensgegenstand. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt beim Vorhandensein mehrerer sachlich zuständiger Gerichte das im Einzelfall zuständige Gericht. Im Rahmen der internationalen Zuständigkeit wird die Frage behandelt, ob ein deutsches Gericht oder ein ausländische Gericht zur Entscheidung über den Sachverhalt berufen ist. Diese Frage stellt sich dabei immer dann, wenn der zu entscheidende Fall Bezüge zum Ausland aufweist. Nicht als Frage der Zuständigkeit wird die Zuweisung einer Sache in einen bestimmten 3 Rechtsweg (vgl § 17 GVG) angesehen, obwohl insoweit auch häufig von einer Rechtswegzuständigkeit die Rede ist. Ebenfalls nicht als Zuständigkeitsfrage wird die Geschäftsverteilung verstanden. Mit dieser wird bestimmt, welches Spruchorgan des örtlich und sachlich zuständigen Gerichts für die durchzuführende Aufgabe berufen ist. Im Rahmen der sog funktionellen Zuständigkeit wird die Frage behandelt, welches der verschiedenen Rechtspflegeorgane (Richter oder Rechtspfleger, Landgericht oder Oberlandesgericht als Erstbeschwerdeinstanz; Zuständigkeit der KfH oder der Zivilkammer beim LG) zuständig ist. Die Anrufung eines nach dem Rechtsweg unzuständigen Gerichts, die Vorlage einer Sache an den nach der Geschäftsverteilung oder der funktionellen Zuständigkeit nicht zuständigen Richter führt jeweils anders als in den oben genannten Zuständigkeitsfragen niemals dazu, dass ein Antrag als unzulässig ab- oder zurückgewiesen würde. Die Frage, welches Gericht der fG als Eingangsgericht zuständig ist (Nachlassgericht, Landwirtschaftsgericht oder Vormundschaftsgericht) ist eine Frage der sachlichen Zuständigkeit,1 1

Vgl etwa zur Abgrenzung zwischen Landwirtschaftsgericht und Nachlassgericht: Münch-

Komm/J. Mayer, § 2353 Rn 155 f; Palandt/ Edenhofer § 2353 Rn 16.

Peter-Hendrik Müther

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Vor §§ 3–7

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

auch wenn diese Frage in der Praxis darauf hinausläuft, welche Abteilung in einem bestimmten Gericht zuständig ist. Die Regelungen in den §§ 3 bis 7 betreffen jeweils nur Teilbereiche der Zuständig4 keitsregelungen. Entsprechend der Vielzahl von Verfahrensarten, deren Verfahren durch das FGG als Rahmengesetz bestimmt wird, hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, allgemeine Vorschriften über die Zuständigkeit voranzustellen. Die §§ 3 bis 7 enthalten nur die jeweiligen Vorschriften ergänzende Bestimmungen. § 3 Absatz 1 definiert den Wohnsitz eines Deutschen, der das Recht der Exterritorialität besitzt, für die Zwecke der örtlichen Zuständigkeit, Absatz 2 ermächtigt die Landesjustizverwaltungen den Wohnsitz eines Soldaten nach § 9 BGB näher festzulegen, wenn dieser zu mehreren Gerichtsbezirken gehört. § 4 regelt die Frage, welches von mehreren örtlich zuständigen Gerichten die Sache nun zu bearbeiten hat. § 5 enthält Bestimmungen für den Fall, dass sich mehrere Gerichte hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit streiten, die örtliche Zuständigkeit ungewiss oder das eigentlich zuständige Gericht zu einer Entscheidung nicht in der Lage ist. § 7 regelt die Wirkung des Mangels der örtlichen Zuständigkeit, § 6 die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen.

II. Die örtliche Zuständigkeit 5

Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich wegen der Vielgestaltigkeit der zu regelnden Angelegenheiten nach den verschiedenartigsten Anknüpfungspunkten. Es lassen sich folgende Hauptgruppen unterscheiden: Anknüpfungspunkt der örtlichen Zuständigkeit ist der Wohnsitz eines Beteiligten 6 (§§ 36 Abs 1 S 1, 39, 43b Abs 2 und 4 FGG), teilweise auch der letzte Wohnsitz einer Person, die mit dem Verfahren in unmittelbaren Zusammenhang steht, wie der Erblasser (§ 73 Abs 1 FGG) oder der Verschollene (§ 15 Abs 1 VerschG). Der Wohnsitz wird dabei nach den Vorschriften des BGB (§§ 7 bis 11) beurteilt. Eine Sondervorschrift stellt insoweit § 3 dar. Teilweise als selbständiger Anknüpfungspunkt, teilweise aber auch als Hilfskriterium 7 beim Fehlen eines inländischen Wohnsitzes wird für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit der gewöhnliche Aufenthalt (§§ 44a Abs 1 S 1, 45, 65 FGG) oder überhaupt der Aufenthalt einer mit dem Verfahren berührten Person herangezogen (§§ 36 Abs 1 S 1, 43b Abs 2 und 4, 73 Abs 1 FGG; 15, 15a VerschG). Anders als für den Wohnsitz bedarf es für den Aufenthalt nicht eines Domizilwillens. Ausreichend ist ein rein tatsächliches Verweilen.2 In Handelssachen wird auf die Niederlassung (§ 29 HGB), den Sitz (§§ 106, 157 8 Abs 2, 161 Abs 2, 14 AktG, 7, 66, 74 GmbHG, 10, 45, 83 GenG) oder – soweit diese betroffen ist – für die Zweigniederlassung auf deren Ort (§§ 13c HGB, 14 GenG, 10 Abs 3 S 2 ZustErgG) abgestellt, wobei bei den Personenhandelsgesellschaften der Sitz bzw beim Einzelkaufmann die Niederlassung durch den Ort der tatsächlichen Geschäftsführung bestimmt wird.3 Bei den juristischen Personen ist der Sitz im Statut, in der Satzung bzw dem Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, kann dort aber auch nicht frei gewählt werden (vgl §§ 5 Abs 2 AktG; 4 Abs 2 GmbHG). Der Sitz ist auch für den Verein für die Zuständigkeitsbestimmung maßgebend (§§ 29, 55 BGB).

2

Palandt/Heinrichs § 7 Rn 2 f; Beispiel in Nachlasssachen: BayObLG NJW 2003, 596.

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3

BGH WM 1969, 293; WM 1957, 999; KG NJW-RR 1997, 217; Müther § 7 Rn 9.

Peter-Hendrik Müther

Vorbemerkungen

Vor §§ 3–7

Weiter finden sich Zuständigkeitsregelungen, die auf den Ort des Fürsorgebedürfnis- 9 ses (§§ 36 Abs 3, 41, 44, 65 Abs 2 und 5, 74 FGG) abstellen, aber auch den Ort eines Ereignisses (Schaden: §§ 64, 184 VVG; Auffindungsort: § 36 Abs 4, 43 Abs 2 FGG) oder die Lage einer Sache (Nachlassgegenstände: § 73 Abs 2 FGG; Grundstück: §§ 1 Abs 1 S 2, 6 S 2 GBO; 43 WEG; Hofstelle: § 10 LwVG; Ehewohnung: § 11 Abs 1 S 1 HausratsVO) oder eine besondere Beziehung der Sache zu dem Ort (Verwahrort (§§ 165, 166 FGG; Heimathafen, Heimatort oder Bauort: §§ 4, 67 SchiffsRegO) für bestimmend erachten. Bei der Verknüpfung mehrerer Verfahren kommt es gerade auf diesen Zusammenhang an (§§ 36 Abs 1 S 2; 65 Abs 4; 70 Abs 1 S 2 FGG; 11 Abs 2 HausratsVO; 15d VerschG). Fehlt es an hinreichenden örtlichen Beziehungen, ist aber ein Bedürfnis für eine inner- 10 staatliche Zuständigkeit vorhanden, so wird die örtliche Zuständigkeit eines zentralen Amtsgerichts begründet (vgl § 36 Abs 2, 43b Abs 2, 44a Abs 1 S 2, 45 Abs 4, 65 Abs 3, 73 Abs 2 FGG, 15b VerschG). Dies ist das Amtsgericht Schöneberg.

III. Die sachliche Zuständigkeit 1. Grundsätzliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Gericht des ersten Rechtszugs ist in den Verfahren der fG in der Regel das Amtsge- 11 richt (§§ 35, 72, 125, 145, 167 FGG; 43 WEG; 14 VerschG; 14 HausratsVO, 1 GBO; 1 SchiffReg; 2 LwVG). Ist landesrechtlich eine andere als eine gerichtliche Behörde zuständig (§ 194 FGG), so gilt diese als erste Instanz im Sinne des § 19, vorbehaltlich landesrechtlicher Bestimmungen, die die Anrufung des AG gegen Entscheidungen dieser Behörden vorsehen (§ 195 FGG). Das Amtsgericht entscheidet regelmäßig durch den Einzelrichter. Spruchkörper werden nur noch bei dem Landwirtschaftsgericht gebildet (§ 2 Abs 2 LwVG). 2. Die Zuständigkeit des Landgerichts4 a) Eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts ist überwiegend für wirt- 12 schaftsrechtliche Verfahren vorgesehen, die nicht als Handelssachen iSd § 145 FGG anzusehen sind. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Verfahren auf Löschung einer Eintragung in das Handels-, Genossenschafts-, Vereins- oder Güterrechtsregisters (§§ 143, 144, 147, 159, 161 FGG). Diese Zuständigkeiten bestehen aber grundsätzlich neben der Zuständigkeit des registerführenden Amtsgerichts. b) Das Landgericht ist zuständig für die Entscheidung über die Zusammensetzung 13 des Aufsichtsrats einer AG (§ 98 AktG). Diese Vorschrift gilt auch für andere Unternehmensformen, so für die KGaA (§ 278 Abs 3 AktG), die GmbH und die bergrechtliche Gewerkschaft (§ 27 EGAktG). Auf die Vorschrift wird auch an anderer Stelle verwiesen, zB §§ 30 Abs 3, 31 Abs 3 AktG. Es entscheidet – seit dem 1. November 2005 – die Kammer für Handelssachen, § 98 Abs 1 S 1 AktG.5 Die Landesregierungen sind zur Zuständigkeitskonzentration ermächtigt, § 98 Abs 1 S 2 AktG. In Niedersachen ist aus diesem Grund das LG Hannover zuständig, VO v 29.3.1967 (NdsGVBl S 102), in Baden-Württemberg die LGe Stuttgart und Mannheim, VO v 10.10.1967 (BWGBl S 218), in Nord4

Wegen zahlreicher Zuständigkeiten aus Gesetzen, die keine aktuelle Bedeutung mehr haben, vgl Voraufl, §§ 3 –7 Vorbem Rn 12 bis 23.

5

Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BGBl I S 2802.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

rhein-Westfalen die LGe Düsseldorf, Dortmund und Köln, VO v 10.2.1966 (NWGBl S 65). c) Das Landgericht ist zuständig über die Entscheidung über das Auskunftsrecht eines Aktionärs nach § 132 AktG. Es entscheidet die Kammer für Handelssachen, § 132 Abs 1 S 2 AktG. Auch hier besteht die Ermächtigung zur Zuständigkeitskonzentration, § 132 Abs 1 S 3 AktG, von der umfangreich Gebrauch gemacht worden ist, vgl Rn 13. Die Regelungen gelten auch für das Auskunft- und Einsichtsrecht eines GmbH-Gesellschafters (§§ 51a, 51b GmbHG). d) Das Landgericht ist zuständig für die Entscheidung bei Meinungsverschiedenheit zwischen den Abschlussprüfern und der Gesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluss und den Geschäftsbericht nach § 324 HGB. Die Vorschrift gilt für alle Kapitalgesellschaften, die zu einer Prüfung ihrer Jahresabschlüsse oder Konzernabschlüsse verpflichtet sind, vgl dazu § 316 HGB. Für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute (§ 340k Abs 1 HGB) und Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds (§ 341k Abs 1 HGB) gilt die Vorschrift unabhängig von ihrer Größe. e) Durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005, das am 1. November 2005 in Kraft getreten ist, ist eine Zuständigkeit des Landgerichts – KfH – für die Bestellung von Sonderprüfern nach § 142 Abs 2 AktG eingeführt. Eine Zuständigkeitskonzentration ist möglich. Die frühere Zuständigkeit des für die Registersachen zuständigen Amtsgerichts nach § 145 FGG ist entfallen. In diesem Zusammenhang ist auch die Möglichkeit eingeführt worden, dass durch das Gericht bestimmt wird, dass bestimmte Tatsachen aus überwiegenden Belangen der Gesellschaft nicht in den Bericht des Prüfers aufgenommen zu werden brauchen, § 145 Abs 4 AktG. Für dieses Verfahren ist wiederum das Landgericht – KfH zuständig. Auch hier ist eine Zuständigkeitskonzentration möglich, § 145 Abs 5 S 2 AktG iVm § 142 Abs 5 S 5 und 6 AktG. f) Das Landgericht ist weiter zuständig für Entscheidungen über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer über unzulässige Unterbewertungen im Jahresabschluss nach § 260 AktG, der auch für die KGaA gilt, § 278 Abs 3 AktG. Es entscheidet die Kammer für Handelssachen, §§ 260 Abs 1 S 1, 132 Abs 1 S 2 AktG. Auch hier gilt die Konzentrationsermächtigung, vgl dazu Rn 13. g) Die Landgerichte sind auch zuständig für die Verfahren nach dem Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren vom 12. Juni 2003 (BGBl I S 838). Erfasst werden die Verfahren über die Festsetzung des angemessenen Ausgleichs oder der Abfindung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304 und 305 AktG), der Abfindung der ausgeschiedenen Aktionäre bei der Ausgliederung (§ 320b AktG), der Barabfindung von Minderheitsakionären, die ihre Aktien durch ein sog squeeze-out verloren haben (§§ 327a bis 327f AktG), die Verfahren auf Zuzahlung an Anteilsinhaber oder wegen der Barabfindung von Anteilsinhabern anlässlich der Umwandlung von Rechtsträgern (§§ 15, 34, 176 bis 181, 184, 186, 196 oder 212 UmwG) und der Zuzahlung von Anteilsinhaber oder wegen der Barabfindung von Anteilsinhabern bei der Gründung oder Sitzverlegung einer SE (§§ 6, 7, 9, 11 und 12 SE-AusführungsG). Es entscheiden die Kammern für Handelssachen, § 2 Abs 2 SpruchG. Eine Konzentration bei bestimmten Landgerichten ist möglich, § 2 Abs 4 SpruchG. Dazu Rn 13. h) Weiter ist das Landgericht zuständig in Notarsachen, zB zur Entscheidung über Beschwerden gegen die Amtsverweigerung des Notars, § 15 Satz 2 BNotO, die Entscheidungen nach § 54 BeurkG und auch für die Entscheidung über die Einwendungen gegen die Kostenrechnung des Notars aufgrund Beschwerde des Kostenschuldners (§ 156 Abs 1 S 1 KostO) oder auf Antrag des Notars (§ 156 Abs 1 S 3 KostO).

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Vorbemerkungen

Vor §§ 3–7

i) Schließlich ist das Landgericht für die Entscheidung in Zuständigkeitsstreitigkeiten 20 nach den §§ 5, 44, 75 FGG, 4 Abs 2 S 2 GBO sachlich zuständig, wenn die streitenden Gerichte seinem Gerichtsbezirk angehören und das Landgericht dadurch gemeinsames oberes Gericht ist. 3. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts6 a) Das Oberlandesgericht ist als Gericht des ersten Rechtszugs zuständig für die Entscheidung über die Berechtigung der Ablehnung der Wahl des elften Aufsichtsratsmitglieds nach § 8 Abs 3 S 4 MitBestG vom 21.5.1951 (BGBl I S 347) in Verbindung mit § 18 MitBestErgG v 7.8.1956 (BGBl I S 707). b) Es besteht eine Zuständigkeit für die Amtsenthebung eines Handelsrichters nach § 113 GVG, in Notarsachen für die Amtsenthebung eines Beisitzers aus den Reihen der Notare nach § 104 Abs 2 BNotO. Ebenso ist das OLG zuständig für die Amtsenthebung eines landwirtschaftlichen Beisitzers des AG oder des OLG nach § 7 LwVG. c) Zuständigkeitsstreitigkeiten nach den §§ 5, 46, 75 FGG, 4 Abs 2 S 2 GBO sind durch das OLG erstinstanzlich zu entscheiden, wenn dieses gemeinsames oberes Gericht ist. Zu beachten ist § 199 Abs 2 FGG. d) Das OLG ist erstinstanzlich zuständig für die Entscheidung über die Anfechtung von Justizverwaltungsakten von Justizbehörden auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozessrechts und der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den §§ 23 bis 30 EGGVG. e) Es besteht eine erstinstanzliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die Anfechtung von Entscheidungen der Landesjustizverwaltung über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art 7 § 1 FamRÄndG; f) für die Anfechtung von Verwaltungsakten nach der Bundesnotarordnung, § 111 BNotO; das OLG entscheidet in der für Disziplinarsachen gegen Notare vorgeschriebenen Besetzung; g) für die Anfechtung von Verwaltungsakten, die nach der Bundesrechtsanwaltsordnung ergehen, sowie die Nichtigerklärung von Wahlen und Beschlüssen der Organe der Rechtsanwaltskammern nach den §§ 11, 16, 21, 28, 29, 35, 90, 223 BRAO; es entscheidet der Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte in der Besetzung nach §§ 101, 104 BRAO.

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4. Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs Eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs ist gegeben im Falle des 28 § 5 Abs 1 S 2 FGG, für die Amtsenthebung eines landwirtschaftlichen Beisitzers des BGH nach § 7 LwVG und für die Nichtigerklärung von Wahlen oder Beschlüssen des Präsidiums oder der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer nach § 191 BRAO.

IV. Die internationale Zuständigkeit Weist ein zu beurteilender Sachverhalt einen Bezug zum Recht eines ausländischen 29 Staates auf, stellt sich die Frage nach der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Diese betrifft damit die Entscheidungszuständigkeit eines deutschen Gerichts für einen Sachverhalt mit Auslandsbezug. Die Frage nach der internationalen Zuständig6

Zur Zuständigkeit des OLG München in bestimmten Verfahren, die sich auf das Patent-

amt und Patentanwälte beziehen, vgl Voraufl Rn 35 bis 37.

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Vor §§ 3–7

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

keit ist von der Frage des anzuwendenden Rechts zu trennen. Ist eine internationale Zuständigkeit gegeben ist, ist allerdings damit auch geklärt, dass deutsches Verfahrensrecht als lex fori anzuwenden ist.7 Ob allerdings in der Sache nicht ausländisches Recht anzuwenden ist, ist nach den Regeln des internationalen Privatrechts zu klären.8 Von der internationalen Zuständigkeit zu trennen ist die Frage, ob die Beteiligten der 30 deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen oder ob sie von ihr befreit sind. Insoweit gelten auch im FGG die §§ 18 bis 20 GVG. Die Frage nach der Befreiung von der Gerichtsbarkeit stellt sich allerdings erst dann, wenn die internationale Gerichtsbarkeit bejaht worden ist. Denn erst dann kann eine Befreiung vorliegen. Zur Gerichtsbarkeit näher, vgl § 3 Rn 11.

V. Die Zuständigkeitsvereinbarungen und Schiedsvereinbarungen 31

Die Zulässigkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung setzt grundsätzlich eine Dispositionsbefugnis der Beteiligten über den Verfahrensgegenstand voraus. Sie muss daher in jedem Fall dann ausscheiden, wenn ein Verfahren betroffen ist, das von Amts wegen durchzuführen ist. Näher liegt die Annahme der Wirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung daher in den echten Antragsverfahren. Aber selbst für diese – und zwar auch für die streitigen – wird die Möglichkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung grundsätzlich verneint,9 insbesondere finden die §§ 38 bis 40 ZPO keine Anwendung.10 Eine Zuständigkeitsvereinbarung ist daher auch nicht für die Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts statt des Prozessgerichts11 noch umgekehrt möglich.12 Bei Doppelwohnsitz des Kindes kann erst der Vorgriff eines der beiden zuständigen Gerichte (§ 4, vgl § 4 Rn 2, 9) die Zuständigkeit des anderen ausschließen, nicht etwa eine Einigung der Eltern.13 Ausnahmsweise unterliegt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts der Vereinbarung der Beteiligten nach § 164 FGG und §§ 64 Abs 2, 184 Abs 2 VVG. Eng mit der Frage der Möglichkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung verbunden ist 32 die Frage, ob die Beteiligten eine Schiedsvereinbarung treffen und damit eine Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ausschalten können. Die Beurteilung der Frage richtet sich nach § 1030 ZPO. Danach kann jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein, nichtvermögensrechtliche Ansprüche aber nur, soweit die Parteien berechtigt sind, über den Gegenstand einen Vergleich zu schließen. Ausgeschlossen ist danach die Schiedsfähigkeit aller Verfahren mit Ausnahme der echten Streitsachen, denn nur in diesen steht nicht der staatliche Fürsorgeanspruch im Vordergrund, der eine Dispositionsbefugnis der Beteiligten verhindert. Schiedsunfähig sind danach Streitigkeiten über die Erbenstellung, Fragen der Notwendigkeit einer Betreuerbestellung oder der Adoption, Pachtschutzsachen (§ 10 Abs 3 LpachtG), Verfahren über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB).14 Schiedsfähig sind demgegenüber die Ansprüche der Gesellschafter auf Auskunft gegen die Gesellschaft nach §§ 166 Absatz 3 HGB,15 132 AktG, 51a GmbHG.16 Ebenso die Streitigkeiten nach § 43 WEG17 oder der HausratsVO. 7

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Keidel/Schmidt, Einl Rn 70; BayObLG NJW-RR 1997, 644; vgl auch BGH NJW 1985, 552, 553; NJW 1994, 2549. Habscheid § 11 III A. Habscheid § 11 I 5, II 6; Brehm Rn 113, 120; Zöller/Geimer § 1030 Rn 6. Keidel/Sternal Vorbem §§ 3 – 5 und 7 Rn 13. BGH RdL 1952, 249 = NJW 1952, 1055.

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OLG Schleswig SchlHA 1954, 126. AA OLG München Rpfleger 1968, 226. RGZ 133, 132; aA Zöller/Geimer § 1030 Rn 6. BayObLG MDR 1979, 317. OLG Hamm BB 2000, 1159. Bärmann/Pick vor § 43 Rn 12 mwN.

Peter-Hendrik Müther

Vorbemerkungen

Vor §§ 3–7

VI. Die Prüfung der Zuständigkeit im Verfahren Die Frage der Zuständigkeit ist von Amts wegen zu prüfen. Die Prüfung bezieht sich 33 auf die örtliche, die sachliche, die internationale und auch die funktionelle Zuständigkeit. Auch die Frage des Rechtsweges wird erfasst. Die amtswegige Prüfungspflicht gilt für alle Abschnitte des Verfahrens und damit auch im Rechtsmittelverfahren;18 es sei denn es wäre eine Bindung eingetreten, wofür eine lange Verfahrensdauer nicht ausreicht.19 Eine Bindung kommt aber in Betracht, soweit § 17 Absatz 2 Satz 3 GVG entsprechend anzuwenden ist oder in Familiensachen der fG, weil insoweit § 281 Abs 2 S 4 ZPO nach § 621a Abs 1 S 2 ZPO eingreift20 sowie dann, wenn eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 FGG erfolgt ist, vgl § 5 Rn 31. Im Übrigen kommen regelmäßig lediglich formlose Abgaben in Betracht, weil es an entsprechenden gesetzlichen Regelungen fehlt.21 Zu den Ausnahmen, vgl § 1 Rn 141. Dabei ist streitig, ob allgemein eine Pflicht zur Abgabe besteht. Soweit in einem von 34 Amts wegen einzuleitenden Verfahren ein Gericht der fG Kenntnis von Tatsachen erlangt, die die Einleitung eines Verfahrens erforderlich machen, wird jedenfalls ein entsprechender Hinweis an das zuständige Gericht zu erwarten sein. In den sog Antragsverfahren, in denen ein Antrag Verfahrensvoraussetzung ist, wird eine Abgabe nur mit der entsprechenden Zustimmung des Antragstellers möglich sein, weil das Antragserfordernis Ausdruck der Dispositionsbefugnis des Antragstellers darstellt. Dabei wird zuvor aber regelmäßig gründlich zu prüfen sein, ob nicht die Anrufung des unzuständigen Gerichts ein Versehen ist. Ist dies der Fall kommt nach vorangehendem Hinweis auch eine Abgabe ohne ausdrückliche Zustimmung in Betracht. Ist das Gericht der fG nicht zuständig, weil ein anderer Rechtsweg gegeben ist, bedarf es keines Antrags (§ 17a Abs 2 GVG). Eine einmal gegebene Zuständigkeit bleibt bestehen, auch wenn sich die zuständig- 35 keitsbegründenden Umstände später ändern, sog perpetuatio fori.22 Anderes gilt nur dann, wenn die zunächst gegebene Zuständigkeit nur eine Hilfszuständigkeit dargestellt hat und die Tatsachen, die diese Hilfszuständigkeit rechtfertigten entfallen sind. Dies wird etwa hinsichtlich der Zuständigkeit der Nachlassgerichte angenommen, die vor der Wiedervereinigung ihre Zuständigkeit für einen vor dem 3. Oktober 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verstorbenen Erblasser angenommen haben.23

18

19 20

Für die Erstbeschwerde: Keidel/Sternal § 25 Rn 8; OLG Frankfurt OLGR 2001, 282, 283; OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 621; für die weitere Beschwerde: BayObLGZ 1990, 92; BayObLG FamRZ 1984, 886; OLG Karlsruhe NJW 1976, 485. OLG Frankfurt OLGR 2001, 282, 283. Zur Anwendbarkeit des § 281 ZPO: BGHZ 71, 15, 17 = FamRZ 1978, 331; FamRZ 1998, 360 f; BayObLG FamRZ 2003, 315. Zum Problem, ob eine Verweisung ohne

21 22

23

Antrag möglich ist: Zöller/Philippi § 621a Rn 11 mit Hinweisen auf die uneinheitliche BGH-Rspr. Vgl aber RefE FGG-ReformG § 3. Habscheid § 11 IV 2; BGHZ 71, 69, 71 = NJW 1978, 1163; KG FamRZ 192, 736; OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 1005. KG OLGZ 1992, 287 = Rpfleger 1992, 160; Rpfleger 1992, 487; Rpfleger 2000, 275 = FGPrax 2000, 120; BayObLG Rpfleger 1992, 300 = DNotZ 1992, 444.

Peter-Hendrik Müther

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§3

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

VII. Zuständigkeitstreitigkeiten 36

Für Zuständigkeitsstreitigkeiten gilt zusammengefasst das Folgende: – Wird über die richtige Wahl des Rechtswegs gestritten, finden die §§ 17 ff GVG Anwendung und zwar auch dann, wenn es um einen Streit zwischen ordentlichen Gerichten der streitigen Gerichtsbarkeit und denen der fG geht, vgl § 1 Rn 144. – Streiten die Gerichte der fG über die örtliche Zuständigkeit, gilt § 5. Bei einem Streit zwischen Gerichten der fG über die jeweilige sachliche Zuständigkeit, ist die Regelung des § 36 Nr 6 ZPO entsprechend anzuwenden. Das Gleiche gilt für einen Streit über die funktionelle Zuständigkeit, wenn nicht andere gesetzliche Vorschriften vorhanden sind, wie im Verhältnis zwischen Richter und Rechtspfleger (§ 7 RPflG). Vgl § 1 Rn 158. – Ein Verfahren zur Entscheidung eines Streits über die internationale Zuständigkeit ist nicht vorgesehen. Im Falle eines positiven Kompetenzkonfliktes entscheidet sich der Streit über die Anerkennung der jeweilig getroffenen Entscheidung. Im Falle des negativen Kompetenzkonfliktes kann die Entscheidung nur im jeweiligen Rechtsmittelweg angegriffen werden.

§3 Gerichtsstand für Exterritoriale und Beamte im Ausland Soweit für die örtliche Zuständigkeit der Gerichte der Wohnsitz eines Beteiligten maßgebend ist, bestimmt sich für Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, sowie für Beamte des Reichs oder eine Bundesstaates, die im Ausland angestellt sind, der Wohnsitz nach den Vorschriften des § 15 ZPO. Ist der für den Wohnsitz einer Militärperson maßgebende Garnisonsort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so wird der als Wohnsitz geltende Bezirk von der Landesjustizverwaltung durch allgemeine Anordnung bestimmt. Literatur Geimer Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl, 2001; v. Hoffmann/Thorn Internationales Privatrecht, 8. Aufl, 2005; Linke Internationales, Zivilprozessrecht, 2. Aufl, 1995; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl, 2002.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der persönliche Geltungsbereich . . . . 2. Der Begriff der Exterritorialiät . . . . . 3. Rechtsfolgen des Abs 1 . . . . . . . . . 4. Militärpersonen (Abs 2) . . . . . . . . 5. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht

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1 2 3 4 7 9

Rdn 6. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . II. Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . 2. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . 3. In Deutschland stationierte Streitkräfte

Peter-Hendrik Müther

. . .

10 11 11

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13 15

Gerichtsstand für Exterritoriale und Beamte im Ausland

§3

I. Allgemeines Die Vorschrift enthält in Abs 1 eine Sonderregelung rein verfahrensrechtlicher Art zur 1 Begründung eines Gerichtstandes eines bestimmten Kreises von Beteiligten deutscher Staatsangehörigkeit in den Fällen, in denen in einer Angelegenheit der fG für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts der Wohnsitz des Beteiligten maßgebend ist (vgl dazu Vorbem zu §§ 3–7 Rn 4). Diese Beteiligten werden in der Regel im Inland keinen Wohnsitz haben; aber auch, wenn sie einen inländischen Wohnsitz haben, zB als exterritoriales Geschäftspersonal einer ausländischen diplomatischen Vertretung (Rn 3), geht die Regelung des § 3 den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften vor. 1. Der persönliche Geltungsbereich Von der Vorschrift werden Deutsche erfasst, also deutsche Staatsangehörige und 2 Deutsche im Sinne des Art 116 Abs 1 GG, die im Ausland oder Inland das Recht der Exterritorialität genießen. Weiter werden Beamte des Bundes oder eines deutschen Landes erfasst, die im Ausland angestellt sind, dh dauernd dienstlich verwendet werden, auch soweit sie im Ausland nicht exterritorial sind. Vorübergehender, auch längerer Aufenthalt, zB zur Ausbildung genügt nicht. Durch § 3 Abs 1 wird weiter der Wohnsitz der Angehörigen der genannten Gruppe bestimmt, soweit diese einen abgeleiteten Wohnsitz haben. Aus der Verweisung auf § 15 ZPO ergibt sich, dass die Vorschrift des § 3 für einen Wahlkonsul nicht gilt, § 15 Abs 2 ZPO. 2. Der Begriff der Exterritorialität Exterritorialität in dem hier gebrauchten Sinne bedeutet Befreiung (Exemption) von 3 der Gerichtsbarkeit des Staates, in dem der Beteiligte sich aufhält. Für die Anwendbarkeit des § 3 kommen in Betracht Deutsche, die sich im Ausland aufhalten und dem Staate ihres Aufenthalts gegenüber das Recht der Exterritorialität genießen. Wer zu diesem Personenkreis gehört, bestimmt sich nach den Regeln des Völkerrechts, nach Staatsverträgen und nach der Gesetzgebung des in Betracht kommenden fremden Staates. Nach überwiegend anerkannten Regeln genießen dem Empfangsstaat gegenüber das Recht der Exterritorialität die Leiter und Mitglieder der dort akkreditierten diplomatischen Vertretungen, deren Familienmitglieder, ihr Geschäftspersonal und ihre Bediensteten, diese jedoch nur, soweit sie nicht Angehörige des Empfangsstaates sind. Deutsche können von der inländischen Gerichtsbarkeit nach Maßgabe der §§ 18 bis 20 GVG befreit sein, zB als Familienmitglieder oder Geschäftspersonal ausländischer diplomatischer Vertreter, nicht aber als ihre Bediensteten. Soweit der fremde Staat dem Wiener UN-Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (BGBl 1964 II, S 958) oder dem Wiener UN-Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (BGBl 1969 II, S 1587) beigetreten ist, gelten die gleichen Voraussetzungen wie nach den §§ 18 und 19 GVG (siehe dazu Rn 13 f). 3. Rechtsfolgen des Abs 1 Die örtliche Zuständigkeit wird für den oben genannten Personenkreis geregelt durch 4 Verweisung auf § 15 ZPO. Diese Vorschrift lautet: § 15 (1) Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, sowie die im Ausland angestellten Beamten des Bundes oder eines deutschen Lands behalten hinsichtlich des Gerichtsstandes den Wohnsitz, den sie im Inland hatten. Wenn sie einen solchen Wohnsitz nicht hatten, so gilt der Sitz der Bundesregierung als ihr Wohnsitz. (2) Auf Wahlkonsuln sind diese Vorschriften nicht anzuwenden.

Peter-Hendrik Müther

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§3

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

5

Hiernach gilt „hinsichtlich des Gerichtsstandes“, also nur für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, soweit sie sich nach dem Wohnsitz richtet, als Wohnsitz: – der Wohnsitz, den der betroffene Beteiligte im Inland, also in einem der deutschen Länder gehabt hat, bevor er das Recht der Exterritorialität erwarb oder im Ausland angestellt wurde. Dieser Wohnsitz gilt auch dann, wenn er inzwischen aufgegeben worden ist oder wenn der Beteiligte nach Erwerb der Exterritorialität einen anderen inländischen Wohnsitz begründet hat, zB als Geschäftspersonal einer ausländischen diplomatischen Vertretung; – Sitz der Bundesregierung, jetzt also Berlin, wenn der Beteiligte zu dem maßgeblichen Zeitpunkt (siehe oben) keinen Wohnsitz im Inland hatte. Die Regelung geht nicht nur den allgemeinen, an den Wohnsitz anknüpfenden 6 Zuständigkeitsvorschriften (Rn 1) vor, sondern verdrängt auch die zentrale Zuständigkeit des AG Schöneberg nach §§ 36 Abs 2, 66 Abs 2, 73 Abs 2; auch wenn in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes an den schlichten Aufenthalt im Inland angeknüpft wird (§ 36 Abs 1 S 1; 73 Abs 1 Hs 2), kommt die Aufenthaltszuständigkeit gegenüber der nach § 3 begründeten nicht in Betracht. Der Begriff des Wohnsitzes bestimmt sich nach den §§ 7 bis 11 BGB (vgl Vorbem §§ 3–7 Rn 6). 4. Militärpersonen (Abs 2)

7

Soldaten haben nach § 9 BGB einen gesetzlichen Wohnort am Standort. Die Regelung erstreckt sich nur auf Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit iSd §§ 39, 40 SoldatenG, nicht auf Wehrpflichtige und auf minderjährige Soldaten (§§ 9 Abs 2, 8 Abs 1 BGB) und nicht auf Beamte der Bundeswehr.1 Auf die Angehörigen der Nato-Streitkräfte2 oder den Bundesgrenzschutz3 findet § 9 BGB ebenfalls keine Anwendung. Die Begründung eines gewählten Wohnsitzes nach § 7 BGB, der dann neben dem Wohnsitz nach § 9 BGB besteht, ist auch Soldaten nicht verwehrt.4 Nur für den Fall, dass dieser gesetzliche Wohnort mehreren Gerichsbezirken zuge8 hört, ermächtigt § 3 Abs 2 die Landesjustziverwaltung Anordnungen über die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gerichtsbezirk zu treffen. Die Regelung des Abs 2, ein dem § 14 ZPO entsprechender Zusatz des G v 5.3.1906 (RGBl 387), ist durch das KontrRG Nr 34 Art III gegenstandslos und durch das SoldatenG v 19.3.1956 (BGBl I 114) nicht wiederhergestellt worden.5 An die Stelle des Abs 2 wird der Grundsatz treten müssen, dass, wenn die Zuständigkeit des Gerichts durch den Wohnsitz eines Beteiligten bestimmt wird, dieser Ort aber in mehrere Gerichtsbezirke geteilt ist, dasjenige Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, von dem sich der Wohnsitz herleitet,6 vgl auch Rn 6 aE. 5. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht

9

Für nach Landesrecht zuständige nichtgerichtliche Behörden gilt § 3 gemäß § 194 ebenfalls. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 3 durchweg für anwendbar erklärt, vgl etwa Art 1 PrFGG.

1 2 3

Palandt/Heinrichs § 9 Rn 1; Erman/Westermann § 9 Rn 1. AA Palandt/Heinrichs § 9 Rn 1. Palandt/Heinrichs BGB, § 9 Rn 1.

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4 5 6

RG JW 1930, 51 m Anm Wagner; RGZ 126, 8; Erman/Westermann § 9 Rn 3 mwN. Abweichend wohl: Keidel/Sternal § 3 Rn 9. RGZ 67, 191.

Peter-Hendrik Müther

Gerichtsstand für Exterritoriale und Beamte im Ausland

§3

6. Reformvorhaben Nach dem RefE FGG-ReformG soll die in § 3 Abs 1 enthaltene Regelung in § 2 Abs 1 10 aufgenommen werden. Dort soll aber keine Verweisung mehr auf § 15 ZPO enthalten sein. Der Text des § 15 ZPO ist vielmehr in das Reform-FGG eingearbeitet. Beim Fehlen eines inländischen Wohnsitzes wird nicht auf den Sitz der Bundesregierung abgestellt, sondern eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg begründet. Die Regelung des § 3 Abs 2 soll nach dem Reform-FGG entfallen. An der dargestellten Rechtslage (siehe Rn 8) wird dadurch nichts geändert.7 Vorgesehen ist aber die Einführung einer umfassenden Konzentrationsermächtigung in § 23d GVG, die dann auch zur Konzentration der von § 3 Abs 2 erfassten Fälle genutzt werden kann.

II. Gerichtsbarkeit 1. Grundsätze Unter Gerichtsbarkeit ist die Gerichtshoheit zu verstehen, dh die aus der staatlichen 11 Souveränität fließende, durch den Staat seinen Gerichten allgemein verliehene Entscheidungsgewalt (facultas iurisdictionis).8 Als Teil der Souveränität erstreckt sich die Gerichtsbarkeit nur auf das Staatsgebiet, ist in dessen Grenzen grundsätzlich aber unbeschränkt ohne Rücksicht darauf, ob zu den Verfahrensbeteiligten oder zu dem Gegenstand des Verfahrens eine besonderer Inlandsbeziehung besteht, lediglich ein Minimalbezug ist zu verlangen.9 Die Regel ist, dass die Gerichtsbarkeit eines Staates innerhalb seines Staatsgebiets immer gegeben ist, es sei denn, dass ausnahmsweise eine durch eine Rechtsnorm begründete Befreiung vorliegt. Eine solche Norm kann sich ergeben aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die durch Art 25 S 1 GG in das deutsche Recht transformiert werden, aus dem nationalen Recht (§§ 18 bis 20 GVG), welches nur weitergehende Befreiungen gewähren, aber nach Art 25 S 1 GG nicht hinter den Anforderungen des Völkerrechts zurückbleiben darf, sowie aus Staatsverträgen. Von der Gerichtsbarkeit zu unterscheiden ist die internationale Zuständigkeit (vgl 12 dazu Vorbem §§ 3–7 Rn 29). Die internationale Zuständigkeit setzt die Gerichtsbarkeit voraus.10 Beide haben gemeinsam, dass ihr Fehlen in jeder Lage des Verfahrens, auch im Rechtsbeschwerdeverfahren, von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist. Während aber das Fehlen der internationalen Zuständigkeit keine Unwirksamkeit begründet und durch die formelle Rechtskraft geheilt wird, ist eine unter Überschreitung der Gerichtsbarkeit ergangene Entscheidung wirkungslos.11 Es wird jedoch anzunehmen sein, dass innerstaatlich die Wirksamkeit der Entscheidung nicht in Frage gestellt werden kann, wenn das Gericht die Gerichtsbarkeit geprüft und bejaht hat.12 In Betracht kommt auch eine Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit.13

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Begründung zum RefE FGG-ReformG, S 251. v. Hoffmann/Thorn § 3 Rn 13; Schack Rn 131; Zöller/Geimer IZPR, Rn 36. Zöller/Geimer IZPR, Rn 36; BVerfGE 63, 343, 369; BGH NJW 2001, 2729. v. Hoffmann/Thorn § 3 Rn 14; Thomas/Putzo Vorbem § 1 Rn 5.

11

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Vgl dazu Zöller/Gummer vor §§ 18 – 20 GVG Rn 3; BGH NJW-RR 2003, 1218 = Rpfleger 2003, 518 mit einer Darstellung des Streitstands. Vgl dazu Habscheid § 25 II 2a. Vgl v. Hoffmann/Thorn § 3 Rn 26 f; Geimer IZPR, Rn 506 – 521a; Zöller/Gummer vor §§ 18 – 20 GVG Rn 6.

Peter-Hendrik Müther

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§3

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit

13

Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit genießen Exterritoriale (Gerichtsfreie, Eximierte). Dazu gehören Repräsentanten und deren Begleitung nach § 20 Absatz 1 GVG, im Empfangsstaat die Leiter und Mitglieder der dort akkreditierten diplomatischen Vertretungen und ihre Familienmitglieder, ihr Geschäftspersonal und ihre Bediensteten, diese nur, soweit sie nicht Deutsche sind (vgl § 18 GVG in Verbindung mit dem Wiener UN-Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (BGBl II 1964 S 958)). Über § 19 GVG in Verbindung mit dem Wiener UN-Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (BGBl II 1969 S 1587) bestehen ähnliche Regelungen gegenüber Konsulaten. Im Übrigen gilt § 20 Absatz 2 GVG: Danach genießen eine Befreiung von der Ge14 richtsbarkeit ausländische Staatsoberhäupter,14 fremde Staatsvertreter15 oder Abordnungen auf staatlichen oder zwischenstaatlichen Veranstaltungen, fremde Staaten, aber nur, soweit sie sich hoheitlich betätigen und insofern, als ihr öffentliches Vermögen der Einwirkung anderer Staaten im Wege des Zwanges entzogen ist, nicht aber, soweit sie sich privatrechtlich betätigen (Handeln iure imperii oder iure gestionis).16 Nicht exterritorial sind ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts17 oder wirtschaftliche Unternehmen eines ausländischen Staates mit eigener Rechtspersönlichkeit.18 Befreiung besteht aber für zwischenstaatliche Organisationen.19 3. In Deutschland stationierte Streitkräfte

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In Bezug auf die Mitglieder der in der BRD stationierten Streitkräfte sind das NatoTruppenstatut vom 19.6.1951 (BGBl II 1961 S 1190), das Zusatzabkommen vom 3.8. 1959 (BGBl II S 1218), zuletzt geändert durch Abk vom 18.3.1993 (BGBl I S 2594, 2598), und das Gesetz vom 18.8.1961 (BGBl II S 1183), geändert durch Gesetz vom 29.11.1966 (BGBl I S 653) zu beachten.20 Danach unterstehen die Mitglieder der Streitkräfte in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten der deutschen Gerichtsbarkeit (Art VIII Abs 9 Nato-Truppenstatut). Bei der Ausübung der Zivilgerichtsbarkeit über Mitglieder der Truppe, des zivilen Gefolges oder ihrer Angehörigen sind vor allem die Bestimmungen der Art 31 bis 39 des Zusatzabkommens vom 3. August 1959, die Ausführungsbestimmungen des NTrStG und die ergänzenden Bestimmungen des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen vom 3.8.1959 (BGBl II S 1313) zu beachten. Sie enthalten Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe, Zustellungen, Vollstreckungen, Ladungen, Erscheinen vor Gericht, Aussagegenehmigungen, Ausschluss der Öffentlichkeit und Rechte der Zeugen und Sachverständigen. Das Zusatzabkommen gilt für die BRD, Belgien, Frankreich, Kanada, die Niederlande, Großbritannien und Nordirland sowie die USA. Die Rechtslage gilt auch für Berlin und die neuen Bundesländer.21

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RGZ 157, 389, 392. Zur Befreiung eines Sonderbotschafters: BGHSt 32, 275 = NJW 1984, 2048. Beispiel: BGH NJW-RR 2003, 1218 = Rpfleger 2003, 518. Zöller/Gummer § 20 GVG Rn 3. BGHZ 18, 1 = NJW 1955, 1435; OLG Frank-

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furt VersR 1982, 447; Zöller/Gummer § 20 GVG Rn 3. Zöller/Gummer § 20 GVG Rn 6 mwN. Zur früheren Rechtslage: Voraufl Rn 17. Zur Rechtslage vor der Wiedervereinigung: Voraufl Rn 18.

Peter-Hendrik Müther

§4

Zuständigkeit mehrerer Gerichte

§4 Zuständigkeit mehrerer Gerichte Unter mehreren zuständigen Gerichten gebührt demjenigen der Vorzug, welches zuerst in der Sache tätig geworden ist. Übersicht Rdn I. II. III. IV. V.

Allgemeines . . . . . . . . . . . Mehrfache örtliche Zuständigkeit Vorgriffszuständigkeit . . . . . . Einheitliche Sache . . . . . . . . Wirkungen des Vorgriffs . . . . 1. Zuständigkeitsausschluss . . .

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Rdn

1 2 4 6 8 8

2. Handlungen des nach § 4 unzuständigen Gerichts . . . . . 3. Besondere Auffangzuständigkeit VI. Nichtgerichtliche Behörden und Landesrecht . . . . . . . . . . . . VII. Reformvorhaben . . . . . . . . .

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I. Allgemeines Die Vorschrift regelt die Konkurrenz mehrerer örtlich zuständiger Gerichte, wie sich 1 aus ihrer systematischen Stellung im ersten Abschnitt ergibt.1 Sie bezieht sich also nicht auf eine mehrfache sachliche Zuständigkeit, zB des Registergerichts und des vorgeordneten Landgerichts im Amtslöschungsverfahren nach den §§ 143, 144, 147, 159, 160b, 161 FGG.2 Zweck der Vorschrift ist ein allen Verfahrensordnungen3 bekannter Ausschluss der Doppelbehandlung derselben Sache: Hat ein zuständiges Gericht bereits ein Verfahren eingeleitet, so gebietet das öffentliche Interesse und das Interesse der Beteiligten an der Vermeidung von Doppelarbeit und widersprechenden Entscheidungen, dass jedes andere zuständige Gericht sich einer Tätigkeit enthält. Für die der fG zugewiesenen Familiensachen gilt die Regelung nicht, §§ 621a Abs 1 S 2, 661 Abs 2 ZPO. Insoweit ist § 261 Abs 1 Nr 1 ZPO anzuwenden.4 In Gewaltschutzsachen gilt über § 64b Abs 1 die Regelung des § 35 ZPO, nach der der Antragsteller die Wahl zwischen mehreren örtlich zuständigen Gerichten hat. Die Wahl führt dann zu einer Bindung,5 so dass auch insoweit § 4 nicht eingreifen kann.

II. Mehrfache örtliche Zuständigkeit Mehrere Gerichte können örtlich zuständig sein, wenn die für die Zuständigkeit maß- 2 geblichen Umstände die örtliche Zuständigkeit verschiedener Gerichte begründen. Ist der Wohnsitz maßgeblich, kann sich eine mehrfache Zuständigkeit aus dem Recht zur Begründung mehrerer Wohnsitze ergeben (§ 7 Abs 2 BGB, sog Doppelwohnsitz) oder daraus, dass ein Kind die verschiedenen Wohnsitze der gemeinsam vertretungsberechtigten Eltern als abgeleitete Wohnsitze teilt,6 oder im Fall des § 73 Absatz 3 FGG daraus, dass 1 2 3 4 5

Keidel/Sternal § 4 Rn 1. Zur Konkurrenz BayObLG NJW 1992, 2362; KG OLGZ 1967, 97, 101; Müther § 14 Rn 48. §§ 261 Abs 3 Nr 1 ZPO, 12 Abs 1 StPO, 53 Abs 1 Nr 3 VwGO. Zöller/Philippi § 621a Rn 9. BayObLG NJW-RR 1991, 188; Zöller/Vollkommer § 35 Rn 2.

6

Beispiel: Adoptionsaufhebungsverfahren nach Ehegattenadoption bei getrenntem Wohnsitz: KG FamRZ 1995, 440; Sorgerechtsantrag bei Begründung neuen Wohnsitzes des einen Ehegatten ohne Einverständnis des anderen: OLG Bamberg OLGR 2001, 146; zur Entstehung des doppelten Wohnsitzes: Palandt/Heinrichs § 11 Rn 4.

Peter-Hendrik Müther

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§4

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sich Nachlassgegenstände in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte befinden. Eine mehrfache Zuständigkeit in Registersachen vor allem in den Verfahren nach § 145 kann sich aus dem Vorliegen eines Doppelsitzes ergeben.7 Soweit die Zuständigkeit durch das Fürsorgebedürfnis begründet wird, kommt ebenfalls eine örtliche Mehrfachzuständigkeit in Betracht. Es muss mithin eine Zuständigkeit mehrerer Gerichte wirklich begründet sein. Der Vorgriff eines unzuständigen Gerichts, das sich irrig für zuständig hält, begründet keine Zuständigkeit dieses Gerichts.8 Auch das Tätigwerden in einem Eilgerichtsstand reicht für die Begründung einer doppelten örtlichen Zuständigkeit im Sinne der Vorschrift nicht aus, weil die Eilgerichtsstände nur Hilfsgerichtsstände sind. Für die Entscheidung, wer für die Anordnung von Eilmaßnahmen zuständig ist, gilt aber wiederum § 4.9 Das unzuständige Gericht hat die Sache an das zuständige Gericht abzugeben; bei 3 Streit über die Zuständigkeit ist nach § 5 zu verfahren, vgl § 5 Rn 5. Eine mehrfache örtliche Zuständigkeit ist auch gegeben, wenn die die örtliche Zuständigkeit begründenden Tatsachen noch nicht aufgeklärt sind, weil sie mit den für die Sachentscheidung maßgebenden Tatsachen zusammenfallen. Bei diesen doppelrelevanten Tatsachen ist jedes Gericht zuständig, das nach den verschiedenen denkbaren Ergebnissen der Sachentscheidung als zuständig in Betracht kommt, weil eine vorrangige Klärung der Zuständigkeitsfragen eine unzulässige Vorwegnahme der Sachentscheidung bedeutete.10

III. Vorgriffszuständigkeit 4

Der Vorzug gebührt demjenigen der mehreren örtlich zuständigen Gerichte, welches zuerst in der Sache tätig geworden ist. Ein Tätigwerden liegt vor, wenn das Gericht erkennbar – nicht unbedingt nach Außen – damit beginnt, die Entscheidung in der Sache vorzubereiten.11 Auf den Umfang der entfalteten Tätigkeit kommt es dabei nicht an. Ein Tätigwerden setzt damit mehr voraus, als den Eingang der Sache. Der Eingang der Sache reicht lediglich für ein Befassen im Sinne der §§ 5 Abs 1, 43 Abs 1, 45 Abs 5, 65 Abs 1.12 Eine Prüfung der eigenen Zuständigkeit oder die Entgegennahme eines Antrags zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 11), schon gar nicht, wenn der Antrag an ein anderes Gericht gerichtet ist und weitergeleitet werden soll, genügen ebenfalls nicht, weil sie dem Tätigwerden in der Sache nur vorgelagert sind. Dementsprechend liegt noch kein Tätigwerden als VormG vor, wenn lediglich die Erklärung der Kindesmutter über ihre Ansprüche und des Erzeugers über die Anerkennung seiner Vaterschaft entgegen genommen wird. Die Eröffnung eines Testaments durch das verwahrende Nachlassgericht vor Einleitung eines Erbscheinsverfahrens begründet keine Vorgriffszuständigkeit.13 Auch das Handeln eines funktionell unzuständigen Beamten reicht nicht aus. In übertragenen Sachen genügt aber ein Tätigwerden eines Rechtspflegers. Liegt ein Tätigwerden vor, kommt es allein darauf an, welches Gericht zuerst tätig ge5 worden ist. Wie weit die Sache mittlerweile gediehen ist, spielt keine Rolle. Lässt sich 7

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KG NJW-RR 1991, 1507 = Rpfleger 1991, 510; LG Hamburg DB 1973, 2237; Keidel/ Krafka/Willer Rn 356; aA BayObLGZ 1985, 111 = NJW-RR 1986, 31. BayObLGZ 1967, 47. Keidel/Engelhardt § 44 Rn 3. BayObLGZ 1965, 366 = NJW 1966, 356, 786; zum vergleichbaren Problem bei der

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11 12 13

Beschwerdebefugnis: BGH MDR 1963, 39; BayObLG Rpfleger 1988, 531, 532; Keidel/ Kahl § 20 Rn 18. OLG München JZ 1955, 665 = Rpfleger 1955, 591. BayObLG FamRZ 1985, 533, 534. BayObLG FamRZ 1995, 680.

Peter-Hendrik Müther

Zuständigkeit mehrerer Gerichte

§4

nicht feststellen, welches der beiden Gerichte zuerst tätig geworden ist oder sind sie gleichzeitig oder bisher überhaupt noch nicht in der Sache tätig geworden, so ist die Bestimmung unter ihnen im Verfahren nach § 5 nach Zweckmäßigkeitsgründen zu treffen.

IV. Einheitliche Sache Das Tätigwerden in Bezug auf eine bestimmte sachliche Entscheidung führt auch hin- 6 sichtlich anderer noch nicht in Angriff genommener Verrichtungen zu einer örtlichen Zuständigkeit nach § 4, wenn es sich um eine einheitliche Sache handelt. Eine einheitliche Sache liegt vor, wenn die Angelegenheit Gegenstand eines selbständigen und einheitlichen Verfahrens sein kann; hieran fehlt es für die einzelnen gerichtlichen Verrichtungen innerhalb einer Vormundschaft, Pflegschaft oder Betreuung, weil deren Führung als Ganzes eine Sache ist. Dagegen sind die Einzelverrichtungen des VormG im Sinne der §§ 43, 45 verschiedene Sachen. Die Entscheidung über die elterliche Sorge nach § 1671 BGB ist danach eine andere Sache als das Änderungsverfahren (§ 1696 BGB).14 Keine einheitliche Sache sind das Adoptionsannahmeverfahren und das Aufhebungsverfahren.15 Einheitlich sind aber das Verfahren auf Anordnung einer Unterbringung und auf Fortdauer der Unterbringung.16 In Nachlasssachen sind die Führung der Nachlasspflegschaft, die Nachlassverwaltung oder die Vermittlung der Erbauseinandersetzung (§ 86) einschließlich der in ihrem Rahmen anfallenden Geschäfte eine einheitliche Sache, weil sie auf die Auseinandersetzung eines einheitlichen Nachlasses gerichtet sind; dagegen sind die einzelnen Verrichtungen des NachlG in Bezug auf denselben Nachlass verschiedene Sachen, zB die Nachlasspflegschaft, die Testamentseröffnung,17 die Entgegennahme einer Ausschlagungserklärung18 und die Erbscheinserteilung,19 ebenso die nacheinander beantragte Erteilung verschiedener Teilerbscheine.20 Die Auffassung,21 dass verschiedene nachlassgerichtliche Verrichtungen so ineinandergreifen könnten, dass sie als eine einheitliche Sache anzusehen seien, beruht auf Besonderheiten des bayer Landesrechts (Art 3 Abs 1 BayNachlG) und ist daher nicht auf andere Länder übertragbar. Die Registerführung ist eine einheitliche Sache, die jeweiligen Verrichtung nach § 145 FGG sind verschiedene Sachen.22 Die verschiedene Gesellschaften betreffenden Verfahren nach dem SpruchG sind zwar jeweils verschiedene Verfahren, weil es um jeweils unterschiedliche tatsächliche Verhältnisse geht. Insoweit gilt aber § 4 nach § 2 Abs 1 S 2 SpruchG entsprechend. Eine Ausnahme von § 4 enthält § 7 Abs 2 ZustErgG. Für die Einziehung des Erb- 7 scheins bleibt das Gericht zuständig, das den Erbschein erteilt hat. Bei echten Antragssachen wird durch Zurücknahme des Antrags und seine Erneuerung bei einem anderen Gericht eine andere Sache eingeleitet.23 Wenn aber bei einem nur von Amts wegen oder 14

15 16 17

18

KG KGR 1999, 131; NJW 1955, 552; BayObLGZ 1953, 222; LG Freiburg Rpfleger 1951, 319. KG FGPrax 1995, 71. OLG Zweibrücken OLGR 2001, 20. Begründet keine Zuständigkeit für das Erbscheinsverfahren: BayObLGZ 1994, 346, 350; OLG Frankfurt Rpfleger 1998, 26, 27. Begründet keine Zuständigkeit für das Erbscheinsverfahren: LG Berlin Rpfleger 1971, 318; begründet keine Zuständigkeit für das

19

20 21 22 23

Verfahren auf Setzung der Inventarfrist nach § 1994 BGB: Keidel/Sternal § 4 Rn 16. Die vorherige Bearbeitung einer „Testamentssache“ begründet keine Zuständigkeit für die Erteilung des Erbscheins: KG Rpfleger 1969, 391. BayObLG FamRZ 1991, 992. BayObLGZ 1954, 213. Keidel/Sternal § 4 Rn 17. KG Rpfleger 1970, 134.

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§4

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag zu betreibenden Verfahren (Fürsorgeerziehung, Volljährigkeitserklärung) der „Antrag“ bei dem einen Gericht zurückgenommen und statt dessen bei einem anderen Gericht gestellt wird, bleibt die Sache dieselbe.24

V. Wirkungen des Vorgriffs 1. Zuständigkeitsausschluss

8

Ist ein zuständiges Gericht in der Sache tätig geworden, so schließt es damit für diese Sache die Zuständigkeit aller anderen, nach den Normen über die Begründung der örtlichen Zuständigkeit ebenfalls als zuständig in Betracht kommenden Gerichte aus. Ihre Zuständigkeit erlischt und sie haben ihre Tätigkeit einzustellen; die bei ihnen erwachsenen Vorgänge geben sie zweckmäßig an das zuerst tätig gewordene, nunmehr allein zuständige Gericht ab. Die Ausschlusswirkungen beziehen sich aber nur auf die örtliche Zuständigkeit. Eine 9 Abgabe durch das nach § 4 zuständige Gericht aus wichtigen Gründen (§§ 46, 75) an ein anderes Gericht bleibt möglich. Die Abgabe kann auch an das ohne den Vorgriff zuständige Gericht erfolgen. Die Begründung einer anderen Zuständigkeit durch Vereinbarung der Beteiligten wird, soweit eine solche Zuständigkeitsvereinbarung statthaft ist, durch § 4 ebenfalls nicht ausgeschlossen. Dies ist aber nur ausnahmsweise der Fall (vgl Vorbem §§ 3–7 Rn 31). Keine Einigung durch die Eltern ist daher bei einem Doppelwohnsitz eines Kindes wegen der Zuständigkeit der jeweiligen Familiengerichte möglich. Eine Zuständigkeitsbegründung kann nur nach Maßgabe des § 4 erfolgen.25 Der Einigung der Eltern über die Zuständigkeit kann aber bei einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 5, die nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu erfolgen hat, Bedeutung zukommen. 2. Handlungen des nach § 4 unzuständigen Gerichts

10

Die von dem nach § 4 unzuständigen Gericht vorgenommenen Handlungen bleiben wirksam (§ 7). Sie sind aber im Beschwerdewege anfechtbar. Sie können durch das eigentlich zuständige Gericht nach Maßgabe des § 18 geändert werden. 3. Besondere Auffangzuständigkeit

11

Die Grundsätze des § 4 gelten nicht, wenn das Amtsgericht Schöneberg als Auffanggericht zuständig ist (zB §§ 36 Abs 2, 65 Abs 3, 73 Abs 2, 7 Abs 1 S 2 ZustErgG), weil hier von vornherein eine alleinige Zuständigkeit vorliegt. Das Amtsgericht Schöneberg kann die Sache an ein anderes, bisher nicht zuständig gewesenes Gericht auch dann noch abgeben, wenn es bereits in der Sache tätig geworden ist.

VI. Nichtgerichtliche Behörden und Landesrecht 12

Die Vorschrift gilt nach § 194 auf für nach Landesrecht zuständige nichtgerichtliche Behörden und zwar im Verhältnis zueinander und zu den Gerichten anderer Länder. Sondervorschrift für Vertragshilfesachen: § 7 Abs 4 VHG. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 4 durchweg für anwendbar erklärt, vgl etwa Art 1 PrFGG.

24

BayObLGZ 1964, 109.

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25

AA OLG München Rpfleger 1968, 227.

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Bestimmung des zuständigen Gerichts

§5

VII. Reformvorhaben Der Referentenentwurf 2005 zum FGG-ReformG sieht in § 2 Abs 1 S 1 eine dem § 4 13 ähnliche Regelung vor. Allerdings wird die Vorgriffszuständigkeit nicht mehr von einem Tätigwerden abhängig gemacht. Nach dem Entwurf ist das Gericht zuständig, das zuerst mit der Angelegenheit in der Sache befasst war. Wegen der Auslegung des Begriffs Befassen kann insoweit auf § 5 der jetzigen Fassung zurückgegriffen werden. In § 2 Abs 1 S 2 des Entwurfs ist weiter der Grundsatz der perpetuatio fori festgeschrieben.

§5 Bestimmung des zuständigen Gerichts (1) Besteht Streit oder Ungewißheit darüber, welches von mehreren Gerichten örtlich zuständig ist, so wird das zuständige Gericht durch das gemeinschaftliche obere Gericht und, falls dieses der Bundesgerichtshof ist, durch dasjenige Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört. Ist das zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Ausübung des Richteramts rechtlich oder tatsächlich verhindert, so erfolgt die Bestimmung durch das ihm im Instanzenzuge vorgeordnete Gericht. (2) Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. Literatur Baur/Stürner Sachenrecht, 17. Aufl 1999; Jastrow Die neue Gerichtsorganisation für Berlin und ihr Einfluss auf die Gestaltung des Zivilprozesses, ZZP 34, 433; Keidel Anmerkung zu OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.6.1958, 6 W 262/58 (Rpfleger 1958, 314), Rpfleger 1958, 315; ders Anmerkung zu OLG Köln, Beschluss vom 9.6.1958, 8 AR 13/58 (Rpfleger 1958, 379), Rpfleger 1958, 380; Kersting Grenzen der Landesgerichtsbarkeit in Unterbringungsverfahren, JZ 1960, 309; Schäfke Die gesetzliche Regelung der Dienstaufsicht über die Gerichtsbarkeiten, ZRP 1983, 165; Stöber Erinnerung nach § 10 RpflG vor Entscheidung des Obergerichts über die Zuständigkeit (§ 5 FGG) oder Abgabe einer Vormundschaft (§ 46 Abs 2 FGG) und bei Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens (§ 159 GVG)?, Rpfleger 1967, 129.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 1. Gegenständlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Räumlicher Anwendungsbereich . . . III. Zuständigkeitsbestimmung bei Streit oder Ungewissheit über die örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 1. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . 2. Streit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . 4. Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts IV. Zuständigkeitsbestimmung bei Verhinderung des zuständigen Gerichts an der Ausübung des Richteramts . . . .

1 2 2 4

5 5 9 11 12

Rdn 1. Verhinderung . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfahren des Bestimmungsgerichts . . . 1. Einleitung des Verfahrens . . . . . . . 2. Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entscheidung . . . . . . . . . . . VI. Wirksamwerden . . . . . . . . . . . . VII. Wirkung der Bestimmung . . . . . . . VIII. Unanfechtbarkeit, Bindung, Änderung . IX. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht X. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

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17

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§5

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

I. Allgemeines 1

Die Vorschrift regelt das Verfahren zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts, wenn über die örtliche Zuständigkeit Streit oder Ungewissheit besteht oder das zuständige Gericht an der Ausübung des Richteramts verhindert ist. Das Verfahren zielt darauf ab, Verzögerungen der sachlichen Entscheidung durch Streit über die Zuständigkeit tunlichst zu verhindern und dient damit der Verfahrensökonomie.1 Die Zuständigkeitsbestimmung führt zur Bestimmung des gesetzlichen Richters und kann daher kein Justizverwaltungsakt sein.2 Sie stellt aber auch keine Rechtsprechung im materiellen Sinne,3 sondern ein den Gerichten zugewiesener Akte der Rechtspflege dar.4 Die Regelung ist selbst bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, wie dies im Rahmen des § 5 Abs 1 S 2 der Fall ist, verfassungsgemäß. Ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 S 2 GG liegt nicht vor, weil der bestimmende wie der bestimmte Richter gesetzliche Richter im Sinne des GG sind.5 Die eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 auslösenden Tatbestände sind streng von einander zu unterscheiden, weil sie jeweils getrennten Voraussetzungen unterliegen. Die Vorschrift greift nicht in allen Zuständigkeitsfragen, sondern nur hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit ein. Hinsichtlich der weiteren Zuständigkeitsbestimmungsverfahren, vgl Vorbem §§ 3–7 Rn 36.

II. Anwendungsbereich 1. Gegenständlicher Anwendungsbereich

2

Die Vorschrift gilt in den bundesrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit iS des § 1 und setzt allein die Anhängigkeit des Verfahrens voraus, vgl Rn 10. Zu den Verfahren gehören neben den Betreuungs-,6 Vormundschafts-7 und Nachlasssachen8 etwa die Grundbuchsachen (§§ 1 Abs 2, 4 Abs 2, 5 S 2 GBO)9 und insoweit auch die Bestimmung des zur Führung des Berggrundbuchs örtlich zuständigen Grundbuchamts (§ 9 Abs 1 S 2 BBergG), weil die Bergbauberechtigung ein grundstücksgleiches Recht darstellt.10 § 5 findet ebenso in Beratungshilfesachen,11 Vereins-12 sowie Handelsregister1

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6 7

Keidel/Sternal § 5 Rn 1; zu dem vergleichbaren § 36 ZPO: BGHZ 71, 15, 18 = NJW 1978, 889; NJW 2000, 1425, 1426; Zöller/Vollkommer § 36 Rn 1. Vgl zu § 36 ZPO: Zöller/Vollkommer § 36 Rn 7; zu § 5: Voraufl, Rn 1 Fn 1. AA Stein/Jonas/Roth § 36 Rn 2. RGZ 125, 310; Baumbach/Hartmann § 36 Rn 1. Stein/Jonas/Roth § 36 Rn 2; vgl BVerfGE 6, 45; 9, 223; 20, 336; aM Bettermann Die Grundrechte III 2 S 569 zu § 36 ZPO. Auch Betreuervergütungsverfahren: BayObLGZ 1996, 284 = Rpfleger 1997, 215. Zur Bestimmung der Zuständigkeit nach § 43b Absatz 2 S 2 FGG allein wegen der Anwendbarkeit ausländischer Sachvorschriften: BayObLG FGPrax 2005, 65 = BayObLGZ 2004, 368; OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 69 = OLGR 2005, 213; OLG

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Stuttgart FamRZ 2004, 1124; dagegen OLG Hamm FamRZ 2003, 1042 = OLGR 2003, 189; OLG Karlsruhe OLGR 2004, 125: Anwendbarkeit ausländischer Sachvorschriften reicht nicht, wenn nur für Teil- und Vorfragen von Bedeutung. Vgl zum Streit, wer ein gemeinschaftliches Testament zu verwahren hat, wenn es nach dem Erstversterbenden eröffnet worden ist: Palandt/Edenhofer § 2273 Rn 5 mN; zum Aufenthaltsort eines Deutschen mit ausländischem Wohnsitz im Inland: BayObLG NJW 2003, 596 = Rpfleger 2003, 195. KG JFG 14, 209; JFG 18, 124; OLG Köln JMBlNRW 1961, 132 (Gesamterbbaurecht). OLG Hamm JMBlNRW 1957, 200; Demharter § 1 Rn 21; zum Bergwerkseigentum allgemein: Baur/Stürner § 30. OLG Köln OLGR 1994, 9; OLGR 1993, 46. OLG Köln 1991, 46.

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Bestimmung des zuständigen Gerichts

§5

sachen13 einschließlich der Verfahren nach § 145 FGG,14 in Verschollenheitssachen,15 bei der Bestimmung des zuständigen Landwirtschaftsgerichts16 sowie in bundesrechtlichen Freiheitsentziehungssachen17 Anwendung. Er gilt auch in Wohnungseigentumssachen.18 Teilweise ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 5 durch seine entsprechende Anwendung in Fällen angeordnet, in denen eine gemeinsame Zuständigkeit aus Gründen der Zweckmässigkeit in Betracht kommt, wie etwa in den gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren (§ 2 Abs 1 S 3 SpruchG).19 Nicht anwendbar ist § 5 in Verfahren der fG, soweit andere Verfahrensvorschriften 3 für anwendbar erklärt werden. Für den wichtigen Bereich der Zuständigkeit der Familiengerichte in Sachen der fG etwa gilt für den Streit über die örtliche Zuständigkeit zwischen diesen Gerichten nach § 621a Abs 1 S 2 ZPO nicht § 5, sondern § 36 ZPO.20 Keine Anwendung findet § 5 auch auf einen Streit wegen der Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen gerichtlicher Urkunden,21 bei Übernahme der Registereintragung über die Verlegung des Heimatortes eines Schiffes, § 17 SchiffsRegO,22 und in Justizverwaltungssachen.23 Der Streit über die Zuständigkeit zur Bestellung eines Nachlasspflegers zwischen dem Nachlassgericht und dem nach § 74 zuständigen Gericht ist nach § 46 Abs 2 zu entscheiden.24 2. Räumlicher Anwendungsbereich Bestimmt werden kann nur ein Gericht, das dem bestimmenden nachgeordnet ist. 4 Soweit aber das OLG nach § 5 Abs 1 S 1 anstelle des BGH zuständig ist, kann es jedes dem BGH nachgeordnete Gericht bestimmen.25 In landesrechtlichen Angelegenheiten sind, auch soweit das Landesrecht die entsprechende Anwendung des § 5 vorschreibt, vgl dazu Rn 33, die Grenzen der Landesgerichtsbarkeit einzuhalten; im Verfahren nach den Landesgesetzen zur Unterbringung von Geisteskranken und Süchtigen kann zB nicht ein Gericht eines anderen Landes bestimmt werden.26 Hier wäre vielmehr bei diesem Gericht die Einleitung eines Verfahrens anzuregen.

III. Zuständigkeitsbestimmung bei Streit oder Ungewissheit über die örtliche Zuständigkeit 1. Örtliche Zuständigkeit Allein die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit kann Gegenstand der Entscheidung 5 nach § 5 sein. Darunter ist die Verteilung der Rechtspflegeaufgaben unter die gleichartigen Gerichte verschiedener Bezirke zu verstehen. Hierfür kommt es auf die Verschie13

14 15 16 17 18 19

20

OLG Köln OLGR 2005, 29 = Rpfleger 2005, 30; OLG Frankfurt OLGR 2004, 400 = FGPrax 2004, 287. BayObLGZ 1995, 350 = NJW-RR 1995, 299 = Rpfleger 1995, 207. KG NJW 1955, 108. BayObLGZ 1956, 329. OLG München OLGZ 1965, 220. Bärmann/Pick vor § 43 Rn 10. Zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des SpruchG: OLG Frankfurt OLGR 2002, 310; BayObLG ZIP 2002, 669, 671. BayObLG FamRZ 2003, 315; aber nicht

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unbedingt auch § 36 Nr 3 ZPO: OLG Karlsruhe OLGR 2000, 238. KGJ 26 A 178. KGJ 28 A 243. Vgl KG JFG 14, 198 zu § 1723 BGB aF. OLG Köln FGPrax 2003, 82 = Rpfleger 2003, 368. Zur Rechtslage in Bezug auf Berlin und gegenüber den Gerichten und Behörden der DDR, vgl Voraufl, Rn 3. Kersting JZ 1960, 310; Keidel/Sternal § 5 Rn 41.

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§5

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

denheit der Gerichte an; das Verhältnis mehrerer Abteilungen, Kammern oder Senate desselben Gerichts betrifft nicht die örtliche Zuständigkeit, selbst wenn die Geschäfte nach örtlichen Gesichtspunkten verteilt sind. Anderes gilt jedoch für die nach § 93 Abs 1 GVG für örtlich abgegrenzte Teile des Landgerichtsbezirks gebildeten Kammern für Handelssachen, weil diese als besonderer Gerichtskörper anzusehen sind.27 Bei einem Streit über die örtliche Zuständigkeit zwischen einer solchen Kammer und den übrigen Kammern des Gerichts gilt § 5.28 Auch wenn der Anwendungsbereich des § 5 auf die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit beschränkt ist, ist er aufgrund seiner Zielsetzung umfassend und gilt daher auch bei einem Streit über die Abgabe des in einem fG-Verfahren ersuchten Richters an ein anderes Gericht nach § 2 iVm § 158 Abs 2 S 2 GVG.29 Zur Anwendbarkeit des § 5 kommt es weiter, wenn eines der beteiligten Gerichten nach § 4 zuständig sein muss.30 Auch ein Streit über die Bindung einer Abgabe durch das AG Schöneberg nach den §§ 36 Abs 2, 43b Abs 3, 65a Abs 1, 73 Abs 2 ist nach § 5 zu entscheiden.31 Dieser umfassende Anwendungsbereich führt auch zur Anwendung der Vorschrift auf einen Streit darüber, welche Aufgaben noch von dem abgebenden Gericht zu erledigen sind. Dies gilt etwa im Falle der Bestellung eines vorläufigen Betreuers für die Frage der Verpflichtung und Aushändigung des Betreuerausweises;32 oder in Registersachen im Falle der Sitzverlegung, wenn neben der Anmeldung der Sitzverlegung weitere Anmeldungen zu bearbeiten sind und die ordnungsgemäße Prüfung der Anmeldung durch das bisherige Sitzgericht33 oder die Frage in Streit steht, ob vor einer Abgabe zunächst ein Teil der Anmeldungen vollzogen werden muss.34 § 5 findet auch Anwendung, wenn darüber gestritten wird, welches Gericht nach einer Sitzverlegung eine Kostenerinnerung zu bearbeiten hat.35 Nicht nach § 5 zu entscheiden ist ein Streit oder eine Ungewissheit über die sachliche 6 Zuständigkeit, also darüber, ob das AG oder das LG als Gericht des ersten Rechtszuges zuständig oder ob das Vormundschaftsgericht oder das Nachlassgericht zu einer Verrichtung berufen ist.36 Dieser Streit ist entsprechend § 36 Absatz 1 Nr 6 ZPO zu klären (vgl Vorbem §§ 3–7 Rn 36, und im Einzelnen die Kommentierung zu § 1). Auch ein Streit zwischen der Zivilkammer und der Kammer für Handelssachen gehört nicht hierher,37 wohl aber ein Streit zwischen mehreren Landgerichten als Gerichten erster Instanz, aber auch als Beschwerdegerichten.38 Im Verfahren nach § 5 ist auch nicht über die funktionelle oder die internationale 7 Zuständigkeit zu entscheiden.39 Die örtliche Zuständigkeit entscheidet häufig aber auch über die Frage der internationalen Zuständigkeit (§§ 35b, 65, 73). Besteht keine Gerichtsstandsbestimmung im gesetzten Recht kann aber auch anders herum die örtliche 27

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32

Baumbach/Albers, § 93 GVG Rn 1; zur Befugnis zur Bildung dieser Kammern, vgl Zöller/Gummer § 93 GVG Rn 1; zur Verfassungskonformität: Schäfke ZRP 1983, 165, 168. RGZ 48, 27 Ebenso Keidel/Sternal § 2 Rn 43. OLG Köln FGPrax 1996, 226, 227; Keidel/ Sternal § 4 Rn 22. KG OLGZ 1979, 257; KG FGPrax 1995, 61; KG Rpfleger 1995, 254; fehlt die Auffangzuständigkeit tritt keine Bindung ein: BayObLGR 1993, 53 (LS). OLG Frankfurt OLGR 2004, 400.

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33

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OLG Köln OLGR 2005, 29; OLG Frankfurt OLGR 2002, 225 = Rpfleger 2002, 455 = NJW-RR 2002, 1395 mwN; OLG Hamm GmbHR 1996, 858 = NJW-RR 1997, 167, 168. OLG Frankfurt OLGR 2005, 361; KG NJW-RR 1997, 868 = Rpfleger 1997, 217. OLG Schleswig OLGR 2002, 228. BayObLGZ 1919, 389. KGJ 38A 3. KG JFG 20, 118. KG JR 1963, 144 (internationale Z); OLG Hamm JMBlNRW 1963, 109 (internationale Z).

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Bestimmung des zuständigen Gerichts

§5

Zuständigkeit aus der vorhandenen internationalen Zuständigkeit herzuleiten sein;40 dann ist diese bei der Entscheidung nach § 5 mit zu prüfen; bindend ist die Entscheidung aber nur in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit. Da es nur auf die Verschiedenheit der Gerichtsbehörden ankommt, kann auch der 8 Streit der Rechtspfleger mehrerer Gerichte im Verfahren nach § 5 ausgetragen werden.41 Es muss sich aber um eine übertragene Angelegenheit handeln oder, wenn es um ein Nebenverfahren geht, um ein Verfahren für das der Rechtspfleger in der Hauptsache zuständig ist.42 Das gemeinschaftliche Obergericht ist dabei unmittelbar nach § 5 Abs 1 FGG anzurufen.43 2. Streit Ein Streit im Sinne des § 5 liegt vor, wenn jedes von mehreren Gerichten entweder die 9 örtliche Zuständigkeit zur Erledigung der Angelegenheit für sich in Anspruch nimmt und die des anderen Gerichts verneint (positiver Kompetenzkonflikt)44 oder wenn ein Gericht nicht sich, sondern das andere Gericht entgegen dessen Auffassung für zuständig erachtet (negativer Kompetenzkonflikt);45 aus der Notwendigkeit eines Streites ergibt sich weiter, dass wenigstens eines der Gerichte seine Entscheidung in Kenntnis der Entscheidung des anderen und im bewussten Gegensatz dazu erlassen hat.46 Ein positiver Kompetenzkonflikt kann sich auch erst daraus ergeben, dass von den Gerichten A und B, die übereinstimmend das Gericht A für zuständig halten, das Gericht B im Wege der Beschwerde gegen die Abgabe vom LG für zuständig erachtet wird.47 Ein negativer Kompetenzkonflikt liegt nicht vor, wenn das Gericht A das Gericht B, dieses aber weder sich selbst noch das Gericht A, sondern das Gericht C für zuständig hält; in diesem Fall muss erst das Gericht C angegangen werden; erst wenn dieses nicht sich selbst, sondern das Gericht A oder B für zuständig hält, ist ein Zuständigkeitsstreit gegeben.48 Die Stellungnahme des Gerichts muss abschließend sein; bloße rechtliche Zweifel des angegangenen Gerichts genügen nicht.49 Kein Streit und ein nicht über § 5 zu entscheidender Fall liegt daher vor, wenn das abgebende Gerichts sich für zuständig hält, aber der Auffassung ist, das anderer Gericht solle das Verfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen übernehmen, wie dies etwa in § 46 Abs 2 FGG vorgesehen ist.50 Der Streit muss sich auf eine bereits anhängige, nicht erst künftig möglicherweise ent- 10 stehende Angelegenheit 51 und auf dieselbe Sache iS des § 4 beziehen, vgl dazu § 4 Rn 6. Der Antrag auf Bewilligung von PKH führt allerdings schon zur Anhängigkeit eines Verfahrens. Besteht die Meinungsverschiedenheit nur zwischen einem Gericht und einem Beteiligten, so ist sie nicht nach § 5, sondern mit der Sachbeschwerde auszutragen.52

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KG FamRZ 1961, 477= StAZ 1961, 139; KG JR 1963, 144. KG JFG 1, 43; 3, 41; KG Rpfleger 1968, 225; OLG Hamm Rpfleger 1958, 275; OLG Köln Rpfleger 1958, 279 = JMBlNRW 1959, 19; Stöber Rpfleger 1967,129; KG OLGZ 1968, 472 = Rpfleger 1968, 225. BayObLG NJW-RR 2002, 1118 = Rpfleger 2002, 485. BayObLG Rpfleger 2002, 485; OLG Köln Rpfleger 1973, 402. KG MDR 1992, 406. BayObLG FamRZ 2000, 638.

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KGJ 32 A 4. OLG Karlsruhe OLGZ 1966, 240. OLG Oldenburg NdSRPfl 1963, 155= Rpfleger 1963, 297. OLG Hamm RdL 1957, 267. OLG Zweibrücken OLGR 2001, 20; OLG Köln OLGR 1993, 150 (LS); Keidel/Engelhardt § 46 Rn 38. BayOLGZ 1950, 171. Keidel/Sternal § 5 Rn 10; BayObLGZ 1998, 109 = FGPrax 1998, 145 = Rpfleger 1998, 427.

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§5

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Einigen sich die Gerichte nach anfänglichem Streit, so wird dadurch allerdings eine in Wirklichkeit nicht bestehende Zuständigkeit nicht begründet. Bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit wird ein Streit der Gerichte und die Anrufung des Obergerichts durch eine Einigung der Beteiligten über die Zuständigkeit eines von ihnen nicht ausgeschlossen, soweit nicht ausnahmsweise Zuständigkeitsvereinbarungen statthaft sind (§ 4 Rn 9, Vorbem §§ 3–7 Rn 31). 3. Ungewissheit

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Ungewissheit ist die objektive, durch Ermittlungen nicht zu beseitigende Unsicherheit der für die rechtliche Beurteilung der Zuständigkeit maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse. Subjektive Zweifel eines Beteiligten oder rechtliche Zweifel bei feststehendem oder noch aufklärbarem Sachverhalt begründen keine Ungewissheit.53 Insoweit kommt eine Unsicherheit über die örtlichen Grenzen des Gerichtsbezirks oder das Bestehen unaufklärbarer Zweifel darüber, in welchem Gerichtsbezirk der die örtliche Zuständigkeit begründende Ort liegt, in Betracht. Das kann zB der Fall sein, wenn von einem Verschollenen nur feststeht, dass er seinen letzten inländischen Wohnsitz in Berlin gehabt hat, aber nicht ermittelt werden kann, in welchem der mehreren Berliner AG-Bezirke seine Wohnung lag.54 Nicht vorausgesetzt wird, dass zuvor ein anderes Gericht seine Zuständigkeit abgelehnt hat.55 4. Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts

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Bei Streit oder Ungewissheit wird das zuständige Gericht von dem gemeinschaftlichen oberen Gericht der streitenden Gerichte bestimmt. Das ist bei einem Streit mehrerer AGe desselben LGbezirks das LG, bei mehreren AG im Bezirk verschiedener LGe oder mehrerer erstinstanzlich zuständiger LGe desselben OLG-Bezirks dieses OLG, bei AG oder LG im Bezirk verschiedener OLGe anstelle des BGH das OLG, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Wegen kriegsbedingter Sonderregelungen, vgl Voraufl Rn 8. In Bayern tritt jedoch an die Stelle dieses bayerischen OLG seit dem 1.1.2005 das OLG München (früher BayObLG), wie sich unmittelbar aus § 199 Abs 2 S 2 FGG ergibt56 und zwar auch dann, wenn das zuerst mit der Sache befasste Gericht ein bayerisches ist, dass andere aber einem anderen deutschen Land angehört; das OLG München (früher: BayObLG) ist dabei auch zur Entscheidung berufen, wenn die streitenden Gerichte dem Bezirk desselben bayerischen OLG angehören.57 Im Lande RheinlandPfalz, in dem die OLGe Zweibrücken und Koblenz bestehen, ist die entsprechende Zuständigkeit für das OLG Zweibrücken begründet worden durch § 3 Gesetz vom 15.6. 1949 (GVBl I S 225).58 Bei Streit oder Ungewissheit darüber, welches von mehreren Gerichten örtlich zuständig ist, ist das OLG München (früher BayObLG) auch dann zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, wenn die Gerichte in zwei verschiedenen bayerischen OLG Bezirken liegen, oder eines der Gerichte in Bayern, das andere außerhalb Bayerns liegt und das bayerische Gericht zuerst mit der Sache befasst war oder ein zuständiges Gericht in einem Einzelfall an der Ausübung des Richteramts rechtlich oder

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KGJ 20 A 122= OLGR 1, 137. Jastrow ZZP 34, 447; Josef § 5 Anm 1; Keidel/Sternal § 5 Rn 22. OLG Hamm JMBlNRW 1959, 163. BayObLGZ 2004, 368; BayObLGZ 1989, 1; 1957, 1 = NJW 1957, 754; das BayObLG

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57 58

bleibt nach Art 55 Abs 6 AGGVG für die bis zum 31.12.2004 eingegangenen Sachen bis zum 30.6.2006 zuständig. BayObLGZ 1989, 1= Rpfleger 1989, 195; aA Voraufl, Rn 8. OLG Neustadt MDR 1952, 627.

Peter-Hendrik Müther

Bestimmung des zuständigen Gerichts

§5

tatsächlich verhindert ist.59 Die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts obliegt in den Fällen, in denen der BGH das gemeinschaftliche Obergericht ist, demjenigen OLG, zu dessen Bezirk das überhaupt zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.60 Streiten ein Familiengericht und ein Gericht der allgemeinen freiwilligen Gerichtsbarkeit (nur) über die örtliche Zuständigkeit für eine nach Meinung beider vormundschaftsgerichtliche Maßnahme, so ist nicht der BGH zuständig für die Bestimmung des zuständigen Gerichts, sondern das nach § 5 FGG berufene OLG. Eine Zuständigkeit des BGH nach § 36 Nr 6 ZPO besteht bei einem Streit dieser Gerichte nur, wenn er die Frage betrifft, ob das Verfahren in die familiengerichtliche oder in die vormundschaftsgerichtliche Zuständigkeit fällt.61 Hängt die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts davon ab, ob der Erblasser einen früheren Wohnsitz rechtswirksam aufgegeben hat, steht aber nicht fest, ob er damals unbeschränkt geschäftsfähig war, so ist für das Verfahren der Bestimmung des zuständigen Gerichts seine Geschäftsfähigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt zu unterstellen.62 Die zur Entlastung des Reichsgerichts durch Gesetz vom 22.5.1910 (RGBl S 767) ein- 13 geführte Regelung des § 5 Abs 1 S 1 passt nicht, wenn der Zuständigkeitsstreit zwischen mehreren als Gericht erster Instanz zuständigen Oberlandesgerichten (vgl Vorbem §§ 3–7 Rn 21 ff) besteht. In diesem Fall wird der Zuständigkeitsstreit entsprechend § 5 vom BGH zu entscheiden sein (vgl § 29 EGGVG), bei Beteiligung nur bayerischer Oberlandesgerichte vom OLG München (früher: BayObLG). In Fideikommiss- und Stiftungssachen entscheidet bei Streit oder Ungewissheit über die örtliche Zuständigkeit eines OLG (Fideikommisssenats) oder Fideikommissgerichts der BGH, bei Beteiligung nur bayerischer OLGe das OLG München (früher: BayObLG) als Oberstes Fideikommissgericht, (§ 3 G v 28.12.1950 – BGBl I S 820). Das OLG München (früher: BayObLG) ist in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 5 FGG und zur Entscheidung eines Abgabestreits nach § 46 FGG in allen Fällen zuständig, in denen die beteiligten Amtsgerichte in verschiedenen Landgerichtsbezirken, wenn auch im selben Oberlandesgerichtsbezirk liegen.63 Die Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts richtet sich auch dann nach § 5, nicht 14 nach § 46, wenn der Streit darum geht, ob die örtliche Zuständigkeit durch eine Abgabe des AG Schöneberg nach §§ 36 Absatz 2, 39 Abs 2, 43 Absatz 1, 43b Abs 3 und 4, 44a Abs 1 S 3, 65a Abs 1 S 1, 70 Abs 2 S 2, 73 Abs 2, § 7 Abs 1 S 2 ZustErgG auf das andere Gericht übergegangen ist.64 Für einen negativen Kompetenzkonflikt der nach § 5 zuständigen Oberlandesgerichte 15 hat das Gesetz keine Vorsorge getroffen; eine Vorlegung an den BGH kommt nicht in Betracht. Hat bei einem Streit zweier zum Bezirk verschiedene Oberlandesgerichte gehörender Gerichte das nach § 5 zuständige OLG sich fälschlich für unzuständig erklärt, so ist das dem anderen Gericht vorgeordnete OLG zur Entscheidung verpflichtet.65 Das OLG München (früher: BayObLG) ist nicht zuständig für einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen einem Prozessgericht und einem Landwirtschaftsgericht, wenn diese Gerichte zum selben OLG-Bezirk gehören. Zuständig ist in diesem Fall das übergeordnete OLG.66

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BayObLG Rpfleger 1982, 264 nach Goerke. KG Rpfleger 1972, 173. BGH Rpfleger 1990, 511. BayObLG Rpfleger 1990, 73. BayObLGZ 1989, 1 = Rpfleger 1989, 195.

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KG JFG 14, 200; BayObLGZ 1951, 408; 1954, 161. KG 1AR 9/53; BayObLGZ 1958, 210 = FamRZ 1958, 387; 1968, 89. BayObLG BayJMBl 1986, 43.

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§5 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Bestimmungsgericht anstelle des BGH, wenn also dieser gemeinschaftliches oberes Gericht wäre, ist das OLG, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Befasst mit der Sache ist das Gericht im Amtsverfahren, sobald es amtlich von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die Anlass zum Einschreiten bieten;67 im Antragsverfahren, sobald der Antrag mit dem Ziel der Erledigung durch dieses Gericht bei ihm eingeht, nicht erst mit dem Tätigwerden.68 Mit einer Nachlasssache ist das Gericht daher noch nicht befasst, wenn es als Beurkundungsgericht die Erbscheinsverhandlung zur Weitergabe an ein anderes Gericht aufnimmt,69 oder wenn es als Verwahrungsgericht nach § 2261 BGB ein bei ihm abgeliefertes Testament eröffnet.70 Ob ein Gericht dabei lediglich als Beurkundungsgericht oder als Verwahrungsgericht in Anspruch genommen und tätig geworden ist, ist aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, insbesondere aufgrund der abgegebenen Erklärungen zu ermitteln.71 War noch kein Gericht mit der Sache befasst oder sind zwei Gerichte gleichzeitig befasst worden, so ist entsprechend § 4 das OLG zuständig, das zuerst im Verfahren nach § 5 tätig geworden ist.72 Andererseits ist § 5 auch noch anwendbar, wenn das zuerst angegangene Gericht sich anfangs irrig für örtlich zuständig gehalten hat und in der Sache tätig geworden ist.73 Dasjenige OLG, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht A gehört, bleibt auch zuständig, wenn der Streit nur noch zwischen den (anderen OLG-Bezirken angehörenden) Gerichten B und C besteht, diese also sich darüber einig sind, dass A nicht zuständig ist; die mögliche Folge, dass das OLG einen Streit zwischen zwei Gerichten entscheidet, die nicht zu seinem Bezirk gehören, widerstreitet nicht dem Sinn des Gesetzes, weil das OLG an der Stelle des BGH steht.

IV. Zuständigkeitsbestimmung bei Verhinderung des zuständigen Gerichts an der Ausübung des Richteramts 1. Die Verhinderung

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Die Verhinderung muss ein örtlich und sachlich zuständiges Gericht betreffen; die Zuständigkeit ist daher als Voraussetzung der Bestimmung zu prüfen.74 Wird sie verneint, ist die Bestimmung abzulehnen. Dass daneben auch ein anderes Gericht zuständig ist, ist unschädlich. Vorausgesetzt wird die Verhinderung des Gerichts, nicht nur eines einzelnen Richters. Ein AG ist verhindert, wenn sämtliche Amtsrichter und ihre Vertreter verhindert sind, ein Kollegialgericht, wenn so viele Mitglieder verhindert sind, dass auch unter Hinzuziehung der Vertreter das Gericht nicht mehr beschlussfähig ist. Die Verhinderung muss einen einzelnen Fall oder eine Gruppe von Einzelfällen betreffen. Den Gegensatz dazu bildet ein Stillstand der Rechtspflege wegen Krieges, Überschwemmung oder ähnlicher Ereignisse (vgl § 245 ZPO). Tatsächliche Verhinderung liegt vor, wenn die

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KG OLGR 44, 77; BayObLG JFG 8, 68; BayObLGZ 1950, 174; OLG Karlsruhe NJW 1955, 1885. KG MDR 1957, 366. KG MDR 1957, 366; KG Rpfleger 1968, 227; OLG Oldenburg, NdsRPfl 1954, 129; OLG Schleswig SchlHA 1958, 334; OLG Hamm JMBlNRW 1959, 175; Keidel Rpfleger 1958, 380. OLG Oldenburg aaO.

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KG OLGZ 1994, 563 = Rpfleger 1994, 465; OLG Hamm JMBl NRW 1959, 175. OLG Hamm JMBlNRW 1960, 204; die Zuständigkeit der Justizverwaltung, wie Schlegelberger (§ 5 Anm 4, 5) meint, kommt keinesfalls in Betracht. BayObLGZ 1957, 47; OLG Hamm JZ 1997, 511= JMBlNRW 1957, 116; OLG Frankfurt Rpfleger 1958, 314 m Anm von Keidel. RGZ 44, 394.

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Bestimmung des zuständigen Gerichts

§5

Amtsausübung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, zB wegen Erkrankung, Tod, Absperrung. Rechtliche Verhinderung kann beruhen auf der Ausschließung vom Richteramt, auf erfolgreicher Ablehnung, soweit diese zulässig ist (vgl § 6 Rn 25), oder auf Enthaltung von der Amtsausübung wegen Befangenheit nach § 6 Abs 2; ebenso wenn die Richter als Zeugen vernommen werden sollen.75 Auf die Verhinderung aller Rechtspfleger des AGs ist die Vorschrift nicht anwendbar, weil der Rechtspfleger kein Richteramt ausübt; vielmehr tritt dann der Amtrichter ein (vgl § 7 Abs 1 RPflG).76 Die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts bestimmt sich für einen Erblasser, dessen letzter Wohnsitz in einem Gebiet liegt, in dem eine deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird (§ 1 ZustErgG), auch dann nach § 7 Abs 1 ZustErgG, wenn der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen Aufenthalt im Bezirk eines Gerichts der Bundesrepublik hatte. Eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs 1 S 2 wird vom BGH zugelassen, wenn es 18 im Inland an einem zuständigen Gericht fehlt, zB wenn die Anteilsrechte an einer AG mit dem Sitz im Ausland dort enteignet worden sind und die Verhältnisse der im Inland etwa fortbestehenden abgespaltenen Gesellschaft geordnet werden sollen;77 jedoch kann nur ein nach geltendem inländischen Recht sachlich zuständiges Gericht bestimmt werden.78 Im übrigen sind Zulässigkeit und Aussichten des beabsichtigten Verfahrens bei der Gerichtsstandsbestimmung nicht zu prüfen. Die Gerichtsstandsbestimmung kann in besonderen Fällen unterbleiben, wenn das Rechtsschutzinteresse an der Bestimmung fehlt, nicht aber, wenn das Rechtsschutzinteresse an dem Verfahren und vor dem zu bestimmenden Gericht fehlt.79 2. Zuständigkeit des Bestimmungsgerichts Zuständig ist das dem verhinderten Gericht im Instanzenzug vorgeordnete Gericht. 19 Das ist bei einer Verhinderung eines AG das LG, bei Verhinderung eines LG das OLG, bei Verhinderung eines OLG der BGH. In Bayern ist jedoch nach § 199 Abs 2 S 2 Halbs 1 das OLG München (früher: BayObLG) zuständig, wenn das im Instanzenzug vorgeordnete Gericht ein OLG oder der BGH wäre, in Rheinland-Pfalz das OLG Zweibrücken (vgl Vorbem zu § 199) anstelle des OLG Koblenz, nicht aber anstelle des BGH, wenn dort eine Verhinderung vorliegt. Im Verfahren nach § 5 FGG ist das Bestimmungsgericht als Tatsachengericht tätig.80

V. Verfahren des Bestimmungsgerichts 1. Einleitung des Verfahrens Die Einleitung des Verfahrens vor dem oberen Gericht geschieht: 20 Auf Vorlegung eines der streitenden Gerichte oder des verhinderten Gerichts. Vor einer Vorlage ist den Beteiligten notwendiger Weise rechtliches Gehör zu gewähren.81 Hierzu sind die Gerichte, insbesondere bei Verfahren mit Amtsbetrieb und bei negativem Kompetenzkonflikt, verpflichtet, sie dürfen den Vorgang nicht etwa unerledigt weglegen;82

75 76 77 78

AM Keidel/Sternal § 5 Rn 34. BGHZ 19, 102. BGHZ 9, 270 = NJW 1953, 943; 19, 102 = NJW 1956, 183. RGZ 125, 310; BGHZ 19, 102 = NJW 1956, 183.

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AM BGHZ 19, 108 = NJW 1956, 183; BGH WM 1963, 81; wie hier Schlegelberger Nachtr § 5 Anm 4. BayObLG JZ 1979, 216. OLG Zweibrücken OLGR 2001, 44 (LS). KGJ 47, 55, 58; 32 A 4.

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§5

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

auf Anrufung eines am Verfahren Beteiligten;83 es ist nicht erforderlich, dass die Beteiligten die Zuständigkeitsfrage zunächst mit der Sachbeschwerde im Beschwerdewege austragen;84 allerdings ist erforderlich, dass die Zuständigkeit nicht nur zwischen dem Beteiligten und dem Gericht, sondern zwischen mehreren Gerichten streitig ist (Rn 10); fehlt es an einem Streit der Gerichte, so ist bereits die Abgabeverfügung oder die Übernahmeverfügung eine nach § 19 anfechtbare Verfügung; von Amts wegen, wenn das obere Gericht von dem Vorliegen eines Zuständigkeits22 streits oder der Verhinderung eines Gerichts Kenntnis erlangt, zB durch eine ihm vorliegende Sachbeschwerde oder auf Anzeige einer interessierten Behörde oder eines Notars.85

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2. Ermittlungen

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Das obere Gericht wird als Tatsachengericht tätig. Es ist daher befugt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, soweit die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit oder die Feststellung der Verhinderung von den tatsächlichen Verhältnissen abhängt (§ 12). Die Ermittlungen erfolgen in der Regel durch formlose Feststellungen im Wege des Freibeweises. Grundsätzlich ist es jedoch Aufgabe des zuerst mit der Sache befassten Gerichts, vor der Anrufung des oberen Gerichts eine etwa bestehende Ungewissheit durch Ermittlungen zu beheben oder die tatsächlichen Verhältnisse aufzuklären, die für die örtliche Zuständigkeit, zB den Wohnsitz, maßgebend sind.86 Fehlt es hieran, so ist das Obergericht nach seinem Ermessen befugt, die Sache zur Nachholung der Ermittlungen an das zuerst mit der Sache befasste untere Gericht zurückzugeben und die Bestimmung vorerst abzulehnen. Vor der Anrufung des Obergerichts zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit muss das zuerst mit der Sache befasste Gericht die tatsächlichen Verhältnisse aufklären, die für die örtliche Zuständigkeit maßgebend sind.87 3. Die Entscheidung

24

Die Entscheidung trifft das Obergericht in erster Linie unter rechtlichen Gesichtspunkten, indem es die gesetzlichen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit auf den festgestellten Sachverhalt anwendet.88 Ergibt sich hierbei die Zuständigkeit beider streitender Gerichte, so ist zu prüfen, welches durch seinen Vorgriff die Zuständigkeit des anderen nach § 4 ausgeschlossen hat. Ist noch keines der beiden zuständigen Gerichte in der Sache tätig geworden oder ist das gleichzeitig geschehen oder lässt sich die Reihenfolge ihres Tätigwerdens nicht feststellen, so ist eines der beiden Gerichte nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu bestimmen;89 zweckmäßig ist es in der Regel, dass das zuerst angegangene als zuständiges Gericht bestimmt wird, wenn nicht besondere Gründe dafür vorliegen, dass das andere Gericht die Bearbeitung übernimmt.90 Zweckmäßigkeitsgründe sind auch maßgebend bei unaufklärbarer Ungewissheit (Rn 11); zweckmäßig wird das Gericht bestimmt, dessen Zuständigkeit die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat; es 83 84

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KGJ 32 A 3. KGJ 32 A 3 unter Aufgabe von KGJ 20 A 121 = OLGR 1, 137; OLG Colmar OLGR 17, 359; Schlegelberger § 5 Anm 3; Keidel/Sternal § 5 Rn 13. OLG Karlsruhe OLGR 3, 36; BayObLGZ 5, 142; KGJ 32 A 3 und 6; 47, 55, 60; BayObLG JW 1920, 788. KGJ 42 A 32; KG Rpfleger 1959, 54; BayObLGZ 20, 147; 20, 298; 1952, 1;

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BayObLG FamRZ 1996, 1157 (LS); OLG Frankfurt Rpfleger 1998, 26 = NJW-RR 1998, 367. BayObLG Rpfleger 1985, 485. Baur § 7 III 4c; Keidel/Sternal § 5 Rn 19. BayObLGZ 1958, 159; 1968, 4; KG OLGZ unter 68, 345; OLG Schleswig SchlHA 1959, 196; OLG Hamm JMBlNRW 1959, 163. OLG Karlsruhe Rpfleger 1962, 2 176; Pikart-Henn S 41; KG OLGZ 1968, 345, 348.

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Bestimmung des zuständigen Gerichts

§5

muss allerdings dem bestimmenden Gericht nachgeordnet sein, sofern nicht das anstelle des BGH tretende OLG entscheidet (Rn 12). Im Verfahren der Beratungshilfe ist es zweckmäßig, das zuerst mit der Sache befasste Gericht als zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn im Bezirk dieses Gerichts entweder der Antragsteller wohnt oder der hinzugezogene Rechtsanwalt seine Kanzlei unterhält.91 Auch ein drittes, bisher an dem Streit nicht beteiligtes Gericht kann bestimmt werden, wenn die Prüfung dessen Zuständigkeit ergibt; zweckmäßig wird es vorher gehört. Das Verfahren nach § 5 Abs 1 S 1 kann auf ein vorsorglich gestelltes Übernahmeverlangen des vorlegenden Gerichts mit einem Verfahren nach § 46 verbunden werden, wenn das Obergericht auch hierfür zuständig ist und die Erfordernisse des § 46 Abs 1 S 1 Halbs 2, Abs 2, 3 erfüllt sind.92 Eine Entscheidung im Zuständigkeitsstreit entfällt, wenn das Verfahren formell rechtskräftig abgeschlossen ist,93 oder der Streit, zB durch eine auf Sachbeschwerde ergangene Beschwerdeentscheidung, sich erledigt hat. Andererseits wird das Verfahren nach § 5 durch eine Beschwerdeentscheidung nicht berührt, wenn sie den Streit nicht behoben oder gar erst begründet hat; das obere Gericht darf ein anderes Gericht bestimmen, als es das Beschwerdegericht als zuständig angenommen hat.94 Für eine Zuständigkeitsbestimmung ist kein Raum, wenn das vor dem zu bestimmenden Gericht zu verfolgende Begehren im Gesetz offensichtlich keine Grundlage findet.95 Bei Verhinderung des zuständigen Gerichts (Abs 1 S 2) wählt das Gericht aus dem Kreis der ihm nachgeordneten Gerichte das Gericht gleichen Grades aus, dessen Bestimmung nach Lage des Falles den Interessen der Beteiligten am besten entspricht. Eine Pflicht zur Vorlage an den BGH nach § 28 Abs 2 besteht nicht.96 Denn das Bestimmungsgericht wird nicht aufgrund einer Rechtsbeschwerde tätig, wie dies in § 28 Abs 2 FGG vorausgesetzt wird. Einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift steht der ausdrückliche Ausschluss einer Zuständigkeit des BGH und der in der Verfahrensökonomie und der Beschleunigung liegende Zweck der Vorschrift entgegen.

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26

27 28

VI. Wirksamwerden Der Beschluss über die Zuständigkeitsbestimmung wird nach § 16 Abs 1 mit der Be- 29 kanntmachung an das bestimmte Gericht wirksam. Einer nachrichtliche Bekanntmachung an das andere Gericht und an die Beteiligten, soweit sie in dem Verfahren bereits hervorgetreten sind, ist angebracht.97

VII. Wirkung der Bestimmung98 Die Wirkung der Bestimmung besteht darin, dass das bestimmte Gericht zuständig ist 30 und, wenn es bisher mit der Sache nicht befasst war, die Sache in der Lage zu übernehmen und fortzuführen hat, in der sie sich befindet. Die Verfügungen des bisher tätig ge91 92 93 94 95 96

BayObLG BayJMBl 1983, 219. BayObLGZ 1961, 317. OLG Hamm JMBlNRW 1959, 163; Keidel/ Sternal § 5 Rn 36. OLG Karlsruhe OLGZ 1966, 240. BGH LM § 5 FGG Nr 2, 4. Vgl OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 69; OLG Köln OLG-Report 2003, 150;

97 98

JMBlNRW 1957, 15; Keidel Rpfleger 1958, 380. Streitig, abweichend: Schlegelberger § 5 Anm 7, Keidel/Sternal § 5 Rn 35. Schrifttum: Schmidt-Bardeleben Rechtszug nach einem Gerichtswechsel in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1910.

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§5

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

wordenen Gerichts, die nach § 7 wirksam bleiben, gelten als solche des nunmehr zuständigen Gerichts; sie können nach § 18 nur von diesem, nicht mehr von dem bisherigen Gericht geändert werden.99 Auch die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen die Verfügungen des bisherigen Gerichts geht auf das dem neuen Gericht vorgeordnete LG (OLG) über, mag auch der Übergang erst nach Einlegung des Rechtsmittels eingetreten sein.100 Die Beschwerde kann sowohl bei dem bisherigen als auch bei dem jetzt zuständigen Gericht oder den ihnen vorgeordneten LGen eingelegt werden.101

VIII. Unanfechtbarkeit, Bindung, Änderung 31

Die Zuständigkeitsbestimmung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, auch wenn ein LG den Beschluss erlassen hat (Abs 2). Sie ist für die Verfahrensbeteiligten sowie die streitenden und dritte Gerichte bindend.102 Das bestimmende Gericht kann sie jedoch von Amts wegen oder auf Gegenvorstellung ändern, wofür eine Veränderung der Sachlage nicht vorausgesetzt wird. Auch wenn das zuständige Gericht wegen Ungewissheit (Rn 11) bestimmt worden ist und nachträglich Gewissheit eintritt, entfällt die Bestimmung nur Grund einer Änderung nach § 18. Die Ablehnung der Bestimmung ist ebenfalls unanfechtbar, aber nicht bindend, soweit dabei die Unzuständigkeit der streitenden Gerichte ausgesprochen wird.103

IX. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht 32

§ 5 gilt für nichtgerichtliche Behörden entsprechend (§ 194 Abs 1). Nach § 194 Abs 2 kann aber durch Landesgesetz die Zuständigkeit eines Amtsgerichts als Gericht nach § 5 bestimmt werden, wenn mehrere Behörden iSd § 194 in dessen Bezirk liegen. Wegen Anwendung des § 5 auf Angelegenheiten des Landesrechts, vgl § 1 BremAG33 FGG, § 5 BaWüLFGG. In den ehemals preußischen Gebieten außer Hessen und Niedersachsen gilt die Vorschrift nicht, vgl Art 1 PrFGG.

X. Gebühr 34

Die Erhebung von Gerichtskosten ist nicht vorgesehen und scheidet daher aus, § 1 KostO. Auch für einen in einem Bestimmungsverfahren tätigen Rechtsanwalt entstehen keine besonderen Gebühren, weil das Bestimmungsverfahren zum Rechtszug des Hauptsacheverfahrens gehört, § 19 Abs 1 S 2 Nr 3 RVG, und mit der dafür vorgesehenen Vergütung abgegolten ist, § 15 Abs 1 und 2 RVG.

99 100 101

KG RJA 6,11; Schlegelberger § 5 Anm 8. KGJ 43, 30; JFG 3, 94; Keidel/Sternal § 5 Rn 26. KG JFG 3, 94; BayObLG JFG 6, 40; Baur § 7 III 4d; Keidel/Sternal § 5 Rn 26; aM

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102 103

Schlegelberger § 5 Anm 8; Pikart-Henn S 158 (nur bei dem neuen Gericht). BayObLGZ 1955, 132; Keidel/Sternal § 5 Rn 55; Schlegelberger § 5 Anm 7. KG FamRZ 1958, 426 = EJF B II Nr 22.

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Ausschließung des Richters

§6

XI. Reformvorhaben Nach dem Referentenentwurf 2005 zum Reform-FGG bleibt eine dem § 5 entspre- 35 chende Regelung sogar unter der gleichen Ziffer erhalten. Die Vorschrift wird aber detaillierter gefasst und ist dem § 36 ZPO stark angeglichen. Die Vorschrift ist danach nicht mehr auf die örtliche Zuständigkeit beschränkt, sondern erfasst auch Streitigkeiten über die sachliche Zuständigkeit104 und wohl auch über die funktionelle Zuständigkeit.105

§6 Ausschließung des Richters (1) Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. In Sachen, in denen er selbst beteiligt ist oder in denen er zu einem Beteiligen in dem Verhältnis eines Mitberechtigten oder Mitverpflichteten steht; 2. in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 2a. in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; 3. in Sachen einer Person, mit dem er in gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist oder war; 4. in Sachen, in denen er als Vertreter eines Beteiligten bestellt oder als gesetzlicher Vertreter eines solchen aufzutreten berechtigt ist. (2) Ein Richter kann sich der Ausübung seines Amtes wegen Befangenheit enthalten. Die Fassung des Abs 1 Nr 2 beruht auf dem Gesetz vom 11.7.1922 (RGBl I S 573), Abs 1 Nr 2a wurde eingefügt durch Art 3 § 19 G v 16.2.2001 (BGBl I S 266). Abs 1 Nr 3 wurde geändert durch G v 2.7.1976 (BGBl I S 1749). Abs 2 S 2(„Die Ablehnung eines Richters ist ausgeschlossen“) ist durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8.2.1967 (BVerfGE 21, 139, BGBl I S 502) für nichtig erklärt worden. Literatur: Habscheid Die Zivilrechtspflege im Spannungsfeld verfassungsrechtlicher Grundsätze, JR 1958, 361; ders Ausschluss und Ablehnung des Richters und des Rechtspflegers in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1964, 200; ders Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 19.4.1963, IV AR /VZ) 8/63 (FamRZ 1963, 556), FamRZ 1964, 83; Hanack Anmerkung zu BGH, Urteil vom 9.9.1966, 4 StR 261/66 (NJW 1967, 62), NJW 1967, 580; Kollhosser Zur Stellung und zum Begriff der Verfahrensbeteiligung im Erkenntnisverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1970; Müther Handelsrecht, 2005; Nothdurft Der Begriff des Beteiligten in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1925; Riedel Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980; Schneider Die Befangenheitsablehnung im Zivilprozess, 2. Aufl, 2001; Teplitzky Anmerkung zu OLG Hamm, Beschluss vom 27.6.1967, 9 U 206/66 (NJW 1967, 2318), NJW 1967, 2318; Vollkommer Der ablehnbare Richter, 2001; Zimmermann Behörden als Beteiligte in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1958, 209.

104 105

Vgl BGHZ 104, 363 = NJW 1988, 2739. Vgl BGH NJW 1994, 2956 = FamRZ 1994, 1097.

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§6

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . II. Der Anwendungsbereich . . . . . . . . 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . III. Die Ausschließung . . . . . . . . . . . 1. Der Beteiligtenbegriff . . . . . . . . a) Die Art der Beteiligung . . . . . . b) Behörden als Beteiligte . . . . . . 2. Die Ausschließungsgründe nach § 6 Abs 1 . . . . . . . . . . . . . . a) Die Beteiligung des Richters . . . b) Die Mitberechtigung des Richters c) Beteiligung des Ehegatten/Lebenspartners . . . . . . . . . . . . . d) Verwandtschaft oder Schwägerschaft . . . . . . . . . . . . . . e) Vertretungsbefugnis für einen Beteiligten . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Ausschließungsgründe . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . IV. Die Befangenheit . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff . . . . . . . . . . . . . 2. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . a) Mittelbare Beteiligung . . . . . .

Rdn

. . . . . . . .

1 2 2 3 4 5 5 7

. . .

8 9 10

.

11

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12

VI.

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13 14 17 18 18 19 20

VII.

V.

VIII.

b) Verhältnis zu einem Beteiligten/ Verfahrensbevollmächtigten . . c) Interessenwahrnehmung/ Vorbefassung . . . . . . . . . . . d) Verhalten des Richters . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . Das Ablehnungsverfahren . . . . . . . 1. Die Grundlagen . . . . . . . . . . . 2. Die Zulässigkeit der Ablehnung . . . a) Das Ablehnungsgesuch . . . . . . b) Der Verlust des Ablehnungsrechts 3. Die Begründetheit der Ablehnung . . 4. Die Entscheidung . . . . . . . . . . 5. Das Rechtsmittel . . . . . . . . . . 6. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensrügen im Verfahren zur Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . Ausschließung und Ablehnung anderer Personen . . . . . . . . . . . . 1. Der Rechtspfleger . . . . . . . . . . 2. Der Notar . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Urkundsbeamte/Dolmetscher/ Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

21 22 23 24 25 25 26 27 28 29 32 33 34 35 35 36 37 38

I. Allgemeines 1

Der Ausschluss der Einflussnahme Dritter auf den Ablauf oder den Ausgang eines Verfahrens ist ein rechtsstaatliches Grundanliegen an gerichtliche Verfahren. Nur unter diesen Voraussetzungen kann eine gerichtliche Entscheidung von den Betroffenen akzeptiert werden. Der Ausschluss der Einflussnahme wird dabei zum einen durch die Unabhängigkeit der Entscheidungsträger – der Richter – und zum anderen durch die Festlegung des sog gesetzlichen Richters vor Verfahrensbeginn erreicht. Diese beiden Grundsätze haben Verfassungsrang (Art 97 und 101 Abs 1 S 2 GG) und finden sich auch in Art 6 Abs 1 EMRK. Sie gelten auch, soweit das jeweilige Verfahren der fG nicht als Rechtsprechung im materiellen Sinne anzusehen ist.1 Unter Beachtung dieser Voraussetzungen ist es gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass der zur Entscheidung berufene Richter der Sache oder den Beteiligten so gegenüber steht, dass eine objektive Behandlung der Sache nicht gewährleistet ist. Zur Regelung dieser Frage dienen die Vorschriften über die Ausschließung und die Befangenheit der Richter. Dieser Bereich hat nach heutigem Verständnis im FGG nur eine erstaunlich unvollständige Regelung erfahren. Der historische Gesetzgeber hielt eine Beschränkung der Ausschließungsgründe für erforderlich und das Recht der Beteiligten auf Ablehnung für entbehrlich.2 Im Vergleich zu den als Standard anzusehenden Vorschriften der ZPO (§§ 41 bis 49) findet sich im FGG nur die Regelung des § 6 FGG, die sich allein mit der Ausschließung befasst. Der Umfang der geregelten Sachverhalte weicht von der des § 41 ZPO ab. So wird der Fall der Einbeziehung des Richters als Beweismittel (§ 41 Nr 5 ZPO) und der Vorbefassung (§ 41 Nr 6 ZPO) in § 6 FGG nicht als Ausschlussgrund angesehen. Die in Abs 2 S 2 enthaltene Regelung nach

1

Keidel/Schmidt § 1 Rn 6.

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2

Denkschrift, S 33.

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Ausschließung des Richters

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der die Ablehnung eines Richters in Verfahren der fG ausgeschlossen ist, ist vom BVerfG in einem Beschluss vom 8. Februar 1967 für verfassungswidrig erklärt worden.3 Dieser Entscheidung kommt nach § 31 Absatz 2 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Die sich daraus ergebende Zulassung des Ablehnungsrechtes wird durch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO gelöst. Im Einzelnen, vgl Rn 25. Wegen der Reform des FGG, vgl Rn 38.

II. Der Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift behandelt die Ausschlussgründe für den Richter. Zur Ausschließung 2 und Ablehnung anderer am Verfahren beteiligter Personen, vgl Rn 35 ff. Als Richter in diesem Sinn sind nicht nur die Berufsrichter (§ 2 DRiG), sondern auch die ehrenamtlichen Richter anzusehen, wie die Handelsrichter als Mitglieder der Kammern für Handelssachen, die in den FGG-Verfahren nach § 30 Abs 1 S 2 FGG oder nach § 132 AktG oder dem SpruchG (vgl auch Vorbem §§ 3–7 Rn 18) zur Entscheidung berufen sein können, die Beisitzer aus den Reihen der Notare oder Rechtsanwälte in den Verfahren nach § 111 BNotO oder in den Zulassungsverfahren nach §§ 37 ff BRAO. Denn die ehrenamtlichen Richter stehen den Berufsrichtern gleich (§ 112 GVG;4 § 104 Abs 1 S 1 und 2 BNotO; §§ 103 Abs 2 S 1, 95 Abs 1, 110 Abs 1 BRAO). Eine Ausschließung und Ablehnung kommt nach Sinn und Zweck der Regelung und dem Wortlaut der Vorschriften zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens in Betracht. Damit wird auch der beauftragte Richter erfasst. Aus dem gleichen Grund unterfallen nicht nur die zur Endentscheidung berufenen Richter den Vorschriften, sondern auch nur die vertretungsweise Auftretenden und die ersuchten Richter. Wegen der umfassenden Geltung kann der Grund für eine Ablehnung daher in jeder richterlichen Handlung, aber auch Unterlassung zu finden sein.5 2. Sachlicher Anwendungsbereich Die Regelung des § 6 FGG und die aufgrund seiner Lückenhaftigkeit weiter zur 3 Anwendung berufenen Vorschriften finden in allen Verfahren des FGG Anwendung. Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich um Rechtsfürsorgeangelegenheiten oder echte privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Streitsachen handelt oder ob das Verfahren von Amts wegen oder nur auf Antrag einzuleiten ist. Als Rahmengesetz (§ 1 FGG) wird die Vorschrift aber durch abweichende Regelungen verdrängt. Dies ist etwa in den Familiensachen der fG der Fall, wo nach den §§ 621a Abs 1 S 2, 661 Abs 2 ZPO ebenso wie in Landwirtschaftssachen nach § 11 LwVG unmittelbar auf die Regelungen in der ZPO verwiesen wird. Ein entsprechender Verweis findet sich auch in § 81 Abs 2 GBO zu den Beschwerdeverfahren in Grundbuchsachen, nicht aber für das Verfahren vor dem Grundbuchamt. Dort gilt über § 1 GBO das FGG. Wegen der Vollübertragung der Grundbuch-

3

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BGBl I S 502 = BVerfGE 21, 139 = NJW 1967, 1123 = Rpfleger 1967, 210. Vgl auch Habscheid JR 1958, 361, 363; ders Rpfleger 1964, 200. Zöller/Gummer § 112 GVG Rn 1. Zu den Beisitzern in Landwirtschaftssachen, § 5 S 1

5

LwVG. Dort wird aber auf die ZPO verwiesen, § 11 LwVG. Zu den sachkundigen Beisitzern in den Kammern für Wertpapierbereinigung, Voraufl, § 6 Rn 3. Untätigkeit als Befangenheitsgrund, vgl Schneider § 4 Rn 249 ff.

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§6

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sachen nach § 3 Nr 1 lit h RPflG wird hier allerdings regelmäßig der Rechtspfleger tätig, zu diesem Rn 35. In den landesrechtlichen Angelegenheiten wird weitgehend auf § 6 FGG verwiesen, vgl etwa Art 1 PrFGG, Art 34 BayAGGVG, Art 1 HessFGG, Art 7 NdsFGG, §§ 5 Abs 1, 7 Abs 1 Baden-WürttembLFGG.

III. Die Ausschließung 4

Die Ausschließung ist die Kraft Gesetzes eintretende relative Unfähigkeit zur Ausübung des Richteramtes. Sie ist geknüpft an eine sachliche Beteiligung des Richters oder an persönliche Beziehungen des Richters zu einem in der Sache Beteiligten. Es bedarf daher einer Klarstellung des Begriffs des Beteiligten, der im übrigen außer für die Ausschließung und Ablehnung auch von Bedeutung ist für die Bekanntmachung der gerichtlichen Verfügungen (§ 16), für die Frage, wem gegenüber rechtliches Gehör zu gewähren oder wer zu dem Verfahren hinzuzuziehen ist (Art 103 GG), für die Fähigkeit als Zeuge oder Sachverständiger vernommen zu werden (§ 15), und für die Pflicht zur Kostentragung (§ 13a). Der Begriff des Beteiligten ist derzeit im FGG nicht definiert, er soll nach dem Referentenentwurf 2005 zum Reform-FGG in § 8 eine Regelung erfahren. 1. Der Beteiligtenbegriff a) Die Art der Beteiligung

Der Begriff des Beteiligten,6 der an die Stelle des der fG fremden Parteibegriffs tritt, ist im Gesetz nicht bestimmt und wird von ihm in verschiedenem Sinne verwendet. Beteiligter im materiellen Sinne ist, wessen Rechte und Pflichten durch die Regelung der Angelegenheit unmittelbar betroffen werden können ohne Rücksicht darauf, ob er an dem Verfahren teilnimmt. Ob tatsächlich eine Beeinträchtigung eintritt, ist unerheblich. Die Beteiligteneigenschaft muss vor der Entscheidung feststehen. So ist in Vormundschaftssachen der Mündel materiell Beteiligter in dem Verfahren zur Entlassung des Vormundes,7 in Nachlasssachen jeder Miterbe in dem auf Antrag eines anderen eingeleiteten Verfahren zur Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins.8 In diesem Sinne verwendet das FGG den Begriff in den §§ 41, 86 bis 89, 91 bis 97, 127, 132, 140, 142, 151, 152, 164, 165. Beteiligter im verfahrensrechtlichen oder formellen Sinne ist, wer von einem ihm im 6 Gesetz verliehenen Antrags- oder Beschwerderecht (vgl § 126 FGG) Gebrauch macht sowie jeder, der zur Wahrnehmung, (sei es auch nur vermeintlicher) sachlicher Interessen im Verfahren auftritt oder zu dem Verfahren hinzugezogen wird. Formell Beteiligter wird jemand durch eine Verfahrenshandlung, etwa einen Antrag oder eine Beschwerde, im Amtsverfahren dadurch, dass das Gericht gegen ihn ein Verfahren einleitet. In echten Streitsachen ist der Antragsgegner formell Beteiligter auch dann, wenn er sich auf das Verfahren nicht einlässt. Im Amtsverfahren wird der Kreis der richtigen formell Beteiligten, die zulässigerweise zu dem Verfahren hinzugezogen werden oder in ihm als Beteiligte auftreten können, durch die materielle Beteiligung bestimmt; jedoch wird formell Beteiligter auch, wer ohne materielle Beteiligung (also zu Unrecht) in ein Verfahren hinein-

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6 7

Nothdurft; Kollhosser; Habscheid § 7; Bärmann § 8; Brehm § 7. KG JFG 12, 122; OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 98.

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OLG Hamm Rpfleger 1956, 143; BayObLGZ 1960, 216.

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Ausschließung des Richters

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gezogen wird9 oder in ihm, zB durch Einlegung einer Beschwerde, auftritt. Wer ein erweitertes Beschwerderecht nach § 57 hat, wird formell Beteiligter dadurch, dass er von diesem Recht Gebrauch macht; dieser erweiterte Personenkreis ist aber auch für befugt zu erachten, schon im ersten Rechtszug als formell Beteiligter am Verfahren teilzunehmen, um eine ihm ungünstige Entscheidung, gegen die er ein Beschwerderecht hätte, durch seine Verfahrensbeteiligung von vornherein abzuwenden.10 Bei materieller Beteiligung besteht ein Recht auf formelle Beteiligung, dh die Befugnis, sich an dem Verfahren zu beteiligen, und die Pflicht des Gerichts, den Beteiligten zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Bei nur formeller Beteiligung nach § 57 besteht eine solche Pflicht des Gerichts schon wegen der Unbestimmtheit dieses Personenkreises nicht; diese Personen müssen ihr Recht zur Teilnahme am Verfahren aus eigenem Antriebe ausüben. Formell Beteiligter ist nicht schon, wer durch seine Anregung ein Amtsverfahren veranlasst, zB wer ein Firmenmissbrauchsverfahren nach § 140 FGG, § 37 Abs 1 HGB aus Wettbewerbsgründen anregt; anders, wenn er durch den unbefugten Gebrauch der Firma im Sinne des § 37 Abs 2 HGB in eigenen Rechten und nicht nur als Wettbewerber verletzt wird.11 Den Beteiligten im verfahrensrechtlichen Sinne meint das Gesetz in den §§ 9, 13, 13a, 15, 168 S 2. b) Behörden als Beteiligte Behörden sind fähig, am Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligt zu sein,12 7 auch wenn sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, sondern lediglich Einrichtungen ihres öffentlichrechtlichen Trägers sind. Dies setzt allerdings eine entsprechende gesetzliche Regelung voraus. Durch diese wird die fehlende Parteifähigkeit ersetzt.13 Da Beteiligung die Eigenschaft ist, Subjekt eines Prozessrechtsverhältnisses zu sein, werden Behörden nicht schon dadurch Beteiligte, dass sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Wahrung des öffentlichen Interesses oder zur Unterstützung des Gerichts in dem Verfahren hinzugezogen werden, zB das Jugendamt nach § 50 SGB VIII, die Industrie- und Handelskammer nach § 23 HRV, der Staatsanwalt nach § 22 VerschG, oder dass sie dem Gericht von einem Sachverhalt Kenntnis geben, der ein Einschreiten rechtfertigen kann, zB §§ 48 bis 50, 125a Abs 1, 126 FGG. Hier wird die Behörde Beteiligte im formellen Sinne erst, wenn sie von einem ihr verliehenen Antrags- oder Beschwerderecht Gebrauch macht, zB § 126 FGG, § 50 Abs 3 SGB VIII, § 16 Abs 2a VerschG. Eine Behörde kann aber durch das Verfahren auch in ihrer eigenen Rechtsstellung betroffen werden; dann ist sie materiell und bei Teilnahme am Verfahren formell Beteiligte. In diesem Sinne ist bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten Beteiligter die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Beteiligter ist das in seinem Bestande von dem Wechsel der Amtsinhaber unabhängige Organ der Staatsgewalt, nicht der jeweilige Amtsinhaber.14 Tritt die Behörde als gesetzlicher Vertreter eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf, dann ist Beteiligter der Vertretene, nicht die vertretende Behörde.

9 10

11

BayObLGZ 1965, 333, 341; 1956, 49, 66; FamRZ 1965, 279; Habscheid § 14 II Nr 3. KG FamRZ 1968, 472; Keidel/Engelhardt § 57 Rn 4; aM noch BayObLGZ 1958, 171, 175. Zur Auslegung des § 37 Abs 2 HGB: BGHZ 53, 65, 70 = NJW 1970, 704; Müther Handelsrecht, § 8 Rn 45.

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13 14

BGHZ 31, 92 = NJW 1960, 148; Zimmermann Rpfleger 1958, 209, 212. 109; Bärmann § 9 I 3. Habscheid § 15 I 3; Bärmann § 9 I 3. Pikart-Henn S 71; das verkennt Habscheid Rpfleger 1964, 200 Fn 11.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Die Ausschließungsgründe nach § 6 Abs 1

8

Die Ausschließungsgründe sind nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers in § 6 Abs 1 abschließend aufgezählt.15 Es sind dies: a) Beteiligung des Richters (Nr 1 Alt 1)

9

Nach § 6 schließt sowohl die formelle als auch die materielle Beteiligung den Richter aus. Der Vormundschaftsrichter ist sachlich beteiligt bei der Genehmigung eines Vertrages, den er (oder ein naher Angehöriger) mit dem Mündel geschlossen hat; der Nachlassrichter, wenn er Erbe, Nacherbe oder Testamentsvollstrecker des zu regelnden Nachlasses ist; als Nachlassgläubiger (Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigter) ist er nur dann ausgeschlossen, wenn dem Gläubiger in dem zu erledigenden Verfahren die Stellung eines Beteiligten zukommt, zB §§ 1981 Abs 2, 1994, 2006, 2198 Abs 3, 2200 Abs 2, 2202 Abs 3 BGB, denn ein nur mittelbares (rechtliches, wirtschaftliches, ideelles) Interesse genügt zur Annahme einer materiellen Beteiligung nicht. b) Mitberechtigung oder Mitverpflichtung des Richters (Nr 1 Alt 2)

10

Auch die Mitbeteiligung muss eine unmittelbare sein; der Richter muss in die Lage kommen können, in der Sache Rechte auszuüben oder Pflichten zu erfüllen,16 ein bloßes Interesse am Ausgang der Angelegenheit genügt nicht; abweichend von § 41 Nr 1 ZPO, dem die Vorschrift im übrigen nachgebildet ist, auch nicht die Gefahr des Rückgriffs. Als Mitberechtigter oder Mitverpflichteter ist der Richter ausgeschlossen in den Sachen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, deren Gesellschafter er ist;17 dagegen nicht als Mitglied einer juristischen Person, also eines rechtsfähigen Vereins,18 einer Aktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung,19 sofern nicht gerade Sonderrechte des Mitglieds betroffen sind, einer Gemeinde oder Genossenschaft.20 Keine Mitbeteiligung begründet die Mitgliedschaft bei einem nicht rechtsfähigen Verein. Denn dass die einzelnen Mitglieder Träger des Vereinsvermögen sind, macht sie noch nicht zu Mitverpflichteten; das Gesetz denkt hierbei an eine persönliche Haftung des Richters neben dem Beteiligten; im Allgemeinen haftet aber auch beim nicht rechtsfähigen Verein nur das Vereinsvermögen, nicht das einzelne Mitglied persönlich.21 Ein Handelsrichter ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er Mitglied der am Beschwerdeverfahren beteiligten Handelskammer ist, es sei denn, dass er für die Handelskammer eine Erklärung in der Sache abgegeben hat, weil er dann deren bestellter Vertreter im Sinne des § 6 Abs 1 Nr 4 ist.22 Ein Mitglied des Anwaltsgerichts ist nicht schon wegen seiner Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen, deren Beschlüsse angefochten werden, sondern nur, wenn er an der Beschlussfassung teilgenommen hat.23 Das Verhältnis als Beteiligter oder Mitbeteiligter muss noch zu der Zeit bestehen, zu der der Richter tätig wird.24 Auch im Verfahren nach dem FGG 15 16 17 18 19 20

KGJ 35A 149; Schlegelberger § 6 Anm 10. KGJ 22 A 12; Habscheid Rpfleger 1964, 200. Zöller/Vollkommer § 41 Rn 7. RGZ 7, 311; Thomas/Putzo/Hüßtege § 41 Rn 2. RG JW 1902, 394; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 41 Rn 2. Zimmermann/Keidel Rpfleger 1957, 9; Zöller/Vollkommer § 41 Rn 7; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 41 Rn 2.

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22 23 24

BAG AP § 41 CDU Nr 1; vgl auch BGH NJW 1968, 157; Stein/Jonas/Bork , § 41 Rn 8; aM OLG Königsberg JW 1931, 226; Keidel/ Zimmermann § 6 Rn 23. KGJ 22 A 12 = RJA 2, 172; KGJ 35 A 145; KG OLGR 43, 196 BGH NJW 1968, 157. Keidel/Zimmermann § 6 Rn 24.

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Ausschließung des Richters

§6

hat jeder ablehnungsberechtigte Verfahrensbeteiligte Anspruch darauf, den Namen der zur Mitwirkung an der Entscheidung berufenen Richter zu erfahren. Das gilt auch für Handelsrichter.25 c) Beteiligung des Ehegatten oder Lebenspartners Beteiligung des Ehegatten (Nr 2) oder Lebenspartners (Nr 2a) schließt den Richter 11 aus, auch wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht, also durch Tod, Scheidung, Aufhebung oder Wiederverheiratung nach Todeserklärung (§ 1319 Abs 2 BGG) aufgelöst ist. Bei einer Nichtehe26 entfällt die Eigenschaft als Ehegatte.27 Eheähnliches Zusammenleben und Verlöbnis ohne Partnerschaft reichen nach der Regelung nicht aus. Sie rechtfertigten aber eine Ablehnung wegen Befangenheit (Rn 21). d) Verwandtschaft oder Schwägerschaft Verwandtschaft oder Schwägerschaft (Nr 3) mit einem Beteiligten, gleichviel ob dieser 12 allein oder mitbeteiligt (Rn 10) ist. Für die Begriffe Verwandtschaft und Schwägerschaft sind die Vorschriften des BGB (§§ 1589, 1590) maßgebend.28 Verwandtschaft und Schwägerschaft in gerader Linie begründen einen Ausschließungsgrund ohne Rücksicht auf die Nähe des Grades, in der Seitenlinie bis zum zweiten Grade; insofern weicht die Vorschrift zwar ab von § 41 Nr 3 ZPO, der Verwandtschaft in der Seitenlinie bis zum dritten Grade berücksichtigt, dies muss aber nicht zu einer Anpassung führen, weil die Ausschlussgründe auf typisierten Sachverhalten beruhen und deshalb in den Randbereichen nicht zur Annahme eines Ausschlusses zwingen.29 Dass der Ausschließungsgrund der Schwägerschaft durch die Auflösung der sie begründenden Ehe nicht beseitigt wird, brauchte im Hinblick auf §1590 Abs 2 BGB nicht besonders gesagt zu werden; es handelt sich bei der ausdrücklichen Ergänzung durch das G v 2.7.1976 (BGBl I S 1749) um eine Klarstellung; jedoch kann Schwägerschaft nach Auflösung der Ehe nicht mehr entstehen.30 Die Annahme als Kind schließt nur aus, soweit Verwandtschaft besteht (vgl §§ 1754 ff BGB).31 Verwandtschaft oder Schwägerschaft zwischen Richtern desselben Spruchkörpers oder der unteren und der oberen Instanz oder mit dem gesetzlichen Vertreter oder dem Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten oder mit einem Zeugen oder Sachverständigen sind kein gesetzlicher Ausschließungsgrund, können aber nach Lage des Falles die Ablehnung rechtfertigen, vgl Rn 19 ff. Bei Beteiligung einer Partei kraft Amtes schließt sowohl das Verhältnis zu dem Verwalter als auch zu dem Träger des Vermögens den Richter aus.32 e) Vertretungsbefugnis für einen Beteiligten (Nr 4) Maßgebend ist nur das Bestehen der Vertretungsbefugnis. Es genügt, wenn die Be- 13 rechtigung als Bevollmächtigter oder als gesetzlicher Vertreter besteht, mag auch der Vertreter nicht als solcher auftreten. Wer gesetzlicher Vertreter ist, ergibt sich aus dem sachlichen Recht und liegt etwa im Fall der Beistandschaft nach § 1712 BGB vor.33 Die

25 26 27 28 29

BayObLG Rpfleger 1978, 17 = MDR 1978, 232. Palandt/Brudermüller vor § 1313 BGB Rn 5; Keidel/Zimmermann § 6 Rn 25 Keidel/Zimmermann § 6 Rn 25. Palandt/Brudermüller Einf v § 1589 Rn 3. Vgl auch BVerfGE 21, 139, 146.

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Palandt/Brudermüller § 1590 Rn 2. Stein/Jonas/Bork § 41 Rn 11; Zöller/Vollkommer § 41 Rn 9. OLG Köln NJW-RR 1988, 254; Stein/Jonas/Bork § 41 Rn 6; Zöller/Vollkommer § 41 Rn 8. Palandt/Diederichsen § 1716 Rn 1.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Zugehörigkeit zu einem mehrköpfigen vertretungsberechtigten Organ genügt, auch wenn Gesamtvertretungsmacht besteht. Eine einfache Beistandsleistung nach § 13 reicht nicht. Die Vertretungsbefugnis muss sich auf die zu verhandelnde Sache beziehen; daher ist der Pfleger nicht ausgeschlossen in einer Sache, die nicht zu seinem Wirkungskreis gehört. Abweichend von § 41 Nr 4 ZPO ist der Richter nicht mehr ausgeschlossen, wenn seine Vertretungsbefugnis beendet ist. Eine Anpassung der Norm an § 41 Nr 4 ZPO ist insoweit nicht erforderlich (vgl Rn 12). Dies schließt eine Ablehnung nicht aus. 3. Weitere Ausschließungsgründe

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In § 6 entgegen § 41 Nr 5 und 6 ZPO nicht als Ausschlussgrund vorgesehen sind die Fälle der Beteiligung des Richter als Beweismittel und der Vorbefassung. In beiden Konstellationen ist trotz der entgegenstehenden Gesetzgebungsgeschichte aus verfassungsrechtlichen Gründen von einer entsprechenden Geltung der Regelung der ZPO auszugehen.34 Die Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung muss als übergesetzlicher Aus15 schließungsgrund anerkannt werden. Es liegt im Wesen des Rechtsmittels, dass ein Richter der Vorinstanz an der Entscheidung der höheren Instanz nicht mitwirken darf.35 In öffentlich-rechtlichen Streitsachen ist die Vorschrift des § 54 Abs 2 VwGO zu beachten, nach der von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist, wer bei dem vorausgegangen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat (vgl auch § 86 Abs 2 PatG).36 Ein Richter, der an einer im Rechtsmittelzug aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist nach Zurückverweisung der Sache weder kraft Gesetzes von der Mitwirkung im neuen Verfahren ausgeschlossen, noch rechtfertigt seine Mitwirkung an der aufgehobenen Entscheidung für sich allein die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit.37 Denn es handelt sich um eine typische Vorbefassung, die von § 41 Nr 6 ZPO nicht erfasst wird, wie bei Eil- und Hauptsacheverfahren oder PKH- und Hauptsacheverfahren, vgl Rn 22. Entgegen der in der Vorauflage vertretenen Auffassung38 ist von einem übergesetz16 lichen Ausschließungsgrund auch im Falle der Vernehmung des Richters als Zeuge oder Sachverständiger (§ 41 Nr 5 ZPO) auszugehen. Denn auch in diesen Fällen ist eine unvoreingenommene Entscheidung typischer Weise gefährdet, weil der Richter zu einer unbeeinflussten Würdigung seiner eigenen Verwendung als Beweismittel nicht in der Lage sein wird.39 Eine Abweichung der Behandlung dieser Fälle gegenüber denen, die unmittelbar nach § 41 Nr 5 ZPO zu beurteilen sind, ist nicht gerechtfertigt. 4. Rechtsfolgen

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Liegt einer der oben genannten Ausschließungsgründe vor, ist der Richter kraft Gesetzes von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen, an seine Stelle tritt der nach dem Geschäftsverteilungsplan bestimmte Vertreter. Hat der Richter Zweifel an dem Vorliegen

34 35

36

Allg Meinung: Habscheid § 12 I 2; Bärmann § 7 I 2; Brehm Rn 161. Keidel/Zimmermann § 6 Rn 15; Habscheid, § 12 I 2; Bärmann § 7 I; Brehm, Rn 161; aM noch OLG Hamm MDR 1950,495; s auch Voraufl, Rn 13 Fn 25. Vgl BGH FamRZ 1963, 556; BGH NJW 1968, 157; Brehm Rn 162; Habscheid FamRZ 1964, 83; ders Rpfleger 1964, 200.

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Stein/Jonas/Bork § 41 Rn 18; Zöller/Vollkommer § 41 Rn 14; Schneider § 4 Rn 10 mwN; BVerwG NJW 1975, 124; im Strafprozess BGH NJW 1967, 62 Anm von Hanack NJW 1967, 580. Voraufl Rn 13. Habscheid § 12 I 2; Bärmann § 7 I 2; Brehm Rn 161; Keidel/Zimmermann § 6 Rn 15.

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Ausschließung des Richters

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eines Ausschließungsgrundes, kann er eine Entscheidung entsprechend § 48 ZPO herbeiführen. Darüber hinaus rechtfertigt das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes auch die Ablehnung des betroffenen Richters entsprechend § 42 Abs 2 ZPO. Vgl im Einzelnen Rn 26. Wird ein ausgeschlossener Richter tätig, führt dies nicht zu einer Nichtigkeit der Entscheidung, § 7 Hs 2. Die getroffene Entscheidung ist aber anfechtbar, vgl Rn 34.

IV. Die Befangenheit 1. Der Begriff Nach der auch im fG-Verfahren maßgebenden Legaldefinition in § 42 Abs 2 ZPO – 18 zur Anwendbarkeit, vgl Rn 25 – ist ein Richter befangen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, das Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. In § 1036 Abs 2 ZPO heißt es insoweit konkreter, dass Umstände vorliegen müssen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Anders als im Rahmen der Ausschließungsgründe kommt es dabei auf eine Entscheidung im Einzelfall an. Diese ist aufgrund einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen.40 Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Bedenken gegen die Unparteilichkeit tatsächlich begründet sind und ob der Richter tatsächlich als befangen anzusehen ist oder sich gar als befangen fühlt.41 Entscheidend ist, ob ein Verfahrensbeteiligter berechtigten Anlass hat, die Befangenheit des Richters anzunehmen. Abzustellen ist allerdings nicht auf das subjektive Meinen des Beteiligten, sondern darauf, ob er zwar von seinem Standpunkt aus, aber bei besonnener, vernünftiger Würdigung Grund zum Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann.42 Der Ablehnungsgrund muss gegenständlich in der einzelnen Sache verwurzelt sein; es genügt nicht, dass er allgemein aus der sozialen Stellung, der Konfessions- oder Parteizugehörigkeit des Richters hergeleitet wird. 2. Fallgruppen Die Anwendung der generalklauselartigen Umschreibung des Begriffs der Befangen- 19 heit wird durch eine in Anlehnung an die in § 41 ZPO genannten Ausschließungsgründe erfolgende Fallgruppenbildung erleichtert, wobei als ergänzende Fallgruppe der Verstoß gegen die Verpflichtung zu Neutralität und Objektivität zu bilden ist. Bei der Anwendung ist aber immer darauf zu achten, dass es anders als im Rahmen der Ausschließung um Einzelfallentscheidungen geht. a) Mittelbare Beteiligung Eine Mitgliedschaft des Richters bei einer juristischer Person wird häufig eine Besorg- 20 nis der Befangenheit begründen, nicht aber bei einer Institution mit größerer Mitgliederzahl. Bei geschäftlichen Verbindungen kommt es auf den konkreten Inhalt und den Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit an. Die Teilnahme eines für ein Spruchstellenverfahren zuständigen Richters an der Hauptversammlung mit entsprechender Wahrnehmung der Aktionärsrechte begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit.43

40 41

BayObLGZ 1987, 309. BVerfGE 73, 355; 99, 56.

42 43

Kritisch: Schneider § 2 Rn 9. BayObLG DB 2002, 784 = ZIP 2002, 1038.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

b) Verhältnis zu einem Beteiligten/Verfahrensbevollmächtigten

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Befangenheitsgrund kann in Ergänzung zu den Ausschließungsgründen eine besondere Beziehung zu einem Beteiligten oder dessen gesetzlichen Vertreter sein. Diese kann auf einem Verlöbnis, einem Liebesverhältnis, aber auch besonderer persönlicher Freundschaft und vor allem auch einer außerhalb des Verfahrens begründeten Feindschaft beruhen. Eine Besorgnis der Befangenheit kommt auch bei einer Ehe oder Verwandtschaft iSd § 6 Abs 1 Nr 1 bis 2b mit einem Verfahrensbevollmächtigten in Betracht. c) Interessenwahrnehmung/Vorbefassung

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Keine Besorgnis der Befangenheit ist gerechtfertigt, wenn der Richter in der Sache bereits andere Entscheidungen getroffen hat, wie Eilentscheidungen, Beweisanordnungen.44 Auch die Anhängigkeit mehrerer Sachen führt nicht dazu, dass der Richter, der in einer Sache eine Entscheidung getroffen hat, für eine Entscheidung in den anderen Sachen befangen wäre. Über die Regelung in § 41 Nr 6 ZPO hinaus, könnte es aber ausreichend sein, wenn der Richter in erster Instanz dem Spruchkörper angehörte, der die Entscheidung getroffen hat, über die dieser Richter nun in der (weiteren) Beschwerde zu entscheiden hat. d) Verhalten des Richters

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Als Verhalten des Richters kommt ein Verstoß gegen das Enthaltungsgebot nach § 47 Abs 1 ZPO, das allerdings nun durch § 47 Abs 2 ZPO eingeschränkt ist, in Betracht.45 Bei dem Vorwurf einer unsachgemäßen Verfahrensleitung oder des Vorliegens grober Verfahrensverstöße ist allerdings Vorsicht geboten, weil hierdurch häufig ein missliebiger Richter aus dem Verfahren entfernt werden soll. Die Besorgnis der Befangenheit ergibt sich aber regelmäßig aus einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur Neutralität und Objektivität, wenn also ein Beteiligter bevorzugt wird oder der Richter sich unangemessen und unsachlich verhält.46 3. Rechtsfolgen

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Liegt ein Befangenheitsgrund vor, kann sich der Richter entsprechend § 48 ZPO selbst ablehnen. Die Regelung des § 6 Abs 2 S 1, nach der der Richter sich wie bei dem Vorliegen eines Ausschließungsgrundes einfach der Amtsausübung enthält, gilt nicht, vgl Rn 25. Das Vorliegen eines Befangenheitsgrund begründet für die Beteiligten einen Ablehnungsgrund, der aber erst zu berücksichtigen ist, wenn ein zulässiges Ablehnungsgesuch, vgl dazu Rn 26, gestellt ist.47

44

45

Schneider § 4 Rn 10; OLG Rostock NJW-RR 1999, 1444; OLG Naumburg MDR 1999, 824; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 289. BayObLG MDR 1988, 500; OLG Hamburg NJW 1992, 1463; OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 1350.

188

46

47

Im Einzelnen: Schneider § 4; Zöller/Vollkommer § 41 Rn 20 ff; zur Befangenheit wegen der Verweigerung einer Verlegung eines Anhörungstermins vor einem hohen religiösen Feiertag, BayObLGR 1994, 72. Zöller/Vollkommer § 42 Rn 1.

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Ausschließung des Richters

§6

V. Das Ablehnungsverfahren 1. Die Grundlagen Nach der Regelung des Abs 2 soll das Vorliegen eines Ausschließungs- oder Ableh- 25 nungsgrundes abweichend von §§ 42 bis 48 ZPO nicht in einem besonderen Verfahren geltend gemacht werden können. Der Richter entscheidet danach über seine Ausschließung oder Befangenheit selbst, indem er sich entweder der Ausübung enthält oder dem Verfahren Fortgang gibt. Die Entscheidung durch einen ausgeschlossenen Richter stellt sich nach dieser Regelung zwar als Verfahrensfehler dar, der mit der Beschwerde gegen die Sachentscheidung gerügt werden kann, sofern dieses Rechtsmittel im übrigen zulässig ist; eine Ablehnung des Richters wegen Befangenheit durch die Beteiligten fände dagegen nicht statt. Die Entschließung des Richters nach Abs 2 S 1 darüber ob er sich wegen Befangenheit der Amtsausübung enthalten soll, wurde zudem weder als selbständig anfechtbar noch als der Nachprüfung im Beschwerdewege gegen die erlassenen Sachentscheidung unterliegend angesehen.48 Dies wird dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit (Art 97 Abs 1 GG) gegenüber den Beteiligten nicht ausreichend gerecht; die Regelung des § 6 ist daher auch durch eine entsprechende Anwendung der §§ 42 bis 48 ZPO zu ergänzen.49 Damit wird auch die Regelung des § 6 Abs 2 S 1, nach der der Richter sich ohne weiteres der Amtsausübung wegen Befangenheit enthalten kann, ersetzt. Es gilt § 48 ZPO.50 Die entsprechende Anwendung der zivilprozessualen Vorschriften über das Ausschließungs- und Ablehnungsverfahren gilt für alle Verfahren, da die richterliche Unabhängigkeit in allen Verfahren gleichmäßig gewahrt sein muss (siehe oben, Rn 1). Auf die früher vertretene Auffassung, die Regelung des § 6 Abs 2 FGG gelte in echten Streitverfahren nicht, dort sei daher aus diesem Grund auf die entsprechenden Regelungen der vergleichbaren Verfahrensordnungen zurückzugreifen, kommt es daher eigentlich nicht mehr an.51 Bedeutsam kann die Frage wegen der Abweichungen der Regelungen in § 6 Abs 1 allenfalls dann noch werden, wenn die Voraussetzungen für eine Befangenheit nicht vorliegen. 2. Die Zulässigkeit der Ablehnung a) Das Ablehnungsgesuch Das Ablehnungsgesuch kann nach § 42 Abs 1 ZPO sowohl auf das Vorliegen eines 26 Ausschließungsgrundes als auch auf die Besorgnis der Befangenheit gestützt werden. Es ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, mündlich, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen (§ 44 Abs 1 ZPO, § 11 FGG). Das Ablehnungsgesuch ist zu begründen. Fehlt es an einer Begründung, so ist das Ablehnungsgesuch unbeachtlich.52 Das gilt auch, wenn erklärt wird, die Begründung werde nachgereicht.53 Erst diese Begründung stellt dann das Ablehnungsgesuch dar. Der abgelehnte Richter ist – wenn

48

49

BayObLGZ 34, 200; 1954, 66; OLG München DFG 1937, 89; OLG Schleswig SchHA 1957, 343; Keidel/Zimmermann § 6 Rn 71. BGHZ 46, 195 = NJW 1967, 155; MDR 2004, 645; Habscheid § 12 II 2; Bärmann § 7III 2; Brehm Rn 163; Keidel/Zimmermann § 6 Rn 56; aM noch KG NJW 1964, 778 = ZBlJR 1964, 28 = FamRZ 1964, 162; OLG Köln OLGZ 1966, 350.

50

51 52 53

BGHZ 46, 195, 198 = NJW 1967, 155; BayObLG Rpfleger 1979, 423; Keidel/Zimmermann § 6 Rn 71. KG JR 1951, 472, 473; dazu auch BGH BGHZ 46, 195, 196 = NJW 1967, 155. OLG Köln MDR 1964, 423. BayObLG WuM 1994, 350; OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 1150; OLG Köln MDR 1964, 423.

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§6

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sich die Person nicht aus den Umständen wie in einem Einzelrichterverfahren ergibt – namentlich zu benennen. Um dieser Pflicht nachzukommen, hat der Ablehnungsberechtigte einen Anspruch auf Auskunft. Solange es an dieser Auskunft fehlt, kommt ein Verlust des Ablehnungsrechtes nicht in Betracht, vgl dazu Rn 27. Als Verfahrenshandlung setzt die Ablehnung Verfahrensgeschäftsfähigkeit voraus; das Gesuch kann auch daher von einem Beteiligten angebracht werden, der nach der Art des Verfahrensgegenstandes ohne Rücksicht auf seine bürgerlichrechtliche Geschäftsfähigkeit verfahrensgeschäftsfähig ist. Die Antragsberechtigung steht nur einem Verfahrensbeteiligten oder unmittelbar Betroffenem, wie einem Zeugen,54 nicht aber einem Verfahrensbevollmächtigten aus eigenem Recht zu.55 Auch einem Beteiligten kraft Amtes, wie einem Insolvenzverwalter fehlt die Antragsberechtigung, wenn sich das Verfahren nicht auf seinen eigenen Rechtskreis bezieht.56 b) Der Verlust des Ablehnungsrechts

27

Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn der Ablehnende sein Ablehnungsrecht nach § 43 ZPO verloren hat. Dies setzt voraus, dass er sich in Kenntnis des Ablehnungsgrundes in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Erforderlich ist Kenntnis der Person des mit der Sache befassten Richters und der Tatsachen, welche die Besorgnis der Befangenheit begründen. Kenntnis eines Vertreters steht der Kenntnis des Beteiligten gleich. Die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes und Schriftlichkeit des Verfahrens stehen der Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen. Die Regelung bezieht sich nicht auf die Ausschlussgründe nach § 6 Abs 1. Der nach § 43 ZPO eingetretene Verlust des Ablehnungsrechts gilt auch für andere Verfahren. Nach Beendigung des Rechtszugs kann ein Ablehnungsgesuch mit Wirkung für die erlassene Entscheidung nicht mehr angebracht werden, auch wenn die Unterlassung auf unverschuldeter Unkenntnis des Ablehnungsgrundes beruht.57 Der Umstand, dass der abgelehnte Richter ein Abhilferecht hat, berührt nicht die Unzulässigkeit des nach der Sachentscheidung angebrachten Ablehnungsgesuchs, wenn der Richter von der Abhilfebefugnis keinen Gebrauch macht, sondern die Beschwerde dem Landgericht vorgelegt hat.58 Ein vor der Beendigung der Instanz angebrachtes Gesuch bleibt aber zulässig, wenn die Sachentscheidung anfechtbar ist und die Anfechtung auf eine begründete Ablehnung gestützt werden könnte.59 Die Einlegung des Rechtsmittels ist notwendig,60 wenn dieses nach Abschluss des Ablehnungsverfahrens nicht mehr zulässig wäre, soweit nicht ein Ausschlussgrund vorliegt. Eine Wiederaufnahme entsprechend § 579 Abs 1 Nr 3 ZPO müsste andernfalls nämlich an § 579 Abs 2 ZPO scheitern. 3. Die Begründetheit der Ablehnung

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Das Ablehnungsgesuch ist begründet, wenn ein Ablehnungsgrund im Sinne des § 42 Abs 1 ZPO vorliegt (vgl dazu Rn 8 ff und 19 ff). Der Ablehnungsgrund ist nach § 44 Abs 2 S 1 ZPO glaubhaft zu machen. Fehlt es daran, ist das Gesuch unbegründet. Der Ableh-

54 55 56 57 58

Zöller/Vollkommer § 42 Rn 2. OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 126; OLG Hamm OLGR 1996, 45. OLG Köln Rpfleger 1988, 37; Schneider § 3 Rn 4f. BayObLG FamRZ 1993, 1269. OLG Hamm NJW 1967, 1864; aM Stein/

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59 60

Jonas/Pohle § 43 Rn 1; Teplitzky NJW 1967, 2318. Zöller/Vollkommer § 42 Rn 4. Zum streitigen Verhältnis zwischen Rechtsmittel- und Ablehnungsverfahren: Zöller/ Vollkommer § 46 Rn 18a.

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Ausschließung des Richters

§6

nende ist nicht zur Versicherung an Eides Statt zugelassen, § 44 Abs 2 S 1 Alt 2 ZPO. Zur Glaubhaftmachung kann aber auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden, dieser hat sich ohnehin zwingend zu dem Gesuch dienstlich zu äußern, § 44 Abs 3. Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln zur Glaubhaftmachung. Einer solchen bedarf es nicht, wenn sich der Sachverhalt selbst aus der Akte ergibt. Zu der Äußerung des Richters ist dem Ablehnenden rechtliches Gehör zu gewähren, wenn er bedeutsamen Tatsachenvortrag enthält.61 Weichen die Sachverhaltsdarstellungen voneinander ab, ist im Zweifel zu Gunsten des Ablehnenden zu entscheiden, wenn dessen Behauptungen eine Ablehnung rechtfertigen.62 Im Fall des § 43 (Rn 27) ist glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst nach der Einlassung auf die Verhandlung oder der Antragstellung entstanden oder dem Beteiligten bekannt geworden ist, § 44 Abs 4 ZPO. Insoweit gilt nicht der Amtsermittlungsgrundsatz, sondern der Beibringungsgrundsatz. 4. Die Entscheidung Wird ein Amtsrichter abgelehnt, so entscheidet nach § 45 Abs 2 S 1 ZPO ein anderer 29 Amtsrichter des gleichen Gerichts. Die Entscheidung ergeht in allen Fällen durch Beschluss, § 46 Abs 1 ZPO. Nur dann, wenn das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig wird, entscheidet nach § 45 Abs 3 ZPO das im Rechtszug zunächst höhere Gericht. Dies wäre in Landwirtschaftssachen das OLG, beim Landgericht kommt nach § 30 Abs 1 S 2 FGG auch die Zuständigkeit der KfH in Betracht. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Gesuch für begründet erachtet, § 45 Abs 2 S 2 ZPO. Der Sachverhalt ist aktenkundig zu machen und auf dienstlichem Weg für den Eintritt des geschäftsplanmäßigen Vertreters zu sorgen. Hat das Ausscheiden eine Verhinderung des Gerichts zur Folge, greift § 5 Abs 1 S 2 ein, so dass die Bestimmung des zuständigen Gerichts herbeizuführen ist, vgl dazu § 5 Rn 17 ff. Bei Kollegialgerichten entscheidet das Gericht (Kammer, Senat) dem der Abgelehnte 30 angehört. Anstelle des Abgelehnten ist der regelmäßige oder zeitweilig bestimmte Vertreter heranzuziehen. Einer Entscheidung bedarf es auch hier nicht, wenn der Abgelehnte das Gesuch für begründet erachtet, das Kollegium muss aber zustimmen. Über die Ablehnung oder Ausschließung landwirtschaftlicher Beisitzer entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne Hinzuziehung der landwirtschaftlichen Beisitzer (§§ 11, 20 Abs 1 Nr 1 LwVG). Fraglich ist, ob der abgelehnte Richter selbst in besonderen Fällen an der das Ableh- 31 nungsgesuch zurückweisenden Entscheidung mitwirken kann. Dies wird für die Fälle eines aus bestimmten Gründen unzulässigen Gesuchs durchaus angenommen.63 Als derartige Fälle werden etwa die Ablehnung des ganzen Gerichts64 und das lediglich erkennbar der Verschleppung dienende und damit rechtsmissbräuchlich Gesuch anzusehen sein.65 Insoweit sind aber, allein schon wegen des Verstoßes gegen § 47 Abs 1 ZPO, strenge Anforderungen zustellen. Werden die Grenzen nicht eingehalten, rechtfertigt ein solches Verhalten selbst wieder die Ablehnung.

61 62 63

BverfG NJW 1968, 1621 = DRiZ 1968, 283. Zöller/Vollkommer § 44 Rn 4; Schneider § 3 Rn 80 ff. Vgl Zöller/Vollkommer § 45 Rn 4; verneinend: Hüßtege in Thomas/Putzo, § 45 Rn 1.

64 65

BGH NJW 1974, 55. BGH NJW 1992, 984; BayObLGZ 1993, 10.

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§6

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

5. Das Rechtsmittel

32

Ein Beschluss durch den das Gesuch für begründet erklärt wird, ist unanfechtbar (§ 46 Abs 2 ZPO). Gegen den Beschluss durch das Amtsgericht bzw durch das Landgericht mit dem die Ablehnung eines Richters für unbegründet oder unzulässig erklärt wird, findet entsprechend § 46 Abs 2 ZPO die sofortige (erste Tatsachen-) Beschwerde nach den §§ 19, 22 statt. Handelt es sich um eine Entscheidung des Amtsgerichts entscheidet über das Rechtsmittel das Landgericht, eine Entscheidung des Landgerichts ist durch das OLG (KG, OLG München, OLG Zweibrücken) zu überprüfen. Eine weitere Beschwerde findet nur statt, wenn sie vom Landgericht zugelassen worden ist, weil insoweit die zivilprozessualen Vorschriften zu beachten sind.66 Über dieses Rechtsmittel hat dann aber nicht der BGH, sondern das zuständige OLG zu entscheiden.67 Die Beschwerde wird durch den Erlass der den Rechtszug abschließenden Sachentscheidung nicht unzulässig, wenn diese anfechtbar ist und auf eine begründete Ablehnung gestützt werden könnte oder wenn von dem abgelehnten Richter in derselben Sache noch weitere Anträge zu behandeln sind. Entscheidungen des OLG und des BGH sind endgültig.68 6. Kosten

33

Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch selbst enthält keine Kostenentscheidung (§ 1 KostO). Hinsichtlich des Rechtsmittels gilt für die Gerichtskosten § 131 Abs 2 KostO. Der Geschäftswert entspricht der Hauptsache. Wird eine Kostengrundentscheidung getroffen, etwa nach § 13a Abs 1 S 2 KostO, sind die außergerichtlichen Kosten der anderen Seite zu erstatten, weil der Gegner der ablehnenden Partei die Stellung eines Verfahrensbeteiligten hat.69 Hat der Verfahrensgegner einen Rechtsanwalt zur Vertretung beauftragt, ist das Entstehen der Gebühr nach Nr 3500 VV RVG nicht davon abhängig, dass ein Schriftsatz eingereicht wird.70

VI. Verfahrensrügen im Verfahren zur Hauptsache 34

Eine Entscheidung kann nicht aus dem Grund angefochten werden, dass ein mitwirkender Richter wegen Besorgnis der Befangenheit hätte abgelehnt werden können, oder dass er eine Selbstablehnung hätte erklären müssen.71 Die rechtskräftige Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs ist für das weitere Verfahren maßgebend; ein Rechtsmittel kann auf den verworfenen Ablehnungsgrund nicht gestützt werden.72 Die Entscheidung kann, soweit die sofortige Beschwerde stattfindet, § 18 Abs 2, aber auch soweit sie unanfechtbar ist (Rn 27), nach dem Zweck der Regelung nicht geändert werden, es sei denn, dass ein neues noch zulässiges Gesuch auf neue Tatsachen gestützt wird. Die Mitwirkung eines gesetzlich ausgeschlossenen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnten Richters berührt zwar nach § 7 nicht die Wirksamkeit der Entscheidung, stellt sich aber als Verfahrensfehler dar, der mit der Beschwerde gerügt werden kann, sofern dieses Rechtsmittel im Übrigen zulässig ist. Der Verfahrensfehler wird in der Regel die

66 67 68

BGH NJW-RR 2004, 726 = FamRZ 2004, 617 = MDR 2004, 645. BGH NJW-RR 2004, 726 = FamRZ 2004, 617 = MDR 2004, 645. BGH NJW-RR 2003, 644 = MDR 2003, 592 = Rpfleger 2003, 239.

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69 70 71

72

BGH MDR 2005, 1016. BGH MDR 2005, 1016. BGH ZZP 67, 302; KG OLGZ 1967, 215; aM Habscheid Rpfleger 1964, 202; Köln OLGZ 1968, 464. Zöller/Vollkommer § 46 Rn 1.

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Ausschließung des Richters

§6

Zurückverweisung rechtfertigen.73 Die Beschwerde führt aber nicht notwendig zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Erweist sich die Entscheidung als sachlich richtig und ist das Beschwerdegericht Tatsachengericht, kann sich der Verfahrensfehler nicht auswirken, wenn die Beschwerdeentscheidung sich als eigene Entscheidung des Beschwerdegerichts darstellt.74 Erst im Rechtsbeschwerdeverfahren bildet die Mitwirkung eines ausgeschlossenen oder mit Erfolg abgelehnten Richters des Landgerichts die absolute Rechtsverletzung nach § 27 Abs 1 S 2 in Verbindung mit § 547 Nr 2 und 3 ZPO, die ohne Feststellung der Ursächlichkeit der Rechtsverletzung zur Aufhebung nötigt. Auf eine Ausschließung des Amtsrichters oder des Rechtspflegers kann die weitere Beschwerde nicht gestützt werden. Denn insoweit wirkt der Verfahrensfehler durch die Entscheidung des Landgerichts nicht fort. Soweit eine Wiederaufnahme des Verfahrens statthaft ist, kann der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs 1 Nr 2 und 3 ZPO vorliegen. Dabei ist § 579 Abs 2 ZPO zu beachten. Nach Erschöpfung des Rechtswegs kann Verfassungsbeschwerde auf Grund des Art 101 Abs 1 S 2 GG in Betracht kommen, sofern willkürliche Erwägungen maßgebend waren.75 Unanfechtbare Verfügungen kann das Gericht in anderer Besetzung ändern.

VII. Ausschließung und Ablehnung anderer Gerichtspersonen 1. Der Rechtspfleger Für die Ausschließung und Ablehnung eines Rechtspflegers sind nach § 10 S 1 RPflG 35 die für den Richter geltenden Vorschriften maßgebend. Die vorstehenden Auführungen gelten damit uneingeschränkt auch für den Rechtspfleger. Über die Entscheidung eines gegen einen Rechtspfleger gerichteten Ablehnungsgesuchs entscheidet allerdings der Richter, § 10 S 2 RPflG. 2. Notar Für den Notar ist nicht § 6 FGG maßgebend, hier greifen vielmehr die spezielleren 36 Vorschriften des BeurkG. Nach § 3 BeurkG ist dem Notar allgemein eine Mitwirkung bei der Beurkundung in Fällen verboten, die nach § 6 die Ausschließung zur Folge hätten. Bei besonderen Beziehungen zu dem Erklärenden ist bei der Beurkundung von Willenserklärungen diese Beurkundung unwirksam, §§ 6 f BeurkG. Wird der Notar nur als Zeuge hinzugezogen oder soll er als zweiter Notar agieren, enthält das Gesetz anstelle der Verbote nur eine Sollvorschrift, § 26 BeurkG. 3. Der Dolmetscher/Urkundsbeamte der Geschäftsstelle/Gerichtsvollzieher § 6 gilt nach § 9 S 2 für den in einem FGG-Verfahren eingesetzten Dolmetscher ent- 37 sprechend. Erfasst wird damit auch die Möglichkeit der Ablehnung, auch wenn diese in § 6 nicht erwähnt ist, vgl Rn 25. Auf den Urkundsbeamten findet die Regelung nur vereinzelt Anwendung. So sehen eine entsprechende Anwendung nur § 12c GBO und § 4 Abs 2 HRV vor. Diese Regelung gilt allerdings für die Führung anderer Register als des Handelsregisters entsprechend (vgl § 1 GenRegVO, § 1 PartRegVO). Im Übrigen kommt eine Anwendung nur über landesrechtliche Vorschriften in Betracht. Für die Ausschließung und Ablehnung des Gerichtsvollziehers in Angelegenheiten der fG ist ausschließlich 73 74

BayObLG DB 2002, 784 = ZIP 2002, 1038. AA Baur § 8 IV 3.

75

BVerfGE 11, 1, 6.

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§7

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Landesrecht maßgebend; Art 8 Abs 2 HessFGG, § 22 BremAGGVG und Art 35 BayAGGVG erklären § 155 GVG für entsprechend anwendbar, während nach Art 3 Abs 2 NdsFGG die §§ 6, 7 FGG gelten. Für den Umgangspfleger gilt § 6 nicht, weil er nicht ein zur Neutralität verpflichteter Gehilfe des Gerichts, sondern einseitiger Interessenvertreter des jeweiligen Kindes ist, für das er den Umgang regeln soll.76

VIII. Reformvorhaben 38

Im Rahmen der verschiedenen Reformvorhaben wird regelmäßig die Angleichung der Vorschrift an den in der ZPO enthaltenen Standard vorgeschlagen.77 Auch nach dem Referentenentwurf 2005 zum FGG-ReformG ist eine entsprechenden Angleichung vorgesehen. Diese soll ebenfalls in § 6 durch eine Verweisung auf die Vorschriften der ZPO mit dem Zusatz erfolgen, dass eine vorangehende Mitwirkung in einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren ebenfalls zu einem Ausschlussgrund führt. Als Rechtsmittel ist die sofortige Beschwerde vorgesehen, die binnen 2 Wochen einzulegen ist. Der auch für die Vorschriften über die Ablehnung und Ausschließung bedeutsame Begriff der Beteiligung soll in § 8 eine gesetzliche Grundlage erhalten.

§7 Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter Gerichtliche Handlungen sind nicht aus dem Grunde unwirksam, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht oder von einem Richter vorgenommen sind, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Literatur Arndt Rechtspflegergesetz, 1957; Bachof Verwaltunsgerichtsbarkeit und Justiz unter besonderer Berücksichtigung des Bonner Grundgesetzes, SJZ 1950, 488; Bender Der nichtige Verwaltungsakt, DVBl 1953, 33; Bettermann Anmerkung zu VG Sigmaringen, Urteil vom 17.9.1962, I 163/62 (DVBl 1963, 824), DVBl 1963, 826; ders Die Freiwillige Gerichtsbarkeit im Spannungsfeld zwischen Verwaltung und Rechtspflege, Festschrift für Lent, 1957, 17; Bullinger Der Vertrag über die kassenärztliche Versorgung der Ersatzdienstleistenden, DöV 1962, 375; Frankenstein Anmerkung zu RG, Urteil vom 28.3.1931, V 264/30 (JW 1932, 588), JW 1932, 588; Glässing Über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit in der nichtstreitigen Rechtspflege, ZBlFG 1, 831; Habscheid Anmerkung zu BayVGH, Urteil vom 23.2.1959, Nr 16 II 58 (NJW 1959, 1988), NJW 1959, 1989; ders Fehlerhafte Entscheidungen im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, NJW 1966, 1787; Henckel Sanktionen bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, ZZP 77, 322; von Hippel Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsaktes, Beiträge zur Methode einer teleologischen Rechtsauslegung, 2. Aufl 1960; Jansen Umfang und Grenzen der Vertretungsmacht des Abwesenheitspflegers, DNotZ 1954, 592; ders Wandlungen im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1964; ders Zur bindenden Wirkung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht, NJW 1966, 331; Jauernig Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958; Josef Rechtsvermutungen aus Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZBlFG 14, 152; ders Die wechselseitige Einwirkung von Entscheidungen in der streiti-

76 77

OLG Karlsruhe OLGR 2005, 336, 337. Bericht der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit, 1961,

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377; Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1977, 107.

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Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter

§7

gen und in der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf einander, ZZP 30, 98; ders Handlungen eines geisteskranken Richters in der freiwilligen Gerichtgsbarkeit, JW 1929, 1862; Keidel Aus der Rechtsprechung zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit, JZ 1954, 232; Leipold Erbrecht 1995 – Rechtsprechungsbericht, JZ 1996, 287; Lerche Ordentlicher Rechtsweg und Verwaltungsrechtsweg, 1953; Pritsch Das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, 1955; Rohs/Wedewer Kostenordnung, Stand: 2005; Saage Vertragshilfegesetz, 1952; Schefold Über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit in der nichtstreitigen Rechtspflege, AcP 87, 453; Schmidt-Räntsch DRiG, 5. Aufl 1995; Schneider Können Mängel der Kostenberechnung (§ 154 KostO) zur Nichtigkeit gerichtlicher Entscheidungen führen?, DNotZ 1968, 19; Siegert Fehlerhafte Besetzung des Kollegialgerichts nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, NJW 1957, 1622; Unger Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Reichsrecht, ZZP 34, 233; Wimmer Anmerkung zu BGH, Urteil vom 28.4.1953, 5 StR 136/53 (JZ 1953, 670), JZ 1953, 671; Winkler Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, 1960; Wolff/Bachof/Stober Verwaltungsrecht Band 2, 6. Aufl 2000.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtliche Handlung . . . . . . . . a) Die gerichtliche Handlung als positive Handlung . . . . . . . . . b) Entsprechende Anwendung des § 7 bei der Entgegennahme von Erklärungen . . . . . . . . . . . . 2. Handlungen eines ausgeschlossenen oder abgelehnten Richters . . . . . . 3. Handlungen eines örtlich unzuständigen Gerichts . . . . . . . . 4. Handlungen eines nach dem Geschäftsplan unzuständigen Richters . . . . . 5. Handlungen des Rechtspflegers oder Urkundsbeamten . . . . . . . . III. Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtungsgrund . . . . . . . . . . 2. Unanfechtbare Verfügungen . . . . . 3. Registereintragungen und Erbscheine . V. Die Behandlung anderer Mängel . . . . 1. Mangel der sachlichen Zuständigkeit . 2. Fehlende internationale Zuständigkeit 3. Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . 4. Vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . .

Rdn

1 4 4 4

6 10 11 13 14 15 16 16 17 18 19 19 20

VI. VII. VIII. IX. X.

21 24

XI. XII.

5. Fehler bei der Abgrenzung zu anderen Verfahrensordnungen . . . . a) Entscheidungen der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . b) Entscheidungen der Prozessgerichte c) Echte Streitsachen . . . . . . . . 6. Fehlen des Antrags . . . . . . . . . 7. Fehlerhaftigkeit wegen sachlichrechtlicher oder sonstiger verfahrensrechtlicher Mängel . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensfehler . . . . . . . . . c) Gesetzlich angeordnete Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit wegen Fehlens jeder gesetzlichen Grundlage . . . e) Unzulässige Rechtsfolge . . . . . f) Gegenstandslose Verfügungen . . Besonderheiten für Entscheidungen in echten Streitsachen . . . . . . . . . Folgen und Beseitigung der nichtigen oder wirkungslosen Verfügung . . . . . ZustErgG . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterter Anwendungsbereich . . . . Nichtgerichtliche Behörden/ Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . Rechtslage in der früheren DDR . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

25 25 26 27 28

31 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

I. Allgemeines Die Vorschrift soll den Unzuträglichkeiten vorbeugen, die auf dem Gebiet der freiwil- 1 ligen Gerichtsbarkeit mit der Nichtigkeit gerichtlicher Handlungen verbunden sein können.1 Sie bestimmt daher für zwei besondere Fälle, dass gewisse Verfahrensverstöße nicht die Unwirksamkeit der gerichtlichen Handlung zur Folge haben. Die Vorschrift dient im

1

Denkschrift S 33, 34.

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§7

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Wesentlichen nur der Klarstellung, da die in § 7 gezogene Folgerung sich schon aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen ergeben müsste; sie rechtfertigt mithin auch keinen Umkehrschluss in dem Sinne, dass andere als die in § 7 genannten Mängel Nichtigkeit begründen müssten. Zu diesen Mängeln, vgl Rn 19 ff. Sie gilt auch in Familiensachen, in denen sich das Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes richtet, § 621a Abs 1 S 2 ZPO. Zur Reform vgl Rn 43. Die Vorschrift spricht nur aus, dass auf die etwaige Wirksamkeit oder Unwirksamkeit 2 einer gerichtliche Handlung der Umstand ohne Einfluss ist, dass die Handlung von einem örtlich unzuständigen Gericht oder einem Kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richter vorgenommen worden ist. Auch eine solche Handlung kann aber ebenso wie die eines örtlich zuständigen Gerichts oder eines nicht ausgeschlossenen Richters aus einem sonstigen Grunde der Wirksamkeit entbehren oder ungültig sein. § 7 behandelt nur die Wirkungen des Handelns eines örtlich unzuständigen Gerichts oder eines ausgeschlossenen Richters. Ist eine gerichtliche Handlung aus sonstigen Gründen nichtig, zB wegen funktioneller Unzuständigkeit (s Rn 21), so bleibt sie nichtig; liegen aber sonst keine Gründe vor, aus denen die Handlung ungültig oder unwirksam wäre, so sind in § 7 genannten Umstände für die Wirksamkeit bedeutungslos. Aus der Regelung folgt auch nicht, dass die genannten Mängel durch die Vornahme 3 der gerichtlichen Handlung geheilt würden. Die Handlungen sind zwar, vorbehaltlich ihrer Aufhebung im Beschwerdewege (Rn 16), wirksam und brauchen nicht wiederholt zu werden, aber die örtliche Unzuständigkeit und die Ausschließung bleiben auch weiterhin in der Sache bestehen. Die nach § 7 wirksame Handlung eines örtlich unzuständigen Gerichts kann daher keine Vorgriffszuständigkeit im Sinne des § 4 gegenüber dem örtlich zuständigen Gericht begründen. Die Vornahme einer Handlung durch den ausgeschlossenen Richter führt nicht dazu, dass die folgenden Handlungen nicht mehr an diesem Mangel leiden.

II. Voraussetzungen 1. Gerichtliche Handlung a) Die gerichtliche Handlung als positive Tätigkeit

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Die Anwendbarkeit der Vorschrift ist beschränkt auf gerichtliche Handlungen. Darunter ist jede Amtshandlung zu verstehen, durch welche das Gericht tätig wird. Dazu gehören sowohl verfahrensrechtliche Willenserklärungen des Gerichts (Verfügung, Anordnung, Beschluss, Entscheidung) als auch Handlungen tatsächlicher Art wie die Inverwahrnahme einer Sache oder Eintragung in ein Register. Es bedarf einer positiven Tätigkeit des Gerichts. Vorgänge, bei denen das Gericht ein nur passives Verhalten an den Tag legt, zB Emp5 fangsstelle für Erklärungen und Mitteilungen, wie sie vom weitergehenden Begriff der Verrichtung (§§ 35, 64, 72 FGG) erfasst sind, sind nicht als gerichtliche Handlungen anzusehen.2 Handlungen Beteiligter, die dem Gericht gegenüber vorzunehmen sind, können ohnehin nicht aus dem Grunde unwirksam sein, dass der zuständige Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist; denn Erklärungsempfänger ist das Gericht als Behörde, nicht

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Schlegelberger § 7 Anm 16; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 2.

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der einzelne Richter. Daraus ergibt sich bereits, dass § 7 Handlungen Beteiligter nicht gut im Auge haben kann. Aber auch Handlungen Beteiligter gegenüber einem örtlich unzuständigen Gericht können nicht aufgrund des § 7 für wirksam erachtet werden, weil hierbei eine Handlung des Gerichts nicht in Frage steht. Wenn vorgeschrieben ist, das dem Nachlassgericht gewisse Anzeigen zu erstatten sind (§§ 2146, 2384 BGB) oder dass eine Erklärung dem Gericht gegenüber abgegeben werden kann oder muss (§§ 1945, 1955, 2081 BGB), so verhält sich das Gericht dabei völlig passiv.3 Die Erklärung wird nach § 130 Abs 3 BGB wirksam, wenn sie in den Machtbereich des zuständigen Gerichts dergestalt gelangt, dass die Kenntnisnahme davon möglich und zu erwarten ist.4 Die Erklärung ist selbst dann zugegangen, wenn zur Zeit keine zur amtlichen Kenntnisnahme für die Behörde befugte Person da ist. Es bedarf daher keiner Annahmetätigkeit des Gerichts.5 Auch in der Vorlegung der Erklärung ist nichts weiter als die Erfüllung einer auf der Geschäftsordnung beruhenden äußeren Förmlichkeit zu erblicken. An einer Handlung des Gerichts dem Sinne des § 7 fehlt es auch, wenn die Anzeige oder Erklärung von dem Gericht zu Protokoll genommen wird; denn in der Protokollaufnahme ist in vielen Fällen nur die Herstellung der an sich dem Erklärenden obliegenden Verkörperung der Erklärung zu finden.6 b) Entsprechende Anwendung des § 7 bei Entgegennahme von Erklärungen In der Vorauflage7 wurde entgegen der hM8 auch eine entsprechende Anwendung des 6 § 7 auf die Fälle der Abgabe einer Erkärung verneint und auf die Möglichkeit der Anwendung des § 206 BGB (iVm §§ 1944 Abs 2 S 3, 1954 Abs 2 S 2, 2082 Abs 2 S 2, 2283 Abs 2 S 2 BGB) hingewiesen. Die Anwendung dieser Vorschrift ist aber gerade bei einer Anwendung auf den Standardfall – das angegangene Gericht erweckt auch gegenüber dem Erklärenden den Eindruck örtlich zuständig zu sein – mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, weil die Handlungspflicht des Erklärenden erst sehr viel später in dem Moment ausgelöst wird, wo ihm mitgeteilt wird, dass die Ersterklärung nicht beim zuständigen Gericht abgegeben worden ist. Gerade hier ist eine Lücke anzuerkennen, die durch die Anwendung des § 206 BGB nicht erfasst und über § 7 geschlossen werden muss.9 Schwieriger sind die weiteren Fallgestaltungen zu beurteilen: Erkennt das die Erklä- 7 rung empfangende Gericht seine Unzuständigkeit, kann es die Erklärung an das zuständige Gericht weiterleiten oder den Erklärenden über seine Unzuständigkeit informieren. Zu welcher Handlung es verpflichtet ist und welche damit Ausgangspunkt der Überlegungen sein muss, ist umstritten.10 Richtiger Weise hat das Gericht die Erklärung mit dem Hinweis auf seine Unzuständigkeit zurückzugeben, weil eine Pflicht zur Weitergabe gesetzlich nicht vorgesehen ist. Dies gilt in jedem Fall, wenn sich schon durch Auslegung keine Erklärung ergibt, die weiterzugeben wäre.11 Insoweit unterscheidet sich das Ver-

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AA RGZ 71, 380, 382/383. Staudinger/Singer/Benedict § 130 Rn 39; Soergel/Hefermehl § 130 Rn 8. AA Habscheid § 13 I 2. Wellstein § 4 Anm 3. Voraufl, § 7 Rn 4. Keidel/Zimmermann § 7 Rn 3; Brehm Rn 134. So auch RGZ 71, 380, 381; 117, 346; BGHZ 36, 197 = NJW 1962, 491; BGH FamRZ 1977, 786 = MDR 1978, 300.

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Immer weiterleiten: Brehm Rn 135; MünchKomm/Leipold § 1945 Rn 8; jedenfalls, wenn Fristablauf droht: Habscheid § 13 I 2a; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 4; Bärmann § 6 IV 4b aa. BayObLG FamRZ 1996, 765 = DtZ 1996, 214.

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fahren der fG auch von den anderen Prozessordnungen. Aus der Rückgabe folgt die Unwirksamkeit der Erklärung,12 dem Erklärenden kann lediglich über § 206 BGB geholfen werden. In den Fällen des § 11 kommt es darauf an, ob dem Erklärenden bewusst gemacht wird, dass die Weiterleitung auf sein Begehren hin erfolgt.13 Ist dies der Fall, liegt ein Zugang erst beim Eingang beim zuständigen Gericht vor. Leitet das Gericht – ohne dazu verpflichtet zu sein – die Erklärung ohne weiteres weiter, erscheint eine entsprechende Anwendung des § 7 gerechtfertigt, weil sich das Gericht gerade für die Weiterbetreibung des Verfahrens als zuständig ansieht.14 Die Erklärung wird damit mit dem Eingang bei diesem Gericht wirksam, weil der Erklärende keinen Einfluss darauf hat, zu welchem Zeitpunkt das Gericht die Erklärung weiter leitet. Bleibt das – unzuständige – Empfangsgericht untätig, hängt die Entscheidung über die Wirksamkeit von den später ergriffenen Handlungen des Gerichts ab. Andere nehmen insoweit sofortige Wirksamkeit an.15 In jedem Fall unwirksam ist der Eingang beim unzuständigen Gericht, wenn der Erklärende um diese Unzuständigkeit weiß.16 Die zuvor dargestellten Grundsätze gelten auch dann, wenn die Erklärung an ein inter8 national oder interlokal unzuständiges Gericht gerichtet wurde oder gerichtet wird.17 Hat das zuständige Gericht im Wege der Rechtshilfe um die Entgegennahme der Erklärung ersucht, so wahrt der Eingang beim ersuchten Gericht die Frist;18 auf die Obenstehende Erörterung kommt es nicht an. Eine Übergangsvorschrift für Erklärungen, die in der Zeit vom 8.5.1945 bis zum In9 krafttreten des Zuständigkeitsergänzungsgesetzes an Stelle eines Gerichts, an dessen Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, gegenüber einem anderen Gericht abgegeben worden sind, enthält § 12 ZustErgG. 2. Handlungen eines ausgeschlossenen oder abgelehnten Richters

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Eine gerichtliche Handlung ist nicht deswegen unwirksam, weil sie von einem kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richter vorgenommen worden ist. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Ausschließung auf § 6 Abs 1 oder auf §§ 41 bis 48 ZPO in den Verfahren beruht, in denen diese Vorschriften an Stelle des § 6 anzuwenden sind (vgl § 6 Rn 25). Unerheblich ist es, ob der Richter als Einzelrichter oder als Mitglied eines Kollegialgerichts gehandelt hat. Die Vorschrift ist auch anzuwenden, wenn ein Ablehnungsgesuch rechtskräftig für begründet oder eine Selbstablehnung im Verfahren nach § 48 ZPO (vgl § 6 Rn 25) für gerechtfertigt erklärt ist.19 3. Handlungen eines örtlich unzuständigen Gerichts

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Die Vorschrift regelt die Folgen der Verletzung von Normen über die örtliche Zuständigkeit, also der Vorschriften, welche die Rechtspflegeaufgaben auf die verschiedenen einander nebengeordneten gleichartigen Gerichte erster Instanz (Amtsgericht oder Landgericht) verteilen, wobei die Wahl in der Regel an verschiedenartige Beziehungen der

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Palandt/Edenhofer § 1945 Rn 8; jedenfalls, wenn kein Fristablauf droht: Habscheid § 13 I 2a; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 4. Brehm Rn 135; Keidel/Kahl § 11 Rn 12. Keidel/Zimmermann § 7 Rn 6; Habscheid § 13 I 2a; Bärmann § 6 IV 4b bb. Keidel/Zimmermann § 7 Rn 5; Habscheid § 13 I 2a; Bärmann § 6 IV 4b dd.

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Münchener Kommentar/Leipold § 1945 Rn 8. Dazu auch BGH FamRZ 1977, 786 = MDR 1978, 300; BayObLG FamRZ 1994, 1354 = Rpfleger 1994, 505. BayObLGZ 18, 103 = RJA 16, 48 = KGJ 53, 153; Staudinger/Leipold § 1945 Rn 18, str. Habscheid § 13 IV 1; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 32.

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Beteiligten oder des Verfahrensgegenstandes zu dem Gerichtsbezirk anknüpft (vgl vor §§ 3–7 Rn 5 f). Auf die Art der Zuständigkeit kommt es nicht an, erfasst werden auch ausschließliche Zuständigkeiten, weil diese im FGG-Verfahren als Grundsatz vorgesehen sind (vor §§ 3–7 Rn 31). Die Vorschrift gilt auch bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit eines Rechtsmittel- 12 gerichts. Die örtliche Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts folgt allein daraus, dass es dem Untergericht vorgeordnet ist, auch wenn dieses örtlich unzuständig war. Bei einem Gerichtswechsel infolge einer Abgabe oder des Übergangs der Sache vom Gericht des Eilgerichtsstands an das endgültig zuständige Gericht ist jedoch das Beschwerdegericht zuständig, welches dem nunmehr zuständigen Gericht vorgeordnet ist; entscheidet statt dessen ein unzuständiges Beschwerdegericht, so ist dessen Entscheidung nach § 7 wirksam.20 Die Vorschrift ist nach richtiger, wenn auch bestrittener Auffassung auch anzuwenden auf Eintragungen des Registergerichts und im Zwangsgeldverfahren nach § 132 FGG.21 Im Ausland vorgenommen Amtshandlungen sind unwirksam. 4. Handlungen eines nach dem Geschäftsplan unzuständigen Richters Nach § 22d GVG, der als allgemeiner Ausdruck der richterlichen Zuständigkeit auch 13 in der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden ist, wird die Gültigkeit der Handlung eines Amtsrichters nicht dadurch berührt, dass die Handlung nach dem Geschäftsplan von einem anderen Richter wahrzunehmen gewesen wäre. Da die Vorschrift auf dem Gedanken beruht, das für das vorzunehmende Geschäft das Amtsgericht als solches, nicht der einzelne Richter zuständig ist, wird sie auf die Handlungen eines mit richterlichen Geschäften betrauten Rechtspflegers, der anstelle eines anderen nach dem Geschäftsplan zuständigen Rechtspflegers tätig wird, entsprechend anwendbar sein. Der Mangel ist jedoch nicht gänzlich unbeachtlich, sondern kann mit der Beschwerde gerügt werden.22 Die Rüge kann aber nur Erfolg haben, wenn die Annahme der Zuständigkeit auf Willkür oder sachfremden Erwägungen beruht, denn dann liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter vor.23 Die Vorschrift gilt über den Wortlaut des § 22d GVG hinaus auch bei den Kollegialgerichten.24 5. Handlungen des Rechtspflegers oder Urkundsbeamten Als gerichtliche Handlungen sind auch die Handlungen des Rechtspflegers anzusehen. 14 Wird der Rechtspfleger in einer ihm übertragenen Sache tätig, obwohl das Gericht, dem er angehört, örtlich unzuständig ist, gilt § 7. Dies ergibt sich aus seiner verfahrensrechtlichen Stellung, § 4 Abs 1 RPflG.25 § 7 gilt daher auch, wenn der Rechtspfleger ausgeschlossen oder erfolgreich abgelehnt ist. Für den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gilt die Vorschrift, soweit ihre Anwendung angeordnet ist. Dies ist nach § 4 Abs 2 HRV, § 1 GenRegVO und § 12c GBO der Fall und häufig auch nach Landesrecht (Art 2 PreusFGG; Art 3 NdsFGG; Art 8 HessFGG, § 7 Abs 1 Bad WürttLFGG).

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KG JFG 4, 94; BayObLGZ 1959, 182; OLG Hamm ZBlJR 1961, 216; OLG Bremen EJF I Nr 23; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 30. Vgl § 125 Rn 30 Keidel/Zimmermann § 7 Rn 30; anderer Meinung KGJ 31 A 206. BGHZ 37, 125, 127 = NJW 1962, 1396.

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BGH NJW 2001, 2984; 1986, 840; Zöller/Gummer § 22d GVG Rn 1. BGHZ 37, 125, 127 = NJW 1962, 1396; Zöller/Gummer § 22d GVG Rn 1; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 22d GVG Rn 1. Ebenso Keidel/Zimmermann § 7 Rn 14.

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III. Unwirksamkeit 15

Als Rechtsfolge ordnet § 7 den Ausschluss der Unwirksamkeit an. Unwirksamkeit in diesem Sinne bedeutet, dass die gerichtliche Handlung die beabsichtigten Rechtsfolgen nicht erreichen kann. Die unwirksame Handlung ist in der Weise schlechthin unverbindlich, dass diese Unverbindlichkeit ohne vorherige förmliche Anfechtung oder Aufhebung jeder Zeit geltend gemacht werden, mithin auch von jedem Gericht inzident festgestellt werden kann.26 Eine in diesem Sinne materiell unwirksame (nichtige) Verfügung wird auch nicht dadurch gültig, dass sie in formelle Bestandskraft erwächst. In § 7 wird nun bestimmt, dass die in ihm genannten Verfahrensfehler auf die materielle Wirksamkeit der Handlung gerade ohne Einfluss sind; das bedeutet, dass die Handlung oder Verfügung, wenn außerdem die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt ihrer Wirksamkeit geben sind, verbindliche Kraft hat und die Wirkungen äußert, die sie ihrem Inhalt nach herbeizuführen geeignet und bestimmt ist.27 Wird die Entscheidung nicht mit Rechtsmitteln angefochten (Rn 16), so bleibt sie trotz des Mangels wirksam und ist in anderen Verfahren als wirksam zu beachten.28 Hat aber ein örtlich unzuständiges Gericht eine Vormundschaft (Pflegschaft, Betreuung) angeordnet und wird der Mangel später erkannt, so hat es die Sache an das örtlich zuständige Gericht abzugeben (§ 4 Rn 2 f), da das Tätigwerden den Mangel nicht heilt (Rn 3). Dies gilt für alle Entscheidungen mit Dauercharakter.

IV. Rechtsmittel 1. Anfechtungsgrund

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Der Umstand, dass die örtliche Unzuständigkeit des Gericht oder die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Besorgnis der Befangenheit (vgl Rn 10) mit Erfolg abgelehnten Richters auf die Wirksamkeit der Amtshandlung ohne Einfluss ist, ändert nichts daran, dass die Amtshandlung mit einem Verfahrensfehler behaftet ist. Die Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit oder des § 6 kann daher, wenn die Handlung eine nach § 19 beschwerdefähige Verfügung ist, mit der Beschwerde gerügt werden, und zwar mit dem Ziel der Aufhebung des Verfahrens.29 Für die Zulässigkeit der allein hierauf gestützten Beschwerde muss aber erkennbar sein, dass der Beschwerdeführer auch die Entscheidung an sich für unrichtig hält.30 Das gilt auch für die von einem unzuständigen Gericht angeordnete Vormundschaft;31 demnach ist die Vormundschaft aufzuheben. Die örtliche Zuständigkeit ist entsprechend den allgemeinen Regeln auch ohne Rüge in jeder Lage des Verfahrens, auch in den Beschwerdeinstanzen, von Amts wegen zu prüfen,32 wenn nicht gesetzlich die Prüfung ausgeschlossen ist, wie

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Rosenberg/Schwab/Gottwald § 62 Rn 10 f; Bachof SJZ 1950, Sp 488; Jansen NJW 1966, 331; vgl ferner Rn 38. Schefold AcP 87, 460, 461; Glässing ZBlFG 1, 183 ff; Josef § 7 Anm 6A. OLG Schleswig SchlHA 1956, 242 = ZBlJR 1957, 155. OLG Colmar 30 A 289 = RJA 6, 1; BayObLG KGJ 35 A 345 = RJ A 9, 73; BayObLGZ 23, 206; KG KGJ 53, 27, 62, 88;

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KG JFG 12, 159; Schlegelberger § 7 Anm 19; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 36. KG FamRZ 1977, 65; Habscheid § 33 II 2. KGJ 14, 204, 205 = DFG 1, 158; JFG 14, 255 = DFG 2, 23 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung; Schlegelberger § 7 Anm 19; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 36; Habscheid § 13 I 1; Bärmann § 6 IV 4. BayObLGZ 1956, 396; 1968, 63, 65; OLG Hamm OLGZ 1966, 125.

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in §§ 23, 27 Abs 2 LwVG. In der Regel ist es geboten, unter Aufhebung der Vorentscheidung das Amtsgericht anzuweisen, die Sache an das zuständige Gericht abzugeben.33 Eine Aufhebung oder Zurückverweisung zwecks Abgabe an das zuständige Gericht ist aber entbehrlich, wenn das Beschwerdegericht das gemeinsame obere Gericht für das zuständige und das unzuständige Gericht ist und wenn es in der Lage ist, auf Grund eigener Würdigung des Sachverhalts zu entscheiden, da dann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allein die Entscheidung des örtlich zuständigen Beschwerdegerichts maßgeblich ist.34 Ist erst das Rechtsbeschwerdegericht das gemeinschaftliche obere Gericht für das zuständige und das unzuständige Gericht, ist also das entscheidende Landgericht dem zuständigen Gericht nicht vorgeordnet, so erübrigt sich eine Aufhebung und Zurückverweisung, wenn es in dem Verfahren nur auf Rechtsfragen ankommt, da insoweit letztlich die in Rechtsauffassung des in jedem Fall zuständigen Rechtsbeschwerdegerichts maßgebend ist. Beruht aber die Entscheidung auf einer Tatsachenwürdigung durch das Gericht der ersten Beschwerde, so ist eine Aufhebung durch das Rechtsbeschwerdegericht nebst Zurückverweisung unvermeidlich; es darf also weder die weitere Beschwerde zurückweisen, weil die Tatsachenwürdigung rechtsfehlerfrei sei, noch nach Aufhebung der Entscheidung wegen eines Rechtsfehlers, etwa gerade wegen des Mangels der örtlichen Zuständigkeit, auf Grund eigener Würdigung des Sachverhaltes entscheiden, denn es kann sein, dass das dem zuständigen Gericht vorgeordnete Landgericht den Sachverhalt anders, aber ohne Rechtsverletzung und deshalb für das Rechtsbeschwerdegericht unangreifbar gewürdigt hätte; das lediglich im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit vertretbare Absehen von der Aufhebung und Zurückverweisung darf nicht dazu führen, dass die Entscheidung im Ergebnis anders ausfällt, als wenn das zuständige Gericht und das diesem vorgeordnete Landgericht entschieden hätten.35 Das Rechtsmittel muss nach allgemeinen Grundsätzen statthaft sein, und dem Beschwerdeführer muss ein Beschwerderecht zustehen. Die Anordnung der Pflegschaft/Betreuung durch ein unzuständiges Gericht beeinträchtigt das Recht des Pflegebefohlenen/Betreuten, die Bestellung des Pflegers/Betreuers dessen Recht; der Pfleger/Betreuer kann daher Beschwerde sowohl im eigenen Namen als in dem des Pflegebefohlenen einlegen.36 Ob das Rechtsmittel die sofortige oder die unbefristete Beschwerde ist, richtet sich nach der Art der jeweils angefochtenen Verfügung. Für die Frage der Rückwirkung der Beschwerdeentscheidung gelten die allgemeinen Grundsätze. 2. Unanfechtbare Verfügungen Soweit eine Verfügung unanfechtbar ist, kann der Beschwerderechtszug auch nicht 17 mit der Behauptung eröffnet werden, das Gericht sei örtlich unzuständig oder der Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen.37 Beschließt mithin ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter die Annahme als Kind, so ist diese Verfügung nach § 7 wirksam. Eine Nachprüfung im Beschwerdewege ist nicht mehr möglich, wenn die Anfechtbarkeit der Verfügung wegen verfahrensrechtlicher Überholung, Erledigung der Hauptsache oder unaufhebbaren Eintritts ihrer Wirkungen fortgefallen ist. Ist daher die Führung einer Vormundschaft durch ein unzuständiges Gericht bis zu ihrer Beendigung

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BayObLGZ 1955, 122; 1964, 257/263; OLG Hamm OLGZ 1966, 125. OLG Hamm ZBlJR 1954, 240; BayObLGZ 1955, 122; 1961, 119; KG OLGZ 1966, 321, 324; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 37.

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AM BayObLGZ 1968, 63. BayObLG OLGR 10, 17; Josef § 7 Anm 3. Keidel/Zimmermann § 7 Rn 38; Schlegelberger § 7 Anm 19; Habscheid § 13 I 1.

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unbeanstandet geblieben, so hat es damit sein Bewenden und die im Rahmen der Vormundschaft getroffenen Verfügungen können nicht mehr in Frage gestellt werden. 3. Registereintragungen und Erbscheine

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Registereintragungen eines örtlich unzuständigen Gerichts sind im Amtslöschungsverfahren nach §§ 142, 143, 147, 159, 160b, 161 zu beseitigen (§ 125 Rn 30). Auch der von einem örtlich unzuständigen Nachlaßgericht erteilte Erbschein ist ohne Rücksicht auf seine sachliche Richtigkeit einzuziehen.38

V. Einfluss anderer Mängel auf die Wirksamkeit gerichtlicher Handlungen 1. Mangel der sachlichen Zuständigkeit

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Ein Mangel der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts macht die Handlung ebenfalls nicht unwirksam; insoweit ist weder ein Umkehrschluss aus § 7 gerechtfertigt noch kann der einschränkenden Bemerkung in § 32 ein gegenteiliger Standpunkt des Gesetzes entnommen werden.39 Der Mangel liegt etwa vor, wenn statt des Amtsgerichts das Landgericht (im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) entschieden hat. Wird gegen die Vorschrift über den Instanzenzug verstoßen, also gegen die Vorschriften über die Verteilung der Rechtspflegeaufgaben in derselben Sache auf verschiedene Arten von Gerichten, so liegt eine Verletzung der funktionellen Zuständigkeit vor (zu dieser Vorbem §§ 3–7 Rn 3); dieser Verstoß zieht ebenfalls keine Unwirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung (wohl aber Anfechtbarkeit) nach sich (vgl Rn 21). Ein vom Beschwerdegericht erteilter Erbschein ist wegen dessen Unzuständigkeit auf weitere Beschwerde zwar durch das Amtsgericht einzuziehen, bis dahin aber nicht unwirksam.40 Ein Erbschein über einen Nachlass, zu dem ein Hof gehört, ist wirksam, auch wenn er statt vom Landwirtschaftsgericht (§ 20 Abs 3 LwVG), vom insoweit sachlich unzuständigen41 Nachlassgericht oder, wenn es sich um Erbfolge nach dem Höferecht handelt, statt vom Nachlassgericht (15 Abs 2 EHRV) vom Landwirtschaftsgericht erteilt ist.42 Wirksam ist auch die Erteilung einer Genehmigung durch den Vormundschaftsrichter statt durch den Nachlassrichter;43 allerdings können für dieses Ergebnis nicht zivilprozessuale Grundsätze (rügelose Einlassung nach § 39 ZPO) herangezogen werden. Eine Zuständigkeitsvereinbarung, §§ 38, 39

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OLG Hamm OLGZ 1972, 352; BayObLG Rpfleger 1981, 112; KGJ 53, 88; OLG Köln JMBlNRW 1957, 15; zu einem besonderen Fall BGH Rpfleger 1976, 174. Bärmann § 6 III 3; Habscheid § 13 II; Brehm Rn 98; Keidel/Zimmermann , § 7 Rn 26; anderer Meinung noch BGHZ 24, 47 = NJW 1957, 832 und die ältere Rechtsprechung und Rechtslehre: OLG Colmar KGJ 30 A 289 = RJA 6, 1; BayObLG KGJ 35 A 345 = RJA 9, 73; KG KGJ 51, 1; Schlegelberger § 7 Anm 12; Josef § 7 Anm 4; Wellstein § 7 Anm 1; Ebert-Dudek-Lindemann § 7 Anm 2a; Josef ZZP 30, 115 f; Unger ZZP 34, 325. Keidel/Zimmermann § 7 Rn 26; anderer Meinung KGJ 50, 91 = RJA 16, 40.

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MünchKomm/J. Mayer § 2353 Rn 155; Palandt/Edenhofer § 2353 Rn 16; Habscheid § 46 III 1; aA Keidel/Zimmermann § 7 Rn 26b: Frage der funktionellen Zuständigkeit. OLG Kiel JR 1948, 159; es hat auch bei der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts zu verbleiben, wenn dieses an Stelle der zuständigen Verwaltungsbehörde gehandelt hat, vgl BGH RdL 1951, 129 = DNotZ 1951, 343 = NJW 1951, 803. OLG Hamburg NJW 1953, 1230; Keidel JZ 1954, 233; Schlegelberger § 7 Anm 12; Saage S 185

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ZPO ist in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Streitsachen, unstatthaft.44 Auch die im Zivilprozess mittlerweile eingeführte Beschränkung der Geltendmachung derartiger Rechtsfehler (vgl § 513 Abs 2 ZPO) gilt in den Verfahren der fG nicht. 2. Fehlen der internationalen Zuständigkeit Das Fehlen der internationalen Zuständigkeit der Gerichte führt – anders als bei einer 20 Entscheidung trotz fehlender Gerichtsbarkeit (vgl § 3 Rn 12) – nicht zur Unwirksamkeit der Entscheidung;45 der Verfahrensfehler kann jedoch mit Rechtsmitteln gerügt werden, wobei Vorschriften, welche die Anfechtbarkeit wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit ausschließen oder beschränken, keine Anwendung finden,46 und der Mangel wird durch die formelle Rechtskraft der Entscheidung geheilt. Daher ist eine im Inland trotz Fehlens der internationalen Zuständigkeit (Art 24 EGBGB) angeordnete Vormundschaft über einen Ausländer bis zu ihrer Aufhebung als gültig anzusehen.47 Fehlt einem fremden Gericht vom Maßstab des deutschen Rechts aus die internationale Zuständigkeit, so handelt es sich nicht um eine Frage der Wirksamkeit dieser Entscheidung, die im Entscheidungsstaat durchaus gegeben sein mag, sondern um die Frage, ob die Entscheidung im deutschen Rechtsgebiet anerkannt werden kann. Diese Frage ist grundsätzlich zu verneinen, wie sich nunmehr ausdrücklich aus § 16a Nr 1 ergibt. 3. Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit Die Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit, also die Verletzung der Vor- 21 schriften über die Verteilung verschiedenartiger Rechtspflegeaufgaben in derselben Sache auf verschiedenartige Rechtspflegeorgane (vgl Vorbem §§ 3–7 Rn 3), hat im Regelfall ebenfalls nicht die Unwirksamkeit der getroffenen Entscheidung, also deren Nichtigkeit zur Folge. Für das Verhältnis zwischen Richter und Rechtspfleger bestimmt RPflG § 8 Abs 1, dass ein dem Rechtspfleger übertragenes Geschäft wirksam auch vom Richter wahrgenommen werden kann. Es ist daher stets unschädlich, wenn der Richter ein dem Rechtspfleger übertragenes Geschäft an sich zieht, da die Übertragung auf den Rechtspfleger das Wesen des Geschäfts als richterliches unberührt gelassen hat. Die Wahrnehmung eines übertragenen Geschäfts durch den Richter begründet deshalb nicht die Sachbeschwerde,48 noch weniger die Dienstaufsichtsbeschwerde.49 Hat dagegen der Rechtspfleger ein Geschäft wahrgenommen, das ihm nicht übertragen oder auf dem Gebiet der Vorbehaltsübertragung dem Richter vorbehalten ist, dann ist es unwirksam (RPflG § 8 Abs 4 S 1), die Verfügung also wirkungslos (nichtig); die Nichtigkeit wird auch durch den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht geheilt.50 Der Regelung des § 8 RPflG Entsprechendes dürfte für das Verhältnis zwischen Richter und Urkundsbeamten gelten.51 44 45

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BGH NJW 1952, 1055. KG JFG 2, und 46 für deutsches Ehescheidungsurteil; Habscheid § 13 III; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 27; anderer Meinung für vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen RG JW 1932, 588 m Anm von Frankenstein; Josef ZBlFG 14, 160. BGHZ 44, 46 = NJW 1965, 1665. KG JFG 5, 98; OLG Karlsruhe Rpfleger 1951, 108; Habscheid § 13 III; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 27 Keidel NJW 1957, 121 zu IV; Arnold/Meyer-

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Stolte/Herrmann. § 8 RPflG Rn 2; Dallmayer/ Eickmann § 8 Rn 15. Arndt RPflG, § 7 Anm 9; anders jedenfalls bei wiederholten vorsätzlichen Verstößen: Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann. § 8 RPflG Rn 6. BGH Rpfleger 2005, 520; OLG Zweibrücken Rpfleger 2003, 117; OLG Frankfurt NJWRR 1996, 1288; BayObLG Rpfleger 1982, 292, 420; 1980, 350; Habscheid § 25 III 1b. Zöller/Gummer § 153 GVG Rn 11; Wieczorek/Schütze/Schreiber § 153 GVG Rn 1; aA

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Es gelten von den oben genannten Grundsätzen aber Abweichungen: Eintragungen im Register, die der zuständige Registerführer bewirkt hat, sind jedoch wegen der endgültigen Wirkungen der Eintragung wirksam, auch wenn die Eintragungsverfügung statt vom Richter vom Rechtspfleger erlassen wurde.52 Entsprechendes muss wegen seines öffentlichen Glaubens (§ 2366 BGB) für den Erbschein und für das Testamentsvollstreckerzeugnis gelten (§ 2368 Abs 3 BGB). Der Erbschein als für den Rechtsverkehr bestimmtes Zeugnis des Gerichts ist zwar als unrichtig einzuziehen, aber nicht unwirksam, wenn die Anordnung der Erbscheinserteilung von dem Rechtspfleger statt vom Richter (§ 16 Nr 6 RPflG) verfügt worden ist.53 Bloße Billigung des Richters heilt nicht.54 Handlungen und Verfügungen eines Nicht-Rechtspflegers, zB eines ausschließlich mit 23 Justizverwaltungsaufgaben betrauten Justizbeamten, sind, wenn er wie ein ordentlich bestellter Rechtspfleger gehandelt hat, dem Gericht als Behörde zuzurechnen und daher, wenn das Geschäft an sich dem Rechtspfleger übertragen ist, wirksam;55 es handelt sich lediglich um einen Fall vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts (Rn 24). Deswegen ist er in Betreuungssachen befugt, über die Abgabe oder Übernahme des Verfahrens zu befinden und auch eine Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts herbeizuführen. Auch die Entscheidung des als Kostenbeamten eingesetzten Beamten des gehobenen Justizdienstes, der unzulässiger Weise über die Erinnerung gegen den Kostenansatz (§ 14 Abs 2 KostO) entscheidet, ist wirksam.56 Das gilt aber nicht für Sachen, die dem Richter vorbehalten sind.57 Zu Handlungen eines Urkundsbeamten, Gerichtsvollziehers oder Wachtmeisters, vgl Rn 24. 4. Vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts

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Nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts im Sinne des § 547 Nr 1 ZPO macht auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Entscheidung nicht unwirksam, sondern begründet einen Verfahrensfehler, der mit Rechtsmitteln gerügt werden kann.58 Der Mangel liegt beim Kollegialgericht nicht nur vor, wenn der Spruchkörper nicht gesetzmäßig gebildet ist, sondern auch, wenn das Gericht nicht mit der gesetzmäßigen Anzahl von Richtern entschieden hat.59 Auch die Betätigung eines Nichtrichters als Alleinrichter oder Mitglied eines Kollegialgerichts, sofern er wie ein ordentlich bestellter Richter gehandelt hat, ist dem Gericht als Behörde zuzurechnen und begründet deshalb nach zutreffender Auffassung keine Nichtigkeit, sondern nur den Mangel vorschriftswidriger Besetzung.60 Für die ordentliche Bestellung eines Richters kommt es allerdings nur auf die Aushändigung der Bestellungsurkunde und nicht auf eine ordnungsgemäße Beteili-

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Voraufl, § 7 Rn 17; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 25 Rn 16. KG JFG 11, 178; OLG Neustadt Rpfleger 1961, 17; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 15. MünchKomm/J. Mayer § 2353 Rn 57; Palandt/Edenhofer § 2353 Rn 15; Bärmann § 6 VI 4; Brehm Rn 155. BayObLGZ 1959, 89, 93 = NJW 1959, 1042; str. Vergleiche für Urteile eines Nichtrichters Jauernig S 24; für Verwaltungsakte Wolff/ Bachof/Stober § 49 Rn 19; für Erbschein dahingestellt gelassen KG OLGZ 1968, 110; verneinend: MünchKomm/J. Mayer § 2353 Rn 58.

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LG München II Rpfleger 1973, 15; BayObLGZ 194, 329; 1975, 450/453; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 16b. BayObLGZ 1992, 52/54 = Rpfleger 1992, 285. Baur § 27 B I 1; Bärmann § 24 IV 2b; Habscheid § 25 II 19; Keidel/Zimmermann, § 7 Rn 42; aM Unger ZZP 34, 328; Schlegelberger § 7 Anm 11. Putzo in Thomas/Putzo, § 547 Rn 2; Stein/ Jonas/Grunsky , § 551 Rn 3; Jauernig S 27. Vgl Jauernig S 24 f mit Nachw; unklar: Keidel/Zimmermann § 7 Rn 47.

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gung des Richterwahlausschusses an.61 Ebenfalls nur Anfechtbar sind Verfügungen und Entscheidungen eines bei dem Gericht beschäftigten Referendars, die er unter Überschreitung des § 10 Abs 1 GVG getroffen hat,62 sowie in auf den Rechtspfleger übertragenen Angelegenheiten für den nicht mit Rechtspflegergeschäften betrauten Justizbeamten, der sich wie ein Rechtspfleger geriert hat.63 Dagegen kann die Wahrnehmung richterlicher oder auf den Rechtspfleger übertragener Geschäfte durch den Urkundsbeamten, den Gerichtsvollzieher oder Justizwachtmeister nicht dem Gericht zugerechnet werden, da diese als solche nicht dem „beschließenden“ oder „erkennenden“ Gericht angehören; hier liegt eine Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit vor, die Nichtigkeit begründet.64 Unwirksam sind auch Entscheidungen, die ein ersuchter Richter anstelle des ersuchenden Gerichts erlässt, sowie beim Kollegialgericht Entscheidungen des beauftragten Richters.65 Körperliche Gebrechen des Richters (Taubheit, Erblindung) begründen im schriftlichen Verfahren keinen Verfahrensmangel, bei der Mitwirkung an mündlichen Verhandlungen oder Beweiserhebungen (Augenscheinseinnahme, Zeugenvernehmung) nur dann, wenn der Richter nicht mehr in der Lage ist, den Gang der Verhandlungen wahrzunehmen.66 Auch Amtshandlungen eines geisteskranken Richters sind nicht nichtig, sondern, soweit es sich um Entscheidungen handelt, wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts anfechtbar, sofern im Einzelfall das geistige Gebrechen den Richter unfähig gemacht hat, die Vorgänge im Verfahren aufzunehmen oder zu beurteilen;67 Eintragungen in Register durch einen geisteskranken Richter sind wirksam, sofern sie im übrigen gesetzmäßig sind.68 Die in der freiwilligen Gerichtsbarkeit noch vorherrschende Gegenmeinung69 ist jedenfalls unter der Geltung des Deutschen Richtergesetzes nicht mehr vertretbar, da selbst die Nichtigkeit der Ernennung eines Richters nach § 18 Abs 3 DRiG erst geltend gemacht werden kann, nachdem ein Dienstgericht sie rechtskräftig festgestellt hat. Ersichtlich ist es mit der Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit (Art 97 Abs 1 GG) unvereinbar, wenn die Amtsunfähigkeit eines Richters in jedem beliebigen Verfahren bei der Prüfung der Wirksamkeit seiner Verfügungen festgestellt werden dürfte.70 5. Fehler bei der Abgrenzung zu anderen Verfahrensordnungen a) Entscheidungen der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit Nicht um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit (Rn 19) oder der bloßen Geschäfts- 25 verteilung (Rn 1371) handelt es sich, wenn ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Entscheidung unter Verletzung der Vorschriften über die Abgrenzung der freiwilli-

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BGH NJW 2004, 3784 = MDR 2004, 1448. OLG Frankfurt NJW 1954, 207; Schlegelberger § 7 Anm 11; aM Baumbach/Albers § 10 GVG Rn 1. Oben Rn 23. Jauernig S 11 ff, 28. Vergleiche näher Jauernig S 29 f. RGZ 124, 153 = JW 1929, 1464; BGHSt 4, 193 = NJW 1953, 1115 = LM § 338 StPO 9 mit Anmerkung von Geier; BGHSt 5, 355; BSozG DVBl 1965, 948 = NJW 1965, 2422; Bärmann § 24 IV 2b; zu weitgehend Wimmer JZ 1953, 670; Siegert NJW 1957, 1622 Im Zivilprozess hM, vgl Stein/Jonas/Grunsky

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§ 551 Rn 8; RG JW 1928, 821 = DJZ 1928, 522; Jauernig S 24 Fn 42; vgl auch Baumbach/Albers § 547 Rn 6; zum FGG wie hier Bärmann § 24 II 2b; Habscheid § 25 III 1 f. Josef JW 1929, 1862. Schlegelberger § 7 Anm 11 am Ende; Keidel/ Zimmermann § 7 Rn 43; Baur, § 27 B Ia; Habscheid § 25 II 9. Vgl für Richter im Bundesdienst §§ 18 Abs 3, 35, 46 DRiG mit § 14 BBeamtG und dazu Schmidt-Räntsch § 18 Rn 4 und 16, § 46 Rn 20. Vgl dazu Voraufl, § 7 Fn 70.

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gen von der streitigen (Zivil-, Straf- oder Verwaltungs-)Gerichtsbarkeit erlässt. Ein solcher Verstoß hat grundsätzlich Nichtigkeit zur Folge.72 Das ist jedenfalls die Auffassung des historischen Gesetzgebers gewesen, die in § 32 ihren Niederschlag gefunden hat, da unter der dort genannten „sachlichen Zuständigkeit“ nach dem damaligen Sprachgebrauch gerade Fälle der in Rede stehenden Art zu verstehen waren.73 Der Gesichtspunkt der Einheit der rechtsprechenden Gewalt greift demgegenüber nicht durch, weil die Tätigkeit der Gerichte auf dem klassischen Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Vormundschafts-, Nachlass- und Registerwesen) zwar Rechtspflege, aber keine Rechtsprechung ist; ebenso wenig der Gesichtspunkt, dass die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit Teile der ordentlichen Zivilgerichte sind, da den Zivilgerichten auch andere als Rechtsprechungsaufgaben übertragen sind. Unwirksam ist deshalb die dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht zugewiesene Festsetzung der Vergütung für den gerichtlich ernannten Liquidator einer OHG74 oder die Verurteilung zur Leistung im Dispacheverfahren.75 Schlechthin nichtig wäre zum Beispiel die Verurteilung zur Auflassung eines Grundstücks durch Beschluss des Grundbuchamts. An diesem Grundsatz ist insbesondere für den Bereich der klassischen FGG-Sachen festzuhalten; er gilt aber nur mit Einschränkungen, vgl Rn 27. b) Entscheidungen der Prozessgerichte

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Urteile der Prozessgerichte, die irriger Weise in einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergehen, sind zwar nicht wegen dieser Grenzüberschreitung nichtig, sie können aber wirkungslos oder wirkungsgemindert sein, weil sie nur unter den Parteien wirken und nicht wie ein entsprechender Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit die rechtsgestaltende Kraft einer mit Wirkung inter omnes versehenen Entscheidung entfalten.76 Das Prozessgericht kann zwar eine Partei im Einzelfall so behandeln als ob sie volljährig wäre, sie nicht aber mit Wirkung inter omnes für volljährig erklären, und es kann den im Rechtsstreit als Vormund der Partei Aufgetretenen zwar als solchen gelten lassen, ihn aber nicht mit rechtsgestaltender Wirkung zum Vormund bestellen; die ausdrückliche Stellungnahme zu diesen Fragen würde gegenüber dem rechtskräftigen Urteil nur den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs 1 Nr 4 ZPO ausschließen.77 Bei Übergriffen der Prozessgerichte auf den klassischen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in welchem es sich um die Ausübung staatlicher Fürsorge durch privatrechtsgestaltende Staatsakte (Ernennung eines Vormundes) oder Schaffung rechtserheblicher Tatsachen (Eintragung in Register) handelt, kann die volle Wirksamkeit auch von Urteilen der Prozessgerichte über den Kreis der Parteien hinaus nicht auf § 17 Abs 1 GVG gestützt werden, weil diese Vorschrift die Kompetenzkompetenz der Gerichte nur für die Ausübung der streitentscheidenden Gerichtsbarkeit begründet. Für das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbeachtlich ist daher eine einstweilige Verfügung des Prozessgerichts, in welcher angeordnet wird, dass das Registergericht Liquidatoren einer OHG (§§ 146 Abs 2, 147 HGB) zu

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Vgl Blomeyer § 81 III 2a; Unger ZZP 34, 324; Ebert-Dudek-Lindemann § 7 Anm 2a; Josef § 1 Zus VI A, § 7 Anm 4; Lent S 21; Pritsch LwVG, § 2 Anm F III 3c; Siehr Freiw Gerichtsbarkeit, S 11; Baur § 2B, § 27 B I 2a; Habscheid § 13 II 1a; Schlegelberger § 7 Anm 12 ; KGJ 97 A 222,225 = RJA 4, 144; BGH WM 1957, 1573, BGHZ 29, 223; aM Habscheid NJW 1966, 1787.

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Baur § 2 B V 1; Habscheid § 13 II 1c. KGJ 27 A 222 = RJA 4, 144; Schlegelberger § 7 Anm 12. BGHZ 29, 233. Habscheid § 25 II 1; vgl auch Jauernig S 172; BGH WM 1957, 1573. Blomeyer ZPR, § 106 II 3a; Rosenberg/ Schwab/Gottwald § 159 Rn 8.

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bestellen oder abzuberufen und dies in das Handelsregister einzutragen habe,78 oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das Prozessgericht.79 c) Echte Streitsachen Andere Grundsätze gelten für das Verhältnis der streitigen Verfahren der freiwilligen 27 Gerichtsbarkeit zur streitigen Gerichtsbarkeit. Hier hat eine Überschreitung der Zuständigkeitsgrenzen nach beiden Richtungen hin entsprechend § 17 Abs 1 GVG keine Nichtigkeit (wohl aber Anfechtbarkeit) zur Folge.80 In den echten Streitsachen ergeht zwar die Entscheidung, wie auch sonst, durch Beschluss, so dass es an einem Urteil im formellen Sinne fehlt; es wird aber materiell Rechtsprechung ausgeübt, weil der Richterspruch den verselbständigten und verbindlichen, der materiellen Rechtskraft fähigen Ausspruch dessen, was in dieser Sache Rechtens ist, enthält und sich deshalb als Urteil im materiellen Sinne darstellt.81 Wirksam ist daher das Urteil des Prozessgerichts, durch welches ein Elternteil entgegen § 1632 Abs 3 BGB zur Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil verurteilt wird, aber auch die Entscheidung, durch die im Wohnungsauseinandersetzungsverfahren nach der HausratsVO einem Untermieter der geschiedenen Eheleute die Räumung der Wohnung (unzulässigerweise) aufgegeben wird. Die im Landwirtschaftsrecht umstrittene Frage, ob Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines (formgerechten oder formlosen) Hofübergabevertrages vom Prozessgericht oder vom Landwirtschaftsgericht zu entscheiden sind,82 kann jedenfalls nicht die Wirksamkeit der allgemeinen Entscheidung berühren,83 zumal die Rüge, die Sache gehöre vor das Prozessgericht, nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 24 Abs 2 Nr 2 LwVG begründet.84 6. Fehlen des Antrags Im Zivilprozess wird ein ohne Klage erlassenes Urteil als wirkungslos erachtet;85 es 28 muss ein Rechtsschutzgesuch vorliegen, welches die Parteien und den Inhalt der begehrten Entscheidung wenigsten in Umrissen erkennen lässt. Dieser Grundsatz wird in den nur auf Antrag einzuleitenden Streitsachen entsprechend anzuwenden sein, da in diesen in gleicher Weise wie im Zivilprozess die Dispositionsmaxime gilt.86 Das Fehlen oder die Überschreitung des Sachantrags kann aber dem Fehlen des Verfahrensantrags nicht gleichgestellt werden und berührt daher das Wirksamwerden der Entscheidung nicht. In anderen, nicht streitigen Antragsverfahren wird man unterscheiden müssen.87 Das Fehlen des Erbscheinsantrags rechtfertigt zwar die Einziehung des Erbscheins (§ 84 Rn 22), kann aber wegen des Vertrauensschutzes (§§ 2365–2367 BGB) nicht seine Unwirksamkeit begründen. Im registergerichtlichen Anmeldeverfahren führt das Fehlen der Anmeldung (= Antrag) bei rechtsbekundenden und solchen rechtsändernden Eintragungen, die er-

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OLG Dresden OLGR 16, 196 =ZBlFG 8, 337; KG JW 1931, 2992. KG JW 1937, 1656; KG JW 1938, 2420. Insoweit ist Habscheid NJW 1966, 1787 zuzustimmen; ebenso Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 11 Rn 17; dahingestellt gelassen in BGH WM 1957, 1573. Bettermann Festschrift für Lent, 1957, S 24 ff, 38 ff; Jauernig S 10. Vergleiche OLG Oldenburg RdL 1957, 210; OLG Hamm RdL 1958, 41.

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Pritsch LwVG, § 2 Anm F IIIa 1; Keidel/ Zimmermann § 7 Rn 25. BGHZ 4, 352 = RdL 1952, 188 = NJW 1952, 424. Blomeyer ZPR, § 81 III 2a ; Jauernig S 152; BayVGH NJW 1959, 1988 mit Anmerkung von Habscheid. Habscheid NJW 1966, 1787; Habscheid § 25 II 12. AA Habscheid NJW 1966, 1787, 1795.

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zwungen werden können, nicht zur Einleitung des Amtslöschungsverfahrens, wenn die Eintragung sachlich richtig ist (§ 142 Rn 30, § 159 Rn 50; vgl auch § 161 Rn 22). In Verfahren, in denen das Gericht einen ähnlichen Rechtserfolg auch ohne Antrag herbeiführen kann (vgl etwa §§ 1887 Abs 2, 1896 Abs 1 BGB), wird man das Fehlen des Antrags jedenfalls dann, wenn das Gericht zur Abänderung (§ 18) befugt ist, für unschädlich ansehen müssen. Es ist anerkannt, dass zwischen Rechtsschutz und Nichtigkeit eine Wechselwirkung besteht; je unvollkommener der Rechtsschutz, desto eher werden Fehler zur Nichtigkeit führen und umgekehrt.88 Da der Beschluss über die Kindesannahme unanfechtbar ist (§ 56 f S 3), wird das Fehlen des notwendigen Antrags, ähnlich wie bei Verwaltungsakten, die ohne Antrag nicht ergehen dürfen, die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen müssen.89 Zu beachten ist, dass auch ein nichtiger Antrag, zB eines Geschäftsunfähigen, ein Verfahren einleitet, wenn es auch nicht zur Sachentscheidung führen kann, und deshalb dem Fehlen eines Antrags nicht gleichsteht.90 Dem Fehlen des Antrags steht eine Zurücknahme gleich. Darf ein Verfahren sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitet werden oder soll das Gericht nur auf Antrag tätig werden (§ 13 GBO), so ist das Fehlen des Antrags ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Entscheidung. Die Beschwerde steht für den Beschwerderechtszug, den sie eröffnet, dem Verfahrens29 antrag gleich. Eine Beschwerdeentscheidung, die ohne Beschwerdeeinlegung oder nach Zurücknahme der Beschwerde ergeht, ist wirkungslos.91 Eine Sachentscheidung trotz Rücknahme des Antrags oder der Beschwerde ist aber 30 wirksam, wenn das Gericht dahin entschieden hat, dass die Rücknahme unwirksam sei.92 Entsteht Streit darüber, ob die Rücknahme eines Antrags oder einer Beschwerde oder ein Prozessvergleich wirksam sind und das Verfahren beendet haben, so kann mit der Behauptung der Unwirksamkeit, über die das Gericht dann zu befinden hat, die Fortsetzung des Verfahrens beantragt werden. 7. Fehlerhaftigkeit wegen sachlichrechtlicher oder sonstiger verfahrensrechtlicher Mängel a) Grundsatz

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Eine unter gewissen gesetzlichen Voraussetzungen zulässige und ihrer Art nach zu dem Geschäftskreis der Behörde gehörige gerichtliche Verfügung oder Entscheidung ist nicht schon deswegen wirkungslos oder nichtig, weil sie nach Lage des Falles sachlich unrichtig oder verfahrenswidrig ergangen ist, etwa weil in tatsächlicher Hinsicht das Vorliegen des gesetzlichen Tatbestandes zu Unrecht unter Verletzung von Verfahrensvorschriften angenommen oder das Recht auf den festgestellten Sachverhalt unrichtig angewendet worden ist. Solche Mängel können nur Anlass sein, die Aufhebung der Verfügung im Beschwerdewege (oder gemäß § 18 Abs 1) zu betreiben; das erfordern die Sicherheit des Rechtsverkehrs und die Wahrung des Vertrauens auf die Verbindlichkeit staatlicher Hoheitsakte. Außerdem entspricht dies dem Sinn der Verteilung der verschiedenen staatlicher Aufgaben auf die einzelnen Staatsorgane (Grundsatz der Funktionsrein88 89

Winkler S 35; Bender DVBl 1953, 33; Baur § 27A; Lerche S 47. Bärmann § 24 IV 2c cc; Habscheid NJW 1966, 1787, 1795; bei begünstigenden Verwaltungsakten wird allerdings nur Anfechtbarkeit angenommen, Bulling DÖV 1962, 378.

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Jauernig S 154; Blomeyer ZPR § 8 III 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 45 Rn 35. BayObLG-Report 2000, 40. Jauernig S 153.

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heit), der es ausschließt, dass eine Behörde die Akte einer anderen unbeachtet lässt, weil sie die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Aktes anders beurteilt als die Behörde, der das Gesetz die Prüfung und Entscheidung zugewiesen hat. Derartige Mängel begründen daher grundsätzlich keine Unwirksamkeit.93 Wirksam ist daher die gerichtliche Ernennung eines Testamentsvollstreckers auch dann, wenn das Testament ein Ersuchen des Erblassers, (§ 2200 BGB) nicht enthält, mag es sogar für eine Auslegung in diesem Sinne keinen Raum bieten.94 Als Gegenstandslos kann daher allenfalls die Ernennung zu einem Zeitpunkt angesehen werden, zu dem bereits alle Testamentsvollstreckeraufgaben erledigt sind.95 Die Anordnung einer Pflegschaft für eine natürliche Person ist trotz Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen bis zu ihrer Beendigung kraft Gesetzes (§§ 1918, 1921 Abs 3) oder ihrer Aufhebung durch das Vormundschaftsgericht (§§ 1919, 1921 Abs 1, 2 BGB) wirksam.96 Die Bestellung des Jugendamts zum Vormund eines volljährigen Mündels ist nicht nichtig.97 Nichtig ist aber die Ungültigerklärung von Beschlüssen einer Wohnungseigentümerversammlung, wenn die entsprechende Versammlung nicht stattgefunden hat.98 b) Verfahrensfehler Verfahrensfehler, insbesondere mangelnde gesetzliche (oder rechtsgeschäftliche) Ver- 32 tretung begründen keine Nichtigkeit.99 Versagung des rechtlichen Gehörs berührt weder die Gültigkeit der Entscheidung100 noch schließt sie den Eintritt der formellen Rechtskraft aus. Sie muss mit den zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Seit dem 1.1.2005 ist, soweit kein Rechtsmittel gegeben ist, auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzusetzen (§ 29a Abs 1), wenn die Rüge sich als zutreffend erweist. Auch offensichtlicher Ermessensmissbrauch macht die Entscheidung nicht nichtig.101 So ist die Entscheidung des Landgerichts im Verfahren zur Nachprüfung von Notarkosten (§ 156 KostO) nicht deswegen unwirksam, weil die Kostenberechnung des Notars nichtig war.102 Dasselbe wird anzunehmen sein, wenn das OLG in dem Verfahren nach §§ 23 EGGVG oder Art 7 § 1 FamRÄndG über einen nichtigen Justizverwaltungsakt sachlich entscheidet. Wirkungslos ist aber eine Entscheidung, wenn der betroffene Beteiligte von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit (exterritorial) ist,103 vgl dazu § 3 Rn 12. 93

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Ganz hM vgl Baur § 27 A; Habscheid § 25 IV 1; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 40; KG DNotZ 1955, 650; BGH JZ 1961, 127 = MDR 1961, 44; BGHZ 41, 303; so genannte Gültigkeitstheorie, Schlegelberger § 7 Anm 7; Baur § 27 B II; Habscheid § 25 IV 5. KG Recht 1925 Nr 2438; KG DNotZ 1955, 649; OLG Stuttgart JW 1934, 923; OLG Hamburg NJW 1965, 1968; OLG Karlsruhe NJW-RR 1996, 652; Jansen NJW 1966, 331; Palandt/Edenhofer § 2200 Rn 7; MünchKomm/Zimmermann, § 2200 Rn 11; aA BayObLG FamRZ 1995, 124; kritisch dazu Leipold JZ 1996, 287, 295. BGHZ 41, 23 = NJW 1964, 1315, insoweit kommen auch Entscheidungen des Prozessgerichts in Betracht. KGJ 38 A 11; BayObLGZ 1958, 204; 1959, 328; BGHZ 33, 195; 41, 303.

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BayObLGZ 1962, 274. BayObLG ZMR 2001, 990. Baur § 27 B I 3a; Habscheid § 25 B II 10; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 44. BayVerfGH Rpfleger 1964, 12; Henkel ZZP 77, 322; Jansen Wandlungen usw. 1964, S 29; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 44; Baur § 27 B I 3b; Habscheid § 25 II 13. KG NJW 1955, 108; Keidel/Zimmermann § 7 Rn 41; Habscheid § 25 IV 3. OLG Hamm JurBüro 198, 419; Schneider DNotZ 1968, 19; Rohs/Wedewer § 156 Rn 3; aM OLG München DNotZ 1941, 393; LG Hannover NdsRpfl 2002, 19. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 62 Rn 22; Blomeyer ZPR, § 81III 2a; Jauernig S 159.

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c) Gesetzlich angeordnete Nichtigkeitsfolge

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Eine Verfügung (Entscheidung) ist nichtig, wenn das Gesetz dies als Rechtsfolge bestimmt. Das geschieht jedoch nur in wenigen Fällen, zB §§ 18 Abs 2, 55, 62 FGG (vgl § 18 Rn 24), § 8 Abs 4 S 1 RPflG, oben Rn 21. Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers ist beim Vorliegen der Unfähigkeitsgründe des § 2201 unwirksam, ebenso die Bestellung eines nach § 1780 BGB dazu unfähigen Vormunds.104 Es wird angenommen, dass, wenn der nachträgliche Wegfall von Voraussetzungen das Ende der Wirkungen einer Verfügung zur gesetzlichen Folge hat, daraus geschlossen werden müsse, dass bei ihrem ursprünglichen Fehlen die Verfügung von vornherein unwirksam sei. Da die Vormundschaft nach 1882 BGB mit dem Wegfall der in § 1773 BGB bestimmten Voraussetzungen kraft Gesetzes endigt, soll die Anordnung der Vormundschaft unwirksam sein, wenn diese Voraussetzungen an von Anfang an gefehlt haben;105 dasselbe müsste nach §§ 1915, 1882, 1897 für die Fälle gelten, in denen eine Pflegschaft oder Betreuung kraft Gesetzes endigt. Diese Erwägung hat gewiss die formale Logik für sich, übersieht aber, dass die Nichtigkeit von Staatsakten nicht nach formallogischen, sondern nach wertenden (teleologischen) Maßstäben zu beurteilen ist.106 Außerdem wird übersehen, dass der anfänglich wirksam Bestellte nach § 1893, 1698 a BGB das Recht zum Handeln als Vormund behält, bis er die Beendigung kennt oder kennen muss; auf diese Vorschrift aber könnte sich ein anfänglich wirkungslos bestellter Vormund nicht berufen.107 Die trotz anfänglichen Fehlens der sachlichrechtlichen Voraussetzungen angeordnete Vormundschaft bleibt daher bis zu ihrer Aufhebung durch das Vormundschaftsgericht in dem Sinne wirksam, dass der Vormund die Befähigung erlangt, Rechtsgeschäfte für und gegen den Quasi-Mündel vorzunehmen, etwa wenn das Vormundschaftsgericht irrig angenommen hat, dass der Minderjährige nicht unter elterlicher Sorge stehe (§ 1773 BGB) oder wenn es einen Volljährigen irrig für minderjährig gehalten hat. Die Anordnung beeinträchtigt aber nicht die Geschäftsfähigkeit des Volljährigen und entzieht dem richtigen gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen nicht die Vertretungsbefugnis; es kommt zu einer doppelten Rechtszuständigkeit, die erst mit der Aufhebung der Vormundschaft endet.108 Auch die Anordnung einer Vormundschaft in Unkenntnis des Todes des Mündels ist nicht wirkungslos;109 der Vormund handelt, soweit er auf dem Gebiet der Vermögenssorge tätig wird, mit Wirkung für und gegen die Erben, wie dies für die Abwesenheitspflegschaft anerkannt ist.110 Nichtig wäre aber eine Vormundschaft oder Pflegschaft oder Betreuung für eine erdichtete Person. d) Fehlende gesetzliche Grundlage

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Unwirksam ist eine gerichtliche Handlung, wenn es an jeder gesetzlichen Grundlage für die gerichtliche Tätigkeit fehlt.111 Das gilt insbesondere für rechtsgestaltende Verfügungen, für die es an einer gesetzlichen Ermächtigung allgemein, also nicht nur nach der

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RGSt 45, 309, 311; Palandt/Diederichsen § 1780 Rn 1; Erman/Holzhauer § 1780 Rn 1. Schlegelberger § 7 Anm 7; Baur § 27 B IIa; Habscheid NJW 1966, 1787; Staudinger/Engler § 1882 Rn 6. Vgl von Hippel insb S 42 ff, 143 ff. Staudinger/Engler § 1780 Rn 2 mwN; auch Habscheid nimmt an, dass wirkungslose Verfügungen keinen Vertrauensschutz genießen, NJW 1966, 1787; vgl dazu § 32 Rn 7.

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Soergel/Zimmermann § 1774 Rn 8; aA Staudinger/Engler § 1774 Rn 27 mwN; wohl BGHZ 41, 23, 29. Josef DogmJb 70,70 ff; aM BayObLGZ 19, 126; Soergel/Zimmermann § 1774 Rn 8; Staudinger/Engler § 1774 Rn 27. RG JW 1911, 100; Jansen DNotZ 1954, 592. BayObLGR 1993, 61; BayObLGZ 1984, 230, 235 f.

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Lage des Einzelfalls fehlt oder die ihrer Art nach dem Gesetz unbekannt sind.112 Nichtig ist daher die Ersetzung der Zustimmung eines Beteiligten zu einem Rechtsgeschäft ohne gesetzliche Ermächtigung, da die Ausdehnung der Vorschriften, in denen das Gesetz die Ersetzung einer Zustimmung oder Ermächtigung vorsieht, auf ähnliche Fälle unzulässig ist.113 Dasselbe gilt für die (durch § 29 BGB nicht gedeckte) Bestellung eines Notvorstandes für einen rechtsfähigen Verein oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts (vgl § 160 Rn 15).114 Dagegen wird die Bestellung eines Pflegers für eine juristische Person oder Gesellschaft nicht stets für nichtig erachtet werde können, da § 10 ZustErgG eine solche Möglichkeit vorsieht. Ebenso wenig ist eine Adoption nichtig, weil der Annehmende einen falschen Namen und Adelstitel angegeben hat.115 e) Unzulässige Rechtsfolge Wirkungslos ist eine gerichtliche Handlung, Verfügung oder Entscheidung, wenn sie, 35 losgelöst von den besonderen Umständen des einzelnen Falles, bei keiner vorstellbaren Sachlage gerechtfertigt sein kann, weil sie eine der Rechtsordnung ihrer Art nach unbekannte Rechtsfolge anordnet oder feststellt.116 Ohne Wirkung ist ferner eine Verfügung, die ein nicht bestehendes Rechtsverhältnis gestaltet,117 zum Beispiel einen Testamentsvollstrecker nach §§ 2227 BGB entlässt, der sein Amt nach §§ 2226 BGB bereits gekündigt hat; die Verfügung äußert aber ihre vollen Wirkungen, wenn sich ergibt, dass die Kündigung unwirksam war; die Verfügung ist also nicht nichtig.118 f) Gegenstandslose Verfügungen Eine rechtsgestaltende Verfügung kann fehlerfrei oder mit Fehlern, die ihre Wirksam- 36 keit nicht berühren, behaftet sein, gleichwohl aber kein Rechtswirkungen erzeugen. Dieser Fall kann eintreten bei Verfügungen, die ähnlich dem abhängigen (akzessorischen) Verwaltungsakt in notwendigem Zusammenhang mit einem Privatrechtsgeschäft oder einem anderen Staatsakt stehen, so dass erst die kumulative Geltung beider den Rechtserfolg herbeiführt. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen wird gegenstandslos, wenn die ausländische Entscheidung auf Grund Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines anderen Rechtsbehelfs des ausländischen Prozessrechts aufgehoben wird (Art 7 § 1 FamRÄndG). Ebenso ist die gerichtliche Ernennung eines Testamentsvollstreckers trotz Fehlens eines Ersuchens des Erblassers an das Nachlassgericht (§ 2200 BGB) zwar wirksam (oben Rn 31), gleichwohl aber gegenstandslos, wenn das Prozessgericht oder ein anderes Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wozu es befugt ist, feststellt, dass es an einer Anordnung der

112

113 114 115 116

Vgl. Baur B IIc; Habscheid NJW 1966, 1787; vgl. zum Problem des rechtsfremden Urteils Jauernig S 179 ff; die Gründe, aus denen Urteile, die eine unbekannte Rechtsfolge verhängen, wirksam sein mögen, können für Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht durchgreifen. KG JFG 7, 82; Schlegelberger Anm 6. Dazu Palandt/Heinrichs § 29 Rn 1 mwN. BayObLGR 1993, 61. Dieser Grundsatz ist im Zivilprozess, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und im Verwaltungsrecht in gleicher Weise anerkannt, vgl

117

118

Rosenberg/Schwab/Gottwald § 62 Rn 23; Blomeyer ZPR § 80 III 2a; für die Freiwillige Gerichtsbarkeit: KG NJW 1955, 108, 109; Jansen NJW 1966, 331; Habscheid NJW 1966, 1787; Bärmann § 24 IV 3b; für Verwaltungsakte: BGHZ 4, 10, 22 und 32 = NJW 1952, 738; 48, 239 = NJW 1967, 2309; zum Zivilprozess: Jauernig S 179. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 62 Rn 25; Blomeyer ZPR § 81 III 2a; Habscheid NJW 1966, 1787. Jauernig S 176; Blomeyer ZPR § 81 III 2a.

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§7

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Testamentsvollstreckung durch den Erblasser fehlt oder das die Testamentsvollstreckung zur Zeit des Erlasses der Verfügung infolge Erledigung aller Aufgaben bereits beendet war.119 In gleicher Weise schließt die Wirksamkeit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht aus, dass die Nichtigkeit des genehmigten Rechtsgeschäfts festgestellt wird.

VI. Besonderheiten für Entscheidungen in echten Streitsache 37

Bei Entscheidungen in echten Streitsachen üben die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit Rechtsprechung im materiellen Sinne aus (oben Rn 27). Die Entscheidungen erwachsen in materielle Rechtskraft und es findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens statt. Diese Umstände rechtfertigen es, die Nichtigkeit oder Wirkungslosigkeit einer Entscheidung in echten Streitsachen nur unter den engeren und strengeren Voraussetzungen anzunehmen, unter denen diese Rechtsfolgen bei fehlerhaften Zivilurteilen eintreten.120 Insoweit ist daher, wie schon für den Fall der Grenzüberschreitung zum Zivilprozess (Rn 27) eine Gleichstellung mit dem Zivilurteil geboten.121 Dagegen fehlt es an den Voraussetzungen für diese Gleichstellung bei Verfügungen im fürsorgerischen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit,122 die, auch wenn ein Richter sie erlassen hat, für Fehler anfälliger bleiben als ein Zivilurteil. Auch kann die Bestandskraft eines Zivilurteils schwerlich den Verfügungen eines Rechtspflegers in übertragenen Angelegenheiten oder einer nach Landesrecht zuständigen nichtgerichtlichen Behörde (§ 194) beigemessen werden, die formell rechtskräftig gewordenen sind.

VII. Folgen und Beseitigung der nichtigen oder wirkungslosen Verfügung 38

Im Gegensatz zur Nicht-Verfügung, die dem Gericht nicht zugerechnet werden kann, weil sie auch dem Rechtsschein nach nicht von dem Gericht ausgeht, ist die nichtige oder wirkungslose Verfügung ein existenter Staatsakt, der nur seine bestimmungsgemäßen Wirkungen nicht entfaltet.123 Die Verfügung kann daher mit Rechtsmitteln angefochten werden, um durch ihre förmliche Aufhebung den Rechtsschein ihrer Gültigkeit und Wirksamkeit zu beseitigen,124 und die Verfügung kann formell rechtskräftig werden, so dass die höhere Instanz zum Zwecke ihrer Aufhebung nicht mehr angerufen werden kann.125 Auch kann die Kostenentscheidung der wirkungslosen Verfügung wirksam sein.126 Aber es bedarf einer förmlichen Aufhebung der Verfügung nicht, vielmehr kann jedermann in jedem Verfahren, in dem es darauf ankommt, die Nichtigkeit oder Wirkungslosigkeit geltend machen. Zu dieser Prüfung ist jedes Gericht der streitigen oder freiwillige Gerichtsbarkeit befugt. Außerdem kann das Gericht, das die Verfügung erlas119

120

121 122

BGHZ 41, 23 = NJW 1964, 1316 und dazu Jansen NJW 1966, 331 gegen OLG Hamburg NJW 1965, 1968, dem Keidel/Schmidt § 1 Rn 43 zustimmt. Vgl dazu Blomeyer ZPR § 81 III; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 62; eingehend Jauernig Das fehlerhafte Urteil, 1958. Das hat Habscheid NJW 1966, 1787 überzeugend nachgewiesen. AM Habscheid aaO („Einheitslösung“).

212

123 124

125 126

Bettermann DVBl 1963, 826. KG RJA 4, 146; JFG 5, 54; BayObLGZ 1964, 84, 87; BayObLGZ 1999, 330; BayObLG ZMR 2001, 990; Keidel/ Zimmermann § 7 Rn 28; Schlegelberger § 7 Anm 14. Habscheid NJW 1959, 1989; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 62 Rn 21. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 62 Rn 21.

Peter-Hendrik Müther

Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter

§7

sen hat, sie gemäß § 18 aufheben, ohne durch § 18 Abs 2 daran gehindert zu sein. Wird die Verfügung im Beschwerdewege angefochten und die Wirkungslosigkeit außerdem in einem anderen Verfahren geltend gemacht, so kann dessen Aussetzung geboten sein. Ist eine Entscheidung auf ein nicht vorliegendes Rechtsmittel ergangen, kann diese Entscheidung angegriffen werden, ohne dass die Formalien des Rechtsmittels (hier: weitere Beschwerde) vorliegen müssen.127

VIII. ZustErgG In § 12 S 1 ZustErgG ist klarstellend bestimmt, dass die Wirksamkeit von gericht- 39 lichen Handlungen, die in der Zeit vom 8.5.1945 bis zum 22.8.1952 an Stelle eines Gerichts, an dessen Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, von einem anderen als dem nach dem ZustErgG zuständigen Gericht vorgenommen worden sind, durch den Mangel der örtlichen Zuständigkeit nicht berührt wird. Vgl ferner über die Rechtsgültigkeit richterlicher Handlungen Bayern VO vom 5.9.1946 (GVBl 304), Hessen VO vom 13.11.1946 (GVBl 226), Württemberg-Baden G v 31.7.1947 (RGBl 68), wonach Entscheidungen und sonstige Amtshandlungen eines Richters, der von der Militärregierung oder mit deren Genehmigung von der Justizverwaltung in das Richteramt eingesetzt war, nicht mit der Begründung für nichtig erklärt werden können, dass der Richter die im GVG bestimmten Voraussetzungen der Befähigung zum Richteramt nicht erfülle.

IX. Erweiterter Anwendungsbereich Über die Anwendbarkeit des § 7 auf Rechtspfleger, Urkundsbeamte der Geschäftsstelle 40 und Gerichtsvollzieher vgl § 6 Rn 35, 37. Die Anwendbarkeit auf diese nichtrichterlichen Beamten bedeutet, dass ihre Handlungen nicht deswegen unwirksam sind, weil das Gericht, dem sie angehören, örtlich unzuständig ist oder sie selbst gesetzlich ausgeschlossen oder mit Erfolg abgelehnt sind. Bei der Zuständigkeit zur Entgegennahme der weiteren Beschwerde zum Protokoll der Geschäftsstelle handelt es sich nicht um eine örtliche, sondern um eine funktionelle; bei den mit der Sache befassten Gerichten muss die weitere Beschwerde auch eingelegt werden, wenn sie örtlich unzuständig waren, nicht etwa bei dem für die Sache örtlich zuständigen, aber nicht mit ihr befassten Gericht.

X. Nichtgerichtliche Behörden und Landesrecht Für nichtgerichtliche Behörden, die auf Grund der Vorbehalte in Art 147 EGBGB und 41 § 192 FGG nach Landesgesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind, gilt § 7 gemäß § 194 ebenfalls. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 7 durchweg für anwendbar erklärt, s Art 1 HessFGG und Art 1 PrFGG.

XI. Zur Rechtslage in der früheren DDR 42

Vgl Voraufl § 7 Rn 36.

127

BayObLGZ 1999, 330.

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§7

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

XII. Reformvorhaben 43

Eine dem § 7 entsprechende Regelung ist in dem Referentenentwurf 2005 zum FGGReformgesetz nicht enthalten. Dies führt allerdings bei einer entsprechenden Änderung des Gesetzes nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage als sie hier dargestellt ist. Der Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit bzw die Entscheidung durch einen ausgeschlossenen oder erfolgreich abgelehnten Richter führt schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht zu einer Nichtigkeit der entsprechenden Entscheidung, sondern nur zu ihrer im Rechtszug geltend zu machenden Anfechtbarkeit. Der Referentenentwurf greift entgegen allgemeinen Tendenzen aber auch nicht die Beschränkung der Geltendmachung dieser Fehler auf, wie sie etwa im Zivilprozess in § 513 Abs 2 ZPO oder auch in einzelnen Verfahren der fG zu finden ist (vgl etwa § 23 LwVG).

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Vorbemerkungen zu den §§ 8 bis 18 Literatur Arnold Der Kommissionsentwurf einer Verfahrensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1979, 141 und 241; Barnstedt Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung und Streitverkündung im Verfahren nach § 156 Abs 1 KostO, Rpfleger 1957, 367; Bassenge Der Vergleich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1972, 237; Baumgärtel Die Unverwirkbarkeit der Klagebefugnis, ZZP 75, 385; ders Das Verfahren der ordentlichen Gerichte in öffentlich-rechtlichen Streitsachen, ZZP 73, 387 ff; Baur Sozialer Ausgleich durch Richterspruch, JZ 1957, 193; ders Der gegenwärtige Stand der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Juristen-Jahrbuch Band 3, 1962/1963; Bettermann Festschrift für Lent, 1957; Bötticher Abänderbarkeit und Rechtskraft im Funktionsbereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, JZ 1956, 582; ders Festschrift für Lent, 1957; Brudermüller Regelungen der Nutzungs- und Rechtsverhältnisse an Ehewohnung und Hausrat, FamRZ 1999, 129 und 193; Brüggemann Der sperrige Katalog – §§ 1821, 1822 BGB: Anwendungskriterien – Grenzfälle, FamRZ 1990, 5 und 124; von Falkenhausen Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Aktienrecht, Die AktG 1967, 309; Finkelnburg Die Rechtsstellung Berlins im Bund JuS 1967, 542 u 1968, 10; Göppinger Einige Fragen aus dem Bereich des Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Justiz 1967, 124 ff; Habscheid Zum Streitverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, JZ 1954, 689; Heinrichs Die Voraussetzungen des Inzidentverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, MDR 1952, 529; Jansen Wandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in: Recht und Staat, Hefte 290/291 (1964); Josef Der Vergleich im echten Streitverfahren der FG, Gruchot 48, 557; Keidel Der gerichtliche Vergleich vor dem LwGericht usw, DNotZ 1952, 103; Knoll Berlin und das Bundesverfassungsgericht, JR 1963, 361; Langer Das Bundesverfassungsgericht und die „Willensaufnahme durch den Gesetzgeber“, NJW 1962, 893; Lent Zivilprozeß und freiwillige Gerichtsbarkeit, ZZP 66, 267; Lindacher Verfahrensgrundsätze in der FG, JuS 1978, 577; Müller Der Vergleich im Verfahren der FG, JZ 1954, 17; Müller Der Freibeweis im Zivilprozessrecht, Diss Halle 1936; Munding Vergleiche im Verfahren der FG, Diss Frankfurt 1957; Münch Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts nach Art 100 II GG, JZ 1964, 163; Münzel Freiwillige Gerichtsbarkeit und Zivilprozeß in der neueren Entwicklung, ZZP 66, 334; Peters Das echte Streitverfahren im Bereich des FGG, MDR 1952, 137; Pillhofer Amtsermittlungsgrundsatz und Beweisaufnahme im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FamRZ 1982, 765; Pohle Zur Lehre vom Rechtsschutzbedürfnis, Festschrift für Lent 1957; Saage Aktienrechtsreform und Freiwillige Gerichtsbarkeit, DNotZ 1960, 75; Schick Die Sachaufklärungspflicht des nach Art 100 Abs 1 GG vorlegenden Gerichts, NJW 1965, 730; Schlitzberger Die Entscheidungserheblichkeit des Gesetzes bei einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG, NJW 1963, 1901; Schönke Das Rechtsschutzbedürfnis, 1950; Schreiber Grundbegriffe der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Jura 1994, 30; Schüßler Die Zulässigkeit Berliner Verfassungsbeschwerden, NJW 1965, 845; Schulte Ist die Aussetzung eines gerichtlichen Verfahrens nach Art 100 GG mit der Beschwerde anfechtbar? MDR 1952, 520; Sendler Anm zu KG, NJW 1966, 1756; Stich Die öffentlich-rechtlichen Zuständigkeiten der Zivilgerichte, in Staatsbürger und Staatsgewalt (Jubiläumsschrift zum 100-jährigen Bestehen der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit), 1963, Band II S 387 ff; Zimmermann Ein neuer Verfahrenstyp in der freiwilligen Gerichtsbarkeit? Rpfleger 1962, 42; ders Die freie Gestaltung des Verfahrens der FG, Rpfleger 1967, 329; ders Zur Abgrenzung der öffentlichrechtlichen Streitverfahren in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1978, 285; ders Fehlende Unterscheidung zwischen Streitsachen und Nichtstreitsachen, Rpfleger 1980, 209.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Übersicht Rdn A. Überblick zu den §§ 8 bis 18 . . . . . . . B. Allgemeine Verfahrensgrundsätze I. Offizialmaxime, Amtsverfahren . . . 1. Verfahrensgang . . . . . . . . . 2. Fälle des Amtsverfahrens . . . . II. Dispositionsmaxime, Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 1. Form des Antrags . . . . . . . . 2. Antragsfrist . . . . . . . . . . . 3. Inhalt des Antrags . . . . . . . . 4. Antragsberechtigung . . . . . . . 5. Verzicht, Verwirkung . . . . . . 6. Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . 7. Feststellungsinteresse . . . . . . 8. Zurücknahme des Antrags . . . . III. Amtsermittlungsgrundsatz (Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime) . . . . . . . . . . . . . . IV. Amtsbetrieb . . . . . . . . . . . . . V. Amtsprüfung (Instruktionsmaxime) VI. Mündlichkeit oder Schriftlichkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . VII. Unmittelbarkeitsgrundsatz . . . . . VIII. Stillstand des Verfahren . . . . . . . 1. Unterbrechung . . . . . . . . . . a) Tod des Beteiligten . . . . . . b) Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . 2. Aussetzung . . . . . . . . . . . 3. Ruhen . . . . . . . . . . . . . .

1 4 5 7 8 9 10 11 14 15 16 17 18

21 22 23 27 33 34 35 36 38 39 44

Rdn IX. Normenkontrollverfahren 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . 2. Verfahren des vorlegenden Gerichts . . . . . . . . . . . . . C. Echte Streitsachen I. Privatrechtliche Streitsachen 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . 2. Eigenart der echten Streitsachen . 3. Verfahrensgrundsätze . . . . . . . II. Öffentlichrechtliche Streitsachen 1. Umfang . . . . . . . . . . . . . . a) Freiheitsentziehungen . . . . . b) Landwirtschaftsrecht . . . . . c) Anfechtung von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensgrundsätze . . . . . . . D. Vergleich 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit des Vergleichs . . . . 3. Streit um die Wirksamkeit des Vergleichs . . . . . . . . . . 4. Abänderung des Vergleichs . . . . 5. Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich . . . . . . . . . . E. Streitgenossenschaft 1. Einfache Streitgenossenschaft . . 2. Notwendige Streitgenossenschaft . F. Verbindung und Trennung von Verfahren G. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

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45

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86 87 88 90

A. Überblick zu den §§ 8 bis 18 1

In den §§ 8 bis 18 enthält das Gesetz eine Reihe von allgemeinen Verfahrensvorschriften. Die §§ 8, 9 regeln die Gerichtssprache, die Sitzungspolizei, die Beratung und Abstimmung durch Verweisung auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften des GVG mit einigen Abweichungen in Bezug auf die Gerichtssprache. § 10 ist aufgehoben durch das Gesetz zur Abschaffung der Gerichtsferien.1 § 11 enthält eine Vorschrift gerichtsorganisatorischer Art, welche die Anbringung von Anträgen und Erklärungen erleichtern soll. An diese mehr dem Gerichtsverfassungsrecht zugehörigen Bestimmungen schließen sich einige Vorschriften an, durch welche das eigentliche Verfahren in einigen Punkten geregelt wird. Die bedeutendste dieser Vorschriften ist die des § 12, welche die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime) normiert. In § 13 wird das Recht der Beteiligten geregelt, Beistände und Bevollmächtigte zuzuziehen. § 13a ermächtigt zur Auferlegung von Kosten der Beteiligten und regelt das Kostenfestsetzungsverfahren durch Verweisung auf Vorschriften der ZPO. Ebenfalls durch Verweisung auf Vorschriften der ZPO wird in § 14 die Prozesskostenhilfe, in § 15 mit einigen Abweichungen das Beweisverfahren geregelt. § 16 enthält Bestimmungen über die Bekanntmachung und das Wirksamwerden gerichtlicher Verfügungen. § 16a regelt die Versagungsgründe für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen. § 17 verweist für 1

Vom 28.10.1996 (BGBl S 1546).

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

die Berechnung von Fristen auf die Vorschriften des BGB. § 18 bezieht sich auf die Änderung gerichtlicher Entscheidungen. Diese Vorschriften regeln das gerichtliche Verfahren keineswegs erschöpfend.2 In die- 2 ser Hinsicht ist zunächst zu bedenken, dass auch das BGB und das HGB, deren verfahrensrechtlicher Ergänzung das FGG dient, nicht frei von verfahrensrechtlichen Vorschriften sind, da die Unterscheidung zwischen sachlichem Recht und Verfahrensrecht bei den Gesetzesvorarbeiten nicht sorgfältig beachtet worden ist. So ist das Erbscheinsverfahren im wesentlichen im BGB geregelt (§§ 2353 ff), während das FGG nur Vorschriften über die Zuständigkeit (§§ 72, 73) und wenige ergänzende Verfahrensbestimmungen (§§ 84, 85) enthält. Ähnlich sind die Verfahrensvorschriften über das Vereins- und das Güterrechtsregister über das BGB (§§ 55 ff, 1558 ff) und das FGG (§§ 159 bis 160a, 161, 162) verteilt. Teilweise enthält das BGB verfahrensrechtliche Bestimmungen darüber, dass gewisse Beteiligte vor der Entscheidung zu hören sind oder gehört werden sollen (§§ 1826, 1847, 2227, 2368 Abs 2) oder dass ein Verfahren nur auf Antrag einzuleiten ist (zB §§ 1631 Abs 3, 1672, 1712, 2202 Abs 3, 2227). Ferner hat der Gesetzgeber die Geltung gewisser Verfahrensgrundsätze als selbstverständlich vorausgesetzt und deshalb davon abgesehen, sie besonders zu normieren, zB als dem Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend den Grundsatz, dass das Gericht, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist, das Verfahren von Amts wegen einzuleiten hat (Offizialmaxime)3 oder dass die Zulässigkeit von Anträgen und Rechtsmitteln von Amts wegen zu prüfen ist (Amtsprüfung),4 ein Grundsatz, der keine Besonderheit des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellt, sondern notwendig in jeder Verfahrensart Geltung beansprucht. Das Schweigen des Gesetzes über die Partei- und Prozessfähigkeit der Beteiligten erklärt sich ersichtlich aus dem engen Zusammenhang des FGG mit dem BGB, dessen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit in § 59 Abs 3 als auch für das Verfahren geltend stillschweigend vorausgesetzt werden. Soweit gesetzlich nicht geregelte Fragen offen bleiben, sind sie unter Hinzuziehung von Grundsätzen der allgemeinen Prozessrechtslehre zu beantworten, soweit sie mit den sonstigen Verfahrensgrundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vereinbar sind; derartige Grundsätze können auch in den Vorschriften anderer Verfahrensordnungen (ZPO, VwGO) ihren Niederschlag gefunden haben.5 Letzten Endes ist es Aufgabe der Rechtslehre und der Rechtsprechung, insbesondere der Obergerichte, die Verfahrensgrundsätze herauszuarbeiten, die einerseits rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen, andererseits der zweckmäßigen Verfahrensgestaltung unter Berücksichtigung der Eigenart der dem Gericht der freiwilligen gestellten Aufgaben dienlich sind. Zu eng gestellt ist jedenfalls die in Rechtsprechung und Schrifttum erörterte Frage, ob und in welchem Umfange wirklich oder vermeintliche Lücken des FGG durch eine entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO ausgefüllt werden können. Diese Frage ist für den klassischen Bereich der FG grundsätzlich zu verneinen, weil solche Art der Rechtsfindung der Wesensverschiedenheit des streitigen Erkenntnisverfahrens und des Verfahrens der FG nicht Rechnung trägt.6 Das Verfahren der FG ist im Vergleich zu dem auf förmlicher Grundlage beruhenden, in allen Einzelheiten des Verfahrensganges sorgfältig geregelten Zivilprozess sehr viel freier gestaltet und hat nach dem Willen des Gesetzgebers

2 3 4 5 6

Siehe auch Aufzählung bei Schreiber Jura 1994, 30 ff. Denkschr S 35. Denkschr S 40. Siehe hierzu Habscheid § 4 II 2; § 7 III 1. Grundsätzlich ablehnend auch BGHZ 6, 257;

14, 179; 28, 117; BGH RdL 1954, 128; KG FamRZ 1967, 170; OLG Hamm RdL 1961, 205; Keidel/Meyer-Holz Vorb §§ 8–18 Rn 1; Zimmermann Rpfleger 1967, 329; weitergehend Schlegelberger Anm 3 vor § 1; Habscheid § 7 III.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

eine gewisse Beweglichkeit erhalten, welche es dem Gericht ermöglichen soll, bei seinem Vorgehen den Bedürfnissen der jeweils zu erledigenden Angelegenheit Rechnung zu tragen, ohne durch förmliche Schranken eingeengt zu sein.7 Wäre es hiernach verfehlt, das Gericht der FG durch eine über die gesetzlich angeordneten Fälle hinausgehende entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO an Förmlichkeiten zu binden, so geht es andererseits auch nicht an, zur Stärkung der Befugnisse des Gerichts der FG Vorschriften der ZPO heranzuziehen, die dem Prozessgericht eine dem Gericht der FG vorenthaltene Rechtsmacht verleihen, zB das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu erzwingen (§ 141 ZPO) oder einen Beteiligten eidlich zu vernehmen (§ 452 ZPO). Bei dieser Sachlage kommt den das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit beherr3 schenden allgemeinen Verfahrensgrundsätzen (Prozessmaximen) besondere Bedeutung zu. Darunter sind die gesetzlich bestimmten oder in Rechtslehre und Rechtsanwendung unter Beachtung der geschichtlichen Entwicklung, rechtsstaatlicher Grundsätze, der Eigenart des im Verfahren verfolgten Rechtsschutzziels und nach Erwägungen der Zweckmäßigkeit entwickelten verfahrensrechtlichen Prinzipien zu verstehen, die einen gleichmäßigen Ablauf des Verfahrens nach feststehenden Regeln gewährleisten und dadurch Willkür bei der Tatsachenfeststellung und Rechtsfindung ausschließen.8 Diese Verfahrensgrundsätze beziehen sich vor allem auf die Art der Einleitung des Verfahrens, auf die Methode der Einführung des Verfahrensstoffs und auf die Formen, unter denen sich die Entscheidungsfindung vollzieht.

B. Allgemeine Verfahrensgrundsätze I. Offizialmaxime, Amtsverfahren 4

Der Begriff der Offizialmaxime kennzeichnet von Amts wegen einzuleitende Verfahren und bildet den Gegensatz zur Dispositionsmaxime, bei der Verfahren auf Antrag bzw Klage eingeleitet werden.9 Das FGG geht von dem Grundsatz aus, dass das Gericht seine Anordnungen von Amts wegen zu treffen habe, sofern nicht die Einleitung des Verfahrens von der Stellung eines Antrags abhängig ist. Das ergibt sich nicht aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 12 FGG; denn diese Vorschrift verpflichtet das Gericht, in einem eingeleiteten Verfahren den der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, besagt aber nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Verfahren eingeleitet werden darf. Vielmehr hat der Gesetzgeber davon abgesehen, den Grundsatz des Vorgehens von Amts wegen besonders zum Ausdruck zu bringen, weil er sich aus dem Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit von selbst ergebe.10 Der Grundsatz des Amtsverfahrens ergibt sich daher als Regel aus dem Schweigen des Gesetzes, wenn es dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Aufgabe zuweist, ohne die Einleitung des Verfahrens von einem Antrag abhängig zu machen. Mitunter bestimmt das Gesetz, dass eine Maßnahme sowohl auf Antrag als auch von Amts wegen angeordnet werden kann (zB §§ 1632 Abs 4, 1682, 1887 Abs 2, 1896 Abs 1 BGB); dann hindert die Zurücknahme des Antrags das Gericht nicht, das auf Antrag eingeleitete Ver-

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8

BGH LM § 20a FGG Nr 1; BGHZ 30, 220; KGJ 30 A 61; Zimmermann Rpfleger 1967, 329. Baur § 16 I; Habscheid § 19; Pikart-Henn D I 1 S 75; Bärmann § 12.

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9 10

Habscheid § 19 I 1; Lindacher JuS 1978, 577. Denkschr S 35; Schlegelberger § 12 Anm 1; Baur § 16 II 1.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

fahren von Amts wegen fortzusetzen.11 Im rechtsfürsorgerischen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere in Vormundschafts- und Nachlasssachen, entspricht es der Natur dieser Angelegenheiten, dass das Gericht sich der seinem Schutz anvertrauten privaten Interessen von Amts wegen annimmt; dadurch erfüllt es zugleich eine öffentliche Ordnungsaufgabe. 1. Verfahrensgang Das Gericht muss durch (formlose) Einleitung des Verfahrens von Amts wegen tätig 5 werden, sobald es hinreichenden Anlass hat zu der Annahme, dass ein Sachverhalt vorliegen könnte, der eine im Amtsverfahren zu treffende Maßnahme rechtfertigen würde. Die Einleitung des Verfahrens hängt daher nicht davon ab, dass die Voraussetzungen für das Eingreifen bereits feststehen; denn im Hinblick auf den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör und auf den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme (§ 15 Rn 8 ff) muss der Betroffene schon zu den Beweisverhandlungen des Gerichts, welche die Feststellung des gesetzlichen Tatbestandes bezwecken, hinzugezogen werden. Die Kenntnis davon, ob nach Lage der Sache überhaupt Anlass zum Einschreiten gegeben sein könnte, kann das Gericht auf beliebige Weise erlangen, zB durch Berichte des Jugendamts, durch Anzeigen des Gerichts, in Nachlasssachen durch Anzeigen der Ortsbehörde oder aufgrund von Mitteilungen eines beliebigen Dritten. Die Stichhaltigkeit solcher Mitteilungen wird häufig durch formlose Ermittlungen geprüft werden müssen, bevor durch Hinzuziehung des Betroffenen das Verfahren förmlich eingeleitet wird. Entschließungen anderer Personen oder Stellen können das Gericht an der Einleitung oder Fortsetzung des Amtsverfahrens nicht hindern; eine Maßnahme kann auch angeordnet werden, wenn der Antrag zurückgenommen wird.12 Ein Antrag hat nur die Bedeutung einer Anregung, die von Amts wegen zu treffende Maßnahme anzuordnen. Der Anregende hat aber die Stellung eines formell Beteiligten, wenn ihm im Falle der Ablehnung der Maßnahme ein Beschwerderecht aus § 20 Abs 1 oder aus § 57 zustünde (§ 6 Rn 6). Wird ein Antrag gestellt, zB über die Ausgestaltung der Umgangsregelung (§ 1684 BGB), so ist das Gericht nicht daran gebunden, sondern es hat die Regelung zu treffen, die es nach der Sachlage für angemessen erachtet und die dem Kindeswohl entspricht.13 Führen die Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass kein Anlass zum Eingreifen besteht, so ist das Verfahren formlos einzustellen; war der Betroffene bereits gehört, so ist ihm der Bescheid zu erteilen, dass nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu Maßnahmen kein Anlass bestehe. Wer ohne eigenes Recht durch seine Anregung den Anstoß zur Einleitung des Amtsverfahrens gegeben hat, hat kein Recht auf Bescheidung. Hatte dagegen ein Beschwerdeberechtigter die Maßnahme angeregt (vgl § 1666 iVm § 1837 Abs 4 BGB), so ist ihm ein ablehnender Bescheid zu erteilen und auch die stattgebende Verfügung mit Rücksicht auf seine Befugnis, sich am Beschwerdeverfahren als Gegner zu beteiligen, bekannt zu machen. Im Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung der Maßnahme ist dem für den Fall ihrer Ablehnung Beschwerdeberechtigten, der im ersten Rechtszug die Maßnahme angeregt hatte, rechtliches Gehör zu gewähren, auch wenn ihm nur das erweiterte Beschwerderecht aus § 57 zusteht, da er durch seine Teilnahme am Verfahren formell Beteiligter geworden ist (§ 6 Rn 6). Hält das Beschwerdegericht die vom AG angeordnete Maßnahme für ungerechtfertigt, so hat es nicht nur die Verfügung des AG aufzuheben, sondern auch auszusprechen, dass der Erlass der Maßnahme abgelehnt werde. 11

BayObLGZ 1961, 318; OLG Celle ZBlJR 1948, 148; Pikart-Henn D I S 76; Keidel/ Schmidt § 12 Rn 7.

12 13

KG OLGZ 1967, 347 (zur Gebrechlichkeitspflegschaft). BVerfG NJW 1971, 1447; BGHZ 51, 219.

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Vor §§ 8–18 6

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Wegen Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen kann auch ein zunächst eingeleitetes Amtsverfahren zu einem negativen Abschluss führen, zB wenn sich nachträglich ergibt, dass die örtliche oder internationale Zuständigkeit fehlt. Auch in diesem Fall entspricht es einem geordneten Verfahrensgang, die Beteiligten zu bescheiden.14 Der Verwirkung kann die Befugnis des Gerichts, ein Verfahren von Amts wegen einzuleiten, keinesfalls unterliegen.15 2. Fälle des Amtsverfahrens

7

Nicht nur solche Fälle, bei denen ein öffentliches Interesse an der amtswegigen Regelung der Angelegenheit ohne weiteres einleuchtet, wie zB bei Maßnahmen nach § 1666 BGB, der Anordnung der Vormundschaft (§ 1774 BGB) oder Pflegschaft,16 der Entlassung des Vormunds (§ 1886 BGB), sondern auch Maßnahmen, deren Regelung ganz vornehmlich im Privatinteresse liegt und zu deren Regelung das Gericht ohne Ansuchen des zu begünstigenden Beteiligten schwerlich Anlass haben wird, wie die Festsetzung der Vergütung des Vormundes (§ 1836 BGB),17 die Erteilung familien- oder vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen (zB nach § 1587 o BGB,18 §§ 1821, 1822 BGB,19 § 1906 BGB20) oder die Regelung des Umgangs mit dem Kind (§ 1684 BGB) sind Fälle des Amtsverfahrens. Sofern es sich nicht um Entscheidungen des FamG handelt, ist kraft Gesetzes in diesen Fällen ein förmlicher Antrag nicht erforderlich und § 18 Abs 1 und § 20 Abs 2 nicht anwendbar; das Gericht darf eine ablehnende Verfügung mithin auch ohne Antrag ändern, und die Beschwerde dagegen steht nicht nur dem Antragsteller zu; anders bei Entscheidungen des FamG, denn hier gilt §§ 621e Abs 3 ZPO.

II. Dispositionsmaxime, Antragsverfahren 8

Während der Gesetzgeber des FGG davon ausgeht, dass die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen die Regel bildet, hat die Entwicklung dazu geführt, dass die Zahl der Fälle, in denen das Verfahren nur auf Antrag eingeleitet wird, durchaus überwiegt. In diesen Fällen ist ein Antrag die notwendige Verfahrensvoraussetzung für ein Tätigwerden des Gerichts. Das Vorliegen des Antrags ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch vom Rechtsbeschwerdegericht, von Amts wegen zu prüfen; der Mangel kann allerdings auch im Rechtsbeschwerdeverfahren noch durch Nachholung des Antrags geheilt werden (§ 27 Rn 95). Wegen der Folgen des Fehlens des Antrags für die Wirksamkeit der Entscheidung vgl § 7 Rn 28 ff. Antragsverfahren sind die Verfahren nach §§ 86, 99, 150, 153 FGG; §§ 29, 48 Abs 1 S 2 iVm 29, 113 Abs 3, 1303 Abs 2, 1308 Abs 3, 1309 Abs 2, 1315 Abs 1 S 3, 1365 Abs 2, 1369 Abs 2, 1382, 1383, 1426, 1430, 1452, 1487, 1507, 1560, 1587b Abs 4, 1587d, 1587 f, 1587l Abs 3, 1600e Abs 2, 1612 Abs 2, 1615o, 1628, 1630 Abs 3, 1631 Abs 3, 1632 Abs 3, 1671, 1672, 1748, 1749, 1752, 1757 Abs 4, 1760, 1765 Abs 2, 1768, 1771, 1778 Abs 2, 1817, 1889, 1895, 1896 Abs 1 S 3, 1908d Abs 2, 1915, 1961, 1981, 1994, 2003, 2005 Abs 2,21 2198 Abs 2, 2202 Abs 3, 2216 Abs 2, 2227 Abs 1, 2353, 2368 BGB; Art 7 § 1 Abs 3 FamRÄndG; §§ 146 Abs 2, 147, 166 Abs 3, 233 Abs 3, 318 Abs 3, 324 Abs 1, 335 HGB; §§ 85 Abs 1, 98 Abs 1, 104 Abs 1, 132 Abs 1, 14 15 16 17 18

Bärmann § 19 II 2a; aA Baur § 22 B III 2. BGHZ 47, 58 (Erbscheinseinziehung). KG OLGZ 1967, 347. KG NJW 1957, 1441. BGH NJW 1987, 1770.

220

19 20 21

Palandt/Diederichsen § 1821 Rn 2; s hierzu Brüggemann FamRZ 1990, 5 u 124 ff. BayObLG FamRZ 1995, 1416. Palandt/Edenhofer § 2005 Rn 5.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

142 Abs 2, 147 Abs 3, 258, 260, 265 Abs 3, 273 Abs 4, 278 Abs 3, 304 Abs 3, 315, 320b Abs 2 u 3 AktG; §§ 51b, 66 Abs 2 u 5 GmbHG; §§ 26 Abs 1, 34, 70, 186, 196, 212 UmwG; §§ 45, 47 PStG; §§ 16, 33a, 39, 40 VerschG; § 47 Abs 2 VAG; § 7 Abs 3 ErbbauVO; §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 GewSchG; § 1 Abs 1 HausratsVO; § 43 Abs 1 WEG; § 10 PartGG; § 14 Abs 1 LwVG; § 3 FEVG. Vor allem ist in den echten Streitverfahren, der Natur der Sache entsprechend, die Einleitung des Verfahrens durchweg von einem Antrag der Beteiligten abhängig, und zwar sowohl in den privatrechtlichen Streitverfahren (§ 1 Abs 1 HausratsVO, § 43 Abs 1 WEG, § 14 Abs 1 LwVG, §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 GewSchG) als auch in den öffentlich-rechtlichen Streitsachen (§ 3 FEVG, § 23 EGGVG; § 111 BNotO, §§ 11, 16, 21, 28, 29, 35, 90, 191, 223 BRAO; Art XI § 1 KostÄndG). Im Antragsverfahren ist die Eröffnung des Verfahrens der Disposition der Beteiligten anheimgestellt. Mitunter wird aber die Stellung eines Antrages durch Zwangsmittel erzwungen, nämlich in Register- und Grundbuchsachen (§ 132 FGG, § 160, GenG, § 78 BGB, § 82 GBO iVm § 33 FGG); dann handelt es sich in Wahrheit um ein verkleidetes Amtsverfahren, welches jedoch in den Formen des Antragsverfahrens abläuft. 1. Form des Antrags Für die Form des Antrags bestehen grundsätzlich keine Vorschriften. Der Antrag 9 kann also, wenn nichts anderes bestimmt ist, durch Einreichung einer Antragsschrift, durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts oder jedes Amtsgerichts (§ 11), aber auch mündlich oder fernmündlich gestellt werden. In Grundbuchsachen ist der Eintragungsantrag als solcher (§ 30 GBO), in Erbscheinssachen der Erbscheinsantrag formlos; formlos zulässige Anträge können auch formlos geändert werden (Ausnahme § 31 GBO). Schriftform oder Erklärung zu Protokoll einer Geschäftsstelle ist vorgeschrieben für Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gem § 26 Abs 1 EGGVG22 und nach Art 7 § 1 Abs 6 FamRÄndG23 iVm § 21 Abs 2 FGG sowie für die Anrufung des Landwirtschaftsgerichts gegen Bescheide der Genehmigungsbehörde (§ 22 Abs 2 GrdstVG), während Anträge in Zulassungssachen nach der BRAO und bei der Anfechtung von Verwaltungsakten nach der BNotO allein schriftlich gestellt werden können (§ 37 BRAO, § 111 Abs 4 BNotO iVm § 37 BRAO). Wenn Schriftform vorgeschrieben ist, ist die Unterschrift des Antragstellers kein wesentliches Formerfordernis (§ 11 Rn 28, 29). In Registersachen wird für Anmeldungen in der Regel eine besondere Form erfordert (für das Handelsregister § 12 HGB iVm § 129 BGB, §§ 39 bis 41 BeurkG; für das Genossenschaftsregister § 157 Abs 1 GenG; §§ 6, 7, 8 GenRegV, §§ 147 Abs 1 FGG; für das Vereinsregister § 77 BGB, §§ 159 FGG; für das Güterrechtsregister § 1560 BGB, §§ 161 Abs 1 FGG; für das Partnerschaftsregister § 5 Abs 2 PartGG iVm § 12 HGB, § 160b FGG). 2. Antragsfrist Eine Antragsfrist kommt hauptsächlich in Betracht für rechtsbehelfsähnliche Anträge 10 mit denen ein Verwaltungsakt angefochten wird, sowie für auf Rechtsgestaltung gerichtete Anträge, wenn im Interesse der Rechtsgewissheit die Möglichkeit zu einer Änderung der Rechtslage zeitlich begrenzt sein soll. Eine Antragsfrist von einem Monat ist vorgesehen für die Anfechtung von Justizverwaltungsakten nach § 23 EGGVG (§ 26 Abs 1 EGGVG), nicht aber für die Anfechtung von Bescheiden über die Anerkennung ausländi-

22

Siehe hierzu Vorauflage Bd I § 26 EGGVG Rn 2.

23

Siehe hierzu Vorauflage Bd I Art 7 § 1 FamRÄndG Rn 48.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

scher Entscheidungen in Ehesachen (Art 7 § 1 FamRÄndG) oder von Verwaltungsakten, die im Bereich der Justizverwaltung beim Vollzug der Kostengesetze ergehen (Art XI § 1 KostÄndG). Anträge auf gerichtliche Entscheidung in Zulassungssachen nach der BRAO und zur Anfechtung von Verwaltungsakten nach der BNotO sind innerhalb eines Monats zu stellen (§§ 11, 16, 21, 28, 29, 35 BRAO, § 111 Abs 2 BNotO), während Bescheide der Genehmigungsbehörde binnen zwei Wochen beim Landwirtschaftsgericht anzufechten sind (§ 22 Abs 1 GrdstVG). Die Kostenberechnung des Notars kann nach Ablauf des Kalenderjahres, welches dem Jahr der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung der Kostenberechnung folgt, nicht mehr angefochten werden (§ 156 Abs 3 KostO). Bei der Nachlassverwaltung ist das Antragsrecht des Nachlassgläubigers auf zwei Jahre seit der Annahme der Erbschaft befristet (§ 1981 Abs 2 BGB). Antragsfristen sind vorgesehen im Aktienrecht in den §§ 132 Abs 2 (2 Wochen), 258 Abs 2, 260 Abs 1 (1 Monat), 304 Abs 4, 305 Abs 5 (2 Monate). In Landpachtsachen ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb der Frist zu stellen, die die zuständige Behörde gem § 7 Abs 2 LPachtVG gesetzt hat.24 Im Wohnungsauseinandersetzungsverfahren ist die Entscheidungsbefugnis des Gerichts gegenüber dem Vermieter und anderen Drittbeteiligten beschränkt, wenn der Antrag nicht innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung gestellt ist (§ 12 HausratsVO). Vorschriften, welche das Antragsrecht befristen, gestatten keine ausdehnende Anwendung.25 Ist der Antrag befristet, so ist die Frist, wie bei Rechtsmitteln, nur gewahrt, wenn der Antrag in der gesetzlich vorgeschriebenen Form innerhalb der Frist bei dem örtlich und sachlich zuständigen Gericht oder bei der als zuständig bestimmten Behörde eingeht;26 insbesondere wahrt die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eines anderen als des zuständigen Gerichts nicht die Antragsfrist (§ 11 Rn 10); eine Ausnahme bildet § 26 Abs 1 EGGVG wonach der Antrag zur Niederschrift eines jeden Amtsgerichts gestellt werden kann. Über die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung von Antragsfristen vgl § 22 Rn 30. Soweit die Wiederaufnahme des Verfahrens statthaft ist, gelten für den Antrag die Fristen des § 586 Abs 1, 2 ZPO entsprechend (§ 18 Rn 61). Von den Antragsfristen zu unterscheiden sind materiellrechtliche Ausschlussfristen, wie zB die Monatsfrist des § 23 Abs 4 WEG oder die 2-Jahresfrist des § 1600b BGB, die auch für Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB gilt sowie die Frist des § 1762 Abs 2 BGB für die Aufhebung einer Adoption. 3. Inhalt des Antrags

11

Über den Inhalt des Antrags enthält das Gesetz, anders als § 253 ZPO und § 82 VwGO für die Klageschrift, keine Vorschriften (Ausnahme: § 39 Abs 2 BRAO, § 111 Abs 4 S 2 BNotO). Der Antrag muss jedenfalls ergeben, wer Antragsteller und sonstiger Beteiligter ist, und das erstrebte Rechtsschutzziel im allgemeinen erkennen lassen.27 Bestehen hinsichtlich der Tragweite des Antrags Unklarheiten, so hat das Gericht entsprechend dem Grundgedanken des § 139 ZPO, der im Hinblick auf den Amtsbetrieb (Rn 22) im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erst recht Geltung beanspruchen kann, auf eine Klarstellung und Ergänzung und die Stellung eines sachdienlichen Antrags hinzuwirken.28 Durch den Antrag (Verfahrensantrag) wird der Verfahrensgegenstand be-

24 25 26 27

Siehe hierzu Barnstedt/Steffen § 14 Rn 31 ff. KG OLGZ 1966, 90 gegen OLG Celle DNotZ 1961, 216 zu § 156 KostO. Barnstedt/Steffen § 14 Rn 32. Baur § 17 III 3; Zimmermann Rpfleger 1967, 329.

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28

BGH MDR 1953, 285; KGJ 50, 1; KG DJZ 25, 347; OLG Celle RdL 1960, 131; Baur § 17 III 3; Schlegelberger § 12 Anm 4; Zimmermann Rpfleger 1967, 329.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

stimmt, über den eine Sachentscheidung des Gerichts erstrebt wird. Dagegen gibt es in der Regel keinen Sachantrag in dem Sinne, dass das Gericht nur entweder in der von dem Antragsteller erstrebten Weise über den Verfahrensgegenstand entscheiden oder, wenn es diesen Antrag für unbegründet erachtet, den Antrag zurückweisen müsste. Im Hoferbenfeststellungsverfahren (§ 11 Abs 1g HöfeVfO) hat das Gericht auf Antrag darüber zu entscheiden, wer Hoferbe geworden ist.29 Der Antragsteller braucht darüber, wen er für den Hoferben hält, keine Angaben zu machen und keinen Sachantrag dieses Inhalts zu stellen. Beantragt er festzustellen, dass er selbst Hoferbe geworden sei, so ist das Gericht nicht daran gebunden. Ergibt sich, dass nicht der Antragsteller, sondern ein anderer Hoferbe geworden ist, so hat das Gericht den Antrag nicht zurückzuweisen, sondern die richtige Hoferbfolge festzustellen.30 Es darf aber nicht den Verfahrensgegenstand auswechseln, zB nicht feststellen, dass die Besitzung kein Hof ist (§ 11 Abs 1a HöfeVfO), wenn nur die Feststellung der Person des Hoferben oder seiner Wirtschaftfähigkeit (§ 11 Abs 1d HöfeVfO) beantragt ist. Wenn das Gericht einem Antrag auf Feststellung der Hofeigenschaft (§ 11 Abs 1a HöfeVfO) aus sachlichen Gründen nicht stattgeben will, darf es den Antrag nicht zurückweisen, sondern muss feststellen, dass die Besitzung kein Hof ist.31 Wird im Zustimmungsverfahren (§§ 7, 16 HöfeO, § 13 HöfeVfO bzw GrdstVG) ein Antrag für unbegründet befunden, so ist er nicht zurückzuweisen, sondern die Zustimmung zu versagen;32 evtl ist die Zustimmung unter Auflagen oder Bedingungen zu erteilen.33 Der Antrag, die Rechtsverhältnisse am Hausrat zu regeln (§ 1 HausratsVO) stellt den gesamten Hausrat, soweit nicht schon eine Einigung vorliegt, zur Entscheidung des Gerichts; der Antrag eines Beteiligten, ihm bestimmte Gegenstände zuzuweisen, hat nicht die Bedeutung eines bindenden Sachantrags, sondern nur eines Vorschlags über die erstrebte Art der Teilt, da andern falls das Gericht seiner Aufgabe, den Hausrat „gerecht und zweckmäßig“ zu verteilen, nicht genügen kann;34 eine Beschränkung des Verfahrensgegenstandes auf einen Teil des ungeteilten Hausrats ist nicht statthaft.35 Beantragt ein Ehegatte, die Ehewohnung ihm zuzuweisen, so ist das Gericht nicht in der Weise gebunden, dass es nur die Wahl hat antragsgemäß zu entscheiden oder den Antrag zurückzuweisen; vielmehr hat es die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung zu regeln (§§ 1, 2 HausratsVO) und kann deshalb entgegen diesem Antrag die Ehewohnung auch dem anderen Ehegatten zuweisen. Hausrat und Ehewohnung sind jedoch verschiedene Verfahrensgegenstände. Im Pachtbeanstandungsverfahren hat das Gericht, wenn es die Beanstandung des Vertrages durch die Landwirtschaftsbehörde als begründet erachtet, auf den gegen die Beanstandung gerichteten Antrag der Vertragsteile den Pachtvertrag aufzuheben (§ 5 Abs 3 S 2 LPachtG). Ein Verfahrensantrag ist auch der Genehmigungsantrag nach § 3 GrdstVerkG.36 Eine Zurückweisung des Verfahrensantrags kommt in Verfahren ohne Sachantrag nur 12 in Betracht, wenn das Gericht den Antrag aus verfahrensrechtlichen Gründen für unzulässig erachtet und deshalb eine Sachentscheidung ablehnt, zB weil der Antragsteller 29

30

31 32 33 34

So zumindest für das bis zum 1.7.1976 geltende Höferecht: Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery § 18 Rn 58 mwN. BGH RdL 1953, 1991; BGH FamRZ 1962, 18; OLG Hamm RdL 1960, 21; s auch Barnstedt/Steffen § 14 Rn 160. Barnstedt/Steffen § 21 Rn 187. OLG Celle NdsRpfl 1962, 77. Barnstedt/Steffen § 21 Rn 176. BGHZ 18, 143 = FamRZ 1956, 19; BGH

35 36

FamRZ 1994, 98; FamRZ 1992, 414; BayObLG, FamRZ 1970, 31; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1999, 672 mwN; Baur § 17 IV Ia; aA Zimmermann Rpfleger 1967, 329; krit Bärmann § 13 II 2a, der dem Gericht aber jedenfalls Entscheidungsspielraum einräumt. OLG Hamm JMBlNRW 1961, 124. BGHZ 49, 302 = DNotZ 1968, 561.

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nicht antragsberechtigt ist oder ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Diese Zurückweisung steht einer Erneuerung des Antrags nicht entgegen, wenn der Mangel behebbar ist und behoben wird. Ein Sachantrag ist zulässig und erforderlich in echten Streitsachen, in denen die Ver13 mögensinteressen der Beteiligten im Vordergrund stehen.37 Soweit ein Sachantrag erforderlich ist, ist das Gericht an den Antrag in der Weise gebunden, dass es ihm nur (ganz oder teilweise oder eingeschränkt) stattgeben oder ihn zurückweisen, nicht aber dem Antragsteller mehr oder etwas anderes zusprechen darf, als er beantragt hat.38 Eine Verbindung von Haupt- und Hilfsanträgen ist zulässig. Der Antragsteller kann seinen Sachantrag im Laufe des Verfahrens ändern, nämlich einschränken oder erweitern, ohne durch ein Verbot der Klageänderung (§ 264 ZPO) daran gehindert zu sein.39 In öffentlich-rechtlichen Streitverfahren40 ist ein Sachantrag erforderlich, über den das Gericht entsprechend § 88 VwGO nicht hinausgehen darf, ohne jedoch an die Fassung des Antrags gebunden zu sein.41 Eine Bindung an Sachanträge besteht auch im Berichtigungsverfahren nach § 47 PStG (s hierzu Vorbem zu § 71 Rn 31) und im Verfahren zur Nachprüfung von Notarkosten nach § 156 KostO,42 nicht aber im Rechtsmittelverfahren nach § 14 KostO.43 Anderer Art ist die Bindung an den Sachantrag im Erbscheinsverfahren insofern, als das NachlG einen vom Sachantrag inhaltlich abweichenden Erbschein nicht erteilen darf, also auch keinen Erbschein, der ein geringeres oder eingeschränktes Erbrecht als beantragt bezeugt.44 4. Antragsberechtigung

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Die Antragsberechtigung ist überwiegend im Gesetz ausdrücklich geregelt und damit steht fest, wer formell Verfahrensbeteiligter ist; sofern das nicht der Fall ist, ist antragsberechtigt jeder materiell Beteiligte, also wer durch die zu regelnde Angelegenheit unmittelbar in seinen Rechten und Pflichten betroffen wird (§ 6 Rn 5).45 Soweit das Gesetz ein Antragsrecht den „Beteiligten“ einräumt (vgl §§ 29, 2198 Abs 2, 2202 Abs 3, 2216 Abs 2 S 2 BGB, § 85 AktG), ist darunter jeder zu verstehen, der ein rechtliches Interesse an der Angelegenheit hat, also nicht nur der unmittelbar materiell Beteiligte. Im Falle des § 29 BGB sind antragsberechtigt jedes Vereinsmitglied, jedes Vorstandsmitglied, die Gläubiger des Vereins und die vom Verein Verklagten;46 im Falle des § 2198 Abs 2 und des § 2202 Abs 3 BGB sind Beteiligte die Erben, Nacherben, Mittestamentsvollstrecker, Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer oder Nachlassgläubiger;47 im Falle des § 2216 Abs 2 S 2 BGB die Erben und die Vermächtnisnehmer,48 jedoch nicht die Nachlassgläubiger oder Privatgläubiger der Erben.49 Bei mehreren Antragsberechtigten kann jeder von

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41 42

Habscheid § 18 II 2; Keidel/Schmidt § 12 Rn 23; s hierzu auch Barnstedt/Steffen § 14 Rn 16 ff. Baur § 17 IV 1a; Bärmann § 13 II 2a, b; s auch Barnstedt/Steffen § 14 Rn 18. Baur § 17 IV 2a; Bärmann § 13 II 4a; Barnstedt/Steffen § 9 Rn 108. Zur Abgrenzung der öffentlich-rechtlichen Streitverfahren s Zimmermann, Rpfleger 1978, 285. Zimmermann Rpfleger 1962, 42; Rpfleger 1967, 329. KG JFGErg 19, 31; 23, 73; BayObLGZ 1960,

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43 44 45

46 47 48 49

126; OLG Hamm Rpfleger 1964, 88; OLG Frankfurt DNotZ 1965, 318; Korintenberg/ Bengel/Tiedtke § 156 Rn 58 mwN. OLG Frankfurt Rpfleger 1963, 355. RGZ 156, 172; Palandt/Edenhofer § 2353 Rn 11, 21. Siehe hierzu Bärmann § 8 IV; Bassenge/ Herbst/Roth Einl Rn 11 ff; Baur § 12 III 1, § 17 III. Palandt/Heinrichs § 29 Rn 4. Palandt/Edenhofer § 2198 Rn 3; § 2202 Rn 4. Palandt/Edenhofer § 2216 Rn 6. BGHZ 35, 296; BayObLGZ 1982, 459.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

ihnen sein Antragsrecht grundsätzlich selbständig ausüben. Mitunter ist aber das Antragsrecht einer Mehrheit von Personen in der Weise verliehen, dass sie es nur gemeinsam ausüben können, zB einem Bruchteil oder einer Mindestzahl von Arbeitnehmern (§ 104 Abs 1 S 3 Nr 4 AktG) oder einer Minderheit von Aktionären (§§ 122 Abs 3; 142 Abs 2; 147 Abs 3; 258 Abs 2; 265 Abs 3 AktG) oder Vereinsmitgliedern (§ 37 BGB) oder nur allen Erben gemeinschaftlich (§ 2062 BGB). Anmeldungen zum Handelsregister sind bei der OHG und KG grundsätzlich von sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken (s hierzu auch § 132 Rn 78), sonst von der Gesamtheit der Mitglieder bestimmter Organe (s § 132 Rn 81 ff). Fehlt es an der erforderlichen Zahl von Antragstellern, so ist der Antrag mangels Antragsberechtigung als unzulässig zurückzuweisen, ebenso als wenn sonst ein nicht Antragsberechtigter einen Antrag gestellt hat. Grundsätzlich leitet jeder Antrag eine besondere Angelegenheit ein.50 Solange ein Antragsberechtigter von seinem Antragsrecht noch keinen Gebrauch gemacht hat, ist er an dem auf Antrag eines anderen Antragsberechtigten eingeleiteten Verfahren (in der Regel) zwar materiell, aber nicht formell beteiligt. Der Antragsteller ist formell Beteiligter und muss beschieden werden, auch wenn er kein Antragsrecht hat. 5. Verzicht, Verwirkung Ein Verzicht auf das Antragsrecht kann in engen Grenzen für zulässig erachtet wer- 15 den, wenn das Antragsrecht bereits entstanden ist und sich auf einen vermögensrechtlichen Gegenstand bezieht, der der freien Verfügung des Beteiligten unterliegt; anders, wenn der Verzicht auf die Anrufung des Gerichts einen Gegenstand betrifft, der der Verfügung der Beteiligten entzogen ist, oder die Umstände den Verzicht als sittenwidrig erscheinen lassen.51 Der Verzicht kann gegenüber dem Gegner einseitig erklärt oder mit ihm vereinbart werden; bringt der Gegner den Verzicht vor, so ist der gleichwohl gestellte Antrag unzulässig. Eine Verwirkung der verfahrensrechtlichen Befugnis auf Anrufung des Gerichts gibt es nicht;52 nur ein sachlich-rechtlicher Anspruch kann verwirkt werden, so zB der Anspruch auf Hausratsteilung nach langjährigem Scheidungsverfahren, vollzogener Vermögensauseinandersetzung und Herausgabe einzelner Hausratsgegenstände,53 eine selbständige Verwirkung der Klagbarkeit ist aber abzulehnen.54 Zur Verwirkung des Beschwerderechts vgl § 21 Rn 37. 6. Rechtsschutzbedürfnis Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Es kann fehlen, 16 wenn ein billigerer und einfacherer Weg zur Erlangung des verfahrensrechtlichen Ziels oder kein Interesse an ihm besteht.55 Dass auch im Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Antrag nach der besonderen Lage des Falles wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sein kann, lässt sich nicht rechtsgrundsätzlich ausschließen.56 Jedoch ist von dieser Rechtseinrichtung wegen ihrer begrifflichen Unschärfe und 50 51 52

53 54

Schlegelberger § 12 Rn 5. Vgl Faßbender, DNotZ 1965, 467 zum GrdstVG. KG OLGZ 1966, 90; 1977, 427; Baumgärtel ZZP 75, 385; Keidel/Schmidt § 12 Rn 44 mwN; aA Schlegelberger § 12 Rn 4; Bassenge/Herbst/Roth Einl Rn 13. OLG Bamberg FamRZ 1992, 332. BGH MDR 1990, 814 = NJW-RR 1990, 886; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 89 Rn 24.

55 56

BayObLGZ 1979, 60. BayObLGZ 1958, 13; KG JFG 16, 199; OLG München DNotZ 1954, 314 m Anm Baur; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1960, 103; OLG Hamm JMBlNRW 1963, 203; Bärmann § 13 I 2; Baur § 17 III 2; Barnstedt/Steffen § 14 Rn 3.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

der Rechtsunsicherheit, die sie in die Rechtspflege zu bringen geeignet ist, nur mit Zurückhaltung und nur bei ganz eindeutiger Sachlage Gebrauch zu machen.57 In erster Linie ist zu prüfen, ob nicht eine anderweit eindeutig geregelte Verfahrensvoraussetzung fehlt oder ein herkömmliches Verfahrenshindernis gegeben ist, zB Rechtshängigkeit (§ 31 Rn 14), verfahrensrechtliche Überholung oder Gegenstandslosigkeit wegen Fortfalls des Verfahrensgegenstandes (§ 19 Rn 31 ff). Die offensichtliche Erfolglosigkeit eines Antrags wegen offen zutage liegender Unbegründetheit kann nicht seine Unzulässigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses begründen; das wäre eine unzulässige Vorverlegung der Sachprüfung in die Zulässigkeitsprüfung. Liegt eine Einigung der früheren Ehegatten über Wohnung und Hausrat vor, so ist der Antrag nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses, sondern wegen der negativen Verfahrensvoraussetzung des § 1 HausratsVO unzulässig.58 Im Erbscheinsverfahren steht dem NachlG eine Prüfung, ob der Erbe darauf angewiesen ist, sich durch Erbschein auszuweisen, und demnach ein Rechtsschutzbedürfnis hat, nicht zu;59 anders liegt es aber bei Erbscheinen, welche die Erbfolge nicht für den gesamten Nachlass, sondern beschränkt auf bestimmte Gegenstände ausweisen. Hier beschränkt sich das Interesse des Antragstellers auf den Nachweis der Erbfolge hinsichtlich der Gegenstände, die von dem beantragten Erbschein erfasst werden können. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt deshalb, wenn mit der im Erbscheinsverfahren erforderlichen Gewissheit feststeht, dass solche Gegenstände nicht vorhanden sind.60 Einem Antrag, die Bestimmung der Eltern über die Art der Unterhaltsgewährung nach § 1612 Abs 2 BGB aufzuheben, kann das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn die Bestimmung ohnehin unwirksam ist;61 gleichwohl kann es gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass andere Personen oder Stellen (Prozessgericht) sie für wirksam halten.62 Die Verweigerung des Rechtsschutzes wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses kann nur gerechtfertigt werden, wenn das Betreiben des Verfahrens eindeutig zweckwidrig ist und sich als Missbrauch der Rechtspflege darstellt,63 wofür Mutwilligkeit, Geringfügigkeit oder prozessfremde Zwecke allein keineswegs ausreichen müssen.64 Für die Einlegung von Rechtsmitteln begründet schon das Erfordernis einer Beschwer ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis (§ 25 Rn 5). Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses für den Antrag ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, auch vom Rechtsbeschwerdegericht, und führt zur Abweisung des Antrags als unzulässig. 7. Feststellungsinteresse

17

Für Feststellungsanträge erfordert das Gesetz ein besonderes Feststellungsinteresse als gesetzlich geregelte Ausprägung des Rechtsschutzinteresses, nämlich ein rechtliches Interesse des Antragstellers an der alsbaldigen Feststellung. Soweit in echten Streitsachen Feststellungsanträge zulässig sind, ist ein Feststellungsinteresse entsprechend § 256 ZPO zu erfordern, so im Verfahren nach § 43 Abs 1 WEG,65 im Hausratsverfahren66 oder im Landwirtschaftsverfahren.67 57

58 59

60 61

So mit Recht Pohle, Festschr f Lent 1957, 195 ff; s auch BGH NJW-RR 1993, 1129; KG FamRZ 1993, 976. Siehe ausführlich Brudermüller, FamRZ 1999, 193 (195) mwN. BayObLGZ 3, 667; BayObLG JFG 3, 144; BayObLG Rpfleger 1990, 512; KG JR 1963, 144. BayObLG Rpfleger 1999, 76. BayObLG FamRZ 1989, 1222 m div N.

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62 63 64 65 66 67

BayObLGZ 1958, 13. Beispiele s bei Rosenberg/Schwab/Gottwald § 89 Rn 32–34. Pohle aaO S 219 ff. BayObLGZ 1965, 283 = Rpfleger 1965, 334 m Anm Diester. HansOLG Bremen FamRZ 1963, 366. BGHZ 3, 391; 18, 63; BGH RdL 1961, 13; OLG Hamm JMBlNRW 1951, 14; RdL 1963, 101 m Anm Schulte; OLG Schleswig RdL

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

8. Zurücknahme des Antrags Die Zurücknahme des Antrags durch den Antragsteller ist als Ausfluss der Disposi- 18 tionsmaxime in allen Antragsverfahren zulässig.68 Sie beendet das Verfahren ohne Entscheidung über den Verfahrensgegenstand; weder über die Zulässigkeit des Antrags noch über seine Begründetheit kann noch entschieden werden. Eine Entscheidung über die Kosten bleibt zulässig (§ 13a Rn 19). Bei Teilbarkeit des Verfahrensgegenstandes ist eine teilweise Antragsrücknahme statthaft.69 Der Umstand, dass bereits eine Sachentscheidung über den Antrag ergangen ist, steht seiner Rücknahme nicht entgegen. Der Antrag kann daher nicht nur im ersten Rechtszug, sondern bis zur formellen Rechtskraft der Entscheidung auch im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren zurückgenommen werden;70 in diesem Fall muss das Beschwerdegericht den angefochtenen Beschluss aufheben und das Verfahren für erledigt erklären.71 Die Zurücknahme des Antrags in der Rechtsmittelinstanz setzt jedoch die Zulässigkeit des Rechtsmittels voraus; der Wille, den Verfahrensantrag zurückzunehmen, macht ein unzulässiges Rechtsmittel nicht zulässig, begründet auch kein Beschwerderecht.72 Der Antragsteller bedarf aber keines Rechtsmittels, wenn er in der Zeit zwischen den Rechtszügen, also nach dem Erlass der Entscheidung und dem Ablauf der Rechtsmittelfrist den Antrag zurücknimmt, sofern es sich um eine Entscheidung handelt, die erst mit der Rechtskraft wirksam wird.73 Die Entscheidung wird damit hinfällig (§ 269 Abs 3 S 1 ZPO entspr) und kann, da die Rechtsmittelfrist nach Rücknahme des Antrags wegen Beendigung des Verfahrens nicht mehr ablaufen kann, nicht mehr wirksam werden.74 Wird die Entscheidung aber bereits mit der Bekanntmachung wirksam (§ 16 Abs 1), so kann die Zurücknahme des Antrags nach Erlass der Verfügung nicht von selbst deren Unwirksamwerden herbeiführen; das wäre vor allem in den Fällen der unbefristeten Beschwerde unerträglich. In diesem Fall muss der Antragsteller, sofern er beschwerdeberechtigt ist (vgl dazu § 20 Rn 3 ff), Beschwerde zwecks Zurücknahme des Antrags einlegen75 und die Verfügung vom Beschwerdegericht oder vom Amtsgericht im Wege der Abhilfe aufgehoben werden.76 Wirkungslos ist die Rücknahme des Antrags, wenn die erlassene Verfügung unanfechtbar ist und nicht mehr geändert werden kann, zB in den Fällen der §§ 55, 62,77 84 FGG. Zur Rücknahme berechtigt ist der Antragsteller, ggf sein Rechtsnachfolger. Die Rück- 19 nahme lässt das Antragsrecht anderer Antragsberechtigter und das auf deren Antrag eingeleitete Verfahren unberührt. Sind nur mehrere gemeinsam antragsberechtigt, so hat die Rücknahme des Antrags durch einen von ihnen das Unzulässigwerden des Antrags zur Folge, da den restlichen Antragstellern allein die Antragsbefugnis, die hier der Sachlegitimation gleichkommt, nicht zusteht.78

68

69 70 71

1960, 128; Barnstedt/Steffen § 9 Rn 99, § 14 Rn 159. BGH NJW 1959, 1323; Bärmann § 18 I 1; Baur § 22 II; Habscheid § 22 II 1; Barnstedt/ Steffen § 14 Rn 21 ff; Lindacher JuS 1978, 577. OLG München WM 1952, 596; Bärmann § 18 I 1. BayObLG FamRZ 2000, 991; FamRZ 1999, 62. BGH NJW 1959, 1323 = MDR 1959, 479; BGHZ 41, 114 = RdL 1964, 122; OLG Schleswig RdL 1958, 82; OLG Stuttgart RdL 1958, 77; Barnstedt/Steffen § 14 Rn 22.

72 73 74 75 76 77 78

BGH NJW 1959, 1323; Barnstedt/Steffen § 14 Rn 21 mwN. Vgl für den Zivilprozess Zimmermann ZPO § 269 Rn 9; Zöller/Greger § 269 Rn 8. Mit Beschränkung auf echte Streitsachen ebenso Baur § 21 II 2c. OLG Hamm RdL 1961, 205; Bärmann § 18 I 1a; Keidel/Schmidt § 12 Rn 41. Keidel/Schmidt § 12 Rn 41; aA KG OLGZ 1972, 64. KG JFG 22, 65. KG JW 1932, 1389; Baur § 21 II 2a; Bärmann § 18 I 1; Keidel/Schmidt § 12 Rn 39; aA Josef § 11 Anm 1b; Schlegelberger § 12 Anm 5.

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Vor §§ 8–18 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Die Rücknahme wird durch einseitige unbedingte Erklärung gegenüber dem Gericht erklärt und bedarf keiner Form (Ausnahme § 31 GBO). Die Einwilligung des Gegners etwa entsprechend § 269 Abs 1 ZPO ist auch in echten Streitsachen nicht erforderlich.79 In öffentlich-rechtlichen Streitsachen ist § 92 Abs 1 S 2 VwGO nicht entsprechend anwendbar.80 Die Rücknahmeerklärung ist als Verfahrenshandlung unwiderruflich und nicht wegen Willensmangels anfechtbar.81 Entsteht Streit über die Zulässigkeit oder Wirksamkeit der Zurücknahme, so entscheidet darüber das Gericht unter Fortsetzung des Verfahrens.82 Der zurückgenommene Antrag kann erneut gestellt werden, sofern nicht eine etwaige Antragsfrist inzwischen verstrichen ist.

III. Amtsermittlungsgrundsatz (Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime) 21

Nach § 12 FGG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Abweichend vom Zivilprozess, in welchem mit Ausnahme der Ehe- und Familiensachen auf Grund der Verhandlungsmaxime die Beibringung des Tatsachenstoffs, der Entscheidungsgrundlage werden soll, und die Beschaffung der Beweise dafür grundsätzlich der Disposition der Parteien unterstellt ist, aber in Übereinstimmung mit dem Verfahren vor den allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichten, gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, nach welchem das Gericht von Amts wegen, ohne an das Vorbringen der Beteiligten und deren Beweisangebote gebunden zu sein, den seiner Sachentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachenstoff beizubringen, den Sachverhalt festzustellen und die erforderlichen Beweise in eigener Initiative zu erheben hat. Vgl dazu näher die Anm zu § 12.

IV. Amtsbetrieb 22

Der Grundsatz des Amtsbetriebes (Gegensatz Parteibetrieb) bezieht sich nicht auf Beginn und Beendigung des Verfahrens, sondern auf das formale Inganghalten des (von Amts wegen oder auf Antrag) eingeleiteten Verfahrens.83 Während der im zivilprozessualen Anwaltsprozess früher vorherrschende Parteibetrieb inzwischen bis auf wenige Ausnahmen durch den Amtsbetrieb verdrängt worden ist, gilt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchweg der Grundsatz des Amtsbetriebes. Über Termine und Fristen, die nicht schon gesetzlich bemessen sind, bestimmt ausschließlich das Gericht. Ladungen und Zustellungen werden von Amts wegen veranlasst. Handlungen des Prozessbetriebes, die ein Beteiligter an Stelle des Gerichts vornimmt, sind unwirksam;84 die Zustellung 79

80

BayObLG NJW-RR 1993, 205; OLG Hamm RdL 1961, 205; KG WE 1988, 62; Bärmann § 18 I 1b; Pikart-Henn S 76; Barnstedt/Steffen § 14 Rn 24; Bärmann/Pick/Merle § 44 Rn 91; aA OLG Düsseldorf NJW 1980, 349; Habscheid § 22 II 1; Keidel/Schmidt § 12 Rn 50; Lindacher JuS 1978, 579. Zimmermann Rpfleger 1967, 329; aA Habscheid § 22 II 1; Keidel/Schmidt § 12 Rn 50; Lindacher JuS 1978, 579 f; offen gelassen BayObLG FamRZ 1999, 1588.

228

81

82 83

84

Schlegelberger § 12 Anm 5; Keidel/Schmidt § 12 Rn 39; Baur § 21 II 2b; Rosenberg/ Schwab/Gottwald § 65 Rn 46. BGHZ 4, 341; OLG Celle NdsRpfl 1955, 213. Göppinger Justiz 1967, 124 zu 1 aE; Stein/ Jonas/Leipold Vorbem vor § 128 Rn 188; aA Schlegelberger § 12 Anm 1. Blomeyer ZPR § 24 IV.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

einer Entscheidung entgegen § 16 Abs 2 im Parteibetrieb wäre mithin nicht geeignet, die Beschwerdefrist in Lauf zu setzen. Hinsichtlich der Prozess- und Sachleitung besteht gegenüber dem Zivilprozess kein Unterschied darin, dass sie allein dem Gericht obliegt.85

V. Amtsprüfung (Instruktionsmaxime) Zivilprozess einerseits und Antragsverfahren sowie Beschwerdeverfahren der freiwilli- 23 gen Gerichtsbarkeit andererseits stimmen darin überein, dass die Eröffnung des Verfahrens oder des Rechtsmittelzuges der Initiative der Beteiligten überlassen ist; insoweit gilt mithin in beiden Verfahrensarten die Dispositionsmaxime.86 Die Zulässigkeit des ganzen Verfahrens oder eines Rechtsmittels oder einer einzelnen Verfahrenshandlung muss aber im Interesse der Einhaltung der prozessualen Ordnung notwendig in jeder Verfahrensart der Herrschaft der Parteien entzogen sein. Im Zivilprozess hat der Grundsatz der Prüfung von Amts wegen87 für Voraussetzungen dieser Art mehrfach seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden; so ist der Mangel der Prozess- und Parteifähigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 56 ZPO), ebenso der Mangel der gesetzlichen (§ 56 ZPO) und der gewillkürten Vertretung (§§ 88 Abs 2, 613 Abs 2 ZPO). Die Zulässigkeit des Einspruchs (§ 341 ZPO), von Rechtsmitteln (§ 574 ZPO) und des Wiederaufnahmeverfahrens (§ 589 ZPO) ist von Amts wegen zu prüfen. Auf Bedenken, die in Ansehung der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen, hat der Vorsitzende hinzuweisen (§ 139 Abs 2 ZPO). Derartige Vorschriften fehlen im FGG. Es handelt sich aber um einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der unabhängig davon gilt, ob das Verfahren im übrigen von der Verhandlungsmaxime oder vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht wird. Demgemäß wird auch in der Denkschrift zum FGG (S 40) das Fehlen von Vorschriften über die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, wie die ZPO sie enthält, nicht mit der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes, sondern damit gerechtfertigt, dass sich dies von selbst verstehe. Die Geltung des Grundsatzes wird also, ebenso wie die Geltung der Offizialmaxime (oben Rn 4) stillschweigend vorausgesetzt. Die Frage, ob für die Einführung und dem Nachweis von Tatsachen, von deren Vorliegen die Zulässigkeit des Antrags oder des Rechtsmittels abhängt, der Beibringungsgrundsatz oder der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, beantwortet sich deshalb nicht ohne weiteres nach § 12 FGG; dafür sind andere Gesichtspunkte maßgebend. Im Zivilprozess bedeutet der Grundsatz der Amtsprüfung, dass die von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte der Parteidisposition entzogen sind, die Parteien also eine Überzeugung des Gerichts hierüber weder durch übereinstimmende Erklärungen noch durch Nichtbestreiten, Geständnisses oder Säumnis erzwingen können; er bedeutet aber nicht, dass die Parteiinitiative für die Einführung des Tatsachenstoffs und die Herbeiführung der Überzeugung des Gerichts vornimmt dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstände ausgeschlossen und durch den Untersuchungsgrundsatz ersetzt ist.88 Hierfür macht es keinen Unterschied, ob das Verfahren im übrigen von der Verhandlungsmaxime

85 86 87 88

Vgl Stein/Jonas/Leipold Vorbem vor § 128 Rn 189 ff. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 63 II; Baur § 16 II 2. Vgl Rimmelspacher Zur Prüfung von Amts wegen im Zivilprozess, 1966. BArbGE, 76 = NJW 1958, 1699; RGZ 160,

338, 346; Rosenberg/Schab/Gottwald § 63 IV; Baumbach/Hartmann Grdz vor § 128 Rn 27; Stein/Jonas/Leipold Vorbem vor § 128 Rn 181; Wieczorek/Schreiber § 274 AnmC II; Lent-Jauernig ZR 11. Aufl § 21 IX; Lüke JuS 1961, 44.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

oder vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird. Für den Zivilprozess ergibt sich insoweit die Geltung des Beibringungsgrundsatzes aus der Erwägung, dass keine Veranlassung besteht, bei Tatsachen, welche die Zulässigkeit eines Verfahrens oder einer Prozesshandlung stützen können, der interessierten Partei die Verantwortung abzunehmen und sie dem Gericht zu übertragen.89 Diese Dispositionsfreiheit führt im Ergebnis zur Geltung des Instruktionsgrundsatzes, nach welchem den Parteien die Behauptung solcher Tatsachen, dem Gericht ihre Feststellung zusteht. Derselbe Gesichtspunkt muss im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, da diese Frage in § 12 nicht geregelt ist, im Anwendungsbereich der Dispositionsmaxime dazu führen, dass das Gericht befugt ist, dem Beteiligten die Anführung der Tatsachen und die Benennung der Beweismittel dafür aufzugeben, von denen die Zulässigkeit eines Antrags oder Rechtsmittels abhängt90, da es auch in diesem Verfahren nicht Pflicht des Gerichts sein kann, derartige Mängel eines zur Disposition der Beteiligten bestehenden Aktes durch Ermittlungen unter Beweiserhebungen von Amts wegen zu beheben. Die Vorschriften der §§ 13 Satz 3, 22 Abs 2 S 1, 87, 154 FGG, § 1994 Abs 2 BGB sind nur Anwendungsfälle dieses Grundsatzes.91 Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG bezieht sich daher grundsätzlich nur auf die Beschaffung des der Sachentscheidung zugrunde zulegenden Tatsachenstoffs. Es ist daher zB Sache des Antragstellers, die Tatsachen anzuführen und unter Beweis zu stellen, aus denen sich seine Antragsberechtigung ergibt. Auch soweit die örtliche Zuständigkeit von Tatsachen abhängt, zB dem Wohnsitz, steht dem Gericht dieselbe Befugnis zu. Wegen der Amtsprüfung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln vgl § 25 Rn 6, wegen des Vollmachtsnachweises vgl § 13 Rn 46 ff. Andererseits ist es dem Gericht, wie im Zivilprozess92 gestattet, Tatsachen, welche die 24 Unzulässigkeit des Verfahrens begründen könnten, von Amts wegen in das Verfahren einzuführen und insoweit die Beweisinitiative zu ergreifen. Nur ist es den Beteiligten gegenüber nicht dazu verpflichtet, zur Stützung ihres Antrags oder Rechtsmittels den Sachverhalt, soweit Verfahrens- oder Rechtsmittelvoraussetzungen in Frage stehen, von Amts wegen aufzuklären und Beweise zu erheben. Im Amtsverfahren hat das Gericht, wie keiner Hervorhebung bedarf, die verfahrens25 rechtlichen Voraussetzungen der Einleitung des Verfahrens von Amts wegen festzustellen und die dazu erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten, ohne an das Vorbringen der Beteiligten gebunden zu sein oder ihnen Auflagen machen zu dürfen. Das folgt auch hier nicht aus dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 12, sondern aus der Offizialmaxime. Die Form der Ermittlungen und Beweiserhebungen über Verfahrensvoraussetzungen 26 vollzieht sich nach den Grundsätzen des an Förmlichkeiten des Beweisverfahrens nicht gebundenen Freibeweises. Das Gericht kann sich also auf beliebigem Wege und mit beliebigen Mitteln von dem Vorhandensein der Verfahrensvoraussetzungen überzeu89 90

Stein/Jonas/Leipold Vorbem vor § 128 Rn 147. So bereits Unger ZZP 39, 96; aus der Rechtsprechung grundlegend KG NJW 1961, 1028 = Rpfleger 1961, 159; KG OLGZ 1967, 97, 99; vgl auch KG FamRZ 1960, 241 = Rpfleger 1960, 162. Diese Auffassung war im älteren Schrifttum vorherrschend (Weißler, FGG, § 12 Anm 2; Stein, FGG 2. Aufl § 12 Anm 2a Abs 4; Rausnitz, FGG, § 12 A b, § 13 B; Ebert-Dudek-Lindemann § 12 Anm 1a; Unger, ZZP, Bd 37 S 455/456 mit Fn 162, Bd 38 S 510 zu Fn 30, Bd 39 S 43, 80 u 96;

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91 92

Josef, ZZP, Bd 42 S 23; aA Schlegelberger § 12 Rn 4, § 25 Rn 2; Keidel/Schmidt § 12 Rn 56; BayObLGZ 1959, 472 = Rpfleger 1960, 162). Mit Recht betont Blomeyer § 14 I 4, dass die ausnahmslose Durchführung des Untersuchungsgrundsatzes die Initiative des Gerichts überfordere. Ebert-Dudek-Lindemann § 12 Anm 1a. von Weber ZZP 57, 91; Stein/Jonas/Leipold Vorbem vor § 128 Rn 155; aA Rimmelspacher aaO S 151.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

gen.93 Insbesondere gelten nicht die Grundsätze der Unmittelbarkeit und der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme.

VI. Mündlichkeit oder Schriftlichkeit des Verfahrens Weder der Mündlichkeitsgrundsatz noch das Schriftlichkeitsprinzip ist als allgemeiner 27 Verfahrensgrundsatz vorgeschrieben. In einzelnen Vorschriften oder für besondere Verfahrensarten ist jedoch eine mündliche Erörterung oder Verhandlung mit den Beteiligten vorgesehen. Im handelsregisterlichen Zwangsgeldverfahren hat das Gericht, wenn Einspruch erhoben wird, wenn sich der Einspruch nicht ohne weiteres als begründet ergibt, zur Erörterung der Sache den Beteiligten zu einem Termine zu laden (§ 134 Abs 1 FGG). Nach § 53a Abs 1 FGG soll das Gericht, nach § 13 Abs 2 HausratsVO, § 44 WEG soll es in der Regel, mit den Beteiligten mündlich verhandeln. Nach §§ 40 Abs 2, 42 Abs 6 S 1, 223 Abs 4 BRAO, § 111 Abs 4 BNotO hat das Gericht auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, dass die Beteiligten auf sie verzichten. Dagegen ist nach § 15 Abs 1, 5 LwVG mündliche Verhandlung nur auf Antrag eines Beteiligten anzuordnen, über das Ergebnis einer Beweisaufnahme aber stets mündlich zu verhandeln, sofern die Beteiligten nicht übereinstimmend darauf verzichten. Gemeint ist jeweils eine Verhandlung in der Sache; unzulässige Anträge und Beschwerden können ohne mündliche Verhandlung verworfen werden.94 Nach § 5 Abs 1 FEVG hat das Gericht den Betroffenen mündlich zu hören. In anderen Fällen kann das Gericht im Hinblick auf das Schweigen des Gesetzes nach seinem Ermessen einen Beteiligten auf Grund einer Vorladung oder ohne eine solche mündlich hören oder mit streitenden Beteiligten in einem Termin mündlich verhandeln; das kann zur Klärung des Vorbringens der Beteiligten oder, wenn es auf den persönlichen Eindruck eines Beteiligten ankommt, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12) oder bei unbeholfenen Beteiligten auch zur vollständigen Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) nach Lage der Sache geboten sein. Der Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Beurkundungsrechts 95 sah im Entwurf zur FrGO demnach auch in § 37 vor, dass das Gericht mündlich zu verhandeln hat, wenn dieses zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich ist oder sonst der Förderung das Sache dient.96 Auch soweit aber hiernach das Gericht mündliche Verhandlungen abhalten soll oder 28 muss oder abhält, gilt nicht der Mündlichkeitsgrundsatz des Zivilprozesses in dem Sinne, dass bei obligatorischer mündlicher Verhandlung das Gericht als Prozessstoff nur das ihm in der mündlichen Verhandlung Vorgetragene berücksichtigen darf.97 Vielmehr ist auch in diesen Fällen Entscheidungsgrundlage nicht nur das von den Beteiligten mündlich Vorgebrachte, sondern der gesamte Akteninhalt.98 Auch ist die mündliche Verhand-

93

BGH LM § 56 ZPO Nr 1; Rosenberg ZPR 9. Aufl § 63 IV 2c; Stein/Jonas/Leipold Vorbem vor § 128 Rn 172; von Weber ZZP 57, 97; Müller, Der Freibeweis im Zivilprozessrecht, Diss Halle 1936; die für den Zivilprozess vertretenen gegenteiligen Meinungen (Peters, Der sog Freibeweis, 1962, S 110; Rimmelspacher, Zur Prüfung von Amts wegen, 1966, Seite 171 f) können jedenfalls

94 95 96 97 98

in der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Geltung beanspruchen. BGHZ 44, 25. Herausgegeben vom BMJ im Dezember 1977. Hierzu Arnold Rpfleger 1979, 241. BGH NJW 1997, 397 mwN. BayObLG NJW-RR 1994, 1225 mwN; Schlegelberger § 12 Anm 19c.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

lung nicht, wie im Zivilprozess, ein Verhandeln der Parteien vor dem Gericht (§ 128 Abs 1 ZPO), sondern ein Verhandeln des Gerichts mit den Beteiligten. Die mündliche Verhandlung ist daher, auch wenn sie zwingend vorgeschrieben ist, in ihrer rechtlichen Bedeutung der fakultativen mündlichen Verhandlung des Zivilprozesses vergleichbar; wie diese dient sie, abgesehen von dem Versuch einer gütlichen Einigung, in der Regel der Ergänzung des schriftlichen Vorbringens; das bisherige schriftliche Vorbringen bleibt weiterhin Entscheidungsgrundlage, soweit es nicht durch die mündlichen Erklärungen überholt ist, und es können auch spätere schriftliche Äußerungen berücksichtigt werden. Eine Versäumnisentscheidung ergeht nicht.99 Ein Richterwechsel, der nach Abhaltung der mündlichen Verhandlung bis zur Be29 schlussfassung über die Entscheidung eintritt, ist unschädlich, wie sich aus der Nichtgeltung des Mündlichkeitsgrundsatzes ergibt. Ebenso wie im Zivilprozess bei Überleitung des Rechtsstreits nach mündlicher Verhandlung in das schriftliche Verfahren100 braucht die Entscheidung nicht von denselben Richtern gefällt zu werden, die der mündlichen Verhandlung beigewohnt haben;101 § 309 ZPO ist nicht anwendbar.102 Erst recht gilt dies für gesetzlich nicht vorgeschriebene mündliche Erörterungen, die das Gericht nach Ermessen abhält.103 Es muss jedoch dafür Sorge getragen sein, dass das mündlich Vorgebrachte auch nach einem Richterwechsel berücksichtigt werden kann, indem es in eine Niederschrift oder in einem Aktenvermerk aufgenommen ist;104 andernfalls muss eine vorgeschriebene mündliche Verhandlung wiederholt und sonst den Beteiligten mindestens Gelegenheit gegeben werden, das mündlich Erklärte schriftsätzlich anzubringen. Die Abhaltung von Verhandlungsterminen bei der Vermittlung der Auseinanderset30 zung eines Nachlasses oder Gesamtguts oder bei der Dispache (§§ 89, 99 Abs 1, 153) hat nicht die Bedeutung einer mündlichen Verhandlung in dem erörterten verfahrensrechtlichen Sinne, da sie nicht dazu dient, eine Entscheidungsgrundlage zu gewinnen, sondern eine (erklärte oder im Säumnisverfahren fingierte) Einigung der Beteiligten zu vermitteln und zu beurkunden oder verbleibende Streitpunkte festzustellen (§§ 95, 155 Abs 3, 156). Die Tätigkeit des Gerichts ist also im wesentlichen eine beurkundende. Ein Richterwechsel zwischen dem Termin und der Bestätigung (§§ 91 Abs 2, 93 Abs 1, 155 Abs 1, 156 Abs 2) ist ohne jede Bedeutung. Protokolle über den Hergang bei mündlichen Verhandlungen und Erörterungen sind 31 im FGG nicht vorgesehen. Im Landwirtschaftsverfahren ist jedoch über die mündliche Verhandlung eine Niederschrift gemäß den §§ 159 bis 164 ZPO zu führen (LwVG § 15 Abs 6).105 Ferner ist in echten Streitsachen über Vergleiche, aus denen die Zwangsvollstreckung stattfindet, eine Niederschrift nach den Vorschriften der ZPO herzustellen (§ 13 Abs 3 HausratsVO, § 44 Abs 2 WEG, § 53a Abs 1 FGG). Im übrigen ist es verfahrensrechtlich nicht zwingend geboten, dass mündliche Erklärungen und Anträge der Beteiligten in einem Protokoll oder einem Aktenvermerk schriftlich niedergelegt werden. Das Gericht kann sie auch ohne Wahrung einer derartigen Form bei der Entscheidung verwerten, sofern keine Richterwechsel eingetreten ist. Im Allgemeinen ist aber die akten-

99 100 101 102

OLG Hamm RdL 1960, 102; Lindacher JuS 1978, 577 mwN. BGHZ 11, 27; Zöller/Vollkommer § 309 Rn 6 mwN. Zöller/Greger § 128 Rn 11 mwN. OLG Frankfurt RzW 1958, 176; OLG Celle RzW 1952, 87; ORG Berlin RzW 158, 176; Schlegelberger § 12 Anm 19c; Bärmann § 16

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105

I 8b; aA OLG Hamm RzW 1951, 80; KG RzW 154, 185. BayObLGZ 1964, 433 (Erbscheinsverfahren). BGH NJW 1953, 1547; BayObLGZ 1951, 640; 1956, 300; 1964; 433; Bärmann § 14 III 1b. Dazu BGH RdL 1963, 270; 1966, 211.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

mäßige Festhaltung von Erklärungen, die für eine Entscheidung erheblich werden können, zur Vermeidung von Weiterungen dringend zu empfehlen und in der Praxis auch üblich. Notwendig ist dies, wenn entscheidungserhebliche mündlicher Erklärungen vor einer Gerichtsperson abgegeben werden, die an der Entscheidung nicht mitwirkt, zB einem beauftragten Richter.106 Wegen der Beurkundung des Ergebnisses von Beweisaufnahmen vgl § 15 Rn 11. Über Eidesabnahmen ist stets eine Niederschrift zu fertigen (vgl § 78 Abs 1 S 2 und § 11 Rn 16–21). Da auch der Schriftlichkeitsgrundsatz nicht allgemein gilt, ist die Schriftform für 32 Erklärungen der Beteiligten nur zu wahren, wenn sie im Einzelfall für die jeweilige Verfahrenshandlung vorgeschrieben ist, wie teilweise für Verfahrensanträge (s Rn 9) und für Beschwerden (vgl § 21 Abs 2, 3; § 29). Über Schriftform im allgemeinen vgl § 11 Rn 25 ff.

VII. Unmittelbarkeitsgrundsatz Vom Grundsatz der Unmittelbarkeit kann (theoretisch) sowohl ein nach dem Grund- 33 satz der Mündlichkeit als auch ein nach dem Schriftlichkeitsprinzip ausgestaltetes Verfahren beherrscht sein; er bedeutet, dass die Verhandlungen und Beweiserhebungen unmittelbar vor dem entscheidenden Gericht selbst ohne Vermittlung eines anderen Richters oder einer anderen Behörde stattfinden.107 Für Verhandlungen mit den Beteiligten gilt der Unmittelbargrundsatz in der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung des Verkehrs des Gerichts mit den Beteiligten nicht.108 Nur in einzelnen Verfahrensarten und in diesen nur für einen Abschnitt des Verfahrens ist der Grundsatz annähernd verwirklicht, nämlich wenn vorgeschrieben ist, dass eine mündliche Verhandlung stattfinden soll oder muss (s Rn 27); diese Verhandlungen müssen mithin unmittelbar vor dem vollbesetzten Gericht stattfinden, wenn auch nicht gewährleistet ist, dass die Entscheidung in derselben Besetzung ergeht. Im übrigen ist es nicht ausgeschlossen, dass das Gericht sich für die Verhandlungen mit den Beteiligten einer Mittelsperson bedient, etwa eines beauftragten Richters oder in Vormundschaftssachen des Jugendamts, in Registersachen (Ausnahme § 134) der Industrie- und Handelskammer, sofern dadurch die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 12) nicht verletzt und die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber den Beteiligten (Art 103 Abs 1 GG) nicht beeinträchtigt wird.109 Der Grundsatz der Unmittelbarkeit greift ferner nicht ein bei formlosen Ermittlungen auf Grund des § 12, da das Wesen dieser Ermittlungen (und die Quelle der gegen sie zu erhebenden Bedenken) gerade darin liegt, dass die Verfahrensgarantien des Strengbeweises, nämlich die Förmlichkeiten eines gesetzlich geregelten Beweisverfahrens, Unmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit nicht gelten.110 Wegen der Geltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bei förmlicher Beweisaufnahme vgl § 15 Rn 5 ff.

106 107 108 109

BayObLGZ 1956, 300. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 80 Rn 1 ff. Bärmann § 14 II 1c. Bärmann § 15 I 3.

110

BGHZ 44, 65; aA Baur § 16 IV, der die Geltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes gerade aus § 12 FGG herleitet.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

VIII. Stillstand des Verfahrens 34

Darunter sind die Unterbrechung, die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens zu verstehen. 1. Unterbrechung

35

Eine Unterbrechung des Verfahrens mit den gesetzlichen Folgen des § 249 ZPO ist dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbekannt.111 Das gilt auch in echten Streitsachen, zB im Verfahren vor den Landwirtschaftsgerichten.112 a) Tod des Beteiligten

36

Der Tod eines Beteiligten zieht rechtlich den Stillstand des Verfahrens nicht notwendig nach sich. Der Tod ist aber häufig ein Tatbestand, der die Beendigung des Verfahrens zur Folge hat. Der Tod des Mündels beendet die Vormundschaft, der Tod des Pflegebefohlenen (in der Regel) die Pflegschaft; Verfahren welche die Anhängigkeit der Vormundschaft oder Pflegschaft voraussetzen, werden dadurch gegenstandslos, zB die Erteilung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung113 oder ein Verfahren zur Entlassung des Vormunds. Der Tod des Abwesenden gibt Anlass zur Aufhebung der Abwesenheitspflegschaft (§ 1921 Abs 2 BGB). Mit dem Tode des Kindes erledigen sich wegen Fortfalls des Verfahrensgegenstandes Verfahren nach §§ 1666, 1671, 1672, 1696 BGB. Der Tod des Annehmenden hindert unter den Voraussetzungen des § 1753 Abs 2 BGB nicht den Ausspruch der Annahme, wohl aber der Tod des Kindes (§ 1753 Abs 1 BGB). Eine auf persönliche Beziehungen zu dem Kinde (§ 57 Abs 1) gestützte Beschwerde erledigt sich mit dem Tode des Beschwerdeführers.114 Streitigkeiten unter Eheleuten erledigen sich in der Regel bei Auflösung der Ehe durch Tod, zB ein Wohnungs- und Hausratsauseinandersetzungsverfahren, welches mit den Erben nicht fortgesetzt werden kann.115 Der Tod des Hofübergebers erledigt das Genehmigungsverfahren, wenn der Übernehmer zum Hoferben berufen ist.116 Der Tod des Antragstellers im Verfahren nach § 90 BRAO beendet dieses.117 Das Versorgungsausgleichsverfahren wird durch den Tod des Ausgleichspflichtigen nicht unterbrochen, wenn dieser anwaltlich vertreten ist, es darf vor Ermittlung der Erben fortgeführt und beendet werden.118 Führt der Tod weder eine Beendigung des Verfahrens noch einen Fortfall des Verfah37 rensgegenstandes herbei, wie stets, wenn der Verfahrensgegenstand vererblich ist, so ist das Verfahren ohne förmliche Unterbrechung für und gegen die Rechtsnachfolger des verstorbenen Beteiligten von Amts wegen fortzusetzen. Im Amtsverfahren hat das Gericht den Rechtsnachfolger von Amts wegen zu ermitteln und zu dem Verfahren hinzu zu ziehen, zB den Erbeserben im Erbscheinseinziehungsverfahren (§ 2361 BGB). Im Antragsverfahren unterliegt die Prüfung einer auf Seiten des Antragstellers oder des Antragsgegners in Anspruch genommenen oder behaupteten Rechtsnachfolge den Grundsätzen über die Prüfung von Amts wegen (s Rn 23); das Gericht ist mithin zwar berechtigt, den Beteiligten gegenüber aber nicht dazu verpflichtet, über die Rechtsnachfolge Ermitt111 112

113 114 115

Bärmann § 14 IV 1; Habscheid § 22 III 1. OLG Oldenburg RdL 1954, 278; OLG München RdL 1961, 204, Barnstedt/Steffen § 9 Rn 97. BayObLGZ 1964, 350. KGJ 41, 8; Schlegelberger § 12 Anm 32. OLG Hamm FamRZ 1965, 220; sa

234

116 117 118

BayObLG DNotZ 1963, 732 zum Tod des Antragstellers im Verfahren nach § 1365 Abs 2 BGB dazu auch Dittmann ebenda S 707. BGH MDR 1961, 125. BGHZ 66, 297. OLG Nürnberg FamRZ 1996, 175 (LS).

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

lungen anzustellen. Sind die Rechtsnachfolger des Antragstellers dem Gericht unbekannt, so ist das Gericht nicht genötigt, sie von Amts wegen zu ermitteln; ist dem Gegner an der Fortsetzung des Verfahrens gelegen, so mag er die Rechtsnachfolger des Antragstellers bezeichnen. Wollen die Rechtsnachfolger des Antragstellers das Verfahren fortsetzen, so haben sie ihre Rechtsnachfolge nachzuweisen. Dem Gericht steht es frei, einen Erbschein zu verlangen, es kann aber auch die für die Rechtsnachfolge vorgebrachten Tatsachen selbständig würdigen. Die Rechtsnachfolge nach dem verstorbenen Antragsgegner dazulegen, ist regelmäßig Sache des Antragstellers.119 Das Entstehen eines Zwischenstreits über die Rechtsnachfolge ist nicht ausgeschlossen. Stellt das Gericht die Rechtsnachfolge fest, so ergeht darüber keine Zwischenentscheidung, die ohnehin nicht selbständig anfechtbar wäre, sondern das Verfahren wird fortgesetzt und die Annahme der Rechtsnachfolge kann mit der Beschwerde gegen die Endentscheidung angefochten werden.120 Verneint das Gericht die Rechtsnachfolge desjenigen, der Rechtsnachfolger zu sein behauptet oder als solcher von dem Gegner in Anspruch genommen wird, so kann darüber eine besondere Entscheidung ergehen, welche die anhängig bleibende Hauptsache unberührt lässt und mit Rechtsmitteln (§ 19) selbständig angefochten werden kann.121 b) Eröffnung des Insolvenzverfahrens Auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten bzw 38 die Anordnung eines Verwaltungs- und Verfügungsverbots gem § 21 Abs 2 Nr 2 InsO hat nicht von Rechts wegen eine Unterbrechung des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne des § 240 ZPO zur Folge.122 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann zunächst ein Tatbestand sein, der Rechtsfolgen auslöst und zu gerichtlichen Maßnahmen Anlass gibt, so endet mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens die Nachlassverwaltung (§ 1988 Abs 1 BGB). Insolvenz macht zwar nicht von Gesetzes wegen untauglich zur Übernahme einer Vormundschaft (§ 1781 BGB), in der Regel erfolgt jedoch Übergehung nach § 1778 Abs 1 Nr 4 BGB oder Nichtberücksichtigung wegen Nichteignung nach § 1779 BGB.123 Die Fähigkeit des Schuldners, in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufzutreten oder zu ihm hinzugezogen zu werden, insbesondere Anträge zu stellen und Beschwerden einzulegen, wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ebenso wenig berührt wie die Prozessfähigkeit. Der Geschäftsführer einer GmbH und nicht der Insolvenzverwalter bzw vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt und verpflichtet, die Abberufung und die Neubestellung von Geschäftsführern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden; dieser ist auch im Falle der Ablehnung beschwerdeberechtigt.124 Der Erbe wird durch das Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht gehindert, das Erbscheinsverfahren zu betreiben, auch wenn die Erbschaft zur Masse gehört, da darin keine Verfügungs- oder Verwaltungshandlung liegt; es kann aber auch der Insolvenzverwalter die Erteilung des Erbscheins beantragen125 und die Einziehung eines unrichtigen Erbscheins betreiben.126 119 120 121 122

Schlegelberger § 12 Anm 32. OLG Düsseldorf RzW 1952, 306. Zum Zivilprozess Zöller/Greger § 239 Rn 12 mwN. OLG Köln Rpfleger 2001, 552 mwN; zum Konkursverfahren: BayObLGZ 1953, 92 = NJW 1953, 1227; BayObLGZ 1978, 278; KG MDR 1988, 329; OLG Oldenburg RdL 1954, 278; OLG Frankfurt NJW 1954, 1492; Schlegelberger § 12 Anm 33.

123 124 125

126

Palandt/Diederichsen § 1781 Rn 1. OLG Köln Rpfleger 2001, 552; OLG Rostock Rpfleger 2003, 444. Schlegelberger § 12 Anm 33; Palandt/Edenhofer § 2353 Rn 12; Soergel/Damrau § 2353 Rn 30. BayObLG OLGR 32, 81.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Aussetzung

39

Aussetzung ist Stillstand des Verfahrens auf Grund gerichtlicher Anordnung. Von Bedeutung ist vor allem die Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit. Während andere Verfahrensordnungen die Befugnis dazu ausdrücklich regeln (§ 148 ZPO, § 94 VwGO, § 74 FGO), enthält das FGG darüber keine allgemeine Vorschrift. Die Sondervorschrift des § 95 FGG regelt Fälle, in denen dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Entscheidungsbefugnis fehlt; das Verfahren zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung ist danach bis zur Erledigung der Streitpunkte, die sich bei der Verhandlung über den Auseinandersetzungsplan ergeben haben, auszusetzen. Die Aussetzungsbefugnis des Registergerichts andererseits (§§ 127, 147, 159, 161 FGG) geht über die des Prozessgerichts nach § 148 ZPO insoweit hinaus, als sie nicht voraussetzt, dass ein Rechtsstreit über die präjudizielle Vorfrage bereits anhängig ist (§ 127 Rn 10). Weitere Aussetzungsmöglichkeiten ergeben sich aus §§ 52 Abs 2, 53c, 56c Abs 2; nach § 52 Abs 2 soll das Gericht in einem die Person eines Kindes betreffenden Verfahren das Verfahren aussetzen, wenn zB Beratungsbereitschaft besteht. In Verfahren über den Versorgungsausgleich erweitert § 53c die Aussetzungsmöglichkeit des § 148 ZPO. Ist die Anfechtung der Vaterschaft gleichzeitig Gegenstand eines Rechtsstreits nach den Vorschriften der ZPO, so ist das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 1600e Abs 2 BGB) bis zur Erledigung des Rechtsstreits auszusetzen, § 56c Abs 2 FGG. Aus diesen auf den Besonderheiten einzelner Verfahren beruhenden Vorschriften können allgemeine Schlüsse über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Aussetzung im übrigen nicht gezogen werden. Die Gleichheit der Interessenlage gegenüber anderen Verfahrensordnungen gebietet 40 aber die Zulassung der Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Grundsätzlich hat das Gericht auch in diesem Verfahren, auch wenn Vorfragen aus dem Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit oder des öffentlichen Rechts erheblich sind, selbständig über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu entscheiden.127 Zur Vorfragenkompetenz vgl § 12 Rn 19 ff. Wenn aber dieselbe Frage bereits Gegenstand eines anderen Rechtsstreits ist, können 41 Gesichtspunkte der Prozessökonomie und der Entscheidungsharmonie es rechtfertigen, die Entscheidung in jenem anderen Rechtsstreit abzuwarten, Rücksichtnahme auf die Interessen der Parteien haben das Ermessen zu bestimmen.128 Hieraus ergibt sich die grundsätzliche Zulässigkeit der Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit.129 Vorausgesetzt ist, dass ein Rechtsstreit (oder ein anderes Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) über das bedingende Rechtsverhältnis bereits anhängig ist. Das Erbscheinsverfahren darf daher bis zur Entscheidung eines bereits anhängigen Rechtsstreits über das Erbrecht ausgesetzt werden; 130 das gilt auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren.131 Das Gericht darf die ihm obliegende Entscheidung über eine erhebliche Vorfrage nicht ablehnen und die Beteiligten auf den Prozessweg verweisen mit der Folge, dass ein Rechtsstreit erst anhängig gemacht werden muss.132 Die Einschränkung, dass im Antragsverfahren die Ausset127 128 129

130

BGHZ 5, 259; KG NJW 1960, 633; Schlegelberger § 12 Anm 14; Bärmann § 15 IV. BGHZ 16, 130 für den Zivilprozess. BayObLGZ 1967, 19; KGJ 30 A 60; KG JFG 13, 199; KG OLGZ 1966, 357; OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1423 mwN; Schlegelberger § 12 Anm 34; Bärmann § 14 IV 2; Baur § 2 VI 2; Barnstedt/Steffen § 9 Rn 95. BayObLGZ 1964, 231; 1969, 184 = FamRZ

236

131 132

1969, 676; KGJ 35 A 113 = RJA 9, 75; KG OLGR 34, 318. BayObLG FamRZ 1999, 334 mwN. BayObLGZ 1964, 231; 1969, 184 = FamRZ 1969, 676; KGJ 35 A 110; OLG Dresden OLGR 46, 245; OLG Schleswig SchlHA 1957, 350; OLG Oldenburg NdsRpfl 1960, 264; Schlegelberger § 12 Anm 34.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

zung nur mit Zustimmung des Antragstellers zulässig sei, kann als berechtigt nicht anerkannt werden,133 da auch das Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von der Offizialmaxime beherrscht wird. Die Aussetzung kann insbesondere in Betracht kommen, wenn die Entscheidung in dem anderen Verfahren rechtsgestaltend ist und zurückwirkt oder der materiellen Rechtskraft fähig ist und für das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit bindend wäre; die Rechtskraftwirkung ist aber keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aussetzung;134 es genügt die Bedeutung als Beweisgrund. Kein Aussetzungsgrund ist der Umstand, dass in einem anderen Rechtsstreit, der einen gleichartigen Fall betrifft, lediglich über die gleiche Rechtsfrage zu entscheiden ist135 oder der Umstand, dass die zu entscheidende Frage in einem zu erwartenden Gesetz geregelt werden wird.136 Etwas anderes gilt, wenn eine an sich anzuwendende gesetzliche Bestimmung vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wurde und es geboten ist, die Neuregelung abzuwarten;137 eine Entscheidung in einem anhängigen Verfahren nach Art 93 Abs 1 Nr 4a GG oder Art 100 GG kann abgewartet werden, wenn das Fachgericht die Rechtsnorm nicht für verfassungswidrig hält.138 Unzulässig ist die Aussetzung, wenn dadurch die Sachentscheidung vorweggenommen würde. Die Sachentscheidung darf nicht von der künftigen Entwicklung der Verhältnisse abhängig gemacht und deshalb ausgesetzt werden.139 Die Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit steht im Ermessen des Gerichts; eine Pflicht 42 dazu besteht nicht. Es ist zu prüfen, ob nicht die besondere, durch ihren Gegenstand bestimmte Art des Verfahrens der Aussetzung entgegensteht und ob den Beteiligten bei billiger Berücksichtigung ihrer Belange die Verzögerung zugemutet werden kann.140 Die Aussetzung kann sich insbesondere verbieten, wenn der Verfahrensgegenstand eine baldige Regelung notwendig macht.141 Gegen die Anordnung der Aussetzung und ihre Ablehnung steht jedem Beteiligten 43 ohne Rücksicht auf seine Stellung im Verfahren142 die Beschwerde nach § 19 zu; das Rechtsmittel ist unbefristet, auch wenn gegen Entscheidungen in der Hauptsache die sofortige Beschwerde gegeben ist, mithin auch im Hausratsverfahren143 und im Landwirtschaftsverfahren.144 3. Ruhen Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens kommt in echten Streitsachen in entspre- 44 chender Anwendung des § 251 ZPO auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten in Betracht, wenn anzunehmen ist, dass diese Anordnung wegen Schwebens von Vergleichs-

133

134 135 136 137

138

BayObLGZ 1964, 231; BayObLG FamRZ 1999, 334 mwN; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 1140 mwN; aA Schlegelberger § 12 Anm 34 mN aus der früheren Rechtsprechung. Reichold in Thomas/Putzo § 148 Rn 3. BayObLGZ 1966, 323; KG OLGZ 1967, 199; OLG Düsseldorf WM 1967, 833. OLG Celle WM 1967, 863. BayObLG Rpfleger 1992, 11; FamRZ 1991, 227; BayObLGZ 1974, 355 = FamRZ 1975, 45; OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1423. BGH MDR 1998, 732; BayObLGZ 1966, 323; KG OLGZ 1967, 199.

139

140 141 142 143 144

BGH MDR 1972, 48; KG NJW 1957, 1197; KG JFG 13, 297; JFG 20, 164; HansOLG Bremen FamRZ 1979, 856; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 1140. BayObLGZ 1964, 231; 1967, 19; KG OLGZ 1966, 357; 1967, 392; Bärmann § 14 IV 2. BayObLGZ 1956, 303 (Bestellung eines Notgeschäftsführers); 1964, 231. Vgl BayObLGZ 1967, 19 = NJW 1967, 1285. KG OLGZ 1966, 357. Schlegelberger § 12 Anm 35, Barnstedt/Steffen § 9 Rn 96, § 22 Rn 11.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

verhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen zweckmäßig ist.145 Gegen die Ablehnung findet die Beschwerde nach § 19 statt. Der Lauf der Rechtsmittelfristen wird durch das Ruhen nicht berührt. Das Ruhen wird auch angeordnet, wenn ein nach § 8 Abs 2 KostO angeforderter Vorschuss für Gerichtskosten nicht gezahlt wird, da die Nichtzahlung grundsätzlich kein Zurückweisungsgrund ist;146 nur wenn das Verfahrensrecht eine Zurückweisung vorsieht, wie zB im Grundbuchverfahren, dann kann wegen Nichtzahlung des Vorschusses eine Zurückweisung erfolgen, für eine Ruhensanordnung ist hier kein Raum.147 Im Verfahren nach § 23 Abs 4 S 2 WEG wird eine Vorschussanordnung als nicht angemessen angesehen, weil die rechtlichen Folgen der Nichtzahlung in diesem speziellen Verfahren nicht angebracht sind.148

IX. Normenkontrollverfahren 1. Voraussetzungen

45

Die Prüfungspflicht des Richters der freiwilligen Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch auf die Gültigkeit und Verfassungsmäßigkeit der für seine Tätigkeit erheblichen Rechtsnormen. Das Grundgesetz hat jedoch das richterliche Prüfungsrecht in bestimmtem Umfang vom entscheidenden Gericht auf das Verfassungsgericht verlagert und diesem zwar kein Prüfungsmonopol, aber ein Verwerfungsmonopol eingeräumt. Zur Durchführung der daraus folgenden Aufspaltung der Rechtsanwendung in dem einzelnen Verfahren muss das Gericht das bei ihm anhängige Verfahren aussetzen und die seiner Entscheidungsbefugnis entzogene Rechtsfrage dem Verfassungsgericht vorlegen. Diese Pflicht obliegt dem Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch außerhalb von Streitentscheidung, zB bei Erteilung vormundschafts-/familiengerichtlicher Genehmigungen149 und bei der Entscheidung über Anmeldungen zum Handelsregister.150 Sie geht der Vorlegungspflicht nach § 28 Abs 2 FGG vor (§ 28 Rn 46). Das Verfahren ist daher auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, a) wenn das Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es für die Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält und es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt; ebenso, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetz handelt, Art 100 Abs 1 GG, §§ 13 Nr 11, 80 BVerfGG; b) bei Zweifeln darüber, ob eine Regel des Völkerrechts nach Art 25 GG Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt, Art 100 Abs 2 GG, §§ 13 Nr 12, 83 BVerfGG; c) bei Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht als Bundesrecht, Art 126 GG, §§ 13 Nr 14, 86 Abs 2 BVerfGG. zu a): Gesetze, die vor dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes, dem 24.4.1949, ver46 kündet worden sind (vorkonstitutionelle Gesetze), unterliegen nicht der Normenkon145

146

BayObLG NJW-RR 1988, 16; Bärmann § 14 IV 3; Habscheid § 22 III; Pikart-Henn S 81; aA Barnstedt/Steffen § 9 Rn 98, der in geeigneten Fällen die Aussetzung des Verfahrens vorschlägt. BVerfGE 10, 264; OLG Frankfurt Rpfleger 1993, 26 mwN; Korintenberg/Lappe § 8 Rn 10.

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147 148 149 150

OLG Hamm Rpfleger 2000, 267 mwN. BayObLGZ 2000, 340; 1971, 289 = Rpfleger 1971, 404. BVerfGE 10, 59, 66. BVerfGE 4, 45, 48; 14, 363, 273.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

trolle durch das BVerfG151; ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz kann jeder Richter selbstständig verneinen oder bejahen. Dasselbe gilt für Rechtsverordnungen.152 Über die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einer Bundes-Rechtsverordnung entscheidet jedoch das BVerfG.153 Ob aber ein Landesgesetz mit einem später erlassenen Bundesgesetz vereinbar ist, darf jedes Gericht selbst entscheiden.154 Recht der Besatzungsmächte war nicht in Gegenstand des Normenkontrollverfahrens. Es war weder Bundes- noch Landesrecht geworden.155 Die von den Besatzungsbehörden erlassenen Rechtsvorschriften waren nach Art 1 Abs 1 des Überleitungsvertrages auch nach dem Inkrafttreten der Bonner Verträge (Bekanntmachung vom 30.3.1955 und 5.5.1955 – BGBl II S 301, 628) weiter in Geltung geblieben, auch so weit sie mit dem Grundgesetz unvereinbar waren; sie konnten also nicht am Maßstab des Grundgesetzes gemessen werden; es bestand aber die Verpflichtung des Bundesgesetzgebers, sie nach Konsultationen mit den Besatzungsmächten in angemessener Zeit dem Grundgesetz anzupassen.156 Das ist aber nach Wiedererlangung der vollen Souveränität157 selbstverständlich anders. zu b): Über Bedeutung des Art 25 GG führt das BVerfG in dem Urteil vom 26.3.1957 47 aus: „Art 25 GG räumt nur den allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Charakter innerstaatlichen Rechts und den Vorrang vor den Gesetzen ein. Diese Bestimmung bewirkt, dass diese Regeln ohne ein Transformationsgesetz, also unmittelbar, Eingang in die deutsche Rechtsordnung finden und dem deutschen innerstaatlichen Recht – nicht dem Verfassungsrecht – im Range vorgehen. Diese Rechtssätze brechen insoweit jede Norm aus deutscher Rechtsquelle, die hinter ihnen zurückbleibt oder ihnen widerspricht.“ Die allgemeinen Regeln sind von Amts wegen zu erforschen. Das Gericht entscheidet auf Grund des Ergebnisses seiner Prüfung selbst, ob die Regel besteht oder nicht. Es besteht also – anders als nach Art 100 Abs 1 GG – kein Monopol der Prüfungszuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Nur wenn ernsthafte Zweifel an dem Bestehen und dem Inhalt der allgemeinen Regel auftreten, ist das Gericht gehalten, die Entscheidung des BVerfG einzuholen, mag es auch selbst diese Zweifel nicht teilen. Ernsthaft sind Zweifel nicht schon deswegen, weil sie von dem Prozessbeteiligten vorgebracht werden, wohl aber wenn das Gericht abweichen würde von der Auffassung eines Verfassungsorgans, den Entscheidungen hoher Gerichte oder den Meinungen anerkannter Lehrer des Völkerrechts.158 zu c): Nach Art 126 GG kommt es zur Anrufung des BVerfG nur, wenn streitig und 48 erheblich ist, ob Recht, worunter hier jede Rechtsnorm mit Ausnahme von Verwaltungsvorschriften zu verstehen ist,159 auf Grund der Art 124, 125 GG gerade als Bundesrecht fortgilt.160 Hier geht es also nicht um die Gültigkeit, sondern um die Qualifikation der Norm als Bundesrecht.161 Eine Vorlage nach § 86 Abs 2 BVerfGG ist daher unzulässig, wenn der Streit darum geht, ob eine Norm, die im Falle ihrer Gültigkeit Bundesrecht wäre, überhaupt nicht mehr gilt und nur deshalb nicht als Bundesrecht fortgelten

151

152 153 154 155 156

BVerfGE 2, 124, 129; zur Bestätigung vorkonstitutioneller Vorschriften durch den Gesetzgeber vgl BVerfGE 11, 126 und dazu Herholz DÖV 1960, 772; Langer NJW 1962, 893; Hw Müller DVBl 1963, 841. BVerfGE 1, 184. BVerfGE 1, 202. BVerfGE 10, 124. BVerfGE 3, 368, 375; 15, 337. BVerfGE 15, 337; BayObLG FamRZ 1962,

157 158 159 160 161

120; OLG Hamm FamRZ 1964, 212; Reinicke NJW 1960, 386; aA Keidel/Schmidt § 12 Rn 103. Art 7 Deutschlandvertrag v 12.11.1990 (BGBl II S 1318). BVerfGE 23, 288; aM Mosler, S 46; zum Verfahren Münch JZ 1964, 163. Maunz-Dürig Art 126 Rn 6. BVerfGE 1, 162; 3, 368. Goessl S 54.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

kann162 oder ob eine solche (notwendig vorkonstitutionelle) Norm dem Grundgesetz widerspricht.163 Der Grundrechtsteil des Grundgesetzes galt auch vor der Wiedervereinigung in Ber49 lin;164 die Gerichtsbarkeit des BVerfG erstreckte sich jedoch nicht auf Berlin;165 deshalb kam ein Normenkontrollverfahren auf Vorlegung eines Berliner Landesgerichts nicht in Betracht. Die Berliner Gerichte prüften in eigener Zuständigkeit die Vereinbarkeit des in Berlin geltenden Rechts mit dem Grundgesetz;166 das galt auch für Bundesgesetze, die der Berliner Landesgesetzgeber im Mantelgesetzverfahren übernommen hatte.167 2. Verfahren des vorlegenden Gerichts

50

Über die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlegung an das BVerfG beschließt das Gericht in der gerichtsverfassungsrechtlichen Besetzung, in der es sonst in dem Verfahren zu entscheiden hat.168 Für den Rechtspfleger ist Vorlage an den Richter nach § 5 RPflG vorgeschrieben.169 Die Anordnung ergeht von Amts wegen; auf Anträge der Beteiligten kommt es nicht an (§ 80 Abs 3 BVerfGG). Der Beschluss ist zu begründen (§ 80 Abs 2 BVerfGG). In den Gründen ist darzulegen, inwiefern die Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Rechtsvorschrift abhängt. Entscheidungserheblich in diesem Sinne ist die Norm nur, wenn das Gericht im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müsste als bei ihrer Gültigkeit.170 Hängt die Entscheidungserheblichkeit von dem Ergebnis einer Beweisaufnahme ab, so ist diese zuvor durchzuführen und zu würdigen.171 Für die Frage, ob die Gültigkeit der zu prüfenden Norm entscheidungserheblich ist, kommt es auf die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das vorlegende Gericht an, es sei denn, dass diese offensichtlich unhaltbar ist.172 Ferner muss der Vorlegungsbeschluss zum Ausdruck bringen, dass das Gericht von der Verfassungswidrigkeit der zu prüfenden Norm überzeugt ist und darlegen, mit welcher Vorschrift des Grundgesetzes die Norm unvereinbar sein soll.173 Entspricht die Vorlegung diesen Anforderungen nicht, so ist sie unzulässig. Der Beschluss und die beizufügenden Akten sind dem BVerfG unmittelbar zuzuleiten, 51 also weder auf dem Dienstweg noch über das zuständige oberste Bundes- oder obere Landesgericht.174 Mit Rechtsmitteln ist der Aussetzungs- und Vorlegungsbeschluss ebenso wenig an52 fechtbar wie ein Vorlegungsbeschluss nach § 28 Abs 2 FGG.175 Die Grundsätze für die Anfechtung der Aussetzung sind nicht anwendbar, weil es sich nicht um eine eigentliche Aussetzung, also einen Stillstand des Verfahrens, handelt, sondern um die Verlagerung der Entscheidungsbefugnis in einer Teilfrage auf ein anderes Gericht. Das Gericht des Ausgangsverfahrens kann aber den Beschluss aufheben (§ 18). 162 163 164 165 166 167

168 169

BVerfGE 3, 354. BVerfGE 3, 357; dazu Maunz-Dürig Art 126 Rn 13 ff. BVerfGE 1, 70; BFinH JZ 1965, 21 m Anm v Wengler. BGHZ 20, 112; BVerfGE 7, 1 und 192. BGHZ 20, 112; Knoll JR 1963, 361, 363 ff. KG NJW 1966, 598; aM Sendler NJW 1966, 1756; Stern DVBl 1963, 704; Schüßler NJW 1965, 48; Finkelnburg JuS 1968, 10, 13. BVerfGE 1, 81; 16, 305. Keidel/Schmidt § 12 Rn 104.

240

170 171 172 173 174 175

BVerfGE 7, 171, 173; 11, 294, 296; 11, 330, 334 ff; 22, 175 = NJW 1967, 1604. BVerfGE 11, 330, 334; dazu Schick NJW 1965, 730. BVerfGE 10, 1; 18, 274; dazu Schlitzberger NJW 1963, 1901. BVerfGE 16, 188, 189; 22, 175, 177. Groß DRiZ 1965 Nr 363, 365. Geiger BVerfGG § 80 Anm 6; OLG Bremen NJW 1956, 387; OVG Lüneburg BVBl 1952, 726; Keidel/Schmidt § 12 Rn 106; aM Schulte MDR 1952, 520; Heinrichs MDR 1952, 529; Stein/Jonas/Leipold, § 148 Rn 2.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

Eine Aussetzung ohne gleichzeitige Vorlegung an das BVerfG im Hinblick auf ein be- 53 reits von einem anderen Gericht anhängig gemachtes Normenkontrollverfahren oder eine anhängige Verfassungsbeschwerde über die gleiche Rechtsfrage muss als unzulässig erachtet werden.176

C. Echte Streitsachen I. Privatrechtliche Streitsachen 1. Bedeutung Der Begriff der echten Streitsachen ist in der freiwilligen Gerichtsbarkeit von jeher be- 54 kannt gewesen,177 obwohl das Gesetz dieser Angelegenheit keiner besonderen Regelung unterstellt hat. Schon die Denkschrift zum FGG (S 36) spricht von Fällen, „in denen aus Zweckmäßigkeitsgründen über streitige Rechtsverhältnis im Wege des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden wird“. Herkömmlicherweise hat man darunter verstanden178 aus dem Gebiet des Familienrechts die Änderung der Bestimmung der Eltern über Art und Zeit der Unterhaltsgewährung (§ 1612 Abs 2 BGB), die Ersetzung der Ermächtigung oder Zustimmung eines anderen zu einem Rechtsgeschäft (§§ 113 Abs 3, 1365, 1369, 1426, 1430, 1452, 1747 Abs 3 BGB), aus dem Gebiet des Erbrechts die Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) und die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten unter mehreren Vollstreckern (§ 2224 BGB); aus dem Recht der Vereine und Gesellschaften sowie aus dem Gebiet des Handelsrechts die Ermächtigung zur Einberufung einer Mitglieder- oder Gesellschafterversammlung (§ 37 BGB mit § 160 FGG, § 122 Abs 3 AktG mit § 145 FGG, § 45 Abs 3 GenG mit § 148 FGG), die Bestellung oder Abberufung von Liquidatoren (§§ 147, 161 Abs 2 HGB, §§ 265 Abs 3, 273 Abs 4 AktG, § 66 Abs 3 GmbHG), die Entscheidung über außerordentliche Informationsrechte des Kommanditisten oder stillen Gesellschafters (§§ 166 Abs 3, 338 Abs 3 HGB), die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Gründern und Gründungsprüfung (§ 35 AktG), überhaupt die Mehrzahl der bei §§ 145, 148 erörterten Angelegenheiten, die Verpflichtung des Dispacheurs (§ 150 FGG), die Entscheidung über die Art des Pfandverkaufs (§ 1246 Abs 2 BGB, § 166 FGG), über die Vergütung des gerichtlich bestellten Verwahrers (§ 165 Abs 2 FGG) und über die Zeit der Abreise beim seerechtlichen Frachtvertrag (§ 590 HGB, § 145 FGG) Später erfuhr der Umfang dieser Sachen eine erhebliche Ausweitung durch die Zuwei- 55 sung weiterer Angelegenheiten in das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die insgesamt unter der Bezeichnung echte Streitsachen zusammengefasst werden können, unter sich aber wiederum sehr unterschiedlicher Art sind. Bei einem erheblichen Teil dieser Angelegenheiten handelte es sich dabei um solche, die infolge von Wirtschaftskrisen, Währungsverfall und Kriegsfolgen in großer Anzahl anfielen und im Interesse der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in einem beweglichen, schleunigen und billigen Verfahren abgewickelt werden mussten, eine Aufgabe, die mit den Mitteln des Zivilprozesses kaum hätte bewältigt werden können. Hierher gehörten Aufwertungssachen,

176

177

BayObLGZ 1966, 323 = NJW 1967, 110 = FamRZ 1967, 164; KG OLGZ 1967, 199 = FamRZ 1967, 230; str. Vgl zB Weißler FGG (1900) Einl IV 1c; Josef

178

§ 12 Zus A; Ebert-Dudek-Lindemann § 12 Anm 2b. Vgl die Aufzählungen bei Josef § 12 Zus C; Schlegelberger § 12 Anm 7.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Schuldenbereinigung, Umstellungssachen, Wertpapierbereinigung, Altbankensachen, Entscheidungen im Prüfungsverfahren nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz (§§ 53 ff AKG), Rückerstattung, Vertragshilfe. Zum Teil sind Gegenstand dieser Verfahren echte bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die ohne die durch praktische Notwendigkeiten gebotene Zuweisung in das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Verfahren der ZPO hätten ausgetragen werden müssen.179 Zum Teil verdanken diese Verfahren ihre Zuweisung in die freiwillige Gerichtsbarkeit auch dem Umstand, dass diese Verfahrensart die erleichterte Hinzuziehung eines dritten Beteiligten ermöglicht, der außer den streitenden unmittelbar Beteiligten von der Entscheidung ebenfalls betroffen wird, wie zB der Vermieter im Wohnungsauseinandersetzungsverfahren (§ 7 HausratsVO) oder eine die fiskalischen Belange vertretende Behörde, wie das Finanzamt oder an seiner statt die beauftragte Stelle nach § 139 LAG bei Streit über die Umstellung von Grundpfandrechten nach § 6 der 40. DVO/UmstG oder die Bankaufsichtsbehörde als Vertreter des Bundes im Verfahren nach § 22 UmstErgG oder § 7 Abs 7 AltbG oder der Vertreter des Bundesinteresses nach § 56 AKG. Im Vertragshilfeverfahren war die Beteiligung Dritter dadurch ermöglicht worden, dass die Vorschrift der ZPO über die Nebenintervention für sinngemäß anwendbar erklärt worden war (§ 8 Abs 2 VHG). Bei einer weiteren Gruppe echter Streitsachen handelt es sich darum, dass ein gestör56 tes Rechtsverhältnis durch richterliche Hilfe neu geordnet und zweckmäßig geregelt werden soll, sog Regelungsstreitigkeiten.180 Hierzu gehören das Wohnungs- und Hausratsauseinandersetzungsverfahren nach der HausratsVO, Verfahren bei Streitigkeiten unter Wohnungseigentümern nach §§ 43 ff WEG, das Verfahren zur Regelung der Ausgleichsforderung nach Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft (§§ 1382, 1383 BGB, § 53a FGG) und einzelner Verfahrensgegenstände im Landwirtschaftsverfahren. Für Aufgaben dieser Art mit dem Ziel, private Rechtsverhältnisse unter richterlicher Mitwirkung zu gestalten, ist das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ganz besonders geeignet. Aus dem Gebiet des Handelsrechts sind dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit 57 außer den in §§ 145, 148 FGG geregelten Angelegenheiten weitere streitentscheidende Aufgaben durch das AktG zugewiesen worden. Danach ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das als Gericht erster Instanz zuständige Landgericht zu entscheiden über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats einer AG, KGaA, GmbH oder bergrechtlichen Gewerkschaft (§§ 98, 278 Abs 3 AktG, § 37 EGAktG), über das Auskunftsrecht der Aktionäre (§ 132 AktG, § 36 PrVersAufsG), über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Abschlussprüfern und der Gesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluss (§ 270 Abs 3 AktG), über die Feststellungen der Sonderprüfer über unzulässige Unterbewertungen im Jahresabschluss (§§ 260, 278 Abs 3 AktG)

179

Das galt zB für die Rückerstattung, die in den Ländern der ehemals französischen Zone nach der VO Nr 120 vom 10.11.1947 im Zivilprozess, im übrigen Bundesgebiet im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchgeführt wird. Dieselbe Erscheinung fand sich bei der Umstellung von Bankguthaben, worüber im Fall des § 6. der 35. DVO/ UmstG in Ermangelung besonderer Verfahrensvorschriften im Zivilprozess, nach § 22 UmstErgG aber im Verfahren der freiwilli-

242

180

gen Gerichtsbarkeit entschieden wurde; vgl einerseits BGH 11.07.1957 (NJW, 1433), andererseits KG 28.4.1958 (NJW, 1924). Sogar gewisse arbeitsvertragliche Streitigkeiten wurden nach § 7 Abs 7 AltbG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgetragen, s KG 16.12.1957 (AP Nr 40 zu § 242 BGB). Bötticher Festschrift für Lent S 89 ff; ders JZ 1956, 582; Baur JZ 1957, 193.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

und über die angemessene Abfindung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungsoder Gewinnabführungsverträgen (§§ 304, 305 AktG), bei Eingliederungen (§ 320 Abs 3 AktG).181 2. Eigenart der echten Streitsachen182 Das wesentliche Kennzeichen, durch welches sich die (privatrechtlichen) Streitsachen 58 von den Rechtsfürsorgeangelegenheiten unterscheiden, ist darin zu finden, dass der Verfahrensgegenstand regelmäßig der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt. Es wird in dem Verfahren unter zwei oder drei Gruppen von Beteiligten, die sich mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen, mit verbindlicher und endgültiger Wirkung über subjektive Privatrechte entschieden, die ein Beteiligter gegen den anderen geltend macht.183 Aus der Verfügungsfreiheit über den Verfahrensgegenstand ergibt sich eine weitgehende Dispositionsbefugnis der Beteiligten über das Verfahren. Das Verfahren wird stets nur auf Antrag eingeleitet. Die Beteiligten können das Verfahren durch Rücknahme des Antrags, Vergleich oder übereinstimmende Erledigungserklärung beenden, sie können sogar die Anrufung des Gerichts durch Vereinbarung eines Schiedsvertrages ausschließen. Der Unterschied gegenüber anderen Antragsverfahren kommt darin zum Ausdruck, dass es in diesen nicht notwendig mehrere Beteiligte gibt oder dass diese sich nicht notwendig mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen. Oft ist nur ein Beteiligter vorhanden, wie in Grundbuch-, Register- und Todeserklärungssachen, oder es sind zwar mehrere Personen beteiligt, ihre Interessen stimmen aber überein, etwa wenn mehrere Erben einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen. Entsteht in einem derartigen Verfahren im Einzelfall Streit, zB im Erbscheinsverfahren über die Erbfolge, so ist das kein wesentliches Merkmal und unterstellt das Verfahren nicht den Grundsätzen über echte Streitsachen.184 3. Verfahrensgrundsätze Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Lücken in dem Verfahrens- 59 vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ohne weiteres durch eine entsprechende Anwendung von Bestimmungen der ZPO ausgefüllt werden. Eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung dieser Vorschriften ist vielmehr nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs nur möglich, wenn sie ausdrücklich angeordnet ist oder soweit es sich um echte Streitsachen oder um einen allgemeinen Rechtsgedanken handelt, der in der ZPO lediglich seinen Niederschlag gefunden hat.185 Die Anführung der echten Streitsachen als 181 182

Vgl Saage DNotZ 1960, 75; von Falkenhausen Die AktG 1967, 309. Vgl zu Begriff und Verfahrensgrundsätzen der echten Streitsachen de Boor, Judicium I (1928) S 262 ff; Bosch AcP 149 (1944) S 32 ff; Münzel ZZP 66, 334, 385; Lent ZZP 66, 267; Habscheid ZZP 66, 188; ders JZ 1954, 689; ders Der Streitgegenstand S 87 ff; ders Deutsche Landesreferate zum VII. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung 1966 S 213, 225 ff; Baur Freiwillige Gerichtsbarkeit § 1 III; ders DNotZ 1955, 507; ders JurJB Bd 3 S 50, 59 ff; umfassend Bärmann, AcP 154, 373 ff; ders Freiwillige Gerichtsbarkeit § 4 II; Zimmermann Rpfleger

183

184 185

1962,42; ders Rpfleger 1980, 209; Peters MDR 1952, 137; Barnstedt Rpfleger 1957, 367; von Falkenhausen Die AktG 1967, 309; Schlegelberger Anm 7; Pritsch LwVG § 9 V; Pikart-Henn S 7; Keidel/Schmidt § 12 Rn 226; Keidel/Meyer-Holz Vorbem vor § 8 Rn 3 ff. Habscheid ZZP 66, 193; Bärmann AcP 154, 417; Keidel/Schmidt § 12 Rn 226; Zimmermann Rpfleger 1962, 42. Bärmann § 4 II 2b gegen Peters MDR 1952, 139. BGH NJW 1990, 1794 mwN; Keidel/MeyerHolz Vorbem Rn 3.

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Vor §§ 8–18

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61 62 63

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

eine der Ausnahmen, die eine Anwendung von Vorschriften der ZPO zulassen, darf jedoch nicht zu dem Missverständnis verleiten, als könnten dieser Vorschriften unbesehen auf das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen werden. Die Besonderheit, durch welche echte Streitsachen sich von dem sonstigen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterscheiden, ist in dem Verfahrensgegenstand begründet.186 Echte Streitsachen, bei denen es um subjektive Privatrechte geht, sind dadurch gekennzeichnet, dass der Verfahrensgegenstand regelmäßig der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt, sei es, dass wie im Zivilprozess ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch erhoben wird, sei es dass die Mitwirkung des Gerichts auf die Herbeiführung einer Regelung gerichtet ist, welche die Beteiligten auch ohne gerichtliche Hilfe herbeizuführen die Rechtsmacht haben. Diese Sachlage bringt es mit sich, dass im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Rechtsfragen auftreten, die dieser Verfahrensart sonst fremd sind und die in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung der Lösung bedürfen. Diese Lösung ist anhand allgemeiner Rechtsgrundsätze zu finden, wobei allerdings das Zivilprozessrecht meistens als geeignetes Vorbild in Betracht kommen wird. Das gilt insbesondere für die Zulässigkeit des Vergleichs187 oder schiedsgerichtlicher Regelung,188 für das Verbot der Schlechterstellung,189 für die materielle Rechtskraft,190 für den Einfluss einer Veräußerung des Streitgegenstandes oder einer Gesamtrechtsnachfolge auf das Verfahren. Im Anwendungsbereich der allgemeinen Verfahrensgrundsätze dagegen muss die Einheitlichkeit und Eigenständigkeit des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit nicht eine Sonderregelung getroffen ist, auch in echten Streitsachen gewahrt bleiben. Das gilt insbesondere für den Gerichtsstand, die Zuständigkeit, den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 12), die Stellung der Beteiligten und der Verfahrensbevollmächtigten191 und für das Rechtsmittelwesen. Denn ob eine Angelegenheit zur streitigen oder zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört, bestimmt der Gesetzgeber, der sie einer der beiden Verfahrensordnungen unterstellt; es geht daher nicht an, einen Streit, den der Gesetzgeber dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen hat, gleichwohl nach zivilprozessualen Verfahrensregeln auszutragen. Im Einzelnen ist hervorzuheben: a) Bei Veräußerung der Streitsache können die Grundsätze des § 265 ZPO entsprechend herangezogen werden.192 Eine gegen eine gestorbene natürliche oder eine erloschene juristische Person ergangene Entscheidung wirkt für und gegen den Rechtsnachfolger, der berechtigt ist, in das Verfahren einzutreten.193 b) Für die Schadensermittlung durch Schätzung ist die sinngemäße Anwendung des § 287 ZPO zuzulassen.194 c) Durch Verlust des Rügerechts kann eine Heilung von Verfahrensmängeln entsprechend § 295 ZPO eintreten (vgl näher § 27 Rn 97). d) Teilendentscheidungen können entsprechend § 301 ZPO ergehen.195

186 187 188 189 190 191 192

Habscheid Streitgegenstand S 87 ff, 222 ff. Nachstehend Rn 81 ff. Vorbem vor § 3 Rn 31 ff. § 25 Rn 12 ff. § 31 Rn 10 ff. § 16 Rn 30. BGH RdL 1952, 321; OLG Celle NdsRpfl 1959, 241; OLG Freiburg RdL 1950, 168;

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193 194 195

Bärmann AcP 154, 373, 145; Pikart-Henn S 84; Habscheid § 7 III 1; Barnstedt/ Steffen § 9 Anm 23h. KG NJW 1958, 389. KG RzW 1960, 158; ORG Herford RzW 1962, 303. BGH NJW 1958, 1540.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

e) Vorabentscheidungen über den Grund des Anspruchs können entsprechend § 304 ZPO ergehen,196 ebenso Zwischenentscheidungen entsprechend §§ 275, 280, 303 ZPO.197 Über Feststellungsanträge vgl Rn 17. f) Eine Verfahrensgeschäftsführung aus fremdem Recht kann entsprechend den Grundsätzen über die gewillkürte Prozessstandschaft im Zivilprozess zugelassen werden.198 Im Prüfungsverfahren nach dem Allg Kriegsfolgengesetz war sie jedoch wegen des Ausschlusses der Übertragbarkeit des Ablösungsrechts nicht zulässig.199 g) Streitverkündung und Nebenintervention in sinngemäßer Anwendung der §§ 66 bis 74 ZPO waren für das Vertragshilfeverfahren in § 8 Abs 2 VHG zugelassen. Die Anwendung dieser Bestimmungen ist auch in anderen echten Streitsachen mit Rücksicht auf die materielle Rechtskraft der in diesen Verfahren ergehenden Entscheidungen (§ 31 Rn 10, 12) unbedenklich.200 Es wird anzunehmen sein, dass die Interventionswirkung des § 68 ZPO auch in einem späteren Verfahren vor einem der anderen Gerichtszweige zu beachten ist. Für eine Hauptintervention ist jedoch kein Raum.201 h) Anerkenntnis und Verzicht haben nicht die verfahrensrechtlichen Folgen der §§ 306, 307 ZPO; sie können aber im Hinblick auf die Dispositionsfreiheit der Beteiligten über den Verfahrensgegenstand sachlich-rechtlich Bedeutung haben und demgemäß die Sachentscheidung des Gerichts beeinflussen, sofern es in diesen Fällen nicht überhaupt zur Zurücknahme des Antrags oder zu einem Vergleich kommt.202 Vgl näher § 12 Rn 42. i) Geständnisses und Nichtbestreiten haben auch in echten Streitsachen im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 nicht die Wirkungen der §§ 288, 138 Abs 3 ZPO; ihre Bedeutung für die Tatsachenfeststellung kann das Gericht frei würdigen.203 k) Versäumnisentscheidungen (§§ 330, 331 ZPO) sind auch in echten Streitsachen ausgeschlossen.204

196

197

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199 200

BayObLGZ 29, 241; BGH MDR 1953, 220 und 544; 1956, 404; OLG Celle RzW 1952, 87; NdsRpfl 1964, 103; OLG Köln RzW 1951, 205,303; OLG Düsseldorf RzW 1951, 262; OLG Schleswig RzW 1953, 146; OLG Karlsruhe RzW 1954, 4; OLG Hamm RdL 1957, 264; OLG München RzW 1964, 539. OLG Köln RzW 1951, 366; OLG Celle MDR 1956, 618; RdL 1958, 159, 160; BGH NJW 1965, 1806 zu II; Baur § 20 B I 2d, § 29 A II 2. BayObLGZ 1965, 193 = NJW 1965, 1484 = MDR 1965, 743 (zu § 43 WEG); OLG Zweibrücken Rpfleger 1968, 88 (Grundbuchberichtigung); Keidel/Zimmermann § 6 Rn 22, Keidel/Meyer-Holz Vorbem vor § 8 Rn 3. OLG Schleswig WM 1968, 1064. OLG Schleswig RdL 1955, 174 ff; BGHZ 38, 110 = ZZP 77, 305; Habscheid Rpfleger

201 202

203 204

1957, 289; Lent-Habscheid 4. Aufl § 16 II; Bärmann § 11 III; Fenn ZZP 77, 306, 309 hält einen Rückgriff auf die Beiladung des Verwaltungsprozesses (§ 65 VwGO) durch Gerichtsbeschluss für sachgerechter; ablehnend Baur § 14 II; Barnstedt LwVG 2. Aufl § 9 Anm 23 f; vgl auch BGH WM 1955, 731 und 1452; 1957, 1100; MDR 1955, 348; OLG Stuttgart RzW 1951, 237. Lent-Habscheid 4. Aufl § 16 II 3; Bärmann § 11 V. Lent-Habscheid 4. Aufl § 22 II 2; aM Bärmann § 18 II; anscheinend auch Keidel/Schmidt § 12 Rn 228. BayObLGZ 1960, 514 = FamRZ 1962, 474; Bärmann § 15 II. OLG Hamm RdL 1960, 102; Bärmann § 15 II.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

II. Öffentlichrechtliche Streitsachen 1. Umfang

70

Zu den privatrechtlichen Streitsachen sind im Laufe der Entwicklung öffentlich-rechtliche Streitsachen hinzugetreten, die aus Gründen des Sachzusammenhangs den ordentlichen Gerichten oder bei ihnen gebildeten Berufs- und Standesgerichten zur Erledigung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen worden sind.205 Während noch vor nicht langer Zeit mit Nachdruck die Auffassung vertreten werden konnte, dass Angelegenheiten des öffentlichen Rechts nicht zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören,206 sind neuerdings öffentlich-rechtliche Verfahrensgegenstände in einem Maße dieser Verfahrensart unterstellt worden, welches die Feststellung nahe legt, das FGG habe allmählich die Nebenfunktion einer Verwaltungsgerichtsordnung für die Zivilgerichtsbarkeit übernommen.207 Jedoch ist die Entscheidungsbefugnis des Gerichts sehr verschieden geregelt; teils erlässt es die erforderliche Anordnung auf Antrag einer Verwaltungsbehörde, wie im Freiheitsentziehungsverfahren; teils ist gegen den Bescheid einer Behörde Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen, das Gericht steht aber der Angelegenheit mit denselben Rechten und Pflichten gegenüber wie die Behörde (§ 5 Abs 3 LPachtG, § 22 Abs 3 GrdstVG); in anderen Fällen ist das Gericht, wie im Verwaltungsgerichtsprozess (§ 114 VwGO), bei der Anfechtung von Verwaltungsakten, bei deren Erlass die Behörde zur Ermessensausübung ermächtigt ist, auf die Nachprüfung der Rechtswidrigkeit der Ermessensausübung beschränkt. Öffentlich-rechtlich sind die Streitgegenstände folgender Verfahren: a) Freiheitsentziehungen

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Nach §§ 1, 3 FEVG entscheidet das Amtsgericht auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit über Freiheitsentziehungen aufgrund Bundesrechts. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen erfolgt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 70 Abs 1 Nr 3 FGG. In diesen Fällen handelt es sich durchweg um polizeirechtliche Tatbestände, für welche andernfalls der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet wäre (vgl § 40 Abs 1 VwGO).208 b) Landwirtschaftsrecht

72

Öffentlich-rechtlich sind die Verfahrensgegenstände bei der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts (§ 1 Nr 1, 2 LwVG) über die Beanstandungen von Landpachtverträgen durch die Landwirtschaftsbehörde (§ 5 LPachtG) oder die Erteilung oder Versagung von Genehmigungen im Grundstücksverkehr durch die Genehmigungsbehörde (§ 22 GrdstVG), da diese Verwaltungsakte der Lenkung des Grundstücksverkehrs zur Durchsetzung agrarpolitischer, also öffentlicher Interessen dienen. Im Pachtbeanstandungsverfahren kann das Gericht nach § 5 Abs 3 LPachtG entweder den Vertrag aufheben oder feststellen, da es nicht zu beanstanden ist (vgl Rn 11). Im Genehmigungsverfahren kann

205

Schrifttum: Stich Die öffentlich-rechtlichen Zuständigkeiten der Zivilgerichte, in Staatsbürger und Staatsgewalt (Jubiläumsschrift zum 100-jährigen Bestehen der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit), 1963, Band II S 387 ff; Baumgärtel ZZP 73, 387 ff; Zim-

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206 207 208

mermann Rpfleger 1962, 42; Jansen Wandlungen S 6 ff; Lent-Habscheid 4. Aufl § 8; Bärmann § 4 III. Schlegelberger § 1 Anm 7. Stich aaO S 423. S hierzu im Übrigen die Anm zu §§ 70 ff.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

das Gericht die Entscheidungen treffen, die auch die Genehmigungsbehörde treffen kann (§ 22 Abs 3 GrdstVG). Es ist mithin nicht darauf beschränkt, den Bescheid der Genehmigungsbehörde auf seine Rechtmäßigkeit nachzuprüfen. Es hat vielmehr, wenn der Antrag zulässig ist, unabhängig von der vorausgegangenen Entscheidung der Behörde eine eigene Sachentscheidung zu treffen, also die Genehmigung entweder zu erteilen oder zu versagen.209 Zur Zurückverweisung an die Genehmigungsbehörde ist das Gericht nicht befugt.210 c) Anfechtung von Verwaltungsakten Anfechtung von Maßnahmen, so genannten Justizverwaltungsakten, die, soweit Zivilsachen in Betracht kommen, von Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses und der freiwilligen Gerichtsbarkeit getroffen werden, nach den §§ 23 bis 30 des EGGVG; zuständig ist ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts. Anfechtung von Bescheiden der Landesjustizverwaltung über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art 7 FamRÄndG; zuständig ist ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts.211 Die Anfechtung von Verwaltungsakten, die im Bereich der Justizverwaltung beim Vollzuge der Kostengesetze ergehen, zB nach Art XI § 1 des KostÄndG; zuständig ist das Amtsgericht. Die Anfechtung von Verwaltungsakten, die nach der BNotO ergehen, nach § 111 BNotO; zuständig ist im ersten Rechtszug das OLG, im zweiten Rechtszug der BGH, jeweils in der für Disziplinarsachen gegen Notare vorgeschriebenen Besetzung.212 Die Anfechtung von Verwaltungsakten, die nach der BRAO ergehen, sowie die Nichtigerklärung von Wahlen und Beschlüssen der Organe der Rechtsanwaltskammern; zuständig ist der Anwaltsgerichtshof beim OLG oder der Senat für Anwaltssachen beim BGH.213 Der Anwaltsgerichtshof ist ein gegenüber dem OLG selbstständiges Gericht; er gehört nicht zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Der Senat für Anwaltssachen ist kein selbstständiges Bundesgericht, sondern ein unselbstständiger Teil des BGH und gehört deshalb zur ordentlichen Gerichtsbarkeit.214 Für andere öffentlich-rechtliche Streitsachen kann unter Umständen der Rechtsweg zu den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kraft Sachzusammenhangs eröffnet sein.215 209 210 211

212

OLG Nürnberg RdL 1964, 210; OLG Celle NdsRpfl 1962, 77; Schulte RdL 1961, 282. OLG Frankfurt RdL 1965, 233; Barnstedt/Steffen § 21 Rn 129 mwN. Es handelt sich unbeschadet des vorausgegangenen Bescheides der Landesjustizverwaltung um eine Angelegenheit des Zivilprozesses, die schon vor Einführung des Art 7 FamRÄndG nicht vor die Verwaltungsgerichte, sondern vor die ordentlichen Gerichte gehörte (BGH FamRZ 1958, 180); da aber der Zivilprozess dem öffentlichen Recht zugehört, ist die Einordnung an dieser Stelle gerechtfertigt. Vgl Schippel/Lemke BNotO; Eylmann/ Vaasen/Custodis BNotO/BeurkG je zu § 111

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BNotO; Keidel/Kahl Vorbem vor § 19 Rn 59 ff; die Rechtsprechung zeigt eindrucksvoll sowohl die Anwendung verwaltungsrechtlicher Grundsätze (Vgl BGH DNotZ 1963, 357 zum Begriff des Verwaltungsakts) als auch der Verfahrensvorschriften des FGG (vgl BGHZ 39, 162 über mangelnde aufschiebende Wirkung des Anfechtungsantrags nach § 24 Abs 1 FGG). Anfechtung von Verwaltungsakten: §§ 11, 16, 21, 28, 29, 35, 223 BRAO; Ungültigkeit oder Nichtigerklärung von Wahlen und Beschlüssen: §§ 90, 191 BRAO. Finkelnburg, S 47, 53. Der Gesichtspunkt des Sachzusammenhanges kann dazu führen, dass auch in gesetz-

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Verfahrensgrundsätze

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Die zu c) bis g) angeführten Verfahren stimmen darin überein, dass zur Ergänzung die Vorschriften des FGG entsprechend anzuwenden sind (§ 29 Abs 2 EGGVG; Art 7 § 1 Abs 6 FamRÄndG; §§ 40 Abs 4, 91 Abs 7, 191 Abs 3 BRAO; § 111 Abs 4 S 2 BNotO mit § 40 Abs 4 BRAO). Die Eigenart des Verfahrensgegenstandes bringt es jedoch mit sich, dass, während in den privatrechtlichen Streitsachen Parallelen zum Zivilprozesses gezogen werden müssen, hier Anklänge an das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten auftreten. Entsprechend der Anfechtungsklage und der Verpflichtungsklage des Verwaltungsprozesses gibt es hier einen Anfechtungsantrag und einen Verpflichtungsantrag und, wenn der Erlass des abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts im Ermessen der Behörde steht, einen Bescheidungsantrag.216 Auch Feststellungsanträge sind in beschränktem Umfang möglich.217 Soweit das Verfahren in den jeweiligen Vorschriften gesetzlich geregelt ist – meist ist das nur in sehr spärlichem Umfang geschehen –, ist deutlich erkennbar, dass die Vorschriften denjenigen der VwGO nachgebildet sind. Darüber hinaus wird es oft angebracht sein, bei der Lösung auftauchender Zweifelsfragen verfahrensrechtliche Grundsätze, die im Verwaltungsprozess erarbeitet worden sind, entsprechend anzuwenden,218 zB zu der Frage, ob es für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit seines Erlasses oder zur Zeit der Entscheidung des Gerichts ankommt.219 Das FGG ist damit diejenige Verfahrensordnung geworden, welche die ordentlichen Gerichte anwenden, wenn sie materiell Verwaltungsgerichtsbarkeit ausüben.220 Zur Klarstellung ist hervorzuheben, dass die ordentlichen Gerichte insoweit nicht, wie im Schrifttum vereinzelt bemerkt wurde, als besondere Verwaltungsgerichte tätig werden. Das wäre im Hinblick auf Art 96 GG bedenklich. Sie bleiben vielmehr ordentliches Gericht. Nur der Gegenstand der Rechtsprechung stellt sich insoweit materiell als Verwaltungsgerichtsbarkeit dar.221 Die in der Zuweisung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten an die ordentlichen Gerichte liegende Abweichung von Art 96 Abs 1 GG und die daraus folgende Auswechslung zweier Rechtswege ist unbedenklich, weil sie wegen des Sachzusammenhanges mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch vernünftige Gründe gerechtfertigt wird und, wie das BVerfG ausgesprochen hat, es kein verfassungsgeschütztes Entscheidungsmonopol der Verwaltungsgerichte für alle öffentlich-rechtlichen Fragen schlechthin gibt.222

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lich nicht geregelten Fällen Verwaltungsakte im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit angefochten werden, da Art 19 Abs 4 GG sich nicht darin erschöpft, den ordentlichen Rechtsweg hilfsweise zu eröffnen, sondern auch einen an sich gegebenen, aber in seiner Ausgestaltung unvollständig gebliebenen besonderen Rechtsweg erweitert (BGHZ 34, 244, 249). Vgl § 28 EGGVG; Zimmermann Rpfleger 1962, 42 zu III 3; in Anwalts- und Notarsachen lässt der BGH, von dem Sonderfall des § 38 Abs 2 BRAO abgesehen, Feststellungsanträge entsprechend § 43 VwGO nicht zu (BGHZ 34, 244; BGH DNotZ 1963, 357).

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Zimmermann Rpfleger 1962, 42 zu IV 3; Lent-Habscheid, 4. Aufl § 8 III; Baur Juristen-Jahrbuch S 50 (61); Jansen Wandlungen S 6 ff; Bärmann, § 4 III 3. Im Einzelnen vgl § 28 EGGVG. Vgl § 28 EGGVG. Beispiel aus der Rechtsprechung: KG DVBl 1963, 295 = JVBl 1963, 136, (Zulassung als Prozessagent). Ule JZ1958, 630; Stich DÖV 1960, 368. Vgl § 25 EGGVG; allgemein Bettermann S 24; Stich in: Staatbürger u Staatsgewalt Bd II 1963 S 409; vgl auch Finkelnburg aaO S 69. BVerfGE 4, 387; für Notarsachen BGHZ 38, 208; aM Ule, VwGO, 2. Aufl, § 2 Anm III 1.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

D. Vergleich 1. Grundsatz Der gerichtliche Vergleich,223 der zur Beilegung eines anhängigen Rechtsstreits über 80 den Verfahrensgegenstand geschlossen wird, setzt die Freiheit der Beteiligten zur Verfügung über den Verfahrensgegenstand und über den Gang des Verfahrens voraus (Dispositionsmaxime). An beiden Erfordernissen fehlt es im Amtsverfahren; dasselbe gilt grundsätzlich auch im Antragsverfahren. Ein Vergleich der Beteiligten bindet den Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit regelmäßig nicht. Über den Inhalt des Erbscheins können die Beteiligten keine Vereinbarung treffen.224 Mitunter können die Beteiligten durch eine Rechtshandlung die Erledigung des Antragsverfahrens herbeiführen, indem zB der Gegner die zu ersetzende Willenserklärung abgibt oder der Testamentsvollstrecker, dessen Entlassung nach § 2227 BGB beantragt ist, sein Amt nach § 2226 BGB kündigt.225 Eine solche Vereinbarung ist möglicherweise ein bürgerlich-rechtlicher Vergleich im Sinne des § 779 BGB. Die bloße Übernahme der Verpflichtung beendet aber nicht das auf den Erlass einer rechtsgestaltenden Entscheidung gerichtete Verfahren, selbst wenn sie zur Niederschrift des Gerichts erklärt ist, aus ihr findet keine Zwangsvollstreckung statt. Auch im Erbscheinsverfahren kann vor dem NachlG ein Vergleich geschlossen werden; dieser bildet aber keinen Vollstreckungstitel.226 Ferner sind auch da, wo der Verfahrensgegenstand der Verfügung der Beteiligten entzogen ist, in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB Vereinbarungen möglich, soweit das Verfahren der Herrschaft der Beteiligten Raum lässt. Gegenstand einer Einigung kann dann das Aufgeben einer verfahrensrechtlichen Stellung sein. Für das Antragsverfahren der FG kommt hierfür die Verpflichtung zur Zurücknahme des Antrags, ein Verzicht auf das Antragsrecht, für Amts- und Antragsverfahren zur Zurücknahme des Rechtsmittels oder zum Rechtsmittelverzicht227 in Betracht. Eine solche Vereinbarung beendet ebenfalls nicht unmittelbar das Verfahren, selbst wenn sie zu Protokoll des Gerichts erklärt ist. Dazu bedarf es noch der gebotenen Verfahrenshandlung des Beteiligten, wenn auch Verpflichtung und Vollzug in einer Erklärung liegen können. Es muss aber zu Unklarheiten führen, Vereinbarungen des Inhalts, die weder verfahrensbeendende noch vollstreckungsrechtliche Wirkung haben, „Prozessvergleich“ zu nennen. Den Normen über gerichtliche Vergleiche unterliegen sie nicht.228 2. Zulässigkeit des Vergleichs In einigen Verfahren ist ein echter, das Verfahren unmittelbar beendender gericht- 81 licher Vergleich, aus dem die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der ZPO stattfindet, zugelassen. Hierzu gehören insbesondere die Antragsverfahren über den Zugewinnausgleich (§ 53a Abs 4 FGG), über den Versorgungsausgleich nach §§ 1587b, 1587f BGB (§ 53b Abs 4 FGG), bzgl der Stundung des Pflichtteilsanspruchs (§ 83a FGG), über die Ehewohnung und den Hausrat (§ 13 Abs 3, 16 Abs 3 HausratsVO), in Wohnungs-

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Zur Rechtsnatur und den unterschiedlichen Theorien s Rosenberg/Schwab/Gottwald § 129 Rn 29 ff; Putzo in Thomas/Putzo § 794 Rn 3; Zöller/Stöber § 794 Rn 3; s auch Bassenge Rpfleger 1972, 237. BayObLGZ 29, 208 = JFG 6, 165; BayObLGZ 1966, 236; KGJ 37 A 251.

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Beispiel s bei Munding S 27, 28. BayObLG Rpfleger 1998, 31 mwN. Hierzu BGH FamRZ 1988, 277. Im Einzelnen besteht Streit: s Keidel, Rpfleger 1953, 50; DNotZ 1952, 103; 1954, 342; Müller JZ 1954, 17; Bassenge Rpfleger 1972, 237; Baur § 21 III.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

eigentumssachen (§§ 44 Abs 2, 45 Abs 3 WEG) sowie in Landwirtschaftssachen (§§ 16 S 3, 19, 20 Abs 2, 31 LwVG). Eine Sonderstellung nimmt das Vermittlungsverfahren nach § 52a Abs 4 FGG ein; bei Vorliegen einer Umgangsregelung soll im Konfliktfall das Vermittlungsverfahren ein Verfahren nach § 33 vermeiden (§ 33 Rn 22). Eine neue abweichende Umgangsregelung darf das FamG als Vergleich protokollieren, der dann an die Stelle der bisherigen Verfügung tritt (§ 52a Abs 4). Darüber hinaus ist ein gerichtlicher Vergleich mit den Wirkungen des § 794 Abs 1 Nr 1 ZPO zuzulassen, wenn aus der gerichtlichen Entscheidung die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der ZPO stattfindet,229 Beispiele s § 33 Rn 8. Auch ein Teilvergleich über die Kostenerstattung ist in allen Angelegenheiten der FG als zulässige Grundlage eines Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 13a FGG, § 103 ZPO anzusehen. Auf diese Vergleiche können die Grundsätze der ZPO über den Prozessvergleich unbedenklich entsprechend angewendet werden. In Wohnungseigentumssachen bindet er nur die an seinem Abschluss Beteiligten, es sei denn, dass die Vereinbarung im Grundbuch eingetragen oder ein inhaltsgleicher Eigentümerbeschluss herbeigeführt wird.230 Es kann ein Dritter dem Vergleichsabschluss beitreten, so dass ein vollstreckbarer Titel auch für oder gegen ihn geschaffen wird, der Dritte wird dadurch nicht Verfahrensbeteiligter, sondern hier liegt nur ein Beurkundungsgeschäft vor.231 Der Gegenstand des Vergleichs kann über den Gegenstand des Verfahrens hinausgehen, selbst wenn das Gericht der FG für die einbezogenen weiteren Streitpunkte nicht zuständig ist232 oder der Vergleichsgegenstand nur mittelbar mit dem Streit in Verbindung steht.233 Im Verfahren um die Grundstücksverkehrsgenehmigung kann deshalb vor dem Landwirtschaftsgericht ein Vergleich geschlossen werden, der sich auf Bestimmungen über die Veräußerung von Grundstücken beschränkt.234 Der Abschluss eines Vergleichs unter der Bedingung des Widerrufs ist zulässig;235 in der Regel handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung,236 denn der Vergleich wird erst wirksam, wenn die Beteiligten ihn nicht innerhalb der vorgesehenen Frist widerrufen. Für die Form der Vergleichsniederschrift sind nach den angeführten Vorschriften die 82 Bestimmungen der ZPO maßgebend (§§ 159–160a, 162–164 ff).237 Der Vergleich muss ordnungsgemäß protokolliert sein,238 dh er muss entweder im Protokoll selbst oder in einer Anlage zum Protokoll enthalten sein und den Beteiligten vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt und gelesen worden sein; auch ein auf Tonträger aufgenommenes Protokoll muss den Beteiligten nochmals vorgespielt werden und im Protokoll zu vermerken, dass dies geschehen ist und die Genehmigung erteilt wurde.239 Soweit § 162 Abs 1 ZPO das Vorlesen bzw Abspielen vorschreibt, können die Beteiligten darauf auch nicht verzichten.240 Ein Verstoß gegen die Form führt zur Unwirksamkeit als Prozessvergleich.241 Ist ein gerichtlicher Vergleich unter Nichtbeachtung der §§ 160 Abs 3 Nr 1, 162 ZPO protokolliert worden, so kann der Vergleich sachlich-rechtlich nach § 779 BGB gültig sein, wenn dieses dem hypothetischen Parteiwillen entspricht, dieses ist evtl durch 229 230 231 232 233 234 235 236 237

Bärmann § 18 III 2; Pikart-Henn S 76; Munding S 64. BayObLG Rpfleger 1990, 200 (LS). BGHZ 86, 160. BGHZ 14, 393. BGHZ 35, 309; 84, 333. BGH Rpfleger 1999, 483. BGHZ 88, 364 = NJW 1984, 312. BGHZ 46, 277 = NJW 1967, 441; BGHZ 88, 364 = NJW 1984, 312; NJW 1988, 415. BGH NJW 1954, 1886.

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BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705; KG Rpfleger 1973, 325 mwN; PfälzOLG Zweibrücken NJW-RR 1992, 1408; Barnstedt/ Steffen § 19 Rn 9. Reichold in Thomas/Putzo § 162 Rn 1; Zöller/Stöber § 160 Rn 5. PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 2000, 461 mwN. BGH NJW 1984, 1465; OLG Hamm MDR 2000, 350; KG Rpfleger 1973, 325 mwN.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

Auslegung zu ermitteln.242 Ein in dieser Form abgeschlossener gerichtlicher Vergleich ersetzt jede nach sachlichem Recht für das Rechtsgeschäft vorgesehene Beurkundungsform, § 127a BGB.243 Die notarielle Beurkundung wird auch ersetzt, wenn in dem Protokoll der Vermerk unterblieben ist, dass die Erklärungen vorgelesen oder sonst in gesetzlicher Form eröffnet und genehmigt worden sind.244 Nach § 278 Abs 6 ZPO kann ein Vergleich auch im schriftlichen Verfahren geschlossen werden. Das Gericht unterbreitet in diesem Fall einen schriftlichen Vergleichsvorschlag. Die Annahme erfolgt durch Schriftsatz, bei Anwaltszwang durch den Prozessbevollmächtigten. Durch Beschluss des Gerichts wird der Vergleich dann festgestellt, dieses als Surrogat für die sonst erforderliche Protokollierung. Die Wirkung ist wie beim protokollierten Vergleich, nämlich die Beendigung des Verfahrens und Vollstreckungstitel.245 Ein fehlerhaftes Protokoll kann auch berichtigt werden, wenn ein Vergleich darin enthalten ist;246 das gilt auch für den Vergleich im schriftlichen Verfahren (§ 278 Abs 6 S 3 ZPO). 3. Streit um die Wirksamkeit des Vergleichs Die Unwirksamkeit des Vergleichs kann sowohl aus materiellem als auch aus formel- 83 lem Recht herrühren (Verstoß gegen gesetzliche Verbote zB §§ 134, 138 BGB; fehlerhafte Protokollierung). Ein Streit über die verfahrensrechtliche oder sachlichrechtliche Wirksamkeit des Vergleich ist entsprechend der im Zivilprozess überwiegend herrschenden Meinung durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens vor dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit auszutragen,247 und zwar nicht nur, wenn der Streit sich in der Rechtsfrage erschöpft,248 denn ein unwirksamer Vergleich beendet den Rechtsstreit nicht.249 Waren in dem Vergleich auch Streitpunkte beigelegt worden, deren Gegenstand nicht zur Zuständigkeit des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört, so muss dieses Gericht auch insoweit die Wirksamkeit des Vergleichs prüfen, da davon die Frage abhängt, ob das Verfahren durch den Vergleich beendet worden ist. Der Beschluss, durch den die Fortsetzung des Verfahrens wegen vergleichsweiser Erledigung abgelehnt wird, ist eine beschwerdefähige Entscheidung.250 Durch Rücktritt oder übereinstimmende Parteivereinbarung können die Beteiligten die verfahrensrechtlichen Wirkungen des Vergleichs nicht mit der Folge beseitigen, dass das Verfahren fortgesetzt werden dürfte.251 4. Abänderung des Vergleichs Eine Abänderung gerichtlicher Vergleiche durch gerichtliche Entscheidung ist bei 84 einer wesentlichen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse in § 17 Abs 2 HausratsVO und in § 45 Abs 4 WEG vorgesehen. Im Verfahren zur Regelung des Zugewinnausgleichs kann auch ein gerichtlicher Vergleich nach Maßgabe des § 1382 Abs 6 BGB geändert werden (§ 53a Rn 14), gleiches gilt für die Stundung des Pflichtteilsanspruchs gem § 2331a BGB (§ 83a Rn 12). 242 243 244 245 246 247

BGH NJW 1985, 1962. BGHZ 14, 393; Barnstedt/Steffen § 19 Rn 10 mwN. BGH Rpfleger 1999, 483. Reichold in Thomas/Putzo § 278 Rn 17; Zöller/Greger § 278 Rn 24, 25. Zöller/Stöber § 160 Rn 5 mwN. BGHZ 14, 381 = NJW 1954, 1886 = DNotZ 1955, 190 m Anm Keidel; Barnstedt/Steffen § 19 Rn 14.

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BGHZ 28, 171 = NJW 1958, 1970. BGHZ 87, 277 = NJW 1983, 2034 mwN. BGHZ 14, 381. BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705 (zum Rücktritt); BGHZ 41, 310 = NJW 1964, 1524; BGH NJW 1982, 2072 (zur vertraglichen Aufhebung); Musielak/Lackmann § 794 Rn 24; aA BAG NJW 1956, 1215; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 129 Rn 56–59.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

5. Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich

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Soweit aus gerichtlichen Vergleichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Zwangsvollstreckung nach der ZPO stattfindet (Rn 81, § 33 Rn 8) gelten für das Verfahren und die Zuständigkeit zur Entscheidung über Einwendungen im Zwangsvollstreckungsverfahren252 die Bemerkungen zu § 33 Rn 8 bis 14. Nach § 33 kann weder ein gerichtlicher Vergleich noch eine sonstige Vereinbarung der Beteiligten vollzogen werden,253 denn diese Vorschrift dient nicht der Zwangsvollstreckung wegen bürgerlich-rechtlicher Ansprüche, sondern der Durchsetzung einer öffentlich-rechtlichen Befugnis des Gerichts von einem Beteiligten ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 33 Rn 2, 33). Das Gericht kann aber im Rahmen seiner Zuständigkeit eine Anordnung erlassen und nach § 33 vollziehen, die ihrem Ziel nach mit einer Vereinbarung der Beteiligten, zB über die Herausgabe eines Kindes oder die Umgangsregelung, im Einklang steht (vgl dazu § 33 Rn 19 bis 27, 57, 58).

D. Streitgenossenschaft 1. Einfache Streitgenossenschaft

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Eine Mehrheit Beteiligter, die ein Antragsverfahren anhängig machen oder gegen die sich ein Amts- oder Antragsverfahren richtet, kann auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorkommen. Die ZPO regelt diese Fälle als einfache Streitgenossenschaft in den §§ 59 bis 61, 63 ZPO. Die freiere Gestaltung des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit macht eine gesetzliche Regelung entbehrlich. Die Streitgenossenschaft ist zulässig, wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist.254 Die Gemeinsamkeit der Verhandlung kommt darin zum Ausdruck, dass zu Terminen alle Streitgenossen zu laden sind (vgl § 63 ZPO), und hat zur Folge, dass die Beweisaufnahme über eine gemeinsame Tatsache einheitlich ist und die Beweiswürdigung über sie nur ein Ergebnis haben kann.255 Im übrigen sind die Streitgenossen bei ihrer Beteiligung am Verfahren selbständig; die Verfahrenshandlungen des einen wirken nicht für oder gegen den anderen (§ 61 ZPO); die Verfahrenshandlungen sind für jeden Streitgenossen besonders zu prüfen. Die Entscheidung kann gegenüber jedem von ihnen anders ausfallen; jeder von ihnen ist selbständig zur Einlegung von Rechtsmitteln berechtigt.256 2. Notwendige Streitgenossenschaft

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Eine qualifizierte Streitgenossenschaft in dem Sinne, in dem § 62 ZPO sie regelt, gibt es auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der eigentlich notwendigen Streitgenossenschaft des Zivilprozesses entspricht es, wenn im Antragsverfahren die Antragsberechtigung einer Mehrheit von Beteiligten nur gemeinsam zusteht (vgl Rn 14; § 20 Rn 19); der andere Fall der (zufällig) notwendigen Streitgenossenschaft liegt vor, wenn zwar eine gemeinschaftliche Antragstellung nicht erforderlich ist, das Rechtsverhältnis aber den mehreren Antragstellern gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann, zB

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Siehe auch BayObLG Rpfleger 1998, 31. KG DFG 1937, 210; Bärmann § 18 III 2b. Auf diese Formel wird auch im Zivilprozess die Kasuistik der §§ 59, 60 ZPO zurückgekehrt, vgl Rosenberg/Schwab/Gottwald § 48 Rn 8; Putzo in Thomas/Putzo § 59 Rn 1.

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Rosenberg/Schwab/Gottwald § 48 Rn 30. Vgl Baur § 14 I 1; Habscheid § 16 I 1; Bärmann § 11 I.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

wenn mehrere Miterben die Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) beantragen. Ob eine Besitzung Hof ist oder nicht, kann nur allen Beteiligten gegenüber einheitlich festgestellt werden.257 Streitig ist, ob auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die besonderen verfahrensrechtlichen Wirkungen des § 62 ZPO eintreten, wonach bei Versäumung von Terminen und Fristen durch einzelne Streitgenossen die säumigen Streitgenossen als durch die nichtsäumigen vertreten angesehen werden.258 Eine Analogie verbietet sich aber, weil § 62 ZPO nur durch die besonderen Prozessmaximen des Zivilprozesses veranlasst ist, die in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht gelten. Die Vorschrift des § 62 ZPO dient nicht dem Schutz des Säumigen, sondern sie soll die Einheitlichkeit der Entscheidung gewährleisten; die angeordnete Vertretungswirkung ist eine bloße Fiktion; der nichtsäumige Streitgenosse handelt trotz des § 62 nur im eigenen Namen, nicht im Namen des Säumigen.259 Für die Versäumung von Terminen bedeutet dies, dass gegen den Säumigen kein Versäumnisurteil ergehen kann, weil es so angesehen wird, als habe der Säumige durch den Nichtsäumigen verhandelt; § 62 ZPO enthält insoweit also eine Durchbrechung des Mündlichkeitsgrundsatzes, der in der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohnehin nicht gilt (s Rn 27 bis 29). Soweit es sich um die Versäumung von Fristen, insbesondere Rechtsmittelfristen handelt, verhindert § 62 ZPO ebenfalls zur Gewährleistung einer einheitlichen Entscheidung den Eintritt der formellen Rechtskraft gegenüber dem untätigen Streitgenossen. Auch zur Erreichung dieses Zieles bedarf es nicht der Übernahme der Grundsätze des § 62 ZPO. Wird eine Verfügung erst mit der Rechtskraft wirksam, so tritt die Wirksamkeit erst ein, wenn die Verfügung für alle Beteiligten unanfechtbar geworden ist (§ 16 Rn 17, § 31 Rn 5); wird die Verfügung bereits mit der Bekanntmachung wirksam (§ 16 Abs 1), so hindert die Anfechtung durch nur einen Beteiligten nicht ihre Aufhebung mit Wirkung auch für die Beteiligten, die von ihrem Beschwerderecht keinen Gebrauch gemacht haben, sofern der Verfahrensgegenstand unteilbar ist. Ein Unterschied ergibt sich insoweit, als im Zivilprozess die Säumigen gemäß § 62 Abs 2 ZPO Parteien des Rechtsmittelverfahrens bleiben;260 dieser Unterschied wird dadurch abgeschwächt, dass es dem Säumigen freisteht, den Vortrag des Rechtsmittelführers durch eigenen Sachvortrag zu unterstützen, den das Gericht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) berücksichtigen müsste, wenn er erheblich ist. Eine von dem Rechtsmittelführer verfahrensrechtlich unabhängige Stellung haben die Säumigen im Zivilprozess nicht; sie werden nicht selbst Rechtsmittelführer261 und können nicht verhindern, dass der Tätige durch Zurücknahme seines Rechtsmittels die Rechtskraft herbeiführt. Wird der Untätige jedoch im Rechtsmittelverfahren mit verurteilt, kann er selbständig Rechtsmittel einlegen.262

257 258

Barnstedt/Steffen § 9 Rn 104. Verneinend BGHZ 3, 214; BGH RdL 1961, 17; BGH WM 1962, 283; BayObLGZ 27, 210 = JFG 5, 82; 1961, 81; 1986, 289; KG RzW 1964, 112; OLG Celle WM 1955, 272; Schlegelberger § 20 Anm 36; Pikart-Henn S 84; Barnstedt/Steffen § 9 Rn 103 ff; Keidel/Sternal § 22 Rn 18; aA OLG Köln RzW 1952, 182 (Rückerstattung); Baur § 14 I 2; Habscheid § 16 I 2; mit Vorbehalten Bärmann § 11 II.

259 260

261 262

RGZ 90, 42; 157, 38. BGHZ 150; 187 = NJW 2002, 1872; BGHZ 131, 376 = NJW 1996, 1060; Zöller/Vollkommer § 62 Rn 32. RG JW 1938; 1522; Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 49 Rn 50. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 49 Rn 50 mwN.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

F. Verbindung und Trennung von Verfahren 88

Die Verbindung mehrerer Verfahrensgegenstände zu einem Verfahren und die Trennung von in einem Verfahren anhängig gemachten Verfahrensgegenständen in verschiedene Verfahren dienen dem Zweck, zusammengehörigen Streitstoff einheitlich, verschiedenartigen gesondert zu verhandeln und zu entscheiden. Das Gericht kann die Verbindung getrennt bei ihm anhängig gemachter Antragsverfahren anordnen, wenn ihre Verfahrensgegenstände in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einem Verfahren hätten geltend gemacht werden können (vgl § 147 ZPO);263 Voraussetzung dafür ist, dass in derselben Verfahrensart zu entscheiden ist. Beantragt daher einer der geschiedenen Eheleute die Regelung der Rechtsverhältnisse am Hausrat, der andere die an der Ehewohnung (§ 1 HausratsVO), so wird die Anordnung der Verbindung regelmäßig geboten sein. Dagegen kann wegen der Verschiedenartigkeit der Verfahren das Wohnungsund Hausratsauseinandersetzungsverfahren nicht mit einem Verfahren nach § 1671 BGB verbunden werden, etwas anderes gilt nur für den gleichzeitigen Verbund von Scheidung und entsprechenden Folgesachen (§ 623 ZPO). Identität der beiderseitigen Beteiligten ist nicht erforderlich (vgl §§ 147, 59, 60 ZPO), sofern die Voraussetzungen einer zulässigen Streitgenossenschaft (Rn 86, 87) vorliegen, zB wenn die Verfahrensgegenstände auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen oder rechtlichen Grunde beruhen. Das Gericht kann auch ein Amtsverfahren sogleich gegen mehrere Beteiligte einleiten oder mehrere Amtsverfahren miteinander verbinden. Das Beschwerdegericht kann eine Verbindung oder Trennung anordnen, wenn sämtliche Verfahren bei ihm anhängig sind. Ein Prozessverfahren kann mit einem solchen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht verbunden werden,264 die Ausnahme stellt wiederum der Verbund von Scheidung und Folgesachen nach § 623 ff ZPO dar (s hierzu § 64 Rn 227 ff). Die Anordnung der Verbindung oder Trennung und ihre jederzeit zulässige Aufhe89 bung sind unanfechtbar.

G. Reformvorhaben 90

Die angestrebte Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit soll eine genauere Regelung des Verfahrens im ersten Rechtszug vorsehen. Nach geltendem Recht wird nicht bestimmt, wann und mit welchen Maßgaben ein Verfahren einzuleiten ist (so Rn 4, 11). Das soll nunmehr gesetzlich geregelt werden, denn § 15 FamFG-E265 stellt in Abs 1 klar, dass das Gericht von Amts wegen tätig wird, sofern die Verfahrensart nicht ein Antragserfordernis vorsieht. Die formellen Anforderungen an den Inhalt des Antrags in einem Antragsverfahren sollen als Mindestanforderungen festgelegt werden, ohne dass das FamFG-Verfahren mit formellen Voraussetzungen überfrachtet werden würde.266 Zu den Mitwirkungspflichten des Antragstellers soll aus Gründen der Rechtsklarheit zum einen die Unterzeichnung des Antrags gehören und zum anderen das Erfordernis, den Antrag zu begründen. Mit dem Begründungserfordernis sollen keine weitergehenden, als die nach der Art des Antrags erforderlichen Begründungspflichten statuiert werden. Ist lediglich ein Verfahrensantrag

263 264 265

BGH, NJW 1957, 183. OLG Schleswig SchlHA 1958, 293. Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen

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266

Gerichtsbarkeit (FamFG) gem Art 1 des RefE FGG-ReformG v Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006. Begr RefE FGG-ReformG S 372.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 8–18

erforderlich, nicht jedoch ein bestimmter Sachantrag, so soll es genügen, wenn mit den Ausführungen des Antragstellers dessen Rechtsschutzziel in Kürze dargetan wird und des weiteren die der Begründung dienenden Beweismittel und weiteren Tatsachen angegeben werden, sowie die notwendigen Urkunden beigefügt werden. In § 27 FamFG-E soll eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten bei der Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen begründet werden. Diese bisher allgemein anerkannte Mitwirkungslast der Beteiligten soll nun gesetzlich fixiert werden. Die Beteiligten sollen, soweit sie dazu in der Lage sind, durch Angabe von Tatsachen und Beweismitteln eine gerichtliche Aufklärung ermöglichen. Dabei sind die Beteiligten zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Erklärung über verfahrensrelevante Umstände verpflichtet, was der Wahrheitspflicht der Parteien im Zivilprozess (§ 138 Abs 1 ZPO) entspricht. In § 18 FamFG-E soll klargestellt werden, dass auch ein Amtsverfahren nicht nur in Folge einer Mitteilung durch eine andere Stelle (§§ 35a, 48, 74a, 125a FGG), sondern auch aufgrund des Antrags eines Bürgers eingeleitet werden kann. Folgt das Gericht dem Antrag des Bürgers nicht, so hat es künftig demjenigen, der die Einleitung eines Verfahrens beantragt, dieses mitzuteilen. Dies soll sowohl denjenigen betreffen, der an einem späteren Verfahren als Beteiligter hinzuzuziehen wäre als auch jede andere Person, die die Einleitung eines Verfahrens beantragt. Da das Gericht in einer Vielzahl von Verfahren erst durch Anträge von Bürgern Kenntnis von den Umständen, die die Einleitung eines Verfahrens rechtfertigen, erhält, soll derjenige, der den Antrag auf Einleitung des Verfahrens gestellt hat, künftig stets in Übereinstimmung mit § 171 Satz 1 StPO beschieden werden, sofern das Gericht sich entscheidet, diesem Antrag nicht zu folgen. Ihm sind außerdem in der gebotenen Kürze die Gründe für die Entscheidung mitzuteilen. Hierbei soll jedoch gleichzeitig das Recht der weiteren von dem Antrag betroffenen Personen auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen sein.267 Nach geltendem Recht gibt es keine ausdrückliche Regelung über die Antragsrücknahme, es entspricht jedoch allgemeiner Ansicht, dass der Antragsteller in Ausübung seiner im Antragsverfahren bestehenden Dispositionsbefugnis berechtigt ist, einen Antrag zurückzunehmen (so Rn 18 bis 20). Unklar ist jedoch der Zeitpunkt bis zu dem der Antrag zurückgenommen werden kann und welche Auswirkungen dies auf eine etwa bereits ergangene Entscheidung hat. Dies soll nun ausdrücklich gesetzlich geregelt werden, denn § 35 Abs 1 FamFG-E sieht vor, dass ein Antrag bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückgenommen werden kann. Weitere Beschränkungen bei Rücknahme des Antrages soll die Regelung nicht vorsehen. Es bedarf nicht der Zustimmung eines anderen Beteiligten zur Rücknahme; gleichfalls bestehen keine Formerfordernisse bei der Erklärung der Rücknahme. Auch eine erneute Antragstellung soll durch die Rücknahme nicht ausgeschlossen sein; sie soll uneingeschränkt möglich bleiben, soweit das Antragsrecht nicht durch Zeitablauf erloschen oder nicht ein Antragsverzicht erklärt worden ist. Eine Verbindung und Trennung von Verfahren ist nach allgemeiner Ansicht auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglich (so Rn 88). In § 21 FamFG-E werden diese Grundsätze übernommen und klargestellt, dass eine Verfahrensverbindung grundsätzlich statthaft ist, soweit sie sachdienlich ist. Des weiteren soll ausdrücklich geregelt werden, dass unter Zweckmäßigkeitserwägungen ebenfalls die Trennung von Verfahren zulässig ist. Das geltende Recht sieht lediglich für die Tätigkeit der Nachlassgerichte und der Registergerichte in §§ 95 und 127 FGG spezielle Aussetzungsvorschriften vor (zur Aus-

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Begr RefE FGG-ReformG S 374.

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Vor §§ 8–18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

setzung im FG-Verfahren so Rn 39 bis 43). Nach § 23 FamFG-E soll das Gericht aus wichtigem Grund das Verfahrens aussetzen können, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet. Die Aussetzungsentscheidung soll der sofortigen Beschwerde (Frist: 2 Wochen) unterliegen und greift die zur geltenden Rechtslage allgemein vertretene Ansicht auf, dass diese Zwischenentscheidung selbständig angefochten werden kann.

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In einigen FG-Verfahren ist ein Vergleich bereits ausdrücklich zugelassen (so Rn 81); § 36 FamFG-E soll nunmehr allgemein regeln, dass ein Vergleich zur Niederschrift des Gerichts grundsätzlich immer dann zulässig ist, wenn die Beteiligten über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. Dies richtet sich nach dem materiellen Recht. Vorschriften im Besonderen Teil des Entwurfs, die dem Gericht eine Prüfung des zwischen den Beteiligten ausgehandelten Vergleichs unter dem Aspekt des Kindeswohls auferlegen (vgl § 188 Abs 4 FamFG-E), sollen unberührt bleiben. Das Gericht soll dort, wo ein Vergleich im FamFG-E-Verfahren zulässig ist, auf eine gütliche Einigung hinwirken. Damit wird der bereits teilweise geltende verfahrensrechtliche Grundsatz (§ 53a Abs 1 FGG, § 13 Abs 2 HausratsVO) nunmehr allgemein in geeigneten FamFG-Verfahren zur Geltung gebracht. Die Förmlichkeiten (zum geltenden Rechts so Rn 82) sollen nunmehr ausdrücklich gesetzlich geregelt werden, so soll über den Vergleich eine Niederschrift entsprechend den Vorschriften der ZPO zu fertigen sein; aber auch ein schriftlicher Vergleich durch feststellenden Beschluss des Gerichts soll zulässig werden (§ 278 Abs 6 S 2 ZPO).

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In § 28 FamFG-E sollen einige Grundsätze zur gerichtlichen Verfahrensleitung im FamFG-Verfahren gesetzlich festgelegt werden. Danach hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass die Beteiligten sich rechtzeitig über alle erheblichen Tatsachen erklären und ungenügende tatsächliche Angaben ergänzen. Es hat die Beteiligten auf einen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, wenn es ihn anders beurteilt als die Beteiligten und seine Entscheidung darauf stützen will. Umfang und Grenzen der gerichtlichen Hinwirkungspflicht sollen nunmehr klarer konturiert werden; dieses auch speziell für Antragsverfahren, die Pflicht folgt aus dem Amtsermittlungsgrundsatz und soll nunmehr generell als Verfahrensgrundsatz im Gesetz verankert werden. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung sollen Hinweise so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen sein. Das Gericht soll verpflichtet sein, über die wesentlichen Vorgänge eines Termins oder einer persönlichen Anhörung einen Vermerk anzufertigen. Der Vermerk kann vom Richter, Rechtspfleger oder vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufgenommen werden. Um die Flexibilität des FamFG-Verfahrens zu erhalten, soll eine Übernahme der Bestimmungen über das Protokoll (§§ 159 ff ZPO) nicht vorgesehen sein. Als wesentliche Vorgänge einer Anhörung sollen neben anwesenden Personen, Ort und Zeit der Anhörung oder des Termins in erster Linie solche Umstände anzusehen sein, die unmittelbare Entscheidungserheblichkeit besitzen. Werden in einer Anhörung Tatsachen bekundet, auf die das Gericht seine Entscheidung stützen will, soll eine Aufnahme in den Vermerk schon im Hinblick auf das Äußerungsrecht der Beteiligten gemäß § 37 Abs 2 FamFG-E geboten sein. Die Herstellung durch Aufzeichnung auf Datenträger in der Form des § 17 Abs 3 soll FamFG-E möglich sein.

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In § 37 Abs 1 FamFG-E wird als formelle Entscheidungsgrundlage des Gerichts der gesamte Inhalt des Verfahrens bestimmt; Entscheidungsmaßstab soll damit die freie Überzeugung sein; insoweit entspricht die Neuregelung § 286 ZPO und § 261 StPO. Das Gericht muss von der Wahrheit der Feststellungen, die es seiner Entscheidung zugrunde legen will, überzeugt sein, dh es reicht ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an

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§8

Gerichtssprache, Beratung, Sitzungspolizei

Gewissheit.268 Das Beweismaß soll nicht davon abhängen, ob das Gericht die Feststellungen im Frei- oder im Strengbeweis getroffen hat; das Gericht muss, auch wenn es sich des Freibeweises bedien, von der Wahrheit der getroffenen Feststellung überzeugt sein. Nach Abs 2 darf das Gericht eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten be- 99 einträchtigt, nur auf Feststellungen stützen, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte. Diese Regelung soll der Gewährleistung rechtlichen Gehörs der Beteiligten (Artikel 103 Abs 1 GG) dienen. Die Vorschrift soll berücksichtigen, dass es im FamFG-Verfahren keine generelle Verpflichtung zur Übersendung schriftlicher Erklärungen und Beweisergebnisse an die Beteiligten geben wird. Lediglich der verfahrenseinleitende Antrag soll den anderen Beteiligten in jedem Fall zu übersenden sein (oben Rn 91). Die neue Regelung soll die Flexibilität des FamFG-Verfahrens gewährleisten und den organisatorischen und finanziellen Aufwand auf das Unvermeidliche reduzieren.269 Dabei ist der Begriff der Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des geltenden Rechts (§ 20 Abs 1 FGG) zu verstehen, dh der Beteiligte muss durch die beabsichtigte Entscheidung in seiner Rechtsstellung negativ betroffen werden. Die Neuregelung lässt offen, auf welche Weise rechtliches Gehör zu gewähren ist. Im Regelfall werden dem betroffenen Beteiligten die entscheidungsrelevanten Erklärungen, Vermerke und Gutachten sowie die Ergebnisse einer Beweisaufnahme mitzuteilen sein. Im Einzelfall soll von einer Übersendung der vorbezeichneten Beweisdokumente abgesehen werden können, wenn dem schwerwiegende Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen. Unter den gleichen Voraussetzungen soll das Akteneinsichtsrecht für Beteiligte gemäß § 7 Abs 2 FamFG-E eingeschränkt sein.

§8 Gerichtssprache, Beratung, Sitzungspolizei Auf das gerichtliche Verfahren finden die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Gerichtssprache, über die Sitzungspolizei und über die Beratung und Abstimmung entsprechende Anwendung, die Vorschriften über die Gerichtssprache mit den sich aus dem § 9 ergebenden Abweichungen. Geänd durch den am 1.8.2002 in Kraft getretenen Art 26 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG-Vertretungsänderungsgesetz – OLGVertrÄndG) v 23. Juli 2002 (BGBl S 2850). Geänd durch den am 1.9.2004 in Kraft getretenen Art 12b des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) v 24.8.2004 (BGBl S 2198). Übersicht Rdn I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtssprache . . . . . . . . . . . 1. Gerichtssprache im Geschäftsverkehr 2. Verhandlung mit Sprachfremden . . a) Sprachfremde . . . . . . . . . . b) Zuziehung eines Dolmetschers . c) Verhandlung ohne Dolmetscher

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. . . . . . . . . . . . .

Rdn

1 2 3 5 6 7 8

Siehe Begr RefE FGG-ReformG S 395; im Übrigen wie BGH NJW 1993, 35.

d) Protokoll . . . . . . . . . . 3. Verhandlung mit Hör- oder Sprachbehinderten . . . . . . . 4. Eidesleistung in fremder Sprache 5. Beeidigung des Dolmetschers . a) Dolmetschereid . . . . . . b) Allgemeine Beeidigung . .

269

. . . .

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. . . . .

11 16 18 19 20

. . . . .

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. . . . .

Siehe Begr RefE FGG-ReformG S 396.

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§8

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Rdn

6. Dolmetschertätigkeit des Urkundsbeamten . . . . . . . . . . . 7. Gerichtliche Schriftstücke für Blinde oder sehbehinderte Personen . . . . . III. Sitzungspolizei . . . . . . . . . . . . . 1. Aufrechterhaltung der Ordnung . . . 2. Ungehorsam . . . . . . . . . . . . . 3. Ungebühr in der Sitzung . . . . . . . a) Ungebühr . . . . . . . . . . . . . b) Ordnungsmittel . . . . . . . . . . c) Rechtliches Gehör . . . . . . . . d) Vollstreckung der Maßnahmen . 4. Sitzungspolizei außerhalb der Sitzung 5. Rechtsmittel gegen Ordnungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beurkundung der Ordnungsmittel . .

Rdn 7. Straftat in der Sitzung . . . . IV. Beratung und Abstimmung . . . 1. Mitwirkende Richter . . . . . 2. Anwesenheit Dritter . . . . . 3. Leitung der Beratung . . . . 4. Mitwirkungspflicht . . . . . 5. Stimmenzählung . . . . . . . 6. Reihenfolge der Abstimmung V. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . 2. Öffentlichkeit nach Maßgabe des Art 6 EMRK . . . . . . . VI. Nichtgerichtliche Behörden . . . VII. Landesrechtliche Angelegenheiten VIII. Reformvorhaben . . . . . . . .

22 25 28 29 32 36 37 38 39 41 43 46 51

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

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54 56 57 61 64 67 69 72 74 74

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75 77 78 79

I. Bedeutung 1

Die Vorschrift stellt für die in ihr bezeichneten Materien die Angleichung an die für die übrige Tätigkeit der ordentlichen Gerichte geltenden Bestimmungen des Gerichtsverfassungsrechts her und setzt damit widersprechende landesgesetzliche Vorschriften außer Kraft, die bis dahin bestanden hatten, soweit nicht besondere Ausnahmen gemacht sind, wie in § 194 Abs 3. Dem folgend gibt es in bundesrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine landesgesetzlichen Vorschriften über die Gerichtssprache mehr. Andererseits bleiben auch auf diesem Gebiet die Vorbehalte des § 185 iVm § 32 EGBGB sowie des § 1 FGG („soweit nicht ein anderes bestimmt ist“) bestehen, so dass Ausnahmen von der Regel des § 8 zu beachten sind. Schließlich ist nur die entsprechende Anwendung der in § 8 genannten Vorschriften angeordnet, dh sie sind nur mit den für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sich ergebenden Abweichungen anzuwenden.

II. Gerichtssprache 2

Nach § 8 finden auf das gerichtliche Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Vorschriften des GVG über die Gerichtssprache (§§ 184 bis 191a GVG) mit den sich aus § 9 ergebenden Abweichungen entsprechende Anwendung. Für die Gerichtssprache bei der gerichtlichen (oder notariellen) Beurkundung von Rechtsgeschäften, Testamenten und Erbverträgen sowie anderer Vorgänge als Rechtsgeschäfte gelten jedoch gem § 1 BeurkG ausschließlich die besonderen Vorschriften der §§ 5, 16, 32 und 50 BeurkG. 1. Gerichtssprache im Geschäftsverkehr Der nach § 8 entsprechend anwendbare § 184 GVG bestimmt:

3

Die Gerichtssprache ist deutsch.

4

Die Vorschrift gilt nicht nur für die gerichtlichen Verhandlungen, Verfügungen und Entscheidungen, sondern für den gesamten Geschäftsverkehr mit den Gerichten, mithin auch für schriftliche Eingaben an das Gericht.1 Sie gilt auch im FG-Verfahren.2 Bestim1

KGJ 29 A 133 = RJA 10, 208 = OLGR 21, 55; Baumbach/Albers GVG § 184 Rn 1; Schlegelberger § 9 Anm 3.

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2

OLG Brandenburg FamRZ 2001, 290.

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§8

mende Schriftsätze in fremder Sprache haben keine unmittelbare rechtserhebliche Wirkung,3 auch dann nicht, wenn der Richter sie versteht.4 Das Gericht darf die fremdsprachigen Schriftsätze jedoch nicht unbeachtet lassen, sondern ist verpflichtet, dem Einreicher aufzugeben, eine Übersetzung einzureichen.5 Das gilt auch für die zum Genossenschaftsregister einzureichenden Kündigungen, Beitritts- und Austrittserklärungen.6 Auf die Unterzeichnung von Urkunden mit ausländischem Namen fremder Staatsangehöriger und ihre Eintragung in Register finden die Vorschriften über die Gerichtssprache keine Anwendung. Es steht dem Gericht frei, mit den Beteiligten in der am Gerichtsort gebräuchlichen Mundart zu verhandeln, wenn alle diese verstehen (vgl § 9); konstitutive Urkunden, wie Vereinssatzungen, müssen aber in Hochdeutsch abgefasst sein, damit sie für jeden Einsichtnehmenden verständlich sind.7 Bei Amtsverfahren darf und muss das Gericht bei fremdsprachigen Eingaben prüfen, ob diese Anlass zur Einleitung eines Amtsverfahrens geben.8 Die Benutzung fremdsprachiger Urkunden im Verfahren als Beweismittel ist zulässig,9 auch im Grundbuchverfahren;10 das Gericht kann dem Beteiligten entspr § 142 Abs 3 ZPO aufgeben, eine von einem beeidigten Dolmetscher gefertigte Übersetzung beizubringen,11 es kann aber auch die Übersetzung von Amts wegen vornehmen lassen (§ 144 ZPO entspr). Auf die Übersetzung kann verzichtet werden, wenn der Richter die fremde Sprache ausreichend beherrscht (§ 9). Gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen sind in (hoch)deutscher Sprache abzufassen, auch Sprachunkundigen ohne Übersetzung zu übermitteln.12 Eine Ausnahme bildet das traditionelle Recht der Sorben in der Lausitz, Schriftsätze in sorbischer Sprache sind von Amts wegen zu übersetzen, in der Verhandlung ist ein Dolmetscher beizuziehen.13 2. Verhandlung mit Sprachfremden

5

Hierüber bestimmt § 185 GVG: (1) Wird unter Beteiligung von Personen verhandelt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Ein Nebenprotokoll in der fremden Sprache wird nicht geführt; jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, wenn und soweit der Richter dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache für erforderlich erachtet, auch in der fremden Sprache in das Protokoll oder in eine Anlage niedergeschrieben werden. In den dazu geeigneten Fällen soll dem Protokoll eine durch den Dolmetscher zu beglaubigende Übersetzung beigefügt werden. (2) Die Zuziehung eines Dolmetscher kann unterbleiben, wenn die beteiligten Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig sind.

a) Sprachfremde Unter Beteiligung ist jede Art von Auftreten in der Verhandlung zu verstehen, also 6 auch als Zeuge, Sachverständiger oder Auskunftsperson. Darüber, ob eine Person der

3

4 5 6 7 8

BGH NJW 1982, 532 mwN; BayObLG MDR 1987, 416; KG JR 1977, 129; Rpfleger 1986, 57; Baumbach/Albers GVG § 184 Rn 3 mwN. RGZ 31, 428; Zöller/Gummer GVG § 184 Rn 3 mwN. Zöller/Gummer GVG § 184 Rn 4. KGJ 39 A 133; Schlegelberger § 9 Anm 3. Keidel/Zimmermann § 9 Rn 5; aA LG Osnabrück Rpfleger 1965, 304. Bassenge/Herbst/Roth § 9 Rn 3.

9 10 11 12

13

RGZ 162, 282; BGH NJW 1989, 1433; BVerwG NJW 1996, 1553. KGJ 7 243; 14, 5. LG Düsseldorf Rpfleger 1999, 334. BGH FamRZ 1996, 347 m abl Anm Bachmann, FamRZ 1996, 1276; OLG Stuttgart Rpfleger 1983, 37 (Strafsache); Baumbach/ Albers GVG § 184 Rn 2 mwN. Hüßtege in Thomas/Putzo GVG § 184 Rn 1; Zöller/Gummer GVG § 184 Rn 8.

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§8

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

deutschen Sprache nicht mächtig ist, entscheidet die Überzeugung des Richters,14 nicht die Erklärung des Beteiligten. Der deutschen Sprache nicht mächtig ist auch, wer sie zwar ausreichend versteht, aber nur gebrochen spricht.15 Die Beurteilung der Sprachkundigkeit obliegt dem in der Rechtsinstanz nicht nachprüfbaren Ermessen des Tatsachenrichters;16 ein Verfahrensfehler kann jedoch vorliegen, wenn das Gericht die Prüfung, ob ein Dolmetscher hinzuzuziehen ist, trotz Beteiligung eines fremdsprachigen Ausländers unterlassen hat.17 Entsprechend § 185 kann verfahren werden, wenn eine beteiligte Person sich nur in einer deutschen Mundart ausdrücken kann, welche dem Gericht nicht verständlich ist.18 b) Zuziehung eines Dolmetschers

7

In der Regel ist das Gericht bei Beteiligung Sprachfremder verpflichtet, von Amts wegen einen Dolmetscher hinzuzuziehen.19 Die Ablehnung der Zuziehung ist als verfahrensleitende Anordnung nicht selbständig mit der Beschwerde anfechtbar, sondern kann als Verfahrensmangel nur mit einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache gerügt werden.20 Dolmetscher ist ein Sprachkundiger, dessen Aufgabe es ist, im Verfahren die Verständigung zwischen dem Gericht und anderen beteiligten Personen zu ermöglichen; er hilft verhandeln, ist aber kein Beweismittel und deshalb kein Sachverständiger;21 Sachverständiger ist aber ein Sprachkundiger, der den Sinn einer außerhalb des Verfahrens abgegebenen fremdsprachigen Äußerung ermitteln und darüber im Verfahren aussagen soll.22 Die Auswahl des Dolmetschers obliegt dem Gericht.23 c) Verhandlung ohne Dolmetscher

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Abweichend von § 185 Abs 2 GVG kann in der freiwilligen Gerichtsbarkeit gem § 9 S 1 von der Zuziehung eines Dolmetschers bereits abgesehen werden, wenn nur der Richter (beim Kollegialgericht sämtliche Richter) bzw der Rechtspfleger (s auch Rn 24), der Sprache mächtig ist, in der sich der Sprachfremde erklärt. Das gilt mithin auch, wenn die übrigen Beteiligten diese Sprache nicht verstehen. Der Richter ist in diesen Fällen kraft Gesetzes Dolmetscher; ein Dolmetschereid kommt hier nicht in Betracht. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs müssen die abgegebenen Erklärungen den übrigen Beteiligten in ihrer Sprache verdolmetscht werden. Der Richter kann sich mit den Sprachfremden statt in dessen Heimatsprache auch in einer dritten, beiden geläufigen Sprache verständigen. Ob die Zuziehung eines Dolmetschers wegen eigener Sprachkunde des Richters ent9 behrlich ist, hat dieser selbst zu beurteilen, ohne dass es auf Anträge, Erklärungen oder einen Verzicht der Beteiligten ankommt. Die Beurteilung der eigenen Sprachkenntnisse des Richters unterliegt keiner Nachprüfung im Beschwerdewege.

14 15 16 17 18 19

BGH NStZ 2002, 275. BVerfGE 64, 135 = Rpfleger 1983, 303 = NJW 1993, 2762; OLG Frankfurt NJW 1952, 1310. BGHSt 3, 285 = NJW 1953, 114. BSozG NJW 1957, 1087; Zöller/Gummer GVG § 185 Rn 3. RGSt 6, 160; Schlegelberger Anm 6. BVerfG Rpfleger 2004, 179; Zöller/Gummer GVG § 185 Rn 3 mwN.

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OLG Stuttgart NJW 1962, 540; Keidel/Zimmermann § 9 Rn 8; Zöller/Gummer GVG § 185 Rn 3. RG JW 36, 464; BGH NJW 1965, 643; Baumbach/Albers GVG § 185 Rn 5. BGHSt 1, 4; BGH NJW 1965, 643. Zöller/Gummer GVG § 185 Rn 3.

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§8

d) Protokoll Wird ein Protokoll aufgenommen, so ist es nach § 184 in deutscher Sprache zu errich- 10 ten. Nach dem Ermessen des Gerichts können jedoch wichtige Erklärungen, auf deren Wortlaut es zum Verständnis ihres Sinnes ankommen kann, außer in der deutschen Sprache auch in der fremden Sprache ins Protokoll aufgenommen werden. 3. Verhandlung mit Hör- und Sprachbehinderten In diesem Fall gilt § 186 GVG:24

11

(1) Die Verständigung mit einer hör- oder sprachbehinderten Person in der Verhandlung erfolgt nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. Für die mündliche und schriftliche Verständigung hat das Gericht die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen. Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen. (2) Das Gericht kann eine schriftliche Verständigung verlangen oder die Hinzuziehung einer Person als Dolmetscher anordnen, wenn die hör- oder sprachbehinderte Person von ihrem Wahlrecht nach Absatz 1 keinen Gebrauch gemacht hat oder eine ausreichende Verständigung in der nach Absatz 1 gewählten Form nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

Die alte Fassung des § 186 GVG betraf die Verhandlung mit tauben oder stummen Personen.25 Durch die Neufassung ist klargestellt, dass auch hör- oder sprachbehinderte Personen erfasst sind, nicht aber geistig Behinderte.26 Mit der Gesetzesänderung wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die Justiz die geeigneten Voraussetzungen für eine Kommunikation mit hör-, sprach- und sehbehinderten (§ 191a GVG) Beteiligten schafft und somit sowohl den Interessen der Rechtspflege als auch der Integration von Behinderten dient.27 Die dadurch entstehenden gerichtlichen Auslagen sind von der Staatskasse zu tragen. Für die Form der Verständigung mit dem Behinderten gilt nach § 186 Abs 1 GVG die Wahlfreiheit des Behinderten zwischen mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person. Der Behinderte ist auf sein Wahlrecht hinzuweisen. Als Sprachmittler kommen nicht nur Fachkräfte (zB Gebärdendolmetscher) in Frage, sondern auch sonstige dem Behinderten vertraute Personen, durch die eine zuverlässige Verständigung möglich ist. Trifft der Behinderte keine Wahl oder ist die gewählte Kommunikationsform nicht geeignet oder zu teuer, so ist nach § 186 Abs 2 GVG zu verfahren, dh das Gericht kann eine schriftliche Verständigung verlangen oder einen Dolmetscher hinzuziehen. Dieses liegt im Ermessen des Gerichts.28 Für die Eidesleistung der Stummen gilt § 15 FGG iVm § 483 ZPO, entweder durch Abschreiben und Unterschreiben der Eidesformel oder mittels eines Dolmetschers. Taube leisten den Eid durch Ablesen der Eidesformel oder ebenfalls mit Hilfe eines Dolmetschers. Die Vereidigung des Sprachmittlers liegt im Ermessen des Gerichts.29

24

25

§ 186 GVG neu gefasst und § 187 GVG aufgeh durch Art 20 Nr 3, 4 OLGVertrÄndG v 23.7.2002 (BGBl S 2850); neu eingef § 187 GVG d Art 2 Nr 4 OpferrechtsreformG v 24.6.2004 (BGBl S 1354) betrifft nur Strafund Bußgeldverfahren. Siehe hierzu Voraufl Rn 9.

26 27

28 29

Baumbach/Albers GVG § 186 Rn 1; Zöller/ Gummer GVG § 186 Rn 2. Zöller/Gummer GVG § 186 Rn 1 mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung BTDrs 14/9266. Zöller/Gummer GVG § 186 Rn 3. BGH NJW 1997, 2335.

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4. Eidesleistung in fremder Sprache

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Hierüber bestimmt § 188 GVG: Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, leisten Eide in der ihnen geläufigen Sprache.

17

Eide sollen Sprachfremde in der ihnen geläufigen Sprache leisten, damit sie sich der Bedeutung des Eides besser bewusst werden. Die Vorschrift gilt für den Zeugen- und Sachverständigeneid und für Beteiligte, soweit bei ihnen eine Eidesleistung in Betracht kommt (zB §§ 33, 79, 83, 163 FGG). Der Eid kann auch durch Ablesen der in der fremden Sprache abgefassten Eidesformel geleistet werden.30 Ist der Richter der fremden Sprache mächtig, so kann die Hinzuziehung eines Dolmetschers unterbleiben (so Rn 8, 9). 5. Beeidigung des Dolmetschers

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§ 189 GVG bestimmt hierzu: (1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten: dass er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, dass er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung, abzugeben. Diese Bekräftigung steht dem Eid gleich; hierauf ist der Dolmetscher hinzuweisen. (2) Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art im Allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid.

a) Dolmetschereid

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Der Dolmetscher ist grundsätzlich zu beeidigen, und zwar durch Voreid; nachträgliche Beeidigung ist jedoch unschädlich. Bei mehrfacher Dolmetschertätigkeit in derselben Sache genügt die Berufung auf den früher geleisteten Eid;31 bei mehrfacher Dolmetschertätigkeit in derselben Sitzung, aber verschiedenen Sachen ist jedes Mal Beeidigung geboten. In der freiwilligen Gerichtsbarkeit können die beteiligten Personen auf die Beeidigung verzichten (§ 9 Abs 1 HS 2 FGG).32 Das gilt aber nur für den Dolmetscher fremder Sprachen und nicht für den nach § 186 GVG. Trotz des Verzichts kann das Gericht die Beeidigung anordnen, wenn es sie für erforderlich hält. Ist der Sprachkundige als Sachverständiger tätig (Rn 7), so gilt für seine Beeidigung § 15 Abs 1 S 2 FGG. b) Allgemeine Beeidigung

20

Als Dolmetscher im Sinne der §§ 185, 186 GVG kann auf Antrag beeidigt werden, wer die berufliche Qualifikation und die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzt. Der allgemein beeidigte Dolmetscher wird in das Dolmetscherverzeichnis eingetragen, das Namen, Anschrift, Sprache ggf weitere Daten enthält. Die Allgemeine Beeidigung richtet sich nach Landesrecht.33 In diesem Fall genügt die Berufung des Dolmetschers auf den geleisteten Eid,34 nicht nur ein Hinweis des Gerichts darauf.35 Hat der Sprachkundige nicht in der Verhandlung gedolmetscht, sondern außerhalb des Verfahrens abgegebene fremdsprachige Erklärungen übersetzt, so kommt nicht die Berufung auf den Dolmetschereid, sondern ein Sachverständigeneid in Betracht,36 sofern nicht auch insoweit eine allgemeine Beeidigung nach § 410 Abs 2 ZPO vorliegt. 30 31 32 33

Keidel/Zimmermann § 9 Rn 12. RGSt DJZ 1921, 204; BayObLG MDR 1979, 696. KG JFG 14, 5. Siehe hierzu Jessnitzer Dolmetscher 1982,

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34 35 36

S 21 ff; sowie Kissel/Mayer Anhang landesrechtliche Bestimmungen. BGH NJW 1982, 2739. Zöller/Gummer § 189 Rn 2 mwN. BGH NJW 1965, 643.

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Gerichtssprache, Beratung, Sitzungspolizei

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Wegen der Ausschließung und Ablehnung des Dolmetschers vgl § 9 Rn 2 ff; § 191 21 GVG gilt in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. 6. Dolmetschertätigkeit des Urkundsbeamten

22

Dieses ist geregelt in § 190 GVG: Der Dienst des Dolmetschers kann von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrgenommen werden. Einer besonderen Beeidigung bedarf es nicht.

Bei gerichtlichen Verhandlungen kann der Urkundsbeamte, der als Protokollführer 23 hinzugezogen ist, zugleich Dolmetscher sein; nur in diesem Fall erübrigt sich der Eid.37 Wird ein anderer Urkunds- oder sonstiger Gerichtsbeamter tätig, so gilt § 189 GVG iVm § 9 FGG. Die Vorschrift gilt sowohl für den Dolmetscher nach § 185 als auch nach § 186 GVG. Der Rechtspfleger hat in übertragenen Sachen die Befugnisse des Richters; er kann 24 mithin bei seinen Verhandlungen von der Zuziehung eines Dolmetschers absehen; wenn er selbst der fremden Sprache mächtig ist (so Rn 8). Zur Beeidigung eines Dolmetschers ist der Rechtspfleger nicht befugt; hält er eine Beeidigung für geboten, so hat er die Sache dem Richter vorzulegen (§ 4 Abs 2 Nr 1 RPflG). Auch die Berufung auf einen früher in derselben Sache oder auf einen allgemein geleisteten Eid kann der Rechtspfleger nicht entgegennehmen, da sie nach § 155 Nr 2 StGB der Eidesleistung gleichsteht.38 7. Gerichtliche Schriftstücke für Blinde oder sehbehinderte Personen

25

Durch Art 20 Nr 5 OLGVertrÄndG wurde § 191a GVG eingefügt: (1) Eine blinde oder sehbehinderte Person kann nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 verlangen, dass ihr die für sie bestimmten gerichtlichen Dokumente auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren erforderlich ist. Hierfür werden Auslagen nicht erhoben. (2) Das Bundesministerium der Justiz bestimmt durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise die in Absatz 1 genannten Dokumente und Dokumente, die von den Parteien zur Akte gereicht werden, einer blinden oder sehbehinderten Person zugänglich gemacht werden, sowie ob und wie diese Person bei der Wahrnehmung Ihrer Rechte mitzuwirken hat.

Die Vorschrift soll sicherstellen, dass Blinde und Sehbehinderte Schriftstücke in einer 26 für sie wahrnehmbaren Form erhalten. Nach dem Wortlaut der Norm sind nur gerichtliche Dokumente gemeint, nicht jedoch Schriftstücke des Gegners oder anderer Beteiligter. Nach Abs 2 kann dieses künftig durch RechtsVO anders geregelt werden. Eine entsprechende RechtsVO ist bisher nicht erlassen. Auf Antrag sind die für blinde oder sehbehinderte Beteiligte bestimmten Dokumente in für sie wahrnehmbarer Form zugänglich zu machen, wenn dies zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich ist. Letzteres richtet sich nach der Wichtigkeit des Schriftstücks bzw der Möglichkeit anderweitiger Kenntnisnahme, zB durch einen Vertreter.39 Auch schon während der Übergangszeit bis zum Erlass einer entsprechenden Rechts- 27 VO nach § 191a Abs 2 GVG sollte das Gericht in Anlehnung an § 186 GVG (so Rn 12)

37 38

RGSt 2, 373. Keidel/Zimmermann § 9 Rn 14a ist der Auffassung, der Rechtspfleger könne einen allgemein vereidigten Dolmetscher „ohne weiteres zuziehen“.

39

Zöller/Gummer § 191a Rn 2 m Hinw auf die Gesetzesbegründung in BTDrs 14/9266 S 41.

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§8

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

geeignete Maßnahmen ergreifen (zB Vorlesen am Telefon, Übermittlung in elektronischer Form, Übertragung in Brailleschrift).40

III. Sitzungspolizei 28

Die Vorschriften der §§ 176 bis 183 GVG finden nach § 8 in der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechende Anwendung, dh sie sind gegebenenfalls mit den sich aus Besonderheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergebenden Abweichungen anzuwenden. 1. Aufrechterhaltung der Ordnung

29

Hierüber bestimmt § 176 GVG: Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.

30

Zur Aufrechterhaltung der Ordnung gehört die Verhinderung äußerer Störungen durch anwesende Personen ohne Rücksicht auf ihre verfahrensrechtliche Stellung oder Beteiligung. Die dazu erforderlichen Anordnungen, die weitgehend nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen sind, liegen in der Hand des Richters, beim Kollegialgericht in der des Vorsitzenden; bei Verhandlungen vor dem Rechtspfleger ist dieser für die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlich.41 Ziel und Zweck der Vorschrift ist die Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung und 31 der Schutz der Verfahrensbeteiligten.42 Gegen die Anordnungen des Vorsitzenden gibt es keine Anrufung des Gerichts und keine Sachbeschwerde;43 da die Ausübung der Sitzungspolizei ein Ausfluss der richterlichen Unabhängigkeit ist,44 auch keine Dienstaufsichtsbeschwerde. 2. Ungehorsam

32

§ 177 GVG bestimmt: Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

Es ist ein vorsätzlicher Verstoß gegen eine rechtmäßige Anordnung erforderlich (zB Wortentziehung, Ruhegebot, Verbot von Beifalls- oder Missfallensäußerungen, Verweisung aus dem Saal). Vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht erforderlich; wenn die Maßnahme vorher erfolglos angedroht wurde;45 Art 103 Abs 1 GG ist nicht einschlägig, weil Entfernung und Abführung zur Haft keine Strafe sind, sondern Sicherungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Der Personenkreis, gegen den Maßnahme nach § 177 angeordnet werden können, 34 umfasst außer den darin Genannten auch gesetzliche Vertreter und Beistände, dagegen

33

40 41 42 43

Zöller/Gummer § 191a Rn 3. Zöller/Gummer GVG § 176 Rn 1. Siehe hierzu Baumbach/Albers GVG § 176 Rn 3; Zöller/Gummer GVG § 176 Rn 5. KG JW 1932, 1167; Baumbach/Albers GVG

264

44 45

§ 176 Rn 6 mwN; Zöller/Gummer GVG § 176 Rn 9 mwN. BGH NJW 1962, 1260. Zöller/Gummer GVG § 177 Rn 5.

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§8

nicht an der Verhandlung beteiligte Richter, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Urkundsbeamte.46 Der Beschluss und seine Veranlassung müssen bei Abführung zur Haft stets, die Ent- 35 fernung nur dann, wenn ein Beteiligter betroffen ist, in das Protokoll aufgenommen werden (§ 182 GVG). Der Rechtspfleger ist zur Anordnung von Haft nicht befugt (§ 4 Abs 2 Nr 2 RPflG). Gegen den Beschluss findet kein Rechtsmittel statt, sofern sich das Gericht innerhalb der Grenzen des § 177 GVG hält;47 und weil § 177 in § 181 GVG nicht genannt ist.48 Unrechtmäßige Entfernung eines Beteiligten kann jedoch Verfahrensfehler (Verletzung des rechtl Gehörs) begründen und zur Aufhebung der Sachentscheidung führen. 3. Ungebühr in der Sitzung

36

Hierüber bestimmt § 178 GVG: (1) Gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, kann vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung eine Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Bei der Festsetzung von Ordnungsgeld ist zugleich für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu bestimmen, in welchem Maße Ordnungshaft an seine Stelle tritt. (2) Über die Festsetzung von Ordnungsmitteln entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht. (3) Wird wegen derselben Tat später auf Strafe erkannt, so sind das Ordnungsgeld oder die Ordnungshaft auf die Strafe anzurechnen.

a) Ungebühr Ungebühr wird vielfach als ein Verstoß gegen die Würde des Gerichts angesehen,49 37 auch eine Verletzung der dem Gericht geschuldeten Achtung; sie setzt ein Verhalten voraus, das geeignet ist, die Rechtspflegeaufgaben des Gerichts zu verletzen und die Ordnung der Gerichtsverhandlung zu stören.50 So zB Erscheinen in anstößiger bzw unangemessener Kleidung,51 Trunkenheit,52 demonstratives Sitzen bleiben eines Beteiligten trotz entgegengesetzter Aufforderung,53 wiederholte Missfallens- bzw Beifallsäußerungen,54 Entgegennahme eines Telefonats;55 nicht aber die Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht,56 bloßes eigenmächtiges Entfernen57 oder vereinzelte spontane Missfallensäußerungen.58 Auch Handlungen, die sich gegen einen anderen an der Verhandlung Beteiligten richten, können mittelbar die Achtung vor dem Gericht verletzen, zB die Bezeichnung des Gegners als Strolch59 oder Schwindler.60 46 47 48

49 50 51

Baumbach/Albers GVG § 177 Rn 1 mwN; Zöller/Gummer GVG § 177 Rn 2 mwN. RGZ 43, 427; OLG Köln NJW 1963; 1508; Zöller/Gummer GVG § 177 Rn 8. Baumbach/Albers GVG § 176 Rn 4 hält diese „förmelnde Auslegung“ wegen der Folgen des § 158 ZPO für „unerträglich“ und hält entsprechende Anwendung von § 181 GVG für geboten; s auch OLG Koblenz FamRZ 1987, 404 m Anm Bosch. Zum Begriff der Ungebühr s auch Zöller/ Gummer GVG § 178 Rn 2 mwN. Zöller/Gummer GVG § 178 Rn 2 mwN. Zöller/Gummer GVG § 178 Rn 3 mwN.

52

53 54 55 56 57 58 59 60

OLG Nürnberg MDR 1961, 62; OLG Koblenz MDR 1985, 430; OLG Düsseldorf NJW 1989, 241. OLG Koblenz Rpfleger 1984, 198 mwN. Baumbach/Albers GVG § 178 Rn 4; Zöller/ Gummer GVG § 178 Rn 3. HansOLG Hamburg NJW 1997, 3452. OLG Hamm JW 1935, 3489. SchlOLG OLGR 95, 12; OLG München MDR 1956, 503. OLG Saarbrücken NJW 1961, 890. OLG Köln NJW 1986, 2515. OLG Darmstadt JW 1935, 2073.

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§8

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

b) Ordnungsmittel

38

Die zugrundeliegende Handlung muss rechtswidrig sein und setzt Verschulden voraus.61 Ist die Schuld gering, kann von Ordnungsmaßnahmen abgesehen werden, insbesondere wenn sofortige Entschuldigung erfolgt.62 Als Ordnungsmittel kommen ein Ordnungsgeld in Höhe von 5 Euro (Art 6 Abs 1 EGStGB) bis 1000 Euro oder Ordnungshaft von 1 Tag bis 1 Woche in Frage. Bei der Festsetzung von Ordnungsgeld soll auch gleich die (Ersatz)Ordnungshaft in Höhe von 1 bis 3 Tagen63 für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzt werden, nachträgliche Festsetzung ist aber auch möglich.64 Mehrfache Ungebühr in einer Sitzung kann jedes Mal bis zum Höchstmaß geahndet werden.65 Die Festsetzung erfolgt durch Verfügung des Vorsitzenden bzw durch Beschluss des Gerichts; der Rechtspfleger kann nur Ordnungsgeld festsetzen. Der betroffene Richter oder Rechtspfleger ist hierbei nicht ausgeschlossen.66 Die Entscheidung ist mit Begründung zu verkünden und ins Protokoll aufzunehmen.67 c) Rechtliches Gehör

Gewährung rechtlichen Gehörs ist geboten,68 dieses ist jedoch entbehrlich, wenn es mit dem Zweck, die Würde des Gerichts wieder herzustellen, nicht vereinbar ist, weil das ungebührliche Verhalten fortgesetzt wurde oder auch erneute Ungebühr zu erwarten ist.69 Hat sich der Betroffene bereits aus dem Sitzungssaal entfernt, muss nicht die weitere Möglichkeit der Stellungnahme gegeben werden.70 Wegen des Verfahrens vgl § 182 GVG. 40

39

d) Vollstreckung der Maßnahmen

41

Bezüglich der Vollstreckung bestimmt § 179 GVG: Die Vollstreckung der vorstehend bezeichneten Ordnungsmittel hat der Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen.

42

Die gerichtliche Vollstreckung von Ordnungs- und Zwangsmitteln ist dem Rechtspfleger gem § 31 Abs 3 RPflG übertragen. Es ist der Rechtspfleger des Gerichts und nicht der Staatsanwaltschaft.71 Art 7 EGStGB regelt die Möglichkeit der Zahlungserleichterungen bei Ordnungsgeld; Art 8 EGStGB die Umwandlung von Ordnungsgeld in Ordnungshaft bei Uneinbringlichkeit und Art 9 EGBStGB die Verjährung. 4. Sitzungspolizei außerhalb der Sitzung

43

Hierüber bestimmt § 180 GVG: Die in den §§ 176 bis 179 bezeichneten Befugnisse stehen auch einem einzelnen Richter bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der Sitzung zu.

44

Die Vorschrift soll den Ermittlungs-, Untersuchungs-, beauftragten oder ersuchten Richter bei der Vornahme von Amtshandlungen, insbesondere einer Vernehmung, Anhörung, Augenscheinseinnahme vor den Ausschreitungen Beteiligter oder Dritter schützen,

61 62 63 64 65

BVerfG DRiZ 1966, 356. OLG Köln NJW 1986, 2515. Art 6 Abs 2 EGStGB. Zöller/Gummer GVG § 178 Rn 4. OLG Hamm JMBlNRW 1952, 86; HansOLG Bremen NJW 1953, 598 = Rpfleger 1953, 544; NJW 1956, 113.

266

66 67 68 69 70 71

Baumbach/Albers GVG § 178 Rn 8. Baumbach/Albers GVG § 178 Rn 8 mwN. Zöller/Gummer GVG § 178 Rn 5 mwN. OLG Koblenz MDR 1987, 433. OLG Hamm MDR 1978, 780. Arnold/Meyer-Stolte/Rellermeyer § 31 Rn 15.

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§8

gleichgültig, an welchem Ort die Amtshandlung stattfindet. Hierunter fallen auch die Verhandlungen des Amtsrichters in Angelegenheiten der FG, zB nach § 134 FGG; diese Verhandlungen stellen grundsätzlich keine „Sitzung“ dar. Eine Sitzung liegt jedoch vor, wo das Gesetz die mündliche Verhandlung mit streitenden Beteiligten dem Gericht zur Pflicht macht, wie in § 53a FGG, § 15 LwVG, wenn auch nur Sollvorschrift, wie in § 13 Abs 2 HausratsVO; § 44 Abs 1 WEG. Wegen der Bedeutung des Unterschieds s § 181 Abs 2 GVG. Auf Ungebühr in Schriftsätzen bezieht sich die Vorschrift unstreitig nicht;72 eine bun- 45 deseinheitliche Grundlage ist – soweit nicht strafrechtliche Bestimmungen wegen Beleidigung eingreifen – nicht vorhanden. Auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann das Landesrecht aufgrund des Vorbehalts in § 200 FGG unbedenklich Ordnungsmittel androhen und zwar auch für Ungebühr in Schriftsätzen. Die in der Vorauflage genannte Vorschrift für Hamburg ist in der Neufassung des HmbFGG von 1989 nicht mehr enthalten. 5. Rechtsmittel gegen Ordnungsmaßnahmen

46

Hierüber bestimmt § 181 GVG: (1) Ist in den Fällen der §§ 178, 180 ein Ordnungsmittel festgesetzt, so kann gegen die Entscheidung binnen der Frist von einer Woche nach ihrer Bekanntmachung Beschwerde eingelegt werden, sofern sie nicht von dem Bundesgerichtshof oder einem Oberlandesgericht getroffen ist. (2) Die Beschwerde hat in dem Falle des § 178 keine aufschiebende Wirkung, in dem Falle des § 180 aufschiebende Wirkung. (3) Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Ordnungsmittels ist ein besonders gearteter 47 Rechtsbehelf,73 der in manchem der sofortigen Beschwerde rechtsähnlich ist, aber grundsätzlich eigenen Regeln folgt und deshalb, zumal er in allen drei Verfahrensordnungen (ZPO, StPO, FGG) gleichmäßig gilt, nicht ohne weiteres dem Allgemeinen Teil des FGG unterstellt werden kann.74 Gegen Beschlüsse des BGH und des OLG ist die Beschwerde nicht statthaft. Beschwerdeberechtigt ist nur der Betroffene, auch der prozessunfähige, aber strafmündige Jugendliche;75 gegen Ablehnung oder zu milde Maßnahme gibt es keinen Rechtsbehelf.76 Die Beschwerdefrist von einer Woche beginnt mit der Verkündung, wenn der Betroffene nicht mehr anwesend war, mit der Bekanntmachung an ihn;77 Eingang bei dem Gericht, das die Maßnahme verhängt hat, wahrt die Frist.78 Bei Entscheidung durch den Rechtspfleger gilt ebenfalls die Frist von 1 Woche, § 11 Abs 1 RPflG. Eine Rechtsmittelbelehrung ist nicht erforderlich;79 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als zulässig angesehen.80 Die Wiedereinsetzungsfrist beträgt in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwei Wochen.81 Das Verschulden eines Vertreters steht abweichend von § 22 Abs 2 FGG dem des Betroffenen nicht gleich.82 Das Gericht, 72

73 74 75 76 77

KG ZZP 12, 241; KGJ 8, 256; HansOLG Hamburg DR 1940, 501; OLG Düsseldorf MDR 1993, 462 mwN; Schlegelberger Anm 12. Baumbach/Albers GVG § 181 Rn 3; Keidel/ Zimmermann Rn 11. RG JW 1906, 716. OLG Neustadt NJW 1961, 885. Zöller/Gummer GVG § 181 Rn 1 mwN. OLG Bamberg OLGR 2, 16.

78 79 80

81 82

KGJ 38 C 9; OLG München OLGR 25, 276. OLG Köln NJW 1960, 2294. OLG Braunschweig OLGR 27, 64; OLG Hamm JZ 1954, 171 = MDR 1954, 179; OLG Frankfurt NJW 1967, 2181; Baumbach/ Albers GVG § 181 Rn 2; Zöller/Gummer GVG § 181 Rn 2. OLG Hamm JMBlNRW 1954, 64 = NJW 1954, 725. OLG Frankfurt NJW 1967, 1281.

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§8

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

das die Maßnahme verhängt hat, kann auf Beschwerde aufheben oder herabsetzen;83 § 18 Abs 2 FGG ist nicht anwendbar, zumal für ein Abhilfeverbot jeder rechtspolitische Grund fehlt und auch das GVG kein entsprechendes Verbot enthält. Die Beschwerde hat, wenn der Beschluss nach § 178 GVG, also in einer „Sitzung“ 48 ergangen ist, keine aufschiebende Wirkung; der Vorsitzende darf die Vollstreckung ungeachtet der Beschwerde einleiten oder fortsetzen. Aufschiebende Wirkung hat die Beschwerde aber, wenn der Beschluss nach § 180 außerhalb einer Sitzung ergangen ist; das trifft für mündliche Erörterungen in der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Regel zu, sofern diese Verhandlungen nicht aus besonderen Gründen als „Sitzung“ anzusehen sind (so Rn 44). Beschwerdegericht ist, mag das AG oder das LG den Beschluss erlassen haben, das 49 vorgeordnete OLG, beim ersuchten Richter das diesem vorgeordnete OLG.84 Eine weitere Beschwerde ist unstatthaft. Gerichtskosten sind mangels Vorschrift nicht zu erheben (§ 1 KostO);85 der Rechtsan50 walt erhält auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit seine Gebühren nach Teil 3 des VV RVG (s hierzu Vorbem zu § 13a Rn 14); für obiges Beschwerdeverfahren erhält er 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr 3500 VV RVG. 6. Beurkundung der Ordnungsmittel

51

Dieses ist in § 182 GVG geregelt: Ist ein Ordnungsmittel wegen Ungebühr festgesetzt oder eine Person zur Ordnungshaft abgeführt oder eine bei der Verhandlung beteiligte Person entfernt worden, so ist der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen.

52

Die Feststellung des Vorgangs, nämlich des Beschlusses nebst Begründung und dessen Veranlassung, im Protokoll ist auch dann erforderlich, wenn für die Amtshandlung selbst die Führung eines Protokolls weder vorgeschrieben noch beabsichtigt ist; jedoch ist es nicht nötig, nur aus diesem Anlass einen Urkundsbeamten hinzuzuziehen, wenn bis dahin ohne die Mitwirkung eines solchen verhandelt worden war. Die Feststellung zum Protokoll ist, auch wenn der Beschluss nach § 180 GVG außerhalb der Sitzung ergangen ist, vorgeschrieben bei Abführung zur Haft nach § 177 GVG wegen der Bedeutung des Eingriffs für die persönliche Freiheit, bei Entfernung eines Beteiligten nach § 177 GVG wegen der Möglichkeit einer Verfahrensrüge (so Rn 35), bei Maßnahmen nach §§ 178, 180 GVG, um dem OLG ohne weitere Beweiserhebungen eine zuverlässige Grundlage für seine Nachprüfung zu bieten, da eine Zurückverweisung zu weiterer Aufklärung nicht statthaft ist. Deshalb ist der Beschluss nur rechtsbeständig, wenn der Vorfall vollständig in dem Protokoll unter Mitverantwortung des etwa hinzugezogenen Urkundsbeamten beurkundet ist. Eine Darstellung nur in den Gründen des Beschlusses genügt nicht;86 nachträgliche 83

84 85

Keidel/Zimmermann Rn 11; für den Zivilprozess nach der ZPO-Reform wohl unstreitig – s Baumbach/Albers GVG § 181 Rn 3; zum bisherigen Meinungsstreit s Voraufl § 8 Fn 65. SchlHOLG SchlHA 62, 84. OLG Frankfurt OLGR 31, 208; NJW 1967, 1281; OLG Hamm OLGR 40, 174; OLG Neustadt NJW 1962, 602; KG Rpfleger 1964, 352; Baumbach/Albers GVG § 181 Rn 4; aA OLG Köln JW 1929, 520; OLG

268

86

Stuttgart MDR 1958, 935; OLG Neustadt NJW 1961, 885. BayObLG HRR 1935 Nr 823; OLG München OLGR 25, 276; Rpfleger 1952, 135; BayJMBl 1954, 17; OLG Köln JR 1952, 484; OLG Koblenz NJW 1955, 348 = Rpfleger 1956, 14; OLG Hamm Rpfleger 1956, 14 m Anm Keidel; OLG Celle NdsRpfl 1957, 124; 1958, 57; Baumbach/Albers GVG § 182 Rn 1; Zöller/Gummer GVG § 182 Rn 2 mwN; aA HansOLG Hamburg NJW 1952, 591;

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§8

Erklärungen des Gerichts können das Protokoll nicht ersetzen.87 Unschädlich ist es, wenn die Begründung auf den aus dem Protokoll ersichtlichen Vorgang Bezug nimmt.88 Das Beschwerdegericht entscheidet, wenn auch weitere Beweiserhebungen zur Fest- 53 stellung des Ungebührtatbestandes nicht mehr stattfinden, als Tatsachengericht. Es ist an die tatsächlichen Feststellungen im Protokoll nicht gebunden,89 kann den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht abweichend würdigen und sein eigenes Ermessen ausüben,90 die verhängte Maßnahme aber nicht verschärfen. 7. Straftat in der Sitzung

54

§ 183 GVG bestimmt: Wird eine Straftat in der Sitzung begangen, so hat das Gericht den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen. In geeigneten Fällen ist die vorläufige Festnahme des Täters zu verfügen.

Die Vorschrift begründet die Pflicht zu den in Satz 1 genannten Maßnahmen, wenn 55 eine Straftat in einer Sitzung begangen wird. Handelt es sich, wie häufig bei Erörterungen in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nicht um eine „Sitzung“ (oben Rn 44), so ist das Gericht zwar nicht verpflichtet, aber auch nicht gehindert, nach § 183 GVG zu verfahren. Es muss sich um eine Tat handeln, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Ordnungswidrigkeit reicht nicht aus.91 Vorläufige Festnahme: § 127 StPO; ein Haftbefehl ist nicht zulässig.92

IV. Beratung und Abstimmung Durch die in § 8 enthaltene Verweisung sind die Bestimmungen der §§ 192 bis 197 56 GVG über die Beratung und Abstimmung auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit übernommen worden. Beratung und Abstimmung sind eine nur bei Kollegialgerichten auftretende Besonderheit. Der Einzelrichter erlässt seine Entscheidung, sobald er seine Entschließung gefasst hat, damit wird der innere Vorgang der Entschließung nach außen getragen. Beratung und Abstimmung sind ein innerer Vorgang eines Rechtsprechungskörpers; nach außen wird der Hergang nicht ersichtlich gemacht. Ein Protokoll wird nicht geführt. Bis zum Erlass der Entscheidung kann der Rechtsprechungskörper, auch wenn seine Besetzung inzwischen gewechselt hat, auf Grund erneuter Beratung zu einem anderen Ergebnis gelangen. 1. Mitwirkende Richter

57

Hierüber bestimmt § 192 GVG: (1) Bei Entscheidungen dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken. (2) Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsrichtern anordnen, die der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der Verhinderung eines Richters für ihn einzutreten haben. (3) Diese Vorschriften sind auch auf Schöffen anzuwenden.

87 88 89

HansOLG Bremen Rpfleger 1953, 544; OLG Stuttgart MDR 1955, 364; Schlegelberger Anm 23. BayObLGSt 25, 208. Baumbach/Albers GVG § 182 Rn 1 mwN; Zöller/Gummer GVG § 182 Rn 3 mwN. HansOLG Bremen JR 1951, 693; OLG Koblenz NJW 1955, 348.

90 91 92

OLG Neustadt NJW 1962, 602; Zöller/ Gummer GVG § 181 Rn 5 mwN. Baumbach/Albers GVG § 183 Rn 1; Zöller/ Gummer GVG § 183 Rn 1. OLG Hamm NJW 1949, 191; Baumbach/ Albers GVG § 183 Rn 1; Zöller/Gummer GVG § 182 Rn 1.

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§8

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

58

Bei der Entscheidung dürfen nur Richter in der gesetzlich bestimmten Zahl mitwirken, dh auch bei der Beratung und Abstimmung, also weder mehr noch weniger. Wegen der Besetzung der Kammern und Senate vgl § 75 GVG (Zivilkammern), § 105 GVG (Kammern für Handelssachen), § 122 Abs 1 GVG (Zivilsenate beim OLG), § 130 Abs 1 GVG (Zivilsenate beim BGH) sowie in Landwirtschaftssachen §§ 2 Abs 2, 20 LwVG über die Besetzung der Senate beim OLG und BGH als Beschwerdegericht. Durch § 192 GVG und den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 GG) 59 wird es nicht ausgeschlossen, dass den Kammern und Senaten mehr Richter zugeteilt werden, als bei den Entscheidungen mitzuwirken haben,93 wenn dies zur Gewährleistung einer geordneten Rechtsprechung unvermeidbar ist, worüber das Präsidium befindet.94 Unter dieser Voraussetzung ist es daher unbedenklich wenn eine Kammer oder ein Senat mit einem Vorsitzenden und vier beisitzenden Richtern besetzt ist. Die Grenze des Zulässigen ist erst überschritten, wenn die Zahl der Mitglieder es gestattet, dass in zwei personell verschiedenen Sitzgruppen entschieden wird, oder wenn der Vorsitzende drei Spruchkörper mit je verschiedenen Beisitzern bilden kann.95 Die Bestellung von Ergänzungsrichtern obliegt grundsätzlich dem Präsidium (§ 21e Abs 1 GVG); wenn sie aus dem Rechtsprechungskörper heraus erfolgen kann, geschieht dies durch die interne Geschäftsverteilung (§ 21g GVG).96 Die Zuziehung von Ergänzungsrichtern ordnet der Vorsitzende an, der dann auch den Verhinderungsfall festzustellen hat.97 Die Ergänzungsrichter müssen an der gesamten Verhandlung teilnehmen,98 an Beratungen aber nicht.99 Ein Verstoß gegen § 192 GVG bildet einen absoluten (Rechts)beschwerdegrund nach 60 § 27 FGG, § 78 GBO iVm §§ 547, 576 ZPO und nach § 84 Nr 1 SchiffsRegO. 2. Anwesenheit Dritter

61

Hierüber bestimmt § 193 GVG: (1) Bei der Beratung und Abstimmung dürfen außer den zur Entscheidung berufenen Richtern nur die bei demselben Gericht zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen und die dort beschäftigten wissenschaftlichen Hilfskräfte zugegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit gestattet. (2) Ausländische Berufsrichter, Staatsanwälte und Anwälte, die einem Gericht zur Ableistung eines Studienaufenthaltes zugewiesen worden sind, können bei demselben Gericht bei der Beratung und Abstimmung zugegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit gestattet und sie gemäß den Absätzen 3 und 4 verpflichtet sind. Satz 1 gilt entsprechend für ausländische Juristen, die im Entsendestaat in einem Ausbildungsverhältnis stehen. (3) Die in Absatz 2 genannten Personen sind auf ihren Antrag zur Geheimhaltung besonders zu verpflichten. § 1 Abs 2 und 3 des Verpflichtungsgesetzes vom 2. März 1974 (BGBl S 469, 547 – Artikel 42) gilt entsprechend. Personen, die nach Satz 1 besonders verpflichtet worden sind, stehen für die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Abs 2 S 1 Nr 2, S 2, Abs 4 u 5, § 205), Verwertung fremder Geheimnisse (§§ 204, 205), Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs 1 S 1 Nr 2, S 2, Abs 3 u 4) sowie Verletzung des Steuergeheimnisses (§ 355) den für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten gleich. (4) Die Verpflichtung wird vom Präsidenten oder vom aufsichtsführenden Richter des Gerichts vorgenommen. Er kann diese Befugnis auf den Vorsitzenden des Spruchkörpers oder auf den Richter übertragen, dem die in Absatz 2 genannten Personen zugewiesen sind. Einer 93 94 95

BGHZ 20, 355 = NJW 1956, 1238. BVerfGGE 18, 344 = NJW 1965, 1219 m Anm Arndt und Dinslage. BVerfGE 17, 294; 18, 65; 18, 344.

270

96 97 98 99

Zöller/Gummer GVG § 192 Rn 2. BGH NJW 1966, 2073. BGH NJW 2001, 3062. BGHSt 18, 331.

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§8

erneuten Verpflichtung bedarf es während der Dauer des Studienaufenthaltes nicht. In den Fällen des § 355 des Strafgesetzbuches ist der Richter, der die Verpflichtung vorgenommen hat, neben dem Verletzten antragsberechtigt.

Bei der Beratung und Abstimmung dürfen nur die bei der Entscheidung mitwirken- 62 den Richter teilnehmen, auch nicht die noch nicht eingetretenen Ergänzungsrichter.100 Die Vorschrift bezweckt vor allem die Verhinderung der Einflussnahme Dritter, um so die Freiheit und Unabhängigkeit der richterlichen Urteilsfindung und die Sicherung des Beratungsgeheimnisses zu gewährleisten. Beratung und Abstimmung müssen daher grundsätzlich in einem nicht öffentlich zugänglichen Raum stattfinden.101 Auch der Urkundsbeamte ist ausgeschlossen.102 Eine Ausnahme gilt für Rechtsreferendare und wissenschaftliche Hilfskräfte, die dem Gericht zugewiesen sind; nicht zugelassen sind Rechtsstudenten, Rechtspflegeranwärter und Anwärter des mittleren Justizdienstes.103 Abs 2 ermöglicht die Anwesenheit ausländischer Berufsrichter, Staatsanwälte und Anwälte, die einem Gericht zur Ableistung eines Studienaufenthaltes zugewiesen worden sind, wenn die Anwesenheit in jedem Einzelfall vom Vorsitzenden gestattet worden ist. Die Genannten haben das Beratungsgeheimnis zu wahren und sind deshalb förmlich zu Geheimhaltung zu verpflichten (Abs 3, 4). Die Pflicht zur Wahrung des Beratungs- und Abstimmungsgeheimnisses ergibt sich für Berufsrichter aus § 43 DRiG, für ehrenamtliche Richter aus § 45 Abs 1 DRiG. Ein Verstoß ist kein absoluter (Rechts)beschwerdegrund nach §§ 547, 576 ZPO, son- 63 dern rechtfertigt die Aufhebung nur, wenn die Entscheidung auf der Gesetzesverletzung beruht,104 wenn also die Möglichkeit einer unzulässigen Beeinflussung bei der Entscheidungsfindung durch die Anwesenheit des Dritten sich nicht ausschließen lässt.105 3. Leitung der Beratung

64

Dieses ist in § 194 GVG geregelt: (1) Der Vorsitzende leitet die Beratung, stellt die Fragen und sammelt die Stimmen. (2) Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder über das Ergebnis der Abstimmung entscheidet das Gericht.

Der Vorsitzende hat in Rechtsprechungskörpern mit ungerader Richterzahl dasselbe 65 Stimmrecht wie die Beisitzer. Seine Aufgabe ist es, einen richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung seines Spruchkörpers auszuüben, um auch gegenüber einem Wechsel der Beisitzer die Einheitlichkeit und gleichmäßige Güte der Rechtsprechung des von ihm geleiteten Kollegiums zu gewährleisten, wofür ihm allerdings nur das Mittel der geistigen Überzeugungskraft und sein Erfahrungswissen zu Gebote stehen.106 In der Beratung obliegt dem Vorsitzenden deren Leitung, das Stellen der vom Kollegium zu beantwortenden Fragen und die Feststellung des Abstimmungsergebnisses. Bei Meinungsverschiedenheiten über den Hergang bei der Beratung und das Abstimmungsergebnis entscheidet das Gericht. Beratung und Abstimmung geschehen regelmäßig mündlich; in Ausnahmefällen steht 66 auch einer Beratung und Abstimmung im Umlaufverfahren nichts entgegen, wenn alle 100 101 102

103

BGH NJW 1963, 1463. Zöller/Gummer GVG § 193 Rn 1. RG JW 1930, 2794; SchlHOLG SchlHA 1957, 164; OLG Neustadt MDR 1963, 1028. Baumbach/Albers GVG § 193 Rn 2 mwN; Zöller/Gummer GVG § 193 Rn 4 mwN.

104 105

106

RG JW 1930, 2794; HansOLG Hamburg NJW 1955, 1938; BAG NJW 1957, 1581. Baumbach/Albers GVG § 193 Rn 3 mwN auch für die aA; Zöller/Gummer GVG § 193 Rn 8. BGHZ 9, 291; 10, 130; 15, 1356; 16, 254; 20, 358; 37, 213.

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271

§8

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Richter einverstanden sind.107 Nicht zulässig ist jedoch eine mündliche oder fernmündliche Einholung der Stimmen außerhalb der Sitzung.108 4. Mitwirkungspflicht

67

Geregelt in § 195 GVG: Kein Richter oder Schöffe darf die Abstimmung über eine Frage verweigern, weil er bei der Abstimmung über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist.

68

Jedes Mitglied des Kollegialgerichts (Berufs- wie Laienrichter) bleibt zur Mitwirkung an der zu treffenden Entscheidung verpflichtet, auch wenn es in einer vorausgegangenen Frage überstimmt worden ist. Diese Pflicht gehört zu den Grundgedanken des Kollegialgerichts. Sie umfasst die Pflicht, überhaupt eine Meinung zu äußern. Stimmenthaltung gibt es nicht. Wenn ein Richter mit seiner Meinung, dass ein Antrag unzulässig sei, überstimmt worden ist, muss er sich danach auf den Standpunkt der Mehrheit stellen und prüfen, ob der Antrag, seine Zulässigkeit unterstellt, sachlich begründet ist oder nicht; ebenso hat der überstimmte Richter die Entscheidung mit zu unterschreiben.109 5. Stimmenzählung

69

Hierüber bestimmt § 196 GVG: (1) Das Gericht entscheidet, soweit das Gesetz nicht ein anderes bestimmt, mit der absoluten Mehrheit der Stimmen. (2) Bilden sich in Beziehung auf Summen, über die zu entscheiden ist, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die für die größte Summe abgegebenen Stimmen den für die zunächst geringere abgegebenen so lange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergibt. (3) Bilden sich in einer Strafsache, von der Schuldfrage abgesehen, mehr als zwei Meinungen, deren keine die erforderliche Mehrheit für sich hat, so werden die dem Beschuldigten nachteiligsten Stimmen den zunächst minder nachteiligen so lange hinzugerechnet, bis sich die erforderliche Mehrheit ergibt. Bilden sich in der Straffrage zwei Meinungen, ohne dass eine die erforderliche Mehrheit für sich hat, so gilt die mildere Meinung. (4) (bezieht sich auf Strafsachen)

70

Grundsätzlich entscheidet die einfache Mehrheit. Deshalb sind die Kollegialgerichte in der Regel mit einer ungeraden Zahl von Richtern besetzt. Die Entscheidung über Summen (Abs 2) kann in Betracht kommen bei der Auferlegung von Ausgleichszahlungen nach § 8 Abs 3 HausratsVO oder bei der Entscheidung über Stundung von Ausgleichszahlungen nach § 1383 BGB; überhaupt in echten Streitsachen. Die Vorschrift des Abs 3 ist entsprechend anzuwenden bei der Beschlussfassung über 71 Ordnungsmaßnahmen in Geld oder Haft sowie über die Dauer der Unterbringung nach dem FEVG.110 6. Reihenfolge der Abstimmung

72

Hierüber bestimmt § 197 GVG: Die Richter stimmen nach dem Dienstalter, bei gleichem Dienstalter nach dem Lebensalter, ehrenamtliche Richter und Schöffen nach dem Lebensalter; der jüngere stimmt vor dem älteren. Die Schöffen stimmen vor den Richtern. Wenn ein Berichterstatter ernannt ist, so stimmt er zuerst. Zuletzt stimmt der Vorsitzende. 107 108

BVerfG NJW 1992, 257. Baumbach/Albers GVG § 194 Rn 1.

272

109 110

BGH NJW 1975, 1177. AA Schlegelberger Anm 27.

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Gerichtssprache, Beratung, Sitzungspolizei

§8

Die Vorschrift regelt die Reihenfolge bei der Abstimmung. Die aufsteigende Stimm- 73 folge soll die Unabhängigkeit des Votums sichern; das Recht des Berichtserstatters zuerst zu stimmen, beruht auf der Erwägung, dass sich dieser am intensivsten mit der Sache befasst hat.111 Eine bestimmte Reihenfolge der Äußerung bei der Beratung legt das Gesetz nicht fest. Ihre Festlegung ist auch nicht zu empfehlen, weil sich daraus eine vorzeitige Versteifung der Standpunkte ergeben könnte. Vielmehr ist die Entscheidung in wechselseitigem Gespräch gemeinsam zu erarbeiten. Eine Verletzung der Vorschrift ist ohne Folgen.

V. Öffentlichkeit 1. Grundsatz Öffentlichkeit bedeutet die Möglichkeit freien Zutritts Unbeteiligter zu dem Raum, in 74 dem mündliche Verhandlungen des Gerichts stattfinden. Über die Frage, ob in der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Verhandlungen öffentlich oder nichtöffentlich zu führen sind, enthält das Gesetz keine Vorschriften; insbesondere wird in § 8 nicht auf die Bestimmungen der §§ 169 bis 175 GVG verwiesen. In der Reichstagskommission war ein Antrag eingebracht worden, nach welchem ausgesprochen werden sollte, dass die Verhandlungen nicht öffentlich geführt werden müssten. Der Antrag wurde aber abgelehnt, weil für gerichtliche Verhandlungen als Regel Nichtöffentlichkeit angenommen werden müsse, mithin eine besondere Vorschrift nicht erforderlich sei, wenn hiervor abgewichen werden solle.112 Aus dem Schweigen des Gesetzes ergibt sich mithin, dass mündliche Verhandlungen des Gerichts mit den Beteiligten, sofern es zu solchen kommt, etwa nach §§ 91, 134, 155 FGG, nicht öffentlich sind,113 und zwar auch in echten Streitsachen, wenn das Gesetz die mündliche Verhandlung mit streitenden Beteiligten dem Gericht zur Pflicht macht, wie in § 53a FGG, § 15 LwVG, oder das Gericht durch eine Sollvorschrift dazu anhält, wie in § 13 Abs 2 HausratsVO, § 44 Abs 1 WEG. Dem Gericht ist es jedoch nicht verwehrt, einzelnen Personen den Zutritt zu gestatten (vgl § 175 Abs 2 GVG), und in Ermangelung einer gesetzlichen Anordnung der Nichtöffentlichkeit ist die Anwesenheit Unbeteiligter keine Gesetzesverletzung iSv § 27 FGG iVm § 547 Nr 5 ZPO.114 2. Öffentlichkeit nach Maßgabe des Art 6 EMRK Nach Art 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte115 hat 75 jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gehört wird, das über bürgerliche Ansprüche und Verpflichtungen116 zu entscheiden hat; das Urteil muss öffentlich verkündet werden. Die Vorschriften der Konvention als solche sind nicht allgemeine Regeln des Völkerrechts iSd Art 25 GG, sondern stehen als innerstaatlich für vollziehbar erklärtes Völkervertragsrecht dem Bundesrecht im Range eines ein-

111 112 113 114 115

Baumbach/Albers GVG § 197 Rn 1. KommBer S 8, 9. Zöller/Gummer GVG § 169 Rn 1. BayObLGZ 1974, 258. Vom 4.11.1950 (BGBl II 1952 S 685; 953; 1954 S 14) – in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 3.9.1953.

116

Über diesen Begriff vgl Partsch Die Rechte und Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention, 1966 S 142 sowie Guradze Die Europäische Menschenrechtskonvention, Art 6 Anm 5.

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§8

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

fachen Bundesgesetzes gleich.117 Als lex posterior hat die Konvention die Wirkung, dass vor ihrem Inkrafttreten erlassenes Recht gleichen oder niederen Ranges entweder nicht mehr oder nur unter Berücksichtigung der über das bisherige Recht hinausgehenden Anforderungen der Konvention angewendet werden darf.118 In der freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt ein Einfluss des Art 6 EMRK auf den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Verfahrens zunächst insoweit nicht in Betracht, als in dem Verfahren nicht abschließend über bürgerliche Rechte und Verpflichtungen entschieden wird, zB im Erbscheinsverfahren119 und im sonstigen rechtsfürsorgerischen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie in Vormundschaftssachen.120 Ferner wird das Gebot der Öffentlichkeit des Verfahrens in Art 6 EMRK eingeschränkt, „wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen“. Danach kommt eine öffentliche Verhandlung in allen familienrechtlichen Angelegenheiten nicht in Betracht, in denen im Gegenteil die Nichtöffentlichkeit ein Gebot des Schutzes der Menschenwürde, der Intimsphäre und des Persönlichkeitsrechts ist.121 Für die Nachprüfung staatlicher Hoheitsakte sieht Art 13 EMRK nur vor, dass eine wirksame Beschwerde an eine staatliche Instanz gegeben sein müsse, die aber nicht notwendig ein Gericht sein muss, ohne dass die Öffentlichkeit des Verfahrens vor dieser Instanz gefordert wird.122 Das Unterbringungsverfahren fällt nicht unter die Garantie des Art 6 EMRK.123 Soweit im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit materiell Rechtsprechung über bürgerliche Rechte ausgeübt wird, ist zu achten, dass ein Einverständnis der Parteien mit schriftlichem Verfahren weiterhin mit Art 6 EMRK vereinbar ist;124 sofern daher die Beteiligten in Kenntnis des Umstands, dass das Gericht grundsätzlich im schriftlichen Verfahren entscheidet, keine mündliche Verhandlung verlangen oder darauf verzichten, kommt eine Verletzung des Art 6 EMRK nicht in Betracht. Findet jedoch in einem Verfahren, in welchem über bürgerliche Rechts materiell rechtskräftig entschieden wird, eine mündliche Verhandlung statt, so sind, da die Vorschriften über die Öffentlichkeit unverzichtbar sind,125 die Vorschriften des Art 6 EMRK zu beachten, so zB im streitigen WEG-Verfahren126 oder Landwirtschaftsverfahren einschließlich Verfahren nach dem LandwirtschaftsanpassungsG.127 Zur Nichtöffentlichkeit in Familiensachen s § 64 Rn 134. 76

VI. Nichtgerichtliche Behörden 77

Sind in bundesrechtlichen Angelegenheiten nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig, so gelten nach § 194 Abs 1 FGG die Vorschriften der §§ 8, 9 über die Gerichtsprache auch für das Verfahren vor diesen Behörden. Dagegen sind nach § 194 Abs 3 FGG die Vorschriften des § 8 über die Sitzungspolizei und die Beratung und Abstimmung auf diese Behörden nicht anzuwenden; für diese Einrichtungen ist das Landesrecht maßgebend (vgl § 194 Rn 13). 117

118 119 120

121

BVerfGE 6; 389; BayVerfGH NJW 1961, 1619; KG NJW 1961, 2209 = FamRZ 1961, 480. BayObLGZ 1960, 391. BayObLGZ 1964, 433. OLG Hamm FamRZ 1996, 1356 = Rpfleger 1996, 451; OLG Frankfurt FamRZ 1998, 1042. BayVerfGHE 12, II 64.

274

122 123 124 125 126 127

BayObLGZ 1960, 390; OVG Münster NJW 1956, 1375. BayObLGZ 1960, 390; 1974, 258. BGHZ 25, 60. RGZ 157, 347. BayObLG NJW-RR 1989, 1293; KG NJWRR 1990, 456. BGHZ 124, 204; BayObLG MDR 1988, 411; OLG Hamm MDR 1988, 588.

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Gerichtssprache, Beratung, Sitzungspolizei

§8

VII. Landesrechtliche Angelegenheiten In landesrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten in den 78 ehemals preußischen Gebieten Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für die Gerichtssprache gem Art 1 S 2 PrFGG die Vorschriften der §§ 8, 9 FGG; für BadenWürttemberg gelten die §§ 8, 9 FGG gem § 5 BWFGG; in Bayern gem Art 34 BayAGGVG; in Bremen gem § 1 BremAGFGG; in Hessen gem Art 1 HessFGG; in Niedersachsen gem Art 7 NdsFGG; in Rheinland-Pfalz gem § 8 RhPfFGG und im Saarland gem § 52 SaarlAGJusG.

VIII. Reformvorhaben Nach Art 18 RefE FGG-Reformgesetz128 sind auch Änderungen des GVG vorgesehen. 79 In § 12 GVG soll das Wort „streitige“ gestrichen werden, womit die unmittelbare Anwendbarkeit des GVG an die Stelle zahlreicher Verweisungen des FGG auf einzelne Teile des GVG treten soll.129 Außerdem soll in § 13 GVG der erste Halbsatz wie folgt gefasst werden: „Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen,“ womit Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Zivilsachen ausgewiesen werden sollen. § 170 GVG soll wie folgt gefasst werden: „Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen sowie in Betreuungssachen, Unterbringungssachen und betreuungsgerichtlichen Zuweisungssachen sind nicht öffentlich. Das Gericht kann die Öffentlichkeit zulassen, jedoch nicht gegen den Willen eines Beteiligten. In Betreuungs- und Unterbringungssachen ist auf Verlangen des Betroffenen einer Person seines Vertrauens die Anwesenheit zu gestatten.“ Die Neuregelung130 der Sätze 1 und 2 soll damit an die bestehende Rechtslage anknüpfen und auch europarechtlichen Erfordernissen Rechnung (so Rn 74, 75) tragen. In Familienstreitsachen soll durch die Regelung des Satzes 1 die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung behutsam erweitert werden, indem zunächst der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gelten soll; demgegenüber soll jedoch nach Satz 2 die Möglichkeit, die Öffentlichkeit zuzulassen, in allen anderen Familiensachen sowie in Betreuungs- und Unterbringungssachen, eröffnet werden, soweit dies nicht dem Willen eines Beteiligten widerspricht. Hierdurch soll einerseits zum Ausdruck kommen, dass die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung und eines Termins Ausdruck des Rechtstaatsprinzips ist, anderseits soll die Neuregelung auch der Tatsache Rechnung tragen, dass dieser Verfassungsgrundsatz aus zwingenden Gründen zB wo der Schutz der Privatsphäre die Nichtöffentlichkeit gebietet, ganz oder teilweise ausgeschlossen werden kann. Das Gericht soll daher künftig im Einzelfall darüber entscheiden, ob das Interesse der Beteiligten am Schutz ihrer Privatsphäre oder der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung in dem konkreten Verfahren überwiegt. Eine Einschränkung soll das Ermessen des Gerichts erfahren, soweit ein Beteiligter der Hinzuziehung der Öffentlichkeit widerspricht, womit festgelegt wird, dass der Schutz der Privatsphäre in diesen Fällen stets

128

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 i d ergänzten Fassung v 14.2.2006.

129 130

RefE FGG-Refomgesetz Begr S 667. Siehe hierzu RefE FGG-Refomgesetz Begr S 672.

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§9

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

überwiegen soll. Auf der Grundlage des geltenden Rechts wird der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch durchbrochen, soweit Art 6 Abs 1 der EMRK die Öffentlichkeit erfordert (so Rn 75). Gleichwohl ist es grundsätzlich möglich, die Öffentlichkeit auszuschließen, soweit das Verfahren sich unter einen der in Art 6 Abs 1 Satz 2 aufgezählten Gründe subsumieren lässt; dem Gericht ist jedoch die Möglichkeit zu eröffnen, die Öffentlichkeit nach den Umständen des Einzelfalls zuzulassen. Diese Grundsätze soll die Neuregelung der Vorschriften zur Öffentlichkeit in FamFG-Verfahren umsetzen. Satz 3 entspricht inhaltlich dem bisherigen § 68 Abs 4 Satz 2 und § 70c Satz 5 iVm § 68 FGG. § 185 GVG soll um nachfolgenden Abs 3 erweitert werden: „In Familiensachen und 80 in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedarf es der Zuziehung eines Dolmetschers nicht, wenn der Richter der Sprache, in der sich die beteiligten Personen erklären, mächtig ist.“ Die Neuregelung wird dem bisherigen § 9 Satz 1 FGG entsprechen (so Rn 8, 9). Dem § 189 GVG soll folgender Abs 3 angefügt werden: „In Familiensachen und in 81 Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beeidigung des Dolmetschers nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten.“ Damit soll die charakteristische Verfahrenssituation (Amtsermittlung, nichtstreitige Verfahren) in einigen Familiensachen und in den meisten Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit berücksichtigt werden und – wie nach bisherigem Recht gem § 9 Satz 1 FGG – ein Spielraum bei der Frage erhalten bleiben, ob ein Dolmetscher zu vereidigen ist oder nicht (so Rn 19, 20).

§9 Dolmetscher Der Zuziehung eines Dolmetschers bedarf es nicht, wenn der Richter der Sprache, in der sich die beteiligten Personen erklären, mächtig ist; die Beeidigung des Dolmetschers ist nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten. Auf den Dolmetscher finden die Vorschriften des § 6 entsprechende Anwendung. Übersicht Rdn I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschließung und Ablehnung des Dolmetschers . . . . . . . . . . . . . . .

1 3

Rdn 1. Ausschließungs- und Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . .

3 4

I. Bedeutung 1

Die in § 8 FGG grundsätzlich vorgeschriebene entsprechende Anwendung der §§ 184 bis 191a GVG über die Gerichtssprache soll nach § 9, soweit dabei ein Dolmetscher in Betracht kommt, in drei Punkten Modifikationen erfahren, und zwar in Bezug auf die Zuziehung, die Beeidigung und auf die Ausschließung und Ablehnung des Dolmetschers. Die ersten genannten beiden Abweichungen sind bereits in Zusammenhang mit den Vorschriften des GVG über die Gerichtssprache erläutert (s § 8 Rn 8, 9 und Rn 19, 20). Bei Beurkundungen von Rechtsgeschäften gelten §§ 1, 5 Abs 2, 16, 27 BeurkG. 2

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Dolmetscher

§9

II. Ausschließung- und Ablehnung des Dolmetschers 1. Ausschließungs- und Ablehnungsgründe Die Ausschließung und Ablehnung des Dolmetschers richtet sich nicht nach den für 3 Sachverständige geltenden Vorschriften (§ 191 GVG), sondern gem § 9 S 2 sind die für die Richter geltenden Vorschriften des § 6 entsprechend anzuwenden. Die Ausschließungsgründe sind also dem § 6 Abs 1 zu entnehmen, danach ist der Dolmetscher kraft Gesetzes ausgeschlossen.1 Der Dolmetscher kann sich auch selbst wegen Befangenheit der Ausübung seiner Tätigkeit enthalten (§ 6 Abs 2 S 1), womit er ohne weiteres Verfahren ausscheidet. Nach der Nichtigerklärung des § 6 Abs 2 S 2, wonach die Richterablehnung ausgeschlossen sein sollte,2 muss es aber auch für zulässig erachtet werden, dass der Dolmetscher von den Beteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird.3 2. Verfahren Wird ein Ausschließungs- oder Ablehnungsgrund geltend gemacht, den der Dolmet- 4 scher und der Richter als berechtigt anerkennen, so scheidet der Dolmetscher damit aus; das Gericht zieht einen anderen Dolmetscher herbei. Anderenfalls entscheidet das Gericht, das den Dolmetscher zugezogen hat; der Beschluss ist abweichend von § 406 Abs 5 ZPO endgültig, auch wenn die Ablehnung für unbegründet erklärt wird (vgl § 191 S 2 GVG). Der Dolmetscher ist nicht beschwerdebefugt.4 Ein abgelehnter Dolmetscher darf nicht weiter tätig werden, das Gericht hat seine vor Ablehnung vorgenommene Übersetzung außer Acht zu lassen.5 Die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder mit Erfolg abgelehnten 5 Dolmetschers ist ein Verfahrensfehler, der mit einer in der Hauptsache statthaften Beschwerde gerügt werden kann; das gilt aber nicht, wenn das Gericht die Ablehnung oder Ausschließung für unbegründet erklärt hat (Rn 3). Die Wirksamkeit der gerichtlichen Handlung wird durch einer Verletzung der §§ 9 S 2; 6 FGG nicht berührt, es bestand auch kein Anlass, diese Rechtsfolge durch eine Verweisung auf § 7 besonders zum Ausdruck zu bringen.6

§ 10 Gerichtsferien Aufgehoben durch den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Artikel 3 des Gesetzes zur Abschaffung der Gerichtsferien vom 28. Oktober 1996 (BGBI S 1546). Im Zuge der Aufhebung der §§ 199 bis 202 GVG über die Gerichtsferien wurde § 227 Abs 3 ZPO neu eingefügt, wonach nun ein in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen ist (§ 227 Abs 3 S 1 ZPO). Die Vorschrift ist auch im FGG-Verfahren anwend-

1 2

So auch Keidel/Zimmermann § 9 Rn 15a; aA Baumbach/Albers GVG § 191 Rn 1. BVerfG v 8.2.1967 – BVerfGE 21, 139 (BGBl S 502).

3 4 5 6

Keidel/Zimmermann § 9 Rn 15a. Zöller/Gummer GVG § 191 Rn 2. BVerfG NJW 1985, 757. Schlegelberger Anm 13.

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§ 11

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

bar,1 allerdings nicht in Familiensachen (§ 227 Abs 3 S 2 Nr 3 ZPO). Der formlose, jedoch fristgebundene Antrag auf Terminsverlegung bedarf keiner Begründung. Anhörung des Gegners oder weiterer Beteiligter ist nicht vorgeschrieben, aber wenn zeitlich möglich, im Hinblick auf ein faires Verfahren wohl geboten. Über die Terminsverlegung entscheidet der Vorsitzende, der Einzelrichter oder der Rechtspfleger je nach Zuständigkeit für das einzelne Verfahren. Die Entscheidung ist als verfahrensleitende Verfügung unanfechtbar (§ 227 Abs 4 S 3 ZPO).

§ 11 Anträge und Erklärungen Anträge und Erklärungen können zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts oder der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts erfolgen. Literatur Müller-Engelmann Die Aufnahme von Erklärungen durch den Rechtspfleger, RechtspflegerJahrbuch 1988, 342 ff; Rpfleger 1987, 493; Lappe „Parteiverrat“ durch Rechtspfleger? Rechtsantragsstelle und Beratungshilfe bei entgegengesetzten Interessen, Rpfleger 1995, 94; Viefhues Das Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz, NJW 2005, 1016.

Übersicht Rdn I. Bedeutung . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . 1. Anträge und Erklärungen . 2. Zuständige Geschäftsstelle . 3. Beschränkungen . . . . . . a) Beschwerde . . . . . . . b) Weitere Beschwerde . . . 4. Zuständigkeit der Gerichte . 5. Funktionelle Zuständigkeit . a) Zuständigkeit des UdG . b) Zuständigkeit des Rechtspflegers . . . . . . . . . c) Zuständigkeitsverstöße . III. Protokoll . . . . . . . . . . . 1. Form . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

1 2 2 4 5 6 8 10 11 12

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

13 15 16 16

Rdn

IV.

V. VI. VII.

2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . 3. Amtspflicht des Rechtspflegers bzw des Urkundsbeamten . . . . Andere Erklärungsformen . . . . . . 1. Mündliche Erklärungen . . . . . 2. Schriftliche Erklärungen . . . . . a) Schriftform . . . . . . . . . . b) Elektronische Form . . . . . . c) Textform . . . . . . . . . . . 3. Schriftliche Verfahrenshandlungen a) Wahrung der Schriftform . . . b) Telekommunikationsmittel . . Nichtgerichtliche Behörden . . . . . Landesrecht . . . . . . . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . .

. .

18

. . . . . . . . . . . . .

20 22 22 23 25 26 27 28 29 30 31 32 33

. . . . . . . . . . . . .

I. Bedeutung 1

Die Vorschrift hat nicht den Zweck, eine allgemeine Zuständigkeitsnorm etwa in dem Sinne zu geben, als sollten die Geschäftsstellen alle Anträge und Erklärungen ohne Unterschied mit voller Wirksamkeit aufnehmen können, so dass die hier vorgesehene protokollarische Aufnahme von Erklärungen jede andere Form zu ersetzen imstande wäre. Zur Erleichterung des Verkehrs der Beteiligten mit dem Gericht wird den in § 11 bezeichneten Gerichten die Verpflichtung auferlegt, Anträge und Erklärungen, welche

1

OLG Hamm Rpfleger 1995, 161.

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Anträge und Erklärungen

§ 11

eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit betreffen und die in Ermangelung des § 11 von den Beteiligten schriftlich eingereicht werden müssten, zu Protokoll zu nehmen; den Beteiligten wird die Befugnis eingeräumt, zu diesem Zweck die Vermittlung und Unterstützung der Geschäftsstelle in Anspruch zu nehmen. Dabei ist daran gedacht, dass die zuständige Amtsperson die Rolle eines Beistands der weniger rechtskundigen und schreibgewandten Personen übernehmen und demgemäß dafür sorgen soll, dass ihre Anträge und Erklärungen nach Form und Inhalt sachgemäß angebracht werden.1 Auch die Vorschrift des § 11 steht unter dem allgemeinen Vorbehalt des § 1 „soweit nicht ein anderes bestimmt ist“. Im Familiensachen wird § 11 durch die §§ 129a, 130a, 496 ZPO ersetzt, danach können Anträge und Erklärungen mit Ausnahme der Fälle des Anwaltszwangs nach § 78 Abs 2 ZPO (s hierzu § 64 Rn 113, 240) ebenfalls schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden.

II. Anwendungsbereich 1. Anträge und Erklärungen Anträge und Erklärungen, auf die sich § 11 bezieht, sind solche, die ein Verfahren 2 betreffen, mit dem ein Gericht befasst oder erst infolge des Antrags oder der Erklärung befasst werden soll. Anträge sind verfahrensrechtliche Erklärungen (Parteihandlungen), die auf die Erwirkung einer bestimmten gerichtlichen Tätigkeit gerichtet sind (Erwirkungshandlungen); sie können sowohl auf die Einleitung eines Verfahrens abzielen, für welches die Stellung eines Antrags notwendige Voraussetzung für das Tätigwerden des Gerichts ist, als auch auf die Einleitung eines von Amts wegen zu betreibenden Verfahrens; im letztgenannten Fall hat der Antrag die Bedeutung einer Erwirkungshandlung mit der Folge, dass er beschieden werden muss und der Antragsteller die Stellung eines Beteiligten erlangt, wenn dem Antragsteller im Fall der Ablehnung ein Beschwerderecht, zB nach § 57 FGG zustände. Andernfalls hat der „Antrag“ nur die Bedeutung einer Anregung zu einem Einschreiten von Amts wegen, zB wenn jemand von Verhältnissen Anzeige macht, die ein Einschreiten des VormG oder des FamG rechtfertigen könnten. Solche Anzeigen fallen unter den weiteren Begriff der Erklärungen. Anträge im Sinne von Erwirkungshandlungen können auch innerhalb eines bereits anhängigen auf Antrag oder von Amts wegen zu betreibenden Verfahrens gestellt werden. Erklärungen sind für das Gericht bestimmte Äußerungen. Sie können tatsächlicher, verfahrensrechtlicher oder rechtsgeschäftlicher Art sein. Tatsächlicher Art sind zB Anzeigen nach §§ 1799 Abs 1, 1894, 1909 Abs 2, 2146 Abs 1, 2384 Abs 1 BGB. Als verfahrensrechtliche Erklärungen kommen Behauptungen und Beweisführungen in Betracht, die der Rechtfertigung oder Verteidigung in einem auf Antrag oder von Amts wegen betriebenen Verfahren dienen, ferner Bewirkungshandlungen wie die Zurücknahme eines Antrags oder einer Beschwerde. Anträge und Erklärungen können in der Form des § 11 abgegeben werden, wenn das 3 Gesetz zwar eine Erklärung gegenüber dem Gericht erfordert, dafür aber kein besonderes Formerfordernis aufstellt, wenn die Erklärung also auch in einfacher Schriftform hätte eingereicht werden können (zB §§ 2004, 2081 Abs 2, 2202 Abs 2, 2226 BGB), nicht aber, wenn eine dem Gericht gegenüber abzugebende Erklärung der notariellen Beurkundung bedarf (zB §§ 2282 Abs 3 iVm 2281 Abs 2 BGB) oder öffentlich beglaubigt sein muss, zB in den Fällen der §§ 1484 Abs 2, 1491 Abs 1, 1492 Abs 1, 1945, 1955, 1956,

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KommBer S 12.

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§ 11

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2198 Abs 1, 2199 Abs 3 BGB oder auch bei Registeranmeldungen gem § 12 HGB, § 157 GenG. § 11 ist auch nicht einschlägig, wenn das Gesetz verlangt, dass Anträge oder Erklärungen zu „gerichtlichem Protokoll“ zu erteilen sind (zB § 91 Abs 2 FGG), hierunter ist nicht das Protokoll der Geschäftsstelle zu verstehen, sondern das des Richters (Rechtspflegers). 2. Zuständige Geschäftsstelle

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Zuständige Geschäftsstelle ist die Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts, auch wenn es sonst mit der Angelegenheit nicht befasst ist und dafür auch nicht zuständig werden kann, ferner die Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts. Der Geschäftsstelle eines Landgerichts oder Oberlandesgerichts obliegt daher die Verpflichtung aus § 11 nur, wenn dieses Gericht für die Angelegenheit, auf welche sich die Erklärung bezieht, als Gericht des ersten Rechtszugs oder als Beschwerdegericht zuständig ist, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Sache bei diesem Gericht bereits anhängig ist oder durch die Erklärung, zB die Stellung eines Antrags oder die Einlegung einer Beschwerde, anhängig gemacht wird oder erst anhängig gemacht werden soll, zB wenn um Prozesskostenhilfe für ein Verfahren vor diesem Gericht nachgesucht wird. 3. Beschränkungen

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Die Zuständigkeit nach § 11 unterliegt aber auf Grund des Vorbehalts in § 1 nachstehenden Beschränkungen: a) Beschwerde

6

Die Beschwerde kann nach § 21 Abs 2 FGG auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts, dessen Verfügung angefochten wird, oder der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts eingelegt werden (vgl § 21 Rn 19 ff), in diesem Fall ist sie mit Abschluss des Protokolls wirksam eingelegt. Das schließt nicht aus, dass die Beschwerdeerklärung nach § 11 auch zu Protokoll eines jeden beliebigen Amtsgerichts abgegeben werden kann. In diesem Fall hat das Protokoll aber nur die Bedeutung einer Beschwerdeschrift, wenn es deren Anforderungen entspricht; eingelegt ist die Beschwerde erst mit dem Zeitpunkt, in welchem das Protokoll bei einem der nach § 21 Abs 1 zuständigen Gerichte eingeht,2 was insbesondere für die etwa zu wahrende Beschwerdefrist von Bedeutung ist. In Betreuungssachen kann der untergebrachte Betroffene die Beschwerde auch bei 7 dem Amtsgericht einlegen, in dessen Bezirk er untergebracht ist (§ 69g Abs 1, 3); gleiches gilt auch gem § 70m Abs 3 bei Unterbringungsmaßnahmen nach § 70 Abs 1 S 2 FGG (s die Anm zu §§ 69g und 70m). b) Weitere Beschwerde

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Die weitere Beschwerde kann nach §§ 29, 21 Abs 2, wenn sie nicht durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift eingelegt wird, nur durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz, des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts eingelegt werden (über abweichende Regelungen vgl § 29 Rn 3 ff).3 Hier kommt die Umdeutung der zu Protokoll eines anderen Gerichts 2 3

Schlegelberger Anm 9. BGH NJW 1965, 1182; BayObLG Rpfleger

280

1992, 286 mwN = WuM 1992, 280; KG FamRZ 1988, 877.

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Anträge und Erklärungen

§ 11

abgegebenen Beschwerdeerklärung in eine Beschwerdeschrift nicht in Betracht, weil die Beschwerdeschrift nicht der besonderen Form des § 29 Abs 1 S 2 genügt. In Betreuungs- und Unterbringungssachen gilt auch im Falle der weiteren Beschwerde 9 wegen § 29 Abs 4 FGG das unter Rn 7 Gesagte, im Übrigen s Anm zu § 29. 4. Zuständigkeit der Gerichte Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch die in § 11 begründete Zustän- 10 digkeit der Geschäftsstellen nicht berührt. Wenn daher eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Gericht abzugeben ist, so ist diese Erklärung, wenn sie gemäß § 11 zu Protokoll der Geschäftsstelle eines anderen als des für die Angelegenheit zuständigen Gerichts abgegeben wird, erst dann wirksam abgegeben, wenn das Protokoll dem zuständigen Gericht zugegangen ist (§ 130 Abs 3 BGB); das ist besonders wichtig, wenn für die Abgabe einer Erklärung eine Frist zu wahren ist.4 Die zu Protokoll der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts als des NachlG abgegebene Erklärung über die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung (§ 2081 BGB) wahrt daher die Frist des § 2082 BGB nur, wenn sie innerhalb dieser Frist bei dem NachlG eingeht.5 Entsprechendes gilt für fristgebundene verfahrensrechtliche Erklärungen, zB für die Wahrung einer Antragsfrist (Vorbem vor § 8 Rn 10). Ist nach § 11 ein Antrag oder eine Erklärung bei einem nicht zuständigen Amtsgericht zu Protokoll gegeben worden, ist das Protokoll unverzüglich an das zuständige Gericht weiterzuleiten; in Art 7 HessFGG ist diese Verpflichtung ausdrücklich festgestellt. Abweichend hiervon kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Anfechtung von Justizverwaltungsakten fristwahrend auch bei der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts gestellt werden (§ 26 EGGVG).6 5. Funktionelle Zuständigkeit Nach § 11 können Anträge und Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle abgege- 11 ben werden; hierbei handelt es sich um Erklärungen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, angefangen beispielsweise vom nicht zu begründenden, formlosen Antrag auf Terminsverlegung (entspr § 227 Abs 3 S 1 ZPO) bis hin zur Aufnahme von Erklärungen über die Einlegung und Begründung von weiteren Beschwerden. a) Zuständigkeit des Urkundsbeamten Historisch betrachtet waren diese Tätigkeiten Aufgaben des Gerichtsschreibers, also 12 des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (UdG).7 Bei jedem Gericht ist eine Geschäftsstelle eingerichtet, die mit der erforderlichen Anzahl von Urkundsbeamten besetzt wird (§ 153 Abs 1 GVG). Die Aufgaben eines UdG werden heute ganz überwiegend von Beamten des mittleren Justizdienstes wahrgenommen (§ 153 Abs 2 GVG); hierdurch soll das Nebeneinander von UdG des mittleren und gehobenen Dienstes soweit wie möglich beseitigt werden.8 Nach § 153 Abs 5 GVG können das Bundes- und das Landesrecht vorsehen, dass mit Aufgaben eines UdG auch betraut werden kann, wer auf dem übertragenen Sachgebiet einen dem mittleren Dienst entsprechenden Wissens- und Leistungs-

4 5

6

Josef Anm 3; Schlegelberger Anm 10. BayObLGZ 1989, 327 = FamRZ 1989, 1346; BayObLG FamRZ 1992, 226; im Übrigen s Anm zu § 72. Zöller/Gummer EGGVG § 26 Rn 1.

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8

Arnold/Meyer-Stolte/Hansens § 24 Rn 1; zur Entwicklung des Gerichtsschreiberamtes s bei Dallmayer/Eickmann Einl Rn 1 ff. Bassenge/Herbst/Roth RPflG § 24 Rn 1; Zöller/Gummer GVG § 153 Rn 1.

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§ 11

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

stand nachweist. Diese Regelung hat insbesondere praktische Bedeutung für Justizangestellte, denen einzelne Bereiche der UdG-Tätigkeiten übertragen werden. b) Zuständigkeit des Rechtspflegers

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Die Aufnahme von Anträgen und Erklärungen ist jedoch nicht ausnahmslos dem UdG des mittleren Dienstes vorbehalten, sondern einige typische und stets besonders schwierige Geschäfte sind gem § 24 RPflG dem Rechtspfleger zugewiesen. Dieser wird jedoch nicht „als Rechtspfleger der Geschäftsstelle“9 tätig, sondern es handelt sich eindeutig um Rechtspflegergeschäfte10 und nicht um Geschäfte der Geschäftsstelle und schon gar nicht um Geschäfte des UdG; insoweit überlagert § 24 RPflG die verfahrensrechtlichen Vorschriften wie zB § 11 FGG. Die formgerechte Mitwirkung des Rechtspflegers ist in diesen Fällen Wirksamkeitsvoraussetzung; der Rechtspfleger hat insoweit auch die Verantwortung zu übernehmen.11 Nach § 24 RPflG sind ua folgende Geschäfte der Geschäftsstelle dem Rechtspfleger 14 übertragen: die Aufnahme von Erklärungen über die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde und der weiteren Beschwerde (Abs 1 Nr 1a); ferner die Aufnahme sonstiger Rechtsbehelfe, soweit sie gleichzeitig begründet werden (Abs 2 Nr 1), die Aufnahme von Klagen und Klageerwiderungen (Abs 2 Nr 2) und von anderen Anträgen und Erklärungen, die zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden können, soweit sie nach Schwierigkeit und Bedeutung den in den Abs 2 Nr 1 und 2 genannten Geschäften vergleichbar sind (Abs 2 Nr 3). In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist der Rechtspfleger zuständig für die Aufnahme sämtlicher weiterer Beschwerden zB in Wohnungseigentumssachen,12 in Nachlasssachen13 oder Grundbuchsachen.14 Gleiches gilt für Hausratssachen nach § 14 HausratsVO iVm § 621c ZPO oder in Unterbringungssachen gem § 7 FEVG. c) Zuständigkeitsverstöße

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Die dem Rechtspfleger durch § 24 RPflG übertragenen Geschäfte können nicht von einem anderen Justizbeamten oder -angestellten (UdG) wirksam wahrgenommen werden.15 Nimmt ein Richter ein entsprechendes Geschäft wahr, dann ist es wirksam;16 wird also entgegen der Übertragung eine weitere Beschwerde vom Richter des zuständigen Amtsgerichts protokolliert, so ist das Rechtsmittel formgerecht eingelegt.17 Hat der Rechtspfleger ein Geschäft des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrgenommen, so wird die Wirksamkeit des Geschäfts hierdurch nicht berührt (§ 8 Abs 5 RPflG).

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12 13

Arnold/Meyer-Stolte/Hansens § 24 Rn 3. Arnold/Meyer-Stolte/Hansens § 24 Rn 3; Bassenge/Herbst/Roth RPflG § 24 Rn 1; Dallmayer/Eickmann § 24 Rn 2. Dallmayer/Eickmann § 24 Rn 12; Lappe Rpfleger 1985, 94; Müller-Engelmann Rechtspfleger-Jahrbuch 1988, 342 ff. BayObLG Rpfleger 1995, 342. OLG Köln Rpfleger 1994, 495 = NJW-RR 1995, 968 = OLGR 1995, 27.

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14 15

16 17

OLG Köln Rpfleger 1990, 14. BayObLG Rpfleger 1993, 103; OLG Düsseldorf Rpfleger 1994, 157; Arnold/MeyerStolte/Hansens § 24 Rn 4 mwN; Dallmayer/ Eickmann § 24 Rn 9. Arnold/Meyer-Stolte/Hansens § 24 Rn 5 mwN; Dallmayer/Eickmann § 24 Rn 11. BayObLG FamRZ 1989, 1003 = Rpfleger 1989, 360 m Anm Meyer-Stolte.

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Anträge und Erklärungen

§ 11

III. Protokoll 1. Form Über die Form des zu fertigenden Protokolls enthält das FGG keine Vorschriften; die 16 entsprechende Anwendung von § 37 BeurkG kommt nicht in Frage, da es sich nicht um eine Beurkundung18 sondern um die Niederschrift einer Erklärung handelt. Nach § 200 Abs 1 FGG könnten landesrechtliche Vorschriften die Form regeln, was aber nicht der Fall ist; die etwa in Frage kommenden Art 54, 55 PrFGG sind durch § 60 Nr 57c BeurkG aufgehoben worden, allerdings regelten diese lediglich die Form gerichtlicher oder notarieller Urkunden über andere Gegenstände als Rechtsgeschäfte. Aus der Natur der Sache ergibt sich, dass es sich erkennbar um die Niederschrift einer vor dem UdG bzw dem Rechtspfleger abgegebenen und von ihm in amtlicher Eigenschaft aufgenommenen Erklärung handeln muss.19 Aus dem Wesen des Protokolls folgt, dass der Erklärende persönlich vor dem zuständigen Organ der Rechtspflege (so Rn 11 bis 14) erschienen sein muss; eine fernmündliche ihm gegenüber abgegebene Erklärung ist keine Erklärung zu Protokoll.20 Das schließt nicht aus, dass Erklärungen, die überhaupt keiner Form bedürfen, gegenüber der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts auch fernmündlich abgegeben werden (Rn 12); keinesfalls aber verpflichtet § 11 die Geschäftsstelle jedes beliebigen Amtsgerichts, fernmündlich Erklärungen entgegenzunehmen, die für ein anderes Gericht bestimmt sind. Ein ordnungsgemäßes Protokoll, welches allen Anforderungen genügt, sollte jeden- 17 falls folgende Angaben enthalten: a) Ort und Tag der Verhandlung; b) Bezeichnung des Gerichts; c) Namen und Amtsbezeichnung des UdG bzw die Bezeichnung als Rechtspfleger (§ 12 RPflG), wenn dieser zuständig ist; d) Bezeichnung der Angelegenheit; e) Namen der erschienenen Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und Bevollmächtigten; f) die Anträge und Erklärungen der Beteiligten. Das Protokoll soll ferner den Beteiligten vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt werden und den Vermerk enthalten, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind. Das Protokoll soll von den Erschienenen unterschrieben werden oder den Grund angeben, aus welchem die Unterschrift unterblieben ist. Schließlich muss der UdG bzw der Rechtspfleger das Protokoll unterzeichnen. Wesentlich ist von diesen Erfordernissen aber nur die Bezeichnung oder Erkennbarkeit des Gerichts, für welches der UdG bzw Rechtspfleger tätig wird, die Bezeichnung des Erklärenden und der Inhalt seiner Erklärung sowie die Unterschrift des Aufnehmenden.21 Nicht wesentlich sind insbesondere die Vorlesung und Genehmigung22 sowie die Unterschrift der Beteiligten;23 denn die amtliche Erklärung des aufnehmenden UdG bzw Rechtspflegers erbringt hinreichenden Beweis dafür, dass die aufgenommenen Erklärungen von dem Erschienenen abgegeben worden sind.

18 19 20 21

BayObLGZ 1977, 222. RGZ 101, 426; OLG Jena OLGR 40, 4. AA Schlegelberger Anm 16. BayObLG Rpfleger 1991, 450 mwN; BGH Rpfleger 1992, 118 zur Frage, welchen Anforderungen ein Schriftzug genügen muss, um als Unterschrift anerkannt zu werden.

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23

BGHSt 29, 173; BayObLGZ 1964, 333; OLG Jena OLGR 40, 4; Schlegelberger Anm 19; Baur § 17 Fn 22. BayObLGZ 1964, 333; OLG München JFG 15, 270; Josef Anm 3; Schlegelberger Anm 19; Baur § 17 III 3.

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§ 11

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Inhalt

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Der sachliche Inhalt des Protokolls wird durch den Gegenstand der abzugebenden Erklärung bestimmt (vgl wegen des Inhalts einer Beschwerdeerklärung § 21 Rn 9, § 29 Rn 29). Der UdG bzw Rechtspfleger soll unter Berücksichtigung des von dem Erschienenen erstrebten Ziels das Protokoll in eigener Verantwortung selbst abfassen;24 nur so wird er seiner Aufgabe gerecht, den Beteiligten als Beistand zu dienen und für die Aufnahme sachgemäßer Anträge und Erklärungen Sorge zu tragen. Da aber § 11 überhaupt keine Formvorschrift ist, sondern den Beteiligten nur einen Weg eröffnen soll, auf dem sie ihre sonst keiner Form bedürftigen Erklärungen unter sachkundigem Beistand bei dem Gericht anbringen zu können, ist es auf die Wirksamkeit der abgegebenen Erklärungen grundsätzlich ohne Einfluss, wenn der Aufnehmende etwa unter Verkennung seiner Aufgabe sich darauf beschränkt, ein Diktat entgegen zu nehmen oder eine überreichte Privatschrift nur äußerlich durch Anbringung von Eingangs- oder Schlussworten in Protokollform zu bringen. Die an die inhaltliche Gestaltung der aufzunehmenden Erklärung zu stellenden Anfor19 derungen sind nur in den Fällen von Bedeutung, in denen die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle die gesetzliche Form einer Erwirkungshandlung ist, wie für die Einlegung der Beschwerde (§ 21 Abs 2) oder der weiteren Beschwerde (§ 29 Abs 1 S 1, Abs 4 iVm § 21 Abs 2).25 Da ferner eine mangelhafte Protokollerklärung über die Einlegung einer ersten Beschwerde regelmäßig in eine der gesetzlichen Form ebenfalls genügende Beschwerdeschrift umgedeutet werden kann (§ 21 Rn 11), kann die erörterte Frage nur bei der weiteren Beschwerde rechtserheblich sein (vgl dazu Anm zu § 29). 3. Amtspflicht des Rechtspflegers bzw des Urkundsbeamten

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Der Befugnis der Beteiligten, Anträge und Erklärungen zu Protokoll zu geben, entspricht die Verpflichtung des Rechtspflegers bzw UdG, die Erklärungen entgegen zu nehmen und zu Protokoll zu bringen. Anträge, die Verbotswidriges bezwecken, oder Erklärungen, die gegen die guten Sitten verstoßen, sowie Anträge, für die nur die Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts zuständig ist, darf der UdG bzw der Rechtspfleger natürlich zurückweisen. Er darf aber die Aufnahme von Anträgen und Erklärungen nicht deswegen ablehnen, weil er sie für unzulässig oder unbegründet oder aussichtslos hält.26 Kommt einer von ihnen seiner Verpflichtung nicht nach, weigert er sich also, einen 21 Antrag oder eine Erklärung zu Protokoll zu nehmen, so kann er nach einer vielfach vertretenen Meinung im Wege der Dienstaufsichtsbeschwerde dazu angehalten werden.27 Das ist zu bejahen, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der Weigerung um reine Untätigkeit handelt. Bei rein passivem Verhalten handelt es sich nicht um eine beschwerdefähige Verfügung des Gerichts, so dass im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein ordentlicher Rechtsbehelf gegeben ist.28 Keinesfalls ist das Verfahren nach § 23 EGGVG eröffnet, da es sich nicht um eine Anordnung, Verfügung oder sonstige Maß-

24 25

26

BayObLG Rpfleger 1991, 450 mwN. Siehe hierzu BayObLG Rpfleger 1991, 450 mwN; Rpfleger 1995, 342 mwN; OLG Köln Rpfleger 1999, 275 mwN; Rpfleger 1990, 14; 1996, 189 (Grundbuchsachen). Siehe hierzu auch Müller-Engelmann Rechtspfleger-Jahrbuch 1988, 342 ff sowie Lappe Rpfleger 1985, 94 ff.

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HansOLG Hamburg DRpflZ 1983, 39; Stein/ Jonas/Leipold § 129a Rn 15; Musielak/Stadler § 129a Rn 4; Zöller/Greger § 129a Rn 2; Schlegelberger Anm 15. OLG Stuttgart FamRZ 1998, 1128; BayObLG Rpfleger 1998, 67 = FamRZ 1998, 438.

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Anträge und Erklärungen

§ 11

nahme handelt, die von den „Justizbehörden“ erlassen ist, sondern um einen Akt der Rechtspflege.29 Hiernach soll dann eine gerichtliche Überprüfung30 in dem Verfahren stattfinden, das für eine Überprüfung von „Entscheidungen“ des Rechtspflegers oder des UdG vorgesehen ist. Das wäre bei Rechtspflegerzuständigkeit die befristete Erinnerung nach § 11 Abs 2 RPflG31 und nicht die befristete Erinnerung nach § 573 ZPO iVm § 11 Abs 1 RPflG,32 da es sich gerade nicht um ein Tätigkeit des UdG, sondern um eine Rechtspflegertätigkeit handelt.

IV. Andere Erklärungsformen 1. Mündliche Erklärungen Dem Wortlaut des § 11, der seine Entstehung in der Hauptsache gerichtsorganisatori- 22 schen Erwägungen verdankt, ist nicht zu entnehmen, dass Anträge und Erklärungen, die dem UdG oder dem Rechtspfleger vorgetragen werden, von diesem immer in die Form eines Protokolls gebracht werden müssten. Es genügt unter Umständen, vor allem wenn bei der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts weniger bedeutende kurze Mitteilungen oder Gesuche vorgebracht werden, ein Aktenvermerk, zB wenn um die Gewährung von Akteneinsicht oder eine Fristverlängerung nachgesucht wird.33 Andererseits darf aus § 11 und dem Umstand, dass das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht auf dem Mündlichkeitsgrundsatz beruht (Vorbem vor § 8 Rn 27), nicht geschlossen werden, dass mündliche Erklärungen nur beachtlich wären, wenn sie vor dem UdG oder Rechtspfleger persönlich abgegeben werden. Für die Übermittlung von Anträgen und Erklärungen ist vielmehr, wenn das Gesetz keine besondere Form verlangt, jedes im Verkehr übliche Verständigungsmittel gestattet. Für formfreie Erklärungen ist daher die Benutzung des Telefons zuzulassen; die Mitteilung ist in einem Aktenvermerk festzuhalten.34 Wird die Erklärung gegenüber dem zuständigen Organ der Rechtspflege abgegeben, so wird sie als nicht verkörperte Erklärung unter Anwesenden wirksam, wenn der Empfänger sie vernimmt; wird die Erklärung gegenüber einer unzuständigen Person (Wachtmeister, Schreibkraft) abgegeben, so wird sie erst wirksam, wenn dieser sie an das zuständige Organ weiterleitet.35 2. Schriftliche Erklärungen Es versteht sich von selbst, dass verfahrensrechtliche Anträge und Erklärungen, die 23 das FGG keiner besonderen Form unterwirft, auch schriftlich eingereicht werden können. Ein bei den Gesetzesvorarbeiten gestellter Antrag, dies dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass in § 11 hinter den Worten „Anträge und Erklärungen können“ der Zusatz „schriftlich oder“ eingefügt wird, wurde zurückgenommen, nachdem erklärt worden war, dass der Antrag zwar den Absichten des Gesetzes entspreche, aber überflüssig und insofern bedenklich sei, als er der Meinung Vorschub leisten könnte, die mündliche nicht protokollarische Form sei ausgeschlossen.36 29 30

KG Rpfleger 1995, 288 m Anm Herrmann = NJW-RR 1995, 637 = FGPrax 1995, 132. Baumbach/Hartmann § 129a Rn 20; Bassenge/Herbst/Roth § 24 Rn 3; in welchem Verfahren offen gelassen durch KG Rpfleger 1995, 288 m Anm Herrmann = NJW-RR 1995, 637 = FGPrax 1995, 132.

31 32 33 34 35 36

Arnold/Meyer-Stolte/Hansens § 24 Rn 16. Bassenge/Herbst/Roth § 24 Rn 3. Schlegelberger Anm 21. Schlegelberger Anm 21; Baur § 17 III 3a. Palandt/Heinrichs § 130 Rn 5. KommBer S 11; Schlegelberger Anm 21.

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§ 11 24

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr37 sind in Umsetzung von EURecht neue Formvorschriften zur Erleichterung des elektronischen Rechtsgeschäftsverkehrs eingeführt worden. Ergänzt werden diese Vorschriften durch das Signaturgesetz38 und das Justizkommunikationsgesetz,39 letzteres regelt den elektronischen Rechtsverkehr, dh den elektronischen Zugang zu gerichtlichen Verfahren, wobei es der Bundesregierung und den Landesregierungen für ihren Bereich vorbehalten bleibt, durch VO zu entscheiden, ob und ggf wann sie bei der Justiz elektronischen Rechtsverkehr einführen wollen. Dieses ist bereits für bestimmte Verfahren beim BGH, bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg beim LG Mannheim, in Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen in der Finanzgerichtsbarkeit und in Niedersachsen beim FamG Westerstede geschehen. Am 1.12.2005 hat als erstes Bundesland Bremen flächendeckend den elektronischen Rechtsverkehr für die Justiz eingeführt, ausgenommen ist nur das gemeinsame Landessozialgericht Bremen-Niedersachsen. a) Schriftform

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Hinsichtlich der an die Wahrung der Schriftform zu stellenden Anforderungen ist zunächst davon auszugehen, dass die Vorschrift des § 126 Abs 1 BGB, nach welcher, wenn das Gesetz schriftliche Form vorschreibt, die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet sein muss, nur für rechtsgeschäftliche Erklärungen gilt. Auch rechtsgeschäftliche Erklärungen bedürfen dieser Form nicht, wenn sie gesetzlich nicht bestimmt ist, wie es für die dem Gericht gegenüber abzugebenden rechtsgestaltenden Erklärungen nach §§ 2004, 2081 Abs 1,40 2202 Abs 2, 226 BGB zutrifft. Dasselbe gilt für einfache Anzeigen und Mitteilungen, die keine Rechtsgeschäfte sind, wie die Ablehnung der Übernahme der Vormundschaft (§ 1786) oder die Anzeigen nach §§ 2146 Abs 1, 2384 Abs 1 BGB. b) Elektronische Form

26

Im modernen Schriftverkehr werden Willenserklärungen immer häufiger in elektronischer Form abgegeben, dabei handelt es sich um echte Willenserklärungen.41 Die elektronische Form ist keine eigenständige Form, sondern eine bestimmte Art der Schriftform,42 sie ist immer dann zugelassen, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, § 126 Abs 3 BGB und besteht in der Übermittlung eines elektronischen Dokuments, dh einer Datei, die auf Datenträgern aufgezeichnet werden kann (s hierzu Anm zu § 21 Abs 2). Soll durch sie die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform ersetzt werden, muss das elektronische Dokument gewisse Sicherheitsstandards erfüllen. Der Aussteller der Erklärung muss seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur43 nach dem Signaturgesetz versehen, § 126a Abs 1 BGB. Das entsprechende Verfahrensrecht der ZPO (§ 130a) verlangt in diesem Fall ebenfalls für vorbereitende Schriftsätze eine qualifizierte elektronische Signatur. 37 38

39

Vom 13.7.2001 (BGBl S 1542). Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften v 16.5.2001 (BGBl S 876). Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) v 22.3. 2005 (BGBl S 837). Siehe hierzu auch Viefhues NJW 2005, 1016.

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40

41 42 43

Palandt/Edenhofer § 2081 Rn 1; s auch BayObLG FamRZ 1992, 226; aA Schlegelberger Anm 23. BGH NJW 2002, 363. Palandt/Heinrichs § 126a Rn 1. Zur Definition s Palandt/Heinrichs § 126a Rn 3, 5 sowie Baumbach/Hartmann § 130a Rn 4, Zöller/Greger § 130 Rn 4.

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Anträge und Erklärungen

§ 11

c) Textform Als neuer Formtyp ist in § 126b BGB die Textform geregelt, unter der man die les- 27 bare, aber unterschriftslose Erklärung versteht. Sie erfüllt keine der klassischen Zwecke der Form, wie die Warn-, Beweis- oder Identitätsfunktion.44 Die Erklärung muss in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben, die Person des Erklärenden benennen und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht sein. Den Anforderungen genügen Papier, Diskette, CD-Rom uä; E-Mail oder PC-Fax, wobei es ausreichen soll, wenn der Text auf dem Bildschirm lesbar ist.45 3. Schriftliche Verfahrenshandlungen Für die Schriftform von Verfahrenshandlungen dagegen gilt § 126 Abs 1 BGB nicht;46 28 für sie ist ausschließlich das Verfahrensrecht maßgebend.47 Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist abweichend von der im Zivilprozess für bestimmende Schriftsätze geltenden Auffassung nach anfänglichem Meinungsstreit48 der Grundsatz anerkannt, dass die Unterschrift des Ausstellers kein notwendiges Erfordernis für die Wahrung der Schriftform ist.49 Wenn daher das Verfahrensrecht für eine Verfahrenshandlung die Schriftform vorschreibt, wie für die Einlegung der ersten Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift (§ 21 Abs 2) oder der weiteren Beschwerde durch eine Behörde oder einen Notar (§ 29 Abs 1 S 3) oder gewisse das Verfahren einleitende Anträge (Vorbem vor § 8 Rn 9), hat das Fehlen der Unterschrift nicht die Unwirksamkeit zur Folge (§ 21 Rn 6; § 29 Rn 7 ff), wenn auch die Unterzeichnung durch den Aussteller zur Vermeidung von Weiterungen regelmäßig angebracht und üblich ist; im Zweifel hat das Beschwerdegericht gemäß § 12 festzustellen, ob sie mit Willen des Urhebers eingereicht wurde.50 Noch weniger ist die Unterschrift Wirksamkeitserfordernis für andere Erwirkungs- oder Bewirkungshandlungen oder sonstige verfahrensrechtliche Erklärungen, die zwar schriftlich eingereicht werden, aber keiner besonderen Form unterliegen, wie insbesondere der zur Einleitung eines Verfahrens erforderliche Antrag (§§ 53, 86, 99, 150, 153), der Einspruch (§§ 132, 140a Abs 2) oder Widerspruch (§§ 141, 141a). Auch der Erbscheinsantrag als solcher oder seiner Änderung bedarf keiner Form;51 die Form des § 2356 Abs 2 BGB gilt nur für die eidesstattliche Versicherung.52 a) Wahrung der Schriftform Zur Wahrung der Schriftform genügt daher eine Urkunde, die sich nach ihren äuße- 29 ren Kennzeichen als eine abgeschlossene Willensäußerung darstellt, die Person des Ausstellers erkennen lässt53 und die wesentlichen Teile der Erklärung enthält.54 Zu ihrer Auslegung können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden; es genügt, wenn nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der erforderliche Wille

44 45 46 47 48 49

Palandt/Heinrichs § 126b Rn 1. Palandt/Heinrichs § 126b Rn 3. BGHZ 24, 297; GmS-OGB NJW 2000, 2340. Schlegelberger Anm 23. Vgl die Darstellung bei Josef § 11 II; Schlegelberger § 11 Anm 24. BVerGE 15; 288; GmS-OGB NJW 1980, 172; Josef § 11 II; Schlegelberger Anm 24; Keidel/

50 51 52 53 54

Zimmermann § 11 Rn 28 mwN; Baur § 17 III 3; Bärmann § 14 III 2c; unklar PikartHenn S 115. BayObLG FamRZ 1998, 839. Palandt/Edenhofer § 2353 Rn 11. KG OLGZ 1967, 247. BGH NJW 1989, 588. GmS-OBG NJW 1980, 172; BGH NJW 1984, 1974; BayObLGZ 1976, 38.

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§ 11

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

noch irgendwie in der Urkunde gefunden werden kann. Ein solches Schriftstück ist auch zur Fristwahrung geeignet (vgl § 21 Rn 6). Bestehen Zweifel daran, ob das Schriftstück von dem herrührt, den es als Aussteller erkennen lässt oder ob es mit seinem Willen zum Gericht gelangt ist, so gilt für die Behebung der Zweifel der Grundsatz der Amtsprüfung.55 Jedenfalls darf das unterschriftslose Schriftstück nicht unbeachtet bleiben. Wenn eine Unterschrift nicht erforderlich ist, ist auch die Unleserlichkeit einer vorhandenen oder die Benutzung eines Faksimilestempels56 unschädlich,57 es genügt, dass der Aussteller zu identifizieren ist.58 b) Telekommunikationsmittel

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Gerade wenn es um die volle Ausschöpfung von Fristen geht, hat die Rechtsprechung schon seit langem den Rechtsschutzsuchenden die Übermittlung von Schriftsätzen auf fernmeldetechnischem Wege zugebilligt,59 das gilt auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.60 Es ist Sache der Justizbehörde, die Funktionsfähigkeit der Telefaxanlage auch nach Dienstschluss zu gewährleisten.61 Das Risiko technischer Störungen des Empfangsgerätes des Gerichts hat die Partei nicht zu tragen.62 Der Verfahrensbevollmächtigte darf sich grundsätzlich auf ein positives Sendeprotokoll verlassen.63 Auch wenn bei diesem Verfahren eine eigenhändige Unterzeichnung nicht möglich ist, wird bei Telegrammen und Telefax die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens als ausreichend angesehen.64 Erforderlich ist, dass der Rechtsanwalt die Kopiervorlage unterzeichnet hat und die Unterschrift auf der Fernkopie ersichtlich ist; es genügt, dass der Rechtsanwalt die Kopiervorlage seiner eigenen Kanzlei durch Telefax übermittelt und sie von dort dem Gericht übermittelt wird.65 Beim Computerfax, bei dem keine unterschriftsfähige Vorlage existiert, reicht auch eine gescannte Unterschrift.66 Die in Computerschrift erfolgte Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des Rechtsanwalts stellt allerdings keine den Anforderungen genügende Unterschrift dar.67 S im Übrigen die Anmerkungen zu § 21 Abs 2 S 2.

V. Nichtgerichtliche Behörden 31

Auf die nichtgerichtlichen Behörden, die nach Landesgesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind, findet § 11 gemäß § 194 Abs 3 keine Anwendung. Die Verpflichtung dieser Behörden richtet sich daher nach Landesrecht. Dadurch wird aber

55 56 57

58 59

Vgl Vorbem vor §§ 8 Rn 23 ff. OLG Stuttgart NJW 1976, 1902. Siehe hierzu BVerfG Rpfleger 1988, 533 (nicht beanstandete unleserliche Unterschrift); BGH Rpfleger 1992, 118 (zur Frage, welchen Anforderungen ein Schriftzug genügen muss, um als Unterschrift anerkannt zu werden); BGH Rpfleger 2003, 174 (vollständige Unterschrift bei notarieller Urkunde). BGH NJW 1989, 588. RGZ 44, 369; BGH FamRZ 1999, 21 mwN; FamRZ 1998, 425; FamRZ 1997, 414; SchlOLG FamRZ 2000, 315; LG Saarbrücken Rpfleger 1996, 468.

288

60 61 62 63

64 65 66 67

BayObLG Rpfleger 1990, 407. BGH FamRZ 1997, 414; FamRZ 1992, 296. BGH FamRZ 1997, 414. OLG Frankfurt FamRZ 1997, 1407; BGH FamRZ 1995, 1135 zu den Sorgfaltspflichten des Anwalts bei Rechtsmittelbegründungen mittels Telefax. Zöller/Greger § 130 Rn 18 mwN. BGH FamRZ 1998, 425. Zöller/Greger § 130 Rn 18 mwN. BGH FamRZ 2005, 1241 zu § 130 Nr 6 HS 2 ZPO bei einer Berufungsbegründungsschrift.

Renate Baronin von König

Anträge und Erklärungen

§ 11

die Verpflichtung der Geschäftsstellen der Amtsgerichts nicht berührt, gemäß § 11 Anträge und Erklärungen auch in solchen Angelegenheiten zu Protokoll zu nehmen, die zur Zuständigkeit dieser nichtgerichtlichen Behörden gehören.68

VI. Landesrecht In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 11 in der Regel für anwendbar erklärt wor- 32 den (§ 5 BWFGG; Art 34 BayAGGVG; § 1 BremAGFGG; Art 1 HessFGG; § 8 RhPfFGG; Art 7 NdsFGG; § 52 SaarlAGJusG). Das PrFGG enthält keine entsprechende Regelung.

VII. Reformvorhaben Der Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit69 sah für 33 den Entwurf einer Verfahrensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit (FrGO) eine Regelung für die Verfahrenseinleitung vor und zwar unterschieden nach Antragsverfahren und Verfahren, die von Amts wegen einzuleiten sind (§§ 27, 28 FrGO). Danach sollte das Amtsverfahren eingeleitet werden, sobald ein hinreichender Anlass dazu bestand, beim Antragsverfahren sollte dieser entweder schriftlich oder mündlich zur Niederschrift der Geschäftsstelle erklärt werden. Der Antrag sollte – wie beim geltenden Recht – sowohl beim zuständigen Gericht als auch bei jedem Amtsgericht eingereicht werden können. Für das aktuelle Reformvorhaben70 sieht § 16 FamFG-E folgende Fassung vor: 34 (1) Die Beteiligten können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgeben, soweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist. (2) Anträge und Erklärungen, deren Abgabe vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig ist, können vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zu Protokoll abgegeben werden. (3) Die Geschäftsstelle hat das Protokoll unverzüglich an das Gericht zu übersenden, an das der Antrag oder die Erklärung gerichtet ist. Die Wirkung einer Verfahrenshandlung tritt frühestens ein, wenn das Protokoll dort eingeht. Die Übermittlung des Protokolls kann demjenigen, der den Antrag oder die Erklärung zu Protokoll abgegeben hat, mit seiner Zustimmung überlassen werden.

Damit soll die neue Fassung an § 11 anknüpfen, aber darüber hinaus bestimmen, dass 35 Erklärungen zu Protokoll nur insoweit zulässig sind, als eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist. Damit würden dann auch die bisherigen Einzelregelungen (zB §§ 21 Abs 2, 29) entbehrlich werden. Mit Abs 2 soll nun ausdrücklich geregelt werden, dass Anträge und Erklärungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden können, vor der Geschäftsstelle eines jeden AG abgegeben werden können. Die gewählte Formulierung und die Begründung71 lassen keinen Schluss darauf zu, ob 68 69 70

Schlegelberger Anm 26. Herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz im Dezember 1977. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Ge-

71

richtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 i d ergänzten Fassung v 14.2.2006 sieht unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vor. RefE FGG-ReformG S 372/373.

Renate Baronin von König

289

§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

damit zwischen der Zuständigkeit des UdG und des Rechtspflegers Unterschiede gemacht werden sollen. Nach dem Wortlaut müsste davon ausgegangen werden, dass diese Regelung nur gelten soll, wenn es sich um eine reine Zuständigkeit des UdG handelt und nicht um eine solche des Rechtspflegers (so Rn 11 bis 15). In § 17 FamFG-E soll auch die Möglichkeit der Übermittlung eines elektronischen 36 Dokuments entsprechend § 130a ZPO vorgesehen sein: (1) Die Gerichtsakten können elektronisch geführt werden. § 298a Abs 2 und 3 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) Die Beteiligten können Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. § 130a Abs 1 und 3 und § 298 der Zivilprozessordung gelten entsprechend. (3) Für das gerichtliche elektronische Dokument gelten § 130b und § 298 der Zivilprozessordnung entsprechend. (4) Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Akten geführt und elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können. Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung die geltenden organisatorischtechnischen Rahmenbedingungen für die Bildung, Führung und Aufbewahrung der elektronischen Akten und die für die Bearbeitung der Dokumente geeignet Form. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die jeweils zuständige oberste Landesbehörde übertragen. Die Zulassung der elektronischen Akte und der elektronischen Form kann auf einzelne Gerichte oder Verfahren beschränkt werden. (5) Sind die Gerichtsakten nach ordnungsgemäßen Grundsätzen zur Ersetzung der Urschrift auf einen Bild- oder anderen Datenträger übertragen worden und liegt der schriftliche Nachweis darüber vor, dass die Wiedergabe mit der Urschrift übereinstimmt, so können Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften von dem Bild- oder dem Datenträger erteilt werden. Auf der Urschrift anzubringende Vermerke werden in diesem Fall bei dem Nachweis angebracht.

37

Die Vorschrift soll die Grundlagen für die Einreichung elektronischer Dokumente regeln und die Verfahrensordnung an die dafür erforderlichen Grundsätze anpassen. Bezüglich des elektronischen Dokuments (Abs 2) entspricht die Vorschrift dem bisherigen § 21 Abs 2 S 2 FGG. Im wesentlichen entsprechen die vorgeschlagenen Regelungen den für den Zivilprozess geltenden Vorschriften.

§ 12 Amtsermittlungspflicht Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen.

Literatur Arndt Zum rechtlichen Gehör des Angeklagten im Revisionsverfahren, JZ 1963, 65; Bettermann Zum Anspruch des Gegners auf rechtliches Gehör im Verfahren auf Bewilligung des Armenrechts, JZ 1962, 675; Carl/Eschweiler Kindesanhörung – Chancen und Risiko, NJW 2005, 1681; Denk Die Ermittlungspflicht des Beschwerdegerichts und die Beweisaufnahme in Notarkostensachen, NotBZ 2004, 185; Göppinger Die Parteianhörung und die Parteivernehmung in Ehesachen, ZZP Bd 73 (1960), 59 ff; Gruber Nachträgliche Sachverhaltsänderung im FGG-Verfahren, Rpfleger 1999, 478; Heumann Das Sachverständigengutachten im familiengerichtlichen Verfahren, FuR 2001, 16; Jastrow Was leistet das Londoner Auskunftsübereinkommen in der Praxis? IPrax 2004, 402; Kuckenburg Das Sachverständigengutachten im unterhaltsrechtlichen und Zugewinnausgleichsver-

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Lothar Briesemeister

§ 12

Amtsermittlungspflicht

fahren, FuR 2001, 293; Lerche Zum Anspruch auf rechtliches Gehör, ZZP Bd 78 (1965), 1 ff; Musielak Die Beweislastregelung bei Zweifeln an der Prozeßfähigkeit, NJW 1997, 1736; Pfeffer Restschuldbefreiungsantrag und Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts, ZVI 2004, 232; Piepenbrock Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Landwirtschaftssachen, DRiZ 1959, 369 ff; Pohlmann Streng- und Freibeweis in der FG, ZZP Bd 106, 181; Schreiber Zur Prüfung von Amts wegen in der FG, JR 1993, 51; Sternal Entwicklung und Tendenzen bei den außerordentlichen Rechtsbehelfen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FGPrax 2004, 170; Zuck Wann verletzt ein Verstoß gegen ZPO-Vorschriften zugleich den Grundsatz rechtlichen Gehörs? NJW 2005, 3753.

Übersicht Rdn I. Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkungen . . . . . . . . . . a) Ausnahmen . . . . . . . . . . . b) Darlegungs- und Förderungspflicht der Beteiligten, Wahrheitspflicht . . c) Hinweis- und Fragepflicht des Gerichts . . . . . . . . . . . III. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesetzliche Vermutungen . . . . . . . . 1. Tatsachenvermutungen . . . . . . . 2. Rechtsvermutungen . . . . . . . . . V. Vorfragenkompetenz . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluss der Vorfragenkompetenz . 4. Öffentlichrechtliche Vorfragen . . . VI. Bindung an Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte . . . . . . . . . . 1. Begriff und Umfang . . . . . . . . . 2. Rechtsgestaltende Entscheidungen . . 3. Tatbestandswirkung . . . . . . . . . 4. Feststellungswirkung . . . . . . . . 5. Strafurteile . . . . . . . . . . . . . 6. Feststellende Verwaltungsakte . . . . VII. Ausländisches Recht . . . . . . . . . . 1. Ermittlung . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des ausländischen Rechts 3. Legalisation ausländischer öffentlicher Urkunden . . . . . . . . . . . VIII. Amtsermittlungsgrundsatz . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . a) Geständnis . . . . . . . . . . . . b) Anerkenntnis, Verzicht . . . . . . 2. Zulässigkeit der Amtsermittlungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . a) Vormundschaftgericht . . . . . . b) Nachlassgericht . . . . . . . . . c) Einstweilige Anordnungen . . . . d) Landwirtschaftsrecht . . . . . . . 3. Gegenstand der Amtsermittlungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art der Ermittlungen und Beweiserhebungen . . . . . . . . . . . . . a) Formlose Ermittlungen oder förmliche Beweisaufnahme . . . . b) Beweismittel . . . . . . . . . . .

Rdn

1 5 5 6 6

aa) bb) cc) dd)

7 IX. 10 13 17 17 18 19 19 21 22 23 24 24 27 30 31 34 35 36 36 38

X.

39 40 40 41 42 43 44 45 46 47

XI. XII. XIII. XIV. XV.

48 50 50 53

Amtliche Auskünfte . . . . . Beiakten . . . . . . . . . . . Eidesstattliche Versicherungen Formlose mündliche oder schriftliche Anhörung . . . . c) Leitung der Ermittlungen . . . . . d) Offenkundige Tatsachen . . . . . Anhörungspflichten . . . . . . . . . . 1. Anhörung Nichtbeteiligter . . . . . . a) Anhörung Verwandter und Verschwägerter . . . . . . . . . . b) Anhörung des Gegenvormunds . . c) Anhörung des Jugendamts . . . . d) Handelssachen . . . . . . . . . . 2. Anhörung Beteiligter zur Aufklärung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zum rechtlichen Gehör . . . . . . . . . . . . . . c) Form der Anhörung . . . . . . . 3. Mündliche Verhandlung . . . . . . . a) Erfordernis . . . . . . . . . . . . b) Ladung der Beteiligten . . . . . . c) Niederschrift, Vergleich . . . . . Anwendung von Zwang . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweispersonen . . . . . . . . . . . 3. Zwangsmittel . . . . . . . . . . . . 4. Erzwingung des persönlichen Erscheinens Beteiligter . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . b) Vormund, Pfleger . . . . . . . . . c) Betreuung, Unterbringung . . . . d) Freiheitsentziehungsverfahren . . e) Zwang zum Erscheinen . . . . . . f) Landwirtschaftsverfahren . . . . Umfang der Ermittlungen . . . . . . . Auslagenvorschuss . . . . . . . . . . . Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. FGG-Verfahren . . . . . . . . . . . a) Geltung . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis Verfassungsrecht zu Verfahrensrecht . . . . . . . . . 3. Träger des Anspruchs . . . . . . . .

Lothar Briesemeister

54 55 56 58 59 60 65 66 66 67 68 73 74 74 77 79 83 83 86 88 89 89 91 92 95 95 96 97 98 99 100 102 108 109 114 115 115 116 116 117 119

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Rdn

4. Inhalt und Umfang des rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . a) Tatsachenstoff . . . . . . . . . b) Gehör zu Rechtsfragen . . . . . c) Gegenstand der Gehörgewährung 5. Beschränkungen des rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . a) Einstweilige Anordnungen . . . b) Vorläufige Anordnungen des Vormundschaftsgerichts . . . . c) Ausschließung von Beteiligten . d) Schutz des Beteiligten . . . . . .

. . .

122 122 126 129

. .

131 132

. . .

133 134 135

Rdn 6. Form der Gehörgewährung . . . 7. Gehör vor der Entscheidung . . . 8. Verfahrensrechtliche Folgen der Gehörsverletzung . . . . . . . . a) Verfahrensfehler . . . . . . . b) Bedeutung der Rüge im ersten Beschwerderechtszug . . . . . c) Bedeutung der Rüge im Rechtsbeschwerdeverfahren . . . . . d) Keine Erweiterung des Rechtsmittelzuges, Anhörungsrüge . XVI. Reformvorhaben . . . . . . . . . .

. . . .

136 139

. . . .

140 140

. .

141

. .

143

. . . .

145 146

I. Bedeutung der Vorschrift 1

Die Vorschrift enthält diejenige Norm, die dem Verfahren der FG im besonderen Maße das Gepräge gibt und es vom Zivilprozess unterscheidet. Sie befasst sich mit der Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen, also des Tatsachenstoffs, der der Sachentscheidung zugrunde zu legen ist. Während der Zivilprozess von der Verhandlungsmaxime (Beibringungsgrundsatz) beherrscht ist, welche die Einführung des Tatsachenstoffs und die Beschaffung der Beweise dafür der Initiative der Parteien überlässt, hat sich der Gesetzgeber des FGG für den Amtsermittlungsgrundsatz (Untersuchungsgrundsatz) entschieden. Diese Entscheidung ist sachgemäß. 2 Die Geltung der Verhandlungsmaxime (Beibringungsgrundsatz) beruht auf der Erwägung, dass jede Partei, wenn es um die Durchsetzung ihrer Privatrechte geht, infolge ihres Interesses am Ausgang des Rechtsstreits von sich aus bestrebt sein wird, den ihr günstigen Tatsachenstoff dem Gericht vorzulegen und das ihr ungünstige Vorbringen des Gegners zu widerlegen. Dieser Gundsatz ist zunächst in den von Amts wegen betriebenen Verfahren unbrauchbar. Er ist aber auch unannehmbar in den Verfahren, in denen der Verfahrensgegenstand, wie überwiegend in den Verfahren der FG, nach materiellem Recht der Verfügung der Beteiligten entzogen ist. In diesen Fällen ist es unabweisbar, dass das Gericht, wie zB bei Ehe- und Kindschaftssachen (§§ 617, 640 ZPO) nach dem Untersuchungsgrundsatz den Sachverhalt von Amts wegen erforscht. 3 Regelmäßig ist die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes auch in echten Streitsachen, modifiziert durch die Darlegungs- und Förderungspflicht der Beteiligten als zweckmäßige und sachgerechte Lösung anzusehen. Denn wenn, wie insbesondere in den Regelungsstreitigkeiten, aber auch bei einstweiligen Anordnungen dem Gericht weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Sachentscheidung zusteht, muss es auch in die Lage versetzt sein, den für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachenstoff in eigener Initiative zu ermitteln. Diese echten Streitsachen bezeichnet der BGH1 im Gegensatz zur allgemeinen FG als Verfahren der streitigen FG, in denen die Ermittlungsverpflichtung des Gerichts nur insofern besteht, als der Vortrag der Beteiligten hierzu Anlass bietet. Damit wird eine Nähe zum Zivilprozess (streitige Gerichtsbarkeit) geschaffen, in dem freilich auch die Hinweispflichten des Gerichts durch das Gesetz verstärkt (§ 139 ZPO) und durch die Rechtsprechung verschärft worden sind (Rn 10).

1

BGH, Beschluss vom 29.9.2005, V ZB 107/05, NZM 2005, 952 = ZMR 2006, 53.

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Lothar Briesemeister

Amtsermittlungspflicht

§ 12

Das Gericht erfüllt nämlich seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO nicht, indem es vor 4 der mündlichen Verhandlung allgemeine und pauschale Hinweise erteilt; vielmehr muss es die Parteien auf den fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweisen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Erforderlichkeit ergänzenden Vortrags von der Bewertung des Gerichts im Einzelfall abhängt. Erweist sich, dass die Parteien einen Hinweis falsch aufgenommen haben, so muss das Gericht diesen präzisieren und der Partei erneut Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Das gleiche gilt dann, wenn das Gericht von seiner in einer gerichtlichen Verfügung geäußerten Auffassung später abweichen will. Es ist regelmäßig verfahrensfehlerhaft, eine dem Grunde nach gerechtfertigte Klage abzuweisen, ohne die Mindesthöhe des bereicherungsrechtlichen Anspruchs nach § 287 ZPO zu schätzen, wenn nach den getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden kann, dass der Anspruch schlechthin entfällt.2 Lässt der Tatrichter in der mündlichen Verhandlung die Bezugnahme einer Partei oder eines Beteiligten auf unübersichtliche Anlagen bestimmender oder vorbereitender Schriftsätze zu, darf er nicht ohne Hinweis auf die Mangelhaftigkeit des Vortrags Teile des Verhandlungsstoffes bei der Entscheidung außer Betracht lassen.3 Ein richterlicher Hinweis oder eine Rückfrage des Gerichts ist auch dann geboten, wenn für das Gericht offensichtlich ist, dass der Prozessbevollmächtigte einer Partei die von dem Prozessgegner erhobenen Bedenken gegen die Fassung eines Klageantrags oder die Schlüssigkeit der Klage falsch aufgenommen hat.4 Was schon für den Bereich der ZPO angenommen wird, muss erst recht im Verfahren der FG gelten.

II. Anwendungsbereich 1. Grundsatz Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt in sämtlichen Verfahren der FG, soweit die An- 5 wendung nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist,5 mithin sowohl in den von Amts wegen einzuleitenden Verfahren (Amtsverfahren) als auch wenn das Verfahren nur auf Antrag einzuleiten ist (Antragsverfahren). Die Antragsverfahren machen hiervon auch insoweit keine Ausnahme, als es sich um echte Streitsachen handelt. Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt im Beschwerdeverfahren auch für das Beschwerdegericht,6 ferner in dritter Instanz, soweit nicht dem Rechtsbeschwerdegericht Tatsachenfeststellungen durch § 27 Abs 2 iVm § 559 ZPO verwehrt sind. § 12 gilt auch im Verfahren zur Nachprüfung von Notarkosten nach §§ 156, 157 KostO sowie wenn bestimmt ist, dass in einer Angelegenheit der FG die Beschwerde nach der ZPO stattfindet (Vor § 19 Rn 8, 12). Allgemein gilt der Amtsermittlungsgrundsatz jedoch nicht im Grundbuchantragsverfahren,7 im Antragsverfahren nach der SchiffsRegO und bei der Führung des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen nach §§ 78, 86 des G über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26.2.1959 (BGBl I 57).

2 3 4

BGH NJW 2002, 3317 = MDR 2002, 1183. BGH NJW 2005, 2927. BGH NJW-RR 2004, 1247 = FamRZ 2004, 1480.

5 6 7

KG JFG Bd 17, 286. BayObLGZ 1928, 580. KG OLGZ 1968, 337 = Rpfleger 1968, 224.

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293

§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Einschränkungen a) Ausnahmen

6

Ausnahmsweise entfällt die Ermittlungspflicht des Gerichts, soweit nach dem Gesetz gewisse Unterlagen eines Antrags zunächst von den Beteiligten beizubringen oder auf Verlangen zu beschaffen sind, zB für die Anmeldung zur Eheschließung § 5 PStG), bei der Nachlass- und Gesamtgutsauseinandersetzung (§§ 87 Abs 2, 99 FGG), bei der Dispache (§ 154 FGG) oder im Erbscheinsverfahren (§§ 2354 bis 2356 BGB), ebenso wenn das Gesetz dem Antragsteller die Glaubhaftmachung bestimmter Tatsachen auferlegt, zB nach § 22 Abs 2 FGG, nach §§ 18, 31, 33a, 41 VerschG oder § 1994 Abs 2 BGB. In diesen Fällen darf das Gericht den Antrag aber erst ablehnen, wenn der Nachweis trotz Aufforderung nicht erbracht wird.8 Von der Glaubhaftmachung durch die Beteiligten zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die Amtsermittlungspflicht des Gerichts sich darauf erstreckt, ob der eine Anordnung rechtfertigende Sachverhalt glaubhaft ist, zB die Voraussetzungen des § 1981 Abs 2 BGB für die Anordnung der Nachlassverwaltung oder bei der Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 GBO hinsichtlich der Unrichtigkeit des Grundbuches. Im Verfahren nach Art 2 § 2 VerschÄndG darf das Gericht abweichend von § 12 FGG Ermittlungen über den Todeszeitpunkt nur auf Antrag anstellen.9 b) Darlegungs- und Förderungspflicht der Beteiligten, Wahrheitspflicht

7

Die Beteiligten werden in der Regel das Gericht bei der Aufklärung des Sachverhalts durch Angabe von Tatsachen und Beweismitteln unterstützen. Eine Pflicht dazu besteht grundsätzlich nicht. Gibt ein Beteiligter aber Erklärungen zum Sachverhalt (Behauptungen und Bestreitungen) ab, so müssen diese, soweit es sich um dem Beteiligten günstige Tatsachen handelt, subjektiv wahr sein. Die Wahrheitspflicht, besser die Pflicht zur Wahrhaftigkeit (§ 138 Abs 1 ZPO), gilt als Postulat einer fairen Prozessführung auch in der FG.10 Das bedeutet nicht, dass nur Behauptungen zulässig wären, die der Beteiligte als wahr kennt. Um ungewisse tatsächliche Verhältnisse klären zu lassen, kann es den Beteiligten nicht verwehrt sein, Behauptungen aufzustellen, von denen sie annehmen können, dass eine Beweisaufnahme sie bestätigen werde. Die Vollständigkeitspflicht (§ 138 Abs 1 ZPO) hat, wie im Zivilprozess, neben der Wahrheitspflicht keine selbstständige Bedeutung. Sie besagt nur, dass durch lückenhaftes Vorbringen der Sachvortrag nicht bewusst verfälscht werden darf. Das Gesetz verlangt nicht, dass die Beteiligten ihnen ungünstige Tatsachen selbst vorbringen. Die Verletzung der Wahrheitspflicht zieht keine verfahrensrechtlichen Sanktionen nach sich, soweit nicht § 263 StGB, § 580 Nr 4 ZPO vorliegen. Bewusst unwahres Vorbringen ist zwar unbeachtlich, aber diese Folgerung setzt die Feststellung der objektiven Unwahrheit voraus. Die festgestellte Unwahrhaftigkeit kann aber bei der Beweiswürdigung im Übrigen von Bedeutung sein. Keinesfalls darf ein Beteiligter an seiner unter Verletzung der Wahrheitspflicht aufgestellten Behauptung festgehalten werden. Die Regelungen der §§ 288 bis 290 ZPO bei (tatsächlichen) Geständnissen und deren erschwertem Widerruf (mit Beweislastumkehr) sind nicht anwendbar. Ein willkürliches Fallenlassen von entscheidungserheblichem Tatsachenvortrag durch einen Beteiligten, wie es im Zivilprozess möglich sein dürfte, verträgt sich nicht mit dem Amtsermittlungsgrundsatz. Eine Erklärungspflicht zu Behauptungen des Gegners (§ 138 Abs 2 bis 4 ZPO), deren 8 Verletzung als Rechtsnachteil die Fiktion eines Geständnisses mit sich bringt, besteht in der 8 9

KG FGPrax 2005, 28. KG NJW 1956, 1075.

294

10

BayObLGZ 1951, 647.

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Amtsermittlungspflicht

§ 12

FG auch in echten Streitsachen nicht. Ein (trotz Befragen aufrecht erhaltenes) Schweigen über Tatsachen, die in eigenen Handlungen des Beteiligten bestehen oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen sind, unterliegt der freien Würdigung des Gerichts, die dann allerdings auch zu Lasten des Schweigenden ausfallen kann und wird. Im Antragsverfahren, nicht nur in echten Streitsachen, obliegt es den Beteiligten, 9 durch Vorbringen des ihnen bekannten Sachverhalts und Angabe der ihnen bekannten Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür zu liefern, in welcher Richtung es seine Ermittlungen ansetzen kann. Der Untersuchungsgrundsatz enthebt die Beteiligten ebenso wie in anderen Verfahren, in denen diese Maxime gilt, nicht der verfahrensrechtlichen Last, an der Aufklärung des Sachverhalts selbst mitzuwirken (Darlegungslast, Förderungslast, Informationslast). Von dem Antragsteller, der eine ihm günstige Entscheidung erstrebt, kann erwartet werden, dass er die ihm günstigen Umstände vorbringt und die ihm bekannten Beweismittel benennt. Ebenso ist es Sache des Antragsgegners, ihm günstige Umstände, die dem Gericht nicht bekannt sein können, vorzubringen. Das bedeutet allerdings nicht, dass den Beteiligten eine Behauptungs- und Beweisführungslast obliege. Bei Verabsäumung dieser Obliegenheiten kann aber die Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht durchgreifen, da dieser Grundsatz das Gericht nicht nötigt, allen nur denkbar entfernten Möglichkeiten nachzugehen, wenn der vorgebrachte Sachverhalt dazu keine Veranlassung bietet.11 Als ungenügende Sachaufklärung kann dem Gericht nur zur Last gelegt werden, wenn es Tatsachen und Beweise außer Betracht gelassen hat, deren Berücksichtigung sich aus dem Inbegriff der Verhandlung aufdrängte. c) Hinweis- und Fragepflicht des Gerichts Im Zivilprozess wird dem Gericht trotz der Geltung der Verhandlungsmaxime durch 10 § 139 ZPO eine Mitverantwortung für das Ergebnis des Rechtsstreits auferlegt: Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Auf einen Gesichtspunkt, den ein Beteiligter erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als die Beteiligten. Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen. Hinweise sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Hat ein Beteiligter einen Hinweis erkennbar missverstanden, muss das Gericht Gelegenheit zu weiterer Erklärung geben.12 Das Vorhandensein von rechtskundigen Verfahrensbevollmächtigten rechtfertigt das Unterlassen von Hinweisen auch dann nicht, wenn die Gegenseite die rechtliche Problematik bereits angesprochen hat.13 Überraschungsentscheidungen, mit denen kein Beteiligter rechnen konnte, sind unzu- 11 lässig. Sind die Bedenken des Gerichts gegen die Schlüssigkeit der Klageforderung nach Anhörung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt, muss es zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung diesen unmissverständlich hierauf hinweisen und ihm Gelegenheit zum weiteren Vortrag geben.14 Lässt der 11 12

BGHZ 16, 383 = MDR 1955, 347; BayObLGZ 1959, 264; 1965, 133. BGH NJW 2002, 3317.

13 14

BGH NJW-RR 2004, 1247. BGH NJW-RR 2004, 281 = FamRZ 2004, 262.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Tatrichter in der mündlichen Verhandlung die Bezugnahme einer beteiligten Partei auf unübersichtliche Anlagen bestimmender oder vorbereitender Schriftsätze zu, darf er nicht ohne Hinweis auf die Mangelhaftigkeit des Vortrags Teile des Verhandlungsstoffes bei der Entscheidung außer Betracht lassen.15 Diese bereits im Zivilprozess laufend verschärften Bestimmungen gelten erst recht im Verfahren der FG, in welchem die Sammlung des Tatsachenstoffs in erster Linie dem Gericht obliegt. Die Frage- und Hinweispflicht besteht freilich nicht unbegrenzt, sondern nur, wenn das Gericht nach Lage des Falles Zweifel hinsichtlich des Vorbringens des Beteiligten hat. Hauptsächlich wird es sich darum handeln, unvollständiges und unklares Vorbringen geschäftsungewandter Beteiligter daraufhin klarzustellen, welches Ziel der Beteiligte verfolgt und auf welchen Sachverhalt er sein Begehren stützt. Die Fragepflicht besteht nicht, wenn der Beteiligter bereits anderweitig zuverlässig die Mängel seines Vorbringens erkennen konnte, zB durch Befragung in der Vorinstanz oder durch Belehrung in den Gründen der Vorentscheidung oder wenn das Gericht sonst mit Rücksicht auf die Unbestimmtheit des Vorbringens von der Aussichtslosigkeit weiterer Aufklärungsversuche überzeugt sein kann. Die Nichterfüllung der Frage- und Hinweispflicht ist eine Rechtsverletzung, welche 12 die Rechtsbeschwerde begründen kann, wenn die Entscheidung darauf beruht. Die Prüfung dieser Verfahrensrüge setzt aber voraus, dass der Beschwerdeführer angeben kann, was er auf die unterlassene Frage vorgetragen hätte, und dass dieser Vortrag entscheidungserheblich ist.

III. Beweislast 13

Unter Beweislast ist die einer Partei obliegende Last zu verstehen, bei Vermeidung des Prozessverlusts durch eigene Tätigkeit den Beweis einer streitigen Tatsache zu führen. In diesem Sinne kann es eine subjektive Beweislast (Beweisführungslast) im Verfahren der FG nicht geben, auch nicht in echten Streitsachen, weil infolge der Ermittlungspflicht des Gerichts den Beteiligten die Last einer Beweistätigkeit nicht auferlegt ist. Daher kann eine Entscheidung nicht damit begründet werden, ein Beteiligter sei mit seinen Behauptungen beweisfällig geblieben.16 Auch im Verfahren der FG muss es aber Regeln geben, wie zu entscheiden ist, wenn eine erhebliche Tatsache sich nach Anstellung der erforderlichen Ermittlungen als nicht erweisbar herausstellt. Die Folgen der Nichtfeststellbarkeit oder objektiven Beweislosigkeit einer Tatsache richten sich nach den Grundsätzen über die objektive (materielle) Beweislast (Feststellungslast), die, wie in jedem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz,17 auch im Verfahren der FG gelten.18 Da ein Rechtssatz nur angewandt werden kann, wenn seine tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, ergibt sich der Grundsatz, dass die Feststellungslast derjenige Beteiligte trägt, der aus der nicht feststellbaren Tatsache ein Recht herleitet oder zu dessen Gunsten das Gericht im Amtsverfahren ein Recht begründen oder feststellen dürfte. Hierbei ist zwischen rechtsbegründenden Tatsachen einerseits und rechtshindernden 14 oder rechtsvernichtenden Tatsachen andererseits zu unterscheiden. Im Erbscheinsverfahren trägt die Feststellungslast für die das Erbrecht begründenden Tatsachen der Beteiligte, der aus ihnen ein Recht herleitet, der Testamentserbe also zB für das Vorhandensein und 15 16 17

BGH NJW 2005, 2927. BayObLGZ 1961, 132, 139; KG NJW 1963, 766. BVerwG NJW 1956, 1214; BSozG NJW

296

18

1958, 30; Bettermann Zur Beweislast im Verwaltungsprozess, DVBl 1957, 84. OLG Hamm OLGZ 1966, 497.

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Amtsermittlungspflicht

§ 12

die Echtheit des Testaments, der Anfechtende aber für rechtsvernichtende Tatsachen, zB für den Anfechtungsgrund, der Testamentserbe wiederum für Tatsachen, welche die Anfechtung ausschließen (zB § 2079 S 2 BGB). Wer gegenüber dem Testamentserben geltendmacht, dass die Testierfreiheit des Erblassers durch ein früheres gemeinschaftliches Testament eingeschränkt sei, trägt hierfür die Feststellungslast.19 Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass ein nicht widerlegter, aber auch nicht feststellbarer Ausnahmezustand nicht anzunehmen ist, zB Leseunkunde oder Erblindung des Erblassers bei der Testamentserrichtung.20 Die Testierunfähigkeit des Erblassers muss zur vollen Überzeugung des Nachlassgerichts feststehen, wenn ein Testament aus diesem Grunde für nichtig erachtet werden soll.21 Bei nicht behebbaren Zweifeln muss der Erbschein nach dem Testament erteilt werden.22 Dasselbe gilt für andere rechtshindernde Tatsachen, zB einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten. Die Grundsätze für die Verteilung der Feststellungslast ergeben sich aus dem materiel- 15 len Recht. Deshalb ist die Stellung der Beteiligten im Verfahren darauf ohne Einfluss. Bedeutungslos ist daher, ob derjenige, zu dessen Gunsten sich die Anwendung der Norm auswirken würde, Antragsteller oder Antragsgegner ist. Ebenso bewirkt die Art des Verfahrens (Amts- oder Antragsverfahren) grundsätzlich keinen Unterschied, sofern in dem Amtsverfahren über Rechte eines Beteiligten im Verhältnis zu anderen entschieden wird, zB über die Vergütung des Vormunds zu Lasten des Mündels (§ 1836 BGB). Im Erbscheinsverfahren ist die Verteilung der Feststellungslast dieselbe, gleichgültig ob auf Antrag (§ 2353 BGB) über die Erteilung oder von Amts wegen (§ 2361 BGB) über die Einziehung zu befinden ist.23 Handelt es sich aber darum, dass im Amtsverfahren in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) oder ein sonstiges Grundrecht (zB Art 6 Abs 2, Art 2 Abs 2 S 2 GG) eingegriffen werden soll, so muss die Maßnahme unterbleiben, wenn der gesetzliche Tatbestand dafür nicht festgestellt werden kann, zB für die Entziehung des Sorgerechts (§ 1666 BGB). Kann eine Maßnahme nur auf Antrag einer Behörde angeordnet werden (zB § 3 FEVG), so trägt diese die Feststellungslast für die Voraussetzungen des Eingriffs. Die Frage der Beweis- wie der Feststellungslast erhebt sich erst, wenn das Gericht 16 nach Anstellung der gebotenen Ermittlungen und Beweiserhebungen und ungeachtet aller Möglichkeiten der Beweiswürdigung nicht zur Feststellung der erheblichen Tatsache kommt. Die Feststellung einer Tatsache in freier Beweiswürdigung auf Grund von Beweisanzeichen und Erfahrungssätzen, also durch den Schluss von tatbestandsfremden Tatsachen auf ein konkretes Tatbestandsmerkmal, wird durch die Beweislastregeln nicht beschränkt. Bevor das Ergebnis der Beweiswürdigung feststeht, ist dem Gericht eine Entscheidung nach Beweislastregeln verwehrt. Bei der Würdigung es Beweisergebnisses muss sich der Richter jedoch der richtigen Verteilung der Beweislast bewusst sein. Die Verkennung der Beweislastnormen ist ein Rechtsbeschwerdegrund. Eine nach Beweislastregeln ergangene Entscheidung ist eine Sachentscheidung.

19 20 21

OLG Stuttgart Die Justiz 1963, 260. OLG Neustadt FamRZ 1961, 541 = JZ 1962, 417 m Anm Habscheid. BayObLG FGPrax 2004, 243 = FamRZ 2005, 308.

22 23

BGHZ 40, 54, 59; BayObLGZ 1956, 380; KG NJW 1963, 766. KG NJW 1963, 766; ebenso OLG Hamm OLGZ 1968, 209 zu §§ 22, 53 GBO.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

IV. Gesetzliche Vermutungen 1. Tatsachenvermutungen

17

Gesetzliche Vermutungen von Tatsachen sind Rechtssätze, die das Vorliegen einer als Tatbestandsmerkmal einer Rechtswirkung erforderte Tatsache aus einem tatbestandsfremdem Umstand erschließen. Hierher gehören die Vermutungen nach §§ 938 Abs 1, 1117 Abs 3, 1253 Abs 2, 1377 Abs 1 und 3, 2009 BGB, §§ 9 Abs 1, 10, 11, 44 Abs 2 VerschG. Sie gelten auch im Verfahren der FG. Die durch Todeserklärung begründete Vermutung gilt auch gegenüber dem Nachlassgericht, mag es sich um die Beerbung des Verschollenen oder um den Nachweis des Wegfalls einer der in § 2354 Abs 2 BGB bezeichneten Personen handeln.24 Vermutete Tatsachen bedürfen keines Beweises, wenn der Tatbestand feststeht, an den sich die Vermutung knüpft (Vermutungsbasis). Vermutungen können aber durch den Beweis des Gegenteils entkräftet werden. Im Verfahren der FG ist die Feststellung des Gegenteils der vemutetenTatsache oder ihrer Unrichtigkeit Gegenstand der Amtsermittlung. Die durch Todeserklärung begründete Todeszeitvermutung kann daher auch im Erbscheinsverfahren widerlegt werden.25 Die Möglichkeit der Änderung des Todeszeitpunktes nach § 33a VerschG, Art 2 § 3 VerschÄndG steht nicht entgegen, weil dadurch die vorhandene Vermutung nur durch eine andere ersetzt wird, während sie hier widerlegt werden soll. Die Vermutung gleichzeitigen Todes nach § 11 VerschG muss durch den Beweis des Überlebens entkräftet werden.26 Die auf das Entschädigungsverfahren beschränkten Todeszeitvermutungen nach § 180 BEG sind auch in dem Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins nur für den Entschädigungsanspruch nach § 181 BEG maßgebend, ohne dass es der Vorlegung einer Todeserklärung bedarf, und zwar weder zum Nachweis des Todes des Erblassers noch des Wegfalls anderer als Erben in Betracht kommender Verfolgter.27 Jedoch geht die durch Todeserklärung begründete Todeszeitvermutung des § 9 VerschG der besonderen Todesvermutung des § 180 BEG vor.28 2. Rechtsvermutungen

18

Rechtsvermutungen sind auf das gegenwärtige Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses gerichtet. Dazu gehörendie Vermutungen nach §§ 891 (1138, 1155), 921, 1006 (1065, 1227), 1362, 1964, 2365 (1507, 2368 Abs 3) BGB, § 8 Abs 2 HausratsVO. Das Bestehen des Vermutungstabestandes führt dazu, dass das Gericht das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Der zulässige Beweis des Gegenteils, der Gegenstand von Amtsermittlungen sein kann, ist erbracht, wenn das Gericht die Gewissheit erlangt hat, dass das als bestehend und dem Begünstigten zustehend vermutete Recht nicht besteht oder ihm nicht zusteht. Die Rechtsvermutung des § 2365 BGB hat aber im Erbscheineinziehungsverfahren keine Bedeutung, wohl aber im Grundbuchverfahren.29 Überhaupt ist zu beachten, dass das Bestehen von Rechten und Rechtsverhältnissen in der Weise geprüft wird, dass das Entstehen von Recht bzw Rechtsverhältnis anhand der erforderlichen gesetzlichen Tatbe-

24 25 26

KGJ 45, 150. BayObLGZ 1953, 120 = JZ 1953, 474; KG NJW 1954, 1652 = DNotZ 1954, 374. KG NJW 1954, 1652; OLG Celle RzW 1961, 223; OLG Hamburg RzW 1965, 35; im Ergebnis auch BayObLGZ 1964, 433, 443.

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27 28 29

KG RzW 1958, 115. BGH zW 1959, 42, 138, 239. KEHE/Herrmann GBO § 35 Rn 48; Demharter GBO § 35 Rn 27.

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§ 12

standsmerkmale festgestellt wird. Recht und Rechtsverhältnis bestehen dann vermutungsweise solange, bis wiederum der Wegfall des Rechts oder Rechtsverhältnisses nach den gesetzlichen Erlöschenstatbeständen festzustellen ist.

V. Vorfragenkompetenz 1. Grundsatz Das Gericht der FG ist, einem anerkanten Grundsatz des deutschen Prozessrechts ent- 19 sprechend, befugt, über Vorfragen und Einwendungen aus einem nicht zu seiner Zuständigkeit gehörenden Rechtsgebiet zu entscheiden, soweit es in dem Verfahren überhaupt zur Entscheidung berufen ist und sofern es die Entscheidung der Vorfrage für seine Entscheidung für erheblich erachtet. Das gilt zunächst für die Beurteilung streitiger Rechtsverhältnisse aus dem Gebiet des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, für deren Entscheidung auch die Zuständigkeit des Prozessgerichts begründet werden könnte. Hängt die Entscheidung in der dem Gericht der FG zugewiesenen Angelegenheit davon ab, so ist das Gericht befugt, die Entscheidung über die Vorfrage selbst zu treffen und zur Aufklärung des Sachverhalts die erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten.30 Zur Vorfrage wird eine Frage dadurch, dass ihre Beantwortung zum Zwecke der Be- 20 urteilung einer anderen Frage notwendig ist. Bei der Testamentseröffnung, der Entgegennahme von Erbausschlagungs- und Testamentsanechtungserklärungen (§§ 1945, 2081 BGB) hat das Nachlassgericht über die Gültigkeit dieser Rechtsgeschäfte nicht zu befinden, selbstständige feststellende Entscheidungen darüber sind ihm nicht zugewiesen. Dagegen ist das Nachlassgericht zur Entscheidung über diese Fragen berufen, wenn es in einem ihm zugewiesenen selbstständigen Verfahren über die Erbeneigenschaft oder die Erbfolge zu befinden hat, zB bei der Bestimmung einer Inventarfrist (§ 1994 BGB), bei der Feststellung des Errechts des Fiskus (§ 1964 BGB) oder imVerfahren zur Erteilung oder Einziehung des Erbscheins (§ 84). Im Erbscheinsverfahren ist daher zu befinden über die Wirksamkeit einer Testamentsanfechtung31 oder über das Bestehen eines Kindesannahmeverhältnisses.32 Das Vormundschaftsgericht entscheidet über die Gültigkeit und Auslegung einesTestaments, wenn eine Pflegschaft nach § 1909 Abs 1 S 2 BGB angeordnet werden soll. In dem Verfahren zur Anordnung der Mitteilung einer Bilanz nach § 166 Abs 3 HGB hat das Gericht über streitige Vorfragen, zB über das Bestehen der Gesellschaft, ihre Beendigung oder die Eigenschaft des Antragstellers als Kommanditisten zu befinden. Vor der Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB hat das Gericht zu prüfen, ob die bisherigen Vorstandsmitglieder wirksam abberufen sind, wenn darüber Streit besteht. Bei einer Anmeldung zum Vereinsregister nach § 67 BGB obliegt dem Gericht in materieller Hinsicht im Allgemeinen nur eine Prüfung dahin, ob die nachgesuchte Eintragung durch den Inhalt der beigefügten Urkunden gerechtfertigt wird oder ob sich insoweit Bedenken ergeben. Begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der in den Urkunden angegebenen Tatsachen hat das Gericht nach § 12 FGG nachzugehen. Für das Rechtsbeschwerdegericht ist die Prüfung dahin eingeschränkt, ob solche Zweifel möglich sind. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Vorstandswahl ungültig ist, wenn nicht alle Mitglieder ordnungsgemäß zu der Mitgliederversammlung eingeladen waren.33 30

31

BGHZ 5, 259 = NJW 1952, 742; BayObLGZ 1954, 6, 8; 1964, 35 und 387; KG NJW 1960, 633. KG NJW 1963, 766 = JR 1963, 100.

32 33

BayObLGZ 1964, 385. OLG Schleswig FGPrax 2005, 82 = NZG 2005, 444.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Aufrechnung

21

In echten Streitsachen kann ggf mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs 2 ZPO) auch über solche zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen befunden werden, die sonst vor dem Prozessgericht eingeklagt werden müssten, zB im Landwirtschaftsverfahren.34 Im Verfahren zur Rückerstattung von Notarkosten (§ 157 KostO) kann über einen zur Aufrechnung gestellten Vergütungsanspruch des Anwaltsnotars aus anwaltlicher Tätigkeit entschieden werden. In Nichtstreitsachen dagegen ist die Entscheidung über zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen unzulässig, zB bei der Festsetzung der Vergütung des Vormunds.35 Für Schadensersatzansprüche nach § 1833 BGB ist das Prozessgericht zuständig;36 allenfalls kann das Vergütungsfestsetzungsverfahren bis zur Entscheidung des Prozessgerichts ausgesetzt werden.37 Besteht für die Gegenforderung die Zuständigkeit der allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichte, kann die Aufrechnung nicht im Verfahren der FG geltend gemacht werden.38 Dem aufrechnungswilligen Beteiligten ist eine Frist zur Klageerhebung zu setzen, andernfalls das FGG-Verfahren fortzusetzen. Zur Berücksichtigung materiellrechtlicher Einwendungen im Festsetzungsverfahren nach § 56g vgl dort Rn 52. 3. Ausschluss der Vorfragenkompetenz

22

Eine Inzidententscheidung ist aber ausgeschlossen, wenn über die präjudizielle Vorfrage ausschließlich durch Gestaltungsurteil entschieden werden kann, wie über die Erbunwürdigkeit (§ 2342 BGB). In diesen Fällen ist entsprechend § 153 ZPO das Verfahren auszu-setzen. Ebenso ist eine Entscheidung über die Vorfrage ausgeschlossen, wenn darüber durch eine rechtsgestaltende Entscheidung der FG zu befinden ist (Vaterschaftsanfechtung, vgl § 56c). Auch über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen kann nicht als Vorfrage beiläufig entschieden werden, soweit die Justizverwaltungsbehörde zuständig ist (Art 7 FamRÄndG § 1). 4. Öffentlichrechtliche Vorfragen

23

Öffentlichrechtliche Vorfragen unterliegen grundsätzlich ebenfalls der Entscheidungsbefugnis des Gerichts der FG. Selbstständig zu prüfen ist daher die Staatsangehörigkeit, wenn es für die Zuständigkeit, das nach internationalem Privatrecht anzuwendende Recht oder nach dem Tatbestand der anzuwendenden Norm (§ 16 Abs 2 AuslG) darauf ankommt. Im Verfahren zur Anordnung von Abschiebungshaft ist die Ausländereigenschaft selbstständig zu prüfen.39 Die Entscheidungsbefugnis entfällt aber, wenn die Feststellung des Rechtsverhältnisses mit bindender Wirkung zur ausschließlichen Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde gehört, wie die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art 7 § 1 FamRÄndG.

34 35 36

BGHZ 40, 338 = NJW 1964, 863. KG NJW 1957, 1441. OLG Köln FamRZ 1991, 483.

300

37 38 39

Palandt/Diederichsen BGB § 1836 Rn 14. BGHZ 16, 124, 132 = NJW 1957, 497. BayObLGZ 1958, 309.

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§ 12

VI. Bindung an Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte 1. Begriff und Umfang Die selbstständige Entscheidung von Vorfragen kann dem Gericht verwehrt sein, 24 wenn über die Vorfrage bereits eine Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde vorliegt, an die das Gericht der FG gebunden ist. Bindung bedeutet Maßgeblichkeit der früheren Entscheidung im Sinne eines Verbots, sich zu ihr in Widerspruch zu setzen. Bei feststellenden Entscheidungen bedeutet dies das Verbot, die Rechtslage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht anders zu beurteilen, als es in der Entscheidung geschehen ist, bei rechtsgestaltenden Entscheidungen das Gebot, die durch den Akt bewirkte Gestaltung der Rechtslage anzuerkennen und der Entscheidung zugrunde zu legen. Bindung bedeutet aber nicht ein Verbot der Nachprüfung schlechthin, die Nachprüfbarkeit ist lediglich beschränkt. Das Gericht darf jedenfalls prüfen, ob der Akt überhaupt erlassen ist, ob er ordnungsgemäß verlautbart oder formell rechtskräftig ist, wenn der Eintritt seiner Wirkungen hiervon abhängt, und ob er nicht etwa widerrufen oder aufgehoben ist. Es darf den Akt auch auslegen40 und darf schließlich prüfen, ob der Akt nicht etwa nichtig ist, dh in der Weise schlechthin unverbindlich (wirkungslos) ist, dass diese Unverbindlichkeit ohne vorherige förmliche Anfechtung oder Aufhebung von jedermann jederzeit geltend gemacht werden, somit auch von jedem Gericht inzidenter festgestellt werden kann. Die Befugnis zur Nachprüfung auf Nichtigkeitsgründe besteht im Grundsatz gegen- 25 über Entscheidungen jeder Art, jedoch sind die Voraussetzungen, unter denen Nichtigkeit oder Wirkungslosigkeit angenommen werden kann, bei Urteilen der Prozessgerichte und Verwaltungsgerichte und bei Verfügungen der FG nur in seltenen Fällen gegeben und jedenfalls weit enger als bei Verwaltungsakten, bei denen es auf die Schwere der Rechtsverletzung und die Offenkundigkeit des Fehlers (Evidenz) ankommt. Dagegen erstreckt sich die Prüfungsbefugnis nicht darauf, ob die Entscheidung sachlich richtig und fehlerfrei (rechtmäßig) ist oder nicht, so dass sie in dem für sie vorgesehenen Rechtsweg aufgehoben werden müsste oder hätte aufgehoben werden können. Der Umfang der Bindung ergibt sich bei Entscheidungen mit Feststellungswirkung aus den objektiven und subjektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft. Bei rechtsgestaltenden Entscheidungen besteht eine Bindung nur hinsichtlich der durch 26 sie herbeigeführten Gestaltungswirkung, nicht auf die Beurteilung der Vorfragen, auf der das Recht zur Gestaltung beruht. Hat daher das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernannt (§ 2200 BGB), so ist diese Verfügung für das Prozessgericht oder das Gericht der FG bindend. Die Testamentsvollstreckerstellung wird gegenüber dem Grundbuchamt durch das Testamentsvollstreckerzeugnis nachgewiesen. Hiervon kann das Grundbuchamt nur abweichen, wenn neue, dem Nachlassgericht noch nicht bekannte Tatsachen bekannt werden, die die Einziehung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erwarten lassen. Hierfür genügt die Annahme einer Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers nicht, solange diese nicht zu seiner Entlassung geführt hat.41 Die Bindungswirkung besteht nicht nur im Verhältnis der verschiedenen Gerichtszweige zueinander, sondern auch innerhalb desselben Gerichtszweiges. Zu unterscheiden ist die Bindung an Entscheidungen mit Gestaltungswirkung, mit Tatbestandswirkung sowie an feststellende und verurteilende Entscheidungen. 40 41

BayObLGZ 1985, 184, 187. BayObLGZ 2004, 371 = FGPrax 2005, 56 = FamRZ 2005, 1268 = Rpfleger 2005, 247.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Rechtsgestaltende Entscheidungen

27

Die Gestaltungswirkung einer Entscheidung besteht darin, dass durch eine in ihr enthaltene staatliche Willenserklärung eine Änderung der Rechtslage (Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses) herbeigeführt wird. Gestaltungswirkung ist keine Eigenart gerichtlicher Urteile. Sie ist eher typisch für Verwaltungsakte, die ebenso wie Verfügungen der FG überwiegend rechtsgestaltender Natur sind. An wirksame gestaltende Gerichtsentscheidungen (der streitigen, freiwilligen oder Verwaltungsgerichtsbarkeit) und Verwaltungsakte sind die Gerichte gebunden. Die Bindung ergibt sich daraus, dass das Gericht infolge seiner Bindung an das Recht (Art 20 Abs 3, Art 97 Abs 1 GG, § 1 GVG) die von der Rechtsordnung an den (wirksamen) Gestaltungsakt geknüpften Rechtsfolgen seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Eine Prüfung, ob der Staatsakt hätte erlassen werden dürfen, ist dem Gericht verwehrt, weil die Rechtsordnung die Rechtsfolge an den Gestaltungsakt als Tatbestandsmerkmal, nicht an den ihn rechtfertigenden Sachverhalt knüpft. Bindend sind daher rechtsgestaltende Verwaltungsakte, wie die Einbürgerung, die Namensänderung (§§ 1, 11 NamÄndG), die Ernennung oder Entlassung eines Beamten, die Verleihung oder Entziehung der Rechtsfähigkeit eines Vereins (§§ 22, 43, 44 BGB). Die Eintragung einer GmbH, deren Unternehmensgegenstand den Betrieb eines zulassungsfähigen Handwerks vorsieht, kann im Handelsregister nur erfolgen, wenn der Nachweis der Eintragung in die Handwerksrolle (die einer staatlichen Genehmigung gleichsteht42) oder ein diesbezügliches Negativattest vorgelegt wird.43 Nicht bindend sind Entscheidungen und Verwaltungsakte, die eine beantragte Gestal28 tung ablehnen. Ein Urteil des Prozessgerichts, durch welches die Klage auf Nichtigerklärung einer AG oder GmbH abgewiesen wird, hindert das Registergericht nicht, ein Amtslöschungsverfahren nach § 144 FGG einzuleiten. Hat die Genehmigungsbehörde entschieden, dass ein Geschäft einer dem Schutz öffentlicher Interessen dienenden Genehmigung nicht bedürfe (Negativattest), so ist das Gericht hieran gebunden, da die Wahrung des öffentlichen Interesses allein der Behörde obliegt.44 Hat das Jugendgericht gemäß § 53 JGG dem Familien- oder Vormundschaftsrichter die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln überlassen, so muss dieses grundsätzlich die Maßnahmen anordnen, soweit sich nicht die Umstände, die für das Urteil maßgebend waren, geändert haben. Die bindende Wirkung beginnt, sobald der Gestaltungsakt wirksam geworden ist, 29 und besteht, solange er wirksam ist. Bei Gestaltungsakten, die schon vor Eintritt der Unanfechtbarkeit mit ihrem Erlass oder ihrer Bekanntmachung wirksam werden, wie meistens bei Verwaltungsakten und Verfügungen der FG, ist es daher für die Bindungswirkung belanglos, ob der Akt schon unanfechtbar geworden ist oder nicht. Aufgeschoben wird die bindende Wirkung aber durch die Einlegung eines Widerspruchs (§ 80 Abs 1 VwGO ) oder, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat (§ 80 Abs 2 Nr 4 VwGO), durch gerichtliche Anordnung nach § 80 Abs 5 VwGO. Wegen rechtsgestaltender Verfügungen der FG vgl § 24 Rn 12. Bei Gestaltungsurteilen tritt die Gestaltungswirkung erst mit formeller Rechtskraft ein, mitunter (etwa bei der Erbunwürdigkeit) aber mit Rückwirkung (§ 2344 BGB).

42

BGHZ 102, 209; OLG Zweibrücken GmbHR 1995, 723; OLG Celle GmbHR 2003, 245.

302

43 44

OLG Frankfurt FGPrax 2005, 268. BGHZ 1, 302; 44, 326; BayObLGZ 1952, 57.

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Amtsermittlungspflicht

§ 12

3. Tatbestandswirkung Von Tatbestandswirkung oder Nebenwirkung eines Staatsaktes spricht man, wenn die 30 Rechtsänderung nicht Gegenstand des Verfahrens ist und in dem Staatsakt nicht besonders ausgesprochen wird, wenn aber das Vorliegen einer Entscheidung zum gesetzlichen Tatbestand einer Rechtsnorm gehört und das Gesetz damit an die Entscheidung Wirkungen knüpft wie an ein anderes Tatbestandsmerkmal. Ob einer Entscheidung neben ihrer eigentlichen Bedeutung eine solche Tatbestandswirkung beigelegt ist, muss durch Auslegung der jeweiligen Norm ermittelt werden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftvermögen zieht als Tatbestandswirkung die Auflösung der Handelsgesellschaft nach sich (§ 131 Abs 1 Nr 3 HGB). 4. Feststellungswirkung An Entscheidungen der Prozess- und Verwaltungsgerichte, die nicht rechtsgestaltend 31 sind und nach der anzuwendenden Rechtsnorm keine Tatbestandswirkung haben, insbesondere also Leistungs-, Feststellungs- und klagabweisende Urteile, mögen sie auch materiell rechtskräftig sein, ist das Gericht der FG nicht gebunden. Es ist vielmehr berechtigt und verpflichtet, auch gegenüber bereits vorliegenden rechtskräftigen Urteilen eines anderen Gerichts die Rechtslage selbst zu prüfen und über Vorfragen selbstständig zu entscheiden. Das folgt zwar nicht daraus, dass im Verfahren der FG der Amtsermittlungsgrundsatz, im Zivilprozess jedoch die Verhandlungsmaxime gilt; denn der angeführte Grundsatz gilt auch für Urteile der Verwaltungsgerichte, die in einem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz ergangen sind. Die Folgerung ergibt sich aber aus den subjektiven Grenzen der Rechtskraft, die grundsätzlich auf die Parteien des Rechtsstreits und ihre Rechtsnachfolger beschränkt ist, während im Verfahren der FG möglicherweise über die Rechte weiterer Beteiligter zu finden ist, sowie aus dem Umstand, dass im Verfahren der FG das Gericht bei manchen Verfahren auch öffentliche Belange zu vertreten hat, weshalb der BGH die allgemeine FG von der streitigen FG abhebt.45 Fehlen diese besonderen Gründe, so ist eine Bindung des Gerichts an rechtskräftige 32 Urteile anzuerkennen, also wenn zwischend den Parteien des anderen Prozesses oder ihren Rechtsnachfolgern (§ 325 ZPO) und den materiell Beteiligten des Verfahren der FG Personengleichheit besteht und das Gericht in dem Verfahren keine öffentlichen Belange zu wahren hat. Die Maßgeblichkeit ist eine Reflexwirkung der Verpflichtung der Parteien, im Verhältnis zueinander das materiell rechtskräftige Urteil zu beachten. Wenn andere als private Belange der Beteiligten nicht in Betracht kommen, ist im Interesse der Entscheidungsharmonie eine Beschränkung der richterlichen Entscheidungsfreiheit auch in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz vertretbar. Diese Lage wird häufig in (privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen) Streitsachen gegeben sein, kann aber auch in anderen Verfahren, zB vor dem Nachlassgericht, dem Registergericht oder dem Grundbuchamt auftreten. Daher ist das Nachlassgericht im Verfahren zur Erteilung oder Einziehung eines Erb- 33 scheins innerhalb der subjektiven und objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft an ein rechtskräftiges Urteil über die Feststellung des Erbrechts gebunden. Kommen als Erbprätendenten nur die Parteien des Feststellungsprozesses in Betracht, so muss das Nachlassgericht den Erbschein dem Beteiligten erteilen, der im Rechtsstreit obsiegt hat. Dagegen ist es nicht gehindert, einer dritten Person den Erbschein zu erteilen, wenn es der 45

BGH, Beschl vom 29.9.2005, V ZB 107/05, NZM 2005, 952 = ZMR 2006, 53.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Meinung ist, dass keine der Prozessparteien, sodern ein Dritter Erbe ist. Die Bindung entfällt jedoch, wenn ein Wiederaufnahmegrund, etwa nach § 580 Nr 7 ZPO, gegeben ist oder nachträglich dem Prozessgericht unbekannt gewesene Umstände hervortreten, die dem Unterlegenen die Einrede arglistiger Ausnutzung der Rechtskraft gewähren würden. Die Bindung besteht ferner nur in den objektiven Grenzen der Rechtskraft, daher nicht an bloße Urteilselemente, auf die sich die Rechtskraft nicht erstreckt. Deshalb ist das Nachlassgericht nicht gebunden an Urteile über den Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer oder Nachlassschuldner, über Ansprüche aus Vermächtnissen oder Pflichtteilsrechten oder über die Erbauseinandersetzung. In demselben Umfang kann Bindung an rechtskräftige Urteile der Verwaltungsgerichte bestehen.46 Eine weitergehende Bindung kann gesetzlich angeordnet sein, zB für das Registergericht in § 16 HGB. 5. Strafurteile

34

An Feststellungen in einem Strafurteil ist das Gericht nicht gebunden. Es ist befugt, den Sachverhalt selbstständig aufzuklären, und nicht gehindert, die Tatsachen, die der Strafrichter als nicht erwiesen erachtet hat, gleichwohl als wahr festzustellen oder umgekehrt.47 Dem Gericht ist es nicht verwehrt, den Inhalt von Strafakten im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, wenn keine Tatsachen hervorgetreten sind, welche die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen zu erschüttern geeignet sein könnten.48 6. Feststellende Verwaltungsakte

35

An feststellende Verwaltungsakte deklaratorischer Art, zB über die Staatsangehörigkeit, ist das Gericht nicht gebunden, soweit eine Bindung nicht gesetzlich angeordnet ist wie in Art 7 § 1 Abs 8 FamRÄndG oder in § 8 NamÄndG. Es gibt jedoch gewisse Verwaltungsakte, die eine der materiellen Rechtskraft wesensverwandte Beständigkeit besitzen.Diese Eigenschaft können feststellende streitentscheidende Verwaltungsakte haben, wenn über widerstreitende Interessen mehrerer Beteiligter durch eine Verwaltungsbehörde als Unbeteiligte dritte Stelle in einem geregelten Verfahren nach Aufklärung des Sachverhalts und nach Anhörung der Beteiligten entschieden wird.49 Derartige Verwaltungsakte können in den in Rn 32 angeführten Grenzen auch für das Gericht der FG bindend sein. Im Übrigen aber haben Verwaltungsakte nicht die Fähigkeit, in materielle Rechtskraft zu erwachsen.50

VII. Ausländisches Recht 1. Ermittlung

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Die Kenntnis eines etwa anzuwendenden ausländischen Rechts hat sich das Gericht sowohl im Amtsverfahren als auch im Antragsverfahren einschließlich der echten Streitsachen selbst zu verschaffen. Die Vorschrift des § 293 ZPO, die übrigens auch für den Zivilprozess nur besagt, dass das deutsche Gericht fremdes Recht nicht zu kennen braucht, ist nicht anwendbar. Das Gericht ist deshalb verpflichtet, den Inhalt des ihm 46 47 48

BGH DVBl 1962, 753; BayObLGZ 1958, 313 und 349. BGHZ 39, 110; BGH NJW 1966, 659. BGHZ 39, 110; BGH NJW 1966, 659.

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49

50

BVerwGE 2, 393; BVerwG NJW 1957, 922, 1958, 155; OVG Hamburg JZ 1960, 292; KG NJW 1960, 1817. BVerwGE 4, 234; BGHZ 9, 11.

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§ 12

unbekannten ausländischen Rechts im Rahmen des Möglichen von Amts wegen zu erforschen. Dabei hat es alle ihm zugänglichen Erkenntnisquellen zu benutzen.51 Die Art und Weise der Ermittlung ausländischen Rehts steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. An Beweisanträge der Beteiligten und an die Grenzen und Formen des Tatsachenbeweises oder an die Beweismittel der ZPO ist das Gericht nicht gebunden, wenn auch eine Beweisaufnahme im Sinne der ZPO nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass es sich nicht um eine Beweiserhebung über Tatsachen handelt.52 Im Allgemeinen wird aber das Gericht von den Mitteln des Freibeweises Gebrauch machen.53 Das Gericht kann sich auch auf die von den Beteiligten, ohne dass ihnen dies aufgege- 37 ben werden dürfte, etwa beigebrachten Nachweise beschränken, wenn sie seine Überzeugung genügend stützen. Einer Beweiserhebung bedarf es vor allem nicht, wenn das Gericht sich die fehlende Kenntnis durch Nachforschungen in dem ihm zugänglichen Schrifttum verschaffen kann. Kann ausländisches Recht auf diese Weise im Inland, zB auch durch Befragung eines Instituts für ausländisches Recht (Sachverständigengutachten),54 nicht festgestellt werden, kommen auch ausländische Institute oder Anfragen gemäß dem Europäischen Übereinkommen vom 7.6.1968 (BGBl II 1974, 937) mit AusfG (BGBl I 1974, 1433) in Betracht,55 letztlich auch die Einholung von Rechtsauskünften über deutsche Konsulate im Wege der Verfahrenshilfe gemäß §§ 5 Nr 5, 48 Abs 2 ZRHO. Die Kosten der Inanspruchnahme ausländischer Behörden oder Sachverständiger (Vertrauensanwälte) sind als Auslagen gemäß AuslandskostenG vom 21.2.1978 (BGBl I 301) und AuslandskostenVO vom 20.12.2001 (BGBl I 4161) sowie nach § 3 Abs 3 KonsularG vom 11.9.1974 (BGBl I 2317) zu erheben und dem Kostenschuldner nach § 137 Nr 16 KostO in Ansatz zu stellen. Haben über den Inhalt des ausländischen Rechts Ermittlungen stattgefunden, so ist den Beteiligten hierzu (wie zu ermittelten) Tatsachen) rechtliches Gehör zu gewähren. 2. Anwendung des ausländischen Rechts Die Anwendung ausländischen Rechts bedeutet für den deutschen Richter, dass er 38 ebenso zu entscheiden hat, wie der fremde Richter entscheiden würde. Maßgebend sind also die positiven Normen des fremden Rechts in der Auslegung und Gestalt, die sie in Rechtsprechung und Rechtslehre erfahren haben und im Ausland tatsächlich angewendet werden.56 Die ausländischen Regeln über die Gesetzesauslegung sind hierbei zu beachten. Ist die Rechtsfrage im ausländischen Recht noch nicht beantwortet worden, so muss der deutsche Richter sich selbst um eine Lösung bemühen. Ist eine Tatfrage nicht erweislich, so gelten auch die Beweislastregeln des ausländischen Rechts, nicht etwa die der lex fori.57 Die Verletzung der Pflicht zur Ermittlung ausländischen Rechts kann mit der Verfahrensrüge bemängelt werden.58 Unter Umständen ist das Rechtsbeschwerdegericht befugt, die Erfolgsaussicht eines auf die Verfahrensrüge fehlerhaft ermittelten ausländischen Rechts gestützten Rechtsmittels anhand eigener Kenntnis des ausländischen Rechts zu beurteilen.59 51 52 53 54 55

BGHZ 36, 353; BGH NJW 1961, 410. BGH NJW 1966, 1364. BGH NJW 1961, 410; BGH NJW 1966, 296, 298. BGH NJW-RR 1997, 1154 = MDR 1997, 642. Vgl Jastrow Was leistet das Londoner Auskunftsübereinkommen in der Praxis? IPrax 2004, 402.

56

57 58 59

BGH NJW 1963, 252; BGHZ 118, 151, 163 = MDR 1992, 765; BGH NJW 2003, 2685 = FamRZ 2003, 1549; BGH NJW-RR 2005, 1071 = MDR 2005, 641. BGHZ 3, 342, 346; BGH NJW 1960, 774. BGH MDR 1991, 1151; BGH NJWRR 1997, 1154 = MDR 1997, 879. BGHZ 122, 373, 378 = NJW 1993, 2312; BGH NJW 2002, 3335 = MDR 2002, 1024.

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§ 12

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3. Legalisation ausländischer öffentlicher Urkunden

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Legalisation ausländischer öffentlicher Urkunden zu verlangen, ist das Gericht berechtigt, aber nicht verpflichtet (vgl § 438 ZPO).60 Die Legalisation erfolgt nach § 13 KonsularG vom 11.9.1974 (BGBl I 2317). Das Verlangen nach Legalisation kommt nicht in Betracht, wenn Staatsverträge über den Verzicht auf oder die Befreiung von der Legalisation vorliegen. Die Legalisation bezeugt die Echtheit der Urkunde und die Zuständigkeit der ausstellenden oder beglaubigenden Behörde. Im Übrigen wird die Gültigkeit der Beurkundung und die Wirksamkeit der beurkundeten Erklärung durch den Legalisationsvermerk nicht gedeckt. Diese Fragen sind vielmehr in formeller und materieller Hinsicht von dem Gericht nach Maßgabe des anzuwendenden inländischen und ausländischen Rechts zu prüfen und zu beurteilen.

VIII. Amtsermittlungsgrundsatz 1. Bedeutung

40

Durch § 12 wird die Verantwortung für die Einführung des der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachenstoffs in das Verfahren und für die Beschaffung der zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Beweise dem Gericht auferlegt, welches zu dem Zweck von Amts wegen tätig zu werden hat. Das bedeutet umgekehrt für die Stellung der Beteiligten im Verfahren, dass diese keinen bestimmenden Einfluss auf die Einführung des Streitstoffs in das Verfahren und auf die Feststellung und Beweisbedürftigkeit der Tatsachen haben. Das Gericht darf Tatsachen berücksichtigen, die von den Beteiligten nicht vorgebracht sind, ist bei der Feststellung des Sachverhalts auf die von den Beteiligten etwa benannten Beweismittel nicht beschränkt und an deren Erklärungen über die Wahrheit oder Unwahrheit tatsächlicher Behauptungen nicht gebunden. Behauptungen und Bestreitungen sowie Beweisantritte der Parteien sind aber auch hier zulässig und dürfen vom Gericht, wenn sie entscheidungserheblich sind, nicht übergangen werden. Man kann diesen Grundsatz als das Prinzip der materiellen Wahrheit bezeichnen. Den Beteiligten ist es deshalb verwehrt, durch übereinstimmendes Verhalten im Verfahren das Gericht zu binden und eine Entscheidung bestimmten Inhalts zu erwirken. Das Verhalten kann sich beziehen auf die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen oder auf das streitige Rechtsverhältnis. a) Geständnis

41

Die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen können nicht in einer das Gericht bindenden Weise durch das Verhalten der Beteiligten beeinflusst werden. Ein Geständnis, mag es ausdrücklich erklärt (§ 288 ZPO) oder wie im Zivilprozess fingiert sein (§§ 138 Abs 3, 331 Abs 1 ZPO), beseitigt nicht die Beweisbedürftigkeit der Tatsache. Ein Geständnis ist ebenso wie sein Widerruf vom Gericht auf seinen Beweiswert frei zu würdigen und bei Zweifeln auf seine Richtigkeit zu überprüfen.61 Das Nichtbestreiten von Tatsachen kann nicht die Bedeutung eines fingierten Geständnisses (§ 138 Abs 3 ZPO) haben.Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung aus dem Nichtbestreiten Schlüsse auf die Richtigkeit der nicht bestrittenen Behauptung zieht. Da

60

OLG Hamm NJW-RR 1995, 469 = FGPrax 1995, 5 zu Grundbucheintragungen.

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61

BayObLGZ 1960, 514.

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aber eine Pflicht zur Einlassung nicht besteht, ist hierbei Zurückhaltung geboten und ein Schluss auf die Richtigkeit der nicht bestrittenen Behauptung nur gerechtfertigt, wenn kein Zweifel daran besteht, dass der Schweigende, der erforderlichenfalls zu befragen ist, die Tatsache einräumen will und auch das Gericht keine Bedenken gegen ihre Richtigkeit hat.62 Ist im Antragsverfahren der Antragsgegner in einem Termin säumig, so hat die Säumnis nicht die Fiktionswirkung des § 331 ZPO. Eine auf der Säumnis beruhende Versäumnisentscheidung kann daher nicht ergehen. b) Anerkenntnis, Verzicht Durch Erklärungen über das streitige Rechtsverhältnis (Anerkenntnis, Verzicht) oder 42 im Antragsverfahren durch Säumnis des Antragstellers in einemTermin (vgl § 330 ZPO) können die Beteiligten eine Entscheidung bestimmten Inhalts nicht erzwingen. Das gilt auch für Verfahren, deren Gegenstand der Verfügung der Beteiligten unterliegt. Es versteht sich zwar nicht ohne weiteres von selbst, dass die Disposition über das Rechtsverhältnis durch Anerkenntnis und Verzicht der Disposition über die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen durch Geständnis gleichgestellt werden müsste. Es widerstrebt aber den Verfahrensgrundsätzen der FG, dass das Gericht entsprechend §§ 306, 307, 330 ZPO Sachentscheidungen ohne Sachprüfung erlassen müsste. Im Wohnungsauseinandersetzungsverfahren zB dürfte das Gericht schwerlich genötigt werden können, gemäß einem Anerkenntnis zu entscheiden, wenn es der Meinung ist, dass die Entscheidung dem Wohl der Kinder (§ 2 HausratsVO) nicht entspricht. Anerkenntnis und Verzicht sind daher auch in echten Streitsachen bei der Entscheidung frei zu würdigen, werden allerdings in der Regel eine ihrem Inhalt entsprechende Entscheidung zur Folge haben, wenn sich dadurch der Verfahrensgegenstand nicht überhaupt erledigt. 2. Zulässigkeit der Amtsermittlungstätigkeit Von seiner Befugnis, einen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, darf das Gericht 43 nur Gebrauch machen, wenn die Feststellung der Tatsache der Vorbereitung einer Entscheidung dient, die zur sachlichen Zuständigkeit des Gerichts gehört. Es muss also für die dem Gericht zugewiesene Entscheidung in einem auf Antrag oder von Amts wegen eingeleiteten Verfahren oder für die Entschließung, ob ein Amtsverfahren einzuleiten ist, auf die zu ermittelnde Tatsache ankommen. Ob die Feststellung einer Tatsache zum Geschäftsbereich des Gerichts der FG gehört, richtet sich nach dem Kreis der Befugnisse und Pflichten, die dem Gericht in der einzelnen Angelegenheit übertragen sind.63 Diese Aufgaben und Zuständigkeiten ergeben sich aus dem materiellen Recht oder den Verfahrensvorschriften des FGG. Im Einzelnen kann die Grenze der Amtsermittlungstätigkeit freilich fließend und dem Gericht ein gewisses Ermessen eingeräumt sein, insbesondere wenn dem Gericht, wie etwa im Rahmen einer Vormundschaft, eine dauernde Aufsicht und Betreuung obliegt. Wenn das Vormundschaftsgericht auf Grund seiner Pflicht, den Vormund mit Rat und Empfehlungen zu unterstützen, Verhältnisse aufklärt, die für die Amtsführung des Vormunds von Bedeutung sind, etwa indem es durch Einholung behördlicher Auskünfte ermittelt, so sind dagegen Bedenken nicht zu erheben, solange das Gericht keinen Zwang gegen Beteiligte oder Dritte ausübt, sondern sich in den Grenzen dessen hält, was auch jeder Vewaltungsbehörde zustände. Sobald es sich aber um die Anwendung von Zwang (Zeugniszwang, Pflicht zum Erscheinen, Ordnungsstrafgewalt) handelt, ist das Gericht zu Maßnahmen nur befugt, wenn die Feststellung der zu ermit62

BayObLGZ 1960, 514.

63

OLG Hamm FamRZ 1961, 128.

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telnden Tatsache der Vorbereitung einer Entscheidung dient, die zur sachlichen Zuständigkeit des Gerichts gehört. Daher darf das Vormundschaftsgericht seine gerichtlichen Befugnisse nicht einsetzen zur Feststellung von Forderungen seines Mündels, um Prozesse des Vormunds vorzubereiten oder zu vermeiden. a) Vormundschaftgericht

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Die Grenzen der Ermittlungstätigkeit des Vormundschaftsgerichts ergeben sich aus Tatbestand und Zweck der anzuwendenden Rechtsnorm. Bei der Ergänzungspflegschaft hat das Vormundschaftsgericht zu prüfen, ob das Bedürfnis für die Besorgung einer Angelegenheit vorliegt, an deren Wahrnehmung der Sorgerechtsinhaber verhindert ist. Bei Einverständnis des Sorgerechtsinhabers genügen Zweifel an der rechtlichen Verhinderung, um im Interesse des Kindes klare Verhältnisse zu schaffen.64 Nicht zu prüfen ist, ob ein abzuschließender Vertrag dem Interesse des Mündels entspricht65 oder ob ein zu führender Rechtsstreit erfolgreich erscheint.66 Dagegen kann die Bestellung des Pflegers abgelehnt werden, wenn die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zu dem von ihm abzuschließenden Vertrag völlig ausgeschlossen ist oder der von dem Kinde zu führende Rechtsstreit sich ohne weiteres als mutwillig oder aussichtslos darstellt.67 Bei der Erteilung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen erstreckt sich die Prüfungspflicht des Vormundschaftsgerichts darauf, ob das Rechtsgeschäft den Interessen des Kindes oder Mündels entspricht. Die Klärung von Zweifeln über die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist dem Prozessgericht zu überlassen, es sei denn, dass die Unwirksamkeit klar zutage tritt.68 Vgl hierzu auch § 37 Rn 20. b) Nachlassgericht

45

Vor der Eröffnung eines Testaments ist das Nachlassgericht weder berechtigt noch verpflichtet zu prüfen, ob die als Testament vorgelegte Urkunde nach Form und Inhalt rechtsgültig und nicht etwa widerrufen ist. Zu eröffnen ist jedes Schriftstück, das äußerlich möglicherweise als letztwillige Vefügung in Betracht kommen kann und aus welchem jemand nach einer „nicht schlechthin abzulehnenden Rechtsauffassung“69 ein Recht herleiten könnte. Denn die Eröffnung soll es den Beteiligten ermöglichen, die Rechtsgültigkeit und den Inhalt der Urkunde nachzuprüfen. Bei der Entgegennahme von Erbausschlagungserklärungen und anderen erbrechtlichen Erklärungen und Anzeigen (§§ 1945, 1955, 2081, 2281, 2202, 2226 BGB) beschränkt sich die gerichtliche Tätigkeit auf die Entgegennahme der Erklärung, die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit, die Benachrichtigung der Beteiligten und die Gestattung der Einsicht an Personen, die ein rechtliches Interesse geltend machen (§§ 1953 Abs 3 S 2, 1957 Abs 2 S 2, 2010, 2081 Abs 2 S 2, 2146 Abs 2, 2228, 2264, 2384 Abs 2 BGB). Ermittlungen über die Wirksamkeit der Erklärungen finden nicht statt. Das Nachlassgericht darf die Entgegennahme der Erklärung nicht deshalb ablehnen, weil sie unwirksam oder überflüssig sei, wenn es auch einem nobile officium entspricht, die Beteiligten zu belehren, wenn die Erklärung infolge offenbaren Rechtsirrtums fehlerhaft ist. Dagegen hat das Nachlassgericht eine bestimmte Entscheidung hierüber zu treffen, wenn es als Vorfrage für eine ihm zugewiesene Entschei-

64 65 66 67

KG JFG 12, 230. BayObLGZ 25, 187. KG OLGR 41, 49. OLG Hamm JMBlNRW 1959, 149; KG OLGZ 1966, 331, 333.

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68 69

BayObLGZ 1963, 1, 7; KG FamRZ 1963, 467, 469. KG JW 1934, 2563.

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dung, zB über die Erteilung eines Erbscheins, hierauf ankommt. Bei der Sicherung des Nachlasses (§ 1960 BGB) ist das Nachlassgericht nicht berufen, über Rechte Dritter an den im Nachlass vorgefundenen Gegenständen zu befinden. Es ist auch nicht berechtigt, gegen Dritte vorzugehen, die an Gegenständen, deren Zugehörigkeit zum Nachlass angenommen wird, ein Recht zu haben behaupten. c) Einstweilige Anordnungen Bei Erlass vorläufiger oder einstweiliger Anordnungen bedürfen die tatsächlichen 46 Voraussetzungen wegen der durch die Eilbedürftigkeit und die Vorläufigkeit der Regelung bedingten summarischen Natur des Verfahrens keines vollen Beweises. Es genügt, dass die maßgeblichen Tatsachen auf Grund von hinreichend substantiierten Angaben und der Benennung von Beweismitteln, allerdings nicht nur auf Grund von Vermutungen und Werturteilen, glaubhaft erscheinen. Dazu kann ein genügend konkretisierter Bericht des Jugendamts, der Polizeibehörden, des Gesundheitsamts ausreichen.70 d) Landwirtschaftsrecht Bei der Entscheidung über die Genehmigung eines Vertrages nach den Grundstücks- 47 verkehrsvorschriften ist die zivilrechtliche Wirksamkeit des zu genehmigenden Vertrages grundsätzlich nicht zu prüfen, da in dem Verfahren nur zu entscheiden ist, ob dem Rechtsgeschäft etwa aus Gründen des öffentlichen Interesses die Genehmigung zu versagen ist; die zivilrechtliche Wirksamkeit ist hierfür keine präjudizielle Vorfrage.71 Nur bei offensichtlicher Nichtigkeit des Vertrages ist das Gericht berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Genehmigung abzulehnen. Das gilt auch für das höferechtliche Zustimmungsverfahren (Genehmigung einer letztwilligen Verfügung oder eines Hofübergabevertrages).72 3. Gegenstand der Amtsermittlungstätigkeit Die dem Gericht in § 12 auferlegte Amtsermittlungspflicht bezieht sich im engeren 48 Sinne auf die der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen, in weiterem Sinne auf die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Verfahrens im Antragsverfahren (Verfahrensvoraussetzungen), die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und die Zulässigkeit einzelner Verfahrenshandlungen der Beteiligten.73 Das bedeutet, dass das Gericht diese Fragen von Amts wegen zu prüfen hat und dass sie der Disposition der Beteiligten entzogen sind, dass aber den Beteiligten, unbeschadet der Fragepflicht des Gerichts, die Behauptungs- und Beibringungslast für die hierbei erheblichen Tatsachen obliegt. Im Übrigen hat das Gericht seine Amtsermittlungstätigkeit gemäß § 12 darauf zu erstrecken, ob die Tatbestandsmerkmale der Rechtsnorm erfüllt sind, über deren Anwendung in dem Verfahren zu entscheiden ist, einschließlich der Beurteilung hierfür erforderlicher Vorfragen. Die Beweistätigkeit richtet sich entweder unmittelbar auf die Tatsachen, von deren Vorhandensein das Gesetz den Eintritt einer Rechtsfolge abhängig macht, oder mittelbar als Anzeichenbeweis auf andere tatbestandsfremde Umstände (Anzeichen), von deren Bestehen nach der Erfahrung auf das Vorliegen des Tatbestands70 71 72

BayOLGZ 1961, 262; KG FamRZ 1962, 200; OLG Hamm FamRZ 1965, 89. BGHZ 1, 121, 124 = NJW 1951, 803. BGH LM § 31 LVO Nr 4 = RdL 1952, 300; vgl auch Piepenbrock DRiZ 1959, 371.

73

Jansen FGG 2. Aufl nahm für die Verfahrensvoraussetzungen usw die Geltung der Instruktionsmaxime an, die aber zumindest in den Ergebnissen der Amtsermittlung gleichkam.

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merkmals geschlossen werden kann. Ein Anzeichenbeweis ist Anscheinsbeweis, wenn der Schluss von den bewiesenen Anzeichen auf das Tatbestandsmerkmal auf Erfahrungssätzen über typische Geschehensabläufe beruht. Im Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz muss sich die Ermittlungstätigkeit des Gerichts gegenüber einem Anscheinsbeweis auch darauf erstrecken, ob die ernsthafte Möglichkeit eines untypischen Geschehensablaufs vorliegt, die die Anwendung des Anscheinsbeweises ausschließt. Nicht ausreichend für die Annahme eines Anzeichenbeweises sind bloße Indizien oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der zu beweisenden Tatsache; wenn ein typischer Geschehensablauf nicht festzustellen ist, können die Grundsätze über den Anscheinsbeweis nicht angewandt werden.74 Der Anscheinsbeweis scheidet bei inneren Tatsachen wie Absicht, Arglist, Bösgläubig49 keit usw aus, weil das psychologische Geschehen individuell abläuft. Gleichwohl müssen für die inneren Tatsachen äußere Anzeichen ermittelt werden, die den Schluss auf das Vorliegen der inneren Tatsache ausreichend rechtfertigen. Eine andere Gruppe lediglich mittelbar erheblicher Tatumstände (Hilfstatsachen) sind solche, die einen Schluss auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, die Zuverlässigkeit einer urkundlichen Mitteilung oder die Sachkunde eines Sachverständigen zulassen. Gegenstand eines Beweises können auch Erfahrungssätze sein, wenn sie einem Bereich angehören, in welchem das Gericht kein sicheres Wissen besitzt. Zu beweisen ist dann durch Heranziehung eines Sachverständigen, ob hinreichende tatsächliche Grundlagen für die Annahme des fraglichen Erfahrungssatzes vorliegen. 4. Art der Ermittlungen und Beweiserhebungen a) Formlose Ermittlungen oder förmliche Beweisaufnahme

50

Hat das Gericht der FG einen Sachverhalt zu erforschen, so stehen ihm dafür zwei Wege zur Verfügung: Es kann gemäß § 12 FGG in einem an keine Form gebundenen Verfahren entsprechend dem Freibeweis des Zivilprozesses beliebige Erkentnisquellen heranziehen. Unter Ermittlungen sind Erhebungen jeder Art zu verstehen, die der Feststellung eines Sachverhalts dienlich sind. Maßgebend ist lediglich, dass das Gericht das von ihm gefundene Ergebnis seiner Ermittlungen für hinreichend erachtet, um darauf eine bestimmte Überzeugung zu gründen und den für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt festzustellen.75 Das Gericht kann aber auch eine förmliche Beweisaufnahme abhalten, die in § 12 ebenfalls erwähnt und deren Verfahren in § 15 geregelt ist (Strengbeweis). Wann das Gericht von der ihm durch § 12 eingeräumten Freiheit, sich mit formlosen Ermittlungen zu begnügen, Gebrauch machen oder ein förmliches Beweisverfahren nach den Vorschriften der ZPO veranstalten will, steht grundsätzlich in seinem pflichtgemäßen Ermessen.76 Bei der Ermessenausübung ist zu berücksichtigen, dass formlose Ermittlungen häufig eine geringere Gewähr für die Richtigkeit des Ergebnisses bieten, weil die Verfahrensgarantien des Strengbeweises, nämlich die Förmlichkeiten eines gesetzlich geregelten Beweisverfahrens (Unmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme) hierbei nicht gelten.77 Der Umstand, dass den Beteiligten zu dem Ergebnis formloser Ermittlungen rechtliches Gehör zu gewähren ist, schafft nicht immer den erforderlichen Ausgleich, weil die Beteiligten auf diese Weise einem fertigen Beweisergebnis konfrontiert

74 75 76

BGH NJW 2006, 300. BayObLG FamRZ 1968, 315. BGHZ 39, 110, 114; BayObLGZ 1962, 219, 222; 1963, 235, 240; BayObLG NJW-RR

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77

1996, 583; KG NJW 1961, 2066; OLG Frankfurt FamRZ 1962, 173. BayObLG NJW-RR 1996, 583.

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werden, während sie nach rechtsstaatlicher Auffassung kraft ihrer Stellung als Verfahrensbeteiligte und Prozesssubjekte ein Recht darauf haben, an der Wahrheits- und Rechtsfindung mitzuwirken und auf die Gewinnung der Entscheidungsgrundlagen Einfluss zu nehmen.78 Es kann daher keine Rede davon sein, dass formlose Ermittlungen die übliche Art der 51 Beweiserhebungen im Verfahren der FG oder sogar ein besonderer Vorzug dieses Verfahrens seien. Die Zuverlässigkeit des Beweisergebnisses und das Recht der Beteiligten, an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, dürfen durch formlose Ermittlungen nicht beeinträchtigt werden. Formlose Ermittlungen durch Herbeiziehung von Akten, Einholung von Auskünften und Berichten, Anhörung von Auskunftspersonen werden insbesondere in Betracht kommen, wenn in den von Amts wegen zu betreibenden Verfahren überhaupt erst festgestellt werden soll, ob bestimmte Verhältnisse gegeben sind, die zu Maßnahmen Anlass bieten können, wenn also nach Tatsachen erst zu forschen ist. Ferner werden sie zur Ergänzung und Abrundung eines im förmlichen Bewesiverfahren im Wesentlichen geklärten Sachverhalts herangezogen werden können. Dagegen verdient das förmliche Beweisverfahren den Vorzug, wenn es auf die Erweis- 52 barkeit bestimmter Einzeltatsachen ankommt, deren Feststellung für die Entschediung ausschlaggebend ist, wie etwa Errichtung und Inhalt eines abhanden gekommenen Testaments, Testierfähigkeit des Erblassers, das Überleben einer Person, Vorhandensein und Höhe eines Sparguthabens an einem Stichtage, also nicht nur in echten Streitsachen, wenn auch vorzugsweise in diesen. Hiernach besteht eine Pflicht zur förmlichen Beweiserhebung nach den Vorschriften der ZPO, wenn eine hinreichend sichere Aufklärung durch formlose Ermittlungen nicht zu erreichen ist. Die Beschränkung auf formlose Erhebungen kann sich in diesen Fällen als verfahrensrechtlicher Ermessensfehler darstellen.79 Erachtet das Gericht nach nur formlosen Ermittlungen einen Sacherhalt für nicht feststellbar, so liegt darin eine Verletzung der Aufklärungspflicht, wenn ein förmliches Beweisverfahren ein besseres Ergebnis versprochen hätte. Stellt das Gericht eine bestrittene, für den Ausgang des Verfahrens entscheidende Tatsache auf Grund formloser Ermittlungen fest, so kann darin eine unzulässige Vernachlässigung der Beweisanforderungen und damit ein Rechtsfehler liegen. b) Beweismittel Die Auswahl unter mehreren Arten von Beweismitteln trifft im Verfahren mit Unter- 53 suchungsgrundsatz (Amtsermittlung) das Gericht nach seinem eigenen Ermessen. Die Beteiligten können zwar Beweismittel bezeichnen, und das Gericht hat diese Anregungen nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen. Aber das Gericht kann von der Verwertung der von den Beteiligten angegebenen Beweismittel absehen und stattdessen von sich aus andere Beweismittel heranziehen. Allerdings kann das Gericht unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung aller Beweismittel die Anregungen der Beteiligten nicht übergehen. Denn seine Grenze findet dieses Ermessen an der Pflicht zur Sachaufklärung. Auch die Frage, ob das Gericht stets das unmittelbarste Beweismittel heranziehen muss oder sich zB mit Zeugen vom Hörensagen oder Niederschriften von Beweisverfahren in anderen Verfahren begnügen darf, beurteilt sich nicht nach festen Beweisverfahrensregeln, sondern nach der Erforderlichkeit für die Sachauklärung nach Lage des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Rechts der Beteiligten auf rechtliches Gehör. Als Beweismittel kom-

78 79

BVerfGE 9, 95. BayObLGZ 1953, 195, 197; 1963, 235, 240;

KG NJW 1961, 2066; OLG Düsseldorf FamRZ 1968, 260.

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men außer dem Zeugen- und Sachverständigenbeweis und der Augenscheinseinnahme als den Formen des Strengbeweises (vgl § 15) in Betracht: aa) Amtliche Auskünfte

54

Amtliche Auskünfte von Behörden (vgl § 273 Abs 2 Nr 2 ZPO) sind selbstständige und zulässige Beweismittel.80 Die dienstliche Äußerung eines Beamten steht der amtlichen Auskunft gleich.81 Die Auskunft ersetzt die Zeugenvernehmung des sie erteilenden Beamten.82 Die Beteiligten können der Verwertung nicht widersprechen. Eine amtliche Auskunft, die ein Gutachten enthält, kann die Erhebung eines Sachverständigengutachtens ersetzen.83 Eine Ablehnung wegen Befangenheit (§ 15 FGG mit § 406 ZPO) findet nicht statt. Bei eigenem Interesse der Behörde an dem Verfahrensgegenstand kann aber der Beweiswert beeinträchtigt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten sein.84 bb) Beiakten

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Akten desselben oder eines anderen Gerichts oder einer Behörde können als Beweismittel für die durch sie selbst bewiesenen Tatsachen verwertet werden, zB dafür, dass eine ausländische Entscheidung in einer Ehesache von der zuständigen Verwaltungsbehörde anerkannt ist (Art 7 § 1 FamRÄndG). Es können aber auch die in solchen Akten enthaltenen Bekundungen von Zeugen, Sachverständigen und Parteien im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden.85 Auch im Zivilprozess kann eine Partei die Verwertung der Beweiserhebungen eines anderen Verfahrens (als Urkundenbeweis86) nicht durch einen bloßen Widerspruch verhindern. Die Einschränkung, dass die Verwertung anstelle der Vernehmung unzulässig wird,87 wenn die Partei die Vernehmung der Zeugen beantragt,88 kann imVerfahren mit Untersuchungsgrundsatz nicht gelten. Immerhin können veränderte Umstände, neu hervorgetretene Tatsachen und Beobachtungen Anlass geben, anstelle der urkundenbeweislichen Verwertung von früheren Vernehmungsprotokollen die erneute Vernehmung anzuordnen, insbesondere wenn die Beteiligten nicht die Möglichkeit hatten, bei der früheren Beweiserhebung anwesend zu sein und Fragen zu stellen. In denselben Grenzen können Vernehmungsniederschriften aus dem Prozesskostenhilfeverfahren (§ 118 ZPO iVm § 14 FGG) verwertet werden oder die in einem früheren Verfahren erhobenen Ermittlungen, wenn die Verhältnisse sich nicht geändert haben.89 cc) Eidesstattliche Versicherungen

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Eidesstattliche Versicherungen von Beweispersonen (Zeugen) sind bereits gemäß § 15 FGG iVm § 377 Abs 3 ZPO zulässig. Danach kann das Gericht die schriftliche Beantwortung einer Beweisfrage anordnen, wenn es dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet. Auch ist es unbedenklich, wenn das Gericht unter den genannten Voraussetzungen eidesstattliche Versicherungen

80 81 82 83 84

BVerwG NJW 1960, 737; BGH BB 1976, 480. BGH NJW 1957, 1440. BGH MDR 1964, 223. BGH LM § 402 ZPO Nr 16; Meyer NJW 1968, 1482 Anm. BGH LM § 402 ZPO Nr 16; OLG Frankfurt NJW 1965, 306.

312

85

86 87 88 89

BGHZ 39, 110; BGH NJW 1966, 659 (Verwertung von Strafakten im anwaltlichen Zulassungsverfahren). BGH NJW 1995, 2856. BGH NJW 1997, 3096; BGH NJW 2000, 420 und 3072. BGHZ 7, 116. BayObLGZ 1964, 433, 441.

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von Zeugen erfordert, ohne sie gleichzeitig zu laden, oder dass die Beteiligten eidesstattliche Versicherungen von Zeugen vorlegen. Eidesstattliche Versicherungen Dritter sind daher als zulässige Beweismittel anzusehen. Wird dagegen ein Zeuge vor Gericht vernommen, so ist er entweder zu beeidigen oder unbeeidigt zu lassen (§§ 391, 393 ZPO). Ihn stattdessen die Richtigkeit seiner Aussage an Eides Statt versichern zu lassen, erscheint demgegenüber unzulässig. Anders verhält es sich dagegen bei vorläufigen oder einstweiligen Anordnungen, bei denen das Gesetz die Glaubhaftmachung genügen lässt (§ 15 Abs 2 FGG iVm § 294 ZPO). Der Beweiswert eidesstattlicher Versicherungen ist vom Gericht frei zu würdigen. Dabei ist zu bedenken, dass ihr Beweiswert häufig sehr gering ist, wenn sie unter dem Einfluss der Partei, die sie eingereicht hat, und ohne den regulierenden Einfluss des vernehmenden Richters zustande gekommen sind. Wie immer sind alle Umstände zu würdigen, namentlich die Art des Beweisthemeas, der Bildungsgrad des Zeugen und seine persönliche Zuverlässigkeit. Eidesstattliche Versicherungen der Beteiligten sind nur insoweit zulässig, wie sie als 57 Beweismittel (§§ 2356 Abs 2, 2357 Abs 4 BGB) oder als Mittel der Glaubhaftmachung (§ 15 Abs 2 FGG) gesetzlich zugelassen sind. Auch im Erbscheinsverfahren darf aber das Nachlassgericht den Erbschein nicht auf Grund der bloßen Angaben des Antragstellers, auch wenn sie eidesstattlich versichert sind, erteilen oder einziehen.90 dd) Formlose mündliche oder schriftliche Anhörung Formlose Anhörung von Beweispersonen (Zeugen) ist nicht ausgeschlossen. Es han- 58 delt sich hierbei nicht um ein Beweismittel anderer Art, sondern um eine Beweiserhebung in anderer als in der in der ZPO geregelten Form, die dem Gericht nach § 12 gestattet ist. In der Regel werden formlose Befragungen zu dem Zweck in Betracht kommen, erst die Grundlage für weitere Ermittlungen und Beweiserhebungen zu schaffen, vor allem um festzustellen, ob der Befragte überhaupt Sachdienliches bekunden kann, so dass nicht eine eigentliche Beweiserhebung, sondern eine Beweisermittlung vorliegt. Es ist jedoch auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass eine beweisbedürftige Tatsache auf Gund der einfachen schriftlichen Befragung eines Zeugen festgestellt wird, sofern die Beweisfrage einfach ist, die Zuverlässigkeit des Zeugen außer jedem Zweifel steht (Ärzte, Notare, Lehrer, Pfarrer) und das rechtliche Gehör gewahrt wird. Im Allgemeinen werden aber schriftliche Auskünfte von Privatpersonen schwerlich ausreichen, darauf eine Entscheidung zu stützen. Formlose mündliche Anhörungen können auch dem Zweck dienen, die Persönlichkeit des Befragten zu beurteilen, zB um festzustellen, ob ein Angehöriger bereit und fähig ist, während der Berufstätigkeit eines Eltenteils die Betreuung des Kindes zu übernehmen.91 c) Leitung der Ermittlungen Die Ermittlungsleitung muss das Gericht stets selbst in der Hand behalten. Wenn 59 auch der Unmittelbarkeitsgrundsatz für formlose Ermittlungen ihrer Natur nach nicht gilt, so darf doch das Gericht die Erforschung des Sachverhalts nicht gänzlich einer anderen Behörde zur selbstständigen Erledigung überlassen. Das Gericht darf daher seine Entscheidung ohne eigene Ermittlungen nicht ausschließlich auf Berichte von Jugendämtern oder Polizeibehörden oder auf die in den Akten dieser Behörden enthaltenen Vorgänge 90 91

BGHZ 8, 183, 186 = NJW 1953, 284. KG NJW 1960, 486 = FamRZ 1959, 509, 511.

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stützen.92 Das Gericht darf auch nicht das Jugendamt oder die Polizeibehörde mit der Anhörung oder Vernehmung von Zeugen beauftragen und diese Protokolle als Entscheidungsgrundlage verwerten.93 Durch Ermittlungen solcher Stellen können nur die Grundlagen für weitere Beweiserhebungen herbeigeschafft werden. Das Registergericht darf zwar die Industrie- und Handelskammer gutachtlich hören (§ 23 HRV), dieser aber nicht die Aufklärung des Sachverhalts übertragen und den Beteiligten eröffnen, dass es die Eintragung ablehnen werde, wenn der Industrie- und Handelskammer die gebotene Prüfung nicht ermöglicht werde.94 Die Ermittlung und Feststellung von Tatsachen, die einem zu erstattenden Gutachten zugrunde zu legen sind (Anschlusstatsachen), obliegt dem Gericht, wenn es hierzu einer Beweiserhebung bedarf, soweit nicht bereits diese Ermittlung besondere Sachkunde voraussetzt. Das Gericht darf es nicht dem Sachverständigen überlassen, den zu begutachtenden Sachverhalt durch Anhörung von Zeugen und Auskunftspersonen erst festzustellen.95 Wegen der Entscheidungsgrundlagen beim Erlass vorläufiger Anordnungen vgl oben Rn 46, 56. d) Offenkundige Tatsachen

60

Offenkundige Tatsachen bedürfen keines Beweises. Angebotene Beweise brauchen nicht erhoben zu werden. Offenkundig sind zunächst die allgemeinkundigen Tatsachen, nämlich Vorgänge, die weite, verständige Kreise für feststehend halten, weil sie allgemein oder in einem bestimmten örtlichen Umkreis bekannt sind oder wahrnehmbar waren oder über die man sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Sachkunde sicher unterrichten kann.96 Dazu zählen etwa der in der Fachpresse veröffentlichte Lebenshaltungsindex oder Börsenkurse sowie Ereignisse des Zeitgeschehens. Dagegen ist nicht schon offenkundig, was auf Grund allgemeiner Erfahrungssätze in hohem Maße wahrscheinlich ist, zumal auch § 291 ZPO nur Tatsachen und nicht Erfahrungssätze betrifft.97 Im Grundbuchverkehr wird neben der Offenkundigkeit (§ 29 Abs 1 S 2 GBO) die 61 Feststellung nicht offenkundiger Tatsachen, die dem Urkundenbeweis nicht zugänglich sind, auf Grund allgemeiner Erfahrungssätze wegen der Beweismittelbeschränkung ausnahmsweise zugelassen;98 allerdings muss das GBA vorhandene Urkunden zum formgerechten Nachweis verlangen, selbst wenn es von der Richtigkeit des Vortrags überzeugt ist.99 Als offenkundig gelten ferner die gerichtskundigen Tatsachen, nämlich Ereignisse, Verhältnisse und Zustände, von denen der Richter aus amtlicher Veranlassung Kenntnis erlangt hat (Eintragung in öffentliche Register, Zulassung als Rechtsanwalt, Todeserklärung), sofern sie ihm noch so bekannt sind, dass es einer Feststellung aus den Akten nicht bedarf.100 Nicht erforderlich ist, dass der Richter die Kenntnis in derselben Eigenschaft erhalten hat, in der er sie jetzt verwertet. Der Vormundschaftsrichter kann zB Kenntnisse verwerten, die er erworben hat, als er Grundbuchrichter oder Prozessrichter war. Auch Spezialfragen können durch Vorbefassung in anderen Streitkeitigkeiten für den Richter offenkundig sein.101 Auch brauchen die Vorgänge nicht durch die eigene

92 93 94 95 96 97

BayObLGZ 1953, 353; OLG Frankfurt FamRZ 1960, 73, 74; KG FamRZ 1960, 500. OLG Stuttgart Rpfleger 1950, 566. KG JFG 1, 200, 203; vgl auch BayObLGZ 1967, 385. BGHZ 37, 389. BVerfGE 10, 183; BGH NJW 1954, 1656. BGHZ 156, 250 = NJW 2004, 1163.

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98

99 100 101

BGH Rpfleger 1985, 234; BayObLGZ 1952, 324; 1957, 49; KG OLGZ 1968, 337; KG FGPrax 1997, 212; OLG Köln Rpfleger 1987, 301; KEHE/Herrmann, GBO § 29 Rn 136; Demharter GBO § 29 Rn 63. BayObLGZ 1986, 211. BGH NJW 1954, 1656. BGH NJW 1998, 3498 = MDR 1998, 1367.

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Tätigkeit des Richters ermittelt zu sein. Er kann auch solche ihm amtlich zur Kenntnis gelangten tatsächlichen Verhältnisse verwerten, zu deren Feststellung andere Richter gelangt sind.102 Ist die Tatsache zwar gerichtlichen Akten zu entnehmen (aktenkundig), aber dem 62 Richter nicht bekannt, so ist sie durch Heranziehung der Akten zum Gegenstand der Ermittlungen zu machen. Der Gegenbeweis, dass die angeblich offenkundige Tatsache nicht wahr sei, ist zulässig.103 Schon deshalb müssen Tatsachen, bevor sie als offenkundig der Entscheidung zugrunde gelegt werden, zum Gegenstand der Erörterung gemacht und es muss den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt werden.104 Bei allgemeinkundigen Tatsachen wird das Geicht davon ausgehen können, dass auch die Beteiligten sie kennen. Ist das im Einzelfall wegen der Art der Tatsache (örtlich begrenzter Umkreis) oder der Person der Beteiligten (Ausländer) zweifelhaft, so ist auch insofern rechtliches Gehör zu gewähren. Mit der Rechtsbeschwerde kann gerügt werden, dass der Begriff der Offenkundigkeit 63 verkannt sei.105 Die Feststellung der Offenkundigkeit ist dem Tatsachengericht vorbehalten und für das Rechtsbeschwerdegericht bindend. Eine Allgemeinkundigkeit, die nicht auf einen räumlichen oder persönlichen Kreis beschränkt ist, kann aber auch vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeprüft werden.106 Ferner ist die Feststellung einer Tatsache für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend, wenn sie einer diesem bekannten Allgemeinoder Gerichtskundigkeit widerspricht.107 Rein privates Wissen darf der Richter von Amts wegen in das Verfahren einführen 64 und zum Gegenstand der Erörterung machen. Bestreiten die Beteiligten die Tatsache nicht, so darf sie zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden. Wird die Tatsache aber bestritten, so führt die richtige Erwägung, dass der Richter nicht zugleich Zeuge sein soll (vgl § 41 Nr 5 ZPO), nicht dazu, dass eine Entscheidung ohne Verwertung der Tatsache ergehen muss, sondern der Richter muss sich wegen Besorgnis der Befangenheit der Amtsausübung enthalten (§ 6).

IX. Anhörungspflichten Verschiedentlich schreibt das Gesetz vor, dass vor der Entscheidung bestimmte Perso- 65 nen oder Stellen (Behörden) zu hören sind oder gehört werden sollen. Derartige Vorschriften beschränken das freie Ermessen des Gerichts bei der Sachaufklärung, indem dem Gericht die mehr oder weniger bindende Weisung erteilt wird, ein bestimmtes Aufklärungsmittel anzuwenden. In dieser Bedeutung erschöpfen sich Vorschriften, welche die Anhörung Nichtbeteiligter vorschreiben. Soweit die Anhörung Beteiligter angeordnet ist, wird die Anhörung in ihrer Bedeutung als meist zweckdienlichem Aufklärungsmittel überlagert durch das Gebot, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Gleichwohl behalten beide Gesichtspunkte ihre verfahrensrechtlich selbstständige Bedeutung. Denn es kann sein, dass zwar das rechtliche Gehör gewahrt, aber die vielleicht besonders konkretisierte Anhörungspflicht zum Zwecke der Sachaufklärung verletzt ist, oder dass umgekehrt zwar eine Anhörung des Beteiligten zum Zwecke der Sachaufklärung stattgefunden, das rechtliche Gehör aber dadurch verletzt worden ist, dass dem Beteiligten

102 103 104

BGH NJW 1954, 1656. BVerfGE 10, 184. BVerfGE 10, 177; BSozG NJW 1965, 221.

105 106 107

BGH NJW 1954, 1656. BGH NJW 1954, 1656. RG JW 1933, 1655.

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Ermittlungsergebnisse vorenthalten worden sind.108 Hiernach ist zu unterscheiden zwischen der ausschließlich der Sachaufklärung dienenden Anhörung Nichtbeteiligter einerseits und der entweder der Sachaufklärung oder der Gewährung rechtlichen Gehörs dienenden Anhörung Beteiligter andererseits. 1. Anhörung Nichtbeteiligter a) Anhörung Verwandter und Verschwägerter

66

Nach § 1847 Abs 1 BGB soll das Vormundschaftsgericht in wichtigen Angelegenheiten Verwandte und Verschwägerte des Mündels hören, ebenso nach §§ 2 Abs 3, 3 Abs 2 RelKEG. Diese Vorschriften sollen dem Vormundschaftsgericht die Würdigung des Sachverhalts und die Wahl geeigneter Anordnungen dadurch erleichtern, dass dem Mündel nahestehende und mit den Verhältnissen vertraute Personen Gelegenheit erhalten, ihrer Auffassung Ausdruck zu geben. Dass die Vorschrift auch bezweckt, der Familie Einfluss auf die Führung der Vormundschaft einzuräumen, muss bezweifelt werden. Die Vorschrift ist vornehmlich im Interesse des Mündels getroffen.109 Die Anhörung dient auch nicht der Beweiserhebung über Tatsachen, sondern der Unterrichtung über die in der Familie bestehenden Ansichten, Verhältnisse und Urteile. Soll der Anzuhörende Beweisperson für die Feststellung von Tatsachen sein, ist er als Zeuge zu hören und ggf nach §§ 383 Abs 1 Nr 3, 385 ZPO zu belehren. Die Anhörung kann schriftlich, mündlich oder im Wege der Rechtshilfe erfolgen, muss sich aber auf die für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte beziehen.110 Eine Pflicht zur Äußerung oder zum Erscheinen besteht nicht. Durch die Anhörung wird der Zugezogene nicht zum Beteiligten. Das Unterbleiben der Anhörung gibt ihm kein Beschwerderecht, wenn ihm nicht ein solches ohnehin nach § 57 Abs 1 Nr 1, 3, 8, 9 FGG zusteht.111 Das ungerechtfertigte Absehen von der Anhörung ist ein Verfahrensverstoß, der auf die Beschwerde eines Beschwerdeberechtigten auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gerügt werden kann, wenn die Unterlassung ermessensfehlerhaft ist.112 Ob die Angelegenheit „wichtig“ ist (§ 1847 Abs 1 BGB), ist unbestimmter Rechtsbegriff. b) Anhörung des Gegenvormunds

67

Die Anhörung des Gegenvormunds (§ 1826 BGB) dient lediglich dem Kindesinteresse der Sachaufklärung. Der Gegenvormund wird durch die Ersetzung seiner Genehmigung nicht in seinen Rechten betroffen und hat deshalb keinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Demgemäß steht ihm ein Beschwerderecht nicht gegen die Entscheidung als solche, sondern nur insoweit zu, als er entgegen § 1826 BGB nicht gehört worden ist.113 Diese Vorschrift verstößt daher auch nicht gegen Art 103 Abs 1 GG. c) Anhörung des Jugendamts

68

Nach §§ 49, 49a FGG haben Vormundschafts- und Familiengericht das zuständige Jugendamt in bestimmten dort jeweils aufgeführten Verfahren zu hören, während die Mitwirkungspflicht des Jugendamtes in § 50 SGB VIII festgelegt ist. Die Anhörung ist auch erforderlich bei Aufhebung derartiger Verfahren und im Änderungsverfahren nach

108

109

OLG Stuttgart NJW 1963, 1161; KG NJW 1964, 778 = FamRZ 1964, 162; KG OLGZ 1967, 123. KG RJA 15, 265 = OLGR 34, 246.

316

110 111 112 113

BayObLG JFG 6, 47. KG RJA 15, 265 = OLGR 34, 246. BayObLG JFG 6, 47. OLG Hamm NJW 1966, 1126.

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§ 1696 BGB.114 Die Anhörung ist auch bei Ablehnung der Maßnahme geboten,115 es sei denn, dass der Antrag unzulässig ist oder es sonst (Genehmigung eines nichtigen Vertrages) auf sachliche Erwägungen über die Interessenlage des Kindes nicht ankommt.116 In anderen als in den in §§ 49, 49a FGG genannten Fällen kann das Jugendamt nach dem Ermessen des Vormundschafts- oder Familiengerichts gehört werden. Der Bericht ist von dem zuständigen Jugendamt zu erstatten.117 Zur Anhörung mehrerer Jugendämter vgl Kommentierung zu § 49 Rn 20 f; § 49a Rn 28 f. Der Bericht des Jugendamtes soll eine Darstellung der ihm bekannten oder von ihm 69 ermittelten tatsächlichen Verhältnisse, nach Möglichkeit unter Anführung der Beweismittel enthalten und unter Würdigung des Sachverhalts dem Vormundschaftsgericht zu der in Betracht kommenden Maßnahme einen bestimmten Vorschlag unterbreiten.118 Der Bericht hat mithin die Bedeutung einer selbstständigen Stellungnahme einer sachverständigen Behörde. Er darf sich weder auf die bloße Mitteilung der tatsächlichen Erhebungen noch auf reine Werturteile beschränken. Der Bericht ist nicht dazu bestimmt, als Beweismittel für tatsächliche Feststellungen der gerichtlichen Entscheidung unmittelbar zugrunde gelegt zu werden.119 Es ist Sache des Gerichts, den Tatsachenstoff, der sich aus dem Bericht ergibt, in das Verfahren einzuführen und mit den Beteiligten zu erörtern. Ergeben sich Streitpunkte, ist darüber Beweis zu erheben. Zu dem Vorschlag des Jugendamtes und den von ihm mitgeteilten Tatsachen, ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren, wenn das Gericht sie verwerten will. Dazu ist es nicht stets erforderlich, dass der Bericht den Beteiligten abschriftlich mitgeteilt wird. Es genügt, wenn die Beteiligten zu dem Inhalt des Berichts, soweit die Tatsachen verwertet werden sollen, mündlich gehört werden, wobei zweckmäßig der Gegenstand der Erörterung aktenkundig gemacht wird.120 Gestattet das Jugendamt nicht, dass sein Bericht den Beteiligten zugänglich gemacht 70 wird, so darf sich das Gericht darüber zwar nicht hinwegsetzen. Der Bericht darf aber nunmehr nicht verwertet werden, ist also wertlos. Durch eine derartige Berichterstattung erfüllt das Jugendamt seine Pflicht nicht. Vormundschafts- bzw Familiengericht müssen den Bericht zurückgeben und darauf hinwirken, dass er in einer Form erstattet wird, die eine Bekanntmachung an die Beteiligten zulässt. Die Unterlassung der in §§ 49, 49a FGG vorgeschriebenen Anhörung des Jugendam- 71 tes ist ein Verfahrensfehler,121 ebenso das Begnügen mit einem Bericht, der den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.122 Ist allerdings ein ordnungsgemäßer Bericht trotz Vorstellungen beim Jugendamt und der Aufsichtsbehörde nicht zu erreichen, so darf sachlich entschieden werden.123 Im Rechtsbeschwerdeverfahren stellt der Mangel eine Rechtsverletzung dar, die zur Aufhebung führen kann, wenn die Entscheidung darauf beruht. Hat das Vormundschaftsgericht die Anhörung unterlassen, so muss sie das Landgericht im Beschwerdeverfahren nachholen. Dagegen ist eine Widerholung der schon im ersten Rechtszuge erfolgten Anhörung im Beschwerdeverfahren nicht erforderlich, sofern die Verhältnisse sich nicht wesentlich geändert haben. Der Pflicht aus §§ 49, 49a FGG

114 115 116 117 118

BayObLGZ 1951, 330; OLG Hamm JMBlNRW 1963, 16. BayObLGZ 1952, 179. KG JFG 12, 101 = JW 1935, 870. OLG Neustadt FamRZ 1962, 308; OLG Hamm JMBlNRW 1963, 16. BayObLGZ 1951, 333; 1953, 353; KG FamRZ 1960, 500.

119 120 121 122 123

KG FamRZ 1960, 500; OLG Stuttgart FamRZ 1956, 87. OLG Hamm JMBlNRW 1961, 46; OLG Köln FamRZ 1968, 479. OLG Celle FamRZ 1961, 33. BayObLG JFG 8, 65; KG JFG 12, 101 = JW 1935, 870. KG JFG 12, 101.

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wird durch einmalige Anhörung genügt. Eine nochmalige Anhörung kann nur aus Gründen der Sachaufklärung (§ 12 FGG) veranlasst sein.124 Durch die Erfüllung der Unterstützungspflicht nach §§ 49, 49a FGG wird das Jugend72 amt nicht Beteiligter des Verfahrens. Eine Pflicht zur wiederholten Anhörung im Beschwerdeverfahren könnte nur unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs in Betracht kommen, wenn das Jugendamt dadurch formell Beteiligter geworden ist, dass es von einem Antragsrecht Gebrauch gemacht hat oder im Hinblick auf sein Beschwerderecht aus § 57 Abs 1 Nr 9, wenn es in einem von Amts wegen zu betreibenden Verfahren des ersten Rechtszuges durch Stellung von Anträgen über die Pflicht aus §§ 49, 49a hinaus teilgenommen hat. Die Nichtanhörung des Jugendamts berührt nicht die Wirkamkeit der Entscheidung,125 gibt dem Jugendamt auch keine Beschwerde aus eigenem Recht (§ 20 Abs 1), sondern allenfalls im Interesse des Mündels nach § 57 Abs 1 Nr 9.126 d) Handelssachen

73

Nach § 23 HRegVfg hat das Registergericht vor der Eintragung neuer Firmen und Firmenänderungen in der Regel, sonst in zweifelhaften Fällen, das Gutachten der Industrie- und Handelskammer einzuholen. Vor der Bestellung von Gründungsprüfern hat das Gericht (§ 145 Abs 1) nach § 33 Abs 3 AktG die Handelskammer zu hören. Durch diese Vorschriften wird dem Gericht aufgegeben, sich eines bestimmten Aufklärungsmittels zu bedienen. 2. Anhörung Beteiligter zur Aufklärung des Sachverhalts a) Grundsatz

74

Über die Anhörung der Beteiligten enthält der allgemeine Teil des FGG keine Vorschriften. Nur im besonderen Teil befinden sich einzelne Bestimmungen, in denen als Ordnungsvorschrift angeordnet ist, dass ein Beteiligter, wenn tunlich, gehört werden soll (§§ 68a, 164 Abs 3, 165 Abs 3, 166 Abs 2 FGG). Außerdem gibt es Fälle, namentlich im Vormundschafts- und Nachlassrecht, in denen das BGB die verfahrensrechtliche Vorschrift enthält, dass vor der Entscheidung gewisse Beteiligte zu hören seien oder gehört werden sollen (§§ 1826, 1996 Abs 3, 2227, 2368 Abs 2 BGB; § 50b FGG). Jedoch machen die Fälle, in denen dem Richter eine Anhörung empfohlen oder vorge75 schrieben wird, einen zufälligen und unsystematischen Eindruck. So wird in § 2227 BGB bestimmt, dass der Testamentsvollstrecker vor der Entlassung, wenn tunlich, gehört werden solle, während § 1886 BGB für den vergleichbaren Fall der Entlassung des Vormunds wegen Pflichtwidrigkeit eine solche Bestimmung nicht enthält. Für den Gesetzgeber war ersichtlich der Gedanke bestimmend, dem Gericht in Ergänzung des § 12 FGG und in Einschränkung seines Ermessens die Anhörung als besondere Art der Aufklärung des Sachverhalts vorzuschreiben. Diese Bedeutung haben Vorschriften über die Anhörung Beteiligter auch gegenüber dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach wie vor behalten. Die Anhörung zur Sachaufklärung und die Gewährung rechtlichen Gehörs haben eine verschiedene und selbstständige verfahrensrechtliche Bedeutung. Es kann sein, dass eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht vorliegt, weil dazu eine Anhörung der Beteiligten nicht erforderlich war, etwa weil der Sachverhalt schon in einem Strafverfahren gegen den Beteiligten hinreichend geklärt war, dass aber das rechtliche Gehör versagt worden ist. 124 125

BGH FamRZ 1954, 219. BayObLG JFG 6, 112.

318

126

Vgl § 49 Rn 17.

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Andererseits ist es möglich, dass zwar das rechtliche Gehör ausreichend gewährt war, 76 dass aber die Sachaufklärung eine Anhörung der Beteiligten erfordert hätte. Auch soweit die Anhörung der Beteiligten in Einzelvorschriften nicht besonders angeordnet ist, ist im Rahmen des § 12 FGG zu beachten, dass die Anhörung in der Regel ein besonders geeignetes Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Ausübung des richterlichen Fragerechts ist und häufig zur Behebung von Zweifeln oder zur Abgrezung der verbleibenden Streitpunkte führen wird, über die noch Beweis zu erheben ist. Mitunter kann sich eine Beweiserhebung nach Anhörung der Beteiligten auch erübrigen. Die Unterlassung der Anhörung kann nach Lage des Falles ermessensfehlerhaft sein und eine Verletzung der Aufklärungspflicht darstellen.127 Bei einer Entlassung eines Testamentsvollstreckers ist eine mündliche Anhörung der Erben durch das Nachlass- oder Beschwerdegericht nicht zwingend geboten. Ebenso wenig bedarf es zwingend der Durchführung einer mündlichen Verhandlung.128 b) Abgrenzung zum rechtlichen Gehör Wenn Bestimmungen, welche die Anhörung Beteiligter als Sollvorschrift oder mit der 77 Einschränkung „wenn tunlich“ vorschreiben, die Bedeutung haben, dem Gericht ein bestimmtes Aufklärungsmittel zu empfehlen, von dem es unter Einräumung eines gewissen Ermessensspielraums Gebrauch machen soll, so gehören sie damit einer anderen Ebene an als der Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Sie sollen im Hinblick auf das in dem Verfahren wahrzunehmende Interesse, zB das Kindeswohl, eine richtige Entscheidung gewährleisten, haben damit aber nicht den Schutz des Betroffenen im Auge, aus dessen Anhörung sich möglicherweise gerade die Grundlagen für ein Einschreiten gegen ihn ergeben. Das rechtliche Gehör dagegen soll dem Beteiligten um seiner selbst willen eine sichere Rechtsstellung als Subjekt des Verfahrens verschaffen, in welchem es um seine Rechte und Verpflichtungen geht. Deshalb ist es nicht angebracht, die Vorschriften, welche sich auf die Anhörung der 78 Beteiligten als Mittel der Sachaufklärung beziehen, daraufhin zu prüfen, ob sie vor dem Verfassungsgrundsatz des Art 103 Abs 1 GG Bestand haben. Demgemäß sind sie auch nicht wegen Verstoßes gegen Art 103 Abs 1 GG nichtig.129 Sie können durchaus neben diesem Grundsatz Bestand haben, zumal die Anhörungspflicht zur Sachaufklärung über das Gebot des rechtlichen Gehörs hinausgehen kann. Nur muss man sich von der Vorstellung freimachen, dass das Gesetz, wenn es die Anhörung Beteiligter in einer Sollvorschrift vorsieht oder von ihrer „Tunlichkeit“ abhängig macht, damit die Gewährung rechtlichen Gehörs in das Ermessen des Gerichts stelle oder, wenn es über die Anhörung überhaupt schweigt (§§ 1886, 1357 Abs 2 BGB), sie für entbehrlich erkläre. Auch bevor das rechtliche Gehör durch Art 103 Abs 1 GG zum Verfassungsgrundsatz erhoben wurde, bestand kein gesetzliches Hindernis, es als ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuerkennen und zu gewähren.130 Es kommt daher nur darauf an, im Hinblick auf Art 103 Abs 1 GG die früher vertretene Rechtsauffassung aufzugeben, dass Vorschriften, welche die Anhörung Beteiligter zum Zwecke der Sachaufklärung in das Ermessen des Gerichts stellen, damit zugleich das rechtliche Gehör beschränkten. Die unterschiedliche rechtliche Bedeutung beider Gesichtspunkte zeigt

127 128

BayObLGZ 1952, 336 = JZ 1953, 185; OLG Hamm DNotZ 1950, 210. OLG Köln NJW-RR 2005, 94 = FGPrax 2005, 34 = ZEV 2005, 207.

129 130

BayObLGZ 1965, 163. KG JW 1927, 1007; KG NJW 1954, 1410.

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sich auch darin, dass nur die Versagung des rechtlichen Gehörs die Verfassungsbeschwerde begründen kann (§ 90 BVerfGG), während die Unterlassung einer gebotenen Anhörung zum Zwecke der Sachaufklärung zwar mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden kann, als Verletzung einfachen Verfahrensrechts aber nicht die Verfassungsbeschwerde rechtfertigt. c) Form der Anhörung Hören bedeutet Gelegenheit zu mündlicher oder schriftlicher Äußerung geben.131 Die Form der Anhörung ist, wenn das Gesetz keine besondere Regelung enthält, in das Ermessen des Gerichts gestellt, welches dabei insbesondere zu berücksichtigen hat, in welchem Maße im Interesse zuverlässiger Sachaufklärung eine unmittelbare Heranziehung der Beteiligten geboten ist. Grundsätzlich kann sowohl eine schriftliche als auch eine mündliche Anhörung des Beteiligten selbst oder seines Verfahrensbevollmächtigten in Betracht kommen. Eine persönliche Anhörung ist geeignet, dem Gericht einen unmittelbaren Eindruck von der Persönlichkeit des Beteiligten zu verschaffen und in unmittelbarer Aussprache eine Klarstellung der für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte herbeizuführen.132 Im Interesse der Sachaufklärung wird die persönliche Anhörung des Minderjährigen bei der Befreiung von dem Erfordernis der Ehemündigkeit (§ 1303 Abs 1 BGB) immer geboten sein, wenn es auf die Würdigung der Persönlichkeit ankommt. Zur Kindesanhörung in den verschiedenen Alterstufen vgl § 50b. Der Richter ist verpflichtet, die wesentlichen Ergebnisse der Anhörung des Kindes schriftlich niederzulegen.133 Die Unterlassung dieser Pflicht ist ein Verfahrensfehler und kann zur Aufhebung der Sache und Zurückverweisung an das AG führen.134 Vor dem Kollegialgericht muss der persönliche Eindruck, wenn er bei der Entschei80 dung verwertet werden soll, von dem vollbesetzten Gericht, nicht nur von dem beauftragten Richter gewonnen sein. Sind Schwierigkeiten, die im ersten Rechtszuge der Anhörung entgegenstanden, im Beschwerderechtszug fortgefallen oder hat sich der Sachverhalt geändert, so muss das Landgericht die Anhörung nachholen.135 Eine persönliche Anhörung kann im Rahmen der Sachaufklärung (§ 12) bei pflichtmäßiger Ermessensausüung auch bei Beteiligten geringer Bildungsstufe, bei Minderjährigen und Geisteskranken geboten sein, bei denen eine sachgemäße schriftliche Äußerung nicht erwartet werden kann. Im Freiheitsentziehungs- und Unterbringungsverfahren ist regelmäßig die persönlich mündliche Anhörung des Betroffenen vorgeschrieben (§ 5 Abs 1 und 2 FEVG; § 70c FGG, vgl dortige Kommentierung). Eine Gegenüberstellung mit anderen Beteiligten steht im Ermessen des Gerichts. Sind 81 gegnerische Beteiligte vorhanden, ist deren Anwesenheit oder zumindest nachträgliche Einbeziehung bei der persönlichen Anhörung eines Beteiligten angebracht. Im Übrigen wird es für die Frage, ob mündliche oder schriftliche Anhörung geboten ist, auf den Stand der Ermittlungen ankommen. Ist der Sachverhalt durch andere Erkenntnisquellen, die ein zuverlässiges Bild von der Sachlage ergeben, schon hinreichend geklärt, so wird Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung genügen, während die Herbeiführung einer vollständigen und sachgemäßen Erklärung durch mündliche Anhörung den Vorzug verdient, wenn die Anhörung erst die eigentlichen Entscheidungsgrundlagen zutage fördern soll.

79

131 132 133

KG OLGR 17, 280. Vgl BGH NJW 1954, 554 = FamRZ 1954, 15; BayObLGZ 1951, 330, 332. Carl/Eschweiler NJW 2005, 1681, 1685.

320

134 135

OLG Hamm FamRZ 1997, 1550; OLG Köln NJWE-FER 1999, 96 = FamRZ 1999, 314. OLG Hamm OLGZ 1965, 250; KG OLGZ 1967, 123 = NJW 1967, 985.

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Amtsermittlungspflicht

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Die Ladung zu einem Termin ohne Mitteilung des Gegenstands der Erörterung genügt nicht.136 Wenn eine persönliche Anhörung im Interesse der Sachaufklärung oder auf Grund 82 gesetzlicher Vorschrift geboten ist, ist sie vom Richter oder im Wege der Rechtshilfe137 vorzunehmen. Eine Übertragung auf den Rechtspfleger in nicht übertragenen Sachen, einen Referendaren (vgl § 10 GVG) oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wäre keine persönliche Anhörung mehr. Andere Arten der Anhörung können in der Weise stattfinden, dass die Erklärungen gegenüber einer anderen Gerichtsperson als den Richter abgegeben werden. Eine Erklärung gegenüber dem Jugendamt, wenn sie nach dem Willen des Erklärenden für das Gericht bestimmt ist, kann jedenfalls als schriftliche Erklärung ausreichen. Dagegen kommt das Gericht einer ihm selbst obliegenden Pflicht zur Anhörung nicht dadurch ordungsgemäß nach, dass es das Jugendamt oder eine Polizeidienststelle um die Anhörung ersucht. Die Anhörung muss im unmittelbaren Verkehr zwischen dem Gericht und den Beteiligten stattfinden. 3. Mündliche Verhandlung a) Erfordernis Der Mündlichkeitsgrundsatz gilt im Verfahren der FG nicht. Demgemäß enthält das 83 Gesetz keine allgemeine Vorschrift über die Abhaltung mündlicher Verhandlungen, überlässt die Entscheidung hierüber also dem Ermessen des Gerichts. Nur vereinzelt ist die Abhaltung einer Verhandlung mit den Beteiligten vorgeschrieben, so für das handelsrechtliche Zwangsgeldverfahren (§ 134 FGG), die Vermittlung der Erb- und Gesamtgutauseinandersetzung (§§ 89, 99 FGG) und für die Verhandlung über die Dispache (§ 153 FGG). In einigen echten Streitsachen ist eine mündliche Verhandlung teils zwingend, teils auf Antrag, teils auf Grund einer in der Regel zu beachtenden Sollvorschrift angeordnet. Nach §§ 40 Abs 2, 42 Abs 6 S 1, 223 Abs 4 BRAO, § 111 Abs 4 BNotO hat das Gericht auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, dass die Beteiligten auf sie verzichten. Im Landwirtschaftsverfahren ist nach § 15 Abs 1 und 5 LwVG mündliche Verhandlung auf Antrag eines Beteiligten anzuordnen, während über das Ergebnis einer Beweisaufnahme stets mündlich zu verhandeln ist, sofern die Beteiligten nicht übereinstimmend darauf verzichten. Nach § 53a Abs 1 S 1 FGG soll das Gericht, nach § 13 Abs 2 HausratsVO, § 44 Abs 1 WEG soll es in der Regel mit den Beteiligten mündlich verhandeln. Soweit mündliche Verhandlung auf Antrag anzuordnen ist (§ 15 Abs 1 LwVG), findet gegen die Ablehnung die Beschwerde nach § 19 statt. Dem Erfordernis ist durch eine einmalige mündliche Verhandlung im Rechtszug genügt. Anders als nach der ZPO ergeht die Entscheidung des Gerichts aber nicht auf die 84 mündliche Verhandlung,138 die eine Begrenzung des Tatsachenstoffs mit sich bringt, sondern kann auch im weiteren Verfahren im Dezernatswege ergehen. Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, obwohl sie auf Antrag oder von Amts wegen zwingend anzuordnen ist, so liegt darin ein Verfahrensfehler, der vom Beschwerdegericht, soweit es Tatsachengericht ist, durch Nachholung geheilt werden kann, auf Rechtsbeschwerde aber zur Aufhebung und Zurückverweisung führen muss, wenn die Entscheidung darauf beruht. Vor dem Kollegialgericht muss die mündliche Verhandlung vor der vollbesetzten Richterbank stattfinden, da die Freiheit in der Verfahrensgestaltung durch 136 137 138

KG OLGR 17, 277. BGH NJW 1985, 1702. BayObLG DNotZ 2003, 539 = ZfIR 2003,

160 m Anm Häublein; BayObLG ZMR 2004, 764.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Vorschriften, welche eine mündliche Verhandlung anordnen, gerade eingeschränkt ist. Anders dagegen, wenn das Kollegialgericht zweiter Instanz die Sache gemäß § 30 Abs 1 S 3 FGG iVm § 526 ZPO auf den alleinentscheidenden Einzelrichter überträgt. Die mündliche Verhandlung ist nicht wie im Zivilprozess eine solche der Parteien vor 85 dem Gericht, sondern ein Verhandeln des Gerichts mit den Beteiligten. Sie soll der Vorbereitung der Sachentscheidung durch Aufklärung des Sachverhalts und Klarstellung der Streitpunkte dienen, aber auch dem Versuch einer gütlichen Einigung der Beteiligten. Demnach können unzulässige Anträge und Beschwerden ohne mündliche Verhandlung verworfen werden. Ferner kann in den Fällen, in denen dem Gericht für die Anberaumung der Verhandlung ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt ist (§ 53a Abs 1 S 1 FGG, § 44 Abs 1 WEG, 13 Abs 2 HausratsVO) in begründeten Einzelfällen davon abgesehen werden.139 Die Vorschriften über mündliche Verhandlungen gelten grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren, wenn das Beschwerdegericht Tatsachengericht ist. Für das als reine Rechtsprüfung ausgestaltete Rechtsbeschwerdeverfahren entfällt die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung.140 b) Ladung der Beteiligten

86

Zu einer mündlichen Verhandlung sind alle am Verfahren Beteiligten zu laden. Es steht also nicht im Ermessen des Gerichts, in welchem Umfang es die Beteiligten zur Verhandlung hinzuziehen will. Die Ladungen ergehen von Amts wegen, und zwar, wenn ein Beteiligter durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten wird, an diesen (§ 172 ZPO). Einlassungs- und Ladungsfrist bestehen in der Regel nicht (Ausnahmen in § 90 Abs 1, § 153 Abs 4 FGG). Unangemessen kurze Fristen können aber eine Versagung des rechtlichen Gehörs bedeuten. Bleibt ein Beteiligter im Verhandlungstermin aus, so ist, wenn nicht aus erheblichen Gründen eine Vertagung geboten ist (§ 227 Abs 1 ZPO entsprechend), mit den übrigen Beteiligten zu verhandeln. Ein Versäumnisverfahren findet in der Regel nicht statt (Ausnahmen §§ 91 Abs 3, 93 Abs 2, 153 Abs 3 FGG). Wird die Verhandlung vertagt, so ist auch zu dem neuen Termin zu laden (Ausnahme § 90 Abs 2). Eine Wiederholung der mündlichen Verhandlung steht im Ermessen des Gerichts. Zur 87 Berücksichtigung neuen Vorbringens der Beteiligten nach dem Verhandlungstermin muss nicht notwendig eine weitere mündliche Verhandlung anberaumt werden. Auch wenn nach mündlicher Verhandlung erhebliche Zeit verstrichen ist, kann eine Entscheidung erlassen werden, an der auch nicht die Richter teilnehmen müssen, die an der mündlichen Verhandlung mitgewirkt haben.141 c) Niederschrift, Vergleich

88

Über die mündliche Verhandlung ist ein Protokoll (Sitzungsniederschrift) aufzunehmen. In das Protokoll kann auch ein vor dem Gericht geschlossener Vergleich aufgenommen werden, wenn der Verfahrensgegenstand der Verfügung der Beteiligten unterliegt und diese sich geeinigt haben.

139 140

Vgl etwa BayObLG ZMR 2001, 204. ZumWEG-Verfahren vgl Staudinger/Wenzel WEG § 44 Rn 12; BayObLGZ 1977, 44, 49; BayObLG WE 1990, 110, 111.

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141

Vgl zum WEG-Verfahren BayObLG DNotZ 2003, 539; BayObLG ZMR 2004, 764.

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§ 12

X. Anwendung von Zwang 1. Grundsatz Die Bedeutung des § 12 besteht darin, einerseits dem Gericht die Pflicht aufzuerlegen, 89 zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen tätig zu werden, andererseits die Herrschaft der Beteiligten über den Tatsachenstoff auszuschließen. Darüber, ob und welche Zwangsmittel dem Gericht bei der Führung seiner Ermittlungen zur Verfügung stehen, trifft § 12 keine Bestimmung. Zwangsbefugnisse des Gerichts können daher nicht aus § 12 hergeleitet werden. Als Rechtsgrundlage für die Anwendung von Zwang kann § 12 auch nicht mit der Erwägung herangezogen werden, der Untersuchungspflicht des Gerichts müssten als Korrelat entsprechende Zwangsbefugnisse gegenüberstehen. Ein Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis, vom Zweck auf das Mittel ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Jeder Zwangseingriff der Staatsgewalt, auch soweit sie von den Gerichten ausgeübt wird, bedarf der ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung und darf daher nicht durch Zweckmäßigkeitserwägungen oder Analogien gerechtfertigt werden. Dieser Grundsatz, der selbst im Strafprozess von jeher galt, ist durch das Grundgesetz (Art 2 Abs 1 und 2, Art 10, Art 13) verfassungsrechtlich verankert worden. Eingriffe in das durch Art 2 Abs 1 GG gewährleistete Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit, die der gesetzlichen Grundlage entbehren, begründen die Verfassungsbeschwerde.142 Ließe man auf Grund des § 12 Zwang gegen Auskunftspersonen und Beteiligte zur 90 Abgabe von Erklärungen oder zur Erzwingung eines sonstigen Verhaltens zu, so brauchte das Gericht auf die in der ZPO enthaltenen Zeugnisverweigerungsrechte und Begrenzungen der Zwangsbefugnisse keine Rücksicht zu nehmen, da § 12 insoweit keine Einschränkungen enthält, und für den Zwang zur Vorlegung von Urkunden und Augenscheinsobjekten bestünden keine Grenzen, wie sie selbst der Strafprozess (§§ 94 ff StPO) kennt. Auch in anderen Verfahrensordnungen ermächtigt die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs 1 VwGO, § 103 SozGG, § 76 Abs 1 inGO) nicht zur Anwendung von Zwangsmitteln. Hieraus ergeben sich die nachstehenden Folgerungen. 2. Beweispersonen Beweispersonen, die im Wege formloser Ermittlungen um die Erteilung von Auskünf- 91 ten oder Erstattung von Gutachten ersucht worden sind, können nicht auf Grund des § 12 durch Zwangsmittel zur Erfüllung des gerichtlichen Verlangens angehalten werden. Dasselbe gilt für Auskunftspersonen, deren Anhörung dem Gericht zur Pflicht gemacht ist. Will das Gericht eine Zeugenaussage oder ein Gutachten erzwingen, so muss es zum förmlichen Beweisverfahren nach § 15 übergehen. Im Grundbucheintragungsverfahren ist eine Zeugenvernehmung, auch im Beschwerdeverfahren, unzulässig.143 Das Ergebnis einer gleichwohl durchgeführten Beweiaufnahme darf für die Sachentscheidung nicht verwertet werden.144 Insoweit ist auch ein Zwang gegen Zeugen unzulässig.

142 143

BVerfGE 6, 32. Vgl auch BayObLGZ 2004, 371 = FGPrax 2005, 56 = FamRZ 2005, 1268.

144

OLG Hamm FGPrax 2005, 239.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

3. Zwangsmittel

92

Zwangsmittel sind unzulässig, wenn dafür keine besondere gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Zu lästigen Maßregeln, wie Inventaraufnahme, Durchsuchung von Räumen, Beschlagnahme von Gegenständen, Einsicht in Geschäftsbücher ermächtigt § 12 nicht. Kein Zeuge kann dazu verpflichtet werden, sich einer Untersuchung seiner Glaubwürdigkeit durch einen Arzt oder einen Psychologen zu unterziehen.145 Ebenso wenig können Beteiligte, wenn sie nicht freiwillig dazu bereit sind, dazu angehalten werden, eine psychologische Untersuchung, zB ihrer Erziehungsfähigkeit, oder die Testuntersuchung eines Kindes zu dulden. Das Gericht ist ferner nicht befugt, zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Beurtei93 lung der Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten die zwangsweise Unterbringung zur Beobachtung des Geisteszustands anzuordnen. Eine gesetzliche Regelung im Zusammenhang mit der Bestellung eines Betreuers ist in § 68b eingeführt worden; auf die dortige Kommentierung wird verwiesen. Außerhalb gesetzlicher Regelungen gilt auch in der FG der Grundsatz, dass niemand gegen seinen Willen genötigt werden kann, seinen Körper zur Besichtigung oder Beobachtung, auch nicht durch Ärzte, bereitzustellen.146 Ausnahmen bedürfen besonderer Ermächtigung, wie zB in § 15 FGG mit § 372a StPO. Selbst im Strafprozess hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis erforscht werden muss und das Aufklärungsrecht an personalen Werten seine Grenzen findet. Erlässt das Gericht einen Beweisbeschluss, wonach ein Sachverständigengutachten über die Verfahrensfähigkeit des Antragstellers eingeholt werden soll und die Ärztekammer um einen Vorschlag eines geeigneten Sachverständigen gebeten wird, so liegt bereits hierin ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, der diese sonst nicht anfechtbare Zwischenentscheidung ausnahmsweise anfechtbar macht.147 Davon zu unterscheiden ist die Rechtslage, wenn für die echten Streitsachen der FG 94 eine Abkehr von § 12 FGG und eine Annäherung an die zivilprozessualen Grundsätze und im Rahmen der Mitwirkungspflicht der Beteiligten angenommen wird,148 dass der Antragsteller das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Prozessfähigkeit149 zu tragen hat, da ihn insoweit eine „objektive“ Beweislast (Feststellungslast), jedoch keine „subjektive“ Beweisführungslast trifft, weil das Gericht von Amts wegen Zweifel an der Prozessfähigkeit aufzuklären hat.150 Eine Überprüfung der Partei- und auch Verfahrensfähigkeit ist jedoch nur geboten, wenn hinreichende Anhaltspunkte für deren Fehlen vorliegen.151 Legt ein Beteiligter ein Attest über seinen Geisteszustand vor, so steht der gerichtlichen Verwertung des Attests nicht entgegen, dass sich daraus Zweifel an der Wirksamkeit der Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht ergeben.152 4. Erzwingung des persönlichen Erscheinens Beteiligter a) Grundsatz

95

In § 13 Abs 2 wird vorausgesetzt, dass das Gericht das persönliche Erscheinen Beteiligter anordnen kann, und als Rechtsfolge für die Nichtbefolgung dieser Anordnung 145 146 147

148 149

BGHSt 13, 394, 398; 14, 21, 23. BGH NJW 1962, 1215. OLG Düsseldorf NZM 2005, 953; vgl auch BGH NZM 2005, 952; OLG Düsseldorf NZM 2005, 629. BGH NZM 2005, 952. AA Musielak NJW 1997, 1736.

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150

151 152

BGH NJW 1996, 1059 = MDR 1996, 410; BGHZ 143, 122 = NJW 2000, 289 = MDR 2000, 223; BGHZ 159, 94 = NJW 2004, 2523 = MDR 2004, 1197. BGHZ 159, 94 = NJW 2004, 2523. BGHZ 110, 294 = NJW 1990, 1734 = MDR 1990, 610.

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§ 12

bestimmt, dass das Gericht alsdann einen an Stelle des Beteiligten auftretenden Bevollmächtigten zurückweisen kann. Weitere Folgen knüpft das Gesetz an das unentschuldigte Ausbleiben nicht. Das Gericht ist daher auch nicht allgemein auf Grund des § 12 oder des § 33 befugt, das Erscheinen eines Beteiligten durch Ordnungsmittel oder unmittelbaren Zwang (Vorführung) zu erzwingen, soweit nicht eine der nachstehend aufgeführten gesetzlichen Ermächtigungen vorliegt. b) Vormund, Pfleger Vormund und Pfleger unterstehen der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts (§§ 1837, 96 1915 BGB). Sie können deshalb dazu angehalten werden, vor dem Vormundschaftsgericht zu erscheinen, um Aufklärungen über ihre Amtsführung zu geben. Liegt in der Weigerung eine Pflichtwidrigkeit, so können sie nach § 1837 Abs 2 BGB mit Zwangsgeld belangt werden. c) Betreuung, Unterbringung Nach § 68 Abs 3 kann das Gericht den Betroffenen durch die zuständige Behörde 97 vorführen lassen, wenn er die persönliche Anhörung verweigert. Nach § 70c gilt dasselbe bei Unterbringungsmaßnahmen. Auf die dortige Kommentierung wird verwiesen. d) Freiheitsentziehungsverfahren Im Freiheitsentziehungsverfahren ist das Gericht nach § 5 Abs 1 FEVG ermächtigt, 98 die Vorführung des Betroffenen anzuordnen. Die Vollziehung richtet sich nach § 33. e) Zwang zum Erscheinen Ein Zwang zum Erscheinen ist ferner ausgeschlossen, wenn die Verfahrensregelung 99 anderweitige Sanktionen vorsieht. Im Verfahren vor dem Registergericht ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens zwar statthaft, die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen in §§ 132 ff FGG jedoch abschließend geregelt.153 Im Verfahren zur Vermittlung der Erb- und Gesamtgutsauseinandersetzung sind die Folgen des Ausbleibens durch die §§ 91, 93, 99 FGG abschließend geregelt. Deshalb kann ein Beteiligter durch Zwangsmittel nicht zum Erscheinen genötigt werden. f) Landwirtschaftsverfahren Im Landwirtschaftsverfahren ist nach § 15 Abs 3 LwVG die Vorschrift des § 141 ZPO 100 sinngemäß anwendbar. Demnach kann das Gericht nach seinem Ermessen von Amts wegen das persönliche Erscheinen eines Beteiligten, nicht notwendig aller, anordnen, wenn nicht die persönliche Wahrnehmung des Termins für den Beteiligten aus den in § 141 Abs 1 S 2 ZPO genannten Gründen unzumutbar ist. Das Gehör nach § 141 ZPO ist kein Beweismittel und keine Vernehmung. Es dient der Aufklärung des Sachverhalts, dh der Klarstellung des Vorbringens der Beteiligten in Ergänzung des schriftlichen Vorbringens.154 Die Anordnung setzt voraus, dass der Beteiligte sich auf das Verfahren eingelassen hat.155 Zwecks Abschlusses eines Vergleichs darf die Anordnung nicht ergehen.156 153 154 155

KG RJA 8, 135. Göppinger ZZP 73, 59, 77. OLG Celle NJW 1961, 1825; OLG Naumburg MDR 1999, 1020.

156

OLG Hamm RdL 1959, 241.

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§ 12 101

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Der Beteiligte kann sich von dem Erscheinen dadurch befreien, dass er zu der Verhandlung einen Vertreter (auch seinen Verfahrensbevollmächtigten) entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsschluss ermächtigt ist (§ 141 Abs 3 S 2 ZPO). Die Ladung, die keiner förmlichen Zustellung bedarf, ergeht an den Beteiligten selbst, auch wenn er einen Verfahrensbevollmächtigten bestellt hat; in der Ladung ist auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen (§ 141 Abs 2, Abs 3 S 3 ZPO). Gegen die Anordnung findet keine Beschwerde statt. Ihre Zulässigkeit unterliegt jedoch der Nachprüfung mit der Beschwerde gegen die Ordnungsgeldfestsetzung. Erscheint der Beteiligte nicht und entsendet er auch keinen unterrichteten und ordnungsgemäß ermächtigten Vertreter, so kann er wie ein Zeuge zu einem Ordnungsgeld in Höhe von 5 bis 1000 Euro (Art 6 Abs 1 EGStGB) verurteilt werden (§ 141 Abs 3 S 1 ZPO iVm § 380 ZPO); Ordnungshaft und Vorführung sind ausgeschlossen.

XI. Umfang der Ermittlungen 102

Den Umfang der Ermittlungen bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.157 Das folgt, ebenso wie die Freiheit in der Wahl des Beweismittels, unmittelbar aus dem Amtsermittlungsgrundsatz. Das Gericht veranlasst die Ermittlungen und Beweiserhebungen, die nach seiner Auffassung der Aufklärung des Sachverhalts dienlich sind. Erachtet es den Sachverhalt für so vollständig aufgeklärt, dass von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist, so schließt es die Ermittlungen ab.158 Beweisantritte der Parteien sind zwar nicht unzulässig und dürfen vom Gericht, wenn sie entscheidungserheblich sind, etwa wenn der Erblasserwille zu ermitteln ist, nicht übergangen werden.159 Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, Beweisanträge der Beteiligten zu berücksichtigen, die es nach dem Ergebnis der Ermittlungen oder aus Rechtsgründen für überflüssig und unerheblich hält.160 Anders, wenn ein sachdienliches Ergebnis der angeregten Ermittlungen nicht ausgeschlossen erscheint. Gegen die Ablehnung von Beweisanträgen findet die Beschwerde nicht statt.161 Zumindest in echten Streitsachen, zu denen das Notariatskostenverfahren (§ 156 103 KostO) gehört, kann ein Beweisermittlungsantrag, wenn ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen bestimmter Sachverhalte willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden (sog Ausforschungsbeweis), abgelehnt werden.162 Bei der Annahme von Willkür ist aber Zurückhaltung geboten, insbesondere wenn es um die Behauptung innerer Tatsachen geht. Auch im Zivilprozess ist die Partei bei ihren Beweisantritten vielfach auf Vermutungen angewiesen. Für die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit eines Beweisantritts, durch den eine die Amtspflichten des Notars beeinflussende Kenntnis von Tatsachen bewiesen werden soll, reicht es nicht aus, dass die dazu vorgetragenen Anhaltspunkte nicht bereits feststehen, sondern ihrerseits beweisbedürftig sind.163 157 158

159 160

BayOLGZ 21, 71; 28, 14; KG OLGZ 1967, 87. BGHZ 40, 54, 57; KG OLGZ 1967, 87; OLG Köln FGPrax 2004, 78 = FamRZ 2004, 1382. BayObLG FGPrax 2005, 162. KG OLGR 4, 97.

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161 162

163

OLG Schleswig SchlHA 1966, 152. OLG Hamm FGPrax 2004, 49 = NotBZ 2004, 197 unter Hinweis auf BGH NJW 1995, 1160 und 2111. OLG Hamm FGPrax 2004, 49 = NotBZ 2004, 197.

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§ 12

Eine Wahrunterstellung erheblicher Tatsachen wird durch den Untersuchungsgrundsatz nicht ausgeschlossen. Eine Tatsache darf als wahr unterstellt werden, wenn das Gericht ohne Beweiserhebung von ihrer Richtigkeit überzeugt ist oder sie für unwiderlegbar hält oder wenn die Tatsache auch ohne diese Voraussetzungen das Begehren des Beweisführers nicht zu rechtfertigen vermag. Anderenfalls muss der beantragte Beweis erhoben werden. Bei einer Mehrzahl unterstellter Tatsachen muss beachtet werden, dass zwar jede für sich betrachtet nicht ausreichend sein kann, wohl aber mehrere Tatsachen in ihrer Häufung Gewicht erhalten können, zB Tatsachen, die für die erzieherische Eignung eines Elternteils erheblich sind. Die Wahrunterstellung muss sich auf die unter Beweis gestellte Tatsache, nicht etwa darauf beziehen, dass der Zeuge die in sein Wissen gestellte Bekundung machen werde.164 Die Aufklärungspflicht erstreckt sich auch auf Umstände, die von den Beteiligten nicht besonders vorgebracht sind, aber nach der Sachlage für die Beurteilung des Falles erheblich sein können. Ein Ermessensfehler liegt vor, wenn das Gericht einen von den Beteiligten vorgebrachten Sachverhalt auf Grund ungenügender Ermittlungen für nicht feststellbar erachtet. Die Vernehmung verwandter oder am Ausgang des Verfahrens interessierter Zeugen darf beim Fehlen anderer Erkenntnisquellen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Beweistatsache könne durch ihre Vernehmung nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden. Darin liegt eine unzulässige Vorwegnahme des Beweisergebnisses.165 Eine Beweiserhebung kann unterbleiben, wenn der völlige Unwert des Beweismittels, etwa nach der Person des Zeugen oder der Art der Beweistatsache von vornherein feststeht. Der mangelnde Beweiswert ist dann unter Würdigung der Umstände des besonderen Falles besonders darzulegen.166 Eine Beweiserhebung muss unterbleiben, wenn das Beweismittel unerreichbar ist, weil die Beweiserhebung nicht durchführbar ist oder ihr zumutbar nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, zB der unbekannte Aufenthalt eines Zeugen oder Gefährdung des Zeugen durch seine Vernehmung im Ausland. Im letzteren Fall ist zu prüfen, ob die Einholung einer schriftlichen Erklärung des Zeugen möglich ist.167 Die wiederholte Vernehmung eines Zeugen steht im Ermessen des Gerichts (§ 398 Abs 1 ZPO), ebenso die unmittelbare Vernehmung des Zeugen an Stelle der Verwertung seiner bereits in einem anderen Verfahren gemachten Aussage. Eine erneute Vernehmung kann aber angebracht sein, wenn die frühere Aussage unbestimmt oder mehrdeutig ist oder eine Gegenüberstellung mit neuen Tatsachen oder Beweismitteln geboten erscheint.168 Über die wiederholte Vernehmung im Beschwerdeverfahren vgl § 23 Rn 24. Die wiederholte Vernehmung ist jedenfalls nötig, wenn die frühere Vernehmung verfahrenswidrig war, zB wegen Verletzung der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme, und der Mangel nicht durch Rügeverlust geheilt ist (§ 27 Rn 107). Ein Zeuge, der das Zeugnis berechtigt verweigert hat, ist nicht erneut zu vernehmen, wenn nicht Tatsachen für eine Änderung der Bereitschaft vorliegen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschließt das Gericht nach pflichtmäßigem Ermessen, wenn es sich nicht selbst für hinreichend sachkundig hält.169 Die eigene Sachkunde ist ausreichend, wenn es nur auf Fragen der täglichen Erfahrung oder Kenntnisse eines Durchschnittsbürgers ankommt170 oder wenn ein Gerichtsmitglied tat164 165 166 167

BGHZ 40, 374; BGH NJW 1962, 676; BVerwG NJW 1968, 1441. KG WM 1956, 1361. KG WM 1956, 1361. BVerwG DVBl 1960, 731.

168 169 170

BVerwG DÖV 1959, 396. BGH MDR 1953, 605; BGH FamRZ 1965, 433; KG NJW 1961, 2066. BGH DRiZ 1963, 27.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sächlich über besondere Sachkunde verfügt, die das Gericht sich auf beliebige Weise, zB auch durch Benutzung des Fachschrifttums verschaffen kann. Allerdings ist dann darzulegen, aus welchen Gründen die Zuziehung eines Sachverständigen entbehrlich war, und die Entscheidung darf durch ungenügende Darlegungen nicht mangelnde Sachkunde erkennen lassen. Andernfalls besteht die Möglichkeit, dass das Gericht von seinem Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht und seine Feststellungen ohne ausreichende Grundlagen getroffen hat.171 Die Testierunfähigkeit eines Erblassers kann in der Regel nicht ohne Hinzuziehung eines ärztlichen Sachverständigen beurteilt werden.172 Überhaupt ist zur Feststellung von Geisteskrankheit ein Sachverständigengutachten unumgänglich. Das Gericht kann auch das in einem anderen Verfahren erstattete Gutachten urkundenbeweislich verwerten. Wegen der Einholung eine Gegen- oder Obergutachtens vgl Kommentierung zu § 15.

XII. Auslagenvorschuss 108

Von der Hinterlegung eines Auslagenvorschusses dürfen Beweiserhebungen nicht abhängig gemacht werden. Im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz sind die §§ 379, 402 ZPO nicht anwendbar.

XIII. Beweiswürdigung 109

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt ebenso wie im Zivil- und Verwaltungsprozess auch im Verfahren der FG.173 Das bedeutet, dass das Gericht über die Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung und überhaupt über das Vorliegen rechtserheblicher Tatsachen „nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis der Verhandlungen gewonnenen Überzeugung“ entscheidet (§ 108 Abs 1 VwGO, § 128 Abs 1 SozGG, § 96 Abs 1 FinGO, § 286 ZPO). Der Begriff der freien Beweiswürdigung reicht, wie im Zivilprozess, weiter, als es seinem Wortsinn entspricht. Grundlage der Beweiswürdigung sind nicht nur die Beweise einschließlich der Beweismittel, sondern das Gesamtergebnis der Verhandlung, vor allem auch die Behauptungen, Einlassungen und Stellungnahmen der Beteiligten, aus denen in freier Beurteilung Schlussfolgerungen gezogen werden dürfen. Der Richter muss die volle Überzeugung von dem Vorliegen des Tatbestandsmerkmals haben, das er feststellt. Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Das Beweisergebnis muss derart sein, dass es unter Verwertung allgemeiner Erfah110 rungssätze, insbesondere der allgemeinen Lebenserfahrung, die Überzeugung des Richters in vollem Umfange begründet. Jedoch ist keine mathematische, jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewissheit zu verlangen, die mit prozessualen Mitteln ohnehin nicht zu erreichen wäre, sondern es ist ein objektivierter Maßstab anzulegen. Der Richter muss sich mit einem jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Grad von Wahrscheinlichkeit begnügen.174 Liegt nach möglichst erschöpfender und gewissenhafter Anwendung der gegebenen Erkenntnismittel ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit vor, so ist

171 172

BGH NJW 1951, 481; BGH ZZP 72, 201; KG NJW 1961, 2066. BGH LM § 286 (E) ZPO Nr 6; KG NJW 1961, 2066.

328

173 174

BayObLGZ 30, 409; KG WM 1956, 1361. BGHZ 18, 311, 318.

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§ 12

der Richter verpflichtet, die Feststellung zu treffen. Über dieses Maß hinausgehenden subjektiven Bedenklichkeiten darf er keinen Raum geben. Auch Sachverständigengutachten unterliegen der freien Beweiswürdigung des Ge- 111 richts. Eine ärztliche Stellungnahme, die ein mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragter Sachverständiger ohne zeitnahe persönliche Untersuchung oder Befragung des Betroffenen nur auf Grund eines telefonischen Gespräches mit diesem zur Vereinbarung eines Untersuchungstermins abgibt, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an ein ärztliches Attest im Verfahren zur vorläufigen Bestellung eines Betreuers.175 Der Richter darf das Ergebnis eines Gutachtens nicht kritiklos übernehmen, sondern muss unter Nachvollziehung der Gedankengänge des Sachverständigen dessen tatsächliche Feststellungen, die Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die gezogenen Schlüsse auf ihre Tragfähigkeit prüfen.176 Widersprüchen und Abweichungen, die sich aus mehreren Äußerungen ein und desselben Sachverständigen ergeben, muss das Gericht nachgehen.177 Er ist auch befugt, von dem Gutachten abzuweichen, muss dann aber die Gründe dafür darlegen.178 Ist das Gericht nach Einholung gerichtlicher Sachverständigengutachten und der mündlichen Erläuterung nicht von der Richtigkeit der Gutachten überzeugt, muss es ein weiteres Gutachten in Auftrag geben, wenn es nicht seine eigene überlegene Sachkunde nachprüfbar darlegt.179 Beweisregeln, welche die Freiheit der Beweiswürdigung beschränken und dem Richter 112 geiten oder verbieten, bestimmten Beweismitteln einen bestimmten Beweiswert beizumessen, gibt es nur in den gesetzlich bestimmten Fällen (§ 286 Abs 2 ZPO, 14 Abs 2 Nr 2 und 3 EGZPO). So gelten die Regeln über die Beweiskraft von Urkunden (§§ 415 bis 419, 437, 438 ZPO) auch in der FG. Die Bedeutung von Beweisregeln haben auch die §§ 32 bis 37 GBO. Die Beweiskraft von Personenstandsbüchern und -urkunden ist in den §§ 60, 66 PStG geregelt, die allerdings nicht die Schreibweise des Namens erfasst.180 Soweit ein Gegenbeweis zugelassen ist, obliegt die Führung dieses Beweises der Amtsermittlungstätigkeit des Gerichts.181 Zweifel an der Richtigkeit standesamtlicher Eintragungen muss das Nachlassgericht aufklären, wenn die Erbfolge davon abhängt, ohne die Beteiligten auf das Berichtigungsverfahren nach § 47 PStG verweisen zu können.182 Ergeben die im Erbscheinsverfahren angestellten Ermittlungen zur Überzeugung des Nachlassrichters, dass der Erblasser früher als in der Sterbeukunde angegeben gestorben ist, so ist der Nachweis der Unrichtigkeit des beurkundeten Todeszeitpunkts erbracht.183 Weicht die Schreibweise des Familiennamens im Geburtenbuch des Kindes von der im Geburtenbuch des Vaters ab und lässt sich die Unrichtigkeit weder des einen noch des anderen Eintrags nachweisen, so geht die Beweiskraft im Geburtenbuch des Vaters vor.184 In seiner Entscheidung muss das Gericht die Gründe angeben, die für seine richterliche 113 Überzeugung leitend gewesen sind (vgl § 286 Abs 1 S 2 ZPO). Die Darstellung des Ergebnisses der richterlichen Überzeugung reicht nicht, wenn nicht klargestellt ist, auf welchen

175 176 177 178

179

OLG Frankfurt FGPrax 2005, 23 = FamRZ 2005, 303. BayObLGZ 1958, 136; KG OLGZ 1967, 87. BGH NJW 1993, 269. BGH VersR 1960, 470; 1964, 440; BayObLGZ 1966, 67, 73; KG FamRZ 1963, 308, 310; OLG Hamm MDR 1966, 62. BayObLG FamRZ 1994, 720 = BtPrax 1994, 59.

180 181 182 183

184

VGH Mannheim NJW-RR 1995, 1412 = StAZ 1995, 272. OLG München JFG 13, 357. OLG Hamm JMBlNRW 1953, 18. OLG Frankfurt NJW 1997, 3099 = FamRZ 1998, 190 = FGPrax 1997, 191 = Rpfleger 1997, 478. OLG Hamm JMBlNRW 1956, 249; OLG Hamm OLGZ 1968, 505.

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329

§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Erkenntnissen das Ergebnis beruht und woraus die Schlussfolgerungen hergeleitet sind.185 Eine unzureichende Aufklärung führt in dritter Instanz zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

XIV. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht 114

Nach § 194 Abs 1 gilt § 12 auch für nichtgerichtliche Behörde, die in bundesrechtlichen Angelegenheiten nach Landesgesetz zuständig sind. In landesrechtlichen Angelegenheiten sind die Grundsätze des § 12 anwendbar, soweit nicht besondere Bestimmungen etwas anderes bedingen.

XV. Rechtliches Gehör 1. Grundsatz

115

In Art 103 Abs 1 GG wird bestimmt: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“ Diese Vorschrift gewährt einerseits ein grundrechtsgleiches Recht, dessen Verletzung durch die öffentliche Gewalt nach § 90 Abs 1 BVerfGG die Verfassungsbeschwerde begründet, andererseits enthält sie eine zu Verfassungsrang erhobene Verfahrensnorm, die nach Art 1 Abs 3 GG unmittelbare Geltung hat. Der Grundsatz sichert in seiner Durchführung die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und bietet eine erhöhte Gewähr für die Richtigkeit und Gerechtigkeit der Entscheidung, hat aber letzten Endes seine Wurzel in der Anerkennung der Menschenwürde (Art 1 Abs 1 GG), deren Beachtung es erfordert, dass der Einzelne als Subjekt des gerichtlichen Verfahrens, in welchem es um seine Rechte und Berechtigungen geht, befugt ist, durch seine Teilnahme an der Wahrheits- und Rechtsfindung mitzuwirken, so dass ein gerichtliches Verfahren vor diesem Vefassungsgrundsatz nur standhält, wenn das Gericht dem Beteiligten diese Mitwirkungsmöglichkeit eröffnet hat. Hierin kommt über die bloße Unrechtsabwehrfunktion hinaus eine personale Auffassung des rechtlichen Gehörs zum Ausdruck.186 2. FGG-Verfahren a) Geltung

116

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat auch im Verfahren der FG unmittelbare Geltung und ist als Verfahrensnorm zu beachten. Insbesondere enthebt die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 12) nicht von der Pflicht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs.187 Es kommt auch nicht darauf an, ob das Gericht der FG in dem Verfahren Rechtsprechung im materiellen Sinne ausübt oder Rechtspflegeakte setzt, die materiell der Verwaltung (Rechtsverwaltung) zugeordnet werden können. Art 103 Abs 1 GG findet nicht nur Anwendung, wenn in dem Verfahren spezifisch richterliche Aufgaben, insbesondere also Akte der Rechtsprechung, wahrzunehmen sind, sondern soll die Garantien richterlichen Verfahrens stets gewährleisten, wenn das Gesetz eine Entscheidung oder Maßnahme dem Richter zugewiesen hat. Dasselbe gilt für Verfahren vor dem Rechtspfleger, da dem Rechtspfleger richterliche Aufgaben übertragen sind. Demnach ist rechtliches

185

OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 951 = FGPrax 2004, 104 = NZM 2004, 551.

330

186 187

BVerfGE 7, 275, 279; 9, 89, 95. BVerfGE 7, 53; 10, 177, 182.

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Amtsermittlungspflicht

§ 12

Gehör grundsätzlich in allen Verfahren der FG zu gewähren, nicht nur in echten Streitsachen, sondern allgemein und unabhängig davon, ob das Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitet wird, ob ein Gegner vorhanden ist oder nicht, ob die Entscheidungen in materielle Rechtskraft erwachsen oder abänderbar sind und ob das Verfahren sich vor dem Rechtspfleger, dem Amtsrichter, dem Landgericht als Beschwerdegericht oder dem Rechtsbeschwerdegericht abspielt.188 b) Verhältnis Verfassungsrecht zu Verfahrensrecht Durch Art 103 Abs 1 GG hat sich nichts daran geändert, dass das Gericht, soweit das 117 rechtliche Gehör durch einfaches Verfahrensgesetz ausreichend geregelt ist, an dieses Gesetz gebunden ist und rechtliches Gehör in Anwendung dieses Gesetzes zu gewähren hat.189 Das Gericht hat dann nur zu prüfen, ob das einfache Gesetz den Anforderungen des Art 103 Abs 1 GG entspricht. Das gilt insbesondere, wenn das Gesetz die Gewährung rechtlichen Gehörs in bestimmter Weise oder in bestimmten Formen vorschreibt. Derartige Regelungen enthalten zB dieVorschriften über das registergerichtliche Zwangsmittelverfahren (§§ 132, 134 FGG, 160 Abs 2 GenG), über das Firmenmissbrauchverfahren (§§ 140, 132, 134 FGG) und das Amtslöschungsverfahen (§§ 141 ff FGG). Nach § 134 FGG hat das Gericht zur Verhandlung üer den Einspruch Termin anzuberaumen. Als besondere Form der Gehörsgewährung stellen sich die Vorschriften dar, welche eine mündliche Verhandlung vorsehen. Über derartige Vorschriften darf sich das Gericht nicht mit der Begründung hinwegsetzen, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs genügten geringere Anforderungen. Ausreichend gewährleistet wird das rechtliche Gehör durch die in §§ 22, 31 Abs 2 VerschG, § 14 Abs 2 LwVG normierten Anhörungspflichten. Soweit das positive Verfahrensrecht über die Gewährung rechtlichen Gehörs über- 118 haupt schweigt, ist zu prüfen, ob nicht ein ungeschriebener Verfahrensgrundsatz dieses Inhalts anzunehmen. Das wäre für das FGG, welches auch sonst die Geltung wesentlicher Verfahrensgrundsätze stillschweigend unterstellt, nichts Ungewöhnliches und wäre für den besonderen Fall des rechtlichen Gehörs anzuerkennen. Dann besteht die Bedeutung des Art 103 Abs 1 GG darin, diesen ungeschriebenen Grundsatz des einfachen Verfahrensrechts in den Verfassungsrang erhoben zu haben. Anderenfalls würde sich die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs im Verfahren unmittelbar aus Art 103 Abs 1 GG ergeben.190 Unter diesem Gesichtspunkt können Bestimmungen, welche die Anhörung gewisser Beteiligter nur durch eine Soll-Vorschrift regeln oder das Absehen von ihrer Anhörung bei Untunlichkeit oder aus schwerwiegenden Gründen gestatten, als Richtlinien für die Handhabung der Aufklärungspflicht (§ 12) ihre Bedeutung behalten, ohne dass sie aber den daneben bestehenden und übergeordneten Grundsatz des rechtlichen Gehörs einengen oder schmälern könnten, zumal es sehr wohl möglich ist, dass zwar das rechtliche Gehör gewahrt, die Aufklärungspflicht aber durch die Unterlassung einer gebotenen persönlichen Anhörung verletzt ist. Zur Eindämmung der Verfassungsbeschwerden wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs dient das in § 29a geregelte Verfahren der Anhörungsrüge.

188 189

BVerfGE 19, 49. BVerfGE 89, 28, 35 = NJW 1993, 2229; BVerfG NJW 2004, 3551, 3552; Lerche FS für Heldrich, 2005, 1282, 1284 f.

190

BVerfGE 6, 12; 7, 95, 98; 8, 253, 255; 9, 89, 96; 20, 282; 21, 137; BayObLGZ 1961, 29; KG OLGZ 1966, 120.

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331

§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

3. Träger des Anspruchs

119

Träger des Anspruchs auf rechtliches Gehör sind die Beteiligten. Dazu gehören zunächst die Beteiligten im verfahrensrechtlichen Sinne, und zwar solche, die zugleich materiell Beteiligte sind und deshalb als formell Beteiligte im Verfahren auftreten, als auch solche, die zu Unrecht ein vermeintliches Antrags- oder Beschwerderecht ausüben oder gegen die ein Antrags- oder ein Amtsverfahren zu Unrecht eingeleitet wird. Formell Beteiligte sind ferner schon im ersten Rechtszuge Personen, denen ein erweitertes Beschwerderecht aus § 57 Abs 1 zustehen würde, sofern sie sich an dem Verfahren beteiligen. Anspruch auf rechtliches Gehör haben auch Behörden, die von einem ihnen verliehenen Antrags- oder Beschwerderecht Gebrauch machen und dadurch die Stellung eines formell Beteiligten erlangen,191 zB die Industrie- und Handelskammer (§ 126 FGG).192 Schließlich ist das rechtliche Gehör den materiell Beteiligten zu gewähren, also denjenigen, deren Rechte im Sinne des § 20 Abs 1 durch die in dem Verfahren ergehende Entscheidung betroffen werden können. Diese Personen müssen mithin zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ihnen gegenüber zu dem Verfahren hinzugezogen werden, bevor eine sie belastende Entscheidung ergeht. Dagegen ist das „jedermann“ in Art 103 Abs 1 GG nicht dahin zu verstehen, dass 120 dadurch der Kreis der Verfahrensbeteiligten erweitert werde.193 Die Einbeziehung in ein Verfahren als Zeuge, Sachverständiger oder Auskunftsperson gewährt einen Anspruch auf rechtliches Gehör nur insoweit, als Rechte dieser Personen in einem Zwischenstreit (etwa nach § 15 FGG mit §§ 372a, 380, 387, 390, 409, 411 ZPO) in Rede stehen. Im Prozesskostenhilfeverfahren ist der Gegner des Antragstellers zwar nach § 14 FGG iVm § 118 ZPO zu hören, aber hinsichtlich der zu gewährenden Prozesskostenhilfe kein Beteiligter, dem rechtliches Gehör zu gewähren wäre. Ob die Ausübung des Rechts auf Gehör im Verfahren dem Beteiligten selbst zusteht, 121 ist eine Frage seiner Verfahrensgeschäftsfähigkeit. Verfahrensgeschäftsunfähige üben das Recht durch ihren gesetzlichen Vertreter aus. Soweit aber beschränkt Geschäftsfähige oder Geschäftsunfähige verfahrensgeschäftsfähig sind, sind sie auch selbstständige fähig, das Recht auf Gehör auszuüben, und das Gericht ist verpflichtet, das rechtliche Gehör ihnen zu gewähren. Auch Geisteskranke haben in Verfahren, in denen sie nicht durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten werden, weil sie zur selbstständigen Wahrnehmung ihrer Rechte berufen sind, Anspruch auf rechtliches Gehör.194 Schließlich haben Beteiligte, deren Partei- oder Prozessfähigkeit zweifelhaft oder bestritten ist, Anspruch auf rechtliches Gehör im Streit um ihre Partei- oder Prozessfähigkeit. 4. Inhalt und Umfang des rechtlichen Gehörs a) Tatsachenstoff

122

Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet, dass das Gericht dem Beteiligten Gelegenheit geben muss, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt vor dem Erlass der Entscheidung zu äußern, und dass der gerichtlichen Entscheidung zum Nachteil eines Beteiligten nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden dürfen, zu denen der Beteiligte Stellung nehmen konnte.195 Da191 192 193 194

KG OLGZ 1966, 120. OLG Hamm JMBlNRW 1964, 138. Bettermann JZ 1962, 675; Lerche ZZP 78, 1 f, 23 ff. BGHZ 35, 1, 8; KG FamRZ 1960, 503 mit

332

195

zust Anm Beitzke; BayObLGZ 1964, 412, 415. BVerfGE 7, 239, 240; 7, 275, 278; 10, 177, 182; 13, 132, 145; 18, 404; 20, 282.

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Amtsermittlungspflicht

§ 12

rüber hinaus umfasst das rechtliche Gehör die Gewährung von Gelegenheit, die dem Beteiligten günstigen Tatsachen und Beweise vorzubringen. Das Gericht muss dieses Vorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen.196 Auf welche Weise das Tatsachenvorbringen in das Verfahren eingeführt worden ist, ist hierfür unerheblich. Im Antragsverfahren muss der Antragsgegner Gelegenheit haben, zu dem Vorbringen des Antragstellers Stellung zu nehmen, aber auch der Antragsteller muss auf das Vorbringen seines Gegners erwidern dürfen, bevor es zu seinem Nachteil verwendet wird. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Beschlussgründen zu befassen.197 Offensichtlich abwegige Ausführungen müssen nicht ausdrücklich behandelt und widerlegt werden. Es kann sich auch aus dem Zusammenhang ergeben, dass Vorbringen mitberücksichtigt worden ist. Auch Tatsachen, die das Gericht auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12) 123 von Amts wegen in das Verfahren einführt, muss es zum Gegenstand der Erörterung mit den Beteiligten machen.198 Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, dass Beweisergebnisse, die nicht in Gegenwart der Beteiligten gewonnen sind, den Beteiligten bekannt gegeben werden, damit sie dazu Stellung nehmen können. Das gilt sowohl für die Ergebnisse eines förmlichen Beweisverfahrens als auch für formlose Ermittlungen durch Herbeiziehung von Akten, Einsichtnahme in Urkunden, Einholung amtlicher Auskünfte, Stellungnahmen von Behörden, schriftliche oder mündliche Anhörung von Auskunftspersonen. Bevor der Inhalt herbeigezogener Akten verwertet wird, muss den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt werden, auch wenn sie an dem früheren Verfahren teilgenommen hatten.199 Auch gerichtskundige Tatsachen dürfen erst verwertet werden, nachdem sie zum Gegenstand der Erörterung mit den Beteiligten gemacht worden sind.200 Zu eingeholten Sachverständigengutachten201 oder den Ergebnissen in Abwesenheit 124 der Beteiligten vorgenommener Augenscheinseinnahmen müssen die Beteiligten Stellung nehmen können. Eine unzulässige Schmälerung des rechtlichen Gehörs bedeutet es, wenn das Gericht den Beteiligten zwar den Inhalt des in ihrer Abwesenheit erhobenen Zeugenaussagen mitteilt, ihnen die Namen der Zeugen aber vorenthält. Das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung gewisser Informationsquellen oder das Interesse an dem Schutz von Auskunfts- oder Amtspersonen vor Belästigungen können eine Beschränkung des rechtlichen Gehörs nicht rechtfertigen. Stehen solche Umstände einer Bekanntgabe an die Beteiligten entgegen, dann muss das Gericht von der Verwertung dieser Beweismittel absehen. Belehrungen durch andere Behörden, zB durch das Jugendamt im Rahmen des § 53 SGB VIII,202 ersetzen nicht das rechtliche Gehör, das durch das Gericht zu gewähren ist. Treten im Laufe des Verfahrens neue Tatsachen und Ermittlungsergebnisse hervor, 125 nachdem bereits eine Anhörung der Beteiligten stattgefunden hatte, so ist auch zu den neuen Tatsachen und Beweisergebnissen rechtliches Gehör zu gewähren.

196

197 198 199

BVerfGE 11, 218, 220; 14, 320, 323; 18, 380, 383; 22, 267, 273; BayVerfGH NJW 1962, 531. BVerfG FuR 2001, 306. BVerfGE 10, 177, 182. BVerfGE 20, 349 = NJW 1967, 30; KG FamRZ 1968, 605.

200 201 202

BVerfGE 10, 177; BGHZ 31, 45. BVerfGE 5, 22, 24; 6, 12; 7, 340; 15, 214, 218. BVerfGE 92, 158 = NJW 1995, 2155 = FamRZ 1995, 789.

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333

§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

b) Gehör zu Rechtsfragen

126

Von der Auffassung aus, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs die Mitwirkung des Beteiligten bei der Gewinnung der richterlichen Überzeugung gewährleisten soll, muss anerkannt werden, dass eine vollständige Gewährung rechtlichen Gehörs die Befugnis der Beteiligten einschließt, durch eigene Rechtsausführungen die rechtlichen Erwägungen des Gerichts zu beeinflussen. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass es einem Beteiligten, sofern er zu einer Rechtsfrage gehört wird, gelingen könnte, durch eigene Rechtsausführungen eine andere rechtliche Beurteilung herbeizuführen.203 Art 103 Abs 1 GG gewährt dem unterliegenden Beteiligten einen Anspruch darauf, zu Rechtsausführungen des Gegners gehört zu werden, zumal diese Ausführungen das Gericht beeinflussen können.204 Im Verfahren zur Nachprüfung von Notarkosten muss die nach § 156 Abs 1 S 2 KostO eingeholte Stellungnahme der vorgesetzten Dienstbehörde des Notars den Beteiligten bekannt gegeben werden, auch wenn sie nur Rechtsausführungen enthält.205 Dagegen kann aus Art 103 Abs 1 GG nicht hergeleitet werden, das Gericht sei ge127 nötigt, vor seiner Entscheidung den Beteiligten zu eröffnen, wie es den Streit rechtlich beurteilen werde. Das rechtliche Gehör umfasst nicht den Anspruch, dass das Gericht mit den Beteiligten ein Rechtsgespräch führt, in welchem es seine Rechtsauffassung offenbart oder andeutet.206 Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen.207 Anders aber, wenn ein Beteiligter bei Anwendung der vor ihm zu fordernden Sorgfalt nicht zu erkennen vemag, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. Hier ist ein entsprechender Hinweis des Gerichts notwendig, um einen Vortrag zur Rechtslage überhaupt erst zu ermöglichen.208 Insbesondere wenn von einer bestimmten rechtlichen Betrachtungsweise aus Tatsachen erheblich sein können, die von den Beteiligten auf Grund einer anderen rechtlichen Beurteilung als unerheblich nicht vorgebracht werden, kann es in Ausübung der richterlichen Fragepflicht geboten sein, auf eine Ergänzung des tatsächlichen Vorbringens hinzuwirken. Die Verletzung der Fragepflicht bedeutet aber nicht stets eine Verletzung des rechtli128 chen Gehörs.209 Auch liegt ein derartiger Verstoß nicht schon darin, dass das Gericht auf Grund geänderter rechtlicher Beurteilung von der Durchführung einer beschlossenen Beweisaufnahme absieht, ohne vorher eine Stellungnahme der Beteiligten hierzu herbeizuführen. Sofern im Unterlassen eines Rechtsgesprächs des Gerichts mit den Beteiligten ein Verfahrensmangel liegt, wird dieser im Allgemeinen dadurch behoben, dass die Beteiligten nach Kenntnisnahme der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren oder mit der Anhörungsrüge (§ 29a) umfassend Gelegenheit erhalten, hierzu vorzutragen. c) Gegenstand der Gehörgewährung

129

Der Grundsatz des Art 103 Abs 1 GG bezieht sich nicht nur auf den der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachenstoff, sondern auch auf verfahrensrechtlich erhebliche Tatsachen, zB auf solche, die der Amtsprüfung unterliegende Verfahrensvorausset-

203 204 205 206

BVerfGE 9, 261, 266; 19, 49. Arndt JZ 1963, 65. BayObLG MittBayNot 2004, 379. BVerfGE 74, 1, 5 = NJW 1987, 1192; BVerfGE 96, 189, 204 = NJW 1997, 2305; BVerfG NJW 1999, 3326, 3328.

334

207 208

209

BGHZ 156, 279 = NJW 2003, 3550 = FGPrax 2004, 9 LS m Anm Lorbacher. BVerfGE 86, 133, 144 = NVwZ 1992, 401; BVerfG NJW 2002, 1334, 1335; BayObLG NZM 2004, 391 = ZMR 2005, 210. BayVerfGH NJW 1960, 1051.

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Amtsermittlungspflicht

§ 12

zungen betreffen und üblicherweise mit den Mitteln des Freibeweises geklärt werden.210 Deshalb ist der Beschwerdegegner zu einem Wiedereinsetzungsgesuch des Beschwerdeführers zu hören.211 Ob das Gericht dem Beschwerdeführer im Falle von Frist- oder Formversäumnissen Gelegenheit zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages geben muss, steht in dessen pflichtgemäßen Ermessen. Bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten wird das Gericht von einer Belehrung über die Wiedereinsetzungsmöglichkeit absehen dürfen, zumal dem Gericht hier im Zweifel keine Beratungspflicht obliegt. Anders verhält es sich bei einem dem Gericht zuzurechnenden Mangel. Eine durch 130 Fehler der die Niederschrift aufnehmenden Justizbediensteten bedingte Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde beruht nicht auf einem Verschulden des Beschwerdeführeres, sondern auf einem Fehler der Justiz. In derartigen Fällen ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich. Bei rechtzeitiger Nachholung der nicht rechtzeitig eingelegten Rechtsbeschwerde ist die Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren. Jedenfalls wenn der Wiedereinsetzungsgrund in einem den Gerichten zuzurechnenden Fehler liegt, fordert der Grundsatz fairer Verfahrensführung eine ausdrückliche Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung.212 Die Fachgerichte haben zu entscheiden, ob wegen der unterbliebenen Belehrung des Betroffenen bereits die Frist zur Wiedereineinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung einer zulässigen Rechtsbeschwerde nicht zu laufen begonnen hat oder ob diese Frist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Unzulässigkeit seines Rechtsmittels und den Gründen der Unzulässigkeit erhält.213 5. Beschränkung des rechtlichen Gehörs In gewissem Umfang können Einschränkungen des rechtlichen Gehörs zulässig sein 131 entweder nach dem Zweck der zu treffenden Entscheidung oder im Interesse der Wahrheitsfindung oder zum Schutz eines betroffenen Beteiligten. Es kann berechtigte Gründe geben, die gegen das Interesse des Betroffenen an seiner vorherigen Anhörung abgewogen werden dürfen. Die Berücksichtigung solcher Erwägungen wird durch Art 103 Abs 1 GG nicht schlechthin ausgeschlossen.214 a) Einstweilige Anordnungen Eine vorherige Anhörung ist durch den Verfassungsgrundsatz des Art 103 Abs 1 GG 132 nicht notwendig geboten bei dem Erlass einstweiliger Anordnungen durch den iudex a quo oder ad quem nach § 24 Abs 2, 3 (Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung, einstweilige Regelung), und zwar wegen des Zwecks dieser rein verfahrensrechtlichen Sicherungsmaßnahmen zu vermeiden, dass durch eine Veränderung der Sachlage der Endentscheidung vorgegriffen wird, und wegen der regelmäßig vorhandenen Eilbedürftigkeit. Dasselbe gilt für die unanfechtbaren oder nicht selbstständig anfechtbaren einstweiligen Anordungen nach § 53a Abs 3 FGG, § 44 Abs 3 WEG, § 11 Abs 2 FEVG. Ist aber der Erlass der Anordnung nicht so dringlich, dass eine vorherige Anhörung der Beteiligten zu verantworten ist, so ist auch in diesen Fällen rechtliches Gehör grundsätzlich vor Erlass der Entscheidung zu gewähren. In jedem Fall muss aber der Betroffene nachträglich Gelegenheit zur Stellungnahme haben.215 Hierauf kann und muss

210 211

BVerfGE 7, 275, 279; vgl auch KG NJW 1961, 1028. BVerfGE 8, 253 = JZ 1959, 59 m Anm Baur; BVerfGE 14, 8.

212 213 214 215

BVerfG NJW 2005, 3629. BVerfG NJW 2005, 3629. BVerfGE 9, 89, 95. BVerfGE 9, 89, 98.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

das Gericht reagieren. Derartige Anordnungen können zumeist von Amts wegen, aber auch nach § 18 Abs 1 geändert werden. Eine spezielle Belehrung der Beteiligten darüber ist nicht erforderlich. b) Vorläufige Anordnungen des Vormundschaftsgerichts

133

Zu einstweiligen Maßnahmen in Vormundschaftssachen vgl Kommentierung zu § 44, in Betreuungssachen vgl zu § 69 f, in Unterbringungsachen zu § 70i, in selbstständigen Familiensachen der FG vgl § 64 Rn 37, 78, 160, 283 ff sowie Kommentierung zu § 621g ZPO. c) Ausschließung von Beteiligten

134

Im Interesse der Wahrheitsfindung kann es geboten sein, für die Dauer der Vernehmung von Zeugen oder Beteiligten, insbesondere Kindern und Jugendlichen, die übrigen Beteiligten und Verfahrensbevollmächtigte auszuschließen, um zu einer unbefangenen und von Hemmunen freien Aussage zu gelangen. In diesem Verfahren der Ausschließung liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn den Beteiligten das Ergebnis der Vernehmung nachträglich bekannt gemacht wird. d) Schutz des Beteiligten

135

In den Verfahren, in denen dem Beteiligten aus Gründen des Grundrechtsschutzes Verfahrengeschäftsfähigkeit zugebilligt wird, auch wenn er nach bürgerlichem Recht geschäftsunfähig ist, ergeben sich Schwierigkeiten für die Gewährung rechtlichen Gehörs bei Bekanntgabe von Beweisergebnissen, insbesondere von Sachverständigengutachten über den Geisteszustand. Die auch im Rahmen des Art 103 Abs 1 GG zulässige Berücksichtigung schwerwiegender Gegeninteressen kann es rechtfertigen, die Anhörungspflicht zu begrenzen, wenn die vollständige Gewährung rechtlichen Gehörs nach ärztlichem Urteil Nachteile für den Gesundheitszustand des Betroffenen befürchten lässt. Gesetzliche Regelungen dazu befinden sich in § 50b (Sorgerechtsverfahren), § 68 Abs 2 (bei der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts), § 70c (Unterbringungsmaßnahmen), § 69d (vormundschaftliche Genehmigung) und § 5 Abs 2 S 2 FEVG (Freiheitsentziehungsverfahren). Sieht das Gericht in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren von einer persönlichen Anhörung der Kinder ab, so sind die schwerwiegenden Gründe, die diese Entscheidung rechtfertigen sollen, in der Begründung des Beschlusses niederzulegen.216 Zur Bestellung eines Verfahrenspflegers vgl weiter § 67 und § 70b und § 50. Hat der Betroffene einen gesetzlichen Vertreter oder hat er selbst einen Verfahrensbevollmächtigten bestellt, so ist ihnen gegenüber das rechtliche Gehör zu gewähren, und es muss ihrem Verantwortungsbewusstsein überlassen bleiben, inwieweit sie den Betroffenen unterrichten wollen. 6. Form der Gehörgewährung

136

In welcher Form das rechtliche Gehör zu gewähren ist, richtet sich nach den Grundsätzen der jeweiligen Verfahrensordnung. Soweit diese nicht ein mündliches Verfahren vorsehen, genügt schriftliche Anhörung und Unterrichtung. Aus Art 103 Abs 1 GG kann ein Recht auf mündliche Verhandlung nicht hergeleitet werden. Immerhin sollte berücksichtigt werden, dass die mündliche Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten die

216

OLG Frankfurt FamRZ 1999, 617.

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Amtsermittlungspflicht

§ 12

beste Möglichkeit bietet, rechtliches Gehör in einer Weise zu bieten, die mögliche Verfahrensrügen in der Regel von vornherein ausschließt. In Ausnahmefällen kann aber die mündliche Anhörung auch ein Erfordernis ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs sein, wenn ein Beteiligter sich nach seinen persönlichen Fähigkeiten nur mündlich ausreichend zum Sachverhalt äußern kann, wie es vor allem bei geistig Gebrechlichen denkbar ist. Im Übrigen hat das Gericht von Amts wegen dafür Sorge zu tragen, dass das Vorbrin- 137 gen anderer Beteiligter, von Amts wegen ermittelte Tatsachen, zB aus herbeigezogenen Akten, oder in Abwesenheit des Beteiligten gewonnene Beweisergebnisse zur Kenntnis des Beteiligten gelangen und diesem eine angemessene Frist eingeräumt wird, innerhalb deren er Stellung nehmen kann. Die Beteiligten sind nicht verpflichtet, von sich aus, zB durch Akteneinsicht, nachzuforschen, ob von den übrigen Beteiligten Schriftsätze eingereicht oder Anträge gestellt sind oder ob sonstiger Tatsachenstoff zu den Akten gelangt ist. Weiß ein Beteiligter allerdings, dass sich derartige Vorgänge bei den Akten befinden, und unterlässt er es in Erkenntnis ihrer möglichen Tragweite bewusst, sich erforderliche Kenntnis davon auf einem zumutbaren Wege zu verschaffen, so kann er sich auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht berufen. Das Gericht erfüllt seine verfahrensrechtliche Pflicht und den Anspruch der Beteilig- 138 ten auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch, dass es den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gibt. Ob der Beteiligte von der ihm gebotenen Möglichkeit Gebrauch machen will, steht in seinem Belieben. Auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann sich nicht berufen, wer eine ihm gebotene Gelegenheit zur Äußerung nicht wahrgenommen hat, etwa indem er eine Erwiderung unterlassen, eine ihm eingeräumte angemessene Frist zur Begründung oder Ergänzung seines Vorbringens nicht genutzt, einen Termin trotz ordnungsgemäßer Ladung versäumt oder die Einlassung überhaupt verweigert hat. Ist eine Terminversäumnis entschuldigt, so wird dem Beteiligten durch Übersendung einer Protokollabschrift Gelegenheit zur Stellungname gegeben werden müssen. Unter Umständen kann ein Anspruch auf Vertagung gegeben sein. 7. Gehör vor der Entscheidung Die Bedeutung des Art 103 Abs 1 GG erschöpft sich nicht in der Gewährung nach- 139 träglichen Rechtsschutzes durch Geltendmachung einer Verfahrensrüge, vielmehr gibt die Vorschrift den Beteiligten einen Anspruch darauf, vor dem Erlass der Entscheidung in dem dargelegten Umfang gehört zu werden, und dieses Recht kann, etwa mit dem Verlangen auf Akteneinsicht und Erteilung von Abschriften (§ 34) und mit der Beschwerde gegen ihre Versagung verfolgt werden. Ist bereits eine Sachentscheidung ergangen, so muss das rechtliche Gehör wiederum gewährt werden, bevor das Gericht des ersten Rechtszuges die Entscheidung ändert, sei es von Amts wegen auf Grund des § 18, sei es, dass es von seiner Befugnis Gebrauch macht, einer Beschwerde abzuhelfen, oder dass über die Erinnerung gegen eine Verfügung des Rechtspflegers zu entscheiden ist. Entsprechend dem für das Beschwerdeverfahren geltenden Grundsatz muss der Beteiligte, zu dessen Ungunsten die Entscheidung geändert werden soll, auch dann gehört werden, wenn dies bei unverändertem Sachverhalt geschieht. Das Versäumnis rechtfertigt eine Aufhebung durch das Rechtsbeschwerdegericht nur, wenn die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann.217 Auch bei Vorlage seitens des OLG an den

217

OLG Celle FGPrax 2005, 48 = NdsRpfl 2004, 348.

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

BGH gemäß § 28 Abs 2 muss den Beteiligten wegen der Verlagerung der Entscheidungsinstanz rechtliches Gehör gegeben werden, das sich auf das Vorhandensein oder Fehlen der Vorlagevoraussetzungen zu erstrecken hat.218 8. Verfahrensrechtliche Folgen der Gehörsverletzung a) Verfahrensfehler

140

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist ein Verfahrensfehler, der mit einem nach gesetzlicher Vorschrift statthaften Rechtsmittel von einem Beschwerdeberechtigten gerügt werden kann. Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es, wie allgemein bei Verfahrensfehlern, nicht an. Deshalb kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin liegen, dass im schriftlichen Verfahren Schriftsätze, die nach der Beschlussfassung, aber vor dem Erlass der Entscheidung, also vor ihrer Hinausgabe aus dem Bereich des Gerichts, eingegangen sind, nicht berücksichtigt worden sind, mag die Geschäftsstelle sie auch nicht mehr zur Kenntnis des beschließenden Gerichts gebracht haben. Der Beschwerdeführer kann allerdings nur rügen, dass ihm gegenüber das rechtliche Gehör nicht gewährt worden sei. Er kann sich nicht auf eine Verletzung des Art 103 Abs 1 GG gegenüber anderen Beteiligten, die ihrerseits kein Rechtsmittel eingelegt haben, berufen. Die unterlassene Anhörung anderer Beteiligter kann allenfalls unter dem Gesichtspunkt der unzureichenden Amtsermittlungspflicht des § 12 von Bedeutung sein. Denn da es im Belieben eines Beteiligten steht, von einer ihm gebotenen Möglichkeit zur Äußerung Gebrauch zu machen, steht es ihm auch frei, die Vorenthaltung der Gelegenheit hierzu nicht mit Rechtsmitteln zu rügen. Durch die Unterlassung einer möglichen Verfolgung dieses Anspruchs wird das Recht verbraucht. Die Entscheidung, die unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen ist, kann wegen Erschöpfung des Instanzenzuges oder weil nur eine Instanz gegeben ist, noch mit der Anhörungsrüge nach § 29a und nach deren Durchführung mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden. Selbstverständlich hat eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht die Nichtigkeit der Entscheidung zur Folge. b) Bedeutung der Rüge im ersten Beschwerderechtszug

141

Ist das rechtliche Gehör im ersten Rechtszug verletzt worden und ist das Erstbeschwerdegericht (LG oder OLG) Tatsachengericht, so kann eine im ersten Rechtszug in Bezug auf Tatsachen oder Beweisergebnisse unterbliebene Gehörsgewährung nunmehr nachgeholt werden, da im Erstbeschwerdeverfahren die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig neu verhandelt wird (§ 23). Dadurch wird der in erster Instanz unterlaufene Verfahrensmangel geheilt. Hat etwa der Beschwerdeführer erst durch die angefochtene Entscheidung Kenntnis von einem zu seinen Ungunsten verwendeten Beweismittel erlangt, so ist er nunmehr in der Lage, es im Beschwerdeverfahren zu bekämpfen. Andererseits kann es sein, dass das erstinstanzliche Gericht von der Anhörung eines Gegners zu bestimmten Tatsachen und Beweisergebnissen abgesehen hat, weil es ohnehin zu seinen Gunsten entschieden hat. Will das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des unterlegenen Beteiligten die Entscheidung ändern, muss es zuvor dem Beschwerdegegner rechtliches Gehör auch zu den Vorgängen des ersten Rechtszuges gewähren, zu denen er noch nicht gehört worden ist.

218

BGHZ 156, 279 = NJW 2003, 3550; vgl auch BGHZ 154, 95 = NZBau 2003, 337.

338

Lothar Briesemeister

Amtsermittlungspflicht

§ 12

Da das Beschwerdegericht einzelne Verfahrensverstöße der Vorinstanz grundsätzlich 142 selbst beseitigen soll (§ 25) und hierzu bei Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Lage ist, stellt dieser Mangel für sich allein keinen Zurückverweisungsgrund dar. Allenfalls kommt eine Zurückverweisung in Betracht, wenn sich bei Nachholung des rechtlichen Gehörs ergibt, dass umfangreiche neue Ermittlungen erforderlich sind, so dass die Behebung des Verfahrensmangels durch das Beschwerdegericht dem Verlust einer Instanz gleichkäme. Erst recht ist eine Zurückverweisung naheliegend, wenn die erste Instanz etwa die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung verkannt hat und der Beschwerdeführer überhaupt noch keine Gelegenheit hatte, sein Vorbringen dem Gericht zu unterbreiten.219 Immer sollte das Beschwerdegericht aber erwägen, ob angesichts aller Umstände den Beteiligten die vollständige Wiederholung der ersten Instanz zuzumuten ist oder etwa die Dauer des bisherigen Verfahrens eine Sachaufklärung und -entscheidung durch die Beschwerdeinstanz selbst gebietet. Hierbei wird die Eilbedürftigkeit der Sache und die bisherige verfehlte Verfahrensführung durch die Vorinstanz eine Rolle spielen müssen. Auch zur Verfahrensgestaltung durch eine Zurückverweisung ist den Beteiligten Gehör zu gewähren. Die strengen Zurückverweisungsvorschriften des § 538 ZPO, die etwa auch einen Antrag eines Beteiligten erfordern, sind im FGG-Verfahtren nicht anwendbar. c) Bedeutung der Rüge im Rechtsbeschwerdeverfahren Auch die weitere Beschwerde kann darauf gestützt werden, dass die angefochtene 143 Entscheidung auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht. Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann dieser Mangel durch Nachholung nur noch in sehr begrenztem Umfange geheilt werden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu Rechtsfragen wird unbeschränkt dadurch geheilt, dass die Beteiligten die Möglichkeit haben, ihre Rechtsausführungen vor dem Rechtsbeschwerdegericht vorzubringen, und dieses sie würdigen kann. Ferner ist eine Behebung des Mangels möglich, wenn das rechtliche Gehör in Bezug auf Verfahrensvoraussetzungen verletzt worden ist, da insoweit im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Prüfung auch in tatsächlicher Hinsicht stattfindet und neues Vorbringen zu berücksichtigen ist. Sofern das neue tatsächliche Vorbringen aus den Sachakten oder öffentlichen Urkunden abschließend bewertet, also abweichende Ergebnisse durch weitere Sachaufklärung ausgeschlossen werden können und die Beteiligten dazu gehört worden sind, kann das Rechtsbeschwerdegericht selbst entscheiden und den überflüssigen Weg über eine Zurückverweisung an die Vorinstanz vermeiden. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachen und Beweisergebnisse bei der Feststellung des der Sachentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ist kein absoluter Rechtsbeschwerdegrund im Sinne der absoluten Revisionsgründe des § 547 ZPO, bei deren Vorliegen der Verfahrensmangel stets unwiderleglich als ursächlich für die Entscheidung anzusehen ist und deshalb notwendig zur Zurückverweisung führen muss. Der Verfahrensfehler führt zur Zurückverweisung nur, wenn die angefochtene Ent- 144 scheidung auf dem Mangel beruht. Dazu genügt allerdings, wie stets bei Verfahrensfehlern, wenn sich die Möglichkeit, dass die Entscheidung bei Gewährung des rechtlichen Gehörs anders ausgefallen wäre, nicht ausschließen lässt. Um dies festzustellen, kann das Rechtsbeschwerdegericht von dem Beschwerdeführer Angaben darüber verlangen, was er bei Gewährung des rechtlichen Gehörs in der Vorinstanz vorgebracht hätte.220 Ist die für

219

KG FGPrax 2002, 61 = ZMR 2002, 548 = NZM 2002, 168.

220

BayObLG ZMR 2002, 212.

Lothar Briesemeister

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§ 12

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

die Sachentscheidung kausale Verletzung des rechtlichen Gehörs bereits in erster Instanz erfolgt und hat die zweite Instanz den Verstoß unzutreffend gebilligt und nicht behoben, kann eine Zurückverweisung vom Rechtsbeschwerdegericht auch an die erste Instanz erfolgen.221 Denn bei einer Rechtsverletzung hat das Rechtsbeschwerdegericht an Stelle der zweiten Instanz zu entscheiden, die ihrerseits auch hätte zurückverweisen können. d) Keine Erweiterung des Rechtsmittelzuges, Anhörungsrüge

145

Ein gesetzlich verschlossener weiterer Rechtsmittelzug wird nicht dadurch eröffnet, dass die Entscheidung unter Verletzung rechtlichen Gehörs ergangen ist oder eine derartige Rüge erhoben wird. Die normale Geltendmachung dieses Verfahrensmangels setzt voraus, dass das Rechtsmittel an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig ist. Generell ist es den Gerichten nicht gestattet, ohne Rechtsgrundlage die Anfechtung einer gesetzlich nicht oder nicht mehr anfechtbaren Entscheidung zuzulassen (Rechtsmittelklarheit).222 Eine außerordentliche Beschwerde ist seit Inkrafttreten des ZPO-RG Anfang 2002 auch im FGG-Bereich nicht zulässig.223 Nach Vorgaben des BVerfG224 ist im Rahmen des FGG § 29a eingeführt worden. Dieser sieht den frist- und formgebundenen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge vor. Auf die dortige Kommentierung (§ 29a) wird verwiesen.

XVI. Reformvorhaben 146

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 14, dass das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat. § 27 bestimmt die Mitwirkungspflichten der Beteiligten entsprechend § 138 ZPO. § 28 enthält Vorschriften zur Verfahrensleitung, wie sie § 139 ZPO vorsieht. §§ 29 und 30 unterscheiden nach wie vor zwischen der Beweiserhebung in der „dem Gericht geeignet erscheinenden Form“ (bisheriger Freibeweis) und die förmliche Beweisaufnahme (bisheriger Strengbeweis), wobei der Strengbeweis zwingend angeordnet wird, wenn Tatsachen im Freibeweisverfahren streitig geblieben sind oder die Beteiligten die förmliche Beweisaufnahme beantragen. Das persönliche Erscheinen und die persönliche Anhörung sind in §§ 33 und 34 geregelt, das eigentliche rechtliche Gehör in § 37.

221

222 223

BayObLG ZMR 2001, 468; KG FGPrax 2002, 61 = NZM 2002, 168 = ZMR 2002, 548. BVerfGE 108, 341 = NJW 2003, 3687 = FamRZ 2004, 85 = FuR 2003, 562. Vgl BGHZ 150, 133 = NJW 2002, 1577 =

340

224

FamRZ 2003, 92; BayObLG FGPrax 2003, 25; OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 214 = ZMR 2004, 57; vgl auch Sternal FGPrax 2004, 170 ff. BVerfGE 108, 341 = NJW 2003, 3687 = FamRZ 2004, 85.

Lothar Briesemeister

§ 13

Beistände und Bevollmächtigte

§ 13 Beistände und Bevollmächtigte Die Beteiligten können mit Beiständen erscheinen. Sie können sich, soweit nicht das Gericht das persönliche Erscheinen anordnet, auch durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Bevollmächtigten haben auf Anordnung des Gerichts oder auf Verlangen eines Beteiligten die Bevollmächtigung durch eine öffentlich beglaubigte Vollmacht nachzuweisen.

Literatur Bienwald Die Einschränkung der Betreuung nach § 1908d BGB und deren Folgen für die elterliche Sorge und/oder das Umgangsrecht der Mutter eines nichtehelichen Kindes, FamRZ 1994, 484; Böhringer Zur Grundbuchfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, Rpfleger 2006, 53; Böttcher Entwicklungen im Grundbuch- und Grundstücksrecht, RpflStud 2004, 1; ders Entwicklungen bei Erbbaurecht und Wohnungseigentum seit 2000, Rpfleger 2004, 21; ders Entwicklungen bei Erbbaurecht und Wohnungseigentum seit 2003, Rpfleger 2005, 648; ders Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, RpflStud 2005, 171; Bork Sind §§ 50, 67 FGG verfassungskonform?, FamRZ 2002, 65; Bub/Petersen Zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, NJW 2005, 2590; Demharter Ist die BGB-Gesellschaft jetzt grundbuchfähig? Rpfleger 2001, 329; Dümig Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts infolge Anerkennung ihrer Rechts- und Parteifähigkeit, Rpfleger 2002, 53; Eickmann Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ZfIR 2001, 433; Henssler Die gesetzliche Regelung der Rechtsanwalt-GmbH, NJW 1999, 241; Holzhauer Betreuungsrecht in der Bewährung, FamRZ 1995, 1463; Jansen Zur Postulationsfähigkeit der Notare im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, DNotZ 1964, 707; Jauernig Zur Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, NJW 2001, 993; Keidel Zur Verfahrensfähigkeit geschäftsunfähiger Volljähriger in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1967, 323; Lappe Kann ein verfahrensfähiger Minderjähriger selbst einen Rechtsanwalt bestellen?, Rpfleger 1982, 10; Pfeiffer Rechts- und Verfahrensfähigkeit von US-amerikanischen Gesellschaften mit Inlandssitz im Grundbuch- und Handelsregisterverfahren, Rpfleger 2006, 173; Säcker Das rechtliche Gehör Verfahrensgeschäftsunfähiger in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1971, 161; Schmidt, Karsten Die GBG-Außengesellschaft: rechts- und parteifähig, NJW 2001, 993; Schwab Das neue Betreuungsrecht, FamRZ 1990, 681; Stöber Grundbuchfähigkeit der BGB-Gesellschaft – Rechtslage nach der neuen BGH-Entscheidung, MDR 2001, 544; Süß Ausländer im Grundbuch und im Registerverfahren, Rpfleger 2003, 53; Vogt Die Eintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter ihrem Namen im Grundbuch, Rpfleger 2003, 491; Wieser Rechtsfähige BGB-Gesellschaft – Neue Rechtslage nach der BGH-Entscheidung, MDR 2001, 421; Zimmermann Das neue Verfahren in Unterbringungssachen, FamRZ 1990, 1308; ders Das neue Verfahren in Betreuungssachen, FamRZ 1991, 270; ders Behörden als Beteiligte in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1958, 209.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . II. Beteiligtenfähigkeit 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . a) Jeder Mensch . . . . . . . . . b) Juristische Personen . . . . . . c) Personenhandelsgesellschaften . d) Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . . e) Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit . .

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1

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2 3 4 5

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6

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9

Rdn f) Ausländische juristische Personen und Gesellschaften . . . . . . . g) Behörden . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensrechtliche Bedeutung . . . III. Verfahrensfähigkeit 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensfähigkeit von Ausländern 3. Erfordernisse verfahrensrechtlicher Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . a) Volljährige . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Betreuung . . . .

Renate Baronin von König

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10 11 12

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13 16

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17 18 19

341

§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften Rdn

bb) Unterbringungsmaßnahmen . cc) Rechtsentwicklung bei Freiheitsentziehung . . . . . . b) Juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften . . . c) Geschäftsunfähige . . . . . . . . d) Beschränkt Geschäftsfähige . . . . 4. Verfahrensrechtliche Bedeutung . . . 5. Anzeigen und Erklärungen Geschäftsunfähiger . . . . . . . . . . . . . . IV. Beistände . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfahrenspfleger und Vertrauensperson . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vertretung durch Bevollmächtigte 1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . a) Stellvertretung ist ausgeschlossen, wenn der Beteiligte seinen Willen nach gesetzlicher Vorschrift persönlich erklären muss . . . . . b) Ausschluss der Vertretung nach der Natur der Sache . . . . . . . . c) Anmeldungen zum Handels-, Vereins- und Güterrechtsregister . d) Ausschließung von Bevollmächtigten bei Anordnung des persönlichen Erscheinens . . . . . . . . . . . . 2. Person des Bevollmächtigten

Rdn

20

a) Eigenschaften . . . . . . . . . . b) Zurückweisung . . . . . . . . . aa) Mangelnde Fähigkeit zum Vortrag . . . . . . . . . . . bb) Geschäftsmäßiges Auftreten vor Gericht . . . . . . . . . 3. Erteilung, Umfang, Widerruf und Erlöschen der Vollmacht . . . . . . 4. Form der Vollmacht . . . . . . . . . 5. Prüfung und Nachweis der Vollmacht a) Amtsprüfung . . . . . . . . . . . b) Verlangen des Vollmachtsnachweises . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren bei Nichterbringung des Vollmachtsnachweises . . . . d) Geschäftsführer ohne Auftrag . . 6. Notare als Bevollmächtigte . . . . . a) Gesetzlich vermutete Vollmacht . b) Sonstige Tätigkeit der Notare auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege . . . . . . . . . . . VII. Postulationsfähigkeit 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkungen . . . . . . . . . . 3. Europäische Rechtsanwälte . . . . . VIII. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht IX. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

21 22 23 25 29 31 32 34 36

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41 42 42 43 44 45 46 46 47 48 50 52 52

53 54 55 56 57 58

I. Allgemeines 1

Die Vorschrift regelt den Fall, dass ein Beteiligter persönlich oder durch einen Vertreter vor Gericht auftritt. Da sie ein Auftreten im Verfahren voraussetzt, ist unter einem Beteiligten ein solcher im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 6 Rn 6) zu verstehen. Das Auftreten kann sowohl in einer „Sitzung“ des Gerichts (vgl dazu § 8 Rn 44) als auch in Verhandlungen außerhalb einer Sitzung, sei es vor dem Richter, dem Rechtspfleger oder dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle stattfinden. Auf Grund des Vorbehalts in § 1 gilt die Vorschrift nicht, soweit etwas anderes bestimmt ist. Die Vorschrift gibt Anlass, zunächst die Fähigkeit, Beteiligter zu sein und als solcher im Verfahren aufzutreten, klarzustellen.

II. Beteiligtenfähigkeit 1. Begriff

2

Im Zivilprozess wird unter Parteifähigkeit die Fähigkeit verstanden, Subjekt des Prozesses zu sein;1 Parteifähig ist nach Auffassung des BGH derjenige, der iSd BGB rechtsfähig ist.2 Wenn auch das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein durch die Parteirolle festbestimmtes Parteienverhältnis kennt, so geht es doch auch in diesem Ver1

Musielak/Weth § 50 Rn 13; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 43 Rn 1.

342

2

BGH NJW 2000, 1058.

Renate Baronin von König

Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

fahren um die Feststellung oder Gestaltung von Rechten, die einem Rechtsträger zustehen. Es bedarf daher auch für dieses Verfahren einer Klarstellung, welche Anforderungen an die Fähigkeit zu stellen sind, aktiv oder passiv Subjekt des Verfahrens zu sein. Eine gesetzliche Bestimmung darüber, wie § 50 ZPO sie für den Zivilprozess enthält, fehlt. Die Frage beantwortet sich aber, ohne dass es einer entsprechenden Anwendung des § 50 ZPO bedarf,3 teils aus allgemeinen Erwägungen, teils aus besonderen gesetzlichen Regelungen. Bereits die Erwägung, dass die Rechte, um die es in dem Verfahren geht, einem Rechtsträger zustehen, der mithin durch die Einbeziehung seiner Rechte Subjekt dieses Verfahrens wird, führt zu dem mit dem Grundsatz des § 50 Abs 1 ZPO übereinstimmenden Ergebnis, dass die Fähigkeit, Beteiligter des Verfahrens zu sein, jedenfalls besitzt, wer rechtsfähig ist. Dagegen berechtigt diese Feststellung nicht zu der Folgerung, dass Beteiligter nur sein könne, wer rechtsfähig ist,4 sowenig wie im Zivilprozess diese Folgerung aus § 50 Abs 1 ZPO gezogen wird.5 Der vom BGH6 geforderte „Gleichlauf“ von Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit kann leicht missverstanden werden, gilt er doch nicht im umgekehrten Sinn.7 Hiergegen sprechen schon § 50 Abs 2 ZPO und die sonstigen „Erweiterungen der Parteifähigkeit gegenüber der Rechtsfähigkeit“.8 Die Beteiligtenfähigkeit geht ebenfalls über den Kreis der Rechtssubjekte hinaus. a) Jeder Mensch Jeder Mensch (§ 1 BGB) ist beteiligtenfähig von der Vollendung der Geburt bis zum 3 Tode. Eine Leibesfrucht ist noch nicht rechtsfähig. Soweit aber ungeborene Erzeugte oder noch nicht Erzeugte Anwartschaften oder Rechte durch Erbfolge (§§ 1923 Abs 2, 2101 Abs 1 BGB), Vermächtnis (§§ 2162 Abs 2, 2178 BGB), gemäß § 844 Abs 2 S 2 BGB oder durch Vertrag zugunsten Dritter9 erwerben können, sind sie in diesem Umfang rechtsfähig und damit parteifähig,10 zB für das Grundbuchverfahren;11 ihre Parteifähigkeit ist durch ihre Geburt auflösend bedingt.12 Zu ihrer Vertretung kann ihnen ein Pfleger bestellt werden (§§ 1912, 1913 S 2 BGB). Verschollenheit oder Todeserklärung sind keine Tatbestände, die als solche den Verlust der Rechtsfähigkeit nach sich ziehen (vgl § 9 VerschG, §§ 1884, 1911, 1921 BGB). b) Juristische Personen Rechtsfähig und damit beteiligtenfähig sind die juristischen Personen des privaten 4 und öffentlichen Rechts, mithin Vereine mit nicht wirtschaftlichem Zweck, die in das Vereinsregister eingetragen sind (§ 21 BGB), wirtschaftliche Vereine, deren Rechtsfähigkeit auf staatlicher Verleihung beruht (§ 22 BGB), genehmigte Stiftungen (§ 80 BGB), die rechtsfähigen Kapitalgesellschaften des Handelsrechts, wie Aktiengesellschaften (§ 1 AktG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (§ 278 AktG), GmbH (§ 13 GmbHG), Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (§ 17 GenG). Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind die Gebietskörperschaften, nämlich außer dem Staat die Gemeinden und sonstigen Kommunalverbände,13 Körper3 4 5 6 7 8 9

Schlegelberger Anm 1; Bärmann § 9 I 2. So aber Schlegelberger Anm 1; Baur § 13 A I. Jauernig ZPR § 19 I, Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 43 Rn 2. BGHZ 122, 342 = NJW 1993, 2307. So auch Jauernig ZPR § 19 I. S auch bei Jauernig ZPR § 19 II. KGJ 29 A 156.

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11 12 13

Musielak/Weth § 50 Rn 16; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 11 mwN; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 43 Rn 6. RGZ 61, 355; 65, 277; Demharter § 19 Rn 100. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 43 Rn 6. Zöller/Vollkommer § 50 Rn 13.

Renate Baronin von König

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

schaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, für deren Verfassung das öffentliche Bundes- oder Landesrecht maßgebend ist,14 die Universitäten und gleichgestellten Hochschulen,15 die öffentlichen Religionsgesellschaften (Art 137 Abs 5 WeimVerf, Art 140 GG). Der Verlust der Rechtsfähigkeit juristischer Personen des Privatrechts tritt nicht schon mit der Auflösung, sondern erst mit der Beendigung der Abwicklung ein,16 die Beteiligtenfähigkeit besteht also auch im Stadium der Abwicklung. Ist eine GmbH, AG oder KGaA als vermögenslos nach § 141a gelöscht, so ist für ein Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen, die sich nach der Löschung herausstellen, parteifähig.17 Eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann grundsätzlich nur unter Mitwirkung des Staates aufgelöst werden und erlöschen, in der Regel also durch staatlichen Hoheitsakt in der Form eines Gesetzes oder auf gesetzlicher Grundlage.18 c) Personenhandelsgesellschaften

5

Die Parteifähigkeit der offenen Handelsgesellschaft ergibt sich aus § 124 Abs 1 HGB;19 dasselbe gilt für die Kommanditgesellschaft (§ 161 Abs 2 HGB) und die Reederei (§ 493 Abs 3 HGB) sowie die Partnerschaftsgesellschaft (§ 7 Abs 2 PartGG iVm § 124 HGB). Wenn man vielleicht noch Zweifel haben könnte, ob die Bestimmung, die Gesellschaft könne unter ihrer Firma klagen und verklagt werden, auf den Zivilprozess zu beschränken oder allenfalls auf echte Streitsachen auszudehnen ist,20 so ergibt sich die Parteifähigkeit auch für andere Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit doch daraus, dass die Gesellschaft unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben kann, sowie aus der Erwägung, dass die Identität der Gesellschaft, solange sie als solche fortbesteht, durch einen Mitgliederwechsel nicht berührt wird, so dass durch eine Änderung der Zusammensetzung der Gesellschafter ein Wechsel der Partei nicht eintritt.21 Demgemäß ist die Eintragung von Rechten der Handelsgesellschaft im Grundbuch auf den Namen der Gesellschafter unzulässig.22 Da die OHG erbfähig ist,23 kann sie als solche Beteiligte eines durch die Erbschaft veranlassten Verfahrens vor dem NachIG sein, zB bei der Ausschlagung der Erbschaft oder im Erbscheinsverfahren.24 In diesen Verfahren ist mithin die Gesellschaft als solche Beteiligte, während die Gesellschafter, soweit sie nicht von der Vertretung ausgeschlossen sind (§ 125 Abs 1 HBG), ihre gesetzlichen Vertreter sind.25 Der Umstand, dass das handelsregistergerichtliche Zwangsgeldverfahren nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen die Gesellschafter zu richten ist (§ 132 Rn 89 ff), beruht nicht auf mangelnder Parteifähigkeit der Gesellschaft, sondern darauf, dass nur die Gesellschafter anmeldepflichtig sind und schließt nicht aus, dass die Gesellschaft als solche einspruchs- und beschwerdeberechtigt ist (§ 133 Rn 20). Die Reederei ist in ähnlicher Weise wie die OHG parteifähig.26 14 15 16 17 18 19 20 21

Zöller/Vollkommer § 50 Rn 14. Vgl BGHZ 1977, 14; 1996, 363; KG OLGZ 1968, 102. BGH NJW 1996, 2035. BGH LM § 74 GmbHG Nr 1; BayObLGZ 1993, 332. KG WM 1957, 1470; 1966, 171; KG OLGZ 1968, 102. Baumbach/Hartmann § 50 Rn 8; Jauernig ZPR § 19 II 1. So Bärmann § 9 I 2. BGHZ 62, 133; MünchKomm/Lindacher ZPO § 50 Rn 29.

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22 23

24 25 26

KGJ 27 A 276; KG JFG 4, 276. Ensthaler, GK-HGB § 124 Rn 4; Heymann/ Emmerich § 124 Rn 5; Baumbach/Hopt § 124 Rn 37. Schlegelberger Anm 4. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 43 Rn 16; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 17a. RG 71, 27; 82, 132; BGH NJW 1960, 1204; Baumbach/Hartmann § 50 Rn 9; Putzo in Thomas/Putzo § 50 Rn 4; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 17c.

Renate Baronin von König

Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

d) Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Wohnungseigentümergemeinschaft Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gem §§ 705 ff wird nach bisher hM als 6 nicht rechtsfähig und damit auch nicht parteifähig angesehen.27 Auch der BGH hat ihr eine umfassende Rechtsfähigkeit nicht zuerkannt, sondern ihr die Scheckfähigkeit,28 die Fähigkeit zur Beteiligung an einer AG29 und einer anderen BGB-Gesellschaft30 zugestanden, dabei gerade die Frage der Rechtsfähigkeit aber offengelassen. Träger des Gesellschaftsvermögens ist die Summe der Gesellschafter. Die überwiegende Lehre des Gesellschaftsrechts geht von der Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft aus; hiernach soll sie als (Außen-)Gesellschaft selbständig am Rechtsverkehr teilnehmen und grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen können.31 Zwischen Innengesellschaft im Gegensatz zur Außengesellschaft wird üblicherweise bei der Personengesellschaft unterschieden; tritt diese nach außen als Handlungs- und Rechtsträger in Erscheinung, spricht man von einer Außengesellschaft.32 Nach Auffassung des Reichsgerichts und des BGH soll kennzeichnend für die Innengesellschaft sein, dass eine gemeinsame Vertretung fehlt und dass die Geschäfte im Namen eines Gesellschafters geschlossen werden, der allerdings intern im Namen aller Gesellschafter handelt.33 Nach Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH34 – abweichend von Entscheidungen 7 des VII. (BGHZ 80, 222) und des V. Zivilsenats (NJW 2000, 291) – soll die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozess aktiv- und passiv parteifähig sein, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Im zugrundeliegenden Fall handelt es sich um eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (ARGE), die als solche am Rechtsverkehr teilnimmt. Der BGH sieht es als notwendige prozessrechtliche Konsequenz der Anerkennung der Rechtssubjektivität der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten an, ihr die Parteifähigkeit zuzusprechen. Er begründet dieses damit, dass im Zivilprozess aktivlegitimiert derjenige sei, wer Inhaber des geltend gemachten Rechts ist; passivlegitimiert derjenige, der Verpflichteter aus dem geltend gemachten Recht sei. Da nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern die Gesellschaft materiell Rechtsinhaberin oder Verpflichtete sei, sei diese „richtige“ Partei eines Rechtsstreits um eine Gesellschaftsforderung oder -verpflichtung und insoweit parteifähig und prozessführungsbefugt. Die Parteifähigkeit dürfte auch im behördlichen Verfahren Geltung haben.35 Damit ist sie jedoch nicht grundbuchfähig; sie kann nicht unter ihrem Namen als Eigentümerin eines Grundstücks oder als Berechtigte eines beschränkten dinglichen 27

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BGHZ 80, 222 = NJW 1981, 1953; Putzo in Thomas/Putzo, 22. Aufl § 50 Rn 9; Zöller/ Vollkommer, § 50 Rn 18, 26; Staudinger /Habermeier Vorbem zu §§ 705–740 Rn 6; Stein/Jonas/Bork, § 50 Rn 17; Rosenberg/ Schwab/Gottwald 15. Aufl § 43 II; aA MünchKomm/Lindacher, ZPO, § 50 Rn 26. Zur Rechtsnatur der GbR und zum Streit um deren Rechtsfähigkeit ausführlich bei Staudinger/Habermeier Vorbem zu §§ 705 bis 740. BGH, NJW 1997, 2754. BGH, NJW 1992, 2222. BGH, ZIP 1997, 2120. BGHZ 116, 86. Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht, § 58 II 2.

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RGZ 166, 160, 163; BGHZ 12, 308, 314; BGH, NJW 1960, 1851; ebenso OLG Frankfurt, BB 1969, 1411. Vom 29.1.2001 – II ZR 331/00 – NJW 2001, 1056 = Rpfleger 2001, 246 = BGH in LM H. 5/2001 § 50 ZPO Nr 52 m Anm Wilhelm = DB 2001, 423 m Anm Römermann = DStR 2001, 310 m Anm Götte = MDR 2001, 459 m Anm Müther = DNotZ 2001, 234 m Anm Schemann; wegen der von Jauernig (NJW 2001, 2231) kritisierten Divergenz siehe auch Beschluss v 18.2.2002 – II ZR 331/00 – NJW 2002, 1207. Staudinger/Habermeier Vorbem zu §§ 705– 740 Rn 16.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Rechts in das Grundbuch eingetragen werden.36 Trotz Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit kann eine BGB-Gesellschaft nicht zum Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestellt werden.37 Nachdem der Meinungsstreit um die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen 8 Rechts langsam zum Erliegen kam, blieb noch die Frage offen, wie der BGH die strittige Frage der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft beantwortet.38 Nach der Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH 39 ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rechtsfähig, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Dabei hat der BGH nicht (nur) die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Entscheidung herangezogen, sondern die Teilrechtsfähigkeit entsprechend der Besonderheiten des Wohnungseigentums nur in einem engen Rahmen bejaht. Im Wesentlichen handelt es sich um die Teilbereiche des Rechtslebens, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums auch als solche am Rechtsverkehr teilnehmen. Das gilt dann auch nicht für die Anfechtung von Beschlüssen der Eigentümerversammlung, da diese zur Willensbildung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft gehören. Die Teilrechtsfähigkeit soll aber nicht von der Größe der Eigentümergemeinschaft und der objektiven Notwendigkeit eines Verwalters abhängen, da für eine solche Differenzierung das Gesetz keine Anhaltspunkte biete. In der praktischen Anwendung würde diese Auffassung auch zu schwer lösbaren Problemen führen. Mit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sind auch Erleichterungen bei der Durchsetzung von Beitragsforderungen säumiger Wohnungseigentümer verbunden. Hier soll nun nach Auffassung des BGH die Gemeinschaft als Gläubiger einer Zwangshypothek ins Grundbuch eingetragen werden können,40 ansonsten lässt der Senat die Frage der Grundbuchfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft jedoch offen. e) Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit

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Auch der nicht rechtsfähige Verein41 ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht parteifähig.42 Ein Zwangsmittelverfahren gegen ihn ist unzulässig,43 ebenso seine Eintragung als Inhaber von Rechten in öffentliche Bücher und Register, insbesondere das Grundbuch.44 Als Beteiligte können nur sämtliche Vereinsmitglieder insgesamt auftreten. In echten Streitsachen mag für ihre passive Beteiligtenfähigkeit § 50 Abs 2 ZPO entsprechend anwendbar sein.45 Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind beteiligtenfähig, soweit ihnen das Gesetz im Verfahren geltend zu machende Rechte, ins-

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37

BayObLGZ 2002, 330 = Rpfleger 2003, 78 m Anm Dümig; LG Berlin Rpfleger 2004, 283; Demharter, Rpfleger 2001, 329; Stöber MDR 2001, 544; Böttcher RpflStud 2004, 1; Vogt Rpfleger 2003, 491; aA Eickmann ZfIR 2001, 433; Dümig Rpfleger 2002, 53; offen gelassen BGH Rpfleger 2004, 718. BGHZ 107, 268; BayObLG NJW-RR 1989, 526; KG NJW 1995, 62; LG Darmstadt, Rpfleger 2003, 178; AG Hamburg ZMR 2001, 486; Böttcher Rpfleger 2004, 21 sowie 2005, 648; aA LG Frankfurt NZM 2001, 1152; LG Hamburg Rpfleger 2004, 693; Palandt/Bassenge § 26 WEG Rn 1.

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38 39 40 41 42 43 44 45

Siehe hierzu Bub/Petersen NJW 2005, 2590; Böttcher RpflStud 2005, 171. Vom 2.6.2005 – V ZB 32/05 – NJW 2005, 2061 = Rpfleger 2005, 521 m Anm Dümig. Siehe hierzu Böhringer Rpfleger 2006, 53. Siehe hierzu Zöller/Vollkommer § 50 Rn 32– 41. BGHZ 109, 15 = BB 1989, 2428 = NJW 1990, 186; Schlegelberger Anm 5. KG OLGR 1, 357. KGJ 24 A 84; RGZ 127, 309; Demharter § 19 Rn 101. Bärmann § 9 I 2.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

besondere ein Antragsrecht einräumt. Das ist geschehen im Verfahren zur Ergänzung des Aufsichtsrats (§ 104 AktG) durch Einräumung eines Antragsrechts für Betriebsräte und Spitzenorganisationen der Gewerkschaften (vgl § 145 Rn 28), im Verfahren zur Abberufung des von einer Spitzenorganisation entsandten Aufsichtsratsmitglieds durch Gewährung eines Antragsrechts dieser Spitzenorganisation (§ 145 Rn 64); ebenso besteht ein Antragsrecht nach § 98 Abs 2 AktG. Da insoweit die Beteiligtenfähigkeit auf Gesetz beruht, kommt es nicht darauf an, welche Folgerungen für die freiwillige Gerichtsbarkeit aus der Rechtsprechung zu ziehen sind, die den Gewerkschaften im Zivilprozess aktive Parteifähigkeit einräumt.46 Politischen Parteien ist, auch wenn sie in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins bestehen, durch § 3 PartG unbeschränkte aktive und passive Parteifähigkeit verliehen worden, als nicht parteifähig werden die Unterorganisationen (Orts- oder Kreisverbände) angesehen.47 f) Ausländische Juristische Personen und Gesellschaften Ausländische Handelsgesellschaften werden ohne weiteres auch im Inland als rechts- 10 fähig und damit als parteifähig anerkannt, wenn sie nach der für sie nach deutschem internationalen Privatrecht maßgeblicher Rechtsordnung die Rechtsfähigkeit erlangt haben.48 Die Europäische wirtschaftliche Interessengemeinschaft (EWIV) gilt als Handelsgesellschaft iSd HGB und parteifähig.49 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt war im EU-Bereich bis vor kurzem nach der sog Sitztheorie der tatsächliche Verwaltungssitz, hilfweise der des Gründungsorts.50 Nach der Entscheidung des EuGH,51 die besagt, dass bei einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden ist, wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht, durch diesen anderen Mitgliedstaat nach den Art 43, 48 EG die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit anzuerkennen ist, dass diese Gesellschaft sie nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt, hat sich die Auffassung in Richtung der sog Gründungstheorie gewandelt.52 Einer Kapitalgesellschaft, die in einem EU-Mitgliedstaat wirksam gegründet wurde und dort als rechtsfähig anerkannt ist, kann die Rechtsfähigkeit auch dann nicht versagt werden, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland liegt;53 das gleiche gilt auch für eine in einem EFTA-Staat gegründete Kapitalgesellschaft.54 Ausländische Vereine im Sinne der §§ 21, 22 BGB und Stiftungen sind für den inländischen Rechtsverkehr jedenfalls parteifähig, wenn ihnen die Rechtsfähigkeit nach §§ 23, 80 S 2 BGB verliehen worden ist. g) Behörden Behörden sind beteiligtenfähig, obwohl sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen 11 und lediglich organisatorische Einrichtungen ihres öffentlich-rechtlichen Trägers sind, wenn das Gesetz ihnen ein Antrags- oder Beschwerderecht einräumt oder wenn ein von ihnen erlassener Verwaltungsakt in dem Verfahren angefochten oder der Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts erstrebt wird (§ 6 Rn 7). Das ist zB die 46 47 48

49

BGHZ 42, 210; BGH NJW 1968, 1830. Baumbach/Hartmann § 50 Rn 15; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 23. RGZ 83, 367; 159, 46; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 21; siehe auch Pfeiffer Rpfleger 2006, 173. Jauernig ZPR § 19 I, II 1; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 20.

50 51 52 53 54

Zöller/Vollkommer § 50 Rn 21 mwN. EuGH Rpfleger 2003, 131. Zöller/Vollkommer § 50 Rn 9, 9a mwN; siehe auch Pfeiffer Rpfleger 2006, 173. BGH NJW 2005, 1648; BayObLG Rpfleger 2003, 241. BGH v 19.09.2005 – II ZR 372/03 – NJW 2005, 3351 = BB 2005, 2373.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

zuständige Verwaltungsbehörde im Eheaufhebungsverfahren nach §§ 631 Abs 3, 4, 5 ZPO oder im Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe nach § 632 Abs 3 ZPO; das Jugendamt in Sorgerechts-, Umgangs- und Herausgabeverfahren gem §§ 69 ff SGB VIII; die Aufsichtsbehörden im Personenstandsverfahren gemäß §§ 45 Abs 1, 47 Abs 2, 48 Abs 2, 49 Abs 2 PStG.55 2. Verfahrensrechtliche Bedeutung

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Die Beteiligtenfähigkeit ist Sachentscheidungsvoraussetzung und Voraussetzung für die Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen des Beteiligten. Sie muss spätestens zur Zeit der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz vorliegen; ihr Mangel ist in allen Rechtszügen von Amts wegen zu beachten und führt im Amtsverfahren zur Einstellung des Verfahrens, im Antragsverfahren zur Zurückweisung des Antrags als unzulässig.56 Im Streit um die Parteifähigkeit gilt der Beteiligte als parteifähig („bedingte Parteifähigkeit“);57 sein Rechtsmittel ist wegen dieses Mangels nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern es ist unter Aufhebung der Vorentscheidung ein Amtsverfahren einzuleiten und im Antragsverfahren der Antrag als unzulässig abzuweisen.58 Der Mangel kann nach seiner Behebung noch im Rechtsbeschwerdeverfahren durch Genehmigung geheilt werden.59 Von dem Mangel der Beteiligtenfähigkeit zu unterscheiden ist die Nichtexistenz des Beteiligten; sie macht eine Sachentscheidung, die diesen Mangel übersieht, wirkungslos.60

III. Verfahrensfähigkeit 1. Grundsatz

13

Ebenso wie über die Fähigkeit, Beteiligter zu sein, enthält das FGG auch keine allgemeinen Vorschriften über die Fähigkeit der Beteiligten, Verfahrenshandlungen wirksam selbst durch selbstbestellte Verfahrensbevollmächtigte vorzunehmen und entgegenzunehmen. Diese (scheinbare) Lücke hat dazu geführt, dass im Schrifttum teilweise die entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO über die Prozessfähigkeit (§§ 52, 53, 56, 57 ZPO) befürwortet wird.61 Es bedarf dieses Umwegs jedoch nicht, abgesehen davon, dass die Anwendung der §§ 53, 54 ZPO bedenklich wäre und das Verfahren überdies durchaus eigenständige Lösungen verlangt (Rn 24 bis 26), für die auch die ZPO keine passende Regelung bietet. Das Gesetz geht davon aus, dass die Vornahme von Verfahrenshandlungen im Grunde 14 das materielle Recht mit berührt und die Fähigkeit dazu mithin nach den Normen des bürgerlichen Rechts über die Geschäftsfähigkeit zu beurteilen ist.62 Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften wird in § 59 Abs 3 FGG vorausgesetzt und ist auch deswegen naheliegend, weil das FGG sich als verfahrensrechtliche Ergänzung des BGB und des HGB darstellt, soweit das BGB das Verfahren nicht bereits selbst regelt, wie in den §§ 55 ff,

55 56 57 58 59 60

Johansson/Sachse Rn 91 ff. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 43 Rn 47; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 5. BGH NJW 1982, 238 mwN. Zum Zivilprozess vgl BGHZ 24, 91; 74, 212. BGH NJW 1969, 188; Zöller/Vollkommer § 50 Rn 5. Zöller/Vollkommer Vor § 50 Rn 11, 12.

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61 62

Bärmann § 9 II; Baur § 13 B II sowie DNotZ 1965, 484; Habscheid § 15 II. BGHZ 35, 1 = NJW 1961, 1397; BGHZ 52, 1; BayObLGZ 1966, 261; 1968, 243; 1971, 306; BayObLG MDR 1982, 228; FamRZ 1984, 1151; Rpfleger 1989, 366; OLG Frankfurt DNotZ 1965, 482 m Anm Baur.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

1558 ff, 2353 ff BGB. In § 1612 Abs 2 S 2 BGB wird das Antragsrecht des Kindes selbständig in der Weise geregelt, dass es seine Grenze nur an §§ 104 Nr 1, 105 Abs 1 findet. Das minderjährige Kind kann den Antrag selbst stellen, die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters oder die Bestellung eines Pflegers ist nicht erforderlich.63 Das in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Kind wird den Antrag ohnehin nur stellen, wenn es die erforderliche geistige Reife tatsächlich besitzt; das kann auch für ein 13-jähriges Kind zutreffen. Die Grenze des § 59 Abs 3 FGG gilt für das Antragsrecht nicht. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Geschäftsfähigkeit sind grundsätzlich auch für die Verfahrensfähigkeit maßgebend.64 Das bedeutet nicht, dass sämtliche Vorschriften des BGB über die Geschäftsfähigkeit, auch soweit sie auf den Privatrechtsverkehr abgestellt sind, unbesehen auch auf die Verfahrensfähigkeit angewendet werden dürfen. Als ungeeignet kommen die §§ 108 bis 110 BGB über den Vertragsabschluss durch beschränkt Geschäftsfähige nicht in Betracht, da einseitige Verfahrenshandlungen nicht mit einem Vertrag vergleichbar sind. Gleiches gilt für § 105a BGB,65 für ein Geschäft des täglichen Lebens, das ein volljähriger Geschäftsunfähiger mit geringwertigen Mitteln bewirkt hat. Aber auch die §§ 107, 111 BGB sind nicht in dem Sinne anwendbar, dass der beschränkt Geschäftsfähige das gerichtliche Verfahren mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters betreiben dürfte.66 Denn ein Verfahren setzt sich aus einer Vielzahl von Verfahrenshandlungen auch des Gegners und des Gerichts zusammen, die aber dem beschränkt geschäftsfähigen Beteiligten gegenüber nicht wirksam vorgenommen werden könnten. Schließlich ist § 107 BGB über Willenserklärungen, die lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen, auf Verfahrenshandlungen schon deswegen nicht anwendbar, weil der Begriff des Vorteils nur mit Rechtsgeschäften unmittelbar vermögensrechtlichen Charakters verbunden werden kann und es sich bei Verfahrenshandlungen um keine Rechtsgeschäfte handelt.67 Der beschränkt Geschäftsfähige muss daher grundsätzlich (s aber Rn 25) von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten werden,68 auch, wenn ihm das Gesetz neben seinem gesetzlichen Vertreter selbständige verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit einräumt, wie in § 59 FGG, ist die gesetzliche Vertretung nicht ausgeschlossen.69 Die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters kann den Mangel der fehlenden gesetzlichen Vertretung heilen, wie sich aus der nach § 27 S 2 FGG anwendbaren Vorschrift des § 547 Nr 4 ZPO ergibt. Im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs kann es notwendig sein, einem minderjährigen Kind bei Interessenkollision einen (Prozess)Pfleger zu bestellen.70 Ein ggf bestellter Verfahrenspfleger (§§ 50, 56f Abs 2, 67, 70b; § 5 Abs 2 FEVG) ist nach Auffassung des BVerfG 71 ein Vertreter eigener Art, wird aber auch im Rahmen des Verfahrens als gesetzlicher Vertreter oder Pfleger eigener Art angesehen,72 da er einerseits nicht for-

63 64

65

MünchKomm/Born § 1612 Rn 72; Staudinger/Engler § 1612 Rn 84. Schlegelberger Anm 7; Pikart-Henn S 72; RGZ 145, 284 = JFG 12, 1; BGHZ 15, 262; 35, 1; KG OLGR 35, 346; 38, 262; KG JFG 12, 107; 16, 253; KG EJF A I 1 Nr 1; KG FamRZ 1960, 503; BayObLGZ 17, 124; 34, 306; 1952, 19; 1958, 6; 1963, 35; 1964, 78; 1966, 262; OLG Hamm JMBlNRW 1956, 159; OLG Frankfurt DNotZ 1965, 482. Eingefügt durch d am 1.8.2002 in Kraft getretenen Art 25 Nr 2 des G z Änd d Rechts d Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG-Vertretungsände-

66 67 68 69 70

71 72

rungsgesetz – OLGVertrÄndG) v 23. Juli 2002 (BGBl S 2850). AA anscheinend Schlegelberger Anm 7. Palandt/Heinrichs Überbl vor § 104 Rn 37; Staudinger/Dilcher Einl zu §§ 104 ff Rn 33. BGH FamRZ 1966, 505. Bassenge/Herbst/Roth FGG Einl Rn 40; § 59 Rn 1. BGH FamRZ 1989, 271 = NJW 1989, 985 – in entspr Anwendung des § 57 ZPO als ges Vertr in einem Nachlassverfahren. BVerfG FamRZ 2000, 1280. OLG Frankfurt FGPrax 2000, 21; Zimmermann FamRZ 1990, 1308 ff; Zimmermann

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

mell oder materiell Beteiligter;73 andererseits aber auch nicht Bevollmächtigter ist 74. Er vertritt die Interessen zB des Kindes in familien- oder vormundschaftsgerichtlichen Verfahren.75 Er tritt neben den gesetzlichen Vertreter und ist an allen Verfahrenshandlungen zu beteiligen ohne die rechtlichen Befugnisse eines gesetzlichen Vertreters zu haben (s Anm zu § 50 Rn 57 ff).76 Die notwendige Eliminierung der §§ 107 bis 111 BGB bedeutet nicht, dass im Ergeb15 nis der Grundsatz des § 52 ZPO: „Eine Person ist insoweit prozessfähig, als sie sich durch Verträge (selbständig) verpflichten kann“, auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelte77 oder bei einer Gesetzesreform übernommen werden dürfte; denn dieser Grundsatz ist für die freiwillige Gerichtsbarkeit zu eng. Im Zivilprozess führt er in den Fällen der Teilgeschäftsfähigkeit beschränkt Geschäftsfähiger zu einer relativen (gegenständlich beschränkten) Prozessfähigkeit nur im Rahmen der §§ 112, 113 BGB.78 In der freiwilligen Gerichtsbarkeit zieht aber eine nach bürgerlichem Recht begründete Teilgeschäftsfähigkeit die Verfahrensfähigkeit auch dann nach sich, wenn es sich nicht um die Fähigkeit handelt, sich durch Verträge selbständig zu verpflichten, insbesondere im Familienund Erbrecht. Der nach § 2229 BGB testierfähige sechzehnjährige Minderjährige ist selbständig handlungsfähig sowohl für das Beurkundungsverfahren (§ 2233 Abs 1 BGB, §§ 11, 29 BeurkG) als auch für das nach § 2256 Abs 2 BGB gestellte Verlangen auf Rückgabe des Testaments aus der amtlichen Verwahrung, obwohl hierbei eine Fähigkeit, sich durch Verträge selbständig zu verpflichten, nicht in Rede steht; weder der Beurkundungsauftrag an den Notar noch der Antrag auf Annahme des Testaments zur Verwahrung sind Verträge. Dasselbe gilt für die weiteren, in Rn 25 angeführten Fälle von Teilgeschäftsfähigkeit. 2. Verfahrensfähigkeit von Ausländern

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Die Verfahrensfähigkeit von Ausländern richtet sich nicht nach der lex fori, sondern nach dem Personalstatut, ist also ebenso anzuknüpfen wie die Geschäftsfähigkeit (Art 7 Abs 1 EGBGB) und demgemäß dem Heimatrecht zu unterstellen.79 Der Umstand, dass das deutsche Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unmittelbar von der Geschäftsfähigkeit ausgeht, berechtigt nicht dazu, auch bei Ausländern ohne weiteres die Geschäftsfähigkeit zugrunde zu legen, wenn nach dem Heimatrecht die Geschäftsfähigkeit und die Fähigkeit, in der jeweiligen Angelegenheit verfahrensrechtlich selbständig zu handeln, von einander abweichen.80 Andererseits kann nach dem Grundgedanken des § 55 ZPO eine Erweiterung der Verfahrensfähigkeit gegenüber der bürgerlich-rechtlichen Geschäftsfähigkeit, wie das deutsche Recht sie in § 59 FGG kennt, auch einem Ausländer eingeräumt werden,81 und auch sonst stehen einer entsprechenden Anwendung des § 55 ZPO in echten Streitsachen Bedenken nicht entgegen. Für Staatenlose ist das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts maßgebend.82

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FamRZ 1991, 270; die Rechtsstellung ist sehr umstritten: siehe deshalb § 50 Rn 60, vgl auch Rn 34. Bassenge/Herbst/Roth § 13 Rn 4. Keidel/Zimmermann § 13 Rn 22a. HB-VP/Bauer Rn 83. HB-VP/Bauer Rn 94, 102. So aber Bärmann § 9 II 2; Baur § 13 B III; Habscheid § 15 II 2. Zöller/Vollkommer § 52 Rn 4.

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Palandt/Heldrich Art 7 EGBGB Rn 1, 2; Staudinger/Hausmann Art 7 EGBGB Rn 4, 95; Zöller/Vollkommer § 51 Rn 1 sowie § 52 Rn 3; Süß Rpfleger 2003, 53. Palandt/Heldrich Art 7 EGBGB Rn 4; Staudinger/Hausmann Art 7 EGBGB Rn 99. Staudinger/Hausmann Art 7 EGBGB Rn 99; Lindacher FamRZ 1964, 647. Staudinger/Hausmann Art 7 EGBGB Rn 15.

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§ 13

3. Erfordernisse verfahrensrechtlicher Handlungsfähigkeit Die Geschäftfähigkeit ist eine Unterart der Handlungsfähigkeit, dh der Fähigkeit 17 rechtlich bedeutsame Handlungen vornehmen zu können;83 dazu gehört auch die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit. Volljährigen natürlichen Personen gesteht unsere Rechtsordnung diese Fähigkeit zu. Bei einem Kreis von Beteiligten fehlt die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit ganz oder teilweise. Für diese müssen grundsätzlich ihre gesetzlichen Vertreter handeln. Das gilt auch für die Gewährung des rechtlichen Gehörs,84 es sei denn das FGG sieht ausdrücklich die persönliche Anhörung des Geschäftsunfähigen vor (zB §§ 50b, 55c). a) Volljährige Bis zur Feststellung des Gegenteils gelten Volljährige voll geschäftsfähige Personen als 18 verfahrensfähig.85 Das gilt auch während der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Verfahrensfähigkeit.86 Die Achtung der Menschenwürde (Art 1 Abs 1 GG) und das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) gebieten dieses.87 Die Betroffenen können alle Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen oder Rechtsbehelfe gebrauchen, die das Verfahrensrecht dem Beteiligten in die Hand gibt, zB Sachverständige oder Richter ablehnen,88 gegen anfechtbare Zwischenentscheidungen Beschwerde einlegen,89 um Prozesskostenhilfe ersuchen. Bei ernsthaften auf Tatsachen beruhenden Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit eines Erklärenden im Grundbuchverfahren hat das GBA dem Antragsteller duch Zwischenverfügung aufzugeben, die Zweifel so weit zu zerstreuen, dass wieder vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann.90 aa) Rechtliche Betreuung Mit Einführung des Betreuungsrechts wurden Gebrechlichkeitspflegschaft, Entmündi- 19 gung und Vormundschaft über Volljährige abgeschafft. Zur gegenstandslos gewordenen Rechtsprechung der Verfahrensfähigkeit bei Gebrechlichkeitspflegschaft und Vormundschaft über Volljährige s Vorauflage Rn 22 bis 24. Im Betreuungsrecht ist die Frage der Geschäftsfähigkeit ohne Bedeutung, die Betreuung wird entsprechend dem Fürsorgebedürfnis angeordnet.91 Desweiteren ist in Verfahren, die die Betreuung betreffen, der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig, § 66 FGG. Der unter Betreuung stehende Volljährige bleibt geschäftsfähig, es sei denn, es handelt sich um einen Fall natürlicher Geschäftsunfähigkeit (s Rn 24); letzteres ist jedoch nicht Voraussetzung für die Einleitung eines Betreuungsverfahrens.92 Selbst der geschäftsunfähige Betroffene ist antragsberechtigt, § 1896 Abs 1 S 2 BGB.93 Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB hat keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit, maßgebend bleibt ausschließlich die gesetzliche Regelung der §§ 104 Nr 2, 105 Abs 1

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Palandt/Heinrichs Einf v § 104 Rn 1. BGH NJW 1982, 2449. BayObLG FamRZ 1968, 95; 1992, 706. BVerfGE 10, 302; BGHZ 35, 1; 70, 252; BayObLGZ 1986, 214; Keidel/Zimmermann Rn 45. BGH v 12.7.2004 – NotZ 27/03 im Amtsenthebungsverfahren nach § 50 Abs 1 Nr 7 BNotO. KG OLGZ 1966, 587 = FamRZ 1967, 170.

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KG OLGZ 1966, 380 = FamRZ 1966, 321. BayObLG Rpfleger 1992, 152. Jurgeleit Rpfleger 1995, 282. Palandt/Diederichsen Einf vor § 1896 Rn 13; siehe auch Bienwald FamRZ 1994, 484; Jurgeleit Rpfleger 1995, 282; Holzhauer FamRZ 1995, 1463; Schwab FamRZ 1990, 681. Zu Problemen bei der Handhabung siehe Bienwald FamRZ 1992, 1125, 2002, 195.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

BGB, wonach die Willenserklärung eines im natürlichen Sinne Geschäftsunfähigen nichtig ist.94 Das Vormundschaftsgericht kann einen Einwilligungsvorbehalt anordnen, soweit dieses zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Im Bereich des Einwilligungsvorbehalts ist der Betreute partiell einem beschränkt Geschäftsfähigen gleichgestellt,95 denn seine Willenserklärungen bedürfen der Einwilligung des Betreuers. Zur Verfahrensfähigkeit siehe im Übrigen die Bem zu § 66 FGG. bb) Unterbringungsmaßnahmen

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Nach geltendem Recht wird zwischen privatrechtlichen Unterbringungsmaßnahmen für Minderjährige und Volljährige (zB §§ 1631b, 1800, 1915, 1906 BGB) sowie öffentlich-rechtlichen Unterbringungen zB für psychisch Kranke (nach Landesrecht) unterschieden.96 Im Verfahren über Unterbringungsmaßnahmen ist der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat, § 70a FGG; siehe im Übrigen die dortigen Anmerkungen. cc) Rechtsentwicklung bei Freiheitsentziehung

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In den ursprünglich unmittelbar auf Grund des Art 104 Abs 2 GG durchgeführten gerichtlichen Verfahren über die Zulässigkeit einer Freiheitsentziehung war dem geschäftsunfähigen Betroffenen allgemein von der Rechtsprechung die Befugnis zugebilligt worden, als Verfahrensbeteiligter selbständig aufzutreten (oder einen Bevollmächtigten zu bestellen), teils nach dem Grundgedanken des Art 104 GG, teils in ergänzender Rechtsfindung nach Analogie des ebenfalls durch das BtG abgeschafften Entmündungsverfahrens.97 Folge dieser Rechtsprechung war die Aufhebung von § 7 Abs 3 FEVG, der ein Beschwerderecht Geschäftsunfähiger ausschloss.98 Die Mehrzahl der Landesgesetze, welche die Unterbringung von Geisteskranken und Süchtigen regelten, sahen vor, dass auch Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige ihr Beschwerderecht als Betroffene selbständig ausüben konnten.99 Soweit einzelne landesrechtliche Unterbringungsgesetze dieses ausgeschlossen hatten, hatte die Rechtsprechung das selbständige Beschwerderecht eingeräumt.100 Es entsprach der allgemeinen Meinung, dass der Betroffene, wenn es um seine Freiheitsentziehung ging, ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit im Verfahren selbständig handlungsfähig ist, also Anträge stellen, Beschwerden einlegen und sonstige Verfahrenshandlungen vornehmen kann, welche die selbständige Teilnahme am Verfahren mit sich bringt.101 Das Verfahren ist nun einheitlich in §§ 70 ff FGG geregelt. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze aus Gründen des Grundrechtsschutzes (s auch Rn 18) sind in den durch das BtG eingefügten Vorschriften normiert. 94

MünchKomm/Schwab § 1896 Rn 75; Palandt/ Diederichsen § 1903 Rn 19. Zum Problem der Geschäfts(un)fähigkeit bei Zwangsbetreuung auch hinsichtlich des Einwilligungsvorbehalts siehe Bobenhausen Rpfleger 1997, 52 sowie Jurgeleit Rpfleger 1995, 282. Zur „Kategorie“ der relativen Geschäftsunfähigkeit insbesondere im Zusammenhang mit der Zwangsbetreuung siehe Dröge, FamRZ 1998, 1209. Zur Problematik der Kollision zwischen Betreuung und rechtsgeschäftlicher Vertretung siehe Veit FamRZ 1996, 1309.

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Zum Landwirtschaftsverfahren BGH FPR 2002, 460 mwN; Sonnenfeld Rn 61. Zur Abgrenzung s bei Damrau/Zimmermann § 1906 Rn 3 sowie Anm zu § 70 Rn 4 ff; Vorbem §§ 70–70n Rn 6 ff. BVerfGE 10, 302; 19, 93; BayObLGZ 1986, 174 mwN. Durch Art 9 Abs 1 Nr 20 FamRÄndG v 11.8.1961 (BGBl S 1221). S hierzu Keidel, Rpfleger 1967, 323 ff. Bumiller/Winkler Vor § 13 Rn 17. Pikart-Henn S 72; Bärmann § 9 II 4b.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

b) Juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften Juristische Personen und parteifähige Personengesellschaften (s Rn 4 bis 6) sind nach 22 bisher hM prozessunfähig102 und können nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln. Die bisherige entgegenstehende Mindermeinung wird durch die Regelungen über die Rechtsanwalts-GmbH unterstützt, die als juristische Person Prozess- und Verfahrensbevollmächtigte sein kann (§ 59l BRAO).103 Die Streitfrage, ob juristische Personen geschäftsfähig und somit prozessfähig sind, kann jedoch vernachlässigt werden, da diese im Einzelfall durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln müssen, deren Handlungen der juristischen Person zugerechnet werden.104 Die Prozessfähigkeit ausländischer juristischer Personen und parteifähiger Personenvereinigungen (oben Rn 10) richtet sich nach dem Recht des effektiven Sitzes ihrer Hauptverwaltung.105 c) Geschäftsunfähige Geschäftsunfähige im Sinne des § 104 Nr 1 BGB sind auch im Verfahren nicht hand- 23 lungsfähig, dh unabhängig vom geistigen Entwicklungsstand ist ein Kind vor Vollendung des 7. Lebensjahres auch nicht verfahrensfähig. Allerdings sieht das Gesetz häufig die Anhörung eines Kindes vor, so zB im Verfahren betreffend die Personen- bzw Vermögenssorge (§ 50b Abs 1); im Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600e Abs 2 BGB (§ 55b Abs 1) oder bei der Annahme eines Minderjährigen als Kind (§ 55c). Geschäftsunfähig ist gem § 104 Nr 2 BGB auch, wer sich in einem die freie Willens- 24 bestimmung ausschließenden dauernden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern dieser Zustand nicht ein vorübergehender ist (natürliche Geschäftsunfähigkeit). Dabei ist neben den Fähigkeiten des Verstandes vor allem auch die Freiheit des Willensentschlusses von Bedeutung, dh es kommt darauf an, ob eine freie Entscheidung aufgrund sachlicher, abwägender Prüfung möglich ist.106 Die Geschäftsunfähigkeit kann auf ein bestimmtes Lebensgebiet oder auf einen Teil von Angelegenheiten beschränkt sein (partielle Geschäftsunfähigkeit), nicht jedoch auf besonders schwierige Geschäfte.107 Abweichend vom Zivilprozess muss die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr 2 BGB jedoch feststehen; bei nicht behebbaren Zweifeln ist der Beteiligte als geschäftsfähig zu betrachten.108 Bezieht sich der partielle Mangel der Geschäftsfähigkeit gerade auf den Verfahrensgegenstand, dann sind grundsätzlich Verfahrenshandlungen, insbesondere die Beschwerdeeinlegung, unwirksam,109 es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich etwas anderes vor (s Rn 19 bis 21).

102

103 104

BGH, NJW 1993, 1654; Arens/Lüke Rn 113; Baumbach/Hartmann § 52 Rn 4; Musielak/ Weth § 52 Rn 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 44 Rn 7; Putzo in Thomas/Putzo § 52 Rn 1, 4; Zeiss § 23 II; Zöller/Vollkommer, 22. Auflage § 52 Rn 2; aA Jauernig ZPR, § 20 II 1; Zöller/Vollkommer § 52 Rn 2. S hierzu Henssler NJW 1999, 241. Jauernig ZPR, § 20 II 1; Zöller/Vollkommer § 52 Rn 6a.

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108 109

Keidel/Zimmermann § 13 Rn 50. BGH NJW 1996, 918 mwN. BGH NJW 1970, 1680 mwN; MünchKomm ZPO/Schmitt § 104 Rn 18; Palandt/Heinrichs § 104 Rn 6. BGH NJW 1970, 1680; Bärmann § 9 II; Palandt/Heinrichs § 104 Rn 5. BGH FPR 2002, 460 mwN (zum Landwirtschaftsverfahren); BGHZ NJW 1959, 1587; BayObLGZ 1958, 5; 1966, 261; KG 1 W 965/58.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

d) Beschränkt Geschäftsfähige

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Die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen (§ 106 BGB) zieht grundsätzlich auch die Unfähigkeit nach sich, das Verfahren selbständig zu betreiben (Rn 14). Dieser Grundsatz wird durchbrochen in der Weise, dass entweder abweichend von der Regelung der Geschäftsfähigkeit im bürgerlichen Recht dem beschränkt Geschäftsfähigen Verfahrensfähigkeit verliehen wird oder die erweiterte Geschäftsfähigkeit beschränkt Geschäftsfähiger nach bürgerlichem Recht (Teilgeschäftsfähigkeit) die unbeschränkte Verfahrensfähigkeit nach sich zieht. Außerdem kommt eine besonders gestaltete gesetzliche Vertretung110 in Frage, wenn Rechtsgeschäfte des beschränkt Geschäftsfähigen nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgenommen werden können. In Familiensachen können Kinder und Mündel, die das 14. Lebensjahr vollendet 26 haben und nicht geschäftsunfähig sind, nach §§ 59, 63 FGG ihr Beschwerderecht (nicht auch ein Antragsrecht) in gewissen Angelegenheiten selbständig ohne Mitwirkung ihres gesetzlichen Vertreters ausüben (s hierzu die Anm zu §§ 59, 63). Selbständig ist das beschränkt geschäftsfähige Kind für den Antrag nach § 1612 Abs 2 S 2 BGB (s Rn 14), das Kind ist hier verfahrensfähig und kann auch einen Bevollmächtigten bestellen.111 Die Befugnis des gesetzlichen Vertreters namens des beschränkt Geschäftsfähigen dessen Beschwerderecht auszuüben, wird dadurch nicht berührt. Auch für den Fall der Unterbringung ist der Betroffene verfahrensfähig nach § 70a FGG, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat. In Ehesachen ist der beschränkt geschäftsfähige Ehegatte entsprechend gem § 607 Abs 1 ZPO prozessfähig. Das Gesetz respektiert insoweit die Entscheidungsfreiheit in persönlichen Angelegenheiten.112 Soweit beschränkt Geschäftsfähige nach bürgerlichem Recht für bestimmte Angele27 genheiten voll geschäftsfähig sind, haben sie auch die Fähigkeit, das Verfahren selbständig zu betreiben.113 Es handelt sich um eine sachlich nach dem Gegenstand des Verfahrens begrenzte Prozess- oder Verfahrensfähigkeit. Der gesetzliche Vertreter ist insoweit mangels Vertretungsmacht auch im Verfahren zur Vertretung nicht berufen.114 Soweit daher das bürgerliche Recht beschränkt Geschäftsfähigen die Fähigkeit verleiht, gewisse Rechtshandlungen unabhängig von dem gesetzlichen Vertreter selbst vorzunehmen und Rechte selbständig auszuüben, können sie Anträge selbständig stellen und Beeinträchtigungen dieser Rechte mit Rechtsmitteln selbständig abwehren, also ohne die Beschränkungen des § 59 auch dann, wenn es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt oder um eine solche, die nicht die Person des beschränkt Geschäftsfähigen selbst betrifft. Daher hat der Mündel, dem die Ermächtigung zum Betriebe eines Erwerbsgeschäfts oder zum Eintritt in ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis erteilt ist (§§ 112, 113 BGB), zur Durchführung der hierzu gehörenden Angelegenheiten ein unbeschränktes selbständiges Antrags- und Beschwerderecht.115 Der minderjährige, nach § 112 BGB ermächtigte Geschäftsinhaber hat selbst die Anmeldung zum Handelsregister zu bewirken und gegen ihn ist das Zwangsgeldverfahren zur Erzwingung der Anmeldung zu richten.116 Der nach § 2229 BGB testierfähige Minderjährige kann selbständig die Rückgabe des Testaments aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 Abs 2 BGB) verlangen. Selbständig handlungsfähig ist der minderjährige Ehegatte in Geschäften zur Deckung des

110 111 112 113

BGH NJW 1971, 841. Staudinger/Kappe § 1612 Rn 84, 85. Zöller/Philippi § 607 Rn 1. Bärmann § 9 II 3; Zöller/Vollkommer § 52 Rn 4.

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114 115 116

MünchKomm/Schmitt § 113 Rn 18. KGJ 37 A 39; BayObLG OLGR 33, 11. Schlegelberger Anm 8; Habscheid § 15 III 2.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

Lebensbedarfs (§§ 1357, 165 BGB), der beschränkt geschäftsfähige Elternteil, dem nach § 1673 Abs 2 die tatsächliche Personensorge zusteht, gegen Beeinträchtigungen dieses Rechts.117 Ferner gehören hierher die Rechte der beschränkt geschäftsfähigen Verlobten, Ehegatten oder geschiedenen Ehegatten nach §§ 8 Abs 2, 1303 Abs 2 u Abs 3, 1314 iVm § 1316 BGB sowie die Rechte des beschränkt geschäftsfähigen Elternteils nach §§ 1671, 1672, 1684, 1713, 1747, 1748 BGB. In Kindesannahmesachen ist aber der über 14 Jahre alte in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Anzunehmende nicht etwa deswegen voll geschäftsfähig, weil er die Einwilligung selbst erteilen muss, denn er bedarf dazu der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§ 1746 Abs 1 BGB); ihm steht jedoch ein eigenes Beschwerderecht gegen die Ablehnung oder Ersetzung gem § 1746 Abs 3 BGB zu118. Das Kind kann die Einwilligung jedoch ohne gesetzliche Vertretung widerufen, § 1746 Abs 2 S 3 BGB. Auch ist der minderjährige Ehegatte oder geschiedene Ehegatte nicht verfahrensfähig im Verfahren zur Ersetzung der Einwilligung nach §§ 1365, 1369 BGB und zur Regelung des Zugewinnausgleichs (§§ 1382, 1383 BGB mit § 53a FGG), da die Vermögenssorge trotz der Verheiratung dem gesetzlichen Vertreter verbleibt,119 und aus demselben Grunde auch nicht im Hausratsverfahren. Die Ausnahme des § 607 Abs 1 ZPO gilt nur für Ehesachen.120 Der beschränkt Geschäftsfähige darf ein Rechtsgeschäft oder eine Willenserklärung 28 nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vornehmen. Das gilt zB für den Abschluss eines Ehevertrages gem § 1411 BGB, die Anerkennung der Vaterschaft gem § 1596 Abs 1 BGB oder die Einbenennung eines Kindes gem § 1618 BGB. 4. Verfahrensrechtliche Bedeutung Ein Beteiligter, dem die Verfahrensfähigkeit fehlt, muss im Verfahren durch seinen 29 gesetzlichen Vertreter vertreten sein.121 Die Verfahrensfähigkeit ist Sachentscheidungsvoraussetzung und Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verfahrenshandlungen des Beteiligten. Der Mangel ist in jeder Lage des Verfahrens und in allen Rechtszügen von Amts wegen zu beachten (vgl § 27 Rn 77). Der Mangel kann aber dadurch geheilt werden, dass der im Verfahren auftretende verfahrens- bzw prozessunfähige Beteiligte prozessfähig (zB volljährig) oder verfahrensfähig wird, der nicht befugte Vertreter die gesetzliche oder gewillkürte Vertretungsmacht erlangt oder der gesetzliche Vertreter in das Verfahren eintritt und sie die gesamte bisherige Verfahrensführung genehmigen; das kann auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren geschehen.122 Die Beachtlichkeit der Genehmigung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein, nicht nur in echten Streitsachen, ergibt sich unmittelbar aus § 27 S 2 FGG mit § 547 Nr 4 ZPO. Im Zivilprozess sind Anträge Prozessunfähiger als unzulässig abzuweisen; danach ist auch das Rechtsmittel Prozessunfähiger als unzulässig zu verwerfen,123 dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt aber nur im Amtsverfahren. Der ebenfalls im Zivilprozess anerkannte Grundsatz, dass eine prozessunfähige Partei im Streit um ihre Prozessfähigkeit als prozessfähig gilt,124 muss auch im Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit auch für die echten Streitsachen Geltung haben.125 Hat schon das Gericht des ersten 117 118 119 120 121 122 123

Palandt/Diederichsen § 1673 Rn 4. MünchKomm/Maurer § 1746 Rn 8. Palandt/Diederichsen § 1633 Rn 2. Zöller/Philippi § 607 Rn 1. BayObLGZ 1987, 17. BGH NJW 1989, 984. RGZ 145, 284; BGHZ 15, 262.

124

125

RG HRR 1929 Nr 959; 1934 Nr 42; BGHZ 18, 184; BGHZ 35, 1; KG OLGZ 1966, 380 = KG FamRZ 1966, 321; aA BayObLGZ 1966, 261. KG OLGZ 1966, 380 = FamRZ 1966, 321; Keidel/Zimmermann § 13 Rn 44; aA BayObLGZ 1966, 261.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Rechtszuges wegen des Mangels den Antrag als unzulässig abgewiesen, so mag zwar die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig im Ergebnis auf dasselbe hinauslaufen, da das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung über die Verfahrensfähigkeit entscheiden müssen (§ 27 Rn 77); hat aber die Vorinstanz in Verkennung des Mangels sachlich entschieden, so darf das Rechtsmittel des Verfahrensunfähigen nicht aus diesem Grunde als unzulässig verworfen werden. Im Verfahren über die Beschwerde ist die Verfahrensfähigkeit zu unterstellen,126 bis die Verfahrensunfähigkeit feststeht.127 In beiden Fällen ist es offensichtlich, dass dem Beteiligten im Streit um seine Verfahrensfähigkeit die volle rechtliche Stellung eines Verfahrensfähigen zugebilligt werden muss, damit er seine Rechte im Verfahren ordnungsgemäß wahrnehmen kann; er muss zB den Sachverständigen, der ein Gutachten über seinen Geisteszustand abgeben soll, als befangen ablehnen können. Rechtsmittelfristen werden durch Zustellung an den Verfahrensunfähigen in Lauf gesetzt128 und er kann das von ihm eingelegte Rechtsmittel zurücknehmen. Wegen des Einflusses von Vertretungsmängeln auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln vgl § 21 Rn 25ff. Ist ein Beteiligter nach bürgerlichem Recht voll oder auf einem Teilgebiet geschäfts30 fähig oder nach Maßgabe des Verfahrensrechts unabhängig davon verfahrensgeschäftsfähig (zB §§ 66, 70a FGG), so wird seine selbständige Handlungsfähigkeit im Verfahren nicht dadurch berührt, dass er in dem Verfahren durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten wird; der Grundsatz des § 53 ZPO ist nicht anwendbar.129 Verfahrenshandlungen des Gerichts wirken gegen beide, es sei denn das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass die Handlung dem Vertretenen gegenüber vorgenommen werden muss, so zB die Bekanntgabe der Entscheidung an den Minderjährigen (§ 59 Abs 2 FGG) oder an den unter Betreuung zu stellenden Betroffenen (§ 69a Abs 1 FGG). Besteht jedoch ein Konflikt zwischen den Interessen des Betroffenen und denen des gesetzlichen Vertreters, soll er von der Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen ausgeschlossen sein.130 Sogar für die Gewährung des rechtlichen Gehörs wird in so einem Fall die Bestellung eines Verfahrenspflegers befürwortet.131 Auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers (§§ 66, 70a FGG) ändert daran nichts, die Verfahrenshandlungen des Betroffenen bleiben wirksam, auch wenn sie mit denen des Verfahrenspflegers in Widerspruch stehen.132 Siehe im Übrigen § 66 Rn 17. 5. Anzeigen und Erklärungen Geschäftsunfähiger

31

Selbstverständlich ist es, dass das Gericht, soweit es von Amts wegen einschreitet, zB in Vormundschaftssachen, aus Erklärungen jeder beliebigen Person selbst eines Kindes, sofern sie nur tatsächliches Gewicht haben, die Veranlassung zu einem Vorgehen entnehmen kann. Solche Erklärungen haben nicht die Bedeutung von Verfahrenshandlungen, so dass es auf Geschäftsfähigkeit nicht ankommt. Ferner kann das Gericht im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes auch Kinder oder Mündel hören; mitunter ist dies sogar vorgeschrieben (§§ 50b, 55c).

126 127 128 129

BGH NJW-RR 1986, 157. BayObLG NJW 1967, 685; OLG Hamm FamRZ 1989, 542. BayObLG Rpfleger 1986, 293; BayObLGZ 1999, 78 = FamRZ 2000, 1445. Schlegelberger Anm 7; Bärmann § 10 I.

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130 131

132

Bork FamRZ 2002, 65 ff. Bärmann § 17 III; Säcker Rpfleger 1971, 161; für das Genehmigungsverfahren siehe BVerfGE 101, 397 = FamRZ 2000, 731. Zimmermann FamRZ 1990, 1308.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

IV. Beistände Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können mit Beiständen erscheinen. Der 32 Beistand soll den Beteiligten in der Verhandlung dem Gericht gegenüber unterstützen. Das bedeutet, dass sie in jedem Verfahrensstadium mit einem Beistand vor Gericht erscheinen können und erstreckt sich auch auf alle verfahrensbezogenen Maßnahmen, wie zB die Begutachtung durch einen Sachverständigen, denn dieser wird gem §§ 15 FGG, 404, 404a ZPO als Gehilfe des Gerichts tätig.133 Vom Bevollmächtigten unterscheidet er sich dadurch, dass er nicht für den Beteiligten, sondern neben ihm auftritt. Die Legitimation des Beistandes beruht auf der Anwesenheit und Duldung des Beteiligten und erlischt mit dessen Entfernung. Das Vorbringen des Beistandes ist als von dem Beteiligten selbst vorgebracht nur anzusehen, wenn dieser sich die Ausführungen des Beistandes erkennbar zu eigen macht,134 jedoch findet § 90 Abs 2 ZPO keine Anwendung. Im Übrigen ist es gleichgültig, ob der Beistand Rechtsanwalt oder sonst rechtskundig oder ob er mit dem Beteiligten verwandt oder verschwägert ist oder nicht. Auch ein beschränkt Geschäftsfähiger kann als Beistand auftreten.135 Beistände, denen die Fähigkeit zum geeigneten Vortrag fehlt, können aber zurückgewiesen werden (Rn 42). Ist der Beistand der deutschen Sprache nicht mächtig, so ist das Gericht nicht gehalten, einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Das Verfahren in den zur FG gehörenden selbständigen Familiensachen des § 621 Abs 1 33 Nr 1–3, 6, 7, 9, 10 (in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB), 12 und 13 ZPO richtet sich gemäß § 621a Abs 1 S 1 ZPO iVm § 64 Abs 3 S 1 FGG grds nach den Vorschriften des FGG und (in den Familiensachen des § 621 Abs 1 Nr 8 ZPO) der HausratsVO (s hierzu Rn 119 ff zu § 64). Die Anwendung der Verfahrensvorschriften des FGG und der HausratsVO auf die vorgenannten Verfahren findet jedoch nur statt, wenn sich aus der ZPO und dem GVG „nichts Besonderes ergibt“ (§ 621a Abs 1 S 1 ZPO). Statt § 13 FGG gelten für die Bestellung von Beiständen und Bevollmächtigten die §§ 78–90, 141, 625 ZPO. Nach § 90 Abs 1 ZPO kann eine Partei mit einem Beistand erscheinen, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist. Selbständige Familiensachen der FG iSv § 621 Abs 1 ZPO unterliegen in erster und zweiter Instanz keinem Anwaltszwang. Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH müssen sich die Beteiligten dagegen mit Ausnahme der in § 78 Abs 2 S 2 ZPO genannten Behörden (Jugendämter sowie bestimmte Träger der Altersversorgung) durch einen beim BGH zugelassenen Anwalt vertreten lassen (§ 78 Abs 2 S 1 Nr 3 ZPO), soweit sie sich – insbesondere als Rechtsmittelführer – an dem Verfahren in dritter Instanz beteiligen wollen. In den Familiensachen des § 621 Abs 1 Nr 7 und 9 ZPO sowie in den entsprechenden Lebenspartnerschaftssachen des § 661 Abs 1 Nr 5 und 7 ZPO ist die Rechtsbeschwerde jedoch nicht statthaft (vgl § 621e Abs 2 ZPO), deshalb ist insoweit eine Regelung des Anwaltszwangs entbehrlich. In den Familiensachen nach § 23b Abs 1 S 2 Nr 11 GVG gelten die Vorschriften des § 78 ZPO über den Anwaltszwang entsprechend. Dies folgt für die Verfahren nach dem Zweiten Teil des SorgeRÜbkAG aus der Verweisung des § 6 Abs 1 SorgeRÜbkAG auf § 621a Abs 1 ZPO. Für Verfahren nach der EheGVO erklärt wiederum § 50 Abs 4 AVAG die Bestimmung des § 6 Abs 1 SorgeRÜbkAG für entsprechend anwendbar, sodass auch in-

133

134

PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1441 mwN; ablehnend Keidel/Zimmermann § 13 Rn 2b. Schlegelberger Anm 11; Bärmann § 10 III; Habscheid § 17 III.

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Schlegelberger Anm 11; Bumiller/Winkler § 13 Rn 10; Keidel/Zimmermann Rn 11.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

soweit über § 621a Abs 1 ZPO die Regelung des § 78 ZPO eingreift; § 6 Abs 3 AVAG ist insoweit nicht anzuwenden. Beistand kann hier jedoch nur sein, wer selbst prozessfähig ist, also zB nicht das Jugendamt, jedoch ein einzelner beauftragter Beamter.136 Der Vortrag des Beistands ist der der Partei, wenn diese nicht sofort widerspricht (§ 90 Abs 2 ZPO); damit weitergehend als die Beistandschaft nach § 13 FGG.

V. Verfahrenspfleger und Vertrauensperson 34

Das Gericht kann dem minderjährigen Kind in Vormundschafts- und Familiensachen, die die Lebensführung und Lebensstellung und nicht ausschließlich sein Vermögen betreffen sowie im Verfahren betr die Aufhebung einer Kindesannahme, einen Verfahrenspfleger bestellen (§§ 50, 56f Abs 2 FGG), soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. In Betreuungs- und Unterbringungssachen kann dem Betroffenen ebenfalls ein Verfahrenspfleger bestellt werden (§§ 67, 70b FGG). Die Stellung des Verfahrenspflegers ist umstritten; mal wird er als eigener Interessenvertreter angesehen,137 dessen Aufgaben denen eines Rechtsanwalts vergleichbar sind,138 dann als „Sprachrohr“ des Kindes139 oder sogar als „gesetzlicher Vertreter“,140 der die Interessen des Betroffenen im Unterbringungsverfahren wahrzunehmen hat (s hierzu § 50 Rn 57 ff, § 67 Rn 54 u § 70b Rn 35). Er ist weder Beteiligter noch Bevollmächtigter, allerdings hat er eine stärkere Stellung als der Beistand; denn ihm ist rechtliches Gehör zu gewähren, in Betreuungssachen ist er zum Schlussgespräch zu laden.141 Der Betroffene in Betreuungs- und Unterbringungssachen kann eine Person seines 35 Vertrauens benennen, um diesen Gelegenheit zur Äußerung zu geben (s hierzu § 68a S 4 Rn 21 u § 70d Abs 1 Nr 4 Rn 8). Die Vertrauensperson ist ebenfalls kein Bevollmächtigter und hat auch kein Vertretungsrecht, es sei denn, ihr wird rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilt.

VI. Vertretung durch Bevollmächtigte 1. Zulässigkeit

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Beteiligte und ihre gesetzlichen Vertreter können sich nach § 13 S 2 durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Wenn auch nach der Fassung des Gesetzes zunächst nur an den Fall gedacht zu sein scheint, dass das Gericht mit den Beteiligten mündlich verhandelt, also an das Auftreten in Terminen, so ist doch anerkannt, dass die Bestimmung auch im schriftlichen Verkehr mit dem Gericht anwendbar ist, vor allem bei der Anbringung von Anträgen und der Einlegung von Rechtsmitteln.142 Ein Bevollmächtigter, insbesondere ein Rechtsanwalt, kann auch neben dem erschienenen Beteiligten auftreten. Die Zulässigkeit einer Bevollmächtigung bestimmt sich auch im Verfahren zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung (§ 86) nach § 13.143 Der Begriff des Bevollmächtigten ist dem § 166 Abs 2 BGB zu entnehmen; danach ist er der Vertreter, dessen Vertretungsmacht 136 137 138 139

Zöller/Vollkommer § 90 Rn 3. BVerfG FamRZ 1999, 85; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293. KG FamRZ 2000, 1300; OLG Brandenburg FamRZ 2001, 692. OLG Braunschweig FamRZ 2001, 776.

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140 141 142 143

LG Lübeck FamRZ 1995, 1597. Zimmermann, FamRZ 1990, 1308 ff. KGJ 26 A 236 = RJA 4, 34; KG RJA 8, 131; KG OLGR 14, 278; Schlegelberger Anm 12. BayObLGZ 5, 1.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

auf rechtsgeschäftlicher Erteilung beruht. Bei der Würdigung des § 13 S 2 ist zu beachten, dass die Bestimmung nur eine Verfahrensvorschrift enthält und aussprechen will, dass ein Beteiligter die von ihm dem Gericht gegenüber vorzunehmenden Handlungen und abzugebenden Erklärungen durch einen Vertreter besorgen lassen kann. Hieraus und aus den Vorbehalten in § 1 und § 185 sowie aus der Beschränkung des § 13 S 2, dass die Vertretung ausgeschlossen ist, soweit das Gericht das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnet, ergeben sich folgende Einschränkungen: a) Stellvertretung ist ausgeschlossen, wenn der Beteiligte seinen Willen nach gesetzlicher Vorschrift persönlich erklären muss Hierher gehören die Errichtung und der Widerruf eines Testaments (§§ 2064, 2254 37 BGB), der Abschluss und die Aufhebung eines Erbvertrages (§§ 2274, 2290 Abs 2 BGB) und die Bestätigung eines anfechtbaren Erbvertrages (§ 2284 BGB) sowie der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht oder auf eine testamentarische Zuwendung und die Aufhebung des Erbverzichts (§§ 2347 Abs 2, 2352, 2351 BGB). Unzulässig ist die Stellvertretung auch bei der Rücknahme eines vor einem Bürgermeister oder einem Notar errichteten Testaments oder eines Nottestaments (§ 2249 BGB) aus der amtlichen Verwahrung (§§ 2256 Abs 2, 2272 BGB); notfalls ist die Rückgabe durch den Rechtspfleger in der Wohnung des am Erscheinen verhinderten Erblassers oder im Wege der Rechtshilfe durchzuführen.144 Erklärungen im Adoptionsverfahren, nämlich die Einwilligung des über 14-jährigen Kindes, des Ehegatten und der Eltern sind ebenfalls höchstpersönlich (§§ 1746, 1747, 1749), Vertretung nicht zugelassen (§ 1750 Abs 2 BGB).145 Wenn bestimmt ist, dass eine Erklärung „nicht durch einen Vertreter bzw einen Bevollmächtigen erfolgen“ kann (keine Bevollmächtigung bei Anfechtung der Vaterschaft § 1600a BGB; keine Stellvertretung bei Sorgeerklärung § 1626c BGB; bei Anfechtung eines Erbvertrages § 2282 BGB; bei Rücktritt vom Erbvertrag § 2296 BGB), ist eine Vertretung bei der Willensbildung ausgeschlossen. Ob eine Vertretung in der Erklärung146 zulässig ist, ist nach Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift besonders zu prüfen. Soweit eine Vertretung nur in der Erklärung zulässig ist, muss erkennbar sein, dass die Erklärung des Bevollmächtigten auf einer Willensentschließung des Beteiligten selbst beruht; eine Generalvollmacht wird daher regelmäßig nicht ausreichen, vielmehr wird das Gericht gehalten sein, nach § 13 S 3 eine besondere, auf den Verfahrensgegenstand gerichtete Vollmacht zu verlangen. b) Ausschluss der Vertretung nach der Natur der Sache Nach der Natur der Sache ist Vertretung ausgeschlossen, wenn eine persönliche 38 Handlung gefordert wird, die ihrer Art nach von einem Vertreter nicht geleistet werden kann. Hierher gehören Eidesleistungen (§§ 33 Abs 2, 79, 83 Abs 2, 163 FGG) und die Verpflichtungserklärung des Vormundes, Gegenvormunds oder Pflegers durch Handschlag an Eides Statt (§§ 1789, 1792 Abs 4, 1915 BGB). Auch der Betreuer ist grundsätzlich mündlich zu verpflichten (s Bem zu § 69b Abs 1 FGG), das heißt in erster Linie in persönlicher Anwesenheit.147 Auch eidesstattliche Versicherungen können nicht an Stelle des Beteiligten von einem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter abgegeben werden, auch

144 145 146

KG RJA 13, 91. Lüderitz Rn 1026. Dazu Schlegelberger Anm 15; Bärmann § 10 II.

147

KG FamRZ 1995, 1600 = Rpfleger 1995, 68; Keidel/Kayser § 69b Rn 3; krit Bienwald/ Sonnenfeld § 69b Rn 11; Damrau/Zimmermann § 69b Rn 1c.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

nicht die Versicherung an Eides Statt nach § 2356 BGB zur Erwirkung eines Erbscheins.148 Das Gericht kann aber nach seinem Ermessen dem Antragsteller die eidesstattliche Versicherung § 2357 Abs 4 BGB erlassen und sich mit der eines anderen Antragsberechtigten begnügen. Der Vormund kann seiner Auskunftspflicht nach § 1839 BGB auch durch einen Bevollmächtigten nachkommen, wenn nicht das VormG persönliche (auch schriftliche) Auskunft verlangt.149 c) Anmeldungen zum Handels-, Vereins- und Güterrechtsregister

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Anmeldungen zum Handels-, Vereins- und Güterrechtsregister können grundsätzlich durch Bevollmächtigte bewirkt werden150, (vgl Anm zu §§ 129, 159, 160b, 161). Auch im registergerichtlichen Zwangsgeldverfahren kann der Beteiligte sich, solange das Gericht nicht sein persönliches Erscheinen anordnet, durch Bevollmächtigte vertreten lassen.151 Eine Vertretung ist aber ausgeschlossen, wenn mit der Anmeldung zum Handelsregister gewisse Erklärungen verbunden sind, deren Unrichtigkeit strafrechtliche Verantwortung nach sich zieht, sowie wenn Aufsichtsratsmitglieder bei der Anmeldung mitzuwirken haben (zB §§ 36, 37 Abs 2, 184 Abs 2, 188 AktG; §§ 7, 8, 57 GmbHG).152 Bei Anmeldungen zum Genossenschaftsregister ist eine Bevollmächtigung unzulässig (§ 6 Abs 3 GenRegV). Der Beitritt zu einer Genossenschaft kann jedoch auch durch einen Bevollmächtigten erklärt werden.153 d) Ausschließung von Bevollmächtigten bei Anordnung des persönlichen Erscheinens

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Das Recht der Beteiligten, sich in Terminen durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, erfährt eine Einschränkung, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen des Beteiligten anordnet. Das Gesetz steht auf dem Standpunkt, dass eine mündliche Erörterung mit Beteiligten nicht selten der Förderung der Sache dienlich ist und deshalb dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden muss, eine solche in geeigneten Fällen herbeizuführen. Die Anordnung ist daher stets zulässig und nach pflichtmäßigem Ermessen zu treffen, wenn das Gericht sie für sachdienlich erachtet. Das Gericht kann das Erscheinen aller oder einzelner Beteiligter anordnen. Eine Einschränkung dahin, dass das Gericht das persönliche Erscheinen nur solcher Beteiligter anordnen dürfe, die in seinem Bezirk wohnen, besteht gesetzlich nicht; doch wird das Gericht bei entfernt wohnenden Beteiligten sorgfältig abwägen müssen, ob die mündliche Erörterung erforderlich ist und ob Reisekosten und Zeitversäumnisse des Beteiligten in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zu dem von einer mündlichen Anhörung zu erwartendem Erfolg stehen. Die Anordnung ist mit der Beschwerde anfechtbar (§ 19 Rn 19). Erscheint trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens an Stelle des Beteiligten nur ein Bevollmächtigter, so kann das Gericht ihn nach seinem Ermessen zurückweisen, dh eine Erörterung der Sache mit ihm ablehnen. Weitere Folgen knüpft das Gesetz an das unentschuldigte Ausbleiben nicht; weder wird dadurch ein Präjudiz in der Sache geschaffen noch kann dem Beteiligten ein Rechtsnachteil für den Fall des Ausbleibens angedroht werden, soweit dies im Gesetz nicht besonders vorgesehen ist, wie in § 89.154 § 13 bietet daher

148

149 150

KG RJA 13, 199; KG JR 1953, 307; KG OLGZ 1967, 249; BayObLGZ 1961, 4; Schlegelberger Anm 13. KGJ 45, 63 = RJA 13, 70. KGJ 26 A 232 = RJA 4, 31; 28 A 221 = RJA 5, 171; 33 A 143.

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151 152 153 154

Keidel/Zimmermann Rn 4. Schlegelberger Anm 16. KGJ 24 A 74 = RJA 3, 78; KG JW 1935, 3642; RG JW 1936, 2919. Schlegelberger Anm 17.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

auch keine Rechtsgrundlage dafür, das Escheinen des Beteiligten durch Zwangsgelder oder unmittelbaren Zwang (Vorführung) zu erzwingen (§ 12 Rn 95 ff). Zwang kann jedoch in den gesetzlich vorgesehenen Fällen ausgeübt werden, so zB hinsichtlich der Anhörung des Betroffenen im Verfahren bei Bestellung eines Betreuers (§ 68 Abs 3 FGG) oder vor einer Unterbringung (§ 70c S 5 FGG). Zwangsmaßnahmen nach § 33 FGG werden von der Rechtsprechung auch in den gesetzlich nicht vorgesehenen Fällen bejaht.155 Das Gericht ist nicht genötigt, den für den ausgebliebenen Beteiligten erschienenen Bevollmächtigten in jedem Fall zurückzuweisen und die Verhandlung mit ihm zu verweigern; es ist ihm vielmehr unbenommen, zu versuchen, ob es mit dem Vertreter zum Ziel gelangt, unbeschadet des Rechts, den Vertreter zurückzuweisen. Erscheint der Beteiligte, so kann gleichwohl neben ihm ein Verfahrensbevollmächtigter oder Beistand auftreten; das Gericht ist nicht berechtigt, einen solchen von der persönlichen Anhörung des Beteiligten auszuschließen,156 sofern nicht besondere Umstände, etwa bei der Anhörung Minderjähriger,157 vorliegen. Ein Richter, der das persönliche Erscheinen der Parteien unter Ausschluss ihrer Verfahrensbevollmächtigten anordnet, um eine Einigung zu erreichen, kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.158 Die Nichtbefolgung der Anordnung persönlichen Erscheinens hindert ferner nicht, dass der Beteiligte sich im weiteren Verlauf des Verfahrens von dem im Termin zurückgewiesenen Bevollmächtigten vertreten lässt. Wegen der abweichendenden Regelung im Landwirtschaftsverfahren (§ 15 Abs 3 LwVG) vgl § 12 Rn 100. 2. Person des Bevollmächtigten a) Eigenschaften Vorschriften darüber, wer Bevollmächtigter sein kann, enthält das FGG nicht. Für die 41 Fähigkeit, Bevollmächtigter zu sein, gelten mithin die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Danach ergibt sich, dass Geschäftsunfähige (§§ 104, 131 Abs 1 BGB) eine Willenserklärung wirksam weder abgeben noch empfangen können;159 sie können daher auch nicht Verfahrensbevollmächtigte sein.160 Beschränkt Geschäftsfähige sind im Hinblick auf § 165 BGB fähig, Verfahrensbevollmächtigte zu sein, ohne dass es darauf ankommt, ob das zugrundeliegende Rechtsverhältnis der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedarf und ob diese erteilt ist, da die Wirksamkeit der Vollmacht davon nicht abhängt.161 Allerdings kann der gesetzliche Vertreter eines beschränkt Geschäftsfähigen diesem nicht Vollmacht erteilen, sich selbst zu vertreten. Juristische Personen sind nach bisher hM prozessunfähig (oben Rn 22) und können daher als solche nicht zu Verfahrensbevollmächtigten bestellt werden; es ist aber im Wege der Auslegung zu prüfen, ob die Vollmacht dem gesetzlichen Vertreter oder Sachbearbeiter erteilt ist.162 Eine Ausnahme muss jedoch für die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH gelten, die nach § 59l BRAO als Prozess- und Verfahrensbevollmächtigte beauftragt werden kann.163 Die Bevollmächtigung 155 156 157 158 159 160 161

KG FamRZ 1988, 1207 mwN. OLG Brandenburg FamRZ 1997, 428; BayObLG Rpfleger 1980, 148. OLG Köln OLGZ 1965, 134. OLG Brandenburg FamRZ 1997, 428. Palandt/Heinrichs § 104 Rn 7. BVerfGE 37, 67; Schlegelberger Anm 18. KG KGJ 35 A 223; LG Lübeck SchlHA 1964, 219; Bumiller/Winkler Rn 10; Bärmann § 10 II 3b; aA Baur § 15 A III 1; Habscheid § 17 II 2c.

162

163

BGH LM § 12 LVO Nr 4; BayObLG FamRZ 1986, 597; Schlegelberger Anm 18; Bärmann § 10 II 3c. OLG Nürnberg Rpfleger 2002, 628; Feuerich/Braun § 59 Rn 1; siehe auch BayObLG Rpfleger 1995, 215 sowie zur berufsrechtlichen Zulassung einer Aktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft BGH NJW 2005, 1568 = BB 2005, 1131.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

einer Behörde ist als Bevollmächtigung des nach ihrer Organisation zuständigen Beamten anzusehen.164 b) Zurückweisung aa) Mangelnde Fähigkeit zum Vortrag

42

Auch das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit muss die Möglichkeit haben, einen geordneten Ablauf mündlicher Erörterungen sicherzustellen. Deshalb ist das Gericht entsprechend § 157 Abs 2 ZPO für befugt zu erachten, Beteiligten, Bevollmächtigten und Beiständen, die nicht Rechtsanwälte sind, den weiteren Vortrag zu untersagen, wenn ihnen die Fähigkeit zu geeignetem Vortrag mangelt.165Auf schriftsätzliches Vorbringen kann diese Befugnis nicht ausgedehnt werden; ständig wiederholte Eingaben unbelehrbarer, bereits beschiedener Querulanten in derselben Sache können aber uU unbeachtet bleiben. Die Unfähigkeit zum Vortrag kann dauernd oder vorübergehend sein. Für die Verhandlung mit Sprachfremden und Hör- bzw Sprachbehinderten gelten gemäß § 8 die §§ 185, 186 GVG (vgl § 8 Rn 6, 12). Die Anordnung ist unanfechtbar (§ 157 Abs 2 S 2 ZPO), kann aber vom Gericht wieder aufgehoben werden (§ 18). Die Untersagung des mündlichen Vortrags darf nicht zu einer Verkürzung des rechtlichen Gehörs führen; dem Beteiligten ist also gegebenenfalls Gelegenheit zu weiterem schriftsätzlichen Vorbringen zu geben (vgl auch § 158 S 2 ZPO). bb) Geschäftsmäßiges Auftreten vor Gericht

43

Die Vorschrift des § 157 Abs 1 ZPO, nach welcher Personen, die, ohne Rechtsanwälte oder Prozessagenten zu sein, die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen sind, ist in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar, weil sie auf dem in diesem Verfahren nicht geltenden Mündlichkeitsgrundsatz des Zivilprozesses beruht.166 Auch in echten Streitsachen, in denen das Gericht mit den Beteiligten mündlich verhandeln soll, ist die Vorschrift nicht anzuwenden.167 Die entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO in echten Streitsachen setzt voraus, dass sie vom Verfahrensgegenstand her erfordert wird (Vorbem vor § 8 Rn 59); für die Ausübung der rechtspolizeilichen Befugnis aus § 157 Abs 1 ZPO ist es aber ersichtlich völlig gleichgültig, ob der geschäftsmäßig Handelnde in einer Vormundschafts- oder Nachlasssache oder in einer streitigen Wohnungseigentums- bzw Landwirtschaftsache168 auftritt. Der Ausschluss von Bevollmächtigten nach § 157 Abs 1 ZPO gilt in der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus dem schlichten Grunde nicht, weil das Gesetz ihn nur für das Verfahren vor dem Prozessgericht angeordnet hat; Zweckmäßigkeitserwägungen dürfen es nicht rechtfertigen, den Anwendungsbereich einer derartigen Vorschrift auszuweiten. Zur Zurückweisung schriftlicher Eingaben ermächtigt die Vorschrift des § 157 Abs 1 ZPO auch im Zivilprozess

164

165

166 167

KGJ 46, 52; OLG München MDR 1960, 679; vgl auch AG Hagen AnwBl 1962, 154 m Anm von Schueler. KG JFG 13, 267; OLG Stuttgart AnwBl 1958, 114; Schlegelberger Anm 18; Keidel/ Zimmermann Rn 23; Baur § 15 A III 2; Bärmann § 10 II 3a; Habscheid § 17 II 2b. Schlegelberger Anm 18; Baur § 15. OLG Düsseldorf NJW RzW 1951, 260;

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168

HansOLG Hamburg RzW 1951, 214; OLG Hamm RdL 1956, 77; OLG Celle RdL 1957, 109 mwN; Barnstedt/Steffen § 14 Rn 340; aA KG NJW 1991, 1304; OLG Frankfurt NJW RzW 1952, 200. Zu den „echten Streitverfahren“ in Landwirtschaftssachen s Barnstedt/Steffen § 9 Rn 69 ff.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

nicht.169 Auch die lediglich gewerberechtlichen Bestimmungen des RBerG haben keinen Einfluss auf das gerichtliche Verfahren; weder ermächtigen sie zur Zurückweisung von Bevollmächtigten noch hat ein Verstoß gegen das Gesetz die Unwirksamkeit der Verfahrenshandlungen der von dem Gesetz betroffenen Personen zur Folge,170 es regelt lediglich die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten171. Etwas anderes soll gelten, wenn der Bevollmächtigte wegen feststehenden Verstoßes gegen die berufsrechtliche Regelung des Art 1 § 1 RBerG ausgeschlossen wird, da ein Gericht nicht gezwungen werden kann, in einem laufenden Verfahren unerlaubte, als Ordnungswidrigkeit zu ahndende (Art 1 § 8 RBerG) Handlungen zu dulden.172 Wird ein Rechtsberater gleichwohl vom mündlichen oder schriftlichen Verkehr mit dem Gericht zurückgewiesen, so steht ihm dagegen die Beschwerde zu;173 dagegen ist die Verfügung, durch die das Gericht es ablehnt, einen Rechtsbeistand zurückzuweisen, unanfechtbar174. 3. Erteilung, Umfang, Widerruf und Erlöschen der Vollmacht Für Erteilung, Umfang, Widerruf und Erlöschen der Vollmacht gelten die Vorschriften 44 des bürgerlichen Rechts (§§ 167 ff BGB).175 Der Umfang der Befugnisse des Bevollmächtigten ist nicht, wie in § 81 ZPO, gesetzlich bestimmt. Während im Zivilprozess der Mindestumfang der Vollmacht für den Anwaltsprozess feststeht und eine Beschränkung mit Wirkung gegenüber dem Gegner nur für bestimmt bezeichnete Punkte zulässig, darüber hinaus aber ohne rechtliche Wirkung ist (§ 83 Abs 1 ZPO), wird für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mindestumfang gesetzlich nicht erfordert.176 Es steht im Belieben der Beteiligten, den Inhalt der Vollmacht zu bestimmen. Die Vollmacht kann mithin nur für die Wahrnehmung eines Termins oder die Vornahme einzelner oder mehrerer Verfahrenshandlungen erteilt werden. Der Umfang der Vollmacht ist grundsätzlich ihrem Inhalt zu entnehmen,177 der notfalls im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung ihres Zweckes, der Umstände ihrer Erteilung und der Lage des Falles festzustellen ist.178 Auch bei weit gefasstem Wortlaut ist eine Aufgabenbeschränkung zu beachten.179 Eine inhaltlich nicht beschränkte Verfahrensvollmacht ermächtigt im allgemeinen zu allen Verfahrenshandlungen,180 insbesondere zur Änderung und Zurücknahme von Anträgen, zur Einlegung und Zurücknahme von Rechtsmitteln, auch zur Entgegennahme von Zustellungen. Die allgemeine Verfahrensvollmacht reicht jedoch nicht aus, wenn ein Dritter in Vertretung des (noch lebenden) Testators in das nach dem Tod eines der Ehegatten erst hinsichtlich dessen Verfügungen eröffneten Testaments Einsicht nehmen will; der Dritte benötigt zu dieser Einsicht eine besondere Vollmacht.181 Wegen der Förmlich169 170

171 172 173

Reichold in Thomas/Putzo § 157 Rn 2; Zöller/Greger § 157 Rn 5. BayObLG NJW-RR 1992, 1343; KG OLGZ 1966, 112 = JR 1966, 303; Friedländer JZ 1955, 307; Habscheid NJW 1964, 1502; Jansen DNotZ 1964, 707; aA OLG München NJW RzW 1953, 201; OLG Celle RdL 1957, 109; OLG Stuttgart DNotZ 1964, 734. Zöller/Greger § 157 Rn 1. BayObLG NJW-RR 1992, 1343. KG OLGZ 1966, 112 = JR 1966, 303; aA Reichold in Thomas/Putzo § 157 Rn 3; Zöller/Greger § 157 Rn 6 – die nur der Partei die Beschwerde zubilligen wollen.

174 175 176 177 178

179 180 181

BayObLGZ 1967, 208. Bärmann § 10 II 4; Habscheid § 17 II 4; Keidel/Zimmermann § 13 Rn 13. BayObLG NJW-RR 1999, 1686. Bärmann § 10 II 4. BayObLG Rpfleger 2004, 292 (zur Auslegung einer umfassend erteilen Registervollmacht); KG RJA 8, 130, 132 = KGJ 33 A 143; Keidel/Zimmermann Rn 13. BGH NJW 1983, 1905. BayObLGZ 1996, 118; KG KGJ 22, 198; OLG München JFG 13, 271. OLG Jena Rpfleger 1998, 249.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

keiten der Zustellung wird auf § 16 Abs 2 FGG iVm §§ 166 ff ZPO verwiesen. Die Befugnis zum Verzicht auf den Anspruch und zum Abschluss von Vergleichen zB im Landwirtschaftsverfahren ist jedoch nicht ohne weiteres zu unterstellen, da Letzterer nicht nur reine Verfahrenshandlung ist, sondern seiner Doppelnatur182 nach privatrechtlicher Vertrag und Prozessvertrag. Dem Inhalt der Vollmacht ist auch zu entnehmen, ob der Bevollmächtigte zur Bestellung eines Unterbevollmächtigten berechtigt ist; im Zweifel ist er es nicht (§ 664 BGB). Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich gemäß § 168 BGB nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis; war dieses ein Auftrag oder ein Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungsinhalt, so erlischt die Vollmacht durch den Tod des Vollmachtgebers im Zweifel nicht (§§ 672, 675 BGB).183 War nach dem Umfang der Vollmacht eine Unterbevollmächtigung gestattet, so ist zu beachten, dass mit dem Erlöschen der Hauptvollmacht im Zweifel auch die Untervollmacht erlischt.184 Die einem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht erstreckt sich im Zweifel auch auf dessen allgemein bestellten Vertreter, auch wenn es sich um eine Generalvollmacht handelt.185 Auch für das Erlöschen der Vollmacht durch Kündigung und Widerruf gelten die Vorschriften des BGB einschließlich der §§ 170 bis 173 BGB, wenn die Vollmachtserteilung dem Gericht angezeigt war. Der verfahrensfähige Betroffene im Betreuungsverfahren kann wirksam eine Vollmacht erteilen und widerrufen,186 sowie einen Rechtsanwalt beauftragen und sich zur Zahlung des damit anfallenden Honorars verpflichten (siehe auch § 66 Rn 16, § 70a Rn 4).187 Der Bevollmächtigte kann das Mandat nicht lediglich durch Erklärung gegenüber dem Gericht niederlegen, wenn er nicht gegenüber seinem Auftraggeber gekündigt hat (§§ 168 S 1, 627 BGB).188 Da die Einlegung der weiteren Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen kann (§§ 29 Abs 4, 21 Abs 2 FGG), gilt § 87 Abs 1 ZPO nicht.189 4. Form der Vollmacht

45

Eine Form ist für die Vollmacht nicht vorgeschrieben, ausgenommen in § 12 Abs 2 S 1 HGB für Anmeldungen zum Handelsregister und in §§ 1945 Abs 3, 1955 BGB für die Ausschlagung und die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft. Zur Wirksamkeit genügt daher mündliche Erteilung. Nur zum Nachweis der Vollmacht kann schriftliche Erteilung geboten sein, sofern auf Verlangen nicht sogar öffentliche Beglaubigung erforderlich ist (nachst Rn 47). 5. Prüfung und Nachweis der Vollmacht a) Amtsprüfung

46

Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht (in Übereinstimmung mit dem Grundsatz des § 88 Abs 2 ZPO) von Amts wegen zu berücksichtigen; es hat also die Vertretungsmacht von Amts wegen zu prüfen.190 Prüfung von Amts wegen bedeutet, dass das Gericht möglichen Zweifeln unabhängig vom Verhalten der Beteiligten nachzugehen hat,

182 183 184 185 186 187

BGH NJW 1981, 823; NJW 1980, 1753; NJW 1972, 159. KG NJW 1958, 389; BayObLGZ 1965, 350. KGJ 37 A 239; KG OLGR 32, 359. KG OLGR 23, 352. BayObLG FamRZ 1963, 661; 1992, 341. BayObLG FamRZ 1984, 1259; Rpfleger 1988, 240; OLG Stuttgart OLGZ 1975, 74.

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188 189 190

KG NJW RzW 1964, 164. BayObLG NJW-RR 1999, 1686. PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 2001, 174; KGJ 24 A 148; 27 A 5; Schlegelberger Anm 19; KG NJW RzW 1964, 20.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

nicht aber, dass es auch über Umstände Nachweisungen zu fordern hätte, hinsichtlich deren es keine Zweifel hegt. Tritt das Gericht in die Prüfung ein, so ist es nicht verpflichtet, durch Ermittlungen und Beweiserhebungen von Amts wegen aufzuklären, ob die behauptete Vollmacht erteilt ist, sondern es kann dem als Vertreter Auftretenden oder dem vertretenen Beteiligten aufgeben, den Nachweis der Vollmacht zu erbringen oder etwaige Bedenken gegen die vorgelegte Vollmacht zu beseitigen;191 es gilt insoweit also nicht der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12, sondern die lnstruktionsmaxime (Vorbem vor § 8 Rn 23). Fehlt die Vertretungsmacht, so muss das Gericht die Verfahrenshandlung des Vertreters zurückweisen (vgl aber nachst Rn 48, 49). Ob aber das Gericht einen besonderen Nachweis der Vollmacht für erforderlich hält, ist seinem Ermessen überlassen;192 das Gericht kann die Überzeugung vom Bestehen der Vertretungsmacht auf jede beliebige Art gewinnen.193 Es kann auch in freier Würdigung die Überzeugung erlangen, dass eine schriftlich beigebrachte Vollmacht schon zu einem früheren Zeitpunkt mündlich erteilt war.194 Bei Notaren, auch soweit eine gesetzliche Vollmachtsvermutung (nachst Rn 52) nicht besteht, und Rechtsanwälten kann das Gericht nach seinem Ermessen von dem Nachweis der Vollmacht überhaupt auf Grund des Erfahrungssatzes absehen, dass von ihnen auf Grund ihrer beruflichen Stellung zu erwarten ist, dass sie nicht ohne Vollmacht handeln.195 Legt ein Notar in einer Grundbuchsache Beschwerde ein, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er bevollmächtigt ist, auch wenn die Voraussetzungen des § 15 GBO nicht vorliegen; jedenfalls kann die Beschwerde nicht mangels Vollmachtsnachweises verworfen werden, ohne dass Gelegenheit zum Nachweis der Vollmacht gegeben wird.196 Auch sonst kann das Gericht die Annahme der Bevollmächtigung auf die aus der Eingabe des Vertreters hervorgehende Sachkenntnis stützen, wenn erkennbar ist, dass diese Kenntnis auf einer Unterrichtung durch den Beteiligten beruht.197 Das Gericht kann auch in freier Würdigung die Überzeugung gewinnen, dass ein namens des Kindes auftretender gesamtvertretungsberechtigter Elternteil von dem anderen ermächtigt ist, auch für ihn zu handeln; dabei muss nicht ausdrücklich auf eine erteilte Ermächtigung hingewiesen werden.198 Verfahrensrechtlich ist es nicht erforderlich, dass ein Nachweis der Vollmacht bereits bei der Stellung des Antrags oder Einlegung der Beschwerde erbracht wird. Bei befristeten Rechtsmitteln ist es unschädlich, wenn die Vollmacht erst nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgelegt wird, sofern sie nur bereits vorher erteilt war.199 b) Verlangen des Vollmachtsnachweises Nach § 13 S 3 hat der Vertreter seine Bevollmächtigung durch eine öffentlich beglau- 47 bigte Vollmacht nachzuweisen, wenn das Gericht es anordnet oder ein Beteiligter es verlangt. Die gerichtliche Anordnung steht im Ermessen des Gerichts; es wird die Form der öffentlichen Beglaubigung nur fordern, wenn ganz besondere Umstände dazu Anlass

191 192

193 194 195

Unger ZZP 37, 455. PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 2001, 174; OLG Frankfurt OLGZ 1980, 271; KG OLGZ 1971, 291. KGJ 33 A 65; KG DFG 1937, 83; Baur § 15 A V 1. BayObLGZ 1963, 209 zu III. BayObLG Rpfleger 1995, 495; OLG Frankfurt OLGZ 1994, 438; BayObLG Rpfleger 1989, 1498; KG JW 1938, 1834; Jansen,

196 197 198

199

DNotZ 1964, 707; Keidel/Zimmermann Rn 15. BayObLG Rpfleger 1995, 495. OLG Jena OLGR 4, 412; KG DFG 1937, 83; OLG München NJW RzW 1966, 46. MünchKomm/Huber § 1629 Rn 11, 12; Staudinger/Peschel-Gutzeit § 1629 Rn 35, 36. Josef ZBlIFG 9, 495; BayZ 1912, 231; Schlegelberger Anm 21; Baur § 15 A V 1a.

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

geben. Das Verlangen eines Beteiligten dagegen ist für das Gericht bindend; ohne prüfen zu dürfen, ob der Beteiligte zu dem Verlangen hinreichenden Anlas hat, darf es den Bevollmächtigten nicht mehr zulassen, bis er dem Verlangen nachgekommen ist; lediglich bei Schikane (§ 226 BGB) wird das Verlangen unbeachtet bleiben können.200 Sowohl die Anordnung des Gerichts als auch das Verlangen des Beteiligten können auf die Beibringung einer privatschriftlichen Vollmacht beschränkt werden.201 Unterbleibt eine Anordnung des Gerichts oder das Verlangen eines Beteiligten, so braucht der Bevollmächtigte von sich aus überhaupt keine Vollmachtsurkunde, auch keine privatschriftliche, vorzulegen. Wird eine allgemeine (General-)Vollmacht vorgelegt, so darf das Gericht eine besondere Vollmacht verlangen, die erkennen lässt, dass die Erklärungen des Vertreters dem Willen des Vertretenen entsprechen.202 Da die Verpflichtung zur Vorlegung einer Vollmachtsurkunde erst besteht, wenn die Vorlegung angeordnet oder verlangt wird, ist eine Zurückweisung wegen des Mangels der Vollmacht erst zulässig, wenn dem Bevollmächtigten zu ihrer Beibringung eine angemessene Frist erfolglos gesetzt worden ist.203 Ebenso ist zu verfahren, wenn eine Beschwerdeschrift mit dem Namen des Beschwerdeführers ohne Andeutung eines Vollmachtsverhältnisses von einem anderen unterzeichnet ist.204 c) Verfahren bei Nichterbringung des Vollmachtsnachweises

48

Wird der Vollmachtsnachweis nicht erbracht, so ist für das weitere Verfahren zu unterscheiden, ob das Gericht die behauptete Vertretungsmacht für nicht erteilt oder als erteilt ansieht. Hält das Gericht die behauptete Vertretungsmacht für nicht erteilt oder nicht erwiesen und wird der Mangel auch nicht durch Genehmigung geheilt, so fehlt es an einer Verfahrensvoraussetzung. Der Antrag oder das Rechtsmittel ist als unzulässig abzuweisen.205 Die Entscheidung ergeht der Form nach auf den Namen des angeblich vertretenen Beteiligten, obwohl die Abweisung gerade darauf beruht, dass er nicht Verfahrensbeteiligter geworden ist. Die Kosten sind dem vollmachtlosen Vertreter persönlich aufzuerlegen, wenn der Beteiligte zu dem Auftreten des unbefugten Vertreters keine Veranlassung gegeben hatte,206 weil zB das Mandat entzogen war207. Sie sind dem Beteiligten aufzuerlegen, wenn dieser, sei es auch rechtlich unwirksam, den Vertreter zu dem Auftreten im Verfahren veranlasst hatte. Zur Beschwerde gegen die Kostenentscheidung siehe Anm zu § 20a. Ist die Vollmacht als (formlos) erteilt anzusehen, wird aber trotz Fristsetzung eine 49 Vollmachtsurkunde in der verlangten Form (schriftlich oder öffentlich beglaubigt) nicht vorgelegt, so ist der Bevollmächtigte zurückzuweisen. Die vor der Zurückweisung vorgenommenen Verfahrenshandlungen sind wirksam, die später vorgenommenen wirkungslos.208 Über den Antrag muss, wenn er im übrigen zulässig ist, sachlich entschieden werden.

200 201 202 203

204

Schlegelberger Anm 21; Keidel/Zimmermann Rn 20. KGJ 33 A 65; KG OLGR 12, 411. KGJ 33 A 143 = RJA 8, 130. KGJ 24 A 148; 32 A 286; KG OLGR 8, 231; KG RJA 13, 11; KG JFG 17, 228 = JW 1938, 1834 = DNotZ 1938, 679; BayObLGZ 1, 662 = OLGR 4, 100; 1963, 209; OLG Hamm RdL 1952, 190; Schlegelberger Anm 21. KGJ 27 A 3.

366

205

206 207 208

KGJ 24 A 150 = OLGR 6, 483; KG OLGR 8, 231; KG RJA 13, 11; KGJ 33 A 72; BayObLG OLGR 4, 101; OLG Hamm RdL 1952, 190; Baur § 15 A V 2a; Keidel/Zimmermann Rn 15. OLG Frankfurt OLGZ 1980, 278; KG OLGZ 1971, 291. BayObLG NJW-RR 1999, 1686. BayObLG 1990, 57; Baur § 15 A V 2b; Keidel/Zimmermann Rn 15.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

d) Geschäftsführer ohne Auftrag Vertreter ohne Vertretungsmacht braucht das Gericht als Vertreter nicht zuzulassen; 50 es darf also ihre Verfahrenshandlungen sogleich zurückweisen. Das Gericht darf aber den vollmachtlosen Vertreter, ohne durch den Widerspruch der übrigen Beteiligten daran gehindert zu sein, nach seinem Ermessen einstweilen zulassen, wenn mit der Genehmigung seiner Verfahrenshandlungen gerechnet werden kann.209 Eine Sachentscheidung darf natürlich erst nach Beibringung der Genehmigung des Beteiligten ergehen. Wird die Genehmigung trotz Fristsetzung nicht beigebracht, so treten die in Rn 45 erörterten Folgen ein. Es bestehen keine Bedenken, auch in echten Streitsachen so zu verfahren, wenn nach Lage des Falles ein Bedürfnis dafür besteht, ohne dass es dazu mit Rücksicht auf die Freiheit des Gerichts bei der Verfahrensgestaltung erforderlich ist, § 89 ZPO entsprechend anzuwenden.210 Dagegen ist im Verfahren zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung (§§ 86 ff) die Zulassung eines Geschäftsführers ohne Auftrag unzulässig, weil sie dem Zweck des Gesetzes widersprechen würde, durch Eintritt der Säumnisfolgen alsbald klare Verhältnisse zu schaffen.211 Handelt jemand als gesetzlicher Vertreter, ohne es zu sein, oder überschreitet er die 51 Grenzen seiner gesetzlichen Vertretungsmacht, so richten sich die Folgen ebenfalls nach den Grundsätzen über die vollmachtlose Vertretung. 6. Notare als Bevollmächtigte a) Gesetzlich vermutete Vollmacht Nach § 15 GBO gilt der Notar, der die zu einer Eintragung erforderliche Erklärung 52 beurkundet oder beglaubigt hat, als ermächtigt, im Namen eines Antragsberechtigten die Eintragung zu beantragen. Dieselbe Regelung besteht für Anmeldungen beim Registergericht in Handels-, Genossenschafts-, Vereins-, Güterrechts und Schiffsregisterangelegenheiten (§§ 129, 147 Abs 1, 159 Abs 1, 161 Abs 1 FGG, § 25 SchiffsRegO). In Personenstandsregistersachen gilt die gleiche Ermächtigung nach § 71 FGG für von dem Notar beurkundete Vorgänge, die auf Antrag eines Beteiligten im Personenstandsbuch zu vermerken sind (§ 71 Rn 3, 4). Nach § 3 Abs 2 GrdstVG gilt der Notar, der einen genehmigungsbedürftigen Vertrag beurkundet hat, als ermächtigt, die Genehmigung zu beantragen. Der Notar hat in diesen Fällen das Antragsrecht nicht aus eigenem Recht oder im eigenen Namen,212 sondern er handelt als Bevollmächtigter eines Antragsberechtigten (Anmeldepflichtigen) kraft gesetzlich vermuteter Vollmacht. Ein Vollmachtsnachweis kann in diesen Fällen abweichend von § 13 S 3 nicht verlangt werden. Diese Antragsbefugnis kraft vermuteter Vollmacht hat der Notar auch, wenn ein Antragsberechtigter selbst den Antrag bereits in der überreichten Urkunde gestellt hat.213 Den von ihm selbst gestellten Antrag kann der Notar in der Form des § 24 Abs 3 BNotO durch ein mit seiner Unterschrift und seinem Amtssiegel versehene Erklärung zurücknehmen oder einschränken, nicht aber einen von dem Beteiligten selbst gestellten Antrag.214 Das Bestehen 209

210

OLG München WM 1952; 110; KG WM 1952; 317 u 600; OLG Frankfurt WM 152, 438; HansOLG Hamburg WM 1954, 701; Schlegelberger Anm 19; Keidel/Zimmermann Rn 26; Baur § 15 A V 2a; Habscheid § 17 IV 2; aA Unger ZZP 37, 466. Für eine entsprechende Anwendung: Baur § 15 A V 2a; Habscheid § 17 IV 2; Keidel/ Zimmermann Rn 26.

211 212 213

214

Schlegelberger Anm 19. BayObLG NJW-RR 2000, 990. KGJ 44, 172; BayObLG JFG 9, 201; Jansen DNotZ 1964, 707; vgl auch OLG Braunschweig NJW 1961, 1362 = DNotZ 1961, 413 m Anm Hieber. BayObLG DNotZ 1989, 364; BayObLGZ 1955, 48 = DNotZ 1956, 206; OLG Frankfurt Rpfleger 1958, 221; OLG Schleswig

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

der Vollmacht ist allerdings formlos widerlegbar, zB durch einfache Erklärung des vertretenen Beteiligten gegenüber dem Gericht, in Grundbuchsachen im Gegensatz zu der rechtsgeschäftlich erteilten Antragsvollmacht, deren Widerruf nach § 31 GBO der Form des § 29 GBO bedarf.215 Der Notar, der nach den genannten Vorschriften ermächtigt ist, eine Eintragung zu beantragen, ist in der Regel auch als ermächtigt anzusehen, eine erforderliche Genehmigungserklärung eines Vertragsteils entgegenzunehmen.216 In den Fällen der § 3 Abs 2 GrdstVG, § 71 FGG ist der Notar als befugt anzusehen, ohne Vollmachtsnachweis gegen den Bescheid der Behörde (des Standesbeamten) Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 22 GrdstVG, § 45 PStG zu stellen (§ 71 Rn 4). Die auf den Antrag des Notars ergehenden Entscheidungen (Zwischenverfügung, Zurückweisung, Eintragung) sind dem Notar selbst, nicht dem von ihm vertretenen Antragsberechtigten, bekanntzumachen,217 und zwar auch dann, wenn dieser neben dem Notar den Antrag gestellt hatte;218 eine Bekanntmachung an den Antragsberechtigten wäre unwirksam.219 Im Verfahren nach § 3 Abs 2 GrdstVG ist der Notar befugt, einen Bescheid oder Zwischenbescheid der Behörde in Empfang zu nehmen;220 richtigerweise ist anzunehmen, dass der Notar allein der richtige Bekanntmachungsadressat ist.221 Der Notar, der den Eintragungsantrag für einen Antragsberechtigten gestellt hat, gilt ferner, obwohl dies im Gesetz nicht besonders hervorgehoben wird, als bevollmächtigt, ohne weiteren Vollmachtsnachweis namens dieses oder eines anderen Antragsberechtigten gegen die auf seinen Antrag ergebende Verfügung Beschwerde (und weitere Beschwerde) einzulegen (§ 129 Rn 18). Kostenschuldner für die vom Notar gestellten Anträge sind nach § 2 Nr 1 KostO der oder die Antragsberechtigten, für die der Notar den Antrag gestellt hat oder für die er als gestellt gilt.222 Mangels einer ausdrücklichen Angabe ist anzunehmen, dass der Notar den Antrag namens aller Antragsberechtigten gestellt hat.223 b) Sonstige Tätigkeit der Notare auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege

53

Nach § 24 Abs 1 BNotO gehört zu dem Amt des Notars außer der reinen Beurkundungstätigkeit auch die sonstige Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiet vorsorgender Rechtspflege. Zur vorsorgenden Rechtspflege gehören die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit insoweit, als es sich nicht um echte Streitsachen handelt.224 Soweit sich nicht aus anderen Vorschriften Beschränkungen ergeben, ist der Notar in diesem Umfange nach § 24 Abs 1 S 2 BNotO vom Standpunkt seines Berufsrechts aus befugt, die Vertretung der Beteiligten vor Gerichten (und Verwaltungsbehörden) zu übernehmen.225 In Betracht kommt vor allem die Einholung behördlicher Genehmigungen zu von ihm

215 216

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SchlHA 1959, 197; OLG Hamm JMBlNRW 1961, 273; aA Hieber DNotZ 1956, 174. KGJ 24 A 91. BGHZ 29, 366 = Rpfleger 1959, 219 m Anm Haegele; BayObLGZ 1955, 155; OLG Karlsruhe JPG 11, 24. BGH NJW 158, 1532; KGJ 38 A 194; BayObLGZ 1988, 307 = Rpfleger 1989, 147; BayObLG Rpfleger 1996, 449; KG DNotZ 1933, 372; PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 1968, 154 m Anm Haegele. OLG München JFG 18, 20; Jansen DNotZ 1964, 707; Schöner/Stöber Rn 187; Bauer/ von Oefele/Meincke GBO § 55 Rn 10; aA Demharter GBO § 55 Rn 10, der Benach-

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221 222 223 224 225

richtigung an Notar und Antragsteller verlangt. OLG Düsseldorf Rpfleger 1984, 311. BGH Rpfleger 1963, 405 = RdL 1963, 90; 1964, 320; OLG Karlsruhe RdL 1963, 121; 1966, 37. So zutreffend OLG Köln JMBlNRW 1962, 284; Haegele Rpfleger 1963, 408. OLG Frankfurt Rpfleger 1965, 182; Korintenberg/Lappe KostO § 2 Rn 51. KGJ 38 A 196. Habscheid NJW 1964, 1502; Jansen DNotZ 1964, 707. BGH DNotZ 1965, 562 = Rpfleger 1965, 562; Jansen DNotZ 1964, 707.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

beurkundeten oder beglaubigten Rechtsvorgängen und die Weiterleitung der von ihm errichteten Urkunde an ein Gericht zum Zwecke des Vollzuges. Soweit diese Geschäfte nicht zu denen gehören, für die eine Bevollmächtigung des Notars nach gesetzlicher Vorschrift vermutet wird (Rn 50), bedarf auch der Notar zur Vertretung der Beteiligten vor Gericht einer ihm rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht. Insoweit ist seine Stellung keine andere als die eines Rechtsanwalts oder anderen Bevollmächtigten. Aus dem Umstand allein, dass der Notar eine Erklärung beurkundet oder beglaubigt hat, folgt noch nicht seine Vertretungsbefugnis, für den Urkundsbeteiligten Anträge zu stellen oder eine erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen. Außerhalb der gesetzlichen Vollmachtsvermutungen müssen daher auch Notare, wenn sie Anträge auf Grund von ihnen beurkundeter Erklärungen stellen, auf Anordnung des Gerichts oder auf Verlangen eines Beteiligten (§ 13 S 3) eine Vollmacht beibringen.226 Die allgemeine, einem Notar erteilte Vollmacht, auf Grund des § 24 BNotO in einer Nachlasssache tätig zu werden, reicht für die Einsichtnahme in den noch nicht eröffneten Teil eines Testaments nicht aus.227 Eine andere Frage ist es, ob der Notar stets zum Nachweis seiner Vertretungsbefugnis anzuhalten ist. Auch außerhalb der gesetzlichen Vollmachtsvermutungen darf das Gericht auf der Erfahrungstatsache, dass ein Notar auf Grund seiner beruflichen Stellung und der Standespflichten nicht ohne Vollmacht handeln wird, von dem Nachweis der Vollmacht absehen, wenn nach Lage der Sache an der Bevollmächtigung keine begründeten Zweifel bestehen können.228 Im Erbscheinsverfahren ist der Notar, der die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers beurkundet hat, dadurch noch nicht bevollmächtigt, den Antragsteller im Erbscheinsverfahren zu vertreten.229 Eine Bevollmächtigung kann jedoch in der Erklärung des Antragstellers gesehen werden, der beantragte Erbschein solle zu Händen des beurkundenden Notars erteilt werden.230 Auf Grund dieser Erklärung wird der Notar auch für befugt angesehen werden können, den Antrag zurückzunehmen,231 während eine Ermächtigung, den Antrag zu ändern, darin im Zweifel nicht liegen wird232. Verletzt der Notar durch die Vertretung eines Beteiligten seine Standespflichten, etwa seine Pflicht aus § 14 Abs 1 BNotO zur unparteiischen Betreuung der Beteiligten durch die Vertretung streitiger Interessen gegen einen anderen Beteiligten, so wird dadurch die Wirksamkeit seiner Verfahrenshandlungen nicht berührt.233

VII. Postulationsfähigkeit 1. Begriff Unter Postulationsfähigkeit ist die Befähigung zu verstehen, Verfahrenshandlungen 54 prozessual wirksam in das Verfahren einzuführen.234 In der freiwilligen Gerichtsbarkeit besitzt im allgemeinen jeder verfahrensfähige Beteiligte die Fähigkeit, Verfahrenshand226

227 228

KG RJA 4, 135 = OLGR 8, 232; KG RJA 7, 100 = OLGR 12, 398; KGJ 33 A 65, 70; KG RJA 13, 11, 13; Schlegelberger Anm 26; von Schuckmann/Preuß in Huhn/von Schuckmann BeurkG § 18 Rn 5. ThürOLG Jena FGPrax 1998, 61 = Rpfleger 1998, 249. BayObLG NJW-RR 1989, 1495; ThürOLG Jena FGPrax 1998, 61 = Rpfleger 1998, 249; BayObLGZ 16, 139; KG JFG 17, 228 = HRR 1938 Nr 743 = DFG 1938, 98 JW 1938, 1834 = DNotZ 1938, 679.

229 230 231 232 233 234

KG RJA 7, 100 = OLGR 12, 398. OLG München JFG 16, 306. LG Düsseldorf MittRheinNotK 1961, 120. KG OLGR 18, 370. Jansen DNotZ 1964; 707; Keidel/Zimmermann Rn 21a. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 45 I 2; Zöller/Vollkommer Vor § 50 Rn 16; für die freiw Gerichtsbarkeit Jansen DNotZ 1964, 707.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

lungen selbst oder durch einen von ihm bestellten Bevollmächtigten vorzunehmen und entgegen zu nehmen. Die Postulationsfähigkeit ist von der Vertretungsbefugnis zu unterscheiden. Das Vorhandensein dieser Fähigkeit macht eine gesetzlich vermutete oder wirklich erteilte (wenn auch nicht notwendig nachzuweisende) Verfahrensvollmacht nicht entbehrlich,235 und der Mangel der Postulationsfähigkeit begründet nicht die Unwirksamkeit der Verfahrensvollmacht. Die Postulationsfähigkeit ist Prozesshandlungsvoraussetzung und nicht Prozessvoraussetzung.236 Verfahrenshandlungen eines Postulationsunfähigen sind unwirksam;237 das Gericht muss sie als unzulässig zurückweisen. Der Mangel der Postulationsfähigkeit kann durch Wiederholung der Verfahrenshandlung durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten mit Wirkung ec nunc geheilt werden;238 auch fristgerechte heilende Genehmigung ist zulässig.239 Eine rückwirkende Heilung durch nachträgliche Genehmigung ist jedoch nicht möglich.240 2. Einschränkungen

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Einschränkungen der Postulationsfähigkeit finden sich aber für die Einlegung der weiteren Beschwerde durch eine Beschwerdeschrift, für welche nur Rechtsanwälte, Behörden und unter gewissen Voraussetzungen Notare postulationsfähig sind (§§ 29 Abs 1, 80 Abs 1; § 129 Satz 2 mit § 88 Abs 1 S 3 SchiffsRegO). Im Falle der gerichtlichen Entscheidung über die Zusammensetzung eines Aufsichtsrats (§ 98 AktG) kann die Beschwerde nur durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift eingelegt werden (§ 99 Abs 3 AktG); gleiches gilt für die gerichtliche Entscheidung über das Auskunftsrecht (§ 132 AktG). Im Landwirtschaftsverfahren müssen die Beteiligten sich nach § 29 LwVG vor dem Bundesgerichtshof durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen; für andere Beteiligte als den Beschwerdeführer gilt das nur, wenn sie Anträge in der Sache stellen wollen.241 Im Fall des § 157 Abs 2 ZPO (oben Rn 42) beruht der Mangel auf dem zurückweisenden Gerichtsbeschluss und beschränkt sich auf das Auftreten in mündlichen Verhandlungen. 3. Europäische Rechtsanwälte

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Seit dem 14. März 2000 gilt für Rechtsanwälte aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG).242 Für die Berufsausübung als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt gemäß § 2 EuRAG ist es notwendig, bei der für die Niederlassung zuständigen Rechtsanwaltskammer aufgenommen und bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaates als europäischer Rechtsanwalt eingetragen zu sein. Der niedergelassene europäische Rechtsanwalt hat die Berufsbezeichnung zu verwenden, die er im Herkunftsstaat nach dem dort geltenden Recht zu führen berechtigt ist, § 5 Abs 1 EuRAG. Für die Rechtsstellung nach Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer gelten die Vorschriften des Dritten,

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Jansen DNotZ 1964, 707; Keidel/Zimmermann Rn 21a. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 45 Rn 2. BGHZ 111, 342 = NJW 1990, 3086; BGH NJW 1992, 1700. BVerfG 8, 94. BGHZ 111, 342 = aaO; BGH NJW-RR 1999, 855 = FamRZ 1999, 1497; PfälzOLG

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Zweibrücken OLGR Koblenz 1997, 51; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1520; OLGR Frankfurt 1998, 125. BGHZ 90, 253; 111, 344 mwN. Barnstedt/Steffen § 29 Rn 2. Vom 9.3.2000 (BGBl S 182, ber in BGBl S 1349).

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

Vierten, Sechsten, Siebenten, Neunten bis Elften und Dreizehnten Teils der Bundesrechtsanwaltsordnung, § 6 Abs 1 EuRAG. Ein europäischer Rechtsanwalt darf, sofern er Dienstleistungen im Sinne des Art 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erbringt, vorübergehend in Deutschland die Tätigkeiten eines Rechtsanwalts ausüben (dienstleistender europäischer Rechtsanwalt), § 25 ff EuRAG. Der dienstleistende europäische Rechtsanwalt darf in Verfahren, in denen der Mandant nicht selbst den Rechtsstreit führen oder sich verteidigen kann, als Vertreter oder Verteidiger eines Mandanten nur im Einvernehmen mit einem Rechtsanwalt (Einvernehmensanwalt) handeln, § 28 Abs 1 EuRAG. Das Einvernehmen ist bei der ersten Handlung gegenüber dem Gericht oder der Behörde schriftlich nachzuweisen; Handlungen, für die der Nachweis des Einvernehmens zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, sind unwirksam § 29 Abs 1, 3 EuRAG.

VIII. Nichtgerichtliche Behörden. Landesrecht Nach § 194 Abs 1 gilt § 13 auch für nichtgerichtliche Behörden, die nach Landes- 57 gesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 13 durchweg für anwendbar erklärt, im Geltungsbereich des PrFGG unter dem Vorbehalt entgegenstehender Vorschriften (Art 1 S 2 PrFGG).

IX. Reformvorhaben Als problematisch wird vielfach angesehen, dass dem FGG ein „Allgemeiner Teil“ 58 fehlt, in dem zB die Beteiligtenfähigkeit, die Verfahrensfähigkeit sowie die Vertretung geregelt sind. Schon der Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit243 sah für den Entwurf einer Verfahrensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit (FrGO) die Einführung eines Allgemeinen Teils vor, in dem sowohl der Beteiligtenbegriff als auch die Beteiligtenfähigkeit sowie die Vertretung durch Bevollmächtigte und Beistände geregelt waren (§§ 8 ff FrGO). Auch die aktuellen Reformbestrebungen greifen diese Problematik wieder auf.244 Der Entwurf des FGG-Reformgesetzes245 beinhaltet diesen geforderten „Allgemeinen Teil“ und regelt in §§ 8 bis 13 FamFG-E die Grundsätze hinsichtlich der Beteiligten-, Verfahrensfähigkeit und Bevollmächtigung. Zur Beteiligtenfähigkeit sieht der Entwurf in §§ 8, 9 FamFG-E derzeit folgende For- 59 mulierung vor: § 8 Beteiligte (1) In Antragsverfahren ist der Antragsteller Beteiligter. (2) Als Beteiligte sind hinzuzuziehen 1. diejenigen, deren Recht durch den Ausgang des Verfahrens unmittelbar betroffen wird, 2. diejenigen, die aufgrund dieses oder eines anderen Gesetzes zu beteiligen sind. 243 244

245

Herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz im Dezember 1977. Siehe hierzu den Problemkatalog des BMJ für die Reform des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit v 2.5.2002 S 13 ff – Beteiligtenfähigkeit S 16 und Verfahrensfähigkeit S 17 sowie Vertretung S 18. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur

Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006, regelt unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

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§ 13

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

(3) Als Beteiligte können von Amts wegen hinzugezogen werden 1. diejenigen, deren Recht durch den Ausgang des Verfahren unmittelbar betroffen werden kann, 2. diejenigen, die aufgrund dieses oder eines anderen Gesetzes beteiligt werden können. Auf Antrag sind sie hinzuziehen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. Das Gericht entscheidet durch Beschluss, wenn es einem Antrag auf Hinzuziehung nicht entspricht. (4) Diejenigen, die nach Absatz 3 als Beteiligte zu dem Verfahren hinzugezogen werden können, sind von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen, soweit sie dem Gericht bekannt sind. Sie sind über das Antragsrecht und über die Wirkungen des Antrags zu belehren. (5) Wer anzuhören ist oder eine Auskunft zu erteilen hat, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 2 oder 3 vorliegen, wird dadurch nicht Beteiligter. (6) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, wenn es einem Antrag auf Hinzuziehung nicht entspricht. § 9 Beteiligungsfähigkeit Beteiligungsfähig sind 1. natürliche und juristische Personen, 2. Vereinigungen, Personengruppen und Einrichtungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, 3. Behörden.

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Mit einer formalisierten, allgemeinen Vorschrift über die Beteiligung am FamFG-Verfahren soll künftig möglichst frühzeitig Klarheit darüber hergestellt werden, wer Beteiligter des Verfahrens ist und wer es werden kann. Dies soll sowohl einer möglichst umfassenden Tatsachenaufklärung dienen, als auch der Gewährung rechtlichen Gehörs der voraussichtlich von der Entscheidung betroffenen Beteiligten; deshalb soll unterschieden werden zwischen den Personen, die in jedem Fall von der Entscheidung betroffen sein werden und denjenigen, bei denen lediglich die Möglichkeit, nicht jedoch die Gewissheit einer Betroffenheit besteht, wodurch eine möglichst umfassende Einbeziehung der materiell Betroffenen gewährleistet werden soll, andererseits aber auch eine übermäßige Belastung des Gerichts vermieden werden soll. Neben dem Antragsteller (§ 8 Abs 1 FamFG-E) soll auch der Personenkreis hinzuzuziehen sein, bei dem sich bereits frühzeitig absehen lässt, dass er sicher von der Entscheidung betroffen sein wird (Abs 2); das sind diejenigen, deren Recht durch den Ausgang des Verfahrens unmittelbar betroffen wird. Mit dem Kriterium der Unmittelbarkeit soll die Regelung klarstellen, dass eine Beteiligung nur dann zu erfolgen hat, wenn subjektive Rechte des Einzelnen betroffen sind, dh eine direkte Auswirkung auf materielle nach öffentlichem oder privatem Recht geschützte Positionen und nicht nur ideelle, soziale oder wirtschaftliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden. Nicht ausreichend sollen des weiteren rein mittelbare Auswirkungen einer Entscheidung oder die lediglich tatsächlich „präjudizielle“ Wirkung auf andere, gleich gelagerte Fälle sein.246 Im Hinblick auf die zu dem Verfahren hinzuzuziehenden Personen wird generalklau61 selartig auf ausdrückliche gesetzliche Regelungen verwiesen, das können entweder Vorschriften des Besonderen Teils sein oder Vorschriften anderer Gesetze, die insoweit auf das FamFG-Verfahren verweisen. Der Entwurf enthält im Besonderen Teil Regelungen hinsichtlich der stets am Verfahren zu beteiligenden Personen, die sicher durch die Entscheidung des Gerichts betroffen sein werden. Die ohne Ermessensspielraum des Gerichts stets an dem Verfahren zu beteiligenden Personen sollen zB in Abstammungssachen das Kind, die Mutter, der Vater sowie der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben sein (§ 181 FamFG-E); in Betreuungssachen sowie Unterbringungssachen der Betroffene, der Betreuer, soweit sein Aufgaben246

RefE FGG-ReformG Begründung S 365.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

kreis betroffen ist und der Bevollmächtigte iSd § 1896 Abs 2 S 2 BGB (§§ 286, 328 FamFG-E), aber auch die Eltern bei einer Sorgerechtsentscheidung nach § 1666 BGB oder der Erbscheinsbesitzer im Erbscheinseinziehungsverfahren. § 8 Abs 3 S 1 FamFG-E bestimmt die Personen, die von Amts zu dem Verfahren hinzugezogen werden können, hierbei soll es sich um Personen handeln, denen nach geltender Rechtslage gemäß § 20 FGG die Beschwerdebefugnis eröffnet wäre, deren Hinzuziehung als zweckmäßig angesehen wird. Nr 2 bestimmt, dass Personen hinzugezogen werden können, soweit dies gesetzlich bestimmt ist. Im Besonderen Teil werden exemplarisch Personen aufgeführt, die von der Entscheidung des Gerichts betroffen werden können. Dies können zB Erbprätendenten in einem Erbscheinsverfahren oder mögliche Miterben, die die Erbschaft angenommen haben, an dem Verfahren zur Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gemäß § 2357 BGB sein. Des weiteren soll im Besonderen Teil die Möglichkeit der Beiziehung von Personen vorgesehen sein, die lediglich ein ideelles Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Dies sollen etwa die näheren Angehörigen im Betreuungs- oder Unterbringungsverfahren sein. Soweit es ausschließlich um die Wahrnehmung dieser sozialen Interessen geht, soll die Aufzählung im Besonderen Teil des Gesetzes abschließend sein, anders als bei den oben Genannten soll gelten, wenn eine solche Wahrnehmung der Rechte Dritter im Besonderen Teil nicht geregelt ist, soll eine Hinzuziehung über die Generalklausel der Nr 1 unstatthaft sein.247 § 8 Abs 3 S 2 FamFG-E soll das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts dahingehend einschränken, dass eine Person, die durch den Ausgang des Verfahrens in ihren Rechten betroffen sein kann, die Hinzuziehung zum Verfahren beantragen kann und das Gericht sie in jedem Fall hinzuzuziehen hat. Bei der Unterscheidung zwischen den Personengruppen der Abs 2 und 3 soll das Gericht jedoch den jeweiligen Verfahrensstand zu berücksichtigen haben; wenn sich die Tätigkeit des Gerichts dahingehend verdichtet, dass anzunehmen ist, dass eine Person, die zuvor lediglich als Beteiligte gemäß Abs 3 hinzugezogen werden konnte, nunmehr voraussichtlich von der Entscheidung betroffen sein wird, so soll das Ermessen des Gerichts hinsichtlich der Hinzuziehung entfallen. Diese Person soll dann zwingend zu dem Verfahren hinzuzuziehen sein, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 erfüllt sind. Gewährleistet werden soll dieses durch die rechtzeitige Gewährung des rechtlichen Gehörs für den genannten Personenkreis, außerdem soll ihnen die Möglichkeit eröffnet werden, einen Antrag auf Hinzuziehung zu dem Verfahren zu stellen. Personen und Behörden, die aufgrund von Vorschriften im Besonderen Teil in einem Verfahren anzuhören sind oder eine Auskunft zu erteilen haben, soll nicht allein dadurch schon zu Beteiligten des Verfahrens werden (Abs 5). Die Hinzuziehung soll regelmäßig keines formellen Hinzuziehungsaktes bedürfen, dieses kann vielmehr auch konkludent, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen erfolgen. Einer ausdrücklichen Entscheidung soll es jedoch bedürfen, soweit das Gericht einen Hinzuziehungsantrag zurückweist, da dieser gemäß § 62 Nr 3 FamFG-E mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sein wird. Hinsichtlich der Beteiligungsfähigkeit greift der Entwurf das auf, was Literatur und Rechtsprechung zum geltenden Recht entwickelt haben. Beteiligtenfähig sollen demnach gemäß § 9 FamFG-E natürliche und juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts sein, aber auch nichtrechtsfähige Vereine, denen das Gesetz Beteiligtenfähigkeit erteilt (zB Gewerkschaften gemäß §§ 98 ff AktG) und Behörden ohne eigene Rechtspersönlichkeit, soweit sie ein eigenes Antragsrecht haben. 247

RefE FGG-ReformG Begründung S 366.

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§ 13 67

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Die Verfahrensfähigkeit soll in § 10 des Entwurfs geregelt werden. Die Vorschrift lautet wie folgt: § 10 Verfahrensfähigkeit (1) Verfahrensfähig sind 1. die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen, 2. die nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens nach bürgerlichem Recht als geschäftsfähig oder nach öffentlichem Recht als handlungsfähig anerkannt sind, 3. diejenigen, die im Besonderen Teil dieses Gesetzes dazu bestimmt werden. (2) Soweit ein Geschäftsunfähiger oder in der beschränkt Geschäftsfähiger nicht verfahrensfähig ist, handeln für ihn die nach dem bürgerlichen Recht dazu befugten Personen. (3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter, Vorstände oder besonders Beauftragte. (4) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden eines Beteiligten gleich. (5) Die §§ 53 bis 58 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

In § 10 Abs 1 FamFG-E248 soll zunächst einmal geregelt sein, dass verfahrensfähig die nach bürgerlichem Recht voll Geschäftsfähigen sind; außerdem die nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen, soweit sie nach bürgerlichem Recht als geschäftsfähig oder nach öffentlichem Recht als handlungsfähig angesehen werden (oben Rn 25 ff). Die Vorschrift ist § 62 Abs 1 Nr 2 VwGO nachgebildet und verweist zu Recht nicht auf §§ 51, 52 ZPO. Die Verfahrensfähigkeit der nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen kann sich für bestimmte Verfahrensgegenstände des weiteren auch aus öffentlichem Recht ergeben. Inwieweit dies der Fall ist, ist im Zweifel durch Auslegung der in Frage stehenden Vorschriften unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung zu entscheiden. Außerdem soll weiter den Besonderheiten der betreuungs- und unterbringungsrechtlichen Verfahren Rechnung getragen werden, denn wie im bisherigen Recht, soll der Betroffene in diesen Verfahren stets verfahrensfähig sein (§ 287 FamFG-E). Hinsichtlich der Vertretung nicht verfahrensfähiger Personen soll auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts verwiesen werden. 69 Die Regelung bzgl der Verfahrensfähigkeit von Vereinigungen und Behörden soll an § 62 Abs 3 VwGO angelehnt werden, wobei der Begriff der Vereinigung weit zu verstehen sein soll, denn er wird auch juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts sowie nichtrechtsfähige Vereinigungen iSd § 9 Nr 2 FamFG-E umfassen. Zur Vertretung befugt sein sollen neben den gesetzlichen Vertretern auch vertretungsbefugte Personen kraft Amtes. 70 Hinsichtlich der Fristversäumung bei der sofortigen Beschwerde soll die Regelung an den bisherigen § 22 Abs 2 S 2 FGG anknüpfen, der das Verschulden des Vertreters mit dem des Vertretenen gleichsetzt. Dieser Rechtsgedanke soll jedoch über den bisherigen engen Anwendungsbereich auf die Wiedereinsetzung bei Einlegung des befristeten Rechtsmittels hinaus erweitert werden; soll sich die Zurechnung gegenüber dem Vertretenen nunmehr auf alle Handlungen des gesetzlichen Vertreters erstrecken. Die Zurechnung des Verschuldens des gewillkürten Vertreters ist demgegenüber künftig in § 12 Abs 3 FamFG-E (Verweisung auf § 85 Abs 2 ZPO) geregelt. 71 Mit der entsprechenden Anwendung der §§ 53 bis 58 ZPO soll den prozessualen Besonderheiten etwa hinsichtlich einer Betreuung oder Pflegschaft (§ 53 ZPO), der Vor-

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Begründung s RefE FGG-ReformG S 368– 370.

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Beistände und Bevollmächtigte

§ 13

nahme einzelner Prozesshandlungen ohne besondere Ermächtigung (§ 54 ZPO) und der Prüfung der Verfahrensfähigkeit von Ausländern (§ 55 ZPO) Rechnung getragen werden. Auch die Möglichkeit der Zulassung eines Beteiligten zur Verfahrensführung unter Vorbehalt (§ 56 Abs 2 ZPO) wird eröffnet werden. Nunmehr ausdrücklich geregelt soll die entsprechende Anwendung von § 57 ZPO werden, so dass bei Gefahr im Verzuge das Gericht dem Betroffenen einen Pfleger zu bestellen hat. Vorrangig wird das Gericht daher auch künftig die Bestellung etwa eines Ergänzungspflegers zu erwägen haben. Schließlich soll die Möglichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers bei einem herrenlosen Grundstück oder Schiff (§ 58 ZPO) eröffnet werden. § 11 FamFG-E soll regeln, in welchem Umfang ein Beteiligter sich durch einen Bevoll- 72 mächtigten vertreten lassen kann sowie vor welchen Gerichten eine Vertretung durch einen Bevollmächtigten erforderlich ist: § 11 Bevollmächtigte (1) Die Beteiligten können sich im Verfahren durch die nach Maßgabe des § 79 ZPO zur Vertretung befugten Personen vertreten lassen, soweit in den nachfolgenden Absätzen nichts Anderes bestimmt ist. (2) Vor den Oberlandesgerichten müssen sich die Beteiligten durch einen bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dies gilt nicht für die Beteiligten in selbständigen Familiensachen. Der Zuziehung eines Rechtsanwaltes bedarf es nicht, wenn die Beschwerde von einem Notar eingelegt wird, der in der Angelegenheit für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt hat. (3) Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. (4) Behörden, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen sowie sonstige Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts und deren Verbände einschließlich der Spitzenverbände und ihrer Arbeitsgemeinschaften brauchen sich nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. (5) Der Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf es nicht 1. im Verfahren über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen, 2. im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe, 3. im Verfahren der einstweiligen Anordnung, 4. für Verfahrenshandlungen vor dem ersuchten oder beauftragten Richter, 5. für Verfahrenshandlungen von Zeugen, Sachverständigen oder Dritten. (6) In Anwaltsverfahren hat das Gericht so früh wie möglich auf die Notwendigkeit der Vertretung durch einen Anwalt hinzuweisen und zur Bestellung eines Anwalts aufzufordern. (7) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der vorstehenden Vorschriften zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. (8) Für die Beiordnung eines Notanwaltes gelten die §§ 78b, 78c der ZPO entsprechend.

§ 11 Abs 1 FamFG-E249 wird an den bisherigen § 13 S 2 FGG anknüpfen und stellt 73 zunächst klar, dass ein Beteiligter sich im Verfahren vertreten lassen kann. Um die Vertretung durch einen geeigneten Bevollmächtigten zu gewährleisten, soll ergänzend auf § 79 ZPO verwiesen werden. Im Übrigen entsprechen die Regelungen inhaltlich § 78 Abs 2 bis 4 ZPO. Übernommen werden soll auch die Beschränkung der Vertretung auf Rechtsanwälte, die beim Bundesgerichtshof zugelassen sind. Dieses folgt aus der Umgestaltung des Rechtsmittelverfahrens, denn der Bundesgerichtshof wird künftig als Rechtsbeschwerdeinstanz für die Rechtsbeschwerden in FamFG-Sachen zuständig sein und da

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Begründung s RefE FGG-ReformG S 370/ 371.

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Vor § 13a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

die Rechtsbeschwerdegründe detailliert darzulegen sein werden, soll durch die Beschränkung der Postulationsfähigkeit auf einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt gewährleistet werden, dass eine hinreichende Spezialisierung des Anwalts mit Fragen des Rechtsbeschwerderechts besteht. Die Abs 4 und 5 sollen die Ausnahmen vom Erfordernis, sich in FamFG-Verfahren 74 anwaltlich vertreten zu lassen, regeln; Abs 4 ersetzt die bisherigen Bestimmungen der §§ 78 Abs 4 ZPO und 29 Abs 1 S 3 FGG und Abs 5 beruht darauf, dass im FamFG-E von einer § 78 Abs 5 ZPO entsprechenden Vorschrift abgesehen wurde. Das Gericht soll verpflichtet sein, auf die Notwendigkeit zur Vertretung durch einen Anwalt hinzuweisen, damit soll verhindert werden, dass ein Beteiligter aus Unkenntnis einen Rechtsnachteil erleidet. Abs 7 soll der Klarstellung dienen und ist an § 78 Abs 6 ZPO angelehnt. Außerdem soll die Beiordnung eines Notanwaltes in entsprechender Anwendung der §§ 78b und 78c ZPO statthaft sein. Die Regelungen zur Verfahrensvollmacht sind in § 12 FamFG-E und die zum Beistand 75 in § 13 FamFG-E enthalten: § 12 Verfahrensvollmacht (1) Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen des Gerichts oder eines Beteiligten die Bevollmächtigung nachzuweisen. (2) Die §§ 81 bis 89 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. § 13 Beistand Ein Beteiligter kann mit einer nach Maßgabe des § 90 der Zivilprozessordnung befugten Person als Beistand erscheinen.

Zunächst knüpft § 12 FamFG-E an den bisherigen § 13 S 3 FGG an, lässt als Nachweis jedoch künftig jeden schriftlichen Nachweis der Bevollmächtigung genügen. Hierdurch soll die Überprüfung der Richtigkeit der Bevollmächtigung in hinreichendem Maß ermöglicht werden. Umfang, Wirkung, Fortbestand und Erlöschen der Vollmacht sowie der Mangel der Vollmacht und die Erklärung eines vollmachtlosen Vertreters werden nach der Neuregelung durch die entspr Anwendung der §§ 81 bis 89 ZPO geregelt werden, wodurch Auslegungsschwierigkeiten beseitigt und die Prozessordnungen im Hinblick auf den Umfang und die Wirkung der Vollmacht harmonisiert werden sollen. § 13 FamFG-E knüpft an den bisherigen § 13 S 1 FGG an und soll über die geltende 77 Rechtslage hinaus klarstellen, dass die Voraussetzungen des § 90 ZPO auch in FamFGVerfahren für den Beistand gelten.

76

Vorbemerkungen zu § 13a Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Literatur Braun Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) – Überblick über das neue Vergütungssystem, RVGreport 2004, 6; Dörndorfer Einstweilige Anordnungen in Ehe- und Familiensachen, JurBüro 2002, 456; Dümig Die kostenrechtliche Behandlung der GbR in Grundbuchsachen, JurBüro 2002, 567; Enders Elterliche Sorge als Folgesachen im Verbund, Gebührenrechtliche Auswirkungen der Reform des Kindschaftsrechts, JurBüro 1998, 617; ders Wert im Verfahren wegen Gefährdung des Kindesvermögens, JurBüro 2000, 405; ders Die anwaltliche Honorarrechnung in erbrechtlichen Angelegenheiten, hier Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern, JurBüro 2000, 561; Hansens Neuerungen im Kosten- und Vergütungsfestsetzungsverfahren, Rpfleger 2001, 573; ders BRAGO oder RVG? – Die Übergangsregelungen des Entwurfs zum RVG, RVGreport 2004, 10; ders Die Ver-

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gütung im Wohnungseigentum-Verfahren, RVGreport 2005, 122 u 162; ders Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) – das Ende der Gebührenerhöhung nach Nr 1008 VV RVG? RVGreport 2005, 281; Hofrath Beweisgebühr nach § 613 ZPO – zusätzliche Anhörung zur elterlichen Sorge, JurBüro 1999, 7; Hornung Änderungen des Verjährungsrechts in den Justizkostengesetzen, Rpfleger 2002, 604; Kitzinger Die Vergütung es Rechtsanwalts in Familiensachen nach dem RVG, FamRZ 2005, 10; Krause Die Vergütung des Rechtsanwalts in Familiensachen, FamRZ 2004, 148; Lappe Modernes Justizkostenrecht? NJW 2004, 2409; ders Der Gegenstandswert RpflStud 1980, 51; Müller-Rabe Gebührenhöhe bei Beschwerden in isolierten Familiensachen, AGS 2003, 93; Mümmler Anwaltsgebühren im familienrechtlichen Verfahren, JurBüro 1996, 294; N. Schneider Einstweilige Anordnungen in selbständigen Familiensachen, AGS 2003, 50; Volpert Die Übergangsregelungen des RVG in Familiensachen, RVGreport 2005, 201; ders Die Geltendmachung des anrechnungsfrei verbleibenden Teils der Geschäftsgebühr in Familiensachen, RVGreport 2005, 241; ders Die Gerichtskosten im Wohnungseigentum-Verfahren, RVGreport 2005, 285 u 365; ders Die Vergütung in Scheidungs- und Folgesachen, RVGreport 2005, 407 u 444.

Übersicht Rdn I. Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt der Kostenordnung . . . . . . 2. Grundzüge des Kostenrechts . . . . 3. Kostenansatz . . . . . . . . . . . . 4. Geschäftswerte . . . . . . . . . . . 5. Kostenschuldner . . . . . . . . . . 6. Kostensicherung . . . . . . . . . . 7. Beitreibung . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsanwaltsvergütung . . . . . . . . 1. Wertgebühren und Rahmengebühren 2. Auslagen . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

Rdn

1 3 5 6 7 8 9 10 11 12 21

3. Der Gegenstandswert . . . . . . . 4. Die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts . . . . . . . . . . 5. Vergütungsfestsetzung gemäß § 11 RVG . . . . . . . . . . . . . III. Grenzüberschreitender Rechtsverkehr IV. Reformvorhen . . . . . . . . . . . . 1. FamGKG . . . . . . . . . . . . . 2. Änderung anderer kostenrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . .

. .

26

. .

28

. . . .

. . . .

29 33 42 42

. .

50

I. Gerichtskosten Für die von der Staatskasse (und den Notaren) zu erhebenden Kosten (Gebühren und 1 Auslagen) ist maßgebend das Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung).1 Zusätzlich gilt noch die Kostenverfügung vom 1. März 1976, eine bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift des Bundes und der Länder, die in allen Bundesländern durch die jeweiligen Justizministerialblätter – teilweise mit Zusatzbestimmungen – veröffentlich worden ist.2 Sie ist eine den Richter nicht bindende Verwaltungsanweisung. Die Kostenordnung strebt zwar eine weitgehende Kodifizierung des Kostenrechts an, 2 jedoch sind daneben zahlreiche für besondere Materien geltende Sondervorschriften bestehen geblieben oder eingeführt worden, die eigentlich in die KostO hätten aufgenommen werden können oder müssen, weil entweder FGG-Vorschriften gelten oder aber für anwendbar erklärt worden sind.3 Hervorzuheben sind insbesondere § 48 WEG;4 §§ 33 ff LwVG; §§ 100 ff SachenRBerG; §§ 200 ff BRAO; § 111 BNotO; §§ 18 ff HöfeVfO; § 30 EGGVG; §§ 260 Abs 3 und 4 AktG sowie das Auslandskostengesetz (AKostG) und die Auslandskostenverordnung (AKostV).5 1

2

Vom 26. Juli 1957 (BGBl S 861, 960). Zur Gesetzesgeschichte s Korintenberg/Reimann Einf Rn 1 ff; Rohs/Wedewer Einl v § 1 Rn 1 ff. Nachweise s Korintenberg/Hellstab Anh D.

3 4 5

Rohs/Wedewer Einl v § 1 Rn 6. S hierzu Volpert RVGreport 2005, 285 u 365. Zu den Gerichtskosten nach FG-Nebengesetzen s Korintenberg/Hellstab Anh B.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Daneben bestehen zahlreiche Gebührenbefreiungs- und Ermäßigungsvorschriften.6 Eine Besonderheit gilt, wenn bestimmte FGG-Verfahren im Scheidungsverbund als Folgesachen anhängig sind (§ 623 ZPO), denn dann gilt für den Verbund insgesamt das GKG, so dass für die FGG-Folgesachen (zB Versorgungsausgleich, Kindessachen wie elterliche Sorge, Umgangsregelung, Kindesherausgabe; Regelung der Rechtsverhältnisse an Wohnung und Hausrat) nicht die KostO, sondern § 46 GKG und die Gebühren nach KV 1310 ff. 1. Inhalt der Kostenordnung Die Kostenordnung regelt in ihrem ersten Teil (§§ 1 bis 139) die Gerichtskosten, im zweiten Teil (§§ 140 bis 157) die Kosten der Notare. Die Allgemeinen Vorschriften (§§ 1 bis 35) enthalten Bestimmungen über den Anwendungsbereich (§ 1), über Kostenschuldner (§§ 2 bis 6), über Fälligkeit (§ 7), Vorauszahlung und Sicherstellung (§§ 8 bis 10), über Kostenbefreiungen (§§ 11 bis 13), über den Kostenansatz, Erinnerung und Beschwerde dagegen, die Nachforderung, Nichterhebung und Verjährung von Kosten (§§ 14 bis 17), über den Geschäftswert (§§ 18 bis 31a) und über die Gebührensätze (§§ 32 bis 35). Die Gebühren in den einzelnen Angelegenheiten sind geregelt in §§ 36 bis 59 für Beurkundungen und ähnliche Geschäfte, in §§ 60 bis 78 für Grundbuchsachen, in §§ 79 bis 90 für Registersachen, in §§ 91 bis 100a für familienrechtliche Angelegenheiten, in § 101 bis 117 für Nachlass- und Teilungssachen, in §§ 118 bis 128b für verschiedene sonstige Angelegenheiten. Die §§ 129 bis 135 enthalten ergänzende Gebührenvorschriften für Anträge und Beschwerden, beglaubigte Abschriften und Ausfertigungen, Vollstreckungshandlungen, Rechtskraftzeugnisse und Kostenfestsetzung. Die §§ 136 bis 139 befassen sich mit den zu erhebenden Auslagen. Die Kosten der Notare sind in den §§ 140 bis 157 geregelt. Die §§ 158 bis 162 enthalten Schlussvorschriften. Durch das KostRMoG7 wurde mit Einführung des RVG ein weiteres Gesetz vom 4 äußeren Aufbau her anderen Kostengesetzen angepasst, denn im RVG wurde die Struktur des GKG, des GvKostG und der JVKostO übernommen, wonach sämtliche Gebührentatbestände nicht im Gesetzt selbst, sondern in einem gesonderten Vergütungsverzeichnis abschließend geregelt werden. Auch die KostO soll später entsprechend umgestaltet werden.8

3

2. Grundzüge des Kostenrechts

5

Kosten (Gebühren und Auslagen), werden gemäß § 1 KostO nur nach diesem Gesetz erhoben, soweit bundesrechtlich nichts anderes bestimmt ist. Das bedeutet, dass, wenn und soweit in der KostO oder in einer anderen bundesrechtlichen Vorschrift für ein gerichtliches Geschäft der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Gebühr nicht bestimmt ist, eine solche auch nicht erhoben werden darf. Die Tätigkeit des Notars dagegen ist grundsätzlich gebührenpflichtig (§§ 140, 147 KostO). Die Gebührenregelung beruht auf dem Pauschsystem. Durch die für ein Geschäft bestimmten Gebühren wird auch die auf das Geschäft entfaltete Nebentätigkeit abgegolten, dh die unselbständige, vorbereitende oder fördernde Tätigkeit (§ 35). Die für ein Verfahren bestimmte Gebühr gilt die gesamte 6 7

Zusammengestellt bei Korintenberg/Lappe Anh A. Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG) vom 5. Mai 2004 (BGBl S 718).

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8

Gesetzesbegründung zum KostRMoG (BTDrs 15/1971) S 144.

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Tätigkeit ab, die das Gericht oder der Notar in diesem Verfahren entfaltet, sofern nicht außer der Gebühr für das Verfahren im allgemeinen noch besondere Gebühren für in dem Verfahren vorgenommene Handlungen bestimmt sind, wie zB in § 53. In gewissem Umfange werden auch Auslagen durch die Gebühr abgedeckt, so grundsätzlich die Dokumentenpauschale (§ 136 Abs 4) und bei den Gerichten die Entgelte für den Telefondienst. Die Gebühren werden im allgemeinen nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand des Geschäfts bei Fälligkeit hat (Wertgebühr); sie erhöhen sich nach dem System der Wertklassen mit der Zunahme des Wertes (vgl die Tabelle der Anlage zu § 32). Rahmengebühren kommen so gut wie nicht mehr vor (§ 84 Abs 4); dabei handelt es sich um eine Gebühr, bei der nur ein Höchst- und ein Mindestbetrag bestimmt ist (Betragsrahmen); die Bemessung der Gebühr innerhalb des Rahmens richtet sich nach den Umständen, insbesondere dem Umfang und der Bedeutung der Sache (§ 34). Häufiger werden derzeit Festgebühren erhoben (§§ 56, 72, 73, 84 Abs 5, 89 Abs 1, 126 Abs 3). Auf den Umfang des Geschäfts und die darauf verwendete Zeit kommt es im allgemeinen nicht an, abgesehen von der Ausfüllung des Rahmens bei Rahmengebühren (Ausnahme § 52 Abs 1). Bei einzelnen Geschäften wird ihr Umfang und die Ausdehnung des Verfahrens in der Weise berücksichtigt, dass Mindestgebühren (§§ 51 Abs 2 und 5, 149 Abs 3) und zwar unabhängig von dem Mindestbetrag einer Gebühr gem § 33 KostO oder Höchstgebühren (§§ 45 Abs 1, 47, 57, 130 Abs 1, 2) festgesetzt werden. Bei Beendigung eines Verfahrens vor vollständiger Ausführung sind häufig Gebührenermäßigungen vorgesehen, so in § 54 Abs 2, § 100 Abs 1, § 116 Abs 1 KostO, § 48 Abs 1 WEG, §§ 99 Abs 6, 132 Abs 5 AktG. Zu den Kosten gehören ferner die Auslagen, nämlich die Dokumentenpauschale (§ 136), sonstige Auslagen, wie Reisekosten und die an Zeugen und Sachverständige gezahlte Entschädigung sowie die Vergütung des Verfahrenspflegers (§ 137). Die Auslagen sind durch das Gesetz fest begrenzt; darüber hinaus dürfen Auslagen nicht erhoben werden. 3. Kostenansatz Die Berechnung und Erhebung der zugunsten der Staatskasse erwachsenen Kosten ist 6 Justizverwaltungsangelegenheit; sie erfolgt durch den Kostenbeamten in eigener Verantwortung (§ 14 Abs 1 KostO, §§ 2, 35 Abs 2 KostVfg.), vorbehaltlich von Weisungen der Vorgesetzten und der übergeordneten Justizverwaltungsbehörde9 sowie der Kostenprüfungsbeamten (Leiter des Rechnungsamts, Bezirksrevisor). Einwendungen gegen die Kostenberechnung, die Fälligkeit und die Zahlungspflicht sind von dem Kostenschuldner oder Dritten, deren Haftung geltend gemacht wird oder die zur Duldung der Vollstreckung für verpflichtet gehalten werden (§ 8 Abs 1 JBeitrO), und von der Staatskasse, von dieser aber nicht zugunsten des Zahlungspflichtigen,10 im Wege der Erinnerung bei dem Gericht geltend zu machen, bei dem die Kosten angesetzt sind (§ 14 Abs 2 KostO); der Kostenbeamte kann der Erinnerung abhelfen (§§ 35 Abs 2, 45 Abs 2 KostVfg). Hilft er nicht ab, entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt worden sind (§ 14 Abs 2 KostO).11 Handelt es sich bei dem Verfahren, für das die Kosten erhoben werden, um ein auf den Rechtspfleger übertragenes Sachgebiet, dann ist der Rechtspfleger zuständig (§ 4 Abs 1 RPflG).12 Die Entscheidung ist nicht von Amts wegen abänderbar, sie 9 10 11

Korintenberg/Lappe § 14 Rn 10. KG JFG Erg 17, 131; KGJ 45, 343; aA Korintenberg/Lappe § 14 Rn 35. § 14 KostO geändert durch Art 4 Abs 29 Nr 4 KostRMoG.

12

Die gegenteilige Meinung des LG Essen, JVBl 1971, 191; OLG Celle, NdsRpfl 1974, 136; LG Berlin, JurBüro 1977, 533 wird heute lt Rohs/Wedewer § 14 Rn 16 kaum noch vertreten. Der Rechtspfleger, der in seiner Funk-

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

kann jedoch mit der Beschwerde angefochten werden (§ 14 Abs 3 KostO); allerdings muss der Beschwerdewert 200,00 EUR übersteigen; die Beschwerde ist jedoch auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.13 Das Gericht, das über die Erinnerung entschieden hat, kann der Beschwerde abhelfen (§ 14 Abs 4 KostO); andernfalls entscheidet das nach den für die Hauptsache geltenden Vorschriften zuständige, im Rechtszug nächsthöhere Gericht. Gegen die Entscheidung, die ein Landgericht als Beschwerdegericht trifft, ist die weitere Beschwerde statthaft (§ 14 Abs 5 KostO), wenn sie das Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt. Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546, 547 ZPO gelten entsprechend. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Über die weitere Beschwerde entscheidet das OLG, in Rheinland-Pfalz das PfälzOLG Zweibrücken und in Bayern das OLG München (s § 199 Rn 13).14 Die Entscheidung des Gerichts über die Erinnerung und die Beschwerde ergeht gebührenfrei (§ 14 Abs 9 KostO), es können jedoch Auslagen anfallen.15 Anwaltszwang besteht nicht (§ 14 Abs 6 KostO), außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs 9 KostO). Der Kostenansatz kann auch im Verwaltungsweg berichtigt werden, solange nicht eine gerichtliche Entscheidung getroffen ist (§ 14 Abs 10 KostO); damit ist gemeint, dass zugunsten des Kostenschuldners auch ein bestandskräftiger Kostenansatz ganz oder teilweise berichtigt werden kann, wenn nach dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG) sich erweist, dass der Kostenansatz gesetzwidrig ist.16 4. Geschäftswert

7

Für die Wertgebühren ist der Geschäftswert maßgebend (§ 18 KostO). Seine Feststellung obliegt dem Kostenbeamten, der den Kostenansatz aufstellt (§ 14 Abs 1 KostO).17 Er stellt den Geschäftswert nach Maßgabe der allgemeinen Geschäftswertbestimmungen (§§ 18 bis 31a KostO), der besonderen Wertvorschriften des zweiten Abschnitts oder der in Sondergesetzen getroffenen Bestimmungen fest und legt ihn seiner Kostenberechnung zugrunde; das gilt auch, wenn der Wert nach freiem Ermessen oder in Anlehnung an den Regelwert des § 30 Abs 2, 3 KostO zu bestimmen ist. Diese Befugnis hat der Kostenbeamte nicht, wenn bestimmt ist, dass das Gericht, also der Richter, den Wert von Amts wegen festzusetzen hat: So bzgl des Hausrats gem § 100 Abs 3 KostO, im WEG-Verfahren gem § 48 Abs 3 WEG,18 bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten gem § 30 Abs 3 EGGVG, in Landwirtschaftssachen gem § 34 Abs 2 LwVG, bei gerichtlicher Entscheidung über die Zusammensetzung eines Aufsichtsrates gem §§ 99 Abs 6 AktG, über das Auskunftsrecht gem 132 Abs 5 AktG, bei Sonderprüfungen gem § 260 Abs 4 AktG oder bei Ausgleichs- bzw Abfindungszahlungen gem § 306 Abs 7 AktG sowie im Spruchverfahren nach dem UmwG gem § 312 Abs 3 UmwG. Sonst setzt das Gericht den Geschäftswert durch Beschluss gebührenfrei fest, wenn ein Zahlungspflichtiger oder die

13

tion als Kostenbeamter die Kostenrechnung erstellt hat, ist allerdings ausgeschlossen, es hat der geschäftsplanmäßige Vertreter zu entscheiden. Beschwerdewert von 50,00 € auf 200,00 € angehoben sowie die Zulassungsbeschwerde eingeführt durch KostRMoG.

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14 15 16 17 18

Vor Auflösung des BayObLG war dieses zuständig. Korintenberg/Lappe § 14 Rn 114 ff. Korintenberg/Lappe § 14 Rn 198. Korintenberg/Lappe § 31 Rn 9. Siehe hierzu Volpert RVGreport 2005, 365.

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Staatskasse es beantragt oder es sonst angemessen erscheint, etwa wenn der Kostenbeamte die Festsetzung anregt; angemessen kann die Festsetzung auch sein, wenn sie nur für Rechtsanwaltsgebühren maßgebend ist,19 nicht aber, wenn sie nur dazu dient, die Erreichung der Beschwerdesumme für ein in der Hauptsache eingelegtes Rechtsmittel zu klären.20 In übertragenen Geschäften setzt der Rechtspfleger den Wert fest (§ 4 Abs 1 RPflG). Für das Beschwerdeverfahren gelten §§ 31 Abs 3; 14 Abs 4, 5, 6 Satz 1 und 3, 7 KostO. Die Festsetzung kann von dem Gericht, das sie getroffen hat, und, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Geschäftswert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt, von dem Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden; allerdings nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat (§ 31 Abs 1 S 2, 3 KostO).21 Die Beschwerde, die auch gegen die Ablehnung der Wertfestsetzung stattfindet,22 ist gegenstandslos, wenn das mit einer Beschwerde in der Hauptsache befasste Beschwerdegericht den Wert auch für die Vorinstanz festsetzt.23 Wenn das mit der Sachbeschwerde befasste Landgericht den Beschwerdewert für seine Instanz festsetzt oder wenn es bei dieser Gelegenheit eine Wertfestsetzung des Amtsgerichts von Amts wegen ändert, so ist das statthafte Rechtsmittel die erste Beschwerde, nicht die von einer Zulassung abhängige weitere Beschwerde.24 Der Rechtsanwalt ist im eigenen Namen beschwerdeberechtigt (§ 32 Abs 2 RVG). Außergerichtliche Kosten werden im Wertfestsetzungsverfahren einschließlich des Rechtsmittelverfahrens nicht erstattet (§ 31 Abs 5 KostO). Soweit die Gebühren der Notare der Staatskasse zufließen (Baden-Württemberg) oder nach Landesrecht andere als gerichtliche Behörden zuständig sind (§ 194 FGG), gelten § 14 Abs 2 (Erinnerung gegen den Kostenansatz) und § 31 (Wertfestsetzung) mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht entscheidet, in dessen Bezirk der Notar oder die Behörde ihren Sitz hat (§§ 142, 159 KostO). Fließen die Gebühren dem Notar selbst zu, so sind §§ 14 und 31 KostO nicht anwendbar (§ 143 KostO); die Kostenberechnung des Notars und der von ihm angenommene Geschäftswert sind nach § 156 KostO durch Anrufung des Landgerichts anzufechten. 5. Kostenschuldner Wer Schuldner der Gebühren und Auslagen ist, ergibt sich in Angelegenheiten der 8 freiwilligen Gerichtsbarkeit im allgemeinen unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 2 bis 6, 53 Abs 4, 59 Abs 2, 94 Abs 3, 141 KostO, §§ 99 Abs 6, 146, 260 Abs 4, 306 Abs 7 AktG, § 312 Abs 4 UmwG). Die Feststellung des Kostenschuldners ist ebenso wie die Prüfung, ob und in welcher Höhe Gebühren entstanden sind, Aufgabe des Kostenbeamten bei der Aufstellung des Kostensatzes (§ 14 Abs 1 KostO, §§ 2, 7 KostVfg). Einwendungen dagegen sind mit der Erinnerung nach § 14 Abs 2 KostO geltend zu machen. Deshalb ist es in der Regel nicht angebracht und in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage sogar ohne rechtliche Bedeutung, dass das Gericht bei dem Erlass der Sachentscheidung einen Ausspruch darüber trifft, ob und welche Gebühren entstanden sind und wer sie schuldet. Die Befugnis, jemandem durch eine konstitutive Entscheidung Gerichtskosten aufzuerlegen mit der Folge, dass dadurch gegenüber der Staatskasse ein erster oder weiterer Kostenschuldner geschaffen wird (§ 3 Nr 1 KostO), hat das Gericht nur, wenn dafür eine be19 20 21 22

Korintenberg/Lappe § 31 Rn 13, 14; Rohs/ Wedewer § 31 Rn 4–6. BayObLGZ 1961, 250 = DNotZ 1962, 328. Korintenberg/Lappe § 31 Rn 51–54. BayObLGZ 1963, 71 = JVBl 1963, 118.

23 24

KG Rpfleger 1978, 445; BayObLGZ 1963, 84 = KostRspr § 31 KostO Nr 8. Korintenberg/Lappe § 31 Rn 62 mwN; aA Rohs/Wedewer § 31 Rn 20, 23.

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sondere gesetzliche Grundlage vorhanden ist;25 derartige Bestimmungen enthalten §§ 31 Abs 2 S 2, 70 Abs 1 S 2, 94 Abs 3 S 2, 100a Abs 3, 156 Abs 5 S 3 KostO, §§ 13 Abs 2 S 2, 33 Abs 1 S 2, 138 FGG, § 34 VerschG, § 20 HausratsVO; § 47 WEG, § 114 GBO, §§ 34, 42 Abs 1, 44 LwVG, § 201 BRAO, § 111 Abs 4 BNotO. Nach § 94 Abs 3 S 2 KostO kann das Gericht auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. Der Wortlaut beseitigt die bisherige Streitfrage, ob dieses nur hinsichtlich der Gebühr oder auch bezüglich der Auslagen gilt.26 Entscheidungen dieser Art über die Auferlegung von Gerichtskosten sind nicht mit der Erinnerung nach § 14 Abs 2 KostO, sondern nur nach Maßgabe des § 20a FGG anfechtbar (vgl § 20a Rn 5). 6. Kostensicherung

9

Als Maßnahmen zur Sicherung des Kosteneingangs sind vorgesehen die Erhebung von Kostenvorschüssen (§ 8 Abs 1 KostO), die Zurückstellung von Amtshandlungen bis zur Entrichtung oder Sicherstellung des Kostenvorschusses (§ 8 Abs 2 S 1 KostO) und die Zurückbehaltung von Urkunden bis zur Bezahlung der Kosten (§§ 22, 25 KostVfg). Die Vorschusspflicht besteht bei Geschäften, die nur auf Antrag vorzunehmen sind, für Gebühren und Auslagen, bei Verrichtungen von Amts wegen nur zur Deckung der Auslagen; die Zahlungspflicht bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften (§ 8 Abs 1 S 3 KostO). Die Erhebung eines Vorschusses, von dessen Zahlung die Amtshandlung nicht abhängt, ordnet der Kostenbeamte selbständig an (§ 22 Abs 2 KostVfg). Dagegen ist die Erinnerung nach § 14 Abs 2 KostO zulässig, solange nicht die endgültige Kostenrechnung erteilt ist.27 Die Abhängigmachung des Geschäfts von der Zahlung oder Sicherstellung des Vorschusses ist nur zulässig bei Geschäften, die nur auf Antrag vorzunehmen sind. Sie unterbleibt, wenn der Antragsteller Gebührenfreiheit genießt oder ihm Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, ebenfalls wenn er glaubhaft macht, dass eine Verzögerung einem Beteiligten einen schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde oder wenn das Verlangen aus einem anderen Grunde nicht angebracht erscheint (§ 8 Abs 2 KostO); letzteres ist stets anzunehmen, wenn eine Amtshandlung beantragt wird, die erzwungen werden könnte (§ 82 GBO, § 14 HGB). Die Erhebung von Vorschüssen ist ferner gesetzlich ausgeschlossen in § 43 Abs 2 LwVG (nur für Gebühren), § 306 Abs 7 S 7 AktG, § 14 Abs 4 FEVG. Im Beschwerdeverfahren besteht, soweit sich die Kosten nach § 131 KostO richten, keine Vorschusspflicht, weil sich erst aus der Entscheidung ergibt, ob Gebühren und Auslagen erhoben werden.28 Die Abhängigmachung wird nicht von dem Kostenbeamten, sondern vom Richter/Rechtspfleger verfügt, die Höhe des Vorschusses vom Kostenbeamten berechnet. Die Abhängigmachung und die Nichtzahlung des Vorschusses begründen ein Verfahrenshindernis; das Verfahren ruht;29 unter Umständen kann sich aus dem speziellen Verfahrensrecht ergeben, dass nach Fristsetzung (§§ 18 GBO, §§ 26 HRegVfg) der Antrag zurückzuweisen ist.30 Gegen die Anordnungen der Abhängigmachung der Vornahme eines Geschäfts von der Zahlung eines Vorschusses ist nicht die

25

26

BGH Rpfleger 1954, 507 m Anm Keidel; Korintenberg/Lappe § 3 Rn 3; Rohs/Wedewer § 3 Rn 2. Abs 3 S 2 geänd durch den am 1.1.2001 in Kraft getretenen Art 7 Nr 2 d G zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11. Dezember 2001

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27 28 29 30

(BGBl 3513). Zum alten Recht s Korintenberg/Lappe 15. Auflage, § 94 Rn 32; Rohs/ Wedewer § 94 Rn 25. Korintenberg/Lappe § 8 Rn 23; § 14 Rn 17, 18. KG JFG 21, 189 = JVB1. 1940, 122 = DR 1940, 1120. BVerfGE 10, 264. Korintenberg/Lappe § 8 Rn 10 mwN.

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Beistände und Bevollmächtigte

Vor § 13a

Erinnerung sondern die Sachbeschwerde gegeben (§ 8 Abs 3 KostO), weil der Rechtsschutz selbst von einer Bedingung abhängig gemacht wird.31 Es gelten also die Vorschriften des FGG über die Beschwerde (§§ 19–21, 23, 24 Abs 1, 25, 30) In Grundbuch- und Schiffsregistersachen richtet sich die Beschwerde nach §§ 71–77, 81 GBO bzw §§ 75–82, 89 SchiffsRegO.32 Für Entscheidungen des Rechtspflegers gilt § 11 RPflG. Die Beschwerde ist auch statthaft, wenn der Beschwerdegegenstand 200,00 € nicht übersteigt (§ 8 Abs 3 KostO). Eine weitere Beschwerde ist nicht zugelassen, da dieses nicht in § 8 Abs 3 KostO vorgesehen ist;33 dies gilt auch, wenn sie versehentlich zugelassen wurde. Von einer Vorwegleistung der Kosten abhängig gemacht werden kann unter den Voraussetzungen des § 8 Abs 2 nur die Vornahme des ganzen Geschäfts; dagegen kann die Vornahme einzelner gerichtlicher Handlungen innerhalb des Verfahrens nicht von der Zahlung oder Sicherstellung der dadurch entstehenden Auslagen abhängig gemacht, insbesondere im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) nicht die Erhebung von Beweisen, auch wenn ein Beteiligter die Beweiserhebung „beantragt“ hat.34 Auch die §§ 379, 402 ZPO sind im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar, und zwar weder im Amtsverfahren35 noch in Verfahren, die nur auf Antrag einzuleiten sind,36 noch für die Ermittlungen des Beschwerdegerichts im Erbscheinsverfahren;37 auch in echten Streitsachen kommt ihre entsprechende Anwendung nicht in Betracht.38 7. Beitreibung Die Einziehung der Kosten ist in der Justizbeitreibungsordnung vom 11.3.1937 (RGBl I 10 S 298) geregelt. Die Beitreibung obliegt den Gerichtskassen als Vollstreckungsbehörden (§§ 2 Abs 1 JBeitrO). Gegen die Art und Weise der Kosteneinziehung, namentlich gegen die Art der Beitreibung, ist nicht die Erinnerung nach § 14 KostO, sondern die Vollstreckungserinnerung nach §§ 6 Abs 1 Nr 1 JBeitrO mit § 766 ZPO an das Vollstreckungsgericht (§§ 764, 828 Abs 2 ZPO) gegeben. Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst, die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung betreffen, sind vom Schuldner mit der Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 14 Abs 2 KostO geltend zu machen (§§ 8 Abs 1 JBeitrO). Die dem Kostenansatz zugrunde liegende gerichtliche Entscheidung kann aber im Erinnerungsverfahren nicht nachgeprüft werden; sie ist für den Kostenbeamten und das Rechtsmittelgericht bindend (vorbehaltlich einer Niederschlagung wegen unrichtiger Sachbehandlung nach § 16 KostO). Aufrechnung ist nur zu berücksichtigen, wenn die Gegenforderung anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist (§ 8 Abs 1 Satz 2 JBeitrO). Die Einwendungen nach §§ 781 bis 784, 786 ZPO sind nach § 8 Abs 2 JBeitrO im Wege der Klage geltend zu machen.39 Die Kosten der Notare werden auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel des Notars versehenen Ausfertigung der Kostenberechnung nach den Vorschriften der ZPO beigetrieben (§ 155 KostO); Einwendungen sind bei dem Landgericht, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat, im Wege der Beschwerde geltend zu machen (§ 156 Abs 1 KostO).

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Korintenberg/Lappe § 8 Rn 24; Rohs/Wedewer § 8 Rn 23. Rohs/Wedewer § 8 Rn 23. BayObLG, JurBüro 1994, 166; BayObLGZ 1970, 25, 27; = Rpfleger 1970, 254; Korintenberg/Lappe § 8 Rn 31; Rohs/Wedewer § 8 Rn 25. Rohs/Wedewer § 8 Rn 16.

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OLG München JFG 13, 347. OLG Dresden JW 1927, 2933. KG JFG 21, 189 JVBI 1940, 122. Keidel DRiZ 1955, 192; Schlegelberger § 15 Anm 13; aA Holthöfer DRiZ 1955, 39; Richert DRiZ 1955, 191. KG Rpfleger 1964, 385 = KostRspr § 8 JBeitrO Nr 3.

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II. Rechtsanwaltsvergütung 11

Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) der Rechtsanwälte richtet sich auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ab 1.7.2004 nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG),40 das die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO)41 abgelöst hat.42 Die Struktur des RVG ist von seinem äußeren Aufbau nun dem GKG angepasst, dh die allgemeinen Regelungen, der Begriff der Angelegenheit und die Wertvorschriften sind im Gesetz geregelt, während die Gebühren und Auslagen in einem Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zu § 2 Abs 2 RVG) enthalten sind.43 Einen weiteren Schritt zur Vereinfachung stellt die Zusammenfassung der Gebührentatbestände für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit und für ähnliche Verfahren dar (Teil 3 VV RVG). Die BRAGO44 enthielt besondere Gebührenvorschriften für einzelne abschließend aufgezählte Angelegenheiten; so für bestimmte Folgesachen von Scheidungen und Lebenspartnerschaftssachen (§ 31 Abs 3), für Hausratssachen, Wohnungseigentumssachen, Landwirtschaftssachen, Regelung der Auslandsschulden (§ 63), für Verfahren nach dem Umstellungsergänzungsgesetz (§ 64), für Verfahren vor dem OLG nach dem Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (§ 65b), für Verfahren hinsichtlich der Nachprüfung von Anordnungen der Justizbehörden gem §§ 25, 29 EGGVG (§ 66a) und im gerichtlichen Verfahren bei Freiheitsentziehungen nach dem FEVG und den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen sowie bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 70 Abs 1 FGG (§ 112). Für alle übrigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit richteten sich die Gebühren nach der Auffangvorschrift des § 118 BRAGO. 1. Wertgebühren und Rahmengebühren

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Der Rechtsanwalt erhält gemäß § 2 Abs 1 RVG für seine Tätigkeit grundsätzlich Gebühren, die sich nach dem Wert des Gegenstands bemessen, auf den sich die anwaltliche Tätigkeit erstreckt. Der Gegenstandswert ist begrifflich der Anwaltsgebührenwert.45 Es wird zwischen Wertgebühren und Rahmengebühren unterschieden. Wertgebühren berechnen sich nach dem Gegenstandswert, dem (Streit-)Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit. Die Gebührenhöhe ergibt sich dann aus der Tabelle zu § 13 RVG. Danach sind die in der Tabelle enthaltenen Beträge immer 1,0 Gebührensätze, jeweils aufgesplittet nach Gegenstandswertstufen. Bestimmt das RVG das Mehrfache der 1,0 Gebühr (zB 1,3 Verfahrensgebühr Nr 3100 VV RVG), dann sind die Beträge entspre-

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Art 3 des KostRMoG v 5.5.2004 (BGBl S 718, 788). Vom 26. Juli 1957 (BGBl S 861, 907), aufgehoben durch Art 6 Nr 4 KostRMoG. Die BRAGO findet jedoch weiterhin Anwendung, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem 1.7.2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist, § 61 RVG. Siehe hierzu Hansens RVGreport 2004, 10; Volpert RVGreport 2005, 201.

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Einen kurzen Überblick gibt Braun RVGreport 2004, 4. Eine Gegenüberstellung von Abrechnungen nach BRAGO und RVG gibt Krause FamRZ 2004, 148; eine Synopse der Regelungen der BRAGO und der entsprechenden Vorschriften des RVG findet sich bei Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann Kompaktkommentar RVG (Einführung). Lappe RpflStud 1980, 51.

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Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Vor § 13a

chend zu errechnen, die Mindestgebühr beträgt 10 EUR. Die nach der BRAGO häufig „krummen“ Brüche gibt es nicht mehr. Rahmengebühren erscheinen nach wie vor in zwei Arten, nämlich als Betragsrahmengebühren und als Gebührensatzrahmen (§ 14 RVG). Rahmengebühren sind Gebühren, für die das Gesetz nur die untere und die obere Grenze gezogen hat. Bei den Betragsrahmengebühren bestimmt das Gesetz einen Mindest- und einen Höchstbetrag der Gebühr, beim Gebührensatzrahmen bestimmt das Gesetz den unteren und den oberen Gebührensatz; im Grunde handelt es sich auch um Wertgebühren, allerdings bestimmt der Rechtsanwalt den tatsächlichen Gebührensatz. Er hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers die Gebühr nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 14 Abs 1 RVG). Auch das RVG sieht Rahmengebühren vor und zwar zB für außergerichtliche Tätig- 13 keiten wie die Beratung (0,1 bis 1,0 Beratungsgebühr nach Nr 2100 VV RVG) oder Vertretung (0,5 bis 2,5 Geschäftsgebühr nach Nr 2400 VV RVG). Die Geschäftsgebühr nach Nr 2400 VV RVG ersetzt die typische Rahmengebühr des § 118 BRAGO, der Anwendung fand, wenn keine spezielle Norm vorhanden war. Danach erhielt der Rechtsanwalt 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr (Gebührensatzrahmen) als Geschäftsgebühr sowie evtl als Besprechungs- und Beweisaufnahmegebühr. Für seine Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren bei Freiheitsentziehungen erhält der Rechtsanwalt Gebühren, bei denen der Mindest- und der Höchstbetrag gesetzlich geregelt sind; diese Betragsrahmengebühren sehen sowohl das RVG (Nr 6300 VV RVG) als auch das bisherige Recht vor (§ 112 BRAGO). Die Gebühren für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit46 sind nun im Teil 3 des 14 VV RVG zusammen mit den Gebühren für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz und ähnlichen Verfahren geregelt. Eine Ausnahme bildet das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen und in Unterbringungssachen, das in Teil 6 Abschnitt 3 geregelt ist (siehe Rn 13). Im FGG-Verfahren sind vorläufige Anordnungen nur ausnahmsweise gesetzlich geregelt (zB § 39 LwVG); der Erlass einer einstweiligen oder vorläufigen Anordnung in gesetzlich nicht geregelten Fällen wurde im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt. Nach bisherigem Recht bildeten die vorläufigen Anordnungen aber kostenrechtlich grundsätzlich nicht ein besonderes Nebenverfahren,47 so dass keine zusätzlichen Kosten entstanden. § 17 RVG stellt nun klar, dass das Hauptsacheverfahren und der Erlass einer einstweiligen Anordnung oder einer vorläufigen Anordnung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit verschiedene Angelegenheiten darstellen. Für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information erhält der Rechtsan- 15 walt eine Verfahrensgebühr (zB im ersten Rechtszug 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr 3100 VV RVG), die die Prozessgebühr gemäß § 31 Abs 1 Nr 1 BRAGO ersetzt. Die Bezeichnung als Verfahrensgebühr rührt daher, dass sie nun auch im FGG-Verfahren Anwendung findet.48 Die Verfahrensgebühr für ein Vermittlungsverfahren bei Umgangsregelung nach § 52a FGG und eine solche für das anschließende gerichtliche Verfahren (§ 52a Abs 5 FGG) sind jedoch auf einander anzurechnen. Das darauf folgende Verfahren über

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Siehe hierzu Hansens RVGreport 2005, 122 u 162; ders RVGreport 2005, 372; Kitzinger FamRZ 2005, 10; Volpert RVGreport 2005, 241; 407, 444.

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OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 417; aA Lappe Kosten in Familiensachen Rn 989, 990. Gesetzesbegründung BTDrs 15/1971 S 209.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Zwangsmittel, Änderung der Umgangsregelung oder Maßnahmen das Sorgerecht betreffend, stellt nach § 17 Nr 8 RVG gebührenrechtlich eine vom Vermittlungsverfahren verschiedene Angelegenheit dar, so dass der Rechtsanwalt für beide Verfahren einen gesonderten Vergütungsanspruch erwirbt. Die Verfahrensgebühr für das Vermittlungsverfahren wird jedoch auf die Verfahrensgebühr für das Folgeverfahren angerechnet, VV Nr 3100 Abs 3. Für das Verfahren nach § 33 FGG entsteht ein 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr 3309 VV und für die weiteren Verfahren die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr 3100 VV. Die Verfahrensgebühr ermäßigt sich (0,8 nach Nr 3101 Nr 3 VV RVG), soweit in 16 einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit lediglich ein Antrag gestellt und eine Entscheidung entgegengenommen wird. Das ist der Fall, wenn der Rechtsanwalt einen Antrag auf Erteilung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung stellt und die Entscheidung entgegennimmt, jedoch nicht, wenn es sich um Streitverfahren des FGG handelt,49 also insbesondere nicht in Verfahren nach § 43 WEG oder nach dem LwVG.50 Für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin 17 oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts – mit Ausnahme von Besprechungen mit dem Auftraggeber – erhält der Rechtsanwalt zusätzlich eine Terminsgebühr (zB 1,2 Terminsgebühr nach Nr 3104 VV RVG). Die Terminsgebühr ersetzt die bisherige Verhandlungs- und Erörterungsgebühr sowie die Beweisgebühr; sie entsteht bereits für die Wahrnehmung des Termins und stellt nicht mehr darauf ab, ob auch tatsächlich verhandelt oder erörtert wird. Insbesondere für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit führt diese Regelung zu einer wesentlichen Vereinfachung. Eine weitere bedeutende Änderung stellt der Wegfall der Beweisgebühr dar, deren Abschaffung zu einer starken Entlastung der Gerichte führen soll. Der Rechtsanwalt erhält künftig im Regelfall die Verfahrens- und die Terminsgebühr mit einem Gebührensatz von insgesamt 2,5; während nach altem Recht bis zu 3 Gebühren anfielen, die Beweisgebühr mitgerechnet, die aber nicht in jeder Angelegenheit entstanden ist. Unabhängig vom Tätigkeitsbereich können noch weitere Gebühren entstehen, die im 18 Teil 1 des VV RVG geregelt sind. Hier sei nur die Einigungsgebühr (1,5 Gebühr nach Nr 1000 VV RVG) genannt, die an die Stelle der Vergleichsgebühr tritt. Die Gebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit, die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird; auf das gegenseitige Nachgeben im Sinne von § 779 BGB kommt es nach der Neuregelung nicht mehr an, dadurch werden viele Streitigkeiten vermieden werden. Schon die Bezeichnung als Einigungsgebühr macht deutlich, dass es nicht auf den Abschluss eines materiell wirksamen Vergleichs ankommt; allerdings soll ein vollständiges Anerkenntnis oder ein vollständiger Verzicht nicht ausreichend für den Anfall der Gebühr sein (Anm Abs 1 zu Nr 1000 VV RVG).51 Ist über den Gegenstand der Einigung ein gerichtliches Verfahren anhängig, ermäßigt sich die Gebühr (1,0 nach Nr 1003 VV RVG; 1,3 in der Rechtsmittelinstanz nach Nr 1004 VV RVG). In Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen kann außerdem eine Aussöhnungsgebühr (Nr 1001 VV RVG) entstehen, wenn der Rechtsanwalt bei der Aussöhnung mitgewirkt hat. 49 50

Gesetzesbegründung BTDrs 15/1971 S 212. Riedel/Sußbauer/Keller VV Teil 3 Abschnitt 1 Rn 39; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe VV 3101 Rn 108.

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Gesetzesbegründung BTDrs 15/1971 S 204 zu Nr 1000.

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Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

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Neu ist, dass auch in Familiensachen, Lebenspartnerschaftssachen, Verfahren nach 19 § 43 WEG und nach dem LwVG in den Beschwerderechtszügen Gebühren in Höhe der für die Berufung nach der ZPO vorgesehenen Höhe anfallen (siehe Vorbem zu Teil 3 Abschn 2 Unterabschn 1 VV RVG). Die Regelung dient der Vereinfachung, soll aber auch den erhöhten Anforderungen der Rechtsanwälte in einem solchen Verfahren gerecht werden.52 Die Gebühren für das Verfahren vor dem OLG nach § 16 Abs 4 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten sind besonders geregelt (Teil 3 Abschn 3 Unterabschn 1 VV RVG); der Rechtsanwalt erhält eine Verfahrensgebühr (1,6 nach Nr 3302 Nr 1 VV RVG) und eine Terminsgebühr (1,2 nach Nr 3304 VV RVG). Für das Zwangsverfahren nach § 33 FGG fällt ebenfalls eine Verfahrensgebühr (0,3 nach Nr 3309 VV RVG) sowie unter Umständen auch eine Terminsgebühr an (0,3 nach Nr 3310 VV RVG), letztere jedoch nur für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin oder einem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Die BRAGO regelte die in Frage kommenden Gebühren – insbesondere in den Streit- 20 verfahren des FGG – so, dass die Vorschriften des Dritten Abschnitts (§§ 31 ff BRAGO) Anwendung fanden, dh der Rechtsanwalt erhielt eine volle Prozessgebühr und daneben je nach Ausgang des Verfahrens auch die Verhandlungs- bzw Erörterungsgebühr sowie eine Beweisgebühr; daneben galten auch §§ 40, 48, 49, 51 bis 56 BRAGO.53 Es entstand auch eine volle Vergleichsgebühr gem § 23 Abs 1 BRAGO, wenn der Rechtsanwalt beim Abschluss eines Vergleichs mitgewirkt hatte.54 Dies galt ohne Einschränkung für die in § 31 Abs 3 BRAGO aufgezählten Folgesachen. In den in § 63 BRAGO abschließend aufgezählten Angelegenheiten galt grundsätzlich ebenfalls § 31 BRAGO, allerdings mit einigen Abweichungen: Im Verfahren über die Ehewohnung und den Hausrat erhielt der Rechtsanwalt die in § 31 BRAGO bestimmten Gebühren nur zur Hälfte (§ 63 Abs 3);55 im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Beanstandung oder zur Änderung eines Landpachtvertrages gem § 35 Abs 1 Nr 1 LwVG und im Genehmigungsverfahren nach dem GrdstVG gem § 36 LwVG erhielt er die Gebühren nur zu 3/10, eine weitere Ermäßigung trat jedoch nicht ein;56 im Verfahren nach dem Umstellungsergänzungsgesetz entstand für jeden Rechtszug 5/10 der vollen Gebühr (§ 64 Abs 1 BRAGO); da § 23 BRAGO nicht galt, fiel keine Vergleichsgebühr an; im erstinstanzlichen Verfahren über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten vor dem OLG waren die Gebühren gem § 65b iVm § 11 Abs 1 S 4 BRAGO auf 13/10 zu erhöhen; etwas anderes galt, wenn es um die Nachprüfung von Anordnungen der Justizbehörden im Verfahren vor dem OLG oder BGH gem §§ 25, 29 EGGVG ging – hier betrug der Gebührensatz ausdrücklich 10/10 gem § 66a Abs 1 BRAGO. 2. Auslagen Die allgemeinen Geschäftsunkosten, die dem Rechtsanwalt unabhängig von dem 21 besonderen Auftrage entstanden sind (Büroaufwand jeder Art, Formulare, Bücher, Zeitschriften), sind durch die Gebühren abgegolten (Vorbem Abs 1 Satz 1 zu Teil 7 VV RVG, § 25 Abs 1 BRAGO); Vorbem Abs 1 Satz 2 VV RVG stellt jedoch klar, dass § 675 iVm

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Gesetzesbegründung BTDrs 15/1971 S 213. Riedel/Sußbauer/Keller BRAGO § 63 Rn 2. Gerold/Schmidt/von Eicken BRAGO § 63 Rn 7. Auch im Verfahren auf Hausratsteilung bei

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Getrenntleben erhält der Rechtsanwalt die in § 31 genannten Gebühren nur zu Hälfte (OLG Nürnberg, JurBüro 2000, 414). Siehe hierzu Gerold/Schmidt/von Eicken BRAGO § 63 Rn 20 ff.

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§ 670 BGB über den Ersatz von Aufwendungen grundsätzlich anwendbar bleibt. Außerdem hat der Rechtsanwalt Anspruch auf Ersatz bestimmter Auslagen, wie Umsatzsteuer, Post- und Telekommunikationsentgelte, Dokumentenpauschale,57 Reisekosten, Tageund Abwesenheitsgeld. Zusätzlich zu seinen Gebühren darf der Rechtsanwalt noch die von ihm geleisteten Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Rechnung stellen. Dabei hat er die Wahl, seine tatsächlichen Auslagen zu ermitteln (Nr 7001 VV RVG) oder einen Pauschalbetrag zu fordern. Der Pauschbetrag beträgt 20% der gesetzlichen Gebühren, jedoch in einer Angelegenheit und in einem Rechtszug jeweils höchstens 20,00 € (Nr 7002 VV RVG); nach § 26 BRAGO betrug der Satz 15% der Gebühren – höchstens 20,00 €. Die Regelungen für die Dokumentenpauschale (Nr 7000 VV RVG) entspricht im Wesentlichen inhaltlich der Regelung des § 27 BRAGO; inhaltlich sind jedoch die Nr 1 b) und c) geändert und die Verweisung auf das GKG ist beseitigt worden. Der Rechtsanwalt erhält eine Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten und zwar für Ablichtungen a) aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache geboten war, b) zur Zustellung oder Mitteilung an Gegner oder Beteiligte und Verfahrensbevollmächtigte aufgrund einer Rechtsvorschrift oder nach Aufforderung durch das Gericht, die Behörde oder die sonst das Verfahren führende Stelle, soweit hierfür mehr als 100 Ablichtungen zu fertigen waren (nach § 27 BRAGO genügte die Unterrichtung von mehr als drei Gegnern oder Beteiligten aufgrund einer Rechtsvorschrift oder nach Aufforderung des Gerichts), c) zur notwendigen Unterrichtung des Auftraggebers, soweit hierfür mehr als 100 Ablichtungen zu fertigen waren, d) in sonstigen Fällen nur, wenn sie im Einverständnis mit dem Auftraggeber zusätzlich, auch zur Unterrichtung Dritter, angefertigt worden sind. Für die ersten 50 Seiten können 0,50 € und für jede weitere Seite 0,15 € erhoben werden. Wird anstelle von b) bis d) eine elektronisch gespeicherte Datei überlassen, so können 2,50 € pro Datei berechnet werden. Für Geschäftsreisen gelten nun Nr 7003 bis Nr 7006 VV RVG; eine Geschäftsreise liegt vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder Wohnung des Rechtsanwalts befindet (Vorbem Abs 2 zu Teil 7), das galt auch schon nach altem Recht.58 Wegeentschädigung, Tage- und Abwesenheitsgeld und Übernachtungskosten waren bisher in § 28 BRAGO geregelt.59 Für Fahrtkosten bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs können nun pro Kilometer 0,30 € berechnet werden; die Kosten für die Benutzung eines anderen Verkehrsmittels in voller Höhe, soweit sie angemessen sind. Das Tage- und Abwesenheitsgeld ist gestuft entsprechend der Dauer der Abwesenheit und beträgt bei Abwesenheit bis zu vier Stunden 20,00 €, von mehr als vier bis acht Stunden 35,00 € und von mehr als acht Stunden 60,00 €. Sonstige Auslagen – wie zB Übernachtungskosten – können in voller Höhe angesetzt werden, soweit sie angemessen sind (Nr 7006 VV RVG). Die Umsatzsteuer in der jeweils gesetzlichen Höhe kann der Rechtsanwalt von der Gesamtvergütung (Gebühren und Auslagen) berechnen und bei der Abrechnung seiner Vergütung mit einfordern (Nr 7008 VV RVG). 57

Durch das G über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation – ERJuKoG v 10.12.2001 (BGBl S 3422) wurden die Justizkostengesetze und die BRAGO um Regelungen für die Übermittlung von Daten im Wege der Telekommunikation er-

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gänzt. Im Zuge dieser Gesetzgebung wurde der bisherige Begriff der Schreibauslagen durch den der Dokumentenpauschale ersetzt. Gerold/Schmidt/Madert BRAGO § 28 Rn 2. Göttlich/Mümmler BRAGO, Stichwort: Reisekosten des Rechtsanwalts S 1245 ff.

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Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

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3. Der Gegenstandswert Das RVG fasst alle Wertvorschriften im Abschnitt 4 in den §§ 22 bis 33 zusammen. 26 In § 22 Abs 1 RVG wird der in § 7 Abs 2 BRAGO enthaltene Grundsatz übernommen, dass in derselben Angelegenheit die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet werden. Allerdings beträgt der Wert in derselben Angelegenheit höchstens 30 Millionen Euro, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (§ 22 Abs 2 RVG); bei mehreren Auftraggebern beträgt der Wert für jede Person höchstens 30 Millionen Euro, insgesamt jedoch nicht mehr als 100 Millionen Euro. Damit übernimmt das RVG die Wertbegrenzung des § 39 GKG. Die Berechnung des Wertes ergibt sich zunächst aus der allgemeinen Wertvorschrift des § 23 RVG. Die Wertvorschriften für die anwaltliche Tätigkeit unterscheiden grundsätzlich zwischen a) einem gerichtlichen Verfahren; § 23 Abs 1 S 1 RVG, b) einer Tätigkeit, deren Gegenstand auch derjenige eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte, § 23 Abs 1 S 3 RVG und c) einer anderen Angelegenheit, § 23 Abs 3 RVG. In Verfahren, in denen im GKG Festgebühren bestimmt sind, sind die Wertvorschriften des GKG entsprechend anzuwenden (§ 23 Abs 1 S 2 RVG); in Beschwerdeverfahren, in denen Gerichtsgebühren nicht erhoben werden oder sich nicht nach dem Wert richten, ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen, § 23 Abs 2 S 1 iVm § 23 Abs 3 S 2 RVG. Gegenstandswerte für bestimmte einstweilige Anordnungen ergeben sich nun aus § 24 RVG. In gerichtlichen Verfahren bestimmt sich der Gegenstandswert60 nach den für die 27 Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften, (§ 23 Abs 1 S 1 RVG). Hierzu gehören alle Verfahren der ZPO und ähnliche Verfahren wie Schiedsgerichtsverfahren, Hausratsverfahren, Landwirtschaftsverfahren, Verfahren vor den Patentgerichten. In anderen Angelegenheiten richtet sich der Gegenstandswert nach bestimmten Vorschriften der KostO. Ist der Gegenstandswert nicht zu ermitteln, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dieses gilt jedoch nur, soweit nicht Sonderregelungen getroffen sind.61 Die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren ist auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgeblich, § 32 Abs 1 RVG, er hat deshalb ein eigenes Antrags- sowie Rechtsmittelrecht gegen die Festsetzung, vorausgesetzt, dass die Tätigkeit in dem für die Wertfestsetzung vorgesehenen Verfahren erfolgt ist und die gerichtliche und die anwaltliche Tätigkeit sich auf denselben Gegenstand beziehen. Eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 31 KostO mit Maßgeblichkeit für die Anwaltsgebühren ist auch geboten, wenn zwar für das gerichtliche Verfahren Gerichtsgebühren wegen sachlicher oder persönlicher Gebührenfreiheit nicht erhoben werden und deshalb ein Interesse an der Festsetzung des Wertes für die Gerichtsgebühren nicht besteht, es aber an einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert an sich nicht fehlt und die Rechtsanwaltsgebühren sich nach diesem Wert bemessen.62 Der Rechtsanwalt kann aus eigenem Recht diese Festsetzung beantragen und Rechtsmittel einlegen (§ 31 KostO, § 32 Abs 2 RVG). Berechnen sich aber die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem anhängig gewordenen gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert, etwa weil für die Anwaltsgebühren besondere Wertvorschriften gelten oder weil für die Gerichtsgebühren keine Wertvorschriften vorgesehen sind, zB für die nach § 91 KostO gebührenfreien Tätigkeiten des Familien- bzw Vormundschaftsgerichts, so wird der Wert nach § 33 Abs 1 RVG auf Antrag durch das Gericht des Rechtszuges, für den der Rechtsanwalt tätig geworden ist, und nur für diesen Rechtszug, festgesetzt. Antragsberechtigt ist nicht nur der Rechtsanwalt, sondern alle 60 61

Zum Gegenstandswert in Familiensachen s ausführlich Kindermann Rn 91 ff. Gerold/Schmidt/Madert § 23 Rn 1.

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BayObLGZ 1960, 10; 1964, 64; Riedel/Sußbauer/Fraunholz § 32 Rn 1.

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Beteiligten, deren Rechte und Pflichten sich nach dem Gegenstandswert bestimmen,63 also sein Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner, bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch die Staatskasse. Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist; die Fälligkeitstatbestände ergeben sich aus § 8 Abs 1 RVG. Es genügt einer der dort genannten Fälligkeitsgründe. Die Fälligkeit tritt für jeden Rechtszug getrennt und dann nach dem jeweils frühesten Fälligkeitstatbestand64 ein. Die Kostenentscheidung muss durch Beschluss oder Urteil ergangen sein; hinsichtlich der Beendigung des Rechtszuges ist es unerheblich, ob noch Abwicklungsarbeiten zu tätigen sind.65 Anwaltszwang besteht in keinem Rechtszuge (§ 33 Abs 7 RVG). Gegen die Entscheidung kann binnen einer Frist von 2 Wochen nach Zustellung Beschwerde eingelegt werden, wenn der Beschwerdegegenstand 200,00 € übersteigt oder sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen ist (§ 33 Abs 3 RVG); nach altem Recht betrug der Beschwerdewert 50,00 €, eine Zulassungsbeschwerde sah das Gesetz nicht vor. Das Gericht hat ein Abhilferecht. Bei Nichtabhilfe ist die Sache unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes ist nicht zulässig. Hat ein Landgericht als Beschwerdegericht entschieden, so ist die auf Gesetzesverletzung beschränkte sofortige weitere Beschwerde an das OLG ohne Erfordernis einer Beschwerdesumme zulässig, wenn das LG sie wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. 4. Die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts

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Die Vergütung des im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts richtet sich auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach §§ 45 bis 59 RVG bzw früher nach §§ 121 bis 130 BRAGO. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse (§ 45 Abs 1 RVG); zur gesetzlichen Vergütung gehören auch die Auslagen, so dass der Rechtsanwalt grundsätzlich auch Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen hat.66 Allerdings werden Auslagen gem § 46 Abs 1 RVG nur vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der armen Partei erforderlich waren. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die geltend gemachten Auslagen nicht erforderlich waren, trägt die Staatskasse,67 der Rechtsanwalt ist zur Mithilfe verpflichtet,68 kleinliche Nachrechnerei sollte vermieden werden.69 Das Festsetzungsverfahren richtet sich nach § 55 RVG. Es handelt sich hierbei um ein Justizverwaltungsverfahren. Der Antrag ist formfrei, die Benutzung von Formularen wird als zweckmäßig angesehen, was in der Praxis auch die Regel ist. Sachlich und örtlich ist grundsätzlich das Gericht des (jeweiligen) Rechtszuges für die Festsetzung zuständig, § 55 Abs 2 RVG. Nur wenn das Verfahren bereits rechtskräftig oder auf sonstige Weise beendet ist, ist das Gericht des 1. Rechtszuges zuständig, § 55 Abs 1 RVG. Die funktionelle Zuständigkeit liegt beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (des gehobenen Dienstes), § 55 Abs 2 RVG und nicht beim Rechtspfleger. Gegen die Entscheidung können der Rechtsanwalt und die Staatskasse Erinnerung einlegen (§ 56 RVG). Die Erinnerung ist nicht an eine Frist gebunden und kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Der UdG hat zunächst zu prüfen, ob er der Erinnerung abhelfen kann. Ist das nicht der Fall, entscheidet gemäß § 56 Abs 1 RVG das Gericht des Rechtszuges. § 56 Abs 2

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Riedel/Sußbauer/Fraunholz § 33 Rn 10 ff; Gerold/Schmidt/Madert § 33 Rn 10. BGH AnwBl 1985, 257; KG OLGZ 19, 259. Riedel/Sußbauer/Fraunholz § 8 Rn 12. LG Frankenthal AnwBl 1983, 571; Riedel/Sußbauer/Schneider § 45 Rn 81.

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67 68 69

OLG Schleswig KostRspr § 126 BRAGO Nr 91; Riedel/Sußbauer/Schneider § 46 Rn 2. OVG Lüneburg KostRspr § 126 BRAGO Nr 61. Gerold/Schmidt/von Eicken BRAGO § 126 Rn 6.

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Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Vor § 13a

RVG verweist bezüglich des weiteren Verfahrens auf § 33 Abs 3 bis 8 RVG (siehe Ausführungen zu Rn 27). Die Festsetzung der Vergütung des im Freiheitsentziehungsverfahren beigeordneten Rechtsanwalts erfasst auch Tätigkeiten vor dem Zeitpunkt der Bestellung (§ 48 Abs 5 RVG). 5. Vergütungsfestsetzung gemäß § 11 RVG Die gesetzliche Vergütung, eine nach § 42 festgestellte Pauschgebühr in Straf- und 29 Bußgeldsachen und die zu ersetzenden Aufwendungen nach § 670 BGB (zB für den Auftraggeber verauslagte Gerichtskosten) können im Verfahren nach § 11 RVG festgesetzt werden;70 die Vorschrift ersetzt § 19 BRAGO. Die Festsetzung der gesetzlichen Vergütung, die dem Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten, Beistand, Unterbevollmächtigten oder Verkehrsanwalt gegen seinen Auftraggeber zusteht, kann auch in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgen, denn die Vorschrift gilt für die Vergütung des Rechtsanwalts in allen gerichtlichen Verfahren.71 Seit dem 1.1.198172 galt die BRAGO sinngemäß auch für Personen, die nach Maß- 30 gabe des Rechtsberatungsgesetzes die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung haben, also auch für Rechtsbeistände; damit können sie auch das Verfahren nach 11 RVG in Anspruch nehmen.73 Es kann grundsätzlich nur die gesetzliche Vergütung festgesetzt werden, dh die nach 31 dem RVG zu berechnenden Gebühren und Auslagen, § 11 Abs 1 S 1 RVG. Ausgeschlossen ist die Festsetzung der vereinbarten Vergütung (§ 4 RVG).74 Rahmengebühren können nur festgesetzt werden, wenn die Mindestgebühren geltend gemacht werden oder der Auftraggeber der Höhe der Gebühren ausdrücklich zugestimmt hat, § 11 Abs 8 RVG. Nach § 19 Abs 8 BRAGO konnten Rahmengebühren nicht festgesetzt werden; die Rechtsprechung war sich nicht einig, ob dieser Ausschluss auch galt, wenn der Rechtsanwalt die Rahmengebühr verbindlich nach dem gesetzlichen Mindestmaß bestimmt hatte.75 Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt und der Auftraggeber, § 11 Abs 1 S 1 RVG. Eine besondere Form ist nicht vorgeschrieben, er kann sowohl schriftlich als auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Der Antrag des Rechtsanwalts muss eine Berechnung der Vergütung (§ 10 RVG) unter Absetzung bereits getilgter Beträge enthalten. Nähere Substantiierung und Glaubhaftmachung ist zunächst nur für Vergütungen erforderlich, die sich nicht aus den Gerichtsakten ergeben.76 Der Antrag des Auftraggebers muss erkennen lassen, für welche Tätigkeiten des Rechtsanwalts die Vergütung festgesetzt werden soll. Hierfür reicht es aus, dass die vom Rechtsanwalt übersandte Berechnung beigefügt wird, da dem Auftraggeber die Möglichkeit einer schnellen Überprüfung der Berechnung geboten werden soll.77 Sachlich und örtlich ist das Gericht des I. Rechtszuges zuständig, also entweder das Amtsgericht oder das Landgericht, § 11 Abs 1 S 1 RVG. Das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist für den Bereich der ordentlichen Gerichts70 71

72 73 74

Siehe hierzu Hansens Rpfleger 2001, 573. Göttlich/Mümmler RVG S 1061 (Vergütungsfestsetzung); Riedel/Sußbauer/Fraunholz § 11 Rn 1. Gem Art IX Abs 1 d KostÄndG idF d Art 2 Nr 1 d Gesetzes v 18.8.1980 (BGBl S 1503). Riedel/Sußbauer/Fraunholz § 11 Rn 22. OLG Frankfurt Rpfleger 1989, 303; Göttlich/Mümmler RVG S 1065 (Vergütungsfestsetzung).

75

76 77

OLG Koblenz, Rpfleger 2000, 473; OLG Braunschweig, FamRZ 1997, 384; Gerold/ Schmidt/von Eicken BRAGO § 19 Rn 19; Hartmann BRAGO § 19 Rn 15. von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert I Rn 17. Riedel/Sußbauer/Fraunholz § 11 Rn 8.

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Vor § 13a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

barkeit im Wege der Einzelübertragung auf den Rechtspfleger übertragen, §§ 3 Nr 3b, 21 Nr 2 RPflG. Das verfassungsrechtliche Gebot des rechtlichen Gehörs wird durch § 11 Abs 2 S 2 RVG verstärkt; der BGH78 hat klargestellt, dass bei der Anhörung der Antragsgegner darüber belehrt werden muss, dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht erhobene Einwendungen später im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 Abs 2 ZPO) nicht mehr geltend gemacht werden können. Eine einfache Übersendung des Antrages ist daher nicht ausreichend. Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss (Vergütungsfestsetzungsbeschluss), aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgen kann (§§ 11 Abs 2 S 3 RVG, 794 Abs 1 Nr 2 ZPO) und in den nach neuem Recht ausdrücklich auch die Auslagen für die Zustellung aufzunehmen sind (§ 11 Abs 2 S 5 RVG). Zum Rechtsmittelverfahren bei Vergütungsfestsetzung im FGG-Verfahren siehe Anm 32 zu § 13a Rn 57 ff.

III. Grenzüberschreitender Rechtsverkehr 33

34

35 36 37 38

Einfluss auf das Kostenrecht hat auch das am 1.3.2005 in Kraft getretene Gesetz zum internationalen Familienrecht.79 Das neue Gesetz dient 1. der Durchführung der VO (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der VO (EG) Nr 1347/2000 (ABl EU Nr L 338 S 1); 2. der Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (BGBl 1990 II S 206); und 3. der Ausführung des Luxemburger Europäischen Übereinkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (BGBl 1990 II S 206, 220). Abschnitt 10 des Gesetzes regelt die Kosten für die og Verfahren. Grundsätzlich findet die Kostenordnung Anwendung, da es sich ganz überwiegend um Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt (§ 50 IntFamRVG). Für bestimmte Verfahren sieht § 51 die Einführung von Festgebühren (200 Euro) vor, nämlich für ein erstinstanzliches Verfahren auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung auf Rückgabe des Kindes oder über das Recht zum persönlichen Umgang sowie für für die Aufhebung oder Änderung einer Entscheidung eines solchen Verfahrens, für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu ausländischen Titeln für die Aufhebung oder Änderung einer Entscheidung eines solchen Verfahrens, für die Feststellung, ob Entscheidungen aus einem anderen Staat anzuerkennen sind, einschließlich der Anordnungen nach § 33 zur Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses. Für ein Verfahren über ein Rechtsmittel in der Hauptsache soll eine Gebühr von 300 Euro erhoben werden und für die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 48 (siehe § 31 Rn 19, 20) eine Gebühr von 10 Euro.

78 79

BGH Rpfleger 1976, 354. Vom 26.1.2005 (BGBl S 162), welches unter Art 1 das Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Ge-

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biet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG) enthält.

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Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Vor § 13a

In Verfahren nach § 51 Abs 1 Nr 1 IntFamRVG (oben Rn 35) ist abweichend von 39 § 2 KostO nur der Beteiligte zur Zahlung der Gerichtskosten verpflichtet, den das Gericht nach billigem Ermessen bestimmt; das Kind darf nicht zur Zahlung der Kosten verpflichtet werden (§ 52 IntFamRVG). Gerichtskosten werden nicht erhoben, soweit deren Erhebung nach dem Europä- 40 ischen Sorgerechtsübereinkommen oder dem Haager Kindesentführungsübereinkommen ausgeschlossen ist; § 8 KostO ist nicht anzuwenden (§ 53 IntFamRVG). Die Höhe der Entschädigung für die von der Zentralen Behörde veranlassten Übersetzungen richtet sich nach dem JVEG (§ 54 IntFamRVG). Für die Kostenerstattung wird in der Regel § 13a Abs 1 und 3 FGG für entsprechend 41 anwendbar erklärt (§§ 20 Abs 2; 26 Abs 4; 30 Abs 3 IntFamRVG); für die Verfahren auf Zulassung der Zwangsvollstreckung aus Kostentiteln in Ehesachen gilt folgerichtig § 788 ZPO.

IV. Reformvorhaben 1. FamGKG Die angestrebte Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten 42 der freiwilligen Gerichtsbarkeit80 sieht ein einheitliches Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) vor,81 welches Teile des GKG und der KostO ablösen soll. Vom Aufbau und der Systematik lehnt sich der Gesetzesentwurf an das derzeit geltende GKG an,82 nur ausnahmsweise wird auf Vorschriften des GKG oder der KostO verwiesen. Die Kosten für Verfahren, die nach jetzt geltendem Recht nach dem GKG zu erheben 43 sind, werden ganz überwiegend unverändert bleiben; hinsichtlich der Verfahren, bei denen die Kosten nach der KostO zu erheben sind, wird das Gesetz unterschiedliche Auswirkungen haben. Bei Verfahren, die das Kindeswohl betreffen, soll es bei niedrigen Gebühren bleiben, in Abstammungssachen, sieht der Entwurf sogar geringere Gebühren vor. Bei den übrigen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird es teilweise zu einer Erhöhung der Gebühren kommen. Die vorgesehene Gleichbehandlung von Gewaltschutzsachen, Volljährigenadoptionssachen, Wohnungszuweisungs- und Hausratssachen, Versorgungsausgleichssachen sowie von Unterhalts-, Güterrechts- und sonstigen Familiensachen (mit Ausnahme von Streitsachen) führt dazu, dass für alle diese Verfahren grundsätzlich eine pauschale 2,0 Verfahrensgebühr (KV Nr 1320 FamGKG-E) zu erheben sein wird. Die angestrebte Reform des Rechtsmittelverfahrens und die Einführung der sog 44 Sprungrechtsbeschwerde (§ 78 FamFG-E) führen dazu, dass Gebührentatbestände für Beschwerde und Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde vorgesehen sind. Überwiegend neu sind dabei Ermäßigungstatbestände für die Beschwerde, wenn diese durch rechtzeitige Zurücknahme der Beschwerde, Rechtsbeschwerde oder des Antrags oder ohne Endentscheidung endet. Einstweilige Anordnungen nach dem FamFG-E sollen nicht mehr 80

S hierzu den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der ergänzten Fassung vom 14. Februar 2006.

81 82

Art 2 RefE FGG-ReformG Begründung ab S 621. Wegen der Kritik an der Systematik beim modernisierten GKG s Lappe NJW 2004, 2409 (2410).

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

von der Anhängigkeit einer Hauptsache abhängig sein und ersetzen im FG-Recht, die nicht geregelte „vorläufige Anordnung“. Das GKG sieht für bestimmte einstweilige Anordnungen Aktgebühren mit einem Gebührensatz von 0,5 (KV 1420 bis 1421) vor. Diese Gebühren fallen nur an, wenn eine Entscheidung über einen entsprechenden Antrag ergeht. Das FamGKG-E wird eine einheitliche Gebührenstruktur für einstweilige Anordnungen enthalten. Künftig sollen Verfahrensgebühren erhoben werden, die sich ermäßigen, wenn keine Entscheidung ergeht. Wegen der besonderen Fürsorgepflicht des Staates gegenüber Kindern, sollen in Kindschaftssachen die Gebühren deutlich geringer sein.83 Von der Systematik her, folgt der Entwurf dem GKG; in Anlage 1 findet sich das 45 Kostenverzeichnis und in Anlage 2 eine Gebührentabelle. Letztere ist identisch mit der in § 34 GKG und soll damit einen Gleichlauf zum RVG herstellen, nach dem sich die Gebühren der Rechtsanwälte berechnen. Im allgemeinen Teil (§§ 1 bis 8 FamGKG-E) werden der Geltungsbereich, die Kostenfreiheit, die kostenrechtlichen Folgen von Verweisung, Abgabe, die Verjährung, Verzinsung sowie die Anwendung von Vorschriften über die elektronische Akte bzw elektronische Dokumente geregelt sein. Die Regelungen entsprechen den Vorschriften des GKG unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten in der KostO. Im Abschnitt 2 soll die Fälligkeit geregelt sein. Gebühren in Ehesachen (§ 126 FamFG-E) 46 und selbständigen Familienstreitsachen (§ 105 FamFG-E) sollen mit Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes fällig sein, § 9 Abs 1 FamGKG-E. Für Dauerpflegschaften und Vormundschaften sollen wie im geltenden Recht (§ 92 KostO) Jahresgebühren erhoben werden, deren Fälligkeit liegen am Jahresanfang, § 10 FamGKG-E. Im Übrigen sollen die Gebühren und Auslagen wie in § 9 GKG fällig werden, wenn eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist, das Verfahrens oder der Rechtszug durch Vergleich oder Zurücknahme beendet ist, das Verfahren sechs Monate ruht oder nicht betrieben wird bzw unterbrochen oder ausgesetzt war oder das Verfahren durch anderweitige Erledigung beendet ist, § 11 FamGKG-E. Die Tätigkeit darf von der Sicherstellung oder der Zahlung der Kosten nur abhän47 gig gemacht werden, wenn und soweit eine gesetzliche Vorschrift dieses zulässt, § 12 FamGKG-E. Für Hauptsacheverfahren in Ehesachen einschließlich aller Folgesachen wird zunächst eine 2,0 Verfahrensgebühr nach KV Nr 1110 FamGKG-E erhoben werden. Die Gebühr soll sich ermäßigen, wenn im vereinfachten Scheidungsverfahren entschieden wird (auf 1,0 nach KV 1111 FamGKG-E). Um den Anreiz für Beteiligte zu erhöhen, soll zunächst nur die ermäßigte Gebühr nach KV Nr 1111 FamGKG-E vorauszuzahlen sein, § 14 Abs 3 FamGKG-E. Ausnahmen von der Abhängigmachung sind vorgesehen bei Bewilligung von Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe, Gebührenfreiheit sowie in Fällen, in denen auch nach § 8 Abs 2 KostO eine Abhängigmachung unterbleiben kann. Bei Auslagen soll derjenige, der eine Handlung beantragt hat, die mit Auslagen verbunden ist, die voraussichtlich entstehenden Auslagen als Vorschuss zu leisten haben, § 16 Abs 1 FamGKG-E, das soll aber nicht in selbständigen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Amtsermittlungsgrundsatz gelten (§ 14 FamFG-E). Eine Nachforderung von Kosten (§ 19 FamGKG-E) soll möglich sein, wenn der ursprüngliche Kostenansatz „unrichtig“ war, dabei soll es allein auf die materielle Unrichtigkeit der Kostenrechnung ankommen, um klarzustellen, dass es nicht auf einen Irrtum des Gerichts ankommt.84 Kostenschuldner soll der Antragsteller sein, § 21 FamGKG-E. Ausnahmen sollen gelten für den ersten Rechtszug in Gewaltschutzsachen, im Verfahren auf Erlass einer gericht-

83

Begründung RefE FGG-ReformG S 656.

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Begründung RefE FGG-ReformG S 631.

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Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Vor § 13a

lichen Anordnung auf Rückgabe des Kindes oder über das Recht zum persönlichen Umgang nach dem IntFamRVG, für einen Minderjährigen in Verfahren, die seine Person betreffen, und für einen Verfahrensbeistand; da in diesen Fällen nur derjenige Kostenschuldner sein soll, dem sie auferlegt wurden bzw. der sie übernommen hat, § 24 FamGKG-E (entspr § 29 GKG u § 3 KostO). Die Kosten bei einer Vormundschaft oder Dauerpflegschaft wird auch der der von der Maßnahme betroffene Minderjährige schulden, es sei denn, das Gericht hat sie einem anderen auferlegt, § 22 FamGKG-E. Von dem Minderjährigen sollen Gebühren jedoch nur erhoben werden, wenn sein Vermögen nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 25 000,– € beträgt. Mehrere Kostenschuldner sollen – wie im geltenden Recht – als Gesamtschuldner haften, § 26 Abs 1, 27 FamGKG-E. Nach § 28 FamGKG-E sollen überwiegend Wertgebühren anfallen, die sich anhand 48 der Höhe des Verfahrensgegenstands dann aus der Tabelle (Anlage 2) ermitteln lassen. Die Mindestgebühr soll, wie in § 34 Abs 2 GKG und § 33 KostO auch hier 10,– € betragen. Die Wertvorschriften im Abschnitt 7 sollen einen großen Raum einnehmen (§§ 33 bis 55 FamGKG-E). Zeitpunkt der Wertberechnung soll die jeweilige Antragstellung sein; in Amtsverfahren die Fälligkeit der Gebühr, § 34 FamGKG-E. In § 33 Abs 1 FamGKG-E wird die Zusammenrechnung mehrerer Verfahrensgegenstandswerte angeordnet, nur wenn sich aus einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein vermögensrechtlicher Anspruch herleitet, soll der höhere der beiden Werte gelten. Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten werden nicht hinzugerechnet, § 37 FamGKG-E. Weitere Wertvorschriften finden sich für den Stufenklageantrag, § 38 FamGKG-E; für Klage- und Widerklageantrag, Hilfsanspruch, wechselseitige Rechtsmittel, Aufrechnung, § 39 FamGKG-E; das Rechtsmittelverfahren, § 40 FamGKG-E. Aus § 30 KostO übernommen ist die Regelung für Angelegenheiten ohne bestimmten Verfahrenswert, § 41 FamGKG-E. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten soll danach der Verfahrenswert nach billigem Ermessen zu bestimmen sein; in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten soll er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen sein, höchstens jedoch 500 000,– € betragen. Nur wenn es keine genügenden Anhaltspunkte gibt, soll auf den Auffangwert von 3000,– € zurückgegriffen werden, wobei dieser Wert der Ausgangswert für eine individuelle Festsetzung sein soll.85 Für Ehesachen (§ 42) soll wie bisher die Wertfestsetzung nach den schon in § 48 Abs 2, 3 GKG enthaltenen Kriterien vorgenommen werden. Im Verbund (§ 43) soll weiterhin die Zusammenrechnung der Werte des Scheidungsverfahrens und der Folgesachen gelten. Gemäß § 43 Abs 2 FamGKG-E soll bei Folgesachen, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge, das Umgangsrecht oder die Herausgabe eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten oder das Umgangsrecht eines Ehegatten mit dem Kind des anderen Ehegatten betreffen, der Wert im Verbundverfahren von dem Wert der Scheidungssache abhängig sein und 20% des Wertes der Scheidungssache, höchtens 3000,– € betragen. Die vorgeschlagene Regelung soll dazu führen, dass der Wert in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der Scheidungssache steht, zur Vermeidung unangemessen hoher Kosten soll eine Höchstgrenze von 3000,– € eingeführt werden. Betrifft eine Folgesache mehrere Kinder, ist wie bisher von einem Gegenstand auszugehen. Der Verfahrenswert für isolierte Kindschaftssachen, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge, das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft oder die Kindesherausgabe betrifft, soll 3000,– € betragen und folgt damit der KostO, § 44 Abs 1 FamGKG-E. Im Verfahren der einstwei85

Begründung RefE FGG-ReformG S 638.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ligen Anordnung soll der Wert 1500,– € betragen. Für die übrigen Kindschaftssachen wird bei vermögensrechtlichen Angelegenheiten auf §§ 18 Abs 3, 19 bis 25, 39 Abs 2 und 46 Abs 4 KostO verwiesen, § 45 FamGKG-E. In Abstammungssachen wird als Verfahrenswert gemäß § 46 FamGKG-E 2000,– € vorgeschlagen. Für Wohnungszuweisungsund Hausratssachen sind nach § 47 FamGKG-E erstmals feste Werte vorgesehen. In Wohnungszuweisungssachen nach HausratsVO 4000,– €/nach BGB 3000,– €; in Hausratssachen 3000,– €/2000,– €. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung jeweils die Hälfte der oben genannten Werte, § 47 Abs 3 FamGKG-E. Das Gericht soll jedoch höher oder niedriger festsetzen können, wenn der gesetzliche Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls sich als unbillig herausstellt, § 47 Abs 4 FamGKG-E. In Gewaltschutzsachen nach § 1 GewSchG soll das sinngemäß gelten, was für Hausratssachen gesagt ist, § 48 FamGKG-E. In Versorgungsausgleichssachen soll der Verfahrenswert gemäß § 49 Abs 1 FamGKG-E grundsätzlich 1000,– € betragen. Für Verfahren nach § 53e Abs 3 FGG, die künftig in § 234 Abs 3 FamFG-E geregelt sein sollen, beträgt der Wert derzeit 300,– € (§ 99 Abs 3 S 2 KostO) und soll künftig 500,– € betragen, § 49 Abs 2 S 2 FamGKG-E. In Unterhaltssachen bestimmt der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung der Klage oder des Antrags geforderte Betrag den Verfahrenswert, soweit der Gesamtbetrag der Forderung nicht geringer ist, § 50 Abs 1 FamGKG-E. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung soll höchstens der für die ersten 6 Monate nach Einreichung des Antrags geforderte Betrag maßgebend sein, § 50 Abs 1 S 3 FamGKG-E. Fällige Beträge sind hinzuzurechnen, § 50 Abs 2 FamGKG-E. In den nicht streitigen Unterhaltssachen (§ 1612 Abs 2 BGB, § 3 Abs 2 BKKG) soll wegen der geringen Bedeutung der Verfahren ein einheitlicher und geringer Verfahrenswert von 300,– € angesetzt werden, § 50 Abs 3 FamGKG-E. Die Vorschriften zur Angabe des Wertes, zur Folge bei Wertfestsetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde oder für die Gerichtsgebühren finden sich in §§ 52 bis 55 FamGKG-E. Die Vorschriften entsprechen inhaltlich den §§ 61 bis 64 GKG, sind nur auf das familiengerichtliche Verfahren abgestimmt. § 56 FamGKG-E wird die Erinnerung gegen den Kostenansatz und die Beschwerde 49 gegen die Erinnerungsentscheidung regeln. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen § 66 GKG, eine weitere Beschwerde – zum BGH – ist nicht vorgesehen, denn die Entscheidung des OLG soll unanfechtbar sein, § 56 Abs 7 FamGKG-E. Ebenfalls dem GKG angepasst sind die §§ 57 bis 59 FamGKG-E, die die Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung, gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes oder die Auferlegung einer Verzögerungsgebühr beinhalten. 2. Änderung anderer kostenrechtlicher Vorschriften

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Art 40 Abs 2) und 3) sehen die Anpassung des GKG und der KostO an den FamGKG-E vor. Überwiegend handelt es sich um den Wegfall oder die Ergänzung der in das neue Gesetz integrierten Sachverhalte. Art 40 Abs 7) soll das RVG den neuen Regelungen anpassen. In Kindschaftssachen soll an die Stelle des Verfahrenspflegers der Verfahrensbeistand treten, wird diese Tätigkeit von einem Rechtsanwalt wahrgenommen, so soll das RVG ebenso wenig Anwendung finden wie bei einer Tätigkeit als Verfahrenspfleger, § 1 RVG. In Verfahren, in denen nach dem FamGKG-E Festgebühren anfallen sollen, sollen für die Gebühren der Rechtsanwälte die Wertvorschriften des FamGKG-E Anwendung finden, § 23 RVG. § 24 RVG wird aufgehoben werden, da § 23 auch auf das FamGKG-E verweisen soll. Nach Art 39 Nr 8 sollen die §§ 50 bis 53 IntFamRVG aufgehoben werden (oben 51 Rn 34 bis 40), da diese Vorschriften in das FamGKG-E übernommen werden sollen (KV 1710 ff).

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Kosten

§ 13a

§ 13a Kosten (1) Sind in einer Angelegenheit mehrere Personen beteiligt, so kann das Gericht anordnen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlaßt, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen. (2) In Betreuungs- und Unterbringungssachen kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn eine Betreuungsmaßnahme nach den §§ 1896 bis 1908i des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder eine Unterbringungsmaßnahme nach § 70 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 2 abgelehnt, als ungerechtfertigt aufgehoben, eingeschränkt oder das Verfahren ohne Entscheidung über eine Maßnahme beendet wird. Wird in den Fällen des Satzes 1 die Tätigkeit des Gerichts von einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten veranlaßt und trifft diesen ein grobes Verschulden, so können ihm die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auferlegt werden. Wird ein Antrag auf eine Unterbringungsmaßnahme nach § 70 Abs 1 Satz 2 Nr 3 abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, daß für die zuständige Verwaltungsbehörde ein begründeter Anlaß, den Unterbringungsantrag zu stellen, nicht vorgelegen hat, so hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen der Körperschaft, der die Verwaltungsbehörde angehört, aufzuerlegen. (3) Die Vorschriften des § 91 Abs 1 Satz 2 und der §§ 103 bis 107 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. (4) Unberührt bleiben bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenerstattung abweichend regeln. Eingefügt mit Wirkung vom 1.10.1957 durch Art X § 4 G v 26.7.1957 (BGBl S 861); Abs 2 idF des Art 5 Nr 2a sowie Abs 3 idF des Art 5 Nr 2b BtG v 12.9.1990 (BGBl S 2002) mWv 1.1.1992; früherer Abs 3 jetzt Abs 4 gemäß Art 5 Nr 2c BtG. Literatur Briesemeister ZPO-Reform – Auswirkungen auf das Wohnungseigentumsverfahren, ZWE 2003, 26; Bürgle/Pentz Zur „Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde“ in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FamRZ 1996, 1453; Demharter Wohnungseigentumsverfahren nach der ZPO-Reform, NZM 2002, 233; Hansens Neuerungen im Kosten- und Vergütungsfestsetzungsverfahren, Rpfleger 2001, 573; ders Zum Rechtsbehelfsverfahren bei der Kosten- und Vergütungsfestsetzung, Rpfleger 1999, 105; ders Die Rückfestsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren, JurBüro 1987, 967; ders Zur Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung im Kostenfestsetzungsverfahren, JurBüro 1995, 173; Johansson Die Kostenerstattung nach § 13a Absätze 1 und 3 in Personenstandsverfahren, StAZ 1997, 93; von König Die Änderung des § 11 RPflG und ihre Folgen hinsichtlich des Kostenfestsetzungsverfahrens, RpflStud 1999, 141; dies Zur Anfechtung des Kostenfestsetzungsbeschlusses, Rpfleger 2000, 7; dies Anfechtung des Kostenfestsetzungsbeschlusses im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 2005, 594; Lappe Kosten in Anwaltssachen, JVBl 1960, 1; ders Die Kostenfestsetzung in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, RpflStud 1981, 61; ders Gegenstandshäufung in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1985, 421; Lerch Die sog. Erledigung der Hauptsache im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, NJW 1987, 1923; Roth Zivilprozessordnung und Rechtsmittelverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 2006, 1; Schwab Das neue Betreuungsrecht (1), FamRZ 1990, 681; Tschischgale Kostentragung und Kostenerstattung in Verfahren nach dem FGG, Rpfleger 1961, 97; Zimmermann Kostenentscheidung nach § 13a FGG, Rpfleger 1958, 69 ff;

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§ 13a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ders Die Erstattung der außergewöhnlichen Kosten im Zulassungsverfahren nach der BRAO, NJW 1961, 911; ders Das neue Verfahren in Unterbringungssachen, FamRZ 1990, 1308; ders Das neue Verfahren in Betreuungssachen, FamRZ 1991, 270.

Übersicht Rdn A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendungsbereich I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . II. Kostensachen . . . . . . . . . . . . . III. Beteiligung Mehrerer 1. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenpflichtiger oder erstattungsberechtigter Beteiligter . . . . . . 3. Dritte . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mehrheit Beteiligter . . . . . . . . IV. Anordnung der Kostenerstattung 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenauferlegung nach Maßgabe der Billigkeit (Abs 1 S 1) . . . . . 3. Kostenauferlegung bei unbegründetem Rechtsmittel (Abs 1 S 2) . . a) Rechtsmittel . . . . . . . . . . b) Unbegründetes Rechtsmittel . . c) Umfang der Unbegründetheit . d) Zurückverweisung . . . . . . . 4. Grobes Verschulden (Abs 1 S 2) . . 5. Zurücknahme des Antrags . . . . 6. Zurücknahme des Rechtsmittels . 7. Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache . . . . . . . . . . 8. Vergleich . . . . . . . . . . . . . V. Kosten der Beteiligten . . . . . . . . VI. Kostenentscheidung 1. Notwendigkeit und Inhalt . . . . 2. Von Amts wegen . . . . . . . . . 3. Nachholung einer unterbliebenen Kostenentscheidung; Berichtigung; Änderung . . . . . . . . . . . . . VII. Auslagen in Betreuungs- und Unterbringungssachen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 13 14 15 16 17 18 19 20 22 23 24 25 27

28

Rdn 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenauferlegung auf Staatskasse a) Bestimmte Verfahrensbeendigung b) Notwendige Auslagen . . . . . 3. Kostenauferlegung auf nicht beteiligten Dritten . . . . . . . . . 4. Auferlegung der Auslagen auf zuständige Verwaltungsbehörde . . . C. Erstattungsfähigkeit der Kosten . . . . . . D. Kostenfestsetzungsverfahren . . . . . . . I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . II. Verfahrensvoraussetzungen 1. Antrag . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckbarer Titel . . . . . . . 4. Rechtliches Gehör . . . . . . . . III. Kostenausgleichung . . . . . . . . . IV. Vereinfachte Kostenfestsetzung . . . . V. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsmittelverfahren 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Sofortige Beschwerde . . . . . . . a) Nichterreichen der Beschwerdesumme . . . . . . . . . . . . . b) Abhilfe nach § 572 Abs 1 ZPO trotz § 18 Abs 2 FGG? . . . . . 3. Weitere Beschwerde (Rechtsbeschwerde) . . . . . . . . VII. Anderweite Festsetzung wegen Geschäftswertänderung . . . . . . . . VIII. Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss . . . . . E. Aufrechterhaltenes abweichendes Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . F. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . .

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A. Einführung 1

Das FGG enthielt keine Vorschriften über die Kostenerstattung. Auf Grund des § 200 war die Regelung den landesrechtlichen Ergänzungs- und Ausführungsvorschriften überlassen. Diese stellten es überwiegend in das pflichtmäßige Ermessen des Gerichts, einem Beteiligten die Erstattung der einem anderen Beteiligten erwachsenen Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen, insbesondere wenn er die Kosten durch ein unbegründetes Gesuch, einen unbegründeten Widerspruch, eine unbegründete Beschwerde oder durch grobes Verschulden verursacht hatte, so Art 9 PrFGG, Art 11 HessFGG, ähnlich Art 6 WürttAGBGB, § 20 Abs 2 BadLFGG, §§ 9, 10 BraunschwAGFGG, wobei die Entscheidung nach den meisten Landesrechten nur auf Antrag, nach einigen auch von Amts wegen ergehen konnte. Hiernach galt der Grundsatz des Zivilprozessrechts, dass der Unterliegende die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten hat, in Angelegenheiten

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§ 13a

Kosten

der FG nicht.1 Eine Anordnung der Kostenerstattung erging nur dann, wenn nach Lage des Falles dazu eine besondere Veranlassung gegeben war.2 Der Übung der Gerichte entsprach es, von dieser Befugnis selten Gebrauch zu machen. Das oldenburgische, hamburgische und bremische Landesrecht kannten überhaupt keine Kostenerstattung. Nur Art 131 Abs 1 BayAGBGB sah vor, dass die durch einen unbegründeten Antrag, eine unbegründete Beschwerde oder durch Verschulden eines Beteiligten entstandenen Kosten einschließlich der notwendigen Aufwendungen eines anderen Beteiligten kraft Gesetzes dem Beteiligten zur Last fallen, der sie verursacht hat.3

B. Anwendungsbereich I. Allgemeines Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat jeder Beteiligte seine außergericht- 2 lichen Kosten grundsätzlich selbst zu tragen;4 wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich in der Regel aus dem Gesetz (Vorbem Rn 8). Die Kostenerstattung durch einen Beteiligten oder durch die Staatskasse kann das Gericht jedoch gemäß § 13a anordnen. Die Vorschrift gilt für alle bundesrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen eine gerichtliche Entscheidung ergehen kann,5 an denen mehrere Personen beteiligt sind,6 sowohl im Amts- als im Antragsverfahren, in echten Streitsachen, soweit nicht nach § 13a Abs 4 unberührt bleibende abweichende Vorschriften bestehen (Rn 64) und in sonstigen Verfahren, auch in Grundbuchsachen,7 im Verfahren zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung nach § 86 FGG,8 im gerichtlichen Personenstandsverfahren9 im gerichtlichen Verfahren nach Art 7 § 1 FamRÄndG,10 in Gewaltschutzsachen gemäß § 621 Abs 1 Nr 13 ZPO11 sowie in allen Rechtszügen. Wird eine Kindessache (Regelung der elterlichen Sorge, Umgangsregelung oder Kindesherausgabe) aus dem Verbund abgetrennt (§ 623 Abs 2 ZPO), gilt ebenfalls § 13a,12 während ansonsten FG-Folgesachen von Scheidungen nicht unter § 13a fallen, sondern nach §§ 93a, 97 ZPO entschieden werden, was auch gilt, wenn über die elterliche Sorge vorweg entschieden (§ 627 ZPO) oder dem Scheidungsantrag vor gewissen Folgesachen stattgegeben wird (§ 628 ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren eines Abänderungsverfahrens nach § 10a VAHRG folgt die Kostenentscheidung § 13a Abs 1.13 Die Vorschrift bildet auch die Grundlage für die Anordnung der Kostenerstattung im Zulassungsverfahren nach der BRAO14 und im Verfahren zur Anfechtung von Verwaltungsakten, die nach der BNotO ergehen (§ 111 BNotO mit § 40 Abs 4 BRAO). Die Vorschriften der §§ 132 Abs 5 und 1 2 3 4

5 6

OLG München JFG 16, 6; OLG Hamm JMBlNRW 1955, 34. KG JFG 18, 339. BayObLGZ 1951, 493. BGHZ 28, 117 = NJW 1958, 1493 = Rpfleger 1958, 262; BayObLGZ 1961, 181; 1963, 183 = FamRZ 1963, 521; FamRZ 2001, 1311; KG Rpfleger 1959, 385; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1356 m Anm Gottwald für Verfahren nach der HausratsVO. KG NJW 1965, 1538; LG Bochum Rpfleger 1994, 451. BayObLG DAVorm 1992, 229; BayObLGZ 1974, 131; 1966, 49 = FamRZ 1967, 515.

7 8 9 10 11 12

13 14

BayObLG NJW-RR 1993, 530; zum früheren Recht vgl KGJ 43, 243. KG OLGZ 1965, 226 = NJW 1965, 1538. Johansson StAZ 1997, 93. BayObLG FamRZ 1999, 1588. OLG Dresden FamRZ 2003, 1312. OLG Köln FamRZ 2004, 285; OLG Naumburg FamRZ 2001, 111; OLG München FamRZ 2000, 168. OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 1207. OLG Hamm KostRspr § 13a Nr 5 = JurBüro 1962, 29; Zimmermann NJW 1961, 911.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

260 Abs 4 AktG regeln nur die Gerichtskosten, für die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist daher § 13a maßgebend;15 im Verfahren nach §§ 98, 99 AktG ist jedoch die Kostenerstattung ausgeschlossen (§ 99 Abs 6 Satz 10 AktG), ebenso im Bewilligungsverfahren über die Prozesskostenhilfe (§ 118 Abs 1 S 4 ZPO iVm § 14 FGG). Landesrechtliche Vorschriften über die Kosten des Teilungsverfahrens und der Dispache, die ihre Grundlage in § 200 FGG hatten (Art 28, 30 PrFGG, Art 30, 36 HessFGG, Art 20 NdsFGG, Art 132 BayAGBGB), sind nur insoweit aufrechterhalten, als sie dem § 13a nicht widersprechen.16 Im Verfahren vor den Landwirtschaftsgerichten kann § 13a gegenüber §§ 44, 45 LwVG subsidiär Anwendung finden.17 Im FGG-Verfahren sind vorläufige Anordnungen nur ausnahmsweise gesetzlich geregelt (zB § 39 LwVG); im selbständigen Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge für die Dauer des Getrenntlebens sieht das Gesetz den Erlass einer einstweiligen oder vorläufigen Anordnung nicht vor, diese wurde im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt.18 Nach bisherigem Recht bildeten die vorläufigen Anordnungen aber kostenrechtlich grundsätzlich nicht ein besonderes Nebenverfahren,19 so dass es deshalb auch keiner Kostenentscheidung bedurfte,20 da keine zusätzlichen Kosten entstanden. § 17 RVG stellt nun klar, dass das Hauptsacheverfahren und der Erlass einer einstweiligen Anordnung oder einer vorläufigen Anordnung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit verschiedene Angelegenheiten darstellen.21 Strittig ist die Anwendung von § 13a bei Rücknahme der Beschwerde gegen eine im Verbundverfahren ergangene FG-Folgesachen (Rn 20). Im Verfahren über die Aufhebung von Abschiebehaft wegen veränderter Umstände soll über die außergerichtlichen Kosten nach § 13a Abs 1 zu befinden sein, weil § 16 FEVG nicht einschlägig ist.22 Im Verfahren nach §§ 163, 79 findet § 13a keine Anwendung (§ 163 Rn 23).23 Die in einem FG-Verfahren getroffene Kostenentscheidung schließt jedoch nicht einen weitergehenden materiellen Kostenersatzanspruch eines Beteiligten aus, wenn nicht die Frage einer solchen materiellen Kostenerstattungspflicht bereits Gegenstand der Prüfung des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit war.24

II. Kostensachen 3

Kostensachen, die aus einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit hervorgehen, sind ebenfalls solche Angelegenheiten. Deshalb ist § 13a maßgebend für die Anordnung der Kostenerstattung im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 13a Abs 3 mit § 103 ZPO oder nach § 11 RVG (Vorbem Rn 29 ff). Aber auch im Kostenansatzverfahren nach § 14 KostO gründet sich die Kostenerstattungspflicht auf § 13a;25 der Staatskasse können jedoch Kosten nur auferlegt werden, wenn sie in dem Verfahren ordnungsgemäß ver15 16 17 18 19 20 21 22

OLG Frankfurt NJW 1972, 641; BayObLGZ 1966, 428 zu § 132 AktG. KG OLGZ 1965, 226 = NJW 1965, 1538; Bärmann § 46 III 3 f. OLG Celle NdsRpfl 1975, 14. OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1186; 1990, 304. OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 417; aA Lappe Kosten in Familiensachen Rn 989, 990. OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 568. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG eingeführt durch Art 3 KostRMoG. BayObLG JurBüro 1999, 92.

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BayObLG OLGR 25, 413; KG OLGZ 1970, 408 = Rpfleger 1970, 243; KG Rpfleger 1993, 84; LG Bochum, Rpfleger 1994, 451 m Anm Meyer-Stolte. BGH NJW 2003, 3693 für den Fall eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB iVm Art 34 GG. BayObLGZ 1959, 209 = Rpfleger 1959, 322; 1960, 93 = Rpfleger 1961, 200; KG Rpfleger 1965, 322 = KostRspr § 14 KostO Nr 9; OLG Frankfurt DNotZ 1966, 702 = NJW 1966, 670; Tschischgale Rpfleger 1961, 101.

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Kosten

treten (Bezirksrevisor, Rechnungsamt) aufgetreten ist und widersprechende Anträge gestellt hat. Ebenso ist § 13a anwendbar im Verfahren zur Nachprüfung von Notarkosten nach § 156 KostO.26 Das Verfahren vor dem Landgericht nach § 156 Abs 1 KostO ist aber trotz der Bezeichnung als Beschwerde ein Verfahren des ersten Rechtszuges, so dass § 13a Abs 1 S 1 anzuwenden ist.27 Der Auferlegung von Kosten auf den unterliegenden Notar steht es nicht grundsätzlich entgegen, dass er den Rechtsbehelf oder das Rechtsmittel auf Weisung der vorgesetzten Dienstbehörde (§ 156 Abs 6 KostO) eingelegt hat; das ist ein Internum zwischen dem Notar und der Dienstbehörde, welches die Stellung des Notars zu dem Beteiligten nicht berührt;28 dieser Umstand kann allenfalls für die Ermessensausübung nach § 13a Abs 1 S 1 von Bedeutung sein. Nach Erledigung einer Notariatskostenbeschwerde in der Hauptsache können die gerichtlichen Auslagen bei voraussichtlichem Erfolg der Beschwerde entspr § 156 Abs 5 S 3 KostO dem Notar auferlegt werden.29 Im Verfahren zur Festsetzung des Geschäftswerts oder des Beschwerdewerts nach § 31 mit § 14 KostO und nach § 33 RVG ist für die Anordnung einer Kostenerstattung kein Raum (Vorbem Rn 6).

III. Beteiligung Mehrerer 1. Beteiligte Die Kostenerstattung kann nach § 13a Abs 1 nur zugunsten oder zu Lasten eines for- 4 mell Beteiligten angeordnet werden (vgl zum Begriff des Beteiligten § 6 Rn 5ff).30 Dazu gehört nicht, wer ohne materielle Beteiligung, also ohne selbst in seinen Rechten unmittelbar betroffen zu sein, die Anregung zu einem Amtsverfahren gibt; anders, wenn ein Erbprätendent die Einziehung des von einem anderen erwirkten Erbscheins anregt.31 Der Erwerber eines Nachlassgegenstandes ist an dem Verfahren zur Einziehung des Erbscheins nicht beteiligt;32 der Vermächtnisnehmer kann weder einen Erbschein beantragen, noch gegen die Zurückweisung eines Erbscheinsantrages oder die Erteilung eines Erbscheins Beschwerde einlegen.33 Regt das Finanzamt in einem von ihm beantragten Verfahren auf Nachlassauseinandersetzung gemäß § 86 die Bestellung eines Pflegers für ein beteiligtes Kind an, so wird es dadurch nicht Beteiligter des Pflegschaftsverfahrens.34 Der Vormund (Pfleger) ist nicht beteiligt an dem Verfahren zur Aufhebung der Vormundschaft (Pflegschaft), weil er kein eigenes Recht auf Fortdauer dieser Maßnahme hat. Ebenso wenig können dem Verfahrenspfleger oder dem Betreuer die (außergerichtlichen) Kosten auferlegt werden, selbst wenn sie im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren entgegengesetzte Anträge stellen, aber das Interesse des Betreuten verfolgen.35 Personen, 26

27 28 29

BayObLG, DNotZ 1979, 430; KG v 8.4. 2003 – 1 W 67/01 – nicht veröffentlicht; OLG Brandenburg DNotZ 1997, 248 m Anm Waldner; OLG Oldenburg NdsRpfl 1968, 85 = Rpfleger 1968, 101; OLG Frankfurt DNotZ 1966, 702 = NJW 1966, 670; LG Berlin JurBüro 1983, 1247; LG Braunschweig KostRspr § 13a FGG Nr 2; Tschischgale Rpfleger 1961, 101. LG Braunschweig KostRspr § 13a FGG Nr 2. BayObLG DNotZ 1979, 430. KG v 8.4.2003 – 1 W 67/01 – nicht veröffentlicht.

30

31 32 33 34 35

BGHZ 31, 92; BayObLGZ 1959, 140; 1963, 1; 1972, 354; KG FamRZ 1968, 472; OLG Karlsruhe KostRspr FGG § 13a Nr 36. BayObLGZ 1954, 128. BayObLGZ 1966, 49. BayObLG FamRZ 2001, 380; BayObLGZ 1998, 71 = FamRZ 1999, 817. BayObLG Rpfleger 1986, 293. OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1547; FamRZ 2003, 1768.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

denen ein erweitertes Beschwerderecht aus § 57 zusteht, können Beteiligte dadurch werden, dass sie an dem Verfahren teilnehmen (§ 6 Rn 6).36 In Antragsverfahren, deren Gegenstand der Verfügung der Beteiligten unterliegt, ist der Antragsgegner formell Beteiligter auch dann, wenn er sich auf das Verfahren nicht einlässt; im Hausratsverfahren können daher dem unterlegenen Antragsgegner Kosten des Antragstellers auch auferlegt werden, wenn er zu dem Antrage nicht Stellung genommen hat, sofern er durch die Verweigerung einer außergerichtlichen Regelung zur Stellung des Antrags Anlass gegeben hat. Im Verfahren bzgl der Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung kann der Vermieter Beteiligter sein, wenn er zu Anträgen Stellung genommen hat.37 Im Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG ist der Notar nicht Beteiligter, so dass ihm bei Erfolg der Beschwerde die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers nicht auferlegt werden können.38 Im Amtsverfahren dagegen können materiell Beteiligte, die sich auf das Verfahren nicht einlassen oder widersprechen, mit den Kosten anderer Beteiligter nicht belastet werden.39 Auch zugunsten eines materiell Beteiligten, der an dem Verfahren nicht teilgenommen hat, kann eine Kostenerstattung nicht angeordnet werden. Ein materiell Beteiligter wird aber dadurch zum formell Beteiligten, dass ihm ein Antrag oder eine Beschwerde zur Stellungnahme mitgeteilt oder im Amtsverfahren die Einleitung des Verfahrens bekannt gemacht wird,40 auch wenn er von einer Stellungnahme absieht; wenn er aber in dem Verfahren nicht hervorgetreten ist, also von seinem Recht und der ihm gebotenen Möglichkeit, sich an dem Verfahren zu beteiligen, keinen Gebrauch gemacht hat, kommt eine Kostenerstattung zu seinen Gunsten nicht in Betracht, auch wenn ihm außergerichtlich, zB durch Einholung von Rechtsrat, Kosten erwachsen sein sollten.41 Eine Kostenerstattung kommt auch in Betracht, wenn ein am Verfahren formell Beteiligter, der berechtigt ist, die Belange des Betroffenen (Pflegebefohlenen) im eigenen Namen wahrzunehmen, dem Verfahrensziel des Betroffenen entgegentritt.42 An einem Verfahren, das die Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses betrifft, ist ein anderer Mann, der als Vater in Betracht kommt, nicht beteiligt;43 es sei denn es handelt sich um einen Mann, der ein Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs 1 Nr 2 BGB hat. 2. Kostenpflichtiger oder erstattungsberechtigter Beteiligter

5

Kostenpflichtiger oder erstattungsberechtigter Beteiligter kann eine natürliche Person oder eine juristische Person des privaten oder des öffentlichen Rechts sein, gegebenenfalls auch eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung (vgl § 13 Rn 9). Wird ein Beteiligter in dem Verfahren durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten, so ist kostenpflichtig der Vertretene, nicht der Vertreter. Parteien kraft Amtes (Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Zwangsverwalter) sind als solche Träger der Kostenpflicht, es haftet aber nur der jeweilige Amtsträger mit dem von ihm verwalteten Vermögen.44 Dagegen ist der Amtsträger persönlich Kostenschuldner, wenn es in dem Verfahren um seine eigenen Rechte geht, zB um die Entlassung des Testamentsvollstreckers oder die Vergütung des Nachlassverwalters. Ob dem Kostenpflichtigen ein Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen die von ihm verwaltete Vermögensmasse oder einen Dritten

36 37 38 39

BayObLG FamRZ 1994, 1413 (Großmutter); BayObLG FamRZ 1994, 978 (Pflegeeltern). OLG Hamburg FamRZ 1994, 716. KG KostRspr § 13a Nr 46; BayObLG Rpfleger 1972, 1. BayObLGZ 1965, 333 = FamRZ 1965, 625; BayObLGZ 1966, 49 = FamRZ 1967, 515.

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40 41 42 43 44

BGHZ 31, 92; BayObLG FamRZ 1985, 739; Baur § 12 III 2. BGHZ 31, 92; BayObLGZ 1963, 265. KG FamRZ 1988, 1207. BayObLG FamRZ 1992, 984. Zöller/Herget § 91 Rn 8.

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§ 13a

Kosten

zusteht, ist für die verfahrensrechtliche Kostentragungspflicht unerheblich. Wer ein Beschwerderecht aus eigenem Recht, wenn auch im Interesse eines Dritten, ausübt (vgl Bem zu § 57), ist persönlich Träger der Kostenlast und des Kostenerstattungsanspruchs. Auch Behörden können kostenerstattungspflichtig oder -berechtigt sein, wenn sie in dem Verfahren die Stellung eines Beteiligten erlangt haben (vgl § 6 Rn 7).45 Eine anerkannte Einrichtung nach § 3 Abs 1 S 2 BWUnterbG kommt als kostenpflichtiger Beteiligter nach § 13a Abs 1 in Betracht.46 Jedoch wird eine Behörde nicht schon dadurch Verfahrensbeteiligte, dass sie in Erfüllung einer öffentlichrechtlichen Pflicht in dem Verfahren gehört wird, zB das Jugendamt nach §§ 49, 49a, die Industrie- und Handelskammer nach § 23 HRegVfg, der Staatsanwalt nach § 22 VerschG (vgl § 6 Rn 7), die Behörden und die Berufsvertretung im Lw-Verfahren47 oder die Aufsichtsbehörde in Personenstandssachen.48 Macht aber eine Behörde in Wahrnehmung der ihr anvertrauten öffentlichen Aufgaben von einem ihr gesetzlich verliehenen Antrags- oder Beschwerderecht Gebrauch – oder maßt sie sich ein solches Recht zu Unrecht an –, so wird sie dadurch formell Beteiligte und es können ihr die Kosten anderer Beteiligter auferlegt werden; der Umstand, dass die Behörde nicht rechtsfähig ist und im öffentlichen Interesse tätig wird, steht nicht entgegen.49 Durch Stellung von Anträgen und Einlegung von Beschwerden kann daher eine Kostenerstattungspflicht begründet werden zugunsten oder zu Lasten des Jugendamts zB wenn es das Beschwerderecht aus § 57 Abs 1 Nr 9 FGG ausübt;50 der Organe des Handels- und Handwerksstandes im Verfahren nach § 126 FGG,51 des Staatsanwalts im Todeserklärungsverfahren (§§ 16 Abs 2, 17 VerschG), der Standesamtsaufsichtsbehörde in Personenstandssachen (§ 49 Abs 2 PStG),52 der Landwirtschaftsbehörde im Lw-Verfahren (§ 32 Abs 2 S 2, 3 LwVG).53 Dasselbe gilt für die Behörde, deren Bescheid in dem gerichtlichen Verfahren angefochten wird. Tritt aber eine Behörde als Organ eines öffentlichen Rechtsträgers als dessen gesetzlicher Vertreter auf, so ist Beteiligter die von der Behörde vertretene juristische Person des öffentlichen Rechts, zB die durch den Bezirksrevisor vertretene Staatskasse im Kostenansatzverfahren nach § 14 KostO.54 Kommt eine Behörde als erstattungsberechtigt in Betracht, die sich in dem Verfahren selbst vertreten hat, so ist zu beachten, dass der allgemeine Verwaltungsaufwand nicht erstattungsfähig ist; ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der Kostenerstattung ist daher nur gegeben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Behörde durch die Teilnahme am Verfahren besondere Aufwendungen entstanden sind.55 Eine Kostenerstattung durch die Staatskasse sieht § 13a – außer im Falle des Abs 2 – nicht vor, eine solche kann auch nicht durch eine entsprechende Anwendung begründet werden.56

45 46 47 48 49

50

BGHZ 31, 92. OLG Karlsruhe Die J 1996, 17 = FamRZ 1995, 488. Barnstedt/Steffen § 32 Rn 21 mwN. AG München StAZ 1988, 356. BGHZ 31, 92 = NJW 1960, 148 = MDR 1960, 123 = Rpfleger 1960, 48 = LM § 13a FGG Nr 2 m Anm Ascher; BayObLGZ 1967, 385; OLG Stuttgart DieJ 1973, 141; BayObLG Rpfleger 1986, 293; Zimmermann Rpfleger 1958, 209. BayObLG FamRZ 1989, 652; OLG Düsseldorf FamRZ 1968, 43; OLG Neustadt Rpfleger 1963, 36 (LJA).

51 52

53 54 55 56

OLG Oldenburg Rpfleger 1958, 381. BayObLG FamRZ 1985, 201; OLG Hamm StAZ 1983, 200; PfälzOLG Zweibrücken StAZ 1985, 132. BGH MDR 1955, 605; Barnstedt/Steffen § 45 Rn 41 mwN. BayObLGZ 1959, 210; Zimmermann Rpfleger 1958, 209. BayObLGZ 1959, 233; 1963, 223; Zimmermann Rpfleger 1958, 209. BayObLG FamRZ 2000, 1233; Rpfleger 1988, 385.

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§ 13a

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3. Dritte

6

Außerhalb des Prozessrechtsverhältnisses stehende Dritte können nur in besonderen Fällen Schuldner oder Gläubiger des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs werden, so der Vertreter ohne Vollmacht (vgl § 13 Rn 47) oder Zeugen oder Sachverständige im Verfahren nach § 15 FGG iVm §§ 380, 387, 390, 409 ZPO. Der etwaige Erstattungsanspruch des Betroffenen geht auf dessen Erben über.57 4. Mehrheit Beteiligter

7

Die Beteiligten müssen sich in dem Verfahren im entgegengesetzten Sinne gegenüberstehen.58 Wenn mehrere Beteiligte mit Anträgen und Beschwerden das gleiche Ziel verfolgen, kann eine Kostenerstattung unter ihnen nicht angeordnet werden.59 Die Beteiligten müssen also zueinander im Verhältnis von Verfahrensgegners stehen. Ob ein solches Verhältnis besteht, ist verhältnismäßig eindeutig festzustellen in echten Streitsachen und überhaupt im Antragsverfahren, in welchem ein Beteiligter einen Antrag stellt, die der andere Beteiligte widerspricht. Im Amtsverfahren ergibt erst die Stellungsnahme der Beteiligten zu dem erstrebten Verfahrensziel, ob sie sich in entgegengesetztem Sinne gegenüberstehen; so zB der den Erbschein beantragende Testamentserbe und der widersprechende gesetzliche Erbe.60 Die Stellung als Verfahrensgegner wird aber nicht dadurch ausgeschlossen, dass beide Beteiligte dasselbe Interesse zu vertreten meinen, zB das Wohl des Kindes oder Mündels; es kommt nur darauf an, ob sie in dem Verfahren entgegengesetzte Ziele erstreben; so zB ein Beteiligter, der berechtigt ist, die Belange des Pflegebefohlenen wahrzunehmen und dem Verfahrensziel des Betroffenen entgegentritt.61 Daher sind im entgegengesetzten Sinne beteiligt der gesetzliche Vertreter (Vormund, Eltern, Betreuer) und der Mündel/Betreute im freiheitsentziehenden Verfahren nach §§ 1631b, 1906 BGB,62 der zum Betreuer bestellte eine Sohn des Betreuten und dessen Bruder im Beschwerdeverfahren um die Eignung des Betreuers63 oder gesamtvertretungsberechtigte Eltern untereinander bei Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen, gleiches gilt bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Pflegern oder zwischen mehreren Vormündern und Pflegern. Wird eine Unterbringung lediglich durch den Betroffenen angefochten, fehlen weitere Beteiligte.64

IV. Anordnung der Kostenerstattung 1. Grundsatz

8

Abweichend von § 91 ZPO, aber der Eigenart der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend und in Übereinstimmung mit den meisten früheren Landesrechten (Rn 1), zieht nicht schon die bloße Tatsache des Unterliegens die Verurteilung in die dem Gegner erwachsenen Kosten nach sich. Nach der grundsätzlichen Regelung des § 13a Abs 1 S 1 ist vielmehr das Gericht ermächtigt, nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Erstattung der dem Gegner erwachsenen Kosten ganz oder teilweise anzuordnen, 57 58 59

BayObLG NJW-RR 2002, 514. BayObLG FamRZ 2000, 498 mwN. BayObLGZ 1958, 221 zu Art 131 BayAGBGB; OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1546 (Versorgungsträger hat zugunsten der Parteien Beschwerde eingelegt).

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60 61 62 63 64

OLG Hamm JMBlNRW 1964, 275. KG FamRZ 1988, 1207. BayObLGZ 1963, 36. BayObLG FamRZ 2001, 1405. BayObLG FamRZ 2001, 1645.

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Kosten

wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Vorschrift gilt für alle Rechtszüge. Nur in zwei Fällen wird durch Satz 2 die unbedingte Verpflichtung des Gerichts begründet, eine Kostenerstattung anzuordnen, nämlich wenn und soweit ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlasst hat. Soweit diese besonderen Voraussetzungen nicht vorliegen, greift die grundsätzliche Regelung des Abs 1 S 1 ein.65 Abs 2 regelt die Auslagenerstattung des Betroffenen durch die Staatskasse in Betreuungs- und Unterbringungssachen ebenso wie die Erstattungspflicht eines Dritten bei grobem Verschulden in einer solchen Angelegenheit. Abs 2 Satz 3 gilt nur für freiheitsentziehende Unterbringung nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker. 2. Kostenauferlegung nach Maßgabe der Billigkeit (Abs 1 S 1) Nach der grundsätzlichen Regel des § 13a Abs 1 S 1 wird die Anordnung der Kosten- 9 erstattung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt und davon abhängig gemacht, dass sie der Billigkeit entspricht.66 Die Anordnung der Kostenerstattung ist daher nicht die Regel, insbesondere nicht die notwendige Folge des Unterliegens, sondern sie bedarf darüber hinaus besonderer Rechtfertigung durch die Lage des Einzelfalls.67 Das bloße Unterliegen eines Beteiligten ist mithin für sich allein noch kein ausreichender Grund, da es sonst nicht erforderlich gewesen wäre, die Anordnung in das Ermessen des Gerichts zu stellen.68 Im Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit führt die Zurücknahme des Antrags nicht zwangsläufig zur Auferlegung der Kosten auf den Zurücknehmenden, wenn nicht noch besondere Gründe hinzutreten.69 Da die Regelung des § 13a Abs 1 S 1 ein bewusstes Abweichen vom starren Erfolgsgrundsatz des § 91 ZPO darstellt, dürfen die Grundsätze der ZPO über die Pflicht der Kostentragung nicht mit der Begründung in das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit übernommen werden, es entspreche der Billigkeit, dass der Unterliegende die den anderen Beteiligten erwachsenen Kosten erstattet. Bestehen nach der Sachlage keine hinreichenden Gründe für die Anordnung der Kostenerstattung, so muss sie unterbleiben; so zB nach Rücknahme der Beschwerde im Betreuungsverfahren, an dem zwei Brüder in gegensätzlichem Sinn beteiligt sind.70 Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird also von dem Grundsatz beherrscht, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt.71 Die Ermessensausübung des Gerichts ist davon abhängig, dass die Anordnung der Kostenerstattung der Billigkeit entspricht. Durch die Verweisung auf Grundsätze der Billigkeit sollen Härten vermieden werden. Billigkeit zielt auf die angemessene und gerechte Entscheidung des Einzelfalls ab, sie erfordert also die Feststellung des im Einzelfall Gerechten und Richtigen unter sorgfältiger Berücksichtigung aller Umstände. Bei Billigkeitsentscheidun65

66

67

BGHZ 28, 117 = NJW 1958, 1493 = Rpfleger 1958, 262 m Anm Jansen; KG Rpfleger 1958, 185; BayObLGZ 1959, 33. BGHZ 28, 117 = NJW 1958, 1493 = Rpfleger 1958, 262 m Anm Jansen; KG OLGZ 1965, 226 = NJW 1965, 1538; KG Rpfleger 1958, 185; BayObLGZ 1959, 33; 1961, 183; OLG Hamm JMBlNRW 1966, 104; Zimmermann Rpfleger 1958, 209. KG OLGZ 1965, 226 = NJW 1965, 1538; vgl zu Art 9 PrFGG KG JFG 18, 342; BayObLGZ 1961, 183; BayObLG FamRZ 1991, 846; 1989, 886; 2000, 971; 2001,

68

69 70 71

1311; OLG Bamberg FamRZ 1999, 103; Barnstedt/Steffen § 45 Rn 17 mwN. KG Rpfleger 1959, 385; FamRZ 1966, 239; BayObLGZ 1961, 183; BayObLG FamRZ 2000, 971; OLG Hamm JMBlNRW 1966, 104; Jansen Anm zu BGH Rpfleger 1958, 264; Zimmermann Rpfleger 1958, 209. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2004, 1589. BayObLG FamRZ 2001, 1405. BayObLGZ 1958, 22; 1961, 185; KG Rpfleger 1959, 385; OLG Celle KostRsp § 13a FGG Nr 4.

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gen ist der Idee nach nur eine Entscheidung die richtige, nämlich diejenige, die unter Berücksichtigung aller bei der Ausfüllung des Begriffs in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls eine angemessene und gerechte Regelung trifft. Allerdings werden Billigkeitserwägungen nicht immer zu ganz eindeutigen Lösungen führen; wegen der gebotenen individualisierenden Betrachtungsweise ist die Beurteilung überwiegend dem Tatsachenrichter zu belassen, dessen Beurteilungsermessen im Rechtsbeschwerdeverfahren nur beschränkt nachprüfbar ist.72 Ein Billigkeitsentscheid ist willkürlich, wenn das Gericht den Sachverhalt offensichtlich unzureichend würdigt.73 Billigkeitsgründe für die Anordnung können etwa gegeben sein, wenn ein Beteiligter 10 offensichtlich unbegründete Anträge stellt, an denen er trotz Belehrung festhält, oder wenn er durch ungerechtfertigte Maßnahmen Anlass zu einem gerichtlichen Verfahren gibt; zB wenn ein Ehemann die Schlüsselgewalt der Frau ohne Grund ausschließt oder beschränkt (§ 1357 BGB) oder wenn der Beteiligte das Verfahren durch sein schuldhaftes Verhalten veranlasst hat (§ 1666 BGB) oder wenn er durch Uneinsichtigkeit eine vernünftige Einigung verhindert und dadurch oder durch schuldhafte Säumigkeit im Verfahren den anderen Beteiligten Mehrkosten veranlasst hat, ohne dass bereits der Tatbestand des groben Verschuldens (Abs 1 S 2) erfüllt ist. Die Feststellung, dass Kosten notwendig gewesen sind, genügt nicht, um aus Billigkeitsgründen eine Kostenerstattung anzuordnen.74 Bei Streitigkeiten unter Familienmitgliedern ist im allgemeinen bei der Auferlegung von Kostenerstattungspflichten Zurückhaltung geboten, damit dem Streit und der Entfremdung durch anschließende weitere gerichtliche Verfahren anlässlich der Kostenfestsetzung oder gar einer Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss nicht neue Nahrung geboten wird, sofern nicht etwa ein Beteiligter nach seiner wirtschaftlichen Lage auf die Erstattung der von ihm aufgewendeten Kosten durch den leistungsfähigen Gegner angewiesen ist.75 In rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter sich sonst nicht nahestehenden Beteiligten wird die Kostenerstattung eher der Billigkeit entsprechen; dabei können auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten für die Ermessensausübung Bedeutung haben.76 Es entspricht regelmäßig der Billigkeit, die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittelgegners durch den Rechtsmittelführer anzuordnen, wenn dieser sein Rechtsmittel zwar zunächst nur vorsorglich (fristwahrend) und ohne Begründung eingelegt hat, es jedoch erst mehrere Monate nach Einlegung und nach Ablauf der verlängerten Begründungsfrist zurückgenommen hat.77 Beruhte die Einleitung eines Zwangsgeldverfahrens auf einseitigen Verstößen des Gegners gegen Absprachen oder gerichtliche Verfügungen, dann entspricht die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Billigkeit.78 Die Vorschrift enthält, anders als § 45 Abs 1 S 1 LwVG, nicht die Beschränkung, dass 11 die Kosten nur dem Unterliegenden auferlegt werden dürfen. Es ist daher nicht rechtsgrundsätzlich ausgeschlossen, dass die Kosten einem obsiegenden Beteiligten auferlegt werden, wenn dies nach der besonderen Lage des Falles der Billigkeit entspricht. Das kann, vor allem in echten Streitsachen, entsprechend § 97 Abs 2 ZPO für die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Betracht kommen, wenn der Beteiligte auf Grund neuen Vorbringens obsiegt, das er schon im ersten Rechtszug hätte geltend machen können. Ebenso

72 73 74 75

BayObLGZ 1973, 30. BVerfG FamRZ 1993, 1420. BayObLG FamRZ 1991, 1084 sowie 1994, 177 m Anm Luthin. KG Rpfleger 1959, 385; KG OLGZ 1965,

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226 = NJW 1965, 1538; KG FamRZ 1966, 239; BayObLGZ 1961, 183. Zimmermann Rpfleger 1958, 209. KG FamRZ 2004, 710. AG Korbach FamRZ 2004, 1978.

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kann eine solche Maßnahme uU gerechtfertigt sein, wenn eine Behörde im öffentlichen Interesse eine obergerichtliche Klärung einer zweifelhaften Rechtsfrage erstrebt (vgl § 49 Abs 2 PStG) und erst in der Beschwerdeinstanz obsiegt. Nach Grundsätzen der Billigkeit kann das Gericht auch den Umfang der Erstattungs- 12 pflicht bemessen („ganz oder teilweise“); notfalls ist dieses im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens auszulegen.79 Es kann einem Beteiligten nur eine Quote auferlegen oder nur bestimmte Sonderkosten, wie die Kosten einer Reise oder einer durch unbegründeten Widerspruch veranlassten Beweisaufnahme; es kann auch die Erstattung der gesamten Kosten des anderen Beteiligten anordnen, dabei aber den zu erstattenden Betrag durch einen Höchstbetrag begrenzen oder einen bestimmten Teilbetrag oder gewisse Sonderkosten, zB die Anwaltskosten, von der Erstattung ausnehmen. 3. Kostenauferlegung bei unbegründetem Rechtsmittel (Abs 1 S 2) Abweichend von Satz 1 ordnet Satz 2 die Auferlegung der Kosten zwingend an,80 13 ohne Billigkeitserwägungen Raum zu lassen, auch nicht hinsichtlich des Umfangs der Erstattungspflicht. Die Vorschrift ist ersichtlich dem § 45 Abs 1 S 2 LwVG nachgebildet, durch dessen Fassung die Kostenerstattung in Landwirtschaftsverfahren der ZPO angenähert werden sollte. Der starre Erfolgsgrundsatz des §§ 91, 97 ZPO mag allenfalls in gewissen echten Streitsachen erträglich sein. Gerade für die in Sondergesetzen geregelten Streitverfahren gilt aber der Grundsatz des Satzes 2 nicht, sondern es ist über die Kostenerstattung auch bei erfolglosen Rechtsmitteln nach billigem Ermessen zu befinden, sofern die Kostenerstattung nicht überhaupt gesetzlich ausgeschlossen ist. Es ergibt sich mithin der wenig folgerichtige Zustand, dass das Gericht bei erfolglosen Rechtsmitteln zB im Verfahren nach §§ 98, 99 AktG keine Kostenerstattung anordnen darf (§ 99 Abs 6 S 10 AktG) oder in Wohnungseigentumssachen über die Kostenerstattung nach billigem Ermessen entscheidet (§ 47 WEG), während es dem Elternteil, der im Verfahren nach §§ 1628, 1671, 1672 BGB erfolglos Beschwerde einlegt, die Kosten des anderen Teils zwingend auferlegen muss. Die Vorschrift kann daher nur nach ihrem strengen Wortsinn angewendet werden und verträgt keine erweiternde Auslegung. Sie setzt voraus: a) Rechtsmittel Es muss sich um Kosten für ein unbegründetes Rechtsmittel, also eine Beschwerde 14 oder weitere Beschwerde handeln. Die Auferlegung von Kosten, die durch einen unbegründeten Antrag, Widerspruch (zB §§ 141, 141a, 142, 144a, 147, 159, 160b, 161) oder Einspruch (zB §§ 132, 140, 159), durch ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs 2) oder durch eine Erinnerung gegen eine Rechtspflegerentscheidung (§ 11 Abs 2 RPflG) oder des Urkundsbeamten veranlasst sind, richtet sich mithin nach der Ermessensvorschrift des Satzes 1, sofern nicht grobes Verschulden vorliegt (Rn 18). b) Unbegründetes Rechtsmittel Das Rechtsmittel muss als unbegründet zurückgewiesen sein. Es genügt nicht, dass 15 das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird,81 gleich aus welchem Grunde, also auch wegen mangelnden Beschwerderechts (§ 25 Rn 2, 11). Der Unterschied zwischen einer

79 80

Lappe Rpfleger 1985, 421. OLG Hamm JMBlNRW 1958, 42 = Rpfleger 1958, 87; KG OLGZ 1965, 226.

81

KG Rpfleger 1958, 185; aA BGHZ 31, 92; BayObLGZ 1998, 82; Barnstedt/Steffen § 45 Rn 27.

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Zurückweisung als unbegründet und einer Verwerfung als unzulässig kann dem Gesetzgeber bei der Fassung des Abs 1 S 2 schwerlich verborgen gewesen sein; die Voraussetzungen für eine erweiternde Auslegung oder eine abändernde Rechtsfindung liegen nicht vor, weil es infolge Anwendbarkeit des Abs 1 S 1 an einer Gesetzeslücke fehlt und der Grundgedanke des Gesetzes seinen Niederschlag in Abs 1 S 1, nicht in S 2 gefunden hat. Unbegründet ist ein Rechtsmittel auch, wenn der Beschwerdeführer schlechter gestellt82 oder wenn die weitere Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen wird, dass die erste Beschwerde statt als unbegründet als unzulässig verworfen wird;83 allerdings dürfte in dem Fall das Rechtsbeschwerdegericht über die Kosten der ersten Beschwerde nach § 13a Abs 1 S 1 entscheiden, und die weitere Beschwerde würde, wenn die Vorentscheidung im Kostenpunkt zugunsten des Beschwerdeführers geändert wird, teilweise Erfolg haben (Rn 16). Unbegründet ist ein Rechtsmittel auch, wenn das Verfahren des Amtsgerichts, zB wegen mangelnder Sachaufklärung, fehlerhaft war und das Beschwerdegericht nach Behebung dieses Mangels die Beschwerde als im Ergebnis unbegründet zurückweist.84 Für die Verpflichtung zur Kostenauferlegung ist der Gegenstand der angefochtenen Entscheidung unerheblich. Nach Abs 1 S 2 ist daher auch zu entscheiden, wenn die Beschwerde sich gegen eine Zwischenverfügung, eine vorläufige Anordnung oder eine Teilentscheidung richtet, die selbst eine Kostenentscheidung noch nicht enthalten können (Rn 27). Dasselbe gilt, wenn die weitere Beschwerde gegen eine Entscheidung, durch welche das LG die Sache an das AG zurückverweist, zurückgewiesen wird;85 § 13a Abs 1 S 2 enthält ebenso wie § 97 ZPO einen Fall der Kostentrennung, bei dem die Kostenpflicht von dem endgültigen Ausgang der Sache unabhängig ist.86 c) Umfang der Unbegründetheit

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Das Rechtsmittel muss in vollem Umfang unbegründet sein. Bei teilweise begründetem Rechtsmittel ist Abs 1 S 1 anzuwenden,87 auch wenn der Beschwerdegegenstand teilbar ist oder das Rechtsmittel nur im Kostenpunkt Erfolg hat.88 Sind in derselben Angelegenheit die von zwei Beteiligten im entgegengesetzten Sinne eingelegten Beschwerden erfolglos geblieben, so sind nicht etwa jedem Beschwerdeführer nach S 2 die durch seine Beschwerde dem anderen Beteiligten erwachsenen Kosten aufzuerlegen, sondern es gilt die Ermessensvorschrift des S 1.89 Hat ein Rechtsmittel ganz oder teilweise Erfolg und entscheidet das Beschwerdegericht in der Sache selbst, so ist über die Kosten des gesamten Verfahrens, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittels, nach Abs 1 S 1 zu entscheiden.90 d) Zurückverweisung

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Bei Zurückverweisung ist, wie im Zivilprozess,91 eine Anordnung der Kostenerstattung nicht möglich; bei der späteren abschließenden Entscheidung ist über die Kosten des 82 83 84

85 86 87

BayObLGZ 1959, 140 = Rpfleger 1959, 384 m Anm Zimmermann. BayObLGZ 1964, 94. Keidel/Zimmermann Rn 33; aA LG Stade NdsRpfl 1965, 202 = KostRspr § 13a FGG Nr 17. AA BayObLGZ 1961, 227. Vgl BGHZ 20, 397; 25, 346; Musielak/Wolst § 97 Rn 1. BayObLG FamRZ 1994, 781; BayObLGZ

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88 89

90 91

1958, 109 = NJW 1958, 1683; aA BayObLG KostRspr § 13a FGG Nr 74. BayObLGZ 1959, 71; 1963, 293. BayObLGZ 1959, 33 = NJW 1959, 1495 = Rpfleger 1960, 166 m zust Anm Zimmermann; BayObLG FamRZ 1994, 781; OLG Braunschweig OLGZ 1975, 434. BayObLG FamRZ 1994, 781. Musielak/Wolst § 97 Rn 6; Zimmermann ZPO § 97 Rn 4; Zöller/Herget § 97 Rn 7.

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Beschwerderechtszugs, der zur Zurückweisung geführt hat, gemäß Abs 1 S 1 zu befinden, und zwar von dem Gericht (AG, LG), an welches die Sache zurückverwiesen worden war.92 War zB die Sache an das LG zurückverwiesen worden und weist dieses nunmehr die erste Beschwerde zurück, so sind die Kosten des ersten Beschwerderechtszugs dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Abs 1 S 2), während hinsichtlich der Kosten des dritten Rechtszugs das LG gemäß Abs 1 S 1 sein Ermessen dahin ausüben kann, die Kosten entweder ebenfalls dem Beschwerdeführer aufzuerlegen oder insoweit von einer Kostenerstattung abzusehen.93 Ebenso ist die Kostenentscheidung der unteren Instanz vorzubehalten, wenn nur wegen eines Teils des Verfahrensgegenstandes aufgehoben und zurückverwiesen wird. War die Sache an das AG zurückverwiesen worden, so hat dieses bei seiner abschließenden Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens nach Abs 1 S 1 zu entscheiden. 4. Grobes Verschulden (Abs 1 S 2) Eine weitere Beschränkung des gerichtlichen Ermessens sieht das Gesetz in § 13a Abs 1 18 S 2 insofern vor, als es das Gericht verpflichtet, einem Beteiligten diejenigen Kosten anderer Beteiligter aufzuerlegen, die er durch grobes Verschulden veranlasst hat. Auch hier liegt ein Fall der Kostentrennung vor. Die Vorschrift gilt in allen Rechtszügen; es kann also sein, dass zwar die Kosten eines unbegründeten Rechtsmittels dem Beschwerdeführer nach Abs 1 S 2 aufzuerlegen sind, dass aber einzelne dem Beschwerdeführer erwachsene Kosten ausgesondert und dem (obsiegenden) Beteiligten auferlegt werden, der sie grob schuldhaft veranlasst hat.94 Grobes Verschulden bedeutet Außerachtlassen der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße unter Nichtbeachtung dessen, was jedem einleuchten muss.95 Es kommt nur ein verfahrensrechtliches Verschulden in Betracht, das Verabsäumen jeder von einem gewissenhaften Beteiligten bei der Teilnahme am Verfahren zu beobachtenden Sorgfalt. Tritt das Verschulden eines Beteiligten im Gegenstand des Verfahrens zu Tage (§ 1666 BGB), so kann nur von dem Ermessen des Abs 1 S 1 Gebrauch gemacht werden.96 Die Kosten der übrigen Beteiligten müssen gerade durch das grobe Verschulden veranlasst, also adäquat verursacht sein. Die Vorschrift wird daher in der Regel nur zur Auferlegung eines Teils der Kosten, nämlich der durch das Verschulden im Verfahren grob schuldhaft verursachten, führen. Grobes Verschulden kann durch falsches, unzureichendes oder verspätetes Vorbringen begründet sein.97 Mangelnde deutsche Sprachkenntnisse sind einem Beteiligten nicht als Verschulden anzulasten.98 5. Zurücknahme des Antrags Eine Entscheidung über die Kostenerstattung ist auch statthaft, wenn im Antrags- 19 verfahren der Antrag zurückgenommen wird.99 Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 13a Abs 1 S 1,100 und zwar auch, wenn der Antrag nach Einlegung eines zulässigen Rechts92 93

94 95

PfälzOLG Zweibrücken FGPrax 2003, 220. BayObLGZ 1963, 183; FamRZ 1963, 521; OLG Hamm KostRspr § 13a FGG Nr 91 = FamRZ 1993, 823. Zimmermann Rpfleger 1958, 69; Tschischgale Rpfleger 1961; 105. RGZ 141, 131; 163, 106; KG OLGZ 1965, 226 = NJW 1965, 1538; OLG Hamm FamRZ 1983, 1264.

96

97 98 99 100

AA Zimmermann Rpfleger 1958, 69 zu III 3b; vgl auch Tschischgale Rpfleger 1961, 100. LG Koblenz FamRZ 1999, 102. BayObLG FamRZ 1999, 604. KG OLGZ 1965, 226 = NJW 1965, 1538; aA Zimmermann Rpfleger 1958, 69. OLG Frankfurt KostRspr FGG § 13a Nr 35.

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mittels erst im Beschwerdeverfahren zurückgenommen wird.101 Allerdings führt die bloße Tatsache der Antragsrücknahme nicht ohne weiteres dazu, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Gegners aufzubürden.102 Bei der Billigkeitsentscheidung ist die Erwägung, dass der Antrag voraussichtlich unbegründet gewesen wäre, für sich allein nicht ausreichend, da auch die bloße Tatsache der Zurückweisung des Antrags hierzu nicht genügt hätte (Billigkeitsgründe siehe Rn 10).103 Zwar ist es auch im Fall der Antragsrücknahme für die Ermessensausübung nicht ganz ohne Bedeutung, ob der Antrag bei einer Würdigung der bisherigen Sach- und Rechtsfrage zum Erfolg geführt hätte;104 jedoch braucht das Gericht in dieser Hinsicht rechtlich oder tatsächlich schwierige oder zweifelhafte Fragen nicht im einzelnen zu prüfen und weitere Ermittlungen sind jedenfalls ausgeschlossen. Die Anordnung der Kostenerstattung kann daher schon unterbleiben, wenn selbst bei Annahme der voraussichtlichen Unbegründetheit des Antrags besondere Billigkeitsgründe dafür nicht vorliegen. Wird ein isolierter Sorgerechtsantrag zurückgenommen, weil im späteren Verbundverfahren auch ein Antrag auf einstweilige Anordnung hinsichtlich des Sorgerechts gestellt ist, wird die Rücknahme allein nicht kostenmäßig nachteilig.105 6. Zurücknahme des Rechtsmittels

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Auch nach Zurücknahme des Rechtsmittels bleibt das Beschwerdegericht befugt, über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. 106 Rechtsgrundlage ist § 13a Abs 1 S 1, nicht die zwingende Vorschrift des Satzes 2.107 Eine entsprechende Anwendung der §§ 516 Abs 3, 565 ZPO kommt auch in echten Streitsachen nicht in Betracht;108 allerdings ist hier bei Rücknahme eines erkennbar aussichtslosen Rechtsmittels regelmäßig die Kostenerstattungspflicht des Rechtsmittelführers auszusprechen.109 Bei der Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren kann die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels berücksichtigt werden, wenn sie ohne weiteres beurteilt werden kann.110 Die Rücknahme allein rechtfertigt nicht, dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten der anderen Beteiligten aufzuerlegen;111 nur ausnahmsweise ist anzuordnen, dass Kosten zu erstatten sind,112 handelt es sich um einen Streit im Familienkreis, kommt die Anordnung einer Kostenerstattung nur ausnahmsweise in Betracht.113 Zwar entspricht eine Kostenerstattungsanordnung zu Lasten des Rechtsmittelführers regelmäßig der Billigkeit, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen, diese müssen jedoch jeweils im Einzelfall zugrundegelegt werden.114 101 102

103 104 105 106

107

KG FamRZ 2004, 710. HansOLG Hamburg MDR 1970, 854; BayObLG NJW 1973, 1378; BayObLG FamRZ 1999, 1588 (für Verfahren nach Art 7 § 1 V FamRÄndG); PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2004, 1589. KG OLGZ 1965, 226 = NJW 1965, 1538. BayObLG Rpfleger 1972, 144; 1973, 140; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 682. OLG Brandenburg KostRspr FGG § 13a Nr 102. BGHZ 28, 117 = Rpfleger 1958, 262 m Anm Jansen = NJW 1958, 1493; KG Rpfleger 1958, 185; 1962, 162; Tschischgale Rpfleger 1961, 104; aA Zimmermann Rpfleger 1958, 69. BGHZ 28, 117 gegen BayObLGZ 1958, 31

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108 109 110 111 112 113 114

= Rpfleger 1958, 120; KG Rpfleger 1958, 185; 1962, 162; OLG Schleswig SchlHA 1979, 165; BayObLG FamRZ 1983, 96; BayObLG KostRspr FGG § 13a Nr 133; OLG Hamburg KostRspr FGG § 13a Nr 66. BGHZ 28, 117; KG Rpfleger 1958, 185. BayObLG Rpfleger 1974, 357 (Ersetzungsverfahren nach § 7 Abs 3 ErbbauVO). BayObLG NJW-RR 1998, 303 = FGPrax 1997, 176. LG Koblenz FamRZ 1999, 102 mwN. OLG Hamm KostRspr FGG § 13a Nr 54. OLG Frankfurt KostRspr FGG § 13a Nr 94; BayObLG FamRZ 2001, 1405. KG NJW-RR 1993, 831; BayObLG KostRspr FGG § 13a Nr 133; BayObLG FamRZ

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Die voraussichtliche Erfolglosigkeit des zurückgenommenen Rechtsmittels ist für sich allein noch kein hinreichender Grund für die Belastung des Beschwerdeführers mit den Kosten anderer Beteiligter; insbesondere, wenn der Beschwerdeführer diese alsbald wegen fehlender Erfolgsaussicht zurücknimmt,115 wenn die Rücknahme auf Grund eines Hinweises des Rechtsbeschwerdegerichts bei schwieriger Rechtslage erfolgt,116 oder wenn nach anwaltlicher Beratung das Rechtsmittel zurückgenommen wird.117 Besondere Umstände können auch angenommen werden, wenn die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zum Zeitpunkt der Rücknahme ohne weiteres als positiv zu beurteilen sind.118 Gleiches gilt, wenn das Rechtsmittel zurückgenommen wird, um weitere kostenintensive und ggf langwierige Ermittlungen zu vermeiden.119 Hat der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, dass das Rechtsmittel vorsorglich bzw ausdrücklich zur Fristwahrung eingelegt werde, so ist bei rechtzeitiger bzw alsbaldiger Zurücknahme eine Kostenauferlegung in der Regel nicht angebracht, wenn es dem Gegner zugemutet werden konnte, mit Aufwendungen für das Beschwerdeverfahren bis zur Klarstellung, ob es durchgeführt wird, zu warten;120 wird die Kostenerstattung gleichwohl aus Billigkeitsgründen angeordnet, gehören dazu auch die Kosten für die anwaltliche Vertretung.121 Eine Erstattung ist anzuordnen, wenn die Beschwerde zurückgenommen wird, weil sie unzulässig ist.122 Allerdings kann das Rechtsmittelgericht nach Zurücknahme der Beschwerde nicht auch die Kostenentscheidung der Vorinstanz abändern, denn die mit der Rücknahme des Rechtsmittels einhergehende Rechtskraft der Entscheidung der Vorinstanz steht der Abänderung der darin enthaltenen Kostenentscheidung entgegen.123 Umstritten ist, ob bei Rücknahme einer Beschwerde gegen eine im Verbundverfahren 21 ergangene Entscheidung in einer FG-Folgesache (zB Versorgungsausgleich, elterliche Sorge) für die Kostenerstattung § 13 Abs 1 S 1 oder § 516 Abs 3 ZPO Anwendung findet.124 Die Anwendung von § 13a Abs 1 S 1 wird zu Recht damit begründet, dass § 621a Abs 1 ZPO die Verweisung auf § 13a in den FG-Folgesachen vorsehe und den Grundsatz darstelle und es außerdem an einer ZPO-Regelung für den Fall einer Beschwerderücknahme einer FG-Folgesache fehle, da § 516 Abs 3 ZPO von den Verweisungen der

115 116 117 118 119 120 121 122 123

124

1998, 436; 2001, 1405; JurBüro 1983, 748; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 368. LG Mannheim KostRspr FGG § 13a Nr 12. BayObLG FamRZ 1998, 436. BayObLG FamRZ 1996, 1560. PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 1983, 747. KG NJW-RR 1993, 831. OLG Celle FamRZ 2005, 221. OLG Celle NdsRpfl 1975, 14. OLG Düsseldorf KostRspr FGG § 13a Nr 51; BayObLG KostRspr FGG § 13a Nr 126. BayObLG NJW-RR 1998, 303 = FGPrax 1997, 176 unter Aufgabe von BayObLGZ 1975, 284; aA Keidel/Zimmermann Rn 42b unter Berufung auf BayObLGZ 1975, 284. Für eine Anwendung von § 13a Abs 1 S 1 FGG: OLG München FamRZ 2004, 709 (für öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger); OLG Bamberg JurBüro 1992, 332; KG FamRZ 1995, 376; OLG Hamm (11. FamS) FamRZ 2000, 499; (5. FamS) FamRZ 1995, 377; (2. FamS) FamRZ 1992, 1457; (5. FamS)

JurBüro 1987, 1548 (hier für isolierte Beschwerde gegen Entscheidung wegen Ehewohnung und Hausrat); FamRZ 1982, 1093 = JurBüro 1982, 1744; OLG Hamburg FamRZ 1979, 326; OLG Köln FamRZ 1997, 221; OLG Oldenburg FamRZ 1980, 1135; OLG Saarbrücken JurBüro 1982, 1092; OLG Frankfurt/M. (3. FamS) FamRZ 1986, 368; Zöller/Philippi § 629a Rn 13 mwN. Für eine entsprechende Anwendung von § 516 Abs 3 ZPO haben sich ausgesprochen: BGH FamRZ 1983, 154 (allerdings ohne Begründung); OLG Dresden (22. ZS) JurBüro 2002, 541; (10. ZS) FamRZ 1997, 1019; OLG Frankfurt/M. (2. FamS) FamRZ 1991, 586; OLG München FamRZ 1979, 734; PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 1980, 1894; OLG Düsseldorf (6. FamS) FamRZ 1980, 1052; KG (17. ZS-FamS) FamRZ 1984, 67; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1052; NJW-RR 1998, 71 = FamRZ 1997, 1546; JurBüro 1984, 454.

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§ 13a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§§ 629a Abs 2 S 1 iVm 621e Abs 3 S 2 ZPO nicht erfasst sei. Die Gegenmeinung will § 516 Abs 3 ZPO entsprechend anwenden, da es ansonsten zu einem sinnwidrigen Nebeneinander der Anwendung von Kostenvorschriften der ZPO und des FGG kommen könne, was dem Prinzip des Verbundverfahrens widerspräche,125 für das die §§ 93a, 97, 626 ZPO einschlägig seien. Hat jedoch ein Drittbeteiligter (Versorgungsträger) im Interesse der Parteien und zur Herbeiführung einer der objektiven Rechtslage entsprechenden Entscheidung Beschwerde eingelegt und nimmt diese dann zurück, soll § 13a Abs 1 S 1 Anwendung finden.126 7. Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache

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Auch nach Eintritt eines Ereignisses, welches eine Erledigung der Hauptsache herbeiführt (vgl § 19 Rn 32), bleibt eine Entscheidung über die Kostenerstattung zulässig.127 Ein Verfahren auf Bestellung eines vorläufigen Betreuers ist in der Hauptsache erledigt, wenn ein endgültiger Betreuer bestellt wird128 oder durch einen weiteren Beschluss des VormG die Verlängerung der vorläufigen Betreuung angeordnet wird.129 Gleiches gilt für Unterbringungsmaßnahmen, die sich dadurch erledigen, dass nach Beschwerde die Entlassung erfolgt.130 Eine gesetzlich nicht geregelte vorläufige Anordnung (s Rn 2) tritt außer Kraft, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache vorliegt, eine Beschwerde gegen die vorläufige Anordnung wird unzulässig.131 Maßgebende Rechtsgrundlage ist in allen Rechtszügen § 13a Abs 1 S 1, auch wenn das erledigende Ereignis erst im Beschwerdeverfahren eintritt.132 Erledigt sich die Hauptsache nach Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels, so bleibt das Rechtsmittel mit der Beschränkung auf die in der Vorentscheidung ausgesprochene oder mit ihr (hinsichtlich der Gerichtskosten) kraft Gesetzes verknüpfte Kostenfolge zulässig;133 auf die Erreichung der Beschwerdesumme des § 20a Abs 2 kommt es nicht an.134 Das Gericht hat die Hauptsacheerledigung von Amts wegen zu berücksichtigen und das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, wenn es nicht auf den Kostenpunkt beschränkt wird.135 Das Beschwerdegericht hat nicht nur über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, sondern über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden, und zwar wegen der Kosten der Beteiligten nach Maßgabe des § 13a Abs 1

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So zB OLG Dresden JurBüro 2002, 541. OLG München FamRZ 2004, 709; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 71 = FamRZ 1997, 1546; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 368. OLG Hamm Rpfleger 1958, 187 = NJW 1958, 915; KG Rpfleger 1959, 385; BayObLG FamRZ 2000, 991; BayObLGZ 1961, 183; OLG Celle KostRspr FGG § 13a Nr 4 = NdsRpfl 1961, 199; OLG Braunschweig Rpfleger 1964, 97; Zimmermann Rpfleger 1958, 72; Tschischgale Rpfleger 1961, 101. BayObLG FamRZ 1994, 1270. BayObLG FamRZ 2004, 1602. S zur Problematik der Beschränkung der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung: BVerfG NJW 1997, 2163; BayObLGZ 1997, 50 = FamRZ 1998, 567; BayObLG FamRZ 1999, 794; 2001, 1645; aber auch OLG Schleswig FamRZ 1996,

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1344; OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 488 = DieJ 1996, 17; BayObLG FamRZ 1995, 1296. OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 568. BayObLG FamRZ 2001, 1311; 2000, 498; 1993, 720; 1989, 886 mwN; KG v 8.4.2003 – 1 W 67/01 – nicht veröffentlicht; FamRZ 1993, 84; KG OLGZ 1987, 294; OLG Hamm Rpfleger 1958, 187 = NJW 1958, 915; KG Rpfleger 1959, 385. BGHZ 86, 393 = NJW 1983, 1672; BayObLGZ 1993, 137 = NJW-RR 1993, 848; BayObLG NJW-RR 1997, 1445; KG JW 1928, 2726; Rpfleger 1959, 385; BayObLGZ 1961, 183. KG Rpfleger 1959, 385; BayObLGZ 1955, 48. BGHZ 1986, 393; BayObLG FamRZ 2000, 971; FamRZ 1994, 1270; BayObLGZ 1993, 177.

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§ 13a

Kosten

S 1.136 Es ist auch eine Kostenentscheidung über die Gerichtskosten zu treffen, falls die Kostenfolge nicht eindeutig aus der Art des Geschäfts oder aus der Entscheidung zu erkennen ist, auch wenn diese nur klarstellende Bedeutung hat.137 Bei den anzustellenden Billigkeitserwägungen reicht es für die Anordnung einer Kostenerstattung im allgemeinen nicht aus, dass ein Beteiligter ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich unterlegen wäre;138 vielmehr müssen nach Lage des Einzelfalles dazu noch weitere Billigkeitsgründe hinzutreten;139 Zurückhaltung ist bei Familienstreitigkeiten geboten.140 Ist der Ausgang ungewiss, verbleibt es dabei, dass jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat.141 Eine Prüfung, welchen Ausgang das Verfahren ohne die Erledigung genommen hätte, ist jedenfalls entbehrlich, wenn andere überwiegende Umstände die Anordnung einer Kostenerstattung nicht angebracht erscheinen lassen.142 Soweit es bei der Ermessensausübung hiernach noch auf den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens ankommt, ist darüber in Anlehnung an den Grundgedanken des § 91a ZPO, der jedoch nicht unmittelbar oder entsprechend anzuwenden ist, unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu befinden.143 Weitere Ermittlungen sind zu diesem Zweck nicht mehr anzustellen.144 Schwierige Rechtsfragen brauchen nicht abschließend entschieden zu werden.145 Eine Erledigung des Rechtsmittels gibt es jedenfalls im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht.146 Wegen der Entscheidung über Gerichtskosten nach Erledigung der Hauptsache vgl § 20a Rn 18. 8. Vergleich Schließen die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich, in dem auch die Erstattung 23 ihrer Kosten geregelt ist, in einem Verfahren, für welches bestimmt ist, dass Vergleiche nach den Vorschriften der ZPO vollstreckbar sind (§§ 53a Abs 4, 98, 99 FGG, § 16 Abs 3 HausratsVO, § 45 Abs 3 WEG, § 31 LwVG), oder wird sonst in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Gesamtvergleich oder ein Teilvergleich über die Kosten geschlossen, aus welchem die Zwangsvollstreckung nach der ZPO statt findet (Vorbem vor § 8 bis 18 Rn 80–85), so ist für eine gerichtliche Entscheidung über die Kostenerstattung kein Raum mehr.147 Dasselbe gilt, wenn ein gerichtlicher Vergleich über die Kosten des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit in einem anderen Verfahren, zB in einem Rechtsstreit, geschlossen wird.148 Enthält der gerichtliche Vergleich keine Kostenregelung, so ist § 98 ZPO nicht anwendbar; es ist nach § 13a Abs 1 S 1 zu entscheiden; im allgemeinen wird beim Abschluss eines Vergleichs in der Hauptsache die Anordnung der Kostenerstattung nicht der Billigkeit entsprechen. Ein außergerichtlicher

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BayObLG NJW-RR 1997, 1445; FamRZ 1989, 886; KG FamRZ 1993, 84; Rpfleger 1959, 385. BayObLG FamRZ 1963, 297; FamRZ 1968, 649; FamRZ 1989, 886; BayObLGZ 1992, 54. KG Rpfleger 1959, 385; OLG Celle KostRspr FGG § 13a Nr 4; BayObLG FamRZ 2001, 1311; Rpfleger 1993, 17 = FamRZ 1992, 1346. Zimmermann Rpfleger 1959, 388 Anm zu LG Berlin Rpfleger 1959, 386. BayObLG FamRZ 1991, 846 mwN. BayObLG StAZ 1997, 34.

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BayObLGZ 1961, 183; KG Rpfleger 1959, 385. BGH NJW 1968, 1725; DNotZ 1967, 330; KG FamRZ 1993, 84; OLG Köln Rpfleger 2002, 209. BGH DNotZ 1967, 330; NJW 1968, 1725; OLG Celle KostRspr FGG § 13a Nr 4 = NdsRpfl 1961, 199; KG FamRZ 1993, 84; BayObLG FamRZ 1991, 846. BayObLGZ 1961, 183; KG OLGZ 1965, 226 = NJW 1965, 1538. KG Rpfleger 1959, 385. BayObLG KostRspr FGG § 13a Nr 10. BayObLGZ 1962, 380.

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§ 13a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Vergleich schließt die Entscheidung über die Kostenerstattung nicht aus.149 Eine Entscheidung wird aber, wenn sie verlangt wird, in der Regel dahin ergehen, dass die Kosten nicht erstattet werden.

V. Kosten der Beteiligten 24

Die Vorschrift bezieht sich, ebenso wie die in §§ 91 ff ZPO, nur auf das Verhältnis mehrerer Beteiligter zueinander, nicht auf ihr Verhältnis zur Staatskasse;150 das gilt sowohl für § 13a Abs 1 S 1 wie für S 2. Sie beschränkt sich auf die Frage, ob und inwieweit ein Beteiligter durch rechtsgestaltende gerichtliche Entscheidung verpflichtet werden kann, dem Gegner seine bei der Wahrnehmung seiner Rechte im Verfahren erwachsenen Aufwendungen zu erstatten. Die Vorschrift ist daher keine selbständige Rechtsgrundlage für die Belastung eines Beteiligten mit Gerichtskosten, für die er nicht schon nach Maßgabe der KostO haftet.151 Etwas anderes gilt nur für die Fälle, in denen das Gericht bei Beteiligung mehrerer auch über die Tragung oder Verteilung der Gerichtskosten, meist nach billigem Ermessen, befinden kann, wie nach § 34 VerschG, § 20 HausratsVO, § 47 WEG, § 44 LwVG (vgl auch § 20a Rn 4, 5).152 Zu den Kosten, die einem anderen Beteiligten nach § 13a zu erstatten sind, können aber auch Gerichtskosten gehören, die er zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit hat aufwenden müssen oder für die er nach den Vorschriften der KostO haftet;153 insofern entspricht es der Billigkeit, dass Beteiligte eines Sorgerechtsverfahrens für die gerichtlichen Auslagen (Sachverständigenentschädigung) anteilig haften.154 Dann hat die Anordnung der Kostenerstattung zur Folge, dass der Erstattungspflichtige als Entscheidungsschuldner gemäß §§ 3 Nr 1, 5 KostO der Staatskasse als Gesamtschuldner neben dem Erstattungsberechtigten für die Gerichtskosten haftet.155 Im Landwirtschaftsverfahren haftet der Entscheidungsschuldner gemäß § 47 LwVG als Erstschuldner. Auf Grund des § 13a Abs 1 S 1 kann die Erstattung außergerichtlicher Kosten sowie von Gerichtskosten angeordnet werden.156 Häufig wird es allerdings geboten sein, gerade die Gerichtskosten von der Kostenerstattung auszunehmen; wenn zB ein Beteiligter der Erteilung eines Erbscheins erfolglos widersprochen hat, ist es nicht angebracht, ihm die Erstattung der Kosten für das Erwirken des Erbscheins (§§ 49, 107 KostO) aufzuerlegen, die der Antragsteller auch ohne den Widerspruch hätte aufwenden müssen. Über die Erstattungsfähigkeit der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Beteiligten wird ausschließlich im Kostenfestsetzungsverfahren entschieden. Die Auferlegung der Kostenerstattungspflicht schafft kein Präjudiz für die Erstattungsfähigkeit der aufgewendeten Kosten, zB einer Reise oder eines Rechtsanwalts.157 Das Gericht kann jedoch bei seiner Entscheidung die Erstattungspflicht ihrem Umfang nach begrenzen (Rn 12); dann ist diese Begrenzung für das Kostenfestsetzungsverfahren maßgebend.

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Zöller/Herget § 98 Rn 5 mwN. BayObLG FamRZ 2000, 1233; Rpfleger 1988, 385. OLG Köln FamRZ 2001, 112; Keidel/ Zimmermann Vorb § 13a Rn 20; Korintenberg/Lappe § 3 Rn 2; aA Zimmermann Rpfleger 1958, 69; Tschischgale Rpfleger 1961, 97. Korintenberg/Lappe § 3 Rn 2 mwN.

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BayObLG FamRZ 1989, 886 mwN. OLG Koblenz FamRZ 2004, 391; AG Offenbach FamRZ 2002, 1123. KG JFG 14, 219 zu Art 9 PrFGG. BayObLG KostRspr FGG § 13a Nr 123; OLG München KostRspr FGG § 13a Nr 131 = Rpfleger 2001, 515. KG FamRZ 1968, 472.

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§ 13a

Kosten

VI. Kostenentscheidung 1. Notwendigkeit und Inhalt Die Kostenerstattungspflicht kann nur durch einen besonderen Ausspruch des Ge- 25 richts begründet werden, der rechtsgestaltend ist. Ohne eine solche Entscheidung, die sich als Verurteilung in die (dem Gegner erwachsenen) Kosten darstellt, besteht der Anspruch nicht. Ergeht die Entscheidung zur Hauptsache ohne diesen Ausspruch, so liegt darin regelmäßig die Entscheidung, dass eine Kostenerstattung nicht stattfindet.158 Zweckmäßig ist es, dies durch den Zusatz „Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet“ klarzustellen, um der Auffassung vorzubeugen, die Beschlussfassung sei versehentlich unterblieben. Der Ausspruch, dass ein Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, hat in der Regel nur die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten159 und bei der Zurückweisung des Antrags die Entscheidung zum Inhalt, dass von der Erhebung der Gerichtskosten nicht abgesehen werde (§ 130 Abs 5 KostO, § 42 Abs 1 LwVG), sofern nicht etwa die zur Auslegung der Formel heranzuziehenden Gründe ergeben, dass darunter auch die einem Beteiligten erwachsenen Kosten zu verstehen sind.160 Der Ausspruch muss ergeben, zu wessen Lasten und zu wessen Gunsten die Kostenerstattungspflicht auferlegt wird; ebenso ist eine Begrenzung der Erstattungspflicht dem Umfang nach (Rn 12) anzugeben. Besteht der unterliegende Teil aus mehreren formell Beteiligten, so ist zwar § 100 26 Abs 1 ZPO über ihre Haftung nach Kopfteilen nicht für entsprechend anwendbar erklärt; es fehlt aber auch eine Grundlage dafür, ihre Haftung als Gesamtschuldner anzunehmen, da § 5 KostO nur für die Gerichtskosten gilt. Es muss daher nach dem Grundsatz des § 420 BGB eine gleichmäßige Teilhaftung der mehreren Schuldner angenommen werden,161 bei einem unterschiedlichen Gewicht der Interessen der Beteiligten kann die Verurteilung anders vorgenommen werden.162 Zweckmäßig wird das in der Kostenentscheidung ausgesprochen; der Rechtspfleger sowie der Kostenbeamte haben diese gesetzliche Folge bei der Kostenfestsetzung bzw beim Kostenansatz von Amts wegen zu beachten. 2. Von Amts wegen Die Entscheidung über die Kostenerstattung ergeht von Amts wegen; ein Antrag ist, 27 wie im Zivilprozess (§ 308 Abs 2 ZPO), nicht erforderlich. Wenn in dem Verfahren mehrere sich im entgegengesetzten Sinne gegenüberstehende Beteiligte hervorgetreten sind, denen Kosten erwachsen sein können, ist ein Ausspruch über die Kostenerstattung auch geboten, wenn das Gericht sie nicht anordnen will.163 Die Entscheidung ergeht in der Regel zugleich mit der den Rechtszug abschließenden Entscheidung in der Hauptsache 158 159 160

Zimmermann Rpfleger 1958, 69; aA OLG Hamm Rpfleger 1966, 334. LG Berlin Rpfleger 1959, 386 m Anm Zimmermann. OLG Karlsruhe JurBüro 1997, 598; KG Rpfleger 1959, 385; KG OLGZ 1968, 99 = Rpfleger 1968, 152; OLG Schleswig SchlHA 1961, 340 = Rpfleger 1962, 431; Zimmermann Rpfleger 1959, 388 Anm zu LG Berlin Rpfleger 1959, 386; Korintenberg/Lappe § 3 Rn 3; aA BayObLGZ 1959, 75 u 143.

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BayObLGZ 1959, 360 = NJW 1960, 42 = Rpfleger 1960, 147; BayObLGZ 1959, 493; 1963, 15; BayObLG Rpfleger 1975, 92; BayObLGZ 1976, 41 = Rpfleger 1977, 26; OLG Köln Rpfleger 1987, 23; aA Tschischgale Rpfleger 1961, 97. BayObLGZ 1976, 41 = Rpfleger 1977, 26. BayObLG FamRZ 1996, 878.

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§ 13a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

(vgl § 34 Abs 1 LwVG). Teilentscheidungen, Zwischenverfügungen, Vorabendscheidungen über einzelne Streitpunkte, vorläufige und einstweilige Anordnungen164 können die Auferlegung einer Kostenerstattungspflicht nicht enthalten, weil sie den Rechtszug noch nicht abschließen; anders, wenn sie Gegenstand eines selbständigen Beschwerdeverfahrens werden und die Beschwerde zurückgewiesen wird, weil dann infolge § 13a Abs 1 S 2 Kostentrennung eintritt; hat die Beschwerde gegen eine derartige Verfügung Erfolg, so ist die Entscheidung über die Erstattung der Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 13a Abs 1 S 1 wie bei der Zurückverweisung (Rn 17) der späteren abschließenden Entscheidung zu überlassen. Auch in Verfahren, in denen die einstweilige Unterbringung in Rede steht, ist kein Raum für eine Kostenentscheidung, da über die Kosten dieses Verfahrensabschnitts im Rahmen des Verfahrens zur Hauptsache zu entscheiden ist.165 Kommt es in einem Verfahren nicht zu einer Entscheidung in der Hauptsache, etwa wegen Rücknahme des Antrags oder des Rechtsmittels, Erledigung der Hauptsache oder Abschluss eines Vergleichs ohne Kostenregelung, so ist über die Kostenerstattung allein durch Beschluss zu entscheiden. Dies geschieht grundsätzlich von Amts wegen, jedenfalls aber auf Verlangen eines Beteiligten, sogenannte isolierte Kostenentscheidung (vgl § 20a Rn 17). Ebenso ergeht ein besonderer Beschluss, wenn die Entscheidung in der Hauptsache ihrer Art nach keine Kostenentscheidung enthalten kann, wie der Erbschein oder die Eintragung in ein Register; in diesem Fall liegt aber, weil eine Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist, keine isolierte Kostenentscheidung iSv § 20a Abs 2 vor.166 3. Nachholen einer unterbliebenen Kostenentscheidung; Berichtigung; Änderung

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Hat das Gericht den Kostenpunkt übergangen, dh versehentlich über die Kostenerstattung nicht entschieden, obwohl mehrere Beteiligte mit widerstreitenden Interessen, denen Kosten erwachsen sein können, hervorgetreten waren, so kann die Kostenentscheidung grundsätzlich in Anwendung der Änderungsbefugnis des § 18 Abs 1, die auch die Befugnis zur Ergänzung umfasst (§ 18 Rn 7), durch Erlass einer weiteren ergänzenden Verfügung nachgeholt werden. Soweit aber eine Änderungsbefugnis nicht besteht, zB weil die Entscheidung der sofortigen Beschwerde unterliegt (§ 18 Abs 2) oder weil es sich um eine Beschwerdeentscheidung handelt, ist eine Ergänzung im Kostenpunkt in entspr Anwendung des § 321 ZPO statthaft.167 Hatte das Gericht über die Kostenerstattungspflicht Beschluss gefasst, die Entschließung aber versehentlich nicht in den Entscheidungsausspruch aufgenommen, so ist eine Berichtigung entspr § 319 ZPO zulässig (§ 18 Rn 46ff); sie setzt jedoch voraus, dass die Unrichtigkeit offenbar ist, dh auch jedem Außenstehenden erkennbar sich aus der Entscheidung selbst oder aus den Vorgängen bei ihrem Erlass ergibt.168 Sowohl die ursprüngliche als auch die nachträgliche ergänzende Kostenentscheidung können auf Grund des § 18 Abs 1 geändert werden, soweit die Änderungsbefugnis nicht durch § 18 Abs 2 oder aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.169 Eine unterbliebene Kostenentscheidung kann auf eine in der Hauptsache eingelegte Beschwerde auch vom Beschwerdegericht nachgeholt werden,170 und das Beschwerdegericht ist hierzu, wenn Anlass zu einer Kostenentscheidung bestand, verpflichtet; das Verbot der Schlechterstellung steht nicht entgegen (§ 25 Rn 13). 164 165 166 167

OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 568. OLG Hamm FamRZ 1995, 1595; aA OLG Schleswig FamRZ 1994, 781. OLG Hamm KostRspr FGG § 13a Nr 14. BayObLGZ 1962, 380 = Rpfleger 1963, 120 m zust Anm Tschischgale; BayObLG Rpfleger 1989, 187.

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BGHZ 20, 188 = NJW 1956, 830; BGH NJW 1958, 1917. BayObLGZ 1962, 380 = Rpfleger 1963, 120 m zust Anm Tschischgale; KG OLGZ 1968, 99; aA OLG Stuttgart MDR 1960, 235. BayObLG JurBüro 1989, 212; KG FamRZ 1968, 331 u 472.

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§ 13a

Kosten

VII. Auslagen in Betreuungs- und Unterbringungssachen 1. Grundsatz § 13a Abs 2 regelt die Erstattung von Auslagen des Betroffenen in Betreuungs- und 29 zivilrechtlichen171 Unterbringungssachen durch die Staatskasse (S 1) sowie bei grobem Verschulden durch einen unbeteiligten Dritten (S 2); im Falle öffentlich-rechtlicher Unterbringung uU auch durch die Verwaltungsbehörde. Die Vorschrift wurde durch das BtG172 eingefügt, sie gilt auch im Rechtsmittelverfahren.173 Wenn eine Betreuungsmaßnahme nach §§ 1896 bis 1908i BGB abgelehnt, als unge- 30 rechtfertigt aufgehoben, eingeschränkt oder das Verfahren ohne Entscheidung über eine Maßnahme beendet wird, kommt § 13a Abs 2 zur Anwendung. Es muss sich jedoch um eine vormundschaftsgerichtliche Grundentscheidung im Rahmen der Betreuung oder vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen im Zusammenhand mit schwerwiegenden Eingriffen handeln.174 2. Kostenauferlegung auf Staatskasse Eine Kostenauferlegung zu Lasten der Staatskasse nach Abs 2 S 1 erfolgt in Betreu- 31 ungssachen nach §§ 1896 bis 1908i BGB und in zivilrechtlichen Unterbringungssachen nach § 70 Abs 1 S 2 Nr 1, 2 FGG, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen; dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein Amtsverfahren zB bei zivilrechtlicher Unterbringung,175 oder ob es sich um ein Antragsverfahren zB bei Betreuerbestellung aufgrund körperlicher Behinderung (§ 1896 Abs 1 S 3 BGB) handelt. Die Kostenentscheidung ist in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt, denn das Gericht „kann …“ die Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegen.176 a) Bestimmte Verfahrensbeendigung Das entsprechende Verfahren muss abgelehnt, als ungerechtfertigt aufgehoben, einge- 32 schränkt oder ohne Entscheidung über eine Maßnahme beendet sein. Eine solche Maßnahme wäre die Bestellung des Betreuers,177 da zwischen der Anordnung der Betreuung und der Bestellung des Betreuers nicht unterschieden wird, ist die Betreuerbestellung der entscheidende Akt mit der die Betreuung wirksam wird.178 Auch die Bestellung eines Mitbetreuers, soweit damit eine Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden ist, stellt ebenso eine solche Maßnahme iSv Abs 2 dar, wie die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.179 Verfahrensrechtlich sind diese Maßnahmen wie die Erstbestellung eines Betreuers zu behandeln.180 Nicht dazu gehört die Bestellung oder Abberufung eines Ergänzungsbetreuers im Zusammenhang mit einem Grundstücksgeschäft181 sowie die Genehmigung eines Grundstücksverkaufs.182 Bei der Ablehnung ist es unbeachtlich, aus 171

172

173 174

Zur zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Unterbringung s Vorbem zu § 70 Rn 13. G zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) v 12.9.1990 (BGBl S 2002). Keidel/Zimmermann Rn 51p. OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 248; OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1547 = NJW-RR 1998, 224; OLG Schleswig SchlHA 1994, 206.

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Palandt/Diederichsen § 1906 Rn 2. Bassenge/Herbst/Roth Rn 18; Keidel/ Zimmermann Rn 51d. OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 248. Schwab FamRZ 1990, 681. BayObLG FamRZ 2000, 1523; Schwab FamRZ 1990, 681. Zimmermann FamRZ 1991, 270. OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1547 = NJW-RR 1998, 224. OLG Schleswig SchlHA 1994, 206.

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§ 13a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

welchem Grund die Ablehnung erfolgt; allerdings kann bei schuldhafter Veranlassung des Verfahrens das Rechtsschutzbedürfnis für eine Kostenerstattung fehlen.183 Wird die Maßnahme als ungerechtfertigt aufgehoben oder eingeschränkt, so setzt dieses voraus, dass die Maßnahme von Anfang an ungerechtfertigt war und nicht bzw nicht in diesem Umfang ergehen durfte.184 Darunter fällt die Aufhebung bzw die teilweise Aufhebung (Einschränkung) eines Einwilligungsvorbehalts, der von Anfang an nicht ausgesprochen werden durfte, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.185 Kommt es nach Bestellung eines vorläufigen Betreuers zu einer Ablehnung der endgültigen Betreuung, sind die Auslagen des Betreuten der Staatskasse aufzuerlegen.186 Dieses gilt nicht, wenn die Aufhebung wegen später eingetretener Änderungen erfolgt.187 Ohne Entscheidung über eine Maßnahme ist ein Verfahren beendet, wenn der Antrag zurückgenommen oder die Hauptsache erledigt ist. Auch der Tod eines Beteiligten kann zur Erledigung der Hauptsache oder aber zur schlichten Beendigung des Verfahrens führen, letzteres ist der Fall, wenn der einzige Beteiligte verstirbt und der Verfahrensgegenstand nicht vererblich ist (Vorbem §§ 8 bis 18 Rn 36, 37). Verstirbt der Betroffene während des Verfahrens über seine sofortige weitere Beschwerde, nachdem die Unterbringung anordnende bzw bestätigende Entscheidungen des AG bzw des LG ergangen sind, ist für eine Kostenentscheidung gemäß Abs 2 S 1 kein Raum.188 b) Notwendige Auslagen

33

Dem Betroffenen sind die notwendigen Auslagen zu erstatten. Darunter fallen zu tragende Gerichtskosten sowie außergerichtliche Auslagen; hierzu gehören Rechtsanwaltskosten, Kosten für einen Verfahrenspfleger sowie Reisekosten zu Gerichtsterminen bzw zu Untersuchungsterminen durch einen Sachverständigen.189 Zu erstatten sind lediglich die Auslagen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Hat die von dem Betroffenen gegen die Betreuerbestellung und auch dessen Auswahl gerichtete Beschwerde nur hinsichtlich der Auswahl Erfolg, so kommt eine Auferlegung seiner notwendigen Auslagen auf die Staatskasse nur in Betracht, wenn insoweit ausscheidbare Kosten angefallen sind.190 Was zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Einzelfall notwendig war, wird im Kostenfestsetzungsverfahren entschieden, bei der Fassung der Kostenentscheidung spielt dieses noch keine Rolle; bezieht das Gericht diesen Aspekt jedoch in seine Entscheidung ein, so ist der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren daran gebunden.191 Die Formulierung ist § 91 Abs 1 S 1 ZPO entnommen, es fehlt eine Bezugnahme auf § 91 Abs 2 ZPO, so dass die Kosten eines Rechtsanwalts nicht ohne Prüfung der Notwendigkeit zu berücksichtigen sind, dh es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Beauftragung des Rechtsanwalts notwendig war. Da es sich jedoch um für den Betroffenen bedeutsame Maßnahmen handelt, wird im Regelfall die Zuziehung eines Rechtsanwalts nicht zu beanstanden sein, so dass von einer Erstattungsfähigkeit ausgegangen werden sollte.

183 184

185 186

Keidel/Zimmermann Rn 51b. OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1547 = NJW-RR 1998, 224; Keidel/Zimmermann Rn 51b. BayObLG FamRZ 2000, 1523. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2003, 1126; Zimmermann FamRZ 1999, 535 Anm zu LG Krefeld FamRZ 1999, 222.

418

187

188 189 190 191

BayObLG FamRZ 2000, 1523; OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1547 = NJW-RR 1998, 224; Keidel/Zimmermann Rn 51b. BayObLG FamRZ 2001, 1645. Keidel/Zimmermann Rn 51e. BayObLG FamRZ 2003, 1128 (LS). PfälzOLG Zweibrücken FGPrax 2003, 220.

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§ 13a

Kosten

3. Kostenauferlegung auf nicht beteiligten Dritten Nach Abs 2 S 2 können die Kosten des Verfahrens auch einem nicht beteiligten Drit- 34 ten auferlegt werden, wenn dieser das Verfahren veranlasst hat und ihn grobes Verschulden trifft. Kosten des Verfahrens bedeutet nicht nur die Auslagen des Betroffenen, sondern sämtliche Kosten des Verfahrens wie Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die außergerichtlichen Kosten. Das Gericht kann sie ganz oder auch teilweise dem Dritten auferlegen. Dritte sind die nicht unmittelbar Beteiligten, zB Nachbarn, Behörden (Sozialamt, Rententräger), Heime und deren Mitarbeiter, Freunde und Angehörige des Betroffenen,192 die durch Anträge oder Anregungen entsprechende Verfahren in Gang bringen. Diesen Dritten muss grobes Verschulden, dh Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beim Ingangsetzen der gerichtlichen Tätigkeit treffen.193 Von Vorsatz kann ausgegangen werden, wenn ein Dritter in Kenntnis der Umstände die gerichtliche Tätigkeit veranlasst, obwohl er weiß oder damit rechnet, dass diese nicht zum Ergebnis führt bzw führen kann; grob fahrlässig ist ein Verhalten, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderes hohem Maße außer Acht gelassen wird. 4. Auferlegung der Auslagen auf zuständige Verwaltungsbehörde In öffentlich-rechtlichen Unterbringungssachen sind die Auslagen des Betroffenen der 35 Körperschaft, der die Verwaltungsbehörde angehört, aufzuerlegen, wenn das Verfahren dadurch endet, dass ein Antrag abgelehnt oder zurückgenommen wird und für die zuständige Verwaltungsbehörde ein begründeter Anlass, den Antrag zu stellen, nicht vorgelegen hat. Für das Verfahren gelten die landesrechtlichen Vorschriften über die Unterbringung psychisch Kranker, die auch das Antragsrecht, die Form und den Inhalt regeln. In der Regel handelt es sich um Antragsverfahren,194 dieser Antrag muss abgelehnt oder zurückgenommen werden. Eine Beendigung durch Aufhebung oder Einschränkung oder auf andere Weise zB durch Erledigung der Hauptsache (Rn 22) oder durch Tod des Betroffenen ist in Abs 2 S 3 nicht vorgesehen; in diesen Fällen kann nur § 13a Abs 1 in Frage kommen.195 In Verfahren betr die einstweilige Unterbringung, ist kein Raum für eine Kostenentscheidung, da über die Kosten dieses Verfahrensabschnitts im Rahmen des Verfahrens zur Hauptsache zu entscheiden ist.196 Zur Beendigung des Verfahrens durch Antragsrücknahme oder -ablehnung muss noch hinzukommen, dass für die Verwaltungsbehörde ein begründeter Anlass zur Antragstellung nicht vorgelegen hat, dh es muss sich um einen Antrag handeln, der aus unbegründetem Anlass gestellt wurde. Die Tatsache der Begründetheit bzw der Unbegründetheit kann nur aus dem jeweiligen Sachverhalt ermittelt werden.197 Begründet ist ein Anlass, wenn für den Zeitpunkt des Unterbringungsantrags feststeht, dass es beim Betroffenen infolge seines psychotischen, als Realität erlebten Empfindens zu Fehlhandlungen kommen könnte198 oder er durch krankheitsbedingtes Verhalten besonders bedeutende Rechtsgüter anderer in erheblichem Maße gefährdet.199 Unbegründet ist der Anlass, wenn bei sorgfältiger Ermittlung der Umstände der Antrag gar nicht gestellt worden wäre oder wenn Erkenntnisquellen nicht oder nicht

192 193 194 195

Bienwald Vorbem v §§ 65 ff FGG Rn 257. Bienwald Vorbem v §§ 65 ff FGG Rn 255. Bassenge/Herbst/Roth § 70 Rn 3b. BayObLG FamRZ 2001, 1645; BayObLGZ 1993, 381; Rpfleger 1990, 57; KG FamRZ 1993, 84; OLG Karlsruhe DieJ 1996, 17 = FamRZ 1995, 488.

196 197 198 199

OLG Hamm FamRZ 1995, 1595; aA OLG Schleswig FamRZ 1994, 781. OLG Schleswig FamRZ 1994, 781. OLG Schleswig SchlHA 1996, 223 = FamRZ 1996, 1344. KG FamRZ 1993, 84.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

in erforderlichem Maße herangezogen worden sind.200 Diese Feststellungen sind bereits durch die Behörde zu treffen,201 wenn auch das Gericht von Amts wegen verpflichtet ist, sich ein eigenes Bild zur verschaffen. Der Richter wird insoweit als Kontrollorgan zwischen dem Betroffenen und der Behörde tätig.202 Erledigt sich eine öffentlich-rechtliche Unterbringung während des Beschwerdeverfahrens und war die Anordnung wegen nicht feststellbarer Selbst- oder Fremdgefährdung nicht rechtmäßig ergangen, entspricht es der Billigkeit, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der zuständigen Behörde aufzuerlegen.203 Dies gilt auch, wenn diese von dem hierzu verpflichteten Leiter der Einrichtung nicht verständigt worden war.204 Die Vorschrift ist zwingend, das Gericht „hat“ die Auslagen des Betroffenen der Be36 hörde aufzuerlegen, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Fraglich ist, inwieweit das Gericht verpflichtet ist, eigene Ermittlungen zur Begründetheit des Anlasses anzustellen, wenn der Antrag alsbald wieder zurückgenommen wird und so gut wie keine Ermittlungen in der Sache als solche vorzunehmen sind. Nach dem Gesetzeswortlaut könnte man meinen, dass das „Verfahren nichts ergeben hat“ und es somit an einer Voraussetzung für eine Auferlegung der Auslagen fehlt. Es ist der Meinung beizupflichten, dass es keinen Unterschied bezüglich der Erstattungsanordnung machen kann, zu welchem Zeitpunkt der Antrag zurückgenommen wird; notfalls sind allein wegen der Kostenentscheidung noch Ermittlungen anzustellen.205 Die Entscheidung geht über die gesamten Auslagen des Betroffenen, eine Differenzie37 rung wie in Abs 2 S 2 bei der Auferlegung auf nicht beteiligte Dritte sieht die Vorschrift genauso wenig vor, wie eine Beschränkung auf notwendige Auslagen; außerdem muss es sich um Auslagen des Betroffenen handeln und nicht um Auslagen anderer Beteiligter. Zu den Auslagen siehe Rn 33. Gerichtsgebühren werden gemäß § 128b KostO zwar nicht erhoben, es fallen jedoch uU Auslagen an, wie die Kosten für das einzuholende Gutachten eines Sachverständigen (§ 70e), der gemäß § 137 Nr 6 KostO eine Entschädigung nach dem JVEG206 erhalten kann (siehe hierzu § 15 Rn 73).207 Zu den Auslagen gehört auch die Vergütung des Verfahrenspflegers nach § 137 Nr 17 KostO; die Bestellung eines Pflegers für das Verfahren und deren Aufhebung sind Teil des Verfahrens, für das der Pfleger bestellt worden ist, Bestellung und Aufhebung sind gebührenfrei gemäß § 93a Abs 1 KostO. Die Vergütung wird zwar aus der Staatskasse gezahlt (§§ 50 Abs 5, 67 Abs 3, 70b Abs 1), die Auslagen nach § 137 Nr 17 KostO können jedoch von dem Betroffenen nur erhoben werden, wenn dieser leistungsfähig ist (§§ 128b, 93a Abs 2 KostO iVm § 1836c BGB). Erstattungspflichtig ist die Körperschaft, der die Behörde angehört, zB der Landkreis208 oder in Berlin das Bezirksamt209 und nicht das Land selbst.

200 201 202 203 204 205 206

Keidel/Zimmermann Rn 51m. OLG Schleswig FamRZ 1994, 781. Pentz FamRZ 1996, 1453/1455. BayObLG FamRZ 2004, 1899 (LS); BayObLG FamRZ 2003, 1777. BayObLGZ 1990, 350; BayObLG FamRZ 2003, 1777. So Keidel/Zimmermann Rn 51m. Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen, und Übersetzern sowie die

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207

208 209

Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungsund -entschädigungsgesetz – JVEG) gem Art 2 KostRMoG. Es gilt das ZSEG, wenn dem Sachverständigen der Auftrag vor dem 1. Juli 2004 erteilt worden ist, § 25 JVEG. OLG Karlsruhe Justiz 1996, 17 = FamRZ 1995, 488. KG FamRZ 1993, 84.

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Kosten

C. Erstattungsfähigkeit der Kosten Den Umfang der erstattungsfähigen Kosten bestimmt § 13a Abs 1 S 1 selbständig als 38 die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren. In Betreuungs- und zivilrechtlichen Unterbringungssachen gilt dieses gemäß Abs 2 S 1, 2 auch für die Auslagen des Betroffenen; lediglich bei der Erstattung der Auslagen in öffentlich-rechtlichen Unterbringungssachen durch die Behörde ist nach Abs 2 S 3 keine Notwendigkeit Voraussetzung. Die Vorschrift wird durch Verweisung in Abs 3 auf § 91 Abs 1 S 2 ZPO dahin ergänzt, dass die Kostenerstattung auch die Entschädigung des Gegners für durch Reisen und Terminswahrnehmungen entstandene Zeitversäumnis umfasst, und zwar nach Maßgabe der für Zeugen geltenden Vorschriften.210 Von § 91 ZPO sind im übrigen Abs 1 S 1 und Abs 2, 3 in § 13a Abs 3 FGG nicht für entsprechend anwendbar erklärt worden. Aus der Unanwendbarkeit des § 91 Abs 2 ZPO folgt, dass Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts des obsiegenden Beteiligten im Gegensatz zum Zivilprozess nicht schlechthin, sondern nur nach Lage des Falles erstattungsfähig sind,211 worüber im Kostenfestsetzungsverfahren entschieden wird.212 In der Kostenentscheidung nach § 13a Abs 1 sowie Abs 2 S 2 kann die Kostenerstattung zwar ihrem Umfang nach eingeschränkt (Rn 12, 34), nicht aber die Erstattungsfähigkeit bestimmter Kosten verbindlich angeordnet werden. Der Erstattungspflichtige hat dem erstattungsberechtigten Beteiligten diejenigen 39 Kosten zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren.213 Was im konkreten Fall notwendig war, ist nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die Aufwendungen gemacht wurden. Hierbei sind objektive Maßstäbe entscheidend, nicht der subjektive Eindruck der Partei. Es gibt keine absolute Notwendigkeit, sie steht vielmehr im Verhältnis zum Objekt, zu den Gesamtkosten. Nur wirklich entstandene Kosten sind erstattungsfähig und nicht etwa fiktive Kosten.214 Das kann auch ein Sonderhonorar für einen WEG-Verwalter sein, allerdings muss es sich um konkret berechnete Kosten handeln, als Maßstab kann die BRAGO bzw jetzt das RVG dienen.215 Zu den erstattungsfähigen Kosten können auch die Gerichtskosten gehören (Rn 24, 40 Vorbem Rn 5, 8). Sie können erstattungsfähig sein, wenn der Erstattungsberechtigte die Gebühren als Vorschuss (§ 8 KostO) hat aufwenden müssen.216 Auch bereits gezahlte Gerichtskosten I. Instanz, für die nach der Entscheidung der Rechtsmittelinstanz nun ein anderer Beteiligter haftet, können zu den erstattungsfähigen Kosten zählen (zB in Kindessachen gemäß § 94 Abs 3 S 2 KostO). Übersetzungskosten, die dadurch entstanden sind,

210

211

ZSEG aufgehoben durch Art 6 Nr 2 KostRMoG zum 1.7.2004. Ersetzt durch das Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen, und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungsund -entschädigungsgesetz – JVEG) gem Art 2 KostRMoG. Ab 1.7.2004 gilt auch für die Auslagen des Beteiligten das JVEG. OLG Stuttgart NJW 1962, 1403; EGH NRW KostRspr § 13a FGG Nr 6; BayObLGZ

212 213 214 215 216

1961, 214; BayObLG FGPrax 1999, 77; OLG Hamburg DB 1975, 2269; OLG München Rpfleger 1996, 215; OLG Koblenz NJW-RR 1996, 1256; Zimmermann Rpfleger 1958, 69; Tschischgale Rpfleger 1961, 101. BayObLG FGPrax 1999, 77. Zöller/Herget § 91 Rn 12. von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert Rn B 305. LG München Rpfleger 2001, 205. von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert Rn E 21.

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dass ein Beteiligter sich wegen mangelnder deutscher Sprachkenntnisse sonst nicht am Verfahren beteiligen konnte, sind grundsätzlich nicht zu erstatten.217 Zu den außergerichtlichen Kosten zählen Reisekosten eines Beteiligten sowie die 41 Rechtsanwaltskosten ggf sogar vorgerichtliche Kosten. Hinsichtlich der Reisekosten der Beteiligten zum Gerichtstermin, auch zum Beweistermin,218 kommen als Entschädigung gemäß § 19 JVEG Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Aufwandsentschädigung (§ 6 JVEG), Ersatz für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) und Verdienstausfallentschädigung (§ 22 JVEG) in Betracht (ausf § 15 Rn 73). Rechtsanwaltskosten (Vorbem Rn 11 ff) sind auch auf deren Notwendigkeit hin zu prü42 fen; allerdings sollte dabei kein kleinlicher Maßstab angelegt werden.219 Besonders in Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird die Vertretung durch einen Rechtsanwalt in aller Regel als notwendig anzuerkennen sein,220 dieses insbesondere, wenn es sich um einen nicht einfachen Sachverhalt handelt221 und zB im Verfahren nach § 132 AktG die Aktionärsversammlung selbst rechtskundig vertreten ist.222 Der Auffassung, im Verfahren über die Anträge auf Auskunft der Aktionäre (§ 132 AktG) und der Gesellschafter gegen die GmbH (§§ 51b GmbHG iVm 132 AktG) Rechtsanwaltskosten ohne Notwendigkeitsprüfung als erstattungsfähig anzusehen,223 kann nicht gefolgt werden, da das Gesetz ausdrücklich eine Notwendigkeitsprüfung vorsieht. Das gilt auch für Rechtsanwaltskosten im Notarkostenbeschwerdeverfahren;224 allerdings hat der sich selbst vertretende Rechtsanwalt keinen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren,225 auch nicht in sogenannten Streitsachen zB vor dem Anwaltsgerichtshof.226 Im Betreuungsverfahren ergibt sich die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in der Regel bereits aus der Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen.227 Entstehen durch die Anrufung eines unzuständigen Gerichts wegen einer internen Abgabe gemäß § 18 Abs 1 HausratsVO Mehrkosten (zB Rechtsanwaltsgebühren), so sind diese nicht zwingend dem Kläger aufzuerlegen.228 Auch Vorbereitungskosten können erstattungsfähig sein, wenn sie in Beziehung auf 43 ein bestimmtes Verfahren entstanden sind;229 hierbei kann es sich zB um Kosten für ein vorgerichtliches Sachgutachten (nicht Rechtsgutachten) handeln,230 um Kosten für Informationsreisen zum auswärtigen Rechtsanwalt231 sowie uU Detektivkosten für das Aufspüren von Kindern.232 Aufwendungen für die Rückholung eines Kindes aus dem Ausland sind nicht als notwendige Kosten der Vollstreckung aus dem Herausgabebeschluss erstattungsfähig, da für 217 218 219 220 221 222 223

224 225

BayObLG FamRZ 1999, 604. HansOLG Hamburg DB 1975, 2269. von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert Rn E 15. von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert Rn E 15. BayObLGZ 1961, 173; OLG Stuttgart NJW 1962; 1403. OLG Koblenz NJW-RR 1996, 1256. OLG München Rpfleger 1996, 215; OLG Karlsruhe JurBüro 1997, 598; aA Gustavus GmbHR 1989, 181. LG Berlin KostRspr § 13a FGG Nr 69. KG Rpfleger 2004, 252 = FamRZ 2004, 1385; OLG Köln MDR 1991, 547.

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226 227 228 229 230

231 232

BGH JurBüro 2003, 207. PfälzOLG Zweibrücken FGPrax 2003, 220. OLG Frankfurt FamRZ 1994, 1602. OLG Koblenz JurBüro 1981, 1070. S hierzu BGH Rpfleger 2003, 265; Zöller/ Herget § 91 Rn 13 (Stichwort: Privatgutachten). OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 128; OLG Hamm AnwBl 1987, 48. S hierzu BVerfG NJW 1994, 1645; BGH FamRZ 1990, 966.

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Kosten

Kosten der Zwangsvollstreckung § 788 ZPO einschlägig ist und § 13a nicht darauf verweist (sa § 33 Rn 58).233

D. Kostenfestsetzungsverfahren Das Kostenfestsetzungsverfahren wird in Abs 3 durch Verweisung auf die entspre- 44 chende Anwendung der §§ 103 bis 107 ZPO geregelt. Wegen der allgemeinen Bedeutung der entsprechenden Anwendung von ZPO-Vorschriften im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl Rn 57.

I. Anwendungsbereich Das Kostenfestsetzungsverfahren nach Abs 3 iVm §§ 103 ff ZPO findet Anwendung, 45 wenn die Anordnung der Kostenerstattung auf Abs 1, 2 oder einer anderen durch Abs 4 aufrechterhaltenen bundesrechtlichen Vorschrift über die Kostenerstattung beruht, in welcher das Kostenfestsetzungsverfahren nicht besonders geregelt ist, zB § 20 HausratsVO, § 47 WEG. Wo aber die aufrechterhaltene bundesrechtliche Vorschrift auch das Kostenfestsetzungsverfahren geregelt hat, bleiben diese Vorschriften weiter maßgebend, zB §§ 35 bis 38 VerschG, §§ 45 Abs 2, 46, 31, 24 Abs 3 LwVG; § 16 FEVG; § 30 Abs 2 EGGVG.

II. Verfahrensvoraussetzungen 1. Antrag Das Festsetzungsverfahren wird nur auf Antrag durchgeführt, § 103 Abs 2 ZPO, hier- 46 bei handelt es sich um einen Sachantrag, der einen bestimmten Antrag enthalten muss, er muss einen bestimmten Geldbetrag fordern.234 Antragsberechtigt ist der Beteiligte zu dessen Gunsten die Kostenerstattung angeordnet ist; Antragsgegner ist der Beteiligte, dem die Kostenerstattungspflicht auferlegt ist oder der sie in einem gerichtlichen Vergleich übernommen hat; bei einem Vergleich kann das auch ein beigetretener Dritter sein (Vorbem vor §§ 8 bis 18 Rn 81). Die Beteiligten müssen – wie in jedem anderen Verfahren auch – beteiligtenfähig (parteifähig) (§ 13 Rn 2) sowie verfahrensgeschäftsfähig (prozessfähig) (§ 13 Rn 13 ) sein. Eine Rechtsnachfolge auf beiden Seiten ist, wenn aus der den Kostenausspruch enthaltenden Entscheidung die Zwangsvollstreckung nach der ZPO stattfindet (§ 33 Rn 8) erst beachtlich, wenn die Vollstreckungsklausel, mindestens unter Beschränkung auf den Kostenerstattungsanspruch, nach §§ 727 ff ZPO für oder gegen den Rechtsnachfolger umgeschrieben ist;235 ist die Kostengrundentscheidung zu einer Entscheidung ergangen, die nicht vollstreckbar ist und für welche eine Umschreibung der Vollstreckungsklausel daher nicht in Betracht kommt, so wird anzunehmen sein, dass eine Rechtsnachfolge zu berücksichtigen ist, wenn die Voraussetzungen des § 727 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren nachgewiesen werden. Eine besondere Form 233 234

HansOLG Bremen FamRZ 2002, 1720. Lappe in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert Rn A 17; Lappe Justizkostenrecht, § 42 I 3.

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KG JW 1934, 495; KG KostRspr § 103 ZPO Nr 82; Zöller/Herget § 104 Rn 3.

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ist nicht vorgeschrieben, der Antrag kann sowohl schriftlich als auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Der Antrag ist an keine Frist gebunden, es kann aber Verwirkung in Betracht kommen.236 Wiederholte Antragstellung zwecks Nachforderung bisher nicht geforderter und nicht aberkannter Beträge ist statthaft (sog Nachliquidation),237 wenn die Mehrforderung nicht bloß mit einem Wandel der Rechtsauffassung begründet wird.238 Ist nach früherem Recht über einen Antrag auf Verzinsung eines Kostenerstattungsanspruchs rechtskräftig entschieden worden, so steht einem erneuten Antrag auf „Ergänzung“ dieser Verzinsung die Rechtskraft der ersten Festsetzung entgegen.239 Der Kostenfestsetzungsbeschluss teilt das Schicksal der Kostengrundentscheidung240 47 und verliert im Falle der Aufhebung der Kostengrundentscheidung ohne weiteres seine Wirkung, es bedarf keiner Aufhebung dieses Beschlusses. Ist aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss bereits vollstreckt oder aber gezahlt worden, ist der Gläubiger verpflichtet Schadensersatz zu leisten, denn § 717 Abs 2 ZPO ist auf vollstreckbare Beschlüsse entsprechend anwendbar.241 Der Schaden besteht in der Regel in dem Kostenbetrag und darauf entfallende Zinsen sowie Vollstreckungskosten. Dieser materiellrechtliche Anspruch kann nach § 91 Abs 4 ZPO242 mit festgesetzt werden. Vor der Gesetzesänderung bestand in der Literatur und Rechtsprechung243 Streit darüber, ob diese Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren Berücksichtigung finden können. Nach damals herrschender Meinung244 war das möglich, wenn der Betrag nach Grund und Höhe unstreitig war, dh, wenn kein Streit über Grund und Höhe des Rückforderungsanspruches des Beklagten zwischen den Parteien bestand oder die Zahlung ausdrücklich zugestanden wurde. Die Rückfestsetzung wurde daher grundsätzlich für zulässig erachtet. Die sachliche Rechtfertigung für diese Ansicht fand sich zum einen in dem engen Zusammenhang zwischen Prozesskosten und Erstattung zuviel gezahlter Kosten, zum anderen aber auch darin, dass es sich um die Rückabwicklung eines im Verlauf des Verfahrens überholten Kostenfestsetzungsbeschlusses handelte. Es erschien unbillig, wenn der in der 1. Instanz obsiegenden Partei das vereinfachte Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung gestellt wurde, die andere Partei wegen ihres Rückerstattungsanspruches zu Unrecht erstatteter Kosten unter Versagung des vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahrens auf den Klageweg zu verweisen, sofern Grund und Höhe des Erstattungsanspruches unstreitig war Eine isolierte Rückfestsetzung wurde dem zu Folge als unzulässig angesehen. Der Gesetzgeber hat sich hier der hM geöffnet. Allerdings verweist § 13a Abs 3 nur auf § 91 Abs 1

236

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OLG Dresden JW 1938, 3161; KG JW 1939, 170 u 647; OLG Stuttgart KostRspr § 104 ZPO Nr 24; OLG Frankfurt KostRspr § 104 ZPO Nr 73; Zöller/Herget § 104 Rn 3. BVerfG NJW 1995, 1886; RRGZ 27, 402; KG JW 1929, 877; OLG Hamburg MDR 1979, 235; 1980, 233; OLG Koblenz JurBüro 1990, 735. KG MDR 1964, 1015 = Rpfleger 1964, 351. BGH NJW 2003, 1462 zum entsprechend dem durch das ZPO-RG und durch das SchuldRModG erhöhten Zinssatz gem § 104 Abs 1 S 2 ZPO. KG, JurBüro 1978, 1246 = Rpfl 1978, 384; KG, JurBüro 1984, 1408 = Rpfl 1984, 28; OLG Düsseldorf, OLGR 1997, 12.

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241 242 243

244

Putzo in Thomas/Putzo § 717 Rn 6; Zöller/ Herget § 717 Rn 4. Eingefügt durch Art 1 Nr 3 JuMoG v 24.8. 2004 mit Wirkung vom 1.9.2004. KG MDR 1991, 258; JurBüro 1957, 182; OLG Karlsruhe Rpfleger 1957, 45; OLG Hamm NJW 1962, 541; OLG Nürnberg JurBüro 1966, 884; HansOLG, JurBüro 1990, 1483; OLG Koblenz, Rpfleger 1989, 40; Göttlich/Mümmler RVG S 551 (Rückfestsetzung) mwN; s auch Gesetzesbegründung in BRDrs 378/03 S 38– 41. von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert B 127 Fn 142 m div Nachw.

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Kosten

S 2 ZPO und nicht auf Abs 4, da der Gesetzgeber es unterlassen hat, eine entsprechende Änderung vorzunehmen. Dabei kann es sich eigentlich nur um ein Versehen handeln, zumal es sogar entsprechende bundes- bzw landesgesetzliche Regelungen für FG-Verfahren gibt. Bundes- bzw landesgesetzlich geregelt ist dieses in § 37 Abs 2 VerschG und in Art 13 PrFGG, Art 14 HessFGG, die als Ergänzungsvorschriften gemäß § 200 fortgelten. 2. Zuständigkeit Sachlich und örtlich ist das Gericht des I. Rechtszuges zuständig, § 103 Abs 2 S 1 48 ZPO, und zwar auch hinsichtlich der Kosten der höheren Instanzen bzw wenn es sich lediglich um Kosten der höheren Instanzen handelt. Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist funktionell der Rechtspfleger zuständig, § 104 Abs 1 S 1 ZPO iVm §§ 3 Nr 3b, 21 Nr 1 RPflG. 3. Vollstreckbarer Titel Der Kostenerstattungsanspruch kann nur auf Grund eines zur Zwangsvollstreckung 49 geeigneten Titels geltend gemacht werden (§ 103 Abs 1 ZPO). In Angelegenheiten der FG ist Grundlage des Kostenerstattungsanspruchs der Ausspruch des Gerichts, der die Kostenerstattung anordnet (Rn 24). In der Regel genügt es für die Kostenfestsetzung, dass die Anordnung Wirksamkeit erlangt hat (vgl §§ 16 Abs 1, 24 Abs 2, 26, 32), da die Vollstreckbarkeit mit dem Beginn der Wirksamkeit zeitlich zusammenfällt. In den Fällen jedoch, in denen die in der Hauptsache ergangen Entscheidung erst mit der Rechtskraft wirksam wird (§ 16 Rn 21), setzt auch die Kostenfestsetzung den Eintritt der formellen Rechtskraft voraus. Die Vorlage eines Rechtskraftzeugnisses ist hier genauso wenig nötig wie für die Zwangsvollstreckung (s § 31 Rn 1), obwohl die Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind, dh mithin auch, ob die Entscheidung rechtskräftig ist. Dieses ergibt sich aus den Akten, während das Zeugnis lediglich eine Bestätigung für den Beteiligten darstellt.245 Das gilt auch dann, wenn der Kostenerstattungsanspruch auf einer Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht, gegen welche die sofortige weitere Beschwerde stattfindet (§ 26 S 1). Ist die Vollziehung der die Kostenerstattung anordnenden Verfügung ausgesetzt (§§ 24 Abs 2, 3; 29 Abs 4), so ist während der Dauer der Aussetzung ein Festsetzungsbeschluss nicht zu erlassen. Wird die Vollziehung erst nach Erlass des Festsetzungsbeschlusses ausgesetzt, so verliert er seine Vollstreckbarkeit. Der Festsetzungsbeschluss ist in seiner Wirksamkeit, auch wenn er formell rechtskräftig geworden ist, von dem Fortbestand der die Kostenerstattung anordnenden Verfügung abhängig.246 Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist nichtig, wenn es an einer Kostengrundentscheidung fehlt.247 Ein gerichtlicher Vergleich, in welchem ein Beteiligter die Kosten eines anderen Betei- 50 ligten übernommen hat, ist Grundlage eines Festsetzungsverfahrens, wenn das Gesetz bestimmt, dass der Vergleich nach den Vorschriften der ZPO vollstreckbar ist (§§ 53a Abs 4, 53g Abs 3, 98, 99 FGG, § 16 Abs 3 HausratsVO, § 45 Abs 3 WEG, § 31 LwVG). Aber auch in anderen Angelegenheiten wird ein Teilvergleich über die Kostenerstattung als Grundlage der Kostenfestsetzung anzusehen sein (Vorbem vor §§ 8 bis 18 Rn 81).

245 246

Lappe RpflStud 1981, 61; aA Keidel/Zimmermann Rn 63 ohne Nachw für die hM. KG JW 1936, 3073; JurBüro 1976, 814; 1978, 1246; Rpfleger 1993, 462.

247

BAG NJW 1963, 1027.

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4. Rechtliches Gehör

51

Das Kostenfestsetzungsgesuch muss dem Gegner stets vor Erlass der Entscheidung zur Stellungnahme übermittelt werden, um ihm das rechtliche Gehör zu gewähren.248 Die Versagung des rechtlichen Gehörs ist ein wesentlicher Verfahrensmangel, der zur Zurückverweisung aus der Beschwerdeinstanz führen kann. Es wird sogar verlangt, dass das Gericht den Gegner des Kostenfestsetzungsgesuchs vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses auffordern soll, Einwände gegen die geltend gemachten Kostenansätze bei Meidung der Kostenfolge des § 97 Abs 2 ZPO schon vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vorzutragen.249 Die Generalklausel des § 139 ZPO gilt auch im Kostenfestsetzungsverfahren, dh der Beteiligte ist vor der Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag auf einen erkennbar übersehenen oder für unerheblich gehaltenen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen und darauf hinzuwirken, dass sich die Beteiligten über alle für die Rechtsfindung erforderlichen Tatsachen vollständig erklären und sachgerechte Anträge stellen.250 Die Formulierung in § 104 Abs 1 S 3 ZPO „Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen“ ist in der Vergangenheit aus rein praktischen Erwägungen sogar dahingehend verstanden worden, dass es genügt, dem Gegner eine Abschrift der Kostenberechnung mit der Entscheidung zusammen zuzustellen. Diese Verfahrensweise ist nach verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht haltbar.251 Die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs folgt nach allgemeiner Meinung aus Art 103 Abs 1 GG und kann sowohl schriftlich als auch mündlich geschehen.252

III. Kostenausgleichung 52

Zur Vermeidung doppelter Kostenfestsetzung sieht § 106 ZPO ein Kostenausgleichungsverfahren vor, wenn die Kosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt sind. Es ergeht unter Berücksichtigung der Kostenberechnungen beider Beteiligten ein einheitlicher Beschluss, in welchem nur der Betrag festgesetzt wird, um den die Kosten des einen Beteiligten die des anderen übersteigen (Aufrechnung von Amts wegen). Auch in diesem Falle besteht nur ein Erstattungsanspruch, jedoch bemisst sich dieser nach einem Bruchteil der Gesamtkosten.253 Antragsberechtigt sind in diesem Fall beide Beteiligte, da sie anteilmäßig am Kostenerstattungsanspruch beteiligt sind und sich der tatsächlich festzusetzende Betrag erst nach Prüfung beider Anträge und Aufrechnung der ermittelten Beträge ergibt. Eine Verteilung der Verfahrenskosten nach Quoten auf mehrere im entge-

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BVerfGE 19, 149; OLG Brandenburg JurBüro 1999, 254 m Anm Enders = Rpfleger 1999, 174 = KostRspr Nr 290 m Anm von Eicken = MDR 1999, 442 (aA 13. und 7. ZS Rpfleger 1999, 528); OLG Celle Nds Rpfl 1999, 128; OLG Frankfurt (12. Senat) Rpfleger 1999, 379 = JurBüro 1999, 482; PfälzOLG Zweibrücken (3. Senat), Rpfleger 1999, 380 = JurBüro 1999, 483; OLG Frankfurt (6. Senat) JurBüro 1999, 483; LAG Düsseldorf, JurBüro 1999, 536; LG Berlin, 82 T 187/99 JurBüro 2000, 32 sowie

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249 250 251 252

253

82 T 673/99 JurBüro 2000, 33; Hansens Rpfleger 2001, 573. OLG Frankfurt, JurBüro 1999, 255 = Rpfleger 1999, 119 = MDR 1999, 320. OLG Köln, JurBüro 1999, 257. BVerfG NJW 1983, 2187 = JMBlNW 1983, 72; LG Aachen JurBüro 1990, 1484. Zöller/Herget §§ 103, 104 Rn 21 (rechtl Gehör); Putzo in Thomas/Putzo § 104 Rn 2; Lappe RpflStud 1995, 174. Lappe Justizkostenrecht, § 42 I 15.

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Kosten

gengesetzten Sinne Beteiligte ist auf Grund der Ermessensvorschrift des § 13a Abs 1 S 1 zwar nicht ausgeschlossen, aber ungewöhnlich und unzweckmäßig. Sie kann bei Teilerfolg eines Antrags oder eines Rechtsmittels in Betracht kommen. Auch ist eine Belastung mehrerer einander gegenüberstehender Beteiligter mit Kosten denkbar, wenn jeder von ihnen Kosten durch grobes Verschulden veranlasst hat. Die Kostenausgleichung nach § 106 ZPO findet auch statt, wenn die von zwei Beteiligten in entgegengesetztem Sinne eingelegten Beschwerden erfolglos geblieben und jedem Beschwerdeführer die durch seine Beschwerde dem anderen Beteiligten erwachsenen Kosten auferlegt sind (vgl Rn 15). Der Rechtspfleger hat den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Frist von 1 Woche einzureichen (§ 106 Abs 1 S 1 ZPO). Die Frist ist eine gesetzliche; ihre Verlängerung ist unzulässig (§ 224 Abs 2 ZPO). Eine bis zur Entscheidung eingereichte Berechnung darf jedoch berücksichtigt werden. Wird die Berechnung nicht eingereicht, so bleiben die Kosten des säumigen Beteiligten unberücksichtigt; dieser behält aber das Recht, seinen Kostenerstattungsanspruch nachträglich geltend zu machen (§ 106 Abs 2 ZPO).

IV. Vereinfachte Kostenfestsetzung Das in § 105 ZPO vorgesehene Verfahren dient im Zivilprozess der Vereinfachung des 53 Kostenfestsetzungsverfahrens und der Beschleunigung der Zwangsvollstreckung (vgl §§ 795a, 798 ZPO). Es besteht darin, dass der Festsetzungsbeschluss vom Rechtspfleger auf die Entscheidung und ihre Ausfertigungen gesetzt wird. Vorausgesetzt ist, dass bei der Anbringung des Gesuchs eine Ausfertigung der Entscheidung noch nicht erteilt ist, eine Verzögerung der Ausfertigung nicht eintritt und dem Gesuch voll entsprochen wird. Ein Festsetzungsgesuch ist nicht erforderlich, wenn der Beteiligte schon vor dem Erlass der Entscheidung eine Berechnung seiner Kosten eingereicht hat (§ 105 Abs 2 ZPO). Eine besondere Ausfertigung und Zustellung des Festsetzungsbeschlusses findet in diesen Fällen nicht statt (§ 105 Abs 1 S 2 ZPO). Das Verfahren ist hiernach nur anwendbar, wenn die Kostengrundentscheidung eine solche des Gerichts erster Instanz ist und mit der Bekanntmachung wirksam wird oder unanfechtbar ist oder wenn ein vor dem erstinstanzlichen Gericht geschlossener Vergleich vorliegt. Unanwendbar ist die Vorschrift, wenn die Entscheidung in der Hauptsache erst mit der Rechtskraft wirksam wird. Auch im Falle der Kostenausgleichung findet § 105 ZPO keine Anwendung (§ 106 Abs 1 S 2 ZPO). Es ist Lappe254 zuzustimmen, der die Regelung für verfassungswidrig hält, da sie gegen Art 103 Abs 1 GG verstößt, weil ohne Gewährung rechtlichen Gehörs entschieden wird. Auch hier ist vorher rechtliches Gehör zu gewähren.255 Außerdem ist die Entscheidung sofort vollstreckbar, während ansonsten aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen erst nach einer Wartezeit von 2 Wochen vollstreckt werden darf (§ 798 ZPO).

V. Entscheidung Die Entscheidung über das Festsetzungsgesuch trifft der Rechtspfleger (Rn 48). Bei 54 einer nicht gerichtlichen Behörde (§ 194) entscheidet diese selbst, in Baden-Württemberg im Landesteil Württemberg auch die Bezirksnotare in den ihnen zugewiesenen Angelegenheiten in Vormundschafts- und Nachlasssachen (§§ 1 Abs 2, 5 BWFGG), im badi-

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Lappe Justizkostenrecht, § 42 I 18.

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LG Darmstadt Rpfleger 2000, 129.

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schen Rechtsgebiet der Notar oder in übertragenen Geschäften der dem Notariat zugewiesene zum Rechtspflegeramt befähigte Beamte (§ 35 RPflG).256 Der Rechtspfleger hat selbständig und sachlich unabhängig (§ 9 RPflG) zu prüfen, ob 55 die förmlichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Kosten tatsächlich entstanden und auch erstattungsfähig sind. Es müssen alle Tatsachen vorgetragen werden, die entscheidungserheblich sind, ohne jedoch den gesamten Akteninhalt vorzutragen. Die einzelnen Posten sind detailliert aufzulisten, bezüglich der Anwaltskosten reicht es aus, dass sie geschuldet werden; bezüglich der Partei- und Gerichtskosten wird verlangt, dass sie bereits gezahlt worden sind. Soweit es sich um das Entstehen von Kosten handelt, sind diese glaubhaft zu machen, §§ 104 Abs 2 S 1, 294 ZPO;257 bei den anwaltlichen Auslagen genügt die anwaltliche Versicherung, dass sie entstanden sind, § 104 Abs 2 S 2 ZPO und bezüglich der auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer ist eine Erklärung notwendig, aus der hervorgeht, ob die Partei die Beträge von der Vorsteuer abziehen kann oder nicht, § 104 Abs 2 S 3 ZPO,258 wobei keine Prüfung hinsichtlich der Richtigkeit der Erklärung erfolgt.259 Einwendungen des Gegners im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs gegen die Erstattungspflicht selbst, wie Zahlung, Tilgung durch Vorschussleistung, Aufrechnung, Vergleich, Verzicht, Stundung und Verjährung gehören nicht in das Verfahren.260 Im Kostenfestsetzungsverfahren ist alles unzulässig, was den Anspruchsgrund berührt261 und ausnahmsweise nur dann zu berücksichtigen, wenn die dem Einwand zugrundeliegenden Tatsachen feststehen, insbesondere wenn sie vom Gegner zugestanden sind und auch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung keine Zweifel bestehen. Sind die zugestandenen Tatsachen kostenrechtlich zu beurteilen, dann ist hierüber auch bei Zweifeln über die rechtlichen Folgen im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden.262 Über den gestellten Antrag darf nicht hinausgegangen werden, § 308 Abs 1 ZPO. Im Rahmen des Gesamtantrags (Gesamtbetrags) können jedoch einzelne Positionen ausgetauscht werden, zB an Stelle einer geforderten, aber nicht entstandenen oder nicht erstattungsfähigen Gebühr kann eine andere entstandene aber nicht beantragte Gebühr berücksichtigt werden.263 Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind mit einer Begründung zu versehen,264 aus der so56 wohl die Beteiligten als auch das Beschwerdegericht erkennen können, was beantragt war, inwieweit dem Antrag stattgegeben und warum ihm ganz oder teilweise nicht stattgegeben wurde. Eine Kostenentscheidung hinsichtlich des Festsetzungsverfahrens kann unterbleiben, wenn ersichtlich keine Kosten entstanden sind. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei soweit es nicht zu einer Vorlage an das Rechtsmittelgericht kommt. Auch der Rechtsanwalt kann für den Antrag keine Gebühr verlangen, lediglich ein Beschwerdeverfahren lässt Gebühren entstehen. Es können jedoch Auslagen für die Zustellung der Entscheidung anfallen. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist dem Gegner förmlich zu-

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Zu den Unterschieden im badischen und württembergischen Rechtsgebiet s Arnold/ Meyer-Stolte/Herrmann §§ 33 Rn 6, 35 Rn 3 ff. Zöller/Herget § 104 Rn 8. Zimmermann ZPO § 194 Rn 1b mwN. BGH Rpfleger 2003, 321 = JurBüro 2003, 426 = KostRspr ZPO § 104 (B) Nr 433 mwN. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 85 Rn 23. Lappe Justizkostenrecht, § 42 I 8.

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OLG München, JurBüro 1999, 146 = NJW RR 1999, 655. Schneider JurBüro 1966, 103; Lappe Justizkostenrecht, § 42 I 3; von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert Rn B 70 ff mwN. OLG Brandenburg, JurBüro 1999, 254 m Anm Enders = Rpfleger 1999, 174 = KostRspr § 104 ZPO Nr 290 m Anm von Eicken = MDR 1999, 442; OLG Frankfurt Rpfleger 1984, 477 mwN.

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zustellen (§ 104 Abs 1 S 3 ZPO). Dem Antragsteller ist er nur zuzustellen, wenn seinem Antrag nicht voll entsprochen wurde, andernfalls reicht formlose Übersendung aus (§ 104 Abs 1 S 4 ZPO). Bedarf es nach dem Gesetz der Zustellung, dann sind hierfür die Auslagen in voller Höhe anzusetzen (§ 137 Nr 2 KostO); Kostenschuldner ist der Antragsteller (§ 2 KostO).265 Wegen der Zustellung an einen Verfahrensbevollmächtigten siehe § 16 Rn 35.

VI. Rechtsmittelverfahren 1. Allgemeines Im Verfahren gemäß § 13a richtet sich die Anfechtung der getroffenen Entscheidung 57 nicht nach Maßgabe des FGG, sondern nach den ZPO-Vorschriften des Kostenfestsetzungsverfahrens, da Abs 3 die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften anordnet. Die entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO bedeutet, dass die Vorschriften so anzuwenden sind, als wenn sie integrierende Bestandteile des FGG wären; sie sind deshalb den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes anzupassen.266 Die Verweisung bedeutet, dass diejenigen Vorschriften der ZPO Anwendung finden, die die Statthaftigkeit des Rechtsmittels regeln;267 nicht aber die Vorschriften, die das Rechtsmittelverfahren als solches betreffen, insbesondere Frist und Form des Rechtsmittels sowie Beschwerdeberechtigung und Durchführung des Verfahrens richten sich nach den Vorschriften des FGG. 2. Sofortige Beschwerde Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss findet gemäß § 104 Abs 3 S 1 ZPO die sofor- 58 tige Beschwerde und zwar nach Maßgabe des § 22 statt. Seit der Neufassung des § 11 RPflG268 ist gegen die Entscheidung des Rechtspflegers nunmehr ohne Einschränkung das Rechtsmittel gegeben, welches nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist (§ 11 Abs 1 RPflG).269 In Kostensachen sieht die ZPO eine Sonderregelung bezüglich des Beschwerdewertes vor, denn es gilt die Streitwertgrenze des § 567 Abs 2 ZPO, die 200,00 € beträgt,270 und auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten ist,271 da das FGG keine entsprechende Regelung kennt. Berechnet wird die Beschwer nach dem Differenzbetrag um den der Beschwerdeführer sich verbessern will. Zeitpunkt der Berechnung ist die Beschwerdeeinlegung, eine spätere Verringerung ist bedeutungslos, allerdings werden „nachgeschobene“ Kosten nicht hinzugerechnet, da sie bisher nicht anhängig waren. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses beim erkennenden Gericht

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Korintenberg/Lappe § 137 Rn 45. Bärmann § 16 III; Bassenge/Herbst/Roth Rn 7; Keidel/Schmidt Rn 2; s auch Roth Rpfleger 2006, 1. BGHZ 33, 205; BayObLGZ 1967, 474; 1977, 97; 1993, 9. Durch das Dritte Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze vom 6.8.1998 (BGBl I S. 2030). Zur Problematik der danach entfallenen Abhilfebefugnis nach altem Recht s auch

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Hansens Rpfleger 1999, 105 sowie von König RpflStud 1999, 141 u Rpfleger 2000, 7. Beschwerdewert geändert durch Art 4 Abs 20 Nr 5 KostRMoG; bis zum 30.6. 2004 betrug der Wert in diesem Fall 50,00 €. So auch Bassenge/Herbst/Roth Vor §§ 19–30 Rn 3; Keidel/Kahl Vorb §§ 19–30 Rn 27; von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert Rn E 24.

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oder beim Rechtsmittelgericht einzulegen (§§ 21; 22 Abs 1). Die Beschwerde muss durch Einreichen einer Beschwerdeschrift eingelegt werden oder zu Protokoll der Geschäftsstelle. a) Nichterreichen der Beschwerdesumme

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Problematisch ist der Fall, wenn die sofortige Beschwerde wegen Nichterreichens der Beschwerdesumme nicht zulässig aber doch begründet ist. In diesem Fall soll die befristete Erinnerung nach § 11 Abs 2 S 1 RPflG mit der daraus resultierenden Abhilfeverpflichtung des Rechtspflegers Anwendung finden.272 Ist nämlich gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben, so findet binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statt (§ 11 Abs 2 S 1 RPflG); dies soll auch „entgegen der etwas ungenauen Formulierung“273 Anwendung finden, wenn nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel gegeben, aber im Einzelfall nicht zulässig ist, weil eine im Gesetz vorgesehene Beschwerdesumme nicht erreicht ist.274 Gegen die Versäumung der Frist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Maßgabe des § 22 Abs 2 FGG gewährt werden;275 zuständig ist der Rechtspfleger, wenn er der Erinnerung zumindest teilweise abhelfen will.276 Der Rechtspfleger hat der begründeten Erinnerung abzuhelfen (siehe aber unter Rn 60), andernfalls legt er sie dem Richter (gem § 28 RPflG) vor. Dieser entscheidet selbst. b) Abhilfe nach § 572 Abs 1 ZPO trotz § 18 Abs 2 FGG?

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Das ZPO-RG hat nicht nur eine umfassende Neugestaltung des Rechtsmittelverfahrens der ZPO gebracht;277 sondern auch die generelle Abhilfebefugnis des Erstgerichts bei der sofortigen Beschwerde nach § 571 Abs 1 ZPO, die nach bis zum 31.12.2001 geltendem Recht nur für die einfachen Beschwerden galt (§ 571 ZPO aF). Das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, hat die Amtspflicht zu prüfen, ob die Beschwerde begründet (nicht, ob sie zulässig) ist,278 und ihr bejahendenfalls abzuhelfen (§ 572 Abs 1 ZPO); die generelle Abhilfebefugnis gilt auch für den Rechtspfleger.279 Über die Abhilfe ist eine Entscheidung zu erlassen, wodurch die Beschwerde gegenstandslos wird ohne aber über sie zu entscheiden.280 Der Abhilfebeschluss unterliegt als neue Entscheidung wieder der sofortigen Beschwerde mit erneuter Abhilfebefugnis. Im FG-Verfahren verbietet § 18 Abs 2 die Abhilfe von Verfügungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen; so dass es fraglich ist, ob im Falle der Kostenfestsetzung eine Abhilfe möglich ist. Bei einer nur entsprechenden Anwendung von ZPO-Vorschriften im FG-Verfahren gelten für die Rechtsmittel die Vorschriften der ZPO nur, soweit sie die Statthaftigkeit des Rechtsmittels regeln;281 im Übrigen gelten die FGG-Vorschrif-

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BVerfG, FamRZ 2001, 828; Arnold/MeyerStolte/Hansens § 11 Rn 47 mwN; Bassenge/ Herbst/Roth RPflG § 11 Rn 12. Hansens Rpfleger 1999, 105. Zöller/Herget, §§ 103, 104 Rn 11, 13 bis 15. Arnold/Meyer-Stolte/Hansens § 11 Rn 21 mwN. Arnold/Meyer-Stolte/Hansens § 11 Rn 50 mwN auch zur Gegenmeinung. S hierzu die Gesetzesbegründung BTDrs 14/3750 IV 2 (S 40 bis 46).

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Rosenberg/Schwab/Gottwald § 146 Rn 18; so auch Jauernig ZPR § 75 II 2; Baumbach/ Albers § 572 Rn 3; Zöller/Gummer § 572 Rn 14. Die Abhilfebefugnis in Kostenfestsetzungsverfahren nach § 11 Abs 2 S 1 RPflG aF war mit Inkrafttreten des 3. RPflÄndG (BGBl S 2030) ab 1. 10.1998 entfallen. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 146 Rn 18. S hierzu BayObLGZ 1991, 414 = NJW-RR 1992, 828 = Rpfleger 1992, 165 = FamRZ

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ten und damit auch § 18 Abs 2, der eine Abhilfe bei einer sofortigen Beschwerde ausschließt.282 Allein die Verweisung in § 13a Abs 3 auf §§ 103 bis 107 ZPO ist nicht ausreichend, da § 18 Abs 2 im Rahmen der ZPO-Reform nicht geändert wurde.283 3. Weitere Beschwerde (Rechtsbeschwerde) Die im Zivilprozess neu eingeführte Rechtsbeschwerde ermöglicht im Bereich der 61 Nebenentscheidungen die höchstrichterliche Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen.284 Nach nun geltendem Recht ist im Zivilprozess gegen einen Beschluss die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder wenn das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im I. Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs 1 ZPO). In Kostenfestsetzungsverfahren ist die Rechtsbeschwerde im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, so dass sie die Zulassung durch das Beschwerdegericht voraussetzt; was zu geschehen hat, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs 3, 2 ZPO). Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden (§ 574 Abs 3 S 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist revisionsähnlich ausgestaltet und auf eine Rechtsprüfung beschränkt; die Vorschriften über die Revision zB hinsichtlich des Begriffes der Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) und der Revisionsgründe (§ 547 ZPO) gelten entsprechend (gem § 576 ZPO). Sie ist an die Stelle der bisherigen „weiteren Beschwerde“ getreten und beseitigt somit eine dritte Tatsacheninstanz. Entscheidet der originäre Einzelrichter beim OLG über eine Beschwerde in einer Sache, der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst, und lässt er die Rechtsbeschwerde zu, so ist die Zulassung zwar wirksam; nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterliegt die Entscheidung aber auf die Rechtsbeschwerde hin der Aufhebung von Amts wegen, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) ergangen ist, da der originäre Einzelrichter nicht selbst entscheiden darf, sondern die Sache dem Senat zu übertragen ist (§ 568 S 2 Nr 2 ZPO.285 Im Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit kennt das FGG die Rechtsbeschwerde 62 in der in der ZPO vorgesehenen Form nicht unter dieser Bezeichnung; hier gilt das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde (§ 27), die wie die Rechtsbeschwerde auf eine Rechtskontrolle beschränkt ist (§ 27 Abs 1 S 2 FGG, § 576 ZPO). Nach bisherigem Recht war im Verfahren gemäß § 13a eine weitere Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung nicht statthaft, weil neben den durch § 13a Abs 3 genannten §§ 103 ff ZPO auch § 568 Abs 3 ZPOaF für anwendbar erklärt war, der eine weitere Beschwerde ausschloss.286 Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet nunmehr auch die weitere Beschwerde287

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1992, 705; BayObLG FamRZ 2002, 182 = NJW 2002, 2573 = MDR 2002, 1146; OLG Celle FGPrax 2003, 30; KG FGPrax 2003, 252; Briesemeister ZWE 2003, 26; Demharter NZM 2002, 233. Demharter NZM 2002, 233; von König Rpfleger 2005, 594. Keidel/Zimmermann Rn 68 hält eine Abhilfe für „möglich“ und begründet das damit, dass mit der Verweisung auf §§ 103 bis 107 ZPO auch auf die Beschwerdevorschriften der ZPO gemäß §§ 567 ff ZPO verwiesen wird.

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S Gesetzesbegründung BTDrs 14/3750 S 87. BGH FamRZ 2004, 363; BGH NJW 2003, 1254 = FamRZ 2003, 669 = Rpfleger 2003, 374 m Anm Abramenko. BGHZ 33, 205; ausführlich Vorauflage Rn 44; sa Hansens Rpfleger 1999, 105. BGH v 10.12.2003 – XII ZB 251/03 – NJW-RR 2004, 726 = FPR 2004, 516; BGH v 11.3.2004 – V ZB 63/03 – NJW-RR 2004, 1077 = FGPrax 2004, 142; nicht die Rechtsbeschwerde wie der IV. ZS des BGH (Beschl v 19.11.2003 – IV ZB 20/03) NJW 2004, 1107 = AGS 2004, 124 offenbar meint.

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gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse statt, wenn das Beschwerdegericht diese zugelassen hat.288 Soweit in § 575 Abs 1 ZPO eine Monatsfrist vorgesehen ist, gilt diese Frist nicht im FGG-Verfahren; hier gilt die Frist des § 22 FGG, die 2 Wochen ab Zustellung beträgt. Der Instanzenzug für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde durch das ZPO-RG nicht angepasst. Im Falle der zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde ist das OLG (§ 28 Abs 1) und in Bayern das OLG München (§ 199 Abs 1, Art 11a BayAGGVG) sowie in Rheinland-Pfalz das PfälzOLG Zweibrücken (§ 4 Abs 3 Nr 2 GerichtsorganisationsG) zuständig,289 denn es verbleibt bei den eigenen und abschließenden Zuständigkeitsregelungen für die freiwillige Gerichtsbarkeit, wonach der BGH nur im Falle der Divergenzvorlage nach § 28 Abs 2 zuständig ist.290 Bei einer weiteren Beschwerde ist der Beschwerdewert von über 200,– € nicht erforderlich.291

VII. Anderweite Festsetzung wegen Geschäftswertänderung 63

Setzt das Gericht den Geschäftswert nach der Kostenfestsetzung erstmals oder in Abänderung einer früheren Entscheidung fest (§§ 31 Abs 1, 14 KostO, §§ 32, 33 RVG, §§ 7 bis 9 BRAGO) und weicht diese Festsetzung von dem Wert ab, der der Kostenfestsetzung zugrunde gelegt ist, so ist der Kostenfestsetzungsbeschluss auf Antrag des nunmehr beschwerten Beteiligten durch den Rechtspfleger entsprechend abzuändern (§ 107 Abs 1 ZPO). Solange der Festsetzungsbeschluss noch nicht rechtskräftig ist, ist der Änderungsantrag wahlweise neben der sofortigen Beschwerde gemäß § 104 Abs 3 ZPO zulässig. Ein Antrag auf Rückfestsetzung nach geändertem Streitwert ist als Antrag nach § 107 ZPO auszulegen.292 Der Antrag muss innerhalb einer Frist von einem Monat seit der Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses gestellt werden (§ 107 Abs 2 ZPO), es handelt sich um eine gesetzliche Frist, die nicht verlängert werden kann (§ 224 Abs 2 ZPO). Bei Fristversäumung bleibt dem Schuldner die Vollstreckungsgegenklage oder ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.293 Die frühere Entscheidung wird nur insofern berichtigt, als sie durch die geänderte Wertfestsetzung berührt wird; im übrigen findet eine Nachprüfung nicht statt,294 selbst ein unstreitiger Zahlungseinwand kann nicht berücksichtigt werden.295 Rechtsmittel sind dieselben wie bei der ursprünglichen Festsetzung (§§ 107 Abs 3 iVm 104 Abs 3 ZPO). Im Todeserklärungsverfahren kann auf Antrag die Erstattung zuviel gezahlter Kosten angeordnet werden (§ 37 Abs 2 VerschG). Dieselbe Befugnis steht dem Gericht nach Art 13 PrFGG, Art 14 HessFGG zu. Diese Vorschriften sind gemäß § 200 aufrechterhalten. Aber auch sonst kann eine Verpflichtung zur Rückgewähr zuviel gezahlter Beträge auferlegt werden.296

288

289

290

Siehe auch die Anm Demharter in Rpfleger 2004, 439 sowie Roth Rpfleger 2006, 1. BGH NJW 2004, 3412 mwN; BayObLG Rpfleger 2003, 43 = JurBüro 2002, 652 = FGPrax 2002, 271 = MDR 2003, 49; OLG Frankfurt JurBüro 2002, 656; OLG Frankfurt KostRspr § 13a Nr 134. Bis zur Auflösung des BayObLG war dieses gem Art 11 Abs 3 BayAGGVG aF zuständig, s § 199 Rn 12, 13. BGH v 30.9.2004 – V ZB 16/04 – NJW 2004, 3412 = Rpfleger 2005, 22 = FamRZ 2004, 1964 unter teilweiser Aufgabe der im Beschl v 24.7.2003 – V ZB 12/03 – NJW

432

291 292 293 294 295 296

2003, 3133 zum Ausdruck gekommenen abweichenden Auffassung; gleiches gilt auch für den Beschl des IV. Zivilsenats v 19.11. 2003 – IV ZB 20/03 – NJW 2004, 1107 = AGS 2004, 124 = Rpfleger 2004, 318; s hierzu Roth Rpfleger 2006, 1. BGH Rpfleger 2005, 114 = JurBüro 2005, 142. OLG Düsseldorf Rpfleger 1989, 40. OLG Köln JW 1928, 126. OLG Hamm Rpfleger 1983, 456; Zöller/ Herget § 107 Rn 1. KG Rpfleger 1997, 454. Zimmermann ZPO § 107 Rn 2.

Renate Baronin von König

§ 13a

Kosten

VIII. Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss Aus Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet die 64 Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der ZPO nur statt, wenn dies gesetzlich bestimmt ist (§ 33 Rn 8). Für den Kostenfestsetzungsbeschluss aus § 13a Abs 3 fehlt es an einer bundesrechtlichen Vorschrift, die dem Festsetzungsbeschluss die Eigenschaft eines vollstreckbaren Titels verleiht. In der Vorschrift des § 45 Abs 2 LwVG, der § 13a Abs 3 ersichtlich nachgebildet ist, genügte die Verweisung auf die §§ 103 bis 107 ZPO, um das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend den Vorschriften der ZPO anschließend zu regeln; denn § 45 Abs 2 LwVG wird ergänzt durch §§ 46 Abs 2, 24 Abs 3 und 31 LwVG, wonach aus gerichtlichen Beschlüssen, die einen vollstreckbaren Inhalt haben, die Zwangsvollstreckung nach der ZPO stattfindet. Eine solche Vorschrift fehlt im FGG, und die gebotene Verweisung in § 13a Abs 3 auf die §§ 794 Abs 1 Nr 2, 795, 795a, 798 ZPO ist ohne erkennbaren Grund unterblieben.297 Gemäß § 200 bleiben daher die landesrechtlichen Vorschriften aufrechterhalten, welche die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss nach den Vorschriften der ZPO für zulässig erklären (Art 14 PrFGG, Art 17 Nr 2 HessFGG, Art 6 Abs 1 Nr 1 NdsFGG, § 10 BWFGG). Die Wartefrist des § 798 ZPO gilt hiernach nur gemäß Art 6 Abs 2 NdsFGG. Gemäß § 4 Abs 1 RhPfFGG findet die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen nach § 13a FGG statt, die Wartefrist von 2 Wochen ist in § 4 Abs 2 geregelt. Wo das Landesrecht kein Kostenfestsetzungsverfahren kennt, fehlt es an einer Vorschrift darüber, dass der Festsetzungsbeschluss ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel ist; insofern besteht mithin eine Gesetzeslücke.298 Wo das Kostenfestsetzungsverfahren in bundesrechtlichen Sondergesetzen geregelt ist, ist die Vollstreckbarkeit des Festsetzungsbeschlusses entweder besonders bestimmt (§ 38 VerschG, § 31 LwVG) oder die §§ 794 Abs 1 Nr 2, 795a, 798 ZPO sind aufgrund einer allgemeinen Verweisung auf die Vorschriften der ZPO anwendbar (§ 16 FEVG); § 30 Abs 2 EGGVG verweist ebenfalls nur auf §§ 103 bis 107 ZPO.

E. Aufrechterhaltenes abweichendes Bundesrecht Nach § 13a Abs 4 bleiben bundesrechtliche Vorschriften, welche die Kostenerstattung 65 abweichend regeln, unberührt. Die Kostenerstattung ist zugelassen unter teilweise abweichenden Voraussetzungen nach § 45 LwVG,299 hier kann § 13a subsidiär Anwendung finden,300 § 34 VerschG, § 20 HausratsVO,301 § 47 WEG,302 dieser gilt auch für Nebenverfahren zB Richterablehnung,303 für Abschiebehaftsachen § 16 FEVG,304 § 30 Abs 2 EGGVG, § 156 KostO. Zu den aufrechterhaltenen Vorschriften gehören auch die des

297 298 299 300 301

Vgl dazu Jansen Rpfleger 1960, 169. Keidel/Zimmermann Rn 72 hält die ZPOVorschriften ohne weiteres für anwendbar. Barnstedt/Steffen § 45 Rn 4, 5. OLG Celle NdsRpfl 1975, 14. KG FamRZ 1987, 850; OLG Hamm FamRZ 1989, 739; OLG Bamberg FamRZ 1995, 560; OLG Schleswig FamRZ 1991, 82; OLG Celle FamRZ 1991, 439; OLG Brandenburg JurBüro 2002, 541; OLG Dresden JurBüro 2002, 541; für das Beschwerdeverfahren: OLG Koblenz FamRZ 1987, 852; OLG

302 303 304

Bamberg FamRZ 1990, 1353; OLG München FamRZ 1988, 1187; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1303. BayObLG Rpfleger 1973, 140. BayObLG WE 1990, 184. BGH NJW 1996, 466 = JR 1997, 69 = FGPrax 1996, 80; KG FGPrax 1998, 199; BayObLGZ 1995, 118; 1993, 117; 1979, 211; BayObLG JurBüro 1999, 92 bzgl der Anwendung von § 13a Abs 1 FGG bei Verfahren über die Aufhebung von Abschiebehaft wegen veränderter Umstände.

Renate Baronin von König

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§ 13a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

BGB über die Kosten der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (§§ 261, 2028, 2057), der Feststellung des Zustandes oder Wertes einer Sache (§§ 1034, 1067, 1093, 1377, 2122) und der Aufnahme eines Verzeichnisses (§§ 1035, 1377, 1379, 2121, 2314) sowie für gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindesvermögens (§ 1667 Abs 4). Im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren für die Bestimmung des Ausgleichs bzw der Abfindung gem §§ 304, 305, 320b, 327a bis 328f AktG, §§ 15, 34, 176 bis 181, 184, 186, 196 oder 212 UmwG kann das Gericht anordnen, dass die Kosten der Antragsteller, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsgegner zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht, § 15 Abs 4 SpruchG. Ausgeschlossen ist die Kostenerstattung im Prozesskostenhilfeverfahren (§ 14 FGG iVm § 118a Abs 4 ZPO), auch nicht im Beschwerdeverfahren.305 Im Verfahren nach §§ 98, 99 AktG werden Kosten der Beteiligten nicht erstattet.

F. Reformvorhaben 66

Literatur und Praxis halten die jetzige Gesetzeslage für sehr unübersichtlich; dass auch in echten Streitverfahren der FG der Verteilungsmaßstab in das Ermessen des Richters gestellt ist, wird als nicht befriedigend angesehen. Eine der ZPO angeglichene Regelung wurde bisher jedoch nur für die echten Streitverfahren bejaht, während für die anderen FG-Verfahren eine einheitliche Regelung angestrebt werden sollte. § 82 FrGO übernahm die Regelung des § 13a und machte weiterhin das Ermessen zum Maßstab. Der Entwurf des FGG-Reformgesetzes306 sieht im Abschnitt 8 (§§ 83 bis 89 Fam67 FG-E) eine Neuregelung bezüglich der Kosten vor. Vom Grundsatz her soll es bei der Möglichkeit bleiben, dass das Gericht den Beteiligten die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen auferlegt (§ 83 Abs 1 S 1 FamFG-E), allerdings soll die Vorschrift nunmehr allgemein regeln, dass nicht nur die Erstattung der außergerichtlichen Kosten sondern auch die Verteilung der Gerichtskosten nach billigem Ermessen erfolgen soll.307 Damit soll es möglich gemacht werden, den Ausgang des Verfahrens auch bei der Verteilung der gerichtlichen Kosten durchschlagen zu lassen. Eine allgemeine Verpflichtung des Gerichts zur Entscheidung über die Kosten soll jedoch nicht eingeführt werden; vielmehr soll es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegen, zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Kostenentscheidung sachgerecht ist. Bei der Ermessensausübung soll auch die strenge Bindung an das Obsiegen und Unterliegen berücksichtigt werden können, wie es für den Zivilprozess ausdrücklich geregelt ist. Dies soll auch die Überbürdung der Kosten der ersten Instanz auf einen Beteiligten betreffen, dessen Anliegen erst im Rechtsmittelzug entsprochen wurde, wenn er dem Gericht erst in der Rechtsmittelinstanz in hinreichendem Umfang Umstände dargetan hat, die sein Anliegen begründen. Dabei soll jedoch zu berücksichtigen sein, ob der Beteiligte diese Tatsachen im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten (§ 27 FamFG-E) hätte vortragen müssen, das soll nicht gelten, soweit die Ermittlung der Tatsachen Teil der Amtsermitt-

305

306

OLG Hamburg Rpfleger 1958, 38; OLG Nürnberg BayJMBl 1957, 431; OLG Celle NJW 1967, 56; OLG München JVBl 1967, 280. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen

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Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2. 2006, der unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt. Begründung RefE FGG-ReformG S 442.

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Kosten

§ 13a

lungspflichten (§ 14 FamFG-E) gewesen wäre. Das Gericht kann aber auch anordnen, dass von der Erhebung von Kosten abgesehen wird (§ 83 Abs 1 S 2 FamFG-E); dies soll regelmäßig dann in Betracht kommen, wenn es nach dem Verlauf oder dem Ausgang des Verfahrens unbillig erscheint, die Beteiligten mit den Gerichtskosten des Verfahrens zu belasten. Trifft das Gericht keine Entscheidung über die Verteilung der Kosten, soll sich diese unverändert nach den maßgeblichen Vorschriften der Kostenordnung richten. Eine Ausnahme sieht der Entwurf für alle Familiensachen vor, also auch für selbständige Familienverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, denn in Familiensachen soll stets über die Kosten zu entscheiden sein (§ 83 Abs 1 S 3 FamFG-E). Abweichungen vom Grundsatz der Kostenentscheidung nach billigem Ermessen sieht der Entwurf in § 83 Abs 2 FamFG-E vor;308 damit soll dem Gericht die Möglichkeit eröffnet werden, die pflichtwidrige Einleitung von Verfahren sowie Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten der Beteiligten negativ zu sanktionieren. Hierbei wird dem Gericht ein relativ weitgehendes Ermessen eingeräumt werden, denn es soll grundsätzlich keine strikte Beschränkung der Kostenüberbürdung auf die Verursachungsbeiträge des Beteiligten bestehen; so soll nicht erforderlich sein, dass zusätzliche Kosten überhaupt erst entstanden sind. Ebenso wenig soll das Gericht darauf beschränkt sein, nur etwaige zusätzliche Kosten aufzuerlegen. Erforderlich soll allerdings ein Zusammenhang zu dem Verfahrensgegenstand sein, dessen Kosten dem Beteiligten auferlegt werden sollen; dies soll darin zum Ausdruck kommen, dass die Kosten dem pflichtwidrig handelnden Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegt werden sollen. Das soll nach § 83 Abs 2 FamFG-E der Fall sein, wenn 1. der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat, 2. der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste, 3. der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat, 4. der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat, 5. der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 165 Abs 4 S 3 FamFG-E nicht nachkommt, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt. Die Regelungen greifen die nach geltendem Recht entwickelten Grundsätze des groben Verschuldens auf. Nr 5 soll im Interesse des Kindeswohls in Kindschaftssachen (Definition der Kindschaftssache in § 161 FamFG-E) die Überbürdung von Kosten auf den Beteiligten vorsehen, der nicht an einer gerichtlich angeordneten Beratung teilnimmt. Mit dieser Regelung soll eine einvernehmliche Regelung der Eltern über das Sorge- und Umgangsrecht befördert werden. Die Kostenfolge soll nicht eintreten, wenn der Beteiligte sein Fehlen genügend entschuldigt. Die Rücknahme eines Antrages allein soll die Auferlegung der Kosten nicht rechtfertigen, das Gericht hat vielmehr auch die Umstände zu berücksichtigen, die zur Rücknahme des Antrags geführt haben, wie eine zwischenzeitliche außergerichtliche Einigung der Beteiligten. Hier soll nach Abs 1 zu entscheiden sein, ob es im Einzelfall aufgrund der Rücknahme des Antrags und seiner Umstände billigem Ermessen entspräche, dem Antragsteller die Kosten aufzuerlegen. Der bisher in § 94 Abs 3 S 2 KostO geregelte Ausschluss der Auferlegung von Kosten gegenüber dem Kind soll in § 83 Abs 3 FamFG-E verallgemeinert und systematisiert 308

Begründung RefE FGG-ReformG S 443.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

werden. Desgleichen soll die bisher für Betreuungs- und Unterbringungsverfahren vorgesehene Möglichkeit, einem nicht am Verfahren beteiligten Dritten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, in § 83 Abs 4 FamFG-E für alle FamFG-E-Verfahren geregelt werden. Wie bisher, sollen bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenerstattung abweichend regeln, unberührt bleiben (§ 83 Abs 5 FamFG-E). Das Gericht soll auch soweit eine Endentscheidung nicht zu treffen ist, über die Kosten nach den Grundsätzen des § 83 FamFG-E entscheiden können (§ 84 Abs 1 FamFG-E). Wenn das Gericht eine ausdrückliche Entscheidung über die Kosten treffen möchte, so hat dies gleichzeitig mit der Endentscheidung zu erfolgen, so dass die Beteiligten mit deren Bekanntgabe auch Gewissheit über die Verteilung der Kosten haben (§ 84 Abs 2 FamFG-E). Nach dem Entwurf wird erstmals allgemein die Zulässigkeit eines Vergleichs geregelt werden (§ 36 FamFG-E) und § 85 FamFG-E soll die Kostenfolgen bestimmen; haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, so gelten sie als gegeneinander aufgehoben, denn die Gerichtskosten sollen jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last fallen und die außergerichtlichen Kosten soll jeder Beteiligte selbst zu tragen haben. § 87 FamFG-E soll den Umfang der Kostenpflicht regeln, erstattungsfähig sollen danach nur die Gerichtskosten und die mit dem Verfahren unmittelbar zusammenhängenden Aufwendungen der Beteiligten, wie etwa die Kosten für den Anwalt, sein. Die entsprechende Anwendung von § 91 Abs 1 S 2 ZPO soll weiterhin gelten, was inhaltlich dem bisherigen § 13a Abs 3 FGG entspricht. Nach § 88 FamFG-E soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Die Vorschrift knüpft inhaltlich an den bisherigen § 13a Abs 1 S 2 FGG an, soll dem Gericht jedoch die Möglichkeit eröffnen, in besonders gelagerten Fällen die Kosten nicht dem im Ergebnis erfolglosen Rechtsmittelführer aufzuerlegen.309 So zB bei Rücknahme des Rechtsmittels, die für sich genommen die Auferlegung der Kosten nicht zwingend nach sich ziehen soll, denn es sollen auch die Umstände der Rücknahme zu berücksichtigen sein, wie zB eine außergerichtliche Einigung. Weiterhin sollen die §§ 103 bis 107 ZPO für die Kostenfestsetzung entsprechende Anwendung finden (§ 89 FamFG-E). Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 13a Abs 3 HS 2 FGG. Hinsichtlich der Rechtsmittelproblematik (oben Rn 57 ff) ist jedoch zu vermerken, dass der Entwurf das Rechtsmittelverfahren vereinheitlicht, um die Auslegungsschwierigkeiten gerade im Bereich der Nebenentscheidungen zu vermeiden.310 Nach § 62 FamFG-E soll die sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Beschlüsse der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach dem Gesetz stattfinden, wenn es sich 1) um eine Endentscheidung handelt; 2) die sofortige Beschwerde im Gesetz ausdrücklich zugelassen ist oder es sich 3) um eine solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Damit soll klargestellt werden, dass die Beschwerde sich für alle Angelegenheiten nach dem FamFG-E nach den im Abschnitt 6 Titel 1 geregelten Beschwerdevorschriften richten soll. Dies soll insbesondere auch die Fälle betreffen, in denen teilweise auf Bestimmungen aus der ZPO verwiesen wird, die auch Regelungen zum statthaften Rechtsmittel treffen, wie etwa die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen oder die Verfahrenskostenhilfe oder die Kostenfestsetzung. Endent309

Begründung RefE FGG-ReformG S 446.

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Begründung RefE FGG-ReformG S 417.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

scheidungen, dh solche, die die Hauptsache in der Instanz ganz oder teilweise endgültig entscheiden, sollen mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sein (§ 62 Abs 1 Nr 1 FamFG-E). Für Zwischen- und Nebenentscheidungen sieht der Entwurf die sofortige Beschwerde vor, wenn diese im Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Die Anfechtbarkeit von derartigen Beschlüssen kann sich aus dem Allgemeinen Teil ergeben oder aus anderen Gesetzen, insbesondere der ZPO, auf die der Entwurf an zahlreichen Stellen verweist. Damit soll gewährleistet werden, dass sich die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die auf der Grundlage von Vorschriften der ZPO getroffenen Neben- und Zwischenentscheidungen in Verfahren nach dem FamFG-E dieselbe ist, wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Die bisherige Zersplitterung des Beschwerderechts innerhalb des FG-Verfahrens in eine ZPO- und in eine FGG-Beschwerde soll dadurch überwunden werden. Gemäß § 65 FamFG-E soll in Kostensachen weiterhin eine Beschwerdesumme von über 200,00 € gelten, wie allgemein für Beschwerden in Kosten- und Auslagenentscheidungen. § 71 FamFG-E soll erstmals ausdrücklich den Gang des Beschwerdeverfahrens regeln und im Grundsatz eine allgemeine Abhilfebefugnis – mit Ausnahme einer Endentscheidung in einer Familiensache – des erstinstanzlichen Gerichts einführen. Nach § 71 Abs 1 S 1 FamFG-E hat das Ausgangsgericht einer begründeten Beschwerde abzuhelfen; damit folgt das Gesetz der Reform des Zivilprozesses und gibt dem Gericht der ersten Instanz die Gelegenheit, seine Entscheidung nochmals zu überprüfen und sie gegebenenfalls zeitnah zurückzunehmen oder zu korrigieren. Hierdurch soll das Beschwerdegericht entlastet werden, denn es wird nicht mit Entscheidungen befasst, deren Fehlerhaftigkeit das Gericht der ersten Instanz selbst korrigieren kann. Zur Reform des Beschwerdeverfahrens – insbesondere auch hinsichtlich der Rechts- 78 beschwerde siehe Anm zu §§ 19–29 (Reformvorhaben). In Art 8 des Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Pro- 79 zesskostenhilfe (Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz – PKHBegrenzG) – BRDrs 250/06 v 10.4.2006 ist eine Ergänzung des § 13a Abs 3 FGG vorgesehen, wonach die Gerichtsgebühr für die Bewilligung von PKH unter Festsetzung von Monatsraten oder aus dem Vermögen zu zahlender Beträge auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht erstattungsfähig sein soll. Siehe im Übrigen § 14 Rn 93ff.

§ 14 Prozesskostenhilfe Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe finden entsprechende Anwendung. Literatur Bißmaier Der Prozesskostenvorschuss in der familiengerichtlichen Praxis, FamRZ 2002, 863; Bönker Keine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei rechtskräftigem Verfahrensabschluss, NJW 1983, 2430; Briesemeister ZPO-Reform – Auswirkungen auf das Wohnungseigentumsverfahren, ZWE 2003, 26; Burgard Berücksichtigung des Vermögens beim Antrag auf Prozesskostenhilfe, NJW 1990, 3240; Demharter Wohnungseigentumsverfahren nach der ZPO-Reform, NZM 2002, 233; Elzer Prozesskostenhilfe für Nachlasspfleger? Rpfleger 1999, 162; Fischer Der Tod der PKH-Partei, Rpfleger 2003, 637; Klüsener Die Anwaltsbeiordnung im Unterbringungsverfahren, FamRZ 1994, 487; ders Die Vergütung des Rechtsanwalts als Verfahrenpfleger, Rpfleger 1992, 466; von König Gesetzliche Änderungen bei Aufwendungsersatz, Aufwandsentschädigung und Vergütung des Vormunds, Pflegers, Betreuers, Rpfleger 2004, 391; Meyer Reisekostenerstattung des beigeord-

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§ 14

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

neten auswärtigen Rechtsanwalts, JurBüro 2005, 134; Müller Die Auswahl des Armenanwalts, NJW 1955, 1181; Wax Die Rechtsprechung zur Prozesskostenhilfe im Bereich des Familienrechts, FamRZ 1985, 10; Wyrwa/Cavada Das neue PKH-Recht, FamRZ 1995, 1040.

Übersicht Rdn A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . C. Voraussetzungen der Prozesskostenhilfebewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Subjektive Voraussetzungen . . . . . II. Objektive Voraussetzungen . . . . . . III. Einzusetzendes Einkommen und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkommen . . . . . . . . . . . . 2. Vermögen . . . . . . . . . . . . . IV. Prozesskostenhilfeberechtigte 1. Natürliche Personen . . . . . . . . 2. Parteien kraft Amtes; juristische Personen; parteifähige Vereinigungen . a) Parteien kraft Amtes . . . . . . b) Juristische Personen, parteifähige Vereinigungen . . . . . . . . . . . D. Das Bewilligungsverfahren I. Der Antrag . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 2. Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse . 3. Darlegungspflicht . . . . . . . . . II. Das Prüfungsverfahren . . . . . . . . 1. Rechtliches Gehör . . . . . . . . . 2. Vergleich . . . . . . . . . . . . . 3. Kostenerstattung . . . . . . . . . 4. Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtskosten . . . . . . . . . b) Anwaltsgebühren . . . . . . . . III. Gegenständlicher Umfang der Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung auf den Rechtszug . 2. Erleichterungen für die Beschwerdeinstanz a) Subjektive Voraussetzungen . . b) Objektive Voraussetzungen . . . 3. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . .

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Rdn E. Entscheidung und Festsetzung von Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . F. Beiordnung eines Rechtsanwalts . . . . . I. Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verfahren mit Anwaltszwang . . . . . II. Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verfahren ohne Anwaltszwang . . . . III. Beiordnung eines am Prozessgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalts . . IV. Beweis- bzw. Verkehrsanwalt . . . . . V. Verfahrenspfleger . . . . . . . . . . . G. Wirkung und Folgen der Prozesskostenhilfebewilligung I. Wirkung hinsichtlich des Berechtigten II. Kostenerstattungspflicht . . . . . . . III. Einziehung der Kosten vom Gegner . IV. Beitreibung der Rechtsanwaltskosten . H. Aufhebung der Bewilligung . . . . . . . I. Rechtsmittel im Prozesskostenhilfeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . II. Sofortige Beschwerde . . . . . . . . . III. Durch den Berechtigten anfechtbare Entscheidungen . . . . . . . . . . . . IV. Anfechtungsrecht der Staatskasse . . J. Prozesskostenvorschuss in Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . K. Notare . . . . . . . . . . . . . . . . L. Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . M. Grenzüberschreitender Rechtsverkehr . . N. Reformvorhaben I. FGG-Reform . . . . . . . . . . . . . II. PKH-Reform . . . . . . . . . . . . . 1. Korrektur der Bewilligungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . 2. Verstärkung der Eigenbeteiligung der Partei . . . . . . . . . . . . . 3. Optimierung des Verfahrens . . . .

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56 59 60 61 64 67 68 69 70 72 73 74 75 76 78 93 95 98 104

A. Allgemeines 1

§ 14 ordnet die entsprechende Anwendung der §§ 114 ff ZPO über die Prozesskostenhilfe1 an. Die Vorschrift ist durch die Reichstagskommission in das Gesetz eingefügt und mit dem Hinweis begründet worden, dass es der Idee des Rechtsstaats entspreche, dem

1

Gesetz über die Prozesskostenhilfe v 13.6. 1980 (BGBl S 677); die Prozesskostenhilfe ist an die Stelle des früheren Armenrechts ge-

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treten. Durch das PKHÄndG v 10.10.1994 (BGBl S 2954) wurde die Prozesskostenhilfe ab 1.1.1995 grundlegend geändert.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

auf dem Gebiet des Zivil- und des Strafprozesses geltenden Grundsatz, den § 14 zum Ausdruck bringt, auch auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit Geltung zu verschaffen, weil in vieler Hinsicht eine vollkommene Ähnlichkeit der Verhältnisse mit denen des Zivilprozesses übereinstimmend zu regeln.2 Nunmehr ergibt sich aus dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) in Verbindung mit der Sozialpflicht des Staates (Art 20 Abs 1 GG), dass eine weitgehende Angleichung der Lage der nicht so Vermögenden an die der Vermögenden im Bereich des Rechtsschutzes geboten ist, um ihnen in einer der Eigenart des Verfahrens angepassten und hiernach ausreichenden Weise den Zugang zum Gericht und ein sachgemäßes Vorbringen ihrer Anliegen zu ermöglichen.3 Die Prozesskostenhilfe stellt eine Leistung der staatlichen Daseinfürsorge dar, ist somit Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege.4 Die Prozesskostenhilfe umfasst in erster Linie die einstweilige Befreiung von Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und unter Umständen die Beiordnung eines Rechtsanwalts zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte des unbemittelten Beteiligten. Es wird nur bei hinreichender Erfolgsaussicht gewährt; der Unvermögende soll in gleicher Weise Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, wie das ein seine Erfolgsaussichten und das Kostenwagnis vernünftig abwägender Begüterter tun könnte.

B. Anwendungsbereich Prozesskostenhilfe wird für gerichtliche Verfahren gewährt. Außerhalb eines gericht- 2 lichen Verfahrens bietet das BerH5 Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten; dabei ist in erster Linie an Rechtsberatung und nicht an Vertretung gedacht.6 Die Vorschrift gilt für alle bundesrechtlichen Angelegenheiten der FG im Sinne des § 1,7 gemäß § 194 auch dann, wenn für diese Angelegenheiten nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig sind. Nach § 14 wird die Prozesskostenhilfe auch im Landwirtschaftsverfahren und für andere in Sondergesetzen geregelte Verfahren bewilligt.8 Auch in Grundbuchsachen kann die Prozesskostenhilfe gemäß § 14 bewilligt werden,9 wegen der Notare vgl Rn 74. In § 29 Abs 3 EGGVG ist übereinstimmend mit § 14 bestimmt, dass auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden sind. Die Prozesskostenhilfe kann den Beteiligten sowohl im Antragsverfahren als auch im Amtsverfahren bewilligt werden. Der Umstand, dass in einem Verfahren der Untersuchungsgrundsatz gilt, ist kein Grund, die Bewilligung zu versagen.10 Auch für das Vermittlungsverfahren bei Umgangsregelung gem § 52a kann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, denn es handelt sich um ein selbständiges FG-Verfahren.11 Für das Prozesskostenhilfeverfahren selbst darf keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden;12 gleiches gilt

2 3 4 5 6 7 8

KommBer S 14. BVerfGE 9, 124; 10, 264; 22, 83; 51, 295; 63, 380; 67, 245; 78, 104. BVerfGE 9, 258; 35, 355. BeratungshilfeG v 18.6.1980 (BGBl S 689). Kalthoener/Büttner Rn 911; Schoreit/Dehn BerHG § 1 Rn 5. Kalthoener/Büttner Rn 12; Zimmermann PKH Rn 8. Barnstedt/Steffen § 9 Rn 19; Habscheid § 38 III 1.

9 10 11 12

Demharter § 1 Rn 44; KEHE § 71 Rn 40. BVerfGE 7, 54. Motzer FamRZ 2000, 925. BGHZ 91, 311 mwN = MDR 1984, 931 m krit Anm Waldner = NJW 1984, 2106 = Rpfleger 1985, 38; BVerfG Rpfleger 1991, 63; OLG Köln FamRZ 1997, 1545; Zimmermann ZPO § 114 Rn 3; Zöller/Philippi § 114 Rn 3; Kalthoener/Büttner Rn 158; Zimmermann PKH Rn 9.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

auch für das Beschwerdeverfahren im Prozesskostenhilfeverfahren13 mit Ausnahme der zugelassenen Rechtsbeschwerde, da diese durch einen zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden muss.14

C. Voraussetzungen der Prozesskostenhilfebewilligung 3

Prozesskostenhilfe wird auf Antrag bewilligt, wenn sowohl persönliche (subjektive) und auch auf das Verfahren bezogene (objektive) Voraussetzungen erfüllt sind. Der nach § 14 entsprechend anwendbare § 114 ZPO15 bestimmt: Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.16

I. Subjektive Voraussetzungen 4

Die subjektiven Voraussetzungen betreffen die wirtschaftliche Leistungskraft des Beteiligten, denn das Gesetz verlangt, dass die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufgebracht werden können. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind dem Gericht im Rahmen des Antrags darzulegen. Nach Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienstand, Einkommens- und Vermögenslage) soll der unvermögende Beteiligte grundsätzlich Raten auf die Prozesskosten zahlen; bei sehr niedrigem Einkommen entfallen sogar diese (s hierzu Rn 7 ff). Bei der Entscheidung ist der Anspruch auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses, an dessen Durchsetzbarkeit keine Zweifel bestehen, zu berücksichtigen;17 dieser ist Vermögen und beseitigt die Bedürftigkeit,18 die Prozesskostenhilfe ist insofern nachrangig.19

II. Objektive Voraussetzungen 5

Weitere Voraussetzung ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung, im Amtsverfahren des ersten Rechtszuges die Teilnahme am Verfahren, Aussicht auf Erfolg bieten muss und nicht mutwillig erscheint.20 Diese objektiven Voraussetzungen sind erfüllt, wenn das Vorbringen des Antragstellers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für zutreffend oder zumindest vertretbar anzusehen ist. Es muss bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird; die Anforderungen dürfen jedoch nicht überspannt

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14 15

16

BayObLG FamRZ 1988, 210; OLG Köln FamRZ 1997, 1545; OLG Karlsruhe JurBüro 1994, 606 mwN. BGH NJW-RR 2003, 1438. Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung v 5.12.2005 in der seit dem 21.10.2005 geltenden Fassung (BGBl S 3202). Geänd d d am 21.12.2004 in Kraft getr EG-

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Prozesskostenhilfegesetz v 15.12.2004 (BGBl S 3392). BGH Rpfleger 1993, 302. OLG München FamRZ 1996, 1021. OLG Koblenz FamRZ 1997, 679; Palandt/ Brudermüller § 1360a Rn 8 mwN. Verfassungsrechtlich unbedenklich – s BVerfGE 81, 347.

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Prozesskostenhilfe

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werden.21 Eine Versagung der Prozesskostenhilfe wegen Fehlens dieser Voraussetzungen stellt keine Verletzung des Gleichheitssatzes und des Grundrechts auf rechtliches Gehör dar.22 Hinreichende Erfolgsaussicht muss in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bestehen. Aus Rechtsgründen soll die Prozesskostenhilfe nicht versagt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage in der Rechtslehre streitig und obergerichtlich noch nicht geklärt ist.23 Allerdings darf keine vorweggenommene Entscheidung in der Hauptsache erfolgen.24 Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, wenn sie die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unter Verkennung der Bedeutung der in Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit überspannen.25 Prozesskostenhilfe braucht hingegen nicht bewilligt zu werden, wenn zwar noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, die Rechtssache jedoch im Hinblick auf einschlägige gesetzliche Regelung oder durch Auslegung nicht als schwierig „erscheint“.26 In diesem Sinne kann hinreichende Erfolgsaussicht bei gegnerischen Beteiligten gleichzeitig bestehen; im Scheidungsverfahren ist sie schon anzunehmen, wenn der Gegner vorgesehenes Ziel verfolgt bzw seine Lage verbessern will.27 Im Betreuungsverfahren sind die Voraussetzungen für die Gewährung zu bejahen, wenn schwere Eingriffe in Rechte und Lebensstellung des Betroffenen im Raume stehen.28 Im FG-Verfahren ist einer Beteiligten (Großmutter) Prozesskostenhilfe zur Verfahrensbeteiligung zu gewähren, wenn sie berechtigt ist, auf Eingriffe in das Sorgerecht, die Auswahl des Vormunds und die Gestaltung des Umgangsrechts Einfluss zu nehmen.29 Für bloß „verfahrensbegleitende“ Rechtswahrnehmung, die weder einen eigenen Antrag ankündigt noch sich dem gegnerischen Begehren widersetzt, kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.30 Hinreichende Erfolgsaussicht ist im vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten FG-Verfahren gegeben, wenn der Antragsteller in diesem Verfahren seine Lage verbessern kann.31 Der Begriff der mutwilligen Rechtsverfolgung ist aus der bis 1980 geltenden Fassung 6 des § 114 ZPO übrig geblieben. Danach war die Rechtsverfolgung als mutwillig anzusehen, wenn mit Rücksicht auf die für die Beitreibung des Anspruchs bestehenden Aussichten eine nicht das Armenrecht beanspruchende Partei von einer Prozessführung absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde. Diese Definition gilt heute noch fort.32 Erhält ein Unterhaltsberechtigter Sozialhilfe in bedarfsdeckender Höhe, so ist die eigene Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs mutwillig.33 Es kommt auf die Aussichten eventueller Zwangsvollstreckung an. Als mutwillige Rechtsverfolgung wird auch angesehen, wenn es einen außergerichtlichen oder billigeren Weg zur Interessenver-

21 22 23

24 25 26 27

BVerfGE 81, 347; BVerfG NJW 2003, 2976; Rpfleger 2004, 636. BVerfGE 2, 341; 9, 256. OLG Schleswig SchlHA 1949, 41 = NJW 1949, 312; KG JR 1953, 61 = NJW 1953, 29; OLG Stuttgart MDR 1965, 491. Kalthoener/Büttner Rn 409 mwN. BVerfG NJW 2000, 1936. BVerfG NJW 1991, 413; BGH NJW 1998, 1154; MDR 2003, 109. Kalthoener/Büttner Rn 432; zur Mutwilligkeit bei isolierter Geltendmachung einer Scheidungsfolgesache s BGH FamRZ 2005, 786 m Anm Viefhues in FamRZ 2005, 881 sowie BGH FamRZ 2005, 788.

28 29 30 31 32

33

LG Karlsruhe FamRZ 1999, 1091. OLG Köln FamRZ 1992, 199. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1999, 1092 (LS). OLG Nürnberg FamRZ 2002, 109. Musielak/Fischer § 114 Rn 30; Schoreit/Dehn ZPO § 114 Rn 21; Reichold in Thomas/Putzo § 114 Rn 7; Zöller/Philippi § 114 Rn 30; Kalthoener/Büttner Rn 447; Zimmermann PKH Rn 193. OLG Saarbrücken FamRZ 1994, 636 mwN; s zu Unterhalt und Sozialhilfebezug bei Kalthoener/Büttner Rn 471; Zimmermann PKH Rn 210 ff.

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§ 14

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

folgung gibt,34 oder wenn die Klage gegen völlig mittellose Personen geführt werden.35 Mutwillig handelt auch der, der eine Folgesache ohne anerkennenswerte Gründe außerhalb des Verbundes geltend macht,36 sie ist danach nicht mutwillig, wenn zuvor die berechtigte Hoffnung auf eine außergerichtliche Einigung bestand37 oder wenn keine Ehesache anhängig ist.38 Ein Rechtsstreit über das Umgangsrecht für ein gemeinsames Kind ist mutwillig, wenn und solange die Eltern das Mediationsangebot des Jugendamtes nicht wahrgenommen haben.39 Eine beabsichtigte Rechtsverteidigung ist aber nicht schon deswegen mutwillig, weil das Verfahren von dem Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht wird.40

III. Einzusetzendes Einkommen und Vermögen 7

Zentrale Vorschrift und praktisch bedeutsam ist § 115 ZPO, denn danach hat die Partei ihr Einkommen und Vermögen einzusetzen. Als Maßstab hierfür dienen Vorschriften des Sozialhilferechts. Das Sozialhilferecht erfuhr zum 1.1.2005 eine umfassende Reform, denn das BSHG wurde aufgehoben41 und das Sozialgesetzbuch (SGB) wurde um ein Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe – erweitert.42 Im Zuge dieser Gesetzesänderung wurde auch § 115 ZPO geändert.43 Das Gericht hat die Einkommensverhältnisse festzustellen und die Raten zu ermitteln.44 Die jetzt geltende Tabellenstruktur trägt der Vorgabe des BVerfG Geltung, wonach der Partei wenigstens das Existenzminimum zu belassen ist.45 § 115 Einsatz von Einkommen und Vermögen (1)46 Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen: 1. a) die in § 82 Abs 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;47 b) bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des höchsten durch Rechtsverordnung nach § 28 Abs 2 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzten Regelsatzes für den Haushaltsvorstand; 34 35 36

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OLG Celle NdsRpfl 1951, 200; OLG Stuttgart MDR 1955, 556. OLG Hamm NJW-RR 1999, 1737; OLG Koblenz JurBüro 2001, 99. BGH FamRZ 2005, 786 m Anm Viefhues in FamRZ 2005, 881 sowie BGH FamRZ 2005, 788; OLG Thüringen FamRZ 2000, 100 m div N; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1880; ausführlich Zimmermann PKH Rn 198. OLG Schleswig FamRZ 2003, 317. OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 973. AG Bochum FamRZ 2003, 772. BVerfGE 7, 53 = NJW 1957, 1228 = JZ 1957, 542 m Anm Baur; BVerfG Rpfleger 2002, 212; KG JW 1931, 1386; JW 1936, 1479; OLG Celle NJW 1958, 187. Durch Art 68 Abs 1 Nr 1 des G zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v 27.12.2003 (BGBl S 3022). Gem Art 1 des G v 27. 12.2003 (BGBl S 3022).

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Art 34 des G v 27.12.2003 (BGBl S 3022). Siehe hierzu Prüfungsreihenfolge, Rechenweg und Berechnungsbeispiele bei Zimmermann PKH Rn 312 ff sowie Wyrwa/Cavada FamRZ 1995, 1040. BVerfGE 87, 104; 82, 60. Zum 1.1.2005 Abs 1 Nr 1, 2 und Abs 2 S 2 geänd d Art 34 d G zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v 27.12.2003 (BGBl S 3022). Zum 1.5.2005 Abs 1 S 3 Nr 1 und 2 geänd, S 4 bis 8 angefügt, bish S 4 jetzt Abs 2, bish Abs 2 und 3 jetzt Abs 3 und 4 durch Art 1 d G über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) v 22.3.2005 (BGBl S 837). Bis zum 31.12.2004: „die in § 76 Abs 2, 2a des Bundessozialhilfegesetzes“.

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Prozesskostenhilfe

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2. a) für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten höchsten durch Rechtsverordnung nach § 28 Abs 2 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzten Regelsatzes für den Haushaltsvorstand; b) bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person 70 vom Hundert des des unter Buchstabe a) genannten Betrages; 3. die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen; 4. weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend. Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Das Bundesministerium der Justiz gibt jährlich die vom 1. Juli bis zum 30. Juni des Folgejahres maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nr 1 Buchstabe b und Nr 2 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie anstelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist. (2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden, auf volle Euro abzurundenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind unabhängig von der Zahl der Rechtszüge höchstens achtundvierzig Monatsraten aufzubringen, und zwar bei einem einzusetzenden Einkommen (Euro) bis 15 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 über 750

eine Monatsrate von (Euro)

0 15 30 45 60 75 95 115 135 155 175 200 225 250 275 300 300 zuzüglich des 750 übersteigenden Teils des einzusetzenden Einkommens.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist; § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch48 ist entsprechend anzuwenden. (4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

48

Vorher „§ 88 des Bundessozialhilfegesetzes“.

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1. Einkommen

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Zum Einkommen zählen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert,49 § 115 Abs 1 S 2 ZPO und zwar unabhängig, ob es sich um steuerpflichtige oder nicht der Steuer unterliegende Einkünfte handelt. Dazu gehören Einnahmen aus jeglicher nichtselbständiger oder selbständiger Arbeit; Renten, Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung, Unterhalt, Sozialleistungen (Wohngeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II). Auch Kindergeld ist Einkommen, da es im Sozialhilferecht zum Einkommen zählt,50 § 82 Abs 1 S 2 SGB XII sieht nun ausdrücklich vor, dass bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen ist, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird.51 Dagegen sind Erziehungsgeld und die Kindererziehungsleistung nach §§ 294 ff SGB VI nicht bei der Berechnung des Einkommens zu berücksichtigen.52 Vom Einkommen sind gem § 115 Abs 1 S 3 Nr 1a) ZPO folgende Aufwendungen abzusetzen (§ 82 Abs 2 SGB XII): Steuern, die gesetzlichen Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung; angemessene Versicherungsbeiträge für Gebäude- und Hausratversicherung, private Unfall- und Krankenversicherungen, freiwillige Rentenversicherungen, Sterbeversicherungen und Lebensversicherungen.53 Abzuziehen sind Aufwendungen für Fahrtkosten zur Arbeitsstelle, Arbeitsmaterial und Beiträge zu Berufsverbänden. Nach § 115 Abs 1 S 3 Nr 1b und 2a, b ZPO haben dem Beteiligten Freibeträge zu verbleiben, die ebenfalls noch vom Einkommen abzuziehen sind. Auch hier wird auf die Vorschriften des Sozialhilferechts zurückgegriffen, denn es sind jeweils Prozentsätze der betreffenden Regelsätze, welche durch das BMJ jährlich für die Zeit vom 1.7. bis 30.6. des folgenden Jahres festgesetzt werden. Die maßgebenden Beträge sind derzeit:54 1. für Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen (§ 115 Abs 1 S 3 Nr 1b ZPO) 173,– Euro, 2. für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner (§ 115 Abs 1 S 3 Nr 2a ZPO) 380,– Euro, 3. für jede weitere Person, der die Partei auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet (§ 115 Abs 1 S 3 Nr 2 ZPO) 266,– Euro. Außerdem sind die tatsächlichen Kosten für Heizung und Unterkunft zu berücksichtigen;55 zu den Kosten der Unterkunft zählen auch die mit dem Wohnen verbundenen Stromkosten.56 Nicht dazu gehören die Kosten für Telefon, Garage, Radio, Fernsehen und Kabelanschluss.57 Wegen besonderer Belastung können zusätzliche Beträge im Rahmen einer Härteklausel berücksichtigt werden, § 115 Abs 1 S 3 Nr 4 ZPO. Hierbei geht es um laufende Verpflichtungen der Partei, die durch die Prozessführung nicht gefährdet werden sollen, zB

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Siehe hierzu Auflistung bei Reichold in Thomas/Putzo § 115 Rn 2 mwN sowie bei Kalthoener/Büttner Rn 216 ff und bei Zimmermann PKH Rn 43 ff. BGH FamRZ 2005, 605 = NJW 2005, 2393 mwN; Musielak/Fischer § 115 Rn 4; Zöller/ Philippi § 115 Rn 19 mwN sowohl zur bejahenden als auch zur gegenteiligen Meinung. von König Rpfleger 2004, 391. Schoreit/Dehn ZPO § 115 Rn 7.

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Aber nicht, soweit es sich um reine Kapitalbildung handelt – s Kalthoener/Büttner Rn 256. Für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30.6. 2007 (Bek zu § 115 ZPO v 6.6.2006 – BGBl S 1292). Kalthoener/Büttner Rn 273; Zimmermann PKH Rn 107 ff; Zöller/Philippi § 115 Rn 37. OLG Koblenz FamRZ 1997, 679. Kalthoener/Büttner Rn 274.

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Prozesskostenhilfe

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schon vor Verfahrenseinleitung laufende Schuldverpflichtungen.58 Dies wird als nicht angemessen angesehen, wenn es sich um reinen Luxus, Spekulationsgeschäfte oder aber auch Geldbußen aus Strafverfahren handelt.59 Das Gericht muss eine Kostenprognose erstellen, um zu ermitteln, wie viele Raten 13 voraussichtlich notwendig sein werden, um die Kosten abzudecken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gem § 119 ZPO die Prozesskostenhilfe immer nur für den jeweiligen Rechtszug zu bewilligen ist. Die Kostenprognose hat die Gerichts- und die Rechtsanwaltskosten zu erfassen. Wenn die so ermittelten Kosten 4 Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubrin- 14 genden Teilbeträge nicht übersteigen, dann ist die Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 115 Abs 4 ZPO; der Partei ist zuzumuten, sich das Geld auf andere Weise zu beschaffen (Kontoüberziehung, Darlehensaufnahme). Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge ist die Ratenzahl auf höchstens 48 Raten begrenzt, § 115 Abs 2 ZPO. Es herrscht Streit, ob bei der Berechnung der Raten die sog Nullraten mitzurechnen sind. Das Problem ergibt sich, wenn bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse das Gericht gem § 120 Abs 4 ZPO eine Änderung der Zahlungsbestimmungen vornimmt, zB bei zunächst ratenfreier Prozesskostenhilfe später Ratenzahlungen anordnet. Es wird die Auffassung vertreten, dass Raten nur bis zum Ablauf von 48 Monaten ab Bewilligung zu zahlen sind; die hM hält sich richtigerweise an den Gesetzeswortlaut, wonach „höchstens 48 Monatsraten aufzubringen“ sind, so dass sog Nullraten (zB auch bei teilweiser Nichtzahlung) nicht mitzählen.60 2. Vermögen Nach § 115 Abs 3 ZPO hat die Partei ihr Vermögen61 einzusetzen, soweit dieses zu- 15 mutbar ist. Der Vermögensbegriff wird wiederum in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundessozialhilferechts geklärt – hierbei ist § 90 SGB XII mit der dazu erlassenen DurchführungsVO62 zu berücksichtigen. Danach ist Vermögen „das gesamte verwertbare Vermögen“, allerdings dadurch eingeschränkt, dass Einsatz bzw Verwertung gewisser Vermögensteile nicht verlangt werden kann. Zum Vermögen gehören alle beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie Forderungen und sonstige Vermögensrechte. Verwertbare Vermögensbestandteile sind alle geldwerten beweglichen und unbeweglichen Sachen wie zB wertvolle Einrichtungsgegenstände, Schmuck, Kraftfahrzeuge, Grundbesitz, Sparguthaben, Wertpapiere.63 Ansprüche gegen Dritte auf Übernahme der Prozesskosten oder Prozesskostenvorschüsse sind ebenfalls Vermögen;64 im Familienrecht insbesondere zu beachten die Vorschusspflicht gegen Eltern, Kinder und Ehegatten (§§ 1360a, 1610 BGB).65 Das Vermögen muss nicht eingesetzt werden, wenn es zur Zeit nicht verwertbar ist, da nicht zu einem annehmbaren Preis veräußerbar oder zweckgebunden (Sparguthaben mit fester Laufzeit, Bausparverträge, Lebensversicherungen).66 Unverwertbar sind kleinere Barbeträge67 (Schongrenze derzeit für den Antragsteller 2600,00 € 58 59 60 61 62 63

Zöller/Philippi § 115 Rn 38 ff. Kalthoener/Büttner Rn 278 ff. Kalthoener/Büttner Rn 309 m N für beide Auffassungen. S hierzu Burgard NJW 1990, 3240. Fassung v 30.12.2003 (BGBl S 3022, 3060). S hierzu Beispiele bei Kalthoener/Büttner Rn 316 ff; Zimmermann PKH Rn 136 ff; Zöller/Philippi § 115 Rn 50 ff.

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Bißmaier FamRZ 2002, 863; Wax FamRZ 1985, 10. KG FamRZ 2003, 773; Zimmermann ZPO § 115 Rn 26 m div N. Kalthoener/Büttner Rn 334, 336, 327. In der VO zur Durchführung des § 88 BSHG bzw ab 1.1.2005 in der VO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII geregelt.

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zzgl 256,00 € für jeden Unterhaltsberechtigten) sowie selbstgenutzte Grundstücke, Eigentumswohnungen, Familien- und Erbstücke sowie angemessener Hausrat. Eigentlich müsste zunächst einmal geprüft werden, ob die Partei die Prozessführung aus dem vorhandenen verwertbaren Vermögen leisten kann; nur wenn das nicht der Fall ist, kommt der Einsatz des Einkommens ins Betracht. Kann die Partei nur teilweise die Kosten aus dem Vermögen aufbringen, dann ist das der Ausgangspunkt für die Prüfung, wie viel noch aus dem Einkommen für den restlichen Betrag zu verwenden ist. Die tatsächliche Bedeutung des Einsatzes von Vermögen ist lt Burgard 68 nahezu bedeutungslos; nur selten werde in der Praxis auf Vermögenswerte zurückgegriffen.

IV. Prozesskostenhilfeberechtigte 1. Natürliche Personen

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Nach § 114 ZPO haben natürliche Personen einen Rechtsanspruch auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe, wenn die oben genannten Voraussetzungen vorliegen. Keine Bedeutung hat danach die Staatsangehörigkeit, auch Ausländern und Staatenlosen ist bei Vorliegen der Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren.69 2. Parteien kraft Amtes; juristische Personen, parteifähige Vereinigungen

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Parteien kraft Amtes und juristischen inländischen Personen konnte nach den bis 1980 geltenden Vorschriften (§ 114 Abs 2, 3 ZPO aF) nach dem Ermessen des Gerichts das Armenrecht bewilligt werden (s dazu Vorauflage Rn 9, 10). Nach jetzt geltendem Recht (§ 116 ZPO) haben sie einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe; hinzugekommen ist auch die Einbeziehung der parteifähigen Vereinigungen. Die Vorschrift lautet: 18 § 116 Partei kraft Amtes; juristische Personen; parteifähige Vereinigungen Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag 1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen; 2.70 eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. § 114 letzter Halbsatz ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.

68 69

Burgard NJW 1990, 3240. Zöller/Philippi § 114 Rn 5; Kalthoener/Büttner Rn 35.

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Nr 2 neu gefasst durch das am 21.12.2004 in Kraft getretene EG-Prozesskostenhilfegesetz vom 15.12.2004 (BGBl S 3392).

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Prozesskostenhilfe

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a) Parteien kraft Amtes Parteien kraft Amtes sind Testamentsvollstrecker,71 Insolvenzverwalter,72 Nachlass- 19 verwalter,73 Zwangsverwalter, Abwickler einer Anwaltskanzlei sowie der Pfleger für Sammelvermögen. Dagegen ist der Nachlasspfleger nach §§ 1960, 1961 BGB gesetzlicher Vertreter der Erben für die Erhaltung und Verwaltung des Nachlasses.74 Keine Parteien kraft Amtes sind Prozessstandschafter oder der WEG-Verwalter.75 Die Partei kraft Amtes hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und es den wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Ersteres hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen. Wirtschaftlich Beteiligte sind diejenigen, die den endgültigen Nutzen aus dem Verfahren anstreben;76 das sind zB die Erben, Vermächtnisnehmer, Nachlassgläubiger, Schuldner, Insolvenzgläubiger. Zu prüfen ist, ob diese die Kosten zahlen könnten und ob ihnen dieses zumutbar ist.77 b) Juristische Personen, parteifähige Vereinigungen Juristische Personen (s § 13 Rn 4) und parteifähige Vereinigungen (s § 13 Rn 5)78 20 können Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen, wenn weder die juristische Person bzw parteifähige Vereinigung noch die wirtschaftlich Beteiligten in der Lage sind, die Kosten aufzubringen und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung bzw -verteidigung dem allgemeinen Interesse zuwiderlaufen würde. Die Mittellosigkeit ist zB durch Auskunft der Industrie- und Handelskammer nachzuweisen.79 Außerdem ist Prozesskostenhilfe nur zu bewilligen, wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dem allgemeinen Interesse zuwiderlaufen würde; das ist der Fall, wenn zB eine gemeinnützige juristische Person an der Erfüllung ihrer der Allgemeinheit dienenden Aufgaben gehindert wäre oder wenn zB zahlreiche Kleingläubiger betroffen wären;80 nicht jedoch bei einem rechtsfähigen Verein, wenn vom Ausgang des Verfahrens das Schicksal einer größeren Zahl von Angestellten des Vereins abhängt.81 Ausländischen juristischen Personen kann grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden;82 es sei denn es handelt sich um juristische Personen, die in einem EU-Mitgliedstaat oder oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig sind. Auch im Falle des § 116 ZPO hat das Gericht zu prüfen, ob die objektiven Vorausset- 21 zungen (oben Rn 5, 6) erfüllt sind. Die Tabelle des § 115 ZPO wird nicht angewandt, allerdings kann das Gericht Raten anordnen, wenn die Kosten nur in Teilbeträgen zu erbringen sind.

71 72 73 74

75 76 77

Palandt/Edenhofer Einf v § 2197 Rn 2. Ausführlich Kalthoener/Büttner Rn 62. RGZ 65, 287. RGZ 106, 47; Palandt/Edenhofer § 1960 Rn 15; zur Problematik der Prozesskostenhilfe in diesem Fall s Elzer Rpfleger 1999, 162. Bärmann/Pick § 27 Rn 1; Palandt/Bassenge WEG § 27 Rn 1. BGH NJW 1977, 2317. Die Rechtsprechung befasst sich insbeson-

78 79 80 81 82

dere mit dem Insolvenzverfahren und der Zumutbarkeit für die Massegläubiger; s Zöller/ Philippi § 116 Rn 5aff; Kalthoener/Büttner Rn 64 ff; Schoreit/Dehn ZPO § 115 Rn 6. S auch Zöller/Philippi § 116 Rn 11a. Zöller/Philippi § 116 Rn 12. Zöller/Philippi § 116 Rn 15 mwN. BayObLG Rpfleger 1988, 98. Zimmermann ZPO § 116 Rn 7; Zöller/ Philippi § 116 Rn 11.

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D. Das Bewilligungsverfahren I. Der Antrag 22

Prozesskostenhilfe wird nur auf Antrag gewährt (§ 114 ZPO). Das weitere regelt § 117 ZPO: (1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen. (2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden. (3) Der Bundesminister der Justiz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vordrucke für die Erklärung einzuführen. (4) Soweit Vordrucke für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

1. Zuständigkeit

23

Das Prozesskostenhilfegesuch ist bei dem Gericht, welches zurzeit der Einreichung des Gesuchs im ersten oder höheren Rechtszug mit der Sache befasst ist oder befasst werden soll, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen.83 In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann es auch zum Protokoll der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts erklärt werden (§ 11). Es besteht kein Anwaltszwang, der Antrag muss eigenhändig unterschrieben sein.84 Eine Frist sieht das Gesetz nicht vor, jedoch darf Prozesskostenhilfe nur für ein bevorstehendes oder laufendes Verfahren bewilligt werden,85 dh das Gesuch muss vor Abschluss der Instanz bei zuständigen Gericht eingegangen sein.86 Bei befristeten Rechtsmitteln muss das Gesuch aber spätestens am letzten Tage der Frist bei dem Gericht eingehen, bei dem das Rechtsmittel eingelegt werden kann,87 also nicht notwendig bei dem Rechtsmittelgericht (§ 21 Rn 2, § 29 Rn 2). Für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung aus einer gerichtlichen oder notariellen Urkunde (§§ 794 Abs 1 Nr 5, 800 ZPO) oder aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel ist entweder das Prozess- oder das Vollstreckungsgericht zuständig (Abs 1 S 3) – siehe hierzu § 33 Rn 11 bis 14. 2. Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse

24

§ 117 Abs 3 ZPO enthält eine Ermächtigung zur Einführung eines einheitlichen Vordrucks für die Erklärung; davon hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht,88 so dass der Antragsteller den amtlichen Vordruck verwenden muss.89 Ist der Vordruck nicht voll83 84 85 86 87 88

Kalthoener/Büttner Rn 87. Zimmermann ZPO § 117 Rn 1. Zöller/Philippi § 117 Rn 2a. Zöller/Philippi § 117 Rn 2c mwN. Zöller/Philippi § 119 Rn 53 mwN. VO zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfevordruckverord-

448

89

nung – PKHVV) v 17.10.1994 (BGBl S 3001), das Wort „Bundessozialhilfegesetz“ wurde durch die Wörter „Zwölften Buch Sozialgesetzbuch“ ersetzt gem Art 36 des G v 27.12. 2003 (BGBl S 3022). Vordruck abgedruckt bei von König Anhang III sowie bei Zimmermann PKH Anhang S 368 ff.

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§ 14

ständig ausgefüllt, können die Lücken durch die beigefügten Belege gefüllt werden.90 Ist das nicht möglich, hat ein gerichtlicher Hinweis zu folgen, um dem Antragsteller Gelegenheit zur Vervollständigung zu geben.91 Auch in der Rechtsmittelinstanz gilt der Vordruckzwang, allerdings genügt die Bezugnahme auf den in der vorherigen Instanz abgegebenen Vordruck, wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben und dieses ausdrücklich erklärt wird.92 Der Vordruck muss innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht werden.93 Wird nicht der Vordruck benutzt, ist der Antrag mangels genügender Substantiierung – nach erfolglosem Hinweis – zurückzuweisen.94 Für die Ermittlungen gilt nicht § 12 sondern ausnahmsweise § 117 Abs 1, 2 ZPO, dh der Antragsteller hat alle Tatsachen und Belege beizubringen.95 Der Vordruck ist nur für natürliche Personen vorgesehen, für Parteien kraft Amtes usw (§ 116 ZPO) gilt er nicht.96 3. Darlegungspflicht Um die Vorprüfung der Erfolgsaussichten zu ermöglichen, hat der Antragsteller das 25 Sachverhältnis darzulegen. Dazu gehört im Amtsverfahren die Angabe des erstrebten Verfahrensziels, im Antragsverfahren des beabsichtigten Antrags, eine ausreichende tatsächliche Begründung und die Anführung der für die erheblichen Tatsachen vorhandenen Beweismittel. Im Rechtsmittelverfahren ist die Darlegung des Sachverhältnisses nicht mehr erforderlich;97 jedoch muss der Beschwerdeführer die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels darlegen.98 Im Landwirtschaftsverfahren müssen im Prozesskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Abweichungsrechtsbeschwerde nach § 24 Abs 2 Nr 1 LwVG die Umstände angegeben werden, welche die Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne Zulassung begründen sollen.99

II. Das Prüfungsverfahren 26

Das weitere Verfahren ergibt sich aus § 118 ZPO: (1) Vor der Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn dies nicht aus besonderen Gründen unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind. (2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidi-

90 91 92 93 94 95

BGH NJW 1983, 2145; FamRZ 1985, 1018. OLG Rostock FamRZ 2003, 1396. BGH FamRZ 2004, 1961; BGH NJW 1997, 1078. BGH FamRZ 2004, 1548; 2003, 89; 1993, 688. Zöller/Philippi § 117 Rn 17. Bumiller/Winkler Rn 11; Keidel/Zimmermann Rn 14.

96 97 98

99

Kalthoener/Büttner Rn 141. BGH LM § 118 ZPO Nr 3; NJW-RR 2001, 1146. BGH NJW 1956, 1435 zur Darlegung des Erreichens der Rechtsmittelsumme; Kalthoener/Büttner Rn 124. BayObLGZ 1954, 210 = RdL 1954, 340; BGHZ 26, 38 = NJW 1958, 63; dazu Stöber Rpfleger 1961, 144.

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gung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab. (3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.

27

Verfahrensbeteiligt sind das Gericht, das die Prozesskostenhilfe bewilligen soll und der antragstellende Beteiligte,100 nicht aber der Gegner; diesem ist zwar Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, dadurch wird er jedoch nicht Beteiligter des Prozesskostenhilfeverfahrens.101 Funktionell zuständig ist das Gericht, ein von ihm beauftragter Richter oder der Rechtspfleger, dh immer das Organ der Rechtspflege, dem die Entscheidung in der Hauptsache zugewiesen ist. Gem § 20 Nr 4a RPflG kann der Vorsitzende den Rechtspfleger mit den Ermittlungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers nach § 118 Abs 2 ZPO einschließlich der Beurkundung eines Vergleichs nach § 118 Abs 1 S 3 ZPO beauftragen. Die Entscheidung über die Bewilligung trifft dann jedoch der Richter. Die Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob die Voraussetzungen der §§ 114, 115 28 für die Bewilligung vorliegen. Keinesfalls darf in einer für den Gesuchsteller unzumutbaren Weise der Streit praktisch im Prozesskostenhilfeverfahren ausgetragen werden.102 Dem Antragsteller obliegt, abgesehen von seiner Darlegungspflicht (Rn 25), eine Förderungspflicht insofern, als ihm die Glaubhaftmachung seiner tatsächlichen Angaben aufgegeben werden kann; jedoch ist bei Auflagen, eidesstattliche Versicherungen beizubringen, im Hinblick auf die im Hauptverfahren gebotene Zeugenvernehmung Zurückhaltung angebracht. Soweit die Förderungspflicht des Antragstellers reicht, ist die Amtsermittlungspflicht (§ 12) eingeschränkt; das Gericht ist aber berechtigt, Ermittlungen von Amts wegen anzustellen (§ 118 Abs 2 S 2), auch soweit der Antragsteller (oder Gegner) sie nicht angeregt hat. Das darf aber nicht zu einer erheblichen Verzögerung führen. Die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen ist nur subsidiär gestattet, wenn die Erfolgsaussichten auf andere Weise nicht geklärt werden können. Sieht das Gericht von der Vernehmung der für beweiserhebliche Tatsachen benannten Zeugen ab, so hat es die Prozesskostenhilfe grundsätzlich zu bewilligen; anders, wenn nach dem Ergebnis der sonstigen Erhebungen von der Vernehmung dieser Zeugen im Hauptverfahren ein Erfolg für die unbemittelte Partei nicht zu erwarten ist.103 Die Anhörung kann formlos schriftlich oder mündlich erfolgen; es gilt jedoch der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit (s § 15 Rn 8).104 Zeugniszwang ist unzulässig,105 eine Beeidigung findet ebenfalls nicht statt, auch keine eidliche Vernehmung der Beteiligten. Die Ablehnung eines Sachverständigen durch den Antragsteller (nicht den Gegner) wegen Befangenheit (§ 406 ZPO) ist statthaft,106 das gilt auch im FG-Verfahren.107

100 101 102 103

BGH NJW 1984, 740. Zöller/Philippi § 118 Rn 1; Kalthoener/Büttner Rn 153. BVerfG Rpfleger 2001, 554; BGH NJW 1960, 98; Zöller/Philippi § 118 Rn 13. BGH NJW 1960, 98; Reichold in Thomas/ Putzo § 118 Rn 9; Zöller/Philippi § 118 Rn 21.

450

104

105 106 107

Reichold in Thomas/Putzo § 118 Rn 9; Zöller/Philippi § 118 Rn 21; die aA in der Vorauflage wird nicht mehr vertreten. Reichold in Thomas/Putzo § 118 Rn 2. BGH VRS 29 (1965), 430. BayObLG Rpfleger 1986, 296.

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1. Rechtliches Gehör Dem Antragsteller ist rechtliches Gehör auch im Prozesskostenhilfeverfahren zu 29 gewähren, insbesondere also zum Ergebnis der Ermittlungen.108 Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn dies nicht aus besonderen Gründen unzweckmäßig erscheint (§ 118 Abs 1 S 1); wenn zB der Antrag nach dem Vorbringen des Antragstellers von vornherein zu verweigern ist.109 Im FG-Verfahren kommt die Anhörung des Gegners nur in Frage, wenn ein Beteiligter im entgegengesetzten Sinn vorhanden ist, zB in den Streitsachen. Die Anhörung erfolgt jedoch lediglich hinsichtlich der beabsichtigten Rechtsverfolgung, keinesfalls bezüglich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers,110 diese dürfen nur mit Zustimmung des Antragstellers dem gegnerischen Beteiligten mitgeteilt werden (§ 117 Abs 2 S 2 ZPO). Die Anhörung erfolgt in der Regel schriftlich unter Fristsetzung. Die Stellungnahme hat schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erfolgen. 2. Vergleich Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung 30 zu erwarten ist (§ 118 Abs 1 S 3 ZPO), wobei es im Ermessen des Gerichts liegt, ob geladen wird oder nicht.111 Der im Prozesskostenhilfeverfahren zu Protokoll des Richters oder Rechtspflegers geschlossene Vergleich ist vollstreckbarer Schuldtitel nach § 794 Abs 1 Nr 1 ZPO. Die Vorschrift ist anwendbar, soweit der Verfahrensgegenstand einem Vergleichsabschluss zugänglich ist (Vorbem vor §§ 8 bis 18 Rn 81). Dabei ist streitig, ob in diesem Fall Prozesskostenhilfe für den Vergleich und das noch nicht beendete Bewilligungsverfahren zu gewähren ist.112 Es ist der Meinung zu folgen, dass in diesem Fall Prozesskostenhilfe für das gesamte Bewilligungsverfahren einschließlich des Vergleichs zu gewähren ist.113 3. Kostenerstattung Die dem Gegner durch seine Anhörung erwachsenen Kosten werden nicht erstattet, 31 auch nicht die Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts; das gilt auch für die Beteiligung am Beschwerdeverfahren, selbst wenn die Prozesskostenhilfebeschwerde erfolglos geblieben ist.114 Die Kosten sind auch dann nicht zu erstatten, wenn der Gegner im späteren Hauptverfahren obsiegt.115

108 109 110 111 112 113 114

BVerfGE 20, 280 u 347. Zöller/Philippi § 118 Rn 3. BVerfG NJW 1991, 2080; Kalthoener/Büttner Rn 162. Zimmermann PKH Rn 498 mwN auch zur gegenteiligen Auffassung. Ausführlich Zöller/Philippi § 118 Rn 8, 8a; Zimmermann PKH Rn 502 ff. Zöller/Philippi § 118 Rn 8; Zimmermann PKH Rn 503. KG JW 1937, 2240; HansOLG Hamburg Rpfleger 1958, 38; OLG Nürnberg BayJMBl

115

1957, 431; OLG Nürnberg KostRspr § 118a ZPO Nr 2; OLG Düsseldorf ebenda Nr 4; OLG Celle NJW 1967, 56; BayObLGZ 1965, 290; von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert B 332 mwN; aM LG Braunschweig Rpfleger 1964, 183 mit abl Anm Tschischgale. OLG Düsseldorf MDR 1959, 672; von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert B 332 mwN; aM KG JW 1938, 55; OLG Karlsruhe MDR 1960, 509.

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4. Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens a) Gerichtskosten

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Das Prozesskostenhilfeverfahren des ersten Rechtszuges ist gebührenfrei; Schuldner der gerichtlichen Auslagen ist der Antragsteller (§ 2 Nr 1 KostO).116 Trotz der Verweisung auf die Vorschriften der ZPO handelt es sich auch bei einer isolierten Kindessache um ein FG-Verfahren, so dass hinsichtlich der Gerichtskosten die KostO gilt.117 Wird die Prozesskostenhilfe bewilligt, so erstreckt sich die einstweilige Befreiung nach § 122 Abs 1 Nr 1a ZPO auch auf diese Auslagen. Sie gehören nunmehr zu den Kosten des Rechtsstreits, sind also, auch wenn das Ergebnis der Ermittlungen in der Hauptsache nicht als Beweis verwertet worden ist, gegebenenfalls von dem in die Kosten verurteilten Gegner des unbemittelten Beteiligten zu tragen, soweit die Auslagen den Gegenstand betreffen, zu dem die Prozesskostenhilfe bewilligt und in der Hauptsache eine Verurteilung erfolgt ist.118 b) Anwaltsgebühren

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Der Rechtsanwalt erhält nur uU eine gesonderte Vergütung für seine Tätigkeit im Prozesskostenhilfeverfahren. Nach § 16 Nr 2 RVG stellen das Verfahren über die PKH und das Verfahren, für das die PKH beantragt worden ist, dieselbe Angelegenheit dar. Daraus folgt, dass der Rechtsanwalt keine gesonderte Gebühr verlangen kann. Wird die Hauptsache nicht anhängig, erhält der Rechtsanwalt jedoch eine Verfahrensgebühr nach dem Wert der Hauptsache (1,0 Verfahrensgebühr nach Nr 3334 VV RVG) für das Verfahren über die Prozesskostenhilfe. Inhaltlich hat sich somit nichts geändert, denn auch nach der BRAGO erhielt der Rechtsanwalt die 5/10 Gebühr gemäß §§ 51 Abs 1, 31 BRAGO nur, wenn keine Hauptsache anhängig war oder wurde, andernfalls gehörte das PKHVerfahren gebührenrechtlich zum Hauptsacheverfahren, § 37 BRAGO.119

III. Gegenständlicher Umfang der Prozesskostenhilfe 34

§ 119 ZPO bestimmt: (1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. (2) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.

1. Beschränkung auf den Rechtszug

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Die Prozesskostenhilfe muss für jeden Rechtszug besonders nachgesucht und bewilligt werden. Der Begriff des Rechtszuges ist für die Anwendung des § 119 ZPO vor allem 116 117 118

Vgl Tschischgale NJW 1960, 932. OLG München Rpfleger 1987, 456. LG Hamburg KostRspr § 118a ZPO Nr 3; von Eicken in: von Eicken/Hellstab/Lappe/ Madert B 330 mwN; aA Tschischgale NJW 1960, 932, der meint, dass die Auslagen von

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119

dem später unterlegenen Gegner auch bei Versagung der Prozesskostenhilfe zu tragen seien. Wegen der Fortgeltung der BRAGO s Vorbem zu § 13a.

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dem Kostenrecht zu entnehmen.120 Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für einen Rechtszug umfasst das gesamte Verfahren in dieser Instanz, auch vor dem beauftragten und ersuchten Richter, und das weitere Verfahren nach Zurückverweisung.121 Es umfasst auch das Verfahren der vorläufigen oder einstweiligen Anordnung und das Änderungsverfahren nach § 18 Abs 1122 sowie die Fortsetzung des Verfahrens nach Anfechtung eines gerichtlichen Vergleichs. Die Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug gilt auch für das Kostenfestsetzungsverfahren.123 Für die Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber die früher streitige Frage, ob Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung pauschal oder für jede einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu bewilligen ist, durch eine entsprechende Änderung des Wortlauts erledigt.124 Jede Beschwerde eröffnet einen neuen Rechtszug. Die Wiederaufnahme eröffnet ein neues Verfahren. In Ehesachen erstreckt sich die Prozesskostenhilfebewilligung für die Scheidung auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich (§ 624 Abs 2 ZPO). 2. Erleichterungen für Beschwerdeinstanz a) Subjektive Voraussetzungen Für die höhere Instanz besteht keine Erleichterung hinsichtlich des Nachweises der 36 wirtschaftlichen und persönlichen Voraussetzungen (s oben Rn 24); einem Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe zur Einlegung eines Rechtsmittels kann nur stattgegeben werden, wenn neben dem Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht werden. Allerdings genügt die Bezugnahme auf den in der vorherigen Instanz abgegebenen Vordruck, wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben und dieses ausdrücklich erklärt wird.125 Dadurch wird eine erneute Prüfung nicht ausgeschlossen, wenn Anlass dazu besteht, insbesondere wenn die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen inzwischen veraltet sind.126 b) Objektive Voraussetzungen Soweit es in der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gegner gibt, dh Beteiligte, die sich im 37 Verfahren mit widerstreitenden Interessen gegenüberstehen, zB §§ 53, 86 ff, 146, 148, 163 ff und besonders in echten Streitsachen, bietet § 119 Abs 1 S 2 ZPO Erleichterungen für den Fall, dass der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.127 Dann entfällt bei der Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Prüfung der Erfolgsaussichten und Mutwilligkeit, da er in der Vorinstanz obsiegt hat. Davon macht die Rechtsprechung Ausnahmen, wenn das Rechtsmittel infolge einer Gesetzesänderung128 begründet ist; sich die Sachlage eindeutig geändert hat129 oder die Entscheidung offensichtlich falsch ist.130 Bei Anschließung an das gegnerische Rechtsmittel bedarf der Beschwerdegegner einer besonderen

120

121 122 123 124

RG JW 1925, 756; Reichold in Thomas/ Putzo § 119 Rn 8; Zöller/Philippi § 119 Rn 1. KG JW 1935, 3485; Zöller/Philippi § 119 Rn 5. Vgl § 18 Rn 15; sa Zöller/Philippi § 119 Rn 12. OLG Celle JW 1930, 3355, Zöller/Philippi § 119 Rn 15. Geänd d 2. ZwVRNovelle.

125 126

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130

BGH NJW 1997, 1078. RGZ 100, 270; OLG Oldenburg NdsRpfl 1958, 70; OVG Münster FamRZ 1993, 715 mwN. Kalthoener/Büttner Rn 443 ff. OLG Celle FamRZ 1977, 648. BGHZ 36; 281; BGH FamRZ 1989, 265 = NJW-RR 702; OLG Koblenz FamRZ 1986, 81; OLG Hamm FamRZ 1995, 747 mwN. MünchKommZPO/Wax Rn 39.

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Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf Grund sachlicher Prüfung.131 Der Prozesskostenhilfebewilligung für den Beschwerdegegner bedarf es im Übrigen nicht, wenn das Rechtsmittel auch ohne seine Beteiligung keinen Erfolg haben kann, nämlich wenn es als unzulässig verworfen werden muss,132 im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch, wenn ohne weitere Erhebungen feststehen, dass es unbegründet ist. 3. Zeitliche Grenzen

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Die zeitlichen Wirkungen der Prozesskostenhilfe beginnen mit Wirksamwerden des Bewilligungsbeschlusses.133 Ist in dem Bewilligungsbeschluss kein Zeitpunkt genannt, dann wirkt er nach einer vielfach vertretenen Auffassung auf den Zeitpunkt des Antrageingangs zurück;134 wenn es auch näher liegt, den Zeitpunkt der Rückwirkung ausdrücklich anzugeben, um die og Auslegung des Beschlusses zu vermeiden.135 Eine Rückwirkung kann frühestens ab Eingang des ordnungsgemäßen Antrags mit den erforderlichen Erklärungen und Unterlagen gewährt werden, wenn aus Gründen, die vom Antragsteller nicht zu vertreten sind, eine Entscheidung vorher nicht getroffen worden ist.136 Dies kann selbst noch nach Abschluss der Instanz oder nach Abschluss des Verfahrens geschehen,137 allerdings nur, wenn der Antrag vor Abschluss der Instanz positiv hätte beschieden werden können.138 Wird nach Testamentseröffnung ein Erbscheinsverfahren durchgeführt, so kann für beide Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn der Antrag vor Abschluss des Erbscheinsverfahrens gestellt wird.139 Nach dem Tod der Partei ist eine Bewilligung – auch zurückwirkende – nicht mehr möglich,140 da mit dem Tod der Partei auch eine bewilligte Prozesskostenhilfe für die Zukunft beendet ist.141 Wird für verschiedene Instanzen Prozesskostenhilfe bewilligt, ist bei Bewilligung mit 39 Raten darauf zu achten, dass unabhängig von der Anzahl der Rechtszüge die Höchstzahl von 48 Raten nicht überschritten werden darf (§ 115 Abs 2 ZPO). Wurde zB in der ersten Instanz eine Rate festgesetzt, hat die Partei bei einer Festsetzung in der zweiten Instanz nur noch die neu ermittelte Rate zu zahlen, unabhängig davon ob sie höher oder niedriger ist.142 Entscheidet die zweite Instanz, dass keine Raten zu zahlen sind, gilt das auch für die erste Instanz obwohl hier Raten festgesetzt waren; im umgekehrten Fall gilt das jedoch nicht, dann sind lediglich Raten für die zweite Instanz zu zahlen.143

E. Entscheidung und Festsetzung von Zahlungen 40

Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung, § 127 Abs 1 S 1 ZPO; das gilt für die freiwillige Gerichtsbarkeit ebenfalls, mündliche Erörterungen und Bekanntmachung zu Protokoll werden dadurch nicht aus131 132 133 134 135

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Zöller/Philippi § 119 Rn 3. BGH LM § 199 ZPO Nr 1. BGH JurBüro 1998, 476. Zöller/Philippi § 119 Rn 41 mwN; Zimmermann PKH Rn 264 mwN. So auch von Eicken in seiner Anm zu OLG Frankfurt in KostRspr § 119 ZPO Nr 52; Kalthoener/Büttner Rn 500. BGH NJW 1985, 921; BayObLG Rpfleger 1978, 315; Schoreit/Dehn § 119 ZPO Rn 7 mwN; Zöller/Philippi § 119 Rn 39 mwN; Zimmermann PKH Rn 265.

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137 138 139 140 141 142 143

Schoreit/Dehn § 119 ZPO Rn 7 m div N. PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 2000, 312 mwN. AG Olpe Rpfleger 1987, 373. OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 240; so auch OVG Hamburg FamRZ 1997, 178. OLG Koblenz FamRZ 1996, 808 mwN. BGH NJW 1983, 944; Zöller/Philippi § 119 Rn 61 mwN. Zöller/Philippi § 119 Rn 61 mwN; s auch OLG Stuttgart FamRZ 2003, 106.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

geschlossen (§ 16 Abs 3). Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist dieses zuständig, § 127 Abs 1 S 2 ZPO. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Bei der Begründung ist zu beachten, dass die Teile die die Erfolgsaussicht und die Teile, die die wirtschaftlichen Verhältnisse betreffen, getrennt ausgewiesen werden, wenn die Partei nicht ihre Zustimmung gegeben hat, dass dem Gegner die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zugänglich gemacht werden, § 127 Abs 1 S 2 ZPO.144 Haben die Ermittlungen nach § 115 ZPO ergeben, dass dem Antragsteller keine 41 ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt werden kann, dann hat das Gericht mit der Bewilligung die Raten festzusetzen, § 120 ZPO: § 120 Festsetzung von Zahlungen (1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Abs 1 Satz 3 Nr 4 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind. (2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist. (3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen, 1. wenn abzusehen ist, dass die Zahlungen der Partei die Kosten decken; 2. wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann. (4) Das Gericht kann die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben; eine Änderung der nach § 115 Abs 1 S 3 Nr 1b und Nr 2 maßgebenden Beträge ist nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.

Im Bewilligungsbeschluss wird der sich aus der Tabelle zu § 115 ZPO ergebende 42 monatliche Betrag festgesetzt. Die Anzahl der Raten wird nicht festgesetzt, allerdings ergibt sich die Höchstzahl von 48 Raten aus § 115 ZPO. Das Gesetz legt nicht fest, ab wann die Raten zu zahlen sind; jedoch wird der Beginn der Ratenzahlung im Beschluss festgelegt. Im FG-Verfahren wird der Zeitpunkt der Zahlungsaufnahme häufig erst nach Beiordnung eines Rechtsanwalts oder nach Fälligkeit von Gerichtskosten bzw Auslagen bestimmt werden.145 Die Zahlungen sind an die Landes- bzw Bundeskasse zu richten. Da der Prozesskostenhilfeberechtigte zwar abzahlen soll, jedoch nicht ansparen,146 soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmt werden, wenn abzusehen ist, dass die Zahlungen die Kosten decken (§ 120 Abs 3 Nr 1 ZPO). Ändern sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Berechtigten, kann nach § 120 Abs 4 die gerichtliche Entscheidung geändert werden.147 Für beide Maßnahmen ist der Rechtspfleger zuständig (§ 20 Nr 4b, c RPflG). 144 145 146

Zimmermann ZPO § 127 Rn 1. Schoreit/Dehn ZPO § 120 Rn 9. So Lappe Rpfleger 1981, 137.

147

S hierzu ausführlich Schoreit/Dehn ZPO § 120 Rn 16, 17.

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§ 14 43

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Einzelheiten des Verfahrens regeln die Durchführungsbestimmungen zum Gesetz über die Prozesskostenhilfe (DB-PKHG) v 1.10.1985.148

F. Beiordnung eines Rechtsanwalts 44

Unter welchen Umständen dem Prozesskostenhilfeberechtigten ein Rechtsanwalt beigeordnet werden muss oder kann regelt § 121 ZPO: (1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. (3) Ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. (4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden. (5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

45

Soweit die Beiordnung eines Rechtsanwalts in Betracht kommt, kann in der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt beigeordnet werden, die Beschränkung auf einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt kann nur dort gelten, wo die Zulassung rechtserheblich ist (s Rn 47).149 § 121 ZPO bestimmt, dass ein Rechtsanwalt nach Wahl der Partei beigeordnet wird; dieser muss jedoch zur Vertretung bereit sein. Häufig stellt bereits der Wahlanwalt im Namen des Mandanten den Prozesskostenhilfeantrag und beantragt die Beiordnung. Die Beiordnung begründet für den Rechtsanwalt die öffentlichrechtliche Pflicht zur Übernahme der Vertretung (§ 48 Abs 1 Nr 1 BRAO). Ein privatrechtlicher Anwaltsvertrag kommt dadurch zustande, dass der Beteiligte dem Rechtsanwalt den Vertretungsauftrag erteilt. Für den Nachweis der Vertretungsbefugnis des beigeordneten Rechtsanwalts gilt § 13 FGG. Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt beizuordnen, auch wenn der Sozietät bereits das Mandat erteilt worden ist;150 im Scheidungsverfahren kann gem § 121 Abs 1 ZPO auch eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nach §§ 59c ff BRAO beigeordnet werden.151 Der Rechtsanwalt darf das Mandat nicht einseitig niederlegen.152 Er kann nur nach § 48 Abs 2 BRAO die Aufhebung seiner Beiordnung beantragen, wenn dafür wichtige Gründe vorliegen.153 Ein anderer Anwalt ist der bedürftigen Partei auf Antrag beizuordnen, wenn der bisher beigeordnete ohne ihr Zutun wegfällt oder wenn sie aus Gründen kündigt, die auch einer verständigen vermögenden Partei Anlass zur Entziehung des Mandats geben würden;154 die Erkrankung eines Verfahrensbevollmächtigten stellt keinen triftigen 148

149 150

Abgedruckt bei Schoreit/Dehn Anhang 4; die Berliner Fassung v 26.11.2001 (ABl S 5331) ist abgedruckt bei von König Anhang II. Müller NJW 1955, 1181. PfälzOLG Zweibrücken KostRspr § 121 ZPO Nr 64 = FamRZ 1986, 287; OLG Düsseldorf KostRspr § 121 Nr 132 m Anm von Eicken und Lappe.

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151 152 153 154

OLG Nürnberg FamRZ 2002, 106 = Rpfleger 2002, 628. BGHZ 27, 166. PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 1998, 315; OLG Schleswig NJW 1961, 131. OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 241; OLG Nürnberg KostRspr § 115 ZPO Nr 2; OLG Braunschweig NJW 1962, 256.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

Grund dar, wenn dessen bestellter Vertreter die Interessen des Beteiligten wahrnimmt.155 Bei unbegründeter Mandatsentziehung oder von dem Beteiligten verschuldeter Aufhebung der Beiordnung kann die Beiordnung eines anderen Anwalts in Verfahren ohne Anwaltszwang in der Regel nicht in Betracht gezogen werden. Die Partei kann jederzeit die Entpflichtung verlangen, allerdings kann eine Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts nur erfolgen, wenn dadurch keine höheren Kosten entstehen.156 Hat die Partei keinen Wahlanwalt benannt bzw dieser sich gemeldet, ist sie zunächst aufzufordern, dieses nachzuholen; andernfalls ist nach § 121 Abs 5 zu verfahren. Wegen der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts aus der Staatskasse vgl Vorbem § 13a Rn 24. Im Falle des § 121 Abs 2 ZPO können auch solche Rechtsbeistände und Prozessagen- 46 ten (sog Kammerrechtsbeistände) beigeordnet werden, die nach § 209 BRAO in die Rechtsanwaltskammer aufgenommen sind (§ 25 EGZPO); da diese nur nicht im Anwaltsprozess vertreten können.157

I. Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verfahren mit Anwaltszwang Ein unbedingtes Recht auf Beiordnung eines Rechtsanwalts erlangt die Partei durch 47 die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nur, wenn eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, also in den Fällen des Anwaltszwangs (§ 78 ZPO). Ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte vorgeschrieben, ist bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Beiordnung eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts zwingend, dies gilt auch, wenn die antragstellende Partei selbst Rechtsanwalt ist.158 In der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist eine Vertretung durch Anwälte in diesem Sinne nur geboten, wenn ausnahmsweise bestimmt ist, dass die Beteiligten sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen (§ 29 LwVG) oder wenn eine Beschwerde unter Ausschluss der Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle ausschließlich durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Beschwerdeschrift eingelegt werden kann. Dagegen ist bei der Einlegung der weiteren Beschwerde nach § 29 Abs 1 S 2 FGG die Zuziehung eines Rechtsanwalts zwar gestattet, aber nicht geboten, weil das Rechtsmittel auch zum Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann; die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist daher zwar nach Maßgabe des § 121 Abs 2 ZPO zulässig, aber nicht zwingend geboten.159 Eine Beiordnung ist jedoch möglich, wenn es dem Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Geschäftsstelle eines Gerichts aufzusuchen, das weit von seinem Wohnort entfernt ist160 oder wenn der Beteiligte sehr betagt ist.161 Die Erwägung, dass jeder Beteiligte ein Recht darauf habe, sein Rechtsmittel durch einen Rechtsanwalt einlegen zu lassen, greift nicht durch, weil dieses Recht auch im Parteiprozess besteht und es nach § 121 Abs 1 ZPO nicht auf die Befugnis zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ankommt, sondern auf die gesetzliche Nötigung dazu.

155 156 157

158 159

BayObLG Rpfleger 1990, 200. OLG Nürnberg MDR 2003, 712. BGH NJW 2003, 2244 = Rpfleger 2003, 513; Hüßtege in Thomas/Putzo § 25 EGZPO Rn 1; sa Zöller/Vollkommer Vor § 78 Rn 9a. BGH Rpfleger 2002, 463 = NJW 2002, 2179. BayObLG FamRZ 1999, 171; 1993, 348 = Rpfleger 1993, 324; FamRZ 1990, 127; 1990, 648; BayObLGZ 1960, 514; KG JFG

160 161

12, 67; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1961, 212; OLG Frankfurt/M FamRZ 1998, 31; OLG Köln Rpfleger 1996, 116; Schlegelberger Anm 16; Pikart-Henn S 146; Bärmann § 37 II 2b; Keidel/Zimmermann Rn 21; aA Bumiller/Winkler Rn 9; Baur § 34 III 2. BayObLG FamRZ 1990, 1123 = NJW-RR 1990, 1033. Nicht ganz deutlich: OLG Frankfurt/M FamRZ 1998, 31.

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§ 14

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

II. Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verfahren ohne Anwaltszwang 48

Die Vorschrift des § 121 Abs 2 ZPO bildet die Grundlage für die Anwaltsbeiordnung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit nicht ausnahmsweise Anwaltszwang besteht und die Beiordnung sich deshalb nach § 121 Abs 1 ZPO richtet. Über die Beiordnung entscheidet an Stelle des Prozessgerichts das mit der Sache befasste Gericht. Der Antrag des Hilfsbedürftigen ist notwendige Voraussetzung der Beiordnung. Außerdem muss die Prozesskostenhilfe bereits bewilligt sein oder gleichzeitig bewilligt werden. Über die Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt entscheidet das 49 Gericht unter Berücksichtigung der Umstände, die der Sache und der Person des Beteiligten zu entnehmen sind. Die Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist unbestimmter Rechtsbegriff. Maßgebend dafür sind Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache sowie die Geschäftsgewandtheit des Beteiligten;162 auch in Anbetracht des Amtsermittlungsgrundsatzes darf das Recht des Beteiligten auf Gewährung effektiven, sozial gerechten Rechtsschutzes nicht verletzt werden.163 Für das Verfahren auf Auswechselung des Betreuers ist dem Betreuten ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn ihm persönliche Antragstellung krankheitsbedingt (bei schizoaffektiver Psychose) nicht möglich ist.164 Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Betreuungsverfahren ist notwendig, wenn schwerwiegende Eingriffe in die Rechte und die Lebensstellung des Betroffenen drohen165 und können nicht mit der Begründung abgelehnt werden, das Gericht habe bereits einen Verfahrenspfleger bestellt.166 Verfahren über das Umgangsrecht167 sowie das Sorgerecht168 sind im Regelfall rechtlich und tatsächlich schwierig und gebieten die Beiordnung eines Rechtsanwalts; etwas anderes gilt nur, wenn die Unterstützung durch einen Anwalt entbehrlich ist, weil zB kein Streit hinsichtlich des Umgangs besteht.169 Der armen Partei ist für das Vermittlungsverfahren nach § 52a FGG ein Anwalt beizuorden,170 auf jeden Fall, wenn der Gegner anwaltlich vertreten ist.171 Auch das Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung – auch im Wege der einstweiligen Anordnung – ist häufig schwierig.172 Im Abstammungsverfahren ist der prozesskostenhilfebedürftigen Partei ein Rechtsanwalt beizuordnen,173 wird das Kind durch einen Rechtsanwalt als Prozesspfleger vertreten, so ist dieser beizuordnen.174 Die Erforderlichkeit ist uU zu bejahen,

162 163 164

165

166 167

168

BVerfGE 63, 380; OLG Hamm FamRZ 1984, 1245. BVerfG Rpfleger 2002, 212 für das Verfahren vor den Sozialgerichten. LG Aachen FamRZ 1998, 108 = AnwBl 1998, 670 m krit Anm Bienwald in FamRZ 1998, 1197. LG Berlin BtPrax 2002, 175 m Anm Meier BtPrax 2002, 155; s nachfolgend Rn 55 sowie § 66 Rn 31; § 70b Rn 11. LG Aachen FamRZ 2004, 1518. OLG Frankfurt FamRZ 2005, 2005; OLG Nürnberg FamRZ 1997, 215; aA OLG Hamm FamRZ 1986, 83; 1990, 896. KG FamRZ 1980, 390; OLG Hamm FamRZ 1982, 1095; FamRZ 1987, 614; FamRZ 1999, 393; 2004, 1116; OLG Köln FamRZ 1997, 377; LG Berlin FamRZ 1987, 503.

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169 170 171 172 173

174

Kalthoener/Büttner Rn 555 mwN. OLG München FamRZ 2000, 1225; OLG Jena AGS 2005, 512. OLG Dresden FamRZ 2004, 122 mwN und Anm Jakob. OLG Hamm FamRZ 1990, 892. OLG Köln FamRZ 2002, 107 = AGS 2002, 235; HansOLG Bremen KostRspr § 121 ZPO Nr 237; SchHOLG Schleswig KostRspr § 121 ZPO Nr 236; FamRZ 2004, 1881; 1992, 197; OLG Dresden FamRZ 1999, 600; OLG Hamm FamRZ 1995 mwN; KG FamRZ 1994, 1397; OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 1261; aA KG FamRZ 1994, 1397; Oldenburg FamRZ 2002, 106 = NdsRpfl 2001, 352. OLG Hamm FamRZ 1995, 747; s hierzu auch KG FamRZ 1994, 1397.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

wenn der Rechtsanwalt den Beteiligten bereits in anderen Familiensachen vertreten hat oder vertreten soll.175 Aus § 121 Abs 2 S 1 Alt 2 ZPO ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Anwaltsbeiord- 50 nung vorsieht, wenn der Gegner durch einen Anwalt vertreten ist und zwar ohne dass hier die Erforderlichkeit zu prüfen wäre. Dieser sog Grundsatz der „Waffengleichheit“ folgt aus Art 3 Abs 1 GG.176 Dieser Grundsatz gilt auch, wenn keine widerstreitenden Anträge gestellt werden und ungeachtet des Amtsermittlungsgrundsatzes auch im FGVerfahren;177 auch wenn Beteiligte in Gegnerstellung betroffen sind, die sämtlich Prozesskostenhilfe beanspruchen können178 oder wenn ein Kind durch das Jugendamt vertreten wird.179 Er soll nicht gelten, wenn unter den am Verfahren Beteiligten Übereinstimmung über die zu treffende Regelung besteht,180 was bedenklich ist, denn die Bewilligung und Beiordnung erfolgen in der Regel zu Beginn eines Verfahrens und die Beratung mit einem Rechtsanwalt gehört mit zum Grundsatz der Waffengleichheit. Im dritten Rechtszuge kann eine Vertretung für den Beschwerdeführer erforderlich 51 sein, wenn er infolge weiter Entfernung gehindert ist, die weitere Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle eines der mit der Sache befassten Gerichts einzulegen, aber auch, wenn die Inanspruchnahme der Geschäftsstelle der Bedeutung und Schwierigkeit der Sache nicht angemessen ist. Ein Bedürfnis für die anwaltliche Vertretung des Beschwerdegegners im dritten Rechtszuge kann nur in Ausnahmefällen bestehen, denn das Gericht der weiteren Beschwerde hat regelmäßig lediglich die Überprüfung der Rechtsanwendung des Beschwerdegerichts vorzunehmen und dabei von den Tatsachen auszugehen, die in der Beschwerdeentscheidung verfahrensfehlerfrei festgestellt worden sind;181 wird das Kind durch das Jugendamt vertreten, wird der Schriftverkehr das Amtsvormunds berücksichtigt, für die Beiordnung eines Rechtsanwalts besteht kein Anlass.182 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs erfordert nicht, dass der Rechtsunkundige hilfsbedürftige Beteiligte durch Aufwand öffentlicher Mittel instandgesetzt werde, Rechtsausführungen zu machen, es sei denn, dass davon mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Förderung der Sachentscheidung zu erwarten ist.183 Für den Nachweis der Vertretungsbefugnis des beigeordneten Rechtsanwalts gilt § 13 52 FGG.

III. Beiordnung eines am Prozessgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalts § 121 Abs 3 ZPO ordnet an, dass ein auswärtiger Rechtsanwalt nur beigeordnet wer- 53 den darf, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen. Die Regelung passt nicht im FG-Verfahren, weil es auf die Zulassung bei einem bestimmten Prozessgericht nicht 175 176 177

178

OLG München FamRZ 1999, 762 für das vereinfachte Unterhaltsverfahren. BVerfG NJW 1988, 2597. OLG Köln FamRZ 1998, 251 = MDR 1997, 1153; FamRZ 1986, 1015; OLG Celle FamRZ 1989, 1107; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1987, 963 = Rpfleger 1987, 476 (unter Aufgabe von FamRZ 1985, 1068 = Rpfleger 1985, 505); Kalthoener/Büttner Rn 566, 567. OLG Hamm FamRZ 1986, 488; FamRZ 1987, 402; aA OLG Hamm FamRZ 1986, 82.

179 180 181

182 183

OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 241; FamRZ 1990, 1261. OLG Hamm FamRZ 1992, 1447; so auch OLG Nürnberg FamRZ 1995, 371. BayObLG NJW-RR 1991, 71; KG – Beschluss v 4.4.2000 (1 W 3052/99); BayObLG FamRZ 2000, 301 zum Verfahrenspfleger. BayObLG FamRZ 1988, 871. BVerfGE 10, 262; BayObLG FamRZ 1962, 480 zu III.

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§ 14

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ankommt (s oben Rn 44). Dem Grundgedanken der Vorschrift, unnötige Reisekosten zu vermeiden, wird in der Rechtsprechung häufig dadurch Rechnung getragen, dass der Rechtsanwalt zu den „Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts“ beigeordnet wird. Da der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Landeskasse vom Umfang der Beiordnung abhängt (§ 48 Abs 1 RVG), folgt die Beiordnung in diesem Fall der einschränkenden Vorschrift des § 121 Abs 3 ZPO,184 mit der Folge, dass bei schrankenloser Beiordnung der Rechtsanwalt die Reisekosten aus der Landeskasse erstattet verlangen kann,185 der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, vor der Reise zur Terminswahrnehmung eine Feststellung nach § 126 Abs 2 S 1 BRAGO (entspr § 46 Abs 2 S 1 RVG) zu erwirken.186 Neuerdings wird auch vertreten, dass bei der Beiordnung eines nicht am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts stets zu prüfen sei, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts iSv § 121 Abs 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dieses nicht der Fall sei, dürfe der auswärtige Rechtsanwalt zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden.187 Die einschränkende Regelung des § 126 Abs 2 S 2 BRAGO, wonach Mehrkosten nicht vergütet wurden, die dadurch entstanden waren, dass der Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht befindet, wurde nicht in das RVG übernommen. Nun kommt es nach § 46 Abs 1 RVG darauf an, ob die Reisekosten zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren.188

IV. Beweis- bzw Verkehrsanwalt 54

Wenn ein Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung beigeordnet ist, dann kann unter den Voraussetzungen des § 121 Abs 4 ZPO auch ein Beweisanwalt oder aber ein Verkehrsanwalt beigeordnet werden. Die Beiordnung eines Unterbevollmächtigten ist nach dieser Vorschrift nicht möglich;189 allerdings soll der Partei zusätzlich eine Unterbevollmächtigter zur Wahrnehmung eines Verhandlungstermins beizuordnen sein, wenn in besonders gelagerten Einzelfällen Reisekosten nach § 126 Abs 1 S 2 HS 2 BRAGO geschuldet sind und diese die Kosten des unterbevollmächtigten Rechtsanwalts annähernd erreichen.190 Die Beiordnung setzt einen gesonderten Antrag voraus, in dem die Partei die besonderen Umstände darlegen muss. Besondere Umstände für die Beiordnung eines Beweisanwalts sind Schwierigkeiten in der Sach- und Rechtslage und höhere Kosten einer Reise des beigeordneten Rechtsanwalts.191 In Ehesachen wird die Beiordnung zur Wahrnehmung eines Anhörungstermins vor dem ersuchten Richter in Bezug auf die elterliche Sorge gem § 613 Abs 1 S 2 ZPO als besonderer Umstand angesehen.192 Die Inanspruchnahme eines Verkehrsanwalts wird als notwendig angesehen,

184

185

OLG Celle JurBüro 2000, 480; FamRZ 1991, 962; OLG München AGS 2001, 191 mwN; OLG Nürnberg JurBüro 2001, 431 = Rpfleger 2001, 433; OLG Naumburg JurBüro 2001, 481; OLG Hamm FamRZ 2000, 1227; zum Streit, ob hierfür die Zustimmung des Rechtsanwalts notwendig ist s bei Zöller/Philippi § 121 Rn 13. SchlOLG Rpfleger 2002, 85; OLG Koblenz JurBüro 2002, 84; OLG München Rpfleger 2002, 159; KG Beschl v 29.8.2003 – 1 W 185/03 – nicht veröffentlicht.

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186 187 188 189 190 191 192

KG aaO. BGH NJW 2004, 2749 = AGS 2004, 349. Siehe hierzu Meyer JurBüro 2005, 134. Zöller/Philippi § 121 Rn 2. BGH NJW 2004, 2749 = AGS 2004, 349 (Verbundverfahren). Siehe hierzu Kalthoener/Büttner Rn 578. BGH NJW 2004, 2749 = AGS 2004, 349; OLG Köln FamRZ 1991, 349.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

wenn der Partei eine Informationsreise zum Rechtsanwalt wegen Alter, Krankheit, Körperbehinderung oder sozialer und wirtschaftlicher Bindung unzumutbar erscheint, die Rechtslage besonders schwierig oder die Kosten des Verkehrsanwalts nur unwesentlich höher als die einer Informationsreise sind.193 Wegen der in der Regel existentiellen Bedeutung von Ehesachen wird dem beteiligten Ehegatten meist ein Verkehrsanwalt beizuordnen sein,194 das darf auch nicht daran scheitern, dass die Sache einfach ist und ein schriftlicher Kontakt zumutbar sein könnte.195 Wird im Abstammungsverfahren das Kind durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger vertreten, so bedarf es für auswärtige Termine keiner Beiordnung eines Rechtsanwalts, vielmehr kann einem Vertreter des für das auswärtige Gericht zuständigen Jugendamtes Terminsvollmacht erteilt werden.196

V. Verfahrenspfleger In Unterbringungs- und Betreuungssachen ist ein Verfahrenspfleger zu bestellen, 55 wenn dieses zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist (§§ 70b Abs 1, 67 FGG); dabei muss es sich nicht notwendigerweise um einen Rechtsanwalt handeln, doch wird die Bestellung eines Rechtsanwalts von den Gerichten überwiegend als sachgerecht angesehen.197 Die Bestellung des Verfahrenspflegers hat mit der Beiordnung nach § 14 im Rahmen der Prozesskostenhilfe nichts zu tun. Allerdings soll die Bestellung nach §§ 67, 70b unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn der Betroffene von einem Rechtsanwalt oder von einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten wird; dabei kann es sich auch um einen beigeordneten Rechtsanwalt handeln, dessen Beiordnung in Unterbringungssachen erfolgt nicht mehr nach Landesrecht.198 Keinesfalls kann die Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt werden, dass für einen zum Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalt die Vergütung aus der Landeskasse erspart werden würde;199 hat der im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnete Rechtsanwalt doch eine ganz andere Stellung als der Verfahrenspfleger.200 (siehe oben Rn 49; im Übrigen vgl hierzu § 67 Rn 30 ff; § 50 Rn 23; § 70b Rn 11). Umstritten war die Vergütung des anwaltlichen Verfahrenspflegers;201 unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG202 bleibt festzustellen, dass der anwaltliche Verfahrenspfleger grundsätzlich keine Vergütung nach der BRAGO – gleiches muss auch für das RVG gelten, denn in beiden Gesetzen ist sieht § 1 Abs 2 den Ausschluss vor –, sondern die stundenweise Vergütung nach §§ 67 Abs 3 FGG, 1836, 1836a BGB erhält; eine Abrechnung nach der BRAGO bzw dem RVG ist jedoch gerechtfertigt, wenn es sich um eine Aufgabe handelt, für die ein anderer Verfahrenspfleger vernünftigerweise einen Rechtsanwalt herangezogen hätte.203 Die in der Praxis schwierigen Abgrenzungsprobleme sollten dadurch vermieden werden, dass das Gericht bei der Bestellung einen Hinweis darauf gibt, dass im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten anfallen werden.204 Im Übrigen siehe Anm zu § 67a Rn 6. 193 194

195 196 197 198 199

Zöller/Philippi § 121 Rn 20 mwN. OLG Bamberg FamRZ 1990, 644 mwN; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 1301; aA OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 304. OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1298. OLG Thüringen FamRZ 1996, 418. S hierzu Klüsener FamRZ 1994, 487. LG Hannover FamRZ 1993, 216. So aber LG Braunschweig FamRZ 1994, 524.

200 201 202 203

204

Worauf Klüsener FamRZ 1994, 487 zu Recht hinweist. S hierzu Klüsener Rpfleger 1992, 466. Rpfleger 2001, 23 = BtPrax 2000, 212 = FamRZ 2000, 1280 m Anm Bienwald. So auch BayObLG BtPrax 2002, 121; PfälzOLG Zweibrücken BtPrax 2002, 41; LG Berlin BtPrax 2001, 129. BVerfG Rpfleger 2001, 23 = BtPrax 2000, 212 = FamRZ 2000, 1280 m Anm Bienwald.

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§ 14

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

G. Wirkung und Folgen der Prozesskostenhilfebewilligung I. Wirkung hinsichtlich des Berechtigten 56

Nach § 122 ZPO hat die Bewilligung zunächst folgende Wirkungen: (1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass 1. die Bundes- oder Landeskasse a) die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten, b) die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann, 2. die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist, 3. die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können. (2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.

Nach § 122 Abs 1 ZPO kann das Gericht vom Beteiligten Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten nur erheben, wenn Ratenzahlungen angeordnet worden sind und dann auch nur im Rahmen der im Bewilligungsbeschluss festgesetzten Raten. Vorschüsse nach § 8 KostO dürfen nicht erhoben werden. Im FG-Verfahren ergeht höchst selten eine Kostenentscheidung über Gerichtskosten (vgl Vorbem § 13a Rn 8, § 13a Rn 1), deshalb ist auf das materiellrechtliche Innenverhältnis abzustellen.205 Haften im Umgangsregelungsverfahren beide Elternteile gesamtschuldnerisch, dann gilt dieses nur für den Elternteil, dem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, während der andere in Anspruch genommen werden kann.206 Für den Zivilprozess untersagt § 31 Abs 3 GKG (§ 58 Abs 2 S 2 GKG aF) die Antragshaftung und damit die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des reichen Klägers, wenn dem Beklagten als Entscheidungsschuldner Prozesskostenhilfe bewilligt ist, bereits gezahlte Beträge sind zurückzuzahlen, § 31 Abs 3 GKG.207 Es ist strittig, ob die Vorschrift im FG-Verfahren entspr anzuwenden ist;208 die Frage ist insbesondere für die sog Streitverfahren zu bejahen, dient die Vorschrift doch der Verwirklichung des § 121 Abs 1 Nr 1 ZPO.209 Auch der beigeordnete Rechtsanwalt kann gegen die Partei Ansprüche auf Vergütung 58 nicht geltend machen, er kann nur seine Vergütung aus der Staatskasse verlangen. § 122 Abs 1 Nr 2 ZPO betrifft die sog Ausländersicherheit nach §§ 110 ff ZPO und findet im FG-Verfahren keine Anwendung. Für eine Befreiung gem § 122 Abs 2 ZPO ist notwendig, dass Beteiligte im entgegengesetzten Sinne vorhanden sind (vgl § 13a Rn 7).

57

205 206 207

Korintenberg/Lappe § 5 Rn 5. Korintenberg/Lappe § 8 Rn 16. Nach bisherigem Recht konnte der Kläger in analoger Anwendung des § 2 Abs 4 S 1 GKG aF eine Rückzahlung der gezahlten Gerichtskosten aus der Staatskasse verlangen. Siehe BVerfG NJW 1999, 3186 m Bespr Lappe S 3173 = JurBüro 1999, 540 = Rpfle-

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208 209

ger 1999, 495 = MDR 1999, 1089 m Anm Egon Schneider. Zum Streitstand s Korintenberg/Lappe § 5 Rn 4. Korintenberg/Lappe § 5 Rn 4; aA OLG Bamberg, JurBüro 2001, 96 für das Hausratsverfahren.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

II. Kostenerstattungspflicht Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat auf die Verpflichtung, die dem Gegner ent- 59 standenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss (§ 123 ZPO). Die Vorschrift stellt klar, dass eine etwaige Erstattungspflicht dem Gegner gegenüber nicht durch die eigene Prozesskostenhilfebewilligung berührt wird. Hat das Gericht die Erstattung gem § 13a angeordnet, hat der Beteiligte hierfür keine staatliche Hilfe zu erwarten.

III. Einziehung der Kosten vom Gegner Nach rechtskräftiger Entscheidung über die Kosten können diese vom Gegner gem 60 § 125 ZPO erhoben werden; in der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird dieses nicht gelten können, wenn das Rechtsmittel gegen die Kostengrundentscheidung die unbefristete Beschwerde ist und nicht in angemessener Zeit eingelegt wird. Außerdem kann es nur in Frage kommen, wenn Beteiligte im entgegengesetzten Sinne vorhanden und dem Gegner die Kosten durch gerichtliche Entscheidung gem § 13a auferlegt worden sind.

IV. Beitreibung der Rechtsanwaltskosten Nach § 126 ZPO sind die für die Partei bestellten Rechtsanwälte berechtigt, ihre 61 Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben. Sind die außergerichtlichen Kosten des hilfsbedürftigen Beteiligten dem Gegner auferlegt worden, zB nach § 13a, so ist der Prozesskostenhilfeanwalt, solange er nicht in Höhe seiner vollen Gebühren von seinem Mandanten befriedigt ist, berechtigt, die Kosten, deren Erstattung die hilfsbedürftige Partei wegen seiner Tätigkeit vom Gegner verlangen kann, auf seinen eigenen Namen festsetzen zu lassen und vom Gegner beizutreiben, soweit er nicht aus der Staatskasse vergütet worden ist und der Anspruch deshalb insoweit nach § 59 RVG (§ 130 BRAGO) der Staatskasse zusteht.210 Die hilfsbedürftige Partei kann über ihren Kostenerstattungsanspruch nicht mit Wirkung gegenüber dem Anwalt verfügen. Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig, § 126 Abs 2 S 1 ZPO.211 Der 62 Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind. Unbeschadet des Rechts des beigeordneten Rechtsanwalts aus § 126 ZPO können die 63 Kosten auch auf den Namen des erstattungsberechtigten Beteiligten festgesetzt werden.212 Dadurch wird der Prozesskostenhilfeanwalt nicht gehindert, eine Neufestsetzung (sogenannte Umschreibung) auf seinen Namen zu beantragen.213 Voraussetzung dafür ist die Rückgabe des auf den Namen des Beteiligten erwirkten Kostenfestsetzungsbeschlusses und die vom Rechtspfleger von Amts wegen durch Anhörung des Schuldners vorzunehmende Prüfung, ob inzwischen Verfügungen über den Erstattungsanspruch getroffen sind. Denn nachdem die Kosten auf den Namen des hilfsbedürftigen Beteiligten festge210

211

Reichold in Thomas/Putzo § 126 Rn 1; s hierzu grundsätzlich Habscheid u Schlosser, ZZP 75, 302. Die Vorschrift ist verfassungskonform – BGH NJW-RR 1991, 254.

212

213

KG JW 1935, 797; 1937, 566; KG KostRspr § 124 ZPO aF Nr 9; Zöller/Philippi § 126 Rn 7 mwN. Reichold in Thomas/Putzo § 126 Rn 4; Zöller/Philippi § 126 Rn 13 mwN.

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§ 14

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

setzt worden sind, darf der Erstattungsschuldner im Vertrauen auf diesen Titel mit befreiender Wirkung auch gegenüber dem Prozesskostenhilfeanwalt an den armen Beteiligten zahlen, ihm gegenüber aufrechnen oder die Kostenforderung anderweit tilgen.214 Deshalb ist es üblich, die Festsetzung zugunsten des Rechtsanwalts davon abhängig zu machen, dass die Partei auf die Rechte aus dem alten Kostenfestsetzungsbeschluss verzichtet und ihn zurückgibt;215 das kann der beigeordnete Rechtsanwalt kraft der ihm erteilten Prozessvollmacht tun.216

H. Aufhebung der Bewilligung 64

Ob und inwieweit das Gericht im FG-Verfahren befugt ist, seine Entscheidungen nachträglich zu ändern ergibt sich aus § 18; die Aufhebungsmöglichkeiten bei Prozesskostenhilfebewilligung sind abschließend in § 124 ZPO geregelt.

1. 2.

3.

4.

65

§ 124 Aufhebung der Bewilligung Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs 4 Satz 2 nicht abgegeben hat; die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Falle ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.

Die Aufhebung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wobei es auf die Schwere des Verstoßes bzw Verschuldens ankommt;217 sie setzt voraus, dass bei vollständigen und richtigen Angaben Prozesskostenhilfe nicht oder nur zu ungünstigeren Bedingungen gewährt worden wäre.218 Hat eine Partei ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig angegeben, darf die Bewilligung nicht geändert werden, wenn das Gericht die Voraussetzungen nachträglich anders beurteilt.219 Mangelnde Kooperationsbereitschaft der Partei bei der Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO kann dazu führen, dass die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann.220 Beim Verzug nach § 124 Nr 4 ZPO kommt es auf schuldhaften Verzug an;221 allerdings kommt für dieselbe Instanz durchaus eine Neubewilligung in Betracht, wenn sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei verschlechtert haben, eine Ablehnung kommt nur in Frage, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Partei die Raten erneut nicht zahlen wird.222 In zweiter Instanz liegt ein Vortäuschen iSv § 124 Nr 1 ZPO vor, wenn eine Partei durch vorsätzlich unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses ganz oder teilweise obsiegt hat, dieses in der zweiten Instanz nicht korrigiert und sodann wegen § 119 Abs 1 S 2 ZPO ohne Prüfung der Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe bewilligt bekommt.223 214 215 216 217 218

BGHZ 5, 251, 255; KG JW 1932, 254; 1936, 3586; KG KostRspr § 124 ZPO aF Nr 9. BGHZ 5, 251, 255. KG Rpfleger 1962, 161. Reichold in Thomas/Putzo § 124 Rn 1. OLG Brandenburg Rpfleger 2001, 503.

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219 220 221 222 223

HansOLG Hamburg FamRZ 1996, 874; OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1229. OLG Bamberg FamRZ 1996, 1427 mwN. BGH NJW 1997, 1079. BGH FamRZ 2005, 2063. OLG Thüringen FamRZ 2004, 1501.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

Zuständig für die Aufhebung ist bzgl Nr 1 der Richter; Nr 2 bis 4 sind auf den 66 Rechtspfleger übertragen (§ 20 Nr 4c RPflG). Der Aufhebungsbeschluss ist dem früheren Rechtsanwalt nicht zuzustellen, da die Prozesskostenhilfe nicht Bestandteil des Hauptverfahrens ist.224

I. Rechtsmittel im Prozesskostenhilfeverfahren In § 127 Abs 2 bis 5 ZPO ist geregelt ob und unter welchen Umständen eine Ent- 67 scheidung im Prozesskostenhilfeverfahren mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist. § 127 Entscheidungen (1)225 (2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist des § 569 Abs 1 Satz 1 beträgt einen Monat. (3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Die Notfrist des § 569 Abs 1 Satz 1 beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntmachung des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übergeben wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt. (4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

I. Allgemeines Auch für das Rechtsmittelverfahren gilt die entsprechende Anwendung der ZPO, dh 68 wenn nach der ZPO keine Anfechtung möglich ist, dann ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Rechtsmittel möglich; wenn nach der ZPO die sofortige Beschwerde statthaft ist, dann ist sie es auch im FG-Verfahren, allerdings nach Maßgabe der §§ 22. In § 127 Abs 2 ZPO kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass alle dem Prozesskostenhilfeberechtigten günstigen Entscheidungen unanfechtbar, alle ihm ungünstigen anfechtbar sein sollen. Dieser Grundsatz wird im Hinblick auf die Interessen der Staatskasse gem § 127 Abs 3 ZPO durchbrochen. Der Ausschluss der Anfechtbarkeit durch § 127 Abs 2 S 1 ZPO gilt als Ausnahme von § 19 Abs 1 FGG auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit.226 Unanfechtbar ist danach die antragsgemäße Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Antragsteller, das gilt auch, wenn der Rechtspfleger die Entscheidung getroffen hat,227 denn es fehlt an der notwendigen Beschwer. Einem Bewilligungsbeschluss ohne Zahlungsbestimmungen ist ein Beschluss nach § 120 Abs 4 ZPO

224 225 226

OLG Koblenz FamRZ 2005, 531. S hierzu Rn 40. Vgl Schlegelberger Anm 18; Keidel/Zimmermann Rn 33.

227

Keidel/Zimmermann Rn 33; aA Bumiller/ Winkler Rn 20 unter Hinweis auf § 11 Abs 2 RPflG.

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§ 14

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

gleichzusetzen.228 Der Gegner wird in seiner Rechtsstellung durch die Bewilligung oder Aufrechterhaltung der Prozesskostenhilfe nicht beeinträchtigt; sein Interesse daran, dass dem Hilfsbedürftigem die Rechtsverfolgung unmöglich gemacht werde, ist nicht schutzwürdig. Er ist außerdem nicht Beteiligter des Prozesskostenhilfeverfahrens (s oben Rn 27). Einer Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe kann nicht mehr stattgegeben werden, wenn das Verfahren der Vorinstanz beendet ist, mag die Beendigung vor oder nach der Beschwerdeeinlegung eingetreten sein, es sei denn, dass ausnahmsweise eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe geboten ist, die jedoch nicht in jedem Fall einer sonst begründeten Beschwerde in Betracht kommt.229 Die Wiederholung eines Prozesskostenhilfegesuchs in der Weise, dass ein neuer Antrag gestellt wird, ist aussichtslos, wenn nicht neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgebracht werden.230 Fraglich ist, ob eine wiederholte Antragstellung überhaupt zulässig sein kann oder ob nicht etwa die materielle Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses entgegensteht. Da seit dem 1.1.2002 gegen den Beschluss die sofortige Beschwerde statthaft ist – vorher war nur die einfache Beschwerde gegeben –, erwächst die Entscheidung in formelle Rechtskraft231 und entfaltet sogar Außenwirkung, weil Erstattungsansprüche aus der Landeskasse versagt werden.232 Ob diese „Außenwirkung“ jedoch rechtskraftfähige Wirkung über den Prozess hinaus entfaltet, darf bezweifelt werden.233 Der Ablehnungsbeschluss erlangt auch nach der Neufassung der ZPO keine materielle Rechtskraft, da es zunächst einmal an einem kontradiktorischen Parteienstreit fehle und außerdem der Zweck der materiellen Rechtskraft, die Parteien mit nachträglichem Vorbringen auszuschließen, nicht bestehe.234 Eine gegen eine Ablehnung eingelegte Gegenvorstellung kann nicht in eine sofortige Beschwerde umgedeutet werden,235 die Umdeutung in eine Gehörsrüge setzt voraus, dass Verletzung eines Verfahrensgrundrechts geltend gemacht wird.236 Ein außerordentliches Rechtsmittel zum BGH ist auch dann nicht statthaft, wenn es sich gegen eine greifbar gesetzwidrige Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren handelt, gegen die die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen ist.237 Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht; die Nichterstattung der Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 127 Abs 4 ZPO. Über Prozesskostenhilfebeschwerden in selbständigen FGGFamiliensachen entscheidet der Senat und nicht der Einzelrichter des OLG, § 568 ZPO ist insoweit nicht anwendbar.238

II. Sofortige Beschwerde 69

Da § 14 die entsprechende Anwendung der ZPO-Vorschriften vorsieht, gelten diese nur insoweit, als es um die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln geht, nicht jedoch hinsichtlich des weiteren Rechtsmittelverfahrens, hierfür gelten die FGG-Vorschriften (siehe auch § 15 Rn 32 ff).239 Daraus folgt, dass der nach der ZPO vorgesehene Ausschluss eines 228 229

230 231 232 233

PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 2000, 483. BayObLG FamRZ 1984, 73; Rpfleger 1987, 361; KG DR 1940, 926; KG OLGZ 1965, 222; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1968, 165; SchlHOLG Schleswig SchlHA 1956, 115 u 1958, 47; OLG Celle MDR 1956, 684. BayObLG Rpfleger 1987, 361. So auch BGH FamRZ 2004, 940 m krit Anm Gottwald. OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1302. So auch OLG Hamm FamRZ 2004, 1218.

466

234

235 236 237 238 239

BGH FamRZ 2004, 940 m Anm Gottwald; OLG Hamm FamRZ 2004, 1218; aA OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1302; OLG Nürnberg FamRZ 2004, 1219. OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 49. BayObLG FamRZ 2005, 917. BGH NJW 2003, 3137 = FPR 2003, 673. OLG Bamberg FamRZ 2003, 1199 mwN. S hierzu BGH NJW 2006, 2122; BayObLGZ 1991, 414 = NJW-RR 1992, 828 = Rpfleger 1992, 165 = FamRZ 1992, 705; BayObLG

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Prozesskostenhilfe

§ 14

Rechtsmittels oder das Abhängigmachen der Statthaftigkeit von gewissen Voraussetzungen auch im FG-Verfahren gilt. Gemäß § 127 Abs 2 S 2 ZPO findet die sofortige Beschwerde nicht statt, wenn die Hauptsache selbst wegen des zu geringen Streitwerts nicht berufungsfähig ist, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint; wurde die Ablehnung mit fehlender Erfolgsaussicht begründet, ist die Entscheidung unanfechtbar, geschah dies wegen fehlender Armut, ist sie anfechtbar.240 Gegen eine die Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht ablehnende Entscheidung in Verfahren, in denen die Entscheidung zur Hauptsache nicht anfechtbar ist (zB einstweilige Anordnungen), findet die sofortige Beschwerde nicht statt.241 Für das Beschwerdeverfahren gelten mit Einschränkungen bei isolierten Familiensachen die §§ 20 ff FGG und nicht §§ 568 ff ZPO.242 Eine Beschwerdesumme, etwa entspr § 567 Abs 2 ZPO oder § 20a FGG, ist nicht erforderlich, da es sich nicht um eine Kostenentscheidung im Rechtssinne handelt, sondern um dem Hilfebedürftigen zu gewährenden Rechtsschutz.243 Allerdings ist zu beachten, dass § 18 Abs 2 Anwendung findet, der im Gegensatz zu § 572 Abs 1 ZPO eine Abhilfebefugnis des Gerichts ausschließt (siehe auch § 13a Rn 60).244 Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die sofortige weitere Beschwerde statthaft, wenn das Rechtsmittel durch das Beschwerdegericht zugelassen worden ist.245 Die Zulassung setzt voraus, dass es sich um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzung ihrer Bewilligung geht.246 Ein außerordentliches Rechtsmittel zum BGH ist nach der Neuregelung des Beschwerderechts auch dann nicht statthaft, wenn es sich gegen eine greifbar gesetzeswidrige Entscheidung im PKH-Verfahren richtet, gegen die die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen ist.247 Im Übrigen gelten aber wieder die FGG-Vorschriften über die sofortige weitere Beschwerde hinsichtlich der Form und Frist (§§ 29, 22); es gilt also die 2-WochenFrist und nicht die Monatsfrist der ZPO.248 Zur Entscheidung befugt ist nicht der BGH, sondern das OLG (§ 28 Abs 1) bzw das an Stelle des örtlichen OLG zuständige Gericht (OLG München, PfälzOLG Zweibrücken), dem nach § 199 Abs 1 FGG die Entscheidung über weitere Beschwerden zugewiesen ist.249 Die Entscheidung des OLG ist unanfechtbar, weil weder das FGG noch die ZPO ein weiteres Rechtsmittel vorsehen.250 Im Falle der Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrages für das Beschwerdeverfahren 70 kommt eine Erstbeschwerde nicht in Betracht, weil diese nach dem Wortlaut des § 567 Abs 1 ZPO nur dann statthaft ist, wenn es sich um eine Entscheidung im ersten Rechtszug handelt.251 Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist somit auch die

240 241 242 243

244 245

FamRZ 2002, 182 = NJW 2002, 2573 = MDR 2002, 1146; OLG Celle FGPrax 2003, 30; KG FGPrax 2003, 252; OLG Dresden FamRZ 2005, 1188; Briesemeister ZWE 2003, 26; Demharter NZM 2002, 233. Zimmermann ZPO § 127 Rn 4. BGH NJW 2005, 1659 mwN. OLG Celle FGPrax 2003, 30; BGH NJW 2006, 2122; sa § 64 Rn 157. KG Rpfleger 1953, 466; KG JVBl 1961, 114; KG OLGZ 1965, 222 = NJW 1965, 920 = MDR 1965, 670; OLG Oldenburg Rpfleger 1953, 470, Zöller/Philippi § 127 Rn 30. Demharter NZM 2002, 233; aA Keidel/ Zimmermann Rn 32, 34a. BGH NJW-RR 2004, 1077 = FGPrax 2004, 142 mwN.

246 247 248

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250 251

BGH FamRZ 2004, 1633 mwN; 2003, 671. BGH NJW 2003, 3137 = FPR 2003, 673. PfälzOLG Zweibrücken NJW 2005, 1956 mwN; Briesemeister ZWE 2003, 26; Demharter NZM 2002, 233. BGH NJW-RR 2004, 1077 = FGPrax 2004, 142 = BGHReport 2004, 840; s auch BGH NJW 2004, 3412 – wobei die Zuweisung an das BayObLG durch dessen Auflösung erledigt ist. Demharter NZM 2002, 233. BayObLG FGPrax 2002, 119 zu § 46 Abs 2 ZPO; OLG Köln FGPrax 2002, 230; OLG Düsseldorf MDR 2003, 230; OLG Frankfurt/M FGPrax 2003, 175; Zöller/Gummer Vor § 567 Rn 2.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sofortige weitere Beschwerde gegen eine Entscheidung des Landgerichts statthaft, mit der dieses für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe versagt hat, sofern das Rechtsmittel durch das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zugelassen worden ist.252 Die Entscheidung des OLG ist unanfechtbar.253

III. Durch den Berechtigten anfechtbare Entscheidungen 71

Das Rechtsmittel ist die sofortige Beschwerde gem § 127 Abs 2 S 2 ZPO; sie ist statthaft gegen Beschlüsse, durch die die Prozesskostenhilfe verweigert wird, egal ob wegen mangelnder Hilfsbedürftigkeit oder wegen fehlender Erfolgsaussicht. Anfechtbar sind auch Beschlüsse, die die beantragte Herabsetzung oder gänzliche Aufhebung von Ratenzahlungen ablehnen.254 Gleiches gilt für die Ablehnung einer beantragten Beiordnung eines Rechtsanwalts,255 dieser hat jedoch kein eigenes Beschwerderecht.256 Aber auch bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann der Berechtigte uU beschwert sein, wenn dem Antrag nur teilweise stattgegeben wird oder die Prozesskostenhilfe nur mit Raten und Einsatz des Vermögens gewährt wird.257

IV. Anfechtungsrecht der Staatskasse 72

Ist die Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen vorgenommen worden, steht der Landeskasse ein Beschwerderecht zu (§ 127 Abs 3 ZPO). Die Beschwerde kann darauf gestützt werden, dass die Partei zu Unrecht nicht auf die Möglichkeit verwiesen worden sei, Ansprüche gegen Dritte, wie zB auf Prozesskostenvorschuss, vorrangig geltend zu machen.258 Der Vertreter der Landeskasse darf die Bewilligung nur darauf überprüfen, ob nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen auferlegt werden müssen, nicht statthaft ist die Beschwerde der Staatskasse mit dem Ziel, eine Versagung der Prozesskostenhilfe zu erreichen;259 aus der eingeschränkten Überprüfungskompetenz folgt, dass er Rechtsmittel auch nicht geltend machen kann, wenn Prozesskostenhilfe fehlerhaft bewilligt worden ist.260 Auch im Nachzahlungsverfahren gem § 120 Abs 4 ZPO ist die Beschwerde der Staatskasse zulässig, wenn eine Änderung der der ohne Zahlungsbestimmungen ergangenen Bewilligung abgelehnt wird.261 Nach § 127 Abs 3 S 6 ZPO wird die Entscheidung der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt; damit soll ein arbeitsaufwendiger Aktenumlauf vermieden werden.262 Damit kann sich der Bezirksrevisor auf Stichproben beschränken; dieses verstößt nicht gegen das Willkürverbot.263 Im Verfahren der Rechtsbeschwerde nach § 574 iVm § 127 Abs 3 ZPO ist der Bezirksrevisor postulationsfähig und muss sich nicht durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.264

252

253 254 255 256 257

BayObLG FamRZ 2002, 182 = NJW 2002, 2573 = MDR 2002, 1146; OLG Hamm NJW-RR 2002, 1375; OLG Frankfurt/M FGPrax 2003, 175. Demharter NZM 2002, 233. Zöller/Rhilippi § 127 Rn 13. Zimmermann ZPO § 127 Rn 3. OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 462. Zöller/Rhilippi § 127 Rn 14.

468

258 259 260 261 262 263 264

OLG München FamRZ 1993, 821. BGH NJW 1993, 135. KG FamRZ 2000, 838. OLG Nürnberg Rpfleger 1995, 465 m Anm Philippi; Kalthoener/Büttner Rn 876. Kalthoener/Büttner Rn 878. BVerfG NJW 1995, 581. BGH FamRZ 2005, 1164.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

J. Prozesskostenvorschuss in Unterhaltssachen In einer Unterhaltssache kann das Prozessgericht auf Antrag einer Partei durch einst- 73 weilige Anordnung die Verpflichtung zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses für diesen Rechtsstreit regeln, § 127a ZPO. Die jeweilige Anspruchsgrundlage ergibt sich aus dem BGB.265 Wenn es die Prozesskostenhilfe begehrende Partei vorwerfbar unterlässt, einen solchen Anspruch rechtzeitig geltend zu machen, kann dies zur Festsetzung von aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen führen.266

K. Notare Auch der Notar muss hilfsbedürftigen Beteiligten, denen nach der ZPO die Pro- 74 zesskostenhilfe zu bewilligen wäre, vorläufige Gebührenfreiheit gewähren (§ 17 Abs 2 BNotO), jedoch nur im Rahmen der Urkundstätigkeit (§§ 20 bis 22 BNotO), nicht für seine sonstige Amtstätigkeit nach §§ 23, 24 BNotO und nicht wegen der Auslagen. Bei Streit entscheidet das LG (§ 15 BNotO). Ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse steht dem Notar nicht zu.267

L. Landesrecht Die Vorschrift des § 14 gilt überall auch in landesrechtlichen Angelegenheiten, Art 1 75 PrFGG, § 5 Abs 1 BWFGG, Art 34 BayAGGVG, § 1 BremAGFGG, Art 1 HessFGG, Art 7 NdsFGG, § 8 RhPfFGG, § 52 SaarlAGJusG.

M. Grenzüberschreitender Rechtsverkehr Für die Geltendmachung von Ansprüchen (zB Unterhalt) im Ausland ist keine Prozess- 76 kostenhilfe zu gewähren.268 Auch für einen bei dem Generalbundesanwalt zu stellenden Antrag auf Rückführung eines Kindes nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung kann keine Prozesskostenhilfe gewährt werden, weil es sich nicht um ein Verfahren vor einem Gericht handelt.269 Das Gesetz zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüber- 77 schreitende Prozesskostenhilfe in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten,270 das der Umsetzung der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003271 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen dient, macht von dem oben genannten Grundsatz eine Ausnahme. Die Richtlinie war in ihren wesentlichen Teilen bis zum 30.11.2004 umzusetzen. Das Gesetz

265 266 267 268

269

Siehe hierzu Zimmermann PKH Rn 159. PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 2001, 368. KG JW 1931, 2036. KG FamRZ 1992, 1318; OLG Frankfurt FamRZ 1987, 302; Schoreit/Dehn ZPO § 114 Rn 1 mwN. AG Weilburg FamRZ 2000, 756.

270

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Gesetz zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Prozesskostenhilfegesetz) vom 15. 12.2004 – BGBl S 3392. ABl EG Nr L 26 S 41; ABl EU Nr L 32 S 15.

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§ 14

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

regelt das nach der Richtlinie geforderte Verfahren bei der Beantragung von Prozesskostenhilfe im Ausland durch Entwicklung von Standardformularen und die Festlegung von Übermittlungs- und Empfangsstellen. Die zuständigen Behörden des jeweiligen Heimatlandes werden verpflichtet, dem rechtssuchenden Bürger Hilfestellung bei Übermittlung und Übersetzung des Antrags zu gewährleisten. Die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften sind im Abschnitt 3 des neuen 11. Buches der ZPO als §§ 1076 bis 1078 in das nationale Recht aufgenommen. Danach gelten gemäß § 1076 ZPO die §§ 114 bis 127a ZPO, soweit in §§ 1077, 1078 ZPO nichts Abweichendes geregelt ist. Dort sind ua die Behandlung der ein- und ausgehenden Ersuchen, die Zuständigkeit des Amtsgerichts, die Einführung einer Bescheinigung der Bedürftigkeit und die Zuständigkeit des Rechtspflegers272 für die Übermittlung ausgehender und teilweise auch eingehender Ersuchen und die Anpassung des Kostenrechts geregelt. Die Vorteile der neuen Regelung liegen darin, dass die Prozesskostenhilfe nun im Heimatland beantragt werden kann und nicht mehr beim zuständigen Gericht im Ausland. Außerdem richtet sich die Entscheidung bezgl der Bedürftigkeit grundsätzlich nach deutschen Einkommensschranken, so dass bei niedrigeren Einkommen im Ausland der deutsche Rechtssuchende nicht als zu wohlhabend angesehen werden kann. Die EU-einheitlichen Formulare273 sollen im Internet abrufbar sein.

N. Reformvorhaben I. FGG-Reform Der Entwurf des FGG-Reformgesetzes274 sieht im Abschnitt 7 (§§ 79 bis 82 FamFG-E) die Regelungen für die Verfahrenskostenhilfe vor. Der Entwurf will von der pauschalen Verweisung auf die ZPO-Vorschriften wegkommen, da dies wegen der unterschiedlichen Verfahrensgrundsätze in ZPO- und FamFG-Verfahren als nicht ausreichend geeignet angesehen wird. Daher sollen die Vorschriften hinsichtlich der Gewährung von Prozesskostenhilfe in FamFG-Verfahren dort, wo das Regelungskonzept der ZPO nicht ausreichend ist, durch eigenständige gesetzliche Vorschriften ersetzt werden und dem soll auch terminologisch durch die Verwendung des Begriffs „Verfahrenskostenhilfe“ Ausdruck verliehen werden.275 Im Übrigen sollen jedoch die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung finden, § 82 FamFG-E. Die Voraussetzungen für die Bewilligung sollen in § 79 FamFG-E geregelt werden; der 79 Entwurf sieht folgenden Wortlaut vor:

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Gem § 20 Nr 6 RPflG – eingefügt durch Art 3 des EG-Prozesskostenhilfegesetzes. Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe sowie eines Vordrucks für die Übermittlung der Anträge auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe im grenzüberschreitenden Verkehr (EG-Prozesskostenhilfevordruckverordnung – EG-PKHVV) v 21.12. 2004 – BGBl S 3538.

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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006, der unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt. Begründung RefE FGG-ReformG S 435.

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Prozesskostenhilfe

§ 14

§ 79 Voraussetzungen (1) In Verfahren nach diesem Gesetz, die auf Antrag eingeleitet werden, erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten des Verfahrens nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. (2) In Verfahren nach diesem Gesetz, die von Amts wegen eingeleitet werden, erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten des Verfahrens nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die Rechte des Beteiligten durch den Ausgang des Verfahrens beeinträchtigt werden können und die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist.

Absatz 1 entspricht § 114 S 1 ZPO, da für die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe in FamFG-Verfahren keine Besonderheiten gegeben sein sollen. Der Einsatz von Einkommen und Vermögen soll wie im Zivilprozess nach § 115 ZPO zu ermitteln sein, § 82 FamFG-E iVm § 115 ZPO. § 79 FamFG-E wird die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nunmehr eigenständig regeln. Ob Antrags- oder Amtsverfahren, die Gewährung soll nur auf Antrag der Beteiligten erfolgen. Für Antragsverfahren sollen die Voraussetzungen gelten, die die Parteien im Zivilprozess erfüllen müssen, dh die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung muss hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO bieten und darf nicht mutwillig erscheinen. Die Vorschrift soll für den Antragsteller, den Antragsgegner und die vom Gericht hinzugezogenen weiteren Beteiligten, die sich im Verfahren äußern, gelten und zwar unabhängig davon, ob sie einen eigenen Antrag stellen. Lässt das Gesetz zur Verfahrenseinleitung einen bloßen, nicht zu begründenden Verfahrensantrag genügen, soll bei Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen stets Verfahrenskostenhilfe zu gewähren sein. Der Hinweis auf „sonstige Beteiligte“ soll auch Beteiligte in nichtkontradiktorischen Antragsverfahren wie Nachlassund Adoptionsverfahren erfassen. Absatz 2 soll die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe in Amtsverfahren regeln.276 Wegen der Nähe zu den Grundsätzen über die Beiordnung eines Pflichtverteidigers soll das Gesetz auf den Eingriffscharakter der beabsichtigten gerichtlichen Maßnahme und nicht auf die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung abstellen. Da die Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe in der Regel am Anfang des Verfahrens steht, soll genügen, dass unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beteiligten eine Beeinträchtigung seiner Rechte durch den Verfahrensausgang hinreichend wahrscheinlich ist. Insofern sollen dieselben Anforderungen gelten, die für die Darlegung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gelten. Des Weiteren darf die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht ohne Aussicht auf Erfolg sein, wobei ein großzügiger Maßstab anzulegen sein soll. Nur wenn erkennbar die Rechtsverteidigung unter keinem möglichen Aspekt zum Erfolg führen kann, soll die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abzulehnen sein. Sofern das Gesetz Personen aufgrund besonderer persönlicher Nähe die Möglichkeit einräumt, sich im Interesse eines anderen Beteiligten am Verfahren zu beteiligen, soll Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden können, da sie dazu dienen soll, die Verfolgung eigener Rechte zu gewährleisten.277 In § 80 FamFG-E sind die Grundsätze des Bewilligungsverfahrens geregelt. 276

Begründung s RefE FGG-ReformG S 436/437.

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Siehe im Übrigen Begründung S 437.

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§ 80 Bewilligung (1) Vor der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe kann das Gericht den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme geben. In Antragsverfahren ist dem Antragsgegner vor der Bewilligung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn dies nicht aus besonderen Gründen unzweckmäßig erscheint. (2) Das Gericht kann abweichend von § 117 Abs 2 S 2 ZPO die Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege dem Antragsgegner auch ohne Zustimmung des Antragstellers zugänglich machen, sofern der Antragsgegner nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten. (3) Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug und jedes Verfahren besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob 1. die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder 2. der Beteiligte durch den Ausgang des Verfahrens in seinen Rechten beeinträchtigt wird und die Rechtsverteidigung nicht offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist, wenn der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des Beteiligten in dem vorherigen Rechtszug entsprochen wurde und ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel eingelegt hat. (4) Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Versicherung an Eides statt.

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Um das Verfahren möglichst schnell und flexibel auszugestalten, soll das Gesetz es dem Gericht überlassen, im Einzelfall zu bestimmen, welche Beteiligten vor der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gehört werden sollten. In Antragsverfahren soll dem Antragsgegner regelmäßig Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sein, soweit hiergegen nicht besondere Gründe sprechen. In Amtsverfahren soll es einer Anhörung anderer Beteiligter nur dann bedürfen, wenn ihre verfahrensrechtliche Stellung durch die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe berührt werden würde, was in der Regel nur dann der Fall sein wird, wenn der andere Beteiligte das Verfahren mit entgegengesetztem Ziel führt. Die Anhörung wird sich nach § 118 Abs 1 S 2 bis 4 ZPO iVm § 82 FamFG-E richten. Zur Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers soll das Gericht grundsätzlich die Befugnis haben, die Erklärung des Antragstellers dem Antragsgegner zur Stellungnahme zuzuleiten, wenn zwischen den Beteiligten ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch über Einkünfte und Vermögen besteht. Hierauf soll der Antragsteller vorher hinzuweisen sein, um ihm Gelegenheit zu geben, vor der Übermittlung etwaige Gesichtspunkte, die gegen eine Übermittlung der Erklärung sprechen können, vorzutragen. 86 Die zeitliche Geltung der Verfahrenskostenhilfe gemäß Absatz 3 entspricht § 119 Abs 1 ZPO. Kein neues Verfahren ist die Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 42; sie hat vielmehr die Fortführung des alten Verfahrens zum Gegenstand. 87 Legt der Gegner Rechtsmittel ein, soll wie im geltenden Recht keine erneute Überprüfung der sachlichen Voraussetzungen vorzunehmen sein. Gegenüber § 119 Abs 1 S 2 ZPO enthält Absatz 2 Satz 2 das zusätzliche Erfordernis, dass dem Anliegen des Beteiligten, der Verfahrenskostenhilfe im höheren Rechtszug beantragt, in der vorherigen Instanz entsprochen worden ist. Es soll daher im FamFG-Verfahren ausdrücklich festzustellen sein, dass der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des Antragstellers in der vorherigen Instanz entsprochen wurde. Dies setzt voraus, dass der antragstellende Beteiligte in

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erster Instanz einen Antrag gestellt oder zumindest Erklärungen abgegeben hat, aus denen sich ein Verfahrensziel entnehmen lässt. War das dagegen nicht erkennbar oder ist er am Verfahren gar nicht beteiligt worden, so hat stets eine erneute Prüfung der sachlichen Voraussetzungen für Verfahrenskostenhilfe stattzufinden. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts soll in § 81 FamFG-E wie folgt geregelt werden: 88 § 81 Beiordnung eines Rechtsanwalts (1) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

Absatz 1 entspricht § 121 Abs 1 ZPO im Verfahren mit Anwaltszwang. Ist eine Ver- 89 tretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, soll nach Abs 2 die Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung nach objektiven Kriterien zu beurteilen sein; hierbei ist ausschließlich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ausschlaggebend. Allein die Schwere des Eingriffs in Rechte eines Beteiligten sollen hierfür nicht ausreichen, da die Rechte des Beteiligten regelmäßig durch Regelungen in den weiteren Büchern des FamFG-E gewahrt werden sollen. In Betreuungs- und Unterbringungsverfahren geschieht dies durch Bestellung eines Verfahrenspflegers, der regelmäßig die Rechte des Betroffenen wahrnehmen soll. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts soll nur dann erfolgen, wenn der Fall rechtlich und tatsächlich so schwierig gelagert ist, dass es erforderlich erscheint, dem Betroffenen zur hinreichenden Wahrung seiner Rechte einen Rechtsanwalt beizuordnen. Bei Vorliegen dieser engen Voraussetzungen ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts gegenüber der Bestellung eines Verfahrenspflegers in Betreuungs- und Unterbringungssachen grundsätzlich vorrangig. Anders als § 121 Abs 2 ZPO sieht § 81 Abs 2 FamFG-E nicht die Beiordnung eines 90 Rechtsanwalts aus Gründen der „Waffengleichheit“ vor. Dies soll auch in Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten. Die im Zivilprozess geltende Regelung soll auf das vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten FamFG-Verfahren auch dann nicht übertragbar sein, wenn die Beteiligten entgegengesetzte Ziele verfolgen, da sie nicht über Umfang und Inhalt des Streitstoffs bestimmen können.278 § 82 FamFG-E soll die entsprechende und ergänzende Geltung der Vorschriften der 91 ZPO über die Prozesskostenhilfe für FamFG-Verfahren anordnen. Für Familienstreitsachen sollen die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe kraft der Generalverweisung in § 106 Abs 1 FamFG-E uneingeschränkt gelten. Auf FamFG-Verfahren sollen die §§ 114 bis 127 ZPO mit folgenden Maßgaben entsprechend und ergänzend anzuwenden sein:279 – § 114 ZPO wird durch die Spezialregelung in § 79 verdrängt. – §§ 115, 116 ZPO gelten ohne Einschränkungen. – § 117 ZPO gilt – mit Ausnahme von Abs 2 S 2 – entsprechend. – § 118 Abs 1 S 1 ZPO wird durch § 80 Abs 1 verdrängt. § 118 Abs 1 S 2 bis 6, Abs 2 und 3 ZPO gelten ohne Einschränkungen. – § 119 Abs 1 ZPO wird durch § 79 Abs 3 verdrängt. § 119 Abs 2 ZPO entspricht § 80 Abs 4. 278

Siehe Begründung RefE FGG-ReformG S 440/441.

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Aufzählung der Begründung S 441 entnommen.

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– § 120 ZPO gilt ohne Einschränkungen. – § 121 ZPO wird durch § 81 verdrängt. – § 122 Abs 1 ZPO gilt ohne Einschränkungen. § 122 Abs 2 ZPO gilt, soweit ein Antragsgegner vorhanden ist. – § 123 ZPO ist anwendbar, soweit ein Antragsgegner vorhanden ist und eine Kostenerstattungsverpflichtung angeordnet worden ist. – § 124 ZPO gilt ohne Einschränkungen und geht als lex specialis den Abänderungsvorschriften in §§ 48, 49 vor. – §§ 125, 126 ZPO finden auf den Antragsgegner Anwendung. – § 127 Abs 1 und 4 ZPO gelten ohne Einschränkungen. Das Beschwerdeverfahren in Verfahrenskostenhilfesachen wird ein Beschwerdeverfah92 ren nach dem FamFG-E sein, § 127 Abs 2 und 3 ZPO ergänzt die Vorschriften hinsichtlich der Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Frist. Das bedeutet im Einzelnen: Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde folgt der Systematik in § 127 Abs 2 und 3 ZPO (siehe oben Rn 69). Die Beschwerdesumme gemäß § 65 Abs 1 FamFG-E soll der in § 127 Abs 2 S 2 ZPO genannten Berufungssumme gemäß § 511 ZPO entsprechen. Eine sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen bzgl der Verfahrenskostenhilfe soll ebenfalls nicht zulässig sein, wenn gegen einen Beschluss in der Hauptsache die sofortige Beschwerde wegen Nichterreichens der Beschwerdesumme von 600 € (§ 65 Abs 1) unzulässig wäre. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde in Verfahrenskostenhilfesachen soll einen Monat betragen, da die Fristen des § 127 Abs 2 S 3 ZPO und § 127 Abs 3 S 3 ZPO im FamFG-Verfahren entsprechend anzuwenden sein sollen, insoweit gilt die Notfrist des § 67 Abs 1 FamFG-E. Die bisherige Rechtsunklarheit, ob die einmonatige Beschwerdefrist des § 127 Abs 2 S 3 ZPO oder die 2-Wochen-Frist nach § 22 Abs 1 FGG gilt, soll damit beseitigt werden. Soweit § 127 ZPO keine Regelung für das Beschwerdeverfahren trifft, gelten für das Rechtsmittel die allgemeinen Vorschriften des FamFG-E über Rechtsmittel. Insbesondere soll gegen Entscheidungen über die sofortige Beschwerde die Rechtsbeschwerde statthaft sein, falls sie zugelassen wird.

II. PKH-Reform 93

Der Bundesrat hat am 19.5.2006 einen Gesetzentwurf zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe verabschiedet;280 mit der Neuregelung sollen insbesondere die Länderhaushalte vor einem weiteren Anstieg der Ausgaben geschützt werden. So sollen sich zB in Baden-Württemberg seit Einführung der Prozesskostenhilfe allein die Ausgaben für beigeordnete Rechtsanwälte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit verfünffacht haben.281 In Familiensachen wurde bundesweit in über 70 % der erledigten Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt, dabei ganz überwiegend ohne Festsetzung von Raten oder Zahlungen aus dem Vermögen.282 Ziel der Gesetzesänderung soll sein, eine Begrenzung der staatlichen Aufwendungen zu bewirken, dabei aber den verfassungsrechtlich gebotenen Zugang zur Rechtsverfolgung bzw -verteidigung weiterhin zu gewährleisten.

280

Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz – PKHBegrenzG) – BRDrs 250/06 v 10.04.2006.

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281 282

BRDrs 250/06 S 21. Siehe BRDrs 250/06 S 24.

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Dieses soll nach dem PKHBegrenzG-E durch Korrektur der Bewilligungsvorausset- 94 zungen, Verstärkung der Eigenbeteiligung der Partei und effektivere Durchführung des PKH-Verfahrens unter noch stärkerer Beteiligung des Rechtspflegers geschehen. Im Einzelnen sind ua folgende Änderungen vorgesehen: 95 1. Korrektur der Bewilligungsvoraussetzungen Das Ausschlussmerkmal der Mutwilligkeit soll für die Gerichte handhabbar gemacht und in dem neu einzufügenden Abs 2 von § 114 ZPO iS der Rechtsprechung des BVerfG ausdrücklich definiert werden (siehe oben Rn 5, 6).283 § 114 ZPO soll um folgenden Abs 2 ergänzt werden: (2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, soweit eine nicht Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände trotz hinreichender Aussicht auf Erfolg von der beabsichtigten Prozessführung absehen würde. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Kosten der Prozessführung unter Berücksichtigung des erstrebten wirtschaftlichen Vorteils, der Erfolgsaussicht und gegebenenfalls der Aussicht auf Durchsetzbarkeit des erstrebten Titels unverhältnismäßig erscheint.

Ob die direkte Aufnahme der Grundsätze in den Gesetzestext eine Änderung des 96 Bewilligungsverhaltens der Gerichte bewirken kann, muss stark bezweifelt werden, gelten diese Grundsätze doch heute noch als aus dem Armenrecht übrig gebliebene Grundsätze fort. Anders sieht es da schon mit der beabsichtigten Ergänzung des § 124 Satz 2 ZPO aus, der künftig eine Teilaufhebung der Bewilligung ermöglichen soll, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zwar insgesamt nicht mutwillig ist, ein konkreter Beweisantritt der Partei aber angesichts nach der Bewilligung eingetretener Umstände keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint. Vor der Bewilligung ist dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (oben 97 Rn 26ff). Der Gesetzentwurf sieht hierfür eine Änderung von § 118 ZPO dergestalt vor, dass im Gesetzestext klar zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das Gericht dem Gegner ausdrücklich auch Gelegenheit zur Äußerung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers einzuräumen hat. Zwar sind dem Gegner die vom Antragsteller hierzu eingereichten Unterlagen im Regelfall nicht zugänglich (§ 117 Abs 2 S 2 ZPO), jedoch weiß er dann immerhin, dass der Antragsteller Prozesskostenhilfe beantragt hat. Außerdem sollen die Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts nach § 118 Abs 2 S 2 ZPO erweitert werden, wenn es dem Antragsteller ansonsten aus besonderen Gründen nicht möglich wäre, der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht zu genügen. Mit dessen Einwilligung sollen Auskünfte über dessen Vermögen bei Finanzämtern und über Kontoverbindungen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und über seine Einkünfte bei Arbeitgebern, Sozialleistungsträgern und Versicherungsunternehmen eingeholt werden können. Diese Zustimmung soll bereits bei der Antragstellung abzugeben sein (§ 117 Abs 2 ZPO-E).284 2. Verstärkung der Eigenbeteiligung der Partei Parallel zu der gebotenen Korrektur der Bewilligungsvoraussetzungen soll die Eigen- 98 beteiligung der bedürftigen Partei angemessen verstärkt werden. Dies soll zum einen durch Neubestimmung des einzusetzenden Einkommens und zum anderen durch Sicherstellung, dass die bedürftige Partei ihr einzusetzendes Einkommen und Vermögen auch 283

S Gesetzesbegründung BRDrs 250/06 S 44.

284

Im Übrigen s BRDrs 250/06 S 59–61.

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tatsächlich in angemessenem Umfang zur Deckung der Prozesskosten verwendet, erreicht werden. § 115 Abs 1 ZPO soll dergestalt geändert werden, dass die Freibeträge (siehe oben 99 Rn 10, 11) überwiegend neu bestimmt und dem Sozialhilferecht angepasst werden. Die Tabelle in Abs 2 (siehe oben Rn 7) soll entfallen und Abs 2 von § 115 ZPO wie folgt gefasst werden: (2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe von zwei Drittel des einzusetzenden Einkommens aufzubringen, die sich rechnerisch ergebende Monatsrate ist auf volle Euro abzurunden; beträgt die Monatsrate weniger als fünf Euro, ist von einer Ratenfestsetzung abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 450 Euro beträgt die Monatsrate dreihundert Euro zuzüglich des 450 Euro übersteigenden Teils des einzusetzenden Einkommens.

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Mit dieser Neuregelung soll außerdem die bisherige Begrenzung auf 48 Monatsraten entfallen, um den Charakter als zinslosem Justizkredit zu verstärken.285 Aus diesem Grund soll auch § 115 Abs 4 ZPO um einen weiteren Satz ergänzt werden, wonach bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 450 Euro Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden soll, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm die Aufnahme eines Darlehens nicht zumutbar ist. Durch Änderungen des GKG und der KostO soll eine Bearbeitungsgebühr in Höhe 101 von 50 Euro für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Festsetzung von Monatsraten oder aus dem Vermögen zu zahlender Beträge erhoben werden, die den für die Staatskasse entstehenden hohen Aufwand abdecken soll. Diese sollen jedoch nicht im Wege der Kostenfestsetzung zu erstatten sein, denn der Entwurf enthält eine entsprechende Ergänzung von § 91 Abs 1 ZPO, der als Folgeänderung dann auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten soll, denn Art 8 des PKHBegrenzG-E sieht vor, dass die in § 13a Abs 3 FGG enthaltene Verweisung geändert werden soll. Schließlich soll der Staatskasse ein effektiver Zugriff auf die Vermögenswerte eröffnet 102 werden, die die bedürftige Partei aus dem mit der Prozesskostenhilfe finanzierten Rechtsstreit erlangt (§ 120a ZPO-E). In diesem Fall soll die Partei die Kosten der Prozessführung aus dem Erlangten aufzubringen haben und das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern und einen aus dem Erlangten zu zahlenden Betrag festsetzen. Der umfassende Abzug der Kosten vom Erlangten benachteiligt die bedürftige Partei nicht gegenüber der vermögenden; erhält diese das durch den mit Prozesskostenhilfe finanzierten Rechtsstreit Erlangte ebenfalls nicht ungeschmälert, sondern nur nach Abzug der auf sie entfallenden Kosten. Es ist kein Grund erkennbar, warum für die bedürftige Partei anderes gelten solle. Der Begriff des „Erlangten“ ist § 812 BGB entlehnt und soll auch hier jeden Vermö103 genswert bezeichnen.286 Die Vorschrift soll für jeden Beteiligten gelten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Aus welchem Teil ihres Vermögens die Partei dann leistet, soll ihr überlassen bleiben. Erlangt die Partei kein Geld sondern einen geldwerten Gegenstand, soll sie diesen ggf verwerten müssen, um die vorrangig zu deckenden Prozesskosten entrichten zu können. Eine Ausnahmeregelung ist für extrem unverhältnismäßige Fälle jedoch vorgesehen, wenn die Verwertung einen Wertverlust herbeiführen würde, der mit den zu entrichtenden Prozesskosten in keinem Verhältnis stünde. Die bedürftige Partei soll verpflichtet werden, dem Gericht unverzüglich Mitteilung machen zu müssen, wenn sie durch die Rechtsverfolgung, für die PKH bewilligt wurde, etwas erlangt hat.

285

S insoweit BRDrs 250/06 S 51/52.

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Gesetzesbegr BRDrs 250/06 S 69.

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Beweisverfahren

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3. Optimierung des Verfahrens Schließlich soll das Verfahren der Prozesskostenhilfe optimiert werden, um eine ein- 104 heitliche und effektive Rechtsanwendung sicherzustellen. Zu den zentralen Anliegen zählt hier die Verbesserung der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Hierbei soll in Zukunft der Rechtspfleger verstärkt mitwirken. Eine lediglich als vorbereitende Tätigkeit im Rahmen der vom Richter zu treffenden Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu qualifizierende Tätigkeit scheidet jedoch aus, weil dieses dem Berufsbild des Rechtspflegers, wie es dem RPflG zu Grunde liegt, nicht mehr entspräche. Deshalb soll eine sinnvolle, an den Erfordernissen der Praxis ausgerichtete, die Verfahrenseffizienz nicht beeinträchtigende Abgrenzung der Tätigkeits- und Entscheidungsbereiche des Richters und des Rechtspflegers vorgenommen werden, die ihrer Funktion als eigenständige Organe der Rechtspflege in größtmöglichem Umfang gerecht wird. Danach soll in Zukunft der Richter zunächst beurteilen, ob eine eingehende Prüfung 105 der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt erforderlich ist, was typischerweise nicht der Fall sein wird, wenn dem Antrag eine Bescheinigung des Sozialamts über den Bezug von Sozialhilfe beigefügt ist; in diesem Fall kann sogleich in die Prüfung der Erfolgsaussichten eingetreten werden. Wenn dies zu bejahen ist, soll der Richter – wenn er dies nach seinem freien Ermessen für zweckdienlich erachtet – das Verfahren zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Rechtspfleger übertragen können. Kommt der Rechtspfleger bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit des Antragstellers oder aus den Gründen des § 115 Abs 4 ZPO nicht in Betracht kommt, soll der Rechtspfleger auch die ablehnende Entscheidung erlassen, die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist (§ 127 Abs 2 S 2, 3 ZPO iVm § 11 Abs 1 RPflG). Ergibt die Prüfung, dass einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers nichts im Wege steht, soll der Rechtspfleger dies in den Akten vermerken, dabei sollen alle relevanten Angaben einschließlich der Höhe der monatlichen Raten und/oder der aus dem Vermögen zu zahlenden Beträge zu entnehmen sein.

§ 15 Beweisverfahren (1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über den Beweis durch Augenschein, über den Zeugenbeweis, über den Beweis durch Sachverständige und über das Verfahren bei der Abnahme von Eiden finden entsprechende Anwendung. Über die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet jedoch, unbeschadet der §§ 393, 402 der Zivilprozeßordnung, das Ermessen des Gerichts. (2) Behufs der Glaubhaftmachung einer tatsächlichen Behauptung kann ein Beteiligter zur Versicherung an Eides Statt zugelassen werden. Die Worte „über den Beweis durch Augenschein“ sind für die brit Zone durch VO v 17.6.1947 (VOBlBrZ 93) Art II eingefügt worden. Diese Änderung wurde durch REinhG v 12.9.1950 (BGBl 455) Art 5 Nr 1 für das übrige Bundesgebiet, durch REinhG Berlin v 9.1.1951 (VOBl I 99) Art 4 für Berlin und durch RechtsanglG v 22.12.1956 (ABl 1667) für das Saarland übernommen.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Literatur Bosch Von der richtigen Grenzziehung zwischen Pflicht und Freiheit, DRiZ 1951, 107, 137; Büttner Änderungen im Familienverfahrensrecht durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1998, 585; Demharter Wohnungseigentumsverfahren nach der ZPO-Reform, NZM 2002, 233; Frank Die zwangsweise körperliche Untersuchung zur Feststellung der Abstammung, FamRZ 1995, 975; Hahn Die Beweiskraft von Familienstammbüchern im Erbscheinsantragsverfahren, Rpfleger 1996, 228; Hummel-Mutschler Zum Umfang der Beweisaufnahme bei gerichtlicher Vaterschaftsfeststellung, NJW 1991, 2929; Jansen Wandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in: Recht und Staat, Hefte 290/291 (1964); Kiethe Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, MDR 2005, 965; Kollhosser Zur Problematik eines „Allgemeinen Teils“ in einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit, ZZP 1980, 265; Lent Zur Abgrenzung des Sachverständigen vom Zeugen im Zivilprozess, ZZP 60, 9; Martin/Muche/Zang Kritische Stellungnahme zu den neuen Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten, FamRZ 2003, 76; Motzer Die gerichtliche Praxis der Sorgerechtsentscheidung seit der Neufassung von § 1671 BGB, FamRZ 1999, 1101; Mutschler Können Richtlinien für die Abstammungsbegutachtung die Wahrheitsfindung im gerichtlichen Verfahren, insbesondere in Kindschaftssachen, erleichtern? FamRZ 1995, 841; ders Unerlaubte DNA-Gutachten als Einfallstor für die gerichtliche Vaterschaftsanfechtung? FamRZ 2003, 74; Orgis Neue Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten un die Konsequenzen für den Kindschaftsprozess, FamRZ 2002, 1157; Pillhofer Amtsermittlungsgrundsatz und Beweisaufnahme im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FamRZ 1982, 765; Reichelt Anwendung der DNA-Analyse (genetischer Fingerabdruck) im Vaterschaftsfeststellungsverfahren, FamRZ 1991, 1265; Richter Strengbeweis und Freibeweis im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1969, 261; Säcker Das rechtliche Gehör Verfahrensgeschäftsunfähiger in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1971, 161; Sauter Die Pflicht zur Duldung von Körperuntersuchungen nach § 372a ZPO, AcP 161, 215; Schmidthäuser Zeuge, Sachverständiger und Augenscheinsgehilfe, ZZP 72, 365; Weber Körperliche Untersuchung Dritter im Abstammungsprozess, NJW 1963, 574; Wellenhofer Die prozessuale Verwertbarkeit privater Abstammungsgutachten, FamRZ 2005, 665.

Übersicht Rdn A. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beweisverfahren I. Allgemeine Grundsätze des Beweisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweisantritt . . . . . . . . . . . 2. Beweisbeschluss . . . . . . . . . . 3. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . 4. Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . II. Niederschrift . . . . . . . . . . . . . C. Beweis durch Augenschein I. Augenscheinsbeweis . . . . . . . . . II. Gegenstand des Augenscheinsbeweises III. Verfahren bei der Augenscheinseinnahme . . . . . . . . . . . . . . . IV. Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . 2. Art der Untersuchung . . . . . . . 3. Duldungspflicht . . . . . . . . . . 4. Erzwingung der Untersuchung . . V. Technische Aufzeichnungen . . . . . D. Zeugenbeweis I. Zeugnisfähigkeit . . . . . . . . . . . II. Zeugnispflicht . . . . . . . . . . . .

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Rdn 1. Pflicht zum Erscheinen a) Grundsatz . . . . . . . . . . . b) Ladung . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen des Ausbleibens a) Zwangsmittel zur Erzwingung des Erscheinens . . . . . . . . b) Rechtsmittel . . . . . . . . . . c) Entscheidungen des Rechtspflegers . . . . . . . . . . . . . 3. Aussagepflicht . . . . . . . . . . . a) Schutz von Staats- und Verwaltungsgeheimnissen . . . b) Aussageverweigerungsrechte aa) Nahe Angehörige . . . . . bb) Auskunftsverweigerungsrecht der Selbst- und Angehörigenbelastung . . . cc) Offenbarung eines Kunstoder Gewerbegeheimnisses dd) Zeugnisverweigerungsrecht kraft besonderer beruflicher Vertrauensstellung . . . . . 4. Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung a) Verfahren . . . . . . . . . . . b) Rechtsmittel . . . . . . . . . .

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§ 15

Beweisverfahren Rdn 5. Beeidigung a) Eidespflicht . . . . . . . . . b) Anordnung der Beeidigung . . 6. Zwangsmittel zur Erzwingung der Aussage und der Eidesleistung . . E. Beweis durch Sachverständige I. Bedeutung und Auswahl . . . . . . II. Verfahren 1. Gesetzliche Grundlagen . . . . . 2. Gutachterpflicht . . . . . . . . . 3. Erzwingung der Gutachterpflicht a) Verfahren bei Weigerung . . . b) Zwangsmittel . . . . . . . . c) Rechtsmittel . . . . . . . . . 4. Ablehnung des Sachverständigen a) Ablehnungsgründe . . . . . . b) Ablehnungsgesuch . . . . . .

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Rdn c) Entscheidung . . . . . . . . . d) Rechtsmittel . . . . . . . . . 5. Form der Gutachtenerstattung . 6. Beeidigung des Sachverständigen 7. Gegen- oder Obergutachten . . . F. Die Entschädigung der Zeugen und die Vergütung von Sachverständigen . . . . G. Verfahren bei der Abnahme von Eiden I. Anwendungsbereich . . . . . . . . II. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . III. Art der Eidesleistung . . . . . . . . H. Urkundenbeweis . . . . . . . . . . . . I. Vernehmung Beteiligter . . . . . . . . . J. Selbständiges Beweisverfahren . . . . . K. Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . L. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht M. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

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A. Bedeutung Das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann es für notwendig oder doch zweck- 1 mäßig halten, sich zur Aufklärung des Sachverhalts der im Zivilprozess zulässigen Beweismittel zu bedienen, dieses insbesondere, wenn formlose Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ausreichend erscheinen oder das Mitwirkungsrecht der Beteiligten bei der Beschaffung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen den Erfolg nicht ausreichend gewährleisten würden (vgl § 12 Rn 50). Es liegt im Ermessen des Gerichts zwischen Freibeweis und Strengbeweis zu wählen,1 insbesondere bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels sowie der Verfahrensvoraussetzungen ist das Gericht an das förmliche Beweisverfahren nicht gebunden, sondern der Freibeweis möglich; 2 das förmliche Beweisverfahren verdient aber den Vorzug vor formlosen Ermittlungen, wenn es auf die Beweisbarkeit bestimmter Einzeltatsachen (zB über Errichtung und Inhalt eines nicht mehr vorhandenen Testaments oder bezüglich der Testierunfähigkeit des Erblassers) ankommt und wenn das Recht eines Beteiligten ansonsten nicht hinreichend gesichert ist.3 Die Rechte eines Beteiligten sind insbesondere in Verfahren mit Eingriffen in Grundrechte zu gewährleisten, wie zB im Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, aber auch in sonstigen Familien- bzw Vormundschaftssachen.4 Unter Umständen ist sogar die befristete Sorgerechtsentziehung zur Durchführung einer klinischen Begutachtung eines Kindes erforderlich.5 Auch in echten Streitsachen wird eine förmliche Beweisaufnahme idR geboten sein. Die Bedeutung des § 15 Abs 1 besteht darin, die Form der Erhebung der in ihm bezeichneten Beweise zu regeln, nämlich des Augenscheinsbeweises, des Zeugenbeweises und des Sachverständigenbeweises. Das geschieht in der Weise, dass 1

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BayObLG FamRZ 1994, 1430; 1986, 1043; Rpfleger 1988, 240; 1988, 67; 1987, 360; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1989, 771 mwN; OLG Karlsruhe JurBüro 2002, 583; Bärmann § 16 I 6; Habscheid § 21 II 1; zu den Grenzen des Freibeweises s Pawlowski/Smid § 7 I; Pillhofer FamRZ 1982, 765. BGH NJW 2000, 814; BGH NJW 1987, 2875 (für das ZPO-Verfahren).

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BayObLG FamRZ 2000, 1395; FamRZ 1997, 1306; NJW-RR 1996, 583; FamRZ 1992, 1323 = NJW-RR 1992, 653 = Rpfleger 1992, 190 m Anm Pohlmann in Rpfleger 1992, 484; FamRZ 1986, 1043; OLG Frankfurt FamRZ 1997, 1306; sa Richter Rpfleger 1969, 261. Bumiller/Winkler Rn 3; Keidel/Schmidt Rn 6. BayObLG FamRZ 1995, 501.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

die Vorschriften der ZPO über die Erhebung dieser Beweise für entsprechend anwendbar erklärt werden. Dadurch wird dem Gericht zugleich die Rechtsmacht verliehen, gegen Beweispersonen die in der ZPO zugelassenen Ordnungsmittel anzuwenden und Eide abzunehmen, eine Befugnis, die sich aus der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 12) allein nicht ergeben würde. Die entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO bedeutet, dass die Vorschriften so anzuwenden sind, als wenn sie integrierende Bestandteile des FGG wären; sie sind deshalb den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes anzupassen.6 Für das Beweisverfahren insbesondere bedeutet dies, dass Anpassungen vor allem insoweit geboten sind, als die anzuwendenden Vorschriften auf der Verhandlungsmaxime und dem Mündlichkeitsgrundsatz des Zivilprozesses beruhen. Wird im Verfahren der FG eine mündliche Verhandlung durchgeführt, so müssen die Beteiligten zum Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mündlich verhandeln; ob die Sache mit den Beteiligten zu erörtern ist, beurteilt sich unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs.7 Ferner werden ergänzend die Vorschriften über das Verfahren bei der Abnahme von Eiden (§§ 478 bis 484 ZPO) für entsprechend anwendbar erklärt. Schließlich enthält Abs 2 eine Einzelvorschrift über die Glaubhaftmachung tatsächlicher Behauptungen.

B. Beweisverfahren I. Allgemeine Grundsätze des Beweisverfahrens 2

Aus der Übereinstimmung der Ausdrucksweise in § 15 Abs 1 mit den in der ZPO im Zweiten Buch, 1. Abschnitt, zu den Titeln 6, 7, 8 und 11 verwendeten Überschriften ergibt sich, dass lediglich die Vorschriften dieser Titel entsprechend anwendbar sein sollen. Auf die allgemeinen Vorschriften über die Beweisaufnahme (§§ 355 bis 370 ZPO) wird nicht verwiesen; diese Vorschriften sind daher nicht allgemein anwendbar;8 vielmehr sind die allgemeinen Vorschriften des FGG grundsätzlich auch für diesen Bereich maßgebend.9 Das Beweisverfahren ist, der Vielgestaltigkeit der zu entscheidenden Angelegenheiten entsprechend, an gesetzliche Einzelregelungen nicht gebunden. Das Verfahren ist vom Richter so zu gestalten, dass der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12), der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 12 Rn 77, 115ff) und das Mitwirkungsrecht der Beteiligten bei der Gewinnung der Entscheidungsgrundlagen in gleicher Weise gewahrt bleiben. Das Gericht darf nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten, zu denen die Beteiligten vorher Stellung nehmen konnten.10 Hieraus ergeben sich im Einzelnen folgende Folgerungen: 1. Beweisantritt

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Die Vorschriften über den Beweisantritt (§§ 371, 373, 403, 420, 445 ZPO) sind nicht anwendbar; ihre Anwendbarkeit wird durch den Amtsermittlungsgrundsatz ausgeschlossen, unter dessen Geltung es keine subjektive Beweisführungslast und dem-

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Vgl Voraufl Vorbem vor § 19 Rn 22; Bärmann § 16 III; Bassenge/Herbst/Roth Rn 4; Keidel/Schmidt Rn 2. BayObLG FamRZ 1990, 1279 = Rpfleger 1990, 407. Schlegelberger Anm 2; Bassenge/Herbst/Roth Rn 3; Keidel/Schmidt Rn 2.

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BGH Rpfleger 1984, 418; Keidel/Schmidt Rn 8; Bärmann § 16 III. BVerfG FamRZ 1994, 493 = NJW 1994, 1053; BayObLG FamRZ 1997, 1288.

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Beweisverfahren

§ 15

gemäss keinen Beweisführer geben kann. Natürlich ist es den Beteiligten nicht verwehrt, das Gericht durch geeignete Vorschläge bei der Heranziehung von Beweismitteln zu unterstützen, und die Sachaufklärungspflicht kann es gebieten, solche Beweise, wenn sie erheblich sind, zu erheben. Der Tatrichter ist jedoch nicht an Beweisanträge gebunden,11 er hat auch nicht allen denkbaren Möglichkeiten von Amts wegen nachzugehen, sondern den Sachverhalt vollständig aufzuklären, dabei besteht keine Verpflichtung zu überflüssigen oder nur ergänzenden Beweiserhebungen.12 Benennen die Beteiligten Zeugen ohne hinreichende Bezeichnung der Tatsachen, die der Zeuge bekunden können soll (§ 373 ZPO), so ist das richterliche Fragerecht auszuüben. Unanwendbar sind auch §§ 282, 296 ZPO über die Zurückweisung von Beweismitteln, § 399 ZPO über den Verzicht auf Zeugen und § 379 ZPO über Abhängigmachung der Ladung von einer Vorschusszahlung.13 2. Beweisbeschluss Ein Beweisbeschluss (§§ 358, 358a, 359 ZPO) ist nicht erforderlich. Die Festhaltung 4 der Beweisfragen, die das Gericht für aufklärungsbedürftig hält, wird sich zwar häufig als notwendig oder wenigstens zweckmäßig erweisen, es ist aber nicht erforderlich, die Form eines Beweisbeschlusses dafür zu wählen, auch nicht in den echten Streitsachen oder als Grundlage für ein Rechtshilfeersuchen; es genügt, dass der Gegenstand der Vernehmung hinreichend deutlich bezeichnet wird. Immerhin ist es dem Gericht nach seinem Ermessen gestattet, einen Beweisbeschluss zu erlassen, wobei die Angabe des Beweisführers (§ 359 Nr 3 ZPO) entfallen muss und an die Stelle der streitigen Tatsachen (§ 359 Nr 1 ZPO) die vom Gericht für aufklärungsbedürftig gehaltenen treten. Ergeht eine Beweisanordnung, so ist ihre Wirksamkeit als prozessleitende Anordnung zwar nicht von einer Bekanntmachung (§ 16 Abs 1) abhängig, ihre nachrichtliche Mitteilung an die Beteiligten aber gleichwohl geboten, damit diese ihr Prozessverhalten danach einrichten können; erfordert die Beweisaufnahme, gleichgültig ob es sich um formlose Ermittlungen oder eine förmliche Beweiserhebung handelt, einen Termin, so sind die Beteiligten davon zu benachrichtigen. Denn selbstverständlich bedeutet die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes nicht, dass das Verfahren sich im Geheimen hinter den verschlossenen Türen der Amtsstuben abspielen dürfte. Für den Sachverständigenbeweis folgt eine Pflicht zur Bekanntgabe bereits aus dem Ablehnungsrecht der Beteiligten (§ 406 ZPO), für den Zeugen- und Sachverständigenbeweis ferner aus dem Fragerecht (§§ 397, 402, 411 Abs 3 ZPO); vgl nachst Rn 8. Eine Beweisanordnung ist nicht selbständig mit der Beschwerde anfechtbar,14 es sei denn sie greift in erheblichem Maße in die persönlichen Rechte Beteiligter ein, zB wenn es um die Mitwirkung oder Duldung von ärztlichen Untersuchungen geht.15 Ebenso nicht anfechtbar ist die Ablehnung von

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BayObLGZ 1979, 232; OLG Frankfurt FamRZ 1997, 1306. KG FamRZ 2000, 912. Bassenge/Herbst/Roth Rn 7. BayObLG FamRZ 1998, 436; FamRZ 1986 = NJW-RR 1987, 136; KG OLGR 12, 196; KG DFG 1943, 121; KG OLGZ 1966, 380; OLG Koblenz FamRZ 2000, 1233; OLG Hamm JMBlNRW 1956, 185; Rpfleger 1989, 61 = FamRZ 1989, 542; OLG Jena KGJ 21 D 3 =

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RJA 1, 177; OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1019; Schlegelberger § 19 Anm 8. BayObLG FamRZ 1998, 436; FamRZ 1986, 1236 = NJW-RR 1987, 136; KG FamRZ 1988, 1207; OLG Hamm Rpfleger 1989, 61 = FamRZ 1989, 542; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 442; aA OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1019 mit der Begründung, der Betroffene müsse sich einer Untersuchung grundsätzlich nur mit seiner Einwilligung unterziehen.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Beweisanträgen.16 Das Gericht kann die Beweisanordnung jederzeit ändern oder von der beschlossenen Beweiserhebung absehen; eine Verständigung der Beteiligten darüber ist in der Regel angebracht, ihr Unterbleiben aber nicht schon für sich allein ein Verfahrensfehler.17 Von präsenten Beweismitteln (vorgelegten Urkunden oder Augenscheinsobjekten, gestellten Zeugen) kann ohne weiteres Verfahren Gebrauch gemacht werden; den Beteiligten muss aber rechtliches Gehör gewährt werden. 3. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme

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Die Vorschrift des § 355 ZPO, nach welcher die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht erfolgt (Unmittelbarkeitsgrundsatz), gehört nicht zu den Bestimmungen, deren Anwendung durch § 15 Abs 1 vorgeschrieben wird (oben Rn 2).18 Das erklärt sich daraus, dass es dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit freisteht, auf Grund des § 12 formlose Ermittlungen im Wege des Freibeweises durchzuführen, bei welchen ihrer Natur nach die Wahrung der Unmittelbarkeit nicht in Betracht kommt. Wenn aber das Gericht sich entschließt, förmliche Beweiserhebungen nach § 15 durchzuführen, so gilt für sie auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme.19 Mit Recht wird darauf hingewiesen, dass es wenig sinnvoll wäre, wenn § 15 Abs 1 S 1 die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften zu diesem Grundsatz anordnet (§§ 372 Abs 2, 375, 402, 405, 479 ZPO), ohne dass der Grundsatz selbst anwendbar ist.20 Die Beweisaufnahme darf daher auch im FG-Verfahren nicht dem Vorsitzenden und dem Berichterstatter übertragen werden,21 nur in den gesetzlich bestimmten Fällen darf sie einem Mitglied des Kollegiums als beauftragtem Richter oder einem anderen Gericht als ersuchtem Richter übertragen werden. Die Übertragung ist bei der Augenscheinseinnahme unbeschränkt zulässig (§ 372 Abs 2 ZPO), beim Zeugen- oder Sachverständigenbeweis gem §§ 375, 402 ZPO, wenn die Vernehmung nicht an der Gerichtsstelle stattfindet, weil einer der Gründe des § 375 Nrn 1 bis 3 dies rechtfertigt oder wenn § 375 Abs 1a zutrifft, dh wenn dies zur Vereinfachung der Verhandlung zweckmäßig erscheint und wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Kollegium das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß würdigen kann. Die Durchführung ist demnach verfahrensfehlerhaft, wenn von vornherein mit widersprechenden Zeugenaussagen zu rechnen ist.22 In der FG entscheiden überwiegend der Richter am AG oder der Rechtspfleger. Die Zuständigkeit des LG oder des OLG in erster Instanz ist nicht die Regel, allerdings auch nicht ausgeschlossen, so zB im Verfahren bei der Streitfrage nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat einer AG zusammenzusetzen ist, hierüber entscheidet auf Antrag ausschließlich das LG (Zivilkammer) gem §§ 98, 99 Abs 3 AktG. Gleiches gilt bei Verfahren betreffend das Auskunftsrecht (§ 132 Abs 3 iVm § 99 Abs 3 AktG) sowie die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer (§ 260 Abs 3 iVm § 99 Abs 3 AktG). Im gerichtlichen Verfahren über die Bestimmung von Abfindungen bzw Ausgleichsforderun-

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OLG Schleswig SchlHA 1966, 152 = RzW 1966, 313; aM Josef ZZP 32, 307. Vgl BVerwG NJW 1965, 413. BayObLGZ 1982, 384; BayObLG NJW-RR 1996, 583; OLG Karlsruhe FGPrax 1998, 77; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1989, 771; OLG Düsseldorf NJW 1967, 454; Habscheid § 19 III 2 Abs 3; Bärmann § 14 II 1c, § 16 III; Baur § 20 I. BayObLG FGPrax 1997, 220; NJW-RR 1996,

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583; ZMR 1993, 530 = Rpfleger 1994, 335; FamRZ 1988, 422; Rpfleger 1987, 360; BayObLGZ 1982, 384; OLG Karlsruhe FGPrax 1998, 77; OLG Köln FamRZ 1992, 200; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1989, 771. Bärmann § 16 III. OLG Düsseldorf NJW 1967, 454. OLG Köln NJW-RR 1998, 1143.

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Beweisverfahren

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gen nach dem gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren entscheidet entweder die Zivilkammer oder aber die Kammer für Handelssachen (§ 2 Abs 1, 2 SpruchG).23 Das OLG ist zuständig in Anwaltssachen (§ 40 BRAO) oder Notarsachen (§ 111 Abs 4 BNotO). Die Einrichtung des Einzelrichters für erstinstanzliche Verfahren vor dem LG ist in der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbekannt,24 daran hat sich auch durch die Einführung des originären Einzelrichters durch das ZPO-RG nichts geändert. Förmliche Beweisaufnahmen durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen müssen daher, wenn die Voraussetzungen des § 375 Nrn 1 bis 3 ZPO nicht vorliegen, beim Landgericht als Gericht des ersten Rechtszuges vor der Kammer erfolgen;25 in Handelssachen durch die Kammer für Handelssachen in voller Besetzung;26 das gilt auch für das Beschwerdeverfahren,27 es sei denn, für das Beschwerdeverfahren vor der Zivilkammer des LG gilt die abweichende Regelung des § 30 Abs 1 S 3 (s dort Rn 9); wonach im Beschwerdeverfahren vor der Zivilkammer des LG die Kammer die Sache durch Beschluss einem Mitglied der Kammer als Einzelrichter (nicht beauftragtem Richter) übertragen kann. Mit der freieren Gestaltung des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann eine abweichende Übung nicht gerechtfertigt werden, da insoweit gemäß § 15 FGG, § 375 ZPO eine Bindung vorliegt und der Untersuchungsgrundsatz kein Hindernis ist, diese Vorschriften anzuwenden. Im Landwirtschaftsverfahren ist die Übertragung von Beweisaufnahmen auf ein Mitglied des Gerichts nach Maßgabe des § 16 LwVG zugelassen. De lege ferenda mag eine Lockerung nach dem Vorbild des § 96 Abs 2 VwGO angebracht sein, aber immer eingeschränkt durch den Fürsorgegedanken der vorsorgenden Rechtspflege in Verfahren der FG. Es reicht nicht aus, dass die Vernehmung vor dem beauftragten Richter „geeignet ist“;28 genauso wenig reicht es aus, dass einem an der Zeugenvernehmung nicht beteiligten Richter durch den Rest des Kollegiums im Protokoll nicht festgehaltene persönliche Eindrücke zuverlässig vermittelt werden.29 Das Ergebnis ist in eine Niederschrift aufzunehmen, um den Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.30 Besonderheiten bestehen, wenn bei der Würdigung der Aussagen nicht nur die Glaubhaftigkeit einer Sachdarstellung, sondern auch die sich auf die Persönlichkeit des Zeugen beziehende Glaubwürdigkeit von Bedeutung ist; in diesem Fall muss das erkennende Gericht in seiner Spruchbesetzung einen persönlichen Eindruck gewonnen haben oder aber auf eine aktenkundige und der Stellungnahme durch die Beteiligten zugängliche Beurteilung zurückgreifen können.31 Hat das AG eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt, so kann die Beschwerdekammer deren Ergebnis nicht aus Gründen der Glaubwürdigkeit abweichend beurteilen, ohne die Zeugen erneut zu vernehmen.32 Soweit § 375 ZPO die Übertragung der Beweisaufnahme auf einen beauftragten oder 6 ersuchten Richter an sich zulässt, ist die Abstandnahme von unmittelbarer Beweiserhe-

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In Handelssachen vor der Kammer für Handelssachen entscheidet uU der Vorsitzende gem § 2 Abs 3 SpruchG, § 349 Abs 2 ZPO ist jedoch nicht anzuwenden – s hierzu Keidel/Schmidt § 1 Rn 118. BayObLG ZMR 1993, 530 = Rpfleger 1994, 335; so auch Barnstedt/Steffen § 16 Rn 1. Keidel/Schmidt Rn 10; s auch Bosch, Grundsatzfragen des Beweisrechts, 1963, S 119; Habscheid § 19 III 2. OLG Naumburg FGPrax 2000, 71. BayObLG FamRZ 1988, 422; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1989, 771.

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Keidel/Schmidt Rn 11. So aber OLG Köln FamRZ 1996, 310; FamRZ 1992, 200. BayObLG MDR 1984, 324. BayObLG NJW-RR 1995, 653; BayObLGZ 1982, 384; 1964, 433 = FamRZ 1965, 165; OLG Karsruhe FGPrax 1998, 77; für den Zivilprozess BGH NJW 1997, 1586 = MDR 1997, 592. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1989, 771.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

bung vor dem vollbesetzten beschließenden Gericht in das vom Rechtsbeschwerdegericht nicht nachprüfbare Ermessen des Tatsachengerichts gestellt,33 im Rahmen der weiteren Beschwerde kann diese Ermessensausübung nur auf Rechtsfehler überprüft werden.34 Eine Übertragung darf nur nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften durch Beschluss erfolgen.35 Allerdings darf der Spruchkörper einen persönlichen Eindruck, den der beauftragte Richter bei der Anhörung gewinnt, der Entscheidung nicht als eigenen zugrundelegen; das Protokoll muss nicht nur die Zeugenaussage vollständig und im Zusammenhang enthalten, sondern auch den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Zeugen daraus ersichtlich sein,36 notfalls muss die Sachaufklärung vor dem gesamten Kollegium (auch Beschwerdegericht) wiederholt werden.37 Auf die Unmittelbarkeit können die Beteiligten im Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend § 295 ZPO verzichten.38 Eine Heilung des Mangels kann entsprechend § 295 ZPO durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht gegenüber dem Gericht oder durch Zurücknahme einer bereits erhobenen Rüge eintreten,39 im Antragsverfahren, nicht auch im Amtsverfahren,40 auch durch Rügeverlust infolge rügeloser Einlassung.41 Soll die Beweisaufnahme im Ausland erfolgen, so hat der Vorsitzende die zuständige Behörde um Aufnahme des Beweises zu ersuchen; kann die Beweisaufnahme durch einen deutschen Konsulatsbeamten erfolgen, ist das Ersuchen an diesen zu richten, § 363 ZPO.42 Die Beweisaufnahme stellt eine hoheitliche Tätigkeit dar und darf nur mit Zustimmung des betroffenen Staates erfolgen. Völkerrechtliche Verträge regeln den Rechtshilfeverkehr.43 Gemäß § 363 Abs 3 ZPO bleiben die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl EG Nr L 174 S 1) unberührt. Für die Durchführung gelten die §§ 1072 und 1073 ZPO.44 Formlose Ermittlungen, auch Anhörung von Beteiligten und Auskunftspersonen, 7 kann der Berichterstatter anordnen und durchführen.45 Soweit daher Zeugen an der Gerichtsstelle nur von einem Mitglied des Kollegiums als beauftragten Richter gehört werden, ist zu prüfen, ob die darin liegende Abstandnahme von förmlicher Beweisaufnahme mit der Aufklärungspflicht vereinbar und im Rahmen des Freibeweises verwertbar ist.46

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RGZ 149, 287; 159, 241 für die Revision. BayObLG FamRZ 1998, 515; vgl § 27 Rn 27ff, 90ff. BayObLG ZMR 1993, 530 = Rpfleger 1994, 335; Zöller/Greger § 375 Rn 6. BayObLG Rpfleger 1983, 9. OLG Köln NJW-RR 1998, 293. BayObLG Rpfleger 1987, 360; sa BGH NJW 1996, 2734. BGH NJW 1979, 2518. Siehe hierzu BayObLG FamRZ 1988, 422. OLG Neustadt FamRZ 1964, 475; zum Zivilprozess vgl BGHZ 40, 179 = RamRZ 1964, 39. Zu den grundsätzlichen Bedenken in Bezug auf die Einschränkung der Beweisunmittelbarkeit, Parteiöffentlichkeit und zu verfas-

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sungsrechtlichen Problemen s Zöller/Geimer § 363 Rn 3 ff. Haager Zivilprozessübereinkommen (HZPÜ) v 1.3.1954; Haager Übereinkommen v 18.3. 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen (HBÜ). Eingefügt durch das G zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz) v 4.11.2003 (BGBl S 2166) mit Wirkung v 1.1.2004. KG FamRZ 1959, 509, 511 = NJW 1960, 486; BayObLG FamRZ 1965, 152. BayObLG FamRZ 1992, 355; Keidel/Schmidt Rn 11 mwN.

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4. Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme Die Frage, ob die Beteiligten ein Recht darauf haben, zu der Beweisaufnahme hinzu- 8 gezogen zu werden und Fragen zu stellen, und demgemäß zu den Beweisterminen geladen werden müssen, wurde früher mit der Erwägung verneint, dass § 357 ZPO nach § 15 FGG nicht anwendbar sei und die Zubilligung eines Fragerechts an die Beteiligten (§ 397 ZPO) dem Amtsermittlungsgrundsatz widerspreche.47 Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes ist jedoch weder in der ZPO (§§ 616, 640, 643) noch in anderen Verfahrensordnungen (§ 97 VwGO, § 116 SGG, § 240 Abs 2 StPO) ein Hindernis, den Beteiligten das Recht zur Teilnahme an der Beweisaufnahme und das Fragerecht einzuräumen. Außerdem ist diese Auffassung mit der geläuterten Erkenntnis unvereinbar, dass die Beteiligten auch in Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz, wenn auch nicht die Pflicht, so doch das Recht haben, an der Gewinnung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen mitzuwirken; in diesem Mitwirkungsrecht kommt die prozessuale Rechtsstellung der Beteiligten als Prozesssubjekte zum Ausdruck.48 Das positive Recht steht dieser Annahme nicht entgegen; denn nach § 15 FGG ist die Vorschrift des § 397 ZPO über das Fragerecht der Beteiligten entsprechend anzuwenden. Die Ausübung dieses Rechts setzt aber die Anwesenheit der Beteiligten voraus. Mit dem Hinweis auf die nur „entsprechende“ Anwendung der Vorschriften der ZPO kann der Ausschluss des Fragerechts der Beteiligten nicht gerechtfertigt werden. Weder der Amtsermittlungsgrundsatz noch sonstige Eigenheiten des FG-Verfahrens gebieten es, die Beteiligten von der Beweisaufnahme fernzuhalten, soweit in ihrer Person nicht besondere Gründe (Minderjährigkeit, psychische Erkrankung) dafür vorliegen. Regelmäßig werden Anwesenheit und Vorhaltungen der Beteiligten an Zeugen und Sachverständige der Wahrheitsfindung nur dienlich sein. Die Führung der Ermittlungen bleibt auch dann in der Hand des Gerichts, wenn die Beteiligten in der durch § 397 ZPO gebotenen Weise zur Aufklärung des Sachverhalts hinzugezogen werden. Dadurch wird zugleich das rechtliche Gehör49 unmittelbar und in vollkommener Weise gewährleistet. Das rechtliche Gehör ist unabhängig davon, ob der Tatbestand im Amtsverfahren von Amts wegen oder im Antragsverfahren durch Vorbringen der Beteiligten zu klären ist, zu gewähren.50 Ist ein Verfahrenspfleger51 bestellt, so hat das Gericht diesen an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen, dh insbesondere Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und zu Terminen zu laden, da er – zB anstelle der Eltern – subjektiver Interessenvertreter des Kindes ist.52 Wird ein Verfahrenspfleger erst am Tag vor der Anhörung geladen und wendet dieser im Hinblick auf die Kurzfristigkeit Verhinderung ein und wird darauf nicht Rücksicht genommen, stellt dieses grundsätzlich eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs dar.53 Ein Unterschied zwischen echten Streitsachen und anderen Verfahren ist hierbei nicht zu machen, da die angeführten Gründe unabhängig von der Art des Verfahrensgegenstandes Geltung beanspruchen können. Demnach entspricht es nunmehr der herrschenden Meinung, dass die Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu wahren ist.54 Im Landwirt-

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KGJ 26 A 175 = RJA 4, 1; RGZ 63, 275 = RJA 7, 76; ebenso noch Schlegelberger § 15 Anm 5, 19; Baur § 16 IV, § 20 I. Jansen Wandlungen S 18 ff; Kuchinke JuS 1967, 295 zu I 3. Auch im FG-Verfahren zu gewähren: BVerfGE 19, 49. BVerfGE 9, 94 vgl auch BVerfGE 7, 275. Zur Stellung des Verfahrenspflegers s insbe-

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sondere BVerfG FamRZ 1999, 85; FamRZ 2000, 1280 m Anm Bienwald. KG FamRZ 2000, 1300; so auch OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293 m Anm Dormann u Spangenberg. OLG Naumburg FamRZ 2002, 986. KG FamRZ 1968, 605; NJW 1962, 2114 = FamRZ 1962, 537; KG FamRZ 1965, 159; OLG Köln OLGZ 1965, 134; BayObLG

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schaftsverfahren ist die Geltung des Grundsatzes dadurch gesichert, dass § 15 Abs 4 LwVG die sinngemäße Anwendung der §§ 357, 367 Abs 1, 397, 402 ZPO vorschreibt. Das Interesse an der Wahrheitsfindung kann es rechtfertigen, die Beteiligten von einzelnen Erhebungen auszuschließen, zB bei der Anhörung von Kindern im Verfahren gem § 1666 BGB; dann ist den Beteiligten durch Mitteilung des Ergebnisses der Anhörung rechtliches Gehör zu gewähren. Eine Verletzung der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme hindert die Verwertung 9 der erhobenen Beweise, die vielmehr wiederholt werden müssen, und begründet die Rechtsbeschwerde, wenn die Möglichkeit, dass die Entscheidung darauf beruht, sich nicht ausschließen lässt.55 Es darf jedoch nicht angenommen werden, dass der Zeuge in Anwesenheit des Beteiligten ebenso ausgesagt hätte. Der Verfahrensmangel kann durch Rügeverzicht oder, außer im Amtsverfahren, durch rügelose Einlassung geheilt werden.56 Das Anwesenheitsrecht ist verfassungsrechtlich durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht gewährleistet,57 weil Art 103 Abs 1 GG den Beteiligten keinen Anspruch darauf gewährt, dass die Beweise nach bestimmten Verfahrensregeln erhoben werden müssten.58 Es beruht also auf einfachem Verfahrensrecht. Die Parteiöffentlichkeit setzt voraus, dass das Gericht überhaupt zu einer förmlichen 10 Beweisaufnahme schreitet.59 Entschließt es sich zulässigerweise zu formlosen Ermittlungen (§ 12 Rn 50, 51), etwa indem es einen Zeugen oder Sachverständigen schriftlich hört, so entfällt damit auch die Parteiöffentlichkeit und es bleibt nur das rechtliche Gehör zu wahren.60 Diese Lage kann auch bei mündlichen formlosen Anhörungen an Gerichtsstelle eintreten; aber natürlich entspricht es nicht einem rechtsstaatlichen Verfahren, wenn geladene Zeugen nicht förmlich vernommen, sondern nur formlos mündlich gehört werden, um die Beteiligten nicht zu dem Beweistermin laden zu müssen.

II. Niederschrift 11

Vorschriften darüber, in welcher Form das Ergebnis einer Beweisaufnahme festzuhalten ist, bestehen nicht; die zwingenden Vorschriften der ZPO über die Protokollaufnahme gelten nicht.61 Nur im Landwirtschaftsverfahren (LwVG § 15 Abs 6) sind die Vorschriften über das Protokoll (§§ 159 bis 164 ZPO) für sinngemäß anwendbar erklärt worden. Die Zuziehung eines Urkundsbeamten steht im Ermessen des Gerichts (PrFGG Art 2 Abs 2, HessFGG Art 9, NdsFGG Art 2, BWFGG § 6).62 Die Aussagen müssen je-

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NJW-RR 1996, 583; BayObLGZ 1967, 137, 147; Habscheid Rpfleger 1957, 171; Jansen Wandlungen, S 34 ff; Habscheid § 19 IV 2; Bärmann § 17 IV 3; Pikart-Henn S 85; Keidel/Schmidt Rn 13. BayObLGZ 1977, 59; KG FamRZ 1968, 605; zum Zivilprozess RGZ 100, 174; 136, 299; RG JW 1938, 3255 = HRR 1938 Nr 1641 = Warn 1939, 12 = SeuffA 93, 23. Oben Rn 6; Hamm OLGZ 1968, 334. BayVerfGH 15, 5 = NJW 1962, 531; KG NJW 1962, 2114; dahingestellt gelassen in BayObLGZ 1967, 137, 146; aM Köln OLGZ 1965, 134; die gegenteilige Auffassung in Wandlungen usw 1964 S 37 ist aufgegeben.

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BVerfGE 1, 418, 429 = NJW 1953, 177. Pawlowski/Smid Rn 205, 209; Pikart-Henn S 88; Keidel/Schmidt Rn 8 mwN. KG FamRZ 1959, 509 = NJW 1960, 486; BayObLGZ 1960, 216 = NJW 1960, 2287; 1963, 235, 240; OLG Köln OLGZ 1965, 134. BayObLG FamRZ 1994, 913; JurBüro 1989, 243; KG NJW-RR 1989, 842; OLG Celle NJW 1965, 921; OLG Hamm OLGZ 1968, 349 = FamRZ 1968, 602. Das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz – JuMoG) v 24.8.2004 (BGBl S 2198) hat für den Zivilprozess eine Änderung dergestalt

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doch, um verwertbar zu sein, aktenkundig gemacht werden, sei es durch Aufnahme in eine Niederschrift, durch Aktenvermerk63 oder durch Wiedergabe in den Gründen der Entscheidung;64 denn nur dann kann das Rechtsbeschwerdegericht die Beweiswürdigung auf Rechtsfehler überprüfen.65 Das Protokoll muss in groben Zügen den Verlauf und das wesentliche Ergebnis der Anhörung erkennen lassen.66 Wird das Ergebnis lediglich in den Gründen der Entscheidung wiedergegeben, darf kein Richterwechsel eingetreten sein.67 Wird die Vernehmung in unterschiedlicher Besetzung vorgenommen und hält das Gericht die eine Aussage im Hinblick auf die andere Aussage nicht für glaubhaft, ohne sich noch einmal mit der auch nicht einmal in einem Protokollvermerk behandelten Glaubwürdigkeit des Anderen auseinanderzusetzen, dann liegt ein Verstoß gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vor.68 Das gilt grundsätzlich auch für die Niederlegung des Ergebnisses einer Augenscheinseinnahme;69 wenn aber die Augenscheinseinnahme nach § 372 Abs 2 ZPO einem Mitglied des Gerichts oder einem anderen Gericht übertragen ist, ist das Ergebnis des Augenscheins unter Beachtung der §§ 160 Abs 2 Nr 4, 162 ZPO in eine Niederschrift aufzunehmen, und in jedem Falle ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, zu den Feststellungen des Gerichts Stellung zunehmen.70 Über Eidesabnahmen ist stets eine Niederschrift zu fertigen. Die entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO (§§ 160, 160a) über die Protokollierung auch in Kurzschrift oder mittels Tonband ist zulässig.71 Vgl im Übrigen Vorbem vor §§ 8 bis 18 Rn 31.

C. Beweis durch Augenschein I. Der Augenscheinsbeweis Augenschein ist nach allgemeiner Meinung72 jede eigene sinnliche Wahrnehmung des 12 Gerichts über körperliche Eigenschaften oder Zustände von Personen und Sachen; hierbei nur vom Gesichtssinn auszugehen wäre zu eng, es gehören auch andere Sinne dazu, wie Gehör-, Geschmacks-, Geruchs- und Tastsinn. Dieser war im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Grund des § 12 von jeher als Beweismittel zugelassen,73 obwohl dieses Beweismittel erst durch das REinhG74 in § 15 Abs 1 S 1 FGG eingefügt worden ist. Hierdurch wird klargestellt, dass auch insoweit die Vorschriften der ZPO (§§ 371 bis 372a) entsprechend gelten. Durch das FormAnpG75 wurde § 371 Abs 1 S 2 ZPO eingefügt, wonach der Beweis durch Vorlegung oder Übermittlung einer Datei erfolgt, wenn ein elektronisches Dokument Gegenstand des Beweises ist. Der Gesetzgeber hat hiermit eine zweckmäßige Ergänzung im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs vorgenommen und klargestellt, dass elektronische Doku-

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gebracht, dass die Hinzuziehung eines UdG fakultativ erfolgen soll, § 159 Abs 1 S 2 ZPO geänd d Art 1 Nr 5. OLG Stuttgart FamRZ 1976, 34. BayObLGZ 1951, 640; BayObLG FamRZ 1982, 634; 1984, 197; OLG Stuttgart FamRZ 1976, 34. BayObLG FamRZ 1980, 1150; 1982, 634, 1984, 197; 1994, 913. BayObLG FamRZ 1994, 913. BayObLGZ 1951, 645. BGH NJW-RR 1997, 506.

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OLG Celle NJW 1965, 921. BGH MDR 1953, 669 zu §§ 12, 17 LVO; BayObLG MDR 1984, 324. BGH NJW 1954, 1886. Siehe MünchKommZPO/Damrau § 371 Rn 1; Musielak/Huber § 371 Rn 3; Reichold in Thomas/Putzo Vorbem § 371 Rn 1; Zöller/Greger § 371 Rn 1; Jauernig ZPR § 52 I. KG RJA 1, 145. Vom 12.9.1950 (BGBl 455) Art 5 Nr 1. Durch Art 2 Nr 6 FormAnpG v 13.7.2001 (BGBl S 1542) in Kraft seit 1.8.2001.

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mente nicht den Regeln des Urkundenbeweises sondern denen des Augenscheinsbeweises unterliegen.76 Dem folgend wurde in § 371a ZPO die Beweiswirkung privater elektronischer Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, geregelt.77 Diese begründen vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen vom Signaturschlüssel-Inhaber abgegeben worden sind, womit für den Empfänger durch gesetzliche Regelung die Beweisführung erleichtert wird. Außerdem wird durch die Vorschrift der Beweiswert öffentlicher elektronischer Dokumente demjenigen von öffentlichen Urkunden gleichgestellt, womit zugleich die gesetzgeberische Leitentscheidung, dass elektronische Dokumente dem Beweis des Augenscheins unterfallen, bekräftigt werden sollte.78 Im FG-Verfahren wird der Augenscheinsbeweis stets von Amts wegen angeordnet, ohne dass es eines Beweisantritts bedarf (oben Rn 3). Deshalb kann auch der durch das ZPO-RG eingefügte § 371 Abs 2 ZPO über den Antritt des Augenscheinsbeweises, wenn sich das Objekt im Besitz eines Dritten befindet, nicht gelten. Die gem § 371 Abs 2 S 2 ZPO für entsprechend anwendbar erklärten §§ 422 bis 432 ZPO über den Urkundenbeweis gelten im FG-Verfahren nicht, da sie in § 15 nicht für entsprechend anwendbar erklärt sind (s hierzu Rn 77, 78). Lediglich der neueingefügte Abs 3 von § 371 findet auch im FG-Verfahren Anwendung, denn er enthält zwar keine Beweisregel79 für den Fall, dass eine Partei den gerichtlichen Augenschein vereitelt; jedoch kann dieses Verhalten bei der Beweiswürdigung zu ihren Lasten gewertet werden und dieser allgemeine Rechtsgedanke ist auch auf das Amtsverfahren des FG übertragbar.

II. Gegenstand des Augenscheinsbeweises 13

Sachen im Besitze Beteiligter oder Dritter sowie Personen, mögen sie Beteiligte oder Dritte sein, können Gegenstand des Augenscheinsbeweises sein. Die Zeugnispflicht begründet keine Verpflichtung zur Duldung der Augenscheinseinnahme. Ein verfahrensrechtlicher Zwang zu ihrer Duldung kann auch im Verfahren mit Amtsprüfung nicht ohne gesetzliche Ermächtigung ausgeübt werden. FGG § 12 gestattet zwar dem Gericht, sich zur Aufklärung des Sachverhalts jedes ihm zu Gebote stehenden Mittels zu bedienen, ermächtigt es aber nicht zur Anwendung jedes beliebigen Zwanges, vgl § 12 Rn 89ff. Verweigert ein Beteiligter die Einnahme des Augenscheins ohne triftigen Grund, so kann das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung Schlüsse daraus ziehen. Im Antragsverfahren wird der Beteiligte, der die Feststellungslast (§ 12 Rn 13) trägt, für die Bereitstellung des Augenscheinsobjektes Sorge tragen; soweit ihm ein privatrechtlicher Anspruch auf Herausgabe oder Vorlegung gegen einen Dritten zusteht (§§ 454 Abs 2, 809 BGB), kann ihm zur Durchsetzung dieses Anspruchs eine Frist gesetzt werden. Niemand kann gegen seinen Willen genötigt werden, seinen Körper zur Besichtigung, auch nicht durch Ärzte bereitzustellen.80 Dieser allgemein anerkannte Grundsatz wird in der freiwilligen Gerichtsbarkeit mitunter verkannt.81 Ausnahmen bedürfen besonderer gesetzlicher Ermächtigung, wie in § 372a ZPO. 76 77

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MünchKommZPO/Damrau – Aktualisierungsbd § 371 Rn 2. Eingefügt durch Art 1 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) v 22.3.2005 (BGBl S 837). So die Gesetzesbegründung BTDrs 15/4067 S 34.

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MünchKommZPO/Damrau – Aktualisierungsbd § 371 Rn 30. RGZ 63, 410; RG Gruchot 62, 651; KGJ 51, 13; BGH NJW 1952, 1215; OLG Hamm FamRZ 1981, 706; OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 581. BayObLGZ 1966, 367; dagegen mit Recht Bloedhorn NJW 1967, 1284 Anm zu BayObLG in NJW 1967, 685.

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III. Verfahren bei Augenscheinseinnahme Für das Verfahren bei der Augenscheinseinnahme gilt § 372 ZPO. Danach kann das 14 Gericht die Zuziehung eines oder mehrerer Sachverständiger anordnen, nämlich zur Unterstützung des Gerichts, wenn die Wahrnehmung des Wesentlichen Sachkunde erfordert, oder damit der Sachverständige sich Unterlagen für ein Gutachten beschaffen kann. Die Augenscheinseinnahme kann nach § 372 Abs 2 ZPO nach dem Ermessen des Gerichts einem beauftragten oder ersuchten Gericht übertragen werden, zB wenn die Besichtigung nicht an Gerichtsstelle stattfinden kann. Selbstverständlich haben die Beteiligten das Recht, der Augenscheinseinnahme beizuwohnen (oben Rn 8). Das Ergebnis – nicht die beweismäßige Würdigung – des Augenscheins ist in geeigneter Weise festzuhalten.

IV. Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung 1. Voraussetzungen Ist es zur Feststellung der Abstammung nach §§ 1600c, 1600d BGB oder in anderen 15 Fällen erforderlich, so hat nach § 15 FGG, § 372a ZPO jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben zum Zwecke der Blutgruppenuntersuchung zu dulden, soweit die Untersuchung nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht und dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung, nach den Folgen ihres Ergebnisses für ihn oder einen der in § 383 Abs 1 Nr 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen und ohne Nachteil für seine Gesundheit zugemutet werden kann. Die Feststellung der Abstammung kann in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erforderlich werden im Verfahren vor dem FamG nach § 1600e Abs 2 BGB mit § 55b FGG (vgl dazu § 55b Rn 2) sowie § 56c FGG (dazu § 56c Rn 2, 3), aber auch als Vorfrage in jedem anderen Verfahren, zB über die Anfechtung eines Testaments, in welchem der Erblasser eine vermeintlich von ihm erzeugte Person bedacht hat. Die Vorschrift begründet eine Pflicht zur Duldung der Augenscheinseinnahme und erlaubt erzwingbare Eingriffe in das durch Art 2 GG geschützte Recht auf körperliche Integrität; ihre Verfassungsmäßigkeit wird bejaht.82 Bei der Norm handelt es sich jedoch um eine spezielle Ausnahmevorschrift, der eine allgemeine Verpflichtung, gerichtliche Anordnungen vergleichbarer Art – zB die zwangsweise Beobachtung und Begutachtung des Umgangs mit einem Kind durch einen Sachverständigen – hinzunehmen, nicht entnommen werden kann.83 2. Art der Untersuchungen Das Gericht kann nach seinem Ermessen Untersuchungen jeder Art anordnen, soweit 16 sie nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts versprechen; die Entnahme von Blutproben wird nur als Beispiel genannt. Danach kommen in Betracht:84 Die Blutgruppenuntersuchung kann bei fehlerfreier Durchführung zum sicheren Ausschluss der Vaterschaft führen, sie kann nicht hinter beeideten

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BVerfGE 5, 13 = NJW 1956, 986. BVerfG v 20.5.2003 – 1 BvR 2222/01 – BeckRS 2003, 22331 = FamRZ 2004, 523.

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BGHZ 61, 170; s hierzu ausführlich MünchKommZPO/Damrau § 372a Rn 7 bis 12.

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Zeugenaussagen zurückbleiben.85 Die serostatische Zusatzberechnung (Essen-MöllerVerfahren) ermöglicht eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft,86 die ab 99,8 % praktisch erwiesen ist87 und Vorrang vor dem erbbiologischen Gutachten hat.88 Das erbbiologisch-anthropologische Gutachten beruht auf dem Vergleich erbbedingter Körpermerkmale und ist geeignet zur Feststellung oder zum Ausschluss der Vaterschaft,89 teilweise auch zusammen mit Blutgruppengutachten.90 Die DNA-Analyse91 ist geeignet, die serologischen Befunde zu ergänzen,92 es wird auch der Vorrang dieser Methode vertreten.93 Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer und dem Robert-KochInstitut soll die ausschließliche DNA-Analyse ohne klassische Systemuntersuchung verwendbar sein.94 Besonders kritisch gesehen wird die Möglichkeit, eine DNA-Untersuchung auch ohne Blutentnahme durchzuführen; untersucht werden dabei geringe Mengen DNA-haltiger Körpersubstanzen (Haare, Hautreste, Schweiß, Speichel usw).95 Dies ermöglicht die heimliche Einholung einer DNA-Analyse, die jedoch die Persönlichkeitsrechte (Art 1 und 2 GG) der Opfer (zB des Kindes und der Mutter) auf informelle Selbstbestimmung verletzt.96 Heimlich veranlasste DNA-Vaterschaftsanalysen sind rechtswidrig und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar.97 Das Tragezeitgutachten grenzt den Zeugungszeitpunkt ein und kann zusammen mit zuvor genannten Methoden zum Erfolg des Nachweises führen, während die Feststellung der Zeugungsunfähigkeit98 dieses entkräften kann. 3. Duldungspflicht

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Der Duldungspflicht unterliegen Beteiligte und Zeugen, aber auch am Verfahren Unbeteiligte,99 auch die Eltern des verstorbenen Mannes.100 Duldungspflicht bedeutet nicht nur passives Erdulden, sondern auch ein Mindestmaß an Aktivität (zB sich in eine Klinik zu begeben).101 Das Weigerungsrecht ist in § 372a Abs 1 ZPO selbständig geregelt. § 384

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BGH NJW 1964, 1179; NJW 1991, 749; über den Beweiswert von Blutgruppengutachten, insbesondere der verschiedenen Blutgruppenmerkmale vgl BGHZ 2, 6; 12, 22; 21, 337 m Anm Webler in NJW 1957, 383. BGH NJW 1991, 2961; KG FamRZ 1975, 285. BGHZ 61, 165. BGH NJW 1951, 558; OLG Schleswig NJW 1968, 1188; OLG Stuttgart NJW 1974, 1432. BGHZ 7, 120; 45, 234; BGH NJW 1964, 1179; zu deren Beweiswert BGH JZ 1951, 643; BGHZ 7, 116; BGH NJW 1954, 83 und grundlegend BGH LM § 286 (B) ZPO Nr 14 = FamRZ1961, 306, OLG Hamm NJW 1962, 679; OLG Köln NJW 1966, 405. BGH NJW 1987, 2296; BGHZ 2, 13; 7, 120. Kritisch zum Begriff des „genetischen Fingerabdrucks“ Mutschler FPR 2005, 185. BGH NJW 1991, 749; s hierzu Reichelt FamRZ 1991, 126. MünchKommZPO/Damrau § 372a Rn 7. Richtlinien sind abgedruckt in FamRZ 2002,

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1159, dazu Orgis FamRZ 2002, 1157 ff; krit Stellungnahme Martin/Muche/Zang FamRZ 2003, 76; ergänzende Leitlinien sind abgedruckt in FamRZ 2003, 81 ff. Siehe auch Mutschler FamRZ 2003, 74 ff; Wellenhofer FamRZ 2005, 665. BVerfGE 65, 1, 41; BGH NJW 2005, 497 = FamRZ 2005, 340; OLG Celle FamRZ 2004, 481 m Anm Huber in FamRZ 2004, 825; aA LG München FamRZ 2003, 1580 m Anm Sprickhoff; s auch Wellenhofer FamRZ 2005, 665. BGH NJW 2005, 497 = FamRZ 2005, 340; BGH FamRZ 2005, 342. Zur Aussagekraft eines solchen Gutachtens s BGH NJW 1974, 1428. Über die Ausübung des Verweigerungsrechts Minderjähriger vgl Bosch Grundsatzfragen des Beweisrechts, 1963, § 4; auch BGH FamRZ 1959, 160 sowie OLG Karlsruhe NJWE-FER 1998, 98. OLG Dresden NJW-RR 1999, 84. MünchKommZPO/Damrau § 372a Rn 17.

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ZPO ist nicht anwendbar; die Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 386 bis 390 ZPO) sind in § 372a Abs 2 ZPO nur insoweit für anwendbar erklärt, als sie das Verfahren im Falle einer Weigerung und zur Erzwingung der Duldung regeln. Wann die Untersuchung nach ihrer Art, dh der Schwere und Lästigkeit des Eingriffs, den Folgen ihres Ergebnisses, zB der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung,102 oder den zu erwartenden gesundheitlichen Nachteilen zugemutet werden kann, ist unter Abwägung der Belange der Beteiligten nach Lage des Falles zu entscheiden, es gilt die Zumutbarkeit für den Einzelnen und nicht eine allgemeine Zumutbarkeit. Die Rechtsprechung wendet einen strengen Maßstab an.103 Die Befürchtung vermögensrechtlicher Nachteile genügt nicht.104 Auf mangelnde Notwendigkeit oder Zulässigkeit der Beweiserhebung (Ausforschungsbeweis) kann die Weigerung nicht gestützt werden;105 auf die rechtskräftige Feststellung der Nicht-Vaterschaft schon.106 Unzumutbar, wo gesundheitliche Schäden der Testperson zu befürchten sind,107 jedoch keine Unzumutbarkeit der Blutentnahme bei Zeugen Jehovas,108 psychisches Unbehagen bei Blutentnahme reicht nicht aus,109 Exhumierung für DNA-Gutachten ist zumutbar.110 Bei der Beurteilung der Eignung und Erheblichkeit des Beweismittels ist von der Rechtsansicht des Gerichts der Hauptsache auszugehen.111 4. Erzwingung der Untersuchung Zur Erzwingung der Duldungspflicht sind nach § 372a Abs 2 ZPO die §§ 386 bis 18 390 ZPO über Zeugnisverweigerung und Zeugniszwang anwendbar. Die Verweisung ist nicht gelungen, da zwischen Nichterscheinen und Verweigerung der Untersuchung unterschieden werden muss.112 Das Nichterscheinen vor dem Sachverständigen löst als solches keine Ordnungsmaßnahme aus, da §§ 380, 381 ZPO nach § 372a Abs 2 ZPO nicht anwendbar sind,113 sondern nur, wenn darin eine Weigerung liegt, was nach Lage des Falles zu beurteilen ist; in diesem Fall sind Zwangsmaßnahmen nach § 390 ZPO zulässig.114 Pures Nichterscheinen im Untersuchungstermin ist keine Verweigerung.115 Die in § 390 Abs 1 ZPO vorgesehenen Rechtsfolgen (Auferlegung der durch die Weigerung verursachten Kosten, Ordnungsgeld und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft bis zu sechs Wochen), bei wiederholter unberechtigter Weigerung Erzwingungshaft (§ 390 Abs 2 ZPO) oder nach § 372a Abs 2 S 2 ZPO unmittelbarer Zwang (Vorführung) sind von Amts wegen durch Beschluss anzuordnen, wenn die Untersuchung ohne Angabe eines Grundes oder nachdem der vorgeschützte Grund rechtskräftig für unerheblich erklärt worden ist, verweigert wird. Gegen diese Beschlüsse steht dem Betroffenen nach § 390 Abs 3 ZPO die sofortige Beschwerde nach § 22 FGG zu, gegen ihre Unterlassung oder Ablehnung dem Beteiligten, der durch die Weigerung beeinträchtigt sein kann vgl nachst

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106 107

OLG Hamm NJW 1993, 474; OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 334. HansOLG Hamburg NJW 1953, 1873; OLG Nürnberg NJW 1953, 1874; NJW 1955, 1883; dazu Sautter AcP 161, 215 ff; Weber NJW 1963, 574. OLG Karlsruhe FamRZ 1962, 395. OLG Celle NJW 1955, 1037 = NdsRpfl 1955, 152 = FamRZ 1955, 367; OLG Düsseldorf NJW 1958, 265; aA SchlHOLG Schleswig SchlHA 1955, 360. OLG München NJW 1977, 341 mwN. OLG Düsseldorf VersR 1985, 457.

108 109 110 111 112 113 114 115

OLG Düsseldorf FamRZ 1976, 51. AA OLG Koblenz NJW 1976, 379. OLG München NJW-RR 2000, 1603; sa OLG Celle NJW-RR 2000, 1100. OLG Stuttgart FamRZ 1961, 490. MünchKommZPO/Damrau § 372a Rn 20. OLG Düsseldorf JMBlNRW 1964, 30. OLG Karlsruhe FamRZ 1962, 395; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1964, 30. MünchKommZPO/Damrau § 372a Rn 22; aA OLG Nürnberg FamRZ 1964, 68 m abl Anm Bosch; OLG Karlsruhe FamRZ 1962, 395; OLG Düsseldorf FamRZ 1971, 666.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Rn 56, 57. Ein Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit der Weigerung (§ 387 ZPO) findet nur statt, wenn der Zeuge seine Weigerungsgründe in der Form des § 386 ZPO bei dem Gericht vorgebracht hat;116 über das Verfahren dabei vgl nachst Rn 49, 50.

V. Technische Aufzeichnungen 19

Augenscheinsobjekt ist alles, was sinnlich wahrnehmbar ist. Zweifelhaft war, ob Tonbänder oder Schallplatten Augenscheinbeweis oder Urkundenbeweis darstellen. Da ihnen wegen der Gefahr der Verfälschung die Verkehrsfähigkeit der Urkunde (zB für den Urkundenprozess) fehlt, geht die hM davon aus, dass es sich soweit sie zu Gehör gebracht werden, um Gegenstände des Augenscheinsbeweises handelt,117 auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind sie durch Abhören als Augenscheinsbeweis zu verwerten.118 Gleiches gilt für Computerbänder, Videobänder und Disketten. Technische Aufzeichnungen sind als Beweismittel zugelassen, sofern sie nicht ohne Zustimmung des Sprechers und unter Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgenommen sind;119 dh der Augenscheinsbeweis ist unzulässig, wenn das Objekt rechtswidrig erlangt wurde (heimliche Tonbandaufnahmen, Bilderaufnahmen von Personen ohne deren Zustimmung) und dabei in ein verfassungsrechtlich geschützes Individualrecht eingegriffen wurde, insoweit besteht ein Verwertungsverbot.120

D. Zeugenbeweis I. Zeugnisfähigkeit 20

Zeugen sind Personen, die über ihre Wahrnehmungen von Tatsachen und Zuständen aussagen sollen.121 Nach dem Grundsatz, dass niemand Zeuge in eigener Sache sein kann,122 ist zunächst von der Vernehmung als Zeuge ausgeschlossen, wer als Beteiligter im formellen Sinne (§ 6 Rn 6) an dem Verfahren teilnimmt, im Antragsverfahren mithin Antragsteller und Antragsgegner,123 im Amtsverfahren derjenige, gegen den das Verfahren sich richtet. Wer ohne materielle Beteiligung die Einleitung eines Amtsverfahrens anregt, wird dadurch nicht formell Beteiligter und ist daher zeugnisfähig. Dagegen wird formell Beteiligter, wer ein Antragsverfahren durch seinen Antrag einleitet, obwohl er nicht antragsberechtigt ist. Sowohl im Antrags- als auch im Amtsverfahren sind zeugnisunfähig aber auch die materiell Beteiligten, um deren Angelegenheit es geht, dh deren Rechte unmittelbar von der Entscheidung betroffen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie sich am Verfahren beteiligen.124 Zeugnisunfähig ist mithin jeder, der nach 116 117 118 119

120

OLG Karlsruhe FamRZ 1962, 395; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1964, 30. MünchKommZPO/Damrau § 371 Rn 4. BayObLG Rpfleger 1986, 296. BGHZ 27, 284; OLG Celle NJW 1965, 1677 (StPO); MünchKommZPO/Damrau § 371 Rn 12; Reichold in Thomas/Putzo Vorbem § 371 Rn 6; Zimmermann ZPO § 371 Rn 3. BGH NJW 1994, 2289; Stein/Jonas/Leipold § 284 Rn 56 ff; Zöller/Greger § 286 Rn 15b; Zimmermann ZPO § 284 Rn 11; Kiethe

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121 122 123 124

MDR 2005, 965; zur strafprozessualen Verwertung einer Tonbandaufnahme s BGH NJW 1989, 2760. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 119 Rn 1. KGJ 29 A 78; s Bärmann § 16 III; Baur § 12 IV; Habscheid § 21 II 7. BGHSt 12, 56 = BGH NJW 1958, 1881. KGJ 22 A 208; 32 A 43; BayObLGZ 1953, 5; 1960, 216; 1960, 267, 272; BayObLG Rpfleger 1983, 10; FGPrax 1997, 220; OLG München OLGR 28, 325; OLG

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Beweisverfahren

§ 15

§ 20 Abs 1 (allein oder gemeinsam mit anderen) beschwerdeberechtigt wäre, nicht dagegen schon jeder, dem ein Beschwerderecht unter den erweiterten Voraussetzungen des § 57 zustände, solange er sich am Verfahren nicht beteiligt. Die Tatsachenkenntnis Zeugnisunfähiger (zB des gesetzlichen Vertreters der nicht verfahrensfähigen Partei) kann durch ihre Vernehmung als Beteiligte verwertet werden, wenn auch ihre Beeidigung ausgeschlossen ist (nachst Rn 80). Ausgeschlossen von der Zeugenvernehmung ist auch der gesetzliche Vertreter eines Beteiligten,125 der in dem Verfahren die gesetzliche Vertretung auszuüben hat oder ausübt, sofern nicht der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte oder geschäftsunfähige Beteiligte ausnahmsweise befähigt ist, seine Rechte in dem Verfahren unabhängig von dem gesetzlichen Vertreter wahrzunehmen (vgl § 13 Rn 19 bis 20, § 59 Rn 5) und von diesem Recht Gebrauch macht;126 der frühere gesetzliche Vertreter ist jedoch als Zeuge vernehmbar;127 ausgeschlossen sind ferner Parteien kraft Amtes.128 Demnach kann nicht Zeuge sein der Kommanditist in Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft,129 das Vereinsmitglied in Angelegenheiten des nicht rechtsfähigen Vereins, der Gemeinschuldner, dessen Rechte in dem Verfahren von dem Insolvenzverwalter wahrgenommen werden.130 Im Verfahren zur Entlassung des Testamentsvollstreckers sind formell beteiligt der antragstellende Miterbe und der TV, materiell beteiligt und deshalb zeugnisunfähig sind aber auch alle übrigen Miterben, weil ihre Rechte sowohl durch die Entlassung wie ihre Ablehnung betroffen werden.131 Der Erbe kann nicht Zeuge sein, wenn an seiner Stelle sein Gläubiger die Erteilung des Erbscheins nachsucht (§ 792 ZPO), ebenso wenig der Nacherbe, Ersatzerbe und Ersatznacherbe.132 Der Nacherbe darf im Verfahren über die Einziehung des ihm erteilten Erbscheins nicht als Zeuge vernommen werden;133 gleiches gilt auch für Wohnungseigentümer im WEG-Verfahren.134 Die Mitglieder einer juristischen Person sind in deren Angelegenheiten zeugnisfähig, so der Aktionär, der Gesellschafter der GmbH, das Mitglied des rechtsfähigen Vereins,135 die Genossen in Angelegenheiten der eingetragenen Genossenschaft. Kinder und Mündel sind an Verfahren, in denen die elterliche Sorge geregelt wird (§§ 1671, 1672 BGB) oder die sich gegen den Sorgeinhaber richten (§§ 1666, 1666a, 1667, 1837, 1886 BGB), materiell beteiligt, da ihnen ein Beschwerderecht aus § 20 zusteht (vgl § 6 Rn 12). Sie sind deshalb zeugnisunfähig, jedenfalls, wenn sie älter als 14 Jahre sind und demnach ihr Beschwerderecht selbständig ausüben können (§ 59 Abs 3); sind sie jünger, so sollte das Gericht von der förmlichen Vernehmung als Zeuge ohnehin absehen und sich mit der persönlichen Anhörung nach § 50b Abs 1, 3 begnügen. Fraglich ist in diesem Fall, ob ein

125

126 127 128 129

Hamm Rpfleger 1956, 243 m Anm Keidel; JMBlNRW 1963, 120; OLGZ 1967, 390; Habscheid § 14 IV 4; Bärmann § 16 III 6c; abw hiervon hält Baur § 12 IV 5 materiell Beteiligte für zeugnisfähig, solange sie nicht formell am Verfahren teilnehmen; dagegen auch Schiedermair AcP 154, 447; Lent ZZP 69, 85. RGZ 45, 427; BGHZ 40, 367, 373 = FamRZ 1964, 150; Baur § 12 zu Fn 30; Zöller/Greger § 373 Rn 4; Zimmermann ZPO § 373 Rn 1. Schlegelberger Anm 8. RGZ 29, 370. BayObLGZ 1974, 223; Musielak/Huber § 373 Rn 7. RGZ 32, 398; 49, 425; RG JW 1908, 748;

130 131 132 133 134 135

Schlegelberger Anm 8; Keidel/Schmidt Rn 22; die im Zivilprozess vertretene gegenteilige Auffassung (BGH JZ 1965, 725) beruht auf der formalen Abgrenzung der Zeugnisfähigkeit im Zivilprozess, wonach Zeuge jeder sein kann, soweit er nicht als Partei zu vernehmen ist; diese Abgrenzung ist aber wegen des materiellen Beteiligtenbegriffs der freiwilligen Gerichtsbarkeit hier nicht verwendbar. AA Schlegelberger Anm 8. BayObLG BayZ 1925, 313; aM Schlegelberger Anm 8. OLG Hamm OLGZ 1967, 390. BayObLG FamRZ 1997, 772. BayObLG FGPrax 1997, 220. Schlegelberger Anm 8.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

dem Kind bestellter Verfahrenspfleger zeugnisunfähig ist, da dessen Rechtsstellung gesetzlich nicht geregelt ist (s hierzu § 50 Rn 57 ff). Seine Aufgabenstellung wird als Interessenvertretung des Kindes, vergleichbar mit der eines Rechtsanwalts, angesehen,136 der im Verfahren nicht gesetzlicher Vertreter ist, sondern neben den Eltern „wie ein gesetzlicher Vertreter“ fungieren soll.137 Im entsprechenden Verfahren sollte er wie der gesetzliche Vertreter als zeugnisunfähig gelten, da er neben diesen an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen ist. Nichts anderes kann für einen Verfahrenspfleger für den Betreuten (§ 67) und in Unterbringungssachen (§ 70b) gelten, denn diese haben im Rahmen des Verfahrens die Stellung eines gesetzlichen Vertreters für den ansonsten verfahrensfähigen Betroffenen (§§ 66, 70a).138 Der Betreuer kommt als Zeuge nicht in Frage soweit es sich um Fragen handelt, die im Rahmen seines Aufgabenkreises liegen. Der gewillkürte Verfahrensbevollmächtigte ist als Zeuge nicht ausgeschlossen.;139 das gilt auch, wenn diese Eigenschaft fortdauert.140 Wer nicht Zeuge sein kann, ist auch als Sachverständiger ausgeschlossen. 21 Wird ein Zeugnisunfähiger als Zeuge vernommen und seine Aussage als solche ge22 würdigt, liegt ein Verfahrensfehler vor, der die Rechtsbeschwerde begründen kann, der Mangel entfällt aber, wenn das Gericht rechtzeitig vor der Entscheidung den Fehler erkannt und die Bekundung nur noch als solche eines Beteiligten gewürdigt hat.141

II. Zeugnispflicht 23

Sie ist eine öffentlichrechtliche Pflicht, der ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit jeder der deutschen Gerichtsbarkeit Unterworfene unterliegt (vgl §§ 18 bis 20 GVG); ausgenommen sind nur die Exterritorialen (zur Exterritorialität vgl § 3 Rn 3). Die Zeugnispflicht umfasst die Pflicht zum Erscheinen vor Gericht, zur Aussage und Beeidigung der Aussage. 1. Pflicht zum Erscheinen a) Grundsatz

24

Der Zeuge hat zu dem in der Ladung bestimmten Termin vor Gericht zu erscheinen, Gerichtsstelle ist das betreffende Gerichtsgebäude. Hiervon bestehen eine Reihe von Ausnahmen. Der Bundespräsident ist in seiner Wohnung zu vernehmen ist (§§ 219 Abs 2, 375 Abs 2 ZPO), die Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung und die Abgeordneten der Parlamente brauchen nur vor dem Gericht des in § 382 ZPO bezeichneten Ortes zu erscheinen. Diese Beschränkungen sind von Amts wegen zu beachten, auch wenn der Zeuge einverstanden ist. Die zu einer Abweichung hiervon nach § 382 Abs 3 ZPO erforderliche Genehmigung ist von dem mit der Sache befassten Gericht über den Justizminister einzuholen. Eine Befreiung vom Erscheinen kann das Gericht bei der Ladung unter der Bedingung 25 anordnen, dass der Zeuge vorher eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage ein136

137

KG FamRZ 2000, 1300; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293 m Anm Dormann u Spangenberg; Motzer FamRZ 1999, 1101. Keidel/Engelhardt § 50 Rn 9; Büttner FamRZ 1998, 585 vertritt die Auffassung, dass er im Verfahren an die Stelle des gesetzlichen Vertreters tritt.

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138 139 140 141

Siehe hierzu § 67 Rn 54; § 70b Rn 35. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 119 Rn 6; dazu Hw Müller DVBl 1959, 502. Zöller/Greger § 373 Rn 5. OLG Hamm OLGZ 1967, 390.

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Beweisverfahren

§ 15

reicht, sofern die Auskunft an Hand von Aufzeichnungen gegeben werden kann, dh die Beweisfrage muss geeignet sein für eine Abweichung vom Grundsatz der Unmittelbarkeit (§ 377 Abs 3 ZPO).142 Der Zeuge ist darauf hinzuweisen, dass trotz der Aufforderung zur schriftlichen Aussage noch vor Gericht geladen werden kann. Der Zeuge ist nicht verpflichtet, die schriftliche Auskunft zu erteilen. Lehnt er es ab oder erteilt der Zeuge die Auskunft nicht, so bleibt die durch die Ladung begründete Pflicht zum Erscheinen bestehen;143 die Folgen des Ausbleibens im Termin bestimmen sich nach § 380 ZPO. Der Zeuge braucht nicht zu erscheinen, wenn er vor dem Termin schriftlich oder zu 26 Protokoll der Geschäftsstelle des mit der Beweiserhebung befassten Gerichts oder jedes Amtsgericht (§ 11) erklärt, dass er ein ihm zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht ausüben werde (§ 386 Abs 3 ZPO) und das Verweigerungsrecht das gesamte Beweisthema erfasst. Die Tatsache, auf die der Zeuge die Weigerung gründet, hat er anzugeben und glaubhaft zu machen (§ 386 Abs 1 ZPO, Ausnahme von § 12 FGG). Ist die Weigerung offenbar grundlos und musste der Zeuge dies erkennen, so ist der Zeuge bei Ausbleiben im Termin nach § 380 ZPO zu ahnden.144 Von der Erklärung des Zeugen hat die Geschäftsstelle die Beteiligten zu benachrichtigen (§ 386 Abs 4 ZPO), wenn die Vernehmung von einem Beteiligten angeregt war (vgl nachst Rn 49). b) Ladung Die Ladung wird von der Geschäftsstelle von Amts wegen bewirkt (§ 377 Abs 1 27 ZPO); die Bezugnahme auf den Beweisbeschluss entfällt, wenn ein solcher nicht erlassen ist (oben Rn 4); statt dessen ist auf die richterliche Anordnung Bezug zu nehmen. Förmliche Zustellung erfolgt nur auf Anordnung des Gerichts, etwa wenn zu besorgen ist, der Zeuge werde sich der Vernehmung entziehen.145 Für den notwendigen Inhalt der Ladung gilt § 377 Abs 2 ZPO mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Bezeichnung der Parteien in echten Streitsachen die der Beteiligten tritt, sonst die Bezeichnung der Angelegenheit (zB „in der Vormundschaftssache über N.N.“). Dagegen ist die Angabe des Gegenstandes der Vernehmung (§ 377 Abs 1 Nr 2) auch hier erforderlich, wofür eine knappe Kennzeichnung genügt, sofern der Zeuge nicht schon aus der Bezeichnung der Angelegenheit den Gegenstand der Vernehmung erkennen kann.146 Der Zeuge hat sich gem § 378 Abs 1 ZPO auf die Vernehmung durch Einsichtnahme 28 in Aufzeichnungen und andere Unterlagen vorzubereiten und diese auch zum Termin mitzubringen.147 Hierauf sollte der Zeuge bei der Ladung hingewiesen werden, um einen reibungslosen Ablauf des Termins zu gewährleisten; auf die in § 390 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel hinzuweisen (§ 378 Abs 2 ZPO). Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet Maßnahmen nach § 378 ZPO zu erlassen, so dass ein Unterlassen keinen Verfahrensmangel darstellt; anders wenn sich bei der Vernehmung herausstellt, dass der Zeuge nur anhand seiner Unterlagen eindeutige Aussagen machen kann.148 Soldaten werden wie andere Personen geladen.149 Für die Ladung von Mitgliedern 29 der ausländischen Streitkräfte und des zivilen Gefolges gilt Art 37 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (BGBl 1961 II, 1218).150 142 143 144 145 146

Zöller/Greger § 377 Rn 7. Zöller/Greger § 377 Rn 10. OLG Bamberg BayJmBl 1952, 237; Zöller/Greger § 386 Rn 2. Zöller/Greger § 377 Rn 1a. OLG Düsseldorf JMBlNRW 1956, 91; OLG Hamm OLGZ 1968, 344.

147 148 149

150

Reichold in Thomas/Putzo § 378 Rn 1. Zöller/Greger § 378 Rn 5. Siehe hierzu Erlass des Bundesministers der Verteidigung v 23. Juli 1998 (VMBl 1998 S 246), auszugsweise abgedruckt bei Zöller/ Stöber Vor § 166. Zöller/Stöber Vor § 166 Rn 7 mwN.

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§ 15 30

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Gegen die Ladung steht dem Zeugen eine Beschwerde nicht zu,151 auch nicht mit der Begründung, dass das Gericht seine Ermittlungen zu weit ausdehne.152 2. Folgen des Ausbleibens a) Zwangsmittel zur Erzwingung des Erscheinens

31

Erscheint der zum Erscheinen verpflichtete Zeuge trotz ordnungsmäßiger Ladung und ohne genügende Entschuldigung (§ 381 Abs 1 S 1 ZPO) nicht, so sind ihm von Amts wegen durch Beschluss die durch das Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld von 5 bis 1000 EUR153 und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Ersatzordnungshaft bis zu sechs Wochen aufzuerlegen (§ 380 Abs 1 ZPO). Die Verhängung dieser Maßnahmen steht nicht im Ermessen des Gerichts.154 Nachweis des Zugehens der Ladung ist nicht erforderlich. Entspricht die Ladung nicht der Vorschrift des § 377 ZPO, so darf der Zeuge nicht gemaßregelt werden.155 Die Auferlegung von Zwangsmitteln unterbleibt, wenn sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt ist (§ 381 Abs 1 S 1 ZPO) oder bei verspäteter Entschuldigung, wenn der Zeuge glaubhaft macht, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft (§ 381 Abs 1 S 2 ZPO). Der Zeuge muss die Tatsachen vorbringen, die dem Gericht die Prüfung ermöglichen, ob das Fernbleiben gerechtfertigt ist.156 Sobald die Verspätung oder Verhinderung sich abzeichnet, hat der Zeuge dies soweit möglich und zumutbar, dem Gericht dies mitzuteilen.157 Das Ausbleiben ist genügend entschuldigt, wenn Umstände vorliegen, die das Fernbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen, so Krankheit, Verkehrsstörung, schwere Erkrankung oder Tod naher Angehöriger; auch Abbestellung durch den Anwalt,158 Nichtbescheidung eines Verlegungsgesuchs durch das Gericht,159 aber nicht Vergessen oder Irrtum über den Terminstag.160 Bei verspäteter Entschuldigung hat er die Kosten seiner Säumnis zu tragen, dieses kann lediglich nachträglich geändert werden, wenn er glaubhaft macht, dass er an der Verspätung der Entschuldigung keine Schuld trägt (§ 381 Abs 1 S 2, 3 ZPO); damit hat der Gesetzgeber die schon bisher vertretene Ansicht bestätigt, dass der Zeuge die Kosten seines Ausbleibens zu tragen hat, wenn er durch rechtzeitige Mitteilung Aufwand und Kosten hätte vermeiden können.161 Die Kostenauferlegung ist ein Titel für die Kostenfestsetzung (§§ 103, 794 Abs 1 Nr 3 ZPO). Gegen den wiederholt ausbleibenden Zeugen dürfen die Maßnahmen des § 380 Abs 1 ZPO für jeden Fall des Ausbleibens verhängt werden, also nicht nur zweimal,162 auch kann Vor-

151 152 153

154 155

KGJ 22 A 205; Unger ZZP 42, 390. KG aaO; Schlegelberger Anm 14. Für Höhe, Beitreibung, Stundung, Umwandlung in Ordnungshaft und Verjährung gelten die Art 6 bis 9 EGStGB v 2. März 1974 (BGBl S 469; 1975 S 1916; 1976 S 507), zul geänd d den am 1.1.2002 in Kraft getretenen Art 22 des G zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, zur Änderung der Mahnvordruckverordnungen sowie zur Änderung weiterer Gesetze v 13. Dezember 2001 (BGBl S 3574). Zöller/Greger § 380 Rn 3. KGJ 52 A 13; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1956, 91; Zöller/Greger § 377 Rn 4a.

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156 157 158

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OLG Frankfurt NJW 1957, 1725; Zöller/Greger § 381 Rn 2. Zimmermann ZPO § 381 Rn 2. KG OLGR 20, 322; LG Heilbronn FamRZ 1995, 889; aber nicht falsche Auskunft eines Rechtsanwalts OLG Köln OLGR 1999, 14. KG SeuffA 56, 33. OLG München NJW 1957, 306. Zöller/Greger § 381 Rn 4; Zimmermann ZPO § 381 Rn 2. KG NJW 1960, 1726 = JZ 1960, 446 = MDR 1960, 768; aA OLG Celle OLGR 1975, 372.

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Beweisverfahren

§ 15

führung angeordnet werden, die von dem Gerichtswachtmeister oder Gerichtsvollzieher zu vollziehen ist (§ 380 Abs 2 ZPO). b) Rechtsmittel Gegen Beschlüsse, durch die Maßnahmen gegen den Zeugen nach § 380 Abs 1, 2 32 ZPO angeordnet oder abgelehnt oder solche Beschlüsse nach § 381 Abs 1 S 3 ZPO aufgehoben werden oder ihre Aufhebung abgelehnt wird, findet nach § 380 Abs 3 ZPO die sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nicht nach §§ 567 ff ZPO, sondern, da § 15 FGG nur die entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO anordnet, nach den Regeln des FGG und zwar nach §§ 19 ff FGG.163 Die sofortige Beschwerde gegen das Ordnungsmittel hat nach § 24 Abs 1 FGG aufschiebende Wirkung (§ 24 Rn 3), das gilt auch, wenn das Beschwerdegericht seinerseits Ordnungs- und Zwangsmittel verhängt.164 Eine weitere Beschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ist in entspr Anwendung des § 574 Abs 1 Nr 2 ZPO statthaft, aber nur wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat.165 Das Beschwerderecht steht gegen die Festsetzung und die Ablehnung ihrer Aufhebung dem betroffenen Zeugen zu, gegen die Ablehnung und die Aufhebung in Ansehung des Kostenausspruchs den Beteiligten.166 Entscheidet der Einzelrichter in einer Sache, der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst, über die Beschwerde und lässt die Rechtsbeschwerde zu, so ist die Zulassung wirksam, die Entscheidung unterliegt jedoch auf Rechtsbeschwerde wegen fehlerhafter Besetzung des Beschwerdegerichts der Aufhebung von Amts wegen.167 Verfügungen des Beschwerdegerichts, die nicht über die Beschwerde befinden, sind 33 anfechtbar, wenn das Gesetz dieses ausdrücklich zulässt. Seit der ZPO-Reform gelten im Zivilprozess für die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln neue Regeln; danach ist gegen eine im Beschwerdeverfahren ergangene Zwischenentscheidung des Landgerichts nicht mehr die sofortige Beschwerde (§ 567 Abs 1 ZPO), sondern die Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) gegeben. Wird eine Entscheidung nach §§ 372a Abs 2, 380, 387, 390, 406, 409 ZPO in einem Verfahren des zweiten Rechtszuges von dem Landgericht erlassen, so findet dagegen zwar nach dem unveränderten Wortlaut des Gesetzes die sofortige Beschwerde statt; diese ist jedoch nach der zwingenden Vorschrift des § 567 Abs 1 ZPO nur dann statthaft, wenn es sich um eine Entscheidung im ersten Rechtszug handelt.168 Eine in der Beschwerdeinstanz ergangene Zwischenentscheidung ist mit der weiteren Beschwerde anfechtbar, wenn diese zugelassen ist (§ 574 Abs 1 Nr 2 ZPO); diese Regeln sind auf das FG-Verfahren übertragbar.169 Zur Entscheidung berufen ist das OLG (§ 28 163

164 165

BGHZ 91, 392 = NJW 1984, 2893 = Rpfleger 1984, 418; FamRZ 2004, 617; BayObLGZ NJW-RR 2000, 748; 1994, 183; KGJ 50, 6; KG JFG 20, 86; KG OLGZ 1966, 587; 1967, 84 = NJW 1967, 1237; OLG Frankfurt MDR 1996, 97; OLG Karlsruhe ZMR 2002, 778 (WEG-Verfahren); Demharter NZM 2002, 233; Jansen NJW 1963, 1162 Anm zu OLG Hamburg NJW 1963; 722; Keidel/Schmidt Rn 30; Schlegelberger Anm 17. Keidel/Sternal § 24 Rn 5. BGH FamRZ 2004, 617; BayObLG FGPrax 2002, 119; FamRZ 2004, 137 (LS); PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 2003, 150;

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169

OLG Köln FG Prax 2002, 230; Zöller/ Gummer § 574 Rn 2. Zimmermann ZPO § 380 Rn 7. BGH Rpfleger 2003, 374 m Anm Abramenko = NJW 2003, 1254. BGH FamRZ 2005, 261 zu § 46 ZPO; BayObLG FGPrax 2002, 119 zu § 46 Abs 2 ZPO; OLG Köln FGPrax 2002, 230; OLG Düsseldorf MDR 2003, 230; Zöller/Gummer Vor § 567 Rn 2. BGH FamRZ 2004, 617; BayObLG FGPrax 2002, 119 zu § 46 Abs 2 ZPO; PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 2003, 150; Demharter NZM 2002, 233.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Abs 1) oder an Stelle des örtlichen OLG das OLG, dem nach § 199 Abs 1 FGG die Entscheidung über weitere Beschwerden zugewiesen ist.170 Die Entscheidung des OLG ist in diesem Fall unanfechtbar, weil die ZPO einen vierten Rechtszug – und das wäre die zweite Rechtsbeschwerde – nicht vorsieht.171 Gegen eine Zwischenentscheidung des OLG in der freiwilligen Gerichtsbarkeit (zB im 34 Grundbuchverfahren) findet kein Rechtsmittel statt, da Entscheidungen der OLG in FGVerfahren unanfechtbar sind.172 Das Rechtsmittelsystem trifft insoweit eine abschließende Regelung, in der die Anrufung des BGH außerhalt des Vorlegungsverfahrens gem § 28 Abs 2 nicht vorgesehen ist.173 Ein sogenanntes außerordentliches Rechtsmittel zum BGH ist nach der Neuregelung des Beschwerderechts nicht mehr statthaft.174 c) Entscheidungen des Rechtspflegers

35

Der Rechtspfleger ist in übertragenen Sachen befugt, alle Maßnahmen zu treffen, die zur abschließenden Entscheidung einer Sache erforderlich sind, das beinhaltet auch Zeugen und Sachverständige laden zu lassen und zu vernehmen (§ 4 Abs 1 RPflG). Freiheitsentziehungen darf er jedoch weder androhen oder anordnen (§ 4 Abs 2 Nr 2 RPflG). Darunter sind Freiheitsbeschränkungen im gleichen Umfang wie in Art 104 GG zu verstehen;175 Ordnungshaft darf er weder androhen noch verhängen.176 Zeugniszwang kann er mithin in eigener Zuständigkeit nur insoweit ausüben, als es sich um die Festsetzung von Ordnungsgeld handelt. Hält er schon bei der Ladung die Androhung oder nach erfolgter Androhung die Festsetzung einer Ersatzordnungshaft für erforderlich, so muss er die Entscheidung des Richters herbeiführen.177 Auch eine Vorführung kann nur der Richter anordnen. Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers über die Verhängung von Ordnungsgeldern ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist (§ 11 Abs 1 RPflG), es gilt also das unter Rn 32 ff Gesagte. 3. Aussagepflicht

36

Die Aussagepflicht kann durch Beweisverbote (Beweisthema- und Beweismittelverbote) ausgeschlossen oder beschränkt sein. Es kommen Hindernisse wegen der Amtsverschwiegenheit von Personen (§ 376 ZPO) oder auch Zeugnisverweigerungsrechte (§§ 383 ff ZPO) in Frage. a) Schutz von Staats- und Verwaltungsgeheimnissen

37

In § 376 ZPO wird für die Vernehmung und das Erfordernis der Genehmigung zur Aussage von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, auf die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften, für Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung auf die für sie maßgebenden besonderen Vorschriften verwiesen. Die Vorschrift ist eine

170

171 172

BGH FamRZ 2004, 617; KGJ 34 A 3 = RJA 9, 1; KG NJW 1965, 1086 = FamRZ 1965, 344; BayObLGZ 1957, 134; PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 2003, 150; vgl § 199 Rn 13, 20. Demharter NZM 2002, 233. BGH Rpfleger 2003, 239 = MDR 2003, 592.

498

173 174 175 176 177

BGH Rpfleger 2003, 239; NJW-RR 1992, 383 = FamRZ 1992, 426. BGHZ 150, 133 m zust Anm Prütting; BGH NJW 2003, 3137 = FPR 2003, 673. Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann § 4 Rn 34. Bassenge/Herbst/Roth RPflG § 4 Rn 7. Bassenge/Herbst/Roth RPflG § 4 Rn 7 mwN.

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§ 15

ausfüllungsbedürftige Blankettnorm; der Kreis der Personen, für die eine Aussagegenehmigung benötigt wird, bestimmt sich nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder für den öffentlichen Dienst. Diese Regelung ist enthalten für Beamte und Richter im Bundesdienst in §§ 61, 62 BBG, §§ 43, 45 Abs 1, 46 DRiG; die Landesbeamten- und Landesrichtergesetze enthalten auf Grund der §§ 1, 39 BRRG im Wesentlichen gleichlautende Regelungen. Die Beamtengesetze dehnen den Personenkreis auch aus auf mittelbare Beamte und die Bediensteten sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Kreise und Gemeinden sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.178 Für Vorstände der Rechtsanwaltskammern vgl § 76 BRAO. Ob Ehrenbeamte der Amtsverschwiegenheit unterliegen, bestimmt das Beamtenrecht; grundsätzlich ist die Frage zu bejahen. Für Mitglieder der Bundesregierung gelten §§ 6, 7 BMinG, für Mitglieder der Landesregierungen entsprechende Vorschriften des Landesrechts. Für Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes ergibt sich die Verschwiegenheitspflicht aus dem Tarifrecht.179 Für Abgeordnete des Bundestages und der entsprechenden Landtage und Fraktionsangestellte gelten die entsprechenden Vorschriften zB § 44c AbgG, Art 47 GG. Für den Notar gilt § 383 Abs 1 Nr 6 ZPO, sofern er nicht von den Beteiligten, notfalls durch die Aufsichtsbehörde, von der Verschwiegenheitspflicht befreit ist (§ 18 BNotO). Für Bedienstete der Kirchen kann sich eine Verschwiegenheitspflicht nicht aus dem staatlichen Beamtenrecht, sondern nur aus dem kirchlichen Dienstrecht ergeben, ist es staatsvertraglich so geregelt, gehören Beschäftigte der Kirchen zu „anderen Personen des öffentlichen Dienstes“ und unterliegen der Amtsverschwiegenheit.180 Aussagegenehmigungen für Angehörige der ausländischen Streitkräfte sind nach Art 18 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut einzuholen. Für ausländische Personen des öffentlichen Dienstes gilt § 376 ZPO nicht; ebenfalls nicht für Personen, die nach dem Recht der ehemaligen DDR zur Verschwiegenheit verpflichtet waren.181 Über richterliche Verschwiegenheitspflicht über Beratungs- und Abstimmungsvorgänge vgl § 8 Rn 56 ff. Zu Vorgängen, die zu ihrer Amtstätigkeit in keiner Beziehung stehen, können auch Personen des öffentlichen Dienstes unbeschränkt vernommen werden. Sachverständige, die im öffentlichen Dienst stehen, bedürfen ebenfalls der Genehmigung des Dienstvorgesetzten, falls das Gutachten die Amtsverschwiegenheit berührt (§ 408 Abs 2 ZPO, § 62 Abs 2 BBG). Die Genehmigung des (bei ausgeschiedenen Beamten: letzten) Dienstvorgesetzten ist 38 vom Gericht (nicht dem ersuchten Richter) von Amts wegen einzuholen und dem Zeugen mit der Ladung bekannt zu machen (§ 376 Abs 3 ZPO); sonst braucht der Zeuge, wenn er das Zeugnis schriftlich verweigert, nicht zu erscheinen (§ 386 Abs 3 ZPO). Auch darüber, ob „eine Tatsache ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedarf“ (§ 61 Abs 1 S 2 BBG) entscheidet ausschließlich die Verwaltungsbehörde. Die Genehmigung darf nur unter bestimmten Voraussetzungen von der obersten Aufsichtsbehörde versagt werden (§ 62 BBG). Angestellte im öffentlichen Dienst bedürfen keiner Aussagegenehmigung ihres Dienstherrn, wenn sie im Verfahren gem § 1666 BGB als Auskunftsperson oder Zeuge gehört werden sollen; das gilt auch für Beamte derjenigen Behörden, die dem FamG gegenüber zur Amtshilfe verpflichtet sind, wenn sich ihre Aussage oder Auskunft auf Tatsachen bezieht, von denen sie in Erfüllung dieser Aufgabe Kenntnis erlangt haben.182 Die Entscheidung ist für das Gericht und den Beamten bindend, sie gilt für alle Rechtszüge.183 Der beeinträchtigte Beteiligte kann die Versagung der Genehmigung 178 179 180 181

Siehe hierzu Zöller/Greger § 376 Rn 4. Zöller/Greger § 376 Rn 4. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1995, 679. Zöller/Greger § 376 Rn 1a.

182 183

BayObLG FamRZ 1990, 1012 = Rpfleger 1990, 405. Zöller/Greger § 376 Rn 8; Zimmermann ZPO § 376 Rn 2.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

durch Klage im Verwaltungsstreitverfahren anfechten.184 Ein Anspruch auf Aussetzung eines Verfahrens besteht nicht, es steht jedoch im Ermessen des Gerichts, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung auszusetzen.185 Eine Vernehmung ohne die erforderliche Genehmigung verstößt gegen das Beweisver39 bot des § 376 ZPO und darf nicht verwertet werden.186 Der Mangel kann aber durch nachträgliche Erteilung der Genehmigung geheilt werden, auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren (vgl hierzu Anm zu § 27). b) Aussageverweigerungsrechte

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Es gelten die §§ 383 bis 389 ZPO im FG-Verfahren entsprechend.187 Hierbei handelt es sich nicht um ein von Amts wegen zu beachtendes Verbot der Vernehmung, sondern um ein verzichtbares Recht des Zeugen188 entweder im ganzen (§ 383 ZPO) die Aussage zu verweigern oder aber einzelne Fragen nicht zu beantworten (§ 384 ZPO).189 aa) Nahe Angehörige

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Wegen naher Beziehungen zu den Beteiligten und der dadurch möglichen Konfliktslage sind nach § 383 Nr 1 bis 3 ZPO zur Aussageverweigerung berechtigt der Verlobte, der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte, Verschwägerte und Adoptierte in gerader Linie sowie in der Seitenlinie Verwandte bis zum dritten und Verschwägerte bis zum zweiten Grade; die Ehe, welche das Ehegattenverhältnis oder die Schwägerschaft begründet, auch die Lebenspartnerschaft, braucht nicht mehr zu bestehen. Das Verlöbnis muss nicht unbedingt wirksam, aber ernstlich und nicht sittenwidrig eingegangen sein. Das Verhältnis zu einem Streitgenossen oder zu einem materiell Beteiligten, auch wenn er an dem Verfahren nicht teilnimmt, zB dem Mündel,190 genügt, sofern nicht die Aussage nur die übrigen betrifft. Angehörige einer Partei kraft Amtes (siehe auch § 14 Rn 19) scheiden aus, weil für sie die Konfliktlage nicht besteht. Die Aussageverweigerung ist bis zum Abschluss der Vernehmung zulässig und kann auf einen Teil der Aussage oder die Eidesleistung beschränkt werden. Die Vernehmung ist nur zulässig, wenn der Zeuge über sein Weigerungsrecht belehrt worden ist, auf sein Recht verzichtet und diesen Verzicht nicht widerrufen hat (§ 383 Abs 2 ZPO). Eine Vernehmung ohne Belehrung ist ungesetzlich und führt dazu, dass das Beweismittel nicht verwertet werden darf;191 der Verfahrensfehler kann die Rechtsbeschwerde begründen,192 sofern er nicht durch Rügeverlust (§ 27 Rn 97, 107) geheilt ist.193 Ferner kann der Mangel in der Tatsacheninstanz dadurch geheilt werden, dass der Zeuge nachträglich erklärt, ihm sei das Aussageverweigerungsrecht bekannt gewesen oder er hätte auch bei vorheriger Belehrung ausgesagt.194 Die Belehrung ist bei Einholung einer schriftlichen Aussage (§ 377 Abs 3, 4, oben Rn 25)

184

185 186 187

BVerwG NJW 1991, 160; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1995, 679; OVG Münster MDR 1955, 61; DÖV 1959, 874; NJW 1960, 2116 m Anm Finkelnburg NJW 1961, 476; OVG Berlin DVBl 1955, 568; VG Freiburg NJW 1956, 1941. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1995, 679; MünchKommZPO/Damrau § 376 Rn 15. Keidel/Schmidt Rn 33; aA BGH MDR 1951, 275; NJW 1952, 151. BayObLG FamRZ 1990, 1012 = Rpfleger

500

188 189 190 191 192 193 194

1990, 405; FamRZ 1986, 1238; OLG Hamm FamRZ 1992, 201. Zöller/Greger § 383 Rn 1. Reichold in Thomas/Putzo § 383 Rn 1. KG JFG 22, 37, 39; vgl auch KG RJA 16, 20. Zöller/Greger § 383 Rn 21 mwN. BayObLGZ 1956, 389; Zöller/Greger § 383 Rn 21; Baumbach/Hartmann § 383 Rn 21. Zöller/Greger § 383 Rn 21 mwN; Reichold in Thomas/Putzo § 383 Rn 10. RGSt 25, 262; 29, 355.

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§ 15

und bei formloser (mündlicher oder schriftlicher) Anhörung nicht entbehrlich,195 weil das Beweisverbot gewährleisten soll, dass der Zeuge nur aussagt, wenn er sich seiner Entscheidungsmöglichkeit bewusst ist und hierfür die Form der Beweiserhebung ohne Bedeutung ist; gesetzlichen Verboten unterliegt das Gericht auch im Rahmen des § 12. Minderjährige Zeugen entscheiden selbständig über ihr Zeugnisverweigerungsrecht196 42 und sind im Zwischenstreit über das Weigerungsrecht (§§ 387, 390 ZPO) selbständig beteiligtenfähig, wenn sie die für eine selbstverantwortliche Entscheidung erforderliche Verstandesreife besitzen.197 Fehlt es hieran, so bedarf die Vernehmung der Zustimmung des zu belehrenden gesetzlichen Vertreters; erteilt dieser sie, so darf der Minderjährige gleichwohl erklären, dass er nicht aussage.198 Der Minderjährige ist darüber zu belehren, dass er trotz Genehmigung des gesetzlichen Vertreters die Aussage verweigern darf.199 Bei Interessenwiderstreit des gesetzlichen Vertreters (§§ 1795, 1629 Abs 2 BGB) ist ein Pfleger zu bestellen.200 Ist der Vater der Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs und steht den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zu, sind beide Elternteile gehindert die Zustimmung zu erteilen (§ 52 Abs 2 StPO).201 Das Kind bedarf in diesem Fall zur Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts eines Ergänzungspflegers, da bereits in dieser Phase des Verfahrens die Frage geklärt werden muss, ob das Kind die nötige Verstandesreife besitzt, um die Bedeutung und Tragweite seines Rechts zu erfassen.202 Ausgeschlossen ist das Zeugnisverweigerungsrecht naher Angehöriger nach § 385 Abs 1 43 Nr 1 bis 4 ZPO bei Aussagen über den Abschluss von Rechtsgeschäften, zu denen er als Zeuge hinzugezogen war (zB Testamentserrichtung, Nr 1), über Geburten, Verheiratungen und Sterbefälle von Familienmitgliedern (Nr 2), über durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten (Nr 3) und über Handlungen als Rechtsvorgänger oder Vertreter eines Beteiligten (Nr 4). Voraussetzung ist, dass der Zeuge auch als „Zeuge“ zu den genannten Vorgängen hinzugezogen war und dass ihm dieses bewusst war oder dass er nach den Umständen damit rechnen musste, als solcher später fungieren zu müssen.203 Nur das den Familienstand gestaltende Ereignis ist Gegenstand der Aussagepflicht nach Nr 2, nicht aber die Zeugung.204 Es stellt keine Rechtsverletzung dar, wenn in den Fällen des § 384 ZPO eine Belehrung über ein mögliches Zeugnisverweigerungsrecht unterbleibt.205

195 196 197 198

199 200

Zöller/Greger § 383 Rn 21. BayObLGZ 1985, 53; OLG Düsseldorf FamRZ 1973, 547. Zöller/Greger § 383 Rn 4; Zimmermann ZPO § 383 Rn 10. BayObLGZ 1966, 343 = NJW 1967, 206 = FamRZ 1966, 644; Stuttgart FamRZ 1965, 515; Bosch Grundsatzfragen des Beweisrechts, S 49 ff, der eine feste Altersgrenze von 14 Jahren befürwortet. BayObLG NJW 1967, 2273. BGH NJW 1960, 1396; BayObLGZ 1966, 343 = NJW 1967, 206 = FamRZ 1966, 644; OLG Hamm OLGZ 1972, 157; OLG Stuttgart FamRZ 1985, 1154.

201 202

203 204 205

BayObLG FamRZ 1998, 257. BayObLG FamRZ 1998, 257 unter Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung (BayObLG FamRZ 1966, 644 m Anm Bosch), wonach die Anordnung der Ergänzungspflegschaft erst für zulässig erachtet wurde, wenn das Gericht von der fehlenden Verstandesreife überzeugt war. S a Sonnenfeld Rn 532. Zöller/Greger § 385 Rn 2. RGZ 169, 48. OLG Köln Rpfleger 1985, 494.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

bb) Auskunftsverweigerungsrecht der Selbst- und Angehörigenbelastung

44

Nach § 384 Nr 1, 2 ZPO kann der Zeuge die Auskunft über solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem nahen Angehörigen (Rn 41) unmittelbaren Vermögensschaden bringen (Nr 1), zur Unehre gereichen oder die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung zuziehen würde (Nr 2). Im Fall des § 384 Nr 1 ist das Weigerungsrecht jedoch unter den Voraussetzungen des § 385 Abs 1 (Rn 43) ausgeschlossen. Eine Belehrung ist nicht vorgeschrieben, aber angebracht.206 Der Richter darf die Frage stellen,207 der Zeuge braucht sie aber nicht zu beantworten. Der Zeuge braucht den Weigerungsgrund nicht glaubhaft zu machen, weil er anderenfalls offenbaren müsste.208 Das Weigerungsrecht ist gegeben ohne Rücksicht darauf, wie die Aussage bei wahrheitsgemäßer Beantwortung zu lauten hätte, also auch wenn sie dem Zeugen unschädlich wäre; der Zeuge braucht sich auf derartige Fragen überhaupt nicht einzulassen.209 Welche Schlüsse bei der Beweiswürdigung aus der Zeugnisverweigerung als Beweisanzeichen zu ziehen sind, darf das Gericht unter Heranziehung der sonstigen Umstände des Falles frei würdigen, dabei ist aber vorsichtige Abwägung der Motive vorzunehmen.210 Denn es ist zu beachten, dass das Zeugnisverweigerungsrecht auch besteht, wenn die wahrheitsgemäße Beantwortung den Zeugen nicht der Gefahr der Nr 2 aussetzen würde. Die Würdigung setzt daher voraus, dass das sonstige Beweisergebnis die mutmaßlichen Motive des Zeugen erkennen lässt. Aus der Zeugnisverweigerung eines nahen Angehörigen (§ 383 Nr 1 bis 3) können keine Schlüsse gezogen werden.211 Eine Aussage entgegen einer Verschwiegenheitsabrede gereicht dem Zeugen nicht zur Unehre und begründet kein Aussageverweigerungsrecht iSv § 384 Nr 2 ZPO.212 cc) Offenbarung eines Kunst- oder Gewerbegeheimnisses

45

§ 384 Nr 3 ZPO normiert den Schutz für Gewerbegeheimnisse, ist aber ausdehnend auch für Geschäftsgeheimnisse angebracht,213 die einen wirtschaftlichen Wert haben.214 Dem Zeugen wird die Inkaufnahme eigener beruflicher oder gewerblicher Nachteile durch seine Aussage nicht zugemutet. Das Geheimnis kann ein eigenes oder ein fremdes sein, zu dessen Wahrung der Zeuge kraft seines Berufs verpflichtet ist, zB der Angestellte des Unternehmens,215 ein Verbandsgeschäftsführer hinsichtlich der Geschäftsgeheimnisse der Mitgliedsfirmen,216 eine Auskunftei.217 Gewerbegeheimnisse können Produktionsvorgänge, Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Teilhaber, Bankverbindungen uä sein. dd) Zeugnisverweigerungsrecht kraft besonderer beruflicher Vertrauensstellung

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Nach § 383 Abs 1 Nr 4 und 6 ZPO haben Personen in besonderer Vertrauensstellung ein Zeugnisverweigerungsrecht, soweit Verschwiegenheit von ihnen erwartet werden darf. Wer in Wahrnehmung schutzwürdiger Interessen den Rat oder die Dienste eines

206 207 208 209 210 211

OLG Köln OLGZ 1986, 60. BGH NJW 1994, 197. RG JW 1896, 130; RG HRR 1933 Nr 539; Zöller/Greger § 384 Rn 1, 2. BGHZ 26, 391 = LM § 384 ZPO Nr 2 m Anm Johannsen. BGHZ 26, 391; Reichold in Thomas/Putzo § 384 Rn 1; Zöller/Greger § 384 Rn 3. KG NJW 1966, 605; BGH NJW 1968, 1246; aA BGHSt 2, 351.

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212 213 214 215 216 217

OLG Hamm FamRZ 1999, 939. OLG Stuttgart WRP 1977, 127. OLG München NJW-RR 1998, 1495. Reichold in Thomas/Putzo § 384 Rn 5. LG Tübingen JZ 1960, 493 m Anm Wieczorek. Kiel JW 1936, 2941.

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§ 15

hierzu durch Amt, Stand oder Gewerbe Berufenen in Anspruch nimmt und sich ihm anvertraut, soll auf dessen Verschwiegenheit rechnen dürfen und die Gewissheit haben, dass der Dritte zur Preisgabe des ihm Anvertrauten auch nicht gezwungen werden kann. Hierher gehören zunächst einmal Geistliche (Nr 4), wobei nur die Seelsorger anerkannter Religionsgemeinschaften gemeint sind.218 Geschützt ist danach aber nur das, was dem Geistlichen als Seelsorger anvertraut ist219 und nicht ausschließlich verwaltende, erzieherische oder karitative Tätigkeit.220 Unter Nr 6 fallen Personen, denen Kraft Amtes, Standes oder Gewerbes geheim zu haltende Tatsachen anvertraut werden. Da der Vertrauensgeber und nicht der Amtsträger geschützt werden soll, gilt die Schweigebefugnis auch für berufliche Gehilfen und Bedienstete.221 Die Schweigebefugnis gilt für Ärzte und andere in der Gesundheitspflege Tätige,222 für Sozialpädagogen und Sozialarbeiter lässt sich in der Regel ein Aussageverweigerungsrecht nicht aus § 383 Abs 1 Nr 6 ZPO herleiten,223 im Einzelfall kann jedoch ein Verweigerungsrecht unmittelbar aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen hergeleitet werden.224 Die Verschwiegenheitspflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes bestehen nach dem Tode des Patienten grundsätzlich fort (sa Rn 47).225 Zum Kreis der Schweigebefugten gehören auch die Rechtspflegeberufe wie Richter (sa Rn 37), Rechtsanwälte,226 Verteidiger, Patentanwälte, Notare (§ 18 BNotO), Dolmetscher, Übersetzer, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sowie die Angehörigen sonstiger Berufe, deren Ausübung das Anvertrauen schutzwürdiger Interessen Dritter mit sich bringt, wie Bankiers,227 Aufsichtsratsmitglieder,228 Abschlussprüfer, Auskunfteien. Anvertraut ist jede auf der Vertrauensstellung beruhende Wahrnehmung; darunter auch solches, was eine Person aufgrund ihrer Vertrauensstellung oder im Zusammenhang damit erfahren hat, gleichgültig ob diese Kenntnis auf einem besonderen Vertrauensakt beruht oder nicht.229 Der Umfang der Schweigepflicht richtet sich in erster Linie nach dem Gesetz, sonst nach der Natur der Sache;230 oft wird es sich um eine durch Vertrag begründete Verschwiegenheitspflicht handeln (Bankier), sonst sind die Verkehrsanschauungen und die berechtigten Erwartungen des Anvertrauenden maßgebend. Für Mitarbeiter von Rundfunk, Fernsehen und periodischen Druckwerken, also Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, gilt ein Zeugnisverweigerungsrecht gem § 383 Abs 1 Nr 5 ZPO über die Person des Verfassers, Informanten, Einsenders, Gewährsmannes sowie über den Inhalt der Auskünfte, Unterlagen und sonstigen Mitteilungen. Geschützt ist nur das von dritter Seite zugetragene, nicht das selbst ermittelte Material,231 sowie der redaktionelle Inhalt,

218

219 220 221 222

223

224

Zum Begriff des in Ausübung der Seelsorge Anvertrauten vgl OLG Nürnberg FamRZ 1963, 260 m Anm Bosch; LG NürnbergFürth FamRZ 1964, 513. BGH NJW 1984, 2893. OLG Nürnberg FamRZ 1963, 260 m Anm Bosch. Zöller/Greger § 383 Rn 17. BGHZ 40, 288 = NJW 1964, 449; OLG Karlsruhe NJW 1960, 1392; BDH NJW 1963, 409 (Truppenarzt). BayObLG FamRZ 1990, 1012; OLG Köln FamRZ 1986, 708 = StAZ 1986, 105; OLG Hamm FamRZ 1992, 201. BVerfG NJW 1972, 2214 für das Strafverfahren; OLG Hamm FamRZ 1992, 201 im

225

226 227 228 229

230 231

Rahmen einer Entscheidung gem §§ 1666, 1666a BGB. BGHZ 91, 392 = NJW 1984, 2893 = Rpfleger 1984, 418; BayObLG FamRZ 1986, 1237 = Rpfleger 1987, 151. Vgl BayObLGZ 1966, 86. Dazu Müller NJW 1963, 835; Sichtermann MDR 1965, 697. Spieker NJW 1965, 1937; Zöller/Greger § 383 Rn 20. BGHZ 40, 288 = NJW 1964, 449 = LM § 383 ZPO Nr 1; BGHZ 91, 392 = NJW 1984, 2893 = Rpfleger 1984, 418. S hierzu BGH NJW 2005, 1948 hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechts des Notars. BVerfG MDR 1988, 200.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

also nicht Werbung und Inserate.232 Eine Belehrungspflicht gilt für das Gericht nur bezüglich der nahen Angehörigen (s Rn 40),233 nicht aber bei § 383 Abs 1 Nr 4 bis 6 ZPO.234 Bei Entbindung von der Schweigepflicht entfällt das Zeugnisverweigerungsrecht des 47 § 383 Abs 1 Nr 4 und 6 ZPO (§ 385 Abs 2 ZPO), nicht für Pressemitarbeiter (Nr 5). Die Aussageermächtigung kann dem Zeugen, dem Gericht oder den Beteiligten gegenüber erklärt werden. Sie ist eine Einwilligung, durch welche die Offenbarung des Geheimnisses rechtmäßig wird; eine mutmaßliche Einwilligung gibt es nicht.235 Einwilligungsberechtigt ist der über das Geheimnis Verfügungsberechtigte; das kann außer dem Anvertrauenden auch ein Dritter sein, dessen Geheimnis anvertraut worden ist.236 Natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Ermächtigenden genügt;237 anderenfalls handelt der gesetzliche Vertreter. Die Schweigepflicht dauert nach dem Tode des Geschützten fort.238 Die Erben sind zur Entbindung von der Schweigepflicht nur insoweit berechtigt, als das geschützte Rechtsgut auf sie übergegangen ist (§ 1922 BGB),239 mithin nicht in Ansehung der persönlichen Intimsphäre des Erblassers;240 eine „Funktionsnachfolge“ von Angehörigen kommt nicht in Betracht.241 Der Arzt ist im Erbscheinsverfahren verpflichtet zur Testierfähigkeit des Erblassers auszusagen, wenn festgestellt wird, dass ein ausdrücklich zu Lebzeiten erklärter Befreiungswille des Erblassers vorliegt;242 gleiches soll auch gelten, wenn genügende Anhaltspunkte für einen stillschweigend erklärten Befreiungswillen vorliegen, oder wenn die Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht des Arztes dem mutmaßlichen Erblasserwillen entspricht.243 Der Schweigepflichtige darf, wenn eine Entbindung wegen Todes nicht mehr möglich ist, selbst nach pflichtmäßigem Ermessen entscheiden, ob er aussagen will, so wie er auch sonst trotz fehlender Befreiung sich zur Aussage entschließen darf.244 Die Aussage eines Zeugen, der einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen kann, ist nach dem Tode des Befreiungsberechtigten verwertbar, wenn die Aussage nicht in einen Konflikt mit den Berufspflichten des Zeugen geraten kann;245 die Zeugenvernehmung des Rechtsanwalts eines Erblassers darf auf solche Tatsachen erstreckt werden, welche die Testamentserrichtung und den Willen des Erblassers betreffen.246 Ein Arzt, der den Erblasser behandelt hat, darf auch dann zu Tatsachen vernommen werden, welche die Testierfähigkeit betreffen, wenn nicht festgestellt ist, dass ihn der Erblasser von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat, weil in aller Regel davon ausgegangen werden kann, dass die Aufklärung von Zweifeln an der Testierfähigkeit im wohlverstandenen Interesse des Erblassers liegt.247 232 233 234 235 236 237 238

Zöller/Greger § 383 Rn 13 mwN. OLG Köln Rpfleger 1985, 494; Zöller/Greger § 383 Rn 22. BayObLG FamRZ 1991, 231. Zöller/Greger § 385 Rn 12; Lencker NJW 1964, 1188 gegen LG Augsburg ebenda. Zöller/Greger § 385 Rn 10; vgl Göppinger NJW 1958, 242; Kohlhaas GoltdA 1958, 73. Vgl Bosch Grundsatzfragen des Beweisrechts S 95; Lenckner NJW 1965, 321. BGHZ 91, 392 = NJW 1984, 2893 = Rpfleger 1984, 418; BayObLG FamRZ 1986, 1237 = Rpfleger 1987, 151: BayObLGZ 1966, 86; einschränkend OLG Düsseldorf NJW 1959, 820 (Erbscheinsverfahren); dagegen Schmidt NJW 1962, 1745; BayLSozG NJW 1962, 1789.

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239 240 241 242 243 244 245 246 247

Zöller/Greger § 385 Rn 10. LG Augsburg NJW 1964, 1189. So aber Bosch aaO S 89 ff; dagegen Lenckner NJW 1965, 321. BayObLG FamRZ 1986, 1237 = Rpfleger 1987, 151. So BayObLG FamRZ 1986, 1237 = Rpfleger 1987, 151. BGHZ 91, 392 = NJW 1984, 2893 = Rpfleger 1984, 418; BGHSt 15, 200. BayObLG FamRZ 1991, 231. BayObLG FamRZ 1991, 962. BGHZ 91, 392 = NJW 1984, 2893 = Rpfleger 1984, 418; BayObLG 1991, 1461 = Rpfleger 1992, 11.

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Beweisverfahren

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Für Geistliche ist § 385 Abs 2 ZPO obsolet; katholische Geistliche bleiben nach Art 9 48 des Reichskonkordats248 auch bei Entbindung von der Schweigepflicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt, nach Art 144 Abs 2 BayVerf auch Geistliche anderer Bekenntnisse. Dieser Grundsatz ist auch sonst auf Geistliche aller Konfessionen auszudehnen.249 4. Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung a) Verfahren Hat der Zeuge die Weigerung ordnungsgemäß im Beweistermin oder vorher (§ 386 49 Abs 3 ZPO) erklärt, und ist der Weigerungsgrund nicht offensichtlich abwegig, so ist über die Rechtmäßigkeit der Weigerung zu entscheiden (§ 387 Abs 1 ZPO), sofern die Vernehmung im Amtsverfahren nicht lediglich von Amts wegen beschlossen worden war (§ 12) und das Gericht die Weigerung nicht ohne weiteres für begründet erachtet; in diesem Fall verzichtet das Gericht kurzerhand auf die Vernehmung. War aber die Vernehmung von einem der Beteiligten angeregt, so sind diese zu den vorgebrachten Weigerungsgründen zu hören (§§ 386 Abs 4, 387 Abs 1 ZPO). Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes macht die Anhörung im Hinblick auf das Beschwerderecht der Beteiligten (Rn 33) nicht entbehrlich, insbesondere in echten Streitsachen, aber auch in anderen Verfahren, wenn ein Beteiligter die Vernehmung verlangt,250 es sei denn, dass das Gericht ohne Rücksicht auf die Berechtigung des Weigerungsgrundes die Vernehmung nach pflichtmäßigem Ermessen zur Sachaufklärung nicht mehr für erforderlich erachtet. Der Zeuge hat den Weigerungsgrund, wenn er nicht ohne weiteres aus der Beweisfrage oder den Beziehungen des Zeugen zu den Beteiligten erhellt, glaubhaft zu machen (§ 386 Abs 1, 2, Ausnahme von § 12 FGG). Die Verfahrensvorschriften der §§ 388, 389 Abs 2, 3 beruhen auf dem Mündlichkeitsgrundsatz und sind deshalb in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht anwendbar. Dem Zeugen und den Beteiligten ist zwar rechtliches Gehör zu gewähren, die Form der Anhörung liegt aber im Ermessen des Gerichts. Die Entscheidung ergeht nicht durch Zwischenurteil (so § 387 Abs 3), sondern durch Beschluss, der im Termin verkündet oder schriftlich erlassen werden kann.251 Der Beschluss muss dem Zeugen und den Beteiligten förmlich zugestellt oder Anwesenden zu Protokoll bekannt gemacht werden (§ 16 Abs 2 S 1 Abs 3). b) Rechtsmittel Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt (387 Abs 3 ZPO) und 50 zwar nicht nach den Vorschriften der ZPO, sondern nach § 22 FGG (vgl oben Rn 32 ff).252 Die Beschwerdeberechtigung richtet sich nach dem FGG; vgl insbesondere §§ 20, 57, 82. Wer danach zur Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache berechtigt wäre, kann auch gegen eine Entscheidung, welche die Weigerung für gerechtfertigt erklärt, Beschwerde (und weitere Beschwerde) einlegen, wenn die Möglichkeit besteht, dass infolge der Weigerung eine seine Rechte beeinträchtigende Entscheidung in der Hauptsache ergeht. Wird die Weigerung des Zeugen für ungerechtfertigt erklärt, so ist nur der Zeuge beschwerdeberechtigt. Die Beschwerde des Zeugen wird nicht dadurch

248 249

250

Vom 20.7.1933 (RGBl II 679). Bosch aaO S 82; ders FamRZ 1963, 262; Lenckner NJW 1965, 321; LG Fulda SJZ 1950, 286. Baur § 20 III 2 bb; Habscheid § 21 II 3;

251 252

Bärmann § 16 III 1a; offen gelassen in BayObLGZ 1956, 393; aA Schlegelberger Anm 15. So auch BGH Rpfleger 1984, 418. KGJ 50, 6; BayObLGZ 1956, 389.

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gegenstandslos, dass er die Aussage geleistet hat, nachdem zu seinen Ungunsten entschieden worden war.253 Hat der Rechtspfleger über die Weigerung entschieden, so ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist (§ 11 Abs 1 RPflG), es gilt also das unter Rn 32 ff, 49 Gesagte. 5. Beeidigung a) Eidespflicht

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Die Pflicht zur Eidesleistung, sofern sie angeordnet wird, besteht für jeden aussagepflichtigen Zeugen, soweit nach § 393 ZPO kein Eidesverbot besteht.254 Danach sind stets unbeeidigt zu vernehmen Personen im Alter unter 16 Jahren und solche, die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche vom Wesen und von der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben, bloße Zweifel an der Verstandesreife reichen jedoch nicht.255 Bei nur vorübergehender Beeinträchtigung (zB bei Trunkenheit) ist Vertagung geboten.256 Die Fähigkeit, eidesstattliche Versicherungen abzugeben, wird durch die Eidesunfähigkeit nicht berührt. Wer zur Verweigerung der Aussage berechtigt ist, darf auch die Eidesleistung verweigern, selbst wenn er bereits ausgesagt hat;257 dadurch kann allerdings der Beweiswert der Aussage gemindert werden.258 Auch hierüber ist der Zeuge zu belehren.259 Eidesbelehrung erfolgt nach §§ 395, 480 ZPO. b) Anordnung der Beeidigung

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Über die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet das Gericht, soweit kein Eidesverbot entgegensteht (§§ 393, 402 ZPO), gemäß § 15 Abs 1 S 2 FGG nach pflichtmäßigem Ermessen. Insoweit besteht gegenüber dem Zivilprozess seit der Änderung des § 391 ZPO durch die Novelle vom 27.10.1933 kein Unterschied mehr, abgesehen davon, dass der in § 391 ZPO vorgesehene Verzicht der Beteiligten auf die Beeidigung das Gericht nicht bindet. Das Ermessen ist pflichtgemäß auszuüben; die Möglichkeiten der Wahrheitserforschung, die in der Beeidigung liegen, dürfen nicht grundsätzlich ungenutzt bleiben. Die Beeidigung kann etwa unterbleiben, wenn es auf die Aussage nicht ankommt oder die Ergebnisse mehrerer Aussagen übereinstimmen, zwischen den Aussagen der Zeugen und dem Vorbringen der Beteiligten kein wesentlicher Widerspruch besteht oder das Gericht auch die uneidliche Aussage für genügend glaubwürdig erachtet und beachtlich abweichende Beweisergebnisse nicht hervorgetreten sind. Zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage ist die Beeidigung geboten, wenn die Aussage einerseits erheblich ist, andererseits gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen gewisse Bedenken bestehen; wenn auf Grund besonderer Umstände des Falles schwerwiegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen, kann eine Beeidigung jedoch wertlos erscheinen.260 Grundsätzlich geboten ist die Beeidigung mit Rücksicht auf die Bedeutung der Aussage, wenn die Entscheidung von ihr abhängt und im Widerspruch zu anderen Beweisergebnissen auf die Aussage gestützt werden soll.261 Zu empfehlen auch die Beeidigung eines Teils der Aussage.262

253 254 255 256 257 258

BayObLGZ 1956, 389. Zöller/Greger § 391 Rn 1. Zimmermann ZPO § 393 Rn 1. Zöller/Greger § 393 Rn 1. BGHZ 43, 368. Zöller/Greger § 391 Rn 1.

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259 260 261 262

Vgl BVerwG VerwRspr 17 (1966), 1012. BGHZ 43, 368; dazu Schneider JW 1966, 333; Grundsky ZZP 79, 141. Zöller/Greger § 391 Rn 3 mwN. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 119 Rn 29.

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Beweisverfahren

§ 15

Verkennung oder Außerachtlassung der Grenzen der Ermessenausübung bei der Beei- 53 digung ist ein Verfahrensfehler, der die Rechtsbeschwerde begründet, wenn die Möglichkeit, dass die Entscheidung darauf beruht, sich nicht ausschließen lässt.263 Die Anordnung der Beeidigung steht dem mit der Sache befassten Gericht zu. Da sie 54 eine Bewertung der Aussage voraussetzt, kann sie grundsätzlich erst nach der Vernehmung und in ihrer Kenntnis ergehen.264 Wenn aber die Notwendigkeit der Beeidigung im Voraus zu erkennen ist, bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Gericht den beauftragten oder ersuchten Richter dazu ermächtigt; auch kann dieser in klar liegenden Fällen die Beeidigung selbständig anordnen.265 Das Beschwerdegericht kann die Beeidigung einer im ersten Rechtszuge gemachten Aussage anordnen. Zur Abnahme von Zeugenund Sachverständigeneiden sind gemäß § 194 Abs 1 auch die nach Landesgesetz zuständigen nichtgerichtlichen Behörden befugt,266 dagegen nicht der Rechtspfleger; hält er die Beeidigung für geboten, so muss er die Sache dem Richter vorlegen (§§ 4 Abs 2 Nr 1, Abs 3 RPflG).267 Ist trotz eines Eidesverbots (§ 393 ZPO) beeidigt worden, so ist die Aussage als un- 55 eidliche zu werten;268 anderenfalls liegt ein Verfahrensfehler vor. Ist die Beeidigung irrig wegen vermeintlichen Eidesverbots oder Eidesverweigerungsrechts unterblieben, so muss sie, falls geboten, nachgeholt werden. Ist statt des Zeugeneides der Sachverständigeneid abgenommen worden oder umgekehrt, so gilt die Aussage als unbeeidigt; der richtige Eid muss, falls geboten, nachgeholt werden.269 6. Zwangsmittel zur Erzwingung der Aussage und der Eidesleistung Hat der Zeuge die Aussage oder die Eidesleistung, sofern sie verlangt worden ist, mit 56 Angabe von Gründen verweigert, so dürfen Zwangsmaßnahmen erst angewendet werden, wenn der Beschluss nach § 387 ZPO über die Verwerfung des Weigerungsgrundes (Rn 49) rechtskräftig geworden ist (§ 390 Abs 1 ZPO). Bleibt der Zeuge gleichwohl bei seiner Weigerung oder hat er sich ohne Angabe eines Grundes oder unter Vorschützen eines offensichtlich unzulässigen und abwegigen Grundes geweigert, so sind nach § 390 Abs 1 ZPO von Amts wegen dieselben Maßnahmen (Ordnungsmittel, Kosten) gegen ihn zu verhängen wie nach § 380 Abs 1 ZPO für den Fall des Ausbleibens im Termin (vgl oben Rn 31), nur mit dem Unterschied, dass diese Ordnungsmaßnahme nur einmal verhängt werden darf. Statt dessen darf das Gericht bei wiederholter Weigerung nach seinem Ermessen, wenn es im Interesse der Sachaufklärung und des Beteiligten, der die objektive Beweislast trägt, auf die Vernehmung nicht glaubt verzichten zu können, nach § 390 Abs 2 ZPO zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft anordnen. Ein Antrag (§ 390 Abs 2) ist im Hinblick auf § 12 nicht erforderlich. Der Beschluss, der dem Zeugen zu Protokoll bekannt zu machen (§ 16 Abs 3) oder förmlich zuzustellen ist, enthält keine zeitliche Grenze; der Haftbeschluss ist aber aufzuheben, wenn der Rechtszug durch Erlass der Entscheidung (§ 18 Rn 8), im Hinblick auf welche der Zeuge vernommen werden sollte, beendet ist oder wenn die Vernehmung sich vorher aus anderen Gründen erübrigt. Die Vollstreckung der Haft richtet sich nach §§ 904 bis 906, 908 bis 910, 913 263 264 265

266

BGHZ 43, 368, 370; Schneider NJW 1966, 333. Reichold in Thomas/Putzo § 392 Rn 1. Stein/Jonas/Berger § 391 Rn 21; Baumbach/ Hartmann § 391 Rn 8; aA Zöller /Greger § 391 Rn 6. Vgl § 194 Rn 2, 7.

267

268 269

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Abnahme eines Eides durch einen Nichtrichter bestehen jedoch nicht; s BVerfGE 7, 189 sowie Habscheid NJW 1970, 1669. Zöller/Greger § 393 Rn 1. Zöller/Greger § 391 Rn 6.

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ZPO. In dem Haftbefehl (§ 908) ist außer dem Haftgrund die Sache, in der das Zeugnis abgelegt werden soll, zu bezeichnen. Die Höchstdauer der Haft beträgt 6 Monate (§ 913 ZPO). Von einem Haftkostenvorschuss (§ 911 ZPO) kann die Vollziehung wegen des Amtsbetriebes (§ 12) nicht abhängig gemacht werden. Gegen die Beschlüsse findet gemäß § 390 Abs 3 ZPO die sofortige Beschwerde statt, 57 hier jedoch nach §§ 19 ff FGG (oben Rn 32 ff). Die Beschwerde gegen die Erzwingungshaft hat ebenso wie die gegen das Ordnungsgeld nach § 24 Abs 1 aufschiebende Wirkung (vgl § 24 Rn 7). Gegen die Ablehnung oder Aufhebung der Haft nach § 390 Abs 2 ZPO steht dem betroffenen Beteiligten die sofortige Beschwerde gem § 793 ZPO zu; gleiches gilt für einen unterbliebenen Ausspruch über die Kostentragung.270 Die Befugnisse aus §§ 380, 381, 390 ZPO (nicht auch aus § 387, vgl § 389 ZPO) ste58 hen auch dem verordneten Richter zu (§ 400 ZPO). Gegen dessen Entscheidung ist die Erinnerung entsprechend § 573 ZPO an das mit der Sache befasste Gericht statthaft; erst gegen dessen Entscheidung ist die Beschwerde gem § 573 Abs 2 ZPO gegeben.271

E. Beweis durch Sachverständige272 I. Bedeutung und Auswahl 59

Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht eine besondere Sachkunde zu verschaffen, die zur Feststellung von Tatsachen oder zu ihrer Beurteilung erforderlich ist. Vom Zeugen unterscheidet er sich dadurch, dass dieser Tatsachen mitzuteilen, der Sachverständige aber sie auf Grund seines Fachwissens zu beurteilen hat.273 Voraussetzung ist jedoch, dass der zu begutachtende Sachverhalt vom Gericht selbst ermittelt274 und dem Sachverständigen als Grundlage seiner gutachterlichen Äußerung vorgegeben wird.275 Zeuge ist auch, wer über vergangene Tatsachen berichten soll, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war (§ 414 ZPO); soll dieser „sachverständige Zeuge“ aus seinen Wahrnehmungen außerdem gutachtliche Schlüsse ziehen, so ist er Zeuge und Sachverständiger zugleich. Wer nicht Zeuge sein kann (oben Rn 20), kann auch nicht Sachverständiger sein. Die Auswahl obliegt dem Gericht.276 Im Verfahren um die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes bedarf es grundsätzlich eines Sachverständigengutachtens (siehe § 68b Rn 14 ff); in der Regel wird dieses ein Arzt mit Erfahrung in der Psychiatrie sein müssen;277 öffentlich bestellte Amtsärzte mit psychiatrischer Vorbildung, auf dem Gebiet der Psychiatrie fachkundige Klinikärzte und die in Bayern bestellten Landgerichtsärzte278 in Betracht.279 Die Sachkunde der Ärzte des höheren öffentlichen Gesundheitsdienstes der Staatlichen Gesundheitsämter in Bayern ist vom Richter darzulegen;280 gleiches gilt auch für einen Gutach270 271 272

273 274 275

Zöller/Greger § 390 Rn 9. Zöller/Greger § 400 Rn 5. Neuere Literatur: Bayerlein Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 3. Auflage 2002; Jessnitzer/Ulrich Der gerichtliche Sachverständige, 11. Auflage 2001. Lent ZZP 60, 9. S hierzu BVerfG FamRZ 1999, 1419. OLG Frankfurt FamRZ 1998, 1061; KG FamRZ 1995, 1379; vgl auch BGH ZEV 1997, 384.

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276 277

278 279 280

BayObLGZ 2000, 48; KG FamRZ 1995, 1379. KG FamRZ 1995, 1379 das insoweit die für die frühere Gebrechlichkeitspflegschaft vertretenen Grundsätze aufrecht erhält. So auch BayObLGZ 1986, 62. BayObLG FamRZ 1993, 351; FamRZ 1995, 1519 (LS). BayObLG FamRZ 1993, 851 mwN. BayObLG FamRZ 1565 m Anm Christl.

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Beweisverfahren

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ter, dessen Sachkunde sich nicht ohne weiteres aus seiner Berufsbezeichnung ergibt.281 Behandelnde Ärzte der Bezirkskrankenhäuser sind grundsätzlich keine sachverständigen Zeugen, sie können als Gutachter herangezogen werden;282 gleiches gilt auch für den Vorgesetzten der behandelnden Ärzte.283 Für die Gutachten vor Unterbringung einer Person (siehe § 70e Rn 4 ff) ergibt sich die verlangte Sachkunde schon aus dem Gesetz;284 allerdings dürfen der Sachverständige und der behandelnde bzw antragstellende Arzt nicht personenidentisch sein.285 Sachverständiger kann nicht nur eine natürliche Person sein, sondern auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und zwar immer dann, wenn der betreffenden Stelle diese Aufgabe spezialgesetzlich übertragen ist,286 zB Handels-, Handwerks-, Anwalts-287 und Ärztekammern oder die Gutachterausschüsse nach § 192 BauGB288. Auf derartige Gutachterstellen finden jedoch die Vorschriften über die Erscheinungspflicht (§ 411 Abs 3 ZPO) und über die Beeidigung (§ 410 ZPO) keine Anwendung.289 auch können sie nicht wegen Befangenheit (§ 406 ZPO) abgelehnt werden.290 Die Entschaltung eines privatrechtlichen Institutes bei der Benennung eines gerichtlichen Sachverständigen ist unzulässig.291 Hat das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit einen Sachverständigen ausgewählt, so kann allein daraus, dass dieser nicht öffentlich bestellt ist, ein Verfahrensfehler nicht abgeleitet werden.292 Über die amtliche Auskunft vgl § 12 Rn 54, über die Frage, wann die Einholung eines Sachverständigengutachtens veranlasst ist, § 12 Rn 93, 107.

II. Verfahren 1. Gesetzliche Grundlagen Auf das Verfahren bei der Erhebung des Sachverständigenbeweises finden nach § 15 60 Abs 1 S 1 die Vorschriften der §§ 402 bis 414 ZPO entsprechende Anwendung. Hiervon sind als mit dem Amtsermittlungsgrundsatz unvereinbar § 403 ZPO (Beweisantritt) und § 404 Abs 4 ZPO (Einigung der Parteien über die Person des Sachverständigen) nicht anwendbar. Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen (§ 404a Abs 1 ZPO). Soweit es die Besonderheit des Falles erforderlich macht, soll das Gericht den Sachverständigen vor Abfassung der Beweisfrage hören; hiervon sollte jedoch sparsam Gebrauch gemacht werden, um den Sachverständigen nicht zu beeinflussen.293 Der zu begutachtende Sachverhalt (die sog Anknüpfungs- oder Anschlusstatsachen) sind zunächst einmal vom Gericht zu ermitteln.294 Zur Vernehmung von Zeugen oder Beteiligten ist der Sachverständige 281 282 283 284

285 286 287

288

BayObLG FamRZ 1997, 901 mwN. BayObLG Rpfleger 1983, 11 (LS). OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 965. Zu den Anforderungen an ein solches Gutachten s OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 118; BayObLG FamRZ 1989, 319 sowie die Anm zu § 70e Rn 4 ff. LG Tübingen FamRZ 1996, 1344. BGH NJW 1998, 3355. Bei Honorarklagen hinsichtlich Rahmengebühren ist die Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer gem § 14 Abs 2 RVG vorgeschrieben. BGHZ 62, 93 = NJW 1974, 701.

289 290

291 292 293 294

Zöller/Greger § 411 Rn 5e. BGHZ 62, 94 m zust Anm Johannsen in LM zu § 402 ZPO Nr 23; KG NJW 1971, 1848; OLG Hamm NJW-RR 1990, 1471; OLG Stuttgart NJW-RR 1987, 190; OLG Oldenburg FamRZ 1992, 451. OLG Düsseldorf FamRZ 1989, 1101. BayObLG FamRZ 1991, 618. Zöller/Greger § 404a Rn 2. BayObLG FamRZ 1994, 593; 1999, 819; OLG Frankfurt FGPrax 1998, 62 = FamRZ 1999, 1061; s auch Zöller/Greger § 404a Rn 3.

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ohne gerichtliche Ermächtigung jedoch nicht befugt.295 Von den Vorschriften über den Zeugenbeweis, die nach § 402 ZPO entsprechend gelten, sind diejenigen ebenfalls nicht anwendbar, die auf der Verhandlungsmaxime und dem Mündlichkeitsgrundsatz beruhen (oben Rn 3, 49). Im Übrigen ergeben sich die Besonderheiten des Sachverständigenbeweises gegenüber dem Zeugenbeweis daraus, dass der Sachverständige im Gegensatz zum Zeugen vertretbar ist. Die Einholung gutachtlicher Äußerungen als formlose Ermittlung im Wege des Freibeweises nach § 12 wird dadurch, dass § 15 auf die Vorschriften der ZPO verweist, nicht ausgeschlossen. 2. Gutachterpflicht

61

Zur Erstattung des Gutachtens verpflichtet ist nach § 407 ZPO nur, wer dazu öffentlich bestellt ist oder das Fach öffentlich zum Erwerb ausübt oder zu seiner Ausübung öffentlich bestellt oder ermächtigt ist oder sich zu der Erstattung dem Gericht gegenüber allgemein oder im Einzelfall bereit erklärt hat. Öffentlich bestellte Gutachter sind die durch Behörden für bestimmte Sachgebiete ernannten, vereidigten in besonderen Listen erfassten Personen. Gewerbetreibende sind auch über den Begriff der GewO hinausgehende Personen, die ihre Dienste entgeltlich anbieten; es kann sich auch um Lizenzträger (zB Ärzte, Rechtsanwälte, Lehrer, Professoren) handeln.296 Andere Personen können die Gutachtertätigkeit nach Belieben ablehnen. Auch ein zur Erstattung des Gutachtens an sich Verpflichteter ist zur Verweigerung berechtigt, wenn er als Zeuge nach §§ 383 bis 385 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht hätte (§ 408 Abs 1 S 1 ZPO). Bei im öffentlichen Dienst stehenden Sachverständigen besteht ferner bei Beweisfragen, die ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit berühren, das Beweisverbot des § 408 Abs 2 ZPO, wenn nicht die Genehmigung des Dienstvorgesetzten eingeholt ist (oben Rn 37–39). Über Beweisfragen, die Gegenstand einer unter Mitwirkung des Sachverständigen ergangenen richterlichen Entscheidung waren, soll der Sachverständige nach § 408 Abs 3 ZPO nicht vernommen werden. Die weiteren Pflichten des Sachverständigen ergeben sich aus § 407a ZPO; die Vor62 schrift dient der Prozessbeschleunigung.297 Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag in sein Sachgebiet fällt und ohne die Hilfe weiterer Sachverständiger zu erledigen ist (§ 407a Abs 1 ZPO); weitere Sachverständige darf nur das Gericht hinzuziehen. Die Vorschrift soll verhindern, dass der Vorgang durch längeres Liegen beim Sachverständigen verzögert wird.298 Den Sachverständigen trifft die Pflicht, bei Inhaltszweifeln sich nötigenfalls durch Rückfragen beim Gericht Klarheit zu verschaffen (§ 407a Abs 3 ZPO). Für untergeordnete aber wesentliche Hilfsdienste darf er sich anderer Personen bedienen, muss diese aber dem Gericht namentlich mitteilen (§ 407a Abs 2 ZPO), seine persönliche Verantwortung muss jedoch uneingeschränkt gewahrt bleiben.299 Nach Fertigstellung des Gutachtens, bei Unterbrechung des Verfahrens oder bei Verzögerung der Gutachtenerstattung hat der Sachverständige auf Verlangen des Gerichts die Akten und sonstige für die Begutachtung beigezogene Unterlagen sowie Untersuchungsergebnisse herauszugeben (§ 407a Abs 4 ZPO). Bei unbegründeter Verweigerung der Herausgabe werden ihm die dadurch verursachten Kosten und zugleich ein Ordnungsgeld auferlegt (§ 409 Abs 1 ZPO); siehe Rn 31 bzw 64. 295 296 297

Reichold in Thomas/Putzo § 404a Rn 6 mwN. Zöller/Greger § 407 Rn 2– 4. Reichold in Thomas/Putzo § 407a Rn 1; Zöller/Greger § 407a Rn 1.

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298 299

Reichold in Thomas/Putzo § 407a Rn 2. Reichold in Thomas/Putzo § 407a Rn 4 mwN.

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3. Erzwingung der Gutachterpflicht a) Verfahren bei Weigerung Der Sachverständige ist zur Verweigerung des Gutachtens berechtigt, soweit nicht 63 gem § 407 ZPO für ihn ein Zwang zur Erstattung besteht (s oben Rn 61), wenn er auch als Zeuge die Aussage verweigern dürfte oder wenn er hinsichtlich des Beweisthemas als ehrenamtlicher Richter bereits an einer Entscheidung mitgewirkt hat. Das Gericht kann den Sachverständigen von seiner Verpflichtung entbinden (§ 408 Abs 1 S 2 ZPO). Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Befugnis hierzu hat auch der mit der Beweisaufnahme betraute Richter, wenn er den Sachverständigen ernannt hatte (§ 405).300 Anderenfalls ist, vor allem wenn kein anderer geeigneter Sachverständiger vorhanden ist, bei begründeter Weigerung zunächst über deren Rechtmäßigkeit zu entscheiden (§ 402 mit §§ 386, 387 ZPO); siehe oben Rn 49, 50. b) Zwangsmittel Gegen den zur Erstattung des Gutachtens verpflichteten Sachverständigen ist ein Ord- 64 nungsgeld in Höhe von 5 bis 1000 EUR (vgl oben Rn 31) durch Beschluss zu verhängen, wenn er entweder trotz ordnungsmäßiger Ladung (§ 377 ZPO) unentschuldigt (§ 381 ZPO) in dem zur Erstattung oder Erläuterung (§ 411 Abs 3 ZPO) des Gutachtens anberaumten Termin ausbleibt oder die Erstattung des Gutachtens ohne Begründung oder nachdem der vorgeschützte Grund rechtskräftig verworfen worden ist (§ 387 Abs 3 ZPO) verweigert (§ 409 Abs 1) oder wenn er die ihm zur Erstattung eines schriftlichen Gutachtens gesetzte Frist nach Setzung einer Nachfrist und Strafandrohung versäumt (§ 411 Abs 2 ZPO); in den beiden erstgenannten Fällen sind ihm auch die dadurch entstandenen Kosten aufzuerlegen. Das Ordnungsgeld kann bei wiederholter Säumnis noch einmal verhängt werden (§§ 409 Abs 1 S 2, 411 Abs 2 S 3 ZPO). Führen diese Maßnahmen nicht zum Erfolg, ist idR entschädigungslose Entziehung des Auftrages angezeigt.301 Ersatzordnungshaft, Ordnungshaft und Vorführung sind ausgeschlossen.302 c) Rechtsmittel Gegen die Beschlüsse ist nach §§ 409 Abs 2, 411 Abs 2 S 4 ZPO die sofortige Be- 65 schwerde gegeben. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem FGG (oben Rn 32 ff). 4. Ablehnung des Sachverständigen a) Ablehnungsgründe Die Gründe für die Ablehnung eines Sachverständigen sind gem § 15 Abs 1 S 1 FGG, 66 § 406 Abs 1 ZPO auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit den §§ 41, 42 ZPO zu entnehmen, nicht etwa dem § 6 FGG.303 Der Sachverständige kann mithin abgelehnt werden in Fällen, in denen ein Richter gem § 41 ZPO kraft Gesetztes ausgeschlossen wäre mit Ausnahme des § 41 Nr 5 (§ 406 Abs 1 S 2) sowie wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO). Vernehmung als Zeuge ist ebenso wenig ein Ablehnungsgrund wie frühere Erstattung eines Gutachtens.304 Besorgnis der Befangenheit setzt einen gegen300 301 302 303

Zöller/Greger § 408 Rn 4. Zöller/Greger § 409 Rn 4. Zöller/Greger § 411 Rn 7. BayObLG Rpfleger 1982, 433; BayObLGZ 30, 291; KG OLGZ 1965, 326 = NJW 1965,

304

1086 = FamRZ 1965, 344; Schlegelberger Anm 24; Baur § 20 IIIc; Bärmann § 16 III 2b; Habscheid § 21 II 4. BGH LM § 209 BEG 1956 Nr 37.

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ständlichen vernünftigen Grund voraus, der den Beteiligten von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, dass der Sachverständige das Gutachten nicht unparteiisch sachlich erstatten werde;305 dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder sich dafür hält.306 Sie kann zB gerechtfertigt sein, wenn der Sachverständige im Wettbewerb mit einem Beteiligten steht;307 wenn er schon ein entgeltliches Privatgutachten in derselben Sache erstattet hat;308 wenn es sich um den Hausarzt eines Beteiligten handelt.309 Die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ist gerechtfertigt, wenn nur eine Partei vom Besichtigungstermin in Kenntnis gesetzt worden ist;310 ebenfalls wenn der Gutachter bei einem Telefongespräch mit einem Beteiligten in eine Erörterung seines Gutachtens eingetreten ist, nicht aber wenn es sich um die Erörterung reiner Verfahrensfragen handelt.311 Mangelnde Sachkunde ist kein Ablehnungsgrund; die Auswahl eines unkundigen oder über die erforderliche Sachkunde nicht in dem gebotenen Umfang verfügenden Sachverständigen kann aber ein Verfahrensfehler sein, der die Sachbeschwerde begründet.312 Auch darf der Ablehnungsgrund nicht durch heftige Angriffe eines Beteiligten provoziert werden.313 b) Ablehnungsgesuch

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Zur Ablehnung berechtigt ist jeder am Verfahren formell oder materiell Beteiligte, auch der Geschäftsunfähige, sofern er in dem Verfahren selbst verfahrensfähig ist.314 Für die Form des Gesuchs gelten die allgemeinen Vorschriften über Anträge (s Anm zu § 11). Es ist bei dem Gericht anzubringen, das den Sachverständigen ernannt hat, auch nach Beendigung des Rechtszugs,315 im Fall des § 405 ZPO also bei dem mit der Beweisaufnahme betrauten Richter. Das Gesuch ist frühestens nach der Ernennung des Sachverständigen zulässig316 und grundsätzlich vor der Vernehmung oder vor Einreichung des schriftlichen Gutachtens (§ 411) anzubringen; spätestens jedoch zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung der Ernennung (§ 406 Abs 2 S 1 ZPO). Formlose Bekanntgabe der Ernennung setzt die Frist ebenfalls in Gang, wenn die Ernennung den Beteiligten zugegangen ist.317 Nach diesem Zeitpunkt müssen die erschwerten Voraussetzungen des § 406 Abs 2 S 2 ZPO vorliegen, nämlich dass der Ablehnungsgrund vorher nicht geltend gemacht werden konnte. Das ist der Fall, wenn sich der Ablehnungsgrund erst aus dem Gutachten318 oder einem ergänzenden Gutachten319 ergibt. Der Antrag ist in diesem Fall unverzüglich nach Kenntnis vom Ablehnungsgrund, dh innerhalb einer angemessenen Überlegungszeit gemessen am Einzelfall, zu stellen.320 Die vom Gericht vorgegebene Frist zur Stellungnahme zum Gutachten ist nicht maßgebend, eine angemessene Prüfungs- und Überlegungszeit steht der Unverzüglichkeit nicht entgegen.321 Soll der Sachverständige im 305 306 307 308 309 310

311 312 313 314 315

BGH NJW 1975, 1363. OLG Frankfurt FamRZ 1986, 1021. OLG Koblenz OLGR 2001, 141. BGH VersR 1962, 450 (nicht notwendig). OLG Stuttgart MDR 1962, 910. BGH NJW 1973, 1363; KG MDR 1982, 762; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 1021 m Anm Bosch. OLG Frankfurt FamRZ 1989, 410. Zöller/Greger § 406 Rn 9 im Hinblick auf §§ 404, 412 ZPO. OLG Düsseldorf BB 1975, 627. KG OLGZ 1966, 587. OLG Düsseldorf MDR 1956, 305; HansOLG Hamburg NJW 1960, 874.

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316 317 318 319

320

321

OLG München NJW 1958, 1192; Zöller/ Greger § 406 Rn 11. Zöller/Greger § 406 Rn 11. Zöller/Greger § 406 Rn 11. BayObLGZ 1986, 186 = FamRZ 1986, 829 mwN; BayObLGZ 1994, 183 = FamRZ 1995, 425 = Rpfleger 1995, 339. BayObLGZ 1994, 183 = FamRZ 1995, 425 = Rpfleger 1995, 339; OLG Celle NJW-RR 1995, 128; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 1470; LG Kassel FamRZ 1997, 889. Zöller/Greger § 406 Rn 11 mwN.

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Beweisverfahren

§ 15

zweiten Rechtszug sein in erster Instanz schriftlich erstattetes Gutachten ergänzen, so ist ein Ablehnungsgesuch verspätet, wenn sich die Ablehnung auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens stützt, aber nicht innerhalb einer angemessenen Frist angebracht worden ist.322 Der Ablehnungsgrund und die Entschuldbarkeit der Verspätung sind glaubhaft zu machen (vgl nachst Rn 82), jedoch ist die eigene eidesstattliche Versicherung des Gesuchstellers abweichend von § 15 Abs 2 FGG nach § 406 Abs 3 ZPO ausgeschlossen.323 Auch nach Verlust des Ablehnungsrechts ist der Beteiligte nicht gehindert, Bedenken gegen den Beweiswert des Gutachtens vorzubringen, die das Gericht daraufhin zu würdigen hat, ob sie die Bestellung eines anderen Sachverständigen rechtfertigen, es sei denn, dass der Ablehnungsgrund bereits zurückgewiesen ist.324 c) Die Entscheidung Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch trifft das Gericht, das den Sachverstän- 68 digen ernannt hat, auch wenn die Sache in der höheren Instanz anhängig ist,325 im Fall des § 405 ZPO der betraute Richter (§ 406 Abs 4 ZPO). Über den im Beschwerdeverfahren angebrachten Ablehnungsantrag gegen einen Sachverständigen, der schon in erster Instanz tätig war, aber in der Beschwerdeinstanz erneut mit der Gutachtenerstellung beauftragt wird, entscheidet das Beschwerdegericht.326 Sie ergeht durch besonderen Beschluss, nicht in den Gründen der Entscheidung zur Hauptsache;327 eine Entscheidung darf ausnahmsweise unterbleiben, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich ist.328 Solange über das Ablehnungsgesuch nicht entschieden ist, darf das Gutachten nicht verwertet werden;329 entscheidet das Beschwerdegericht vor Rechtskraft der Ablehnungsentscheidung in der Hauptsache, ist die gegen die Zurückweisung der Ablehnung eingelegte Beschwerde nicht gegenstandslos, es fehlt ihr auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.330 Der Beschluss ist, wenn die Ablehnung für begründet erklärt wird, den Beteiligten formlos mitzuteilen, anderenfalls dem Gesuchsteller förmlich zuzustellen (§ 16 Abs 2). Unterbleiben der Entscheidung nötigt zur Aufhebung der auf dem Gutachten beruhenden Entscheidung.331 d) Rechtsmittel Die der Ablehnung stattgebende Entscheidung ist unanfechtbar (§ 406 Abs 5 ZPO), 69 auch wenn der nach § 405 ZPO zuständige Richter sie erlassen hat, oder wenn sie unrichtigerweise in den Gründen der Hauptsacheentscheidung enthalten ist.332 Eine entsprechende Entscheidung des Rechtspflegers ist gem § 11 Abs 2 S 1 RPflG mit der befristeten Erinnerung anfechtbar (siehe hierzu § 13a Rn 58), das auch, wenn niemandes Rechte beeinträchtigt werden. Auch dem Sachverständigen steht kein Rechtsmittel zu; ihm braucht daher auch das rechtliche Gehör nicht gewährt zu werden; eine Anhörung ist jedoch geboten, wenn dieses für eine sachliche Prüfung des Gesuchs erforderlich ist.333 Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für unbegründet erklärt wird, 322 323 324 325 326 327

OLG Frankfurt FamRZ 1995, 1208. So auch Keidel/Schmidt Rn 51. RGZ 64, 434; RG JW 1937, 3325 m Anm Kisch; BGHZ 28, 302. BayObLG FamRZ 1997, 1288; HansOLG Hamburg NJW 1960; 874. BayObLG FamRZ 1998, 1241. BayObLG FamRZ 1995, 999 mwN; Zöller/ Greger § 406 Rn 13a.

328 329 330 331 332 333

BayObLG FamRZ 1995, 999 mwN. RGZ 60, 110; BayObLGZ 1994, 35; BayObLG FamRZ 1995, 999. BayObLGZ 1994, 183 = FamRZ 1995, 425 = Rpfleger 1995, 339. BAG JZ 1960, 606; BayObLG FamRZ 1995, 999; BayObLG Rpfleger 1995, 340. BGHZ 28; 303 = NJW 1959, 434. Zöller/Greger § 406 Rn 12a.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

steht dem Gesuchsteller (§ 20 Abs 2) die sofortige Beschwerde zu (§ 406 Abs 5 ZPO), wobei sich das Beschwerdeverfahren nach §§ 19 ff, 22 ff FGG richtet (siehe hierzu Rn 32 ff). Gegen die Entscheidung des mit der Beweisaufnahme betrauten Richters findet die befristete Erinnerung entsprechend § 573 ZPO statt (s Rn 58). Wird eine Entscheidung nach § 406 ZPO in einem Verfahren des zweiten Rechtszuges von dem Landgericht erlassen, so findet dagegen zwar nach dem unveränderten Wortlaut des Gesetzes die sofortige Beschwerde statt; diese ist jedoch nach der zwingenden Vorschrift des § 567 Abs 1 ZPO nur dann statthaft, wenn es sich um eine Entscheidung im ersten Rechtszug handelt.334 Gegen eine in der Beschwerdeinstanz ergangene Zwischenentscheidung findet die weitere Beschwerde gem § 574 Abs 1 Nr 2 ZPO statt (siehe ausführl Rn 33). Das Rechtsmittel hat keine aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs 1), Zurückstellung der Entscheidung zur Hauptsache ist aber in der Regel geboten, wenn es nicht gänzlich aussichtslos erscheint. Durch den Erlass der Entscheidung zur Hauptsache, solange sie noch nicht rechtskräftig ist, wird die Beschwerde nicht unzulässig.335 Die Folgen einer erfolgreichen Ablehnung nach der Gutachtenerstattung bestimmen sich nach § 412 Abs 2 ZPO, danach kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen angeordnet werden. Sofern das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen wird, darf das Gutachten erneut zur Grundlage der Hauptsacheentscheidung gemacht werden.336 5. Form der Gutachtenerstattung

70

Das Gericht kann den Sachverständigen wie einen Zeugen im Beweistermin vernehmen (§§ 402, 395 ZPO). In diesem Fall sind auch die Beteiligten zu laden, da sie das Recht haben, der Beweisaufnahme beizuwohnen und Fragen an den Sachverständigen zu stellen (§§ 402, 397 ZPO, oben Rn 8 ff). Das Gericht kann nach seinem Ermessen aber auch schriftliche Begutachtung anordnen (§ 411 Abs 1 ZPO), was bei schwierigeren Beweisfragen regelmäßig zweckmäßiger ist. In diesem Fall kann das Gericht von Amts wegen das Erscheinen des Sacherständigen zur Erläuterung des Gutachtens anordnen (§ 411 Abs 3 ZPO). Die von der Rechtsprechung für den Zivilprozess entwickelten Verfahrensgrundsätze zur mündlichen Erläuterung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens finden entsprechende Anwendung, denn die gerichtliche Ermessensentscheidung lässt das Fragerecht der Beteiligten unberührt.337 Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, Einwendungen gegen das Gutachten vorzubringen und Ergänzungsfragen zu stellen.338 Das Gericht verletzt diesen durch Art 103 Abs 1 GG garantierten Anspruch, wenn es Beweisergebnisse verwertet, zu denen die Beteiligten vorher keine Stellung nehmen konnten.339 Auf die Frage, ob das Gericht selbst das Gutachten für erklärungsbedürftig hält, kommt es nicht an.340 Ein Antrag auf Anhörung des Sachverständigen kann abgelehnt werden, wenn er verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt wurde.341 Eine Gegenüberstellung mehrerer sich widersprechender Gutachter steht im Ermessen des Gerichts (§ 402 mit § 394 Abs 2).342

334 335 336 337 338

BayObLG FGPrax 2002, 119 zu § 46 Abs 2 ZPO; Zöller/Gummer Vor § 567 Rn 2. KG NJW 1965, 1086 = FamRZ 1965, 344. BayObLG FamRZ 1995, 999. OLG Hamm FamRZ 1992, 1087. BVerfG FamRZ 1992, 1043; BVerfG NJW 1998, 2273 mwN auch für die Rechtsprechung des BGH und der übrigen obersten

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339 340 341 342

Bundesgerichte. Der in der Vorauflage vertretenen aA wird nicht mehr gefolgt. Sa § 68b Rn 25. BayObLG FamRZ 1997, 1288. BVerfG NJW 1998, 2273. BGHZ 35, 370 = NJW 1961, 2308; BGH NJW 1983, 340; NJW 1997, 802. BGHZ 35, 370.

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Beweisverfahren

§ 15

Durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz343 wurde § 411a ZPO einge- 71 fügt, der die Verwertung von gerichtlichen Sachverständigengutachten aus einem anderen Verfahren im Zivilprozess vorsieht. Nach bisherigem Recht war die Verwertung eines Sachverständigengutachtens aus einem anderen gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt möglich, da es ausschließlich als Urkundenbeweis für zulässig angesehen wurde.344 Wegen der eingeschränkten Beweiskraft einer solchen Urkunde, die nicht den Beweiswert einer öffentlichen Urkunde (§ 418 ZPO) hat, war nach bisherigem Recht häufig doch die Einholung eines neuen Gutachtens notwendig. Durch die Neuregelung soll dieser Mehraufwand vermieden werden.345 Nach § 411a ZPO kann durch die Verwertung eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren eine schriftlichliche Begutachtung ersetzt werden, damit bleibt es immer noch im Ermessen des Gerichts, ob es der Einholung eines neuen Gutachtens den Vorzug gibt oder nicht. 6. Die Beeidigung des Sachverständigen Es steht im Ermessen des Gerichts, ob der Sachverständige beeidigt wird (§ 15 Abs 1 72 S 2).346 Die Form ergibt sich aus § 410 Abs 1 ZPO, wonach sowohl der Vor- oder Nacheid zulässig ist.347 Bei allgemein beeidigten Sachverständigen genügt die Berufung auf den geleisteten Eid, die auch in einem schriftlichen Gutachten erklärt werden kann (§ 410 Abs 2 ZPO). Voraussetzung ist jedoch, dass der Eid sich auf Gutachten der entsprechenden Art erstreckt, reine Vereidigung auf Verschwiegenheit oder gewisse Tätigkeiten genügt nicht.348 7. Gegen- oder Obergutachten Die Würdigung des Gutachtens obliegt dem Gericht (vgl hierzu § 12 Rn 111).349 Eine 73 erneute Begutachtung braucht das Gericht nach § 15 Abs 1 FGG, § 412 Abs 1 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen nur anzuordnen, wenn es das bereits erstattete Gutachten für ungenügend erachtet; dh wenn trotz Anhörung oder Ergänzung keine sichere Überzeugung zu gewinnen ist.350 Zweifel und Unklarheiten wegen unterschiedlicher Bekundungen des Sachverständigen im Laufe des Prozesses hat das Gericht durch gezielte Befragung zu klären und nicht mangels ausreichender Sachkunde sich mit eigener Interpretation über die Widersprüche hinwegzusetzen.351 Das Gericht kann eigene medizinische Sachkunde nicht damit begründen, es habe entsprechende medizinische Fachliteratur gelesen, da das Studium derartiger Literatur infolge notwendigerweise generalisierender Betrachtungsweise dem medizinischen Laien nur bruchstückhafte Kenntnisse vermitteln kann.352 Bei unvollständigen Gutachten hat das Gericht von Amts wegen ein weiteres (ergänzendes) Gutachten einzuholen.353 Bei unzureichenden ärztlichen Stellungnahme in Betreuungssachen bedarf es eines Ergänzungsgutachtens, das zwar an eine frühere Begutachtung anschließen kann, aber die Qualität eines medizinischen Gutachtens haben muss.354 Hat sich der Sachverständige im Anordnungsverfahren über die weitere Ent343

344

345 346 347

Art 1 Nr 14 des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) v 24.8.2004 (BGBl S 2198). BGH NJW 1997, 3381; NJW 1983, 121; MünchKomm/Damrau ZPO § 402 Rn 8; Zöller/Greger § 402 Rn 6d. So die Gesetzesbegründung in BRDrs 378/03 S 45. BayObLG FamRZ 1991, 618. BGH NJW 1998, 3355.

348 349 350 351 352 353 354

Zöller/Greger § 410 Rn 3. Sa BGH FamRZ 1997, 1270. BGH NJW-RR 2001, 732; NJW 1989, 2948; sa BGH NJW 1987, 442. BGH MDR 2001, 888. BGH NJW 1994, 2419 = MDR 1994, 890; NJW 1993, 2378; NJW 1984, 1408. BGH NJW 1996, 730 = MDR 1996, 632. OLG Hamm FamRZ 2000, 494.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

wicklung des Gesundheitszustandes des Betroffenen zu äußern, ist dies lediglich als Ergänzung des früheren Gutachtens anzusehen.355 Beruht das Gutachten auf einseitigen Informationen, so ist es zu ergänzen.356 Wird nicht die Person, die das Gutachten erstattet hat, sondern eine andere Person angehört, stellt dieses eine völlig neue Begutachtung dar.357 Die Beteiligten haben kein Recht auf Einholung eines Gegen- oder Obergutachtens; letzteres wird im Interesse zuverlässiger Sachaufklärung (§ 12) nur bei besonders schwierigen Fragen nötig sein,358 zu denen die Beurteilung des Geisteszustandes im allgemeinen nicht gehört.359 Die Einholung eines weiteren Gutachtens ist geboten bei Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters, unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen oder Widersprüchen des Gutachtens und überlegenen Forschungsmitteln eines anderen Sachverständigen.360 Widersprüchen zwischen mehreren Sachverständigen hat das Gericht nachzugehen und auf Aufklärung hinzuwirken;361 das gilt auch, bei entscheidungserheblichen Widersprüchen zwischen gerichtlichen Gutachten und vorgelegten Privatgutachten.362 Liegen mehrere widersprechende Gutachten vor, so muss das Gericht sich nicht der Mehrheitsmeinung anschließen,363 es muss auch nicht in jedem Fall ein weiteres Gutachten erfordern.364 Die Begutachtung nur durch behandelnde Ärzte ist in der Regel kein Grund, ein Obergutachten einzuholen.365

F. Die Entschädigung von Zeugen und die Vergütung von Sachverständigen 74

Bis zum 30.6.2004 galt für die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen das ZSEG (§§ 401, 413 ZPO aF).366 Nach Art 2 des KostRMoG gilt nun das Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen, und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG) gemäß §§ 401, 413 ZPO. Ein Zeuge erfüllt seine Staatsbürgerpflicht und erhält als Entschädigung gemäß § 19 JVEG Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Aufwandsentschädigung (§ 6 JVEG), Ersatz für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) und Verdienstausfallentschädigung (§ 22 JVEG). Bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln werden die tatsächlich entstandenen Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse mit Auslagen für Platzkarten und Gepäckbeförderung ersetzt, § 5 Abs 1 JVEG. Bei Benutzung des Kraftfahrzeugs

355 356 357 358 359 360

361

BayObLG FamRZ 1986, 829 = Rpfleger 1986, 296 (LS). OLG Oldenburg FamRZ 1992, 451. BGH MDR 1978, 829; OLG Naumburg FamRZ 2002, 986. BayObLG Rpfleger 1980, 189. BGH NJW 1962, 676. BGH NJW 1999, 1778; BGHZ 53; 245 = NJW 1970, 946; BayObLG FamRZ 1998, 921; FamRZ 1991, 1237; FamRZ 1990, 801; FamRZ 1988, 1099 = Rpfleger 1988, 413. BGH MDR 1997, 644 = NJW 1997, 1638; MDR 1997, 148 = NJW 1997, 794; NJW 1994, 2419 = MDR 1994, 890.

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362 363 364 365 366

BGH NJW 2001, 3054; MDR 2000, 349; MDR 1996, 1179 = NJW 1996, 1597. BayObLG FamRZ 1999, 332. BayObLG Rpfleger 1987, 150 (LS). BayObLG Rpfleger 1983, 11. G über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen v 1.10.1969 (BGBl S 1756) – aufgehoben durch Art 6 Nr 2 KostRMoG. Siehe dazu: Meyer/Höver/Bach Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, Kommentar, 21. Auflage, Köln 2000.

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Beweisverfahren

§ 15

werden 0,25 EUR je gefahrenem Kilometer ersetzt, eine Kilometerbegrenzung wie im ZSEG sieht das JVEG nicht vor. Als Aufwandsentschädigung kann bei Abwesenheit vom Wohn- oder Arbeitsort ein Tagegeld gewährt sowie evtl. auch Übernachtungskosten ersetzt werden (§ 6 JVEG). Sonstige Aufwendungen können erstattet werden, wenn sie notwendig waren, wie zB Kosten notwendiger Vertretungen oder Begleitpersonen und Auslagen für Ablichtungen (§ 7 JVEG). Zeugen, denen ein Verdienstausfall entsteht, erhalten eine Entschädigung, die sich nach ihrem regelmäßigen Bruttoverdienst berechnet, je Stunde aber nicht mehr als 17,00 EUR beträgt (§ 22 JVEG); nach § 2 Abs 1 ZSEG betrug die Entschädigung für jede Stunde der versäumten Arbeitszeit 2,00 bis 13,00 EUR. Wer nicht erwerbstätig ist und einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führt, erhält eine Entschädigung von 12,00 EUR je Stunde (bisher 10,00 EUR); dies gilt auch für Teilzeitbeschäftigte außerhalb der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit (§ 21 JVEG). Wer weder Verdienstausfall noch Entschädigung für Nachteile für der Haushaltsführung erhalten kann, dem wird für Zeitversäumnis eine Entschädigung von 3,00 EUR gewährt (§ 20 JVEG). Sachverständige erhalten eine Vergütung gemäß § 8 JVEG als Honorar für die dargebrachten Leistungen (§§ 9, 10 JVEG), Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Aufwandsentschädigung (§ 6 JVEG) sowie Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7, 12 JVEG). Beim Honorar wird gemäß § 9 Abs 1 JVEG zwischen 13 Honorargruppen unterschieden, der Stundensatz beträgt zwischen 50,00 und 85,00 EUR. Die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe ergibt sich aus der Anlage 1 zu § 9 Abs 1 JVEG, in der unterschiedliche Sachgebiete aufgelistet sind. Besondere Leistungen werden gemäß § 10 JVEG nach dessen Anlage 2 vergütet. Dieses gilt zB für Leichenschau und Obduktionen, Untersuchungen, Blutentnahmen, Abstammungsgutachten und erbbiologische Abstammungsgutachten. Nach dem ZSEG betrug der Stundensatz 25,00 bis 52,00 EUR (§ 3 Abs 1, 2 S 1 ZSEG). Für die Bemessung des Stundensatzes waren der Grad der erforderlichen Fachkenntnisse, die Schwierigkeit der Leistung, ein nicht anderweitig abzugeltender Aufwand für die notwendige Benutzung technischer Vorrichtungen und besondere Umstände maßgebend, unter denen das Gutachten zu erarbeiten war; der Stundensatz war einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit zu bemessen. Die Entschädigung konnte bis zu 50 % überschritten werden für ein Gutachten, in dem der Sachverständige sich für den Einzelfall eingehend mit der wissenschaftlichen Lehre auseinanderzusetzen hatte, oder nach billigem Ermessen, wenn der Sachverständige durch die Dauer oder die Häufigkeit seiner Heranziehung einen nicht zumutbaren Erwerbsverlust erleiden würde oder wenn er seine Berufseinkünfte zu mindestens 70 % als gerichtlicher oder außergerichtlicher Sachverständiger erzielte (§ 3 Abs 3 ZSEG). Neben dem Honorar kann der Sachverständige auch Fahrtkostenersatz wie der Zeuge verlangen. Bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln werden die tatsächlich entstandenen Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse mit Auslagen für Platzkarten und Gepäckbeförderung ersetzt, § 5 Abs 1 JVEG. Bei Benutzung des Kraftfahrzeugs werden 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer ersetzt. Als Aufwandsentschädigung gilt bei Abwesenheit vom Wohn- oder Arbeitsort ein Tagegeld in Höhe der sich aus § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 S 2 EStG ergebenden Beträge; ebenfalls kommen Übernachtungskosten in Frage (§ 6 JVEG). Als sonstige Aufwendungen werden bei Sachverständigen häufig Auslagen für Ablichtungen (§ 7 JVEG) zu ersetzen sein. Mit der Vergütung sind die üblichen Gemeinkosten sowie der mit der Erstattung des Gutachens verbundene Aufwand abgegolten (§ 12 Abs 1 JVEG), gesondert werden aber Kosten für Hilfskräfte, verbrauchte Stoffe und Werkzeuge, Lichtbilder und die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer erstattet (§ 12 Abs 1 S 2 JVEG).

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Beim Sachverständigen ist ausschlaggebend der Gutachtenauftrag durch das Gericht;367 Leistungen, die über den Auftrag hinausgehen, werden nicht vergütet.368 Die objektive Verwertbarkeit und Mangelhaftigkeit eines Gutachtens ist grundsätzlich nicht Voraussetzung eines Entschädigungsanspruchs369 und begründet auch nicht die Nichterhebung von Kosten für eine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht.370 Die Vergütung kann gekürzt werden, wenn der Sachverständige es schuldhaft versäumt mitzuteilen, dass voraussichtlich Kosten entstehen, die den Wert der Streitsache oder aber einen erforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen (§ 407a Abs 3 S 2 ZPO); diese Anzeigepflicht besteht auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit;371 die Kürzung ist nicht gerechtfertigt, wenn auch bei erfolgter Anzeige das Gericht die Tätigkeit des Sachverständigen nicht eingeschränkt oder beendet hätte.372 Das Risiko der Unaufklärbarkeit hat der Sachverständige zu tragen.373 Ein Sachverständiger hat keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn er – vor Gutachtenerstattung – wegen einer vom Gericht abweichenden Vorstellung über die Vorgehensweise um seine Entpflichtung nachsucht, ohne zuvor auf seine Bedenken hinzuweisen und somit zu vertreten hat, dass eine Fertigstellung des Gutachtens unterblieben ist.374 Er kann seinen Vergütungsanspruch verlieren, wenn er einen Beteiligten nach Bestellung einseitig berät oder für seine Tätigkeit außergerichtlich Geld annimmt und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig einen Ablehnungsgrund herbeiführt.375 Der Sachverständige kann die gerichtliche Festsetzung seiner Vergütung beantragen (§ 4 JVEG, § 16 ZSEG), was häufig der Fall sein wird, wenn der Kostenbeamte nicht das zubilligt, was der Sachverständige für angemessen hält. Gegen die richterliche Festsetzung ist die unbefristete Beschwerde zulässig, wenn die Beschwerdesumme 200,00 EUR (nach ZSEG 50,00 EUR) übersteigt oder wenn die Beschwerde zugelassen ist. Bei zulässiger und begründeter Beschwerde hat das Gericht ihr abzuhelfen, andernfalls ist sie unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen (§ 4 Abs 4 JVEG). Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof findet nicht statt. Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das LG als Beschwerdegericht entschieden und sie zugelassen hat. Der Instanzenweg bestimmt sich nach dem FGG.376

G. Verfahren bei der Abnahme von Eiden I. Anwendungsbereich 75

Für das bei der Abnahme von Eiden zu beachtende Verfahren verweist § 15 Abs 1 S 1 auf die §§ 478 bis 481, 483, 484 ZPO. Die Anwendung dieser Vorschriften setzt voraus, dass die Befugnis des Gerichts, Eide abzunehmen, anderweit gesetzlich geregelt ist. In der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind die Bestimmungen anwendbar auf den Zeugeneid (§ 391 ZPO), den Sachverständigeneid (§ 410 ZPO) und im Fall der gerichtlichen Beeidigung des Dolmetschers für eine einzelne Handlung (§§ 8, 9, Art 1 PrFGG) auch auf den Dolmetschereid (dazu § 8 Rn 18 ff). 367

368 369 370 371

OLG München FamRZ 1995, 1598; sa AG Mönchengladbach-Rheydt FamRZ 1999, 730. OLG München FamRZ 1995, 1598 BGHZ 62, 54; OLG München FamRZ 1995, 1598. OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1437. BayObLG FamRZ 1998, 1456 = FGPrax 1998, 73 mwN; KG FamRZ 2002, 411.

518

372

373 374 375 376

BayObLG FamRZ 1998, 1456 = FGPrax 1998, 73 mwN; KG Rpfleger 1983, 371 mwN; FamRZ 2002, 411; LG Koblenz FamRZ 2000, 178. BayObLG FamRZ 1998, 1456 = FGPrax 1998, 73. KG FamRZ 1999, 1515. OLG Hamm FamRZ 1994, 974. BayObLGZ 1966, 281.

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Beweisverfahren

§ 15

II. Verfahren Eine Vertretung des Schwurpflichtigen bei der Eidesleistung ist unzulässig (§ 478 76 ZPO), deshalb ist die Identität festzustellen.377 Unter den Voraussetzungen des § 479 ZPO kann die Eidesabnahme einem beauftragten oder ersuchten Richter übertragen werden. Der Rechtspfleger darf keinen Eid abnehmen, hält er die Beeidigung für geboten, so muss er die Sache dem Richter vorlegen (§§ 4 Abs 2 Nr 1, Abs 3 RPflG).378 Über die Eidesleistung ist stets eine Niederschrift zu fertigen, in die auch die Belehrung (§ 480 ZPO) aufzunehmen ist.

III. Art der Eidesleistung Der Eid besteht aus dem Vorspruch des Richters, bestehend aus Eingangsformel und 77 Eidesnorm, und der Eidesformel des Schwörenden (§ 481 ZPO). Die Eidesnorm ergibt sich für Zeugen aus § 392 ZPO, für Sachverständige aus § 410 ZPO, für Dolmetscher aus § 189 GVG. Für die Eidesleistung Hör- oder Sprachbehinderter379 gilt § 483 ZPO (vgl § 8 Rn 11), für die Eidesleistung Sprachfremder § 188 GVG (vgl § 8 Rn 16). Über die Eidesleistung in weltlicher Form (§ 481 Abs 2 ZPO) ist eine Belehrung nicht erforderlich. Andere beteuernde religiöse Zusätze können zugelassen werden.380 Die Worte „Ich schwöre“ sind unerlässlich.381 Die Verweigerung religiöser Beeidigungsformeln oder des Eides überhaupt kann aus behaupteten Glaubens- oder Gewissensgründen erfolgen;382 anstelle des Eides wird dann die eidesgleiche Bekräftigung abgegeben (§ 484 ZPO).

H. Urkundenbeweis Auf die Vorschriften der ZPO über den Beweis durch Urkunden (§§ 415 bis 444 78 ZPO) wird in § 15 nicht verwiesen. Das bedeutet nicht, dass der Urkundenbeweis ausgeschlossen ist; Urkunden sind auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein wichtiges und nach § 12 zulässiges Beweismittel;383 in manchen Verfahren sind sie sogar vorzugsweise als Beweismittel vorgesehen, so zB im Nachlass- oder Grundbuchverfahren. Das Unterbleiben einer Verweisung auf §§ 415 bis 444 ZPO bedeutet aber, dass diese Vorschriften nicht anwendbar sind, soweit sie das Verfahren bei der Erhebung des Urkundenbeweises regeln.384 Ein Zwang zur Vorlegung von Urkunden kann weder auf die Beteiligten noch auf Dritte ausgeübt werden, auch nicht auf Grund des § 33 FGG.385 Streitet ein Beteiligter den Besitz einer Urkunde ab, so kann er nicht gemäß §§ 426, 452

377 378

379 380 381 382 383

Reichold in Thomas/Putzo § 478 Rn 1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Abnahme eines Eides durch einen Nichtrichter bestehen jedoch nicht; s BVerfGE 7, 189 sowie Habscheid NJW 1970, 1669. Reichold in Thomas/Putzo § 483 Rn 1. Zöller/Greger § 481 Rn 5. RG JW 1933, 2142; RGSt 67, 33; Zöller/ Greger § 481 Rn 4. Zöller/Greger § 484 Rn 1. BayObLGZ 60, 366; BayObLG FGPrax 2002, 111; FamRZ 2000, 1051 = NJW-RR

384

385

2000, 456; Bärmann § 16 III 4; Baur § 20 III 6; Habscheid § 21 II 6; Pawlowski/Smid Rn 258; Barnstedt/Steffen § 15 Rn 35. BayObLGZ 2002, 78 = BayObLG FG Prax 2002, 111; FamRZ 2000, 1051 = NJW-RR 2000, 456; FamRZ 1988, 658; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 36; Keidel/Schmidt Rn 54. BayObLG FamRZ 1988, 658; OLG München RzW 1951, 136; Bassenge/Herbst/Roth Rn 37; Bumiller/Winkler Rn 22; Keidel/ Schmidt Rn 54 mwN; Schlegelberger § 12 Anm 22; Bärmann § 16 III 4a.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ZPO eidlich vernommen werden.386 Ob und inwieweit sich aus der Verweigerung der Vorlegung Schlüsse auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Tatsache ziehen lassen, entscheidet das Gericht in freier Würdigung.387 Mit Zwangsmaßnahmen darf das Gericht nur vorgehen, wenn dafür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung vorliegt,388 wie in §§ 83, 151 FGG und in § 1837 Abs 2 BGB; das Vormundschaftsgericht kann auf Grund seiner besonderen Aufsichtsbefugnisse den Vormund zur Vorlegung von Urkunden, zB Sparkassenbüchern des Mündels, mit den Mitteln des § 33 anhalten. Im Erbscheinsverfahren kann das Gericht die Vorlegung der erforderlichen Urkunden den Beteiligten überlassen.389 Dagegen enthalten die §§ 415, 416a, 417 bis 419 ZPO über die Beweiskraft öffent79 licher Urkunden oder den Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments sowie die §§ 437, 438 ZPO über die Echtheit in- und ausländischer öffentlicher Urkunden eine allgemeingültige Regelung, die auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Geltung hat.390 Öffentliche Urkunden sind neben den Personenstandsurkunden auch Familienstammbücher.391 Der vom Vater allein unterzeichnete Eintrag im Geburtenbuch entfaltet vollen Beweis hinsichtlich des Vornamens des Kindes.392 Im Erbscheinsverfahren geht es zu Lasten des Beteiligten, der den durch die öffentliche Urkunde erbrachten Beweis in Frage stellt, wenn die Amtsermittlungen gem § 12 erfolglos bleiben, da der Nachweis der Unrichtigkeit notwendig ist und das bloße Wecken von Zweifeln nicht genügt.393 Die erhöhte Beweiskraft eines notariell beurkundeten Testaments ist auch vom Grundbuchamt zu beachten, hierauf erstreckt sich auch die Richtigkeit der Beurkundung.394 An die Stelle der §§ 435, 439 ZPO, die die Geltung zivilprozessualer Verfahrensgrundsätze voraussetzen, tritt der Grundsatz freier Beweiswürdigung.395 Für Privaturkunden gelten die §§ 416, 419 ZPO auch im FG-Verfahren;396 auch hier gelten §§ 439, 440 ZPO nicht, da die Beweisvermutung für die Echtheit von Privaturkunden eine dem Amtsverfahren fremde Bestimmung darstellt. Die gesetzliche Vermutung wird im FG-Verfahren durch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung ersetzt.397 Auf die Ergebnisse wird das kaum einen Unterschied machen, weil im Rahmen der freien Beweiswürdigung grundsätzlich der dem § 440 Abs 2 ZPO zugrundeliegende Erfahrungssatz zu berücksichtigen ist.398 Urkunden, die sich im Besitz einer Behörde befinden, können im Wege der Amtshilfe herangezogen werden. Gemäß § 12 können Urkunden und Gutachten, die sich in beigezogenen Akten befinden, im Wege des Freibeweises verwertet werden.399 Dabei kann sich das Gericht ohne Ermessensfehler auf den Inhalt eines gerichtlichen Protokolls verlassen.400 Der Beweiswürdigung dieses Urkundenbeweises sind

386 387 388 389 390

391 392

Schlegelberger § 12 Anm 22; aA Baur § 20 III 6b. Bassenge/Herbst/Roth Rn 36; Keidel/ Schmidt Rn 54; Schlegelberger § 12 Anm 22. Schlegelberger § 12 Anm 22. KG OLGR 32, 80. BGHZ 25, 188; BayObLG FamRZ 2000, 1051 = NJW-RR 2000, 456; 1994, 530; 1994, 980; OLG Frankfurt Rpfleger 1990, 290; Schlegelberger § 12 Anm 27; Bärmann § 16 III 4b; Baur § 20 III 6; Hahn Rpfleger 1996, 228 mwN. Hahn Rpfleger 1996, 228. BayObLG FamRZ 1994, 980.

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393 394 395 396

397 398 399 400

BayObLG FamRZ 2000, 1051 = NJW-RR 2000, 456; BayObLGZ 1968, 268. OLG Frankfurt Rpfleger 1990, 290. Baur § 20 III 6a; Bärmann § 16 III 4b. RGZ 147, 257; Bassenge/Herbst/Roth Rn 36; Keidel/Schmidt Rn 53; aA Bärmann § 16 III 4b; Baur § 20 III 6a. BayObLGZ 2002, 78 = BayObLG FG Prax 2002, 111. BayObLGZ 2002, 78 = BayObLG FG Prax 2002, 111. BayObLG Rpfleger 1988, 67; FamRZ 1979, 952. BayObLG FamRZ 1994, 539.

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Beweisverfahren

§ 15

jedoch Grenzen gesetzt, denn es dürfen keine Umstände verwertet werden, die sich nicht aus der Urkunde ergeben und für die sich keine Belege finden lassen.401 Ein anderes Verfahren kann auch das Berufungsverfahren sein.402

I. Vernehmung Beteiligter Die Vorschriften über den Beweis durch Parteivernehmung (§§ 445 bis 455 ZPO) sind 80 nicht für anwendbar erklärt; lediglich § 16 S 3 LwVG besagt, dass zur „förmlichen Vernehmung von Beteiligten, Zeugen und Sachverständigen … nur Richter befugt“ sind. Hieraus wird geschlossen, dass die Vorschrift nicht verständlich wäre, wenn hierunter nicht auch die Vernehmung zum Zwecke des Beweises gemeint sein solle.403 Im Übrigen ist es dem Gericht nicht verwehrt, oft sogar geboten, zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 12) die Beteiligten persönlich zu hören (§ 12 Rn 74ff). Die überwiegend in der Literatur vertretene Auffassung, dass im FG-Verfahren die Parteivernehmung zulässig sei,404 wird vom BGH405 zu recht nicht geteilt; einige Obergerichte406 folgen der Literaturmeinung. Der BGH vertritt die Auffassung, das Beweisverfahren der FG sei in § 15 geregelt und dieser sehe ganz eindeutig nicht den Beweis durch Parteivernehmung vor; dem sei zu entnehmen, dass diese Beweisart dem Verfahren der FG grundsätzlich fremd sei. Hinzu komme, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des Augenscheinsbeweises in § 15 die Möglichkeit gehabt habe, die eidliche Vernehmung der Beteiligten einzuführen; aus der Tatsache, dass dieses nicht erfolgt sei, könne geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die eidliche Vernehmung der Beteiligten nicht allgemein und grundsätzlich in das FG-Verfahren eingeführt wissen wollte.407 Die Vertreter der Gegenauffassung schließen die entsprechende Anwendung der §§ 445 bis 447 ZPO aus,408 nur die von Amts wegen zu erfolgende Parteivernehmung (entspr § 448 ZPO) entspreche dem Grundsatz des § 12.409 Auch dann komme sie nur subsidiär in Frage, zB bei Fehlen anderer Beweismittel oder wenn nach durchgeführter Beweisaufnahme verbliebene Zweifel beseitigt werden sollen.410 Die Beeidigung Beteiligter ist jedoch ausgeschlossen.411 Der in der Literatur überwie- 81 gend vertretenen gegenteiligen Meinung412 ist nicht zu folgen. Es ist der Auffassung des 401 402 403 404

405

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407 408

Zöller/Greger § 373 Rn 9; Reichold in Thomas/Putzo § 386 Rn 11. Zöller/Greger § 355 Rn 4. Barnstedt/Steffens § 15 Rn 36. Bärmann § 16 III 5; Baur § 20 III 5; Habscheid § 21 II 7; Bassenge/Herbst/Roth Rn 39; Bumiller/Winkler Rn 29; Keidel/ Schmidt Rn 56; Barnstedt/Steffen § 15 Rn 36; wohl auch Pawlowski/Smid Rn 262, 263 jedoch nur für das Streitverfahren. BGHSt 5, 111 = LM § 154 StGB Nr 30 = NJW 1954, 1127 = JZ 1954, 576; BGHSt 10, 272 = LM § 154 StGB Nr 47 = NJW 1957, 1116. BayObLG NJW 1952, 789; FamRZ 1986, 1043; FGPrax 1997, 220 (WEG-Verfahren); SchlOLG Schleswig FamRZ 2001, 938. So auch OLG Düsseldorf, JZ 1951, 337. Bärmann § 16 III 5b.

409 410 411

412

Keidel/Schmidt Rn 57. BayObLG NJW 1952, 789; Keidel/Schmidt Rn 56. BGHSt 5, 111 = LM § 154 StGB Nr 30 = NJW 1954, 1127 = JZ 1954, 576; BGHSt 10, 272 = LM § 154 StGB Nr 47 = NJW 1957, 1116; BayObLGZ 1977, 59; BayObLG FamRZ 1986, 1043; KG WM 1955, 96, 332, 602; 1958, 753; OLG Hamm JMBlNRW 1963, 120; OLG Düsseldorf WM 1963, 678; Vogel JR 1949, 432; Pikart-Henn S 89; Pawlowski/Smid Rn 263; aM früher BayObLGZ 1952, 102 Keidel JZ 1954, 564; Barnstedt/Steffen § 15 Rn 37 mwN; Schlegelberger Anm 27; Keidel/Schmidt Rn 56; Baur § 20 III 5; Habscheid § 21 II 7d; Bärmann § 16 III 5; die Frage war übrigens schon um 1900 streitig, vgl Wellstein FGG (1906) S 58.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

BGH413 zu folgen, nach der das Gericht oder eine sonstige Behörde nicht befugt ist, ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung in entsprechender Anwendung der Vorschriften der ZPO oder einer anderen Verfahrensordnung Zeugen, Sachverständige, Parteien oder Beteiligte zu beeidigen, da dies den geltenden Grundsätzen widerspricht, wonach es hierzu stets einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedarf. An diesem Grundsatz ist wegen der Bedeutung des Eides und wegen der strafrechtlichen Folgen der Eidesverletzung festzuhalten. Das ist kein bloß formales Argument, sondern eine Erwägung, die allein dem rechtsstaatlichen Grundsatz gerecht wird, dass es keiner Behörde gestattet sein kann, auf Grund von Zweckmäßigkeitserwägungen und Analogien ihre Machtbefugnisse zu erweitern. Der psychische Zwang, wie er in der Auferlegung eines Eides (und den Folgen seiner Verweigerung) liegt, bedarf ebenso einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung wie die Anwendung physischen Zwanges (§ 12 Rn 92). Es kommt daher nicht darauf an, dass die Beeidigung Beteiligter dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ausdrücklich untersagt ist, sondern darauf, dass es an einer gesetzlichen Ermächtigung dazu fehlt. Die Praxis der Gerichte folgt daher der im Schrifttum vertretenen Meinung mit Recht nicht, ohne dass sich daraus Unzuträglichkeiten bei der Sachaufklärung ergeben haben. Der Beteiligteneid ist auch entbehrlich, da glaubhafte Erklärungen Beteiligter in Verbindung mit sonstigen Ermittlungsergebnissen dem Gericht für die Bildung seiner Überzeugung ausreichen können.414 Unbedenklich ist es, die Urkunde über die beeidigte Aussage, die ein Beteiliger zulässigerweise in einem anderen Verfahren als Zeuge oder Partei gemacht hat, als Beweismittel zu verwerten.415

J. Selbständiges Beweisverfahren 82

Die Vorschriften über das selbständige Beweisverfahren416 (§§ 485 bis 494a ZPO) sind nicht in § 15 genannt und somit grundsätzlich nicht entsprechend anwendbar. Die Hauptbedeutung des genannten Verfahrens liegt im Baumängelrecht;417 es dient der vorsorglichen Beweiserhebung vor oder während eines Prozesses. Das FGG enthält mit § 164 eine Vorschrift über die Feststellung des Zustandes oder Wertes einer Sache durch Sachverständige. Die Bestimmung eröffnet in sehr begrenztem Umfang ein Verfahren zur Sicherung des Beweises. Vom selbständigen Beweisverfahren nach § 485 ZPO unterscheidet sich das Verfahren dadurch, dass das Recht, den Zustand oder Wert einer Sache durch Sachverständige feststellen zu lassen, im bürgerlichen Recht besonders begründet sein muss, während ein Antrag nach § 485 ZPO nur an verfahrensrechtliche Voraussetzungen geknüpft ist. Die Rechtsprechung lässt eine entsprechende Anwendung der §§ 485 ff ZPO in echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu;418 dieses insbesondere für Wohnungseigentumssachen, weil das FG-Verfahren durch das vorgeschaltete Beweisverfahren nicht beeinträchtigt, sondern beschleunigt wird, wenn die Beteiligten über Tatsachen streiten.419 Auf dem Gebiet des Erbrechts zählen nur die Entlassung des 413 414

415

416

BGHSt 10, 272 = LM § 154 StGB Nr 47 = NJW 1957, 1116. KG DFG 1943, 53; aus diesem Grund halten Pawlowski/Smid (Rn 263) es lediglich für das Streitverfahren für einleuchtend. BayObLGZ 1960, 366; Pikart-Henn S 89; die Bedenken von Habscheid § 21 II 6 sind unbegründet. Das frühere Beweissicherungsverfahren

522

417 418

419

wurde durch das RpflVereinfG v 17.12.1990 (BGBl S 2847) umgestaltet. Zimmermann ZPO § 485 Rn 1. OLG Celle FamRZ 2000, 1510; OLG Frankfurt FamRZ 1997, 1021 = NJW-RR 1997, 581. BayObLGZ 1976, 211; BayObLG NJW-RR 1996, 528 = MDR 1996, 144; ZWE 2001, 548; aA Mollenkopf ZMR 2000, 592.

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Beweisverfahren

§ 15

Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) und die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten unter mehreren Testamentsvollstreckern (§ 2224 BGB) zu den echten Streitsachen (s Vorbem §§ 8 bis 18 Rn 54). Der stattgebende Beschluss ist wie ein Beweisbeschluss nicht anfechtbar (entspr § 490 Abs 2 ZPO, siehe oben Rn 4);420 gegen den abweisenden Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft (entspr § 567 Abs 1 Nr 2 ZPO), das weitere Rechtsmittelverfahren richtet sich jedoch nach dem FGG.421 Landesrechtlich eröffnen Art 41 Hess FGG422 und Art 23 NdsFGG423 die Möglichkeit, im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeugen und Sachverständige zu vernehmen, ohne dass bereits ein streitiges Rechtsverhältnis besteht oder ein Gegner bekannt ist, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt.

K. Glaubhaftmachung Unter Glaubhaftmachung ist eine besondere Art der Beweisführung zu verstehen, die 83 durch freiere Formen der Beweisaufnahme gekennzeichnet ist und bei der ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugung ausreicht.424 Es genügt, dass die Richtigkeit der Tatsache durch Wahrscheinlichkeitsgründe einleuchtend gemacht wird. Soweit es sich um die Ausübung von Verfahrensrechten und die Zulässigkeit von Verfahrenshandlungen handelt, genügt die Erbringung eines solchen Grades der Wahrscheinlichkeit im Gegensatz zur vollen Überzeugung, wie er im gewöhnlichen Verkehr ausreicht, um die Wahrheit der versicherten Tatsache bis auf weiteres annehmen zu können; es gehört hierzu, dass die nach Lage des Falles zurzeit verwertbaren Beweisanzeichen mit erheblichem Gewicht für die Wahrheit sprechen.425 Mit einer Glaubhaftmachung begnügt das Gesetz sich in weniger bedeutsamen Ange- 84 legenheiten, zB bei dem Nachweis des rechtlichen Interesses für die Einsichtnahme in Akten und die Erteilung von Abschriften, FGG §§ 34, 78, 85, BGB §§ 1953 Abs 3, 1957 Abs 2, 2010, 2081 Abs 2, 2146 Abs 2, 2228, 2264, 2384 Abs 2, im Kostenfestsetzungsund Prozesskostenhilfeverfahren, ZPO §§ 104 Abs 2, 118 Abs 2, bei der Verlängerung von Fristen, FGG § 156, bei dem Nachweis unverschuldeter Säumnis, FGG §§ 22 Abs 2, 92, 93 Abs 2, 137, für den Nachweis der Gründe der Zeugnisverweigerung oder der Ablehnung eines Sachverständigen oder Richters, ZPO §§ 386, 406, 44, der Beschwerdesumme als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, des Antragsrechts bei der Setzung einer Inventarfrist, BGB § 1994 Abs 2 oder bei der Einleitung des Todeserklärungsverfahrens,426 VerschG § 18. Glaubhaftmachung genügt ferner für Eilmaßnahmen, die zur Abwendung von Gefahr im Verzuge auf Grund einer vorläufigen summarischen Prüfung vorbehaltlich der Erbringung des vollen Nachweises im endgültigen Verfahren ergehen müssen, wie bei vorläufigen Anordnungen des FamG in Sorgerechtssachen (§ 19 Rn 24).427 In anderen als den gesetzlich bestimmten Fällen kann das

420 421 422 423 424

Zöller/Herget § 490 Rn 2 mwN. Palandt/Bassenge WEG § 43 Rn 1; § 45 Rn 6. Siehe hierzu OLG Frankfurt FamRZ 1997, 1021 = NJW-RR 1997, 581. Zum NdsFGG s Hornig NdsRpfl 1958, 101. BGHZ 8, 185 = NJW 1953, 264 = WM 1953, 35; OLG Frankfurt NJW-RR 1993,

425 426 427

1452; Habscheid § 21 II 2; Pawlowski/Smid Rn 264. KG WM 1963, 949. Sa OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 1295. BayObLGZ 1954, 120; 1961, 262 = FamRZ 1962, 34; FamRZ 1980, 1152; FamRZ 1995, 502 = NJW-RR 1995, 326; FamRZ 1999, 318 u 1457.

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§ 15

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Gericht den Beteiligten im Hinblick auf § 12 die Glaubhaftmachung von Tatsachen nicht aufgeben.428 Als Mittel der Glaubhaftmachung sind alle Beweismittel zugelassen, soweit nicht in 85 Sonderfällen die eidesstattliche Versicherung des Beteiligten ausgeschlossen ist, wie in §§ 44 Abs 2, 406 Abs 3. Die Beschränkung in § 294 Abs 2 ZPO gilt in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. Ein Bevollmächtigter kann eidesstattliche Versicherungen nur über sein eigenes Wissen, nicht in Vertretung des Vollmachtgebers abgeben.429 Minderjährige oder sonst in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte sind fähig, eidesstattliche Versicherungen abzugeben, sofern sie nicht im Sinne des § 393 Nr 1 ZPO eidesunmündig sind. Eine andere Frage ist es, ob, wenn der in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte in dem Verfahren von dem gesetzlichen Vertreter vertreten wird und das Gesetz eine eidesstattliche Versicherung des Beteiligten verlangt (zB § 2356 BGB), diese von dem gesetzlichen Vertreter oder dem (eidesfähigen) Vertretenen abzugeben ist. Das hängt von der Art der Beweisfrage ab. Grundsätzlich hat der gesetzliche Vertreter die Versicherung abzugeben, insbesondere etwa im Fall des § 2356 Abs 2 BGB, wo es mehr auf die Versicherung der Unkenntnis der Unrichtigkeit der dort bezeichneten Angaben ankommt. Wenn es aber mehr auf eigene Handlungen und Wahrnehmungen des beschränkt Geschäftsfähigen ankommt, kann das Gericht nach seinem Ermessen daneben oder statt dessen gemäß dem Rechtsgedanken des § 455 Abs 2 ZPO auch dessen eidesstattliche Versicherung verlangen.430 Im Beschwerdeverfahren sind die tatsächlichen Feststellungen und die tatsächliche Würdigung, ob eine Tatsache glaubhaft gemacht ist, nur beschränkt nachprüfbar.431 Der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben; sie kann auch schriftlich abgegeben werden.432

L. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht 86

§ 15 gilt nach § 194 FGG auch im Verfahren vor landesrechtlich zuständigen nichtgerichtlichen Behörden; diese dürfen daher auch Zeugen und Sachverständige beeidigen, aber im Rahmen des Zeugniszwangs im Hinblick auf Art 104 Abs 2 GG keine Haft anordnen (§ 194 Rn 2). Der Rechtspfleger kann in übertragenen Geschäften förmliche Beweise gemäß § 15 erheben, auch eidesstattliche Versicherungen entgegennehmen, jedoch keine Beeidigungen vornehmen, § 4 RPflG. Über die Anwendung des § 15 auf landesrechtliche Angelegenheiten vgl Art 1 PrFGG und § 1 Rn 175.

M. Reformvorhaben 87

Es ist gesetzlich nicht geregelt, ob das Gericht im Einzelfall Strengbeweis oder Freibeweis erheben kann. Die Rechtsprechung hat zwar die Pflicht zur förmlichen Beweisaufnahme immer dann bejaht, wenn eine ausreichende Sachaufklärung durch formlose

428

429

Bassenge/Herbst/Roth Rn 43; aA Schlegelberger Anm 28; Keidel/Schmidt Rn 68; Bedenken äußert auch Baur § 20 Fn 26. KG JR 1953, 307; KG OLGZ 1967, 247, 249; BayObLGZ 1961, 4, 10; Schlegelberger § 13 Anm 13; Baur § 20 IV 2; aA Josef DNotZ 1903, 460.

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Keidel/Schmidt Rn 72; aA Schlegelberger Anm 29; Baur § 13 Fn 12; Bärmann § 9 II 5a. BayObLG FamRZ 1980, 1064; BayObLG Rpfleger 1992, 521. RGZ 50, 360; Schlegelberger Anm 28.

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Beweisverfahren

§ 15

Ermittlungen nicht zu erreichen, ein echtes Streitverfahren mit mündlicher Verhandlung gegeben ist oder die Bedeutung der Angelegenheit dieses erfordert (Rn 1). Will man das FGG-Verfahren weiterhin flexibel gestalten, muss die Zulassung des Freibeweises gewährleistet sein. § 36 FrGO433 sah nach wie vor beide Beweisverfahren vor, stellte aber im Unterschied zum geltenden Recht klar, dass im förmlichen Beweisverfahren für sämtliche Beweismittel des Zivilprozesses die einschlägigen Vorschriften der ZPO gelten und dass auch die Grundsätze der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der Beteiligtenöffentlichkeit im FG-Verfahren maßgeblich sein sollten. Die anwendbaren Vorschriften sollten einzeln aufgeführt werden (siehe Begründung zu § 36 FrGO). Es wäre übersichtlicher, wenn eine grundsätzliche Verweisung auf die ZPO-Vorschriften vorgenommen würde und lediglich die Ausnahmen genau genannt würden, was auch der jetzt geltenden Systematik des § 15 entspräche. Wer eine Behauptung glaubhaft zu machen hat, sollte sich nach dem Vorschlag der Kommission aller Beweismittel bedienen können, auch der Versicherung an Eides Statt zugelassen werden. Das aktuelle Reformvorhaben durch das FGG-Reformgesetz434 übernimmt in § 29 88 FamFG-E aus dem geltenden Recht den Grundsatz des Freibeweises, wobei auch der Entwurf keine abschließende Aufzählung der im Freibeweis zulässigen Beweismittel enthält. Es soll der Charakter des Freibeweises als flexibles Erkenntnisinstrument erhalten bleiben, um dem FG-Gericht im Regelfall ein zügiges, effizientes und ergebnisorientiertes Arbeiten zu ermöglichen.435 Daran schließt sich konsequenterweise an, dass das Gericht – wie bisher – nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen Frei- und Strengbeweis wählen können soll (§ 30 Abs 1 FamFG-E), die Beteiligten sollen eine förmliche Beweisaufnahme aber auch beantragen können. Allerdings soll für bestimmte Fälle zur Wahrung der Verfahrensrechte der Beteiligten und zur Sicherstellung einer materiell richtigen Entscheidung der Strengbeweis obligatorisch werden. Weiterhin soll das Gericht die Amtsverschwiegenheit (§ 376 ZPO) und das Recht zur Zeugnis- und Auskunftsverweigerung (§§ 383 bis 390 ZPO) zu beachten haben. Für das Verfahren über die Berechtigung der Auskunftsverweigerung sollen die §§ 386 ff ZPO entsprechend gelten. Wie im bisherigen Recht soll die Verhängung von Ordnungsmitteln zur Erzwingung des Erscheinens vor Gericht zur Herbeiführung einer Aussage im Wege des Freibeweises nicht zulässig sein, ebenso wenig sollen schriftliche Auskünfte oder Gutachten zu erzwingen sein, hier soll das Gericht weiter im Verfahren des Strengbeweises vorgehen müssen. Das Gericht hat auch im Falle des Freibeweises die Ergebnisse einer Beweiserhebung in den Akten zu dokumentieren. Falls das Gericht auf diese Feststellungen die Entscheidung stützen will, soll der Vermerk vor der Entscheidung den Beteiligten zur Kenntnis zu geben sein, um ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu gewähren (§ 37 Abs 2 FamFG-E). Die Ergebnisse einer förmlichen Beweisaufnahme oder einer persönlichen Anhörung im Termin sollen stets in einem Vermerk (§ 28 Abs 4 FamFG-E) festzuhalten sein. Weiter soll den Beteiligten das Recht eingeräumt werden, durch Beweisanträge auf die Amtsermittlung des Gerichts Einfluss zu nehmen. Spätestens in der instanzabschließenden Entscheidung soll das Gericht zu begründen haben, warum es einem Beweisantrag nicht gefolgt ist. Die feh-

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Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Beurkundungsrechtes herausgegeben vom BMJ im Dezember 1977. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts-

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barkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006, der unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt. Begründung RefE FGG-ReformG S 382 ff.

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lerhafte Ablehnung eines solchen Antrags soll als Rechtsfehler auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren überprüfbar sein. In einigen Verfahren der vorsorgenden Rechtspflege, die einen Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen zum Gegenstand haben, soll zum Teil schon von Gesetzes wegen eine förmliche Beweisaufnahme, insbesondere die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, vorgeschrieben sein (für das Betreuungsverfahren, § 292 sowie für das Unterbringungsverfahren, § 334) und hat dann auch stattzufinden, § 30 Abs 2 FamFG-E. Eine förmliche Beweisaufnahme soll ferner stattfinden, wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf Tatsachen stützen will, deren Richtigkeit von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten wird (§ 30 Abs 3 FamFG-E), insoweit soll das Ermessen des Gerichts eingeschränkt sein. Bezüglich der Ablehnung eines Antrags auf förmliche Beweisaufnahme gilt das unter Rn 88 Gesagte entsprechend. Der Strengbeweis soll nur für die gleichen Feststellungen wie im ZPO-Verfahren in Betracht kommen, dh von dem Vorliegen von Zulässigkeitsvoraussetzungen soll sich das Gericht im Wege des Freibeweises überzeugen. Das Gericht soll den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis einer Beweiserhebung im Strengbeweisverfahren geben, die Regelung soll an die Stelle des § 279 Abs 3 der ZPO treten. Wortgleich mit § 294 Abs 1 ZPO soll § 31 FamFG-E bestimmen, dass sich der Beweisführer zur Glaubhaftmachung aller zulässigen Mittel des Freibeweises einschließlich der eidesstattlichen Versicherung bedienen kann. Dies entspricht geltendem Recht. Das Gericht soll gem § 32 FamFG-E in jedem Verfahren grundsätzlich die Möglichkeit haben, die Sache mit den Beteiligten in einem Termin mündlich zu erörtern, sofern es dies für sachdienlich hält. Es soll – wie nach bisheriger Rechtslage – nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen mündlichem und schriftlichem Verfahren zu wählen haben. Wird eine förmliche Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO durchgeführt, soll den Beteiligten zu gestatten sein, der Beweisaufnahme beizuwohnen (§ 357 Abs 1 ZPO); geschieht dies vor dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, so hat sie in einem Termin stattzufinden, der zugleich der Erörterung der Sache mit den Beteiligten dient; insofern soll das Ermessen des Gerichts gemäß § 32 FamFG-E eingeschränkt sein. Für die Änderung eines Termin soll § 227 ZPO entsprechende Anwendung finden, dies soll auch die vereinfachte Möglichkeit der Verlegung eines Termins im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. August gemäß § 227 Abs 3 ZPO betreffen. Nach § 33 FamFG-E soll das Gericht befugt sein, das persönliche Erscheinen der Beteiligten anzuordnen (wie bisher schon nach § 13 FGG). Damit soll eine generelle Auffangvorschrift über die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten eingeführt werden, die immer dann zurücktritt, wenn spezialgesetzlich dem Gericht (auch) im Interesse der Sachverhaltsaufklärung eine Pflicht zur Anhörung eines Beteiligten auferlegt ist. Die persönliche Anhörung kann zugleich der Gewährung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten gem §§ 28 Abs 1, 37 Abs 2 FamFG-E dienen. Wenn ein Beteiligter aufgrund seiner körperlichen oder geistigen Verfassung nicht vorgeladen werden kann, soll ihn das Gericht zur Aufklärung des Sachverhaltes an seinem Aufenthaltsort oder an einem anderen Ort außerhalb des Gerichts anhören, § 33 Abs 2 FamFG-E. Der verfahrensfähige Beteiligte soll stets selbst zu laden sein, auch wenn er einen Bevollmächtigten hat; diesem soll eine Abschrift der Ladung zu übermitteln sein, § 33 Abs 3 FamFG-E. Das Gericht soll befugt sein, gegen den unentschuldigt ausgebliebenen Beteiligten ein Ordnungsgeld festzusetzen und im Falle des wiederholten Ausbleibens die Vorführung anzuordnen. Die Verhängung von Ordnungsgeld soll aber nur in Betracht kommen, wenn der Zugang der Ladung durch eine förmliche Zustellung oder durch andere Beweismittel zweifelsfrei bewiesen werden kann.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

§ 34 FamFG-E soll Grundzüge der persönlichen Anhörung eines Beteiligten zum 93 Zweck der Gewährung des rechtlichen Gehörs regeln; diese ist insbesondere im betreuungs- und familiengerichtlichen Verfahren bereits nach geltendem Recht vorgeschrieben, teilweise aber auch in anderen Gesetzen (zB §§ 14 Abs 2 S 1 LwVG, 47 Abs 2 PStG), zum Teil nur als Sollvorschriften (§§ 2200 Abs 2, 2227 Abs 2, 2360 BGB). Nach § 34 Abs 1 S 2 FamFG-E soll das Gericht auch dann, wenn keine spezialgesetzliche Pflicht zur Anhörung besteht, einen Beteiligten persönlich anzuhören haben, wenn dies erforderlich ist, um dessen Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge zu tun. Die persönliche Anhörung soll unterbleiben können, wenn sie zu einer Gefährdung der Gesundheit des Beteiligten führen würde oder wenn der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun. Daneben sind weitere Vorschriften im FamFG-E vorgesehen, die die Entbehrlichkeit einer Anhörung an weitere einschränkende Kriterien knüpfen sollen. Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, soll das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden können. Der Beteiligte soll auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen sein.

§ 16 Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen (1) Gerichtliche Verfügungen werden mit der Bekanntmachung an denjenigen, für welchen sie ihrem Inhalte nach bestimmt sind, wirksam. (2) Die Bekanntmachung erfolgt, wenn mit ihr der Lauf einer Frist beginnt, durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung; durch die Landesjustizverwaltung kann jedoch für Zustellungen im Ausland eine einfachere Art der Zustellung angeordnet werden. In denjenigen Fällen, in welchen mit der Bekanntmachung nicht der Lauf einer Frist beginnt, soll in den Akten vermerkt werden, in welcher Weise, an welchem Orte und an welchem Tage die Bekanntmachung zur Ausführung gebracht ist; durch die Landesjustizverwaltung kann näher bestimmt werden, in welcher Weise in diesen Fällen die Bekanntmachung zur Ausführung gebracht werden soll. (3) Einem Anwesenden kann die Verfügung zu Protokoll bekannt gemacht werden. Auf Verlangen ist ihm eine Abschrift der Verfügung zu erteilen. Literatur Bienwald Zur Höhe der Aufwandsentschädigung im sog. Beitrittsgebiet nach altem und neuem Recht, FamRZ 1999, 1324; Furtner Die Abfassung von Beschlüssen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, JuS 1971, 302; Gruber Nachträgliche Sachverhaltsänderung im FGG-Verfahren, Rpfleger 1999, 478; Hornung Zustellungsreformgesetz, Rpfleger 2002, 493; von König Die Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren, RpflStud 2002, 61; Lessing Die Rechtshilfeordnung in Zivilsachen, RpflStud 2004, 161; Rellermeyer Rechtspfleger und Justizverwaltungsgeschäfte, Rpfleger 2000, 477; Rink Die Wirksamkeit von Entscheidungen in Betreuungs- und Unterbringungssachen, FamRZ 1992, 1011; Schlamann/Bleckat Mitwirkung des Rechtspflegers im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland, Rpfleger 1999, 469; Schreiber Grundbegriffe der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Jura 1994, 30; Sonnenfeld Die Rechtsprechung zum Betreuungsrecht, FamRZ 1997, 849; Sonnenfeld/Zorn Wirksamwerden gerichtlich genehmigungsbedürftiger Rechtsgeschäfte, Rpfleger 2004, 533; Zimmermann Das neue Verfahren in Unterbringungssachen, FamRZ 1990, 1308.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Übersicht Rdn I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtliche Verfügungen 1. Art und Inhalt . . . . . . . . . . . . 2. Form der Verfügungen . . . . . . . . 3. Begründung der Verfügungen . . . . 4. Rechtsmittelbelehrung . . . . . . . . III. Entritt der Wirksamkeit der Verfügungen 1. Bekanntmachung als Voraussetzung a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . b) Bekanntmachungsadressat aa) Regel . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzlich bestimmter Adressat cc) Mehrheit von Bekanntmachungsadressaten . . . . . dd) Bevollmächtigte . . . . . . . 2. Andere Tatsachen als die Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Bekanntmachungen . . . . . 4. Formelle Rechtskraft als Voraussetzung der Wirksamkeit a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . b) Eintritt der Wirksamkeit . . . . . IV. Wirksamkeit 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Wirksamkeit, Bindung . V. Form der Bekanntmachungen 1. Bekanntmachung an Abwesende, die eine Frist in Gang setzt . . . . . .

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Rdn a) Anwendungsbereich . . . . . . . b) Zustellung . . . . . . . . . . . . aa) Zustellung von Amts wegen . bb) Zustellung an Vertreter . . . cc) Zustellung an Bevollmächtigte dd) Zustellung an Verfahrensbevollmächtigte . . . . . . . c) Durchführung der Zustellung . . d) Ersatzzustellung . . . . . . . . . e) Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten sowie durch Niederlegung . . . . . . . . . . . f) Zustellung bei verweigerter Annahme . . . . . . . . . . . . g) Zustellungsurkunde . . . . . . . h) Zustellung im Ausland . . . . . . i) Öffentliche Zustellung . . . . . . j) Heilung von Zustellungsmängeln 2. Bekanntmachungen, die keine Frist in Lauf setzen . . . . . . . . . . . . 3. Bekanntmachung zu Protokoll a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . b) Form . . . . . . . . . . . . . . . c) Abschriftenerteilung . . . . . . . d) Formlose mündliche Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . VI. Nichtgerichtliche Behörden . . . . . . VII. Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . VIII. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

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48 49 50 51 56 63 64 65 67 68 69 70 71 72

I. Bedeutung 1

Die Vorschrift enthält die für den Regelfall geltenden Bestimmungen über den Eintritt der Wirksamkeit gerichtlicher Verfügungen und über die Form der Bekanntmachung.

II. Gerichtliche Verfügungen 1. Art und Inhalt

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Der Ausdruck „gerichtliche Verfügungen“ umfasst im weitesten Sinne alle sachlichen Entschließungen des Gerichts, die nicht lediglich für den inneren Dienstbetrieb bestimmt sind, wie Anweisungen an die Geschäftsstelle, oder den erstrebten Rechtserfolg unmittelbar herbeiführen (s § 19 Rn 7), sondern auf die Rechtsverhältnisse der Beteiligten Einfluss auszuüben bestimmt sind, gleichgültig, ob sie einen verfahrensrechtlichen (zB Zurückweisung eines Antrags) oder sachlichrechtlichen Inhalt haben.1 Unerheblich ist es auch, ob die Verfügung den Rechtszug beendet oder der Endentscheidung vorausgeht, sofern sie im letztgenannten Fall bereits geeignet ist, in Rechte der Beteiligten einzugrei-

1

Keidel/Schmidt Rn 1; Schlegelberger Anm 1; Wellstein Anm 1; Baur § 23 B I; s auch Schreiber Jura 1994, 30.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

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fen, zB eine Zwischenverfügung, durch welche dem Beteiligten die Beseitigung eines Hindernisses aufgegeben wird (§ 19 Rn 22). Dagegen sind keine Verfügungen im Sinne des § 16 verfahrensleitende Anordnungen, wie Ladungen und Beweisanordnungen,2 Ersuchen an andere Behörden, Abgaben und Rückgaben im Verhältnis zwischen Rechtspfleger und Richter (§ 5 RPflG) und Vorlegungen an ein oberes Gericht (§ 28). Ein Schreiben des Rechtspflegers des NachlG an den Antragsteller eines Erbscheinsverfahrens, in dem diesem unter Darlegung der Rechtslage Gelegenheit gegeben wird, den Antrag zurückzunehmen, ist keine beschwerdefähige Verfügung.3 Eine vom Grundbuchrechtspfleger nicht unterschriebene Zwischenverfügung stellt keine wirksame gerichtliche Entscheidung dar.4 Verfügungen im Sinne der §§ 16, 19 sind aber auch Abgaben und Übernahmen einer Sache von Gericht zu Gericht (§ 5 Rn 5, § 46 Rn 24); sie werden mit der Bekanntgabe an das andere Gericht wirksam. Nach § 16 Abs 1 bestimmt sich auch das Wirksamwerden der die Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins anordnenden Verfügung, während der Erbschein selbst oder seine Einziehung sich als Vollziehung dieser Verfügung darstellen und nicht der Bestimmung des § 16 unterliegen (§ 84 Rn 15–18). Auf gerichtliche Handlungen, die den Rechtserfolg unmittelbar herbeiführen (§ 19), ist § 16 nicht anwendbar; sie werden mit ihrer Vornahme wirksam, zB die Verpflichtung des Vormunds (§ 1789 BGB) oder Eintragungen in Register (§ 130 Rn 16). Zum Inhalt von Entscheidungen in Betreuungssachen siehe Anm zu § 69; in Unterbringungssachen siehe Anm zu § 70f;5 zum Inhalt eines Beschlusses über die Annahme als Kind siehe Anm zu § 56e. Der Entwurf des FGG-Reformgesetzes6 sieht künftig eine einheitliche Form der 3 gerichtlichen Entscheidung vor, nach § 38 FamFG-E soll die bisher fehlende Regelung und Abgrenzung zwischen Verfügung, Entscheidung, Anordnung oder Beschluss aufgehoben werden; wird mit der Entscheidung ein Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt, dann soll das Gericht künftig durch Beschluss entscheiden. Dieses soll aber auch für andere Entscheidungen gelten, wie zB die Hinzuziehung von Beteiligten (§ 8 Abs 6 FamFG-E) oder bei Verhängung eines Ordnungsgeldes. Lediglich für andere Entscheidungen, wie verfahrensleitende Anordnungen uä soll es beim bisherigen Rechtszustand bleiben.7 Nach § 38 Abs 3 FamFG-E soll der Beschluss die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten, die Bezeichnung des Gerichts und der mitwirkenden Gerichtspersonen sowie die Beschlussformel enthalten müssen. 2. Form der Verfügungen Die Form der Verfügungen ist, mit Ausnahme des § 25 über die Entscheidungen des 4 Beschwerdegerichts, durch eine gesetzliche Vorschrift nicht geregelt. Sie können mithin schriftlich oder mündlich ergehen.8 In den Fällen, in denen das Gesetz die Notwendigkeit einer Zustellung begründet (§ 16 Abs 2), wird aber die schriftliche Abfassung vorausge-

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6

KG RJA 4, 1; BayObLGZ 14, 552 = Recht 1914 Nr 119; Schlegelberger Anm 1. KG Rpfleger 1996, 456. BayObLG Rpfleger 1996, 148; OLG Zweibrücken Rpfleger 2004, 38. Siehe auch Sonnenfeld FamRZ 1997, 849 sowie Rink FamRZ 1992, 1011 und Zimmermann FamRZ 1990, 1308. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in

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Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der geänd Fassung v 14.2.2006 sieht unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vor. RefE FGG-ReformG Begründung S 291. RGZ 130, 148; zum Abfassen von Entscheidungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit s Furtner JuS 1971, 302 ff.

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setzt und bei der Bekanntmachung zu Protokoll (§ 16 Abs 3) wird die Verfügung sogleich schriftlich niedergelegt. Im Übrigen ist aber eine schriftliche Festlegung der Verfügung in den Akten nicht zwingend vorgeschrieben, da auch Abs 2 S 2 einen Aktenvermerk über die Ausführung der Bekanntmachung nur als Sollvorschrift vorsieht. Da ferner in Abs 3 S 1 die Bekanntmachung zu Protokoll nur fakultativ („kann“) angeordnet ist und aus Abs 3 S 2 sich nicht mehr entnehmen lässt, als dass, wenn die Verfügung zu Protokoll bekannt gemacht ist, dem Verlangen nach einer Abschrift entsprochen werden muss, so ist die Annahme gerechtfertigt, dass eine gerichtliche Verfügung, wenn mit ihrer Bekanntmachung nicht der Lauf einer Frist beginnt, durch mündliche Erklärung gegenüber den vor Gericht erschienenen Personen erlassen und wirksam werden kann, auch ohne dass sie zu Protokoll genommen oder sonst aktenkundig gemacht wird.9 Um aber eine „Verfügung“ darzustellen, muss eine Äußerung des Richters bzw Rechtspflegers, gleichgültig ob sie mündlich oder schriftlich vorliegt, als solche nach außen erkennbar sein, dh als eine Willensentschließung des Gerichts und nicht nur als eine durch Aktenvermerk oder Sichtvermerk auf einer genehmigungsbedürftigen Erklärung oder einer protokollierten Einigung kenntlich gemachte Feststellung einer Tatsache. Deshalb darf aus schlüssigen Handlungen des Richters, die auch in einem Aktenvermerk ihren Ausdruck finden können, in der Regel nicht schon auf eine gerichtliche Verfügung geschlossen werden;10 vgl ferner § 19 Rn 11ff. 3. Begründung der Verfügungen

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Eine Begründung schreibt das FGG nur in §§ 25, 53b Abs 3, 69 Abs 2, 70f Abs 2 vor; nach Landesrecht sollen Verfügungen, durch die ein Antrag oder ein Gesuch zurückgewiesen, eine Genehmigung versagt oder über Rechte der Beteiligten entschieden wird, mit Gründen versehen werden (§ 8 BWFGG, Art 10 HessFGG, Art 4 NdsFGG, § 3 Abs 1 RhPfFGG). Diese Vorschriften dürften der allgemeinen Übung der Gerichte entsprechen, zumal das Vorenthalten der Gründe rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen würde.11 So ist allgemein anerkannt, dass auch erstinstanzliche Entscheidungen zu begründen sind, sofern ein Rechtsmittel möglich ist, damit der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Entscheidung überprüfen und sein Rechtsmittel begründen kann.12 Im Übrigen ist eine Begründungspflicht in Sonderbestimmungen vorgesehen, so zB für zurückweisende Verfügungen in Vereins-, Handels- und Genossenschaftsregistersachen (§ 60 BGB, §§ 23, 26 HRV, § 3 Abs 3 GenRV), in Grundbuch- und Schiffsregistersachen (§ 18 GBO, § 28 SchiffsRegO), in Wohnungseigentumssachen (§ 44 Abs 4 WEG), in Landwirtschaftssachen (§ 21 Abs 1 LwVG),13 in Freiheitsentziehungsverfahren (§ 6 FEVG), bei Entscheidungen in Sorgerechtssachen nach dem SorgeRÜbkAG (§ 9 S 1), in anwaltlichen Zulassungssachen (§§ 41 Abs 1, 91 Abs 5 BRAO) und im Verwaltungsverfahren nach der BNotO (§ 111 BNotO). Ein nach mündlicher Verhandlung ergangener Beschluss ist „nicht mit Gründen versehen“, wenn er nicht binnen 5 Monaten nach der

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BayObLGZ 1958, 207; KGJ 24 A 11; KG OLGR 9, 350; 35, 9; OLG Braunschweig OLGR 4, 348; OLG Colmar RJA 2, 151; OLGR23, 364; Keidel/Schmidt § 16 Rn 4; Wellstein Anm 1, 3d; aA Josef Anm 10; Schlegelberger Anm 40. BayObLGZ 1965, 446 = FamRZ 1966, 247; OLG Colmar OLGR 6, 296; Wellstein Anm 1. BVerfGE 6, 32 = NJW 1957, 297 zu 5; KG

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FamRZ 1960, 500; KG OLGZ 1966, 331 = NJW 1966, 1320 = FamRZ 1966, 239 (zu § 1796 BGB); HansOLG Bremen OLGZ 1967, 258 (§ 1800 BGB); Bärmann § 19 III 3a; Baur § 22 B II; Pikart-Henn S 92. BGH NJW-RR 1995, 701; OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1102. S hierzu Barnstedt/Steffen § 21 Rn 3–6, 14.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

Verhandlung vollständig schriftlich niedergelegt und unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben ist, da er dann an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet;14 das gilt auch bei einer Bekanntmachung durch Zustellung ohne dass eine Verkündung der Beschlussformel vorausgegangen ist, weil nicht mehr sicher ist, dass das in der mündlichen Verhandlung Erörterte nach so langer Zeit noch Berücksichtigung findet.15 Auch bei gesetzlicher Begründungspflicht heißt das jedoch nicht, dass auf alle möglicherweise in Betracht kommenden tatsächlichen oder rechtlichen Umstände ausdrücklich einzugehen ist.16 Beschlüsse sind auch zu begründen, wenn ein Rechtsmittel nur im Ausnahmefall statthaft ist, zB wegen schwerwiegender Verfahrensfehler.17 Soweit eine Begründung gesetzlich nicht vorgeschrieben und durch rechtsstaatliche Grundsätze nicht erforderlich ist, steht sie im Ermessen des Gerichts. Als notwendig wird sie angesehen für eine Sorgeregelung, die nicht auf übereinstimmendem Willen der Eltern beruht,18 wenn die Begründung nicht erkennen lässt, dass das Gericht die wesentlichen Argumente des Betroffenen berücksichtigt hat, ist der Begründungspflicht nicht genügt.19 Schwerwiegende Mängel können zur Rückverweisung führen.20 Entbehrlich ist die Begründung, wenn die Entscheidung dem Antrag aller Beteiligter entspricht oder die übrigen Beteiligten zu erkennen gegeben haben, dass sie dem Antrag nicht widersprechen, oder wenn vorausgesetzt werden kann, dass über die maßgeblichen Gründe bei den Beteiligten Klarheit besteht.21 Zum Unterlassen der Begründung, auch wenn sie gesetzlich vorgeschrieben ist vgl § 25 Rn 33; sowie bei Beschwerdeentscheidungen vgl § 27 Rn 128. Eine Bekanntmachung ohne Gründe setzt, soweit die Begründung gesetzlich vorge- 6 schrieben ist, die Beschwerdefrist nicht in Lauf,22 soweit nicht ausnahmsweise eine Bekanntmachung ohne Gründe gestattet ist. Sondervorschriften über die Bekanntmachung von Entscheidungen enthalten §§ 69a Abs 1 S 2, 70g Abs 1 S 2 für das Betreuungs- bzw Unterbringungsverfahren, wonach von einer Bekanntmachung der Entscheidungsgründe abgesehen werden kann, wenn es wegen erheblicher Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen erforderlich ist (vgl § 69a Rn 4–7; § 70g Rn 6, 7). Im Freiheitsentziehungsverfahren kann die Bekanntmachung an den Betroffenen unter Umständen ganz unterbleiben, wenn die Bekanntmachung an die Person, der die Freiheit entzogen werden soll, nach ärztlichem Gutachten nicht ohne Nachteile für ihren Gesundheitszustand ausführbar ist, § 6 Abs 4 FEVG; das Gericht entscheidet hierüber durch unanfechtbaren Beschluss. § 38 Abs 3 und 4 FamFG-E23 treffen Regelungen für den notwendigen Inhalt von 7 künftigen Beschlüssen. Diese sollen grundsätzlich zu begründen sein, um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Unter bestimmten Voraussetzungen soll auf eine Begründung verzichtet werden können; das soll immer der Fall sein, wenn eine Beschwer eines Beteiligten erkennbar nicht vorliegt, wenn gleichgerichteten Anträgen stattgegeben wird oder wenn der Beschluss den Beteiligten unmittelbar an die Erörterung im Termin bekannt gegeben wird und eine Anfechtung aufgrund Rechtsmittelverzichts ausgeschlossen sein wird. In Anlehnung an § 313a Abs 4 Nr 4 ZPO soll es hiervon aber wiederum Ausnahmen geben.24 14 15 16 17 18

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BGH LM Nr 7 zu § 40 BRAO. BGH NJW-RR 2001, 1642. BayObLG 1992, 1349. OLG Hamm FamRZ 1993, 719; vgl hierzu auch Anm zu § 64 Rn 293. OLG Celle FamRZ 1978, 54; OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 56; OLG Nürnberg FamRZ 1986, 1247. OLG München FamRZ 1999, 520.

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OLG München aaO. BayObLGZ 1967, 194; HansOLG Bremen OLGZ 1967, 258. BGH NJW 1963, 446; KG JW 1925, 1125; OLG Celle DR 1942, 341; Krohn NJW 1964, 1626. S Fn 6. RefE FGG-ReformG Begründung S 397.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

4. Rechtsmittelbelehrung

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Eine Pflicht, die Bekanntmachung der Entscheidungen mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, besteht in der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich nicht;25 daraus folgt, dass der Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist keine Rechtsmittelbelehrung voraussetzt,26 etwas anderes gilt nur, wenn das Gesetz ausdrücklich eine Belehrung vorschreibt.27 Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit besteht jedoch ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz,28 so dass die Gerichte zumindest bei befristeten Rechtsmitteln im Interesse der Betroffenen (zB bei ehrenamtlichen Betreuern)29 dazu übergehen sollten, auch ohne gesetzlichen Zwang Rechtsmittelbelehrungen zu erteilen; dem ist zu folgen, zumal im Wesentlichen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Anwaltszwang besteht und das Rechtsmittelsystem für den Rechtsunkundigen nicht immer einfach zu durchschauen ist.30 Zu belehren ist auch in diesen Fällen über das Rechtsmittel selbst, über Form- und Fristerfordernisse sowie über die Gerichte, bei denen das Rechtsmittel einzulegen ist; unterbleibt die Belehrung, so steht dies weder der Wirksamkeit noch dem Beginn des Laufs einer Frist entgegen.31 In einigen Fällen ist eine Rechtsmittelbelehrung gesetzlich vorgeschrieben, nämlich in Betreuungs- sowie in Unterbringungssachen gem §§ 69 Abs 1 Nr 6; 70f Abs 1 Nr 4 (vgl Anm zu § 69 Rn 15 ff und zu § 70f Rn 12),32 das gilt auch in Familiensachen hinsichtlich der Genehmigung der Unterbringung eines Kindes gem § 70 Abs 1 S 2 Nr 1a (vgl auch § 64 Rn 137), aber auch in Landwirtschaftssachen, § 21 Abs 2 LwVG; eine Zustellung ohne Belehrung ist in diesen Fällen zwar wirksam und geeignet, nach § 16 Abs 1 das Wirksamwerden der Entscheidung herbeizuführen, die Rechtsmittelfrist beginnt aber nicht vor der Belehrung zu laufen,33 so dass die Entscheidung nicht formell rechtskräftig werden kann. Gleiches gilt auch für eine unrichtige Belehrung.34 In Betreuungsangelegenheiten gilt die Belehrungspflicht nur, wenn es um die Betreuerbestellung oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts geht, nicht aber bei Entlassung eines Betreuers gegen seinen Willen.35 Wird die Belehrung nachgeholt, so beginnt die Frist mit der Bekanntmachung der Belehrung, ohne dass es einer erneuten Zustellung der Entscheidung bedarf.36 Nach § 21 Abs 2 S 3 LwVG beginnt die Rechtsmittelfrist auch ohne Belehrung spätestens fünf Monate nach der Zustellung.37 In Personenstandssachen hindert das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung in der zugestellten Entscheidung den Lauf der Rechtsmittelfrist nicht, da sie nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.38 Zur Frage der Wiedereinsetzung vgl § 22 Rn 27 ff. 25

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BGH FamRZ 1980, 347; BayObLGZ 25, 228; BayObLG FamRZ 2000, 493; OLG Dresden FamRZ 1997, 824; OLG Köln OLGZ 1991, 403; OLG München JFG 13, 20; KG WM 1957, 474; Schlegelberger Anm 3a. BayObLG FamRZ 2000, 493; BayObLGZ 1986, 259; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 168 mwN. BayObLG FamRZ 2000, 493 mwN; BayObLG Rpfleger 1987, 154. BVerfGE 93, 99 m abl M Kühling (S 117) = NJW 1995, 2095. Bienwald FamRZ 1999, 1324. So auch für das WEG-Verfahren: BGH FGPrax 2002, 166 m div N = NJW 2002, 2171.

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BGH FGPrax 2002, 166. S hierzu Sonnenfeld FamRZ 1997, 849; Rink FamRZ 1992, 1011; Zimmermann FamRZ 1990, 1308. Barnstedt/Steffen § 21 Rn 64 mwN. BayObLG FamRZ 1994, 323. BayObLG FamRZ 2000, 493; OLG Stuttgart Rpfleger 1996, 408; s im Übrigen Anm 15 zu § 69. BGH RdL 1959, 95 = MDR 1959, 479; Barnstedt/Steffen § 21 Rn 62. Dazu BGH NJW 1955, 305; OLG Nürnberg RdL 1956, 202; OLG Köln RdL 1956, 228; Barnstedt/Steffen § 21 Rn 70. OLG Frankfurt FamRZ 1999, 168.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

Zur Bekanntmachung und zum Wirksamwerden von gerichtlichen Verfügungen in 9 FGG-Familiensachen vgl § 64 Rn 83, 89, 141, 144; zu den besonderen Vorschriften für die Bekanntmachung von Entscheidungen nach der EuEheVO und dem ESÜ vgl § 64 Rn 142; zu den Besonderheiten im Verbundverfahren vgl § 64 Rn 250, 251 und im Verfahren betr den einstweiligen Rechtsschutz vgl § 64 Rn 294. Nach dem Willen der Reform soll § 39 FamFG-E39 allgemein die Notwendigkeit einer 10 Rechtsbehelfsbelehrung einführen und der oben zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke aufgegriffen werden. Die Rechtsmittelbelehrung ist Ausdruck des rechtsfürsorgerischen Charakters der Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, daher soll künftig in allen FamFG-Verfahren über die Rechtsmittel oder sonstige ordentliche Rechtsbehelfe zu belehren sein. Von der Belehrungspflicht umfasst sollen alle Rechtsmittel sein, sowie die in den FamFG-Verfahren vorgesehenen ordentlichen Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen, Einspruch, Widerspruch und Erinnerung. Nicht erforderlich soll eine Rechtsbehelfsbelehrung dagegen sein, wenn gegen die Entscheidung nur noch außerordentliche Rechtsbehelfe statthaft sind. Eine Belehrung etwa über die Wiedereinsetzung, die Urteilsberichtigung und Ergänzung oder die Möglichkeit der Rüge aufgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 44 FamFG-E) soll daher regelmäßig nicht geboten sein. Die Rechtsbehelfsbelehrung hat mit der Bezeichnung des Gerichts, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist, dessen Sitz sowie der einzuhaltenden Form und Frist alle wesentlichen Informationen zu enthalten, die den Beteiligten in die Lage versetzen, ohne die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes den zulässigen Rechtsbehelf gegen die ergangene Entscheidung einzulegen.

III. Eintritt der Wirksamkeit der Verfügung In § 16 Abs 1 wird der Grundsatz aufgestellt, dass gerichtliche Verfügungen mit der 11 Bekanntmachung an denjenigen wirksam werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Von diesem Grundsatz gibt es einige Ausnahmen, in denen der Eintritt der Wirksamkeit entweder an eine andere Tatsache als die Bekanntmachung geknüpft ist (nachst Rn 19) oder bis zur formellen Rechtskraft der Verfügung aufgeschoben wird (nachst Rn 21, 22). 1. Bekanntmachung als Voraussetzung der Wirksamkeit a) Grundsatz Der Eintritt der Wirksamkeit einer Verfügung soll mit ihrer Bekanntmachung zusam- 12 menfallen, also von der formellen Rechtskraft, dh der Unanfechtbarkeit der Verfügung unabhängig sein, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine Verfügung des ersten Rechtszuges oder eine Entscheidung des Beschwerdegerichts handelt. Dem entspricht es, dass die Beschwerde nur dann aufschiebende Wirkung hat, wenn sie gegen eine Verfügung gerichtet ist, durch die ein Ordnungs- oder Zwangsmittel festgesetzt wird (§ 24 Abs 1); jedoch kann die Vollziehung der angefochtenen Verfügung im Fall der Beschwerdeeinlegung ausgesetzt werden (§ 24 Abs 2, 3). Diese Regelung wird dem Wesen der nichtstreitigen Rechtspflege am besten gerecht, deren Aufgabe in der Hauptsache nicht auf eine Entscheidung über das Bestehen von Rechten, sondern auf eine Tätigkeit gerichtet ist, durch welche Rechtsverhältnisse begründet, geändert oder aufgehoben werden. Dem39

S Fn 6.

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gemäß erschien es dem Gesetzgeber nicht recht, die Wirksamkeit der Verfügungen allgemein bis zur Rechtskraft hinauszuschieben, was übrigens nur in der Weise möglich gewesen wäre, dass die Einlegung der Beschwerde in allen Fällen an eine Frist hätte gebunden werden müssen.40 Soweit die Wirksamkeit an die Bekanntmachung geknüpft ist, gilt dies unabhängig 13 davon, ob und mit welchem Rechtsmittel die Verfügung anfechtbar ist.41 Unanfechtbare Verfügungen (zB § 164 FGG, § 73 Abs 1 AktG) werden mit der Bekanntmachung wirksam und unanfechtbar. Die Mehrzahl der Verfügungen, die mit der Bekanntmachung wirksam werden, sind solche, die der unbefristeten Beschwerde unterliegen. Mit der Bekanntmachung wirksam werden daher die Ernennung des Testamentsvollstreckers,42 die Bestellung von Notvorständen und Notabwicklern nach §§ 29, 48 Abs 1 BGB (§ 160 Rn 23) und Betreuern (vgl § 69a Rn 14),43 die Entziehung der Personensorge gegenüber Eltern, die Regelung der elterlichen Sorge nach §§ 1671, 1672 BGB, die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB44 oder die Abänderung derartiger Entscheidungen (§ 1696 BGB). Bei vormundschafts- bzw familiengerichtlichen Genehmigungen ist zu unterscheiden zwischen dem Wirksamwerden der genehmigenden Verfügung, die nach § 1828 BGB mit der Bekanntmachung an den gesetzlichen Vertreter eintritt,45 und dem Wirksamwerden des genehmigten Rechtsgeschäfts, das der gesetzliche Vertreter nach § 1829 Abs 1 S 2 BGB herbeizuführen hat.46 Mit der Bekanntmachung wirksam werden grundsätzlich auch Verfügungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, soweit nicht besonders bestimmt ist, dass sie erst mit der Rechtskraft wirksam werden. Daher wird sogleich mit der Bekanntmachung wirksam die Entlassung des Vormunds,47 des Testamentsvollstreckers,48 die Ermächtigung zur Einberufung von Mitgliederversammlungen nach § 37 BGB (§ 160 Rn 9) oder nach § 45 Abs 3 GenG,49 die Bestellung von Vorstandsmitgliedern nach § 85 AktG (§ 145 Rn 20) oder von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 AktG (§ 145 Rn 30).50 Eine nicht zu verkündende Beschwerderechtsentscheidung über das Sorgerecht wird bereits mit formloser Mitteilung an die Beteiligten (auch telefonisch) existent und kann nicht mehr abgeändert werden.51 In den Fällen der sofortigen Beschwerde gilt jedoch die Besonderheit, dass die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nach § 26 erst mit der Rechtskraft wirksam wird, sofern nicht das Beschwerdegericht die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung anordnet. Bestellt mithin das AG nach § 85 AktG ein Vorstandsmitglied und hebt das LG auf sofortige Beschwerde diese Verfügung auf, so bleibt das Vorstandsmitglied im Amt, bis die Beschwerdeentscheidung formell rechtskräftig geworden ist (§ 26 Rn 7). Wegen der Rückwirkung in solchem Fall (vorbehaltlich des § 32) vgl § 18 Rn 34 ff. Ein Verzicht auf die Bekanntmachung ist nicht geeignet, die Wirksamkeit der Verfü14 gung bereits mit der Beschlussfassung des Gerichts eintreten zu lassen;52 das gilt insbe40 41 42

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Denkschr S 36. Habscheid § 24 II. KG DNotZ 1955, 649; KG JFG 19, 40 = JW 1939, 421 = HRR 1939 Nr 167 = DFG 1939, 35. Siehe auch Rink FamRZ 1992, 1011. Palandt/Diederichsen § 1674 Rn 5. MünchKomm/Wagenitz § 1828 Rn 26; Palandt/Diederichsen § 1828 Rn 11; Soergel/ Zimmermann § 1828 Rn 19; Staudinger/ Engler § 1828 Rn 18. S hierzu ausf Sonnenfeld/Zorn Rpfleger 2004, 533 ff.

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KG JFG 12, 122 = JW 1935, 2157; Palandt/ Diederichsen § 1886 Rn 6. BayObLGZ 1959, 128; 1969, 138; 1971, 187; KG DRZ 1929, Nr 498; Palandt/Edenhofer § 2227 Rn 9. RGZ 170, 83. KG OLGZ 1966, 596. BGH FamRZ 2000, 813 mwN. BayObLGZ 1960, 268; Schlegelberger Anm 25.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

sondere für die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, auf deren Bekanntgabe der Vormund nicht verzichten kann.53 Erlangt oder verliert jemand durch die Verfügung die Fähigkeit, Rechte auszuüben, so kann die Feststellung der Stunde der Bekanntmachung angebracht sein.54 b) Bekanntmachungsadressat aa) Regel Die zur Herbeiführung der Wirksamkeit der Verfügung erforderliche Bekanntmachung 15 ist an den zu bewirken, für den die Verfügung ihrem Inhalt nach bestimmt ist (Abs 1). Darunter ist derjenige zu verstehen, dem die Verfügung bekannt gemacht werden muss, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll,55 an den sie sich richtet, weil sie Rechte oder Pflichten für ihn begründet.56 Das muss durchaus nicht immer oder notwendig eine Person aus dem Kreise der materiell Beteiligten sein,57 also derjenigen, in deren Rechtssphäre die Verfügung ihrem Erfolge nach beeinträchtigend eingreift, sondern kann auch ein Dritter sein, der bisher zu der Angelegenheit in keinerlei Rechtsbeziehungen stand, dem aber durch die Verfügung eine Rechtsmacht verliehen wird. Denn § 16 Abs 1 hat nicht solche Bekanntmachungen im Auge, die im Interesse der Beteiligten und zur Ausübung ihrer Rechte im Verfahren geboten sind – sie sind außerdem erforderlich (Rn 16) –, sondern die Vorschrift will gewährleisten, dass die Verfügung unmittelbar in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem sie in die Hand dessen gelangt, der sie kennen muss, damit sie ihren Zweck erfüllt. Deswegen ist die Bestellung eines Vereinsvormunds iS des § 16 Abs 1 nur für diesen bestimmt und wird deshalb mit der Bekanntmachung an ihn wirksam,58 obwohl sich nicht leugnen lässt, dass allein der Mündel oder Pflegebefohlene der von dieser Verfügung unmittelbar Betroffene ist. Ebenso wird die Aufhebung der Vormundschaft oder Pflegschaft mit der Bekanntmachung an den Vormund/Pfleger wirksam,59 weil er von der Beendigung seiner Vertretungsbefugnis Kenntnis haben muss, obwohl er nicht materiell Beteiligter ist, weil er kein eigenes Recht auf die Fortdauer der Vormundschaft oder Pflegschaft hat. Entsprechend wird mit der Bekanntgabe an den Ernannten wirksam die Ernennung des Testamentsvollstreckers (§ 81 Rn 4), die Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB (§ 160 Rn 23) bzw nach § 85 AktG (§ 145 Rn 20), die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 AktG (§ 145 Rn 30) oder die Bestellung eines Liquidators (im Falle des § 2 Abs 3 LöschG, nun nach § 264 Abs 2 AktG, § 83 Abs 5 GenG oder nach § 66 Abs 5 GmbHG), denn eine darüber hinausgehende Bekanntgabe an die Gesellschafter oder den Antragsteller ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Bestellung.60 Die Erteilung oder Verweigerung der vormundschafts- bzw familiengerichtlichen Genehmigung ist für den gesetzlichen Vertreter bestimmt (§ 1828 BGB). Einstweilige Anordnungen, durch die eine Zwangsvollstreckung eingestellt wird, können bereits wirksam werden, wenn sie dem Vollstreckungsorgan vorgelegt werden oder zu seiner dienst53

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BayObLG OLGR 4, 114; Palandt/Diederichsen § 1828 Rn 11; Sonnenfeld/Zorn Rpfleger 2004, 533 (534) mwN. Josef Anm 3. Schlegelberger Anm 25. Schlegelberger aaO. Schlegelberger Anm 25, 26; aA ersichtlich Baur § 12 IV 6b; Habscheid § 24 II 2; Keidel/ Schmidt § 16 Rn 10. BayObLG FamRZ 1958, 384; BayObLGZ

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1959, 330; KG NJW 1958, 1926; Denkschr S 48; Schlegelberger Anm 26; Unger ZZP 34, 335; Palandt/Diederichsen § 1774 Rn 2, § 1789 Rn 2, § 1791a Rn 1; zweifelnd Bärmann § 29 IId; wegen des Wirksamwerdens der Nachlassverwaltung vgl § 76 Rn 10, 11. KG RJA 15, 101; Palandt/Diederichsen § 1919 Rn 3. OLG Hamm Rpfleger 1987, 251 mwN.

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lichen Kenntnis gelangen.61 Andererseits entspricht es dem Wesen der Sache, dass es auch Fälle gibt, in denen derjenige, für den die Verfügung iS des § 16 Abs 1 ihrem Inhalt nach bestimmt ist, zugleich materiell Beteiligter ist, wenn nämlich einem solchen eine Berechtigung oder Ermächtigung erteilt oder entzogen oder eine belastende Auflage gemacht wird oder eine Aufforderung zum Handeln oder Unterlassen an ihn ergeht, so zB bei der Entlassung des Vormunds,62 Pflegers,63 Betreuers64 oder Testamentsvollstreckers.65 Gleiches gilt, wenn dieselbe Verfügung auf der einen Seite den Verlust eines Rechts, auf der anderen dessen Erwerb herbeiführt, die Verfügung iS des § 16 Abs 1 nicht für den leidenden, sondern für den gewinnenden Teil bestimmt ist, der nunmehr diese Rechte ausüben soll. Die Bestimmung der Inventarfrist (§ 1994 BGB) ist nur für den Erben bestimmt,66 eine sonstige erbrechtliche Fristbestimmung (§ 80) für denjenigen, der sich innerhalb der Frist äußern soll. Die Zurückweisung eines Antrags oder einer Beschwerde wird mit der Bekanntgabe an den Antragsteller oder Beschwerdeführer wirksam. Erlässt erst das Beschwerdegericht eine positive Verfügung, so gelten diese Grundsätze auch für das Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung, sofern sie mit der unbefristeten weiteren Beschwerde anfechtbar ist. Die Frage, für wen die Verfügung ihrem Inhalt nach bestimmt ist, ist hiernach nicht entweder Tatfrage oder Rechtsfrage,67 sondern ausschließlich Rechtsfrage, nur ist sie nach der Art der jeweiligen Verfügung verschieden zu beantworten. Die Bekanntmachung an eine Person, für die die Verfügung nicht ihrem Inhalt nach bestimmt ist, führt die Wirksamkeit der Entscheidung nicht herbei. Für die Herbeiführung der Wirksamkeit von Verfügungen, die erst mit der Rechtskraft wirksam werden, gilt § 16 Abs 1 nicht. bb) Gesetzlich bestimmter Adressat

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Mitunter hat das Gesetz selbst bestimmt, wem die Verfügung zur Herbeiführung der Wirksamkeit bekannt gemacht werden muss. Derartige Regelungen finden sich für die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge und die Feststellung, dass der Ruhensgrund weggefallen ist, in § 51 Abs 1, 2 FGG. Wird bei Gefahr im Verzuge gerichtlich die sofortige Wirksamkeit einer Verfügung angeordnet, durch die die Ermächtigung oder Zustimmung eines anderen zu einem Rechtsgeschäft ersetzt oder die Beschränkung oder Ausschließung der Berechtigung des Ehegatten oder Lebenspartners, Geschäfte mit Wirkung für den anderen Teil zu besorgen (§ 1357 Abs 2 S 1 BGB) aufgehoben wird, so wird die Verfügung mit der Bekanntgabe an den Antragsteller wirksam, § 53 Abs 2. Ein Beschluss, durch den das Gericht die Annahme als Kind ausspricht, wird mit der Zustellung an den Annehmenden, nach dessen Tod mit der Zustellung an das Kind wirksam, § 56e. Nach § 59 Abs 2 S 1, Abs 3 ist eine Entscheidung, gegen die das Kind oder der Mündel selbständig das Beschwerderecht ausüben kann, diesem auch selbst bekanntzugeben (s Anm zu § 59). Im Betreuungsrecht sind Entscheidungen grundsätzlich dem Betroffenen bekanntzugeben, § 69a Abs 1; für die Wirksamkeit der Entscheidungen ist jedoch die Bekanntmachung an den Betreuer Voraussetzung, § 69a Abs 3 (siehe hierzu § 69a Rn 2, 14–16). Für die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine Sterili-

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62 63

BGHZ 25, 60; das Wirksamwerden bereits mit dem Zeitpunkt des Erlasses eintreten zu lassen (so BGH aaO), geht über das Erforderliche hinaus. BayObLGZ 1970, 143; KG FamRZ 1970, 672; Palandt/Diederichsen § 1886 Rn 6. BayObLG NJW-RR 1990, 724.

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BayObLG FamRZ 1996, 58. BayObLG FamRZ 1991, 615; BayObLGZ 1969, 138; KG OLGZ 1971, 201. Josef Anm 5a; Schlegelberger Anm 26; Palandt/Edenhofer § 1994 Rn 1. So Wellstein Anm 2b; Keidel/Schmidt Rn 10.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

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sation des Betreuten gilt § 69a Abs 4, wonach es der Bekanntmachung an den Betreuer und den Verfahrenspfleger bzw -bevollmächtigen bedarf.68 cc) Mehrheit von Bekanntmachungsadressaten Ist eine Verfügung, deren Wirksamkeit mit der Bekanntmachung eintritt, ihrem Inhalt 17 nach für mehrere Personen bestimmt, so wird sie für jede einzelne von ihnen, soweit der Inhalt für sie bestimmt ist, mit dem Zeitpunkt der Bekanntmachung an sie selbst wirksam.69 Ist aber eine Verfügung ihrem Inhalt nach für mehrere bestimmt und kann sie wegen der unter den Adressaten bestehenden Rechtsgemeinschaft oder wegen der Untrennbarkeit ihres Inhalts nur zu einem einheitlichen Zeitpunkt wirksam werden, so wird sie mit der letzten Bekanntmachung wirksam.70 Das ist zB der Fall, wenn eine Minderheit von Vereinsmitgliedern nach § 37 BGB, § 160 FGG zur Einberufung einer Mitgliederversammlung ermächtigt wird;71 wird die Ermächtigung jedoch nur einem der Antragsteller erteilt (vgl § 160 Rn 5), so wird die Verfügung mit der Bekanntmachung an ihn wirksam. Die Aufteilung der vormundschaftlichen Geschäfte (§ 1797 Abs 2 BGB) oder der elterlichen Sorge (§§ 1666 ff, 1671 BGB) nach Aufgabenkreisen tritt mit der letzten Bekanntmachung an die Vormünder oder Eltern in Wirksamkeit. Untrennbarkeit in diesem Sinne liegt aber nicht vor, wenn dem Rechtserwerb auf einer Seite ein Rechtsverlust auf der anderen entspricht; die Verfügung kann durchaus mit der Bekanntmachung an den gewinnenden Teil wirksam werden (Rn 12). dd) Bevollmächtige Hat der Bekanntmachungsadressat einen Bevollmächtigten bestellt, so kann die Ver- 18 fügung auch durch Bekanntmachung an diesen wirksam werden, wenn die Vollmacht ergibt, dass sie auch zur Empfangnahme der Bekanntmachung von Verfügungen ermächtigt,72 was beim Fehlen von Einschränkungen anzunehmen ist. Das schließt aber nicht die Befugnis des Gerichts aus, die Wirksamkeit der Verfügung nach seiner Wahl durch Bekanntmachung an den Vollmachtgeber herbeizuführen. Tritt jemand in einem FGGVerfahren in doppelter Eigenschaft auf, nämlich in eigenem Namen und als Vertreter eines anderen, so wird durch die einmalige Zustellung der gerichtlichen Verfügung an ihn für beide Beteiligungen eine Frist auch dann in Lauf gesetzt, wenn er nur in einer seiner Eigenschaften angesprochen wir.73 Die Wirkung des § 16 Abs 1 kann durch Bestellung eines Bevollmächtigen nicht ausgeschlossen werden.74 Zur Anwendung von § 172 ZPO (§§ 176 ff ZPO aF) siehe nachst Rn 35 ff; für Notare vgl aber § 13 Rn 52. 2. Andere Tatsachen als die Bekanntmachung Unter Umständen sind als Voraussetzung für die Wirksamkeit auch andere Tatsachen 19 als die Bekanntmachung gesetzlich vorgesehen; so zB in § 51, wonach die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge eines Elternteils unter gewissen Voraussetzungen mit der Übertragung der Ausübung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil oder mit

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OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 375; s im Übrigen Anm zu § 69a Abs 4. OLG Hamm Rpfleger 1980, 298; Denkschr S 37; Josef Anm 5b; Schlegelberger Anm 28; Wellstein Anm 2b. BayObLGZ 1991, 52; KG OLGZ 1984, 152 = Rpfleger 1984, 235; Schlegelberger Anm 28.

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Das gilt nicht, wenn Unbefugte ermächtigt worden sind, BayObLG Rpfleger 1987, 153. BayObLG JFG 1, 351; Palandt/Diederichsen § 1828 Rn 11. OLG Frankfurt FamRZ 1999, 168 (Personenstandssache). Wellstein Anm 2b.

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der Bestellung eines Vormunds wirksam wird (vgl § 51 Rn 9–21). Gem § 64b Abs 2 S 1 werden Entscheidungen nach den §§ 1, 2 GewSchG grundsätzlich erst mit Rechtskraft wirksam; allerdings gibt § 64b Abs 2 S 2 dem FamG die Möglichkeit, die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anzuordnen, sie tritt dann mit Übergabe der Entscheidung an die Geschäftsstelle zum Zwecke der Bekanntmachung ein (siehe hierzu § 64b Rn 12); gleiches gilt für ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Anordnungen in diesem Verfahren (§ 64b Rn 16). Auch im Betreuungsrecht gilt zunächst einmal der Grundsatz, dass Entscheidungen mit Bekanntmachung – hier an den Betreuer – wirksam werden, § 69a Abs 3 S 1; allerdings kann das Gericht unter Umständen die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen, wenn eine Bekanntgabe an den Betreuer nicht möglich oder Gefahr im Verzuge ist (siehe hierzu § 69a Rn 17 ff). Im Falle einer Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 69f) sieht das Gesetz eine Besonderheit vor, denn sie wird auch mit der Übergabe an die Geschäftsstelle zum Zwecke der Bekanntmachung wirksam, § 69f Abs 4 S 1 (siehe hierzu § 69f Rn 27–29). Im Unterbringungsverfahren ist in dringenden Fällen die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit möglich (siehe hierzu § 70f Rn 16 ff und § 70h Rn 42); während hier allerdings die Wirksamkeit grundsätzlich an die Rechtskraft gebunden ist (§ 70f Abs 3 S 1). Wegen des Kraftloswerdens des Erbscheins infolge Einziehung und des Wirksamwerdens der Kraftloserklärung vgl § 84 Rn 24. 3. Weitere Bekanntmachungen

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Daraus, dass § 16 Abs 1 die Bekanntmachung als Voraussetzung der Wirksamkeit nur an eine bestimmte Person vorschreibt, die nicht einmal ein Beteiligter zu sein braucht, und in anderen Fällen die Wirksamkeit überhaupt an den Eintritt einer anderen Tatsache als die Bekanntmachung anknüpft (Rn 16), ist nicht zu folgern, dass die Bekanntmachung an die übrigen Beteiligten unterbleiben dürfe oder nur ein nobile officium des Gerichts sei oder im freien Ermessen des Gerichts stehe.75 Wenn eine Verfügung zwar mit der Bekanntmachung wirksam wird, aber mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist, gebietet es der Zweck der Befristung des Rechtsmittels, die Rechtsverhältnisse der Beteiligten alsbald auf eine gesicherte und nicht mehr angreifbare Grundlage zu stellen (vgl § 22 Rn 2–4), dass die Verfügung allen Beschwerdeberechtigten förmlich zugestellt wird, auch wenn der Eintritt der Wirksamkeit nicht von der Rechtskraft abhängt, damit die Verfügung nicht etwa noch nach längerer Zeit mit Rückwirkung aufgehoben werden kann; notfalls muss das Gericht die Beteiligten ermitteln.76 Die Amtspflicht hierzu ergibt sich aus dem Grundsatz des Amtsbetriebes, dessen Geltung das FGG voraussetzt (Vorbem vor §§ 8 ff Rn 22). Aber auch wenn die Verfügung der unbefristeten Beschwerde unterliegt, muss sie den materiell Beteiligten, die nach § 20 Abs 1 beschwerdeberechtigt sind, bekannt gemacht werden,77 ferner den etwa nach § 57 Beschwerdeberechtigten, wenn sie durch Teilnahme am Verfahren formell Beteiligte geworden sind (§ 6 Rn 5). Schließlich ist auch eine Bekanntmachung an den obsiegenden Beteiligten geboten, jedenfalls, wenn er in dem Verfahren hervorgetreten ist, da er über den Ausgang des Verfahrens nicht im Unklaren gelassen werden darf und möglicherweise Kostenanträge stellen kann.

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So aber Schlegelberger Anm 29. Josef Anm 4a.

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Baur § 23 B II 3a.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

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4. Formelle Rechtskraft als Voraussetzung der Wirksamkeit a) Grundsatz In einer Reihe von Fällen ist bestimmt, dass eine Verfügung oder Entscheidung erst 21 mit der Rechtskraft wirksam wird. Über die rechtspolitischen Gründe, die zu dem darin liegenden Aufschub des Eintritts der Wirksamkeit geführt haben, vgl § 22 Rn 4 bzw Rn 2a der Voraufl. Eine solche Bestimmung ist getroffen im FGG für Verfügungen des Vormundschaftsgerichts nach §§ 53 Abs 1, 53a Abs 2, 53g Abs 1, 55b Abs 2, 56c Abs 1, 56f Abs 3, in Gewaltschutzsachen nach § 64b Abs 2, in Unterbringungssachen nach § 70g Abs 3, in Nachlasssachen nach §§ 82 Abs 2, 83a, 97 Abs 1, 98, 99, in Handelssachen nach §§ 141 Abs 4, 141a Abs 2, 142 Abs 3, 144 Abs 2, 159 Abs 1, 160a Abs 2, 160b Abs 1, 161 Abs 1; in anderen Gesetzen wie zB in § 7 Abs 3 ErbbauVO; § 80 Abs 2 GenG; § 49 Abs 1 PStG; §§ 29 Abs 1, 40 VerschG; § 8 Abs 1 FEVG; § 45 Abs 2 WEG; § 16 Abs 1 HausratsVO; § 30 Abs 1 LwVG; §§ 99 Abs 5, 132 Abs 3, 260 Abs 3, 306 Abs 2 AktG; § 35 UmwG; § 8 Abs 1 SorgeRÜbkAG. Eine besondere Bestimmung ist in § 26 S 1 FGG für Entscheidungen des Beschwerdegerichts getroffen, die, wenn die weitere Beschwerde eine sofortige ist, erst mit der Rechtskraft wirksam werden. In einigen Fällen ist dem Gericht auch die Befugnis eingeräumt, durch eine besondere Anordnung den Zeitpunkt der Wirksamkeit vorzuverlegen, nämlich zB nach § 53 Abs 2 FGG bei Gefahr im Verzuge für die in dieser Vorschrift genannten Verfügungen, über § 82 Abs 2 gilt dieses auch für Verfügungen bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Testamentsvollstreckern. Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit zudem in Gewaltschutzsachen nach § 64b Abs 2 S 2 und in Unterbringungssachen nach § 70g Abs 3 S 2 FGG anordnen. Ebenfalls ohne Einschränkung nach § 26 S 2 FGG für Entscheidungen des Beschwerdegerichts, die sonst nach § 26 S 1 erst mit der Rechtskraft wirksam werden würden. b) Eintritt der Wirksamkeit In den vorstehend genannten Fällen deckt sich der Zeitpunkt des Wirksamwerdens 22 mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft; über deren Eintreten vgl § 31 Rn 4. Die Verfügung muss also allen Beschwerdeberechtigten förmlich zugestellt werden, um die Beschwerdefrist in Gang zu setzen; geschieht das nicht, so wird die Verfügung nicht formell rechtskräftig und damit nicht wirksam. Mitunter kann auch eine öffentliche Bekanntmachung geboten oder erforderlich sein. Sind mehrere Beteiligte zur Einlegung der sofortigen Beschwerde berechtigt, ist die Rechtsmittelfrist ihnen gegenüber aber zu verschiedenen Zeiten in Gang gesetzt worden, so kann nach dem Zweck der Regelung, die Wirksamkeit bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit aufzuschieben, unter Rechtskraft in diesem Sinne nur die gegenüber allen Beschwerdeberechtigten eingetretene Unanfechtbarkeit gemeint sein.78 Wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, so entfällt mit der formellen Rechtskraft rückwirkend auch die Wirksamkeit (§ 31 Rn 5).

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Schlegelberger Anm 7; Baur § 23 C I 1c.

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§ 16

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IV. Wirksamkeit 1. Begriff

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Der Ausdruck „Wirksamkeit“ wird im FGG in verschiedener Bedeutung gebraucht. In § 7 ist damit die Gültigkeit einer Verfügung im Sinne des Fehlens von Nichtigkeitsgründen gemeint (§ 7 Rn 15). In § 32 wird darunter die sachlichrechtliche Gültigkeit von Rechtshandlungen verstanden, die auf Grund einer wirksam gewordenen, aber wieder aufgehobenen Verfügung vorgenommen worden sind. In den Vorschriften, in denen davon die Rede ist, dass eine Verfügung mit einem bestimmten Ereignis wirksam werde, nämlich entweder mit der Bekanntmachung (§ 16 Abs 1) oder mit dem Eintritt einer anderen Tatsache (s Rn 16) oder der formellen Rechtskraft (siehe Rn 18), ist damit das Schlussglied in der Kette von Vorgängen gemeint, die eine Verfügung auf ihrem verfahrensrechtlichen Werdegang von der Entschließung des Gerichts über ihre Verkörperung durch schriftliche Niederlegung und ihren Erlass im Sinne des Verlautbarungsbeginns bis zu ihrem In-Kraft-Treten durchzumachen hat.79 Der Begriff gehört also auch im FGG dem Verfahrensrecht an.80 Wirksamkeit bedeutet, dass die Verfügung verbindliche Kraft hat und die Fähigkeit erlangt hat, die rechtlichen Wirkungen zu entfalten, die sie ihrem Inhalt nach herbeizuführen geeignet und bestimmt ist.81 Welcher Art die Wirkungen sind, bestimmt das sachliche Recht oder das Verfahrensrecht. Der mit der Rechtskraft wirksam gewordene Todeserklärungsbeschluss (§ 29 VerschG) begründet die Vermutung des § 9 VerschG und führt nach § 1677 BGB die Beendigung der elterlichen Sorge oder nach § 1921 Abs 3 BGB der Abwesenheitspflegschaft herbei, während die Ehe des Verschollenen, wenn er noch lebt, erst mit der Wiederverheiratung des anderen Ehegatten aufgelöst wird (§ 1319 Abs 2 BGB). Die nach Maßgabe des § 51 FGG wirksam gewordene Feststellung des FamG, dass ein Elternteil die elterliche Sorge auf längere Zeit tatsächlich nicht ausüben kann, hat nach §§ 1674, 1675 BGB das Ruhen der elterlichen Sorge zur Folge. Die Rechtskraft der Verfügung über die Zurückweisung eines Widerspruchs hat die Wirkung, dass die Firma gelöscht werden kann (§§ 141 Abs 4, 142 Abs 3 FGG). Häufig knüpfen sich die sachlichrechtlichen Wirkungen unmittelbar an den Eintritt der verfahrensrechtlichen Wirksamkeit, ohne dass es eines weiteren Vorgangs bedarf. Mitunter erschöpfen sich aber die Wirkungen einer Verfügung darin, ein einzelnes Tatbestandsmerkmal eines Gesamttatbestandes zu setzen, zu dessen Verwirklichung mithin noch weitere Vorgänge hinzutreten müssen. Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das NachlG (§ 2200 BGB) befähigt den Ernannten noch nicht, das Amt auszuüben; er muss außerdem die Annahme erklären (§ 2202 BGB). Die Verpflichtung des Betreuers ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit seiner Bestellung.82 Die Bestimmung des FamG über Art und Zeit der Unterhaltsgewährung (§ 1612 Abs 2 BGB) ist nur für diese Anspruchsmerkmale maßgebend, nicht aber dafür, ob überhaupt und in welcher Höhe der Unterhaltsanspruch besteht.83 Die Erteilung der vormundschaft- bzw familiengerichtlichen Genehmigung wird verfahrensrechtlich mit der Bekanntgabe an den gesetzlichen Vertreter wirksam (§ 1828 BGB); die Wirksamkeit des genehmigten Rechtsgeschäfts wird aber erst durch die in § 1829 Abs 1 S 2 BGB vorgesehene Hand-

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Zutreffend deshalb der Ausdruck in der Denkschrift zum FGG (S 40), wonach vom „Inkrafttreten der Verfügung“ die Rede ist. Schlegelberger Anm 5. So die Formulierung von Frese, SächsArch 11, 434; zust Schlegelberger Anm 5;

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Bärmann § 16 III; BGH NJW 1955, 503 (insoweit in BGHZ 16, 159 nicht abgedruckt); KG OLGZ 1965, 332. BayObLG FamRZ 1993, 602. BayObLG FamRZ 2000, 976; 1979, 950; BayObLGZ 1977, 22 = FamRZ 1977, 263.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

lung des gesetzlichen Vertreters herbeigeführt.84 Keine Einschränkung der verfahrensrechtlichen Wirksamkeit die vielmehr vorausgesetzt wird, sondern der sachlichrechtlichen Wirkungen bedeutet es, wenn der durch eine gerichtliche Verfügung herbeigeführte Rechtserfolg Dritten nur entgegengehalten werden kann, wenn er ihnen bekannt oder in ein öffentliches Register eingetragen ist (§§ 68, 1357, 1412 BGB, § 15 HGB, §§ 29, 86 GenG). Wirkungen, die im sachlichen Recht oder im Verfahrensrecht nicht vorgesehen sind, kann eine Verfügung nicht anordnen oder herbeiführen. Zur Dauer der Wirksamkeit wird mitunter gelehrt, sie erlösche mit der Änderung der 24 Verhältnisse, für die sie erlassen worden sei, die Wirksamkeit der Verfügung über die Anordnung der Vormundschaft zB mit dem Eintritt der Volljährigkeit,85 über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für eine einzelne Angelegenheit mit deren Erledigung.86 Dadurch wird jedoch die verfahrensrechtliche Wirksamkeit der Verfügung verwechselt mit den sachlichrechtlichen Wirkungen, die die wirksam gewordene Verfügung herbeigeführt hat; diese können nach Maßgabe des sachlichen Rechts kraft Gesetzes enden (§§ 1882, 1884 Abs 2, 1918, 1921 Abs 2 BGB), ohne dass dadurch die Wirksamkeit der anordnenden Verfügung berührt wird. Nicht die Wirksamkeit der Pflegschaftsanordnung, sondern das durch sie geschaffene Rechtsverhältnis, die Pflegschaft, endet in den Fällen des § 1918 BGB. Das Gericht ist auch nicht befugt, die Wirkungen seiner rechtsgestaltenden Verfügungen zeitlich zu begrenzen oder unter eine auflösende Bedingung zu stellen, wenn das sachliche Recht dies nicht gestattet. Die Gründe für die Beendigung von Pflegschaften ergeben sich aus dem Gesetz (§§ 1918 bis 1921 BGB) und können vom Gericht nicht erweitert oder geändert werden. Nur Verfügungen rein verfahrensrechtlicher Art, die dem Ermessen des Gerichts Spielraum geben, können zeitlich begrenzt oder auflösend bedingt sein, zB einstweilige Anordnungen. Zur Frage, ob eine aufhebende oder ändernde Verfügung rückwirkende Kraft hat oder nur für die Zukunft wirkt, vgl § 18 Rn 34 ff sowie die Anm zu § 32, 55, 62, 69h. 2. Vollstreckbarkeit Bei einer Anzahl von Verfügungen tritt die von ihnen gewollte Wirkung nicht ohne 25 weiteres ein; es müssen vielmehr noch besondere, notfalls zwangsweise durchzusetzende Ausführungshandlungen hinzutreten, die herbeizuführen teils den Beteiligten überlassen ist, überwiegend aber dem Gericht von Amts wegen obliegt (vgl Anm zu § 33). Hierher gehören Anordnungen des Gerichts zur Vornahme von Handlungen, zB Gebote des VormG an den Vormund (§§ 1818, 1837, 1839 BGB) oder den Inhaber der elterlichen Sorge (§§ 1666 Abs 1, 1667 BGB) und sonstige der Vollstreckung fähige und bedürftige Verfügungen, wie die Anordnung der Herausgabe eines Kindes oder von Sachen. Der Begriff der Wirksamkeit ist also weiter als der der Vollstreckbarkeit, weil nicht alle Verfügungen der Vollstreckung bedürfen;87 die Vollstreckbarkeit einer Verfügung setzt aber ihre Wirksamkeit voraus.88 Eine Verfügung, die noch nicht wirksam geworden ist, kann auch nicht vollzogen werden; das ist insbesondere bei Verfügungen zu beachten, die erst mit der Rechtskraft wirksam werden.

84 85

Siehe hierzu ausführl Sonnenfeld/Zorn Rpfleger 2004, 533. Palandt/Diederichsen § 1773 Rn 1; Keidel/ Schmidt Rn 18; Lüderitz Rn 1130.

86 87 88

So Frese SächsArch 11, 417 (447). Wellstein Anm 2c. KG NJW 1955, 1233; Wellstein Anm 2c; Jansen DNotZ 1953, 403.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

3. Umfang der Wirksamkeit, Bindung

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Die Wirkungen einer wirksam gewordenen Verfügung der freiwilligen Gerichtsbarkeit können über den Kreis der unmittelbar am Verfahren Beteiligten hinausgehen. Dafür sind im wesentlichen dieselben Grundsätze maßgebend, die umgekehrt für die Bindung des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit an die Entscheidungen anderer Gerichte und an Verwaltungsakte gelten (s § 12 Rn 24 ff). Hierfür kommen in erster Linie die rechtsgestaltenden Verfügungen in Betracht (zur Gestaltungswirkung allgemein vgl § 12 Rn 26). Verfügungen des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die rechtsbegründend, rechtsändernd oder rechtsaufhebend sind, sind grundsätzlich für alle Behörden, auch für das Prozessgericht, bindend und der Nachprüfung ihrer sachlichen Richtigkeit durch andere Gerichte der streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit entzogen.89 Das gilt zB für die Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB,90 die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das NachlG, selbst wenn das NachlG zu Unrecht angenommen hat, dass ein Ersuchen des Erblassers nach § 2200 BGB vorliege,91 die Anordnung einer Nachlasspflegschaft92 oder einer sonstigen Pflegschaft nach §§ 1909, 1911 BGB.93 Die rechtsbegründende Wirkung kann nicht mit der Behauptung in Frage gestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Anordnung nicht vorgelegen hätten. Deshalb darf das Prozessgericht die Vertretungsbefugnis des Pflegers nicht mit der Begründung verneinen, die sachlichrechtlichen Voraussetzungen der Bestellung hätten gefehlt; solche Umstände können nur dem VormG Anlass geben, die Pflegschaft aufzuheben.94 Rechtsbegründend und deshalb bindend sind auch Verfügungen des Familiengerichts, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge (§§ 1666, 1667, 1671, 1672 BGB) zum Inhalt haben, dies gilt auch, wenn die Sorgerechtsregelung nur in einer vorläufigen Anordnung getroffen ist.95 Bindend sind auch rechtsbegründende Eintragungen im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister.96 Keine Bindung besteht an Verfügungen, durch die der Antrag, eine rechtsgestaltende Verfügung zu erlassen, abgelehnt wird.97 Nachprüfbar sind rechtsgestaltende Verfügungen in der Richtung, ob sie nach Maßgabe des Verfahrensrechts wirksam geworden und ob sie etwa nichtig sind. Die Bindung erstreckt sich nur auf den gestaltenden Ausspruch der Entscheidung, nicht auf die ihr zugrunde liegenden Erwägungen. Die Ernennung des Testamentsvollstreckers durch das NachlG ist insofern bindend, als die Person des Testamentsvollstreckers damit feststeht, nicht aber für die Beurteilung der Vorfrage, ob der Erblasser eine Testamentsvollstreckung angeordnet hat und ob sie nicht infolge Erledigung aller Aufgaben bereits beendet ist.98 Ist dem

89

90

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BGHZ 24, 47; 33, 195; 41, 303; 49, 1; BayObLGZ 1984, 230 = FamRZ 1985, 201; BayObLGZ 1985, 184 = FamRZ 1985, 1082; KGJ 36 A 16; 53, 77; KG JFG 1, 362; KG NJW 1958, 1924; KG OLGZ 1965, 332; OLG Frankfurt Rpfleger 1997, 160; OLG München JFG 16, 98; RGZ 70, 376; 81, 205; 127, 103; 158, 159; Baur § 2 B VI 3a; Bärmann § 23, 2; Schlegelberger Anm 10. BGHZ 24, 47; RGZ 105, 403; RG W 1918, 361; KG OLGZ 1965, 332; Palandt/Heinrichs § 29 Rn 6. KG Recht 25 Nr 2438; KG DNotZ 1955, 649; Palandt/Edenhofer § 2200 Rn 4, 7; Jansen NJW 1966, 331. BGHZ 49, 1; KGJ 53, 77; OLG München

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JFG 16, 98; OLG Hamm JMBlNRW 1962, 19. BGHZ 41, 303; BayObLGZ 1958, 204; RGZ 84, 92. BGHZ 33, 195; BayObLGZ 21, 95; 1958, 204; KG OLGR 2, 65; KGJ 38, 11. RG JW 1910, 113; KG OLGR 24, 40; Schlegelberger Anm 10. RGZ 81, 206; HansOLG Hamburg GmbHRdsch 1954, 52. RGZ 158, 159. Palandt/Edenhofer § 2200 Rn 4; Jansen NJW 1966, 331; Bärmann § 15 IV 2a; aA HansOLG Hamburg NJW 1965, 1968; vgl BGHZ 41, 23.

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§ 16

Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Entscheidung mit nur feststellender Wirkung übertragen, so bedarf die bindende Wirkung der Entscheidung der Prüfung im Einzelfall99 und ist in der Regel, von der Tatbestandswirkung abgesehen (dazu § 12 Rn 30, 31), zu verneinen. Der Erbschein hat Tatbestandswirkung insofern, als er die Vermutung des § 2365 BGB begründet und Grundlage des Gutglaubensschutzes nach §§ 2366, 2367 BGB sein kann, dagegen ist er im Streit um die Erbfolge für das Prozessgericht nicht bindend.100 Das Grundbuchamt ist an die im Erbschein bezeugte Erbfolge gebunden; zu einer eigenen abweichenden Auslegung der Verfügung von Todes wegen ist es weder verpflichtet noch berechtigt.101 Die Feststellung des Erbrechts des Fiskus hat nur Tatbestandswirkung für die Begründung der Vermutung des § 1964 Abs 2 BGB.102 Es gibt aber auch Entscheidungen, die in die Form einer Feststellung in der Weise gekleidet sind, dass sich erst an die Feststellung der Eintritt der Rechtsfolge knüpft, zB das Ruhen der elterlichen Sorge an die Feststellung der tatsächlichen Verhinderung des Elternteils durch das FamG (§ 1674 Abs 1 BGB) oder der Status eines Kindes, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht Vater des Kindes ist (§ 1599 Abs 1 BGB); diese Entscheidungen haben Gestaltungswirkung und stehen hinsichtlich der Bindung rechtsgestaltenden Verfügungen gleich. Soweit Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in materielle Rechtskraft erwachsen (§ 31 Rn 10 ff), ist ihre Rechtskraftwirkung im Rahmen des persönlichen und sachlichen Umfangs der Rechtskraft auch von Verwaltungsbehörden und Gerichten anderer Gerichtszweige zu beachten.103 Mitunter sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass die Entscheidung „für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend“ sei, so zB in § 16 Abs 1 S 2 HausratsVO. Soweit es sich hierbei um Entscheidungen handelt, die rechtsgestaltend sind oder in materielle Rechtskraft erwachsen, ist ein solcher Ausspruch überflüssig und geeignet, Zweifel und Meinungsverschiedenheiten über Umfang und Grenzen der Bindungswirkung zu erzeugen.104 Zur Problematik der Änderung einer Entscheidung bei veränderter nachträglicher 27 Tatsachengrundlage siehe Anm zu § 18 Rn 55.105

V. Form der Bekanntmachungen In § 16 Abs 2 und 3 werden die Formen der Bekanntmachung gerichtlicher Verfügun- 28 gen geregelt. Es wird unterschieden, ob mit der Bekanntmachung der Lauf einer Frist beginnt oder nicht, sowie ob derjenige, dem bekannt gemacht werden soll, bei Gericht anwesend ist oder nicht. Als mögliche Formen sind zugelassen die schriftliche Eröffnung durch förmliche Zustellung oder durch formlose Mitteilung und die Bekanntmachung an einen Anwesenden zu Protokoll. Nach Sondergesetzen kann auch die öffentliche Bekanntmachung zugelassen oder erforderlich sein (vgl Vorbem § 71 Rn 44 ff).

99 100

101 102

RGZ 158, 159. Die stärkere Beweiskraft des Erbscheins im Grundbuchverfahren beruht auf § 35 Abs 1 S 1 GBO; vgl dazu KG JFG 18, 42. BayObLG FamRZ 1997, 710 mwN. Palandt/Edenhofer § 1964 Rn 4.

103 104 105

Zöller/Vollkommer Vor § 322 Rn 10; Bärmann § 23; vgl § 12 Rn 24ff. Vgl dazu Baur § 2 B VI 3a; Bärmann § 23; Münzel NJW 1952, 721. Siehe hierzu auch Gruber Rpfleger 1999, 478.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

1. Bekanntmachung an Abwesende, die eine Frist in Lauf setzt a) Anwendungsbereich

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Die Frist, die durch die Bekanntmachung in Lauf gesetzt wird, kann eine gesetzliche oder eine richterliche sein. Als gesetzliche Fristen kommen hauptsächlich die Rechtsmittelfristen (§ 22) und die Ladungsfristen nach §§ 90 Abs 1, 153 Abs 4 FGG in Betracht, als richterliche Fristen die Bestimmungen nach §§ 91 Abs 3, 93 Abs 2, 99, 127, 132, 133 Abs 2, 140 Nr 1, 141, 141a Abs 2, 142 Abs 2, 143, 144, 144a Abs 1, 144b Abs 1, 147 Abs 1, 5, 159, 160b Abs 1, 161 Abs 1 FGG, aber auch die in einer Zwischenverfügung zur Behebung eines Hindernisses gesetzte Frist.106 Für die Bestimmung einer Inventarfrist gilt § 1995 Abs 1 S 2 BGB (vgl dazu § 77 Rn 5). Es kommt darauf an, ob durch die Bekanntmachung gerade dem Bekanntmachungsadressaten gegenüber eine Frist in Lauf gesetzt wird. Unterliegt eine Verfügung der sofortigen Beschwerde, gehört aber derjenige, für den sie im Sinne des § 16 Abs 1 ihrem Inhalt nach bestimmt ist, nicht zu dem Kreis der Beschwerdeberechtigten, so wird die Verfügung mit der formlosen Bekanntmachung an ihn wirksam, auch wenn die förmliche Zustellung an die Beschwerdeberechtigten nach § 16 Abs 2 S 1 unterbleibt. Die Ernennung des Testamentsvollstreckers wird mit der Bekanntmachung an ihn wirksam;107 ein Beschwerderecht steht ihm nicht zu (§ 81 Rn 4); deshalb wird die Ernennungsverfügung mit der formlosen Bekanntmachung an ihn ohne Rücksicht darauf wirksam, ob und wann eine Zustellung an die Beschwerdeberechtigten erfolgt.108 Wird aber eine Frist gerade gegenüber dem in Lauf gesetzt, dem die Verfügung zur Herbeiführung ihrer Wirksamkeit nach § 16 Abs 1 bekannt gemacht werden muss, so wird die Verfügung nicht wirksam, wenn die Form des § 16 Abs 2 S 1 nicht gewahrt ist; denn das Formerfordernis ist Voraussetzung nicht nur des Fristenlaufs, sondern der Gültigkeit der Bekanntmachung überhaupt, also auch der Wirksamkeit der Verfügung.109 Da das Wirksamwerden der Verfügung der Einwirkung der Beteiligten entzogen ist, kann ein Verzicht auf förmliche Zustellung nicht für zulässig erachtet werden, sofern die Wirksamkeit der Verfügung davon abhängt.110 Wird eine Verfügung, die eine Frist verlängert, erst nach Ablauf der Frist zugestellt, so kann die Verlängerung nicht mehr wirksam werden.111 b) Zustellung

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Verfügungen, mit deren Bekanntmachung der Lauf einer Frist beginnt, müssen gemäß § 16 Abs 2 S 1 durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der ZPO bekannt gemacht werden, also nach den nun geltenden §§ 166 bis 190 ZPO.112 Das Gesetz macht hier keine Einschränkung dergestalt, dass die Vorschriften der ZPO nur entsprechende Anwendung finden, so dass Einigkeit darüber besteht, dass ihre Anwendung insoweit ausscheidet, als sie mit dem Amtsbetrieb der freiwilligen Gerichtsbarkeit unvereinbar sind.113 Vor der Zustellungsreform war das Verfahren über

106 107 108 109 110 111 112

KG OLGZ 1965, 244; OLG Hamm DNotZ 1950, 42; Demharter § 18 Rn 35. KG JFG 19, 40; oben Rn 10. Verkannt in KG JFG 19, 40 = JW 1939, 421 = HRR 1939 Nr 167 = DFG 1939, 35. Hiervon geht auch KG JFG 19, 40 aus. So auch Keidel/Schmidt Rn 72. Wellstein Anm 3a; Schlegelberger Anm 31. Geändert d d G zur Reform des Verfahrens

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113

bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG) vom 25.6.2001 – BGBl S 1206 idF des G über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) v 22.3.2005 – BGBl S 837. Siehe auch Hornung Rpfleger 2002, 493; von König RpflStud 2002, 61. Wellstein Anm 3a; Schlegelberger Anm 31.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

die Amtszustellung in den §§ 208 bis 213 ZPO aF geregelt, wobei Meinungsverschiedenheiten darüber bestanden, ob und inwieweit die §§ 174 bis 178 ZPO aF im FG-Verfahren Anwendung fanden (siehe hierzu Vorauflage); für nicht anwendbar wurde § 210a ZPO aF über die Zustellung von Rechtsmittelschriften angesehen. § 208 ZPO aF verwies auf die Vorschriften der Zustellung im Parteibetrieb (§§ 166 bis 207 ZPO aF), daraus ergab sich, dass folgende, auf dem Parteibetrieb beruhende Vorschriften für nicht anwendbar angesehen wurden: Zustellung durch Gerichtsvollzieher (§ 166 aF), Zustellungsauftrag (§ 167 aF), Vermittlung der Zustellung durch Geschäftsstelle (§ 168 aF), Übergabe der zuzustellenden Schriftstücke an GV (§ 169 aF), Beglaubigung durch GV (§ 170 Abs 2 aF), Vermittlung durch Geschäftsstelle (§ 196 aF), Mehrkosten durch Parteizustellung (§ 197 aF), Zustellung von Anwalt zu Anwalt im Parteibetrieb (§ 198 aF) und die Vorschrift über die Rückwirkung der Zustellung (§ 207 aF). Das gesamte Verfahren bei Zustellungen ist durch das ZustRG mit Wirkung vom 31 1. Juli 2002 reformiert worden, wobei das Zustellungsrecht vereinfacht und der zunehmende Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel berücksichtigt wurde. Der Wirklichkeit folgend, regelt die ZPO nun zunächst in den §§ 166 bis 190 ZPO die Zustellung von Amts wegen (Amtszustellung), da diese die Regel darstellt; die Zustellung auf Betreiben der Parteien (Parteizustellung) als Ausnahme, §§ 191 bis 195 ZPO, findet nur statt, wenn sie zugelassen oder ausdrücklich vorgeschrieben ist. Die Neuregelung hat sich von der durch die Rechtsprechung entwickelten Definition des Zustellungsbegriffes gelöst, wonach die Zustellung die in gesetzlicher Form zu bewirkende und zu beurkundende Übergabe eines Schriftstücks an eine bestimmte Person war, damit nachweisbar war, ob und wann und an wen die Übergabe des Schriftstücks erfolgt ist.114 Nun bestimmt § 166 Abs 1 ZPO, dass die Zustellung „die in gesetzlicher Form zu bewirkende Bekanntgabe eines Dokuments an den Adressaten“ ist, die Beurkundung dient jetzt nur noch als Nachweis115 und ist kein notwendiger Bestandteil der Zustellung mehr. Die förmliche Zustellung soll dem Adressaten die Möglichkeit verschaffen, von dem Schriftstück Kenntnis zu nehmen und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG gewährleisten.116 Zustellungsmängel bleiben unbeachtlich, wenn der Zustellungszweck erreicht ist (§ 189 ZPO); dh wenn der Adressat angemessene Gelegenheit zur Kenntnisnahme des Schriftstücks erhalten hat und der Zeitpunkt der Bekanntgabe dokumentiert wurde. Bei Zustellungsmängeln prüft das Gericht in freier Beweiswürdigung des Sachverhalts, ob der Zustellungszweck erreicht ist; das gilt auch für das Ingangsetzen einer Notfrist.117 Die Regelungen über Zustellungen zur Nachtzeit (§ 188 ZPO aF) sind aufgehoben worden.118 aa) Zustellung von Amts wegen Im Amtsverfahren hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) dafür Sorge zu 32 tragen, dass eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Dokuments den Adressaten in der gesetzlich vorgesehenen Form erreicht, § 168 ZPO. Ob Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift zuzustellen sind, ergibt sich nicht aus den ZPO-Vor114

115 116

BGHZ 8, 314 = NJW 1953, 422; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Auflage 1999, Vorbem § 166 Rn 1; Zöller/Stöber, ZPO, 22. Auflage 2001, Vor § 166 Rn 1. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 72 Rn 4. BVerfGE 67, 208; BVerfG NJW 1988, 2361; BGHZ 149, 311.

117 118

S Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 14. Da in der Praxis lt Auffassung des Gesetzgebers bedeutungslos, s Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 26. Die für die Vollstreckung notwendige Definition der „Nachtzeit“ ergibt sich nun an zutreffender Stelle aus § 758a Abs 4 ZPO.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

schriften, sondern aus den jeweiligen sachlichrechtlichen Vorschriften. Die Beglaubigung des zuzustellenden Schriftstücks wird grds von der Geschäftsstelle vorgenommen, § 169 Abs 2 ZPO;119 sie ist wesentliches Wirksamkeitserfordernis der Zustellung.120 Wesentliche Abweichungen der begl Abschrift von der Urschrift können zur Unwirksamkeit der Zustellung führen,121 da der Adressat uU keine sichere Kenntnis des zuzustellenden Schriftstücks erhält. Die Ausfertigung ersetzt im Rechtsverkehr die Urschrift, sie muss leserlich, wortgetreu und richtig sowie vollständig sein.122 Weicht die zugestellte Ausfertigung vom Original ab, ist die Zustellung unwirksam.123 Der UdG entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen auch darüber, in welcher Art und Weise er die Zustellung veranlasst.124 So kann dies durch Aushändigung an der Amtsstelle (§ 173 ZPO), gegen Empfangsbekenntnis bei Rechtsanwälten, Notaren, Gerichtsvollziehern, Steuerberatern und sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann (§ 174 ZPO), durch Einschreiben mit Rückschein (§ 175 ZPO) oder durch Zustellungsauftrag an die Post oder zugelassene Postunternehmen oder durch Justizpersonal (§ 176 ZPO) erfolgen. Die Geschäftsstelle bescheinigt auf Antrag den Zeitpunkt der Zustellung, § 169 Abs 1 ZPO, nicht aber die Zustellungsart und deren Ausführung.125 bb) Zustellung an Vertreter

33

§ 170 ZPO über die Zustellung an den gesetzlichen Vertreter (zB Eltern, Vormund, Pfleger) einer nicht prozessfähigen Person gilt entsprechend; soweit jedoch in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte oder Geschäftsunfähige am Verfahren selbst teilnehmen können (siehe hierzu § 13 Rn 19 ff) ist an sie selbst zuzustellen;126 dies gilt insbesondere für das Betreuungs- und Unterbringungsverfahren (siehe Anm zu §§ 69a und 70g). Anwendbar ist auch § 170 Abs 3 ZPO, wonach bei mehreren gesetzlichen Vertretern die Zustellung an einen von ihnen genügt, auch wenn sie nur gesamtvertretungsberechtigt sind. Demgemäß genügt die Zustellung an einen der gesamtvertretungsberechtigten Elternteile, wenn sie in dem Verfahren nicht aus eigenem Recht, sondern namens des Kindes auftreten.127 Ist der Zustellungsadressat keine natürliche Person, genügt die Zustellung an den Leiter, § 170 Abs 2 ZPO. Diese Vorschrift betrifft Zustellungen an nicht prozessfähige Personen und Personengesamtheiten, die nicht natürliche Personen sind (Behörden, Gemeinden, juristische Personen, Personengesellschaften usw). Hier kann zwecks Erleichterung der Zustellung statt an den gesetzlichen Vertreter an den Behördenleiter zugestellt werden.128 Wird eine juristische Person durch zwei mehrgliedrige Organe (zB gem § 246 Abs 2 AktG durch Vorstand und Aufsichtsrat) vertreten, so muss an je ein Mitglied beider Organe zugestellt werden.129

119 120 121 122 123 124

Siehe hierzu ausführlich bei Zöller/Stöber § 169 Rn 7 ff. BGHZ 24, 116; 55, 251 mwN; RGZ 99, 140; BGHZ 52, 934. Baumbach/Hartmann § 169 Rn 4; Zöller/ Stöber § 169 Rn 12. Zöller/Stöber § 169 Rn 13 mwN. OLG Nürnberg FamRZ 2004, 470. Baumbach/Hartmann § 168 Rn 5; Zöller/ Stöber § 168 Rn 4.

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125 126 127 128

129

Zöller/Stöber § 169 Rn 3. BayObLG Rpfleger 1986, 293. BGH NJW 1984, 57; Zöller/Stöber § 170 Rn 6. Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 17; Zimmermann ZPO § 170 Rn 2; Zöller/ Stöber § 170 Rn 3, 4. BGHZ 32, 114.

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cc) Zustellung an Bevollmächtigte § 171 ZPO sieht vor, dass an den rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter mit gleicher 34 Wirkung wie an den Vertretenen zugestellt werden kann. Das alte Recht sah in diesem Fall nur die Zustellung an den Generalbevollmächtigen sowie bei entsprechenden Rechtsstreitigkeiten den Prokuristen vor (§ 173 ZPO aF). Der Vertreter hat jedoch eine schriftliche Vollmacht vorzulegen, § 171 S 2 ZPO, die Aushändigung kann nicht verlangt werden.130 Der Zusteller kann, er muss aber nicht an den Vertreter zustellen.131 Nach geltendem Recht muss die Bevollmächtigung dem Gericht nicht mehr vorher angezeigt werden.132 Gegen die Anwendung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestehen keine Bedenken. dd) Zustellung an Verfahrensbevollmächtigte § 172 ZPO über die Notwendigkeit der Zustellung an den für den Rechtszug bestell- 35 ten Prozessbevollmächtigten ist nicht schlechthin unmittelbar anwendbar, weil dem Verfahren der FG eine „Prozessvollmacht“ mit gesetzlich fest begrenztem Inhalt (§§ 81 bis 87 ZPO) unbekannt ist, vielmehr Inhalt und Umfang einer nach § 13 erteilten Vollmacht nach Lage des Falles verschieden sein können und nicht notwendig die Befugnis zur Empfangnahme von Zustellungen zu umfassen brauchen (§ 13 Rn 44). Hieraus wurde anfänglich geschlossen, dass eine Bekanntmachung an den Beteiligten selbst wirksam auch dann ergehen könne, wenn eine zur Empfangnahme von Zustellungen ermächtigende Vollmacht vorliegt, so dass das Gericht die Wahl habe, ob es an den einen oder anderen zustellen wolle.133 Bei Zustellungen an beide sollte hiernach die Beschwerdefrist mit der ersten Zustellung beginnen.134 Heute wird teilweise die einschränkende Auffassung vertreten, dass § 172 ZPO 36 (§ 176 aF) entsprechend anzuwenden ist, wenn ein Beteiligter eine Verfahrensvollmacht erteilt und darin klar zum Ausdruck gebracht hat, dass Zustellungen lediglich an seinen Bevollmächtigen erfolgen sollen.135 Zumindest in nichtstreitigen FG-Verfahren soll bei Fehlen einer solchen ausdrücklichen Befugnis zur Empfangnahme von Zustellungen der § 172 ZPO keine entsprechende Anwendung finden, weil dort der gesetzliche Umfang der Vollmacht iSv §§ 81 ff ZPO nicht bekannt sei.136 In diesem Fall soll die Zustellung an den Beteiligten persönlich erfolgen. Die wohl überwiegende Ansicht beschränkt dagegen die Möglichkeit einer klaren 37 Verlautbarung dieses Willens zu recht nicht auf ausdrückliche Erklärungen in der Vollmachtsurkunde, sondern hält dafür im Regelfall bereits die Erteilung einer umfassenden Verfahrensvollmacht als solche für ausreichend.137 Dem liegt der allgemeine Rechtsgedanke zu Grunde, dass der Vollmachtgeber durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts im Regelfall den gesamten Verfahrensbetrieb abgeben will und vor allem davor geschützt

130 131 132 133

134

Zöller/Stöber § 171 Rn 4. Zimmermann ZPO § 171 Rn 1; Zöller/ Stöber § 171 Rn 5. Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 17. BayObLG OLGR 10, 38 = ZBlFG 4, 843; KGJ 34 A 6 = RJA 8, 249; ZBlJugR 28, 289; DFG 1937, 106 = JW 1937, 1745; KG JFG 22, 281; OLG München HRR 1936 Nr 215; JFG 13, 271. OLG München JFG 22, 319.

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BGHZ 65, 41 = MDR 1975, 917 = FamRZ 1975, 690; Bärmann § 10 II 4; Keidel/ Schmidt § 16 Rn 36. BGHZ 61, 308 = MDR 1974, 226; Keidel/ Schmidt § 16 Rn 36. BayObLG Rpfleger 1987, 360; KG Rpfleger 1985, 193; KG KGJ 22 A 198, 201; OLG Hamm Rpfleger 1971, 434; Schlegelberger Anm 34.

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werden möchte, einzuhaltende Fristen selbst überwachen zu müssen, so dass gerade Zustellungen ausschließlich an den Bevollmächtigten erfolgen sollen.138 Dieser Grundgedanke gilt ungeachtet dessen, ob dem Gericht eine Vollmachtsurkunde vorgelegt wird oder nicht; entscheidend ist lediglich, dass eine Verfahrensbevollmächtigter mit entsprechend umfassender Vollmacht tatsächlich bestellt ist und das Gericht von dieser umfassenden Vollmacht Kenntnis hat.139 Ob das Gericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit einen besonderen Nachweis der Vollmacht für erforderlich hält, ist seinem Ermessen überlassen; es kann die Überzeugung vom Bestehen der Vertretungsmacht auf jede beliebige Art gewinnen (s § 13 Rn 46). Dazu bedarf es nicht immer der Vorlage einer Vollmachtsurkunde, sondern es genügt auch eine nur aus den Umständen ersichtliche Unterrichtung und Verlautbarung aus der erkennbar ist, dass der Vertreter eine umfassende Verfahrensvollmacht hat.140 Erachtet das Gericht die Bevollmächtigung als nachgewiesen, wird eine Frist für den Verfahrensbeteiligten nur durch Zustellung an den Bevollmächtigten in Lauf gesetzt.141 Haben sich für einen Beteiligten mehrere Verfahrensbevollmächtigte bestellt, so genügt die Zustellung an einen von ihnen;142 deshalb ist für den Beginn des Laufs einer Frist die zeitlich erste Zustellung an einen Verfahrensbevollmächtigten ausschlaggebend.143 Das gilt auch, wenn sich für einen im FG-Verfahren anwaltlich Vertretenen ein weiterer Verfahrensbevollmächtigter bestellt, da hierdurch nicht ohne weiteres die Verfahrensvollmacht des ersten Bevollmächtigten endet.144 Zustellungen an einen Terminsvertreter oder einen Unterbevollmächtigten stehen einer solchen an den Verfahrensbevollmächtigten nicht gleich.145 Über die Bekanntmachung an Notare vgl § 13 Rn 52. Selbst die Vertreter der einschränkenden Auffassung (oben Rn 36) gehen jedoch 38 davon aus, dass in echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit § 172 ZPO entsprechende Anwendung findet;146 mit der Folge, dass die Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten zu erfolgen hat, auch wenn dieses nicht ausdrücklich aus der Vollmacht zu erkennen oder wenn sie nicht in entsprechender Anwendung von § 89 ZPO zurückgewiesen ist.147 Dies gilt für Hausratssachen,148 für Landwirtschaftssachen,149 das Verfahren nach § 111 BNotO150 und in Wohnungseigentumssachen.151 c) Durchführung der Zustellung

39

Bei der Zustellung durch Aushändigung an Amtsstelle (§ 173 ZPO) hat der UdG hierüber einen entsprechenden Vermerk zu den Akten zu fertigen, dieser Vermerk ist lediglich Nachweis, nicht mehr notwendiger Bestandteil der Zustellung (vgl Rn 31). Die 138 139 140

141

142 143

KG Rpfleger 1985, 193. KG Rpfleger 1993, 69 = FamRZ 1993, 443; aA OLG Hamm Rpfleger 1992, 114. BGH NJW 1974, 240; BayObLG Rpfleger 1995, 359 = FamRZ 1994, 1599; KG FamRZ 1993, 443 = Rpfleger 1993, 69; OLG Frankfurt NJW 1994, 1408; OLG Köln OLGZ 1991, 403. BayObLG Rpfleger 1995, 339; KG Rpfleger 1993, 69 = FamRZ 1993, 443; so bereits KGJ 22 A 201 = RJA 2, 210; Wellstein Anm 3a; im Ergebnis auch Schlegelberger Anm 34 Abs 2. BGHZ 118, 312; BGH NJW 1980, 2309. BGHZ 112, 345; BGH FamRZ 2003, 1092 =

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144 145 146

147 148 149 150 151

NJW 2003, 2110; FamRZ 2004, 865; PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 2002, 567. PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 2002, 567. KG RzW 1964, 20, Keidel/Schmidt § 16 Rn 36; Barnstedt/Steffen § 21 Rn 42. BGH LM § 16 FGG Nr 2 = NJW 1952, 1136; BGH NJW 153, 222 = Rpfleger 1953, 77; RdL 1954, 128; BGHZ 61, 308 = MDR 1974, 226; Keidel/Schmidt § 16 Rn 37 mwN. OLG Zweibrücken MDR 1982, 586. BGH LM § 16 FGG Nr 2 = NJW 1952, 1136. Barnstedt/Steffen § 21 Rn 40 mwN. BGHZ 61, 308 = MDR 1974, 226. BayObLGZ 1998, 97.

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§ 16

Aushändigung kann an den anwesenden Adressaten erfolgen, auch wenn ihm als gesetzlichem bzw als bestelltem Vertreter zuzustellen ist.152 Unter „Amtsstelle“ sind auf jeden Fall Diensträume des Gerichts zu verstehen, fraglich ist, ob damit auch Orte gemeint sind, an denen zum Zeitpunkt der Zustellung ausnahmsweise eine gerichtliche Tätigkeit ausgeübt wird, mit Rücksicht auf die Gesetzesbegründung ist dieses zu bejahen, denn diese stellt ausdrücklich für den Bereich des Vormundschaftsgerichts auf außerhalb des Gerichts liegende Räume (Bezirkskrankenhaus, Behinderteneinrichtung, Altenheim) ab.153 Für die Wirksamkeit der Zustellung ist es nicht erforderlich, dass der Adressat ausdrücklich zum Zwecke der Zustellung herbestellt wurde, auch zufällige Anwesenheit reicht aus; allerdings darf die Annahme nicht verweigert werden.154 Gegen Empfangsbekenntnis (EB) kann an bestimmte Adressaten zugestellt werden 40 (§ 174 Abs 1 ZPO). Nach bisherigem Recht galt das nur bei einer Zustellung an einen Rechtsanwalt, eine Behörde oder Körperschaft des öffentlichen Rechts; der Kreis ist erheblich erweitert worden, wobei einzelne Berufsgruppen, wie Anwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater ausdrücklich aufgeführt werden; es jedoch der gerichtlichen Praxis überlassen bleibt, welche weiteren Berufsgruppen155 an dieser Form der Zustellung teilnehmen können. Ganz allgemeine Zuverlässigkeit einer einzelnen Person (zB als Insolvenzverwalter, Vormund, Pfleger oder Beistand) genügt nicht.156 Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene schriftliche Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist, § 174 Abs 4 S 1 ZPO. Anders als nach altem Recht hindert das Fehlen einer Datumsangabe eine wirksame Zustellung nicht, da das Gesetz dieses nicht anordnet und die Beurkundung der Zustellung nach neuem Recht kein notwendiger (konstitutiver) Bestandteil der Zustellung mehr ist.157 Im Gesetz sind weder die Form des EB noch die Beifügung eines entsprechenden Formulars durch das Gericht vorgeschrieben, allerdings wird durch Mitsenden eines entsprechenden Formulars sofort deutlich, dass es sich um eine Zustellung handelt. Für die Wirksamkeit ist entscheidend, dass der Adressat schriftlich den Empfang bestätigt und damit seine Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Zustellung signalisiert.158 Der Verlust des ausgestellten Empfangsbekenntnisses macht die Zustellung nicht unwirksam, der Nachweis kann dann durch jedes andere Beweismittel erbracht werden. An den oben genannten Personenkreis kann das Schriftstück auch durch Telekopie 41 oder mittels elektronischem Dokument zugestellt werden (§ 174 Abs 2, 3 ZPO). Der Zustellungswille wird bei dieser Art der Übermittlung durch den Hinweis „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ erfüllt, außerdem ist die absendende Stelle, Name und Anschrift des Zustellungsadressaten sowie der Name des mit der Übermittelung betrauten Justizbediensteten anzugeben. Letzterer vermerkt in der Akte, dass das Schriftstück richtig und vollständig zur Zustellung aufgegeben wurde und wann unter welcher Anschrift dies geschehen ist. Das EB kann durch Telekopie oder schriftlich übermittelt werden. Bei elektronisch geführten Akten und in denen nur maschinell lesbare Dateien vorhanden sind, kann ein elektronisches Dokument zugestellt werden (§ 174 Abs 3 ZPO). Künftig ist es möglich, gespeicherte Schreiben als elektronische Post (E-Mail) direkt an den

152 153

154

Baumbach/Hartmann § 173 Rn 4; Zöller/ Stöber § 173 Rn 2. So die Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 17; so auch Zöller/Stöber § 173 Rn 4; ungenau Baumbach/Hartmann § 173 Rn 4. Baumbach/Hartmann § 173 Rn 4; Zöller/ Stöber § 173 Rn 2.

155 156 157 158

So ausdrücklich die Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 18. Zöller/Stöber § 174 Rn 4; zweifelnd Keidel/ Schmidt Rn 41 (Berufsbetreuer). BGH NJW 2005, 3216 mwN. Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 18; ausführlich Zöller/Stöber § 174 Rn 6.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Adressaten zur Zustellung zu senden.159 Das elektronische Dokument bedarf dann jedoch einer elektronischen Signatur, über deren Art im Einzelfall die absendende Stelle entscheidet. Um sicher zu stellen, dass der Inhalt des Dokuments während des Übertragungsvorgangs nicht verändert werden kann, wird man eine qualifizierte Form der Signatur wählen müssen; zur Wahrung der Vertraulichkeit ist das elektronische Dokument in geeigneter Weise zu sichern. Der UdG kann auch entscheiden, ob eine Zustellung durch Einschreiben/Rückschein 42 ausreicht (§ 175 ZPO); hierbei handelt es sich um eine eigenständige Form der Zustellung, die durch Übergabe des Einschreibens an den Adressaten wirksam vollzogen ist, als Nachweis dient der Rückschein, der allerdings keine öffentliche Urkunde ist.160 Nicht wirksam ist jedoch die Leistungsart „Einwurf-Einschreiben“, da es hierüber keinen Nachweis gibt.161 Bei Übergabe an einen empfangsbereiten Ersatzempfänger ist die Zustellung auch wirksam; als Ersatzempfänger sehen die Postvorschriften die Familienangehörigen des Adressaten, eine in der Wohnung beschäftigte Person und den Postbevollmächtigen vor.162 Ausgeschlossen ist diese Art der Zustellung, wenn der Brief den Vermerk „Eigenhändig“ trägt.163 Nach § 168 Abs 1 ZPO kann die Geschäftsstelle mit der Zustellung auch einen nach 43 § 33 Abs 1 PostG beliehenen Unternehmer (Post) oder einen Justizbediensteten beauftragen. Die Ausführung der Zustellung erfolgt in diesem Fall nach §§ 177 bis 181 ZPO, § 176 Abs 2 ZPO. Das zuzustellende Schriftstück ist in einem verschlossenen und beschrifteten Umschlag mit dem amtlichen Zustellungsformular (§ 190 ZPO) an das Zustellungsorgan zu übergeben, Übergabe in einem nicht verschlossenen Umschlag macht die Zustellung unwirksam, da die Identität des Inhalts fraglich ist;164 zur Heilung nach § 189 s bei Rn 63. Als Justizbediensteter kommt nicht nur der Justizwachtmeister, sondern jeder geeignete Justizbedienstete in Frage.165 Die Ausführung der Zustellung obliegt dem Zustellungsorgan in eigener Verantwortung, die Geschäftsstelle ist an dem eigentlichen Zustellungsakt nicht beteiligt.166 Das Schriftstück kann der Person, der zugestellt werden soll, an jedem Ort übergeben werden, an dem sie angetroffen wird, § 177 ZPO. d) Ersatzzustellung

44

Für den Fall, dass der Zustellungsempfänger in seiner Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung in der er wohnt, nicht angetroffen wird, sieht das Gesetz eine Ersatzzustellung vor, die jedoch nur noch in den gesetzlich vorgesehen Fällen erfolgen darf. Gemeinsame Voraussetzung ist, dass der Adressat nicht angetroffen wird, das gilt auch, wenn der Adressat zwar anwesend, aber wegen Erkrankung oder unabwendbarer Dienstgeschäfte an der Annahme gehindert ist.167 Unzulässig ist eine Ersatzzustellung, wenn der Adressat verstorben ist.168 Eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Ersatzzustellung ist nicht deswegen unwirksam, weil die Geschäftsstelle des Gerichts zu Unrecht eine Ersatzzustellung ausgeschlossen hatte, dieses Versehen der Geschäftsstelle muss dem Adressaten nicht zugute kommen.169 Die nach 159 160 161 162 163 164 165

Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 18/19. Zöller/Stöber § 175 Rn 4. Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 19; Zöller/Stöber § 175 Rn 1. Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 19. Zöller/Stöber § 175 Rn 3. BGH LM § 176 Nr 3. Zöller/Stöber § 168 Rn 3; Hornung Rpfleger 2002, 493.

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166 167 168 169

BGH NJW-RR 2003, 208 = Rpfleger 2003, 138 = MDR 2003, 178. So die Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 20. Zöller/Stöber § 178 Rn 2. BGH NJW-RR 2003, 208 = Rpfleger 2003, 138 = MDR 2003, 178.

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§ 16

altem Recht mögliche Ersatzzustellung an den Vermieter oder im Hause wohnenden Hauswirt (§ 181 Abs 2 ZPO aF) wurde als nicht mehr lebensnah aufgegeben. In der Wohnung kann eine Ersatzzustellung durch Übergabe an einen erwachsenen 45 Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigten Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner erfolgen, § 178 Abs 1 Nr 1 ZPO. Unter Wohnung werden die Räume oder auch ein Raum verstanden, in denen der Zustellungsempfänger zum Zeitpunkt der Zustellung tatsächlich lebt und schläft;170 was jeweils im Einzelfall nach den gegebenen Umständen zu beurteilen ist.171 Hierbei ist auf das Ziel der Ersatzzustellung abzustellen, nämlich die Gewährleistung, dass das zuzustellende Schriftstück den Empfänger alsbald erreicht.172 Die Wohnung darf nicht aufgegeben sein, was aber vorliegt, wenn der Adressat endgültig oder auch für längere Zeit diese nicht mehr als Mittelpunkt seines Lebens nutzt und einen anderen Aufenthaltsort begründet. Im Einzelfall ist darauf abzustellen, ob die Person, an die im Wege der Ersatzzustellung übergeben wird, auch in absehbarer Zeit Gelegenheit hat, das Schriftstück dem Empfänger auszuhändigen.173 Familienangehöriger ist jede zur Familie gehörende Person, dh wer mit dem Adressaten verheiratet oder verwandt oder verschwägert ist sowie auch der Lebenspartner.174 Aber auch Pflegeeltern, Pflegekinder, der geschiedene Ehegatte, wenn er mit dem früheren Ehegatten wieder zusammenlebt und einen gemeinsamen Haushalt führt.175 In Ehesachen ist eine Ersatzzustellung an den in der Wohnung getrennt lebenden Ehepartner nicht wirksam.176 Dieses schließt sich auch schon wegen § 178 Abs 2 ZPO aus, wonach eine Ersatzzustellung an den Prozessgegner ausgeschlossen ist. Auch in den echten Streitsachen der FG ist diese Vorschrift zu beachten. In diesem Fall hat der UdG auf dem Zustellungsformular einen entsprechenden Hinweis für das Zustellungsorgan anzubringen. Die Ersatzzustellung kann auch an eine in der Familie beschäftigte Person erfolgen, wobei es sich um jeden zur Mitarbeit im Hausstand, zur Betreuung und Pflege tätigen Dritten handeln kann; Voraussetzung ist lediglich, dass die Tätigkeit auf gewisse Dauer angelegt und nicht nur rein zufällig und einmalig erfolgt.177 Ständiger Mitbewohner ist derjenige, der mit dem Adressaten in einer gemeinsamen Wohnung oder in gemeinsamen Räumen tatsächlich lebt. Gemeinsame Haushaltsführung erfordert dies nicht, so dass ständige Mitbewohner auch Personen sind, die in Wohngemeinschaft leben.178 Familienangehörige und Mitbewohner müssen erwachsen sein. Erwachsen ist, wer nach Alter und geistiger Entwicklung erkennbar in der Lage ist, den Zweck der Zustellung und die Verpflichtung zur Aushändigung an den Adressaten zu erkennen.179 Auf Volljährigkeit und Geschäftsfähigkeit wird hierbei nicht abgestellt.180 Die Ersatzzustellung hat in der Wohnung zu erfolgen,181 während an den Adressaten an jedem Ort zugestellt werden kann, § 177 ZPO. Hat der Adressat Geschäftsräume als Gewerbetreibender, Freiberufler, Notar, Ge- 46 richtsvollzieher usw,182 kann an jede dort beschäftigte Person ersatzweise zugestellt wer170 171 172 173 174 175 176 177

Rosenberg/Schwab/Gottwald § 73 Rn 17 mwN; Zöller/Stöber § 178 Rn 4 m div N. Beispiele s bei Baumbach/Hartmann § 178 Rn 5. BGH NJW 1978, 1858; 1985, 2197. Zöller/Stöber § 178 Rn 6 mwN. Zöller/Stöber § 178 Rn 8. Zöller/Stöber § 178 Rn 8 mwN. Zöller/Stöber § 178 Rn 8, 23, 24; aA OLG Hamm NJW 1969, 800. Zöller/Stöber § 178 Rn 11.

178

179 180 181 182

BGH NJW 2001, 1946; Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 73 Rn 22; Zöller/Stöber § 178 Rn 12. BGH NJW 1981, 1614. Baumbach/Hartmann § 178 Rn 15 mwN; Zöller/Stöber § 178 Rn 13. Baumbach/Hartmann § 178 Rn 4; Zöller/ Stöber § 178 Rn 14. Beispiele s bei Baumbach/Hartmann § 178 Rn 18.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

den, § 178 Abs1 Nr 2 ZPO. Eine bestimmte Berufs- oder Gewerbetätigkeit ist nicht mehr notwendig, so dass es auf die besondere Vertrauensstellung oder die gewöhnlichen Geschäftsstunden des Adressaten nicht mehr ankommt und somit auch an Pförtner, Arbeiter oder Reinigungspersonal zugestellt werden kann.183 § 178 Abs 1 Nr 3 ZPO regelt die Ersatzzustellung an Personen, die in einer Gemein47 schaftseinrichtung (Altenheim, Lehrlingsheim, Arbeiterwohnheim, Krankenhaus, Kaserne) leben. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder private Einrichtung handelt.184 Die Ersatzzustellung kommt allerdings erst in Betracht, wenn an den Adressaten nicht direkt zugestellt werden kann, sie erfolgt dann an den Leiter der Einrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter. Dieser Ersatzzustellung kommt gerade im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine besondere Bedeutung zu, denn in Betreuungs- oder auch Unterbringungssachen kommt es in der Praxis häufig vor, dass die Betroffenen in Gemeinschaftseinrichtungen leben. e) Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten sowie durch Niederlegung

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Ist eine Ersatzzustellung in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen nicht möglich, ist das Schriftstück in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung zu werfen, womit die Zustellung als bewirkt gilt, § 180 ZPO. Zum Nachweis der Wirksamkeit der Ersatzzustellung nach § 180 ZPO ist es nicht notwendig, dass der Zusteller in der Urkunde angibt, in welche Empfangseinrichtung – Briefkasten oä – er das Schriftstück eingelegt hat und im Fall einer ähnlichen Vorrichtung diese näher bezeichnet.185 Eine unwirksame Ersatzzustellung liegt jedoch vor, wenn das zuzustellende Schriftstück in einen Briefkasten eingelegt wird, auf den der Gegner Zugriff hat,186 zB bei gemeinsamem Briefkasten der Parteien.187 Kann die Zustellung an den Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter oder durch Einlegen in einen Briefkasten gem § 180 ZPO nicht erfolgen, besteht noch die Möglichkeit der Ersatzzustellung durch Niederlegung auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt oder bei einem von der Post vorgesehenen Ort, wenn diese mit der Zustellung beauftragt ist, § 181 Abs 1 ZPO. Mit der Formulierung „bei einem von der Post vorgesehenen Ort“ trägt der Gesetzgeber der immer weiter fortschreitenden Privatisierung der Post Rechnung und stellt klar, dass eine Niederlegung auch bei einer Postagentur möglich ist.188 Ersatzzustellung durch Niederlegung setzt jedoch einen vergeblichen Zustellungsversuch voraus. Über die Niederlegung hat das Zustellungsorgan eine schriftliche Mitteilung in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise (Briefkasten bzw Briefschlitz) am Ort der Zustellung zu hinterlassen. Nur wenn das nicht möglich ist, ist auch das Anheften an die Wohnungstür möglich, dabei ist es jedoch notwendig, dass der Hinweis in einer Art und Weise befestigt wird (Klebeband, Reißzwecken usw), dass er nicht so ohne Weiteres verloren gehen kann.189 Das Schriftstück gilt mit der Abgabe bzw Anheftung der Mitteilung als zugestellt,190 auf die Niederlegung beim Postamt oder beim AG kommt es nicht an.191 Das Datum der Zustellung ist auf der Mitteilung zu vermerken, so dass der Zeitpunkt dem Empfänger zur Kenntnis gebracht wird. 183 184 185 186 187

Baumbach/Hartmann § 178 Rn 17; Zöller/ Stöber § 178 Rn 18 mwN. S Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 21. BGH, Urteil v 10.11.2005 – III ZR 104/05 – NJW 2006, 150. AG (FamG) Bergisch-Gladbach FamRZ 2004, 955. OLG Nürnberg FamRZ 2005, 727.

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188

189 190 191

So auch schon die Rechtsprechung zum alten Recht: BGH Rpfleger 2001, 141; OLG Düsseldorf Rpfleger 2001, 91. Kritisch hierzu Zöller/Stöber § 181 Rn 3b. Baumbach/Hartmann § 181 Rn 11; Zöller/ Stöber § 181 Rn 5 jeweils mwN. BGH NJW-RR 1999, 1150. BayObLG FamRZ 1999, 1667.

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§ 16

f) Zustellung bei verweigerter Annahme Der Zustellungsempfänger und die Ersatzpersonen nach § 178 Abs 1 ZPO haben 49 unberechtigt, ohne gesetzlichen Grund kein Annahmeverweigerungsrecht.192 Wird die Annahme unberechtigt verweigert, ist das Schriftstück in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum zurückzulassen, § 179 S 1 ZPO, die Zustellung gilt als mit der Annahmeverweigerung vollzogen. Verweigert werden darf die Zustellung zu allgemein unpassender Zeit (Sonn- und Feiertag, Nachtzeit), aber auch von einer vermeintlichen Ersatzperson, bei der die Voraussetzungen aber nicht erfüllt sind.193 Sind keine Wohnung oder Geschäftsräume vorhanden, ist das Schriftstück zurückzusenden. g) Zustellungsurkunde Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ZPO ist eine Urkunde 50 auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen und unverzüglich der Geschäftsstelle zurückzugeben. Der notwendige Inhalt der Urkunde bestimmt sich nach § 182 Abs 2 ZPO. Die Zustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde, deshalb gilt § 418 ZPO. Zwar kann der Beweis der Unrichtigkeit geführt werden, dafür genügt es jedoch nicht, wenn der Adressat einfach behauptet, das Schriftstück nicht erhalten zu haben.194 Ist die Zustellung erfolgt, die Urkunde aber in Verlust geraten, kann der Nachweis auch mit anderen Beweismitteln erbracht werden.195 Fehlt die Unterschrift des Zustellers, ist die Beurkundung zumindest nicht abgeschlossen; die Unterschrift kann jedoch nachgeholt werden;196 genauso wie die Urkunde nach Abschluss durch den Zusteller berichtigt werden kann.197 h) Zustellung im Ausland Zustellungen im Ausland richten sich nach § 183 ZPO, der durch § 184 ZPO ergänzt 51 wird. Die Landesjustizverwaltung kann jedoch nach § 16 Abs 2 S 1 HS 2 eine einfachere Art der Zustellung anordnen, dabei war vor allem an die Erleichterung des Grenzverkehrs gedacht und eine Beschränkung auf einzelne Gebiete für zulässig gehalten worden.198 Für die ehemals preußischen Gebiete ist der Erlass einer solchen Anordnung nicht bekannt. Die für Bayern erlassene Bekanntmachung des BayStMdJ199 ist nicht mehr in Kraft. Die Auslandszustellung kann Deutsche oder Ausländer im Ausland betreffen und erfolgt im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens durch Einschreiben mit Rückschein, soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen (§ 183 Abs 1 Nr 1 ZPO); auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch die Behörden des fremden Staates oder durch die diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes, die in diesem Staat residiert (§ 183 Abs 1 Nr 2 ZPO) oder auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch das Auswärtige Amt an einen Deutschen, der das Recht der Immunität genießt und zu einer Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehört (§ 183 Abs 1 Nr 3

192 193 194 195 196

Baumbach/Hartmann § 179 Rn 3; Zöller/ Stöber § 179 Rn 1. Baumbach/Hartmann § 179 Rn 4; Zöller/ Stöber § 179 Rn 2. BGH, Urteil v 10.11.2005 – III ZR 104/05 – NJW 2006, 150; Zöller/Stöber § 182 Rn 15. BGH NJW 1981, 1613; RGZ 124, 22. Zöller/Stöber § 182 Rn 18.

197 198 199

Zöller/Stöber § 182 Rn 20. Denkschr S 37 zu § 15. Bekanntmachung des BayStMdJ über die Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v 10.5.1957 (BayJMBl 312 = BayBSV Ju III 293) abgedruckt unter Anl 24 der Vorauflage.

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ZPO). Zum Nachweis der Zustellung nach Abs 1 Nr 1 genügt der Rückschein; die Zustellung nach den Nummern 2 und 3 wird durch ein Zeugnis der ersuchten Behörde nachgewiesen (§ 183 Abs 2 ZPO). Die Auslandszustellung ordnet der Vorsitzende an und bestimmt dabei auch im Rah52 men seiner richterlichen Unabhängigkeit über die Form (§ 183 Abs 1 Nr 1, 2 oder 3).200 Die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein geschieht durch die Geschäftsstelle, sie kommt nur in Betracht, wenn völkerrechtliche Vereinbarungen sie zulassen; die nach den Nummern 2 oder 3 erfolgt durch die Justizverwaltung201 im Rahmen der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO),202 die auch im FG-Verfahren Anwendung findet, § 1 Abs 1 ZRHO.203 Die vorgelegten Zustellungsersuchen werden durch die bei den Gerichten eingerichteten Prüfungsstellen gem §§ 9, 28 ZRHO auf Vereinbarkeit mit den Zustellungsübereinkommen und der ZRHO überprüft und dann weitergeleitet. Die Justizverwaltung kann die Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens ablehnen, wenn dieses keinen Erfolg verspricht oder das Auswärtige Amt außenpolitische Bedenken erhebt.204 Unter Umständen ist in einem solchen Fall die öffentliche Zustellung in Erwägung zu ziehen. Bei übermäßiger Verzögerung von Rechtshilfeersuchen durch die ausländischen Behörden kommt ebenfalls eine öffentliche Zustellung in Betracht. Von einer solchen Unausführbarkeit kann je nach den Umständen auszugehen sein, wenn seit der Absendung des Schriftstücks eine Frist verstrichen ist, die das Gericht nach den Umständen des Falles als angemessen erachtet und die mindestens sechs Monate betragen muss.205 Die Entscheidungen der Prüfungsstellen sind Justizverwaltungsakte, die im Verfahren nach § 23 ff EGGVG angefochten werden können.206 Die Auslandszustellung nach § 183 Abs 1 Nr 2 ZPO durch die Behörden des frem53 den Staates bzw durch die diplomatische oder konsularische Vertretung oder nach § 183 Abs 1 Nr 3 ZPO durch das Auswärtige Amt an einen Deutschen, der das Recht der Immunität genießt, wird durch § 184 ZPO ergänzt. Hiernach kann das Gericht anordnen, dass die Partei einen im Inland wohnenden Zustellungsbevollmächtigten zu benennen hat, an den die Zustellungen dann erfolgen. Die Anordnung liegt im Ermessen des Gerichts und wird in der Regel aus verfahrensökonomischen Gründen getroffen werden.207 Bei Verfahrenseinleitung wird die entsprechende Anordnung im Wege der Rechtshilfe mit zugestellt. Wird kein Zustellungsbevollmächtigter benannt, so können spätere Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt werden, also dadurch, dass das Schriftstück als einfacher Brief zur Post gegeben wird. Eine Übersetzung des Schriftstücks muss in diesem Fall nicht beigefügt werden.208 Die Vorschrift dient der Vermeidung von Verzögerungen und Komplikationen der Zustellung, sie ist mit Art 6 I EGV vereinbar209 und verfassungsrechtlich unbedenklich.210 Das Schriftstück gilt zwei Wochen nach Auf200 201

202

Zöller/Stöber § 183 Rn 47; Hornung Rpfleger 2002, 493. Zöller/Geimer § 183 Rn 48 mwN; s auch Rellermeyer Rpfleger 2000, 477 sowie Schlamann/Bleckat Rpfleger 1999, 469. Rechtshilfeordnung für Zivilsachen v 19.10. 1956 (Bek v 16.3.1957, BAnz Nr 63 v 30.3. 1957) idF von 1976 m spät amtl Änd u Ergänzungen; Text bei Bülow/Böckstiegel/ Geimer/Schütze Der Internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblattsammlung) bzw bei Piller/Hermann Justizverwaltungsvorschriften (3g).

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203 204 205

206 207 208 209 210

Lessing RpflStud 2004, 161. Zöller/Stöber § 183 Rn 50. OLG Köln FamRZ 1998, 561; aA AG Bad Säckingen FamRZ 1997, 611, das davon ausgeht, dass Zustellungsfristen von bis zu 2 Jahren hinzunehmen sind. Zöller/Gummer EGGVG § 23 Rn 15. Hornung Rpfleger 2002, 493. BGH FamRZ 1996, 347 m abl Anm Bachmann FamRZ 1996, 1276. BGH BB 1999, 924. BVerfG NJW 1997, 1772; BGH NJW 1999, 1188.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

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gabe zur Post als zugestellt, § 184 Abs 2 S 1 ZPO; der Nachweis erfolgt durch entsprechenden Aktenvermerk des UdG. Es ist zweckmäßig, diesen Vermerk auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks anzubringen.211 Der Vermerk kann nachgeholt werden, dies sogar noch nach „geraumer Zeit“.212 § 183 Abs 3 ZPO ordnet an, dass die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr 1348/2000 54 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten213 unberührt bleiben.214 Nach Art 14 der VO steht es jedem Mitgliedsstaat frei, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post zustellen zu lassen, ohne dass der Rechtshilfeweg beschritten werden muss. Die Mitgliedstaaten haben der Kommission die entsprechenden Angaben zu machen und diese sind im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.215 In der Bundesrepublik Deutschland gelten für die Durchführung §§ 1068 Abs 1 und 1069 Abs 1 ZPO,216 danach erfolgt die Zustellung unbeschadet weiterer Bedingungen des jeweiligen Empfangsmitgliedstaats nur in der Versandform des Einschreibens mit Rückschein, dieses soll zur wesentlichen Erleichterung der Zustellungen führen. Als deutsche Übermittlungsstellen sind für gerichtliche Schriftstücke das die Zustellung betreibende Gericht zuständig. Die Funktionen der Übermittlungsstellen bleiben unberührt, §§ 9, 27, 65b ZRHO. Lässt sich eine Zustellung auf diesem Wege nicht durchführen, erfolgt eine öffentliche Zustellung nach § 185 ZPO.217 Eine Übersetzung des mit der Post zuzustellenden Schriftstücks ist nach § 183 ZPO nicht vorgeschrieben. Wird ein Schriftstück in einem Mitgliedstaat sowohl durch die Einschaltung von Stellen als auch durch die Post übermittelt und zugestellt, kommt es für den Beginn einer Frist, die an die Zustellung anknüpft, auf den Zeitpunkt der ersten wirksam bewirkten Zustellung an.218 Die EG-VO Nr 1348/2000 hat grundsätzlich Vorrang vor älteren bilateralen oder 55 multilateralen Übereinkünften der Mitgliedstaaten (Art 20). Es bestehen eine Reihe weiterer Staatsverträge, die die Zustellung regeln;219 insbesondere von Bedeutung ist das HZustlÜbk,220 dass die Art 1–16 des HZPrÜbk221 im Verhältnis der beitretenden Staa211 212 213

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Formulierungsvorschlag für Vermerk s bei Zöller/Stöber § 184 Rn 10. Zöller/Stöber § 184 Rn 12 mwN. Mit Ausnahme von Dänemark, denn für diesen Staat ist sie nicht verbindlich und ihm gegenüber auch nicht anwendbar; ansonsten ergeben sich die Staaten aus dem EU-Beitrittsvertragsgesetz v 18.9.2003 (BGBl II S 1408). (ABI EG Nr L 160 S 37) abgedruckt bei Baumbach/Hartmann § 183 Rn 2; Zöller/ Geimer Anh II B. Zusammenstellung s bei Zöller/Geimer § 183 Rn 5, 41. Mit Wirkung v 1.1.2004 eingefügt durch das G zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstatten (EGBeweisaufnahmedurchführungsgesetz) v 4.11.2003 (BGBl S 2166). Gleichzeitig ist das EG-Zustellungsdurchführungsgesetz v 9.7.2001 (BGBl S 1536) außer Kraft getreten.

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Baumbach/Hartmann § 183 Rn 3; Zöller/ Geimer § 183 Rn 8. EuGH v 9.2.2006 – C-473/04 – BeckRS 2006, 70115. Siehe hierzu ausführlich Baumbach/Albers Einl V. Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen v 15.11.1965 (BGBl 1977 II 1453). Zum Geltungsbereich und In-KraftTreten s bei Baumbach/Albers Einl V; s auch Stein/Jonas/Roth § 183 Rn 6; Auszug abgedruckt bei Baumbach/Hartmann Anh zu § 183. Haager Übereinkommen über den Zivilprozess v 1.3.1954 (BGBl 1958 II 577). Zum Geltungsbereich und In-Kraft-Treten s bei Baumbach/Albers Einl V; Auszug abgedruckt bei Baumbach/Hartmann Anh zu § 183.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ten ersetzt. Auch diese Verträge gehen dem deutschen Recht vor. Weitere bilaterale Rechtshilfeverträge bestehen mit Griechenland, Marokko, Tunesien, der Türkei und dem Vereinigten Königreich.222 Besondere Zustellungsvorschriften finden sich im Anwendungsbereich des NATO-Truppenstatuts von 1951.223 i) Öffentliche Zustellung

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Auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist eine öffentliche Zustellung (§§ 185 bis 188 ZPO) zulässig,224 ausgenommen die Ladung der Beteiligten im Auseinandersetzungsverfahren (§§ 89, 99). Die öffentliche Zustellung begründet die Fiktion wirklich erfolgter Aushändigung des Schriftstücks und ist zulässig, wenn eine andere Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist.225 Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung kann erfolgen, wenn der Aufenthalt eines Beteiligten unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, § 185 Nr 1 ZPO. Unbekannt ist der Aufenthalt, wenn er allgemein unbekannt ist226 und auch weitere Ermittlungen zu keinem Ergebnis führen;227 hieran sind im Hinblick auf das rechtliche Gehör durchwegs hohe Anforderungen zu stellen,228 denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Zustellungsadressat von der öffentlichen Zustellung tatsächlich Kenntnis erlangt, ist in der Praxis sehr gering. Von einer gegen Art 103 Abs 1 GG verstoßenden öffentlichen Zustellung ist dann auszugehen, wenn das Gericht nach den ihm bekannten Tatsachen die Voraussetzung einer öffentlichen Zustellung nicht, jedenfalls nicht ohne weitere Ermittlungen bejahen konnte.229 Eine öffentliche Zustellung kann normalerweise nicht schon bewilligt werden, wenn eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt unergiebig war,230 sondern es sind sämtliche Möglichkeiten der Ermittlung des gegenwärtigen Aufenthalts auszuschöpfen.231 Nach der Auffassung des BVerfG ist eine öffentliche Bekanntmachung wegen Ver57 stoßes gegen Art 103 Abs 1 GG unwirksam, wenn die Voraussetzung des unbekannten Aufenthalts nicht vorgelegen habe.232 Inzwischen vertritt der BGH ebenfalls die Auffassung, dass die öffentliche Zustellung unwirksam sei, wenn diese Voraussetzung nicht vorgelegen habe und das bewilligende Gericht dieses bei sorgfältiger Prüfung hätte erkennen können;233 offengelassen ist dabei die Frage, ob dieses auch gilt, wenn die Voraussetzung unbekannter Aufenthalt objektiv nicht vorgelegen hat. In beiden Entscheidungen ist ebenfalls offengelassen, ob jeder Zustellungsmangel als gegen Art 103 Abs 1 GG verstoßend zur Unwirksamkeit führt. 222 223 224 225 226 227 228 229

S hierzu Stein/Jonas/Roth § 183 Rn 18 ff; Zöller/Stöber § 183 Rn 101. S hierzu Stein/Jonas/Roth § 183 Rn 25. BGH NJW 1953, 625; BayObLG NJW-RR 1998, 1772; Schlegelberger Anm 35. Zöller/Stöber § 185 Rn 1. RGZ 59, 259; BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827. OLG Düsseldorf Rpfleger 1993, 412; OLG Stuttgart FamRZ 1991, 342. OLG München FamRZ 1999, 446. BayObLG FamRZ 2000, 1097 mwN; aA BGH Rpfleger 2003, 307 allerdings für den Fall eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, bei dem vor Erlass der Schuldner nicht gehört werden muss (§ 834 ZPO) und

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dessen Zustellung für die Wirksamkeit unwesentlich ist. OLG Zweibrücken FamRZ 1983, 630; AG Landstuhl FamRZ 1994, 309; aA BGH aaO für den dort genannten Fall des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses. AG Neustadt a Rbge FamRZ 2005, 377 (Ehesache). BVerfG NJW 1988, 2361; daraufhin zweifelnd BGHZ 118, 45; BGH NJOZ 2001, 860, allerdings Heilung des Mangels durch Wiedereinsetzung. BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827 mwN; BayObLG NJW-RR 2000, 1452; OLG Hamm FamRZ 1998, 172; aA Stein/Jonas/ Roth § 185 Rn 16; Zöller/Stöber § 186 Rn 9.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

Anschließend an die Rechtsprechung des Reichsgerichts234 war es bis zur Entschei- 58 dung des BVerfG ständige Rechtsprechung des BGH, dass eine korrekt ausgeführte öffentliche Zustellung als staatlicher Hoheitsakt wirksam sei, auch wenn die Voraussetzungen des § 185 ZPO (§§ 203 ff ZPO aF) objektiv nicht vorgelegen hätten, da die Bewilligung der öffentlichen Zustellung als gerichtliche Entscheidung grundsätzlich solange wirksam bleibe, bis sie durch die Rechtsmittelinstanz aufgehoben worden sei, gegen die Bewilligung gebe es jedoch keinen Rechtsbehelf.235 Sogar eine erschlichene öffentliche Zustellung sollte danach wirksam und die erlangte Rechtsposition mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu bekämpfen sein.236 Praktisch löste man das Problem durch großzügig zugelassene Wiedereinsetzung und begründete dieses auch damit, dass die Rechtssicherheit erfordere, die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung nicht noch nach Jahren in Frage zu stellen.237 So wird auch jetzt noch vertreten, dass eine öffentliche Zustellung zwar unzulässig aber nicht unwirksam sei, wenn das Gericht den Mangel hätte erkennen können, da die Rechtskraft nicht zu lange in der Schwebe gehalten werden solle; notfalls sei Wiedereinsetzung sogar noch nach Ablauf der einfachen Ausschlussfrist des § 234 Abs 3 ZPO zu gewähren und dafür in entsprechender Anwendung des § 586 Abs 2 ZPO die Frist auf fünf Jahre zu verlängern.238 Unwirksam sei eine Zustellung nur, wenn zwingende Zustellungsvorschriften verletzt worden seien, wie die Bewilligung durch das Gericht und deren Ausführung nach §§ 186, 187 ZPO.239 Erst recht müsse sie aber wirksam sein, wenn der Mangel für das Gericht nicht erkennbar gewesen sei.240 Letzterem kann gefolgt werden, denn der BGH hat die Frage der Unwirksamkeit ausdrücklich darauf beschränkt, dass die Anordnung der öffentlichen Zustellung – wie in der vom BVerfG beurteilten Fallgestaltung – auf einem Fehler des Gerichts beruhte, also die Voraussetzungen für das Gericht erkennbar nicht vorgelegen hatten.241 Öffentlich zugestellt werden kann auch, wenn eine Zustellung im Ausland nicht mög- 59 lich ist oder keinen Erfolg verspricht, § 185 Nr 2 ZPO. Nicht möglich ist die Zustellung, wenn kein Rechtshilfeverkehr mit dem Staat besteht oder die Erledigung eines solchen Ersuchens in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist (oben Rn 49). Nicht erfolgversprechend ist ein solches Ersuchen, wenn zB aufgrund der politischen Lage die Auslandszustellung in einem bestimmten Land erfahrungsgemäß nicht durchführbar ist.242 Gleiches gilt, wenn die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung 60 die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 GVG der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt, § 185 Nr 3 ZPO, dh wenn der exterritoriale Wohnungsinhaber die Zustellung an einen nicht exterritorialen Beteiligten nicht erlaubt, ist eine öffentliche Zustellung zulässig. 234 235

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RGZ 59, 259; 61, 359. BGHZ 57, 108; 64, 5; so auch OLG Köln FamRZ 1993, 78 = NJW-RR 1993, 446; FamRZ 1995, 677; OLG Hamm FamRZ 1998, 172. BGHZ 57, 108; 64, 5; aA Stein/Jonas/Roth § 185 Rn 16; zur Frage der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage in diesem Fall s BGH NJW 2003, 1326 (unzulässig). BGHZ 64, 5; 118, 45; OLG Hamm FamRZ 1998, 172. Stein/Jonas/Roth § 185 Rn 14 entgegen BGHZ 149, 311; aA OLG Stuttgart NJW-RR 2002, 716.

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Zöller/Stöber § 186 Rn 9. Stein/Jonas/Roth § 185 Rn 14; aA PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2002, 468; SchlOLG Schleswig NJW-RR 2002, 714. BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827; wonach auch der IV. Zivilsenat (BGHZ 64, 5) an seiner bisherigen Rechtsauffassung mit Rücksicht auf das Gebot rechtlichen Gehörs nicht mehr festhält. Baumbach/Hartmann § 185 Rn 11; Zöller/ Stöber § 185 Rn 3.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

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Die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung eines von Amts wegen zuzustellenden Schriftstücks sind vom Gericht selbst aufzuklären und festzustellen.243 Die Zustellung muss für jeden einzelnen Zustellungsakt durch besonderen Beschluss des Gerichts bewilligt werden, § 186 Abs 1 S 1 ZPO, andernfalls ist sie unwirksam. Zuständig ist das Organ der Rechtspflege, das auch zur Entscheidung in der Sache befugt ist, also der Richter und in übertragenen Aufgaben der Rechtspfleger gem § 4 Abs 1 RPflG.244 Im Auseinandersetzungsverfahren vor dem Notar ist diese Bewilligung dem Gericht vorbehalten (Art 26 Abs 2 S 4 PrFGG; Art 24 Abs 3 Nr 2 HessFGG; Art 15 Abs 1 Nr 2 NdsFGG). Die Bewilligung ist unanfechtbar, gegen die Ablehnung findet Beschwerde nach § 19 statt. Eine nachträgliche Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses ist nicht möglich, wenn die öffentliche Zustellung bewirkt wurde.245 Solange die Zustellung noch nicht vorgenommen ist, ist eine Korrektur möglich.246 Gem § 186 Abs 2 ZPO247 erfolgt die öffentliche Zustellung durch Aushang einer Benachrichtigung, nicht durch Aushang einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks, an der Gerichtstafel oder durch Einstellung in ein elektronisches Informationssystem, das im Gericht öffentlich zugänglich ist. Die Benachrichtigung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem veröffentlicht werden. Die Benachrichtigung muss den Zustellungsadressaten zweifelsfrei erkennen lassen, was uU durch Angabe der früheren Anschrift erfolgen kann;248 sie muss außerdem den Hinweis enthalten, dass ein Schriftstück öffentlich zugestellt wird und Fristen in Gang gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste drohen können. Bei der Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung den Hinweis enthalten, dass das Schriftstück eine Ladung zu einem Termin enthält, dessen Versäumung Rechtsnachteile zur Folge haben kann. Die Dauer des Aushangs ist in den Akten zu vermerken, was jedoch nicht Wirksamkeitserfordernis ist. Das Gericht kann zusätzlich anordnen, dass die Benachrichtigung einmal oder mehr62 fach im Bundesanzeiger oder in anderen Blättern zu veröffentlichen ist, § 187 ZPO. Die Anordnung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und ist nicht mehr zwingend. Das Schriftstück gilt als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist, § 188 S 1 ZPO; das Gericht kann aber eine längere Frist bestimmen, § 188 S 2 ZPO. Die längere Frist muss im Bewilligungsbeschluss angeordnet werden, dies kann nicht nachträglich erfolgen.249 j) Heilung von Zustellungsmängeln

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Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist, § 189 ZPO.250 Dieser Vorschrift liegt der Rechtsgedanke zugrunde, den an sich

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BayObLG Rpfleger 1978, 446; OLG Bamberg FamRZ 2000, 1288 (LS); OLG Köln FamRZ 1997, 430 (LS); Stein/Jonas/Roth § 185 Rn 7 mwN. OLG München Rpfleger 1988, 370; Zöller/ Stöber § 186 Rn 1; Arnold/Meyer-Stolte/ Herrmann § 4 Rn 23; Hornung Rpfleger 2002, 493. Stein/Jonas/Roth § 183 Rn 15.

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OLG Frankfurt NJW 2004, 3049. Abs 2 geänd d d am 1.4.2005 in Kraft getretenen Art 1, Art 16 d G über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JkomG) v 22.3.2005 (BGBl S 837). Zöller/Stöber § 186 Rn 6. Zöller/Stöber § 188 Rn 2. Geänd d Art 1, Art 16 d G über die Verwen-

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

zweifelsfreien Zugang eines rechtserheblichen Dokuments nicht in jedem Falle an der Einhaltung von Förmlichkeiten scheitern zu lassen, die ihrerseits nicht Selbstzweck sind. Ist der Zustellungszweck des § 166 Abs 1 ZPO erreicht, tritt kraft Gesetzes Heilung ein. Dieser Rechtsgedanke hat auch seine Berechtigung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das Gericht prüft in freier Beweiswürdigung des Sachverhalts ob der Zustellungszweck erreicht ist, das gilt auch für das Ingangsetzen einer Notfrist, denn diese Regelung des alten Rechts wurde durch den Gesetzgeber nicht übernommen.251 Voraussetzung für die Anwendung des § 189 ZPO ist, dass eine förmliche Zustellung veranlasst worden oder vom Gericht angeordnet worden ist, dh der Zustellungswille muss vorhanden sein.252 Außerdem muss das Schriftstück tatsächlich in den Besitz des richtigen Zustellungsadressaten gelangt sein, er muss die Möglichkeit erlangt haben, von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen, das zuzustellende Schriftstück in Händen zu haben.253 Soll an den gesetzlichen Vertreter zugestellt werden, kommt es darauf an, wann dieser das Schriftstück in Händen hat; bei einer fehlerhaften Ersatzzustellung, kommt es darauf an, wann dem Adressaten das Dokument zugegangen ist.254 Der Zugang kann mit allen Beweismitteln dargelegt werden; nach jetzt geltendem Recht steht es nicht mehr im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts über die Zustellungsmängel hinwegzusehen, sondern die Zustellung gilt als bewirkt in dem Zeitpunkt, in dem es dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist.255 2. Bekanntmachungen, die keine Frist in Lauf setzen Für alle Fälle wird bundesrechtlich in § 16 Abs 2 S 2 nur bestimmt, dass in den Akten 64 vermerkt werden soll, in welcher Weise, an welchem Ort und an welchem Tag die Bekanntmachung zur Ausführung gebracht worden ist; im Übrigen werden die Landesjustizverwaltungen ermächtigt, nähere Bestimmungen über die Art der Ausführung der Bekanntmachung zu erlassen. Der Aktenvermerk hat auf die Wirksamkeit der Bekanntmachung keinen Einfluss, ein unterlassener Vermerk erschwert nur die Beweisbarkeit.256 Soweit landesrechtliche Vorschriften nicht bestehen, ist die Form der Bekanntmachung in das Ermessen des Gerichts gestellt; es kann je nach Bedeutung der Angelegenheit Übersendung durch einfachen Brief, unter Einschreiben, durch Zustellung oder Aushändigung durch den Justizwachtmeister/Gerichtsboten oder auch fernmündliche oder telegraphische Mitteilung wählen. Besonderheiten für Sendungen in das Ausland sind bundesrechtlich nicht vorgeschrieben. Da Bekanntmachungen dieser Art auch an auswärts wohnende Personen ohne weiteres ausführbar sind, ist die Inanspruchnahme von Rechtshilfe für diesen Zweck nicht erforderlich und auch nicht zulässig. Die Rechtsprechung ist bei der Annahme von Bekanntmachungen, die keine Frist in Lauf setzen, aber zum Wirksamwerden der Verfügung erforderlich sind, großzügig. Danach kann eine vorher nicht bekannt

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dung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JkomG) v 22.3.2005 (BGBl S 837). S Gesetzesbegründung BTDrs 14/4554 S 14. BGH FamRZ 1993, 309; NJW 1956, 1878; BGHZ 7, 268 = NJW 1952, 1375; OLG Celle NdsRpfl 1959, 241; Zöller/Stöber § 189 Rn 2. BGH Rpfleger 2001, 360; Rpfleger 1978, 96; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 1439; Zöller/Stöber § 189 Rn 3.

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Zimmermann ZPO § 189 Rn 2; Zöller/Stöber § 189 Rn 4. Zimmermann ZPO § 189 Rn 1; Zöller/Stöber § 189 Rn 3, 4, 10. BayObLGZ 1963, 1, 11; BayObLG FamRZ 1975, 647; OLG Hamm MDR 1968, 156; Rpfleger 1987, 250; vgl auch BGHZ 14, 148 zu § 329 ZPO.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

gemachte Verfügung als durch Bekanntmachung wirksam geworden angesehen werden, wenn das Gericht ihre Aufhebung abgelehnt, in den Gründen dieses Beschlusses aber den Inhalt der Verfügung wiedergegeben und diesen Beschluss den ursprünglich Beteiligten bekannt gemacht hat.257 Es wird auch als zulässig angesehen, dass eine Bekanntmachung nicht unmittelbar durch das Gericht erfolgt, welches die Verfügung erlassen hat, sondern auf ausdrückliches oder stillschweigendes Ersuchen durch eine andere Stelle, zB die Prozessabteilung desselben Gerichts, an welches die den genehmigungsbedürftigen Vergleich enthaltenen Prozessakten nach Beifügung der Genehmigungsverfügung zurückgesandt worden sind.258 Ist die Genehmigung an den Vormund abgesandt und hat er sie dem Vertragsgegner mitgeteilt so kann er sich nicht darauf berufen, dass sie ihm nicht zugegangen sei.259 Eine Verfügung, für die Schriftform vorgeschrieben ist, kann, wenn sie schriftlich niedergelegt ist, durch mündliche Bekanntmachung wirksam werden.260 Die Verfügung wird wirksam mit dem Zugehen (§ 130 Abs 1 S 1 BGB) der Bekanntmachung, nicht schon mit ihrer Absendung. Kommt der Brief als unzustellbar zurück, so ist die Verfügung nicht bekannt gemacht, also nach § 16 Abs 1 nicht wirksam geworden.261 Da die Verfügung mit der Absendung erlassen (§ 18 Rn 8, 30) und damit existent geworden ist, ist sie wegen Unterbleibens der Bekanntmachung nicht etwa nichtig, sondern die Bekanntmachung kann nachgeholt werden. Notfalls durch förmliche Zustellung, etwa im Wege der öffentlichen Zustellung vorzunehmen. Inhaltliche Mitteilung kann genügen, da wörtliche oder abschriftliche Bekanntmachung nicht vorgeschrieben ist. 3. Bekanntmachung zu Protokoll a) Zulässigkeit

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Diese Form der Bekanntmachung ist zugelassen worden, um einen Ersatz für die umständliche Zustellung nach den Vorschriften der ZPO zu schaffen und weil die mündliche Eröffnung oft wirksamer ist als die Übersendung eines vielleicht unverstandenen Schriftstücks.262 Die Bekanntmachung zu Protokoll ist mithin auch zulässig, wenn mit ihr der Lauf einer Frist beginnt.263 Nicht zulässig ist diese Form in den Fällen der sofortigen Beschwerde nach der ZPO (§ 80 Abs 2 GenG), da die Beschwerdefrist nach § 569 Abs 1 S 2 ZPO mit der Zustellung beginnt; ebenso im Landwirtschaftsverfahren für in der Hauptsache ergangene Beschlüsse (§ 21 Abs 2 S 1 LwVG), im Verfahren bei Setzen einer Inventarfrist (§ 1995 Abs 1 S 2 BGB)264 und nach der Natur der Sache bei der Erteilung eines Erbscheins, da hierbei ein Zeugnis in den Verkehr gebracht werden muss. Nichts anderes kann für die Zustellung des Todeserklärungsbeschlusses gelten (§§ 24 Abs 2, 25 VerschG), auch wenn § 26 VerschG nicht ausdrücklich als Fristbeginn die Zustellung nennt. Wurde eine Verfügung, die förmlich zugestellt hätte werden müssen, nur formlos mitgeteilt, beginnt die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen.265 Ist eine Verfügung mehreren Personen bekanntzumachen, die nicht sämtlich anwesend sind, so kann sie den Anwesenden zu Protokoll, den Abwesenden durch förmliche Zustellung bekannt gemacht werden.266 257 258 259 260 261

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BayObLGZ 1960, 267. BayObLGZ 1960, 276. BayObLGZ 1963, 1. BayObLGZ 1962, 101. BGH FamRZ 2000, 813 (Beschwerderechtsentscheidung über Sorgerecht); sa Baumbach/Hartmann § 329 Rn 28. KommBer bei Hahn-Mugdan Bd 7 S 118.

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BayObLGZ 28, 77; 1994, 391; KGJ 22 A 16 = RJA 2, 53 = OLGR 4, 347; Schlegelberger Anm 40. Palandt/Edenhofer § 1995 Rn 1; Schlegelberger § 77 Anm 40. BayObLGZ 1999, 123. Keidel/Schmidt Rn 24.

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Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

Für Beschlüsse, die in selbständigen Familiensachen oder nach Abtrennung einer Folge- 66 sache aus dem Scheidungsverbund ergehen, wird § 16 Abs 3 durch § 329 ZPO ersetzt.267 b) Form Es genügt, dass die Verfügung, soweit Begründungszwang (s Rn 4, 5) besteht mit den 67 Gründen, den anwesenden Beteiligten mündlich eröffnet, die so eröffnete Verfügung wörtlich zu Protokoll gebracht und die mündliche Eröffnung darin bezeugt wird.268 Der Vermerk „beschlossen und verkündet“ genügt,269 wenn das Protokoll bezeugt, dass der Beteiligte bei der Verkündung noch anwesend war. Vorherige schriftliche Abfassung und Vorlesung ist nicht erforderlich.270 Die Bekanntmachung ist vollzogen, wenn die dem Anwesenden mündlich eröffnete Verfügung zu Protokoll gebracht ist. Persönliche Anwesenheit ist nicht erforderlich, es genügt die Anwesenheit eines Verfahrensbevollmächtigten, wenn seine Vollmacht unbeschränkt ist und die Empfangnahme von Zustellungen umfasst (s Rn 32).271 c) Abschriftenerteilung Der Beteiligte, dem eine Verfügung zu Protokoll bekannt gemacht ist, hat ein Recht 68 darauf, dass ihm eine Abschrift der Verfügung erteilt wird. Das Protokoll ist soweit mit abzuschreiben, als es zum Verständnis der Verfügung erforderlich ist. Ein Recht auf Beglaubigung der Abschrift besteht nur nach Maßgabe des § 34 S 2 FGG. Dokumentenpauschale wird nicht erhoben (§ 136 Abs 4 Nr 2 KostO). Der Lauf einer Frist beginnt nicht erst mit der Abschriftenerteilung, sondern im Zeitpunkt der Protokollaufnahme; dabei ist es unerheblich, wann ein nur vorläufig aufgezeichnetes Protokoll in Langschrift fertig ist;272 bei Verzögerung kann aber ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben sein. d) Formlose mündliche Bekanntmachung Die formlose mündliche Bekanntmachung einer Verfügung, die keine Frist in Lauf 69 setzt, ohne Protokollierung wird durch § 16 Abs 3 nicht ausgeschlossen; mit der mündlichen Eröffnung wird die Verfügung wirksam; selbst wenn die Sollvorschrift des § 16 Abs 2 S 2 (Aktenvermerk) nicht beachtet ist.273

VI. Nichtgerichtliche Behörden Sind in bundesrechtlichen Angelegenheiten nach Landesgesetz nichtgerichtliche Be- 70 hörden zuständig, so sind nach § 194 Abs 1, 3 die Vorschriften des § 16 Abs 1 und 3 anwendbar, während § 16 Abs 2 von der Anwendung ausgeschlossen ist; insoweit gilt Landesrecht (vgl § 194 Rn 13).

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BGH FamRZ 2000, 813; 2002, 952 – s im Übrigen bei § 64 Rn 83. BayObLGZ 28, 77; 1998, 301; 1999, 82; KGJ 22 A 16. KGJ 22 A 16; aA KG JW 1926, 2452. KGJ 22 A 16; BayObLGZ 28, 77; vgl auch BGH NJW 1955, 503; aA KG JW 1926, 995; JW 1926, 2452.

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OLG Hamm NJW-RR 1997, 845; OLG Düsseldorf FGPrax 1995, 37. BayObLGZ 2001, 215. RGZ 115, 176 = JW 1927, 1463; BayObLGZ 1958, 207 = FamRZ 1958, 384; OLG Braunschweig OLGR 4, 348.

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§ 16

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

VII. Landesrecht 71

Nach ehemals preußischem Recht finden gemäß Art 1 PrFGG § 16 Abs 2 und 3 auch in landesrechtlichen Angelegenheiten Anwendung; § 16 Abs 1 nur unter dem Vorbehalt entgegenstehenden Landesrechts. Nach landesrechtlichen Bestimmungen findet § 16 Anwendung gem § 5 Abs 1 BWFGG, Art 34 BayAGGVG, § 1 BremAGFGG, Art 1 HessFGG, Art 7 NdsFGG, § 8 Abs 1 RhPfFGG, § 52 SaarlAGJustG.

VIII. Reformvorhaben Im Zuge der FGG-Reform274 sollen das Wirksamwerden und die Bekanntmachung nicht mehr in einer Vorschrift geregelt werden, sondern die entsprechenden Vorschriften finden sich in §§ 40, 41 sowie 19, 20 FamFG-E. § 19 FamFG-E275 soll künftig eine allgemeine Regelung zur Bekanntgabe von Schrift73 stücken treffen, danach ist die Bekanntmachung eines Schriftstücks vorgesehen, wenn in ihnen eine Frist bestimmt ist oder dieses den Lauf einer Frist auslösen soll. Hinsichtlich der Form der Bekanntgabe soll die Vorschrift zwei Alternativen vorsehen, die dem Bedürfnis nach einem möglichst zuverlässigen Weg der Übermittlung sowie einer möglichst effizienten und unbürokratischen Bekanntgabemöglichkeit Rechnung tragen sollen. Danach soll die Bekanntgabe durch die formelle Zustellung nach den Vorschriften der ZPO oder als Alternative dazu eine Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post erfolgen können. Die Vorschrift ist § 41 Abs 2 VwVfG nachgebildet, so dass die hierfür entwickelten Grundsätze künftig auch im FamFG-E-Verfahren herangezogen werden können. Erfolgt die Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post soll die Fiktion der Bekanntgabe drei Tage nach Aufgabe zur Post eingreifen, als Ausnahme von dieser Fiktion soll gelten, wenn das Schriftstück tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt oder gar nicht zugegangen ist. Zur Erschütterung der Zugangsfiktion soll erforderlich sein, dass der Empfänger glaubhaft konkrete Tatsachen vorträgt, wonach er das Schriftstück nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt erhalten hat. Das reine Behaupten soll hierbei nicht ausreichen, erforderlich soll vielmehr der detaillierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs sein, so dass ein Zweifelsfall vorliegt. Die Beweislast für den Zugang soll in diesem Fall das Gericht tragen, das den Beweis mit allen zulässigen Beweismitteln führen und bei der Beweiswürdigung auch die Einlassungen des Empfängers und ihre Plausibilität sowie die Glaubwürdigkeit des Empfängers berücksichtigen kann. § 167 ZPO soll entsprechend gelten, hierdurch soll vermieden werden, dass der Beteiligte durch Verzögerungen im Bekanntgabeverfahren, auf das der Beteiligte regelmäßig keinen Einfluss hat, Rechtsnachteile erleidet. Welche der beiden Bekanntgabemöglichkeiten gewählt wird, soll im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegen. Nach § 20 FamFG-E276 sollen Schriftstücke ohne Einhaltung einer Form – etwa per 74 einfacher e-mail – mitgeteilt werden können, wenn kein Fall des § 19 Abs 1 FamFG-E vorliegt. Die bisher gemäß § 16 Abs 2 S 2 auf Verfügungen beschränkte Möglichkeit der

72

274

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der geänd Fassung v 14.2.2006, der unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in

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275 276

Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt. RefE FGG-ReformG Begründung S 374. RefE FGG-ReformG Begründung S 376.

Renate Baronin von König

Wirksamwerden und Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen

§ 16

formlosen Mitteilung soll damit auf die Übermittlung aller während des Verfahrens zu übersendenden Schriftstücke erweitert werden. § 40 Abs 1 FamFG-E277 soll das Wirksamwerden gerichtlicher Beschlüsse regeln und 75 entspricht inhaltlich der Regelung des § 16 Abs 1. Der Eintritt der Wirksamkeit soll weiterhin regelmäßig an die Bekanntmachung der Entscheidung geknüpft bleiben, nicht an den Eintritt ihrer formellen Rechtskraft, womit dem Bedürfnis nach einem schnellen Wirksamwerden der Entscheidungen vor allem im rechtsfürsorgerischen Bereich – etwa der Ernennung eines Vormundes oder Betreuers – Rechnung getragen werden soll. In den Fällen, in denen mit der Wirksamkeit der Entscheidung eine gravierende Rechtsänderung verknüpft wird, soll die Wirksamkeit erst mit der formellen Rechtskraft eintreten. Diese Vorschriften sollen der allgemeinen Vorschrift zur Wirksamkeit von Beschlüssen unverändert vorgehen. So soll ein Beschluss, durch den ein Rechtsgeschäft genehmigt wird, erst mit Rechtskraft wirksam werden, § 40 Abs 2 FamFG-E. Der Entscheidung des BVerfG278 folgend, sollen diese Entscheidungen den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes angepasst werden, da sie sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt werden können. Die als nicht effizient angesehene in der Praxis vorherrschende Lösung, vor Erlass der Entscheidung zunächst einen Vorbescheid zu erlassen und den Beteiligten Gelegenheit zu geben, diesen Vorbescheid anzufechten, soll damit aufgegeben werden.279 Durch einen allseitigen Rechtsmittelverzicht sollen die Beteiligten die umgehende Wirksamkeit der Entscheidung herbeizuführen können. Das Gericht hat mit der Entscheidung auszusprechen, dass die Genehmigung erst mit Rechtskraft wirksam wird, was der Rechtsklarheit gegenüber Dritten beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts dient. Die sofortige Beschwerde soll binnen einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen sein, wobei die kurze Rechtsmittelfrist dem regelmäßigen Interesse der Beteiligten an einer zügigen Abwicklung des Rechtsgeschäfts Rechnung tragen soll. § 41 FamFG-E280 soll die Möglichkeiten der Bekanntgabe einer Entscheidung regeln. 76 Grundsätzlich soll eine Bekanntgabe des Beschlusses nach den allgemeinen Vorschriften über die Bekanntgabe von Schriftstücken gemäß § 19 Abs 2 FamFG-E erfolgen. Allerdings hat eine förmliche Zustellung nach den Vorschriften der ZPO an denjenigen zu erfolgen hat, dessen erklärtem Willen der Beschluss nicht entspricht. Die Vorschrift soll das bisher gemäß § 16 Abs 2 bestehende Erfordernis einschränken, alle Beschlüsse, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, förmlich zuzustellen. Diese Beschränkung soll eine Überfrachtung mit formalen Anforderungen in den Fällen vermeiden helfen, in denen es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beschluss dem Anliegen eines Beteiligten zuwider läuft, andererseits soll das schützenswerte Interesse des Beteiligten gewahrt werden, dessen Anliegen mit der Entscheidung möglicherweise nicht entsprochen wird. Nicht mehr vorgesehen sein soll eine wirksame Bekanntgabe durch formlose Mitteilung entsprechend § 16 Abs 2 S 2, nachdem mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses künftig regelmäßig auch der Lauf einer Frist beginnt. § 41 Abs 2 S 1 und S 2 FamFG-E entsprechen inhaltlich weitgehend dem bisherigen § 16 Abs 3 S 1, für die wirksame Bekanntgabe soll künftig allerdings nur noch das Vorlesen der Entscheidungsformel erforderlich sein; das Verlesen der Gründe soll künftig keine Voraussetzung der wirksamen Bekanntgabe sein; allerdings soll auch in diesem Fall der vollständige Beschluss einschließlich der Gründe künftig stets schriftlich bekannt zu geben sein. Beschlüsse, die 277 278 279

RefE FGG-ReformG Begründung S 399. BVerfGE 101, 397, 407. Wobei zu bemerken ist, dass die Praxis nur die Vorgaben des BVerfG umsetzt.

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RefE FGG-ReformG Begründung S 400.

Renate Baronin von König

563

§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand haben, sollen nun auch demjenigen selbst bekannt zu geben sein, für den das Rechtsgeschäft genehmigt werden soll. Diese Regelung folgt der verfassungsrechtlich geforderten direkten Gewährung rechtlichen Gehörs bei der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

§ 16a Anerkennung ausländischer Entscheidungen Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist ausgeschlossen: 1. wenn die Gerichte des anderen Staates nach deutschem Recht nicht zuständig sind; 2. wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, daß er seine Rechte wahrnehmen konnte; 3. wenn die Entscheidung mit einer hier erlassenen oder anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung oder wenn das ihr zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist; 4. wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. § 16a wurde durch Art 5 Nr 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986 (BGBl I S 1142) eingefügt und trat am 1.9.1986 in Kraft. Literatur Andrae/Heidrich Aktuelle Fragen zum Anwendungsbereich des Verfahrens nach Art 7 § 1 FamRÄndG, FamRZ 2004, 1622; dies Zur Zukunft des förmlichen Anerkennungsverfahrens gemäß Art 7 FamRÄndG nach der Großen Justizreform, FPR 2006, 222; Beitzke Sorgerechtsregelung für Doppelstaatler, IPrax 1984, 313; Bungert Rechtskrafterstreckung eines österreichischen Einantwortungsbeschlusses, IPrax 1992, 225; Busch Adoptionswirkungsgesetz und Haager Adoptionsübereinkommen – von der Nachadoption zur Anerkennung und Wirkungsfeststellung, IPrax 2003, 13; ders Schutzmaßnahmen für Kinder und der Begriff der „elterlichen Verantwortung“ im internationalen und europäischen Recht – Anmerkungen zur Ausweitung der Brüssel II-Verordnung, IPrax 2003, 218; Dörner Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Umgangsregelungen, IPrax 1987, 155; ders Interlokales Erb- und Erbscheinsrecht nach dem Einigungsvertrag, IPrax 1991, 392; Finger Europäisches Verfahrensrecht – eine Übersicht, FuR 2006, 56; Firsching Aktuelle Fragen des Erbscheinsrechtes, DNotZ 1960, 640; Geimer Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl 2005; ders Anerkennung ausländischer Entscheidungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Festschrift für Murad Ferid (1988), S 89; Gottwald Das internationale Verfahrensrecht im Entwurf eines IPR-Gesetzes, IPrax 1984, 57; Gruber Ausländische Nachlassabwickler vor deutschen Gerichten, Rpfleger 2000, 250; ders Die neue EheVO und die deutschen Ausführungsgesetze, IPrax 2005, 293; Grunsky Zur Vollstreckung eines im Ausland erschlichenen rechtskräftigen Urteils, IPrax 1987, 219; Habscheid Randvermerke im Geburtenbuch auf Grund ausländischer gerichtlicher Entscheidungen, FamRZ 1981, 1142; Heiderhoff Das Erbrecht des adoptierten Kindes nach der Neuregelung des internationalen Adoptionsrechts, FamRZ 2002, 1682; Kaufhold Zur Anerkennung ausländischer öffentlicher Testamente und Erbnachweise im Grundbuchverfahren, ZEV 1997, 399; Kohler Internationales Verfahrensrecht für Ehesachen in der Europäischen Union: Die Verordnung „Brüssel“, NJW 2001, 10; Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl 2002; ders Internationales Privatrecht, 3. Aufl 1997; Mansel Abänderung ausländischer Sorgerechtsentscheidungen und perpetuatio fori im FGGVerfahren, IPrax 1987, 298; Maurer Das Gesetz zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts, FamRZ

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Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

2003, 1337; Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl 2002; Nitzinger Das Betreuungsrecht im internationalen Privatrecht, 1998; Pinckernelle/Spreen Das Internationale Nachlassverfahrensrecht, DNotZ 1967, 195; Pirrung Zu den Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen der Bundesrepublik Deutschland mit Israel und Norwegen, IPrax 1982, 130; Rausch Elterliche Verantwortung – Verfahren mit Auslandsbezug vor und nach „Brüssel II a“, FuR 2005, 53 und 112; Richardi Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung des autonomen Rechts, Diss Konstanz 1991; Roth Zwangsvollstreckung aus ausländischen Entscheidungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, IPrax 1988, 75; Schulz Die Zeichnung des Haager Kinderschutzübereinkommens von 1996 und der Kompromiss zur Brüssel IIa-Verordnung, FamRZ 2003, 1351; Solomon „Brüssel IIa“ – Die neuen europäischen Regeln zum internationalen Verfahrensrecht in Fragen der elterlichen Verantwortung, FamRZ 2004, 1409; Staudinger/Winkelsträter Grenzüberschreitende Adoptionen in Deutschland, FamRBint 2005, 84 und 2006, 10; Steiger Im alten Fahrwasser zu neuen Ufern: Neuregelungen im Recht der internationalen Adoption mit Erläuterungen für die notarielle Praxis, DNotZ 2002, 184; Wagner Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel II-Verordnung, IPrax 2001, 73; ders Das internationale Privat- und Verfahrensrecht zur eingetragenen Lebenspartnerschaft, IPrax 2001, 281; Wengler Fragen des deutschen Erbscheinrechts für Nachlässe, auf die englisches Intestaterbrecht anwendbar ist, JR 1955, 41; Wieser Die gewaltsame Rückführung eines Kindes zu seinen Eltern, FamRZ 1990, 693.

Übersicht Rdn I. Inhalt und Bedeutung der Vorschrift . II. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . III. Gegenstand der Anerkennung . . . . 1. Entscheidungen . . . . . . . . . . 2. Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . 3. Einzelne Entscheidungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . a) Ehesachen . . . . . . . . . . . b) Sorgerecht, Umgangsrecht, Kindesherausgabe . . . . . . . . c) Vormundschaft, Pflegschaft . . . d) Entmündigung . . . . . . . . . e) Betreuung . . . . . . . . . . . . f) Kindschaftssachen . . . . . . . g) Adoptionen . . . . . . . . . . . aa) Rechtsgeschäftliche Adoptionen . . . . . . . . . bb) Dekretadoptionen . . . . . h) Nachlasssachen . . . . . . . . . aa) Entscheidungen . . . . . . . bb) Zeugnisse . . . . . . . . . . i) Todeserklärungen . . . . . . . . IV. Ausschluss der Anerkennung . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Zuständigkeit des Erststaates (Nr 1) . . . . . . . . . 3. Gehörsverletzung (Nr 2) . . . . . . 4. Kollision unvereinbarer Entscheidungen (Nr 3) . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Kollision zwischen ausländischer und deutscher Entscheidung . . c) Kollision zwischen zwei ausländischen Entscheidungen . . . . .

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Rdn d) Frühere Rechtshängigkeit eines deutschen Verfahrens . . . . . . . 5. Verstoß gegen ordre public (Nr 4) . . V. Vollstreckung ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . VI. Abänderung ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . VII. Zwischen- und überstaatliche Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . 1. EU-Verordnungen . . . . . . . . . . a) EuGVVO . . . . . . . . . . . . . b) EuEheVO . . . . . . . . . . . . . 2. Multilaterale Staatsverträge . . . . . a) ESÜ . . . . . . . . . . . . . . . . b) HKÜ . . . . . . . . . . . . . . . c) MSA . . . . . . . . . . . . . . . d) KSÜ . . . . . . . . . . . . . . . . e) Haager Vormundschaftsabkommen . . . . . . . . . . . . f) AdÜbk . . . . . . . . . . . . . . g) EuGVÜ und Lugano-Abkommen . 3. Bilaterale Staatsverträge . . . . . . . a) Belgien . . . . . . . . . . . . . . b) Griechenland . . . . . . . . . . . c) Großbritannien und Nordirland . d) Israel . . . . . . . . . . . . . . . e) Italien . . . . . . . . . . . . . . . f) Niederlande . . . . . . . . . . . . g) Norwegen . . . . . . . . . . . . h) Österreich . . . . . . . . . . . . i) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . j) Spanien . . . . . . . . . . . . . . k) Tunesien . . . . . . . . . . . . . VIII. Vollstreckung deutscher Entscheidungen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . IX. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

I. Inhalt und Bedeutung der Vorschrift Nach den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts sind Staaten grundsätzlich nicht verpflichtet, in ihrem Hoheitsbereich ausländische Gerichtsakte anzuerkennen, sondern können durch ihr autonomes Recht bestimmen, ob und inwieweit ausländische Entscheidungen im Inland Wirkungen entfalten sollen. Bindungen ergeben sich allerdings vielfach aus völkerrechtlichen Abkommen und Verträgen. Eine Verpflichtung zur Anerkennung von Statusentscheidungen kann sich ferner aus der EMRK ergeben, sofern die Entscheidung in einem ordnungsgemäßen Verfahren ergangen ist, kein Verstoß gegen den ordre public des Anerkennungsstaates vorliegt und ein kompetenzrechtlicher Bezug zum Entscheidungsstaat besteht.1 Der deutsche Gesetzgeber hat sich für anerkennungsfreundliche Bestimmungen entschieden. Danach sind ausländische zivilrechtliche Entscheidungen anzuerkennen, wenn nicht eines der in einem Katalog aufgeführten Hindernisse vorliegt. Vor Inkrafttreten des § 16a waren die Voraussetzungen für die Anerkennung auslän2 discher Entscheidungen nur in § 328 ZPO geregelt. Diese Bestimmung war auf Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht unmittelbar anwendbar (§ 3 EGZPO).2 Sie wurde jedoch mit Ausnahme des § 328 Nr 5 ZPO, der die Verbürgung der Gegenseitigkeit verlangt, für entsprechend anwendbar gehalten.3 Mit § 16a ist eine eigenständige Regelung der Anerkennungsvoraussetzungen für den Bereich der FG geschaffen worden, die die Neufassung des § 328 Abs 1 Nr 1– 4 ZPO4 inhaltsgleich übernommen hat. Diese Neufassung lehnte sich wiederum an Art 27 EuGVÜ5 an. § 16a bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ausländische Entscheidungen, die der 3 FG zuzuordnen sind, in Deutschland anzuerkennen sind und damit hier Rechtswirkungen entfalten können. Die Vorschrift soll – ebenso wie § 328 ZPO für die streitige Zivilgerichtsbarkeit – zusätzliche inländische Verfahren über die Verbindlichkeit ausländischer Titel vermeiden. Soweit die in dem Katalog genannten Ausschlusskriterien nicht erfüllt sind, sind ausländische Entscheidungen im Inland zu respektieren (vgl dazu Rn 40). Eines besonderen Anerkennungsverfahrens bedarf es dazu nicht (anders als bei Entscheidungen in bestimmten Ehesachen, vgl Rn 13). Der Anwendungsbereich und die Bedeutung der §§ 16a FGG, 328 ZPO sinken mit der Zunahme internationaler – insbesondere europarechtlicher – Regelungen. § 16a wird verdrängt, soweit europäisches Gemeinschaftsrecht oder Staatsverträge eigene Regelungen über die Anerkennung (und Vollstreckung) von in anderen Staaten ergangenen Entscheidungen enthalten (vgl dazu im Einzelnen Rn 67 ff). Dabei sind die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts in jedem Fall verbindlich,6 während sich staatsvertragliche Regelungen gegenüber § 16a nur durchsetzen, wenn sie anerkennungsfreundlicher sind (sog Günstigkeitsprinzip)7 oder wenn der deutsche Gesetzgeber bei der Transformation des Vertrages in das innerstaatliche Recht zum Ausdruck gebracht hat, dass das Vertragsrecht uneingeschränkt gelten soll.8

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Zöller/Geimer § 328 Rn 2; Geimer Festschrift für Ferid S 89. Vgl Voraufl § 1 Rn 146. Vgl Voraufl § 1 Rn 147 ff; BTDrs 10/504 S 93. Art 4 Nr 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986, BGBl I S 1142. S Fn 316. Mit Art 27 EuGVÜ stimmt Art 27 des Lugano-Übereinkommens überein; vgl dazu Fn 317.

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Zöller/Geimer § 328 Rn 11, 13a; Musielak § 328 Rn 3. BGH NJW 1987, 3083, 3084; BayObLG NJW-RR 1990, 842, 843; Zöller/Geimer § 328 Rn 5, 7; Musielak § 328 Rn 3; Geimer Festschrift für Ferid S 113. Zöller/Geimer § 328 Rn 5; Geimer Festschrift für Ferid S 113.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

II. Anerkennung 1. Begriff Der Begriff der Anerkennung bringt zum Ausdruck, dass eine Entscheidung im Inland 4 grundsätzlich dieselben Wirkungen hat, die sie nach dem Recht des Staates entfaltet, in dem sie ergangen ist. Diese Wirkungserstreckung erfolgt nach der Konzeption des § 16a (und des § 328 ZPO) ohne ein besonderes Anerkennungsverfahren, wie es für Urteile in Ehesachen nach Art 7 § 1 FamRÄndG vorgesehen ist (vgl Rn 13 ff). Auch für ausländische Adoptionen ist – entgegen einer in der Literatur erhobenen Forderung9 – bewusst kein förmliches Anerkennungsverfahren geschaffen worden.10 Über die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung wird vielmehr als Vorfrage in dem Verfahren der freiwilligen (oder streitigen) Gerichtsbarkeit entschieden, in dem die Frage für die Entscheidung erheblich ist.11 Die incidenter zu treffende Entscheidung über die Anerkennung ist nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch, da sie nur feststellt, was ohnehin rechtens ist. Die inländischen Organe sind verpflichtet, den ausländischen Gerichtsspruch als wirksam zu behandeln, soweit sich nicht aus dem Negativkatalog des § 16a ein Grund ergibt, die Rechtswirkungen der Entscheidung – ganz oder teilweise – zu missachten. Dass eine ausländische Entscheidung im Inland anzuerkennen ist, ergibt sich zum Teil bereits aus – im Inland unmittelbar geltendem – europäischem Gemeinschaftsrecht. Für den Bereich der FG ist insbesondere die EuEheVO12 (bzw ihre Vorgängerin) von Bedeutung (vgl dazu Rn 69 ff). Im Anwendungsbereich dieser VO bedarf es keiner Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen des § 16a (vgl Rn 71). Bei Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses eines Beteiligten kann die Aner- 5 kennungsfähigkeit ausnahmsweise in einem besonderen Feststellungsverfahren der FG geklärt werden. Das erforderliche Feststellungsinteresse kann insbesondere bei einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung gegeben sein, wenn die Wirksamkeit dieser Entscheidung von einer inländischen Verwaltungsbehörde in Zweifel gezogen wird.13 Art 21 Abs 3 EuEheVO und § 32 IntFamRVG sehen sogar ausdrücklich die Möglichkeit einer gesonderten Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Sorgeoder Umgangsrechtsentscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw aus einem anderen Vertragsstaat des ESÜ14 auf Antrag einer an einer solchen Feststellung interessierten Person vor.15 Im Anwendungsbereich dieser Abkommen kann daher eine isolierte Feststellung der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen erreicht werden, ohne dass ein besonderes Feststellungsinteresse dargelegt werden muss (vgl Rn 71). Auf Antrag kann in förmlichen Verfahren auch über die Anerkennung einer im Ausland ausgesprochenen Adoption und über die Umwandlung einer nach dem Recht des Entscheidungsstaates mit schwachen Wirkungen ausgestatteten Adoption in eine sog Volladoption entschieden werden (§§ 1, 2, 3 AdWirkG); vgl dazu Rn 32 f. Die Anerken-

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Schurig StAZ 1973, 144. BTDrs 10/504 S 93. BTDrs 10/504 S 93; BGH FamRZ 1977, 126, 127; 1989, 378; Keidel/Zimmermann Rn 9; Bassenge/Herbst/Roth Rn 1; Zöller/Geimer § 328 Rn 18; Geimer Festschrift für Ferid S 109. S Fn 270. BayObLGZ 1959, 28; 1976, 178; OLG Hamm FamRZ 1975, 426; OLG Bremen

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FamRZ 1997, 107; Geimer Festschrift für Ferid S 110; vgl für zivilprozessuale Verfahren auch Zöller/Geimer § 328 Rn 189; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 11. Europäisches Sorgerechtsübereinkommen, s Fn 293. Für die Zeit vor Inkrafttreten dieser Vorschriften (1.3.2005) vgl Art 14 Abs 3 der VO (EG) Nr 1347/2000 (Brüssel II-VO) und § 7 Abs 2 und 3 SorgeRÜbkAG.

Hartmut Wick

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

nungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung steht im Übrigen einer inländischen Sachentscheidung über den gleichen Verfahrensgegenstand nicht entgegen. Das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen hat lediglich zur Folge, dass die deutsche Sachentscheidung inhaltlich mit der ausländischen übereinstimmen muss, soweit nicht unter den Voraussetzungen des anzuwendenden Sachrechts eine Abänderung angezeigt ist.16 2. Wirkungen

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Die Anerkennung erstreckt sich grds nur auf verfahrensrechtliche Entscheidungswirkungen, die dem Ausspruch des Gerichts nach dem Recht des Entscheidungsstaats zukommen.17 Ob eine Entscheidungswirkung als verfahrensrechtlich oder als materiellrechtlich einzuordnen ist, bestimmt sich nach deutschem Recht.18 § 16a erfasst zB die nach dem Recht des Entscheidungsstaats eingetretene Rechtskraft und/oder Wirksamkeit einer Entscheidung19 sowie eine im Recht des Entscheidungsstaats normierte Interventions- oder Streitverkündungswirkung.20 Im Inland anzuerkennen ist auch die Gestaltungswirkung, die eine ausländische Entscheidung auslösen will.21 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung auch nach dem Recht des Staates anerkannt wird, dessen Recht nach deutschem IPR für das gestaltende Rechtsverhältnis maßgebend ist. Ob die Tatbestandswirkungen einer ausländischen Entscheidung im Inland zu beachten sind, ist keine Frage der Anerkennung, sondern richtet sich nach dem materiellen Recht, das nach deutschem IPR maßgebend ist.22 Obwohl den verfahrensrechtlichen Entscheidungswirkungen zuzuordnen, wird die 7 Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung von den Anerkennungswirkungen des § 16a nicht erfasst. Eine Vollstreckung kommt vielmehr grds erst aufgrund einer besonderen Vollstreckbarerklärung in Betracht.23 Ferner hat das Gericht eine Vollziehungsverfügung nach § 33 FGG oder § 44 IntFamRVG zu erlassen. Eine Vollstreckbarerklärung ist nur dann entbehrlich, wenn überstaatliches Recht dies ausdrücklich bestimmt, wie zB die Art 41, 42 EuEheVO für Entscheidungen über das Umgangsrecht oder über die Rückgabe eines in einen anderen Staat verbrachten Kindes. Richtet sich die Vollstreckung gemäß dem insoweit maßgebenden deutschen Recht nach den Vorschriften der ZPO, ist die Vollstreckung aus dem ausländischen Titel nur aufgrund eines Urteils nach den §§ 722, 723 ZPO zulässig. Keine Bindungswirkung entfalten im Inland ausländische Entscheidungen (nur) über prozessuale Fragen oder das Verfahren betreffende Zwischenentscheidungen (zB Aussetzungs- oder Beweisbeschlüsse), auch wenn sie in Rechtskraft erwachsen.24 Das Gleiche gilt für tatsächliche Feststellungen, die ein ausländisches Gericht einer Entscheidung zugrunde gelegt hat.25 16 17

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BGH NJW 1964, 1626; 1975, 1072; NJWRR 1986, 1130. Keidel/Zimmermann Rn 3; Zöller/Geimer § 328 Rn 24; Geimer Festschrift für Ferid S 90; Musielak § 328 Rn 33. Zöller/Geimer § 328 Rn 25; Martiny, Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd I Rn 373; Geimer Festschrift für Ferid S 117 Fn 21. Keidel/Zimmermann Rn 4a; Geimer Festschrift für Ferid S 91. Zöller/Geimer § 328 Rn 26; Musielak § 328 Rn 39; Geimer Festschrift für Ferid S 91. Keidel/Zimmermann Rn 3; Zöller/Geimer

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§ 328 Rn 26; Musielak § 328 Rn 38; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 147; Geimer Festschrift für Ferid S 91. Zöller/Geimer § 328 Rn 28, 65; Musielak § 328 Rn 39; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 154 ff. Keidel/Zimmermann Rn 12; Musielak § 328 Rn 39; Geimer Festschrift für Ferid S 90; vgl auch Art 38 EuGVVO und Art 28 EuEheVO. Zöller/Geimer § 328 Rn 28, 33; Musielak § 328 Rn 5; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 38; Geimer Festschrift für Ferid S 91. BayObLG FamRZ 1991, 1237, 1239; Keidel/ Zimmermann Rn 4c.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

Eine anzuerkennende ausländische Entscheidung kann im Inland nur die Wirkungen 8 entfalten, die ihr nach dem Recht des Entscheidungsstaates zukommen.26 Bleiben zB die Wirkungen einer im Ausland erfolgten Adoption hinter den Wirkungen einer inländischen Adoption zurück, so ist dies in Deutschland zu berücksichtigen (vgl allerdings zur Möglichkeit der Umwandlung in eine „Volladoption“ Rn 33). Versteht das ausländische Recht unter „elterlicher Sorge“ nur die Personensorge, so erstrecken sich die Wirkungen einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung auch im Inland nicht auf die Vermögenssorge. Die Entscheidung eines türkischen Gerichts über die Änderung des Geburtsdatums in einem türkischen Geburtenbuch entfaltet in Deutschland keine Wirkungen, wenn nicht (gemäß Art 2, 3 des Übereinkommens betreffend die Entscheidungen über die Berichtigung von Eintragungen in Personenstandsbüchern27) angeordnet worden ist, dass der festgestellte Fehler auch in Personenstandsbüchern anderer Vertragsstaaten zu berichtigen ist.28 Ein ausländischer Richterspruch kann im Inland grds auch weiter gehende Rechtswirkungen entfalten als eine entsprechende inländische Entscheidung. Im Interesse internationaler Rechtsharmonie sind auch Entscheidungswirkungen anzuerkennen, die das deutsche Recht nicht (oder nicht mehr) kennt.29 Erforderlich ist aber, dass die nach dem Recht des Entscheidungsstaats eintretenden Wirkungen ihrer Art nach dem deutschen Recht nicht gänzlich fremd sind.30 Sind dem deutschen Recht nur einzelne ausländische Entscheidungswirkungen unbekannt, muss der ausländischen Entscheidung die Anerkennung der Entscheidung nicht insgesamt versagt werden. Vielmehr kann die Anerkennung in diesem Fall auf die Entscheidungswirkungen beschränkt werden, die ihrer Art nach auch dem deutschen Recht bekannt sind.31 Erstreckt sich zB die Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung nach dem Recht des Erststaates auch auf alle entscheidungserheblichen Tatsachen, so kann diese dem deutschen Recht gänzlich fremde Rechtsfolge im Inland keine Beachtung finden.32 Die Entscheidung ist jedoch im Umfang der Rechtswirkungen anzuerkennen, die die eingetretene Rechtskraft nach deutschem Recht auslöst. Mit der deutschen Rechtsordnung vereinbar ist es auch, wenn das Recht des Erststaates die Rechtskraft auf präjudizielle Rechtsverhältnisse erstreckt.33

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Keidel/Zimmermann Rn 3; Zöller/Geimer § 328 Rn 18, 23; Musielak § 328 Rn 34; Geimer Festschrift für Ferid S 90. BGBl 1969 II S 446. OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1480 m Anm Hepting. MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 5, 136; Musielak § 328 Rn 34; aA Keidel/Zimmermann Rn 3 (die dort angesprochene Entmündigung Volljähriger mit der Folge der Geschäftsunfähigkeit gibt es zwar im deutschen Recht seit 1992 nicht mehr; das rechtfertigt es jedoch nicht, einer ausländischen Entscheidung mit Rechtswirkungen, die dem früher auch in Deutschland geltenden Recht entsprechen, eine Anerkennung zu versagen, zumal das deutsche Recht mit der Betreuung,

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die mit einem Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB verbunden wird, ein der Entmündigung zumindest ähnliches Rechtsinstitut kennt; vgl auch Rn 26); Zöller/Geimer § 328 Rn 19 f, allerdings mit der Einschränkung, dass die Gestaltungswirkung anerkannt werden soll; Stein/Jonas/Roth § 328 Rn 8. MünchKomm/Gottwald aaO; Musielak aaO. Zöller/Geimer § 328 Rn 20; Musielak § 328 Rn 34; Kropholler Internationales Privatrecht § 60 II 2. MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 141; Musielak § 328 Rn 35; Stein/Jonas/Roth § 328 Rn 8. MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 142; Musielak § 328 Rn 35.

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III. Gegenstand der Anerkennung 1. Entscheidungen Anerkennungsfähig sind nur Sachentscheidungen. Dazu gehören nicht Entscheidungen, die lediglich verfahrensrechtliche Fragen betreffen, sowie tatsächliche Maßnahmen ohne Entscheidungscharakter wie zB eine Ladung, die Entgegennahme eines Vermögensverzeichnisses oder der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, die Eintragung in ein Register.34 Auch Entscheidungen über Beurkundungen im Personenstandsregister sind keine Sachentscheidungen.35 Für die Anerkennung ist nicht erforderlich, dass die ausländische Entscheidung unanfechtbar und unabänderlich ist. Es genügt vielmehr, dass sie nach dem Recht des Entscheidungsstaates wirksam ist.36 Daher können auch einstweilige Anordnungen oder ähnliche Eilentscheidungen, die den Verfahrensgegenstand nur vorläufig regeln, anerkannt werden.37 Liegen aber Anhaltspunkte dafür vor, dass eine ausländische Entscheidung (noch) nicht wirksam ist, kommt die Anerkennung (noch) nicht in Betracht.38 Anerkennungsfähig sind auch ausländische Entscheidungen, die eine deutsche Entscheidung abändern,39 sowie Kostenentscheidungen, mit denen eine Kostenerstattungspflicht wirksam festgestellt wird.40 In erster Linie werden Entscheidungen von Gerichten erfasst. Unter § 16a fallen aber 10 auch Akte anderer mit staatlicher Autorität ausgestatteter Behörden, soweit diese in ihrer Stellung deutschen Gerichten entsprechen.41 Das trifft auf notarielle oder behördliche Beurkundungen rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht zu, auch wenn die Urkunde einen Vollstreckungstitel darstellt.42 Auch gerichtliche Vergleiche sind keine Entscheidungen iSv § 16a.43 Die Wirksamkeit von im Ausland abgeschlossenen Rechtsgeschäften ist vielmehr allein nach Art 11 EGBGB zu beurteilen, sofern die Anerkennungsfähigkeit nicht in internationalen Abkommen geregelt ist. Zur Anerkennung von Urkunden und Vereinbarungen nach der EuEheVO vgl Rn 71. Entscheidungen von Kirchengerichten oder anderen

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Musielak § 328 Rn 5; Geimer Festschrift für Ferid S 96. OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1480; Zöller/ Geimer § 328 Rn 75; Geimer Festschrift für Ferid S 96. Keidel/Zimmermann Rn 4a; Zöller/Geimer § 328 Rn 69; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 12; Stein/Jonas/Roth § 328 Rn 73; Geimer Festschrift für Ferid S 96; aA Musielak § 328 Rn 5: Formelle Rechtskraft erforderlich. Nicht anerkennungsfähig sind Entscheidungen, die schon nach dem Recht des Erststaates keine Geltung (mehr) beanspruchen, vgl OLG Koblenz FamRZ 2005, 1692, 1693. BGH FamRZ 1983, 1008, 1010; OLG Karlsruhe FamRZ 1984, 819; OLG Frankfurt NJW 1992, 3108; Keidel/Zimmermann Rn 4b; Bassenge/Herbst/Roth Rn 1; Roth IPrax 1988, 75, 81; Geimer Festschrift für Ferid S 96. OLG Koblenz FamRZ 2005, 1692, 1693. OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 33, 34; AG Landstuhl IPrax 1984, 102; Zöller/Geimer

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§ 328 Rn 74; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 8; Geimer Festschrift für Ferid S 97. Keidel/Zimmermann Rn 4b; Zöller/Geimer § 328 Rn 73. Etwas anderes gilt für Kostenanforderungen des ausländischen Gerichts; diese sind als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren (Zöller/Geimer aaO). BTDrs 10/504 S 93; BayObLGZ 1999, 352; LG Frankfurt/M IPrax 1995, 44; Keidel/ Zimmermann Rn 2; Bassenge/Herbst/Roth Rn 2; Zöller/Geimer § 328 Rn 67a (behördliche Unterhaltsentscheidungen); Geimer Festschrift für Ferid S 97. BayObLG FamRZ 2003, 381, 382; OLG Koblenz FamRZ 2005, 1692, 1693 m Anm Gottwald; Zöller/Geimer § 328 Rn 76b, 76c; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 54; Musielak § 328 Rn 5; Geimer Festschrift für Ferid S 96 und S 122 Fn 72; aA Keidel/Zimmermann Rn 2. Zöller/Geimer § 328 Rn 76c; Musielak § 328 Rn 5; Geimer Festschrift für Ferid S 97; aA Keidel/Zimmermann Rn 2.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

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religiösen Stellen fallen ebenfalls nicht unter § 16a, es sei denn, dass sie mit staatlicher Autorität versehen sind.44 Die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs richtet sich, auch wenn er der FG zuzuordnen ist, gemäß § 1061 ZPO nach dem UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche.45 Entscheidungen von Gerichten der DDR werden von § 16a nicht erfasst; sie sind nach 11 Maßgabe von Art 18 Einigungsvertrag und Art 234 EGBGB auch nach der Wiedervereinigung ohne förmliches Anerkennungsverfahren grds zu beachten. Dies schließt jedoch eine Überprüfung in entsprechender Anwendung des § 16a nicht aus.46 Insbesondere Verstöße gegen den ordre public der Bundesrepublik können zur Versagung der Anerkennung führen.47 2. Freiwillige Gerichtsbarkeit § 16a erfasst – ebenso wie § 328 ZPO – nur die Anerkennung von Entscheidungen, 12 die im Ausland hinsichtlich eines zivilrechtlichen Verfahrensgegenstandes getroffen worden sind, nicht von Entscheidungen über öffentlich-rechtliche Verfahrensgegenstände, mögen sie auch fürsorgenden Charakter haben. Die Zuordnung zum Zivilrecht bestimmt sich dabei nach deutschem Recht.48 § 16a betrifft ferner nur Entscheidungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Anerkennung von Entscheidungen im Bereich der streitigen Gerichtsbarkeit regelt § 328 ZPO. Dessen Voraussetzungen stimmen zwar weitgehend mit § 16a überein, er enthält jedoch zusätzlich das Erfordernis, dass die Gegenseitigkeit verbürgt ist (§ 328 Abs 1 Nr 5 und Abs 2 ZPO), dh dass die Anerkennung einer entsprechenden deutschen Entscheidung im Urteilsstaat keinen wesentlich größeren Schwierigkeiten begegnet als die Anerkennung der ausländischen Entscheidung in Deutschland.49 Im Einzelfall kann daher die Abgrenzung zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit von wesentlicher Bedeutung sein. Die Zuordnung richtet sich insoweit nach der deutschen Rechtsordnung. Maßgebend ist daher nicht, ob das ausländische Gericht, das die anzuerkennende Entscheidung gefällt hat, in einem streitigen oder nicht streitigen Verfahren entschieden hat, sondern in welcher Verfahrensart eine entsprechende deutsche Entscheidung ergangen wäre. Daher fallen auch Streitsachen unter § 16a, wenn sie nach deutschem Recht der FG zugewiesen sind.50 Um der FG zuzuordnende Entscheidungen handelt es sich daher bei der Regelung des Sorge- oder Umgangsrechts, der Anordnung der Herausgabe eines Kindes,51 dem Ausspruch oder der Aufhebung einer Adoption,52 der Vaterschaftsfeststellung in den von § 1600e Abs 2 BGB 44

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Keidel/Zimmermann Rn 2; Zöller/Geimer § 328 Rn 78; Geimer Festschrift für Ferid S 97. Vgl Zöller/Geimer § 328 Rn 78, § 1061 Rn 4. Das Übereinkommen ist zB abgedruckt bei Zöller/Geimer Anhang zu § 1061. Vgl BGH FamRZ 1997, 490; OLG Brandenburg FamRZ 1995, 503; 1998, 1134; OLG Naumburg FamRZ 2001, 1013, 1014 für Statusentscheidungen. BVerfGE 36, 30; BGH NJW 1997, 2051; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 1. Zöller/Geimer § 328 Rn 77; Geimer Festschrift für Ferid S 97. BGHZ 42, 194, 196; BGH NJW 2001, 524; Zöller/Geimer § 328 Rn 177; Baumbach/ Hartmann § 328 Rn 46.

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BGH NJW 1975, 1072; BayObLGZ 1973, 345, 350; OLG Karlsruhe NJW 2004, 516; Keidel/Zimmermann Rn 2a; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 3; Zöller/Geimer § 328 Rn 90; Geimer IZPR Rn 2874, 2883. Abw für ausländische Entscheidungen fürsorgender Gerichtsbarkeit, die nach deutschen Rechtsvorstellungen im Zivilprozess zu entscheiden wären, Geimer Festschrift für Ferid S 96 (die dort als Beispiel genannte Entmündigung ist allerdings inzwischen abgeschafft und durch die der FG zugeordnete Betreuung ersetzt worden). OLG Bamberg FamRZ 1987, 185. BGH FamRZ 1989, 378; BayObLGZ 2000, 180; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 699; OLG Karlsruhe NJW 2004, 516.

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erfassten Fällen, der Todeserklärung, der Anordnung oder Aufhebung einer Vormundschaft, Pflegschaft oder Betreuung oder eines vergleichbaren ausländischen Rechtsinstituts, wozu auch eine Entmündigung zu zählen ist, nachdem diese in Deutschland abgeschafft und sachlich durch die Betreuung (mit Einwilligungsvorbehalt) ersetzt worden ist.53 Auch auf sonstige ausländische Entscheidungen, für die es im deutschen Recht keine Parallele gibt, die aber sachlich der FG zuzuordnen sind, ist § 16a anzuwenden.54 Nach § 328 ZPO richten sich dagegen – auch wenn im Ausland nicht im Zivilprozess, sondern nach Grundsätzen der FG entschieden worden ist – zB die Voraussetzungen für die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen.55 Ist in einer ausländischen Entscheidung – einem deutschen Scheidungsverbundurteil vergleichbar – sowohl über dem Zivilprozess als auch über der FG zuzuordnende Verfahrensgegenstände entschieden worden, so sind die Anerkennungsvoraussetzungen für jeden Gegenstand gesondert nach der für ihn maßgebenden Vorschrift zu prüfen. Die Anerkennung von Entscheidungen in Folgesachen hängt dann allerdings davon ab, dass zunächst der Scheidungsausspruch (im Verfahren nach Art 7 § 1 FamRÄndG) anerkannt worden ist.56 Zur Anerkennung von Ehescheidungen und Entscheidungen in Folgesachen nach der EuEheVO vgl aber Rn 69 ff. 3. Einzelne Entscheidungsgegenstände a) Ehesachen

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Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen richtet sich, obwohl Ehesachen nach deutschem Recht der streitigen Zivilgerichtsbarkeit zugeordnet werden, nicht nach § 328 ZPO. Allerdings ist auch § 16a FGG nicht einschlägig. Nach Art 7 § 1 FamRÄndG57 ist über die Anerkennung solcher Entscheidungen vielmehr in einem besonderen Justizverwaltungsverfahren durch Verwaltungsakt zu entscheiden.57a Gegen ablehnende Verwaltungsakte ist ein Antrag auf (zivil-)gerichtliche Entscheidung statthaft, über den in einem Verfahren der FG zu befinden ist. Art 7 § 1 FamRÄndG kommt indes nur zur Anwendung, wenn nicht europäisches Gemeinschaftsrecht oder ein Staatsvertrag als lex specialis eingreift. Die Anerkennung von einschlägigen Entscheidungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU ergangen sind, richtet sich ausschließlich nach der EuEheVO (vgl dazu Rn 69 ff). Dies gilt auch bei einer in den Niederlanden durch sog Umsetzung in eine registrierte Partnerschaft erfolgten Eheauflösung und späteren Auflösung dieser Partnerschaft.58 Bei Entscheidungen aus anderen Staaten sind vorrangig zwischenstaatliche Abkommen zu prüfen (vgl dazu Rn 89 ff).59 Ist eine Entscheidung nach einem Staatsvertrag anerkennungsfähig, bleiben Art 7 § 1 FamRÄndG und etwaige Anerkennungshindernisse nach autonomem deutschem Recht außer Betracht.60 Fehlt eine staatsvertragliche Regelung, kann die ausländische Entscheidung nur nach erfolgreicher

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Im Ergebnis ebenso Geimer Festschrift für Ferid S 96. Vgl Fn 29. Geimer Festschrift für Ferid S 96. KG FamRZ 2004, 275, 277; Keidel/Zimmermann Rn 2a; Zöller/Geimer § 328 Rn 90; Musielak § 328 Rn 43. Zum Anerkennungsverfahren – soweit die Entscheidung nicht schon nach der EuEheVO anzuerkennen ist – vgl Rn 13 ff. BGH FamRZ 1975, 273; Dörner IPrax 1987, 155, 156; Roth IPrax 1988, 75, 78.

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Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11.8.1961 (BGBl I S 1221). Kritisch zu diesem Verfahren Andrae/ Heidrich FPR 2006, 222. OLG Celle OLGR 2006, 13 = NdsRpfl 2005, 318. BGH NJW 1990, 3090. BayObLG NJW-RR 1990, 842.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

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förmlicher Anerkennung in dem nach Art 7 § 1 FamRÄndG vorgeschriebenen Verfahren in Deutschland Wirkungen entfalten,61 dann allerdings rückwirkend ab der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung.62 Art 7 § 1 FamRÄndG bezieht sich nur auf statusändernde oder feststellende Entscheidungen, nicht auf Entscheidungen, die eine Klage abweisen63 oder zur Herstellung des ehelichen Lebens verurteilen oder vermögensrechtliche Beziehungen zwischen Ehegatten regeln, auch nicht für Nebenentscheidungen der Entscheidung in der Ehesache;64 für deren Anerkennung gelten die allgemeinen Vorschriften. Das Verwaltungsverfahren findet auch keine Anwendung auf Entscheidungen eines Staates, dem beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung angehört haben (Art 7 § 1 Abs 1 S 3 FamRÄndG). Solche Entscheidungen bedürfen daher keiner formellen Anerkennung. Sie sind vielmehr am Maßstab des § 328 ZPO zu messen, wobei ein Verstoß gegen den ordre public angesichts des geringen Inlandsbezuges nur selten vorliegen wird. Art 7 § 1 Abs 1 S 3 FamRÄndG schließt fakultative Feststellungsverfahren, insbesondere bei einem Streit über das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift (zB die Staatsangehörigkeit eines Beteiligten), nicht aus.65 Auf Entscheidungen in Lebenspartnerschaftssachen ist Art 7 § 1 FamRÄndG gemäß § 661 Abs 2 ZPO entsprechend anwendbar.65a Zum Reformvorhaben s Rn 102. Eine Entscheidung im Ausland ist Voraussetzung für die Notwendigkeit des Justizver- 14 waltungsverfahrens. Darunter sind nicht nur Entscheidungen staatlicher Gerichte (Urteile iSv § 328 ZPO) zu verstehen, sondern auch Entscheidungen geistlicher Gerichte oder Verwaltungsbehörden, sofern es sich dabei um Hoheitsakte ausländischer Staatsgewalt handelt.66 Eine Privatscheidung durch vertragliches oder einseitiges Rechtsgeschäft (Verstoßung,67 Scheidebrief 68) rechtfertigt das Justizverwaltungsverfahren, wenn der Akt durch eine ausländische Behörde mindestens registriert wird.69 Dem Anerkennungsverfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG unterliegen auch Privatscheidungen nach ausländischem Recht, die unter Mitwirkung einer ausländischen Behörde im Inland vorgenommen worden sind.70 Eine im Inland vorgenommene Privatscheidung einer Ausländerehe kann demgegenüber nicht anerkannt werden, auch wenn sie nach dem als Scheidungsstatut berufenen ausländischen Recht wirksam ist. Somit entfällt das Anerkennungsverfahren mit der Folge, dass über die Anerkennung in dem Verfahren entschieden wird, in welchem es darauf ankommt. Eine im Ausland vollzogene Privatscheidung ist nicht anerkennungsfähig, wenn für die Scheidung der Ehe (auch) deutsches Recht maßgebend ist.71 Die Entscheidung muss formell rechtskräftig, dh nach Maßgabe des ausländischen Rechts mit einem befristeten Rechtsbehelf nicht mehr anfechtbar sein. Bei einer anerkennungsfähigen Privatscheidung steht es der formellen Rechtskraft gleich, wenn die rechtsgestaltende Wirkung des Rechtsgeschäfts unwiderruflich eingetreten ist. Erfordert das ausländische Scheidungs-

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BGH NJW 1983, 515; OLG Hamm FamRZ 1994, 582. OLG Hamm NJW-RR 1992, 710. OLG Frankfurt NJW 1989, 671; Zöller/ Geimer § 328 Rn 246. Zöller/Geimer § 328 Rn 230, 247. Vgl BGH NJW 1990, 3081; BayObLG NJW-RR 1990, 842. MünchKomm/Coester Art 17b EGBGB Rn 125; Andrae/Heidrich FamRZ 2004, 1622, 1624; aA Zöller/Geimer § 328 Rn 234; Wagner IPrax 2001, 281, 288. Zöller/Geimer § 328 Rn 235; Baumbach/

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Hartmann § 328 Rn 52; unzutreffend insoweit OLG Koblenz FamRZ 2005, 1692, 1693 m abl Anm Gottwald. OLG Hamm NJW-RR 1992, 710. BayObLG NJW-RR 1986, 5. BGHZ 82, 43; BayObLG FamRZ 2003, 381, 382; OLG Düsseldorf FamRZ 2003, 381; OLG Frankfurt StAZ 2003, 137; Zöller/Geimer § 328 Rn 239; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 54. BGH IPrax 1983, 22. BGH NJW 1990, 2194; KG FamRZ 2002, 840.

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statut zur konstitutiven Auflösung der Ehe außer einem Urteil dessen standesamtliche Registrierung, so muss dieser Vorschrift genügt sein. Bleiben Zweifel an dem Fortbestand der ausländischen Registrierung, etwa weil sie auf Grund gefälschter Unterlagen zustande gekommen ist, ist zwar das Anerkennungsverfahren nach Art 7 § 1 FamRÄndG zulässig, der Antrag jedoch unbegründet.72 Entscheidungen von Gerichten der DDR fallen nicht unter Art 7 § 1 FamRÄndG (s Rn 11). Die Entscheidung über die Anerkennung ist ausschließlich der Landesjustizverwaltung 15 zugewiesen. Einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung stünde die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. Bei dem Verfahren nach Art 7 § 1 FamRÄndG handelt sich zwar um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG, aber die Entscheidung hierüber ist einer (Justiz-) Verwaltungsbehörde übertragen mit der Maßgabe, dass erst gegen deren Entscheidung das ordentliche Gericht angerufen werden kann.72a Den Gerichten aller Gerichtsbarkeiten ist die Beurteilung der Anerkennung auch als Vorfrage untersagt. Andererseits darf sich ein Gericht, für dessen Entscheidung es auf den Bestand der Ehe ankommt, auch nicht etwa auf den Standpunkt stellen, dass das ausländische Urteil unbeachtlich sei, sondern hat das bei ihm anhängige Verfahren, in dem es auf die Anerkennung oder Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung in einer Ehesache ankommt, nach § 148 ZPO auszusetzen.73 Wird einem ausländischen Ehenichtigkeits- oder Aufhebungsurteil durch Bescheid der Verwaltungsbehörde die Anerkennung versagt, so kann das Prozessgericht auf Antrag nach § 152 ZPO zur Erwirkung eines inländischen Urteils die Aussetzung anordnen. In einem Scheidungsverfahren stellt die Möglichkeit, dass die Anerkennung eines bereits vorliegenden ausländischen Scheidungsurteils herbeigeführt werden kann, ein Verfahrenshindernis dar, das der Antragsgegner darlegen muss, damit über den Scheidungsantrag der Antragstellerseite nicht mehr zu entscheiden ist.74 Die Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags bei einem ausländischen Gericht steht einem entsprechenden Antrag in Deutschland dann entgegen, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts in Deutschland aller Voraussicht nach anerkannt werden wird, wobei die Frage der Rechtshängigkeit bei dem ausländischen Gericht nach dem für dieses Gericht geltenden Verfahrensrecht zu beurteilen ist.75 Wird bei Nichtvorliegen offenbarer Anerkennungsunfähigkeit trotz Aussetzung von Amts wegen kein Anerkennungsverfahren durch die Parteien eingeleitet, ist die Ehe (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) vor den deutschen Gerichten zu scheiden.76 Ein vor einem deutschen Gericht gestellter Scheidungsantrag wird unzulässig, wenn die türkischen Eheleute von einem türkischen Gericht rechtskräftig geschieden werden. Das gilt in der Regel auch dann, wenn das Scheidungsverfahren vor dem türkischen Gericht erst nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages bei einem deutschen Gericht eingeleitet wurde.77 Örtlich zuständig ist die Justizverwaltung des Landes, in dem ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bei Fehlen eines inländischen Aufenthalts die Justiz72 72a

OLG Bremen OLGR 1997, 260. Da die Entscheidung über die Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Titels im Kern der rechtsprechenden Gewalt zuzuordnen ist, werden gegen das Verwaltungsverfahren im Hinblick auf Art 92 GG zu Recht verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, die auch nicht mit dem Hinweis auf die Anfechtbarkeit des Verwaltungsakts ausgeräumt werden können; so Zöller/Geimer § 328 Rn 271; Geimer Internationales

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Zivilprozessrecht Rn 264; Andrae/Heidrich FPR 2006, 222, 225; aA allerdings BGHZ 82, 34, 39; OLG Düsseldorf FamRZ 1974, 528, 529; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 165. OLG Frankfurt OLGR 1993, 305; OLG Koblenz FamRZ 2005, 1692, 1694. OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1021. OLG Bamberg OLGR 2000, 106. OLG Köln FamRZ 1998, 1303. OLG Bamberg FamRZ 1996, 95.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

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verwaltung des Landes, in dem eine neue Ehe geschlossen werden soll, ganz hilfsweise die Justizverwaltung des Landes Berlin (Art 7 § 1 Abs 2 FamRÄndG). Die Landesjustizverwaltung kann ihre Kompetenz gemäß Art 7 § 1 Abs 2a FamRÄndG durch Rechtsverordnung auf den Präsidenten des OLG übertragen, wovon weitgehend Gebrauch gemacht worden ist. Die Entscheidung der Justizverwaltung ergeht nur auf Antrag; antragsberechtigt ist, 16 wer ein rechtliches Interesse an der Anerkennung oder auch Nichtanerkennung (vgl Art 7 § 1 Abs 7 FamRÄndG) hat (Art 7 § 1 Abs 3 FamRÄndG). Der Antrag bedarf keiner besonderen Form und ist nicht an eine Frist gebunden.78 Es besteht auch kein Anwaltszwang. Der Antrag muss nur die Entscheidung bezeichnen, um die es geht, und zum Ausdruck bringen, ob die Anerkennung oder Nichtanerkennung erstrebt wird. Außerdem ist das rechtliche Interesse an der Anerkennung oder Nichtanerkennung glaubhaft zu machen (Art 7 § 1 Abs 3 S 2 FamRÄndG).79 Das Verfahren der Justizverwaltung richtet sich, soweit es nicht in Art. 7 FamRÄndG 17 geregelt ist, nach dem VerwVerfG bzw den landesrechtlichen Vorschriften für das Verwaltungsverfahren. Das Verfahren wird zweckmäßig und ohne Bindung an Formen durchgeführt. Dem Antragsteller kann die Beibringung von Urkunden aufgegeben werden. Kommt er der Auflage nicht nach, obwohl es ihm ohne weiteres möglich und zumutbar ist, kann dies im Einzelfall zur Zurückweisung des Antrags auf Anerkennung führen.80 Im Übrigen ist der Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Zeugniszwang kann die Behörde allerdings nicht ausüben, auch darf sie Zeugen nicht eidlich vernehmen, und ebenso fehlt ihr die Zuständigkeit zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen.81 Anhörung vorhandener Antragsgegner durch Gewährung von Gelegenheit zur Äußerung ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs geboten. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist auch von den Verwaltungsbehörden zu beachten, wenn feststellende Verwaltungsakte in einem geregelten Verfahren nach Aufklärung des Sachverhalts ergehen. Als Antragsgegner hinzuzuziehen ist jeder, dessen rechtliches Interesse an der Entscheidung dem des Antragstellers zuwiderläuft, also der andere Ehegatte und jeder, der für die Stellung eines Antrags mit entgegen gesetztem Ziel antragsberechtigt wäre. Anspruch auf rechtliches Gehör haben insbesondere der neue Ehegatte, der im Falle der Nichtanerkennung Gefahr läuft, als in Doppelehe lebend zu gelten, sowie im Feststellungsstreit um das Bestehen der Ehe die aus der Verbindung hervorgegangenen Abkömmlinge, deren Status als Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern in Frage steht.82 Nach dem Tode eines Ehegatten sind die Erben, deren Erbrecht im Falle der Nichtanerkennung eines Scheidungsurteils geschmälert würde, zu hören. Die Verwaltungsbehörde hat ihre Entscheidung auf der Grundlage des § 328 ZPO 18 unter Berücksichtigung der Zuständigkeitsregelungen des § 606a ZPO zu treffen. Es kommt daher darauf an, ob die Voraussetzungen des § 328 ZPO erfüllt sind. Von der Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 318 Abs 1 Nr 5 ZPO) darf die Anerkennung jedoch gemäß Art 7 § 1 Abs 1 S 2 FamRÄndG nicht abhängig gemacht werden. Die Anerkennung rein rechtsgeschäftlicher Privatscheidungen bestimmt sich nach Art 17, 30 EGBGB. Ist danach deutsches Recht maßgebend, kann die Privatscheidung nicht anerkannt werden, weil das autonome Recht nur eine gerichtliche Eheauflösung kennt.83 Der Verwal78

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BayObLG FamRZ 1985, 75; OLG Düsseldorf FamRZ 1974, 528, 530; Musielak § 328 Rn 45. Vgl dazu KG FamRZ 2004, 276. BayObLG NJW-RR 1990, 842. Vgl BGHSt 2, 220.

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Vgl BVerfGE 21, 132; aA BayObLG FamRZ 1966, 639 m abl Anm Grunsky. BGHZ 110, 267, 276; BayObLG FamRZ 2003, 381, 383; OLG Celle FamRZ 1998, 686; OLG Düsseldorf FamRZ 2003, 381.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

tungsakt wird mit der Bekanntmachung an den Antragsteller wirksam (Art 7 § 1 Abs 5 S 2 FamRÄndG). Die Landesjustizverwaltung kann jedoch bestimmen, dass die Entscheidung erst nach Ablauf einer von ihr bestimmten Frist wirksam wird (Art 7 § 1 Abs 5 S 3 FamRÄndG). Das kommt nach dem Ermessen der Behörde in Betracht, wenn einerseits mit einem Rechtsmittel, andererseits mit einer baldigen Eheschließung zu rechnen ist oder die Entscheidung einen Erbrechtsstreit beeinflusst und der Erfolg eines möglichen Rechtsmittels nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Die Frist darf nicht länger bemessen werden, als es für den Antragsteller zur Einlegung des Rechtsmittels und zur Erwirkung einer einstweiligen Anordnung nach § 24 Abs 3 FGG erforderlich ist. Die Behörde kann die Frist auf Antrag abkürzen oder sie vor ihrem Ablauf verlängern, jedoch eine unterlassene Fristsetzung nicht nach dem Wirksamwerden der Entscheidung nachholen. Der Verwaltungsakt kann mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefoch19 ten werden. Zuständig ist dafür das OLG, in dessen Bezirk die Landesjustizverwaltung ihren Sitz hat (Art 7 § 1 Abs 4, Abs 6 S 2 FamRÄndG). Sofern die Landesjustizverwaltung von der Option, die Kompetenz für die Verwaltungsentscheidung auf das OLG zu übertragen, Gebrauch gemacht hat, entscheidet daher im gerichtlichen Verfahren ein Zivilsenat desselben OLG, das als Justizverwaltungsbehörde (durch seinen Präsidenten) den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Antragsberechtigt ist bei einem ablehnenden Verwaltungsakt der Antragsteller (Art 7 § 1 Abs 4 FamRÄndG), bei einer Entscheidung, die feststellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung oder Nichtanerkennung vorliegen, der Ehegatte, der den Antrag nicht gestellt hat (Art 7 § 1 Abs 5 S 1, Abs 7 FamRÄndG). Diese Regelung ist weder erschöpfend noch erlaubt sie einen Umkehrschluss. Allenfalls wird man daraus folgern können, dass für den bei der Justizverwaltungsbehörde erfolgreichen Antragsteller kein Rechtsbehelf statthaft ist, etwa um den Antrag zurückzunehmen. Lebt zur Zeit der Entscheidung der Verwaltungsbehörde keiner der Ehegatten oder derjenige von ihnen nicht mehr, der den Antrag nicht gestellt hat, so muss das Recht zur Anrufung des Gerichts aber jedem zustehen, der ein rechtliches Interesse im Sinne des Art 7 § 1 Abs 3 FamRÄndG an der Aufhebung der Entscheidung hat.84 Ein nur berechtigtes Interesse reicht nicht aus. Dasselbe muss aber auch zu Lebzeiten des Ehegatten gelten, der den Antrag nicht gestellt hat. Im gerichtlichen Verfahren kann der Ehegatte, der den Antrag auf Anerkennung nicht gestellt hatte, zusätzlich zur Aufhebung der auf Anerkennung lautenden Entscheidung der Landesjustizverwaltung den Antrag stellen, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Ehescheidung nicht vorliegen.85 Der Antrag ist an keine Frist gebunden.86 Er wird durch eine inzwischen im Vertrauen auf die Anerkennung geschlossene Ehe nicht unzulässig. Das Antragsrecht kann jedoch verwirkt sein, wenn es nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ausgeübt worden ist.87 Der Antrag kann durch Einreichung einer Antragsschrift bei dem OLG oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des OLG (Rechtsantragstelle) gestellt werden (Art 7 § 1 Abs 6 S 4 FamRÄndG iVm § 21 Abs 2 FGG). Anwaltszwang besteht auch insoweit nicht. Der Antrag kann auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden (Art 7 § 1 Abs 6 S 4 FamRÄndG iVm § 23 FGG). Er hat keine aufschiebende Wirkung (Art 7 § 1 Abs 6 S 3 FamRÄndG). Das OLG kann jedoch gemäß Art 7 § 1 Abs 6 S 4 FamRÄndG iVm § 24 Abs 3 FGG durch einstweilige Anordnung die Vollziehung des Verwaltungsakts aussetzen mit der Folge, dass dessen Wirksamkeit vorläufig außer Kraft gesetzt wird. 84

85

OLG Koblenz NJW-RR 1988, 1159; KG FamRZ 2004, 275, 276; Musielak § 328 Rn 47; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 69. BayObLG FamRZ 1993, 451.

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86 87

BayObLGZ 1982, 258; OLG Düsseldorf FamRZ 1974, 528. BayObLG NJW-RR 1986, 5; Musielak § 328 Rn 47.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

Das gerichtliche Verfahren richtet sich nach dem FGG (Art 7 § 1 Abs 6 S 1 FamRÄndG). 20 Daher gilt insbesondere der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG). Die Behörde, deren Bescheid angefochten wird, ist als Beteiligte zu dem Verfahren hinzuzuziehen, indem ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, sofern der Antrag nicht von vornherein unzulässig oder unbegründet erscheint. Die Zuziehung weiterer Beteiligter richtet sich danach, inwiefern sie nach Lage des Einzelfalls zur Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich ist. Mündliche Verhandlung ist nicht vorgeschrieben; ihre Anberaumung steht im Ermessen des Gerichts. Es gilt das Verbot der Schlechterstellung. Das Gericht darf über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung des Antrags nicht gebunden (vgl § 88 VwGO). Das Gericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen88 Beschluss (Art 7 § 1 21 Abs 6 S 4 iVm § 25 FGG). Kommt das Gericht zur Aufhebung des Verwaltungsakts, so hat es grundsätzlich unter voller Würdigung der Tat- und Rechtsfragen in der Sache selbst zu entscheiden, da eine Ermessensausübung, die der Verwaltungsbehörde zu überlassen wäre, nicht in Betracht kommt. Nur ausnahmsweise kann das OLG unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Behörde zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichten, wenn die Behörde zu Unrecht nicht in der Sache entschieden hat oder wenn nach Verwerfung eines von der Behörde als allein entscheidend geltend gemachten Ablehnungsgrundes die Begründetheit des Antrags von bisher nicht berücksichtigten Umständen abhängt, deren Klärung umfangreiche und daher besser von der Behörde als vom Gericht zu treffende Ermittlungen erfordert.89 Jedoch ist es in jedem Falle zulässig, dass das Gericht nach eigener Sachaufklärung zur Sachentscheidung kommt, selbst wenn die Behörde den Antrag als unzulässig verworfen hat.90 Zur Kostenentscheidung vgl Art 7 § 2 Abs 2 FamRÄndG. Gegen die Entscheidung des OLG ist kein Rechtsmittel gegeben (Art 7 § 1 Abs 6 S 5 FamRÄndG). Bei einer Divergenz zur Rechtsprechung des BGH oder eines anderen OLG besteht jedoch gemäß Art 7 § 1 Abs 6 S 4 FamRÄndG iVm § 28 Abs 2 und 3 FGG Vorlagepflicht. Bestandskräftige Entscheidungen der Justizverwaltung oder des OLG haben für alle 22 Gerichte und Verwaltungsbehörden bindende Wirkung (Art 7 § 1 Abs 8 FamRÄndG). Das bedeutet, dass die Richtigkeit der Entscheidung in einem anderen Verfahren nicht mehr nachgeprüft werden darf. Ein Antrag desselben Antragstellers oder eines anderen Antragsberechtigten, die entgegen gesetzte Feststellung zu treffen, ist unzulässig. Aufgrund neuer sachlicher Erkenntnisse kann die zunächst nicht anerkannte ausländische Ehescheidung später dennoch analog § 18 FGG anerkannt werden.91 Eine Ausnahme von der Bindungswirkung ist ferner zu machen, wenn nachträglich Anerkennungshindernisse bekannt werden. In Statussachen ist dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme rechtswidriger Anerkennungsentscheidungen der Vorrang vor privaten Vertrauensinteressen einzuräumen.92 Hat das OLG den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen feststellenden Bescheid nach sachlicher Prüfung zurückgewiesen, den Justizverwaltungsakt also bestätigt, so tritt zu dessen Bindungswirkung, bis auf die genannten Ausnahmen, regelmäßig die materielle Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung hinzu,93 die allerdings im Gegensatz zu der allgemein wirkenden Bindungswirkung auf die zu dem Verfahren hinzugezogenen Beteiligten beschränkt ist (§ 322 ZPO). Deshalb ist bereits im

88 89 90 91

Baumbach/Hartmann § 328 Rn 70. BayObLG FamRZ 2000, 485. BVerwG NJW 1958, 1456. BayObLG NJW 1974, 1628, 1630 m abl Anm Geimer.

92 93

BayObLG FamRZ 2000, 836; aA Zöller/Geimer § 328 Rn 269. BayObLGZ 1967, 218; OLG München NJW 1962, 2013.

Hartmut Wick

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Justizverwaltungsverfahren darauf zu achten, dass möglichst alle Beteiligten hinzugezogen werden. Die Anerkennung wird infolge ihrer akzessorischen Natur von selbst gegenstandslos, wenn die ausländische Entscheidung durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens oder einen ähnlichen Rechtsbehelf des ausländischen Verfahrensrechts wieder aufgehoben wird.94 Wird im gerichtlichen Verfahren ein das Scheidungsurteil aufhebender rechtskräftiger Beschluss vorgelegt, ist die Grundlage für die Anerkennung des Scheidungsurteils entfallen.95 b) Sorgerecht, Umgangsrecht, Kindesherausgabe

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Die Anerkennung von Entscheidungen aus Mitgliedstaaten der EU, die die elterliche Verantwortung für Kinder betreffen, richtet sich nicht mehr nach § 16a FGG, sondern nach der EuEheVO (vgl dazu Rn 69 ff). Insoweit werden nahezu alle Entscheidungen erfasst, die die Regelung des Sorge- oder Umgangsrechts sowie die Anordnung der Herausgabe eines Kindes betreffen, also die in Deutschland gemäß § 621 Abs 1 Nr 1–3 ZPO den Familiengerichten zugewiesenen Verfahrensgegenstände. Die EuEheVO erstreckt sich im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, der VO (EG) Nr 1347/2000, ua auch auf Entscheidungen, die nicht von Ehegatten abstammende Kinder und die die Entziehung der elterlichen Sorge betreffen. Bei Entscheidungen aus anderen Staaten ist zu prüfen, ob sich die Anerkennung nach einem Staatsvertrag richtet (vgl dazu Rn 89 ff). Nur soweit dies nicht der Fall ist, kommt § 16a FGG zur Anwendung.96 c) Vormundschaft, Pflegschaft

24

Für gerichtliche Entscheidungen, die eine Vormundschaft oder Pflegschaft oder ein vergleichbares Rechtsinstitut nach ausländischem Recht betreffen, gilt das Gleiche wie in Rn 23. Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten sind ohne weiteres anzuerkennen (vgl Art 1 Abs 2 lit b EuEheVO). Für Minderjährige betreffende Entscheidungen aus anderen Staaten gilt primär das MSA (vgl Rn 82). Im Übrigen kommt § 16a FGG zur Anwendung, soweit keine zwischenstaatlichen Verträge eingreifen.97 Auch ausländische Vormundschaften über Volljährige, die in Deutschland seit Inkrafttreten des Betreuungsrechts nicht mehr möglich sind, können anerkannt werden.98 Die Anerkennung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen richtet sich, soweit es 25 um gerichtliche Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten und Vormundschaften für Minderjährige geht, ebenfalls nach der EuEheVO. Für die Anerkennung anderer Genehmigungsentscheidungen ist § 16a einschlägig.99

94 95 96

97 98 99

BayObLGZ aaO. BayObLG FamRZ 1998, 1305. Vgl OLG Frankfurt FamRZ 2000, 1425 (USamerikanische Sorgerechtsentscheidung); OLG Bamberg FamRZ 2000, 1098 (US-amerikanische Umgangsentscheidung). Keidel/Zimmermann Rn 2i; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 3. Keidel/Zimmermann Rn 2i. Keidel/Zimmermann Rn 2k; Palandt/

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Heldrich Art 21 EGBGB Rn 8; vgl auch BGH FamRZ 1989, 378; aA Nitzinger S 141 (die Anerkennung der Genehmigung richte sich nach dem gemäß Art 24 Abs 3 EGBGB anzuwendenden Recht); Geimer Festschrift für Ferid S 93 (die Anerkennung der Genehmigung bestimme sich nach dem für das zugrunde liegende Rechtsgeschäft maßgebenden Recht).

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

d) Entmündigung Die Anerkennung einer von einem ausländischen Gericht ausgesprochenen Entmün- 26 digung richtet sich nach § 16a. Das Haager Entmündigungsabkommen100 findet in Deutschland keine Anwendung mehr.101 Die Entmündigung ist trotz des früheren deutschen Rechts, wonach sie im zivilprozessualen Verfahren ausgesprochen wurde, der FG zuzuordnen.102 Der Anerkennungsfähigkeit steht nicht entgegen, dass das deutsche Recht seit Inkrafttreten des BtG eine Entmündigung nicht mehr kennt.103 Bei ausländischen Entmündigten steht einer Anerkennung grds nicht entgegen, dass die Entmündigung nach dem maßgebenden ausländischen Sachrecht Wirkungen hat, die dem deutschen Recht unbekannt sind. Die Anerkennung muss sich daher nicht auf die Wirkungen beschränken, die eine Betreuung nach deutschem Recht hat.104 Dies gilt jedoch nicht für die im Ausland vom Gericht des Aufenthaltsstaates ausgesprochene Entmündigung eines Deutschen; deren Anerkennung beschränkt sich gemäß § 16a Nr 4 auf die Wirkungen einer Betreuung nach deutschem Recht in weitreichendstem Umfang, dh mit Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB.105 e) Betreuung Eine im Ausland angeordnete Betreuung ist – auch soweit sie Deutsche betrifft – im 27 Inland unter den Voraussetzungen des § 16a anzuerkennen.106 Die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit eines Deutschen ist jedoch nicht anerkennungsfähig, soweit sie über den Einwilligungsvorbehalt des § 1903 BGB hinausgeht.107 Die Rechtsstellung des Betreuers richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem die Betreuung angeordnet worden ist (Art 24 Abs 3 EGBGB). f) Kindschaftssachen Die Anerkennung von ausländischen Entscheidungen, die die Abstammung eines Kin- 28 des betreffen, richtet sich, soweit nicht vorrangige staatsvertragliche Regelungen eingreifen (vgl Rn 89 ff), insoweit nach § 16a, als sie nach deutschem Sachrecht der FG zuzuordnen sind,108 dh in den von § 1600e Abs 2 BGB erfassten Fällen (vgl § 621a Abs 1 S 1 ZPO).

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Haager Abkommen über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßnahmen vom 17.7.1905 (RGBl 1912 S 463). Bek vom 23.3.1992, BGBl 1992 II S 272. Staudinger/Hausmann Art 7 EGBGB Rn 122; Palandt/Heldrich Art 7 EGBGB Rn 9. Keidel/Zimmermann Rn 2j; Staudinger/ Hausmann Art 7 EGBGB Rn 122, 123; Palandt/Heldrich Art 7 EGBGB Rn 9; aA Erman/Hohloch Art 8 EGBGB Rn 2. Staudinger/Hausmann Art 7 EGBGB Rn 123; Soergel/Kegel Anhang zu Art 7 EGBGB Rn 12; aA Keidel/Zimmermann Rn 2j; MünchKomm/Klinkhardt Art 24 EGBGB Rn 41; Palandt/Heldrich Art 12 EGBGB Rn 4; Kropholler IPR § 50 II 3, die Art 9 § 1 BtG analog auch auf die Entmündigung

105

106 107

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von Ausländern erstrecken wollen. Vgl auch Fn 29. Keidel/Zimmermann Rn 2j; Staudinger/ Hausmann Art 7 EGBGB Rn 122; Palandt/ Heldrich Art 7 EGBGB Rn 9. Keidel/Zimmermann Rn 21; Palandt/Heldrich Art 24 EGBGB Rn 9. Staudinger/Hausmann Art 7 EGBGB Rn 127; abw Keidel/Zimmermann Rn 2l, der auch bei Ausländern nur die Wirkungen einer Betreuung nach deutschem Recht anerkennen will. BSG NJW-RR 1997, 1433; Bassenge/Herbst/ Roth Rn 3; Staudinger/Henrich Art 20 EGBGB Rn 100; Palandt/Heldrich Art 19 EGBGB Rn 10.

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

g) Adoptionen

29

Die Anerkennung einer ausländischen Adoption richtet sich nur dann nach § 16a, wenn nicht das Haager AdÜbk anzuwenden ist (vgl dazu Rn 85 ff). Da außer Deutschland zahlreiche andere Staaten dem Übk beigetreten sind, hat § 16a für die Anerkennung von Auslandsadoptionen nur noch begrenzte Bedeutung. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Übk ist zwischen rechtsgeschäftlichen Adoptionen und Adoptionen aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung (Dekretadoptionen) zu unterscheiden. aa) Rechtsgeschäftliche Adoptionen

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Im Ausland durch Rechtsgeschäft vorgenommene Adoptionen bedürfen keiner „Anerkennung“ gemäß § 16a, weil sie nicht auf einem staatlichen Rechtsakt beruhen.109 Sie sind vielmehr darauf hin zu überprüfen, ob sie nach dem Recht des Staates wirksam sind, das nach Art 22, 23 EGBGB zur Anwendung berufen wird.110 Die gerichtliche Bestätigung oder Genehmigung einer Vertragsadoption kann indes, wenn sie auf einer sachlichen Überprüfung der Adoptionsvoraussetzungen beruht, unter den Voraussetzungen des § 16a anerkannt werden.111 Hatte der Angenommene zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, ermöglicht das AdWirkG, durch das VormG die Wirksamkeit des Adoptionsvertrages und seine konkreten Rechtswirkungen feststellen zu lassen112 (vgl zum Verfahren näher Rn 32). bb) Dekretadoptionen

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Ausländische Adoptionsentscheidungen, die nicht dem AdÜbk unterliegen, sind gemäß § 16a anzuerkennen. Dies gilt auch, wenn die Adoption nicht durch ein Gericht, sondern durch eine andere nach nationalem Recht dazu befugte Behörde ausgesprochen worden ist113 oder wenn das ausländische Gericht im Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit durch Urteil entschieden hat.114 Die Anerkennungsfähigkeit der Adoption ist in jedem inländischen Verfahren incidenter zu prüfen. Kommt es für die Eintragung in das Familienbuch auf die Anerkennungsfrage an, kann der Standesbeamte gemäß § 45 Abs 2 PStG die Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts einholen. Das AdWirkG115 ermöglicht eine verbindliche Klärung der durch ein ausländisches 32 Adoptionsdekret ausgelösten Rechtswirkungen und erübrigt damit eine erneute Adop109 110

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Missverständlich insoweit Keidel/Zimmermann Rn 2 f. AG Tübingen StAZ 1992, 217; Staudinger/ Henrich Art 22 EGBGB Rn 85, 98; Palandt/ Heldrich Art 22 EGBGB Rn 11; Staudinger/ Winkelsträter FamRBint 2006, 10, 12. HessVGH FamRZ 1994, 956; Staudinger/ Henrich aaO; Soergel/Lüderitz Art 22 EGBGB Rn 51. Das Gesetz gilt auch für rechtsgeschäftliche Adoptionen, Staudinger/Henrich Art 22 EGBGB Rn 106; Palandt/Heldrich Art 22 EGBGB Rn 15; Maurer FamRZ 2003, 1337, 1339; Staudinger/Winkelsträter FamRBint 2006, 10. BayObLG StAZ 2000, 104 (Kasachstan);

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LG Frankfurt/M FamRZ 1995, 637 (Ungarn); Staudinger/Henrich Art 22 EGBGB Rn 85. BayObLG StAZ 2000, 300 = FamRZ 2001, 1642; Staudinger/Henrich aaO; MünchKomm/Klinkhardt Art 22 EGBGB Rn 85. Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz – AdWirkG), Art 2 des Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts vom 5.11.2001 (BGBl I S 2950, 2953).

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

tion in Deutschland.116 Dieses Gesetz gilt auch für Adoptionen, die nicht in einem Vertragsstaat des AdÜbk vorgenommen wurden,117 und erfasst auch Adoptionen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (1.1.2002) durchgeführt wurden.118 Es gilt jedoch nur für Adoptionen, bei denen der Angenommene zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (§ 1 S 2 AdWirkG), aus deutscher Sicht also für Minderjährigenadoptionen. Gemäß § 2 Abs 1 AdWirkG wird auf Antrag119 gerichtlich festgestellt, ob eine im Ausland vorgenommene Adoption anzuerkennen ist und ob das bisherige Eltern-Kind-Verhältnis erloschen ist, dh ob es sich um eine sog Volladoption handelt. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung regelt das AdWirkG nicht; sie ergeben sich (außerhalb des Anwendungsbereichs des AdÜbk) allein aus § 16a FGG. Antragsbefugt sind grds nur der bzw die Annehmende(n), das Kind und seine bisherigen Elternteile (§ 4 Abs 1 S 1 Nr 1a–c AdWirkG). In Zweifelsfällen kann auch der Standesbeamte, dem eine Eintragung des Kindes in das Familienbuch obliegt, oder die Standesamtsaufsicht im Fall des § 41 Abs 2 PStG den Antrag stellen (§ 4 Abs 1 S 1 Nr 1d, e, S 2 AdWirkG). Der Antrag ist lediglich Verfahrensvoraussetzung. Ein Sachantrag ist nicht erforderlich und bindet, wenn er gestellt wird, das Gericht nicht.120 Über den Antrag entscheidet das VormG im Verfahren der FG (§§ 2 Abs 1, 5 Abs 3 S 1 AdWirkG). Örtlich zuständig ist das VormG am Sitz des übergeordneten OLG (§ 5 Abs 1 AdWirkG). Durch diese Zuständigkeitskonzentration soll gewährleistet werden, dass die zuständigen Vormundschaftsrichter die im Umgang mit dem ausländischen Recht und den ausländischen Behörden erforderliche einschlägige Erfahrung gewinnen.121 Gemäß § 5 Abs 3 S 2 und 3 AdWirkG iVm § 50a Abs 1 S 1, Abs 2 und 3 und § 50b FGG hat das Gericht die Adoptiveltern und das anzunehmende Kind anzuhören, die leiblichen Eltern nur, soweit die Anerkennungs- und Wirkungsfeststellung gemäß § 4 Abs 2 S 3 und 4 AdWirkG auch ihnen gegenüber Wirkungen entfaltet und von der Anhörung eine Aufklärung zu erwarten ist.122 Am Verfahren ist der Generalbundesanwalt beim BGH (als Bundeszentralstelle für Auslandsadoption) zu beteiligen (§ 5 Abs 3 S 4 AdWirkG). Die Prüfung, ob die Adoption anzuerkennen ist, erfolgt (außerhalb des Anwendungsbereichs des AdÜbk) am Maßstab des § 16a. Die Frage, ob die Wirkungen der Volladoption eingetreten sind, ist auf der Grundlage des auf die Adoption angewandten Rechts zu beantworten.123 Ist die Frage zu bejahen, hat das VormG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Annahmeverhältnis einem nach deutschem Recht begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht; im Falle einer „schwachen“ ausländischen Adoption ist festzustellen, dass das Annahmeverhältnis (nur) in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht des Annehmenden einem nach deutschem Recht begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht (§ 2

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Für die früher zwecks Klärung der Rechtslage häufig durchgeführten Wiederholungsadoptionen dürfte damit kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehen, sofern die ausländische Adoption anerkennungsfähig ist; vgl Keidel/Zimmermann Rn 2g; Staudinger/ Henrich Art 22 EGBGB Rn 99; Palandt/ Heldrich Art 22 EGBGB Rn 18; Maurer FamRZ 2003, 1337, 1342; abw AG Worms IPrax 2004, 534; Steiger DNotZ 2002, 184, 206; Heiderhoff FamRZ 2002, 1682, 1685, die die Wiederholungsadoption schon bei zweifelhafter Anerkennungsfähigkeit der Auslandsadoption zulassen wollen.

117 118 119

120 121 122 123

Maurer FamRZ 2003, 1337, 1341. Palandt/Heldrich Art 22 EGBGB Rn 15; Steiger DNotZ 2002, 184, 197. Muster für die Antragsformulierung bei Staudinger/Winkelsträter FamRBint 2006, 10, 12. Maurer FamRZ 2003, 1337, 1342. BTDrs 14/6011 S 49. Maurer FamRZ 2003, 1337, 1344. Palandt/Heldrich Art 22 EGBGB Rn 14, 16; Maurer FamRZ 2003, 1337, 1340; Staudinger/Winkelsträter FamRBint 2006, 10, 12.

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Abs 2 AdWirkG). Das VormG hat durch begründeten Beschluss zu entscheiden. Entscheidungen, die eine beantragte Anerkennungs- und Wirkungsfeststellung treffen, sind unanfechtbar (§ 5 Abs 4 S 1 AdWirkG iVm § 56e S 3 FGG), ablehnende Entscheidungen unterliegen dagegen der sofortigen Beschwerde (§ 5 Abs 4 S 2 AdWirkG, § 22 FGG). Die Feststellung des VormG wirkt grds für und gegen jedermann (vgl § 4 Abs 2 AdWirkG). § 3 Abs 1 AdWirkG ermöglicht – über die Anerkennungs- und Wirkungsfeststel33 lung nach § 2 Abs 1, Abs 2 S 1 Nr 2 AdWirkG hinaus – die Umwandlung einer ausländischen Adoption mit schwachen Wirkungen (dh ohne Erlöschen des ursprünglichen Eltern-Kind-Verhältnisses) in eine Volladoption nach deutschem Recht. Gemäß § 3 Abs 2 AdWirkG können ferner auf Antrag einer Auslandsadoption, die zwar zur Beendigung des bisherigen Eltern-Kind-Verhältnisses geführt, aber geringere Rechtswirkungen als eine Adoption nach deutschem Recht zur Folge hat, die Wirkungen einer Adoption nach deutschem Recht verliehen werden.124 Aufgrund dieser Regelungen besteht auch hinsichtlich sog schwacher Auslandsadoptionen künftig idR kein Bedürfnis mehr nach einer Wiederholung der Adoption in Deutschland.125 Zur Antragstellung ist nur der Annehmende, annehmende Ehegatten sind nur gemeinschaftlich befugt (§ 4 Abs 1 S 1 Nr 2 AdWirkG). Der Antrag bedarf der notariellen Beurkundung und kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung oder durch einen Vertreter gestellt werden (§ 4 Abs 1 S 3 AdWirkG iVm § 1752 Abs 2 BGB). Am Verfahren sind das Jugendamt und die zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamtes zu beteiligen (§ 5 Abs 3 S 3 AdWirkG). Nach § 3 Abs 1 S 1 AdWirkG setzt der Umwandlungsausspruch voraus, dass die Umwandlung dem Wohl des angenommenen Kindes dient (Nr 1), die erforderlichen Zustimmungen zu einer Adoption mit einer das Eltern-Kind-Verhältnis beendenden Wirkung erteilt sind (Nr 2) und keine überwiegenden Interessen des Ehegatten oder der Kinder des Annehmenden oder des Angenommenen entgegenstehen (Nr 3). Welche Zustimmungen erforderlich und in welcher Form sie zu erteilen sind und ggf ersetzt werden können, richtet sich gemäß § 3 Abs 1 S 2 AdWirkG nach den „für die Zustimmungen zu der Annahme maßgebenden Vorschriften“. Damit sind nicht die Bestimmungen des im Zeitpunkt der Umwandlung aus deutscher Sicht maßgebenden (deutschen) Adoptionsstatuts (Art 22, 23 EGBGB) gemeint, sondern das ausländische Sachrecht, nach dem die Adoption tatsächlich vorgenommen wurde.126 Auf jeden Fall müssen die leiblichen Eltern einer Adoption, die das Rechtsverhältnis zu ihrem Kind erlöschen lässt, zugestimmt haben, auch wenn eine solche Zustimmung im Hinblick auf die durchgeführte „schwache“ Adoption nicht erforderlich war.127 Im Interesse des Kindeswohls darf zudem der deutsche ordre public nicht verletzt sein, wie durch die Verweisung auf Art 6 EGBGB zum Ausdruck kommt, und es finden gemäß § 3 Abs 1 S 3 AdWirkG die deutschen Sachvorschriften über die Einwilligung des Kindes in die Adoption (§§ 1746 Abs 1 S 1 bis 3, Abs 2 und 3 BGB) Anwendung. Der Umwandlungsausspruch des VormG lautet dahin, dass das Kind die Rechtsstellung eines nach den deutschen Sachvorschriften angenomme124

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Muster zur Antragsformulierung bei Staudinger/Winkelsträter FamRBint 2006, 10, 14. BTDrs 14/6011 S 48; Keidel/Zimmermann Rn 2g; Staudinger/Henrich Art 22 EGBGB Rn 99; Palandt/Heldrich Art 22 EGBGB Rn 18; Maurer FamRZ 2002, 1337, 1342; anders liegt es, wenn die Voraussetzungen des § 3 AdWirkG nicht erfüllt sind, vgl Heiderhoff FamRZ 2002,1682, 1686.

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BTDrs 14/6011 S 27; Staudinger/Henrich Art 22 EGBGB Rn 102 ff; Steiger DNotZ 2002, 184, 204; Heiderhoff FamRZ 2002, 1682, 1685; Busch IPrax 2003, 13, 19; Staudinger/Winkelsträter FamRBint 2006, 10, 13; aA Palandt/Heldrich Art 22 EGBGB Rn 17. Staudinger/Henrich Rn 62 vor Art 22 EGBGB; Maurer FamRZ 2003, 1337, 1340 f.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

nen Kindes erhält (§ 3 Abs 1 S 1 AdWirkG). Damit wird das Kind einem leiblichen Kind des Annehmenden gleichgestellt (§ 1754 Abs 1 und 2 BGB). Hinsichtlich Rechtsmitteln und Wirkungserstreckung des Ausspruchs gelten die Ausführungen in Rn 32 entsprechend. h) Nachlasssachen aa) Entscheidungen Ausländische Entscheidungen in Nachlasssachen fallen, soweit sie nach deutschem 34 Rechtsverständnis der FG zuzuordnen sind, grds unter § 16a.128 Die Vorschriften des EuGVVO, des EuGVÜ und des Lugano-Abk kommen nicht zur Anwendung (vgl zB Art 1 Abs 2 lit a EuGVVO; s auch Rn 67). Das Haager Übereinkommen über die internationale Abwicklung von Nachlässen vom 2.10.1973129 ist in Deutschland bisher nicht in Kraft getreten. Einige bilaterale Abkommen beziehen die Anerkennung von Entscheidungen in Nachlasssachen ein, doch sind damit idR nur solche in echten Parteistreitigkeiten gemeint, keine Gerichtsakte im Rahmen der fürsorgenden Rechtspflege.130 Das deutsch-österreichische Abkommen vom 6.6.1959 (vgl Rn 96) wird jedoch auf österreichische sog Einantwortungsbeschlüsse (eine erbrechtliche Rechtsstellung bestätigende Entscheidungen) erstreckt.131 Unter den Voraussetzungen des § 16a kann zB die Bestellung eines Testamentsvoll- 35 streckers, Nachlasspflegers oder Erbschaftsverwalters anerkannt werden.132 Dies hat zur Folge, dass der bestellten Person auch im Inland die Rechte zustehen, die ihm das Erbstatut verleiht; sie kann daher auch im Inland befindliche Nachlassgegenstände an sich ziehen.133 Ein ausländisches Testamentsvollstreckerzeugnis entfaltet dagegen in Deutschland keine Wirkungen (s Rn 36). Nicht nach § 16a FGG, sondern nach § 328 ZPO richtet sich die Anerkennung von Entscheidungen, die im streitigen Zivilprozess mit Wirkung inter partes (auch) über erbrechtliche Fragen getroffen werden.134 bb) Zeugnisse Ausländische Erbscheine können nicht nach § 16a anerkannt werden mit der Wir- 36 kung, dass sie einem deutschen Erbschein gleich stehen. Das beruht darauf, dass es sich beim deutschen Erbschein nicht um eine in Rechtskraft erwachsende gerichtliche Entscheidung, sondern um ein erbrechtliches Zeugnis mit lediglich materiellrechtlicher Wirkung handelt. § 16a bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine bestandskräftige aus128

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Keidel/Zimmermann Rn 2m; Staudinger/Dörner Art 25 EGBGB Rn 869; MünchKomm/Birk Art 25 EGBGB Rn 359; Palandt/Heldrich Art 25 EGBGB Rn 22. Abgedruckt bei Staudinger/Dörner Rn 121 ff vor Art 25 EGBGB. Staudinger/Dörner Art 25 EGBGB Rn 868; Geimer Festschrift für Ferid S 89. LG Hamburg IPrax 1992, 251, 253; Keidel/ Zimmermann Rn 2 m; Bungert IPrax 1992, 225; abw Staudinger/Dörner Art 25 EGBGB Rn 873: § 16a FGG. Keidel/Zimmermann Rn 2m; Staudinger/Dörner Art 25 EGBGB Rn 870; MünchKomm/Birk Art 25 EGBGB Rn 362;

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Palandt/Heldrich Art 25 EGBGB Rn 22; Pinckernelle/Spreen DNotZ 1967, 195, 214; Gruber Rpfleger 2000, 250, 251; anders jedoch ein Teil der Literatur für einen „administrator“ und „executor“ nach englischem und US-amerikanischem Recht, vgl zB Staudinger/Dörner aaO Rn 871f; MünchKomm/ Birk aaO Rn 371; Wengler JR 1955, 41; Firsching DNotZ 1960, 640, 641, dagegen aber zB Soergel/Schurig Art 25 EGBGB Rn 74, 86; Gruber aaO. BGH WM 1969, 72. Keidel/Zimmermann Rn 2m; Geimer Festschrift für Ferid S 117 Fn 23.

Hartmut Wick

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ländische Entscheidung im Inland verfahrensrechtliche Wirkungen entfaltet. Ein deutscher Erbschein hat aber keine verfahrensrechtlichen Wirkungen, sondern begründet nur die Vermutung für die ausgewiesene erbrechtliche Rechtsstellung (§§ 2353, 2365 BGB) sowie den Gutglaubensschutz des § 2366 BGB. Solche materiellrechtlichen Wirkungen werden von § 16a nicht erfasst. Deshalb kann ein ausländischer Erbschein selbst dann, wenn er in seinen Rechtswirkungen einem deutschen Erbschein entspricht, nicht Gegenstand einer „Anerkennung“ iSv § 16a sein.135 Die meisten ausländischen Erbrechtszeugnisse entsprechen im Übrigen schon in ihren materiellrechtlichen Wirkungen nicht dem deutschen Erbschein, so dass eine Anerkennung auch aus diesem Grunde ausscheidet.136 Eine andere Frage ist es, ob ein ausländisches Erbrechtszeugnis im Inland Legitimationswirkungen entfalten kann. Diese Frage kann nicht generell verneint werden. Vielmehr kommt es insoweit auf das maßgebende Sachrecht an. Soweit es in einem inländischen Verfahren um einen Nachweis des Erbrechts geht, muss durch Auslegung der einschlägigen deutschen Vorschriften ermittelt werden, ob nur ein deutscher Erbschein oder auch ein ausländisches Zeugnis zur Legitimation ausreicht.137 Da § 35 Abs 1 S 1 GBO zum Nachweis der Erbfolge ausdrücklich einen (deutschen) Erbschein verlangt, genügt gegenüber dem Grundbuchamt die Vorlage eines ausländischen Zeugnisses nicht.138 Andererseits hindert das Vorliegen eines ausländischen Zeugnisses auch nicht die Erteilung eines Erbscheins durch das deutsche Nachlassgericht.139 – Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend auch für ausländische Testamentsvollstreckerzeugnisse.140 Eine Sonderregelung enthält § 17 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens vom 37 17.2.1929, soweit es um bewegliche Nachlassgegenstände geht. Danach genügt ein vom Heimatstaat ausgestelltes (und durch einen diplomatischen Vertreter oder einen Konsul beglaubigtes) Zeugnis auch im anderen Vertragsstaat zum Nachweis eines erbrechtlichen Verhältnisses. Der türkische Erbnachweis hat allerdings schwächere Rechtswirkungen als ein solcher nach deutschem Recht.141

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BayObLG FamRZ 1991, 1237, 1239; Zöller/ Geimer § 328 Rn 90a; Staudinger/Dörner Art 25 EGBGB Rn 874; MünchKomm/Birk Art 25 EGBGB Rn 362; Geimer IZPR Rn 2884; Geimer Festschrift für Ferid S 117 Fn 23; Pinckernelle/Spreen DNotZ 1967, 195, 215.; missverständlich KG FamRZ 1998, 308, 309; Keidel/Zimmermann Rn 2n; Palandt/Heldrich Art 25 EGBGB Rn 22, wonach ein ausländischer Erbschein zwar grds anerkennungsfähig sein, aber keine Bindungswirkung für deutsche Gerichte auslösen soll. MünchKomm/Birk Art 25 EGBGB Rn 361. Staudinger/Dörner Art 25 EGBGB Rn 874 f; MünchKomm/Birk Art 25 EGBGB Rn 363; Palandt/Heldrich Art 25 EGBGB Rn 22; aA KG FamRZ 1998, 308, 309; Pinckernelle/ Spreen DNotZ 1967, 195, 215. Insoweit im Ergebnis zutr OLG Zweibrücken Rpfleger 1990, 121; KG FamRZ 1998, 308, 309 (jeweils zur österreichischen Einantwortungsurkunde); BayObLG FamRZ

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1991, 1237, 1239 (zur schweizerischen Erbbescheinigung); vgl auch Keidel/Zimmermann Rn 2n; Palandt/Heldrich Art 25 EGBGB Rn 22; Pinckernelle/Spreen DNotZ 1967, 195, 215; aA BayObLG NJW-RR 1990, 906; MünchKomm/Birk Art 25 EGBGB Rn 363; Kaufhold ZEV 1997, 399, 402; abw auch Staudinger/Dörner, wonach das ausländische Zeugnis ausreichen soll, wenn der ausländische Aussteller die Rechtslage aus deutscher Perspektive wiedergegeben hat bzw die Sichtweise des ausländischen Rechts mit der des deutschen übereinstimmt. BayObLG FamRZ 1991, 1237, 1239; Keidel/ Zimmermann Rn 2n; Staudinger/Dörner Art 25 EGBGB Rn 878; MünchKomm/Birk Art 25 EGBGB Rn 365; Pinckernelle/Spreen DNotZ 1967, 195, 215. Keidel/Zimmermann Rn 2o; Staudinger/ Dörner Art 25 EGBGB Rn 874 ff; MünchKomm/Birk Art 25 EGBGB Rn 361 ff; Pinckernelle/Spreen DNotZ 1967, 195, 214 f. Kaufhold ZEV 1997, 399, 403.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

Von Gerichten der DDR ausgestellte Erbscheine gelten nicht als ausländische Zeug- 38 nisse. Sie werden vielmehr grds wie in der Bundesrepublik ausgestellte Erbscheine behandelt und sind auch nach der Wiedervereinigung als wirksam zu behandeln.142 i) Todeserklärungen Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, mit denen eine verschollene Person 39 für tot erklärt worden ist, bestimmt sich ebenfalls nach § 16a.143 Das gilt auch für eine Entscheidung, mit der der ursprünglich festgesetzte Todeszeitpunkt geändert worden ist.144

IV. Ausschluss der Anerkennung 1. Allgemeines § 16a enthält vier als abschließend zu verstehende145 Gründe, aus denen die Anerken- 40 nung einer ausländischen Entscheidung zu versagen ist. Aus der negativen Fassung der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass die Anerkennung zu vermuten ist.146 Die deutschen Gerichte haben die Anerkennungsvoraussetzungen (mit Ausnahme der Nr 2) von Amts wegen zu prüfen; es kommt daher nicht darauf an, ob sich ein Beteiligter auf die fehlende Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung beruft, deren Wirksamkeit für das inländische Verfahren präjudiziell ist.147 Bei der Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen ist grds von den tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Gerichts auszugehen.148 Soweit erforderlich, insbesondere zur Prüfung eines ordre-public-Verstoßes nach § 16a Nr 4, kann das deutsche Gericht aber auch ergänzende Amtsermittlungen anstellen. Dabei kann es den Beteiligten aufgeben, bestimmte Unterlagen vorzulegen, und diese Anordnung mit Zwangsmitteln nach § 33 durchsetzen. Lassen sich die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Versagungsgrundes trotz der Amtsermittlungen nicht feststellen, so ist die ausländische Entscheidung anzuerkennen.149 Die Beteiligten können über die Anerkennungsfähigkeit selbst nicht disponieren, wohl aber vereinbaren, dass ein Versagungsgrund nicht geltend gemacht werden darf.150 § 16a bietet keine Handhabe, die Rechtmäßigkeit der ausländischen Entscheidung 41 nach deutschen Rechtsvorstellungen zu prüfen.151 Anerkennungsfähig sind jedoch nur 142

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BGHZ 52, 123, 145; OLG Karlsruhe OLGZ 1981, 399, 403; KG OLGZ 1985, 179; Dörner IPrax 1991, 392, 394. BGH IPrax 1982, 155; FamRZ 1994, 498 m Anm Bosch 499, 501; Keidel/Zimmermann Rn 2p; Bassenge/Herbst/Roth Rn 3; Erman/ Hohloch Art 9 EGBGB Rn 11; Geimer IZPR Rn 2887; abw Staudinger/Dörner Art 25 EGBGB Rn 74. BGH IPrax 1982, 155. Bassenge/Herbst/Roth Rn 4; KKFamR/ Rausch § 16a FGG Rn 9. Zöller/Geimer § 328 Rn 184; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 55; Geimer Festschrift für Ferid S 109. BGHZ 59, 116, 121; Bassenge/Herbst/Roth Rn 4; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 55;

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Musielak § 328 Rn 32; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 14. BGH NJW 1980, 529, 531; Zöller/Geimer § 328 Rn 181. Anders für den Zivilprozess MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 55. Im FG-Verfahren kommt jedoch eine Beweislastentscheidung nicht in Betracht; es gilt vielmehr der Grundsatz der Anerkennung, Keidel/Zimmermann Rn 4; KKFamR/Rausch § 16a FGG Rn 8. Zöller/Geimer § 328 Rn 186; Geimer Festschrift für Ferid S 111. BayObLGZ 1999, 352; Bassenge/Herbst/ Roth Rn 4; Habscheid FamRZ 1981, 1142, 1143.

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Entscheidungen, die nach dem Recht des Erststaates wirksam geworden (also nicht nichtig oder noch unwirksam) sind und deren Wirksamkeit auch nicht nachträglich wieder entfallen ist.152 Eine weitere, gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Voraussetzung für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist die Gerichtsbarkeit des Erststaates. Der Staat, in dem die Entscheidung ergangen ist, muss aus deutscher Sicht die Befugnis gehabt haben, über den Verfahrensgegenstand zu entscheiden.153 Dies ergibt sich aus analoger Anwendung des § 16a Nr 1 und aus den Regeln des Völkerrechts. So kann zB eine Entscheidung, die einen nicht der ausländischen Jurisdiktion unterliegenden Diplomaten betrifft, nicht anerkannt werden. 2. Internationale Zuständigkeit des Erststaates (Nr 1)

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Nach § 16a Nr 1 setzt die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung (ebenso wie nach § 328 Abs 1 Nr 1 ZPO) voraus, dass die Gerichte des Staates, in dem die Entscheidung erlassen worden ist, nach deutschem Recht international zuständig waren (sog Spiegelbildprinzip). Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Antragsgegners vor einer für ihn unzumutbaren Gerichtsbarkeit.154 Unerheblich ist, ob das entscheidende Gericht nach den internen Zuständigkeitsvorschriften des Erststaates (sachlich, örtlich und instanziell) zuständig war. Es kommt allein darauf an, ob aus deutscher Sicht die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Erststaates in ihrer Gesamtheit bestand.155 Daher kann auch eine Entscheidung anzuerkennen sein, die das konkrete ausländische Gericht nach dem im Entscheidungsstaat geltenden Recht gar nicht hätte erlassen dürfen. Bei Bundesstaaten genügt für die Anerkennung die internationale Zuständigkeit des Gesamtstaates.156 Auch eine konkurrierende Zuständigkeit des ausländischen Gerichts reicht für die Anerkennung aus.157 Die Voraussetzungen des § 16a Nr 1 sind daher nur erfüllt, wenn (nach deutschem Recht) eine ausschließliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte oder der Gerichte eines Drittstaates bestand. Soweit sich die internationale Zuständigkeit nicht schon aus einem die Bundesre43 publik Deutschland bindenden Staatsvertrag oder Abkommen (insbesondere dem Minderjährigenschutzabkommen, dem Europäischen Kinderschutzübereinkommen und dem Haager Kindesentführungsabkommen, vgl unten Rn 81 ff sowie § 64 Rn 40 f) ergibt, richtet sie sich bei Vormundschafts-, Betreuungs-, Unterbringungs- und familienrechtlichen Kindschaftssachen nach § 35b FGG (iVm §§ 43 Abs 1, 64 Abs 3 S 2, 69a Abs 1, 70 Abs 4 FGG). Danach begründen sowohl die Staatsangehörigkeit des Betroffenen als auch sein gewöhnlicher Aufenthalt und ein Fürsorgebedürfnis im Aufenthaltsstaat die internationale Zuständigkeit (vgl dazu § 35b Rn 6 ff; § 64 Rn 29, 42; zum gewöhnlichen Aufenthalt vgl auch § 64 Rn 4 f). Bei Betroffenen mit mehrfacher Staatsangehörigkeit kommt es für die Anerkennung nicht darauf an, welche Staatsangehörigkeit die effektive ist.158 Zur

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MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 56; Habscheid FamRZ 1981, 1142, 1144. BGH NJW 2003, 3488; OLG Frankfurt IPrax 1982, 71; Zöller/Geimer § 328 Rn 93; Musielak § 328 Rn 8; MünchKomm/Gottwald § 318 Rn 57; Geimer Festschrift für Ferid S 100. Zöller/Geimer § 328 Rn 123; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 58; Geimer Festschrift für Ferid S 102. BGH NJW 1999, 3198, 3199; BayObLGZ

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1999, 352; OLG Karlsruhe NJW 2004, 516; Keidel/Zimmermann Rn 5; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 5; Zöller/Geimer § 328 Rn 96b; Musielak § 328 Rn 9; Geimer Festschrift für Ferid S 101. BGHZ 141, 286; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 64. BGH FamRZ 1979, 579; OLG Hamm FamRZ 1976, 529; Keidel/Zimmermann Fn 68; Habscheid FamRZ 1981, 1142, 1144. Geimer Festschrift für Ferid S 102.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

internationalen Zuständigkeit in anderen Familiensachen vgl § 64 Rn 43 ff, in Nachlasssachen vgl § 73 Rn 49 ff. Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ist 44 grds derjenige, in dem das ausländische Verfahren eingeleitet worden ist. Es genügt jedoch auch, wenn die Zuständigkeit nach deutschem Recht bis zum Erlass der ausländischen Entscheidung eingetreten ist.159 Bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit sind die deutschen Behörden nicht 45 an rechtliche oder tatsächliche Feststellungen gebunden, aus denen das ausländische Gericht seine Zuständigkeit hergeleitet hat.160 Aus europäischem Gemeinschaftsrecht und Staatsverträgen kann sich jedoch etwas anderes ergeben. So schließt Art 24 EuEheVO eine Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Gerichts des Entscheidungsstaates generell aus. Art 25 KSÜ161 verbietet eine Prüfung der tatsächlichen Feststellungen, auf die die Behörde des Staates, in dem eine Maßnahme nach dem Übereinkommen getroffen wurde, ihre internationale Zuständigkeit gestützt hat.162 3. Gehörsverletzung (Nr 2) § 16a Nr 2 versagt (ebenso wie § 328 Abs 1 Nr 2 ZPO) einer ausländischen Entschei- 46 dung, die unter gravierender Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist, die Anerkennung, sofern sich der insoweit betroffene Beteiligte darauf beruft, sich in dem ausländischen Verfahren nicht (zur Hauptsache) geäußert zu haben. Im Gegensatz zur früheren Fassung des § 328 Abs 1 Nr 2 ZPO werden nicht nur deutsche Staatsbürger vor einem unfairen Verfahren und vor den Wirkungen einer Überraschungsentscheidung geschützt, sondern auch ausländische Beteiligte.163 Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs könnte zwar auch aufgrund der ordre-public-Klausel des § 16a Nr 4 die Anerkennung ausschließen. Die gesonderte Regelung des § 16a Nr 2 macht jedoch eine Prüfung jeder einzelnen Gehörsverletzung am Maßstab des ordre public (mit möglicherweise unterschiedlichen Ergebnissen) entbehrlich und knüpft die Versagung der Anerkennung stattdessen an einen objektiv feststellbaren Verfahrensablauf. Dies dient der Rechtssicherheit. Außerdem ist der Versagungsgrund des § 16a Nr 2 nicht von Amts wegen zu prüfen, sondern nur auf ausdrückliche Rüge eines betroffenen Beteiligten. Damit erhält der von der Verletzung des Verfahrensgrundrechts Betroffene die Möglichkeit, selbst darüber zu befinden, ob die Entscheidung trotz der Gehörsverletzung im Inland Wirkungen entfalten soll oder nicht.164 Beruft er sich nicht auf die Gehörsverletzung, so kann er dadurch erreichen, dass eine für ihn günstige Entscheidung trotz des Verfahrensverstoßes anerkannt wird. Betreibt er selbst die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung, so ist dies als Verzicht auf die Rüge nach § 16a Nr 2 auszulegen.165

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BGHZ 141, 286, 291; BayObLG FamRZ 1988, 860; 1990, 1265; Keidel/Zimmermann Rn 5 (anders aber Fn 68); Bassenge/ Herbst/Roth Rn 5; Zöller/Geimer § 328 Rn 124; Musielak § 328 Rn 13; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 71; aA Bumiller/ Winkler Rn 4; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 16; Habscheid FamRZ 1981, 1142, 1143, wonach sich aus der Präsensfassung des Gesetzes („sind“) ergeben soll, dass es auf den Zeitpunkt der Anerkennung ankommt. BGHZ 124, 237; Zöller/Geimer § 328

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Rn 128; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 69; Musielak § 328 Rn 12; Geimer Festschrift für Ferid S 102; Habscheid FamRZ 1981, 1142, 1143; aA Bassenge/Herbst/Roth Rn 5. Vgl Fn 301. Vgl auch für Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Art 35 Abs 2 EuGVVO. BTDrs 10/504 S 88, 93. BTDrs 10/504 S 88; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 73. MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 73.

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Ist die Rüge nicht erhoben worden, so kann die Anerkennung der ausländischen Entscheidung wegen eines unter § 16a Nr 2 zu subsumierenden Sachverhalts idR auch nicht in Anwendung des § 16a Nr 4 versagt werden, denn Nr 2 ist insoweit als lex specialis anzusehen.166 Als Beteiligte iSv § 16a Nr 2 kommen alle Personen und Behörden in Betracht, die 47 durch die Entscheidung in ihren Rechten betroffen werden können und daher zum Verfahren hinzuzuziehen sind. Hierzu gehören zB bei Adoptionsentscheidungen leibliche Eltern eines anzunehmenden Kindes und der Ehegatte des Annehmenden.167 Das Recht zur Rüge und zum Verzicht auf die Rüge geht, soweit es noch nicht ausgeübt worden ist, auf einen Rechtsnachfolger über.168 Die Rüge nach § 16a Nr 2 kann nur von einem Beteiligten erhoben werden, der sich 48 im Erstverfahren zur Hauptsache nicht geäußert hat. Er darf daher keine Erklärungen tatsächlichen oder rechtlichen Inhalts zum Verfahrensgegenstand abgegeben haben. Als „Hauptsache“ kommt auch ein Annexverfahren wie zB ein einstweiliges Anordnungsverfahren169 oder ein Kostenfestsetzungsverfahren170 in Betracht. Äußerungen zu Verfahrensvoraussetzungen oder zu anderen Verfahrensfragen (wie zB zur internationalen Zuständigkeit oder zur Prozesskostenhilfe) sind keine Einlassungen zur Hauptsache.171 Eine Erklärung zu einer einstweiligen Anordnung ist dann als Sachäußerung (auch) zum Hauptverfahren anzusehen, wenn die Anordnung denselben Verfahrensgegenstand betrifft wie das Hauptverfahren und sich der Beteiligte gerade zu diesem Gegenstand geäußert hat.172 Einem Beteiligten ist eine Äußerung, die in dem ausländischen Verfahren von einem nicht von ihm beauftragten Vertreter abgegeben worden ist, nicht zuzurechnen. Das gilt auch für Äußerungen eines ohne seine Zustimmung vom Gericht bestellten Verfahrenspflegers.173 Auf die Rüge des Betroffenen ist zunächst zu prüfen, ob ihm das verfahrenseinleitende 49 Schriftstück ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist. Verfahrenseinleitendes Schriftstück ist entweder die Antragsschrift oder eine sonstige schriftliche Äußerung einer Person oder Behörde, auf die hin das Gericht tätig geworden ist. In Betracht kommt auch eine zu Protokoll des Gerichts oder einer anderen Behörde genommene mündliche oder fernmündliche Erklärung. Welchen Inhalt ein solches Schriftstück haben muss, richtet sich nach dem Verfahrensrecht des Erststaats.174 Unter dem Blickwinkel des mit § 16a Nr 2 verfolgten Zwecks ist allerdings zwingend erforderlich, dass das Schriftstück – zumindest im Zusammenhang mit beigefügten weiteren Schriftstücken, etwa einer gerichtlichen Verfügung – andere materiell Beteiligte so weit über den Verfahrensgegenstand und das ange166

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Vgl auch MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 103, wonach unter § 328 Abs 1 Nr 4 nur eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs außerhalb des Anwendungsbereichs von § 328 Abs 1 Nr 2 ZPO fällt. AA offenbar Keidel/Zimmermann Rn 6c; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 6. BayObLGZ 2000, 184; Keidel/Zimmermann Rn 2 f. MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 73; aA KG FamRZ 1988, 641, 644; offen gelassen von BGH FamRZ 1990, 1100. Mit anderem Gegenstand als das Hauptverfahren, vgl weiter unten. Keidel/Zimmermann Rn 6a.

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Keidel/Zimmermann Rn 6c; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 6. Anders § 328 Abs 1 Nr 2 ZPO, der auf die Einlassung auf das „Verfahren“ abstellt; vgl KG FamRZ 1987, 603, 606; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 84. Ebenso wohl Bassenge/Herbst/Roth Rn 6; aA Keidel/Zimmermann Rn 6c. OLG Hamm FamRZ 1996, 178; 1996, 951; Zöller/Geimer § 328 Rn 139; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 85; Musielak § 328 Rn 19. BayObLG FamRZ 2000, 1170; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 74; Musielak § 328 Rn 14.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

strebte Verfahrensziel informiert, dass sich diese dazu äußern können.175 Auf die Übermittlung weiterer im Verfahrensverlauf bei Gericht eingereichter Schriftstücke kommt es indes nicht an, auch wenn in ihnen weiter gehende Anträge gestellt worden sind.176 Die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Mitteilung des verfahrenseinleitenden 50 Schriftstücks an andere Beteiligte bestimmen sich ebenfalls nach der lex fori, also nach dem Verfahrensrecht des Entscheidungsstaats sowie den diesem Recht vorgehenden völkerrechtlich verbindlichen Verträgen.177 Sieht die lex fori eine Zustellung nach bestimmten Formvorschriften vor, so hat das deutsche Anerkennungsgericht festzustellen, ob die Förmlichkeiten erfüllt sind; Äußerungen des Erstgerichts zu dieser Frage sind unbeachtlich.178 Eine nach ausländischem Verfahrensrecht vorgesehene Ersatzzustellung ist grds ebenso wie nach deutschem Recht als ordnungsgemäß anzusehen. Sind dabei rechtsstaatliche Mindestanforderungen nicht erfüllt worden, kann die Anerkennung allerdings nach § 16a Nr 4 ausgeschlossen sein.179 Auch eine nach den Vorschriften des ausländischen Rechts zulässige öffentliche Zustellung kann ausreichend sein. Allerdings wird es bei dieser Form der Bekanntmachung meist an der Möglichkeit des Adressaten, den Inhalt des zugestellten Schriftstücks zur Kenntnis zu nehmen (vgl Rn 51), fehlen. Die etwaige Heilung von Zustellungsmängeln richtet sich grds ebenfalls nach dem maßgebenden ausländischen Verfahrensrecht. Aber auch wenn dieses keine dem Rechtsgedanken des § 189 ZPO nF entsprechende Regelung enthält, kann eine ausländische Entscheidung in Deutschland anerkannt werden, sofern festzustellen ist, dass der Adressat das verfahrenseinleitende Schriftstück tatsächlich (rechtzeitig) erhalten hat. Ist der Zugang der Entscheidung an den betroffenen Verfahrensbeteiligten gesichert, so kann ein Zustellungsmangel in dem ausländischen Verfahren die Wirksamkeit der Entscheidung ebenso wenig aufhalten wie ein solcher in einem entsprechenden deutschen Verfahren. Die mit § 189 ZPO nF (der ua über § 16 Abs 2 FGG auch im Verfahren der FG Anwendung findet) beabsichtigte Vereinfachung der Zustellung ist auch auf im Ausland geführte Verfahren übertragbar.180 Ist nach dem maßgebenden ausländischen Recht überhaupt keine förmliche Zustellung erforderlich, so ist eine solche – anders als nach § 328 Abs 1 Nr 2 ZPO – auch nicht Voraussetzung für die Anerkennung nach § 16a Nr 2. Ob das verfahrenseinleitende Schriftstück in die Sprache des Staates übersetzt werden musste, in dem sich der Mitteilungsempfänger aufhält oder die der Mitteilungsempfänger versteht, bestimmt ebenfalls das Recht des Entscheidungsstaats.181 Danach können auch das HZÜ182 oder die 175

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EuGH NJW 1993, 2091; Keidel/Zimmermann Rn 6c; Zöller/Geimer § 328 Rn 138c– 138e. BGH IPrax 1987, 236, 237; NJW 1990, 2201, 2202; Bassenge/Herbst/Roth Rn 6; Zöller/ Geimer § 328 Rn 138g; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 74; Musielak § 328 Rn 14; aA für Antragserweiterungen Keidel/ Zimmermann Rn 6c; Rahm/Künkel/Breuer VIII Rn 259; Grunsky IPrax 1987, 219. BayObLG FamRZ 2000, 1170; Musielak § 328 Rn 15. EuGH IPrax 1982, 14; BGHZ 120, 305; Zöller/Geimer § 328 Rn 142; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 75, 86. Keidel/Zimmermann Rn 6c. BayObLG FamRZ 1975, 215; 1978, 132, 133; Zöller/Geimer § 328 Rn 135a;

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MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 78; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 23; aA (vor Inkrafttreten des § 189 ZPO nF) BGHZ 120, 305, 311; Schack JZ 1993, 621, 622; Rauscher JR 1993, 413, 414. Vgl auch Art 34 Nr 2 EuGVVO und Art 18 EuEheVO. MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 82; Musielak § 328 Rn 17; aA Zöller/Geimer § 328 Rn 138, wonach die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nicht am Fehlen einer im Erststaat vorgeschriebenen Übersetzung scheitern soll. Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 (BGBl 1977 II S 1453). Nach Art 5 Abs 2 und 3 HZÜ muss eine Übersetzung beigefügt sein, sofern der

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

EuZustVO183 anwendbar sein, wenn der Erststaat das Verfahren dem Zivilprozess zuordnet. Auch bei ordnungsgemäßer Mitteilung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist die 51 ausländische Entscheidung nur dann anerkennungsfähig, wenn der betroffene Beteiligte das Schriftstück noch so rechtzeitig erhalten hat, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte. Ausgangspunkt ist insoweit der Zeitpunkt, in dem der Beteiligte das Schriftstück tatsächlich zur Kenntnis nehmen konnte. Das setzt neben dem tatsächlichen Zugang des Schriftstücks an den Beteiligten auch die Fähigkeit des Adressaten voraus, den Inhalt des Schriftstücks zu erfassen. Ist der Beteiligte etwa Analphabet oder außerstande, die Sprache, in der das Schriftstück abgefasst ist, zu verstehen, so kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem er sich zumutbarer Weise unter Hilfestellung eines Dritten über den Inhalt des Schriftstücks informieren konnte.184 Für die Rechtzeitigkeit der Information über die Verfahrenseinleitung kommt es auf die Zeit an, die dem betroffenen Beteiligten bis zur gerichtlichen Entscheidung für eine rechtliche oder tatsächliche Äußerung gegenüber dem Gericht verblieb. Dies bestimmt sich nicht nach dem Recht des Erststaates, sondern nach den Maßstäben des deutschen Verfahrensrechts.185 Für zivilprozessuale Verfahren wird im Allgemeinen in Anlehnung an die Einlassungsfrist des § 274 Abs 3 S 1 ZPO und die Einspruchsfrist des § 339 Abs 1 ZPO mindestens die Einhaltung einer zweiwöchigen Frist verlangt, aber auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt.186 In FG-Verfahren kommt es für die Frage, ob ein Beteiligter so rechtzeitig informiert worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte, darauf an, ob der Adressat nach der Kenntnisnahme des verfahrenseinleitenden Schriftstücks so viel Zeit zur Verfügung hatte, dass er sich bei individuell zumutbarem Verhalten noch in das Verfahren hätte einschalten können. Dies hängt ua von den persönlichen Fähigkeiten des Adressaten ab, zB davon, wie viel Zeit er benötigte, um einen fremdsprachlichen Text zu übersetzen oder übersetzen zu lassen, sich Rechtsrat einzuholen oder notwendige Informationen zu beschaffen. Auch das Verhalten eines anderen Beteiligten, der das Verfahren mit einem Antrag eingeleitet und durch Verschweigen der ihm bekannten Anschrift des Antragsgegners oder durch Angabe einer unzutreffenden ausländischen Anschrift veranlasst hat, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück den Antragsgegner nicht persönlich erreicht hat, ist bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zustellung zu würdigen.187 Teilweise wird eine Entscheidung auch dann für anerkennungsfähig gehalten, wenn 52 ein Beteiligter zwar zu Recht rügt, dass ihm die Verfahrenseinleitung nicht rechtzeitig mitgeteilt worden ist, er aber durch Zustellung der Entscheidung noch so rechtzeitig von dem ausländischen Verfahren Kenntnis erlangt hat, dass er nach dem Recht des Erststaa-

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Empfänger nicht nach Belehrung über die Rechtsfolgen zur Annahme ohne Übersetzung bereit ist. VO (EG) Nr 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl EG Nr L 160 S 37). Nach Art 5, 8 der VO kann der Empfänger die Annahme eines Schriftstücks verweigern, das nicht in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder in einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht, abgefasst ist.

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Vgl MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 83; Musielak § 328 Rn 17. BayObLG FamRZ 2000, 1170, 1171; Musielak § 328 Rn 18; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 79. BGH NJW 1986, 2197; BayObLG FamRZ 2000, 1170, 1171; 2002, 1423, 1424; Keidel/Zimmermann Rn 6c; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 6; Zöller/Geimer § 328 Rn 140; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 79; Musielak § 328 Rn 18. BayObLG FamRZ 2005, 638; 2005, 923.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

tes mit einem Rechtsmittel in das Verfahren vor dem ausländischen Gericht hätte eingreifen und damit in zweiter Instanz seine Rechte hätte wahrnehmen können.188 Diese Auffassung wird jedoch durch die geltende Gesetzesfassung nicht gestützt.189 Zwar tendiert das europäische Gemeinschaftsrecht teilweise dahin, die Anerkennung von Entscheidungen, die unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen sind, zu erleichtern. So ist ein zivilrechtliches Urteil eines Mitgliedstaates nach Art 34 Nr 2 EuGVVO auch dann anzuerkennen, wenn der Beklagte die Möglichkeit, die Entscheidung mit einem Rechtsbehelf anzugreifen, nicht genutzt hat. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nicht versagt werden kann, wenn ein in einem ausländischen Verfahren mögliches Rechtsmittel nicht eingelegt worden ist, kommt darin jedoch nicht zum Ausdruck. Die Anerkennung von Urteilen in Ehesachen und in die elterliche Verantwortung betreffenden Verfahren ist zB nach Art 22 lit b und Art 23 lit c EuEheVO nur möglich, wenn festgestellt wird, dass die Person, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; auf die unterlassene Einlegung eines Rechtsmittels wird insoweit nicht abgestellt. 4. Kollision unvereinbarer Entscheidungen (Nr 3) a) Allgemeines Nach § 16a Nr 3 darf eine ausländische Entscheidung nicht anerkannt werden, wenn 53 sie mit einer anderen in- oder ausländischen Entscheidung unvereinbar ist. Die Vorschrift stimmt inhaltlich mit § 328 Abs 1 Nr 3 ZPO überein, der Art 27 Nr 3 und 5 EuGVÜ und dessen Nachfolgeregelung in Art 34 Nr 3 und 4 EuGVVO nachgebildet ist, und regelt ausdrücklich ein Anerkennungshindernis, das früher als von der ordre public-Klausel miterfasst angesehen wurde.190 Unvereinbar sind Entscheidungen nicht nur bei einem offenen Widerspruch und bei gleichem Streitgegenstand. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Entscheidungen im Kern den gleichen Sachverhalt betreffen, wobei auch die Entscheidungsgründe mit einbezogen werden müssen.191 Anders als die Artt 27 Nr 3 und 4 EuGVÜ, 34 Nr 3 und 4 EuGVVO verlangt § 16a Nr 3 (ebenso wie § 328 Abs 1 Nr 3 ZPO) keine Identität der Verfahrensbeteiligten in den auf ihre Vereinbarkeit zu prüfenden Entscheidungen.192 Daraus folgt jedoch nicht, dass die Übereinstimmung der Beteiligten gänzlich ohne Bedeutung ist. Bei unterschiedlichen Beteiligten ist vielmehr zu prüfen, ob die auf ihre Vereinbarkeit zu prüfende Entscheidung Wirkungen auch im Hinblick auf eine Person entfaltet, die an dem Verfahren nicht beteiligt war.193 Bei rechtskraftfähigen Entscheidungen kommt es auf den Umfang der Rechtskraft nach dem Recht des Staates an, in dem die Entscheidung erlassen worden ist, bei nicht rechtskraftfähigen

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Zöller/Geimer § 328 Rn 137; Geimer Festschrift für Ferid S 126 Fn 148. EuGH IPrax 1991, 177, 178; 1993, 394, 395; BGH NJW 1993, 598, 600; 1993, 2688, 2689; Keidel/Zimmermann Rn 6a; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 81; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 22; Musielak § 328 Rn 16. Vgl BayObLG FamRZ 1983, 501. Vgl OLG Hamm FamRZ 2001, 1015 zu Unterhaltsentscheidungen unter Bezugnahme auf die vom EuGH (NJW 1989, 665) zum Begriff „desselben Anspruchs“ iS des

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Art 21 Abs 1 EuGVÜ (jetzt Art 27 Abs 1 EuGVVO) entwickelten sog Kernbereichstheorie; ebenso BGH RIW 1995, 413; NJW 2002, 2795; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 27 ; kritisch dazu Zöller/Geimer Art 27 EuGVVO Rn 20 ff und Art 34 EuGVVO Rn 41. BTDrs 10/504 S 88; vgl auch Keidel/Zimmermann Rn 7. Zöller/Geimer § 328 Rn 149; aA MünchKomm/Gottwald, der Parteiidentität verlangt.

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Entscheidungen auf die Frage, auf welchen Personenkreis sich die Wirkungen der Entscheidung nach dem Recht des Erlassstaates erstrecken. Die Unvereinbarkeit von Entscheidungen kann sich auch aus einem Widerspruch präjudizieller Feststellungen ergeben.194 Als Entscheidungen kommen grds alle Gerichtssprüche in Betracht, die von einem mit Rechtsprechungsaufgaben betrauten staatlichen Organ (Richter, Rechtspfleger oä) getroffen worden sind, auch einstweilige Anordnungen (s Rn 27). Es muss sich jedoch um eine Sachentscheidung handeln. Eine deutsche oder ausländische Entscheidung, die lediglich Verfahrensfragen betrifft, steht der Anerkennung einer ausländischen Sachentscheidung nicht entgegen.195 Dies gilt auch für die Versagung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht, denn damit wird nicht in der Sache entschieden.196 Ein Vergleich steht nur dann einer gerichtlichen Entscheidung gleich, wenn er nach dem maßgebenden ausländischen Verfahrensrecht die Wirkungen einer gerichtlichen Entscheidung hat.197 § 16a Nr 3 regelt drei Fallgruppen: 54 a) Die auf ihre Anerkennung zu prüfende ausländische Entscheidung ist mit einer „hier“, dh in Deutschland, erlassenen Entscheidung unvereinbar. b) Die auf ihre Anerkennung zu prüfende ausländische Entscheidung ist mit einer früheren ausländischen Entscheidung unvereinbar. c) Das Verfahren, das der auf ihre Anerkennung zu prüfenden ausländischen Entscheidung zugrunde liegt, ist mit einem früher in Deutschland rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar. b) Kollision zwischen ausländischer und deutscher Entscheidung

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In der ersten Fallgruppe kollidieren eine ausländische und eine in der gleichen Angelegenheit in Deutschland gefällte Entscheidung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die deutsche Entscheidung vor oder nach der ausländischen Entscheidung erlassen worden ist. Die deutsche Entscheidung steht der Anerkennung der ausländischen Entscheidung selbst dann entgegen, wenn das deutsche Gericht den ausländischen Spruch ignoriert oder zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen hat.198 Auch eine in Deutschland erlassene einstweilige Anordnung schließt die Anerkennung einer ausländischen (End-) Entscheidung, die den gleichen Verfahrensgegenstand betrifft, aus.199 Kein Kollisionsfall liegt vor, wenn durch eine ausländische Entscheidung eine frühere deutsche Entscheidung ausdrücklich oder faktisch wegen veränderter Umstände abgeändert worden ist. Denn das Abänderungsverfahren betrifft (wie zB deutsche Verfahren nach § 1696 BGB oder § 10a VAHRG) einen neuen Verfahrensgegenstand.200

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MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 91; Musielak § 328 Rn 20; aA Stein/Jonas/Roth § 328 Rn 119. Zöller/Geimer § 328 Rn 147; Stein/Jonas/ Roth § 328 Rn 121; Musielak § 328 Rn 21; Geimer Festschrift für Ferid S 99. BGHZ 99, 17 = NJW 1984, 568; Keidel/ Zimmermann Rn 7; Bassenge/Herbst/Roth Rn 7; Zöller/Geimer § 328 Rn 150. Zöller/Geimer § 328 Rn 150c; Musielak § 328 Rn 21; vgl auch AG Gelsenkirchen FamRZ 1995, 1160. OLG Hamburg FamRZ 1988, 425; Keidel/

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Zimmermann Rn 7; Musielak § 328 Rn 22; Geimer Festschrift für Ferid S 99; kritisch zur gesetzlichen Regelung Zöller/Geimer § 328 Rn 146; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 89; Gottwald IPrax 1984, 57, 60. BGH NJW 1992, 3108; OLG Frankfurt FamRZ 1992, 463; Keidel/Zimmermann Rn 7; Bassenge/Herbst/Roth Rn 7. OLG Köln IPrax 1988, 30 m Anm Henrich S 21; OLG München FamRZ 1993, 340; AG Gelsenkirchen FamRZ 1995, 1160; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 89.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

c) Kollision zwischen zwei ausländischen Entscheidungen Die zweite Fallgruppe betrifft die Kollision einer ausländischen Entscheidung und einer 56 anderen, früher ergangenen ausländischen Entscheidung. Insofern gilt das Prioritätsprinzip: Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung kann nur durch eine zuvor erlassene andere ausländische Entscheidung in Frage gestellt sein.201 Dabei kommt es nicht darauf an, welches Verfahren eher rechtshängig geworden ist, sondern auf den Eintritt der Rechtskraft und Wirksamkeit der Entscheidungen.202 d) Frühere Rechtshängigkeit eines deutschen Verfahrens Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung kann auch daran scheitern, dass 57 sie in einem Verfahren ergangen ist, das mit einem in Deutschland früher rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar war. Hiermit werden Fälle erfasst, in denen das ausländische Gericht eine in gleicher Sache bereits in Deutschland eingetretene Rechtshängigkeit nicht beachtet hat.203 Da es im FGG-Verfahren keine den §§ 253 Abs 1, 261 Abs 1 und 2 ZPO entsprechende „Rechtshängigkeit“ gibt, kommt es insoweit auf die Anhängigkeit der Sache an, also darauf, wann das deutsche Gericht iSv § 5 FGG mit der Sache befasst worden ist.204 In welchem Stadium sich das deutsche Verfahren zum Zeitpunkt der ausländischen Entscheidung befunden hat, ist unerheblich. Nur wenn das inländische Verfahren bereits ohne Sachentscheidung beendet worden war, also etwa durch Antragsrücknahme, ist die ausländische Entscheidung anerkennungsfähig.205 Ohne Bedeutung ist für die Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung auch, ob das ausländische Gericht die Anhängigkeit des gleichen Verfahrensgegenstandes in Deutschland kannte oder nicht.206 5. Verstoß gegen ordre public (Nr 4) § 16a Nr 4 versagt einer ausländischen Entscheidung die Anerkennung, wenn sie zu 58 einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere der Verfassung, offensichtlich unvereinbar ist. Die Vorschrift lehnt sich an die ordrepublic-Klausel der Neufassung des Art 6 EGBGB an.207 In Übereinstimmung mit den in den neueren europäischen Verordnungen enthaltenen ordre-public-Vorbehaltsklauseln (vgl zB Art 34 Nr 1 EuGVVO, Art 22 lit a, Art 23 lit a EuEheVO208) steht der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nur eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen – zu denen auch die in Deutschland unmittelbar geltenden Prinzipien des europäischen Gemeinschaftsrechts gehören209 – entgegen. Die ausländische Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren sind daher nur an den elementaren deutschen Rechtsprinzipien zu messen und müssen diesen außerdem augenfällig widersprechen. Es reicht für die Versagung der Anerkennung keinesfalls aus, dass die Verfahrensweise des ausländischen Gerichts nach deutschem Verfahrensrecht zu

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BTDrs 10/504 S 88. MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 88; Staudinger/Spellenberg § 328 Rn 473. BTDrs 10/504 S 88. Vgl OLG Frankfurt FamRZ 1992, 463. Bassenge/Herbst/Roth Rn 7. Geimer Festschrift für Ferid S 99. MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 90; Musielak § 328 Rn 22.

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BTDrs 10/504 S 88 f. In Art 27 Nr 1 EuGVÜ fehlt noch das Wort „offensichtlich“. In Anbetracht der neuen europäischen Rechtsentwicklung erledigt sich jedoch die Frage, ob § 328 Abs 1 Nr 4 ZPO und § 16a Nr 4 FGG einen vom europäischen Gemeinschaftsrecht abweichenden Toleranzmaßstab enthalten. Vgl dazu Zöller/Geimer § 328 Rn 168 ff.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

beanstanden gewesen wäre oder dass ein Verstoß gegen elementare deutsche Rechtsgrundsätze zwar möglich erscheint, aber nicht ohne weiteres – insbesondere nicht ohne aufwändige Ermittlungen – feststellbar ist. Das Anerkennungsverfahren dient nicht dazu, die Entscheidungsfindung des ausländischen Gerichts oder seine Verfahrensweise allgemein auf Fehler zu überprüfen. Auch auf fehlerhafter Rechtsanwendung beruhende ausländische Entscheidungen sind grds – ebenso wie deutsche – zu respektieren, denn es kann von den Beteiligten erwartet werden, dass sie fehlerhafte Entscheidungen in dem ausländischen Verfahren mit den dort gegebenen Rechtsmitteln bekämpfen.210 Nur Entscheidungen, deren Inhalt oder deren Zustandekommen erkennbar gegen Grundwerte der deutschen Rechtsordnung verstoßen, kann die Anerkennung im Inland versagt werden. Die Anwendung der ordre-public-Klausel setzt eine ausreichende Inlandsbeziehung 59 voraus.211 Diese ergibt sich nicht schon daraus, dass es um die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung im Inland geht. Es genügt jedoch, dass ein Beteiligter die deutsche Staatsangehörigkeit oder einen inländischen Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. In Statusangelegenheiten reicht es auch aus, dass von der Anerkennung der Entscheidung Rechtswirkungen im Inland abhängen. In Ausnahmefällen kann die Anerkennung selbst bei fehlendem oder äußerst geringem Inlandsbezug zu versagen sein, wenn die ausländische Entscheidung gegen Menschenrechte oder international allgemein anerkannte rechtsstaatliche Garantien verstößt.212 § 16 Nr 3 erfordert eine Kontrolle des Ergebnisses der ausländischen Entscheidung. 60 Gegenstand der Überprüfung ist einerseits der Inhalt der ausländischen Entscheidung. Dabei kommt es grds nicht darauf an, ob das ausländische Gericht deutsches, ausländisches oder überstaatliches Recht angewendet hat und ob die Rechtsanwendung aus Sicht des inländischen Gerichts richtig war. Die Anerkennung darf aus materiellrechtlichen Gründen jedoch versagt werden, wenn das ausländische Gericht international zwingendes Recht, das für das Anerkennungsgericht im Erkenntnisverfahren zu beachten gewesen wäre, nicht beachtet hat und dadurch zu einer schlechthin unerträglichen Entscheidung gekommen ist.213 Auch Entscheidungen, die aufgrund unrichtiger Anwendung des deutschen Rechts zu einem untragbaren Ergebnis kommen, kann die Anerkennung versagt werden.214 Das Gleiche gilt für Entscheidungen, die durch falsche Angaben gegenüber dem ausländischen Gericht erschlichen worden sind.215 Tatsachenfeststellungen des ausländischen Gerichts sind nicht zu überprüfen, soweit sie ohne – seinerseits gegen den ordre public verstoßende – gravierende Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien zustande gekommen sind.216 Da es für die Beurteilung der Anerkennungsvoraussetzungen allerdings auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das deutsche Gericht ankommt,217 können – in Ausnahmefällen – zwischenzeitlich eingetretene neue Tatsachen 210

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Zöller/Geimer § 328 Rn 151; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 92; Musielak § 328 Rn 23; Geimer Festschrift für Ferid S 105. Zöller/Geimer § 328 Rn 167; Musielak § 328 Rn 28; Geimer Festschrift für Ferid S 107. Zöller/Geimer § 328 Rn 167a. Geimer Festschrift für Ferid S 107. Zöller/Geimer § 328 Rn 160, 175b. BGH NJW 1999, 3198; 2004, 2386; BayObLGZ 1999, 211; OLG Koblenz FamRZ 1991, 459, 460; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 8; Zöller/Geimer § 328

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Rn 175a; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 96, 103. Zöller/Geimer § 328 Rn 160 ff; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 94 f; Musielak § 328 Rn 24; Stein/Jonas/Roth § 328 Rn 127. BGH FamRZ 1979, 577, 580; 1989, 378; BayObLGZ 2000, 180; OLG Hamm FamRZ 1987, 506; OLG Stuttgart FamRZ 2005, 636; Keidel/Zimmermann Rn 8; Bassenge/Herbst/Roth Rn 8; Musielak § 328 Rn 24; aA Geimer Festschrift für Ferid S 108.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

dazu führen, dass der ausländische Richterspruch nunmehr zu einem mit der deutschen Rechtsordnung nicht (mehr) vereinbaren Ergebnis führt.218 Zurückhaltung bei der Annahme eines ordre-public-Verstoßes ist allerdings geboten, wenn die veränderten Tatsachen in einem – ggf einzuleitenden – Abänderungsverfahren berücksichtigt werden können.219 Das Fehlen schriftlicher Gründe steht der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung für sich allein nicht entgegen.220 Ein Verstoß gegen den ordre public kann sich auch aus dem Ablauf des ausländischen 61 Verfahrens ergeben.221 Dafür reicht es allerdings nicht aus, wenn das ausländische Verfahren weniger strengen Regeln unterliegt als das deutsche, zB wenn es keinen Amtsermittlungsgrundsatz kennt, ein anderes Beweisrecht enthält oder Endentscheidungen im summarischen Verfahren erlaubt.222 Hinzunehmen ist selbst eine „contempt of court“Regelung des ausländischen Verfahrensrechts, wonach ein Beteiligter wegen Nichtbeachtung einer gerichtlichen Anordnung vom weiteren Verfahren ausgeschlossen worden ist.223 Nur gravierende Verstöße gegen Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens können der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung entgegenstehen. Außerdem ist erforderlich, dass der Betroffene keine Möglichkeit hatte, sich in dem Erstverfahren gegen die zu beanstandende Verfahrensweise zur Wehr zu setzen.224 Von praktischer Bedeutung sind insbesondere Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieses Grundrecht (Art 103 Abs 1 GG) erfordert es, Entscheidungen die Anerkennung zu versagen, die getroffen worden sind, ohne dass ein davon Betroffener Gelegenheit hatte, sich zu äußern und auf das Verfahren Einfluss zu nehmen.225 Zu beanstanden ist es auch, wenn einem Beteiligten die Vertretung durch einen Verfahrensbevollmächtigten verwehrt worden ist.226 Kein Verstoß gegen den ordre public liegt dagegen vor, wenn ein Beteiligter nicht zu einem Verhandlungs- oder Anhörungstermin geladen worden ist, nachdem er über die Einleitung des Verfahrens in Kenntnis gesetzt worden war, ohne sich daraufhin in dem Verfahren zu äußern.227 Eine Entscheidung beruht auch dann auf einer Grundrechtsverletzung, wenn sie nicht durch ein unabhängiges Gericht getroffen worden ist.228 Dagegen verstößt eine Entscheidung nicht schon deshalb gegen den ordre public, weil sie entgegen der deutschen Gerichtsverfassung durch Laienrichter getroffen worden ist.229

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BGH NJW 1999, 3198; Keidel/Zimmermann Rn 8; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 94; Musielak § 328 Rn 24. Geimer Festschrift für Ferid S 108. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 839; Zöller/ Geimer § 328 Rn 173; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 104; Geimer Festschrift für Ferid S 108. BGHZ 4, 327; 49, 50, 55; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 102; Musielak § 328 Rn 25; Geimer Festschrift für Ferid S 105. BGH NJW 1970, 1004; 1986, 2193; 1992, 3096; Zöller/Geimer § 328 Rn 162; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 104; Musielak § 328 Rn 25, 27. BGH NJW 1968, 354; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 104; Musielak § 328 Rn 27. BayObLG FamRZ 2001, 1622, 1623; Zöller/Geimer § 328 Rn 158; MünchKomm/

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Gottwald § 328 Rn 102; Geimer Festschrift für Ferid S 106; aA Musielak § 328 Rn 29 mwN. BGH NJW 1977, 150; 1992, 3096; 1997, 2051, 2052; NJW-RR 2002, 1151; Keidel/ Zimmermann Rn 9; Bassenge/Herbst/Roth Rn 8; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 103. EuGH NJW 2000, 1853, 1855; BGH NJW 2000, 3289; Zöller/Geimer § 328 Rn 156; Musielak § 328 Rn 27. BGH NJW 1999, 3198, 3201; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 103; Musielak § 328 Rn 26. BGH NJW 1964, 2350, 2352; MünchKomm/ Gottwald § 328 Rn 103. OLG Saarbrücken NJW 1988, 3100; MünchKomm/Gottwald § 328 Rn 104; Musielak § 328 Rn 27.

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§ 16a 62

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Beispiele für Verstöße gegen den ordre public auf dem Gebiet der FG: • Anordnung der Herausgabe eines Kindes unter Anwendung von Gewalt, wenn diese die Grundrechte des Kindes aus Artt 1 Abs 1, 2 Abs 1 GG verletzt und unverhältnismäßig ist;230 • Ferienumgangsregelung unter Nichtbeachtung der deutschen Schulferienzeit;231 • Nichtbeachtung des Kindeswohls bei Genehmigung der Annahme eines Kindes;232 • Adoption nur zu dem Zweck, dem Kind eine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland, den Namen des Annehmenden oder dessen Staatsangehörigkeit zu verschaffen;233 • Adoption eines deutschen Kindes im Ausland unter Verletzung der Zustimmungserfordernisse des Art 23 EGBGB.234 Kein Verstoß gegen den ordre public wurde in folgenden Fällen angenommen: • Vaterschaftsfeststellung ohne medizinische Untersuchung allein aufgrund der Aussage der Kindesmutter und/oder anderer Zeugen;235 • vorläufige Regelung der elterlichen Sorge vor Anhörung eines Elternteils und des Kindes;236 • Anordnung der Herausgabe eines Kindes ohne persönliche, aber nach schriftlicher Anhörung des zur Herausgabe verpflichteten Elternteils;237 • ausländische Dekretadoption mit den Wirkungen einer Volladoption;238 • ausländische Adoption mit schwächeren Rechtswirkungen als eine deutsche Volladoption;239 • Adoption durch ein international zuständiges ausländisches Gericht ohne Beachtung des Adoptionsstatuts, das nach Art 22 EGBGB berufen gewesen wäre;240

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BayObLG FamRZ 1984, 1259, 1262; 1985, 737; OLG Karlsruhe OLGR 2000, 241; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 1536; Keidel/Zimmermann Rn 8 und § 33 Rn 42; Wieser FamRZ 1990, 693; vgl auch BGH FamRZ 1979, 577, 580. AG Kitzingen IPrax 1987, 178; Dörner IPrax 1987, 155, 156. HessVGH FamRZ 1994, 956; BayObLGZ 2000, 180, 184. Anders jedoch für den Fall, dass eine Mutter nicht angehört wurde, die der Adoption bereits zugestimmt hatte, LG Frankfurt FamRZ 1995, 637. BVerwG StAZ 1987, 20; AG Hamm JA 2004, 375; AG Celle JA 2004, 377; Staudinger/Henrich Art 22 EGBGB Rn 95; Palandt/Heldrich Art 22 EGBGB Rn 13. OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 699, 700; Palandt/Heldrich Art 22 EGBGB Rn 13; differenzierend Staudinger/Henrich Art 22 EGBGB Rn 90 ff; abw LG Berlin DAVorm 1990, 816; LG Frankfurt/M IPrax 1995, 44; die versäumte Einwilligung kann jedoch nachgeholt werden, vgl BayObLG NJW 1957, 25; OLG Celle NJW 1965, 44. BGH FamRZ 1997, 490, 492; BSG FamRZ

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1997, 1010; OLG Hamm FamRZ 1993, 438; 2003, 1855; 2004, 720; OLG Brandenburg FamRZ 1995, 503; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 176, 177; OLG Naumburg FamRZ 2001, 1013, 1014; OLG München FamRZ 2003, 462, 463; OLG Stuttgart FamRZ 2005, 636; OLG Dresden FamRZ 2006, 563. Anders jedoch für den Fall, dass das ausländische Gericht keine ernsthaften Versuche zur Klärung der Abstammung unternommen hat, OLG Oldenburg FamRZ 1993, 1486; AG Würzburg FamRZ 1994, 1596. BGH FamRZ 1977, 126, 127. BGH FamRZ 1979, 577, 579. BGH FamRZ 1989, 378. OLG Zweibrücken StAZ 1985, 132; Staudinger/Henrich Art 22 EGBGB Rn 97; MünchKomm/Klinkhardt Art 22 EGBGB Rn 90; Palandt/Heldrich Art 22 EGBGB Rn 14; aA AG St Ingbert IPrax 1984, 43. Nach Art 3 AdWirkG kann eine ausländische schwache Adoption eines Minderjährigen nunmehr in eine Volladoption umgewandelt werden. BayObLGZ 2000, 180, 183.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

• Adoption mit unzutreffendem Geburtsdatum;241 • nach rumänischem Recht ohne Einwilligung des Ehegatten ausgesprochene Einzeladoption;242 • Annullierung eines Adoptionsdekrets.243

V. Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Ausländische Entscheidungen der FG, die einer Vollziehung bedürfen (zB Umgangs- 63 regelungen und Kindesherausgabeanordnungen), können in Deutschland nach § 33 FGG vollstreckt werden.244 Ein Vollstreckungsurteil nach §§ 722, 723 ZPO ist nur erforderlich, wenn das FGG für eine vergleichbare Entscheidung nach deutschem Recht ausdrücklich eine Vollstreckung nach den Vorschriften der ZPO anordnet (vgl zB §§ 53a Abs 4, 53g Abs 3 FGG, 16 Abs 3 HausratsVO).245 Das ist bei einer Kindesherausgabeentscheidung auch dann nicht der Fall, wenn sie sich gegen einen Dritten richtet. Das FGG sieht kein Exequaturverfahren voraus. Gleichwohl ist überwiegend anerkannt, dass auch ausländische Entscheidungen aus dem Bereich der FG zur Vollziehung in Deutschland einer besonderen Vollstreckbarerklärung bedürfen.246 Dies gilt auch für einstweilige Anordnungen.247 Über die Vollstreckbarerklärung ist in einem isolierten Verfahren der FG zu entscheiden.248 Handelt es sich bei der entschiedenen Sache nach deutschem Recht um eine Familiensache, so ist für die Vollstreckbarerklärung das Familiengericht zuständig. Dieses entscheidet im Verfahren der FG gemäß den §§ 621 Abs 1, 621a ZPO.249 Über die Anerkennung der zu vollstreckenden ausländischen Entscheidung ist ohne gesonderten Ausspruch incidenter als Vorfrage nach Maßgabe des § 16a (oder der entsprechenden Bestimmung eines vorrangig geltenden Staatsvertrages) zu befinden.250 Auf ihre materielle Richtigkeit ist die ausländische Entscheidung jedoch im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mehr zu überprüfen; insoweit gilt nichts anderes als im zivilpozessualen Vollstreckungsverfahren nach § 723 Abs 1 ZPO. Der Vollstreckbarerklärung steht es auch nicht entgegen, wenn die zu vollstreckende Entscheidung unter den Voraussetzungen der §§ 1696 BGB, 18 Abs 1 FGG abänderbar ist (vgl dazu Rn 66).251 Eine 241 242 243 244

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OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1316 = NJW 2004, 516. OLG Nürnberg FamRZ 2002, 1145. OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 699. BGH FamRZ 1977, 126; 1979, 577, 578; 1983, 1008, 1010; Keidel/Zimmermann Rn 12; Roth IPrax 1988, 75, 78. Roth IPrax 1988, 75, 78. BGH FamRZ 1983, 1008, 1009; Keidel/ Zimmermann Rn 12; Bassenge/Herbst/ Roth § 33 Rn 36; Roth IPrax 1988, 75, 76; aA Geimer Festschrift für Ferid S 111 f. Vgl ferner die Bestimmungen in verschiedenen Staatsverträgen, zB Art 28 EuEheVO, Art 26 ESÜ iVm § 16 IntFamRVG. BGH FamRZ 1983, 1008, 1010. Ob eine ausländische einstweilige Anordnung auch dann für vollstreckbar erklärt werden kann, wenn neben dem summarischen Verfahren auch ein Hauptsacheverfahren möglich ist,

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hat der BGH offen gelassen (aaO S 1011). Die Frage ist zu bejahen, denn das deutsche Recht verbietet nicht die Vollstreckung aus einer im summarischen Verfahren ergangenen ausländischen Entscheidung; ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 1984, 819; Baumbach/Hartmann § 328 Rn 9; Roth IPrax 1988, 75, 81. BGH FamRZ 1983, 1008, 1010. BGH FamRZ 1983, 1008, 1009; 1988, 491, 492; Roth IPrax 1988, 75, 77; vgl auch Rn 47 vor § 64. BGH FamRZ 1977, 126; 1979, 577; 1983, 1008; OLG Hamm FamRZ 1987, 506; OLG Bamberg FamRZ 2000, 1098; Keidel/Zimmermann Rn 12; Dörner IPrax 1987, 155; Roth IPrax 1988, 75, 78. BGH FamRZ 1983, 1008, 1011; Roth IPrax 1988, 75, 79.

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Entscheidung des VormG über die Vollstreckbarerklärung ist gemäß § 19 mit der (einfachen) Beschwerde anfechtbar. In Familiensachen ist dagegen nur die (befristete) Beschwerde nach § 621e ZPO statthaft.252 Im Anschluss an die Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung ist eine 64 konkrete Vollziehungsverfügung nach § 33 zu erlassen. Diese kann allerdings mit der Vollstreckbarerklärung verbunden werden; bei einer Vollstreckung nach § 33 Abs 1 S 1 gilt dies für die gemäß § 33 Abs 3 S 1 zunächst vorzunehmende Androhung des Zwangsgeldes.253 Die gerichtliche Zuständigkeit ist für beide Entscheidungen identisch; sie ergibt sich idR aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des Beteiligten, gegen den sich die Verfügung richtet, oder aus dem Ort, an dem die Verfügung zu vollziehen ist (vgl §§ 35b, 36, 36b, 43 FGG). Ist für die Vollstreckbarerklärung nach dem in Rn 63 Gesagten das Familiengericht zuständig, so handelt es sich auch bei der Vollziehungsverfügung nach § 33 um eine Familiensache.254 Hat das Gericht nur eine Vollziehungsverfügung nach § 33 erlassen, so ist darin im Zweifel zugleich auch die (konkludente) Vollstreckbarerklärung der zu vollziehenden ausländischen Entscheidung zu sehen, jedenfalls wenn das Gericht erkennbar die Anerkennung der ausländischen Entscheidung bejaht hat. Zwar darf der für vollstreckbar erklärte ausländische Titel auch im Rahmen der Entscheidung nach § 33 nicht mehr inhaltlich überprüft werden.255 Ergeben sich aber im Vollstreckungsverfahren Anhaltspunkte dafür, dass die Vollstreckung rechtsmissbräuchlich wäre, so darf das inländische Gericht die Vollziehung – ggf in der beantragten Form – ablehnen. Dies gilt insbesondere, wenn die beantragte Vollstreckungsmaßnahme mit dem Wohl eines betroffenen Kindes unvereinbar wäre und deshalb auf eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge iSv § 1666 BGB hinausliefe. In diesem Fall ist das inländische Gericht nach deutschem Recht verpflichtet, die das Kindeswohl gefährdende Zwangsmaßnahme (in Betracht kommt insbesondere die Anordnung unmittelbaren Zwangs nach § 33 Abs 2 S 2 FGG) zu verhindern.256 Wenn sich die der ausländischen Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen bis zum Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckung geändert haben und die Durchsetzung einer Anordnung (zB einer Umgangsregelung) deshalb nicht mehr gerechtfertigt ist, kann außerdem ein Abänderungsverfahren mit dem Ziel einer Änderung des bestehenden Vollstreckungstitels eingeleitet werden (vgl dazu Rn 66). Mit den Mitteln des § 33 sind auch einstweilige Anordnungen des Familiengerichts nach den §§ 620, 621 g ZPO oder nach § 64b Abs 3 FGG zu vollziehen.257 Eine Vollziehungsanordnung nach § 33 ist mit der einfachen Beschwerde nach § 19 FGG anfechtbar.258 Für Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat der EU über das Umgangsrecht oder 65 in bestimmten Fällen über die Rückgabe eines Kindes nach dem HKÜ getroffen worden sind, bedarf es nach Art 41 Abs 1, 42 Abs 1 EuEheVO keiner Vollstreckbarerklärung

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BGH FamRZ 1983, 1008, 1009; Roth IPrax 1988, 75, 77. Dörner IPrax 1987, 155; Roth IPrax 1988, 75, 77; vgl auch BGH FamRZ 1977, 126, 127; 1983, 1008, 1010. BGH NJW 1978, 1112; FamRZ 1983, 1008, 1012; 1990, 35; Keidel/Zimmermann § 33 Rn 54; Bassenge/Herbst/Roth § 64 Rn 1; vgl auch Rn 46 vor § 64. OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 1349, 1350; OLG Hamm FamRZ 1996, 363; OLG Hamburg FamRZ 1996, 1093; OLG Bamberg

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FamRZ 2000, 1098; OLG Frankfurt OLGR 2002, 328; Keidel/Zimmermann § 33 Rn 19, 22; Bassenge/Herbst/Roth § 33 Rn 6. BGH FamRZ 1977, 126, 128; 1983, 1008, 1013; BayObLG FamRZ 1977, 139; IPrax 1982, 106, 110; OLG Hamburg FamRZ 1996, 1093; Dörner IPrax 1987, 155, 157; Roth IPrax 1988, 75, 78. BGH FamRZ 1983, 1008, 1010; vgl auch § 64 Rn 303. BGH FamRZ 1983, 1008, 1012; vgl auch § 64 Rn 156.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

mehr. Diese Entscheidungen können vielmehr nach Vorlage einer durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats ausgestellten Bescheinigung ohne weiteres im Inland vollstreckt werden.259 Die Vollziehung richtet sich in diesen Fällen nach § 44 IntFamRVG. Diese Vorschrift gilt auch für andere im Inland zu vollstreckende Titel nach Kapitel III der EuEheVO, dem HKÜ oder dem ESÜ; diese Titel müssen jedoch zunächst für vollstreckbar erklärt werden. Für die Vollstreckbarerklärung und die Anordnungen nach § 44 IntFamRVG ist das Familiengericht am Sitz des übergeordneten OLG ausschließlich zuständig (§§ 12, 13 IntFamRVG).260

VI. Abänderung ausländischer Entscheidungen Ist eine ausländische Entscheidung nach den dargestellten Grundsätzen anzuerkennen 66 (und vollstreckbar), so kann sie nicht von dem inländischen Gericht auf verfahrensrechtlichem Wege, etwa gemäß § 18 oder aufgrund von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln geändert oder aufgehoben werden. Das ist nur nach Maßgabe des innerstaatlichen Verfahrensrechts des Entscheidungsstaates möglich; das deutsche Gericht hat keine Befugnis, ausländische Entscheidungen abzuändern oder aufzuheben.261 Diesem Erfordernis zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs hat der deutsche Gesetzgeber gerade durch § 16a Rechnung getragen. Denn ersichtlich wäre es nicht sinnvoll, die Gründe für die Versagung der Anerkennung zu beschränken, wenn gleichwohl die ausländische Entscheidung wegen beliebiger tatsächlicher oder rechtlicher Mängel sollte geändert werden können. Dagegen kann der Zustand, der durch eine anzuerkennende ausländische Entscheidung begründet worden ist, durch eine andere Regelung geändert werden, wenn das anwendbare materielle Recht der lex causae dies zulässt und das inländische Gericht international zuständig ist. Dies trifft für Sorge- und Umgangsrechtsentscheidungen nach deutschem Recht (§ 1696 BGB) und den meisten Auslandsrechten zu. Insofern ist daher eine abändernde Entscheidung zulässig, wobei sich das Verfahren nach inländischem Recht richtet.262 In diesem Verfahren kann dann die Vollziehung der möglicherweise änderungsbedürftigen Entscheidung durch einstweilige Anordnung vorläufig ausgesetzt werden.263 Für eine Abänderung ist jedoch erforderlich, dass sich die der Erstentscheidung zugrunde gelegten Verhältnisse verändert haben oder dass damals vorhandene, aber übersehene Tatsachen bekannt geworden sind, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Eine andere rechtliche Beurteilung des unveränderten Sachverhalts durch das inländische Gericht reicht dagegen für die Abänderung der ausländischen Entscheidung nicht aus. Andernfalls würde die von § 16a bei Nichtvorliegen der abschließend normierten Hindernisse geforderte Anerkennung der ausländischen Entscheidung unterlaufen.264

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BTDrs 15/3981 S 24. Vgl Rn 32 ff vor § 64; § 64 Rn 16. RGZ 116, 194; BGH FamRZ 1983, 806, 808. BGH FamRZ 1983, 806, 808; NJW-RR 1986, 1130; Keidel/Zimmermann Rn 10;

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Beitzke IPrax 1984, 313, 314; Mansel IPrax 1987, 298; Roth IPrax 1988, 75, 79. BGH FamRZ 1977, 126, 128; OLG Hamburg FamRZ 1994, 1128; Bassenge/Herbst/ Roth § 33 Rn 6; Roth IPrax 1988, 75, 78. So zutr Mansel IPrax 1987, 298.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

VII. Zwischen- und überstaatliche Abkommen 1. EU-Verordnungen a) EuGVVO Die Verordnung (EG) Nr 44/2001 (EuGVVO)265 „ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt“ (Art 1 Abs 1 S 1). Sie ist am 1.3.2002 in den damaligen Mitgliedstaaten der EU (mit Ausnahme von Dänemark, vgl Art 1 Abs 3) in Kraft getreten und gilt inzwischen auch in den neuen Mitgliedstaaten.266 Sie regelt die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat der EU in zivilrechtlichen Streitigkeiten ergehen, in den anderen Mitgliedstaaten. Die Einordnung als Zivil- oder Handelssache erfolgt nach materiellrechtlichen Kriterien. Der Begriff dient der Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten und schließt, da es nicht darauf ankommt, in welcher Gerichtsbarkeit die Entscheidung ergangen ist, die Einbeziehung von Entscheidungen auf dem Gebiet der FG nicht aus. Allerdings kommt gem Art 1 Abs 2 lit a eine Anwendung der EuGVVO auf Gegenstände der FG im Wesentlichen nicht in Betracht. Der Negativkatalog dieser Vorschrift umfasst neben Ehesachen iSv §§ 606 ff ZPO und Kindschaftssachen iSv §§ 640 ff ZPO sowie Lebenspartnerschaftssachen iSv § 661 Abs 1 Nr 1 und 2 ZPO auch den Kernbereich der FG, nämlich Vormundschafts-, Pflegschafts-, Betreuungs- und Nachlasssachen267 sowie aus dem Bereich der Familiensachen Sorgerechts-, Umgangsrechts- und Kindesherausgabeverfahren iSv § 621 Abs 1 Nr 1–3 und § 661 Abs 1 Nr 3a–3c ZPO. Zu den nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO fallenden Statusverfahren gehören auch Streitigkeiten aus dem ehelichen Güterrecht,268 Versorgungsausgleichssachen,269 Verfahren über Hausrat und Ehewohnung einschließlich entsprechender Lebenspartnerschaftssachen sowie Adoptionssachen. Eine Anwendung der EuGVVO auf Entscheidungen, die in Deutschland nach dem GewSchG getroffen würden, ist indes denkbar. Die EuGVVO soll laut dem Erwägungsgrund 9 der EuEheVO auch für Maßnahmen der Vermögenssorge gelten, die nicht den Schutz des Kindes betreffen (vgl Rn 69). 68 Nach Art 33 Abs 1 EuGVVO werden die in einem Mitgliedstaat erlassenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten ohne besonderes Exequaturverfahren anerkannt, wenn keines der in Art 34 genannten Anerkennungshindernisse, die § 16a Nr 2–4 FGG entsprechen, vorliegt. Abweichend von § 16a Nr 1 FGG rechtfertigt nur die Nichtbeachtung einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit des Erststaates die Versagung der Anerkennung (Art 35 Abs 1 und 3). Die EuGVVO findet grds nur auf solche Klagen Anwendung, die nach Inkrafttreten der VO erhoben worden sind (Art 66 Abs 1). Entscheidungen sind aber auch dann nach Maßgabe der EuGVVO anzuerkennen, wenn im Zeitpunkt der Klageerhebung sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch in dem Staat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, eines der Vorgängerabkommen (vgl Rn 41) in Kraft war oder das Erstgericht aufgrund von Vorschriften, die mit denen der EuGVVO oder eines anderen in beiden beteiligten Mitgliedstaaten geltenden Abkommens übereinstimmen, international zuständig war (Art 66 Abs 2). Zum Vorgängerabkommen EuGVÜ und zum Lugano-Übk vgl unten Rn 88.

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Verordnung (EG) Nr 44/2001 vom 22.12. 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl EG Nr L 12 vom 16.1. 2001, S 1); abgedruckt zB bei Zöller/Geimer Anhang I A.

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Ausgenommen sind die in Art 299 EGV genannten Hoheitsgebiete, vgl Art 68 I EuGVVO. Zöller/Geimer Anhang I A Art 1 EuGVVO Rn 23. Zöller/Geimer aaO Rn 29. Zöller/Geimer aaO Rn 28.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

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b) EuEheVO Die EuEheVO270 enthält – für die Mitgliedstaaten der EU verbindliche – Vorschriften 69 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in bestimmten, Kinder betreffenden Verfahren. Die EuEheVO (auch als Brüssel IIa-Verordnung bezeichnet) ist am 1.3.2005 wirksam geworden. Sie hat die seit 1.3.2001 geltende, weitgehend inhaltsgleiche sog Brüssel II-Verordnung271 abgelöst und erweitert. Sie gilt in allen – auch in den am 1.5.2004 beigetretenen – Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks (vgl Erwägungsgrund 31 der VO).272 Ihr Anwendungsbereich umfasst zivilgerichtliche Eheauflösungsverfahren sowie Verfahren, die die elterliche Verantwortung für Kinder betreffen (Art 1 Abs 1). Zu den Eheauflösungsverfahren gehören Verfahren über Scheidung und Ungültigerklärung einer Ehe sowie über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (Art 1 Abs 1 lit a EuEheVO),273 aber keine Verfahren über die Auflösung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften oder sonstigen registrierten Partnerschaften,274 auch keine Scheidungsfolgesachen (mit Ausnahme von den in Art 1 Abs 1 lit b gesondert genannten, die elterliche Verantwortung betreffenden Sachen), selbst wenn sie zusammen mit der Scheidung anhängig gemacht worden sind.275 Der Begriff der elterlichen Verantwortung erfasst neben Sorgerechtsverfahren im engeren Sinn auch Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts und über die Herausgabe von Kindern (Art 1 Abs 2 lit a, Art 2 Nr 7, 9, 10, Art 11; vgl dazu näher Rn 38 vor § 64). Dabei muss – anders als noch nach der Brüssel II-VO – kein Zusammenhang mit einem Eheauflösungsverfahren bestehen und das betroffene Kind auch nicht von beiden Eheleuten abstammen. Art 1 Abs 2 bezieht ausdrücklich auch Vormundschafts-, Pflegschafts- und Unterbringungsverfahren sowie Verfahren über die Vermögenssorge für Kinder ein.276 Ausgenommen sollen allerdings Maßnahmen der Vermögenssorge sein, die nicht den Schutz des Kindes betreffen; insoweit soll die EuGVVO (Rn 67) anwendbar sein (vgl § 1 270

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Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000, ABl EG L 338/1; abgedruckt in Band 2 als Anhang I. Vgl dazu allgemein § 35b Rn 73 ff. Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl EG Nr L 160 vom 30.6.2000, S 19). Diese VO ist durch Art 71 Abs 1 EuEheVO mit Wirkung vom 1.3.2005 aufgehoben worden. Auch soweit Entscheidungen in vor dem 1.3.2005 eingeleiteten Verfahren ergangen sind, richtet sich die Anerkennung nunmehr grds nach den Vorschriften der EuEheVO (Art 64 Abs 2– 4 EuEheVO). Zum Anwendungsbereich der Brüssel II-VO vgl Rn 38 vor § 64.

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Vgl dazu näher Staudinger/Spellenberg EGBGB/IPR Art 1 EheGVO Rn 30 f. Über den Wortlaut hinaus dürften auch Feststellungsklagen erfasst sein; vgl § 64 Rn 33 und Fn 101. Zöller/Geimer Anhang II A Art 1, 2 EuEheVO Rn 1; Kohler NJW 2001, 10, 15; Wagner IPrax 2001, 281, 288; Gruber IPrax 2005, 293; Staudinger/Spellenberg EGBGB/IPR Art 1 EheGVO Rn 11, abw jedoch für rechtlich verfasste heterosexuelle Partnerschaften Rn 13 f. Erwägungsgrund 8; Keidel/Zimmermann Rn 11c; Zöller/Geimer Anhang II A Art 1, 2 Rn 9; MünchKomm/Gottwald Rn 5 vor Art 1 EheGVO; Staudinger/Spellenberg EGBGB/IPR Art 1 EheGVO Rn 9, Art 21 EheGVO Rn 27; Gruber IPrax 2005, 293. MünchKomm/Gottwald Art 1 EheGVO Rn 3; Staudinger/Spellenberg EGBGB/IPR Art 1 EheGVO Rn 26; Gruber IPrax 2005, 293, 296.

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Abs 2 lit e und Erwägungsgrund 9 der EuEheVO). Verfahren, die (nach dem jeweils anwendbaren Sachrecht) volljährige Personen betreffen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der EuEheVO.277 Die EuEheVO gilt auch nicht für Unterhaltsprozesse (diese fallen in den Anwendungsbereich der EuGVVO), Kindschaftsverfahren, Adoptionssachen, Erbschaftssachen, namensrechtliche Verfahren, Verfahren, die die Volljährigkeitserklärung betreffen sowie Maßnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden (Art 1 Abs 3). Bereits mit Inkrafttreten der Brüssel II-VO sind bilaterale oder multilaterale Abkom70 men (vgl dazu unten Rn 78 ff), die (auch) die von der EuEheVO erfassten Materien betrafen, insoweit grds gegenstandslos geworden. Art 59 EuEheVO übernimmt diese Regelung.278 Die EuEheVO beansprucht gemäß Art 60 auch Vorrang gegenüber dem MSA (vgl dazu Rn 82), dem ESÜ (vgl dazu Rn 78 ff) und dem HKÜ (vgl dazu Rn 81) sowie gemäß Art 61 gegenüber dem – noch nicht in Kraft getretenen – KSÜ (vgl dazu Rn 83). Diese Übereinkommen gelten jedoch fort, soweit die EuEheVO keine Regelungen trifft.279 So wird zB das HKÜ durch die EuEheVO nur in beschränktem Umfang modifiziert (Art 10, 11 EuEheVO). Die EuEheVO gilt zwar grds nur für gerichtliche Verfahren sowie für öffentliche Urkunden und Vereinbarungen, die nach Wirksamwerden dieser VO – also nach dem 28.2.2005 – eingeleitet, aufgenommen bzw getroffen wurden (Art 64 Abs 1). Art 64 Abs 2–4 erstreckt die Geltung jedoch unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Entscheidungen, die in während der Geltung der Brüssel II-VO – also zwischen dem 1.3.2001 und dem 28.2.2005 – eingeleiteten Verfahren oder in früher eingeleiteten Verfahren, aber während der Geltung der Brüssel II-VO ergangen sind.280 Nach Art 21 Abs 1 werden in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidungen in den 71 anderen Mitgliedstaaten der EU anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.281 Art 7 § 1 FamRÄndG (vgl dazu Rn 13 ff) ist daher auf Entscheidungen von Gerichten aus Mitgliedstaaten der EU (mit Ausnahme Dänemarks) nicht anwendbar.282 Über die Anerkennung ist von dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, als Vorfrage zu entscheiden (Art 21 Abs 4). Der in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung darf die Anerkennung nur aus den in Art 22 (betrifft Entscheidungen in Ehesachen) und Art 23 (betrifft Entscheidungen über die elterliche Verantwortung) versagt werden. Diese Anerkennungshindernisse entsprechen denen des § 16a Nr 2–4 FGG. Bei Entscheidungen über die elterliche Verantwortung ist bei der Prüfung des ordre public das Wohl des Kindes besonders zu berücksichtigen, und die Anerkennung darf auch versagt werden, wenn die Entscheidung – außer in dringenden Fällen – ohne Anhörung des betroffenen Kindes ergangen ist (Art 23 lit a und b). Abweichend von § 16a Nr 1 FGG (und auch von Art 35 EuGVVO) darf die internationale Zuständigkeit des Entscheidungsstaats nicht geprüft werden (Art 24 EuEheVO). Auch eine sachliche Überprüfung der ausländischen Entscheidung ist unzulässig (Art 26). Unerheblich ist, in welcher Form die zu prüfende Entscheidung er-

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Solomon FamRZ 2004, 1409, 1410; Gruber IPrax 2005, 293, 296. Staudinger/Spellenberg EGBGB/IPR Art 1 EheGVO Rn 29 plädiert dagegen für eine einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren in Übereinstimmung mit Art 2 KSÜ; für eine solche feste, vom jeweils anwendbaren nationalen Recht unabhängige Altersgrenze bietet die EuEheVO jedoch keinen Anhalt.

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Vgl dazu im Einzelnen Staudinger/Spellenberg EGBGB/IPR Art 59 EheGVO Rn 1 ff. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1414 f. Vgl dazu auch Rn 39 ff vor § 35b, Rn 39 vor § 64. Vgl dazu Wagner IPrax 2001, 73, 77; Solomon FamRZ 2004, 1409, 1418. Zöller/Geimer Anhang II A Art 21 EuEheVO Rn 7.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

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gangen ist (Art 2 Nr 4). Das Anerkennungsverfahren kann ausgesetzt werden, wenn gegen die Entscheidung des Ursprungsstaats ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt oder wenn – bei Entscheidungen, die in Großbritannien oder Irland ergangen sind – die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt worden ist (Art 27). Für eine Anerkennung kommen neben Hauptsacheentscheidungen auch einstweilige Anordnungen in Betracht (vgl Art 20). Anerkennungsfähig sind außer gerichtlichen Entscheidungen auch behördliche Anordnungen, die von nach nationalem Recht zuständigen Behörden über die elterliche Verantwortung getroffen worden sind (vgl Art 2 Nr 1),283 sowie vollstreckbare öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien, auch soweit sie nicht in einem gerichtlichen Verfahren, sondern in einem anderen in einem Mitgliedstaat amtlich anerkannten Verfahren zustande gekommen sind (Art 46). Die Anerkennung einer Entscheidung setzt grds nicht den Eintritt ihrer Rechtskraft voraus (vgl Art 27). Die Anerkennung kann sich aber nur auf Wirkungen erstrecken, die die ausländische Entscheidung bereits entfaltet. Bei Entscheidungen mit Gestaltungswirkung ist idR davon auszugehen, dass diese nicht vor der Rechtskraft eintritt.284 Eintragungen in deutsche Personenstandsbücher sind zwar aufgrund einer anzuerkennenden ausländischen Entscheidung ohne besonderes Verfahren vorzunehmen, setzen aber gemäß Art 21 Abs 2 stets den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung (nach dem maßgebenden ausländischen Recht) voraus. Art 21 Abs 3 EuEheVO und § 32 IntFamRVG sehen ein fakultatives Verfahren zur Feststellung der Anerkennung oder Nichtanerkennung vor. Damit können Zweifel hinsichtlich der Anerkennungsvoraussetzungen auf einfache und praktikable Weise in dem gleichen Verfahren geklärt werden, in dem eine Entscheidung zur Zwangsvollstreckung zugelassen wird. Nach Art 21 EuEheVO anzuerkennende ausländische Entscheidungen sowie diesen 72 gemäß Art 46 EuEheVO gleichgestellte öffentliche Urkunden und Parteivereinbarungen werden erst mit Erteilung der Vollstreckungsklausel im Inland vollstreckbar (Art 28 EuEheVO, § 16 Abs 1 IntFamRVG285). Keiner Vollstreckungsklausel bedürfen – außer hinsichtlich der Kostenentscheidung – ausländische Titel mit feststellender oder gestaltender Wirkung sowie bestimmte Entscheidungen über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes (vgl dazu Rn 76). Die Vollstreckungsklausel erteilt auf Antrag das nach § 12 IntFamRVG zuständige (zentrale) Familiengericht (Art 29 EuEheVO, § 16 Abs 2 IntFamRVG). Dieses kann, wenn der Antrag nicht in deutscher Sprache abgefasst ist, dem Antragsteller die Beibringung einer Übersetzung aufgeben (§ 16 Abs 3 IntFamRVG). Für den Antrag besteht – auch in Ehesachen – im ersten Rechtszug kein Anwaltszwang (§ 18 Abs 2 IntFamRVG). Der Antrag kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftstelle des Familiengerichts gestellt werden (§ 16 Abs 2 IntFamRVG). Der Antragsteller kann die Unterstützung der gemäß Art 53 EuEheVO bestimmten Zentralen Behörde – dh des Generalbundesanwalts beim BGH (§ 53 Abs 1 IntFamRVG) – in Anspruch nehmen. Diese Behörde vermittelt auch den Verkehr zwischen dem Antragsteller (bzw der Zentralen Behörde seines Aufenthaltsstaates) und dem für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zuständigen Familiengericht (Art 6 Abs 1 IntFamRVG). Der Antragsgegner und das betroffene Kind werden im erstinstanzlichen Verfahren nicht gehört (Art 31

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Staudinger/Spellenberg EGBGB/IPR Art 21 EheGVO Rn 28. Zöller/Geimer Anhang II A Art 21 EuEheVO Rn 5; Staudinger/Spellenberg EGBGB/IPR Art 21 EheGVO Rn 40.

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Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts vom 26.1.2005 (BGBl I S 162); abgedruckt als Anhang II im Band 2.

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Abs 1 EuEheVO, § 18 Abs 1 S 1 IntFamRVG). Er kann Einwendungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel nur mit der Beschwerde zum OLG (§ 24 IntFamRVG) geltend machen.286 Das Familiengericht hat unverzüglich (Art 31 Abs 1 EuEheVO) und grds ohne mündliche Verhandlung (§ 18 Abs 1 S 2, 3 IntFamRVG) durch Beschluss zu entscheiden.287 Ist die Vollstreckung zuzulassen, so lautet der Tenor der Entscheidung dahin, dass 73 der ausländische Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist; die zu vollstreckende Verpflichtung ist dabei in deutscher Sprache wiederzugeben (§ 20 Abs 1 S 1 und 2 IntFamRVG). Beispiel zur Tenorierung: In dem Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Titels des … (Antragsteller) gegen den … (Antragsgegner) hat das Amtsgericht – Familiengericht – in … am … beschlossen: Die Entscheidung des … (ausländisches Gericht) vom … (Aktenzeichen) ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Die zu vollstreckende Verpflichtung des … (Antragsgegner) lautet: … (Übersetzung der sich aus dem ausländischen Titel ergebenden konkreten und vollstreckbaren Verpflichtung des Antragsgegners). Der Beschluss ist mit einer Kostenentscheidung zu versehen, die in Angelegenheiten der FG in entsprechender Anwendung des § 13a Abs 1 und 3 FGG zu treffen ist (§ 20 Abs 2 IntFamRVG). Zur Begründung der dem Antrag stattgebenden Entscheidung genügt idR die bloße Bezugnahme auf die EuEheVO sowie die vom Antragsteller gemäß Art 37 EuEheVO vorgelegten Urkunden (§ 20 Abs 1 S 3 IntFamRVG). Die Entscheidung ist dem Antragsgegner nach Maßgabe des § 21 Abs 1 S 1 IntFamRVG durch förmliche Zustellung des Beschlusses, des zu vollstreckenden ausländischen Titels (soweit erforderlich nebst Übersetzung) und der vom Antragsteller eingereichten Urkunden bekanntzumachen. Dem Antragsteller wird der Beschluss lediglich formlos übersandt (Art 32 EuEheVO, § 21 Abs 2 S 1 IntFamRVG). Ist eine die elterliche Verantwortung betreffende Entscheidung für vollstreckbar erklärt worden, so ist der Beschluss auch dem gesetzlichen Vertreter des Kindes, an einen für das Kind bestellten Verfahrenspfleger, an das Kind selbst, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat, an einen nicht am Verfahren beteiligten Elternteil sowie an das Jugendamt zu bewirken (§ 21 Abs 3 IntFamRVG), damit diese von dem Verfahrensausgang Kenntnis erhalten und ggf Rechtsmittel einlegen können. Nach § 21 Abs 4 IntFamRVG sind Beschlüsse über die Vollstreckbarerklärung einer Unterbringungsentscheidung auch dem Leiter der Einrichtung oder der Pflegefamilie bekannt zu machen, in der das Kind untergebracht werden soll. 74 Wird die Erteilung der Vollstreckungsklausel abgelehnt, so ist die Entscheidung mit Gründen zu versehen (§ 20 Abs 3 S 1 IntFamRVG). Die Kostenentscheidung erfolgt auch in diesem Fall (außer in Ehesachen) nach § 13a Abs 1 und 3 FGG. Der Beschluss braucht den Beteiligten nur formlos übersandt zu werden (§ 21 Abs 1 S 2, Abs 2 IntFamRVG). 75 Die Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel wird in jedem Fall erst mit der Rechtskraft wirksam, worauf in dem Beschluss hinzuweisen ist (§ 22 IntFamRVG). Zum Beschwerdeverfahren vgl § 64 Rn 221 ff. Nach Eintritt der Wirksamkeit wird der zu vollstreckende Titel, ohne dass es dazu eines gesonderten Antrags bedarf, mit folgender Vollstreckungsklausel versehen: 286

Vgl § 64 Rn 221 ff.

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287

Finger FuR 2006, 56, 63.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

„Vollstreckungsklausel nach § 23 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes vom 26. Januar 2005 (BGBl. I S. 162). Gemäß dem Beschluss des … (Bezeichnung des Gerichts und des Beschlusses) ist die Zwangsvollstreckung aus … (Bezeichnung des Titels) zugunsten … (Bezeichnung der berechtigten Person) gegen … (Bezeichnung der verpflichteten Person) zulässig. Die zu vollstreckende Verpflichtung lautet: … (Angabe der aus dem ausländischen Titel der verpflichteten Person obliegenden Verpflichtung in deutscher Sprache; aus dem Beschluss nach § 20 Abs. 1 zu übernehmen).“ Wird die Vollstreckung nur für einen Teil der in der ausländischen Entscheidung titulierten Ansprüche oder nur für einen Teil des Gegenstands der Verpflichtung zugelassen, so ist die Klausel wie folgt zu bezeichnen: „Teil-Vollstreckungsklausel nach § 23 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes vom 26. Januar 2005 (BGBl. I S. 162).“ Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die Form der Vollstreckungsklausel, soweit im Einzelfall erforderlich, flexibel gehandhabt werden.288 Zuständig für die Erteilung ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Familiengerichts (§ 23 Abs 1 IntFamRVG). Die Klausel ist entweder auf die Ausfertigung des Titels oder auf ein damit zu verbindendes Blatt zu setzen. Eine vorhandene Übersetzung des Titels ist ebenfalls mit der Ausfertigung zu verbinden (§ 23 Abs 3 S 2 und 3 IntFamRVG). Der Urkundsbeamte hat die Vollstreckungsklausel zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen (§ 23 Abs 3 S 1 IntFamRVG). Bestimmte ausländische Entscheidungen bedürfen keiner Vollstreckbarerklärung. Dies 76 gilt zum einen für Umgangsregelungen. Diese sind in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar vollstreckbar, wenn neben einer Ausfertigung der Entscheidung eine formalisierte Bescheinigung des Ursprungsgerichts über die Einhaltung bestimmter Verfahrensgarantien vorgelegt wird (Art 40 Abs 1 lit a, 41, 45 EuEheVO). Das Gleiche gilt für Entscheidungen, mit denen die Rückgabe eines Kindes nach Art 11 Abs 8 EuEheVO angeordnet worden ist (Art 40 Abs 1 lit b, 42, 45 EuEheVO). Diese Bestimmung erfasst Fälle, in denen ein Kind von einem Mitgliedstaat in einen anderen verbracht worden ist und ein Gericht des Zufluchtsstaates (trotz der Einschränkung des Art 11 Abs 4) die Rückgabe des Kindes gemäß Art 13 HKÜ abgelehnt hat,289 später aber durch Entscheidung eines nach der EuEheVO zuständigen Gerichts des Herkunftsstaates die Rückgabe des Kindes angeordnet wird. Diese Entscheidung ist daher im Zufluchtsstaat ohne Exequaturverfahren vollstreckbar. Andere Rückgabeanordnungen bedürfen dagegen einer Vollstreckbarerklärung nach Art 28 ff EuEheVO. Ein im Inland zu vollstreckender Titel nach der EuEheVO wird, sofern er nicht auf 77 die Erstattung von Verfahrenskosten lautet, nach § 44 IntFamRVG vollstreckt. Diese Vorschrift verdrängt im Anwendungsbereich des IntFamRVG § 33 FGG.290 Für eine Vollstreckung kommen insbesondere Entscheidungen über das Umgangsrecht und über die Herausgabe von Kindern in Betracht, und zwar auch solche, die gemäß Art 40 ff EuEheVO unmittelbar im Inland vollstreckt werden können (vgl Rn 76).291 Die Vollstreckung er288 289

BTDrs 15/3981 S 25. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1417 (der dafür plädiert, Art 11 Abs 8 über seinen Wortlaut hinaus auch auf Fälle zu erstrecken, in denen das Gericht des Zufluchtsstaates die Rückgabe nach Art 12 Abs 2 oder Art 20

290 291

HKÜ abgelehnt hat); Gruber IPrax 2005, 293, 299. BTDrs 15/3981 S 29; Gruber FamRZ 2005, 293, 299. BTDrs 15/3981 S 29.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

folgt durch Ordnungsmittel (Ordnungsgeld und Ordnungshaft), die als Sanktion auch dann noch verhängt werden können, wenn der Beugeeffekt nicht mehr erreicht werden kann, also etwa nach Verstreichen eines festgesetzten Umgangszeitraums. Damit soll die Durchsetzung gerichtlicher Anordnungen verbessert werden.292 2. Multilaterale Staatsverträge a) ESÜ Unter das ESÜ293 fallen Sorgerechtsentscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden eines Vertragsstaates, die Kinder betreffen, welche das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und nach dem Recht ihres Aufenthaltsstaates, dem Recht des Staates, dem sie angehören, oder dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates noch nicht berechtigt sind, selbst über ihren Aufenthalt zu bestimmen. Als Sorgerechtsentscheidungen gelten auch Entscheidungen, die den persönlichen Umgang mit einem Kind oder die Herausgabe eines Kindes im Falle der Verletzung einer in einem Vertragsstaat ergangenen Sorgerechtsentscheidung betreffen (Art 1). Der Anwendungsbereich des ESÜ überschneidet sich mit demjenigen des HKÜ (Rn 81); § 37 IntFamRVG normiert insoweit einen Vorrang der Bestimmungen des HKÜ, sofern der Antragsteller nicht ausdrücklich die Anwendung des ESÜ begehrt. Das ESÜ wird – abgesehen vom Günstigkeitsprinzip, wonach im Einzelfall das günstigere Recht anzuwenden ist (vgl Art 19 sowie oben Rn 3) – grds Vorrang vor dem beabsichtigten KSÜ (vgl dazu Rn 83) haben, soweit die Vertragsstaaten im Verhältnis zueinander keine Erklärung nach Art 52 Abs 1 KSÜ und keine Notifizierung nach Art 20 Abs 2 ESÜ abgeben. Um dem modernen KSÜ Vorrang zu verschaffen, ist jedoch beabsichtigt, solche Erklärungen abzugeben.294 Im Übrigen ist die Bedeutung des ESÜ schon bisher gering,295 weil in den praktisch bedeutsamsten Fällen grenzüberschreitender Kindesentführungen das Instrumentarium des HKÜ eine schnellere und effektivere Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen verspricht (vgl Rn 81). Die Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, 79 die in den Anwendungsbereich des ESÜ fallen, richtet sich nach den Art 7 ff ESÜ. Die Anerkennung und Vollstreckung kann aus den in Art 8–10 ESÜ normierten Gründen versagt werden. Sie entsprechen im Wesentlichen den Versagungsgründen des § 16a FGG. Darüber hinaus kann die Anerkennung und Vollstreckung auch abgelehnt werden, wenn aufgrund einer Änderung der Verhältnisse – dazu zählt ausdrücklich auch der Zeitablauf, nicht aber der bloße Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes aufgrund eines unzulässigen Verbringens295a – die Wirkungen der ursprünglichen Entscheidung offensichtlich nicht mehr dem Wohl des Kindes entsprechen oder wenn das Kind zur Zeit der Einlei-

78

292 293

BTDrs 15/3981 S 29; Gruber FamRZ 2005, 293, 299. Luxemburger Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20.5.1980, BGBl 1990 II S 220; für Deutschland in Kraft getreten am 1.2.1991, Bek vom 19.12.1990, BGBl 1991 II S 392. Vertragsstaaten des Übereinkommens sind Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein,

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294 295 295a

Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Moldawien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Serbien und Montenegro, Slowakei, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern; vgl Palandt/Heldrich Anhang zu Art 24 EGBGB Rn 93. Diskussionsentwurf des BMJ zu einem Ausführungsgesetz zum KSÜ, S 29. BTDrs 15/3981 S 18. OLG Hamm FamRZ 2006, 805.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

tung des Verfahrens im Ursprungsstaat keine durch (effektive) Staatsangehörigkeit oder gewöhnlichen Aufenthalt begründete Beziehung zum Ursprungsstaat hatte (Art 10 Abs 1 ESÜ, § 19 IntFamRVG). In diesen Fällen kann das Anerkennungsverfahren ausgesetzt werden, wenn die Ursprungsentscheidung angefochten worden ist, wenn im ersuchten Staat ein Verfahren über das Sorgerecht anhängig ist, das früher eingeleitet wurde als das Verfahren im Ursprungsstaat, oder wenn eine andere Sorgerechtsentscheidung Gegenstand eines Verfahrens auf Vollstreckung oder eines anderen Verfahrens auf Anerkennung der Entscheidung ist (Art 10 Abs 2 ESÜ). Das Exequaturverfahren richtet sich nach den Art 13 ff ESÜ und den §§ 16 ff 80 IntFamRVG. Es entspricht dem in Rn 71 ff dargestellten Verfahren bei Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung nach Maßgabe der EuEheVO, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung wird idR über die Zentrale Behörde iSv Art 2 ESÜ, dh den Generalbundesanwalt beim BGH (§ 3 IntFamRVG), beim gemäß §§ 11, 12 IntFamRVG örtlich zuständigen Familiengericht eingereicht (vgl Art 1 lit a ESÜ); der Antrag kann allerdings auch ohne Einschaltung der Zentralen Behörde gestellt werden.295b Die Zentrale Behörde vermittelt nicht nur den Verkehr mit allen zuständigen Stellen im In- und Ausland, sondern gilt auch inner- und außerhalb des gerichtlichen Verfahrens als Bevollmächtigter des Antragstellers (§ 6 IntFamRVG). Art 14 ESÜ verlangt – ebenso wie Art 11 Abs 3 EuEheVO – eine beschleunigte Durchführung des Verfahrens. Zur Abwendung von Gefahren für das betroffene Kind oder zur Wahrung berechtigter Interessen eines Beteiligten kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (§ 15 IntFamRVG). b) HKÜ Das HKÜ296 soll die Rückgabe von entführten, dh widerrechtlich in einen Vertrags- 81 staat verbrachten oder dort zurückgehaltenen, Kindern in den Herkunftsstaat sowie die Durchsetzung von Umgangsregelungen hinsichtlich solcher Kinder durch Herbeiführung einer Entscheidung des Zufluchtsstaates ermöglichen (vgl dazu Rn 33 vor § 64). Die zu vollziehende Entscheidung ergeht daher unmittelbar in dem Vertragsstaat, in dem auch die Vollstreckung vorzunehmen ist. Daher sind in diesem Vertragswerk Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen entbehrlich. Das Verfahren nach dem HKÜ richtet sich nach den §§ 37 ff IntFamRVG (vgl § 64 Rn 128, 220). Zum Sonderfall einer Rückgabeanordnung eines ausländischen Gerichts nach vorangegangener Verweigerung der Rückgabe durch ein Gericht des Zufluchtstaates im Verfahren nach dem HKÜ (Art 11 Abs 8, 42 EuEheVO) vgl oben Rn 76. c) MSA Nach dem MSA297 können Anordnungen zum Schutze Minderjähriger298 getroffen 82 werden (vgl dazu § 35b Rn 33 ff, § 64 Rn 40). Für Deutschland ist das Abkommen nur 295b 296

OLG Koblenz FamRZ 1998, 966; KKFamR/Rausch Art 21 EGBGB Rn 26. Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (BGBl 1990 II S 207); für Deutschland in Kraft getreten am 1.12.1990, Bek vom 11.12.1990 (BGBl 1991 II S 329). Zu den zahlreichen Vertragsstaaten vgl Palandt/Heldrich Anhang zu Art 24 EGBGB Rn 59.

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Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961 (BGBl 1971 II S 219); in der Bundesrepublik in Kraft seit 17.9.1971 (BGBl 1971 II S 1050), im Beitrittsgebiet seit dem 3.10.1990 (Art 11 EinigV). Vertragsstaaten sind außerdem China (Sonderverwaltungsregion Macau), Frankreich, Italien, Lettland, Litauen,

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noch im Verhältnis zur Schweiz und zur Türkei, die zwar Vertragsstaaten, aber nicht Mitglieder der EU sind, von praktischer Bedeutung.299 Im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten untereinander gehen die EuEheVO (oben Rn 69 ff) und, soweit diese auch nach der EuEheVO anwendbar bleibt, die Brüssel II-VO (oben Rn 70) vor (Art 60 lit a EuEheVO, Art 37 Brüssel II-VO). Entscheidungen nach dem MSA sind im Inland anzuerkennen, wenn sie von einer nach dem MSA zuständigen Behörde (vgl § 35b Rn 44 ff) getroffen worden sind (Art 7 S 1 MSA). Die Anerkennungspflicht erstreckt sich auch auf einstweilige Anordnungen nach Art 9 MSA.300 Bedarf eine nach dem MSA getroffene ausländische Entscheidung der Vollstreckung im Inland, so richten sich sowohl die Anerkennung als auch die Vollstreckung der Entscheidung nach deutschem Recht, sofern nicht ein Staatsvertrag besondere Regelungen trifft (Art 7 S 2 MSA). Das MSA wird demnächst durch das KSÜ (Rn 83) ersetzt werden. d) KSÜ

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Das neue KSÜ301 soll das MSA ablösen und den grenzüberschreitenden Schutz von Kindern weiter verbessern.302 Sämtliche Mitgliedstaaten der EU haben das Abkommen bereits gezeichnet.303 Das KSÜ soll auf Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anwendbar sein (Art 2). Der Katalog von (insbesondere) möglichen gerichtlichen Maßnahmen umfasst zB die Regelung und Entziehung der elterlichen Sorge, Vormundschaft und Pflegschaft für das Kind sowie die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim (Art 3). Das KSÜ soll keine Anwendung finden ua auf Kindschafts(status)sachen, Adoptionssachen, das Namensrecht, die Volljährigerklärung, die Unterhaltspflichten und erbschaftsrechtliche Angelegenheiten (Art 4). Die von den Behörden eines Vertragsstaats getroffenen Maßnahmen nach dem KSÜ sollen gemäß Art 23 Abs 1 grds in allen anderen Vertragsstaaten anzuerkennen sein. Die Anerkennung soll jedoch aus den in Art 23 Abs 2 genannten Gründen versagt werden können. Diese Gründe entsprechen denen des § 16a Nr 1, 3 und 4 FGG. Außerdem ist ausdrücklich geregelt, dass (außer in dringenden Fällen) die fehlende Anhörung des betroffenen Kindes oder des Sorgeberechtigten sowie im Falle einer Unterbringung des Kindes die Nichteinhaltung des nach Art 33 vorgeschriebenen Verfahrens der Anerkennung entgegenstehen kann. Bedarf die anzuerkennende Entscheidung der Vollstreckung, so soll sich das Exequaturverfahren nach dem nationalen Recht richten (Art 26). In Deutschland ist beabsichtigt, dass auch insoweit die Vorschriften des IntFamRVG gelten sollen.304

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299 300

Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweiz, Spanien, Türkei; vgl Palandt/Heldrich Anhang zu Art 24 EGBGB Rn 1. Als Minderjährige gelten gemäß Art 12 MSA Personen, die sowohl nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, dem sie angehören, als auch nach dem Recht des Staates, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, minderjährig sind. Rausch FuR 2005, 53, 55. Staudinger/Kropholler Art 24 EGBGB Rn 481; MünchKomm/Siehr Art 19 EGBGB Anhang I Rn 334; zweifelnd OLG Frankfurt FamRZ 1992, 463; aA Palandt/Heldrich Anhang zu Art 24 EGBGB, Art 7 MSA Rn 37.

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Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996; abgedruckt im Anhang III zu Band 2. Vgl dazu auch Rn 35 vor § 64. Schulz FamRZ 2003, 1351; Busch IPrax 2003, 218, 219; Solomon FamRZ 2004, 1409, 1414; vgl auch § 64 Rn 40. Schulz FamRZ 2003, 1351. BTDrs 15/3981 S 18.

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e) Haager Vormundschaftsabkommen Das Haager Vormundschaftsabkommen305 gilt zwar zwischen den Vertragsstaaten306 84 zum Teil formell noch fort, wird aber durch die EuEheVO, die Brüssel II-VO (soweit diese nach Inkrafttreten der EuEheVO fortgilt) und das MSA verdrängt und hat daher keine praktische Bedeutung mehr. f) AdÜbk Anerkennung und Rechtswirkungen einer im Ausland vorgenommenen Minderjäh- 85 rigenadoption richten sich primär nicht nach § 16a FGG, sondern nach dem Haager AdÜbk307, wenn die Adoption in einem Vertragsstaat308 des Übereinkommens vorgenommen worden ist und die zuständige Behörde des Adoptionsstaates bescheinigt, dass sie gemäß dem AdÜbk zustande gekommen ist (Art 23 Abs 1 S 1 AdÜbk). Das AdÜbk erstreckt sich gemäß Art 3 nur auf Adoptionen, bei denen die nach Art 17 lit c erforderlichen Zustimmungen der Zentralen Behörden des bisherigen Aufenthaltsstaates des Kindes und des Staates, in den es nach der Adoption gebracht worden ist oder werden soll, vor der Vollendung des 18. Lebensjahres des Anzunehmenden erteilt wurden. Diese Zeitschranke deckt sich nicht mit der des § 1 AdWirkG, das auf den Zeitpunkt des Annahmebeschlusses abstellt. Da das AdÜbk für die Vertragsstaaten verbindliches Recht enthält, ist für Auslandsadoptionen, die in den Regelungsbereich des AdÜbk fallen, auch bei der Anwendung des AdWirkG auf den Zeitpunkt der Zustimmungen abzustellen.309 Das AdÜbk setzt ferner voraus, dass ein Kind im Zusammenhang mit einer Adoption aus einem Vertragsstaat, in dem es bisher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte – seinem bisherigen Heimatstaat –, in einen anderen Vertragsstaat, in dem der oder die Annehmenden ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben – den Aufnahmestaat –, gebracht worden ist oder werden soll (Art 2 Abs 1). Das AdÜbk ist daher nicht anwendbar, wenn das Kind nicht in einen anderen Aufenthaltsstaat wechselt310 oder wenn Heimat- oder Aufnahmestaat nicht zu den Vertragsstaaten gehören. Gemäß Art 2 Abs 2 muss die vorgenommene Adoption außerdem ein dauerhaftes Eltern-Kind-Verhältnis begründen. Bloße Pflegekindverhältnisse werden daher vom AdÜbk nicht erfasst. Eine in einem anderen Vertragsstaat durchgeführte, den in Rn 85 genannten Voraus- 86 setzungen entsprechende Adoption ist nach Art 23 Abs 1 S 1 AdÜbk kraft Gesetzes in

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Haager Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige vom 12.6. 1902 (RGBl 1904 S 240), für Deutschland in Kraft getreten am 31.7.1904 (RGBl 1904 S 249). Vgl dazu § 35b Rn 66 ff. Vgl dazu § 35b Rn 66. Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993 (BGBl 2001 II S 1034); für Deutschland in Kraft seit 1.3.2002 (BGBl 2002 II S 2872). Abgedruckt und kommentiert zB bei Staudinger/Henrich Rn 18 ff vor Art 22 EGBGB. Vertragsstaaten sind Albanien, Andorra, Aserbaidschan, Australien, Belarus, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso,

309 310

Burundi, Chile, Costa Rica, Dänemark, Ecuador, El Salvador, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Guinea, Indien, Island, Israel, Italien, Kanada, Kolumbien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Mauritius, Mexiko, Moldau, Monaco, Mongolei, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Thailand, Tschechien, Türkei, Venezuela, Vereinigtes Königreich, Zypern (vgl Bek vom 6.7.2005, BGBl 2005 II S 791). Maurer FamRZ 2003, 1337, 1338. Staudinger/Henrich Rn 19 vor Art 22 EGBGB.

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Deutschland anzuerkennen. Einer Prüfung der Anerkennungsfähigkeit oder gar einer ausdrücklichen Feststellung durch ein deutsches Gericht bedarf es deshalb grds nicht. Die Anerkennung darf nur aus einem einzigen Grund versagt werden, nämlich wenn die Adoption (offensichtlich) gegen den deutschen ordre public verstößt; dabei ist das Wohl des Kindes zu berücksichtigen (Art 24 AdÜbk).311 Die Anerkennung kann nicht deshalb versagt werden, weil die Adoption im Aufnahmestaat nach anderem Recht beurteilt worden wäre.312 Die nach Art 23 Abs 1 S 1 AdÜbk erforderliche Bescheinigung über das ordnungsgemäße Zustandekommen der Adoption ist von der gemäß Art 6 AdÜbk bestellten Zentralen Behörde des Adoptionsstaates auszustellen. Die Bescheinigung hat anzugeben, wann und von wem die nach Art 17 lit c AdÜbk erforderlichen Zustimmungen der Zentralen Behörden beider beteiligter Staaten zur Fortsetzung der Adoption erteilt worden sind (Art 23 Abs 1 S 2 AdÜbk). In Deutschland ist der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof zur Zentralen Behörde iSv Art 6 AdÜbk bestellt worden (§ 1 Abs 1 AdÜbAG313); er prüft und bestätigt auf Antrag die Echtheit der Bescheinigung des Adoptionsstaats, die Übereinstimmung ihres Inhalts mit Art 23 AdÜbk und die Zuständigkeit der erteilenden Stelle (Art 9 AdÜbAG). Die Erteilung der Bescheinigung setzt keine inhaltliche Überprüfung des Adoptionsbeschlusses voraus und bestätigt deshalb auch nicht die Vereinbarkeit der Adoption mit dem deutschen ordre public.314 Die Anerkennung einer Adoption umfasst gemäß Art 26 Abs 1 lit a und b AdÜbk in 87 jedem Fall die Anerkennung des Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Kind und seinen Adoptiveltern sowie die elterliche Verantwortung (Sorgerecht) der Adoptiveltern für das Kind. Im Übrigen richten sich Anerkennung und Wirkungen der Adoption nach dem Sachrecht des Staates, in dem die Adoption durchgeführt worden ist. Erlöschen danach die rechtlichen Beziehungen des Kindes zu seinen leiblichen Eltern (sog Volladoption), so wird auch diese Wirkung anerkannt (Art 26 Abs 1 lit c AdÜbk). In diesem Fall genießt das Kind in Deutschland die gleichen Rechte wie ein Kind, das hier mit den Wirkungen einer Volladoption angenommen worden ist (Art 26 Abs 2 AdÜbk). Das AdWirkG eröffnet für Deutschland zudem die Durchführung eines fakultativen Feststellungsverfahrens zur Klärung der Anerkennung und der Wirkungen einer Auslandsadoption; insoweit kann auf die Ausführungen zu § 2 AdWirkG in Rn 32 verwiesen werden. Bewirkt eine im Heimatstaat durchgeführte Adoption nicht die Beendigung des früheren Eltern-KindVerhältnisses, so bleibt sie grds auch im Aufnahmestaat eine sog schwache Adoption. Art 27 AdÜbk sieht jedoch vor, dass eine im Aufnahmestaat anzuerkennende schwache Adoption in eine Volladoption umgewandelt werden kann, wenn das Recht des Aufnahmestaates dies gestattet und die erforderlichen Zustimmungen zur Vornahme einer Volladoption erteilt worden sind. In Deutschland ermöglicht § 3 AdWirkG eine solche Umwandlung; danach kann das VormG auf Antrag aussprechen, dass das Kind die Rechtsstellung eines nach deutschem Sachrecht angenommenen Kindes erhält (vgl dazu 311

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Beispiele: Entführung des Kindes; sonstige gravierende Nichtbeachtung des Kindeswohls; Fälschung von Zustimmungen; Erlangung von Zustimmungen durch arglistige Täuschung oder Drohung; Verletzung des rechtlichen Gehörs; vgl Staudinger/Henrich Rn 48 vor Art 22 EGBGB; Maurer FamRZ 2003, 1337, 1339 f. Staudinger/Henrich Rn 46 vor Art 22 EGBGB. Gesetz zur Ausführung des Haager Über-

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einkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz – AdÜbAG), Art 1 des Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts vom 5.11.2001 (BGBl I S 2950). Maurer FamRZ 2003, 1337, 1339.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

oben Rn 33). Die leiblichen Eltern müssen in eine Adoption eingewilligt haben, die ihr Rechtsverhältnis zu dem Kind erlöschen lässt, auch wenn diese Zustimmung zu der nach dem Recht des Heimatstaates des Kindes durchgeführten schwachen Adoption nicht erforderlich war.315 g) EuGVÜ und Lugano-Abkommen Das EuGVÜ316 ist mit Wirkung vom 1.3.2002 durch das EuGVVO (s o Rn 40) abge- 88 löst worden. Es gilt jedoch noch weiter im Verhältnis zu Dänemark, das dem EuGVVO bisher nicht beigetreten ist (vgl Art 1 Abs 3 EuGVVO), und zu den gemäß Art 299 EGV vom Recht der EU ausgeschlossenen Territorien. Der Anwendungsbereich des EuGVÜ deckt sich mit dem der EuGVVO. Entscheidungen der FG werden daher von diesem Übereinkommen im Wesentlichen ausgeklammert. Dies gilt auch für das sog LuganoÜbk.317 Es wurde mit den früheren EFTA-Staaten abgeschlossen und gilt für Deutschland noch im Verhältnis zu Island, Norwegen und der Schweiz. Es enthält Anerkennungsregeln, die im Wesentlichen denen des EuGVÜ entsprechen. 3. Bilaterale Staatsverträge a) Belgien Das deutsch-belgische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstre- 89 ckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 30.6.1958318 gilt nach seinem Art 1 Abs 1 und 3 auch für Entscheidungen der FG, durch die über Ansprüche der Parteien endgültig erkannt ist. Das Abkommen wird in Verfahren, die die elterliche Verantwortung betreffen, durch die EuEheVO verdrängt. Es bleibt anwendbar auf Statussachen (Art 4) und Erbschaftssachen (Art 3 Abs 1 Nr 8).319 Die Gründe für die Versagung der Anerkennung sind in Art 2 abschließend geregelt. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung richtet sich nach dem AusfG vom 26.6.1959.320 b) Griechenland Der deutsch-griechische Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstre- 90 ckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 4.11.1961321 gilt auch für Entscheidungen aus dem Bereich der FG, soweit über Ansprüche der Parteien endgültig erkannt ist (Art 1 Abs 1). Nach Art 2 werden die in Ehe- und Familienstandssachen ergangenen Entscheidungen –

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Staudinger/Henrich Rn 62 vor Art 22 EGBGB; Maurer FamRZ 2003, 1337, 1340. Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (BGBl 1972 II S 773), für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit 1.2.1973 (BGBl 1973 II S 60), abgedruckt zB bei Zöller/Geimer Anhang I B. Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und

318 319 320 321

Handelssachen vom 16.9.1988 (BGBl 1994 II S 2658); dieses Übereinkommen ist für Deutschland am 1.3.1995 in Kraft getreten (BGBl 1995 II S 221). Zu den Vertragsstaaten vgl Zöller/Geimer Anhang I A Rn 16. BGBl 1961 II S 1408; in Kraft seit 27.1.1961 (BGBl 1960 II S 2408). MünchKomm/Gottwald Schlussanhang IZPR, Dt-belg Abk Art 1 Rn 3. BGBl I S 425, idF des Art 2 § 5 SchiedsVfG vom 22.12.1997, BGBl I S 3224. BGBl 1963 II S 109; in Kraft seit 18.9.1963 (BGBl 1963 II S 1278).

Hartmut Wick

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

vorbehaltlich der in Art 3 geregelten Versagungsgründe – in dem anderen Vertragsstaat anerkannt, wenn die Parteien Angehörige der Vertragsstaaten sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat haben, in dem die Entscheidung ergangen ist. In Eheauflösungs- und Sorgerechtssachen wird das Abkommen nunmehr durch die EuEheVO verdrängt.322 Entscheidungen sind anzuerkennen, wenn nicht ein Versagungsgrund nach Art 3 vorliegt. Die Vollstreckbarerklärung richtet sich nach dem AusfG vom 5.2. 1963.323 c) Großbritannien und Nordirland

91

Das deutsch-britische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14.7.1960324 gilt auch für Gegenstände aus dem Bereich der FG, nämlich Familien- und Erbschaftssachen (Art IV lit c). Es beschränkt sich jedoch auf Entscheidungen der Obergerichte (Art I Abs 2, Art II Abs 1). Nach Inkrafttreten der für Sorgerechtsentscheidungen vorrangig geltenden EuEheVO hat es nur noch für Erbschaftssachen praktische Bedeutung.325 Entscheidungen werden anerkannt, wenn kein Versagungsgrund iSv Art III vorliegt. Die Vollstreckbarerklärung richtet sich nach dem AusfG vom 28.3.1961.326 d) Israel

92

Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20.7.1977327 erfasst auch gerichtliche Entscheidungen der FG, soweit sie nicht in einem einseitigen Verfahren ergangen sind (Art 2 Abs 1). Nach Art 4 sind jedoch Entscheidungen in Ehesachen oder anderen Familienstandssachen, Entscheidungen, die den Personenstand, die Handlungsfähigkeit von Personen oder das eheliche Güterrecht betreffen, sowie Entscheidungen auf dem Gebiet des Erbrechts ausgenommen. Das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist in Anlehnung an das EuGVÜ geregelt.328 Die Gründe für eine Versagung der Anerkennung ergeben sich aus Art 5. Die Vollstreckbarerklärung richtet sich nach den §§ 3 ff AVAG (§ 1 Abs 1 Nr 1 lit e AVAG).329 e) Italien

93

Das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Italien über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 9.3.1936330 äußert sich nicht ausdrücklich über die Anwendbarkeit auf Entscheidungen der FG. Aus der Beschränkung auf Entscheidungen „bürgerlicher Gerichte“

322 323 324 325

326

MünchKomm/Gottwald Schlussanhang IZPR, Dt-griech Vertrag Art 1 Rn 2. BGBl I S 129, idF des Art 2 § 9 SchiedsVfG vom 22.12.1997, BGBl I S 3224. BGBl 1961 II S 301; in Kraft seit 15.7.1961 (BGBl 1961 II 1025). MünchKomm/Gottwald Schlussanhang IPZR, Dt-brit Abk Art II Rn 2; Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 331. BGBl I S 301, idF des Art 2 § 7 SchiedsVfG vom 22.12.1997, BGBl I S 3224.

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327 328 329 330

BGBl 1980 II S 925, in Kraft seit 1.1.1981 (BGBl 1980 II S 1531). MünchKomm/Gottwald Schlussanhang IZPR, Dt-israel Vertrag Rn 1 vor Art 1. Vgl dazu Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 410 ff. RGBl 1937 II S 145. Die Wiederanwendung des Abkommens ist in der Bek vom 23.12. 1952 (BGBl 1952 II S 986) bestimmt worden.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

kann jedoch entnommen werden, dass der Bereich der FG nicht erfasst werden soll.331 Im Übrigen gilt im Verhältnis zu Italien für das Rechtsgebiet der elterlichen Verantwortung die EuEheVO. f) Niederlande Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Nie- 94 derlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 30.8.1962332 erfasst auch Entscheidungen der FG (Art 1 Abs 1 S 1). Ehe- und Familienstandssachen sind jedoch schon nach Art 1 Abs 3 lit b ausgeschlossen und fallen im Übrigen nunmehr unter die EuEheVO. Der Vertrag hat noch Bedeutung für erbrechtliche Entscheidungen auf dem Gebiet der FG.333 Die Gründe für eine Versagung der Anerkennung sind in Art 2 geregelt. Die Vollstreckbarerklärung richtet sich nach dem AusfG vom 15.1.1965.334 g) Norwegen Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwe- 95 gen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 17.6.1977335 erfasst auch Entscheidungen der FG.336 Da aber Entscheidungen in Ehe- und anderen Familienstandssachen und Entscheidungen, die die Rechts- oder Handlungsfähigkeit einer Person zum Gegenstand haben, gemäß Art 3 Nr 1 ausgeklammert sind, hat er nur für Erbrechtssachen Bedeutung.337 Versagungsgründe ergeben sich aus Art 5, 6 und 7 Abs 2. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach den §§ 3 ff AVAG (§ 1 Abs 1 Nr 1 lit d AVAG). h) Österreich Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich über die ge- 96 genseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6.6.1959338 erstreckt sich auch auf Entscheidungen der FG mit Ausnahme von solchen in Ehe- und anderen Familienstandssachen (Art 1, 14 Abs 1 Nr 1).339 In Ehe- und Sorgerechtssachen gilt auch im Verhältnis zu Österreich nunmehr die EuEheVO. Die Versagungsgründe sind in Art 2 geregelt. Die Vollstreckbarerklärung richtet sich nach dem AusfG vom 8.3.1960.340 i) Schweiz Das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenos- 97 senschaft über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Ent331

332 333 334 335

Keidel/Zimmermann Rn 11e; MünchKomm/ Gottwald Schlussanhang IZPR, Dt-ital Abk Art 1 Rn 2; Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 422; Luther Das deutsch-italienische Vollstreckungsabkommen, Heft 1 der deutschitalienischen Juristenvereinigung, 1966, S 12, 16; aA BGH NJW 1983, 2775, 2776. BGBl 1965 II S 27; in Kraft seit 15.9.1965 (BGBl 1965 II S 1155). Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 437. BGBl I S 17. BGBl 1981 II S 342; in Kraft seit 3.10.1981.

336 337 338 339

340

Keidel/Zimmermann Rn 11m; Pirrung IPrax 1982, 130. Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 452. BGBl 1960 II S 1245; in Kraft seit 29.5.1960 (BGBl 1960 II S 1523). BayObLG IPrax 1982, 106; Keidel/Zimmermann Rn 11g; MünchKomm/Gottwald Schlussanhang IZPR, Dt-österr Vertrag Art 1 Rn 2; Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 461. Vgl zum Nachlassrecht auch Rn 34. BGBl I S 169.

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

scheidungen und Schiedssprüchen vom 2.11.1929341 erfasst auch Streitverfahren der FG.342 Das Lugano-Abk (s o Rn 88) geht ihm vor. Da sich dieses aber praktisch nicht auf FG-Sachen bezieht, behält das bilaterale Abkommen für Status- und Erbrechtssachen Bedeutung.343 Die Anerkennungshindernisse sind in Art 4 aufgeführt. Das Vollstreckungsverfahren in Deutschland richtet sich nach der AusfVO vom 23.8.1930.344 j) Spanien

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Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 14.11.1983345 gilt gemäß seinem Art 1 Abs 1 auch für (rechtskräftige, Art 4 Nr 2) Entscheidungen der FG. Da ihm sowohl die EuEheVO als auch die EuGVVO vorgehen, verbleibt insoweit allerdings nur ein Anwendungsbereich für Erbschaftssachen (Art 7 Abs 1 Nr 13) und für Familienstandssachen (Art 8), soweit diese nicht unter die EuEheVO fallen.346 Anerkennungshindernisse sind in den Artt 5, 6 Abs 2 geregelt. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich gemäß Art 12 nach dem Recht des ersuchten Staates. In Deutschland erfolgt die Vollstreckbarerklärung im Klauselerteilungsverfahren nach den §§ 3 ff AVAG (§ 1 Abs 1 Nr 1 lit f AVAG). k) Tunesien

99

Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 19.7.1966347 erfasst gemäß Art 27 Abs 2 auch (unanfechtbare, Art 27 Abs 1) Entscheidungen der FG, soweit sie nicht in einem einseitigen Verfahren ergangen sind. Letztere Entscheidungen können jedoch nach § 16a FGG anerkannt werden.348 Das Gleiche gilt für Entscheidungen, die den Familienstand, die Rechts- oder Handlungsfähigkeit oder die gesetzliche Vertretung einer Person betreffen und die nach Art 28 vom Anwendungsbereich des Vertrages ausgenommen sind.349 Die Anerkennung kann aus den in Artt 29, 30 Abs 2 genannten Gründen versagt werden. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach dem AusfG vom 29.4.1969.350

VIII. Vollstreckung deutscher Entscheidungen im Ausland 100

Die Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen auf dem Gebiet der FG im Ausland richtet sich, soweit die Entscheidung in einem Mitgliedstaat der EU geltend gemacht werden soll, nach den einschlägigen EU-Verordnungen, im Übrigen nach 341 342

343 344

RGBl 1930 II S 1066; in Kraft seit 1.12.1930 (RGBl 1930 II S 1770). MünchKomm/Gottwald Schlussanhang IZPR, Dt-schweiz Abk Art 1 Rn 1; Firsching NJW 1955, 613; aA Bülow/Böckstiegel/ Müller Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Band 2 B II Schweiz Art 1 Anm 3, S 660.13. MünchKomm/Gottwald aaO Rn 2 vor Art 1; Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 491. RGBl 1930 II S 1209, idF des Art 2 § 3 SchiedsVfG vom 22.12.1997 (BGBl I S 3224).

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345 346 347 348 349 350

BGBl 1987 II S 35; in Kraft seit 18.4.1988. Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 512. BGBl 1969 II S 890; in Kraft seit 13.3.1970 (BGBl 1970 II S 125). MünchKomm/Gottwald Schlussanhang IZPR, Dt-tun Vertrag Art 27 Rn 1. MünchKomm/Gottwald aaO Art 28 Rn 4; Nagel/Gottwald IZPR § 13 Rn 533. BGBl I S 333, idF des Art 2 § 10 SchiedsVfG vom 22.12.1997, BGBl I S 3224.

Hartmut Wick

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

§ 16a

bestehenden Staatsverträgen (vgl Rn 89 ff) und dem nationalen Recht des jeweiligen ausländischen Staates. Zur Anerkennung und ggf Vollstreckbarerklärung einer die Eheauflösung oder die elterliche Verantwortung für ein Kind betreffenden Entscheidung iSv Art 1 EuEheVO muss dem (nach Art 29 EuEheVO zuständigen) ausländischen Gericht neben einer Ausfertigung der – begründeten und mit einer Vollstreckungsklausel versehenen – Entscheidung eine formalisierte Bescheinigung nach Art 39 EuEheVO über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat351 und über die Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Mindestanforderungen vorgelegt werden. Diese Bescheinigung ist vom Urkundsbeamten des nach § 12 IntFamRVG örtlich zuständigen Familiengerichts und, wenn das Verfahren in einer höheren Instanz anhängig ist, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts auszustellen (§ 48 Abs 1 IntFamRVG). Soll eine ohne Exequaturverfahren vollstreckbare Entscheidung über das Umgangsrecht oder die Rückgabe eines entführten Kindes (vgl Rn 76) im Ausland geltend gemacht werden, so muss dem ausländischen Gericht neben einer Ausfertigung der zu vollstreckenden Entscheidung eine ebenfalls formalisierte Bescheinigung nach Art 41 Abs 1 oder Art 42 Abs 1 EuEheVO vorgelegt werden (Art 45 EuEheVO). Zuständig für diese Entscheidung ist – im Hinblick auf die besondere Bedeutung dieser Bescheinigung352 – der Familienrichter des nach § 12 IntFamRVG örtlich zuständigen Amtsgerichts, bei Anhängigkeit der Sache in höherer Instanz der Vorsitzende des damit befassten Senats (§ 48 Abs 2 IntFamRVG). Die Bescheinigung kann in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO berichtigt werden (Art 43 Abs 1 EuEheVO, § 49 IntFamRVG). Gegenstand der Berichtigung kann allerdings nur sein, ob der Inhalt der zu vollstreckenden Entscheidung in der Bescheinigung korrekt wiedergegeben worden ist.353 Die Ausstellung der Bescheinigung kann nicht mit einem Rechtsmittel angefochten werden (Art 43 Abs 2 EuEheVO). Zu Anträgen auf Erlass einer ausländischen Rückgabeentscheidung nach dem HKÜ vgl Rn 36 vor § 64.

IX. Reformvorhaben Der RefE FGG-ReformG354 sieht die Regelung der Anerkennung und Vollstreckbar- 101 keit ausländischer Entscheidungen in den §§ 121–124 FamFG-E vor. § 121 FamFG-E betrifft die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen 102 und soll weitgehend den Regelungsgehalt des Art 7 § 1 FamRÄndG (vgl dazu Rn 13 ff) übernehmen. Dagegen bestehen durchgreifende Bedenken. Abgesehen davon, dass schon die Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Regelung höchst zweifelhaft ist (vgl Fn 72a), fehlt es an einem (fortbestehenden) Bedürfnis für ein obligatorisches Anerkennungsverfahren. Entscheidungen aus Mitgliedstaaten der EU sowie aus dem gemeinsamen Heimatstaat beider Eheleute bedürfen schon nach geltendem Recht keiner besonderen gerichtlichen Anerkennung. Auch den meisten ausländischen Rechtsordnungen ist ein besonderes Anerkennungsverfahren fremd. Es dürfte daher ausreichen, ein fakultatives

351

352 353

Gemäß Art 41 Abs 1 S 2 und Art 42 Abs 1 S 2 kann die Entscheidung unabhängig vom nationalen Recht trotz noch nicht eingetretener Rechtskraft für vollstreckbar erklärt werden. BTDrs 15/3981 S 31. BTDrs 15/3981 S 31.

354

In der ergänzten Fassung vom 14.2.2006, mitgeteilt durch Erlass des BMJ vom 14.2. 2006. Die im Folgenden erörterten Vorschriften sind in der Neufassung unverändert geblieben (abgesehen von einer Änderung der Verweisungen in § 121 Abs 9).

Hartmut Wick

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§ 16a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

gerichtliches Anerkennungsverfahren zu eröffnen, dessen Durchführung von Personen, die ein rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Feststellung dartun, sowie vom Standesbeamten, der Zweifel an der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung hat, beantragt werden kann.355 § 122 Abs 1 FamFG-E normiert ausdrücklich den Grundsatz, dass ausländische Ent103 scheidungen in Angelegenheiten der FG, zu denen künftig sämtliche Familiensachen gehören sollen, ohne besonderes Anerkennungsverfahren (automatisch) anerkannt werden (sofern kein Anerkennungshindernis vorliegt). Eine Ausnahme soll – wie bisher – für Ehesachen gelten (s Rn 102). Durch § 122 Abs 2 S 1 FamFG-E soll erstmals die Möglichkeit eröffnet werden, eine isolierte Feststellungsentscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer ausländischen Entscheidung mit nicht vermögensrechtlichem Inhalt zu beantragen. Voraussetzung dafür soll ein rechtliches Interesse eines Beteiligten an einer solchen Feststellung sein. Die Entscheidung des inländischen Gerichts soll für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend sein (§ 122 Abs 2 S 2 iVm § 121 Abs 9 FamFG-E). Mit einer solchen feststellenden Entscheidung kann daher unabhängig vom einzelnen Rechtsstreit Klarheit über die Frage der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung herbeigeführt werden, was zu begrüßen ist. Das isolierte Anerkennungsfeststellungsverfahren ist auf Entscheidungen nicht vermögensrechtlichen Inhalts beschränkt worden, weil Entscheidungen über vermögensrechtliche Ansprüche vor ihrer Vollstreckung der Vollstreckbarerklärung nach § 124 Abs 2 und 3 FamFG-E bedürfen sollen und ein Interesse der Beteiligten an einer zusätzlichen Feststellung der Anerkennung oder Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung regelmäßig nicht bestehen dürfte.356 Das isolierte Verfahren soll nicht für ausländische Adoptionsentscheidungen gelten, wenn der Angenommene zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; insoweit soll es beim Vorrang des AdWirkG bleiben (§ 122 Abs 2 S 3 FamFG-E). § 122 Abs 3 FamFG-E regelt die örtliche Zuständigkeit für das isolierte Anerkennungsfeststellungsverfahren: Insoweit soll eine ausschließliche Zuständigkeit primär des Gerichts bestehen, in dessen Bezirk der Antragsgegner oder die Person, auf die sich die Entscheidung bezieht, sich zum Zeitpunkt der Antragstellung gewöhnlich aufhält. Fehlt es an einer solchen Zuständigkeit, soll das Gericht ausschließlich zuständig sein, in dessen Bezirk zum Zeitpunkt der Antragstellung das Interesse an der Feststellung hervortritt oder das Fürsorgebedürfnis besteht. § 123 Abs 1 FamFG-E übernimmt den Inhalt des § 16a FGG, regelt also die bei aus104 ländischen Entscheidungen auf dem Gebiet der FG stets zu beachtenden Anerkennungshindernisse. § 123 Abs 4 FamFG-E ergänzt diese Hindernisse in Anlehnung an § 328 Abs 1 Nr 5 ZPO dahin, dass die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über bestimmte familienrechtliche Verfahrensgegenstände auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Dies betrifft Entscheidungen in (bisher dem Zivilprozess zugeordneten) sog Familienstreitsachen und in Verfahren, die die Regelung der Rechtsverhältnisse am Hausrat und an der Ehewohnung betreffen, sowie Entscheidungen nach den §§ 1382, 1383 BGB (auch iVm § 6 S 2 LPartG) und Entscheidungen über die Verpflichtung zur Fürsorge und Unterstützung in der partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft. Für Entscheidungen in Ehesachen soll die fehlende Verbürgung der Gegenseitigkeit – wie bisher nach Art 7 § 1 Abs 1 S 2 FamRÄndG – kein Anerkennungshindernis darstellen. In § 123 Abs 5 FamFG-E soll der schon bisher allgemein anerkannte Grundsatz, dass die ausländische Entscheidung nicht auf ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen

355

Andrae/Heidrich FPR 2006, 222, 226.

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356

Begr des RefE S 467.

Hartmut Wick

Fristberechnung

§ 17

ist (vgl Rn 41), gesetzlich ausdrücklich geregelt werden. Die Abs 2 und 3 der Bestimmung sollen den Regelungsgehalt der bisherigen §§ 606a Abs 2, 661 Abs 3 Nr 2 und 3 ZPO aufnehmen. In § 124 FamFG-E ist eine ausdrückliche Regelung der Vollstreckbarkeit ausländi- 105 scher Entscheidungen vorgesehen. Abs 1 bestimmt den Grundsatz, dass eine ausländische Entscheidung nicht vollstreckbar ist, wenn sie nicht anzuerkennen ist. Die Anerkennung der ausländischen Entscheidung soll – wie derzeit im Rahmen der Vollstreckung nach dem FGG (vgl Rn 63 f) – incidenter (als Vorfrage) geprüft werden.357 Da nach bisherigem Recht (außerhalb des Geltungsbereichs der EuEheVO und internationaler Abkommen) strittig ist, ob ausländische Titel unmittelbar (nach § 33 FGG) vollstreckbar sind oder einer Vollstreckbarerklärung (durch eine Endentscheidung des FamG iSv § 621e ZPO) bedürfen (vgl Rn 63), sollte das FamFG insoweit eine klarstellende Regelung treffen. Es spricht viel dafür, der EuEheVO folgend ausländische Entscheidungen der FG, denen keine Anerkennungshindernisse im Wege stehen, generell für in Deutschland vollstreckbar zu erklären. Soweit sich die Vollstreckung von Entscheidungen der FG – weiterhin – nach den Vorschriften der ZPO richten soll, verlangt § 124 Abs 2 FamFG-E, dass die Vollstreckbarkeit durch begründeten Beschluss auszusprechen ist. Dies soll für die in § 90 FamFG-E genannten (familiengerichtlichen) Entscheidungen in den Fällen der §§ 1382, 1383 BGB, in Versorgungsausgleichssachen (mit Ausnahme von Auskunftstiteln), in Wohnungszuweisungs- und Hausratssachen und in Gewaltschutzsachen sowie für Entscheidungen gelten, in denen eine Geldforderung tituliert worden ist. Für die Vollstreckbarerklärung, die erst nach Eintritt der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung erlassen werden darf, soll das Amtsgericht zuständig sein, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und sonst das Amtsgericht, bei dem nach § 23 ZPO gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann (§ 124 Abs 3 FamFG-E).

§ 17 Fristberechnung (1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages. Abs 2 neu gefasst durch G v 10.8.1965 (BGBl I S 753).

Literatur Assmann Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei Versäumung der Anfechtungsfrist, ZWE 2001, 294; Boniface Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei Versäumung der Beschlußfassungsfrist nach dem WEG, ZMR 2002, 409.

357

Begr des RefE S 468.

Lothar Briesemeister

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§ 17

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . 1. Frist . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung der Frist . . . . a) Zwischenfrist . . . . . b) Handlungsfrist . . . . c) Vergleichswiderrufsfrist d) Ausnutzung der Frist . 3. Beginn der Frist . . . . . II. Berechnung der Frist . . . . 1. Fristbeginn . . . . . . . . 2. Dauer . . . . . . . . . . 3. Fristende . . . . . . . . . a) Tagesfristen . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

Rdn

1 2 6 6 7 9 10 13 14 15 17 18 18

III.

IV. V. VI. VII.

b) Wochenfristen . . . . . . . . . c) Jahres-, Jahresbruchteils- und Monatsfristen . . . . . . . . . Einfluss von Sonn- und Feiertagen und Sonnabenden (Abs 2) . . . . . . . . 1. Allgemeine Feiertage . . . . . . . 2. Interlokale Rechtsverschiedenheiten . . . . . . . . . . . . . . . Grundbuchsachen . . . . . . . . . . Familiensachen . . . . . . . . . . . Landesrecht . . . . . . . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . .

. .

19

. .

20

. . . .

21 22

. . . . .

24 25 26 27 28

. . . . .

I. Allgemeines 1

Die Vorschrift regelt in Anlehnung an § 222 ZPO die Berechnung der verfahrensrechtlichen Fristen. Damit wird auf §§ 187 bis 193 BGB verwiesen. 1. Frist

2

Frist im weiteren Sinne ist ein bestimmter oder bestimmbarer Zeitraum, innerhalb dessen gehandelt werden soll. Als Handlungsfristen werden bezeichnet Zeiträume zur Vornahme einer Parteihandlung, zB zur Einlegung eines befristeten Rechtsmittels oder sonstigen Rechtsbehelfs, als Zwischenfristen Zeiträume zur Vorbereitung eines Beteiligten auf einen Termin, zB die Ladungsfrist nach §§ 90 Abs 1, 153 Abs 4. Ein Termin bezeichnet den Zeitpunkt, an dem ein rechtlich bedeutsamer Vorgang stattfinden soll (zB Verhandlungstermin). Ausschlussfristen (vgl § 22 Abs 2 S 4 – Jahresfrist für die Wiedereinsetzung) können 3 nicht verlängert werden. Gegen sie gibt es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Auch sie werden nach § 17 berechnet. Eine materiellrechtliche Ausschlussfrist stellt zB § 23 Abs 4 WEG dar,1 wobei die Anfechtungsfrist auch dann gewahrt ist, wenn der Anfechtungsantrag beim örtlich unzuständigen Gericht eingereicht und weitergeleitet worden ist.2 Ausnahmsweise gilt die absolute Jahresfrist für den Wiedereinsetzungsantrag nicht, wenn sie wegen der Dauer eines Prozesskostenhilfeverfahrens überschritten wird.3 Gesetzliche Fristen sind solche, deren Dauer vom Gesetz bestimmt wird, richterliche 4 Fristen solche, deren Dauer das Gericht auf Grund gesetzlicher Ermächtigung bestimmt. Gesetzliche Fristen können nur in den gesetzlich bestimmten Fällen verlängert werden, zB § 156 Abs 1 S 2 FGG, § 26 Abs 2 LwVG. Richterliche Fristen können nach Maßgabe des § 18 jederzeit geändert werden, aber außer im Beschwerdewege nach § 18 Abs 2 nicht, wenn die Fristsetzung der sofortigen Beschwerde unterliegt (§§ 77 Abs 1, 80). Nach ihrem Ablauf kann eine Frist verlängert werden, sofern dies bis zum Ablauf des letzten Tages beantragt wird4 oder wenn die fristsetzende Verfügung auf Grund eines 1

2

BGHZ 54, 65 m Anm Pick NJW 1970, 2061; BayObLGZ 1989, 13 = NJW-RR 1989, 656; KG FGPrax 1999, 95; aA Assmann ZWE 2001, 294; Bonifacio ZMR 2002, 409. BGHZ 139, 305 = FGPrax 1998, 220; BayObLGZ 1998, 94.

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3 4

BGH NJW 1973, 1373. BGHZ 83, 217 in Abkehr von BGHZ 14, 148, 149; 21, 43, 46 = NJW 1956, 1278.

Lothar Briesemeister

Fristberechnung

§ 17

befristeten Rechtsmittels im Beschwerdewege geändert wird. Die Verlängerung schiebt das Ende der Frist vom Tage ihres Ablaufs um die Verlängerungsfrist hinaus. Fällt der letzte Tag der ursprünglichen Frist auf einen Sonn- oder Feiertag oder einen Sonnabend, so beginnt der verlängerte Teil der Frist erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags.5 Auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung der Verlängerung kommt es nicht an. Zu den uneigentlichen Fristen zählen wie nach der ZPO ferner die Fristen zur Vor- 5 nahme einer richterlichen Handlung, aber zB auch die Fünfmonatsfristen (wie nach § 517 ZPO), bei denen für bestimmte Beteiligte die Rechtsmittelfristen erst zu laufen beginnen (vgl § 69g Abs 4 S 3 FGG, § 21 Abs 2 S 3, § 25 S 3 LwVG) und die deshalb selbst keine Rechtsmittelfristen sind und auch an einem Sonn- oder Feiertag oder Sonnabend enden kann. Wiedereinsetzung ist nur gegen die sich anschließende Rechtsmittelfrist möglich. 2. Bedeutung der Fristen a) Zwischenfrist Die Verletzung einer Zwischenfrist hat zur Folge, dass Versäumnisfolgen, soweit sie 6 im Verfahren der FG vorgesehen sind (§§ 91 Abs 3, 93 Abs 2, 153 Abs 3), eintreten und die Anberaumung eines neuen Termins unter Wahrung der Frist erforderlich wird. Einlassungs- und Ladungsfristen bestehen zwar im Verfahren der FG nicht (Ausnahmen §§ 90 Abs 1, 153 Abs 4). Eine unangemessene kurze Frist kann aber eine Versagung des rechtlichen Gehörs bedeuten. b) Handlungsfrist Gesetzliche oder richterliche Handlungsfristen sind gewahrt, wenn die Verfahrens- 7 handlung vor ihrem Ablauf gültig vorgenommen worden ist. Bis zum Ende der Frist können Ergänzungen oder Verbesserungen nachgebracht werden. Der Ablauf gesetzlicher oder richterlicher Handlungsfristen hat regelmäßig die Wirkung, dass die versäumte Verfahrenshandlung nicht mehr vorgenommen werden kann. Jedoch gilt dieser Grundsatz bei richterlichen Fristen nicht ausnahmslos, zB nicht für die Widerspruchsfrist im Amtslöschungsverfahren (§ 141); diese Frist schiebt nur die Zulässigkeit der Amtslöschung hinaus und ist deshalb keine Handlungsfrist. Gegen die Versäumung von Handlungsfristen kann in einer Reihe von gesetzlich abschließend bestimmten Fällen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, meist bei Versäumung von Fristen zur Einlegung von Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen (§ 22 FGG, § 26 EGGVG, § 13a Abs 3 FGG mit § 104 Abs 3 ZPO) oder zu ihrer Begründung (§ 26 Abs 5 LwVG), aber auch bei Versäumung richterlicher Handlungsfristen (§ 137 FGG) oder eines Termins (§§ 92, 93 Abs 2). Den Ausdruck Notfrist (vgl § 224 Abs 1 ZPO) vermeidet das FGG (anders § 33a VerschG). Die Vorschrift des § 189 ZPO, wonach Zustellungsmängel geheilt werden können, ist entsprechend anwendbar. Bei anderen Handlungsfristen, die im Zivilprozess als uneigentliche Fristen bezeichnet werden,6 ist ihre Versäumung ohne eine Möglichkeit der Wiedereinsetzung endgültig (vgl § 22 Rn 45). Richterliche Fristen, die im Verfahren nach dem Ermessen des Gerichts den Beteilig- 8 ten zur Beibringung von Äußerungen, Unterlagen oder Beweismitteln gesetzt werden,

5

BGHZ 21, 43, 44 = NJW 1956, 1278; BGH vom 14.12.2005, IX ZB 198/04, NJW 2006, 700.

6

Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO vor § 214 Rn 7; zB § 234 Abs 3 ZPO und dementsprechend § 22 Abs 2 S 4 FGG.

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§ 17

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

können im Hinblick auf die Amtsermittlungspflicht des § 12 keine Ausschlusswirkung haben. Somit scheidet eine Zurückweisung wegen verspäteten Vorbringens aus. Das gilt auch für die echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die der BGH 7 den besonderen Begriff der streitigen Freiwilligen Gerichtsbarkeit im Gegensatz zur allgemeinen Freiwilligen Gerichtsbarkeit geprägt hat, in der – in unterschiedlichem Umfang – ein öffentliches Interesse gegen das Interesse oder den Willen eines Betroffenen abzuwägen ist, wobei das öffentliche Interesse grundsätzlich nicht von einem Beteiligten vertreten, sondern von dem Richter oder Rechtspfleger bei der Entscheidung gewahrt wird. c) Vergleichswiderrufsfrist

9

Den richterlichen Fristen gleichzustellen sind Vergleichswiderrufsfristen, die von den Beteiligten durch Vergleich vor dem Gericht festgelegt werden. Soweit die Beteiligten keine eindeutige anderweitige Regelung getroffen haben, gilt im Verfahren der FG ebenso wie nach der ZPO, dass die Beteiligten innerhalb der vereinbarten Frist den Vergleich sowohl dem Gericht wie auch der Gegenseite gegenüber widerrufen können.8 Der Prozessvergleich, soweit er auch im Verfahren der FG zulässig ist, stellt einen Vertrag mit Doppelnatur dar, einerseits Prozesshandlung und andererseits Rechtsgeschäft, die miteinander verbunden und gegenseitig voneinander abhängig sind. Damit ist der Vergleichspartner Adressat der Widerrufserklärung gemäß § 130 BGB, was aber nicht Empfangszuständigkeit des Gerichts ausschließt (vgl § 276 Abs 6 ZPO).9 Die Versäumung eines Vergleichswiderrufs durch schriftliche Anzeige an das Gericht oder den Gegner(-vertreter) kann nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden.10 d) Ausnutzung der Frist

10

Die Beteiligten dürfen Fristen zwar bis zuletzt, also zumeist bis 24 Uhr des letzten Tages, ausschöpfen, jedoch können sich die Sorgfaltspflichten dabei erhöhen.11 Bedient sich ein Bevollmächtigter zur Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes wenige Stunden vor Ablauf der Frist eines Telefaxgerätes, muss er alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen für einen sicheren Zugang beim zuständigen Gericht ergreifen, wenn sich herausstellt, dass eine Verbindung wegen einer technischen Störung, die er selbst nicht zu vertreten hat, nicht zustande kommt. Hierzu gehört auch entsprechende vorsorgliche Anweisungen an Hilfspersonen, die mit der Telefax-Übermittlung beauftragt sind.12 Wird mit der Übermittlung einer (elf Seiten umfassenden) Beschwerde per Telefax am letzten Tag der Einlegungsfrist so spät begonnen (hier: um 23.54 Uhr), dass allenfalls eine Zeitreserve von zwei Minuten verbleibt, so ist die Fristversäumnis verschuldet und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzulehnen, wenn die Übertragung bis 24 Uhr deshalb scheitert, weil das Telefaxempfangsgerät des Gerichts durch eine andere eingehende Sendung belegt war.13 Aber nicht nur bei elektronischer Übermittlung ist für die Fristwahrung entscheidend, 11 dass der Schriftsatz rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt. Die Mitwirkung von Justizbediensteten bei der Inempfangnahme ist nicht erforderlich, es reicht die Möglichkeit, dass das Gericht den Zugriff hat,14 auch bei einem Abholfach, selbst wenn 7 8 9 10

BGH, Beschluss vom 29.9.2005 – V ZB 107/05 – NZM 2005, 952 = ZMR 2006, 53. BGH NJW 2005, 3576. BGH NJW 2005, 3576, 3578. OLG Hamm NJW-RR 1992, 121 = VersR 1992, 983.

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11 12 13 14

BGH NJW 1995, 1431 = MDR 1995, 527. VGH Kassel MDR 1996, 427. BVerfG NJW 2000, 574 = MDR 2000, 168. BVerfG NJW 1980, 580.

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Fristberechnung

§ 17

die angegebene Leerung nicht mehr an demselben Tag erfolgt. Anders bei einem Nachtbriefkasten des Gerichts mit Trennung der vor 0.00 Uhr und danach eingehenden Post. Bei einer gemeinsamen Briefannahme für mehrere Gerichte, die nicht sämtlich zuständig sind, entscheidet die Anschrift, bei welchem Gericht der Eingang erfolgt. Dieses Gericht hat im Falle der Unzuständigkeit den Schriftsatz an das zuständige Gericht weiterzuleiten, wobei erst der Eingang nach Weiterleitung fristwahrend ist. Die Feststellungslast trifft den Absender. Der Nachweis wird zumeist durch den Eingangsstempel geführt. Der Eingangsstempel des Gerichts erbringt zwar den Beweis für den Eingang; dieser 12 kann jedoch dahingehend widerlegt werden, dass der Eingang im Tagesbriefkasten am Vortag nach Dienstschluss der Poststelle eingeworfen wurde.15 Die Prüfung der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels allein anhand des Eingangsstempels reicht aber zur Überzeugungsbildung des Gerichts nicht aus, wenn eine zuverlässige Praktikantin dem als Beweismittel für den Botengang entgegensteht.16 Trägt der Rechtsmittelführer vor, sein Prozessbevollmächtigter habe den Rechtsmittelschriftsatz zu einem konkret bezeichneten, nicht verfristeten Zeitpunkt persönlich in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen und die fristgerechte Einreichung sei am folgenden Tag in der Handakte unter Angabe der Uhrzeit des Einwurfs vermerkt worden, ist der hierzu angebotene Beweis (hier: durch Vernehmung des Prozessbevollmächtigten als Zeugen) zu erheben.17 3. Beginn der Frist Gesetzliche Fristen beginnen mit dem gesetzlich bestimmten Ereignis (zB der Bekannt- 13 machung der Verfügung in § 22 Abs 1 S 2, der Zustellung oder schriftlichen Bekanntgabe des Bescheids in § 26 Abs 1 EGGVG, der Beseitigung des Hindernisses in § 22 Abs 2), richterliche Fristen mit der Bekanntmachung (§ 16 Abs 2 S 1, Abs 3) der sie anordnenden Verfügung, falls in der Verfügung nicht anderes bestimmt ist. Bei einer vom Gericht nur nach der Dauer, zB zwei Wochen, bestimmten Äußerungsfrist ist für die Fristberechnung der konkrete Eingang der Mitteilung beim Empfänger maßgeblich und nicht etwa der nach dem üblichen Postlauf zu erwartende Zugang.18 Der Empfänger ist nicht verpflichtet, von sich aus auf einen verspäteten Zugang der Mitteilung hinzuweisen und sich eine Stellungnahme ausdrücklich vorzubehalten. Es obliegt vielmehr dem Gericht, die Verfahrensgestaltung so zu planen, dass mögliche Abweichungen in der Postlaufzeit aufgefangen werden und zweckmäßigerweise für einen Zustellungsnachweis zu sorgen19 oder besser noch einen etwas geräumigeren Endtermin zu bestimmen. Bei mehreren Beteiligten beginnt die Frist für jeden besonders mit der Bekanntmachung an ihn (Ausnahmen in §§ 60 Abs 2, 77 Abs 3).

II. Berechnung der Frist Alle verfahrensrechtlichen Fristen werden nach den Vorschriften des BGB (§§ 187 bis 14 193) berechnet (Abs 1). Daraus folgt:

15 16 17

BGH NJW-RR 2001, 280 = VersR 2001, 733. BGH NJW-RR 2002, 1070. BGH NJW-RR 2005, 75 = FamRZ 2005, 106 = MDR 2005, 287.

18 19

BayVerfGH NJW 2006, 283. BayVerfGH NJW 2006, 283.

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§ 17

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

1. Fristbeginn

15

Ist ein Ereignis (zB Bekanntmachung) oder ein Zeitpunkt im Laufe eines Tages maßgebend, so wird dieser Tag nicht mitgerechnet (§ 187 Abs 1 BGB). Ist der Beginn eines Tages (zB „ab dem 5. Mai“) als Fristbeginn bestimmt, insbeson16 dere (wenn auch ungewöhnlich) bei richterlichen Fristen, so wird dieser Tag mitgerechnet (§ 187 Abs 2 BGB). 2. Dauer

17

Bei Jahren und Monaten ist die konkrete Dauer maßgebend. Ein halbes Jahr sind 6, ein Vierteljahr 3 Monate, ein halber Monat 15 Tage, eine Woche 7 Tage (§ 189 BGB). Der Tag dauert von 0 bis 24 Uhr. 3. Fristende

18

a) Tagesfristen Tagesfristen enden mit dem Ablauf (24 Uhr) des letzten Tages (§ 188 Abs 1 BGB). b) Wochenfristen

19

Wochenfristen enden, wenn ein Ereignis (zB eine Bekanntmachung) oder ein Zeitpunkt im Laufe eines Tages (zB Zustellung) maßgebend ist und dieser Tag nach § 187 Abs 1 BGB nicht mitgerechnet wird, mit dem Ablauf des Tages der letzten Woche, der durch seine Bezeichnung dem Wochentag entspricht, in den das Ereignis fiel (zB Zustellung am Freitag, Fristablauf am Freitag, 24 Uhr). Bei Maßgeblichkeit des Beginns eines Tages, wenn dieser Tag mitgerechnet wird (§ 187 Abs 2 BGB), mit dem Ablauf des vorhergehenden Tages (zB Beginn mit Freitag, dem 5. Mai, Ablauf am Donnerstag, dem 11. Mai, 24 Uhr). c) Jahres-, Jahresbruchteils- und Monatsfristen

20

Jahres-, Jahresbruchteils- und Monatsfristen enden, wenn ein Ereignis (zB eine Bekanntmachung) oder ein Zeitpunkt im Laufe eines Tages (zB Zustellung) maßgebend ist und dieser Tag nach § 187 Abs 1 BGB nicht mitgerechnet wird, mit dem Ablauf des Tages des letzten Monats, der durch seine Bezeichnung nach Zahl und Monat dem Tag des Ereignisses entspricht (zB Bekanntmachung am 5. Mai, Ablauf am 5. Juni, 24 Uhr), falls aber dieser Tag im letzten Monat fehlt, am letzten Tag des Monats (§ 188 Abs 3; zB Bekanntmachung am 31. Januar, Ablauf am 28. Februar bzw im Schaltjahr 29. Februar, 24 Uhr 20). Bei Maßgeblichkeit des Beginns eines Tages mit dem Ablauf des Tages, der dem entsprechenden Tage des letzten Monats vorhergeht (zB Beginn am 5. Mai, Ablauf am 4. Juni, 24 Uhr).

III. Einfluss von Sonn- und Feiertagen sowie Sonnabenden (Abs 2) 21

Die Vorschrift des Abs 2, die dem § 222 Abs 2 ZPO entspricht, enthält eine Ausdehnung des § 193 BGB, der sich nur auf Willenserklärungen und Leistungen bezieht, auf Handlungen tatsächlicher Art. Die Vorschrift regelt nur das Fristende. Aber auch wenn 20

BGH NJW 1984, 1358.

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Fristberechnung

§ 17

eine Frist verlängert wird, gilt Abs 2 sowohl für den Ablauf der Frist, die verlängert wird, als auch für den Ablauf der verlängerten Frist. Der Sonnabend ist für das Fristenrecht einem Sonntag gleichgestellt. Die Frist endet mithin auch dann nicht an einem Sonnabend, wenn der vorhergehende Freitag ein staatlich anerkannter Feiertag ist. 1. Allgemeine Feiertage Allgemeine Feiertage sind die staatlich anerkannten. Kraft Bundesrechts ist dies der 22 3. Oktober (Tag der deutschen Einheit).21 Nach den übereinstimmenden Landesgesetzen sind gesetzliche Feiertage bundesweit: Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai, Himmelfahrtstag, Pfingstmontag, 1. und 2. Weihnachtsfeiertag.22 Außerdem in BadenWürttemberg, Bayern und Sachen-Anhalt: Heilige Drei Könige am 6.1.; in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie in Sachsen und Thüringen nur in den Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung: Fronleichnam (mit wechselndem Datum); im Saarland sowie nur in Bayern in den Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung: Mariä Himmelfahrt am 15.8.; in Brandenburg, Mecklemburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Reformationstag am 31.10.; in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland: Allerheiligen am 1.11.; in Sachsen: der Buß- und Bettag (mit wechselndem Datum).23 Feiertage, an denen dafür Sorge getragen ist, dass fristgebundene Erklärungen bei den 23 Staatsbehörden abgegeben werden können, sind keine allgemeinen Feiertage, ebensowenig Werktage, an denen nach behördlicher Vorschrift Sonntagsdienst angeordnet (Heiligabend, Sylvester) ist.24 Der Rosenmontag ist auch in Köln kein gesetzlicher Feiertag.25 2. Interlokale Rechtsverschiedenheiten Bei interlokaler Rechtsverschiedenheit ist maßgebend die Feiertagsregelung des Ortes, 24 an dem die Handlung vorzunehmen oder die Erklärung abzugeben ist.26 Fällt der letzte Tag der Beschwerdefrist auf einen 1.11., so endet auch für einen in München (Allerheiligen!) wohnhaften Beschwerdeführer, der bei einem Amtsgericht in Berlin sofortige Beschwerde einlegen will, die Frist an diesem Tag. Kann ein Rechtsmittel (zB nach § 29 Abs 1) bei verschiedenen Instanzgerichten eingelegt werden, verlängert sich die Frist um einen Tag, wenn wenigstens bei einem zuständigen Gericht (zB in Augsburg am 8.8.) gesetzlicher Feiertag ist.

21

22

EV vom 31.8.1990 (BGBl II S 889 = GBl DDR I S 1629) Art 2 Abs 2 iVm Art 45 Abs 2. Baden-Württemberg: G vom 8.5.1995 (GBl 450); Bayern: G vom 20.12.1994 (GVBl 1049); Berlin: G vom 2.2.1994 (GVBl 491); Brandenburg: G vom 21.3.1991 (GVBl I 44; vom 6.6.1998 (GVBl I 167), vom 20.11.2003 (GVBl I 287); Bremen: G vom 29.11.1994 (GBl 307); Hamburg: G vom 20.12.1994 (GVBl 441); Hessen: G vom 26.11.1997 (GVBl I 396); MecklenburgVorpommern: G vom 20.12.1994 (GVOBl 1055); Niedersachsen: G vom 7.3.1995 (GVBl 50); Nordrhein-Westfalen: G vom

23 24

25 26

20.12.1994 (GV NW 1114); Rheinland-Pfalz: G vom 20.12.1994 (GVBl 474); Saarland: G vom 14.12.1994 (ABl 1995, 18); SachsenAnhalt: G vom 16.12.1994 (GVBl 1044); Schleswig-Holstein: G vom 6.3.1997 (GVOBl 149); Thüringen: G vom 21.12.1994 (GVBl 1221). Sachsen: G vom 30.5.1995 (GVBl 160). BVerwG NJW 1969, 979; VGH Mannheim, NJW 1987, 1353; OVG Hamburg NJW 1993, 1941 = MDR 1993, 577. VGH Mannheim NJW 1987, 1353. BAG NJW 1989, 1181; OVG Frankfurt (Oder), NJW 2004, 3795.

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§ 18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

IV. Grundbuchsachen Auch in Grundbuchsachen gilt für Fristen § 17 FGG.27

25

V. Familiensachen 26

In Familiensachen gelten die §§ 187 ff BGB nicht über § 17 FGG, sondern über §§ 221 ff ZPO (§ 64 Rn 83).

VI. Landesrecht 27

Die Vorschrift gilt auch, wenn nach Landesrecht andere als gerichtliche Behörden zuständig sind (§ 194 Abs 1).

VII. Reformvorhaben 28

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) schreibt in § 22 vor, dass der Lauf einer Frist mit der Bekanntgabe gemäß § 19 beginnt, soweit nicht anderes bestimmt ist, und für die Fristen die §§ 222, 224 Abs 2 und 3 sowie 225 ZPO entsprechend gelten.

§ 18 Änderung gerichtlicher Verfügungen (1) Erachtet das Gericht eine von ihm erlassene Verfügung nachträglich für ungerechtfertigt, so ist es berechtigt, sie zu ändern; soweit eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, darf die Änderung nur auf Antrag erfolgen. (2) Zu der Änderung einer Verfügung, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, ist das Gericht nicht befugt.

Literatur Henckel Sanktionen bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, ZZP Bd 77 (1964), 321; Jansen Zur bindenden Wirkung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlaßgericht, NJW 1966, 331; Luther Rechtsfolgen der Verletzung rechtlichen Gehörs bei Volljährigenadoption, NJW 1995, 306; Smid Wirkungen von Entscheidungen nach dem FGG, JuS 1996, 49.

27

Demharter GBO § 1 Rn 27.

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Änderung gerichtlicher Verfügungen

§ 18

Übersicht Rdn I. Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . III. Verhältnis der Unabänderlichkeit zur formellen und materiellen Rechtskraft . . . IV. Änderungspflicht nach Beschwerdeeinlegung? . . . . . . . . . . . . . . . V. Änderung der Verfügung . . . . . . . . 1. Begriff der Änderung . . . . . . . . 2. Erlass der Verfügung . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen der Änderungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschränkung nach Erlass der Beschwerdeentscheidung . . . . . . 5. Gesetzliche Ausnahmen von der Änderungsbefugnis . . . . . . . . . 6. Abänderung unanfechtbarer Verfügungen . . . . . . . . . . . . . VI. Änderungsverfahren . . . . . . . . . . 1. Verfahrensgrundsätze . . . . . . . . 2. Einleitung des Änderungsverfahrens . a) Amtsverfahren . . . . . . . . . . b) Antragserfordernis (Abs 1 Hs 2) . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . a) Sachliche Zuständigkeit . . . . . b) Beschwerdegericht . . . . . . . . VII. Änderungsverbot bei der sofortigen Beschwerde unterliegenden Verfügungen (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellende Entscheidungen . . . . 3. Zurückweisende Entscheidungen . . 4. Ausnahmen vom Änderungsverbot . VIII. Verfügungen des Rechtspflegers . . . . IX. Familiensachen . . . . . . . . . . . . . X. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 6 7 7 8 9 11 13 14 15 15 16 16 18 20 20 23

24 24 27 28 29 30 31 32

Rdn XI. Wirksamkeit und Wirkungen der Änderungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückwirkung . . . . . . . . . . . . 3. Unterscheidung nach Art der geänderten Verfügung . . . . . . . . a) Aufhebung einer feststellenden Verfügung . . . . . . . . . . . . b) Verfügungen, die zu einer Leistung verpflichten . . . . . . . . . . . . c) Rechtsgestaltende Verfügungen . . aa) Mit sofortiger Beschwerde anfechtbar . . . . . . . . . . bb) Mit unbefristeter Beschwerde anfechtbar . . . . . . . . . . 4. Aufhebung als nichtig . . . . . . . . 5. Kein Bestimmungsrecht des Gerichts . 6. Änderung nach materiellem Recht . . XII. Sonstige Berichtigungen und Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Offenbare Unrichtigkeit . . . . . . . 2. Tatbestandsberichtigung . . . . . . . 3. Entscheidungsergänzung . . . . . . . 4. Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . XIII. Wiederaufnahme des Verfahrens . . . . 1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Sondervorschriften . . . . . . . . . a) Regelungsstreitigkeiten . . . . . . b) Verschollenheitssachen . . . . . . c) Landwirtschaftssachen . . . . . . 3. Zulässigkeit der Wiederaufnahme in echten Streitsachen . . . . . . . . . 4. Verfahrensgestaltung . . . . . . . . XIV. Sittenwidrig erschlichene Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . XV. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

33 34 35 36 37 38 39 40 41 43 44 45 46 46 50 51 54 55 55 57 57 58 59 60 61 62 63

I. Bedeutung der Vorschrift In der Vorschrift kommt in besonderem Maße die Eigenart des Verfahrens der freiwil- 1 ligen Gerichtsbarkeit zum Ausdruck. Während im Zivilprozess (§ 318 ZPO) und anderen Verfahrensordnungen das Gericht an die von ihm erlassenen Entscheidungen gebunden ist, so dass es sie weder aufheben noch ändern kann und die Entscheidung im weiteren Verfahren für das Gericht maßgeblich ist, sofern sie nicht im Rechtsmittelwege geändert wird, eröffnet § 18 Abs 1 dem Gericht die Möglichkeit, seine Entscheidung zu ändern, wenn es sie nachträglich für ungerechtfertigt erachtet, und befreit damit das Gericht von einer Bindung an seine eigene Entscheidung. Die Regelung gestattet es dem Gericht, seine Verfügungen auch noch nach ihrem Erlass mit der wirklichen Sach- und Rechtslage in Einklang zu bringen und trägt so dem rechtsfürsorgerischen Charakter der freiwilligen Gerichtsbarkeit Rechnung. Die schrankenlose Zulassung von Änderungen könnte allerdings auf manchen Rechtsgebieten und für gewisse Arten fürVerfügungen im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens unerträglich sein. Deshalb hat das Gesetz die Änderungsbefugnis für bestimmte Fälle eingeschränkt (§ 18 Abs 1 Hs 2) oder ausgeschlossen (§ 18 Abs 2). Darüber hinaus können ungeschriebene Grundsätze des Verfah-

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§ 18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

rensrechts oder Normen des materiellen Rechts den Anwendungsbereich des § 18 Abs 1 begrenzen (Rn 13).

II. Anwendungsbereich 2

Die Vorschrift regelt die auf dem Verfahrensrecht beruhende Befugnis zur Änderung einer Verfügung, die sich nachträglich als unrichtig erweist. Hierher gehören nicht die Fälle, in denen eine Maßnahme von Dauerwirkung wegen einer Veränderung des Sachlage aus Gründen des sachlichen Rechts geändert oder aufgehoben werden muss, wie die Aufhebung der Vormundschaft, § 1884 BGB, der Pflegschaft, §§ 1919, 1921 BGB, die Entlassung des Vormunds oder Testamentsvollstrekers, §§ 1886, 2227 BGB, die Änderung von Anordungen über die elterliche Sorge, § 1696 BGB, auch die Änderung von Entscheidungen wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gemäß § 17 HausratsVO, § 45 Abs 4 WEG, § 1382 Abs 6 BGB. In diesen Fällen handelt es sich nicht darum, dass die frühere Verfügung geändert werden soll, auch wenn das Gesetz, wie in § 1696 BGB, unscharf von einer Änderung von Anordnungen spricht. Vielmehr bleibt die frühere Verfügung in ihrem förmlichen Bestand unberührt, es wird nur der durch sie geschaffene Rechtszustand durch eine neue Regelung (mit Wirkung für die Zukunft) abgelöst. Dieses Recht, eine neue Regelung zu treffen, ist einerseits gegenüber § 18 eingeschränkt, weil in der Regel ein materiellrechtliches Tatbestandsmerkmal erfordert wird, andererseits unterliegt es nicht den verfahrensrechtlichen Beschränkungen des § 18. Diese durch das materielle Recht erforderte Neuregelung ergeht in einem neuen Verfahren, während eine Änderung nach § 18 Identität des Änderungsverfahrens mit dem Verfahren, in dem die zu ändernde Entscheidung erlassen ist, voraussetzt. Ist der materiellrechtliche Tatbestand erfüllt, so ist das Gericht erster Instanz ohne Rücksicht auf die Verfahrenslage des ersten Verfahrens berechtigt und verpflichtet, in dem neuen Verfahren die erforderliche Anordnung zu treffen, ohne insbesondere an die Schranken des § 18 Abs 1 Hs 2 und Abs 2 oder des § 29 Abs 3 gebunden zu sein. Auch Rechtshängigkeit liegt nicht vor, da der Verfahrensgegenstand ein anderer ist. Ob die Neuregelung von Amts wegen oder nur auf Antrag vorgenommen werden kann, ergibt die einschlägige Vorschrift des sachlichen Rechts (zB §§ 1382 Abs 6, 2227 BGB). Die entsprechende Anwendung des § 18 Abs 1 Hs 2 ist nicht notwendig. Ferner lässt der Umstand, dass das materielle Recht das Gericht ermächtigt, beim Eintritt veränderter Verhältnisse in einem neuen Verfahren eine andere Regelung zu treffen, keine Schlüsse darauf zu, welche Bedeutung einer Veränderung der Verhältnisse für die verfahrensrechtliche Änderungsbefugnis aus § 18 beizumessen ist. Auch die Änderung nach § 18 ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen die zu ändernde Verfügung verfahrensrechtlich fehlerhaft zustande gekommen war (Rn 9).

III. Verhältnis der Unabänderlichkeit zur formellen und materiellen Rechtskraft 3

Unabänderlichkeit kraft Verfahrensrechts bedeutet, dass das Gericht seine Entscheidung nicht mehr ändern oder aufheben darf, in diesem Sinne also daran gebunden ist. Die Unabänderlichkeit gewährt Bestandsschutz gegenüber dem iudex a quo. Die formelle Rechtskraft tritt ein, wenn die Verfügung erlassen ist und mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann. Sie bedeutet Unanfechtbarkeit der Entscheidung, also den Ausschluss der Möglichkeit, dass sie auf Grund eines Rechtsmittels aufgehoben wird. Die formelle Rechtskraft macht daher die Verfügung in dem Sinne unangreifbar, dass sie

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Änderung gerichtlicher Verfügungen

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von der höheren Instanz nicht mehr geändert werden kann. Sie gewährleistet Bestandsschutz gegenüber dem iudex ad quem. Sie besagt aber nichts darüber, ob die formell rechtskräftige Verfügung von dem entscheidenden Gericht noch geändert werden kann, dh aus der formellen Rechtskraft folgt nicht schlechthin zugleich die Unwiderruflichkeit der Verfügung. Der Widerruf einer formell rechtskräftigen Verfügung kann dem Gericht gestattet oder verwehrt sein; darüber befindet § 18. So wie einerseits eine Verfügung bereits unabänderlich, aber noch nicht formell rechtskräftig sein kann kann (§ 18 Abs 2), so dass sie noch einer Änderung oder Aufhebung durch das Rechtsmittelgericht ausgesetzt ist, schließt der Eintritt der formellen Rechtskraft die Abänderbarkeit nicht grundsätzlich aus. Auch im Zivilprozess etwa folgt das Änderungsverbot nicht aus der formellen Rechtskraft, sondern aus § 318 ZPO, von dem § 18 Abs 1 gerade abweicht. Es ist anerkannt, dass unanfechtbare Verfügungen, die also mit ihrem Erlass formell 4 rechtskräftig werden, nach § 18 Abs 1 geändert werden können (Rn 14). Ebenso können der unbefristeten Beschwerde unterliegende Verfügungen, die infolge Verzichts auf die Beschwerde oder wegen Verwirkung des Beschwerderechts formell rechtskräftig geworden sind, noch einer Änderung nach § 18 Abs 1 zugänglich sein. Ist eine unbefristet anfechtbare Verfügung durch Erschöpfung des Rechtsmittelweges formell rechtskräftig geworden, so ist ihre Abänderbarkeit durch das Gericht des ersten Rechtszuges nur den Voraussetzungen nach eingeschränkt (Rn 11). Ist aber eine Verfügung schon vor Eintritt der formellen Rechtskraft unabänderlich geworden (§ 18 Abs 2), so büßt sie diese Eigenschaft nicht dadurch wieder ein, dass sie später auch noch formell rechtskräftig wird. Es wäre merkwürdig, dass eine Verfügung, die bereits gegenüber dem iudex a quo Bestandsschutz erlangt hat, diesen Schutz dadurch wieder verlieren sollte, dass sie außerdem auch dem iudex ad quem gegenüber unangreifbar wird. Ist eine Verfügung sowohl formell rechtskräftig als auch unabänderlich (unwiderruflich), so ist sie damit endgültig, dh sie kann nicht mehr geändert oder aufgehoben werden, sofern nicht die formelle Rechtskraft durch ein Anhörungsrügeverfahren (§ 29a), eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder ein Wiederaufnahmeverfahren beseitigt wird. Die Meinung, formell rechtskräftige und kraft Verfahrensrechts unabänderliche Verfügungen könnten in einem neuen Verfahren geändert werden, übersieht, dass ein neues Verfahren nicht mit der Änderung der Sachentscheidung eines früheren Verfahrens enden, die frühere Entscheidung also nicht als solche beseitigen kann. In einem neuen Verfahren kann allenfalls eine inhaltlich abweichende Entscheidung ergehen. Ein nach formell rechtskräftiger Zurückweisung eines Erbscheinsantrages gestellter 5 inhaltsgleicher Antrag leitet auch bei unverändertem Sachverhalt ein neues Erbscheinsverfahren ein.1 Das Beschwerdegericht ist demgemäß auch an die in dem früheren Erbscheinverfahren ergangene Entscheidung nicht gebunden, da diese nicht in materielle Rechtskraft erwachsen ist. Gegen die Möglichkeit, in einem neuen Verfahren, sofern ein solches gesetzlich statthaft ist, durch eine inhaltlich abweichende Entscheidung überholt zu werden, ist die frühere Verfügung nur geschützt, wenn entweder die in ihr getroffene Gestaltung nach Maßgabe des materiellen Rechts nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann oder wenn der Verfügung materielle Rechtskraft zukommt. Soweit Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit einen der materiellen Rechtskraft fähigen Inhalt haben können (§ 31), ist Voraussetzung für den Eintritt der materiellen Rechtskraft außer der formellen Rechtskraft auch die verfahrensrechtliche Unabänderlichkeit der Verfügung, also ihre Endgültigkeit. Solange die Verfügung, wenn 1

KG FGPrax 1999, 227 = FamRZ 2000, 577 = Rpfleger 1999, 542.

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auch nicht mehr im Rechtsmittelwege, aber noch nach § 18 geändert werden kann, ist für eine materielle Rechtskraft kein Raum. Formelle Rechtskraft und Unabänderlichkeit ziehen nicht schlechthin die materielle nach sich. Andererseits können formell rechtskräftige Entscheidungen der materiellen Rechtskraft entbehren, gleichwohl aber unabänderlich sein (Rn 25).

IV. Änderungspflicht nach Beschwerdeeinlegung? 6

Soweit die Änderungsbefugnis des § 18 Abs 1 seitens des iudex a quo neben der Änderungsbefugnis des Beschwerdegerichts nach Einlegung der zulässigen unbefristeten Beschwerde durch einen beschwerten Beteiligten gegeben ist, ergibt sich die Frage, ob das Beschwerdegericht vor seiner Entscheidung verlangen kann, dass der iudex a quo im Rahmen seiner Änderungsbefugnis eine Entscheidung fällt, ob er davon Gebrauch macht oder nicht, oder sich nach Einlegung der Beschwerde auf die Verfügung einer Vorlage der Akten an das Beschwerdegericht beschränken kann, womit konkludent eine Änderung seiner Entscheidung abgelehnt ist. Die entsprechende Anwendung von § 572 Abs 1 ist im Verfahren der Verfahren der FG weder ausdrücklich vorgesehen noch von der Sache her stillschweigend geboten.2 Dazu hätte gerade § 18 Abs 2 ergänzt werden müssen, der dem früheren § 577 Abs 3 ZPO aF entspricht, was aber nicht geschehen ist. Außerdem war bereits unter dem alten § 571 ZPO strittig, ob die Akten vom Beschwerdegericht zwingend zur Nachholung der Abhilfeentscheidung an die Vorinstanz zurückzugeben sind. Ist die angefochtene Entscheidung überhaupt nicht begründet, gibt die Nichtabhilfeentscheidung der Vorinstanz allerdings gerade die Möglichkeit der Nachholung der Begründung, womit die Gefahr einer Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht vermindert wird. Im Rahmen des Nichtabhilfeverfahrens muss sich die Vorinstanz mit den in der Beschwerde vorgebrachten Gründen im Einzelnen auseinandersetzen; die Bezugnahme auf die „zutreffende Begründung“ des angefochtenen Beschlusses ist nur dann ausreichend, wenn alle vorgebrachten Gründe bereits innerhalb des angefochtenen Beschlusses Berücksichtigung gefunden haben. Die Nichtbeachtung dieser Grundsätze stellt einen groben Verfahrensverstoß dar.3 Begeht dasjenige Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, bei der Durchführung des Nichtabhilfeverfahrens grobe Verfahrensverstöße, so ist das Beschwerdegericht befugt, aber nicht gezwungen, das Verfahren zur erneuten Durchführung des Nichtabhilfeverfahrens – gegebenenfalls unter Aufhebung eines Nichtabhilfebzw Vorlagebeschlusses – zurückzuverweisen.4 Im Einzelfall hat das Beschwerdegericht zu prüfen, ob nach den gesamten Umständen des Falles und seiner Eilbedürftigkeit eine (jederzeit mögliche) eigene Entscheidung oder der zeitraubende Umweg über die Rückgabe der Akten an die Vorinstanz zur Nachholung der Nichtabhilfeentscheidung angezeigt ist. Seine eigene Rechtsauffassung durchsetzen kann das Beschwerdegericht ohnehin erst in der abschließenden Beschwerdeentscheidung, nicht durch Aufhebung der Vorlageverfügung.

2

AA OLG Düsseldorf NJW-FER 2000, 190; OLG Brandenburg FGPrax 2000, 45 = FuR 2000, 383 = FamRZ 2000, 1098; OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1476.

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3 4

OLG Brandenburg FGPrax 2000, 45 = FuR 2000, 383 = FamRZ 2000, 1098. OLG Brandenburg FGPrax 2000, 45 = FuR 2000, 383 = FamRZ 2000, 1098.

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V. Änderung der Verfügung 1. Begriff der Änderung Unter Änderung im Sinne des § 18 ist jede Veränderung des sachlichen Inhalts der frü- 7 heren Verfügung in einzelnen Beziehungen zu verstehen, auch die Ergänzung in Hauptoder Nebenpunkten und die teilweise Aufhebung, so dass sie mit dem veränderten Inhalt fortgilt, ebenso ihre vollständige Ersetzung durch eine anderweitige Regelung und schließlich ihre schlichte Aufhebung ohne anderweitige Regelung. Änderung ist, wie sich aus § 18 Abs 1 Hs 2 ergibt, im Antragsverfahren auch die Umwandlung der den Antrag zurückweisenden Verfügung in eine dem Antrag ganz oder teilweise stattgebende. Der Änderung zugänglich sind sowohl sachliche Entschließungen als auch verfahrensleitende Anordnungen. Auch die Änderung einer Verfügung, die ihrerseits eine frühere Verfügung ändert, ist nicht ausgeschlossen, so dass auf diese Weise die erste, nachträglich geänderte Verfügung wiederhergestellt wird. Die förmliche Aufhebung einer nichtigen oder wirkungslosen Verfügung unterliegt dagegen nicht den Beschränkungen des § 18, da sie nur die tatsächliche Bedeutung hat, den Rechtsschein der Gültigkeit der Verfügung zu beseitigen. 2. Erlass der Verfügung Noch nicht „erlassene“ Verfügungen sind eine interne Angelegenheit des Gerichts und 8 können, ohne dass es einer Rechtfertigung durch § 18 Abs 1 bedarf oder das Verbot des § 18 Abs 2 entgegen stünde, jederzeit zurückgenommen werden. Bei Endentscheidungen ist der Erlass der Verfügung gleichbedeutend mit der Beendigung der Instanz. Die Verfügung ist erlassen nicht schon mit der schriftlichen Absetzung in den Akten, beim Kollegialgericht in der vollen Besetzung nicht schon mit der Beratung und Beschlussfassung oder mit der Unterzeichnung durch den letzten an der Entscheidung beteiligten Richter, auch nicht mit der Übergabe an die Geschäftsstelle und deren Eingangsbestätigung (Datumsstempel), andererseits auch nicht erst mit der vollzogenen Zustellung oder Bekanntmachung an die Beteiligten (§ 16), sondern in dem Zeitpunkt, in welchem das Gericht die Entscheidung aus seiner Verfügungsgewalt entlassen hat. Das ist bei schriftlichen Entscheidungen der Zeitpunkt, in dem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle für die Zustellung der Entscheidung durch Aushändigung an die Post sorgt oder in dem die Entscheidung gemäß § 16 Abs 3 einem Anwesenden zu Protokoll bekannt gemacht wird (Verlautbarung). Bloße Kenntnisnahme durch einen Beteiligten gelegentlich einer Akteneinsicht genügt nicht. Bei mündlich erlassenen Verfügungen fällt der Zeitpunkt des Erlasses mit der Bekanntgabe an die Beteiligten zusammen. In jedem Fall genügt für den Erlass, wenn auch nicht für den Beginn eines Fristenlaufs, wenn die Entscheidungsformel ohne Gründe den Beteiligten verkündet wird. Auch eine Verkündung in Abwesenheit der Beteiligten (vgl §§ 312 Abs 1, 329 ZPO) ist nicht ausgeschlossen,5 wenn diese etwa zu einem (selbst obligatorischen) Verhandlungstermin geladen, aber nicht erschienen sind oder sich wieder entfernt haben. 3. Voraussetzungen der Änderungsbefugnis In Abs 1 Hs 1 wird die allgemeine Regel ausgesprochen, dass das Gericht zu einer 9 Änderung der von ihm erlassenen Verfügung befugt ist, wenn es sich nachträglich überzeugt, dass sie ungerechtfertigt ist. Als ungerechtfertigt erweisen kann sich die Verfügung 5

BGH NJW 1955, 503.

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auf Grund einer anderen tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung des unveränderten Sachverhalts, zB wegen einer abweichenden Würdigung der erhobenen Beweise oder weil das Gericht feststellt, dass ihm ein Rechtsfehler unterlaufen ist, oder wenn es sich einem inzwischen eingetretenen Wandel der Rechtsauffassung anschließt.6 Bei einem bloßen Wandel der Rechtsauffassung oder eine abweichenden Würdigung der schon beim Erlass der Verfügung bekannten Tatsachen wird das Gericht aber Anlass haben zu prüfen, ob es im Hinblick auf einen etwa geschaffenen Vertrauenstatbestand von seiner nach pflichtgemäßem Ermessen auszuübenden Änderungsbefugnis besser keinen Gebrauch macht, wenn es lediglich von Amts wegen vor diese Frage gestellt ist.7 Zu einer Änderung Anlass geben können auch Tatumstände, die zur Zeit des Erlasses der Verfügung schon vorhanden, dem Gericht aber unbekannt geblieben waren (verdeckte Tatsachen),8 ferner nachträglich beigebrachte Beweismittel oder Hilfstatsachen, die zu einer abweichenden Würdigung des bereits erörterten, aber nicht vollständig aufgeklärten Sachverhalts führen. Ferner wird die Änderungsbefugnis auch begründet durch den nachträglichen Eintritt neuer Tatsachen (facta supervenientia),9 da, wie sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt, die Vorschrift des § 18 Abs 1 Hs 1 dem Abhilferecht des § 571 ZPO aF und § 572 Abs 1 ZPO nF entspricht mit der durch den Grundsatz des Amtsbetriebs gebotenen Abwandlung, dass es zur Änderung einer Beschwerde nicht bedarf.10 Die Änderungsbefugnis des § 18 Abs 1 dient daher nicht nur der Richtigstellung von Fehlentscheidungen. Vielmehr müssen neue Tatsachen auch Berücksichtigung finden, wenn eine anfänglich unrichtige Verfügung durch nachträglich eingetretene Tatsachen richtig geworden ist, da eine Änderung ohnehin keine Rückwirkung hätte und daher zwecklos wäre. Selbst wenn also § 18 Abs 1 nur der Richtigstellung von Fehlentscheidungen diente, wäre das Gericht der Notwendigkeit, neuen Tatsachen Rechnung zu tragen, nicht enthoben. Hieraus ergibt sich, dass das Gericht, wenn eine Beschwerde eingelegt und auf neue 10 Tatsachen gestützt wird, in eine nochmalige tatsächliche Prüfung eintreten muss und ggf zur Änderung seiner Verfügung verpflichtet ist.11 Das Gericht bleibt zur Änderung auch noch befugt, wenn es die Beschwerde, ohne ihr abzuhelfen, bereits dem Beschwerdegericht vorgelegt hat.12 Diese Änderungsbefugnis besteht bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung. Um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, hat aber das Gericht die Änderung seiner Verfügung dem Beschwerdegericht unverzüglich mitzuteilen, wodurch dem Beschwerdeverfahren die Grundlage entzogen werden kann. Nach dem gegenwärtigen Stand der Aktenführung wird jedoch eine Änderung durch die Vorinstanz ausscheiden, sobald die Akten an die nächste Instanz übersandt worden sind. Werden die Akten jedoch zur Durchführung der Änderung an die Vorinstanz zurückgegeben, ist dann auch die Änderungsverfügung bei den Akten, wenn sie wiederum an das Beschwerdegericht übersandt werden. Das rechtliche Gehör ist auch im Änderungsverfahren zu wahren. 4. Einschränkung nach Erlass der Beschwerdeentscheidung

11

Das Gericht ist nur zu einer Änderung seiner eigenen, von ihm erlassenen Verfügung berechtigt, daher nicht zur Änderung einer Entscheidung des Beschwerdegerichts oder einer Verfügung, die auf einer sachlichen Entscheidung des Beschwerdegerichts, insbe6 7

8 9

KG FamRZ 1960, 203; OLG Bremen MDR 1974, 179. OLG Frankfurt JZ 1960, 93; vgl aus dem Verwaltungsrecht BVerwG JR 1960, 355; DVBl 1961, 292; BVerfGE 2, 380, 395. KGJ 51, 44. KG NJW 1955, 1074; OLG Hamm JMBlN-

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10 11 12

RW 1959, 176; OLG Schleswig SchlHA 1960, 113. KGJ 42, 23 = RJA 11, 257. KG RJA 11, 82. BayObLG OLGR 23, 376;OLG Hamm JMBlNRW 1959, 176; KG RzW 1965, 556.

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sondere einer Anweisung beruht.13 Das gilt auch, wenn die Beschwerde gegen die Verfügung aus sachlichen Gründen zurückgewiesen worden ist,14 anders verhält es sich dagegen, wenn die Beschwerde als unzulässig, auch wegen fehlender Beschwerdeberechtigung verworfen worden ist oder wenn es wegen Rücknahme des Rechtsmittels und Verzichts auf die Beschwerde zu einer Beschwerdeentscheidung nicht gekommen ist, da dann die Verfügung nicht der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht unterzogen worden ist und die formelle Rechtskraft die Änderungsbefugnis nicht ausschließt.15 Die Änderungsbefugnis bleibt bestehen, soweit die Änderung auf neue Tatsachen gestützt wird, mögen sie auch vor der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz im vorausgegangenen Verfahren entstanden, aber nicht vorgebracht worden und dem Gericht unbekannt geblieben sein. Erst recht gilt dies, wenn das Änderungsbegehren auf neue Tatsachen gestützt wird. Denn Entscheidungsgegenstand ist nur die von dem Beschwerdegericht aus den tatsächlich ermittelten und dem Gericht beim Erlass der Entscheidung bekannten Sachverhalt hergeleitete Rechtsfolge. Eine Änderung durch das Gericht erster Instanz ist jedoch ausgeschlossen auf Grund 12 einer abweichenden tatsächlichen Würdigung des seit der Beschwerdeentscheidung unverändert gebliebenen Sachverhalts. Eine von der Rechtsauffassung, auf der die Beschwerdeentscheidung beruht, abweichende rechtliche Beurteilung ist auch bei einer Veränderung des Sachverhalts nicht statthaft, auch nicht auf Grund eines inzwischen eingetretenen Wandels der Rechtsauffassung. Insoweit müssen dieselben Grundsätze wie bei einer Zurückverweisung gelten (§ 25 Rn 24). Vom Zeitpunkt der Einlegung einer weiteren Beschwerde an bis zur Entscheidung des Gerichts der weiteren Beschwerde ist dem Gericht erster Instanz eine Änderung allerdings auch in dem vorstehenden Umfang verwehrt (§ 29 Abs 3). Das gilt auch, wenn nach dem Erlass der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts neue Tatsachen eingetreten sind, sofern nicht neben der verfahrensrechtlichen Änderungsbefugnis eine materiellrechtliche, etwa nach § 1696 BGB besteht. Nach dem Erlass der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts lebt die Änderungsbefugnis unter den angeführten Voraussetzungen wieder auf. 5. Gesetzliche Ausnahmen von der Änderungsbefugnis Die Änderung auf Grund des § 18 Abs 1 ist ausgeschlossen in § 29 Abs 3 (bei Ein- 13 legung der weiteren Beschwerde), in §§ 55, 62 (Erteilung oder Verweigerung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn die Genehmigung oder Versagung einem Dritten gegenüber wirksam geworden ist), ferner nach § 56e S 3 (Wirksamwerden des Kindesannahmebeschlusses, vgl § 56e Rn 35). Eintragungen in öffentliche Register können auf Grund des § 18 Abs 1 nicht beseitigt werden.16 Hier gelten die §§ 53 GBO, 142 ff, 147, 159, 161 FGG. Ein Erbschein oder eines der in § 84 genannten Zeugnisse kann nach seiner Erteilung nicht gemäß § 18 aufgehoben, sondern nur durch Einziehung oder Kraftloserklärung nach § 2361 BGB aus dem Verkehr gezogen werden. Das durch Einziehung oder Kraftloserklärung kraftlos gewordene Zeugnis kann nur durch Erteilung eines neuen inhaltsgleichen Zeugnisses wiederhergestellt werden. Die Verfügung über die Erteilung oder Einziehung des Erbscheins kann jedoch, wenn sie bereits erlassen ist, gemäß § 18 Abs 1 bis zur Erteilung oder vollzogenen Einziehung des Erbscheins geändert werden.17

13 14

BayObLGZ 15, 441 = Reht 1914 Nr 2543; KG NJW 1955, 1074. KGJ 42, 23 = RJA 11, 257.

15 16 17

BayObLGZ 1961, 200, 202. OLG Dresden JFG 5, 233. BayObLGZ 1961, 202, 206.

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6. Abänderung unanfechtbarer Verfügungen

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Verfügungen, die nach gesetzlicher Vorschrift mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar sind, werden mir ihrem Erlass formell rechtskräftig. Da die formelle Rechtskraft der Änderung nicht entgegensteht und § 18 Abs 2 auf unanfechtbare Verfügungen nicht anzuwenden ist, können sie grundsätzlich nach § 18 Abs 1 geändert werden. Der nach § 84 unanfechtbare Beschluss über die Kraftloserklärung eines Erbscheins unterliegt nicht der Änderung nach § 18, um eine Verzögerung des Einziehungsverfahrens zu vermeiden. Unabänderlich ist ferner der nach § 33 Abs 1 VerschG unanfechtbare Beschluss über die Aufhebung der Todeserklärung. Von diesen auf besonderen Erwägunen beruhenden Ausnahmefällen abgesehen, sind aber unanfechtbare Verfügungen einer Änderung fähig, so nach den §§ 5, 46 Abs 2 S 2, 47 Abs 2 S 3, 75 S 2, 76 Abs 1, 132 Abs 2, 146 Abs 3, 148 Abs 2 S 2, 164 Abs 2 FGG. Auch die unanfechtbaren einstweiligen Anordnungen nach §§ 24 Abs 2 und 3, 53a Abs 3 FGG, § 44 Abs 3 WEG können nach § 18 Abs 1 geändert werden. Das gilt auch für die unanfechtbaren Abgabeverfügungen nach §§ 36 Abs 2, 73 Abs 2 FGG, § 11 Abs 2 HausratsVO, § 15c VerschG, solange das andere Gericht nicht tätig geworden ist.

VI. Änderungsverfahren 1. Verfahrensgrundsätze

15

Das Änderungsverfahren läuft nach denselben Verfahrensgrundsätzen, wie das Verfahren, in dem die zu ändernde Verfügung ergangen ist. Als dessen Fortsetzung bildet es mit dem ursprünglichen Verfahren eine Einheit. Es erfüllt eine ähnliche Funktion wie das Rechtsmittelverfahren, da es eine Überprüfung der Entscheidung in demselben Verfahren bezweckt. Das Änderungsverfahren ist mithin ein besonderer Verfahrensabschnitt in dem Verfahren, in dem die zu ändernde Entscheidung erlassen ist. Daraus folgt, dass Rechtshängigkeit besteht, wenn und soweit ein Änderungsverfahren noch statthaft ist, und dass eine Verfahrensvollmacht, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts sich auch auf das Änderungsverfahen erstrecken. Das rechtliche Gehör ist auch im Änderungsverfahren zu beachten. Auch wenn das Gericht von Amts wegen von seiner Änderungsbefugnis Gebrauch machen will, muss es dem oder den betroffenen Beteiligten vorher Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Das Verbot der Schlechterstellung gilt im Änderungsverfahren nicht, auch nicht, wenn die zu ändernde Verfügung nur auf Antrag ergehen konnte. Das ergibt sich daraus, dass dieses Verbot nicht in Betracht käme, wenn die Verfügung mit der Beschwerde eines etwa vorhandenen Gegners angefochten würde, das Gericht aber durch § 18 Abs 1 gerade ermächtigt wird, seine Verfügung zu ändern, ohne dass es einer Beschwerde bedarf. 2. Einleitung des Änderungsverfahrens a) Amtsverfahren

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Das Änderungsverfahren wird grundsätzlich von Amts wegen eingeleitet. Anträge Beteiligter und Gegenvorstellungen haben nur die Bedeutung einer Anregung. Das gilt auch, wenn die zu änderndeVerfügung nur auf Antrag ergehen konnte und dem Antrag stattgegeben worden ist. Eine Ausnahme gilt nach § 18 Abs 1 Hs 2 nur, wenn ein solcher Antrag zurückgewiesen worden ist. Die Änderungsbefugnis ist nicht befristet und unterliegt daher keiner zeitlichen Schranke. Der Ausübung der Befugnis steht es mithin nicht entgegen, dass das Gericht erst nach eines längeren Zeitraums zu der Erkenntnis gelangt,

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dass die Verfügung ungerechtfertigt ist. Auch eine Verwirkung der Änderungsbefugnis des Gerichts kommt nicht in Betracht.18 Dispositionen der Beteiligten sind auf die Ausübung der Befugnis ohne Einfluss. Bei den Beschränkungen des Änderungsrechts nach §§ 55, 62 handelt es sich nicht eigentlich um eine Befristung des Änderungsrechts, sondern um dessen Ausschluss, sobald nach Maßgabe des materiellen Rechts auf Grund der Verfügung eine Rechtsstellung erlangt ist, die nicht mehr entziehbar sein soll. Im Fall des § 29 Abs 3 ist die Änderungsbefugnis nur auf Zeit, nämlich für die Dauer des Rechtsbeschwerdeverfahrens, ausgesetzt. Die Frage, ob eine Pflicht zur Änderung besteht, kann nicht auftreten, wenn ein Ver- 17 fahrensbeteiligter, dem ein Beschwerderecht zustände, die Änderung mit Eingaben und Anträgen erstrebt. Denn der Beteiligte hat ein Recht auf Bescheidung, und die Änderung einer Verfügung, die sich als ungerechtfertigt herausstellt, kann nicht nach Ermessen abgelehnt werden, zumal sie mit der Beschwerde erzwungen werden könnte. Anders ist es jedoch, wenn das Gericht vor der Frage steht, ob es die Verfügung von Amts wegen oder auf Anregung eines Nichtbeteiligten ändern soll. In diesem Fall muss dem Gericht die Befugnis eingeräumt werden, nach seinem pflichtgemäßen Ermessen von der Änderung Abstand zu nehmen.19 Keinesfalls besteht eine Amtspflicht des Gerichts, etwa nach einem Richterwechsel von Amts wegen zu prüfen, ob frühere Verfügungen einer Nachprüfung standhalten. b) Antragserfordernis (Abs 1 Hs 2) Soweit Verfügungen nur auf Antrag erlassen werden können und der Antrag (gleich- 18 gültig in welchem Rechtszuge) zurückgewiesen worden ist, setzt die Änderung einen Antrag voraus. Das Gesetz geht davon aus, dass, wer sich bei einer zurückweisenden Verfügung beruhigt, die weitere Verfolgung der Sache aufgegeben hat, und dass ihm eine Regelung, die nur auf seinen Antrag ergehen kann, nach ihrer gerichtlichen Ablehnung nicht ohne eine nochmalige Willensäußerung aufgenötigt werden soll. Damit unterstellt das Gesetz die Änderung der Disposition der Beteiligten, vorausgesetzt, dass sie nicht nach Abs 2, weil die zurückweisende Verfügung der sofortigen Beschwerde unterliegt, ohnehin ausgeschlossen ist. Das Gericht ist zu einer Änderung nur auf Antrag des zurückgewiesenen Antragstellers befugt, niemals von Amts wegen, auch nicht, wenn das Gericht sich nachträglich von der Unrichtigkeit seiner zurückweisenden Verfügung überzeugt oder wenn nachträglich eine Änderung der Verhältnisse eintritt. Das gilt aber nur für Verfahren, für deren Einleitung die Stellung eines Antrags notwendig ist, nicht für Verfahren, die sowohl von Amts wegen wie auf Antrag eingeleitet werden können, oder für zurückweisende Verfügungen, die zwar in der Regel nicht ohne Ansuchen ergehen, aber nicht einen Antrag im Rechtssinne erfordern, wie die Erteilung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen.20 Ein Änderungsantrag ist auch in einer (unbefristeten) Beschwerde enthalten, gleichgültig ob die Beschwerde bei dem Gericht des ersten Rechtszuges oder bei dem Beschwerdegericht eingelegt wird, wegen § 29 Abs 3 aber nicht in der weiteren Beschwerde. Hieraus ergibt sich zugleich, dass der rechtsbehelfsähnliche Änderungsantrag kein 19 neues Verfahren eröffnet, sondern zu einer Fortsetzung des durch die Zurückweisung des

18 19

Vgl BGHZ 47, 58 = NJW 1967, 1126 zur Einziehung des Erbscheins. Teilweise bedenklich OLG Frankfurt OLGZ 1967, 352.

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BGH DNotZ 1967, 320.

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Antrags noch nicht endgültig beendeten Verfahrens führt. Der Antrag eines anderen Antragsberechtigten eröffnet dagegen ein neues Verfahren, ungeachtet dessen, dass § 20 Abs 2 aus Gründen der Prozessökonomie auch einem anderen Antragsberechtigten die Verfolgung eines zurückgewiesenen Antrags im Beschwerdewege gestattet. Der Änderungsantrag ist auch bei unverändertem Sachverhalt zulässig, ebenso bei Eintritt neuer Tatsachen oder Beibringung neuer Beweismittel. Eine etwa eingetretene formelle Rechtskraft der zurückweisenden Verfügung steht nicht entgegen, weil nicht die frühere Entscheidung angefochten, sondern eine Entscheidung über einen im Gesetz vorbehaltenen Änderungsantrag erstrebt wird. Wenn aber die Voraussetzungen für die Verwirkung des Beschwerderechts vorliegen, wird anzunehmen sein, dass auch das Recht zur Stellung des Änderungsantrags verwirkt ist. Ob ein zulässiger Rechtsmittelverzicht zuleich einen Verzicht auf den Änderungsantrag enthält, ist Auslegungsfrage. Jedenfalls kann unter den Voraussetzungen des Rechtsmittelverzichts auch auf das Recht zur Stellung des Änderungsantrages verzichtet werden. War die Zurückweisung des Antrags vom Rechtsmittelgericht bestätigt oder erst von ihm ausgesprochen worden, so bleibt eine Änderung in dem Umfang zulässig, in dem die Änderungsbefugnis des Gerichts gegenüber Beschwerdeentscheidungen erhalten geblieben ist. Wenn die zurückweisende Verfügung formell rechtskräftig geworden und außerdem der materiellen Rechtskraft fähig ist, kann ein Änderungsantrag, der sich auf denselben Verfahrensgegenstand bezieht, nicht mehr gestellt werden. Der Verfahrensgegenstand ist ein anderer, wenn derselbe Antrag auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt oder wenn auf Grund desselben Lebenssachverhaltes ein anderer Antrag gestellt, also eine andere Rechtsfolge erstrebt wird. In diesem Fall leitet der Antrag ein neues Verfahren ein. Ein erfolgreicher Änderungsantrag führt zur Aufhebung der ersten Verfügung und beseitigt auch deren Kostenfolge. 3. Zuständigkeit a) Sachliche Zuständigkeit

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Sachlich zuständig ist das Gericht erster Instanz. Das Beschwerdegericht kann die Verfügung nicht ändern, wenn es nicht auf Grund einer Beschwerde mit der Sache befasst ist. Gericht erster Instanz kann auch ein LG oder OLG sein, zB das obere Gericht im Zuständigkeitsstreit nach § 5. Örtlich zuständig ist das Gericht, das die zu ändernde Verfügung erlassen hat, auch wenn es für deren Erlass nicht zuständig gewesen ist. Mit der Abgabe einer Vormundschafts- oder Pflegschaftssache nach §§ 46, 75 geht auch die Zuständigkeit des bisherigen Gerichts zur Änderung seiner Verfügung auf das neue Gericht über. Dasselbe gilt, wenn das AG Schöneberg eine Sache nach §§ 36 Abs 2, 73 Abs 2 an ein anderes Gericht abgibt.21 Ebenso kann das nach § 5 als zuständig bestimmte Gericht die Verfügung des vorher tätig gewesenen Gerichts ändern oder aufheben. Auch Verfügungen, die ein Gericht im Eilgerichtsstand der §§ 44, 74 FGG erlassen 21 hat, können von dem ordentlichen zuständigen Gericht geändert werden, wenn die Zuständigkeit des Eilgerichts beendet und auf das ordentliche Gericht übergegangen ist. Hat ein Gericht, ohne auf eine dieser Arten zuständig geworden zu sein, die Verfü22 gung eines anderen Gerichts geändert, so hat es damit die Rechtshängigkeit missachtet und als örtlich unzuständiges Gericht gehandelt. Die Änderungsverfügung ist gleichwohl wirksam (§ 7). Es handelt sich nicht um ein Fehlen der sachlichen Zuständigkeit, da diese jedem Amtsgericht zukommt (§§ 35, 72), auch nicht um einen Fall der funktionel-

21

KG OLGZ 1966, 127.

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len Unzuständigkeit, sondern um einen Mangel der örtlichen Zuständigkeit, wie sich daraus ergibt, dass die Zuständigkeit des anderen Gerichts durch Abgabe begründet werden könnte, Abgaben aber nur eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit bewirken. Treffen ein Änderungsverlangen nach § 18 und ein Verfahren nach § 1696 BGB, für welches inzwischen die Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet ist, zusammen, so wird zweckmäßig das Änderungsverfahren an das nach § 1696 BGB, § 43 FGG zuständige Gericht abgegeben. b) Beschwerdegericht Das Beschwerdegericht darf seine auf die Beschwerde ergehende Entsheidung weder 23 von Amts wegen noch auf Antrag ändern, und zwar weder nach Einlegung der weiteren Beschwerde (§ 29 Abs 3) noch vorher, weil es nach Erlass der Beschwerdeentscheidung nicht mehr mit der Sache befasst ist.22 Das gilt auch, wenn das Änderungsverlangen auf neue Tatsachen und Beweise oder auf eine nachträglich eingetretene Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse gestützt wird, da dann im Rahmen des § 18 Abs 1 vorbehaltlich des § 29 Abs 3 die Änderungsbefugnis des Gerichts erster Instanz eingreift.23 Auch einen Beschluss, durch den das Beschwerdegericht eine Beschwerde als unzulässig verwirft, darf es nicht ändern.24 Wird eine zunächst wegen Formmangels als unzulässig verworfene Beschwerde unter Vermeidung des Mangels noch einmal eingelegt, so bleibt die erste Entscheidung bestehen, hindert aber auch nicht eine Sachentscheidung über das zweite Rechtsmittel.25 Durch Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird eine vorherige Verwerfung des Rechtsmittels hinfällig. Ferner ist das Beschwerdegericht nicht gehindert, von seiner Vorentscheidung abzuweichen, wenn es in einem neuen Verfahren auf Beschwerde wiederum mit der Sache befasst wird, zB wenn ein Erbschein auf Anordnung des Beschwerdegerichts erteilt worden ist und derselbe Sachverhalt in dem Verfahren zur Einziehung des Erbscheins wiederum der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegt.26 Zur Wiederholung der Beschwerde vgl § 21 Rn 40). Zwischenverfügungen, verfahrensleitende Verfügungen und Entscheidungen, die der Beschwerdeentscheidung vorausgehen (zB Beweisanordnungen, Aussetzung des Verfahrens) oder neben dem Beschwerdeverfahren ergehen (zB Prozesskostenhilfe), kann auch das LG nach Maßgabe des § 18 ändern, soweit nicht die sofortige Beschwerde stattfindet (§ 15 FGG iVm § 387 Abs 3 ZPO).

VII. Änderungsverbot bei der sofortigen Beschwerde unterliegenden Verfügungen (Abs 2) 1. Grundsatz Durch Abs 2 wird die verfahrensrechtliche Befugnis zur Änderung von Verfügungen, 24 die der sofortigen Beschwerde unterliegen, ausgeschlossen. Das gilt auch für Verfügungen, die im Sinne des Abs 1 Hs 2 nur auf Antrag erlassen werden können. Es kommt nur darauf an, dass das statthafte Rechtsmittel die befristete Beschwerde ist, gleichviel ob sie eingelegt wird oder nicht. Demgemäß ist dem Gericht, hier in Übereinstimmung mit § 318 ZPO, schon von dem Erlass der Entscheidung an eine Änderung verwehrt. Das

22 23 24

KG NJW 1955, 1074; KG OLGZ 1966, 608. KG OLGZ 1966, 608. BayObLGZ 1951, 342.

25 26

BayObLG Rpfleger 1981, 401; BayObLG FamRZ 1998, 1055 = MDR 1997, 1152. KG NJW 1955, 1074.

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Änderungsverbot besteht schon vor Eintritt der formellen Rechtskraft. Einer Beschwerde darf das Gericht nicht abhelfen,27 auch wenn sie auf neue Tatsachen und Beweise oder auf eine nach Erlass der Entscheidung eingetretene Veränderung der Tatsachen gestützt wird. Daran hat sich auch nach der ZPO-Reform 2002 mit der Einführung des § 572 ZPO nichts geändert,28 da § 18 Abs 2 eine spezielle Regelung enthält, die vorrangig ist. Soweit allerdings in einem Verfahren der FG für anschließende Verfahrensabschnitte vollständig auf die ZPO verwiesen wird, zB § 45 Abs 3 WEG, ist das gesamte Rechtsmittelsystem der ZPO anwendbar, einschließlich des § 572 Abs 1 ZPO mit der Abhilfebefugnis (freilich ausschließlich der BGH-Zuständigkeit für Verfahren der FG29). Nach Eintritt der formellen Rechtskraft gilt das Änderungsverbot fort, und zwar auch 25 gegenüber einer Veränderung der Tatsachen, da eine Verfügung, die bereits dem iudex a quo gegenüber Bestandsschutz erlangt hat, diesen Schutz nicht dadurch wieder verlieren kann, dass sie außerdem auch dem iudex ad quem gegenüber durch Eintritt der formellen Rechtskraft unangreifbar wird. Verfügungen, die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind, haben regelmäßig Angelegenheiten zum Gegenstand, die möglichst bald in bestimmter Weise abschließend geregelt werden müssen. Deshalb sollen nach dem Zweck des Gesetzes Verfügungen dieser Art nach Eintritt der formellen Rechtskraft nur aufgehoben oder verändert werden können, wenn das materielle Recht es gestattet. Derartige Änderungsmöglichkeiten eröffnet das materielle Recht zB in den §§ 17 HausratsVO, 45 Abs 4 WEG, § 1382 Abs 6 BGB. Da hier nur der Umfang der verfahrensrechtlichen Änderungsbefugnis nach § 18 in Rede steht, kommen hierfür nicht die Fälle in Betracht, in denen das materielle Recht das Gericht berechtigt und verpflichtet, den durch eine Verfügung geschaffenen Zustand wegen einer Änderung der tatsächlichenVerhältnisse wieder aufzuheben oder anders zu regeln. Zur Aufhebung von Unterbringungsmaßnahmen vgl § 70i und die dortige Kommentierung. Entscheidungen in echten Streitsachen, die formell rechtskräftig geworden und der materiellen Rechtskraft fähig sind, können allenfalls in den Formen und unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens geändert werden (Rn 55). Vor allem sind die in der FG besonders zahlreichen privatrechtsgestaltenden gericht26 lichen Verfügungen, wenn sie mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind, sowohl in demselben wie in einem neuen Verfahren der Änderung durch den iudex a quo entzogen, und zwar auch bei Eintritt veränderter tatsächlicher Verhältnisse, wenn nicht das materielle Recht die Änderung gestattet. Rechtsgestaltungen durch gerichtliche Entscheidung bedürfen stets einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung. Wenn daher durch eine wirksam und formell rechtskräftig gewordene rechtsgestaltende Entscheidung eine Veränderung der materiellen Rechtslage herbeigeführt ist, ist das Gericht zu einer Wiederaufhebung dieses Rechtszustandes nur befugt, wenn sich dafür eine Grundlage im materiellen Recht findet. Die Ernennung einesTestamentsvollstreckers (§ 2200 BGB, 81 FGG) kann nicht aufgehoben werden, weil sie sich nachträglich als unrichtig herausgestellt hat, 30 sondern der Testamenstvollstrecker kann allenfalls unter den Voraussetzungen des § 2227 BGB auf Antrag entlassen werden. Die formell rechtskräftige Entlassung des Testamentsvollstreckers kann nicht wieder aufgehoben werden, wenn sie sich später als hinfällig erweist oder in Wegfall kommt.31 Die auf Antrag eines Nachlassgläubigers formell rechts-

27 28 29

BayObLG FGPrax 2005, 10 = NZM 2005, 788 = ZMR 2005, 140. AA OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1476. BGH NJW-RR 2004, 1077 = FGPrax 2004, 142 = MDR 2004, 959; BGH NJW 2004,

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30 31

3412 = FGPrax 2004, 306 = FamRZ 2004, 1964. Jansen NJW 1966, 331. BayObLGZ 1964, 153; OLG Schleswig SchlHA 1965, 107.

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Änderung gerichtlicher Verfügungen

§ 18

kräftig angeordnete Nachlassverwaltung (§ 1981 Abs 2 BGB iVm§ 76 Abs 2 FGG) kann nur aus den materiellrechtlichen Gründen des § 1919 mit § 1975 und des § 1988 Abs 2 aufgehoben werden.32 Ebenso kann die Erteilung oder Versagung von Rechtsgeschäften im Landwirtschaftsverfahren nicht geändert werden.33 Auch die Wiederholung eines Antrages, der formell rechtskräftig abgewiesen worden ist, durch denselben Antragsteller und mit derselben Begründung ist im Verfahren der FG grundsätzlich unzulässig.34 Das gilt jedenfalls dann, wenn die abweisende Erstentscheidung nur mit dem befristeten Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann. 2. Feststellende Entscheidungen Ist eine der sofortigen Beschwerde unterliegende und formell rechtskräftig gewordene 27 Entscheidung ergangen, die keine rechtsgestaltende, sondern nur feststellende Wirkung hat und nicht in materielle Rechtskraft erwächst, so kann in einem zulässigen neuen Verfahren eine gegenteilige oder andersartige Feststellung getroffen werden, wenn die frühere sich als unrichtig erweist. Deshalb steht die formell rechtskräftig angeordnete Berichtigung des Personenstandsbuches der Anordung einer Rück- oder Weiterberichtigung in einem auf Antrag einzuleitenden neuen Verfahren nicht entgegen. 3. Zurückweisende Entscheidungen Ist der Erlass einer Maßnahme durch eine Verfügung, die der sofortigen Beschwerde 28 unterliegt, formell rechtskräftig abgelehnt worden (zB § 160a FGG), so steht dieser Umstand der Überholung der früheren Entscheidung durch eine inhaltlich abweichende Entscheiung in einem neuen Verfahren auch bei unverändertem Sachverhalt nicht entgegen, wenn die zurückweisende Entscheidung nicht in materielle Rechtskraft erwächst. Auch hier können Gründe des materiellen Rechts einer inhaltlich abweichenden Entscheidung entgegenstehen 4. Ausnahmen vom Änderungsverbot Im handelsregisterrechtlichen Zwangsgeldverfahren ist § 18 Abs 2 im Falle des § 136 29 nicht anzuwenden. Im Übrigen können rechtskräftige Beschlüsse über die Festsetzung von Zwangsgeld wegen des Zwecks dieses Ordnungsmittels allgemein aufgehoben werden, wenn vor Einziehung des Zwangsgeldes eine Veränderung der Umstände eingetreten ist. Kostenfestsetzungsbeschlüsse können nach § 13a Abs 3 FGG iVm § 107 ZPO auf Antrag geändert werden, wenn der Verfahrenswert nachträglich anders festgesetzt wird. Eine Entscheidungsergänzung ist in Durchbrechung des § 18 Abs 2 nach Maßgabe des entsprechend anwendbaren § 321 ZPO statthaft (Rn 51).

VIII. Verfügungen des Rechtspflegers Für Verfügungen des Rechtspflegers in übertragenen Angelegenheiten gilt § 18 eben- 30 falls (§ 4 Abs 1 RPflG). Keine Besonderheiten ergeben sich bei § 11 Abs 1 RPflG, wonach Entscheidungen des Rechtspflegers ebenso wie die von Richtern dem vorgesehenen Rechtsmittel unterliegen. Soweit nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschrif-

32 33

KG JW 1935, 2159 = DNotZ 1935, 833. OLG Celle MDR 1956, 170.

34

OLG Brandenburg FGPrax 1997, 118 = OLG-NL 1997, 120.

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ten kein Rechtsmittel gegeben ist, findet nach § 11 Abs 2 S 1 RPflG binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statt. Nach § 11 Abs 2 S 2 RPflG besteht dann für den Rechtspfleger eine Abhilfemöglichkeit, welche die denkbare Anwendung des § 18 überflüssig macht, die nach § 18 Abs 2 ohnehin wegen der Fristgebundenheit der Erinnerung ausscheidet. Soweit formell rechtskräftige Verfügungen mit Dauerwirkung vorliegen, besteht die Änderungsmöglichkeit wegen veränderter Sachumstände. Der nach § 18 Abs 1 Hs 2 FGG erforderliche Antrag zur Änderung zurückweisender Verfügungen liegt zugleich in der Erinnerung. Gerichtliche Verfügungen, die nach den Vorschriften der GBO, der Schiffsregisterordnung, des FGG (§§ 55, 62) sowie den für den Erbschein geltenden Bestimmungen wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind auch mit der Erinnerung nicht anfechtbar.

IX. Familiensachen 31

Wegen der Änderung von End- und Zwischenentscheidungen in Familiensachen wird auf § 64 Rn 140 verwiesen.

X. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht 32

Die Vorschrift des § 18 gilt nach § 194 auch für nichtgerichtliche Behörden, die nach Landesgesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind. Das sind zB die Notare in Baden-Württemberg als Vormundschafts- und Nachlassrichter. Für Eintragungen in das Grundbuch, an die sich gutgläubiger Erwerb anschließen kann, sind Änderungsmöglichkeiten nur nach Maßgabe der §§ 22, 53, 84 GBO gegeben. Wird ein Antrag zurückgewiesen, besteht eine Änderungsmöglichkeit des GBA, solange die Zurückweisung nicht formell rechtskräftig ist und der bisherige Antragsteller oder ein anderer Antragsberechtigter die Eintragung erneut beantragt.35 Zwischenentscheidungen des GBA (insbesondere Zwischenverfügungen) können nach Maßgabe des § 18 geändert werden.

XI. Wirksamkeit und Wirkungen der Änderungen 33

Die Verfügung, mit der das Gericht erster Instanz eine erlassene und wirksam gewordene Verfügung ändert oder aufhebt, wird nach den allgemein für Verfügungen dieser Art geltenden Regeln wirksam (§ 16). Dasselbe gilt für die Beschwerdeentscheidung, welche den durch die angefochtene Verfügung bewirkten Rechtserfolg ändert (§ 26). Unzulässige Änderungen, zB unter Verstoß gegen §§ 55, 62 vorgenommene, sind nichtig; die geänderte Verfügung bleibt in Kraft. Wird allerdings eine Verfügung, durch die jemand die Fähigkeit oder die Befugnis zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder zur Entgegennahme einer Willenserklärung erlangt, als ungerechtfertigt geändert, so hat, sofern nicht die Verfügung wegen Mangels der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unwirksam ist, die Änderung der Verfügung nach § 32 auf die Wirksamkeit der inzwischen von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluss, weil insofern Vertrauensschutz bestehen muss.

35

KEHE § 1 Rn 38; Demharter § 1 Rn 62.

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1. Wirkung Die Wirkung der neuen Verfügung (Entscheidung) besteht darin, dass sie die Wirkun- 34 gen der bisherigen Verfügung aufhebt und den Rechtserfolg beseitigt, der infolge der aufgehobenen Verfügung eingetreten war. Hierbei entsteht die Frage, ob die durch die geänderte Verfügung eingetretene Rechtsfolge in dem Sinne rückwirkend beseitigt wird, dass es so anzusehen ist, als ob die Verfügung von vornherein so gelautet hat, wie sie durch die Änderung gestaltet ist, oder ob der durch die geänderte Verfügung bewirkte Rechtserfolg nur mit Wirkung für die Zukunft durch die Änderungsverfügung abgelöst wird (Wirkung ex tunc oder ex nunc). Diese Frage erhebt sich natürlich nicht, wenn eine Verfügung, die erst mit der Rechtskraft wirksam wird, vom Beschwerdegericht geändert wird. Auch bei Verfügungen dieser Art kann die Frage aber von Bedeutung werden, wenn die bereits eingetretene formelle Rechtskraft und damit die Wirksamkeit durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigt und die Verfügung sodann aufgehoben wird. Ferner tritt die Frage nicht auf, wenn im Antragsverfahren der Antrag zurückgewiesen wird oder im Amtsverfahren eine Maßnahme abgelehnt wird. Wird diese Verfügung auf Grund von § 18 oder im Beschwerdewege aufgehoben, so tritt der Rechtserfolg der ändernden Entscheidung erst mit deren Wirksamwerden ein. 2. Rückwirkung Für die Rückwirkung verbleiben Fälle, in denen eine Verfügung positiven Inhalts, die 35 eine Rechtsfolge herbeizuführen geeignet und bestimmt ist oder sie ausspricht, durch eine weitere Verfügung oder durch eine Beschwerdeentscheidung aufgehoben, geändert oder durch eine andere ersetzt wird. Jedenfalls kann nicht das Gericht bestimmen, ob die Änderung rückwirkend eintreten soll oder nicht. Aus dem Vertrauensschutzgedanken des § 32 für bestimmte Fälle kann für die Rückwirkung im Übrigen nichts abgeleitet werden. Die mögliche Rückwirkung ist eine Verfahrensfrage, die nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen zu beantworten ist. 3. Unterscheidung nach Art der geänderten Verfügung Schon nach der Art der geänderten Verfügung ist für die Beurteilung der Rückwir- 36 kung eine differenzierende Betrachtung geboten. Zu unterscheiden ist zwischen feststellenden Verfügungen, Verfügungen, die zu einer Leistung verpflichten, und rechtsgestaltenden Verfügungen; bei diesen ist wieder zu unterscheiden, ob sie mit der sofortigen oder mit der unbefristeten Beschwerde anfechtbar oder ob sie unanfechtbar sind. a) Aufhebung einer feststellenden Verfügung Die Aufhebung einer feststellenden Verfügung hat rückwirkende Kraft. Das folgt aus 37 dem Gesichtspunkt, dass die aufhebende Verfügung nur das ausspricht, was bei richtiger Würdigung der Sach- und Rechtslage schon in der aufgehobenen Verfügung hätte ausgesprochen werden sollen. Zu beachten ist jedoch, dass mitunter Entscheidungen in die Form einer Feststellung in der Weise gekleidet sind, dass sich erst an die Feststellung der Eintritt einer Rechtsfolge knüpft, zB das Ruhen der elterlichen Sorge an die Feststellung der tatsächlichen Verhinderung eines Elternteils durch das Vormundschaftsgericht (§ 1674 BGB). Diese „Feststellungen“ kommt eine konstitutive Bedeutung zu (§ 51 Rn 2). Für die Wirkungen ihrer Aufhebung geltend daher die Grundsätze, die bei der Aufhebung rechtsgestaltender Vefügungen anwendbar sind.

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b) Verfügungen, die zu einer Leistung verpflichten

38

Verfügungen, die zu einer Leistung verpflichten, entfallen rückwirkend mit der Aufhebung. Hierzu gehört zB die Aufhebung der Festsetzung von Zwangsgeld. Ferner kommt in Betracht die Bewilligung einer Vergütung nach § 1836, wenn sie im Beschwerdewege oder, was zulässig ist,36 auf Grund des § 18 geändert wird, jedoch nicht mehr, wenn der Bewilligungsbeschluss durch Erschöpfung des Instanzenzuges formell rechtskräftig geworden ist.37 Die vom Vormundschaftsgericht getroffene Feststellung, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, kann nicht mit rückwirkender Kraft aufgehoben werden.38 c) Rechtsgestaltende Verfügungen

39

Bei rechtsgestaltenden Verfügungen und feststellenden Verfügungen mit Gestaltungswirkung ist zu unterscheiden, ob sie mit der sofortigen oder der unbefristeten Beschwerde anfechtbar sind. aa) Mit sofortiger Beschwerde anfechtbar

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Die Aufhebung einer rechtsgestaltenden Verfügung, gegen welche die sofortige Beschwerde stattfindet, hat rückwirkende Kraft. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Verfügung nach § 16 Abs 1 FGG mit der Bekanntmachung wirksam wird oder erst mit der Rechtskraft. Nur kann bei Verfügungen, deren Wirksamkeit an den Eintritt der Rechtskraft geknüpft ist, die Rückwirkung der Aufhebung nur bedeutsam werden, wenn die bereits eingetretene Rechtskraft durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigt und die Verfügung alsdann aufgehoben wird. Dasselbe gilt im rechtskraftdurchbrechenden Anhörungsrügeverfahren (§ 29a) sowie bei der Wiederaufnahme des Verfahrens. Ferner kommt wegen des Änderungsverbots des § 18 Abs 2 nur eine Aufhebung durch das Beschwerdegericht in Betracht. Es ist aber ein allgemeiner Grundsatz des Verfahrensrechts, dass die Wirkungen einer rechtsgestaltenden Entscheidung mit Rückwirkung entfallen, wenn die Verfügung auf sofortige Beschwerde aufgehoben wird. So treten die Wirkungen des Zuschlagsbeschlusses mit seinem Wirksamwerden ein, in der Regel also mit der Verkündung (§ 89 ZVG), entfallen aber rückwirkend mit der rechtskräftigen Versagung des Zuschlags.39 Die Wirkungen des mit seinem Erlass wirksam gewordenen Insolvenzeröffnungsbeschlusses entfallen rückwirkend mit dem Wirksamwerden der aufhebenden Beschwerdeentscheidung (§ 34 InsO). Diese Grundsätze müssen auch in der FG Geltung beanspruchen. Demgemäß verliert 41 die vom Nachlassgericht angeordnete Entlassung des Testamentsvollstreckers ihre Wirkung ex tunc mit dem Wirksamwerden der aufhebenden Beschwerdeentscheidung.40 Hierbei geht es nicht darum, dass die Wirkung der Verfügung durch die Aufhebung im Beschwerdewege auflösend bedingt ist, vielmehr ist die Nichtaufhebung der Verfügung im Rechtsmittelwege die gesetzliche Voraussetzung ihrer Wirksamkeit.41 Auch die Entlassung des Vormunds (Pflegers) durch das Amtsgericht nach §§ 1886, 1915 BGB verliert mit der Rechtskraft der aufhebenden Beschwerdeentscheidung ihre Wirkung ex tunc, so dass es keiner erneuten Bestellung nach § 1789 BGB bedarf.42 Anders verhält es sich da36 37 38

KGJ 51, 44 = RJA 16, 159. BayObLG FamRZ 1994, 317. BayObLGZ 1999, 294 = NJW-RR 2001, 580 = FamRZ 2000, 1450 = BtPrax 2000, 34 = Rpfleger 2000, 65.

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39 40 41 42

Stöber ZVG § 89 Rn 2. BayObLGZ 1959, 131; 1964, 267, 271. RGZ 171, 120; BGHZ 39, 236 für den Zuschlagsbeschluss. BayObLGZ 1964, 267.

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gegen bei der Aufhebung der Vormundschaft oder Pflegschaft. Rückwirkung tritt bei Verfügungen dieser Art auch ein, wenn die sofortige Beschwerde auf neue Tatsachen gestützt wird, mögen sie auch erst nach Erlass der angefochtenen Verfügung eingetreten sein. bb) Mit unbefristeter Beschwerde anfechtbar Die Aufhebung einer rechtsgestaltenden Verfügung, gegen welche die unbefristete Be- 42 schwerde stattfindet oder die unanfechtbar ist, hat keine rückwirkende Kraft. Das gilt auch, wenn die Verfügung wegen anfänglicher Unrichtigkeit aufgehoben wird. Wenn das Gesetz eine Verfügung dieser Art einerseits sogleich mit der Bekanntmachung wirksam werden lässt (§ 16 Abs 1), andererseits ihre Anfechtung im Beschwerdewege oder ihre Aufhebung nach § 18 Abs 1 noch nach geraumer Zeit gestattet, so kann dies nur unter der Voraussetzung geschehen sein, dass der Bestand der Verfügung für die Zeit bis zu ihrer Aufhebung dadurch nicht berührt wird. Es ist mit der Sicherheit des Rechtsverkehrs und dem notwendigen Vertrauensschutz unvereinbar, dass der Bestand der durch die Verfügung eingetretenen Rechtsänderung auf ungewisse Zeit in der Schwebe bleibt. Diese Ungewissheit ist nur erträglich, wenn infolge Befristung des Rechtsmittels (sofortige Beschwerde) mit einem baldigen Eintritt der formellen Rechtskraft und der Beendigung des Schwebezustandes gerechnet werden kann. Deshalb bewirkt eine die Pflegschaft aufhebende Entscheidung bei Wegfall des Grundes (§ 1919 BGB) endgültige Aufhebung, auch wenn sie auf Beschwerde aufgehoben wird; dann ist der Pfleger neu zu bestellen und zu verpflichten.43 Die mit der Feststellung des Familiengerichts nach § 1674 Abs 1 BGB eintretende Rechtsfolge des Ruhens der elterlichen Sorge endet erst mit der Aufhebung dieser Verfügung. Ausnahmen können sich aus Anordnungen des BVerfG ergeben: Während bei der Volljährigenadoption nach Verletzung des rechtlichen Gehörs eine rückwirkende Aufhebung des Annahmebeschlusses in Betracht kommt,44 gebietet es das Statusinteresse bei Minderjährigen die Aufhebung der Adoption lediglich für die Zukunft.45 4. Aufhebung als nichtig Die Aufhebung einer Verfügung als nichtig oder wirkungslos stellt lediglich fest, dass 43 die Verfügung niemals Wirksamkeit gehabt hat und beseitigt somit rückwirkend den Rechtsschein ihrer Gültigkeit. 5. Kein Bestimmungsrecht des Gerichts Im Rahmen der Entscheidungsbefugnisse nach § 18 kann das Gericht keine Bestim- 44 mung darüber treffen, ob seine Abänderung rückwirkende Kraft hat oder nicht.46 6. Änderung nach materiellem Recht Im materiellen Recht begründete Änderungen von Verfügungen wegen einer Verände- 45 rung der Sachlage haben keine rückwirkende Kraft. Hierbei handelt es sich überhaupt nicht um die Anwendung des § 18. Es wird auch in der Regel nicht die frühere Verfügung, sondern der durch sie geschaffene Rechtszustand durch einen actus contrarius ge-

43 44

KG RJA 15, 101; vgl auch BayObLG BReg 1 Z 145/63, zitiert in BayObLGZ 1964, 271. BVerfGE 89, 381 = NJW 1994, 1053 = FamRZ 1994, 493.

45 46

BVerfGE 92, 158 = NJW 1995, 2155 = FamRZ 1995, 789. KG OLGZ 1971, 196, 198.

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ändert. Auf Grund der §§ 1919, 1921 BGB wird nicht die die Pflegschaft anordnende Verfügung, sondern die Pflegschaft selbst aufgehoben.

XII. Sonstige Berichtigungen und Ergänzungen 1. Offenbare Unrichtigkeit

46

Offenbare Unrichtigkeiten der Verfügung können in Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 319 ZPO jederzeit auf Antrag oder von Amts wegen durch Beschluss berichtigt werden.47 Es kommt weder auf die Verfahrensart48 noch auf den Rechtszug an, in dem die Entscheidung ergangen ist. Die Berichtigung ist zeitlich unbeschränkt auch nach Einlegung eines Rechtsmittels und nach Eintritt der formellen Rechtskraft zulässig.49 § 18 Abs 2 steht dem nicht entgegen. Die Beteiligtenbezeichnung darf nur bei Identität berichtigt werden, nicht bei einem Beteiligtenwechsel.50 Für die Rechtsmittel ist es so anzusehen, als wenn die Verfügung von vornherein in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses ergangen wäre.51 Wenn jedoch der Umfang der Beschwer aus der ursprünglichen Fassung nicht hinreichend erkennbar war, beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses.52 Ein bereits eingelegtes Rechtsmittel gegen den ursprünglichen Beschluss kann damit unzulässig werden und muss dann für erledigt erklärt werden dürfen.53 Eine Mitwirkung derselben Richter bei der Berichtigung ist nicht erforderlich. Das höhere Gericht darf Beschlüsse der Vorinstanzen, mit denen es als Rechtsmittelgericht befasst ist, berichtigen, danach geht die Zuständigkeit wieder auf die erste Instanz über.54 Die Unrichtigkeit kann sich im Entscheidungssatz (Tenor), im Sachverhalt, in den Gründen oder im Rubrum (Bezeichnung der Beteiligten, Richter, Datum) befinden. Das Gesetz nennt Schreib- und Rechenfehler nur als Beispiele für offenbare Unrichtig47 keiten. Gemeint sind Unstimmigkeiten zwischen Wille und Ausdruck, die offenbar sind, dh sich aus dem Sinnzusammenhang der Entscheidung für jeden Einsichtigen ergeben.55 Das Versehen muss sich aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei der Beschlussfassung ergeben und auch für Dritte ohne weiteres deutlich sein.56 Irrtümer bei der richterlichen Willensbildung57 können zu einer Änderung der Verfügung nur nach Maßgabe des § 18 führen. Die Berichtigung ist nur bei groben Mängeln wirkungslos, wenn die Voraussetzungen der Berichtigung (und des § 18) nicht vorgelegen haben und der Berichtigungsbeschluss die ihm gesetzten Grenzen (nachträgliche Eröffnung oder Änderung des Instanzenzuges) offenkundig überschrei-

47 48 49 50 51 52

OLG Brandenburg FGPrax 2000, 45 = FamRZ 2000, 1096 = FuR 2000, 377. KG WPM 1952, 184; 1960, 1134; OLG Schleswig WPM 1967, 834. BGHZ 18, 356. OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 666 = FGPrax 1998, 46 = Rpfleger 1998, 156. BGH NJW-RR 2001, 211 = FamRZ 2000, 1499. BGHZ 17, 149; KG OLGZ 1966, 606 = WPM 1966, 1211; BGH NJW-RR 2001, 211 = FamRZ 2000, 1499.

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53 54 55 56

57

AA jedoch BGHZ 127, 74 = NJW 1994, 2832 = MDR 1994, 1142. OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 1471 = MDR 1991, 789. BGHZ 20, 192. Vgl BGHZ 78, 22 = NJW 1980, 2813; NJW 2004, 2389 = FamRZ 2004, 1278; BGH NJW 2005, 156 = FamRZ 2004, 1962 = MDR 2005, 103. BGH FamRZ 2003, 1270.

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tet.58 Gegen die Berichtigung ist die Beschwerde nach § 19 ff zulässig, und zwar die sofortige, wenn die Beschwerde in der Hauptsache befristet ist. Der Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung der Berichtigung in § 319 Abs 3 ZPO gilt auch im Verfahren der FG,59 insbesondere in WEG-Sachen.60 Ausnahmsweise besteht die Anfechtbarkeit, wenn die Berichtigung lediglich aus for- 48 mellen Gründen, also als unzulässig abgelehnt wurde. Im Verfahren der FG ist in diesem Fall das Rechtsmittel nicht die sofortige Beschwerde (wie § 319 Abs 3 ZPO), sondern die einfache (unbefristete) Beschwerde. Eine Bindungswirkung besteht bei rechtsgestaltenden Entscheidungen nur insoweit, als die durch sie herbeigeführte Gestaltungswirkung reicht, wobei der Gestaltungsakt (zB nach § 1757 Abs 2 BGB) auch ausgelegt werden darf.61 Die Auslegung darf auch das AG (zB im Rahmen von §§ 45, 50 PStG) in eigener Zuständigkeit vornehmen.62 Dabei kann das Vormundschaftsgericht selbet seinen nach § 1757 Abs 2 BGB erlassenen Beschluss klarstellend ergänzen.63 Außerdem darf es entsprechend § 319 ZPO Schreibfehler sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten berichtigen, soweit das vom Gericht Gewollte in der Entscheidung unrichtig wiedergegeben ist.64 Dem steht auch § 56e S 3 Hs 2 FGG nicht entgegen, da die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten keine Änderung der Entscheidung darstellt, vielmehr die Berichtigung dort ihre Grenze findet, wo sie eine Änderung bedeutet.65 An der Gestaltungswirkung einer vormundschaftsgerichtlichen Namensbildung nach § 1757 Abs 2 S 1 iVm § 1767 Abs 2 BGB nimmt nur der Name selbst teil, nicht seine Eigenschaft als Geburtsname, Ehename oder Familienname, weil dies aus dem Gesetz folgt und keiner Gestaltung durch den Richter fähig ist.66 Für die Berichtigung eines Protokolls gilt nicht § 319, sondern § 164 Abs 3 ZPO. Die 49 Protokollberichtigung erfolgt, nach Anhörung der Beteiligten, gemäß § 164 Abs 3 durch einen Vermerk, der von dem Richter, der das Protokoll unterschrieben hat, oder von dem allein tätig gewesenen Richter, selbst wenn dieser an der Unterschrift verhindert war, und von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, soweit er zur Protokollführung hinzugezogen war, zu unterschreiben. Ein Rechtsmittel ist gegen die Berichtigung nicht gegeben,67 zumal das Rechtsmittelgericht eine Überprüfung auch nicht vornehmen könnte.68 Die Beschwerde ist möglich gegen die Berichtigung eines Vergleichswortlauts, wenn der berichtigte Wortlaut nicht vorgelesen und genehmigt wurde.69 Die Ablehnung der Berichtigung ist regelmäßig nicht anfechtbar. Ausnahmsweise ist die Beschwerde gegen die Ablehnung einer Protokollberichtigung zulässig, wenn geltend gemacht wird, die Berichtigung sei zu Unrecht als verfahrensrechtlich unzulässig abgelehnt oder die Entscheidung über den Berichtigungsantrag sei von einer hierzu nicht berechtigten Person getroffen worden oder leide sonst an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel.70 Das Beschwerdegericht kann nur die Äußerungen des Richters und des Protokollführers berücksichti58

59 60 61 62 63 64

BGHZ 20, 188; OLG Schleswig WPM 1967, 834; BGHZ 127, 74 = NJW 1994, 2832 = MDR 1994, 1142. OLG Schleswig SchlHA 1956, 153; aA OLG Zweibrücken ZMR 1987, 232. BGHZ 106, 370 = NJW 1989, 1281 = MDR 1989, 531. BayObLGZ 1965, 18, 21; 1967, 218, 229. BayObLGZ 1978, 372, 377. BayObLGZ 1978, 372, 377. BayObLGZ 1960, 289, 292; 1968, 190, 193; 1985, 184, 187.

65

66 67 68 69 70

BayObLGZ 1985, 184, 187; vgl auch OLG Karlsruhe FGPrax 1997, 144 = FamRZ 1999, 252 = StAZ 1997, 278. BayObLGZ 1985, 184, 187. BGH NJW-RR 2005, 214 = FamRZ 2004, 1637 = MDR 2005, 46. OLG Hamm Rpfleger 1984, 193. OLG Frankfurt MDR 1983, 410; aA OLG Stuttgart MDR 2004, 410. BFH/NV 2002, 206; aA OLG Hamm OLGZ 1979, 377.

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gen.71 Die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten in Erbscheinen und ähnlichen Zeugnissen ist zwar nicht ausgeschlossen, doch kann die Einziehung eines sachlich unrichtigen Erbscheins durch seine „Berichtigung“ nicht abgewendet werden.72 Ein Erbschein mit Testamentsvollstreckervermerk (§ 2364 Abs 1 BGB) ist nach Beendigung der Testamentsvollstreckung als unrichtig einzuziehen, nicht zu berichtigen.73 2. Tatbestandsberichtigung

50

Eine Berichtigung des Sachverhalts ist bei Entscheidungen der Tatsacheninstanzen auf Antrag in sinngemäßer Anwendung des § 320 ZPO statthaft.74 Das gilt im Hinblick auf § 27 Abs 1 S 2, § 559 Abs 1 ZPO uneingeschränkt für Entscheidungen des Landgerichts als Beschwerdegericht oder als Gericht erster Instanz, wenn gegen seine Entscheidung die Rechtsbeschwerde stattfindet, aber auch für andere erstinstanzliche Entsheidungen, soweit sie überhaupt einen Sachverhalt enthalten. Dagegen kommen Entscheidungen des Rechtsbeschwerdegerichts nicht in Betracht,75 weil sie keinen Tatbestand (zur Tatbestandswirkung vgl § 314 ZPO), sondern, wenn überhaupt, eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts nur insofern enthalten, als es zum Verständnis der nachfolgenden Gründe erforderlich ist.76 Die zweiwöchige Antragsfrist des § 320 Abs 1 ZPO gilt nur, wenn das Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache befristet ist. Die Ausschlussfrist von drei Monaten nach § 320 Abs 2 S 3 ZPO gilt aber auch hier. Mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Die übrigen Beteiligten sind aber zu hören. Berichtigungsfähig ist ohne Rücksicht auf die Stelle, an der es sich in der Entscheidung befindet, alles, was seinem Wesen nach zum Tatbestand gehört77 und nicht sachliche oder rechtliche Würdigung ist.78 Die von einer Partei geltend gemachte „Auslassung“ ihres Vortrags im Tatbestand kann eine Tatbestandsberichtigung nicht rechtfertigen, es sei denn, der Tatbestand wäre unrichtig, zB weil er den Eindruck erweckt, die Partei hätte einen Rechtsstandpunkt aufgegeben.79 Wie nach § 320 Abs 4 S 2ZPO wirken bei der Berichtigung nur die Richter mit, die an dem zu berichtigenden Beschluss mitgewirkt haben. Bei Verhinderung eines Richters wird unter den verbliebenen Richtern gemäß § 320 Abs 4 S 3 ZPO abgestimmt. Der berichtigende oder ablehnende Beschluss ist unanfechtbar.80 Die (unbefristete) Beschwerde ist jedoch gegeben, wenn der Beschluss den Berichtigungsantrag ohne Sachprüfung als unzulässig verwirft oder in einem unzulässigen Verfahren ergangen ist.81 Gegen eine derartige zweitinstanzliche Entscheidung des LG findet die Erstbeschwerde an das OLG statt.82

71 72 73 74

75 76

OLG Koblenz MDR 1986, 593. KG OLGZ 1966, 612 = Rpfleger 1967, 412 m Anm Kugler; OLG Celle NdsRpfl 1955, 189. OLG Hamm OLGZ 1983, 59 = FamRZ 1983, 1282. BayObLGZ 1965, 137; OLG Hamm OLGZ 1967, 228 = NJW 1967, 1619; OLG Schleswig SchlHA 1968, 123. BGH GRUR 2004, 271. KG OLGZ 1965, 328; ebenso für die Revision RGZ 80,172; BGH NJW 1956, 1480; BGH GRUR 2004, 271; BVerwG DVBl 1960, 519.

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77 78 79 80 81

82

BGH NJW 1997, 1931 = MDR 1997, 680. BayObLGZ, 1965, 137; LAG Köln MDR 1985, 171; BGH NJW 1997, 1931. BGH NJW-RR 1997, 232 = GRUR 1997, 119. BayObLGZ 1965, 137; OLG Hamm OLGZ 1967, 228. OLG Düsseldorf NJW 1963, 2032; OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 1723; OLG Hamm OLGZ 1967, 228; BVerfG NJW 2005, 657. BayObLGZ 1965, 137.

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Änderung gerichtlicher Verfügungen

§ 18

3. Entscheidungsergänzung Die Vorschrift des § 321 ZPO über die Ergänzung von Entscheidungen, wenn ein 51 Sachantrag oder der Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen, dh versehentlich nicht beachtet ist, stellt eine Durchbrechung des Grundsatzes des § 318 ZPO über die Bindung des iudex a quo an die von ihm erlassene Entscheidung dar und gilt daher in der FG nicht, soweit nach Maßgabe des § 18 Abs 1 eine solche Bindung nicht besteht. In diesem Fall ist dem freieren Verfahren nach § 18 Abs 1 der Vorzug zu geben, zumal eine Änderung im Sinne des § 18 auch die Ergänzung umfasst.83 Soweit aber nach § 18 Abs 2 eine Bindung besteht oder dem Gericht aus anderen Gründen eine Änderungsbefugnis nicht zusteht, ist § 321 ZPO sinngemäß anzuwenden. Die zweiwöchige Frist des § 321 Abs 2 ZPO gilt nur für die Ergänzung von Entscheidungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, nicht bei Ergänzung letztinstanzlicher Beschlüsse. Eine mündliche Verhandlung über den Ergänzungsantrag ist entgegen § 321 Abs 3 ZPO nicht erforderlich, jedoch ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Der Ergänzungsbeschluss setzt entsprechend § 518 ZPO die Rechtsmittelfrist gegen den ergänzten Beschluss erneut in Lauf.84 Die Anfechtbarkeit der Ergänzungsentscheidung richtet sich nach der Anfechtbarkeit der Entscheidung zur Hauptsache. Die Anfechtbarkeit der Ergänzung der Kostenentscheidung stellt die Beteiligten allerdings nicht besser als nach § 20a. Hat das Amtsgericht es unterlassen, eine personenstandsrechtliche Entscheidung, gegen 52 die das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft ist, mit einer Kostenentscheidung zu versehen, so kann es dies nach Eintritt der formellen Rechtskraft nachholen;85 ob die Ergänzung auf einer entsprechenden Anwendung des § 321 ZPO oder auf § 18 FGG beruht, blieb allerdings offen. Gegen die isolierte Kostenentscheidung des Amtsgerichts in personenstandsrechtlichen Entscheidungen ist analog § 20a Abs 2 FGG die sofortige Beschwerde statthaft, wenn hierdurch nicht ein Rechtszug eröffnet wird, der bei gleichzeitigem Erlass von Haupt- und Nebenentscheidung nicht gegeben wäre; eine sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 27 Abs 2 FGG nicht statthaft.86 Soweit eine weitere Beschwerde der besonderen Zulassung in der Erstbeschwerdeent- 53 scheidung bedarf (zB § 156 Abs 2 KostO), muss die Zulassung grundsätzlich in dem Beschluss des Erstbeschwerdegerichts erfolgen und ist regelmäßig nicht nachholbar,87 aber auch nicht entziehbar.88 Hat das Landgericht die Zulassung der weiteren Beschwerde zunächst abgelehnt, trifft es aber dann auf eine Gegenvorstellung eine gegenteilige Entscheidung, so kommt dieser keine Bindungswirkung zu.89 Bei fehlender Zulassung kann dies auch (abgesehen von der Anhörungsrüge gemäß § 29a) nicht gesondert gerügt werden, allenfalls bei offenbarer Unrichtigkeit, die sich aus der Erstbeschwerdeentscheidung selbst ergeben muss.90 4. Anhörungsrüge Wegen der Korrektur gerichtlicher Entscheidung infolge der Verletzung rechtlichen 54 Gehörs hat der Gesetzgeber § 29a eingeführt. Auf die dortige Kommentierung wird verwiesen. Die Streitfrage, ob die Verletzung rechtlichen Gehörs einen Wiederaufnahmegrund bietet, ist damit erledigt.

83 84 85 86

BayObLGZ 1962, 380 = Rpfleger 1963, 120 m Anm Tschischgale. BayOLGZ 1961, 90. OLG Zweibrücken StAZ 2001, 141. OLG Zweibrücken StAZ 2001, 141.

87 88 89 90

OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 73. OLG Schleswig JB 1978, 911. OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 73. BGH NJW 2005, 156 = FamRZ 2004, 1962 = Rpfleger 2005, 51.

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§ 18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

XIII. Wiederaufnahme des Verfahrens 1. Zulässigkeit

55

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend den §§ 578 bis 591 ZPO, durch welche die Wiedereröffnung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens wegen schwerwiegender verfahrensrechtlicher Mängel durch Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) und wegen sachlicher Mängel durch Restitutionsgründe (§ 580 ZPO) erstrebt wird, sieht das FGG nicht vor.91 Diese Zurückhaltung des Gesetzgebers ist in weiten Bereichen der FG nicht unberechtigt. Das geltende Verfahrensrecht bietet genügend Möglichkeiten, zurückgewiesene Anträge zu erneuern oder ergangene Verfügungen zu ändern. Dazu kommen die durch das materielle Recht eröffneten Möglichkeiten, den durch eine Verfügung geschaffenen Zustand wegen einer Veränderung der Sachlage durch eine andere Regelung abzulösen. Der Erwägung, dass die abändernde Verfügung im Gegensatz zur Wiederaufnahme keine rückwirkende Kraft hat (Rn 42, 45), kommt kein entscheidendes Gewicht zu, weil es sich überwiegend um rechtsgestaltende Verfügungen handelt, deren tatsächliche Auswirkungen nicht ungeschehen gemacht werden könnten, selbst wenn die Änderung Wirkung ex tunc hätte. Soweit eine Änderungsbefugnis nicht besteht, ist die Regelung sehr oft wohl begründet. Ersichtlich gibt es Verfügungen, die einen stärkeren Bestandsschutz erfordern als 56 selbst ein Urteil des Prozessgerichts. Dass die Erteilung oder Verweigerung der gerichtlichen Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft, wenn sie einem Dritten gegenüber wirksam geworden ist, nicht mehr dem Widerruf unterliegt, ergibt sich ebenso aus der Natur der Sache wie die Bindung einer Privatperson an einen wirksam von ihr gesetzten Rechtsakt. Die Unabänderlichkeit ergäbe sich daher aus allgemeinen Grundsätzen, selbst wenn sie in § 55 FGG nicht besonders vorgesehen wäre. Auch im landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahren ist ein Widerruf der Genehmigung oder eine Wiederaufnahme nicht zulässig.92 Bei den rechtsgestaltenden Verfügungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, ist es ersichtlich nicht angebracht, die durch sie getroffene Gestaltung der materiellen Rechtslage rückgängig zu machen, wenn die Verfügung wirksam und unanfechtbar geworden ist, weil das Vertrauen auf ihren Bestand stärkeren Schutz verdient als das Interesse an der Richtigkeit der Entscheidung. Es geht daher nicht an, die Wiederaufnahme des Verfahrens ohne Beschränkung gegenVerfügungen jeder Art zuzulassen. Auch eine Notwendigkeit oder auch nur das Bedürfnis dafür, bei allen Arten von Entscheidungen eine Wiederaufnahme des Verfahrens zuzulassen, wenn die im Verfahren der FG vorgesehenen Rechtsbehelfe eine Änderung nicht gestatten oder sogar verbieten, kann in dieser Allgemeinheit nicht anerkannt werden. 2. Sondervorschriften a) Regelungsstreitigkeiten

57

In einigen Sondergesetzen finden sich Vorschriften, die der Eigenart der dort geregelten Materie Rechnung tragen und ein Abänderung formell rechtskräftiger Entscheidungen bei einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse gestatten (§ 17 HausratsVO, § 45 Abs 4 WEG). Diese Vorschriften sind geeignet, in gewissem Umfang die Aufgaben zu übernehmen, die im Zivilprozess die Wiederaufnahme des Verfahrens erfüllt. Die Vorschriften sind teils weiter, teils enger als die über die Wiederaufnahme des

91

BayObLGZ 1951, 520.

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92

OLG Celle MDR 1956, 170; RdL 1957, 77.

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Änderung gerichtlicher Verfügungen

§ 18

Verfahrens, weil sie einerseits weder eine Verurteilung nach § 581 ZPO noch die Wahrung der Frist des § 586 ZPO voraussetzen, andererseits aber das Vorliegen einer unbilligen Härte erfordern. Letztlich handelt es sich um eine materiellrechtliche Änderungsbefugnis für Dauerverhältnisse, die daneben bei echten Streitsachen (zB WEG-Sachen) auch die Anwendung der Wiederaufnahmevorschriften erlaubt.93 Die Wiederaufnahmevorschriften der ZPO sind ferner in den Zulassungssachen betreffenden gerichtlichen Verfahren nach der BRAO anwendbar.94 b) Verschollenheitssachen Im Todeserklärungsverfahren enthalten die §§ 30 bis 33a VerschG, Art 2 § 3 Versch- 58 ÄndG eine ausreichende Regelung darüber, in welchem Rahmen und unter welchen Voraussetzungen ein Verfahren wieder aufgenommen werden kann.95 Für die Zulassung einer darüber hinausgehenden Wiederaufnahme des Verfahrens ist kein Raum.96 c) Landwirtschaftssachen Eine Wiederaufnahme des Verfahrens in echten Streitsachen mit Ausnahme des Ver- 59 fahrens in Pachtschutzsachen und des Genehmigungsverfahens ist für zulässig zu erachten.97 3. Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens in echten Streitsachen Soweit Entscheidungen in echten Streitsachen der materiellen Rechtskraft fähig sind, 60 ist der überwiegenden Meinung beizupflichten, welche eine Wiederaufnahme des Verfahrens in entsprechender Anwendung der §§ 578 bis 591 ZPO zulässt, weil bei diesen Verfahren die besonderen Gründe, welche die Unabänderlichkeit von Verfügungen der FG rechtfertigen können, nicht vorliegen und die Nachprüfung von Entscheidungen, die über subjektive Rechte der Beteiligten befinden, aber an schwerwiegenden verfahrensrechtlichen oder sachlichen Mängeln leiden, ein Gebot der Gerechtigkeit ist. Insbesondere gilt das für Verfahren, in denen, wie im Zivilprozess, dem Wesen nach eine Verurteilung zu einer Leistung ergeht, indem das Bestehen eines Anspruchs festgestellt wird. So ist zB in WEG-Sachen die Wiederaufnahme entsprechend den §§ 578 ff ZPO möglich.98 4. Verfahrensgestaltung Soweit eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Betracht kommt, sind die Vorschriften 61 der §§ 578 bis 591 ZPO in einer den Verfahrensgrundsätzen der FG angepassten Weise entsprechend anzuwenden. Die Wiederaufnahmegründe sind durch Antrag geltend zu machen. Zuständig ist das Gericht erster Instanz, die Beschwerdegerichte in den in § 584 Abs 1 ZPO genannten Fällen. Die Monatsfrist des § 586 Abs 1 ZPO ist zu wahren.99 Nach Ablauf von fünf Jahren seit der Rechtskraft ist der Antrag unzustatthaft (§ 586 Abs 2 ZPO, Ausnahme in Abs 3). Die Zulässigkeit des Antrags ist von Amts wegen zu prüfen (§ 589 ZPO), jedoch gilt insoweit nicht der Amtsermittlungs-, sondern der Bei-

93 94 95 96

Vgl Staudinger/Wenzel WEG § 45 Rn 60 bzw 62. BGHZ 125, 288 = NJW 1994, 2751 = MDR 1994, 947. BayObLGZ 1959, 174 = NJW 1959, 1970. AA OLG Neustadt MDR 1956, 239.

97 98 99

OLG Hamm DNotZ 1953, 281; OLG Celle RdL 1957, 77. BayObLG WuM 1995, 453; KG WE 1996, 273. KG WPM 1961, 334.

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§ 18

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

bringungsgrundsatz. Der weitere Verfahrensablauf gestaltet sich entsprechend den §§ 589 bis 591 ZPO. Die Wiederaufnahmetabestände sind den §§ 579, 580 ZPO zu entnehmen. Auch §§ 579 Abs 2, 580 ZPO (Ausschluss von Wiederaufnahmegründen, die in dem früheren Verfahren hätten geltend gemacht werden könen) und § 581 Abs 1 ZPO (Notwendigkeit strafgerichtlicher Verurteilung oder dass das Strafverfahren nicht durchgeführt werden kann) sind anzuwenden. Eine Erweiterung der Restitutionsgründe findet aber in keinem Fall statt, zB nicht die Zulassung nachträglich ausfindig gemachter Zeugenbeweise.100 Ein Wiederaufnahmegrund entsprechend § 579 Abs 1 Nr 4 ZPO kann vorliegen, wenn ein materiell Beteiligter überhaupt nicht zu dem Verfahren hinzugezogen worden war.101

XIV. Sittenwidrig erschlichene Entscheidungen 62

Die Grundsätze über die missbräuchliche Ausnutzung eines Urteils (§ 826 BGB), welches sittenwidrig herbeigeführt oder ausgenutzt wird,102 gelten auch gegenüber einer in materielle Rechtskraft erwachsenen Entscheidung der freiwilligen Gerichtsbarkeit.103

XV. Reformvorhaben 63

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) sieht in § 48 eine Abänderung rechtsfehlerhafter rechtskräftiger Entscheidungen mit Wirkung für die Zukunft vor, soweit schutzwürdige Interessen eines Beteiligten nicht entgegenstehen, wobei eine Ablehnung der Abänderung nicht angefochten werden kann. In § 49 wird die Abänderung von Endentscheidungen mit Dauerwirkung geregelt, soweit sich die dem Beschluss zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert hat.

100 101 102

OLG München RzW 1963, 216; KG RzW 1965, 559. Henckel ZZP 77, 321, 350. BGHZ 40, 130, 133; BGHZ 50, 115; BGH FamRZ 1995, 284 = MDR 1995, 630.

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103

BGH MDR 1960, 575 (für Entscheidung im Rückerstattungsverfahren); BGH WPM 1968, 969 (Wertpapierbereinigung).

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Vorbemerkungen zu §§ 19 bis 30 Literatur Everling Justiz im Europa von morgen, DRiZ 1993, 5; Frowein Kritische Bemerkungen zur Lage des deutschen Staatsrechts aus rechtsvergleichender Sicht, DÖV 1998, 806; Kirchhof Die Gewaltenbalance zwischen staatlichen und europäischen Organen, JZ 1998, 965; Nicolaysen/Nowak Teilrückzug des BVerfG aus der Kontrolle der Rechtmäßigkeit gemeinschaftlicher Rechtsakte, NJW 2001, 1233; Hilf/Hörmann Grundrechtsschutz von Unternehmungen im europäischen VerfassungsVerbund, NJW 2003, 1; Rabe Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, NJW 1989, 3041; Schneider, Egon Grundrechtsverstöße als greifbare Gesetzwidrigkeit, MDR 1997, 991; Schütt Änderungen im Kostenfestsetzungsverfahren durch das ZPO-Reformgesetz, MDR 2001, 1278; Sternal Entwicklungen und Tendenzen bei den außerordentlichen Rechtsbehelfen in Verfahren der FG, FGPrax 2004, 170; Voßkuhle Bruch mit einem Dogma: Die Verfassung garantiert Rechtsschutz gegen den Richter, NJW 2003, 2193; Wägenbaur Stolpersteine des Vorabentscheidungsverfahrens, EuZW 2000, 37.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erstbeschwerde . . . . . . . . . . . 2. Weitere Beschwerde . . . . . . . . 3. Anschlussbeschwerde . . . . . . . . II. Wesen des Rechtsmittels . . . . . . . . 1. Sondervorschriften . . . . . . . . . 2. Beschwerde an das OLG . . . . . . 3. Rechtsmittel in Kostensachen . . . 4. Beschwerde nach Maßgabe der ZPO 5. Rechtsmittel in Familiensachen . . . 6. Rückerstattungssachen . . . . . . III. Sonstige Rechtsbehelfe . . . . . . . . . 1. Wiederaufnahme, Wiedereinsetzung 2. Einspruch, Widerspruch . . . . . . 3. Erinnerung nach § 11 Abs 2 RPflG und Erinnerung nach § 573 ZPO . . 4. Anträge gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . 6. Gegenvorstellung . . . . . . . . . . 7. Wiederholte Beschwerde . . . . . . 8. Außerordentliche Beschwerde . . . 9. Dienstaufsichtsbeschwerde . . . . . 10. Inkorrekte Entscheidung . . . . . .

1 2 3 4 5 6 11 12 13 14 15 16 17 18 19

21 22 23 26 29 32 33

Rdn IV. Verfassungsbeschwerde, Normenkontrollverfahren . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . 2. Normenkontrollverfahren . . . . . . V. Anrufung der Europäischen Kommission für Menschenrechte . . . . . . . . . . . VI. Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften . . . . . . . . VII. Zulassung der Beschwerde . . . . . . . 1. Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . 2. Form und Voraussetzungen . . . . . 3. Bindung der nächsten Instanz . . . . VIII. Beschwerdewert . . . . . . . . . . . . . 1. Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensfragen zur Beschwerdesumme . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Antrag auf gerichtliche Entscheidung . . 1. Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen . . . . . . . . . 2. Justizverwaltungsakte . . . . . . . . 3. Verwaltungsakte nach der KostO . . 4. Landwirtschaftssachen . . . . . . . . 5. Personenstandssachen . . . . . . . . 6. Verfahren nach BNotO, BRAO, PatAO . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Eintragung in die Urheberrolle . . . .

36 36 37 38 40 41 41 43 45 46 46 47 49 50 51 53 54 56 57 60

I. Allgemeines Die §§ 19 bis 30 enthalten die grundlegenden Vorschriften über die Beschwerde in 1 den Angelegenheiten der FG. Die §§ 19 bis 26 regeln die erste Beschwerde, die §§ 27 bis 29 die weitere Beschwerde, § 30 enthält Bestimmungen über die Besetzung der Beschwerdegerichte in zweiter und dritter Instanz.

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Vor §§ 19–30

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

1. Erstbeschwerde

2

Gegen die Verfügungen des Gerichts erster Instanz (regelmäßig das Amtsgericht) ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, über die das Landgericht entscheidet (§ 19). Die Beschwerdeberechtigung ist in § 20 geregelt. Die Anfechtung der isolierten Kostenentscheidung erster Instanz ist in § 20a eingeschränkt. Bestimmungen über das für die Einlegung zuständige Gericht und die Form der Beschwerde enthält § 21. Da dass FGG (im Gegensatz zur ZPO) von dem Grundsatz der unbefristeten Beschwerde ausgeht, wird in § 22 der Begriff der sofortigen Beschwerde eingeführt, die einer zweiwöchigen Frist unterliegt, und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Beschwerdefrist eröffnet. Die unbegrenzte Einführung neuer Tatsachen und Beweise in das zweitinstanzliche Verfahren ist in § 23 bestimmt. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde, die Aussetzung der Vollziehung und der Erlass einstweiliger Anordnungen ist Gegenstand des § 24. Das Beschwerdegericht hat nach § 25 seine Entscheidung mit Gründen zu versehen. Das Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung wird in § 26 beschrieben. 2. Weitere Beschwerde

3

Gegen die Beschwerdeentscheidung wird das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde eröffnet, die (vergleichbar der Revision und der Rechtsbeschwerde nach der ZPO) nur auf eine Rechtsverletzung gestützt werden kann, also die Nachprüfung der tatsächlichen Feststellungen des Erstbeschwerdegerichts und die Berücksichtigung neuer Tatsachen sowie die Überprüfung einer isolierten Kostenentscheidung der ersten Instanz ausschließt (§ 27). Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Zur Wahrung der Rechtseinheit ist bei Abweichungen in Rechtsfragen die Vorlage an den Bundesgerichtshof geboten (§ 28). Bestimmungen über Form und Frist der weiteren Beschwerde enthält § 29. 3. Anschlussbeschwerde

4

Der Gegner des Beschwerdeführers kann sich, sofern er nicht selbst Rechtsmittel eingelegt hat, dem gegnerischen Rechtsmittel anschließen (unselbstständige Anschlussbeschwerde), um ggf eine für sich günstigere Entscheidung zu erreichen, etwa auch im Kostenpunkt. Die Anschlussbeschwerde ist zumindest in den Streitverfahren der FG in entsprechender Anwendung des § 28 LwVG anerkannt,1 in den übrigen Verfahren war dies strittig, sollte aber zumindest nach Einführung des § 567 Abs 3 ZPO nF nicht mehr in Frage gestellt werden. Die Anschlussbeschwerde ist statthaft bei sofortigen Beschwerden und richtet sich gegen die mit der Hauptbeschwerde angefochtene Entscheidung. Sie ist, obwohl sie teilweise so behandelt wird, kein Rechtsmittel, sondern ermöglicht dem Beschwerdegegner, auch nach Ablauf der Beschwerdefrist mit Anträgen hervorzutreten. Damit wird erreicht, dass das Gericht auch zu Lasten des Hauptbeschwerdeführers entscheiden darf und das Verbot der reformatio in peius außer Kraft gesetzt wird. Ein neuer Verfahrensgegenstand darf durch die Anschließung nicht in das Beschwerdeverfahren hineingebracht werden. Der Beschwerdegegner hat nur die Möglichkeit, den Streitstand der Vorinstanz aufzugreifen, wenn schon der Beschwerdeführer eine Überprüfung erstrebt. Eine frist- und formgerecht eingelegte (sog selbstständige) Anschlussberufung ist in diesem Sinne keine Anschlussbeschwerde. Sie bleibt als Hauptbeschwerde anhängig, falls die andere Hauptbeschwerde etwa zurückgenommen wird. Dagegen wird die 1

BGHZ 95, 118 = NJW 1985, 2717.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

unselbstständige Anschlussbeschwerde hinfällig, wenn die Hauptbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird. Mit der ausdrücklichen Regelung in §§ 567 Abs 3, 574 Abs 3 ZPO nF ergeben sich für die entsprechende Anwendung im FGG-Verfahren neue Probleme, etwa hinsichtlich der Befristung.

II. Wesen des Rechtsmittels Kennzeichen der Rechtsmittel ist die Anrufung der nächsten Instanz gegen eine noch 5 nicht rechtskräftige Entscheidung. Mit der Einlegung des Rechtsmittels wird der Eintritt der Rechtskraft gehindert (Suspensiveffekt, Hemmungswirkung). Den Eintritt der Wirksamkeit und der Vollziehbarkeit, soweit die angefochtene Entscheidung einer solchen fähig ist und bedarf, hemmt die Beschwerde allerdings nur in den besonders hervorgehobenen Fällen, in denen die Entscheidung erst mit der Rechtskraft wirksam wird. Die Vollziehbarkeit mit der Bekanntmachung wirksam gewordener Entscheidungen wird durch die Einlegung der Beschwerde kraft Gesetzes nur im Fall des § 24 Abs 1 und nach einigen Sondervorschriften aufgeschoben, sonst nur auf Anordnung des unteren Gerichts oder des Beschwerdegerichts (§ 24 Abs 2 und 3). Mit der Einlegung des Rechtsmittels gelangt das Verfahren ferner in die höhere Instanz (Devolutiveffekt, Anfallwirkung). Das geschieht bei der sofortigen Beschwerde und der weiteren Beschwerde ohne Ausnahme (§§ 18 Abs 2, 29 Abs 3), bei der unbefristeten Beschwerde unter der Voraussetzung, dass die untere Instanz nicht von ihrer Abhilfemöglichkeit Gebrauch macht (§ 18 Abs 1). 1. Sondervorschriften Sondervorschriften über die Beschwerde, die von den §§ 19 bis 30 FGG abweichen, finden sich außerhalb des FGG in zahlreichen Gesetzen. Die Abweichungen sind vielfältig und können betreffen den Kreis der Beschwerdeberechtigten, die Form der Beschwerdeeinlegung, Beginn und Dauer der Beschwerdefrist, das Erfordernis einer Beschwerdesumme, sonstige Zulassungsvoraussetzungen, insbesondere die Zulassung der Beschwerde in der angefochtenen Entscheidung oder eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde, Art und Umfang der Nachprüfung, die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts und dessen Besetzung, den Ausschluss der dritten Instanz. In den Familiensachen der FG sind die abweichenden Rechtsmittelvorschriften der ZPO (befristete Beschwerde, Instanzenzug vom Familiengericht über das OLG zum BGH) für die Entscheidungen in der Hauptsache zu beachten, während auf die Zwischen- und Nebenentscheidungen die FGG-Vorschriften anwendbar sind. In verschiedenen FGG-Vorschriften (§§ 13a, 14, 15, 27 Abs 1 S 2, 83) ist die entsprechende Anwendung von ZPO-Vorschriften bestimmt. Teilweise richtet sich etwa die Zwangsvollstreckung direkt nach den Vorschriften der ZPO (§ 45 Abs 3 WEG). Neben den Entscheidungen des Gerichts sind rechtsmittelfähig Entscheidungen des Rechtspflegers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, des Kostenbeamten, des beauftragten und ersuchten Richters. Neben den förmlichen Rechtsmitteln stehen die sonstigen Rechtsbehelfe wie Gegenvorstellungen und Dienstaufsichtsbeschwerden, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Wiederaufnahme des Verfahrens. Besondere Probleme geben ferner die außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit und ihr Verhältnis zur Verfassungsbeschwerde. Hinzuweisen ist hierzu vor allem auf die Unterscheidung zwischen unbefristeter Beschwerde, sofortiger Beschwerde (mit der Zwei-Wochen-Frist des § 22 FGG) und der befristeten Beschwerde (mit der Monatsfrist nach §§ 621e, 517 ZPO) sowie der Be-

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

schwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungsmittels (Wochenfrist gemäß § 181 GVG). Beispiele für Sondervorschriften sind enthalten in folgenden Bestimmungen: AktG §§ 99, 104, 122, 132 142, 258, 260, 265, 270, 273, 306; GenG § 80; EGAktG § 27; BNotO § 111; BRAO § 42; DMBilG § 58; FEVG §§ 7, 11; GBMaßnG § 2; HausratsVO § 14; LwVG §§ 22, 23; PatAO § 38; PStG § 49; UmwG § 309; SachenRBerG § 89; SchiffsRegG §§ 75 f; VerschG §§ 26, 33, 33a, 36, 37, 40; WEG § 45. 2. Beschwerde an das OLG

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Teilweise ist das Landgericht als erste Instanz für die gerichtliche Entscheidung bestimmt (vgl etwa §§ 99, 260 AktG). Rechtsmittel ist dann die als Rechtsbeschwerde ausgestaltete sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen (§§ 99 Abs 3 S 7, 260 Abs 3 S 1 AktG). 3. Rechtsmittel in Kostensachen

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Die Beschwerde gegen eine isolierte Kostenentscheidung (nach Wegfall der Hauptsacheentscheidung) regelt § 20a FGG. Zu Kostenfestsetzungsbeschlüssen vgl. § 13a FGG iVm § 104 ZPO. Nach der ZPO-Reform hat der Rechtspfleger eine Abhilfemöglichkeit, auch wenn eine sofortige Beschwerde oder Erinnerung vorliegt und das Beschwerdegericht (LG bzw OLG) muss ggf nach § 574 ZPO die weitere Beschwerde an den BGH zulassen.2 § 14 FGG verweist für das Prozesskostenhilfeverfahren auf die Vorschriften der ZPO. Die Beschwerdefrist beträgt zwei Wochen bzw einen Monat (vgl § 22 Rn 6). Die sofortige weitere Beschwerde ist von der Zulassung durch das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss abhängig.3 Für die Einlegung der Rechtsmittel und das Beschwerdeverfahren (Instanzenzug) gelten jedoch die §§ 19 ff FGG. Auch wenn der Rechtspfleger entschieden hat, ist die Beschwerde an das LG gegeben. 4. Beschwerde nach Maßgabe der ZPO

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§§ 19 ff FGG und insbesondere der Instanzenweg nach dem FGG sind anzuwenden, wenn die Regelungen des GVG und der ZPO greifen, vgl §§ 2, 8, 14, 15 FGG. Wenn jedoch ausdrücklich (zB in § 45 Abs 3 WEG) die sofortige Beschwerde nach Maßgabe der ZPO vorgesehen ist, richtet sich das Verfahren nach den §§ 567 ff ZPO, während es bei dem Rechtsmittelzug des FGG bleibt. So bei dem Beschluss, der die Auflösung der Genossenschaft bei zu geringer Mitgliederzahl anordnet (GenG § 80). Wird der Antrag, die Genossenschaft aufzulösen, durch den Registerrichter beim AG zurückgewiesen, ist die einfache Beschwerde nach §§ 19 ff FGG gegeben, ebenso bei Zwischenverfügungen wie etwa bei der Aussetzung.4 Sind Entscheidungen nach den Vorschriften der ZPO zu vollstrecken (vgl § 33 FGG; § 45 Abs 3 WEG), gelten für Rechtsmittel, Verfahren und Kosten die Vorschriften der ZPO,5 und zwar in der jeweiligen Fassung der ZPO, also nach der ZPO-Reform auch die Vorschriften über die immer zulassungsbedürftige, an den BGH zu richtende Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. Die Abgabeentscheidung des Prozessgerichts an das WEG-Gericht gemäß WEG § 46 Abs 1 ist nach GVG § 17 Abs 4 Satz 3 GVG mit der sofortigen Beschwerde „nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung“, also § 567 ZPO anzufechten.6 Ein Beschluss, durch den

2 3 4

Schütt MDR 2001, 1278. BayObLGZ 2002, 147 = NJW 2002, 2573. BayObLGZ 1963, 15.

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5 6

BayObLGZ 1975, 157; OLG Köln NJW 1976, 1322. BGHZ 130, 159 = NJW 1995, 2851.

Lothar Briesemeister

Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

umgekehrt eine Sache vom Wohnungseigentumsgericht an das Streitgericht verwiesen wird, ist dagegen nach den für die Anfechtung von Hauptsacheentscheidungen in Wohnungseigentumssachen geltenden Vorschriften (WEG § 45 iVm FGG §§ 19 ff) anfechtbar.7 Das gilt sowohl für die sofortige Beschwerde wie auch – im Falle der bestätigenden Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts – für die sofortige weitere Beschwerde nach § 45 WEG iVm §§ 27, 29 FGG,8 weil der Instanzenzug nach FGG erhalten bleiben muss.9 An der Zwei-Wochen-Frist für die (zulassungsfreie) weitere Beschwerde nach §§ 29 Abs 2, 22 Abs 1 sollte aber auch für den umgekehrten Fall (Abgabe Prozessgericht an WEG-Gericht nach § 46 Abs 1 WEG) festgehalten werden.10 Nur für den Zivilprozess gilt, dass die Beschwerde nach § 17a Abs 4 S 4 GVG an den obersten Gerichtshof des Bundes seit der ZPO-Reform eine (zulassungsbedürftige) Rechtsbeschwerde iSd § 574 ZPO (mit der Monatsfrist und dem Begründungszwang) darstellt.11 5. Rechtsmittel in Familiensachen In Familiensachen der FG (GVG § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11, 12, in Verfahren 14 nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 14; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64) regelt § 621e ZPO das Rechtsmittel gegen Entscheidungen in der Hauptsache, wobei zweite Instanz das OLG (Familiensenat) ist (§ 119 Abs 1 GVG). Für Neben- und Zwischenentscheidungen gelten die §§ 19 ff. Gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes gem § 33 I S 1, III S 2 FGG in einer Familiensache ist die einfache Beschwerde statthaft.12 Soweit diese vom OLG erlassen worden sind, ist daher keine Beschwerde gegeben. 6. Rückerstattungssachen Durch Teil 3 Art 6 des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener 15 Fragen vom 26.5.1952 (BGBl 1955 II 40) wurde ein Oberstes Rückerstattungsgericht gebildet, das die Nachfolge des in der Amerikanischen Zone errichteten Berufungsgerichts, des in der Britischen Zone errichteten Nachprüfungsausschusses, und des Obersten Gerichts für Rückerstattungssachen in der Französischen Zone neben dem in Berlin (West) gebildeten Obersten Rückerstattungsgerichtes übernommen hatte. Die Zuständigkeit dieser Gerichte ist auf den BGH übergegangen (Art 9 RechtspflegeVereinfachungsG vom 17.12.1990 – BGBl I 2847).

III. Sonstige Rechtsbehelfe Von den förmlichen Rechtsmitteln zu unterscheiden sind die sonstigen Rechtsbehelfe, 16 welche das Verfahren nicht in die nächste Instanz bringen. Kein Rechtsmittel ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welche die bereits eingetretene Rechtskraft (§ 22 Abs 2) oder einen sonstigen Rechtsnachteil (§§ 92, 96, 137) beseitigen soll, oder die Wie7

8 9

BayObLG NJW-RR 1999, 11 = ZMR 1998, 502; KG OLGZ 1994, 279 = NJW-RR 1994, 208. BGH NJW 2002, 3709 = NZM 2002, 1003 = ZMR 2002, 941. BayObLG NJW-RR 1996, 334 = MDR 1996, 95; KG OLGZ 1994, 279 = NJW-RR 1994, 208.

10 11 12

AA Baumbach/Albers ZPO 60. Aufl, GVG § 17a Rn 13. So für Arbeitsgerichtssachen BAG NJW 2002, 3725. OLG Brandenburg FGPrax 2005, 122.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

deraufnahme des Verfahrens, soweit sie in der FG zugelassen ist (vgl § 18), weil sie die Unabänderlichkeit einer bereits rechtskräftigen Entscheidung zu beseitigen sucht. Mangels Anfallwirkung sind schließlich keine Rechtsmittel die Rechtsbehelfe des Einspruchs (§ 134, 140, 159), des Widerspruchs im Amtslöschungsverfahren (§§ 141, 141a, 142, 144, 144a, 147, 159, 160b, 161) und gegen die Dispache (§ 155) sowie die Erinnerung gegen Verfügungen des Rechtspflegers oder des Urkundsbeamten. 1. Wiederaufnahme, Wiedereinsetzung

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Die Wiederaufnahme des Verfahrens gilt der Beseitigung einer bereits rechtskräftigen Entscheidung (vgl § 18 FGG). Durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand soll die Versäumung einer Rechtsmittelfrist geheilt werden (vgl § 22 FGG). Weitere Fälle der Wiedereinsetzung in §§ 92, 96, 137 FGG. 2. Einspruch, Widerspruch

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Zu nennen sind die Rechtsbehelfe des Einspruchs (§§ 134, 140, 159 FGG), des Widerspruchs im Amtslöschungsverfahren (§§ 141, 141a, 142, 144, 144a, 147, 159, 160b, 161 FGG) und gegen die Dispache (§§ 155,156 FGG). 3. Erinnerung nach § 11 Abs 2 RPflG und Erinnerung nach § 573 ZPO

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Soweit gegen Entscheidungen kein Rechtsmittel gegeben ist, findet gegen Beschlüsse, die der Rechtspfleger erlassen hat, die Erinnerung an den Richter statt (§ 11 Abs 2 RPflG). Gegen dessen Entscheidung ist ein Rechtmittel nicht statthaft. Wird die Änderung einer Entscheidung des beauftragten oder ersuchten Richters oder 20 des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle verlangt, so entscheidet hierüber das zugehörige Gericht. Rechtsbehelf ist die binnen einer Notfrist von zwei Wochen einzulegende Erinnerung (§ 573 Abs 1 ZPO). Gegen die im ersten Rechtszuge ergangene Entscheidung des Gerichts über die Erinnerung findet die sofortige Beschwerde statt (§ 573 Abs 2 ZPO). 4. Anträge gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (UdG)

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Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 153 GVG) entscheidet gemäß § 4 Abs 2 Nr 3 RPflG, §§ 573 ZPO das Gericht. Zu nennen sind: der Antrag auf Änderung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs 2 HRV; die Verweigerung der Erteilung eines Rechtskraftzeugnisses nach § 31 FGG; vgl ferner § 4 Abs 4 AVO GBO; § 30 SchiffsRegVfg. Das gilt selbst dann, wenn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entgegen dem Gesetz anstelle des Rechtspflegers oder Richters entschieden hat. Auch die evtl. Nichtigkeit derartiger Entscheidungen wegen Kompetenzüberschreitung steht der Aufhebung durch das zuständige Gericht nicht entgegen. Im Falle der Entscheidung durch den Rechtspfleger anstelle des UdG und der Statthaftigkeit der Beschwerde ist diese an das Landgericht zu richten (§ 11 Abs 1 RPflG). Ist an sich kein Rechtsmittel gegeben, ist die Erinnerung innerhalb der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist gegeben. 5. Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens

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Im Falle einer Antragsrücknahme oder eines Prozessvergleichs kann die Frage auftauchen, ob die Verfahrenshandlungen ordnungsgemäß waren und das Verfahren wirksam beendet haben. In diesen Fällen ist nicht ein neues Verfahren einzuleiten, sondern in dem Verfahren, in dem die angeblich verfahrensbeendende Handlung vorgenommen worden

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Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

ist, ist ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens von dem Beteiligten zu stellen, der sich die Unwirksamkeit der Verfahrensbeendigung beruft. Das Gericht hat das Verfahren mit dem Ziel der Klärung fortzusetzen, ob die Verfahrenshandlungen wirksam waren oder nicht. Soweit die Entscheidung des Gerichts anfechtbar ist, bezieht sich dies auch auf die abschließende Entscheidung über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Verfahrensbeendigung. Stellt das Gericht die Unwirksamkeit der Verfahrensbeendigung fest, etwa weil die Antragsrücknahme verfahrensrechtlich unwirksam war oder der Prozessvergleich erfolgreich wegen arglistiger Täuschung eines Beteiligten angefochten worden ist, ist das in Wahrheit nicht unterbrochene Verfahren fortzusetzen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Verfahrenshandlungen grundsätzlich unwiderruflich sind und nicht nach den Regeln über die Anfechtung nach §§ 119 ff BGB beseitigt werden können. Etwas anderes kann in Betracht kommen, wenn zugleich Wiederaufnahmegründe vorliegen. 6. Gegenvorstellung Von Rechtsmittel und anderen förmlichen Rechtsbehelfen ist die Gegenvorstellung zu 23 unterscheiden. Es handelt sich um mit dem Petitionsrecht des Art 17 GG vergleichbare Anregungen und Bitten an das Gericht (iudex a quo), dieses möge eine von ihm erlassene Entscheidung im Wege der Selbstkontrolle aufheben oder ändern. Gegenvorstellungen sind auch und gerade dann möglich, wenn Rechtsmittel in der Sache nicht oder nicht mehr zulässig sind.13 Mit der Gegenvorstellung ist kein Anspruch auf Überprüfung der angefochtenen Entscheidung eingeräumt. Das Gericht kann in schwerwiegenden Fällen zur Aufhebung oder Änderung seiner Entscheidung verpflichtet sein. Dabei sind verletzte Grundrechte, insbesondere die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) zu berücksichtigen sowie die Schwere des prozessualen Unrechts.14 Die Rechtskraft der angegriffenen Entscheidungen steht dem nicht grundsätzlich entgegen, ebenso wenig ein etwa eintretender Gegensatz zu einer anderen rechtskräftigen Entscheidung. Die Änderung kommt in Betracht, wenn die getroffene Entscheidung offensichtlich dem Gesetz widerspricht, weil eine gesetzliche Vorschrift eindeutig übersehen wurde. (Zur Anhörungsrüge vgl § 29a). Dasselbe gilt, wenn aus den Akten zu entnehmende eindeutige Umstände (Eingangstempel) falsch gewertet oder etwa eine nicht am Verfahren beteiligte Person verurteilt worden ist. Schwerwiegende Verfahrensfehler wie Verletzung des rechtlichen Gehörs oder Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters können die Änderung rechtfertigen.15 Die Entscheidung ergeht in derselben Form wie die aufgehobene Entscheidung. Zuvor ist allen Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Ist die Gegenvorstellung erfolglos, gibt es dagegen kein Rechtsmittel. Vielfach nehmen die Verfassungsgerichte an, dass bei erheblichen Grundrechtsverlet- 24 zung die Selbstkorrektur durch den iudex a quo vorrangig sei.16 Dem hat sich der BGH angeschlossen und damit die Zulässigkeit einer außerordentlichen Beschwerde verneint.17 Auf der anderen Seite dienen die Rechtsmittelvorschriften und der Ausschluss von Rechtsmitteln ebenfalls der Rechtssicherheit, so dass beide Rechtsgüter abzuwägen sind. Im Hinblick auf die Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz hat der BGH18 betont, dass nun ein außerordentliches Rechtsmittel zum

13 14 15 16

BVerfGE 63, 78 = NJW 1983, 1900. KG NJW-RR 2000, 1085. BGH FamRZ 1995, 478. BVerfG NJW 1995, 3248; BerlVerfGH NJW 1999, 275.

17 18

BGH MDR 2000, 291. BGH NJW 2002, 1577.

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BGH nicht statthaft ist, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen „greifbar gesetzwidrig“ ist. In einem solchen Fall ist die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf (fristgebundene) Gegenvorstellung zu korrigieren. Wird ein Verfassungsverstoß nicht beseitigt, kommt allein eine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG in Betracht. Hinsichtlich der Selbstkorrektur des iudex a quo verweist der BGH19 auf einen Vorlagebeschluss des BVerfG,20 der dies bekräftigt. Zur Selbstkorrektur des iudex a quo verhält sich der neue, auf Urteile bezogene 25 § 321a ZPO, dessen entsprechende Anwendung auf Beschlüsse (trotz Nichtnennung in § 329 Abs 1 ZPO) befürwortet wird,21 und zwar mit allen, auch kostenmäßigen, Konsequenzen. Keinesfalls ist eine unstatthafte Beschwerde gegen eine nach dem 1.1.2002 ergangene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts in eine dem BGH vorzulegende Rechtsbeschwerde umzudeuten.22 Allerdings hat das BVerwG 23 die isolierte Anfechtung einer fehlerhaften Nichtzulassungsentscheidung ausnahmsweise zugelassen. Demgegenüber hat das BVerwG seine Anrufung im Wege einer „außerordentlichen Beschwerde“ nach Inkrafttreten der ZPO-Reform ausdrücklich verneint.24 Vgl jetzt § 29a. 7. Wiederholte Beschwerde

26

Nach Sachentscheidung des Beschwerdegerichts ist das Beschwerdeverfahren abgeschlossen und eine Wiederholung des Rechtsmittels nicht zulässig. Für eine nochmalige Entscheidung über die Beschwerde fehlt es (außer in den zuvor genannten Fällen der Gegenvorstellung) an der Zuständigkeit. Das Beschwerdegericht ist an seine Entscheidung gebunden. Zulässig ist ggf die weitere Beschwerde nach den §§ 27 ff FGG. Die Wiederholung der Beschwerde ist nicht nur nach einer Sachentscheidung ausgeschlossen, sondern auch, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen verneint worden sind und das Rechtsmittel als unzulässig verworfen worden ist. Sind die Zulässigkeitsmängel behoben worden, so kann, falls nicht bereits eine Frist abgelaufen ist, die Beschwerde wiederholt werden, was zu einem zweiten Beschwerdeverfahren führt, durch das die erste Beschwerdeentscheidung nicht berührt wird. Wurde die Beschwerde wegen Fristversäumung verworfen und danach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt, wird damit allerdings die verwerfende Entscheidung hinfällig. Das Beschwerdegericht hat neu über die geheilte, ursprünglich verspätete Beschwerde zu befinden. Ein Beteiligter, der zunächst selbst nicht Beschwerde eingelegt hat, kann, sofern nicht eine Frist überschritten ist, selbst nochmals die Verfügung erster Instanz anfechten und ein abermaliges Beschwerdeverfahren in Gang setzen. Die mehrfache Beschwerdeeinlegung durch einen Beteiligten gegen ein und dieselbe 27 Verfügung führt dagegen nur zu einem einheitlichen Beschwerdeverfahren. Wird in diesem Rahmen über eine spätere zulässige Beschwerde entschieden, werden damit frühere etwa wegen eines Formmangels unzulässige Beschwerde in derselben Sache gegenstandslos. Es ergeht in dem einheitlichen Beschwerdeverfahren auch nur eine einheitliche Kostenentscheidung. Auch nach Rücknahme eines Rechtsmittels ist dessen Wiederholung möglich, wenn keine Beschwerdefrist verstrichen und die Rücknahme nicht zugleich als Rechtsmittelverzicht zu werten ist.

19 20 21

AaO. BVerfGE 108, 341. Lipp NJW 2002, 1700.

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22 23 24

BGH NJW 2002, 1958. BVerwG NJW 2002, 2262. BVerwG NJW 2002, 2657.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

Wird erkennbar, dass die Wiederholung eines Rechtsmittels querulatorischen Zwe- 28 cken dienen soll, ist der Beschwerdeführer einmal darauf hinzuweisen, dass seine Eingaben auch künftig nicht weiter bearbeitet würden. Weitere Eingaben können dann unbeantwortet zu den Akten genommen werden. 8. Außerordentliche Beschwerde Ausnahmsweise war nach inzwischen überholter Gerichtspraxis, die zum Gewohn- 29 heitsrecht geworden und auch von den Verfassungsgerichten befürwortet wurde, selbst gegen Entscheidungen, die nach dem Gesetz unanfechtbar sind, die so genannte außerordentliche Beschwerde gegeben.25 Von den Obergerichten zunächst mehr theoretisch bejaht, aber im Einzelfall häufig verneint, hatte sich dieser Rechtsbehelf mit der Zeit stärker durchgesetzt. Der Rechtsbehelf setzte voraus, dass die angegriffene Entscheidung mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, indem sie nach Art, Inhalt oder vor diesem Gericht jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist. Man sprach (emotional aufgeladen) von Fällen „krassen Unrechts“. Diese Definition deckt sich mit dem Begriff der richterlichen Willkür, wie ihn das BVerfG verwendet.26 Die Beispielsfälle waren gelegentlich widersprüchlich, etwa in Bezug auf die Verletzung von Grundrechten, insbesondere des rechtlichen Gehörs, und der schweren Verfahrensmängel. In der Rechtsprechung war eine Tendenz zur Ausdehnung zu beobachten. Nicht zuletzt wurde auch für die rechtsberatenden Berufe eine kaum zu bewältigende Situation geschaffen, indem die Zulässigkeit von Rechtsmitteln von Ermessens- und Abwägungsentscheidungen abhing. Für den ZPO-Bereich hat der BGH27 die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene ZPO- 30 Reform zum Anlass genommen, die außerordentliche Beschwerde abzuschaffen. Im ZPO-Bereich kann der BGH gegen Beschlüsse der Beschwerdegerichte ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs 1 ZPO angerufen werden. Ein außerordentliches Rechtsmittel an den BGH ist auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen (im Sinne der bisherigen Terminologie) „greifbar gesetzwidrig“ ist. In einem solchen Fall ist die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf (fristgebundene) Gegenvorstellung zu korrigieren. Wird ein Verfassungsverstoß nicht beseitigt, kommt allein eine Verfassungsbeschwerde an zum BVerfG in Betracht.28 BVerwG29 und BFH30 haben sich dem angeschlossen. Auch für FGG-Sachen, insbesondere für WEG-Sachen, aber auch darüber hinaus, hat das BayObLG31 nunmehr die außerordentliche Beschwerde wegen „greifbarer Gesetzwidrigkeit“ ausgeschlossen. Ansatzpunkt ist jetzt die entsprechende Anwendung des § 321a ZPO bei Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie die Abhilfemöglichkeit des § 572 Abs 1 ZPO, was aber teilweise als zu eng empfunden wird, zumal wenn diese Rechtsbehelfe auf Korrekturen durch die zweite Instanz beschränkt bleiben. Bei Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) hat das BVerfG32 vom Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2004 eine Regelung verlangt, wonach

25 26 27 28 29

Schneider MDR 1997, 991. BVerfG NJW 1989, 1917; NJW 1996, 1531. BGHZ 150, 133 = NJW 2002, 1577 = FamRZ 2003, 92 LS = MDR 2002, 901. BGHZ 150, 133 = NJW 2002, 1577. BFH NJW 2003, 919 = FamRZ 2003, 677 = BFHE 200, 42.

30 31 32

NJW 2002, 2657 = DVBl 2002, 1055 = DÖV 2002, 954. BayObLG FGPrax 2003, 25=NZM 2003, 246 = MDR 2003, 410. BVerfG NJW 2003, 1924; dazu im Einzelnen Voßkuhle NJW 2003, 2193.

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die Fachgerichte auf Gegenvorstellung jeweils selbst die Rechtsverletzung zu korrigieren haben (vgl jetzt § 29a). Die Verfassung verlangt nur, dass mindestens eine richterliche Instanz zur Verfügung steht. Problematisch bleibt, ob auch andere Grundrechtsverletzungen eine Erweiterung der Rechtsmittelmöglichkeiten erzwingen können. So hat der BGH33 über das nach der InsO geltende Enumerationsprinzip hinaus eine sofortige Beschwerde zugelassen, die sich gegen eine dem Gesetz fremde, in den grundrechtlich geschützten räumlichen Bereich des Schuldners (Art 13 GG) eingreifende Maßnahme wendet. Damit scheint das Tor für weitere außergesetzliche Rechtsbehelfe zumindest bei Grundrechtsverstößen wieder aufgestoßen, was aber gegen die vom BVerfG angemahnte Rechtsmittelklarheit gerichtet ist. Vgl § 29a Rn 10 ff. Dieselbe Problematik der außerordentliche Beschwerde taucht auch in Fällen der Un31 tätigkeit auf. Eine Untätigkeitsbeschwerde ist in isolierten Umgangsrechtsverfahren als außerordentlicher Rechtsbehelf gegeben, wenn Veranlassung zu der Annahme besteht, dass eine sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts zu einem der Rechtsverweigerung gleichkommenden Verfahrensstillstand führt.34 Das außerordentliche Rechtsmittel ist dann statthaft, wenn das Landgericht eine seiner Rechtsauffassung entgegen stehende Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts kennt und trotzdem die weitere Beschwerde nicht zulässt, um eine etwaige Abänderung und Überprüfung seiner Entscheidung zu verhindern und dadurch gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot verstößt.35 Es kann einen Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör darstellen, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis seine Entscheidung auf eine nur vereinzelt vertretene Meinung stützt und ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach den Gesamtumständen des Verfahrens damit nicht rechnen musste.36 Nach BVerwG37 soll auch die Untätigkeitsbeschwerde nicht zulässig sein. Zumindest bei Gehörsverletzungen, aber auch bei Grundrechtsverstößen wird jedenfalls eine Gegenvorstellung möglich sein müssen. Bei der Entscheidung über eine Untätigkeitsbeschwerde im Verfahren über das Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters kann das angerufene Gericht ausschließlich die Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts überprüfen und bei Begründetheit das erstinstanzliche Gericht nur anweisen, dem Verfahren Fortgang zu geben.38 Zu einer Abänderung einer erstinstanzlichen Entscheidung über das Umgangsrecht ist das Gericht dagegen nicht befugt. Wird vom Gericht anstatt auf die Realisierung eines Umgangsrechts hinzuwirken unter Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht ein bereits angeordnetes Umgangsrecht unterbunden und damit ein konventionsgemäßer Zustand aufgehoben, liegt darin im Einzelfall eine unzureichende Beachtung eines Urteils des EGMR, wonach dem nichtehelichen Vater ein Umgang mit seinem Kind einzuräumen ist.39 9. Dienstaufsichtsbeschwerde

32

Dabei handelt es sich um einen formlosen Rechtsbehelf, mit dem die Art und Weise des Geschäftsbetriebs gerügt wird, das persönliche Verhalten oder die äußere Ordnung, etwa bei Verzögerungen oder bei Untätigkeit. Die Dienstaufsichtsbeschwerde ermöglicht

33 34

35 36

BGH NJW 2004, 2015. OLG Dresden FamRZ 2000, 1422; OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 1920; OLG Hamm FamRZ 1998, 1606. OLG Jena FGPrax 2000, 251. HessStGH NJW-RR 2002, 424.

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BVerwG NJW 2003, 2927 LS = NVwZ 2003, 869. BVerfG NJW 2005, 2685 = FamRZ 2005, 1233 = FuR 2005, 373. BVerfG NJW 2005, 2685 = FamRZ 2005, 1233 = FuR 2005, 373.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

eine Überprüfung der Amtsführung unter dienstrechtlichen Gesichtspunkten, was auch dienstaufsichtliche Maßnahmen einschließt. Eine Eingabe ist als Sachbeschwerde zu werten, solange eine solche zulässig ist, ansonsten als Dienstaufsichtsbeschwerde. Es entscheidet der Dienstvorgesetzte (Gerichtsvorstand). Gegen dessen Bescheid ist kein Rechtsmittel gegeben. Der Richter kann Maßnahmen der Dienstaufsicht nach § 26 Abs 3 DRiG anfechten. Ein Rechtsanspruch des Bürgers auf ein Eingreifen der Dienstaufsicht besteht nicht. Er kann aber die Entgegennahme und Behandlung seiner Eingaben beanspruchen. 10. Beschwerde gegen inkorrekte Entscheidungen Ist eine Verfügung in unkorrekter Form ergangen, etwa durch Urteil statt durch Be- 33 schluss, so ist im Sinne der Meistbegünstigung sowohl das Rechtsmittel gegeben, das bei korrekter Form eröffnet wäre, wie dasjenige, welches gegen die in falscher Form ergangene Entscheidung gegeben ist. Durch die inkorrekte Entscheidung darf den Beteiligten kein Nachteil bezüglich der Zulässigkeit von Rechtsmitteln erwachsen. Das angerufene Beschwerdegericht hat aber nur die Entscheidungsbefugnisse, die es hätte, wenn die Entscheidung in richtiger Form ergangen wäre. Der Beschwerdeführer kann keine Änderung erreichen, die auch bei korrekter Form nicht zu erzielen gewesen wäre. Insgesamt richtet sich das Verfahren der Beschwerdeinstanz danach, wie bei richtiger Form vorzugehen gewesen wäre. Auch eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung oder eine nicht statthafte Zulassung können das Rechtsmittel nicht zulässig machen. Diese Grundsätze sind auch anwendbar, wenn die Verfügung wegen offensichtlicher 34 Mängel als Scheinentscheidung oder als nichtige Entscheidung zu bezeichnen wäre. Zur Klarstellung kann auch eine derartige Verfügung angefochten werden und ist dann aufzuheben. Häufig wird das Verfahren in die Vorinstanz zurückzuverweisen sein. Bei Entscheidung der unteren Instanz anstatt der an sich zuständigen Beschwerdeinstanz muss diese auf Rechtsmittel die inkorrekte Entscheidung der Vorinstanz aufheben und alsdann selbst entscheiden. Der Grundsatz der Meistbegünstigung ist auch anzuwenden, wenn nicht festgestellt 35 werden kann, ob eine nicht verkündete Beschwerdeentscheidung vor oder nach dem 1.1.2002 der Geschäftsstelle übergeben worden ist, soweit es wegen der Prozessrechtsreform darauf ankommt.40 Verweist das Landgericht einen Teil des Rechtsstreits an das Landwirtschaftsgericht, so ist das statthafte Rechtsmittel dagegen nach § 17a Abs 4 S 3 GVG iVm §§ 22 LwVG, 22 Abs 1 S 1 FGG die sofortige Beschwerde; des Meistbegünstigungsgebot eröffnet dem durch die Verweisung Beschwerten zwar die Möglichkeit, die Entscheidung auch mit der Berufung anzufechten, nicht aber, die Vorteile des einen Rechtsmittels (kein Begründungszwang bei der sofortigen Beschwerde) mit denen des anderen (längere Rechtsmittelfrist bei der Berufung) zu verbinden.41

40 41

BGH NJW 2002, 2106. BGH NJW-RR 2002, 1651 = MDR 2002,1265.

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IV. Verfassungsbeschwerde, Normenkontrollverfahren 1. Verfassungsbeschwerde

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Gegen im Verfahren der FG ergangene Entscheidungen kann ein Beteiligter gemäß § 90 BVerfGG Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben mit der Behauptung, er sei durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte der Art 1 ff GG, aber auch nach Art 33, 38, 101, 103, 104 GG verletzt. Voraussetzung ist die Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs 2 Satz 1 BVerfGG), wobei streitig ist, ob zuvor der Versuch einer Gegenvorstellung oder einer außerordentlichen Beschwerde bei der Fachgerichtsbarkeit unternommen worden sein muss. Vor Erschöpfung des Rechtswegs kann das BVerfG über die Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst den Instanzenzug beschreiten müsste (§ 90 Abs 2 S 2 BVerGG). Fristen und Formen der Verfassungsbeschwerde bestimmen sich nach §§ 92, 93 BVerfGG, die Vorprüfung nach § 93a BVerfGG. Die Bindungswirkung ist in § 31 BVerfGG geregelt.42 2. Normenkontrollverfahren (Art 100 GG)

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Hält ein Gericht (gleich welcher Instanz) ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Die Anrufung des BVerfG geht einer Vorlage nach § 28 Abs 2 FGG vor.43

V. Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 38

Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11. 1950 (BGBl 1952 II 686) nebst Zusatzprotokoll vom 20.3.1952 (BGBl 1956 II 1880), in Kraft getreten lt Bek vom 15.12.1953 (BGBl 1954 II 14) und vom 13.4.1957 (BGBl II 226), ist im Geltungsbereich des Grundgesetzes innerstaatliches Recht auf Grund der Gesetze vom 7.8.1952 (BGBl II 685) und vom 20.12.1956 (BGBl II 1879). Die Vorschriften der Konvention sind als solche nicht allgemeine Regeln des Völkerrechts iS des Art 25 GG, sondern Bundesrecht im Range eines einfachen Bundesgesetzes.44 Zur Sicherstellung der Verpflichtungen aus der Konvention ist ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingerichtet. Seit dem 1.11.1998 (11. Zusatzprotokoll der MRK – BGBl 1998 II, 578) kann sich jeder Bürger unmittelbar an den neuen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wenden, sobald der innerstaatliche Instanzenzug ausgeschöpft ist. Die Gewaltenbalance zwischen innerstaatlichen und europäischen Organen ist damit berührt worden .45

42 43 44

BayObLGZ 1977, 333. BVerfGE 6, 222; NJW 1968, 243. BayVerfGH NJW 1961, 1619; BVerfG NJW 2004, 3407, 3408.

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45

Vgl Kirchhof JZ 1998, 971; Frowein DÖV 1998, 806.

Lothar Briesemeister

Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

Im Wege der Individualbeschwerde kann jeder Bürger die Verletzung der in Art 2 ff 39 MRK garantierten Rechte durch die Behörde eines Vertragsstaates rügen. Diese Konvention ist ein Vertrag, in dem mehrere europäische Staaten übereingekommen sind, bestimmte Grundrechte zu sichern. Die garantierten Rechte sind in der Konvention und in vier, nur von einigen Staaten angeführten Zusatzprotokollen aufgeführt. Ein Richterausschuss prüft, ob die Beschwerde offensichtlich unzulässig und deshalb zu verwerfen ist. Danach führt die Kammer ein schriftliches Vorverfahren und ggf Ermittlungen durch. In einer mündlichen Verhandlung wird der Abschluss eines Vergleichs versucht, anderenfalls ein Urteil erlassen. In Fragen von grundsätzlicher Bedeutung oder bei Abweichung von früheren Entscheidungen kann die Sache auch an die Große Kammer abgegeben werden. Entscheidet die Kammer, können die Parteien die Große Kammer anrufen, die aber nur bei Fragen von allgemeiner Bedeutung entscheidet. Zu näheren Einzelheiten der Anrufung des EGMR vgl das amtliche Merkblatt, veröffentlicht in NJW 1999, 1166.

VI. Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Nach dem EWG-Vertrag vom 25.3.1957 (BGBl II 766) ist ein Europäischer Gerichts- 40 hof eingesetzt (§§ 164 bis 188 EWGV), dem die Gerichte Fragen über die Auslegung des EWG vorlegen können und müssen, wenn die Entscheidung des einzelstaatlichen Gerichts nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann (Art 234 EGV, früher Art 177 EWGV).46 Die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs wird gegenüber Art 100 Abs 2 GG vorrangig sein. Die Anrufungspflicht kann sich auch in FGG-Verfahren stellen, auch bei Fragen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Diskriminierung von Ausländern, der Rechtsverhältnisse bei Handelsgesellschaften und deren Sitz. Verfahrensordnung des EuGH vom 4.12.1974,47 zur Beiordnung eines Gerichts erster Instanz vgl Art 168a EWGV.48 Der Gerichtshof ist in einem nach Art. 234 EGV (früher Art 177) eingeleiteten Verfahren nicht zur Auslegung des nationalen Rechts oder zur Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit Art 92 EWGV (nach Änderung jetzt Art 87 EGV) befugt.49 Das nationale Gericht kann in einem Verfahren nach Art 234 EGV (früher Art 177 EWGV), wenn es mit einem Antrag wegen der Konsequenzen aus einem Verstoß gegen Art 88 III letzter Satz EGV (früher Art 93 III letzter Satz) befasst ist, die Kommission um Erläuterungen bitten oder es kann oder muss nach Art 234 II und III dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Art 92 EWGV zur Vorabentscheidung vorlegen, um entscheiden zu können, ob die betreffenden staatlichen Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellen, die der Kommission hätten gemeldet werden müssen.50 Zur Abgrenzung der Zuständigkeit des BVerfG vgl Nicolaysen/Nowak Teilrückzug des BVerfG aus der Kontrolle der Rechtmäßigkeit gemeinschaftlicher Rechtsakte, NJW 2001, 1233.

46 47

Wägenbaur EuZW 2000, 37 zum Vorabentscheidungsverfahren. Everling DRiZ 1993, 5.

48 49 50

Rabe NJW 1989, 3041. EuGH EuZW 1999, 530 = EuR 1999, 547. EuGH aaO.

Lothar Briesemeister

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Vor §§ 19–30

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

VII. Zulassung der Beschwerde 1. Notwendigkeit In einer Reihe von Vorschriften wird die Zulässigkeit der Beschwerde von einer Zulassung durch den iudex a quo in der der Anfechtung unterliegenden Entscheidung abhängig gemacht. Als Beispiele seien genannt: Die Rechtsbeschwerde an den BGH ist in Landwirt42 schaftssachen nach § 24 Abs 1 LwVG nur zulässig, wenn sie in dem Beschluss des OLG zugelassen ist. Das OLG darf nach § 24 Abs 1 Satz 2 LwG die Beschwerde nur zulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (vgl sog Grundsatzrevision). Ohne Zulassung findet die Rechtsbeschwerde nach § 24 Abs 2 LwVG gleichwohl statt, wenn das OLG von einer Entscheidung des BGH abgewichen ist oder die Unzulässigkeit der Erstbeschwerde angenommen hat. Nach § 132 Abs 3 AktG findet die sofortige Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung des LG über das Auskunftsrecht nur statt, wenn das LG sie wegen der Grundsätzlichkeit der Rechtsfrage zugelassen hat. Gemäß § 91 Abs 6 BRAO ist die sofortige Beschwerde an den BGH nur statthaft, wenn der beim OLG angesiedelte Anwaltsgerichtshof sie bei einer Wahlanfechtung zugelassen hat, was ebenfalls nur bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage geschehen soll. Eine vergleichbare Regelung enthält § 84 Abs 6 PatAO. In Kostensachen ist die weitere Beschwerde nach §§ 14 Abs 3, 31 Abs 3, 139 Abs 3, 156 Abs 2, 157 Abs 2 KostO, § 10 Abs 3 BRAGO nur zulässig, wenn sie wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wird. Derartige Regelungen verstoßen nicht gegen das Grundgesetz; insbesondere werden die Beteiligten damit nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen.51 Zur Zulassung der weiteren Beschwerde in selbstständigen Familiensachen der FG vgl § 621e Abs 2 ZPO und § 629a Abs 2 ZPO. Bei Entscheidungen über die Vergütungen nach §§ 1835 ff BGB ist nach § 56g Abs 5 FGG die Zulassung bei der Erstbeschwerde erforderlich, wenn der Beschwerdewert von 150 Euro nicht überschritten wird, bei der weiteren Beschwerde uneingeschränkt.

41

2. Form und Voraussetzungen der Zulassung

43

Die Zulassung sollte im Beschlusstenor ausgesprochen werden. Es genügt aber auch eine eindeutige Zulassung in den Beschlussgründen.52 Ist die Zulassung in dem anzufechtenden Beschluss unterblieben, kann sie nicht wirksam nachgeholt werden,53 zumindest nicht entsprechend § 321 ZPO,54 allenfalls analog § 319 ZPO bei offenkundigem Versehen.55 Die Zulassung kann auf einen einzelnen Beteiligten beschränkt werden und gilt dann nicht für andere.56 Die Zulassung kann auch auf abtrennbare Verfahrensgegenstände begrenzt werden,57 nicht aber auf einzelne Rechtsfragen. Eine bloße Rechtsmittelbelehrung enthält noch keine Zulassung.58 Andererseits kann die Zulassung auch nicht

51 52

53 54

BGH NJW 1965, 1965; BGH ZZP 80, 125 m Anm Kuchinke. BGH NJW 1995, 1956; KG DNotZ 1961, 217; vgl auch die ZPO-Komm zu § 546 betr die Zulassung der Revision. BGH NJW 1981, 2755; BayObLG WuM 1989, 211; OLG Köln FamRZ 1995, 104. BGH NJW 2004, 779 = FamRZ 2004, 531 LS; BGH FamRZ 2004, 530.

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55 56 57

58

BGHZ 20, 188 = NJW 1956, 830. BGH RdL 1951, 139; OLG Hamburg DNotZ 1955, 660. BGHZ 48, 134; BGHZ 53, 152 für die ZPO; Komm zu ZPO § 546; BGH FamRZ 1991, 931; BayObLGZ 1987, 149. SchlHOLG SchlHA 1952, 159.

Lothar Briesemeister

Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

durch eine Abhilfeentscheidung zurückgenommen werden.59 Soweit keine Sonderbestimmung über eine Nichtzulassungsbeschwerde vorhanden ist, ist eine Beschwerde gegen die unterlassene Zulassung nicht gegeben.60 Eine zu Unrecht unterlassene Zulassung ist regelmäßig unabänderlich.61 Allenfalls kommt im Falle evident willkürlicher Nichtzulassung eine außerordentliche Beschwerde an die nächste Instanz oder eine Gegenvorstellung an den iudex a quo in Betracht, wenn sonst eine Verfassungsbeschwerde wegen Ungleichbehandlung drohen würde.62 Der Hinweis auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs reicht allein nicht, um die fehlende Zulassung zu ersetzen,63 ebenso wenig das Vorliegen von absoluten Rechtsbeschwerdegründen nach § 27 Abs 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit § 551 ZPO. Eine spätere Änderung der Rspr des BVerfG genügt gleichfalls nicht.64 Zulassung und Nichtzulassung bedürfen in den Fällen, in denen das Gesetz als einzi- 44 gen Zulassungsgrund nur die grundsätzliche Bedeutung kennt, keiner Begründung.65 Jedenfalls ist das Unterbleiben der Begründung auf die Anfechtbarkeit der Entscheidung ohne Einfluss.66 Wenn die Zulassung von den Beteiligten angeregt war, sollte die Nichtzulassung begründet werden. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist in das pflichtgemäße Ermessen des entscheidenden Gerichts gestellt (vgl § 546 ZPO). Mindestens sollte aber das Gericht die Zulassung aussprechen, wenn es von einer ihm bekannten Entscheidung eines Obergerichts abweicht oder wenn eine durch neue gesetzliche Vorschriften aufgetretene und im Schrifttum umstrittene Rechtsfrage obergerichtlich noch nicht geklärt ist, insbesondere, wenn die weitere Beschwerde nur durch Zulassung eröffnet werden kann. Wenn die Beteiligten auf abweichende Rechtsprechung hinweisen, kann sich das Ermessen des Gerichts auf Null reduzieren, so dass eine Zulassung geboten ist oder die Versagung sogar als Willkür anzusprechen ist, was im äußersten Fall zu einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde führen kann. 3. Bindung der nächsten Instanz Die Zulassung bindet grundsätzlich die nächste Instanz. Sie unterliegt regelmäßig 45 nicht deren Nachprüfung. Anders kann es sich verhalten, wenn die Zulassung der Beschwerde offensichtlich ermessensfehlerhaft entgegen dem Gesetz erfolgt ist.67 Andere Voraussetzungen für die Statthaftigkeit werden durch die Zulassung nicht ersetzt. Die Zulassung kann nicht einen Rechtsmittelzug eröffnen, der überhaupt nicht vorgesehen ist, und auch nicht die Beschwer ersetzen, falls diese nicht nur wahlweise neben der Zulassung (vgl § 56g Abs 5 Satz 1 im Gegensatz zu Satz 2 FGG) genannt ist.

59 60

61 62

BGH FamRZ 1990, 1228; BayObLGZ 1981, 264. BGH RdL 1963, 66 betr § 24 LwVG; BayObLGZ 1966, 428 zu § 132 AktG; KG Rpfleger 1972, 153; OLG Frankfurt JurBüro 1993, 545; OLG Hamm NJW-RR 1997, 795. KG DNotZ 1961, 217 zu § 156 KostO; BGH FamRZ 1990, 1228. BVerfG NJW-RR 2001, 860 bei erneuter Beschwerdeentscheidung unter nunmehriger Zulassung der weiteren Beschwerde in einer Notarkostensache; BGH NJW 2000, 590 = MDR 2000, 291 zu § 567 ZPO; BAG MDR

63 64 65 66 67

2000, 538; OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 143; OLG Brandenburg FamRZ 2000, 980 = BtPrax 2000,127; OLG Jena FGPrax 2000, 251. KG NJW 1966, 1365; BayObLG JurBüro 1991, 1108. OLG Hamburg MDR 2000, 1397 = JurBüro 2001, 34. KG DNotZ 1961, 217 zu § 156 KostO. KG aaO. BGH MDR 1959, 560; FamRZ 1979, 232; NJW 1981, 2360 = FamRZ 1981, 956; BayObLG JurBüro 1988, 1706.

Lothar Briesemeister

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Vor §§ 19–30

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

VIII. Beschwerdewert 1. Erfordernis

46

Teilweise ist die Zulässigkeit der Beschwerde nach den Gesetzen davon abhängig gemacht, dass eine bestimmte Beschwerdesumme erreicht wird, der Beschwerdeführer die geldwerte Verbesserung in einer festgelegten Mindesthöhe erstrebt. Die gesetzliche Formulierung ist zumeist so, dass eine bestimmte Summe überschritten sein muss, also etwa zu 100 EURO Beschwer noch mindestens 1 Cent hinzukommen muss. Beispiele: Mindestbeschwer über 100,00 EUR: FGG § 20a Abs 1 Satz 2, Abs 2 bei isolierter Kostenentscheidung; Mindestbeschwer über 150,00 EUR: FGG § 56g Abs 5 iVm §§ 1835 ff BGB (aber wahlweise auch Zulassung möglich); Mindestbeschwer über 200,00 EUR: KostO §§ 14 Abs 3 Satz 1, 31 Abs 3 Satz 1 (aber wahlweise auch Zulassung möglich); FGG § 13a Abs 3 iVm ZPO § 104 Abs 3 Satz 1 und ZPO § 567 Abs 2; RVG § 33 Abs 3; JVEG § 4 Abs 3; Mindestbeschwer über 600,00 EUR: HausratsVO § 14 Abs 3 iVm ZPO § 621e; Mindestbeschwer über 750 EUR: nach § 45 Abs 1 WEG für die erste und die weitere Beschwerde. 2. Verfahrensfragen zur Beschwerdesumme

47

Durch analoge Anwendung der Vorschriften, die eine Beschwerdesumme voraussetzen, dürfen andere Beschwerden nicht von einem Beschwerdewert abhängig gemacht werden, weil das Gericht nicht von sich aus Zulassungsschranken einführen darf.68 Die Beschwerdesumme muss zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels erreicht sein. War die Beschwer zu dieser Zeit geringer als die Beschwerdesumme, so bleibt das Rechtsmittel unzulässig, auch wenn der Beschwerdeführer seine Anträge in der Rechtsmittelinstanz erweitert.69 Überstieg die Beschwer bei der Rechtsmitteleinlegung die Beschwerdesumme, so bleibt das Rechtsmittel zulässig, auch wenn die Beschwer sich später unter die Beschwerdesumme vermindert. Nur darf das Herabsinken nicht auf einer willkürlichen Beschränkung durch den Beschwerdeführer beruhen.70 Im Falle der (ganzen oder teilweisen) Hauptsachenerledigung bleibt dem Beschwerdeführer die Beschränkung auf den Kostenpunkt. 48 Das Erreichen der Beschwer wird vom Beschwerdegericht von Amts wegen ermittelt (§ 12 FGG). Der Beschwerdeführer ist freilich gehalten, seinerseits ausreichende Angaben zu machen. Die Beschwer bemisst sich nach der Belastung bzw erstrebten Verbesserung des Beschwerdeführers, wird begrenzt durch den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens,71 muss aber nicht mit diesem identisch sein, kann also darunter liegen.72 Bei gleichgerichteten Beschwerden mehrerer Beschwerdeführer, auch wenn sie nur einfache Streitgenossen sind, erfolgt eine Zusammenrechnung der Beschwer.73 Zinsen und Kos-

68 69 70

BGH NJW 1985, 913 = Rpfleger 1985, 24 zu § 45 Abs 1 WEG aF. BayObLGZ 1959, 472. RGZ 168, 355; BGHZ 1, 29 zum Zivilprozess.

664

71 72 73

BayObLG WuM 1993, 494. BGHZ 119, 216 = NJW 1992, 3305 = ZMR 1993, 28. KG WuM 1993, 149; BayObLG WuM 1993, 765 = ZMR 1994, 34.

Lothar Briesemeister

Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

ten werden als Nebenforderungen nach dem Grundgedanken des § 4 ZPO nicht berücksichtigt.74 Sinkt die Beschwerdesumme nach einer Teilrücknahme des Rechtsmittels oder nach einer Teilabhilfe durch die Vorinstanz, kommt es nach bestrittener, aber überwiegender Meinung auf die verbliebene Beschwer an.75 Die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts über den für sein Rechtsmittel angenommenen Beschwerdewert sind für das Gericht der weiteren Beschwerde nicht bindend, da sie die Zulässigkeit der ersten Beschwerde betreffen.76 Bei einseitiger Erledigterklärung des Antragstellers und anschließender gerichtlicher Feststellung der Erledigterklärung ist für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlich das Übersteigen des Beschwerdewerts, der sich nur noch nach den in den Vorinstanzen bis zur Erledigterklärung entstandenen Kosten richtet.77

IX. Antrag auf gerichtliche Entscheidung Das FGG-Verfahren ist vielfach eröffnet zur Nachprüfung der Entscheidungen von 49 Verwaltungsbehörden durch die ordentlichen Gerichte. 1. Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen Vgl die Kommentierung zu Vor §§ 64–64b, Rn 38 ff sowie das in Band II als Anhang 50 II abgedruckte IntFamRVG. 2. Justizverwaltungsakte

– – – – –

Vgl hierzu die Kommentierung von Schreiber78 zu EGGVG §§ 23 ff. Keine Justizverwaltungsakte sind allerdings die Zurückweisung von Bevollmächtigten und Beiständen nach § 157 Abs 1 ZPO, die Untersagung weiteren Vortrags nach § 157 Abs 2 ZPO, Maßnahmen der Sitzungspolizei (§§ 176, 177 GVG), der Erlass eines Vorführungsbefehls (§ 5 Abs 1 FEVG), die Amtsenthebung eines Handelsrichters (§ 113 Abs 2 GVG)

51 52

3. Verwaltungsakte nach der KostO Verwaltungsakte im Bereich der Justizverwaltung bei Durchführung der Kostengesetze, 53 insbesondere bei Einforderung oder Rückzahlung von Kosten, können, soweit kein anderes Rechtsmittel bestimmt ist, durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden (KostÄndG v 26.7.1957, zuletzt geändert durch ZPO-RG v 27.7.01 Art XI § 1). Der Antrag kann nur darauf gestützt werden, dass der Verwaltungsakt den Antragsteller in seinen Rechten beeinträchtigt, weil er rechtswidrig ist. Zuständig ist das Amtsgericht,

74 75

BayObLG BayObLG WuM 1994, 573. BayObLGZ 1994, 374; OLG Hamm JurBüro 1982, 582; OLG Frankfurt Rpfleger 1988, 30; OLG Stuttgart JurBüro 1988, 1504; OLG Nürnberg FamRZ 1988, 1079; aM KG ZZP 72, 260 = Rpfleger 1962, 161; KG JurBüro 1991, 1521 mit abl Anm Meyer-Stolte

76 77 78

Rpfleger 1991, 409; Hansens JurBüro 1992, 75. KG NJW 1961, 1028. BayObLG ZMR 2002, 949 = JurBüro 2003, 94. In Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl (1995).

Lothar Briesemeister

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Vor §§ 19–30

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

in dessen Bezirk die für die Einziehung oder Befriedigung des Anspruchs zuständige Kasse ihren Sitz hat. § 14 Abs 3 bis 7 KostO ist entsprechend anwendbar. 4. Landwirtschaftssachen

54

In Landwirtschaftssachen (§ 1 Nr 1 und Nr 2 bis 6 LwVG) entscheiden in erster Instanz die Amtsgerichte als Landwirtschaftsgerichte, in zweiter Instanz die Oberlandesgerichte und in dritter Instanz der Bundesgerichtshof (§ 2 LwVG). Das FGG ist sinngemäß anzuwenden (§ 9 LwVG). Die Rechtsbeschwerde an den BGH bedarf idR der Zulassung (§ 24 LwVG), der Einlegung innerhalb einer Monatsfrist (§ 25 LwVG) sowie der Begründung (§ 26 LwVG) und unterliegt voll dem Anwaltszwang (§ 29 LwVG; anders als § 29 FGG). Auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten nach § 1 Nr 1a LwVG ist die ZPO anzuwenden (§ 48 LwVG); in diesen so genannten streitigen Landwirtschaftssachen muss die Revision beim BGH eingelegt werden; § 7 EGZPO findet keine Anwendung.79 Hat das Landgericht in einer Landwirtschaftssache nach § 1 Nr 1a LwVG durch Urteil entschieden, so hat über die dagegen eingelegte Berufung der zuständige Zivilsenat des OLG, nicht aber dessen Landwirtschaftssenat, zu entscheiden.80 Über ein Rechtsmittel gegen eine im FGG-Verfahren ergangene Entscheidung des 55 Landwirtschaftsgerichts in einer Landpachtsache iSv § 1 Nr 1a LwVG ist nach den Vorschriften der ZPO zu entscheiden.81 Streitigkeiten nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz sind nach § 9 LwVG nach dem FGG zu behandeln, mit dem Prinzip der Amtsermittlung.82 Eine Rechtsbeschwerde zum BGH nach § 65 S 2 LwAnpG ist unstatthaft, wenn das Kreisgericht nicht in seiner Funktion als Landwirtschaftsgericht (mit Zuziehung erstinstanzlicher Richter), sondern als erstinstanzliches Zivilgericht über eine Klage durch Urteil entschieden hat; dann konnte die beschwerte Partei nur Berufung zum Bezirksgericht einlegen, und zwar unabhängig davon, ob über behauptete Ansprüche nach dem LwAnpG entschieden worden ist.83 5. Personenstandssachen

56

Lehnt der Standesbeamte die Vornahme einer Amtshandlung ab, kann er auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Amtsgericht dazu angehalten werden (§ 45 Abs 1 PStG) Der Ablehnung steht es gleich, wenn der Standesbeamte in Zweifelsfällen von sich aus die Entscheidung des Amtsgerichts einholt, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist (§ 45 Abs 2 PStG). Nach § 47 PStG können die Beteiligten oder die Aufsichtsbehörde bei abgeschlossenen Eintragungen Antrag auf Berichtigung stellen. Auf das gerichtliche Verfahren ist das FGG anwendbar; Aufsichtsbehörden und Beteiligte können jederzeit beitreten, auch durch Einlegung eines Rechtsmittels (§ 48 PStG). Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist die sofortige Beschwerde gegeben (§ 49 PStG).

79 80 81

BGHZ 106, 124 = NJW 1989, 1221. BGH NJW-RR 1992, 1152 = MDR 1992, 610. BGHZ 115, 162 = NJW 1991, 3279; BGH LM § 48 LwVG Nr 5.

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82 83

BGHZ 120, 352 = NJW 1993, 857. BGH MDR 1992, 512.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 19–30

6. Verfahren nach BNotO, BRAO, PatAO a) Bundesnotarordnung Verwaltungsakte nach der BNotO oder einer auf deren Grundlage erlassenen Rechts- 57 verordnung oder Satzung der Notarkammern können mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden (§ 111 BNotO). Der Antrag muss binnen eines Monats nach Bekanntmachung gestellt werden und kann nur auf eine Rechtsverletzung gestützt werden. In erster Instanz entscheidet über den Antrag das OLG. Gegen dessen Entscheidung ist die sofortige Beschwerde an den Bundesgerichtshof gegeben. Entsprechend anzuwenden sind die §§ 37 ff BRAO, im Übrigen das FGG. b) Bundesrechtsanwaltsordnung Für Zulassungssachen, Nichtigkeitserklärung von Wahlen oder Beschlüssen des Vor- 58 stands, des Präsidiums oder der Kammerversammlung und sonstigen Verwaltungsakten nach der BRAO ist die Rechtsweg durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung eröffnet. Über ihn entscheidet der Anwaltsgerichtshof der Rechtsanwälte beim OLG (§§ 40, 101 BRAO). Das Verfahren richtet sich nach dem FGG. Sofortige Beschwerde an den BGH ist möglich. c) PatAO Für die vorgenannten Zulassungssachen, Nichtigkeitserklärung von Wahlen oder 59 Beschlüssen des Vorstands, des Präsidiums oder der Kammerversammlung und sonstigen Verwaltungsakten nach der Patentanwaltsordnung kann Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim OLG gestellt werden. In zweiter Instanz entscheidet der BGH (§ 38 Abs 5 PatAO.) 7. Eintragung in die Urheberrolle Gegen ablehnende Entscheidungen über die Eintragung in die Urheberrolle gemäß 60 § 66 Abs 2 S 2 UrhG kann der Antragsteller gerichtliche Entscheidung beantragen (§ 138 Abs 2 S 1 UrhG). Über den Antrag entscheidet das für den Sitz des Patentamts zuständige OLG durch einen mit Gründen versehenen Beschluss. Die Entscheidung ist endgültig. Für das gerichtliche Verfahren gilt das FGG, die Gerichtskosten richten sich nach der KostO, die Gebühren nach § 131 KostO.

Lothar Briesemeister

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§ 19

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§ 19 Beschwerde (1) Gegen die Verfügungen des Gerichts erster Instanz findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt. (2) Über die Beschwerde entscheidet das Landgericht. Unverändert seit 1898. Literatur Firsching Unzulässiger Vorbescheid im Erbscheinsverfahren? NJW 1955, 1540; Keidel Aus der Rechtsprechung zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit, JZ 1953, 303; Pentz Der Vorbescheid im Erbscheinsverfahren, MDR 1990, 586; Unger Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP Bd 36 (1906), 1 ff; Voßkuhle Bruch mit einem Dogma: Die Verfassung garantiert Rechtsschutz gegen den Richter, NJW 2003, 2193.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verrichtungen . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtliche Handlungen . . . . . . 3. Verfügung, Anordnung, Beschluss, Entscheidung . . . . . . . . . . . . III. Verfügung des Gerichts . . . . . . . . . IV. Fehlen einer beschwerdefähigen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Untätigkeit . . . . . . . . . . . . . . 2. Verrichtungen ohne Tätigwerden des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtliche Handlungen im Rahmen des inneren Dienstes . . . . . . . . . 4. Gerichtliche Handlungen, die den erstrebten Erfolg unmittelbar herbeiführen . . . . . . . . . . . . . 5. Meinungsäußerungen, Rechtsbelehrungen . . . . . . . . . . . . . 6. Ankündigungen . . . . . . . . . . . 7. Vorbescheide nach Entscheidungsreife . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einleitung des Verfahrens . . . . . . 9. Terminsbestimmung und Ladung . . V. Beschwerdefähige Verfügungen . . . . .

Rdn

1 3 4 5 6 7 VI. 10 11 12 13 VII. 14 15 16

VIII. IX.

17 18 19 20

X. XI. XII.

1. Endentscheidungen . . . . . . . . . 2. Zwischenverfügungen . . . . . . . . 3. Vorläufige Anordnungen . . . . . . 4. Einstweilige Anordnungen . . . . . . 5. Unanfechtbare Verfügungen . . . . . 6. Außerordentliche Beschwerde . . . . 7. Form der Verfügung . . . . . . . . . Statthaftigkeit der Beschwerde . . . . . 1. Erlass der Verfügung . . . . . . . . 2. Fortfall der Anfechtbarkeit . . . . . 3. Erledigung der Hauptsache . . . . . 4. Wirkungslose aufhebende Beschwerdeentscheidung . . . . . . . . . . . . 5. Nichtige Verfügungen . . . . . . . . 6. Dienstaufsichtsbeschwerde . . . . . Beschwerdegericht (Abs 2) . . . . . . . 1. Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichungen . . . . . . . . . . . . Verfügungen des Landgerichts in erster Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfügungen des Landgerichts als Beschwerdegericht . . . . . . . . . . . Verfügungen des Familiengerichts . . . Verfügungen des Rechtspflegers . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

21 22 24 26 27 28 29 30 30 31 32 36 38 39 41 41 42 46 47 48 50 52

I. Allgemeines 1

Während die Zivilprozessordung in § 567 Abs 1 ZPO nF nur die stets fristgebundene sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte kennt, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Enumerationsprinzip) oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernden Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen wird (beschränkte Generalklausel), wird in § 19 Abs 1 FGG durch eine

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Beschwerde

§ 19

allgemeine Formel (Generalklausel) ausgesprochen, welche Entscheidungen des Gerichts erster Instanz beschwerdefähig sind. Erst in § 22 Abs 1 erfolgt die Unterscheidung der fristgebundenen sofortigen Beschwerde von der sonst regelmäßig unbefristeten Beschwerde. Während ferner im Zivilprozess die sofortige Beschwerde als selbstständiges Rechts- 2 mittel neben die Berufung und die Revision tritt und nach der Absicht des Gesetzgebers der Anfechtung minder wichtiger Entscheidungen dient, ist im Verfahren der FG die Beschwerde das einzige Rechtsmittel gegen die Verfügungen des Gerichts erster Instanz. Sie steht also nicht nur an Stelle der Berufung, sondern hat auch die Aufgaben zu übernehmen, die im Zivilprozess die Beschwerde erfüllt. Daraus ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten für die Bestimmung der Beschwerdefähigkeit von Entschließungen, die der Endentscheidung vorausgehen. Die weitere Beschwerde nach § 27 FGG andererseits hat sowohl die Aufgaben der Revision (§ 545 ZPO) als auch die Aufgaben der nunmehr stets fristgebundenen Rechtsbeschwerde der Zivilprozessordnung (§ 574 Abs 2 ZPO) zu übernehmen. In § 19 ist die Statthaftigkeit der Beschwerde geregelt. Dabei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung. Das Rechtsmittel der Beschwerde stellt den Antrag dar, mit dem der Beschwerdeführer die Überprüfung (Änderung, Aufhebung) einer bestimmten Entscheidung der Vorinstanz durch die übergeordnete nächste Instanz begehrt. Das Beschwerdeverfahren ist also ein Antragsverfahren, wobei der Antrag auf einen Teil des Verfahrensgegenstandes beschränkt werden kann, sofern dieser abtrennbar ist und einen selbstständigen Verfahrensgegenstand bilden kann.

II. Verfügung Die Gerichte der FG erledigen die ihnen zugewiesenen Aufgaben nicht ausschließlich 3 durch den Erlass von Verfügungen. Das Gesetz kennt außerdem andere Formen der Wahrnehmung gerichtlicher Aufgaben, die von dem Erlass von Verfügungen abzugrenzen sind. 1. Verrichtungen Den Ausdruck Verrichtungen verwendet das Gesetz (vgl §§ 35, 43, 72, 149, 193, 195) 4 im weitesten Sinne, um die Gesamtheit der Aufgaben des Gerichts in einem bestimmten Zuständigkeitsbereich zu umschreiben. Er umfasst auch Vorgänge, bei denen das Gericht nicht selbst tätig wird, sondern eine Handlung ihm gegenüber vorgenommen, insbesondere eine Erklärung abgegeben wird (zB §§ 1491, 1945, 1955, 2202 Abs 2, 2226 BGB). 2. Gerichtliche Handlungen Gerichtliche Handlungen (§ 7) sind Verrichtungen, bei denen das Gericht tätig wird 5 (§ 4). Der Begriff ist also enger als der der Verrichtungen. Vorgänge, bei denen das Gericht ein nur passives Verhalten an den Tag legt, zB Empfangsstelle für Erklärungen und Mitteilungen ist, können darunter nicht verstanden werden. Es muss also eine Maßnahme tatsächlicher Art oder eine Willensbetätigung des Gerichts, eine Amtshandlung, vorliegen, die aber nicht stets eine Verfügung zu sein braucht. Dieselbe Bedeutung hat der Begriff der Maßregel (§§ 44, 74), worunter außer Verfügungen auch Handlungen rein tatsächlicher Art wie die Inverwahrungnahme einer Sache oder die Unterbringung eines Kindes zu verstehen sind.

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3. Verfügung, Anordnung, Beschluss, Entscheidung

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Verfügung, Anordnung, Beschluss, Entscheidung haben gemeinsam, dass sie verfahrensrechtliche Willenserklärungen des Gerichts sind. Zur Bezeichnung von Entschließungen des Gerichts verwendet das Gesetz am häufigsten das Wort „Verfügung“ (§§ 16 bis 22, 24, 29 Abs 2, 31 bis 33, 44a Abs 2, 51 bis 53a, 55, 55b Abs 2, 57, 60, 62, 76, 77, 80 bis 82, 85, 126, 127, 132, 133, 135, 136, 140, 141, 143 Abs 2, 144a Abs 3, 146, 148, 150, 157, 160, 160a, 164, jedoch stets nur für Entschließungen des Gerichts erster Instanz. In dem einzigen Fall, in dem von Verfügungen des Landgerichts gesprochen wird (§ 143 Abs 2), ist das Landgericht als Gericht erster Instanz zuständig (§ 143 Abs 1). Das Wort „Entscheidung“ wird vorzugsweise für die Bescheide des Beschwerdegerichts gebraucht, durch die es über die Beschwerde befindet (§§ 22 Abs 2, 24 Abs 3, 25, 26, 27, 29 Abs 2, 30 Abs 1), sowie für andere abschließende Bescheide oberer Gerichte (§§ 5 Abs 2, 46 Abs 2 Satz 2); demgemäß sind Verfügungen Gegenstand der Entscheidung des Beschwerdegerichts (§§ 24 Abs 3, 29 Abs 2). Vereinzelt finden sich auch Fälle, in denen Entschließungen der ersten Instanz als Entscheidungen bezeichnet werden (§§ 59 Abs 1 S 2, 166, 195), in vermehrtem Maße in den durch spätere Gesetzgebung geschaffenen Vorschriften (§ 20a FGG, § 50 PStG, § 14 HausratVO. „Beschluss“ ist die Form, in der über Bestätigungen entschieden (§ 96), ein Erbschein für kraftlos erklärt wird (§ 84), ein Zwangsgeld festgesetzt (§ 139) oder eine weitere Beschwerde dem Bundesgerichtshof vorgelegt wird (§ 28 Abs 2 S 2). Mitunter bezeichnet das Gesetz dieselbe Maßnahme an der einen Stelle als Beschluss, an der anderen als Verfügung (§ 1995 Abs 1 S 2 BGB gegen § 77 Abs 1 FGG) oder teils als Verfügung, teils als Entscheidung (§§ 49, 50 PStG). „Anordnungen“ kann sowohl das Gericht erster Instanz (§§ 13, 13a, 24 Abs 2, 36 Abs 1 S 241, 47, 53a Abs 3, 57 Abs 1 Nr 1, 3, 8, 76, 141 Abs 2 S 2, 154) als auch das Beschwerdegericht (§ 24 Abs 3) erlassen. Sie haben stets einen positiven, auf eine Veränderung gerichteten Inhalt, während eine Entschließung, durch die der Erlass einer Anordnung abgelehnt wir, als Verfügung bezeichnet wird (§ 57 Abs 1 Nr 1, 3, 8). Die Anordnung kann beim Gericht erster Instanz sowohl die auf Antrag oder von Amts wegen ergehende abschließende Sachentscheidung (Anordnung der Vormundschaft Nachlassverwaltung) als auch verfahrensleitende Maßnahmen (§ 13 ) zum Inhalt haben, während als Anordnungen der Beschwerdegerichte nur Maßnahmen in Betracht kommen, die vor der Endentscheidung oder neben ihr ergehen (§§ 24 Abs 3, 26 Satz 2). Verfügungen brauchen den Rechtszug nicht abzuschließen; sie können auch einen Abschnitt innerhalb des Rechtszuges abgrenzen (§ 132 Abs 2 FGG). Hieraus ergibt sich für den Sprachgebrauch des FGG a) Entscheidungen sind auf Antrag oder von Amts wegen ergehende sachliche Entschließungen positiven oder negativen Inhalts des Gerichts erster Instanz oder der Beschwerdegerichte, die den Rechtszug abschließen. b) Verfügungen sind auf Antrag oder von Amts wegen ergehende sachliche Entschließungen positiven oder negativen Inhalts nur des Gerichts erster Instanz, die entweder den Rechtszug abschließen oder der Endentscheidung vorausgehen. c) Beschlüsse sind beim Gericht erster Instanz Verfügungen in dem vorstehenden Sinne, die den Rechtszug abschließen, bei den Beschwerdegerichten verfahrensleitende Entschließungen. Auf Grund der Verweisungen in den §§ 14, 15 FGG auf die ZPO gibt es außerdem in allen Rechtszügen Nebenentscheidungen, die als Beschlüsse bezeichnet werden (vgl § 14 FGG mit § 127 ZPO, § 15 FGG mit § 380 Abs 3 ZPO). Der Umstand, dass Beschwerdeentscheidungen, häufig auch Verfügungen des Gerichts ers-

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ter Instanz, als Beschlüsse gekennzeichnet werden, um sie von Urteilen zu unterscheiden, beeinflusst nicht den hier klarzustellenden Sprachgebrauch des FGG. d) Anordnungen sind sachliche Entschließungen positiven Inhalts, die beim Gericht erster Instanz sowohl die abschließende Sachentscheidung als auch Nebenentscheidungen, bei den Beschwerdegerichten nur Nebenentscheidungen zum Gegenstand haben können. e) Urteile kennt das Verfahren der FG nicht. Diese Bezeichnung ist gerichtlichen Erkenntnissen vorbehalten, die nach grundsätzlich obligatorischer mündlicher Verhandlung in einem Verfahren mit Mündlichkeitsgrundsatz ergehen. Die auf Grund der Verweisung in § 15 FGG auf § 387 Abs 3 ZPO zu erlassende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung ergeht daher nicht durch Zwischenurteil, sondern durch Beschluss. f) Die weitere Beschwerde nach § 27 FGG darf korrekterweise eigentlich nicht mehr als Rechtsbeschwerde bezeichnet werden, weil das Gesetz diesen Begriff nunmehr der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO gewidmet hat, die zwar ebenfalls lediglich eine Rechtsprüfung (wie bei Urteilen die Revision) vorsieht, aber immer fristgebunden ist, und zwar an die Notfrist von einem Monat, während die weitere Beschwerde nach §§ 27 bis 29 FGG entweder unbefristet oder in einer Frist von zwei Wochen eingelegt werden kann.

III. Verfügung des Gerichts Es muss eine Verfügung des Gerichts, also des Richters des mit der Sache befassten 7 Gerichts erster Instanz, vorliegen. Ist beim Amtsgericht ein Spruchkörper gebildet (Landwirtschaftsgericht, § 2 Abs 2 LwVG), so sind dessen Entscheidungen solche des Gerichts erster Instanz im Sinne des § 19. Das gilt auch, soweit das Landwirtschaftsgericht ohne Hinzuziehung landwirtschaftlicher Beisitzer entscheidet (§ 20 LwVG); es findet also keine der Beschwerde vorausgehende Anrufung des vollbesetzten Spruchkörpers statt. Gegen Verfügungen des ersuchten Richters (§ 2 FGG, § 157 GVG) ist die Entscheidung des ersuchenden Gerichts einzuholen; erst gegen dessen Verfügung findet die Beschwerde nach § 19 statt. Entsprechendes gilt, soweit bei Kollegialgerichten ein beauftragter Richter (§ 15 FGG mit §§ 372 Abs 2, 375 ZPO, § 16 LwVG); erst gegen die Entscheidung des vollbesetzten Gerichts ist die Beschwerde gegeben. Sind nach Landesgesetz in bundesrechtlichen Angelegenheiten andere als gerichtliche Behörden zuständig, so sind diese im Sinne des § 19 erste Instanz und ihre Verfügungen sind mit der Beschwerde an das Landgericht anfechtbar (§ 194), soweit nicht auf Grund des landesrechtlichen Vorbehalts in § 195 in Vormundschafts- und Nachlasssachen zuvor die Entscheidung des Amtsgerichts nachzusuchen ist; in diesem Fall ist die Beschwerde nach § 19 erst gegen die Entscheidung des AG gegeben (§ 195 Abs 2). Über die Anfechtung der Verfügungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (UdG) 8 enthält das Gesetz keine Vorschriften. In Ausübung der ihm zur selbstständigen Erledigung übertragenen Verrichtungen handelt der UdG als Organ des Gerichts. Über Anträge gegen Entscheidungen des UdG entscheidet der Richter (§ 4 Abs 2 Nr 3 RPflG, § 573 ZPO). Erst gegen dessen Entscheidungen ist die Beschwerde nach § 19 gegeben.1 In § 29 1

KGJ 34 A 65; BayObLG JFG 1, 273; OLG Dresden JFG 3, 137.

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Abs 1 HRV, § 4 Abs 4 AVO GBO, § 30 SchiffsRegO (vgl auch § 1 GenRegVO) ist das besonders angeordnet. Nach § 36b RPflG2 werden die Landesregierungen bzw die Landesjustizverwaltungen ermächtigt, bestimmte Rechtspflegeraufgaben auf den UdG zu übertragen. Die Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen UdG regeln sich dann wie bei Maßnahmen des Rechtspflegers. Sonderregelungen in Grundbuchsachen sieht § 12c GBO vor. Die Anfechtung von Verfügungen des Rechtspflegers richtet sich nach § 11 RPflG. 9 Danach ist entweder das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist oder, falls ein solches Rechtsmittel nicht gegeben ist, die Erinnerung binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist. Im ersten Fall steht die Entscheidung des Rechtspflegers hinsichtlich der Rechtsmittel der des Richters gleich, im zweiten Fall entscheidet über die Erinnerung erst- und letztmals der Richter, wodurch die Garantien der Art 19 Abs 4 und Art 92 GG erfüllt werden.

IV. Fehlen einer beschwerdefähigen Entscheidung 10

Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ist die Kundgabe einer verfahrensrechtlichen Willenserklärung des Gerichts in der Absicht, dadurch einen autoritativen Akt mit den von den Verfahrensvorschriften einer Verfügung (Entscheidung, Anordnung, Beschluss) beigelegten Eigenschaften und Wirkungen zu schaffen. Wegen Fehlens einer Verfügung ist daher eine Beschwerde in folgenden Fällen nicht gegeben: 1. Untätigkeit

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Das Ausbleiben einer Verfügung kann nicht zur Nachprüfung durch das Beschwerdegericht gestellt werden. Bei einem rein passiven Verhalten des Gerichts fehlt es der Beschwerde an einem Gegenstand, gleichviel ob im Antragsverfahren über den gestellten Antrag nicht entschieden wird oder im Verfahren mit Offizialmaxime eine positive oder negative Verfügung unterbleibt. Der von der Untätigkeit nachteilig Betroffene ist regelmäßig auf Gegenvorstellungen (Sachstandsanfragen; Anregungen zum Tätigwerden, evtl. unter Hinweis auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde) und die Dienstaufsichtsbeschwerde angewiesen. Eröffnet das Gericht einem querulatorischen Gesuchsteller, dass es künftig unsachgemäße Eingaben nicht mehr bearbeiten werde, so ist dieser Bescheid, nicht das künftige Unterbleiben eines Bescheides eine beschwerdefähige Verfügung. Mitunter kann aber die Zurückweisung eines Antrags in seiner Nichtberücksichtigung bei der Bescheidung eines weiteren Antrags liegen.3 In Ausnahmefällen einer grob willkürlichen, verfahrensrechtlich unter keinem Gesichtspunkt vertretbaren Untätigkeit kommt derzeit nur eine Verfassungsbeschwerde in Betracht, nachdem die außerordentliche Beschwerde nach der ZPO-Reform 20024 und entsprechend auch für FGG-Verfahren5 ausgeschlossen wird.6 Die Untätigkeitsbeschwerde ist als außerordentlicher Rechtsbehelf auch dann nicht mehr statthaft, wenn der Verfahrensstillstand einer Rechtsverweigerung gleichkommt.7 Angemahnt hat das BVerfG8 allerdings eine gesetzliche Regelung dahin, dass 2 3 4 5

Gesetz v 16.6.2002 (BGBl I S 1810), Gesetz v 23.7.2002 (BGBl I S 2850). KG OLGR 40, 100. BGHZ 150, 133 = NJW 2002, 1577 = FamRZ 2003, 92 LS. BayObLG FGPrax 2003, 23 = NZM 2003, 246 = MDR 2003, 410.

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Wegen der Einzelheiten vgl vor § 19 Rn 31. BVerfG NJW 2000, 797 betr. überlange Dauer eines WEG-Verfahrens; OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 1290; OLG Hamm FamRZ 1998, 1606. BVerfG NJW 2003, 1924; dazu Voßkuhle NJW 2003, 2193.

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in diesen Fällen das zuletzt befasste Gericht im Wege der Selbstkorrektur tätig werden muss.9 Demgemäß müssen auf Gegenvorstellung die befassten Gerichte selbst zB in folgenden Fällen tätig werden, wenn Veranlassung zu der Annahme besteht, dass eine sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts zu einem der Rechtsverweigerung gleichkommenden Verfahrensstillstand führt,10 oder wenn das Landgericht eine seiner Rechtsauffassung entgegen stehende Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts kennt und trotzdem die weitere Beschwerde nicht zulässt, um eine etwaige Abänderung und Überprüfung seiner Entscheidung zu verhindern und dadurch gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot verstößt.11 Bei der Entscheidung über eine Untätigkeitsbeschwerde im Verfahren über das Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters kann das angerufene Gericht ausschließlich die Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts überprüfen und bei Begründetheit das erstinstanzliche Gericht nur anweisen, dem Verfahren Fortgang zu geben. Zu einer Abänderung einer erstinstanzlichen Entscheidung über das Umgangsrecht ist das Gericht dagegen nicht befugt.12 2. Verrichtungen, bei denen das Gericht nicht tätig wird Verrichtungen, bei denen das Gericht nicht tätig wird, sind keine Verfügungen. Mit 12 Rechtsmitteln nicht anfechtbar ist daher die Entgegennahme einer Erbschaftsausschlagung, wohl aber die Ablehnung der Annahme. 3. Gerichtliche Handlungen im inneren Dienst Gerichtliche Handlungen, die nur für den inneren Dienst bestimmt und deshalb keine 13 nach außen gerichtete verfahrensrechtliche Willenserklärung des Gerichts enthalten, sind keine Verfügungen im Sinne von § 19. Hierzu gehören Eintragungsverfügungen in Grundbuch-, Handels- und anderen Registersachen, da sie als Anweisung an den Urkundsbeamten lediglich einen inneren Vorgang des Gerichts und damit einen unselbstständigen Abschnitt innerhalb des Eintragungsverfahrens darstellen, welches erst mit der Vollendung der Eintragung abschließt und erst dadurch einen nach außen erheblichen Rechtsakt begründet.13 In Grundbuchsachen gilt dies auch dann, wenn die Eintragungsverfügung, obwohl dies gesetzlich nicht vorgesehen ist, oder die Absicht, die Eintragung vorzunehmen, den Beteiligten bekannt gemacht worden ist, mag dies auch zu dem ausgesprochenen Zweck geschehen sein, vor der Eintragung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts herbeizuführen.14 Das hat auch in anderen Registersachen zu gelten, da insoweit keine anderen Rechtsgrundsätze gelten. Lediglich um das Mitwirkungsrecht der Organe des Handels oder Handwerksstandes nach §§ 125, 126 FGG, § 23 HRV sicherzustellen, ist im handelsregistergerichtlichen Eintragungsverfahren eine Beschwerde dieser Organe zuzulassen gegen eine Verfügung, durch die der Antrag, die Anmeldung zurückzuweisen, abgelehnt wird.15 Der Rechtsanwaltskammer steht entsprechend § 126 FGG ein Beschwerderecht zu, wenn es um die Eintragung oder Löschung einer AnwaltsGmbH geht; denn die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer ist an diesem Verfahren zu beteiligen.16 Gleiches gilt für das Parnerschaftsregister und die entsprechenden Organe 9 10 11 12 13 14

AA OLG Bamberg FamRZ 2003, 1310. OLG Dresden FamRZ 2000, 1422. OLG Jena FGPrax 2000, 251. BVerfG NJW 2005, 2685 = FamRZ 2005, 1233 = FuR 2005, 373. OLG Hamm NJW 1963, 1554. KG HRR 1928 Nr 1875; OLG München JFG

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16, 147; OLG Oldenburg NdsRpfl 47, 20; aA Meikel/Böttcher GBO § 18 Rn 29; LG Lübeck NJW-RR 1995, 1420. KG JFG 23, 303; KG OLGZ 42, 193; Karlsruhe Rpfleger 1963, 204. BayObLGZ 1996, 188 = NJW 1996, 3217 = FGPrax 1996, 235 = GmbHR 1996, 922.

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des Berufsstandes (vgl 160b FGG). Gegen die Verfügung, durch welche die Anmeldung eines Vereins oder einer Satzungsänderung zur Eintragung in das Vereinsregister zurückgewiesen wird, findet nach § 160a FGG die sofortige Beschwerde statt, ebenso die Verfügung, durch die dem Verein die Rechtsfähigkeit nach § 73 BGB entzogen wird. 4. Gerichtliche Handlungen, die den erstrebten Erfolg unmittelbar herbeiführen

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Gerichtliche Handlungen, die den erstrebten Erfolg unmittelbar herbeiführen, mag dieser Erfolg rechtlicher oder tatsächlicher Art sein, sind mit der Beschwerde nach § 19 nicht anfechtbar. Hierzu gehört zB die Vernehmung von Zeugen, die vorgenommene Eröffnung des Testaments, die Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften im Gegensatz zu ihrer Anordnung oder Ablehnung. Gerichtliche Handlungen, die den an ihre Vornahme geknüpften rechtlichen Erfolg unmittelbar herbeiführen, sind auch Eintragungen und Löschungen im Handels-, Vereins-, Genossenschafts- und Güterrechtsregister; die Beschwerde mit dem Ziel der Löschung ist daher unzulässig.17 Zwar ist die Beschwerde nicht, wie in Grundbuchsachen durch § 71 Abs 2 Satz 1 GBO, also durch eine besondere Vorschrift ausgeschlossen. In den §§ 142, 143, 147, 159, 161 FGG hat das Gesetz aber ein besonderes Verfahren eingeführt und die Voraussetzungen geregelt, unter denen allein eine unrichtige Eintragung in den angeführten Registern beseitigt werden kann. Diese Vorschriften sind auch anzuwenden, wenn die Löschung nicht von Amts wegen in Aussicht genommen, sondern angeregt oder beantragt wird. Wird ein Antrag auf Einleitung des Verfahrens nach § 142 vom Registergericht abgelehnt, so ist dagegen die Beschwerde nach § 19 gegeben. Eine unmittelbar gegen die Eintragung gerichtete (unzulässige) Beschwerde ist regelmäßig als Anregung zur Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach § 143 durch das Landgericht als Gericht des ersten Rechtszuges zu deuten.18 Auch der erteilte Erbschein und die vollzogene Einziehung oder Kraftloserklärung (vgl § 84) sind keine Verfügungen im Sinne des § 19, sondern Ausführungshandlungen, die der Vollziehung der angeordneten Erteilung oder Einziehung dienen. Beschwerdefähige Verfügungen im Sinne des § 19 sind die Anordnungen über die Erteilung oder Einziehung; nach der Vollziehung der Erteilung oder Einziehung können diese Verfügungen wegen der besonderen Natur dieser Zeugnisse jedoch nur noch mit dem Ziel angefochten werden, die Einziehung des Erbscheins oder die Erteilung eines neuen inhaltsgleichen Erbscheins anzuordnen. 5. Meinungsäußerungen, Rechtsbelehrungen

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Die Äußerung von Rechtsauffassungen ebenso wie die Erteilung von Rechtsbelehrungen, ohne dass damit eine Willensäußerung des Richters in der Richtung verbunden ist, dass er die Feststellung oder Änderung der Sach- oder Rechtslage bewirken und in einem anhängigen Verfahren den Beteiligten gegenüber durchsetzen wolle, ist als bloße Meinungsäußerung, die keine Beschwer begründet, keine nach § 19 anfechtbare Verfügung.19 Daher sind Äußerungen, die ein Registerrichter auf Anfrage über ihm vorgelegte Urkundenentwürfe, über die Eintragungsfähigkeit eines Vorgangs oder über beizubringende Urkunden abgibt, ohne dass bereits ein Antrag auf Eintragung gestellt ist, eine unver-

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BayObLGZ 1956, 308; OLG Hamm DNotZ 1954, 92; OLGZ 1966, 598. KG JFG 5, 271. KG OLGZ 1965, 320 (Registergericht); OLG Hamburg OLGR 32, 413; BayObLGZ 33,

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334; BGH DNotZ 1963, 510 zu § 111 BNotO (Rechtsbelehrung); BGHZ 37, 396 (Meinungsäußerung des Vorstands der Anwaltskammer in Beschlussform).

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bindliche Meinungsäußerung in Verbindung mit einer Beratung, zu der keine Rechtspflicht besteht, und deshalb keine anfechtbare Verfügung.20 Dasselbe gilt, wenn das VormG bei der Führung der Vormundschaft den Vormund mit Rat und Empfehlungen unterstützt, die sich nicht als Gebote oder Verbote im Sinne des § 1837 BGB darstellen. Unerheblich ist es, ob der Richter seine Meinung über die Sach- und Rechtslage überhaupt nur unverbindlich äußern will oder ob ihm die Zuständigkeit dazu fehlt, seine Meinung gegenüber den Beteiligten Geltung zu verschaffen und er sich aus diesem Grunde auf eine bloße Meinungsäußerung beschränken muss. Bei der Abnahme der Rechnung des Vormunds (§§ 1843, 1892 BGB) steht dem VormG eine Entscheidungsbefugnis über die Richtigkeit von Rechnungsposten nicht zu; beschränkt es sich auf Vorstellungen und Erinnerungen, so ist dagegen eine Beschwerde nach § 19 nicht gegeben; anders wenn es dem Vormund unzulässigerweise Weisungen über die Aufnahme von Rechnungsposten erteilt.21 Belehrt das Nachlassgericht nach Entgegennahme einer Erbausschlagungserklärung den Einsender über deren offensichtliche Mängel, wie es einem nobile officium entspricht, ohne dass eine Amtspflicht dazu besteht, so ist diese Mitteilung keine beschwerdefähige Verfügung.22 6. Ankündigungen Stellungnahmen vor Eintritt der Entscheidungsreife sind keine Verfügungen. Die Be- 16 teiligten haben kein Recht darauf, dass das Gericht im Antragsverfahren vor Stellung des Antrags oder im Amtsverfahren vor Prüfung des Sachverhalts und Durchführung von Ermittlungen sich darüber äußert, wie es voraussichtlich entscheiden würde. Ein solcher Bescheid wäre ganz unverbindlich und enthielte keine wirksame Verfügung im Sinne des § 19; er könnte nur als Rat oder Empfehlung betrachtet werden.23 Daher ist in der FG, ebenso wie im Zivilprozess, gegen die auf Anfrage oder ohne eine solche abgegebene Erklärung des Gerichts darüber, ob einem etwaigen künftigen Antrage gewissen Inhalts stattgegeben werde oder ob er keine Aussicht auf Erfolg habe, die Beschwerde nicht zulässig.24 Es ist aber auch ein Verfahren nicht zu billigen, welches es zulässt, dass das Gericht an die Mitteilung einer Rechtsansicht die Eröffnung knüpft, es werde einen auf einer abweichenden Auffassung beruhenden, bereits angekündigten oder erwarteten Antrag ablehnen, und hierin eine beschwerdefähige Verfügung erblickt, weil damit bereits eine Entschließung über den in Aussicht gestellten Antrag geäußert werde.25 Abgesehen davon, dass es schon verfahrensökonomisch verfrüht ist, über einen noch nicht gestellten Antrag, der möglicherweise gar nicht gestellt wird und der jedenfalls noch nicht sorgfältig geprüft sein kann, bereits sachlich zu befinden, steht dem die verfahrensrechtliche Schranke entgegen, die in dem Antragserfordernis liegt und die es dem Gericht verbietet, ohne Antrag eine Sachentscheidung zu treffen, so wenig wie das Prozessgericht befugt ist, ohne Erhebung einer Klage zu entscheiden; ein ohne Klageerhebung gefälltes Urteil wird im Schrifttum als wirkungslos erachtet.26 Ferner kann, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist, den Beteiligten gegenüber das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewahrt sein. Dem Antragsteller kann es ohne weiteres zugemutet werden, den erforderlichen Antrag zu stellen, wenn er eine Sachentscheidung begehrt. Bei der Zurückweisung von Anträgen, zB eines Erbscheinsantrags, wird meistens aus den Gründen zu erkennen sein, 20 21 22 23 24

KGJ 25 A 247. BayObLG JFG 6, 104; KG JFG 19, 47. KGJ 35 A 58; aM BayOLGZ 5, 450. BayObLG 5,453; KG OLGZ 1966, 78, 80. Unger ZZP 36, 71.

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RGZ 137, 222; BayObLGZ 1963, 19, 24; Firsching NJW 1955, 1540. Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958, 152; Blomeyer ZPR § 81 III 2a.

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wie das Gericht die Erbfolge beurteilt und wie sie demgemäß in einem noch zu beantragenden Erbschein zu verlautbaren wäre. Dadurch erhalten die Beteiligten eine ausreichende Belehrung, nach der sie ihr weiteres Verhalten einrichten können. Gegen die Art der Begründung kann nach anerkannten Grundsätzen eine Beschwerde nicht gerichtet sein. Es geht daher auch nicht an, diesen Teil der Gründe dadurch zu einer beschwerdefähigen Verfügung zu machen, dass der Inhalt des Erbscheins, der auf einen noch zu stellenden Antrag erteilt werden würde, besonders herausgestellt wird. Verfügungen dieser Art können daher nur als unverbindlicher und nicht beschwerdefähiger Rat angesehen werden, einen bestimmten Antrag zu stellen oder nicht zu stellen. Auch im Amtsverfahren kann es nicht für zulässig erachtet werden, vor hinreichender Aufklärung des Sachverhalts und Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs verbindliche Bescheide zu erteilen. Im Übrigen würde durch ein solches Verfahren unter Verkürzung des Instanzenzuges die wesentliche Erörterung der Sach- und Rechtslage auf das Beschwerdegericht verlagert. 7. Vorbescheid nach Eintritt der Entscheidungsreife

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Nach Eintritt der Entscheidungsreife ist es in den von Amts wegen betriebenen Verfahren Amtspflicht des Gerichts, die für richtig und notwendig erachtete Verfügung zu erlassen und sie dem Beteiligten nicht nur anzukündigen mit dem Anheimgeben, darüber eine Entscheidung des Beschwerdegerichts herbeizuführen.27 Im Antragsverfahren liegt eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs vor, die durch bloße Zweckmäßigkeitserwägungen nicht gerechtfertigt werden kann, wenn das Gericht, obwohl es einen Antrag für begründet erachtet, nicht die gebotene Verfügung erlässt, sondern dem Gegner anheimgibt, über die in Aussicht gestellte Verfügung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts herbeizuführen.28 Die Unzulässigkeit eines derartigen Verfahrens ist überwiegend anerkannt für das Grundbuchverfahren.29 Mit Rücksicht auf die Wirkungen des Erbscheins (und des Testamentsvollstreckerzeugnisses30) hat es der BGH in besonders begründeten Ausnahmefällen für vertretbar gehalten, dass das NachlG die Ankündigung erlässt, es werde den beantragten Erbschein erteilen, wenn gegen diese Verfügung nicht binnen bestimmter Frist Beschwerde eingelegt werde.31 Die Zulässigkeit derartiger Verfügungen ist auf das Erbscheinsverfahren zu beschränken. Eine solche Verfügung ist nach § 19 beschwerdefähig, ggf auch ohne Fristsetzung.32 Bestand zum Erlass des Vorbescheids kein hinreichender Anlass, so ist die Verfügung als unzulässig aufzuheben; anderenfalls ist in eine sachliche Prüfung der Beschwerde einzutreten. Zulässig ist nur die Ankündigung eines bestimmten, inhaltlich genau bezeichneten Erbscheins. Das Vorliegen dieser Ausnahmevoraussetzungen beurteilt das NachlG nach seinem Ermessen.33 Auch 27 28 29

So bereits KGJ 51, 36, 41 = RJA 16, 163, 166. KG NJW 1955, 1072. OLG Hamm JMBlNRW 1961, 275; OLG Rpfleger 1978, 306; OLG Stuttgart Justiz 1990, 299; OLG Köln NJW-RR 1991, 1412; OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 192; BayObLGZ 1993, 52 = DNotZ 1993, 599; BayObLGZ 1994, 199 = NJW-RR 1994, 1429 = DNotZ 1995, 72; BayObLG FGPrax 1998, 146; OLG Zweibrücken FGPrax 1997, 127 = Rpfleger 1997,428; Demharter,GBO 22. Aufl, § 71 Rn 18; KEHE/Kuntze, GBR

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5. Aufl, § 71 Rn 60; Pentz MDR 1990, 586; aM von Schuckmann, Beiträge zum Familienrecht und zur FG, 1982, 60 f; Eickmann 10. Kap § 2 I; Firsching NJW 1955, 1540; Meikel/Böttcher GBO § 18 Rn 29; Minkus Rpfleger 1990, 251. BayObLG FamRZ 1991, 111. BGHZ 20, 256; auch BayObLGZ 1965, 88; dagegen Bärmann § 19 II 1c („gesetzwidriger Trick“). KG OLGZ 1991, 144. BayObLG FamRZ 1991, 494.

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der Vorbescheid setzt also ein durch vollständige Ermittlungen entscheidungsreifes Verfahren voraus,34 in dem von den Beteiligten gegensätzliche Erbscheinsanträge gestellt wurden, ggf. auch erst nach Beschwerde,35 darunter ein dem angekündigten Erbschein entsprechender, zu erwartender Antrag.36 Verfahrensrechtlich liegt aber nur eine Zwischenentscheidung, keine abschließende Entscheidung vor, so dass abweichende Anträge damit noch nicht abgewiesen sind. Unzulässig ist es, eine beabsichtigte Abweisung des Antrags durch Vorbescheid nur anzukündigen.37 Eine in einem Vorbescheid angekündigte Abweisung von Anträgen kann nicht Gegenstand einer inhaltlichen gerichtlichen Überprüfung sein.38 Mit Erlass eines Erbscheins wird ein gegen den Vorbescheid gerichtetes Beschwerdeverfahren gegenstandslos; dies gilt auch, wenn der erteilte Erbschein nicht dem angekündigten Erbschein entspricht. Nach Erteilung eines Erbscheins kann das Beschwerdeverfahren gegen den Vorbescheid von den Beteiligten mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins und der Erteilung eines anderen Erbscheins fortgeführt werden.39 Jedoch kann das NachlG bei widersprechenden Anträgen statt Erteilung durch eine Ablehnung des für unbegründet erachteten Antrags eine beschwerdefähige Entscheidung herbeiführen, ggf. auch neben einem Vorbescheid.40 Materielle Rechtskraft kennt das Erbscheinsverfahren ohnehin nicht.41 8. Einleitung des Verfahrens Die Einleitung eines von Amts wegen oder auf Antrag zu betreibenden Verfahrens, 18 wenn sie überhaupt, was nicht erforderlich ist, besonders verfügt werden sollte, ist keine nach § 19 beschwerdefähige Verfügung. Niemand kann von vornherein dagegen geschützt werden, überhaupt in ein gerichtliches Verfahren hineingezogen zu werden. Rechtsstaatliche Grundsätze gebieten es allein, dass er in dem Verfahren hinreichend Gelegenheit hat, seine Rechte wahrzunehmen. Nicht anfechtbar ist daher die Einleitung eines Verfahrens vor dem FamG nach § 1666 BGB. Auch im Amtsverfahren ist es mit Rücksicht auf die notwendige Wahrung des rechtlichen Gehörs geboten, dass das Gericht dem Betroffenen mitteilt, welche Maßnahmen es erwägt und ihm die Gründe hierfür bekannt gibt. Eine solche Mitteilung ermöglicht dem Betroffenen, seine Einwendungen vorzubringen, damit das Gericht ihnen bei der Entscheidung Rechnung tragen kann. In der Mitteilung liegt noch keine mit der Sachbeschwerde anfechtbare Entschließung des Gerichts. Eine andere Bedeutung kann bei ordnungsmäßigem Verfahren auch nicht die Ankündigung des VormG an den Vormund haben, es beabsichtige, ihn zu entlassen. Diese Ankündigung („Androhung“) ist daher nicht beschwerdefähig.42 Wenn allerdings das VormG dem Vormund Weisungen nach § 1837 Abs1 BGB erteilt und ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Entlassung androht, so ist die Weisung, zB über die mündelsichere Anlegung des Mündelvermögens, eine beschwerdefähige Verfügung,43 nicht aber die in Aussicht gestellte Entlassung. Ferner liegt nicht nur eine Ankündigung, sondern eine anfechtbare Änderung der Rechtslage vor, wenn as VormG eine angeordnete Pflegschaft durch eine

34 35 36 37

38

Köln FamRZ 1991, 1356; BayObLGZ 1994, 73. BayObLGZ 1994, 73. BayObLGZ 1963, 20; aM OLG Hamm OLGZ 1970, 117. OLG Hamm NJW 1994, 1827; KG Rpfleger 1974, 398; OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 906. OLG Stuttgart FGPrax 2005, 221 = BWNotZ

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40 41 42 43

2005, 92 = Rpfleger 2005, 431 m Anm Horsch. OLG Stuttgart FGPrax 2005, 221 = BWNotZ 2005, 92 = Rpfleger 2005, 431 m Anm Horsch. BayObLG NJW-RR 1991, 1287. KG FamRZ 2000, 577. KGJ 44, 34; aM: KG OLGR 40, 8. KG OLGZ 1966, 610; OLGZ 1967, 255.

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spätere Verfügung befristet.44 In einigen Antragsverfahren hat die „Einleitung“ des Verfahrens die Bedeutung einer Zulassung des Antrags nach Abschluss einer gewissen Vorprüfung. In diesem Fall ist die Beschwerde nach § 19 gegeben, zB gegen die Einleitung des Verfahrens zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung (§ 87) und gegen den Erlass des Aufgebots im Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung.45 9. Terminsanberaumung, Ladung

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Terminsanberaumung und Ladung sind keine anfechtbaren Verfügungen, weil sie noch keine sachliche Entschließung des Gerichts über die zu verhandelnde Angelegenheit enthalten, sondern dem Gericht die Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen erst ermöglichen sollen. Dasselbe gilt für die Aufhebung und Verlegung von Terminen, sofern darin nicht zugleich eine Aussetzung des Verfahrens liegt. Diese Maßnahmen sind aus denselben Gründen wie Beweisanordnungen der Anfechtung entzogen, sofern nicht nach der besonderen Art des Verfahrens in der Ladung die anfechtbare Zulassung eines Antrags liegt (§ 87). Führt allerdings die Terminsanberaumung zu einer gerichtlichen Handlung, die nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, wie die Testamentseröffnung, so ist die Beschwerde zuzulassen, wenn geltend gemacht wird, dass die Voraussetzungen für die Eröffnung nicht vorlägen. Die Ablehnung einer Ladung ist anfechtbar, wenn sie mit der Behauptung, Beteiligter zu sein, nachgesucht worden war. Die Ablehnung der Terminsanberaumung ist beschwerdefähig, wenn die Handlung, wie die Testamentseröffnung, die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (§§ 79, 163) oder die Verhandlung über den Auseinandersetzungsplan (§§ 89, 91 Abs 3) nur in einem Termin vorgenommen werden kann oder wenn bestimmt ist, dass das Gericht auf Antrag eines Beteiligten mündliche Verhandlung anzuordnen hat (§ 15 Abs 1 LwVG). Die Anordnung des persönlichen Erscheinens ist im Hinblick auf die Rechtsfolge des § 13 Satz 2 beschwerdefähig.

V. Beschwerdefähige Verfügungen 20

Verfügungen im Sinne des § 19 sind ohne Rücksicht auf ihre Benennung (Verfügung, Entscheidung, Anordnung, Beschluss) verfahrensrechtliche Willenserklärungen des Richters, die auf eine Feststellung oder Änderung der Sach- oder Rechtslage abzielen oder eine solche Feststellung oder Änderung ablehnen. Der Gegenstand der Verfügung kann sachlichrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art sein. Hiernach sind Verfügungen: 1. Endentscheidungen

21

Endentscheidungen sind Verfügungen, durch die über den Gegenstand des Verfahrens in einer den Rechtszug abschließenden Weise entschieden wird, indem im Amtsverfahren der Erlass einer Maßnahme angeordnet oder abgelehnt oder im Antragsverfahren dem Antrage stattgegeben oder der Antrag als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird. Teilentscheidungen stehen hinsichtlich der Anfechtbarkeit der Endentscheidung gleich und können ergehen, wenn der Verfahrensgegenstand teilbar ist oder wenn mehrere Ansprüche erhoben werden.46 Dasselbe gilt für Zwischenentscheidungen, in denen über 44 45

OLG Hamm OLGZ 1966, 585. BGHZ 16, 177; OLG Braunschweig NJW 1952, 352; OLG Schleswig SchlHA 1955, 133.

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BGH NJW 1958, 1540.

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eine Vorfrage entschieden wird und die einen präjudiziellen Punkt der Endentscheidung vorwegnehmen, zB über die Wirksamkeit einer Testamentsanfechtung oder über die örtliche Zuständigkeit47, sowie für Beschlüsse, welche die Unwirksamkeit einer Erbausschlagung feststellen, wenn nach Landesrecht das NachlG die Erben von Amts wegen zu ermitteln hat.48 Anfechtbare Verfügungen sind auch solche, die im Rahmen oder im Zusammenhang oder aus Anlass eines anhängigen Verfahrens ergehen und sich als selbstständige Entschließungen darstellen, wie innerhalb einer anhängigen Vormundschaft (Pflegschaft) die Erteilung oder Versagung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen,49 der Erlass von Weisungen an den Vormund nach § 1837 Abs 1 BGB,50 ferner die Androhung von Ordnungsmitteln nach § 33 und die Ablehnung der Androhung,51 im Testamentseröffnungsverfahren der Ausschluss eines Teils des gemeinschaftlichen Testaments von der Verkündung (§ 2273 BGB)52 und die Ablehnung des Antrags, Benachrichtigungen nach § 2262 BGB zu unterlassen.53 Selbstständig anfechtbar ist auch die Versagung von Akteneinsicht (§ 34) oder der Einsicht in das Handelsregister.54 2. Zwischenverfügungen a) Begriff Dagegen unterliegt die Anordnung von Ermittlungen oder Beweiserhebungen (§§ 12, 22 15), gleichgültig ob ein besonderer Beweisbeschluss ergeht oder das Gericht unmittelbar die zur Erhebung der Beweise erforderlichen Verfügungen trifft, nicht der Beschwerde, da Rechte der Beteiligten dadurch nicht berührt werden und es nicht angebracht ist, den Gang des Verfahrens bei der Beschaffung von Entscheidungsgrundlagen durch Beschwerden der Beteiligten zu stören;55 das gilt auch für die Ablehnung von Beweiserhebungen.56 Auf die Art des Beweismittels oder der Beweistatsache kommt es hierbei nicht an; unanfechtbar ist mithin auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Geisteszustand eines Beteiligten, da er sich einer Untersuchung grundsätzlich nur mit seiner Einwilligung zu unterziehen braucht.57 Die Anordnung einer Begutachtung durch einen Sachverständigen zur Vorbereitung der Genehmigung einer Unterbringung im Betreuungsverfahren stellt keine mit der Beschwerde anfechtbare Zwischenentscheidung dar.58 Es reicht demnach nicht aus, wenn das Amtsgericht in einer Wohnungseigentumssache einen Beweisbeschluss erlässt, wonach ein Sachverständigengutachten über die Prozessfähigkeit des Antragstellers eingeholt werden soll und die Ärztekammer um Vorschlag eines geeigneten Sachverständigen gebeten wird, weil darin noch kein erheblicher Eingriff in die Rechte des Betroffenen liegt, der diese Zwischenentscheidung ausnahmsweise anfechtbar machen würde.59 Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz aber, wenn die Beweiserhebung für den betroffenen Beteiligten einen bleibenden rechtlichen Nachteil bringt, der nicht mehr oder doch nicht vollständig behoben werden kann, und

47 48

49 50 51 52 53 54

BayObLGZ 1962, 11. BayObLGZ 18 B 123; 19, 322; 1968, 68 = Rpfleger 1968, 186; anders nach Bundesrecht, KG KGJ 35 A 58. KG OLGZ 1965, 375. KG OLGZ 1966, 610; 1967, 225. KG OLGZ 1966, 352; OLG Karlsruhe OLGZ 1967, 204. KGJ 35 A 103. OLG Düsseldorf OLGZ 1966, 64. KG HRR 1932 Nr 2281.

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KG OLGZ 1956, 185. Schleswig SchlHA 1966, 152 = NJW RzW 1966, 313. BayObLG FamRZ 1987, 966; KG OLGZ 1991, 406; KGReport 2001, 12; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 1993, 70 = FamRZ 1993, 442. BayObLG FamRZ 2005, 390 LS. OLG Düsseldorf NJW 2005, 3731 = NZM 2005, 953 nach erfolgloser Vorlage an den BGH, vgl NZM 2005, 629 und 952.

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die Durchführung mit Zwangsmitteln erzwungen werden soll.60 Das gilt auch, wenn nicht das AG, sondern im Rahmen des Erstbeschwerdeverfahrens das LG die Zwischenentscheidung getroffen hat, wobei dann § 19 FGG anwendbar ist.61 In diesem Fall handelt es sich nicht um eine weitere Beschwerde nach § 27 FGG, sondern um eine Erstbeschwerde, so dass die Entscheidung der Nachprüfung nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht unterliegt. Nach geltender Rechtslage kann das VormG im Verfahren auf Bestellung eines Betreuers anordnen, dass der Betroffene zur Vorbereitung eines Gutachtens untersucht und durch die zuständige Behörde zur Untersuchung vorgeführt wird (§ 68b Abs 3 Satz 1 FGG). Kommt der Betroffene nach Anordnung der Begutachtung einer Aufforderung zur Untersuchung nicht nach, so muss er mit dem Erlass einer solchen Anordnung, die nach § 68b Abs 3 Satz 2 FGG nicht anfechtbar ist, rechnen. Über die Weigerung, nach § 372a ZPO ärztliche Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung zu dulden, wird nach § 15 FGG, §§ 372a Abs 2, 386 bis 390 durch Beschluss entschieden, gegen den die sofortige Beschwerde stattfindet. b) Anfechtbarkeit der Zwischenverfügung

23

Das Rechtsmittel gegen anfechtbare Zwischenverfügungen ist, wenn seine Befristung nicht besonders angeordnet ist, stets die unbefristete Beschwerde, auch wenn gegen die Endentscheidung die sofortige Beschwerde stattfindet.62 Werden in der Zwischenverfügung mehrere Beanstandungen erhoben, die jede für sich die Zurückweisung des Antrags rechtfertigen würde, so kann jede Beanstandung selbstständig angefochten werden.63 Mit der Beschwerde kann auch eine Verlängerung der zur Behebung eines Hindernisses gesetzten Frist erstrebt werden. Der Ablauf einer gesetzten Frist steht der Beschwerde nicht entgegen. Die Beschwerde ist aber nur statthaft, solange die Endentscheidung noch nicht vorliegt, und sie wird gegenstandslos, wenn nach Einlegung der Beschwerde die Endentscheidung erlassen wird, da die Zwischenverfügung durch den Erlass der Endentscheidung überholt wird und die Nachprüfung der Zwischenentscheidung, soweit sie noch von Bedeutung ist, im Beschwerdeverfahren über die Hauptsache stattfindet. Die Aufhebung der Zwischenverfügung würde auf den Bestand der inzwischen erlassenen Entscheidung der Hauptsache keinen Einfluss haben, deren Anfechtung mit Rechtsmitteln also nicht erübrigen.64 Wenn aber die Zwischenverfügung vom Landgericht auf Beschwerde bestätigt worden war und das Gericht erster Instanz nunmehr den Antrag zurückweist oder von dem Standpunkt der Rechtmäßigkeit der Zwischenverfügung aus eine abschließende Sachentscheidung trifft, die der Änderungsbefugnis nach § 18 Abs 1 unterliegt, bleibt die weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts zulässig, auch wenn gegen den zurückweisenden Beschluss die erste Beschwerde eingelegt wird.65 Denn das Amtsgericht kann den zurückweisenden Beschluss nicht ändern, weil es an die Entscheidung des Landgerichts gebunden ist, und das Landgericht ist an seine Vorentscheidung ebenfalls gebunden, so dass die erste Beschwerde gegen den zurückweisenden Beschluss erfolglos bleiben müsste. Hat die weitere Beschwerde Erfolg, so ist das Amtsgericht anzuweisen, den zurückweisenden Beschluss aufzuheben. Die weitere Beschwerde ist aber unzulässig, wenn das Amtsgericht den Antrag nicht oder nicht nur aus

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61

BayObLG NJW 1967, 685; OLG Stuttgart OLGZ 1975, 132; OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 109; KG KGReport 2001, 12. OLG Zweibrücken OLGZ 1983, 163; KG KGReport 1997, 201 = FGPrax 1997, 198; KG KGReport 2001, 12.

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BGHZ 25, 166; BGHZ 39, 162, 168; BayObLGZ 1966, 328; KG OLGZ 1965, 233. KG JFG 8, 236. KG JW 1936, 2933. BayObLGZ 1952, 264; KG OLGZ 1965, 93.

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Beschwerde

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den Gründen der angefochtenen Zwischenverfügung zurückgewiesen hat. In diesem Fall ist die Zwischenverfügung gegenstandslos geworden.66 Der Beschwerde gegen die Endentscheidung steht es nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer eine auf denselben Grund gestützte Zwischenverfügung nicht angefochten hatte. Auch im Verfahren nach der HausratVO, dem FEVG und dem WEG sind Zwischenverfügungen, sofern sie überhaupt der Anfechtung unterliegen mit der unbefristeten Beschwerde anfechtbar und nicht etwa unanfechtbar. Denn die Bedeutung der §§ 14 HausratsVO, 7 FEVG, 45 Abs 1 WEG besteht darin, das Rechtsmittel gegen Endentscheidungen zu befristen, nicht aber darin, Rechtsmittel gegen Verfügungen anderer Art auszuschließen.67 Auch in Landwirtschaftssachen findet neben der sofortigen Beschwerde gegen in der Hauptsache erlassene Beschlüsse des AG in einer Reihe von Fällen die unbefristete Beschwerde statt. Gegen die (positive oder negative) Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand findet kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung die sofortige Beschwerde statt (§ 22 Abs 2 Satz 3). 3. Vorläufige Anordnungen In Vormundschafts- und selbstständigen Familiensachen ist das Gericht befugt, vor- 24 läufige Anordnungen zu treffen, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht ausreicht und eine Wahrscheinlichkeit für eine Endentscheidung im Sinne der vorläufigen Anordnung besteht.68 Zu nennen sind Fälle der elterlichen Sorge (§§ 1666, 1666a, 1671, 1672, 1693, 1696), der Kindesherausgabe und Verbleibensanordnung (§§ 1632 BGB), des Umgangs des Kindes mit den Eltern und anderen Bezugspersonen (§§ 1684, 1685 BGB) und des gerichtlichen Einschreitens anstatt des Vormunds (§ 1846 BGB). Das Verfahren der vorläufigen Anordnung ist kein selbstständiges Verfahren neben der Hauptsache, sondern gehört immer zu dem Hauptsacheverfahren. Bei einem Antragsverfahren muss deshalb die Hauptsache anhängig sein oder zugleich anhängig gemacht werden und auch die Zuständigkeit des Gerichts gegeben sein. Der Verfahrensantrag im Hauptverfahren muss vorliegen, ein bloßer Prozesskostenhilfeantrag reicht nicht, wenn damit nicht auch zugleich die Hauptsache eingeleitet werden soll. In einem Amtsverfahren muss dieses unverzüglich zugleich mit der einstweiligen Anordnung eingeleitet werden. Die vorläufige Anordnung setzt keinen speziellen Antrag voraus. Zuständig ist grundsätzlich das Gericht der betreffenden Instanz. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass das VormG in dringenden Fällen eine vorläufige Anordnung erlässt, obwohl schon die Beschwerde eingereicht ist. Die Dringlichkeit muss glaubhaft sein, ebenso die Voraussetzungen für einen Erlass der entsprechenden Hauptsacheentscheidung. Im Rahmen des Gegenstandes des Hauptsacheverfahrens trifft der Richter oder 25 Rechtspfleger nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen. Im Verfahren vor dem Nachlassgericht ist eine vorläufige Amtsenthebung des Testamentsvollstreckers nicht zulässig,69 auch nicht die Einziehung eines Erbscheins auf Grund einer vorläufigen Anordnung,70 vorbehaltlich einstweiliger Sicherungsmaßregeln nach § 24 Abs 2 und 3.

66 67 68

KGJ 43, 141. KG OLGZ 1966, 357. BGH FamRZ 1978, 886; BayObLG NJW-RR 1994, 617; OLG Hamm OLGZ 1972, 382.

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KG JFG 3. 172. BGHZ 40, 54 = LM § 2361 BGB Nr 4 m Anm Piepenbrock.

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4. Einstweilige Anordnungen

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Einstweilige Anordnungen kann das Gericht erster Instanz in echten Streitsachen nach § 53a Abs 3 FGG, § 44 Abs 3 WEG und § 13 HausratsVO erlassen. Diese Vorschriften sollen es dem Gericht ermöglichen, für die Dauer des Verfahrens einen gesicherten rechtlich geordneten Zustand zu schaffen und dafür zu sorgen, dass durch eine Veränderung der Sachlage nicht der Endentscheidung vorgegriffen wird. Der das Verfahren einleitende Antrag muss gestellt sein. Ein Prozesskostenhilfegesuch genügt nicht. Die Anordnung selbst bedarf keines Antrags. Diese Anordnungen sind wegen ihres genannten beschränkten Zweckes nicht selbstständig anfechtbar. Anders verhält es sich bei § 13 Abs 4 HausratsVO.71 Soweit die Beschwerde ausgeschlossen ist, gilt das auch für die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung. Das Gericht erster Instanz ist aber zur Änderung befugt (§ 18). Unanfechtbar sind auch nach Einlegung einer Beschwerde die einstweiligen Anordnungen nach § 24 Abs 2 und 3. Im Landwirtschaftsverfahren sind vorläufige Anordnungen des Amtsgerichts und ihre Ablehnung nach § 18 Abs 2 LwVG mit der einfachen Beschwerde anfechtbar, solche des OLG unanfechtbar (§ 24 Abs 3 LwVG). Im Freiheitsentziehungsverfahren ist die Anordnung der einstweiligen Freiheitsentziehung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (§§ 11, 7 FEVG). Einstweilige Anordnungen werden mit dem Wirksamwerden der endgültigen Entscheidung hinfällig, ohne dass es einer förmlichen Aufhebung bedarf. 5. Unanfechtbare Verfügungen

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In einer Reihe von Fällen sind Verfügungen in Abweichung von § 19 Abs 1 gesetzlich für unanfechtbar erklärt, so in §§ 5 Abs 2, 20a Abs 1, 44a Abs 2, 46 Abs 2 S 2, 47 Abs 2, 75 S 2, 84, 132 Abs 2, 146 Abs 3, 148 Abs 2 S 2164 Abs 2 FGG, § 33 VerschG. Unanfechtbar sind auch Abgabeverfügungen, die das Gesetz für bindend erklärt (§§ 36 Abs 2 S 2, 73 Abs 2 S 2 FGG, § 11 Abs 2 HausratsO, § 15b VerschG. Überwiegend unterliegen diese Verfügungen aber der Änderungsbefugnis des Gerichts nach § 18 Abs 1. 6. Außerordentliche Beschwerde

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Nachdem für den Bereich der ZPO durch § 321a ZPO ein besonderer Rechtsbehelf gegen rechtskräftige Urteile bei Verletzung des rechtlichen Gehörs eingeführt worden ist, bei Beschlüssen aber vom Gesetzgeber nicht, ist die außerordentliche Beschwerde im Allgemeinen nicht mehr als zulässig anzusehen.72 Auch die Behauptung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) ist also nicht (mehr) geeignet, einen gesetzlich verschlossenen weiteren Rechtsmittelzug zu eröffnen oder gar die Nichtigkeit der Entscheidung zu begründen.73 Wegen der Verletzung eines Verfassungsgrundrechts hat jedoch das erlassende Gericht auf Gegenvorstellung im Wege der Selbstkorrektur bei offenkundigen Verstößen Abhilfe zu schaffen; notfalls muss der Weg der Verfassungsbeschwerde beschritten werden.74 Soweit jedoch Entscheidungen der Anfechtung entzogen sind, weil es sich um Ermessenfragen handelt, für deren Nachprüfung im Rechtsmittel-

71

72

OLG Naumburg FamRZ 1994, 389; OLG Rostock FamRZ 1995, 558; OLG Köln FamRZ 1997, 1345. BGH, 7.3.2002, IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577 m Anm Lipp S 1700; im Gegensatz zu früher: vgl BGHZ 21, 142; 28, 349.

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73 74

BayVGH Rpfleger 1964, 12; vgl auch BGH NJW 2002, 765. BGH NJW 2002, 1577; OLG Celle NJW 2002, 3715.

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Beschwerde

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wege regelmäßig kein Bedürfnis besteht, wie einstweilige Anordnungen nach § 24 Abs 3, 53a Abs 3, VHG § 13 Abs 2, § 18 Abs 2, WEG § 44 Abs 3, HausratsVO § 13 Abs 4, ist die Beschwerde nicht ausgeschlossen, wenn es sich um die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Vorschrift im Gegensatz zur sachlichen Nachprüfung der Ermessensausübung handelt.75 Eine Untätigkeitsbeschwerde ist in isolierten Umgangsrechtsverfahren als außerordentlicher Rechtsbehelf gegeben, wenn eine sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts zu einem der Rechtsverweigerung gleichkommenden Verfahrensstillstand führt.76 Überhaupt muss in Fällen ersichtlich krassen Unrechts die Möglichkeit der nächsten Instanz zur Korrektur bestehen. 7. Form der Verfügung Für die Anfechtbarkeit ist es unerheblich, in welcher Form die Verfügung erlassen ist. 29 Da für Verfügungen des Gerichts erster Instanz die Schriftform nicht grundsätzlich vorgeschrieben ist, soweit sie nicht nach § 16 Abs 2 der Zustellung bedürfen, können auch mündliche Verfügungen Gegenstand der Beschwerde sein. Selbst wenn der in § 16 Abs 2 Satz 2 vorgesehene Aktenvermerk nicht gemacht ist, kann der vom unteren Gericht dem Beschwerdegericht zu erstattende Bericht eine genügende Grundlage für die Beschwerdeentscheidung bilden. Jedoch ist diese Form ungewöhnlich. Sie wird nur für Verfügungen minderer Bedeutung, zB der Verweigerung der Akteneinsicht oder bei Eilmaßnahmen (telefonische Verfügung) in Betracht kommen. Jedenfalls wird in Zweifelsfällen die Prüfung angebracht sein, ob wirklich eine Verfügung gewollt war und nicht nur eine Meinungsäußerung vorliegt. In Stillschweigen und schlüssigem Verhalten kann eine Verfügung nicht gefunden werden. Daher liegt keine nach § 1671 BGB erforderliche gerichtliche Verfügung vor, wenn der Richter eine Vereinbarung über die Ausübung des Verkehrsrechts oder die Regelung der elterlichen Gewalt nach der Scheidung lediglich zu Protokoll nimmt oder einen Vergleich beurkundet. Der Erlass einer Verfügung kann jedoch in Maßnahmen zum Ausdruck kommen, welche ihrer Ausführung dienen, zB die Anordnung der Einziehung des Erbscheins in der Kraftloserklärung, die Anordnung der Vormundschaft in der Auswahl des Vormunds oder in dem Rechtshilfeersuchen um Verpflichtung des Vormunds.77

VI. Statthaftigkeit der Beschwerde 1. Erlass der Verfügung Da das Rechtsmittel sich gegen eine Verfügung richten muss, kann es in Ermangelung 30 eines Gegenstandes wirksam nicht eingelegt werden, bevor die Verfügung rechtlichen Bestand erlangt hat. Das ist der Fall, wenn die Verfügung im Sinne des § 18 erlassen ist. Ein FGG-Beschluss (etwa zum Sorgerecht) ist auch dann existent, wenn der Vorsitzende oder der Geschäftsstellenbeamte den Inhalt des unterschriebenen Beschlusses einem Verfahrensbeteiligten fernmündlich mitgeteilt hat.78 Der Erlass der Verfügung ist Voraussetzung der in der Beschwerdeeinlegung liegenden Verfahrenshandlung. Ein im Voraus, gewissermaßen „auf Vorrat“ eingelegtes Rechtsmittel gegen eine möglicherweise künftig ergehende

75 76

BayObLGZ 1953, 36 zu § 13 VHG; BayObLGZ 1977, 44; 1993, 73. OLG Dresden FamRZ 2000, 1422; OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 1290.

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KG OLGR 16, 259. BGH NJW-RR 2000, 877.

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Entscheidung (Eventualbeschwerde) ist unzulässig. Es tritt auch keine Heilung der Unwirksamkeit dadurch ein, dass die Entscheidung später erlassen wird.79 Nur für den Fall, dass zur Zeit der Einlegung der Beschwerde die Entschließung bereits gefasst und zu den Akten gebracht war, wird Heilung durch den späteren Erlass der Verfügung anzunehmen sein.80 Nicht behebbare Zweifel über die Wirksamkeit einer Verfahrenshandlung sind im Sinne der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu entscheiden.81 Unschädlich ist es, wenn die Beschwerde gegen eine bereits erlassene Verfügung für den Fall eingelegt wird, dass einem Antrag auf Änderung der Verfügung nicht stattgegeben wird. Darin liegt keine unzulässigerweise bedingte Beschwerde, sondern ein Hinweis auf die ohnehin bestehende Änderungsbefugnis des Gerichts. Wo eine Änderungsbefugnis nicht besteht (§ 18 Abs 2), ist der Vorbehalt gegenstandslos und die Beschwerde zulässig. Nicht erforderlich ist es, dass die erlassene Verfügung dem Beschwerdeführer zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels bereits bekannt gemacht und nach Maßgabe des § 16 wirksam geworden ist. Auch die sofortige Beschwerde kann nach dem Erlass der Verfügung bereits vor dem Beginn der Beschwerdefrist eingelegt werden, also auch, wenn die nach § 16 Abs 2 Satz 1 erforderliche Zustellung fehlt oder unwirksam ist. 2. Fortfall der Anfechtbarkeit, verfahrensrechtliche Überholung

31

Die Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Verfügung durch die spätere Fortentwicklung desselben Verfahrens bedeutungslos und unschädlich geworden ist oder wenn die Verfügung inhaltlich in eine spätere, in demselben Verfahren ergangene Entscheidung übergegangen ist, durch welche die Selbstständigkeit des Bestandes und der Fortwirkung der früheren Verfügung aufgehoben wird, so dass die nachteiligen Wirkungen der Verfügung nur noch durch Anfechtung der späteren Entscheidung beseitigt werden können. Aus diesem Grunde sind beispielsweise verfahrensleitende Verfügungen nicht mehr selbstständig anfechtbar, sobald die den Rechtszug abschließende Entscheidung ergangen ist. Die Richtigkeit der Verfügung kann jetzt nur noch mit der Beschwerde gegen die abschließende Sachentscheidung zur Nachprüfung gestellt werden. Mit dem Erlass der Endentscheidung erledigt sich die Verfügung, durch welche das Gericht seine örtliche Zuständigkeit bejaht oder eine Abgabe abgelehnt hat, oder gegen eine auf Beseitigung von Hindernissen gerichtete Zwischenverfügung82 oder gegen eine vorläufige Anordnung des VormG oder FamG. Die Hauptsachenerledigung kann und soll klarstellend ausgesprochen werden.83 Die Beschwerde gegen die Aussetzung erledigt sich mit der Wiederaufnahme des Verfahrens. Maßgebend ist der Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Beschwerdegerichts. Eine prozessuale Überholung tritt aber nicht ein, wenn über einen Zwischenstreit in einem besonderen Verfahren zu entscheiden ist, so dass der Zwischenstreitpunkt mit der Beschwerde im Verfahren zur Hauptsache nicht zur Nachprüfung gestellt werden könnte, wie die Begründetheit der Richterablehnung (§ 6), die Rechtmäßigkeit einer Zeugnisverweigerung (§ 15 mit § 387 ZPO) oder die Berechtigung der Ablehnung eines Sachverständigen(§ 15 mit § 406 Abs 5 ZPO).84 In diesen Fällen tritt Unanfechtbarkeit erst mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache ein. Keine Unanfechtbarkeit ist gegeben, wenn der Nebenpunkt gegenüber der Entscheidung in der Hauptsache seine Bedeutung behält, zB bei Versagung der Aktenein-

79 80

RGZ 46, 418; KG OLGR 11, 253; BayObLGZ 21, 40. Vgl BGH NJW 1964, 248 m Anm Jauernig NJW 1964, 722.

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RGZ 106, 264. KG KGRep 2003, 67 KG aaO. KG NJW 1965, 1086.

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Beschwerde

§ 19

sicht. Die Beschwerde wird auch unzulässig, wenn das Gericht erster Instanz ihr gemäß § 18 abgeholfen hat. 3. Erledigung der Hauptsache a) Verfahrensrechtliche Bedeutung Ein Verfahren erledigt sich, dh eine Sachentscheidung kann nicht mehr ergehen, wenn 32 der Verfahrensgegenstand nach Einleitung des Verfahrens durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage darstellt, fortgefallen ist, wenn die angefochtene Verfügung durch Zeitablauf oder aus anderen Gründen gegenstandslos geworden ist oder wenn die Wirkung der angefochtenen Verfügung bereits so endgültig eingetreten ist, dass sie auch durch Aufhebung nicht mehr beseitigt werden kann. Bei teilbaren oder bei mehreren Verfahrensgegenständen ist auch eine Teilerledigung möglich. Das erledigende Ereignis ist nach dem jeweiligen Sinn und Zweck der Angelegenheit zu bestimmen.85 Ein Amtsverfahren ist einzustellen. Im Antragsverfahren kann der Antrag nicht mehr mit dem Ziel des Erlasses einer Sachentscheidung weiterverfolgt werden. Tritt das erledigende Ereignis nach dem Erlass der Verfügung ein, so ist eine Beschwerde unzulässig, weil die Verfügung keine Beschwer in der Hauptsache mehr begründet. Bei Eintritt der Erledigung nach Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels wird die Beschwerde in der Hauptsache unzulässig. Der Beschwerdeführer muss die Beschwerde auf den Kostenpunkt beschränken (§ 20a FGG). Hierfür ist ihm nach den Grundsätzen über das rechtliche Gehör (Art 103 GG) Gelegenheit zu geben. Verfolgt er die Beschwerde auch in der Hauptsache weiter, so ist sie in vollem Umfang als unzulässig zu verwerfen. Ob eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, stellt das Gericht im Amtsverfah- 33 ren auch ohne darauf gerichtete Erklärungen der Beteiligten fest, ebenso im Antragsverfahren und im Beschwerdeverfahren. In echten Streitsachen, deren Gegenstand der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt, ist das Gericht an die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten gebunden. Es kann die Erledigung aber auch ohne und entgegen den Erklärungen der Beteiligten feststellen, worüber alsdann ein Beschluss zu ergehen hat, der eine Entscheidung in der Hauptsache (aber über die Erledigung!) darstellt (vgl § 20a). Die (sofortige und sofortige weitere) Beschwerde des Antragsgegners ist grundsätzlich gegen Beschlüsse statthaft, mit denen nach einseitiger Erledigterklärung des Antragstellers das Gericht die Erledigung der Hauptsache feststellt und eine Kostenentscheidung getroffen hat; für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlich ist jedoch ggf. das Übersteigen des Beschwerdewerts, der sich nur noch nach den in den Vorinstanzen bis zur Erledigterklärung entstandenen Kosten richtet.86 Eine Erledigung des Rechtsmittels ist für das Verfahren der FG nicht anzuerkennen. Ein Rechtsmittel kann ausnahmsweise dann für erledigt erklärt werden, wenn ihm durch eine nachträgliche Entscheidung im Sinne von § 269 Abs 3 ZPO die Grundlage entzogen worden ist.87 Die Weiterführung eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens nur zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfügung ist im FGG regelmäßig nicht zulässig.88 Eine analoge Anwendung von Vorschriften wie etwa § 113 VwGO kommt nicht in Betracht, weil es nicht um die Kontrolle von Verwaltungsakten, sondern um die Überprüfung richterlicher Maßnahmen geht.89

85 86 87

BayObLGZ 1964, 149. BayObLG, 5.9.2002, 2Z BR 81/02, ZMR 2002, 949. BGH NJW 1998, 2453.

88 89

BayObLG FamRZ 1996, 558; KG FamRZ 1997, 442. BVerfGE 49, 329 = NJW 1979, 154.

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§ 19 34

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Ausnahmen kommen bei tief greifenden Grundrechtseingriffen in Betracht, wie bei erledigten Entscheidungen bei polizeilichem Unterbringungsgewahrsam90, bei der vorläufigen gerichtlich angeordneten Unterbringung psychisch auffälliger Personen nach § 70h FGG91 und insbesondere auch Entscheidungen nach dem FEVG. Ein Freiheitsverlust durch Inhaftierung (zB Abschiebungshaft) indiziert ein Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, das ein von Art 19 Abs 4 GG umfasstes Rechtsschutzinteresse für die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch dann begründet, wenn die Maßnahmen erledigt ist.92 Die Gewährung von Rechtsschutz kann hier weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängen, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann.93 b) Erledigende Ereignisse

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Erledigende Ereignisse sind im Verfahren zur Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) die Kündigung des Amtes,94 im Verfahren zur Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds (§ 104 AktG) die Beseitigung der Vakanz durch Wahl,95 im Hausratsverfahren der Tod eines Ehegatten,96 Tod des Hofübergebers während des Genehmigungsverfahrens, wenn der Übernehmer zum Hoferben berufen ist,97 Tod des Mündels (Pfleglings) im Verfahren wegen der Anordnung oder Aufhebung der Vormundschaft (Pflegschaft),98 Tod des Kindes in Sorgerechtssachen, Aufhebung der Vormundschaft (Pflegschaft) im Beschwerdeverfahren wegen der Auswahl des Vormunds (Pflegers) und der Versagung oder Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung,99 zeitliche Überholung in Verkehrsregelungssachen (§ 1634 BGB). Das Verfahren zur Entlassung des Vormunds, Pflegers, Betreuers (§§ 1886, 1908b BGB) wird durch die Aufhebung der Vormundschaft, Pflegschaft, Betreuung gegenstandslos, wenn die Entlassung zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfügt war. War die Entlassung vor Beendigung der Vormundschaft wirksam geworden (§ 16), so tritt Erledigung nicht ein, weil die Aufhebung rückwirkend eintritt. Allein das Begehren, die Kostenfolgen der Betreuung abzuwenden, kann eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Betreuung nicht rechtfertigen, da insoweit besondere Vorschriften (§ 16 KostO, Niederschlagung der Kosten) bestehen.100 4. Wirkungslosigkeit einer aufhebenden Beschwerdeentscheidung

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Die Beschwerde ist unzulässig, wenn die Wirkung der Verfügung durch den Hinzutritt einer weiteren Tatsache so endgültig eingetreten ist, dass sie durch deren Aufhebung nicht mehr beseitigt werden könnte.101 Das ist zB der Fall, wenn auf Bewilligung des Amtsgerichts die Kraftloserklärung einer Vollmachtsurkunde (§ 176 BGB) bewirkt oder wenn auf Grund einer nach § 166 FGG ergangenen Entscheidung das Pfand verkauft ist oder wenn nach Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zur Abgabe von Geboten in der Zwangsversteigerung das aus diesem Grunde zurückgewiesene Gebot des Vormunds nach §§ 71, 72 ZVG erloschen ist. Da die vollzogene Einziehung oder 90 91 92 93 94

BVerfG NJW 1999, 3773. BVerfG NJW 1998, 2432. BVerfG NJW 2002, 2456; BayObLG NJW-RR 2004, 8= FamRZ 2004, 220 LS. BVerfGE 96, 27 = NJW 1997, 2163; vgl auch BGHZ 139, 254 = NJW 1998, 2829. BayObLGZ 1955, 271; KG Rpfleger 1959, 385; OLG Celle NdsRpfl 1961, 199.

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95 96 97 98 99 100 101

KG OLGZ 1966, 596. OLG Hamm JMBlNRW 1965, 91 = FamRZ 1965, 220. BGH MDR 1961, 125. BayObLGZ 1965, 348. KG OLGR 2, 499. BayObLG FamRZ 2005, 477 LS. OLG Karlruhe FamRZ 1962, 197.

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Beschwerde

§ 19

Kraftloserklärung eines Erbscheins nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, ist auch eine Beschwerde gegen die Einziehungsanordnung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nach dem Kraftloswerdendes Erbscheins (BGB § 2361 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 3) unzulässig; zulässig bleibt sie mit dem Ziel der Erteilung eines neuen, mit dem eingezogenen gleichlautenden Erbschein.102 Die Beschwerde ist aber nicht schon deswegen unzulässig, weil eine Verfügung mit der Bekanntmachung wirksam geworden ist und ihre Aufhebung keine rückwirkende Kraft hätte; vielmehr hat dann das Beschwerdegericht zum erneuten Erlass der aufgehobenen Verfügung anzuweisen. Gegen die wirksam gewordene Aufhebung der Pflegschaft kann daher Beschwerde mit dem Ziel ihrer erneuten Anordnung eingelegt werden.103 Der Verbrauch einer erteilten Ermächtigung, zB zur Einberufung einer Hauptversammlung, macht die Beschwerde gegenstandslos, es sei denn, dass die erste Einberufung Mängel hatte und wiederholt werden muss. Die Ausführung einer Verfügung steht ihrer Anfechtung nicht entgegen, wenn sich Hindernisse nicht nur aus der Natur der Ausführungshandlung (Eintragung in Register, Erbschein) ergeben. Durch den Vollzug einer Herausgabeanordnung nach § 1632 BGB erledigt sich die 37 Hauptsache nur in besonders gelagerten Fällen, etwa wenn durch die Herausgabeanordnung ein durch eine eigenmächtige Wegnahme des Kindes veränderter bisheriger Zustand wiederhergestellt werden sollte,104 jedenfalls nicht dann, wenn durch diese Anordnung das Kind aus seiner bisherigen Pflegefamilie herausgenommen und damit zugleich über seinen Verbleib in der Pflegefamilie gem § 1632 Abs 2 BGB entschieden wird.105 In diesem Fall können die bisherigen Pflegeeltern zulässig Beschwerde mit dem Ziel der Rückführung des Kindes im Rahmen einer Verbleibensanordnung einlegen.106 Die Vollziehung dieser Anordnung obliegt nach § 33 dem VormG bzw FamG. 5. Nichtige Verfügungen Auch gegen nichtige oder wirkungslose Verfügungen findet die Beschwerde statt. 38 Denn obwohl solche Verfügungen für die Beteiligten und andere Behörden und Gerichte schlechthin unverbindlich sind und ihre Unverbindlichkeit auch ohne vorherige förmliche Anfechtung jederzeit geltend gemacht werden, also in einem anderen gerichtlichen Verfahren auch inzidenter festgestellt werden könnte, sind sie durch ihr Bestehen doch geeignet, die Rechtslage der Beteiligten zu beeinträchtigen. Es ist daher zulässig, den Rechtsschein ihrer Gültigkeit durch ihre förmliche Aufhebung im Beschwerdewege rückwirkend zu beseitigen.107 6. Dienstaufsichtsbeschwerde Eine Dienstaufsichtsbeschwerde kann unter Ausschluss der Sachbeschwerde oder 39 neben ihr gegeben sein. Nach dem Inhalt der Verfügung ist anstelle der Sachbeschwerde ausschließlich die Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben, wenn eine Handlung aus Gründen

102 103 104 105 106

BGHZ 40, 54: BayObLGZ 1980, 72; FamRZ 1989, 550; vgl § 84. BayObLGZ 1965, 348. BayObLGZ 1990, 1379; OLG Oldenburg FamRZ 1978, 437. BayObLG = NJWE-FER 1999, 233 = FamRZ 2000, 1235. BayObLGZ 1993, 76 = FamRZ 1993, 1356: OLG Frankfurt Rpfleger 1982, 421; FamRZ

107

1983, 1164; OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 728. BVerfG NJW 1985, 788 (aber Verfassungsbeschwerde unzulässig, nachdem Scheinentscheidung bereits beseitigt war); BayObLGZ 1964, 97; NJW 1968, 228; NJW 1985, 345 (WEG-Sache); NJW 1986, 229 (Notarkostensache).

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§ 19

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

abgelehnt wird, die nicht dem sachlichen oder dem Verfahrensrecht entnommen sind, sondern den Geschäftsbetrieb und die äußere Ordnung betreffen. Dieser Fall liegt zB vor, wenn die Weigerung, Akten zur Einsicht zu versenden, auf Verwaltungsrücksichten (Verlustgefahr) gegründet oder dem Verfahrensbevollmächtigten die Mitnahme von Gerichtsakten in seine Kanzlei verwehrt wird oder eine Sichtung der Akten nach zurückzugebenden Urkunden verweigert wird. In diesen Fällen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, nicht etwa der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG. Jedoch steht der Umstand, dass eine Verfügung sich außer auf sachliche Gründe auch auf Bedenken stützt, die dem Gebiet der Justizverwaltung entnommen sind, der Zulässigkeit der Sachbeschwerde nicht entgegen. Die Ablehnung der Herausgabe von Urkunden, die in einem gerichtlichen Verfahren zu den Gerichtsakten eingereicht sind, ist als Akt der Rechtspflege mit der Sachbeschwerde anzufechten, wenn die Ablehnung darauf gestützt wird, dass die Urkunden für die Rechtsfindung noch benötigt werden. Nach dem Ziel der Beschwerde sind Dienstaufsichtsbeschwerden solche Eingaben, die 40 nicht den Inhalt einer Verfügung, sondern nur den Geschäftsbetrieb oder Verzögerungen betreffen. Aber auch Eingaben, die sich zwar gegen die Sachentscheidung wenden, aber erkennbar an die Aufsichtsbehörden gerichtet sind und eine Abhilfe von dieser, nicht von dem vorgeordneten Gericht erhoffen, sind als Dienstaufsichtsbeschwerden zu behandeln. Bei Zweifeln wird anzunehmen sein, dass mit dem Abhilfeverlangen die zur Herbeiführung einer Änderung geeignete Sachbeschwerde gemeint ist, wenn nicht die Umstände diese Annahme ausschließen.

VII. Beschwerdegericht (§ 19 Abs 2) 1. Regelfall

41

Beschwerdegericht ist nach Abs 2 das Landgericht, und zwar, wie zu ergänzen ist, dasjenige, welches nach der Gerichtsverfassung dem Amtsgericht vorgeordnet ist, dessen Verfügung angefochten wird.108 Die örtliche Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts folgt allein daraus, dass es dem Untergericht vorgeordnet ist, besteht also auch dann, wenn dieses örtlich unzuständig war. Nach Abgabe einer Vormundschafts-, Pflegschafts-, Beistands- oder Betreuungssache an ein anderes Gericht (§§ 45, 75) entscheidet über die Beschwerde gegen vor der Abgabe erlassene Verfügungen das dem neuen Gericht vorgeordnete Landgericht.109 Dasselbe gilt, wenn das AG Schöneberg eine Sache nach den §§ 36 Abs 2, 73 Abs 2 FGG an ein anderes Gericht abgibt oder wenn nach Erlass der Verfügung ein anderes Gericht gemäß § 5 als zuständig bestimmt wird. Über die Beschwerde gegen Verfügungen, die das Gericht des Eilgerichtsstandes (§§ 44, 74 FGG, § 4 Abs 2 FEVG) getroffen hat, entscheidet nach der Übernahme der Sache durch das ordentliche Gericht das diesem vorgeordnete Landgericht.110 Die Beschwerdeentscheidung des unzuständigen, dem Eilgericht vorgeordneten Landgerichts ist auf weitere Beschwerde aufzuheben.111 Die Anfechtung einer vorläufigen Unterbringung, die das Gericht des Anstaltsorts angeordnet hat, ist, sobald die Sache von dem zuständigen Gericht übernommen worden ist, an das diesem vorgeordnete Landgericht zu richten.112 In Woh-

108 109 110

BayObLG 36, 51. BayObLGZ 28, 426; OLG Karlsruhe FamRZ 1958, 387. KG JFG 20, 118.

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111

112

OLG Bremen EJF E I Nr 23; anders BayObLGZ 1959, 182; Hamm ZBlJR 1961, 216. OLG München NJW 1959, 539.

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Beschwerde

§ 19

nungseigentumssachen (zB Beschlussanfechtungen, Geschäftswertbeschwerden) nicht anzuwenden ist § 119 Abs 1 Nr 1 lit b GVG, wonach für Beschwerden gegen Entscheidungen des AG in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs des GVG (Auslandsberührung) hatte.113 2. Abweichungen In Landwirtschaftssachen ist Beschwerdegericht gegen Entscheidungen des Amtsgerichts (LwG) das Oberlandesgericht (§ 22 Abs 1 LwVG). Hat das AG in einer Landwirtschaftssache sowohl als Prozessgericht als auch als Landwirtschaftsgericht entschieden, so ist gegen den Beschluss sowohl die Beschwerde nach § 567 ZPO zum LG als Prozessgericht wie die sofortige Beschwerde zum OLG (Landwirtschaftssenat) zulässig und zur völligen Aufhebung des Beschlusses erforderlich.114 Im Rechtshilfeverfahren ist nach § 2 FGG, § 159 GVG statt des Landgerichts das Oberlandesgericht (nicht das nach § 199 Abs 1 FGG bestimmte zentrale Obergericht) anzurufen, zu dessen Bezirk das ersuchte Gericht gehört. Über Beschwerden gegen Ordnungsstrafen wegen Ungebühr entscheidet nach § 8 FGG, § 181 Abs 3 GVG ebenfalls das Oberlandesgericht. In Familiensachen der FG tritt anstelle des § 19 Abs 2 FGG der § 119 Abs 1 Nr 2 GVG. Beschwerdegericht gegen alle Entscheidungen des Familiengerichts (Amtsgericht) ist das Oberlandesgericht (Familiensenat) ohne Rücksicht darauf, ob eine Familiensache vorliegt oder nicht (sog. prozessuale oder formelle Anknüpfung).115

42

43 44 45

VIII. Verfügungen des Landgerichts als Gericht des ersten Rechtszuges Ist nicht das Amtsgericht, sondern das Landgericht Gericht erster Instanz, so unterlie- 46 gen Verfügungen des Landgerichts gemäß § 19 Abs 1 in diesen ihm als Eingangsgericht zugewiesenen Verfahren ebenso der Beschwerde wie Verfügungen des Amtsgerichts. Das ist zB in § 143 Abs 2 ausgesprochen, der aber einen allgemeinen Grundsatz der Gerichtsverfassung zum Ausdruck bringt und deshalb allgemeine Geltung beanspruchen kann.116 In den Fällen, in denen das Landgericht Gericht des ersten Rechtszuges ist, ist daher die Beschwerde sowohl gegen die den Rechtszug abschließenden Endentscheidungen als auch gegen Zwischenverfügungen gegeben, soweit diese überhaupt der Anfechtung unterliegen. Jedoch ist zu beachten, dass die Anfechtung der Endentscheidung in diesen Verfahren überwiegend abweichend von § 19 Abs 1 geregelt ist, insbesondere durch Befristung des Rechtsmittels oder durch die Notwendigkeit einer Zulassung. Gegen Zwischenverfügungen findet auch in diesen Verfahren die unbefristete Beschwerde statt, selbst wenn gegen die Endentscheidung die sofortige Beschwerde gegeben ist oder das Rechtsmittel gegen diese von einer Zulassung abhängig ist.117 Beschwerdegericht ist abweichend von § 19 Abs 2 das Oberlandesgericht, soweit nicht nach § 199 Abs 2 die Zuständigkeit des zentralen Obergerichts begründet ist. In Bayern tritt an die Stelle des örtlich übergeordneten OLG das OLG München als Zentralgericht, in Rheinland-Pfalz

113

114

OLG Düsseldorf v 3.2.2006, 3 Wx 230/05, NJW 2006,1143; OLG Stuttgart v 6.2. 2006, 8 W 589/05, NJW 2006, 1144. SchlHOLG SchlHA 1958, 293.

115 116 117

BGH NJW 1991, 231; FamRZ 1992, 665. KGJ 28 A 233; 33 A 5. OLG Zweibrücken NJW 1967, 1760 zu § 132 AktG; Keidel JZ 1953, 304.

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§ 19

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

das Pfälzische OLG Zweibrücken. Eine weitere Beschwerde ist nicht möglich, weil der Instanzenzug bei OLG endet. Soweit das Oberlandesgericht erste Instanz ist (BNotO § 111 Abs 4; PatAnwO § 38 Abs 5; BRAO § 41 Abs 5), ist eine Beschwerde an den BGH zu richten.

IX. Verfügungen des Landgerichts als Beschwerdegericht 47

Verfügungen, die das Landgericht, wenn es als Beschwerdegericht mit der Sache befasst ist, im Laufe des Beschwerdeverfahrens trifft, sind keine Verfügungen des Gerichts des ersten Rechtszuges, sondern solche des Beschwerdegerichts (vgl insbesondere § 22 Abs 2 Satz 3 FGG, wo das Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als „weitere“ Beschwerde bezeichnet wird).118 Gegen diese der Beschwerdeentscheidung vorausgehenden Verfügungen findet daher nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs 1 keine erste Beschwerde statt, und, worüber Einigkeit besteht, auch keine weitere Beschwerde, da § 27 ein Rechtsmittel nur gegen die auf die Beschwerde ergehende, über den Beschwerdegegenstand befindende Entscheidung des Beschwerdegerichts eröffnet; diese vorausgehenden Verfügungen des Beschwerdegerichts sind daher unanfechtbar.119 Für die Nachprüfbarkeit von Zwischenverfügungen eines Kollegialgerichts durch ein Obergericht besteht nicht in gleichem Maße ein Bedürfnis wie für die Nachprüfung von Verfügungen des Amtsgerichts. Auch ist die umfassende Nachprüfung von Zwischenverfügungen des Beschwerdegerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist nicht damit vereinbar, dass dem Gericht des dritten Rechtszuges durch § 27 Aufgaben eines Revisionsgerichts zugewiesen sind. Bei Zwischenverfügungen, Nebenentscheidungen und einstweiligen Anordnungen kann sich allenfalls die Frage der so genannten außerordentlichen Beschwerde stellen, wenn die anzufechtende Entscheidung schlechterdings nicht vertretbar und in der Rechtsordnung so nicht vorgesehen ist. Gegen die Festsetzung des Geschäftswerts, die das Landgericht für das Beschwerdeverfahren vornimmt, findet die dagegen unbefristete Erstbeschwerde statt, nicht die (nach § 14 Abs 3 KostO zulassungsbedürftige) weitere Beschwerde.120

X. Verfügungen des Familiengerichts 48

Anstelle des § 19 FGG tritt für Rechtsmittel in Familiensachen der FG (GVG § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11, 12, in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 14; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64) die Vorschrift des § 621e ZPO. Abweichend von § 19 Abs 2 FGG ist für die Beschwerde zuständig das OLG nach § 119 Abs 1 Nr 1 und 2 GVG. Unerheblich ist, ob materiell eine Familiensache vorliegt (formelle Anknüpfung). Zu beachten ist, ob eine der FG unterliegende Familiensache gegeben ist (§ 621a Abs 1 ZPO) oder aber eine Familiensache gemäß § 621 Abs 1 Nr 4, 5, 8, 11 ZPO, für welche direkt die ZPO-Vorschriften gelten. Ferner ist zu prüfen, ob eine Endentscheidung angefochten wird (§ 621e Abs 1 ZPO) oder eine Zwischen- bzw Nebenentscheidung. Außerdem ist zu unterscheiden, ob die Familiensache der FG in einem selbstständigen Verfahren vorliegt oder aber während der Anhängigkeit einer Ehesache bzw als deren Folgesache. 118 119

Vgl RG RJA 14, 85; KGJ 48, 49. KG NJW 1957, 1197; NJW 1960, 1625 = Rpfleger 1960, 374; BayObLGZ 1951, 649.

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120

BayObLGZ 1986, 489; BayObLG MDR 1997, 1059; aA Staudinger/Wenzel WEG § 48 Rn 39.

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Beschwerde

§ 19

Für die Anfechtung von Neben- und Zwischenentscheidungen in Familiensachen der 49 FG gemäß § 621a Abs 1 ZPO enthält § 621e ZPO keine Regelung. Nach hM ist gegen Zwischenentscheidungen des Familiengerichts in Familiensachen der FG die Beschwerde nach § 19 Abs 1 FGG gegeben.121 Zwischen- und Nebenentscheidungen, die der Familiensenat des OLG im Beschwerdeverfahren erlässt, sind nicht anfechtbar. Dasselbe gilt für seine Entscheidungen über Beschwerden gegen Zwischenentscheidungen des Familiengerichts. Die Bestimmungen des § 621e Abs 2 ZPO iVm § 133 Nr 2 GVG verdrängen § 27 FGG.122 Gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes gem § 33 Abs 1 S 1, Abs 3 S 2 FGG in einer Familiensache ist die einfache Beschwerde statthaft.123 Die Festsetzung ist unzulässig, wenn der zu erzwingenden Handlung Folge geleistet wurde. Auf den Zeitpunkt der Ausführung der Handlung kommt es nicht an.

XI. Verfügungen des Rechtspflegers Gegen die Entscheidungen (Verfügungen) des Rechtspflegers ist nach § 11 Abs 1 50 RPflG das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Ist nach diesen Bestimmungen ein Rechtsmittel nicht gegeben, so findet binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statt, der der Rechtspfleger entweder abhelfen kann, wozu er verpflichtet ist, wenn er die Erinnerung für begründet erachtet, oder die er anderenfalls dem zuständigen Richter zur Entscheidung vorlegen muss (§ 11 Abs 2 RPflG). Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften über die Beschwerde sinngemäß anzuwenden. Das rechtliche Gehör (Art 103 Abs 1 GG) ist in demselben Umfange zu gewähren wie im Beschwerdeverfahren. Für die aufschiebende Wirkung der Erinnerung gilt § 24 Abs 1, für die Befugnis des Rechtspflegers und des Richters, die Vollziehung auszusetzen, gilt § 24 Abs 2. Das Verbot der Schlechterstellung ist von dem Richter zu beachten, wenn es für das jeweilige Verfahren gilt. Gerichtliche Verfügungen, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der 51 Schiffsregisterordnung, des FGG und den für den Erbschein geltenden Bestimmungen wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar (§ 11 Abs 3 Satz 1 RPflG). Es kann aber die Vornahme einer Amtslöschung oder die Eintragung eines Amtswiderspruchs oder die Einziehung eines Erbscheins angeregt werden. Die §§ 62 und 55 FGG sind mit Art 19 IV GG unvereinbar, soweit sie den in ihren Rechten Betroffenen jede Möglichkeit verwehren, Entscheidungen des Rechtspflegers der Prüfung durch den Richter zu unterziehen.124 Die Genehmigung eines vom Betreuer über ein Grundstück des Betreuten abgeschlossenen Mietvertrags ist auch dann noch mit der Beschwerde anfechtbar, wenn dem Mieter diese Genehmigung bereits mitgeteilt wurde, das Beschwerdegericht also keine Möglichkeit mehr hat, eine Abänderung des Vertrags zu erwirken.125 Die Beschwerde gegen die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines Erbteilsveräußerungs- und Übertragungsvertrages bleibt zulässig, wenn der Rechtspfleger diese Entscheidung nicht vorher durch einen beschwerdefähigen Bescheid angekündigt hat.126 Die Vorschrift des § 62 FGG ist auch nach der 121 122 123 124

BGH NJW-RR 1988, 194. BGH NJW-RR 1990, 1218; vgl auch § 567 Abs 4 ZPO. OLG Brandenburg FGPrax 2005, 122. BVerfGE 101, 397 = NJW 2000, 1709 = FGPrax 2000, 103 = FamRZ 2000, 731.

125 126

OLG Köln = NJWE-FER 2001, 48 = NZM 2001, 256 L. OLG Schleswig RPfleger 2000, 496 = FamRZ 2001, 52 = SchlHA 2000, 254 = NJW-RR 2001, 78.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Entscheidung des BVerfG127 weiterhin geltendes Recht. Die Entscheidung hat keinen Beschwerderechtszug gegen die Erteilung einer gem § 1829 I 2 BGB wirksam gewordenen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung eröffnet.128 Hingegen bejaht der Vorlagebeschluss des OLG Köln129 den regelmäßigen Beschwerderechtszug des FGG, falls der Rechtspfleger vor Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Genehmigung den Beteiligten kein rechtliches Gehör gewährt hat. Dem ist der BGH130 nicht gefolgt und hat bereits die Vorlage für unzulässig erklärt. Hat das Landgericht der Beschwerde gegen die Erteilung einer vormundschaftsrechtlichen Genehmigung stattgegeben, also die Genehmigung verweigert, so wird diese Entscheidung dem Vertragsgegner gegenüber erst unter den Voraussetzungen des § 1829 Abs 1 S 2 oder Abs 2 BGB wirksam und damit unabänderbar iSv § 55 FGG. Die Unvereinbarkeit der §§ 62, 55 FGG mit Art 19 Abs 4 GG kann für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde aber nur von Bedeutung sein, soweit sie sich gegen eine unabänderbare vormundschaftsgerichtliche Genehmigung richtet. Nach dem Vorbild im Erbscheinsverfahren soll der Rechtspfleger auch hier einen Vorbescheid erlassen, der dann rechtsmittelfähig ist.131 Gegen eine durch den Rechtspfleger ohne vorausgehendes Vorbescheidsverfahren erteilte und gem § 1829 Abs 1 S 2 BGB wirksam gewordene vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ist die erste Beschwerde des Betroffenen zulässig.132 Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 11 Abs 4 RPflG).

XII. Reformvorhaben 52

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 62 anstelle der einfachen, unbefristeten Beschwerde nunmehr als Rechtsmittel die fristgebundene sofortige Beschwerde gegen Endentscheidungen der ersten Instanz, wenn die sofortige Beschwerde entweder ausdrücklich zugelassen ist oder es sich um eine solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Soweit keine andere Frist gesetzlich bestimmt ist, ist die sofortige Beschwerde gemäß § 67 binnen einer Notfrist von einem Monat einzulegen. In § 69 ist die Anschlussbeschwerde jetzt ausdrücklich geregelt.

§ 20 Beschwerdeberechtigte (1) Die Beschwerde steht jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. (2) Soweit eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

127 128 129

BVerfGE 101, 397 = NJW 2000, 1709 = FGPrax 2000, 103 = FamRZ 2000, 731. OLG Hamm RPfleger 2000, 545 = FGPrax 2000, 230. OLG Köln FGPrax 2001, 197.

692

130 131 132

BGH FGPrax 2003, 169 = MDR 2003, 934 = NJW-RR 2003, 955 = FÜR 2003, 485. BayObLGZ 2002, 208 = Rpfleger 2003, 82. OLG Hamm FGPrax 2004, 23.

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Beschwerdeberechtigte

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Literatur Bonnet Studien zur Beschwerdebefugnis und zum Beschwerdegegenstand in der FG, Diss. Berlin, 1968; Brox Der Schutz der Rechte Dritter bei zivilgerichtlichen Gestaltungsurteilen, FamRZ 1963, 392; Kahl Beschwerdeberechtigung und Beschwer in der FG, 1981; Kahlke Zur Funktion von Beschwer und Rechtsschutzbedürfnis im Rechtsmittelverfahren, ZZP 94, 423; Kamm Beschwerdeberechtigung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Klagebefugnis im Verwaltungsprozess, JuS 1961, 146; Keidel Aus der Rechtsprechung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, JZ 1953, 272; Lüke Die Beschwerdeberechtigung in der FG, AÖR 1984, 186; Müller, Hanswerner Verfahrensbeteiligte in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, NJW 1954, 868; Schneider, Egon Die Rechtslage bei Weigerung des Notars, vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, DNotZ 1966, 16, ders Ausnahmebeschwerde und Ausnahmeberufung, MDR 2001, 845; Unger Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP Bd 34 (1906), 233 ff, ders Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP Bd 36 (1906), 1 ff; Zimmermann Behörden als Beteiligte im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1958, 209.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . II. Voraussetzungen der Beschwerdeberechtigung . . . . . . . . . . . . . 1. Eingriff in ein Recht . . . . . . . . 2. Vermeintliches Recht . . . . . . . 3. Verletzung des rechtlichen Gehörs . 4. Recht des Beschwerdeführers . . . 5. Rechtsbeeinträchtigung . . . . . . 6. Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung . . . . . . . . . . . 7. Grad der Beeinträchtigung . . . . . 8. Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . 9. Maßgebender Zeitpunkt. Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . III. Mehrheit Beschwerdeberechtigter . . IV. Verfahrensrechtliche Bedeutung der Beschwerdebefugnis . . . . . . . . . V. Abweichende Regelungen . . . . . . . 1. Beschwerdeberechtigung ohne Beschwer . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliches Interesse . . . . . . . . 3. Berechtigtes Interesse . . . . . . . 4. Beschwerderecht bestimmter Personen . . . . . . . . . . . . . . VI. Verfahrensvertretung . . . . . . . . . 1. Gesetzliche und gewillkürte Vertreter 2. Ausübung . . . . . . . . . . . . . 3. Partei kraft Amtes . . . . . . . . . VII. Formelle und materielle Beschwer . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Überschneidung . . . . . . . . . . 3. Beschwerderecht des obsiegenden Antragstellers im Antragsverfahren VIII. Beschwerderecht bei Zurückweisung von Anträgen (Abs 2) . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . 2. Ausschluss anderer Beteiligter von der Beschwerdeführung . . . . . . 3. Beschwerderecht des zurückgewiesenen Antragstellers . . . . .

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Rdn IX. Vormundschaft/Betreuung/Pflegschaft . 1. Vormundschaft . . . . . . . . . . . 2. Betreuung . . . . . . . . . . . . . 3. Pflegschaft . . . . . . . . . . . . . 4. Auswahl des Vormunds (Pflegers, Betreuers) . . . . . . . . . . . . . 5. Entlassung des Vormunds (Pflegers, Betreuers) . . . . . . . . . . . . . 6. Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung . . . . . . . . . . . a) Versagung . . . . . . . . . . . . b) Erteilung . . . . . . . . . . . . c) Negativattest . . . . . . . . . . 7. Vormund, Pfleger, Betreuer . . . . . 8. Gegenvormund . . . . . . . . . . . 9. Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kind, Mündel, Pflegling, Betreuter . 11. Beschwerderecht Dritter . . . . . . X. Nachlasssachen . . . . . . . . . . . . . 1. Erbscheinsverfahren . . . . . . . . a) Zurückweisung des Erbscheinsantrags . . . . . . . . . . . . . b) Erteilung oder Ablehnung der Einziehung des Erbscheins . . . c) Einziehung des Erbscheins . . . 2. Testamentsvollstreckung . . . . . . a) Testamenstvollstreckerzeugnis . b) Weitere Aufgaben des NachlG bei der Testamentsvollstreckung . . c) Beschwerderecht in sonstigen Angelegenheiten . . . . . . . . . 3. Testamentsverwahrung und -eröffnung . . . . . . . . . . . . . 4. Feststellung des Erbrechts des Fiskus . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Verrichtungen des NachlG . XI. Handelssachen . . . . . . . . . . . . . 1. Handelsregister . . . . . . . . . . . a) Anmeldeverfahren . . . . . . . b) Zwangsmittelverfahren . . . . . c) Firmenmissbrauchsverfahren . . d) Amtslöschung erloschener Firmen

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Übersicht Rdn

XII. XIII. XIV. XV. XVI. XVII. XVIII.

e) Amtslöschung unzulässiger Eintragungen . . . . . . . . . f) Auflösung einer GmbH oder AG g) Sonstige handelsrechtliche Verrichtungen . . . . . . . . . 2. Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft . . . . . 3. Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . 4. Aktiengesellschaft . . . . . . . . 5. Genossenschaftssachen . . . . . . Landwirtschaftssachen . . . . . . . Personenstandssachen . . . . . . . Unterbringungssachen . . . . . . . Vereinssachen . . . . . . . . . . . Verschollenheitssachen . . . . . . . Wohnungseigentumssachen . . . . . Beschwerderecht von Behörden und Verbänden . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . .

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Rdn 2. Ersuchen . . . . . . . . . . . . . . 3. Antrags- und Beschwerderecht in öffentlichem Interesse . . . . . . . 4. Beschwerderecht im Interesse der öffentlichen Hand . . . . . . . . . 5. Beschwerderecht der Behörde aus eigenem Recht . . . . . . . . . . . 6. Unterstützungspflicht der Behörden 7. Erweitertes Beschwerderecht . . . . 8. Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . XIX. Notare, Rechtsanwälte . . . . . . . . XX. Rechtspfleger . . . . . . . . . . . . . XXI. Nichtgerichtliche Behörden . . . . . . XXII. Landesrechtliche Angelegenheiten . . XXIII. Familiensachen . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . 2. Beschwerdeberechtigung in Familiensachen . . . . . . . . . . . 3. Angelegenheiten der HausratsVO . XXIV. Reformvorhaben . . . . . . . . . . .

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I. Allgemeines 1. Bedeutung

1

Die Beschwerde als Rechtsmittel ist der Antrag, durch den die Nachprüfung der Verfügung oder Entscheidung des unteren Gerichts durch das höhere Gericht mit dem Ziel ihrer Beseitigung nachgesucht wird. Das Beschwerdegericht wird niemals aus eigenem Antrieb, sondern stets nur auf Antrag tätig. Das gilt auch, wenn das Verfahren des ersten Rechtszuges von Amts wegen eingeleitet wird. Das Beschwerdeverfahren ist deshalb stets ein Antragsverfahren. Ebenso wie im Antragsverfahren die Antragsberechtigung bestimmt sein muss, ist es erforderlich, für die Einleitung des Beschwerdeverfahrens die Beschwerdeberechtigung, auch Beschwerdebefugnis oder subjektives Beschwerderecht genannt, zu regeln. Das ist die Aufgabe des § 20. Insofern als § 20 Abs 1 von einem „Zustehen“ der Beschwerde spricht, wird der Zweck der Vorschrift zum Ausdruck gebracht, den Kreis der Personen abzugrenzen, die im Verfahren der FG befugt sein sollen, eine Entscheidung mit Rechtsmitteln anzufechten. Während im Zivilprozess die Anfechtungsberechtigung den durch ihre formale Stellung im Verfahren bestimmten Parteien oder nur zuweilen auch Dritten, wie dem Nebenintervenienten, zusteht und normalerweise nicht problematisch ist, folgt für die freiwillige Gerichtsbarkeit die Notwendigkeit zur Regelung der Beschwerdeberechtigung daraus, dass dieses Verfahren kein starres Zweiparteiensystem mit einem formellen Parteibegriff kennt, so dass sich nicht schon aus dem Rubrum der nachzuprüfenden Entscheidung ergibt, wer für deren Anfechtung überhaupt in Betracht kommt. Es war also Aufgabe des Gesetzgebers, zu bestimmen, welche Beziehungen zu dem Gegenstand des Verfahrens für eine Anfechtung noch ausreichen sollen, und diese Beziehungen näher zu umschreiben. Das ist durch die Generalklausel des § 20 Abs 1 geschehen. 2. Entstehungsgeschichte

2

In Lehre und Praxis des früheren Rechts war die Frage, wer im Verfahren der FG, namentlich in Vormundschaftssachen, zur Beschwerdeführung berechtigt sei, bestritten

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und unsicher. Der Gesetzgeber stand mithin vor der Aufgabe, einerseits dieser Unsicherheit ein Ende zu machen, andererseits den Kreis der zur Beschwerde Berechtigten so zu umschreiben, dass er weder zu weit noch zu eng gezogen ist. Über die Fassung der hierauf bezüglichen Vorschrift gingen die Ansichten in der Reichtagskommission weit auseinander.1 Von anderen Erwägungen abgesehen, verbot schon die Einführung der sofortigen Beschwerde mit ihrer Fristgebundenheit (§ 22) die Zulassung einer Popularbeschwerde. Die Anlehnung an die ältere preußische Praxis, in der sich in Bezug auf die Beschwerdebefugnis im allgemeinen zwei Richtungen gegenüberstanden, von denen die eine jedes Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der Verfügung für genügend hielt, während die andere eine besondere Absicht des Gesetzes, den Rechtskreis des Beschwerdeführers zu schützen, erforderte, erschien nicht angebracht, teils weil der Kreis der Beschwerdeberechtigten unangemessen erweitert würde, teils wegen der Unbestimmtheit der Kriterien. Die in § 20 gewählte Fassung bedeutet zweifellos im Verhältnis zu dem vorausgegangenen Recht eine erhebliche Einschränkung des Beschwerderechts und eine bestimmtere Abgrenzung des Kreises der Beschwerdeberechtigten. Die Auslegungsschwierigkeiten, welche die Generalklausel des § 20 Abs 1 noch bieten kann, sind in Rechtsprechung und Lehre im allgemeinen befriedigend gelöst worden, so dass die getroffene Regelung sich bewährt hat.

II. Voraussetzungen der Beschwerdeberechtigung In Abs 1 wird als allgemeines Erfordernis verlangt, dass ein Recht des Beschwerde- 3 führers durch die angefochtene Verfügung beeinträchtigt ist. Voraussetzungen der Beschwerdebefugnis sind demnach: 1. Eingriff in ein Recht Es genügt nicht, dass die anzugreifende Verfügung auf die rechtlichen Beziehungen 4 des Beschwerdeführers von Einfluss ist und dass er insofern ein Interesse an ihrer Änderung hat, vielmehr ist erforderlich, dass eine Beeinträchtigung seines Rechts vorliegt.2 Die Beeinträchtigung schutzwürdiger privater oder öffentlicher Interessen reicht daher nicht aus. Erforderlich ist ein unmittelbarer Eingriff in ein Recht des Beschwerdeführers, der eine Aufhebung oder Minderung seines Rechts darstellt. Unter „Recht“ im Sinne des § 20 ist ein vom Gesetz anerkanntes, von der Staatsgewalt geschütztes subjektives Recht zu verstehen.3 Es kann personenrechtlicher, schuldrechtlicher, dinglicher, familienrechtlicher oder erbrechtlicher Art sein. Es kann seine Grundlage auch im öffentlichen Recht haben.4 Das Vorhandensein eines rechtlichen oder berechtigten Interesses an der Änderung 5 der Verfügung reicht nicht aus, ein Beschwerderecht nach § 20 Abs 1 zu begründen, wie sich darin zeigt, dass das Gesetz in § 57 Abs 1 Nr 1, 3 und 9 in der Anerkennung von Interessen dieser Art als Grundlage der Beschwerdeberechtigung eine Erweiterung des Kreises der Beschwerdeberechtigung gegenüber der engeren Vorschrift des § 20 Abs 1 sieht. Noch weniger genügt die Verletzung eines bloß wirtschaftlichen oder ideellen Inte1

2

Zur Entstehungsgeschichte vgl HahnMugdan Die ges Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd 7 S 122; Unger ZZP 36, 102 ff. So Denkschrift S 39 zu §§ 18 bis 29.

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BGHZ 1, 267, 270; BGHZ 151, 164 = NJW 2002, 3240 = FGPrax 2002, 205 = MDR 2002, 1427. BayObLG OLGR 40, 150.

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resses oder einer sittlichen Pflicht oder eine nur tatsächliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung oder Gefährdung.5 Das Beschwerderecht einer Privatperson kann auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Wahrung öffentlicher Belange gerechtfertigt werden.6 Eine rechtlich gesicherte Anwartschaft, zB des einzigen wirtschaftsfähigen Abkömmlings auf den Anfall des Hofes, genügt.7 Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt auch in der Vorenthaltung einer Besserung der 6 Rechtsstellung durch rechtsgestaltende Verfügung, zB in der Versagung einer Vergütung (§ 1836 BGB) oder der Ablehnung der Übertragung der elterlichen Sorge sowie in der Verletzung eines Grundrechts, zB durch Auferlegung einer nicht obliegenden Verpflichtung, weil dadurch das in Art 2 GG gewährleistete Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt wird. Die der Pflegeperson eingeräumte Rechtsmacht, für das in die Familienpflege aufgenommene Kind zu entscheiden und den Inhaber der elterlichen Sorge in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu vertreten, verleiht nicht die Rechtszuständigkeit, Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG zu beantragen, wenn durch Art und Umfang der Hilfe zugleich in erheblicher Weise die persönliche Entwicklung des Kindes bestimmt wird.8 Ein Beschwerderecht kann nur aus dem Inhalt der Entscheidung, nicht aus der Art 7 der Begründung hergeleitet werden.9 Die Belastung mit den Kosten der Vorentscheidung genügt wegen § 20a nicht, ein Beschwerderecht für die Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache zu begründen. Das verletzte Recht kann auch auf dem Verfahrensrecht beruhen,10 zB wenn zum Nachteil des Erben die Vorschriften der §§ 2260, 2262 BGB über die Bekanntgabe des Inhalts letztwilliger Verfügungen verletzt werden11 oder wenn die Akteneinsicht (§ 34 FGG) versagt wird. Ein Beschwerderecht entfällt nicht deshalb, weil die Vornahme der nachgesuchten Handlung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist.12 In diesen Fällen besteht zwar kein subjektives Recht auf Vornahme, aber ein auf dem öffentlichen Recht beruhender Anspruch auf rechtmäßigen Ermessensgebrauch (Prüfungsanspruch), also auf Bescheidung ohne Überschreiten oder Mißbrauch des Ermessens. Dieser im Verwaltungsrecht entwickelte Grundsatz kann auch in der FG Geltung beanspruchen. 2. Vermeintliches Recht

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Dagegen kann das Beschwerderecht nicht gestützt werden auf ein vermeintliches Recht des Beschwerdeführers „auf richtige Besorgung seiner Angelegenheit, auf gerechte und sachgemäße Gestaltung und Abgrenzung seines Rechtskreises“,13 insbesondere nicht, wenn die Rechtsbeeinträchtigung in einem Verfahrensfehler der Vorinstanz soll bestehen können. Ein Verfahrensfehler kann möglicherweise, wenn er im Beschwerdeverfahren nicht behoben wird, dazu führen, dass die angefochtene Verfügung aufgehoben wird. In diese Prüfung darf das Beschwerdegericht aber erst eintreten, wenn die Verfügung zulässigerweise von einem Beschwerdeberechtigten angefochten worden ist. Die Rechtsverletzung muss daher in einem anderen Bereich liegen als nur in dem Verfahren des unteren Gerichts. Der Vertragsgegner kann gegen die Versagung der vormundschafts-

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BGHZ 1, 351; vgl auch zu § 75 GWB BGHZ 46, 168; BGH NJW 1968, 1723. BGHZ 1, 351. BGHZ 3, 203 = NJW 1952, 380; BayObLGZ 1959, 502. OVG Weimar NJW 2002, 3647.

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KG OLGZ 1966, 74. BGHZ 1, 270. OLG Düsseldorf OLGZ 1966, 74. KG OLGZ 1967, 248; OLG Celle NdsRpfl 1968, 131. Vgl BGHZ 1, 267.

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gerichtlichen Genehmigung auch dann keine Beschwerde einlegen, wenn ein örtlich unzuständiges Gericht entschieden hat. Die Gegenmeinung muss daher auch einräumen, dass ein Dritter, „nicht im Rechtssinne Beteiligter“, aus der angeführten Formel kein Beschwerderecht herleiten könne. Damit wird aber das Problem der Beschwerdebefugnis nicht gelöst, sondern nur auf die Prüfung, wer Beteiligter ist, verlagert, und der Begriff der Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs 1 durch den noch unbestimmteren der Beteiligung ersetzt, was der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte.14 Das Beschwerderecht ergibt sich nicht schon daraus, dass jemand als Beteiligter hin- 9 zugezogen war und Anträge gestellt hat,15 und ein Beschwerderecht hat jemand nicht, wenn er ohne sachliches Recht eine Anregung zum Einschreiten von Amts wegen gegeben hat.16 Andererseits ist es für die Ausübung eines Beschwerderechts unerheblich, ob der Beteiligte an dem Verfahren des ersten Rechtszuges teilgenommen hat oder hätte teilnehmen können, und es ist für das Beschwerderecht unschädlich, dass im Amtsverfahren eine Verfügung mit Zustimmung des Beschwerdeführers oder auf seine Anregung ergangen ist, wenn gleichwohl eine Beeinträchtigung seines Rechts vorliegt.17 3. Verletzung des rechtlichen Gehörs Nach Art 103 Abs 1 GG hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. 10 Dieses Verfahrensgrundrecht ist, insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, als subjektiv-öffentliches Verfahrensgrundrecht oder Verfahrensrecht anerkannt worden. Damit stellt sich für die Fachgerichte die Frage, ob über die gesetzlich zugelassenen Fälle hinaus ein Beschwerderecht und damit eine Rechtsmittelinstanz (Ausnahmebeschwerde) eröffnet werden soll. Unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Grundrechtsschutzes kann dies auf § 20 FGG übertragen werden, wenn Fälle grober Unbilligkeit vorliegen, in denen etwa Schriftsätze übersehen worden sind, die ohne weiteres zu einer anderen Beurteilung geführt hätten. Im Bereich der Fachgerichtsbarkeit entsteht das Problem, ob ein Rechtsmittelzug eröffnet werden soll oder aber auf der Grundlage einer „Gegenvorstellung“ die Instanz, die das rechtliche Gehör verletzt hat, selbst zur Korrektur ihrer Entscheidung aufgerufen ist, uU auch gegen das ausdrückliche gesetzliche Verbot einer Änderung der Entscheidung.18 Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das ZPO-RG, insbesondere der Einführung des § 321a ZPO, hat der BGH19 keinen Raum mehr gesehen für eine außerordentliche Beschwerde; die Vorinstanz müsse selbst die Korrektur durchführen, anderenfalls sei nur die Verfassungsbeschwerde gegeben. Zur Anhörungsrüge im FG vgl § 29a. 4. Recht des Beschwerdeführers Das beeinträchtigte Recht muss ein solches des Beschwerdeführers sein. Dieser muss 11 also selbst Träger des beeinträchtigten Rechts sein. Wird die Beschwerde durch einen gewillkürten oder gesetzlichen Vertreter eingelegt, so kommt es auf die Rechtsbeeinträchtigung des Vertretenen an. Das schließt nicht aus, dass daneben dem Vertreter ein Beschwerderecht aus eigenem Recht zusteht, zB wenn der Inhaber der elterlichen Sorge namens des Kindes und zugleich aus eigenem Recht gemäß § 57 Abs 1 Nr 9 Beschwerde

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Hahn-Mugdan Bd 7 S 123; Kamm JuS 1961, 146. BGHZ 41, 114; KG WPM 1960, 1422. KG JFG 17, 174 gegen OLG München JFG 13, 140.

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BayObLG RJA 15, 22; OLG Braunschweig JFG 4, 54; vgl auch KG JFG 19, 65. Vgl E Schneider MDR 2001, 845. BGH NJW 2002, 1577 m Anm Lipp S 1700; ebenso BayObLG FGPrax 2002, 218.

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einlegt. Wird die Beschwerde von einem materiell Rechtsfremden eingelegt, der hinsichtlich des streitigen Rechtsverhältnisses sachlichrechtlich zur Verfügung befugt ist (Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter), so ist die Rechtsbeeinträchtigung der verwalteten Vermögensmasse maßgebend, sofern Verfahrensgegenstand nicht die Rechtsstellung des Rechtsfremden selbst ist, zB bei Entlassung des Testamentsvollstreckers. Das von einem Nichtberechtigten im eigenen Namen eingelegte Rechtsmittel kann nicht durch Genehmigung des Berechtigten (wie etwa sonst nach § 185 BGB) wirksam werden. Ein Verfahrensstandschafter muss seine Rolle von Anfang an offen legen.20 In streitigen Verfahren der FG ist auch eine Nebenintervention möglich, zB wenn ein Beiratsmitglied im Interesse ordnungsmäßiger Verwaltung für den WEG-Verwalter eine Beschwerde einlegt, wobei die Rechtsmittelmöglichkeiten sich nach denen des Verwalters richten.21 5. Rechtsbeeinträchtigung

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Durch das Erfordernis der Rechtsbeeinträchtigung wird zum Ausdruck gebracht, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung in seiner Rechtsstellung negativ betroffen sein muss, dass sie eine materielle Beschwer für ihn begründet, indem entweder seine Rechtsstellung aufgehoben, beschränkt oder gemindert oder eine Verbesserung seiner Rechtsstellung ihm vorenthalten wird. Beeinträchtigung bezeichnet mithin die nachteilige Betroffenheit. Ob diese Benachteiligung mit Recht oder zu Unrecht zugefügt worden ist, ist für die Prüfung der Beschwerdebefugnis als Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne Bedeutung und erst bei der Prüfung der Begründetheit des Rechtsmittels zu untersuchen. In die Sachprüfung, dh in der Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Verfügung darf bei der Prüfung der Beschwerdebefugnis nicht eingetreten werden. Allenfalls darf die Unrichtigkeit der angefochtenen Verfügung unterstellt werden, so dass die Frage dahin zu stellen ist: Wäre ein Recht des Beschwerdeführers beeinträchtigt, wenn die angefochtene Entscheidung sich in seinem Sinne als ungerechtfertigt herausstellen sollte? Das nachteilige Betroffensein des Beschwerdeführers in seinen Rechten, vorbehaltlich der Rechtswidrigkeit des Eingriffs, muss wirklich gegeben sein. Die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, in seinen Rechten nachteilig betroffen zu sein, oder das Vorbringen von Tatsachen, aus denen sich schlüssig ergeben soll, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung in seiner Rechtsstellung betroffen ist, genügt nicht. Das Beschwerderecht in dem dargelegten Sinne muss wirklich bestehen. Das leuchtet ohne weiteres ein in den Fällen, in denen die Beschwerdeberechtigung ohne Beeinträchtigung eigener Rechte des Beschwerdeführers verliehen ist. So genügt es im Falle des § 57 Abs 1 Nr 8 nicht, dass der Beschwerdeführer behauptet, ein Verwandter oder Verschwägerter des Kindes zu sein, er muss es vielmehr wirklich sein. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für § 20 Abs 1, wie schon der Wortlaut „beeinträchtigt (dh betroffen) ist“ zum Ausdruck bringt. Nur in dem besonderen Fall, dass die Tatsachen, welche das Betroffensein ergeben, 13 mit den Tatsachen zusammenfallen, von denen die Begründetheit des Rechtsmittels abhängt, gilt der allgemeine Grundsatz, dass prozessuale Voraussetzungen keines Nachweises bedürfen, soweit sie mit den sachlichen Voraussetzungen identisch sind. Das ist nicht dahin zu verstehen, dass bloße Rechtsbehauptungen genügen, um die Beschwerdebefugnis zu begründen. Vielmehr muss das tatsächliche Vorbringen, seine Richtigkeit

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OLG Celle ZWE 2001, 34; KG NJW-RR 2004, 878 = FGPrax 2004, 112 = ZMR 2004, 460.

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KG ZMR 2005, 471.

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unterstellt, bei zutreffender rechtlicher Würdigung das Betroffensein ergeben.22 Der gesetzliche Erbe ist daher beschwerdeberechtigt, wenn er geltend macht, der dem Testamentserben erteilte Erbschein sei wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unrichtig. Erweist sich dieses Vorbringen als unzutreffend, so ist die Beschwerde zwar wegen gegebenen Beschwerderechts zulässig, aber unbegründet. Ebenso genügt es für das Beschwerderecht des Ersatzhoferben, wenn er geltend macht, der durch letztwillige Verfügung berufene Hoferbe sei wirtschaftsunfähig.23 Lehnt das Beschwerdegericht die Erteilung eines Erbscheins ab, weil es unter Auslegung des Testaments das Erbrecht des Beschwerdeführers verneint, so ist die Beschwerde nicht unzulässig, sondern aus gegebenem Beschwerderecht zulässig, aber unbegründet.24 Ebenso, wenn jemand den ohne Testamentsvollstreckervermerk erteilten Erbschein mit der sich als unrichtig erweisenden Behauptung bekämpft, der Erblasser habe ihn zum Testamentsvollstrecker ernannt.25 Wenn jedoch das Betroffensein, weil es mit der Sachprüfung zusammenfällt, zunächst 14 unterstellt werden muss, ist die Prüfung des Beschwerdegerichts darauf beschränkt, ob die angefochtene Verfügung im Sinne des Beschwerdeführers ungerechtfertigt ist. Die Prüfung darf, wenn diese Frage zu verneinen ist, nicht darauf erstreckt werden, ob die Verfügung etwa in anderer, den Beschwerdeführer nicht berührender Richtung zu beanstanden ist. Wenn daher der gesetzliche Erbe mit der Behauptung der Nichtigkeit des Testaments den dem Testamentserben erteilten Erbschein anficht und dieses Vorbringen sich als unrichtig erweist, darf das Landgericht nicht etwa gleichwohl der Beschwerde stattgeben und die Einziehung des Erbscheins anordnen, weil trotz einer im Testament angeordneten Testamentsvollstreckung der Erbschein keinen Testamentsvollstreckervermerk enthalte. Wenn ein Erbschein mit der Begründung angefochten wird, nicht der darin ausgewiesene A, sondern der Beschwerdeführer B sei Erbe, und das LG kommt zu dem Ergebnis, Erbe sei der C, so muss es die Beschwerde zurückweisen und darf nicht etwa die Einziehung des dem B erteilten Erbscheins anordnen. Ebenso darf das LG nicht etwa die Richtigkeit der Rechtsbehauptung des Beschwerdeführers dahingestellt sein lassen und die Einziehung des Erbscheins aus dem den Beschwerdeführer nicht berührenden Grunde anordnen. Denn anderenfalls wäre dem Beschwerdeführer wegen der allein ihn berührenden Frage das Beschreiten des dritten Rechtszuges verwehrt, weil er nach Anordnung der Einziehung des Erbscheins nicht mehr beschwert ist.26 In diesen Fällen muss sich das LG, wenn es überhaupt auf diese weiteren Fragen eingehen will, auf wegweisende Bemerkungen beschränken und es dem Amtsgericht überlassen, gemäß § 2361 BGB von Amts wegen vorzugehen. Diese Beschränkung beruht darauf, dass dem Beschwerdegericht auf Grund der Dispositionsmaxime eine Prüfungsbefugnis nur im Rahmen des Beschwerdeziels zusteht und dass ihm nicht die umfassende Befugnis des NachlG aus § 2361 BGB verliehen ist, von Amts wegen die Richtigkeit des Erbscheins nach allen Richtungen hin zu prüfen. Auch kann es nicht angehen, dass jemand die Rechtsstellung, die er durch eine wenn auch unrichtige Verfügung erlangt hat, durch das Rechtsmittel eines dazu nicht Legitimierten verliert. Die Beschwerdeberechtigung als Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde ist in einem Erbfall mit Auslandsberührung nach dem deutschen Verfahrensrecht zu beurteilen. Nach dem Erbstatut ist demgegenüber zu beurteilen, ob ein Recht des Beschwerdeführers beeinträchtigt ist.27

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RGZ 95, 270. BGH RdL 1954, 55 = MDR 1954, 162; BGH RdL 1963, 47; anders BGH RdL 1968, 44; ferner BayObLGZ 1964, 40 = FamRZ 1964, 306.

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BGH RdL 1963, 17 = MDR 1963, 39. OLG Oldenburg Rpfleger 1965, 305. Vgl KG OLGZ 1966, 74. BayObLG NJW 1988, 2745.

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6. Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung

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Keine selbstständige Zulässigkeitsvoraussetzung ist die Behauptung der Unrichtigkeit der Entscheidung. Wird ein Rechtsmittel von einem in seinen Rechten nachteilig Betroffenen eingelegt, so kommt es im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) nicht darauf an, ob und wie der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel in tatsächlicher (und rechtlicher) Hinsicht begründet, sondern ob es wirklich begründet ist, ob sich also die angefochtene Verfügung als ungerechtfertigt erweist. Hierüber steht dem Beschwerdeführer keine Dispositionsbefugnis zu. Es berührt also die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht, dass der Beschwerdeführer sich (insgeheim oder ausdrücklich) für nicht beeinträchtigt hält, solange er nur das Rechtsmittel aufrechterhält. Nur die Einlegung oder Zurücknahme des Rechtsmittels unterliegt seiner Dispositionsbefugnis. Warum sollte auch ein Beteiligter, vorausgesetzt, dass er nachteilig betroffen ist, selbst wenn er die Entscheidung für richtig hält, nicht zur Klärung einer Grundsatzfrage die Rechtsmittelgerichte anrufen können. 7. Grad der Beeinträchtigung

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Der Eingriff braucht nicht zur Vereitelung des Rechts in der Weise zu führen, dass das Recht gänzlich beseitigt oder seine Ausübung verhindert wird, indem etwa jemandem durch eine rechtsgestaltende Verfügung ein Recht oder eine Befugnis entzogen wird. Es genügt, dass der Beteiligte in der freien Ausübung seines Rechts gestört oder diese ihm erschwert oder wenn der Bestand seines Rechts rechtlich gefährdet wird.28 So wird der wirkliche Erbe in der Ausübung seines Erbrechts im Hinblick auf §§ 2365, 2366 BGB gefährdet, wenn einem Nichterbe ein Erbschein erteilt wird. Der wahre Erbe ist also beeinträchtigt und zur Beschwerde berechtigt, obwohl über das Erbrecht mit Rechtskraftwirkung nur im Prozesswege, nicht im Erbscheinsverfahren entschieden werden kann. Eine nur tatsächliche (wirtschaftliche) Gefährdung genügt dagegen nicht, auch nicht die Befürchtung, dass eine Verfügung in Zukunft zu einer Beeinträchtigung führen könnte. 8. Unmittelbarkeit

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Es genügt für die Beschwerdebefugnis aus § 20 nicht, dass die angefochtene Verfügung auf die rechtlichen Beziehungen des Beschwerdeführers mittelbar von Einfluss ist. Erforderlich ist vielmehr ein unmittelbarer Eingriff in ein Recht des Beschwerdeführers.29 Eine nur mittelbare Beeinträchtigung liegt vor, wenn die Rechtswirkungen einer Verfügung nur durch das Medium des unmittelbar Betroffenen die Rechtssphäre eines Dritten berühren und beeinträchtigen, zB wenn die Anordnung einer Pflegschaft mit der Begründung bekämpft wird, der Pfleger werde Ansprüche gegen den Beschwerdeführer geltend machen, von deren Erhebung der Pflegebefohlene absehe.30 Nur mittelbar betroffen und deshalb nicht beschwerdeberechtigt ist der Pächter im Verfahren zur Genehmigung der Veräußerung des Pachtgrundstücks.31 Nur mittelbar in ihren Rechten betroffen sind die Verwandten bei der Annahme des Kindes (§ 1752 BGB). Wenn das Gesetz die Belange nur mittelbar, wenn auch rechtlich Betroffener berücksichtigt sehen will, geschieht dies dadurch, dass in Erweiterung des § 20 Abs 1 das Bestehen eines rechtlichen Interesses für genügend erklärt wird, so bei der Todeserklärung (§§ 16 Abs 2c, 26 Abs 2a VerschG),

28 29 30

KG DNotZ 1955, 156. OLG Karlsruhe FamRZ 1956, 252. OLG Karlsruhe aaO.

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31

BGH LM Nr 18 zu § 23 LVO = RdL 1952, 322.

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§ 20

bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach Art 7 § 1 Abs 3 und 7 FamRÄndG sowie in den Fällen des § 57 Abs 1 Nr 1 und 3 FGG. Außerdem kann der Gesetzgeber rechtlich interessierten Dritten gleichsam eine Prozess- oder Verfahrensstandschaft zur Wahrnehmung des fremden Rechts dadurch einräumen, dass er ihnen ein Antragsrecht verleiht (zB §§ 792, 896 ZPO, § 1961 BGB). Zu einer bedenklichen Ausweitung der Grenzen des § 20 Abs 1 führt aber die Auffassung, unmittelbar beeinträchtigt könnten nicht nur die Träger der Rechte und Rechtsverhältnisse sein, deren Regelung Gegenstand des Verfahrens ist, sondern auch diejenigen, in deren Rechtskreis die Regelung eines ihnen fremden Rechtskreises eingreift. Das sind in Wahrheit die zwar rechtlich Interessierten, aber nur mittelbar Betroffenen, weil die Rechtswirkung der Verfügung nur durch das Medium des unmittelbar Betroffenen ihre Rechtssphäre berührt. Der mögliche spätere Erbe eines Betreuten kann die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines Grundstücksverkaufs durch den Betreuer nicht mit der Beschwerde anfechten; die Beschwerde wird auch nicht nachträglich zulässig, wenn der Betreute nach der Beschwerdeentscheidung verstirbt und nunmehr der Erbfall eintritt.32 Dem „faktischen Pflegevater“ steht ebensowenig wie den Pflegeeltern gegen eine Sorgerechtsentscheidung ein Beschwerderecht nach § 20 zu.33 9. Maßgebender Zeitpunkt, Rechtsnachfolge Die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers muss schon zur Zeit des Erlasses der 18 angefochtenen Entscheidung bestanden haben.34 Denn die Bestimmung des § 20 Abs 1 kann nur bedeuten, dass der Erlass der Verfügung und die Beeinträchtigung des Rechts zeitlich zusammenfallen müssen. Nur wer zur Zeit des Erlasses der Verfügung in seinem Recht beeinträchtigt wird, ist zur Geltendmachung dieses Rechts durch Einlegung der Beschwerde berechtigt. Entsteht ein Recht erst nach der Verfügung so kann es durch diese nicht beeinträchtigt sein, vielmehr entsteht es nur mit der Einschränkung, die sich aus der mit der Verfügung geschaffenen Sachlage ergibt, und diese Einschränkung muss, wer ein Recht erst nachträglich erlangt, gegen sich gelten lassen. Anders ist es, wenn das beeinträchtigte Recht ein übertragbares und vererbliches Vermögensrecht ist. Mit dem Übergang des Rechts, gleichgültig ob er auf einer Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge beruht, geht auch das Beschwerderecht über.35 Daher kann es auch einem Pfandgläubiger zustehen, während andererseits eine Verpfändung das Beschwerderecht des Verpfänders nicht ausschließt. Das Beschwerderecht steht demnach den Erben des zurückgewiesenen Antragstellers zu. Bei mehreren Erben richtet sich die Frage, ob es jedem einzelnen oder allen zusammen zusteht, danach, ob der Antrag nur gemeinschaftlich oder von jedem allein gestellt werden konnte. War der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, so ist jeder Erbeserbe zur Verfolgung der Beschwerde befugt, jedoch wegen § 20 Abs 2 nur, wenn sein Erblasser den Antrag gestellt hatte. Durch die Anordnung der Erteilung des Erbscheins ist jeder Erbe betroffen. Das beeinträchtigte Recht muss dem Beschwerdeführer außerdem zur Zeit der Beschwerdeeinlegung zustehen und die Beeinträchtigung muss noch zur Zeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts bestehen. Fällt die Beeinträchtigung und damit die Grundlage der Beschwerdebefugnis nachträglich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts fort, wird die Beschwerde

32 33 34

OLG Köln NotBZ 2004, 37 LS. BGH FamRZ 2004, 102 = FPR 2004, 109. BGH NJW 1958, 1538 = MDR 1958, 761 = FamRZ 1958, 426; BGH NJW 1989, 1858;

35

BayObLGZ 1964, 28; OLG Hamburg WuM 1991, 316; OLG Köln FamRZ 1971, 190. BayObLGZ 1965, 348; Unger ZZP 37, 401.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

unzulässig und es stellt sich die Frage der Hauptsachenerledigung. Auch durch eine Berichtigung der angefochtenen Verfügung analog § 319 ZPO kann die Beeinträchtigung entfallen.36

III. Mehrheit Beschwerdeberechtigter 19

Bei einer Mehrheit Beteiligter, deren Rechte durch die Verfügung beeinträchtigt werden, ist jeder selbstständig und unabhängig von anderen zur Beschwerde berechtigt. Selbst dadurch, dass auf die Beschwerde eines Beteiligten bereits eine Beschwerdeentscheidung ergangen ist, wird das Recht anderer Beteiligter, noch nachträglich Beschwerde einzulegen, nicht berührt. Das gilt zunächst für den Fall, dass bei einem teilbaren Verfahrensgegenstand mehrere Beteiligte in einem entgegengesetzten Sinne beschwert sind. Hat zB das Nachlassgericht die Vergütung des Nachlasspflegers, der 1500 Euro beansprucht hat, auf 1000 Euro festgesetzt, so kann sowohl der Nachlasspfleger als auch ein Miterbe dagegen Beschwerde einlegen. Da im Vergütungsfestsetzungsverfahren das Verbot der reformatio in peius gilt, kann das Gericht die Vergütung nur dann herabsetzen, wenn der Beschwerdegegner Anschlussbeschwerde einlegt.37 Die je eigenständige Beschwerdemöglichkeit gilt aber auch, wenn die mehreren Beteiligten in demselben Sinne beschwert sind. Diese Verfahrenslage kann sich auch ergeben, wenn der Kreis der Beschwerdeberechtigten unbestimmt ist, zB nach § 57 Abs 1 Nr 9. Ist aber in den Fällen der sofortigen Beschwerde die Beschwerde eines Beteiligten zurückgewiesen worden, so steht einem anderen Beteiligten, der von seinem Beschwerderecht gegen die erstinstanzliche Entscheidung keinen Gebrauch gemacht hatte, nicht die weitere Beschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung zu, es sei denn, dass die erstinstanzliche Entscheidung zu seinen Ungunsten verändert worden ist.38 Steht das Antragsrecht nur mehreren Personen gemeinschaftlich zu, so können sie auch gegen die den Antrag zurückweisende Verfügung nur gemeinschaftlich Beschwerde einlegen, zB die Miterben gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Anordnung der Nachlassverwaltung (§ 2062 BGB), mehrere anmeldepflichtige Personen.39 Die nur von einem oder einzelnen der nur gemeinsam Beschwerdeberechtigten eingelegte Beschwerde ist daher unzulässig. Andererseits steht jedem beeinträchtigten Antragsberechtigten die Beschwerde zu, wenn dem Antrag eines einzelnen stattgegeben worden ist, obwohl ein gemeinsamer Antrag erforderlich gewesen wäre. Der Grundsatz wird aber nur dann anzuwenden sein, wenn das Registergericht die Nichtmitwirkung eines notwendigen Anmelders übersehen hat.40 Mehrere Pächter eines Grundstücks können im Pachtschutzverfahren nur gemeinschaftlich einen Pachtschutzantrag stellen und Beschwerde einlegen.41 Hat ein Käufer eines landwirtschaftlichen Grundstücks gegen die Versagung der Genehmigung durch die Landwirtschaftsbehörde keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so ist er nicht berechtigt, gegen die Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts, das auf Antrag des Verkäufers die Genehmigung ebenfalls versagt hat, sofortige Beschwerde einzulegen.42

36 37 38 39

BayObLGZ 1968, 190; OLG Zweibrücken FamRZ 1985, 614. BayObLG FamRZ 2002, 130. BGHZ 3, 214. BayObLG MDR 1982, 1030.

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40 41 42

BayObLG NJW-RR 1988, 873 in Abgrenzung zu BayObLGZ 1984, 29. OLG Oldenburg RdL 1957, 327. BGH NJW 1961, 124 = MDR 1961, 130.

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§ 20

IV. Verfahrensrechtliche Bedeutung der Beschwerdebefugnis Die Beschwerdeberechtigung oder -befugnis wird heute allgemein als Verfahrensvor- 20 aussetzung angesehen.43 Es handelt sich um ein Erfordernis der Zulässigkeit des Rechtsmittels. Bei fehlendem Beschwerderecht ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Zur Sachprüfung gehört erst, ob der Beschwerdeführer zu Recht oder zu Unrecht beschwert ist.

V. Abweichende Regelungen Die Vorschrift des § 20 Abs 1 steht, auch soweit sie das Beschwerderecht von der Be- 21 einträchtigung eines Rechts abhängig macht, unter dem allgemeinen Vorbehalt des § 1 FGG, nach welchem die allgemeinen Vorschriften nur gelten, „soweit nicht ein anderes bestimmt ist.“ Es gelten folgende Abweichungen: 1. Beschwerdeberechtigung ohne Beschwer In Personenstandssachen steht der Standesamtsaufsichtsbehörde nach § 49 Abs 2 22 PStG ein Beschwerderecht in jedem Falle zu, dh auch ohne eigene Beschwer und selbst wenn sie die angefochtene Entscheidung für richtig hält oder diese antragsgemäß auf ihre erste Beschwerde ergangen ist. Keine Beschwer erfordert die unselbstständige Anschlussbeschwerde. Allerdings muss der Antrag des Anschlussbeschwerdeführers auf ein Mehr gehen als das, was der angefochtene Beschluss bereits zugesprochen, etwa eine Antragserweiterung oder eine Änderung in einem Nebenpunkt, der sonst nicht für sich zulässigerweise angreifbar wäre. 2. Rechtliches Interesse In den Vorschriften des BGB über die Tätigkeit des Nachlassgerichts ist mehrfach von 23 „Beteiligten“ die Rede, denen in Bezug auf die Amtsstellung des Testamentsvollstreckers entweder ein Antragsrecht verliehen wird (§§ 2198 Abs 2, 2202 Abs 3, 2216 Abs 2 S 2 BGB) oder die vom Nachlassgericht vor der Entscheidung gehört werden sollen, wie bei der Ernennung des Testamentsvollstreckers (§ 2200 Abs 2 BGB) oder die von dem Inhalt einer eröffneten Testaments in Kenntnis zu setzen sind (§ 2262 BGB). Ebenso wird in § 29 BGB, 85 AktG den „Beteiligten“ das Recht eingeräumt, die Bestellung eines Notvorstandes zu beantragen. Der Begriff des Beteiligten wird zwar im Gesetz nicht bestimmt, jedoch ist eine nicht zu enge Auslegung geboten, da diese Bezeichnung im BGB stets gebraucht wird, wenn über den Kreis der unmittelbar Betroffenen, den Inhaber eines Anspruchs oder Rechts hinaus einem größeren Personenkreis die Möglichkeit gegeben werden soll, Rechtsschutz zu erlangen. Als Beteiligter im Sinne dieser Vorschriften und deshalb Beschwerdeberechtigter ist daher jeder zu verstehen, der ein rechtliches Interesse an der Angelegenheit hat, also nicht nur derjenige, dessen Recht im Sinne des § 20 Abs 1 durch die Verfügung betroffen wird.44 In Vormundschaftssachen verschafft ein rechtliches Interesse das Beschwerderecht in den Fällen des § 57 Abs 1 Nr 1 und 3.

43

BGHZ 31, 92; BGH MDR 1963, 39; BayObLGZ 1961, 200; 1976, 151; KG OLGZ 1966, 596; OLG Hamm OLGZ 1978, 35.

44

BGHZ 35, 296 = MDR 1961, 840 = NJW 1961, 1717; KG NJW 1963, 1553.

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3. Berechtigtes Interesse

24

Geringere Anforderungen als ein rechtliches Interesse stellt das berechtigte Interesse. Ein solches wird in Vormundschaftssachen verlangt in den Fällen des § 57 Abs 1 Nr 9. 4. Beschwerderecht bestimmter Personen

25

Zum Teil wird das Beschwerderecht ohne Anknüpfung an § 20 auch bestimmten Personen gewährt. So in § 57 Abs 1 Nr 1 dem Ehegatten sowie den Verwandten und Verschwägerten des Mündels, in § 57 Abs 1 Nr 7 dem Gegenvormund, in § 55b Abs 3 (Vaterschaftsfeststellung) den nach Abs 1 zu hörenden Personen und dem Kinde, in § 69g Abs 1 (Betreuungssachen) dem Ehegatten, denjenigen, die mit dem Betroffenen in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt sowie der zuständigen Behörde, in §§ 70m den gemäß § 70d anzuhörenden Personen, in § 7 Abs 2 FEVG die Verwaltungsbehörde. Sonst sind Behörden nur beschwerdeberechtigt, wenn durch die angefochtene Verfügung ein ihnen zukommendes Recht betroffen wird oder sie in der Erfüllung ihrer öffentlichrechtlichen Pflichten beeinträchtigt sind. Dagegen ergibt sich aus §§ 58, 59 keine zusätzliche Beschwerdebefugnis. Sondern auch für die darin genannten Personen (mehrere Vormünder, Minderjährige) müssen die Voraussetzungen des § 20 erfüllt sein.

VI. Verfahrensvertretung 1. Gesetzliche und gewillkürte Vertreter

26

Werden Beschwerden nicht im eigenen, sondern im fremden Namen eingelegt, kommt es zusätzlich zum Beschwerderecht auf die Vertretungsberechtigung an. Zu unterscheiden ist die gesetzliche und die gewillkürte Vertretung. Für die Beschwerdebefugnis kommt es auf die Rechtsbeeinträchtigung des Vertretenen an. Bei gesetzlichen Vertretern ist insbesondere zu prüfen, ob die Beschwerde im Namen des Vertretenen oder im eigenen Namen oder in beiderlei Hinsicht eingelegt ist. Die Beschwerdeschrift ist auszulegen nach Wortlaut, Sinn und Interessenlage. Im Zweifel wird die Ausschöpfung aller Möglichkeiten anzunehmen sein. Anträge sind so auszulegen, dass ihr Ziel im Rahmen aller verfahrensrechtlichen Möglichkeiten angestrebt wird. 2. Ausübung

27

Bei Beschwerden in fremdem Namen ist neben der Beschwerdebefugnis des Vertretenen die verfahrensrechtliche Befugnis des Vertreters zur Ausübung des Beschwerderechts nachzuprüfen. Fehlt die Vertretungsbefugnis, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Legen Eltern namens des Kindes Beschwerde ein, ist ihre Beschwerdeführungsbefugnis nach § 1629 Abs 1 BGB zu prüfen mit den Einschränkungen, die aus §§ 1629 Abs 2, 1630 Abs 1 und 3, 1666, 1671, 1672, 1796, 1909 BGB und §§ 620 Nr 1, 620a ZPO resultieren. Legen Pfleger (§§ 1909 BGB) Beschwerde namens des Pfleglings ein, ist zu prüfen, ob und inwieweit der Pfleger bestellt ist, ob die Pflegschaft erloschen oder aufgehoben ist (§§ 1918, 1919 BGB) oder eingeschränkt ist, etwa durch Unterpflegschaft. Ebenso ist der Umfang der Vertretungsbefugnis eines Verfahrenspflegers im Betreuungsverfahren und in Unterbringungssachen zu prüfen. Der Verfahrenspfleger kann im Interesse des Betroffenen und unabhängig von diesem Rechtsmittel einlegen. Ebenso verhält es sich mit der Vertretungsbefugnis des Betreuers. Er ist gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB), sein Aufgabenkreis ergibt sich aus der Bestallungsurkunde.

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3. Partei kraft Amtes Bei Parteien kraft Amtes, wie Insolvenzverwalter und Testamentsvollstreckern, die als 28 Beschwerdeführer auftreten, ist deren Legitimation zu prüfen. Diese ergibt sich aus der Bestellungsurkunde.

VII. Formelle und materielle Beschwer 1. Allgemeines Das Beschwerderecht aus § 20 Abs 1 hat eine materielle Beschwer zur Voraussetzung, 29 dh es ist erforderlich, aber auch genügend, dass der Beschwerdeführer durch die ergangene Verfügung ihrem Inhalt nach nachteilig betroffen wird. Von einer formellen Beschwer spricht man, wenn die gerichtliche Entscheidung von den Anträgen des Beteiligten ungünstig abweicht, indem entweder sein Verfahrensantrag überhaupt zurückgewiesen oder seinem den Verfahrensgegenstand bestimmenden Sachantrag nicht oder nur zum Teil stattgegeben wird. Da das Vorliegen einer formellen Beschwer nur durch einen Vergleich des Inhalts der angefochtenen Entscheidung mit dem von dem Beschwerdeführer in der Vorinstanz gestellten Antrag festgestellt werden kann, kommt eine formelle Beschwer für die Einlegung der ersten Beschwerde nicht in Betracht, wenn das Verfahren des ersten Rechtszuges unabhängig von Anträgen der Beteiligten von Amts wegen betrieben wird. In diesem Fall ist ausschließlich die materielle Beschwer maßgebend. Das gilt auch in den Fällen, in denen bestimmt ist, dass eine Verfügung nicht ohne Antrag erlassen werden soll oder ein Antrag tatsächlich gestellt, aber nicht notwendige Voraussetzung für das Tätigwerden des Gerichts ist. Hat zB das Vormundschaftsgericht dem „Antrag“ des Vormunds, ihm eine Vergütung von 500 Euro zu bewilligen (§ 1836 BGB) stattgegeben, so ist der Vormund nicht gehindert, Beschwerde mit dem Ziel einer Erhöhung einzulegen. Der zivilprozessuale Grundsatz, dass dem siegreichen Kläger kein Rechtsmittel zum Zwecke der Klageerweiterung zusteht, kommt nicht in Betracht, weil die Verfügung des Vormundschaftsgerichts von einem Antrag nicht abhängig war und durch Anträge nicht bestimmt werden konnte. Ebenso kann der Mündel Beschwerde einlegen, selbst wenn er im ersten Rechtszuge gegen die Bewilligung der beantragten Vergütung keine Einwendungen erhoben hatte. Im Amtsverfahren ist daher unschädlich, dass die angefochtene Verfügung der Stellungnahme des Beschwerdeführers im ersten Rechtszuge entspricht oder gar auf seine Anregung ergangen ist.45 Im Antragsverfahren kann eine formelle Beschwer für den Antragsteller darin liegen, dass sein Verfahrensantrag zurückgewiesen worden ist. Dieser Fall hat in § 20 Abs 2 eine besondere gesetzliche Regelung erfahren. Außerdem kann der Antragsteller dadurch formell beschwert sein, dass seinem den Verfahrensgegenstand bestimmenden Sachantrag, sofern ein solcher erforderlich ist, ganz oder zum Teil nicht entsprochen wird. Für den Antragsgegner kommt auch im Antragsverfahren stets nur eine materielle Beschwer in Betracht, da seinen Anträgen keine verfahrensbestimmende Bedeutung zukommt und er sich überhaupt ohne Nachteil der Stellung von Anträgen enthalten kann.

45

OLG Hamburg MDR 1953, 180; OLG Hamm JMBlNRW 1954, 84; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 232.

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2. Überschneidung

30

Formelle und materielle Beschwer können sich überschneiden. Eine ausschließlich formelle Beschwer liegt vor, wenn im Antragsverfahren der Antrag aus verfahrensrechtlichen Gründen als unzulässig zurückgewiesen wird. Formelle und zugleich materielle Beschwer begründet die Sachentscheidung, die im Antragsverfahren hinter dem Antrag zurückbleibt. Materielle Beschwer allein ist gegeben, wenn und soweit der Inhalt der angefochtenen Verfügung von Anträgen der Beteiligten unabhängig ist. Für den Antragsteller begründet eine Entscheidung, die im Antragsverfahren seinem Antrag voll stattgibt, keine formelle Beschwer. Es kann aber gleichwohl eine zur Beschwerde berechtigende materielle Beschwer vorliegen. 3. Beschwerderecht des obsiegenden Antragstellers im Antragsverfahren

31

Ist im Antragsverfahren dem Antrag voll entsprochen worden, so fehlt es zwar an einer formellen Beschwer des Antragstellers. Eine solche ist aber auch nicht erforderlich. Denn da dieser Fall nicht der Regelung des § 20 Abs 2 unterliegt, kommt es gemäß § 20 Abs 1 allein auf die materielle Beschwer des Antragstellers, dh darauf an, ob er durch die gemäß seinem Antrag ergangene Verfügung in seinen Rechten nachteilig betroffen wird. Es ist also grundsätzlich, wenn eine sachliche Beschwer vorliegt, eine formelle Beschwer nicht zusätzlich erforderlich und ihr Fehlen unschädlich. Da aber die Beschwer nur ein Sonderfall des Rechtsschutzbedürfnisses ist, muss der Beschwerdeführer ein Rechtsschutzbedürfnis an der Beseitigung der von ihm selbst erwirkten Verfügung haben. Das ist der Fall, wenn die Wirkungen der Verfügung sich nur durch Beschwerdeeinlegung abwenden lassen. Deshalb steht die Beschwerde gegen die Erteilung eines Erbscheins mit dem Ziel der Einziehung auch demjenigen zu, auf dessen Antrag der Erbschein erteilt worden ist.46 Will der Antragsteller den Eintritt der Gestaltungswirkung einer von ihm erwirkten, erst mit der Rechtskraft wirksam werdenden rechtsgestaltenden Verfügung verhindern, so bedarf er keines Rechtsmittels. Denn er kann bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft den Antrag zurücknehmen, wodurch die Verfügung entfällt und nicht mehr wirksam werden kann. Soweit § 26 Abs 2 Buchstabe a VerschG dem Antragsteller ein Beschwerderecht gegen die Todeserklärung verleiht, kann die Vorschrift wohl nur Bedeutung haben, wenn noch weitere Antrags- oder Eintrittsberechtigte (§§ 16, 17 VerschG) den Antrag gestellt haben und ihn aufrechterhalten. Wird aber eine nur auf Antrag zu erlassende rechtsgestaltende Verfügung bereits mit der Bekanntmachung wirksam (§ 16 Abs 1), so kann die Zurücknahme des Antrags nach Erlass der Verfügung nicht von selbst das Unwirksamwerden der Verfügung herbeiführen. Die Verfügung muss also, wenn sie nicht gemäß § 18 Abs 1 geändert wird, mit der Beschwerde angefochten werden. Kein Rechtsschutzbedürfnis besteht für eine Beschwerde des obsiegenden Antragstel32 lers, wenn es ihm nach der Art des Verfahrensgegenstandes freisteht, von dem erlangten Recht keinen Gebrauch zu machen, insbesondere wenn der Gegenstand der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt. In den Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden können, in denen es aber keine Sachanträge im förmlichen Sinne, sondern nur den Richter nicht bindende Vorschläge der Beteiligten über den Inhalt der von ihnen erstrebten Regelung gibt, wie im Hausratsverfahren47 und im Verfahren nach § 6 40. DVO-UmstG, steht es der Beschwerdebefugnis nicht entgegen, dass die Entscheidung mit dem im ersten 46

BGHZ 47, 58, 64; KG NJW 1960, 1158; BayObLGZ 1966, 408, 411.

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47

BGHZ 18, 143.

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§ 20

Rechtszuge gemachten Vorschlag des mit der Beschwerde eine andere Regelung erstrebenden Beteiligten übereinstimmt.48 Begründet die Entscheidung keine sachliche Beschwer, so fehlt es an einem Beschwer- 33 derecht, gleichgültig ob eine formelle Beschwer vorliegt oder nicht. Im Landwirtschaftsverfahren haben die Vertragsparteien kein Beschwerderecht, wenn eine Veräußerung uneingeschränkt genehmigt oder bescheinigt worden ist, dass es einer Genehmigung nicht bedarf, oder wenn ein Pachtvertrag nicht beanstandet wird. Denn die Beteiligten werden dadurch nicht in ihren Rechten beeinträchtigt, sondern lediglich von einer Beschränkung ihrer Verfügungsmacht befreit.49 Ist allerdings die Versagung der Genehmigung rechtskräftig geworden und genehmigt das Beschwerdegericht auf Grund der unzulässigen Beschwerde einer Vertragspartei den Vertrag gleichwohl, so werden dadurch die Rechte der anderen Vertragspartei beeinträchtigt.50 Einem Ehegatten steht kein Beschwerderecht zu, wenn das Vormundschaftsgericht es ablehnt, ihm zu bestätigen, dass er durch ein Rechtsgeschäft nicht über sein Vermögen im Ganzen verfügt habe.51 Der Ergänzungspfleger ist beschwerdebefugt, wenn die Genehmigungsbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts verneint wird.52 Hat das Gericht eine Pflicht zur Durchführung eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs verneint, so ist der Ehegatte beschwert, der ausgleichsberechtigt wäre, wenn ein Versorgungsausgleich durchzuführen wäre.53 Der Sozialversicherungsträger ist auch dann beschwerdeberechtigt, wenn er bei unverändertem Ausgleichsbetrag lediglich eine andere Ausgleichsform anstrebt.54 Beschwerdeberechtigt ist auch ein Beteiligter, dessen Rechtsstellung sich bei einem Erfolg seines Rechtsmittels verschlechtert.55

VIII. Beschwerderecht bei Zurückweisung von Anträgen (Abs 2) 1. Anwendungsbereich Nach Abs 2 steht die Beschwerde dem Antragsteller zu, soweit eine Verfügung nur 34 auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist. Die Vorschrift gilt nur in Verfahren, für deren Einleitung die Stellung eines Antrags notwendige Voraussetzung ist,56 also nicht in Verfahren, die sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitet werden können,57 oder für zurückweisende Verfügungen, die zwar in der Regel nicht ohne Ansuchen ergehen, die aber nicht einen Antrag im Rechtssinne erfordern, wie die Erteilung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen, zB nach § 1821 BGB. In diesen Fällen ist es ohne Bedeutung, dass tatsächlich ein „Antrag“ Anlass zu der zurückweisenden Verfügung gegeben hat. Die Vorschrift des Abs 2 setzt also voraus, dass der Antrag ganz oder zum Teil („soweit“) zurückgewiesen worden ist. Wird dem Antrag nach der Formel nur zum Teil entsprochen, so kann sich die teilweise Zurückweisung im Übrigen auch aus den Gründen ergeben.

48 49 50 51 52

OLG Hamm JMBlNRW 1954, 84 zu § 6 40. DVO-UmstG. BGHZ 1, 267 = NJW 1951, 483; BayObLGZ 1955, 177. BGH NJW 1961, 124. OLG Zweibrücken OLGZ 1981, 396. OLG Köln NJW-RR 1999, 877 = FGPrax 1999, 26 = FamRZ 2000, 42.

53 54 55 56 57

BGH FamRZ 1991, 549. BGH NJW-RR 1991, 258. OLG Zweibrücken NJW-RR 1987, 7. BGH NJW 1993, 662. OLG Hamm FamRZ 1966, 46.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Der Beschränkung des Abs 2 unterliegen auch den Antragsteller beschwerende Zwischenverfügungen im Sinne der Beanstandung seines Antrags sowie die Anfechtung der Verfügung, durch die ein Antragsverfahren ausgesetzt wird. Auch die Beschwerdebefugnis zur Einlegung der weiteren Beschwerde wird nach § 29 Abs 4 durch § 20 Abs 2 eingeschränkt. Gibt daher das AG dem Antrag statt, weist aber das LG den Antrag auf Beschwerde zurück, so steht die weitere Beschwerde nur dem zurückgewiesenen Antragsteller zu.58 Dagegen kommt die Beschränkung des § 20 Abs 2 nicht in Betracht, wenn und soweit dem Antrag stattgegeben worden ist. In diesem Fall richtet sich die Beschwerdebefugnis uneingeschränkt nach der allgemeinen Regel des § 20 Abs 1. Der Grundsatz des Abs 2 gestattet auch keine ausdehnende Anwendung. Die nachträgliche Wiederaufhebung der einem Antrag stattgebenden Verfügung kann der anfänglichen Zurückweisung, mit der allein § 20 Abs 2 sich befasst, nicht gleichgestellt werden, weil inzwischen durch die bereits wirksam gewordene Verfügung Rechte Dritter entstanden sein können, denen der Rechtsschutz gegen eine unberechtigte Wiederaufhebung nicht versagt werden kann. Wird daher eine Nachlassverwaltung gemäß § 18 Abs 1 nachträglich aufgehoben, so steht die Beschwerde dagegen nicht nur im Hinblick auf die Regelung des Antragsrechts in § 2062 BGB allen Erben gemeinschaftlich, sondern gemäß § 20 Abs 1 jedem Miterben zu. Ebenso steht die Beschwerde gegen die Einziehung des Erbscheins nicht nur dem Antragsteller zu, auf dessen Antrag der eingezogene Erbschein erteilt worden war, sondern jedem durch die Einziehung im Sinne des § 20 Abs 1 Beeinträchtigten, in der Regel also jedem Antragsberechtigten. Die Vorschrift des Abs 2 schränkt im Übrigen nur das Beschwerderecht aus Abs 1 ein. Ob der Grundsatz auch gilt, wenn die Beschwerdebefugnis sich aus anderen Vorschriften herleitet, hängt von dem Inhalt der anderen Vorschrift ab. In den Eingangsworten des § 57 ist die Geltung des § 20, also auch des Abs 2, unberührt gelassen worden. Soweit daher die in § 57 genannten Verfügungen nur auf Antrag erlassen werden können, steht gegen die Zurückweisung des Antrags die Beschwerde ebenfalls nur dem Antragsteller zu. 2. Ausschluss anderer Beteiligter als des zurückgewiesenen Antragstellers von der Beschwerdeführung

36

Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit hat die überwiegende Meinung die strenge Anwendung des Abs 2 in den Fällen aufgegeben, in denen andere Antragsberechtigte in erster Instanz vorhanden waren, diese den Antrag nicht gestellt haben, dessen Zurückweisung jedoch bekämpfen wollen.59 3. Beschwerderecht des zurückgewiesenen Antragstellers bzw. anderer Antragsberechtigten

37

Der Sinn des § 20 Abs 2 ist nicht, zu bestimmen, dass dem Antragsteller schon deswegen, weil sein Antrag zurückgewiesen worden ist, ohne die sonstigen Voraussetzungen des Abs 1 ein Beschwerderecht zustehen soll.60 Vielmehr soll der Kreis der nach § 20 58

59

BGHZ 31, 92; KG OLGZ 1966, 596; BayObLG FamRZ 1977, 467; BayObLGZ 1983, 168; 1986, 57. BGH NJW 1993, 662; BayObLGZ 1991, 235 = NJW-RR 1992, 150; BayObLG FamRZ 1990, 649 und 1265; KG OLGZ 1990, 407 = NJW-RR 1990, 1292 MDR

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60

1990, 1023; OLG Frankfurt OLGZ 1992, 35; die dem Wortlaut des Abs 2 verhaftete, rigorosere Gegenauffassung Jansens (Rn 25) wird im Hinblick auf die zu schonenden Resourcen der Justiz aufgegeben. BGH NJW-RR 1991, 771; BayObLGZ 1964, 94; OLG Köln NJW 1963, 541.

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§ 20

Abs 1 möglicherweise Beschwerdeberechtigten bei der Zurückweisung von Anträgen dahin eingeschränkt werden, dass die Beschwerde nur dem Antragsteller zusteht. Die Zurückweisung eines Antrags allein gibt dem Antragsteller kein Beschwerderecht, wenn es an einer Beeinträchtigung seines Rechts im Sinne des Abs 1 fehlt.61 Zu der sachlichen Beschwer muss also die formelle hinzutreten. War allerdings der Antrag wegen mangelnder Antragsberechtigung zurückgewiesen worden und behauptet der Antragsteller und Beschwerdeführer, ein Antragsrecht zu haben, so ist die Beschwerdebefugnis gegeben, weil die für das Beschwerderecht und die Sachprüfung maßgeblichen Tatsachen dieselben sind. Ergibt die Prüfung, dass dem Beschwerdeführer kein Antragsrecht zusteht, so ist die Beschwerde unbegründet.62 Hat aber jemand ohne sachliches Recht die Anregung zu einer von Amts wegen zu erlassenden Maßnahme gegeben und ist diese abgelehnt worden, so ist die Beschwerde unzulässig, wenn sich ergibt (§ 20 Abs 1), dass der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten nicht betroffen wird.63 Ein Rechtsanspruch darauf, dass das Vormundschaftsgericht gegenüber behaupteten Pflichtwidrigkeiten des Betreuers im Wege der Aufsicht tätig wird, steht dritten Personen nicht zu; dementsprechend sind sie gegen die Ablehnung des Einschreitens auch nicht beschwerdebefugt.

IX. Vormundschaftssachen/Betreuungssachen In Vormundschaftssachen ist stets zu beachten, dass neben dem Beschwerderecht aus 38 § 20 Abs 1 ein erweitertes Beschwerderecht nach §§ 57, 58 gegeben sein kann. Nach § 20 Abs 1 kommt ein Beschwerderecht in den nachfolgenden Fällen in Betracht. In den Fällen des § 50 FGG kommt die Bestellung eines besonderen Verfahrenspflegers für das minderjährige Kind in Betracht. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für ein Kind gem § 50 FGG kann von einem sorgeberechtigten Elternteil mit der unbefristeten Beschwerde angefochten werden,64 nicht dagegen von dem Kind selbst. Der nichteheliche Kindesvater ist jedenfalls durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind nicht beschwert.65 1. Vormundschaft Gegen die Anordnung der Vormundschaft oder die Ablehnung ihrer Aufhebung steht 39 das Beschwerderecht dem Mündel und in seinem Namen dem bestellten Vormund zu, gegen die Anordnung auch jedem Inhaber der elterlichen Sorge, gegen die Ablehnung der Aufhebung einer Vormundschaft jedem Elternteil, der geltend macht, dass die elterliche Sorge ihm übertragen werden müsse. Aus eigenem Recht steht die Beschwerde dem Vormund zu gegen die Anordnung der Vormundschaft und gegen die Ablehnung ihrer Aufhebung. Dagegen steht dem Vormund (Pfleger) gegen die Aufhebung der Vormundschaft (Pflegschaft) ein Beschwerderecht weder namens des Mündels (Pfleglings) zu, da seine Vertretungsbefugnis mit dem Wirksamwerden der Aufhebungsverfügung (§ 16) beendet ist, noch im eigenen Namen, da er weder ein eigenes Recht (§ 20 Abs 1) auf das Fortbestehen der Vormundschaft (Pflegschaft) hat noch ein eigenes rechtliches Interesse (§ 57 61

62 63 64

RGZ 56, 129; KG WPM 1960, 1422; BayObLGZ 1951, 397; OLG Köln NJW 1963, 541. BGH RdL 1963, 103. OLG Zweibrücken NJW-RR 2003, 870 = Rpfleger 2003, 426. OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 78; aA OLG

65

Naumburg NJW-RR 2000, 1532 = FamRZ 2001, 170 = NJ 2001, 46 = MDR 2000, 1322 m Anm Marquardt; jedenfalls nach § 57 Abs 1 Nr 9: OLG Hamburg FamRZ 2001, 34. OLG Naumburg FGPrax 2002, 217.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Abs 1 Nr 1 und 3) an deren Fortdauer. Für den bisherigen Vormund oder Sorgerechtspfleger kann allenfalls nach Lage der Sache ein Beschwerderecht aus § 57 Abs 1 Nr 9 in Betracht kommen. Das Beschwerderecht gegen die Ablehnung der Anordnung oder die Aufhebung einer Vormundschaft ist in § 57 Abs 1 Nr 1 geregelt. 2. Betreuung

40

Auf die Betreuung sind nach § 1908i BGB die dort aufgezählten Bestimmungen über die Vormundschaft entsprechend anwendbar. Danach sowie gemäß den §§ 65 ff FGG, insbesondere 69g FGG richtet sich auch das Beschwerderecht. Ein eigenes Beschwerderecht des (vorläufigen) Betreuers gegen eine Aufhebung der (vorläufigen) Betreuung besteht auch dann nicht, wenn er geltend macht, die Betreuung sei unzulässigerweise rückwirkend aufgehoben worden, weshalb sein Vergütungsanspruch gefährdet sei.66 Lehnt das Vormundschaftsgericht die Erforderlichkeit einer weiteren Betreuung wegen einer von dem Betroffenen früher erteilten Generalvollmacht ab und entlässt den bereits bestellten Betreuer gegen dessen Willen, so kann dieser im eigenen Namen sofortige Beschwerde einlegen, wenn zugleich ein Vorsorgeüberwachungsbetreuer bestellt wird, weil dann nicht die Betreuung als solche aufgehoben, sondern lediglich der Aufgabenkreis und die Person des Betreuers neu bestimmt wird.67 Verwandten oder nicht verwandten Dritten steht kein Beschwerderecht zu, wenn das Vormundschaftsgericht ihren Antrag auf Genehmigung des Umgangs mit einem Betreuten nach Ausspruch eines Umgangsverbotes durch den Betreuer abweist.68 Keine Beschwerdeberechtigung des Sohnes einer Betreuten nach vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung des Verkaufs eines Grundstücks der Betreuten.69 Die Entscheidung über die Entlassung des Betreuers wird mit ihrer Bekanntmachung 41 wirksam. Der entlassene Betreuer ist dann nicht mehr befugt, im Namen des Betreuten Beschwerde einzulegen. Wird der Betreuer entlassen und ein neuer Betreuer bestellt, so ist der Nachfolgebetreuer grundsätzlich wieder zu entlassen, wenn die Entlassung des ursprünglichen Betreuers auf Beschwerde hin aufgehoben wird. Dem Nachfolgebetreuer steht ein Beschwerderecht nur gegen seine eigene Entlassung zu, nicht jedoch auch gegen die Aufhebung der Entlassung des ursprünglichen Betreuers.70 Die Mutter eines Betreuten hat kein Beschwerderecht, wenn das Vormundschaftsgericht ihren Antrag ablehnt, anstelle des bisherigen Betreuers sie selbst zur Betreuerin zu bestellen.71 Ein Vorsorgebevollmächtigter hat kein eigenständiges Beschwerderecht gegen die Bestellung eines Betreuers für seinen Vollmachtgeber; er kann nur im Namen des Betroffenen Rechtsmittel gegen die Bestellung und Auswahl des Betreuers einlegen.72 Bestellt das Vormundschaftsgericht dem Betroffenen, obwohl dieser eine entsprechende Vorsorgevollmacht erteilt hat, einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögensverwaltung, steht dem Bevollmächtigten ein Beschwerderecht hiergegen insbesondere dann nicht zu, wenn er die Verwaltung des Vermögens aufgegeben hat.73 Die Kinder eines Betreuten haben kein eigenes Beschwerderecht, wenn das Vormundschaftsgericht ihren Antrag auf Entlassung des bisherigen Betreuers und Bestellung eines der Kinder zum Betreuer ablehnt.74 Zwar können 66 67 68 69 70 71

BayObLG FamRZ 1994, 1189. KG FGPrax 2006, 18. BayObLG FamRZ 1993, 1222. BayObLG FamRZ 1995, 302. BayObLGZ 1995, 267 = FGPrax 1995, 197 = FamRZ 1996, 58. BayObLG FamRZ 1996, 508 = MDR 1996, 174.

710

72

73 74

BayObLGZ 2003, 106 = FGPrax 2003, 171 = FamRZ 2003, 1219 = Rpfleger 2003, 424; aA OLG Zweibrücken FGPrax 2002, 260. BayObLG FamRZ 1996, 968. BGHZ 132, 157 = NJW 1996, 1825 = FamRZ 1996, 607; BayObLGZ 1995, 305 = FamRZ 1996, 508; OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 31 = Rpfleger 2003, 190 = FamRZ 2003, 706

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

nahe Angehörige gegen die erstmalige Bestellung eines Betreuers Beschwerde auch mit dem Ziel einlegen, die eigene Person an die Stelle des ausgewählten Betreuers zu setzen, weil es sich dabei um eine zulässige Teilanfechtung der die Bestellung und Auswahl umfassenden Einheitsentscheidung handelt.75 Hier geht es aber nicht um einen solchen Fall, sondern um die Ablehnung einer Entlassung gemäß § 1908b BGB und ggf die Bestellung eines neuen Betreuers gemäß § 1908c BGB. Gegen die Ablehnung der Entlassung des Betreuers richtet sich die Beschwerdeberechtigung allein nach § 20, wonach beschwerdebefugt sind der Betroffene selbst, ggf durch seinen gemäß § 67 FGG bestellten Verfahrenspfleger, und der Betreuer, wenn eine von ihm gewünschte Entlassung abgelehnt worden ist. Der Betreuungsverein ist berechtigt, gegen die Entlassung des Vereinsbetreuers selbst 42 Beschwerde einzulegen.76 Wird ein Vereinsbetreuer aus seinem Amt entlassen, soll er aber die Betreuung als Privatperson fortführen, so steht dem Betreuungsverein gegen diese Entscheidung die Beschwerdebefugnis zu.77 Der Betreuer hat kein Recht auf Fortbestand der Betreuung und hat daher grundsätzlich kein Beschwerderecht nach § 20 FGG, wenn die Betreuung aufgehoben wird. Jedoch kann er in seinen Rechten beeinträchtigt sein, wenn die Betreuung ohne seine vorherige Anhörung und damit unter Verletzung des rechtlichen Gehörs aufgehoben worden ist.78 Der Betreuer, der sein Einverständnis mit seiner Entlassung erklärt, ist durch die Entscheidung des Landgerichts, die diese Entlassung ausspricht, materiell nicht beschwert. Seine (einfache) weitere Beschwerde gegen die Entlassung ist daher unzulässig.79 Dem Bruder des Betroffenen steht gegen die Ablehnung seiner Anregung, den bestellten Betreuer zu entlassen, kein Beschwerderecht zu.80 Der Betreute ist zur Anfechtung der Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts berech- 43 tigt.81 Dem Betreuer steht gegen einen Beschluss, durch den die Betreuung aufgehoben wird, weder im eigenen Namen noch „im Interesse des Betreuten“ ein Beschwerderecht zu.82 Der Sohn eines Betreuten hat kein Beschwerderecht, wenn das Vormundschaftsgericht eine Vergütung für den Betreuer aus dem Vermögen des Betreuten bewilligt.83 Auch wenn die Beteiligung einer Betreuervergütung durch das Vormundschaftsgericht zu einer Verminderung des nicht nach § 88 II BSHG privilegierten Vermögens des Betroffenen führt, gibt es dies dem Sozialhilfeträger kein eigenes Recht zur Beschwerdeeinlegung.84 Die Bestellung eines Betreuers kann im ausschließlichen Interesse eines Dritten zulässig sein; regt der Vermieter zB um wirksam kündigen zu können, die Bestellung eines Betreuers für den Mieter an und begründet dies schlüssig damit, dass dieser geschäftsunfähig geworden sei, ist er gegen die ablehnende Entscheidung des Vormundschaftsge-

75

76 77

78

LS; anders noch OLG Köln FamRZ 1996, 1024. KG FamRZ 1995, 1442; OLG Schleswig FamRZ 1995, 432; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 451. BayObLG FamRZ 2005, 750. OLG Hamm NJW-RR 2001, 651 = FamRZ 2001, 253 = BtPrax 2000, 218 = FGPrax 2000, 192. OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1244 = BtPrax 1998, 80.

79 80 81 82 83 84

BayObLG NJWE-FER 1998, 184 = FamRZ 1998, 440. BayObLG NJWE-FER 1998, 250 = FamRZ 1999, 874. BayObLG NJWE-FER 2000, 152. OLG Köln NJW-RR 1997, 708 = FamRZ 1997, 1293. BayObLG BtPrax 1998, 147. OLG Karlsruhe NJWE-FER 1997, 12 = BtPrax 1996, 230 = FGPrax 1996, 186.

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richts beschwerdeberechtigt.85 Auch wenn ein Ergänzungsbetreuer bestellt wurde, kann die Verweigerung der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts durch das Vormundschaftsgericht vom Betreuer mit einem Rechtsmittel angefochten werden, es sei denn, er ist durch Gesetz oder gerichtliche Verfügung von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen.86 Gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag des Betreuers auf Festsetzung von Vergütung aus der Staatskasse abgelehnt wird, ist der Betroffene nicht beschwerdeberechtigt.87 Er kann seine Mittellosigkeit in dem Verfahren geltend machen, in dem der Betreuer die Festsetzung der Vergütung gegen ihn begehrt.88 Dem Betr. steht gegen die Entscheidung des VormG, mit dem ein Antrag des Betreuers auf Genehmigung der geschlossenen Unterbringung abgelehnt worden ist, kein Beschwerderecht zu.89 3. Pflegschaft

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Gegen die Anordnung oder Aufhebung der Pflegschaft und gegen die Ablehnung ihrer Anordnung oder Aufhebung steht die Beschwerde dem Pflegling zu, gegen die Anordnung und die Ablehnung der Aufhebung in seinem Namen auch dem Pfleger sowie dem Pfleger aus eigenem Recht. Dagegen steht dem Pfleger die Beschwerde gegen die Aufhebung der Pflegschaft weder namens des Pfleglings noch aus eigenem Recht zu, sofern nicht in Sorgerechtsangelegenheiten ein Beschwerderecht nach § 57 Abs 1 Nr 9 nach Lage des Falles in Betracht kommt. Gegen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft (§ 1909 BGB) hat der dadurch beschränkte Vormund oder Inhaber der elterlichen Sorge ein Beschwerderecht, gleichgültig, ob die Pflegschaft erforderlich wird, weil die Eltern von der Vertretung des Kindes kraft Gesetzes ausgeschlossen sind, oder ob ihnen die Vertretung entzogen wird oder sie von der Verwaltung des Kindesvermögens durch Bestimmung des Erblassers oder Schenkers (§§ 1638, 1909 Abs 1 S 2 BGB) ausgeschlossen sind. In demselben Umfang hat der Inhaber der elterlichen Sorge oder Vormund ein Beschwerderecht gegen die Ablehnung der Aufhebung der Ergänzungspflegschaft. Die Anordnung einer Pflegschaft für noch nicht erzeugte Nacherben (§ 1913 BGB) beeinträchtigt aber weder ein Recht der Eltern noch des Vorerben, die Anordnung einer Pflegschaft für unbekannte Miterben nicht das Recht der übrigen Miterben. Rechte Dritter, etwa eines Gläubigers oder Prozessgegners, können durch die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Pflegschaft nicht berührt werden. Das Beschwerderecht gegen die Ablehnung einer Pflegschaft oder ihre Aufhebung ist in § 57 Abs 1 Nr 3 geregelt. Der Testamentsvollstrecker hat ein Beschwerderecht weder aus § 20 Abs 1 noch aus § 57 Abs 1 Nr 3 gegen die Aufhebung der Pflegschaft für noch nicht erzeugte Nacherben.90 4. Auswahl des Vormunds (Pflegers, Betreuers)

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Gegen die Auswahl des Vormunds nach §§ 1779, 1915 BGB findet, wenn es sich nicht um die Übergehung eines Berufenen (§ 60 Abs 1 Nr 1) handelt, die unbefristete Beschwerde nach § 19 mit dem Ziel der Entlassung statt, auch wenn die Bestellung nach §§ 1789, 1915 bereits vollzogen ist.91 Das Beschwerderecht steht aus § 20 Abs 1 dem Mündel (Pflegling, Betreutem) zu.92 Gegen die Auswahl des Vormunds in den die Perso-

85 86 87 88

BayObLGZ 1996, 52 = FGPrax 1996, 105 = FamRZ 1996, 1369. BayObLG NJWE-FER 1998, 81 = BtPrax 1998, 72 = FamRZ 1999, 47. BayObLG FamRZ 2004, 138 LS. BayObLGZ 2000, 201 = MDR 2000, 1194 =

712

89 90 91 92

BtPrax 2000, 259 = FamRZ 2001, 377 = NJWE-FER 2001, 46 = FGPrax 2000, 202. BayObLG FamRZ 2005, 834. OLG Neustadt NJW 1956, 1881. BayObLGZ 1958, 374; 1961, 189; 1964, 277. BayObLGZ 1964, 277.

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Beschwerdeberechtigte

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nensorge betreffenden Angelegenheiten kann sich ein im Interesse des Kindes (Mündels) auszuübendes Beschwerderecht auch aus § 57 Abs 1 Nr 9 ergeben.93 In Vermögensangelegenheiten steht den Eltern ein Beschwerderecht aus § 20 Abs 1 gegen die Auswahl des Pflegers wegen Beeinträchtigung ihres Rechts zur Vermögensverwaltung und ihres Verwendungsrechts (§ 1649 Abs 2 BGB) zu.94 Sind die Eltern von der Verwaltung des dem Kinde Zugewendeten ausgeschlossen(§ 1638 BGB), so bleiben sie berechtigt, namens des Kindes gegen die Auswahl des Pflegers Beschwerde einzulegen. Im Übrigen haben Verwandte, wenn sie nicht zu den nach §§ 1776, 1915 BGB Berufenen gehören, gegen die Auswahl des Vermögenspflegers kein Beschwerderecht.95 Der zum Vormund Ausgewählte kann die Beschwerde gegen seine Auswahl nur auf das Fehlen einer Übernahmepflicht oder das Bestehen eines Ablehnungsrechts stützen, nicht aber darauf, dass er nach §§ 1779 Abs 2 BGB nicht hätte ausgewählt werden sollen. 5. Entlassung des Vormunds (Pflegers, Betreuers) Gegen die Entlassung des Vormunds gegen seinen Willen steht die nach § 60 Abs 1 46 Nr 3 vorgesehene sofortige Beschwerde dem Entlassenen zu, aber auch dem Mündel nach § 59 und dem Pflegling. Gegen die Entlassung mit Zustimmung des Vormunds (Pflegers) und gegen ihre Ablehnung ist die unbefristete Beschwerde gegeben. Sie steht dem Mündel nach §§ 20 Abs 1, 59 und dem Pflegling zu, Dritten nur nach Maßgabe des § 57 Abs 1 Nr 9. Gegen die Ablehnung der Entlassung des Ergänzungspflegers in Angelegenheiten der Vermögenssorge wird den Inhabern der elterlichen Sorge ein Beschwerderecht nach § 20 Abs 1 aus denselben Gründen zuzubilligen sei, aus denen ihnen ein Recht gegen die Auswahl des Pflegers eingeräumt wird.96 Denn wenn sie auch kein Recht auf Auswahl einer bestimmten Person zum Pfleger haben, so kann doch ihr Recht auf Vermögensverwaltung, welches ihnen nach Beendigung der Pflegschaft wieder zustehen wird, sowie ihre Verwendungsbefugnis (§ 1649 Abs 2 BGB) durch pflichtwidriges Verhalten des Pflegers in einem Maße gefährdet werden, welches eine Beeinträchtigung begründet.97 Dritte können durch die Entlassung des Vormunds (Pflegers) oder ihre Ablehnung in ihren eigenen Rechten nicht beeinträchtigt sein.98 Auch im Interesse des Mündels können sie gegen die Entlassung wegen §§ 57 Abs 2, 60 Abs 1 Nr 3 (sofortige Beschwerde) keine Beschwerde einlegen, ebenso nicht gegen die erst vom Landgericht ausgesprochene Ablehnung der Entlassung, da dann die weitere Beschwerde nach § 29 Abs 2 eine sofortige ist. 6. Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung a) Versagung Gegen die Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (oder einer 47 beschwerenden Auflage) steht das Beschwerderecht aus § 20 Abs 1 dem Kinde, Mündel, Pflegling, Betreuten zu, nicht dem Vormund, Pfleger oder Betreuer aus eigenem Recht.99 Das Beschwerderecht wird namens des Kindes (Mündels) von dem Inhaber der elterlichen Sorge, Vormund, Pfleger, Betreuer als gesetzlichem Vertreter oder im Rahmen des § 59 von dem Kinde, Mündel, Betreuten selbst ausgeübt. Dem Inhaber der elterlichen 93 94 95

BayObLGZ 1958, 373; KG FamRZ 1962, 482; OLG Bremen OLGZ 1968, 68. BayObLGZ 1964, 277. Zweifelnd OLG Karlsruhe FamRZ 1958, 387.

96 97 98 99

BayObLGZ 2004, 113 = FGPrax 2004, 239 = FamRZ 2004, 1817. BayObLGZ 1964, 177. OLG Jena NJ 2003, 268 LS. OLG Stuttgart FGPrax 2001, 199.

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Sorge steht das Beschwerderecht aus eigenem Recht auch in eigenem Namen zu. Dem Gegenvormund steht die Beschwerde zu, wenn seine erforderliche Anhörung (§ 1826 BGB) unterblieben ist, nicht aber wenn die Genehmigung entgegen seiner Stellungnahme versagt oder erteilt worden ist. Einem Dritten, unter Umständen auch dem Geschäftsgegner, kann in einer die Sorge für die Person des Kindes (Mündels, Betreuten) betreffenden Angelegenheit ein Beschwerderecht im Interesse des Kindes aus § 57 Abs 1 Nr 9 zustehen. Im übrigen steht dem Geschäftsgegner gegen die Versagung der Genehmigung ein Beschwerderecht aus eigenem Recht (§ 20 Abs 1 ) nicht zu, weil das Gesetz die Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung als eine innere Angelegenheit zwischen Vormund und VormG ansieht, bei welcher es ausschließlich auf das Interesse des Mündels ankommt und in welche ein Dritter zur Wahrnehmung eigener Rechte nicht eingreifen darf.100 Das gilt auch, wenn der Geschäftsgegner auf die Vornahme des Rechtsgeschäfts einen Anspruch hat. Auch gegen die Zurücknahme der zunächst erteilten Genehmigung hat der Geschäftsgegner kein Beschwerderecht, wenn sie ihm gegenüber nach den §§ 1829 Abs 1, 1831 BGB noch nicht wirksam geworden war. Dagegen kann er sich auf die Beeinträchtigung seines Rechts berufen, wenn er geltend macht, die erteilte Genehmigung sei unzulässigerweise (§§ 55, 62) gemäß § 18 FGG oder im Beschwerdewege geändert worden, obwohl sie ihm gegenüber nach §§ 1829 Abs 1, 1831 BGB bereits wirksam geworden sei.101 Dem wird der Fall gleichgestellt werden können, dass der Vertragsgegner gegen die Versagung Beschwerde einlegt mit der Begründung, das Geschäft habe keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft.102 Der frühere Vormund kann gegen die Versagung der Genehmigung von ihm vorgenommener Rechtsgeschäfte keine Beschwerde einlegen.103 b) Erteilung

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In der Regel hat der Vormund (Pfleger, Betreuer) kein Recht, gegen die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung oder die Ablehnung ihrer Aufhebung (§ 18) namens des Mündels (Pfleglings, Betreuten) Beschwerde mit dem Ziel der Versagung der Genehmigung zu erheben. Denn es bleibt ihm unbenommen, von der Genehmigung durch Unterlassung ihrer Mitteilung an den Vertragsgegner keinen Gebrauch zu machen.104 Deshalb kann es für ein Beschwerderecht auch nicht genügen, wenn die Genehmigung, die keinen Antrag erfordert, gegen den Willen des Vormunds erteilt worden ist. Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen zuzulassen, wenn eine fehlerhafte Behandlung der Sache durch das VormG zu einer Rechtsbeeinträchtigung führen kann, zB wenn die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft erteilt ist, das keiner Genehmigung bedarf,105 oder wenn die Genehmigung statt gegenüber dem Vormund (§ 1828 BGB) gegenüber dem Vertragspartner erklärt und diesem die mit dem Genehmigungsvermerk versehene Ausfertigung des Vertrages ausgehändigt worden ist oder wenn das VormG die Genehmigung unberechtigt auf der Vertragsurkunde vermerkt und dadurch den Eindruck erweckt hat, der Vertrag sei bereits nach § 1829 BGB wirksam geworden; ferner gegen die Erteilung der Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft, welches den Wirkungskreis des Pflegers überschreitet.106 Dem Gegenvormund steht die Beschwerde zu, wenn er zu Unrecht nicht gehört worden ist (§ 1826 BGB). Der Geschäftsgegner hat gegen die Erteilung der Genehmigung kein Beschwerderecht aus § 20 Abs 1, auch wenn er geltend macht, dass die 100 101 102 103

RGZ 56, 124; BayObLGZ 1964, 240. BayObLGZ 1960, 276. BayObLGZ 1964, 240. BayObLGZ 21, 375 = OLGR 32, 19.

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104 105 106

BayObLGZ 1963, 1. KGJ 52, 30. KG JW 1938, 2141.

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Genehmigung nach § 1829 Abs 2 BGB als verweigert gelte,107 noch weniger ein an dem genehmigten Rechtsgeschäft nicht beteiligter Dritter, der Rechte an dem Gegenstand des Rechtsgeschäfts zu haben vorbringt108 oder der Testamentsvollstrecker gegen die Erteilung der Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft des minderjährigen Erben.109 Der mögliche spätere Erbe des Betreuten kann die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines Grundstücksverkaufs durch den Betreuer nicht mit der Beschwerde anfechten. Die Beschwerde wird nicht nachträglich zulässig, wenn der Betreute nach der Beschwerdeentscheidung verstirbt und nunmehr der Erbfall eintritt.110 Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des von einem Betreuer für einen prozessunfähigen Ehegatten gestellten Scheidungsantrages nach § 607 Abs 2 S 2 ZPO betrifft nur die Rechtssphäre dieses Ehegatten, seinerseits bei gescheiterter Ehe deren Auflösung herbeizuführen, weshalb der andere Ehegatte nicht befugt ist, im eigenen Namen Rechtsmittel gegen die Genehmigung einzulegen.111 c) Negativattest Der Ausspruch, dass das Rechtsgeschäft keiner Genehmigung des VormG bedürfe, 49 steht der Erteilung der Genehmigung nicht gleich,112 vielmehr wird dadurch eine Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Genehmigung abgelehnt. Gegen eine solche Verfügung steht dem Vormund namens des Mündels die Beschwerde mit dem Ziel der Erteilung oder Versagung der Genehmigung zu.113 7. Vormund, Pfleger, Betreuer Vormund, Pfleger, Betreuer wie Inhaber der elterlichen Sorge haben bei Beeinträchti- 50 gung von Rechten des Mündels (Pfleglings, Betroffenen, Kindes) als gesetzlicher Vertreter in dessen Namen das Beschwerderecht, wenn ein Recht im Sinne des § 20 Abs 1 der vertretenen Person verletzt ist, auch in einer Kindergeldsache. Der Vormund usw. ist in eigenem Namen nur dann gemäß § 20 Abs 1 beschwerdebefugt, wenn die Entscheidung in seine eigenen Rechte bzw seine eigene Rechtssphäre eingreift, etwa bei Anordnungen nach §§ 1836, 1837, 1886 BGB oder gegen seine Bestellung als Pfleger (vgl § 60 Abs 1 Nr 2). Der ausgewählte Vormund (§ 1779 BGB) kann die Beschwerde jedoch nicht darauf stützen, er sei zur Führung der Vormundschaft nicht geeignet.114 Der Vormund usw. hat ein Beschwerderecht gegen die Versagung einer Vergütung,115 gegen ein Gebot nach § 1837 BGB,116 gegen die Androhung eines Zwangsgeldes, gegen die unvollständige Aufnahme von Befreiungen in die Bestallungsurkunde,117 gegen Beschränkungen seines Wirkungskreises,118 gegen die Bestellung eines Unterpflegers,119 gegen die Verweigerung zur Abhebung von Mündelgeld,120 gegen seine Entlassung121 und bereits gegen die Androhung der Entlassung.122 Dagegen besteht kein Beschwerderecht des Vormunds usw. gegen die Aufhebung der Vormundschaft usw, und zwar weder aus eigenem Recht noch 107 108 109 110

111 112

KG JW 1937, 2975. KGJ 38 A 56. OLG Celle NdsRpfl 1962, 151; OLG Celle OLGZ 1967, 483. OLG Köln FamRZ 2004, 736 LS = NotBZ 2004, 37 LS = ZMR 2004, 267; vgl auch BGH NJW 1989, 1858; BGH NJW 1999, 3718. KG FGPrax 2006, 18. BGHZ 44, 325.

113 114 115 116 117 118 119 120 121 122

BayObLGZ 1964, 40. KG KGJ 45, 38. KG FamRZ 1968, 488. KG FamRZ 1963, 467. KG KGJ 45, 66. KG Recht 1915 Nr 1631. KG OLGZ 1965, 237. BayObLGZ 1959, 1. KG JR 1967, 26. BayObLGZ 1965, 50.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

als Vertreter, weil es kein Recht auf Fortbestand der Vormundschaft usw gibt bzw das Amt mit der Abberufung erloschen ist, jedoch kann ein Beschwerderecht nach § 57 Abs 1 Nr 1, 3, 9 gegeben sein.123 Der Vormund hat kein Beschwerderecht gegen die Erteilung oder Versagung der Genehmigung von Rechtsgeschäften des Ergänzungspflegers innerhalb des diesem gewährten Wirkungskreises, nicht der Unterhaltspfleger gegen eine Entscheidung nach § 1612 Abs 2,124 nicht der Pfleger gegen die Bestellung eines Beistands.125 Der Pfleger hat kein Beschwerderecht gegen eine Entscheidung, die in einer das Rechtsverhältnis zwischen dem Pflegling und dessen Vater betreffenden Angelegenheit erlassen wird.126 Äußert sich das Vormundschaftsgericht im Rahmen der vormundschaftsgerichtlichen Aufsicht über den Betreuer auf dessen Anfrage dazu, ob eine beabsichtigte Maßnahme des Betreuers möglicherweise pflichtwidrig ist, steht dem Betroffenen hiergegen kein Beschwerderecht zu.127 Beschwerdebefugt ist ein Pfleger gegen die nachträgliche Beschränkung seines Wir51 kungskreises unter Bestellung eines weiteren Pflegers,128 gegen die Anordnung der Gegenvormundschaft,129 gegen die Anordnung des VormG über die Anlegung von Mündelgeld,130 gegen die Ablehnung einer von ihm nachgesuchten Weisung.131 Mit der Beendigung des Amtes des Vormunds (Pflegers, Betreuers) wegen Aufhebung 52 oder Entlassung erledigen sich solche Verfügungen, die sich gerade auf die Amtsführung beziehen. Nach dem Wirksamwerden der Entlassung steht daher dem Vormund die Beschwerde gegen Gebote und Verbote nach § 1837 BGB nicht mehr zu. Er ist auch nicht mehr zur Beschwerdeführung gegen die Versagung der Genehmigung zu einem von ihm geschlossenen Rechtsgeschäft befugt oder zur Beschwerde gegen die Auswahl des neuen Vormunds.132 Er bleibt beschwerdeberechtigt gegen solche Verfügungen, die unabhängig von oder trotz der Beendigung seines Amtes seine Rechte beeinträchtigen, wie zB Entscheidungen über die Gewährung einer Vergütung.133 Eine Beschwerdebefugnis ist für den Betreuer, dem das AG antragsgemäß gestattet hat, die Vergütung aus dem Vermögen des Betroffenen zu entnehmen, auch dann gegeben, wenn sich dessen Vermögensverhältnisse in der Zeit nach der Entscheidung des AG bis zur Beschwerdeentscheidung wesentlich verschlechtert haben und der Betreuer nunmehr Erstattung aus der Staatskasse verlangen will.134 Die Beschwerde gegen die Entlassung steht dem Vormund (Pfleger) auch dann noch zu, wenn inzwischen die Vormundschaft (Pflegschaft) beendet ist.135 Gegen die Aufhebung einer Entlassung des Betreuers durch das Landgericht steht dem durch das Vormundschaftsgericht bestellten neuen (Nachfolge-) Betreuer kein Beschwerderecht zu, auch wenn er zu dem Personenkreis des § 69g Abs 1 gehört.136 8. Gegenvormund

53

Dem Gegenvormund wird in Erweiterung des § 20 Abs 1 ein Beschwerderecht gegen gewisse Verfügungen in § 57 Abs 1 Nr 6 und 7 eingeräumt (vgl dort).

123

124 125 126 127 128 129

BGH NJW 1953, 1666; BayObLGZ 1961, 277; OLG Zweibrücken OLGZ 1989, 298 = Rpfleger 1989, 238. LG Schweinfurt ZBlJR 1953, 170. BayObLG 22, 29. BayObLG 3, 182. BayObLG FamRZ 2001, 786. KG OLGZ 1965, 237 = MDR 1966, 149. LG Frankfurt MDR 1977, 579.

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130 131 132 133 134 135 136

KG OLGZ 1967, 255. LG Berlin JR 1963, 346. BayObLGZ 1958, 244. BGHZ 21, 240 = NJW 1956, 1794 = FamRZ 1956, 371. OLG Schleswig SchlHA 2005, 353. KG Rpfleger 1971, 18; BayObLG FamRZ 1974, 219. OLG Zweibrücken FGPrax 2002, 25.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

9. Eltern Eltern steht, und zwar jedem Elternteil für sich, das Beschwerderecht zu bei Entschei- 54 dung von Meinungsverschiedenheiten mit dem Pfleger (§ 1630 Abs 2 BGB), gegen die Ersetzung ihrer Einwilligung zur Kindesannahme. Jedem Elternteil steht die Beschwerde zu gegen Maßnahmen nach § 1666 BGB, ferner gegen Maßnahmen nach §§ 1667 ff, 1696 BGB und gegen in deren Rahmen erlassene vorläufige Anordnungen, gegen die Ablehnung von Maßnahmen nach § 1631 Abs 3 BGB zur Unterstützung der Eltern bei der Erziehung des Kindes, gegen Entscheidungen nach § 1632 Abs 2 BGB über die Herausgabe des Kindes sowie gegen die Festsetzung der Vergütung des Pflegers. Ist einem Elternteil die Sorge für die Person oder das Vermögen entzogen oder steht ihm die elterliche Sorge aus einem sonstigen Rechtsgrunde nicht zu, so kann er das Beschwerderecht in Bezug auf Maßnahmen, welche die Sorge für die Person oder das Vermögen des Kindes betreffen, nicht mehr auf § 20 Abs 1 stützen. In den die Sorge für die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten kann er aber ein Beschwerderecht aus § 57 Abs 1 Nr 9 haben. Leibliche Eltern sind gegen eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, eine 55 Adoption nach § 1763 BGB aufzuheben, wegen Beeinträchtigung eigenen Rechts (§ 20 I FGG) zur Einlegung der sofortigen Beschwerde befugt.137 Der Annehmende ist gegen einen Beschluss des LG, durch den ein eine Adoption aufhebende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts (§ 1763 BGB) geändert wird, zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wegen Beeinträchtigung eigenen Rechts (§ 20 I FGG) beschwerdeberechtigt, unbeschadet dessen, dass er gegen eine Ablehnung der Aufhebung einer Adoption seitens der ersten Instanz Beschwerde nur im Interesse des Kindes nach § 57 I Nr 9 FGG einlegen könnte.138 Im Verfahren der Aufhebung einer Minderjährigen-Adoption sind neben dem Kind und dem Annehmenden wegen der rechtlichen Möglichkeit des Wiederauflebens des ursprünglichen Verwandtschaftsverhältnisses und der sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten auch die leiblichen Eltern Beteiligte und damit beschwerdeberechtigt.139 Hat ein Erblasser seine Enkel zu Miterben eingesetzt und seine geschiedene Schwie- 56 gertochter, der die elterliche Sorge übertragen ist, von der Verwaltung des den Kindern so angefallenen Vermögens ausgeschlossen, so kann die Schwiegertochter namens der Kinder gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, durch die der vom Erblasser zum Ergänzungspfleger berufene Vater der Kinder als Pfleger ausgewählt worden ist, Beschwerde einlegen.140 Die Pflegeeltern sind auch dann beschwerdebefugt, wenn nur über eine vorläufige Wegnahme des Kindes aus der Pflegefamilie im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden ist.141 Pflegeeltern sind nicht berechtigt, Beschwerde gegen eine die elterliche Sorge für das Pflegekind betreffende Entscheidung des Familiengerichts einzulegen.142 Pflegeeltern sind auch nicht berechtigt, Beschwerde gegen eine Entscheidung des Familiengerichts einzulegen, in der den Eltern ein Umgangsrecht mit dem Kind eingeräumt wurde.143 Die Pflegeeltern haben grundsätzlich kein Beschwerderecht gegen 137 138 139 140

KG OLGZ 1994, 68 = FamRZ 1993, 1359 = DtZ 1993, 254. KG OLGZ 1994, 68 = FamRZ 1993, 1359 = DtZ 1993, 254. OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 222 = FamRZ 1998, 1196. BayObLGZ 1997, 93 = FamRZ 1997, 1289 = DNotZ 1998, 491 = NJWE-FER 1997, 202 = FamRZ 1997, 1289.

141 142 143

OLG Köln NJW-RR 2000, 374 = FamRZ 2000, 635. BGH NJW 1999, 3718 = FamRZ 2000, 219 = MDR 1999, 1385. BGH NJW 2005, 2149 = FamRZ 2005, 975 = MDR 2005, 1170; BGH FamRZ 2004, 102 = FPR 2004, 109.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

die Entlassung des Vormunds, wohl aber gegen die Auswahl eines neuen.144 Ist einem Kind zur Wahrnehmung vermögensrechtlicher Ansprüche gegen seinen nicht sorgeberechtigten Vater aus einer Schenkung ein Ergänzungspfleger bestellt worden, so steht dem Vater gegen eine die Entlassung des Pflegers ablehnende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts in der Regel kein Beschwerderecht zu, wenn es ausschließlich um die Sicherung einer unbestrittenen vermögensrechtlichen Position des Kindes geht. Das gilt mangels besonderer Umstände auch dann, wenn das Kind sich zur Vermeidung eines Konflikts mit dem Vater gegen die Führung des Prozesses ausgesprochen hat.145 10. Kind, Mündel, Pflegling, Betreuter

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Dem Kind, Mündel usw. steht die Beschwerde aus § 20 Abs 1 zu, soweit seine Rechte beeinträchtigt werden, zB gegen die Ablehnung der Entlassung des Vormunds,146 gegen die Ablehnung des Erlasses von Geboten und Verboten an den Vormund nach § 1837 BGB, gegen die Festsetzung der Vergütung nach § 1836 BGB, gegen die Anordnung oder Ablehnung von Maßnahmen gegen die Eltern nach §§ 1666, 1667, 1693 BGB. Das Beschwerderecht übt grundsätzlich der gesetzliche Vertreter im Namen des Vertretenen aus. Soweit jedoch das bürgerliche Recht beschränkt Geschäftsfähigen die Fähigkeit verleiht, Rechte selbstständig auszuüben, sind sie auch befähigt, selbstständig Anträge zu stellen und Beschwerde einzulegen (vgl § 13). Unabhängig vom bürgerlichen Recht gewährt ferner § 59 FGG Kindern und Mündeln, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und nicht geschäftsunfähig sind, die Fähigkeit zur selbstständigen Ausübung des Beschwerderechts in den in § 59 Abs 1 bezeichneten Angelegenheiten. Hat ein Kind beantragt, die Einwilligung eines Elternteils in eine Adoption zu ersetzen, so ist nur dieses Kind beschwerdeberechtigt. Hat bereits das Vormundschaftsgericht abgelehnt, die Einwilligung in eine Adoption zu ersetzen, so findet gegen den Beschluss, der die Beschwerde zurückweist, die einfache weitere Beschwerde statt.147 Das Kind hat kein eigenes Beschwerderecht gegen die Entscheidung, welche den Antrag, die Einwilligung des anderen Elternteils in eine Namensänderung zu ersetzen, ablehnt.148 Der Betreute ist zur Anfechtung der Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts berechtigt.149 Gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag des Betreuers auf Festsetzung von Vergütung aus der Staatskasse abgelehnt wird, ist der Betroffene nicht beschwerderechtigt. Er kann seine Mittellosigkeit in dem Verfahren geltend machen, in dem der Betreuer die Festsetzung der Vergütung gegen ihn begehrt.150 Beanstandet der Betreute die Aufhebung der Betreuung wegen veränderter Umstände nicht, sondern will er nur in einem bereits anhängigen Beschwerdeverfahren die Feststellung erreichen, dass die Bestellung des Betreuers von Anfang rechtswidrig gewesen sei, kann er nicht die spätere Aufhebung angreifen, sondern allenfalls das frühere Beschwerdeverfahren mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bestellungsentscheidung fortführen.151 Hier erledigt sich jedoch die Hauptsache durch die Aufhebung der Betreuung nach § 1908d Abs 1 S 1 BGB.152 Äußert sich das Vormundschaftsgericht im Rahmen der vormundschaftsgerichtlichen

144 145 146 147 148

OLG Karlsruhe NJWE-FER 1998, 104 FamRZ 1998, 568. BayObLGZ 1999, 59 = NJW-RR 1999, 1676 = FamRZ 2000, 251. KG JFG 12, 122. BayObLG NJW-RR 1991, 71. OLG Nürnberg FamRZ 2001, 49 L = NJWE-FER 2000, 279.

718

149 150

151 152

BayObLG NJW-FER 2000, 152 = FamRZ 2000, 567 LS. BayObLGZ 2000, 201 = FGPrax 2000, 202 = BtPrax 2000, 259 = FamRZ 2001, 377 = MDR 2000, 1194. BayObLG MDR 2001, 94. FamRZ 2001, 255.

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§ 20

Aufsicht über den Betreuer auf dessen Anfrage dazu, ob eine beabsichtigte Maßnahme des Betreuers möglicherweise pflichtwidrig ist, steht dem Betroffenen hiergegen kein Beschwerderecht zu.153 11. Beschwerderecht Dritter Die Aufsicht über den Vormund obliegt dem VormG nur im Interesse des Mündels, 58 nicht im Interesse seiner Gläubiger oder Schuldner oder im Interesse von Personen, welche zu dem Mündel in Rechtsbeziehungen treten oder ein personenrechtliches Verhältnis zu dem Mündel begründen, zB einen Kindesannahmevertrag mit ihm schließen wollen. Solche Dritten können daher kein Beschwerderecht nach § 20 Abs 1 aus eigenem Recht haben, allenfalls kann ihnen ein erweitertes Beschwerderecht aus § 57 zustehen. Daher haben Dritte kein Beschwerderecht gegen den Erlass oder die Ablehnung von Geboten oder Verboten an den Vormund nach § 1837 BGB oder gegen die Ablehnung der Entlassung des Vormunds. Kein Beschwerderecht hat der Vertragsgegner gegen die Ablehnung der Ersetzung der Genehmigung des Gegenvormunds (§ 1812 Abs 2 BGB), der Prozessgegner des Pfleglings gegen die Anordnung einer Pflegschaft, der Gläubiger des Abwesenden gegen die Anordnung der Abwesenheitspflegschaft, der Hypothekengläubiger gegen die Anordnung der Pflegschaft nach § 1913 BGB nach Aufgabe des Grundeigentums, ebenso wenig der Fiskus, solange er von seinem Aneignungsrecht (§ 928 BGB) keinen Gebrauch gemacht hat. Der Leiter einer Heil- und Pflegeanstalt hat kein Beschwerderecht gegen die Entlassung des Untergebrachten. Ob der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Vormunds im Verfahren zur Bewilligung einer Vergütung (§ 1836 BGB) berechtigt ist, als Partei kraft Amtes die Rechte des Vormunds wahrzunehmen, hängt davon ab, ob die Vergütung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewilligt worden ist.154 Dem Vertragsgegner steht kein Beschwerderecht zu gegen die Ablehnung der Ersetzung der Einwilligung eines Ehegatten zu einem Rechtsgeschäft (§ 1365 Abs 2 BGB). Gegen eine Entscheidung, die den Umgang des Kindes mit seiner Großmutter regelt, steht dem Ehemann der Mutter kein Beschwerderecht zu, wenn er auch durch die Umgangsregelung mittelbar berührt wird.155 Der Lebensgefährte der Mutter, der das Kind in dessen ersten Lebensjahren mitbetreut hatte, ist nach jahrelanger Unterbrechung des Kontaktes mit dem Kind nicht beschwerdeberechtigt im Falle der Anfechtung einer Entscheidung zu dem von ihm begehrten Umgangsrecht nach § 1685 Abs 2 BGB.156 Durch die Bestellung eines Pflegers gem § 105b I FGB zur Vertretung der Pflegebefohlenen beim Abschluss eines Kaufvertrages über ein im Eigentum der Pflegebefohlenen stehendes Grundstück wird deren Erbin in ihren Rechten beeinträchtigt, sie ist daher nach § 20 I FGG beschwerdeberechtigt.157 Regt der Vermieter, zB um wirksam kündigen zu können, die Bestellung eines Betreuers für den Mieter an und begründet dies schlüssig damit, dass dieser geschäftsunfähig geworden sei, ist er gegen die ablehnende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts beschwerdeberechtigt.158 Der Sohn eines Betreuten hat kein Beschwerderecht, wenn das Vormundschaftsgericht eine Vergütung für den Betreuer aus dem Vermögen des Betreuten bewilligt.159 Ein Verfahrenspfleger gemäß § 50 ist befugt, im Interesse des Kindes unabhängig von diesem Rechtsmittel einzulegen und zu begründen.160 Bei Streitigkeiten über die Frage, ob das Vermögen der minderjährigen Kin153 154 155 156 157

BayObLG FamRZ 2001, 786. KG JW 1933, 1131. KG FamRZ 2000, 1520. BGH MDR 2001, 1295. OLG Dresden OLG-NL 1998, 219.

158 159 160

BayObLGZ 1996, 52 = FGPrax 1996, 105 = FamRZ 1996, 1369. BayObLG FamRZ 1999, 874 LS = BtPrax 1998, 147. OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1405.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

der durch die Vermögensverwaltung der Eltern gefährdet ist, steht den Verwandten der Kinder in der Regel kein eigenes Beschwerderecht nach § 20 FGG gegen Verfügungen des Amtsgericht zu.161 Die Regelung des § 57 I Nr 8 FGG, die bestimmt, dass Verwandte und Verschwägerte der Kinder ein Beschwerderecht haben, wenn das Amtsgericht Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a, 1667 oder in § 1693 BGB vorgesehene Maßnahmen aufhebt, findet keine Anwendung mehr.162

X. Nachlasssachen 1. Erbscheinsverfahren a) Zurückweisung des Erbscheinsantrags

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Gegen die Zurückweisung des Erbscheinsantrages steht die Beschwerde nach § 20 Abs 2 dem Antragsteller zu, aus Gründen der Verfahrenswirtschaftlichkeit aber auch jedem Antragsberechtigten, der den Antrag hätte stellen können.163 War der zurückgewiesene Erbscheinsantrag von mehreren Antragsberechtigten gestellt, zB von dem Erben und dem Testamentsvollstrecker oder von mehreren Miterben, so ist jeder Antragsteller ohne Mitwirkung der übrigen selbstständig beschwerdeberechtigt. Nach dem Tode des Antragstellers ist sein Erbe, bei einer Mehrheit von Erben jeder Miterbe selbstständig beschwerdebefugt, ebenso der Nachlasspfleger über den Nachlass des Erben,164 sein Nachlassverwalter oder Nachlassinsolvenzverwalter. Wird der Antrag eines Miterben auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zurückgewiesen, dann ist ein anderer Miterbe zur Einlegung der weiteren Beschwerde auch dann berechtigt, wenn nur der antragstellende Miterbe (erfolglos) Erstbeschwerde eingelegt hatte.165 b) Erteilung und Ablehnung der Einziehung des Erbscheins

60

Die Beschwerde gegen die Anordnung der Erteilung mit dem Ziel der Aufhebung dieser Verfügung, gegen die vollzogene Erteilung mit dem Ziel der Einziehung und gegen den Beschluss, durch den die Einziehung des Erbscheins abgelehnt wird (§ 2361 BGB), steht jedem zu, der durch die Erteilung des Erbscheins in seinen Rechten beeinträchtigt ist (§ 20 Abs 1).166 Die Rechtsbeeinträchtigung kann sich aus dem Inhalt des Erbscheins oder daraus ergeben, dass der Erbschein aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht hätte erteilt werden dürfen. Auf eine formelle Beschwer kommt es nicht an. Deshalb steht die Beschwerde auch dem Antragsteller zu, auf dessen Antrag der Erbschein, dessen Beseitigung jetzt erstrebt wird, erteilt worden ist.167 Durch den Inhalt des Erbscheins beeinträchtigt ist jeder, der geltend macht, dass seine erbrechtliche Stellung in dem Erbschein nicht oder nicht richtig ausgewiesen werde,168 der also das einem anderen bezeugte Erbrecht selbst in Anspruch nimmt169 oder zu einer anderen Quote als ausgewiesen beteiligt zu sein behauptet.170 Durch die Nichtaufnahme oder unrichtige Fassung des Nacherben161 162 163 164 165 166 167

OLG Hamm FamRZ 2004, 887. Vgl § 57 Rn 25. KG OLGZ 1990, 407; Frankfurt DtZ 1991, 300. KGJ 40, 38; 41, 97. OLG Frankfurt DtZ 1991, 300. OLG Köln FamRZ 1993, 1124. BGHZ 30, 261; BGHZ 47, 58; BayObLGZ 1963, 19; 1966, 408; BayObLGZ 1990,

720

168 169 170

294; BayObLG NJW-RR 2005, 1245 = FGPrax 2005, 217 = NotBZ 2005, 292; KG NJW 1960, 1158. OLG Jena NJWE-FER 1998, 137 = FamRZ 1998, 705. KG DFG 1936, 195. BayObLG NJW-RR 2005, 1245 = FGPrax 2005, 217 = NotBZ 2005, 292.

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§ 20

vermerks (§ 2363 Abs 1 BGB) sind beeinträchtigt der Nacherbe,171 auch wenn im Falle des Erfolgs seiner Beschwerde sein eigener Anteil am Nachlass sich im Ergebnis verringern würde,172 oder wenn er geltend macht, im Erbschein zu Unrecht als Erbe bezeichnet zu sein,173 der Ersatznacherbe174 und der Vorerbe. Dem Nacherben fehlt die Beschwerdeberechtigung, wenn der von ihm gestellte Antrag auf Erteilung eines Erbscheins an den Vorerben (mit Nacherbenvermerk) abgelehnt wurde.175 Der Testamentsvollstrecker ist beschwerdeberechtigt, wenn der Erbschein ohne Testa- 61 mentsvollstreckervermerk erteilt ist,176 aber auch wenn das Erbrecht des Erben nicht richtig ausgewiesen ist.177 Der Testamentsvollstrecker, dem auf seinen Antrag ein Erbschein erteilt worden ist, ist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Anordnung der Einziehung dieses Erbscheins befugt; das Rechtsschutzinteresse des Testamentsvollstreckers für die Anfechtung der Einziehungsanordnung betreffend einen Erbschein kann auch dann nicht verneint werden, wenn er die Erbauseinandersetzung bereits durchgeführt hat.178 Beeinträchtigt ist auch der Nichterbe (zB Vermächtnisnehmer) durch einen Erbschein, der ihn als Erben, Nacherben oder Hoferben bezeichnet.179 Gehört das beanspruchte Erbrecht zur Insolvenzmasse des Erben, so ist der Insolvenzverwalter beschwerdeberechtigt gegen die Erteilung oder Ablehnung der Einziehung eines unrichtigen Erbscheins.180 Beschwerdeberechtigt ist der Nachlassinsolvenzverwalter gegen die Erteilung eines 62 Erbscheins, der sein Recht zur Inbesitznahme des Nachlasses beeinträchtigt,181 der Ehegatte, der das Gesamtgut allein erwaltet, gegen die Erteilung eines unrichtigen Erbscheins, wenn der Nachlass für das Gesamtgut in Anspruch genommen wird.182 Treuhandgesellschaften für unbeerbte Nachlässe Verfolgter sind im Hinblick auf Art 8 Abs 2b REGbrZ beschwerdeberechtigt gegen die Erteilung oder Ablehnung der Einziehung eines unrichtigen Erbscheins.183 Vermächtnisnehmer,184 Pflichtteilsberechtigte und sonstige Nachlassgläubiger haben gegen die Erteilung des Erbscheins kein Beschwerderecht,185 es sei denn, dass sie einen vollstreckbaren Titel besitzen und deshalb nach § 792 ZPO antragsberechtigt sind.186 Am Beispiel der Erbunwürdigkeitsklage hat Nicklisch187 gegen Brox188 überzeugend nachgewiesen, dass nach unserem Rechtssystem der Nachlassgläubiger kein Recht darauf hat, dass eine bestimmte Person und nicht ein anderer Erbe werde. Kein Beschwerderecht haben der Nachlasspfleger über den Nachlass des Erblassers,189 der Erbschaftsbesitzer,190 der künftige Erbe des richtigen Erben,191 die Erbschaftssteuerbehörde,192 der durch Hofübergabevertrag begünstigte Ubertragsnehmer ge-

171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182

KG OLGR 11, 267; 21, 352; BayObLGZ 1958, 225. RG DR 1944, 493. BayObLGZ 8, 411. BayObLGZ 1960, 407. BayObLG FamRZ 2004, 1407. OLG Oldenburg Rpfleger 1965, 305. KGJ 22 A 56; OLG München DFG 1936, 219. OLG Hamm NJW-RR 1993, 461 = FamRZ 1993, 825. BGHZ 30, 263; BayObLGZ 1960, 256. BayObLGZ 1963, 19. BayObLGZ 21 A 318. BayObLGZ 1958, 364.

183 184 185 186

187 188 189 190 191 192

OLG Hamburg RzW 1955, 137. BayObLGZ 1998, 314; BayObLG NJW-FER 2001, 183. KGJ 49, 83; BayObLG JW 1935, 1189. OLG München JFG 23, 154; BayObLGZ 1998, 314 = NJW-RR 1999, 446 = FamRZ 1999, 817 = Rpfleger 1999, 182. Die Bindung der Gerichte…, 1965, S 170 ff. FamRZ 1963, 392 zu III. BayObLGZ 32, 552; OLG Celle JR 1950, 58. OLG Hamm JMBlNRW 1960, 143; OLG Schleswig SchlHA 1999, 129. KG OLGR 31, 267. RG RJA 15, 14.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

gen die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses an den durch späteren Erbvertrag eingesetzten Hoferben.193 Jeder Antragsberechtigte kann die Erteilung eines Erbscheins bekämpfen, ohne seine 63 sachliche Richtigkeit in Frage zu stellen, wenn er geltend macht, dass der Erbschein wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung nicht hätte erteilt werden dürfen, zB wenn er auf Antrag eines dazu nach § 792 ZPO nicht legitimierten Gläubigers erteilt ist, oder wenn einer der weiteren Fälle vorliegt, in denen ein Erbschein ohne Rücksicht auf seine sachliche Richtigkeit einzuziehen ist (vgl § 84 FGG). Ein Erbscheinsantrag und ein Rechtsmittel, mit dem er weiterverfolgt wird, bleiben zulässig, wenn im Laufe des Verfahrens auf Antrag eines anderen Beteiligten ein Erbschein anderen Inhalts erteilt wird.194 Dem gesetzlichen Erben des Vorerben steht gegen die Erteilung des Erbscheins den Nacherben kein Beschwerderecht zu, wenn zwar der Eintritt des Nacherbenfalles streitig ist, der Vorerbe indessen seinerseits zugunsten des Nacherben letztwillig über die Vorerbschaft als Sondervermögen verfügt hatte.195 Hebt das Landgericht einen Vorbescheid des Nachlassgerichts auf, kann gegen diese Entscheidung nur derjenige weitere Beschwerde mit dem Ziel der Wiederherstellung des Vorbescheids einlegen, der den im Vorbescheid angekündigten Erbschein beantragt hat oder hätte beantragen können.196 Das Beschwerdegericht kann das Nachlassgericht nicht zur Erteilung eines Erbscheins anweisen, für den ein Erbscheinsantrag bisher nicht gestellt worden ist; gegen eine solche Anordnung kann auch derjenige weitere Beschwerde einlegen, der gemäß dem in der Anordnung aufgeführten Erbschein Erbe wäre, ein solches Erbrecht aber für sich nicht in Anspruch nimmt.197 c) Einziehung des Erbscheins

64

Die Beschwerde gegen die Anordnung der Einziehung des Erbscheins mit dem Ziel der Aufhebung dieser Verfügung oder mit dem Ziel der Erteilung eines neuen inhaltsgleichen Erbscheins, wenn die Einziehungsanordnung durch Einziehung oder Kraftloserklärung vollzogen ist, steht jedem Antragsberechtigten zu, der die Erteilung des eingezogenen Erbscheins hätte beantragen können, auch wenn der Erbschein auf Antrag eines anderen Antragsberechtigten erteilt war;198 § 20 Abs 2 ist auf diesen Fall, da dem Antrag stattgegeben war, nicht ausdehnend anzuwenden. Gegen die Einziehung des auf Antrag eines Miterben erteilten Erbscheins ist daher beschwerdeberechtigt ein anderer Miterbe oder der Testamentsvollstrecker oder ein nach § 792 ZPO antragsberechtigter Gläubiger. Kein Beschwerderecht hat der Nacherbe vor dem Eintritt des Nacherbfalls gegen die Einziehung des dem Vorerben erteilten Erbscheins.199 Wer Nachlassgegenstände von dem durch Erbschein ausgewiesenen Erben erworben hat, ist am Einziehungsverfahren nicht beteiligt.200 Aus den Gründen der die Einziehung anordnenden Entscheidung kann ein Beschwerderecht nicht hergeleitet werden.201 Hat das Nachlassgericht entsprechend der die Beschwerdeentscheidung tragende, das Nachlassgericht bindende Rechtsauffassung einen Erbschein bewilligt, so kann im Wege der weiteren Beschwerde dessen Einziehung

193 194 195 196

BGH NJW 1962, 447 = RdL 1962, 43; vgl auch BayObLG JW 1935, 1189. BayObLG NJWE-FER 2001, 125 = FamRZ 2001, 1561 = Rpfleger 2001, 304. OLG Jena NJWE-FER 1998, 137 = FamRZ 1998, 705. BayObLG FamRZ 2000, 1231 = ZEV 2000, 319 LS.

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197 198 199 200 201

BayObLG FamRZ 2000, 1231 = ZEV 2000, 319 LS. BGHZ 30, 220; KG DNotZ 1955, 156. OLG Oldenburg DNotZ 1958, 263 m Anm Keidel. BayObLGZ 1966, 49. KG OLGZ 1966, 74.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

beantragt werden.202 Der Nacherbe ist nicht befugt, gegen die kraft Gewohnheitsrechts anzuordnende Einziehung des dem verstorbenen Vorerben erteilten Erbscheins Beschwerde einzulegen.203 Wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Einziehung eines ihn als Berechtigten ausweisenden Erbscheins mit dem Ziel der Neuerteilung eines dem eingezogenen Erbscheins entsprechenden Erbscheins und zugleich mit einer Beschwerde gegen die Erteilung eines eine andere Person als Erben ausweisenden Erbscheins, so ist diese Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, wenn auf Grund einer Sachprüfung feststeht, dass die Einziehung zu Recht erfolgt ist, weil der Beschwerdeführer nicht Erbe ist.204 Es besteht keine Beschwerdeberechtigung des Vermächtnisnehmers im Erbscheinsverfahren.205 2. Testamentsvollstreckung a) Testamentsvollstreckerzeugnis Antragsberechtigt und deshalb gegen die Zurückweisung ihres Antrags und die Ein- 65 ziehung des Zeugnisses beschwerdeberechtigt sind der Testamentsvollstrecker (§ 2368 Abs 1 BGB), jeder Mitvollstecker (§ 2368 Abs 3 Hs 1 mit § 2357 Abs 1 S 2 BGB) sowie nach §§ 792, 896 ZPO der im Besitz eines vollstreckbaren Titels befindliche Gläubiger. Die von einem Testamentsvollstrecker eingelegte Beschwerde gegen die Einziehung des Erbscheins ist freilich wegen fehlender Rechtsbeeinträchtigung unzulässig, wenn er nicht nachweist, dass er wirksam zum Testamentsvollstrecker ernannt worden ist.206 Beschwerdeberechtigt ist der durch die Testamentsvollstreckung beschränkte Erbe gegen die Bestellung des Testamentsvollstreckers und die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses, sofern ein Erbrecht behauptet wird und dies nicht ausgeschlossen ist,207 selbst wenn er sich zunächst damit einverstanden erklärt hatte.208 Die Beschwerdebefugnis gegen die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses ist allerdings nicht gegeben, wenn sie auf ein Erbrecht nach dem Erblasser gestützt wird und feststeht, dass das behauptete Erbrecht nicht besteht.209 Gegen die Erteilung des Zeugnisses kann nach Wahl unmittelbar Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung erhoben210 oder die Einziehung (§§ 2368 Abs 3 Hs 1, 2361 BGB) bei dem NachlG angeregt und gegen dessen ablehnende Entscheidung Beschwerde eingelegt werden.211 Gegen die Erteilung des Zeugnisses und die Ablehnung der Einziehung sind beschwerdeberechtigt die Antragsberechtigten, also der Testamentsvollstrecker, der Gläubiger (§§ 792, 896 ZPO), auch wenn das Zeugnis auf ihren Antrag erteilt worden war, sowie der durch die Testamentsvollstreckung beschränkte Erbe.212 Mit der Beschwerde kann geltend gemacht werden, dass keine Testamentsvollstreckung angeordnet, der im Zeugnis Ausgewiesene nicht ernannt sei oder das Amt nicht angenommen habe oder dass die vom Erblasser angeordneten Beschränkungen oder Befreiungen (§ 2368 Abs 1 S 2 BGB) nicht richtig aufgenommen seien. Ist das Zeugnis gemäß § 2368 Abs 3 Hs 2 BGB mit der Beendigung des Amtes des Testamentsvollstreckers kraft Gesetzes kraftlos geworden, so ist eine Einziehung durch Entschei-

202 203 204 205 206

BayObLGZ 1996, 69 = NJW-RR 1997, 389 = FamRZ 1996, 1304 = ZEV 1996, 393. OLG Köln MDR 1984, 403. KG FGPrax 2005, 73 = FamRZ 2005, 1573 = Rpfleger 2005, 260. BayObLGZ 2004, 37 = FamRZ 2004, 1818. OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 123 = FGPrax 2000, 205.

207 208 209 210 211 212

BayObLG FamRZ 1988, 1321 = Rpfleger 1988, 531. BayObLG 16, 128 = RJA 15, 22. KG NJW-RR 2000, 1608 = FGPrax 2001, 2 = OLG-NL 2000, 213. BayObLG FamRZ 1992, 1354. KG JW 1928, 1943. BayObLGZ 1956, 379.

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dung des NachlG wegen Unrichtigkeit nach § 2361 BGB weder erforderlich noch überhaupt zulässig.213 Das NachlG ist jedoch verpflichtet, im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs das Zeugnis entweder aus dem Verkehr zu ziehen oder es mit einem Vermerk über die Beendigung des Amtes zu versehen.214 Ergibt sich, dass das Amt noch nicht beendet ist, so kann die Rückgabe des Zeugnisses von dem Antragsberechtigten verlangt werden und gegen die Weigerung Beschwerde eingelegt werden. Das Zeugnis kann auch nach der Beendigung des Amtes mit einem Vermerk hierüber erteilt werden.215 Bei Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil ist beschwerdeberechtigt auch ein Mitgesellschafter, dessen Zustimmung erforderlich ist.216 Dem vom Nachlassgericht nach § 2200 I BGB ernannten Testamentsvollstrecker, der das Amt angenommen hat, steht das Beschwerderecht gegen einen die Ernennung aufhebenden Beschluss des Landgerichts zu.217 b) Weitere Aufgaben des NachlG bei der Testamentsvollstreckung

66

Wegen des Beschwerderechts bei der Fristbestimmung nach § 2198 Abs 2 BGB vgl § 80 FGG, bei der Fristbestimmung zur Erklärung über die Annahme des Amtes vgl § 81 FGG, bei Ernennung des Testamentsvollstreckers durch das NachlG vgl § 81 FGG, bei Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) vgl § 81 FGG, bei Außerkraftsetzung von Anordnungen des Erblassers vgl § 82 FGG, bei Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten mehrerer Testamentsvollstrecker vgl § 82 FGG. Der Pflichtteilsberechtigte ist als Beteiligter iSd § 2227 I BGB anzusehen, so dass er einen Antrag auf Entlassung des Testamentsvollstreckers stellen und wegen der Ablehnung durch das Nachlassgericht in seinen Rechten beeinträchtigt sein kann.218 Der Pflichtteilsberechtigte ist durch eine Ablehnung der Entlassung des Testamentsvollstreckers aber dann nicht mehr beschwert, wenn sich seine gegen den Nachlass gerichteten Ansprüche erledigt haben. Eine Beschwer ergibt sich in diesem Fall auch nicht daraus, dass der Pflichtteilsberechtigte mit dem Entlassungsvorbringen Regressansprüche gegen den Testamentsvollstrecker begründen möchte. Diese sind nicht Gegenstand des Entlassungsverfahrens, sondern im Zivilrechtsweg geltend zu machen.219 Nimmt das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für eine Entlassung des Testamentsvollstreckers an, so darf es die Entlassung nicht selbst aussprechen, vielmehr hat es das Nachlassgericht hierzu anzuweisen.220 c) Beschwerderecht in sonstigen Angelegenheiten

67

Ein Beschwerderecht in sonstigen Angelegenheiten der FG steht dem Testamentsvollstrecker zu, wenn sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 2205 BGB) oder sein Prozessführungsrecht (§§ 2212, 2213 BGB) betroffen wird, zB gegen die Bewilligung einer Vergütung für den Vormund des Erblassers,221 im Rahmen des § 2224 BGB auch dem einzelnen Mitvollstrecker bei Erhaltungsmaßnahmen, auch zur Abwehr von gegen den Nachlass erhobenen Ansprüchen.222

213 214 215 216 217 218 219

KG NJW 1964, 1905. BayObLGZ 1953, 357; KG NJW 1964, 1905. KG NJW 1964, 1905. OLG Hamm OLGZ 1991, 388. KG OLGZ 1992, 139. KG NJW-RR 2002, 439. KG NJW-RR 2005, 809 = FamRZ 2005, 1595= Rpfleger 2005, 435.

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220 221 222

OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 527 = FGPrax 2005, 33 = FamRZ 2005, 1282. KG DFG 1938, 54. OLG Saarbrücken OLGZ 1967, 220 = NJW 1967, 1137.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

3. Testamentsverwahrung und -eröffnung Gegen die Verweigerung der Annahme eines notariellen Testaments zur gerichtlichen 68 Verwahrung steht dem beurkundenden Notar ein Beschwerderecht aus eigenem Recht zu223 und auch dem Erblasser selbst.224 Beschwerdeberechtigt ist das Nachlassgericht, wenn ein anderes Gericht die Abgabe eines eröffneten Testaments verweigert,225 umgekehrt das Verwahrungsgericht, wenn das Nachlassgericht entgegen § 2261 S 2 BGB die Annahme des eröffneten Testaments ablehnt.226 Der gesetzliche Erbe ist beschwerdeberechtigt gegen die Bestimmung eines Termins zur Testamentseröffnung,227 der Erbe gegen die Entschließung des NachlG, Schriftstücke zu eröffnen, die keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie Verfügungen von Todes wegen enthalten. Der Testamentsvollstrecker ist beschwerdeberechtigt gegen die Ablehnung der Testamentseröffnung.228 Kein Beschwerderecht steht dem Notar zu gegen die Anordnung oder Ablehnung der Eröffnung einer von ihm eingelieferten oder einzuliefernden Verfügung von Todeswegen229 oder gegen die Ablehnung der Herausgabe eines Testaments zur Nachholung seiner Unterschrift.230 Der Erbe ist beschwerdeberechtigt gegen die vom NachlG beabsichtigte Bekanntgabe einer Vermächtnisanordnung an den Bedachten231 und gegen die Zurückweisung seines Verlangens, einen anderen Beteiligten nicht nach § 2262 BGB von der Testamentseröffnung zu benachrichtigen.232 Der überlebende Ehegatte ist beschwerdeberechtigt gegen die Verfügung, von einem gemeinschaftlichen Testament auch seine Verfügungen zu verkünden.233 4. Feststellung des Erbrechts des Fiskus Gegen die nach § 1964 BGB getroffene Feststellung, dass ein anderer Erbe als der Fis- 69 kus nicht vorhanden sei, steht ein Beschwerderecht nach § 20 Abs 1 für die Einlegung der unbefristeten Beschwerde zu dem Fiskus, dessen Erbrecht festgestellt ist,234 ferner einem anderen Fiskus, der die Feststellung seines Erbrechts erstrebt.235 Andere Erbprätendenten können ihr Beschwerderecht nicht schon auf ihr vermeintliches Erbrecht stützen, wenn sie es nicht fristgerecht angemeldet haben (§ 1965 Abs 2 BGB). Dagegen kann die Beschwerde auf die Behauptung gestützt werden, das NachlG habe ein rechtzeitig angemeldetes Erbrecht zu Unrecht als nicht nachgewiesen erachtet oder nur mangelhaft geprüft.236 Der Umstand, dass dem Fiskus bereits ein Erbschein erteilt ist, steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Gegen die Ablehnung der Feststellung steht das Beschwerderecht dem Fiskus zu, ferner im Hinblick auf § 1966 BGB dem Nachlassgläubiger,237 der den Fiskus als gesetzlichen Erben in Anspruch nehmen will. Dem Erben steht gegen die Ablehnung der Feststellung, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden sei, kein Beschwerderecht zu, auch nicht, wenn die Ablehnung auf der Annahme beruht, dass eine Erbausschlagung verspätet sei238 oder wenn sonst in den Gründen der Entscheidung zu seinem Erbrecht Stellung genommen worden ist.239 223 224 225 226 227 228 229 230 231

KGJ 23 A 195. KG RJA 8, 257. KG JFG 13, 295; 14, 168; KG Rpfleger 1977, 100; BayObLGZ 1986, 118. KG Rpfleger 1977, 100. KG RJA 16, 215. KG Recht 1930 Nr 434. KGJ 27 A 186; 38 A 150. KG RJA 13, 201; vgl auch KGJ 38 A 141 (Beschwerderecht des TV). OLG Düsseldorf OLGZ 1966, 64.

232 233 234 235 236 237 238 239

OLG Düsseldorf aaO. KG Recht 1930 Nr 434. KGJ 29 A 3; 39 A 88. KG JFG 22, 253. BayObLG JW 1935, 2518. BayObLGZ 1957, 360 = NJW 1958, 260 = FamRZ 1958, 67 = MDR 1958, 164. KG OLGR 26, 287 = RJA 11, 269. OLG München JFG 16, 109 = HRR 1937 Nr 1502.

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5. Weitere Verrichtungen des NachlG

70

Wegen des Beschwerderechts bei der Nachlasspflegschaft vgl § 75 FGG, bei der Nachlassverwaltung vgl § 76, bei Bestimmung einer Inventarfrist vgl § 77 FGG, bei der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 2006, 2028, 2057 BGB vgl §§ 79, 163 FGG, bei erbrechtlichen Fristbestimmungen vgl § 80 FGG, bei der Erzwingung der Ablieferung von Testamenten vgl § 83 FGG und im Verfahren zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung vg. §§ 87, 88, 92 und 96 FGG. Dem Nachlassgläubiger steht ein Beschwerderecht zu, wenn es das Nachlassgericht abgelehnt hat, den Wirkungskreis des Nachlasspflegers zu erweitern, damit dieser eine Entscheidung über die dem Nachlassgläubiger zustehende Forderung treffen kann.240 Die Vertretungsmacht eines Bevollmächtigten ist jedoch kein subjektives Recht; deshalb ist der Bevollmächtigte einer Erblasserin, der nach ihrem Tode gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung eines Nachlasspflegers Beschwerde einlegt, nicht aus eigenem Recht beschwerdeberechtigt.241 Der Erbe ist grundsätzlich berechtigt, die Bewilligung einer Nachlasspflegervergütung mit der Beschwerde anzugreifen; die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens führt indes dazu, dass der Erbe als Träger der in der Masse vereinten Vermögenswerte und Nachlassverbindlichkeiten die verfahrensrechtliche Stellung eines Schuldners einnimmt und die notwendige Beschwerdeführungsbefugnis zur Erhebung des Rechtsmittels verliert.242 Es besteht keine Beschwerdeberechtigung des Inhabers einer über den Tod hinaus erteilten Generalvollmacht des Erblassers gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft.243

XI. Handelssachen 71

In Handelssachen richtet sich das Beschwerderecht grundsätzlich nach § 20. Auch § 20 Abs 2 ist anwendbar, insbesondere bei der Zurückweisung von Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister und das Genossenschaftsregister sowie bei zurückweisenden Verfügungen auf Vornahme sonstiger handelsrechtlicher Geschäfte, die einen Antrag voraussetzen. Durch § 126 wird im Bereich des Handelsregisters den Organen des Handelsstandes (Industrie- und Handelskammer) und, soweit es sich um die Eintragung von Handwerkern handelt, des Handwerksstandes (Handwerkskammer) ein Beschwerderecht verliehen. Soweit es um die Rechtsverhältnisse von Kreditinstituten und den Schutz der Bezeichnungen „Bank“, „Bankier“, „Volksbank“, „Sparkasse“ und „Bausparkasse“ handelt, ist auch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen antrags- und beschwerdeberechtigt.244 Das den Organen des Handelsstandes (hier: IHK) gem § 126 Hs 2 FGG verliehene „Wächteramt“ gibt keine Beschwerdebefugnis dahin, ergebnisunabhängige Verfahrensfragen zur Überprüfung zu stellen.245

240

241 242

BayObLGZ 1996, 192 = NJW-RR 1997, 326 = FGPrax 1996, 227 = FamRZ 1997, 314 = Rpfleger 1997, 113. BayObLG NJW-RR 2001, 297 = ZEV 2001, 123 = FamRZ 2001, 453. OLG Köln Rpfleger 2005, 625 = NZI 2005, 472 = ZIP 2005, 1435.

726

243 244 245

BayObLGZ 2004, 159 = FamRZ 2005, 239 = Rpfleger 2004, 702. OLG Frankfurt ZIP 1982, 426. OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 1058 = FGPrax 1997, 71.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

1. Handelsregister a) Anmeldeverfahren Gegen die Zurückweisung von Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister 72 steht die Beschwerde nur dem anmeldenden Anmeldeberechtigten zu (§ 20 Abs 2).246 Sind mehrere Personen zu einer Anmeldung verpflichtet, so können sie das Beschwerderecht nur gemeinsam ausüben. Die nur von einem Anmeldepflichtigen eingelegte (weitere) Beschwerde ist unzulässig.247 Der Grundsatz, dass ausnahmsweise jeder einzelne Anmelder nach § 20 I FGG zur Beschwerde berechtigt ist, wenn die beanstandete oder zurückgewiesene Anmeldung nicht von allen gesetzlich hierzu Berufenen vorgenommen worden ist, gilt aber nur dann, wenn das Registergericht die Nichtmitwirkung eines notwendigen Anmelders übersehen hat.248 Wer als Geschäftsführer einer GmbH eine Neubestellung des Geschäftsführers ins Handelsregister anmeldet, ist gegen die Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht beschwerdeberechtigt.249 Der Geschäftsführer einer GmbH und nicht der Insolvenzverwalter bzw der vorläufige Insolvenzverwalter ist aus §§ 39, 78 GmbHG berechtigt und verpflichtet, die Abberufung und die Neubestellung von Geschäftsführern zur Eintragung in das Handelsregister anzuordnen. Denn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw die Anordnung eines Verwaltungs- und Verfügungsverbotes gemäß § 21 Abs 2 Nr 2 InsO über das Vermögen einer GmbH wird ein Verfahren der FG nicht unterbrochen.250 b) Zwangsgeldverfahren (§ 132 FGG) Gegen die Verwerfung des Einspruchs und die Festsetzung des Zwangsgeldes steht 73 neben den pflichtigen Einzelpersonen, gegen die sich das Verfahren richtet,251 das Beschwerderecht auch der Gesellschaft (oHG, KG, GmbH, AG, KGaA, Genossenschaft) zu, wenn sie das Bestehen der Verpflichtung bestreitet und ihre Rechte im Sinne des § 20 Abs 1 durch das Verlangen des Gerichts beeinträchtigt werden. c) Firmenmissbrauchsverfahren (§ 140 FGG) Gegen die Verfügung, durch welche die Einleitung des Verfahrens abgelehnt oder die 74 gegen den Geschäftsführer ergangene Verfügung auf dessen Einspruch aufgehoben wird, steht die Beschwerde nach § 126 dem Organ des Handels- oder Handwerksstandes zu, auch wenn es das Verfahren nicht angeregt hatte. Ein Dritter ist nur beschwerdeberechtigt, wenn ein ihm zustehendes individuelles Recht beeinträchtigt ist, zB ein Firmen- oder Namensrecht,252 also nur unter den Voraussetzungen, unter denen er nach § 37 Abs 2 HGB auf Unterlassung klagen könnte. Es genügt nicht, dass der Beschwerdeführer an dem Nichtgebrauch der Firma persönlich oder wirtschaftlich oder sonstwie interessiert ist.253 Auch das Interesse des Wettbewerbers an der Unterlassung des Gebrauchs einer zur Täuschung geeigneten Firma begründet kein Beschwerderecht,254 auch nicht der allgemeine Gesichtspunkt der Wahrung des öffentlichen Interesses.255 Jedoch kann das Recht des Fiskus durch unbefugte Führung des Landesnamens in der Firma, die ihr einen staatlichen Anstrich gibt, beeinträchtigt sein.256 Kein Beschwerderecht hat der Veräuße246 247 248 249 250 251

BayObLGZ 1984, 29. BayObLG MDR 1982, 1030. BayObLG NJW-RR 1988, 873. OLG Köln FGPrax 2001, 214. OLG Köln FGPrax 2001, 214. BayObLGZ 1960, 345.

252 253 254 255 256

RGZ 132, 312. BayObLG JFG 6, 230. RGZ 132, 312. BayObLG JFG 6, 230. KG OLGR 42, 209.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

rer des Handelsgeschäfts wegen der Verletzung der schuldrechtlichen Verpflichtung des Erwerbers, die bisherige Firma fortzuführen.257 Gegen die Verwerfung des Einspruchs und die Festsetzung von Zwangsgeld steht die Beschwerde außer der betroffenen natürlichen Person auch der Gesellschaft zu, deren Firmenführung beanstandet wird (vgl § 140 FGG). d) Amtslöschung erloschener Firmen

75

Vgl §§ 141, 142 FGG. Gegen die vom Beschwerdegericht aufgehobene Aussetzung eines Amtslöschungsverfahrens ist der Geschäftsführer einer GmbH, der aus dem Handelsregister gelöscht werden soll, nicht beschwerdeberechtigt. Seine materielle Rechtsposition wird durch eine solche Entscheidung nicht berührt, denn er kann seine Einwände gegen die Löschung in dem wieder aufgenommenen Verfahren geltend machen.258 e) Amtslöschung unzulässiger Eintragungen

76

Vgl §§ 142, 144 FGG. Ist auf die Anmeldung ihres Liquidators das Erlöschen der Firma einer GmbH im Handelsregister eingetragen worden, so scheidet eine Amtslöschung dieser Eintragung mit dem Ziel der Wiedereintragung der Liquidationsgesellschaft und ihrer früheren Vertretungsverhältnisse aus; es kommt nur die gerichtliche Bestellung eines Nachtragsliquidators in Betracht.259 f) Auflösung einer GmbH oder AG

77

Vgl § 144a FGG. Bei Ablehnung der Anregung eines Mitbewerbers, ein Amtsverfahren nach § 144a FGG einzuleiten, ist die Prüfung des Beschwerdegerichts darauf beschränkt, ob die Eintragung ein Recht des Dritten iSd § 20 FGG verletzt; sonstige Mängel iSd § 144a I FGG, durch die Rechte des Dritten nicht beeinträchtigt werden, sind nicht zu berücksichtigen.260 g) Sonstige handelsrechtliche Verrichtungen

78

Vgl §§ 145, 148 FGG 2. Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft

79

Beschwerdeberechtigt ist ein einzelner Gesellschafter nur gegen Verfügungen, durch die bestimmte Einzelrechte beeinträchtigt sind.261 Beschwerdebefugt ist der Kommanditist gegen die Ablehnung seines Antrags auf Einleitung des Löschungsverfahrens wegen der Einlage,262 jeder Gesellschafter der KG bei erfolglosem Widerspruch gegen eine Löschungsankündigung gegen die KG,263 der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG gegen eine Zwischenverfügung, mit der die Fortführung der ursprünglichen Einzelhandelsfirma durch die KG für unzulässig erklärt wurde,264 der Insolvenzverwalter der OHG gegen Verfügungen des Registergerichts in Bezug auf die Masse.265 Die in

257 258 259 260 261

KG OLGZ 1965, 315. OLG München GmbHR 2005, 476 = DB 2005, 767. OLG Hamm FGPrax 2001, 210. KG NJW-RR 1991, 860. BayObLGZ 1979, 65; OLG Hamm OLGZ 1971, 226 = DNotZ 1971, 247.

728

262 263 264 265

KG JFG 11, 143. BayObLGZ 1984, 273. BayOLGZ 1966, 276; OLG Hamm DNotZ 1985, 172. BayObLG 28, 772.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

Abwicklung befindliche Gesellschaft kann aus eigenem Recht auch im Beschwerdeverfahren die Abberufung eines Liquidators betreiben; ein Mit-Liquidator ist durch die Zurückweisung seines Antrags, einen der anderen Liquidatoren abzuberufen, in einem eigenen Recht bei Möglichkeit einer Eigenhaftung nach §§ 34, 44 AO beschwert.266 Eine Gesellschaft ist durch die Ernennung eines bestimmten Nachtragsliquidators für eine ihrer Gesellschafterinnen (eine GmbH) nicht beschwert.267 3. Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die Beschwerdeberechtigung besteht für den zum Geschäftsführer einer GmbH Be- 80 stellten gegen Zurückweisungen von Anmeldungen zum Handelsregister,268 auch gegen die Zurückweisung einer Anmeldung einer Kapitalerhöhung.269 Die eine GmbH betreffende, auf die Herbeiführung einer konstitutiven Eintragung gerichtete Anmeldung zum Handelsregister ist durch die Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft vorzunehmen; auch die Gesellschaft ist daher beschwerdeberechtigt iSd § 20 II FGG.270 Der Gegenmeinung, welche die Beschwerdebefugnis der noch nicht existenten Gesellschaft verneint271 und die Geschäftsführer für eigenverantwortlich hält,272 kann daher nicht gefolgt werden. Beschwerdebefugt ist der Geschäftsführer, wenn die Eintragung eines Gesellschafterbeschlusses oder einer Satzungsänderung abgelehnt wird.273 Wird die Anmeldung einer GmbH zum Handelsregister durch Zwischenverfügung beanstandet, ist allein die Gesellschaft, vertreten durch die Geschäftsführer in der nach der Satzung vertretungsberechtigten Zahl, beschwerdeberechtigt. Die für die deutsche GmbH geltenden Grundsätze sind auch auf die englische private limited company anwendbar.274 Bei einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung nach § 26 S 2 HRV unterliegt 81 nur das angegriffene, in der Zwischenverfügung angegebene Eintragungshindernis der Überprüfung durch das Beschwerdegericht.275 Beschwerdeberechtigt sind Gesellschafter und je einzelne Geschäftsführer gegen die Einsetzung und Abberufung eines Notgeschäftsführers,276 der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer gegen die auf Antrag eines anderen Geschäftsführers erwirkte Verfügungen,277 Gesellschaft und Geschäftsführer gegen die abgelehnte Eintragung der Umwandlung der GmbH in eine Kommanditgesellschaft,278 ein Gesellschafter gegen die Ablehnung der Löschung eines unwirksamen Kapitalerhöhungsbeschlusses,279 der Gesellschafter einer GmbH gegen die Bestellung eines Liquidators,280 gegen die Auswahl eines Liquidators durch das Registergericht für eine wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschte GmbH,281 gegen die Ablehnung, ein Amtslöschungsverfahren wegen der Eintragung der Auflösung der Gesellschaft

266 267 268

269 270 271 272 273

OLG Jena OLG-NL 1998, 212. OLG Schleswig NJW-RR 2000, 769 = FGPrax 2000, 73. BayObLG NJW-RR 2000, 414 = FGPrax 2000, 40; KG FGPrax 2004, 45; FGPrax 2005, 32 (zur englischen limited). BayObLG NJW-RR 1987, 1177; OLG Hamm OLGZ 1983, 248. BGHZ 105, 324 = NJW 1989, 295 = LM Nr 19 zu § 19 FGG. OLG Köln NJW-RR 1987, 223. BayObLGZ 1986, 253. BayObLGZ 1979, 97; BayObLG BB 1987, 1970.

274

275 276 277 278 279 280 281

KG PGPrax 2005, 32; vgl auch BGH NJW 2005, 1648 = Rpfleger 2005, 436 = DNotZ 2005, 712; OLG München NJW-RR 2005, 1486 = NotBZ 2005, 409 LS = MittBayNot 2005, 512. BayObLG NJW-RR 1996, 413 = BB 1995, 1814. BayObLGZ 1956, 303; 1978, 243. KG JFG 19, 65. BayObLGZ 1959, 255. KG JFG 19, 80. BayObLGZ 1976, 126. BayObLG DB 1995, 2059 = FGPrax 1995, 244.

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einzuleiten, 282 die Minderheit nach § 66 Abs 2 GmbHG gegen die Ablehnung eines Antrags auf Abberufung des Liquidators nach § 66 Abs 3 GmbHG283 wie auch gegen dessen Bestellung, der Nachtragsliquidator gegen seine Abberufung,284 der Geschäftsführer gegen die Ablehnung eines Löschungsverfahrens285 wie auch gegen die Ankündigung der Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit,286 das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen gegen die Ablehnung der von ihm beantragten Eintragung der Untersagung des Betriebs einer Bausparkasse und Übertragung der Vermögensverwaltung.287 Dagegen ist nicht beschwerdebefugt der Gläubiger gegen die Löschung der GmbH,288 82 gegen die Verfügung des Registergerichts, die die von ihm angeregte Löschung der Eintragung des Erlöschens einer GmbH289 oder die von ihm angeregte Löschung der Eintragung der früheren Geschäftsführerin der GmbH als Liquidatorin in das Handelsregister ablehnt,290 Gesellschafter gegen die gerichtliche Abberufung des Liquidators291 sowie gegen die Ablehnung der Eintragung von Änderungen des Gesellschaftsvertrages,292 das Insolvenzgericht gegen die Ablehnung der Bestellung eines Notgeschäftsführers.293 Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Anordnung eines Verwaltungs- und Verfügungsverbots gemäß § 21 Abs 2 Nr 2 InsO über das Vermögen einer GmbH wird ein FGG-Verfahren nicht entsprechend § 240 ZPO unterbrochen; wer als Geschäftsführer einer GmbH eine Neubestellung des Geschäftsführers ins Handelsregister anmeldet, ist gegen die Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht beschwerdeberechtigt.294 Die Vor-GmbH ist zumindest dann beschwerdeberechtigt, wenn eine von ihr eingelegte Beschwerde zurückgewiesen wurde.295 Nach Zuerkennung der Teilrechtsfähigkeit einer Außen-GbR296 wird auch die Beschwerdebefugnis der Vorgründungsgesellschaft und der Vor-GmbH weitgehender zu beurteilen sein. Der Gläubiger einer GmbH kann die Anordnung einer Nachtragsliquidation durch das Registergericht nicht mit der Beschwerde angreifen, weil er befürchtet, durch eine vom Nachtragsliquidator vorzunehmende Forderungsabtretung an seine Schuldner einer ihm ungünstigen Aufrechnungslage ausgesetzt zu werden.297 Dem Mehrheitsgesellschafter einer GmbH steht gegen eine Aussetzungsverfügung des Registergerichts gem § 127 FGG kein eigenes Antrags- und Beschwerderecht zu; ein von dem Gesellschafter eingelegtes unzulässiges Rechtsmittel kann durch Genehmigung des Geschäftsführers der GmbH im Beschwerderechtszug nicht zu einer zulässigen weiteren Beschwerde führen. Eine Änderung des Verfahrensgegenstands ist unzulässig. § 185 II BGB ist nicht entsprechend anwendbar.298 Erklärt eine als Liquidator in Aussicht genommene Person von vornherein, sie werde das Amt nicht annehmen, hat das Gericht regelmäßig von einer Bestellung abzusehen; eine dennoch vorgenommene 282 283 284

285 286 287 288 289

OLG Hamm OLGZ 1971, 226. KG RJA 16, 72; OLG Hamm OLGZ 1971, 226. OLG Köln FGPrax 2003, 86 = Rpfleger 2003, 301; KG FGPrax 2005, 174 = OLGR 2005, 505; FGPrax 2006, 28. OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 213. BayObL FGPrax 1995, 203 = Rpfleger 1996, 72. KG JFG 10, 141. OLG Köln Betrieb 1983, 100 = Rpfleger 1983, 29. BayObLG NJW-RR 2001, 613 = ZIP 2001, 568 = GmbHR 2001, 256.

730

290 291 292 293 294 295 296

297 298

OLG Düsseldorf FGPrax 2004, 135 = GmbHR 2004, 589. OLG Hamm Rpfleger 1977, 442. KG RJA 8, 199. BayObLGZ 1950/51, 340. OLG Köln FGPrax 2001, 214. BayObLG DNotZ 1985, 170. BGH NJW 2001, 1056 m Anm K Schmidt 993 = MDR 2001, 459 m Anm Müther und Wiese 421. OLG Köln DB 1983, 100. OLG Hamm NJW-RR 1997, 1326 = BB 1997, 753.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

Bestellung ist auf Beschwerde hin aufzuheben. Gegen einen Beschluss, mit dem ein Liquidator für eine GmbH gerichtlich bestellt wird, steht der Gesellschaft und den Gesellschaftern ein Beschwerderecht zu, nicht aber, mangels Rechtsschutzbedürfnisses, den bestellten Liquidatoren, weil sie das Amt nicht annehmen müssen; sie haben aber ein Beschwerderecht, wenn sie auch Gesellschafter sind.299 4. Aktiengesellschaft Auch die erstmalige Anmeldung der AG zum Handelsregister durch die in § 36 I 83 AktG genannten Personen erfolgt im Namen der Gesellschaft; die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, ist daher auch beschwerdeberechtigt iSd § 20 II FGG.300 Ein Beschwerderecht hat der einzelne Aktionär nur gegen Verfügungen, durch die ein bestimmtes ihm zustehendes Recht beeinträchtigt wird, etwa die Ablehnung der Löschung der Eintragung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses nach §§ 142, 143 FGG,301 auch seitens der Neuaktionäre, welche ihre Rechtsstellung erst durch die Handelsregistereintragung erlangt haben,302 gegen die gerichtliche Bestellung303 oder Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 Abs 2 AktG bei Nichteinhaltung der Dreimonatsfrist.304 Nicht beschwerdebefugt sind der Aktionär, wenn eine Entscheidung nicht unmittelbar in seine Rechte eingreift,305 etwa die gerichtliche Bestellung und Abberufung von Abwicklern,306 nicht im Verfahren der Anmeldung einer Verschmelzung von Aktiengesellschaften im Handelsregister des Sitzes der übertragenen Gesellschaft,307 nicht der Insolvenzverwalter gegen die Ablehnung der Löschungsanmeldung.308 Ein außenstehender Aktionär ist dann in seinen Rechten iSd § 20 I FGG beeinträchtigt, wenn ihm die Möglichkeit genommen wird, eine registergerichtliche Entscheidung, mit der eine Pflicht des Vorstands zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts verneint wird, im Wege der Beschwerde überprüfen zu lassen.309 Die Vor-AG ist beteiligtenfähig im FGG-Verfahren. Bei Ablehnung ihrer Eintragung steht das Beschwerderecht gem § 20 FGG nicht den Anmeldern, sondern ihr selbst zu.310 Entfällt die Beeinträchtigung durch Zurückweisung der Anmeldung einer Satzungsänderung durch die Anmeldung und Eintragung einer späteren Satzungsänderung, ergibt sich eine Beschwer auch nicht aus der Absicht, die ursprüngliche Satzungsänderung wiederum zur Anmeldung und Eintragung zu bringen, und zwar auch dann nicht, wenn bereits ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss gefasst und auch angemeldet worden ist, dieser aber vom Registergericht bisher nicht bearbeitet worden und er deshalb nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden ist.311 Fehlt es an der Notwendigkeit für die Bestellung eines Notvorstands, weil für einen identischen Wirkungskreis bereits ein Abwesenheitspfleger für die Gesellschaft bestellt ist, ist die gegen die Aufhebung seiner Bestellung gerichtete sofortige weitere Beschwerde des Notvorstands zwar zulässig, aber als unbegründet zurückzuweisen.312

299

300 301 302 303

BayObLGZ 1996, 129 = NJW-RR 1997, 419 = FGPrax 1996, 194 = GmbHR 1996, 859; teilweise anders OLG Hamm NJW-RR 1997, 32 = FGPrax 1997, 33. BGHZ 117, 323 = NJW 1992, 1824 = DNotZ 1994, 107. KG KGJ 28 A 228. OLG Karlsruhe Rpfleger 1986, 140. OLG Schleswig FGPrax 2004, 244 = SchlHA 2005, 58 = NZG 2004, 669.

304 305 306 307 308 309 310 311 312

OLG Frankfurt NJW 1955, 1929. OLG Düsseldorf ZIP 1997, 2084. KG RJA 4, 147; 11, 30. OLG Zweibrücken NJW-RR 1990, 672 = ZIP 1990, 374. BayObLGZ 1979, 65. BGHZ 135, 107 = NJW 1997, 1855. OLG Stuttgart ZIP 1992, 250. KG KGRep 2005, 506. KG KGR 2005, 505.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

5. Genossenschaftssachen

84

Gegen die Zurückweisung von Anmeldungen zur Eintragung in das Genossenschaftsregister steht die Beschwerde den anmeldenden Vorstandsmitgliedern oder Liquidatoren (§ 157 GenG) gemeinschaftlich zu,313 nicht der Genossenschaft, vertreten durch Vorstandsmitglieder in der zur Vertretung genügenden Zahl.314 Ebenso gegen die Ablehnung der Eintragung der Verschmelzung.315 In Zwangsgeldverfahren (§ 160 GenG, 132 FGG) ist außer den Vorstandsmitgliedern auch die Genossenschaft beschwerdeberechtigt, wenn das Verlangen des Gerichts ihre eigenen Rechte beeinträchtigt, etwa den Liquidatoren die Veröffentlichung der Liquidationseröffnungsbilanz auferlegt ist.316 Im Amtslöschungsverfahren ist die Genossenschaft beschwerdeberechtigt, der einzelne Genosse nur, wenn durch die Löschung eines Generalversammlungsbeschlusses seine Sonderrechte betroffen werden oder wenn die Amtslöschung eines ihn belastenden Beschlusses abgelehnt wird. Bei Amtslöschungen in der Liste der Genossen (§ 9 Abs 2 GenRegVO, §§ 147 Abs 1, 142 FGG) sind beschwerdeberechtigt die Genossenschaft und der betroffene Genosse gegen die Löschung und ihre Ablehnung,317 auch zur Richtigstellung des Tages des Ausscheidens.318 Wegen der Bestellung von Abwicklern und Notvertretern vgl §§ 148, 160, wegen der Ermächtigung zur Einberufung einer Generalversammlung § 148. Kein Beschwerderecht haben in Genossenschaftssachen die Industrie- und Handelskammer und der nach § 54 GenG bestellte Prüfungsverband (§ 147). Keine Beschwerde hat die Genossenschaft gegen die Auswahl der nach § 156 GenG zu bestimmenden Bekanntmachungsblätter319 und ein einzelner Genosse in Angelegenheiten der Genossenschaft.320 Außenstehende Dritte gehören nicht zu den Beteiligten iS von § 273 IV AktG. Daher sind aus der Genossenschaft ausgeschiedene Mitglieder, welche gegen die Genossenschaft keine Forderungen mehr geltend machen, nicht zur Bestellung oder Abberufung eines Nachtragsliquidators antragsberechtigt.321

XII. Landwirtschaftssachen 85

Für das Beschwerderecht der Beteiligten in Landwirtschaftssachen ist gemäß § 9 LwVG § 20 FGG maßgebend.322 Dagegen setzt das der oberen Landwirtschafts- oder Genehmigungsbehörde in § 32 Abs 2 S 2 LwVG in Verfahren wegen der Beanstandung eines Pachtvertrages oder wegen Genehmigung einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung verliehene Beschwerderecht nicht die Beeinträchtigung eines Rechts der Behörde im Sinne des § 20 Abs 1 voraus. Die Behörde ist daher berechtigt, gegen die Entscheidung über die Genehmigung eines Hofübergabevertrages Beschwerde einzulegen, gleichgültig, ob der Vertrag vorbehaltlos oder unter Auflagen genehmigt oder ob die Genehmigung versagt worden ist.323 Den Vertragsparteien oder ihren Erben324 steht gegen die Geneh313

314

315 316

BGHZ 96, 245; BayObLGZ 1986, 253; BayObLG ZfgG 1990, 68 Anm Brehm; aA OLG Frankfurt OLGZ 1983, 38; OLG Hamburg OLGZ 1985, 307. Nicht entschieden von BayObLG ZfgG 1991, 306; vgl Schnorr von Carolsfeld in Anm zu BayObLG v 13.3.1974 ZfgG 1974, 344; Brehm in Anm zu BayObLG v 3.7.1986 ZfgG 1990, 68. BayObLGZ 1958, 294. BGHZ 25, 154; BayObLGZ 1955, 197.

732

317 318 319 320 321 322 323 324

KG JFG 21, 315; KG DJ 1940, 1037; BayObLGZ 1958, 16. BayObLGZ 1986, 253; 1989, 34. BayObLG RJA 7, 37; KGJ 31 A 367. OLG Hamm OLGZ 1876, 392 = NJW 1976, 902. OLG Jena ZIP 2001, 377 = NZG 2001, 417. BGHZ 3, 203. BGHZ 1, 253. BGH RdL 1955, 115 Nr 50.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

migung des Übergabevertrages kein Beschwerderecht zu, es sei denn, dass die Genehmigung unter Verstoß gegen Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit erteilt worden ist.325 Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist der Ehegatte gegen die Erteilung der Genehmigung beschwerdeberechtigt, wenn der ohne seine Einwilligung übertragene Hof das ganze Vermögen des übertragenden Ehegatten darstellt.326 Die weichenden Erbe, dh die außer dem Hoferben vorhandenen Erben des Übergebers, haben ein Beschwerderecht weder gegen die Erteilung der Genehmigung des Übergabevertrages327 noch gegen ihre Versagung.328 Ein am Hofübergabevertrag nicht beteiligter weichender Erbe kann allein aus seiner formellen Beteiligteneigenschaft am Genehmigungsverfahren kein Beschwerderecht gegen die landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung des Vertrages ableiten. Dies gilt auch in Fällen einer etwaigen Verletzung des rechtlichen Gehörs jedenfalls insoweit, als der weichende Erbe nicht erhebliche Tatsachen gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vertrages vorbringt.329 Sind sie aber zu dem Vertragsschluss als Vertragspartei hinzugezogen worden, so haben sie wie eine Vertragspartei ein Beschwerderecht, wenn der Vertrag nicht oder nur unter Auflagen genehmigt wird, welche ihre vertraglichen Abfindungsansprüche berühren.330 Hat das Landwirtschaftsgericht die Hofeigenschaft verneint, ist nur der zum Hof- 86 erben Berufene beschwerdeberechtigt.331 Der gesetzlich oder durch einseitiges Testament zum Hoferben Berufene hat kein Beschwerderecht, wenn der Hof durch Übergabevertrag auf einen anderen Hoferbeberechtigten übertragen wird.332 Beschwerdeberechtigt ist aber, wer durch Erbvertrag333 oder bindend gewordenes gemeinschaftliches Testament334 oder formlose, aber bindende Hoferbenbestimmung335 als Hoferbe eingesetzt ist. Überträgt der Hofeigentümer seinen Hof unter Übergehung seiner sämtlichen Abkömmlinge auf einen anderen oder übergeht er seine Abkömmlinge bei Bestimmung des Hoferben durch Verfügung von Todes wegen (§ 7 Abs 2 HöfeO) oder werden im Wege der Übergabe oder der anderweitigen Veräußerung soviel Grundstücke von dem Hof abgetrennt, dass der steuerliche Einheitswert des Restbesitzes unter 5000 Euro sinkt (§ 3 HöfeVfO, früher: § 38 Abs 4 und 5 LVO), so ist gegen die Erteilung der Zustimmung des Gerichts beschwerdeberechtigt der nächstberufene hoferbenberechtigte Abkömmling oder derjenige von mehreren Abkömmlingen, der der einzige wirtschaftsfähige zu sein behauptet, oder wer bindend durch Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament oder formlose Hoferbenbestimmung zum Hoferben eingesetzt ist.336 Bei einer Fremdveräußerung eines Hofes ist der nächstberufene Abkömmling nicht beschwerdeberechtigt.337 Anders, wenn er geltend macht, der von der Landwirtschaftsbehörde genehmigte Veräußerungsvertrag sei in Wahrheit ein Hofübergabevertrag.338 Der Hoferbe oder weitere Hoferbe (§ 6 Abs 2

325 326 327 328 329

330 331

OLG Hamm RdL 1956, 307. BGH FamRZ 1958, 416; vgl aber BGH 1961, 1816 zur Gütergemeinschaft. BGHZ 1, 343; BGH RdL 1967, 327; OLG Oldenburg RdL 1965, 153. OLG Schleswig SchlHA 1963, 148. BGH NJWE-FER 1996, 13 = LM H 10/1996 § 9 LwVG Nr 28 = FamRZ 1996, 858= MDR 1996, 1261. BGHZ 1, 353; OLG Oldenburg RdL 1965, 153. BGH NJW-RR 2000, 292 = LM H 5/2000 § 1 HöfeO Nr 33 = FamRZ 2000, 422 = WM 2000, 588 ZEV 2000, 72.

332

333 334 335 336 337

338

OLG Schleswig SchlHA 1950, 94; OLG Hamm RdL 1950, 263 m Anm Rötelmann; OLG Celle RdL 1950, 45 Nr 48; BGH RdL 1967, 327 = DNotZ 1968, 498. BGHZ 1, 121; 12, 286; RdL 1956, 87. BGHZ 1, 121; RdL 1952, 132 m Anm Wöhrmann; BGH RdL 1967, 327. BGHZ 12, 286. BGHZ 3, 203; OLG Celle RdL 1964, 43. OGHZ 3, 265; OLG Hamm RdL 1955, 199; RdL 1960, 292; BGH LM Nr 3 zu § 38 LVO; BGH RL 1956, 334. OLG Schleswig RdL 1957, 266.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

HöfeO) ist nicht beschwerdeberechtigt.339 Der Ersatzhoferbe ist beschwerdeberechtigt, wenn er geltend macht, der durch letztwillige Verfügung berufene Hoferbe sei nicht wirtschaftsfähig.340 Wird eine Genehmigung von der Landwirtschaftsbehörde oder dem Gericht versagt 87 oder nur unter Bedingungen oder Auflagen erteilt, so ist zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder zur Beschwerde jeder Vertragsteil berechtigt. Ist die Genehmigung zu einer Veräußerung unter einer Bedingung erteilt worden, so ist beeinträchtigt auch der Vertragsteil, zu dessen Gunsten sich die Bedingung auswirkt.341 Gegen eine nur den Erwerber belastende Auflage ist aber der Veräußerer nicht beschwerdeberechtigt.342 Durch eine Auflage, die bei der Genehmigung eines Veräußerungsvertrages einem Vertragsteil gesetzt wird, erwächst dem durch die Auflage Begünstigten kein Beschwerderecht gegen die Aufhebung der Auflage.343 Dritte haben kein Beschwerderecht, auch wenn der Eigentümer sich ihnen gegenüber rechtsgeschäftlich verpflichtet hat, das Grundstück nicht zu veräußern.344 Gegen die Erteilung der Zustimmung zu einer zustimmungsbedürftigen Verfügung von Todes wegen, durch welche die Erbfolge kraft Höferechts beschränkt wird (§ 16 Abs 1 HöfeO, § 2 GrdstVG), zB durch ein Grundstücksvermächtnis, hat der Hoferbe kein Beschwerderecht,345 es sei denn, dass er geltend machen kann, durch die Abtrennung des Grundstücks sinke der Einheitswert des Restes unter 5000 Euro (§ 1 HöfeO) oder seine Hoferbenstellung werde durch die Anordnung ausgehöhlt. Im Hoferbenfeststellungsverfahren (§ 11 HöfeVfO, früher § 37 LVO) ist nur beschwerdeberechtigt, wer auf Grund eines vermeintlichen Anerben- oder Hoferbenrechts den Hof für sich in Anspruch nimmt.346 Der Nachlasspfleger hat kein Beschwerderecht, wenn die Erbbeteiligten selbst gegen die Feststellung des Hoferben keine Beschwerde einlegen.347 Dem durch einen Hofübergabevertrag begünstigten Übertragsnehmer steht gegen die 88 Erteilung eines Hoffolgezeugnisses an den durch späteren Erbvertrag eingesetzten Hoferben kein Beschwerderecht zu.348 Der Hofnacherbe ist beschwerdeberechtigt, wenn sein Recht in dem Hoffolgezeugnis nicht erwähnt ist.349 Der an einem Hofübergabevertrag nicht beteiligte weichende Erbe hat grundsätzlich kein Beschwerderecht gegen die landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung des Vertrages, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt seiner eigenen Erbchance noch unter dem seiner gesetzlichen oder vertraglichen Abfindungsansprüche noch allein aus dem seiner formellen Beteiligteneigenschaft im Verfahren.350 Ein am Hofübergabevertrag nicht beteiligter weichender Erbe kann allein aus seiner formellen Beteiligteneigenschaft am Genehmigungsverfahren kein Beschwerderecht gegen die landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung des Vertrages ableiten. Dies gilt auch in Fällen einer etwaigen Verletzung des rechtlichen Gehörs jedenfalls insoweit, als der weichende Erbe nicht erhebliche Tatsachen gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vertrages vorbringt.351 Ein Beteiligter, der im ersten Rechtszuge erklärt hat, dass er sich 339 340 341 342 343 344 345

346

BGH LM Nr 7 zu § 23 LVO = RdL 1952, 26. BGH RdL 1954, 55. BGH RdL 1954, 244. BGH RdL 1957, 221. BayObLGZ 1959, 502 = RdL 1960, 65. BGH MDR 1962, 389 = DNotZ 1962, 497. BGH MDR 1964, 311 = LM Nr 9 zu § 16 HöfeO = RdL 1964, 98; OLG Celle RdL 1955, 86; OLG München RdL 1961, 286; aM Düsseldorf RdL 1960, 78. BGH RdL 1958, 315; OLG Celle NdsRpfl 1961, 195.

734

347 348 349 350

351

OLG Celle RdL 1962, 292. BGH NJW 1962, 447 = RdL 1962, 43 = JZ 1962, 250 m Anm Scheying. OLG Schleswig SchlHA 1960, 142. BGH, 18.4.1996 NJWE-FER 1996, 11 = LM H. 10/1996 § 9 LwVG Nr 27 = DNotZ 1996, 890 = FamRZ 1996, 856 = MDR 1996, 1262. BGH NJWE-FER 1996, 13 = LM H 10/1996 § 9 LwVG Nr 28 = FamRZ 1996, 858 = MDR 1996, 1261.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

nicht für wirtschaftsfähig halte, büßt dadurch sein Beschwerderecht gegen die Erteilung des Hoffolgezeugnisses an einen anderen Hoferbenberechtigten ein, wenn er nunmehr gleichwohl seine Wirtschaftsfähigkeit behauptet.352 Gegen die Verneinung der Hofeigenschaft (§ 37 Abs 1 Buchstabe a LVO) beschwerdeberechtigt sind der nächstberufene hoferbenberechtigte Abkömmlinge353 und der Hoferbe.354 Materiell Beteiligte im Verfahren auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses ist jede Person, die als Erbprätendent in den Kreis der Überprüfung mit einzubeziehen ist, wozu auch mögliche Nacherben und Ersatzerben zählen. Wurde in den Tatsacheninstanzen ein materiell Beteiligter nicht zugezogen, muss das 89 Verfahren an die Beschwerdeinstanz zurückverwiesen werden; eine Zuziehung des Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren ist entbehrlich.355 Lehnt das Landwirtschaftsgericht trotz negativer Hoferklärung sämtlicher Erbprätendenten die Stellung eines entsprechenden Ersuchens ab, so ist dies eine rechtsmittelfähige Entscheidung in der Hauptsache, gegen die die Antragsteller beschwerdeberechtigt sind.356 Im Verfahren über Einwendungen gegen das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht (§ 10 RSG, § 1 Nr 3 LwVG) ist das vorkaufsberechtigte Siedlungsunternehmen beschwerdeberechtigt, wenn das Gericht die Mitteilung der Genehmigungsbehörde über die Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 21 GrdstVG) aufhebt,357 ebenso die Vertragsparteien, wenn das Siedlungsunternehmen sein Vorkaufsrecht ausübt und das Gericht ihre Einwendungen gegen den Bescheid der Genehmigungsbehörde zurückweist.358 Durch die Verweigerung der Genehmigung eines Kaufvertrages nach dem Grund- 90 stücksverkehrsgesetz wird ein Vorkaufsberechtigter nicht in seinen Rechten verletzt. Er ist daher im landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren nicht beschwerdeberechtigt.359 Gegen die Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts, durch die ein Ersuchen des Amtes für Land- und Wasserwirtschaft auf Anlegung eines besonderen Grundbuchblattes gem § 7 I HöfeO abgelehnt wird, ist eine Beschwerdebefugnis nicht gegeben.360 Die Entscheidungen der Landwirtschaftsgerichte in den Verfahren über die Erteilung, Einziehung oder Kraftloserklärung von Erbscheinen in Höfesachen können nicht (mehr) mit der sofortigen Beschwerde gem § 22 LwVG angegriffen werden. In den Fällen der Anfechtung eines durch das Landwirtschaftsgericht antragsgemäß erteilten Erbscheins (Hoffolgezeugnisses) ist die einfache Beschwerde gem §§ 19, 20 FGG nur ausnahmsweise und nur mit dem – gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Ziel zulässig, die Einziehung des erteilten Erbscheins zu erwirken.361 Dem Hofeigentümer steht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, wenn es das Landwirtschaftsgericht ablehnt, seiner negativen Hoferklärung (§ 1 IV 1 HöfeO) durch ein Ersuchen des Grundbuchamts auf Löschung des Hofvermerks (§ 3 I Nr 2 HöfeVfO) Folge zu leisten.362 Stirbt der Hofeigentümer nach Eingang seiner negativen Hoferklärung beim Landwirtschaftsgericht, so

352 353 354

355

356

AM OLG Düsseldorf RdL 1956, 200. BGH RdL 1968, 44 = DNotZ 1968, 560. BGH DNotZ 1968, 564 (Pfleger des unbekannten Nacherben); OLG Celle RdL 1968, 17. BGHZ 125, 153 = NJW 1994, 3167 = LM H 7/1994 § 6 HöfeO Nr 24 = FamRZ 1994, 699. BGH NJW-RR 1998, 361 = LM H. 4/1998 § 1 HöfeO Nr 31 = FamRZ 1998, 229 = Rpfleger 1998, 152.

357 358 359 360 361 362

BGHZ 41, 114 = NJW 1964, 1677; BGH NJW 1983, 41 = MDR 1982, 1007. OLG Düsseldorf RdL 1964, 265. BGH NJW-RR 1991, 1290 = LM H 5/1992 § 9 LwVG Nr 19. OLG Schleswig SchlHA 1998, 27. OLG Schleswig SchlHA 1996, 44. BGH NJW-RR 1995, 705 = LM H 9/1995 § 22 LwVG Nr 22 = FamRZ 1995, 672 = MDR 1996, 215.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sind seine Erben gegen eine ablehnende Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts beschwerdeberechtigt; unter mehreren Erben kann jeder Miterbe für sich allein – auch gegen den Willen des Hofprätendenten – den Antrag auf Löschung des Hofvermerks (auch im Wege der sofortigen Beschwerde) weiterverfolgen.363

XIII. Personenstandssachen 91

In Anweisungsverfahren (§ 45 PStG) und im Berichtigungsverfahren (§ 47 PStG) steht der Aufsichtsbehörde des zuständigen Standesbeamten ein Beschwerderecht nach § 49 Abs 2 PStG in jedem Falle zu, nämlich auch ohne Beschwer.364 Der Standesbeamte selbst hat kein Beschwerderecht, weder gegen die Verfügung, durch die er auf Antrag eines Beteiligten zu einer Amtshandlung angewiesen wird,365 noch gegen die Anordnung der Berichtigung des Personenstandsbuchs.366 Bei der Zurückweisung von Anträgen ist § 20 Abs 2 FGG wegen des Eintrittrechts der Aufsichtsbehörde und der Beteiligten nicht anwendbar (vgl § 71 FGG). Im Berichtigungsverfahren ist beschwerdeberechtigt jeder nach § 47 Abs 2 PStG antragsberechtigte Beteiligte, also jeder, der ein schutzwürdiges Interesse an der richtigen Beurkundung des Standesfalls hat. Dem VormG steht kein Beschwerderecht zu.367 Der Kreis der Beteiligten ist unterschiedlich entsprechend der jeweils beantragten Berichtigung. Bei Eintragungen im Geburtenbuch sind es die Eltern und das Kind,368 bei Eintragungen im Familienbuch die Eheschließenden,369 wenn der Familienname berichtigt werden soll, die unmittelbaren Nachkommen mit diesem Familiennamen.370 Der im Sterbebuch als überlebender Ehegatte Eingetragene ist im Verfahren über die Berichtigung des Personenstands des Verstorbenen beschwerdeberechtigt.371 Ein Beschwerderecht des Standesbeamten kann sich ausnahmsweise aus § 70a Abs 2 Nr 3 und Abs 3 PStG iVm Verordnungen der Landesregierungen ergeben.372 Der Standesbeamte kann dann auch weitere Beschwerde ohne Beteiligung der Aufsichtsbehörde einlegen, wenn sein Berichtigungsantrag zurückgewiesen worden ist.373 Gegen einen abgewiesenen Berichtigungsantrag steht der Aufsichtsbehörde die Be92 schwerde auch dann zu, wenn sie die Entscheidung nur in der Begründung nicht für richtig hält.374 Die Behörde, auf deren Anordnung nach § 41 II der Standesbeamte des Standesamts I in Berlin einen Standesfall beurkundet hat, ist an dem Verfahren auf Berufung dieser Eintragung (§ 47) nicht beteiligt. Sie ist deshalb auch nicht berechtigt, gegen eine gerichtliche Berichtigungsanordnung Rechtsmittel einzulegen. Das öffentliche Interesse wird im Berichtigungsverfahren von der Aufsichtsbehörde wahrgenommen.375 Der Standesbeamte darf auch nach der zum 1.7.1998 in Kraft getretenen Neuregelung des Ehe-

363 364 365 366 367 368

369

BGH aaO. BayObLG FamRZ 1996, 426 = StAZ 1996, 15. BGH FamRZ 1959, 354; OLG Braunschweig FamRZ 1962, 193. KG RJA 2, 158. Vgl BayObLGZ 33, 329. BayObLGZ 1990, 221 = StAZ 1990, 364; BayObLGZ 1995, 140 = AtAZ 1995, 212; OLG Frankfurt OLGZ 1990, 139 = StAZ 1990, 71; OLG Hamm OLGZ 1991, 159 = StAZ 1991, 136. BGH NJW-RR 1994, 578; BayObLGZ

736

370 371 372 373 374 375

1989, 147 = NJW-RR 1989, 1035; OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 772 = StAZ 1990, 165. BayObLGZ 1989, 147 = NJW-RR 1989, 1035 = StAZ 1989, 345. BayObLG FamRZ 2000, 824 LS = StAZ 2000, 145. BayObLGZ 1977, 287. BayObLGZ 1985, 251 = StAZ 1985, 334; BayObLG StAZ 1981, 53. OLG Frankfurt StAZ 1963, 300. KG StAZ 1983, 200.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

rechts gem § 45 II 1 PStG die Entscheidung des Amtsrichters in den Fällen herbeiführen, in denen er bezweifelt, ob die einzugehende Ehe eine Scheinehe ist; auf die Offenkundigkeit des Sachverhalts kommt es für die Vorlage nicht an.376 Zum Gegenstand einer Zweifelsanfrage darf der Standesbeamte aber nur eine bei ihm konkret anstehende Amtshandlung machen, für deren Vornahme er örtlich zuständig ist.377

XIV. Unterbringungssachen Die Beschwerdebefugnis bei Unterbringungsmaßnahmen gemäß § 70 FGG folgt aus 93 § 20. Neben dem Betroffenen und seinem Verfahrenspfleger sind beschwerdeberechtigt gegen die in § 70m Abs 2 FGG bezeichneten Entscheidungen die in § 70d FGG genannten Personen. Für Freiheitsentziehungen nach dem FEVG bestehen in §§ 6 und 7 FEVG Sondervorschriften.

XV. Vereinssachen Anmeldungen zum Vereinsregister obliegen nicht dem Verein als solchem, sondern 94 den Vorstandsmitgliedern. Gegen die Zurückweisung von Anmeldungen steht daher das Beschwerderecht nach § 20 Abs 2 nicht dem Verein, sondern den anmeldenden Vorstandsmitgliedern zu,378 und zwar nur allen gemeinschaftlich, ebenso gegen Zwischenverfügungen und gegen die Aussetzung der angemeldeten Eintragung. Gegen die Ablehnung der Einleitung des Amtslöschungsverfahrens (§§ 159, 142) steht die Beschwerde dem Vereinsmitglied zu, welches die Löschung eines Beschlusses der Mitgliederversammlung erstrebt, dessen Ungültigkeit es behauptet,379 ferner Dritten, die durch die Eintragung in ihren individuellen Rechten unmittelbar beeinträchtigt sind (§ 20 Abs 1), einem anderen Verein wegen Verletzung des § 57 Abs 2 BGB, den Vorstandsmitgliedern eines nicht eingetragenen Vereins gegen die Ablehnung der Löschung eines gleichnamigen Vereins. Vereinsmitglieder haben ein Beschwerderecht gegen Verfügungen, welche in ihre eigenen Rechte eingreifen, zB im Ordnungsstrafverfahren nach §§ 159, 132 FGG. Dem Vorstandsmitglied eines Vereins steht gegen die Ablehnung des Amtslöschungsverfahrens hinsichtlich der Eintragung seines Ausscheidens aus dem Vorstand ein Beschwerderecht zu.380 Gegen den Beschluss, mit dem ein Notvorstand bestellt wird, sind nur Vorstandsund Vereinsmitglieder zur Beschwerde berechtigt.381 Für das zu einer Eintragung in das Vereinsregister führende Verfahren ist der Vorverein beteiligtenfähig.382 Ein Verein wird zum Vereinsregister vom Vorverein, vertreten durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl, zur Eintragung angemeldet; gegen die Zurückweisung der Anmeldung ist der Vorverein beschwerdeberechtigt.383 Ein Verein wird zum Vereinsregister vom Vorverein, vertreten durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl, zur Eintragung angemeldet; gegen die Zurückweisung der Anmeldung ist der Vorverein beschwerde376 377 378 379 380 381

OLG Jena FamRZ 2000, 1365 = FGPrax 2000, 112 = StAZ 2000, 175. OLG Frankfurt FGPrax 2001, 201. OLG Köln NJW-RR 1994, 1547. BayObLG FGPrax 2002, 80. BayObLG NJW-RR 1993, 698. BayObLG NJW-RR 1997, 289 = FGPrax 1996, 232.

382 383

OLG Jena NJW-RR 1994, 698 = OLG-NL 1994, 44 m Anm Werner. BGHZ 96, 245 = NJW 1986, 1033; BGHZ 105, 324 = NJW 1989, 295; BGHZ 107, 1 = NJW 1989, 1610; BayObLG NJW-RR 1991, 958 = Rpfleger 1991, 374 m Anm Buchberger.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

berechtigt.384 Der Verwaltungsbehörde steht gegen die Anordnung der Eintragung eines Vereins, der nach ihrer Ansicht einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, kein Beschwerderecht zu. Einem Vereinsmitglied, das die Frist nach § 14 Abs 1 UmwG versäumt, steht im Registerverfahren gegen einen Beschluss des LG, mit dem ein die Anmeldung der Verschmelzung zurückweisender Beschluss des AG aufgehoben wird, kein Recht zur Einlegung der weiteren Beschwerde wegen Mängeln des Zustimmungsbeschlusses nach § 13 UmwG zu;385 eine gleichwohl eingelegte weitere Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.

XVI. Verschollenheitssachen 95

Im Todeserklärungsverfahren ist das Beschwerdeverfahren weitgehend abweichend von §§ 19 ff. FGG geregelt. Diese kommen nur zur Anwendung, wenn in den §§ 14 bis 38 VerschG nicht anderes bestimmt ist (§ 13 Abs 2 VerschG). Das gilt auch für das Beschwerderecht. Nach § 26 Abs 2 Buchstabe b VerschG steht die Beschwerde gegen einen die Todeserklärung ablehnenden Beschluss dem Antragsteller zu. Nach § 17 VerschG kann aber jeder Antragsberechtigte neben dem Antragsteller oder an seiner Stelle, auch durch Einlegung eines Rechtsmittels, in das Verfahren eintreten, also auch zu dem Zweck, den (noch nicht rechtskräftig) zurückgewiesenen Antrag des bisherigen Antragstellers weiter verfolgen; § 20 Abs 2 FGG ist demgemäß nicht anwendbar. Das Beschwerderecht des Antragstellers ergibt sich ferner schon daraus, dass er den Antrag im ersten Rechtszuge gestellt hat. War er nicht antragsberechtigt, so ist seine Beschwerde gegen die Ablehnung der Todeserklärung unbegründet. Gegen die Todeserklärung steht die Beschwerde außer dem Antragsteller in Erweiterung des § 20 Abs 1 FGG jedem an der Aufhebung der Todeserklärung oder an der Berichtigung des Todeszeitpunkts rechtlich Interessierten zu (§ 26 Abs 2 Buchstabe a VerschG). Außerdem kann jeder nach § 16 Antragsberechtigte Beschwerde einlegen (§ 17), um die Aufhebung der Todeserklärung zu erreichen, also zB der Ehegatte, die Abkömmlinge oder der Staatsanwalt, ohne dass diese Beteiligten ein rechtliches Interesse haben müssten (§ 16 Abs 2 Buchstabe a, c VerschG). Der Antragsteller bedarf übrigens, wenn dem Antrag stattgegeben ist und kein anderer Antragsberechtigter das Verfahren betreibt, zur Beseitigung der Todeserklärung keines Rechtsmittels, da er den Antrag bis zum Eintritt der Rechtskraft zurücknehmen kann. Der gesetzliche Vertreter des Verschollenen, worunter auch sein Abwesenheitspfleger zu verstehen ist,386 bedarf zwar zu dem Antrage (§ 16 Abs 3 VerschG), nicht aber zur Beschwerdeeinlegung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.387 Diese Regelung des Beschwerderechts gilt auch im Änderungsverfahren (§ 33a Abs 3 VerschG, Art 2 § 3 Abs 2 VerschÄndG), im Todeszeitfeststellungsverfahren (§ 40 VerschG) und im Verfahren nach Art 2 §§ 1, 4, 8 VerschÄndG. Der Staatsanwalt ist auch im Änderungsverfahren nach § 33a VerschG beschwerdeberechtigt.388 Ist die erste Beschwerde als unzulässig verworfen worden, so steht die weitere Beschwerde abweichend von der Regel nicht nur dem ersten Beschwerdeführer, sondern auch jedem nach § 17 VerschG Eintrittsberechtigten zu.389 Das Rechtsmittel kann aber nur Erfolg haben, wenn die erste Beschwerde zu Unrecht als unzulässig verworfen worden ist. Im Berichtigungsverfahren über die Eintra-

384 385 386

BayObLG NJW-RR 1991, 958 = Rpfleger 1991, 374 m Anm Buchberger. KG KGRep 2005, 514 = Rpfleger 2005, 441. BGHZ 18, 389; KG NJW 1955, 1840.

738

387 388 389

BGHZ 18, 389. BayObLGZ 1959, 173, 176. AM OLG Frankfurt NJW 1960, 1063, welches § 20 Abs 1 anwendet.

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Beschwerdeberechtigte

§ 20

gung des Todeszeitpunkts im Sterbebuch ist die Großmutter des auf Grund eines Verkehrsunfalls gemeinsam mit seinen Eltern verstorbenen Kindes als in Betracht kommende gesetzliche Erbin beschwerdeberechtigt.390

XVII. Wohnungseigentumssachen Im Verfahren in Wohnungseigentumssachen nach § 43 WEG ist für das Beschwerde- 96 recht gemäß § 43 Abs 1 WEG grundsätzlich § 20 FGG maßgebend einschließlich des § 20 Abs 2. Jedoch ist die Aufzählung der Beteiligten in § 43 Abs 4 WEG dahin zu verstehen, dass sie nicht nur zu dem Verfahren hinzuziehen sind und gehört werden müssen, sondern dass ihnen auch schon wegen dieser Stellung als Beteiligter ein Beschwerderecht zusteht, ohne dass im Einzelfall eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne von § 20 Abs 1 festgestellt werden müsste, zumal die ergehende Entscheidung mit dem Eintritt der Rechtskraft für alle Beteiligten bindend ist (§ 45 Abs 2 WEG). Über den Kreis der in § 43 Abs 4 genannten Beteiligten hinaus kann sich aber ein Beschwerderecht aus § 20 Abs 1 ergeben, zB für den betreibenden Gläubiger oder den Zwangsverwalter, wenn das Wohnungseigentum zum Zwecke der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung beschlagnahmt ist, oder für einen Prozessstandschafter aus fremdem Recht. Beschwerdeberechtigt sind daher stets jeder Wohnungseigentümer, in den Fällen des 97 § 43 Abs 1 Nr 2 und 4 gemäß § 43 Abs 4 Nr 2 WEG auch der Verwalter. Der Verwalter ist auch beschwerdeberechtigt im Verfahren zur Prüfung der Gültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer über seine Abberufung.391 Gegen die Ablehnung der gerichtlichen Bestellung eines Verwalters (§ 26 Abs 3 WEG) steht die Beschwerde dem antragstellenden Wohnungseigentümer oder dem Dritten zu (§ 20 Abs 2 FGG), gegen die Bestellung jedem Wohnungseigentümer. Im Verfahren über die Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses (§ 43 Abs 1 Nr 4 WEG) steht einem Wohnungseigentümer, der nicht selbst das gerichtliche Verfahren eingeleitet hat, nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist des § 23 Abs 4 WEG ein Beschwerderecht mit dem Ziel der Ungültigerklärung im Wege der Anfechtung nicht zu.392 Die Abweisung eines Beschlussanfechtungsantrags kann nach Ablauf der Frist zu Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht mehr im Wege der unselbständigen Anschlussbeschwerde angegriffen werden.393 Wird aber ein Eigentümerbeschluss auf rechtzeitigen Antrag eines Wohnungseigentümers vom Gericht für ungültig erklärt, kann jeder andere Wohnungseigentümer und (mit entsprechender Ermächtigung gemäß § 27 Abs 2 Nr 5 WEG) auch der Verwalter sofortige Beschwerde (§ 45 Abs 1 WEG) einlegen mit dem Ziel der Verteidigung des für ungültig erklärten Eigentümerbeschlusses. Das gilt auch, wenn ein Wohnungseigentümer durch die gerichtliche Entscheidung keine persönlichen Nachteile (Ungültigerklärung der Verwalterentlastung) erleidet; es reicht, dass die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme verteidigt wird.394

390

391 392

BayOLGZ 1999, 1 = NJW-RR 1999, 1309 = FGPrax 1999, 59 = Rpfleger 1999, 226 = StAZ 1999, 110. BGH NJW 2002, 3240 = ZMR 2002, 766 = FGPrax 2002, 205. BGHZ 120, 396 = NJW 1993, 662 = MDR 1993, 1241 = ZMR 1993, 230; BayObLG NJW-RR 1992, 976 LS.

393

394

KG OLGZ 1991, 306 = WuM 1991, 367; BayObLG NZM 2005, 112 LS = WuM 2004, 427; OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 18 = ZMR 2005, 407. BGH NJW 2003, 3124 = NZG 2003, 968 = FGPrax 2003, 254 m Anm Demharter.

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

98

Beschwerdeberechtigt sind auch die Mitglieder einer werdende (oder faktischen) Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 43 Abs 1 WEG analog), die sich im Stadium der Begründung von Wohnungseigentum vor Eintragung in das Grundbuch tatsächlich wie Wohnungseigentümer verhalten, indem sie etwa nach Eintragung der Eigentumsverschaffungsvormerkung die Wohnung in Besitz nehmen und an Versammlungen teilnehmen. Auch der ausgeschiedene Verwalter ist, soweit es um Angelegenheiten während seiner Tätigkeit oder um eigene Angelegenheiten gegenüber der Gemeinschaft geht, beschwerdeberechtigt.395 Einem bereits vor Anhängigkeit ausgeschiedenen Wohnungseigentümer steht nach nunmehr geänderter Rechtsprechung ein Beschwerderecht zu, wenn es sich um einen vor seinem Ausscheiden gefassten, ihn weiterhin betreffenden Eigentümerbeschluss handelt.396 Der Ausspruch des Wohnungseigentumsgerichts, dass ein zur Zahlung verpflichteter Beteiligter als Gesamtschuldner mit einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten haftet, kann von den Dritten nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden.397 Im Verfahren zur Versteigerung eines Wohnungseigentums durch den Notar sind für 99 die Einlegung des in § 58 WEG geregelten Rechtsmittels beschwerdeberechtigt der Antragsteller und der verurteilte Wohnungseigentümer, sofern die durch die Verfügung des Notars beschwert sind (§ 20), bei Versagung des Zuschlags auch der Meistbietende, bei Erteilung des Zuschlags andere Bieter, wenn sie die Unwirksamkeit des Meistgebots geltend machen.

XVIII. Beschwerderecht von Behörden und Verbänden 1. Allgemeines

100

Auch das Beschwerderecht von Behörden kann sich, wenn keine abweichende gesetzliche Regelung besteht, nur aus § 20 FGG ergeben. Behörden genießen daher gegenüber anderen Beteiligten keine Vorzugstellung in dem Sinne, dass sie allgemein befugt wären, zur Wahrung der ihnen anvertrauten öffentlichen Interessen in die gerichtliche Regelung von Angelegenheiten der Beteiligten durch Einlegung von Rechtsmitteln einzugreifen. Eine Popularbeschwerde gibt es auch für Behörden nicht. Behörden haben demnach ein Beschwerderecht nur, wenn ein der Behörde zustehendes Recht im Sinne des § 20 Abs 1 unmittelbar beeinträchtigt wird, zB das Recht des Jugendamts durch seine Entlassung als Amtsvormund, oder wenn sich ihre Zuständigkeit zur unmittelbaren Beteiligung an dem gerichtlichen Verfahren und zur Vertretung der Rechte der Beteiligten in diesem Verfahren aus gesetzlichen Vorschriften ergibt oder wenn sie durch Gesetz dazu berufen sind, das öffentliche Interesse an der in dem Verfahren behandelten Angelegenheit durch Teilnahme am Verfahren wahrzunehmen.398 Es genügt mithin nicht, dass der Geschäftskreis der Behörde durch die in dem Verfahren erörterte Angelegenheit berührt wird und dass sie meint, die Angelegenheit müsse im öffentlichen Interesse anders geregelt werden, als es in der anzufechtenden Verfügung geschehen ist. Der Grundsatz, dass die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen für ein Be101 schwerderecht nach § 20 Abs 1 nicht ausreicht, gilt auch für öffentliche Interessen. Die Wahrnehmung von Belangen der öffentlichen Gesundheitspflege gibt dem Gesundheitsamt kein Recht zur Beschwerde gegen die Ablehnung der Genehmigung des VormG zur

395 396

BGHZ 106, 34 = NJW 1989, 714. BGH NJW 2002, 3709 = ZMR 2002, 941 = NZM 2002, 1003.

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397 398

BayObLG NJW-RR 1998, 1164 = WuM 1998, 241 = NZM 1998, 634. KG FamRZ 1964, 325.

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§ 20

Unterbringung des Mündels durch den Vormund.399 Das Aufsichtsamt für das Versicherungswesen hat kein Beschwerderecht gegen die Ablehnung der Eintragung eines Versicherungsvereins a. G. in das Handelsregister.400 Demnach sind Behörden unter folgenden Voraussetzungen beschwerdeberechtigt: 2. Ersuchen Behörden sind beschwerdeberechtigt, soweit sie nach gesetzlicher Vorschrift befugt 102 sind, das Gericht um eine Maßnahme zu ersuchen (vgl § 38 GBO) und das Ersuchen abgelehnt wird.401 Beschwerdeberechtigt sind hiernach das Vollstreckungsgericht, auch wenn es eine Abteilung desselben Amtsgerichts ist wie das Grundbuchamt, wenn seinem Ersuchen nach §§ 19, 130, 162 ZVG nicht oder nicht ordnungsgemäß stattgegeben wird,402 die Enteignungsbehörde, wenn sie nach § 117 Abs 7 BauGB um die Eintragung einer infolge Enteignung eingetretenen Rechtsänderung ersucht,403 das Prozessgericht bei Ablehnung eines auf § 941 ZPO gestützten Ersuchens auf Eintragung in das Grundbuch oder Schiffsregister.404 Das VormG ist beschwerdeberechtigt bei Ablehnung eines Antrags, den es auf Grund der §§ 1693, 1846 BGB an Stelle des verhinderten Elternteils oder Vormunds gestellt hat.405 3. Antrags- und Beschwerderecht im öffentlichen Interesse Eine Behörde kann ein Antrags- und/oder Beschwerderecht zur Wahrnehmung des 103 öffentliches Interesses in dem jeweiligen Verfahren durch Gesetz verliehen sein. Hierher gehört das Antrags- und Beschwerderecht der Aufsichtsbehörde des Standesbeamten in Personenstandssachen nach §§ 45 Abs 1, 47 Abs 2, 49 Abs 2 PStG, der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer in Handelsregistersachen nach § 126 FGG, das Beschwerderecht der Bankenaufsichtsbehörde nach § 54 Abs 3 WBG, der oberen Landwirtschafts- oder Genehmigungsbehörde nach § 32 Abs 2 S 2LwVG, der Verwaltungsbehörde im Freiheitsentziehungsverfahren nach §§ 7 Abs 2, 6 Abs 2 FEVG. Der Staatsanwalt hat ein Antrags- und Beschwerderecht im Todeserklärungsverfahren nach §§ 16 Abs 2 Buchstabe a, 17, 26 Abs 2 VerschG. Dem Staatsanwalt steht nach §§ 19 Abs 1 S 2, 35 StAngG die Beschwerde zu gegen die Entscheidung des VormG über die Genehmigung eines Antrags auf Entlassung einer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft stehenden Person aus der deutschen Staatsangehörigkeit.406 Soweit das Beschwerderecht einer Behörde im öffentlichen Interesse verliehen ist, kommt es auf eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs 1 nicht an. Die Behörde kann Beschwerde auch einlegen, wenn die Entscheidung ihrer bisherigen Stellungnahme entspricht, etwa zu Gunsten eines anderen Beteiligten oder zur Klärung einer Grundsatzfrage. Die Zulässigkeit der Weisungsbeschwerde des Notars erfordert keine Beschwer der ihm vorgesetzten Dienstbehörde.407 Hat die Aufsichtsbehörde Anlass, Kostenberechnungen für unrichtig zu halten oder deren Richtigkeit zu bezweifeln, so kann sie den Notar nur unter Beachtung der allgemeinen Grenzen des Aufsichtsrechts anweisen, die Entscheidung des LG herbeizuführen.408 Die Anweisung der Aufsichtsbehörde an den Notar gem § 156 Abs 5 KostO, gegen seine Kostenberechnung Beschwerde einzulegen, ist vom Zweck der No-

399 400 401 402 403

KG FamRZ 1964, 325. KGJ 32 A 123. KG OLGZ 1966, 228. BayObLGZ 14, 258. KG OLGZ 1966, 228.

404 405 406 407 408

BayObLGZ 32, 5. UngerZZP 34, 309. BayObLGZ 1967, 304. BayObLG DNotZ 1994, 703. BGH DNotZ 1988, 254.

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taraufsicht nicht gedeckt, wenn die Aufsichtsbehörde eine bestimmte Praxis der Kostenberechnung beanstandungsfrei hingenommen hat oder diese sonst als rechtens betrachtet wurde.409 Im Falle der Weisungsbeschwerde steckt die Beanstandungsverfügung der vorgesetzten 104 Dienstbehörde die Grenzen des gerichtlichen Verfahrens ab.410 Die Anweisungsverfügung der vorgesetzten Dienstbehörde muss als Zulässigkeitsvoraussetzung der (weiteren) Notarkostenweisungsbeschwerde erkennen lassen, in welcher Hinsicht die Kostenberechnung des Notars für unrichtig angesehen wird und mit welchem Ziel die gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden soll.411 Das Gericht muss – trotz der Formulierung „soll“ in § 156 Abs 2 S 2 KostO – die Beteiligten hören. Die Zahlungspflichtigen müssen als Beteiligte (und wegen der Rechtskraftwirkung) auch dann gehört werden, wenn das Gericht im Verfahren über die Weisungsbeschwerde (§ 156 KostO) die Weisung der Dienstaufsichtsbehörde für unbegründet hält.412 Die dem Notar vorgesetzte Dienstbehörde ist mangels eigener Beschwer nicht befugt, eine durch das LG über Einwendungen gegen die notarielle Kostenberechnung getroffene Beschwerdeentscheidung mit der weiteren Beschwerde gem § 156 Abs KostO anzufechten. Der Notar ist seinem Auftraggeber nicht nur zur richtigen, sondern auch zur kostensparenden und damit grundsätzlich zur billigsten Sachbehandlung verpflichtet. Wegen des erhöhten Gebührenanfalles wird daher die Sache durch den Notar iSd § 16 KostO idR falsch behandelt, wenn er Kauf und Auflassung von Wohnungseigentum nicht in einer einheitlichen Verhandlung beurkundet. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn besondere Umstände, insbesondere Sicherungsinteressen eines Beteiligten, zeitlich divergierende Beurkundungen nahelegen.413 Ob die Beschwerdeführung im öffentlichen Interesse liegt, unterliegt nicht der Nachprüfung des Beschwerdegerichts.414 4. Beschwerderecht im Interesse der öffentlichen Hand

105

Die Behörde kann auch lediglich zur Wahrnehmung der Interessen des Bundes, eines Landes oder einer sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts berufen sein, und zwar in der Weise, dass anstelle dieser Körperschaft ihr selbst die Stellung eines Beteiligten eingeräumt ist. So ist nach § 6 Abs 1 S 3 40. DVO-UmstG das Finanzamt Beteiligter des Umstellungsverfahrens, soweit der Streit oder die Ungewissheit über die Umstellung die Abgabeschuld für die Hypothekenabgabe berührt. In diesem Fall steht der Behörde ein Beschwerderecht nur nach Maßgabe des § 20 Abs 1 zu.415 Tritt die Behörde in dem Verfahren als gesetzlicher Vertreter des Bundes oder eines Landes oder eines anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf, so ist Beteiligter der Vertretene selbst und nicht die vertretende Behörde.416 Für das Beschwerderecht kommt es darauf an, ob ein Recht der Körperschaft iSd § 20 Abs 1 durch die Verfügung beeinträchtigt wird. Der Bund, der nach § 22 Abs 1 S 2 UmstErgG an dem Verfahren beteiligt ist, hat ein Beschwerderecht nur nach Maßgabe des § 20 FGG.417

409 410 411 412 413

BGH DNotZ 1985, 98. BayObLG JurBüro 1998, 206 = MittBayNot 1998, 372. BayObLG FGPrax 1997, 197. OLG Oldenburg, JurBüro 1997, 376 m Anm Mümmler. OLG Düsseldorf DNotZ 1996, 324 = FGPrax 1995, 125 = JurBüro 1995, 211.

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414

415 416 417

BGH LM Nr 2 zu dem allerdings obsoleten § 1595a BGB; BGH NJW 1961, 2120; aM Keidel Rn 24. BGH NJW 1953, 1429. Müller NJW 1954, 869; Zimmerman Rpfleger 1958, 209 zu II 1c. KG WPM 1960, 1422.

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§ 20

5. Beschwerderecht der Behörde aus eigenem Recht Nach § 20 Abs 1 ist auch eine Behörde beschwerdeberechtigt, wenn ihre eigenen 106 Rechte durch die Verfügung unmittelbar beeinträchtigt werden. Gegen die Entscheidung des AG, dass die beendete Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Gefahrenabwehr rechtswidrig war,418 steht der beteiligten Behörde das Recht der sofortigen Beschwerde nach § 20 I FGG zu.419 Das Jugendamt hat ein Beschwerderecht gegen seine Entlassung als Amtsvormund, gegen die Ablehnung eines Entlassungsantrages oder gegen eine Verfügung, durch die es zur Abgabe oder Übernahme der Amtsvormundschaft angehalten wird. Dem Finanzamt steht ein Beschwerderecht zu gegen die Ablehnung seines Antrags auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft, dem Dienstvorgesetzten gegen die Ablehnung des Antrags auf Bestellung eines Pflegers zur Vertretung des Beamten im Zwangspensionierungsverfahrens, der Einleitungsbehörde bei Ablehnung ihres Antrags nach § 19 Abs 2 BDiszO auf Bestellung eines Pflegers zur Vertretung des verhandlungsunfähigen Beamten im Dienststrafverfahren, ebenso der antragsberechtigten Behörde in sonstigen Fällen auf Antrag anzuordnender Pflegschaften. Der Behörde steht ein Beschwerderecht zu gegen die Bestellung eines Pflegers für einen Beamten, weil dadurch der unmittelbare Kontakt mit ihm beeinträchtigt wird. Der Behörde steht ferner die Beschwerde zu, wenn ihre als Aufsichtsbeschwerde gemeinte Eingabe als Sachbeschwerde behandelt worden ist.420 Ausländische Vormundschaftsbehörden sind beschwerdeberechtigt gegen die Verweigerung der Abgabe oder Übernahme der Vormundschaft über einen Ausländer.421 Der Staatsanwalt ist beschwerdeberechtigt gegen die Ablehnung der Anordnung einer Pflegschaft bei Vermögensbeschlagnahmen nach §§ 292, 433 StPO und gegen die Auswahl des Pflegers.422 Der Steuerfiskus als Vollstreckungsbehörde ist im Erbscheinseinziehungsverfahren nicht beschwerdeberechtigt, wenn die Einziehung während eines Nachlasskonkursverfahrens erfolgt und ungewiss ist, ob es nach Beendigung des Nachlasskonkursverfahrens noch zu einer Vollstreckung in Nachlassgrundstücke kommen kann, für welche der Steuerfiskus einen Erbschein benötigt.423 Im Falle der Ablehnung des Antrags der Polizeibehörde auf gerichtliche Anordnung 107 besonderer Maßnahmen des Datenabgleichs nach § 47 ASOGBln (so genannte Rasterfahndung) ist die Polizeibehörde beschwerdeberechtigt, weil sie Befugnisse im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr wahrnimmt und die gerichtliche Entscheidung ähnlich wie in einem Verwaltungsprozess auf die gesetzlichen Rechte und Pflichten der Polizeibehörde als Bestandteil der öffentlichen Verwaltung unmittelbar einwirkt.424 Kein Beschwerderecht hat das Finanzamt für Erbschaftssteuern im Erbscheinsverfahren.425 Dem Nachlassgericht steht die Beschwerde nicht zu gegen die Ablehnung oder Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft für Erbbeteiligte durch das VormG426 oder gegen die Ablehnung der Umschreibung einer bei der Erbauseinandersetzung einem Miterben überwiesenen Hypothek durch das Grundbuchamt.427 Das Insolvenzgericht ist nicht berechtigt zur Beschwerde gegen die Ablehnung der Bestellung eines Notvertreters für die GmbH.428 Das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft kann gegen den nicht ord418 419 420 421 422

§ 19 Abs 2 NdsGefG idFv 20.2.1998, GVBl S 101. OLG Celle FGPrax 2005, 48 = NdsRpfl 2004, 348. KG OLGR 40, 60. KG JFG 15, 298; aM Unger ZZP 34, 309 Fn 172. KGJ 44, 60; BayObLG HRR 1933 Nr 631.

423 424 425 426 427 428

BayObLG FamRZ 2001, 1737 = ZEV 2001, 408. KG KGReport 2002, 217. RG RJA 15, 14. KGJ 48, 20 = RJA 15, 26 = OLGR 33, 381; aM Josef DRiZ 1922, 92. KGJ 32 A 243. BayObLGZ 1951, 340.

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nungsgemäßen Vollzug einer Eintragungsmitteilung durch das Registergericht der Zweigniederlassung mit der Begründung Beschwerde einlegen, dass die Rechtsverhältnisse der Zweigniederlassung nicht richtig verlautbart wurden, zB die unterlassene Verlautbarung einer Änderung der Firma der Zweigniederlassung.429 6. Unterstützungspflicht der Behörden

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Beschwerdeberechtigt ist die Behörde, der das Gericht Rechts- oder Amtshilfe verweigert. Dem Finanzamt steht die Beschwerde zu, wenn die Mitteilungspflichten nicht erfüllt oder verweigert werden, die dem Nachlass- oder dem Registergericht obliegen. Das Finanzamt ist beschwerdeberechtigt, wenn die vollständige Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testaments abgelehnt wird.430 Unter bestimmten Umständen kann auch ein privatrechtlich organisierter Versorgungsträger in einem Abänderungsverfahren nach § 10a VAHRG beschwerdeberechtigt sein.431 7. Erweitertes Beschwerderecht

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In Vormundschaftssachen kann ein erweitertes Beschwerderecht nach § 57 Abs 1 Nrn 1, 3 und 9 auch einer Behörde zustehen, zB in den die Sorge für die Person des Kindes oder Mündels betreffenden Angelegenheiten dem Jugendamt,432 dem Pfarramt oder der Schulbehörde, dem Finanzamt gegen die Ablehnung der Anordnung einer Pflegschaft für den Steuerschuldner (vgl § 57). 8. Aufsichtsbehörde

110

Die Aufsichtsbehörde ist nicht ohne weiteres befugt, das Beschwerderecht der ihr untergeordneten Behörde an deren Stelle auszuüben. Sie kann kraft ihres Aufsichtsrechts nur darauf hinwirken, dass die Beschwerde von der dazu berechtigten unteren Behörde eingelegt werde.433 Anders, wenn die Beschwerdebefugnis gerade der Aufsichtsbehörde verliehen ist, wie in § 32 Abs 2 S 2 LwVG oder in Personenstandssachen (Anweisungsund Berichtigungsverfahren gem § 49 Abs 2 PStG434, aber nicht die anordnende Behörde nach § 41 Abs 2 PStG435) oder wenn die Aufsichtsbehörde geltend macht, dass ihr Aufsichtsrecht durch die Verfügung beeinträchtigt werde.436 Es besteht jedoch ein Beschwerderecht der Dienstbehörde bei Einleitung einer Pflegschaft zur Vertretung eines Beamten gegenüber der vorgesetzten Behörde, weil das Recht auf unmittelbaren Verkehr mit dem Beamten beeinträchtigt wird.437

XIX. Notare und Rechtsanwälte 111

Dem Notar steht ein Beschwerderecht grundsätzlich nur im Namen der von ihm vertretenen Beteiligten zu. Das gilt auch, wenn der Notar auf Grund gesetzlich vermuteter Vollmacht (§ 15 GBO, § 25 SchiffsRegO, §§ 71, 129 Abs 1, 147 Abs 1159 Abs 1, 161

429 430 431 432

BayObLG NJW-RR 1990, 1510. KGJ 22 A 265; KG JFG 13, 234; aM Unger ZZP 34, 288 Fn 121. BGH NJW 2003, 3772 = FamRZ 2003, 1738 = FPR 2004, 21. KG OLGZ 1972, 107; vgl auch BayObLGZ 1988, 76.

744

433 434

435 436 437

KG OLGR 7, 189; 40, 60. BayObLGZ 1985, 251 = StAZ 1985, 334; BayObLG FamRZ 1988, 649; OLG Düsseldorf StAZ 1971, 339. KG StAZ 1983, 200. KGJ 40, 18; 42, 184. Vgl § 19 Abs 2 BDiszO.

Lothar Briesemeister

Beschwerdeberechtigte

§ 20

Abs 1 FGG) handelt. Gegen die Ablehnung eines auf Grund vermuteter Vollmacht gestellten Antrages steht die Beschwerde nur dem vertretenen Beteiligten, nicht dem Notar im eigenen Namen zu. Im eigenen Namen ist der Notar nur beschwerdeberechtigt, wenn seine eigenen Rechte beeinträchtigt werden, insbesondere in seine Amtsbefugnisse eingegriffen wird. Dem Notar steht daher ein Beschwerderecht zu, wenn das Amtsgericht es ablehnt, ein Testament in amtliche Verwahrung zu nehmen, ebenso gegen die Anordnung der Ablieferung (§ 2259 BGB) des Testaments. Da aber mit der Ablieferung die amtliche Befassung des Notars beendet ist, kann er nicht aus eigenem Recht Beschwerde einlegen gegen die Anordnung der Eröffnung, die Ablehnung der Versendung oder die Vorzeigung zur Einsichtnahme des von ihm abgelieferten Testaments oder gegen die Ablehnung der Wiederaushändigung der Urkunde zur Nachholung seiner Unterschrift. Mangels eigener Rechtsbeeinträchtigung hat der Notar auch kein Beschwerderecht gegen die Versagung der Bestätigung einer von ihm kraft Überweisung des Gerichts (vgl § 86) vermittelten Erbauseinandersetzung.438 Gegen die Anweisung des Landgerichts, die Vollstreckungsklausel zu einer notariellen Urkunde zu erteilen, steht dem Notar kein Beschwerderecht zu, weil er die Entscheidung des ihm übergeordneten Gerichts ebenso hinnehmen muss wie der Richter.439 Die Bestimmung des § 129 FGG gibt als solche dem Notar kein eigenes Beschwerderecht. Die darin niedergelegte Vollmachtsvermutung gilt nur, wenn der Anmeldende öffentlich-rechtlich zur Anmeldung verpflichtet ist. Eine derartige Pflicht besteht nicht zur Anmeldung einer Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz.440 Eine Beschwerdeberechtigung des Rechtsanwalts aus eigenem Recht ergibt sich nach 112 § 9 Abs 2 BRAGO für die Wertfestsetzung. Dagegen steht einem gemäß § 1800 BGB iVm § 1631b BGB beigeordneten Rechtsanwalt keine eigene Beschwerdeberechtigung zu.441

XX. Rechtspfleger Das Recht zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen Verfügungen des Rechtspflegers 113 (§ 11 RPflG) richtet sich ebenfalls nach § 20. Soweit dem Amtsgericht gegen die Ablehnung von Anträgen und Ersuchen ein Beschwerderecht zusteht, ist der Rechtspfleger nach § 4 Abs 1 RPflG befugt, in übertragenen Sachen das Beschwerderecht selbstständig auszuüben.

XXI. Nichtgerichtliche Behörden Sind in einer bundesrechtlichen Angelegenheit nach Landesgesetz andere als gericht- 114 liche Behörden zuständig, so richtet sich das Beschwerderecht gegen Verfügungen dieser Behörden gem § 194 Abs 1 ebenfalls nach § 20, ebenso das Recht zur Anrufung des Amtsgerichts im Fall des § 195 Abs 1.

438 439

KGJ 46, 156. OLG Hamm DNotZ 1952, 444; 1960, 491; OLG Celle OLGZ 1967, 223; aM Schneider DNotZ 1966, 22.

440 441

BayObLG NJW-RR 2000, 990 = ZIP 2000, 791 = ZNotP 2000, 242. KG FamRZ 1970, 604.

Lothar Briesemeister

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§ 20

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

XXII. Landesrechtliche Angelegenheiten 115

Auch in landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 20 durchweg anzuwenden.

XIII. Familiensachen 1. Abgrenzung

116

In Familiensachen der FG (GVG § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11, 12, in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 14; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64) ist § 20 FGG auf die Beschwerde nach §§ 621e, 629 Abs 2 ZPO anwendbar (kein Ausschluss durch § 621a Abs 1 ZPO). Das gilt nicht für eine Beschwerde im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 620c ZPO;442 in diesem Falle steht die Beschwerdebefugnis nur den Parteien zu, nicht dem Jugendamt oder Dritten. Hat das Gericht eine Pflicht zur Durchführung eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs verneint, so ist der Ehegatte beschwert, der ausgleichsberechtigt wäre, wenn ein Versorgungsausgleich durchzuführen wäre.443 Eine Beeinträchtigung in Rechten liegt vor, wenn im Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich der Betrag, dessen Ausgleich nach § 1587f BGB nicht möglich ist, genau ermittelt und in einem Festellungsanspruch festgehalten wird. Es besteht die Gefahr, dass diese Feststellung zur Grundlage eines Anspruchs bei einer späteren Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gemacht wird, obwohl der Feststellung keine Bindungswirkung zukommt.444 Der Träger einer öffentlichrechtlichen Versorgung (hier: Zusatzversorgungskasse der 117 Gemeinden) ist beschwerdeberechtigt, wenn der von ihm beanstandete Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist.445 Der Sozialversicherungsträger ist auch dann beschwerdeberechtigt, wenn er bei unverändertem Ausgleichsbetrag lediglich eine andere Ausgleichsform anstrebt.446 Die Versorgungsträger sind aber nicht beschwerdebefugt zur Rüge der Nichtanwendung von § 1587b IV BGB. Dies gilt auch, wenn das Familiengericht auf dessen Anwendbarkeit nicht hingewiesen und auf eine entsprechende Antragstellung nicht hingewirkt hat.447 Ein privatrechtlich organisierter Träger der betrieblichen Altersversorgung ist am Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht beteiligt und nicht zur Einlegung von Rechtsmitteln befugt; das gilt sowohl im Hinblick auf die Handhabung der §§ 4b und 3c VAHRG als auch im Hinblick auf mögliche Fehler bei der Verrechnung der beiderseitigen Versorgungsanrechte der Ehegatten.448 Hat das AG dem Antrag eines Ehegatten auf Ausgleich einer privaten betrieblichen Altersversorgung des anderen Ehepartners im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b I Nr 1 VAHRG in vollem Umfang stattgegeben, dann steht dem Antragsteller gegenüber dieser Entscheidung kein Recht zu einer Beschwerde zu, mit der er Einwände gegen die Bewertung der betrieblichen Altersversorgung (ausschließlich) im Hinblick auf deren späteren schuldrechtlichen (Rest-)Ausgleich geltend machen will.449 Die Witwe des ausgleichspflichtigen Ehegatten, die durch eine Abänderungsentscheidung nach § 10a VAHRG betroffen wird, ist 442 443 444 445

KG NJW 1979, 2251 = FamRZ 1979, 740. BGH FamRZ 1991, 549. BGH NJW-RR 2004, 865 = FamRZ 2004, 1024 = FuR 2005, 26. BGH NJW-RR 1996, 451= FamRZ 1996, 482.

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446 447 448 449

BGH NJW-RR 1991, 258. OLG Stuttgart FamRZ 2005, 1569. BGH NJW-RR 1991, 258. BGH NJW-RR 1995, 323 = LM H 4/1995 § 20 FGG Nr 49 = FamRZ 1995, 157 = MDR 1995, 932.

Lothar Briesemeister

Beschwerdeberechtigte

§ 20

am Verfahren zu beteiligen; ihr steht gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der Beschwerde zu.450 2. Die Beschwerdeberechtigung in Familiensachen wird in § 64 besonders geregelt: a) In den Fällen des § 57 Abs 1 Nr 1 und 3 steht die Beschwerde nur dem Ehegatten des 118 Mündels oder Pflegebefohlenen zu (§ 64 Abs 3 S 4). b) Das erweiterte Beschwerderecht des § 57 Abs 1 Nr 9 ist wegen der Anwendbarkeit 119 des § 57 Abs 2 ausgeschlossen (§ 64 Abs 3 S 3). Im Interesse der Rechtskraft sind mithin Beschwerden von Pflegeeltern, Großeltern, Verwandten, die rechtliche Interessen des Kindes in Personenangelegenheiten verfolgen, von der Beschwerde ausgeschlossen. Allerdings bleibt das nach §§ 85, 86 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt im Kindesinteresse beschwerdeberechtigt (§ 64 Abs 3 S 3). c) Die Beschwerdeberechtigung eines Ehegatten im Versorgungsausgleich kann auch 120 dann gegeben sein, wenn entsprechend seinem Antrag entschieden wurde, zB bei Verweisung auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.451 3. Bei Angelegenheiten der HausratVO richtet sich nach deren § 13 Abs 1 die Beschwerdebefugnis nach § 20 FGG. Wird der 121 Antrag ohne Sachentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückgewiesen, steht die (unbefristete) Beschwerde nach § 20 Abs 2 nur dem Antragsteller zu.452 Im Hausratsteilungsverfahren gemäß § 8 sind aber nur die Ehegatten beteiligt und zur Beschwerde berechtigt, da in die Rechte Dritter am Hausrat nicht eingegriffen werden kann.453 Sofern aber Gegenstände zugewiesen werden, die einem Ehegatten unter Eigentumsvorbehalt geliefert oder von ihm zur Sicherheit übereignet sind, wird dem Gläubiger oder Sicherungsnehmer ein Beschwerderecht zugebilligt werden müssen, wenn entgegen § 10 Abs 2 HausratVO ohne sein Einverständnis entschieden worden ist. Soweit es um die Zuteilung der Ehewohnung geht, können nach §§ 7, 12 HausratsVO neben den Eheleuten auch beteiligt sein der Vermieter oder Verpächter einer auf Pachtland errichteten Ehewohnung,454 der Grundstückseigentümer oder der Grundstücksnießbraucher,455 der Dienstherr einer Dienst- oder Werkwohnung (§ 4 HausratVO) sowie weitere Personen, mit denen die Ehegatten oder einer von ihnen hinsichtlich der Ehewohnung in Rechtsgemeinschaft stehen. Dazu gehören auch Untermieter,456 der neue Ehemann der wiederverheirateten Frau, den diese in die Wohnung aufgenommen hat, aber wohl schwerlich die von einem Sorgerechtspfleger vertretenen Kinder der geschiedenen Ehegatten. Soweit durch die Entscheidung in die Rechtsbeziehungen dieser Beteiligten zu den Ehegatten hinsichtlich der Wohnung eingegriffen wird, haben sie ein Beschwerderecht nach § 20 Abs 1. In die Rechte des Vermieters wird nicht eingegriffen, wenn ohne Änderung des von den Ehegatten geschlossenen Mietvertrages die Benutzung der Ehewohnung nur im Innenverhältnis der Ehegatten geregelt wird.457 Der Insolvenzverwalter (früher Konkursverwalter) eines Ehegatten ist an dem Verfahren nicht beteiligt.458 450 451 452 453 454 455

OLG Köln FamRZ 1998, 169. BGH FamRZ 2005, 1240. KG FamRZ 1960, 239. OLG München BayJMBl 1951, 12; Keidel JZ 1953, 274. OLG Schleswig FamRZ 1955, 129. OLG Celle NdsRpfl 1961, 228; OLG Stuttgart OLGZ 1968, 126.

456 457 458

OLG Celle NdsRpfl 1949, 201; 1961, 228; BayObLGZ 1955, 202. KG NJW 1961, 78 = MDR 1961, 64 = FamRZ 1960, 443. OLG Celle MDR 1962, 416.

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§ 20a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

XXIV. Reformvorhaben 122

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 63 die Beschwerdeberechtigung und stellt klar, das die Beschwerde auch demjenigen zusteht, der als Beteiligter hinzuziehen war oder hinzugezogen werden konnte, jedoch nicht hinzugezogen worden ist. In § 65 wird die Beschwerdemöglichkeit in vermögensrechtlichen Angelegenheiten dahin begrenzt, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro, bei Anfechtung einer Kosten- oder Auslagenentscheidung 200 Euro übersteigen muss. Daneben ist in bestimmten Fällen eine Zulassung der Beschwerde durch die erste Instanz vorgesehen.

§ 20a Anfechtung von Kostenentscheidungen (1) Die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Gegen die Auslagenentscheidung nach § 13a Abs 2 findet jedoch die sofortige Beschwerde der Staatskasse, des Betroffenen, des Dritten oder der Körperschaft, deren Verwaltungsbehörde den Antrag auf eine Unterbringungsmaßnahme nach § 70 Abs 1 Satz 2 Nr 3 gestellt hat, statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 100 Euro übersteigt. (2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so findet gegen die Entscheidung über den Kostenpunkt die sofortige Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 100 Euro übersteigt. Für den Bereich der ehemals brit Zone eingefügt durch VO v 17.1.1948 (VOBlBrZ 13) § 3. Übernommen durch REinhG v 12.9.1950 (BGBl 455) Art 5 I Nr 2 für das übrige Bundesgebiet, durch REinhG Berlin v 9.1.1951 (VOBl I 99) Art 4 für Berlin und durch RechtsanglG v 22.12.1956 (Abl Saar 1667) Art 4 Nr 2 für das Saarland übernommen. § 20a Abs 1 S 2: Eingef durch das BtG (Art 5 Nr 3 G v 12.9.1990 – BGBl 2002) mWv 1.1.1992; idF des Art 7 Abs 13 Nr 1 RpflVereinfG v 17.12.1990 (BGBl 2847) mWv 1.4.1991 u des Art 15 Nr 1 G zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts v 13.12.2001 BGBl 3574) mWv 1.1.2002. § 20a Abs 2: IdF des Art 6 Nr 3a G v 20.12.1974 (BGBl 3651) mWv 1.1.1975, des Art 7 Abs 13 Nr 1 RpflVereinfG v 17.12.1990 (BGBl 2847) mWv 1.4.1991 u des Art 15 Nr 1 G zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen . . . v 13.12.2001 (BGBl 3574) mWv 1.1.2002.

Literatur Habscheid Die Rechtsnatur der Erledigung, Festschrift Lent 1957; Hansens Zum Rechtsbehelfsverfahren bei der Kosten- und Vergütungsfestsetzung, Rpfleger 1999, 105; Tschischgale Kostentragung und Kostenerstattung in Verfahren nach dem FGG, Rpfleger 1961, 97.

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Renate Baronin von König

Anfechtung von Kostenentscheidungen

§ 20a

Übersicht Rdn A. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . B. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Haftung für Gerichtskosten II. Auferlegung von Gerichtskosten . . . III. Auferlegung von Kosten der Beteiligten D. Ausschluss der selbständigen Anfechtung der Kostenentscheidung (Abs 1 S 1) . . I. Entscheidung in der Hauptsache . . . II. Rechtsmittel in der Hauptsache . . . III. Einfluss einer Erledigung der Hauptsache auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausnahmen vom Ausschluss der Beschwerde nach Abs 1 S 1 . . . . .

Rdn

1 2 3 4 5 6

E. Anfechtung der Auslagenentscheidung in Betreuungs- und Unterbringungssachen (Abs 1 S 2) . . . . . . . . . . . . . . . F. Anfechtbarkeit einer isolierten Kostenentscheidung (Abs 2) I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . II. Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache . . . . . . . . . . III. Rechtsmittel 1. Sofortige Beschwerde . . . . . . 2. Beschwerdesumme . . . . . . . . 3. Weitere Beschwerde . . . . . . . G. Anfechtung der Kostenentscheidung des Rechtspflegers . . . . . . . . . . . . . H. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

7 8 9

11 12

.

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. .

22 25

A. Rechtsentwicklung Die Vorschrift regelt die Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung. Nach dem vor der 1 Einfügung des § 20a geltenden Recht1 konnte der mit der Entscheidung in der Hauptsache verbundene Kostenausspruch, wenn er nur die gesetzliche Kostenfolge nach §§ 2 ff KostO aussprach, nicht selbständig mit der Begründung angefochten werden, dass die Sachentscheidung unrichtig sei; denn die gesetzliche Kostentragungspflicht konnte nur mit der Sachentscheidung selbst entfallen.2 Dieser Grundsatz gilt auch jetzt noch (Rn 4). Dagegen waren nach Erledigung der Hauptsache Beschwerde und weitere Beschwerde wegen der Kosten des Verfahrens unbeschränkt zulässig.3 Die eine Verurteilung eines Beteiligten zur Kostentragung enthaltende Entscheidung, insbesondere über die Verpflichtung zur Tragung außergerichtlicher Kosten, konnte stets selbständig mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsmittel angefochten werden.4

B. Bedeutung Durch die Einführung der Vorschrift sollte in Bezug auf die Anfechtung von Kos- 2 tenentscheidungen grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Zivilprozess herbeigeführt werden. Damit ist eine im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestehende Lücke in Anpassung an die Regelung des Zivilprozesses geschlossen worden.5 Abs 1 S 1 des § 20a entspricht dem § 99 Abs 1 ZPO, in Abs 2 kommen die Grundgedanken der §§ 99 Abs 2, 91a Abs 2, 567 Abs 2 ZPO zum Ausdruck. Bei der Vorschrift des § 99 Abs 1 ZPO, nach welcher die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt unzulässig ist, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird, stand die Erwägung des Gesetzgebers im Vordergrund, Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte über die Kostenpflicht zu vermeiden, die sich mit der nicht angefochtenen Entscheidung

1

2

Vorausgegangen war § 5 Abs 2 KrBeschwVO v 12.5.1943 (RGBl I 290), aufgehoben durch Art 8 Nr 8 REinhG v 12.9.1950 (BGBl 455). KGJ 52, 1; OLGR 40, 11; KG HRR 1935 Nr 1679.

3 4 5

KGJ 22 A 3 = RJA 2, 141; KGJ 52, 1; RGZ 134, 303. KG OLGR 43, 199; München JFG 21, 78. Amtl Begr z VO v 17.1.1948 (ZJBlBrZ 1948, 48); BayObLGZ 1953, 235.

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§ 20a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

der Vorinstanz zur Hauptsache in Widerspruch setzen müssten.6 Dieser Gedanke hat auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine gewisse Berechtigung, da jedenfalls bei der Zurückweisung eines Rechtsmittels als unbegründet die Kostenentscheidung an den Ausgang der Hauptsache geknüpft ist (§ 13a Abs 1 S 2) und auch bei der Ermessensausübung nach § 13a Abs 1 S 1 die Entscheidung zur Hauptsache nicht ohne Bedeutung ist. Weiter wurde erwogen, dass auch dann, wenn eine Kostenentscheidung nicht wegen unrichtiger Entscheidung in der Hauptsache, sondern nur wegen fehlerhafter Anwendung der Kostenvorschriften unrichtig sei, der Ausschluss der selbständigen Anfechtung vertretbar sei, weil „für ein solches Rechtsmittel ein Bedürfnis um so weniger vorliege, als die Gesetze über die Entscheidung im Kostenpunkt einfach seien, dem richterlichen Ermessen einen weiten Spielraum gestatteten und bei richtiger Entscheidung in der Hauptsache Fehlgriffe in der Anwendung kostenrechtlicher Bestimmungen nicht oft vorkommen würden“.7 Die Vorschrift findet auch in Landwirtschaftssachen Anwendung.8 Grundsätzlich ist auch die Anwendung in FG-Familiensachen zu bejahen (§§ 621 Abs 1, 621a Abs 1 ZPO),9 allerdings findet in FG-Familiensachen § 20a nur auf Kostenentscheidungen Anwendung, die nach § 13a ergangen sind. In diesem Fall gilt auch § 20a Abs 2.10 Ist über die Kosten nach den §§ 93a, 97 ZPO entschieden worden, greift hingegen § 99 Abs 1 ZPO ein.11 In Durchbrechung des oben genannten Grundsatzes wird aber in §§ 99 Abs 2, 91a Abs 2 ZPO und entsprechend in § 20a Abs 2 FGG eine selbständige Anfechtung der Kostenentscheidung zugelassen, wenn es zu einer (streitigen) Entscheidung in der Hauptsache nicht gekommen ist; wenn allein noch die Kostenpflicht im Streit ist, erschien es dem Gesetzgeber mit Recht unangemessen, jedes Rechtsmittel auszuschließen, zumal der erste Grundgedanke des § 99 Abs 1 ZPO, dass beim Bestehen bleiben der Entscheidung zur Hauptsache über ihre Richtigkeit nicht mehr im Nebenpunkt der Kosten gestritten werden soll, in diesem Fall nicht zutrifft, und der weitere Gesichtspunkt, Kostensachen von der höheren Instanz fernzuhalten, für sich allein nicht genügendes Gewicht hat. Der Grundsatz des Abs 1 S 1 wird außerdem in Betreuungsund Unterbringungssachen durchbrochen, denn nach Abs 1 S 2 kann die Auslagenentscheidung nach § 13a Abs 2 angefochten werden. § 20a Abs 2 findet in Bayern auch in landesrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung.12 Das Verfahren hinsichtlich der Vergütung und des Aufwendungsersatzes für Vormünder, Pfleger, Betreuer richtet sich nach § 56g; in § 56g Abs 5 ist auch die Anfechtung geregelt, § 20a findet keine Anwendung.

C. Kostenentscheidung 3

Die Kostenentscheidung, für deren Anfechtbarkeit § 20a maßgebend ist, kann sowohl die gerichtlichen als auch die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zum Gegenstand haben, eine Verpflichtung zur Kostentragung aussprechen oder einen solchen Ausspruch ablehnen.13 6

7 8 9 10

Hahn Materialien z CPO S 201; Rosenberg/ Schwab/Gottwald § 84 Rn 71; Zimmermann ZPO § 99 Rn 1. Hahn aaO; vgl auch Zöller/Herget § 99 Rn 1. Barnstedt/Steffen § 34 Rn 14 ff. Zimmermann ZPO § 621a Rn 6, 15. BGH FamRZ 1990 1102; OLG Karlsruhe

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11

12 13

FamRZ 1978 732; OLG München FamRZ 1979 733; Keidel/Zimmermann Rn 24; Zöller/Philippi § 621a Rn 33, 35. Zöller/Philippi § 621a Rn 33, 35; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber § 621a ZPO Rn 3. BayObLGZ 1961, 344; 1966, 257. BayObLGZ 1952, 80; KG DNotZ 1955, 437.

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Anfechtung von Kostenentscheidungen

§ 20a

I. Gesetzliche Haftung für Gerichtskosten Die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten und die Person des Kostenschuldners der 4 Staatskasse gegenüber ergeben sich in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 2 bis 6 KostO), ebenso wie die Frage, ob und in welcher Höhe überhaupt eine Gebühr entstanden ist. Die Prüfung dieser Fragen obliegt bei der Aufstellung des Kostenansatzes dem Kostenbeamten, der darüber in eigener Verantwortung zu befinden hat (§ 2 KostVfg); siehe auch Vorbem § 13a Rn 4, 5. Ein mit der Sachentscheidung verbundener Ausspruch darüber, dass sie gebührenfrei ergeht oder dass die Kosten einem Beteiligten, insbesondere dem Antragsteller oder Beschwerdeführer, zur Last fallen, ist nur deklaratorisch und hat nur die Bedeutung eines der Erleichterung des inneren Dienstes dienenden, nicht bindenden Hinweises an den Kostenbeamten für den Kostenansatz und ist nicht Bestandteil der in der Hauptsache den Beteiligten gegenüber ergangenen Entscheidung. Das gilt auch für Stellungnahmen des Gerichts zu der Frage, ob ein Beschwerdeverfahren nach § 131 Abs 1 S 2, Abs 3 KostO gebührenfrei ist oder nicht. Die Berechtigung eines solchen Ausspruchs oder die Erhebung von Gebühren und Auslagen kann daher nicht mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsmittel angefochten werden und unterliegt deshalb auch nicht den Beschränkungen des § 20a, sondern es ist die Erinnerung und Beschwerde gegen den Kostenansatz nach Maßgabe des § 14 KostO gegeben.14 Die an die Entscheidung geknüpfte gesetzliche Kostenfolge kann aber nur durch deren Aufhebung im Beschwerdewege (oder auf Grund des § 18 Abs 1) wieder beseitigt werden, nicht im Kostenansatzverfahren. Ein Ausspruch über die Tragung der Gerichtskosten oder über die Gebührenfreiheit ist daher beim Erlass der Entscheidung in der Regel nicht veranlasst; genau genommen überschreitet er die Entscheidungsbefugnis des Gerichts.15 Das gilt auch bei Zurücknahme eines Antrags oder eines Rechtsmittels.16 Auch Entscheidungen über die Nichterhebung von Kosten bei Zurückweisung oder Zurücknahme eines Antrags (§ 130 Abs 5 KostO) oder wegen unrichtiger Sachbehandlung (§ 16 Abs 2 KostO) sind, selbst wenn das Gericht sie in Verbindung mit der Sachentscheidung erlässt, nicht mit der Sachbeschwerde und deshalb nur mit den Beschränkungen des § 20a anfechtbar, sondern mit der Beschwerde nach § 14 Abs 2 KostO.17

II. Auferlegung von Gerichtskosten Von den Fällen gesetzlicher Kostentragungspflicht zu unterscheiden sind die Fälle, in 5 denen das Gericht durch eine konstitutive echte Kostenentscheidung einen (ersten oder weiteren) Kostenschuldner erst dadurch schafft, dass es in der Entscheidung die Kosten einem Beteiligten oder einem Dritten „auferlegt“ (§ 3 Nr 1 KostO). Ein solcher Ausspruch bedarf einer besonderen gesetzlichen Grundlage,18 zB KostO § 31 Abs 2 S 2 für 14

15

KGJ 47, 275; München JFG 16, 169; BayObLGZ 1959, 139 = Rpfleger 1959, 384 m Anm Zimmermann; Tschischgale Rpfleger 1961, 97; Rohs/Wedewer § 3 Anm II; Korintenberg/Lappe § 3 Rn 4, 14. OLG München JFG 16, 169; BayObLGZ 1951, 314 u 493; 1952, 78; 1959, 139; 1963, 80; OLG Hamm JMBlNRW 1955, 34; BGH Rpfleger 1954, 507, 511; KG OLGZ 1965, 92, 96; 1968, 99 = Rpfleger 1968, 152.

16 17

18

BayObLGZ 1958, 218. BayObLG Rpfleger 1993, 484 = JurBüro 1994, 354; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1965, 95. BGH Rpfleger 1954, 507 m Anm Keidel; Korintenberg/Lappe § 3 Rn 3; Rohs/Wedewer § 3 Rn 2.

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§ 20a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

die Kosten der Wertermittlung,19 § 70 Abs 1 S 2 für die Löschung gegenstandsloser Rechte im Grundbuch, § 94 Abs 3 S 2 in den sog Kindessachen (elterliche Sorge, Umgangsregelung, Kindesherausgabe),20 § 100a Abs 3 bei Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz, § 156 Abs 5 S 3 für das Notarkostenbeschwerdeverfahren; §§ 13 Abs 2 S 2, 33 Abs 1 S 2, 138 FGG; wegen der Bedeutung der Anordnung der Kostenerstattung nach § 13a Abs 1 hinsichtlich der einem anderen Beteiligten erwachsenen Gerichtskosten vgl § 13a Rn 24 ff. Hierher gehören ferner die Fälle, in denen das Gericht bei Beteiligung mehrerer über die Tragung oder Verteilung der Gerichtskosten zu bestimmen hat, wie nach § 34 VerschG, § 20 HausratsVO, § 47 WEG, § 44 LwVG, § 201 BRAO, § 111 Abs 4 BNotO, §§ 132 Abs 5, 260 Abs 4, 306 Abs 7 AktG. In diesen Fällen tritt der Staatskasse gegenüber die Kostenhaftung aus der Entscheidung (§ 3 Nr 1 KostO) neben die auf dem Gesetz beruhende (§ 5 KostO). Entscheidungen dieser Art über die Auferlegung der Gerichtskosten sind stets nur nach Maßgabe des § 20a anfechtbar, nicht etwa nach § 14 KostO.21

III. Auferlegung von Kosten der Beteiligten 6

Die Verpflichtung zur Erstattung von Kosten der Beteiligten, insbesondere von außergerichtlichen Kosten, kann in bundesrechtlichen Angelegenheiten der FG nur durch eine gerichtliche Entscheidung begründet werden, die ihre Rechtsgrundlage in § 13a FGG, § 34 VerschG, § 20 HausratsVO, § 47 WEG, § 45 LwVG, § 16 FEVG, § 30 Abs 2 EGGVG haben kann. Auch die Anfechtbarkeit dieser Kostenentscheidungen bestimmt sich nach § 20a.

D. Ausschluss der selbständigen Anfechtung der Kostenentscheidung (Abs 1 S 1) 7

Die Anfechtung der Kostenentscheidung mit Rechtsmitteln setzt voraus, dass auch gegen die Entscheidung zur Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Für den in der Hauptsache obsiegenden Antragsteller ist eine ihn belastende Kostenentscheidung grundsätzlich nicht anfechtbar, § 99 Abs 2 ZPO ist im FG-Verfahren nicht analog anwendbar.22

I. Entscheidung zur Hauptsache 8

Das ist jede Entscheidung über den Verfahrensgegenstand mit Ausnahme der verfahrensrechtlichen Kostentragungspflicht. Gleichgültig ist, ob über den Verfahrensgegenstand aus einem sachlichrechtlichen oder verfahrensrechtlichen Grunde entschieden wird. Auch die Ablehnung einer Maßnahme oder die Zurückweisung eines Antrags wegen Fehlens von Verfahrens- oder Sachentscheidungsvoraussetzungen oder Vorliegens eines Verfahrenshindernisses ist eine Entscheidung zur Hauptsache, ebenso die Verwerfung

19 20 21

Korintenberg/Lappe § 31 Rn 43. Korintenberg/Lappe § 94 Rn 31 ff mwN. BayObLGZ 1963, 71 = Rpfleger 1963, 208;

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22

LG Dortmund Rpfleger 1962, 387; Korintenberg/Lappe § 31 Rn 43; § 94 Rn 31 ff mwN. OLG Köln FamRZ 1997, 1292.

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Anfechtung von Kostenentscheidungen

§ 20a

eines Rechtsmittels als unzulässig.23 Entscheidung zur Hauptsache ist mithin sowohl eine Sachentscheidung als auch eine Prozessabweisung.24 Entscheidung zur Hauptsache ist auch die Festsetzung der Vergütung des Vormunds (Pflegers).25 In Kostenverfahren sind die anzusetzenden oder festzusetzenden Kosten die Hauptsache; nur die selbständige Anfechtung der in diesen Verfahren ergehenden Entscheidung über die verfahrensrechtliche Kostentragungspflicht wird durch § 20a Abs 1 ausgeschlossen. In echten Streitsachen ist eine Entscheidung zur Hauptsache auch die gegen den Widerspruch mindestens eines Beteiligten getroffene Feststellung, dass die Hauptsache erledigt sei (vgl § 19 Rn 32),26 von einer übereinstimmenden Erledigungserklärung ist dagegen auszugehen, wenn der Gegner zustimmt oder der Erklärung des Antragstellers nicht widerspricht.27 Eine gerichtlich gebilligte Umgangsregelung (s hierzu § 33 Rn 33) stellt auch eine Entscheidung in der Hauptsache dar, daher kann die im Beschluss enthaltene Kostenentscheidung nicht nach § 20a Abs 2 angefochten werden.28

II. Rechtsmittel in der Hauptsache Nach dem Zweck der Regelung soll aus prozesswirtschaftlichen Gründen die selb- 9 ständige und alleinige Anfechtung der Kostenentscheidung unstatthaft sein. Das in der Hauptsache eingelegte Rechtsmittel (Beschwerde oder weitere Beschwerde) muss zulässig und darf nicht zurückgenommen sein.29 Zur Zulässigkeit gehört auch das Beschwerderecht; wer daher durch die in der Hauptsache ergangene Entscheidung nicht beschwert ist, kann gegen die ihn belastende Kostenentscheidung kein Rechtsmittel einlegen.30 Ist aber eine Entscheidung in vollem Umfange angefochten und eine Beschwer in der Hauptsache gegeben, so ist das Rechtsmittel unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs nicht deswegen unzulässig, weil der Beschwerdeführer es in der Hauptsache für aussichtslos hält und es ihm nur auf eine Änderung der Kostenentscheidung ankommt.31 Wird das Rechtsmittel unter Beschränkung auf die Hauptsache zurückgenommen, aber gegen die Kostenentscheidung aufrechterhalten, so wird es insoweit unzulässig.32 Gleichgültig ist es, von welchem der im entgegengesetzten Sinne Beteiligten das Rechtsmittel in der Hauptsache eingelegt ist.33 Hat ein Beteiligter ein zulässiges Rechtsmittel in der Hauptsache eingelegt, so kann der gegnerische Beteiligte die Entscheidung nur wegen der Kosten anfechten, da das Beschwerdegericht ohnehin mit der Hauptsache befasst ist.34 Auch eine Anschlussbeschwerde nur wegen der Kosten wird durch § 20a Abs 1 nicht

23 24 25 26

27 28 29

BayObLG Rpfleger 1991, 6 = KostRspr FGG § 20a Nr 49. Zöller/Herget § 99 Rn 2. BGH NJW 1954, 1201 = Rpfleger 1954, 507 m Anm Keidel. BayObLG Rpfleger 1992, 12 (WEG-Verfahren); zum Zivilprozess vgl BGHZ 37, 142; Habscheid Die Rechtsnatur der Erledigung, Festschr f Lent 1957 S 196. BayObLG NJW-RR 1999, 1687 (LS). OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 522. BayObLG NJW-RR 1998, 303 = FGPrax 1997, 175; Rpfleger 1989, 213; KG FamRZ 1993, 84; Zöller/Herget § 99 Rn 4.

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BayObLGZ 1959, 389; OLG Koblenz FamRZ 2005, 633 (LS); OLG Köln NJW-RR 1997, 707; KG Rpfleger 1962, 162; KG OLGZ 1968, 99; Tschischgale Rpfleger 1961, 97. RGZ 102, 290; RG HRR 1932 Nr 1239; BGH JR 1976, 246 m Anm Schreiber; Zöller/ Herget § 99 Rn 4; aM Schlegelberger Anm 2. BayObLGZ 1967, 286; KG JurBüro 1986, 1078; OLG Stuttgart BWNotZ 1972, 167. BGHZ 17, 397 zu § 99 ZPO. REHG 5, 173 = JW 1938, 1447 zu § 112 EHVfO; BayObLGZ 1952, 79; Keidel/Zimmermann Rn 4.

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§ 20a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ausgeschlossen.35 Eine nach § 20a Abs 1 unzulässige Beschwerde nur gegen den Kostenpunkt wird zulässig, wenn der gegnerische Beteiligte die Entscheidung zur Hauptsache anficht.36 Vorausgesetzt ist allerdings, dass die Beteiligten, von denen der eine die Entscheidung in der Hauptsache, der andere nur im Kostenpunkt anficht, an der angefochtenen Entscheidung zur Hauptsache (noch) beteiligt waren; ist im Verhältnis zu einem Beteiligten keine Entscheidung zur Hauptsache ergangen, zB wegen Rücknahme der Beschwerde (des Antrags), sondern nur eine (isolierte) Kostenentscheidung, so richtet sich deren Anfechtbarkeit nach § 20a Abs 2.37 Unerheblich ist es, ob die Entscheidung zur Hauptsache und die Kostenentscheidung 10 zusammengefasst in demselben Beschluss oder in getrennten Beschlüssen oder zeitlich nacheinander ergehen. Die Kostenentscheidung ist der selbständigen Anfechtung nach Abs 1 auch entzogen, wenn über Hauptsache und Kosten in getrennten Beschlüssen entschieden worden ist, mag das Gericht sich bei der Entscheidung in der Hauptsache die Kostenentscheidung noch vorbehalten oder den Kostenpunkt übergangen und die Entscheidung gemäß § 18 Abs 1 oder in entsprechender Anwendung des § 321 ZPO nachträglich ergänzt,38 nachgeholt39 oder die Ergänzung abgelehnt haben.40 Dasselbe gilt, wenn die Hauptsacheentscheidung im Kostenpunkt berichtigt worden ist. Ist aber die ergänzende Kostenentscheidung erst erlassen worden, nachdem ein Rechtsmittel in der Hauptsache eingelegt und darüber entschieden worden war, so ist ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig und nicht durch Abs 1 ausgeschlossen; es unterliegt auch nicht den Beschränkungen des Abs 2; denn eine alleinige Anfechtung der Kostenentscheidung liegt hier nicht vor; die Schlussworte des § 20a Abs 1 sind gedanklich durch die Worte „oder eingelegt worden ist“ zu ergänzen.41 Etwas anderes gilt nur, wenn die Kostenentscheidung erst nach Rechtskraft der in der Hauptsache getroffenen Entscheidung ergangen ist und wenn der Beschwerdeführer die in der Hauptsache ergangene Entscheidung nicht hätte anfechten können.42 Nach Abs 1 ausgeschlossen ist auch die Anfechtung einer Verfügung, durch welche eine Kostenentscheidung geändert wird (§ 18); denn die Anfechtbarkeit der Änderungsverfügung folgt grundsätzlich denselben Regeln wie die Anfechtung der geänderten Verfügung.43

III. Einfluss einer Erledigung der Hauptsache auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels 11

Unzulässig ist die Anfechtung der Kostenentscheidung auch, wenn der Beschwerdeführer die Entscheidung zur Hauptsache deswegen nicht mehr zulässigerweise anfechten kann, weil die Hauptsache sich nach Erlass der Vorentscheidung, aber vor der Rechts35 36 37 38

39 40

Vgl § 22 Rn 16 ff; zum Zivilprozess BGHZ 17, 397. BayObLGZ 1952, 79; 1971, 291. BayObLGZ 1967, 286. BayObLG Rpfleger 1991, 357; BayObLGZ 1962, 380; 1963; 71; OLG Frankfurt MDR 1978, 500 = Rpfleger 1978, 138. BayObLG JurBüro 1989, 212; OLG Schleswig SchlHA 1983, 195. OLG Schleswig RzW 1951, 263; SchlHA 1956, 153; BayObLGZ 1952, 80; 1962, 380

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41 42 43

zu III 2 m Anm Tschischgale; 1963, 71 zu II 1a; KG DNotZ 1955, 437; KG Rpfleger 1962, 162; OLG Stuttgart MDR 1960, 235; OLG Hamm JMBlNRW 1964, 275; Keidel/ Zimmermann Rn 14. Schlegelberger Anm 2; aM OLG Hamm JMBlNRW 1966, 104 = Rpfleger 1966, 334. BayObLG Rpfleger 1987, 360. KG OLGZ 1968, 99; PfälzOLG Zweibrücken JurBüro 1984, 1083; Keidel/Zimmermann Rn 5; aM OLG Karlsruhe Rpfleger 1957, 46.

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Anfechtung von Kostenentscheidungen

§ 20a

mitteleinlegung erledigt hat und er deshalb im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung in der Hauptsache nicht mehr beschwert ist.44 Tritt jedoch die Erledigung erst ein, nachdem ein zulässiges Rechtsmittel in der Hauptsache eingelegt worden ist, so bleibt die Beschwerde unter Beschränkung auf die Kosten zulässig,45 und zwar ohne dass wegen der Kosten der Beschwerdewert des § 20a Abs 2 erreicht sein müsste.46 Zur Erledigung der Hauptsache s insbesondere § 13a Rn 22; § 19 Rn 32.

IV. Ausnahmen vom Ausschluss der Beschwerde nach Abs 1 S 1 Der Ausschluss der selbständigen Anfechtung der Kostenentscheidung nach Abs 1 S 1 12 gilt nicht, wenn nicht eine sachliche Nachprüfung der Kostenentscheidung erstrebt, sondern geltend gemacht wird, dass die Kostenentscheidung gesetzlich unzulässig sei;47 so wenn eine Kostenentscheidung unzulässigerweise bei einer Teilentscheidung einer Zwischenverfügung oder einer vorläufigen oder einstweiligen Anordnung getroffen ist48 oder wenn eine ergänzende Kostenentscheidung gesetzlich nicht zulässig war.49 In § 20a Abs 1 wird außerdem vorausgesetzt, dass ein durch die Kostenentscheidung Betroffener überhaupt befugt wäre, eine Entscheidung zur Hauptsache mit Rechtsmitteln anzufechten und dieses auch getan hat;50 sie gilt daher nicht, wenn ein Dritter mit Kosten belastet wird,51 es sei denn, dass die Kostenentscheidung in einem Zwischenstreit ergeht, an dem der Dritte beteiligt ist (§ 15 FGG mit § 387 Abs 3 ZPO). Dritter kann auch die Staatskasse sein,52 das nicht antragsberechtigte Jugendamt53 oder der Notar im Verfahren nach § 54 BeurkG.54 Das Beschwerdeverfahren richtet sich, da die Ausnahme des § 20a Abs 1 nicht vorliegt, für Beteiligte nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 19 bis 22);55 befristet ist das Rechtsmittel nur, wenn die jeweiligen Verfahrensvorschriften eine Befristung vorsehen; die Beschränkungen des § 20a Abs 2 (Befristung und Beschwerdesumme) in diesem Fall anzuwenden, besteht kein Anlass.56 Für Rechtsmittel Dritter gilt § 19, nicht § 20a Abs 2.57

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BayObLG FamRZ 1994, 1190; Vgl § 19 Rn 31, 32; KG 1 W 3419/53; Schlegelberger Anm 2. BayObLGZ 1955, 48; BayObLG Rpfleger 1978, 315; FamRZ 1982, 602; 1994, 1190; 1994, 1270; KG JW 1928, 2726; Rpfleger 1959, 385; JurBüro 1986, 1078; OLG Oldenburg NdsRpfl 1954, 202 = DNotZ 1955, 659; OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 488; OLG Hamm NJW-RR 2000, 1022; OLG Köln Rpfleger 2002, 209. BayObLGZ 1955, 48; KG Rpfleger 1959, 385; Tschischgale Rpfleger 1961, 97, 106; aM OLG Oldenburg NdsRpfl 1954, 202. OLG Frankfurt FamRZ 1994, 177; OLG Koblenz FamRZ 1996, 1023; OLG Düsseldorf MDR 1990, 532 mwN; LG Münster KostRspr FGG § 20a Nr 55; Putzo in Thomas/Putzo § 99 Rn 7, 9. Vgl § 13a Rn 26; OLG Hamm Rpfleger 1959, 132.

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BayObLGZ 1962, 380, 386; LG Krefeld JVBl 1961, 145; Keidel/Zimmermann Rn 13. BayObLGZ 1976, 256 = Rpfleger 1977, 26 = JurBüro 1977, 390. BayObLG Rpfleger 1983, 300; OLG Schleswig SchlHA 1981, 114; OLG Köln JMBlNRW 1962, 72; OLG Oldenburg MDR 1965, 920 = NdsRpfl 1965, 201 = JR 1965, 427; Zöller/ Herget § 99 Rn 1. OLG Koblenz FamRZ 1996, 1023. OLG Frankfurt FamRZ 1994, 177. BayObLG DNotZ 1972, 372; KG DNotZ 1971, 496 mwN; OLG Düsseldorf MittRhNotK 1978, 46; DNotZ 1974, 99. BayObLGZ 1972, 1; 1976, 256; OLG Frankfurt OLGZ 1980; 278. So auch BayObLGZ 1976, 256; OLG Frankfurt DNotZ 1978, 750; OLG Oldenburg JR 1965, 427. OLG Oldenburg MDR 1965, 920.

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§ 20a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

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Im Todeserklärungsverfahren kann die nach § 34 VerschG erlassene Kostenentscheidung abweichend von § 20a Abs 1 auch ohne Anfechtung der Hauptsache selbständig mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, wenn die Beschwerdesumme 50 EUR (§ 36 VerschG) übersteigt. Wird die Kostenentscheidung in einer Abschiebehaftsache statt auf § 16 FEVG irr14 tümlich auf § 13a Abs 1 gestützt, so ist kein Beschwerderecht unter dem Gesichtspunkt „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ gegeben.58

E. Anfechtung der Auslagenentscheidung in Betreuungsund Unterbringungssachen (Abs 1 S 2) § 20a Abs 1 S 2 beschränkt die Beschwerdemöglichkeit auf die Fälle des § 13a Abs 2;59 danach kann die Auslagenentscheidung in Betreuungs- und Unterbringungssachen ausnahmsweise isoliert angefochten werden und stellt somit eine Ausnahme vom Grundsatz des Abs 1 S 1 dar. Die Vorschrift ist auf andere Fallkonstellationen nicht entsprechend anwendbar, so nicht auf Abschiebehaftsachen (§ 16 FEVG),60 auch nicht auf die Fälle nachträglicher Kostenentscheidung61 oder auf das Erbscheinsverfahren.62 Mit der Einfügung der Vorschrift durch das BtG wollte der Gesetzgeber keine grundlegende Änderung des Beschwerderechts einführen, sondern lediglich die Rechtsposition der Betroffenen im Betreuungs- und Unterbringungsverfahren stärken.63 Es muss sich um eine Entscheidung über die Auslagen bzw Kosten des Betroffenen 16 mit der in § 13a Abs 2 genannten Verfahrensbeendigung handeln, die zugleich mit der Entscheidung in der Hauptsache ergeht. Für eine ohne Hauptsachenentscheidung ergangene Kostenentscheidung gilt Abs 2.64 Der Kreis der Beschwerdeberechtigten ist vorgegeben, denn beschwerdeberechtigt sind nur die Staatskasse, wenn ihr die notwendigen Auslagen des Betroffenen in Betreuungssachen nach §§ 1896 bis 1908i BGB und in zivilrechtlichen Unterbringungssachen nach § 70 Abs 1 S 2 Nr 1, 2 FGG auferlegt sind; der Betroffene, wenn er seine Auslagen selbst tragen soll; der nicht beteiligte Dritte, wenn dieser das Verfahren veranlasst hat und ihm die Verfahrenskosten wegen groben Verschuldens auferlegt worden sind sowie die Körperschaft in öffentlich-rechtlichen Unterbringungssachen, der die Auslagen des Betroffenen auferlegt wurden. Es handelt sich um eine sofortige Beschwerde (Abs 1 S 2 iVm § 22 Abs 1), dies gilt auch, wenn die Hauptsache nur mit der einfachen Beschwerde anfechtbar wäre. Der Beschwerdewert muss jedoch 100 EUR übersteigen, dh wenigstens 100,01 EUR betragen.

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BGHZ 131, 185 = JR 1997, 69 m Anm Preuß = NJW 1996, 466 = FGPrax 1996, 80; sa OLG Hamm FGPrax 2002, 190. KG FamRZ 1993, 84. BGHZ 131, 185 = JR 1997, 69 m Anm Preuß = NJW 1996, 466 = FGPrax 1996, 80; s a OLG Hamm FGPrax 2002, 190.

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OLG Karlsruhe FGPrax 1998, 152. BayObLG FamRZ 1997, 215. Preuß Anm z BGH in JR 1997, 69; sa Gesetzesbegründung BTDrs 11/4528 S 212. Keidel/Zimmermann Rn 7a.

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Anfechtung von Kostenentscheidungen

§ 20a

F. Anfechtbarkeit einer isolierten Kostenentscheidung (Abs 2) I. Begriff Eine sogenannte isolierte Kostenentscheidung liegt vor, wenn das Gericht nur über 17 die Tragung der gerichtlichen und (oder) außergerichtlichen Kosten, nicht aber in der Hauptsache entschieden hat, entweder weil die Hauptsache sich erledigt hatte, zB im Hausratsverfahren durch den Tod des geschiedenen Ehegatten, im Sorgerechtsverfahren durch den Tod des Kindes (vgl näher § 19 Rn 32) oder weil die Beschwerde oder im Antragsverfahren der Antrag zurückgenommen ist oder weil die Beteiligten in der Hauptsache einen Vergleich geschlossen haben. Dagegen fehlt es nicht an einer Entscheidung zur Hauptsache, wenn über Hauptsache und Kosten getrennt entschieden worden ist, zB wenn ein Erbschein erteilt und Kosten durch besondere Entscheidung einem Widersprechenden auferlegt sind65 oder wenn die Entscheidung zur Hauptsache im Kostenpunkt nachträglich ergänzt oder berichtigt oder geändert worden ist (oben Rn 10) oder wenn in echten Streitsachen die Erledigung gegen den Widerspruch eines Beteiligten festgestellt worden ist (oben Rn 8). Eine unanfechtbare Kostenentscheidung liegt aber auch dann vor, wenn sich die Kostenentscheidung als Nachholung der bei der Hauptsacheentscheidung zunächst bewusst unterlassenen darstellt; das gilt auch, wenn eine Hauptsacheentscheidung überhaupt nicht erforderlich war.66 Ist eine Erledigung nur zu einem Teil des Verfahrensgegenstandes eingetreten und sodann über die restliche Hauptsache und über die gesamten Kosten entschieden worden, so kann die Kostenentscheidung, soweit sie den erledigten Teil betrifft, nach § 20a Abs 2 angefochten werden.67 Die Anfechtbarkeit einer isolierten Kostenentscheidung nach Maßgabe des § 20a Abs 2 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass gegen einen anderen Beteiligten eine Entscheidung zur Hauptsache ergangen ist, an welcher der durch die isolierte Kostenentscheidung Betroffene nicht beteiligt ist.

II. Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache In der Regel ergibt sich auch bei Erledigung in der Hauptsache die Pflicht zur Tra- 18 gung der Gerichtskosten unmittelbar aus dem Gesetz, so dass es einer Entscheidung über die Kosten nicht bedarf (Rn 4). Das gilt sowohl, wenn das erledigende Ereignis im ersten Rechtszuge eintritt, für die Kosten dieses Rechtszuges als auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens, wenn die Erledigung erst im Beschwerderechtszuge eintritt.68 Im letztgenannten Fall ist aber wegen der insoweit zulässig bleibenden Beschwerde noch über die an die Vorentscheidung kraft Gesetzes geknüpfte Kostenfolge zu befinden. Bei der Entscheidung hierüber ist § 91a ZPO nicht entsprechend anwendbar; vielmehr ist zu prüfen, ob die Beschwerde begründet gewesen wäre, wenn die Hauptsache sich nicht erledigt hätte.69 In den Fällen aber, in denen das Gericht ermächtigt ist, bei Beteiligung mehrerer über die Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden, kann der Grundgedanke des § 91a ZPO auch im Rahmen dieser Ermessensentscheidung Berücksichtigung finden.

65 66 67

OLG Hamm JMBlNRW 1964, 275. OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 815. OLG Hamm NJW-RR 2002, 1730; Rpfleger 1961, 20; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 84; Zöller/Herget § 99 Rn 13, 14.

68 69

BayObLGZ 1956, 353, 363; OLG Hamm Rpfleger 1957, 421. BayObLGZ 1955, 271, 278; 1957, 53, 57 = MDR 1957, 368 = Rpfleger 1957, 420; BayObLGZ 1958, 31, 34; 1963, 80 zu II 3.

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§ 20a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Hierbei ist, ebenso wie im Zivilprozess,70 nicht auf das hypothetische Unterliegen abzustellen, sondern darauf, wem die Gerichtskosten billigerweise auferlegt worden wären, wenn die Hauptsache sich nicht erledigt hätte. Dasselbe gilt für die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten nach den genannten Sondergesetzen und allgemein nach FGG § 13a Abs 1 S 1.

III. Rechtsmittel 1. Sofortige Beschwerde

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Die Beschwerde gegen die isolierte Kostenentscheidung ist die sofortige, auch wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache nur die unbefristete Beschwerde stattfände. Wäre jedoch die Entscheidung in der Hauptsache unanfechtbar, ist es auch die isolierte Kostenentscheidung.71 2. Die Beschwerdesumme

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Diese muss 100,00 EUR übersteigen. Für die Bemessung des Beschwerdewerts kommt es auf den Betrag der Kosten an, die dem Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung entstanden oder auferlegt worden sind und von denen er freigestellt werden will oder auf den Betrag der Kosten, deren Auferlegung auf einen anderen Beteiligten er erstrebt.72 Hierbei kommt es auf den Wert bei Einlegung der Beschwerde an, spätere Verringerungen werden bei der Wertberechnung nicht berücksichtigt.73 Ist das Erreichen des Beschwerdewertes von einer Rahmengebühr des Rechtsanwalts abhängig, so in der Regel vom Höchstsatz auszugehen.74 Ist die Erledigung in der Beschwerdeinstanz eingetreten, so bilden die Kosten beider Instanzen den Wert.75 3. Weitere Beschwerde

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Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde richtet sich nach den §§ 27, 29 FGG. Die weitere Beschwerde ist grundsätzlich gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts statthaft, § 27 Abs 1 eröffnet eine dritte Instanz, die nach dem Willen des Gesetzgebers aber nicht für Kostenentscheidungen offen stehen soll. Nach § 27 Abs 276 ist eine weitere Beschwerde in den Fällen des § 20a Abs 1 S 2 und Abs 2 jedoch nur statthaft, wenn das Beschwerdegericht erstmals eine Entscheidung über den Kostenpunkt getroffen hat, damit ist eine weitere Beschwerde ausgeschlossen, wenn es sich um Beschwerdeentscheidungen über eine Auslagenentscheidung nach § 13a Abs 2 in Betreuungs- und Unterbringungssachen (Abs 1 S 2) oder eine isolierte Kostenentscheidung (Abs 2) handelt (sa § 27 Rn 12). Ziel des Gesetzgebers war es, in Kostensachen im Hinblick auf die Geschäftsbelastung der Gerichte nur noch eine Instanz zur Verfügung zu stellen.77 Der Rechtsmittelausschluss des § 27 Abs 2 ist umfassend. Er knüpft ausschließlich daran an, dass das Amtsgericht eine isolierte Kostenentscheidung iSd § 20 Abs 2 getroffen hat.78 Das gilt

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Zöller/Vollkommer § 91a Rn 24ff. KG JFG 13, 195; BayObLGZ 1958, 215; 1972, 2; 1989, 340; BayObLG Rpfleger 1990, 57; Schlegelberger Anm 3; Zöller/Gummer § 567 Rn 39. BayObLGZ 1994, 374. Zöller/Gummer § 567 Rn 41.

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74 75 76 77 78

OLG Frankfurt JurBüro 1997, 256. BayObLG Rpfleger 1979, 231. Eingefügt d Rechtspflege-VereinfachungsG v 17.12.1990 (BGBl S 2847). S Gesetzesbegründung BTDrs 11/3621 S 61. OLG Hamm FGPrax 1999, 117.

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Anfechtung von Kostenentscheidungen

§ 20a

auch, wenn das LG die erste Beschwerde als unzulässig verworfen oder die Statthaftigkeit des Rechtsmittels unrichtig beurteilt hat; ebenfalls bei sog Mischentscheidungen (oben Rn 17).79 Verwirft das LG bei einer nachgeholten Kostenentscheidung eine Beschwerde im Hinblick auf Abs 1 S 1 als unzulässig, ist gegen die landgerichtliche Entscheidung eine weitere Beschwerde nicht gegeben.80 Hat erst das LG auf eine gegen die Hauptsache gerichtete erste Beschwerde nach Rücknahme der Beschwerde oder nach Erledigung der Hauptsache in der Beschwerdeinstanz eine isolierte Kostenentscheidung erlassen, so ist dagegen die sofortige weitere Beschwerde nach §§ 20a Abs 2, 27 Abs 1, 2 und 29 Abs 2, 4 gegeben.81 In diesem Fall muss auch die Beschwerdesumme von mehr als 100 EUR nach § 20a Abs 2 erreicht sein,82 außerdem findet die weitere Beschwerde nur statt, wenn auch gegen die Hauptsacheentscheidung die weitere Beschwerde statthaft gewesen wäre.83 Wird gegen eine isolierte Kostenentscheidung die weitere Beschwerde eingelegt, so kann die Ermessensentscheidung nur auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs 1), was sich auch darauf erstreckt, ob überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen für eine isolierte Kostenentscheidung vorliegen.84 Unter Umständen hängt die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde auch davon ab, dass das LG sie in seiner Entscheidung zugelassen hat, zB im Notarkostenbeschwerdeverfahren gem § 156 Abs 2 KostO.85

G. Anfechtung von Kostenentscheidungen des Rechtspflegers Grundsätzlich gilt für die Anfechtung von Entscheidungen des Rechtspflegers § 11 22 Abs 1 RPflG,86 danach ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist; wenn nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, findet nach § 11 Abs 2 RPflG binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statt. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Instanzrichter zur Entscheidung vor.87 Für die Anfechtung von isolierten Kostenentscheidungen gilt demnach die sofortige Beschwerde gem §§ 11 Abs 1 RPflG, 20a Abs 1 S 1, Abs 2 FGG (s oben Rn 19, 20). Problematisch ist der Fall, wenn die sofortige Beschwerde wegen Nichterreichens der 23 Beschwerdesumme nicht zulässig aber doch begründet ist. In diesem Fall soll die befristete Erinnerung nach § 11 Abs 2 S 1 RPflG mit der daraus resultierenden Abhilfeverpflichtung des Rechtspflegers Anwendung finden.88 Ist nämlich gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben, so findet binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statt (§ 11 Abs 2 S 1 RPflG); dies soll auch „entgegen der etwas ungenauen Formulierung“89 An79

80 81

82 83 84 85

BayObLG NJW-RR 2000, 463; OLG Hamm FGPrax 1999, 117; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 84. BayObLG NJW-RR 1999, 1587. BayObLG FamRZ 1996, 1560 mwN; OLG Köln Rpfleger 2002, 209; OLG Hamm FamRZ 2001, 1311. BayObLG FamRZ 2001, 1311. OLG Köln Rpfleger 2002, 209 mwN. BayObLG FamRZ 2001, 1311; 1990, 1395. BayObLG FGPrax 1999, 160; KG v 8.4.2003 – 1 W 67/01 – nicht veröffentlicht.

86

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88 89

In der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze vom 6.8.1998 (BGBl S 2030). S hierzu ausführlich die Anm zu § 11 RPflG bei Bassenge/Herbst/Roth sowie Arnold/ Meyer-Stolte/Hansens. Arnold/Meyer-Stolte/Hansens § 11 Rn 41, 43; Bassenge/Herbst/Roth RPflG § 11 Rn 21. Hansens Rpfleger 1999, 105.

Renate Baronin von König

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§ 21

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

wendung finden, wenn nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel gegeben, aber im Einzelfall nicht zulässig ist, weil eine im Gesetz vorgesehene Beschwerdesumme nicht erreicht ist.90 Der Rechtspfleger hat dann der begründeten Erinnerung abzuhelfen (siehe aber unten Rn 24), andernfalls legt er sie dem Richter (gem § 28 RPflG) vor. Dieser entscheidet selbst, kann aber die Sache auch dem Rechtspfleger zur endgültigen Festsetzung zurückverweisen. Im FG-Verfahren verbietet § 18 Abs 2 die Abhilfe von Verfügungen, die der sofortigen 24 Beschwerde unterliegen; so dass es fraglich ist, ob im Falle der selbständigen Anfechtung von Kostenentscheidungen des Rechtspflegers gem § 20a bei Nichterreichen der Beschwerdesumme eine Abhilfe möglich ist (siehe hierzu auch § 13a Rn 58 ff). Die sofortige Beschwerde ist kein eigenes Rechtsmittel, sondern die Beschwerde ist in bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen befristet und dann gelten einige Besonderheiten, wie die Einhaltung der Frist oder auch das Abänderungsverbot des § 18 Abs 2, so dass auch bei Anfechtung von Kostenentscheidungen des Rechtspflegers eine Abhilfe nicht in Frage kommt.

H. Reformvorhaben 25

Der Entwurf des FGG-Reformgesetzes91 sieht in § 86 FamFG eine Neuregelung bezüglich der Anfechtung der Kostenentscheidung vor, wobei der Abs 1 inhaltlich dem jetzigen § 20a Abs 1 S 1 entsprechen soll. Abs 2 soll regeln, dass gegen die Entscheidung über die Kosten die sofortige Beschwerde stattfindet, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist. Damit knüpft auch diese Regelung an das geltende Recht an. Eine eigenständige Regelung über den Wert des Beschwerdegegenstandes enthält die Neuregelung nicht, da eine allgemeine Regelung im Rechtsmittelrecht vorhanden sein wird. Gemäß § 65 FamFG-E soll in Kostensachen eine Beschwerdesumme von über 200,00 EUR gelten, wie allgemein für Beschwerden in Kosten- und Auslagenentscheidungen. Damit wäre der Wert dann höher als nach geltendem Recht, was jedoch eine Anpassung darstellt.

§ 21 Einlegung der Beschwerde (1) Die Beschwerde kann bei dem Gerichte, dessen Verfügung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. (2) Die Einlegung erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle desjenigen Gerichts, dessen Verfügung angefochten wird, oder der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts. Die Beschwerde kann auch entsprechend den Regelungen der Zivilprozessordnung betreffend die Übermittlung von Anträgen und Erklärungen als elektronisches Dokument eingelegt werden.

90 91

Zöller/Herget §§ 103, 104 Rn 11, 13 bis 15 für das Kostenfestsetzungsverfahren. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005

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in der ergänzten Fassung v 14.2.2006, der unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt.

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§ 21

Einlegung der Beschwerde

(3) Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Die Zulassung der elektronischen Form kann auf einzelne Gerichte oder Verfahren beschränkt werden. Abs 2 S 2 und Abs 3 angefügt durch Art 5 G v 13.7.2001 (BGBl I S 1542). In Abs 2 S 2 in Bezug genommene Regelungen der Zivilprozessordnung in § 130a ZPO: (1) Soweit für vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, für Anträge und Erklärungen der Parteien sowie für Auskünfte, Aussagen, Gutachten und Erklärungen Dritter die Schriftform vorgesehen ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronische Dokument, wenn dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Die verantwortende Person soll das Dokument mit einer qualifizierenden elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. (2) Wortgleich mit § 21 Abs 3 FGG (vgl oben). (3) Ein elektronisches Dokument ist eingereicht, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts es aufgezeichnet hat. Literatur Heß Neues deutsches und europäisches Zustellungsrecht, NJW 2002, 2417; Mankowski Zum Nachweis des Zugangs bei elektronischen Erklärungen, NJW 2004, 1901; Nowak Der elektronische Vertrag, MDR 2001, 841; Rinkler Revisionsrücknahme ohne gegnerische Zustimmung – Fragwürdige Neuregelung, NJW 2002, 2449; Roßnagel Das neue Recht elektronischer Signaturen, NJW 2001, 1817.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. Empfangsstellen . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständiges Gericht . . . . . . . . . 2. Gerichtswechsel . . . . . . . . . . . . III. Beschwerdeschrift . . . . . . . . . . . . 1. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichende Formvorschriften . . . . 3. Inhalt der Beschwerdeschrift . . . . . IV. Einreichung der Beschwerdeschrift . . . 1. Zuständige Stelle. Zugang durch Post oder Boten . . . . . . . . . . . . . . 2. Telegrafische Einlegung . . . . . . . . 3. Fernschreiber, Telefax . . . . . . . . . 4. Elektronische Einlegung . . . . . . . 5. Telefonische Einlegung . . . . . . . . V. Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle 1. Zuständigkeit. Form . . . . . . . . . 2. Erklärung vor unzuständiger Geschäftsstelle . . . . . . . . . . . . 3. Protokoll des Richters . . . . . . . . 4. Ausschluss der Protokollform . . . . .

1 4 4 5 6 6 8 9 13 13 14 15 17 18 19 19 21 22 23

Rdn VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI. XVII.

XVIII. XIX. XX.

5. Telefonische Einlegung . . . . . Beschwerdeeinlegung durch Vertreter Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung Vorlage an das Beschwerdegericht . Beschränkung der Beschwerde . . . Bedingungsfeindlichkeit . . . . . . Rücknahme der Beschwerde . . . . Verzicht auf die Beschwerde . . . . Verwirkung des Beschwerderechts . Wiederholung der Beschwerde . . . Verfügung vom Rechtspfleger . . . Entscheidungen des Landgerichts . . Familiensachen . . . . . . . . . . . 1. Isolierte Familiensachen . . . . . 2. Folgesachen . . . . . . . . . . . 3. Nebenentscheidungen . . . . . . 4. Einstweilige Anordnungen . . . . 5. Verfügungen des Rechtspflegers . Nichtgerichtliche Behörden . . . . . Landesrecht . . . . . . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 25 27 28 29 30 31 34 37 40 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

I. Allgemeines Die Vorschrift bestimmt in Abs 1 die Empfangsstelle und in Abs 2 die Form der Be- 1 schwerde. Sie stimmt inhaltlich mit § 73 Abs 1 und 2 GBO (auch in der dortigen Neufassung; vgl ferner § 81 Abs 3 GBO) überein. Die Verweisung des § 14 FGG (Prozess-

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§ 21

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

kostenhilfe) auf die §§ 114 ff ZPO bezieht sich auf die Statthaftigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde, während sich Form und Frist in Verfahren der FG nach §§ 21, 22 FGG richten.1 Zur Erleichterung für den Beschwerdeführer werden zwei Empfangsstellen (unteres 2 Gericht und Beschwerdegericht) und zwei Formen (Beschwerdeschrift und Erklärung zu Protokoll) zur Wahl gestellt. § 11 FGG mit der Zuständigkeit eines jeden Amtsgerichts gilt insoweit nicht. Unerheblich ist, ob es sich um eine einfache oder eine sofortige Beschwerde handelt oder ob die Sache dringlich ist. Beschwerdegericht ist das dem betreffenden Amtsgericht übergeordnete Landgericht. In Landwirtschaftssachen ist Beschwerdegericht gegen Entscheidungen des AG (LwG) das OLG (§ 22 LwVG). Auch in Familiensachen der FG ist Beschwerdegericht gegen Entscheidungen des AG (Familiengericht) das OLG (§ 119 Abs 1 Nr 2 GVG) unabhängig davon, ob eine Familiensache vorliegt oder nicht (formelle Anknüpfung).2 Ist die Beschwerdeentscheidung einem Landgericht für den Bezirk mehrerer Landge3 richte übertragen, ist allein dieses Landgericht Beschwerdegericht.3 Bei Angelegenheiten, die die Betreuung eines Volljährigen betreffen, kann der Betroffene, wenn er untergebracht ist, die Beschwerde auch bei dem AG einlegen, in dessen Bezirk er untergebracht ist (§ 69g Abs 3). Entsprechendes gilt nach § 70m Abs 3 für Verfahren über Unterbringungssachen nach § 70 Abs 1 Satz 2. Befindet sich eine Person, der die Freiheit nach dem FEVG entzogen werden soll, bereits in Verwahrung einer Anstalt, kann die weitere Beschwerde auch bei dem AG eingelegt werden, indessen Bezirk die Anstalt liegt (§ 7 IV FEVG). Das gilt aber nur, wenn die weitere Beschwerde sich gerade gegen die eigene Freiheitsentziehung richtet. Sonst kann die weitere Beschwerde durch eine in Haft befindliche Person nur bei dem Gericht erster Instanz, bei dem zuständigen Beschwerdegericht oder dem Gericht der weiteren Beschwerde eingelegt werden.4

II. Empfangsstellen 1. Zuständiges Gericht

4

Die erste Beschwerde kann, gleichgültig, ob sie die einfache oder die sofortige ist, nach Wahl des Beschwerdeführers bei dem Gericht, dessen Verfügung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. Das Gericht, dessen Verfügung angefochten wird, kann außer einem Amtsgericht auch ein Landgericht sein, wenn dieses Gericht erster Instanz ist oder wenn es als Beschwerdegericht eine Verfügung erlassen hat, die mit der ersten Beschwerde anfechtbar ist. Die Einlegung bei dem unzuständigen Gericht ist zur Fristwahrung ungeeignet. Das Beschwerdegericht kann, wenn das untere Gericht berechtigt ist, der Beschwerde abzuhelfen (§ 18), eine bei ihm eingelegte Beschwerde nach Lage des Falles dem Gericht des ersten Rechtszuges zur Entschließung darüber vorlegen, ob es der Beschwerde abhelfen will. Eine Notwendigkeit dazu besteht nicht.5

1

2 3 4

OLG Dresden FamRZ 2005, 1188; zur Monatsfrist in isolierten FGG-Familiensachen vgl BGH v 12.4.2006, NJW 2006, 2122. BGH NJW 1991, 231; FamRZ 1992, 665. OLG München HRR 1941 Nr 595. BGH FGPrax 2002, 20 entgegen einer anders-

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5

lautenden Vorlage des BayObLG FGPrax 2001, 91. BayObLGZ 1967, 474 = NJW 1968, 802; OLG Brandenburg FamRZ 1996, 497 = OLGR 1996, 43.

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Einlegung der Beschwerde

§ 21

2. Gerichtswechsel Ist die Sache nach Erlass der anzufechtenden Entscheidung an ein anderes Gericht 5 abgegeben worden, so kann zwar nur noch das übernehmende Gericht die Verfügung des abgebenden Gerichts nach § 18 ändern, und zur Entscheidung über die Beschwerde ist das diesem Gericht übergeordnete Landgericht zuständig. Beschwerde und weitere Beschwerde können aber noch bei dem vorher mit der Sache befassten Gericht wirksam eingelegt werden, außerdem bei dem übernehmenden Gericht (Prinzip der Meistbegünstigung). Ein Gerichtswechsel kann eintreten nach §§ 5, 36, 43b, 46, 75 und durch Beendigung der Notzuständigkeit nach § 44.6

III. Beschwerdeschrift 1. Form Über die Form der Beschwerdeerklärung enthält das Gesetz außer in § 21 keine weite- 6 ren Vorschriften. Gewisse Anforderungen, denen eine als Beschwerde gemeinte Erklärung genügen muss, um als Beschwerde behandelt zu werden, ergeben sich aber aus der Natur der Sache. Wird die Beschwerdeeinlegung durch eine Beschwerdeschrift gewählt, so muss die Beschwerdeerklärung jedenfalls schriftlich abgefasst sein, und zwar gemäß § 8 FGG, § 184 GVG in deutscher Sprache. Für die Wahrung der Schriftform im Übrigen ist § 126 BGB nicht maßgebend, da diese Vorschrift nicht für Verfahrenshandlungen gilt.7 Hiernach kann für die Schriftform nicht mehr gefordert werden, als zur Erreichung des Zwecks der Beschwerdeerklärung unumgänglich erscheint, und dazu genügt, dass das Schriftstück die äußeren Kennzeichen einer abgeschlossenen, von einer bestimmten Person an das Gericht der FG gerichteten Willenserklärung an sich trägt. Anders als nach den für bestimmende Schriftsätze im Zivilprozess geltenden Grundsätzen8 ist daher Unterzeichung durch den Erklärenden für die Erfüllung der Schriftform nicht wesentlich, sofern die Person des Urhebers auf andere Weise in dem Schriftstück hinreichend gekennzeichnet ist. Das kann geschehen durch Benennung im Text der Beschwerdeschrift, durch die von einem Bevollmächtigten gefertigte Unterschrift mit dem Namen des Vollmachtgebers, durch Beidrückung des Namens- oder Firmenstempels, durch Bezeichnung in dem Protokoll einer unzuständigen Geschäftsstelle, selbst wenn die Unterschrift des Erklärenden fehlt, durch Angabe des Künstlernamens. Auch der von dem Beschwerdeführer beauftragte Vertreter muss die Beschwerdeschrift nicht notwendig unterschreiben. Bei der Beschwerdeschrift einer Behörde ist die Unterschrift des zuständigen Beamten 7 ebenfalls entbehrlich. Unterschrift nur mit dem Vornamen, einer Paraphe oder ähnlichen Kürzung oder mit einem Pseudonym genügt nur, wenn die Person des Erklärenden im Übrigen aus dem Schriftstück erkenntlich ist, wobei Schrift und Umschlag als Einheit angesehen werden können. Die Person des Erklärenden muss ebenso wie die des Beschwerdeführers unmittelbar oder durch Auslegung aus der Beschwerdeschrift erschlossen werden können oder sich einwandfrei aus den Umständen ergeben. Fehlt es hieran, so ist die Beschwerde unzulässig, auch wenn die Person später festgestellt wird. Bei befristeter Beschwerde muss die fehlende Angabe innerhalb der Beschwerdefrist nachgeholt werden. Bei fehlender Unterschrift kann es aber auch an einer Beschwerdeeinlegung feh-

6 7

Keidel/Kahl § 21 Rn 1. Vgl GmS-OGB BGHZ 144, 160 = NJW 2000, 2340 zur eingescannten Unterschrift.

8

GmS-OGB aaO.

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§ 21

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

len, wenn die Schrift ohne Willen des Urhebers an das Gericht gelangt ist. Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass das Schriftstück eine fertige echte Erklärung ist und mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet wird.9 Daran fehlt es, wenn ein von der Kanzlei eines Rechtsanwalts gefertigter Entwurf an das Gericht gelangt, der von dem Rechtsanwalt noch geprüft und unterzeichnet und damit erst zu dessen Erklärung werden sollte. Da die erörterten Fragen die Zulässigkeit der Beschwerde betreffen, gilt der Grundsatz der Amtsprüfung, für die Feststellung der erforderlichen Tatsachen aber nicht der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12), sondern der Beibringungsgrundsatz. 2. Abweichende Formvorschriften

8

Anwaltszwang besteht für die Einlegung der ersten Beschwerde nicht, auch wenn Beschwerdegericht das OLG ist und die Beschwerde bei diesem eingelegt wird, zB nach § 143 FGG. Die Einlegung der ersten Beschwerde durch Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle kann aber ausgeschlossen sein: Anwaltszwang besteht zB für die sofortige Beschwerde nach AktG § 99 Abs 3 Satz 4 und UmwG § 309 Abs 1 Satz 2. Zum Anwaltszwang bei Familien-(Folge-)Sachen der FG vgl § 629a Abs 2 mit §§ 621e, 78 Abs 2 ZPO. 3. Inhalt der Beschwerdeschrift

9

Zu den wesentlichen Erfordernissen der Beschwerdeschrift gehört zunächst die Bezeichnung der angefochtenen Verfügung in einer Weise, dass, wenn mehrere Verfügungen vorliegen, Verwechslungen ausgeschlossen sind. Ist eine einheitliche Verfügung über mehrere Verfahrensgegenstände ergangen, so ist grundsätzlich auch die Angabe erforderlich, in welchem Umfang die Verfügung angefochten wird. Doch ist im Zweifel anzunehmen, dass die Verfügung, soweit sie dem Beschwerdeführer ungünstig ist, also seinem Begehren in der Vorinstanz nicht entsprochen hat, ihrem ganzen Inhalt nach angefochten wird.10 Ferner muss die Beschwerdeschrift außer der Person des Erklärenden auch die Person des Beschwerdeführers kenntlich machen, also auch erkennen lassen, wenn darüber Zweifel entstehen können, ob die Beschwerde in eigenem Namen oder im Namen welches anderen eingelegt wird, da dies zur Prüfung der Beschwerdebefugnis, häufig auch des Grundes und des Zieles der Beschwerde, erforderlich ist. Ebenso wie im Zivilprozess ist auch im Verfahren der FG (hier: WEG-Verfahren) die 10 fristgebundene Erst- oder Rechtsbeschwerde zulässig, wenn im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels oder innerhalb der Rechtsmittelfrist entweder aus dem Inhalt der Rechtsmittelschrift oder aus sonstigen bis zu diesem Zeitpunkt abgegebenen Erklärungen des Rechtsmittelführers oder seines Verfahrensbevollmächtigten erkennbar ist, für wen das Rechtsmittel eingelegt wird.11 Erklärt der Verfahrensbevollmächtigte eines Wohnungseigentümers nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gegenüber dem Gericht, dass er das Rechtsmittel nicht für den von ihm bisher vertretenen Wohnungseigentümer, sondern für dessen Rechtsnachfolger eingelegt habe, stellt dies die Zulässigkeit des Rechtsmittels als Prozesshandlung nicht in Frage. In einer solchen Erklärung kann die Erklärung des neuen Eigentümers liegen, sich am Rechtsmittelverfahren als unselbstständiger Streitgehilfe seines Rechtsvorgängers zu beteiligen.12

9 10

GmS-OGB BGHZ 75, 340 = NJW 1980, 172. BayObLG FamRZ 1999, 1230 L.

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11 12

KG FGPrax 1998, 135 = ZMR 1998, 513 = NZM 1998, 580. KG aaO.

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Einlegung der Beschwerde

§ 21

Schließlich muss der bestimmte, vorbehaltlos erklärte Wille erkennbar sein, dass die 11 angefochtene Verfügung von dem oberen Gericht geändert werde. Es muss also ersichtlich sein, dass die angefochtene Verfügung durch das obere Gericht und nicht nur durch die Aufsichtsbehörde erstrebt wird, und es darf nicht nur eine Gegenvorstellung an das Gericht, das die angefochtene Verfügung erlassen hat, gemeint sein. Enthält die Beschwerdeschrift hinsichtlich eines wesentlichen Erfordernisses zwar Andeutungen, die dem Erfordernis zu genügen scheinen, über deren Bedeutung jedoch Zweifel nicht ausgeschlossen sind, so ist das richterliche Fragerecht (§ 139 ZPO) auszuüben. Eine daraufhin gegebene Erläuterung ist zu berücksichtigen, wenn eine Auslegung der ursprünglichen Erklärung im Sinne der Erläuterung noch möglich erscheint, und zwar bei der befristeten Beschwerde, auch wenn die Erläuterung erst nach Ablauf der Frist eingeht. Eine Auslegung von verfahrensrechtlichen Erklärungen (Beschwerde) eines Rechtsanwalts gegen ihren Wortlaut kommt nur ganz ausnahmsweise in Betracht.13 Unschädlich ist eine unrichtige Bezeichnung des Beschwerdegerichts, da dieses gesetzlich bestimmt ist, sofern nur die Beschwerde bei dem zuständigen Gericht eingeht, und eine unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels, sofern sich aus dem Inhalt der Beschwerdeschrift ergibt, dass der Beschwerdeführer eine Nachprüfung der ihn beschwerenden Entscheidung durch das vorgeordnete Gericht erstrebt.14 Einer Begründung und eines Antrags bedarf die Beschwerde nicht.15 Es genügt, wenn 12 sich das Ziel der Beschwerde, sofern darüber überhaupt Zweifel bestehen können, aus der Stellung des Beschwerdeführers im Verfahren, seinem Beschwerdevorbringen und seiner Stellungnahme zum Verfahrensgegenstand in der Vorinstanz ergibt. Eine Begründung ist regelmäßig kein gesetzliches Erfordernis, da das Beschwerdegericht, wenn das Rechtsmittel zulässig ist, die angefochtene Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht von Amts wegen nachzuprüfen hat. Regelmäßig liegt es aber im Interesse des Beschwerdeführers, dass er die Gründe anführt, aus denen er die angefochtene Entscheidung für unrichtig hält, insbesondere neue Tatsachen und Beweise vorbringt. Im Antragsverfahren kann dies auf Grund der Darlegungs- und Förderungslast eine verfahrensrechtliche Obliegenheit sein. Die Begründung kann auch im Laufe des Verfahrens nachgebracht werden.

IV. Einreichung der Beschwerdeschrift 1. Zuständige Stelle, Übermittlung durch Post oder Boten Die Einreichung der Beschwerdeschrift ist nicht schon dadurch bewirkt, dass die 13 Beschwerdeschrift in das Gerichtsgebäude gelangt, sondern erst dadurch, dass sie in den Herrschaftsbereich des zu ihrer Entgegennahme befugten Beamten eintritt. Die Überreichung an einen Beamten außerhalb der Gerichtsstelle oder an einen zur Entgegennahme nicht ermächtigten Beamten (Pförtner, Justizwachtmeister) genügt nicht. Zuständig ist grundsätzlich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG). Ist eine gemeinsame Briefannahmestelle für mehrere Gerichtsbehörden eingerichtet, so sind deren Beamte hinsichtlich der von ihnen zu erledigenden Geschäfte ein für allemal zu Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der angeschlossenen Gerichte bestellt. Die eingereichten Schriftstücke

13 14

BayObLG FamRZ 1995, 302. RG JFG 13, 227; BGHZ 8, 299; BayObLGZ 1951, 659; KG NJW 1959, 2270.

15

KG NJW 1955, 229; BayObLGZ 1959, 203.

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sind derjenigen angeschlossenen Behörde zuzurechnen und als bei ihr eingegangen anzusehen, die in der Anschrift angegeben ist. Wird sie von dieser an die zuständige Gerichtsbehörde weitergeleitet, so zählt erst der Eingang bei dieser. Nur wenn der Beamte erkennt, dass die falsche Gerichtsbehörde angeschrieben ist, und leitet er die Eingabe an das richtige, der gemeinsamen Briefannahmestelle angeschlossene zuständige Gericht weiter, so hat er für das zuständige Gericht entgegen genommen; es kommt nicht mehr darauf an, dass sie dort erst nach Ablauf der Frist eingeht. Einwurf in den bis zum Schluss der Dienststunden nicht mehr geleerten normalen Briefkasten des Gerichts genügt nicht. Durch Verwaltungsanordnungen kann und muss dafür Sorge getragen werden, dass Schriftstücke durch Einwurf in einen um 24 Uhr automatisch schließenden Nachtbriefkasten als in den Gewahrsam des zuständigen Beamten gelangt anzusehen sind. Bei gerichtlicher Postabholung ist maßgebend die Einlage in das Postfach des Gerichts, auch wenn es erst nach Ablauf der Frist geleert wird. 2. Telegrafische Einlegung

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Mit dem technischen Fortschritt sind immer mehr Ersatzformen für die herkömmliche Beschwerdeschrift zugelassen worden, was auch weiterhin zu neuen zulässigen Formen führt. So ist schon bald eine telegrafische Einlegung für zulässig erachtet worden, selbst wenn das Telegramm dem Absendepostamt telefonisch aufgegeben worden ist.16 Zur Fristwahrung genügt auch die telefonische Durchsage des Telegrammwortlauts vor Ablauf der Beschwerdefrist durch das Zustellpostamt an eine zur Entgegennahme befugte Person; diese hat über den Wortlaut des Telegramms eine Niederschrift aufzunehmen.17 3. Fernschreiber, Telefax

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Einlegung durch Fernschreiber genügt ebenfalls,18 nunmehr auch durch Btx-Mitteilung19 bezw. Telebrief 20 oder Telefax mit Telekopie21 oder sogar durch Computerfax (also über das PC-Modem des Absenders an das Telefax-Empfangsgerät bei beim zuständigen Gericht)22 mit eingescannter Unterschrift23 oder dem Hinweis, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht eigenhändig unterzeichnen kann.24 Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronisch übermittelten Schriftsatzes ist nicht eine etwa bei dem Absender vorhandene Kopiervorlage oder eine nur im Textverarbeitungs-PC befindliche Datei, sondern allein die auf seine Veranlassung am Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde. Der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, kann auch im Fall einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Entspricht ein bestimmender Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anforderungen, so ist die Person des Erklärenden regelmäßig dadurch eindeutig bestimmt, dass seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen

16 17 18 19 20 21

RGZ 139, 45; 151, 182; BGHZ 79, 314 = NJW 1981, 1618. BGH NJW 1953, 25; BVerwG NJW 1954, 1135; erwägend BayObLGR 1993, 31. BGHZ 87, 65 = NJW 1983, 1498. BVerwG NJW 1995, 2121. BGHZ 87, 63 = NJW 1983, 1498; BayObLG FamRZ 1990, 562. BVerfG NJW 1996, 2857; BGH NJW 1989,

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22 23

24

589; NJW 1993, 3141; NJW 1998, 762; BAG NJW 1996, 3164. BSG NJW 1997, 1254 = MDR 1997, 374. GmS-OGB BGHZ 144, 160 = NJW 2000, 2340 = WPM 2000, 1505 = MDR 2000, 1089. LAG Köln MDR 2001, 1316; vgl auch BVerfG NJW 2002, 3534 betr Einspruch gegen Strafbefehl.

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Einlegung der Beschwerde

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der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann.25 Auch der Wille, einen solchen Schriftsatz dem Gericht zuzuleiten, kann in aller Regel nicht ernsthaft bezweifelt werden. In diesen Fällen ist die Beschwerde in dem Augenblick eingegangen, in dem sie im 16 Empfängergerät ausgedruckt ist, und zwar selbst dann, wenn dies nach Dienstsschluss geschieht und die Anlage nicht personell besetzt ist. Gibt das Beschwerdegericht auf seinen Briefbögen die Telexnummer der Fernschreibstelle einer anderen Justizbehörde ein, so ist eine an diese gerichtete Beschwerde fristgerecht eingelegt, wenn sie innerhalb der Frist bei der Fernschreibstelle eingeht.26 Wird der Zugang zum Gericht durch Telefaxgerät ermöglicht, müssen die Justizbehörden auch nach Dienstschluss für dessen Funktionsfähigkeit sorgen.27 Der Übersender muss allerdings darauf achten, dass eine Übermittlung bei Fristablauf um Mitternacht auch rechtzeitig vorher abgeschlossen ist. 4. Elektronische Einlegung Durch Abs 2 S 2 und Abs 3 werden weitere Möglichkeiten eröffnet, die allerdings 17 noch durch Rechtsverordnungen des Bundes- oder Landesgesetzgebers ausgefüllt werden müssen. Die Grundlagen sind durch das Gesetz vorgezeichnet. Der Abs 2 S 2 FGG verweist auf die ZPO, die teilweise gleichlautende Vorschriften enthält (§ 130a ZPO). Soweit für vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, für Anträge und Erklärungen der Parteien sowie für Auskünfte, Aussagen, Gutachten und Erklärungen Dritter die Schriftform vorgesehen ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronische Dokument, wenn dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Die verantwortende Person soll das Dokument mit einer qualifizierenden elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Die Zulassung der elektronischen Form kann auf einzelne Gerichte oder Verfahren beschränkt werden. Ein elektronisches Dokument ist eingereicht, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts es aufgezeichnet hat. 5. Telefonische Einlegung Eine nur telefonische Beschwerdeeinlegung erfüllt dagegen die Schriftform nicht, 18 selbst wenn der aufnehmende Mitarbeiter darüber einen Aktenvermerk fertigt.28 Das ist weder eine Beschwerdeschrift noch eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle, da diese erfordert, dass der Beteiligte sich in körperlicher Anwesenheit vor dem Urkundsbeamten erklärt und dieser das vor ihm Erklärte beurkundet.29 Etwas anderes kann allenfalls dann angenommen werden, wenn die Geschäftsstelle hierüber ein Protokoll aufgenommen, dieses vorgelesen hätte und die Niederschrift von dem Antragsteller telefonisch genehmigt worden wäre.30 Diese Umstände müssen sich aus dem aufgenommenen Vermerk eindeutig ergeben.31 Damit nähert sich die Beschwerde der Erklärung zu Protokoll. 25 26 27 28 29

LAG Köln MDR 2001, 1316. BGHZ 101, 276 = NHJ 1987, 2586; BayObLGZ 1991, 266 = MDR 1991, 1088. BGH FamRZ 1992, 296. OLG Köln ZMR 2002, 76. BVerwG NJW 1964, 831; BFH NJW 1965,

30 31

174; BGH (Strafsenat) NJW 1981, 1627; OLG Frankfurt BtPrax 2001, 82 = FGPrax 2001, 46 = Rpfleger 2001, 82. BayObLGR 1993, 31. OLG Köln ZMR 2002, 76.

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V. Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle 1. Zuständigkeit und Form

19

Durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle kann die Beschwerde ebenfalls nach Wahl des Beschwerdeführers bei der Geschäftsstelle des Gerichts, dessen Verfügung angefochten wird, oder des Beschwerdegerichts eingelegt werden. Zuständig zur Entgegennahme der protokollarischen Beschwerde ist die Geschäftsstelle. Der Rechtspfleger gehört als solcher nicht zur Geschäftsstelle, wenn er nicht gemäß § 26 RPflG als Urkundsbeamter handelt. Nach § 24 RpflG kann er jedoch auch Beschwerden entgegennehmen, nach § 8 Abs 5 RPflG wird, wenn er ein Geschäft des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrgenommen hat, die Wirksamkeit des Geschäfts hierdurch nicht berührt. Ebenso wie der Richter kann er also, wenn er dazu bereit ist, Beschwerden zu Protokoll aufnehmen. Zumeist ist für Zwecke der Protokollaufnahme eine gesonderte Rechtsantragstelle bei Gericht geschaffen, die organisatorisch einen Teil der Geschäftsstelle darstellt, aber speziell mit der Protokollierung beauftragt ist. Das Protokoll muss von dem Urkundsbeamten (oder von dem Rechtspfleger in der Eigenschaft als Urkundsbeamter) selbst in eigener Verantwortung abgefasst sein. Bringt der erfahrene Beschwerdeführer ein von ihm vorbereitetes Schriftstück mit, welches alle Erfordernisse eines Protokolls enthält, wird der Urkundsbeamte den Entwurf übernehmen können. Es wäre Formalismus, würde hier die Herstellung eines textidentischen Schriftstückes durch das Gericht gefordert werden. Da eine Begründung für die Beschwerde nicht erforderlich ist, kann der Beschwerdeführer sich deren privatschriftliche Nachreichung oder Ergänzung vorbehalten. Das Protokoll muss das Gericht bezeichnen, für welches der Urkundsbeamte tätig wird, und die Unterschrift des Urkundsbeamten, nicht auch notwendig die des Beschwerdeführers, tragen. Wird dessen Unterschrift verweigert, so kommt es auf den tunlichst in das Protokoll aufzunehmenden Grund der Weigerung an, ob die Beschwerde als eingelegt anzusehen ist. Die fehlende Unterschrift des Beschwerdeführers hindert die Annahme einer formwirksamen Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle nicht, wenn in ihr die übrigen notwendigen Bestandteile der Niederschrift enthalten sind und der Betroffene seine Unterschrift nur deshalb verweigert hat, weil die Rechtspflegerin ein von ihm mitgebrachtes Konvolut nicht zum Gegenstand der Nierderschrift machen wollte.32 Vorlesung und Genehmigung sind nicht erforderlich, aber regelmäßig zu empfehlen. 20 Fehlt dem Schriftstück ein wesentliches Erfordernis des Protokolls, so kann es unter Umständen noch als Beschwerdeschrift aufrechterhalten werden. Die bloße Erklärung vor dem Urkundsbeamten ohne Aufnahme eines Protokolls ist wirkungslos. Bei Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle eines zuständigen Gerichts gilt die Beschwerde mit dem Abschluss des wirksamen Protokolls als eingegangen. Das gilt auch, wenn für die Entgegennahme der Erklärung eine besondere Rechtsantragstelle eingerichtet ist und das Protokoll erst später bei dem für die Aktenführung zuständigen Urkundsbeamten eingeht, da die verschiedenen Abteilungen nur Teile der einheitlichen Geschäftsstelle sind (§ 153 GVG), oder wenn die Erklärung auf einem auswärtigen Gerichtstag zu Protokoll gegeben wird. 2. Erklärung vor einer unzuständigen Geschäftsstelle

21

Eine Beschwerde, die zum Protokoll einer anderen als der in § 21 genannten Geschäftsstelle eines anderen Gerichts erklärt wird, ist als durch Einreichung einer Be32

BayObLG FamRZ 2005, 834.

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Einlegung der Beschwerde

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schwerdeschrift eingelegt zu betrachten und gilt als eingelegt erst, sobald das Protokoll bei einem der Gerichte des § 21 eingeht. Nach § 7 Abs 4 FEZG kann die weitere Beschwerde des Untergebrachten auch beim AG des Anstaltsortes eingelegt werden. Auch in den landesrechtlichen Verwahrungssachen wird die Einlegung der weiteren Beschwerde zum Protokoll der Geschäftsstelle des AG des Verwahrungsortes als zulässig angesehen. Hiernach muss diese Form auch zur Fristwahrung für die Einlegung der ersten Beschwerde genügen. 3. Einlegung zu Protokoll des Richters Die Einlegung der Erstbeschwerde zu Protokoll des Richters ist als zulässig anzuse- 22 hen. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetz, ist ihm aber bei wertender Betrachtung zu entnehmen. So ergibt sich etwa, wenn der Richter dazu, obgleich nicht verpflichtet, dennoch bereit ist, eine Möglichkeit nach der Verkündung einer Verfügung gemäß § 16 Abs 3, wobei nur das Protokoll, dh der in Betracht kommende Abschnitt, den Anforderungen einer Beschwerdeschrift entsprechen muss. Dass dies einem Protokoll der zuständigen Geschäftsstelle gleichstehen muss, ergibt sich aus § 24 Abs 1 Nr 1a, Abs 2 RPflG in Verbindung mit § 8 Abs 5 RPflG, wonach die Wirksamkeit einer Verfahrenshandlung nicht dadurch berührt wird, wenn der Rechtspfleger ein Geschäft des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrgenommen hat. Was im Verhältnis zwischen dem Rechtspfleger und der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, muss ebenso gelten, wenn anstatt der Geschäftsstelle der zuständige Richter tätig geworden ist. Entgegen einer früher zT vertretenen Auffassung33 ist deshalb die Protokollierung der Beschwerde durch den Richter wirksam.34 Bei einem sprachunkundigen Ausländer ist ein Dolmetscher hinzuzuziehen, der die nach § 16 Abs 3 FGG durch das Gericht verkündete Entscheidung übersetzt, damit sich der Ausländer nach Kenntnisnahme der vollständigen Begründung der Entscheidung darüber schlüssig werden kann, ob er ein Rechtsmittel einlegt.35 4. Ausschluss der Protokollform Die Protokollform ist ausgeschlossen, wenn für die Einlegung der Beschwerde An- 23 waltszwang besteht. Das ist bei §§ 99 Abs 3 S 4, 132 Abs 2 AktG der Fall. 5. Telefonische Einlegung Zur Unzulässigkeit der telefonischen Einlegung als Mischform der beiden in § 21 24 Abs 2 S 1 zur Verfügung gestellten Alternativen vgl oben Rn 18. Die Bedenken gegen die Mischform ergeben sich auch daraus, dass der Mitarbeiter des Gerichts den Beschwerdeführer regelmäßig auf die Einhaltung der im Gesetz vorgesehenen Formen hinweisen und damit die Aufnahme eines Vermerks über die Beschwerdeeinlegung gerade ablehnen wird. Dieser Vermerk kann nicht entgegen seinem ablehnenden Inhalt trotzdem als formgerechte Beschwerde angesehen werden. Aus der Weigerung des Mitarbeiters, ein formgerechtes Protokoll zu erstellen (selbst wenn das Telefonat mit der Rechtsantragstelle geführt wird), sollte auch kein Wiedereinsetzungsgrund abgeleitet werden. Denn der Be33

34

BGH NJW 1957, 990 = Rpfleger 1957, 316 und Rpfleger 1957, 346 m Anm Keidel; OLG Stuttgart NJW 1974, 2052; LG Oldenburg NdsRpfl 1982, 85. BayObLG NVwZ 1988, 964; BayObLGZ 1989, 175 = NJW-RR 1989, 1241 = FamRZ

35

1989, 1003 = Rpfleger 1989, 360 m Anm Meyer-Stolte; KEHE GBO § 73 Rn 5; Keidel/ Kahl § 21 Rn 5; BGHSt 31, 109 = MDR 1982, 1037 = Rpfleger 1982, 411 für die Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen. OLG Frankfurt NJW 2005, 299.

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schwerdeführer hat sich rechtzeitig darüber zu erkundigen, wie eine formgerechte Beschwerde einzulegen ist. Die Entscheidung des OLG Köln36 beruht in ihrem tragenden Teil eher darauf, dass der Geschäftsstellenverwalter nach seinem Vermerk den Beschwerdeführer ausdrücklich auf die einzuhaltende Frist hingewiesen, also die telefonische Entgegennahme abgelehnt hat.

VI. Beschwerdeeinlegung durch Vertreter 25

Die Beschwerde kann in den zugelassenen Formen auch durch einen rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigten eingelegt werden. Zu Form und Nachweis der Vollmacht vgl § 13. Auch eine allgemein erteilte (General-)Vollmacht berechtigt zur Beschwerdeeinlegung in den von der Vollmacht gedeckten Angelegenheiten. Ein Rechtsmittel, das von einem nicht bevollmächtigten Vertreter eingelegt und dessen Einlegung von dem Beteiligten auch nicht genehmigt wird, ist als unzulässig zu verwerfen. Hatte der Mangel der Vertretung, ohne bemerkt zu werden, schon im ersten Rechtszuge bestanden, so ist auf das Rechtsmittel des vollmachtlosen Vertreters im Antragsverfahren die Vorentscheidung aufzuheben und der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Wird im Beschwerdeverfahren die von Anfang an vorliegende mangelnde gesetzliche Vertretung des Beschwerdeführers oder die fehlende Legitimation des für ihn als gesetzlicher Vertreter Handelnden festgestellt, so ist das Rechtsmittel nicht aus diesem Grunde als unzulässig zu verwerfen, sondern es ist unter Aufhebung der Vorentscheidung die sich aus dem Verfahrensmangel ergebende Entscheidung zu treffen. Gesamtvertretungsberechtigte Eltern und Mitvormünder sind im Verfahren der FG jeder für sich zur Beschwerdeführung namens des Kindes befugt (§ 58). Die vermutete Vollmacht des Notars (§§ 71, 129, 147, 159, 181 FGG, § 15 GBO), der 26 die zu einer Eintragung erforderliche Erklärung beurkundet oder beglaubigt und den Eintragungsantrag in erster Instanz gestellt hat, umfasst auch die Befugnis, gegen die auf diesen Antrag ergangene Entscheidung Beschwerde einzulegen, und zwar nicht nur im Namen dessen, für den er den Eintragungsantrag gestellt hatte, sondern im Namen jedes Antragsberechtigten. Der Notar kann die von ihm eingelegte Beschwerde auch zurücknehmen. Legt ein gesetzlicher Vertreter Beschwerde namens des Vertretenen ein, steht dem Vertretenen aber kein Beschwerderecht zu, wohl aber dem Vertreter aus eigenem Recht, ist eine Umdeutung der Beschwerde hinsichtlich des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen.37

VII. Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung 27

Frühester Zeitpunkt für die Einlegung der Beschwerde ist das Existentwerden des angefochtenen Beschlusses. Der Beschluss kann durch Verkündung in der mündlichen Verhandlung existent werden. Ist einem anwesenden Beteiligten der vollständige Beschluss in der mündlichen Verhandlung bekanntgegeben worden und ist dies protokolliert, beginnt sogar eine eventuelle Beschwerdefrist von diesem Zeitpunkt an zu laufen. Sonst läuft die Frist von der förmlichen Zustellung an. Werden weder Tenor noch Gründe des Beschlusses verkündet, ist für das Existentwerden die Übergabe an die Geschäftsstelle maßgebend, die regelmäßig durch Eingangsvermerk dokumentiert wird. Von diesem 36

ZMR 2002, 76.

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37

KG OLGZ 1966, 596.

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Einlegung der Beschwerde

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Zeitpunkt an liegt eine beschwerdefähige Entscheidung vor.38 Davon unabhängig kann sich die Frage stellen, ob die Herausgabe der ausgefertigten Entscheidung zur Post zu unterbrechen ist, wenn noch Schriftsätze eingehen, die berücksichtigt werden müssen. Dadurch entsteht eine Inkongruenz zwischen der Verpflichtung des Gerichts, nachgereichte Schriftsätze zu berücksichtigen, mit der gesetzlichen Regel, dass bei einem befristeten Rechtsmittel regelmäßig keine Abhilfebefugnis besteht (§ 18 Abs 2).

VIII. Vorlage an das Beschwerdegericht Das Gericht, das die Verfügung erlassen hat, hat zunächst zu prüfen, ob der Be- 28 schwerde ganz oder teilweise abzuhelfen ist (§ 18 Abs 1; nicht bei sofortiger Beschwerde, § 18 Abs 2). Durch (vollständige oder teilweise) Abänderung im Sinne der Beschwerde ist das Rechtsmittel (ganz oder teilweise) erledigt. In der Nichtabhilfeentscheidung kann (und sollte) eine etwa bisher fehlende Begründung der Verfügung nachgeschoben werden. In diesem Falle hat das Beschwerdegericht dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er trotz der nachgelieferten Begründung der Vorinstanz sein Rechtsmittel aufrecht erhält. Das Beschwerdegericht ist regelmäßig nicht befugt, die Sache der Vorinstanz zur erneuten Abhilfeprüfung zuzuleiten, sondern hat selbst zu entscheiden.39

IX. Beschränkung der Beschwerde Die Beschwerde kann beschränkt eingelegt werden, wenn der Verfahrensgegenstand 29 teilbar ist oder wenn in der angefochtenen Entscheidung über mehrere selbstständige Verfahrensgegenstände entschieden worden ist. Das gilt sowohl im Antragsverfahren als auch in den von Amts wegen betriebenen Verfahren, da die Eröffnung des Rechtsmittelzuges, ebenso wie die Einleitung des Antragsverfahrens, den Beteiligten freigestellt ist; insoweit gilt mithin auch für das Beschwerdeverfahren die Dispositionsmaxime. Ein selbstständiger Verfahrensgegenstand ist für jedes einzelne Kind die Zuweisung der elterlichen Sorge (§§ 1671, 1672 BGB), die Regelung des Verkehrsrechts (§§ 1684, 1685 BGB) und überhaupt jede Sorgerechtssache. Teilbar ist der Verfahrensgegenstand in der Regel in vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zB bei der Festsetzung der Vergütung des Vormunds (§ 1836 BGB) oder Betreuers (§ 1908i BGB) und im Hausratverfahren hinsichtlich der Zuweisung des Hausrats. Eine spätere Erweiterung der Anfechtung ist zulässig, sofern in der anfänglichen Beschränkung des Rechtsmittels in Bezug auf einen selbstständigen Verfahrensgegenstand oder den abtrennbaren Teil eines solchen kein Rechtsmittelverzicht liegt. Bei der sofortigen Beschwerde steht der Ablauf der Beschwerdefrist der Erweiterung der beschränkten Rechtsmittelanträge nicht entgegen. Ist trotz Unteilbarkeit des Verfahrensgegenstandes die Beschwerde auf einen Teil beschränkt, so ist die unzulässige Beschränkung unbeachtlich und die angefochtene Entscheidung in vollem Umfange zu prüfen.

38

BayObLGZ 1990, 37 = FamRZ 1990, 774.

39

BayObLG Rpfleger 1996, 189.

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X. Bedingungsfeindlichkeit der Beschwerdeeinlegung 30

Die bedingte Einlegung eines Rechtsmittels ist nicht zulässig. Verfahrenshandlungen, die unmittelbare Rechtswirkungen erzeugen, indem sie das Verfahren unmittelbar gestalten (Bewirkungshandlungen), also ein Verfahren einleiten oder einen Rechtszug einleiten, aufrechterhalten, ausschließen oder beenden, sind einer Bedingung nicht zugänglich. Die Grundlage des Verfahrens verträgt keinen Schwebezustand und darf in ihrer Wirksamkeit nicht von dem Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses abhängig sein. Daher kann auch die Beschwerde, die einen neuen Rechtszug eröffnet, nur unbedingt eingelegt werden. Die Beschwerde kann deshalb nicht unter der Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren oder der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingelegt werden. Weist der Registerrichter eine Anmeldung zurück, weil die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung fehle, und versagt das VormG die Genehmigung, so können die Beschwerden gegen beide Verfügungen nicht unter der Bedingung eingelegt werden, dass jeweils die andere keinen Erfolg hat, sondern es können nur beide Beschwerden „vorsorglich“, also unbedingt eingelegt werden. Eine bloße Rechtsbedingung und darum zulässig ist es, wenn die Beschwerde eingelegt wird für den Fall, dass der iudex a quo (Ausgangsrichter) einem nach § 18 gestellten Änderungsantrag nicht stattgibt. Zulässig sind insbesondere sogenannte innerprozessuale Bedingungen, durch die in einem bereits unbedingt eröffneten Antrags- oder Rechtsmittelverfahren Anträge von einer bestimmten Gestaltung der Verfahrenslage abhängig gemacht werden. Hierbei liegt zwar keine Rechtsbedingung, sondern eine echte Bedingung vor, Sie wird aber zugelassen, weil sie keine Unsicherheit in das bereits unbedingt eröffnete Verfahren hineinträgt. Hieraus erklärt sich auch die Zulässigkeit der eventuellen Anschlussbeschwerde.

XI. Rücknahme der Beschwerde 31

Die Rücknahme der Beschwerde ist stets ohne Einwilligung des Gegners bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung, dh bis zu ihrer Hinausgabe aus dem Bereich des Gerichts,40 zulässig, bei späterem Eingang unwirksam. Sie wird erklärt durch unbedingte und vorbehaltlose Erklärung gegenüber einem der Gerichte, bei welchem die Beschwerde eingelegt werden konnte. Sie bedarf auch im dritten Rechtszuge keiner Form. Das gilt selbst dann, wenn für die Einlegung der Beschwerde besondere Formvorschriften bestehen (§ 29 Abs 1 FGG). Denn nur die Einlegung bedarf der besonderen Form, nicht das weitere Verfahren. Sind nur mehrere gemeinschaftlich zur Einlegung der Beschwerde berechtigt, so hat bereits die Rücknahme durch nur einen Beteiligten die Beendigung des Beschwerdeverfahrens zur Folge. Bei mehreren oder teilbaren Gegenständen ist eine Beschränkung der Rücknahme auf einzelne selbstständige Verfahrensgegenstände oder einen abtrennbaren Teil eines teilbaren Verfahrensgegenstandes in demselben Umfang statthaft, in dem eine Beschränkung der Rechtsmitteleinlegung zulässig wäre. Die Beschränkung der Rücknahme auf einen nicht abtrennbaren Teil eines unteilbaren Verfahrensgegenstandes ist wirkungslos. Das Rechtsmittel bleibt anhängig. Andererseits ist die Rücknahme des Rechtsmittels hinsichtlich der Hauptsache wirksam und der Ausschluss des Kostenpunkts von der Rücknahmeerklärung im Hinblick auf § 20a Abs 1 unbeachtlich. Das willkürlich auf den Kostenpunkt beschränkte Rechtsmittel wird unzulässig. Die

40

Vgl hierzu OLG Köln, Beschluss vom 8.1.2001 – 16 Wx 179/00 – ZMR 2001, 571.

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Einlegung der Beschwerde

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Wirkung der Rücknahme des Rechtsmittels besteht darin, dass sie das Beschwerdeverfahren beendet, so dass eine gleichwohl erlassene Entscheidung über die zurückgenommene Beschwerde wirkungslos ist. Zur Befugnis, über die Kosten der Beteiligten zu entscheiden, vgl § 13a. Die Rechtsauffassung, die in Analogie zu § 515 ZPO aF eine Beschwerderücknahme etwa in echten Streitsachen nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung erlauben will,41 verliert durch § 516 ZPO nF ihre Stütze, weil die Berufungsrücknahme nunmehr uneingeschränkt bis zur Verkündung des Berufungsurteils einseitig ohne Zustimmung der Gegenseite zurückgenommen werden kann. Dasselbe gilt für die Rücknahme der Revision (§ 565 ZPO), obwohl dadurch die Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen beeinträchtigt wird.42 An die Stelle der Verkündung tritt, wenn die Beschwerdeentscheidung im Dezernatswege ergeht, die Hinausgabe des Beschlusses durch die Geschäftsstelle zur Post. Die Rücknahmeerklärung ist als Verfahrenshandlung unwiderruflich und nicht nach 32 den Vorschriften des bürgerlichen Rechts anfechtbar. Jedoch kann eine vom Gegner erschlichene oder erpresste Rechtsmittelrücknahme widerrufen werden. Die Vorschriften der §§ 580, 581 ZPO sind entsprechend anzuwenden.43 Der Nachweis einer strafrechtlichen Verurteilung, wie er im Hinblick auf § 581 ZPO im Zivilprozess verlangt wird, ist in der FG nicht erforderlich. Die Rücknahmeerklärung wird nicht wirksam, wenn spätestens gleichzeitig mit ihr ein Widerruf eingeht. Die Rücknahme erledigt nur das eingelegte Rechtsmittel. Seine Wiederholung ist mit- 33 hin zulässig, sofern bei sofortiger Beschwerde die Beschwerdefrist nicht abgelaufen ist und die Rücknahme nicht einen Verzicht auf das Beschwerderecht enthält. Ein Verzichtswillen ist nicht schlechthin zu vermuten (str). Ob Rücknahme nur des eingelegten Rechtsmittels oder Verzicht auf das Beschwerderecht vorliegt, hängt davon ab, ob der Beteiligte sich mit der zunächst angefochtenen Entscheidung hat abfinden wollen. Von der Rücknahme der Beschwerde ist die Rücknahme des das Verfahren einleitenden Antrags während des Beschwerdeverfahrens zu unterscheiden. Sie ist nur wirksam, wenn die eingelegte Beschwerde zulässig ist.

XII. Verzicht auf die Beschwerde Unter einem Verzicht auf die Beschwerde ist die Erklärung zu verstehen, durch die 34 das Recht auf Nachprüfung und Änderung der den Verzichtenden beschwerenden Entscheidung aufgegeben wird. Seine Zulässigkeit ist auch für das Verfahren der FG anerkannt. Er kann sich auf die gesamte anfechtbare Entscheidung beziehen oder auf einzelne selbstständige Verfahrensgegenstände oder auf einen größenmäßig bestimmten, für den Erlass einer Teilentscheidung geeigneten Teil des Verfahrensgegenstandes, wenn dieser teilbar ist. Der Verzicht wird nach dem Erlass der Entscheidung durch einseitige Erklärung gegenüber einem der mit der Angelegenheit befassten Gerichte ausgesprochen. Er erfordert zwar nicht notwendig eine ausdrückliche, aber die klare und unzweideutige Erklärung des Beteiligten, er wolle sich mit der ergangenen Entscheidung zufriedengeben und kein Rechtsmittel durchführen. In der Erklärung, sich nicht zu beschweren, liegt im Allgemeinen noch kein Verzicht; unter Umständen kann er in einer Beschränkung des Rechtsmittels gefunden werden, auch in einem Verzicht auf förmliche Zustellung. Der

41 42

Staudinger/Wenzel WEG § 45 Rn 26. Rinkler NJW 2002, 2449.

43

BayObLG FamRZ 2004, 137 LS.

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Verzicht wird nicht wirksam, wenn er vor seinem Eingang formlos widerrufen wird. Die Verzichtserklärung bedarf auch im Verfahren der weiteren Beschwerde keiner Form. Als Verfahrenshandlung ist der dem Gericht gegenüber erklärte Verzicht nicht nach 35 den Vorschriften des bürgerlichen Rechts anfechtbar und, sofern er den Eintritt der formellen Rechtskraft zur Folge hat, nicht widerruflich. Er bedarf auch nicht der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Soweit in dem Verfahren eine Wiederaufnahme zulässig ist, kann der Verzicht beim Vorliegen eines Restitutionsgrundes (§§ 580, 581 ZPO) widerrufen werden. Der einseitig dem Gericht gegenüber erklärte Verzicht macht das gleichwohl eingelegte Rechtsmittel ohne weiteres unzulässig. Ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wird durch den nachträglichen Verzicht unzulässig. Der Verzicht führt die formelle Rechtskraft herbei, wenn nur der Verzichtende zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt ist oder wenn alle beschwerdeberechtigten Beteiligten auf Rechtsmittel verzichten oder den übrigen Beteiligten gegenüber die Entscheidung aus anderen Gründen (Fristablauf) unanfechtbar geworden ist. In Verfahren, deren Gegenstand der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt (Streitsachen), also keinesfalls in allen Antragsverfahren, kann der Verzicht auch einseitig gegenüber dem Gegner erklärt werden. Auch dieser Verzicht ist Verfahrenshandlung. Verpflichtet sich der Beschwerdeführer während des Beschwerdeverfahrens außergerichtlich zur Zurücknahme seines Rechtsmittels, erklärt er aber die Rücknahme erst nach Erlass der Beschwerdeentscheidung, so wird diese dadurch nicht wirkungslos; sie ist aber auf weitere Beschwerde des Beschwerdegegners aufzuheben und die Erstbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.44 Der Beschluss des AG über die Legitimation eines Kindes wird erst mit der Rechtskraft der Entscheidung wirksam, so dass diese den Beteiligten förmlich zustellt werden muss; ein vor Erlass der Entscheidung erklärter Rechtsmittelverzicht ist unwirksam.45 Vor Erlass der Entscheidung46 ist ein einseitig erklärter Rechtsmittelverzicht ohne 36 Rücksicht auf den Verfahrensgegenstand, also auch in echten Streitsachen, unzulässig. Nur in echten Streitsachen kann der Rechtsmittelverzicht vor Erlass der Entscheidung mit dem Gegner vertraglich vereinbart werden. Die Wirksamkeit des Vertrages beurteilt sich nach materiellem Recht. Er bedarf mithin ggf auch der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Der gegenüber dem Gegner einseitig erklärte oder mit ihm vereinbarte Verzicht kann mit Einwilligung des Gegners widerrufen werden und begründet für den Gegner eine (verzichtbare) verfahrensrechtliche Einrede, welcher der Verzichtende mit der Gegeneinrede der Arglist begegnen kann. Das Vorbringen des dem Gegner erklärten oder des vereinbarten Verzichts macht das Rechtsmittel ebenfalls unzulässig.

XIII. Verwirkung des Beschwerderechts 37

Verwirkung kann zur Unzulässigkeit einer nach geraumer Zeit eingelegten Beschwerde (Erinnerung) führen, wenn zu dem Zeitablauf noch besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Beschwerdeführers als Verstoß gegen Treu und Glauben (Rechtsmissbrauch) erscheinen lassen. Ein solcher Sachverhalt kann gegeben sein, wenn etwa die Beteiligten den durch die angefochtene Entscheidung geschaffenen Zustand infolge des Ausbleibens eines Rechtsmittels als fortdauernd hinnehmen konnten und sich darauf ein44 45

OLG Frankfurt FamRZ 1996, 420 = MDR 1995, 744 = OLGR 1995, 129. BayObLG NJWE-FER 1997, 149 = FamRZ 1997, 1238 = StAZ 1997, 174.

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OLG Köln ZMR 2001, 571 = NJW-RR 2002, 521 LS = NZM 2001, 863 LS.

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gerichtet haben und verständige Gründe für die Verzögerung der Beschwerdeeinlegung nicht ersichtlich sind. Die verfahrensrechtliche Verwirkung bildet einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Auch bei befristeten Rechtsmitteln kann eine Verwirkung in Betracht kommen, etwa wenn die Zustellung wegen eines Mangels unwirksam war, die Beschwerdefrist also nicht in Lauf gesetzt wurde, und der Beschwerdeführer, obwohl er von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat, die Einlegung eines Rechtsmittels solange hinauszögert, dass sie nach Lage der Dinge gegen Treu und Glauben verstößt. Der Zeitablauf allein genügt jedoch auch hier für die Verwirkung nicht. Soweit der Gesetzgeber die unbefristete Beschwerde gewährt, wird bei der Anwen- 38 dung dieses Grundsatzes Zurückhaltung geboten und eine sorgfältige Abwägung aller Umstände angebracht sein, damit nicht auf diesem Wege Befristungen eingeführt werden, die das Gesetz nicht vorsieht. In den Verfahren, in denen die Entscheidung auf Grund von § 18 Abs 1 oder aus Gründen des sachlichen Rechts vom Gericht erster Instanz geändert werden kann (§ 1696 BGB), ist stets die Prüfung angebracht, ob es sich statt einer Beschwerde nicht um ein Änderungsverlangen handelt, insbesondere, wenn neue Tatsachen geltend gemacht werden. Eine Verwirkung kommt nicht in Betracht bei den Verfahren, in denen keine endgültige Entscheidung über ein streitiges Rechtsverhältnis ergeht, weil eine derartige Entscheidung keinen Vertrauenstatbestand schaffen kann, wie im Erbscheinsverfahren, da im Erbschein keine endgültige Entscheidung über das Bestehen des bezeugten Erbrechts getroffen wird, sowie regelmäßig im Grundbuchverfahren. In der Regel ist daran festzuhalten, dass die unbefristete Beschwerde auch noch nach geraumer Zeit eingelegt werden kann. Die Befugnis des Gerichts, ein Verfahren von Amts wegen einzuleiten, kann keines- 39 falls der Verwirkung unterliegen. Auch das Antragsrecht, also das Recht zur erstmaligen Anrufung des Gerichts, kann nicht verwirkt werden mit der Folge, dass der Rechtsschutzantrag als unzulässig abgelehnt werden dürfte. Das Vertrauen des Gegners darauf, der Anspruch werde nicht mehr verfolgt werden, kann sich nur dahin auswirken, dass der sachlichrechtliche Anspruch verwirkt ist, die Klage oder der Antrag also als unbegründet abzuweisen ist. In dem Verfahren zur Übertragung der elterlichen Sorge kann das Beschwerderecht nach 15 Monaten verwirkt sein.47 Das Beschwerderecht ist verwirkt, wenn der Großvater die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, durch die sein Rechtsmittel gegen die Auswahl des Pflegers für seinen Enkel zurückgewiesen worden ist, erst acht Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung anficht.48 Das Beschwerderecht der Staatskasse gegen den Beschluss über die Festsetzung von Vergütung und Aufwendungsersatz kann verwirkt sein, wenn das Rechtsmittel erst mehr als 1 Jahr und 6 Monate nach der formlosen Übersendung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt wird und der Berufsbetreuer auf dessen Endgültigkeit vertrauen durfte.49

XIV. Wiederholung der Beschwerde Die Rücknahme einer Beschwerde erledigt nur das eingelegte Rechtsmittel und steht 40 daher einer erneuten Einlegung nicht entgegen. Eine Wiederholung des Rechtsmittels kann aber an einem Rechtsmittelverzicht, der auch in der Rücknahme liegen kann, an 47 48

BayObLG FamRZ 1999, 103 = NJWE-FER 1998, 269. BayObLG FamRZ 1999, 1095 = NJWE-FER 1999, 193.

49

OLG Frankfurt FGPrax 2005, 24 = FamRZ 2005, 391 LS.

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einer Verwirkung des Beschwerderechts oder bei befristeter Beschwerde an dem Ablauf der Rechtsmittelfrist scheitern. Ist ein Rechtsmittel wegen eines Mangels, der behebbar ist, als unzulässig verworfen worden, so kann es unter Vermeidung des Mangels noch einmal eingelegt werden. Das Beschwerdegericht ist durch seine frühere Entscheidung nicht daran gehindert, darüber zu entscheiden, da es über ein anderes Rechtsmittel befindet. Die frühere Entscheidung bleibt unberührt. War die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist verworfen worden, so 41 bedarf es keiner Wiederholung des Rechtsmittels, wenn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird; der Verwerfungsbeschluss wird gegenstandslos. Eine Wiederholung ist aber ausgeschlossen, wenn die Verwerfung der Beschwerde auf der Verneinung ihrer Statthaftigkeit, der Beschwerdebefugnis oder der Beschwerdesumme beruhte; einer Änderung würde die Bindung des Beschwerdegerichts an seine Entscheidung entgegenstehen. Ist über die erste Beschwerde sachlich entschieden worden, so ist damit das Anfechtungsrecht verbraucht und eine Wiederholung der Beschwerde unzulässig, auch wenn sie auf neue Tatsachen gestützt wird. Das Beschwerdegericht kann seine Entscheidung auch nicht auf Gegenvorstellungen ändern. Liegen im Zeitpunkt der Entscheidung mehrere Rechtsmittel desselben Beschwerdeführers vor, so hat das Gericht über sie einheitlich zu entscheiden. Sind sämtliche eingelegten Rechtsmittel unzulässig, so ist die Beschwerde zu verwerfen. Ist auch nur eines zulässig, so ist der Beschwerderechtszug eröffnet und für die Verwerfung der übrigen kein Raum mehr.

XV. Rechtspflegerverfahren 42

Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist nach § 11 Abs 1 RPflG das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Ist gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben, so findet nach § 11 Abs 2 RPflG binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statt. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen, anderenfalls hat er sie dem Richter zur Entscheidung vorzulegen. Diese Erinnerung kann nur beim AG eingelegt werden. Die §§ 62 und 55 FGG sind mit Art 19 IV GG unvereinbar, soweit sie den in ihren Rechten Betroffenen jede Möglichkeit verwehren, Entscheidungen des Rechtspflegers der Prüfung durch den Richter zu unterziehen.50

XVI. Entscheidungen des Landgerichts 43

§ 21 gilt auch für die Einlegung von ersten Beschwerden gegen Entscheidungen des Landgerichts, die es als Beschwerdegericht trifft. Zu denken ist vor allem an Zwischenund Nebenentscheidungen, soweit diese gesondert anfechtbar sind. Wegen der weiteren Beschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts vgl § 29. Soweit das Landgericht in erster Instanz tätig wird (etwa nach § 99 Abs 3) vgl oben Rn 8.

50

BVerfGE 101, 397 = NJW 2000, 1709 = FGPrax 2000, 103 = FamRZ 2000, 731 = MDR 2000, 655 = RPfleger 2000, 205.

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Lothar Briesemeister

Einlegung der Beschwerde

§ 21

XVII. Entscheidungen des Familiengerichts in Sachen der FG Familiensachen der FG (GVG § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11, 12, in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 14; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64): Nachdem weite Bereiche wie Ehedispens, elterliche Sorge und Umgang dem Familien- 44 gericht zugewiesen sind, bleibt dem VormG nur Adoption, Vormundschaft und Betreuung. Damit wird auch § 21 weitgehend durch die Sondervorschriften des § 621e ZPO verdrängt. § 21 ist anzuwenden auf die Familiensachen nach § 23b Abs 1 Satz 2 Nr 11 GVG und § 6 Abs 1 Satz 1 SorgeRÜbkAG vom 5.4.1990 (BGBl. I 701) und auf die Anfechtung von Neben- und Zwischenentscheidungen. 1. Isolierte Sachen der FG Die Beschwerde gegen Endentscheidungen erfolgt durch Einreichung einer Beschwer- 45 deschrift bei dem OLG als Beschwerdegericht (§ 621e Abs 3 Satz 1 und 2 ZPO; § 119 Abs 1 Nr 2 GVG). Es besteht kein Anwaltszwang. Die Beschwerde muss entsprechend § 520 ZPO begründet werden. 2. Folgesachen Im Verbund erlassene Endentscheidungen über Angelegenheiten der FG sind, soweit 46 sie nicht mit der Berufung nach §§ 511 ff ZPO angegriffen werden, selbstständig mit der Beschwerde an das OLG anfechtbar (§ 629a Abs 2, § 621e Abs 1 ZPO). Für Einlegung und Begründung besteht jedoch Anwaltszwang (§ 78 Abs 2 ZPO). 3. Nebenentscheidungen

47

Bei Beschwerden gegen Nebenentscheidungen ist § 21 anzuwenden. 4. Einstweilige Anordnungen

Bei einstweiligen Anordnungen, die das FamG nach den allgemeinen Verfahrensvor- 48 schriften der FG erlassen hat, ist auf die Einlegung der Beschwerde § 21 Abs 2 anzuwenden. Über die Beschwerde entscheidet das OLG. Im Verfahren nach §§ 620 ff ZPO gelten für die Einlegung der sofortigen Beschwerde zum OLG die §§ 567 ff, 574 ff ZPO (§ 620c ZPO). 5. Rechtspflegersachen Soweit dem Rechtspfleger beim FamG gemäß §§ 3 Nr 2a, 14 Nr 2a RPflG Angele- 49 genheiten übertragen sind, findet gegen seine Endentscheidung in den isolierten Familiensachen der FG die Beschwerde statt. Bei Feststellungsbeschlüssen des Rechtspflegers im Verfahren über den Zugewinnausgleich ist innerhalb eines Monats (§ 517 ZPO, 621e Abs 3 ZPO) Beschwerde einzulegen (§§ 53a Abs 2 Satz 1, 53g Abs 1, 60 Abs 1 Nr 6 FGG, 14 Abs 1 Nr 2a RPflG). Bei Rechtsmitteln gelten dieselben Bestimmungen wie für die Anfechtung von Entscheidungen des Richters.

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§ 22

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

XVIII. Nichtgerichtliche Behörden 50

Sind in einer bundesrechtlichen Angelegenheit andere als gerichtliche Behörden nach Landesgesetz zuständig, so gilt § 21 nach § 194 Abs 1 grundsätzlich ebenfalls. Das bedeutet, dass die Beschwerde entweder bei dem Beschwerdegericht oder bei der nichtgerichtlichen Behörde, deren Verfügung angefochten wird, eingelegt werden kann, nicht etwa bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Hat aber der Landesgesetzgeber in Ausübung des Vorbehalts in § 195 FGG bestimmt, dass zunächst die Abänderung der Entscheidung einer solchen Behörde bei dem Amtsgericht nachzusuchen ist, so kann dieses Gesuch gemäß § 195 Abs 1 Satz 2 mit § 21 bei der außergerichtlichen Behörde oder beidem Amtsgericht angebracht werden. Die Beschwerde gegen die daraufhin ergehende Entscheidung des Amtsgerichts kann aber wiederum gemäß § 21 nur bei dem AG oder dem LG, nicht aber bei der nichtgerichtlichen Behörde eingelegt werden (§ 195).

XIX. Landesrecht 51

In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 21 durchweg für anwendbar erklärt worden, vgl für die ehemals preußischen Gebiete Art 6 Abs 1 PrFGG.

XX. Reformvorhaben 52

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 67, dass die sofortige Beschwerde, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von einem Monat einzulegen ist. Eingelegt werden muss die sofortige Beschwerde bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird. Als Form ist die Beschwerdeschrift genannt.

§ 22 Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (1) Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Verfügung dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist. (2) Einem Beschwerdeführer, der ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, ist auf Antrag von dem Beschwerdegerichte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Eine Versäumung der Frist, die in dem Verschulden eines Vertreters ihren Grund hat, wird als eine unverschuldete nicht angesehen. Gegen die Entscheidung über den Antrag findet die sofortige weitere Beschwerde statt. Nach dem Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

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§ 22

Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Literatur

Ahrens Personengesellschaft und -gesellschafter als Drittschuldner des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, ZZP Bd 103 (1990),34; Assmann Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Anfechtungsfrist (des § 23 Abs 4 WEG), ZWE 2001, 294; Bonifacio Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist nach dem WEG? ZMR 2002, 409; Decker Die Beschwerdefrist im PKH-Verfahren der FG, NJW 2003, 2291; Demharter Noch einmal: Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen, WuM 2001, 311; Demharter Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen, NZM 2002, 673; Käufer Wiedereinsetzungsantrag und „bedingte“ Berufung, NJW 1962, 572; Unger Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP Bd 37 (1908), 401 ff; Zimmer Die Beschwerdefrist der „armen Partei“ im Prozesskostenhilfeverfahren, FamRZ 2005, 1145.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. Sofortige Beschwerde . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren Entscheidung . . . . . . 3. Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . a) Dauer . . . . . . . . . . . . . . . b) Beginn der Beschwerdefrist . . . . III. Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . 1. Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Anschließung . . 3. Einlegung der Anschlussbeschwerde . 4. Unselbständigkeit der Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . 5. Selbstständige Anschlussbeschwerde . 6. Anschlusserinnerung . . . . . . . . . 7. Streitgenossenschaft . . . . . . . . . 8. Sofortige Beschwerde nach der ZPO . IV. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung a) Hindernis . . . . . . . . . . . . . b) Ursächlichkeit des Hindernisses für die Fristversäumung . . . . . . . . c) Mangel an Verschulden . . . . . .

1 2 2 5 6 6 7 16 16 17 20 21 22 23 24 26 27 27 28 28 30 32

Rdn d) Verschulden eines Vertreters . . . e) Einzelfragen . . . . . . . . . . . 3. Wiedereinsetzungsverfahren . . . . a) Antrag . . . . . . . . . . . . . . b) Wiedereinsetzungsfrist . . . . . c) Ausschlussfrist . . . . . . . . . . d) Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe . . . . . . . . . e) Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag . . . . . . . . f) Rechtsmittel . . . . . . . . . . . 4. Erweiterter Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 . . . . . . . . . . . . . 5. Ausschluss der Wiedereinsetzung . . 6. Abweichende Regelungen . . . . . 7. Befristete Erinnerung gegen Entscheidungen des Rechtspflegers . . . . . V. Nichtgerichtliche Behörden . . . . . . VI. Familiensachen . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung der §§ 233 ff ZPO . . 2. Anwendung des § 22 Abs 2 FGG . . 3. Rechtspflegerentscheidungen . . . . 4. Anschlussbeschwerde . . . . . . . . VII. Reformvorhaben . . . . . . . . . . .

. . . . . .

33 36 38 38 39 40

.

41

. .

42 43

. . .

44 45 46

. . . . . . . .

47 48 49 49 50 51 52 53

I. Allgemeines Die Vorschrift enthält Bestimmungen über die sofortige Beschwerde. Diese ist kein 1 von der einfachen Beschwerde der Art nach verschiedenes Rechtsmittel. Die für die Beschwerde im allgemeinen gegebenen Bestimmungen der §§ 19 bis 21, 23 bis 25, 27 bis 30 finden daher auch auf die sofortige Beschwerde Anwendung. Die Besonderheiten der sofortigen Beschwerde ergeben sich aus den §§ 22, 26 und 29 Abs 2. Mit dem Zweck der Befristung hängt es ferner zusammen, dass die Änderungsbefugnis des Gerichts erster Instanz gegenüber Verfügungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, ausgeschlossen ist (§ 18 Abs 2).

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§ 22

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

II. Sofortige Beschwerde 1. Grundsatz

2

In der Regel ist die Beschwerde der FG an keine Frist gebunden. Für eine Befristung besteht schon deshalb kein Bedürfnis, weil die Verfügungen grundsätzlich mit der Bekanntmachung wirksam und vollziehbar werden (§ 16 Abs 1). Soweit das Verfahren der FG nicht, wie der Zivilprozess, auf die maßgebliche Feststellung einer bereits bestehenden Rechtslage, sondern auf die Ordnung und Gestaltung privater Lebensverhältnisse gerichtet ist, entspricht es der Natur dieser Angelegenheiten besser, wenn die Verfügungen auch noch nach Ablauf eines längeren Zeitraums auf Grund geläuterter Erkenntnis oder neuer Tatsachen durch eine andere Regelung ersetzt werden können, als wenn eine Richtigstellung an nur formalen Hindernissen scheitern würde. Der Grundsatz der Nichtbefristung der Rechtsmittel ist daher für die freiwillige Gerichtsbarkeit als berechtigt anerkannt worden.1 Der Gefahr einer Verschleppung wird dadurch vorgebeugt, dass die Verfügung sofort wirksam wird und die abändernde Entscheidung des Beschwerdegerichts häufig keine rückwirkende Kraft hat, außerdem aber dem Schutz Dritter durch eine Vorschrift wie § 32 Rechnung getragen wird. Bei Verfügungen bestimmten Inhalts erfordern es aber Bedürfnisse des Rechtsver3 kehrs, das Rechtsmittel durch Einführung der sofortigen Beschwerde zu befristen. Das ist im FGG und in Sondergesetzen, insbesondere solchen, die echte Streitsachen zum Gegenstand haben, in zahlreichen Fällen geschehen, so in FGG § 13a Abs 2 mit ZPO § 104 Abs 3, § 15 mit ZPO §§ 387, 406; FGG §§ 20a Abs 2, 22 Abs 2, 60, 80, 81, 96, 99, 139, 141, 143, 146, 148, 150, 157, 159, 160, 161, in den in § 146 Abs 2 in Bezug genommenen Entscheidungen nach dem Aktiengesetz, ferner PStG § 49, HausratsVO § 14, VerschG §§ 26, 33, 33a, 36, 37, 40, WEG §§ 45, 58, FEVG §§ 7, 11; LwVG §§ 22, 45; GBO §§ 89, 110. Die Gründe, die zur Befristung des Rechtsmittels Anlass gegeben haben, sind ver4 schiedener Art. Zum Teil war die Befristung erforderlich, weil die Verfügung abweichend von § 16 Abs 1 erst mit der Rechtskraft werden soll (vgl § 60 Abs 1 Nr 6). Das sind entweder Verfügungen, die den Status einer Person verändern, der nicht dem Wechsel nach Maßgabe des Rechtsmittelzuges ausgesetzt sein darf (§ 56c Abs 1 Satz 1) oder welche die Befähigung zur selbstständigen Vornahme von Rechtsgeschäften verschaffen, so dass eine Aufhebung der Verfügung nach Ausübung der gewährten Befugnis wirkungslos bliebe (§ 82 Abs 2), oder die wegen ihrer einschneidenden Bedeutung für den Betroffenen grundsätzlich erst nach dem Eintritt der Rechtskraft vollziehbar sein sollen (§§ 7, 11, 12 FEVG). In anderen Fällen wird die Verfügung zwar nach der Regel des § 16 Abs 1 mit der Bekanntmachung wirksam, das Interesse der Beteiligten daran, dass ihre Rechtsverhältnisse auf eine gesicherte Grundlage gestellt werden, verbietet es aber, die Frage, ob die Verfügung des Amtsgerichts bei Bestand bleibt, auf unbestimmte Zeit in der Schwebe zu lassen.2 In diesen Fällen hat die Aufhebung der Verfügung rückwirkende Kraft. In den echten Streitsachen schließlich gebieten, wie bei Urteilen des Prozessgerichts, der Gedanke der Bewahrung des Rechtsfriedens und die Notwendigkeit, jedem Streit einmal ein Ende zu setzen, die Befristung zwecks Herbeiführung der Unabänderlichkeit der Entscheidung und der formellen Rechtskraft als Voraussetzung für die materielle Rechtskraft. Nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen ist das Rechtsmittel befristet. Diese Vor-

1

Rechtsgeschichtliche Hinweise bei Unger ZZP 37, 467 ff.

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2

Unger ZZP 37, 470.

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Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 22

schriften sind einer analogen Anwendung nicht fähig. Die Gerichte dürfen die Anforderungen an die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nicht verschärfen. 2. Inhalt der mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren Entscheidung Das Gesetz unterwirft Entscheidungen der sofortigen Beschwerde zum Teil ohne Un- 5 terschied, ob die beantragte oder angeregte Maßnahme angeordnet oder abgelehnt wird (§§ 22 Abs 2 S 3, 146 Abs 2, 150, 160), teils nur, wenn eine Maßnahme angeordnet (§§ 60 Abs 1 Nr 3, 76 Abs 2, 77 Abs 1, 80, 81, 96, 99, 160a Abs 2), teils nur, wenn sie abgelehnt wird (§§ 148 Abs 2, 160a Abs 1), so dass in diesen beiden Fällen die Beschwerde gegen eine Verfügung gegenteiligen Inhalts, sofern sie nicht überhaupt ausgeschlossen ist, unbefristet ist. Die sofortige Beschwerde findet nur gegen die Endentscheidung und gegen diese ergänzende Entscheidungen (§ 321 ZPO) statt sowie gegen Teilentscheidungen und Zwischenentscheidungen, die einen für die Endentscheidung präjudiziellen Streitpunkt vorwegnehmen, zB über den Grund des Anspruchs. Zwischenverfügungen sind, wenn überhaupt, mit der einfachen Beschwerde anfechtbar. Hat die anzufechtende Entscheidung nicht den vom Gesetz für die Befristung des Rechtsmittels vorausgesetzten sachlichen Inhalt, sondern lehnt das Gericht ein Tätigwerden aus verfahrensrechtlichen Gründen ab, zB weil es den Antrag für unzulässig erachtet, ist ebenfalls die unbefristete Beschwerde gegeben. Im Todeserklärungsverfahren findet gegen die Anordnung des Aufgebots (§ 19 VerschG) die unbefristete Beschwerde nach § 19 statt,3 dagegen die sofortige Beschwerde nach § 26 Abs 1 VerschG (Beschwerdefrist 1 Monat) gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Todeserklärung zurückgewiesen und damit die Todeserklärung abgelehnt wird, mag dies vor oder nach Erlass des Aufgebots geschehen.4 Wegen des Rechtsmittels gegen Ordnungsstrafen wegen Ungebühr (Frist 1 Woche) vgl § 181 GVG. Hier handelt es sich nicht um eine sofortige Beschwerde. 3. Beschwerdefrist a) Dauer Die Beschwerdefrist ist wie nach § 569 ZPO auf zwei Wochen bestimmt. Der Lauf 6 der Frist berechnet sich nach § 17 FGG. Die Frist hat alle Merkmale einer Notfrist, wenn sie auch nicht als solche bezeichnet ist (vgl § 224 Abs 1 Satz 2 ZPO): Abkürzung oder Verlängerung durch Verfügung des Gerichts oder Vereinbarung der Beteiligten ist ausgeschlossen, aber eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zugelassen (§ 22 Abs 2). Auch die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde in Wohnungseigentumssachen steht einer Notfrist gleich.5 Die Wahrung der Frist ist von Amts wegen zu prüfen. Gegen einen Prozesskostenhilfe für die erste Instanz versagenden Beschluss (§ 14 FGG) findet die sofortige Beschwerde in der Zweiwochenfrist des § 22 FGG, bei PKH-Entscheidungen in isolierten Familiensachen der FG jedoch in der Monatsfrist des § 127 Abs 2 S 3 ZPO statt.6 Ausnahmsweise beträgt die Beschwerdefrist einen Monat nach VerschG

3 4 5

BGHZ 16, 177 = NJW 1955, 464 = Rpfleger 1955 126 m Anm von Arnold. OLG Hamm JMBlNRW 1962, 168. BayObLG NJW-RR 2001, 445 = WuM 2000, 566 = NZM 2001, 772; aA Assmann ZWE 2001, 294.

6

BGH NJW-RR 2004, 1077 = NZM 2004, 185 etwa für WEG-Sachen (2 Wochen), BGH NJW 2006, 2122 für isolierte Familiensachen der FG (ein Monat gemäß § 127 Abs 2 S 3 ZPO).

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§ 22

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§§ 26 Abs 1, 33a Abs 3, VerschÄndG Art 2 §§ 8, 3 Abs 2, und zwar auch für die weitere Beschwerde,7 dagegen zwei Wochen bei VerschG §§ 33 Abs 2, 36, 37. b) Beginn der Beschwerdefrist

7

Für den Beginn der Beschwerdefrist ist der Zeitpunkt der Bekanntmachung der angefochtenen Verfügung an den Beschwerdeführer maßgebend (Abs 1 S 2). Die Bekanntmachung ist entweder gemäß § 16 Abs 3 zu Protokoll zu bewirken, soweit diese Form nicht ausgeschlossen ist, oder gemäß § 16 Abs 2 S 1 durch förmliche Zustellung von Amts wegen nach den Vorschriften der ZPO. Das Gericht hat daher die Amtspflicht, zur baldigen Herbeiführung der Unanfechtbarkeit die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Verfügung über den Kreis derer hinaus, für die sie im Sinne des § 16 Abs 1 ihrem Inhalt nach bestimmt ist, allen bekannten Beschwerdeberechtigten zuzustellen und erforderlichenfalls deren Anschriften zu ermitteln. Die Heilung von Zustellungsmängeln ist nach § 189 ZPO nF jetzt auch bei Notfristen möglich.8 Eine Zustellung im Parteibetrieb oder eine Kenntnisnahme auf sonstige Weise setzt die Beschwerdefrist nicht in Lauf. Ist die Zustellung formgerecht bewirkt, so ist dieser Zeitpunkt auch maßgebend, 8 wenn der Zustellungsadressat, etwa im Falle der Ersatzzustellung (§§178 ff ZPO nF) von der Zustellung oder dem Inhalt der Verfügung erst später oder gar nicht Kenntnis erlangt. Es kann nur eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen. Bei mehreren Beteiligten beginnt die Frist für jeden von ihnen besonders mit der Bekanntmachung an ihn. Für den Verfahrenspfleger und den Betroffenen laufen jeweils eigene Beschwerdefristen.9 Eine Ausnahme enthält § 77 Abs 3 FGG (Inventarfrist). Hat der Beteiligte einen Verfahrensbevollmächtigten bestellt, so ist entsprechend 9 § 172 ZPO die Zustellung an diesen maßgebend. Sind mehrere Verfahrensbevollmächtigte bestellt, so ist die erste Zustellung an einen von ihnen maßgebend. Ebenso genügt bei mehreren gesetzlichen Vertretern, auch gesamtvertretungsberechtigten Eltern, soweit sie nicht aus eigenem Recht, sondern namens des Kindes auftreten, die Zustellung an einen von ihnen (§ 170 Abs 3 ZPO).10 Tritt jemand in einem Verfahren in doppelter Eigenschaft auf, zB in eigenem Namen und als Vertreter eines anderen, so genügt einmalige Zustellung, auch wenn er in dem zuzustellenden Schriftstück nur in einer seiner Eigenschaften angesprochen wird.11 Abweichend von § 22 Abs 1 beginnt in Verschollenheitssachen die Beschwerdefrist 10 gegen den Todeserklärungsbeschluss für alle Beteiligten, auch solche, denen der Beschluss besonders zugestellt worden ist, mit der ersten öffentlichen Bekanntmachung (VerschG § 24 Abs 3). Das gilt auch für Beschlüsse, durch die eine Beschwerde gegen eine Todeserklärung aus sachlichen Gründen zurückgewiesen wird,12 nicht aber wenn eine Todeserklärung vom Beschwerdegericht aufgehoben oder abgelehnt wird.13

7

8 9

BGHZ 30, 56 = NJW 1959, 1320 = Rpfleger 1959, 315; BayObLGZ 1953, 337; KG MDR 1950, 218. Baumbach/Hartmann ZPO 60 Aufl § 189 (Fassung ab 1.7.2002). BGH NJW 2002, 2252; BayObLGZ 1999, 374 = FamRZ 2000, 1445 = NJW-RR 2001, 724 = NJWE-FER 2001, 221 L.

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10 11 12 13

BVerfGE 67, 211; BGH NJW 1984, 57; BFH NJW 1977, 544; Ahrens ZZP 103, 52. BGHZ 32, 114. BGHZ 10, 251 = NJW 1953, 1547; OLG Frankfurt NJW 1960, 1063. BayObLGZ 1953, 336; Keidel Rpfleger 1959, 316.

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Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 22

Soweit beschränkt Geschäftsfähige im Verfahren ihre Rechte selbstständig wahrneh- 11 men können, können sie auch Zustellungsadressaten sein. An Geschäftsunfähige kann dagegen, vom Streit um ihre Prozessunfähigkeit abgesehen, nicht wirksam zugestellt werden.14 Die Zustellungen müssen gemäß § 170 Abs 1 ZPO an den gesetzlichen Vertreter oder Betreuer erfolgen. Soweit aber ausnahmsweise geschäftsunfähigen Beteiligten die Befähigung zuzubilligen ist, ihre Rechte in dem Verfahren selbstständig auszuüben, sind auch an sie selbst bewirkte Zustellungen wirksam15 und erforderlich. Die Zustellung an einen gesetzlichen Vertreter (Pfleger, Betreuer, Vormund) oder Verfahrenspfleger ist nicht geeignet, die Beschwerdefrist in Lauf zu setzen, soweit die selbstständige Befugnis des Geschäftsunfähigen zur Ausübung seines Beschwerderechts in Frage steht. Mit dem Sinn und Zweck der Zubilligung dieser Rechtsstellung16 wäre es nicht vereinbar, wenn die Untätigkeit des Pflegers die Folge hätte, dass der Beteiligte selbst sein Beschwerderecht wegen Ablaufs der Beschwerdefrist nicht mehr ausüben könnte. Die Regelung des § 517 ZPO, wonach spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten 12 nach der Verkündung eines Urteils die Berufungsfrist beginnt, ist in Verfahren der FG nicht entsprechend anwendbar. Dies gilt auch für das sogenannte echte Streitverfahren wie zB das Wohnungseigentumsverfahren.17 Eine zeitliche Beschränkung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen, wie sie § 517 ZPO enthält, kann nur durch eine positive gesetzliche Regelung herbeigeführt werden, die für den Bereich der FG fehlt. Wird allerdings die Beschwerdeentscheidung des LG in Wohnungseigentumssachen nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung des Tenors in vollständiger Form der Geschäftsstelle übergeben, so ist die Entscheidung als nicht mit Gründen versehen anzusehen und auf eine zulässige Rechtsbeschwerde aufzuheben.18 Von der Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung ist der Fristbeginn nach herkömm- 13 licher Auffassung nicht abhängig gewesen. Anders, wenn dies ausdrücklich vorgeschrieben ist (LwVG §§ 22 Abs 2, 25). Für die gemäß § 45 Abs 1 WEG befristeten Rechtsmittel in Wohnungseigentumssachen wird allerdings aus der Verfassung das Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung gefolgert.19 Zu belehren ist in diesen Fällen in schriftlicher Form über das Rechtsmittel selbst, über einzuhaltende Form- und Fristerfordernisse sowie über die Gerichte, bei denen das Rechtsmittel einzulegen ist.20 Unterbliebt die erforderliche Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen, so steht dies weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung noch dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegen; nur wenn der Belehrungsmangel im Einzelfall für das Versäumen der Rechtsmittelfrist ursächlich geworden ist, so ist bei Prüfung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehlendes Verschulden des Rechtsmittelführers – entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 44 Abs 3 StPO – unwiderlegbar zu vermuten.21 Für eine Ausdehnung auf alle anderen Entscheidungen der FG, die nur mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden können, sprechen gute Gründe;22 eine BGH-Entscheidung hierzu liegt noch nicht vor. 14 15 16 17

BayObLGZ 1966, 261. BayObLGZ 1966, 386. BVerfGE 10, 302. BayObLGZ 1999, 82 = NJW-RR 1999, 957 = FGPrax 1999, 99 = WuM 1999, 534 = ZMR 1999, 650 = NZM 1999, 575 = ZfIR 2000, 67; BGH RdL 1954, 244; Keidel/Kahl FGG § 22 Rn 11; Staudinger/Wenzel WEG § 45 Rn 6: aA OLG Zweibrücken FamRZ 1986, 377.

18

19 20 21 22

Vgl GmS-OGB, NJW 1993, 2603; KG OLGZ 1994, 405 = NJW-RR 1994, 599 = WuM 1994, 109 = ZMR 1994, 432. BGH NJW 2002, 2171 = NZM 2002, 629. BGH aaO. BGH aaO. OLG Hamm FamRZ 2003, 1311 LS.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

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Die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde durch eine der Genehmigungsbehörde übergeordnete Behörde (§ 32 Abs 2 S 2 LwVG) gegen eine Veräußerungsgenehmigung nach dem GrdstVG beginnt mit der Zustellung der Entscheidung an die Genehmigungsbehörde.23 Soweit Begründungszwang besteht und nicht ausnahmsweise von einer Bekanntmachung der Gründe abgesehen werden kann, setzt eine Bekanntmachung ohne Gründe die Beschwerdefrist nicht in Lauf.24 Durch das Verlangen einer Abschrift (§ 16 Abs 3 S 2) wird der Fristbeginn nicht gehemmt. Ggf. kann aber die Wiedereinsetzung in Betracht kommen. Die Einlegung vor Fristbeginn ist wirksam, sofern die Verfügung überhaupt erlassen ist. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Zustellung einer von der Urschrift abweichenden Ausfertigung die Rechtsmittelfrist in Lauf setzt, wenn in der Gerichtsentscheidung Einfügungen aus der Akte verfügt sind, führt der BGH25 aus, es komme allein darauf an, ob die Urschrift schon die endgültige Entscheidung und nicht nur einen Entwurf darstellen solle. Die Berichtigung eines Gerichtsentscheidung wegen offenbarer Unrichtigkeit gem § 319 ZPO hat grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen;26 eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn das Urteil insgesamt nicht erkennen lässt, wie das Gericht entscheiden wollte.27 Bemängelt der Prozessbevollmächtigte Fehler an der ihm zugestellten Urteilsausferti15 gung und wird ihm nach Rücksendung der Ausfertigung ein anderes Exemplar erneut zugestellt, läuft die Berufungsfrist dennoch ab der ersten Zustellung, wenn die bemängelten Fehler nicht geeignet waren, Zweifel an der gesamten Begründung des Urteils aufkommen zu lassen.28 Die Ausführungen für Urteile gelten ebenso für Beschlüsse.

III. Anschlussbeschwerde 1. Statthaftigkeit

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Die unselbstständige Anschlussbeschwerde ist für das Landwirtschaftsverfahren in §§ 22 Abs 2, 28 LwVG gesetzlich zugelassen. Diese Regelung gestattet aber keinen Umkehrschluss in dem Sinne, dass in anderen Verfahren der FG die Anschlussbeschwerde ausgeschlossen sei. Auch im Zivilprozess wurde die Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde schon vor ihrer ausdrücklichen Zulassung seit 1991 durch § 577a ZPO überwiegend bejaht. Jetzt ist sie in §§ 567 Abs 3, 574 Abs 4 ZPO aufgeführt. Dasselbe gilt im Verfahren der FG im Hinblick darauf, dass die Beschwerde in diesem Verfahren nicht nur die Aufgaben der Beschwerde nach der ZPO, sondern auch diejenigen der Berufung und Revision zu übernehmen hat, für welche die ZPO seit jeher eine Anschließung vorgesehen hat.29 Die (unselbstständige) Anschlussbeschwerde ist nicht selbst ein Rechtsmittel, sondern nur ein ergänzend wirkender Angriff innerhalb des von der anderen Seite in Gang gebrachten Beschwerdeverfahrens, mit dem der Rechtsmittelgegner sein Recht geltend macht, von sich aus die Grenzen zu bestimmen, innerhalb deren die Sache von neuem zu verhandeln ist.30 Die Zulassung dieses Rechtsbehelfs ist im Interesse der Waffengleichheit unumgänglich, um eine Durchbrechung des Verbots der Schlechterstellung 23 24 25 26

OLG Koblenz RdL 1963, 297; OLG Celle NdsRpfl 1964, 104. OLG Celle DR 1942, 341; Krohn in Anm zu LG Mannheim NJW 1964, 1626. BGH NJW 2001, 1653. OLG Düsseldorf FGPrax 2002, 170.

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27 28 29 30

BGH NJW-RR 2001, 211 = FamRZ 2000, 1499. BGH NJW-RR 2000, 1665. Früher §§ 521, 556; jetzt §§ 524, 554. RGZ 110, 233; 153, 348; BGHZ (GSZ) 4, 229.

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Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 22

zu ermöglichen. Die unselbstständige Anschlussbeschwerde ist daher auch in der FG nicht nur in echten Streitsachen,31 sondern in allen Verfahren zuzulassen, in denen mehrere Beteiligte mit entgegengesetzten Interessen beteiligt sind und in denen das Verbot der Schlechterstellung gilt.32 2. Voraussetzungen der Anschließung Voraussetzung für die unselbstständige Anschlussbeschwerde ist die Anhängigkeit 17 eines Hauptrechtsmittels. Ein anderer Beteiligter muss vor der Anschlusserklärung eine wirksame Beschwerde eingelegt haben und diese darf weder zurückgenommen noch als unzulässig verworfen sein.33 Da die Anschlussbeschwerde sich nur gegen dieselbe Entscheidung richten kann wie die Hauptbeschwerde, ist zur Anschließung nur berechtigt, wer schon vor der Anschlusserklärung an dem Beschwerdeverfahren materiell beteiligt war. Ferner muss das mit der Anschlussbeschwerde verfolgte Ziel sich gegen den Beschwerdeführer als denjenigen richten, zu dessen Gunsten das Verbot der Schlechterstellung gilt. Soweit jemand einem Beschwerdeverfahren zur Unterstützung des Beschwerdeführers beitreten darf (§§ 17, 31, 33a, 40 VerschG; § 48 Abs 2 PStG), handelt es sich nicht um eine Anschlussbeschwerde, sondern um einen Parteibeitritt (Nebenintervention). Im Allgemeinen wird dem sich Anschließenden auch ein Beschwerderecht nach § 20 zustehen, nämlich wenn er sich bei teilbaren Verfahrensgegenständen gegen die Entscheidung insoweit wendet, als zu Gunsten des Hauptrechtsmittelführers entschieden worden ist. Die Anschließung setzt aber, weil sie kein Rechtsmittel ist, keine Beschwer des sich Anschließenden voraus. Sie kann auch lediglich zu dem Zweck erklärt werden, die in der Vorinstanz gestellten Anträge zu erweitern, soweit dies im Beschwerdeverfahren statthaft ist, zu beschränken, zu ändern oder sogar den Verfahrensantrag zurückzunehmen, selbst wenn dadurch dem Verfahren die Grundlage entzogen wird. Soweit für die Hauptbeschwerde eine Beschwerdesumme vorgesehen ist, gilt sie nicht 18 für die Anschlussbeschwerde. Ist das Hauptrechtsmittel von einer Zulassung abhängig und ist diese erteilt, so kann die unselbstständige Anschließung ohne besondere Zulassung auch ein Beteiligter erklären, für den das Rechtsmittel nicht zugelassen worden ist, Auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Hauptrechtsmittels brauchen nicht erfüllt zu sein. Ihre Hauptbedeutung hat die Anschlussbeschwerde gerade für den Fall, dass der Anschließende in der Annahme, auch der Gegner werde kein Rechtsmittel einlegen, die Beschwerdefrist versäumt hat. Er bleibt also gleichwohl zur Anschließung berechtigt. Dasselbe gilt, wenn er auf die selbstständige Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet hat. Für diesen Fall kann die Möglichkeit der Anschließung auch bei unbefristeter Beschwerde in Betracht kommen. Ferner bleibt die Anschließung auch zulässig, wenn der sich Anschließende eine von ihm eingelegte Beschwerde oder Anschlussbeschwerde zurückgenommen hat oder wenn diese als unzulässig verworfen worden sind. Wenn aber eine Haupt- oder Anschlussbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen worden ist, kann im Rahmen des Entscheidungsgegenstandes Anschlussbeschwerde ebenso wenig noch erhoben werden wie ein erneutes selbstständiges Rechtsmittel, wohl aber noch wegen anderer Ansprüche.34 Unzulässig ist die Anschließung, wenn der Anschließende, was zulässig ist,35 auf das Recht zur Anschließung verzichtet hat oder wenn er nur eine andere Begründung der Entscheidung erstrebt.36 31 32

BGHZ 71, 314 = NJW 1978, 1977; BGHZ 95, 118 = NJW 1985, 2717. BGHZ 86, 51 = NJW 1983, 578 = FamRZ 1983, 154; vgl auch BGH NJW 1985, 968 = FamRZ 1985, 59.

33 34 35 36

BGHZ 17, 398. BGH LM § 323 ZPO Nr 4 = ZZP 67, 386. KG OLGR 20, 328. BGH MDR 1958, 491; BGH LM § 561 ZPO Nr 12.

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§ 22 19

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Vertritt das erstinstanzliche Gericht in einem Ordnungsgeldbeschluss die Auffassung, bestimmte in das Ordnungsmittelverfahren eingeführte behauptete Verstöße dürften aus Rechtsgründen nicht (gesondert) sanktioniert werden, so liegt darin eine teilweise Zurückverweisung des Ordnungsgeldantrags, weshalb gegen diesen Beschluss dem Gläubiger die Anschlussbeschwerde zusteht.37 3. Einlegung der Anschlussbeschwerde

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Für die Form der Einlegung gilt § 21 Abs 2. Sie geschieht also durch Einreichung einer Anschlussschrift oder durch Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle. Als Antrag innerhalb eines anhängigen Beschwerdeverfahrens kommt aber als Empfangsstelle nur der iudex ad quem (Beschwerdegericht) in Betracht. Erst mit ihrer Vorlage an das Beschwerdegericht ist die unselbstständige Anschlussbeschwerde wirksam eingelegt, falls sich die Akten bei Einlegung der Anschlussbeschwerde schon beim Beschwerdegericht befinden.38 Die Einlegung bei dem iudex a quo (Ausgangsgericht) wäre zwar formgerecht, jedoch ginge es zu Lasten des Anschließenden, wenn bis zum Eingang der Anschlussschrift beim Beschwerdegericht der Beschwerderechtszug bereits beendet ist.39 Wie auch sonst hat das Ausgangsgericht allerdings die Pflicht, nach Versendung seiner Akten auch eine Anschlussbeschwerde an das Beschwerdegericht nachzusenden. Eine zeitliche Begrenzung (wie nach § 524 Abs 2 S 2 ZPO für die Anschlussberufung) besteht in FGG-Sachen nicht, schon weil eine Begründung des Hauptrechtsmittels nicht zwingend ist und deshalb auch ein sicherer Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn fehlt. Im Verfahren der weiteren Beschwerde muss die Form des § 29 Abs 1 S 2 gewahrt werden. Die Bezeichnung als Anschlussbeschwerde ist nicht erforderlich, wenn sich der Wille zur Anschließung aus dem Schriftsatz ergibt. Eine Begründungspflicht besteht nach allgemeinen Grundsätzen weder im Verfahren der ersten noch der weiteren Beschwerde. Die Vorschrift des § 28 Abs 2 S 2 LwVG kann nicht verallgemeinert werden, wenn auch der Anschließende nach der Natur der Sache Ziel und Umfang seines Angriffs erkennen lassen muss. Besonderheiten in Bezug auf die Begründungspflicht ergeben sich in Familiensachen. Zeitlich kann die Anschlussbeschwerde während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens bis zum Abschluss des Beschwerderechtszugs, also bis zur Hinausgabe der Beschwerdeentscheidung aus dem Bereich des Gerichts eingelegt werden, da nach allgemeinen Grundsätzen bis zu diesem Zeitpunkt neues Vorbringen berücksichtigt werden muss, unbeschadet des Ausschlusses neuer Tatsachen im Rechtsbeschwerdeverfahren. Auch soweit angeordnet ist, dass das Gericht mit den Beteiligten mündlich verhandeln soll (§ 13 Abs 2 HausratsVO, § 44 Abs 1 WEG) oder auf Antrag verhandeln muss (§ 15 Abs 1 LwVG), wird dadurch nicht der Mündlichkeitsgrundsatz des Zivilprozesses übernommen und keine Zäsur in das Verfahren hineingebracht. Die Abhaltung derartiger Erörterungen schließt daher eine spätere Anschließung nicht aus. Im Verfahren der weiteren Beschwerde ergeben sich Schranken der Anschlussbeschwerde daraus, dass die Einführung neuer Tatsachen durch § 27 Abs 1 S 2 FGG, § 559 ZPO ausgeschlossen ist und dass deshalb auch neue Anträge mit dem Ziel der Erweiterung nicht zulässig sind. Soweit diese Grenzen nicht entgegenstehen, erfordert die Anschlussbeschwerde auch im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Beschwer. Sie kann auch auf den Kostenpunkt beschränkt sein. Auch eine eventuelle unselbstständige Anschlussbeschwerde ist zulässig. Ein Beteiligter kann sich für den Fall anschließen, dass seinem

37 38

OLG Köln MMR 2000, 698. OLG Köln FamRZ 2000, 1027.

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OLG Köln FamRZ 2000, 1027.

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Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

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Hauptantrag auf Zurückweisung der Beschwerde nicht stattgegeben wird, oder mit der Eventualanschließung neue Anträge für den Fall eines gegnerischen Rechtsmittelerfolges stellen oder Anschlussbeschwerde einlegen für den Fall, dass seine eigene selbstständige Beschwerde als unzulässig verworfen wird. 4. Unselbstständigkeit Die Unselbstständigkeit der Anschlussbeschwerde äußert sich darin, dass sie wir- 21 kungslos wird, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird (vgl § 567 Abs 3 ZPO, § 22 Abs 2 S 2 LwVG). Über die Anschlussbeschwerde kann nicht mehr entschieden werden. Sie kann also auch nicht als unzulässig verworfen werden. Wegen dieser Abhängigkeit darf über ihren Gegenstand keine Teilentscheidung ergehen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten auch der unselbstständigen Anschließung. Über die außergerichtlichen Kosten ist bei Verwerfung als unzulässig nach § 13a Abs 1 S 2, bei Zurücknahme der Beschwerde nach § 13a Abs 1 S 1 zu entscheiden. Auch im Verfahren nach dem LwVG trägt der Anschlussrechtsbeschwerdeführer die Kosten seiner Beschwerde, wenn er sich einer Rechtsbeschwerde angeschlossen hat, die von Anfang an unzulässig war.40 Die Zurückweisung der Hauptbeschwerde als unbegründet berührt den Bestand der Anschlussbeschwerde nicht. 5. Selbstständige Anschlussbeschwerde Die Anschließung an ein Rechtsmittel wird, auch wenn sie innerhalb der Rechtsmit- 22 telfrist erklärt wurde, bis zur Rücknahme oder Verwerfung des Hauptrechtsmittels in jeder Hinsicht wie eine unselbstständige Anschließung behandelt und genießt deren sämtliche Erleichterungen. Erst wenn das Hauptrechtsmittel zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird, kommt es zur Prüfung, ob das Anschlussrechtsmittel damit unwirksam wurde oder ob es als selbstständiges Rechtsmittel anhängig geblieben ist und weiter betrieben werden kann. Hierzu müssen alle Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels erfüllt sein, insbesondere Beschwer, Unbedingtheit, Beschwerdefrist, Beschwerdesumme, Zulassung. Auch darf der Anschließende nicht auf das Hauptrechtsmittel verzichtet haben. Liegen diese Erfordernisse vor, so muss über die (selbstständige) Anschlussbeschwerde, wenn der Anschließende sie nicht zurücknimmt, auch nach Wegfall des Hauptrechtsmittels sachlich entschieden werden. Man wird aber dem Anschließenden die Befugnis einräumen müssen, die Erklärung abzugeben, dass die Anschließung wie eine unselbstständige wirkungslos werden solle. Der als selbstständig aufrechterhaltenen Anschlussbeschwerde kann sich der Gegner wiederum unselbstständig anschließen. 6. Anschlusserinnerung Eine Anschlusserinnerung ist für zulässig zu erachten. Dies gilt für die Erinnerung 23 nach § 11 Abs 2 RPflG und im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 13a Abs 3, § 104 Abs 3 ZPO. 7. Streitgenossenschaft Bei der einfachen Streitgenossenschaft kann die Entscheidung gegenüber jedem Streit- 24 genossen anders ausfallen. Jeder der einfachen Streitgenossen ist selbstständig zur Einle-

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BGH NJW-RR 1994, 760 = LM § 44 LwVG Nr 1.

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§ 22

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

gung von Rechtsmitteln berechtigt. Sofern dagegen im Antragsverfahren die Antragsberechtigung einer Mehrheit von Beteiligten nur gemeinsam zusteht, gilt dasselbe auch für das Rechtsmittelverfahren. Es liegt eine notwendige Streitgenossenschaft vor. Diese kann sich auch daraus ergeben, dass eine gemeinschaftliche Antragstellung zwar nicht erforderlich ist, das Rechtsverhältnis aber den mehreren Antragstellern gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann, zB wenn mehrere Miterben die Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) beantragen. Die Regelung des § 62 ZPO, wonach die säumigen Streitgenossen durch die tätig werdenden vertreten werden, erübrigt sich im Verfahren der FG. Wird eine Verfügung erst mit der Rechtskraft wirksam, so tritt die Wirksamkeit erst ein, wenn die Verfügung für alle Beteiligten unanfechtbar geworden ist. Wird die Verfügung bereits mit der Bekanntmachung wirksam (§ 16 Abs 1), so hindert die Anfechtung durch nur einen Beteiligten nicht ihre Aufhebung mit Wirkung auch für die Beteiligten, die von ihrem Beschwerderecht keinen Gebrauch gemacht haben, sofern der Verfahrensgegenstand unteilbar ist. Ein Unterschied ergibt sich insoweit, als im Zivilprozess die Säumigen gemäß § 62 25 Abs 2 ZPO Parteien des Rechtsmittelverfahrens bleiben. Dieser Unterschied wird dadurch abgeschwächt, dass es dem Säumigen freisteht, den Vortrag des Rechtsmittelführers durch eigenen Sachvortrag zu unterstützen, den das Gericht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) berücksichtigen müsste, wenn er erheblich ist. Eine vom Rechtsmittelführer verfahrensrechtlich unabhängige Stellung haben die Säumigen auch im Zivilprozess nicht. Sie werden nicht selbst Rechtsmittelführer und können nicht hindern, dass der Tätige durch Rücknahme seines Rechtsmittels die Rechtskraft herbeiführt. 8. Sofortige Beschwerde nach der ZPO

26

§§ 19 ff FGG und insbesondere der Instanzenweg nach dem FGG sind anzuwenden, wenn die Regelungen des GVG und der ZPO greifen, vgl §§ 2, 8, 14, 15 FGG. Wenn jedoch ausdrücklich die sofortige Beschwerde nach Maßgabe der ZPO vorgesehen ist, richtet sich das Verfahren nach den §§ 567 ff ZPO, während es bei dem Rechtsmittelzug des FGG bleibt. So bei dem Beschluss, der die Auflösung der Genossenschaft bei zu geringer Mitgliederzahl anordnet (GenG § 80). Wird der Antrag, die Genossenschaft aufzulösen, durch den Registerrichter beim AG zurückgewiesen, ist die einfache Beschwerde nach §§ 19 ff FGG gegeben, ebenso bei Zwischenverfügungen wie etwa die Aussetzung.41 Sind Entscheidungen nach den Vorschriften der ZPO zu vollstrecken (vgl § 33), gelten für Rechtsmittel, Verfahren und Kosten die Vorschriften der ZPO.42 Die Abgabe des Prozessgerichts an das WEG-Gericht gemäß WEG § 46 Abs 1 ist nach GVG § 17 Abs 4 Satz 3 GVG mit der sofortigen Beschwerde nach § 567 ZPO anzufechten.43 Ein Beschluss, durch den eine Sache vom Wohnungseigentumsgericht an das Streitgericht verwiesen wird, ist dagegen nach den für die Anfechtung von Hauptsacheentscheidungen in Wohnungseigentumssachen geltenden Vorschriften (§ 45 WEG) anfechtbar.44

41 42

BayObLGZ 1963, 15. BayObLGZ 1975, 157; OLG Köln NJW 1976, 1322.

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43 44

BGHZ 130, 159 = NJW 1995, 2851. BayObLG NJW-RR 1999, 11 = ZMR 1998, 502.

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Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 22

IV. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 1. Begriff Wiedereinsetzung bedeutet die Aufhebung von Säumnisfolgen durch gerichtliche Ent- 27 scheidung zur Ermöglichung der Nachholung einer von einem Beteiligten versäumten Verfahrenshandlung. In § 22 Abs 2 wird sie gegen die Versäumung der Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde und gemäß § 29 Abs 4 der sofortigen weiteren Beschwerde zugelassen. Die Beschwerdefrist ist nicht nur versäumt, wenn während ihres Laufs die Einlegung der Beschwerde überhaupt ausbleibt, sondern auch, wenn die rechtzeitig eingereichte Beschwerdeschrift oder zu Protokoll gegebene Beschwerdeerklärung nicht der gesetzlichen Form oder ihrem Inhalt nach nicht den wesentlichen Erfordernissen einer Beschwerdeerklärung genügt und die ordnungsgemäße Beschwerdeeinlegung erst nach Ablauf der Frist nachgeholt wird. Die Wiedereinsetzung besteht nicht in der erneuten Eröffnung der Frist, sondern in der Feststellung, dass die nachgeholte Verfahrenshandlung noch als fristgerecht bewirkt zu gelten hat. Der Wiedereinsetzungsantrag kann deshalb als die der verspäteten Beschwerdeeinlegung beigefügte oder nachgereichte Entschuldigung bezeichnet werden. Daher kann die Beschwerde nicht bedingt für den Fall der Gewährung der Wiedereinsetzung eingelegt werden;45 nach § 236 Abs 2 Satz 2 ZPO schreibt das Gesetz gerade vor, dass die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung nachzuholen ist. In die gesetzliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Betreuervergütung ist eine Wiedereinsetzung nicht möglich.46 Das Vormundschaftsgericht ist im Regelfall auch nicht gehalten, auf dem Ablauf der gesetzlichen Frist oder die damit verbundenen Rechtsfolgen gesondert hinzuweisen. Diese gesetzliche Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 2. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung a) Hindernis Hinsichtlich der Art des Hindernisses, welches der Fristwahrung objektiv entgegen- 28 stand, enthält das Gesetz keine Beschränkungen. Es ist daher nicht erforderlich, dass es in Ereignissen bestand, die ihrer Natur her jeder Einwirkung durch den Beteiligten entzogen sind. Es können Umstände jeder Art in Betracht kommen, sofern sie nur objektiv geeignet waren, den Beteiligten an der rechtzeitigen Einlegung der Beschwerde zu hindern. Außer Behinderungen im Verkehr mit dem Gericht (Verkehrsunfall, Überschwemmung) und in der Person des Beschwerdeführers (Erkrankung, Freiheitsbeschränkung) kommt auch Unkenntnis oder verspätete Kenntniserlangung von einer in der gesetzlichen Form bekannt gemachten Verfügung in Betracht, zB im Fall der Ersatzzustellung.47 Auch Rechtsunkenntnis und Rechtsirrtum können einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, allerdings vorbehaltlich der Prüfung eines Verschuldens.48 Der Hinderungsgrund braucht seine Entstehung nicht unmittelbar in der Person des Beschwerdeführers zu haben. Es kann zB eine schwere Erkrankung eines Angehörigen genügen, die Zeit und Interesse

45

KG WPM 1958, 751; BGH NJW-RR 1990, 67 (zur Rücknahme eines Rechtsmittels unter Bedingung des Eintritts einer innerprozessualen Vorgangs; aM Käufer NJW 1962, 572; BayObLG NJW-RR 1990, 1033 (zur Rücknahme einer weiteren Beschwerde unter der

46 47 48

Bedingung, dass Prozesskostenhilfe versagt wird). BayObLGZ 2004, 29 = FGPrax 2004, 117 = FamRZ 2004, 1136 = Rpfleger 2004, 484. BayObLGZ 1955, 321; 1956, 1. BGH LM § 24 LwVG Nr 5 = JR 1955, 101.

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§ 22

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ausschließlich in Anspruch nimmt,49 oder die Geburt eines eigenen Kindes. Die Verhinderung eines Vertreters zieht eine solche des Vertretenen nach sich, wenn dieser auf die Wahrnehmung seiner Rechte durch den Vertreter vertrauen durfte und von der Verhinderung nicht rechtzeitig genug Kenntnis erlangte, um anderweitige Vorsorge zu treffen. Finanzielle Bedürftigkeit im Sinne des § 114 ZPO ist, solange dem Beteiligten kein Prozesskostenhilfeanwalt beigeordnet ist, ein Hindernis für die Wahrung der Frist, wenn die Einlegung der Beschwerde dem Anwaltszwang unterliegt und die Protokollform ausgeschlossen ist (§ 29 LwVG) oder die Wahrnehmung der Protokollform dem Beteiligten wegen weiter Entfernung von der zuständigen Geschäftsstelle oder wegen einer Freiheitsbeschränkung oder Anstaltsunterbringung50 nicht möglich ist. Steht die Protokollform oder die einfache Schriftform zur Verfügung, so ist das Un29 vermögen, einen Rechtsanwalt mit der Beschwerdeeinlegung zu beauftragen, kein objektives Hindernis für die Fristwahrung, jedenfalls fehlt es an der Ursächlichkeit für die Fristversäumung. Die Frage, ob der Beteiligte ein Recht darauf hat, dass ihm nach § 14 FGG, 121 ZPO ein Rechtsanwalt beigeordnet werde, ist unabhängig davon, ob er das zur Fristwahrung Erforderliche selbst tun konnte. Das Hindernis muss sich auf die Vornahme der Verfahrenshandlung beziehen, nicht auf deren Begründung. Eine Wiedereinsetzung zwecks Geltendmachung von nach Ablauf der Frist bekannt gewordenen oder erst entstandenen Tatsachen oder Rechtsgründen ist ausgeschlossen.51 Bloße Erschwerungen oder Unbequemlichkeiten sind keine Hindernisse. b) Ursächlichkeit des Hindernisses für die Fristversäumung

30

Zwischen dem Hindernis und der Versäumung der Beschwerdefrist muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.52 Hierbei ist es gleichgültig, ob das Ereignis den Beteiligten an der Vornahme der Verfahrenshandlung gehindert oder zur Vornahme einer falschen Handlung geführt hat. Die Ursächlichkeit eines an sich objektiven Hindernisses entfällt, wenn der Beteiligte oder sein Vertreter die Versäumung durch anderweitige Handlung hätte abwenden können, zB bei plötzlicher Erkrankung des mit der Einlegung der weiteren Beschwerde beauftragten Rechtsanwalts durch Einlegung des Rechtsmittels zum Protokoll der Geschäftsstelle oder durch Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist (§ 26 Abs 2 S 2 LwVG). Andererseits schließt auch ein Verschulden die Wiedereinsetzung nicht aus, wenn es für die Versäumung nicht ursächlich war, wenn also auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Versäumung eingetreten wäre,53 oder wenn zwar eine schuldhafte Säumnis vorliegt, deren Folgen aber durch ein von anderer Stelle zu erwartenden pflichtgemäßes Handeln hätten ausgeschaltet werden können, dieses aber in einer dem Beschwerdeführer nicht zurechenbaren Weise unterblieben ist, zB wenn die Beschwerdeschrift bei einem unzuständigen Gericht eingereicht wird und bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge noch rechtzeitig an das zuständige Gericht hätte weitergeleitet werden können.54 Das für die Rechtsmitteleinlegung unzuständige und auch vorher mit der Sache noch nicht befasste Gericht trifft gegenüber dem Rechtsmittelführer keine generelle Fürsorgepflicht, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen eine Versäumung der Rechtsmittelfrist zu verhindern; unterbleiben derartige Maßnahmen, ist darin kein Wiedereinsetzungsgrund zu sehen.55 49 50 51 52

BayObLGZ 1953, 146. BayObLGZ 1955, 266. OGHZ 2, 236; OLG Hamburg MDR 1950, 619; BFH NJW 1960, 1080. RGZ 73, 55; BGH LM § 233 ZPO Nr 16 = NJW 1952, 425.

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53 54 55

BGH NJW 1963, 253 = ZZP 76, 126. BGH LM § 233 ZPO Nr 42. OLG Zweibrücken NJW 2005, 2258.

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Sofortige Beschwerde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 22

Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber nicht schon darin, dass eine nicht der gesetz- 31 lichen Form entsprechende Beschwerdeschrift so rechtzeitig eingegangen ist, dass auf eine umgehende, aber unterbliebene Belehrung das Rechtsmittel noch frist- und formgerecht hätte eingelegt werden können, da eine Rechtspflicht des Beschwerdegerichts zu dieser Belehrung nicht besteht,56 wenn sie sich auch in der Regel empfehlen und den Gepflogenheiten der Gerichte entsprechen mag, sofern das Rechtsmittel nicht als offensichtlich aussichtslos erscheint. c) Mangel an Verschulden Der Maßstab des verfahrensrechtlichen Verschuldens ist nicht dem objektivierten und 32 typisierten Fahrlässigkeitsbegriff des § 276 Abs 1 Satz 2 BGB gleichzustellen, der die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verlangt und allenfalls Beruf und Lebenskreis des Betroffenen und die Eigenart der Angelegenheit berücksichtigt, nicht aber die individuelle Fähigkeit und die Lage des Betroffenen. Es ist daher zu fordern, dass der Beschwerdeführer nicht die den Umständen nach gebotene und ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Den besonderen Umständen des Falles und den Verhältnissen des Beschwerdeführers ist Rechnung zu tragen. Daher sind an einen rechtlich unerfahrenen Beteiligten geringere Anforderungen zu stellen als an einen Rechtskundigen oder an eine geschäftsgewandte Person. Daraus folgt nicht, dass der Beschwerdeführer sich darauf berufen kann, er sei in seinen Angelegenheiten allgemein nachlässig. Verschulden bedeutet das Außerachtlassen der Sorgfalt, die ein Beteiligte, der sein Verfahren gewissenhaft betreibt, nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbarerweise aufzuwenden fähig und in der Lage ist. Im Verfahren der FG kann ein Antrag eines Berufsbetreuers auf Wiedereinsetzung nicht mit Erfolg damit begründet werden, dass ihm „im Rahmen der Rechtsmittelbelehrung keinerlei Hinweis darauf erteilt worden sei, wo und mit welchen Voraussetzungen die sofortige weitere Beschwerde einzulegen sei“ und ihm unbekannt gewesen sei, dass das Rechtsmittel die anwaltliche Vertretung erfordere.57 Auch die Tatsache, dass das LG die sofortige weitere Beschwerde gem § 56g Abs 5 S 2 FGG zugelassen hat, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Diese Norm besagt lediglich, dass in Verfahren betreffend die Vergütung von Berufsbetreuern die weitere Beschwerde nur statthaft ist, wenn das BeschwGer. sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat.58 Auch für einen nicht am Sitz des Gerichts erster Instanz, des LG oder des OLG wohnhaften, nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten, der trotz Hinweises auf die Formvorschriften für die sofortige weitere Beschwerde weder die Unterschrift eines Rechtsanwalts einholt noch die Rechtsantragsstelle aufsucht, kommt die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist nicht in Betracht.59 d) Verschulden eines Vertreters Das Verschulden eines Vertreters wird durch Abs 2 Satz 2 dem eigenen Verschulden 33 des Beteiligten gleichgestellt. Vertreter sind gesetzliche Vertreter und die als solche geltenden Organe juristischer Personen sowie rechtsgeschäftlich für das Verfahren bestellte Be-

56 57 58

KG OLGZ 1967, 82. OLG Zweibrücken FGPrax 2004, 74 = Rpfleger 2004, 422. OLG Zweibrücken FGPrax 2004, 74 = Rpfleger 2004, 422.

59

BayObLGZ 2004, 98 = NJW-RR 2004, 1531 = FGPrax 2004, 256; KG NJW-RR 2002, 1583 = FGPrax 2002, 245.

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§ 22

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

vollmächtigte von der Annahme des Auftrags bis zur Niederlegung des Mandats. Ihr Verschulden hindert die Wiedereinsetzung, auch wenn den Vertretenen selbst kein Verschulden trifft. Zweck der Vorschrift ist, sicherzustellen, dass ein Beteiligter, der seine Rechtsangelegenheiten durch einen Vertreter führen lässt, so behandelt wird, als hätte er sie selbst geführt. Die Befugnis, einen Vertreter zu bestellen, soll nicht zu einer Abwälzung der sich aus der Möglichkeit fehlerhaften Handelns ergebenden Gefahren auf den Gegner führen. Als Vertreter kann deshalb nur angesehen werden, wer für den Beteiligten in dem Verfahren auftritt oder bestimmenden Einfluss darauf ausübt. Vertreter in diesem Sinne ist außer dem Verfahrensbevollmächtigten und seinen Sozien selbst der Verkehrsanwalt, der Unterbevollmächtigte des Rechtsanwalts, der zur selbstständigen Bearbeitung von Sachen angestellte Rechtsanwalt oder der Urlaubsvertreter,60 der beigeordnete PKH-Anwalt aber erst, wenn der Beteiligte ihm Vollmacht erteilt hat, auch nicht der nach FEVG oder den landesrechtlichen Verwahrungsgesetzen bestellte Verfahrenspfleger. Verfahrensvertreter ist auch der Zustellungsbevollmächtigte, nicht aber der Zustellungsempfänger bei der Ersatzzustellung. Wird dem Verfahrensbevollmächtigten die Sache zur Vorfrist eines beabsichtigten Rechtsmittels vorgelegt, hat er in eigener Verantwortung festzustellen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten wurde. Lässt er die Sache über mehrere (hier: fünf) Arbeitstage ungeprüft liegen und wird dadurch eine Frist versäumt, kann seinem Mandanten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erteilt werden.61 Ein Rechtsanwalt muss zur Einhaltung von Beschwerdefristen in Wohnungseigentumsverfahren die allgemeine Anweisung erteilen, dass zuerst eine Eintragung im Fristenkalender zu erfolgen hat, bevor ein entsprechender Erledigungsvermerk in den Handakten angebracht wird, und die Befolgung dieser Anweisung auch stichprobenartig überprüfen.62 Insbesondere einem bayerischen Rechtsanwalt, der die landesrechtliche Konzentration der Rechtsbeschwerde in WEG-Sachen (beim BayOBLG, jetzt OLG München) kennen muss, muss sich aufdrängen, dass auch andere Bundesländer mit mehreren Oberlandesgerichten von der entsprechenden bundesgesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht haben; jedenfalls ist es sorgfaltswidrig mit der Folge des Versagens der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn schon in allgemein zugänglichen Gesetzessammlungen wie dem Schönfelder oder in einem Standardkommentar zum WEG entsprechende Hinweise gegeben sind.63 Kein Vertreter ist der Hilfsarbeiter des Rechtsanwalts, mag er auch Volljurist (Asses34 sor, Rechtsanwalt) sein und dessen sonstige Angestellten, also das Büropersonal. Keine Vertreter sind Amtspersonen, die in Erfüllung ihrer Amtspflicht für den Beteiligten tätig werden, wie Gerichtsvollzieher und Postbedienstete bei der Zustellung oder der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei der Entgegennahme der Beschwerdeerklärung zu Protokoll oder bei der Übersendung eines nach § 11 FGG aufgenommenen Protokolls an das zuständige Gericht. Auch der Notar ist grundsätzlich nicht Vertreter des Beteiligten, der seine Amtstätigkeit in Anspruch nimmt. Zur Amtstätigkeit des Notars gehört nicht nur die Weiterleitung einer von ihm aufgenommenen Urkunde, sondern auch die Ausübung einer ihm gesetzlich verliehenen Ermächtigung, namens eines Beteiligten eine Eintragung zu beantragen und Beschwerden einzulegen. Aus der Übernahme dieser Tätigkeit erwächst dem Notar die Amtspflicht zu ihrer sorgfältigen, insbesondere auch rechtzeitigen Ausführung. Ein Versehen des Notars bei der Ausführung seiner Amtsgeschäfte kann

60 61 62

BGH NJW 2001, 1575 = MDR 2001, 599. BayObLG WuM 2004, 367. OLG München NJW 2005, 2788 LS = NJW-RR 2005, 1156 = NZM 2005, 631.

792

63

OLG Zweibrücken NJW 2005, 1439 = FGPrax 2005, 118 = MDR 2005, 707; OLG Zweibrücken NJW 2005, 3358.

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§ 22

dem Beteiligten im Rahmen der Wiedereinsetzung nicht zugerechnet werden. Die Erfüllung der Amtspflicht eines Notars kann nach feststehender Rechtsprechung nicht Gegenstand einer vertraglichen Bindung sein, weil der Notar bei der ihm amtlich obliegenden Verrichtung nicht als Beauftragter oder auf Grund eines Dienstvertrages tätig wird, sondern die Inanspruchnahme seiner Tätigkeit durch einen Beteiligten nur der äußere Anlass für sein Tätigwerden ist. Für das Maß der von dem Vertreter anzuwendenden Sorgfalt gelten dieselben Grundsätze wie für den Vertretenen selbst. Ein Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts wird in der Regel nicht entschuldbar sein,64 35 allenfalls unter besonderen Umständen, etwa wenn der Irrtum gerade von dem zur Entscheidung der Sache berufenen Gericht herbeigeführt worden ist. Verschulden eines Büroangestellten hat der Rechtsanwalt (und damit auch der von ihm Vertretene) nicht wie eigenes zu vertreten, sofern das Versagen nicht auf einen Organisationsfehler zurückzuführen ist, er also durch Einrichtungen, Belehrung und Überwachung das Erforderliche getan hat, um Versehen auszuschließen. Die Berechnung häufig vorkommender üblicher Fristen, die keine rechtlichen Schwierigkeiten macht, darf der Rechtsanwalt seinem ausgebildeten und überwachten Büropersonal überlassen. Bei eigener Verhinderung muss der Rechtsanwalt die Erledigung wichtiger Geschäfte durch einen Vertreter sicherstellen, sofern er nicht durch plötzliche Erkrankung daran gehindert wird. e) Einzelfragen Über die Frage, ob eine Fristversäumnis unverschuldet ist, entscheiden regelmäßig die 36 besonderen Umstände des Einzelfalls. Nicht entschuldbar ist in der Regel die Versäumung aus Vergesslichkeit, wegen Überlastung mit anderen Geschäften oder wegen voraussehbarer Abwesenheit oder Erkrankung. Bei längerer Abwesenheit muss, wenn kein Vertreter bestellt wird, dafür Sorge getragen sein, dass Zustellungen und Mitteilungen, die Fristen in Lauf setzen, dem Empfänger zur Kenntnis gelangen. Grundsätzlich darf eine Partei mit der Einlegung befristeter Rechtsmittel bis zum letzten Tage der Frist warten. Sie hat dann aber besondere Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Rechtsmittelschrift noch vor dem Ablauf der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Auf einen normalen Gang des Postverkehrs dürfen sich die Beteiligten verlassen. Die Möglichkeit außergewöhnlicher Verzögerungen braucht nicht in Rechnung gestellt zu werden. Fehlen eines bei größeren Gerichten üblichen Nachtbriefkastens ist ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn dem Beteiligten das Fehlen nicht bekannt war. Eine bedürftige Partei darf das Prozesskostenhilfegesuch für das Rechtsmittelverfahren noch am letzten Tage der Rechtsmittelfrist einreichen. Auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist bis dahin vorzulegen oder es ist innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist darzulegen, dass die Partei dazu unverschuldet nicht in der Lage war. Rechtsirrtum und Rechtsunkenntnis sind ein Wiedereinsetzungsgrund nur, wenn sie unverschuldet sind. In der Regel ist mangelnde Vertrautheit mit den Vorschriften über Form und Frist der Rechtsmittel nicht unverschuldet. Denn grundsätzlich ist jeder, der ein Rechtsmittel einlegen will, für die Einhaltung der Förmlichkeiten selbst verantwortlich und, wenn sie ihm nicht geläufig sind, gehalten, sich zu erkundigen. Nur ausnahmsweise kann Rechtsunkenntnis die Fristversäumung entschuldigen, 37 wenn außergewöhnliche Hindernisse den Beschwerdeführer davon abgehalten haben, sich zu erkundigen, oder wenn ihm von einer Stelle, die er für maßgeblich halten durfte, eine falsche oder unvollständige Belehrung erteilt oder wenn eine gesetzlich vorgeschrie-

64

BGH NJW 2001, 1575 = MDR 2001, 599.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

bene Rechtsmittelbelehrung nicht erteilt worden ist und die Nichteinholung einer anderweitigen Belehrung unverschuldet erscheint. Daher ist auch das Unterbleiben einer nicht gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung kein Wiedereinsetzungsgrund. Soweit sich ein (ungeschriebener) Zwang zur Rechtsmittelbelehrung aus der Verfassung ergibt, kann eine unterbliebene Rechtsmittelbelehrung zumindest bei rechtskundigen Personen, ausnahmsweise einen Wiedereinsetzungsgrund bilden.65 Bei Eingang einer nicht formgerechten Beschwerdeschrift besteht keine Rechtspflicht des Gerichts zur Belehrung, auch wenn der Mangel noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist behoben werden könnte. Das Unterbleiben der Belehrung ist daher auch kein Wiedereinsetzungsgrund. Der Umstand, dass solche Belehrungen üblicherweise erteilt werden, wenn das Rechtsmittel nicht offensichtlich aussichtslos ist, gibt den Beteiligten keinen Anspruch darauf, aus dem Unterbleiben einen Wiedereinsetzungsgrund herzuleiten. Ein Wiedereinsetzungsgrund ist regelmäßig gegeben, wenn der Beteiligte sich ohne eigenes Verschulden auf eine der Sachlage nicht entsprechende amtliche Behandlung seiner Rechtsangelegenheit verlassen hat, oder wenn von ihm nicht zu vertretende Behinderungen oder Verzögerungen bei der fristgemäßen Vornahme der Verfahrenshandlung auf fehlerhafter Behandlung durch amtliche Stellen beruhen. Das kann auch der Fall sein, wenn zB die Geschäftsstelle telefonisch eine falsche Auskunft über die Förmlichkeiten der Beschwerdeeinlegung erteilt. 3. Wiedereinsetzungsverfahren a) Antrag

38

Die Wiedereinsetzung erfordert einen Antrag des Beschwerdeführers. Für den Antrag als solchen bestehen keine Formvorschriften.66 Er kann auch in den Fällen der sofortigen weiteren Beschwerde schriftlich ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes (§ 29 Abs 1 S 2) gestellt werden. Eine Ausnahme besteht für die Rechtsbeschwerde im Landwirtschaftsverfahren, die sich an den BGH richtet (§§ 26 Abs 5, 29 LwVG). Die Frist des Abs 2 S 1 gilt nicht nur für die Nachholung der Beschwerdeeinlegung, sondern auch für den Antrag. Es genügt, dass der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb dieser Frist bei einem der in den §§ 21 Abs 2, 29 Abs 1 S 1, 199 Abs 1 FGG bezeichneten Gericht eingeht, bei dem das Rechtsmittel eingelegt werden kann, oder dort zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt wird. Der Antrag ist auch noch nach Verwerfung der Beschwerde zulässig. Die Rechtsmitteleinlegung muss, sofern nicht schon geschehen, innerhalb derselben Frist in der gesetzlichen Form nachgeholt werden. Sie braucht mit dem Antrag nicht notwendig verbunden zu sein. Der Wille des Antragstellers, dass der durch die Fristversäumnis eingetretene Nachteil beseitigt und das Rechtsmittelverfahren durchgeführt werde, braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden. Er kann sich auch aus dem Inhalt der Beschwerdebegründung ergeben.67 Das ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Beschwerdeführer das Rechtsmittel für rechtzeitig eingelegt hielt oder sich über die Notwendigkeit der Fristwahrung keine Gedanken gemacht hat. Es besteht keine Rechtspflicht des Gerichts, den Beschwerdeführer oder seinen Verfahrensbevollmächtigten auf die Notwendigkeit der Wiedereinsetzung hinzuweisen.68 Wenn aber das Gericht erkennt, dass ein Rechtsmittel wegen Fristversäumnis unzulässig und dem Beschwerdeführer diese Tatsache ersichtlich nicht bekannt ist, ist es regelmäßig unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs

65 66 67

BGH NJW 2002, 2171 = NZM 2002, 619. BayObLGZ 1951, 353. RGZ 169, 199; BayObLGZ 1955, 321; OLG Hamm Rpfleger 1952, 83.

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68

BGH VersR 1965, 981; Jansen Wandlungen im Verfahren der FG, 1964 S 24 Fn 56.

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§ 22

geboten, vor der Verwerfung des Rechtsmittels den Beschwerdeführer auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels hinzuweisen, zumal die für den Fristenlauf maßgebenden Tatsachen aufklärungsbedürftig sein können und Irrtümer des Gerichts hierbei nicht ausgeschlossen sind. Da die Mitteilung über den verspäteten Eingang der Beschwerdeschrift die Wiedereinsetzungsfrist in Lauf setzt, wird sie zweckmäßig förmlich zugestellt. b) Wiedereinsetzungsfrist Die Frist, innerhalb deren die Wiedereinsetzung zu beantragen ist, beträgt zwei 39 Wochen, auch wenn die Rechtsmittelfrist abweichend von § 22 Abs 1 länger ist. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in welchem das der Fristwahrung entgegenstehende Hindernis tatsächlich zu bestehen aufgehört hat oder sein Weiterbestehen nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann.69 Die Frist beginnt insbesondere, sobald der Beschwerdeführer oder sein Vertreter von der Versäumung der Beschwerdefrist Kenntnis erlangt oder dies bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt hätte erkennen müssen,70 zB bei erneuter Befassung mit der Sache, wenn die Rechtsmittelfrist wegen mangelnder Fristnotierung versäumt ist.71 Bestand in den Fällen des Anwaltszwanges das Hindernis in der noch ausstehenden Bewilligung der Prozesshilfe, so ist es bei dessen Bewilligung mit Mitteilung dieses Beschlusses an den Beteiligten (nicht an den Prozesskostenhilfeanwalt) oder an den für das Prozesskostenhilfeverfahren bestellten Vertreter behoben. Bei Versagung der Prozesskostenhilfe beginnt die Frist erst nach Ablauf einer kurzen Überlegungsfrist (zwei Tage).72 Durch ein erneutes vergebliches Prozesskostenhilfegesuch wird die Frist nicht gehemmt. Für die Berechnung der Frist sind § 17 FGG, §§ 187 Abs 1, 188 Abs 2 BGB maßgebend. Sie kann nicht durch das Gericht oder Vereinbarung der Beteiligten verlängert oder verkürzt werden. Gegen die Versäumung dieser Frist gibt es keine Wiedereinsetzung.73 Nur der Partei, die nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Wiedereinsetzungsfrist versäumt hat, kann gegen deren Versäumung Wiedereinsetzung gewährt werden.74 c) Ausschlussfrist Die Jahresfrist läuft unabhängig von der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist als 40 absolute Grenze für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages, auch wenn das Hindernis noch fortbesteht. Einer Entscheidung über den rechtzeitig gestellten Antrag steht der Ablauf der Frist nicht entgegen. Die Frist kann nicht verlängert werden. Gegen ihre Versäumung gibt es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.75 Wird ferner nach einem verspäteten Prozesskostenhilfegesuch die Wiedereinsetzungsfrist gewahrt, wird es als genügend angesehen werden müssen, wenn das Prozesskostenhilfegesuch innerhalb der Jahresfrist angebracht war.76 d) Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe Ob die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung vorliegen, unterliegt der Amtsprüfung 41 des Gerichts. Insoweit gilt aber nicht der Amtsermittlungsgrundsatz, sondern der Bei69 70 71 72 73

BGHZ 4, 396 = NJW 1952, 469. BGH VersR 1964, 1250. BGH VersR 1964, 1198. BGH LM § 233 ZPO Nr 24; BGH VersR 1961, 325. BGHZ 7, 194; BGH VersR 1964, 1250 zu

74 75 76

§ 22 Abs 2 FGG; BGH VersR 1965, 760 zu § 234 ZPO; BayObLGZ 1953, 105. BVerfGE 22, 83 = NJW 1967, 1267. BGH VersR 1964, 1306 zu § 234 ZPO. OLG Braunschweig NJW 1962, 1823.

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§ 22

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

bringungsgrundsatz. Es ist Sache der Beteiligten oder des Bevollmächtigten, den Sachverhalt aufzuklären. Es sind die Umstände darzulegen, aus denen sich das unverschuldete Hindernis, seine Ursächlichkeit für das Unterbleiben der rechtzeitigen Rechtsmitteleinlegung und der Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses ergibt. Bezugnahme auf Auskünfte dritter Personen oder von Behörden, die das Gericht erst einholen muss, genügt nicht. Der Antragsteller muss die Auskünfte selbst beschaffen und dem Gericht vorlegen.77 Erforderlichenfalls hat das Gericht durch Zwischenverfügung auf eine Ergänzung hinzuwirken. Tatsachen, die offenkundig oder aktenkundig sind, muss das Gericht auch ohne besonderen Hinweis berücksichtigen.78 Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen und die Mittel zu ihrer Glaubhaftmachung können auch noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist angegeben und vorgelegt werden.79 Die Gründe dürfen aber nicht erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist entstanden oder dem Antragsteller bekannt geworden sein. e) Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag

42

Über den Antrag entscheidet das zur Entscheidung über das versäumte Rechtsmittel berufene Gericht. Die Anhörung des Gegners ist geboten (Art 103 Abs 1 GG). War das Rechtsmittel bereits wegen der Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig verworfen worden, so wird die Entscheidung, ohne dass es einer förmlichen Aufhebung bedarf, mit der Gewährung der Wiedereinsetzung hinfällig. Die Entscheidung ergeht entweder durch einen besonderen Beschluss oder in Verbindung mit der Entscheidung über die Beschwerde. Im letztgenannten Fall ist ein besonderer Ausspruch im Beschlusstenor nicht erforderlich. Es genügt die Erörterung der Wiedereinsetzung in den Gründen. Ergeht die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag durch gesonderten Beschluss, so ist das Beschwerdegericht zu einer Änderung dieser Entscheidung, die der Anfechtung durch die sofortige weitere Beschwerde unterliegt, nicht befugt (§§ 18 Abs 2, 29 Abs 3)80 und bei der Entscheidung über die sofortige Beschwerde daran gebunden. Wird die Entscheidung nicht angefochten, ist sie für das weitere Verfahren bindend.81 Das Gericht der weiteren Beschwerde ist nicht gehindert, seine Entscheidung über die Zurückweisung eines bei ihm gestellten Wiedereinsetzungsantrages, gegen die ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, auf Gegenvorstellungen zu ändern.82 Hält das OLG (KG) den Wiedereinsetzungsantrag für begründet, will es aber die weitere Beschwerde wegen der Sachentscheidung gemäß § 28 Abs 2 FGG dem BGH vorlegen, so muss es sich auch einer Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag enthalten, da der BGH über die weitere Beschwerde insgesamt, also auch über ihre Zulässigkeit, befindet. Die Gewährung der Wiedereinsetzung durch das OLG wäre also für den BGH nicht verbindlich. f) Rechtsmittel

43

Gegen die stattgebende oder ablehnende gesonderte Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Wiedereinsetzung findet die sofortige weitere Beschwerde innerhalb der für das Rechtsmittel in der Hauptsache geltenden Beschwerdefrist statt. Ungeachtet dessen, dass das Beschwerdegericht erstmalig über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden hat, ist das Rechtsmittel nach der Systematik des Gesetzes eine sofortige weitere Be-

77 78 79

BGH NJW 1958, 712 = JZ 1958, 441 zu § 236 ZPO. RGZ 131, 261; RGZ 169, 200. BGH NJW 1962, 202.

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80 81 82

BayObLGZ 1951, 342. BGHZ 47, 289. BayObLGZ 1951, 353.

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schwerde, weil sie in die dritte Instanz führt. Wird über den Wiedereinsetzungsantrag und die sofortige Beschwerde in der Hauptsache gemeinsam entschieden, so unterliegt auf die nach § 27 FGG eingelegte sofortige weitere Beschwerde die Wiedereinsetzung ebenfalls der Nachprüfung im dritten Rechtszuge, und zwar in beiden Fällen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, ohne dass das Rechtsbeschwerdegericht an die Feststellungen und die tatsächliche Würdigung durch die Vorinstanz gebunden ist, da es sich nämlich um die Zulässigkeit der ersten Beschwerde handelt, die von Amts wegen zu prüfen ist. Hat das Beschwerdegericht einen Wiedereinsetzungsantrag versehentlich übergangen, so kann das Rechtsbeschwerdegericht nach seinem Ermessen entweder im Rahmen der auch ihm zustehenden Prüfung der Zulässigkeit der ersten Beschwerde über das Gesuch selbst entscheiden oder die Sache zurückverweisen. Beschwerdeberechtigt ist im Fall der Ablehnung nur der Antragsteller (§ 20 Abs 2), im Fall der Bewilligung der dadurch beeinträchtigte Beteiligte. Die Anfechtung der Entscheidung über die Wiedereinsetzung ist ausgeschlossen, wenn gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde kein Rechtsmittel gegeben wäre. Im Landwirtschaftsverfahren ist die Entscheidung des OLG über die Wiedereinsetzung nach § 24 Abs 3 LwVG nicht selbstständig, sondern nur zusammen mit der Endentscheidung anfechtbar,83 sie ist jedoch im Rechtsbeschwerdeverfahren unter dem Gesichtspunkt der Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde nachprüfbar.84 4. Erweiterter Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 Wiedereinsetzung nach Maßgabe des § 22 Abs 2 ist zu gewähren bei Versäumung der 44 Beschwerdefrist nach § 89 Abs 1 GBO,85 in Verschollenheitssachen und bei Anträgen auf gerichtliche Entscheidung nach der BRAGO;86 dasselbe gilt für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 111 Abs 2 BNotO. Im Genehmigungsverfahren nach dem GrdstVG gilt § 22 Abs 2 sinngemäß für den Antrag auf Entscheidung durch das Landwirtschaftsgericht (§ 22 Abs 2 GrdstVG), das muss auch für die Antragsfrist nach § 7 Abs 2 LPachtVG gelten. Für die Anfechtung von Justizverwaltungsakten durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das OLG ist die Wiedereinsetzung in § 26 Abs 2 EGGVG besonders geregelt. In den Fällen der sofortigen Beschwerde nach der ZPO richtet sich die Wiedereinsetzung nach §§ 233 ZPO. Weitere Fälle der Wiedereinsetzung sind geregelt in FGG §§ 92, 93, 137, 140, 159; BGB BGB § 1996. Auch auf die eigentlich materiellrechtliche Ausschlussfrist des § 23 Abs 4 WEG wird aus Gründen der vergleichbaren Interessenlage § 22 Abs 2 FGG entsprechend angewendet.87 5. Ausschluss der Wiedereinsetzung Auf vorprozessuale Ausschlussfristen sind die Vorschriften über die Wiedereinsetzung 45 nicht anwendbar.88 Auf die materiellrechtliche Ausschlussfrist des § 23 Abs 4 WEG wird jedoch § 22 Abs 2 FGG entsprechend angewendet.89 Abgelehnt wird die Anwendung dagegen auf den verspäteten Widerruf eines Prozessvergleichs,90 weil es sich hier nicht um 83 84 85 86 87 88

BGH LM Nr 5 zu LwVG § 24. BGH aaO KG JFG 16, 322 = JW 38, 124; aA Demharter Rn 3, KEHE Rn 2 mit Fn 1. BGH NJW 1964, 2109 = DNotZ 1964, 701. BGHZ 54, 65 = NJW 1970, 1316 = MDR 1970, 753; aA Assmann ZWE 2001, 294. BGHZ 18, 122; BGHZ 33, 360.

89 90

BGHZ 54, 65 = NJW 1970, 1316 = MDR 1970, 753; aA Assmann ZWE 2001, 294 ff. BGHZ 61, 394 = MDR 1974, 220; BGH NJW 1995, 521 = MDR 1995, 314; aA Säcker NJW 1968, 708 in Anm zu OLG Düsseldorf NJW 1968, 111; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl, § 233 Rn 17.

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§ 22

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

eine gesetzliche Notfrist handelt. § 30b BRüG stellt für die Beschreibung entzogener Gegenstände eine Ausschlussfrist von einem Verschulden des Anspruchstellers auf und lässt eine Wiedereinsetzung nicht zu. Die Vorschrift ist nicht verfassungswidrig.91 6. Abweichende Regelungen

46

Nach § 595 Abs 6 BGB kann das Landwirtschaftsgericht eine Verlängerung des Pachtverhältnisses anordnen, wenn der Pächter den Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb bestimmter Fristen gestellt hat (§ 595 Abs 7 S 1 BGB). Diesen Antrag kann das Landwirtschaftsgericht gemäß § 595 Abs 7 S 2 BGB nachträgliche zulassen, wenn es zur Vermeidung einer unbilligen Härte geboten erscheint und der Pachtvertrag noch nicht abgelaufen ist. Die unbillige Härte setzt voraus, dass die Fristversäumnis unverschuldet ist.92 7. Befristete Erinnerung gegen Entscheidungen des Rechtspflegers

47

Ist gegen die Entscheidung des Rechtspflegers nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben, findet binnen der für die sofortige Beschwerde Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung statt (§ 11 Abs 2 RPflG). Im Falle der Versäumung der Erinnerungsfrist ist die Wiedereinsetzung nach § 22 Abs 2 FGG möglich. Denn auf die befristete Erinnerung finden die Vorschriften über die Beschwerde sinngemäß Anwendung (§ 11 Abs 2 S 4 RPflG).

V. Nichtgerichtliche Behörden 48

Sind bundesrechtliche Angelegenheiten nach Landesgesetzen anderen als gerichtlichen Behörden übertragen, so ist § 22 anwendbar (§ 194 Abs 1). Im Fall des § 195 ist das AG innerhalb der Frist des § 22 Abs 1 anzurufen. Gegen die Versäumung dieser Frist findet die Wiedereinsetzung statt.

VI. Familiensachen der FG (GVG § 23b Abs 1 Nr 2 ff; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64): 1. Anwendung der §§ 233 ff ZPO

49

In isolierten Familiensachen der FG und in Folgesachen beträgt die Beschwerdefrist bei Endentscheidungen einen Monat seit Zustellung (§§ 621e Abs 3, 629a Abs 2 ZPO).93 Auf die Wiedereinsetzung sind §§ 233 ff ZPO anwendbar. Das gilt auch bei Beschlüssen nach §§ 620, 620b ZPO (einstweilige Anordnungen), bei denen die Beschwerdefrist zwei Wochen beträgt und Begründungszwang besteht. Gegen einstweilige Anordnungen nach § 6 Abs 2 SorgeRÜbkAG gibt es kein Rechtsmittel.

91 92

BGH NJW-RR 1992, 1334 = LM H. 4/1993 § 30b BRüG Nr 1. OLG Celle NdsRpfl 1960, 129; 1963, 29.

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93

Vgl auch BGH NJW 2006, 2122 für PKHEntscheidungen.

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§ 23

Neues Vorbringen

2. Anwendung des § 22 Abs 2 FGG § 22 FGG gilt für Familiensachen nach § 23b Abs 1 S 2 Nr 11 GVG iVm § 8 Abs 2 50 SorgeRÜbkAG vom 5.4.1990, für isolierte Kostenentscheidungen nach § 20a Abs 2 und für Erinnerungen gegen Entscheidungen des Rechtspflegers. Zur weiteren Beschwerde an den BGH vgl Anm zu § 64. 3. Endentscheidungen des Rechtspflegers Soweit dem Rechtspfleger Endentscheidungen in Familiensachen übertragen sind, gilt 51 für Rechtsmittel § 11 RpflG und damit auch § 22 FGG. 4. Anschlussbeschwerde in Familiensachen Zur Anschlussbeschwerde in Familiensache, insbesondere deren Einschränkungen in 52 Versorgungsausgleichsverfahren, vgl Anm zu § 64 Rn 194 ff.

VII. Reformvorhaben Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen 53 und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 67 als Regelfall die binnen einer Notfrist von einem Monat einzulegende sofortige Beschwerde. Die Regelungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind in §§ 24 bis 26 ohne wesentliche Veränderungen enthalten. Ein fehlendes Verschulden an der Fristwahrung wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 39 unterblieben oder fehlerhaft erteilt worden ist.

§ 23 Neues Vorbringen Die Beschwerde kann auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden.

Literatur Schneider, Egon Rechtliches Gehör, MDR 1990, 596; Unger Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Bd ZZP 39 (1910), 1 ff; Waldner Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 1989.

Übersicht Rdn I. Tatsachenbeschwerde . . . . . . . . II. Form und Zeit der Einführung neuer Tatsachen und Beweise . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . 2. Verhandlungsschluss . . . . . . . III. Anträge im Beschwerdeverfahren . . IV. Identität des Verfahrensgegenstandes V. Rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

1

. . . . .

3 3 7 9 11

. .

17

Rdn VI. Prüfung und Würdigung durch das Beschwerdegericht . . . . . . . . . VII. Beschränkung der Beschwerdegründe VIII. Abhilferecht . . . . . . . . . . . . IX. Geltung für das Oberlandesgericht . X. Rechtspflegersachen . . . . . . . . XI. Familiensachen . . . . . . . . . . . XII. Reformvorhaben . . . . . . . . . .

Lothar Briesemeister

. . . . . . . . . . . . .

22 29 30 31 32 33 34

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§ 23

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

I. Tatsachenbeschwerde 1

Die Vorschrift bringt in Übereinstimmung mit § 571 Abs 2 ZPO und § 74 GBO zum Ausdruck, dass die erste Beschwerde eine Tatsachenbeschwerde und das Beschwerdegericht Tatsachengericht (im Gegensatz zum Revisionsgericht) ist. Das der Rechtfertigung der Beschwerde dienende Vorbringen des Beschwerdeführers und die vom Beschwerdegericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Begründetheit des Rechtsmittels unterliegen daher grundsätzlich keinen Beschränkungen. Der Beschwerdeführer kann unrichtige tatsächliche Würdigung des Sachverhalts oder unrichtige Beurteilung der festgestellten Tatsachen oder Verletzung von Verfahrensvorschriften, zB über die örtliche Zuständigkeit1 oder durch unvollständige oder mangelnde Sachaufklärung (§ 12) rügen. 2 In allen Fällen kann der Beschwerdeführer neue Tatsachen und Beweise vorbringen, unbeschadet seines Rechts, geltend zu machen, dass schon im ersten Rechtszuge vorgebrachte Tatsachen nicht berücksichtigt oder nicht festgestellt oder angebotene oder sich nach der Sachlage aufdrängende Beweise nicht erhoben worden seien. Tatsachen sind neu, wenn sie im ersten Rechtszuge von den Beteiligten nicht vorgebracht und auch sonst dem Gericht nicht bekannt geworden oder von Amts wegen ermittelt worden sind. Beweise sind neu, wenn sie im ersten Rechtszuge von den Beteiligten nicht vorgelegt oder angeboten und von dem Gericht auch nicht von Amts wegen herangezogen worden sind. Unerheblich ist es, ob der Beschwerdeführer in der Lage gewesen wäre, die Tatsachen und Beweise schon in erster Instanz geltend zu machen. Eine Zurückweisung neuen Vorbringens wegen Verspätung findet nicht statt.2 Unter neuen Tatsachen sind sowohl solche zu verstehen, welche zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bereits bestanden haben, als auch solche, die erst ach deren Erlass eingetreten sind.3 Hieraus kann sich ergeben, dass eine Verfügung, die zur Zeit ihres Erlasses gerechtfertigt war, auf Beschwerde aufzuheben ist, wenn die Voraussetzungen zur Zeit des Erlasses der Beschwerdeentscheidung infolge des Eintritts neuer Tatsachen nicht mehr vorliegen, oder dass eine zur Zeit des Erlasses unbegründete Verfügung durch den nachträglichen Eintritt neuer Tatsachen gerechtfertigt wird mit der Folge, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist. § 23 ist in allen Angelegenheiten der FG anzuwenden und gilt auch in Prozesskostenhilfesachen. Für die Beschwerde ist weder ein Antrag noch eine Begründung vorgeschrieben.4 Im Zweifel ist eine volle Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung vorzunehmen.

II. Form und Zeit der Einführung neuer Tatsachen und Beweise 1. Grundsatz

3

Da die Beschwerde einer Begründung nicht bedarf, weil eine solche nirgends vorgeschrieben ist, können neue Tatsachen und Beweise auch noch nach Einlegung der Beschwerde während der ganzen Dauer des Beschwerdeverfahrens geltend gemacht werden. Auch bei der sofortigen Beschwerde ist neues Vorbringen nicht an die Einhaltung der Beschwerdefrist gebunden. Die Form des § 21 braucht bei der Nachbringung neuen Vorbringens nicht eingehalten zu werden. Ist die Beschwerde ohne oder aber mit ersichtlich

1 2

Entsprechende Anwendung von § 571 Abs 1 S 2 ZPO ist fraglich. Unger ZZP 39, 55; Baur § 29 C I 1.

800

3 4

KGJ 51, 57; 52, 120; Unger ZZP 39, 55; Habscheid FGG 7. Aufl, § 34 II 2. KG NJW 1955, 229.

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Neues Vorbringen

§ 23

abschließend gemeinter Begründung eingelegt worden, so ist das Beschwerdegericht befugt zu entscheiden, sobald es die Sache für entscheidungsreif erachtet, sofern es sich nicht veranlasst sieht, von Amts wegen weitere Ermittlungen anzustellen. Hat der Beschwerdeführer bei der Einlegung der Beschwerde die Nachbringung einer 4 Begründung in Aussicht gestellt oder sich vorbehalten, so ist das rechtliche Gehör (Art 103 Abs 1 GG) ihm gegenüber auch dann, wenn das Gericht ihm keine Frist zur Begründung gesetzt hat, gewahrt, wenn der Beschwerdeführer während angemessener Zeit Gelegenheit zur Äußerung gehabt hat, auch wenn er davon keinen Gebrauch gemacht hat.5 Eine Frist von drei Wochen bis zu einem Monat erscheint angemessen, selbst wenn der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer jederzeit eine Verlängerung der Begründungsfrist anregen kann, wenn er ausreichende Gründe hierfür vorträgt. Empfehlenswert ist es, wenn das Gericht eine Frist zur (erstmaligen oder weiteren) Begründung setzt, um die Beteiligten nicht im Unklaren darüber zu lassen, dass das Gericht nach Fristablauf auch ohne eine von den Beteiligten angekündigte oder vorbehaltene Begründung entscheiden werde.6 Hat das Gericht eine Frist zur Begründung gesetzt, so darf es nicht vor Fristablauf 5 entscheiden, selbst wenn ihm die Sache entscheidungsreif erscheint.7 Die Frist hat in keinem Falle die Bedeutung einer Ausschlussfrist. Auch nach ihrem Ablauf eingegangenes Vorbringen muss bei der Entscheidung noch berücksichtigt werden. Letzter Zeitpunkt für die Berücksichtigung des Vorbringens Beteiligter ist die Beendigung des Beschwerderechtszuges. Diese tritt nicht schon mit der Beschlussfassung oder der schriftlichen Niederlegung der Entscheidung, sondern erst mit dem Erlass der Beschwerdeentscheidung ein, nämlich dadurch, dass die Geschäftsstelle für die Bewirkung der Zustellung durch Aushändigung der zu übergebenden Ausfertigung an die Post Sorge trägt (Verlautbarungsbeginn).8 Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es nicht an. Es genügt objektiv, dass der Schriftsatz vor dem Erlass der Entscheidung, also vor deren Hinausgabe in den Bereich des Gerichts gelangt ist, mag er auch den entscheidenden Richtern von der Geschäftsstelle nicht mehr vorgelegt worden und deshalb unbekannt geblieben sein. Geht also vor Hinausgabe der Entscheidung an die Post noch ein Schriftsatz eines Beteiligten bei Gericht ein, ist der Zustellungsvorgang zu unterbrechen, der Schriftsatz den Richtern vorzulegen und deren Entschließung abzuwarten. Liegt rechtserhebliches neues Vorbringen vor dem maßgeblichen Zeitpunkt vor, das 6 eine andere Beurteilung oder auch nur weitere Ermittlungen erfordert, stellt die Nichtberücksichtigung einen Verfahrensfehler dar, der auf weitere Beschwerde hin zur Zurückweisung der Sache an das Gericht der ersten Beschwerde führt. Aus Gründen der Waffengleichheit hat auch der Beschwerdegegner die sich aus § 23 ergebenden Befugnis.9 Er kann also zur Verteidigung einer bis dahin möglicherweise unbegründeten Verfügung neue Tatsachen und Beweise vorbringen. Schließlich kann das Beschwerdegericht selbst auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12) neue Tatsachen unabhängig von dem Vorbringen der Beteiligten in das Beschwerdeverfahren einführen.

5

6

BVerGE 4, 190; 17, 191; zuletzt BGH NJW-RR 2000, 1207 = GRUR 2000, 597 = LM Nr 39 zu § 100 PatG. Jansen Wandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1964, S 22.

7 8 9

BVerfGE 12, 110, 113. BVerfGE 62, 353; 63, 86. Habscheid FGG 7. Aufl, § 34 III.

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2. Verhandlungsschluss

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Einen „Verhandlungsschluss“ wie im Zivilprozess gibt es in dem schriftlichen Verfahren der FG nicht. Nach § 296a ZPO können dort Angriffs- und Verteidigungsmittel nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, nicht mehr vorgebracht werden; nach § 156 ZPO bleibt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes allenfalls die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung möglich. Nach § 128 Abs 2 und 3 ZPO hat das Prozessgericht im schriftlichen Verfahren durch Beschluss den Zeitpunkt zu stimmen, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Auch soweit in dem Verfahren der FG eine mündliche Verhandlung geboten ist, hat diese aber nur den Charakter einer Station im Prozess der Wahrheits- und Rechtsfindung, stellt aber nicht eine Zäsur für die Berücksichtigung weiteren Vorbringens der Beteiligten dar. Vielmehr setzt sich der Rechtszug anschließend wieder in einem schriftlichen Verfahren fort. Auch eine entsprechende Anwendung etwa von § 128 Abs 2 und 3 ZPO ist nicht zu8 lässig, weil das Abschneiden weiteren Vortrags eine Begrenzung des rechtlichen Gehörs bedeutet, die verfahrensrechtlich nur durch gesetzliche Bestimmung angeordnet werden kann. Die nächste Analogie zu § 23 FGG ist für das Beschlussverfahren § 571 Abs 2 S 1 ZPO mit einem ähnlichen Wortlaut. Für den dem § 571 ZPO nF entsprechenden § 570 ZPO aF ist aber bereits vom BVerfG mehrfach entschieden worden, dass jedes auch sehr späte Vorbringen bis zur Hinausgabe der Beschwerdeentscheidung durch die Geschäftsstelle zu berücksichtigen ist.10 Zeitlich können deshalb die neuen Tatsachen und Beweismittel von den Beteiligten solange vorgebracht werden, wie das Verfahren beim Beschwerdegericht anhängig ist. Diesem Grundsatz unterstehen auch die echten Streitsachen, auf die sonst weitgehend die Vorschriften der ZPO anzuwenden sind. Eine Grenze mag allenfalls bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch (Verfahrensverschleppung) gezogen werden können. Die in der Vorauflage von Jansen vertretene Meinung,11 durch besonderen, den Beteiligten bekannt zu machenden Beschluss könne entsprechend § 136 Abs 4 ZPO der Verhandlungsschluss ausdrücklich erklärt werden, kann deshalb nicht aufrecht erhalten werden.

III. Anträge im Beschwerdeverfahren 9

Ein bestimmter Antrag braucht im Beschwerdeverfahren nicht gestellt zu werden. Im Amtsverfahren wird der Verfahrensgegenstand des ersten Rechtszuges durch die Beschwerde in vollem Umfange der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht unterstellt. Nach der für das Beschwerdeverfahren ebenso wie für das Antragsverfahren geltenden Dispositionsmaxime kann der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegenüber dem ersten Rechtszuge nur insoweit begrenzt werden, als die erste Entscheidung sich auf einen teilbaren oder mehrere selbstständige Verfahrensgegenstände bezieht. Im Umfang der Anfechtung ist das Beschwerdegericht im Amtsverfahren an Anträge des Beschwerdeführers nicht gebunden.12 Es tritt durch die Beschwerde vollständig an die Stelle des Gerichts erster Instanz und steht der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit mit den gleichen Befugnissen wie dieses gegenüber. Es hat diejenige Entscheidung zu treffen, die

10

BVerfGE 60, 7 = NJW 1982, 1635 = MDR 1982, 545; BVerfGE 62, 353; 63, 86; eingehend Schneider MDR 1990, 596; Waldner Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 1989.

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FGG 2. Aufl, Rn 2a. BGHZ 92, 5 = NJW 1984, 2879 = FamRZ 1984, 990; Habscheid § 34 III 2; aM Baur § 29 C I 4.

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Neues Vorbringen

§ 23

es nach der zur Zeit des Erlasses seiner Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage für geboten erachtet. Wird ein Ausländer von der Ausländerbehörde vorläufig festgenommen, um ihn anschließend dem Haftrichter zwecks Anordnung von Sicherungshaft vorzuführen, kann der Antrag gem § 13 Abs 2 FEVG auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung durch die Behörde mit der sofortigen Beschwerde gegen den Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts verbunden werden. Das Beschwerdegericht kann seinerseits auch über den Feststellungsantrag entscheiden und braucht die Sache diesbezüglich nicht zunächst an das Amtsgericht zurückzugeben.13 Ein solches Ergebnis ist weder mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes noch mit dem Grundsatz der Verfahrenswirtschaftlichkeit vereinbar, vielmehr legt der Betroffene durch seinen Antrag fest, inwieweit er die Rechtmäßigkeit nachgeprüft haben will.14 In dritter Instanz setzt die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde voraus, dass die Hauptsachenerledigung und die maßgeblichen Tatsachen nach Aktenlage festgestellt werden können.15 Soweit nach der Art der angefochtenen Entscheidung deren bereits eingetretene Wir- 10 kungen durch eine bloße Aufhebung nicht beseitigt werden können, hat das Beschwerdegericht, ohne dass dazu ein Antrag erforderlich wäre und ohne durch einen Antrag unzulässigen Inhalts daran gehindert zu sein, den Erlass derjenigen Maßnahmen anzuordnen, die dem Ziel der für begründet erachteten Beschwerde entspricht. Richtet sich zB die Beschwerde gegen die Aufhebung der Pflegschaft, so ist die erneute Einleitung der Pflegschaft anzuordnen und das Amtsgericht zur Bestellung des Pflegers anzuweisen. Wird mit der Beschwerde unzulässigerweise die Aufhebung des bereits erteilten Erbscheins oder der vollzogenen Einziehungsanordnung beantragt, so ist die Einziehung des Erbscheins oder seine erneute Erteilung mit demselben Inhalt anzuordnen (vgl § 84). Nur im Antragsverfahren ist das Gericht an den Beschwerdeantrag insoweit gebunden, als es dem Umfang nach nicht darüber hinausgehen und nicht eine andersartige als die beantragte Maßnahme anordnen darf, sofern nach der Art des Verfahrens außer dem zur Einleitung erforderlichen Verfahrensantrag ein den Verfahrensgegenstand begrenzender Sachantrag erforderlich ist.16 Das gilt insbesondere in echten Streitsachen.17 Soweit hiernach Anträge maßgeblich sind, sind auch im Beschwerdeverfahren neue Anträge zulässig, durch welche der Verfahrensgegenstand unter Wahrung seiner Identität (vgl nachstehend) erweitert oder beschränkt wird. Im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Betreuers ist die entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig; danach kann das Beschwerdegericht über vom Betreuer geltend gemachten, zusätzlichen Zeitaufwand entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.18

IV. Identität des Verfahrensgegenstandes Aus dem Wesen des Rechtsmittelzuges ergibt sich, dass Gegenstand des Beschwerde- 11 verfahrens grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein kann, über den in der angefochtenen Verfügung entschieden worden ist. Das Beschwerdegericht darf weder von 13 14

15

OLG Köln NJW 2005, 3361. BayObLGZ 2002, 304, 308 = FGPrax 2002, 281; BayObLG NJW-RR 2004, 8; Demharter FGPrax 2003, 237, 238 in Anm zu OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 145. Vgl OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 137.

16 17 18

BayObLGZ 1975, 12; Baur § 29 C I 4; Habscheid § 34 III 2. BayObLGZ 1982, 464; Baur aaO. BayObLGZ 1997, 213 = NJW-RR 1998, 8 = FamRZ 1997, 1563.

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Amts wegen noch auf Antrag über eine andere Angelegenheit entscheiden als über diejenige, die Gegenstand der angefochtenen Verfügung ist. Im Amtsverfahren wird der Verfahrensgegenstand bestimmt durch die Art der gerichtlichen Handlung, deren Vornahme in dem Verfahren erörtert wird, im Hinblick auf die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes aber nicht durch die tatsächlichen oder rechtlichen Gründe, die für die Zulässigkeit und Begründetheit der Maßnahme vorgebracht oder von Amts wegen erwogen worden sind (die Klagegründe im Sinne des Zivilprozesses). Die Beschwerde gegen die Ablehnung einer Abwesenheitspflegschaft kann daher durch Darlegung eines anderen Pflegschaftsgrundes (zB § 1911 Abs 2 BGB statt Abs 1 ebenda) begründet werden. Wird eine Ergänzungspflegschaft (§ 1909 BGB) angeordnet, weil der Vater von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen sei, so ist auch die dagegen gerichtete Beschwerde, wenn dieser Grund nicht zutrifft, zu prüfen, ob die in der Anordnung der Pflegschaft liegende Entziehung der Vertretungsmacht durch das Bestehen eines Interessenwiderstreits nach §§ 1629 Abs 2 Satz 1, 1795 BGB gerechtfertigt wird. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Entlassung des Vormundes kann auf das Vorbringen eines anderen als des im ersten Rechtszuge erörterten Entlassungsgrundes gestützt werden.

12

Dasselbe gilt grundsätzlich im Antragsverfahren. Gegenstand des Verfahrens nach § 2227 BGB ist die Frage, ob der Testamentsvollstrecker aus wichtigem Grund zu entlassen ist. Die Tatumstände, aus denen der Entlassungsgrund hergeleitet wird, berühren nicht den Verfahrensgegenstand, sondern sind nach § 23 auswechselbar. Denn ein Gestaltungsantrag ist schon durch seinen Inhalt auch ohne Sachverhalt individualisiert. Der vom Antragsteller vorgebrachte Gestaltungsgrund hat für den Verfahrensgegenstand keine Bedeutung, weil das Gericht nach § 12 zu allseitiger Prüfung verpflichtet ist und auch von sich aus bisher nicht vorgetragenen Tatsachenstoff zum Gegenstand der Erörterung machen und seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Sachverhalt des Verfahrens sind daher sämtliche zur Zeit der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz vorhandenen Tatsachen, aus denen sich ein Gestaltungsgrund ergeben kann und auf welche das Gericht seine Ermittlungstätigkeit auszudehnen hat. Entsprechend bilden den Sachverhalt eines Amtsverfahrens (zB § 1666 BGB) alle Tatsachen, welche die gerichtliche Handlung, deren Vornahme in dem Verfahren erörtert wird, rechtfertigen können. Im Todeserklärungsverfahren kann die Beschwerdeentscheidung auf einen anderen Verschollenheitsgrund als in der angefochtenen Entscheidung gestützt werden.

13

Ein einheitlicher Verfahrensgegenstand ist auch die Regelung der elterlichen Sorge in Bezug auf dasselbe Kind nach §§ 1671, 1672 BGB hinsichtlich aller in diesem Verfahren zulässigen Maßnahmen, gleichgültig, ob die elterliche Sorge dem Vater oder der Mutter zugeteilt oder ein Vormund oder Pfleger bestellt wird. Eine im Beschwerderechtszuge unzulässige Änderung des Verfahrensgegenstandes liegt erst vor, wenn eine andere Angelegenheit zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht wird, nämlich eine gerichtliche Handlung von anderer rechtlicher Bedeutung oder eine zwar gleichartige, aber sich auf einen anderen sachlichen Gegenstand beziehende Handlung. Die Erledigung einer anderen Angelegenheit kann weder von Amts wegen noch durch neue Anträge der Beteiligten Gegenstand der Beschwerdeentscheidung werden. Im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung einer Pflegschaft kann nicht die Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB beantragt werden. Auf die Beschwerde des Vormunds gegen die Festsetzung von Zwangsgeld (§ 1837 Abs 3 BGB) kann das Beschwerdegericht nicht die Entlassung (§ 1886 BGB) des Vormunds anordnen; da der Verfahrensgegenstand ein anderer ist, kommt hier der Gesichtspunkt der Zulässigkeit einer Schlechterstellung nicht in Betracht. Ist die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu einem Vertrage versagt worden, so kann mit der Beschwerde nicht die Genehmigung zu einem inhaltlich geänderten

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Vertrag erstrebt werden. Auf die Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung (§ 18 GBO) ist die Nachprüfung auf die erhobene Beanstandung zu beschränken. Die Nachprüfung einer Aussetzung des Verfahrens beschränkt sich auf die Berechtigung dieser Maßnahme. Auf die Beschwerde gegen eine vorläufige oder einstweilige Anordnung darf nicht eine Entscheidung zur Hauptsache getroffen werden, falls diese nicht gleichermaßen mit der Beschwerde angegriffen ist. Hat das Familiengericht lediglich über den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich entschieden, kann mit der Beschwerde gegen seine Entscheidung nicht erstmals der schuldrechtliche Versorgungsausgleich begehrt werden.19 Im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Betreuers ist die entsprechende 14 Anwendung der Bestimmungen über die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig; danach kann das Beschwerdegericht über vom Betreuer geltend gemachten, zusätzlichen Zeitaufwand entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.20 Das Beschwerdegericht darf einen Erbscheinsantrag nicht zurückweisen, wenn das 15 Nachlassgericht über ihn nur durch Vorbescheid entschieden hat.21 Das Beschwerdegericht kann nicht seinerseits die Erteilung eines anderen Erbscheins im Wege des Vorbescheids ankündigen.22 Kündigt das Nachlassgericht die Erteilung des Erbscheins an, ohne dass ein Erbscheinsantrag vorliegt, und wird gegen einen solchen Vorbescheid Beschwerde eingelegt, so kann das Beschwerdegericht in der Sache entscheiden, wenn nach Erlass des Vorbescheids ein diesem entsprechender Erbscheinsantrag gestellt wurde.23 Wenn das Beschwerdegericht zu einer von der ersten Instanz abweichenden Entscheidung kommt und einem zurückgewiesenen Antrag stattgibt, kommt dieser Entscheidung keine Rückwirkung zu. Diese Entscheidung stellt eine neue und erstmalige Verfügung dar, die nur für die Zukunft wirkt. Eine Überschreitung der hiernach dem Beschwerdegericht durch den Verfahrensge- 16 genstand gezogenen Grenzen hat die Nichtigkeit der Beschwerdeentscheidung nicht zur Folge. Wirkungslos ist die Beschwerdeentscheidung nur, wenn keine Beschwerde eingelegt ist. Auf die Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss nach § 127 FGG kann das Beschwerdegericht nicht über die Sache (hier: Eintragung in das Handelsregister) selbst entscheiden.24

V. Rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren Im Beschwerdeverfahren ist den Beteiligten rechtliches Gehör in demselben Umfange 17 wie im ersten Rechtszuge zu gewähren. Es trifft nicht zu, dass die Anhörung nur bei neuem Vorbringen oder neuen rechtlichen Gesichtspunkten, oder wenn sie in der unteren Instanz unterblieben ist, erforderlich sei. Der Beschwerdeentscheidung dürfen daher nur solche Tatsachen und Beweise zugrunde gelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war, gleichgültig ob der neue Tatsachenstoff sich aus dem Vorbringen der Beteiligten oder den von Amts wegen angestellten Ermittlungen des Beschwerdegerichts ergeben hat. Im Rahmen des rechtlichen Gehörs muss den Beteiligten

19 20 21 22

BGH NJW 1990, 1847 = LM Nr 7 zu § 1587 f BGB. BayObLGZ 1997, 213 = NJW-RR 1998, 8 = FamRZ 1997, 1563. BayObLG NJW-RR 1992, 1223. BayObLG NJW-RR 1994, 1032 = FamRZ 1994, 1068.

23 24

BayObLG NJW-RR 1994, 1032 = FamRZ 1994, 1068. BayObLG NJW-RR 2000, 181 = ZIP 1999, 1597 = NZG 1999, 1063.

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auch Gelegenheit gegeben werden, Rechtsausführungen zu machen oder auf Rechtsausführungen des Gegners zu erwidern. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für einen geschäftsunfähigen Betroffenen im Beschwerdeverfahren ist regelmäßig geboten, wenn die bestehende Betreuung auf einzeln aufgezählte Angelegenheiten erweitert werden soll, die dem Umfang einer Betreuung für alle Angelegenheiten entsprechen.25 Bestellt das Amtsgericht nach Eingang einer vom Betroffenen selbst eingelegten Beschwerde gegen eine Betreuungsmaßnahme für diesen einen Verfahrenspfleger „bis zum Zeitpunkt der Aufhebung dieses Beschlusses“, liegt hierin keine wirksame Bestellung des Pflegers auch für die Beschwerdeinstanz. In diesem Fall kann eine von dem Verfahrenspfleger gegenüber dem Amtsgericht abgegebene Stellungnahme in ihrer Bedeutung allenfalls einer Beschwerdebegründung gleichgesetzt werden und ersetzt nicht die unterbliebene Beteiligung eines Pflegers am Beschwerdeverfahren.26 Anspruch auf rechtliches Gehör hat auch eine Behörde, die in dem Verfahren die Stel18 lung eines Antragstellers oder sonst Beteiligten hat, insbesondere wenn die angefochtene Entscheidung auf ihren Antrag ergangen ist. War im ersten Rechtszuge rechtliches Gehör nicht ausreichend gewährt worden, so kann der Mangel im Verfahren der ersten Beschwerde, da das Landgericht Tatsachengericht ist, dadurch geheilt werden, das es nachträglich gewährt wird. Es ist regelmäßig Pflicht der zweiten Instanz, den Mangel selbst zu beheben. Richtet sich die Beschwerde gegen den Erlass einer vorläufigen Anordnung, bei der die Anhörung unterblieben ist, so kommt im Beschwerdeverfahren der Grundsatz des Art 103 Abs 1 GG wieder voll zur Geltung, weil dann die besonderen Gründe, die vor dem Erlass derartiger Anordnungen zur Einschränkung dieses Grundsatzes führen können, nicht mehr vorliegen. Richtet sich die Beschwerde gegen die Ablehnung einer vorläufigen Maßnahme, so können die besonderen Gründe, aus denen sich die vorherige Anhörung verbietet, auch noch im Beschwerdeverfahren gegeben sein. Dem Beschwerdeführer ist ausreichend Gelegenheit zu geben, die Beschwerde in tat19 sächlicher und rechtlicher Hinsicht zu begründen. Da der Grundsatz des Art 103 Abs 1 GG sich nicht nur auf den der Sachentscheidung zugrunde liegenden Tatsachenstoff, sondern auch auf verfahrensrechtlich erhebliche Tatsachen bezieht, ist der Beschwerdeführer auch zu den Tatsachen zu hören, von denen die Zulässigkeit des Rechtsmittels abhängt, wenn in dieser Hinsicht Bedenken bestehen, die der Beschwerdeführer noch nicht erkannt hat und die durch tatsächliche oder rechtliche Hinweise entkräftet werden könnten. Eine Beschwerdeerwiderung ist dem Beschwerdeführer grundsätzlich mitzuteilen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann in der Unterlassung der Mitteilung oder des Abwartens einer Gegenerwiderung des Beschwerdeführers aber nur liegen, wenn die Beschwerdeerwiderung tatsächliche oder rechtliche Ausführungen enthält, die zum Nachteil des Beschwerdeführers bei der Entscheidung verwertet worden sind. Der Beschwerdegegner muss zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht nur von der 20 Beschwerdeeinlegung, sondern auch von der Beschwerdebegründung Kenntnis erhalten, und zwar unabhängig davon, ob das Beschwerdevorbringen neue Tatsachen und Beweismittel enthält. Er ist auch zu einem Wiedereinsetzungsantrag zu hören. In jedem Fall ist seine Anhörung unerlässlich, wenn die angefochtene Entscheidung zu seinen Ungunsten geändert werden soll, und zwar auch, wenn dies ohne Verwertung neuer Tatsachen und Beweise bei unverändertem Sachverhalt geschieht. Zur Wahrung seiner Rechte ist ihm zur Erwiderung eine angemessene Zeit einzuräumen oder eine Frist, die keine Ausschlussfrist sein kann, zu setzen. Ist die Beschwerde unzulässig oder unbegründet, so liegt in der 25

OLG München FamRZ 2005, 1505 LS = Rpfleger 2005, 429.

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OLG München FamRZ 2005, 1505 LS = Rpfleger 2005, 429.

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unterbliebenen Anhörung des Beschwerdegegners keine Verletzung des rechtlichen Gehörs ihm gegenüber. Unbedenklich ist dieses Verfahren aber nur, wenn die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Rechtsmittels offensichtlich und unzweifelhaft ist. Anderenfalls müsste eine weitere Beschwerde, wenn die dritte Instanz über den Erfolg der ersten Beschwerde anderer Meinung ist als das LG, regelmäßig zu einer Zurückverweisung führen, sofern eine abschließende Entscheidung nur getroffen werden kann, nachdem dem Beschwerdegegner die bisher vorenthaltene Gelegenheit zu tatsächlichen Ausführungen in der Tatsacheninstanz gewährt worden ist. Außerdem dürfen die Beteiligten unabhängig von dem Ausgang der Sache das Recht beanspruchen, durch Teilnahme am Verfahren an der Wahrheits- und Rechtsfindung mitzuwirken. Sind mehrere Beteiligte vorhanden, die selbstständig zur Beschwerde berechtigt wä- 21 ren, macht aber nur einer von ihnen von seinem Beschwerderecht Gebrauch, so braucht das rechtliche Gehör gegenüber den übrigen, durch die Verfügung beeinträchtigten Beteiligten, die keine Beschwerde eingelegt haben, nicht gewahrt zu werden. Insofern verengt sich infolge der Dispositionsmaxime im Beschwerdeverfahren der Kreis der (formell) Beteiligten. Ob das Beschwerdegericht sie zur Aufklärung des Sachverhalts hören will, steht in seinem Ermessen.

VI. Prüfung und Würdigung des Sachverhalts durch das Beschwerdegericht Das durch eine zulässige Beschwerde eröffnete Verfahren vor dem Beschwerdegericht 22 stellt sich, wie das Verfahren in der Berufungsinstanz, als eine Fortsetzung der Verhandlung des ersten Rechtszuges dar. Das Beschwerdegericht darf sich demgemäß nicht auf die Prüfung beschränken, ob die Feststellungen und Erwägungen des Amtsgerichts die angefochtene Verfügung rechtfertigen. Vielmehr führt die Beschwerde zu einer Erneuerung durch Wiederholung des Verfahrens vor dem übergeordneten Gericht. Das Beschwerdegericht steht dem Verfahrensgegenstand, wie er durch die Beschwerde angefallen oder im Beschwerdeverfahren zulässigerweise erweitert worden ist, grundsätzlich mit denselben Befugnissen und Pflichten wie das Gericht erster Instanz gegenüber. Seine Eigenschaft als Tatsachengericht kommt darin zum Ausdruck, dass es den bereits vom AG festgestellten Sachverhalt, auch wenn zu weiteren Ermittlungen im Beschwerdeverfahren kein Anlass bestand, in tatsächlicher Hinsicht anders würdigen kann, selbst wenn die Würdigung des Amtsgerichts rechtlich möglich wäre und mit der Rechtsbeschwerde (§ 27 FGG) nicht angegriffen werden könnte. Die Nachprüfung von Ermessensentscheidungen des Amtsgerichts ist nicht auf Ermes- 23 sensfehler beschränkt, sondern das Beschwerdegericht ist als Tatsachengericht berechtigt und verpflichtet, nach seinem eigenen pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden und, wenn der Sachverhalt dazu Anlass bietet, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des Amtsgerichts zu setzen. In der Beschränkung der Nachprüfung auf Ermessensfehler läge ein Rechtsfehler des Landgerichts (Ermessensmangel), der die weitere Beschwerde begründen würde, weil das Landgericht hinsichtlich der Ermessensausübung eine rechtliche Bindung angenommen hat, die nicht vorhanden ist. Die allgemeinen Vorschriften über das Verfahren des ersten Rechtszuges gelten auch 24 für das Beschwerdeverfahren. Auch für das Beschwerdegericht gilt für den der Sachentscheidung zugrunde liegenden Tatsachenstoff der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG. Ein förmliches Beweisverfahren richtet sich nach § 15 FGG. Über neue Tatsachen Beweis zu erheben, ist das Beschwerdegericht nicht schon deswegen verpflichtet, weil sie von dem Beschwerdeführer oder Beschwerdegegner vorgebracht worden sind. Es kommt vielmehr darauf an, ob sie für die Entscheidung erheblich sind. Die im ersten Rechtszuge

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angestellten Ermittlungen und Beweiserhebungen wirken in zweiter Instanz fort. Ihre Wiederholung liegt im Ermessen des Beschwerdegerichts. Eine Wiederholung ist aber angezeigt, wenn das Beschwerdegericht von der Beweiswürdigung des ersten Richters abweichen will, etwa wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen oder den Sinn einer mehrdeutigen Aussage anders verstehen will als der Erstrichter. Im ersten Rechtszuge bereits angebotene, aber nicht erhobene Beweise sind vom Beschwerdegericht aufzunehmen, wenn die Unterlassung der Beweiserhebung sich als Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes darstellen würde. Bei der wiederholten Vernehmung eines in erster Instanz bereits vernommenen und beeidigten Zeugen kann das Beschwerdegericht den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen (§ 15 FGG, § 398 Abs 3 ZPO). Es kann auch die erstmalige Beeidigung eines von der Vorinstanz vernommenen Zeugen anordnen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen (§ 15 FGG, § 391 ZPO).

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Hiernach hat die Beschwerdeentscheidung nach dem Sacherhalt zu ergehen, wie er sich auf Grund der Erörterungen, Ermittlungen und Beweiserhebungen im Beschwerdeverfahren zur Zeit des Erlasses der Beschwerdeentscheidung ergibt. Dieser Grundsatz kann dazu führen, dass die angefochtene Verfügung vom Beschwerdegericht aufrechtzuerhalten ist, obwohl sie nach dem zur Zeit ihres Erlasses bestehenden Sachverhalts nicht berechtigt war, die maßgeblichen Tatsachen vielmehr erst im Beschwerderechtszug eingetreten sind, oder dass die Verfügung aufzuheben ist, weil sie zwar dem zur Zeit ihres Erlasses bestehenden Sachverhalt, nicht aber der später durch neue Tatsachen veränderten Sachlage entspricht. Das Beschwerdegericht muss sich auf den Standpunkt stellen, als ob die angefochtene Verfügung noch nicht erlassen wäre, und prüfen, ob sie nach Maßgabe des zur Zeit des Erlasses der Beschwerdeentscheidung gegebenen Sachverhalts nunmehr oder noch erlassen werden dürfte.

26

Da die Beschwerde gegen den Erlass einer Anordnung auf deren Aufhebung gerichtet ist und das Rechtsmittel nach § 23 auf eine nachträglich eingetretene Veränderung der Sachlage gestützt werden kann, darf die Berücksichtigung von Aufhebungsgründen des sachlichen Rechts nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Aufhebung einer Maßnahme sei eine andere Angelegenheit als ihre Anordnung. Das gilt zunächst von Verfügungen, die erst mit der Rechtskraft wirksam werden. Die Genehmigung der sog. zivilrechtlichen Unterbringung eines Kindes oder Mündels oder Betreuten (§§ 1631b, 1800, 1906 BGB, § 70 Abs 1 FGG) darf vom Beschwerdegericht nicht mehr bestätigt werden, wenn nachträglich Umstände eingetreten sind, welche die Rücknahme der Genehmigung rechtfertigen würden (vgl § 1631b Satz 2 BGB), obwohl die Rücknahme Gegenstand eines besonderen Verfahrens sein könnte. Es dürfte unbestreitbar sein, dass unter diesen Umständen die Genehmigung durch Eintritt der formellen Rechtskraft gar nicht erst wirksam und vollziehbar werden darf. Die Beschwerde gegen Regelungen über die elterliche Gewalt kann auf Umstände gestützt werden, die eine Änderung nach § 1696 BGB rechtfertigen würden. Die Anordnung einer Pflegschaft ist auf Beschwerde aufzuheben, wenn der Grund für die Anordnung inzwischen weggefallen ist (§ 1919 BGB). Ist die Pflegschaft kraft Gesetzes beendet (§ 1918 BGB), so ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt. In diesen Fällen unterscheidet sich übrigens die Aufhebung durch das Beschwerdegericht im Ergebnis nicht von der Aufhebung durch das VormG oder das FamG, da die Aufhebung nicht zurückwirkt. Dem Umstand, dass die Tatsache nur in einer Instanz, nämlich der Beschwerdeinstanz, geprüft wird, legt der Gesetzgeber, wie § 23 zeigt, kein Gewicht bei.

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Keine Ausnahme von der Berücksichtigung neuer Tatsachen gilt aber auch bei Verfügungen, die mit der Bekanntmachung wirksam werden und gegen welche die sofortige

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Beschwerde stattfindet, so dass eine Aufhebung durch das Beschwerdegericht rückwirkende Kraft hat. Die sofortige Beschwerde gegen die Ernennung eines Testamentsvollstreckers (§ 2200 BGB, § 81 Abs 1 FGG) kann daher auf nach der Ernennung eingetretene und gerade aus der Art seiner Amtsführung hergeleitete Tatsachen gestützt werden. Die auf Antrag eines Nachlassgläubigers angeordnete Nachlassverwaltung ist auf sofortige Beschwerde aufzuheben, wenn nachträglich ein Aufhebungsgrund eingetreten, zB der antragstellende Gläubiger nach dem Erlass der Anordnung befriedigt worden ist. Durch die Befristung der Beschwerde ist dafür Sorge getragen, dass facta supervenienta (nachträglich eingetretene Tatsachen) nur für eine kurze Übergangszeit, die sich allerdings durch die Dauer des Beschwerdeverfahrens verlängert, zur Aufhebung der ursprünglich berechtigten Anordnung führen können. Die Rechte Dritter sind freilich durch § 32 FGG geschützt. Keiner Hervorhebung bedarf es, dass das Beschwerdegericht im Fall einer Gesetzesän- 28 derung das zur Zeit seiner Entscheidung geltende sachliche Recht anzuwenden hat. Bei der Erteilung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen und der Ersetzung der Zustimmung zu Rechtsgeschäften (zB § 1365 BGB) ist nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung des VormG, ggf also des Beschwerdegerichts abzustellen. Verfahrensrechtliche Gesetzesänderungen ergreifen von ihrem Inkrafttreten an auch schwebende Verfahren, sofern nicht in den neuen Gesetzen etwas anderes bestimmt ist. Das Beschwerdegericht hat sie also anzuwenden. Das gilt auch bei Änderung des Rechtswegs.27 Allerdings sind Verfahren, die rechtsgestaltende Anordnungen der FG betreffen, bei einem Wechsel des Rechtswegs während des anhängigen Verfahrens im alten Rechtsweg fortzuführen.28 Wird die Anfechtbarkeit von Entscheidungen erschwert (sofortige Beschwerde statt einfacher), betrifft dies nicht die vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes erlassenen Entscheidungen. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels bestimmt sich nach den Bestimmungen bei ihrem Erlass. War das Rechtsmittel, weil unbefristet, bei Einlegung noch nicht verfristet, wird es nicht durch die spätere Einführung einer Frist im Laufe des Beschwerdeverfahrens nachträglich unzulässig.29

VII. Beschränkung der Beschwerdegründe Die Beschwerdegründe können gesetzlich beschränkt sein. So bestimmt § 96 Satz 2 29 FGG, dass die Beschwerde gegen den Beschluss über die Bestätigung der Nachlassteilung nur darauf gegründet werden kann, dass die Vorschriften über das Verfahren nicht beobachtet seien. Ähnlich §§ 99, 139 Abs 2, 157 Abs 2 FGG; §§ 23, 27 Abs 2 LwVG. In diesem Fall bezieht sich § 23 FGG auf die zugelassenen Beschwerdegründe. Für deren Vorliegen können daher neue Tatsachen und Beweise angeführt werden. Ausgeschlossene Beschwerdegründe dürfen nicht berücksichtigt werden, so als wären sie überhaupt nicht vorhanden. Wird die Beschwerde von einem Beschwerdeberechtigten auf nicht zugelassene Beschwerdegründe gestützt, so ist sie nicht unzulässig, sondern unbegründet, nicht anders, als wenn eine Rechtsbeschwerde auf neue Tatsachen gestützt wird.30

27 28

RGZ 165, 323; BGH NJW 1978, 889 = FamRZ 1978, 227; BayObLGZ 1964, 300. BGH FamRZ 1967, 464; BayObLGZ 1964, 300 (Auszahlungsanordnung nach § 8 Abs 2 KGG aF).

29 30

BGHZ 1, 29 = NJW 1951, 195; BayObLGZ 1989, 282 = NJW 1990, 396. KG JR 1966, 349 (zur ZPO).

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§ 23

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

VIII. Abhilferecht 30

Wird eine unbefristete Beschwerde eingelegt, so ist das untere Gericht nach § 18 Abs 1 berechtigt und verpflichtet, der Beschwerde abzuhelfen, wenn es sie für begründet erachtet, dh wenn es sich davon überzeugt, dass die Entscheidung unrichtig war oder auf Grund neuer Tatsachen nicht mehr richtig ist. Dieser Grundsatz, der in § 75 GBO besonders ausgesprochen ist, gilt allgemein. Das Amtsgericht kann über die neuen Tatsachen auch selbst Ermittlungen anstellen. Er hat ebenso wie der Zivilprozessrichter nach § 572 ZPO die Beschwerde nur unverzüglich vorzulegen. Die Prüfung der Abhilfe schließt eine Säumnis aus. Bevor das Gericht der Beschwerde abhilft, muss es dem Gegner rechtliches Gehör gewähren. Führen die neu angestellten Ermittlungen nicht zur Abhilfe, so muss den Beteiligten zu dem Ergebnis dieser Ermittlungen spätestens im Beschwerdeverfahren Gehör gewährt werden. Unterlagen, die während des Beschwerdeverfahrens zweiter Instanz noch bei der ersten Instanz eingehen, müssen dem Beschwerdegericht vorgelegt werden. Geht nach Zurückweisung des Berichtigungsantrags wegen fehlender Unbedenklichkeitsbescheinigung diese beim Grundbuchamt ein, wird aber nicht an das LG weitergeleitet und deshalb bei der dort zwischenzeitlich anhängigen Erstbeschwerdeentscheidung nicht berücksichtigt, sind die Vorentscheidungen vom Rechtsbeschwerdegericht aufzuheben.31

IX. Geltung für das Oberlandesgericht 31

Die Vorschrift des § 23 gilt auch, wenn das Landgericht Gericht des ersten Rechtszuges und die erste Beschwerde an das OLG eine Tatsachenbeschwerde ist, ferner für erste Beschwerden gegen Verfügungen des Landgerichts als Beschwerdegericht, die der Beschwerdeentscheidung vorausgehen, sofern diese Verfügungen anfechtbar sind. Soweit dagegen die erste Beschwerde gegen Entscheidungen des Landgerichts eine Rechtsbeschwerde ist, wird die Anwendung des § 23 durch die für die weitere Beschwerde nach § 27 geltenden Grundsätze ausgeschlossen. Auf neue Tatsachen und Beweismittel kann die Beschwerde nach §§ 132 Abs 3, 306 AktG,32 § 58 DMBG gestützt werden. Auf neue Tatsachen darf ferner die an den Bundesgerichtshof führende (gleichwohl bei dem judex a quo – Anwaltsgerichtshof, Senat für Notarsachen – einzulegende) Beschwerde nach §§ 42, 91 Abs 6, 7 BRAO, § 111 Abs 4 BNotO gestützt werden.

X. Rechtspflegersachen 32

Für Beschwerden gegen Entscheidungen des Rechtspflegers nach § 11 Abs 1 RPflG gilt § 23 unmittelbar. Für die sofortige Erinnerung gemäß § 11 Abs 2 RPflG ist § 23 FGG entsprechend anwendbar. Ebenso im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 13a Abs 2 FGG in Verbindung mit § 104 Abs 3 ZPO.

31

OLG Frankfurt NZG 2005, 885 = DStR 2005, 1456.

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KG OLGZ 1971, 260.

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Aufschiebende Wirkung

§ 24

XI. Familiensachen Für Familiensachen der FG (vgl § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11 und 14 GVG; 33 § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9 und 10 ZPO in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie § 12 ZPO; § 64 FGG) gilt § 23 uneingeschränkt. Für die Anfechtung von Endentscheidungen ist für die Beschwerdeeinlegung Begründungszwang bestimmt (§ 621e Abs 3 Satz 2 mit § 519 ZPO; § 629a Abs 2 Satz 1 ZPO). Bei Anfechtung selbstständiger FGGFamiliensachen und selbstständig durchgeführter Folgesachen ist ebenfalls § 23 FGG anwendbar, vgl bei § 64. Dasselbe gilt für die Anfechtung von Nebenentscheidungen. Bei Einlegung der Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung gemäß § 620c ZPO gilt § 569 Abs 2 ZPO. Nach § 620d ZPO muss die Beschwerde begründet werden. Für die Einlegung der Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung in isolierten Familiensachen de FG, die nach § 19 FGG angefochten werden können, ist § 23 FGG anwendbar. Zur Anwendung neuen Verfahrensrechts vgl bei § 64.

XII. Reformvorhaben Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen 34 und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 68, dass die sofortige Beschwerde begründet werden soll und auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden kann. Das Gericht kann dem Beschwerdeführer eine Frist zur Begründung seines Rehtsmittels einräumen. Das Abhilferecht ist in § 71 geregelt, allerdings in Familiensachen ausgeschlossen. Das Beschwerdegericht kann einem seiner Mitglieder die Beschwerde durch Beschluss zur Entscheidung als Einzelrichter entsprechend § 526 ZPO übertragen.

§ 24 Aufschiebende Wirkung (1) Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen eine Verfügung gerichtet ist, durch die ein Ordnungs- oder Zwangsmittel festgesetzt wird. Bei der Anordnung von Zwangshaft (§ 33 Abs 1) hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. (2) Das Gericht, dessen Verfügung angefochten wird, kann anordnen, dass die Vollziehung auszusetzen ist. (3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen ist. Abs 1 geändert durch G v 2.3.1974 (BGBl I S 469). Abs 1 S 2 angefügt durch Art 2 G v 5.4.1990 (BGBl I S 701).

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§ 24

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Übersicht Rdn I. Aufschiebende Wirkung der Beschwerde 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . 3. Beginn und Ende der aufschiebenden Wirkung . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterausnahme bei Zwangshaft (Abs 1 S 2) . . . . . . . . . . . . . II. Aussetzung der Vollziehung . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 2. Aussetzungsfähigkeit . . . . . . . . 3. Verfügung über die Aussetzung . . . III. Einstweilige Anordnungen des Beschwerdegerichts . . . . . . . . . .

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Rdn 1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . 2. Zeitliche Grenzen und Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung . . . . 3. Rechtsbeschwerdegericht . . . . . . IV. Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . V. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . VI. Sondervorschriften . . . . . . . . . . VII. Familiensachen . . . . . . . . . . . . VIII.Rechtspfleger . . . . . . . . . . . . . IX. Nichtgerichtliche Behörden . . . . . . X. Reformvorhaben . . . . . . . . . . .

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I. Aufschiebende Wirkung der Beschwerde 1. Grundsatz

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Das Rechtsmittel der Beschwerde hat stets Hemmungswirkung (Suspensiveffekt) in dem Sinne, dass es den Eintritt der formellen Rechtskraft hemmt. Das gilt auch für die unbefristete Beschwerde. In der Regel werden aber gerichtliche Verfügungen schon vor dem Eintritt der formellen Rechtskraft, also ihrer Unanfechtbarkeit, mit der Bekanntmachung an den, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind, wirksam (§ 16 Abs 1) und, soweit sie einer Vollziehung fähig und bedürftig sind, vollziehbar. 2 Für diese Verfügungen spricht Abs 1 in Übereinstimmung mit § 570 Abs 1 ZPO den Grundsatz aus, dass die Einlegung der Beschwerde auf die Wirksamkeit und Vollziehbarkeit der angefochtenen Verfügung keinen Einfluss, insoweit also keine Hemmungswirkung hat. Das gilt auch für die sofortige Beschwerde und die befristete Beschwerde in isolierten Familiensachen der FG nach § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3 ZPO sowie nach § 29 Abs 4 für die weitere Beschwerde. 3 Die Vorschrift hat keine Bedeutung für die Fälle, in denen bestimmt wird, dass die Entscheidung erst mit der Rechtskraft wirksam wird (§§ 26, 53 Abs 1, 53a Abs 2, 53g Abs 1, 55b Abs 2, 56c Abs 1, 56f Abs 3, 70g Abs 3, 70h Abs 1, 82 Abs 2, 97, 98, 141 Abs 3, 158 Abs 2, 160a Abs 2 FGG; § 16 Abs 1 HausratVO; § 49 Abs 1 PStG, § 30 Abs 1 LwVG; § 87 AG z dt AuslSchuldenAbk; § 8 FEVG; § 99 Abs 5 AktG; § 8 Abs 1 S 1 SorgeRÜbkAG v 5.4.1990 (BGBl I S 701); § 58 Abs 6 DMBG), da vor dem Wirksamwerden auch die Vollziehbarkeit nicht eintreten kann. Mitunter ist aber dem Gericht in diesen Fällen die Befugnis eingeräumt, die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung anzuordnen (§§ 26, 53 Abs 2, 70g Abs 3 S 2, 82 Abs 2 FGG; § 30 Abs 2 LwVG; § 8 S 2 FEVG; § 8 Abs 1 S 2 SorgeRÜbkAG). Ergeht eine solche Anordnung, so gilt auch für diese Entscheidungen der Grundsatz des § 24 Abs 1, dass die (erste oder weitere) Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, und es greift die Befugnis des Instanzgerichts oder Beschwerdegerichts ein, Anordnungen nach § 24 Abs 2 und 3 zu treffen. Außerdem muss es für zulässig erachtet werden, die Vollziehung einer bereits rechtskräftig gewordenen Entscheidung gemäß Abs 2 oder 3 auszusetzen, wenn nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wird (vgl § 707 ZPO). 4 Weitere Fälle aufschiebender Wirkung sind angeordnet bei der Versteigerung von Wohnungseigentum durch den Notar (§ 58 WEG), ferner bei sofortigen Beschwerden nach §§ 42 Abs 4, 91 Abs 6 BRAO, § 111 Abs 4 BNotO.

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Aufschiebende Wirkung

§ 24

2. Ausnahmen Ausnahmen, in denen die Beschwerde kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, also die (weitere) Vollziehung der wirksam und vollziehbar gewordenen Verfügung hemmt, sieht das Gesetz in folgenden Fällen vor: Gegen eine Verfügung, durch die ein Ordnungs- oder Zwangsmittel festgesetzt wird, hat die Beschwerde aufschiebende Wirkung (Abs 1 S 1; vgl § 570 Abs 1 ZPO). Anders aber, wenn eine solche Maßnahme nur angedroht wird.1 Die Vorschrift gilt für Beschwerde und weitere Beschwerde (§ 29 Abs 4), auch hinsichtlich der vom Beschwerdegericht erstmals festgesetzten Ordnungs- und Zwangsmittel. Damit sind erfasst: Festsetzung von Ordnungsmitteln, wie Ordnungsgeld, Ordnungshaft nach § 15 FGG mit §§ 380, 390, 372a, 409, 411 ZPO, also gegen Zeugen und Sachverständige wegen unentschuldigten Ausbleibens, Verweigerung des Zeugnisses oder des Gutachtens. Festsetzung von Zwangsmitteln, wie Zwangsgeld und Anordnung unmittelbaren Zwangs nach §§ 33 Abs 1 S 1, Abs 2, 83 Abs 1, 2 (iVm § 901 ZPO), §§ 133, 135, 151, 154, 159 FGG; §§ 78, 1788, 1837 Abs 3 BGB; § 14 HGB; §§ 407, 408 AktG; § 28 Abs 4 EGAktG; § 79 GmbHG; § 160 GenG; § 24 GrdstVG. Auf die Beschwerde gegen die Verhängung von Ordnungsmitteln in Erfüllung der Sitzungspolizei ist nicht § 24 anwendbar, sondern § 181 Abs 2 GVG (vgl § 8 FGG).

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3. Beginn und Ende der aufschiebenden Wirkung Nur die tatsächliche Einlegung der Beschwerde bewirkt einen Aufschub. Bis dahin 9 kann mit der Vollziehung der wirksam gewordenen Verfügung begonnen und fortgefahren werden. Mit der Einlegung des Rechtsmittels tritt die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes ein. Mit der Vollziehung darf nicht mehr begonnen, eine bereits begonnene muss ohne Antrag von Amts wegen eingestellt werden. Die aufschiebende Wirkung endet mit dem Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung (vgl § 26), kann aber mit Einlegung der weiteren Beschwerde erneut beginnen. Die Verhängung weiterer Ordnungsmittel auf Grund eine neuen Sachverhalts zB § 380 Abs 2 ZPO) wird durch die Anhängigkeit der Beschwerde nicht gehindert. 4. Unterausnahme bei Zwangshaft (Abs 1 S 2) Ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung hat die Beschwerde gegen die Verhängung der Zwangshaft nach § 33 Abs 1. Es soll verhindert werden, dass die Verhängung der Haft wirkungslos wäre, wenn der Ausgang des Beschwerdeverfahrens abgewartet werden müsste. Insbesondere im Falle des § 33 Abs 3 S 4 wäre der notwendige sofortige Vollzug der Haftanordnung unmöglich.

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II. Aussetzung der Vollziehung 1. Zuständigkeit Einem dringenden praktischen Bedürfnis Rechnung tragend, ist es dem Gericht gestattet, die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen. Die Befugnis hierzu steht zu dem Gericht, dessen Verfügung angefochten wird (iudex a quo), also dem Ge-

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BayObLGZ 1970, 240.

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richt erster Instanz (AG, LG), oder bei Einlegung der weiteren Beschwerde dem LG als Beschwerdegericht, ferner dem Beschwerdegericht (iudex ad quem), also dem Gericht, welches über die erste Beschwerde zu entscheiden hat (LG, OLG) oder nach § 29 Abs 4 dem Gericht der weiteren Beschwerde (OLG, KG), bei Vorlegung nach § 28 Abs 2 auch dem BGH. Die Befugnis beginnt erst mit der Einlegung des Rechtsmittels. Sie endet für den iudex a quo mit dem Erlass der Entscheidung des ihm vorgeordneten Beschwerdegerichts, für den iudex ad quem mit dem Erlass seiner Beschwerdeentscheidung. Der iudex a quo kann mithin die Vollziehung noch aussetzen, wenn bereits Anfallwirkung (vgl vor § 19) eingetreten ist, der iudex ad quem kann nicht die Vollziehung seiner eigenen Entscheidung aussetzen, es sei denn, dass diese mit der weiteren Beschwerde angefochten wird. Die Befugnis des iudex a quo, der Beschwerde abzuhelfen (§ 18), bleibt unberührt. Andererseits steht ein Änderungsverbot (§§ 18 Abs 2, 29 Abs 3) der Aussetzung nicht entgegen. 2. Aussetzungsfähigkeit

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Aussetzungsfähig sind nur Verfügungen, bei denen die Rechtsfolge, welche die Verfügung zu äußern bestimmt und geeignet ist, nicht ohne weiteres mit ihrem Wirksamwerden eintritt, sondern die noch einer Vollziehung bedürfen. Nicht ausgesetzt werden kann daher die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft, die Ersetzung einer Willenserklärung, die Bestellung eines Vormunds, die Ermächtigung zur Einberufung einer Generalversammlung nach § 45 Abs 3 GenG, die Übertragung der elterlichen Sorge nach §§ 1671, 1672 BGB, überhaupt jede rechtsgestaltende Verfügung, etwa die Entlassung des Vormunds oder Testamentsvollsteckers. Beim Erbschein kann zwar nicht die Vollziehung nach § 24 Abs 3 ausgesetzt werden, aber die Rückgabe zu den Akten einstweilen angeordnet werden.2 Nicht aussetzungsfähig ist auch eine Fristbestimmung nach § 80, weil sie keiner Vollziehung fähig ist. In diesen Fällen kommt nur eine einstweilige Anordnung des Beschwerdegerichts nach Abs 3 in Betracht. Der Unterschied wirkt sich dahin aus, dass in diesen Fällen dem iudex a quo ein einstweiliges Eingreifen verwehrt ist, nicht aber dem iudex ad quem. Aussetzungsfähig ist mithin die Entscheidung über die Herausgabe eines Kindes nach § 1632 Abs 2 BGB, die Regelung des Verkehrs nach § 1634, die Entscheidung über die Zuweisung der Ehewohnung nach § 1 HausratVO, wenn nach Eintritt der Rechtskraft Beschwerde nebst Wiedereinsetzungsgesuch eingelegt wird. Die Aussetzung erfasst auch die Entscheidung über die Kostenerstattung (§ 13a Abs 1), wenn sie nicht von der Aussetzung ausgenommen ist. Im Kostenfestsetzungsverfahren ergibt sich die Befugnis des Gerichts, die Vollziehung des Kostenfestsetzungsbeschlusses auszusetzen, bei Einlegung der Beschwerde aus § 13a Abs 2 FGG mit § 104 Abs 3 S 1 ZPO und § 24 Abs 2 und 3 FGG bei einer Beschwerdesumme von mehr als 200 Euro, anderenfalls bei der befristeten Erinnerung nach § 11 Abs 2 RPflG aus analoger Anwendung. 3. Die Verfügung über die Aussetzung

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Die Verfügung über die Aussetzung ergeht von Amts wegen. Anträge der Beteiligten haben nur die Bedeutung einer Anregung. Die Verfügung wird nach § 16 mit der Bekanntmachung wirksam und kann nach § 18 Abs 1 Hs 1 ohne Antrag geändert werden. Die Aussetzung liegt im Ermessen des Gerichts. Für das untere Gericht kann sie zB in Betracht kommen, wenn die Beschwerde auf neue Tatsachen gestützt wird, die eine Änderung wahrscheinlich machen, dem Gericht aber eine Änderung durch § 18 Abs 2

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OLG Köln OLGZ 1990, 303.

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verwehrt ist, oder wenn ein mehrfacher Wechsel des bestehenden Zustands zu Unzuträglichkeiten führen würde, zB bei Herausgabe eines Kindes, und eine spätere Vereitelung der Vollziehung nicht zu befürchten ist. Auch die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels sind abzuwägen. Die Aussetzung wird, da nur für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bestimmt, mit dem Erlass der Beschwerdeentscheidung von selbst hinfällig, falls ihr nicht eine frühere zeitliche Grenze gesetzt ist, ohne dass es einer förmlichen Aufhebung bedarf.

III. Einstweilige Anordnungen des Beschwerdegerichts 1. Zulässigkeit Die dem Beschwerdegericht (iudex ad quem) durch Abs 3 eingeräumte Befugnis, vor 14 der Entscheidung einstweilige Anordnungen zu erlassen, geht über die Befugnis, die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen, hinaus. Gleichgültig, ob die angefochtene Verfügung einer Vollziehung fähig ist oder nicht, kann nicht nur die Fortdauer des bisherigen, sondern auch die Herstellung oder der Eintritt eines einstweiligen neuen rechtlichen oder tatsächlichen Zustandes bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung angeordnet werden, um zu vermeiden, dass durch eine Veränderung der Sachlage, die auf Grund der angefochtenen Verfügung eintreten oder herbeigeführt werden könnte, der Endentscheidung vorgegriffen wird.3 Die Maßnahmen müssen im Rahmen des Gegenstands der angefochtenen Verfügung und des Beschwerdebegehrens liegen. Demnach kann das Beschwerdegericht eine bereits wirksam gewordene Verfügung einstweilen außer Kraft setzen, die Befugnis, von der angefochtenen Verfügung Gebrauch zu machen, einstweilen entziehen oder die durch die angefochtene Verfügung abgelehnte Herstellung eines Zustandes als eines einstweiligen anordnen. So kann es die Bestellung zum Vormund oder die Ernennung eines Testamentsvoll- 15 streckers einstweilen außer Kraft setzen, die vorläufige gerichtliche Verwahrung der dem Vormund erteilten Bestallung oder des dem Erben erteilten Erbscheins anordnen, die Ermächtigung zur Einberufung einer Mitgliederversammlung (§ 37 BGB) einstweilen entziehen, dem entlassenen Testamentsvollstrecker die einstweilige Fortführung seines Amtes gestatten, die Hemmung einer Fristsetzung bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung anordnen oder die Bewilligung einer Vergütung an den Vormund oder Betreuer ganz oder teilweise einstweilen außer Kraft setzen. Im Verfahren nach §§ 1666, 1671, 1672 BGB kann der Aufenthalt des Kindes einstweilen bestimmt werden mit der Folge, dass der Personensorgeberechtigte mit auch das Prozessgericht bindender Wirkung die Herausgabe des Kindes zunächst nicht verlangen kann, im Verfahren nach § 1684 BGB kann der Verkehr mit dem Kinde einstweilen geregelt oder ganz untersagt werden. Eine Genehmigung des Familien- oder Vormundschaftsgerichts zu einem Rechtsgeschäft kann einstweilen außer Kraft gesetzt werden, wenn sie noch nicht nach den §§ 55, 62, 63 unabänderlich geworden ist.4 Jedoch darf der mit der Beschwerde erstrebte Zustand durch einstweilige Anordnung nicht schon endgültig herbeigeführt, zB eine nachgesuchte Ermächtigung erteilt werden. Das Beschwerdegericht ist ferner nicht befugt, die sofortige Wirksamkeit einer gesetzlich erst mit Rechtskraft wirksam werdenden Verfügung anzuordnen, soweit dies nicht besonders gestattet ist, wie in §§ 53 Abs 2, 82 Abs 2.

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BayObLGZ 1961, 166. Zum möglichen Rechtsmittelzug Vorlagebeschluss OLG Köln FGPrax 2001, 197.

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2. Zeitliche Grenzen und Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung

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Das Beschwerdegericht kann eine einstweilige Anordnung erlassen, sobald Beschwerde eingelegt und die Anfallwirkung eingetreten ist. Die Anordnung kann, da sie nur eine Zwischenregelung bis zum Abschluss des Beschwerderechtszuges darstellt, nur vor der Beschwerdeentscheidung ergehen. Sie wird mit der Bekanntmachung nach § 16 wirksam und kann nach § 18 Abs 1 auch ohne Antrag geändert werden. Mit dem Erlass der Beschwerdeentscheidung wird sie von selbst hinfällig, ohne dass es einer förmlichen Aufhebung bedarf. Demgemäß kann das Beschwerdegericht in seiner abschließenden Entscheidung über die Beschwerde nicht zugleich eine einstweilige Anordnung treffen. Diese Befugnis oder die Möglichkeit, die Vollziehung der Entscheidung des Amtsge17 richts auszusetzen, hat auch das Gericht der weiteren Beschwerde nicht mehr, wenn es die Entscheidung des Landgerichts aufhebt und die Sache an das Landgericht zurückverweist. Diese Befugnis hat nach Zurückverweisung nur noch das Landgericht. Wird die Beschwerdeentscheidung des LG auf weitere Beschwerde aufgehoben, so lebt die Aussetzungsverfügung des LG nicht von selbst wieder auf.5 Doch kann die dritte Instanz den Vollzug des amtsgerichtlichen Beschlusses aussetzen oder im Verfahren nach dem FEVG die Anordnung des Amtsgerichts über die sofortige Wirksamkeit der Freiheitsentziehung (§ 8 Abs 2 FEVG) bestätigen, wenn sie die Sache an das Landgericht zurückverweist. Das LG kann dann wiederum diese Anordnung vor seiner eigenen (erneuten) Beschwerdeentscheidung aufheben. Das Beschwerdegericht ist befugt, die vom VormG angeordnete sofortige Wirksamkeit einer Unterbringungsmaßnahme gemäß §§ 1906, 1631b BGB, §§ 70, 70g Abs 3, 70m FGG außer Kraft setzen. 3. Rechtsbeschwerdegericht

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Im Verfahren der weiteren Beschwerde ist § 24 Abs 3 nach § 29 Abs 4 FGG entsprechend anwendbar. Auch im dritten Rechtszuge können daher, der ständigen Übung der Obergerichte entsprechend, einstweilige Anordnungen nach Abs 3 ergehen oder es kann die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung ausgesetzt werden.6 Soweit erforderlich, kann das Rechtsbeschwerdegericht zu diesem Zweck im Wege des Freibeweises auch Erhebungen anstellen. Grundsätzliche Bedenken dagegen bestehen nicht. Auch im Wiedereinsetzungsverfahren hat das Rechtsbeschwerdegericht Tatsachen zu prüfen.7 Ebenso verpflichtet die Befugnis nach §§ 29 Abs 4, 24 Abs 3 notfalls zur Sachaufklärung. Im Verfahren nach dem LwVG hält der BGH den Erlass vorläufiger Anordnungen durch das Rechtsbeschwerdegericht allerdings für unzulässig.8

IV. Rechtliches Gehör 19

Vorherige Anhörung ist durch den Verfassungsgrundsatz des Art 103 Abs 1 GG nicht unbedingt geboten, und zwar wegen des Zwecks dieser rein verfahrensrechtlichen Sicherungsmaßnahmen, zu vermeiden, dass durch eine Veränderung der Sachlage der Endentscheidung vorgegriffen wird, und wegen der regelmäßig vorhandenen Eilbedürftigkeit. Dem Erfordernis, dass dem Betroffenen nachträglich Gelegenheit zur Stellungnahme ge-

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BayObLGZ 1963, 193. BayObLG ZMR 2002, 946. BGHZ 42, 223 = NJW 1964, 2304.

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BGHZ 3, 149; 13, 218; aA Barstedt/Steffen LwVG § 18 Rn 47.

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geben sein muss, wird dadurch genügt, dass die Anordnungen, wie ausgeführt, von Amts wegen oder auf Gegenvorstellungen gemäß § 18 Abs 1 geändert werden können. Eine Belehrung des Betroffenen darüber ist nicht erforderlich.

V. Rechtsmittel Anordnungen des Beschwerdegerichts nach Abs 2 oder 3 sind weder mit der ersten 20 noch mit der weiteren Beschwerde anfechtbar,9 weil die Verfügung nicht eine solche des Gerichts erster Instanz im Sinne des § 19 Abs 1 ist und weil die weitere Beschwerde durch § 27 nur gegen die Endentscheidung des Beschwerdegerichts zugelassen wird (vgl § 27), außerdem aber auch, weil die Anfechtbarkeit mit dem Zweck der Anordnung, für die Dauer des Beschwerdeverfahrens eine einstweilige rechtliche Ordnung herzustellen, unvereinbar wäre. Lehnt das Landgericht im Beschwerdeverfahren nach § 15 I 2 BNotO den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der von der allgemeinen Ansicht abweichenden Begründung ab, in diesem Verfahren könne der Notar nicht dazu angehalten werden, auf seinem Anderkonto hinterlegtes Geld nicht auszuzahlen, so ist diese Entscheidung auch nicht unter dem Gesichtspunkt greifbarer Gesetzeswidrigkeit anfechtbar.10 Unanfechtbar ist auch die Ablehnung der Anordnung und ihre Wiederaufhebung. Der zuletzt erwähnte Grundsatz rechtfertigt auch die Unanfechtbarkeit der Verfü- 21 gung, durch die der iudex a quo nach Abs 2 die Vollziehung der von ihm erlassenen Verfügung aussetzt oder die Aussetzung ablehnt, ebenso wie im Zivilprozess die Unanfechtbarkeit von Anordnungen nach § 570 Abs 3 ZPO angenommen wird. Es bedarf auch keines selbstständigen Rechtsmittels, weil das Beschwerdegericht, welches auf Grund der Beschwerde in der Hauptsache ohnehin mit der Sache befasst ist, nach Abs 3 auf Antrag oder von Amts wegen eine abweichende Anordnung erlassen kann. Anordnungen, die den zulässigen Rahmen einstweiliger Anordnungen überschreiten, können wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit ausnahmsweise anfechtbar sein,11 ebenso solche, die ihrem Erfolg nach bereits die Hauptsache entscheiden,12 oder die wegen funktioneller Unzuständigkeit überhaupt nicht erlassen werden durften.13 Gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte über Anträge auf einstweilige Anordnungen nach § 24 III FGG ist auch nach der Änderung des Zulassungsrechts für Notare eine Beschwerde an den BGH unstatthaft.14

VI. Sondervorschriften Sondervorschriften über einstweilige Anordnungen enthalten § 76 GBO, § 81 Schiffs- 22 RegVO, § 18 Abs 3 LwVG. Entsprechend anwendbar ist § 24 Abs 3 gemäß § 8 FEVG und § 35 Abs 3 VerschG, bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten (§ 29 EGGVG), im gerichtlichen Verfahren über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (Art 7 § 1 FamRÄndG), in Zulassungssachen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 40 Abs 4 BRAO, vgl auch §§ 91 Abs 7, 191 Abs 3 BRAO) und bei der Anfechtung von Verwaltungsakten auf dem Gebiet des Notarwesens (§ 111 Abs 4 BNotO

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OLG Frankfurt FGPrax 1997, 200; NJOZ 2003, 3475. OLG Frankfurt aaO. BayObLGZ 1967, 279. OLG Köln JMlNRW 1968, 9.

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OLG Stuttgart MDR 1976, 852. BGH, 19.10.1992, NotZ 42/92, NJW 1993, 2040 = LM Art 19 GrundG Nr 44 = MDR 1993, 85.

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mit § 40 Abs 4 BRAO).15 In Notarkostensachen (§ 156 KostO) sind einstweilige Anordnungen des Landgerichts nach § 570 Abs 3 ZPO statthaft, indem die Vollziehung der angefochtenen Kostenberechnung ausgesetzt wird. Diese einstweilige Anordnung ist unanfechtbar.

VII. Familiensachen 23

Auch in Familiensachen der FG (GVG § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11, 12, in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 14; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64) ist § 24 FGG grundsätzlich anwendbar, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. 1. § 24 Abs 1 ist in isolierten Familiensachen und Folgesachen anzuwenden, wenn die Entscheidungen mit der befristeten Beschwerde nach § 621e ZPO oder der einfachen Beschwerde nach § 19 FGG anfechtbar sind. In zahlreichen Ausnahmen wird die Regelung des § 24 Abs 1 modifiziert: Erst mit der Rechtskraft wirksam werden Entscheidungen in Familiensachen gemäß § 621 Abs 1 Nr 6, 7, 9 ZPO in Verbindung mit § 53g Abs 1 FGG, § 16 Abs 1 HausratVO, § 53a Abs 2 S 1 FGG. So auch für Entscheidungen über die Rückgabe des Kindes in einen anderen Vertragsstaat gemäß § 8 Abs 1 SorgeRÜbkAG in Familiensachen nach § 23b Abs 1 S 2 Nr 11 GVG. Auch in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB betr. die Feststellung der Vaterschaft zu einem Kind (vgl § 621 Nr 10 GVG) tritt erst mit Rechtskraft die Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung ein (§ 55b Abs 2 FGG). Dasselbe gilt nach § 53a Abs 2 S 1 FGG für die Verfahren nach §§ 1382, 1383 BGB (gl. § 621 Abs 1 Nr 12 GVG). Entscheidungen in Familiensachen gemäß § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3 ZPO als Folgesachen einer Scheidungssache werden nach § 629d ZPO nicht vor Rechtskraft der Scheidungssache wirksam (vgl § 64 FGG). Damit kommt § 24 Abs 1 praktisch nur bei isolierten Familiensachen gemäß § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3 ZPO zur Anwendung und bei Nebenentscheidungen, die gemäß § 19 FGG mit Beschwerde anfechtbar sind.16 2. § 24 Abs 2 kann in allen Familiensachen der FG, in denen Entscheidungen mit der befristeten Beschwerde gemäß § 621e ZPO angefochten werden können, nicht zur Anwendung kommen. Denn die Regelung, dass das Gericht die Vollziehung seiner eigenen Entscheidung aussetzen darf, kann nur greifen, wenn bei diesem Gericht auch die Beschwerde einzulegen ist, was jedoch gemäß § 621e Abs 3 S 1 ZPO gerade ausgeschlossen ist. Abgesehen davon ist das Familiengericht nach § 577 Abs 3 in Verbindung mit § 621e Abs 3 S 2 ZPO zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht ermächtigt. Damit reduziert sich die Anwendbarkeit des § 24 Abs 2 FGG praktisch auf die mit der Beschwerde nach § 19 FGG anfechtbaren Nebenentscheidungen. 3. § 24 Abs 3 ist anwendbar in isolierten Familiensachen der FG,17 jedoch in Folgesachen einer Scheidungssache nur nach Rechtskraft der Scheidung (§ 629d ZPO).18 Abgesehen davon gilt § 24 Abs 3 für Nebenentscheidungen, die mit der Beschwerde nach § 19 anfechtbar sind. Bei einstweiligen Anordnungen gemäß § 24 Abs 3 gilt § 620b Abs 2 ZPO nicht.19 Eine Sonderregelung betreffend die Aussetzung der Vollziehung des Verfah-

15 16

BGHZ 39, 162 = LM § 111 BNotO Nr 1a m Anm Greuner. OLG Bremen NJW 1979, 1051 = FamRZ 1979, 343.

818

17 18 19

OLG Bremen aaO. OLG Frankfurt FamRZ 1979, 1041. OLG Bremen FamRZ 1978, 805.

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Begründung der Beschwerdeentscheidung

§ 25

rens bei einstweiliger Anordnung (vgl § 620 ZPO) ergibt sich aus § 620e ZPO. Besonders geregelt ist das Verfahren in § 23b Abs 1 S 2 Nr 11 GVG für § 6 Abs 2 SorgeRÜbkAG.

VIII. Rechtspfleger § 24 ist auch anwendbar bei Entscheidungen des Rechtspflegers, gegen die nach § 11 24 Abs 1 RPflG das Rechtsmittel gegeben ist, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist, nämlich die Beschwerde. Hier hat die nächste Instanz, also regelmäßig das Landgericht, die Möglichkeit, den Vollzug gemäß § 24 Abs 3 auszusetzen, während der Rechtspfleger gemäß § 24 Abs 2 die Vollziehung aussetzen kann, wogegen wiederum die Erinnerung gegeben ist. § 24 gilt entsprechend, soweit nach § 11 Abs 2 RPflG nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, aber an dessen Stelle binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung stattfindet. Der über die Erinnerung entscheidende Richter des Amtsgerichts kann den Vollzug aussetzen. Hierbei wird er nicht als Beschwerdegericht tätig, so dass gegen seine Verfügung die Beschwerde nach § 19 gegeben ist.

IX. Nichtgerichtliche Behörden Auch für nichtgerichtliche Behörden, die nach Landesgesetz in Angelegenheiten des 25 Bundesrechts zuständig sind, ist § 24 nach § 194 Abs 1 anwendbar. Die Vorschrift taucht auch in landesrechtlichen Angelegenheiten auf.

X. Reformvorhaben Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen 26 und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 67 Abs 4, dass die sofortige Beschwerde nur dann aufschiebende Wirkung hat, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat. Ausführliche Regelungen über einstweilige Anordnungen sind in den §§ 53 ff enthalten.

§ 25 Begründung der Beschwerdeentscheidung Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist mit Gründen zu versehen.

Literatur Bettermann NJW 1955, 262 in Anm zu BGH NJW 1955, 21; Demharter Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen, NZM 2002, 673 (mit Beispielen); Schael Aufhebung und Zurückverweisung in Familiensachen der FG nach dem 1.1.2002, FamRZ 2005, 502.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwerfung als unzulässig . . . . . . . . 1. Zulässigkeit des Rechtsmittels . . . . 2. Zulässigkeitserfordernisse . . . . . . 3. Amtsprüfung . . . . . . . . . . . . . 4. Wirkung der Verwerfung als unzulässig . . . . . . . . . . . . . . III. Zurückweisung als unbegründet . . . . . 1. Schlichte Zurückweisung . . . . . . . 2. Schlechterstellung des Beschwerdeführers . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der Schlechterstellung . . . b) Geltung des Verbots der Schlechterstellung . . . . . . . . . . . . . .

1 2 2 5 6 9 11 11 12 12 14

Rdn IV. Begründetes Rechtsmittel . . . . . . . . 1. Entscheidung in der Sache . . . . . . 2. Zurückverweisung . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . b) Wirkung der Zurückverweisung, Bindung . . . . . . . . . . . . . . V. Begründung der Beschwerdeentscheidung VI. Form der Beschwerdeentscheidung . . . VII. Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . VIII.Rechtsmittelbelehrung . . . . . . . . . . IX. Entscheidungen des Amtsrichters über die Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . X. Entscheidungen in Familiensachen . . . XI. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

19 19 22 22 24 30 34 35 36 37 38 39

I. Allgemeines 1

Die §§ 25 bis 27 beziehen sich auf „die Entscheidung des Beschwerdegerichts“. Darunter ist die den Beschwerderechtszug abschließende Entscheidung über die Beschwerde zu verstehen. Sie kann den Beschwerdegegenstand ganz oder hinsichtlich eines absonderungsfähigen Streitpunkts oder bei Teilbarkeit des Verfahrensgegenstandes zu einem Teil erledigen. Andere Verfügungen des Beschwerdegerichts, die der Beschwerdeentscheidung vorausgehen oder neben ihr ergehen (zB Festsetzung des Beschwerdewerts, Entscheidung über Prozesskostenhilfe) gehören nicht hierher. Die Vorschrift des § 25 beschränkt sich auf den Ausspruch, dass die Beschwerdeentscheidung mit Gründen zu versehen ist. Der Inhalt des verfügenden Teils der Entscheidung (Beschlusstenor) ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Er ergibt sich aus der dem Rechtsmittelgericht zugewiesenen Aufgabe. Die Entscheidung kann lauten auf Verwerfung der Beschwerde als unzulässig, auf ihre Zurückweisung als unbegründet, auf Aufhebung der Vorentscheidung unter gleichzeitiger abweichender Entscheidung in der Sache oder auf Aufhebung der Vorentscheidung unter Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Erörterung und Entscheidung an das untere Gericht.

II. Verwerfung als unzulässig 1. Zulässigkeit des Rechtsmittels Die mit dem Rechtsmittel erstrebte neue Entscheidung über den Gegenstand der angefochtenen Verfügung setzt voraus, dass das Rechtsmittel zulässig ist. Fehlt es hieran, so ist dem Beschwerdegericht ein Eingehen auf die Sache selbst gesetzlich verwehrt. Die Verweigerung der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird. Die Prüfung der Zulässigkeit geht jeder sonstigen Prüfung voran. Vom Standpunkt des (letztlich) dritten Rechtszuges aus ist die Prüfung in folgender Reihenfolge anzustellen: a) Prüfung der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde; b) Prüfung der Zulässigkeit der ersten Beschwerde; c) Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens des ersten Rechtszuges; d) Sachliche Prüfung der angefochtenen Entscheidung. Hieraus ergibt sich, dass das Gericht, wenn es die (erste oder weitere) Beschwerde für 3 unzulässig erachtet, nicht in eine Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens des ersten

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Begründung der Beschwerdeentscheidung

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Rechtszuges eintreten und das Gericht der weiteren Beschwerde nicht prüfen darf, ob die erste Beschwerde zulässig war. Ferner ergibt sich hieraus, dass die Prüfung der Beschwerdebefugnis nicht der erste Abschnitt der Sachprüfung (oben d) sein kann, sondern in allen Fällen ein Bestandteil der Zulässigkeitsprüfung ist. Denn ersichtlich kann es dem Beschwerdegericht nicht gestattet sein, auf die erste Beschwerde eines nicht Beschwerdeberechtigten zu prüfen, ob das Verfahren des ersten Rechtszuges oder (bei einer weiteren Beschwerde) die erste Beschwerde zulässig war, und, wenn es hieran fehlt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Grundsatz, dass, wenn die Beschwerde unzulässig ist, eine Nachprüfung der an- 4 gefochtenen Entscheidung nicht mehr stattfinden darf, auch nicht in einer Hilfserwägung, gilt daher auch beim Fehlen der Beschwerdebefugnis. Eine gleichwohl gegebene sachliche Begründung ist als nicht geschrieben anzusehen. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels darf auch nicht dahingestellt bleiben oder unterstellt werden. Hat das Gericht gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels keine Bedenken, so ist in die sachliche Prüfung einzutreten. Die Zulässigkeit wird erst in den Gründen der Endentscheidung ausgesprochen. Ist die Zulässigkeit unzweifelhaft und von keiner Seite in Frage gestellt worden, so ist eine förmliche Feststellung darüber nicht einmal erforderlich. Eine Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit entsprechend § 303 ZPO ergeht nicht.1 Sie wäre für das Beschwerdegericht nicht bindend und ist auch nicht selbstständig anfechtbar.2 2. Zulässigkeitserfordernisse Die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig ist geboten, wenn es an der Statthaf- 5 tigkeit, einer etwa erforderlichen Zulassung oder der Wahrung der gesetzlichen Form oder Frist fehlt, ferner wenn die Beschwerde in der Hauptsache aufrechterhalten wird, obwohl sie wegen eines nachträglich eingetretenen Umstandes gegenstandslos geworden ist, zB die Beschwerde gegen eine vorläufige Anordnung oder gegen eine Zwischenverfügung wegen verfahrensrechtlicher Überholung, wenn inzwischen die Endentscheidung ergangen ist. Maßgebend für die Zulässigkeit des Rechtsmittels sind die Verhältnisse zur Zeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts. Die Rechtsbeeinträchtigung als Voraussetzung der Beschwerdebefugnis muss schon zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bestanden haben und zur Zeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts noch fortbestehen. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist für die Zulässigkeit der Beschwerde nicht besonders zu fordern. Es liegt schon in dem Erfordernis einer Beschwerdebefugnis. Genügt die Beschwerdeeinlegung nicht der gesetzlichen Form, so entspricht es der Gepflogenheit der Gerichte, den Beschwerdeführer über die Form zu belehren, und zwar bei befristeter Beschwerde stets, sofern die Beschwerdefrist durch formgerechte Einlegung noch gewahrt werden kann, bei unbefristeter Beschwerde nur, wenn das Rechtsmittel nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei Überschreitung der Beschwerdefrist ist in der Regel Anhörung des Beschwerdeführers vor Verwerfung des Rechtsmittels geboten. Er erhält damit Gelegenheit, ggf Wiedereinsetzung zu beantragen, wenn die Fristversäumnis unverschuldet war.

1

Vgl aber LG Neubrandenburg FamRZ 2000, 1305.

2

Vgl BGH NJW 1987, 3265; BVerwG NJW 1997, 2898.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

3. Amtsprüfung

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Die Zulässigkeit des Rechtsmittels hat das Beschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen. Dieser Grundsatz ist im FGG, anders als in den §§ 522, 552, 572 Abs 2 ZPO, nicht besonders ausgesprochen, weil er sich von selbst versteht. Die Zulässigkeit des ganzen Verfahrens oder eines Rechtsmittels muss notwendig in jeder Verfahrensart der Herrschaft der Parteien entzogen sein, gleichgültig, ob in dem Verfahren im Übrigen die Verhandlungsmaxime oder der Untersuchungsgrundsatz gilt. Die Amtsprüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist ein Anwendungsfall der Instruktionsmaxime, nicht etwa ein Ausfluss des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 12 FGG. Die Amtsermittlungspflicht bezieht sich nur auf den der Sachentscheidung zugrunde liegenden Tatsachenstoff. Im Zivilprozess bedeutet Amtsprüfung nicht, dass die Parteiinitiative für die Herbeiführung der Überzeugung des Gerichts von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstände ausgeschlossen und durch den Untersuchungsgrundsatz ersetzt ist. Da Zivilprozess und Verfahren der FG sich darin gleichen, dass die Eröffnung des Rechtsmittelverfahrens den Beteiligten freigestellt ist, insoweit also in beiden Verfahren übereinstimmend die Dispositionsmaxime gilt, kann es auch im Verfahren der FG nicht Pflicht des Gerichts sein, Zweifel tatsächlicher Art über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels durch Ermittlungen und Beweiserhebungen von Amts wegen zu beheben und aufzuklären. Vielmehr darf das Gericht dem Beschwerdeführer den Nachweis der Tatsachen aufgeben, von denen die Zulässigkeit des Rechtsmittels abhängt. Das gilt insbesondere von Tatsachen, von denen die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers abhängig ist. Ersichtlich kann es nicht Aufgabe des Gerichts sein, im Fall des § 57 Abs 1 Nr 8 von 7 Amts wegen aufzuklären, ob der Beschwerdeführer, wie er behauptet, ein Verwandter oder Verschwägerter des Kindes, oder im Fall des § 57 Abs 1 Nr 9, ob er in einer persönlichen Beziehung zu dem Kinde steht, welche ihm verständlichen Anlass gibt, für dessen Wohl einzutreten. Die Notwendigkeit, Wiedereinsetzungsgründe nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen (§ 22 Abs 2 S 1), ist nur ein besonderer Anwendungsfall dieses Grundsatzes. Kann ein der Aufklärung bedürftiges tatsächliches Erfordernis der Zulässigkeit vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen und deshalb vom Gericht nicht festgestellt werden, so fehlt es an den Voraussetzungen für eine Sachentscheidung und das Rechtsmittel muss als unzulässig verworfen werden. Etwas anderes gilt nur für den Beginn der Beschwerdefrist. Da Zustellungen im Amts8 betrieb vorzunehmen sind, müssen Unerweislichkeit der Zustellung oder nicht behebbare tatsächliche Zweifel an ihrer Wirksamkeit oder über ihren Zeitpunkt dazu führen, dass die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt ist. Kann nicht festgestellt werden, ob eine nicht verkündete Entscheidung des Beschwerdegerichts vor dem 1.1.2002 der Geschäftsstelle übergeben worden ist, gilt das Meistbegünstigungsprinzip.3 Hinsichtlich ihrer Bedeutung sind die Zulässigkeitserfordernisse (Statthaftigkeit, Zulassung, Beschwerdebefugnis, Beschwerdesumme, Frist, Form) nicht gleichwertig, da ein Mangel der Form nachträglich behoben und die Fristversäumnis durch Wiedereinsetzung beseitigt werden kann. Es empfiehlt sich daher, bei einer Mehrheit von Zulässigkeitsmängeln das Rechtsmittel aus dem stärksten, nicht behebbaren Grund zu verwerfen, wenn dieser Grund entscheidungsreif ist, um einer Wiederholung des Rechtsmittels vorzubeugen. Würde das Gericht ein unstatthaftes Rechtsmittel nur wegen eines Mangels der Form als unzulässig verwerfen, so bestände Anlass, die durch diese Verwerfung entstandenen Kosten wegen unrichtiger

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BGH NJW 2002, 2106.

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Sachbehandlung niederzuschlagen (§ 16 KostO), wenn das Rechtsmittel in der gesetzlichen Form wiederholt wird. 4. Wirkung der Verwerfung als unzulässig Mit der Verwerfung als unzulässig entfällt die Wirkung des Rechtsmittels, den Eintritt 9 der formellen Rechtskraft der Entscheidung zu hemmen, sofern die Beschwerdeentscheidung nicht ihrerseits wieder angefochten wird. Wenn in den Fällen der sofortigen Beschwerde die Wiederholung des Rechtsmittels wegen Ablaufs der Beschwerdefrist ausgeschlossen ist, wird die angefochtene Entscheidung formell rechtskräftig. Eine unselbstständige Anschlussbeschwerde wird mit der Verwerfung des Hauptrechtsmittels von selbst hinfällig. Soweit die Entscheidung der materiellen Rechtskraft fähig ist (§ 31), bestimmt sich diese ohne Rücksicht auf das Rechtsmittelverfahren nach dem Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung. Der iudex a quo bleibt nach Maßgabe des § 18 Abs 1 zur Änderung der Entscheidung befugt. Eine Wiederholung des Rechtsmittels steht die Verwerfung nicht entgegen, sofern der Grund der Unzulässigkeit behebbar und die Beschwerde unbefristet oder die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist oder gegen ihre Versäumung Wiedereinsetzung gewährt wird. Eine gesetzliche Bestimmung, nach der die Beschwerde gegen eine Entscheidung des 10 Amtsgerichts nicht statthaft ist, hat für die Statthaftigkeit einer weiteren Beschwerde grundsätzlich keine Bedeutung; deren Statthaftigkeit ist vielmehr selbstständig zu prüfen. Ist eine Beschwerde nicht statthaft, kann diese Frage unabhängig davon, ob das LG in seiner Entscheidung die Unzulässigkeit erkannt, verneint oder übersehen hat, Gegenstand einer zulässigen weiteren Beschwerde sein.4 Die sofortige weitere Beschwerde ist, falls für die Beschwerde regelmäßig eine Mindestbeschwer vorausgesetzt wird, wie etwa in Wohnungseigentumssachen, unabhängig vom Beschwerdewert stets zulässig, wenn die sofortige Beschwerde verworfen wurde.5

III. Zurückweisung als unbegründet 1. Schlichte Zurückweisung Die Zurückweisung der Beschwerde als unbegründet ist geboten, wenn die sachliche 11 Prüfung des Beschwerdegerichts in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ergibt, dass die angefochtene Entscheidung im Ergebnis gerechtfertigt ist, sei es auch aus anderen Gründen und selbst dann, wenn die Vorentscheidung zur Zeit ihres Erlasses ungerechtfertigt war und sich nur auf Grund erst im Beschwerderechtszuge hervorgetretener neuer Tatsachen als gerechtfertigt erweist (§ 23). Unbegründet ist die Beschwerde auch, wenn das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem unteren Gericht zu der Auffassung gelangt, dass der das Verfahren einleitende Antrag oder die Einleitung des Amtsverfahrens unzulässig war.

4 5

BayObLGZ 1993, 253 = NJW-RR 1994, 831. BGHZ 119, 216 = NJW 1992, 3305 = WuM 1993, 32 = ZMR 1993, 28.

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2. Schlechterstellung des Beschwerdeführers a) Begriff der Schlechterstellung

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Eine Schlechterstellung des Beschwerdeführers (reformatio in peius) liegt vor, wenn das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung zum Nachteil desjenigen ändert, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Der Nachteil muss also denjenigen treffen, der mit seinem Rechtsmittel eine günstigere Entscheidung erstrebt. Die durch ein erfolgreiches Rechtsmittel herbeigeführte Benachteiligung des Beschwerdegegners ist keine Schlechterstellung in diesem Sinne. Entsprechend ist der Rechtsmittelführer nicht gegen eine Benachteiligung geschützt, die auf einer selbstständigen Beschwerde oder einer unselbstständigen Anschlussbeschwerde des Gegners beruht. Von einer Schlechterstellung kann mithin nur die Rede sein, wenn sie von Amts wegen in einem Beschwerdeverfahren herbeigeführt wird, welches allein durch den Beschwerdeführer eröffnet worden ist. Die Schlechterstellung muss ferner in dem verfügenden Teil der Entscheidung zum Ausdruck kommen. Die Hinzufügung weiterer, dem Beschwerdeführer ungünstiger Gründe ist keine Abänderung der Vorentscheidung zu seinem Nachteil.6 Auch Nebenentscheidungen, die von Amts wegen getroffen werden, unterliegen keiner 13 Beschränkung in der Richtung, ob sie sich als Schlechterstellung darstellen oder nicht, insbesondere nicht die Kostenentscheidung.7 Schließlich gilt ein Verbot der Schlechterstellung, wie im Zivilprozess, für das Beschwerdeverfahren allgemein nicht, wenn das erstinstanzliche Verfahren überhaupt unzulässig war oder gegen von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvoraussetzungen verstieß.8 Die verletzte Verfahrensnorm hat zumeist größeres Gewicht als das Verschlechterungsverbot. Hat das untere Gericht einen Antrag als unzulässig abgewiesen, darf das Beschwerdegericht die Beschwerde zurückweisen, weil es den Antrag für sachlich unbegründet erachtet, sofern nicht eine Zurückverweisung geboten ist.9 Wer die Abänderung einer vorinstanzlichen Entscheidung erstrebt, muss auch eine Entscheidung in der Sache hinnehmen. b) Geltung des Verbots der Schlechterstellung

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Inwieweit das Verbot der Schlechterstellung im Verfahren der FG Geltung beanspruchen kann, ist streitig. Sicher ist, dass die Zulässigkeit der Schlechterstellung nicht mit der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes gerechtfertigt werden kann. Denn für die Frage, ob das Gericht den zutage getretenen Tatsachenstoff nur zu Gunsten oder auch zu Ungunsten des Beschwerdeführers berücksichtigen darf, kommt es nicht darauf an, auf welchem Wege der Tatsachenstoff in das Verfahren eingeführt worden ist. Demgemäß steht auch in anderen Verfahrensordnungen der Untersuchungsgrundsatz der Geltung des Verbots der Schlechterstellung nicht entgegen (vgl §§ 129, 141 VwGO; §§ 331 Abs 1, 358 Abs 2 StPO). Auch das häufig zur Rechtfertigung der Schlechterstellung angeführte öffentliche 15 Interesse an dem Verfahrensgegenstand ist ein wenig überzeugender Grund, da rechtsstaatliche Grundsätze es erfordern, dass öffentliche Interessen nicht von dem Richter von Amts wegen, sondern von einer Verwaltungsbehörde durch Stellung von Anträgen vor dem Richter vertreten werden, und deshalb auch im Verfahren der FG vielfach Behörden

6 7 8

BayObLGZ 1962, 47. BayObLGZ 1958, 41; KG FamRZ 1968, 472. BGH NJW 1986, 1494; BayObLGZ 1950, 253; BayObLGZ 1958, 309, 310; BayObLG

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9

FamRZ 1998, 1055 = MDR 1997, 1152; KG NJW 1955, 229; vgl auch OVG Bautzen SächsVBl 2000, 138 zu § 129 VwGO. BGH NJW 1988, 1983.

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zur Wahrung des öffentlichen Interesses die erforderliche verfahrensrechtliche Stellung eingeräumt worden ist. Das Verbot der Schlechterstellung ist vielmehr eine Folgerung aus der Dispositionsmaxime. Es muss daher auch im Verfahren der FG jedenfalls insoweit gelten, als die Einleitung, Begrenzung und Beendigung des Verfahrens zur Disposition der Beteiligten steht und zugleich der Gegenstand des Verfahrens der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt, also in den auf Antrag einzuleitenden echten Streitverfahren, mag es sich um privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Streitsachen handeln. Das Verbot gilt auch in Grundbuchsachen, grundsätzlich auch in anderen Registersachen sowie im Berichtigungsverfahren nach § 47 PStG. Dagegen wird die Geltung des Verbots im Anweisungsverfahren nach § 45 PStG (Ab- 16 lehnung von Amtshandlungen durch den Standesbeamten) nicht angenommen. Im Hausratsverfahren nach der HausratsVO ist eine Schlechterstellung ausgeschlossen, soweit Beschwerdegegenstand die Zuweisung der Ehewohnung ist. Dagegen soll eine Schlechterstellung in Bezug auf die Verteilung des Hausrats zulässig sein, weil die Beschwerde, auch wenn sie nur ein beschränktes Ziel verfolge, den gesamten Hausrat als einheitlichen Sachinbegriff der Entscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts unterstelle. Diese Erwägung erledigt sich aber bei Zulassung der Anschlussbeschwerde. Im Landwirtschaftsverfahren wird wegen der Geltung des Verbots nach dem Verfahrensgegenstand unterschieden: Eine Schlechterstellung wird mit Recht für unzulässig erachtet im landwirtschaftlichen Zuweisungsverfahren und im Verfahren nach § 10 HöfeO, dagegen zugelassen im Genehmigungsverfahren für den landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr.10 Im Verfahren nach dem Freiheitsentziehungsgesetz wird eine Schlechterstellung zum 17 Nachteil des Betroffenen schwerlich zugelassen werden können. Im Verfahren über die Festsetzung des Geschäftswerts nach § 31 KostO kommt die Geltung des Verbots nicht in Betracht, weil das Rechtsmittelgericht durch § 31 Abs 1 S 2 KostO ermächtigt ist, den Geschäftswert von Amts wegen zu ändern. Im Antragsverfahren wird die Geltung des Verbots im Allgemeinen anzunehmen sein, auch soweit das Verfahren nicht zu den echten Streitsachen zählt. Eine abweichende Auffassung ist jedoch für das Amtsverfahren geboten, vor allem in 18 Vormundschafts- und Familiensachen, in denen das Wohl des Kindes im Vordergrund steht, sowie in Nachlasssachen, soweit das NachlG von Amts wegen zugunsten unbekannter oder ungewisser Beteiligter tätig zu werden hat (§§ 1960, 1964 BGB, § 88 FGG). Zwar ist einzuräumen, dass die Zulassung einer Schlechterstellung in diesen Verfahren sich mit dogmatischen Gründen kaum rechtfertigen lässt, da auch hier das Beschwerdeverfahren ein Antragsverfahren ist, dessen Eröffnung der Disposition des beschwerdeberechtigten Beteiligten unterliegt. Der entscheidende Grund für die Zulassung der Schlechterstellung ist aber, dass es in diesen Verfahren um die Belange schutzbedürftiger Personen (Kinder, Mündel, Pfleglinge, Abwesende, Betreute) geht, die entweder durch die Umstände gehindert oder nach ihren persönlichen Eigenschaften nicht hinreichend fähig sind, ihre Rechte wahrzunehmen, auch soweit das Gesetz (§ 59 Abs 1 FGG) ihnen diese Befähigung einräumt. Das erweiterte Beschwerderecht Dritter, auch des Jugendamtes, nach § 57 Abs 1 Nr 9 gewährt keinen ausreichenden Schutz, zumal es gegenständlich beschränkt und bei sofortiger Beschwerde (§ 57 Abs 2) ausgeschlossen ist. Das Verbot der Schlechterstellung gilt daher nicht in allen von Amts wegen betriebenen Sorgerechtssachen und Verkehrsregelungssachen. Auch in auf Antrag betriebenen 10

BGH NJW-RR 1998, 1473 = LM H. 3/1999 § 9 LwVG Nr 32 = DNotZ 1999, 88 = ZfIR 1998, 50.

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Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge während bestehender Ehe nach § 1672 BGB wird es keine Geltung beanspruchen können. In rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten wird allerdings, auch wenn sie von Amts wegen betrieben werden, eine Schlechterstellung nicht zuzulassen sein, so bei der Festsetzung der Vergütung des Vormunds oder Betreuers nach § 1836 BGB. Soweit hiernach eine Schlechterstellung zulässig ist, ist zu beachten, dass sie sich im Rahmen des Verfahrensgegenstandes halten muss. Der Erlass einer andersartigen Maßnahme, zB der Entlassung des Vormunds, der gegen die Festsetzung einer Ordnungsstrafe Beschwerde einlegt, überschreitet die Grenzen der Entscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts.

IV. Begründetes Rechtsmittel 1. Entscheidung in der Sache

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Erweist die Beschwerde sich als zulässig und begründet, so hat das Beschwerdegericht unter Abänderung der Vorentscheidung grundsätzlich selbst die Sachentscheidung zu erlassen, also im Antragsverfahren den Verfahrensantrag zurückzuweisen oder ihm stattzugeben und die begehrte oder erforderliche sachliche Anordnung zutreffen, im Amtsverfahren eine Maßnahme abzulehnen oder anzuordnen. Es hat also die Entscheidung zu erlassen, die das Amtsgericht hätte treffen sollen, und darf sich nicht darauf beschränken, die gebotene Anordnung dem Amtsgericht zu übertragen und ihm nur die Richtlinien anzugeben, von denen es bei dieser Anordnung auszugehen hat. Denn das Beschwerdegericht tritt in den Grenzen des Rechtsmittels vollständig an die Stelle des Amtsgerichts und kann der Beschwerde auch durch eine eigene Sachentscheidung abhelfen, zB den vom Amtsgericht gemäß § 29 BGB bestellten Notvorstand durch einen anderen zu ersetzen,11 die Aufhebung einer Pflegschaft verfügen oder die abgelehnte Abschiebungshaft anzuordnen.12 Soweit jedoch die Durchführung der Anordnung einer besonderen Ausführungshand20 lung bedarf, ist diese dem Gericht des ersten Rechtszuges zu überlassen, zB die Bestellung eines Vormunds wegen § 1789 BGB; die Einleitung eines Zwangsgeldverfahrens nach § 132 FGG wegen des anschließenden Einspruchsverfahrens, wenn das Beschwerdegericht die ablehnende Verfügung des Registergerichts aufhebt, oder die Erteilung, Einziehung oder Kraftloserklärung eines Erbscheins. Das Amtsgericht ist an die Anordnung des Beschwerdegerichts gebunden und hat sie auszuführen, vorbehaltlich einer inzwischen eingetretenen Änderung der Sach- und Rechtslage, die der Ausführung der Beschwerdeentscheidung entgegensteht. Die in Ausführung der Beschwerdeentscheidung ergangene Verfügung des Amtsgerichts kann nicht wiederum mit der Beschwerde angefochten werden, weil auch das Landgericht an seine Entscheidung gebunden ist, sondern es ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts gegeben. Anders, wenn geltend gemacht wird, die Beschwerdeentscheidung hätte wegen einer 21 inzwischen eingetretenen Änderung der Sachlage nicht ausgeführt werden dürfen. Das Beschwerdegericht hat sich bei seiner Entscheidung im Rahmen des Verfahrensgegenstandes zu halten.13 Im Rahmen eines Antragsverfahrens darf es ebenso wenig über den Antrag hinausgehen wie die erste Instanz. In den echten Streitsachen ist bei einer Antrags-

11 12

BGHZ 24, 52 = NJW 1957, 832. BayObLGZ 1962, 42.

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BayObLGZ 1970, 94; KG NJW 1970, 2028.

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Begründung der Beschwerdeentscheidung

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änderung oder -erweiterung § 533 ZPO analog anwendbar, dh wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht die Antragsänderung oder -erweiterung für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Beschwerdegericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. 2. Zurückverweisung a) Voraussetzungen Bei der Zurückverweisung beschränkt sich das Beschwerdegericht darauf, die ange- 22 fochtene Verfügung durch eine kassatorische Entscheidung (iudicium rescindens) aufzuheben, während es die in der Regel damit zugleich zu verbindende neue reformatorische Entscheidung (iudicium rescissorium) auf das untere Gericht überträgt, weil es dazu einer weiteren tatsächlichen Prüfung bedarf. Die Zulässigkeit der Zurückverweisung ist trotz des Schweigens des Gesetzes auch im Verfahren der FG anerkannt. Da aber das Beschwerdegericht, auch wenn es zur Aufhebung kommt, grundsätzlich die abschließende Sachentscheidung selbst zu treffen hat, bedarf die Zurückverweisung der Rechtfertigung durch besondere Gründe. Während nach § 540 ZPO aF von der Zurückverweisung abgesehen werden durfte, wenn die Oberinstanz die eigene Sachentscheidung für sachdienlich hielt, ist nach § 538 Abs 1 ZPO nF die eigene Sachentscheidung nach ggf. notwendiger Beweisaufnahme die Regel, von der im Sinne einer Zurückverweisung nur abgewichen werden darf, wenn die Ausnahmefälle des § 538 Abs 2 ZPO vorliegen. Diese Vorschriften sind entsprechend anzuwenden, soweit das Verfahren der FG dies zulässt. Der nach der ZPO erforderliche Antrag wenigstens einer Partei wird im FGG-Verfahren nicht erforderlich sein. Die Zurückverweisung ist in entsprechender Anwendung des § 538 Abs 2 ZPO insbe- 23 sondere nur zulässig, soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet14 und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich ist oder wenn der angefochtene Beschluss nur über die Zulässigkeit des Verfahrens entschieden hat. Die eigene Sachentscheidung ist angezeigt, wenn nach Lage des Einzelfalles der baldigen Beendigung des Verfahrens der Vorzug vor dem Verlust einer Tatsacheninstanz gebührt, zB wenn die Tatfragen ohne umfangreiche Beweisaufnahme festgestellt werden können oder schon im ersten Rechtszuge hinreichend erörtert sind. Kein Zurückweisungsgrund ist gegeben, wenn das untere Gericht ohne Verfahrensfehler sachlich entschieden hat, von der abweichenden Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts aus aber noch weitere Punkte der Aufklärung bedürfen. In diesem Fall hat das Beschwerdegericht die von seiner Rechtsauffassung aus erforderliche Sachprüfung selbst vorzunehmen. b) Wirkung der Zurückverweisung, Bindung Die zurückverweisende Entscheidung beendet den Beschwerderechtszug. Sie ist daher 24 mit der weiteren Beschwerde anfechtbar (§ 27). Mit dem Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung (§ 26) wird die Sache wieder beim Gericht des ersten Rechtszuges anhängig. Dieses ist verpflichtet, dem Verfahren Fortgang zu gewähren und die Sache von neuem zu verhandeln und zu entscheiden. In der tatsächlichen und rechtlichen Würdi-

14

BayObLG NJW-RR 2002, 679 = FGPrax 2002, 82; NJW-RR 2002, 1086 = FamRZ 2002, 1348 LS.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

gung ist das Untergericht von seinen eigenen früheren Feststellungen und Rechtsansichten völlig frei. Es kann in dem neuen Verfahren die Beweise anders würdigen und zur Feststellung eines anderen Sachverhalts gelangen. Es braucht auch nicht an seiner früheren Rechtsansicht festzuhalten. In gewissem Umfange tritt aber eine Bindung des Untergerichts an die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts ein. Der Grundsatz des § 563 Abs 2 ZPO, nach welcher das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, gilt als im Wesen des Instanzenzuges liegend auch im Verfahren der FG, und zwar sowohl im Verhältnis zwischen dem Rechtsbeschwerdegericht und dem Beschwerdegericht als auch, wie im Zivilprozess, im Verhältnis zwischen dem Beschwerdegericht und dem Gericht des ersten Rechtszuges.15 Das Gericht erster Instanz ist mithin an die der Aufhebung unmittelbar zugrunde liegenden Beurteilung der Rechts- und Tatfrage gebunden, außer wenn sich nachträglich der Sachverhalt oder das anzuwendende Recht geändert hat.16 Die Bindung erstreckt sich nur auf diejenigen Punkte, deren rechtsirrige Würdigung die Aufhebung unmittelbar herbeigeführt hat. Soweit die Rechtsauffassung des Untergerichts von dem Beschwerdegericht in der aus anderen Gründen aufhebenden Entscheidung gebilligt worden ist, besteht keine Bindung.17 Hebt das Landgericht auf Beschwerde des Antragstellers eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes aus formellen Gründen auf, weil neben dem in der Zwischenverfügung aufgezeigten ein weiteres, nicht mit Rückwirkung zu beseitigendes Eintragungshindernis bestehe, so erstreckt sich die Bindungswirkung der Entscheidung des Landgerichts für das Grundbuchamt nicht auf die Beurteilung dieses anderweitigen Eintragungshindernisses.18 Die der Aufhebung zugrunde liegende Rechtsauffassung ist also von der Rechtsauffas25 sung zu unterscheiden, welche die Zurückverweisung erforderlich gemacht hat. Nur an die Erstere ist das Untergericht gebunden. Diese Bindungswirkung kann ggf. durch die weitere Beschwerde beseitigt werden.19 Die Erwägungen, die das Beschwerdegericht bestimmten, die Sache, statt sogleich abschließend zu entscheiden, zurückzuverweisen, und die Meinungen, die es über die weitere Behandlung der Sache geäußert hat, sind nicht bindend, weil das Beschwerdegericht hierüber eine eigene Entschließung noch nicht hat treffen wollen, jedenfalls den Inhalt der reformatorischen Entscheidung insoweit nicht bindend bestimmen kann.20 Ist nur wegen eines Verfahrensmangels aufgehoben worden, so ist das untere Gericht in der sachlichrechtlichen Beurteilung frei und kann sogar von seiner früheren, vom Beschwerdegericht gebilligten Rechtsansicht abweichen.21 Ist etwa eine Entscheidung wegen Nichterhebung von Beweisen aufgehoben worden, so darf das untere Gericht unter Aufgabe seiner vom Beschwerdegericht gebilligten Rechtsauffassung zur einer Ansicht gelangen, bei welcher das Beweisthema unerheblich ist, während es bei unveränderter sachlichrechtlicher Beurteilung wegen seiner Bindung den Verfahrensfehler nicht wiederholen darf, also den Beweis erheben muss. Noch weniger besteht eine Bindung an so genannte wegweisende Bemerkungen (obiter dicta) über die weitere Sachbehandlung.22 Hat das Beschwerdegericht die Einleitung eines Firmenmissbrauchs- oder Amts26 löschungsverfahrens angeordnet, so hat das Registergericht über die Rechtmäßigkeit des

15 16 17 18

RGZ 124, 322 = JW 1929, 2527; BGHZ 15, 122 = NJW 1955, 21; BayObLGZ 1962, 47. BayObLGZ 1960, 98; zum Zivilprozess BGH LM Nr 1 zu § 565 Abs 2 ZPO. BGHZ 3, 226; 6, 76; 22, 370. OLG Hamm FGPrax 2002, 146.

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19 20 21 22

BGHZ 88, 62 = NJW 1983, 2262. BGH LM Nr 3 zu § 675 BGB. BGHZ 3, 321; 6, 79; OLG Hamm FGPrax 2002, 146. BayObLGZ 1960, 216.

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Begründung der Beschwerdeentscheidung

§ 25

Einspruchs (Widerspruchs) ohne Bindung an die der Beschwerdeentscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung zu befinden, weil die Bindung sich nur auf die Verpflichtung zur Einleitung des Verfahrens, nicht aber auf die nach Abschluss des Verfahrens zu treffende Sachentscheidung beziehen kann.23 Soweit eine Bindung an die der Aufhebung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung besteht, erstreckt sie sich nicht nur auf die abstrakte Auslegung einer Rechtsnorm oder unbestimmter Rechtsbegriffe, sondern auch auf die konkrete Subsumtion des Sachverhalts, sofern er unverändert bleibt, sowie auf die vom Beschwerdegericht angewendeten Erfahrungssätze. Die Bindung bezieht sich auch auf die Verfassungsmäßigkeit des anwendbaren Gesetzes, mag sie auch nur stillschweigend bejaht worden sein. Das untere Gericht darf darüber also kein Normenkontrollverfahren einleiten.24 Der Bindung in dem angeführten Umfang unterliegt auch das Beschwerdegericht 27 selbst, wenn es nach der Zurückverweisung im wiederholten Rechtszuge wiederum mit derselben Sache befasst wird,25 und zwar auch, wenn es inzwischen seine Rechtsauffassung geändert hat oder wenn das Rechtsbeschwerdegericht jetzt seine frühere Auffassung, wenn es nicht gebunden wäre, ohne Verletzung seiner Vorlagepflicht (§ 28 Abs 2) nicht mehr vertreten dürfte.26 Die Bindung ergreift das Gericht als solches, also nach einer Änderung der Geschäftsverteilung auch den Spruchkörper (Kammer, Senat), der für die neue Entscheidung zuständig ist.27 Schließlich besteht eine Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, wenn dessen zurückverweisende Entscheidung nicht angefochten worden ist und die Sache nach erneuter Entscheidung des Amtsgerichts im weiteren Verfahren an das OLG gelangt.28 Keine Bindung besteht, wenn eine inzwischen rückwirkend in Kraft getretene gesetz- 28 liche Regelung eingreift, welche die Beschwerdeinstanzen berücksichtigen müssen.29 Gegen die nach Zurückverweisung ergangene Entscheidung findet die Beschwerde nach den allgemeinen Grundsätzen statt, also die Erstbeschwerde an das LG, wenn an das AG zurückverwiesen worden ist, und die weitere Beschwerde an das OLG, wenn dieses an das LG als Beschwerdegericht zurückverwiesen hatte. Das Verfahren nach der Zurückverweisung kann für den Beschwerdeführer zu einem 29 gegenüber der aufgehobenen Entscheidung ungünstigeren Ergebnis führen. Das Verbot der Schlechterstellung, selbst wenn es in dem Verfahren für das Beschwerdegericht gilt, hindert das untere Gericht nicht an einer für den Beschwerdeführer nachteiligeren Entscheidung.30 Das Verfahren ist nach der Zurückverweisung kein „völlig neues Verfahren“, sondern eine Fortsetzung des Verfahrens nach Wiedereröffnung der unteren Instanz. Nach Aufhebung der ersten Entscheidung kann diese für das weitere Verfahren keine bestimmende Wirkung mehr haben, insbesondere wenn an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen worden und das Verfahren vor diesem ein Amtsverfahren ist. Hat aber das OLG eine Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache an das LG als Beschwerdegericht zurückverwiesen, so darf die neue Entscheidung des LG gegenüber der (bestehen gebliebenen) Entscheidung des AG dem Beschwerdeführer nur ungünstiger sein, soweit in dem Verfahren auch sonst das Verbot der Schlechterstellung nicht gilt.

23 24 25 26

KG NJW 1955, 1926. BVerfGE 2, 406. BGHZ 15, 122 = NJW 1955, 21. BGH NJW 1954, 1445 = LM Nr 14 zu § 28 FGG.

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BVerwG WPM 1966, 1139. BGHZ 15, 122; 25, 200; aA Bettermann NJW 1955, 262. BayObLGZ 1960, 98. OLG München NJW 1952, 629.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

V. Begründung der Beschwerdeentscheidung 30

Eine Begründung ist im Hinblick darauf vorgeschrieben, dass die weitere Beschwerde nach § 27 Abs 1 S 1 nur auf eine Gesetzesverletzung gestützt werden kann und die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts für das Gericht der weiteren Beschwerde nach § 27 Abs 1 S 2 FGG, 559 ZPO bindend sind, sofern die Feststellungen ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen sind. Aus dem Zweck der Begründung, dem Gericht der weiteren Beschwerde eine Nachprüfung der Entscheidung in diesem Umfange zu ermöglichen, ergeben sich zugleich die an die Begründungen zu stellenden Anforderungen. Die Gründe müssen die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts unter Würdigung des Ergebnisses der Ermittlungen, einer Beweisaufnahme und des Vorbringens der Beteiligten enthalten und die Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt, die zu dem Entscheidungsausspruch geführt haben, darstellen. Eine äußerliche Trennung zwischen Tatbestand und Entscheidungsgründen ist nicht vorgeschrieben und in der FG nicht – zumindest nicht unter getrennten Überschriften – üblich. Jedoch ist ein Aufbau ähnlich dem Zivilurteil anzuraten. Wenn ein Umstand in den Gründen erwähnt wird, muss klar zu erkennen sein, ob es sich dabei um eine tatsächliche Feststellung, um die Wiedergabe des Vorbringens der Beteiligten oder um eine rechtliche Erwägung handelt.31 Die Gründe müssen auch eine vollständige Sachdarstellung enthalten, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Nachprüfung des verfahrensrechtlich einwandfreien Zustandekommens der tatsächlichen Feststellungen und der Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt ermöglichen. Die Gründe müssen ergeben, welche Tatsachen das Gericht für erwiesen hält, und 31 darüber Aufschluss geben, auf Grund welcher Ermittlungen, Unterlagen und Erwägungen die Feststellungen getroffen sind. Denn auch das verfahrensrechtlich einwandfreie Zustandekommen der tatsächlichen Feststellungen unterliegt der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Eine Bezugnahme auf die Vorentscheidung ist hierbei zwar nicht schlechthin unstatthaft, jedoch müssen dann die Gründe der Vorentscheidung den angeführten Anforderungen entsprechen, und bei einer Veränderung der Sachlage in der Beschwerdeinstanz ist jedenfalls insoweit eine Darstellung des Sachverhalts erforderlich.32 Dem genügt nicht die lediglich pauschale Mitteilung des Ergebnisses der Beurteilung des Beschwerdevorbringens und des Vorbringens der anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren dahin, dass es eine von der des Nachlassgerichts abweichende Entscheidung nicht rechtfertige.33 Lässt die Entscheidung den für festgestellt erachteten Sachverhalt nur undeutlich oder gar nicht erkennen, fehlt es insbesondere an Tatsachen, die unter ein Gesetz subsumiert werden können, und kann deshalb die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses vom Rechtsbeschwerdegericht nicht nachgeprüft werden, so muss die Entscheidung aufgehoben werden.34 Eine allgemeine Verweisung auf den Akteninhalt genügt nicht.35 Eine Bezugnahme auf einzelne Aktenbestandteile ist zulässig, wenn die in Bezug genommenen einzelnen Tatsachen und rechtlichen Erwägungen zweifelsfrei gekennzeichnet sind und das Verständnis der Entscheidung durch die Bezugnahme nicht beeinträchtigt wird. Die Verweisung auf die Begründung einer früher in derselben oder in einer anderen 32 gleichliegenden Angelegenheit ergangenen Entscheidung kann genügen, wenn diese den 31 32 33

RGZ 102, 328; BSG NJW 1960, 264. BayObLGZ 1965, 328; BayObLG FamRZ 1968, 257; OLG Köln OLGZ 1968, 324. BayObLG FamRZ 2001, 54 = ZEV 2000, 315.

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34 35

BSG NJW 1960, 264; OLG Hamm JMBlNRW 1959, 113. BayObLGZ 1965, 328.

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Begründung der Beschwerdeentscheidung

§ 25

Beteiligten bekannt ist,36 nicht aber auf die Gründe einer unter anderen Beteiligten ergangenen Entscheidung.37 Der Inhalt der Gründe muss über die wesentlichen Punkte der leitenden Erwägungen Aufschluss geben,38 insbesondere bei Ermessensentscheidungen (zB Vergütung des Vormunds oder Betreuers) die für die Ermessensausübung maßgeblich gewesenen Gesichtspunkte hervortreten lassen. Haben die einzelnen Erhebungen nicht ein übereinstimmendes Ergebnis gehabt oder ist der Beweiswert der verwendeten Beweismittel angefochten worden, so müssen die Gründe auch über die Beweiswürdigung Rechenschaft geben. Nichteingehen auf neues Vorbringen ist ein Mangel der Begründung. Die Begründung der Entscheidung des Beschwerdegerichts muss erkennen lassen, dass sich das Gericht mit den Beschwerdevorträgen auseinander gesetzt hat; anderenfalls liegt ein zur Aufhebung und Zurückweisung führender Verfahrensmangel vor.39 Das Gericht braucht zwar nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden, insbesondere, wenn sich aus dem Zusammenhang der Gründe ergibt, dass es das Vorbringen für unerheblich gehalten hat oder wenn es nach dem Rechtsstandpunkt des Beschwerdegerichts darauf nicht ankommen kann. Die Gründe dürfen aber nicht den Schluss zulassen, dass das Gericht das Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und deshalb nicht berücksichtigt hat; darin kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zutage treten.40 Auf irrige Rechtsausführungen eines Beteiligten braucht das Gericht nicht einzugehen. Überhaupt genügt es, wenn das Gericht seine Rechtsauffassung darlegt. Auf wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit anderen Meinungen braucht es sich nicht einzulassen. Allgemeine Redewendungen genügen freilich nicht. Bloße Werturteile sind keine tatsächlichen Feststellungen, zB nicht die allgemeine Feststellung, der Beschwerdeführer sei dem Trunke ergeben und gefährde dadurch das Kindeswohl oder der Pfleger habe es zu unerquicklichen Auftritten kommen lassen. Vielmehr müssen die Tatsachen festgestellt sein, auf denen das Werturteil beruht. Entsprechen die Gründe nicht diesen Anforderungen, so liegt in der Verletzung des 33 § 25 ein Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung führen kann, vorausgesetzt, dass die Entscheidung auf dem Mangel beruht und das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung nicht aus anderen Gründen für zutreffend erachtet (§ 27 Abs 1 S 2 FGG iVm § 561 ZPO). Hat ein Verfahrensbeteiligter im Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe beantragt, kann die Entscheidung hierüber entweder getrennt oder in Verbindung mit der Beschwerdeentscheidung ergehen. Die Begründungspflicht des § 25 FGG gilt auch für isolierte Kostenbeschlüsse, etwa nach Rücknahme der Erstbeschwerde oder Hauptsachenerledigung in zweiter Instanz, die nach § 27 Abs 2 anfechtbar sind.41

VI. Form der Beschwerdeentscheidung Die Entscheidung muss schriftlich abgefasst sein. Die Ordnung gebietet es, dass die 34 mitwirkenden Richter entweder im Kopf der Entscheidung bezeichnet oder aus ihren Unterschriften ersichtlich sind. Ein Richter auf Probe, kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter muss als solcher aus der Entscheidung erkenntlich sein (§ 29 S 2 DRiG). Wirksamkeitserfordernis ist nur die Bezeichnung des Gerichts und die (den Gründen 36 37 38 39

RG JW 1910, 482. RG JW 1926, 815. KG JW 1931, 1495. OLG Celle NdsRpfl 2004, 297.

40 41

BVerfGE 5, 22; 22, 267 = NJW 1967, 1955; OLG Köln OLGZ 1968, 324. OLG Zweibrücken ZMR 2005, 652.

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§ 25

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

nachfolgende) Unterschrift mindestens des Vorsitzenden. § 14 der Geschäftsordnung des BGH (Bek v 3.3.1952, BAnz 1952 S 83) lässt für nicht verkündete Beschlüsse die Unterschrift des Vorsitzenden und des Berichterstatters genügen. Die Unterschrift aller mitwirkenden Richter ist daher, wenn auch ratsam, nicht erforderlich.42 Hat der Vorsitzende oder sein Stellvertreter unter der Entscheidung vermerkt, dass ein Richter an der Unterzeichnung verhindert sei, und als Grund der Verhinderung eine Tatsache angegeben, die ein Verhinderungsgrund sein kann, so kann die Entscheidung nicht mit der Begründung angefochten werden, der Richter habe gleichwohl unterzeichnen können.43 Der Vermerk, der die Verhinderung bescheinigt, bedarf der Unterzeichnung, sofern die fehlende Unterschrift für die Form der Entscheidung wesentlich ist. Im Landwirtschaftsverfahren ist die Unterschrift der landwirtschaftlichen Beisitzer nicht notwendig. Beratung und Abstimmung müssen mündlich sein (vgl § 194 GVG).

VII. Bekanntmachung 35

Die Bekanntmachung der Beschwerdeentscheidung veranlasst die Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts. Sie ergeht an alle im Verfahren aufgetretenen (formell) Beteiligten und an alle materiell Beteiligten, deren Recht durch die Beschwerdeentscheidung gegenüber der Vorentscheidung beeinträchtigt wird, und zwar, wenn die sofortige weitere Beschwerde gegeben ist, gemäß § 16 Abs 2 durch förmliche Zustellung.

VIII. Rechtsmittelbelehrung 36

Eine Rechtsmittelbelehrung ist nur in LwVG § 25 mit § 21 Abs 2 vorgesehen. Im Übrigen ist eine Rechtsmittelbelehrung bei fristgebundenen Rechtsmitteln nach überwiegender Auffassung in den Verfahren der FG mit der Folge etwa, dass die Rechtsmittelfrist mangels Belehrung nicht zu laufen beginnt, derzeit umstritten. Bejahender Ansicht ist Demharter 44 unter Heranziehung der vom BVerfG45 entwickelten Grundsätze.46 Für Wohnungseigentumssachen hat der BGH die Verpflichtung zur Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung angenommen; bei Unterlassung kann im Einzelfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen.47 Vieles spricht dafür, dass auch in anderen FGG-Verfahren eine Rechtsmittelbelehrung erforderlich ist, weil die Schwierigkeiten der Rechtsmitteleinlegung vergleichbar sind.48

IX. Entscheidungen des Amtsrichters über die Erinnerung 37

Hat der Richter im Falle des § 11 Abs 2 RPflG über die Erinnerung zu entscheiden, weil ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, so ist auf diese Entscheidung § 25 nicht direkt anwendbar. Die Beifügung einer die wesentlichen Gedankengänge wiedergebenden Begründung ist aber aus rechtsstaatlichen Erwägungen geboten.49 42 43 44 45

BGHZ 9, 24 = NJW 1953, 663 = MDR 1953, 290; OLG Oldenburg NdsRpfl 1956, 198. BGH NJW 1961, 782. WuM 2000, 43. BVerfGE 93, 99 = NJW 1995, 3173 = FamRZ 1995, 1559.

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46

47 48 49

Vgl auch den Vorlagebeschluss des BayObLG vom 24.10.2001, FGPrax 2002, 14 = NZM 2002, 30. BGH NJW 2002, 2171 = NZM 2002, 619. Demharter NZM 2002, 673. Vgl OLG Hamm NJW-RR 2000, 212.

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§ 26

Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung

X. Entscheidungen in Familiensachen Auf Familiensachen der FG (GVG § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11, 12 in Verfah- 38 ren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 14; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64), aber auch für Folgesachen und isolierte Sache, ist § 25 anzuwenden.50 Soweit darüber eine Entscheidung im Verbund durch Urteil ergeht (§§ 623, 629 ZPO), ist § 313 ZPO direkt anwendbar. Die Begründungspflicht bei Entscheidungen über einstweilige Anordnungen ergibt sich aus § 620d ZPO.

XI. Reformvorhaben Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen 39 und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 72 Abs 2, dass der Beschluss des Beschwerdegerichts begründet werden soll. In einer Reihe von Fällen wird sodann die Begründung zwingend vorgeschrieben. Anstelle der Begründung kann das Beschwerdegericht feststellen, dass es der angefochtenen Entscheidung folgt, sich also dessen Begründung anschließt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist in § 39 allgemein vorgeschrieben.

§ 26 Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung Die Entscheidung des Beschwerdegerichts wird in den Fällen, in welchen die sofortige weitere Beschwerde stattfindet, erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen. Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . II. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde anfechtbare Beschwerdeentscheidungen III. Eintritt der formellen Rechtskraft . . . IV. Folgerungen für die Wirksamkeit der Instanzentscheidungen . . . . . . . . V. Sofortige Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung . . . . . . . . . . . . . VI. Unanwendbarkeit des S 2 . . . . . . .

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1

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3 5

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Rdn

VII. VIII. IX. X.

1. Vollstreckbarkeit nicht vor Rechtskraft . . . . . . . . . . . . 2. Anordnung der sofortigen Wirkung 3. Gesetzlicher Ausschluss . . . . . . 4. Aufschiebende Wirkung . . . . . . Rechtspflegerentscheidungen . . . . . Familiensachen . . . . . . . . . . . . Landesrecht . . . . . . . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

9 10 11 12 13 14 15 16

I. Allgemeines Die Vorschrift regelt das Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung für den Fall, 1 dass die weitere Beschwerde eine sofortige ist. Wirksamkeit als Eigenschaft der Entscheidung, die rechtlichen Wirkungen zu äußern, die sie ihrem Inhalt nach herbeizuführen 50

OLG München FamRZ 1996, 1022; vgl auch OLG Hamm aaO.

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§ 26

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

bestimmt und geeignet ist, ist kein notwendiges Begriffsmerkmal aller Beschwerdeentscheidungen. Die Wirkung der Entscheidung, durch welche eine Beschwerde als unzulässig verworfen oder zurückgewiesen wird, erschöpft sich in der Beendigung des Rechtszuges und in der Eröffnung des dritten Rechtszuges. Diese Wirkung tritt bereits mit dem Erlass der Entscheidung ein, also im Zeitpunkt ihres ersten Hinausgehens. Im Übrigen bleibt der bereits durch das Wirksamwerden der erstinstanzlichen Ent2 scheidung eingetretene Rechtserfolg unverändert bestehen. Von einem Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung kann daher nur gesprochen werden, wenn der durch die angefochtene Entscheidung bewirkte Rechtserfolg geändert wird, wenn also die Entscheidung aufgehoben, geändert oder durch eine andere ersetzt wird. Diese Wirksamkeit tritt auch für die Beschwerdeentscheidung nach der Regel des § 16 Abs 1 grundsätzlich mit der Bekanntmachung an denjenigen ein, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt ist. Die Bekanntmachung als Voraussetzung des Wirksamwerdens der Beschwerdeentscheidung (nicht zu verwechseln mit der Bekanntmachung an die Beteiligten zur Herbeiführung der formellen Rechtskraft) muss daher an den erfolgen, dem die Entscheidung bekannt gemacht werden müsste, wenn sie eine erstinstanzliche wäre. Das braucht nicht immer ein Verfahrensbeteiligter zu sein. Die vom Amtsgericht abgelehnte Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB durch das Beschwerdegericht wird mit der Bekanntgabe an den Bestellten wirksam.1 Zur materiellrechtlichen Wirksamkeit ist allerdings weiter die Annahme durch den Bestellten erforderlich (str).2 Der Bestellungsbeschluss ist als rechtsgestaltender Akt bis zu seiner Aufhebung auch dann gültig, wenn seine gesetzlichen Voraussetzungen fehlen.3 Auch die Einlegung der weiteren Beschwerde hemmt nicht den Eintritt der Wirksamkeit, da sie ebenso wie die erste Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat (§ 24 Abs 1 mit § 29 Abs 4).Diese Grundsätze gelten entsprechend für das Wirksamwerden der Entscheidung über die weitere Beschwerde.

II. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde anfechtbare Beschwerdeentscheidungen 3

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde anfechtbare Beschwerdeentscheidungen werden dagegen abweichend von § 16 Abs 1 erst mit der formellen Rechtskraft wirksam. Die befristete Beschwerde ist regelmäßig in solchen Angelegenheiten gegeben, die eine baldige abschließende Regelung erfordern. In Fortführung des dem § 18 Abs 2 zugrunde liegenden Gedankens soll deshalb durch die Regelung des § 26 S 1 ein nachteiliger Wechsel in der durch die erste Entscheidung geschaffenen Ordnung des Rechtsverhältnisses bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verhütet werden, zumal infolge der Befristung der weiteren Beschwerde mit einer baldigen Klarstellung über den endgültigen Ausgang des Verfahrens zu rechnen ist.4 Die weitere Beschwerde ist eine sofortige: 4 a) wenn die Beschwerdeentscheidung auf eine sofortige erste Beschwerde ergangen ist (§ 29 Abs 2), ohne dass es hierbei auf den Inhalt der Beschwerdeentscheidung ankommt, b) wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts ihrem Inhalt nach, falls sie als erstinstanzliche ergangen wäre, der sofortigen Beschwerde unterliegen würde, oder das 1 2

BayObLGZ 1980, 306; offengelassen in BGHZ 6, 232. BayObLG aaO; KG BB 2000, 998.

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BGHZ 24, 47. Jansen DNotZ 1953, 405 in Anm zu KG DNotZ 1953, 402.

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Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung

§ 26

Amtsgericht zu einer Verfügung anweist, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, selbst wenn die erste Beschwerde keine sofortige war, c) wenn das Beschwerdegericht über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gesondert entschieden hat (§ 22 Abs 2 Satz 3).

III. Eintritt der formellen Rechtskraft Zum Eintritt der formellen Rechtkraft vgl § 31. Bei Beteiligung mehrerer wird die 5 Beschwerdeentscheidung zwar für jeden Beteiligten nach den bei ihm vorliegenden Verhältnissen unanfechtbar, die formelle Rechtskraft und damit die Wirksamkeit der Entscheidung tritt jedoch für alle Beteiligten einheitlich erst ein, wenn die Entscheidung für alle Beteiligten unanfechtbar geworden ist (vgl im übrigen § 31).

IV. Folgerungen für die Wirksamkeit der Instanzentscheidungen Die Folge der Regelung des Satzes 1 ist, dass die Verfügung des Gerichts des ersten 6 Rechtszuges trotz einer Änderung durch das Beschwerdegericht bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Beschwerdegerichts aufrecht erhalten bleibt. Beispiel: Hat das Amtsgericht den Antrag auf Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB, § 81 Abs 2 FGG) abgelehnt, das LG aber auf die (unbefristete) Beschwerde des Antragstellers (§ 20 Abs 2) die Entlassung angeordnet und sodann das OLG auf die sofortige weitere Beschwerde des Testamentsvollstreckers die Entscheidung des LG aufgehoben und die erste Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen, so ist der Testamentsvollstrecker unverändert in seinem Amt verblieben. Hat das AG die Entlassung angeordnet, das LG diese Entscheidung aufgehoben und das OLG auf sofortige weitere Beschwerde die Entscheidung des AG wiederhergestellt, so hat das Amt des Testamentsvollstreckers mit der Bekanntmachung der Entscheidung des AG an ihn (§ 16 Abs 1) geendet. Hat das AG auf Antrag eines Nachlassgläubigers die Nachlassverwaltung angeordnet (§ 1981 Abs 2 BGB, § 76 Abs 2 FGG) das LG auf sofortige Beschwerde diese Anordnung aufgehoben, so bleibt diese gleichwohl so lange wirksam, bis der Beschluss des LG rechtskräftig geworden ist. Bestätigt das OLG auf sofortige weitere Beschwerde die Anordnung der Nachlassverwaltung, so bedarf es keiner neuen Verpflichtung des Verwalters und keiner neuen öffentlichen Bekanntmachung (§ 1983 BGB); die Nachlassverwaltung hat ununterbrochen fortbestanden. Wird eine erstinstanzlich mit sofortiger Wirksamkeit angeordnete Unterbringung im Beschwerdeverfahren aufgehoben, wird die Beschwerdeentscheidung erst mit Rechtskraft wirksam, es sei denn, dass ihre sofortige Wirksamkeit angeordnet worden ist.5

V. Sofortige Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung Nach Satz 2 kann das Beschwerdegericht, wenn besondere Gründe dies gerechtfertigt 7 erscheinen lassen, nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die sofortige Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung anordnen. Mit der Wirksamkeit dieser Anordnung (§ 16 Abs 1) und der nach der Maßgabe der mit dem Erlass der Entscheidung, also des ersten Hinaus5

BayObLG FGPrax 2002, 91.

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§ 26

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

gehens herbeigeführten Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung, tritt die Verfügung des AG außer Kraft und wird durch die Beschwerdeentscheidung ersetzt. Die Anordnung wird zB in Betracht kommen, wenn das Amtsgericht den Antrag eines Nachlassgläubigers auf Anordnung der Nachlassverwaltung zu Unrecht abgelehnt hat, um die Verfügungsbeschränkung des Erben (§ 1984 BGB) sogleich wirksam werden zu lassen. In dem umgekehrten Fall, dass das LG die vom AG angeordnete Nachlassverwaltung aufhebt, wird die Anordnung sofortiger Wirksamkeit nur selten angebracht sein. Die Anordnung kann auf Antrag oder von Amts wegen, gleichzeitig mit dem Erlass 8 der Beschwerdeentscheidung oder nachträglich ergehen. Sie ist ebenso wie ihre Ablehnung unanfechtbar.6 Nach Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde kann aber das Gericht der weiteren Beschwerde die nach Satz 2 erlassene Anordnung des Beschwerdegerichts durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung außer Kraft setzen, dass die Vollziehung der Beschwerdeentscheidung auszusetzen ist (§ 29 Abs 4 mit § 24 Abs 3). Dagegen kann das Gericht der weiteren Beschwerde nicht umgekehrt nach Satz 2 die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung anordnen, wenn das LG diese Anordnung nicht getroffen hat. Bei Beschwerdeentscheidungen, gegen welche die unbefristete weitere Beschwerde stattfindet und die deshalb nach der Regel des § 16 Abs 1 ohnehin sogleich wirksam werden, kann eine Anordnung nach Satz 2 nicht ergehen.7

VI. Unanwendbarkeit des S 2 1. Vollstreckbarkeit nicht vor Rechtskraft

9

Die Befugnis, nach Satz 2 die sofortige Wirksamkeit anzuordnen, gilt im Übrigen nur für Angelegenheiten, in welchen die erstinstanzliche Entscheidung nach § 16 Abs 1 wirksam wird und diese Regel lediglich für die Beschwerdeentscheidung nach § 26 Satz 1 ausgeschlossen wird. Satz 2 bezieht sich mithin nicht auf solche Angelegenheiten, für welche bestimmt ist, dass jede, auch die erstinstanzliche Verfügung überhaupt erst mit der Rechtskraft in Wirksamkeit tritt (vgl §§ 53, 53a, 53g, 56b, 56c, 56f, 70g, 82, 97, 98, 141 Abs 4, 142 bis 144, 158 Abs 2, 160a Abs 2 FGG; § 16 Abs 1 HausratsVO). Hier hat das Beschwerdegericht eine Befugnis zu einstweiligen Anordnungen nur in demselben Umfang wie das Gericht des ersten Rechtszuges, nämlich bei Gefahr im Verzuge nach § 53 Abs 2, 53a Abs 3, 70g Abs 3 S 2, 82 Abs 2. Das Beschwerdegericht darf aber hinsichtlich der Vollziehbarkeit der Beschwerdeentscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen (§§ 53a Abs 3, 70h Abs 1 FGG; § 13 Abs 4 HausratsVO; § 44 Abs 3 WEG), die vom Rechtsbeschwerdegericht nach Einlegung der weiteren Beschwerde wieder außer Kraft gesetzt werden kann (§ 29 Abs 4 mit § 24 Abs 3 FGG). 2. Anordnung der sofortigen Wirkung

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Wird nach § 8 S 2 FEVG die sofortige Wirksamkeit der die Freiheitsentziehung aussprechenden Entscheidung angeordnet und wird die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss zurückgewiesen oder verworfen, bedarf es keiner erneuten Anordnung gemäß § 26 S 2, weil mit der Zurückweisung oder Verwerfung der Beschwerde die in der Vor-

6

Nach § 30 Abs 2 LwVG kann in Landwirtschaftssachen bei Beschlüssen mit vollstreckungsfähigem Inhalt die vorläufige Vollstreckbarkeit angeordnet werden.

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OLG München JFG 15, 340.

Lothar Briesemeister

Wirksamwerden der Beschwerdeentscheidung

§ 26

entscheidung enthaltene Anordnung der sofortigen Wirksamkeit bestätigt wird. Bei Aufhebung der Abschiebungshaft in zweiter Instanz gilt aber § 26 S 2 FGG.8 Das gleiche gilt in Unterbringungssachen, wenn nach § 70g Abs 3 S 2 FGG die sofortige Wirksamkeit angeordnet ist. 3. Gesetzlicher Ausschluss § 26 S 2 ist nicht anwendbar, bei Todeserklärungen und der Feststellung der Todeszeit 11 nach §§ 29 S 2, 40 VerschG. 4. Aufschiebende Wirkung Soweit einer Beschwerde gemäß § 24 Abs 1 S 1 FGG aufschiebende Wirkung zuer- 12 kannt ist, kann die Beschwerdeentscheidung nicht für sofort wirksam erklärt werden:

VII. Rechtspfleger Im Falle des § 11 Abs 1 RPflG stellt die Rechtspflegerentscheidung die gerichtliche 13 Entscheidung erster Instanz dar. Für die Beschwerdeentscheidung gilt § 26, wenn sie der sofortigen weiteren Beschwerde unterliegt. Im Falle des § 11 Abs 2 RPflG stellt die auf die sofortige Erinnerung ergehende Entscheidung des Richters die Entscheidung der ersten Instanz dar, die nach § 16 Abs 1 wirksam wird. Ein Rechtsmittel ist in diesen Fällen ausgeschlossen (§ 11 Abs 2 S 1 RPflG).

VIII. Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl GVG § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 14 8, 10, 11, 12 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 14; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64): Die Bestimmungen über Rechtsmittel gelten mit den aus § 621e ZPO ersichtlichen Einschränkungen. Beschwerdegericht ist das OLG. § 26 FGG gilt, soweit die weitere Beschwerde zugelassen ist. Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, werden nach § 53g Abs 1 FGG erst mit der Rechtskraft wirksam. Gegen bestimmte Entscheidungen ist nach § 53g Abs 2 FGG die weitere Beschwerde ausgeschlossen. Damit scheidet die Anwendbarkeit des § 26 aus.

IX. Landesrecht Die Vorschrift des § 26 gilt nach § 194 Abs 1 auch, wenn nach Landesrecht in bun- 15 desrechtlichen Angelegenheiten (§ 1 FGG) im ersten Rechtszug andere als gerichtliche Behörden zuständig sind und das Landgericht Beschwerdegericht ist, sowie in allen Ländern auch in landesrechtlichen Angelegenheiten.

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BayObLZ 1975, 142.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

X. Reformvorhaben 16

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 91, dass Endentscheidungen mit ihrem Wirksamwerden vollstreckbar sind. Macht der Verpflichtete glaubhaft, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Gericht auf seinen Antrag die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft auszuschließen. Auch eine Einstellung der Vollstreckung ist entsprechend §§ 707 Abs 1 und § 719 Abs 1 ZPO zulässig. Darüber hinaus sind einstweilige Anordnungen nach §§ 53 ff möglich.

§ 27 Weitere Beschwerde (1) Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zulässig, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die Vorschriften der §§ 546, 547, 559, 561 der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. (2) In den Fällen des § 20a Abs 1 Satz 2, Abs 2 gilt Abs 1 nur, wenn das Beschwerdegericht erstmals eine Entscheidung über den Kostenpunkt getroffen hat. Abs 2 angefügt durch Art 7 Abs 13 G v 17.12.1990 (BGBl I S 2847); Abs 1 S 1 und S 2 geändert durch Art 13 ZPO-RG v 27.7.2001 (BGBl I S 1887) mit Wirkung vom 1.1. 2002.

Literatur Bettermann Die Sprungzurückverweisung des Revisionsgerichts, NJW 1969, 170; Bork Zur Fristberechnung für eine Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss im Insolvenzverfahren, EWiR 2000, 181 f; Coester-Waltjan Rechtsmittel und Rechtsbehelfe im FG-Verfahren, Jura 1993, 275 ff; Decker Die Beschwerdefrist im PKH-Verfahren der FG, NJW 2003, 2291; Hees Arrest und einstweilige Verfügung im WEG-Verfahren – Rechtsschutz für den Schuldner, ZMR 2001, 14 ff; Müller, Wolfgang Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die Verwendung von Hilfsrichtern, DRiZ 1963, 37; Pentz, Zuständigkeitsfragen bei der Ablehnung von Richtern, NJW 1999, 2000 ff; Schneider, Egon, Die Befugnis des Rechtsbeschwerdegerichts zur Selbstauslegung, MDR 1981, 885 f; Winkler, Karl, Berücksichtigung neuer Tatsachen im Rechtsbeschwerdeverfahren, EWiR 1989, 167 f; Zillmer Lückenhafte Beweiswürdigung im Strafprozess als Revisionsgrund, NJW 1961, 720.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . II. Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde 1. Gegenstand der Anfechtung . . . . . a) Endentscheidungen . . . . . . . . b) Zurückverweisende Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis der weiteren Beschwerde zur Zulässigkeit der ersten Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschluss der weiteren Beschwerde . .

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10 12

Rdn 1. Ausschluss nach § 27 Abs 2 . . . . . 2. Sonstiger gesetzlicher Ausschluss . . 3. Ausschluss der weiteren Beschwerde nach dem Inhalt der Beschwerdeentscheidung . . . . . . . . . . . . IV. Anfechtbarkeit von Entscheidungen des Oberlandesgerichts . . . . . . . . . . . V. Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . VI. Beschwerdeberechtigung . . . . . . . .

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Weitere Beschwerde

§ 27

Rdn VII. Bedeutung der Rechtsverletzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels . . . . VIII. Die weitere Beschwerde als Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Rechts . . . . . . . . . 2. Revisibles und irrevisibles Recht . 3. Soll- und Kannvorschriften . . . . 4. Erfahrungssätze, Denkgesetze, Sprachgebrauch . . . . . . . . . 5. Gesetzesänderung . . . . . . . . . 6. Änderungen des Verfahrensrechts . IX. Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung 1. Rechtsverletzung . . . . . . . . . 2. Revisibilität der Beweiswürdigung 3. Revisibilität der Auslegung . . . . a) Auslegung von Willenserklärungen . . . . . . . . . . b) Testamente, Erbverträge . . . . c) Selbstständige Auslegung im dritten Rechtszug . . . . . . 4. Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen . . . . . . . . . . a) Handlungsermessen . . . . . . b) Beurteilungsermessen . . . . . 5. Unbestimmte Rechtsbegriffe . . . a) Nachprüfbarkeit . . . . . . . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . c) Beschränkte Nachprüfbarkeit . X. Ursächlichkeit der Rechtsverletzung . XI. Unbedingte Rechtsbeschwerdegründe 1. Vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (Nr 1) . . . . . . . . . . 2. Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters (Nr 2) . . . . . . . . . . 3. Mitwirkung eines mit Erfolg abgelehnten Richters (Nr 3) . . . . 4. Mangelnde Vertretung eines Beteiligten (Nr 4) . . . . . . 5. Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit (Nr 5) . . . . . . .

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Rdn

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6. Mangel der Entscheidungsgründe (Nr 6) . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Irrige Annahme der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit (frühere Nr 4) . . . Tatsächliche Grundlagen der Nachprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung des Verfahrensstoffes 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . a) Restitutionsgründe . . . . . . . . b) Verfahrensmängel . . . . . . . . 3. Heilung von Verfahrensmängeln . . 4. Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . 5. Änderung der tatsächlichen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 6. Bindung an tatsächliche Feststellungen . . . . . . . . . . . . 7. Tatrichterliche Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts . . . . . 8. Selbstbindung des Rechtsbeschwerdegerichts . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren des Rechtsbeschwerdegerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwerfung als unzulässig . . . . . . 2. Zurückweisung als unbegründet . . 3. Aufhebung und Entscheidung in der Sache . . . . . . . . . . . . . 4. Aufhebung und Zurückverweisung . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . b) Sprungzurückverweisung . . . . c) Wirkung der Zurückverweisung . 5. Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung . . . . . . . . . . . . 6. Form und Bekanntmachung . . . . . Familiensachen der FG . . . . . . . . . 1. Isolierte Familiensachen . . . . . . . 2. Folgesachen . . . . . . . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

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I. Allgemeines Anders als in dem beim Landgericht beginnenden Zivilprozess werden im Verfahren 1 der FG den Beteiligten regelmäßig drei Rechtszüge zur Verfügung gestellt. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts findet die weitere Beschwerde statt. Wenn auch auf dieses Rechtsmittel die Vorschriften über die erste Beschwerde im Allgemeinen entsprechende Anwendung finden (§ 29 Abs 4), so ist die weitere Beschwerde doch in mehrfacher Hinsicht abweichend geregelt. Die Form der Einlegung ist erschwert (§ 29 Abs 1) und den unteren Instanzen steht nicht die Befugnis zu, der weiteren Beschwerde, auch wenn sie nicht eine sofortige ist, abzuhelfen (§ 29 Abs 3). Der wesentliche Unterschied gegenüber der ersten Beschwerde nach dem FGG besteht aber darin, dass die weitere Beschwerde nur auf eine Verletzung des Rechts gestützt werden kann. Sie entspricht damit der Revision und der Rechtsbeschwerde, wie sie in der ZPO für Urteile (§§ 542 ff ZPO) und für Beschlüsse (§§ 574 ff ZPO) geregelt ist, und schließt die Nachprüfung der

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Erstbeschwerdeentscheidung in tatsächlicher Hinsicht aus, jedenfalls soweit die Feststellungen vom Erstbeschwerdegericht verfahrensfehlerfrei getroffen worden sind. Das Rechtsmittel ist nicht von einer Zulassung abhängig (Ausnahmen insbesondere 2 für Familiensachen). Eine Beschwerdesumme wird für die weitere Beschwerde regelmäßig nicht voraussetzt. Das kann nach Sondervorschriften anders sein, etwa nach § 45 Abs 1 WEG (750 Euro). Der dritte Rechtszug wird nur zur Nachprüfung in rechtlicher Hinsicht eröffnet, nicht zur Nachprüfung von Tat- und Ermessensfragen. Zur Beschränkung des dritten Rechtszuges bedient sich das Gesetz in § 27 der gleichen Mittel wie die ZPO bei der Anfechtung von Berufungsurteilen der Oberlandesgerichte und bei der Anfechtung von Erstbeschwerdeentscheidungen. Wie die Revision dient die weitere Beschwerde der FG in erster Linie der Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsanwendung. Nur soweit die Prüfungsbefugnis des Rechtsbeschwerdegerichts reicht, deckt sich das allgemeine Interesse an einheitlicher Rechtsanwendung mit dem Interesse der Beteiligten an einer richtigen Entscheidung. Soweit die weitere Beschwerde, wie die Revision oder die Rechtsbeschwerde, auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützt werden kann, dient sie außerdem dem Zweck, die Vorinstanz zur gewissenhaften Beachtung der Verfahrensgesetze anzuhalten. Insofern erfüllt sie die ebenfalls im Interesse der Allgemeinheit liegende Aufgabe, die Güte der Rechtsprechung bei der Tatsachenfeststellung zu gewährleisten. Bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften kommt es deshalb nicht darauf an, ob die Nichtanwendung der Verfahrensnorm im Sinne der Gewährleistung einheitlicher Rechtsanwendung von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung und ob sie gerügt worden ist. Es genügt, dass sie die Richtigkeit der Entscheidung beeinflusst haben kann. Obwohl die Entscheidung über die weitere Beschwerde nicht, wie bei der Revision, 3 bei einem einzigen Gerichtshof zusammengefasst ist, wird die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung durch gerichtsverfassungsrechtliche Einrichtungen im wesentlichen gesichert: Nach § 199 Abs 1 kann die Landesgesetzgebung die Entscheidung über die weitere Beschwerde einem von mehreren Oberlandesgerichten oder einem obersten Landesgericht zuweisen, wodurch die Rechtseinheit innerhalb des Landes gesichert ist. Divergenzen in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte werden auf Grund der Vorlagepflicht nach § 28 Abs 2 durch den Bundesgerichtshof mit bindender Wirkung für alle Oberlandesgerichte ausgeglichen. Begrifflich ist klarzustellen, dass § 27 Abs 1 FGG wie die ZPO in § 546 nF von einer Rechtsverletzung (statt: Gesetzesverletzung wie früher § 27 FGG aF, § 550 ZPO aF) spricht. In der Sache hat sich damit nichts geändert, wie der in § 549 Abs 1 ZPO übernommene Wortlaut aus § 549 Abs 1 ZPO aF ergibt. Auch bei der Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff ZPO taucht entsprechend in § 577 Abs 3 ZPO der Begriff der Rechtsverletzung auf. Zur Verdeutlichung ist hier allerdings darauf hinzuweisen, dass die Rechtsbeschwerde nach der Neufassung der ZPO im ZPO-Verfahren jetzt immer befristet ist und die Frist dort auch nicht zwei Wochen wie nach § 29 Abs 2 mit § 22 Abs 1 FGG, sondern einen Monat beträgt (§ 575 ZPO). Im Hinblick auf den vergleichbaren Revisionscharakter wird aber an dem bisherigen Sprachgebrauch festgehalten, dass auch die weitere Beschwerde nach §§ 27 ff FGG als Rechtsbeschwerde bezeichnet wird. Für anzufechtende isolierte Kostenentscheidungen gemäß § 20a FGG wird der Instan4 zenzug in § 27 Abs 2 FGG verkürzt. Die weitere Beschwerde findet nur statt, wenn die isolierte Kostenentscheidung erstmals in der Beschwerdeinstanz getroffen wurde. Erfolgte sie bereits in der ersten Instanz, lässt der Gesetzgeber es bei der Beschwerde an die zweite Instanz bewenden. Die dritte Instanz ist durch § 27 Abs 2 FGG verschlossen.

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Weitere Beschwerde

§ 27

II. Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde 1. Gegenstand der Anfechtung a) Endentscheidungen Mit der weiteren Beschwerde anfechtbar sind die vom Beschwerdegericht als solchem 5 getroffenen Endentscheidungen über das Rechtsmittel der ersten Beschwerde gegen eine Verfügung des Amtsgerichts. Darunter ist nur die das Beschwerdeverlangen bescheidende und erledigende Endentschließung des Beschwerdegerichts zu verstehen,1 wozu auch die Verwerfung der ersten Beschwerde als unzulässig gehört. Endentscheidungen sind aber auch Entscheidungen, durch die über einen Teil des (teilbaren) Beschwerdegegenstandes abschließend befunden oder über einen die Endentscheidung präjudizierenden Streitpunkt vorab entschieden wird, oder Vorabentscheidungen über den Rechtsweg (§ 17a Abs 4 GVG). Mit der weiteren Beschwerde anfechtbar sind ferner Entscheidungen des Beschwerde- 6 gerichts über Beschwerden gegen eine Zwischenverfügung des Amtsgerichts, da sie den Beschwerderechtszug beenden und über den allein in die Beschwerdeinstanz gelangten Beschwerdegegenstand befinden.2 Hierher gehört auch die Beschwerdeentscheidung gegen Verfügungen, durch die das Gericht erster Instanz das Verfahren aussetzt. Aus demselben Grund ist mit der weiteren Beschwerde anfechtbar eine Entscheidung, durch die das Beschwerdegericht eine Endentscheidung des Amtsgerichts aufhebt und durch eine Zwischenverfügung ersetzt, zB das Verfahren des ersten Rechtszuges aussetzt.3 Dagegen ist die weitere Beschwerde nicht statthaft gegen solche der Endentscheidung 7 vorausgehenden Anordnungen, Verfügungen und Entscheidungen des Beschwerdegerichts, welche noch nicht über den Beschwerdegegenstand sachlich befinden, sondern die Beschwerdeentscheidung nur vorbereiten oder das Beschwerdeverfahren zu leiten bestimmt sind,4 auch wenn sie bereits im Sinne des § 20 Abs 1 ein Recht der Beteiligten zu beeinträchtigen geeignet sind und, wenn das Amtsgericht eine Verfügung gleichen Inhalts erlassen hätte, mit der Beschwerde nach § 19 anfechtbar wären.5 In diesen Fällen kann das Verfahren des Beschwerdegerichts erst nach Erlass der Beschwerdeentscheidung durch Einlegung der weiteren Beschwerde der Nachprüfung durch das obere Gericht unterstellt werden. Zu den nur das Verfahren leitenden und deshalb mit der weiteren Beschwerde nicht anfechtbaren Verfügungen des Beschwerdegerichts gehört auch die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens.6 Nur ausnahmsweise ist die Beschwerde gegeben, wenn die Entscheidung in Wahrheit einer endgültigen Entscheidung über die Hauptsache gleichkommt.7 Dagegen liegt in dem Aussetzungsbeschluss regelmäßig eine Entscheidung in der Sache nicht schon deshalb, weil die Endentscheidung dadurch hinausgeschoben wird. Hat das Landgericht aufgrund Beschwerde eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes aufgehoben, so kann mit der weiteren Beschwerde zwar nicht die Wiederherstellung der Zwischenverfügung, wohl aber die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung verlangt werden, falls diese die verfahrensrechtliche Position des Rechtsbeschwerdeführers

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KG NJW 1957, 1197. BGHZ 25, 166. KG RJA 15, 89. OLG Hamm JMBlNRW 1956, 185; KG NJW 1960, 1625. KG NJW 1957, 1197. BayObLG WuM 1993, 491; WuM 1995, 67;

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KG NJW-RR 1998, 640 = DNotZ 1998, 233 = FGPrax 1997, 198. BayObLGZ 1966, 323; KG NJW 1957, 1197; KG OLGZ 1975, 257; OLG Düsseldorf OLGZ 1993, 414 = MDR 1993, 271; OLGZ 1994, 204 = MDR 1993, 1223.

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beeinträchtigt.8 Die weitere Beschwerde gegen die Aussetzung ist nach ZPO-Grundsätzen nur statthaft, wenn das Erstbeschwerdegericht sie zugelassen hat.9 Dasselbe gilt für die weitere Beschwerde, wenn das LG die Erstbeschwerde gegen den Beschluss des AG, der ein Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt, zurückweist,10 wobei (anders als nach § 574 ZPO) jedoch nicht die Zuständigkeit des BGH, sondern die des OLG gegeben ist. Der Beschluss des Landgerichts über die Beschwerde gegen eine vom Amtsgericht 8 nach formeller Rechtskraft der Hauptsache nachgeholte Kostenentscheidung unterliegt nicht der weiteren Beschwerde.11 Überbürdet das Landgericht als Beschwerdegericht die außergerichtlichen Kosten, die einem Beteiligten in einem auf Grund Verschuldens des Standesbeamten veranlassten Berichtigungsverfahren entstanden sind, auf die Standesamtsaufsichtbehörde, die das Verfahren beantragt hat, so ist keine Beschwerderecht unter dem Gesichtspunkt „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ gegeben.12 Wird eine vormundschaftsgerichtliche Unterbringungsgenehmigung vom Beschwerdegericht als einstweilige Anordnung aufrechterhalten, ist hiergegen die sofortige weitere Beschwerde statthaft.13 Die Anordnung des Beschwerdegerichts über die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen ist grundsätzlich unanfechtbar.14 Die Entscheidung, im Betreuungsverfahren ein Gutachten darüber einzuholen, ob der Betroffene an einer psychischen Krankheit leidet, ist für den damit nicht einverstandenen Betroffenen mit der Beschwerde anfechtbar.15 b) Zurückverweisende Entscheidungen

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Mit der weiteren Beschwerde anfechtbar sind auch Endentscheidungen, durch welche das Beschwerdegericht die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an die Vorinstanz zurückverweist, weil solche Entscheidungen den Beschwerderechtszug beenden.16 Anfechtbar ist sowohl die Aufhebung als auch die Zurückverweisung. Der Beschwerdeführer ist zwar nicht durch die aufhebende (kassatorische) Entscheidung, wohl aber durch die Zurückverweisung, also das Unterbleiben einer reformatorischen Entscheidung zu seinen Gunsten beschwert, der Beschwerdegegner ist beschwert durch die Aufhebung. Die Frage, ob ein gesetzlicher Grund für die Zurückverweisung vorlag, unterliegt der Nachprüfung im dritten Rechtszug.17 Die Ausübung des Ermessens dahin, von einer bestehenden Zurückverweisungsbefugnis Gebrauch zu machen oder in der Sache zu entscheiden, ist dagegen nicht nachprüfbar.18 Die weitere Beschwerde ist auch noch statthaft, nachdem das Amtsgericht inzwischen erneut in der Sache entschieden hat,19 es sei denn, dass diese Entscheidung formell rechtskräftig geworden ist20 und nicht mehr nach § 18 Abs 1 geändert werden kann.

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OLG Brandenburg FGPrax 1997, 125 = OLG-NL 1997, 230 = MittBayNot 1997, 293. BayObLG FamRZ 2004, 1323 LS; OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 355 = FGPrax 2003, 283. BGH NJW-RR 2004, 726 = FamRZ 2004, 617. OLG Frankfurt StAZ 1998, 45 = Sachse, StAZ 1998, 316 L. OLG Frankfurt StAZ 1998, 45 = Sachse, StAZ 1998, 316 L.

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BayObLG NJWE-FER 1999, 305 = FamRZ 1999, 1594. BayObLG NJW-RR 2000, 52 = NJWE-FER 2000, 159 = FamRZ 2000, 249. KG FGPrax 2000, 237; KG FGPrax 2002, 63 = NJW-RR 2002, 944. BayObLGZ 1953, 60. BayObLGZ 1966, 435; OLG Hamm OLGZ 1966, 216. BGHZ 31, 358. KG JW 1938, 2211. BayObLGZ 1960, 354.

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Weitere Beschwerde

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2. Verhältnis der weiteren Beschwerde zur Zulässigkeit der ersten Beschwerde Die Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde richtet sich, soweit keine Sondervor- 10 schriften bestehen, ausschließlich nach § 27 FGG. Die Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde ist unabhängig davon, ob die Verfügung des Amtsgerichts beschwerdefähig war oder nicht. Ist eine Verfügung des Amtsgerichts nach gesetzlicher Vorschrift unanfechtbar und verwirft deshalb das Landgericht die gleichwohl eingelegte Beschwerde als unzulässig, so ist die weitere Beschwerde nicht etwa ebenfalls unzulässig, sondern nach § 27 zulässig, aber unbegründet.21 Die etwaige Unzulässigkeit der ersten Beschwerde steht nicht auch der weiteren Beschwerde entgegen, sondern kann nur, mag sie vom Landgericht anerkannt, verneint oder übersehen sein, den Gegenstand der weiteren Beschwerde bilden. Die weitere Beschwerde ist, auch unabhängig von einem sonst etwa geltenden Beschwerdewert, stets zulässig, wenn die erste Beschwerde als unzulässig verworfen worden ist.22 Hat das Landgericht eine erste Beschwerde als sachlich unbegründet zurückgewiesen, während es sie richtigerweise als unzulässig hätte verwerfen sollen, so ist es angebracht, die weitere Beschwerde, mag sie auch im Ergebnis erfolglos geblieben sein, nicht schlechthin zurückzuweisen, sondern in der Beschlussformel zum Ausdruck zu bringen, dass die erste Beschwerde unzulässig war, um klarzustellen, dass die Änderungsbefugnis des Amtsgerichts (§ 18 Abs 1) bestehen geblieben ist.23 Eine gesetzliche Bestimmung, nach der die Beschwerde gegen eine Entscheidung des 11 AG nicht statthaft ist, hat für die Statthaftigkeit einer weiteren Beschwerde grundsätzlich keine Bedeutung; deren Statthaftigkeit ist vielmehr selbstständig zu prüfen. Ist eine Beschwerde nicht statthaft, kann diese Frage unabhängig davon, ob das LG in seiner Entscheidung die Unzulässigkeit erkannt, verneint oder übersehen hat, Gegenstand einer zulässigen weiteren Beschwerde sein.24

III. Ausschluss der weiteren Beschwerde 1. Ausschluss nach § 27 Abs 2 In zwei Fällen ist die weitere Beschwerde nach Abs 2 eingeschränkt: Gegen Kosten- 12 entscheidungen nach § 20a Abs 1 Satz 2 (Auslagenentscheidung nach § 13a Abs 2 in Unterbringungssachen) und nach § 20a Abs 2 (isolierte Kostenentscheidung in sonstigen Sachen) ist die weitere Beschwerde nur zulässig, wenn diese Entscheidungen erstmals vom LG getroffen worden sind. Sind diese Entscheidungen dagegen vom AG getroffen worden, ist nur die erste Beschwerde zulässig. Dem Gesetzgeber erschien in diesen Fällen die Überprüfung durch eine Beschwerdeinstanz ausreichend, weil es lediglich noch um Kosten geht. Einzelheiten bei § 20a. § 27 Abs 2 FGG ist auch dann anzuwenden, wenn sich die Hauptsache nur teilweise erledigt hat und es um die Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung hinsichtlich des erledigten Teils geht.25 Wenn § 27 Abs 2 FGG bei einem Angriff auf die isolierte Kostenentscheidung des AG eine weitere Beschwerde ausschließt, gilt das auch für die weitere außerordentliche Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des AG als Nebenentscheidung ohne Angriff auf die Hauptsacheentscheidung.26 21 22 23

BayObLGZ 1962, 380; KG FamRZ 1960, 239. BGHZ 119, 216 = NJW 1992, 3305 = ZMR 1993, 28. BayObLGZ 1961, 200; KG NJW 1962, 2354 = FamRZ 1962, 531.

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BayObLG NJW-RR 1994, 831. OLG Düsseldorf ZMR 1993, 581. KG ZMR 2004, 617.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

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Gegen einen Beschluss des LG, der über die sofortige Beschwerde gegen eine isolierte Kostenentscheidung des AG befindet, ist die sofortige weitere Beschwerde auch dann unzulässig, wenn das LG die Erstbeschwerde als unzulässig verwirft.27 Im Verfahren der FG ist die weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts nicht statthaft, mit der dieses die Beschwerde gegen die vom Landgericht ausgesprochene Ablehnung, analog §§ 485 ff ZPO ein selbständiges Beweisverfahren anzuordnen, zurückgewiesen hat.28 Wird in einem Nachlassverfahren die Akteneinsicht von der Bezahlung eines Vor14 schusses abhängig gemacht, so ist gegen die Ausgangsentscheidung die unbefristete Sachbeschwerde, gegen die Beschwerdeentscheidung jedoch nicht die weitere Beschwerde eröffnet.29 Spricht das Nachlassgericht, nachdem es einen früheren Erbschein eingezogen und einen neuen Erbschein erteilt hat, im nachhinein aus, dass ein Beteiligter gem § 13a FGG die Kosten eines im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens zu tragen hat, und verwirft das Landgericht eine hiergegen eingelegte Beschwerde im Hinblick auf § 20a I 1 FGG als unzulässig, so ist gegen die landgerichtliche Entscheidung eine weitere Beschwerde nicht gegeben.30 Die Entscheidung des LG, durch die es die als Nebenentscheidung zur Hauptsache ergangene Kostenentscheidung des AG auf eine darauf beschränkte erste Beschwerde abgeändert hat, ist mit der sofortigen weiteren Beschwerde anfechtbar.31 Lehnt das AG die von der Ausländerbehörde beantragte Haftanordnung ab und legt es zugleich der Körperschaft nach § 16 FEVG die außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen auf, so handelt es sich bei der nach Abschiebung des Betroffenen eingelegten sofortigen Beschwerde der Behörde mit dem Ziel der Änderung der Kostenentscheidung um ein nach § 20a Abs 1 S 1 FGG unzulässiges Rechtsmittel.32 2. Sonstiger gesetzlicher Ausschluss

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Abweichend von § 27 ist die weitere Beschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts nur nach dessen Zulassung gemäß § 574 Abs 1 Satz 2 ZPO statthaft im Prozesskostenhilfeverfahren nach § 14 FGG mit § 127 Abs 2 und 3 ZPO (vgl § 14),33 im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 13a Abs 2 FGG mit § 104 Abs 3 ZPO,34 nicht aber bei der Abhängigmachung von der Vorschusszahlung nach § 8 Abs 2 und 3 KostO,35 auch wenn das Landgericht sie irrtümlich zugelassen hat,36 und nach §§ 35 Abs 2, 85 Abs 3, 104 Abs 6, 142 Abs 6, 147 Abs 2, 265 Abs 4 AktG. Auch die Statthaftigkeit einer weiteren Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts, durch den die Beschwerde gegen einen das FG-Verfahren aussetzenden Beschluss des Amtsgerichts oder die Zurückweisung der Ablehnung eines Sachverständigen zurückgewiesen worden ist, ist von der Zulassung durch das Landgericht abhängig.37 Dasselbe gilt, soweit das FGG-Gericht etwa als „Prozessgericht“ nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften (zB als Vollstreckungsgericht nach § 45 Abs 3 WEG iVm §§ 887 ff ZPO) tätig wird und sich etwa nach §§ 793, 574 ZPO die Frage der weiteren Beschwerde stellt.38

27 28 29 30 31 32 33

BayObLG ZMR 1999, 50; OLG Frankfurt WuM 2003, 656. OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 581. BayObLG FamRZ 1998, 33. BayObLG NJW-RR 1999, 1587. OLG Hamm FGPrax 2002, 190. BGH FGPrax 1996, 80; OLG Hamm FGPrax 2002, 190. BayObLG, 14.5.2002, 1Z BR 59/02, FGPrax 2002, 182 = NJW 2002, 2573.

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34 35 36 37

38

BayObLG, 2.7.2002, 3Z BR 121/02, ZMR 2002, 946. BayObLG JurBüro 1992, 182. OLG Frankfurt FamRZ 1994, 587. OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 355 = FGPrax 2003, 283; OLG Köln FGPrax 2002, 230; OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 1507 = FGPrax 2002, 220. Vgl BGH MDR 2004, 766.

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Weitere Beschwerde

§ 27

3. Ausschluss der weiteren Beschwerde nach dem Inhalt der Beschwerdeentscheidung Hat erst das Landgericht auf die erste Beschwerde gegen eine Verfügung, die ihrer Art 16 nach beschwerdefähig ist, eine sachliche Entscheidung getroffen, gegen die, wenn das Amtsgericht sie erlassen hätte, die erste Beschwerde ausgeschlossen oder beschränkt wäre, so gilt diese Ausschließung oder Beschränkung nach § 29 Abs 4 auch für die weitere Beschwerde. Dieser Fall ist gegeben, wenn die ablehnende Verfügung mit der Beschwerde anfechtbar, die stattgebende aber unanfechtbar ist und erst das Landgericht auf eine Beschwerde gegen die ablehnende Maßnahme die positive Anordnung erlässt. Deshalb ist mit der weiteren Beschwerde nicht anfechtbar die Entscheidung, mit welcher das Beschwerdegericht einen Kindesannahmevertrag bestätigt (vgl § 56e S 2 FGG). Hat das Landgericht das Registergericht zur Einleitung des Zwangsgeldverfahrens nach § 132 FGG oder des Amtslöschungsverfahrens nach § 142 FGG angewiesen, so ist nicht die weitere Beschwerde, sondern nur der Einspruch oder Widerspruch gegen die vom Registergericht zu erlassende Verfügung gegeben.39 Hat die Beschwerdeentscheidung bereits zu einer Eintragung im Handelsregister oder zur Erteilung eines Erbscheins geführt, so ist die weitere Beschwerde statthaft mit dem Ziel, die Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens nach § 142 FGG oder die Einziehung des Erbscheins anzuordnen.40 Soweit über § 63 auch die Vorschriften der §§ 55, 62 anwendbar sind, die eine Bin- 17 dung des Beschwerdegerichts an die unabänderlichen gewordenen Entscheidungen anordnet, ist die Entscheidung des BVerfG zu beachten: Die §§ 62 und 55 FGG sind mit Art 19 Abs 4 GG unvereinbar, soweit sie den in ihren Rechten Betroffenen jede Möglichkeit verwehren, Entscheidungen des Rechtspflegers der Prüfung durch den Richter zu unterziehen.41 Umstritten ist, ob damit ein Beschwerderechtszug eröffnet wird oder nicht. Hat das Landgericht die erste Beschwerde der Betroffenen gegen die Erteilung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung ungeachtet ihrer bereits eingetretenen Wirksamkeit sachlich zurückgewiesen, so ist ihr Anspruch auf Gewährleistung einer richterlichen Überprüfung der Entscheidung des Rechtspflegers (Art 19 Abs 4 GG) gewahrt. Die weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts bleibt ausgeschlossen.42 Hingegen bejaht der Vorlagebeschluss des OLG Köln43 den regelmäßigen Beschwerderechtszug des FGG, falls der Rechtspfleger vor Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Genehmigung den Beteiligten kein rechtliches Gehör gewährt hat. Dem ist der BGH 44 nicht gefolgt und hat bereits die Vorlage für unzulässig erklärt. Hat das Landgericht der Beschwerde gegen die Erteilung einer vormundschaftsrechtlichen Genehmigung stattgegeben, also die Genehmigung verweigert, so wird diese Entscheidung dem Vertragsgegner gegenüber erst unter den Voraussetzungen des § 1829 Abs 1 S 2 oder Abs 2 BGB wirksam und damit unabänderbar iSv § 55 FGG. Die Unvereinbarkeit der §§ 62, 55 FGG mit Art 19 Abs 4 GG kann für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde aber nur von Bedeutung sein, soweit sie sich gegen eine unabänderbare vormundschaftsgerichtliche Genehmigung richtet. Nach dem Vorbild im Erbscheinsverfahren soll der Rechtspfleger

39

40

41

RGZ 85, 276; KG JW 1937, 1985; OLG Hamm NJW 1956, 428; JMBlNRW 1957, 234. OLG Hamm OLGZ 1966, 598, zu § 142 FGG; RGZ 61, 273; BayObLGZ 1951, 416 zu § 2361 BGB. BVerfGE 101, 397 = NJW 2000, 1709 = DNotZ 2000, 387 = FGPrax 2000, 103 =

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FamRZ 2000, 731 = JZ 2000, 783 m Anm Heß, Vollkommer = MDR 2000, 655. OLG Hamm NJW-RR 2001, 941 = Rpfleger 2000, 545 = FGPrax 2000, 230 = MittBayNot 2000, 543. OLG Köln FGPrax 2001, 197. BGH FGPrax 2003, 169 = MDR 2003, 934 = NJW-RR 2003, 955 = FÜR 2003, 485.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

auch hier einenVorbescheid erlassen, der dann rechtsmittelfähig ist.45 Gegen eine durch den Rechtspfleger ohne vorausgehendes Vorbescheidsverfahren erteilte und gem § 1829 Abs 1 S 2 BGB wirksam gewordene vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ist die erste Beschwerde des Betroffenen zulässig.46

IV. Anfechtbarkeit von Entscheidungen des Oberlandesgerichts 18

Gegen die Entscheidungen des OLG (KG) über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gibt es kein weiteres Rechtsmittel.47 Ein gleichwohl eingelegtes Rechtsmittel kann das OLG selbst als unzulässig verwerfen, es sei denn, dass trotz Belehrung ausdrücklich Vorlegung der Beschwerde an den BGH verlangt wird.48 Endgültig ist auch die Entscheidung des OLG als Gericht erster Instanz im Verfahren zur Anfechtung von Justizverwaltungsakten und über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (Art 7 § 1 Abs 6 S 5 FamRÄndG). Zur Rechtsbeschwerde in Landwirtschaftssachen vgl § 24 LwVG. Zu den Familiensachen, bei denen das OLG in zweiter Instanz entscheidet, vgl § 64. Gegen die Entscheidung, mit der das OLG die Ablehnung eines mit der weiteren Beschwerde befassten Richters für unbegründet erklärt, findet kein Rechtsmittel statt.49

V. Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde 19

Wie jedes Rechtsmittel ist vor der Begründetheit die Zulässigkeit zu prüfen. Sofern Frist- und Formvorschriften bestehen, ist deren Einhaltung zu prüfen. Bei Unklarheiten wird die Erfüllung der Förmlichkeiten im Wege des Freibeweises von Amts wegen kontrolliert. Sind die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die sofortige weitere Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Eine vorherige Anhörung der Gegenseite ist dazu nicht erforderlich, wenn auch zu empfehlen. Soweit die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vorgeschrieben ist, bedarf es ihrer jedenfalls dann nicht, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist. Ist die Unzulässigkeit des Rechtsmittels zunächst übersehen und mündliche Verhandlung anberaumt worden, kann der Verhandlungstermin aufgehoben und die Verwerfung des Rechtsmittels außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgenommen werden. Auch im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens kann die sofortige weitere Beschwerde 20 unzulässig werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich die Hauptsache erledigt. Im Verfahren der FG erledigt sich die Hauptsache, wenn der Verfahrensgegenstand durch eine Veränderung der Sach- und Rechtslage weggefallen ist.50 Die Entscheidung in dritter Instanz beschränkt sich auf die Entscheidung im Kostenpunkt. Zu beachten ist, dass regelmäßig nicht eine Erledigung des Rechtsmittels, sondern eine Erledigung in der Hauptsache eintritt. In echten Streitsachen ist das Gericht an eine übereinstimmende Erledigungserklärung beider Seiten gebunden. Im Übrigen hat das Rechtsbeschwerdegericht den Eintritt der Erledigung selbst festzustellen. Da sich regelmäßig nicht das Rechtsmittel, sondern die Hauptsache insgesamt erledigt bzw. deren Erledigung festzu-

45 46 47 48

BayObLGZ 2002, 208 = Rpfleger 2003, 82. OLG Hamm FGPrax 2004, 23. RGZ 138, 98. KG WPM 1960, 207.

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BGH NJW-RR 2003, 644 = MDR 2003, 592 = Rpfleger 203, 239. OLG Köln NJW-RR 2000, 844.

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Weitere Beschwerde

§ 27

stellen ist, bedarf es einer Kostenentscheidung für alle Instanzen, nicht nur für die dritte Instanz, in der der Erledigungsfall eingetreten ist. Soweit ein Beteiligter ungeachtet der eingetretenen Hauptsachenerledigung auf seinem 21 Sachantrag beharrt, ist die Unzulässigkeit des Rechtsmittels festzustellen,51 was regelmäßig auch zur Kostenauferlegung führt, mindestens hinsichtlich der Gerichtskosten, falls das Gesetz für die Erstattungsanordnung Ermessen einräumt. Wird ein Rechtsmittel wegen Hauptsacheerledigung vor Einlegung unzulässig und die angefochtene Entscheidung rechtskräftig, so wird diese in der Sache gegenstandslos. Einer aus ihr gleichwohl betriebenen Zwangsvollstreckung müsste mit einem Vollstreckungsgegenantrag begegnet werden.52 Ein Erbscheinsantrag und ein Rechtsmittel, mit dem er weiterverfolgt wird, bleiben zulässig, wenn im Laufe des Verfahrens auf Antrag eines anderen Beteiligten ein Erbschein anderen Inhalts erteilt wird.53 Im Verfahren über die Gewährung einer Auslagenpauschale aus der Staatskasse für den Vormund oder Betreuer eines mittellosen Mündels oder Betreuten nach §§ 1908i, 1836a, 1835 IV BGB findet die weitere Beschwerde statt, soweit es um die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Staatskasse – nicht nur um die Höhe des Betrages – geht.54

VI. Beschwerdeberechtigung Die Vorschriften über die Beschwerdeberechtigung finden auf die weitere Beschwerde 22 entsprechende Anwendung (§ 29 Abs 4 mit § 20). Im Antragsverfahren gilt § 20 Abs 2 auch für die weitere Beschwerde. Das Beschwerderecht steht also hier nur dem Antragsteller zu, wenn das LG eine den Antrag zurückweisende Verfügung des AG bestätigt oder unter Aufhebung der Vorentscheidung den Antrag zurückweist. In Vormundschaftssachen gelten gemäß § 63 die Erweiterungen der Beschwerdebefugnis nach §§ 57 ff auch für die weitere Beschwerde. Die Beeinträchtigung eines Rechts muss durch die Beschwerdeentscheidung begründet sein. Hat das Beschwerdegericht die Verfügung des Amtsgerichts geändert, so ist für die Befugnis zur weiteren Beschwerde nur noch der Inhalt der Beschwerdeentscheidung maßgebend, auf den Inhalt der Verfügung erster Instanz kommt es nicht mehr an. Die Beeinträchtigung eines Rechts durch die Beschwerdeentscheidung liegt aber auch 23 vor, wenn das Beschwerdegericht die beeinträchtigende Verfügung des Amtsgerichts aufrecht erhalten hat, ohne ihr gegenüber eine neue Beschwer zu schaffen. Der Beteiligte, der von seinem Recht zur ersten Beschwerde keinen Gebrauch gemacht hat, bleibt daher zur weiteren Beschwerde berechtigt.55 Er muss allerdings in Kauf nehmen, dass er nur noch eine rechtliche Nachprüfung der von einem anderen Beteiligten herbeigeführten Beschwerdeentscheidung erreichen kann. Ferner wird in den Fällen der sofortigen Beschwerde die erstinstanzliche Verfügung für den Beteiligten, der sie nicht angefochten hat, durch den Ablauf der ihm gegenüber in Lauf gesetzten Beschwerdefrist unanfechtbar, so dass er auch die Beschwerdeentscheidung nicht mehr anfechten kann, es sei denn, dass diese eine weitere Beeinträchtigung seines Rechts, also eine über die erste Verfügung noch hinausgehende Beschwer enthält.56 51 52 53 54

BayObLG BtPrax 1994, 61. BayObLG ZMR 1999, 572 = ZfIR 1999, 786. BayObLG NJWE-FER 2001, 125. BGHZ 133, 337 = NJW 1997, 58 = BtPrax 1997, 29 = FGPrax 1997, 23 = FamRZ 1996, 1545 = MDR 1997, 62 = Rpfleger 1997, 109 =

55 56

Hohloch, LM H. 2/1997 § 1835 BGB Nr 2. BGHZ 5, 52. BGHZ 3, 214 = NJW 1952, 1111 = MDR 1952, 35; BGH MDR 1961, 130 = NJW 1961, 124.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

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Dieser Grundsatz kann aber keine Geltung beanspruchen, wenn die mehreren Beteiligten materiell das Beschwerderecht desselben Betroffenen ausüben, wie in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen der Verfahrenspfleger oder gesetzliche Vertreter des Betroffenen, dem das Beschwerderecht zwar zur Ausübung in eigenem Namen, aber zur Wahrung der Rechte des Betroffenen eingeräumt ist.57 Ist die erste Beschwerde als unzulässig verworfen worden, so steht die weitere Beschwerde nur dem ersten Beschwerdeführer zu, da durch eine solche Entscheidung weder die Sache selbst noch das Verfahrensrecht eines anderen Beteiligten berührt wird. Ein Beschwerderecht wird auch dem Beschwerdeführer eingeräumt, dessen erste Beschwerde als sachlich unbegründet zurückgewiesen worden ist, während sie richtigerweise als unzulässig hätte verworfen werden müssen.58 War die erste Beschwerde wegen mangelnden Beschwerderechts erfolglos, so steht diesem Beschwerdeführer schon aus diesem Grunde ein Beschwerderecht für die Einlegung der weiteren Beschwerde zu.59 Im Ergebnis folgt hieraus, dass dem ersten Beschwerdeführer stets ein Beschwerderecht für die Einlegung der weiteren Beschwerde zusteht, wenn seine erste Beschwerde, aus welchen Gründen auch immer, ohne Erfolg geblieben ist.60 Fehlt es an einem Beschwerderecht, so ist die weitere Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Für die Beschwerdeberechtigung ist auch § 20 Abs 2 grundsätzlich anwendbar. Hat 25 das Landgericht eine den Antrag zurückweisende Verfügung des Amtsgerichts bestätigt oder unter Änderung der Vorentscheidung den Antrag zurückgewiesen, so ist nur der Antragsteller zur Einlegung der weiteren Beschwerde berechtigt.61 Das ist aber aus prozessökonomischen Gründen nicht auf einen Beteiligten anzuwenden, der berechtigt war, den Antrag im ersten Rechtszug zu stellen, ihn aber nicht gestellt hat. So sind gegen die Versagung eines gemeinschaftlichen Erbscheins auch die anderen Miterben, die den Antrag nicht gestellt haben, zur weiteren Beschwerde berechtigt, auch wenn sie von ihrer Befugnis zur Erstbeschwerde keinen Gebrauch gemacht haben.62 Hebt das LG die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer unterbringungsähnlichen Maßnahme mit der Begründung auf, diese sei genehmigungsfrei, ist die Betroffene aus dem Gesichtspunkt zur weiteren Beschwerde befugt, dass das Erstbeschwerdegericht die Anwendung der Maßnahme in der Sache gebilligt hat.63 Der rein formell Beteiligte ist zur weiteren Beschwerde nur nach Maßgabe einer for26 mellen Beschwerde oder, falls seine Erstbeschwerde nicht zurückgewiesen worden ist, nur bei Vorliegen einer materiellen Beeinträchtigung berechtigt.64 Hebt das Landgericht einen Vorbescheid des Nachlassgerichts auf, kann gegen diese Entscheidung nur derjenige weitere Beschwerde mit dem Ziel der Wiederherstellung des Vorbescheids einlegen, der den im Vorbescheid angekündigten Erbschein beantragt hat oder hätte beantragen können.65 Hebt das Landgericht auf Beschwerde des Antragstellers eine Zwischenverfügung des Grundbuchamts aus formellen Gründen auf, weil neben dem in der Zwischenverfü-

57 58 59

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61

BayObLGZ 1963, 289. BayObLGZ 1961, 200; 1963, 332. BGHZ 31, 92 = NJW 1960, 148; BayObLGZ 1963, 1; 1964, 386; OLG Celle NdsRpfl 1960, 232. KG NJW 1962, 2354 = FamRZ 1962, 531; KG OLGZ 1965, 70 u 321; 1966, 112 u 238; BayObLGZ 1964, 278; 1965, 331; 1967, 138 u 231. KG OLGZ 1966, 596.

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KG OLGZ 1990, 407 = NJW-RR 1990, 1292 = FamRZ 1990, 1264; OLG Frankfurt OLGZ 1992, 35; BayObLG FamRZ 1992, 862; BayObLG FamRZ 1996, 186; BayObLG FGPrax 1998, 146. OLG Hamm OLGZ 1994, 193 = FamRZ 1994, 1270. OLG Jena FamRZ 1998, 705 = NJ 1998, 152 L. BayObLG FamRZ 2000, 1231.

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Weitere Beschwerde

§ 27

gung aufgezeigten ein weiteres, nicht mit Rückwirkung zu beseitigendes Eintragungshindernis besteht, so erstreckt sich die Bindungswirkung der Entscheidung des LG für das Grundbuchamt nicht auf die Beurteilung dieses anderweitigen Eintragungshindernisses; der Antragsteller ist deshalb zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen diese Entscheidung des LG, mit der er sich gegen die Annahme dieses weiteren Eintragungshindernisses wendet, nicht beschwerdeberechtigt.66

VII. Bedeutung der Rechtsverletzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde ist trotz des scheinbar entgegenstehenden 27 Gesetzeswortlauts nicht davon abhängig, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht. Zulässig, dh hier statthaft, ist die weitere Beschwerde, wenn die unter II. erörterten Voraussetzungen vorliegen und das Rechtsmittel nicht ausnahmsweise ausgeschlossen ist (vgl III.). Ergibt die Prüfung der statthaften und in der gesetzlichen Form, ggf auch Frist, von einem Beschwerdeberechtigten eingelegten weiteren Beschwerde, dass eine Rechtsverletzung nicht vorliegt, oder liegt sie zwar vor, erweist sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig (§ 27 Abs 1 Satz 2 iVm ZPO § 561), so ist die weitere Beschwerde trotz des scheinbar entgegenstehenden Gesetzeswortlauts nicht unzulässig, sondern unbegründet. Die Zulässigkeit erfordert nicht einmal die Behauptung einer Rechtsverletzung. Auch wenn die weitere Beschwerde unzulässigerweise ausschließlich auf neue Tatsachen und Beweise iSd § 23 gestützt wird, ist sie zulässig, möglicherweise trotz der Unbeachtlichkeit des neuen Vorbringens (§ 27 Abs 1 Satz 2, ZPO § 561 Abs 1) sogar begründet, wenn die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung, mag sie auch vom Beschwerdeführer nicht erkannt worden sein, beruht. Es handelt sich um einen Fall der Beschränkung der Beschwerdegründe, für den der allgemeine Grundsatz gilt, dass das Vorbringen nicht zugelassener Beschwerdegründe die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht berührt.

VIII. Die weitere Beschwerde als Rechtsbeschwerde Das Rechtsmittel entspricht mit einigen Abweichungen der Revision und der Rechts- 28 beschwerde nach §§ 574 ff ZPO und gewährt wie diese eine rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung. 1. Begriff des Rechts Recht ist auch im Sinne des FGG jede Rechtsnorm (§ 185 Abs 2 FGG mit Art 2 29 EGBGB). Dazu gehören außer Bundes- und Landesgesetzen im formellen Sinne auch Gesetze im materiellen Sinne, dh verbindliche Anordnungen eines Rechtssatzes, die von einer staatsrechtlich dazu befugten Gewalt auf Grund ursprünglicher oder abgeleiteter Rechtssetzungsbefugnis erlassen sind, in die sozialen Beziehungen der Rechtsunterworfenen unmittelbar berechtigend, verpflichtend, versagend oder gewährend eingreifen und den Zweck verfolgen, diese allgemeinverbindlich zu regeln. In der Rechtsbeschwerdeinstanz nachprüfbar sind daher auf Grund gesetzlicher Ermächtigung (Art 80, 129 GG) ergangene und ordnungsgemäß verkündete (Art 82 GG) Ausführungsvorschriften, wenn

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OLG Hamm FGPrax 2002, 146.

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sie das Wesen einer Rechtsverordnung haben, nämlich Rechte und Pflichten mit Wirkung nach außen regeln, während in Rechtsverordnungen getroffene Regelungen, welche die Rechte der Staatsbürger nicht berühren (Rechtsverordnungen im formellen Sinne) nicht revisibel sind. Revisible Rechtsverordnungen sind die auf Grund des § 125 Abs 3 FGG erlassene 30 Handelsregisterverfügung, die auf Grund der Ermächtigung in § 161 GenG beruhende VO über das Genossenschaftsregister und die Grundbuchverfügung. Gesetze im materiellen Sinne sind autonome Satzungen, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr vom Staat verliehenen Autonomie erlassen werden, Anstaltsordnungen, soweit sie unmittelbar die Rechtssphäre der Benutzer berühren und deren Rechte allgemeinverbindlich regeln, zB Satzungsbestimmungen landschaftlicher Kreditanstalten, rechtsetzende Vereinbarungen mit allgemeinverbindlicher Wirkung, wie die normativen Teile von Tarifverträgen (§ 1 TVG) und Betriebsvereinbarungen oder Eingemeindungsverträge. Keine Rechtssätze enthalten in der Regel Verwaltungsvorschriften, die zur Durchführung von Gesetzen erlassen werden und nur zu erkennen geben, wie das Gesetz nach Ansicht der Verwaltungsbehörde auszulegen ist, sowie nur für den inneren Dienst bestimmte Dienstanweisungen ohne Außenwirkung, wie die Dienstordnung für Notare67 und die bayerische Vormundschaftsordnung und Nachlassordnung.68 Den Gesetzen im formellen Sinne stehen gleich durch Zustimmungsgesetz (Art 59 Abs 2 31 mit Art 32 GG) in innerstaatliches Recht umgewandelte Staatsverträge, zB die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, und bestimmte Entscheidungen der Verfassungsgerichte (vgl § 31 Abs 2 BVerfGG). Ungeschriebene revisible Rechtsnormen sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die gemäß Art 25 GG Bestandteile des Bundesrechts sind,69 Gewohnheitsrecht, also das durch einen allgemeinen, normalerweise durch Übung manifestierten Rechtsgeltungswillen der Gemeinschaft erzeugte Recht, sowie Observanzen, worunter örtlich beschränktes Gewohnheitsrecht zu verstehen ist. Ob eine ungeschriebene Norm besteht, hat das Revisionsgericht selbstständig festzustellen und zu ermitteln. Dagegen liegt die Frage, ob ein Handelsbrauch besteht und welchen Inhalt er hat, auf tatsächlichem Gebiet und kann vom Rechtsbeschwerdegericht nicht nachgeprüft werden.70 Als revisibel anerkannt sind allgemeine Rechtsgrundsätze, die sich aus dem Sinn oder Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften ergeben oder die im Wege der Analogie oder der Ausfüllung von Lücken des positiven Rechts gewonnen sind.71 2. Revisibles und irrevisibles Recht

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Eine Unterscheidung zwischen revisiblem und irrevisiblem Recht wird für die weitere Beschwerde der FG nicht gemacht (anders für den Umfang der Vorlegungspflicht nach § 28 Abs 2). Auf die Vorschriften der §§ 545, 576 ZPO, nach welcher die Revision nur auf die Verletzung von Bundesrecht und sonstiger nicht dem Bundesrecht angehörender Normen gestützt werden kann, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt, wird in § 27 Abs 1 S 2 nicht verwiesen. Mit der weiteren Beschwerde nachprüfbar sind daher alle Rechtsnormen ohne Rücksicht auf ihren Ursprung und den Umfang ihres räumlichen Geltungsbereiches, daher auch Normen des Landesrechts, des Partikularrechts oder des kommunalen Rechts. Auch auf die Verlet-

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KG OLGZ 1966, 492. BayObLGZ 18, 23. BVerfGE 6, 363.

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BGH NJW 1958, 709. RGZ 110, 294; 124, 194; 159, 86; BGHZ 6, 76; 10, 372; BGH NJW 1954, 1082.

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Weitere Beschwerde

§ 27

zung ausländischen Rechts kann die weitere Beschwerde gestützt werden.72 Die richtige Anwendung und die Feststellung des Inhalts des vom deutschen internationalen Privatrecht zur Anwendung berufenen fremden Rechts wird daher vom Gericht der weiteren Beschwerde in vollem Umfange wie innerstaatliches Recht nachgeprüft.73 Das gilt auch für die Rechtsbeschwerde an den BGH nach § 27 LwVG. Der Inhalt des ausländischen Rechts ist von Amts wegen zu ermitteln. Die Unterlassung der Prüfung, ob Tatsachen vorliegen, welche die Anwendung ausländischen Rechts rechtfertigen, ist ein Verfahrensfehler. Die Anwendung ausländischen Rechts umfasst auch seine Beweislastvorschriften.74 3. Soll- und Kannvorschriften Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verletzung von Sollvorschriften die weitere Be- 33 schwerde begründen kann, ist zu beachten, dass Vorschriften dieser Art, die sowohl im sachlichen Recht wie im Verfahrensrecht auftreten, nicht immer dieselbe Bedeutung haben. Zum Teil soll durch die Fassung des Gesetzes, vor allem in sachlichrechtlichen Normen, nur zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Verletzung keine Unwirksamkeitsfolge nach sich zieht. Diese Normen sind ebenso zwingend und revisibel wie Mussvorschriften, von denen sie sich nur durch die Art der Verletzungsfolge unterscheiden. Normen dieser Art sind zB §§ 56, 57 Abs 2, 58, 59 Abs 3, 1781 BGB. Das Gericht ist nicht befugt, nach seinem Ermessen von der Beachtung der Vorschrift abzusehen. Eine Verletzung rechtfertigt die weitere Beschwerde. Anderen Sollvorschriften, auch sachlichrechtlichen Inhalts, kann der unter Umstän- 34 den durch Auslegung zu ermittelnde Vorbehalt einer Abweichung in atypischen Fällen innewohnen, so der Vorschrift des § 1782 BGB,75 des § 8 Abs 3 S 2 HausratsVO und des § 157 Abs 3 ZPO.76 In diesen Fällen ist die Beachtung oder Abweichung von der Sollvorschrift nach den Grundsätzen über die Nachprüfung eines dem Tatsachenrichter eingeräumten Beurteilungsermessen im Rechtsbeschwerdeverfahren nachprüfbar. Andere, vor allem dem Verfahrensrecht angehörende Sollvorschriften, sind ihrem Inhalt nach Dienstbefehle in Gesetzesform. Sie können im Einzelfall nichtrevisibel sein, wenn sie sich nur als Internum des Gerichts darstellen und die Rechtssphäre der Beteiligten nicht berühren. Das ist aber bei Normen, die, wenn auch in Form einer Sollvorschrift, das gerichtliche Verfahren regeln, in keinem Falle anzunehmen. Die weitere Beschwerde kann daher auf die Verletzung von Vorschriften gestützt werden, welche über den Kreis der Beteiligten hinaus die Anhörung gewisser Personen vorschreiben (zB § 1847 BGB)77 oder eine besondere, über die Wahrung des rechtlichen Gehörs hinausgehende Form der Anhörung vorsehen.78 Auch diese Vorschriften stehen unter dem Vorbehalt der Abweichung in atypischen Fällen (vgl § 1847 BGB: „ohne erhebliche Verzögerung“) und sind insofern, wenn das Gericht einen solchen Fall angenommen hat, nur beschränkt nachprüfbar. Jedoch kann eine Verkennung der Voraussetzungen und der Grenzen des Ermessens bei der Anwendung der Sollvorschrift sich als Gesetzesverletzung darstellen.79 Ferner kann in einer Unterlassung der Anhörung eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 12) liegen. 72

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BGH FamRZ 1960, 229; BGHZ 44, 127; BayObLGZ 1957, 376; zum DDR-Recht KG OLGZ 1966, 592. BayObLGZ 1965, 221. BGHZ 3, 342. BayObLGZ 1961, 189. KG DVBl 1963, 295; OLG Hamm OLGZ

77 78 79

1966, 507; vgl auch BVerwGE 12, 284; BVerwG DVBl 1960, 252. BayObLG KGJ 23 D 7 = RJA 2, 152; KG OLGR 8, 350; 16, 19 u 186. OLG Hamm JMBlNRW 1963, 17. RGZ 157, 344 ; OGHZ 3, 121.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Soweit eine Anhörung Beteiligter nur durch eine Sollvorschrift oder nur bei Tunlichkeit (§ 146 Abs 1 FGG) vorgeschrieben ist, werden diese Vorschriften durch die Notwendigkeit der Wahrung rechtlichen Gehörs überlagert. Auch Kannvorschriften können eine verschiedenartige Bedeutung haben. Sie können 35 eine Handlung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts stellen. Sie können aber auch die Bedeutung haben, dem Gericht die Befugnis zu einer Maßnahme einzuräumen, die es alsdann, ohne dass ihm insoweit ein Ermessen zusteht, erlassen muss, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Mitunter sind beide Elemente in der Weise miteinander vereinigt, dass dem Gericht die Befugnis eingeräumt wird, eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen (§ 13a Abs 1 S 1 FGG). Der Umstand, dass eine Norm nur die Rechtsfolge festlegt, ohne einen positiv geregelten Tatbestand zu enthalten, macht sie noch nicht zu einer Ermessensnorm. Die Auslegung kann ergeben, dass die Norm durch Einfügung einer Tatbestandsseite zu vervollständigen ist.80 4. Erfahrungssätze, Denkgesetze, Sprachgebrauch

36

Erfahrungssätze und Denkgesetze sind keine Rechtsnormen. Erfahrungssätze haben ihren systematischen Standort im Grundsatz der freien Beweiswürdigung, der keine schrankenlose Freiheit gewährt, sondern die Verwertung des Erfahrungswissens gebietet. Hat der Tatsachenrichter einen einfachen Erfahrungssatz verkannt, indem er ihn übersehen, missverstanden oder einen nicht bestehenden Erfahrungssatz angewendet hat, so verstößt er gegen das dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung immanente Gebot, das Erfahrungswissen zu verwenden. Dieser Verstoß ist revisibel. Anders ist es mit dem Beweiswert, den der Tatsachenrichter dem richtig erkannten Erfahrungssatz beilegt. Diesen Beweiswert zu ermitteln oder abzuschätzen und gegen etwaige Beweisgründe abzuwägen, die im Einzelfall die Geltung des Erfahrungssatzes einschränken können, ist Gegenstand der freien Beweiswürdigung des Tatsachenrichters und der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen. Dasselbe gilt für die Verkennung von Erfahrungssätzen, die sich von einfachen Erfahrungssätzen durch ihre auf typischen Hergängen beruhende besondere Beweiskraft unterscheidet. Sie lassen zwar ebenfalls noch Ausnahmen zu und bieten insoweit der freien Beweiswürdigung noch Raum. Sie werden aber nur durch die auf Tatsachen gestützte ernsthafte Möglichkeit eines anderen Verlaufs entkräftet. Revisibel ist es hierbei, wenn der Tatsachenrichter nicht prüft, ob die Möglichkeit eines anderen Verlaufs ernsthaft ist, oder eine solche Möglichkeit annimmt, ohne sie auf Tatsachen zu stützen. Die Würdigung der Tatsachen dahin, ob sie den Erfahrungsgrundsatz entkräften oder nicht, ist dagegen der Nachprüfung entzogen.81 Diese Grundsätze gelten auch für Verfahren mit Untersuchungsmaxime. Die Verletzung von Denkgesetzen hat keine selbstständige Bedeutung. Widersprüchliche oder sonst gegen die Regeln der Logik verstoßende Tatsachenfeststellung und Subsumtion verletzen die entsprechenden verfahrensrechtlichen (§ 25 FGG) oder sachlichrechtlichen Rechtsnormen. Die Feststellung, dass ein allgemeiner Sprachgebrauch besteht, stellt sich als Erfahrungssatz dar im Sinne der Feststellung einer beim Gebrauch der deutschen Sprache allgemein bestehenden Übung und der sich daraus ergebenden Erfahrung.82

80 81

AM BayObLGZ 1963, 116. BGH NJW 1969, 277.

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82

RGZ 105, 419; BGH LM Nr 4 (F b) zu § 133 BGB.

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Weitere Beschwerde

§ 27

5. Gesetzesänderung Bei einem Wechsel der Gesetzgebung nach dem Erlass der angefochtenen Entschei- 37 dung entsteht die Frage, ob die Beschwerdeentscheidung am Maßstab des früheren, vom Beschwerdegericht allein anzuwendenden Rechts oder am Maßstab des neuen Rechts zu messen ist. Da es nicht darauf ankommt, ob dem Beschwerdegericht ein Vorwurf in Richtung auf die richtige oder falsche Anwendung des Rechts zu machen ist, sondern darauf, ob die Entscheidung objektiv mit dem Gesetz im Einklang steht, ist die rechtliche Nachprüfung nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Entscheidung des Revisions- oder Rechtsbeschwerdegerichts geltenden Rechts vorzunehmen. Das gilt für den Zivilprozess83 wie im Verfahren der FG.84 Das ist nicht als Ausnahme von einer sonst geltenden Regel aufzufassen, sondern dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass die angefochtene Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht nach dem zur Zeit seiner Entscheidung geltenden Recht zu prüfen ist, es sei den, dass der Verfahrensgegenstand nach dem zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts von der Änderung nicht betroffen wird. 6. Änderungen des Verfahrensrechts Änderungen des Verfahrensrechts haben, wenn keine gegenteiligen Übergangsvor- 38 schriften ergangen sind, Geltung auch für schon anhängige Verfahren.85 Auch im dritten Rechtszug ist neues Verfahrensrecht grundsätzlich zu berücksichtigen.86 Verfahrensvoraussetzungen sind nach dem zur Zeit der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geltenden Recht zu beurteilen, sofern nicht die Überprüfung in den Rechtsmittelinstanzen gesetzlich ausgeschlossen ist, wie etwa nach § 17a Abs 5 GVG für den beschrittenen Rechtsweg und demgemäß auch für die Abgrenzung zwischen Prozessgericht und Gericht der FG. Die Voraussetzungen die die Wirkungen eines bestimmten Verfahrensaktes richten sich jedoch nach dem zur Zeit der Vornahme geltenden Recht.87 Das gilt auch, wenn erst das neue Recht an das Unterlassen einer Verfahrenshandlung innerhalb einer Frist rechtliche Wirkungen knüpft.88 Für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln kann es nach dem Grundsatz der Rechtsmittelsicherheit nur auf das zur Zeit der Einlegung geltende Recht ankommen. War das Rechtsmittel nach dem zur Zeit der Einlegung geltenden Verfahrensrecht statthaft und zulässig, so bleibt es dies, auch wenn es nach neuem Recht nicht mehr zulässig wäre. Das neue Recht ergreift nur die Rechtsmittel, die nach seinem Inkrafttreten eingelegt werden. War das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde nach bisherigem Recht nicht statthaft, so hat eine Änderung des Verfahrensrechts darauf keinen Einfluss. Der Zulässigkeit steht die bereits eingetretene Rechtskraft der Entscheidung entgegen.89 Die Tendenz der Gesetzgebung geht freilich im Allgemeinen eher in die Richtung einer Einschränkung von Rechtsmitteln als ihrer Ausdehnung. Änderungen des Instanzenzuges erfassen regelmäßig nur Rechtsmittel, die nach dem Inkrafttreten der Änderung eingelegt werden. Spezialvorschriften gehen allerdings wie immer vor. So regelt das Zivilprozessreform- 39 gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I 1887 ff) beispielsweise die Rechtsmittelmöglichkeiten

83

84

BGHZ 9, 101; 15, 33; 17, 73; 18, 326; 36, 348; BGH LM § 549 ZPO Nr 42; vgl auch BVerwG 1, 291. BGHZ 10, 296; BayObLGZ 1952, 311 = NJW 1953, 826; OLG Karlsruhe FamRZ 1958, 332; KG FamRZ 1959, 253; 1965, 344.

85 86 87 88 89

BGHZ 7, 167; 10, 282; BVerfGE 11, 139. BGHZ 8, 379; BGH RdL 1954, 135. RGZ 110, 370; BGH JZ 1951, 638; Sieg ZZP 65, 249, 256 ff. BayObLGZ 1962, 329. BGH NJW 1951, 885.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

danach, ob der Schluss der mündlichen Verhandlung oder im schriftlichen Verfahren das Ende der Schriftsatzfrist vor oder nach dem 1. Januar 2002 liegt; für Beschwerden und Erinnerungen, die nicht verkündet werden, ist die Übergabe an die Geschäftsstelle maßgebend; in Familiensachen ist eine Nichtzulassungsbeschwerde erst dann statthaft, wenn die anzufechtende Entscheidung nach dem 1. Januar 2007 erlassen wird (§ 26 Nr 6, 7, 9, 10 EGZPO). Kann nicht festgestellt werden, ob eine nicht verkündete Entscheidung des Beschwerdegerichts vor dem 1. Januar 2002 der Geschäftsstelle übergeben worden ist, gilt das Meistbegünstigungsprinzip.90

IX. Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung 40

Die nach § 27 Abs 1 S 2 FGG entsprechend anwendbare Vorschrift des § 546 ZPO lautet: § 546 Begriff der Rechtsverletzung. Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. 1. Rechtsverletzung

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Jede Rechtsfindung besteht darin, einen festgestellten Sachverhalt, den zu beurteilenden Lebensvorgang (Untersatz), einer bestimmten Rechtsnorm (Obersatz) unterzuordnen. Demgemäß können Fehler bei der Rechtsfindung zunächst in Irrtümern bestehen, die bei der Bildung des Obersatzes, nämlich der Feststellung und Ermittlung des Gesetzesinhalts unterlaufen, indem das Gericht eine anzuwendende Rechtsnorm übersieht oder irrig für verfassungswidrig hält oder umgekehrt eine Rechtsnorm zu Unrecht als bestehend oder als gültig erachtet. Zur Bildung des Obersatzes gehört ferner die richtige Auslegung der angewendeten Rechtsnorm (Interpretationsfehler). Die Rechtsverletzung kann darin bestehen, dass ein Tatbestandsmerkmal der anzuwendenden Rechtsnorm nicht richtig erkannt wird (Begriffsverkennung) und dadurch die Rechtsnorm falsch und die richtige nicht angewendet worden ist. Der Nachprüfung im dritten Rechtszuge unterliegt aber auch die Subsumtion des fest42 gestellten Sachverhalts unter die richtig erkannten Tatbestandsmerkmale der Rechtsnorm; das Recht ist verletzt, wenn das Gericht zu Unrecht angenommen hat, dass der festgestellte Sachverhalt die Tatbestandsmerkmale der Rechtsnorm erfülle oder nicht erfülle (Subsumtionsfehler). Die verletzte Rechtsnorm kann dem sachlichen Recht oder dem Verfahrensrecht angehören. Als das Verfahren betreffende Vorschriften kommen in Betracht die Verfahrensvoraussetzungen als Bedingungen der Zulässigkeit des ganzen Verfahrens, die Verfahrensfortsetzungsbedingungen (zB Zulässigkeit eines Rechtsmittels), die den Gang des Verfahrens regelnden Vorschriften, der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12), die Wahrung des rechtlichen Gehörs gegenüber den Beteiligten, der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme, die Notwendigkeit, erhebliche Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen, die Normen über die Voraussetzungen und Wirkungen der Verfahrenshandlungen der Beteiligten oder über die Zulässigkeit eines Beweises oder Beweismittels. Die Beweislastnormen gehören dem materiellen Recht an; allerdings kann ein Verstoß gegen verfahrensrechtliche Beweisregeln ein Verfahrensfehler sein; verfahrensfehlerhaft ist aber jedenfalls ein vom Gericht unterlassener Hinweis auf die von den

90

BGH NJW 2002, 2106.

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Weitere Beschwerde

§ 27

Beteiligten erkennbar falsch beurteilte Beweislast, der zur Unterlassung von tatsächlichem Vorbringen und einem Hinweis auf Beweismöglichkeiten führt.91 Im Verfahren der FG gilt zwar zunächst der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 12). 43 Aber auch dort kann die Situation eintreten, dass behauptete Tatsachen letztlich nicht geklärt werden können und nach den Regeln entschieden werden muss, nach denen sich im Zivilprozess die Beweislast bestimmt. In den echten Streitsachen findet ohnehin sowohl auf der Ebene der Darlegung wie auf der Ebene der Beweisführung eine Annäherung an die zivilprozessualen Vorschriften statt, die im Übrigen auch sehr erhebliche gerichtliche Hinweispflichten enthalten (§ 139 ZPO nF). Zur begrifflichen Klarstellung kann im Amtsermittlungsverfahren von objektiver Feststellungslast (statt Beweislast) gesprochen werden, was an der Fragestellung, wer den Nachteil trägt, wenn sich etwas nicht erweisen lässt, nichts ändert. Nachdem die über § 27 Abs 1 S 2 FGG früher anwendbare Vorschrift des § 551 Nr 4 ZPO in dem jetzt über § 27 Abs 1 S 2 FGG anwendbaren § 547 ZPO nF ersatzlos gestrichen worden ist, ist damit der absolute Rechtsbeschwerdegrund, dass die Vorinstanz ihre Zuständigkeit oder Unzuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, ebenso ersatzlos entfallen. Das führt dazu, dass nunmehr die Zuständigkeit der Vorinstanz nicht mehr zu prüfen ist, sondern nur ob die angegriffene Entscheidung mit dem materiellen Recht in Einklang steht oder nicht. 2. Revisibilität der Beweiswürdigung Dem Tatsachenrichter (zumeist auch kurz Tatrichter genannt) vorbehalten ist die 44 tatsächliche Würdigung des Sachverhalts und des Ergebnisses der Ermittlungen und Beweiserhebungen. Die Beweiswürdigung ist ein Teil der Tatsachenfeststellung, an die das Rechtsbeschwerdegericht gebunden ist, soweit die Feststellung nicht unter Verstoß gegen Verfahrensrecht getroffen worden ist (§ 27 Abs 1 S 2 FGG mit § 559 Abs 2 ZPO). Die Beweiswürdigung unterliegt der Nachprüfung nur in der Richtung, ob sie von irrigen rechtlichen Grundlagen ausgeht oder gegen die Denkgesetze verstößt oder ob Schlüsse gezogen werden, die mit einer feststehenden Auslegungsregel oder mit der allgemeinen Lebenserfahrung unvereinbar sind,92 etwa wenn das Gericht sich in der freien Beweiswürdigung durch nicht bestehende Beweisregeln für eingeengt hält93 oder die Beweisanforderungen sonst überspannt oder vernachlässigt. Die Vorinstanz muss den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12) und ggf die Vorschriften über die Beweisaufnahme (§15) eingehalten haben.94 Bezeichnet das LG in der Begründung seiner Entscheidung einen von ihm vernommenen Beteiligten als Zeugen, so führt dies nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung, wenn der Beteiligte als solcher vernommen wurde und ausgeschlossen werden kann, die Überzeugungsbildung des LG sei dadurch beeinflusst worden, dass die Aussage als Zeugenaussage gewertet wurde.95 Für eine einwandfreie Würdigung der Sachlage durch das Tatsachengericht bedarf es 45 zwar nicht immer eines ausdrücklichen Eingehens auf jedes einzelne Vorbringen der Beteiligten oder auf jede einzelne Zeugenaussage oder auf sonstige Beweismittel und einer ausdrücklichen Auseinandersetzung damit. Es muss sich nur ergeben, dass eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat.96 Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder der Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen ist dem Tatsachen-

91 92

Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl, vor § 284 Rn 15 mwN. BayObLGZ 1952, 22; 1953, 108; KG OLGZ 1966, 85; KG FamRZ 1968, 265.

93 94 95 96

KG WPM 1956, 1361. BayObLG FamRZ 2005, 555. BayObLG ZMR 2003, 689. BGHZ 3, 162; BGH NJW 1960, 100.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

richter überlassen und nicht nachprüfbar. Wenn aber auf Tatsachen gestützte Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit aufgetreten sind, muss das Gericht sich damit auseinandersetzen. Fehlerhaft ist die Beweiswürdigung, wenn das Gericht mehrere widersprechende Zeugenaussagen anführt und erklärt, diese Aussagen seien zwanglos miteinander vereinbar, ohne diese Auffassung näher zu begründen,97 oder wenn es die Feststellung einer Tatsache auf ein Sachverständigengutachten stützt, welches diese Tatsache nur für möglich hält, oder wenn das Gericht nicht erkennt, dass ein Gutachten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgeht. Das Recht zur freien Beweiswürdigung ist nicht sachgemäß ausgeübt, wenn das 46 Gericht Schlüsse gezogen hat, die in dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Grundlage finden, oder wenn es die Beweise, die vorgelegen haben, überhaupt nicht oder nur teilweise gewürdigt, teilweise aber übergangen hat, oder wenn wesentlicher Tatsachenstoff übersehen worden ist.98 Die Würdigung von Sachverständigengutachten durch den Tatsachenrichter ist nur darauf zu überprüfen, ob er die sich ihm bietenden wissenschaftlichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft und sich mit beachtlichen wissenschaftlichen Meinungen auseinandergesetzt hat.99 Das Gericht darf von einem Gutachten abweichen, muss dann aber erkennen lassen, dass es genügend eigene Sachkunde hat und dass dies auf wohlerwogenen und stichhaltigen Gründen beruht.100 Widersprechende Gutachten muss das Gericht unter Nachvollziehung der Gedankengänge des Sachverständigen auf ihre Tragfähigkeit prüfen und sich unter Auseinandersetzung mit den abweichenden Meinungen der Gutachter eine eigene Überzeugung bilden.101 Der Nachprüfung im dritten Rechtszug unterliegt die Richtigkeit eines angewandten 47 Erfahrungssatzes102 und des allgemeinen Sprach- und Schriftgebrauches. Ein Verstoß gegen Denkgesetze bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn aus Indizien nur eine allein denkbare Folgerung gezogen werden kann, das Gericht sie aber nicht gezogen hat, oder wenn umgekehrt aus den Indizien mehrere Folgerungen gezogen werden können, das Gericht aber nur eine Folgerung für möglich gehalten hat. Im Übrigen genügt es, wenn der vom Tatsachengericht gezogene Schluss möglich, wenn auch nicht gerade zwingend ist, mag selbst eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen haben.103 Anders freilich, wenn der Tatsachenrichter offenbar unrichtige Schlussfolgerungen gezogen hat.104 Drängt ein Beweisergebnis zu einem besonders naheliegenden Schluss, so muss der Tatsachenrichter, wenn er diesen Schluss nicht ziehen will, seine Auffassung begründen; anderenfalls ist die Beweiswürdigung lückenhaft.105 Fehlerhafte Beweiswürdigung ist ein Verfahrensmangel, kein materiellrechtlicher Rechts48 fehler. Die Fehlerhaftigkeit kann sich aber nur auf die Würdigung der erhobenen Beweise beziehen. Werden Beweise, aus denen sich möglicherweise andere Schlussfolgerungen ziehen lassen, nicht erhoben, so hat dieser Mangel seine Grundlage nur in der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 12). Sind die gewürdigten Beweise in einem unzulässigen Verfahren erhoben worden, so liegt die Gesetzesverletzung in dem Verstoß gegen die betreffende Verfahrensnorm. Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Beweiswürdigung nur daraufhin überprüft werden, ob sie spezifisches Verfassungsrecht verletzt, ob also die Beweise willkürlich oder sonst unter Verletzung von Verfassungsrecht gewürdigt worden 97 98 99 100 101

BGHSt 3, 213 = NJW 1952, 1386. BGH VersR 1963, 165 und 1963, 925. BGH MDR 1960, 659; KG OLGZ 1967, 87. OLG Hamm MDR 1966, 62. BGH NJW 1961, 2061; 1962, 676; KG OLGZ 1967, 87.

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102 103 104 105

RGZ 105, 419; OGH MDR 1950, 156; BGH JR 1957, 62; KG WPM 1956, 1390. BayObLGZ 1951, 420; KG WPM 1956, 1390. BGH VersR 1963, 257 und 711. Zillmer NJW 1961, 720.

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§ 27

sind.106 Die unkritische Übernahme von Bewertungsansätzen im Gutachten und Ergänzungsgutachten eines gerichtlichen Sachverständigen, zB zur Ermittlung des Wertes eines Unternehmens im Rahmen des Zugewinnausgleichs, verletzt das Gebot rechtlichen Gehörs, wenn ein Privatgutachten zu deutlich anderen Bewertungsergebnissen gelangt.107 Es verstößt gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs und gegen das Willkürverbot, 49 wenn ein Gericht im Zivilprozess den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakte eines anderen Prozesses verwertet, ohne dass der nachteilig Betroffene von der Beiziehung Kenntnis hatte und ohne dass ein entsprechender Beweisantritt vorlag.108 Der Richter darf auch in Zivilverfahren von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetragener Beweise nur dann absehen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen bereits erwiesen, wobei bei der Zurückweisung einer Beweismaßnahme als ungeeignet größte Zurückhaltung geboten ist.109 Es kann ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegen bei der Beurteilung der für die Frage des Mitverschuldens erheblichen Feststellungen sowie durch eine auf sachwidrigen Erwägungen beruhende Beweiswürdigung.110 Diese Vorgaben des BVerfG begründen auch eine Gesetzesverletzung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, damit eine Verfassungsbeschwerde vermieden wird. Beruht die Beweiswürdigung des LG in einer Nachlasssache auf einer rechtlichen Voraussetzung, die nicht mit dem Gesetz in Einklang steht, dann verletzt auch die Beweiswürdigung das Gesetz.111 Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit von Zeugen sowie der Glaubhaf- 50 tigkeit ihrer Sachdarstellung obliegt dem Gericht der Tatsacheninstanz und ist im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht nachprüfbar.112 Die Anwendung von Beweislastregeln ist dem materiellen Recht zuzuordnen und damit in der Rechtsbeschwerdeinstanz überprüfbar.113 3. Revisibilität der Auslegung a) Auslegung von Willenserklärungen Die Feststellung und Auslegung von Willenserklärungen durch den Tatsachenrichter 51 kann nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden, nämlich darauf, ob die Auslegung sprach-, denk- und erfahrungsgesetzlich möglich ist, den gesetzlichen Auslegungsregeln nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt sind. Die Auslegung ist fehlerhaft, wenn der Tatsachenrichter eine Gedankenäußerung nur lückenhaft auslegt, indem er etwa wesentlichen Auslegungsstoff unberücksichtigt lässt114 oder die Auslegung überhaupt unterlässt.115 Widersprüche und Zweideutigkeiten dürfen grundsätzlich nicht zu einer Verweigerung der richterlichen Auslegung führen. Die Auslegung findet aber ihre Grenze dort, wo sich unter Berücksichtigung aller Umstände, die für die Würdigung der Erklärungshandlung von Bedeutung sind, ein klarer Sinn nicht ermitteln lässt.116 Ein Rechtsfehler ist es ferner, wenn das Gericht eine Auslegungsregel verkannt oder Umstände berücksichtigt oder nicht berücksichtigt hat, deren Beachtung unzulässig oder geboten ist.

106 107 108 109 110 111

BVerfGE 6, 7. BVerfG NJW 1997, 122 = FamRZ 1997, 151. BVerfG NJW 1994, 1210. BVerfG NJW 1993, 254. BVerfG NJW 1994, 2279. OLG Köln MDR 1982, 678.

112 113 114 115 116

BayObLG NJW-RR 1996, 583. OLG Düsseldorf WuM 1997, 581 = ZMR 1997, 432. BGHZ 24, 41. BGHZ 16, 4; 37, 233. BGHZ 20, 109.

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§ 27 52

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Die Rüge fehlerhafter Auslegung kann nicht darauf gestützt werden, dass der Tatsachenrichter den Sachverhalt anders hätte beurteilen müssen, sondern nur auf die Nichtbeachtung einer Auslegungsregel, von Erfahrungssätzen und Denkgesetzen oder auf die Vernachlässigung oder Verwertung von Umständen, die nach der Auslegungsregel einzubeziehen oder nicht zu berücksichtigen sind. Gegen Denkgesetze verstößt ein Schluss nur, wenn er unmöglich ist, nicht aber schon, wenn er nicht zwingend ist.117 Als zur Rechtsanwendung gehörend nachprüfbar ist aber die Frage, welchem Rechtsbegriff die festgestellte Erklärung unterfällt. Das Gericht der weiteren Beschwerde kann eine Ausschlagungserklärung selbst auslegen, wenn das Beschwerdegericht die Auslegung unterlassen hat und der Sachverhalt geklärt ist.118 Die Ermittlung des materiellrechtlichen Gehalts (Auslegung) eines gerichtlichen Vergleichs ist grundsätzlich Sache des Tatrichters; sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler hin überprüft werden.119 b) Testamente, Erbverträge

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Auch die Auslegung von Testamenten und Erbverträgen ist nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen den klaren Wortlaut, gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstößt oder ein wesentlicher Umstand übersehen worden ist.120 Wenn der Tatsachenrichter festgestellt hat, welche Erklärung der Erblasser abgegeben hat, unterliegt jedoch die weitere Frage, wie diese Erklärung rechtlich zu würdigen ist, der Nachprüfung im dritten Rechtszuge.121 Bei der Ermittlung des Sinnes der testamentarischen Erklärungen können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände und Äußerungen des Erblassers, die der Ermittlung seiner Willensrichtung dienlich sind, herangezogen werden.122 Die Auslegung darf aber nicht einen Sinn in die auszulegende Erklärung hineinlegen, den diese nach ihrem eindeutigen und zweifelsfreien Wortlaut, auch bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles, nicht haben kann.123 Die Frage, ob der Wortlaut des Testaments eindeutig und deshalb nicht auslegungsfähig ist, ist eine nachprüfbare Rechtsfrage.124 Bezieht das Landgericht bei der Auslegung eines Testaments eine Auslegungsmöglichkeit, die nach dem Wortlaut und den Umständen der Testamentserrichtung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, nicht in seine Überlegungen ein, so liegt darin ein Rechtsfehler.125 Hat der Tatsachenrichter sich mit einer zur Auslegung des Testaments gehörenden Frage überhaupt nicht auseinandergesetzt, so kann das Rechtsbeschwerdegericht die Lücke durch eine selbstständige Würdigung ausfüllen (§ 561 ZPO), wenn der Sachverhalt weiterer Klärung nicht bedarf.126 Wird bei der Testamentsauslegung ein Teil des Testamentwortlauts unberücksichtigt gelassen, so kann darin ein Rechtsfehler liegen, der es dem Rechtsbeschwerdegericht gestattet, das Testament selbst auszulegen. Auf einem Fehler in der Testamentsauslegung beruht die angefochtene Entscheidung, wenn sie bei richtig vorgenommener Auslegung nicht so hätte ergehen können, wie sie ergangen ist.127

117 118 119 120 121 122

BGH MDR 1951, 117. OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1023. BayObLG NZM 1998, 773 = ZfIR 1998, 718. BayObLGZ 1966, 242; 1967, 1; KG OLGZ 1966, 503. BGH LM § 133 BGB Nr 1; BGH RdL 1955, 244; 1957, 129. BayObLGZ 1966, 242; KG OLGZ 1966, 503.

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123 124 125 126 127

RGZ 160, 109; BGH LM § 2084 BGB Nr 7; BayObLGZ 1966, 244. BGHZ 32, 60; BayObLGZ 1966, 242; KG FamRZ 1968, 217. BayObLG FamRZ 1994, 1358. BGHZ 37, 233. BayObLG NJW-RR 1989, 1286.

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§ 27

c) Selbstständige Auslegung im dritten Rechtszug Der selbstständigen Auslegung im dritten Rechtszuge in eigener Kompetenz ohne 54 Bindung an die Würdigung des Tatsachenrichters unterliegen behördliche Willenskundgebungen, die zur Kenntnis für jedermann bestimmt sind,128 Verwaltungsakte,129 gerichtliche Entscheidungen,130 Grundbucheintragungen und die in Bezug genommenen Urkunden,131 die Satzung einer Kapitalgesellschaft,132 einer Genossenschaft,133 eines nicht rechtsfähigen Vereins,134 Stiftungsurkunden,135 körperschaftsrechtliche Regelungen in Gesellschaftsverträgen,136 nicht aber ein gerichtlicher Vergleich.137 Die im Grundbuch eingetragene Teilungserklärung nach § 8 WEG wie der Teilungs- 55 vertrag und die zum Inhalt des Sondereigentums erhobene Gemeinschaftsordnung (§ 5 Abs 4 WEG) sind vom Rechtsbeschwerdegericht in eigener Kompetenz auszulegen.138 Was der Verfasser der Teilungserklärung gewollt hat, ist ohne Bedeutung.139 Für die Auslegung maßgeblich ist neben dem Wortlaut des Textes der Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Leser als bestmögliche Bedeutung ergibt.140 Ein Eigentümerbeschluss nach § 23 WEG, der Regelungen enthält, die auch für einen Sondernachfolger gelten sollen (§ 10 Abs 3 WEG), ist wie eine Grundbucheintragung auszulegen. Die Auslegung ist nicht dem Tatrichter vorbehalten, sondern kann auch durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen.141 Ob dies auch für andere Eigentümerbeschlüsse in Wohnungseigentumssachen gilt, ist streitig, aber zu verneinen.142 Der uneingeschränkten Nachprüfung und Auslegung durch das Rechtsbeschwerde- 56 gericht unterliegen ferner die in demselben Verfahren ergangenen Verfahrenshandlungen der Gerichtsorgane (Entscheidungen und verfahrensleitende Verfügungen) sowie die verfahrensrechtlichen Erklärungen der Beteiligten, die eine verfahrensgestaltende Wirkung haben, wie Anträge, Rechtsmittel, Rechtsbehelfe, Grundbuchanträge143 oder Erklärungen, welche die Rücknahme des Antrags oder des Rechtsmittels oder einen Rechtsmittelverzicht oder die Zustimmung zu einer entsprechenden Erklärung des Gegners zum Gegenstand haben.144 Dasselbe gilt für verfahrensrechtliche Erklärungen in einem anderen gerichtlichen Verfahren, solange in diesem noch keine rechtskräftige Entscheidung über die Erklärung ergangen ist.145 Das Gericht der weiteren Beschwerde kann im Amtsauflösungsverfahren gem § 144a FGG eine nach dem Wirksamwerden des Beschlusses des Beschwerdegerichts in das Handelsregister eingetragene Satzungsänderung berücksichtigen.146 In Versorgungsausgleichssachen können im Verfahren der weiteren Beschwerde Tatsachen, zB die Nachversicherung eines früheren Zeitsoldaten, die nach dem für die Entscheidung des OLG maßgebenden Zeitpunkt eingetreten sind, nicht berücksichtigt werden.147 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138

RGZ 161, 317; KG WPM 1957, 1469. RGZ 102, 3; BGHZ 3, 15. RGZ 58, 243; 153, 254. RGZ 136, 232; BGH MDR 1961, 672. BGHZ 9, 279. BGHZ 27, 300. BGHZ 21, 370. RGZ 86, 283; BGH NJW 1957, 708 = FamRZ 1957, 129. RGZ 164, 140; BGHZ 14, 36; 36, 314; BGH WPM 1955, 65; 1966, 446; 1966, 1262. RGZ 154, 320; BGH WPM 1964, 1239; BayObLG DWE 1991, 163 (LS). BayObLG NJW-RR 1988, 140.

139 140 141 142

143 144 145 146 147

BayObLG NZM 1999, 866. OLG Köln ZMR 2001, 68 = NZM 2000, 1010 L. BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713 = FGPrax 1999, 7. BayObLG NJW-RR 1994, 1104; OLG Köln WE 1995, 221; aA OLG Stuttgart OLGZ 1991, 428. OLG Braunschweig NJW 1961, 1362. RGZ 168, 56; BGHZ 4, 334. BGH NJW 1959, 2119. BayObLG NJW-RR 2001 = DB 2001, 644 = GmbHR 2001, 347. BGH NJW 1983, 1908.

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859

§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

4. Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen a) Handlungsermessen

57

Die Nachprüfung von Ermessensentscheidungen ist im dritten Rechtszug darauf beschränkt, ob die Rechtsnorm verletzt ist, welche die Ermessensermächtigung enthält (§ 545 Abs 1 ZPO). Unter einer Ermessensnorm ist jede Rechtsnorm zu verstehen, welche bei Verwirklichung eines Tatbestandes verschiedene Rechtsfolgen vorsieht, unter welchen das rechtsanwendende Organ nach Gründen der Zweckmäßigkeit zu wählen befugt ist. In das Ermessen des Gerichts kann gestellt sein die Wahl zwischen der Unterlassung (Versagung) und der Vornahme einer Handlung, die Wahl zwischen verschiedenen gesetzlich bestimmten Handlungen oder die nähere Bestimmung der nach Lage des Einzelfalls erforderlichen Handlung. Voraussetzung der Ermessensbetätigung ist die Verwirklichung des Tatbestands der Ermessensnorm, der im Gesetz allerdings häufig nicht eindeutig bestimmt ist, sondern durch Gesetzesauslegung erschlossen werden muss. Der Beurteilung im dritten Rechtszuge unterliegt die Frage, ob eine Norm Ermessen gewährt, also eine Ermessensermächtigung enthält, und die zur Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz gehörende Frage, ob die Tatbestandsmerkmale der Ermessensnorm nach dem festgestellten Sachverhalt erfüllt sind. Ein Rechtsfehler liegt vor, wenn das Gericht Ermessen ausübt, obwohl ihm keine Ermessensfreiheit zusteht, oder wenn es sich für gebunden hält, wo es Ermessensfreiheit hat,148 oder rechtsirrig annimmt, in der Freiheit des ihm zustehenden Ermessens stärker eingeschränkt zu sein, als es der Fall ist (Ermessensmangel).149 Die durch eine Ermessensnorm gedeckte Ausübung des Ermessens kann dagegen, weil 58 sie auf der tatsächlichen Würdigung der Umstände beruht, nicht auf ihre sachliche Richtigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin nachgeprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind (Ermessensüberschreitung) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (Ermessensmissbrauch).150 Vorauszusetzen ist hierbei, dass die Ermessenausübung nicht durch Verfahrensfehler, etwa die Außerachtlassung erheblicher Tatumstände oder ungenügende Sachaufklärung, beeinflusst ist.151 Ist das Gericht durch eine Ermessensnorm ermächtigt, nach Gründen der Zweckmäßigkeit unter mehreren möglichen Maßnahmen zu wählen, so ist jede der im Rahmen der Ermächtigung liegenden möglichen Entschließungen rechtmäßig und richtig. Ermessensbetätigungen dieser Art kommen in der Weise vor, dass eine (geschriebene 59 oder ungeschriebene) Ermessensnorm dem Gericht eine gewisse Freiheit bei der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens einräumt (Verfahrensermessen). Hierher gehört die Wahl zwischen dem Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 GBO und der alsbaldigen Zurückweisung des Antrags,152 die Wahl zwischen der Zurückverweisung an die Vorinstanz und der Entscheidung in der Sache selbst (vgl § 25), die Wahl zwischen formlosen Ermittlungen und förmlicher Beweisaufnahme (vgl § 12), die Entschließung darüber, ob bei dem Erlass vorläufiger Anordnungen von der vorherigen Anhörung des Betroffenen abzusehen ist,153 die Aussetzung des Verfahrens,154 Abschreibung eines Grundstücksteils nach § 6 GBO, die Abstandnahme von der Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens nach §§ 142, 144 FGG, die Setzung und Bestimmung verfahrensrechtlicher Fristen, die 148 149 150

OLG Hamm Rpfleger 1956, 42; KG OLGZ 1966, 357. KG MDR 1961, 64 = FamRZ 1960, 443. BayObLGZ 1953, 52; KG OLGZ 1966, 357.

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151 152 153 154

LG OLGZ 1966, 357. RGZ 126, 107. OLG Stuttgart FamRZ 1960, 247. KG OLGZ 1966, 357; 1967, 392.

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Weitere Beschwerde

§ 27

Entscheidung über die Beeidigung eines Zeugen (§ 15 Abs 1 S 2 FGG), die Wiederholung der Zeugenvernehmung (§ 398 Abs 1 ZPO) oder die Gegenüberstellung von Zeugen bei widersprechenden Bekundungen.155 Ein Handlungsermessen kann dem Gericht auch bei der Regelung von Angelegen- 60 heiten nach Maßgabe des sachlichen Rechts eingeräumt sein, wenn nach dem Ermessen des Gerichts darüber zu befinden ist, ob eine Maßnahme zu treffen ist oder nicht, zB die Zweckmäßigkeit der Bestellung eines Gegenvormundes (§ 1792 BGB), die Bestellung von Mitvormündern (§ 1775 BGB), die Ernennung des Testamentsvollstreckers (§ 2200 BGB),156 Erteilung oder Versagung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, oder wenn die nähere Bestimmung einer Maßnahme mehrere Möglichkeiten offen lässt, unter denen eine Wahl zu treffen ist, zB die Auswahl des Vormunds, Pflegers157 oder Betreuers oder des zu bestellenden Notvorstandes oder Aufsichtsratsmitglieds oder die Bemessung der Dauer materiellrechtlicher Fristen (§§ 1995, 2151, 2153 ff, 2198 Abs 2, 2202 Abs 3 BGB). Eine Ermessensentscheidung in diesem Sinne ist auch die Gestaltung des Verkehrsrechts (§ 1684 BGB) nach Ort, Zeit und Umfang.158 Mitunter ist nach dem Tatbestand der Ermessensnorm die Ermessensbetätigung da- 61 von abhängig, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff erfüllt oder nicht erfüllt ist. Die Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB) kann nach Ermessensgründen unterbleiben, auch wenn ein wichtiger Grund zur Entlassung vorliegt (vgl § 81). § 1908b III BGB räumt dem Tatsachengericht bei der Frage nach der Entlassung des Betreuers auf Vorschlag des Betreuten ein Ermessen ein; dieses kann in der Rechtsbeschwerde nur beschränkt nachgeprüft werden.159 Ist das Vorliegen der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 1666 Abs 1 BGB festgestellt, so kann das FamG bei der Auswahl der zur Abwendung der Gefährdung geeigneten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlichen Maßnahmen einen Ermessensspielraum haben. b) Beurteilungsermessen Ein andersartiges Ermessen ist dem Gericht eingeräumt, wenn das Gesetz den Inhalt 62 der Sachentscheidung, die bei Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands zu treffen ist, nicht eindeutig bestimmt, sondern dem wertenden Ermessen des Gerichts überlässt. Die Bedeutung und das Wesen dieses Ermessens bestehen darin, dass dem Gericht bei der Bestimmung der Rechtsfolge anders als in den Regelfällen, in denen die Rechtsfolge sich unmittelbar aus der Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz ergibt, ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Vom Handlungsermessen unterscheidet sich das Beurteilungsermessen dadurch, dass nicht mehrere in gleicher Weise als richtig denkbare Entschließungen zur Wahl stehen, sondern nur eine Entscheidung der Idee nach die richtige sein kann und diese nach Gründen der Billigkeit, nicht der Zweckmäßigkeit zu treffen ist. Bei der Ausübung des Beurteilungsermessens kommt es auf die Angemessenheit des Ergebnisses, auf die Richtigkeit im Sinne von Gerechtigkeit und Billigkeit an, während bei der Ausübung des Handlungsermessens die Entscheidung vornehmlich nach Gründen der Zweckmäßigkeit auszurichten ist. Hierher gehören die Gestaltung der Rechtsverhältnisse „nach billigem Ermessen“ ge- 63 mäß § 2 HausratsVO,160 die Auserlegung von Kosten nach billigem Ermessen (§ 20

155 156 157

BArbG NJW 1968, 566. BayObLGZ 1964, 153. BayObLGZ 1964, 277; OLG Celle NJW 1965, 1718.

158 159 160

KG OLGZ 1965, 102; OLG Karlsruhe OLGZ 1967, 468. BayObLG FamRZ 1994, 1353. BGHZ 18, 148; BayObLGZ 1951, 451;

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

HausratsVO, § 13a Abs 1 S 1 FGG, § 47 WEG), das Maß der Stundung oder Herabsetzung einer Forderung im Wege der Vertragshilfe,161 die Angemessenheit der dem Vormund oder Pfleger zu bewilligenden Vergütung,162 die Höhe einer nach § 8 Abs 3 S 2 HausratsVO auferlegten Ausgleichszahlung, überhaupt alle Rechtsbegriffe des Grades und des Maßes, wie die Bemessung der Höhe von Zwangsgeld. In diesen Fällen ist die Nachprüfung der Ausübung des Beurteilungsermessens durch den Tatsachenrichter im Rechtsbeschwerdeverfahren beschränkt, weil auf den Einzelfall abgestellte relative und individualisierende Maßstäbe anzuwenden sind. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur prüfen, ob der Tatsachenrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung erforscht hat (§ 12 FGG), ob die Ermessensausübung bei der Festsetzung der Rechtsfolge auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob Rechtsvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Tatumstände außer Acht gelassen worden sind.163 Grundsätzlich fehlerhaft ist eine Erwägung, wenn der Tatsachenrichter die Entschei64 dung auf Gründe stützt, die gegenüber den rechtlich maßgebenden Gesichtspunkten kein Gewicht haben, oder wenn er umgekehrt rechtlich beachtlichen Gesichtspunkten kein Gewicht beimisst. Das Vormundschaftsgericht setzt die Höhe der Pflegevergütung nach pflichtgemäßem Ermessen fest. Mit der weiteren Beschwerde kann die Unangemessenheit einer Pflegervergütung nur bei Überschreitung der Ermessensgrenzen geltend gemacht werden.164 5. Unbestimmte Rechtsbegriffe a) Nachprüfbarkeit

65

Der Nachprüfung im dritten Rechtszuge unterliegt die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter Rechtsbegriffe. Das gilt auch für die Anwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen, wie gute Sitten (§ 138 BGB), grobe Unbilligkeit (§ 1383 BGB), wichtige oder schwerwiegende Gründe (§ 2227 BGB; § 66 Abs 2 GmbHG), Gefährdung des geistigen oder leiblichen Wohls (§§ 1666, 1778 BGB). Tatfrage ist hier die Feststellung der einzelnen Tatumstände. Die Frage aber, ob diese in ihrer Gesamtheit die Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffs erfüllen, ist eine Rechtsfrage und ihre unrichtige Beantwortung eine Rechtsverletzung. Ein Beurteilungsspielraum steht hier dem Tatsachenrichter nicht zu.165 b) Einzelfälle

66

Ohne Beschränkung auf Ermessensfehler oder eine bloße Vertretbarkeitskontrolle ist daher rechtlich nachprüfbar die Frage, ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt166 oder ein wichtiger Grund zur Entlassung des Testamentsvollstreckers oder zur Abberufung des Abwicklers einer GmbH (§ 66 GmbHG)167 oder eine Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes (§ 1666 BGB) oder eine erhebliche

161 162 163

BayObLGZ FamRZ 1955, 211; KG NJW 1961, 78. BGH WPM 1957, 175; 1957, 1464; BayObLGZ 1957, 43. BayObLGZ 1953, 52; 1965, 348; OLG Köln NJW 1967, 2408. BGHZ 3, 175; 6, 62; 39, 198, zu § 287 ZPO.

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164 165 166

167

BayObLGNJW 1988, 1919. BayObLGZ 1965, 362; KG OLGZ 1966, 251; OLG Stuttgart FamRZ 1964, 51. RGZ 58, 220; 160, 56; BGH FamRZ 1954, 195 = LM § 138 BGB Nr 2; KG OLGZ 1967, 241. BayObLG NJW 1955, 1678.

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Weitere Beschwerde

§ 27

Gefährdung im Sinne des § 1886 vorliegt.168 Bei der Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe muss die Einwirkung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht und der in den Grundrechtsbestimmungen verkörperten objektiven Wertordnung Rechnung getragen werden.169 Der Begriff des „wichtigen Grundes“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff; ob die vom Tatrichter festgestellten Tatumstände in ihrer Gesamtheit die Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffs erfüllen, ist eine Rechtsfrage und damit vom Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar.170 c) Beschränkte Nachprüfbarkeit Von dem Grundsatz der unbeschränkten Nachprüfung der Subsumtion sind jedoch 67 sachgerechte Ausnahmen zu machen für Fälle, in denen eine individualisierende Betrachtungsweise des meist atypischen Einzelfalls im Vordergrund steht oder es auf die Beurteilung von persönlichen Eigenschaften oder Fähigkeiten ankommt oder die Art der gesetzlich vorgesehenen „erforderlichen“ Maßnahme bei der Verschiedenartigkeit vertretbarer Beurteilungsmaßstäbe über die Einzelfallentscheidung hinaus nicht mit Beispielwirkung für künftige Fälle festgestellt werden könnte. Hierzu gehört die Eignung der Eltern zur Kindererziehung, die Frage, ob eine Maßnahme dem Wohl des Kindes oder Mündels entspricht (§ 1671 BGB) oder zu seinem Wohl erforderlich oder im Interesse des Kindes angezeigt ist (§ 1696 BGB). In diesem Umfang steht dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsermessen zu. Die Nachprüfung ist darauf zu beschränken, ob der Tatsachenrichter den Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung aufgeklärt (§ 12), keine wesentlichen Umstände außer Acht gelassen (§ 25), nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, keinen Rechtsbegriff verkannt und keine allgemeinen Bewertungsmaßstäbe unberücksichtigt gelassen hat.171

X. Ursächlichkeit der Rechtsverletzung Die Rechtsverletzung rechtfertigt die weitere Beschwerde nur, wenn die Entscheidung 68 auf ihr beruht. Hierbei handelt es sich um eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels. Die Entscheidung beruht im Sinne des § 27 Abs 1 S 1 auf einer Verletzung des Rechts, wenn sie unrichtig ist und diese Unrichtigkeit durch eine Verletzung des Gesetzes verursacht worden ist, dh dass sie ohne die begangene Rechtsverletzung richtigerweise so, wie sie ergangen ist, nicht hätte ergehen können. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob das untere Gericht sonst tatsächlich anders entschieden hätte, sondern darauf, wie bei Vermeidung des Fehlers richtig zu entscheiden gewesen ist. Verfahrensmängel nötigen schon dann zur Aufhebung, wenn die Möglichkeit ihrer Ursächlichkeit für die angefochtene Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann.172 Dasselbe gilt für sachlichrechtliche Mängel, wenn die Sache noch nicht entscheidungsreif ist, wenn es also von dem materiellrechtlichen Standpunkt des Rechtsbeschwerdegerichts aus noch weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf oder den Beteiligten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs Gelegenheit gegeben werden muss, zu dem veränderten rechtlichen Gesichtspunkt auch in tatsächlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. 168 169 170

BayObLGZ 1963, 91; OLG Hamm Rpfleger 1966, 17. BVerfGE 4, 52;7, 198; KG OLGZ 1966, 251. BayObLG NJW-RR 1994, 781 = WuM 1994, 154.

171

172

BayObLGZ 1961, 349; OLG Karlsruhe OLGZ 1966, 449; aM BayObLGZ 1965, 362. RGZ 57, 330; 82, 273; 136, 299.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

69

Ausgeschlossen werden kann die Ursächlichkeit des Verfahrensmangels, wenn die Entscheidung auf mehrere Gründe gestützt ist, von denen jeder die Entscheidung trägt, aber nur einer von dem Mangel berührt wird. Besteht der festgestellte Mangel in der Versagung rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachenbehauptungen, so kann die Ursächlichkeit dieses Verfahrensmangels ausgeschlossen werden, wenn das tatsächliche Vorbringen, welches der betroffene Beteiligte bei Gewährung rechtlichen Gehörs in der Vorinstanz angebracht hätte, unerheblich ist. Zu diesem Zweck darf das Rechtsbeschwerdegericht diese Tatsachen anhören und es darf dem Beschwerdeführer aufgeben, diese Tatsachen anzugeben. Es ist nur daran gehindert, sie festzustellen. Eine Rechtsverletzung, die im ersten Rechtszuge begangen wurde, ist der weiteren 70 Beschwerde nur zugänglich, wenn auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts noch mit diesem Mangel behaftet ist.173 Rechtsirrige Ausführungen, welche ersichtlich nicht die Grundlage der Beschwerdeentscheidung bilden, sondern nur beiläufig gemacht worden sind, können die weitere Beschwerde nicht begründen. Bei den unbedingten Rechtsbeschwerdegründen des § 547 ZPO ist der Verfahrensmangel unwiderleglich als ursächlich für die Entscheidung anzusehen und § 561 ZPO nicht anwendbar. Zulässiger Gegenstand einer Erst- oder einer weiteren Beschwerde in einer Angelegenheit der FG ist allein der Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz.174

XI. Unbedingte Rechtsbeschwerdegründe 71

Bestimmte Verfahrensverstöße erachtet das Gesetz für so schwerwiegend dass es eine Prüfung, ob die Entscheidung möglicherweise doch richtig ist, ausschließt. Der Verfahrensmangel ist unwiderleglich als ursächlich für die Entscheidung anzusehen und § 561 ZPO ist nicht anzuwenden. Das Rechtsbeschwerdegericht darf nicht in der Sache selbst entscheiden, sondern hat die angefochtene Entscheidung und zugleich den von dem Verfahrensmangel betroffenen Verfahrensabschnitt (§ 562 Abs 2 ZPO) aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, selbst wenn die Entscheidung offensichtlich richtig ist. Diese unbedingten Rechtsbeschwerdegründe ergeben sich aus § 547 ZPO, auf dessen entsprechende Anwendung § 27 Abs 1 S 2 FGG verweist. Die Versagung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) ist kein absoluter, sondern ein relativer Rechtsbeschwerdegrund,175 führt also zur Aufhebung nur, wenn die Entscheidung auf dem Mangel beruht oder beruhen kann. Wenn aber einem Beteiligten das rechtliche Gehör dadurch nicht gewährt worden ist, dass er zu dem Verfahren überhaupt nicht hinzugezogen worden oder in dem Verfahren durch einen nicht berufenen Vertreter vertreten worden ist, so kann der Beschwerdegrund des § 547 Nr 4 ZPO vorliegen. Die Geltendmachung oder Berücksichtigung der unbedingten Rechtsbeschwerdegründe setzt stets die Einlegung einer zulässigen weiteren Beschwerde voraus. Die nach § 27 Abs 1 S 2 FGG entsprechend anwendbare Vorschrift des § 547 ZPO 72 lautet in der Neufassung seit 2002: § 547 Absolute Revisionsgründe Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; 173

BGH NJW 1958, 1398 = MDR 1958, 676 = LM § 549 ZPO Nr 45.

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174 175

OLG Köln DB 1999, 2153. BGHZ 27, 169; 31, 43.

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Weitere Beschwerde

§ 27

3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; 4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; 5. wenn die Entscheidung aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; 6. wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

1. Vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (Nr 1) Die Bestimmung bezieht sich auf die Besetzung des Beschwerdegerichts im Zeitpunkt 73 der Beschlussfassung über die angefochtene Entscheidung. Auf die ordnungsmäßige Besetzung in einem vorausgegangenen Verfahrensabschnitt, zB bei der Beweisaufnahme, kommt es nicht an.176 Auf eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts des ersten Rechtszuges kann die weitere Beschwerde nicht gestützt werden.177 Die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts ergeben sich aus dem GVG, dem Deutschen Richtergesetz, der Verfahrensordnung (§ 30 FGG) und den diese Vorschriften beherrschenden Grundprinzipien.178 Die Vorschriftswidrigkeit der Gerichtsbesetzung kann ihre Ursache haben in der Person des Vorsitzenden oder der beisitzenden (Berufs- oder ehrenamtlichen) Richter oder im Zustandekommen des Spruchkörpers. Das beschließende Gericht ist nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn es nicht mit der richtigen Zahl von Richtern entscheidet, zB wenn im Landwirtschaftsverfahren von der Heranziehung der landwirtschaftlichen Beisitzer unzulässigerweise abgesehen wurde, wenn die Besetzung der zur Entscheidung berufenen Zivilkammer nicht dem § 75 GVG, der Kammer für Handelssachen nicht dem § 105 GVG genügt, wenn ein Richter mitwirkt, der nicht die Befähigung zum Richteramt besitzt oder nicht bei dem entscheidenden Gericht bestellt oder aus tatsächlichen Gründen nicht verhandlungsfähig ist,179 wenn im Kollegialgericht ein nicht auf Lebenszeit bestellter Richter den Vorsitz führt (§ 28 Abs 2 S 2 DRiG), wenn ein Stellvertreter hinzugezogen wurde, obwohl ein Vertretungsfall nicht vorlag180 oder wenn die Vorschriften über die Heranziehung eines Stellvertreters nicht beachtet sind, wenn die Vorschriften über die Hinzuziehung von Hilfsrichtern verletzt sind, wenn Hilfsrichter zur Behebung einer nicht nur vorübergehend, sondern als dauernd erkennbaren Geschäftsbelastung herangezogen worden sind181 oder wenn der Spruchkörper in der Weise verfassungswidrig (Art 101 Abs 1 S 2 GG) überbesetzt war, dass er nach der Zahl seiner Mitglieder in zwei personell voneinander verschiedenen Gruppen hätte Recht sprechen können182 oder wenn bei überbesetztem Spruchkörper keine interne Geschäftsverteilung (§ 21g GVG) festgelegt wurde oder die erlassene den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Auf eine Verletzung der in § 21g GVG bestimmten Grundsätze kann aber die Rechtsbeschwerde nur gestützt werden, wenn die Nichtbeachtung willkürlich oder sonst missbräuchlich ist.183 Der Nachprüfung unterliegt auch, ob der für das gesamte Gericht geltende Geschäfts- 74 verteilungsplan gesetzmäßig zustande gekommen oder geändert worden ist.184 Hat eine 176 177 178 179 180 181

BGHZ 37, 125. BGH NJW 1958, 1398 = MDR 1958, 676 = LM § 549 ZPO Nr 45. BGHSt 2, 71; 4, 191 = NJW 1953, 1115. RG JW 1928, 821; BGH NJW 1953, 115. BayObLGZ 1959, 125. BGHZ 12, 1; 20, 209; 20, 250; 22, 142; 28,

182 183 184

338; 34, 260; BGH LM § 337 ZPO Nr 3; dazu Müller DRiZ 1963, 37. BVerfGE 17, 294; 18, 65; 18, 344; BGHZ 44, 197; BGH NJW 1965, 1434. BGH NJW 1967, 1622 = DRiZ 1967, 428. BayObLGZ 1964, 433.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

andere als die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Zivilkammer entschieden, so liegt eine Verletzung des § 547 Nr 1 ZPO nicht schon darin, dass dies auf einem Verfahrensirrtum beruht. Es ist jedoch die Prüfung geboten, ob darin eine verfassungsrechtliche Ungesetzlichkeit des Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) liegt, die aber voraussetzt, dass die Annahme der Zuständigkeit auf Willkür oder sachfremden Erwägungen beruht.185 Ein Schreibfehler bei der Bezeichnung der mitwirkenden Richter beweist noch nicht eine vorschriftswidrige Besetzung. Hat ein Richter unterschrieben, der nicht mitgewirkt hat, so kann der Irrtum auch nach Einlegung der weiteren Beschwerde berichtigt werden.186 Der Urkundsbeamte ist kein Mitglied des beschließenden Gerichts. Entscheidet im Erstbeschwerdeverfahren der FG ein Einzelrichter und fehlt ein Übertragungsbeschluss der Zivilkammer, so liegt der absolute Beschwerdegrund nach §§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 27 Abs 1 S 2 FGG vor. Auf Rechtsbeschwerde hin wird die Sache in einem solchen Fall an den Spruchkörper zurückverwiesen.187 2. Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters (Nr 2)

75

Die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters hat zwar nicht die Ungültigkeit der Entscheidung zur Folge (§ 7), verletzt aber das Recht und kann deshalb, wenn der ausgeschlossene Richter an der Entscheidung des Beschwerdegerichts mitgewirkt hat (vgl § 6), mit der weiteren Beschwerde gerügt werden. Die Einschränkung, dass ein auf die Ausschließung des Richters gestütztes Ablehnungsgesuch nicht endgültig (§ 46 Abs 2 ZPO) zurückgewiesen sein darf, gilt auch in der FG, da anzunehmen ist, dass ein Ablehnungsgesuch entsprechend § 42 Abs 1 ZPO auch auf Ausschließungsgründe gestützt werden darf. Ist das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden, so steht für das Verfahren fest, dass der Ausschließungsgrund nicht gegeben und durch die Mitwirkung des Richters das Gesetz nicht verletzt ist. Wird der Ausschließungsgrund ohne Ablehnungsgesuch im Verfahren nach § 48 ZPO verneint, so wird dadurch der Verfahrensrüge nicht vorgegriffen. 3. Mitwirkung eines mit Erfolg abgelehnten Richters (Nr 3)

76

Die Vorschrift der Nr 3 ist auch im Verfahren der FG unbeschränkt anwendbar, nachdem § 6 Abs 2 S 2 FGG durch das BVerfG für nichtig erklärt worden ist.188 Die weitere Beschwerde kann aber nicht darauf gestützt werden, dass der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit vorgelegen hätte oder dass der Richter eine Selbstablehnung hätte erklären müssen,189 sondern nur darauf, dass der Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war. Erst von dem Erlass des der Ablehnung stattgebenden Beschlusses an steht der abgelehnte Richter einem ausgeschlossenen Richter gleich. Wird erst nach dem Erlass der Beschwerdeentscheidung ein vorher oder unter den Voraussetzungen des § 44 Abs 4 ZPO nachträglich angebrachtes Ablehnungsgesuch für begründet erklärt, so darf diese neue Tatsache, da sie das Verfahren betrifft, nach §§ 559 Abs 1 S 2, 551 Abs 3 Nr 2 Buchstabe b ZPO vom Rechtsbeschwerdegericht berücksichtigt werden. Es liegt aber nicht der unbedingte Rechtsbeschwerdegrund des § 547 Nr 3 vor, sondern ein Verfahrensmangel, der nach § 27 Abs 1 FGG § 546 ZPO zur Aufhebung führt, wenn die Entscheidung darauf beruht oder

185 186 187

BGH NJW 1958, 429; BGHZ 37, 125. BGHZ 18, 353. OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 268 = FamRZ 2004, 564.

866

188 189

BVerfGE 21, 139; BGBl 1967 I 502. BGH ZZP 67, 302; KG OLGZ 1967, 215.

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Weitere Beschwerde

§ 27

beruhen kann. Die rechtskräftige Zurückweisung des Ablehnungsgesuches ist für das weitere Verfahren maßgebend und nicht mehr nachprüfbar. 4. Mangelnde Vertretung eines Beteiligten (Nr 4) Die Vorschrift bezieht sich sowohl auf die gesetzliche wie auf die gewillkürte Vertre- 77 tung. Der Mangel liegt vor, wenn ein Beteiligter, dessen Hinzuziehung zu dem Verfahren geboten ist und der wegen Prozessunfähigkeit eines gesetzlichen Vertreters bedarf, selbst gehandelt hat oder wenn für ihn jemand als gesetzlicher Vertreter aufgetreten ist, der diese Eigenschaft nicht besitzt oder zu dessen Wirkungskreis diese Angelegenheit nicht gehört, oder wenn der für einen Beteiligten als Bevollmächtigter Aufgetretene in Wahrheit nicht bevollmächtigt war. Der Mangel ist von Amts wegen zu beachten und kann auch von dem Gegner des nicht ordnungsgemäß vertretenen Beteiligten, selbst wenn er in der unteren Instanz obgesiegt hat, gerügt werden.190 Der Mangel liegt auch vor, wenn ein Beteiligter überhaupt nicht zu dem Verfahren hinzugezogen wurde. An der ordnungsmäßigen Vertretung muss es noch im zweiten Rechtszuge gefehlt haben. Bestand der Mangel nur im ersten Rechtszuge, so ist der Rechtsbeschwerdegrund der Nr 4 nicht gegeben.191 Die Einschränkung, „sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder still- 78 schweigend genehmigt hat“, gilt entsprechend auch im Verfahren der FG: Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes ist kein Grund, den Beteiligten die Dispositionsbefugnis über eine ihrem Schutz dienende Vorschrift einzuräumen. Das gilt sowohl in echten Streitsachen als auch für andere Verfahren. Der Mangel wird geheilt, wenn der zum Verfahren hinzugezogene prozessunfähige Beteiligte prozessfähig (zB volljährig) wird, der nicht befugte Vertreter die gesetzliche oder gewillkürte Vertretungsmacht erlangt oder der gesetzliche Vertreter in das Verfahren eintritt und sie die gesamte Verfahrensführung genehmigen. Der Eintritt des gesetzlichen Vertreters unter Genehmigung des bisherigen Verfahrens mit rückwirkender Heilung kann auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz vollzogen werden.192 Will das Landgericht auf Beschwerde des Testamentserben die einen Erbscheinantrag zu dessen Gunsten ablehnende Entscheidung des Nachlassgerichts aufheben und das Nachlassgericht anweisen, den beantragten Erbschein zu erteilen, so hat es die gesetzlichen Erben, die in erster Instanz diesem Erbscheinantrag widersprochen hatten, am Beschwerdeverfahren zu beteiligen. Werden die gesetzlichen Erben in einem solchen Fall über das Rechtsmittel nicht unterrichtet, so ist die Beschwerdeentscheidung aufzuheben, ohne dass es auf ihre sachliche Richtigkeit ankommt, wenn die Erben die Verfahrensweise nicht genehmigen.193 Beauftragt der Verwalter einer Wohnanlage ohne besondere Ermächtigung einen 79 Rechtsanwalt mit der Prozessführung und tritt der Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter der Wohnungseigentümer auf, so sind diese nicht „nach Vorschrift der Gesetze vertreten“; dies führt nach Maßgabe von § 27 I 2 FGG, § 551 Nr 5 ZPO zwingend zur Aufhebung und Zurückverweisung.194 Die vom Landgericht unterlassene Beteiligung muss nicht immer zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung führen; die Beteiligung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht notwendig ist und es nur darum geht, dem

190 191 192

RGZ 126, 263. KG WPM 1960, 1018. RGZ 126, 263; BGHZ 41, 104; BGH VRS 1967 Bd 32 S 330.

193 194

BayObLG NJWE-FER 1997, 19 = FamRZ 1997, 218. BayObLG NJW-RR 1997, 396 = AnwBl 1998, 48.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren.195 Stützt das Beschwerdegericht seine Feststellung, die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes lägen vor, auf den Inhalt eines Telefonats mit dem Betreuer, ohne diesen vor der Entscheidung dem Betroffenen zur Kenntnis zu geben, so verletzt es seine Pflicht, einer Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zum Nachteil eines Beteiligten zugrunde zu legen, zu denen sich dieser vorher äußern konnte. Bei dieser Sachlage ist in aller Regel nicht auszuschließen, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler auch beruht.196 Legt der Gegenbetreuer gegen die Festsetzung der Höhe seiner Vergütung Beschwerde ein und erhält hiervon weder der Betreuer noch der Betroffene vor der für diesen nachteiligen Beschwerdeentscheidung Kenntnis, ist diese Entscheidung auf Rechtsmittel des Betroffenen ohne Rücksicht auf ihre sachliche Richtigkeit wegen eines absoluten Beschwerdegrundes aufzuheben.197 Legt der Betreuer gegen die Festsetzung der Vergütung Beschwerde ein und bestellt das Landgericht dem zu einer Äußerung unfähigen, bereits in erster Instanz nicht beteiligten Betreuten keinen Verfahrenspfleger, liegt in dessen mangelnder Vertretung ein absoluter Beschwerdegrund, der zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung führen kann.198 5. Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit (Nr 5)

80

Im Zivilprozess gilt die Vorschrift sowohl wenn die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen war als auch wenn entgegen einer zwingenden Vorschrift (§ 170 GVG für Bereiche der Familiensachen) nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurde. Die Verhandlungen der FG sind grundsätzlich nichtöffentlich. In § 8 FGG wird nicht auf die §§ 169 ff GVG verwiesen. Auch nach § 2 EGGVG sind die §§ 169 ff GVG nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit anzuwenden. Das FGG enthält auch keine ausdrückliche Bestimmung, dass Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müssten. Mangels Bestimmungen über die Öffentlichkeit kann deren Verletzung auch keinen unbedingten Verfahrensfehler nach § 27 Abs 1 S 2 FGG mit § 547 Nr 5 ZPO begründen.199 Somit kommt der Anfechtungsgrund der Nr 5 nur in Betracht, soweit Art 6 Abs 1 S 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte vom 4.11. 1950 (BGBl II 685) eingreift, wonach über „zivilrechtliche Ansprüche“ regelmäßig öffentlich zu verhandeln ist und nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden darf. In welcher Verfahrensart die „zivilrechtlichen Ansprüche“ geltend gemacht werden, ist unerheblich. Demzufolge ist in den privatrechtlichen Streitsachen der FG die Öffentlichkeit vorgeschrieben, soweit in vermögensrechtlichen Streitigkeiten eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, zB in Wohnungseigentumssachen nach § 44 Abs 1 WEG200 und in den echten Streitverfahren in Landwirtschaftssachen.201 Ausnahmen sind die Verwerfung einer unzulässigen Erstbeschwerde,202 Kostenentscheidung nach Hauptsacheerledigung,203 Abgabe des Verfahrens an das Prozessgericht.204

195

196 197 198

BayObLG NZM 2000, 47 = ZfIR 1999, 758 = ZWE 2000, 124; vgl BGH ZfIR 1997, 736 = FGPrax 1998, 15. OLG Schleswig FamRZ 2005, 1196 LS = SchlHA 2005, 530. BayObLG FGPrax 2004, 236 = Rpfleger 2004, 565 = FamRZ 2004, 1899 LS. BayObLGZ 2004, 94 = FGPrax 2004, 124 = FamRZ 2004, 1231 = Rpfleger 2004, 625.

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199 200

201 202 203 204

BayObLGZ 1974, 258. BayObLGZ 1990, 173; BayObLG NJW-RR 1993, 280; OLG Hamm ZMR 1998, 591 = NZM 1998, 769. BGHZ 124, 204 = WPM 1994, 313 = DtZ 1994, 109. OLG Hamm ZMR 1998, 591. OLG Hamburg OLGZ 1991, 47. BGHZ 106, 34 = NJW 1989, 714.

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Weitere Beschwerde

§ 27

Ist danach regelmäßig eine mündliche Verhandlung geboten, ist § 547 Nr 5 anwend- 81 bar, wenn das Beschwerdegericht nichtöffentlich verhandelt und nichtöffentlich den Beschlusstenor verkündet hat.205 Auf die Einhaltung der Öffentlichkeit können die Beteiligten nicht verzichten, da sie über den Schutzzweck der Öffentlichkeit nicht verfügen dürfen. Ist aber noch keine Entscheidung verkündet worden, sondern ist das Beschwerdeverfahren durch Austausch von Schriftsätzen fortgesetzt und schließlich im Dezernatswege entschieden worden, ist der Verfahrensmangel nach § 547 Nr 5 nicht kausal für die Entscheidung gewesen.206 Andererseits ist es mangels einer gesetzlichen Anordnung der Nichtöffentlichkeit auch keine Gesetzesverletzung, wenn Unbeteiligte der Verhandlung beiwohnen, mag dies selbst ohne Gestattung des Gerichts entsprechend § 175 Abs 2 GVG geschehen sein. Keine zivilrechtlichen Ansprüche nach Art 6 EMRK sind gegeben, soweit es um die vorsorgende Rechtspflege der FG geht,207 also in Vormundschafts-, Betreuungs-, Nachlass-, Grundbuch-, Register-, Unterbringungssachen und in Angelegenheiten des FEVG,208 auch die gerichtliche Bestellung eines Notverwalters nach § 43 Abs 1 Nr 3 ist eine fürsorgende Maßnahme und stellt keine echte Streitsache dar.209 Im Unterschied dazu ist nach § 170 GVG für Familiensachen die nichtöffentliche Verhandlung vorgeschrieben, mit Ausnahmen für Unterhaltssachen und Ansprüchen aus dem ehelichen Güterrecht. 6. Mangel der Entscheidungsgründe (Nr 6) Dieser unbedingte Rechtsbeschwerdegrund liegt nicht schon vor, wenn die Entschei- 82 dung nicht in jeder Hinsicht allen Anforderungen entspricht, die gemäß § 25 an die Begründung der Entscheidung gestellt werden können, insbesondere nicht schon deswegen, weil die Gründe die Sach- und Rechtslage nicht erschöpfend würdigen. Die Gründe fehlen nicht schon dann, wenn sie unzureichend oder unvollständig sind, sondern es muss an Gründen überhaupt oder doch für einen ganzen Rechtsbehelf fehlen oder auf tatsächliche Feststellungen verwiesen werden, die aus den Gründen oder aus den Akten nicht ersichtlich sind. Der fehlenden Begründung ist es gleichzusetzen, wenn Gründe zwar vorhanden, aber 83 so unverständlich und verworren sind, dass sie nicht mehr erkennen lassen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend waren, oder wenn die Gründe sachlich inhaltslos sind oder sich auf leere Redensarten beschränken oder allein eine Wiedergabe des Gesetzeswortlauts darstellen oder gar einen anderen Fall betreffen. Ein Mangel im Sinne der Nr 6 liegt nicht vor, solange den Gründen insgesamt noch entnommen werden kann, warum einem bestimmten Vorbringen die Berücksichtigung versagt wurde, wofür es darauf ankommt, ob erkennbar ist, welcher Grund, mag er tatsächlich vorgelegen haben oder nicht und mag er rechtsfehlerhaft beurteilt worden sein oder nicht, für die Entscheidung maßgebend gewesen sein. Dies kann auch bei lückenhaften und unvollständigen Gründen der Fall sein. Die Rüge versagt, wenn ein selbstständiger Rechtsbehelf zwar nicht ausdrücklich beschieden, seine Verneinung aber dem Zusammenhang der Gründe zu entnehmen ist oder wenn er gänzlich unerheblich und für die Entscheidung bedeutungslos ist.

205 206

OLG Hamm OLGZ 1988, 185; KG NJW-RR 1990, 456; OLG Düsseldorf WE 1995, 278. BayObLG WuM 1991, 210; OLG Düsseldorf WE 1995, 278.

207 208 209

OLG Hamm FGPrax 1996, 142 = FamRZ 1996, 1356. BayObLGZ 1974, 258. BayObLG WE 1989, 182.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

84

Gedankliche Lücken, Unschlüssigkeit stehen dem Fehlen der Gründe nicht gleich, auch nicht unterlassenes Eingehen auf Einzelheiten und wohl auch nicht vollständiges Fehlen der Beweiswürdigung. Es kann aber der relative Rechtsbeschwerdegrund der Versagung des rechtlichen Gehörs vorliegen, wenn die Gründe erkennen lassen, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und deshalb nicht berücksichtigt hat. Unberührt bleibt ohnehin, dass die unzureichend begründete Entscheidung etwa wegen eines Aufklärungsmangels aufzuheben ist. Der Rechtsbeschwerdegrund der Nr 6 liegt nicht vor, wenn die Verfügung des Amtsgerichts keine oder unzulängliche Gründe enthält, selbst wenn eine Begründung gesetzlich vorgeschrieben ist. Es kommt nur darauf an, ob die Beschwerdeentscheidung hinreichend begründet ist. Soweit die Beschwerdeentscheidung auf die Begründung der Entscheidung erster Instanz Bezug nimmt, kann die Darstellung des Sach- und Streitstandes für die Nachprüfung in dritter Instanz eine noch ausreichende Grundlage bilden.210 Nach dem Sinn des § 548 ZPO (wonach die Revisionsfrist spätestens fünf Monate 85 nach der Verkündung zu laufen beginnt) ist anzunehmen, dass eine nach Ablauf der Fünfmonatsfrist der Geschäftsstelle übergebene Begründung unbeachtlich ist, zumal nach so langer Zeit das Erinnerungsvermögen der Richter an die bei der Verkündung maßgeblichen Gründe regelmäßig verblasst sein dürfte.211 Damit werden die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an das gerichtliche Verfahren in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise konkretisiert.212 Ein nach mündlicher Verhandlung ergangener Beschluss ist „nicht mit Gründen versehen“, wenn er nicht binnen fünf Monaten nach der Verhandlung vollständig schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist; dies gilt unabhängig davon, ob die Beschlussformel verkündet oder die Entscheidung insgesamt durch Zustellung bekannt gemacht worden ist.213 Eine etwa verspätet zu den Akten gegebene Begründung gilt mithin als nicht vorhanden und führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung. Zu beachten ist jedoch, dass die Fünfmonatsfrist nur dann gilt, wenn die Beschwer86 deentscheidung auch wirklich schon verkündet worden ist. Ist in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz der Erlass eines Beschlusses erst in Aussicht gestellt, liegt noch keine verkündete Beschlussformel vor. In diesem Fall läuft keine Frist für die Beschwerdebegründung, es kann sogar – da die Entscheidung nicht auf Grund der mündlichen Verhandlung ergeht – ein Richterwechsel eintreten, ohne dass dies die Ordnungsmäßigkeit der getroffenen Beschwerdeentscheidung berührt.214 Begründungsmängel der Beschwerdeentscheidung führen nicht zur Zurückverweisung der Sache an das LG, wenn das Rechtsbeschwerdegericht die erforderlichen Feststellungen, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf, aus den Akten selbst treffen kann.215 7. Irrige Annahme der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit (frühere Nr 4)

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Nach dem am 1.1.2002 außer Kraft getretenen § 551 Nr 4 ZPO aF, der auch in § 27 Abs 1 S 2 FGG zitiert war, sollte absoluter Rechtsbeschwerdegrund auch sein, wenn die Vorinstanz ihre Zuständigkeit oder Unzuständigkeit mit Unrecht angenommen hat. Dieser Anfechtungsgrund bezog sich sowohl auf die sachliche Zuständigkeit als auch auf die

210 211 212 213

BGH NJW-RR 1993, 27 zur Revision. GmS-OGB NJW 1993, 2603; KG OLGZ 1994, 405; BayObLG ZMR 2001, 472. BVerfG NJW 2001, 2161. BGH NJW-RR 1998, 267 = MDR 1998, 66;

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214 215

NJW 2002, 304 = MDR 2001, 1184; BGH NJW 2006, 1881. BayObLG ZMR 2001, 472. BayObLG FamRZ 1996, 1370.

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Weitere Beschwerde

§ 27

örtliche, die internationale wie auch die interlokale Zuständigkeit. Nr 4 war anwendbar, wenn in der Beschwerdeinstanz an Stelle der nach § 30 Abs 1 S 2 FGG zuständigen Handelskammer die Zivilkammer oder umgekehrt oder wenn in einem FGG-Verfahren eine Strafkammer anstelle einer Zivilkammer entschieden hatte. Mit der Neufassung der ZPO ist dieser Rechtsbeschwerdegrund entfallen und kann 88 nicht mehr in jedem Fall zur Zurückverweisung an die zuständige Kammer führen. Da aber § 545 Abs 2 ZPO nF (kein Revisionsgrund, wenn die Vorinstanz ihre Zuständigkeit oder Unzuständigkeit zu Unrecht angenommen hat) nicht in § 27 Abs 1 S 2 FGG zitiert ist, ist die Zuständigkeit der Vorinstanz in FGG-Sachen weiterhin wie bisher von Amts wegen zu überprüfen. Die Begründetheit der weiteren Beschwerdeliegt aber nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann und sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig herausstellt. Soweit dagegen etwa der Vorsitzende einer Kammer für Handelssachen oder ein Einzelrichter allein statt der Kammer entschieden hat, ist nach wie vor der absolute Rechtsbeschwerdegrund der Nr 1 anwendbar, nämlich die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts. Das gilt wiederum nicht, wenn ein Beschluss der Vorinstanz über die Übertragung der Sache auf den Einzelrichter oder über die Rückübertragung auf die Beschwerdekammer vorhanden ist. Den auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Rückübertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden (§ 27 Abs 1 S 2, 30 Abs 1 S 3 FGG iVm § 526 Abs 3 ZPO).

XII. Tatsächliche Grundlagen der Nachprüfung Die nach § 27 Abs 1 S 2 FGG entsprechend anwendbare Vorschrift des § 559 ZPO be- 89 stimmt: § 559 (1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die im § 551 Abs 3 Nr 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden. (2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

1. Beschränkung des Verfahrensstoffes Der Beurteilung des Gerichts der weiteren Beschwerde unterliegt nur der aus den 90 Gründen der angefochtenen Entscheidung oder der (ihr zugrunde liegenden) Sitzungsniederschrift ersichtliche Sachverhalt. Mittelbar ersichtlich ist aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung auch der darin etwa in Bezug genommene Inhalt der mit der ersten Beschwerde angefochtenen Verfügung des Amtsgerichts oder von Sitzungsniederschriften und ihren Anlagen. Nicht festgestellte Tatsachen können berücksichtigt werden, wenn sie sich unzweideutig aus den Akten ergeben. Die tatsächliche Entscheidungsgrundlage wird mithin nicht durch den Zeitpunkt, in dem über die weitere Beschwerde entschieden wird, sondern durch den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschwerdeentscheidung, der hier dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts im Zivilprozess entspricht, abgeschlossen.216 Die weitere Beschwerde kann nicht, wie nach § 23 die erste Beschwerde, auf neue Tatsachen gestützt werden, 216

BGHZ 14, 398; BGH NJW 1956, 1277.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

mögen sie beweisbedürftig sein oder nicht, mögen sie vor oder sogar erst nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung eingetreten sein (Novenverbot). Auch von Amts wegen können neue Tatsachen und Beweise in das Verfahren nicht eingeführt werden. Im dritten Rechtszuge ist daher unbeachtlich, dass der Beschwerdeführer, gegen den 91 ein Zwangsgeld festgesetzt worden ist, nach Erlass der Beschwerdeentscheidung der ihm auferlegten Verpflichtung nachgekommen ist.217 Das gilt bei Entscheidungen, die nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, auch für solche Tatsachen, die nach den Vorschriften der ZPO eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würden.218 Soweit Verfügungen der Änderungsbefugnis nach § 18 Abs 1 unterliegen, können aber neue Tatsachen und Beweise dem Gericht erster Instanz Anlass zur Änderung der Verfügung geben. Sachlichrechtliche Erklärungen der Beteiligten (Anfechtung, Aufrechnung) können keine Berücksichtigung mehr finden. Neue Sachanträge können nicht mehr gestellt werden,219 auch keine neuen Hilfsanträge; ebensowenig ist eine Erweiterung früherer Anträge zulässig. Hat das Tatsachengericht allerdings eine Antragsänderung (-erweiterung) als sachdienlich zugelassen, so ist dies der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen.220 2. Ausnahmen a) Restitutionsgründe

92

Neue Tatsachen können von dem Beschwerdeführer vorgebracht oder von Amts wegen berücksichtigt werden zur Geltendmachung von Restitutionsgründen im Sinne des § 580 ZPO, wenn die Entscheidung des Gerichts der weiteren Beschwerde anderenfalls im Widerspruch zu einem früher ergangenen rechtskräftigen Urteil stünde (§ 580 Nr 6 und 7a ZPO) oder wenn anderenfalls eine Entscheidung ergehen müsste, die durch Wiederaufnahme des Verfahrens angefochten werden könnte. Diese zunächst im Zivilprozess entwickelte Durchbrechung des § 559 ZPO221 ist auch für das Verfahren der FG zuzulassen,222 allerdings nur in echten Streitsachen, soweit eine Wiederaufnahme des Verfahrens statthaft ist (vgl § 18). In Fällen von strafbaren Handlungen nach § 580 Nr 1 bis 5 ZPO muss eine strafgerichtliche Verurteilung (§ 581 ZPO) vorliegen.223 Ob der Restitutionsgrund der Urkundenauffindung (§ 580 Nr 7 b ZPO) schon im Verfahren der weiteren Beschwerde berücksichtigt werden soll oder in das Wiederaufnahmeverfahren zu verweisen ist, ist dem Ermessen des Rechtsbeschwerdegerichts anheimgestellt, welches dabei Erwägungen der Sachdienlichkeit anstellen darf; hierfür kommt es auf die jeweilige Verfahrenslage an.224 Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Berücksichtigung tatsächlichen Vorbringens zu Restitutionsgründen in der Revisionsinstanz gilt grundsätzlich auch im Verfahren der weiteren Beschwerde in Rückerstattungssachen.225 Der im Allgemeininteresse liegende Zweck des § 6a BRüG gebietet es, Behauptungen zu Restitutionsgründen, mit denen einem unlauteren Verhalten des Antragstellers entgegengetreten werden kann, im Verfahren der weiteren Beschwerde zuzulassen.226 217 218 219 220 221

222

OLG Hamm Rpfleger 1955, 241. BayObLGZ 1951, 420. BayObLG ZMR 2005, 132. BayObLG WuM 1993, 697. Zum früheren § 561 ZPO BGHZ 3, 65; 5, 240; 18, 59; 30, 60; BVerwG NJW 1955, 1574; 1960, 2020; BSozG NJW 1963, 971. OLG Frankfurt WPM 1960, 1311; KG WPM 1964, 394 und 1255; OLG Düssel-

872

223 224 225 226

dorf WPM 1966, 1113; OLG Karlsruhe WPM 1967, 266. BGHZ 3, 65; BGH LM § 688 BGB Nr 4. BGHZ 5, 240; noch enger BGHZ 18, 59; 30, 60. BGH NJW 2000, 1871 L = LM H. 5/2000 ÜberlG Nr 1. BGH aaO.

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Weitere Beschwerde

§ 27

b) Verfahrensmängel Nach § 27 Abs 1 S 2 FGG mit § 559 Abs 1 S 2 ZPO darf das Rechtsbeschwerdege- 93 richt die in § 551 Abs 3 Nr 2 Buchstabe b ZPO erwähnten Tatsachen berücksichtigen, nämlich solche, die ergeben, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt ist. Nicht anwendbar ist die zuletzt genannte Bestimmung, soweit sie vorschreibt, dass die Bezeichnung dieser Tatsachen in der Revisionsbegründung enthalten sein muss, und § 551 Abs 3 Nr 2 Buchstabe a ZPO über die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Denn die weitere Beschwerde braucht die einzelnen Verletzungen des Verfahrens und die Rechtsverletzungen, wie überhaupt eine Begründung (anders § 26 Abs 2 LwVG), nicht enthalten. Vielmehr ist die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Umfang der Anfechtung vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in sachlichrechtlicher Hinsicht zu prüfen. Die Nachprüfung ist weder auf das Vorbringen des Beschwerdeführers noch auf die 94 Prüfung der Richtigkeit des von dem Beschwerdegericht für ausschlaggebend erachteten Entscheidungsgrundes beschränkt.227 Die im Zivilprozess erforderliche Unterscheidung zwischen Verfahrensmängeln, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind, und solchen, die der Rügepflicht (§§ 557, 551 Abs 3 Nr 2 b ZPO) unterliegen, hat daher für die weitere Beschwerde keine Bedeutung. Das Rechtsbeschwerdegericht hat mithin auch ohne Rüge des Beschwerdeführers seine Prüfung auch in tatsächlicher Hinsicht insoweit vorzunehmen, als Tatsachen in Betracht kommen, die ergeben, dass das Recht in Bezug auf das Verfahren verletzt (oder nicht verletzt) ist. Insoweit sind neue Tatsachen, mögen sie von den Beteiligten vorgebracht oder von Amts wegen in das Verfahren eingeführt sein, im Rechtsbeschwerdeverfahren beachtlich und das Rechtsbeschwerdegericht ist in der Würdigung sowohl des neuen als auch des bereits vom Beschwerdegericht gewürdigten Tatsachenstoffs frei und berechtigt und verpflichtet, eigene tatsächliche Erhebungen anzustellen. Eine Zurückverweisung kommt insofern nicht in Betracht.228 Hierher gehören die Prüfung der Zulässigkeit der ersten Beschwerde,229 etwa hinsichtlich der Wahrung der gesetzlichen Frist und Form, auch des Beschwerderechts des Beschwerdeführers des ersten Beschwerderechtszuges,230 einschließlich der Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,231 das Fehlen eines zur Einleitung des Verfahrens erforderlichen Antrags,232 die Antragsberechtigung des Antragstellers,233 die Prozessführungsbefugnis,234 die Fähigkeit der Beteiligten, am Verfahren teilzunehmen (Prozessfähigkeit) und ihre ordnungsmäßige gesetzliche Vertretung (§ 547 Nr 4 ZPO),235 überhaupt das Vorliegen der unbedingten Rechtsbeschwerdegründe des § 547 ZPO, der Ausschluss der Gerichtsbarkeit wegen Exterritorialität, die Parteifähigkeit, das etwa erforderliche Rechtsschutzbedürfnis; ferner alle Fälle, in denen es sich darum handelt, ob bei der Feststellung des Sachverhalts das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt ist (§ 559 Abs 2 ZPO). Andererseits können auch Tatsachen berücksichtigt werden, welche ergeben, dass ein 95 Verfahrensmangel nicht oder infolge von Heilung nicht mehr vorliegt. Mit der weiteren 227 228 229 230 231

BayObLGZ 1951, 390 u. 566; 1960, 292; KG WPM 1960, 989. BGHZ 31, 279. Vgl BGH NJW 2001, 2722. BGHZ 1, 344. BGHZ 42, 223; BayObLGZ 1959, 167; KG ZZP 71, 229.

232 233 234 235

BayObLG 1956, 387. BayObLGZ 1951, 366. Für die Revision BGHZ 31, 279. OLG Hamm JMBlNRW 1956, 159.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Beschwerde können daher Tatsachen vorgebracht werden, welche ergeben, dass entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts die erste Beschwerde zulässig war.236 Ferner können neue, nach Erlass der Beschwerdeentscheidung eingetretene Tatsachen berücksichtigt werden, welche geeignet sind, einen in den Vorinstanzen vorhanden gewesenen Verfahrensmangel zu beheben. Hat das Landgericht zur Erteilung des Erbscheins angewiesen, ohne dass der erforderliche Antrag vorlag, so kann das Rechtsbeschwerdegericht die Heilung dieses Mangels durch nachträgliche Stellung des Antrags berücksichtigen.237 Die mangelnde gesetzliche Vertretung eines prozessunfähigen Beteiligten kann durch Eintritt des gesetzlichen Vertreters unter Genehmigung des bisherigen Verfahrens noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz geheilt werden, der Mangel des Vollmachtsnachweises (§ 13 S 3) durch Vorlage der Vollmacht.238 Der Mangel der Prozessführungsbefugnis, zB des Erben wegen einer Testamentsvollstreckung, des Schuldners während des Insolvenzverfahrens, wird geheilt, wenn die Testamentsvollstreckung oder das Insolvenzverfahren während des Rechtsbeschwerdeverfahrens endet.239 Was die Zulässigkeit des Rechtswegs anbelangt, nach welchen Grundsätzen zB auch 96 die Zuständigkeit der Prozessgerichte und der Wohnungseigentumsgerichte abzugrenzen ist,240 ebenso die Zuständigkeit zwischen Strafgericht und FGG-Gericht,241 so ist nach § 17a Abs 5 GVG freilich die Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht ausgeschlossen. Das gilt wiederum nicht, wenn das Verfahren nach § 17a Abs 3 GVG nicht eingehalten ist, also trotz Rüge keine Vorabentscheidung ergangen ist, weil den Beteiligten nämlich die ordnungsgemäße Prüfung nicht durch eine Verletzung des Verfahrens abgeschnitten werden darf.242 Bei der Prüfung eines mit der weiteren Beschwerde gerügten Verfahrensmangels, zB Verletzung des rechtlichen Gehörs, kann das Rechtsbeschwerdegericht neu vorgelegte Unterlagen berücksichtigen.243 Geht es nur um die Nachholung des rechtlichen Gehörs (also von Rechtsausführungen und nicht etwa um die Nachholung von erheblichem Sachvortrag),244 kann sogar die unterlassene Beteiligung notwendig Beteiligter im dritten Rechtszuge nachgeholt werden.245 Die weitere Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, das Beschwerdegericht habe die Sache trotz eines absoluten Aufhebungsgrundes iS von § 27 I 2 FGG, § 547 ZPO nicht an das AG zurückverwiesen. Denn die Zurückverweisung ist in das Ermessen des Beschwerdegerichts gestellt (§ 538 Abs 2 ZPO), und das Absehen von einer Zurückverweisung ist der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen.246 Die weitere Beschwerde nach § 27 I FGG kann nicht darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Landgerichts zunächst fehlerhaft ausgefertigt worden ist.247 3. Heilung von Verfahrensmängeln

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Auf einen verzichtbaren Verfahrensmangel kann die weitere Beschwerde nicht gestützt werden, wenn der Beteiligte, der aus diesem Mangel einen Rechtsbeschwerdegrund herleitet oder zu dessen Gunsten sich die Berücksichtigung des Mangels von Amts wegen auswirken würde, das Recht zur Rüge dieses Mangels verloren hat. Die §§ 295, 534, 556

236 237 238 239 240

241

BGHZ 30, 112; 42, 223. BayObLGZ 1963, 19; 1964, 313. KG RJA 13, 11. BGHZ 28, 13. BGH NJW 1995, 2852; 1998, 231; 1999, 1008; BayObLG NJW-RR 1994, 856; KG NJW-RR 1998, 1229. OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 448.

874

242 243 244 245

246 247

BGH NJW 1999, 651 mwN. BayObLG NJW-RR 1993, 581. OLG Hamburg ZMR 2003, 868. BGH NJW 1998, 755; NZM 2003, 946; NJW 2003, 3205; BayObLG FGPrax 2004, 64 = ZMR 2004, 445; ZMR 2004, 443. BayObLG WuM 1994, 295. OLG Köln FGPrax 2000, 34.

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Weitere Beschwerde

§ 27

ZPO sind zwar nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt. Ihrer Anwendung stehen aber rechtsgrundsätzliche Bedenken nicht entgegen, insbesondere nicht die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes. Die Beteiligten können daher auf die Geltendmachung eines Verstoßes gegen eine Verfahrensvorschrift, die ausschließlich dem Interesse des Verzichtenden dient (zB Wahrung der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme), durch ausdrücklich oder stillschweigende Erklärung gegenüber dem Gericht verzichten oder eine bereits erhobene Rüge zurücknehmen. Ein Verlust des Rügerechts tritt ferner ein, ohne dass ein Verzichtswille erforderlich ist, wenn der Verfahrensverstoß nicht in der nächsten schriftsätzlichen Einlassung zur Sache gerügt wird. Diese Art des Rügeverlustes kann allerdings nur in Antragsverfahren (aber nicht nur in echten Streitsachen)248 in Betracht kommen. Im Amtsverfahren kann den Beteiligten eine prozessuale Last, verzichtbare Verfahrens- 98 fehler bei Vermeidung des Ausschlusses späterer Geltendmachung alsbald zu rügen, nicht auferlegt werden. Der Mangel der Vollmacht und/oder der gesetzlichen Vertretung kann im FGG-Verfahren auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit Rückwirkung jedenfalls insoweit geheilt werden, wie er nicht dem verfahrenseinleitenden Antrag anhaftet; § 547 Nr 4 ZPO und die dazu anerkannten Rechtsgrundsätze gelten nach § 27 FGG entsprechend.249 Der in dem Fehlen der gesetzlichen Vertretungsmacht liegende Verfahrensmangel wird rückwirkend geheilt, wenn der für das Kind bestellte Pfleger das bisherige Verfahren genehmigt. Eine solche Genehmigung kann auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren erklärt werden.250 4. Zulässigkeitsvoraussetzungen Zu berücksichtigen sind Tatsachen, welche nach dem Erlass der Entscheidung des 99 Beschwerdegerichts eingetreten und für die Zulässigkeit des Verfahrens vor dem Gericht der weiteren Beschwerde von Bedeutung sind. Diese Tatsachen können in den Vorinstanzen noch nicht vorgebracht worden und vom Tatsachenrichter nicht festgestellt sein. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Berücksichtigung dieser Vorgänge nicht an ihrem zwangsläufig stets fehlenden Vorbringen in der Vorinstanz scheitern kann. Hierher gehören die Voraussetzungen der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde, die Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers,251 sein Beschwerderecht, die Verwirkung des Beschwerderechts, die im dritten Rechtszuge abgegebenen verfahrensrechtlichen Erklärungen der Beteiligten, wie ein Verzicht auf die weitere Beschwerde oder ihre Rücknahme oder die Zurücknahme des Verfahrensantrages, der bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz durch Erklärung gegenüber dem Rechtsbeschwerdegericht zurückgenommen werden kann, sofern das Rechtsmittel zulässig war.252 Das Beschwerdegericht hat auch in tatsächlicher Hinsicht selbstständig zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung in Vormundschaftssachen etwa nach §§ 55, 62 FGG unabänderlich geworden253 und die weitere Beschwerde deshalb unzulässig ist.254

248

249 250 251 252 253

OLG Celle NdsRpfl 1959, 241; OLG Neustadt FamRZ 1964, 475; OLG Hamm OLGZ 1968, 334. OLG Hamm NJW-RR 1988, 323. BGHZ 106, 96 = NJW 1989, 984. BayObLGZ 1966, 261. BGH MDR 1959, 479. Zur Verfassungswidrigkeit, soweit kein rechtliches Gehör gewährt wurde, vgl

254

BVerfGE 101, 397 = NJW 2000, 1709 = FGPrax 2000, 103 = FamRZ 2000, 731; zur weiteren verfahrensrechtlichen Behandlung einerseits OLG Hamm FGPrax 2000, 230 = Rpfleger 2000, 545 = NJW-RR 2001, 941 und andererseits der Vorlagebeschluss OLG Köln FGPrax 2001, 197. KG JFG 23, 119; OLG München JFG 23, 279.

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§ 27 100

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Zu berücksichtigen sind auch neue Tatsachen, welche die Sachlage so verändern, dass die weitere Beschwerde zweck- und gegenstandslos wird, wofür es auf den Sachverhalt zur Zeit der Entscheidung über die weitere Beschwerde ankommt.255 Vorgänge dieser Art können beruhen auf einer verfahrensrechtlichen Überholung, auch in Bezug auf Zwischenverfügungen, auf einer Erledigung der Hauptsache oder darauf, dass die Wirkung der Verfügung durch den Eintritt einer Tatsache so endgültig eingetreten ist, dass sie durch deren Aufhebung nicht mehr beseitigt werden könnte. In Bezug auf den verfahrensrechtlichen Einfluss dieser Umstände auf die weitere Beschwerde gelten dieselben Grundsätze wie für die erste Beschwerde. Tritt das Ereignis nach Erlass der Beschwerdeentscheidung, aber vor Einlegung der weiteren Beschwerde ein, so ist dieses Rechtsmittel unzulässig.256 Tritt das Ereignis erst nach Einlegung der weiteren Beschwerde ein, so wird das Rechtsmittel dadurch in der Hauptsache unzulässig. Der Beschwerdeführer kann die Beschwerde auf den Kostenpunkt beschränken. Die Erklärung, dass ein Beteiligter nicht mit gerichtlichen Verfahrenskosten belastet werden dürfe, weil der weiteren Beschwerde hätte stattgegeben werden müssen, kann ausreichend sein.257 Das Beschwerdegericht hat dann über die Kosten des gesamten Verfahrens zu befinden.258 Verfolgt der Beteiligte dennoch die Beschwerde auch in der Hauptsache weiter, so ist das Rechtsmittel in vollem Umfang als unzulässig zu verwerfen.259 Es kann sein, dass dieselbe Tatsache in doppelter Hinsicht sowohl für das Verfahren als für die Sachentscheidung erheblich ist. Hat das LG die Erstbeschwerde wegen Fristversäumung als unzulässig verworfen, so hat über das erst im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellte Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG das Rechtsbeschwerdegericht zu entscheiden.260 Das gegen die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gerichtete Rechtsmittelverfahren ist in der Hauptsache erledigt, wenn die Pflegschaft wegen Wegfalls des Grundes aufgehoben wird. Alsdann entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Sachentscheidung in dem Rechtsmittelverfahren.261 Erledigt sich die Hauptsache im ersten Rechtszug, ohne dass übereinstimmend für erledigt erklärt oder der Antrag auf die Kosten beschränkt wird, hat das LG eine unbeschränkte Beschwerde des Ast. als unzulässig zu verwerfen. Unterbleibt dies, so ist die sofortige weitere Beschwerde zwar zulässig; das Rechtsbeschwerdegericht hat jedoch die Entscheidung des LG nachzuholen und die sofortige Beschwerde zu verwerfen.262 5. Änderung der tatsächlichen Voraussetzungen

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Oftmals treten nach Erlass der Erstbeschwerdeentscheidung Änderungen im tatsächlichen Bereich ein, die unter den Beteiligten unstreitig sind oder sich aus anderen Prozessakten oder aus Eintragungen in den Registern, insbesondere dem Grundbuch ergeben. Würde sich das Rechtsbeschwerdegericht streng an die Regel halten, dass die Rechtsfehlerfreiheit im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Erstbeschwerdeentscheidung zu prüfen ist und die weitere tatsächliche Entwicklung unberücksichtigt bleiben muss, würde nicht selten eine abschließende rechtskräftige Entscheidung dritter Instanz erge-

255

256 257 258

BayObLGZ 1953, 21; 1958, 222; OLG Karlsruhe FamRZ 1962, 197; KG OLGZ 1966, 596. BayObLGZ 1964, 149; 1965, 348. KG KGRep 2003, 67. BGHZ 86, 393 = MDR 1983, 568; BayObLGZ 1993, 137; KG OLGZ 1972, 113; KG MDR 1988, 504.

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259 260 261 262

BayObLGZ 1958, 222; OLG Celle NdsRpfl 1965, 155. BayObLG WuM 1995, 65. OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 391 = FGPrax 1995, 68 = FamRZ 1995, 442. BayObLG NZM 2004, 623 = ZMR 2004, 358.

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Weitere Beschwerde

§ 27

hen, die zeitlich längst überholt ist und an der auch die Beteiligten eigentlich kein Interesse mehr haben. Die Auswirkung der zwischenzeitlich eingetretenen neuen Umstände müssten dann in einem neuen gerichtlichen Verfahren geklärt werden. Angesichts der knappen Resourcen der Justiz ist diese Vorgehensweise kaum vertretbar, jedenfalls sind verfahrensrechtliche Lockerungen angezeigt. Kommt allerdings ein Verpflichteter einer gerichtlichen Anordnung (zB zur Rechnungslegung als Betreuer) erst im Verfahren der weiteren Beschwerde gegen das wegen Nichtbefolgung festgesetzte Zwangsgeld nach, ist dies als neue Tatsache zu werten, die das Rechtsbeschwerdegericht in der Regel nicht zur Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung veranlassen kann; es ist Sache des anordnenden Gerichts, seine Verfügung aufzuheben, wenn es die Anordnung als nunmehr hinreichend erfüllt ansieht.263 Es besteht ohnehin der Grundsatz, dass auch das Rechtsbeschwerdegericht in das 102 Grundbuch wie auch in andere Register Einblick nehmen und es ihm nicht verwehrt werden kann, die darin enthaltenen Rechtsänderungen zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn das Erstbeschwerdegericht sie noch nicht feststellen konnte. Das Gericht der weiteren Beschwerde kann im Amtsauflösungsverfahren gem § 144a FGG eine nach dem Wirksamwerden des Beschlusses des Beschwerdegerichts in das Handelsregister eingetragene Satzungsänderung berücksichtigen.264 Im Rechtsbeschwerdeverfahren über einen Zahlungsanspruch ist die nach Rechtsmitteleinlegung erfolgte rechtskräftige Aufhebung des Umlagebeschlusses der Wohnungseigentümer, auf dem der Zahlungsanspruch beruht, zu berücksichtigen.265 Ungeachtet der prinzipiellen Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann die rechtskräftige Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung als offenkundige auf einem Akt der Gerichtsbarkeit beruhende neue Tatsache im Verfahren über die sofortige weitere Beschwerde berücksichtigt werden.266 Die gegen ein Umgangsverbot gerichtete (weitere) Beschwerde wird mit dem Eintritt 103 der Volljährigkeit des Kindes unzulässig.267 Die nach Einlegung der weiteren Beschwerde erklärte Anfechtung einer letztwilligen Verfügung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Berücksichtigung finden.268 Hat das Nachlassgericht einen Vorbescheid erlassen, obwohl kein Erbscheinsantrag gestellt war, so kann das Rechtsbeschwerdegericht einen dem Vorbescheid entsprechenden Erbscheinsantrag, der erst während des Rechtsbeschwerdeverfahrens gestellt worden ist, berücksichtigen und in der Sache entscheiden.269 Hebt das Landgericht auf die Beschwerde eines Elternteils eine diesem das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig entziehende Anordnung auf und erlässt das Vormundschaftsgericht hierauf eine erneute vorläufige Anordnung über denselben Verfahrensgegenstand, so wird eine die Wiederherstellung der ersten Anordnung erstrebende weitere Beschwerde des beteiligten Ergänzungspflegers wegen verfahrensrechtlicher Überholung gegenstandslos und damit unzulässig.270 Die weitere Beschwerde gegen die Ankündigung des Nachlassgerichts, ein Testaments- 104 vollstreckerzeugnis zu erteilen, ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn der Antrag auf Erteilung des Zeugnisses im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens

263 264 265 266

BayObLG FamRZ 2005, 835. BayObLG NJW-RR 2001, = DB 2001, 644 = GmbHR 2001, 347. KG WuM 1993, 149; BayObLG ZMR 2000, 850. OLG Düsseldorf WuM 2000, 625; BayObLG, 27.7.2000 ZMR 2000, 850.

267 268 269 270

OLG Zweibrücken OLGZ 1989, 141. BayObLG DNotZ 1995, 715 = FamRZ 1995, 1523 = Winkler, ZEV 1994, 369. BayObLG NJW-RR 1996, 7 = DNotZ 1996, 53 = FamRZ 1995, 1449 = ZEV 1995, 413. BayObLG FamRZ 1997, 625.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

zurückgenommen wird.271 Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen.272 Das Rechtsschutzinteresse kann aber fortbestehen, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dient, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen. Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in 105 Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe in Betracht, zumal wenn diese (Art 13 Abs 2, 104 Abs 2 und 3 GG) unter Richtervorbehalt gestellt sind.273 Das gilt bei erledigtem polizeirechtlichen Unterbringungsgewahrsam274 und bei der vorläufigen gerichtlich angeordneten Unterbringung psychisch auffälliger Personen nach § 70h FGG.275 Ein Freiheitsverlust durch Inhaftierung (zB Abschiebungshaft) indiziert ein Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, das ein von Art 19 Abs 4 GG umfasstes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch dann begründet, wenn die Maßnahme erledigt ist.276 Die Gewährung von Rechtsschutz kann dann weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängen, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann.277 Gegen den Beschluss, mit dem im Wege der einstweiligen Anordnung die Abschiebungshaft verlängert wird, sind dagegen die Beschwerde und die weitere Beschwerde ohnehin zulässig, auch wenn das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist, weil angesichts der kurzen Zeiträume von ein bis zwei Wochen sonst die Rechtsmittel ins Leere laufen würden.278 Unzulässig ist die sofortige weitere Beschwerde des Ausländeramtes, das – nach Erledigung der Hauptsache durch freiwillige Ausreise des Betroffenen – Feststellung der Berechtigung des in beiden Instanzen erfolglos gestellten Antrags auf Anordnung der Abschiebehaft begehrt.279 Bei nicht vollzogener (als Überhaft angeordneter) Abschiebungshaft besteht freilich regelmäßig nach Erledigung der Hauptsache (zB Rücknahme des Haftantrags) kein Rechtsschutzbedürfnis für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung.280 Stellt der Betroffene den Rechtsmittelantrag auf Aufhebung der vorläufigen Unterbringung nach Erledigung der Unterbringungsmaßnahme nicht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit um, nimmt das Rechtsmittel aber auch nicht zurück, so ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass der Betroffene die Rechtswidrigkeit der Unterbringung festgestellt haben will.281 6. Bindung an tatsächliche Feststellungen

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Nach § 27 Abs 1 S 2 FGG iVm § 559 Abs 2 ZPO sind die tatsächlichen Feststellungen, welche das Beschwerdegericht getroffen hat, für das Gericht der weiteren Beschwerde bindend, es sei denn, dass die Feststellungen unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Die entsprechende Anwendung des § 559 Abs 2 ZPO führt dazu, dass es nach den Verfahrensgrundsätzen der FG nicht darauf ankommt, ob die Wahrheit oder Unwahrheit einer tatsächlichen Behauptung der Beteiligten festgestellt 271 272 273 274 275 276 277

OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1268 = ZEV 1998, 353. BVerfGE 96, 27 = NJW 1997, 2163. BVerfG aaO. BVerfG NJW 1999, 3773. BVerfG NJW 1998, 2432. BVerfG NJW 2002, 2456. BVerfG aaO.

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278 279 280 281

OLG Hamm FGPrax 2001, 263. BayObLG BayVerwBl 2003, 56. BayObLGZ 2004, 233 = FGPrax 2004, 307 = BayVerwBl 2005, 57. OLG Karlsruhe FamRZ 2003, 1777 LS = FGPrax 2003, 145 m Anm Demharter FGOPrax 2003, 237.

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§ 27

worden ist, sondern nur darauf, welche tatsächlichen Feststellungen das Beschwerdegericht überhaupt getroffen hat. Auch bedarf es keines Angriffs des Beschwerdeführers gegen die Feststellung, sondern das Rechtsbeschwerdegericht prüft von Amts wegen, ob die Feststellungen verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen sind. Diese Feststellungen sind der Darstellung des Sachverhalts zu entnehmen, der einen wesentlichen Teil der Beschwerdeentscheidung bildet, in Verbindung mit den darin etwa ausdrücklich oder stillschweigend in Bezug genommenen Aktenteilen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat mithin nicht zu prüfen, ob die tatsächlichen Fest- 107 stellungen sachlich richtig sind, sondern nur, ob sie verfahrensrechtlich fehlerhaft zustande gekommen sind. Als derartige Verfahrensfehler kommen in Betracht die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 12), die Versagung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachen und Beweisergebnisse und die Verletzung von Vorschriften über das Beweisverfahren. Das unzulässigerweise, nämlich einem Beweisverbot oder Beweisverfahrensgebot zuwider erlangte Beweismittel darf bei der Entscheidung nicht verwertet werden. Wird ein zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigter Zeuge ohne Belehrung oder nach irriger oder nicht verstandener Belehrung (Alter, Geisteszustand) oder nach zu Unrecht erfolgter Verneinung des Zeugnisverweigerungsrechts vernommen, so liegt in der Verwertung der Aussage eine Rechtsverletzung, die mit der weiteren Beschwerde gerügt werden kann.282 Ebenso hindert eine Verletzung des Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme (vgl § 15) deren Verwertung und begründet die Rechtsbeschwerde, wenn der Mangel nicht durch Rügeverlust geheilt ist und die Entscheidung darauf beruht.283 Einem Beweisverbot zuwider sind Tatsachen festgestellt, wenn ein Beteiligter zu Un- 108 recht als Zeuge vernommen284 oder unzulässigerweise beeidigt worden und seine Aussage als die eines Zeugen oder als eidliche Bekundung gewürdigt oder wenn eine ärztliche Untersuchung unter unzulässiger Anwendung von Zwang herbeigeführt worden ist. Der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt nicht, ob die Ablehnung eines Sachverständigen mit Recht für unbegründet erklärt worden ist285 oder ob der Sachverständige hätte abgelehnt werden können.286 Anders, wenn ein Sachverständigengutachten verwertet wurde, obwohl über ein Ablehnungsgesuch noch nicht entschieden war.287 Sind tatsächliche Feststellungen aktenwidrig, so muss aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung hervorgehen, aus welchen Erwägungen das Gericht zu der Feststellung gelangt ist.288 7. Tatrichterliche Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts Die nach § 27 Abs 1 S 2 entsprechend anwendbare Vorschrift des § 561 ZPO be- 109 stimmt: Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Hat das Rechtsbeschwerdegericht festgestellt, dass die angefochtene Entscheidung auf 110 einer Rechtsverletzung beruht, ist es also zu einer kassatorischen Entscheidung berechtigt, so hat es in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur (reformatorischen) Endentscheidung reif ist und nicht etwa einer der unbedingten Rechtsbeschwerdegründe des § 547 ZPO vorliegt. Da dieser Teil der Entscheidung nicht mehr zur Nachprüfung 282 283 284

BayObLGZ 1956, 389. Zum Zivilprozess RGZ 100, 174; RG JW 1938, 3255. BayObLGZ 1960, 267; OLG Hamm OLGZ 1967, 390.

285 286 287 288

BGHZ 28, 302; KG NJW 1965, 1086 = FamRZ 1965, 344. BGH VRS 1965 Bd 29 S 430. OLG Bremen RzW 1960, 247. OLG Karlsruhe FamRZ 1965, 575.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

der angefochtenen Entscheidung gehört, bestehen insoweit nicht die Schranken der §§ 27 Abs 1 S 2 FGG, 559 ZPO. Kann die Entscheidung des Beschwerdegerichts wegen eines Rechtsfehlers keinen Bestand haben, kann das Rechtsbeschwerdegericht auch neue, nach Erlass der Beschwerdeentscheidung eingetretene Tatsachen berücksichtigen, wenn zu ihrer Feststellung keine Ermittlungen erforderlich sind.289 Das Rechtsbeschwerdegericht tritt nunmehr an die Stelle des Beschwerdegerichts und trifft die Entscheidung, die das Beschwerdegericht nach erfolgter Zurückverweisung treffen könnte und müsste, vorausgesetzt, dass eine weitere Sachaufklärung in tatsächlicher Hinsicht nicht erforderlich ist, da Beweiserhebungen in der Sache selbst im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorgesehen sind und nicht stattfinden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nunmehr den Sachverhalt auch in tatsächlicher Hinsicht selbstständig und abweichend vom Landgericht würdigen und neue, zur Sachentscheidung führende Tatsachen berücksichtigen, sofern sie keine Ermittlungen erfordern, mögen sie auch erst nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung eingetreten sein.290 Das Rechtsbeschwerdegericht darf jetzt die in den Vorinstanzen erhobenen Beweise selbstständig würdigen, Willenserklärungen selbstständig auslegen und, wenn die angefochtene Entscheidung eine Ermessensentscheidung war, sein Handlungs- oder Beurteilungsermessen ausüben.291 Nunmehr können auch nachträglich eingetretene neue Tatsachen, sofern sie keiner weiteren Sachaufklärung bedürfen, berücksichtigt werden, welche die weitere Beschwerde begründet oder unbegründet erscheinen lassen. Hat das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ermessensfehlerhaft verneint, so kann das Rechtsbeschwerdegericht bei Entscheidungsreife unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts selbst entscheiden und dabei sein Ermessen selbstständig ausüben.292 Hat das Beschwerdegericht die vom Nachlassgericht angeordnete Nachlasspflegschaft aufgehoben, so kann diese nicht rückwirkend wiederhergestellt werden. Bei begründeter weiterer Beschwerde muss vielmehr die Nachlasspflegschaft neu angeordnet und muss ein Nachlasspfleger neu bestellt werden. Diese Ausführungshandlungen kann das Rechtsbeschwerdegericht aber nicht selbst vornehmen, sie sind vielmehr dem Nachlassgericht vorbehalten.293 In den Verfahren, in denen das Verbot der Schlechterstellung gilt (vgl § 25), führt die 111 Anwendung des § 561 ZPO zur Zurückweisung des Rechtsmittels, wenn die Vorinstanz ohne die Gesetzesverletzung zu einem dem Beschwerdeführer sachlich ungünstigeren oder nicht günstigeren Ergebnis hätte gelangen müssen. Hat das Landgericht die Beschwerde zu Unrecht als unzulässig verworfen, kann das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache selbst entscheiden, wenn die Entscheidung des Amtsgerichts hinreichende Feststellungen zum Sachverhalt enthält und weitere tatsächlichen Feststellungen nach Sachlage nicht in Betracht kommen.294 Wird ein Testament anstelle der Tatsacheninstanzen vom Rechtsbeschwerdegericht ausgelegt, so sind auch solche tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die ein Beteiligter im Verfahren der weiteren Beschwerde erstmals vorbringt, sofern hierzu keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind.295 Ist ein Verfahren ohne weitere Ermittlungen entscheidungsreif, so kann das Rechtsbeschwerdegericht auch dann selbst in der Sache entscheiden, wenn das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat.296 289 290

291

BayObLG WuM 1999, 125 = NZM 1998, 1010 = ZfIR 1999, 47. BGH NJW 1955, 1070; BGH FamRZ 1957, 126; BGHZ 35, 126; BGH WPM 1966, 17; BayObLGZ 1963, 121; OLG Hamm FamRZ 1960, 404; KG FamRZ 1966, 239. Bettermann NJW 1969, 170.

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292 293 294 295 296

OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 229 = FamRZ 2004, 222 = Rpfleger 2003, 585. OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 229. BayObLG ZWE 2001, 110. BayObLG NJW-RR 1988, 968. BayObLG WuM 1994, 565.

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§ 27

8. Selbstbindung des Rechtsbeschwerdegerichts In gewissem Umfang tritt eine Bindung des unteren Gerichts an die Rechtsauffassung 112 des oberen Gerichts ein. Der Grundsatz des § 563 Abs 2 ZPO, nach welcher das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, gilt als im Wesen des Instanzenzuges liegend auch im Verfahren der FG, und zwar sowohl im Verhältnis der ersten zur zweiten Instanz wie auch der zweiten zur dritten Instanz.297 Die Bindung erstreckt sich nur auf diejenigen Punkte, deren rechtsirrige Würdigung die Aufhebung unmittelbar herbeigeführt hat. Soweit die Rechtsauffassung des Untergerichts von dem Beschwerdegericht in der aus anderen Gründen aufhebenden Entscheidung gebilligt worden ist, besteht keine Bindung.298 Noch weniger besteht eine Bindung an sog. wegweisende Bemerkungen über die weitere Sachbehandlung.299 Sofern eine Bindung für die Vorinstanz besteht, unterliegt ist auch die Oberinstanz selbst, wenn es nach der Zurückverweisung im wiederholten Rechtszuge erneut mit derselben Sache befasst wird.300 Die Bindung ergreift das Rechtsbeschwerdegericht unabhängig von der Zusammensetzung des Spruchkörpers, auch nach einem Wechsel der Geschäftsverteilung unter den Spruchkörpern.301 Schließlich besteht die Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts auch dann, wenn eine zurückverweisende Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig geworden und eine Bindung der ersten Instanz eingetreten ist, die Sache aber erst nach der wiederholten zweiten Instanz in die dritte gelangt ist, und zwar dann als Bindung an die Rechtsauffassung des Landgerichts.302 Die Bindung tritt nicht ein bei einer Gesetzesänderung, die im Zeitpunkt der Rechts- 113 beschwerdeentscheidung zu berücksichtigen ist. Dem steht gleich, wenn inzwischen eine anderslautende Entscheidung des BVerfG ergangen ist oder das Rechtsbeschwerdegericht seine Rechtsmeinung aufgegeben hat.303 Dasselbe muss dann aber auch gelten, wenn zunächst eine Zurückverweisung durch das OLG erfolgt ist, später jedoch dieselbe Sache an das BayObLG, jetzt: OLG München als Zentralgericht gelangt.304

XIII. Verfahren des Rechtsbeschwerdegerichts Die Entscheidung über die weitere Beschwerde wird, da sie in der Regel eine Nach- 114 prüfung nur der rechtlichen Erwägungen der Vorentscheidung erfordert, in den meisten Fällen auf einfachen Vortrag der Vorentscheidung, des sonstigen Akteninhalts und des Vorbringens des Beschwerdeführers und des etwa vorhandenen Beschwerdegegners beschlossen werden können. Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung steht in allen Fällen im freien Ermessen des Rechtsbeschwerdegerichts, selbst wenn etwa für das Erstbeschwerdeverfahren die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vorgeschrieben ist. Denn neues Vorbringen ist regelmäßig ausgeschlossen, vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob die vom Landgericht getroffene Entscheidung frei von Rechtsfehlern ist. Ein besonderes Verfahren in dritter Instanz kann erforderlich werden, wenn sich die Notwen297 298 299 300 301

BGHZ 15, 122 = NJW 1955, 21 = JZ 1955, 50; BayObLGZ 1962, 47. BGH LM § 565 Abs 2 ZPO Nr 1; BayObLGZ 1960, 98. BayObLGZ 1960, 216. BGHZ 15, 122 = NJW 1955, 21. BVerwG WPM 1966, 1139.

302 303 304

BGHZ 15, 122; BGHZ 25, 200. GmS-OBG NJW 1973, 1273. Anders BayObLGZ 1950/51, 589; die strengere Auffassung von Jansen, FGG 2. Aufl, § 25 Rn 15 wird dementsprechend aufgegeben.

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digkeit ergibt, über die Voraussetzungen der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde wie auch der ersten Beschwerde oder über verfahrensrechtlich erhebliche Fragen tatsächliche Ermittlungen anzustellen. Insoweit finden nach § 29 Abs 4 die Vorschriften über die Beschwerde auch im dritten Rechtszuge entsprechende Anwendung. Soweit das Gericht der weiteren Beschwerde hiernach eine tatsächliche Prüfung vorzunehmen hat, ist es berechtigt und verpflichtet, die hierzu erforderlichen tatsächlichen Ermittlungen anzustellen, in der Regel im Wege des an Förmlichkeiten und Anträge der Beteiligten nicht gebundenen Freibeweises.305 Auch wenn es um die Zulässigkeit der ersten Beschwerde geht, ist das Rechtsbe115 schwerdegericht nicht auf eine lediglich rechtliche Überprüfung der Verfahrensweise, insbesondere der Beweiswürdigung der Vorinstanz beschränkt. Vielmehr hat das Rechtsbeschwerdegericht den für die Zulässigkeit des Rechtsmittels, sei es der zweiten oder sei es der dritten Instanz, maßgeblichen Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht selbstständig zu würdigen.306 Es hat auf der Grundlage des Beweisergebnisses eigenständig und für die zweite Instanz unabhängig von der Beurteilung der Vorinstanz zB die für die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen. Dabei gilt für die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, etwa soweit es um die Entkräftung des aus einem Empfangsbekenntniss ersichtlichen Zustellungsdatums geht, der Freibeweis.307 In diesem Rahmen können neben den üblichen Beweismitteln, insbesondere dem Ergebnis von Zeugenvernehmungen, auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden.308 Es bleibt jedoch bei den Anforderungen des § 286 ZPO an die richterliche Überzeugungsbildung, so dass voller Beweis zu erbringen ist.309 Ferner ist auch das Rechtsbeschwerdegericht gehalten, den Beteiligten rechtliches 116 Gehör zu gewähren.310 Die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs bezieht sich auf die im Wege des Freibeweises ermittelten verfahrensrechtlich erheblichen Tatsachen,311 sowie auf die Gelegenheit, seine eigene Rechtsauffassung vorzubringen und der dem Gericht vorgetragenen Rechtsauffassung eines Gegners entgegenzutreten.312 In diesem Umfang gelten für die Wahrung des rechtlichen Gehörs im Rechtsbeschwerdeverfahren dieselben Grundsätze wie für die erste Beschwerde (vgl § 23). Das Rechtsbeschwerdegericht ist befugt, einstweilige Anordnungen nach § 24 Abs 3 zu erlassen (vgl § 24) und die vom Landgericht nach § 26 S 2 angeordnete sofortige Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung außer Kraft zu setzen (vgl § 26).

XIV. Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts 117

Die Entscheidung über die weitere Beschwerde kann dahin ergehen, dass das Rechtsmittel als unzulässig verworfen (1) oder als unbegründet zurückgewiesen wird (2). Das Rechtsbeschwerdegericht kann auf eine für begründet befundene weitere Beschwerde die angefochtene Entscheidung aufheben und entweder abschließend in der Sache entscheiden (3) oder die Sache an das untere Gericht zurückverweisen (4). 305 306

307

Vgl BVerfGE 7, 275. BGH LM § 561 ZPO Nr 30 = MDR 1963, 291; BGH NJW 2001, 2722; Musielak/Ball, ZPO 2. Aufl, § 547 Rn 6; MünchKommZPO/Wenzel § 547 Rn 10; Zöller/Gummer § 547 Rn 5. BGH NJW 2000, 814 = VersR 2000, 1129 mwN.

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308 309 310 311 312

BGH NJW 1992, 627. BGH NJW 1997, 3319. Vgl BVerfGE 19, 49. BVerfGE 7, 275; 10, 274. KG OLGZ 1966, 90.

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Weitere Beschwerde

§ 27

1. Verwerfung als unzulässig Für die Verwerfung als unzulässig gelten die zu § 25 erörterten Grundsätze. Das 118 Landgericht ist nicht befugt, eine bei ihm eingelegte weitere Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.313 Beruht die Verwerfung einer Rechtsbeschwerde auf einem Tatsachenirrtum, ist das Rechtsbeschwerdegericht befugt, die Entscheidung auf Gegenvorstellung zurückzunehmen.314 2. Zurückweisung als unbegründet Kommt das Rechtsbeschwerdegericht zu derselben Entscheidung wie das Beschwerde- 119 gericht, so weist es die weitere Beschwerde zurück. Das ist sowohl der Fall, wenn das Beschwerdegericht mit aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Begründung entschieden hat, als auch gemäß § 561 ZPO, wenn das Rechtsbeschwerdegericht aus anderen Gründen zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Zur Klarstellung kann der Entscheidungssatz (Beschlusstenor, Formel) der angefochtenen Entscheidung eine andere Fassung erhalten, wenn darin keine inhaltliche Änderung liegt.315 Hat das Landgericht eine unzulässige Beschwerde aus sachlichen Gründen zurückgewiesen oder einen unzulässigen Verfahrensantrag für unbegründet erachtet, statt die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen oder den Verfahrensantrag als unzulässig abzuweisen, so ist die weitere Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die erste Beschwerde als unzulässig verworfen oder der Verfahrensantrag als unzulässig abgewiesen wird.316 3. Aufhebung und Entscheidung in der Sache Erweist sich die zulässige weitere Beschwerde als begründet, so wird die angefochtene 120 Entscheidung aufgehoben (vgl § 562 Abs 1 ZPO), nicht etwa abgeändert. Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist, also weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr erforderlich sind. Das kann der Fall sein, wenn der Sachverhalt vom Landgericht verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellt worden, aber rechtlich anders zu würdigen ist. Erweist sich in diesem Fall die Entscheidung des Amtsgerichts im Ergebnis als zutreffend, so ist unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts die erste Beschwerde zurückzuweisen. Ergibt sich die Unrichtigkeit auch der Entscheidung des Amtsgerichts, so ist auch sie aufzuheben und vom Rechtsbeschwerdegericht anderweit in der Sache zu entscheiden. Für das Rechtsbeschwerdegericht gilt hierbei der allgemeine Grundsatz, dass es in der Sache selbst zu entscheiden hat, wenn nach seiner Rechtsauffassung auf Grund des festgestellten Sachverhalts die Sache zur Endentscheidung reif ist, dh wenn zur Anwendung des materiellen Rechts keine Tatsachenfeststellung mehr nötig und daher eine weitere Verhandlung in der Tatsacheninstanz überflüssig ist. Eine Zurückverweisung an die untere Instanz ist demnach nur gerechtfertigt, wenn noch weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind.317 Hiernach ist es nicht rechtsgrundsätzlich ausgeschlossen, dass das Rechtsbeschwerde- 121 gericht in der Sache entscheidet, selbst wenn das Landgericht die erste Beschwerde als unzulässig (auch mangels Beschwerderecht) verworfen hat,318 sofern etwa schon die Ent313 314 315 316

KG SeuffBl 77, 98. BayObLG NVwZ-Beil 1998, 124. ORG RzW 1964, 304. BayObLGZ 1961, 200; 1964, 137; KG NJW 1962, 2354 = FamRZ 1962, 531; OLG

317 318

Karlsruhe NJW-RR 2005, 1097 = FGPrax 2005, 219 = Rpfleger 2005, 598. BGHZ 10, 350; 33, 398. Vgl BGHZ 4, 28.

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

scheidung des Amtsgerichts hinreichende Feststellungen zum Sachverhalt enthält und weitere tatsächliche Feststellungen nach der Sachlage nicht in Betracht kommen. Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, dass das Rechtsbeschwerdegericht stattgebend oder ablehnend in der Sache entscheidet, wenn die Vorinstanzen den Verfahrensantrag oder die von Amts wegen zu treffende Maßnahme für unzulässig erachtet haben.319 Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit sprechen entscheidend dafür, nutzlose Zurückverweisungen zu vermeiden. Allerdings muss jede Möglichkeit ausscheiden, dass erheblicher Tatsachenstoff durch das Vorbringen der Beteiligten oder von Amts wegen anzustellende Ermittlungen noch beigebracht werden könnte, sonst fehlt es an der Entscheidungsreife.320 Auf tatsächliche Feststellungen, die in diesen Fällen in bloßen Hilfserwägungen getroffen sind, kann aber die Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht gestützt werden.321 Ausführungshandlungen, die zur Durchführung der Sachentscheidung des Rechtsbe122 schwerdegerichts erforderlich sind (Bestellung eines Vormunds oder Pflegers, Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins, Eintragungen in öffentliche Bücher) sind nach denselben Grundsätzen wie für die erste Beschwerde (vgl § 25) dem Gericht erster Instanz zu übertragen. 4. Aufhebung und Zurückverweisung a) Voraussetzungen

123

Beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung, so ist unter Aufhebung der Vorentscheidung die Zurückverweisung der Sache stets geboten, wenn einer der unbedingten Rechtsbeschwerdegründe des § 547 ZPO vorliegt. In diesem Falle ist dem Rechtsbeschwerdegericht eine reformatorische Entscheidung gesetzlich verwehrt. In anderen Fällen setzt eine Zurückverweisung voraus, dass die Sache noch nicht entscheidungsreif ist, also noch weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind. Das wird in der Regel der Fall sein, wenn der Rechtsverstoß in der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 12) oder der Versagung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachen oder in der Unzulässigkeit des Beweisverfahrens besteht oder wenn der Sachverhalt von der abweichenden sachlichrechtlichen Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts aus noch weiterer Aufklärung bedarf, in den meisten Fällen auch, wenn in den Vorinstanzen noch keine Sachprüfung stattgefunden hat, weil der Verfahrensantrag oder die erste Beschwerde für unzulässig erachtet wurde. Eine Zurückverweisung ohne Aufhebung der Vorentscheidung ist, was kaum zu ver124 kennen ist, aus Rechtsgründen nicht denkbar,322 da das Wesen der Zurückverweisung darin besteht, dass das Beschwerdegericht sich auf die kassatorische Entscheidung beschränkt und ausnahmsweise die sonst damit zu verbindende reformatorische Entscheidung auf das untere Gericht überträgt. Ohne Aufhebung der Vorentscheidung wäre das weitere Verfahren unzulässig. Im Zweifel wäre aus der bloßen Zurückverweisung deshalb zwingend zu entnehmen, dass auch ohne besonderen Ausspruch die Vorentscheidung als ersatzlos aufgehoben zu gelten hat. Hat das Landgericht zur Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins angewiesen und ist diese Anordnung vollzogen, so beziehen sich die Beschränkungen der weiteren Beschwerde (vgl § 84) nur auf den Inhalt der reformatorischen Entscheidung. Auch nach Aufhebung der Beschwerdeentscheidung bleibt die

319 320

Vgl BGHZ 31, 358; 33, 398 = LM § 565 III ZPO Nr 9 m Anm Johannsen. BGH LM § 565 III ZPO Nr 6a.

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321 322

BGHZ 11, 222; KG OLGZ 1965, 237. Bettermann NJW 1969, 170.

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Weitere Beschwerde

§ 27

Erteilung oder Einziehung in Kraft, bis nach der Zurückverweisung eine andere reformatorische Entscheidung ergangen ist. Kein Fall der Zurückverweisung ist es, wenn das Beschwerdegericht abschließend 125 (kassatorisch und reformatorisch) über den Beschwerdegegenstand entscheidet, aber die erforderliche Ausführungshandlung, für welche allein das Amtsgericht zuständig ist, auf dieses überträgt oder wenn Beschwerdegegenstand allein eine Zwischenverfügung ist, während das Verfahren im übrigen im ersten Rechtszuge anhängig geblieben ist. Erweist sich die Zwischenverfügung als gerechtfertigt, so ist die Beschwerde zurückzuweisen. Anderenfalls ist unter Aufhebung der Vorentscheidung das Amtsgericht anzuweisen, von den erhobenen Bedenken Abstand zu nehmen. Hat das Gericht der weiteren Beschwerde eine Sache an das LG zurückverwiesen, darf dieses sie nicht seinerseits als Beschwerdegericht an das AG zurückverweisen.323 b) Sprungzurückverweisung Aus dem Aufbau des Instanzenzuges ergibt sich, dass das Gericht der weiteren Be- 126 schwerde grundsätzlich an das Landgericht als das Gericht des zweiten Rechtszuges, dessen Entscheidung richtig gestellt werden soll, zurückzuverweisen hat. Da aber das Gericht des dritten Rechtszuges infolge der Aufhebung an die Stelle des Beschwerdegerichts tritt, darf es die Sache auch an das Amtsgericht zurückverweisen,324 aber nicht nach freiem Ermessen,325 sondern nur, wenn von dem Rechtsstandpunkt des Gerichts der weiteren Beschwerde aus die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das Landgericht die Sache an das Amtsgericht zurückverweisen dürfte oder müsste (vgl § 25). Andererseits darf das Rechtsbeschwerdegericht, wenn eine Zurückverweisung vom Landgericht an das Amtsgericht nur zulässig, aber nicht zwingend geboten wäre, nach seinem Ermessen von einer Zurückverweisung an das Amtsgericht statt an das Landgericht unter denselben Voraussetzungen absehen, unter denen das Landgericht von einer Zurückverweisung absehen dürfte, nämlich wenn eine Entscheidung durch das Landgericht sachdienlich erscheint (vgl § 25). Welche Kammer oder Abteilung nach der Zurückverweisung zu entscheiden hat, ergibt der Geschäftsverteilungsplan. Eine Zurückverweisung an eine andere Kammer oder Abteilung entsprechend § 563 Abs 1 S 2 ZPO ist mangels gesetzlicher Grundlage auch in echten Streitsachen unzulässig.326 Ein Bedürfnis dafür hat sich auch noch nicht herausgestellt. Weder aus Art 101 Abs 1 S 2 GG noch aus einer sonstigen Verfahrensnorm lässt sich herleiten, dass im Falle der Zurückverweisung andere Richter über die Sache entscheiden müssten.327 c) Wirkung der Zurückverweisung Wegen der Wirkung der Zurückverweisung, der Bindung des Untergerichts und der 127 Selbstbindung des Beschwerdegerichts an die der Aufhebung zugrunde liegende Rechtsauffassung wird auf die Ausführungen zu § 25 verwiesen. Rechtliche Hinweise des Rechtsbeschwerdegerichts entfalten keine Bindungswirkung für das nachfolgende Erbscheinsverfahren einen anderen Erbscheinsantrag bezüglich desselben Erblassers betreffend.328

323 324 325 326

BayObLG NJW-RR 1992, 191. BayObLGZ 1964, 357. Für die Revision wie hier Bettermann NJW 1969, 170. BayObLG Recht 1912 Nr 1838; BayObLG NJW-RR 1995, 653 = WuM 1994, 640.

327 328

BVerfG DRiZ 1968, 141. OLG Frankfurt ZEV 2000, 448 = FamRZ 2000, 1607 = DNotZ 2001, 143 m Anm Kanzleiter

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§ 27

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

5. Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung

128

Aus der nach § 29 Abs 4 entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 25 ergibt sich, dass auch die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts mit Gründen zu versehen ist. Eine Abweichung hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts ergibt sich aber daraus, dass das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich keine Tatsachen festzustellen hat und seiner Beurteilung nach § 559 ZPO nur die Tatsachen unterliegen, die sich aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung oder den Sitzungsprotokollen ergeben. Rechtsbeschwerdeentscheidungen enthalten daher keinen Tatbestand, dem eine rechtlich selbstständige Bedeutung zukäme, sondern eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts nur insoweit, als es zum Verständnis der Tragweite der nachfolgenden Gründe erforderlich ist.329 Deshalb gibt es bei Rechtsbeschwerdeentscheidungen auch keine Tatbestandsberichtigung. Auf eine kurze Sachdarstellung sollte allerdings im Hinblick auf den Zweck der Rechtsbeschwerde, eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, sowie mit Rücksicht auf die Vorlagepflicht anderer Oberlandesgerichte (§ 28 Abs 2) nicht verzichtet werden, da die Kenntnis des Sachverhalts zum richtigen Verständnis der Rechtsausführungen in den meisten Fällen unentbehrlich ist. Die Rekonstruktion des Sachverhalts aus den Beschlussgründen von dritter Seite, etwa bei Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften, kann unzulänglich, missverständlich oder sogar unrichtig ausfallen. In Zweifelsfällen ist eine Abschrift der veröffentlichten Entscheidung unmittelbar von dem Gericht zu erfordern, das die Entscheidung erlassen hat. Das Rechtsbeschwerdegericht kann jedenfalls selbst am besten die Tatsachen darstellen, die für den gefundenen Leitsatz allein maßgebend sind, und damit Irrtümer anderer Gerichte ausschließen. Eine Sachdarstellung erübrigt sich, wenn das Rechtsmittel unzulässig und ein rechtlicher Zweifel daran nach Lage der Dinge nicht denkbar ist. Im Übrigen haben die Gründe, wenn dazu Anlass besteht, sich zunächst mit etwa vor129 liegenden oder gerügten Verfahrensmängeln zu befassen, die möglicherweise nach § 547 ZPO stets zur Aufhebung führen, ohne dass es auf die sachlichrechtliche Beurteilung ankommt. Erst wenn die Prüfung des Verfahrens keinen Grund zur Aufhebung ergibt, ist in die Prüfung des Inhalts der angefochtenen Entscheidung einzutreten. Der Umfang der Begründung richtet sich nach dem Einzelfall: Vertritt das Rechtsbeschwerdegericht eine andere Auffassung als die Vorinstanz, wird eine eingehende Widerlegung von dessen Rechtsansichten und eine vollständige Begründung der anderslautenden Rechtsmeinung der dritten Instanz erforderlich sein. Soweit die dritte Instanz den Rechtsausführungen der Vorinstanz folgt, wird eine kurze eigene Begründung des OLG oder eine Bezugnahme auf die Beschlussbegründung des LG ausreichend sein. Ebenso wie für das Revisionsverfahren kann in entsprechender Anwendung des § 540 Abs 1 S 1 Nr 2 eine „kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung“ genügen. Bei Entscheidungen, die vom Gericht mit einem Leitsatz versehen zur Veröffentlichung vorgesehen sind, kann eine eingehendere Begründung erwartet werden. Auch hier ist aber eine Auseinandersetzung mit sämtlichen vertretenen Gegenmeinungen wie auch mit den von den Beteiligten vorgetragenen oft umgangreichen und teilweise vielleicht abwegigen rechtlichen Argumenten nicht erforderlich. Das Gericht soll nur seine Rechtsauffassung begründen.

329

Vgl für die Revision RGZ 80, 172; BGH NJW 1956, 1480.

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Weitere Beschwerde

§ 27

6. Form und Bekanntmachung Für die Form und Bekanntmachung der Rechtsbeschwerdeentscheidung gelten die all- 130 gemeinen Vorschriften (vgl § 25). Eine förmliche Zustellung an die Beteiligten ist in der Praxis üblich. Sie ist erforderlich, wenn die Rechtsbeschwerdeentscheidung eine Frist in Lauf setzt. Das trifft zB zu für den Beginn der Einspruchsfrist im handelsregisterlichen Zwangsgeldverfahren nach § 135 Abs 3 S 2.

XV. Familiensachen der FG (GVG § 23b Abs 1 Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11, 12, in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB 131 sowie Nr 14; ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9, 10 in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie Nr 12; FGG § 64): Die §§ 27 bis 30 FGG finden keine Anwendung, weil sie durch die besonderen Vorschriften der §§ 621e Abs 1 und 2, 629a ZPO, 119 Abs 1 Nr 2 GVG ersetzt werden. Danach ist die weitere Beschwerde eine befristete Rechtsbeschwerde, die der Zulassung bedarf und binnen Monatsfrist eingelegt werden muss. 1. Isolierte Familiensachen Keine weitere Beschwerde gibt es in Hausratssachen, in Verfahren nach §§ 5 bis 8 132 SorgeRÜbkAG und nach §§ 1382, 1383 BGB, auch nicht in Angelegenheiten des Versorgungsausgleichs gemäß § 53g Abs 2. Dagegen ist die weitere Beschwerde statthaft, soweit wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder Divergenz vom OLG zugelassen, in Angelegenheitener elterlichen Sorge, des persönlichen Umgang mit dem Kind, der Herausgabe des Kindes und des Versorgungsausgleichs, soweit nicht die vorbezeichneten Ausnahmen greifen. Einzelheiten bei § 64. 2. Folgesachen In Betracht kommen Folgesachen, die selbstständig fortgeführt werden oder nach 133 Vorabentscheidung über den Scheidungsantrag selbstständig anhängig bleiben (§§ 628, 629 ZPO). Bei Folgesachen der FG im Verbund, wenn das OLG im Scheidungsurteil darüber mitentschieden hat, ist eine Teilanfechtung des Urteils zulässig, die nur Folgesachen der FG betrifft, wenn § 621e Abs 2 ZPO erfüllt ist (weitere Beschwerde an den BGH, § 629a Abs 2 S 1 ZPO).

XVI. Reformvorhaben Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen 134 und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) regelt in §§ 73 ff die Rechtsbeschwerde, die der Zulassung bedarf und vom BGH zu entscheiden ist. Die Rechtsbeschwerde unterliegt einer Notfrist von einem Monat und muss begründet werden. In § 78 ist eine Sprungrechtsbeschwerde unter Übergehung der Erstbeschwerdeinstanz vorgesehen, die der Einwilligung der Beteiligten unterliegt und vom BGH zugelassen werden muss.

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§ 28

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§ 28 Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde (1) Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. (2) Will das Oberlandesgericht bei der Auslegung einer reichsgesetzlichen Vorschrift, welche eine der im § 1 bezeichneten Angelegenheiten betrifft, von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts, falls aber über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist, von dieser abweichen, so hat es die weitere Beschwerde unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Der Beschluß über die Vorlage ist dem Beschwerdeführer bekanntzumachen. (3) In den Fällen des Absatzes 2 entscheidet über die weitere Beschwerde der Bundesgerichtshof. Nach Art 8 III Nr 88 des RechtseinheitsG v 12.9.1950 (BGBl 455, 509) sind die Aufgaben des Reichsgerichts (in Abs 3) auf den Bundesgerichtshof übergegangen.

Literatur Aron Der Geltungsbereich der allgemeinen Vorschriften des FGG und die Tragweite einzelner Bestimmungen, ZZP Bd 27 (1900), 322; Baur Der Gedanke der „Einheitlichkeit der Rechtsprechung“ im geltenden Prozessrecht, JZ 1953, 326 ff; Briesemeister Die Anhörung der Beteiligten vor einem Vorlagebeschluss gemäß § 28 Abs 2 FGG, FGPrax 2004, 187; Briesemeister Die Anhörungsrüge bei einer BGH-Entscheidung nach Vorlage eines OLG, FGPrax 2005, 101; Bublitz Besprechung von Keidel FGG 11. Aufl, WPM 1980, 99; Demharter Muss den Beteiligten zur beabsichtigten Vorlage an den BGH rechtliches Gehör gewährt werden? FGPrax 2003, 108; Demharter Zur Vorlegungspflicht im Verhältnis BayObLG zum OLG München, FGPrax 2005, 55; Demharter ZMR 2006, 306 in Anm zu OLG München ZMR 2006, 304; Eule, Wolfgang Für eine bundeseinheitliche Notarkostenrechtsprechung, ZNotP 1998, 452 ff; Eule, Wolfgang Divergenzvorlage gem § 28 Abs 2 FGG im Notargebührenverfahren nach § 156 KostO, ZNotP 2001, 424; Gude Zweifelsfragen bei der Beschwerde nach dem Spruchverfahrensgesetz, Zeitschrift AG, 2005, 233; Hanack Der Ausgleich divergierender Entscheidungen in der oberen Gerichtsbarkeit, 1962; Müller, Hanswerner Das Vorlegeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP Bd 66 (1953), 245; Otto, Günter Zu den Voraussetzungen, unter denen in FGG-Sachen eine Vorlage an den BGH zulässig ist, und zu der Frage, ob bei ausländischen nichtehelichen Kindern mit ständigem Aufenthalt in der Bundesrepublik eine gesetzliche Amtspflegschaft eintritt, StAZ 1989, 8 f; Kayser, Godehard Das Vorlageverfahren nach § 28 Abs 2 FGG – Vorbild oder Auslaufmodell, FGPax 2004, 166; Krüger Besprechung Keidel FGG 4. Aufl, NJW 1951, 515; Schaub Zeichnung der Namensunterschrift für die Anmeldung einer GmbH & Co. KG zur Eintragung ins Handelsregister, DStR 2000, 1577; Scherer, Die Verordnung neuer Rechtsbehelfe im Zivilprozess durch das Bundesverfassungsgericht, DRiZ 2000, 490; Schmidt Bewegungen auf dem Gebiet der Kostenordnung (inbesondere zu Divergenz-Vorlagen), JurBüro 2005, 116; Schneider, Egon Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Zulassungs- und Vorlagepflichten, MDR 2000, 1408; Schneider, Egon Verfassungsbeschwerde bei Nichtzulassung der Revision trotz Abweichung, NJW 1977, 1043; Schröder, Jochen Rechtseinheit und richterliche Entscheidungsfreiheit, NJW 1959, 1517; Unger Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP Bd 41 (1911), 370; Wenzel Die Verfolgung von Beseitigungsansprüchen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft, ZMR 2006, 245.

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§ 28

Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde

Übersicht Rdn I. Rechtsmittelgericht . . . . . . . . . . . II. Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung der Zuständigkeit . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . III. Vorlagefähige Rechtsnorm . . . . . . . 1. Rechtsquelle . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand der Rechtsnorm . . . . . IV. Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art der abweichenden Entscheidung . 2. Inhalt der beabsichtigten Entscheidung . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung . . . . . . . . . . . . . b) Abweichung . . . . . . . . . . . . V. Zur Vorlage nötigende Entscheidungen . 1. Entscheidungen des BGH . . . . . . . 2. Entscheidungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe . . . 3. Entscheidungen von Oberlandesgerichten . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung des Kreises der Oberlandesgerichte . . . . . . . . . . . b) Entbehrlichkeit der Vorlage, Anfrage

Rdn c) Art der zur Vorlage nötigenden Entscheidung . . . . . . . . . 4. Inhalt der zur Vorlage nötigenden Entscheidungen . . . . . . . . . . VI. Verfahren des vorlegenden Gerichts 1. Vorlagepflicht . . . . . . . . . . 2. Anhörung der Beteiligten . . . . 3. Vorlagebeschluss . . . . . . . . 4. Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses . . . . . . . . . . . VII. Verfahren des BGH . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Vorlage . . . . . 2. Entscheidung des BGH . . . . . VIII. Ausschluss der weiteren Beschwerde gegen OLG-Entscheidung . . . . . IX. Weitere Beschwerde nach der ZPO X. Verfassungsbeschwerde . . . . . . XI. Normenkontrollverfahren (Art 100 GG) . . . . . . . . . . . XII. Rückerstattungssachen . . . . . . . XIII. Familiensachen . . . . . . . . . . . XIV. Landesrecht . . . . . . . . . . . . XV. Reformvorhaben . . . . . . . . . .

1 2 2 3 4 7 7 8 9 9 10 10 11 14 14 15 16 16 17

. .

18

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. . . . .

32 33 33 34 35

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36 37 37 40

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42 43 44

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46 47 48 49 50

. . . . .

I. Rechtsmittelgericht Zuständig für die Entscheidung über die weitere Beschwerde ist nach Abs 1 in der 1 Regel das dem Beschwerdegericht im Instanzenzuge vorgeordnete Oberlandesgericht. Dieser Grundsatz wird jedoch modifiziert durch den landesgesetzlichen Vorbehalt in § 199 Abs 1, nach welchem durch die Gesetzgebung eines Landes, in dem mehrere Oberlandesgerichte bestehen, die Entscheidung über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde einem der mehreren Oberlandesgerichte oder an dessen Stelle dem obersten Landesgericht zugewiesen werden kann. In Bayern tritt demgemäß an die Stelle des dem Landgericht im Instanzenzuge übergeordneten Oberlandesgerichts das OLG München gemäß BayObLG AuflG vom 25.10.2004 (GVBl 400); in Rheinland-Pfalz das Oberlandesgericht Zweibrücken gemäß § 4 Abs 3 GerichtsorganisationsG vom 5.10.1977 (GVBl S 333, geändert durch G vom 16.9.1982 (GVBl S 337) und durch AGGVG vom 10.11. 1989 (GVBl S 225)1 in Verbindung mit dem G über die Verlegung des OLG Pfalz nach Zweibrücken vom 9.8.1962 (GVBl S 127). In Berlin ist das Kammergericht zuständig (Art 7 Nr 41 RechtseinheitsG vom 9.1.1951 – VOBl I S 99; EV Anl I Kap. III A Abschn IV Nr 3). Die Bestimmungen des § 28 decken sich mit der Vorschrift des § 79 GBO.2 Sonderregelungen für die Rechtsbeschwerde an den BGH finden sich in § 24 LwVG. Über die weitere Beschwerde (Rechtsbeschwerde) nach der ZPO und in Familienrechtssachen vgl § 64 Rn 100. Wechselt nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens die Zuständigkeit für ein Betreuungsverfahren (§ 46), ist das OLG zur Entscheidung über die eingelegte weitere Beschwerde berufen, das dem jetzt verfahrensführenden Vormundschaftsgericht übergeordnet ist.3 1 2

Sammlung des bereinigten Landesrechts Rheinland-Pfalz – BS – 300-1. Kommentare von Demharter, GBO, 23. Aufl,

3

2000; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl, 2006. BayObLG FamRZ 2004, 1899 LS.

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§ 28

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

II. Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs 1. Allgemeines

2

Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Angelegenheiten der FG auf dem Gebiete des Bundesrechts zu sichern, wird es in Abs 2 unter bestimmten Voraussetzungen dem nach Abs 1 oder auf Grund des landesgesetzlichen Vorbehalts in § 199 Abs 1 zuständigen OLG (KG) zur Pflicht gemacht, die weitere Beschwerde dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit anderen Vorschriften, welche die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oberer Gerichte gewährleisten sollen. Die Möglichkeit widersprechender interner Entscheidungen wird bei den obersten Gerichten durch Pflichten zur Anrufung des Plenums, des Großen Senats oder der Vereinigten Großen Senate eingeschränkt; vgl für das BVerfG § 16 Abs 1 BVerfGG, für den BGH in Zivil- und Strafsachen § 132 GVG, für das BAG § 45 Abs 2 Satz 1 ArbGG, für das BVerwG § 47 Abs 1 BVerwGG, für das BSozG § 32 SGG und für den BFinH § 66 Abs 1 AO. Dem gleichen Zweck dienen für die Oberlandesgerichte als Revisionsgerichte in Strafsachen § 121 Abs 2 GVG und für die weitere Beschwerde im Verfahren der FG, in Grundbuch- und Schiffsregistersachen zuständige Gerichte § 28 Abs 2 FGG, § 79 Abs 2 GBO und § 87 Abs 2 SchiffsRegO. Im Verfahren zur Anfechtung von Justizverwaltungsakten ist die Vorlagepflicht in § 29 Abs 1 EGGVG geregelt. Eine Vorlagepflicht besteht auch im Verfahren nach Art 7 FamRÄndG, nach § 4 SorgeRÜbkAG vom 5.4.1990 (BGBl I S 701).4 Die Vorlagepflicht besteht jetzt auch (anders als bei sonstigen Wertbeschwerden nach der KostO) bei Entscheidungen in Notariatskostensachen (§ 156 Abs 4 Satz 4 KostO mit dem Hinweis auf die Beschwerdevorschriften des FGG).5 Sie besteht nicht, wenn das OLG gemäß §§ 37 ff, 90 ff BRAGO als Anwaltsgerichtshof, §§ 36 ff, 84 PatentanwaltsO oder nach § 111 BNotO entscheidet; denn hier ist die Beschwerde an den BGH als Tatsacheninstanz gegeben. 2. Begründung der Zuständigkeit des BGH

3

Durch Abs 2 wird keine unmittelbare Zuständigkeit des BGH begründet. Dieser kann nur dadurch zuständig werden, dass das OLG (KG) ihm die weitere Beschwerde vorlegt. Von den Beteiligten kann der BGH nicht angerufen werden, auch nicht mit der Anregung, die Sache an sich zu ziehen. Der Übergang der Zuständigkeit auf den BGH vollzieht sich mit der Vollendung des Vorlageakts, die darin liegt, dass der Vorlagebeschluss bei dem BGH eingeht.6 Nach diesem Übergang ist das OLG zu einer Änderung, dh zur Aufhebung des Vorlagebeschlusses nicht mehr berechtigt, da ein geordnetes Verfahren nicht die gleichzeitige Entscheidungsbefugnis zweier Gerichtsbehörden zulässt.7 Mit Rechtsmitteln ist der Vorlagebeschluss demgemäß nicht anfechtbar. 3. Anwendungsbereich

4

Das eine abweichende Entscheidung beabsichtigende OLG (KG) muss auf Grund des § 28 Abs 1 oder auf Grund von Vorschriften, die auf dem landesrechtlichen Vorbehalt des § 199 Abs 1 beruhen, in einer der in § 1 bezeichneten bundesrechtlichen Angelegenheit der FG zur Entscheidung über die weitere Beschwerde berufen sein. Außerdem ist § 28 Abs 2, 3 mehrfach für anwendbar erklärt worden in Fällen, in denen das Landge4 5

BGHZ 82, 34 = NJW 1982, 517. Vgl OLG Hamm FGPrax 2005, 231 = RNotZ 2005, 446.

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6 7

Unger ZZP 41, 393; Müller ZZP 66, 258. Unger aaO; Müller aaO.

Lothar Briesemeister

Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde

§ 28

richt Gericht des ersten Rechtszuges ist und gegen die Entscheidung die entsprechend § 27 FGG auf Rechtsverletzungen beschränkte Beschwerde stattfindet, über welche das OLG endgültig entscheidet, so in § 14 Abs 3 des G über die innerdeutsche Regelung von Vorkriegsverbindlichkeiten, in § 24 Abs 2 UmstErgG und in § 99 Abs 3 Satz 6, 132 Abs 3, 260 Abs 3, 306 Abs 2, 363 Abs 1 Satz 3, 366 Abs 4, 370 Abs 1 Satz 3, 375 Abs 3, 377 Abs 1, 384 Abs 6, 389 Abs 5, 393 Abs 3 AktG, 51b GmbHG, 34 Abs 4 UmwandlungsG. Hieraus und aus dem Zweck der Regelung ist der Grundsatz abzuleiten, dass eine 5 entsprechende Anwendung des § 28 Abs 2, 3 stets geboten ist, wenn das OLG in einer bundesrechtlichen Angelegenheit zur Entscheidung über eine erste Rechtsbeschwerde berufen ist, so für Beschwerden in Wertpapierbereinigungsverfahren8 und im Ablöseverfahren nach §§ 57, 58 AKG.9 Dasselbe wird für die Rechtsbeschwerde nach § 16 Abs 4 WertpapierBerSchlussG vom 28.1.1964 (BGBl I S 45) anzunehmen sein. Eine Vorlagepflicht besteht grundsätzlich nicht, wenn das Landgericht Gericht des ersten Rechtszuges ist und das OLG über die erste Beschwerde wenn auch endgültig, so doch als Tatsachengericht entscheidet.10 Ausnahmsweise wird auch für diese Fälle eine Vorlagepflicht begründet durch § 143 Abs 2 FGG und im Aktienrecht durch § 99 Abs 3 AktG. Ohne besondere gesetzliche Regelung ist eine entsprechende Anwendung des § 28 6 Abs 2 ferner nicht angängig in den Verfahren, in denen das OLG als Gericht des ersten Rechtszuges zuständig ist, mag es auch endgültig entscheiden. Eine Vorlagepflicht ist demnach nicht begründet bei der Entscheidung über einen Zuständigkeitsstreit nach § 5 FGG11, ebensowenig im Abgabeverfahren nach § 46.12 In Verfahren zur Anfechtung von Justizverwaltungsakten richtet sich die Vorlagepflicht ausschließlich nach der von § 28 Abs 2 abweichenden Regelung des § 29 Abs 1 EGGVG. Dagegen ist § 28 Abs 2 und 3 ausdrücklich für anwendbar erklärt bei zweitinstanzlichen Entscheidungen des OLG in gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren (§ 11 Abs 2 S 2 SpruchG),13 bei denen es keine direkte weitere Beschwerde an den BGH gibt.14 In Prozesskostenhilfeverfahren der FG kann eine Beschwerdeentscheidung nur nach Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde durch das LG entsprechend § 574 Abs 1 Nr 2 ZPO angefochten werden; zuständig ist grundsätzlich das OLG, während die Zuständigkeit des BGH nur im Fall einer Vorlage nach § 28 Abs 2 gegeben sein kann.15 Die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren kommt allerdings nicht in Betracht, um offene Rechtsfragen zu klären, die ihre Grundlage außerhalb des Verfahrensrechts oder der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Gewährung von Prozesskostenhilfe finden, weil diese Rechtsfragen nicht in dem Nebenverfahren zu klären sind.16 Hat nämlich die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung grundsätzliche Bedeutung oder wirft sie Fragen auf, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürfen, so verspricht die Sache bereits Aussicht auf Erfolg und es ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen.17

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10

11 12

BGHZ 3, 123; BGH WPM 1958, 927; WPM 1960, 973. BGHZ 43, 344; BGH WPM 1968, 506; KG WPM 1964, 329; OLG Stuttgart WPM 1964, 1258. RGZ 125, 272; BGHZ 3, 123; Hanack Der Ausgleich divergierender Entscheidungen, 1962, 212. BGHZ 48, 228 = FamRZ 1967, 606. Vgl § 46 Rn 46.

13 14 15 16 17

Vgl BayObLG NZG 2004, 824 = Zeitschrift AG 2004, 509. BGH Zeitschrift AG 2004, 610. BGH NJW-RR 2004, 1077 = FGPrax 2004, 142 LS. BGH FamRZ 2003, 748; BGH ZOV 2005, 210. BGH NJW 2003, 1126 = FamRZ 2003, 671 = FuR 2003, 306; BGH NJW-RR 2004, 1662 = FuR 2004, 557.

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III. Vorlagefähige Rechtsnorm 1. Rechtsquelle

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Unter „reichsgesetzlicher Vorschrift“, um deren Auslegung es sich handeln muss, ist sowohl nach dem Zweck der Regelung, die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Reichs(Bundes-)rechts zu wahren, als auch nach dem gesetzlichen Sprachgebrauch (§ 185 Abs 2 FGG, Art 2 EGBGB) jede reichs-(bundes-)gesetzliche Rechtsnorm ohne Unterschied ihrer Quelle zu verstehen,18 also auch Bundesgewohnheitsrecht und von Bundesbehörden erlassene Rechtsverordnungen. Ob Recht aus der Zeit vor dem ersten Zusammentritt des Bundestages (7.9.1949) als Bundesrecht fortgilt, richtet sich nach Art 124, 125, 125a, 127 GG.19 Eine Vorlagepflicht begründet auch die Abweichung von Normen des deutschen internationalen Privat- oder Verfahrensrechts,20 nicht aber bei der Anwendung ausländischen Rechts,21 obwohl die weitere Beschwerde nach § 27 FGG auch auf die Verletzung ausländischen Rechts gestützt werden kann. Der Kreis der Rechtsnormen, deren abweichende Auslegung die Vorlagepflicht begründet, ist also enger als der Umfang der Rechtsnormen, auf deren Verletzung die weitere Beschwerde gestützt werden kann. Das kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass bei Abweichungen in der Auslegung einer landesrechtlichen Vorschrift keine Vorlagepflicht besteht.22 Das gilt auch, wenn die landesrechtliche Vorschrift im Zivilprozess nach § 545 Abs 1 ZPO revisibel ist.23 Verweist ein Landesgesetz zur Ergänzung seiner Normen auf die entsprechende Anwendung reichs(bundes-)gesetzlicher Vorschriften, so sind diese insoweit Bestandteile des Landesrechts und können eine Vorlagepflicht nicht begründen.24 Das gilt auch für Landesrecht, das seine Grundlage in einem bundesrechtlichen Vorbehalt hat.25 Rechtsverordnungen, die von Landesregierungen auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung erlassen werden, sind Landesrecht.26 2. Gegenstand der Rechtsnorm

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Die auszulegende Vorschrift muss eine Angelegenheit der FG iSd § 1 betreffen, wohingegen etwa § 136 GVG von einer „Rechtsfrage“ schlechthin spricht. Die Auslegung von Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten nötigt mithin nicht zur Vorlage, selbst wenn sie vom BGH abweichend beantwortet sind. Diese Einschränkung beruht auf dem Zweck der Vorschrift, die Rechtseinheit auf dem Gebiet der FG zu wahren.27 Für die Abgrenzung wird zu bedenken sein, dass einerseits nicht alle Vorschriften gemeint sein können, deren Maßgeblichkeit für eine Entscheidung in einer Sache der FG jemals denkbar erscheint, sonst wäre der einschränkende Zusatz überflüssig, dass aber andererseits nicht eine Beschränkung auf solche Vorschriften gemeint sein kann, die bei keiner anderen gerichtlichen Tätigkeit als in Sachen der FG, also zB auch nicht in Rechtsstreitigkeiten, anwendbar sind; denn sonst käme ein zu enger, meistens nur das Verfahren betreffender Kreis von Vorschriften in Betracht und der Zweck der Regelung, eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, würde gerade in bedeutenderen Fragen nicht er-

18 19 20 21 22 23 24

Unger ZZP 41, 377. Vgl BGHZ 11, 104. BGHZ 46, 87. OLG Frankfurt StAZ 1967, 98. RGZ 67, 345. BGHZ 11, 104. RGZ 48, 44 ; BGHZ 10, 371; 14, 13; OLG

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25 26

27

Frankfurt NJW 1953, 148; OLG Freiburg NJW 1953, 148; KG NJW 1957, 1197. BayObLGZ 1951, 639 = NJW 1952, 507. BVerfGE 18, 407 = NJW 1965, 1371; BayVerfGE 15, 104 = Rpfleger 1963, 11; BayVerfGH WPM 1963, 1351. Vgl Hanack aaO S 216.

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reicht. Es muss daher genügen, dass die Vorschrift auch für die Tätigkeit der Gerichte der FG von Bedeutung ist; es ist nicht erforderlich, dass sie ausschließlich Angelegenheiten der FG betrifft.28 Gleichgültig ist es, ob die Vorschrift dem Verfahrensrecht oder dem sachlichen Recht angehört.29 Es kommen zB in Betracht Vorschriften über den Wohnsitz,30 sachlichrechtliche Vorschriften des Sachen-, Familien- und Erbrechts, des Handels-, Gesellschafts-, Genossenschafts- und Vereinsrechts.31 Hierher gehören auch Vorschriften des Grundgesetzes, die unmittelbar oder wegen ihres Einflusses auf die Auslegung oder die Anwendbarkeit einer verfahrens- oder sachlichrechtlichen Vorschrift in Angelegenheiten der FG in Betracht kommen.32 Abweichung von einer Vorschrift, die einen Nebenpunkt regelt, zB die Kostentragungspflicht, genügt.33

IV. Abweichung 1. Art der abweichenden Entscheidung Das OLG (KG) muss bei der Entscheidung über die weitere Beschwerde (Rechtsbe- 9 schwerde) abweichen wollen, also bei der den Rechtszug beendenden und den in das Beschwerdeverfahren gediehenen Beschwerdegegenstand erledigenden Entscheidung. Keine Vorlagepflicht besteht bei Zwischenentscheidungen, die das Verfahren der FG betreffen und noch nicht über die Beschwerde befinden, wie einstweilige Anordnungen nach § 24 Abs 3 oder die Aussetzung des Verfahrens der weiteren Beschwerde, oder bei Entscheidungen, die neben der Hauptsache einhergehen, wie die Festsetzung des Beschwerdewerts34 oder die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den dritten Rechtszug. Dagegen berührt es die Vorlagepflicht nicht, wenn Gegenstand der weiteren Beschwerde nur eine anfechtbare Zwischenverfügung des Amtsgerichts oder die Versagung der Prozesskostenhilfe durch das Amtsgericht in Fragen des Verfahrensrechts oder der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Gewährung von Prozesskostenhilfe35 ist oder wenn die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts dahin geht, dass das Verfahren des ersten Rechtszuges ausgesetzt wird, da diese Entscheidung den dritten Rechtszug beendet.36 Eine Vorlagepflicht besteht auch, wenn die Abweichung eine Vorschrift über die Zulässigkeit des Rechtsmittels betrifft, insbesondere seine Statthaftigkeit,37 die Wahrung von Form und Frist, oder wenn das OLG bei der Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abweichen will;38 ob über die Wiedereinsetzung durch gesonderten Beschluss oder zugleich mit der Hauptsache entschieden wird, ist dafür ohne Bedeutung. Betrifft die Abweichung die Hauptsache und hält das OLG den Wiedereinsetzungsantrag für begründet, so muss es auch die Entscheidung über die Wiedereinsetzung dem BGH überlassen. In jedem Fall muss die Abweichung den Inhalt der Beschwerdeentscheidung betreffen; eine Vorlagepflicht besteht da-

28 29 30 31 32 33

Jastrow ZZP 25, 527; Aron ZZP 27, 322; Unger ZZP 41, 379. RGZ 63, 275; 138, 98; BGHZ 1, 12; Hanack aaO S 216. BGHZ 48, 228 = FamRZ 1967, 606. Unger ZZP 41, 379; Hanack aaO S 217. Hanack aaO S 217. RGZ 62, 140; 71, 312; 134, 304; BGHZ 28, 117; 31, 92; KG FGPrax 2001, 181 = NZM 2001, 761 = ZWE 2001, 497.

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BayObLGZ 1960, 345; aA Rohs Rpfleger 1961, 302 in Anm zu BayObLG Rpfleger 1961, 300. KG OLGZ 1967, 84; BGH NJW 2003, 1126 = FamRZ 2003, 671 = FuR 2003, 306. BGHZ 7, 389; Hanack aaO S 215. BGH NJW 1961, 1405; BGHZ 33, 205; KG OLGZ 1967, 86. BGHZ 8, 310; Hanack aaO S 215; aA OLG München JZ 1952, 346.

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her nicht, wenn das OLG in der Frage, ob eine Vorlagepflicht besteht, von einer Entscheidung des BGH abweichen will. 2. Inhalt der beabsichtigten Entscheidung a) Auslegung

10

Die Vorlagepflicht besteht bei beabsichtigter Abweichung in der Auslegung, dh der Klarstellung des Inhalts einer Rechtsnorm, aber auch bei anderer Subsumtion des Tatbestands unter das Gesetz,39 sofern nicht etwa bei Übereinstimmung in den rechtlichen Ausgangspunkten die Abweichung nur auf dem Gebiet der tatsächlichen Würdigung liegt (Verwechslungsfähigkeit zweier Firmen),40 ferner bei Meinungsverschiedenheiten über die Gültigkeit einer Norm,41 soweit nicht die Verfassungswidrigkeit nachkonstitutioneller Gesetze in Frage steht, sowie über die Frage, ob eine gesetzliche Vorschrift in einer Angelegenheit der FG anzuwenden ist.42 Es genügt, dass die Abweichung bei der Auslegung von dem Standpunkt aus, den das OLG einnimmt, erheblich ist, mag auch der BGH die streitige Rechtsfrage nicht für entscheidungserheblich halten;43 die Auffassung des vorlegenden OLG, dass die Rechtsfrage für seine Entscheidung erheblich sei, ist für den BGH bindend.44 b) Abweichung

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Eine zur Vorlage verpflichtende Abweichung liegt nur vor, wenn die beabsichtigte Entscheidung auf der abweichenden Rechtsauffassung beruht,45 daher nicht, wenn das OLG sich bei einer auf anderen Gründen beruhenden Aufhebung und Zurückverweisung lediglich mit die Vorinstanz nicht bindenden Empfehlungen für die weitere Behandlung der Sache in Widerspruch zu einer früheren Entscheidung eines OLG (BGH, RG, KG) setzt.46 Die Abweichung muss dieselbe Rechtsfrage betreffen. Dazu ist es nicht erforderlich, dass die frühere Entscheidung zum gleichen Tatbestand und zu derselben Gesetzesvorschrift ergangen ist; es kommt auf die Gleichheit der Rechtsfrage, nicht des Gesetzes, an. Das ist der Fall, wenn die Abweichung sich auf den gleichen Rechtsgrundsatz bezieht,47 mag er auch in mehreren Gesetzesbestimmungen seinen Niederschlag gefunden haben. Ein Vorlagefall ist auch gegeben, wenn die ältere Entscheidung zu einer nicht mehr geltenden Gesetzesvorschrift ergangen ist, deren Inhalt aber das die frühere Gesetzgebung ablösende neue Recht übernommen ist. Dagegen besteht keine Gleichheit der Rechtsfrage, wenn eine Entscheidung, die zu den verfahrensrechtlichen Pflichten, Obliegenheiten oder Rechten eines Beteiligten im Hinblick auf die Mitwirkung an der Tatsachenfeststellung in einem Verfahren der allgemeinen FG (zB Pflegschaftsverfahren mit der klassischen Amtsermittlung) ergangen ist, ohnehin nicht auf das Verfahren der streitigen FG (zB Wohnungseigentumssachen mit beschränkter Aufklärungspflicht des Gerichts) übertragen werden kann.48 39 40 41 42

43 44

BGH NJW 1957, 346. RG JW 1933, 97. BGH NJW 1957, 673 = FamRZ 1957, 126. BGHZ 1, 12; KG OLGZ 1967, 84; Jansen Rpfleger 1960, 169 in Anm zu OLG Hamburg Rpfleger 1960, 168. BGH WPM 1960, 973; BGH NZM 2005, 627 = ZMR 2005, 798. BGHZ 7, 339; BGH FamRZ 1960, 229; BGHZ 99, 90 = MDR 1987, 485; BGHZ

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45 46 47 48

116, 392 = MDR 1992, 484; BGH NZM 2005, 952 = ZMR 2006, 93. BGH NVwZ-Beilage I 2001, 62; NJW-RR 2003, 1585 = FamRZ 2003, 1653. BGHZ 96, 198 = NJW 1988, 59 = MDR 1986, 295. BGHZ 131, 346 = NJW 1996, 1216 = FGPrax 1996, 90 = ZMR 1996, 274. BGH NZM 2005, 952 = ZMR 2006, 53.

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Keine Vorlagepflicht besteht, wenn die Rechtsnorm, zu der die frühere Entscheidung 12 ergangen ist, inzwischen in dem einschlägigen Tatbestandsmerkmal geändert worden ist. Anders wiederum, wenn die neue Fassung keine zweifelsfreie Klärung der Rechtsfrage gebracht hat.49 Die Vorlagepflicht bleibt jedoch bestehen, wenn die in der zur Vorlage nötigenden Entscheidung abweichend ausgelegte gesetzliche Vorschrift inzwischen geändert worden ist, von dem mit der Sache befassten OLG aber noch in der früheren Fassung anzuwenden ist.50 Zur Annahme der Nämlichkeit der inhaltlich geänderten Rechtsnorm genügt es aber nicht, dass sich das spätere Gesetz an das außer Kraft gesetzte anschließt oder auf diesem aufbaut. Eine Vorlage ist nicht statthaft, wenn infolge mehrfacher Änderungen der gesetzlichen Regelungen die in Betracht kommenden Vergleichsentscheidungen eine andere Rechtsfrage betreffen.51 Die Vorlagepflicht entfällt nicht deswegen, weil gegenüber der unverändert gebliebe- 13 nen Norm ein Wandel der Rechtsauffassung eingetreten ist; denn dieser Umstand betrifft nicht die Geltung der Norm, sondern gerade die Frage, ob ihre abweichende Auslegung geboten ist; anders wenn die frühere Auslegung durch Normen des Grundgesetzes beeinflusst wird, also nicht mehr verfassungskonform ist.52 Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des OLG Karlsruhe 53, eine Vorlage sei auch dann geboten, wenn das OLG zwar an der bisherigen Rechtsprechung des BGH festhalten will, ein anderes OLG jedoch seine hiervon abweichende Ansicht auf einen „allgemeinen Wandel der Rechtsauffassung“ stützt und nicht vorgelegt hat.

V. Zur Vorlage nötigende Entscheidungen 1. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs Zur Vorlage nötigt die Abweichung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, 14 der an die Stelle des Reichsgerichts getreten ist. Eine Vorlagepflicht besteht aber weiterhin gegenüber Entscheidungen des Reichsgerichts 54 und des OGHBrZ, und zwar nicht nur für die OLG der ehemals britischen Zone.55 Gegenüber Entscheidungen des BGH (RG, OGHBrZ) ist auch dann vorzulegen, wenn sie im streitigen Prozessverfahren oder im Strafverfahren ergangen sind,56 es sei denn, dass die Entscheidung in der Prozesssache ersichtlich eine auf das Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit beschränkte Rechtsfrage zum Gegenstand hat.57 Widersprechende Entscheidungen verschiedener Senate des BGH nötigen in jedem Falle zur Vorlage.58 Vorzulegen ist auch, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, nicht mehr besteht 59 oder ein (früherer) Feriensenat war, solange nicht ein Senat des BGH diese Rechtsprechung aufgegeben hat.

49

50 51 52 53 54

BGHZ 15, 207 = NJW 1955, 304; BGHZ 18, 300 = NJW 1955, 1878; BGH NJW 2000, 3712 = MDR 2000, 1437. KG OLGZ 1988, 172. BGH NJW 1993, 3069 = MDR 1993, 1136. BayObLGZ 1967, 137. FGPrax 1998, 118. BGHZ 5, 344; 22, 88.

55 56 57 58

59

BGHZ 8, 23. RGZ 65, 277; BGH NJW 1953, 1708 = MDR 1953, 612. Unger ZZP 41, 384. BGHSt 5, 136 = NJW 1854, 202 zu § 121 GVG; Hanack aaO S 340; aA OLG Karlsruhe NJW 1954, 1945. BGH NJW 1962, 1685 zu § 121 GVG.

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2. Entscheidungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe

15

Die Vorlagepflicht nach § 28 Abs 2 wird durch § 18 Abs 2 d. G zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.6.1968 (BGBl I S 661) dahin ergänzt, dass das OLG (KG) die Sache dem BGH auch vorzulegen hat, wenn es von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe abweichen will. Zur unmittelbaren Anrufung des Gemeinsamen Senats ist das OLG nicht befugt; dieses Recht steht nur dem BGH zu, wenn er seinerseits von der Entscheidung des obersten Senats abweichen will (§ 11 Abs 2 aaO). Von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes als des BGH (Art 95 Abs 1GG idF vom 18.6. 1968, BGBl I S 659) darf das OLG (nicht aber der BGH) abweichen. 3. Entscheidungen der Oberlandesgerichte a) Abgrenzung des Kreises der in Betracht kommenden Oberlandesgerichte

16

Eine Vorlagepflicht besteht nur gegenüber Entscheidungen, die von einem anderen Oberlandesgericht erlassen sind; eine Ausdehnung auf den Fall, dass ein Senat des OLG von der Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts abweichen will, ist nicht zulässig.60 Meinungsverschiedenheiten zwischen den Senaten eines Oberlandesgerichts sind durch dessen innere Ordnung auszugleichen, vor allem auch durch zweckmäßige Gestaltung der Geschäftsverteilung zu verhüten.61 Soweit eine Ausdehnung der Vorlagepflicht auch auf diese Fallgestaltung im Wege einer teleologische Auslegung im Hinblick auf die zivilprozessuale Divergenzzulassung nach § 543 Abs 2 ZPO befürwortet wird,62 müsste dies wohl auch auf die Grundsatzzulassung der ZPO und letztlich auf eine Nichtzulassungsbeschwerde im Falle der Verletzung der Vorlagepflicht ausgeweitet werden, was gleichermaßen gegen das Rechtsmittelsystem des FGG verstößt und aus Gründen der Rechtsmittelklarheit dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muss. Die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, muss nach Inkrafttreten des FGG ergangen sein.63 Im Übrigen besteht keine zeitliche Grenze.64 Die Pflicht zur Vorlage entfällt, wenn das andere OLG nicht mehr besteht65 oder aus dem Reichsgebiet ausgeschieden ist,66 oder wenn seine Zuständigkeit auf das jetzt entscheidende OLG übergegangen ist,67 oder gegenüber einer vor dem 1.4.1936 erlassenen Entscheidung eines OLG, die in der Folgezeit oder schon vorher von dem zuständig gewordenen Zentralgericht (KG oder OLG München) aufgegeben worden ist.68 Nach der früheren Aufhebung des BayObLG durch VO vom 19.3.1935 (RGBl. I S 383) Art 1 § 1 war an seine Stelle das OLG München getreten und setzte im Sinne des § 28 FGG seine Rechtsprechung fort.69 Da das OLG München ab 1.7.2006 in Bayern das für FGG-Sachen allein zuständige Gericht der weiteren Beschwerde ist, kann es von den in der Zeit davor sowohl vom BayObLG als auch vom OLG München erlassenen Entscheidungen abweichen, ohne dem BGH vorlegen zu müssen. Bis zum 30.6.2006 bleibt diese Befugnis bei dem weiterhin bestehenden und für FGG-Sachen, wenn auch nur bis zum 31.12.2004 eingegangenen Verfahren, zuständigen BayObLG. Sie geht erst am 1.7.2006 auf das OLG München über. Erst ab diesem Zeit-

60 61 62 63 64

KG JW 1927, 1161. Demharter ZMR 2006, 306 in Anm zu OLG München ZMR 2006, 304. Wenzel ZMR 2006, 245. KGJ 51, 18. BGHZ 5, 344 = NJW 1952, 744 = MDR 1952, 418.

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65 66 67 68 69

OLG Jena JW 1934, 570. RGZ 122, 273. RGZ 155, 75; RG JW 1937, 679. BayObLGZ 1966, 322. RGZ 148, 207.

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punkt tritt das OLG München endgültig an die Stelle des BayObLG und setzt dessen Rechtsprechung im Sinne von § 28 Abs 2, § 79 Abs 2 GBO fort.70 Von den ab 1.1.2005 getroffenen Entscheidungen des OLG München kann jedoch das BayObLG nicht abweichen, ohne vorlegen zu müssen. Andererseits kann aber auch das OLG München in der Zeit vom 1.1.2005 bis 30.6.2006 nicht von einer Entscheidung des BayObLG abweichen, aber auch nicht von einer solchen des OLG München aus der Zeit seiner Zuständigkeit als eines der beiden Zentralgerichte oder aus der Zeit davor.71 Gegenüber der Entscheidung eines früheren OLG, dessen Bezirk nicht mehr zum Bundesgebiet gehört, kommt eine Vorlage nicht in Betracht, da insoweit die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht gewahrt werden kann.72 Gegenüber dem OLG Saarbrücken ist auch bei Entscheidungen vor dem 1.1.1957 vorzulegen.73 Hat das OLG seine Ansicht gewechselt, so kommt nur seine letzte Entscheidung in Betracht,74 wobei es nicht darauf ankommt, dass in beiden Fällen derselbe Senat entschieden hat, da jeder Senat das OLG repräsentiert. Eine Vorlagepflicht besteht aber nach wie vor, wenn ein OLG von einer Entscheidung des RG oder von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eins OLG aus der Zeit vor 1950 abweichen will.75 b) Entbehrlichkeit der Vorlage Die Vorlage erübrigt sich, wenn das andere OLG auf Anfrage erklärt hat, dass es an 17 seiner früheren Auffassung nicht mehr festhalte.76 Eine Anfrage des OLG beim BGH verbietet sich allerdings, da sonst über die Rechtsprechung des BGH Unklarheit bestünde. Ist ein OLG unter Außerachtlassung seiner Vorlagepflicht von der Entscheidung eines anderen OLG abgewichen, so ist eine Vorlage stets notwendig, wenn dieselbe Rechtsfrage abermals an ein OLG zur Entscheidung gelangt, sofern nicht dasjenige OLG, mit welchem das entscheidende OLG nicht übereinstimmt, auf Anfrage erklärt, an seiner Auffassung nicht festhalten zu wollen. Eine Vorlage ist aber nicht zulässig, wenn das OLG in Übereinstimmung mit dem BGH (RG), aber abweichend von einer wenn auch später ergangenen Entscheidung eines anderen OLG entscheiden will, ebenso bei Übereinstimmung mit dem OGHBrZ. Bei der Feststellung der (vermeintlichen) Übereinstimmung mit dem BGH soll das OLG aber nicht zu weite Maßstäbe anlegen, weil die Fortbildung des Rechts in erster Linie Aufgabe des BGH ist und eine Weiterentwicklung von dessen Rechtsprechung durch die Oberlandesgerichte Unklarheit schafft, die durch alsbaldige Vorlage besser behoben werden kann. Ferner muss das OLG bei der Entscheidung über die Rechtsfrage noch frei sein. Deshalb ist eine Vorlage unzulässig, wenn das OLG nach Zurückverweisung im wiederholten Rechtszuge wiederum mit derselben Sache befasst wird und die Abweichung von einer Entscheidung des BGH oder eines OLG (KG) nunmehr wegen der Selbstbindung an seine frühere Rechtsauffassung, die der Aufhebung und Zurückverweisung unmittelbar zugrunde lag, unvermeidlich ist,77 es sei 70 71 72 73 74

Vgl RGZ 148, 207. Demharter FGPrax 2005, 55. Krüger NJW 1951, 515; Müller ZZP 66, 257; aA OLG Hamm MDR 1952, 756. BGHZ 29, 244; BGH Rpfleger 1960, 285; aA OLG Hamm NJW 1954, 724. RGZ 148, 179; BGH WPM 1959, 63; BGH FGPrax 2004, 282 mit abl Anm Lorbacher, soweit die letzte Entscheidung ein familienrechtlicher Beschluss ist, für den keine Vorlagepflicht besteht.

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BGHZ 5, 344 = NJW 1952, 744; BGH 8, 23 = NJW 1953, 182; BGHZ 96, 198 = NJW 1988, 59 = MDR 1988, 295. BGHSt 14, 319 = NJW 1960, 1533 = JZ 1960, 644; KG NJW 1967, 224; OLG Frankfurt Rpfleger 1959, 275. RGZ 124, 322 = JW 1929, 2527; BGH NJW 1954, 1445 = LM § 28 FGG Nr 14.

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denn, dass inzwischen eine vom Rechtsbeschwerdegericht zu beachtende Gesetzesänderung eingetreten ist.78 Dasselbe gilt, wenn die Rechtsbindung des Rechtsbeschwerdegerichts darauf beruht, dass eine zurückverweisende Entscheidung des Landgerichts nicht angefochten worden ist und die Sache nach erneuter Entscheidung des Amtsgerichts im weiteren Verfahren an das OLG gelangt. c) Art der zur Vorlage nötigenden OLG-Entscheidung

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Das mit einer weiteren Beschwerde befasste OLG muss bei seiner Entscheidung von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen OLG abweichen wollen. Das abweichende OLG muss auf Grund des § 28 Abs 1 in einer der in § 1 FGG bezeichneten Angelegenheit zur Entscheidung berufen sein. Dagegen erfordert das Gesetz nicht, dass auch die Angelegenheit der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, in welcher die Vorentscheidung des anderen OLG ergangen ist, gemäß § 1 durch Bundes-(Reichs-)Gesetz den Gerichten übertragen ist. Erforderlich ist nur, dass die andere Entscheidung auf eine weitere Beschwerde ergangen ist, worunter nach dem Zusammenhang des Gesetzes nur die weitere Beschwerde des § 27 oder ein ihr gleichgestelltes bundesgesetzliches Rechtsmittel verstanden werden kann.79 Diese Frage war erheblich für Grundbuchsachen, als diese in erster Instanz noch nicht, wie jetzt durch § 1 GBO idF vom 5.8.1935 (RGBl I S 1073), durch Reichsgesetz den Gerichten übertragen waren, und ist vom Reichsgericht 80 zutreffend dahin beantwortet worden, dass eine Vorlagepflicht auch gegenüber auf weitere Beschwerde in Grundbuchsachen ergangenen Vorentscheidungen besteht, da Grundbuchsachen auch nach der früheren Rechtslage jedenfalls im zweiten und dritten Rechtszuge den Gerichten übertragen waren. Hieraus hat der BGH 81 weiter gefolgert, dass eine Vorlagepflicht auch gegenüber Vorentscheidungen bestehe, die in einer landesrechtlichen Angelegenheit der FG ergangen sind. Diese Annahme ist nicht begründet. Bei Grundbuchsachen wird der Zweck der Vorlagepflicht, die Wahrung der Rechtseinheit, durch die dem § 28 Abs 2 entsprechende Vorschrift des § 79 Abs 2 GBO gewährleistet. Die Vorentscheidung muss also auf eine bundes-(reichs-) gesetzlich geregelte weitere 19 Beschwerde ergangen sein. Daran fehlt es, wenn das andere OLG in einem landesrechtlich geregelten Verfahren entschieden hat,82 jedenfalls wenn der Landesgesetzgeber keine Vorlagepflicht begründet hat, wozu er jetzt durch Art 99 GG ermächtigt wäre. Es muss weiter hinzukommen, das auch das andere OLG in dem Verfahren, in dem seine Entscheidung ergangen ist, bei einer Abweichung in derselben Rechtsfrage zur Vorlage verpflichtet wäre, dass also auch das andere Verfahren eine dem § 28 Abs 2 entsprechende Vorlagepflicht begründet. Denn der Zweck der Vorlagepflicht, eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, wird nur erreicht, wenn die Bindungswirkung für das OLG eine gegenseitige ist; ersichtlich ist es wenig sinnvoll, ein OLG wegen der Abweichung von der Entscheidung eines anderen OLG zur Vorlage zu nötigen, wenn dieses andere Gericht weder an die Entscheidung des OLG noch an die auf die Vorlage ergehende Entscheidung des BGH gebunden wäre, sondern seine abweichende Rechtsprechung fortsetzen dürfte. Hieraus ergeben sich nachstehende Folgerungen: 20 aa) Vorlagepflicht besteht, wenn die Entscheidung des anderen OLG ergangen ist aaa) auf weitere Beschwerde nach § 27 FGG; das trifft auch zu, wenn das Beschwerde21 verfahren durch Verweisung auf die entsprechende Anwendung von Vorschriften der 78 79 80

BayObLGZ 1960, 98, 104. KGJ 51, 18. RGZ 133, 102 = JFG 8, 19.

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81 82

BGHZ 17, 108. KGJ 51, 18.

Lothar Briesemeister

Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde

§ 28

FGG (vgl § 156 Abs 4 S 4 KostO) geregelt ist, selbst wenn die Vergleichsentscheidung vor Einführung des Vorlageverfahrens ergangen ist,83 oder wenn in einer Sache der FG die Beschwerde nach Maßgabe der ZPO stattfindet, was aber nur noch in Genossenschaftssachen (vgl § 80 Abs 2 S 2 GenG) 84 der Fall ist; bbb) auf weitere Beschwerde in einer Grundbuchsache, Schiffsregistersache oder in einer Sache des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen (§ 79 Abs 2 BGO, § 87 Abs 2 SchiffsRegVO, §§ 78, 95 LuftfahrzeugRG) ccc) auf eine erste Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Landgerichts als Gericht des ersten Rechtszuges mit Ausnahme von Rückerstattungssachen ddd) auf eine erste Tatsachenbeschwerde jedoch nur, wenn in dem Verfahren eine Vorlagepflicht gesetzlich begründet ist, wie in § 143 Abs 2 FGG und in § 99 Abs 3 AktG, dagegen nicht in allen anderen Fällen erster Tatsachenbeschwerden. bb) Keine Vorlagepflicht besteht, wenn die Entscheidung des anderen OLG ergangen ist aaa) in einem Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit durch Urteil 85 oder auf weitere Beschwerde nach § 567 ZPO 86 oder im Strafverfahren; bbb) in einem landesrechtlich geregelten Verfahren der FG;87 ccc) in einem bundesgesetzlich geregelten Verfahren der FG auf eine erste Tatsachenbeschwerde, soweit nicht in dem Verfahren ausnahmsweise eine Vorlagepflicht gesetzlich begründet ist ddd) in einem Zuständigkeits- oder Abgabestreit nach §§ 5, 46 FGG 88 und anderen einschlägigen Vorschriften eee) auf weitere Beschwerde nach der Kostenordnung (§§ 14 Abs 5, 31 Abs 3 S 5 KostO), weil in § 14 Abs 5 S 4 KostO uneingeschränkt das OLG als Gericht der (zulassungsbedürftigen) weiteren Beschwerde bezeichnet;89 anders im Notarkostenbeschwerdeverfahren, weil § 156 Abs 4 S 4 KostO die (allerdings auch zulassungsbedürftige) weitere Beschwerde uneingeschränkt den Beschwerdevorschriften der §§ 19 ff FGG unterwirft;90 fff) in einem Verfahren, in dem das OLG als Gericht des ersten Rechtszuges entscheidet und eine Vorlagepflicht nicht gesetzlich besonders begründet ist. Für das mit einer weiteren Beschwerde nach § 27 FGG befasste OLG besteht auch keine Vorlagepflicht gegenüber der Entscheidung eines anderen OLG, die im Verfahren zur Anfechtung von Justizverwaltungsakten nach § 23 ff EGGVG ergangen ist; in diesem Verfahren besteht nach § 29 Abs 1 Satz 2 EGGVG eine Vorlagepflicht nur gegenüber Entscheidungen eines anderen OLG oder des BGH, die auf Grund des § 23 EGGVG ergangen sind; das andere OLG brauchte also seinerseits gegenüber einer nach § 28 Abs 1 ergangenen Entscheidung eines OLG oder des BGH nach § 28 Abs 2 FGG nicht vorzulegen, so dass die Rechtseinheit nicht gewahrt würde; außerdem kann die Entscheidung nach § 29 EGGVG einer Rechtsbeschwerdeentscheidung nicht gleichgestellt werden, weil das OLG Tat83 84 85 86 87 88

BGH NJW-RR 2003, 1149; BGH NJW 2005, 3218; BGH NJW 2006, 1138. Vgl § 147 Rn 34. OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1663 = ZEV 2002, 283. KG NJW 1960, 1817. AA BGHZ 17, 108. OLG Köln FGPrax 2003, 82 = FamRZ 2003, 1477.

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90

Für die Zeit vor der ZPO-Reform 2002 bereits BGHZ 7, 128 = NJW 1952, 1216; BayObLGZ 1960, 345; BayObLGZ 1964, 78. Vgl Vorlage des OLG Hamm FGPrax 2005, 231.

Lothar Briesemeister

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§ 28

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

sachengericht ist.91 Mit Recht wird betont,92 dass die Regelung der Vorlagepflichten ein bestimmtes Prinzip nicht erkennen lässt, so dass die Entscheidung des Gesetzgebers darüber, inwieweit die Rechtsprechungseinheit hergestellt werden soll, von den Gerichten hinzunehmen ist; außerdem fehlt es, wie ausgeführt, außer bei ersten Rechtsbeschwerden, an den Voraussetzungen für eine Analogie zu § 28 Abs 2 ggg) wenn das andere OLG als Familiengericht, also als Tatsacheninstanz über die 31 Erstbeschwerde entschieden hat. 4. Inhalt der zur Vorlage nötigenden Entscheidungen

32

Die Abweichung von der Entscheidung eines anderen Gerichts (BGH, RG, OGHBrZ, OLG, KG) kann nur darin bestehen, dass von der der Entscheidung des anderen Gerichts zugrunde liegenden Auslegung einer vorlagefähigen Rechtsnorm abgewichen wird. Die Regelung greift aber nicht ein, wenn die Rechtsansicht des anderen Gerichts über die Auslegung der Norm zwar in der Begründung der Entscheidung ausgesprochen, aber nicht zur Stützung der Entscheidung verwendet worden ist. Abweichung bedeutet vielmehr, dass die Rechtsansicht, von der das OLG abweichen will, die Grundlage jener Entscheidung gebildet hat; das ist dahin zu verstehen, dass die Entscheidung auf der anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen muss,93 wenn auch nicht ausschließlich;94 es genügt, dass die Beurteilung der Rechtsfrage von Einfluss auf das Ergebnis der Entscheidung des anderen Gerichts war.95 Bei zwei nebeneinander stehenden Begründungen ist eine Abweichung von beiden Begründungen vorausgesetzt; das gilt sowohl bei zwei Alternativbegründungen als auch, wenn die beiden Begründungen zueinander im Verhältnis von Haupt- und Hilfserwägung stehen.96 Zur Vorlage nötigt auch die stillschweigende Stellungnahme zu einer Rechtsfrage, die notwendige Grundlage der Entscheidung war.97 Dagegen besteht keine Pflicht zur Vorlage gegenüber gelegentlichen Meinungsäußerungen, die nicht den eigentlichen Entscheidungsgrund bilden;98 darunter sind Rechtsausführungen zu verstehen, die einführend, erläuternd, ergänzend oder sonst bei Gelegenheit der Entscheidung gemacht werden (sog obiter dicta).99 Ebenso beruht eine aufhebende und zurückverweisende Entscheidung nicht auf Hinweisen für die weitere Behandlung der Sache, soweit diese nicht zugleich Bestandteil des Aufhebungsgrunds sind.

VI. Verfahren des vorlegenden Gerichts 1. Vorlagepflicht

33

Die Vorlage steht nicht im Ermessen des Oberlandesgerichts, sondern ist unter den Voraussetzungen des § 28 Abs 2 gesetzlich geboten. Kenntnis von den Entscheidungen anderer Gerichte (RG, OGHBrZ, BGH, OLG, KG), die zur Vorlage verpflichten können, 91

92 93

AA BGHZ 46, 87 = NJW 1966, 1811; dagegen mit Recht Dräger und Jessen NJW 1967, 352 in Anm zu BGH NJW 1966, 1811. Hanack aaO S 214. RGZ 138, 98, 102; BGHZ 21, 234 = NJW 1956, 1516; BGH NJW 1960, 1621; BGH FamRZ 2002, 1327; BGH NJW 2004, 3339 = MDR 2004, 1288 m Anm Riecke; KG NJW 1958, 1827; KG OLGZ 1965, 117; OLGZ 1966, 117 und 321.

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RGZ 76, 171; 127, 77. BGHZ 21, 236. BAG NJW 1965, 1455; BGH LM § 24 LwVG Nr 18; kritisch Hanack aaO S 285 ff. BGH NJW 1958, 70. RGZ 138, 98; BGH FamRZ 1957, 360; KG FamRZ 1957, 185 = StAZ 1957, 191. BAG AP Nr 3 zu § 72 ArbGG; aA Hanack aaO S 247 ff.

Lothar Briesemeister

Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde

§ 28

erlangt das OLG aus den Entscheidungssammlungen der im Klammerzusatz genannten Gerichte, aus den zahlreichen Fachzeitschriften und den sonstigen Rechtsprechungssammlungen (IURIS, LSK usw). Zu weiteren Nachforschungen nach abweichenden Entscheidungen ist das OLG nur verpflichtet, wenn besondere, ihm bekannt gewordene Umstände auf deren Vorhandensein hindeuten, etwa wenn sie in den einschlägigen Kommentaren und Lehrbüchern angeführt sind. Die Vorlagepflicht ist aber nicht auf veröffentlichte Entscheidungen beschränkt; sie besteht auch, wenn die Entscheidung dem OLG sonst amtlich bekannt wird, etwa wenn sie von den Beteiligten vorgelegt wird.100 Die auf Unkenntnis einer entgegenstehenden Entscheidung oder auf irriger Auslegung des § 28 Abs 2 beruhende Nichtbeachtung dieser Vorschrift ist auf die Wirksamkeit der Entscheidung ohne Einfluss; eine Anfechtung der Entscheidung des OLG durch normales Rechtsmittel wegen Unterbleibens einer gebotenen Vorlage findet nicht statt.101 Die unterbliebene Vorlage kann bei offenkundiger Abweichung von einer BGH- oder OLGRechtsprechung eine Verfassungsbeschwerde (§ 90 VerfGG) wegen Entziehung des gesetzlichen Richters nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG in Betracht kommen, zumal wenn die Beteiligten das OLG auf die Abweichung ausdrücklich hingewiesen haben. 2. Anhörung der Beteiligten Überholt ist die Auffassung von Jansen,102 es entspreche nicht der Übung der Gerichte 34 und werde auch durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht erfordert, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Vorlage zu geben, weil der Vorlagebeschluss keine Entscheidung in der Sache ist, sondern nur die Feststellung enthält, dass das OLG gesetzlich gehindert ist, selbst zu entscheiden. Nach freilich teilweise unterschiedlichen Ansätzen verlangen der II. und der V. Zivilsenat des BGH eine Anhörung der Beteiligten durch das OLG vor Erlass des Vorlagebeschlusses. Der II. Zivilsenat des BGH erfordert, dass die Beteiligten sich zu den für die Vorlage ausschlaggebenden Umständen äußern können müssten, dh insbesondere zur Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage und zum Vorhandensein einer Entscheidung, von der nach Meinung des OLG abgewichen werden soll, wobei eine Verletzung dieser Anhörungspflicht die Vorlage unzulässig macht und uneingeschränkt zur Zurückverweisung der Sache führt.103 Ohne eine Entscheidung des Großen Senats in Zivilsachen einzuholen, hat sich der V. Zivilsenat des BGH dem im Grundsatz angeschlossen, aber eine Heilung der Gehörsverletzung angenommen, wenn die Beteiligten von der Möglichkeit, gegenüber dem BGH zu den Voraussetzungen einer Vorlage Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch machen und die Gehörsverletzung damit überholt ist.104 Die im Schrifttum 105 angemahnte Nachholung der Entscheidung des Großen Senats in Zivilsachen wird sich dadurch erledigen, dass die Oberlandesgerichte jedenfalls nunmehr ihrer Anhörungspflicht genügen werden und damit die Rechtsfrage der Konsequenzen einer unterbliebenen Anhörung (Zurückverweisung oder aber Heilungsmöglichkeit) unbeantwortet bleiben kann. Die Beteiligten können ohne Einschaltung der beim BGH zugelassenen Rechtsanwälte vor dem BGH Rechtsausführungen durch ihre bisherigen Rechtsanwälte oder auch selbst ohne Anwaltszwang machen. 100 101 102

103

Unger ZZP 41, 388; Hanack aaO S 134; Schröder NJW 1959, 1517. RGZ 48, 15; BGHZ 2, 16. Vorauflage § 28 Rn 28 entgegen Kuntze in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG div Auflagen, § 28 Rn 30 sowie in KEHE § 79 Rn 21. BGHZ 154, 95 = MDR 2003, 950 LS =

104

105

VergabeR 2003, 426 m Anm Lorbacher zu der mit § 28 FGG identischen Rechtsfrage nach § 124 GWB. BGH NJW 2003, 3550 = FGPrax 2004, 9 LS m Anm Lorbacher = FamRZ 2004, 176 LS. Demharter FGPrax 2003, 108.

Lothar Briesemeister

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§ 28

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

3. Vorlagebeschluss

35

Der Vorlagebeschluss enthält die Formel „Die weitere Beschwerde wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt“ und ist nach § 28 Abs 2 Satz 1 mit einer Begründung zu versehen. In den Gründen ist darzulegen, von welcher Entscheidung das OLG abweichen würde, inwiefern die streitige Rechtsfrage für die Entscheidung erheblich ist und wie das OLG die vorlagefähige Rechtsnorm auslegt; daraus wird sich zugleich ergeben, wie das OLG über die weitere Beschwerde entscheiden würde. Aus dem Vorlagebeschluss muss sich also ergeben, dass das vorlegende Gericht bei Befolgung der Ansicht, von der es abweichen will, zu einer anderen Fallentscheidung gelangen würde.106 Eine Kundgabe und Rechtfertigung der eigenen Auffassung des OLG ist auch geboten, wenn zwei von einander abweichende OLG-Entscheidungen vorliegen, so dass die Vorlage unvermeidlich ist, gleichgültig, ob sich das vorlegende OLG der einen oder anderen Ansicht anschließt. Die Vorlage an den BGH ist auch dann zulässig, wenn das vorlegende OLG, das von der Entscheidung eines anderen OLG abweichen will, bei Erlass des Vorlagebeschlusses übersehen hat, dass über die Rechtsfrage bereits eine seiner eigenen Rechtsauffassung entgegengesetzte Entscheidung des BGH ergangen ist.107 Ist der Vorlagebeschluss nicht ausreichend begründet, muss der BGH als befugt angesehen werden, die Vorlage dem OLG zur Ergänzung der Gründe vorzulegen. Sind die Vorlagevoraussetzungen nach der Beurteilung des vorlegenden OLG nur hinsichtlich eines Teils des Verfahrensgegenstandes gegeben und ist es befugt, hinsichtlich des übrigen Teils eine dem Teilurteil des § 301 ZPO entsprechende Entscheidung zu treffen, so hat es die Vorlage entsprechend zu beschränken,108 weil es nicht Aufgabe des BGH ist, weitere Verfahrensgegenstände mitzuerledigen, die nur im Wege einer Verfahrensverbindung von der weiteren Beschwerde erfasst sind. Die Beschränkung kann in der Weise erfolgen, dass die abtrennbaren Verfahrensgegenstände neben dem Vorlagebeschluss durch einen Teilbeschluss endgültig erledigt werden (wobei die Kostenentscheidung offenzuhalten ist). Bei Zweifelsfällen der Abtrennbarkeit (die zur Unzulässigkeit der Teilentscheidung führen können) sollte aber die Sache insgesamt dem BGH vorgelegt werden, der dann ggf nur die relevanten Rechtsfragen (wiederum unter Offenlassen der Kostenentscheidung) erledigt,109 während das OLG nach Rückkehr der Akten über den Rest zu entscheiden hat. 4. Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses

36

Der Vorlagebeschluss ist nach Abs 2 Satz 2 dem Beschwerdeführer bekanntzumachen, damit er seinerseits dem BGH noch rechtliche Gesichtspunkte vortragen kann. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs muss der Vorlagebeschluss darüber hinaus aber auch den anderen Beteiligten mitgeteilt werden. Eine Änderung des Vorlagebeschlusses durch das OLG ist ausgeschlossen.110

106

107

BGHZ 82, 34 = NJW 1982, 517 = FamRZ 1982, 44; BGH NJW-RR 1986, 802; BGH NJW-RR 1990, 898. BGH NJW 1989, 3160.

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BGH NJW 2000, 3712 = FGPrax 2000, 225; NJW 2003, 3550 = NZM 2003, 946. BGH NJW 2003, 3550 = NZM 2003, 946. BGH NJW 1989, 3160.

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Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde

§ 28

VII. Verfahren des Bundesgerichtshofs 1. Zulässigkeit der Vorlage Der BGH prüft selbstständig, ob die Vorlage zulässig ist, ob also die gesetzlichen Vor- 37 aussetzungen des § 28 Abs 2 vorliegen. An die Auffassung des vorlegenden OLG hierüber ist er nicht gebunden. Die Prüfung erstreckt sich insbesondere darauf, ob die andere Entscheidung eine solche ist, dass sie nach Art und Inhalt eine Vorlagepflicht begründet, ob die auszulegende Rechtsnorm vorlagefähig ist, also nicht etwa dem Landesrecht oder dem ausländischen Recht angehört, und ob das OLG nicht etwa zu Unrecht meint, dass die andere Entscheidung seiner Rechtsauffassung entgegenstehe.111 Dagegen bleibt die Auffassung des vorlegenden OLG darüber maßgeblich, dass die 38 Abweichung in der Rechtsfrage für seine Entscheidung erheblich sei, mag auch der BGH sie für nicht erheblich erachten;112 anders, wenn das vorlegende OLG selbst die Rechtsfrage als für seine Entscheidung nicht erheblich ansieht.113 Ist die Vorlage hiernach unzulässig, so gibt der BGH die Sache durch Beschluss an das vorlegende OLG zum Befinden in eigener Zuständigkeit zurück;114 der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu machen. Außer bei Unzulässigkeit der Vorlage gibt der BGH die Sache an das vorlegende Gericht auch zurück, wenn die Rechtsfrage, die zur Vorlage geführt hat, durch eine nach der Vorlage erlassene gesetzliche Vorschrift entschieden wird,115 vorausgesetzt, dass das neue Gesetz die Rechtsfrage zweifelsfrei entscheidet;116 ferner dann, wenn der BGH nach der Vorlage in einer anderen Sache im Sinne des vorlegenden Gerichts entschieden hat 117 oder die Entscheidung des BGH, von der abgewichen werden soll, sich inzwischen durch eine Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen im Sinne des vorlegenden Gerichts erledigt hat,118 oder wenn das andere OLG auf Anfrage des BGH erklärt, dass es an seiner Auffassung nicht mehr festhalte.119 Dagegen bleibt die Vorlage zulässig, wenn die Rechtsfrage nach der Vorlage an den 39 BGH in einer anderen Sache vom BGH entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts entschieden wird;120 eine Anfrage bei dem vorlegenden OLG, ob es die Vorlage aufrecht erhalte, kommt nicht in Betracht, da dieses zu einer Aufhebung des Vorlagebeschlusses nicht berechtigt ist. Im Falle der Rückgabe wegen Unzulässigkeit der Vorlage ist das OLG zwar daran gebunden, dass ein Vorlagefall nicht gegeben ist, nicht aber an die sonstigen in dem Beschluss des BGH zutage getretenen Rechtsauffassungen;121 in der rechtlichen Beurteilung ist das OLG nunmehr frei. Stellt der BGH fest, dass die Rechtsauffassung des vorlegenden OLG nicht der Entscheidung des aufgeführten anderen OLG (und auch nicht anderer OLGe) widerspricht, ist die Vorlage unzulässig.122

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112 113 114 115

RGZ 155, 211; BGHZ 7, 339; BGH NJW 2004, 3339 = MDR 2004, 1288 m Anm Riecke; BGH NZM 2005, 952. RGZ 108, 356; 169, 147; BGH WPM 1960, 973. BGH NJW 1968, 1477 = LM § 28 FGG Nr 20. BGH NJW 1985, 3070; BGH NJW-RR 1986, 802 = FamRZ 1986, 460. BGHZ 15, 207 = NJW 1955, 304.

116 117 118 119 120 121 122

BGHZ 18, 300 = NJW 1955, 1878. BGHZ 5, 356 = NJW 1952, 744. BGH WPM 1955, 1203. BGH NJW 1961, 704 zum Strafprozess; BGH NJW 1974, 702. BGH NJW 2003, 3554 = FGPrax 2004, 9 L. BayObLGZ 1952, 192. BGH FGPrax 1998, 181 = NJW-RR 1998, 1457.

Lothar Briesemeister

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§ 28

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

2. Entscheidung des Bundesgerichtshofs

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Ist die Vorlage zulässig, so entscheidet der BGH über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts,123 also nicht etwa über den Vorlagebeschluss des OLG, wobei er an die Stelle des vorlegenden OLG tritt, also nicht als ein diesem übergeordnetes Gericht. Der BGH entscheidet nicht nur über die grundsätzliche Rechtsfrage, sondern über die Zulässigkeit 124 und Begründetheit der weiteren Beschwerde im gleichen Umfange und nach denselben Grundsätzen, als es ohne die Vorlage Pflicht des OLG wäre. Dabei kann es sogar dazu kommen, dass der BGH über die streitige Rechtsfrage nicht entscheidet, weil nunmehr er selbst – anders als bei der Prüfung der Zulässigkeit der Vorlage – die Frage für seine Sachentscheidung nicht für erheblich hält, oder weil die weitere Beschwerde durch eine nachträgliche Veränderung der Sachlage unzulässig geworden ist. Tritt eine Erledigung in der Hauptsache ein oder wird die Rechtsbeschwerde zurückgenommen, bleibt die Zuständigkeit des BGH bestehen. Seine Entscheidung beschränkt sich damit auf den Kostenpunkt, wobei eine zumindest summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der weiteren Beschwerde in die Entscheidung über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten einbezogen werden kann. Ist außer der bundesgesetzlichen Vorschrift, deren Auslegung die Vorlage veranlasst hat, auch noch Landesrecht oder ausländisches Recht für die Entscheidung erheblich, so ist der BGH auch zu dessen Auslegung und Anwendung in der Lage und verpflichtet.125 Der BGH ist auch zuständig, einstweilige Anordnungen nach § 24 Abs 3 zu erlassen 126 und über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde sowie ggf über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden.127 Stehen Wiedereinsetzungsfragen zu Debatte, kann die Entscheidung des BGH entspre41 chend § 22 Abs 2 FGG aber auch von diesem auf den Wiedereinsetzungsantrag beschränkt und das anschließende Verfahren dem vorlegenden OLG überlassen werden,128 das dann auch über die Kosten der Wiedereinsetzung zu befinden hat.129 Den Erlass einer vorläufigen Anordnung erachtet der BGH in Landwirtschaftssachen allerdings für unzulässig.130 Wird dem BGH eine Sache lediglich wegen abweichender Entscheidungen über die Zulässigkeit eines Antrags vorgelegt, so kann er seine Entscheidung auf diese Frage beschränken und die Sachentscheidung dem vorlegenden Gericht vorbehalten.131 Dasselbe gilt bei trennbaren Verfahrensgegenständen. Legt etwa das OLG in einer Grundbuchsache dem BGH die weitere Beschwerde vor, hat dieser nur über den Verfahrensgegenstand zu befinden, der Anlass der Vorlage war; soweit die Beschwerde andere Verfahrensgegenstände erfasst, entscheidet das vorlegende OLG anschließend selbst.132 Das OLG sollte bereits im Rahmen der Vorlageentscheidung prüfen, ob die nicht mit der Vorlage zusammenhängenden Verfahrensgegenstände abgetrennt und etwa durch Teilbeschluss bereits entschieden werden, so dass nur der vorlagebedürftige Teil dem BGH überlassen wird. Wegen der Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen, der Vereinigten Großen Senate oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe durch den BGH vgl § 30. 123 124 125 126 127

BGHZ 47, 41, 46; 64, 194, 200; BGH NJW 1985, 3070; BGH 20.6.2002, V ZB 39/01. BGH WPM 1960, 973; BGH NJW 1964, 781. BGH WPM 1964, 246. Keidel/Kahl § 24 Rn 19. BGHZ 47, 41 = NJW 1967, 925; BGHZ 64, 194 = NJW 1975, 1282; NJW 2002, 2171 = NZM 2002, 619.

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BGH NJW 2002, 2171 = NZM 2002, 619. BGH VersR 1979, 443. BGHZ 3, 149; BGHZ 13, 218. BGHZ 112, 127 = NJW 1990, 3081. BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461 = FGPrax 2002, 196 mit krit Anm Demharter = FamRZ 2002, 1399.

Lothar Briesemeister

Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde

§ 28

VIII. Ausschluss der weiteren Beschwerde gegen OLG-Entscheidung Gegen die Entscheidung des OLG (KG) ist eine weitere Beschwerde etwa an den BGH 42 nicht statthaft. Das gilt auch, wenn die OLG-Entscheidung unter Verletzung der Vorlagepflicht ergangen ist, also in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Entscheidung des BGH oder eines anderen OLG abweicht. In eindeutigen Fällen, insbesondere wenn die Beteiligten auf die abweichende Entscheidung hingewiesen haben, wird wegen Verstoßes gegen Art 101 Abs 1 S 2 GG (gesetzlicher Richter) eine Verfassungsbeschwerde (Art 90 BVerfGG) erfolgreich sein,133 die zur Aufhebung der rechtskräftigen OLG-Entscheidung führt. Nach einer im Vordringen befindlichen Rechtsprechung 134 soll mangels einer besonderen Rechtsgrundlage seit dem 1.1.2005 eine Gegenvorstellung (an den iudex a quo der Fachgerichtsbarkeit) unmittelbar auf Art 19 Abs 4 GG gestützt werden können, die weder fristgebunden noch kostenpflichtig ist.

IX. Weitere Beschwerde nach der ZPO Soweit eine Beschwerde nach den Vorschriften der ZPO stattfindet, wie nach § 80 43 GenG, ist dennoch auf die weitere Beschwerde wiederum § 28 anwendbar.135 Werden in Verfahren der FG aber für die Zwangsvollstreckung die (gesamten) Vorschriften der ZPO für anwendbar erklärt (zB in § 44 Abs 3 WEG), richtet sich auch das Rechtsmittelverfahren nach der ZPO. Die weitere Beschwerde ist gemäß § 793 iVm § 574 ZPO nur zulässig, wenn sie vom Erstbeschwerdegericht zugelassen worden ist. Rechtsbeschwerden können wirksam nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.136 Eine an das OLG gerichtete weitere Beschwerde darf, wenn sie mangels Zulassung offensichtlich unstatthaft und nicht durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden ist, nicht in eine Rechtsbeschwerde umgedeutet werden.137

X. Verfassungsbeschwerde Nach § 90 BVerfGG kann ein Beteiligter gegen eine im Verfahren der FG ergangene 44 Entscheidung Verfassungsbeschwerde einlegen.138 Zuständig hierfür ist das Bundesverfassungsgericht. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ist die Behauptung des Beteiligten, er sei durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte (Art 2 ff GG) oder in einem seiner in Art 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt. Eine Gerichtsentscheidung kann den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot verletzen.139 Willkürlich ist ein Richterspruch dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. 133

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BVerfGE 42, 237 = NJW 1976, 2128; Schneider NJW 1977, 1043; Schneider MDR 2000, 1408 mwN; aA Bublitz WPM 1980, 99; positiv entschieden bei Verstoß gegen Vorlagepflicht beim Rechtsentscheid nach § 541 ZPO: BVerfG NJW 1993, 381; NJW 1995, 582; NJW-RR 1999, 519. Vgl BFH NJW 2005, 3374; BFH NJW 2006, 861.

135 136 137 138

139

RGZ 84, 158; OLG Stuttgart JR 1950, 687. BGH NJW 2002, 2181 = MDR 2002, 962. BGH NJW 2002, 1958 = MDR 2002, 962. Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl 1991; Lechner/Zuck BVerfGG, 4. Aufl 1996; Zuck Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. Aufl 2000. BVerfG NJW 2000, 2494.

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§ 28

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes, dem Richter subjektiv vorwerfbares Handeln ist nicht erforderlich. Auch macht die fehlerhafte Anwendung eines Gesetzes allein die Gerichtsentscheidung nicht schon willkürlich. Willkür liegt erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird, zB offensichtlich unhaltbar ist,140 oder wenn die angegriffene Entscheidung keinen Grund nennt, aus dem sich das Übergehen einer Vorschrift ausnahmsweise rechtfertigen ließe.141 Davon kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt.142 Zur Anhörungsrüge vgl § 29a. Die Verfassungsbeschwerde setzt ferner die Erschöpfung des Rechtswegs voraus (§ 90 45 Abs 2 BVerfGG). Der Rechtsweg ist grundsätzlich nicht erschöpft, wenn ein Revisionsgericht die Sache an die Vorinstanz zurückverweist.143 Über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde kann das BVerfG sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst den Rechtsweg beschreiten müsste (§ 90 Abs 2 Satz 2 BVerfGG).144 Frist und Form der Verfassungsbeschwerde regeln §§ 92, 93 BVerfGG, zur Vorprüfung vgl § 93a BVerfGG, zur Bindungswirkung der Entscheidungen § 31 BVerfGG.145 Soweit die Verfassungsbeschwerde – etwa wegen unzureichender Sachaufklärung durch die Fachgerichte – erfolgreich ist, muss die mit der Aufhebung verbundene Zurückverweisung an das LG erfolgen, weil das OLG (selbst wenn es als Rechtsbeschwerdegericht den verfassungsrechtlichen Fehler wiederholt hat) an der Sachverhaltsermittlung aus Rechtsgründen gehindert ist.146

XI. Normenkontrollverfahren 46

Hält ein OLG ein nachkonstitutionelles Gesetz, auf dessen Gültigkeit es für die Entscheidung ankommt, in Abweichung von einer Entscheidung des OLG (KG) oder des BGH oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe für verfassungswidrig, so hat es das BVerfG unmittelbar selbst anzurufen und nicht wegen der Abweichung die Sache nach § 28 Abs 2 dem BGH vorzulegen.147

XII. Rückerstattungssachen 47

Durch das Gesetz zur Überleitung der Zuständigkeit der Obersten Rückerstattungsgerichte auf den BGH vom 17.12.1990 (BGBl I, 2862) sind mit Ablauf des 2.10.1990 alle bei den Obersten Rückerstattungsgerichten in München und Berlin anhängigen Verfahren auf den BGH übergeleitet worden. Sie werden dort vom IX. Zivilsenat zu Ende geführt.148

140 141 142 143 144

BVerfG NJW 2005, 3410. BVerfG NJW 2005, 409 = FamRZ 2005, 509. BVerfGE 87, 273 = NJW 1993, 996; BVerfGE 89, 1 = NJW 1993, 2035. BVerfG NJW 2000, 3198. Vgl BVerfG NJW 1959, 29.

906

145 146 147 148

BayObLGZ 1977, 333. BVerfG NJW-RR 2005, 454 = NZM 2005, 182 = ZMR 2005, 634 m Anm Schmid. BVerfE 6, 222 = NJW 1967, 625; BVerfG NJW 1968, 243. NJW 1991, 1875.

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Beschwerdeinstanz für die weitere Beschwerde

§ 28

XIII. Weitere Beschwerde in Familienrechtssachen In Familiensachen der FG mit Ausnahme solcher nach § 23b Abs 1 S 2 Nr 11 GVG 48 gilt § 28 nicht. Die Zuständigkeit des BGH zur Entscheidung über die weitere Beschwerde ergibt sich direkt aus §§ 621 Abs 2, 629a Abs 2 S 1 ZPO; 133 Nr 2 GVG.149 In Familiensachen nach § 23b Abs 1 S 2 Nr 11 GVG gilt gemäß § 8 Abs 2 S 2 SorgeRÜbkAG für das Beschwerdegericht § 28 Abs 2 und 3 entsprechend. Verletzt das VormG die familiengerichtliche Zuständigkeit nach § 1693 BGB, so richtet sich das Rechtsmittelverfahren und die Rechtsmittelzuständigkeit nicht nach § 621e ZPO, §§ 119 Abs 1 Nr 2, 133 Nr 2 GVG, § 64 Abs 3 S 1 FGG, sondern nach §§ 19, 28 FGG.150 Weitere Einzelheiten bei § 64.

XIV. Landesrecht Abs 2 und 3 konnten früher durch Landesgesetz nicht auf landesrechtliche Angele- 49 genheiten ausgedehnt werden, weil das Landesrecht nicht befugt war, dem Reichsgericht Geschäfte zu übertragen.151 Nunmehr ermächtigt Art 99 GG die Länder, die Zuständigkeit der obersten Bundesgerichte in landesrechtlichen Sachen zu begründen. Das bedeutet, dass ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, diese verpflichten kann, bei Meinungsverschiedenheiten untereinander über die Auslegung von Landesrecht den BGH anzurufen. Hiervon hat Niedersachsen Gebrauch gemacht, indem es in Art 7 Nds FGG die entsprechende Anwendung auch des § 28 Abs 2 und 3 auf landesrechtliche Angelegenheiten der FG angeordnet hat.152 Außerdem kann der Landesgesetzgeber bestimmen, dass das OLG in einem landesrechtlich geregelten Verfahren zur Vorlage an den BGH verpflichtet ist, wenn es von der Entscheidung eines OLG eines anderen Landes oder des BGH abweichen will.153

XV. Reformvorhaben Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen 50 und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) regelt in §§ 73 ff das zulassungsbedürftige Rechtsbeschwerdeverfahren, das zum BGH führt. Die bisher in § 28 bestimmte Zuständigkeit der Oberlandesgerichte und das Vorlageverfahren an den BGH werden damit abgeschafft.

149 150

151

Vgl § 27 Rn 131. BayObLG NJWE-FER 2000, 177 = BayObLGR 2000, 35; vgl Regler in Anm zu BayObLG Rpfleger 2000, 268. Vgl RGZ 102, 368.

152 153

Vgl BGH NJW 1970, 1972. KG WM 1962, 122; BGHZ 38, 36 = LM AltbG Nr 2 m Anm Rietschel = JZ 1963, 359 m Anm Beitzke.

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§ 29

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§ 29 Einlegung der weiteren Beschwerde (1) Die weitere Beschwerde kann bei dem Gericht erster Instanz, bei dem Landgericht oder bei dem Oberlandesgericht eingelegt werden. Erfolgt die Einlegung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, so muß diese von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Der Zuziehung eines Rechtsanwalts bedarf es nicht, wenn die Beschwerde von einer Behörde oder von einem Notar eingelegt wird, der in der Angelegenheit für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt hat. (2) Soweit eine Verfügung der sofortigen Beschwerde unterliegt, findet auch gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die sofortige weitere Beschwerde statt. (3) Das Gericht erster Instanz und das Landgericht sind nicht befugt, der weiteren Beschwerde abzuhelfen. (4) Im übrigen finden die Vorschriften über die Beschwerde entsprechende Anwendung. Unverändert seit 1898. Literatur Haueisen Zum rechtlichen Interesse der BfA an der Todeserklärung eines Versicherten und zur Frage der Behördeneigenschaft der BfA, NJW 1964, 867; Kunz Zur verfahrensrechtlichen Stellung des Minderjährigen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZblJugR 1980, 630; Maier, Kurt Beschwerdeberechtigung des Rentenversicherungsträgers im Versorgungsausgleichsverfahren – kein Anwaltszwang, DAngVers 1979, 41; Oehlers Anwaltszwang und Beschwerdeberchtigung des Rentenversicherungsträgers im Versorgungsausgleichsverfahren, FamRZ 1979, 114; Pentz Die Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle, MDR 1962, 532; Plagemann Beschwerdeberechtigung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Versorgungsausgleichsverfahren – Anwaltszwang der Rentenversicherungsträger, SGb 1981, 81; Schmid, Werner Die Revisionsbegründung zu Protokoll des UdG, Rpfleger 1962, 301 ff; Unger Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZZP Bd 42 (1912), 104 ff; Zimmermann Das Behördenprivileg der weiteren Beschwerde in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1960, 141 ff.

Übersicht Rdn I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . II. Empfangsstellen . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichende Regelungen . . . . . . a) Sondergesetze . . . . . . . . . . b) Freiheitsentziehungsverfahren . . III. Einreichung einer Beschwerdeschrift . 1. Beschwerdeschrift eines Rechtsanwalts . . . . . . . . . . . a) Rechtsanwalt . . . . . . . . . . b) Unterzeichnung . . . . . . . . . c) Sondervorschriften . . . . . . . . d) Einlegung durch moderne Medien 2. Beschwerdeschrift von Behörden . . a) Postulationsfähigkeit . . . . . . . b) Behördeneigenschaft . . . . . . . c) Ausübung des Beschwerderechts, Form . . . . . . . . . . . . . . .

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Rdn 3. Beschwerdeschrift von Notaren . . a) Postulationsfähigkeit . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . c) Form . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis der Postulationsfähigkeit zur Vertretungsbefugnis . . . . . . IV. Erklärungen zum Protokoll der Geschäftsstelle . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . a) Zuständige Geschäftsstelle . . b) Funktionelle Zuständigkeit . . 2. Niederschrift . . . . . . . . . . a) Gestaltung der Beschwerdeerklärung . . . . . . . . . . . b) Form der Niederschrift . . . . c) Inhalt der Beschwerdeerklärung V. Umfang des Formerfordernisses . . VI. Sofortige weitere Beschwerde . . . .

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§ 29

Einlegung der weiteren Beschwerde Rdn VII. Anwendung der Vorschriften über die Erstbeschwerde . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . 2. Abweichungen . . . . . . . . . . a) Landwirtschaftssachen . . . . b) Verschollenheitssachen . . . . c) Erstbeschwerde als Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . .

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Rdn VIII. Abhilfeverbot (Abs 3) . . . . . . . IX. Änderungsbefugnis des Gerichts der weiteren Beschwerde . . . . . . . . X. Familiensachen . . . . . . . . . . . XI. Reformvorhaben . . . . . . . . . .

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41

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I. Bedeutung Die Vorschrift bestimmt in Abs 1 die für die Entgegennahme der weiteren Beschwerde 1 zuständigen Empfangsstellen und regelt die Form der weiteren Beschwerde. Das Gesetz stellt, ebenso wie bei der ersten Beschwerde (§ 29 Abs 4 mit § 21 Abs 2), zwei Formen der Beschwerdeeinlegung zur Verfügung: Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle (Rechtsantragsstelle) eines der Instanzgerichte, auch des OLG (KG), oder Einreichung einer Beschwerdeschrift, erschwert aber bei der zweiten Form die Beschwerdeeinlegung dadurch, dass für die Beschwerdeschrift die Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt gefordert wird, um „unzulässige, leichtfertige und gänzlich unbegründete Beschwerden“ von den oberen Gerichten fernzuhalten (Begr z Entw 1881 S 134). Außerdem werden in Abs 2 bis 4 einige Vorschriften über das Verfahren der weiteren Beschwerde gegeben.

II. Empfangsstellen 1. Grundsatz Die weitere Beschwerde kann nach Wahl des Beschwerdeführers bei einem der drei 2 konkreten Instanzgerichte eingelegt werden, also bei dem Gericht oder der nichtgerichtlichen Behörde (§ 194) des ersten Rechtszuges, welche die angefochtene Verfügung erlassen haben, bei dem Landgericht, welches über die erste Beschwerde entschieden hat, und bei dem Oberlandesgericht, welches diesem Landgericht im Instanzenzuge vorgeordnet ist. Hat jedoch der Landesgesetzgeber von dem Vorbehalt des § 199 Abs 1 Gebrauch gemacht, so tritt an die Stelle des vorgeordneten OLG das vom Landesgesetzgeber bestimmte zentrale Obergericht, in Bayern also das OLG München, in Rheinland-Pfalz das OLG Zweibrücken; das im Instanzenzuge sonst vorgeordnete OLG ist zur Entgegennahme der Beschwerde nicht zuständig.1 Nur die Einlegung bei einem dieser Gerichte ist zur Fristwahrung geeignet. Wird die weitere Beschwerde bei einem unzuständigen Gericht eingelegt und leitet dieses sie, wie es regelmäßig dem mutmaßlichen Willen des Beschwerdeführers entsprechen wird, an das zuständige Gericht weiter, so wird die Beschwerdeeinlegung erst mit dem Eingang bei diesem Gericht wirksam.2 Wird die weitere Beschwerde bei einer der Vorinstanzen eingelegt, so haben diese sie unter Beifügung der Akten ohne weitere Erhebungen dem Gericht der weiteren Beschwerde vorzulegen. Zu einer Abhilfe sind sie nach Abs 3 nicht befugt. Wird die weitere Beschwerde sogleich

1

BayObLGZ 1952, 170; 1953, 336; 1966, 428; OLG Zweibrücken NJW 2005, 1439 = FGPrax 2005, 118; OLG Zweibrücken NJW 2005, 3358.

2

BayObLGZ 1952, 170; OLG Zweibrücken NJW 2005, 3358; OLG München MDR 2005, 620 = ZMR 2005, 474 = NZM 2005, 668.

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§ 29

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

bei der dritten Instanz eingelegt, hat diese unverzüglich die Akten von den Vorinstanzen anzufordern (vgl § 541 ZPO für die Berufung). 2. Abweichende Regelungen a) Sondergesetze

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Die Rechtsbeschwerde in Landwirtschaftssachen kann nur beim BGH eingelegt werden (§ 26 Abs 1 LwVG). Der BGH ist aber nicht schon dann für die Einlegung der weiteren Beschwerde zuständig, wenn die Notwendigkeit einer Vorlage geltend gemacht wird, da hierüber das OLG ausschließlich entscheidet. b) Freiheitsentziehungsverfahren

4

Im Freiheitsentziehungsverfahren kann die weitere Beschwerde nach § 7 Abs 4 FEVG sowohl durch Erklärung zum Protokoll der Geschäftstelle als auch durch Einreichung einer Beschwerdeschrift in der Form des § 29 Abs 1 S 2 auch bei dem Amtsgericht eingelegt werden, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, in deren Verwahrung sich der Betroffene bereits befindet, sofern die Verwahrung auf einer Maßnahme in dem anhängigen Verfahren beruht, nicht etwa auf Straf- oder Untersuchungshaft.3 Da diese Vorschrift auf dem Gedanken beruht, dass der Gebrauch eines Rechtsmittels gegen eine Freiheitsentziehung nicht gerade durch die Freiheitsentziehung erschwert werden soll, ist sie auch in landesrechtlichen Verwahrungs- und Unterbringungssachen anzuwenden.4 Mit den §§ 69g Abs 3 und 70m Abs 3 FGG hat der Gesetzgeber diese Ausnahme bestätigt. In anderen Angelegenheiten dagegen kann die weitere Beschwerde auch von einem in Haft befindlichen Beschwerdeführer bei dem Amtsgerichts des Haftortes nicht wirksam eingelegt werden, wenn dieses nicht nach § 29 Abs 1 S 1 zuständig ist.5 In Anbetracht der gewandelten Rechtsauffassung hat das BayObLG6 wegen Abweichung vom BGH7 einen Vorlageschluss gefasst, wonach generell ein in Haft befindlicher Beteiligter auch zu Protokoll des Amtsgerichts des Haftorts weitere Beschwerde einlegen kann. Der BGH ist jedoch dem BayObLG nicht gefolgt: In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann die weitere Beschwerde auch von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, nur bei dem Gericht erster Instanz, dem Beschwerdegericht und dem Gericht der weiteren Beschwerde eingelegt wirksam eingelegt werden, es sei denn, die weitere Beschwerde ist gerade gegen die eigene Freiheitsentziehung gerichtet.8 Der BGH verweist darauf, dass der Gesetzgeber sich verschiedentlich mit vergleichbaren Fallgestaltungen beschäftigt, jedoch eine Änderung des § 29 Abs 1 FGG nicht vorgenommen haben. Allein verfassungsrechtliche Erwägungen mit der Erschwerung des Zugangs zu den Instanzen vermögen eine Durchbrechung des § 29 Abs 1 nicht zu tragen.

3 4

5

OLG München OLGZ 1965, 220. BayObLGZ 1957, 233; 1964, 330; OLG Schleswig SchlHA 1956, 357; OLG Frankfurt NJW 1953, 148; OLG Hamm FamRZ 1961, 130; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1961, 212. BGH NJW 1965, 1182 = FamRZ 1965, 319; BayObLGZ 1965, 2.

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6 7 8

FGPrax 2001, 91. BGH NJW 1965, 1182 = FamRZ 1965, 319; vgl auch BayObLGZ 1965, 2. BGH FGPrax 2002, 20.

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Einlegung der weiteren Beschwerde

§ 29

III. Einreichung einer Beschwerdeschrift Die Fähigkeit, weitere Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift einzule- 5 gen, haben nur Rechtsanwälte, Behörden und Notare; Beschwerdeführer, die diese Eigenschaft nicht haben, können das Rechtsmittel nur durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zum Protokoll der Geschäftsstelle (Rechtsantragsstelle) einlegen. Die genannte Fähigkeit stellt sich als Postulationsfähigkeit dar,9 da es sich um die Befähigung handelt, Verfahrenshandlungen prozessual wirksam in das Verfahren einzuführen. Die Beschwerdeerklärung eines Postulationsunfähigen ist unwirksam und hindert nicht den Ablauf der Rechtsmittelfrist. Das Rechtsmittel muss in diesem Fall als unzulässig verworfen werden. Der Mangel kann nicht rückwirkend durch Genehmigung geheilt werden.10 Die Handlung kann nur von einem Postulationsfähigen erneut vorgenommen werden.11 1. Beschwerdeschrift eines Rechtsanwalts a) Rechtsanwalt Der Rechtsanwalt muss bei einem deutschen Gericht zugelassen sein. Dabei muss es 6 sich nicht gerade um eines der drei Instanzgerichte handeln. Dem Rechtsanwalt steht gleich sein bestellter Vertreter gemäß § 53 BRAO. Durch ein Berufs- oder Vertretungsverbot wird die Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Rechtsanwalts nicht berührt; der Rechtsanwalt kann nur, wenn er in Person vor Gericht auftritt, zurückgewiesen werden (§§ 155, 156 BRAO). Der Rechtsanwalt ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass er in eigener Sache, als Beteiligter kraft Amtes oder als gesetzlicher Vertreter eines Beteiligten handelt.12 b) Unterzeichnung Der Rechtsanwalt muss die Beschwerdeschrift eigenhändig unterzeichnen.13 Faksimi- 7 lestempel genügt nicht. Durch den Nachweis, dass die Schrift von dem Rechtsanwalt verfasst und gebilligt worden ist, kann die Unterzeichnung nicht ersetzt werden. Unterzeichnung bedeutet weniger als „Unterschrift“ (vgl auch die Fassung von § 345 Abs 2 StPO gegen § 130 Nr 6 ZPO). Leserlichkeit ist nicht erforderlich. Es genügt ein individueller Schriftzug, aus dessen Schriftbild ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen gerade noch herauslesen kann. Eine bloße Paraphe genügt jedenfalls nicht. Die Verwendung einer Blankounterschrift ist nicht zu beanstanden, wenn sie weisungsgemäß verwertet worden ist. An die Stelle der unterschriftslosen Urschrift kann eine eigenhändig beglaubigte Abschrift treten oder ein ordnungsgemäß unterzeichnetes Anschreiben, welches die beigefügte Schrift zweifelsfrei deckt, dagegen nicht die Unterschrift auf beigefügten Anlagen oder Schriftsätzen anderen Inhalts von selbstständiger Bedeutung. Unschädlich ist es, wenn sich neben der Unterschrift des Rechtsanwalts noch weitere 8 Unterschriften befinden, zB des Beschwerdeführers, oder wenn der Rechtsanwalt als einer von mehreren gesamtvertretungsberechtigten gesetzlichen Vertretern unterzeichnet oder

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10

Jansen Zur Postulationsfähigkeit der Notare im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, DNotZ 1964, 707. BGH NJW 1990, 3086.

11 12 13

BVerfGE 8, 94. BayObLGZ 1951, 546. BGH WPM 1956, 1387.

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§ 29

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

wenn die Beschwerdeschrift die Eigenschaft ihre Unterzeichners als Rechtsanwalt nicht erkennen lässt. Die fehlende Unterzeichnung kann nur mit Wirkung für die Zukunft nachgeholt werden. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist kann die Nachholung nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels bewirken. Die sofortige weitere Beschwerde ist also zu verwerfen, wenn der zwar den Briefkopf eines Rechtsanwalts tragende und am Ende die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ aufweisende Schriftsatz nicht unterzeichnet ist und die fehlende Unterschrift wegen Ablaufs der Beschwerdefrist auch nicht mehr nachgeholt werden kann.14 Das Gesetz verlangt nicht, dass der Rechtsanwalt die von ihm unterzeichnete Schrift auch selbst verfasst hat.15 Es genügt, wenn er durch seine Unterschrift zu erkennen gibt, dass er die Eingabe inhaltlich geprüft hat und die Verantwortung dafür übernimmt. Wenn es hieran aber ersichtlich fehlt, der Rechtsanwalt etwa die Verantwortung für den Inhalt durch einen Zusatz abgelehnt oder eingeschränkt oder seine Unterschrift unter wirre Ausführungen eines Geistesschwachen gesetzt hat, wird die Form nicht gewahrt. Wird der Schriftsatz der weiteren Beschwerde vom Beschwerdeführer persönlich verfasst und von einem Rechtsanwalt nur unterhalb seiner handschriftlichen Notiz „Kenntnis genommen“ unterschrieben, liegt keine formgerechte Unterzeichnung vor.16 Eine der Beschwerdeschrift des Rechtsanwalts beigefügte Privatschrift macht das Rechtsmittel nicht unzulässig, ist aber unbeachtlich, es sei denn, dass der Rechtsanwalt die darin enthaltenen Ausführungen sich nach Prüfung zu eigen gemacht hat und die privatschriftliche Anlage als Bestandteil seiner Beschwerdeschrift aufzufassen ist, so dass die Unterschrift des Rechtsanwalts unter der Beschwerdeschrift auch den Inhalt der Anlage deckt. c) Sondervorschriften

9

Weitergehende Formvorschriften im Sinne eines Anwaltszwangs für die Einlegung der Rechtsbeschwerde bestehen in Landwirtschaftssachen (§ 29 LwVG). In den Fällen, in denen die Erstbeschwerde bereits eine Rechtsbeschwerde darstellt, wird die Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle ausgeschlossen, aber die Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift für ausreichend erachtet (§ 99 Abs 3, 132 Abs 3 AktG). d) Einlegung durch moderne Medien

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Bei telegrafischer Einlegung gelten die Ausführungen zu § 21 auch für die weitere Beschwerde.17 Der Rechtsanwalt kann die weitere Beschwerde auch per Telefax einlegen. Nicht notwendig, aber zu empfehlen ist die zusätzliche Einsendung des Originals auf dem normalen Postwege. Die Einreichung per Telefax dient dann vor allem zur Fristwahrung. Die erforderlichen beglaubigten und einfachen Abschriften sollten nur dem Originalschriftsatz beigefügt werden, um eine doppelte Übersendung an die Gegenseite zu vermeiden. Noch in der Entwicklung ist die Einlegung per e-mail. 11 Rechtsgrundlagen für den elektronischen Rechtsverkehr sind das Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen vom 16.11.2000 (BGBl I S 876), das Zustellungsreformgesetz vom 25.6.2001 (BGBl I S 1206) und das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.7. 2001 (BGBl I S 1542). Die Neufassung des § 130a ZPO, deren Anwendbarkeit auf andere 14 15

BayObLG AnwBl 1999, 410. OLG Köln NJW-RR 1999, 156 = FamRZ 1998, 1450.

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16 17

BayObLG NJW 2004, 524 = MDR 2004, 229. BGH NJW 1953, 25 = JZ 1953, 179.

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Einlegung der weiteren Beschwerde

§ 29

Verfahrensordnungen schon ausgesprochen bzw zu erwarten ist, überlässt es allerdings den jeweiligen Justizverwaltungen, die eigentlichen Voraussetzungen für den elektronischen Rechtsverkehr zu schaffen. In einer Rechtsverordnung sind Beginn und Form für die Bearbeitung der Dokumente zu regeln, insbesondere die qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz. Der elektronische Schriftsatz wird dann an die Gegenanwälte, die am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen, ebenfalls elektronisch per e-mail zugestellt. Für die übrigen Empfänger, die noch nicht die Möglichkeit nutzen, druckt das Gericht die Schriftsätze aus und übersendet sie in Papierform bzw stellt sie zu. Bisher ergangen sind VOen für den Bund (vom 26.11.2001, BGBl I S 3225) und für Hamburg (vom 9.4.2002, GVBl S 41). Der Verzicht auf die Notwendigkeit der Signatur ist für das FGG-Verfahren leichter zu begründen, weil hier auch die eigenhändige Unterschrift nach § 130 Nr 6 ZPO18 nicht als Muss-Vorschrift angesehen wird, wenn nur der Wille des Entäußerns der Erklärung festzustellen ist. 2. Beschwerdeschrift von Behörden a) Postulationsfähigkeit Behörden ist die Postulationsfähigkeit ersichtlich deswegen eingeräumt worden, weil 12 von ihnen bei Ausübung ihrer Amtspflicht erwartet werden kann, dass sie die Einlegung von Rechtsmitteln, die sich nicht sachgemäß begründen lassen, vermeiden. 19 Eine Behörde kann die weitere Beschwerde selbstständig einlegen, wenn sie in Wahrnehmung des ihr anvertrauten öffentlichen Interesses handelt oder wenn sie als gesetzlicher Vertreter eines am Verfahren beteiligten öffentlichrechtlichen Rechtsträgers auftritt, sei es auch in dessen privatrechtlichen Angelegenheiten, oder wenn sie zwar nicht gesetzlicher Vertreter, aber durch Gesetz, VO oder Verwaltungsanordnung zur Vertretung des Bundes, eines Landes oder einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts bestellt ist. Die Aufsichtsbehörde hat nicht schon auf Grund des Aufsichts- und Weisungsrechts die Befugnis, das Rechtsmittel für die untere Behörde einzulegen. Sie kann diese nur anweisen, das Rechtsmittel einzulegen.20 Es wird aber für zulässig zu erachten sein, dass die Aufsichtsbehörde das Rechtsmittel für die untere Behörde mit deren Vollmacht einlegt21 oder dass eine Behörde eine andere zu demselben Ressort gehörende Behörde zur Einlegung der Beschwerde bevollmächtigt. Das Jugendamt kann als gesetzlicher oder als bestellter Amtsvormund namens des Kindes weitere Beschwerde einlegen.22 Dagegen ist es nicht statthaft, dass eine Behörde als gewillkürter Vertreter einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts das Rechtsmittel in der Form des § 29 Abs 1 S 3 einlegt.23 b) Behördeneigenschaft Behörde ist ein in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügtes Organ der 13 Staatsgewalt, das dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein. Das Organ kann unmittelbar vom Staate oder von einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zu-

18 19 20 21 22

Vgl Zöller/Greger, ZPO 24. Aufl, § 130 Rn 31; § 130a Rn 4. BGHZ 48, 88 = NJW 1967, 2059; Zimmermann Rpfleger 1960, 141. VGH Kassel NJW 1960, 1317. BayObLGZ 1956, 339. BGH FamRZ 1957, 360; BayObLGZ 1959,

23

33; KG FamRZ 1957, 185; KG OLGZ 1966, 244 = FamRZ 1966, 375; OLG Düsseldorf OLGZ 1965, 355 = FamRZ 1965, 289. BGHZ 27, 146 = LM § 29 FGG Nr 5 m Anm Ascher; OLG Hamburg MDR 1953, 689; KG FamRZ 1964, 325.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

nächst für deren eigene Zwecke bestellt sein, sofern die Angelegenheit zugleich in den Bereich der bezeichneten Zwecke fallen. Unwesentlich ist es, ob die der Behörde übertragenen Befugnisse Ausübung öffentlicher Gewalt sind oder nicht.24 Die Behördeneigenschaft kann ausdrücklich durch Gesetz verliehen sein, wie bestimmten Stellen der Deutschen Bundesbank sowie den Vorständen der Landeszentralbanken; den Sparkassenvorständen.25 Der Vorstand öffentlichrechtlicher Körperschaften wird regelmäßig Behördeneigenschaft haben.26 Als Behörden sind anzuerkennen der Vorstand eines zum kommunalen Bankbetrieb 14 gegründeten Zweckverbandes der Deutschen Girozentrale – Deutschen Kommunalbank,27 der Landesbank für Westfahlen, Girozentrale,28 Sparkasssenvorstände,29 Gemeindevorstände,30 der evangelische Gemeindekirchenrat,31 katholische Kirchengemeinden,32 ev. und kath. Pfarrämter,33 die Verwaltung einer ortskirchlichen Stiftung,34 der Vorstand einer öffentlichrechtlichen oder von einer öffentlichen Behörde verwalteten Stiftung,35 der Präfekt einer kath. Bruderschaft,36 der beamtete Arzt,37 der Vorstand einer Synagogengemeinde,38 Vorstände der Knappschaften,39 Vorstände berufsständischer Einrichtungen, wie Industrie- und Handelskammern40 oder Handwerkskammern. Behördeneigenschaft besitzen die Staatskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor,41 Registergericht42 und Staatsanwaltschaft. Umstritten, aber zu bejahen ist die Behördeneigenschaft der Sozialversicherungsträger wie der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte,43 der Allgemeinen Ortskrankenkasse,44 der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.45 Für die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in Verfahren über den Versorgungsausgleich bejaht der BGH zutreffend die Behördeneigenschaft und stellt sie von dem Anwaltszwang des § 621e Abs 4 ZPO frei.46 Keine Behördeneigenschaft haben juristische Personen des Privatrechts, zBeine Heimstätten-GmbH,47 selbst wenn ihnen öffentliche Aufgaben übertragen sind.48 Ausländische Behörden, wie der Generalkonsul eines ausländischen Staates, können die Befugnisse des § 29 Abs 1 S 2 nicht in Anspruch nehmen.49 c) Ausübung des behördlichen Beschwerderechts, Form

15

Zur Einlegung der weiteren Beschwerde namens der Behörde ist nicht nur deren Leiter oder Stellvertreter im Amt, sondern auch der zuständige Sachbearbeiter befugt.50 Das Jugendamt als Amtsvormund kann die weitere Beschwerde namens des Mündels durch 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

BGHZ 3, 110; BGHZ 25, 186; BayObLGZ 1954, 325. BayObLG NJW-RR 2001, 29; FamRZ 2000, 1605 LS. BayObLGZ 1954, 329. KG JFG 6, 244. OLG Hamm JMBlNRW 1963, 116. KGJ 42, 1; BayObLG NJW-RR 2001, 29. KGJ 42, 36, 47; BayObLG OLGR 37, 242. RGZ 59, 329. OLG Braunschweig FamRZ 1962, 193. BayObLG JW 1925, 2141. BayObLGZ 1956, 341. KGJ 35 A 217. BayObLGZ 1954, 322. BayObLG JFG 12, 151. KG JFG 5, 147.

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39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

OLG Hamm JMBlNRW 1954, 106. OLG Karlsruhe Rpfleger 1963, 204. OLG Düsseldorf JMBlNRW 1958, 160; OLG Hamm JMBlNRW 1959, 94. BayObLG NJW-RR 1990, 1510. Ablehnend BGHZ 40, 225 = NJW 1964, 299 m Anm Haueisen NJW 1964, 867. Ablehnend BGHZ 25, 186 = NJW 1957, 1673. OLG Bremen FamRZ 1984, 497. BGH NJW 1979, 108 = FamRZ 1978, 889; BGH NJW 1980, 1958 = FamRZ 1980, 990. KG JFG 14, 220. BGHZ 3, 110. OLG München JFG 20, 133. BGH NJW 1954, 108 = JZ 1954, 55; BGH FamRZ 1957, 360; BayObLGZ 1959, 301.

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Einlegung der weiteren Beschwerde

§ 29

den mit der Wahrnehmung der vormundschaftlichen Obliegenheiten betrauten Beamten einlegen.51 Ebenso wie die Unterzeichnung der Beschwerdeschrift kein Wirksamkeitserfordernis für die Einlegung der ersten Beschwerde ist, auch wenn sie von einer Behörde eingelegt wird,52 muss die Beschwerdeschrift der Behörde auch bei Einlegung der weiteren Beschwerde, anders als bei Einlegung durch Anwaltsschriftsatz, nicht notwendig unterzeichnet sein,53 sofern die Beschwerdeschrift mit dem Willen mindestens des Sachbearbeiters an das Gericht gelangt ist. Deswegen reicht es in jedem Fall aus, wenn eine von der Kanzlei der Behörde beglaubigte Abschrift der mit der Unterschrift des Sachbearbeiters versehenen Beschwerdeschrift eingereicht wird.54 Bedient sich die Behörde eines rechtsgeschäftlichen Vertreters, der keine Behörde ist, so kommt ihr das Vorrecht des Abs 1 S 3 nicht zugute.55 3. Beschwerdeschrift von Notaren a) Postulationsfähigkeit Die Postulationsfähigkeit zur Einlegung der weiteren Beschwerde ist den Notaren 16 neben den Rechtsanwälten mit Rücksicht auf die Notare eingeräumt worden, die nicht zugleich Rechtsanwälte sind.56 Die Vorschrift gilt für alle bundesrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und steht nur unter dem allgemeinen Vorbehalt des § 1 „soweit nichts anderes bestimmt ist.“ Gesetzliche Ausnahmen dieser Art enthalten diejenigen Vorschriften, welche die Fähigkeit zur Einlegung von Rechtsmitteln (es handelt sich überwiegend um Beschwerden in echten Streitsachen) unter Ausschluss des Notars allein dem Rechtsanwalt vorbehalten (zB§ 29 LwVG, § 99 Abs 3 S 4 AktG). Dagegen wird die verfahrensrechtliche Befähigung des Notars zur Einlegung von Rechtsmitteln nicht begrenzt durch Vorschriften des notariellen Berufsrechts, insbesondere die §§ 14, 24 Abs 1 BNotO. Ebenso wie bei einem Rechtsanwalt hängt die Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen des Notars nicht davon ab, ob der Notar bei der Ausübung seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse seine Standespflichten beachtet hat.57 Noch weniger können Verfahrenshandlungen eines Notars wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nach § 134 BGB nichtig sein, da dieses Gesetz auf die Berufstätigkeit der Notare keine Anwendung findet. Im Übrigen ziehen Verstöße gegen das Rechtsberatungsgesetz nicht die Unwirksamkeit der Verfahrenshandlung nach sich.58 b) Voraussetzungen Der Notar muss in der Angelegenheit, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, 17 für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt haben. Der Notar ist mithin dem Rechtsanwalt in der Fähigkeit zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht vollständig gleichgestellt. Denn während der Rechtsanwalt in jeder Lage des Verfahrens namens eines der Beteiligten auftreten kann, also auch erstmals im

51

52 53 54

OLG Düsseldorf OLGZ 1965, 355 = FamRZ 1965, 289; KG OLGZ 1966, 244 = FamRZ 1966, 375; vgl auch BGHZ 45, 362. KG JFG 19, 139. BGHZ 48, 88 = NJW 1967, 2059; für den Verwaltungsprozess BVerwGE (GS) 10, 1. BGHZ 48, 88 = NJW 1967, 2059; für den Verwaltungsprozess BVerwGE (GS) 10, 1.

55 56 57

58

OLG München JFG 15, 124. Jansen, DNotZ 1964, 707, 709. Jansen DNotZ 1964, 707, 714 gegen OLGStuttgart DNotZ 1964, 738; vgl auch Habscheid NJW 1964, 1502. Habscheid NJW 1964, 1502; Jansen DNotZ 1964, 707, 714; aA OLG Stuttgart DNotZ 1964, 738.

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§ 29

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

dritten Rechtszuge durch Einlegung der weiteren Beschwerde, muss der Notar stets schon im ersten Rechtszuge einen Antrag gestellt haben. Es genügt nicht, wenn der Notar erst im Beschwerdeverfahren tätig wird, mag er auch die erste Beschwerde gegen die Verfügung des Amtsrichters beim Amtsgericht eingelegt haben und dieses, weil die Beschwerde unbefristet war, zur Abhilfe befugt gewesen sein.59 Hat er andererseits für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt, so ist es für die Fähigkeit des Notars zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht erforderlich, dass er auch bei der Einlegung der ersten Beschwerde mitgewirkt hat.60 Ferner kann der Notar die weitere Beschwerde nur namens des oder der Beteiligten einlegen, für den oder für die er den Antrag im ersten Rechtszuge gestellt hat, nicht namens anderer Beteiligter. Die Stellung eines Antrags liegt auch darin, dass der Notar die in den Urkunden 18 bereits enthaltenen Anträge der Beteiligten bei Vorlegung der Urkunden oder im weiteren Verlauf des ersten Rechtszuges wiederholt,61 mag dies auf Grund gesetzlich vermuteter (vgl § 13) oder besonders erteilter Vollmacht geschehen sein.62 Reicht der Notar die Urkunden mit den Anträgen der Beteiligten nur „zum Vollzuge“ ein63 oder „zur weiteren Veranlassung“,64 so gilt er nur als Bote und ist zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht berechtigt.65 Die Wendung „mit der Bitte, den gestellten Anträgen stattzugeben“, ist wohl als Wiederholung des Antrags der Beteiligten anzusehen.66 In jedem Falle genügt es, wenn der Notar zwar nicht den das Verfahren einleitenden Antrag, aber irgendeinen den Verfahrensbetrieb betreffenden Antrag gestellt hat, zB um gerichtliche Entscheidung gebeten67 oder zu Beanstandungen des Gerichts Ausführungen gemacht68 oder gegen eine Verfügung des Rechtspflegers Erinnerung eingelegt69 hat. Hat der Notar einen Antrag im ersten Rechtszuge gestellt, so ist es für seine Befähigung zur Einlegung der weiteren Beschwerde unerheblich, ob er zur Stellung des Antrags auf Grund einer gesetzlich vermuteten oder rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht berechtigt war.70 Auch braucht er keine Erklärungen beurkundet oder beglaubigt zu haben.71 Außer nach § 29 Abs 1 S 3 kann dem Notar die Befähigung zur Einlegung weiterer Beschwerden in Grundbuchsachen und in Sachen des Schiffs-, Handels-, Vereins-, Genossenschafts- und Güterrechtsregisters unter anderen Voraussetzungen auch nach §§ 80 Abs 1 S 3 GBO, 88 Abs 1 S 3 SchiffsRG, 129, 147 Abs 1, 159, 161 Abs 1 FGG zustehen. Der Notar, der im Verfahren der Anmeldung der Verschmelzung einer GmbH auf ihren Alleingesellschafter vor dem Registergericht einen Verfahrensantrag gestellt hat, ist im Verfahren der weiteren Beschwerde postulationsfähig.72 Die Befugnis aus § 29 Abs 1 S 3 steht dem Notar auch zu, wenn er in amtlicher Eigenschaft im eigenen Namen weitere Beschwerde einlegt.73 Eine vom Notar eingelegte Beschwerde gilt aber im Zweifel als im Namen der Beteiligten eingelegt, für die er als Notar tätig geworden ist.74 59 60 61 62 63 64 65 66 67

BayObLGZ 2, 213; 11, 567; Jansen DNotZ 1964, 707, 711. Unger ZZP 42, 118. RG JW 1929, 741; BayObLGZ 31, 443; 1952, 272; KGJ 44, 173. OLG München DNotZ 1938, 172. OLG München JFG 15, 122. KG JW 1937, 114. BayObLGZ 1952, 272; vgl aber BayObLGZ 1959, 255, 258. KG DNotZ 1933, 372; anders OLG München JFG 22, 33. BayObLGZ 1952, 19.

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68 69 70 71 72

73 74

BayObLGZ 1951, 511. BayObLGZ 1967, 70 = DNotZ 1968, 35. KG HRR 1933 Nr 949; OLG München JFG 23, 324. Jansen DNotZ 1964, 707, 709. BayObLGZ 1998, 29 = NJW-RR 1998, 902 = DB 1998, 715 = FGPrax 1998, 112 = GmbHR 1998, 540. KG JFG 17, 259. OLG Zweibrücken MittRhNotK 2000, 440 = MittBayNot 2001, 91 L = DB 2000, 1908 = FGPrax 2000, 208.

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Einlegung der weiteren Beschwerde

§ 29

c) Form Ebenso wie bei der Einlegung der weiteren Beschwerde durch eine Behörde braucht 19 auch die Beschwerdeschrift des Notars nicht notwendig unterzeichnet zu sein. Es ist also unschädlich, wenn die Unterzeichnung versehentlich unterblieben ist oder nicht den Anforderungen entspricht, die an eine formgerechte Unterzeichnung zu stellen sind.75 4. Verhältnis der Postulationsfähigkeit zur Vertretungsbefugnis Von der Postulationsfähigkeit, also der Fähigkeit, Verfahrenshandlungen prozessual 20 wirksam in das Verfahren einzuführen, zu unterscheiden ist die Vertretungsmacht. Das Vorhandensein der Postulationsfähigkeit macht eine gesetzlich vermutete oder wirklich erteilte (wenn auch nicht notwendig nachzuweisende) Verfahrensvollmacht nicht entbehrlich, und der Mangel der Postulationsfähigkeit berührt nicht die Wirksamkeit der erteilten Verfahrensvollmacht.76 Auch der Notar, der nach Maßgabe der §§ 29 Abs 1 S 3, 129 FGG, 80 Abs 1 S 3 GBO usw postulationsfähig ist, bedarf einer Vollmacht des von ihm vertretenen Beschwerdeführers, entweder der (vergleichbar mit § 81 ZPO) vermuteten Vollmacht nach § 15 GBO,77 § 25 SchiffsRG, § 129 FGG oder einer rechtsgeschäftlich wirklich erteilten. Außerhalb der gesetzlichen Vollmachtsvermutungen haben auch der Notar und der Rechtsanwalt, der die Beschwerdeschrift nicht nur unterzeichnet, sondern die Beschwerde namens des Beschwerdeführers auch eingelegt hat, wie jeder andere Bevollmächtigte auf Verlangen (§ 13 S 3) die Bevollmächtigung nachzuweisen.78 Allerdings wird das Beschwerdegericht auch außerhalb der gesetzlichen Vollmachtsvermutungen von dem Nachweis der Vollmacht in der Regel absehen können, wenn ein Notar oder ein Rechtsanwalt die Beschwerde eingelegt hat, weil von diesen auf Grund ihrer beruflichen Stellung zu erwarten ist, dass sie nicht ohne Vollmacht handeln.79 Der Rechtsanwalt, der die Beschwerdeschrift unterzeichnet, bedarf im übrigen einer 21 Vollmacht nicht für diesen Akt, sondern nur, wenn er außerdem die Beschwerdeeinlegung dem Gericht gegenüber erklärt, was zwar in der Regel der Fall sein wird, im Gegensatz zur Beschwerdeführung durch Behörden und Notare aber gesetzlich nicht notwendig ist. Der Beschwerdeführer kann die Beschwerdeerklärung unter Vorlegung der von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift auch selbst abgeben, so dass der Rechtsanwalt nicht zugleich sein Verfahrensbevollmächtigter ist.80 Deshalb ist es nicht richtig, dass Erfordernis der Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt als „Anwaltszwang“ zu bezeichnen, dessen Bedeutung im Zivilprozess (§ 78 ZPO) umfassender ist. Reicht der Beschwerdeführer die von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Beschwerdeschrift selbst ein, ist auch kein Rechtsanwalt für die Instanz bestellt, an den die Zustellungen erfolgen müssten (§ 172 ZPO).

75 76 77

Unger ZZP 42, 112. Jansen DNotZ 1964, 707, 710. OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1023 = FGPrax 2001, 11 = DNotZ 2001, 704; Thür. OLG FGPrax 2002, 150.

78 79 80

KG RJA 4, 135. KG JW 1938, 1834; BayObLGZ 1959, 255. Unger ZZP 42, 114 zu Fn 24.

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§ 29

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

IV. Erklärungen zum Protokoll der Geschäftsstelle 1. Zuständigkeit a) Zuständige Geschäftsstelle

22

Nach § 29 Abs 4 iVm § 21 Abs 2 kann auch die weitere Beschwerde zum Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, und zwar gemäß dem ersten Satz des § 29 bei der Geschäftsstelle jedes der dort genannten drei konkreten Gerichte, nicht aber bei der Geschäftsstelle eines anderen Gerichts,81 auch nicht, wenn sie von dem zuständigen Gericht um die Entgegennahme ersucht worden ist.82 Nach § 7 Abs 4 FEVG kann ein Anstaltsverwahrter die weitere Beschwerde in der Freiheitsentziehungssache auch bei dem Amtsgericht des Anstaltsortes einlegen. Diese Vorschrift ist auch bei der Genehmigung der Unterbringung und in landesrechtlichen Verwahrungs- und Unterringungssachen entsprechend anzuwenden, wenn es sich um die Einlegung eines Rechtsmittels in diesen Sachen handelt, nicht aber in anderen Angelegenheiten des Verwahrten.83 b) Funktionelle Zuständigkeit

23

Für die Entgegennahme der Beschwerdeerklärung zuständig ist der Rechtspfleger (§§ 24 Abs 1 Nr 1a, 26 RPflG). Diese Zuständigkeitsabgrenzung hat auch Wirkung nach außen, so dass die Entgegennahme der Erklärung zum Protokoll eines Beamten des mittleren Dienstes oder eines Justizangestellten unwirksam ist, weil dann ungewiss ist, ob der Beschwerdeführer denjenigen rechtlichen Beistand findet, der ihm nach dem Willen des Gesetzgebers zuteil werden soll.84 Welche Abteilung der nach § 153 GVG einheitlichen Geschäftsstelle des Gerichts tätig geworden ist, ist unerheblich. Geschäftsstelle ist auch die Rechtsantragsstelle.85 Da es sich um ein Rechtspflegergeschäft handelt, ist gemäß § 8 Abs 1 RPflG auch die von einem Richter etwa in einer mündlichen Verhandlung zu Protokoll genommene weitere Beschwerde eines Beteiligten formwirksam.86 Das gilt auch, wenn die weitere Beschwerde zu Protokoll des Richters erster Instanz eingelegt wird.87 Nimmt ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, der nicht Rechtspfleger ist, die weitere Beschwerde auf, fehlt es an der notwendigen Form.88 Auch die Aufnahme des Protokolls durch einen Rechtspflegeranwärter reicht nicht.89 2. Niederschrift a) Gestaltung der Beschwerdeerklärung

24

Durch die Beschränkung der Postulationsfähigkeit, die darin liegt, dass der Beschwerdeführer bei der Einlegung der weiteren Beschwerde an die Mitwirkung eines Rechtsanwalts oder Rechtspflegers gebunden ist, soll erreicht werden, dass einerseits der Be81

82 83 84

BGH NJW 1965, 1182 = LM § 29 FGG Nr 10; hiergegen Vorlagebeschluss des BayObLG FGPrax 2001, 91 = NJW 2001, 2040 LS. OLG München JFG 22, 355; Keidel NJW 1953, 1189; aA BayOLGZ 23, 181. BGH FGPrax 2002, 20. BGH NJW 1952, 1386 = Rpfleger 1952, 590; BayObLGSt 1953, 11 = Rpfleger 1953, 252; OLG Celle NdsRpfl 1951, 91; OLG Hamm JMBlNRW 1960, 35.

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85 86 87 88 89

OLG Hamm JMBlNRW 1960, 117 = Rpfleger 1960, 214. BayOLGZ 1989, 175 = NJW-RR 1989, 1241 = FamRZ 1989, 1003. BayObLG FamRZ 1999, 1169. BayOLG Rpfleger 1993, 103; OLG Düsseldorf Rpfleger 1994, 157. OLG Karlsruhe Rpfleger 1974, 402.

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Einlegung der weiteren Beschwerde

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schwerdeführer in seinem Interesse bei der Anbringung seines Rechtsmittels sachgemäß beraten, andererseits das Rechtsbeschwerdegericht davor bewahrt wird, sich mit weitschweifigen, offensichtlich unzulässig begründeten und in ungehöriger Form vorgebrachten Rechtsmitteln befassen zu müssen. Die Beteiligung des Rechtspflegers darf sich daher nicht auf eine bloß formelle Beurkundung des von dem Beschwerdeführer Vorgebrachten beschränken, sondern der Rechtspfleger hat den Beschwerdeführer über die Besonderheiten der Rechtsbeschwerde zu belehren, die vorgebrachten Einwände gegen die Entscheidung und das Verfahren des Tatsachenrichters zu sichten, unsachliche Ausführungen auszuscheiden und den verbleibenden Rechtsbeschwerdegründen eine klare und angemessene Form zu geben. Diese Aufgabe erfüllt der Rechtspfleger nicht, wenn er die Beschwerdeschrift nur 25 äußerlich und mechanisch in die Form einer protokollarischen Erklärung kleidet, indem er etwa eine von dem Beschwerdeführer übergebene Privatschrift lediglich durch Hinzufügung der Eingangs- und Schlussworte in Protokollform bringt oder wenn das Protokoll der Geschäftsstelle auf eine beigefügte Privatschrift lediglich Bezug nimmt oder ihren Inhalt mechanisch nur wörtlich wiederholt oder vom Beschwerdeführer diktiert ist.90 Die Form des § 29 I S 1 FGG für die Einlegung einer weiteren Beschwerde ist nicht gewahrt, wenn der Rechtspfleger einen ihm vom Beschwerdeführer vorgelegten Protokollentwurf ungelesen unterschreibt und mit dem Vermerk versieht, der Beschwerdeführer habe die vorstehende Erklärung überreicht und gebeten, diese so zu Protokoll zu nehmen. Der Entwurf muss, auch wenn sprachliche Veränderungen nicht erforderlich sind, mit dem Rechtsuchenden vielmehr im Einzelnen durchgesprochen und ihm vorgelesen werden.91 Ergibt sich demnach, dass der Rechtspfleger sich zum kritiklosen Schreiber des Beschwerdeführers hergegeben hat, so ist das Rechtsmittel unzulässig. Hieraus darf aber nicht grundsätzlich gefolgert werden, dass jede nach Form und 26 Inhalt den Angaben des Beschwerdeführers entsprechende Beschwerdeerklärung wirkungslos ist. Es steht nichts entgegen, dass der Rechtspfleger sich einer von dem Beschwerdeführer stammenden Fassung bedient, die er nach Prüfung ihrer Sachdienlichkeit und Zweckmäßigkeit für gut befunden hat, weil sie das enthält, was nach seiner Meinung zu einer ordnungsmäßigen Einlegung und Begründung der Beschwerde vorgebracht werden kann, und er keinen Anlass gefunden hat, der Beschwerde eine andere Fassung zu geben.92 Wenn insofern Zweifel bestehen, sind hierzu im Wege des Freibeweises unter Wahrung des rechtlichen Gehörs Ermittlungen anzustellen.93 Wenn ferner der Rechtspfleger die Erklärung, dass weitere Beschwerde eingelegt werde, beurkundet und als Begründung eine dem Protokoll beigefügte oder einverleibte Eingabe des Beteiligten kritiklos verwendet hat, so hat er seine Aufgabe zwar gröblich verkannt, die weitere Beschwerde ist aber, zumal sie ohnehin keine Begründung bedarf, wirksam eingelegt und nur die Begründung unbeachtlich.94 Die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung wird gleichwohl in jeder Hinsicht von Amts wegen geprüft. Kam es allerdings dem Beschwerdeführer entscheidend darauf an, dass die Beschwerde unbesehen in der von ihm für richtig gehaltenen Fassung zu Protokoll gebracht werde, kann die Beschwerdeeinlegung insgesamt für unwirksam anzusehen sein.95

90 91 92

RGZ 150, 15; BVerfGE 10, 274 = NJW 1960, 427. OLG Köln RPfleger 1999, 275. RGZ 150, 15; OLG Oldenburg NJW 1952, 908.

93 94 95

BVerfGE 10, 274. BayObLGZ 1952, 4. RGZ 150, 15.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Andererseits darf der Rechtspfleger dem Beschwerdeführer den Zugang zum Gericht nicht dadurch verschließen, dass er die Protokollierung überhaupt ablehnt, weil er das Rechtsmittel für aussichtslos hält und das Vorbringen keinen zulässigen Rechtsbeschwerdegrund darstellt. Den sachlichen Kern des Vorbringens hat er auch in diesem Fall im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten in die geeignete Form zu bringen.96 Allenfalls kann er, um zu belegen, dass er seiner Belehrungs- und Prüfungspflicht genügt habe, den verfahrensrechtlich bedeutungslosen Vermerk beifügen, dass die Protokollierung dem Verlangen des Beschwerdeführers oder seinem ausdrücklichen Wunsch entspreche. Die Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung wird dadurch nicht in Frage gestellt.97 b) Form der Niederschrift

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Wegen der Form der Niederschrift gelten die Ausführungen zu § 21. Wesentlich ist auch hier die Bezeichnung des Gerichts und die eigenhändige Unterschrift des Rechtspflegers. Ohne Unterschrift ist das Protokoll ein unbeachtlicher Entwurf. Die Unterschrift kann zwar nachgeholt werden. Die Nachholung wirkt aber nicht zurück, so dass bei befristeten Rechtsmitteln die Beschwerdefrist bei Nachholung nach Ablauf der Frist versäumt ist.98 Die Qualifikation als Rechtspfleger braucht nicht aus dem Protokoll selbst ersichtlich zu sein.99 Unterschrift und Feststellung der Genehmigung durch den Beschwerdeführer sind nicht erforderlich. Werden aber Genehmigung oder Unterschrift verweigert, so kommt es auf den Grund der Weigerung an, ob die Beschwerde als eingelegt angesehen werden kann. Kommt in der Weigerung zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer den Inhalt der Niederschrift nicht gelten lassen will, so ist das Rechtsmittel nicht wirksam eingelegt. Anders, wenn der Beschwerdeführer die Weigerung darauf stützt, dass seine Ausführungen nicht sämtlich oder nicht in der von ihm gewünschten Form angebracht seien. c) Inhalt der Beschwerdeerklärung

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Für den Inhalt der weiteren Beschwerde gelten die Ausführungen über den Inhalt der ersten Beschwerde entsprechend (vgl zu § 21). Ebenso wie die erste Beschwerde braucht auch die weitere Beschwerde weder einen Antrag noch eine Begründung zu enthalten. Es ist weder die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm noch überhaupt die Behauptung einer Rechtsverletzung erforderlich. Tatsachen, welche ergeben, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt ist, können berücksichtigt werden, auch wenn sie abweichend von §§ 559 Abs 1 S 2, 551 Abs 3 Nr 2b ZPO nicht in der Beschwerdebegründung bezeichnet sind. Ausnahmsweise besteht Begründungszwang für die Rechtsbeschwerde nach §§ 26 Abs 2, 24 Abs 2 Nr 1 LwVG.

V. Umfang des Formerfordernisses 30

Die Beschränkung der Postulationsfähigkeit durch § 29 Abs 1 gilt nur für die Einlegung der weiteren Beschwerde und der Anschlussrechtsbeschwerde (vgl § 22), nicht aber für weitere Verfahrenshandlungen, wie die Rücknahme der weiteren Beschwerde 96 97

BVerfGE 10, 274, 283; OLG Bremen Rpfleger 1967, 423 (zum Strafprozess). OLG Bremen Rpfleger 1967, 423; Schmid Rpfleger 1962, 301, 309; Pentz MDR 1962, 532.

920

98 99

BVerwG NJW 1956, 1811; MDR 1962, 161; Schmid Rpfleger 1962, 30. Schmid aaO.

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Einlegung der weiteren Beschwerde

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und den Verzicht auf dieses Rechtsmittel oder auf Anträge (richtiger: Anregungen) auf Erlass einstweiliger Anordnungen (§ 24 Abs 3). Auch der Beschwerdegegner unterliegt bei seinem Vorbringen keinen Beschränkungen (vgl aber § 29 LwVG). Für das Wertpapierbereinigungsverfahren wird angenommen, dass die Rücknahme der Beschwerde nur durch die Anmeldestelle oder einen Rechtsanwalt erklärt werden könne.100 Strittig ist, ob die Begründung der formwirksam eingelegten weiteren Beschwerde ebenfalls dem Formzwang unterliegt.101 Gegen den Formzwang auch für die Begründung analog der Einlegung spricht, dass das Rechtsmittel überhaupt nicht begründet zu werden braucht und auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung keinem Formzwang unterliegt (Waffengleichheit). Teilweise wird noch genauer unterschieden, ob eine privatschriftliche Begründung zusammen mit der Rechtsbeschwerde eingereicht wird (dann Zwang zur Aufnahme in das Protokoll der Rechtsantragsstelle) oder nachgereicht wird: Wird die weitere Beschwerde zu Protokoll des Rechtspflegers eingelegt, muss dieser den wesentlichen Kern der Begründung in eigenen Worten im Protokoll aufnehmen, die Bezugnahme auf eine privatwirtschaftliche Begründung ist unzulässig.102 Die weitere Beschwerde ist bei unzulässiger Bezugnahme auf eine privatwirtschaft- 31 liche Begründung auch nicht mit der Maßgabe wirksam eingelegt, dass das Rechtsbeschwerdegericht die angefochtene Entscheidung ohne Rücksicht auf den Inhalt der Begründung von Amts wegen auf Rechtsfehler zu prüfen hat.103 Wird die weitere Beschwerde zu Protokoll des Rechtspflegers eingelegt, nimmt dieser aber in unzulässiger Weise auf eine privatschriftliche Beschränkung Bezug, so ist allerdings die Wiederholung der Beschwerdeeinlegung zu veranlassen und dem Rechtsbeschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.104 Denn der Zugang zur Rechtsbeschwerdeinstanz darf für den nicht anwaltlich vertretenen Bürger nicht unzumutbar erschwert werden. Entgegen BayObLG105 ist eine unzumutbare Erschwerung darin zu sehen, dass die Heilung einer privatschriftlich eingelegten weiteren Beschwerde abgelehnt wird, obwohl der Beschwerdeführer im Nachgang zu seiner Rechtsmittelschrift zu Protokoll des Beschwerdegerichts weitere Unterlagen vorlegt, ohne ausdrücklich zu Protokoll zu erklären, dass er damit seine weitere Beschwerde bestätigen oder neu einlegen wolle. Die Rechtsantragsteller wird zumindest Anlass zur Nachrage beim Beschwerdeführer haben, auf welches Rechtsmittel sich die nachgereichten Unterlagen beziehen.

VI. Sofortige weitere Beschwerde Die weitere Beschwerde ist, ebenso wie die erste Beschwerde, grundsätzlich unbefris- 32 tet. Für gewisse Fälle ist jedoch die weitere Beschwerde nur als sofortige und dh befristete zugelassen: Die weitere Beschwerde ist eine sofortige gegen alle Beschwerdeentscheidungen, die 33 ihrerseits auf eine sofortige Beschwerde ergangen sind, und zwar sowohl wenn dieses

100 101

102

Frankfurt WM 1954, 288. So Jansen FGG 2. Aufl, § 29 Rn 23 nach dem Zweck der Regelung, nämlich um „unzulässige, leichtfertige und gänzlich unbegründete Beschwerden von den oberen Gerichten fernzuhalten“. OLG Köln, NJW-RR 1995, 968 = FGPrax 1995, 85 = RPfleger 1994, 495.

103 104

105

OLG Köln aaO. KG NJW-RR 1996, 526 = ZMR 1996, 223; vgl auch BayObLG, DWE 1995, 85 = WE 1995, 381. BayObLG MDR 2003, 1011.

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§ 29

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Rechtsmittel zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen worden ist, als auch wenn die Verfügung erster Instanz aufgehoben worden ist, selbst wenn die abändernde Beschwerdeentscheidung einen Inhalt hat, bei welchem eine Verfügung erster Instanz der unbefristeten Beschwerde unterworfen wäre. Das ist der Sinne des § 29 Abs 2. Dieser Grundsatz gilt auch für das Beschwerdeverfahren in Personenstandssachen nach § 49 PStG. Die weitere Beschwerde ist ferner, auch wenn die erste Beschwerde keine sofortige 34 war, eine sofortige gegen alle Beschwerdeentscheidungen, die nach ihrem Inhalt, wenn sie als erstinstanzliche Verfügungen ergangen wären, der sofortigen Beschwerde unterlägen oder die das Amtsgericht zu einer Verfügung anweisen, die der sofortigen Beschwerde unterliegt.106 Enthält die Beschwerdeentscheidung Anordnungen, die teils der sofortigen, teils der 35 unbefristeten Beschwerde unterliegen, so ist das Rechtsmittel nicht einheitlich befristet oder unbefristet. Hat das LG den Vormund entlassen und einen neuen ausgewählt, so ist gegen die Entlassung nur die sofortige weitere Beschwerde, gegen die Auswahl die einfache weitere Beschwerde zulässig; ein einheitliches Rechtsmittel ist nicht gegeben.107 Gegen die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die 36 Versäumung der Frist für die Einlegung der ersten Beschwerde findet nach § 22 Abs 2 Satz 3 die sofortige weitere Beschwerde statt. Dazu Weiteres in § 22.

VII. Entsprechende Anwendung der Vorschriften über die erste Beschwerde 1. Grundsatz

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Die für die erste Beschwerde gegebenen Vorschriften über Beginn, Dauer und Bedeutung der Beschwerdefrist sowie über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand finden nach § 29 Abs 4 auf die weitere Beschwerde entsprechende Anwendung. Über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die sofortige weitere Beschwerde entscheidet nach §§ 29 Abs 4, 22 Abs 2 das Gericht der weiteren Beschwerde. Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar. 2. Abweichungen a) Landwirtschaftssachen

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Für Rechtsbeschwerden nach § 24 LwVG beträgt die Rechtsmittelfrist gemäß § 25 LwVG einen Monat. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 26 Abs1 LwVG beim BGH einzulegen. Es besteht nach § 29 LwVG Anwaltszwang. b) Verschollenheitssachen

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In Verschollenheitssachen gilt die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 26 Abs 1 Satz 2 VerschG auch für die sofortige weitere Beschwerde.108

106 107

BGHZ 30, 132; BayObLGZ 1951, 660; KG StAZ 1965, 16. BayObLGZ 1958, 244.

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108

BGHZ 30, 56; BayObLGZ 1955, 63; KG MDR 1950, 218.

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Einlegung der weiteren Beschwerde

§ 29

c) Erstbeschwerde als Rechtsbeschwerde Sondervorschriften für die Form bestehen auch, soweit das Landgericht in erster 40 Instanz tätig wird und hiergegen nur die Erstbeschwerde in Form der Rechtsbeschwerde gegeben ist (§§ 99 Abs 3, 132 Abs 3).

VIII. Abhilfeverbot (Abs 3) Während das Gericht erster Instanz nach dem Erlass einer sachlichen Beschwerdeent- 41 scheidung zu einer Änderung seiner Verfügung auf Grund des § 18 Abs 1 wegen nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen grundsätzlich befugt bleibt, schließt Abs 3 diese auf dem Verfahrensrecht beruhende Änderungsbefugnis für die Dauer des Verfahrens der weiteren Beschwerde aus. Diese Regelung hat den Zweck, die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung dadurch zu fördern, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die durch die Einlegung des Rechtsmittels bereits gebotene Möglichkeit, eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären, durch eine Änderung der angefochtenen Verfügung nicht soll entzogen werden können. Das Änderungsverbot beginnt mit der Einlegung der weiteren Beschwerde und endet mit dem Erlass der Entscheidung des dritten Rechtszuges. Eine entgegen dem Verbot etwa in Unkenntnis der Entscheidung der Rechtsmitteleinlegung vorgenommene Änderung ist unwirksam und muss zurückgenommen werden; die geänderte Verfügung bleibt in Kraft. Die Vorschrift hat Bedeutung nur für die unbefristete weitere Beschwerde; für die 42 sofortige weitere Beschwerde ergibt sich das Änderungsverbot bereits aus § 29 Abs 4 iVm § 18 Abs 2. Ferner ist das Landgericht ohnehin auch vor Einlegung der weiteren Beschwerde zur Änderung seiner Beschwerdeentscheidung nicht befugt, auch wenn die Änderung auf neue Tatsachen und Beweise gestützt wird. Auch das Gericht erster Instanz ist infolge der Ausschließung des § 18 Abs 1 durch § 29 Abs 3 während der Dauer des Verfahrens der weiteren Beschwerde gehindert, seine Verfügung auf Grund neuer Tatsachen zu ändern. Unberührt durch verfahrensrechtliche Normen bleibt aber seine Befugnis, nach Maßgabe des sachlichen Rechts ein Neuregelungsverfahren einzuleiten, zB auf Grund des § 1696 BGB, oder, wenn sich die weitere Beschwerde gegen die Anordnung einer Pflegschaft richtet, die Pflegschaft nach § 1919 BGB aufzuheben, da die Befugnis hierzu von der Verfahrenslage des ersten Verfahrens unabhängig ist.

IX. Änderungsbefugnis des Gerichts der weiteren Beschwerde Das Gericht der weiteren Beschwerde ist nicht befugt, seine eigenen Sachentscheidun- 43 gen auf Grund von § 18 zu ändern. Gegenvorstellungen mit diesem Ziel sind daher regelmäßig unzulässig; eine Ausnahme gilt bei offenkundiger Verletzung des rechtlichen Gehörs.109 Beschlüsse, durch welche die weitere Beschwerde als unzulässig verworfen wird, können aber geändert werden, wenn sich herausstellt, dass die Verwerfung auf Tatsachenirrtum, nicht wenn sie auf Rechtsirrtum beruht, zB wenn wegen der Undeutlichkeit des Datums auf der Zustellungsurkunde die Beschwerdefrist zu Unrecht als versäumt

109

BVerfG NJW 1987, 1319 = FamRZ 1987, 142; BGH FamRZ 1995, 478; OLG Köln WuM 1996, 245.

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§ 29a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

oder die gesetzliche Frist als nicht gewahrt angesehen wurde, weil die Eigenschaft des Unterzeichners als Rechtsanwalt nicht kenntlich gemacht war. Auch Entscheidungen über die Zurückweisung eines bei ihm gestellten Wiedereinsetzungsantrages kann das Gericht der weiteren Beschwerde auf Grund neuen tatsächlichen Vorbringens ändern. Ist die weitere Beschwerde vor Erlass der Entscheidung zurückgenommen worden, so ist der in Unkenntnis der Rücknahme ergangene Beschluss unwirksam und kann zurückgenommen werden. Beschlüsse über die Festsetzung des Geschäftswerts kann das Rechtsbeschwerdegericht nach § 31 Abs 1 KostO von Amts wegen ändern. Ist eine weitere Beschwerde wegen eines behebbaren Mangels, zB wegen Formmangels, verworfen worden, so ist ihre erneute Anbringung unter Behebung des Mangels gestattet. In der Zulassung dieses Rechtsmittels liegt keine Änderung der vorausgegangenen Entscheidung, die vielmehr (einschließlich der Kostenfolge) unberührt bleibt, sondern die Entscheidung über ein anderes Rechtsmittel.

X. Familiensachen 44

In Familiensachen der ZPO § 621 Abs 1 Nr 1 bis 3, 6, 10 (in Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB), Nr 12 findet die nunmehr ausdrücklich als Rechtsbeschwerde bezeichnete weitere Beschwerde statt, wenn das Beschwerdegericht (OLG) sie in dem Beschluss oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung durch das Beschwerdegericht das Rechtsbeschwerdegericht (BGH) zugelassen hat. §§ 543 Abs 2 und 544 ZPO gelten entsprechend.

XI. Reformvorhaben 45

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 75 Frist und Form der an den BGH zu richtenden Rechtsbeschwerde. Es gilt eine Notfrist von einem Monat, innerhalb deren die Rechtsbeschwerde auch begründet werden muss. Die Rechtsbeschwerde ist beim BGH einzulegen. Es besteht Anwaltszwang, und zwar muss ein beim BGH zugelassener Rechtsanwalt die Rechtsbeschwerde einlegen (§ 11 Abs 3).

§ 29a Anhörungsrüge (1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung oder eine andere Abänderungsmöglichkeit nicht gegeben ist und 2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt. (2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung an diesen

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§ 29a

Anhörungsrüge

Beteiligten kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 29 Abs 1 S 2 und 3 findet entsprechende Anwendung, soweit die Entscheidung eines Oberlandesgerichts angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Abs 1 Nr 2 genannten Voraussetzungen darlegen. (3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (4) Ist die Rüge nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden. (5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Eingeführt durch das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, S 3220), in Kraft getreten am 1.1.2005. Zu den Kosten vgl KostO § 131d (50 Euro Festgebühr bei Verwerfung oder Zurückweisung) und RVG § 19 Abs 1 Nr 5 sowie RVG-VV Nr 3330.

Literatur Bloching/Kettinger Verfahrensgrundrechte im Zivilprozess – Nun endlich das comeback der außerordentlichen Beschwerde? NJW 2005, 860; Briesemeister Die Anhörungsrüge bei einer BGHEntscheidung nach Vorlage eines OLG, FGPrax 2005, 101; Schneider, E. Gehörsrüge bei Richterwechsel, MDR 2005, 248; Sternal Entwicklungen und Tendenzen bei den außerordentlichen Rechtsbehelfen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FGPrax 2004, 170; Treber Neuerungen durch das Anhörungsrügensetz, NJW 2005, 97; Zuck Rechtliches Gehör im Zivilprozess – Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten nach dem Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes, NJW 2005, 1226; Zuck Wann verletzt ein Verstoß gegen ZPO-Vorschriften zugleich den Grundsatz rechtlichen Gehörs? NJW 2005, 3753; Zuck Das Verhältnis von Anhörungsrüge und Verfassungsbeschwerde, dargestellt am Beispiel des § 152a VwGO, NVwZ 2005, 739.

Übersicht Rdn I. Allgemeines . . . . . . . . . . . II. Betroffene Entscheidungen . . . 1. Endentscheidungen . . . . . . 2. Rechtskraft . . . . . . . . . . 3. Keine andere Abänderungsmöglichkeit . . . . . . . . . . 4. Zwischenentscheidungen . . . 5. Anschlussbeschwerde . . . . . III. Gehörsverletzung . . . . . . . . IV. Verstoß gegen andere Verfassungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . V. Entscheidungserheblichkeit . . .

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Rdn VI. Formalien . . . . . . . . . . . . 1. Fristen . . . . . . . . . . . . 2. Glaubhaftmachung . . . . . . 3. Form . . . . . . . . . . . . . VII. Anhörung der übrigen Beteiligten VIII. Verfahrensgang . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Anhörungsrüge 2. Unbegründetheit . . . . . . . 3. Fortsetzung des Verfahrens . . IX. Kosten . . . . . . . . . . . . . X. Verweisung in anderen Gesetzen . XI. Reformvorhaben . . . . . . . . .

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I. Allgemeines Die Vorschrift geht auf den Plenarbeschluss des BVerfG vom 30.4.20031 zurück. Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs abgeleitet, dass die Fachgerichte dann, wenn sie in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt haben, selbst für Abhilfe zu sorgen haben, ohne dass die Verfassungsgerichte tätig werden müssen. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber für die Umsetzung dieses Beschlusses eine Frist bis zum 31.12.2004 gesetzt,2 die mit dem Anhörungsrügengsetz eingehalten worden ist, das am 1.1.2005 in Kraft getreten ist. Nach dem Vorbild des § 321a ZPO werden für alle Instanzen die vorhandenen Rechtsbehelfe ergänzt und die Anhörungsrüge für die Fälle eingeführt, in denen Rechtsmittel und andere Abänderungsmöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen. Zweifelhaft ist, ob das zuständige Gericht nur in der ursprünglichen Besetzung (vgl zum Tatbestandsberichtigungsantrag gem § 320 Abs 4 Satz 2 ZPO: Beschränkung auf die an der früheren Entscheidung mitwirkenden Richter) oder ausschließlich der oder die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anhörungsrüge zuständigen Richter (vgl etwa zur Berichtigung bei offenbarer Unrichtigkeit gem § 319 ZPO, ebenso § 321 ZPO) zu entscheiden haben. Letzteres ist zutreffend, weil die Gehörsverletzung nach objektiven Kriterien anhand des Akteninhalts zu beurteilen ist und darüber wie auch sonst bei Rechtsbehelfen andere Richter urteilen können und müssen. Das wird besonders daran deutlich, dass die Anhörungsrüge ein Ersatzinstrument für die Verfassungsbeschwerde darstellt, bei der ebenfalls nicht die ursprünglichen Richter entscheiden. Bei positivem Erfolg der Anhörungsrüge wird das Verfahren wie bei einer Wiederaufnahme entsprechend §§ 578 ff ZPO, aber auch ähnlich der Urteilsergänzung nach § 321 ZPO fortgesetzt, bei der auch Richter teilzunehmen haben, die an der ursprünglichen Entscheidung nicht mitgewirkt haben.3 Damit können nunmehr jegliche fachgerichtlichen Verstöße gegen den Anspruch auf 2 rechtliches Gehör unterhalb des Verfassungsbeschwerdeverfahrens gerügt werden. Mit dieser Regelung wird ungeachtet der zunächst eintretenden Rechtskraft nach dem Modell des Wiedereinsetzungsverfahrens (§ 22 Abs 2) und des Wiederaufnahmeverfahrens eine Durchbrechung der Rechtskraft ermöglicht. Dieser Nachteil für die Rechtssicherheit wird durch die überragende Bedeutung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) erzwungen. Das durch die Gehörsrüge eingeleitete Verfahren zur Selbstkorrektur (im Gegensatz zur Verfassungsbeschwerde und zur Einschaltung einer höheren fachgerichtlichen Instanz) ist ein unselbstständiges Anschlussverfahren (Annexverfahren), dass im Falle der zulässigen und begründeten Rüge im Wege einer Abhilfe zur Fortführung des ursprünglich beendeten Verfahrens führt.

1

1

BVerfGE 107, 395 = NJW 2003, 1924 = FPR 2003, 604 m Anm Ehinger = DB 2003, 1570 m Anm Meilicke = DVBl 2003, 932 = EuGRZ 2003, 273 = FamRZ 2003, 995 = JZ 2003, 791 = MDR 2003, 885 m Anm Gravenhorst = VersR 2003, 1276 = ZIP 2003, 1102.

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2 3

BVerfGE 104, 357 = NJW 2003, 3687 = FamRZ 2004, 85 = FuR 2003, 562. RGZ 30, 345.

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Anhörungsrüge

§ 29a

II. Betroffene Entscheidungen 1. Endentscheidungen Die Anhörungsrüge ist beschränkt auf Endentscheidungen. Die Endentscheidungen 3 können die Hauptsache, aber auch Nebenverfahren betreffen (zB PKH-Verfahren). Auch einstweilige Regelungen werden erfasst, soweit nicht bei diesen ohnehin eine Abänderungsmöglichkeit besteht. Weitere Voraussetzungen sind negativ die Rechtskraft und positiv die Verletzung des Anspruchs des Rügeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise. § 29a gilt, sofern die nach Abs 2 zu wahrende Frist noch nicht abgelaufen sind, auch für vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle am 1.1.2005 rechtskräftig gewordene Entscheidungen.4 Wird gegen eine Ende 2004 ergangene Rechtsbeschwerdeentscheidung in einer Wohnungseigentumssache im Jahre 2005 geltend gemacht, das Gericht habe überraschend neue rechtliche Gesichtspunkte herangezogen, auf die es die Beteiligten nicht ausreichend hingewiesen habe, so ist über diese Einwendung im Verfahren nach § 29a FGG zu entscheiden. Der Rechtsbehelf ist nur innerhalb der Frist gemäß §§ 321a Abs 2 S 2 ZPO, 29a Abs 2 S 2 FGG zulässig. Ein Wiedereinsetzungsantrag wegen Fristversäumnis kann nicht erfolgreich darauf gestützt werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte angenommen habe, die Rechtsbehelfsfrist gelte nur für nach dem 1.1.2005 ergangene Entscheidungen.5 2. Rechtskraft Negativ ist für die Zulässigkeit der Anhörungsrüge erforderlich, dass ein Rechts- 4 mittel, ein Rechtsbehelf oder andere Änderungsmöglichkeiten nicht gegeben sind. Die Anhörungsrüge stellt somit einen subsidiären Rechtsbehelf dar. Die nach dem Verfahrensrecht sonst gegebenen Änderungsmöglichkeiten schließen die Anhörungsrüge aus. Insbesondere in den Haupt- oder Nebenverfahren, in denen die Entscheidungen vom Gericht abgeändert und den wechselnden Umständen angepasst werden können, erübrigt sich die Anhörungsrüge. Diese ist damit regelmäßig erst dann gegeben, wenn die anzufechtende Entscheidung rechtskräftig geworden ist. Während die frühere Anhörungsrüge nach § 321a ZPO aF rechtskrafthemmend konzipiert war, ist der neue § 321a ZPO und ebenso der § 29a FGG als rechtskraftdurchbrechend ausgestaltet. Modell sind die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs 2 FGG) und die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff ZPO). Wie in diesen Modellen wird bei zulässiger und begründeter Anhörungsrüge (erste und zweite Stufe) das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren fortgesetzt (dritte Stufe), was zu einer Bestätigung oder aber zu einer Änderung der angegriffenen Entscheidung führt, die wiederum nach allgemeinen Regeln rechtsmittelfähig sein kann. 3. Keine andere Abänderungsmöglichkeit Vorrangig vor der Anhörungsrüge sind die Rechtsbehelfe und sonstigen Abänderungs- 5 möglichkeiten. Für die erstinstanzlichen Entscheidungen im FGG-Verfahren schreibt § 18 Abs 1 eine Änderungsmöglichkeit vor. Soweit eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, darf die Änderung nur auf

4

BGH NJW 2005, 1432 = MDR 2005, 887; BVerfG, Beschluss vom 25.4.2005, 1 BvR 644/05, NJW 2005, 3059

5

OLG Köln FGPrax 2005, 114 = NZM 2005, 630.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Antrag erfolgen. Für die Gegenseite bedarf es in diesen Fällen keiner Regelung, weil die Gegenseite durch die Zurückweisung des Antrags nicht beschwert ist. Die Änderung ist freilich der ersten Instanz untersagt, wenn die Verfügung der sofortigen Beschwerde unterliegt (§ 18 Abs 2). Auch im Falle der (sofortigen oder einfachen) weiteren Beschwerde sind weder die erste Instanz (Amtsgericht) noch die zweite Instanz (Landgericht) zur Abhilfe befugt (§ 29 Abs 3). Das OLG als Gericht der weiteren Beschwerde ist an seine eigene Sachentscheidung gebunden und kann diese nach Erlass nicht mehr ändern. Ausnahmen sind möglich, wenn etwa Zulässigkeitsvoraussetzungen irrtümlich verneint worden sind (vgl § 29 Rn 43). Neben § 18 Abs 1 bestehen aber auch weitere Änderungsmöglichkeiten materiell-rechtlicher (zB §§ 1696, 2361 BGB) oder verfahrensrechtlicher Art (zB §§ 69i, 70i FGG, 53 GBO), die die Anhörungsrüge ausschließen. 4. Zwischenentscheidungen

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Auf die der Entscheidung vorausgehenden Entscheidungen findet die Anhörungsrüge nicht statt (Abs 1 S 2). Dieser Ausschluss dient der Verfahrensbeschleunigung. Außerdem steht erst nach Erlass der Endentscheidung fest, ob ein kausaler Gehörsverstoß vorliegt und welcher Beteiligte dadurch beschwert ist. Für Zwischenentscheidungen bleibt es also für die Anfechtungsmöglichkeiten bei den früheren Rechtsbehelfen. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll die Rechtsprechung nicht berührt werden, dass die Verweisung wegen Unzuständigkeit entgegen § 281 Abs 2 S 4 ZPO nicht bindend ist, wenn der Beschluss unter Versagung rechtlichen Gehörs ergangen ist. Hier bedarf es der Anhörungsrüge nicht. 5. Anschlussbeschwerde

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Als anderweitige vorrangige Abänderungsmöglichkeit hat auch die Anschlussbeschwerde zu gelten, soweit sie im FGG-Verfahren zulässig ist. Mit der Anschlussbeschwerde kann der Gegner, der selbst kein Rechtsmittel einlegen kann, weil etwa die Zulässigkeitssumme nicht erreicht oder seine Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen ist, sich dem zulässigen Rechtsmittel der Gegenseite anschließen, weil er mehr erreichen möchte als die Zurückweisung des Rechtsmittels, zB auch die Änderung einer Kostenentscheidung, die er sonst nicht isoliert angreifen könnte. Mit der Rücknahme des Rechtsmittels der Gegenseite wird die unselbstständige Anschlussbeschwerde unzulässig (vgl § 524 Abs 4 ZPO), ebenso bei einer Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels, bevor die Anschlussbeschwerde eingelegt wird. Die zwischenzeitliche Ungewissheit, ob der Anschlussbeschwerdeführer mit seinem Vorbringen zur Anhörungsrüge im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens beim iudex ad quem zum Zuge kommt, darf ihm nicht zum Nachteil ausschlagen. Er wird also zweckmäßigerweise neben der unselbstständigen Anschlussbeschwerde hilfsweise die Anhörungsrüge erheben. Die Anhörungsrüge muss allerdings vorsorglich frist- und formgerecht zugleich bei dem iudex a quo erhoben werden. Wird über die Anschlussbeschwerde mit der einbezogenen Anhörungsrüge im Rah8 men des Hauptrechtsmittels mitentschieden, hat sich die Anhörungsrüge bei dem iudex a quo erledigt. Wird die Anhörungsrüge im Rahmen des Beschwerdeverfahrens der Gegenseite nicht miterledigt, muss darüber anschließend noch vom iudex a quo entschieden werden, um den Gehörverstoß zu beseitigen. In geeigneten Fällen werden sich iudex ad quem und iudex a quo darüber zu verständigen haben, ob die Anhörungsrüge beim iudex ad quem miterledigt wird oder die Entscheidung über das Hauptrechtsmittel solange ausgesetzt wird, bis die Anhörungsrüge beim iudex a quo abschließend behandelt ist. Das wird sich dann anbieten, wenn die Entscheidung des iudex a quo sich durch die Anhörungsrüge noch ändern kann, sich damit evtl sogar andere Anfechtungsmöglichkeiten

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Anhörungsrüge

§ 29a

ergeben. Nach dem Rechtsgedanken des § 541 Abs 1 ZPO hat im Zweifel der iudex ad quem über die Reihenfolge der mit der Anhörungsrüge konkurrierenden unselbstständigen Anschlussbeschwerde zu befinden.

III. Gehörsverletzung Die Gehörsverletzung ist an den jeweiligen einfachrechtlichen Verfahrensvorschriften 9 zu messen, kann also auch dann gegeben sein, wenn ein Gehörverstoß iSv Art 103 Abs 1 GG nach den strengeren Regeln der verfassungsrechtlichen Überprüfung6 zu verneinen ist. Für die Gehörsverletzung reicht der objektive Verstoß. Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es nicht an. Damit sind auch so genannte Pannenfälle erfasst, wenn etwa Schriftsätze versehentlich nicht zu den Akten gelangt sind. Erst recht sind Fälle umfasst, in denen das Gericht etwa Tastachenvorbringen übersieht. Die Anhörungsrüge geht insoweit über die §§ 320, 321 ZPO (Tatbestandsberichtigung, Urteilsergänzung) hinaus. Bei offenbaren Unrichtigkeiten, Übergehen von Sachvortrag oder Anträgen war bisher schon in den Grenzen des § 319 ZPO eine Selbstkorrektur des Gerichts möglich. In Einzelfällen hat das BVerfG7 darüber hinaus in Fällen der offenbar unrichtigen Rechtsanwendung etwa bei Rechtsmittelformalien und Übergehen von entscheidenden Problemen eine richterliche Willkür angenommen und darin zugleich eine Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs gesehen.

IV. Verstoß gegen andere Verfassungsgrundsätze Ein offenes Problem ist die Frage, ob § 29a analog anzuwenden ist, wenn andere gra- 10 vierende Verfassungsgrundsätze (Gebot des fairen Verfahrens, Verbot objektiver Willkür, insbes von offenkundig gesetzwidrigen Entscheidungen) bei der Entscheidungsfindung des Gerichts verletzt worden sind, oder ob in diesen Fällen die außerordentliche Beschwerde an die höhere Instanz gegeben ist. Nach herkömmlichen Auslegungsregeln ist zu argumentieren, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik schon bei dem ZPO-RG 2002 von einer gesetzlichen Regelung der außerordentlichen Beschwerde abgesehen hat und die Rechtsprechung nicht die Rechtsmittelmöglichkeiten zu erweitern hat. Der Gesetzgeber ist nach der Begründung des Anhörungsrügensetzes der Frage ausgewichen und hat sich strikt im Rahmen des Gesetzgebungsauftrages des BVerfG gehalten. Er hat ausgeführt, dass er damit nicht zu der Frage außerordentlicher Rechtsmittel bei Verletzung anderer Verfassungsgrundsätze Stellung nehme und diese nicht ausschließe. Gerade weil das BVerfG bei der Gehörsrüge eine Regelung für alle Instanzen im geschriebenen Recht ab 2005 gefordert hat, hätte der Gesetzgeber an sich die Pflicht gehabt, auch die Willkürrüge umfassend zu regeln. Das gilt umso mehr, als sich seit 2002 für die ordentliche Gerichtsbarkeit der Grundsatz herausgebildet hat, dass die außerordentliche Beschwerde nicht länger gegeben ist.8

6 7

8

Zuck NJW 2005, 3753. BVerfG NJW 1994, 2347; NJW 1996, 3202; NJW 1998, 2044; NJW 2000, 1709; BVerfG FamRZ 2003, 1447; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2005, 1 BvR 2874/04, GE 2006, 438. BayObLG FamRZ 2005, 390; KG FGPrax

2005, 66 = FamRZ 2005, 918; vgl auch BGH NJW 2005, 143 = FamRZ 2005, 181 = FuR 2005, 231 (betr. Familiensachen); BVerwG NJW 2005, 771 = NVwZ 2005, 232; VGH Mannheim NJW 2005, 920 = ZMR 2005, 489.

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Es ist darauf hinzuweisen, dass das BVerfG neben der Gehörsrüge andere verfassungsrechtlich bedenkliche Verfahrensverstöße9 konkretisiert,10 aber dem Gesetzgeber insoweit keinen ausdrücklichen Auftrag mit Fristsetzung erteilt hat. Für die Fälle greifbarer Gesetzeswidrigkeit hat das OLG München11 dennoch eine Gesetzeslücke angenommen, die wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde dahin zu schließen sei, das (zB bei offenkundig unzutreffend verneintem Rechtsschutzbedürfnis) wiederum die außerordentliche Beschwerde an die höhere Instanz gegeben sein soll.12 Offen bleibt damit, welche Rechtsbehelfe bei anderen Verfassungsverstößen (etwa der Verletzung des fairen Verfahrens) gegeben sind. Widersprüchlich ist ferner, dass das BVerfG neben der von ihm erstrebten Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nachdrücklich darauf verwiesen hat, dass Richter nicht befugt sind, in das gesetzlich vorgesehene Rechtsmittelsystem ergänzend einzugreifen (Rechtsmittelklarheit).13 Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG gehört auch ein Abänderungsantrag 12 wie zB gemäß § 80 Abs 7 VwGO zu den Rechtsmitteln bzw Rechtsbehelfen im weiteren Sinne, die vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde einzulegen sind. Werden neben der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) noch weitere Grundrechtsverletzungen (hier: von Art 6 Abs 1, 2, Art 19 Abs 4 GG) gerügt, so soll das Änderungsverfahren nach § 80 Abs 7 VwGO zugleich Gelegenheit bieten, auch diese verfassungsrechtlichen Mängel zu beseitigen, selbst wenn sie mit dem geltend gemachten Gehörsverstoß nicht notwendig in Zusammenhang stehen.14 Dem steht jedoch die vom BVerfG eingeforderte Rechtsmittelklarheit (ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers im Gesetz) entgegen. Im Widerspruch dazu hat das BVerfG an das Unterlassen der Einlegung des statthaften Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge die Folge geknüpft, dass die eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht nur wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs, sondern insgesamt, zB im Hinblick auf die Verletzung des fairen Verfahrens, unzulässig ist, jedenfalls wenn sich die Gehörverletzung auf den gesamten Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens erstreckt.15

V. Entscheidungserheblichkeit 13

Die Gehörsverletzung allein rechtfertigt eine Fortführung des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nicht. Hinzukommen muss eine Auswirkung auf das Ergebnis der Entscheidung. Das Gericht muss den Anspruch des Rügeführers in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben (Abs 1 Nr 2). Zu prüfen ist also die Kausalität für das Entscheidungsergebnis. Der Rügeführer muss neben der angegriffenen Entscheidung das Vorliegen sowohl der Gehörsverletzung wie auch der Kausalität für das Entscheidungsergebnis darlegen (Abs 2 S 6). Mangelnde Darlegung macht die Rüge unzulässig (Abs 4 S 1). Geprüft wird vom Gericht nur die konkret gerügte Gehörsverletzung; wegen einer zwar bekannten, aber nicht gerügten Gehörsverletzung scheidet auch eine Verfassungsbeschwerde aus.16 9 10

11 12

BFH NJW 2004, 2854 bei eindeutig gesetzwidriger Anwendung von Verfahrensrecht. BVerfG, Beschluss vom 14.12.2005, 1 BvR 2874/04, GE 2006, 438: Verletzung des Gleichheitssatzes bei willkürlicher Annahme der Verwirkung eines Anspruchs. OLG München FGPrax 2005, 278. Vgl auch BFH NJW 2005, 3374.

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13 14 15 16

BVerfGE 108, 341 = NJW 2003, 3687 = FamRZ 2004, 85. BVerfG NJW 2002, 2862 = NVwZ 2002, 848; HessStGH NJW 2005, 2217. BVerfG NJW 2005, 3059; BayVerfGH NJW 2006, 1053. BayVerfGH NJW 2006, 283.

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Anhörungsrüge

§ 29a

Das Erfordernis, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle nach Lage der Sache 14 sonst zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu ergreifen, um die Verfassungsverletzung auszuräumen, umfasst auch diejenigen Rechtsbehelfe, deren Zulässigkeit in der bisherigen fachgerichtlichen Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob jener Rechtsbehelf an eine Frist gebunden ist und der Beschwerdeführer durch die Verwerfung einer Verfassungsbeschwerde in aller Regel endgültig seine Rechtsschutzmöglichkeiten verliert, oder ob der Rechtsbehelf keiner Frist unterliegt und der Beschwerdeführer ihn deshalb nach der Verwerfung seiner Verfassungsbeschwerde noch ergreifen kann. Das Unterlassen der Einlegung des statthaften Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die behauptete Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art 103 I GG, deren Heilung § 321a I ZPO bezweckt, sondern insgesamt (hier: auch mit Blick auf das Grundrecht auf ein faires Verfahren gem Art 2 I GG iVm Art 20 III GG) unzulässig ist. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen sich die behauptete Gehörsverletzung auf den gesamten Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens erstreckt.17

VI. Formalien 1. Fristen Für den Beginn der Zwei-Wochen-Frist für die Anhörungsrüge knüpft Abs 2 Satz 1 15 nicht an die förmliche Zustellung der der anzufechtenden Entscheidung an, sondern an den Zeitpunkt der Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Zeitpunkt ist vorzutragen und zusätzlich glaubhaft zu machen. Nach dem Muster der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs 2 S 4) ist die Anhörungsrüge nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung ausgeschlossen (Abs 2 S 2). Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (Abs 2 S 3). Die Bekanntgabefiktion in Abs 2 S 3 hat der Gesetzgeber gewählt, um nicht in den Fällen, in denen eine förmliche Zustellung bisher nicht nötig war, die förmliche Zustellung allein deswegen vorschreiben zu müssen, um die Frist für die Anhörungsrüge in Lauf zu setzen. Die Zwei-Wochen-Frist des Abs 2 S 1 ist eine Frist, bei deren unverschuldeter Versäu- 16 mung Wiedereinsetzung nach § 22 Abs 2 beantragt werden kann. Das gilt bis zum Erreichen der Ausschlussfrist von einem Jahr. Über den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Gehörsverletzung ist notfalls Beweis zu erheben. Der Zeitpunkt kann, muss aber nicht mit einer förmlichen Zustellung zusammenfallen. Nach dem Inhalt der Entscheidung wird der Rügeführer allerdings vielfach zuverlässig feststellen können, ob eigenes erhebliches Vorbringen vom Gericht übergangen worden ist. Es kann auch sein, dass die Gehörsverletzung erst durch eine Akteneinsicht festzustellen ist. Fraglich ist nach dem Gesetzestext, ob das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht. Einfache Fahrlässigkeit (fahrlässige Unkenntnis) wird nicht der Kenntnis gleichstehen. Anders, wenn die Partei oder ihr Vertreter sichere Grundlagen für das Wissen von der Gehörsverletzung hat und sich der Kenntnisnahme bewusst verschließt. Wer Behördenpost wochenlang ungeöffnet liegen lässt, kann sich auf fehlende Kenntnis einer ergangenen Gerichtsentscheidung und des darin übergangenen Vorbringens nicht berufen. Dies entspricht der Auslegung der

17

BVerfG, Beschluss vom 25.4.2005, 1 BvR 644/05, NJW 2005, 3059.

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§ 29a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

„Kenntnis“ im Sinne des § 586 Abs 1 ZPO18 im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens, dem das Anhörungsrügenverfahren ähnelt,19 sowie der Frist für die Wiedereinsetzung nach § 22 Abs 2 S 1 FGG wie § 234 Abs 1 S 2 ZPO, wenn die Versäumung bei der gebotenen Sorgfalt hätte erkannt werden können.20 Auf die Kenntnis bzw das Kennenmüssen des Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten nach Beendigung des Mandats kommt es nicht an.21 Kenntnis bzw Kennenmüssen sind auf die Gehörsverletzung zu beziehen, nicht auf die Entscheidungserheblichkeit. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die hinreichende Kenntnisnahmemöglichkeit von dem übergangenen Vorbringen. 2. Glaubhaftmachung

17

Für die Wahrung der Zwei-Wochen-Frist ab Kenntniserlangung verlangt Abs 2 S 1 nicht nur die Darlegung, sondern die Glaubhaftmachung. Die näheren Umstände der Kenntniserlangung sind also zu belegen. Der Rügeführer hat die Richtigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern. Die Regelung ist vergleichbar mit dem Wiedereinsetzungsverfahren (§ 22 Abs 2). Bei Kenntniserlangung durch förmliche Zustellung ergibt sich der Zeitpunkt aus der Zustellungsurkunde. 3. Form

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Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird (Abs 2 S 4). Für Entscheidungen der Oberlandesgerichte wird ausnahmsweise die Schriftform (nicht die Protokollform) eingeschränkt. Nur ein Rechtsanwalt sowie Notare und Behörden können sich der Schriftsatzform bedienen (§ 29 Abs 1 S 2 und 3), nicht jeder einfache Beteiligte, dem nur die Protokollform offensteht. Durch die Verweisung der einfachen Beteiligten auf die Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle des OLG soll wie bei § 29 ein Mindestmaß einer Beratung der nicht rechtskundigen Personen sichergestellt werden. Das wird sich insbesondere auch auf die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit (Kausalität) des Gehörverstoßes, aber auch auf die Wahrung der Fristvorschriften und die Glaubhaftmachung beziehen. Unzulässige Beschwerden sollen vermieden werden. Während die weitere Beschwerde aber nach § 29 nur für den Beschwerdeführer formbedürftig ist, gilt dies bei der Anhörungsrüge auch dann, wenn der Rechtsbeschwerdegegner die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht. Eine Lücke enthält das Gesetz für die Anhörungsrüge in den Fällen, in denen ein 19 Gehörverstoß durch den BGH bei einer Entscheidung auf Vorlage gemäß § 28 geltend gemacht wird. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass für eine Selbstkorrektur der BGH zuständig ist und nicht etwa das vorlegende OLG, das zudem auch die Kausalität des Gehörverstoßes schwerer beurteilen und erst recht nicht eine BGH-Entscheidung korrigieren kann. Die Zuständigkeit nur der Geschäftsstelle des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird, würde bedeuten, dass nur die Rechtsantragstelle des BGH in Betracht kommt, wenn der Rügeführer nicht einen Rechtsanwalt beauftragt. Hier sollte das Gesetz erweiternd dahin ausgelegt werden, dass jedenfalls auch die Geschäftsstelle des OLG zuständig für die Entgegennahme der Rüge ist, die das Verfahren dem BGH nach § 28 vorgelegt hat. Die Zuständigkeit des ursprünglich vor der Vorlage für die Rechtsbeschwerde zuständigen OLG wird damit für das Annexverfahren nachgezeichnet.

18 19

BAG NZA 2003, 453. Zöller/Vollkommer ZPO § 321a Rn 14.

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20 21

BGH NJW-RR 2005, 76 und 923. BGHZ 31, 351, 354.

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Anhörungsrüge

§ 29a

VII. Anhörung der übrigen Beteiligten Wie in § 321a Abs 3 ZPO ist den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme 20 zu geben. Sie müssen gehört werden, weil das ursprüngliche scheinbar rechtskräftige Ergebnis wieder in Frage gestellt wird. Die Gegenseite wird durch die Anfechtung der Ausgangsentscheidung unmittelbar in ihrer Rechtsposition betroffen. Wie bei einem Einspruch kann die Rüge – vgl Abs 5: soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist – auf einen abgrenzbaren Teil des Verfahrensgegenstands beschränkt werden. Soweit die Rüge reicht, kann der erfolgte Eintritt der Rechtskraft später durchbrochen (nicht aber gehemmt) werden. Einstweilige Anordnungen nach § 24 Abs 2 und 3 sind möglich.

VIII. Verfahrensgang 1. Zulässigkeit der Anhörungsrüge Wie bei Wiederaufnahmeklagen (§§ 578 ff ZPO) sind drei Verfahrensstadien zu un- 21 terscheiden, die sich nacheinander mit der Zulässigkeit der Rüge, ihrer Begründetheit und der Ersetzung der Ausgangsentscheidung befassen. Im ersten Stadium nach Abs 4 ist zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Die Statthaftigkeit ergibt sich daraus, dass ein Rechtsmittel, Rechtsbehelf oder eine andere Änderungsmöglichkeiten gegen die Ausgangsentscheidung nicht gegeben sind. Wird in einer Anhörungsrüge gegen einen Beschluss des Rechtsbeschwerdegerichts die Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachenvortrag geltend gemacht, so muss der Rügeführer darlegen, dass die nach seiner Auffassung übergangenen Tatsachen nach § 27 Abs 1 Satz 2 FGG iVm § 559 ZPO berücksichtigungsfähig waren, anderenfalls ist die Rüge nicht in der gesetzlichen Form begründet und deshalb unzulässig.22 Zur Form ist erforderlich, dass die Rüge die angegriffene Entscheidung (Ausgangsent- 22 scheidung) bezeichnet und das Vorliegen der in Abs 1 Nr 2 genannten Voraussetzungen darlegt. Bei der Frist handelt es sich um die Zwei-Wochen-Frist nach Kenntnis der Verletzung des rechtlichen Gehörs, wobei der Zeitpunkt der Kenntniserlangung zusätzlich zur Darlegung glaubhaft zu machen ist, zumeist durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Beteiligten oder seines Vertreters. Fehlt es an diesen Zulässigkeitsvoraussetzungen, ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss, der kurz begründet werden soll (nicht muss). Das Rügeverfahren ist damit beendet. Die vorüber gehend wieder in Frage gestellte Rechtskraft ist damit bestätigt. Es entsteht eine Unterliegensfestgebühr von 50 Euro nach § 131d KostO. Im Falle der berechtigten Verwerfung scheidet auch eine anschließende Verfassungsbeschwerde aus, weil der ordentliche Rechtsweg nicht ordnungsgemäß beschritten worden ist. Durch eine zu Unrecht erfolgte Verwerfung wird dagegen die Verfassungsbeschwerde eröffnet. 2. Unbegründetheit der Anhörungsrüge In einem zweiten Verfahrensstadium ist die Begründetheit der Rüge zu prüfen, näm- 23 lich ob das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Zur Frage der Verletzung und deren Kausalität für 22

Vgl BAG, Beschluss vom 30.11.2005, 2 AZR 622/05.

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§ 29a

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

die angegriffene Entscheidung trifft den Rügeführer zwar eine Darlegungslast, nicht aber eine Pflicht zur Glaubhaftmachung oder zum Beweis. Das Gericht muss – da es seine ursprüngliche Verfahrensförderungspflicht vernachlässigt haben soll – die Umstände ermitteln und aufklären. Liegt ein Grundrechtsverstoß vor und ist seine Erheblichkeit für die Ausgangsentscheidung nicht auszuschließen, so hat das Gericht den eigenen Fehler zu beseitigen (Selbstkorrektur). Eine Unaufklärbarkeit (non liquet) des Verstoßes und der Kausalität darf sich nicht zu Lasten des nicht ausreichend Angehörten auswirken. Ist die Rüge unbegründet, weil ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden war 24 oder die Verletzung sich auf die Entscheidung nicht ausgewirkt haben kann, weil es auf die nicht berücksichtigten Tatsachen nicht ankommt, ist die Rüge zurückzuweisen. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss, der kurz begründet werden soll (nicht muss). Auch den Umfang der Begründung hat das Gesetz in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Selbst eine fehlende Begründung macht den Beschluss nicht unwirksam. Die Sollvorschrift ist mit Rücksicht auf die Obergerichte gewählt, die nicht in jedem Fall zu einer nachträglichen Begründung gezwungen werden sollen,23 ist aber nach dem Gesetzeswortlaut auf alle Instanzen anwendbar. In der Sache handelt sich bei der Zurückweisung um eine Nichtabhilfe. Ist diese Abhilfe zu Unrecht versagt worden, kann der Weg der Verfassungsbeschwerde beschritten werden. Diese richtet sich gegen die Ausgangsentscheidung, die nach der Nichtabhilfe unverändert besteht. Die Frist zur Verfassungsbeschwerde beginnt nicht mit der Zustellung der Ausgangsentscheidung, sondern mit dem Zugang der Nichtabhilfeentscheidung.24 Eine fehlende Begründung der Zurückweisung der Rüge (Nichtabhilfe) kann geeignet sein, die Aussichten einer Verfassungsbeschwerde zu steigern. Selbst eine knappe Begründung kann dagegen dazu führen, dass die Verfassungsbeschwerde wegen des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör unbegründet wird. Wird die Anhörungsrüge als nicht begründet zurückgewiesen, können die Kosten des Rügeverfahrens der beschwerten Partei auferlegt werden.25 3. Fortsetzung des Verfahrens

25

Abs 5 ordnet im Falle einer begründeten Rüge die Fortsetzung des Verfahrens an, wobei es (anders § 321a Abs 5 ZPO) nicht einer Anknüpfung an den Schluss der mündlichen Verhandlung bedarf, weil das FGG-Verfahren ohnehin ein Beschlussverfahren vorsieht, bei dem auch nach einer eventuellen mündlichen Verhandlung eingehende Schriftsätze bis zur Herausgabe des Beschlusses aus dem Gerichtsbereich zu berücksichtigen sind und dieses schriftliche Verfahren im Falle einer begründeten Rüge fortgeführt wird, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Die zuvor erlassene Gerichtsentscheidung ist nach Behebung des Gehörverstoßes gemäß den allgemeinen Regeln der Überprüfung angefochtener Entscheidungen entweder unter Aufhebung zu ändern oder aufrechtzuerhalten. In § 321a Abs 5 S 3 ZPO wird ausdrücklich auf § 343 ZPO verwiesen, der den Fortgang des Verfahrens nach Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ebenfalls in der Weise regelt, dass an die frühere Entscheidung angeknüpft und diese entweder aufrechterhalten oder geändert wird. Im Fall der Aufrechterhaltung bleiben frühere Vollstreckungsmaßnahmen wirksam. Die neue Entscheidung (Aufrechterhaltung oder Änderung der angegriffenen Entscheidung, ggf auch teilweise) enthält eine (neue) Kostenentscheidung und ist nach allgemeinen Grundsätzen rechtsmittelfähig.

23

BGH, Beschluss vom 28.7.2005, III ZR 438/ 04, BeckRS 2005, 09507; BGH NJW 2005, 1432.

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24 25

BVerfG NJW 2002, 3388. BGH NJW 2005, 1432 = MDR 2005, 393; BGH WuM 2005, 475.

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Zuständige Beschwerdegerichte

§ 30

IX. Kosten Wird die Anhörungsrüge in vollem Umfang verworfen oder zurückgewiesen, wird 26 unabhängig von der befassten Instanz eine Festgebühr von 50 Euro erhoben (§ 131d S 1 KostO). Bei teilweiser Verwerfung oder Zurückweisung wird keine Gebühr erhoben, ebenso bei Rücknahme der Rüge (§ 131d S 2 KostO). Richtet sich die Rüge gegen eine Entscheidung des Vormundschafts- oder Familiengerichts und ist sie von dem Minderjährigen, dem Betreuten oder dem Pflegebefohlenen eingelegt, so ist sie in jedem Fall gebührenfrei (§ 131d S 3 iVm § 131 Abs 3 KostO). Für die außergerichtlichen Gebühren ist in § 19 Abs 1 S 2 Nr 5 RVG bestimmt, dass das Rügeverfahren zum Rechtszug gehört, falls dieses von demselben Rechtsanwalt betrieben wurde. Bei Beschränkung der anwaltlichen Tätigkeit auf das Rügeverfahren, entsteht nach Nr 3330 VV-RVG eine halbe Verfahrensgebühr, bei Erörterung bzw mündlicher Verhandlung nach Nr 3332 VVRG eine weitere halbe Terminsgebühr. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 23 RVG und wird regelmäßig mit der Hauptsache identisch sein, falls die Rüge nicht nur einen Teil des Verfahrensgegenstandes betrifft. Für den nach § 29a Abs 3 hinzugezogenen übrigen Beteiligten kann uU eine Erstattungsanordnung gemäß § 13a FGG ergehen.

X. Verweisung in anderen Gesetzen Soweit in anderen Gesetzen auf die Verfahrensregelungen des FGG verwiesen wird, 27 wie etwa in § 9 LwVG, § 3 FEVG, gilt § 29a durch die allgemeine Bezugnahme auf das FGG entsprechend. Eine ausdrückliche Verweisung auf § 29a FGG ist in § 81 Abs 3 GBO und § 89 Abs 3 Schiffsregisterordnung aufgenommen worden.

XI. Reformvorhaben Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen 28 und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) wiederholt in § 44 die Regelung des § 29a FGG.

§ 30 Zuständige Beschwerdegerichte (1) Die Entscheidungen über Beschwerden erfolgen bei den Landgerichten durch eine Zivilkammer, bei den Oberlandesgerichten und bei dem Bundesgerichtshof durch einen Zivilsenat. Ist bei einem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so tritt für Handelssachen diese Kammer an die Stelle der Zivilkammer. Entscheidet über die Beschwerde die Zivilkammer des Landgerichts, findet § 526 der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung. (2) Die Vorschriften des § 137 (jetzt: §§ 132, 138) des Gerichtsverfassungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. Abs 1 S 3 angefügt durch Art 13 ZPO-RG v 27.7.2001 (BGBl I S 1887) mit Wirkung zum 1.1.2002. Die in Abs 2 genannte Vorschrift des § 137 GVG ist durch das G v 17.12.1990 (BGBl I S 2847) zusammen mit § 136 GVG aufgehoben, der Inhalt von

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§ 30

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§§ 136, 137 GVG zugleich in die Neufassung von § 132 GVG aufgenommen worden. In den mit § 30 FGG vergleichbaren § 81 GBO sind die §§ 132 und 138 GVG bereits ausdrücklich aufgenommen worden, so dass bereits jetzt auch § 30 Abs 2 so zu verstehen ist.

Literatur Demharter Wohnungseigentumsverfahren nach der ZPO-Reform, NZM 2002, 233 ff; Drasdo Neuauflage des Gesetzentwurfs zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der FG aus wohnungseigentumsrechtlicher Sicht, NZM 1999, 246 ff; Heussner Das Anfrageverfahren vor Anrufung des Großen Senats, DRiZ 1972, 119; May Verfahrensfragen bei der Anrufung des Großen Senats, DRiZ 1983, 305; Philippi Darf über die einfache Beschwerde in Familiensachen aus dem Bereich der FG der Einzelrichter entscheiden? FamRZ 2004, 592.

Übersicht Rdn I. Zuständigkeit der Kammern und Senate (Abs 1 S 1) . . . . . . . . . . . . . . II. Besetzung, Gerichtsverfassung . . . . . III. Kammern für Handelssachen (Abs 1 S 2) . . . . . . . . . . . . . . 1. Handelssachen . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeitsstreit . . . . . . . . . 3. Rechtsbeschwerdegrund . . . . . . IV. Entscheidender Einzelrichter (Abs 1 S 3) . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragungsmöglichkeit . . . . . . 3. Ermessensentscheidung . . . . . . . 4. Einzelrichter in erster Instanz . . . . 5. Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art . . . . . . . . . . .

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1 2

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9 9 10 11 12

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13

Rdn

V.

VI. VII. VIII.

6. Grundsätzliche Bedeutung der Sache 7. Zeitliche Begrenzung . . . . . . . 8. Rückübertragung auf die Zivilkammer . . . . . . . . . . . . . . 9. Verfahren . . . . . . . . . . . . . Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . 2. Erweiterung . . . . . . . . . . . . 3. Vorlageverfahren im Einzelnen . . 4. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes . . . . . . Familiengerichte . . . . . . . . . . . Landesrecht . . . . . . . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . . .

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I. Zuständigkeit der Kammern und Senate 1

Die Vorschrift des Abs 1 entspricht den für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten gegebenen Vorschriften der §§ 72, 119, 133 GVG, indem sie bestimmt, dass für Entscheidungen über die Beschwerden in Sachen der FG bei den Landgerichten die Zivilkammern zuständig sind, soweit die Entscheidung nicht den Kammern für Handelssachen zugewiesen ist, bei den Oberlandesgerichten und bei dem Bundesgerichtshof die Zivilsenate. Senate für Handelssachen beim OLG und beim BGH gibt es nicht. Welcher Senat zuständig ist, bestimmt der Geschäftsverteilungsplan (§§ 21e ff GVG). Soweit diese Gerichte nicht als Beschwerdegerichte, sondern als Gerichte erster Instanz tätig werden, ist das entweder besonders bestimmt (§ 25 Abs 1 S 1 EGGVG, §§ 98, 132 AktG) oder durch Bezugnahmen auf § 30 Abs 1 geregelt (Art 7 § 1 Abs 6 S 4 FamRÄndG, § 143 Abs 1 S 2 FGG) oder es ergibt sich beim Schweigen des Gesetzes aus der Natur der Sache.

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Zuständige Beschwerdegerichte

§ 30

II. Besetzung, Gerichtsverfassung Für die Besetzung der Kammern und Senate sind die Vorschriften des GVG maßge- 2 bend. Nach § 2 EGGVG finden zwar die Vorschriften des GVG nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit und deren Ausübung Anwendung, worunter die Gerichtsbarkeit in Straf- und Zivilsachen verstanden wird. Diese Beschränkung ist jedoch nur historisch zu verstehen, da im Jahre 1877 die FG noch Landesangelegenheit war. In § 10 Abs 2 EGGVG idF vom Nov. 1898 (RGBl S 252) wird jedoch die Geltung des GVG auch in Angelegenheiten der FG vorausgesetzt, und vor allem ergibt sich daraus, dass das FGG die Bezeichnungen „Amtsgericht“, „Landgericht“ usw ohne nähere Erläuterung verwendet, dass darunter nur die durch das GVG geschaffenen Behörden dieses Namens in der durch dieses Gesetz bestimmten Verfassung gemeint sein können.1 Der Landesgesetzgeber ist nicht befugt, die Verfassung der in Sachen der FG tätig 3 werdenden Gerichte abweichend zu regeln, und die auf dem GVG beruhende Verfassung der Gerichte ist auch maßgebend, wenn der Landesgesetzgeber diesen Gerichten Aufgaben der FG zuweist. Es gelten daher für die Besetzung der Zivilkammern § 75 GVG, der Kammern für Handelssachen § 105 GVG, der Zivilsenate des OLG § 122 GVG und des BGH § 139 Abs 1 GVG. In Landwirtschaftssachen ist die Besetzung des OLG als Beschwerdegericht und des BGH abweichend geregelt (§§ 2 Abs 2, 20, 52 Abs 1 LwVG). Die Zuständigkeit des Einzelrichters bei dem Landgericht als Erstbeschwerdegericht 4 kommt in der FG nach § 30 Abs 1 S 3 FGG entsprechend § 526 ZPO in Betracht. Über die Einrichtung des beauftragten Richters und die Befugnisse des Berichterstatters vgl § 15. Wird ein Richter des Kollegiums ohne Übertragung der Sache mit der Anhörung des Beschwerdeführers beauftragt, kann er jedenfalls die Rücknahme der Beschwerde entgegennehmen.2 Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen darf ohne Übertragung nicht entsprechend § 349 Abs 2 Nr 11 ZPO den Geschäftswert für eine Beschwerde in einer Handelssache der FG festsetzen.3 Ausnahmen bestehen für das OLG bei Familiensachen der FG, die im Verbund verhandelt werden.4 Soweit entsprechend § 526 ZPO die Zivilkammer die Sache auf den Einzelrichter überträgt, tritt dieser voll an die Stelle der Zivilkammer (Abs 1 S 3). Außerhalb von und neben § 526 ZPO kommt in FGG-Verfahren ein originärer Einzelrichter nach § 568 ZPO nicht in Betracht.5 Auch § 526 ZPO scheidet aber aus in Grundbuchsachen, weil § 81 GBO nicht durch die ZPO-Reform geändert wurde und § 30 FGG daneben nicht anwendbar ist.6

III. Kammern für Handelssachen (Abs 1 S 2) Kammern für Handelssachen werden nach § 93 GVG für den Bezirk des Landgerichts 5 oder örtlich abgegrenzte Teile davon nur errichtet, wenn die Landesjustizverwaltung nach ihrem Ermessen ein Bedürfnis dafür anerkennt. Ist eine Kammer für Handelssachen gebildet, so ist sie für Handelssachen an Stelle der Zivilkammer zuständig. Diese Zuständigkeit ist ausschließlich und zwingend; sie kann insbesondere durch einen abweichenden Geschäftsverteilungsplan nicht abgeändert werden.7 Wird in einer Handelssache ein Amtsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so entscheidet über dieses Ge1 2 3

BGHZ 7, 30. BayObLGZ 1958, 213. BayObLGZ 1988, 248; BayObLG NJW-RR 1996, 485 = FGPrax 1995, 163.

4 5 6 7

Keidel/Kahl FGG 14. Aufl, § 30 Rn 7. Demharter NZM 2002, 233, 235. Demharter GBO § 81 Rn 3. OLG Köln Rpfleger 1983, 29.

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such nach der Neufassung des § 45 Abs 2 ZPO ein anderer Richter des Amtsgerichts, der sich nach dem Geschäftsverteilungsplan bestimmt, erst gegen die Zurückweisung ist dann die sofortige Beschwerde an die beim Landgericht gebildete Kammer für Handelssachen zuständig.8 Eine Kammer für Handelssachen ist nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn deren Vorsitzender in einer FGG-Sache ohne weiteres allein über die Beschwerde entscheidet.9 1. Handelssachen

6

Handelssachen sind nicht die in § 95 GVG aufgeführten, sondern die im 7. Abschnitt des FGG (§§ 125 bis 158) behandelten Angelegenheiten sowie diejenigen, die durch andere Gesetze den Vorschriften des FGG über Handelssachen unterstellt werden (vgl Vorbem vor § 125 Rn 2).10 Dazu gehören auch die Angelegenheiten der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, insbesondere die gerichtliche Ernennung von Liquidatoren für sie,11 die Führung des Genossenschaftsregisters12 einschließlich der Bestellung von Vorstandsmitgliedern der Genossenschaft13 und der Entscheidung des Gerichts nach § 33 Abs 3 S 4 GenG,14 die Bestellung von Notvertreters einer Handelsgesellschaft nach § 29 BGB, § 85 AktG,15 die Abberufung eines in entsprechender Anwendung des § 273 Abs 4 AktG für eine GmbH gerichtlich bestellten Nachtragsliquidators gemäß § 66 Abs 3 S 1 GmbHG,16 Anträge auf registerrechtliche Prüferbestellung für eine Genossenschaft, die Entscheidung in Kosten- und Gebührensachen in Handelssachen.17 Zur Entscheidung über Beschwerden in Angelegenheiten der FG im Zusammenhang mit der Führung des Partnerschaftsregisters ist dagegen eine Zivilkammer des LG berufen, da es sich nicht um Handelssachen iSd § 30 I S 2 FGG handelt.18 Dasselbe gilt für das Vereinsregister.19 Über Beschwerden in Schiffsregistersachen entscheidet eine Zivilkammer (§ 89 SchiffsRG), ebenso in Sachen des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen (§ 95 LuftfahrzRG). Soweit die Kammer für Handelssachen zuständig ist, hat sie über die Festsetzung des Geschäftswerts einer Beschwerde im FGG-Verfahren in der Besetzung mit drei Mitgliedern zu entscheiden, weil hier § 349 Abs 1 Nr 11 ZPO weder direkt noch entsprechend anwendbar ist.20 2. Zuständigkeitsstreit

7

Für den Fall, dass sowohl die Zivilkammer als auch die Kammer für Handelssachen sich für unzuständig hält, fehlt es an einer besonderen Regelung. Die Vorschriften der §§ 104, 102 GVG über die Verweisung mit bindender Wirkung sind nicht anwendbar. Auch nach § 5 FGG kann der Zuständigkeitsstreit nicht entschieden werden. Nach § 5 FGG beigelegt werden kann aber der Zuständigkeitsstreit zwischen mehreren nach § 93 GVG für Teile des LG-Bezirks gebildeten Kammern für Handelssachen, da es sich inso8 9 10

11 12 13

BayObLG NJW-RR 1997, 869 (noch zum früheren Recht). BayObLG NJW-RR 1998, 829; OLG Schleswig-Holstein FGPrax 2005, 135. BayObLG 1988, 1090; NJW-RR 1991, 1510 = MDR 1991, 1090; OLG Hamm Rpfleger 1990, 426; OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 1995, 178; MDR 2001, 349. KG OLGR 5, 441. OLG Braunschweig OLGR 19, 352. BayObLG OLGR 33, 2.

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14 15 16 17 18 19 20

BayObLGZ 1954, 11. BayObLGZ 1956, 310. OLG Köln FGPrax 2003, 86 = NZG 2003, 340. OLG Bremen KostRspr § 14 KostO Nr 2. OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 538 = MDR 2001, 349 = FGPrax 2001, 85. KGJ 29 A 109 = RJA 5, 187. BayObLGZ 1988, 248, 258; MDR 1990, 634; JurBüro 1996, 267; OLG Köln NZG 2003, 340, 342.

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Zuständige Beschwerdegerichte

§ 30

weit um eine örtliche Zuständigkeit handelt.21 Soweit eine Entscheidung nach § 5 FGG nicht möglich ist, kann der gerichtsinterne Geschäftsverteilungsplan eine Regelung treffen. 3. Rechtsbeschwerdegrund Ein Verstoß gegen § 30 Abs 1 S 2 begründet seit dem 1. Januar 2002 nicht mehr einen 8 unbedingten Rechtsbeschwerdegrund des § 547 ZPO22 mit § 27 Abs 1 S 2 FGG, weil § 551 Nr 4 ZPO aF ersatzlos gestrichen worden ist und in dem Katalog der unbedingten Revisionsgründe des vergleichbaren § 547 ZPO nF nicht mehr vorkommt. Da aber § 545 Abs 2 ZPO nicht in § 27 Abs 1 S 2 FGG zitiert ist, ist die zu Unrecht angenommene Zuständigkeit oder Unzuständigkeit auch von dem Gericht der weiteren Beschwerde von Amts wegen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen; kann sie auf der zu Unrecht angenommenen Zuständigkeit oder Unzuständigkeit beruhen, ist das Rechtsmittel begründet, wenn sich die Entscheidung nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist (§ 561 ZPO).

IV. Entscheidender Einzelrichter (Abs 1 S 3) 1. Allgemeines Durch die Bezugnahme auf § 526 ZPO nF ist für das Beschwerdegericht die Möglich- 9 keit eröffnet, die Entscheidung über die Erstbeschwerde unter bestimmten Voraussetzungen auf den Einzelrichter zu übertragen.23 Die Möglichkeit besteht nach dem Gesetzeswortlaut nur für die Zivilkammer bei dem Landgericht. Eine Anwendung auf den Zivilsenat beim Oberlandesgericht oder beim BGH ist daher ausgeschlossen. Die Möglichkeit besteht nicht nur bei Handelssachen, soweit bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet ist (Abs 1 S 2), die dann ausschließlich zuständig ist, sondern in allen Beschwerdesachen zweiter Instanz. Einzelrichter in einer Kammer für Handelssachen kann aber nur der Vorsitzende sein (§ 526 Abs 4 ZPO). In anderen (Beschwerde-) Zivilkammern kann Einzelrichter sowohl der Vorsitzende wie auch jeder der Beisitzer sein. Die Einzelheiten ergeben sich aus der entsprechenden Anwendung des § 526 ZPO, der unmittelbar für das Berufungsverfahren der streitigen Gerichtsbarkeit gilt. Der durch das ZPO-RG eingeführte § 526 BGB fördert die Entscheidung durch den Einzelrichter, um die Binnenresourcen der Gerichte besser zu nutzen. 2. Übertragungsmöglichkeit (§ 526 Abs 1 ZPO) Ebenso wie § 523 Abs 1 S 1 ZPO vor der Übertragung auf den Einzelrichter die Prü- 10 fung voraussetzt, ob das Rechtsmittel statthaft, form- und fristgerecht ist, hat das Erstbeschwerdegericht zunächst als Kollegialgericht die Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfen. Die Geschäftsstelle hat die eingegangene Beschwerdeschrift dem Vorsitzenden vorzulegen. Der Vorsitzende ist nicht gehindert, die Beschwerde (zweckmäßigerweise erst nach Eingang der Akten von der ersten Instanz) dem nach dem kammerinternen Geschäfts21 22

RGZ 48, 27. So zum alten § 551 Abs 1 Nr 4 ZPO noch BayObLG NJW-RR 1991, 1510; BayObLG FGPrax 1998, 194 = NJW-RR 1999, 1519; OLG Frankfurt NJW 1983, 2335; OLG

23

Frankfurt FGPrax 2001, 85 = NJW-RR 2001, 538 = MDR 2001, 349 = Rpfleger 2001, 243 (Führung des Partnerschaftsregisters). Vorher war dies unzulässig: BayObLG NJW-RR 1986, 687.

Lothar Briesemeister

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§ 30

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

verteilungsplan zuständigen Berichterstatter zur Vorbereitung der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen zuzuschreiben. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung sollte für den Fall der Zulässigkeit der Erstbeschwerde zugleich eine Stellungnahme des Berichterstatters erbeten werden, ob die Voraussetzungen für eine Übertragung auf den Einzelrichter gegeben sind. 3. Ermessensentscheidung

11

Die Übertragung der Erstbeschwerdeentscheidung auf den Einzelrichter (vorbehaltlich der Rückübertragung auf die Beschwerdekammer, § 526 Abs 2 ZPO) ist eine Ermessensentscheidung. Die Übertragung kann erfolgen, wenn die in § 526 Abs 1 genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, nämlich wenn 1. die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, 2. die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, 3. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und 4. nicht bereits in einem Haupttermin zur Sache verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenbeschluss ergangen ist. 4. Einzelrichter in erster Instanz (§ 526 Abs 1 Nr 1 ZPO)

12

Anders als bei der streitigen Gerichtsbarkeit, die – je nach Streitwert – in erster Instanz entweder das Amtsgericht oder das Landgericht kennt, wobei das Landgericht entweder durch das Kollegium oder durch den Einzelrichter entscheidet (§§ 348, 348a ZPO), entscheidet in der FG in erster Instanz beim Amtsgericht immer der Amtsrichter als Einzelrichter (§ 22 Abs 1 GVG). Soweit für eine Sache der FG in erster Instanz das Landgericht zuständig ist, kommt es nicht darauf an, ob das Kollegium oder ein Einzelrichter entschieden hat, weil die Erstbeschwerde an das Oberlandesgericht geht, bei dem sich aber die Frage des alleinentscheidenden Einzelrichters nicht stellt, weil § 30 Abs 1 S 3 FGG die Anwendung des § 526 ZPO ausschließlich für die Zivilkammer des Landgerichts vorschreibt. Eine analoge Anwendung auf das Oberlandesgericht als Erstbeschwerdegericht verbietet sich angesichts des klaren Gesetzeswortlauts in Abs 1 S 3, weil der zuständige gesetzliche Richter nicht im Wege einer erweiternden Auslegung gefunden werden kann. 5. Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art (§ 526 Abs 1 Nr 2 ZPO)

13

Maßgeblich ist, ob besondere Schwierigkeiten vorliegen. Das sind Schwierigkeiten, die erheblich über dem Durchschnitt derartiger Sachen liegen oder mit einiger Sicherheit zu erwarten sind. Die Schwierigkeiten können tatsächlicher oder rechtlicher Art sein. Der besondere Umfang des Tatsachenstoffs allein begründet noch keine besondere Schwierigkeit, ebenso wenig eine komplizierte Rechtslage. Anders, wenn sich die Schwierigkeiten summieren, etwa ein entlegenes Rechtsgebiet zu bearbeiten ist oder die Durchdringung des Sachverhalts und seine Bewertung überdurchschnittlich verwickelt sind. Auch persönliche Aspekte, wie die Dauer der Zivilrichtertätigkeit des in Betracht kommenden Einzelrichters, sind zu berücksichtigen. Entlastungseffekt für das Kollegium und Qualitätssicherung der Rechtsprechung sind abzuwägen. Der Maßstab kann von Kammer zu Kammer verschieden sein, wenn etwa in einem Spruchkörper berufserfahrene Kollegen vorhanden sind, die in die fragliche Rechtsmaterie eingearbeitet sind.

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Zuständige Beschwerdegerichte

§ 30

6. Grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 526 Abs 1 Nr 3 ZPO) Die Sachentscheidung muss eine über den entschiedenen Einzelfall hinausgehende 14 Bedeutung haben. Auf besondere Schwierigkeiten der Sache kommt es hier nicht an. Es muss nur wahrscheinlich sein, dass gleichgelagerte Fälle vorhanden sind, die eine einheitliche rechtliche Beantwortung erfordern. Das Merkmal der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist aus dem (früheren und) heutigen Recht der Zulassung der Revision übernommen:24 Eine neue oder eine kontrovers beantwortete Rechtsfrage bedarf der höchstrichterlichen Klärung. Für den konkreten Einzelfall muss es auf diese Rechtsfrage ankommen. 7. Zeitliche Begrenzung (§ 526 Abs 1 Nr 4 ZPO) Die Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen, wenn bereits ein „Haupt- 15 termin“, also hier entsprechend eine mündliche Verhandlung über den gesamten Verfahrensgegenstand stattgefunden hat. Eine Unterausnahme besteht wiederum, wenn zunächst (soweit überhaupt zulässig) ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenbeschluss ergangen ist. Der noch anhängige Rest kann dann noch dem Einzelrichter übertragen werden. 8. Rückübertragung auf die Zivilkammer (§ 526 Abs 2 ZPO) Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Einzelrichter eine Rückübertragung auf 16 die Zivilkammer herbeiführen. Das Gesetz nennt alternativ zwei Fallgestaltungen: Durch eine wesentliche Änderung der Prozesslage ergeben sich besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, also der maßgeblichen Rechtsfragen, auf deren Beantwortung es ankommt. Grundsätzliche Bedeutung ist auch dann anzunehmen, wenn der Einzelrichter von der ständigen Rechtsprechung der Kammer, der er angehört, abweichen will. Neben diesen Alternativen nennt das Gesetz ferner den übereinstimmenden Antrag 17 der Beteiligten. Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, muss der Einzelrichter eine Entscheidung des Kollegiums herbeiführen. Das Kollegium hat die Beteiligten hierzu anzuhören. Eine Anhörung, die schon von dem Einzelrichter unter dem Gesichtspunkt der beabsichtigten Rückübertragung erfolgt ist, wird ausreichend sein. Die Beteiligten sollen nur Gelegenheit haben, zu der beabsichtigten Änderung der Richterbank Stellung zunehmen. Bei einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten ist allerdings kaum einzusehen, warum die Beteiligten dazu nochmals, sei es durch den Einzelrichter, sei es durch die Zivilkammer, angehört werden müssen. Zwingend für das Gericht ist der übereinstimmende Antrag der Beteiligten nach dem Gesetzeswortlaut nicht. Denn § 526 Abs 2 S 1 ZPO nennt für die zwingende Rückübertragung nur die besonderen Schwierigkeiten oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.25 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, können die Beteiligten nicht übereinstimmend eine Kammerentscheidung erzwingen. 9. Verfahren Die Entscheidungen über die Übertragung auf den Einzelrichter wie auch auf dessen 18 Vorlage über die Rückübertragung werden durch Beschluss getroffen (§ 526 Abs 1 S 1, Abs 2 S 3 ZPO). Entscheidet im Erstbeschwerdeverfahren ein Einzelrichter und fehlt ein 24 25

Früher § 546 Abs 1 S 2 Nr 1 ZPO aF; jetzt § 543 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO nF. AA für den wortgleichen § 348 Abs 3 S 2 ZPO Baumbach/Hartmann ZPO 60. Aufl,

§ 348 Rn 44: Die Gegenansicht sei vertretbar, die Gerichtspraxis solle entscheiden, aber nicht nur unter Bequemlichkeitsgesichtspunkten.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Übertragungsbeschluss der Zivilkammer, so liegt der absolute Rechtsbeschwerdegrund nach § 547 Nr 1 ZPO iVm § 27 Abs 1 S 2 FGG vor,26 weil nicht der gesetzliche Richter (nämlich die Zivilkammer) entschieden hat. Auch im Notarkostenbeschwerdeverfahren ist eine Übertragung auf den Einzelrichter unzulässig, wenn die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist.27 Der Übertragungsbeschluss ist nicht zu beanstanden, wenn die Sache „dem Berichterstatter als Einzelrichter“ zur Entscheidung übertragen wird, ohne dass dessen Namen genannt wird.28 Hat das Beschwerdegericht eine Sache der FG einem namentlich benannten Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, bleibt dieser auch dann der gesetzliche Richter, wenn nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das OLG das Verfahren beim LG gemäß der „Aktenordnung“ unter einem neuen Aktenzeichen eingetragen wird.29 Der Übertragungsbeschluss wird den Beteiligten mitgeteilt. Nach Rückübertragung auf die Zivilkammer ist eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ausgeschlossen (§ 526 Abs 2 S 4 ZPO). Das muss selbst dann gelten, wenn sich der Verfahrensstoff grundlegend vereinfacht hat. Ein zeitaufwändiges Hin- und Herschieben zwischen Einzelrichter und Zivilkammer soll unterbunden werden. Der Übertragungsbeschluss jedweder Art ist unanfechtbar. Da mit dem Übertragungsbeschluss der gesetzliche Richter festgelegt wird, ist eine greifbare Gesetzwidrigkeit, die etwa eine besondere Rechtsmittelmöglichkeit eröffnen könnte, kaum vorstellbar. Er kann auch mit Rechtsmitteln nicht angefochten werden (§ 526 Abs 3 ZPO). In Sachen der Kammer für Handelssachen kann Einzelrichter nur der Vorsitzende sein (§ 526 Abs 4 ZPO). Der Einzelrichter, dem eine Beschwerdesache der FG übertragen worden ist, kann abweichend von der Beurteilung der Beschwerdekammer die grundsätzliche Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage annehmen und deswegen die weitere Beschwerde wirksam zulassen, jedenfalls wenn eine wesentliche Änderung der Verfahrenslage nach der Übertragung der Sache auf ihn nicht eingetreten ist.30

V. Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (Abs 2) 1. Rechtsentwicklung

19

Der Vorschrift des § 137 GVG aF entspricht § 132 Abs 4 GVG nF mit der Maßgabe, dass der Große Senat nunmehr selbstständig nachprüft, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, welche zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das geht aus dem geänderten Wortlaut hervor, der von einer Vorlage an den Großen Senat spricht, während früher die Entscheidung des Großen Senats „herbeigeführt“ werden konnte. Zweck ist die Verhinderung des Entstehens einer Divergenz bei richterlicher Rechtsfortbildung, damit auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Voraus in Grundsatzfragen, mit denen voraussichtlich mehrere Senate befasst sein werden, erfolgt. Abzulehnen ist die Vorlage jetzt insbesondere, wenn in der Rechtsfrage eine Abweichung von der Entscheidung eines anderen Senats beabsichtigt ist, so dass eine Vorlagepflicht gemäß § 132 Abs 2 GVG gegeben ist,31 die wiederum voraussetzt, dass der Senat, der früher die abweichende

26 27 28

OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 268. OLG Jena NotBZ 2005, 296. BayObLGZ 2004, 29 = FGPrax 2004, 117 = FamRZ 2004, 1136 = Rpfleger 2004, 484; OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 50 = MDR 2005, 348.

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29 30 31

OLG Zweibrücken FGPrax 2004, 257 = FamRZ 2005, 221 LS. BayObLGZ 2004, 29 = FGPrax 2004, 117 = FamRZ 2004, 1136 = Rpfleger 2004, 484. BGH NJW 1986, 1764 = MDR 1986, 337.

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Zuständige Beschwerdegerichte

§ 30

Rechtsmeinung vertreten hat, zunächst befragt wird, ob er an seiner Rechtsauffassung festhalten wolle; erst dann ist die Befassung des Großen Senats für Zivilsachen oder Strafsachen bzw (bei Divergenz zwischen Zivil- und Strafsenat) der Vereinigten Großen Senate zulässig.32 2. Erweiterung Obwohl § 30 Abs 2 FGG nur auf den inzwischen aufgehobenen § 137 GVG aF ver- 20 wies, der die Herbeiführung einer Entscheidung in einer grundsätzlichen Rechtsfrage in das Ermessen des befassten Zivilsenats stellte, wurde diese Vorschrift so aufgefasst, dass sie die Vorlagepflicht bei beabsichtigter Abweichung von der Entscheidung eines anderen Senats nach § 136 GVG aF nicht ausschloss.33 Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung muss ungeschmälert auch in FGG-Sachen gewährleistet sein. Das in § 137 GVG aF eingeräumte Ermessen reduzierte sich auf die Vorlagepflicht, wenn die Abweichung nicht nur in Zukunft drohte, sondern bereits bestand. Obwohl der Gesetzgeber auch jetzt noch in § 30 Abs 2 FGG nur von § 137 GVG spricht, war schon immer auch § 136 GVG aF und ist jetzt neben § 132 Abs 4 auch § 132 Abs 2 GVG nF mitgemeint. Das Verfahren der Voranfrage bei dem Senat, der früher abweichend entschieden hat, war bisher in der Geschäftsordnung des BGH vorgesehen und ist nunmehr in § 132 Abs 3 GVG vorgeschrieben. Die Vorlage an den Großen Senat ist unzulässig bei Fragen der Vereinbarkeit einer Vorschrift mit dem GG.34 Ebenso wenn bei Fragen des Gemeinschaftsrechts eine Entscheidung des EuGH vorliegt.35 3. Vorlageverfahren im Einzelnen Während in § 132 Abs 1 GVG die Bildung der Großen Senate und des Vereinigten 21 Großen Senats bestimmt ist, regeln die folgenden Abs 2 und 4 die Vorlagepflichten und -möglichkeiten, während das weitere Verfahren in § 132 Abs 3 und § 138 vorgeschrieben ist. Danach darf der Zivilsenat, der nach § 28 Abs 2 über eine ihm vom OLG vorgelegte weitere Beschwerde zu entscheiden hat, von der Entscheidung eines anderen Zivil- oder Strafsenats oder eines Großen Senats nicht abweichen. Will er abweichen, so hat er die Rechtsfrage dem Großen Senat für Zivilsachen oder den Vereinigten Großen Senaten zu unterbreiten (§§ 132 Abs 2, 138 Abs 1 GVG). Diese Anrufungspflicht ist anders als die Vorlagepflicht nach § 28 Abs 2 nicht auf Rechtsfragen zu beschränken, die iSd § 28 Abs 2 eine Angelegenheit der FG betreffen. Der Senat, von dessen Rechtsauffassung abgewichen werden soll, ist dazu anzuhören, ob er an seiner Rechtsmeinung festhält. Neben dieser Vorlagepflicht bei bereits bestehender Divergenz besteht die Möglichkeit, bereits bei zu erwartenden unterschiedlichen Auffassungen eine Grundsatzentscheidung nach § 132 Abs 4 GVG vom Großen Senat einzuholen. Das gilt auch und gerade, wenn der andere Senat seine Meinung schon in einem obiter dictum geäußert hat. Die Großen und die Vereinigten Großen Senate entscheiden nur über die Rechtsfrage. Die Entscheidung ist für den vorlegenden Senat bindend. Eine mündliche Verhandlung, wie sie für die Revision vorgeschrieben ist, entfällt in FGG-Sachen, so dass für die Anwendung des § 138 Abs 3 GVG kein Raum ist.

32 33

BGH NJW 2000, 1185. Jansen FGG 2. Aufl, § 30 Rn 6 (ohne nähere Begründung).

34 35

BVerfG NJW 1957, 625. BSG NJW 1974, 1063.

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§ 30

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

4. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes

22

Will der nach § 28 Abs 2 FGG angerufene Zivilsenat des BGH von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe abweichen, so hat er, sofern nicht ein Fall vorliegt, in welchem die Rechtsfrage gemäß § 132 GVG dem Großen Senat für Zivilsachen oder den Vereinigten Großen Senaten vorzulegen ist, die Entscheidung des Gemeinsamen Senats herbeizuführen; dessen Entscheidung ist in der vorgelegten Sachen für den beschließenden Senat bindend (§§ 2, 11, 16 d G zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl I S 661). Da der Gemeinsame Senat nur über die Rechtsfrage entscheidet (§ 15 aaO), hat der vorlegende Zivilsenat des BGH alsdann noch über die weitere Beschwerde zu befinden.

VI. Familiengerichte 23

Bei den Amtsgerichten werden nach § 23b Abs 1, 2 GVG Abteilungen für Familiensachen gebildet. In § 23b Abs 1 S 2 Nr 1 bis 14 werden die Familiensachen aufgeführt. Angelegenheiten der FG sind die in Nr 2 bis 4, 7, 8, 10, 11, 12 genannten Verfahren nach § 1600e Abs 2 BGB sowie die in Nr 14. Die Abteilung für Familiensachen ist mit Familienrichtern besetzt. Ein Richter auf Probe (§ 12 DRiG) ist vom Amt des Familienrichters ausgeschlossen. Das Familiengericht entscheidet durch den Einzelrichter. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte die Familiensachen sowie ganz oder teilweise die Vormundschaftssachen übertragen (§ 23c GVG). Bei den Oberlandesgerichten als zweiter Instanz bestehen besondere Senate für Familiensachen (vgl §119 Abs 1 Nr 1 und 2, Abs 2 GVG). Für mehrere OLG-Bezirke kann auch ein Senat für Familiensachen bei einem OLG eingerichtet werden. Beim BGH als dritter Instanz ist die Bildung eines Familiensenats nicht vorgesehen (vgl § 133 GVG). Weitere Einzelheiten bei § 64 Rn 101, 155, 190.

VII. Landesrecht 24

Für landesrechtliche Angelegenheiten können die landesrechtlichen Vorschriften die Anwendung des § 30 FGG bestimmen.

VIII. Reformvorhaben 25

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der FG (FGG-Reformgesetz) bestimmt in § 68, dass das Beschwerdegericht einem seiner Mitglieder die Beschwerde durch Beschluss zur Entscheidung als Einzelrichter entsprechend § 526 ZPO übertragen kann. Durch den ergänzten Referentenentwurf vom 14.2.2006 zum FGG-Reformgesetz ist in Art 18 eine Änderung des GVG dahin vorgesehen, dass gemäß § 119 für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde in Angelegenheiten der FG mit Ausnahme der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen die Oberlandesgerichte in zweiter Instanz zuständig sind, wobei in jedem Bundesland die Konzentration auf ein Oberlandesgericht erfolgen kann.

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§ 31

Rechtskraftzeugnis

§ 31 Rechtskraftzeugnis Zeugnisse über die Rechtskraft einer Verfügung sind von der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz zu erteilen. § 48 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes vom 26. Januar 2005 (BGBl. I S 162) bleibt unberührt. Satz 2 angefügt durch den am 1.3.2002 in Kraft getr Art 2 Abs 5 des G zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil und Handelssachen vom 19.2.2001 (BGBl S 288). Satz 2 geänd durch den am 1.3.2005 in Kraft getr Art 2 Abs 4 Nr 1 des Gesetzes zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG) idF d Gesetzes zum internationalen Famililenrecht v 26.1.2005 (BGBl S 162).

Übersicht Rdn I. Rechtskraftzeugnis 1. Zweck und Bedeutung . . . . . . . 2. Antragsberechtigung . . . . . . . . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . 4. Voraussetzungen a) Eintritt der formellen Rechtskraft b) Der formellen Rechtskraft fähige Entscheidungen . . . . . . . . . 5. Verfahren des Urkundsbeamten . .

. . .

1 2 3

.

4

. .

5 6

Rdn

II.

III. IV. V.

6. Rechtsmittel . . . . . 7. Landesrecht . . . . . Materielle Rechtskraft 1. Grundsatz . . . . . . 2. Einzelfälle . . . . . . 3. Bedeutung und Umfang Rechtshängigkeit . . . . EU-Verträge . . . . . . . Reformvorhaben . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10 11 13 14 15 20

I. Rechtskraftzeugnis 1. Zweck und Bedeutung Die Erteilung von Rechtskraftzeugnissen ist vorgesehen, um den Beteiligten den Nach- 1 weis der Rechtskraft zu erleichtern. Von besonderer Bedeutung ist das Rechtskraftzeugnis zu Verfügungen, die erst mit der Rechtskraft wirksam werden, weil in diesem Fall die materiellrechtliche Wirkung von der Rechtskraft der Entscheidung abhängt. Das Zeugnis kann aber auch in anderen Fällen verlangt werden, und die Erteilung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Zeugnis für die Beteiligten entbehrlich ist.1 Das Zeugnis kann auch für Verfügungen verlangt werden, die unanfechtbar sind oder der unbefristeten Beschwerde unterliegen.2 Das Zeugnis beweist vorbehaltlich des Gegenbeweises (§ 418 ZPO) den Eintritt der formellen Rechtskraft.3 Der Beweis der Unrichtigkeit des Zeugnisses kann in jedem Verfahren erbracht werden, in dem es darauf ankommt; die Beweisführung ist nicht davon abhängig, dass das Zeugnis zuvor durch Einlegung von Rechtsmitteln beseitigt wird.4 Das Rechtskraftzeugnis ist aber nicht Grundlage der Zwangsvollstreckung, soweit aus Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Zwangs-

1 2

RGZ 30, 336; BGHZ 31, 388. Schlegelberger Anm 1; Keidel/Zimmermann Rn 4, 5.

3 4

BGH LM § 706 ZPO Nr 1; BGHZ 31, 388. RGZ 46, 357; KG StAZ 1968, 16.

Renate Baronin von König

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§ 31

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

vollstreckung nach der ZPO (s § 33 Rn 8 ff) stattfindet; dazu ist die Vollstreckungsklausel erforderlich. 2. Antragsberechtigung

2

Berechtigt zu dem Verlangen auf Erteilung des Rechtskraftzeugnisses ist nicht nur jeder, für den die Verfügung ihrem Inhalt nach bestimmt ist, der also ein Recht auf ihre Bekanntmachung hat (§ 16 Abs 1), sondern jeder in dem Verfahren hervorgetretene formell Beteiligte und die materiell Beteiligten, insbesondere die Beschwerdeberechtigten, sowie deren Rechtsnachfolger. Diese haben einen Rechtsanspruch auf Erteilung des Zeugnisses. Anderen Personen kann das Zeugnis nach dem Ermessen des Gerichts erteilt werden, wenn sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen (vgl § 34 Rn 3, 6).5 3. Zuständigkeit

3

Zuständig für die Erteilung ist der Urkundbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz, nicht der Richter oder der Rechtspfleger. Hierbei handelt es sich um den UdG des mittleren Dienstes, denn die schwierigen UdG-Geschäfte sind mittlerweile Rechtspflegergeschäfte, während die übrigen UdG-Geschäfte weit überwiegend von Beamten des mittleren Dienstes wahrgenommen werden.6 Gericht erster Instanz ist in der Regel das AG; es kann aber auch ein LG oder OLG sein, wenn diese als Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig sind (vgl Vorbem vor §§ 3 bis 7 Rn 11, 21). Die Geschäftsstellen der Beschwerdegerichte als solche sind abweichend von § 706 Abs 1 ZPO nicht zuständig, wenn das Verfahren in einem höheren Rechtszuge anhängig ist oder die Akten sich beim Rechtsmittelgericht befinden. Allerdings gilt § 31 nur für selbständige Familiensachen. Die Erteilung von Rechtskraftzeugnissen für Folgesachen von Scheidungssachen (§ 623 ZPO) richtet sich nach § 706 ZPO. 4. Voraussetzungen a) Eintritt der formellen Rechtskraft

4

Die formelle Rechtskraft tritt ein, wenn die Entscheidung erlassen ist und mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann. Ihre Wirkung besteht darin, dass sie das Verfahren beendet und die Einlegung einer Beschwerde ausschließt.7 Die formelle Rechtskraft macht daher die Verfügung in dem Sinne unangreifbar, dass sie von der höheren Instanz nicht mehr geändert werden kann. Eine Wiederholung eines Antrages, der formell rechtskräftig abgewiesen worden ist, durch denselben Antragsteller und mit derselben Begründung ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich unzulässig; das gilt jedenfalls, wenn die abweisende Erstentscheidung nur mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann.8 Die formelle Rechtskraft besagt aber nichts darüber, ob die formell rechtskräftige Verfügung von dem entscheidenden Gericht noch geändert werden kann, dh aus der formellen Rechtskraft folgt nicht schlechthin auch die Unwiderruflichkeit der Verfügung. Der Widerruf einer formell rechtskräftigen Verfügung kann dem Gericht gestattet oder verwehrt sein; darüber befindet § 18. Die formelle Rechtskraft ist ferner Voraussetzung für den Eintritt der materiellen Rechtskraft, soweit

5

6

MünchKomm/Krüger ZPO § 706 Rn 2; Keidel/Zimmermann Rn 11, Schlegelberger Anm 1. Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann § 4 Rn 37.

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KG JFG 13, 246; BayObLG FGPrax 2003, 199. OLG Brandenburg FGPrax 1997, 118.

Renate Baronin von König

Rechtskraftzeugnis

§ 31

Entscheidungen in Angelegenheiten der FG einen der materiellen Rechtskraft fähigen Inhalt haben können (s Rn 10). Die formelle Rechtskraft zieht nicht schlechthin die materielle nach sich. Andererseits können formell rechtskräftige Entscheidungen der materiellen Rechtskraft entbehren, gleichwohl aber unabänderlich sein. Ein Rechtskraftzeugnis kann daher zu einer formell rechtskräftig gewordenen Verfügung unbeschadet des Umstandes erteilt werden, dass sie von dem Gericht erster Instanz noch gemäß § 18 Abs 1 geändert werden könnte. Nur für den Eintritt der materiellen Rechtskraft ist außer der formellen Rechtskraft auch die verfahrensrechtliche Unabänderlichkeit der Verfügung, also ihre Endgültigkeit, Voraussetzung; über die materielle Rechtskraft hat sich aber das Rechtskraftzeugnis nicht auszusprechen. b) Der formellen Rechtskraft fähige Entscheidungen Der formellen Rechtskraft fähig sind sowohl Verfügungen, die der sofortigen Be- 5 schwerde, als auch solche, die der unbefristeten Beschwerde unterliegen.9 Unanfechtbare Verfügungen werden mit ihrem Erlass formell rechtskräftig,10 mit Rechtsmitteln anfechtbare Verfügungen mit dem Verzicht auf die Beschwerde (§ 21 Rn 34), in allen Fällen mit der Erschöpfung des Instanzenzuges, die mit dem Erlass, nicht erst mit dem Wirksamwerden der Entscheidung des letzten Rechtszuges eintritt, in den Fällen der sofortigen Beschwerde auch mit dem ungenutzten Ablauf der Beschwerdefrist. Die Zurücknahme eines Rechtsmittels führt die formelle Rechtskraft nur dann herbei, wenn sie zugleich einen Verzicht auf das Rechtsmittel enthält (§ 21 Rn 34, 31); andernfalls muss bei sofortiger Beschwerde der Ablauf der Beschwerdefrist abgewartet werden. Bei Verwerfung einer nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegten sofortigen Beschwerde als unzulässig wird die Verfügung mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig.11 Beim Fehlen der Beschwer, einer Beschwerdesumme oder einer etwa erforderlichen Zulassung des Rechtsmittels tritt die Rechtskraft ebenfalls erst mit dem ungenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist oder mit der Rechtskraft der Entscheidung des Beschwerdegerichts ein.12 Ist eine Verfügung bei Beteiligung mehrerer diesen zu verschiedenen Zeiten bekannt gemacht worden, wird bei sofortiger Beschwerde die Verfügung zwar für jeden der Beteiligten nach Maßgabe der für ihn laufenden Beschwerdefrist unanfechtbar, die formelle Rechtskraft tritt aber erst ein, wenn die Verfügung für alle Beteiligten unanfechtbar geworden ist;13 solange die Verfügung auch nur für einen Beteiligten noch anfechtbar ist, kann mithin das Rechtskraftzeugnis nicht erteilt werden. Bei einer Mehrheit von Verfahrensgegenständen oder Teilbarkeit des Verfahrensgegenstandes ist Teilrechtskraft möglich, sofern eine Erweiterung der anfänglich beschränkten Rechtsmittelanträge nicht mehr statthaft ist (vgl § 21 Rn 29).14 Der Umstand, dass ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt ist, steht der Erteilung des Zeugnisses nicht entgegen, da erst die Gewährung der Wiedereinsetzung den Eintritt der formellen Rechtskraft rückwirkend aufhebt; zweckmäßig wird die Anhängigkeit des Antrags im Zeugnis vermerkt.15 Ebenso hindert ein 9 10 11

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KGJ 42, 23 = RJA 11, 257; Unger ZZP 37, 498; Habscheid § 26 II 2. BGH NJW 1955, 503; KG KGJ 34, 65. RG DR 1943, 619; GemS-OGB BGHZ 88, 353 = NJW 1984, 1027; MünchKomm/Krüger ZPO § 705 Rn 5. BGHZ 4, 294 = NJW 1952, 425 = Rpfleger 1952, 177; GemS-OGB BGHZ 88, 353 = NJW 1984, 1027; BGH NJW-RR 1990, 323; Schneider ZZP 65, 468.

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BGHZ 3, 214; Baur § 23 C I 2; Habscheid § 26 IIc; Keidel/Zimmermann § 31 Rn 1; aA BayObLGZ 1960, 118; Schlegelberger § 16 Anm 7. BGH NJW 1992, 2296; KG JR 1952, 174; KG RzW 1954, 148; KG NJW 1958, 106; OLG München RdL 1954, 241 m Anm Keidel; Baur § 23 C I 2; Riedel JZ 1955, 113. Keidel/Zimmermann Rn 9; Musielak/Lackmann § 706 Rn 3.

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§ 31

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht die Erteilung des Zeugnisses, da die Wiederaufnahme die formelle Rechtskraft der Entscheidung gerade voraussetzt, und auch die Behauptung, die Zurücknahme des Rechtsmittels oder ein Rechtsmittelverzicht sei wegen Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes widerrufen, ist bei der Erteilung des Zeugnisses unbeachtlich.16 Ein Rechtsmittelverzicht ist nur beachtlich, wenn er nach dem Erlass der Entscheidung dem Gericht gegenüber erklärt ist. Ein gegenüber dem Gegner erklärter oder mit ihm vereinbarter Rechtsmittelverzicht ist, auch soweit er zulässig ist, nicht zu beachten, da er die formelle Rechtskraft nicht unmittelbar herbeiführt (§ 21 Rn 35). Ein so wirksam erklärter beidseitiger Verzicht führt mit Wirksamwerden der letzten Erklärung zum Eintritt der Rechtskraft.17 Tritt die Rechtskraft der Entscheidung, die zu bescheinigen ein Beteiligter verlangt hat, zu einem Zeitpunkt ein, in dem die weitere Beschwerde wegen Versagung des Rechtskraftzeugnisses anhängig ist, kann das Rechtsbeschwerdegericht diesen neuen Umstand berücksichtigen und zB das Grundbuchamt anweisen, das verlangte Zeugnis zu erteilen.18 5. Verfahren vor dem Urkundsbeamten

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Der Urkundsbeamte hat selbständig und in eigener Verantwortung auf der Grundlage des Akteninhalts zu prüfen, ob die Entscheidung formell rechtskräftig geworden ist, insbesondere die ordnungsgemäße Zustellung der Entscheidung an alle Beschwerdeberechtigten und den Ablauf der Rechtsmittelfrist. Vom Ablauf der Beschwerdefrist muss sich die Geschäftsstelle von Amts wegen durch Anfrage bei der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts überzeugen; ist eine Beschwerdeentscheidung bereits ergangen, so ist durch Anfrage bei der Geschäftsstelle des LG und des OLG (vgl § 29 Rn 1) zu ermitteln, ob weitere Beschwerde eingelegt ist.19 Wird diese Auskunft verweigert, so ist dagegen nur die Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben.20 Notfristzeugnisse kennt das FGG nicht.21 Von Bedeutung ist dies nur, wenn gegen die Entscheidung ein befristetes Rechtsmittel gegeben ist. In den Fällen der unbefristeten ersten oder weiteren Beschwerde kann, da diese Rechtsmittel jederzeit eingelegt werden können, ein Rechtskraftzeugnis erst erteilt werden, wenn die Entscheidung des dritten Rechtszuges vorliegt. 6. Rechtsmittel

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Sind dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle selbständige Verrichtungen übertragen, handelt er als Organ des Gerichts. Gegen die Versagung des Zeugnisses sowie gegen dessen unberechtigte Erteilung findet deshalb die Anrufung des Gerichts statt. Bis zur Änderung durch das ZPO-RG war gegen die Entscheidung des UdG in entsprechender Anwendung des § 576 ZPO aF die Erinnerung gegeben. Über sie hatte das Prozessgericht, dem der UdG angehörte, zu entscheiden.22 Gegen diese Entscheidung fand die Beschwerde nach § 19 ff statt.23 Die ZPO-Reform hat infolge der Neuregelung des Beschwerderechts die stets fristge8 bundene Erinnerung nach § 573 ZPO eingeführt. Nach § 573 Abs 1 ZPO kann gegen die Entscheidung des UdG innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen die Entscheidung des

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Petermann Rpfleger 1962, 368. BGH LM § 514 Nr 5; BGH NJW-RR 1994, 386; BGHZ 4, 314 = NJW 1952, 705. BayObLG FGPrax 2003, 199. KGJ 30 A 3 = OLGR 12, 198 = DJZ 1905, 1012; Schlegelberger Anm 3.

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KGJ 30 A 3 = OLGR 12, 198 = DJZ 1905, 1012. KG JR 1952, 174; Schlegelberger Anm 3. Bassenge/Herbst/Roth FGG § 31 Rn 13; Keidel/Schmidt Vorb §§ 19–30 Rn 8. KGJ 34 A 65; KG FamRZ 1993, 1221.

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Rechtskraftzeugnis

§ 31

Gerichts beantragt werden. Dieser als Erinnerung bezeichnete Antrag ist ein Rechtsbehelf, der zu einer Überprüfung einer Entscheidung in demselben Rechtszug durch dasselbe Gericht führt und trennt sich von dem Begriff „Prozessgericht“, weil damit der bisher zu enge Wortlaut des Gesetzes gerade im Hinblick auf den UdG, der auch einem anderen Gericht als dem Prozessgericht angehören kann, aufgegeben werden soll.24 Die Erinnerung ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen, § 573 Abs 1 S 2 ZPO. Der UdG kann der Erinnerung abhelfen, andernfalls hat er sie unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzulegen, §§ 573 Abs 1 S 2, 572 ZPO. Gegen diese Entscheidung findet die Beschwerde nach §§ 19 ff statt. 7. Landesrecht Sind nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig, so ist § 31 nicht 9 anwendbar (§ 194 Abs 3). Die Regelung ist dem Landesgesetzgeber überlassen, dieser kann § 31 auch für anwendbar erklären; vgl für Baden-Württemberg BWFGG § 5 Abs 1. Die §§ 31 bis 33 sind in den ehemals preußischen Gebieten auch auf landesrechtliche Angelegenheiten anwendbar, PrFGG Art 1 sowie NdsFGG Art 7, BayAGGVG Art 34, HessFGG Art 1, RhPfFGG § 8, SächsJustAG § 42 Abs 1, BremAGFGG § 1.

II. Materielle Rechtskraft 1. Grundsatz Materielle Rechtskraft bedeutet die Maßgeblichkeit des Ergebnisses einer formell 10 rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung für künftige Streitfälle unter denselben Beteiligten über denselben Verfahrensgegenstand;25 sie hat den Zweck, eine zweite widersprechende Entscheidung zu verhindern.26 Für eine materielle Rechtskraft in diesem Sinne ist in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit im allgemeinen kein Raum.27 Der Zweck der materiellen Rechtskraft, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu gewährleisten,28 wird in weiten Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Natur der dort zu entscheidenden Angelegenheiten nicht gerecht, bei denen vornehmlich nicht die Rechtsfolgen abgeschlossener Tatbestände verbindlich und abschließend festzustellen, sondern fortdauernde und sich ändernde Lebensverhältnisse dem jeweiligen Bedürfnis entsprechend rechtlich zu ordnen sind. In weitem Umfang ergibt sich das Fehlen der materiellen Rechtskraft bereits aus der diesen Erfordernissen angepassten Regelung des Verfahrens. Voraussetzung der materiellen Rechtskraft ist nicht nur die formelle Rechtskraft der Entscheidung, sondern auch ihre verfahrensrechtliche Unabänderlichkeit, also ihre Endgültigkeit. Verfügungen, die auch nach Eintritt der formellen Rechtskraft gemäß § 18 Abs 1 noch geändert werden können, können daher schon aus diesem Grunde nicht in materielle Rechtskraft erwachsen. Dasselbe gilt für gerichtliche Handlungen, die zwar nicht nach § 18 Abs 1 geändert werden können, deren Wirkungen aber auf anderem Wege be-

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S hierzu Gesetzesbegründung BTDrs 14/3750 S 86. BGH NJW 1984, 2365; BayObLG FamRZ 1998, 1055. BGH NJW 1995, 2993; Baur § 25 I 1; Habscheid § 28 I 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 150 Rn 1; Schlegelberger § 16 Anm 8.

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RGZ 124, 322; BGHZ 34, 235; KG WM 1961, 334; Baur § 25 1 4; Habscheid § 28 II 7. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 151 Rn 1; BGHZ 34, 235.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

seitigt oder eingeschränkt werden können, insbesondere durch Vornahme einer Amtslöschung oder Eintragung eines Amtswiderspruchs (§ 53 GBO, § 56 SchiffsRegO), durch Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens (§§ 142, 144, 147, 159, 160b, 161 FGG) oder durch Einziehung des Erbscheins (§ 2361 BGB). Ferner fehlt es häufig an einem rechtskraftfähigen Gegenstand des Verfahrens, nämlich an einem von einem Beteiligten gegen den anderen zu erhebenden „Anspruch“ (§ 322 ZPO). Hieran fehlt es in allen von Amts wegen betriebenen Verfahren, ferner in den Verfahren, welche die Eintragung in ein Register oder die Erteilung eines Zeugnisses zum Ziel haben, also unmittelbar auf ein Handeln des Gerichts gerichtet sind. Bei der Ausübung rechtsfürsorgerischer Tätigkeit, mag sie einen Antrag erfordern oder von Amts wegen stattfinden, sind die Verfügungen des Gerichts regelmäßig rechtsgestaltender Art; sie führen also mit dem Eintritt ihrer Wirksamkeit unmittelbar eine Veränderung der materiellen Rechtslage herbei, deren Beachtlichkeit nicht nur für die Verfahrensbeteiligten, sondern für jedermann eine Folge dieser Rechtsänderung, nicht aber eine solche der materiellen Rechtskraft ist.29 Auch die rechtsgestaltenden Entscheidungen in den Regelungsstreitigkeiten nach der HausratsVO, dem WEG und nach § 1382 BGB verändern unmittelbar die materielle Rechtslage und haben deshalb in erster Linie Gestaltungswirkung; ob sie daneben auch noch der materiellen Rechtskraft fähig sind, wie für Gestaltungsurteile des Zivilprozesses in der Rechtslehre zunehmend angenommen wird,30 hängt davon ab, ob den Beteiligten ein Recht auf Gestaltung, über welches entschieden worden ist, zusteht, was in den genannten echten Streitsachen wird bejaht werden müssen. Wenn das Gericht den Erlass einer rechtsgestaltenden Verfügung, zB die Entlassung eines Testamentsvollstreckers, ablehnt, tritt ebenfalls keine materielle Rechtskraft ein, weil die Beteiligten kein subjektives Recht auf Gestaltung haben, über welches entschieden werden könnte,31 abgesehen von den genannten echten Streitsachen. Die Bindung des Gerichts an formell rechtskräftig gewordene gerichtliche Entscheidungen rechtsgestaltenden Inhalts mit oder ohne materielle Rechtskraft folgt im Übrigen aus § 18 Abs 2 und entfällt nur, soweit das materielle Recht eine Änderung gestattet, wie in § 17 HausratsVO, § 45 Abs 4 WEG oder § 1382 Abs 6 BGB. Allgemein ist dagegen eine materielle Rechtskraft anzuerkennen in privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verfahren, in denen, wie im Zivilprozess, eine feststellende Entscheidung über subjektive Rechte der Beteiligten ergeht oder aus sachlichen Gründen abgelehnt wird (echte Streitsachen).32 2. Einzelfalle

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a) Verneint wurde die materielle Rechtskraft im registergerichtlichen Zwangsgeldsowie Eintragungs- und Löschungsverfahren,33 für die Zurückweisung eines Grundbuchberichtigungsantrags,34 im Verfahren über die elterliche Sorge,35 für Genehmigungen des VormG,36 für Beschlüsse, welche die Aufhebung eines Kindesannahmeverhältnisses ab29

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RGZ 124, 322; KG JFG 13, 245; Lent § 18 II, III; Habscheid § 28 II; Schlegelberger § 16 Anm 8. Jauernig ZPR § 65 II; Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 91 Rn 15. Habscheid § 28 II. BGH NJW 1964, 863; BayObLGZ 1967, 218; 1988, 137; Bärmann § 22 III 1; Baur § 25 II 1; Habscheid § 28 IV; Pikart/Henn S 98/99.

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BayObLGZ 1959, 287; NJW 1996, 3217 = FGPrax 1996, 235 = Rpfleger 1997, 117; KGJ 37 A 182; KGJ 47, 108 = RJA 14, 161. KGJ 44, 301. KG FamRZ 1977, 65; KGJ 42, 23 = RJA 11, 257; OLG Bremen MDR 1954, 179; vgl auch BayObLGZ 17, 22. OLG Hamm NJW 1970, 2118.

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lehnen,37 im Verfahren zur Berichtigung der Personenstandsbücher,38 im Erbscheinsverfahren,39 für Entscheidungen im Todeserklärungsverfahren,40 im Zwangspachtverfahren,41 in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen.42 b) Anerkannt wurde die materielle Rechtskraft, wobei jedoch der Unterschied zwi- 12 schen Gestaltungswirkung als Eigenschaft der Entscheidung und materieller Rechtskraft nicht immer beachtet wurde, für Entscheidungen in Fideikommisssachen,43 bei Zurückweisung eines Pachtschutzantrags,44 bei Entscheidungen des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte über die Ablehnung der Zulassung als Rechtsanwalt,45 im Vertragshilfeverfahren,46 im Hausratsverfahren,47 im Todeserklärungsverfahren für den festgestellten Todeszeitpunkt,48 nicht aber bei Ablehnung des Antrags,49 für Entscheidungen feststellender oder verurteilender Art im Landwirtschaftsverfahren,50 im Hoferbenfeststellungsverfahren,51 für Entscheidungen in Wohnungseigentumssachen nach § 45 WEG52 und im Verfahren zur Nachprüfung von Kostenansprüchen der Notare nach § 156 KostO.53 3. Bedeutung und Umfang Soweit Entscheidungen in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit der materiellen 13 Rechtskraft fähig sind, bedeutet das, dass eine zweite, zu der früheren Entscheidung in Widerspruch stehende Entscheidung über denselben Verfahrensgegenstand unter denselben Beteiligten oder ihren Rechtsnachfolgern nicht ergehen darf; ein gleichwohl gestellter Antrag ist als unzulässig abzuweisen, da ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis vorliegt.54 In Rechtskraft erwächst nur die Entscheidung über den prozessualen

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OLG München JFG 21, 206; RGZ 158, 159. BGH NJW 1957, 1067 = FamRZ 1957, 170; FamRZ 1968, 642; KGJ 39 A 41; KG JFG 22, 302; 23, 360; NJW 1955, 593; BayObLG OLGR 31, 284; BayObLG HEZ 2, 194; OLG Stuttgart 1966, 194. BGHZ 47, 58; BayObLGZ 1953, 261; 1961, 200; BayObLG FamRZ 1986, 1151; FamRZ 2004, 313; OLG Frankfurt Rpfleger 1972, 56; KG JFG 14, 286 = NJW 1936, 3486 = DFG 1936, 260 = DNotZ 1937, 66; KG JFG 18, 164, 170; KG NJW 1955, 1074; Rpfleger 1999, 542 (Bindung an Entscheidung eines DDR-Gerichts bei inhaltsgleichem neuen Antrag). OLG Frankfurt JZ 1958, 92; OLG Karlsruhe NJW 1955, 1075. OLG Frankfurt RDL 1952, 153; 1953, 54. BayObLG 1988, 137; OLG Düsseldorf MDR 1968, 247; Saage/Göppinger FEVG § 8 Rn 7, 8; Baumann, Unterbringungsrecht (1966) S 413; Pawlowski/Smid § 17 Rn 768; aA Kuhlmann NJW 1954, 562. ObFideikommißG DJ 1937, 1395. OLG Oldenburg NdsRpfl 1954, 199. BGHZ 34, 235 = LM § 7 Nr 7 BRAO m Anm v Greuner; vgl auch BGHZ 34, 252 = LM § 7 Nr 8 BRAO m Anm v Greuner.

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KG JR 1954, 107. OLG Schleswig SchlHA 1949, 269; OLG Hamm JZ 1952, 634. OLG Neustadt MDR 1956, 238; OLG Frankfurt JZ 1958, 92 = RzW 1958, 34. OLG Karlsruhe NJW 1955, 1075; LG Marburg NJW 1977, 2124; AG Schöneberg NJW 1956, 598. BGH AgraR 1980, 160; BGHZ 40, 338, 341 = NJW 1964, 863; BGH RdL 1951, 269; BGHZ 6, 258 = RdL 1952, 210; OLG Celle RdL 1957, 77; Barnstedt/Steffen LwVG § 30 Rn 21 ff mwN. OLG Celle NdsRpfl 1960, 224; Lange/Wulff/ HöfeO § 1 Rn 146. BayObLGZ 1963, 161, 163; Bärmann/Pick WEG vor § 43 Rn 23, § 45 Rn 21; Bärmann/ Pick/Merle WEG § 45 Rn 59 ff. KG JFGErg 18, 205 = DNotZ 1958, 104; KG DNotZ 1963, 346 = Rpfleger 1962, 456 = KostRspr § 156 KostO Nr 10; OLG Oldenburg NJW 1964, 2426. BGHZ 93, 287 = NJW 1985, 1711 mwN; BGH NJW 1993, 333; BayObLG FamRZ 1998, 1055; KG WM 1961, 334; MünchKomm/Gottwald Rn 36 mwN; Jauernig ZPR § 62 III 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 150 Rn 10.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Anspruch, den der Antragsteller erhoben hat, dh der vom Gericht aus dem vorgebrachten oder von Amts wegen ermittelten Sachverhalt gezogene und in der Entscheidung ausgesprochene Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der beanspruchten Rechtsfolge, nicht aber tatsächliche Feststellungen und die Entscheidung über Einwendungen und Einreden (mit Ausnahme von § 322 Abs 2 ZPO).55 Im Zivilprozess sind die Parteien infolge der Rechtskraft mit solchem Tatsachenstoff ausgeschlossen (präkludiert), der im Widerspruch zu den Feststellungen der früheren Entscheidung steht, sofern er vor der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz entstanden ist, mag er auch nicht vorgebracht worden sein.56 Die Geltung dieses Grundsatzes wird jedoch von der Verhandlungsmaxime beeinflusst; im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird die Präklusionswirkung auf solche Tatsachen zu beschränken sein, die in dem früheren Verfahren geltend gemacht worden waren oder geltend gemacht werden konnten, die also verschuldet nicht geltend gemacht worden sind; diese Beschränkung steht im Einklang mit der Darlegungsund Förderungspflicht der Beteiligten.57 Die materielle Rechtskraft ergreift aber den geltend gemachten Anspruch immer nur nach Maßgabe des zur Zeit der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz vorliegenden Sachverhalts und stellt das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs für diesen Zeitpunkt fest. Es widerspricht daher der materiellen Rechtskraft nicht, wenn in einem späteren Verfahren geltend gemacht wird, es seien nach dem Erlass der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz im Vorverfahren Tatsachen eingetreten, auf Grund deren der früher rechtskräftig abgewiesene Anspruch später entstanden sei, oder der Anspruch sei infolge einer Gesetzesänderung nunmehr entstanden.58 Diese Feststellung bezieht sich jedoch nicht auf alle Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern zunächst einmal nur auf formell rechtskräftige Entscheidungen, die der materiellen Rechtskraft fähig sind. Diese können nur abgeändert werden, wenn es sich nicht um sog Streitverfahren handelt und wenn ihre Abänderung aufgrund neu vorgebrachter Tatsachen erfolgen soll.

III. Rechtshängigkeit 14

Die Rechtshängigkeit einer Sache kann auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Bedeutung werden. Anderweite Anhängigkeit eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit demselben Verfahrensgegenstand steht der gerichtlichen Tätigkeit entgegen und ist von Amts wegen zu beachten. Das folgt aus dem allgemeinen Gesichtspunkt, dass nicht mehrere Gerichte mit derselben noch nicht erledigten Angelegenheit nebeneinander befasst werden sollen.59 Die Rechtshängigkeit wird insbesondere in echten Streitsachen in Betracht kommen. Im Allgemeinen wird bereits durch die Zu-

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BGH NJW 1990, 1795; 1993, 333; 1995, 967; KG DNotZ 1963, 346 = Rpfleger 1962, 456; RGZ 125, 159; KG JW 1935, 39; Baumbach/Hartmann § 322 Rn 15; Reichold in Thomas/Putzo § 322 Rn 17; Zöller/Vollkommer Vor § 322 Rn 31–34a; Pawlowski/Smid § 9 Rn 342; Jauernig ZPR § 63 II; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 152 Rn 8 ff. BGH NJW 1995, 967 = LM Nr 139 m Anm Grunsky; BGH NJW 1995, 1757; NJW-RR 1996, 826; Stein/Jonas/Leipold Rn 234 mwN; Jauernig ZPR § 62 IV.

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Habscheid § 28 IV; Pikart/Henn D III 6 S (S 100). BGHZ 83, 278; BGH NJW 1984, 126; 1985, 2825; KG WM 1960, 989; Pikart/Henn D III 6 S (S 100); Pawlowski/Smid § 9 Rn 343 ff; Zimmermann ZPO § 322 Rn 20 ff; zur Gesetzesänderung vgl auch BayObLGZ 1963, 110. BayObLG ZBIFG 16, 378; KGJ 51, 1; HansOLG Hamburg NJW RzW 1959, 543; OLG Frankfurt RzW 1955, 132; Keidel/Zimmermann Rn 25; Habscheid § 23 I 2a).

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ständigkeitsvorschriften der Möglichkeit vorgebeugt, dass dieselbe Angelegenheit bei mehreren Gerichten behandelt wird; insbesondere greift § 4 ein, wonach unter mehreren zuständigen Gerichten das zuerst tätig gewordene ausschließlich zuständig wird und die übrigen die Bearbeitung der Sache einstellen müssen.60 Im Verhältnis der freiwilligen zur streitigen Gerichtsbarkeit wird Rechtshängigkeit in der Regel deswegen nicht in Betracht kommen, weil es an der Identität des Verfahrensgegenstandes fehlt.61 Zwischen dem Erbscheinsverfahren und einem Rechtsstreit über die Feststellung des Erbrechts fehlt es an dieser Identität, weil die Verfahrensziele, möglicherweise auch die Beteiligten, verschieden sind. Bei Identität des Verfahrensgegenstandes kann Rechtshängigkeit aber auch im Verhältnis zur streitigen Gerichtsbarkeit vorliegen, zB wenn nach dem Tode des Mannes oder des Kindes die Feststellung oder die Anfechtung der Vaterschaft gem § 1600e Abs 2 BGB vom Familiengericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 621a Abs 1 S 1 ZPO) und nicht nach Maßgabe des § 640 ZPO durchzuführen ist. Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines vor einem ausländischen Gericht anhängigen Verfahrens kann in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn der Anerkennung der zu erwartenden ausländischen Entscheidung keine ernstlichen Bedenken entgegenstehen, unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Rechtsschutzinteresses für ein inländisches Verfahren in Betracht kommen oder zur Aussetzung des Verfahrens Anlass geben (siehe hierzu nachst Rn 15, 16).62

IV. EU-Verträge Zu berücksichtigen sind jedoch zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen 15 Union geschlossene Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge,63 deren Ausführung zum Teil durch das AVAG64 und nun auch durch das IntFamRVG65 geregelt sind. Hintergrund für das am 1.3.2005 in Kraft getretene Internationale Familienrechtsver- 16 fahrensgesetz – IntFamRVG ist die VO (EG) Nr 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der VO (EG) Nr 1347/2000 (Brüssel IIa-Verordnung, die die geltende Brüssel II-Verordnung ersetzt und in wesentlichen Bereichen fortentwickelt) vom 27.11.2003 (ABl EU Nr L 338 S 1), die ab dem 1.3.2005 Anwendung finden sollte und durch innerstaatliche Verfahrensvorschriften ergänzt werden musste. Um eine weitere Zersplitterung des Rechts zu vermeiden, sind in das neue Gesetz auch Ausführungsvorschriften zu bereits in Kraft be-

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Keidel/Zimmermann Rn 25; Habscheid § 23 I 2a); s auch § 4 Rn 4, 8. Vgl Bettermann, Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform, § 26. Für Ausdehnung der Berücksichtigung der Rechtshängigkeit über die Grenzen der jeweiligen Gerichtsbarkeit hinaus, Bötticher, Festschr DJT (1960) I S 540. BGH FamRZ 1982, 917; BayObLG FamRZ 1983, 501; BayObLGZ 1959, 8, 22, 23; KG OLGZ 1967, 392. ZB VO (EG) Nr 44/2001 des Rates v 22.12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent-

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scheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl EG Nr L 12 S 1). Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 19.2.2001 (BGBl S 288, 436). Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG) gem Art 1 des Gesetzes zum internationalen Familienrecht v 26.1.2005 (BGBl S 162).

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

findlichen anderen international-familienrechtlichen Übereinkommen aufgenommen werden.66 Das Gesetz folgt der Grundkonzeption des AVAG, es wurde aber davon abgesehen, die neuen Durchführungsbestimmungen in das AVAG zu integrieren, weil das eine Vielzahl von Ausnahmebestimmungen erfordert hätte. Die im AVAG befindlichen Vorschriften zur Durchführung der Brüssel II-Verordnung (§ 1 Abs 1 Nr 2a) wurden durch das neue Gesetz aufgehoben.67 Das neue Gesetz dient: 17 1. der Durchführung der VO (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der VO (EG) Nr 1347/2000 (ABl EU Nr L 338 S 1); 2. der Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (BGBl 1990 II S 206); 3. der Ausführung des Luxemburger Europäischen Übereinkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (BGBl 1990 II S 206, 220). Gleichzeitig ist das Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz vom 5. April 1990 (BGBl S 701) außer Kraft getreten.68 Abschnitt 9 IntFamRVG regelt die innerstaatliche Zuständigkeit zur Ausstellung von 18 Bescheinigungen nach der VO (EG) Nr 2201/2003. Die Bescheinigung nach Art 39 der VO (EG) 2201/2003 wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges und, wenn das Verfahren bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts ausgestellt (§ 48 Abs 1 IntFamRVG). Bescheinigungen nach Art 41, 42 werden beim Gericht des ersten Rechtszugs vom Familienrichter, in Verfahren vor dem OLG oder dem BGH von dem Vorsitzenden des Senats für Familiensachen ausgestellt (§ 48 Abs 2 IntFamRVG). Die Bescheinigung dient dem Zweck, den Gerichten in den anderen Mitgliedsstaaten die Prüfung der Anerkennungs- und Exequaturvoraussetzungen zu erleichtern. Die Zuständigkeit des Richters für die Ausstellung der Bescheinigung nach Art 41, 42 beruht darauf, dass in diesem Fall die Bescheinigung mit dem Titel zusammen zu einer Vollstreckung ohne Exequaturverfahren führt. Für das Verfahren über den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 48 19 IntFamRVG wird eine Gebühr von 10,00 Euro erhoben, § 51 Abs 3 IntFamRVG.

V. Reformvorhaben 20

Das FGG-Reformgesetz69 sieht in § 45 FamFG-E eine Regelung der formellen Rechtskraft vor. Danach soll die Rechtskraft eines Beschlusses vor Ablauf der für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels oder des zulässigen Einspruchs, des Widerspruchs oder der 66 67 68 69

Gesetzesbegründung BTDrs 15/3981 S 17. Art 2 Abs 7 d Gesetzes zum internationalen Familienrecht. Art 3 des Gesetzes zum internationalen Familienrecht. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und

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in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006, der unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt.

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Folgen der Aufhebung einer Verfügung

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Erinnerung bestimmten Frist nicht eintreten, da der Eintritt der Rechtskraft durch rechtzeitige Einlegung des entsprechenden Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs gehemmt wird. Die Vorschrift soll klarstellen, dass der Beschluss im FamFG-Verfahren der formellen Rechtskraft fähig ist. Die Vorschrift entspricht inhaltlich § 705 ZPO. Ebenfalls in Übereinstimmung mit den ZPO-Vorschriften soll § 46 die Voraussetzun- 21 gen für die Erteilung eines Rechtskraft- oder Notfristzeugnisses entsprechend § 706 ZPO regeln. Die Vorschrift soll wie folgt lauten: § 46 Rechtskraft- und Notfristzeugnis (1) Zeugnisse über die Rechtskraft eines Beschlusses sind auf Grund der Verfahrensakten von der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges und, solange das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig ist, von der Geschäftsstelle des Gerichts dieses Rechtszugs zu erteilen. In Ehe- und Abstammungssachen wird den Beteiligten von Amts wegen ein Rechtskraftzeugnis auf einer weiteren Ausfertigung ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe erteilt. (2) Soweit die Erteilung des Zeugnisses davon abhängt, dass gegen den Beschluss ein Rechtsmittel nicht eingelegt ist, genügt ein Zeugnis der Geschäftsstelle des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts, dass bis zum Ablauf der Notfrist eine Rechtsmittelschrift nicht eingereicht sei.

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§ 32 Folgen der Aufhebung einer Verfügung Ist eine Verfügung, durch die jemand die Fähigkeit oder die Befugnis zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder zur Entgegennahme einer Willenserklärung erlangt, ungerechtfertigt, so hat, sofern nicht die Verfügung wegen Mangels der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unwirksam ist, die Aufhebung der Verfügung auf die Wirksamkeit der inzwischen von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluß.

Literatur Habscheid Fehlerhafte Entscheidungen im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, NJW 1966, 1787; Jansen Zur bindenden Wirkung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht, NJW 1966, 331.

Übersicht Rdn I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 1. Erlangung der Befugnis oder Fähigkeit durch gerichtliche Verfügung . . . . . 2. Aufhebung der Verfügung . . . . . . III. Unanwendbarkeit von § 32 . . . . . . .

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Rdn 1. Nichtige oder wirkungslose Verfügungen 2. Entziehung der Vertretungsmacht oder Beschränkung der Geschäftsfähigkeit . IV. Analoge Anwendung . . . . . . . . . . V. Landesrecht/Geltungsbereich . . . . . . VI. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

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I. Bedeutung Die Vorschrift dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs und schützt denjenigen, der im 1 Vertrauen auf den Rechtsbestand einer wirksam gewordenen gerichtlichen Verfügung, durch die jemand die im Gesetz genannte Fähigkeit oder Befugnis erlangt hat, mit diesem

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in rechtsgeschäftlichen Verkehr getreten ist.1 Sie ist materiellrechtlicher Natur2 und regelt die Folgen einer Aufhebung in Bezug auf Dritte; in Betreuungssachen gilt jedoch für die Aufhebung einer Entscheidung, durch die ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist § 69h. Wegen des materiellrechtlichen Inhalts gestattet die Vorschrift daher keine Rückschlüsse darauf, ob die Aufhebung der in ihr genannten Verfügungen verfahrensrechtlich rückwirkende Kraft hat; vielmehr bewährt sich die Bestimmung gerade dann, wenn die Aufhebung der Verfügung verfahrensrechtlich Wirkung ex tunc hat.

II. Anwendungsbereich 2

Gegenstand der Verfügung kann die Verleihung der Fähigkeit oder der Befugnis zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts sein oder zur Entgegennahme einer Willenserklärung. Die Fähigkeit hierzu erlangt jemand, der nicht oder nicht allein imstande ist, im eige3 nen Namen wirksam zu handeln, durch eine gerichtliche Verfügung, welche ihm die Geschäftsfähigkeit ganz oder für ein Teilgebiet verleiht oder ihn von einer Verfügungsbeschränkung befreit. Hierher gehören die Ermächtigung des Minderjährigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (§ 112 BGB) oder zur Eingebung eines Dienstoder Arbeitsverhältnisses (§ 113 BGB), die Ersetzung der Ermächtigung oder der Zustimmung eines anderen zu einem Rechtsgeschäft in den unter § 53 FGG fallenden Fällen (vgl § 53 Rn 1 ff), insbesondere die Ersetzung der Zustimmung eines Ehegatten oder Lebenspartners3 bei Zugewinngemeinschaft (§§ 1365, 1369 BGB) oder bei Aufhebung der Beschränkung oder Ausschließung der Schlüsselgewalt (§ 1357 Abs 2 BGB). Die Befugnis zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder zur Entgegennahme einer Wil4 lenserklärung erlangt jemand durch die gerichtliche Ermächtigung, in diesem Umfange für einen anderen zu handeln. In Betracht kommt die Bestellung zum Vormund, Pfleger oder Beistand (auch des Jugendamts), Betreuer gem § 1896 BGB, Nachlasspfleger gem §§ 1960 1961 BGB, Nachlassverwalter gem §§ 1981, 1984 BGB, Bestellung eines Vertreters des Grundstückseigentümers nach § 1141 Abs 2 BGB, Ernennung eines Testamentsvollstreckers nach § 2200 BGB, Bestellung von Vorstandsmitgliedern und Abwicklern für Vereine und Stiftungen (§§ 29, 48, 86, 88 BGB), für Handelsgesellschaften (§§ 146, 147, 161 HGB, §§ 66 GmbHG, §§ 85, 265, 273 Abs 4 AktG) und Genossenschaften (§ 83 GenG), Bestellung besonderer Vertreter nach §§ 147, 350 AktG, Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 AktG. 1. Erlangung der Befugnis oder Fähigkeit durch gerichtliche Verfügung

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Die Befugnis oder Fähigkeit muss durch die gerichtliche Verfügung erlangt sein, also auf ihr beruhen. Sind zum Erwerb der Befugnis außerdem noch weitere Voraussetzungen erforderlich, so wird das Vertrauen auf deren Vorliegen durch § 32 nicht geschützt. Die Ernennung des Testamentsvollstreckers nach § 2200 zB verschafft dem TV keine Verfügungsbefugnis, wenn es an der Anordnung der TV durch den Erblasser und der Annahme des Amtes fehlt; ist das Testament nichtig, so wird der Dritte nur beim Vorliegen eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (§§ 2368 Abs 3, 2366 BGB) geschützt.4 Die Ver1 2 3

BayObLG NJW-RR 1992, 787. KG NJW 1971, 53; Habscheid NJW 1966, 1787; Wellstein Anm 1. Gem § 8 LPartG gelten die §§ 1362 Abs 1 S 2 u 3, Abs 2; 1357, 1365 bis 1370 BGB entsprechend.

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Jansen NJW 1966, 331; s auch BGH NJW 1964, 1316 m Anm Strickrodt; aA Baur § 24 B V 1 in dem dort gegebenen Beispiel.

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fügung muss ferner zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts bereits wirksam gewesen sein, in der Regel nach Maßgabe des § 16. Wird die Verfügung erst mit der Rechtskraft wirksam, so wird die Fähigkeit (Befugnis) erst mit deren Eintritt erlangt, wenn nicht nach § 26 S 2 oder § 53 Abs 2 die sofortige Wirksamkeit angeordnet worden ist. Die Vorschrift kommt mithin nicht in Betracht, wenn die Verfügung vor ihrer späteren Aufhebung überhaupt noch nicht in Wirksamkeit getreten war. Der Schutz des § 32 endet in dem Zeitpunkt, in dem die aufhebende Verfügung wirksam wird; nur dieser objektive Umstand ist maßgebend. Auf die Kenntnis der Beteiligten kommt es nicht an.5 2. Aufhebung der Verfügung Die Aufhebung der Verfügung als ungerechtfertigt hat auf die Wirksamkeit der inzwi- 6 schen vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluss. Es ist also unschädlich, wenn die Verfügung sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen als unrichtig erweist und deshalb aufgehoben wird. Wird eine Nachlasspflegschaft aufgehoben, sind die Rechtshandlungen der Nachlasspflegerin wirksam.6 Gleichgültig ist es, ob die Verfügung durch das Gericht erster Instanz auf Grund des § 18 oder im Beschwerdeverfahren oder nach eingetretener Rechtskraft infolge Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs 2) aufgehoben wird. Die Aufhebung der Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft und der erteilten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung hat auf die Wirksamkeit der vorher von dem Abwesenheitspfleger getätigten Rechtshandlungen (Bestellung von Grunddienstbarkeiten und Abschluss eines Grundstückskaufvertrages) keine Auswirkungen.7 Wird auf die Beschwerde hin ein Beschluss, durch den ein Betreuer entlassen und an seiner Stelle ein anderer zum Betreuer bestellt wurde, aufgehoben, so wird die Betreuerentlassung rückwirkend hinfällig, während die Wirkungen der Bestellung des neuen Betreuers erst mit der Beschwerdeentscheidung entfallen. Vom neuen Betreuer vorgenommene Rechtsgeschäfte für den Betreuten bis zur Beschwerdeentscheidung bleiben also wirksam.8 Darauf, ob der Dritte, der sich auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts beruft, den die Aufhebung rechtfertigenden Sachverhalt gekannt hat, kommt es nicht an; bei Kollusion können allerdings Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.9 Hat die Aufhebung der Verfügung ohnehin keine rückwirkende Kraft (§ 18 Rn 35 ff), so bedarf es des Schutzes des § 32 nicht.

III. Unanwendbarkeit von § 32 1. Nichtige oder wirkungslose Verfügungen Diese werden durch § 32 nicht gedeckt; das Vertrauen in nichtige Verfügungen wird 7 nicht geschützt.10 Das hebt das Gesetz durch den Nebensatz „sofern nicht die Verfügung wegen Mangels der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unwirksam ist“ besonders hervor. Eine entsprechende Anwendung auf unwirksame Verfügungen ist deshalb nicht angängig.11 Die Rechtsgeschäfte eines Vormundes, dessen Bestellung nichtig ist, sind daher nicht auf Grund des § 32 für den Mündel verbindlich.12 Ebenso können die Rechts5 6 7 8

Schlegelberger § 32 Anm 5. OLG Frankfurt/M FGPrax 1995, 68. OLG Köln Rpfleger 2002, 195 mwN. OLG Köln FGPrax 1995, 106.

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Josef FGG § 32 Anm 7. Baur § 24 B V 1a; Schlegelberger § 32 Anm 4. BGHZ 39, 45; BGH NJW 1998, 609. So aber BGH FamRZ 1956, 379; zust Keidel/

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geschäfte eines vermeintlichen Amtsvormundes nicht auf Grund des § 32 wirksam sein, wenn die gesetzliche Amtsvormundschaft in Wirklichkeit nicht eingetreten war.13 Unter sachlicher Zuständigkeit ist hier übrigens nicht, wie sonst, die Abgrenzung zwischen der erstinstanzlichen Zuständigkeit des AG und des LG zu verstehen; ein Verstoß hiergegen hat Nichtigkeit nicht zur Folge, die Entscheidung ist allenfalls anfechtbar.14 Das Gesetz meint den Fall der Kompetenzüberschreitung und die Nichtigkeit wegen funktioneller Unzuständigkeit (vgl § 7 Rn 21), wenn eine Entscheidung statt vom Richter vom Rechtspfleger erlassen worden ist. Das ist zB der Fall, wenn der Rechtspfleger Nachtragsliquidatoren einer GmbH ernennt, obwohl hierfür ein Richtervorbehalt besteht (§ 17 Nr 2b RPflG).15 Im übrigen kommt es auf den Grund der Unwirksamkeit nicht an; die Anwendung des § 32 ist in allen Fällen der Unwirksamkeit ausgeschlossen.16 2. Entziehung der Vertretungsmacht oder Beschränkung der Geschäftsfähigkeit

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Die Aufhebung einer Verfügung, durch die jemandem die Vertretungsmacht entzogen oder jemand in der Geschäftsfähigkeit beschränkt worden ist, wirft die Frage nach der Wirksamkeit der gleichwohl während der Dauer der Entziehung oder Beschränkung von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte auf. Auf diesen Fall ist § 32 nicht anwendbar, weil es an einer gerichtlichen Verfügung als Gegenstand des Vertrauensschutzes fehlt. Die Frage ist danach zu beantworten, ob die Aufhebung der entziehenden oder beschränkenden Verfügung verfahrensrechtlich rückwirkende Kraft hat; das ist zu bejahen, wenn die Verfügung der sofortigen Beschwerde unterlag, bei unbefristeter Beschwerde aber zu verneinen (s § 18 Rn 33 ff). Auch wenn widerstreitende Rechtsgeschäfte sowohl von dem eigentlich Berechtigten als auch von dem gerichtlich Ermächtigten vorgenommen sind, ist die Rechtslage ebenso zu beurteilen, als wenn dieselbe Person oder der Vollmachtgeber und der Bevollmächtigte zwei widersprechende Willenserklärungen abgegeben hätten; es geht nicht etwa das Geschäft des Vertreters vor.17

IV. Analoge Anwendung 9

§ 32 ist entsprechend anwendbar, wenn jemand durch Entscheidung des AG die Befugnis erhält, den Jahresabschluss einer Gesellschaft zu prüfen und zu testieren. Das Testat gem § 322 HGB ist zwar kein Rechtsgeschäft, aber diesem insoweit gleichzustellen, so dass eine spätere Aufhebung oder Abänderung des Bestellungsbeschlusses ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Abschlussprüfung und des Testats hat.18 Gleiches gilt für Rechtsgeschäfte, die auf Mehrheitsbeschlüssen von Wohnungseigentümern beruhen, wenn diese im Verfahren gem § 43 Abs 1 Nr 4 WEG durch das Gericht für ungültig erklärt werden.19

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14

Zimmermann Rn 11; dagegen Beitzke FamR § 37 I; Habscheid NJW 1966, 1787, Bassenge/Herbst/Roth Rn 6. So aber SchlHOLG SchIHA 1956, 353; zust Keidel/Zimmermann Rn 11; aA Bassenge/ Herbst/Roth Rn 6. Bärmann § 6 III 3; Baur § 6 III; Habscheid § 13 II; Pikart-Henn S 65; Pawlowski/Smid Rn 122.

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SchlHOLG Rpfleger 2000, 152. Keidel/Zimmermann Rn 8. Riezler, AcP 98, 372; Keidel/Zimmermann Rn 14. OLG Düsseldorf FGPrax 1996, 155. KG NJW-RR 1990, 153; OLG Hamm OLGZ 92, 309; Bassenge/Herbst/Roth Rn 5.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

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V. Landesrecht/Geltungsbereich Die Vorschrift gilt auch für Verfügungen des Rechtspflegers in übertragenen An- 10 gelegenheiten sowie nach § 194 FGG für Verfügungen der nach Landesgesetz zuständigen nichtgerichtlichen Behörden. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist sie durchweg für anwendbar erklärt in den Ländern, in denen das PrFGG weitergilt (Art 1 PrFGG) sowie nach § 8 Abs 1 RhPfFGG, Art 34 BayAGGVG, Art 7 NdsFGG; nach § 42 Abs 1 SächsJustAG, § 1 BremAGFGG. Ein weitergehender Schutz der Rechte Dritter bei Abänderung von Verfügungen findet sich in Art 4 S 3 PrFGG, Art 6 HessFGG, Art 9 Abs 3 NdsFGG; diese Vorschriften gelten als materielles Recht nach Art 3 EGBGB nur für den Landesgesetzen vorbehaltene Gebiete. § 32 findet auch Anwendung, wenn jemand die Fähigkeit oder die Befugnis zur Vor- 11 nahme eines Rechtsgeschäfts durch eine Entscheidung des FamG in anderen Familiensachen (§ 621a ZPO) erlangt hat.20

VI. Reformvorhaben Das FGG-Reformgesetz21 sieht in § 47 FamFG-E eine inhaltsgleiche Regelung vor.

§ 33 Vollziehung gerichtlicher Verfügungen (1) Ist jemandem durch eine Verfügung des Gerichts die Verpflichtung auferlegt, eine Handlung vorzunehmen, die ausschließlich von seinem Willen abhängt, oder eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so kann ihn das Gericht, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, zur Befolgung seiner Anordnung durch Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. Ist eine Person herauszugeben, kann das Gericht unabhängig von der Festsetzung eines Zwangsgeldes die Zwangshaft anordnen. Bei Festsetzung des Zwangsmittels sind dem Beteiligten zugleich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. (2) Soll eine Sache oder eine Person herausgegeben oder eine Sache vorgelegt werden oder ist eine Anordnung ohne Gewalt nicht durchzuführen, so kann auf Grund einer besonderen Verfügung des Gerichts unabhängig von den gemäß Absatz 1 festgesetzten Zwangsmitteln auch Gewalt gebraucht werden. Eine Gewaltanwendung gegen ein Kind darf nicht zugelassen werden, wenn das Kind herausgegeben werden soll, um das Umgangsrecht auszuüben. Der Vollstreckungsbeamte ist befugt, erforderlichenfalls die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachzusuchen. Die Kosten fallen dem Verpflichteten zu Last. Wird die Sache oder die Person nicht vorgefunden, so kann das Gericht den Verpflichteten anhalten, eine eidesstattliche Versicherung über ihren Verbleib

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21

Keidel/Zimmermann § 32 Rn 17; Keidel/ Kuntze § 64 Rn 36b; wohl aA Zöller/Philippi § 621a Rn 30 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts-

barkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006, der unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt.

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abzugeben. Der § 883 Abs 2 bis 4, der § 900 Abs 1 und die §§ 901, 902, 904 bis 910, 913 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden. (3) Das Zwangsgeld (Absatz 1) muß, bevor es festgesetzt wird, angedroht werden. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend Euro nicht übersteigen. Die Festsetzung der Zwangshaft (Absatz 1) soll angedroht werden, wenn nicht die Durchsetzung der gerichtlichen Anordnung besonders eilbedürftig ist oder die Befürchtung besteht, daß die Vollziehung der Haft vereitelt wird. Die besondere Eilbedürftigkeit ist namentlich dann anzunehmen, wenn andernfalls die Anordnung im Ausland vollstreckt werden müßte. Für den Vollzug der Haft gelten die §§ 901, 904 bis 906, 909 Abs 1 und 2, §§ 910, 913 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Die besondere Verfügung (Absatz 2) soll in der Regel, bevor sie erlassen wird, angedroht werden. § 33: idF des Art 4 der VO v 5.8.1935 (RGBl I 1065) mWv 1.4.1936. § 33 Abs 1 S 1: idF des Art 105 Nr 2a) des EGStGB v 2.3.1974 (BGBl S 1469) mWv 1.1.1975. § 33 Abs 1 S 2 u. 3 (fr S 2): idF des Art 2 Nr 2a) des G z Ausf v Sorgerechtsübereinkommen und zur Änd des FGG v 5.4.1990 (BGBl S 701) mWv 13.4.1990. § 33 Abs 2 S 1: idF des Art 2 Nr 2b) des G z Ausf v Sorgerechtsübereinkommen und zur Änd des FGG v 5.4.1990 (BGBl S 701) mWv 13.4.1990. § 33 Abs 2 S 2: eingef durch Art 8 Nr 1 nach Maßgabe des Art 15 (§§ 1 u 2) des G v 16.12.1997 – KindRG – (BGBl S 2942) mWv 1.7.1998. § 33 Abs 2 S 3 u 4: fr S 2 u 3 gem Art 8 Nr 1 nach Maßgabe des Art 15 (§§ 1 u 2) des G v 16.12.1997 – KindRG – (BGBl S 2942) mWv 1.7.1998. § 33 Abs 2 S 5 (fr S 4): idF des Art 2 § 5 Nr 1a) des G z Änd des RPflG, des BeurkG und zur Umwandl des Offenbarungseides in eine eidesstattliche Versicherung v 27.6. 1970 (BGBl S 911) mWv 1.7.1970; jetzt S 5 gem Art 8 Nr 1 nach Maßgabe des Art 15 (§§ 1 u 2) des G v 16.12.1997 – KindRG – (BGBl S 2942) mWv 1.7.1998. § 33 Abs 2 S 6 (fr S 5): idF des Art 2 § 5 Nr 1b) des G z Änd des RPflG, des BeurkG u zur Umwandl d Offenbarungseides in eine eid. Vers. v 27.6.1970 (BGBl S 911) mWv 1.7.1970 u durch Art 2 Nr 2b) des G zur Ausf v Sorgerechtsübereinkommen und zur Änd des FGG v 5.4.1990 (BGBl S 701) mWv 13.4.1990; jetzt gem Art 8 Nr 1 nach Maßgabe d Art 15 (§§ 1 u 2) des G v 16.12.1997 – KindRG – (BGBl S 2942) mWv 1.7.1998. § 33 Abs 3 S 1: idF des Art 105 Nr 2c) EGStGB v 2.3.1974 (BGBl S 469) mWv 1.1.1975. § 33 Abs 3: fr S 2 aufgeh d urch Art 2 Nr 2c) des G zur Ausf v Sorgerechtsübereinkommen und zur Änd des FGG v. 5.4.1990 (BGBl S 701) mWv 13.4.1990. § 33 Abs 3 S 2 bis 4: eingef durch Art 2 Nr 2c) des G zur Ausf v Sorgerechtsübereinkommen und zur Änd des FGG v 5.4.1990 (BGBl S 701) mWv 13.4.1990; S 2 idF des Art 6 des G zur Änd der Pfändungsfreigrenzen v 13.12.2001 (BGBl S 3638) mWv 1.1.2002. § 33 Abs 3 S 5: eingef durch Art 2 Nr 2c) des G zur Ausf v Sorgerechtsübereinkommen und zur Änd des FGG v 5.4.1990 (BGBl S 701) mWv 13.4.1990; idF des Art 2 Abs 3 des G v 17.12.1997 – Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle – (BGBl S 3039) mWv 1.1.1999. § 33 Abs 3 S 6: fr S 3 jetzt S 6 gem Art 2 Nr 2c) des G zur Ausf v Sorgerechtsübereinkommen und zur Änd des FGG v 5.4.1990 (BGBl S 701) mWv 13.4.1990.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

§ 33

Literatur Bach Das Haager Kindesentführungsübereinkommen in der Praxis, FamRZ 1997, 1051; Büttner Änderungen im Familienverfahrensrecht durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1998, 585; Dickmeis Verfehlt § 33 II FGG seinen Zweck – Kindeswohlorientierte Entscheidungen des Familiengerichts und ihr Vollzug, NJW 1992, 537; Diercks Ist bei der Herausgabevollstreckung Gewalt gegen Kinder zulässig?, FamRZ 1994, 1226; Hofmann Zwangsgeldverfahren in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Rpfleger 1991, 283; Hub Die Neuregelung der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil-und Handelssachen und das familienrechtliche Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren, NJW 2001, 3145; Lempp Elternrecht, Kindesrecht und Zwang gegen Jugendliche, FamRZ 1986, 1061; Lindacher Verfahrensgrundsätze in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, JuS 1978, 577; Lipp Das elterliche Sorgerecht für das nichteheliche Kind nach dem Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1998, 65; Oberloskamp Die Zusammenarbeit von Vormundschafts-/Familiengericht und Jugendamt, FamRZ 1992, 1241; Rauscher Das Umgangsrecht im Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1998, 329; Schwab/Wagenitz Einführung in das neue Kindschaftsrecht, FamRZ 1997, 1377; Schwab Elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung der Eltern, FamRZ 1998, 457; Schütz Elternrecht, Kindesrecht und Zwang gegen Jugendliche, FamRZ 1986, 528; 1987, 438; Wagner Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel-II-Verordnung, IPrax 2001, 281; Wieser Die gewaltsame Rückführung eines Kindes zu seinen Eltern, FamRZ 1990, 693.

Übersicht Rdn A. Gesetzesgeschichte . . . . . . . . . . . . B. Bedeutung und Anwendungsbereich . . . C. Nichtvollzugsfähige Verfügungen . . . . I. Gerichtliche Handlungen . . . . . . . II. Rechtsgestaltende Verfügungen . . . . III. Regelung von Rechtsverhältnissen unter Ausschluss der Vollziehung . . . . . . IV. Zwangsvollstreckung nach der ZPO 1. Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . a) Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . c) Zuständigkeit des Prozessgerichts . . . . . . . . . . . . . 4. Kostenberechnungen des Notars . . 5. Festsetzung der Vergütung bzw des Aufwendungsersatzes . . . . . . . D. Auferlegbare Verpflichtungen . . . . . . I. Vormundschaftsgericht/Familiengericht 1. Vormund/Pfleger/Betreuer . . . . . 2. Eltern . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Bezugspersonen . . . . . . 4. Dritte . . . . . . . . . . . . . . . 5. Minderjährige . . . . . . . . . . . 6. Versorgungsausgleich . . . . . . . II. Nachlassgericht 1. Sicherung des Nachlasses . . . . . 2. Sonstige Verpflichtungen . . . . . . III. Registersachen . . . . . . . . . . . . IV. Beweisverfahren . . . . . . . . . . . .

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Rdn E. Gerichtliche Verfügung I. Form, Vollziehbarkeit . . . . . . . . . II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . F. Gegenstand der Verpflichtung I. Vornahme einer Handlung . . . . . . II. Unterlassung oder Duldung der Vornahme einer Handlung . . . . . . . . G. Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln I. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahrensgegner . . . . . . . . . . . III. Zwangsgeld . . . . . . . . . . . . . . IV. Androhung der Festsetzung . . . . . . 1. Vorherige Androhung . . . . . . . 2. Höhe des Zwangsgeldes . . . . . . 3. Zwangsgeldandrohungsverfügung . 4. Bekanntmachung . . . . . . . . . V. Festsetzung des Zwangsgeldes . . . . . 1. Festsetzung . . . . . . . . . . . . . 2. Bemessung der Höhe . . . . . . . . 3. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vollstreckung des Zwangsgeldes . . . . VII. Zwangshaft . . . . . . . . . . . . . . H. Rechtsmittel I. Androhung 1. Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . 2. Beschwerderecht . . . . . . . . . . II. Festsetzung 1. Zulässigkeit der Beschwerde . . . 2. Beschwerdegründe . . . . . . . . . III. Die weitere Beschwerde . . . . . . . . I. Änderungsbefugnis I. Zwangsmittelandrohungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . II. Zwangsmittelfestsetzung . . . . . . .

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§ 33

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Übersicht Rdn J. Anwendung von Gewalt I. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . 1. Herausgabe einer Person . . . . . 2. Herausgabe oder Vorlegung einer Sache . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anordnungen, die ohne Gewalt nicht durchführbar sind . . . . . II. Ausschluss der Gewaltanwendung . . III. Androhung . . . . . . . . . . . . .

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Rdn IV. Besondere Verfügung . . . . . . . . . V. Vollstreckungsbeamter . . . . . . . . VI. Gewaltmaßnahmen . . . . . . . . . . VII. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . K. Eidesstattliche Versicherung . . . . . . . L. Zuständigkeit des Rechtspflegers . . . . . M. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht N. Vollziehung ausländischer Entscheidungen O. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . .

64 65 66 67 68 69 70 71 80

A. Gesetzesgeschichte 1

§ 33 wurde durch Art 4 d VO zur Änd des Verfahrens in Grundbuchsachen v 5.8.1935 (RGBl I S 1065) neu gefasst. Die Vollziehung der Anordnungen in der FG, die vorher fast völlig dem Landesrecht überlassen war, ist damit einheitlich geregelt, und zwar im Anschluss an die preußischen Bestimmungen (PrFGG Art 15–17). Die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften waren dadurch gegenstandslos geworden. In Geltung geblieben ist Art 16 Abs 2, 3 PrFGG. Für Hessen enthalten die Art 13, 18 bis 21 HessFGG ergänzende Vorschriften. Durch das G zur Änd des RPflG, des BeurkG und zur Umwandlung des Offenbarungseides in eine eidesstattliche Versicherung v 27.6.1970 (BGBl S 911) mWv 1.7.1970 wurden nicht nur die Begriffe sondern auch die Zuständigkeit geändert; denn die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung steht dem Rechtspfleger zu, wenn sich nicht der Richter die Vollstreckung ganz oder teilweise vorbehält (§ 31 Abs 3 RPflG). Durch das Einführungsgesetz zum StGB v 2.3.1974 (BGBl S 1469) ist mWv 1.1.1975 eine weitere sprachliche Änderung vorgenommen worden; zur Abgrenzung hinsichtlich der Rechtsfolgen für strafbare Handlungen wurde der Begriff Ordnungsstrafe in Zwangsgeld geändert. Das G zur Ausführung von Sorgerechtsübereinkommen und zur Änd des FGG v 5.4.1990 (BGBl S 701) brachte zusätzlich zur Anordnung von Zwangsgeld auch die Möglichkeit der Anordnung der Zwangshaft. Das einzelne Zwangsgeld wurde von 1000 DM auf 50 000 DM erhöht. Durch das KindRG v 16.12.1997 (BGBl S 2942) wurde in Abs 2 eingefügt, dass eine Gewaltanwendung gegen ein Kind nicht zugelassen werden darf, wenn das Kind herauszugeben ist, um das Umgangsrecht auszuüben. In Satz 5 wurden die durch die Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle v 17.12.1997 (BGBl S 3039) mWv 1.1.1999 geänderten ZPO-Vorschriften ersetzt. Die Umstellung des Höchstbetrages eines Zwangsgeldes auf EUR erfolgte durch Art 6 des G zur Änd der Pfändungsfreigrenzen v 13.12.2001 (BGBl S 3638).

B. Bedeutung und Anwendungsbereich 2

Die Vorschrift regelt das Verfahren und bestimmt die Mittel, die angewendet werden dürfen, wenn eine gerichtliche Verfügung auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu ihrer Durchsetzung einer Vollziehung bedarf. Durch diese verfahrensrechtliche Vorschrift wird aber nicht die Befugnis des Gerichts begründet, jemandem eine Verpflichtung aufzuerlegen; vielmehr setzt ihre Anwendung voraus, dass die Befugnis zur Auferlegung der nach § 33 zu vollziehenden Verpflichtung anderweit gesetzlich vorgesehen ist, sei es im FGG selbst, sei es in anderen Gesetzen, insbesondere im BGB und im HGB.1 Es ist 1

BGH NJW 2001, 888; BayObLGZ 1995, 222; BayObLG NJW 1972, 1522; KG RJA 14, 57; KG JW 1937, 2289 = HRR 1937 Nr 1326;

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KG NJW 1958, 2071 = Rpfleger 1959, 189; Schlegelberger Vorbem 4 vor § 33.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

§ 33

unzulässig, gegen einen Elternteil nach § 33 vorzugehen, falls er einem gerichtlich bestellten Sachverständigen den Kontakt mit dem Kind zur Erarbeitung eines kinderpsychologischen Gutachtens nicht ermöglicht, wenn nicht einschlägige Sonderbestimmungen dieses vorsehen;2 auch die Anordnung, die den Betroffenen zwingt, sich im Rahmen eines sorge- bzw umgangsrechtlichen Verfahrens psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen, kann sich auf keine sie legitimierende Rechtsnorm stützen, da weder § 1684 Abs 1 BGB noch §§ 12, 15 FGG und schon gar nicht § 33 herangezogen werden können.3 Genauso wenig ist die Anordnung sich einer Begutachtung zwecks Aufhebung der Betreuung zu stellen, gem § 33 zwangsweise durchsetzbar.4 Ferner muss gerade dem Gericht der FG durch Gesetz aufgegeben sein, für die Erfüllung der gesetzlich begründeten Verpflichtung Sorge zu tragen. Da Maßnahmen nach § 33 stets das durch Art 2 Abs 1 GG gewährleistete Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit5 beeinträchtigen, stehen sie unter dem Vorbehalt der Gesetzmäßigkeit des Eingriffs; Maßnahmen, die das subjektive Recht aus Art 2 Abs 1 GG verletzen, mit keiner nicht obliegenden Verbindlichkeit belastet zu werden, können mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden.6 Die Vorschrift dient ferner nicht der Vollstreckung bürgerlich-rechtlicher Ansprüche eines Beteiligten gegen den anderen, sondern der Durchsetzung einer öffentlich-rechtlichen Befugnis des Gerichts, von einem Beteiligten ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.7 Voraussetzung jeder Zwangsanwendung ist weiter, dass nicht nur deren förmliches Mittel, sondern auch materiell die zu erzwingende Anordnung im Zuständigkeitsbereich der den Zwang anwendenden Behörde liegt. Die ehemals vorhandene Doppelzuständigkeit einerseits des VormG nach §§ 1672, 1632 Abs 2 BGB aF, andererseits des Prozessgerichts nach § 627 ZPO aF für die Dauer eines Ehescheidungsrechtsstreits, ist durch das KindRG erledigt, denn die Reform hat die gerichtliche Zuständigkeit des Familiengerichts in allen Sorgeverfahren begründet.8 Die in diesem Zusammenhang vormals vorhandene Kollisionsproblematik ist entfallen.9

C. Nicht vollzugsfähige Verfügungen Aus dem Erfordernis einer gerichtlichen Verfügung, durch die eine Verpflichtung be- 3 stimmten Inhalts auferlegt wird, sowie aus dem Vorbehalt abweichender gesetzlicher Bestimmungen ergibt sich, dass ein erheblicher Kreis gerichtlicher Verfügungen für eine Vollziehung nach Maßgabe des § 33 nicht in Betracht kommt. Es scheiden aus: Verrichtungen, die ihrer Natur nach einer Vollziehung nicht zugänglich sind; Verfügungen, die ihrem Inhalt nach einer Vollziehung nicht bedürfen; Verfügungen, die ein Rechtsverhältnis zwar in der Weise regeln, dass dadurch Rechte und Pflichten begründet werden, deren Verwirklichung aber außerhalb des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchzusetzen ist, und schließlich Entscheidungen, aus denen die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung stattfindet. Das Gericht kann gegen das JA nicht mit einer

2 3

4

OLG Koblenz FamRZ 2000, 1233; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1479. BVerfG v 20.5.2003 – 1 BvR 2222/01 – BeckRS 2003, 22331 = FamRZ 2004, 523 mwN. BayObLG FamRZ 1996, 499; beachte aber § 68b Abs 3.

5 6 7 8 9

Vgl BVerfGE 6, 32. BVerfGE 6, 32. KGJ 33 A 57; KG NJW 1958, 2071 = Rpfleger 1959, 189. FamRefK/Rogner, vor § 1626 BGB Rn 24. FamRefK/Hoffmann, § 621 ZPO Rn 3.

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gerichtlichen Verfügung und Zwangsmitteln des § 33 vorgehen, wenn das JA seiner Mitwirkungspflicht nach § 50 KJHG nicht nachkommt, sondern hat allenfalls die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde.10 Erscheint der geladene Mitarbeiter des JA nicht zum Termin, kann kein Zwangsgeld nach § 33 verhängt werden, da der einzelne Mitarbeiter nicht Verfahrensbeteiligter ist.11

I. Gerichtliche Handlungen 4

Gerichtliche Handlungen, die den Rechtserfolg, dessen Verwirklichung sie dienen, unmittelbar herbeiführen, sind eines Vollzuges weder bedürftig noch fähig, weil bereits ihre Vornahme die Verwirklichung der gerichtlichen Entschließung darstellt. Das gilt zB für die Vornahme von Beurkundungen und Eintragungen in öffentliche Bücher.12

II. Rechtsgestaltende Verfügungen 5

Rechtsgestaltende Verfügungen führen unmittelbar eine Veränderung der materiellen Rechtslage herbei, deren Maßgeblichkeit nicht eine besondere Vollziehung der Verfügung voraussetzt, sondern lediglich davon abhängt, dass die Verfügung entweder mit der Bekanntmachung (§ 16 Abs 1) oder nach Eintritt der formellen Rechtskraft (§ 16 Rn 21) wirksam geworden ist. Hierher gehören Verfügungen, die jemandem eine bestimmte Rechtsstellung verleihen oder sie ihm entziehen (Bestellung oder Entlassung des Vormundes, Pflegers oder Betreuers, Ernennung oder Entlassung des Testamentsvollstreckers, Bestellung eines Notvorstandes), oder durch welche die Einwilligung oder Zustimmung eines anderen zu einem Rechtsgeschäft ersetzt (§ 1303 Abs 3, 4 BGB, §§ 1365 Abs 2, 1369 Abs 2 BGB) oder die Ausschließung oder Beschränkung der Schlüsselgewalt aufgehoben wird (§ 1357 Abs 2 BGB). Hierzu gehören auch Entscheidungen über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich mit Ausnahme einer Beitragszahlungsanordnung (s hierzu § 53g Rn 8) sowie die Genehmigung einer Unterbringung (§ 1631b BGB), ferner feststellende Verfügungen mit gestaltungsähnlicher Wirkung, wie die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge (§ 1674 BGB). Soweit die durch die rechtsgestaltende Verfügung geschaffene Rechtslage Rechte und Pflichten begründet, hat deren Geltendmachung im Prozesswege zu erfolgen.13 Hat das Gericht nach §§ 432 BGB, 165 FGG einen Verwahrer bestellt, so ist es Sache des Gläubigers, auf Herausgabe der geschuldeten Sache an den Verwahrer zu klagen.14 Das Gericht ist auch nicht befugt, auf Grund des § 33 die Herausgabe des Vermögens vom bisherigen Vormund (Pfleger) an den Mündel (Pflegebefohlenen) anzuordnen15 oder die Herausgabe des Vermögens durch den Mündel an den Vormund zwangsweise durchzusetzen;16 bei der Nachlassverwaltung ist es nicht Sache des NachlG, die Herausgabe von Nachlassgegenständen vom Erben an den Verwalter anzuordnen und zu erzwingen.17 Als rechtsgestaltende Verfügung nicht vollziehbar sind 10 11 12 13 14 15

SchlOLG SchlHA 1994, 88; sa Oberloskamp FamRZ 1992, 1241. OLG Oldenburg NJW-RR 1996, 650. Schlegelberger Anm 1 vor § 33; Baur § 26 A II 2b; Keidel/Zimmermann Rn 11a. Bassenge/Herbst/Roth § 33 Rn 2. Schlegelberger Anm 2 vor § 33. KG RJA 3, 63; KGJ 33 A 54 = OLGR 14, 268; Schlegelberger Anm 4 vor § 33.

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16 17

Schlegelberger Anm 4 vor § 33; aA OLG Dresden OLGR 26, 118. KG NJW 1958, 2071 = Rpfleger 1959, 189; MünchKomm/Siegmann § 1985 Rn 3; Palandt/Edenhofer § 1985 Rn 5; Soergel/Axel Stein § 1985 Rn 8; siehe hierzu ausf Staudinger/Marotzke § 1985 Rn 13.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

§ 33

auch Entscheidungen über die Regelung der elterlichen Sorge nach §§ 1671, 1672, 1696 BGB, da sie keine Bestimmung über den Aufenthalt des Kindes enthalten;18 im Verhältnis der Eltern untereinander nach § 33 vollziehbar ist erst eine vom FamG nach § 1632 Abs 2 erlassene Herausgabeanordnung (Rn 19).19 Umgangsregelungen nach § 1684 BGB (§ 1634 BGB aF) müssen Maßnahmen mit vollstreckungsfähigem Inhalt anordnen; lediglich die Angabe des zeitlichem Umfangs reicht nicht aus;20 gleiches gilt für eine Regelung, in der Besuchstermine der Absprache der Eltern überlassen werden und ein Ferienbesuchsrecht nur gelten soll, wenn sich aus einer noch einzuholenden therapeutischen Stellungnahme keine Bedenken ergeben.21 Eine gerichtlich genehmigte Umgangsvereinbarung, die einem Elternteil lediglich bestimmte Befugnisse einräumt, ohne zugleich dem anderen Elternteil konkrete Verpflichtungen aufzuerlegen, stellt ebenfalls keine vollzugsfähige Regelung iSd § 33 dar.22

III. Regelung von Rechtsverhältnissen unter Ausschluss der Vollziehung Mitunter hat das Gesetz dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur die Rege- 6 lung eines Rechtsverhältnisses übertragen, die Durchsetzung der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen aber den Beteiligten überlassen, so dass diese, wenn es dazu eines Zwanges bedarf, auf den Prozessweg angewiesen sind; in diesen Fällen ist die Ausübung von Zwang nach § 33, auch wenn die Verfügung ihrem Inhalt nach vollzugsfähig wäre, ausgeschlossen.23 Die Vollziehung ist dem Gericht nicht zugewiesen bei der Außerkraftsetzung letztwilliger Anordnungen des Erblassen über die Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 Abs 2 BGB) und bei der Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten unter Testamentsvollstreckern (§ 2224 Abs 1 BGB); die Rechte aus der Entscheidung sind notfalls im Zivilprozess durchzusetzen. Nicht nach § 33 vollziehbar sind auch Entscheidungen über die Gewährung einer Vergütung an den gerichtlich bestellten Verwahrer (§ 165 Abs 2 FGG) sowie die Festsetzung von Auslagen zugunsten der Verwandten und Verschwägerten des Mündels (§ 1847 Abs 2 BGB). Auf Grund des Vorbehalts in § 200 Abs 1 FGG ist der Landesgesetzgeber jedoch befugt, aus derartigen Festsetzungen die Zwangsvollstreckung nach der ZPO zuzulassen; hiervon haben Hessen und Niedersachsen für die Festsetzung von Auslagen nach § 1847 Abs 2 BGB Gebrauch gemacht (Art 17 Nr 2, 3 HessFGG, Art 6 Nr 2, 4 NdsFGG), Niedersachsen auch für die Festsetzung der Vergütung für Vormund, Pfleger oder Verwahrer nach §§ 1836, 1915 BGB, § 165 FGG (Art 6 Nr 3 NdsFGG). Derartige Vollstreckungstitel sind nach § 801 ZPO im ganzen Bundesgebiet vollstreckbar.24 Eine Änderung der Bestimmung der Unterhaltsgewährung nach § 1612 Abs 2 S 2 7 BGB ist ein echtes Streitverfahren der FG25 und hat rechtsgestaltenden Charakter;26 ist aber nicht vollstreckbar, zumal über das Bestehen des Unterhaltsanspruchs, seine Höhe

18 19 20

21 22

Frankfurt MDR 1950, 664. Soergel/Strätz § 1671 Rn 52. OLG Köln FamRZ 1999, 172; OLG Brandenburg FamRZ 1995, 484; BayObLG FamRZ 1971, 185; 1975, 279; KG Rpfleger 1976, 398. OLG Braunschweig MDR 1999, 102. OLG Bamberg FamRZ 1995, 428; aA OLG Frankfurt FamRZ 1996, 876.

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Schlegelberger Anm 3 vor § 33; Baur § 26 A II 3. VO v 15.4.1937 (RGBl I 466); siehe Münch/ Komm/Wolfsteiner ZPO § 801 Rn 1, 4. Zu den Anforderungen s zB OLG Frankfurt FamRZ 1978, 259; Staudinger/Engler § 1612 Rn 91. KG FamRZ 2000, 256.

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und die Fälligkeitstermine nicht zu befinden ist; entschieden wird nur über eine einzelne, im Unterhaltsrechtsstreit erhebliche Vorfrage. Durch das KindRG wurde die sachliche Zuständigkeit des VormG mit Wirkung v 1.7.1998 durch die des FamG ersetzt; die funktionelle Zuständigkeit liegt weiterhin beim Rechtspfleger (§§ 3 Nr 2a, 14 RPflG). Durch die Zuweisung zum FamG ist keine Änderung der rechtlichen Behandlung eingetreten, so dass die Bestimmungsänderung weiterhin in einem gesonderten Verfahren herbeigeführt werden muss, welches dem Unterhaltsprozess vorgeht.27 Eine Überprüfung und Abänderung der elterlichen Bestimmung im Unterhaltsprozess ist wegen der funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers nicht möglich.28 Auch die Vorstellung, der Richter könne die Unterhaltsbestimmung nach dem RPflG „an sich ziehen“,29 ist nicht zutreffend, denn das RPflG enthält keine Vorschrift, die es dem Richter erlaubt, eine „Sache an sich zu ziehen“. Dieser Ausdruck stammt aus der hierarchisch aufgebauten Verwaltung und ist dem Recht der Gerichtsverfassung fremd.30

IV. Zwangsvollstreckung nach der ZPO 1. Statthaftigkeit

8

Verschiedentlich hat das Gesetz angeordnet, dass aus Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und aus gerichtlichen Vergleichen die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung stattfindet; das bedeutet, dass die ZPO-Vorschriften ihrem vollen Inhalt nach anzuwenden sind und die allgemeinen Vorschriften des FGG oder zB des LwVG keinen Vorrang haben.31 In diesen Fällen ist § 33 nicht anwendbar; das Betreiben der Zwangsvollstreckung ist wie bei zivilprozessualen Titeln Sache des Gläubigers. Das ist in weitem Umfange geschehen in echten Streitsachen,32 in denen entweder wie im Zivilprozess ein bürgerlichrechtlicher Anspruch erhoben oder die gerichtliche Regelung eines unter den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses erstrebt wird, wodurch Leistungspflichten unter den Beteiligten begründet werden können. Die Zwangsvollstreckung nach der ZPO findet statt aus rechtskräftigen Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und einstweiligen Anordnungen im Verfahren zur Regelung der Ausgleichsforderung bei Zugewinngemeinschaft (§ 53a Abs 4 FGG), im Wohnungs- und Hausratsauseinandersetzungsverfahren (§ 16 Abs 3 HausratsVO), in Wohnungseigentumssachen (§ 45 Abs 3 WEG); aus rechtskräftigen Entscheidungen und gerichtlichen Vergleichen, die den Versorgungsausgleich (§ 53g Abs 3 FGG) oder die Stundung des Pflichtteilsanspruchs betreffen (§ 83a FGG); aus Aufwendungs- bzw Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen gegen den Mündel (§ 56g Abs 6 FGG); aus rechtskräftigen Entscheidungen des FamG in Verfahren nach den §§ 1, 2 GewSchG, für sofort wirksam erklärte Entscheidungen sowie aus gerichtlichen Vergleichen und einstweiligen Anordnungen in diesem Verfahren (§ 64b Abs 4 FGG); aus gerichtlichen Beschlüssen und Vergleichen im Landwirtschaftsverfahren, die einen vollstreckbaren Inhalt haben (§ 31 LwVG), aus rechtskräftigen Entscheidungen über das Auskunftsrecht der Aktionäre (§ 132

27

28

BGH FamRZ 1984, 37 = NJW 1984, 305; KG FamRZ 2002, 256; HansOLG FamRZ 2000, 246. So aber Palandt/Diederichsen § 1612 Rn 21; Staudinger/Engler § 1612 Rn 90, wonach bei Klage auf Barunterhalt gleichzeitig über das Änderungsverlangen zu entscheiden ist.

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29 30 31 32

OLG Köln FamRZ 2002, 51. Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann § 5 Rn 2 mwN. Barnstedt/Steffen § 31 Rn 5. Schlegelberger Anm 10 vor § 33; Baur § 26 C.

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Abs 4 AktG, § 36 VAG); zu rechtskräftigen Beschlüssen der Wiedergutmachungsbehörden s Voraufl. Ferner findet die Zwangsvollstreckung statt aus rechtskräftig bestätigten vorgängigen Vereinbarungen oder einer Auseinandersetzung über den Nachlass oder das Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft (§§ 98, 99 FGG) sowie aus der rechtskräftig bestätigten Dispache (§ 158 FGG). Zweckmäßigerweise sind auch für vollstreckbar erklärt rechtskräftige Entscheidungen im Aktienrecht über die Festsetzung von Vergütung und Auslagen der Gründungsprüfer (§§ 35 Abs 2, 52 Abs 4 AktG), gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder (§ 85 Abs 3 AktG), Aufsichtsratsmitglieder (§ 104 Abs 6 AktG), Sonderprüfer (§ 142 Abs 6 AktG), besonderer Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§§ 147 Abs 2 S 9, 350 Abs 4 AktG) und gemeinsamer Vertreter außenstehender oder ausscheidender Aktionäre (§ 306 Abs 4 AktG, § 26 Abs 4 UmwandlG). Landesrechtliche Schuldtitel ergeben sich aus Art 14 PrFGG, Art 17 HessFGG, Art 6 NdsFGG, § 10 BWFGG. Wegen der Vollstreckbarkeit gerichtlicher Vergleiche s Vorbem vor §§ 8 bis 18 Rn 80 ff sowie § 64 Rn 149, wegen der Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen vgl § 13a Rn 64. 2. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung Soweit nach den angeführten Vorschriften die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung 9 zugelassen ist, wird der Kreis der in § 794 ZPO genannten Vollstreckungstitel durch Einbeziehung der vollstreckbaren Titel aus dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit erweitert. Die Vollstreckbarkeit setzt voraus, dass die Entscheidung wirksam geworden ist (§ 16 Rn 23 ff); die Wirksamkeit tritt bei einstweiligen Anordnungen mit der Bekanntmachung (§ 16 Abs 1) ein; bei vollstreckbaren Endentscheidungen ist in der Regel bestimmt, dass sie erst mit der Rechtskraft wirksam werden, so dass die Vollstreckbarkeit den Eintritt der formellen Rechtskraft voraussetzt. Im Landwirtschaftsverfahren kann das Gericht Beschlüsse, die in der Hauptsache ergehen, für vorläufig vollstreckbar erklären (§ 30 Abs 2 LwVG), wenn die Entscheidung selbst oder wenigstens die Kostenentscheidung vollstreckungsfähigen Inhalt haben.33 Die Vollstreckungsklausel wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz und, wenn das Verfahren bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Urkundsbeamten dieses Gerichts erteilt (§§ 795, 724 Abs 2 ZPO); zu gerichtlich bestätigten Erb- und Gesamtgutauseinandersetzungen erteilt die vollstreckbare Ausfertigung die Geschäftsstelle des Gerichts, welches die Urkunde verwahrt (§§ 98 S 2, 99 FGG mit § 797 Abs 1 ZPO). Im übrigen gelten §§ 725 bis 730 ZPO.34 Gegen die Verweigerung der Vollstreckungsklausel steht dem Gläubiger die Erinnerung zu (§ 31 Rn 7, 8), gegen die Erteilung dem Schuldner die Erinnerung entsprechend § 732 Abs 1 ZPO an das Gericht zu, dessen Urkundsbeamter entschieden hat; gegen die Entscheidung des Gerichts findet die unbefristete Beschwerde nach Maßgabe des FGG (LwVG) statt.35 3. Zuständigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren Das Vollstreckungsverfahren ist ein selbständiges Verfahren, nicht nur eine Fortset- 10 zung des Verfahrens der Hauptsache, die Zwangsvollstreckung kann auch aus nichtrichterlichen Titeln erfolgen und erfordert nicht notwendigerweise einen Rechtsstreit.36 Die zuständigen Organe bestimmen sich daher auch für die Vollstreckung aus Schuldtiteln der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem VIII. Buch der ZPO. 33 34

Barnstedt/Steffen § 30 Rn 60. KG OLGZ 1991, 64; Musielak/Lackmann § 724 Rn 3; Zöller/Stöber § 724 Rn 9.

35 36

KGJ 46, 18 = RJA 14, 190. Zöller/Stöber Vor § 704 Rn 13.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

a) Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts

11

Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts (§ 764 ZPO) bleibt bestehen für diejenigen Aufgaben, welche die ZPO diesem Gericht zuweist.37 Das FamG wird nicht dadurch Vollstreckungsgericht, dass ein von ihm geschaffener Titel vorliegt.38 b) Zuständigkeit des Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit

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Das Gericht der FG, welches als Gericht des ersten Rechtszuges in der Hauptsache tätig geworden ist, ist zur Entscheidung berufen in den Fällen, in denen die ZPO die Zuständigkeit des Prozessgerichts im Vollstreckungsverfahren bestimmt (§§ 731, 732, 767, 768, 769, 785, 791, 887, 888, 890 ZPO). Das gilt auch für Einwendungen, die nach der ZPO durch Klage vor dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen sind (§§ 731, 767, 768, 785, 786 ZPO).39 Demnach können zB zuständig sein das FamG,40 wenn es sich bei dem Gegenstand materiell um eine Familiensache handelt, das Wohnungseigentumsgericht erster Instanz41 oder das Landwirtschaftsgericht.42 Die irrtümliche Bejahung der Zuständigkeit des FamG begründet jedoch nicht dessen Zuständigkeit für die Zwangsvollstreckung „als Prozessgericht erster Instanz“.43 Die Verfahrensvorschriften der ZPO gelten, somit richten sich die Rechtsmittel zB in WEG-Sachen44 und LwV-Sachen45 ebenfalls nach der ZPO. c) Zuständigkeit des Prozessgerichts

13

Ein zuständiges Prozessgericht, welches auf Klage im Zivilprozessverfahren entscheidet, ist abweichend von den erörterten Grundsätzen bestimmt in §§ 98 Satz 2, 99 FGG mit § 797 Abs 5 ZPO bei der Zwangsvollstreckung aus rechtskräftig bestätigten Vereinbarungen über die Auseinandersetzung eines Nachlasses oder eines Gesamtguts sowie in § 158 Abs 3 FGG bei der Zwangsvollstreckung aus der rechtskräftig bestätigten Dispache für Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 731 ZPO) und für Klagen, durch welche Einwendungen gegen den festgestellten Anspruch geltend gemacht werden oder der bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung bestritten wird (§§ 767, 768 ZPO). Dieselbe Zuständigkeit ist für die nach § 767 ZPO zu erledigenden Klagen nach §§ 785, 786 ZPO anzunehmen. Das Prozessgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfindet, ist in allen 14 Fällen zuständig zur Entscheidung im Klageverfahren nach der ZPO über Widerspruchsklagen nach §§ 771 bis 774 ZPO, wenn der Titel keine Familiensache betrifft.46 In Familiensachen der §§ 606 ff ZPO ist idR das FamG zuständig.47 Eine Widerspruchsklage ist 37 38 39 40

BayObLGZ 1975, 157; Baur § 26 C II 1. BGH NJW 1979, 1048; Zöller/Stöber § 764 Rn 1. BayObLGZ 1988, 413; Baur § 21 III 2d, § 26 C II 1. BGH NJW 1978, 1811 = FamRZ 1978, 672; FamRZ 1979, 910 = NJW 1979, 2046; FamRZ 1980, 346 = NJW 1980, 1393; OLG München FamRZ 1978, 51; OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 52; 129, 427; OLG Hamm NJW 1978, 281; OLG Stuttgart FamRZ 1978, 351; Baumbach/Hartmann § 771 Rn 7; MünchKomm/K. Schmidt ZPO § 771 Rn 54.

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41 42 43 44

45 46 47

Bärmann/Pick § 45 Rn 25; Weitnauer/Hauger § 45 Rn 17. Barnstedt/Steffen § 31 Rn 14. OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 577. KG OLGE 1989, 61; Bärmann/Pick § 45 Rn 25; Palandt/Bassenge WEG § 45 Rn 8; Weitnauer/Hauger § 45 Rn 9, 17. Barnstedt/Steffen § 31 Rn 5. BGH FamRZ 1979, 219; Baur § 26 C II 1; Bassenge/Herbst/Roth § 33 Rn 35. Baumbach/Hartmann § 771 Rn 7.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

§ 33

Familiensache, wenn das entgegengehaltene Recht im ehelichen Güterrecht48 oder das vom Dritten in Anspruch genommene „die Veräußerung hindernde Recht“ im Familienrecht wurzelt.49 4. Kostenberechnungen des Notars Der Notar erteilt sich selbst eine vollstreckbare Ausfertigung seiner Kostenanforde- 15 rung, diese werden dann nach den Vorschriften der ZPO beigetrieben (§ 155 KostO). Sämtliche Einwendungen gegen die Kostenberechnung und gegen die Vollstreckungsklausel sind mit der Beschwerde an das LG geltend zu machen (§ 156 KostO); dieser Rechtsbehelf tritt an die Stelle der Klagen nach §§ 767, 768, 785, 786 ZPO. Nach den Vorschriften der ZPO vollstreckbar ist auch die Entscheidung des LG über Rückerstattung überhobener Notarkosten und über Schadensersatz aus ungerechtfertigtem Vollstreckungsbetrieb (§ 157 Abs 2 KostO). Diese Zuständigkeit schließt das Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit aus; die Geltendmachung im Prozessverfahren wäre unzulässig.50 5. Festsetzung der Vergütung bzw des Aufwendungsersatzes Vergütungen, ggf Aufwendungen des Vormunds, Pflegers oder Betreuers gegen die 16 Staatskasse oder den Mündel/Betreuten werden auf Antrag vom VormG gem § 56g FGG festgesetzt. Aus den Festsetzungsbeschlüssen findet die Vollstreckung nach den Bestimmungen der ZPO statt (§ 56g Abs 6). Im Übrigen siehe Anmerkungen zu § 56g.

D. Auferlegbare Verpflichtungen Die zu vollziehende Verfügung muss eine im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbar- 17 keit zulässige und gerichtlich zu überwachende Verpflichtung auferlegen und mithin dergestalt sein, dass zur Erreichung des beabsichtigten Rechtserfolgs notfalls die Beugung des widerstrebenden Willens des Verpflichteten erforderlich ist. Ob das Gericht eine solche Verpflichtung auferlegen kann, ergibt sich aus dem sachlichen Recht; so zB aus §§ 83, 151, 154, 159 FGG; §§ 78, 1788, 1837 BGB; §§ 14, 37 HGB; §§ 407, 408 AktG; § 160 GenG; § 79 GmbHG; § 24 GrdstVG; § 15 LwVG iVm § 141 ZPO.

I. Vormundschaftsgericht/Familiengericht 1. Vormund/Pfleger/Betreuer Die Befugnis des VormG, gegen Pflichtwidrigkeiten des Vormundes, Gegenvormun- 18 des, Pflegers oder Betreuers durch Gebote und Verbote einzuschreiten und die Befolgung seiner Anordnungen durch Zwangsmittel zu erzwingen, ergibt sich aus §§ 1837 Abs 3, 1908i Abs 1, 1915 BGB. Das Aufsichtsrecht des VormG beginnt mit der Bestellung (§§ 1789, 1791a, 1791b, 1791c, 1792 Abs 4, 1896, 1915 BGB) und endet mit der Beendigung der Vormundschaft/Pflegschaft/Betreuung oder der Entlassung des Vormundes, Pflegers oder Betreuers (§§ 1886 bis 1889, 1908b, 1908d, 1915 BGB). Die Ausübung von 48 49 50

BGH FamRZ 1985, 903. OLG Frankfurt FamRZ 1985, 403; aA HansOLG FamRZ 1984, 804. KG DNotZ 1938, 51; BGH DNotZ 1961,

430; KG DNotZ 1963, 346; KG OLGZ 1966, 90, 93; Korintenberg/Bengel/Tiedtke § 157 Rn 14.

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Zwang zur Übernahme der Vormundschaft wird in § 1788 BGB zugelassen, aber gegenüber § 33 eingeschränkt,51 sie gilt auch nicht für das Betreuungsrecht, denn in § 1908i BGB wird nicht die entsprechende Anwendung des § 1788 BGB angeordnet. Nach Beendigung des Amtes erlischt zwar das Aufsichtsrecht des VormG, ein Restbestand von Rechten und Pflichten im Rahmen des § 1892 BGB bleibt jedoch bestehen, so dass noch solche Verpflichtungen auferlegt und erzwungen werden können, die gerade dem ehemaligen Amtsinhaber obliegen, wie die Rückgabe der Bestallung/Bescheinigung (§ 1893 Abs 2 BGB)52 und die Einreichung einer formell ordnungsmäßigen Schlussrechnung (§ 1892 BGB);53 eine sachliche Berichtigung und Ergänzung (§ 1843 Abs 1 BGB) kann das VormG nur während der Dauer des Amtes bei der Zwischenrechnung (§ 1840 BGB), aber nicht mehr hinsichtlich der Schlussrechnung erzwingen.54 Sonstige Verpflichtungen, die dem Vormund während der Dauer des Amtes obliegen, können nach dessen Beendigung nicht erzwungen werden, zB die Auskunftspflicht nach § 1839 BGB;55 deshalb können Entlassung und Festsetzung des Zwangsmittels nicht miteinander verbunden werden.56 Während der Dauer des Amtes können insbesondere erzwungen werden die Einreichung des Vermögensverzeichnisses (§ 1802 BGB), die Pflicht zur Auskunftserteilung (§ 1839 BGB), die die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen57 und zur Vorlegung von Wertpapieren (Sparkassenbüchern) einschließt,58 die Verpflichtung zur Rechnungslegung einschließlich der Vorlegung von Büchern und Belegen (§§ 1840, 1841),59 zur Berichtigung und Ergänzung der Rechnung (§ 1843 Abs 1), nicht aber zur Streichung oder Einstellung von Rechnungsposten.60 Nicht erzwungen werden können der Nachweis des Todes des Mündels,61 Benennung des Vaters des Kindes im Kindesannahmeverfahren62 oder das Erscheinen eines Kindes/Mündels oder Betreuten zu einer körperlichen oder psychiatrisch/psychologischen Untersuchung.63 Im Übrigen ist es nicht erforderlich, dass der Vormund einer bestimmten, gesetzlich besonders normierten Verpflichtung zuwiderhandelt; es genügt jede Pflichtwidrigkeit, nämlich eine auf einem Tun oder Unterlassen beruhende Verletzung der Pflicht zur Wahrung der Mündelinteressen;64 die Pflichtwidrigkeit muss nicht unbedingt schuldhaft sein.65 Solange der Vormund nach pflichtmäßigem Ermessen eine vertretbare Auffassung vertritt, ist das VormG nicht befugt, durch Weisungen eine andere Art der Ermessensausübung zu erzwingen;66 auch Ermessensentscheidungen können aber unter besonderen Umständen pflichtwidrig sein.67

51 52 53

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Vgl dazu KG RJA 16, 189; KG OLGR 42, 111. KG RJA 15, 255; 16, 18; OLG Neustadt NJW 1955, 1724. BayObLG Rpfleger 2001, 74; 1997, 476; ThürOLG Jena FamRZ 2001, 579 = FGPrax 2001, 69 = Rpfleger 2001, 75; Staudinger/ Engler § 1892 Rn 7 mwN. BayObLG FamRZ 1998, 1197; KGJ 33 A 54; Palandt/Diederichsen § 1892 Rn 3. KG RJA 15, 255; 16, 18; KGJ 24 A 23: OLG Hamm OLGZ 1966, 484. KG RJA 16, 18. KG RJA 13, 70. KGJ 50, 28.

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KGJ 36 A 38; KG OLGR 38, 261; KGJ 50, 28. KG OLGR 30, 151; BayObLG JFG 6, 104. KG RJA 16, 181. LG Stuttgart Rpfleger 1992, 517. OLG Karlsruhe FamRZ 1993; 1479; BayObLG FamRZ 1987, 87; FamRZ 1979, 737; OLG Stuttgart FamRZ 1975, 167; OLG Hamm FamRZ 1981, 706. MünchKomm/Wagenitz § 1837 Rn 18 ff: Soergel/Damrau § 1837 Rn 7 ff. MünchKomm/Wagenitz § 1837 Rn 21. KG OLGR 18, 302; BayObLGZ 33, 329; BGHZ 17, 116. OLG Bremen OLGZ 1966, 456.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

§ 33

2. Eltern Inhaber der elterlichen Sorge sind, anders als Vormund, Pfleger oder Betreuer, nicht 19 der allgemeinen Aufsicht des FamG unterworfen. Auch die Ausübung der elterlichen Sorge unterliegt aber dem Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft (Art 6 Abs 2 S 2 GG), zu dessen Wahrnehmung durch Behörden (Jugendamt) und Gerichte vor allem das FamG bestellt ist.68 Das FamG greift erst ein, wenn Anlass dazu besteht – entweder auf Anregung oder von Amts wegen – und eine besondere gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Sorgerechtsentscheidungen sind zulässig nach §§ 1666 ff BGB, wonach zB in Frage kommen die Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils davon auf einen Elternteil, die Bestellung eines Pflegers oder als äußerste Maßnahme die Entziehung unter Bestellung eines Vormunds.69 Der Inhalt der elterlichen Sorge umfasst auch das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der das Kind widerrechtlich vorenthält.70 Die Vollstreckung der Maßnahmen, die die elterliche Sorge betreffen, geschieht einheitlich nach § 33 FGG,71 egal ob sie Eltern oder Dritte trifft.72 Maßnahmen im Bereich der Vermögenssorge stützten sich nach altem Recht in erster Linie auf die §§ 1640 BGB aF, 1639 BGB aF, 1666 Abs 3 BGB aF und auf 1667 BGB aF; danach war das Gericht ermächtigt, „die erforderlichen Maßregeln zu treffen“ und auch befugt, die Befolgung seiner Anordnungen durch die Eltern zu erzwingen, sofern die Anordnung sich nicht in einer Gestaltungswirkung erschöpft, wie die Entziehung von Bestandteilen der elterlichen Sorge, sondern eines Vollzuges bedarf. § 1666 BGB wurde durch Art 1 Nr 17 KindRG geändert und bildet durch die Aufnahme der Worte „oder sein Vermögen“ in Abs 1 nun auch die Grundlage für Eingriffe des FamG zum Schutze des Kindesvermögens.73 Auch Maßnahmen nach § 1667 BGB zur Abwendung einer Vermögensgefährdung können durch Zwangsmittel erzwungen werden.74 Durch die Zwangsmittel des § 33 erzwingbar ist die Vorlegung des Vermögensverzeichnisses nach §§ 1640, 1667, 1683 BGB.75 Nach Maßgabe des § 33 durchsetzbar sind ferner Anordnungen des FamG nach 20 § 1684 Abs 4 BGB zur Regelung des Umgangsrechts eines Elternteils mit dem Kinde. Das Umgangsrecht ist umfassend, dazu gehört nicht nur der persönliche Kontakt, sondern auch Brief- und Telefonkontakt.76 § 1684 BGB wurde durch Art 1 Nr 24 KindRG eingefügt und stellt eine inhaltliche Neuregelung des Umgangsrechts unter Berücksichtigung des Rechtes des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil dar und zwar unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht. § 1684 Abs 4 BGB entspricht weitgehend § 1634 Abs 2 BGB aF, geht aber auch darüber hinaus, denn die Vorschrift ermöglicht es, sowohl das Umgangsrecht als auch den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einzuschränken.77 Die Regelung der Umgangskontakte liegt in erster Linie in den Händen der Eltern, können diese sich jedoch nicht einigen, kann das FamG eingreifen und den Umfang sowie die Ausübung des Umgangs – auch mit Dritten – näher regeln, § 1684 Abs 3 S 1 BGB. Es kann das Umgangsrecht einschrän-

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S hierzu zB Lüderitz § 30. Schwab FamRZ 1998, 457. Palandt/Diederichsen § 1632 Rn 2 ff. Palandt/Diederichsen Einf v § 1626 Rn 7; § 1632 Rn 8. Palandt/Diederichsen § 1632 Rn 7. Schwab/Wagenitz FamRZ 1997, 1377; FamRefK/Rogner § 1666 Rn 3; Palandt/Diederichsen § 1667 Rn 1.

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Palandt/Diederichsen Einf v § 1626 Rn 7. KG EJF A 1 Nr 1; BayObLG FamRZ 1994, 1191; MünchKomm/Huber § 1640 Rn 23, 25. Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 80, 84. FamRefK/Rogner § 1684 Rn 19.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ken oder ausschließen, wenn dieses zum Kindeswohl erforderlich ist, Einschränkungen/ Ausschluss für längere Zeit sind jedoch nur möglich, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.78 Bei einer dauerhaften Weigerung dem Elternteil den Umgang zu ermögliche, kann die gerichtliche Umgangsregelung mit der Verpflichtung verbunden werden, das Kind herauszugeben.79 Art und Umfang des Umgangsrechts werden aus gutem Grund nicht im Gesetz geregelt, kommt es hierbei doch immer auf den Einzelfall an;80 allerdings enthält § 1684 Abs 4 S 3 BGB eine inhaltlich neue Gestaltungsmöglichkeit, nämlich die Anordnung des beschützten Umgangs, dieses ist insbesondere beim Verdacht des sexuellen Missbrauchs oder der Kindesentführung vorgesehen. Der Gesetzgeber hat hier die bisherige Rechtsprechung berücksichtigt.81 Das Umgangsrecht ist unabhängig von der Inhaberschaft der elterlichen Sorge;82 nach 21 altem Recht hatte nur der nicht sorgeberechtigte Elternteil ein Umgangsrecht sowie der nichteheliche Vater ein eingeschränktes Recht auf Umgang mit dem Kind (§ 1711 BGB aF). Nun ist auch dem sorgeberechtigten Elternteil ein solches Recht einzuräumen, denn rechtliche Zuordnung ist mit faktischer nicht identisch.83 Auch das Kind hat einen eigenen Anspruch auf ein gerichtlich durchsetzbares Umgangsrecht mit dem gleichgültigen Elternteil, dieser Anspruch kann auch vom betreuenden Elternteil geltend gemacht werden.84 Die Durchsetzung der Umgangsregelung gegen einen Elternteil oder auch gegenüber Dritten erfolgt nach § 33 FGG.85 Das FamG kann dem Sorgeberechtigten oder sonst zur Gestattung des Umgangs Verpflichteten nicht nur die Duldung von Handlungen, etwa der Abholung des Kindes, aufgeben, sondern ihm auch ein positives Tun, etwa die Bereithaltung des Kindes oder seine Zuführung auferlegen,86 sowie die Verpflichtung, das Kind positiv auf Kontakte mit dem anderen Elternteil vorzubereiten87 und der Umgangsberechtigte kann durch Zwangsmittel dazu angehalten werden, das Umgangsrecht nicht zu überschreiten.88 Das Fehlen einer Regelung über das Abholen und Zurückbringen steht der Vollstreckbarkeit nicht entgegen, es ist dann Aufgabe des Umgangsberechtigten hierfür Sorge zu tragen.89 Der sorgeberechtigte Elternteil hat aufgrund elterlicher Autorität darauf hinzuwirken, dass das Kind den Kontakt nicht verweigert;90 insbesondere stellt es einen Verstoß dar, wenn es der Entscheidung des Kindes überlassen wird, ob es gehen möchte oder nicht;91 die Androhung eines Zwangsgeldes ist jedoch nicht geboten, wenn nicht ersichtlich ist, dass der betreuende Elternteil mit erzieherischen Mitteln noch auf das Kind einwirken kann.92 Auch der Kontakt des nicht ehelich geborenen Kindes mit seinem Vater kann gem § 33 erzwungen werden;93 nicht erzwingbar ist jedoch in

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BGH FamRZ 1994, 159; Rauscher FamRZ 1998, 329. OLG Frankfurt/M FamRZ 2002, 1585 = MDR 2002, 1437. BGH FamRZ 1994, 158 = NJW 1994, 312. Siehe zB OLG Celle FamRZ 1996, 364; OLG Hamm FamRZ 1997, 307; OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 424; OLG München FamRZ 1993, 94. Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 26; Rauscher FamRZ 1998, 329. Lüderitz Rn 867; Lipp FamRZ 1998, 65. OLG Köln FamRZ 2002, 979. Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 227 ff. BayObLG FamRZ 1984, 197; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1987, 90; KG FamRZ

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1997, 109; OLG Brandenburg FamRZ 1996, 1092. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1125. OLG Hamm OLGZ 1966, 206. OLG Koblenz FamRZ 1996, 560; OLG Frankfurt FamRZ 1996, 876. OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 633; OLG Köln FamRZ 1998, 961; KG FamRZ 1997, 109; OLG Hamm NJW-RR 1996, 324; OLG Brandenburg FamRZ 1996, 1092; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1987, 90; AG Charlottenburg FamRZ 1989, 1217. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1125. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 624. OLG Celle, MDR 2001, 395.

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§ 33

einem solchen Fall die zwangsweise Beobachtung und Untersuchung des Umgangs durch einen Sachverständigen, da eine solche Anordnung den betroffenen Elternteil in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG verletzt.94 Das Umgangsrecht steht auch dem strafgefangenen Umgangsberechtigten zu, wenn mit den Besuchen in der Strafanstalt nicht Gefahr für das Kindeswohl besteht.95 Im Zwangsverfahren ist jedoch eine das Sorgerecht unmittelbar betreffende Entscheidung nicht möglich.96 Ein Verfahren auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung einer gerichtlichen Umgangsregelung ist nicht bis zur Entscheidung über die Beschwerde gegen die Umgangsregelung auszusetzen, da die Durchsetzung nicht gem §§ 16, 24 Abs 1 gehindert ist.97 Soweit das FamG berufen ist, über das Verlangen eines Elternteils auf Herausgabe des Kindes durch den anderen Elternteil zu entscheiden, ist es auch befugt, die Herausgabeanordnung nach § 33 zu vollziehen. Der Erlass einer vorläufigen AO auf Herausgabe des Kindes setzt voraus, dass zum Schutz des Kindes und zur Abwehr einer akuten Gefährdung ein dringendes, bis zur endgültigen Sachentscheidung nicht aufschiebbares Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht.98 Zur Lösung von Umgangskonflikten sieht das Gesetz ein besonderes gerichtliches Ver- 22 mittlungsverfahren (§ 52a) vor. Macht ein Elternteil die Vereitelung oder Erschwerung einer bereits vorliegenden Umgangsregelung geltend, soll das FamG in einem speziellen nichtstreitigen Verfahren auf eine Einigung hinwirken und den Elternteil auf die Folgen einer Nichteinigung hinweisen. Bei Erfolglosigkeit des Vermittlungsverfahrens prüft das Gericht, ob die Anwendung von Zwangsmitteln, die Änderung der Umgangsregelung oder Maßnahmen in Bezug auf das Sorgerecht anzuordnen sind (§ 52a Abs 2 S 3).99 Die Durchführung eines Vermittlungsverfahrens ist nicht vorrangig gegenüber der zwangsweisen Durchsetzung einer gerichtlichen Umgangsregelung;100 solange ein Vermittlungsverfahren im Gange ist, kann das Umgangsrecht nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.101 3. Weitere Bezugspersonen Der Kreis der Umgangsberechtigten ist durch Art 1 Nr 24 KindRG ebenfalls erweitert 23 worden. Das Umgangsrecht erstreckt sich gem § 1685 BGB nun auch auf die Großeltern und die Geschwister sowie auf Stiefeltern und Pflegeeltern, die mit dem Kind länger in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. Anders als beim Elternrecht ist hier jedoch die positive Feststellung verlangt, dass der Umgang dem Kindeswohl dient.102 Im Streitfall trägt der Umgangsberechtigte die Feststellungslast, womit das Elternrecht Vorrang genießt.103 Über Umfang, Ausübung und ggf Beschränkung entscheidet ebenfalls das FamG gem § 1685 Abs 3 iVm § 1684 Abs 2 bis 4 BGB.

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BVerfG v 20.5.2003 – 1 BvR 2222/01 – BeckRS 2003, 22231 = FamRZ 2004, 523 mwN. OLG Frankfurt FamRZ 1995, 1431. OLG Bamberg FamRZ 1998, 1130; HansOLG FamRZ 1996, 1093. OLG Braunschweig FamRZ 2002, 1351. BayObLG FamRZ 1977, 752; OLG Hamm OLGZ 1972, 382 = FamRZ 1972, 520; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1541.

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Rauscher FamRZ 1998, 329. OLG Bamberg FamRZ 2001, 169; OLG Rostock FamRZ 2002, 967. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2000, 299 = NJW-RR 2000, 117; aA Keidel/Zimmermann § 33 Rn 22d. FamRefK/Rogner § 1685 Rn 3; Staudinger/ Rauscher § 1685 Rn 18; Rauscher FamRZ 1998, 329. Rauscher aaO.

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4. Dritte

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Dritte, die nicht Inhaber der elterlichen Sorge, Vormund oder Pfleger sind, unterliegen grundsätzlich nicht der Zwangsgewalt des FamG; aber wenn es um die Vollstreckung einer Umgangsregelung geht, dann gilt § 33 auch gegen Dritte.104 Die §§ 1666, 1667 BGB sollen zwar grundsätzlich das Kind nur gegen den Sorgerechtsinhaber schützen, also die elterliche Sorge einschränken; allerdings schafft § 1666 Abs 1 S 1 BGB ausdrücklich einen weiteren Eingrifftatbestand bei einem das Kindeswohl gefährdendem Einfluss von dritter Seite. Soweit das Kindeswohl durch das Verhalten Dritter gefährdet ist, wird dieses auch durch das staatliche Wächteramt erfasst.105 Gefährdet das Verhalten Dritter das Kindeswohl, so hat das FamG einzugreifen und zwar unmittelbar gegen den Dritten, wenn die Eltern nicht abwenden wollen oder können.106 Soweit aber das FamG nach §§ 1666 BGB iVm 27, 34 SGB VIII die Unterbringung des Kindes zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einem Heim anordnet, ist es befugt, die Herausgabe des Kindes von jedem Dritten zu erzwingen, da es sich um die Durchsetzung einer im öffentlichen Interesse getroffenen Maßregel handelt, zu deren Befolgung jedermann angehalten werden kann. Der Inhalt der Personensorge umfasst das Recht, von jedem die Herausgabe des Kindes zu verlangen; dieses gilt für Eltern und Vormund sowie Pfleger gleichermaßen, §§ 1800, 1632, 1915 BGB.107 5. Minderjährige

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Gegenüber minderjährigen Mündeln und unter elterlicher Sorge stehenden Kindern kann die Anwendung von Zwang nicht ihre Grundlage in § 33 finden, denn die Auferlegung von Verpflichtungen setzt grundsätzlich Geschäftsfähigkeit voraus (vgl auch unten Rn 38). Maßnahmen des VormG/FamG, die sich unmittelbar gegen Kinder und Mündel richten, und die auch in der Anwendung von Zwang bestehen können, sind gleichwohl nicht ausgeschlossen, allerdings höchst bedenklich, in der Praxis aber vorkommend;108 sie können in den Fällen in Betracht kommen, in denen das VormG/FamG an Stelle des Vormundes oder Sorgerechtsinhabers tritt, also unter den Voraussetzungen der §§ 1666 iVm 27 SGB VIII, 34 SGB VIII, 1693, 1846 BGB, oder in denen es auf Antrag des Vormundes oder Sorgerechtsinhabers zu dessen Unterstützung tätig wird (§§ 1631 Abs 3, 1800 BGB). Die Regeln des Zwangsvollzugs nach § 33 lassen sich auf derartige der Erziehung dienende Maßregeln nicht anwenden und wären ersichtlich unpassend; der Kreis der zulässigen Maßnahmen und die Formen ihrer Durchführung sind unmittelbar den genannten sachlich-rechtlichen Vorschriften zu entnehmen.109 Das Kind (Mündel) kann, wenn es über 14 Jahre alt und nicht geschäftsunfähig ist, sein Beschwerderecht nach § 59 selbständig ausüben. Insbesondere die Frage, ob Gewalt gegen Kinder – zB im Rahmen des Vollzugs einer Herausgabevollstreckung – zulässig ist, hat die Gerichte beschäftigt (s hierzu Rn 57).

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Soergel/Damrau § 1634 Rn 37; Staudinger/ Rauscher § 1684 Rn 227; Schwab/Wagenitz FamRZ 1997, 1377. Palandt/Diederichsen § 1666 Rn 33. Palandt/Diederichsen § 1666 Rn 55. OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1038; Palandt/Diederichsen § 1632 Rn 2, 3.

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Zum Meinungsstand: Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 239, 240; MünchKomm/Huber § 1632 Rn 20 ff; MünchKomm/Finger § 1684 Rn 75. AA BayObLGZ 1951, 553.

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6. Versorgungsausgleich Das FamG kann über Grund und Höhe der Versorgungsanwartschaften und Versor- 26 gungen von den hierfür zuständigen Behörden, Rentenversicherungsträgern, Arbeitgebern, Versicherungsunternehmen und sonstigen Stellen sowie von den Ehegatten und ihren Hinterbliebenen Auskünfte einholen. Die bezeichneten Stellen, die Ehegatten und ihre Hinterbliebenen sind verpflichtet, den gerichtlichen Ersuchen Folge zu leisten, § 11 Abs 2 VAHRG. Zur Durchsetzung des Auskunftsanspruchs kann das FamG gem § 33 Zwangsgeld androhen, festsetzen und vollstrecken.110 Das Auskunftsverlangen muss jedoch konkretisiert sein.111 Ehegatten sind jedoch nicht verpflichtet, einen Kontenklärungsantrag bei Gericht einzureichen.112 Ob Zwangsmaßnahmen gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger und sonstige Stellen bezüglich der Verwirklichung des dem FamG ausdrücklich zugestandenen Auskunftsanspruchs nach §§ 53b FGG, 11 VAHRG möglich sind, ist jedoch umstritten.113 Die im Vordringen begriffene Meinung bejaht die Verhängung von Zwangsgeld mit der Begründung, dass es sich nicht um einen Fall der Amtshilfe gem Art 35 GG handele, sondern um einen gesetzlichen Auskunftsanspruch des FamG.114

II. Nachlassgericht 1. Sicherung des Nachlasses Ist der Erbe dem Nachlassgericht unbekannt oder ist er zwar bekannt, hat er aber die 27 Erbschaft noch nicht angenommen oder ist ungewiss, ob er die Erbschaft angenommen hat, so hat das NachlG, wenn ein Fürsorgebedürfnis besteht, von Amts wegen geeignete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen (§ 1960 BGB). Als Beispiele geeigneter Maßnahmen nennt das Gesetz die Siegelung des Nachlasses, die Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten und die Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses; nach der jeweils gegebenen Sachlage und dem Ermessen des NachlG115 kommen auch weitere Maßnahmen in Betracht, wie die Anstellung eines Grundstückswächters, der Verkauf verderblicher Sachen oder die Sperrung von Konten.116 Durch § 1960 Abs 2 BGB wird dem Nachlassgericht die Sicherung des Nachlasses durch tatsächliche Maßnahmen gestattet und zur Pflicht gemacht. Der mit der Siegelung oder der Inventaraufnahme betraute Beamte ist befugt, verschlossene Räume und Behältnisse gewaltsam zu öffnen; da eine solche Maßnahme sich nicht gegen eine Person, sondern gegen Sachen richtet, bedarf es keiner Anordnung nach § 33; die Maßnahmen werden unmittelbar durch § 1960 BGB gerechtfertigt. Da das NachlG selbst für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen hat, kann es einem Hausgenossen des Erblassers, einem Erbschaftsbesitzer usw nicht gebieten, die Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten zu bewirken, ein Inven110

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PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2004, 1794 mwN; MünchKomm/Gräper, VAHRG § 11 Rn 10; Palandt/Diederichsen Anh zu § 1587b (VAHRG) § 11 Rn 3. OLG Celle NdsRpfl 1993, 220. OLG Brandenburg FamRZ 1998, 681. KG FamRZ 1998, 398; RGRK/Wick § 11 VAHRG Rn 9 mwN. OLG Dresden FamRZ 2000, 298; KG FamRZ 1998, 839; NJW-RR 1996, 252

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mwN = FGPrax 1995, 152 m Anm Kuntze; OLG Frankfurt JurBüro 1987, 97; AG GroßGerau FamRZ 2000, 297; AG Friedberg FamRZ 2000, 297; Bumiller/Winkler § 33 Rn 3; Palandt/Diederichsen Anh zu § 1587b (VAHRG) § 11 Rn 2; aA Soergel/Vorwerk § 1587e Rn 23; RGRK/Wick Rn 9. Jauernig/Stürner § 1960 Rn 4; Palandt/ Edenhofer § 1960 Rn 10. KG Rpfleger 1982, 184.

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tar aufzunehmen oder für die Sicherung des Sterbehauses zu sorgen; diese Maßnahmen hat es vielmehr selbst zu veranlassen.117 Zeugniszwang über den Verbleib von Nachlassgegenständen ist nicht auf Grund des § 33, sondern nur nach Maßgabe der §§ 15 FGG, 390 ZPO statthaft, also nicht gegen einen Erbprätendenten, da dieser als Beteiligter nicht zeugnispflichtig ist.118 Befinden sich Gegenstände, deren Zugehörigkeit zum Nachlass vermutet wird, im Besitz eines Dritten, der hierauf als Eigentümer oder Erbprätendent ein Recht zu haben behauptet, so sind Zwangsmaßnahmen gegen ihn zur Erwirkung der Herausgabe oder Sicherstellung unzulässig; sofern ein Fürsorgebedürfnis bestehen sollte, ist die Bestellung eines Nachlasspflegers geboten, der die Herausgabe mit zivilprozessualen Mitteln erwirken kann.119 2. Sonstige Verpflichtungen

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Nachlasspfleger und Nachlassverwalter unterstehen der Aufsicht des NachlG in gleichem Umfang wie ein Vormund (§§ 1960, 1961, 1973, 1915 BGB, § 75 FGG) mit der Maßgabe, dass an die Stelle des VormG das NachlG tritt (§ 1962 BGB).120 Auch § 1837 BGB (Zwangsmittel) ist anwendbar.121 Das NachlG ist aber nicht befugt, die Herausgabe von Nachlassgegenständen von dritten Besitzern an den Pfleger oder nach Beendigung der Pflegschaft vom Pfleger an den Erben anzuordnen und zu erzwingen (oben Rn 5). Der Testamentsvollstrecker untersteht nicht allgemein der Aufsicht des NachlG; er kann daher nicht durch Zwangsmittel zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden.122 Nach § 33 zu vollziehen sind Anordnungen über die Ablieferung von Testamenten (§ 2259 BGB, § 83 FGG) und über die Einziehung von Erbscheinen und Zeugnissen über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft (§§ 2361, 1507, vgl auch § 84 FGG). Auch die Einziehung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses kann nach Maßgabe des § 33 erzwungen werden, wenn es als unrichtig eingezogen worden ist (§§ 2368, 2361 BGB); ist das Zeugnis aber nach § 2368 Abs 3 BGB kraft Gesetzes kraftlos geworden, so soll das NachlG es zwar zurückfordern,123 es kann diese Anordnung jedoch nicht erzwingen, da nach hM sich eine Einziehung erübrigt und unzulässig ist.124

III. Registersachen 29

In Handelssachen sowie in anderen Registersachen (zB Schiffsregister) sieht das Gesetz vor, dass bei Nichtnachkommen der Pflicht zur Anmeldung, zur Zeichnung der Unterschrift oder zur Einreichung von Schriftstücken zum Handelsregister das Registergericht hierzu durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten hat, § 14 HGB. Gleiches gilt gem § 19 SchiffsRegO für die Anmeldung von See- und Binnenschiffen; wer einer ihm nach §§ 10, 13 bis 15, 17, 18 SchiffsRegO obliegenden Verpflichtung nicht nachkommt, ist hierzu vom Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten. Wer eine ihm nicht zustehende Firma gebraucht, ist von dem Registergericht zur Unterlassung des Gebrauchs der Firma durch Festsetzung von Ordnungsgeld anzuhalten, § 37 HGB. Auf allen Geschäftsbriefen des Kaufmanns, die an einen bestimmtem Empfänger gerichtet

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Palandt/Edenhofer § 1960 Rn 10. AA OLG Celle FamRZ 1959, 33. Staudinger/Marotzke § 1960 Rn 47. Palandt/Edenhofer § 1960 Rn 16. KG OLGR 14, 268; 32, 48; Staudinger/ Marotzke § 1960 Rn 38.

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PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 2004, 105 = FGPrax 2004, 33. OLG Köln Rpfleger 1986, 261. Schlegelberger Anm 6 vor § 33; Palandt/ Edenhofer § 2368 Rn 10.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

§ 33

werden, müssen seine Firma, die Firmenzusätze, der Ort seiner Handelsniederlassung, das Registergericht und die Nummer, unter der die Firma in das Handelsregister eingetragen ist, angegeben werden; wer dieser Pflicht nicht nachkommt, ist hierzu von dem Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten, §§ 37a, 125a HGB. Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft können durch Zwangsgeld zur Abgabe von Jahresabschlüssen und Lageberichten gezwungen werden, §§ 335, 335a, 340o, 341o HGB, 407, 408 AktG. Für das Einschreiten des Registergerichts gelten die besonderen Vorschriften der §§ 132 bis 139 FGG soweit dieses in § 132 ausdrücklich geregelt ist oder aber auf diese Bezug genommen wird (zB §§ 19 Abs 2 SchiffsRegO, 160 Abs 2 GenG); ergänzt werden die og Vorschriften durch die §§ 140 und 140a FGG.125

IV. Beweisverfahren Im Beweisverfahren können Zwangsbefugnisse des Gerichts weder auf den Amts- 30 ermittlungsgrundsatz des § 12 noch auf § 33 gestützt werden, da diese Vorschrift keine Grundlage dafür bietet, Verpflichtungen aufzuerlegen (oben Rn 2). Bei der Durchführung von Ermittlungen und Beweiserhebungen kann daher Zwang nur insoweit ausgeübt werden, als die nach § 15 FGG entsprechend anwendbaren Vorschriften der ZPO über die Erhebung des Augenscheins-, des Zeugen- und des Sachverständigenbeweises Zwangsmittel vorsehen (§§ 372a, 380 ff, 407 ff ZPO).126 Die Meinung, zwecks Erhebung von Beweisen könne Zwang auf Grund des § 33 ausgeübt werden, begegnet außerdem erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken, da sie zu einer uferlosen Ausdehnung der Zwangsbefugnisse führen müsste.127 Soll ein Beteiligter in entspr Anwendung des § 448 ZPO förmlich durch das Gericht vernommen werden, kann das Erscheinen auch gem § 33 erzwungen werden, bei der Zwangsgeldandrohung ist jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.128 Nicht erzwungen werden kann jedoch das Verbleiben im Termin oder gar die Abgabe von Erklärungen.129 Über die Befugnis, das persönliche Erscheinen der Beteiligten vor Gericht anzuordnen, vgl § 12 Rn 95 ff.

E. Gerichtliche Verfügung I. Form, Vollziehbarkeit Die durch Zwangsmittel zu erzwingende Verpflichtung muss dem Beteiligten durch 31 eine Verfügung des Gerichts auferlegt sein. Es genügt nicht, dass das Bestehen der Verpflichtung sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt; der Beteiligte muss zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung durch eine ihm gegenüber erlassene Verfügung angehalten worden sein.130 Die Verfügung muss entweder durch Bekanntmachung (§ 16) oder Eintritt der formellen Rechtskraft wirksam geworden sein und ihre Vollziehung darf nicht

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Wegen der Geltung des § 140a FGG s § 185 Abs 3 FGG. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1979, 1072; Habscheid § 21 II. AA BayObLGZ 1966, 367 = NJW 1967, 685 m abl Anm Bloedhorn.

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BayObLG FamRZ 2001, 1561. HansOLG MDR 1997, 596. BGH NJW 2001, 888; Schlegelberger Anm 1; Keidel/Zimmermann § 33 Rn 8.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

nach § 24 Abs 1 aufgeschoben oder durch eine einstweilige Anordnung nach § 24 Abs 2, 3 ausgesetzt sein. Ein Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung im Hausratsverfahren ist unzulässig, wenn noch kein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt, weil die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist.131 Die gerichtliche Verfügung kann auch noch nachträglich ergehen.132 Wird die Verfügung auf Grund des § 18 oder im Beschwerdewege aufgehoben oder sachlich geändert, so kann sie nicht mehr Grundlage von Zwangsmaßnahmen sein;133 eine bereits erlassene Zwangsandrohungsverfügung wird gegenstandslos.134

II. Inhalt 32

Die zu erzwingende Verfügung muss einen vollziehbaren Inhalt haben. Dazu gehört auch eine hinreichende Bestimmtheit darüber, welches Tun, Unterlassen oder Dulden von dem Pflichtigen verlangt wird. Insbesondere Anordnungen über die Umgangsregelung nach § 1684 BGB müssen genaue Bestimmungen über den Umfang enthalten,135 die sich nicht nur aus den Gründen herleiten lassen.136 Viele Gerichte verlangen auch die Bestimmung über die Durchführung des Umgangs nach Art, Ort und Zeit.137 Eine aus einer positiven Anordnung durch Umkehrschluss lediglich zu erschließende Verpflichtung zu einem Unterlassen kann nicht Grundlage von Vollziehungsmaßnahmen sein.138 Zu unbestimmt ist auch eine Regelung, in der Besuchstermine der Absprache der Eltern überlassen werden,139 oder wenn die Umgangsregelung keine kalendermäßige Festlegung aufweist.140

III. Vergleich 33

Soweit aus gerichtlichen Vergleichen, die in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geschlossen werden, die Zwangsvollstreckung nach der ZPO stattfindet (oben Rn 8), ist eine Vollziehung nach § 33 schon deswegen ausgeschlossen, weil sich insoweit aus dem Gesetz ein anderes ergibt (§ 33 Abs 1 S 1); es ist Sache des Gläubigers, die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Auch ein vor dem FamG, etwa in einem Verfahren nach § 623 ZPO über die Umgangsregelung geschlossener Vergleich, kann nicht nach § 33 vollzogen werden.141 Dasselbe gilt für einen Vergleich, den die Beteiligten außergerichtlich oder in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit schließen;142 abgesehen

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OLG Nürnberg FamRZ 2000, 1104. OLG München FamRZ 1999, 522. KG JFG 15, 202; BayObLGZ 1957, 134; OLG Hamm FamRZ 1975, 639. OLG Köln FamRZ 1998, 961; OLG Hamm OLGZ 1975, 386; BayObLGZ 1957, 134. OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 633; Palandt/ Diederichsen § 1684 Rn 32; Staudinger/ Rauscher § 1684 Rn 230 jeweils mwN. BayObLGZ 1970, 240 = Rpfleger 1970, 434 = MDR 1971, 144. OLG Celle FamRZ 1999, 173; OLG Braunschweig MDR 1999, 102; OLG Bamberg FamRZ 1998, 306; 1995, 428; OLG Bran-

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denburg NJW-RR 1997, 899; FamRZ 1995, 484; BayObLGZ 1974, 351 mwN = Rpfleger 1974, 432; BayObLGZ 1970, 240 = Rpfleger 1970, 434; BayObLGZ 1952, 228; 1964, 357; OLG Braunschweig FamRZ 1973, 268; KGJ 36 A 6; 51, 31; OLGZ 1966, 352; OLG Karlsruhe OLGZ 1967, 204; OLG Hamm OLGZ 1966, 206; 1967, 466. OLG Hamm OLGZ 1966, 206. OLG Braunschweig MDR 1999, 102. OLG Bamberg FamRZ 1998, 306. BayObLGZ 1964, 357. Bärmann § 18 III 2; Baur § 26 B II.

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§ 33

davon, dass im Amtsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in welchem der Verfahrensgegenstand nicht der freien Verfügung der Beteiligten unterliegt, ein Vergleich im Sinne des § 794 Abs 1 Nr 1 ZPO mit verfahrensbeendender Wirkung ohnehin nicht möglich ist (Vorbem vor §§ 8 bis 18 Rn 80, 81), fehlt es an der in § 33 mit gutem Grunde vorausgesetzten gerichtlichen Verfügung.143 Wenn allerdings die Beteiligten zur Niederschrift des Richters eine Einigung erklären, zB über die Umgangsregelung nach § 1684 BGB, das Gericht die Vereinbarung bestätigt und als eigene Entscheidung übernimmt, ist von einem Vollstreckungstitel gem § 33 auszugehen.144 Gegenstand der Vollziehung ist dann aber nicht der (den Richter ohnehin nicht bindende) Vergleich, sondern die entsprechend protokollierte Verfügung, die eindeutig den Charakter einer Verfügung iSd § 33 darstellen muss 145 und sogleich mit einer Zwangsgeldandrohung verbunden sein kann.146 Eine so protokollierte Einigung der Eltern, die im Verfahren gem § 52a getroffen wurde, tritt an die Stelle der gerichtlichen Verfügung.147 Treffen die Eltern eine Umgangsvereinbarung in einem Beschwerdeverfahren, ist das Beschwerdegericht für die gerichtliche Billigung der Umgangsvereinbarung zuständig;148 soll eine in erster Instanz geschlossene Vereinbarung im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gebilligt werden, ist hierfür das FamG erster Instanz zuständig.149

F. Gegenstand der Verpflichtung I. Vornahme einer Handlung Ist die auferlegte Verpflichtung auf Vornahme einer Handlung gerichtet, so setzt die 34 Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen voraus, dass die Handlung ausschließlich von dem Willen des Verpflichteten abhängt (vgl § 888 ZPO). Ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängige Handlungen sind zB die Auskunft des Aktionärs (§ 132 AktG), die Angaben und Berichtigung eines Vermögensverzeichnisses, das Erstellen einer Bilanz und das Erstellen eines Nachlassverzeichnisses. Hieran fehlt es, wenn die Handlung dem Verpflichteten unmöglich ist, oder wenn sie von einem fremden, dem Einfluss des Verpflichteten entzogenen Willen abhängt, gleichgültig, ob dies auf einem Verschulden des Verpflichteten beruht oder nicht. Dass die Handlung unvertretbar sein muss, ist nicht erforderlich.150 Unmöglichkeit ist anzunehmen, wenn der ernstlich gewollten Vornahme unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen.151 Wer aber zB ein Vermögensverzeichnis einzureichen hat, kann sich nicht damit entschuldigen, dass er schreib- oder geschäftsungewandt sei, er muss eine Hilfsperson heranziehen. Der Umstand, dass eine Handlung

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PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1997, 217; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1196; 1994, 1401; OLG Frankfurt FamRZ 1988, 1315. BGH FamRZ 1988, 277; OLG Brandenburg FamRZ 2001, 1315; OLG Hamm FamRZ 1999, 1095; OLG Bamberg FamRZ 1998, 306; OLG Köln FamRZ 1998, 961; OLG Koblenz FamRZ 1996; 560; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1196; OLG Frankfurt FamRZ 1988, 1315; OLG Düsseldorf FamRZ 1983, 90; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1982, 429; KG Rpfleger 1976, 398; OLG Stuttgart, FamRZ 1979, 342; BayObLGZ 1965,

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355, 358 = FamRZ 1965, 618; Büttner FamRZ 1998, 585. OLG Brandenburg FamRZ 1995, 484; BayObLG NJW 1968, 1726; OLG Hamm OLGZ 1967, 466 = MDR 1968, 251. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2000, 299; Büttner aaO. OLG Köln FamRZ 1998, 961. OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 1401. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1997, 217. AA Baur § 26 B II 2a; Bärmann § 36 II. OLG München JFG 14, 464; KGJ 37, 18.

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Geldaufwendungen erfordert, macht sie noch nicht zu einer solchen, die nicht ausschließlich vom Willen abhängt; es kommt darauf an, ob die Mittel nicht ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts (vgl § 114 ZPO) aufgebracht werden können.152 Widerspenstiges Verhalten eines erzieherischen Einflüssen noch zugänglichen Kindes ist kein unüberwindliches Hindernis; der Sorgeberechtigte, der das Kind in seiner Obhut hat, ist verpflichtet, aufgrund seiner elterlichen Autorität durch geeignete erzieherische Maßnahmen den Widerstand des Kindes zu überwinden,153 was bei sachgerechtem Einsatz der erzieherischen Fähigkeiten bei einem noch nicht 10 Jahre altem Kind gelingen dürfte;154 anders, wenn ein erwachsenes, bereits berufstätiges Kind sich weigert, den umgangsberechtigten Elternteil zu besuchen,155 oder wenn sich das Kind bei Großeltern befindet, die sich weigern, dem Elternteil das Kind zur Erfüllung der gerichtlichen Verfügung zu überlassen.156 Versucht der Sorgerechtsinhaber erfolglos, mit erzieherischen Mitteln auf den Willen des Kindes einzuwirken, kann dies nicht zu Zwangsmitteln führen.157 Ist Gegenstand der Verpflichtung die Herausgabe oder Vorlegung einer Sache oder Urkunde (vgl § 62 Abs 2 GBO), so muss feststehen, dass der zu Verpflichtende gegenwärtig Besitzer ist; hierüber sind gegebenenfalls Ermittlungen anzustellen (§ 12).158 Die Rückgabe kann auch von einem versehentlichen Empfänger, der nicht der wahre Berechtigte ist, mit den Mitteln des § 33 erzwungen werden.159 Ein früherer Besitzer braucht den Verlust nicht glaubhaft zu machen; weigert er sich aber, den Besitzverlust substantiiert darzulegen und den Empfänger zu benennen, so ist das Gericht nicht gehindert, die Angaben über den Besitzverlust für unglaubhaft zu erachten.160 Auch der mittelbare Besitzer kann zur Herausgabe angehalten werden, wenn das Besitzmittlungsverhältnis derart ist, dass die Sache jederzeit zurückgefordert werden kann (zB §§ 688, 695 BGB).161

II. Unterlassung oder Duldung der Vornahme einer Handlung 35

Als erzwingbare Unterlassungspflichten kommen zB in Betracht die Unterlassung des Gebrauchs einer nicht zustehenden Firma (§ 37 Abs 1 HGB, § 140 FGG), die Unterlassung des Umgangs mit dem Kinde außerhalb der festgesetzten Besuchszeiten oder eines nach § 1684 Abs 1 BGB untersagten Brief-und/oder Telefonkontakts,162 als Duldungspflicht die Duldung der Einsichtnahme in Bücher und Schriften der abgewickelten AG durch gerichtlich dazu ermächtigte Aktionäre und Gläubiger (§ 273 Abs 3 AktG).

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KGJ 36 A 6, 10; KG JFG 1, 27; Schlegelberger Anm 2; aA HansOLG OLGR 44, 186; Keidel/Zimmermann Rn 12. KGJ 37, 18; 48, 8; OLG München JFG 14, 464; OLG Brandenburg FamRZ 1996, 1092. OLG Brandenburg FamRZ 1996, 1092; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1987, 90; BezG Frankfurt/O FamRZ 1994, 58; MünchKomm/Huber § 1632 Rn 20 ff. KG JW 1938, 1334. KG DFG 1937, 163. BGH FamRZ 1975; 273; OLG Hamm FamRZ 2004, 1797; OLG Celle FamRZ

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1999, 173; BayObLG FamRZ 1974; 534; 1984, 197; AG Charlottenburg FamRZ 1989, 1217. KGJ 38 A 291; Schlegelberger Anm 14; Demharter § 62 Rn 18. OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 169. KGJ 38 A 291; zu weit geht es aber, selbst bei erwiesenem Besitzverlust den früheren Besitzer zwangsweise zur Benennung des Empfängers anzuhalten, so aber KG JPG 14, 99. KGJ 38 A 291; KG JFG 14, 99, 100. OLG Hamm OLGZ 1966, 206.

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§ 33

G. Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln I. Verfahren Zwangsmittel sind die Festsetzung von Zwangsgeld (§ 33 Abs 1 S 1), wenn eine Per- 36 son herauszugeben ist auch unabhängig davon die Anordnung von Zwangshaft möglich (§ 33 Abs 1 S 2). Bei Herausgabevollziehung kann auch unmittelbarer Zwang angewendet werden (§ 33 Abs 2 S 1); Gewaltanwendung gegen ein Kind ist nicht zulässig bei Kindesherausgabe im Rahmen einer Umgangsregelung (§ 33 Abs 2 S 2). Das Verfahren wird von Amts wegen eingeleitet und betrieben.163 Auch in den Fällen, 37 in denen die zu erzwingende Verpflichtung nur auf Antrag auferlegt werden kann (§§ 166 Abs 3, 335 HGB, § 151 FGG), erfordert die Einleitung des Zwangsvollzugs keinen erneuten Antrag.164 Allerdings ist das Gericht nach seinem Ermessen berechtigt, wenn auch nicht verpflichtet, den Fortgang des Verfahrens von einem Verlangen des begünstigten Beteiligten abhängig zu machen. In den Fällen des Antragsverfahrens ist das Gericht an den Willen des Antragstellers insofern gebunden, als es bei Zurücknahme des Antrags das Verfahren einstellen muss.165 Die örtliche Zuständigkeit für die Festsetzung von Zwangsmitteln bestimmt sich unabhängig von der Zuständigkeit des Ausgangsverfahrens (s hierzu § 43 Rn 10).166 Richtet sich die Vollziehung in einer Familiensache nach § 33 wie zB bei Umgangsregelungen und Kindesherausgabesachen167 oder bzgl einer Auskunftsanordnung im Verfahren über den Versorgungsausgleich,168 dann ist das Zwangsgeldverfahren auch Familiensache. Die Regeln über die persönliche Anhörung der Eltern (§ 50a) und des Kindes (§ 50b) gelten auch im Verfahren hinsichtlich der Festsetzung von Zwangsmitteln,169 da es sich um ein gegenüber dem Ausgangsverfahren selbständiges Verfahren handelt.170 Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 (s dort Rn 1, 2, 40).

II. Verfahrensgegner Dem Zwangsvollzug unterworfen ist grundsätzlich die Person, der die Erfüllung der 38 auferlegten Verpflichtung obliegt. Ist der Pflichtige geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist das Verfahren gegen den gesetzlichen Vertreter zu richten; beschränkt Geschäftsfähige können aber persönlich in Anspruch genommen werden, soweit sie in der Angelegenheit selbständig handlungsfähig sind, zB der minderjährige Gewerbetreibende (§ 112 BGB), der eine ihm nicht zustehende Firma gebraucht (§ 37 Abs 1 HGB, § 140 FGG), oder der beschränkt geschäftsfähige Elternteil, dem nach § 1673 Abs 2 BGB die tatsächliche Personensorge zusteht.171 Soll aber der Wille einer juristischen Person gebeugt werden, so ist das Verfahren gegen diejenigen natürlichen

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Baur § 26 B I 1; Habscheid § 37 vor I. AA Schlegelberger Anm 2a . S hierzu Lindacher JuS 1978, 577. BGH FamRZ 1990, 35 mwN; BayObLG FamRZ 2000, 1605; Bassenge/Herbst/Roth § 33 Rn 8. BGH FamRZ 1978, 330; 1986, 789; 1990, 1093; BayObLG FamRZ 2000, 1605. BGH NJW 1979, 820.

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BayObLG FamRZ 1998, 1129; KG FamRZ 1997, 109; OLG Hamm FamRZ 2004, 1797. OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 637; KG FamRZ 1997, 109; ThürOLG Jena FamRZ 1997, 626; BayObLG FamRZ 1996, 878; 1995, 500; 1993, 823; 1984, 197; OLG Hamm Rpfleger 1975, 249 = JR 1976, 69. S auch BGH FamRZ 1977, 126.

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Personen persönlich zu richten, welche sie im Willen vertreten, also nicht gegen die juristische Person oder den Vorstand als solchen, sondern gegen die einzelnen Vorstandsmitglieder.172 In der Rechtsprechung wird in jüngerer Zeit zunehmend die Auffassung vertreten, dass gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger und sonstige Stellen im Auskunftsverfahren gem §§ 11 Abs 2 VAHRG, 53b FGG ein Zwangsgeld verhängt werden kann.173 Begründet wird dieses ua damit, dass es für die Zwangsvollstreckung nach §§ 888 ff ZPO anerkannt ist, dass Zwangsgeld in das Vermögen der juristischen Person anzuordnen ist, während die Zwangshaft den gesetzlichen Vertreter trifft.174 Gegen Behörden und Beamte als solche, gegen das Jugendamt als Amtsvormund (zB §§ 1791b, 1791c BGB), gegen den Vereinsvormund (§ 1791a BGB), gegen Standesbeamte und Notare findet kein Zwangsvollzug statt (§ 1837 Abs 3 S 2 BGB).

III. Zwangsgeld 39

Im Verfahren der FG sind Mittel der Vollstreckung ua das Zwangsgeld und das Ordnungsgeld. Von Zwangsgeld ist in der Generalklausel des § 33 die Rede, aber auch in §§ 83, 151, 159 FGG, §§ 78, 1788, 1837 BGB, §§ 14, 37a HGB, §§ 407, 408 AktG, § 160 GenG, § 79 GmbHG und § 24 GrdstVG. Ordnungsgeld sieht das Gesetz vor zB nach § 15 LwVG iVm § 141 ZPO oder gem § 37 HGB. Das Zwangsgeld ist ein Beugemittel, das dazu dient, die Befolgung gerichtlicher Anordnungen zu erzwingen,175 es ist nicht Sühne für bereits begangene Pflichtverletzungen176 oder gar Strafe.177 Wird der Anordnung Folge geleistet, ist der Zweck erreicht und eine Festsetzung ausgeschlossen;178 geschieht dies erst im Beschwerdeverfahren, hat das Beschwerdegericht die Festsetzung aufzuheben.179 Allerdings ist hiervor eine Ausnahme zu machen, wenn weitere Zuwiderhandlungen gegen die Anordnung zu befürchten sind und die Festsetzung zukünftige Verstöße verhindern soll.180 Hat der Betreffende der Anordnung Folge geleistet (zB die verlangten Auskünfte erteilt), ist der Zwangsgeldbeschluss wieder aufzuheben; dieses kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Verpflichtung sei nur nachlässig erfüllt

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KGJ 21 A 271; 26 A 232; 31 A 206; 42, 35; KG JFG 10, 86; OLG München JFG 14, 488; Schlegelberger Anm 3; Keidel/Zimmermann Rn 16; Baur § 26 III B; aA OLG Dresden FamRZ 2000, 298. OLG Dresden FamRZ 2000, 298; KG FamRZ 1998, 839; NJW-RR 1996, 252 mwN = FGPrax 1995, 152 m Anm Kuntze; OLG Frankfurt JurBüro 1987, 97; AG GroßGerau FamRZ 2000, 297; AG Friedberg FamRZ 2000, 297; Bumiller/Winkler § 33 Rn 3; Keidel/Zimmermann § 33 Rn 16; Palandt/Diederichsen § 11 VAHRG Rn 3; aA Soergel/Vorwerk § 1587e Rn 23; RGRK/ Wick Rn 9. OLG Dresden FamRZ 2000, 298; Zöller/ Stöber § 888 ZPO Rn 8. OLG Köln FamRZ 2002, 111; OLG Karlsruhe JurBüro 1998, 437 = FamRZ 1998, 1131; KG FamRZ 1997, 109; OLG Hamm FamRZ 1995, 427; 1984, 183; BayObLG

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Rpfleger 1995, 334; 1997, 476; OLG Frankfurt FamRZ 1983, 217 mwN; KG OLGZ 32, 48; Baur § 26 B III; Habscheid § 37 I 2. OLG Brandenburg FamRZ 2001, 36; OLG Karlsruhe JurBüro 1998, 437 = FamRZ 1998, 1131; OLG Hamm FamRZ 1995, 427; BayObLGZ 1974, 351. Habscheid § 37 I 2. BayObLG FamRZ 2002, 1434 = FGPrax 2002, 118; Rpfleger 1997, 476; BayObLGZ 1974, 351; OLG Brandenburg FamRZ 2001, 36; OLG Hamm FamRZ 1984, 183. BayObLG FamRZ 2002, 1434 = FGPrax 2002, 118; FamRZ 1999, 823; Rpfleger 1997, 215. OLG Brandenburg FamRZ 2001, 36; OLG Karlsruhe JurBüro 1998, 437 = FamRZ 1998, 1131; KG FamRZ 1997, 109; OLG Hamm FamRZ 1995, 427; BayObLG FamRZ 1984; 197; BayObLGZ 1974, 351.

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§ 33

worden.181 Die Umwandlung in Freiheitsstrafe ist ausgeschlossen, selbst wenn das Zwangsgeld nicht beitreibbar ist und deshalb ihren Zweck verfehlt, denn anders als § 888 ZPO sieht § 33 keine Umwandlung in Zwangshaft vor.182 Der Mindestbetrag des einzelnen Zwangsgeldes beträgt 5 EUR (Art 6 Abs 1 EGStGB) und der Höchstbetrag 25 000 EUR (§ 33 Abs 3 S 2 ); im Anwendungsbereich der §§ 14 HGB, 407 AktG 5000 EUR. Die Überschreitung des Höchstbetrages macht die Verfügung nicht nichtig, begründet aber die Beschwerde;183 die Verhängung einer Zwangshaft müsste aber als nichtig angesehen werden. Der Höchstbetrag bezieht sich nur auf das für eine einzelne Zuwiderhandlung festzusetzende Zwangsgeld;184 der Gesamtbetrag der für mehrere Zuwiderhandlungen gegen dieselbe Verpflichtung festgesetzten Strafen darf diesen Betrag überschreiten.185 Die Zwangsgelder können, wenn mehrere Zuwiderhandlungen nacheinander begangen werden, beliebig oft wiederholt werden; von diesem Grundsatz ist nur in § 1788 Abs 2 BGB (Verweigerung der Übernahme einer Vormundschaft) eine Ausnahme gemacht, danach dürfen nicht mehr als 3 Zwangsgelder verhängt werden.

IV. Androhung der Festsetzung 1. Vorherige Androhung Die vorherige Androhung des Zwangsgeldes (Abs 3 S 1) ist wesentliches Erfordernis 40 für die Zulässigkeit der Zwangsmittelfestsetzung. Das Gesetz erwartet schon von der Androhung einen Einfluss auf die Willensentschließung des Pflichtigen; erst wenn die Androhung fruchtlos bleibt, darf das Zwangsgeld festgesetzt werden.186 Soll ein Zwangsgeld mehrmals festgesetzt werden, muss jedes Mal eine erneute Androhung vorausgehen, auch wenn es sich um die Erzwingung derselben Verpflichtung handelt.187 Unter Umständen kann es zweckmäßig sein, vor erneuter Zwangsgeldfestsetzung die Vollstreckung eines bereits verhängten Zwangsgeldes zu versuchen.188 Die Androhung muss sich auf einen bestimmten Tatbestand beziehen und unzweideutig erkennen lassen, wer im Fall der Zuwiderhandlung mit Zwangsmaßnahmen zu rechnen hat;189 die Auflage an den Ehegatten im Rahmen des Vorsorgungsausgleichsverfahrens, die Auskunftsbitte des Versorgungsträgers zu erledigen, genügt nicht.190 Soll eine Unterlassung erzwungen werden, so ist das Zwangsgeld für den Fall des Zuwiderhandelns, soll eine Duldung erzwungen werden, so ist es für den Fall der Widerstandsleistung anzudrohen. Wird die Vornahme einer Handlung geboten, so muss zwischen der Androhung und der Festsetzung eine angemessene Frist liegen, innerhalb derer die Handlung vorgenommen werden kann, sofern eine Frist nicht schon in der die Verpflichtung auferlegenden Verfügung gesetzt ist

181 182 183 184 185 186

OLG Köln FamRZ 2003, 780. BayObLG FamRZ 1993, 823. Schlegelberger Anm 7; Keidel/Zimmermann Rn 20; Bassenge/Herbst/Roth Rn 20. KG OLGR 40, 17. BayObLG 1993, 823. BayObLG FamRZ 1998, 1129; FamRZ 1996, 878; FamRZ 1984, 197; FamRZ 1977, 204; OLGR 5, 291; OLG Hamm FamRZ 1980, 932; OLG Frankfurt FamRZ 1980, 933; OLG Düsseldorf FamRZ 1979, 966; Habscheid § 37 I 3.

187

188 189

190

OLG Naumburg FGPrax 2004, 21; OLG Köln FamRZ 1998, 961; HansOLG Hamburg FamRZ 1996, 879; OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 1349; OLG Karlsruhe Die J 1970, 92; BayObLG FamRZ 1977, 204 = Rpfleger 1976, 250. OLG München FamRZ 1993, 1107. OLG Köln NJW-RR 1996, 324; FamRZ 1998, 682; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 522; 1998, 838. OLG Celle NdsRpfl 1993, 220.

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oder die Handlung, wie bei der Umgangsregelung, zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen ist. Erklärt allerdings der Pflichtige seine Weigerung, die Handlung vorzunehmen, so kann die Festsetzung der Androhung alsbald nachfolgen.191 Die Androhung eines Zwangsgeldes bei Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsregelung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.192 Die Androhung oder Anordnung ist nicht mehr zulässig, wenn der damit verfolgte Zweck bereits erreicht ist.193 Im Verfahren über die Androhung des Zwangsgeldes ist nicht zu prüfen, ob die Ausübung der Umgangsregelung gegen den Willen des Kindes gegen das Kindeswohl verstößt.194 Es ist jedoch schon bei der Androhung auf die Belange des Kindes Rücksicht zu nehmen;195 grundsätzlich hat es deshalb bei der Androhung von Zwangsgeld sein Bewenden.196 Auch längere Zeit nach einer gerichtlichen Umgangsregelung kann bei hinreichender Veranlassung erstmals ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung angedroht werden.197 2. Höhe des angedrohten Zwangsgeldes

41

Das Zwangsgeld muss innerhalb des gesetzlichen Rahmens den besonderen Verhältnissen entsprechend in zahlenmäßiger Höhe angedroht werden; das Gericht hat hierbei die Umstände des Falles zu berücksichtigen, insbesondere die Stärke der Missachtung und auch die Tatsache, ob es sich um eine erstmalige Androhung handelt oder ob bereits frühere Zwangsmittel wirkungslos geblieben sind.198 Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Pflichtigen sind zu berücksichtigen.199 Bei der Angabe der zahlenmäßigen Höhe ist es zulässig, den gesetzlichen Höchstbetrag zu nennen, wenn die Verhängung der Höchstsumme bei einer Nichtbefolgung der Anordnung in Betracht kommt.200 Die Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 25 000 EUR ist danach zulässig und genügend.201 Die Androhung eines betragsmäßig überhaupt nicht umrissenen Zwangsgeldes reicht jedoch nicht aus,202 der allgemeine Hinweis auf „Zwangsmaßnahmen“ genügt jedenfalls nicht.203 In Umgangsregelungssachen genügt es, wenn bei der Androhung ein den Verhältnissen des jeweiligen Falles angepasster, die graduellen Verstoßmöglichkeiten berücksichtigender Rahmen angegeben wird.204 3. Zwangsgeldandrohungsverfügung

42

Die Zwangsgeldandrohungsverfügung kann bereits mit der die zu vollziehende Verpflichtung auferlegenden Verfügung verbunden oder, wenn dies nicht geschehen ist, nachträglich besonders erlassen werden.205 Im Umgangsregelungsverfahren kann die Andro191 192

193 194 195 196 197 198 199

BayObLG OLGR 5, 291; Schlegelberger Anm 9. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 1999, 173; OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 637; FamRZ 1988, 1196: OLG Düsseldorf FamRZ 1979, 966. BayObLG FamRZ 1998, 1197. OLG Hamm NJW-RR 1996, 324 = FamRZ 1996, 363. BVerfGE 31, 194 = FamRZ 1971, 421; BGH NJW-RR 1986, 1264. OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 637. OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1196. BayObLGZ 1974, 351; 1970, 240. BayObLGZ 1993, 28 = FamRZ 1993, 823 mwN.

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200

201

202 203 204 205

BGH JR 1974, 200 m Anm Richter = NJW 1973, 2288 = FamRZ 1973, 622 = Rpfleger 1973, 422. BGH aaO; OLG Bamberg FamRZ 1998, 307; BayObLG FamRZ 1996, 878; FamRZ 1975, 279; aA Schlegelberger Anm 9 (s hierzu Vorauflage). BGH aaO; LG Berlin FamRZ 1973, 267. OLG Bamberg FamRZ 1998, 307. LG Berlin aaO; BayObLGZ 1970, 114. OLG München JFG 14, 464; KG OLGZ 1966, 352; BayObLGZ 1961, 119; 1965, 182; Schlegelberger Anm 9; Baur § 26 B III.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

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hung bereits mit der Umgangsregelung verbunden sein oder im Vollstreckungsverfahren erfolgen.206 Ob das Gericht seiner Verfügung sogleich durch eine Zwangsandrohung Nachdruck verleihen will oder ob es damit abwartet, bis sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mit einer Zuwiderhandlung zu rechnen ist, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen.207 Andererseits setzt die Androhung nicht die Feststellung voraus, dass eine Zuwiderhandlung bereits stattgefunden hat oder zu besorgen ist.208 Die Zwangsandrohung ist auch berechtigt, wenn noch ungewiss ist, ob der Pflichtige der Verfügung Folge leisten werde oder nicht; anderenfalls würde geradezu ein Anreiz zu Verstößen geschaffen, da der Pflichtige eine Sanktion nicht zu befürchten hätte. Ist zur Erzwingung einer Handlung ein Zwangsgeld festgesetzt worden, beharrt aber der Pflichtige im Widerstand, so muss der Festsetzung zur Ahndung der weiteren Zuwiderhandlung gegen dieselbe Verpflichtung wiederum eine Zwangsgeldandrohung vorausgehen (s Rn 40); die erste Androhung ist durch die Festsetzung erledigt. 4. Bekanntmachung Die Zwangsandrohung muss zu ihrer Wirksamkeit nach § 16 Abs 2 S 2, Abs 3 dem 43 Pflichtigen bekannt gemacht werden. Förmliche Zustellung nach § 16 Abs 2 S 1 ist notwendig, wenn die Verfügung zugleich eine Fristsetzung enthält.209 Die Festsetzung setzt voraus, dass die Zwangsandrohung zur Kenntnis des Pflichtigen gelangt ist;210 sie braucht ihm aber nicht vom Gericht unmittelbar übermittelt worden sein, es genügt auch ein Zugehen des Anordnungsbeschlusses in anderer Weise, zB dadurch, dass ein Beteiligter einem anderen Beteiligten die Ausfertigung übergibt.211

V. Festsetzung des Zwangsgeldes 1. Festsetzung Wird die durch die zu vollziehende Verfügung gebotene Handlung innerhalb der vor- 44 geschriebenen oder einer angemessenen Frist nicht vorgenommen oder dem ergangenen Verbot zuwidergehandelt oder der zu duldenden Handlung Widerstand entgegengesetzt, so ist das Gericht berechtigt, das angedrohte Zwangsgeld festzusetzen. Ob das Gericht sich zur Festsetzung entschließt, steht grundsätzlich in seinem pflichtmäßigen Ermessen.212 Eine Pflicht zum Einschreiten besteht aber regelmäßig, wenn durch die zu vollziehende Verpflichtung zugleich ein Recht eines Beteiligten gewahrt werden soll, zB des umgangsberechtigten Elternteils. Die Festsetzung setzt eine schuldhafte Zuwiderhandlung oder ein schuldhaftes Unterlassen der Verfügung voraus,213 sie kommt also nicht in Betracht, wenn der Verpflichtete durch Umstände, die außerhalb seines Willens liegen, zB durch Krankheit, wegen Unzumutbarkeit an der Befolgung der Anordnung gehindert war214 oder wenn die Nichtbefolgung auf einem entschuldbaren Missverstehen (Rechts206 207 208

209

Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 232 mwN. OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 637; 1988, 1196; OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 966. OLG Celle FamRZ 1999, 173; ZBlJR 1954, 114; OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 637; 1988, 1196; KG OLGZ 1966, 352 = FamRZ 1956, 317; OLG Hamm NJW 1967, 446; zum Umgangsregelungsverfahren s Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 233 mwN. BayObLG Rpfleger 1974, 17.

210 211 212 213

214

KG DFG 1937, 163. LG Heilbronn DieJ 1974, 90. Schlegelberger Anm 10. OLG Celle FamRZ 1998, 1130; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 838; 1978, 619; KG FamRZ 1997, 109; BayObLG FamRZ 1984, 197; BayObLGZ 1974, 351. KGJ 32 A 45; KG OLGR 40, 17; KG JFG15, 202; 22, 115; Schlegelberger Anm 4.

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irrtums) oder auf dem Verschulden eines Dritten zB sich widersetzendem Kind beruht.215 Auch bei wiederholter Zwangsmittelfestsetzung ist das Verschulden jeweils erneut zu prüfen.216 Bei der Festsetzung ist zu berücksichtigen, dass das Zwangsgeld ein Beugemittel ist, also keine Sühne oder Buße für begangene Pflichtwidrigkeiten, sondern ein Zwangsmittel zur Beugung des widerstrebenden Willens des Verpflichteten (s Rn 39). Wenn daher die Anordnung, der zuwidergehandelt worden ist, auf einen bestimmten Zeitpunkt oder ein bestimmtes Ereignis abgestellt war und dieser Tatbestand abgeschlossen oder der Erfolg auf andere Weise, zB durch unmittelbaren Zwang herbeigeführt worden ist, setzt die Festsetzung voraus, dass unter Berücksichtigung der früheren Verfehlung mit künftigen Zuwiderhandlungen gerechnet werden darf (s Rn 39). Eine Festsetzung entfällt, wenn die Verpflichtung erfüllt worden ist,217 sei es auch nach Ablauf einer gesetzten Frist,218 oder wenn die zu vollziehende Verpflichtung nachträglich durch eine Veränderung der Umstände fortgefallen ist, zB wenn der Vormund entlassen worden ist,219 oder wenn die Verpflichtung begründende Verfügung als ungerechtfertigt (§ 18) oder im Beschwerdewege aufgehoben oder der erforderliche Antrag zurückgenommen wird. Vor der Festsetzung ist dem Antragsgegner rechtliches Gehör zu gewähren; dieser kann auf der Beteiligung eines Beistandes bestehen.220 2. Bemessung der Höhe

45

Das festgesetzte Zwangsgeld darf nicht höher als das angedrohte sein (oben Rn 41); es darf aber ein geringeres Zwangsgeld festgesetzt werden. In jedem Fall findet das Zwangsgeld für jede einzelne Zuwiderhandlung ihre obere Grenze an dem Bemessungsrahmen des § 33 Abs 3 S 2.221 Ob bei einem Verstoß gegen eine Mehrheit von Verpflichtungen mehrere oder nur eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob bei natürlicher Betrachtungsweise eine natürliche Handlungseinheit gegeben ist. Das wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn bei der Ausübung des Umgangsrechts gegen mehrere den Umgang näher regelnde Auflagen des FamG gleichzeitig verstoßen worden ist. Auch die Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit in Anlehnung an den strafrechtlichen Begriff der fortgesetzten Handlung ist für geboten zu erachten, zum Beispiel wenn auf Grund eines einheitlichen Entschlusses gegen das Verbot des Briefverkehrs mit dem Kinde wiederholt verstoßen wird.222 Die Handlungseinheit wird durch eine Festsetzung unterbrochen. Im Übrigen hat das Gericht bei der Bemessung der Höhe des Zwangsgeldes alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Bedeutung des zu schützenden Interesses, die Hartnäckigkeit des widerstrebenden Willens des Verpflichteten, das Maß seines Verschuldens und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, nach der es sich bemisst, inwieweit er das Zwangsmittel als Übel empfindet. Eine Verschärfung wird angebracht sein, wenn frühere Festsetzungen sich als wirkungslos erwiesen haben.223

215

216 217

218

BGH FamRZ 1975; 273; OLG Celle FamRZ 1999, 173; BayObLG FamRZ 1974; 534; 1984, 197; AG Charlottenburg FamRZ 1989, 1217; KG DFG 1937, 163. HansOLG OLGR 42, 198. KG FamRZ 1997, 216; OLG Nürnberg FamRZ 1997, 216; BayObLG Rpfleger 1997, 476; OLG Hamm FamRZ 1984, 183. KG JFG 15, 202.

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222 223

KG RJA 16, 18; OLG Hamm OLGZ 1966, 484. OLG Hamm FamRZ 1998, 307. BGH JR 1974, 200 m Anm Richter = NJW 1973, 2288 = FamRZ 1973, 622 = Rpfleger 1973, 422. Vgl KG JFG 23, 82; BayObLG FamRZ 1993, 823. Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 242 mwN.

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3. Kosten Bei der Festsetzung der Zwangsmittel hat das Gericht dem Verpflichteten zugleich die 46 Gerichtskosten des Verfahrens aufzuerlegen (Abs 1 S 3). Die Vorschrift entspricht dem § 138; vgl die Bem dort. Für die Gebühren ist § 119 KostO maßgebend (§ 119 Abs 5 KostO); danach löst der Erlass des Festsetzungsbeschlusses eine 3fache Gebühr aus; die Androhung der Zwangsmittel ist gebührenfrei (§ 119 Abs 4 KostO). Für die Verhaftung im Rahmen der Vollstreckung einer Zwangshaft (s Rn 48) berechnen sich die Gebühren des Vollstreckungsorgans nach dem GvKostG (KVGv Nr 270); das gilt auch für das Verwaltungszwangsverfahren.224 Für das Zwangsverfahren nach § 33 FGG erhält der Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr (0,3 nach Nr 3309 VV RVG) sowie unter Umständen auch eine Terminsgebühr (0,3 nach Nr 3310 VV RVG), letztere jedoch nur für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin oder einem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Die Erstattung von Kosten der Beteiligten richtet sich nach § 13a Abs 1. Aufwendungen für die Rückholung des Kindes aus dem Ausland sind nicht als notwendige Kosten der Vollstreckung aus dem Herausgabebeschluss erstattungsfähig, da die Kosten der eigentlichen Rückführung nicht Kosten der Vollstreckung aus der Herausgabeanordnung sind.225

VI. Vollstreckung des Zwangsgeldes Die Vollstreckung des Zwangsgeldes und der Kosten des Verfahrens ist Justizverwal- 47 tungssache; daneben ist für eine Vollstreckung durch die Partei kein Raum.226 In den Ländern, in denen die Einziehung im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens angeordnet ist, erfolgt sie im Wege des Verwaltungszwanges, so PrFGG Art 16, HessFGG Art 21. Die Vollstreckung richtet sich, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach der Justizbeitreibungsordnung (§ 1 Abs 1 Nr 3, Abs 2 JBeitrO) und nach der auf einer Vereinbarung des BMJ und der LJustVerw beruhenden EBAO (§ 1 Abs 1 Nr 3 EBAO).227 Werden zusammen mit einem Anspruch nach Abs 1 Nr 1 bis 3 JBeitrO die Kosten des Verfahrens beigetrieben, so gelten auch für die Kosten die Vorschriften über die Vollstreckung dieses Anspruchs (§ 1 Abs 4 JBeitrO). Die Beitreibung obliegt in den genannten Fällen den nach den Verfahrensgesetzen für die Vollstreckung dieser Ansprüche zuständigen Stellen (§ 2 Abs 1 S 1 JBeitrO); gem § 1 Abs 4 EBAO obliegt die Einforderung und Beitreibung von Geldbeträgen der Vollstreckungsbehörde, die an die Stelle des Gläubigers tritt (§ 6 Abs 2 S 1 JBeitrO). Vollstreckungsbehörde ist gem § 2 EBAO das Gericht, welches das Zwangsgeld angeordnet hat, das gilt auch im Rahmen der Forderungspfändung für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.228 An die Stelle des Gerichtsvollziehers tritt der Vollziehungsbeamte (§ 6 Abs 3 JBeitrO), für diesen gelten die Vorschriften des GvKostG sinngemäß (§ 11 Abs 2 JBeitrO). Die Umwandlung eines nicht beitreibbaren Zwangsgeldes in Haft ist ausgeschlossen.229 Über Stundungsgesuche, Ratenzahlung und Erlass des Zwangsgeldes wird nicht vom Gericht,230 sondern im Gnadenwege entschieden,231 es gelten die landesrechtlichen Gnadenordnungen (s bei Piller/Herrmann). In den Nachlass des Verurteilten darf wegen der Zwangsmittel nicht vollstreckt 224 225 226 227

Schröder-Kay/Winter § 26 aF Rn 1. HansOLG Bremen FamRZ 2002, 1720. OLG Brandenburg FamRZ 1996, 421. BayObLG FamRZ 1991, 212 = Rpfleger 1991, 1.

228 229 230 231

BayObLG Rpfleger 1991, 13. BayObLG FamRZ 1993, 823. Habscheid § 37 I 7. OLG Hamm MDR 1958, 524.

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werden (PrFGG Art 16 Abs 3, HessFGG Art 21 S 2). Auf die Verjährung wird § 17 KostO entsprechend anwendbar sein. Die Anwendung der Vorschriften über die Strafvollstreckungsverjährung (Art 9 EGStGB) kommt für Beugestrafen nicht in Betracht.232 Soweit es sich um von Amts wegen durchzuführende Vollstreckungsmaßnahmen handelt, ist eine von der Partei in diesem Rahmen beantragte Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit zu versagen.233

VII. Zwangshaft 48

Die Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen wird dadurch verstärkt, dass neben der Anordnung von Zwangsgeld auch die Anordnung von Zwangshaft möglich ist, wenn es um die Herausgabe einer Person geht (§ 33 Abs 1 S 2). Eine Herausgabeverpflichtung ergibt sich zB zugunsten des Personensorgeberechtigten (Eltern, Vormund, Betreuer) aus § 1632 Abs 1, 3 iVm §§ 1800, 1908i BGB bzw §§ 1666 Abs 4, 1684 Abs 3 BGB. Überwiegend findet die Zwangshaft Anwendung, wenn die Herausgabe von Kindern durchgesetzt werden soll. Auch die Herausgabe aufgrund einer einstweiligen Anordnung gem § 620 Nr 3 ZPO erfolgt nach § 33 FGG.234 Nicht anwendbar ist § 883 ZPO, wie früher stets üblich.235 In diesem Fall wird die herausgabepflichtige Person verhaftet, allerdings nicht als Strafe, sondern als Beugemittel (s Rn 39). So ist zB die Herausgabe des Kindes durch den Vater, der das Kind entführt hat, durch die Anordnung der Zwangshaft gegen den Vater durchzusetzen.236 Auch die Verhängung von Zwangshaft soll vorher gem Abs 3 S 3 angedroht werden (s Rn 40), wenn nicht die Durchsetzung der gerichtlichen Anordnung besonders eilbedürftig ist oder die Befürchtung besteht, dass die Vollziehung der Haft vereitelt wird. Die besondere Eilbedürftigkeit ist dann anzunehmen, wenn die Anordnung im Ausland vollstreckt werden müsste (zum Auslandsbezug s Rn 71 ff); einer Androhung bedarf es nicht, wenn der Pflichtige jederzeit die Möglichkeit hat, Deutschland zu verlassen.237 Obwohl die beiden Zwangsmittel nebeneinander stehen, hat das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren; dh bereits bei der Androhung von Zwangsmitteln ist Rücksicht auf die Belange des Kindes zu nehmen,238 Zwangshaft kommt erst in Betracht, wenn angenommen werden kann, dass die Androhung von Zwangsgeld nicht die entsprechende Wirkung entfalten wird,239 bei Vermögenslosigkeit des Herausgabepflichtigen oder nur bei gröbsten Verstößen.240 Voraussetzung für die Anordnung der Zwangshaft bei schuldhafter Nichtherausgabe (s Rn 44). Die Dauer der Zwangshaft bestimmt sich gem Abs 3 S 5 iVm § 913 ZPO; sie beträgt längstens 6 Monate, danach ist der Herausgabeverpflichtete aus der Haft zu entlassen. Das Gericht hat gem § 901 ZPO einen Haftbefehl zu erlassen, die Verhaftung erfolgt gem § 909 Abs 1 ZPO durch den Gerichtsvollzieher, die Vollziehung ist nicht mehr statthaft, wenn seit Erlass des Haftbefehls 3 Jahre vergangen sind (§ 909 Abs 2 ZPO). Die Beauftragung des Gerichtsvollziehers hat durch das Gericht und nicht durch den Herausgabeberechtigten zu erfolgen.241 Auch im Falle der Anordnung der Zwangshaft hat das Gericht dem Betei232 233 234

235 236

Sa BayObLG ZMR 2000, 189. OLG München FamRZ 1995, 373. BGH NJW 1983, 2776; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1541; OLG Hamm FamRZ 1985, 86; OLG Köln FamRZ 1982, 508. Baumbach/Hartmann § 883 Rn 15; Stein/ Jonas/Brehm § 883 Rn 34. OLG Hamm FamRZ 1993, 1479.

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237 238 239 240 241

OLG Bamberg FamRZ 1996, 1224. BVerfGE 31, 194 = FamRZ 1971, 421; BGH NJW-RR 1986, 1264. OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 637. Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 235. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2001, 643; HansOLG FamRZ 1994, 1128: KG DGVZ 1992, 89.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

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ligten zugleich die Kosten aufzuerlegen (Abs 1 S 3). Für die Anordnung der Zwangshaft wird in jedem Rechtszug das Dreifache der vollen Gebühr gem § 119 Abs 6 KostO erhoben; die Gebühr fällt mit Erlass der Anordnung an, eines Haftbefehls bedarf es nicht.242 Der Geschäftswert beträgt in der Regel 3000,00 EUR (§ 119 Abs 6 iVm § 30 Abs 2 KostO). Zusätzlich fallen bei der Zwangshaft uU noch Haftkosten gem § 137 Nr 13 KostO an.243 Für die Kostenerstattung der Beteiligten gilt ebenfalls § 13a (s dort Rn 24).

H. Rechtsmittel I. Androhung 1. Statthaftigkeit Der Erlass der Androhung eines Zwangsmittels oder ihre Ablehnung ist eine nach 49 § 19 beschwerdefähige Verfügung, da sie eine sachliche Entschließung des Gerichts enthält, wenn sie auch nur den Charakter einer Zwischenentscheidung hat.244 Das gilt auch für eine Zwangsgeldandrohung, die in Zusammenhang mit einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich einer Umgangsregelung gem § 620 Nr 2 ZPO ergeht;245 der Ausschluss der befristeten Beschwerde nach § 620c ZPO erstreckt sich nicht auf das Zwangsgeldverfahren nach § 33.246 Selbst Anordnungen, die in die Rechte der Parteien eingreifen, ohne eine konkrete Zwangsmittelandrohung zu beinhalten, sind mit der Beschwerde anfechtbar, da sie die Grundlage für Zwangsmaßnahmen bilden.247 Die Beschwerde ist unbefristet; sie hat keine aufschiebende Wirkung (§ 24). Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht es nicht entgegen, dass das angedrohte Zwangsmittel inzwischen festgesetzt worden ist.248 2. Beschwerderecht Gegen die Androhung steht dem Betroffenen ein Beschwerderecht aus § 20 Abs 1 zu, 50 da der darin liegende psychische Zwang bereits eine Rechtsbeeinträchtigung (Art 2 Abs 1 GG) enthält.249 Wird ein Vorstandsmitglied in Anspruch genommen, so steht die Beschwerde auch der juristischen Person zu.250 Gegen die Ablehnung der Androhung oder gegen die Androhung eines zu geringen Zwangsmittels steht das Beschwerderecht aus § 20 Abs 1 dem Beteiligten, dessen Rechte durchgesetzt werden sollen, in demselben Um-

242 243 244

245

246 247

Korintenberg/Lappe § 119 Rn 38. Korintenberg/Lappe § 137 Rn 44. BGH FamRZ 1979, 224 = NJW 1979, 820; OLG Brandenburg FamRZ 1996, 1092; OLG Hamm FamRZ 1996, 363; HansOLG FamRZ 1993; 350; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1196. OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1094; MünchKomm/Klauser, ZPO, § 620c Rn 15; Stein/Jonas/Schlosser § 620c Rn 11; Zöller/ Philippi § 620c Rn 13. AA OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 242; 1996, 1226. OLG Brandenburg MDR 2001, 833; OLG Braunschweig FamRZ 1995, 300.

248 249

250

KG OLGR 4, 350; Schlegelberger Anm 9. BGH FamRZ 1997, 224 = NJW 1979, 820; OLG Brandenburg FamRZ 1996, 1092; OLG Hamm FamRZ 1996, 363; HansOLG FamRZ 1993; 350; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1196; KG OLGR 18, 298; KGJ 46, 136; BayObLG JFG 4, 64; OLG München JFG 14, 464; KG OLGZ 1966, 352 = FamRZ 1966, 317; OLG Karlsruhe OLGZ 1967, 204; Schlegelberger Anm 9; Baur § 26 B III 1b, bb. KG JFG 12, 258; BGHZ 25, 154 = NJW 1957, 1558.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

fange zu wie gegen die Verfügung, durch welche die Auferlegung der zu erzwingenden Verpflichtung abgelehnt wird,251 also zB dem umgangsberechtigten Elternteil, in Antragssachen nur dem Antragsteller (§ 20 Abs 2). In Angelegenheiten der Personensorge kann das Beschwerderecht auch auf § 57 Abs 1 Nr 9 gestützt werden.

II. Festsetzung 1. Zulässigkeit der Beschwerde

51

Gegen die Festsetzung ist die unbefristete Beschwerde nach § 19 gegeben,252 also abweichend vom registergerichtlichen Zwangsgeldverfahren (§ 139) nicht die sofortige Beschwerde. Das Rechtsmittel hat aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs 1), allerdings nicht wenn es um die Anordnung von Zwangshaft geht (§ 24 Abs 1 S 2). Eine nach § 19 beschwerdefähige Verfügung ist auch die Ablehnung der Zwangsmittelfestsetzung. Für das Beschwerderecht gelten dieselben Grundsätze wie für die Androhung oder ihre Ablehnung (Rn 50). Das gilt auch in Familiensachen, § 621e ZPO ist insoweit nicht anwendbar.253 2. Beschwerdegründe

52

Da die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden kann (§ 23) und das Beschwerdegericht den gesamten zur Zeit seiner Entscheidung vorliegenden Tatsachenstoff zu berücksichtigen hat (§ 12), kommt es für die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht darauf an, ob die Festsetzung zur Zeit der Entscheidung des Gerichts erster Instanz gerechtfertigt war, sondern darauf, ob der Beugezwang nach der Sachlage, wie er zur Zeit des Erlasses der Beschwerdeentscheidung besteht, zulässigerweise noch ausgeübt werden darf. Deshalb ist die Festsetzung vom Beschwerdegericht aufzuheben, wenn Umstände, welche die Festsetzung ausschließen (oben Rn 44), erst nach Erlass der angefochtenen Verfügung eingetreten sind, zB wenn die zu erzwingende Handlung nunmehr vorgenommen ist254 oder wenn die Verpflichtung durch nachträglich eingetretene Umstände (Beendigung des Amtes als Vorstandsmitglied oder als Vormund, Erlöschen der Firma, deren Anmeldung erzwungen werden soll) weggefallen ist.255 Der Berücksichtigung neuer Tatsachen steht auch der Umstand nicht entgegen, dass das festgesetzte Zwangsgeld inzwischen bezahlt oder beigetrieben ist;256 das ist eine Angelegenheit der Justizverwaltung, durch welche die Nachprüfbarkeit der Zulässigkeit des Beugezwanges im Rechtsmittelwege nicht berührt wird. Allenfalls kann, wenn das Rechtsmittel erst geraume Zeit nach Entrichtung des Zwangsgeldes und Wegfall der Verpflichtung eingelegt wird, Verwirkung des Beschwerderechts in Betracht kommen (§ 21 Rn 37). Die Beschwerde kann auch darauf gestützt werden, dass die auferlegte Verpflichtung oder die 251 252 253 254

KG OLGZ 1966, 352 = FamRZ 1966, 317. BGH FamRZ 1992, 538, NJW 1983, 1859; Rpfleger 1981, 18; KG FamRZ 1997, 216. Keidel/Zimmermann Rn 26 mN. KG FamRZ 1997, 216; BayObLG Rpfleger 1997, 476; OLG Nürnberg FamRZ 1997, 216; OLG Hamm FamRZ 1984, 183; KG KGJ 40, 83 = RJA 11, 44; KGJ 41, 34; KG RJA 13, 36 = OLGR 28, 337; KG OLGR 38, 360; OLG München DFG 1938, 79;

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255 256

Schlegelberger Anm 10; Baur § 26 B III 1c, aa; aA OLG Düsseldorf JurBüro 1987, 1728, das davon ausgeht, daß lediglich nicht mehr vollstreckt werden darf. KG RJA 16, 18; OLG Hamm OLGZ 1966, 484. BayObLG Rpfleger 1974, 17; KGJ 48, 117 = RJA 15, 3; Baur § 26 B III 1c, aa; aA OLG Hamm OLGZ 1966, 484.

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§ 33

Zwangsandrohung nicht begründet sei; denn die Rechtmäßigkeit der Festsetzung ist von dem Bestehen der Verpflichtung und der Androhung abhängig. Hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes kann das Beschwerdegericht unter Beachtung des Verbots der Schlechterstellung sein Ermessen anders ausüben als das Amtsgericht.

III. Die weitere Beschwerde Die weitere Beschwerde ist nur gegen eine vom Beschwerdegericht bestätigte Zwangs- 53 geldfestsetzung statthaft; das gilt auch, wenn die zu erzwingende Entscheidung nicht der weiteren Beschwerde unterliegt.257 Mit der weiteren Beschwerde können neue Tatsachen, also auch Erfüllung oder Wegfall der Verpflichtung nach Erlass der Beschwerdeentscheidung, nicht mehr vorgebracht werden.258 Die Höhe des Zwangsgeldes kann nur auf Ermessensfehler (§ 27 Rn 23 ff) oder Überschreitung des gesetzlichen Höchstrahmens, etwa infolge Verkennung des Begriffs der Handlungseinheit (Rn 45), nachgeprüft werden.259

I. Änderungsbefugnis I. Zwangsmittelandrohungsverfügung Die Androhungsverfügung kann von dem Gericht gemäß § 18 Abs 1 jederzeit von 54 Amts wegen oder auf Gegenvorstellung geändert oder aufgehoben werden;260 eine förmliche Aufhebung erübrigt sich, wenn das Verfahren eingestellt wird, weil das angedrohte Zwangsmittel nicht mehr festgesetzt werden soll oder nicht mehr festgesetzt werden darf.261 Eine Abhilfe kann auch konkludent erfolgen, wenn zB erneut ein Vordruck zur Erteilung von Auskünften zu Versorgungsanwartschaften übersandt wird und sich die Androhung auf die Auskunftserteilung bezog.262

II. Zwangsmittelfestsetzung Die Festsetzung kann ebenfalls auf Grund des § 18 Abs 1 geändert oder aufgehoben 55 werden, wenn das Gericht sich überzeugt, dass sie ungerechtfertigt war, oder wenn der Beteiligte sich nachträglich genügend entschuldigt263 oder wenn die die Verpflichtung begründende Verfügung aufgehoben oder gegenstandslos oder die zu erzwingende Handlung nachträglich vorgenommen wird oder die Verpflichtung infolge einer Veränderung der Umstände nachträglich wegfällt (s Rn 44). Die Aufhebung hat zur Folge, dass das etwa bereits gezahlte oder beigetriebene Zwangsgeld zurückzuerstatten ist.264 Erst eine 257

258

BGH FamRZ 1973, 622; BayObLG FamRZ 1998, 1129; FamRZ 1996, 878, 1993, 823; KG FamRZ 1972, 42 = Rpfleger 1972, 25: FamRZ 1997, 109 jeweils zum aufgehobenen § 63a FGG; aA BGH MDR 1998, 363 = FGPrax 1998, 53 ebenfalls zum aufgehobenen § 63a FGG. PfälzOLG Zweibrücken OLGZ 1989, 141 = FamRZ 1989, 419; OLG Hamm Rpfleger 1955, 241; Schlegelberger Anm 10.

259

260

261 262 263 264

BayObLG FamRZ 1996, 878; 1993, 823; PfälzOLG Zweibrücken OLGZ 1989, 141 = FamRZ 1989, 419. BayObLG FamRZ 1994, 1191; BayObLGZ 1973, 292; KG JFG 15, 202; BayObLGZ 1957, 134; OLG Hamm FamRZ 1975, 639. BayObLG FamRZ 1998, 1197. OLG Naumburg FGPrax 2004, 21. KG JFG 22, 115; s insbes Art 20 HessFGG. Schlegelberger Anm 10.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

Änderung der Umstände (Erfüllung, Wegfall der Verpflichtung), die nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Zwangsgeldfestsetzung und der Einziehung eingetreten ist, kann eine Änderung oder Aufhebung der Festsetzung nicht mehr rechtfertigen.265

J. Anwendung von Gewalt I. Voraussetzungen 56

Auch für die Anwendung von Gewalt enthält Abs 2, ebenso wie Abs 1 für die Verhängung von Zwangsgeld oder Zwangshaft, keine selbständige Rechtsgrundlage; vielmehr wird vorausgesetzt, dass die zu vollziehende Verpflichtung anderweit gesetzlich begründet und dem Betroffenen durch eine gerichtliche Verfügung auferlegt ist. Die Vorschrift des Abs 2 regelt das Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen die Anwendung unmittelbaren Zwangs als besonderes Vollziehungsmittel zulässig ist. In sachlicher Hinsicht wird vorausgesetzt, dass entweder der Gegenstand der auferlegten Verpflichtung auf die Herausgabe einer Person oder Sache oder auf die Vorlegung einer Sache gerichtet oder dass eine Verpflichtung anderen Inhalts ohne Gewalt nicht durchführbar ist. 1. Herausgabe einer Person

57

In Betracht kommt die Vollziehung von Anordnungen über die Herausgabe eines Kindes zugunsten des Personensorgeberechtigten (Eltern, Vormund, Betreuer) aus § 1632 Abs 1, 3 iVm §§ 1800, 1908i BGB bzw §§ 1666 Abs 4, 1684 Abs 3 BGB (s Rn 19). Herausgabe setzt voraus, dass die Person sich in der Obhut oder im Gewahrsam eines anderen befindet und der widerstrebende Wille dieses anderen gebeugt werden soll. Soll eine Person selbst zu einem bestimmten Verhalten genötigt werden, zB sich in eine geschossene Einrichtung zu begeben oder in einem Termin zu erscheinen, so kommt nur die andere Alternative („ist eine Anordnung ohne Gewalt nicht durchzuführen“) in Betracht (nachstehende Rn 60). Treffen beide Tatbestände zusammen, weigern sich also sowohl die Person, in deren Obhut sich ein Kind befindet, als auch das Kind selbst, der Anordnung Folge zu leisten, so muss die Anwendung von Gewalt gegen beide angeordnet werden.266 Die Frage der Zulässigkeit der Gewaltanwendung gegen Kinder wird in Literatur und Rechtsprechung überwiegend bejaht;267 strittig ist jedoch die Rechtsgrundlage der Gewalterlaubnis.268 Die Gewaltanwendung unmittelbar gegen die Person von Kindern oder Mündeln, die das FamG/VormG zur Unterstützung des Vormundes, Pflegers oder der Eltern bzw des Elternteils (§§ 1631 Abs 3, 1800, 1915 BGB) oder an ihrer Stelle (§§ 1846, 1666 Abs 1, 1693 BGB) anordnen kann, richtet sich aber, da insoweit die Auferlegung von Verpflichtungen nicht in Betracht kommt, nicht nach den Verfahrensregeln des § 33, sondern unmittelbar nach den genannten Vorschriften des sachlichen Rechts (o Rn 25).269

265 266 267

BayObLGZ 1955, 124 = Rpfleger 1955, 239. OLG Celle FamRZ 1994, 1129. BGH NJW 1977, 150 mwN = FamRZ 1977, 126 = Rpfleger 1977, 55 = MDR 1977, 383; FamRZ 1975, 273; PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2001, 1536; BayObLGZ 1951, 553; FamRZ 1984, 1259; KG FamRZ 1966, 155; OLG Celle FamRZ 1994, 1129; LG Köln DGVZ 1975, 43; Schütz FamRZ FamRZ

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268

269

1986, 528; 1987, 438; Wieser FamRZ 1990, 693; Dickmeis NJW 1992, 537; aA AG Tempelhof-Kreuzberg DGVZ 1974, 13; MünchKomm/Huber § 1632 Rn 20 ff. S hierzu Diercks FamRZ 1994, 1226; Dickmeis NJW 1992, 537; Wieser FamRZ 1990, 693. KG FamRZ 1966, 155; OLG Celle FamRZ 1994, 1129; MünchKomm/Huber § 1632

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§ 33

Gewaltanwendung gegen das Kind darf aber nur das äußerste Mittel sein, wenn die anderen Mittel keinen Erfolg versprechen oder bereits gescheitert sind bzw ein alsbaldiges Einschreiten unbedingt geboten ist.270 Auch das Alter des Kindes und die Grundrechtsmündigkeit sind zu berücksichtigen;271 bei wiederholt vorbestraftem und noch unter Bewährung stehendem Elternteil ist auch die Herausnahme eines bereits 15jährigen Jugendlichen gegen dessen Willen zwangsweise möglich.272 In der Praxis sind Gewaltmaßnahmen sehr häufig im Zusammenhang mit Kindes- 58 rückführungen nach dem HKÜ273 notwendig, wenn ein Elternteil gemeinsame Kinder widerrechtlich in einen anderen Staat mitnimmt. In erster Linie soll zwar eine freiwillige Rückführung bzw gütliche Regelung erzielt werden, dieses ist aber nur in ganz wenigen Fällen zu erreichen.274 Liegen die Voraussetzungen für eine Rückführung vor, ist die sofortige Rückgabe des Kindes anzuordnen,275 dabei handelt es sich um eine Herausgabeentscheidung, deren Vollziehung gem § 33 zu erfolgen hat. Der Vollstreckungsauftrag ist vom Gericht zu erteilen (s Rn 65). 2. Herausgabe oder Vorlegung einer Sache In Betracht kommt die Herausgabe eines Erbscheins, eines Testamentsvollstrecker- 59 zeugnisses oder eines Zeugnisses über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft nach Anordnung der Einziehung (§§ 2361, 2368, 1507 BGB), die Ablieferung eines Testaments an das NachlG (§ 2259 BGB, § 83 FGG), die Vorlegung von Hypotheken- und Grundschuldbriefen (§§ 62, 70 GBO), die Vorlegung von Büchern und Papieren für den Kommanditisten oder stillen Gesellschafter (§§ 166 Abs 3, 238 Abs 3 HGB), für Aktionäre oder Gläubiger der Gesellschaft nach § 273 Abs 3 AktG, § 74 GmbHG.276 Über den Nachweis des Besitzes vgl oben Rn 34. Auch die im Rahmen einer einstweiligen Anordnung geregelte Herausgabe von persönlichen Sachen des Kindes (§ 620 Nr 8 ZPO, § 50d FGG) wird gem § 33 vollzogen (siehe hierzu § 50d Rn 10).277 Auch ohne spezielle Anordnung dürfen zwangsweise die notwendigen Sachen (Kleidung etc) des Kindes durch den Gerichtsvollzieher mitgenommen werden.278 3. Anordnungen, die ohne Gewalt nicht durchführbar sind Hierfür kommen Anordnungen in Betracht, die eine andere Verpflichtung zum Ge- 60 genstand haben als die Herausgabe einer Person oder die Herausgabe oder Vorlegung einer Sache; Verpflichtungen dieses Inhalts dürfen ohne Rücksicht darauf, ob ihre Erfül-

270 271 272 273

Rn 20ff; Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 239, 240; aA BayObLG FamRZ 1984, 1259; 1985, 737; Wieser, aaO zieht § 33 Abs 2 FGG iVm § 1631 Abs 3 BGB heran; Diercks aaO, lehnt sämtliche Auffassungen ab, da an dem gewünschten Ergebnis orientiert. BGH aaO; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1541; HansOLG FamRZ 1994, 1128. BayObLG FamRZ 1985, 737; kri Schütz FamRZ 1986, 528. OLG Bamberg FamRZ 1991, 1341. Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (BGBl II S 206); s auch § 16a Rn 81.

274 275

276 277 278

Bach FamRZ 1997, 1051 geht von etwa 10 % der Fälle aus. BVerfG FamRZ 1999, 85: Eine sofortige Rückführung des Kindes an seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt dient grundsätzlich dem Kindeswohl, weil dadurch die Kontinuität seiner Lebensbedingungen erhalten bleibt. Notfalls auch gegen den Willen des Kindes, so OLG Karlsruhe, Beschl v 23.2.2006 – 2 UF 2/06 – BeckRS 2006, 02729. Dazu KG JW 1937, 2289. Bassenge/Herbst/Roth § 50d Rn 1; Keidel/ Engelhardt § 50d Rn 6. Keidel/Zimmermann § 33 Rn 35a.

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lung sich nicht in anderer Weise erreichen lässt, gewaltsam erzwungen werden, so dass das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen Zwangsmitteln und unmittelbarem Zwang wählen darf.279 Bei der Erzwingung von Verpflichtungen anderen Inhalts dagegen ist das Ermessen des Gerichts dahin eingeschränkt, dass Gewaltanwendung nur in Frage kommt, wenn andere Mittel nicht zum Erfolg führen. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Zwangsgeldverfahren sich wegen Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes bereits als wirkungslos erwiesen hat oder voraussichtlich erfolglos sein wird oder weil der Erfolg durch den mit dem Zwangsmittelverfahren verbundenen Zeitverlust vereitelt werden würde, nicht aber schon deswegen, weil das Zwangsmittelverfahren eine Verzögerung mit sich bringt. Hierfür kommt vor allem die Erzwingung des persönlichen Erscheinens vor Gericht durch Vorführung in Betracht, sofern dafür eine besondere gesetzliche Grundlage vorhanden ist, wie in § 5 Abs 1 FEVG und landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen (vgl § 12 Rn 95 ff).

II. Ausschluss der Gewaltanwendung 61

Die Anwendung von Gewalt ist ausgeschlossen, wenn das Gesetz das Zwangsgeld als das allein zulässige Zwangsmittel vorsieht. Da ist der Fall im registergerichtlichen Zwangsgeldverfahren nach §§ 132 bis 140, 159, 160b FGG, § 160 Abs 2 GenG, § 19 Abs 2 SchiffsRegO, und zur Erzwingung der Übernahme einer Vormundschaft oder Pflegschaft (§§ 1788, 1915 BGB). Dagegen steht der Umstand, dass das Gesetz in den §§ 83, 151, 154 FGG zur Erzwingung der Herausgabe der dort genannten Urkunden Zwangsgelder vorsieht, der Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Wegnahme gemäß § 33 Abs 2 nicht entgegen. Zur Erzwingung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten nach § 15 Abs 3 LwVG iVm § 141 ZPO ist die Festsetzung von Ordnungsgeld,280 nicht aber unmittelbarer Zwang durch Vorführung zulässig. Im Beweisverfahren richtet sich die Zulässigkeit unmittelbaren Zwangs ausschließlich nach den gem § 15 anwendbaren Vorschriften der ZPO (§§ 372a, 380, 390 ZPO). Nach § 33 Abs 2 S 2 darf Gewalt gegen ein Kind nicht angewendet werden, wenn es 62 um den Vollzug einer Umgangsregelung geht.281 Die Vorschrift wurde durch das KindRG eingefügt und macht deutlich, dass Gewalt gegenüber dem Kind generell dem Kindeswohl schadet.282 Zeigen die Festsetzung von Zwangsgeld oder von Zwangshaft gegen den Elternteil keinen Erfolg, bleibt nur die Unterstützung der Eltern durch das FamG.283

III. Androhung 63

Die Verfügung, durch welche die Anwendung von Gewalt angeordnet wird, soll in der Regel vor ihrem Erlass angedroht werden (Abs 3 S 6). Davon kann bei besonderer Eilbedürftigkeit oder wenn die Befürchtung besteht, dass die Vollziehung vereitelt wird, abgesehen werden. Die Androhung kann mit der Verfügung, durch welche die zu vollziehende Verpflichtung auferlegt wird, verbunden werden; es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass Zwangsmittel und Gewalt nebeneinander angedroht werden.284

279 280 281

BayObLGZ 1963, 191. Barnstedt/Steffen § 15 Rn 22. Zum fr Streit um diese Frage: Staudinger/ Peschel-Gutzeit § 1634 aF Rn 438.

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282 283 284

Staudinger/Rauscher § 1684 Rn 240. FamRefK/Maurer § 33 Rn 3. BayObLG FamRZ 1985, 520; OLG Frankfurt FamRZ 1980, 1038.

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§ 33

Die Androhung ist nach § 16 bekanntzumachen; sie unterliegt der Beschwerde nach § 19 (s Rn 49).

IV. Besondere Verfügung Die Vollziehung einer Entscheidung über die Herausgabe eines Kindes ist nicht Auf- 64 gabe des Elternteils, sondern eine solche des Familienrichters.285 Die Anwendung von Gewalt muss durch eine besondere Verfügung des Gerichts angeordnet werden. Die Vorschrift soll den Richter zu wiederholter Prüfung der Angelegenheit veranlassen und vor Übereilung schützen. Darin wird zum Ausdruck gebracht, dass die Anwendung von Gewalt einer ausdrücklichen Anordnung des Gerichts bedarf; es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie mit der die Verpflichtung begründenden Verfügung verbunden wird,286 sofern die Voraussetzungen vorliegen, unter denen von einer vorherigen Androhung abgesehen werden kann und sofern sichergestellt ist, dass mit dem Zwangsvollzug erst begonnen wird, nachdem die die Verpflichtung begründende Verfügung wirksam geworden ist.287 Wenn die Vollstreckung mit Gewaltanwendung gegen das Kind mit einer dadurch bedingten schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens verbunden ist, besteht keine Verpflichtung, die Anordnung von Gewalt zu verfügen.288 Eine vorherige Bekanntmachung der die Anwendung von Gewalt anordnenden Verfügung ist nicht erforderlich.289 Es genügt, dass der Vollstreckungsbeamte, an den die Anordnung gerichtet ist, im Besitz einer Ausfertigung ist, die keiner Vollstreckungsklausel bedarf, und sie dem Betroffenen bei der Durchführung der Maßnahme vorzeigt; auf Verlangen ist eine Abschrift der Verfügung zu erteilen (§ 213 GVGA). Gegen die Anordnung findet Beschwerde statt (§ 19); auch kann sie gemäß § 18 Abs 1 geändert werden (s Rn 49, 54, 55). Mit Abschluss der zu erzwingenden Maßnahme erledigt sich die Hauptsache hinsichtlich der Gestattung von Gewaltanwendung.290

V. Vollstreckungsbeamter Die Vollstreckung erfolgt nur auf unmittelbares Ersuchen des anordnenden Gerichts 65 und nicht auf Antrag des Herausgabeberechtigten.291 Vollstreckungsbeamter ist der Gerichtsvollzieher,292 in einfacheren Fällen der Gerichtswachtmeister. Wenn es um die Vollziehung einer Kindesherausgabe geht, dann bedarf es einer konkreten Anweisung des Gerichts, ob die Herausgabe jetzt oder demnächst zu erfolgen hat (so auch § 213a Nr 1 GVGA).293 Der Vollstreckungsbeamte kann, wenn sich die Notwendigkeit dazu ergibt, selbständig polizeiliche Unterstützung nachsuchen, ohne dass er dazu einer besonderen Ermächtigung des Gerichts bedarf (Abs 2 S 3). Das Gericht kann nicht an Stelle des Voll285 286 287 288 289 290 291

HansOLG FamRZ 1994, 1128. Baur § 26 B III 2b. BayObLG FamRZ 1985, 520. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2001, 1536. Schlegelberger Anm 17. BayObLG FamRZ 1991, 467. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2001, 643; HansOLG FamRZ 1994, 1128; KG DGVZ 1992, 89; aA AG Wangen FamRZ 1989, 527.

292

293

Die alleinige Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers ergibt sich für BW aus § 13 I Nr 7 BWAGGVG; für Bay aus Art 17 BayAGGVG; für Brem aus § 21 I Nr 6 BremAGGVG; für MV aus § 10 Abs 1 Nr 6 AGGerStrG; für Sachsen aus § 10 Abs 1 Nr 6 SächsJustAG; für Bbg gem § 10 Abs 1 Nr 6 BbgGerNeuOG. PfälzOLG Zweibrücken FamRZ 2001, 644.

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streckungsbeamten unmittelbar die Polizei um die Vollziehung von Maßnahmen nach § 33 ersuchen.294 Es kann jedoch das Jugendamt ersuchen (§ 50 Abs 1 SGB VIII)295 und zur Zwangsausübung ermächtigen, das JA kann sich dann der Hilfe des Gerichtsvollziehers und der Polizei bedienen.296

VI. Gewaltmaßnahmen 66

Als Vollzugsmaßnahmen kommen nach der jeweiligen Sachlage in Betracht die Wegnahme von Sachen, die Durchsuchung und Abschließung von Räumen,297 die Öffnung von Behältnissen, die Wegführung von Kindern und Mündeln, deren Herausgabe angeordnet ist, die Vorführung. Findet der Vollstreckungsbeamte Widerstand, so ist er befugt, ihn gewaltsam zu brechen, zB einen der Vollzugshandlung Widerstand Leistenden während deren Dauer festzuhalten. Betritt der Gerichtsvollzieher eine Wohnung, um ein Kind wegzunehmen, handelt es dabei um eine Durchsuchung iSv Art 13 Abs 2 GG; die richterliche Herausgabeanordnung muss auch eine Durchsuchungsanordnung enthalten.298 Pfändungen sind auf Grund des § 33 nicht zulässig; Einsperrungen und Arrest können als Gewaltmaßnahme nicht angeordnet werden.299 Die zusätzliche Anordnung von Zwangshaft ist nur möglich, wenn es um die Herausgabe einer Person geht (§ 33 Abs 1 S 2), siehe hierzu Rn 48. Das Verfahren des Vollstreckungsbeamten ist völlig formfrei, soweit nicht die GVGA dienstrechtliche Beschränkungen enthält. Bei Widerstand oder Abwesenheit des Verpflichteten ist die Zuziehung von Zeugen (vgl § 759 ZPO) gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber zweckmäßig.

VII. Kosten 67

Die Kosten fallen nach Abs 2 S 4 iVm § 3 Nr 4 KostO, 13 Nr 2 GvKostG dem Verpflichteten kraft Gesetzes zur Last; einer Verurteilung dazu bedarf es, anders als im Fall des Abs 1 S 3 (o Rn 46), nicht.300 Die Gerichtsgebühren richten sich nach § 134 KostO; die Gebühren des Gerichtsvollziehers gelten als Auslagen des gerichtlichen Verfahrens, wenn der Auftrag vom Gericht erteilt ist (§ 13 Abs 3 GvKostG). Es können folgende Gebühren anfallen: für die Wegnahme von Sachen (KVGv Nr 221), für die Wegnahme von Personen (KVGv Nr 230) sowie für die zwangsweise Vorführung (KVGv Nr 270). Für die Kostenerstattung gilt § 13a. Wegen der Rechtsanwaltsgebühren siehe Vorbem § 13a.

K. Eidesstattliche Versicherung 68

Ist die herauszugebende oder vorzulegende Sache oder die herauszugebende Person nicht vorgefunden worden, ist also die Vollziehung durch Anwendung unmittelbaren Zwangs fruchtlos verlaufen, so kann das Gericht den Verpflichteten zur Leistung der eidesstattlichen Versicherung anhalten (Abs 2 S 5); er hat an Eides Statt zu versichern, dass er die Sache nicht besitzt und auch nicht weiß, wo sie sich befindet bzw nicht weiß,

294 295 296

KG OLGR 1, 366; AG Kiel SchlHA 1965, 107. BGH NJW 1977, 150 (JWG). Keidel/Zimmermann Rn 37.

996

297 298 299 300

OLG Bamberg FamRZ 1994, 182. BVerfG NJW 2000, 943. BayObLGZ 1951, 553. BayObLG NJW 1968, 1726.

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§ 33

wo die herauszugebende Person sich aufhält (§ 883 Abs 2 ZPO). Abweichungen von den entsprechend anwendbaren Vorschriften der ZPO (Abs 2 S 6) ergeben sich vor allem aus dem Grundsatz des Amtsbetriebes und dem Fehlen eines Gläubigers. Das Verfahren wird von Amts wegen durch Bestimmung eines Termins zur Leistung der eidesstattlichen Versicherung und Ladung des Verpflichteten eingeleitet (§ 900 Abs 1 S 1 ZPO); nur wenn die zu vollziehende Verpflichtung ein Antragsverfahren voraussetzt (§§ 166 Abs 3, 335 HGB, §§ 151, 154 FGG), wird das Gericht erst auf Antrag tätig. § 900 Abs 2 bis 5 ZPO sind nicht anzuwenden. Gegen die Anordnung der Leistung der eidesstattlichen Versicherung und ihre Ablehnung findet die Beschwerde nach § 19 statt. Das Verfahren bei Abnahme der eidesstattlichen Versicherung bestimmt sich nach § 15 FGG mit §§ 478 bis 480, 483, 883 Abs 2 bis 4 ZPO. Für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist seit der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle301 ab 1.1.1999 der Gerichtsvollzieher zuständig, da hierfür keine ausdrückliche Rechtspflegerzuständigkeit nach dem RPflG besteht, wie zB im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach bürgerlichem Recht (§ 3 Nr 1b RPflG). Die eidesstattliche Versicherung ist durch den Verpflichteten persönlich abzugeben (§ 478 ZPO); handelt es sich dabei um eine prozessunfähige natürliche Person, so handelt der gesetzliche Vertreter (Eltern, Vormund bzw Pfleger oder Betreuer, wenn diese Inhaber der Personensorge sind);302 bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften ist abgabepflichtig ebenfalls der gesetzliche Vertreter.303 Bei Nichterscheinen oder grundloser Eidesverweigerung kann das Gericht von Amts wegen die Haft anordnen, im Antragsverfahren nur auf Antrag (§ 901 ZPO). Der Inhalt des Haftbefehls ergibt sich aus § 908 ZPO, jedoch ist ein Gläubiger nicht zu bezeichnen. Gegen die Haftanordnung oder ihre Ablehnung ist die einfache Beschwerde nach § 19 gegeben. Der Vollzug der Haft richtet sich nach den §§ 902, 904 bis 910, 913 ZPO.

L. Zuständigkeit des Rechtspflegers Der Rechtspfleger ist zuständig, wenn die Auferlegung der zu vollziehenden Verpflich- 69 tung auf den Rechtspfleger übertragen ist (§ 4 Abs 1 RPflG). Der Rechtspfleger ist im Rahmen des § 33 befugt, Zwangsgeld anzudrohen und festzusetzen304 und Anordnungen über die Anwendung unmittelbaren Zwangs zu erlassen, auch wenn sie auf die Herausgabe einer Person gerichtet sind. Eine Ausnahme ist in § 4 Abs 2 Nr 2 RPflG geregelt, wonach der Rechtspfleger keine Freiheitsentziehungen androhen oder anordnen darf; also auch keine Anordnung von Zwangshaft (§ 901 ZPO)305 oder der zwangsweisen Vorführung eines Beteiligten im Verfahren gem § 33. Diese Einschränkung ergibt sich aus Art 104 Abs 2 GG, wonach der Richter über freiheitsentziehende Maßnahmen zu entscheiden hat. Da auch die zwangsweise Vorführung einer Person eine Freiheitsentziehung darstellt, ist keine Übertragung auf den Rechtspfleger erfolgt.306 Dem Rechtspfleger übertragen ist auch die Vollstreckung von Ordnungs- und Zwangsmitteln (§ 31 Abs 3 RPflG). Handelt es sich um Zwangsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, so ist der Rechtspfleger des anordnenden Gerichts zuständig.307 301 302

303

BGBl 1997 S 3039. MünchKomm/Eickmann, ZPO § 807 Rn 30; Putzo in Thomas/Putzo § 807 Rn 14; Zöller/Stöber § 807 Rn 10. MünchKomm/Eickmann, ZPO § 807 Rn 32; Putzo in Thomas/Putzo § 807 Rn 15; Zöller/Stöber § 807 Rn 10.

304 305

306 307

Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann § 4 Rn 12; Bassenge/Herbst/Roth § 4 Rn 2. Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann § 4 Rn 12; Bassenge/Herbst/Roth § 4 Rn 17; Dallmayer/Eickmann § 4 Rn 20. Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann § 4 Rn 34. Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann § 31 Rn 13;

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

M. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht 70

§ 33 ist gem § 194 Abs 1 auch anwendbar, wenn in bundesrechtlichen Angelegenheiten nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig sind. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist § 33 durchweg für anwendbar erklärt (Art 1 PrFGG, § 8 Abs 1 RhPfFGG, Art 34 BayAGGVG, Art 7 NdsFGG; § 1 BremAGFGG; § 5 Abs 1 BWFGG; Art 1 HessFGG; § 52 SaarlAGJusG).

N. Vollziehung ausländischer Entscheidungen 71

Ausländische Entscheidungen, die einer Vollziehung nach § 33 FGG fähig sind, können durch das zuständige deutsche Gericht nach Maßgabe des § 33 vollzogen werden, so nicht Staatsverträge etwas anderes bestimmen.308 Zuvor muss die Entscheidung jedoch hinsichtlich ihrer Anerkennung überprüft werden,309 allerdings sind Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 16a grundsätzlich anzuerkennen.310 Zur Vollziehung bedarf die ausländische Entscheidung noch einer Vollstreckbarkeitserklärung,311 dieses der Sachlage angepasste Verfahren erspart die Erwirkung eines Vollstreckungsurteils gem §§ 722, 723 ZPO.312 Es ist zwischen dem Verfahren über die Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung sowie der Vollziehung der ausländischen Entscheidung zu unterscheiden. Das Verfahren hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung regelt 72 das AVAG,313 ein einheitliches Ausführungsgesetz für zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschlossene Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge.314 Die bislang im AVAG befindlichen Vorschriften zur Durchführung der Brüssel II-Verordnung315 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten sind durch das IntFamRVG (s Rn 73) aufgehoben worden.316 Nach wie vor Geltung hat die Brüssel-I-Verordnung,317 deren Ausführung im AVAG geregelt ist (§ 1 Abs 1 Nr 2); § 55 AVAG regelt als Besonderer Teil der Brüssel-I-VO Abweichungen zu den allgemeinen Vorschriften des Ausführungsgesetzes.318

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Bassenge/Herbst/Roth § 31 Rn 11; Dallmayer/Eickmann § 31 Rn 20. BGH JZ 1954, 244; NJW 1977, 150 = Rpfleger 1977, 55 = FamRZ 1977, 126; 1980, 529; BGHZ 88, 113; BayObLG 1973, 351; 1974, 317; 1976, 174. BGHZ 88, 113; Habscheid § 30 I. Keidel/Zimmermann Rn 55; Rosenberg/ Schwab/Gottwald § 156 Rn 28; im Übrigen siehe die Anm bei § 16a. BGHZ 88, 113; NJW 1977, 150 = Rpfleger 1977, 55 = FamRZ 1977, 126. BGH NJW 1977, 150 = Rpfleger 1977, 55 = FamRZ 1977, 126. Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 19.2.2001 (BGBl S 288, 436).

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Auflistung s § 1 AVAG. VO (EG) Nr 1347/2000 des Rates v 29.5. 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl EG Nr L 160 S 19); s hierzu Wagner IPrax 2001, 73. Art 2 Abs 7 d Gesetzes zum internationalen Familienrecht v 26.1.2005 (BGBl S 162). VO (EG) Nr 44/2001 des Rates v 22.12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl EG Nr L 12 S 1). Siehe auch hierzu Hub NJW 2001, 3147.

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Vollziehung gerichtlicher Verfügungen

§ 33

Mit Wirkung vom 1.3.2005 ist als weiteres Durchführungsgesetz das IntFamRVG319 73 hinzugekommen. Ausgelöst durch die Brüssel IIa-Verordnung,320 die die Brüssel II-Verordnung ersetzt und in wesentlichen Bereichen fortentwickelt hat, und durch innerstaatliche Verfahrensvorschriften ergänzt werden musste. Um eine weitere Zersplitterung des Rechts zu vermeiden, sind in das neue Gesetz auch Ausführungsvorschriften zu bereits in Kraft befindlichen anderen international-familienrechtlichen Übereinkommen aufgenommen worden.321 Das Gesetz folgt der Grundkonzeption des AVAG, es wurde aber davon abgesehen, die neuen Durchführungsbestimmungen in das AVAG zu integrieren, weil das eine Vielzahl von Ausnahmebestimmungen erfordert hätte. Das Gesetz dient 74 1. der Durchführung der VO (EG) Nr 2201/2003322 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der VO (EG) Nr 1347/2000 (ABl EU Nr L 338 S 1); 2. der Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (BGBl 1990 II S 206); 3. der Ausführung des Luxemburger Europäischen Übereinkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (BGBl 1990 II S 206, 220). Gleichzeitig ist das Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz vom 5. April 1990 (BGBl S 701) außer Kraft gesetzt worden.323 Die bisherigen Vorschriften zur Ausführung des Haager Kindesentführungsüberein- 75 kommens wurden fast unverändert in das neue Gesetz übernommen (Abschnitt 6 IntFamRVG), hinzu kommen die Durchführungsvorschriften zu Art 11 der neuen EG-Verordnung, die das Haager Kindesentführungsübereinkommen ergänzt und die eine beschleunigte Abwicklung des Verfahrens sicher stellen sollen (§§ 38 bis 43 IntFamRVG). Um die praktische Wirksamkeit der neuen EG-Verordnung, des Haager Kindesentführungsübereinkommens und des Europäischen Sorgerechtsüberkeinkommens sicherzustellen, wurden in das Gesetz neue Regelungen zur Vollstreckung eingeführt, da die bestehenden Instrumentarien des § 33 FGG als nicht ausreichend angesehen werden, um grenzüberschreitend eine effektive Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten.324 Die Vorschriften befinden sich im Abschnitt 7 im § 44 IntFamRVG, der im Anwendungsbereich des Gesetzes an die Stelle des § 33 FGG tritt. Die Vorschrift beinhaltet die Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen gerichtliche Entscheidungen, insbesondere Herausgabe- und Umgangsanordnungen, in Anlehnung an zivilprozessuale Ordnungsmittel; eine Regelung, nach der die Androhung des Ordnungsmittels nicht isoliert anfechtbar ist; Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Ver-

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Gesetz zur Aus- und Durchführung internationaler Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG) gem Art 1 des Gesetzes zum internationalen Familienrecht v 26.1.2005 (BGBl S 162); abgedruckt im Band 2 Anh II. VO (EG) Nr 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehe-

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sachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der VO (EG) Nr 1347/2000 v 27.11.2003 (ABl EU Nr L 338 S 1). Gesetzesbegründung BTDrs 15/3981 S 17. Abgedruckt im Band 2 Anh I. Art 3 des Gesetzes zum internationalen Familienrecht. Gesetzesbegründung BTDrs S 18.

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schuldens des verpflichteten Elternteils sowie die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts für Vollstreckungsmaßnahmen. Danach lautet § 44 IntFamRVG wie folgt: 76 § 44 Ordnungsmittel; unmittelbarer Zwang (1) Ein im Inland zu vollstreckender Titel nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr 2201/ 2003, dem Haager Kindesentführungsübereinkommen oder dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen wird, sofern er nicht auf die Erstattung von Verfahrenskosten lautet, durch Festsetzung eines Ordnungsmittels nach Maßgabe dieses Abschnitts vollstreckt. Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung soll das Gericht ein Ordnungsgeld festsetzen. Verspricht die Festsetzung eines Ordnungsgelds keinen Erfolg, soll das Gericht Ordnungshaft anordnen. Das Ordnungsmittel kann ohne vorherige Durchführung eines Verfahrens nach § 52a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit festgesetzt werden. Bei Festsetzung des Ordnungsmittels sind der verpflichteten Person zugleich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. (2) Das Ordnungsgeld muss, bevor es festgesetzt wird, angedroht werden. Es soll zugleich mit der inländischen Entscheidung angedroht werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend Euro nicht übersteigen. Die Festsetzung der Ordnungshaft soll angedroht werden, wenn nicht die Durchsetzung der Entscheidung besonders eilbedürftig ist oder die Befürchtung besteht, dass die Vollziehung der Haft vereitelt wird. Für den Vollzug der Haft gelten die §§ 901, 904 bis 906, 909, 910, 913 der Zivilprozessordnung entsprechend. (3) Auf Grund einer besonderen Verfügung des Gerichts kann unabhängig von dem festgesetzten Ordnungsmittel auch Gewalt gebraucht werden. Eine Gewaltanwendung gegen ein Kind darf nicht zugelassen werden, wenn das Kind herausgegeben werden soll, um das Umgangsrecht auszuüben. Der Vollstreckungsbeamte ist befugt, erforderlichenfalls die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachzusuchen. Die Kosten fallen der verpflichteten Person zur Last. Wird das Kind nicht vorgefunden, so kann das Gericht die verpflichtete Person anhalten, eine eidesstattliche Versicherung über dessen Verbleib abzugeben. § 883 Abs 2 bis 4, § 900 Abs 1 und §§ 901, 902, 904 bis 910 sowie § 913 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden. (4) Die Androhung eines Ordnungsmittels ist nicht isoliert anfechtbar. Die Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungshaft hat keine aufschiebende Wirkung. (5) Für Verfügungen nach den Absätzen 1 bis 4 ist das Oberlandesgericht zuständig, sofern es die Anordnung für vollstreckbar erklärt, erlassen oder bestätigt hat. (6) Ist ein Kind heraus- oder zurückzugeben, so hat das Gericht die Vollstreckung von Amts wegen durchzuführen, es sei denn, die Anordnung ist auf Herausgabe des Kindes zum Zweck des Umgangs gerichtet. Auf Antrag der berechtigten Person kann das Gericht hiervon absehen.

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Die bisherigen Regelungen zur Anwendung des unmittelbaren Zwangs bleiben im Grundsatz unverändert.325 Eine Änderung des § 33 FGG soll erst im Rahmen einer umfassenden FGG-Reform in Betracht kommen, da die Vollstreckung für sämtliche FGGVerfahren differenziert ausgestaltet werden soll. Das führt zunächst einmal dazu, dass ausländische Elternteile vorübergehend „bessergestellt“ sein werden. 78 Im Abschnitt 10 des IntFamRVG werden die Kosten für die im Gesetz vorgesehenen Verfahren gesondert geregelt, für alle anderen Fälle gilt die KostO (§ 50 IntFamRVG). Danach werden für erstinstanzliche Verfahren über Anträge auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung auf Kindesrückgabe oder das Umgangsrecht; auf Erteilung der Vollstreckungsklausel; auf Feststellung der Anerkennung einschließlich der Anordnung zur Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses eine Gebühr von 200,00 EUR erhoben, § 51 Abs 1 IntFamRVG. Für das Verfahren über den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach

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Gesetzesbegründung BTDrs S 19.

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§ 48 IntFamRVG wird eine Gebühr von 10,00 EUR erhoben, § 51 Abs 3 IntFamRVG. Bei einer Kindesherausgabe ist eine Haftung des Kindes für die Kosten der Vollstreckung ausgeschlossen. In Verfahren auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung auf Kindesrückgabe oder das Umgangsrecht ist abweichend von § 2 KostO nur der Beteiligte zur Zahlung der Gerichtskosten verpflichtet, den das Gericht nach billigem Ermessen bestimmt; das Kind darf nicht zur Zahlung der Kosten verpflichtet werden, § 52 IntFamRVG. Gerichtskosten werden nicht erhoben, soweit deren Erhebung nach dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen oder dem Haager Kindesentführungsübereinkommen ausgeschlossen ist, § 53 Abs 1 IntFamRVG. Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen soll ein Vorschuss nicht erhoben werden, § 52 Abs 2 IntFamRVG. Mit den vorgenannten Änderungen ist schon eine der Lücken behoben, die Kritiker 79 an der bisherigen Gesetzeslage zu bemängeln hatten. Als Problem wird insbesondere angesehen, dass die gesetzlichen Regelungen zur Vollstreckung im FGG-Verfahren lückenhaft sind, dass eine Regelung der Vollstreckung vertretbarer Handlungen und eine § 758a ZPO entsprechende Grundlage zur Wohnungsdurchsuchung fehle; insbesondere wird aber auf die Anwendungsprobleme bei Titeln in Bezug auf das Sorge- bzw Umgangsrecht hingewiesen.

O. Reformvorhaben Der Entwurf des FGG-Reformgesetzes326 sieht im Abschnitt 9 (§§ 90 bis 104b FamFG-E) 80 neu gestaltete Vollstreckungsvorschriften vor, die erstmals eine umfassende Regelung für die Vollstreckung enthalten sollen und an den spezifischen Erfordernissen der Vollstreckung in Rechtsfürsogeangelegenheiten ausgerichtet sein soll.327 Der Entwurf stellt klar, aufgrund welcher Titel eine Vollstreckung durch welches Gericht betrieben werden kann. Des Weiteren sollen die Befugnisse des Vollstreckungsbeamten geregelt und die möglichen Vollstreckungsmaßnahmen erweitert werden. Die Vollstreckung von Sorgeund Umgangsentscheidungen soll schneller und effektiver ausgestaltet werden. Zum Entwurf im Einzelnen: 81 Die Vollstreckung von Verpflichtungen in den Fällen der §§ 1382, 1383 BGB, in Versorgungsausgleichssachen (mit Ausnahme von Anordnungen über Auskunftsverlangen hinsichtlich Grund und Höhe der Anrechte), in Wohnungszuweisungs- und Hausratssachen und in Gewaltschutzsachen soll nach den Vorschriften der ZPO erfolgen, § 90 Abs 1 FamFG-E. Gleiches soll auch für sonstige Verfahren gelten, wenn die Vollstreckung wegen einer Geldforderung erfolgt. Damit sollen die bisherigen §§ 53a Abs 4, 53g Abs 3, 64b Abs 4 FGG und § 16 Abs 3 HausratsVO zusammengefasst werden. Nach § 91 Abs 1 FamFG-E sollen Beschlüsse in FamFG-Sachen kraft Gesetzes mit 82 Wirksamwerden vollstreckbar sein, einer extra Vollstreckbarkeitserklärung soll es nicht bedürfen. Die §§ 708 bis 713 ZPO sollen keine Anwendung finden, die §§ 714 bis 720a ZPO nur eingeschränkt anwendbar sein.328 Macht der Verpflichtete glaubhaft, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Gericht 326

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni 2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006, der unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren

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in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt. Begründung RefE FGG-ReformG S 344. Begründung RefE FGG-ReformG S 446/447.

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auf seinen Antrag die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Endentscheidung auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs 1 und des § 719 Abs 1 ZPO soll die Vollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden können, § 91 Abs 1 S 2, 3 FamFG-E. Handelt es sich um eine Vollstreckung in Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz, soll § 92 FamFG-E dem § 892a ZPO entsprechend anordnen, dass bei Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 des GewaltschG, der Berechtigte zur Beseitigung einer jeden andauernden Zuwiderhandlung einen Gerichtsvollzieher zuziehen kann. Der Gerichtsvollzieher soll nach § 758 Abs 3 und § 759 ZPO zu verfahren haben. Die §§ 890 und 891 ZPO sollen daneben anwendbar bleiben. Bei einer einstweiligen Anordnung in Gewaltschutzsachen soll, soweit Gegenstand des Verfahrens Regelungen aus dem Bereich der Wohnungszuweisungssachen sind, die mehrfache Einweisung des Besitzes im Sinn des § 885 Abs 1 ZPO während der Geltungsdauer möglich sein. Einer erneuten Zustellung an den Verpflichteten bedarf es nicht. Die Vollstreckung in sonstigen Fällen soll in §§ 93 ff FamFG-E geregelt sein. Grundsätzlich soll die Vollstreckung durch das Gericht des ersten Rechtszuges erfolgen, § 93 Abs 1 FamFG-E, womit die Zuständigkeit jetzt ausdrücklich geregelt wird. Dabei soll das Gericht von Amts wegen tätig werden und auch die vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen bestimmen; allerdings soll der Berechtigte die Vornahme von Vollstreckungshandlungen auch ausdrücklich beantragen können, § 93 Abs 2 FamFG-E. Bei Nichtentsprechen hat das Gericht dieses durch Beschluss zu tun und der Berechtigte die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels dagegen. In § 93 Abs 3 FamFG-E werden die Befugnisse des Gerichtsvollziehers ausdrücklich geregelt, dieser soll befugt sein, erforderlichenfalls die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachzusuchen, wobei §§ 758 Abs 1, 2; 759 bis 763 ZPO entsprechend gelten sollen. Die Wohnung eines Verpflichteten darf ohne dessen Einwilligung nur mit einer richterlichen Durchsuchungsanordnung durchsucht werden, § 94 Abs 1 FamFG-E. Dies soll nicht gelten, wenn die Einholung der Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde. Die Regelung entspricht inhaltlich § 758a Abs 1 ZPO. Willigt der Verpflichtete in die Durchsuchung ein oder ist eine Anordnung gegen ihn ergangen, haben Personen, die Mitgewahrsam an der Wohnung des Verpflichteten haben, die Durchsuchung zu dulden. Unbillige Härten gegenüber Mitgewahrsamsinhabern sind zu vermeiden. Das Gericht soll gem § 95 FamFG-E anordnen können, dass die Vollstreckung einstweilen eingestellt oder beschränkt wird und dass Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben sind, wenn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt wird; wenn gegen eine Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt oder die Abänderung einer Entscheidung beantragt sowie die Durchführung eines Vermittlungsverfahrens beantragt wird. In der Beschwerdeinstanz soll über die einstweilige Einstellung der Vollstreckung vorab zu entscheiden sein. Eine Anfechtung des Beschlusses soll nicht stattfinden. Für die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung und die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln sollen die §§ 775, 776 ZPO entsprechend gelten. Wie schon § 33 Abs 2 S 5 FGG soll § 96 FamFG-E regeln, dass das Gericht anordnen kann, dass der Verpflichtete eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib einer herauszugebenden Sache oder Person abzugeben hat, wenn diese nicht vorgefunden wird. § 883 Abs 2 bis 4, § 900 Abs 1 und §§ 901, 902, 904 bis 910 sowie 913 ZPO gelten auch insoweit entsprechend. Die Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen und zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen soll gem § 97 FamFG-E aus wirksamen Endentscheidungen und Vollstreckungstiteln iSd § 794 ZPO stattfinden. Soweit es sich um Ver-

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einbarungen zwischen den Beteiligten handelt (§ 794 Abs 1 Nr 1, 4b ZPO), muss es sich jedoch um Gegenstände handeln, die zur Disposition der Verfahrensbeteiligten stehen. Für die Durchführung des Verfahrens soll § 891 S 1 und 2 ZPO gelten, womit klargestellt ist, dass die Durchführung der Vollstreckung beim Gericht liegt. Wird die Verpflichtung, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, nicht erfüllt, soll das Gericht gem § 98 Abs 1 FamFG-E anordnen können, dass ein anderer die Handlung auf Kosten des Verpflichteten vornimmt. Es kann auch anordnen, dass der Verpflichtete eine Vorauszahlung der Vollstreckungskosten zu leisten hat, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht. Nach Abs 2 soll das Gericht anstatt der Ersatzvornahme auch Zwangsmittel festsetzen können. Bei nicht vertretbaren Handlungen, soll das Gericht den Verpflichteten gem § 99 Abs 1 FamFG-E zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anhalten können. Das einzelne Zwangsgeld soll den Betrag von fünfundzwanzigtausend EUR nicht übersteigen dürfen; für den Vollzug der Haft sollen die §§ 901, 904 bis 906, 909, 910 und 913 ZPO entsprechend gelten. Eine Androhung der Zwangsmittel soll nicht stattfinden. Ist die Verpflichtung zur Herausgabe zu vollstrecken und führen die Zwangsmittel des § 99 nicht zum Ziel oder sind sie untunlich, soll das Gericht die Herausgabe gem §§ 883 und 885 ZPO anordnen können, § 100 Abs 1 FamFG-E. Für die Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen soll § 890 ZPO und für die Abgabe einer Willenserklärung § 894 ZPO entsprechend gelten. Die Vollstreckung von Entscheidungen über die Herausgabe von Personen und die Regelung des Umgangs werden in §§ 101 bis 104b FamFG-E geregelt werden.329 Die Vollstreckung soll gem § 101 Abs 1 FamFG-E auf wirksame Endentscheidungen sowie gerichtlich gebilligte Vergleiche beschränkt sein, was auch der geltenden Rechtslage entspricht. Aufgegriffen wird eine Regelung aus dem IntFamRVG, wonach das Jugendamt dem Gericht in geeigneten Fällen Unterstützung zu leisten hat. Die Hinzuziehung soll der Vermeidung von Gewaltanwendung dienen und einer schonenden Vollstreckung dienen. Zur zwangsweisen Durchsetzung von Herausgabe- und Umgangsanordnungen soll künftig im Regelfall gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft angeordnet werden, § 102 FamFG-E. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, soll das Gericht Ordnungshaft anordnen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend EUR nicht übersteigen. Für den Vollzug der Haft sollen die §§ 901 Satz 2, 904 bis 906, 909, 910 und 913 ZPO entsprechend gelten. Damit weicht der Entwurf vom bisherigen Recht ab, welches die Verhängung von Zwangsmitteln vorsieht. Anders als Zwangsmittel haben Ordnungsmittel Sanktionscharakter, deshalb können sie auch dann noch festgesetzt und vollstreckt werden, wenn die Handlung, Duldung usw wegen Zeitablaufs nicht mehr vorgenommen werden kann. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels soll unterbleiben, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Werden Gründe, aus denen sich das fehlende Vertretenmüssen ergibt, nachträglich vorgetragen, soll die Festsetzung aufgehoben werden. Die Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungshaft soll keine aufschiebende

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S im Einzelnen die Begründung im RefE FGG-ReformG S 451ff.

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Wirkung haben. Vor der Festsetzung von Ordnungsmitteln soll der Verpflichtete zu hören sein, § 103 FamFG-E. Dies soll auch für die Anordnung von unmittelbarem Zwang gelten, es sei denn, dass hierdurch die Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Der Beschluss, der die Herausgabe der Person oder die Regelung des Umgangs anordnet, hat auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hinzuweisen. Dem Verpflichteten sollen mit der Festsetzung von Ordnungsmitteln oder der Anordnung von unmittelbarem Zwang die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sein. Die vorherige Durchführung eines Vermittlungsverfahrens nach § 173 FamFG-E (derzeit § 52a FGG) soll nicht Voraussetzung für Festsetzung von Ordnungsmitteln oder die Androhung von unmittelbarem Zwang sein. Die Durchführung eines solchen Verfahrens soll der Festsetzung von Ordnungsmitteln oder der Androhung von unmittelbarem Zwang nicht entgegen stehen. Die in der Rechtsprechung derzeit streitige Frage wird damit gesetzlich geregelt. Nach § 104 FamFG-E soll das Gericht zur Vollstreckung auf Grund einer gesonderten Entscheidung unmittelbaren Zwang anordnen können, wenn die Festsetzung von Ordnungsmitteln erfolglos geblieben ist; die Festsetzung von Ordnungsmitteln keinen Erfolg verspricht oder eine alsbaldige Vollstreckung der Entscheidung unbedingt geboten ist. Damit wird klargestellt, dass der bereits nach geltendem Recht anerkannte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist und unmittelbarer Zwang nur in Frage kommt, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen ein Kind darf nicht zugelassen werden, wenn das Kind herausgegeben werden soll, um das Umgangsrecht auszuüben. Im Übrigen darf unmittelbarer Zwang gegen ein Kind nur zugelassen werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Kindeswohls gerechtfertigt ist und eine Durchsetzung der Verpflichtung mit milderen Mitteln nicht möglich ist. Ist aufgrund einer gerichtlichen Anordnung – also ohne Vollstreckungstitel – die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung zu vollstrecken, soll das Gericht, sofern ein Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, gegen den Verpflichteten durch Beschluss Zwangsgeld festsetzen können, § 104a FamFG-E. Dabei soll es unerheblich sein, ob es sich um ein Amts- oder ein Antragsverfahren handelt. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend EUR nicht übersteigen. Mit der Festsetzung des Zwangsgeldes sind dem Verpflichteten zugleich die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen. Gegen den Beschluss, durch den das Zwangsgeld festgesetzt wird, soll die sofortige Beschwerde stattfinden. Das Zwangsgeld muss, bevor es festgesetzt wird, angedroht werden. Die Androhung kann in der gerichtlichen Anordnung erfolgen. Mit der Festsetzung des Zwangsgeldes kann die Aufforderung zur Erfüllung der gerichtlichen Anordnung unter Androhung eines erneuten Zwangsgeldes so lange wiederholt werden, bis die Anordnung erfüllt ist. In Anlehnung an § 33 Abs 2 S 5 FGG soll in § 104b für den Fall der Herausgabevollstreckung ebenfalls die Möglichkeit des Gerichts vorsehen, soweit ein Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, durch Beschluss neben oder anstelle einer Maßnahme nach § 104a FamFG-E die in § 883 ZPO vorgesehenen Maßnahmen anordnen. Im Falle der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib der herauszugebenden oder vorzulegenden Sache soll sich nach § 96 FamFG-E iVm §§ 901, 902, 904 bis 910 sowie 913 ZPO richten, die Beugehaft darf 6 Monate nicht überschreiten. Das Gericht hat auch diese Maßnahmen vorher anzudrohen und die entsprechenden Kosten aufzuerlegen. In Familienstreitsachen sollen anstelle der §§ 90 bis 104b FamFG-E die Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden sein, § 110 Abs 1 FamFG-E.

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§ 34

Akteneinsicht, Abschriften

§ 34 Akteneinsicht, Abschriften (1) Die Einsicht der Gerichtsakten kann jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Das gleiche gilt von der Erteilung einer Abschrift; die Abschrift ist auf Verlangen von der Geschäftsstelle zu beglaubigen. (2) Die Einsicht der Akten und die Erteilung von Abschriften ist insoweit zu versagen, als § 1758 des Bürgerliches Gesetzbuchs entgegensteht.1 Literatur Dümig Art 19 Abs 4 GG iVm §§ 62, 55 FGG sowie Art 103 Abs 1 GG im Lichte der Reform des RPflG von 1998, Rpfleger 2001, 469; Eickmann/Sonnenfeld/Dümig Anhörungspflicht bei nachlassgerichtlicher Genehmigung, Rpfleger 2000, 245; Gustavus Handelsregister-Datenbank, Pro und Contra, GmbHR 1990, 197; Habscheid Verfahren vor dem Rechtspfleger – Rechtliches Gehör oder faires Verfahren, Rpfleger 2001, 209; ders Rechtspflegeakte in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und im Insolvenzverfahren, Rpfleger 2001, 1; Holch Zur Einsicht in Gerichtsakten durch Behörden und Gerichte, ZZP 87, 14; Hohloch zu BayObLG v 28.10.1996 – 1 ZBR 214/96 – Einsicht in Nachlassakten, JuS 1997, 1044; Jansen Wandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in: Recht und Staat, Hefte 290/291 (1964); H. Keidel Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Diss Köln, 1965; Kollhosser Handelsregister und private Datenbanken, NJW 1988, 2409; Pardey Informationelles Selbstbestimmungsrecht und Akteneinsicht, NJW 1989, 1647; Schneider Der Beteiligte in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, JR 1972, 275.

Übersicht Rdn I. Allgemeine Bedeutung . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen für die Gestattung der Einsicht und der Abschrifterteilung 1. Berechtigtes Interesse . . . . . . . . . 2. Umfang der Akteneinsicht und der Abschrifterteilung . . . . . . . . . . 3. Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . 4. Ermessensausübung . . . . . . . . . 5. Einschränkung bei Annahme als Kind III. Akteneinsicht und Erteilung von Abschriften . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung des Gerichts . . . . . . 2. Ausübung des Rechts auf Einsicht a) Einsichtnahme . . . . . . . . . . b) Abschriftnahme . . . . . . . . . . c) Ort und Zeit der Einsicht . . . . .

Rdn

1 IV. 3 5 6 7 8

V. VI. VII. VIII. IX.

9 10 11 12 13

X. XI.

3. Beglaubigung von Abschriften . . . . Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . 1. Versagung . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewährung . . . . . . . . . . . . . Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . Auskunftserteilung . . . . . . . . . . . Notariatsakten . . . . . . . . . . . . . Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht Abweichende Vorschriften . . . . . . . 1. Nach FGG . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachlasssachen . . . . . . . . . . . 3. Öffentliche Register . . . . . . . . . 4. Grundbuchsachen . . . . . . . . . . 5. Nach sonstigen Vorschriften . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . Reformvorhaben . . . . . . . . . . . .

14 15 16 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 30 31

I. Allgemeine Bedeutung Die Vorschrift ist von der Reichstagskommission eingefügt worden, weil in vielen Fäl- 1 len zur Erleichterung der Rechtsverfolgung die Einsicht in gerichtliche Akten über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Erlangung von Abschriften daraus

1

Satz 2 eingefügt d Art 4 Nr 2 des Adoptionsgesetzes v 2.7.1976 (BGBl I S 1749).

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§ 34

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

notwendig erscheint. Das Recht auf Akteneinsicht und Abschrifterteilung ist aber anders geregelt als in § 12 GBO für Grundbuchsachen, und zwar erheblich eingeschränkt worden in der Erwägung, dass durch Gewährung der Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten nur vermögensrechtliche Umstände fremder Kenntnis zugänglich gemacht werden, während es sich in Vormundschafts-, Nachlass- und anderen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit häufig um Familien- und andere sehr persönliche Angelegenheiten handelt, die sich nicht zur Kenntnisnahme durch weitere Kreise eignen. Das Recht ist deshalb nach Ablehnung mehrerer anderer Fassungen dahin eingeschränkt worden, dass das Vorliegen eines berechtigten Interesses und dessen Glaubhaftmachung verlangt wird und außerdem die Gewährung der Akteneinsicht in das Ermessen des Gerichts gestellt ist.2 Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Einsicht in die dem Gericht tatsächlich 2 vorliegenden Akten zum Schutzbereich des Art 103 Abs 1 GG gehört (Recht auf Information).3 Anspruch auf rechtliches Gehör hat nach Auffassung des BVerfG4 jeder, der an einem gerichtlichen Verfahren als Partei oder in ähnlicher Stellung betroffen ist. Das gilt auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, denn hierbei handelt es sich um ein gerichtliches Verfahren in Zivilsachen.5 Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob lediglich im Verfahren vor dem Richter Art 103 Abs 1 GG gilt und im Verfahren vor dem Rechtspfleger der Grundsatz eines fairen Verfahrens, der aus Art 2 und Art 19 Abs 4 GG folgt;6 stammt doch der Begriff „fair trial“ aus dem angelsächsischen Recht und beinhaltet den Anspruch auf rechtliches Gehör.7 Ein beliebiger Zugriff auf personenbezogene Daten8 ist allerdings verfassungsrechtlich nicht zulässig, das BVerfG hat insoweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art 2 Abs 1, Art 1 Abs 1 GG konkretisiert9 und festgestellt, dass grundsätzlich der Einzelne zu entscheiden habe, ob und welche Informationen er über sich preisgibt.10 Das Recht auf informelle Selbstbestimmung gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern Eingriffe sind zulässig, wenn sie überwiegendem Allgemeininteresse dienen.11 Werden Daten auf gesetzlicher Basis erhoben, dürfen diese jedoch nur zweckentsprechend verwendet werden.12 Insoweit ist bei der Akteneinsicht zu prüfen, ob diese gegen das informelle Selbstbestimmungsrecht eines anderen Verfahrensbeteiligten verstößt.13 Zwischen den beiden unterschiedlichen Grundrechten hat eine Abwägung stattzufinden.14 Allerdings muss auch „der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse, auf gesetzlicher Grundlage und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gebotes der Normenklarheit hinnehmen“.15 Die Vorschrift des § 34 geht auch den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder vor, denn soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten anzuwenden sind, gehen diese vor (§ 1 Abs 3 BDSG). Soll die Akteneinsicht wissenschaftlichen oder Forschungszwecken dienen, ist zu beachten,

2 3 4 5 6

KommBer S 33. BVerfGE 18, 399; 63, 45. BVerfGE 65, 227. Habscheid Rpfleger 2001, 209. BVerfG Rpfleger 2000, 205 = NJW 2000, 1709 = FGPrax 2000, 103 = MDR 2000, 655 für das nachlassgerichtliche Genehmigungsverfahren. S hierzu Eickmann/Sonnenfeld/ Dümig Rpfleger 2000, 245 ff; Habscheid Rpfleger 2001, 1 ff; Habscheid Rpfleger 2001, 209 ff; Dümig Rpfleger 2001, 469.

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7 8 9 10 11 12 13 14 15

Habscheid Rpfleger 2001, 209. BVerfG NJW 1988, 3009; BVerfG NJW 1988, 2031. BVerfGE 65, 1 = NJW 1984, 419. BVerfG NJW 1983, 2766; NJW 1997, 1769. BVerfGE 71, 183 = NJW 1986, 1536 mwN. BVerfG NJW 1988, 2031. Keidel/Kahl Rn 1b. BVerfG NJW 1997, 1769. BVerfG NJW 1988, 3009.

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Akteneinsicht, Abschriften

§ 34

dass Verfahren der FG grundsätzlich nichtöffentlich sind und insoweit das wissenschaftliche Interesse dem verfassungsrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nachfolgt.16

II. Voraussetzungen für die Gestattung der Einsicht und der Abschrifterteilung 1. Berechtigtes Interesse Der Begriff des berechtigten Interesses ist im Gesetz nicht näher bestimmt, aber dahin 3 geklärt, dass er umfassender ist als der des rechtlichen Interesses, der ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis voraussetzt; berechtigt ist jedes verständige, durch die Sachlage gerechtfertigte Interesse, das sich nicht auf ein bereits vorhandenes Recht zu stützen braucht, sondern auch tatsächlicher (wirtschaftlicher) Art sein kann.17 Das Interesse muss bei verständiger Würdigung des Einzelfalls und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge die Einsichtnahme als Bestimmungsgrund für Entschlüsse als berechtigt erscheinen lassen18 und darf der amtlichen Förderung nicht unwürdig sein. Dass die Entschlüsse sich gerade auf ein gerichtliches oder sonstiges Verfahren beziehen müssten, ist nicht erforderlich. Auch ist die Einschränkung nicht gerechtfertigt, dass die Einsichtnahme notwendig sein müsste, das Interesse also auf andere Weise nicht befriedigt werden kann;19 dieser Gesichtspunkt kann nur für die Ermessenausübung (Rn 7) von Bedeutung sein. Im allgemeinen genügt die Möglichkeit, dass künftiges Verhalten durch die Kenntnis des Akteninhalts beeinflusst wird.20 Auch wissenschaftliche Interessen können berechtigt sein, etwa für Studien soziologischer Art, oder das Interesse an der Kenntnis der Rechtsprechung der Obergerichte. Ebenso kann das öffentliche Interesse, das einer Behörde anvertraut ist und von ihr wahrgenommen wird, die Gewährung von Akteneinsicht rechtfertigen.21 Dagegen kommt das allgemeine, von der Presse wahrzunehmende Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht in Betracht, da es nicht auf das Interesse an der Kenntnis als solcher, sondern als Bestimmungsgrund für künftiges Verhalten ankommt. Während die Vorschrift einerseits nicht voraussetzt, dass der die Einsicht oder Abschrift Verlangende die Stellung eines Verfahrensbeteiligten hat („jedem“),22 ist andererseits auch das Recht der Beteiligten grundsätzlich an die Voraussetzungen des § 34 gebunden.23 Nur ist das Interesse der Beteiligten an der Akteneinsicht in der Regel ohne weiteres als berechtigt anzuerkennen,24 und ein Versagen der Akteneinsicht ihnen gegenüber darf keinesfalls zu einer Verkümmerung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) führen. Das gilt auch für eine unter Betreuung stehende Person hinsichtlich der Betreuungsakte und des darin befindlichen Gutachtens; das Gutachten ist im Rahmen des rechtlichen Gehörs vollständig und schriftlich zu übergeben.25 Ein Dritter, gegen den in 16 17

18 19

S hierzu BVerfG NJW 1986, 1277 sowie LG Frankenthal NJW 1985, 2539. BGH NJW-RR 1994, 381; BayObLGZ 1995, 1 mwN; PfälzOLG Zweibrücken NJW 1989, 531 mwN; KGJ 20 A 173; BayObLGZ 1954, 314 = DNotZ 1955, 433; Schlegelberger Anm 7. KGJ 20, 175; OLG München HRR 137 Nr 739; OLG Stuttgart Rpfleger 1970, 92. BayObLG Rpfleger 1985, 28; OLG Hamm JMBlNRW 1962, 283; Baur § 19 II 7a.

20 21 22 23 24

25

BayObLG NJW-RR 1997, 771 = Rpfleger 1997, 162. Schlegelberger Anm 7; Keidel/Kahl Rn 13. BayObLG Rpfleger 1985, 28. Schlegelberger Anm 7. OLG Oldenburg NdsRpfl 1953, 32; BayObLGZ 1956, 114; OLG Hamm MDR 1954, 427; OLG Stuttgart Rpfleger 1985, 238. OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1361.

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§ 34

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

einem Verfahren nach § 1666 BGB Vorwürfe erhoben werden, wird erst Beteiligter, wenn er angehört wird oder gegen ihn Maßnahmen nach § 1666 Abs 4 BGB ergriffen werden.26 Nach der Beendigung des Verfahrens unterliegt aber das Einsichtsrecht auch der Beteiligten in vollem Umfange den Beschränkungen des § 34. Gleiches gilt auch für deren Verfahrensbevollmächtigte.27 Ein berechtigtes Interesse wird in der Regel anzuerkennen sein in Vormundschafts4 sachen für Verwandte und Verschwägerte, deren Anhörung nach § 1847 BGB geboten ist,28 für die nach § 57 Abs 1 Nr 9 Beschwerdeberechtigten, für den nach § 59 beschwerdeberechtigten Mündel,29 für den als Erzeuger in Anspruch genommenen,30 für den Nachlassgläubiger eines verstorbenen Mündels an der Einsichtnahme in das bei den Vormundschaftsakten befindliche Vermögensverzeichnis.31 Pflegeeltern können im Verfahren betr die Entlassung des Vormunds ein Recht auf Akteneinsicht haben; darüber ist unter Abwägung der Belange aller Beteiligten nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.32 Das berechtigte Interesse darf nicht deshalb verneint werden, weil derjenige, der Akteneinsicht begehrt, nicht beschwerdebefugt ist.33 Eine als Erbe in Betracht kommende Person hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht der Nachlasspflegschaftsakten,34 ein von der gesetzlichen Erfolge Ausgeschlossener an der Einsicht des Testaments und der Nachlassakten35 und des Nachlassverzeichnisses;36 gleiches gilt für den Vermächtnisnehmer.37 Allerdings begründet Verwandtschaft mit dem Erblasser für sich allein kein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Nachlassakten.38 Der Hinweis eines Beteiligten, er sei der Halbbruder des Erblassers und damit Erbe zweiter Ordnung, genügt dann nicht, wenn der Beteiligte durch das Testament des Erblassers nicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden ist.39 Der mutmaßlich als Erbe Berufene kann nicht schon zu Lebzeiten des Erblassers dessen Vormundschaftsakten einsehen, um sich über die Vermögensverhältnisse des Mündels zu unterrichten;40 gleiches gilt für die Einsichtnahme in Abrechnungen und Vermögensaufstellungen des Betreuers in den Betreuungsakten, wenn dies dem ausdrücklichen, wenn auch nicht mehr rechtsgeschäftlich relevanten Willen des Betreuten widerspricht.41 Der Aktionär hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht der zum Handelsregister der AG eingereichten Schriftstücke.42 Nicht berechtigt ist ein Interesse, welches auf bloßer Neugier beruht oder das Interesse eines am Verfahren nicht oder nicht mehr beteiligten Antragstellers daran, Aufschluss über belastende Angaben zu erhalten, welche von Zeugen oder anderen Auskunftspersonen in dem Verfahren über ihn gemacht worden sind.43 Nicht berechtigt ist auch das Interesse Dritter, durch Einsichtnahme in die Vormundschaftsakten Unterlagen zum Vorgehen gegen Mündel oder Vormund zu gewinnen, da es nicht Aufgabe des VormG sein kann, gegen die Interessen des Mündels zu handeln.44 Der nicht am Verfahren beteiligte Halbbruder 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

OLG Köln FamRZ 2001, 37. KG Rpfleger 1978, 253; BayObLGZ 56, 114. BayObLGZ 13, 424 = OLGR 25, 370; KG OLGR 43, 196. OLG Dresden OLGR 40, 18. KG JW 1937, 2848. KG OLGR 10, 28; BayObLG FamRZ 1990, 1124 = Rpfleger 1990, 421. OLG Hamm FamRZ 2002, 1126. BayObLG FamRZ 1990, 430. München JFG 15, 83; LG Lübeck Rpfleger 1985, 151. BayObLGZ 6, 154; BayObLGZ 1954, 310; Josef Anm 6.

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36 37 38 39 40 41 42 43 44

LG Erfurt Rpfleger 1997, 115; LG Bayreuth Rpfleger 1990, 258. BayObLG FGPrax 1995, 7. BayObLG Rpfleger 1982, 345; FamRZ 2001, 170. PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 2003, 89. KG OLGR 25, 370; KG RJA 1, 4. OLG Köln FamRZ 2004, 1124. KG RJA 16, 98. Schlegelberger Anm 7; aA BayObLGZ 1959, 420. KG RJA 16, 6.

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§ 34

Akteneinsicht, Abschriften

des Betroffenen hat kein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Betreuungsakten, sofern ihm das Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens bekannt ist. Das gilt auch dann, wenn der Betreuer sich in einer Auseinandersetzung mit dem Halbbruder auf die Geschäftsunfähigkeit des Betreuten beruft.45 Auch nach Entziehung der elterlichen Sorge verbleibt den leiblichen Eltern des Kindes regelmäßig ein Recht auf Information über die Lebensumstände des Kindes, was als berechtigtes Interesse gem § 34 zur Einsicht in die familiengerichtlichen Akten anzusehen ist. Das Akteneinsichtsrecht kann ausnahmsweise beschränkt werden, wenn höherrangige Rechte des Kindes (auf Leben und Gesundheit) oder Dritter (Pflegeeltern) auf dem Spiel stehen.46 2. Umfang der Akteneinsicht und der Abschrifterteilung Das berechtigte Interesse ist auch maßgebend dafür, in welchem Umfang Einsicht zu 5 gewähren ist oder Abschriften zu erteilen sind („insoweit“). Grundsätzlich unterliegen der Akteneinsicht sämtliche Bestandteile der Verfahrensakte, einschließlich der darin befindlichen Urkunden; allerdings ist das Geheimhaltungsinteresse der Verfahrensbeteiligten regelmäßig höher einzustufen als das Informationsinteresse Dritter.47 Wer ein Interesse nur an einer einzelnen in den Akten erörterten Angelegenheit hat, kann deshalb Abschriften oder Einsicht nur in dem entsprechenden Umfange verlangen,48 vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgehend sind die Rechte des Einsichtnehmenden und die des Schutzes privater Geheimnisse oder der informellen Selbstbestimmung des Betroffenen abzuwägen.49 Das Gericht kann in diesem Fall die Einsichtnahme auf Teile der Akten beschränken oder einzelne Teile oder Urkunden davon ausnehmen. Das gilt auch für einen als Betreuer in Frage kommenden Angehörigen hinsichtlich des sich in der Betreuungsakte befindlichen Bestattungsvertrages, weil er Wünsche und Verfügungen des Betreuten für dessen Bestattung enthält.50 Das Gericht dürfte sogar für verpflichtet zu halten sein, die Einsichtnahme nur insoweit zu gestatten, als ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht ist. Auch wenn ein Recht auf Einsichtnahme in den gesamten Akteninhalt anzuerkennen ist, zB für die Beteiligten oder den volljährig gewordenen Mündel, kann es sein, dass ein Recht auf Abschrifterteilung nur in geringerem Umfange besteht, wenn dem Interesse des Gesuchstellers durch Gestattung der Einsicht und der eigenen Abschriftnahme genügend gedient ist und ein besonderes Interesse an der Erlangung von Abschriften nicht besteht.51 Ist das Interesse an der Einsichtnahme als berechtigt anzuerkennen, so kann die Einsicht grundsätzlich nicht durch mündliche oder schriftliche Auskünfte aus den Akten ersetzt werden, es muss dem Beteiligten gestattet sein, selbst oder durch einen Rechtskundigen feststellen zu lassen, welche ihm erheblich erscheinenden Tatsachen aus den Akten ersichtlich sind.52 Eine solche Beschränkung ist nur statthaft, wenn trotz berechtigten Interesses besondere Gründe für eine Versagung der Einsicht gegeben sind. Beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten sind auf Antrag Abschriften der Sitzungsprotokolle zu erteilen.53

45 46 47 48 49

LG München NJW-FER 1999, 17. OLG Köln Rpfleger 1998, 21. OLG Köln Rpfleger 1998, 21; LG Detmold Rpfleger 1999, 26. KGJ 46, 8; BayObLG FamRZ 1998, 638. BayObLG FamRZ 2005, 237.

50 51 52 53

BayObLG FamRZ 2005, 237. OLG Düsseldorf JMBlNRW 1958, 177; Schlegelberger Anm 9. BayObLG OLGR 10, 30; OLG Hamm JMBINRW 1952, 95. KG Rpfleger 1978, 253.

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§ 34

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

3. Glaubhaftmachung

6

Das berechtigte Interesse muss nicht nur, wie nach § 12 GBO, dargelegt, sondern glaubhaft gemacht werden. Während unter Darlegung das Vorbringen von Tatsachen zu verstehen ist, aus denen das Gericht hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Darstellung gewinnen kann,54 erfordert Glaubhaftmachung das Erbringen eines solchen Grades der Wahrscheinlichkeit (im Gegensatz zur vollen Überzeugung), wie er im gewöhnlichen Verkehr hinreicht, um Verständige die Wahrheit der versicherten Tatsache bis auf weiteres annehmen zu lassen (vgl § 15 Rn 82, 83). Über Form und Mittel der Glaubhaftmachung siehe § 15 Abs 2. Sofern eine eidesstattliche Versicherung beigebracht wird, hat sie sich auf die Tatsachen zu beziehen, welche das Interesse begründen sollen. Es müssen also Umstände wahrscheinlich gemacht werden, aus denen sich erfahrungsgemäß ein berechtigtes Interesse ergibt;55 der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) gilt insoweit nicht. Häufig wird aber die Beibringung besonderer Mittel der Glaubhaftmachung entbehrlich sein, wenn sich das Interesse bereits aus der aus den Akten ersichtlichen Sachlage ergibt, insbesondere wenn Beteiligte oder ihre Vertreter die Einsicht nachsuchen.56 Aus der Eigenschaft als Beteiligter ergibt sich aber nicht ausnahmslos ein berechtigtes Interesse. 4. Ermessensausübung

7

Das Gericht darf sein Ermessen, ob es Akteneinsicht gewährt, erst dann ausüben, wenn es ein berechtigtes Interesse bejaht hat.57 Ist ein berechtigtes Interesse nicht glaubhaft gemacht, so darf das Gericht Einsicht nicht gewähren und Abschriften nicht erteilen. Ein Dritter, gegen den in einem Verfahren nach § 1666 BGB Vorwürfe erhoben werden, wird erst Beteiligter, wenn er angehört wird oder gegen ihn Maßnahmen nach § 1666 Abs 4 BGB ergriffen werden. Ein Akteneinsichtsrecht nach § 34 ist dem Dritten nach dem Ermessen des Gerichts zu versagen, wenn dem kollidierende Interessen der übrigen Verfahrensbeteiligten, insbesondere das Interesse des Kindes an der Vertraulichkeit seiner Angaben in dem Verfahren gegenüberstehen.58 Andererseits begründet das Bestehen eines berechtigten Interesses auch noch kein unbedingtes Recht; das Gericht hat vielmehr nach pflichtmäßigem Ermessen darüber zu befinden, ob gleichwohl Gründe vorliegen, Einsicht oder Abschrift zu versagen.59 Solche Gründe können vorliegen, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragsteller nur aus Schikane handelt oder unlautere Zwecke verfolgt.60 Aber auch sonst hat das Gericht bei der Ausübung seines Ermessens die widerstreitenden Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen.61 Es ist zu prüfen, ob der Gewährung der Akteneinsicht ein schutzwürdiges Interesse der Beteiligten an der Geheimhaltung ihrer Verhältnisse entgegensteht62 oder ob ein gleichwerti54 55 56

57 58 59

KG RJA 1, 75; OLG Jena OLGR 25, 368. KG OLGR 5, 199. OLG Düsseldorf BtPrax 1996, 188; OLG Stuttgart Rpfleger 1985, 128; OLG Oldenburg NdsRpfl 1953, 32; BayObLGZ 1959, 420. BayObLG Rpfleger 1990, 421 = FamRZ 1990, 1124. OLG Köln FamRZ 2001, 37. KG RJA 1, 4; KG OLGR 5, 200; 10, 28; RJA 16, 6; BayObLG OLGR 28, 331; JFG 4, 90; BayObLGZ 1956, 114; 1959, 420; OLG Hamm MDR 1950, 355; OLG Karlsruhe

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60 61

62

FamRZ 1966, 268; LG Detmold Rpfleger 1999, 26; Schlegelberger Anm 12; Pikart/ Henn S 82. KG RJA 1, 4; KG OLGR 5, 199. KG RJA 16, 6; BayObLGZ 1959, 420, OLG Hamm MDR 1950, 355; OLG Köln Rpfleger 1998, 21. BayObLG OLGR 28, 331; KG RJA 16, 6; BayObLGZ 1956, 114; OLG Hamm JMBINRW 1962, 283; Karlsruhe OLGZ 1966, 201 = FamRZ 1966, 268; OLG Köln Rpfleger 1998, 21; LG Detmold Rpfleger 1999, 26; Schlegelberger Anm 12.

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Akteneinsicht, Abschriften

§ 34

ges oder höher zu bewertendes Interesse der Öffentlichkeit oder eines Dritten die Geheimhaltung geboten erscheinen lässt.63 Das Interesse der Beteiligten kann es gebieten, dass Vorgänge, die ihre Persönlichkeitssphäre aufs engste berühren, nicht zur Kenntnis Dritter gelangen, zB wenn die Akten Erörterungen über den Geisteszustand des Betroffenen enthalten,64 aber auch wenn durch Gewährung der Einsicht an Dritte in das Vertrauensverhältnis zwischen VormG und Vormund oder Mündel störend eingegriffen würde. Den rechtlich geschützten Interessen des Kindes und seiner Adoptiveltern muss durch Geheimhaltung aller Umstände Rechnung getragen werden, die eine Aufdeckung ihrer Identität ermöglichen würden.65 Personen, die in Erfüllung ihrer Zeugnispflicht oder Amtspflicht (Vertreter des Jugendamts) gehört worden sind, müssen im allgemeinen, wenn nicht schwerwiegende Gründe eine andere Beurteilung rechtfertigen, davor geschützt werden, durch Gewährung der Einsichtnahme an am Verfahren nicht beteiligte Dritte wegen ihrer Stellungnahmen Anfeindungen ausgesetzt zu sein.66 Das durch Art 2 Abs 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Pflegemutter ist zu berücksichtigen, das auch ihr Interesse umfasst, ihre Lebensumstände und persönlichen Daten Dritten nicht offenbaren zu müssen.67 Die Versagung darf aber nicht auf bloße Vermutungen oder Erwägungen allgemeiner Art gestützt werden, sondern es müssen bestimmte, sich aus der Sachlage ergebende Gründe vorliegen.68 Unter Umständen kann den beiderseitigen Interessen dadurch gedient werden, dass dem Antragsteller die ihn interessierenden Aktenteile mündlich oder auszugsweise mitgeteilt werden, soweit dies ohne Gefährdung anderer Interessen möglich ist;69 eine weitere Möglichkeit besteht darin, schützenswerte Teile aus der Akte zu entfernen.70 Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt jedoch nur für die Einsichtgewährung an Dritte und an Beteiligte nach Beendigung des Verfahrens. Während des Verfahrens ist das Ermessen des Gerichts den Verfahrensbeteiligten gegenüber wesentlich dadurch eingeschränkt, dass eine Versagung der Akteneinsicht nicht zu einer Verkürzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) und damit zu einer Beschränkung der Beteiligten bei der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteilung führen darf.71 Hat ein Beteiligter infolge Versagung der Akteneinsicht von Tatsachen oder Beweisergebnissen oder dem Vorbringen anderer Beteiligter keine Kenntnis erlangt, so ist damit auch das rechtliche Gehör verletzt;72 ebenso, wenn zwecks Anfertigung der Beschwerdebegründung um Akteneinsicht nachgesucht worden ist, das Gericht aber entschieden hat, ohne über das Gesuch zu befinden und die Beschwerdebegründung abzuwarten.73 Andererseits entfällt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn Vorgänge, die dem Beteiligten von Amts wegen hätten mitgeteilt werden müssen, durch Akteneinsicht zu seiner Kenntnis gelangt sind.74 Die Beteiligten sind aber nicht verpflichtet, von sich aus durch Einsichtnahme nachzuforschen, ob sich bei den Akten Vorgänge befinden, die ihnen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs hätten mitgeteilt werden müssen.75 Die Namen von Zeugen oder Auskunftspersonen, deren Bekundungen bei der Entscheidung verwertet werden sollen, dürfen den Beteiligten keinesfalls vorenthalten 63 64 65 66

67 68

BayObLGZ 1995, 1. OLG Hamm JMBINRW 1962, 283. OLG Stuttgart Rpfleger 1985, 238. BayObLG JFG 4, 90; OLG Hamm MDR 1950, 355; HansOLG Hamburg ZBlJR 1950, 137; BayObLGZ 1959, 420; OLG Karlsruhe ZBlJR 1963, 266. OLG Köln Rpfleger 1998, 21. BayObLGZ 1956, 114; OLG Köln Rpfleger 1998, 21 = FamRZ 1998, 307.

69 70 71 72 73 74 75

BayObLGZ 22, 159 = JW 1923, 690; BayObLGZ 1956, 114. OLG Köln Rpfleger 1998, 21. BayObLGZ 1956, 114. BVerfGE 11, 218; 70, 215. BVerfGE 18, 399. BVerfGE 7, 329. BVerfGE 17, 194; 18, 147.

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werden.76 Auch Berichte der Jugendämter (§ 50 Abs 1 SGB VIII iVm §§ 49, 49a FGG) müssen den Beteiligten zugänglich gemacht werden.77 In Kindschaftsverfahren (Stiefvater-Einbenennung) reicht die Möglichkeit der Akteneinsicht oder der Abschriftenerteilung anstelle der öffentlichen Bekanntmachung einer Entscheidung aus, da die öffentliche Bekanntmachung die Besonderheiten eines jeden Verfahrens unter Berücksichtigung vom Sinn und Zweck von Art 6 Abs 1 EMRK zu beurteilen ist.78 5. Einschränkung bei Annahme als Kind

8

Das geltende Adoptionsrecht soll idR dazu dienen, dem angenommenen Kind eine Stellung zu verschaffen, die weitgehend der eines natürlichen Kindes gleichkommt. Zu diesem Zweck wird das Kind vollständig aus seiner mit ihm blutverwandten Familie herausgelöst und wechselt in eine neue Familie, die jedoch durch Rechtsakt entsteht.79 Damit die Kindesannahme nicht aufgedeckt wird, sieht das Gesetz vor, dass Tatsachen, die geeignet sind, die Annahme und ihre Umstände zu enthüllen, nicht ohne Zustimmung des Annehmenden und des Kindes offenbart oder ausgeforscht werden dürfen, es sei denn, besondere Gründe des öffentlichen Interesses machen dies erforderlich (§ 1758 Abs 1 BGB). § 34 Abs 2 sieht vor, dass eine Einsicht in Akten und eine Erteilung von Abschriften zu versagen ist, als § 1758 BGB entgegensteht. Die Einsicht in die Annahmeakten oder Aufhebungsverfahren ist damit eingeschränkt, ebenso auch in Akten, in denen Vorfragen zu beidem zu klären sind.80 Das Verbot der Ausforschung steht einer Bekanntgabe von Adoptionsumständen nicht entgegen, soweit diese zur Wahrung des rechtlichen Gehörs geboten sind; den rechtlich geschützten Interessen des Kindes und der Eltern muss in einem solchen Fall durch Geheimhaltung aller Umstände Rechnung getragen werden, die eine Aufdeckung ihrer Identität ermöglichen würden.81 Notfalls muss die Einsicht in der Form gewährt werden, dass ein Satz von Kopien überlassen wird, aus dem Namen und Anschriften der Annehmenden nicht ersichtlich ist82 oder die Namen sind unkenntlich zu machen.83 Die Einschränkung entfällt, wenn besondere Umstände des öffentlichen Interesses dies erforderlich machen, zB bei der Verfolgung von Straftaten.84 Gleiches ist der Fall, wenn der Annehmende und das Kind der Einsicht zustimmen. Das Kind kann die Zustimmung nur im Rahmen seiner Verfahrensfähigkeit nach § 1746 BGB erteilen, andernfalls durch den gesetzlichen Vertreter. Bei Interessenkollision ist ein Verfahrenspfleger notwendig.85 Wann und ob das Kind selbst von seinem Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung Gebrauch machen will, ist ein Problem zwischen den Annehmenden und dem Kind; der Staat soll hier nicht eingreifen.86 Ab Vollendung des 16. Lebensjahres kann das Kind jedoch Einsicht in seine Abstammungsurkunde nehmen und daraus sind auch nach Annahme als Kind die leiblichen Eltern ersichtlich (§ 61 Abs 2 PStG). 76

77

78

OLG Karlsruhe OLGR 12, 206; Jansen Anm zu OLG Frankfurt EJF B II Nr 32; ders Wandlungen S 38 Fn 97; Baur § 19 II 7a; H. Keidel Diss S 131, 132; aA BayObLGZ 14, 80; 22, 159; OLG Frankfurt FamRZ 1960, 72 = EJF B II Nr 32 m Anm Jansen. H. Keidel Diss S 132; Tröndle ZBLJR 1953, 190; aA OLG Hamm MDR 1950, 355; 1954 427; BayObLGZ 22, 159; OLG Frankfurt FamRZ 1960, 72 = EJF B II Nr 32 m abl Anm Jansen. EuGHMR FamRZ 2002, 1017 m Anm Rixe.

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79 80 81 82 83 84 85 86

Palandt/Diederichsen § 1758 Rn 1; Lüderitz Rn 1002. Bassenge/Herbst/Roth § 34 Rn 9; Keidel/ Kahl Rn 30. OLG Stuttgart Rpfleger 1985, 238. OLG Karlsruhe FGPrax 1996, 106. BayObLG FamRZ 1991, 224. Palandt/Diederichsen § 1758 Rn 2. Bassenge/Herbst/Roth § 34 Rn 9; Keidel/ Kahl Rn 30. Palandt/Diederichsen § 1758 Rn 2.

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Akteneinsicht, Abschriften

§ 34

III. Akteneinsicht und Erteilung von Abschriften Von § 34 erfasst sind die Gerichtsakten, die in einer bundesrechtlichen Angelegenheit 9 der freiwilligen Gerichtsbarkeit iSd § 1 erwachsen sind, mit allen darin befindlichen Urkunden, auch soweit sie, zB zu Beweiszwecken, nur vorübergehend bei den Akten verwahrt werden. Nicht der Einsicht unterliegen die Entwürfe zu Beschlüssen und Verfügungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung und Schriftstücke über Abstimmungen (vgl § 299 ZPO, § 99 VwGO) sowie Auskünfte der Steuerbehörden an das Registergericht (§ 125a Abs 2). Die Vorschrift bezieht sich nur auf die eigenen Akten des Gerichts, nicht auf Beiakten einer anderen Behörde. Den Beteiligten darf Einsicht in Beiakten nur nach den für diese geltenden Vorschriften gewährt werden,87 in Prozessakten nach Maßgabe des § 299 ZPO, in Strafakten nach den Bestimmungen der Richtlinien für das Strafverfahren.88 Im Zweifelsfalle ist die Genehmigung der zuständigen Behörde einzuholen, wenn ein berechtigtes Interesse nachgewiesen wird.89 Über einen Vorbehalt der übersendenden Behörde, die Akten den Beteiligten nicht zugänglich zu machen, darf sich das Gericht nicht hinwegsetzen;90 die Akten müssen alsdann als unverwertbar zurückgesandt werden. Geheimzuhaltender Akteninhalt darf nicht zum Nachteil eines Beteiligten verwendet werden.91 Nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12) darf das Gericht jedoch Tatsachen, die als solche nicht geheim sind, auch Akten entnehmen, die den Beteiligten nicht offen stehen, wenn es diese Tatsachen zum Gegenstand seiner Ermittlung und Erörterung mit den Beteiligten macht. Zur Verwertung ist jedoch notwendig, dass ihr Inhalt den Beteiligten zur Kenntnis gegeben und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird.92 1. Entscheidung des Gerichts Über den Antrag entscheidet nicht, wie nach § 299 Abs 2 ZPO, der Vorstand des 10 Gerichts oder, wie nach § 12c Abs 1 Nr 1 GBO, der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, sondern das Gericht, also der Richter, in übertragenen Sachen der Rechtspfleger (§ 4 Abs 1 RPflG)93. Befinden sich die Akten in der Beschwerdeinstanz, so darf das Beschwerdegericht entscheiden, hier entscheidet entweder die Kammer, der Senat oder wenn eine Einzelrichterzuständigkeit vorliegt, dieser.94 Überlässt der Richter die Entscheidung allgemein dem Urkundsbeamten, so trägt er dafür die Verantwortung. 2. Ausübung des Rechts auf Einsicht a) Einsichtnahme Das Recht auf Einsicht kann in dem genehmigten Umfang persönlich oder durch 11 einen Bevollmächtigten ausgeübt werden; in letzterem Falle ist das berechtigte Interesse des Vertretenen maßgebend.95 Mündliche oder schriftliche Vollmacht genügt; bestehen begründete Zweifel gegen die Echtheit der Unterschrift, so kann Beglaubigung verlangt

87 88 89 90 91 92

BGH MDR 1973, 580. AA BayObLGZ 14, 43. BVerfG NJW 1981, 535; 1984, 2590. BGH ZZP 65, 271 = NJW 1952, 305; Arnold NJW 1953, 1283. BayObLGZ 1956, 116; Arndt JZ 1963, 67; Jansen Wandlungen S 38. BVerfGE 20, 349; 62, 392; BGH MDR 1973, 580.

93 94

95

BayObLG Rpfleger 1991, 6; Arnold/MeyerStolte/Herrmann § 4 Rn 22. AA OLG Köln FGPrax 2000, 46, das die Entscheidung dem Vorsitzenden zubilligt; ebenso Keidel/Kahl Rn 10. KGJ 22 A 122; KG JW 1936, 2342; Bassenge/ Herbst/Roth Rn 4.

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§ 34

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werden (§ 13 S 3). Dem Bevollmächtigten ist die Einsicht zu verweigern, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er statt des berechtigten Interesses seines Auftraggebers das eigene unberechtigte Interesse oder das Interesse Dritter wahrnehmen wird.96 Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Bevollmächtigten reichen zur Versagung nur aus, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er mit der Einsicht unlautere Zwecke verfolgt.97 Dem Rechtsanwalt eines Beteiligten ist in der Regel Akteneinsicht zu gewähren. Dem Verfahrenspfleger als subjektivem Interessenvertreter des Kindes ist Akteneinsicht zu gewähren, denn seine Aufgabenstellung in dem Verfahren ist vergleichbar mit der eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigtem.98 Auskunfteien steht ein Recht zur Einsicht nicht aus eigenem Recht, sondern nur aus dem berechtigten Interesse ihres Auftraggebers zu.99 Gewerbliche Erbenvermittler haben kein Einsichtsrecht, wenn sie ohne einen denkbaren Berechtigten zu vertreten, lediglich eigene wirtschaftliche Ziele verfolgen.100 Die Vollmacht des beurkundenden Notars kann in der Regel vermutet werden.101 b) Abschriftnahme

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Das Recht auf Einsicht schließt die Befugnis des Berechtigten ein, sich selbst Aufzeichnungen oder Abschriften aus den Akten zu fertigen.102 Das kann auch unter Benutzung einer Schreibhilfe, und zwar in der Weise geschehen, dass die Schreibhilfe auf Anweisung des Berechtigten unmittelbar die Abschrift herstellt, sofern dadurch der Geschäftsbetrieb nicht beeinträchtigt wird.103 Es können auch Fotokopien von Aktenteilen und Urkunden hergestellt werden, sofern durch den technischen Aufwand nicht der sonstige Geschäftsablauf gestört wird, worüber im Verwaltungswege zu entscheiden wäre.104 c) Ort und Zeit der Einsicht

13

Das Recht zur Einsichtnahme ist an der Geschäftsstelle während der üblichen Geschäftsstunden auszuüben. Eine andere Art der Einsichtnahme zuzulassen, liegt im Ermessen des Richters oder des Rechtspflegers. Es besteht kein Recht auf Überlassung der Akten zur Einsichtnahme in der Kanzlei des Anwalts oder Notars;105 auch besteht kein Rechtsanspruch der Beteiligten oder des Rechtsanwalts darauf, dass die Akten zum Zwecke der Einsichtnahme an die Geschäftsstelle eines auswärtigen Gerichts versandt werden.106 Aushändigung und Versendung stehen im Ermessen des Gerichts; gerade Registerakten, die auch für weitere regelmäßige Einsicht zur Verfügung stehen müssen, dürften nur in ganz großen Ausnahmefällen versandt werden. Der RA muss besondere Gründe vortragen, aus denen er eine Einsicht bei Gericht nicht für zumutbar hält.107 Aus Praktikabilitätsgründen zB zur Vermeidung langer Anreisewege kann die Einsicht im AG

96 97 98 99 100 101 102 103 104

KG aaO. KG JW 1936, 2342. KG FamRZ 2000, 1300; HB-VP/Bauer Rn 138 ff. Schlegelberger Anm 5. LG Berlin Rpfleger 2004, 630; Rpfleger 2000, 393 u 161. LG München I DNotZ 1971, 702. KGJ 44, 88 = RJA 12, 205. KG DNotZ 1933, 371. KGJ 44, 88 = RJA 12, 205; Schlegelberger Anm 6.

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105

106

107

BGH NJW 1961, 559 = Rpfleger 1961, 190 zum Zivilprozess; OLG Köln Rpfleger 1983, 325; Frohn RpflJB 1982, 323; aA OLG Frankfurt NJW 1992, 846 = Rpfleger 1991, 460 für den Fall der Übersendung von Pflegschaftsakten. BGH NJW 1961, 559 = Rpfleger 1961, 190 zum Zivilprozess; BFH NJW 1968, 864 zu § 78 FGO; KG JFG 18, 283 für Notare. LG Mannheim Die J 1978, 236.

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§ 34

am Kanzleisitz des RA oder Notars gestattet werden.108 Wird ausnahmsweise die Einsichtnahme durch Überlassung der Akten in die Kanzlei des Rechtsanwalts gestattet, sollte allerdings, um einen möglichen Verlust zu vermeiden, sichergestellt sein, dass der Verfahrensbevollmächtigte die Akten persönlich abholt und kurzfristig persönlich wieder zurückbringt.109 Wenn sich die Akten bei einem auswärtigen Beschwerdegericht (OLG, BGH) befinden, wird ihre Zurücksendung an das Gericht erster Instanz zum Zwecke der Einsichtnahme verlangt werden können. 3. Beglaubigung von Abschriften Ist die Erteilung einer Abschrift bewilligt worden, so ist sie auf Verlangen zu beglau- 14 bigen, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade an der Beglaubigung nachgewiesen werden müsste (§ 34 S 2 HS 2). Die Beglaubigung von Abschriften durch die dafür zuständige Person ist in §§ 39, 42 BeurkG geregelt. Allerdings bezieht sich § 42 BeurkG nur auf die Abschriftbeglaubigungen, die als selbständige Amtshandlung auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege zu erfüllen sind. Darunter fällt nicht die Abschriftbeglaubigung durch den UdG nach § 34, also nicht die Beglaubigungen, die mit der Akten- und Registerführung zusammenhängen.110 Die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften ist jedoch ratsam.111

IV. Rechtsmittel Die Entscheidung über die Gewährung oder Versagung von Akteneinsicht (oder die 15 Erteilung von Abschriften) ist eine nach § 19 beschwerdefähige Verfügung; es findet deshalb die Sachbeschwerde statt;112 gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die weitere Beschwerde, das Gericht der weiteren Beschwerde hat jedoch die Entscheidung des Beschwerdegerichts nur auf Rechtsfehler zu prüfen.113 Wird jedoch nicht die Einsichtnahme als solche aus den Gründen des § 34 versagt, sondern nur die besondere Art der verlangten Ausführung (Aushändigung, Versendung, Anfertigung von Abschriften und Photographien in störender Art) aus Gründen der Ordnung des Geschäftsbetriebes oder Verwaltungsrücksichten abgelehnt, so ist nicht die Sachbeschwerde, sondern allenfalls die Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben;114 auch ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das OLG nach § 23 EGGVG kommt insoweit nicht in Betracht.115 1. Versagung Gegen die Versagung steht dem Antragsteller ein Beschwerderecht aus § 20 zu; die 16 Rechtsbeeinträchtigung liegt, auch wenn kein Rechtsanspruch auf Einsicht besteht, darin, dass der Anspruch auf rechtmäßigen Ermessensgebrauch verletzt ist,116 bei Beteilig108 109 110 111 112 113

OLG Dresden Rpfleger 1997, 27 = NJW 1997, 667. OLG Frankfurt NJW 1992, 846 = Rpfleger 1991, 460. von Schuckmann/Preuß in Huhn/von Schuckmann BeurkG § 42 Rn 2. Keidel/Kahl § 34 Rn 23. BayObLGZ 1995, 1 = FamRZ 1995, 682 mwN. BayObLG Rpfleger 1997, 162 = NJW-RR 1997, 771; BayObLG FamRZ 1990, 1124

114

115 116

mwN; BayObLG FamRZ 1990, 649; KG RJA 1, 1. BayObLGZ 1995, 1 = FamRZ 1995, 682; KGJ 38 A 6; 44, 88 = RJA 12, 205; KG OLGR 33, 1; KG JFG 18, 283; Schlegelberger Anm 6, 12. OLG Hamm NJW 1968, 169 (StPO). KGJ 20 A 3 = RJA 1, 1; BayObLG OLGR 10, 30; BayObLGZ 1959, 420; OLG Karlsruhe OLGR 12, 206; OLG Braunschweig OLGR 23, 367; OLG Düsseldorf BtPrax

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

ten kann auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in Betracht kommen (Rn 7). Das LG kann sein Ermessen anders ausüben als das AG. Die weitere Beschwerde, die nicht ausgeschlossen ist, kann nur darauf gestützt werden, dass das LG die Rechtsbegriffe des berechtigten Interesses oder der Glaubhaftmachung verkannt oder sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt habe.117 Mit der weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache kann die Versagung der Akteneinsicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt werden. Ist ausnahmsweise das Landgericht Gericht erster Instanz, so entscheidet über die 17 erste Beschwerde das OLG. Die Ablehnung durch das Landgericht, welches als Beschwerdegericht mit der Sache befasst ist, ist jedoch nicht selbständig anfechtbar, da gegen Zwischenverfügungen des Beschwerdegerichts ein Rechtsmittel nur stattfindet, soweit es besonders zugelassen ist (§ 19 Rn 46), was hier nicht zutrifft.118 2. Gewährung

18

Gegen die Gewährung der Akteneinsicht und die Abschrifterteilung steht ein Beschwerderecht dem Beteiligten zu, dessen Recht durch die Offenlegung verletzt wird.119 Die Beschwerde wird jedoch durch die Einsichtnahme oder Aushändigung der Abschrift gegenstandslos und damit unzulässig, da eine Abhilfe nicht mehr möglich ist.

V. Behörden 19

Behörden haben die Rechte aus § 34, soweit sie selbst oder die von ihnen vertretene Körperschaft oder Anstalt die Stellung von Verfahrensbeteiligten haben oder soweit eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ein berechtigtes Interesse aus seiner Eigenschaft als Vermögensträger herleiten kann (zB Jugendämter, Industrie- und Handelskammern, Rentenversicherungsträger); dies gilt auch für die Staatskasse im Prozesskostenhilfeverfahren.120 Die Gewährung von Akteneinsicht an eine Behörde, die nicht selbst Verfahrensbeteiligter ist, stellt jedoch keine Rechtshilfe iSd §§ 156 ff GVG (s § 2 Rn 3), sondern Amtshilfe gem Art 35 GG dar.121 Landesrechtliche Vorschriften finden ebenfalls Anwendung. Die Überlassung der Akten geschieht hier durch die Justizverwaltung (§§ 23 ff EGGVG) und darf grundsätzlich nicht erfolgen, wenn sie schützenswerte Interessen der Beteiligten verletzen würde und diese nicht einverstanden sind.122 Verlangt eine Verwaltungsbehörde für öffentliche Belange eine Auskunft aus den Akten und wird diese verweigert, weil eine Verpflichtung dazu nicht besteht, so findet dagegen nur die Aufsichtsbeschwerde statt.123

117

118

1996, 188; Schlegelberger Anm 12; Keidel Rpfleger 1960, 358. BayObLG FamRZ 1990, 649; BayObLG OLGR 10, 30; BayObLGZ 1959, 420; KG RJA 1, 1. HansOLG Hamburg OLGR 28, 332; KG NJW 1960, 1625 = Rpfleger 1960, 374; Schlegelberger § 19 Anm 24b; Pikart/Henn S 129; aA KG DFG 1937, 226; BayObLGZ

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119 120 121 122 123

14, 42; 1956, 114; Keidel Rpfleger 1960, 358. KGJ 53, 64; BayObLGZ 1967, 349; Schlegelberger Anm 12 aE. Keidel/Kahl Rn 21. BayObLG FamRZ 1998, 33 mwN. BVerfG NJW 1970, 555. KG OLGR 12, 197; vgl auch KGJ 21 A 273; 23 A 213.

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§ 34

VI. Auskunftserteilung Aus dem Recht zur Einsichtnahme und auf Erteilung von Abschriften folgt nicht ein 20 Rechtsanspruch auf Erteilung von Auskünften und Bescheinigungen,124 soweit eine Verpflichtung dazu nicht auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschrift begründet ist (vgl § 9 Abs 4 HGB, § 162 FGG, § 156 GenG, § 12c Abs 1 Nr 1–2 GBO). Die Erteilung von Auskünften über den Akteninhalt wird aber auch ohne Rechtspflicht nach pflichtgemäßem Ermessen häufig in billiger Rücksichtnahme auf die Belange der Beteiligten angebracht sein, wenn die nachgesuchte Auskunft mit Leichtigkeit und ohne besondere Verantwortlichkeit erteilt werden kann. Jedoch sind dabei die Grenzen zu beachten, die für die Einsichtsgewährung gelten. Wird eine Auskunft, auch ohne Bestehen einer Rechtspflicht, erteilt, so erfordert es die Amtspflicht, sie zutreffend, unmissverständlich und vollständig zu erteilen,125 das gilt auch für die Auskunft, ob überhaupt Akten vorhanden sind.126 Wird die Erteilung einer Auskunft, zu der keine Rechtspflicht besteht, verweigert, so ist dagegen die Sachbeschwerde nicht gegeben.127 Die Erteilung einer Auskunft schließt das Recht auf Akteneinsicht nicht aus.

VII. Notariatsakten Die Einsichtnahme in Notariatsakten und notarielle Urkunden sowie das Recht auf 21 Erteilung von Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften richtet sich nach § 51 BeurkG. Diese bundesrechtliche Regelung ersetzt die zuvor aufgrund des Vorbehalts in § 20 FGG ausschließlichen landesrechtlichen Regelungen. § 51 zieht den Kreis der Berechtigten enger, da der Anspruch denjenigen nicht mehr zusteht, die lediglich geltend machen können, die Urkunde sei in ihrem Interesse errichtet.128

VIII. Nichtgerichtliche Behörden, Landesrecht Nach § 194 Abs 1 gilt § 34 auch für die nach Landesrecht zuständigen nichtgericht- 22 lichen Behörden. In landesrechtlichen Angelegenheiten ist die Vorschrift durchweg für anwendbar erklärt in den Ländern, in denen das PrFGG weitergilt (Art 1 PrFGG) sowie nach § 8 RhPfFGG, Art 34 BayAGGVG, Art 7 NdsFGG; § 42 Abs 1 SächsJustAG, § 1 BremAGFGG. § 5 Abs 1 BWFGG, Art 1 HessFGG, § 52 SaarlAGJusG.

IX. Abweichende Vorschriften § 34 gilt für alle Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die den Gerichten 23 übertragen sind (§ 1); jedoch wird die Vorschrift durch Sondervorschriften in anderen Gesetzen verdrängt oder durch spezielle Vorschriften des FGG ergänzt.

124

125

KG RJA 1, 210; OLG Braunschweig OLGR 23, 370; KG OLGR 40, 99; BayObLGZ 22, 161; KG DFG 1937, 228. RGZ 170, 129; BGH LM § 839 BGB (Fc) Nr 19.

126 127 128

AA OLG Braunschweig OLGR 23, 370. KG RJA 1, 210; BayObIGZ 1967, 348; Schlegelberger Anm 3. von Schuckmann/Preuß in Huhn/von Schuckmann BeurkG § 51 Rn 1, 2.

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§ 34

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1. Nach FGG

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Ein unbedingtes Recht auf Erteilung von Abschriften haben Beteiligte nach § 16 Abs 3; in Nachlassauseinandersetzungsverfahren nicht erschienene Beteiligte auf Einsicht und Erteilung von Abschriften nach § 91 Abs 3, 93 Abs 2; jeder, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, in den Fällen des § 78. Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht (zum Unterschied zwischen rechtlichem und berechtigtem Interesse s Rn 3), hat nach § 85 ein Recht auf Erteilung einer Ausfertigung der dort bezeichneten Urkunden.129 2. Nachlasssachen

25

In Nachlasssachen besteht bei Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses ein unbedingtes Recht auf Einsicht in Akten nach §§ 1953 Abs 3, 1957 Abs 2, 2010, 2081 Abs 2, 2146 Abs 2, 2228, 2384 Abs 2 BGB auf Einsicht und Abschrifterteilung von Testamenten nach § 2264 BGB, während für eröffnete Erbverträge § 34 FGG gilt.130 In diesen Fällen ist mithin, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird, für eine Ermessensausübung kein Raum. Neben diesen Vorschriften ist aber auch § 34 als anwendbar anzusehen, so dass das Gericht bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses nach seinem Ermessen Einsicht und Abschrifterteilung gewähren kann (s Rn 4).131 Der Erblasser kann Einsicht und Erteilung einer Abschrift von seinem in besondere amtliche Verwahrung gebrachten Testament oder Erbvertrage verlangen.132 Wenn sich im Fall des § 2264 das rechtliche Interesse nur auf einen Teil des Testaments erstreckt, kann Einsicht und Abschrift nur dieses Teiles verlangt werden; wer aber zur Teilnahme an der Verkündung des Testaments befugt ist, kann stets Einsicht und Abschrift des ganzen Testaments fordern.133 Die Einsichtnahme in ein nach dem Tod eines der Ehegatten nur hinsichtlich der Verfügungen des Erstverstorbenen eröffneten Testaments steht nur dem Testator zu. Dieser kann die Einsichtnahme auf einen Dritten übertragen, der sich jedoch durch eine besondere Vollmacht ausweisen muss.134 3. Öffentliche Register

26

Die öffentlichen Register, nämlich Handels-, Genossenschafts-, Vereins-, Güterrechts-, Partnerschafts-, Schiffs- und Musterregister kann jedermann ohne Nachweis eines Interesses einsehen und Erteilung von Abschriften der Eintragung verlangen (§ 9 HGB, § 156 Abs 1 GenG, § 5 Abs 2 PartGG, §§ 79, 1563 BGB, § 11 GeschmMG, § 8 SchiffsregO, § 85 G ü Rechte an Luftfahrzeugen135). Dasselbe gilt für das Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen einschließlich der Urkunden, auf die eine Eintragung Bezug nimmt. Frei ist auch die Einsicht in die zum Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregister eingereichten Schriftstücke; sie kann auch nicht mit der Begründung verwehrt werden, dass unlautere Zwecke verfolgt würden.136 Das Recht auf Einsicht ist weit gefasst und umfasst auch das Recht, selbst Abschriften mittels technischer Reproduktionsgeräte zu fertigen; aber nicht das Recht auf Mikroverfilmung des gesamten Bandes des Handelsregisters, um sie als eigene Datei in Konkurrenz zum Handelsregister gewerblich zu verwerten.137

129 130 131

132 133

KG Rpfleger 1978, 140. Palandt/Edenhofer § 2264 Rn 3. BayObLGZ 1954, 310 = DNotZ 1955, 433; BayObLG Rpfleger 1997, 162 = NJW-RR 1997, 771 = FGPrax 1997, 32. KG JFG 4, 159. KGJ 35 A 86 = RJA 9, 79.

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134 135 136 137

ThürOLG Jena FGPrax 1998, 61 = Rpfleger 1998, 249. Vom 26.2.1959 (BGBl S 57). KG JFG 9, 94. BGH aaO, vgl Gustavus GmbHR 1990, 197.

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Akteneinsicht, Abschriften

§ 34

§ 9 Abs 1 HGB gibt ein Recht auf Gesamteinsicht der Eintragung und der eingereichten Schriftstücke, eine schonende Ausübung ist rechtsmissbräuchlich.138 Die Einsicht in das Schiffsbauregister und die Erteilung von Abschriften daraus, die Einsicht in die zum Schiffs- und Schiffsbauregister sowie zum Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingereichten Schriftstücke und die Erteilung von Abschriften der zu diesen Registern und zum Handels- und Genossenschaftsregister eingereichten Schriftstücke kann verlangt werden (kein Ermessen), wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Die Einsicht in die Vereins- und Güterrechtsregisterakten und die Erteilung von Abschriften daraus richtet sich nach FGG § 34. 4. Grundbuchsachen In Grundbuchsachen sind §§ 12, 12a GBO sowie §§ 43 bis 46 GBV maßgebend; hin- 27 zu kommen noch landesrechtliche Geschäftsanweisungen in Grundbuchsachen. Die Einsicht ist nicht jedem gestattet, sondern nur demjenigen, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Es wird nicht wie in § 34 die Glaubhaftmachung verlangt, sondern lediglich die Darlegung des berechtigten Interesses; dh ein Vorbringen von Tatsachen in der Weise, die den zur Entscheidung befugten UdG (§ 12c GBO) zur Überzeugung gelangen lässt, dass das berechtigte Interesse vorhanden ist.139 Bei maschinell geführtem Grundbuch sind §§ 132, 133 GBO maßgebend. 5. Nach sonstigen Vorschriften § 34 wird hinsichtlich der Folgesachen von Scheidungssachen (§ 623 ZPO) durch 28 § 624 Abs 4 ZPO eingeschränkt, denn die Vertraulichkeit des Ehescheidungsprozesses soll in der Weise gewährleistet sein, dass Drittbeteiligte (Versorgungsträger, Jugendamt, Vermieter, auch Kinder) in den der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegendenden Gegenständen Schriftstücke und Entscheidungen nur erhalten, soweit es sie oder ihre Angelegenheiten betrifft.140 Soweit es um Akten des gesamten Verbundverfahrens geht, wird § 34 durch § 299 ZPO verdrängt. Die Parteien können danach die Akten einsehen (Abs 1), anderen Personen kann der Behördenvorstand Einsicht nur gewähren, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht ist (Abs 2). Da es sich hierbei um eine Entscheidung der Justizverwaltung handelt, gilt für die Anfechtung § 23 EGGVG. In Personenstandssachen wird § 34 durch § 61 PStG141 verdrängt; danach kann 29 Einsicht in die Personenstandsbücher, Durchsicht dieser Bücher und Erteilung von Personenstandsurkunden nur von den Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit und von Personen verlangt werden, auf die sich der Eintrag bezieht, sowie von deren Ehegatten, Vorfahren und Abkömmlingen (§ 61 Abs 1 S 1 PStG). Behörden haben den Zweck anzugeben. Andere Personen haben nur ein Recht auf Einsicht und Urkundenerteilung, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen; wird letzteres bejaht, dann ist kein Raum für ein Ermessen.142 Ein professioneller Erbenermittler hat kein eigenes rechtliches Interesse iSv § 61 Abs 1 PStG; es sei denn, dieser ist vom Nachlasspfleger zur Ermittlung der unbekannten Erben ermächtigt worden.143

138 139 140

Kollhosser NJW 1988, 2409. Demharter § 12 Rn 13; Meikel/Böttcher § 12 Rn 4. Hüßtege in Thomas/Putzo § 624 Rn 4, 5; Zöller/Philippi § 624 Rn 10 ff.

141 142 143

Siehe hierzu Hepting/Gaaz PStG Bd I § 61. Keidel/Kahl Rn 6. OLG Frankfurt Rpfleger 2000, 161.

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Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

X. Kosten 30

Die Einsicht in die öffentlichen Register und das Grundbuch sind gebührenfrei, §§ 90, 74 KostO. Für die Erteilung von Abschriften und deren Beglaubigung gelten §§ 45, 73, 89, 132, 136 KostO.

XI. Reformvorhaben 31

Die verfassungskonforme Auslegung des § 34 (oben Rn 2) bewirkt eine Kollision mit den datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Länder. Als bereichsspezifische Regelung geht sie den subsidiären Bestimmungen der Datenschutzgesetze vor, was von den Datenschutzbeauftragten der Länder im Hinblick auf Akteneinsicht zu Forschungszwecken bezweifelt wird. Das Problem wäre lösbar, wenn in Anlehnung an die ZPO das uneingeschränkte Einsichtsrecht der Beteiligten im Gesetz verankert würde. Nach § 26 FrGO144 sollte hinsichtlich der Einsichtnahme zwischen Beteiligten und anderen Personen unterschieden werden; bei Letzteren sollte ein glaubhaft zu machendes berechtigtes Interesse vorliegen müssen, dem ein überwiegendes Interesse der Beteiligten nicht entgegenstehen durfte. Rechtsanwälten und Notaren sollte das Gericht die Mitnahme der Akten in deren Geschäftsräume oder Wohnung gewähren können. Der Entwurf des FGG-Reformgesetzes145 regelt in § 7 Abs 1 FamFG-E die Aktenein32 sicht für die Beteiligten und danach soll ihnen im Grundsatz ein uneingeschränktes Einsichtsrecht eingeräumt werden. Die Einsicht soll den Beteiligten insoweit zu versagen sein, als schwerwiegende Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen. Wenn aus diesem Grund eine Akteneinsicht ausgeschlossen sein würde, sollen die Beteiligten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs jedoch Anspruch auf Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts der Akte haben. Personen, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind, soll Einsicht nur gestattet werden können, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen. Die Einsicht soll zu versagen sein, wenn ein Fall des § 1758 BGB vorliegt. Diese Regelung entspricht dem geltenden Recht. Soweit ein Akteneinsichtsrecht gewährt sein soll, sollen die Berechtigten sich auf ihre 33 Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen können, § 7 Abs 4 FamFG-E. Einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einer beteiligten Behörde soll das Gericht die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke in die Amtsoder Geschäftsräume überlassen können. Die entsprechende Entscheidung soll nicht anfechtbar sein. Werden die Gerichtsakten elektronisch geführt, soll § 299 Abs 3 ZPO entsprechend gelten.

144 145

Siehe § 13 Rn 57. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom Juni

1020

2005 in der ergänzten Fassung v 14.2.2006, regelt unter Art 1 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

Renate Baronin von König

Sachregister Die fette Zahlen verweisen auf die Paragraphen, die mageren auf die Randnummern.

Abänderung Einl 143 ff Abgabe Einl 88; Vor 3–7 34; 4 3; 5 5; 28 6 zwischen freiwilliger und streitiger Gerichtsbarkeit 1 134 ff innerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1 143 ff Abhilfe 2 29 bei Beschwerdeeinlegung 23 30 Nicht~verfahren 18 6 Verbot der ~ 29 41 f Abschiebehaft siehe Haft Abschrift 16 68 Beglaubigung von ~en 34 14 Erteilung von ~en 34 Abstammungssachen Einl 298 ff; Vor 13a 48; 16a 28 Abstammungsverfahren 14 49 Feststellung der Abstammung 15 15 ff Abstimmung 8 56 ff Abwesende Bekanntmachung an ~ 16 28 ff Adoption Einl 224, 318; 13 27; 16a 29 ff, 103 Aufhebung der ~ 18 42; 20 55 eingeschränkter Recht auf Akteneinsicht bei ~ 34 8 Minderjährigen~ 16a 85 Adressat Bekanntmachungs~ 16 15 ff Akten Bei~ 12 55 Eingang der ~ 1 133 Einsicht in die ~ Einl 91; 12 139; 29a 16; 34 – Einschränkung der ~ bei Adoption 34 8 – Kosten 34 30 – Rechtsmittel 34 15 Heranziehung von ~ 12 62 Inhalt Vor 8–18 28

Mitteilung von ~ 2 37 Notariats~ 34 21 Register~ 2 38 Vermerk Vor 8–18 29; 19 29 Aktiengesellschaft 20 83 Auflösung 20 77 Auskunftsrecht des Aktionärs Vor 3–7 14 Beschwerderecht des Aktionärs 20 83 Zusammensetzung des Aufsichtsrats Vor 3–7 13 Allgemeine Vorschriften Geltungsbereich 1 3 ff Altenteilsverträge 1 26 Amt Auswärtiges ~ 16 51, 53 Gesundheits~ 20 101 Amtliche Auskünfte siehe Auskünfte Amtsbetrieb Vor 8–18 22 Amtsenthebung des Handelsrichters Vor 3–7 22 Amtsermittlung Vor 8–18 21; 12; 23 6; 33 37 Gegenstand der ~ 12 48 f Zulässigkeit der -stätigkeit 12 43 ff Amtsgericht Zuständigkeit Vor 3–7 11 Amtsgericht Schöneberg 4 11; 5 5 Amtshandlungen außerhalb des Gerichtsbezirks 2 35 Zurückstellen von ~ Vor 13a 9 Amtshilfe 2 6, 47 f Amtslöschung siehe Löschung Amtspflicht des Rechtspflegers bzw des Urkundsbeamten 11 20 f Amtsprüfung 1 125; Vor 8–18 23 ff Amtsverfahren Einl 107 f; Vor 8–18 4 ff, 8 Amtsverschwiegenheit 15 37 Änderung gerichtlicher Entscheidungen 18; 29 43; 29a 5

1021

And

Sachregister

bei Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln 33 54 f Androhung der Gewaltanwendung 33 63 von Zwangsmitteln siehe dort Anerkenntnis Vor 8–18 67; 12 42 Anerkennung ausländischer Entscheidungen 16a Anfechtung 14 70 f, 72 gerichtlicher Verfügungen 19 31 bei Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter 7 16 von Kostenentscheidungen 20a von Neben- und Zwischenentscheidungen 19 49 Un~ von Verfügungen 7 17 von Verwaltungsakten 1 6; Vor 3–7 26 f; Vor 8–18 73 ff von Zuständigkeitsbestimmungen 5 31 Angehörige 16 45 Aussageverweigerungsrecht 15 40 ff Anhängigkeit 2 15; 5 10; 16a 57 Anhörung siehe auch Gehör, rechtliches; Vor 8–18 97; 12 58; 15 92; 28 34 Beteiligter 12 74 ff Form der ~ 12 79 ff Nichtbeteiligter 12 66 ff persönliche ~ Einl 127 Pflicht zur ~ 12 65 ff Rüge 18 54; 29a – Begründetheit 29a 23 f – Zulässigkeit 29a 21 f Ankündigungen 19 16 Anmeldeverfahren siehe Verfahren Annahme Verweigerung der ~ 16 49 Anordnung 19 6 einstweilige ~ siehe dort verfahrensleitende ~ 16 2 Anrufung der Europäischen Kommission für Menschenrechte Vor 19 38 des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Vor 19 40 Antrag Aufnahme von ~ 11 Beschwerderecht bei ~zurückweisung 20 34 ff Fehlen des ~s 7 28 auf gerichtliche Entscheidung Vor 19 49

1022

auf Prozesskostenhilfe siehe auch Prozesskostenhilfe 14 22 ff Rücknahme Einl 128; 13a 70; Vor 8–18 18, 93 – Kosten bei ~ 13a 19 – Sachentscheidung trotz ~ 7 30 Sach~ Vor 8–18 13; 13a 46 Verfahrens~ Vor 8–18 12 auf Wiedereinsetzung Einl 117 Antragsverfahren Vor 8–18 8 ff Anwalt siehe Rechtsanwalt Anwaltsgebührenwert siehe Gegenstandswert Anwaltszwang 14 23, 47 ff Befreiung vom ~ Einl 99 Arrest Einl 218; 1 141 Arzt 15 46 Aufenthalt, gewöhnlicher Vor 3–7 7 unbekannter ~ 16 56 Auffanggericht siehe Gericht Aufhebung gerichtlicher Verfügungen 32 Aufklärung Pflicht zur ~ 12 105; 27 48 Aufnahme von Anträgen und Erklärungen 11 Aufrechnung 12 21; Vor 13a 10 Aufschiebende Wirkung 8 48 der Beschwerde 24; 26 12; 33 49, 51 Aufsichtsbehörden siehe Behörde Aufsichtsrat Ablehnung von ~mitgliedern Vor 3–7 21 Zusammensetzung des ~s Vor 3–7 13 Auftrag Geschäftsführung ohne ~ 13 50 Aufwandsentschädigung 15 74 Aufwendungen 15 74 Ersatz der ~ 33 16 Aufzeichnung technische ~ 15 19 Augenscheinseinnahme 12 124; 15 12 ff Ausfertigung vollstreckbare ~ 33 15 Aushang öffentliche Zustellung durch ~ 16 61 Auskunft über den Akteninhalt 34

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

amtliche ~ 12 54 Recht des Aktionärs auf ~ Vor 3–7 14 Rechts~ 12 37 Verweigerungsrecht 15 44 Auskunftei 34 11 Auslagen siehe auch Kosten Auslagenvorschuss 12 108 in Betreuungs- und Unterbringungssachen 13a 29 ff Ersatz von ~ Einl 644 notwendige ~ 13a 33 des Rechtsanwalts Vor 13a 21 ff Ausland Anerkennung ausländischer Entscheidungen 16a – Abänderung 16a 66 – Vollstreckung 16a 7, 63 ff; 33 71 ff ausländisches Recht 12 36 ff Beamte im ~ siehe Beamte Erbschein, ausländischer 16a 36 Rechtshilfeverkehr siehe Rechtshilfe Vollstreckung im ~ 16a 100 Ausländer Verfahrensfähigkeit von ~n 13 16 Auslegung 28 10 im dritten Rechtszug 27 54 Revisibilität der ~ 27 51 ff von Willenserklärungen 27 51 f Aussage aktenkundige ~n 15 11 Pflicht zur ~ 15 36 ff Verweigerungsrechte 15 40 ff Ausschluss der Einflussnahme Dritter 6 1 von Gerichtspersonen 6 35 ff des Richters siehe Richter Aussetzung Vor 8–18 95; 23 16 Verfahrens~ Einl 115; Vor 8–18 39 ff – Beschwerde~ 27 7 der Vollstreckung Einl 155 der Vollziehung siehe Vollziehung Aussöhnungsgebühr siehe Gebühr Auswärtiges Amt siehe Amt Baden Württemberg FGG-Behörden in ~ 1 170 f Bankenaufsichtsbehörde 20 103

Beh

Bayrisches Oberlandesgericht (BayObLG) Auflösung Einl 642 Beamte im Ausland 3 Kosten~ Vor 13a 6 ff Urkunds~ 1 166, 167; 6 37; 7 14, 24; 19 8; 31 7 – Amtspflicht zur Protokollaufnahme 11 20 f – Erteilung von Rechtkraftzeugnissen 31 3, 6 – Dolmetschertätigkeit 8 22 ff Vollstreckungs~ 33 65 Vollziehungs~ 33 47 Zwangsvollzug gegen ~ 33 38 Bedeutung grundsätzliche ~ der Sache 30 14 Bedingungsfeindlichkeit der Beschwerde siehe dort Beeidigung 15 51 ff Beteiligter 15 81 Sachverständigen~ 15 72 Verfahren 15 75 ff Beendigungserklärung Einl 128 Befangenheit 6 18 ff; 15 66 Befragung 12 58 Begründung gerichtlicher Verfügungen 16 5 ff Begutachtung siehe Sachverständigengutachten Behauptung 12 103 Behinderte Hör- und Sprach~ 8 11 ff Seh~ 8 25 ff Wahlfreiheit hinsichtlich der Verständigungsform 8 13 Behörde 12 119; 23 18 Aufsichts~ 20 110 Bankenaufsichts~ siehe dort Beschwerde der ~ 20 85, 100 ff, 114; 21 50; 29 12 ff, 15 als Beteiligte 6 7; 13 11 als Bevollmächtigte 13 41 der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1 170 ff als Kostenpflichtige bzw Erstattungsberechtigter ~ 13a 5 Landwirtschafts~ 20 87 nichtgerichtliche ~ 3 9; 4 12; 5 32; 7 41; 8 77; 11 31; 12 114;

1023

Bei

Sachregister

13 57; 15 86; 16 70; 18 32; 22 48; 24 25; 33 70 Verwaltungs~ siehe dort Vollstreckungs~ 33 47 Zwangsvollzug gegen ~ 33 38 Beibringungsgrundsatz 4 2 Beisitzer landwirtschaftlicher ~ Vor 3–7 22 Beistand Einl 101; 13 Beitreibung von Kosten Vor 13a 10 von Rechtsanwaltskosten 14 61 ff Bekanntgabe Einl 19 Bekanntmachung 5 29; 15 4 Adressat 16 15 ff der Beschwerdeentscheidung 25 35 formlose mündliche ~ 16 69 gerichtlicher Verfügungen 16 11 ff, 28 ff zu Protokoll 16 65 ff Beratung 8 56 ff Beratungsgeheimnis 8 62 Berichtigung 18 50 Protokoll~ 18 49 Tatbestands~ 18 50 Berufliche Vertrauensstellung 15 46 Berufsverbot des Rechtsanwalts 29 6 Beschleunigungsgebot Einl 284 Beschluss Einl 131 ff; 19 6 Aussetzungs~ 23 16 Festsetzungs~ 33 16 – Kostenfestsetzungs~ 13a 58, 64; 33 46 im Prozesskostenhilfeverfahren 14 40 Vergütungsfestsetzungs~ Vor 13a 31 Vorlage~ siehe dort Beschwer 20 29, 31 Beschwerde 7 29, 31; 13 40, 55; Vor 19 19 gegen Akteneinsichtsentscheidung 34 15 Änderung gerichtlicher Entscheidungen nach ~ 18 6, 11 f, 23 ff, 40 ff Anschluss~ Einl 169, 178; 20 22; 22 16 ff, 52; 25 9; 29a 7 f – selbständige ~ 22 22 – unselbständige ~ 22 21 Anschlussrechts~ Vor 19 4 aufschiebende Wirkung der ~ 24

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außerordentliche ~ Vor 19 29; 19 28 bei Aussetzung des Verfahrens Vor 8–18 43 Begründetheit 25 11 ff, 19 ff Begründung Einl 167 f Berechtigung bzw Befugnis zur ~ Einl 159; 13a 5; 20; 27 22 ff – Dritter 20 58 – Mehrheit Berechtigter 20 19 – des obsiegenden Antragsstellers 20 31 ff – ohne Beschwer 20 22 – bei Zurückweisung von Anträgen 20 34 ff beschränkt Geschäftsfähiger 13 26 beschränkte ~ 21 29 Beschwerdegründe – Beschränkung der ~ 23 29 – unbedingte ~ 27 71 ff Dienstaufsichts~ 11 21; Vor 19 32 19 39 f Einlegung der ~ Einl 166, 172; 21 – Beschwerdeschrift 29 5 ff – durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle 11 6 – durch Vertreter 21 25 f Entscheidung über die ~ Einl 173; 27 118 ff – Begründung der ~ 25; 27 128 – Form 25 34 – Form und Bekanntmachung 27 130 ff – Wirksamwerden der ~ 26 gegen Erinnerungsentscheidung Vor 13a 49 Erst~ Vor 19 1; 29 37 – als Rechtsbeschwerde 29 40 Frist 22 6f; 25 8 in Grundbuchsachen 6 3 gegen Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter 7 16 im Prozesskostenhilfeverfahren 14 68 ff in Kostensachen Vor 13a 6 f, 9; 13a 57 ff, 77; 20a neues Vorbringen in der ~instanz 23 gegen Ordnungsmittel 8 47 ff; 19 44 Prozesskostenhilfe in der ~instanz 14 36 ff; 14 92

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Rechts~ Einl 80, 174 ff; 13a 61f; 27 28 ff; 28 5 Rechtspflegerverfahren 21 42 gegen Richterausschluss 6 32 Rücknahme der ~ 21 31 gegen Sachverständigenablehnung 15 68 f sofortige ~ Einl 158 ff; 16 65; 20a 19; 22 – Beschwerdefrist 22 6f – nach Zivilprozessordnung 22 26 sofortige weitere ~ 26 3f; 29 32 ff – Zulässigkeit 27 19 ff Sprungrechts~ Einl 180 Tatsachen~ 23 1 f Untätigkeits~ Vor 19 31 Verfassungs~ siehe dort Verfügungen, ~fähige siehe Verfügung bei Verletzung rechtlichen Gehörs 12 140 ff Verwirkung des ~rechts 21 37 Verzicht auf die ~ Einl 170f; 21 34 ff Weisungs~ 20 104 weitere ~ 7 40; 11 8f; 18 53; Vor 19 3; 20a 21; 22 43; 27; 33 53 – Änderungsbefugnis des Gerichts der ~ 29 43 – Ausschluss der ~ 27 16f; 28 42 – Begründetheit 27 119 – Beschwerdeinstanz für die ~ 28 – Einlegung 29 – Tatsächliche Grundlagen der Nachprüfung 27 89 ff – nach Zivilprozessordnung 28 43 – Zulässigkeit 27 118 Wert der ~ Vor 19 46; 20a 20, 25 Wesen der ~ Vor 19 5 Wiederholung der ~ Vor 19 26; 21 40 f und Wirksamkeit gerichtlicher Verfügungen 16 12 f, 20, 21 bei Zeugnispflicht 15 32 ff Zulässigkeit der ~ 25 2 ff; 27 19 ff – Statthaftigkeit der Beschwerde 19 2, 30; 25 5; 27 Zulassung der ~ Vor 19 41 Zulassungs~ Einl 80 Zuständigkeit 5 30 – der Gerichte in ~sachen 30 gegen Zwangsmitteln 33 49 ff Beschwerdegericht 19 41 ff; 23 22 ff

Beu

einstweilige Anordnung des ~s 24 14 ff Besetzung der Gerichte 7 24; 30 2 ff Bestimmtheit, hinreichende 2 17 Bestimmungsgericht siehe Gericht Beteiligte Einl 92 ff Anhörung 12 74 ff Ausschließung von ~n 12 134 Begriff 6 5 ff Behörde als ~ 6 7 Darlegungs- und Förderungspflicht, Wahrheitspflicht 12 7 ff Erzwingen des Erscheinens persönlich ~r 12 95 ff formell ~ 13a 4; 15 20 kostenpflichtige oder erstattungsberechtigte ~ 13a 5 mehrere ~ 13a 26 – Kosten 13a 4 ff persönliche Anwesenheit 2 7 Vernehmung ~r 15 80 f Vertretungsbefugnis für ~ 6 13 ff Beteiligtenfähigkeit Einl 95f; 13 2 ff Beteiligung Begriff Einl 76 mittelbare ~ 6 20 Betreuungssachen Einl 227, 418 ff; 11 7, 9; 12 97; 13 53; 14 5, 55; 16 6, 8, 19; 16a 27; 33 18 Abgabe von ~ 1 145 Akteneinsicht in ~ 34 3 Auslagen in ~ 13a 29 ff – Anfechtung der Entscheidung über ~ 20a 15 f Beiordnung eines Rechtsanwalts 14 49 Beschwerderecht in ~ 20 38 ff Betreuer 20 50; 33 18 – Entlassung des ~s 20 41 – Vergütung des ~s 23 14 Betreuter 20 57 Betreuung – Aufhebung der ~ 20 40 – Maßnahme der ~ 13a 30 – rechtliche ~ 13 19 Vollmacht in ~ 13 44 Zuweisungssachen, ~sgerichtliche Einl 496 f Betreuungsverein siehe Verein Beurkundung 1 9, 174; Vor 8–18 82 von Ordnungsmitteln 8 51 ff

1025

Bev

Sachregister

von Rechtsgeschäften Einl 23; 1 12 Bevollmächtigte Einl 98f; 13 36 ff Bekanntmachung an ~ 16 18 geschäftsmäßiges Auftreten vor Gericht 13 43 Unter~ 13 44; 16 37 Vertretung durch ~ siehe Vertretung Zustellung an Verfahrens~ 16 35 ff Zustellungs~ 16 53 Beweis Anscheins~ 12 48 Anzeichen~ 12 48 Augenscheins~ 15 12 ff, 19 Einführung von ~en in der Beschwerdeinstanz 23 3 ff Erhebung von ~en Einl 122; 12 50 ff; 15 5 Frei~ Einl 77; Vor 8–18 26; 12 36, 50; 15 1, 88; 27 115 neuer ~ 33 52 Sachverständigen~ 15 59 ff schriftliche Beantwortung der ~frage 15 25 Streng~ 12 50, 146; 15 1, 88 Urkunds~ 15 19, 78 f Vorwegnahme des ~ergebnisses 12 105 Zeugen~ 15 20 ff Beweisantritt 12 102; 15 3 Beweisanwalt siehe Rechtsanwalt Beweisaufnahme 15 5 ff, 89 förmliche ~ Einl 123 Rechtshilfe im Rahmen der ~ 2 7 Übertragung der ~ 15 6 Beweisbeschluss 15 5 Beweisgebühr siehe Gebühr Beweisinitiative Vor 8–18 24 Beweislast 12 13 ff; 27 50 Beweispersonen 12 91 Beweisverbot 27 108 Beweisverfahren 15; 33 30, 61 selbständiges ~ 15 82 Beweiswürdigung 12 16, 109 ff Revisibilität der ~ 27 41 ff Bewilligung Prozesskostenhilfe~ 14 Bilateraler Vertrag siehe Vertrag Billigkeit 13a 9 ff, 19 f, 22

1026

Bindung an den Antrag Vor 8–18 13 des Rechtsbeschwerdegerichts 25 27 des Untergerichts 25 24 Bindungswirkung 12 24 ff Blinde 8 25 ff Blutgruppenuntersuchung siehe Untersuchung Bosnien-Herzegowina FGG-Reform Einl 654 Briefkasten 16 48 Nacht~ 17 11 Bundesanzeiger 16 62 Bundeseinheitliche Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) 2 46 Bundesgerichtshof Rechtsantragstelle 29a 19 Verfahren vor dem ~ 30 19 ff Vorlage beim ~ 28 7 f, 14 ff; 30 21 – Entbehrlichkeit der ~ 28 17 – Verfahren zur ~ 28 33 ff Zuständigkeit Vor 3–7 28 – in Beschwerdesachen 28 2 ff; 30 1, 19 ff Bundesrecht 28 7 abweichendes ~ 13a 65 Angelegenheiten, ~liche 13a 2; 14 2 Cochemer Modell Einl 68 Darlegungs- und Förderungspflicht 12 7 ff; 14 25 Datenschutz 34 2 Datenträger Einl 121 Dauerwirkung Maßnahme von ~ 18 2 Verfügungen mit ~ 18 30 DDR Entscheidung von Gerichten der ~ 16a 11 Erbscheine der ~- Gerichte 16a 38 Rechtsentwicklung in der ~ – Freiwillige Gerichtsbarkeit Einl 14 ff – Gerichtsverfassung Einl 13 Rechtslage in der früheren ~ 7 42 Denkgesetz 27 36 Deutsche im Ausland 1 183

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Deutsche Schutz- und Pachtgebiete Einl 31 Dienstaufsichtsbeschwerde siehe Beschwerde Diplomatische Vertretung siehe Vertretung Dispositionsrecht Vor 8–18 8 ff; 23 9; 27 33 ff des Beschwerdeführers 20 15 der Beteiligten 18 18 DNA-Analyse 15 16 Dokument elektronisches ~ 15 12; 16 41 Dokumentenpauschale Vor 13a 5, 23 Dolmetscher 6 37; 8 7 f, 80; 9 Ausschließung und Ablehnung 8 21; 9 3 ff Beeidigung des ~s 8 18 ff, 81 Urkundsbeamter und ~tätigkeit 8 22 ff Dritte Kosten ~r 13a 6, 34 Druckwerke periodische ~ 15 46 Duldungspflicht 15 17 Durchsuchung Richterliche ~sanordnung Einl 196 Wohnungs~ 33 66, 84 Echte FGG-Sachen 1 20 Ehe Nicht~ 6 11 Ehegatte 6 11 minderjähriger 13 27 Ehesachen Einl 238 ff; Vor 3–7 25; 13 26; Vor 13a 46, 48; 16a 13 ff, 102 Auflösungsverfahren 16a 69 Ehevertrag 13 27 Eidesleistung siehe auch Beeidigung 1 155 Eidesverbot 15 55 in fremder Sprache 8 16 f Niederschrift der ~ 15 11 Stummer 8 15 Eidespflicht 15 51 Eidesstattliche Versicherung Einl 199, 599; 12 56f; 15 85; 33 68, 86 bei Akteneinsicht 34 6 Eilbedürftigkeit 12 46, 142

Ent

Eilgerichtsstand 4 2; 18 21 Eindruck, persönlicher 12 80 Eingangsstempel 17 12 Eingriff unmittelbarer ~ 20 17 Einheitlichkeit der Rechtsprechung 28 2 Einigungsgebühr siehe Gebühr Einkommen 14 7 ff Einschreiben 16 42, 51 Einsicht Akten~ 34 in öffentliche Register 34 26 Einspruch Vor 19 18 Einstweilige Anordnung Einl 81, 148 ff, 218; 1 141; 12 46, 132f; Vor 13a 14; 16 15, 19; 16a 9; 19 24 ff, 28 des Beschwerdegerichts 24 14 ff in Familiensachen 21 48 Eintragungen Register~ 19 14 Eintragungsverfügung siehe Verfügung Einwendung 12 19 nach §§ 781–784, 786 ZPO Vor 13a 10 Elektronische Form 11 26 Akte in ~ Einl 105 f Dokument in ~ Einl 105f; 15 12, 79; 16 41; 21 17 Register Einl 629 Elektronisches Informationssystem 16 61 Elterliche Sorge 16a 69, 87; 33 5, 34 Akteneinsichtsrecht 34 4 Ruhen der ~ 16 19 Eltern 20 54; 33 19 beschränkt geschäftsfähige ~ 13 27 Pflege~ 20 56 Empfangsbekenntnis 16 40 Empfangsstellen für die Entgegennahme der weiteren Beschwerde 29 2 ff Entmündigung 16a 26 Entschädigung 13a 41 Aufwands~ siehe dort Zeugen~ 15 74 Entscheidung siehe auch Verfügung abweichende ~ 28 9 ff anerkennungsfähige ~ 16a ausländische ~en 16a 33 71 Bindung an Gerichts~en 12 24 ff

1027

Ent

Sachregister

End~ 19 21; 27 5; 29a 3 feststellende ~ 12 24; 18 27 gerichtliche ~ 19 6 Grundlage Einl 130; Vor 8–18 98 Indiz~ 12 22 Neben- und Zwischen~ – Anfechtbarkeit Vor 19 21; 19 49 rechtsgestaltende ~ 12 24 tatrichterliche ~ 27 109 ff Teilend~ Vor 8–18 63 Vollstreckung deutscher ~en im Ausland 16a 100 Vorab~ Vor 8–18 64; 25 31 zurückweisende ~ 18 28 Zwischen~ 29a 6; 33 49 Entscheidungserheblichkeit von Gehörsverletzungen 29a 13 f Entscheidungsgründe Mangel der ~ 27 82 ff Erben 33 27 Ermittlung von ~ 2 10 Erbrecht des Fiskus 20 69 Erbschein 7 18 ausländischer ~ 16a 36 Einziehung des ~s 31 10 Verfahren Einl 522 ff; Vor 8–18 16; 18 5; 20 59 ff Erbvertrag Einl 517 ff; 27 53 Erfahrungssatz 27 36 Erinnerung 1 161f; Vor 13a 6, 9, 28, 49; Vor 19 19; 25 37 Anschluss~ 22 23 befristete ~ 22 47 Vollstreckungs~ Vor 13a 10 Erklärungen Aufnahme von ~ 7 6; 11 mündliche ~ 11 22 über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse 14 24 rechtsgeschäftliche ~ 11 25 schriftliche ~ 11 23 ff; 12 82 Willens~ 11 26 – Auslegung von ~en 27 51 f Erklärungspflicht zu Behauptungen des Gegners 12 8 Erledigung der Hauptsache 19 31f; 27 20 – bei Anfechtung von Kostenentscheidungen 20a 11, 18

1028

– erledigendes Ereignis 19 35 – Kosten bei ~ 13a 22 – Statthaftigkeit der Beschwerde bei ~ Einl 165 Teil~ 19 32 Ermessen 14 65; 25 32; 30 11 Beurteilungs~ 27 62 ff, 67 gerichtliches ~ Vor 8–18 42 – bei Gewährung der Akteneinsicht 34 1, 7 – bei Zwangsgeldfesetzung 33 44 Grenzen des ~s 27 34 Handlungs~ 27 57 ff Nachprüfung von ~sentscheidungen 23 23; 27 57 ff Ermessensmissbrauch offensichtlicher 7 32 Ermittlungen 5 23; Vor 8–18 26; 12 36 ff, 50 ff von Amts wegen Einl 102 formlose ~ 15 7 Leitung der ~ 12 59 Umfang gerichtlicher ~ 12 102 Ersatzzustellung 16 44 ff Erscheinen persönliches ~ 13 40; 15 24 ff Erstattung Rück~ siehe dort Erstattungsfähigkeit der Kosten 13a 38 Ersuchen Rechtshilfe~ siehe Rechtshilfe Erwerbsgeschäft Betrieb eines ~ 13 27 Estland FGG-Reform Einl 652 Europäische FGG-Reform Einl 648 ff Europäische Genossenschaft Einl 628 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte (EMRK) Öffentlichkeitsgrundsatz 8 75 Europäische Union 2 42; 13 56 Europäische wirtschaftliche Interessengemeinschaft (EWIV) 13 10 Europäischer Wirtschaftsraum 13 56 EU-Verordnungen 16a 67 ff EU-Verträge 31 15 Exequaturverfahren 16a 80

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Exterritoriale 3 Wohnungsinhaber 16 60 Extrajudizialien Einl 3 Fahrtkosten siehe Kosten Fälligkeit der Rechtsanwaltsvergütung Vor 13a 27 Familiengericht 5 12; 30 23; 33 18 ff Verfügungen, ~liche 19 48 Familiensachen 6 3; 11 1; 13a 67; 16 9; 18 31 Anfechtung von Kostenentscheidungen 20a Beschwerde in ~ 21 45 ff; 22 49 ff; 25 38; 26 14; 27 131 ff; 28 1, 48; 29 44 – aufschiebende Wirkung der ~ 24 23 – neues Vorbringen 23 33 – sofortige ~ 22 47 – Beschwerdebefugnis 20 116 ff Fristen in ~ 17 26 internationale ~ Vor 13a 33 ff isolierte ~ 21 45; 22 49 Rechtshilfeersuchen in ~ 2 18 selbständige ~ 13 33; Vor 13a 46; 16 66; 31 3 sonstige ~ Einl 410 ff Verfahren in ~ Einl 211 ff, 234 ff Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in ~ 22 50 Fehler Schreib- und Rechen~ 18 47 Feiertage 17 21 ff Ferien Gerichts~ 10 Fernmeldetechnik 11 30 Fernsehen 15 46 Festsetzung von Zwangsmitteln siehe dort Feststellungen tatsächliche ~ 25 30; 27 106 ff Feststellungsinteresse Vor 8–18 17 Feststellungslast 12 13 ff objektive ~ 27 43 Feststellungsverfahren 16a 5 Feststellungswirkung 12 31 ff FGG-Reform Einl 38 ff

Fri

Änderungen des geltenden FGG-Rechts Einl 627 ff Ausgliederung von FGG-Sachen aus der Justiz Einl 632 ff Europäische ~ Einl 648 ff Kritik Einl 69 f Referentenentwurf Einl 63 ff – Inhaltsübersicht Einl 72 ff FGG-Sachen echte ~ 1 20 ff unechte ~ 1 26 ff Firma erloschene ~ 20 75 Firmenmissbrauchsverfahren siehe Verfahren Fiskus Erbrecht des ~ 20 69 Förderungspflicht 14 28 Form der Beschwerdeschrift 21 6 ff elektronische ~ siehe dort gerichtlicher Verfügungen 16 4 Schrift~ siehe dort Text~ 11 27 Formlose Mitteilung Einl 111 f Frankreich FGG-Reform Einl 649 Freibeweis siehe Beweis Freiheitsentziehung Einl 601 ff; Vor 8–18 71; 13 21; Vor 13a 13 f, 28; 16 6; 33 69 Verfahren 12 98; 29 4 Freiwillige Gerichtsbarkeit siehe auch Gerichtsbarkeit Änderungen vor der Reform Einl 627 ff Anwendungsbereich 1 Geschichte der ~ Einl 1 ff Internationales Recht der ~ 1 178 ff Übertragung auf die Gerichte 1 10 Übertragung durch Reichsgesetz (Bundesgesetz) 1 11 f Ursprung der ~ Einl 1 f Verhältnis zur Rechtsprechung 1 Verhältnis zur streitigen Gerichtsbarkeit 1 125 ff Frist 17 der Anhörungsrüge 29a 15 f Antrags~ Vor 8–18 10 Ausschluss~en 17 3

1029

Frü

Sachregister

Ausschöpfung von ~en 11 30 Beginn der ~ 17 13,15 f Berechnung Einl 114; 17 14 ff Beschwerde~ 22 6f; 25 8 Einlassungs~ 12 86 Handlungs~ 17 2, 7 Jahres~, Jahresbruchteils~, Monats~ 17 20 Ladungs~ 12 86 Not~ 16 63 richterliche ~en 17 4 Schriftsatz~ 27 39 Tages~ 17 18 uneigentliche ~en 17 4 Vergleichswiderrufs~ 17 9 Versäumung der ~ 22 30 f Wiedereinsetzungs~ 22 39 f Wochen~ 17 19 Zwischen~ 17 2, 6 Früchte Vor 13a 48 Fürsorgebedürfnis Vor 3–7 9; 4 2 Gebrechen, körperliche des Richters 7 25 Gebühren siehe auch Kosten Aussöhnungs~ Vor 13a 18 Beweis~ Vor 13a 17 Einigungs~ Vor 13a 18 ermäßigte ~ Vor 13a 47 Rahmen~ Vor 13a 31 Termins~ Vor 13a 17 Verfahrens~ Vor 13a 15 f Wert~ und Rahmen~ Vor 13a 12 ff Gebührenfreiheit Vor 13a 9 Gegenstand Verfahrens~ Vor 8–18 11 Gegenstandswert Vor 13a 12, 26 f Gegenüberstellung 12 81 Gegenvorstellung Vor 19 23; 19 11; 28 42 Geheimhaltungsinteresse 34 5 Geheimnis Geschäfts~ 15 45 Kunst- oder Gewerbe~ 15 45 Staats- und Verwaltungs~ 15 37 ff Gehör, rechtliches 8 39f; Vor 8–18 99; 12 38, 76 ff, 115 ff; 13 17; 13a 51; 14 29; 15 8; 16a 61; 27 116; 33 37, 45; 34 2 Abhilfe bei Verletzung Einl 139

1030

Beschränkung 12 131 ff; 23 8 im Beschwerdeverfahren 23 17 ff bei einstweiligen Anordnungen 24 19 Form 12 136 ff Gegenstand der Gewährung 12 129 ff zu Rechtsfragen 12 126 ff Verletzung 12 140 ff; 16a 46 ff; 18 54; 20 10; 29a 9 Geisteskrankheit 12 107 Geistliche 15 46, 48 Geld Einkünfte in ~ oder ~eswert 14 8 Gemeinschaftseinrichtung 16 47 Genehmigung Aussage~ 15 38 f familiengerichtliche ~ 16 13, 15 vormundschaftsgerichtliche ~ 16 13, 15; 16a 25; 18 13; 20 47 ff Genossenschaftssachen Einl 628 f Beschwerderecht in ~ 20 84 Gericht Amts~ siehe dort Auffang~ 4 11 ausländisches ~ 31 14 Beratung und Abstimmung 8 56 ff Beschwerde~ siehe dort Bestimmung des zuständigen ~s 5 Bestimmungs~ 5 12 ff – Verfahren des ~s 5 20 ff – Zuständigkeit 5 19 Bundesgerichtshof siehe dort ersuchtes ~ 2 21 Familien~ siehe dort Fragepflicht 12 128 geschäftsmäßiges Auftreten vor Gericht 13 43 Handlungen des unzuständigen ~s 4 10 Handlungen, ~liche 19 5, 13f; 33 4 Hinweispflicht nach § 139 ZPO 12 4, 10 ff Hinwirkungspflicht des ~s Vor 8–18 97 Kollegial~ siehe dort 8 56 Konkurrenz mehrerer ~e 4 Land~ siehe dort Nachlass~ siehe dort Oberlandes~ siehe dort Orts- und Gemeinde~ 1 173 Prozess~ siehe dort Rechtsbeschwerde~ siehe dort

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Rechtshilfe der ~e siehe Rechtshilfe Rechtshilfe~ 2 17 ff Rechtsmittel~ siehe dort Register~ siehe dort Tatsachen~ siehe dort Unter~ 25 24 Verfahrenshandlungen der ~sorgane 27 56 Verfahrensleitung des ~s Vor 8–18 97 Vollstreckungs~ siehe dort als Vollstreckungsbehörde 33 47 Vormundschafts~ siehe dort vorschriftswidrige Besetzung des ~s 7 24; 27 73 f Wechsel des ~s 21 5 Zuständigkeit 30 33 12 – Verhinderung des zuständigen Gerichts 5 17 ff Gerichtliche Verfügung siehe Verfügung Gerichtsbarkeit 3 11 ff Befreiung von der deutschen ~ 3 13 f deutsche ~ Vor 3–7 30 – frühere ~ Einl 30 freiwillige ~ 16a 12 – Reichsgesetz über die ~ Einl 3 ff – Verhältnis zum Reichs- bzw Bundesrecht Einl 19 ff Konsular~ siehe dort Militär~ siehe dort Gerichtsbezirk 2 5; 3 8 Amtshandlungen außerhalb des ~s 2 35 Zusammenfassung von ~en 2 20 Gerichtsferien 10 Gerichtskasse Vor 13a 10 Gerichtskosten Vor 13a 1 ff; 13a 24, 40; 14 57; 20a 4f; 33 46 Gerichtsperson siehe auch Richter, Rechtspfleger, Referendar, Urkundsbeamter, Gerichtsvollzieher, Justizwachtmeister 1 147 ff Ausschließung und Ablehnung Einl 90 Gerichtsschreiber 11 12 Gerichtssprache 8 2 ff Gerichtsstand Bestimmung des ~s 1 180 Eil~ 4 2; 18 21 Gerichtstafel 16 61 Gerichtsverfassungsrecht 8 1; 30 2

Ges

Gerichtsvollzieher 1 168; 6 37; 7 24; 33 48, 65, 68, 84 Gerichtswachtmeister 33 65 Geschäftsfähigkeit 13 13; 33 38 beschränkte ~ 13 19, 25 ff, 41; 20 57; 32 8 Geschäftsunfähigkeit 13 23 f, 31, 41 Teil~ 13 15 Verfahrens~ 12 135 Geschäftsführung ohne Auftrag 13 50 f Beschwerderecht der ~ 20 80 Verfahrens~ Vor 8–18 65 Geschäftsgeheimnis siehe Geheimnis Geschäftsplan 7 13 Geschäftsraum 16 46 Geschäftsreise Vor 13a 24 Geschäftsstelle Aufnahme von Anträgen und Erklärungen 11 Protokoll der ~ siehe Protokoll Übergabe an die ~ 27 39 Vermittlung und Unterstützung 11 1 Zuständigkeit 29 22 f Geschäftsverteilung Vor 3–7 3; 27 74; 28 16 Geschäftswert Vor 13a 7 Änderung des ~s 13a 63 Gesellschaft Aktien~ siehe dort ausländische ~en 13 10 Außen~ 13 6 f mit beschränkter Haftung (GmbH) 20 80 ff – Auflösung 20 77 bürgerlichen Rechts 13 6 Handels~, offene siehe dort Jahresabschluss einer ~ 32 9 Kommandit~ siehe dort Personen~ 13 5, 33 Gesetz Änderung des ~es 27 37 zur Förderung elektronischen Rechtsverkehrs Einl 106 Gewaltschutz~ 33 83 über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) Einl 66; Vor 13a 42 ff zum internationalen Familienrecht Vor 13a 33 ff

1031

Ges

Sachregister

Internationales Familienrechtsverfahrens~ (IntFamRVG) 33 72 ff Reichs~ über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Einl 3 ff Vermutung, ~liche 12 17 f vorkonstitutionelles ~ Vor 8–18 46 Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) Einl 66; Vor 13a 42 ff Gestaltungsurteil siehe Urteil Geständnis Vor 8–18 68; 12 41 Gesundheitsamt siehe Amt Gewalt Androhung der ~ 33 63 Anwendung von ~ 33 60 – Ausschluss der ~ 33 61 f – bei der Vollstreckung gerichtlicher Verfügungen 33 56 ff Gewaltmaßnahmen 33 66 gegen Kinder 33 57, 62, 92 Gewaltschutzsachen Einl 345; Vor 13a 48; 33 83 Anwendung von ~ – Androhung der ~ 33 63 Vollstreckung nach dem Gewaltschutzgesetz Einl 194 Gewerbegeheimnis siehe Geheimnis Gewerkschaft 13 9 Glaubhaftmachung Einl 124; 12 6, 57; 15 83 ff, 91 bei Akteneinsicht 34 1, 6 von Gehörsverletzungen 29a 17 von Wiedereinsetzungsgründen 22 41 Glaubwürdigkeit 27 45 Gleichlaufprinzip 1 186 Gnadenordnung 33 47 grenzüberschreitender Rechtsverkehr siehe Rechtsverkehr Grundbuchsachen 1 9; 12 61; 13 9; 18 32; 27 55 Akteneinsicht in ~ 34 27 Beschwerdeverfahren 6 3 Fristen in ~ 17 25 Grundbuchfähigkeit 13 7 f Reform in ~ Einl 638 ff Grundrechte 27 66 Günstigkeitsprinzip 16a 3

1032

Gutachten erbbiologisch-anthropologisches ~ 15 16 der Industrie- und Handelskammer 12 73 Sachverständigen~ siehe dort Gutachter siehe Sachverständiger Güterrechtssachen Einl 403 ff Gutglaubensschutz Einl 639 Haager Übereinkommen über den Zivilprozess 2 43 Haft Abschiebe~ 20a 14; 27 105 Zwangs~ siehe Zwangsmittel Haftstrafen 1 155 Zivil~ 2 32 Handelsgesellschaft offene ~ 20 79 Handelsrecht siehe Handelssachen Handelsregister 20 72 ff Anmeldung 13 27 Ausgliederung aus den Gerichten Einl 637 Löschungen 20 75 f Reform in ~sachen Einl 634, 637 Handelssachen Vor 8–18 57; 12 73; 33 29 Beschwerderecht in ~ 20 71 ff Handelsrichter – Amtenthebung des ~s Vor 3–7 22 Kammer für ~ 5 5; 30 4, 5 ff Zuständigkeit, sachliche 1 144 Handlung Bewirkungs~ 11 2 Duldung einer ~ 33 21 Erwirkungs~ 11 2 gerichtliche ~ 7 4; 19 5, 13f; 33 4 Mängel gerichtlicher ~ 7 19 ff persönliche ~ 13 38 unvertretbare ~ Einl 202; 33 34 des unzuständigen Gerichts 4 10 unzuständiger oder ausgeschlossener Richter 7 verbotene ~ 2 23 f vertretbare ~ Einl 201; 33 88 f Vornahme einer ~ 33 34 – Unterlassen oder Duldung der ~ 33 35 Zuwider~ 33 39 ff, 44

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Handlungsfähigkeit verfahrensrechtliche ~ 13 17 ff Handlungsfreiheit, allgemeine 33 2 Handwerkskammer 20 71 Hauptsacheerledigung siehe Erledigung Hausratsachen Einl 333 ff; 1 135; Vor 8–18 16; Vor 13a 48 Hausratverordnung (HausratVO) 20 121 Heilung rückwirkende ~ 27 78 von Verfahrensmängeln 27 97 f von Zustellungsmängeln 16 63 Heimatrecht 13 16 Heizungskosten 14 11 Herausgabe 33 34, 94 von Personen 33 48, 56, 57 f, 91 – Kindesherausgabe 33 19, 64 von Sachen 33 34, 56, 59, 87 von Urkunden 33 61 Vollzug einer ~anordnung 19 37 Hilfskräfte 15 74 Hindernis 22 28f Hinweispflicht gerichtliche ~ 12 4, 10 ff Hoferklärung negative ~ 20 89 Hofübergabe 20 88 Hoheitliche Gewalt Einl 648 Identität des Verfahrensgegenstands 23 11 ff Indiz Entscheidung nach ~ien 12 22 Industrie- und Handelskammer 12 73; 20 71 Information Recht auf ~ 34 2 Informelle Selbstbestimmung 34 2 Inkorrekte Entscheidung Vor 19 33 Inquisitionsmaxime Vor 8–18 21 Insolvenzverfahren Eröffnung des ~s Vor 8–18 38 Insolvenzverwalter 20 58 Instruktionsmaxime Vor 8–18 23; 13 46 Interesse berechtigtes ~ 20 5, 24 – bei Akteneinsicht 34 1 ff öffentliches ~ 20 103 f rechtliches ~ 20 23

Kom

Interlokale Rechtsverschiedenheit 17 24 Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz (IntFamRVG) 33 72 ff Internationales Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1 178 ff internationales Privatrecht Vor 3–7 29 Jugendamt 13 11; 33 91 Anhörung des ~s 12 68 ff Beschwerderecht des ~s 20 106; 29 15 jurisdictio voluntaria Einl 1 Juristische Person siehe Person Justiz Ausgliederung von Aufgaben aus der ~ Einl 632 ff Reform Einl 59 ff Justizbeitreibungsordnung Vor 13a 10; 33 47 Justizverwaltung 16 52; 33 47 Landes~ 16a 15 ff Verfahren 16a 13 Justizverwaltungsakt 16 52 Anfechtung von ~en 28 6, 30 Justizwachtmeister 1 169; 7 24 Kammer für Handelssachen 30 4, 5 ff Zuständigkeit 30 1 Kammerrechtsbeistand 14 46 Kannvorschrift 27 33 ff Kind 20 57; 33 34 Herausgabe 16a 23 ff; 33 19, 57, 58, 64 Rückgabe eines ~es 16a 65, 76, 81 Kindschaftssachen Einl 222, 278 ff; Vor 13a 48; 16a 28 Kindesannahme siehe Adoption Klage Widerspruchs~ siehe dort Kollegialgericht 6 30; 12 84 Kollision unvereinbarer Entscheidungen mit Auslandsbezug 16a 53 ff Kommanditgesellschaft 20 79 Kompetenz negativer ~konflikt 1 133, 142; 5 5, 9

1033

Kon

Sachregister

positiver ~konflikt 5 9 Überschreitung der ~ 32 7 Vorfragen~ siehe Vorfragen Konkurrierende Zuständigkeit siehe Zuständigkeit Konsulargerichtsbarkeit Einl 32 Konsulargerichtsgesetz Einl 31 Konsularische Vertretung siehe Vertretung Konsularisches Notariat Einl 33 ff Kopie Tele~ 16 41 Körperschaft 20a 16 Kosten Einl 185 ff; Vor 13a 13a bei Akteneinsicht 34 30 der Anhörungsrüge 29a 26 Auferlegung – nach Billigkeit 13a 9 ff – bei unbegründetem Rechtsmittel 13a 13 ff Ausgleich 13a 52 außergerichtliche ~ 13a 24, 41 der Beteiligten 20a 6 Entscheidung über die ~ 13a 25 ff; 20a 3 ff; 27 8 – Anfechtung der ~ 20a – isolierte ~ 13a 27; 18 52; 20a 17 f, 22; 27 12 Erstattungsanordnung 13a 8 ff Erstattungfähigkeit 13a 38 ff Erstattungspflicht 13a 25; 14 59 Fahrt~ersatz 15 74 Festsetzungsverfahren 13a 24, 44 ff, 76 – bei Geschäftswertänderung 13a 63 – vereinfachte Festsetzung 13a 53 gegnerische ~ 14 60 Gerichts~ siehe dort Grundentscheidung 13a 47 für Hilfskräfte 15 74 Nachforderung von ~ siehe dort des Notars 33 15 Prognose 14 13 Prozess~hilfe siehe dort der Rechtshilfe siehe dort bei Richterausschluss 6 33 in Scheidungssachen und Folgesachen Einl 275 f Trennung der ~ 13a 27 Verfahrens~hilfe siehe dort

1034

Vollstreckungs~ 33 67 Vorbereitungs~ 13a 43 bei Zwangsgeldfestsetzung 33 46 Kostenansatz Vor 13a 6 ff Kostenordnung Vor 13a 1 ff Kraftfahrzeug 15 74 Kunstgeheimnis siehe Geheimnis Ladung Einl 125; 2 31; 12 86; 15 27 ff; 19 19 Landesjustizverwaltung siehe Justizverwaltung Landeskasse Vor 13a 28; 14 72 Landesrechtliche Angelegenheiten Einl 24, 622; 1 17; 3 9; 4 12; 5 4, 32; 6 3; 7 41; 8 78; 11 32; 12 114; 13 57; 14 75; 15 86; 16 71; 17 27; 18 32; 21 51; 28 7; 31 9; 32 10 Abgabe von ~ 1 146 Allgemeine Vorschriften in ~ 1 175 ff Beschwerde in ~ 26 15; 28 49 – Beschwerdebefugnis 20 115 – Zuständige Gerichte 30 24 bei Rechtshilfe 2 39 Vollstreckung 33 70 Landgericht Beschwerde gegen Entscheidungen des ~s 21 43 Einzelrichter beim ~ 30 4 Verfügungen, ~liche 19 46 f Zuständigkeit Vor 3–7 12 ff Landwirtschaftlicher Beisitzer siehe Beisitzer Landwirtschaftssachen 1 136, 143; 6 3; Vor 8–18 31, 72; 12 47; 15 5, 8; 16 8; 18 59; 19 42 Anfechtung von Kostenentscheidungen 20a 2 Beschwerde in ~ 20 85 ff; 29 3, 38 Erscheinen in ~ 12 100 f Lebenspartnerschaftssachen Einl 277, 416; 6 11 Legislation ausländischer ö ffentlicher Urkunden 12 39 Liquidator 20 79 ff Löschungen Einl 578 ff Amts~ 1 9; 31 10 Register~ 19 14; 20 75 f, 84, 94

Obe

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

LPG Umwandlung einer ~ 1 140 Mängel gerichtlicher Handlungen 7 19 ff der örtlichen Zuständigkeit 18 22 sachliche ~ 7 31 ff verfahrensrechtliche ~ 7 31 ff Medien, moderne siehe auch elektronische Form Beschwerdeeinlegung durch ~ 29 10 f Mehrheit Beteiligter Vor 8–18 86 von Personen siehe Personenmehrheit Meinungsäußerungen 19 15 Mensch Beteiligtenfähigkeit 13 3 Menschenwürde 12 115 Militärgerichtsbarkeit Einl 37 Militärpersonen 3 7 f Minderjährige Vor 13a 47; 33 25 Verfahrensfähigkeit von ~n Einl 163 Missbrauch der Rechtspflege Vor 8–18 16 Mitteilung von Akten 2 37 Mitwirkung eines ausgeschlossenen bzw abgelehnten Richters 27 75 f Mitwirkungspflicht 8 67 f; Vor 8–18 91 der Beteiligten Einl 119 Multilaterale Verträge siehe Vertrag Mündel 20 57 Mündlichkeitsgrundsatz Vor 8–18 27 ff; 12 83 ff Nacheile 2 36 Nachforderung 13a 46 von Kosten Vor 13a 47 Nachlassabkommen, deutsch-türkisches 16a 37 Nachlasssachen Einl 498 ff; 16a 34 ff; 33 28 Abgabe von ~ 1 145 Akteneinsicht in ~ 34 25 Ausgliederung aus den Gerichten Einl 635 ff Beschwerderecht in ~ 20 59 ff

Nachlass – Auseinandersetzungsverfahren 34 24 – Sicherung des ~es 33 27 Nachlassgericht 12 45; 20 66, 70; 33 27 ff – Vorbescheid des ~s 20 63 Nachlasspfleger 20 70 Reform in ~ Einl 634 ff Nachliquidation siehe Nachforderung Nachtbriefkasten siehe Briefkasten Nebenentscheidungen 13a 77 Beschwerde gegen ~ 21 47 Nebenintervention Vor 8–18 66 Negativtest 20 49 Nichtbestreiten Vor 8–18 68 Nichtigkeit 12 140 gerichtlicher Verfügungen 18 43; 19 38; 32 7 gesetzlich angeordnete ~ 7 33 Gründe der ~ 12 25 Niederlassung Vor 3–7 8 Niederlegung Ersatzzustellung durch ~ 16 48 Niederschrift Vor 8–18 29; 11 16; 12 88 der Beweisaufnahme 15 11 zu Protokoll der Geschäftsstelle 29 24 ff Normenkontrollverfahren Vor 8–18 45 ff; Vor 19 37; 28 46 Notar 1 172; Vor 3–7 19, 22; 6 36 Akten siehe dort Beschwerderecht des ~s 20 111 Beschwerdeschrift des ~s 29 16 ff als Bevollmächtigter 13 52 f Gebührenfreiheit 14 74 Kosten Vor 13a 3, 7, 10 – bei Vollstreckung 33 15 vermutete Vollmacht des ~s 21 26 Notariat konsularisches ~ Einl 33 staatliches ~ Einl 17 Notfristzeugnis Einl 141 Notzuständigkeit 1 187 Nutzungen Vor 13a 48 Oberlandesgericht Abgrenzung des Kreises der ~e 28 16

1035

Off

Sachregister

Anfechtbarkeit von Entscheidungen des ~s 15 34; 27 18 Anrufung des ~s – im Rechtshilfeverfahren 2 26 ff neues Vorbringen in ~sverfahren 23 31 Vorlage beim Bundesgerichtshof 28 16 ff Zuständigkeit Vor 3–7 21 ff; 5 13 Offenbare Unrichtigkeit 18 46 ff Offenkundigkeit 12 63 Öffentliche Ordnung Schutz der deutschen ~ 1 189 Öffentliche Zustellung siehe Zustellung Öffentlichkeit 8 74 ff Partei~ der Beweisaufnahme 15 8 Verletzung der Vorschriften über die ~ 27 80f Öffentlichrechtliche Vorfragen siehe Vorfragen Offizialmaxime Vor 8–18 4 ff Ordnungsmittel Einl 206f; 8 38 Beschwerde gegen ~ 19 44 Beurkundung der ~ 8 51 ff Ordnungsgeld 15 64; 33 39 Rechtsmittel gegen ~ 8 46 ff ordre public 16a 58 ff, 86 Ort Ereignis~ Vor 3–7 9 des Fürsorgebedürfnisses Vor 3–7 9 Österreich FGG-Reform Einl 650 Partei kraft Amtes 14 17 ff; 20 28 politische ~ 13 9 Vernehmung der ~ 15 80 Parteidisposition fehlende ~ 1 125 Parteifähigkeit siehe Beteiligtenfähigkeit Parteiö ffentlichkeit 15 8 ff perpetuatio fori 1 190; Vor 3–7 35 Person als Augenscheinsbeweis 15 13 juristische ~ 13 4, 22, 41; 14 17, 20f; 33 38 – ausländische~ 13 10 natürliche ~ 14 16 Personenhandelsgesellschaft siehe Gesellschaft

1036

Personenmehrheit Vor 8–18 14 Personenstandsrechtsreformgesetz (PStRG) Einl 630 Personenstandsregistersachen 13 52 Personenstandssachen 16 8 Akteneinsicht in ~ 34 29 Beschwerderecht in ~ 20 91 f Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit 13 9 persönliches Erscheinen 15 92 der Beteiligten Einl 126 Pflegeeltern siehe Eltern Pfleger 12 96; 20 50 ff; 33 18 Nachlass~ siehe dort Verfahrens~ siehe dort Pflegling 20 57 Pflegschaft 16a 24 f Beschwerderecht bei ~ 20 38 ff Dauer~ Vor 13a 46 f für Erwachsene Einl 227 Pflichtteilsberechtigte 20 66 Plenum Anrufung des ~s 28 2 Polen FGG-Reform Einl 653 Polizei 33 65 Beschwerderecht der ~ 20 107 Sitzungs~ siehe dort Unterbringungsgewahrsam, ~licher 19 34 Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Vor 13a 22; 16 43 Aufgabe zur Post 16 53; 18 8 Postulationsfähigkeit 13 54 ff; 29 12, 16 Verhältnis der ~ zur Vertretungsbefugnis 29 20 Präklusion 31 13 Presse 34 3 Preußisches FGG Einl 25 ff Prioritätsprinzip 16a 56 Privatrecht, internationales siehe Internationales Privatrecht Protokoll 8 10, 52; Vor 8–18 31; 11 16 ff; 12 88 Bekanntmachung zu ~ 16 65 ff Berichtigung eines ~s 18 49 der Beschwerdeerklärung 29 24 ff

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

der Geschäftsstelle Einl 104; 11 – Beschwerdeeinlegung zu ~ 21 19 ff; 29 22 ff – Erklärung vor unzuständiger Geschäftsstelle 21 21 des Richters 21 22 Prozess- und Sachleitung Vor 8–18 22 Prozessagent 14 46 Prozessgericht Zuständigkeit 33 13 f Prozesskostenhilfe Vor 13a 9, 28; 14 Anspruch auf ~ 14 17 Antrag auf ~ 14 22 ff Aufhebung der Bewilligung 14 64 ff Berechtigte 14 16 ff im Beschwerdeverfahren 25 33 Bewilligungsverfahren 14 22 ff einzusetzendes Einkommen und Vermögen 14 7 ff isoliertes ~verfahren 1 141 Kosten des ~verfahrens 14 32 f Kostenerstattung 14 31 Rechtsanwaltsbeiordnung 14 44 ff Rechtsmittel im ~verfahren 14 67 ff Umfang, gegenständlicher 14 34 ff Vorschuss in Unterhaltssachen 14 73 Zahlungen 14 40 ff zeitliche Grenzen 14 38 f Prüfungsrecht, eingeschränktes 2 12 Recht Gerichtsverfassungs~ 8 1 revisibles und irrevisibles ~ 27 32 Verletzung eines ~s 20 8; 27 41, 68 Rechtsantragstelle 21 20 Rechtsanwalt 5 34; 6 33; 8 50 Akteneinsichtsrecht des ~s 34 11 Anwaltszwang 29 9, 21 beauftragter ~ 2 34 beigeordneter ~ Vor 13a 28; 14 58, 89 Berufs- oder Vertretungsverbot 29 6 Beschwerderecht des ~s 20 112 Beschwerdeschrift eines ~s 29 6 ff Beweis~ bzw Verkehrs~ 14 54 europäischer ~ 13 56 Kosten und Gebühren Vor 13a 11 ff; 13a 42; 14 61

Rec

– Gebühren im Zwangsverfahren 33 46 Wahl~ 14 45 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Vor 13a 11 Rechtsanwendung Fehlerhaftigkeit der ~ 27 41 ff Rechtsau ffassung Wandel in der ~ 28 13 Rechtsausführungen 12 126 f Rechtsbegriff unbestimmter ~ 27 61, 65 Rechtsbehauptung 20 13 Rechtsbehelfsbelehrung siehe Rechtsmittelbelehrung Rechtsbeistand siehe auch Rechtsanwalt 14 46 Rechtsbelehrung 19 15 Rechtsbeschwerde siehe Beschwerde Rechtsbeschwerdegericht Entscheidung des ~s 27 118 ff Verfahren des ~s 27 114 ff Rechtsfähigkeit Einl 96 f Teil~ 13 6 Rechtsfolge unzulässige ~ 7 35 Rechtsgemeinschaft 16 17 Rechtsgeschäft Privat~ 7 36 Rechtsgestaltende Entscheidung 13a 24 Rechtshängigkeit 16a 57; 31 14 Rechtshilfe 2; 12 82 Ablehnung der ~ 2 22 ff Anordnung der ~ 2 11 Ersuchen um ~ 2 17, 22 ff erweiterte ~ 2 22 im weiteren Sinne 2 9 Kosten 2 33 f Landesrechtliche Angelegenheiten 2 39 Rechtsbehelfe im ~verfahren 2 26 ff – Antrags- und Beschwerdeberechtigung 2 28 Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland 2 40 ff Verfahren 2 16 ff; 19 43 – bei ausländischer Rechtshilfe 2 46 Vollstreckungen, Ladungen und Zustellungen und ~ 2 31

1037

Rec

Sachregister

Zuständigkeit – örtliche 2 19 – sachliche ~ 2 18 Rechtskraft Vor 8–18 18; 14 68; 29a 4 formelle ~ Einl 140; 16 21f; 18 25; 26 5; 31 4 materielle ~ 18 28; 31 10 ff Nachweis der ~ siehe Rechtskraftzeugnis und Unabänderlichkeit gerichtlicher Entscheidungen 18 3 ff von Verweisungsbeschlüssen 1 133 Rechtskraftzeugnis Einl 140; 31 Antragsberechtigung 31 2 Rechtsmittel gegen Versagung bzw Erteilung 31 7 f Rechtsmissbrauch, offensichtlicher 2 25 Rechtsmittel Einl 158 ff Beschränkung der ~einlegung 21 31 bei Gutachterpflicht 15 65 Kosten bei unbegründeten ~ 13a 13 ff bei Kostenfestsetzung 13a 57 ff gegen Ordnungsmittel 8 46 ff im Prozesskostenhilfeverfahren 14 67 ff gegen Rechtspflegerentscheidungen 1 159 ff Rücknahme des ~s 21 32 – Kosten bei ~ 13a 20 f bei Vergütungsfestsetzung 13a 57 ff; Vor 13a 32 gegen Versagung bzw Erteilung von Rechtskraftzeugnissen 31 7 bei Zeugnispflicht 15 32 ff bei Zeugnisverweigerung 15 50 Zulässigkeit von ~n 27 38 Rechtsmittelbelehrung Einl 80, 133; 16 8 ff; 25 36 ff Rechtsmittelgericht 28 1 Rechtsnachfolge Vor 8–18 37; 20 18 Rechtsnorm vorlagefähige ~ 28 7 f Rechtspfleger 1 9, 149 ff; 5 8; 6 35; 7 14, 21; 8 47; 12 116; Vor 13a 7, 31; 13a 48; 15 35, 69; 18 30 Amtspflicht der Protokollaufnahme 11 20 f

1038

Beschwerderecht des ~s 20 113 Entgegennahme von Beschwerdeerklärungen 29 23 Entscheidungen des ~s 19 9, 50f; 26 13 – bei Antrag auf Akteneinsicht 34 10 – Beschwerde gegen ~ 21 42, 49; 23 32; 24 24 – Erinnerung gegen ~ 22 47 – Kostenentscheidung 20a 22 ff Handlungen und Verfügungen eines Nicht~ 7 23 im Rechtshilfeverfahren 2 17 f, 27 Verlagerung von Aufgaben auf den ~ Einl 643 ff Verteilung der ~aufgaben 5 5 Vollstreckung durch den ~ 33 69 Vorlagepflicht 1 157 Rechtsprechende Gewalt 1 8 Rechtsschein gerichtlicher Verfügungen 18 43 Rechtsschutzbedürfnis Vor 8–18 16 Rechtsverfolgung 14 5 f Rechtsverkehr grenzüberschreitender ~ Vor 13a 33 ff; 14 76 f Rechtsverordnung 27 29 Rechtsweg Vor 3–7 3 Zulässigkeit des ~s 27 96 Rechtswegverweisung 1 130 ff Referendar 1 163 ff; 7 24 Referentenentwurf zum FGG-Reformgesetz Einl 63 ff 72 ff Reformvorhaben 1 193; 2 49; 3 10; 4 13; 5 35; 6 38; 7 43; 8 79 ff; Vor 8–18 90 ff; 11 33; 12 146; 13 58; 13a 66 ff; Vor 13a 42 ff; 15 87 ff; 16 72; 16a 101 ff; 17 28; 18 63; 19 52; 20a 25; 21 52; 22 53; 32 12 Akteneinsicht 34 31 Anhörungsrüge 29a 28 Ausgliederung von Aufgaben aus der Justiz Einl 632 ff in Beschwerdesachen 20 122; 24 26; 25 39; 26 16; 27 133; 28 50; 29 45; 30 25 – neues Vorbringen im Beschwerdeverfahren~ 23 34

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Prozesskostenhilfe 14 78 ff Rechtskraft 31 20 ff Vollstreckung 33 80 Regelungsstreitigkeiten Vor 8–18 56 Registerakten siehe Akten Registersachen Einl 556 ff; 1 9; 33 29 Anmeldung zum Handels~, Vereins~, Güterrechts~ 13 39 Einsicht in ö ffentliche ~ 34 26 Registereintragungen 7 16 Registergericht 13 52; 33 29 Zwangsgeldverfahren in ~ 33 61 Reichsrecht 1 11 f, 15 Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Einl 3 Reisekosten 14 53 Restitutionsgründe 27 92 Revisibilität der Auslegung 27 44 ff der Beweiswürdigung 27 44 ff Revision 27 32 Richter 1 147 ff kraft Auftrags 1 164 Ausschließung des ~s 6; 27 75 f – Gründe 6 8 ff – Rechtsmittel 6 32 ff – Verfahren 6 25 ff beauftragter ~ 7 24; 15 5 Beratung und Abstimmung 8 56 ff Einzel~ – Übertragung auf den ~ 30 10 – Zuständigkeit in Beschwerdesachen 30 9 ff Ergänzungs~ 8 59 ersuchter ~ 5 5; 7 24; 15 5 Handels~ siehe dort Handlungen unzuständiger oder ausgeschlossener Richter 7 – Rechtmittel 7 16 ff privates Wissen des ~s 12 64 Protokoll des ~s 21 22 Vernehmung des ~s 6 16 Wechsel des ~s Vor 8–18 29; 18 17 Rückerstattungssachen 28 47 Rücktritt Vor 8–18 83 Rückwirkung 18 40 bei Änderung gerichtlicher Verfügungen 18 35

Sch

Rüge Anhörungs~ siehe dort Verfahrens~ 6 34 Verlust des ~rechts Vor 8–18 62; 27 97 Ruhen des Verfahrens Vor 8–18 44 Rundfunk 15 46 Saarland freiwillige Gerichtsbarkeit im ~ Einl 10 ff Sachaufklärung 12 75 Sachdienlichkeit 27 92 Sache als Augenscheinsbeweis 15 13 einheitliche ~ 4 6 f Herausgabe von ~n siehe dort Lage einer ~ Vor 3–7 9 Vorlage einer ~ 33 56 Sachenrecht Anwendung fremden ~s 1 185 ff Sachentscheidungsvoraussetzung Vor 8–18 16; 13 12, 29 Sachverhaltsdarstellung 27 128 Sachverständigengutachten 12 107, 111; 15 59 ff Anordnung der Begutachtung 19 22 Form 15 70 f Form der Erstattung 15 70 f Gegen- oder Obergutachten 15 73 Verweigerung des ~ 15 63 Würdigung von ~ 27 46 Sachverständiger 6 16 Ablehnung 15 66 ff – Rechtsmittel 15 69 Beeidigung 15 72 Gutachterpflicht 15 61 ff öffentlich bestellter ~ 15 61 Vergütung 15 74 Säumnis Vor 8–18 87 Schaden Ermittlung des ~s Vor 8–18 61 Ersatz des ~s 13a 47 Vermögens~ 15 44 Scheidungssachen Einl 255 ff; 14 35 Akteneinsicht in ~ 34 28 Privat~ 16a 14 Scheidungsverbund Vor 13a 2 vereinfachtes ~sverfahren Einl 258

1039

Sch

Sachregister

Schiedsvereinbarung Vor 3–7 32 Schlechterstellung des Beschwerdeführers 25 12 ff Verbot der ~ 18 15 Schriftform Vor 8–18 27 ff; 11 25, 29; 29a 18 Schriftgebrauch, allgemeiner 27 47 Schriftstücke verfahrenseinleitende ~ 16a 49 für Blinde oder Sehbehinderte 8 25 ff Schuldner 33 34 Gesamt~ Vor 13a 47 Kosten~ Vor 13a 6, 8 Schuldverschreibungen 1 100 Schutzgebietsgesetz Einl 31 Schwägerschaft 6 12 Schweigepflicht 15 46 ff Schweiz FGG-Reform Einl 651 Seelsorger 15 46 Selbstkorrektur Vor 19 24 Selbständige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1 18 selbständiges Beweisverfahren siehe Beweisverfahren Senat Gemeinsamer ~ der obersten Gerichtshöfe 28 15; 30 22 Großer ~ 30 19 – Vereinigter ~ 30 29 Zuständigkeit 30 1 Sicherstellung Vor 13a 47 Sicherung Kosten~ Vor 13a 9 Sittenwidrigkeit erschlichene Entscheidungen 18 62 Sitz Vor 3–7 8 Doppel~ 4 2 Sitzung Ungebühr in der ~ 8 36 ff Sitzungspolizei 8 28 ff Sollvorschrift 27 33 ff Sonderprüfer Vor 3–7 16 f Sorbisch Schriftsätze in ~er Sprache 8 4 Sorgerecht 14 5, 49; 16a 23 ff, 78; 25 18 Sozialarbeiter 15 46 Sozialpädagoge 15 46 Spiegelbildprinzip 16a 42

1040

Sprachfremde Verhandlung mit ~ 8 5 ff Sprachgebrauch 27 36, 47 Staatenlose 13 16 Staatsakt 7 36,38 Staatsgeheimnis siehe Geheimnis Staatskasse Vor 13a 6; 13a 5, 31; 20a 16 Anfechtungsrecht der ~ 14 72 Staatsvertrag siehe Vertrag Standesbeamter 20 92 Stimmenzählung bei gerichtlicher Abstimmung 8 69 ff Strafrecht Gefahr ~licher Verfolgung 15 44 Straftat in der Sitzung 8 54 f Strafurteil siehe Urteil Streitgenossenschaft Beschwerderecht bei ~ 22 24 f einfache ~ Vor 8–18 86 notwendige ~ Vor 8–18 87 Streitigkeiten Regelungs~ 18 57 Streitkräfte in Deutschland stationierte ~ 3 15 Streitsachen, echte 7 27,37, Vor 8–18 54 ff; 12 3, 5; 15 82; 31 10, 14; 33 8 öffentlichrechtliche ~ Vor 8–18 70 ff privatrechtliche ~ Vor 8–18 54 ff Veräußerung der Streitsache Vor 8–18 60 Wiederaufnahme bei ~ 18 60 Streitverkündung Vor 8–18 66 Stundung 33 47 Subsumtion Fehler bei der ~ 27 42 Tatbestandsberichtigung 18 50 Tatbestandswirkung 12 30 Tätigwerden 4 4 Tatsachen 12 14 Ausschluss~ 12 59 gerichtskundige ~ 12 61 Hilfs~ 12 49 innere ~ 12 49 neue ~ 12 125; 23 3 ff; 33 52 offenkundige ~ 12 60 ff

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Tatsachenbeschwerde siehe Beschwerde Tatsachengericht 5 19, 23 Technische Aufzeichnung siehe Aufzeichnung Teilungssachen Einl 498 ff, 540 ff Telekommunikationsmittel 11 30 Telefax 17 10; 21 15f; 29 10 Telefon 21 18, 24 Telegrafie 21 14 Telekopie 16 41 Termin Einl 125 Aufhebung und Verlegung 19 19 Bestimmung des ~s 19 19 Terminsgebühr siehe Gebühr Terminsvertreter 16 37 Testament 27 53 Auslegung des ~s 27 53 Verwahrung und Eröffnung 12 45; 13 27; 20 68 Testamentsvollstrecker Beschwerderecht des ~s 20 61 Bestellung eines ~s 16a 35 Meinungsverschiedenheiten unter ~n 33 6 Zeugnis 16a 36; 20 65 Testamentsvollstreckung Einl 532; 20 65 ff Testierfähigkeit 12 107 Textform 11 27 Titel, vollstreckbarer 13a 49 f Tod des Beteiligten Vor 8–18 35 ff Todeserklärung 16a 39; 18 14; 20 95; 20a 13 Trennung Verfahrens~ Vor 8–18 88 f Überraschungsentscheidung 12 11 Übersetzung 8 4 Überzeugung, freie Vor 8–18 98 Umgangsrecht 14 49; 16a 23 ff, 65, 76; 33 20 ff, 33, 42, 62, 91 Vermittlungsverfahren bei Umgangsregelung Vor 13a 15 Umsatzsteuer Vor 13a 25; 13a 55 Unechte FGG-Sachen 1 26 ff Ungebühr in Schriftsätzen 8 45 in der Sitzung 8 36 ff Ungehorsam 8 32 ff

Urk

Unmittelbarkeitsgrundsatz Vor 8–18 33 Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme 15 5 ff Unmöglichkeit 33 34 Unrichtigkeit, offenbare 18 46 ff Untätigkeit 19 11 Unterbrechung Verfahrens~ Vor 8–18 34 ff Unterbringungssachen Einl 227, 466 ff; 13 20, 26; Vor 13a 14; 13a 35; 14 55; 16 6, 8, 19 Abgabe von ~ 1 146 Auslagen in ~ 13a 29 ff – Anfechtung der Entscheidung über ~ 20a 15 f Beschwerderecht in ~ 20 93 Unterbringungsmaßnahmen 11 7, 9; 12 97; 18 25 – Gewahrsam, polizeilicher 19 34 zwangsweise Unterbringung 12 93 Unterhaltssachen Einl 370 ff; Vor 13a 48 Prozesskostenhilfe 14 73 Unterhaltsgewährung Vor 8–18 16; 33 7 Unterkunft Kosten für ~ 14 11 Unterlassen schuldhaftes ~ 33 44 Unterlassungspflicht 33 35 Unternehmensrechtliche Verfahren Einl 558, 588 ff Unterschrift des Rechtsanwalts 29 7 f des Rechtspflegers 29 28 Untersuchung Blutgruppen~ 15 16 Erzwingen von ~en 15 18 Untersuchungsgrundsatz siehe auch Amtsermittlung Vor 8–18 21; 12 90 Urheberrecht Vor 13a 19 Urkunden fremdsprachige ~ 8 4 Herausgabe von ~ 33 34, 61 notarielle ~ 34 21 öffentliche ~ 15 79; 16 50 – ausländische ~ 12 39 Privat~ 15 79 Zurückbehaltung von ~ Vor 13a 9 Zustellungs~ 16 50

1041

Urk

Sachregister

Urkundenbeweis siehe Beweis Urkundsbeamter siehe Beamter Antrag gegen Entscheidung des ~ Vor 19 21 Urteil Gestaltungs~ 12 22 Straf~ 12 34 Vaterschaft Anerkennung der ~ 13 27 Verbände Beschwerderecht der ~ 20 100 ff Verbindung Verfahrens~ Vor 8–18 88 f Verbot der Schlechterstellung 18 15; 25 14 ff Verbotene Handlungen siehe Handlungen Verbund Vor 13a 48 Verdienstausfall 15 74 Verein ausländischer ~ 13 10 Beschwerderecht in ~ssachen 20 94 Betreuungs~ 20 42 nicht rechtsfähiger ~ 13 9 Vereinigung parteifähige ~ 14 17 Vereinsregister Einl 585 ff Verfahren Abgabe~ siehe Abgabe Abstammungs~ siehe dort allgemeine ~sgrundsätze Einl 39; Vor 8–18 Amts~ siehe dort Änderung des ~srechts 27 38 ff Anmelde~ 20 72 Antrags~ siehe dort Arrest~ siehe dort mit Auslandsbezug Einl 220 ff Aussetzung des ~s Einl 115; 27 7 Einleitung des ~s Einl 103; 19 18 Erbscheins~ siehe dort im ersten Rechtszug Einl 102 ff Exequatur~ siehe dort Feststellungs~ siehe dort Firmenmissbrauchs~ 20 74 Gegenstand des ~s Vor 8–18 11; 23 11 ff, 22 – trennbar 28 41 gesellschaftsrechtliches Spruch~ Vor 3–7 18; 28 6

1042

Justizverwaltungs~ siehe dort Kostenfestsetzungs~ siehe dort Mängel des ~s 6 34; 7 16, 32; 12 140 ff; 25 25; 27 93 ff, 107 – Fortsetzung des ~ nach Anhörungsrüge 29a 25 Mündlichkeit oder Schriftlichkeit des ~s Vor 8–18 27 ff Nachlassauseinandersetzungs~ 34 24 Nichtabhilfe~ 18 6 Normenkontroll~ siehe dort selbständiges ~ siehe dort Stillstand des ~s Vor 8–18 34 ff Subjekt des ~s 12 77 unternehmensrechtliches ~ siehe dort Unterbrechung des ~s Vor 8–18 34 ff Unzulässigkeit des ~s Vor 8–18 24 Verbindung und Trennung von ~ Einl 113; Vor 8–18 88 f, 94 Vermittlungs~ siehe dort Vertretung im ~ 20 26 ff – Verfahrenspfleger 13 14, 34; 14 55; 15 8, 20; 34 11; 20 27 – Verfahrensvollmacht siehe auch Bevollmächtigte Einl 100; 20 11 bei Vorlage zum Bundesgerichtshof 28 33 ff Wiederaufnahme 18 55 ff Wiedereinsetzungs~ 22 38 ff wirtschaftsrechtliche ~ Vor 3–7 12 Zuständigkeitsbestimmungs~ 5 Zwangsmittel~ 20 73; 33 36 ff, 61 Verfahrensfähigkeit Einl 97; 12 94; 13 13 ff Minderjähriger Einl 163 Verfahrensgebühr siehe Gebühr Verfahrenshandlungen der Gerichtsorgane 27 56 schriftliche ~ 11 28 ff Verfahrenshindernis Vor 13a 9 Verfahrenskostenhilfe Einl 81, 181 ff Verfahrensleitung Einl 120f; Vor 8–18 97 Verfahrensökonomie 5 1 Verfassungsrecht 1 7, 157; 5 1; 29a 10 Verfassungsbeschwerde 12 115; Vor 19 36; 28 33, 44 Verfügung siehe auch Entscheidung 19 3 ff

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

beschwerdefähige ~ 19 10 ff, 20 ff; 33 49; 34 15 – Erlass der ~ 19 30 – Form 19 29 Eintragungs~ 19 13 des Familiengerichts siehe dort feststellende ~ 33 5 – Aufhebung der ~ 18 37 im fürsorgerischen Bereich 7 37 gegenstandslose ~ 7 36 gerichtliche ~ 16; 19 7 ff – Änderung 18 – Anfechtbarkeit 19 31 – Bekanntmachung 16 11 ff – Berichtigungen und Ergänzungen 18 46 ff – Erlass 18 8 – Folgen der Aufhebung 32 – Form 33 31 – Nichtigkeit 18 43 – Rechtsschein 18 43 – Sittenwidrigkeit 18 62 – Vollziehung ~ 33 – Wirksamkeit 16 23 ff des Landgerichts siehe Landgericht leistungsverpflichtende ~ 18 38 letztwillige ~ siehe auch Testament und Erbvertrag Einl 516 ff nichtige oder wirkungslose ~ 7 38; 19 36 f, 38; 32 7 rechtsgestaltende ~ 7 34; 18 26, 39 f, 42; 33 5 des Rechtspflegers siehe dort unanfechtbare ~ 7 17; 19 27; 31 5 – Abänderung 18 14 Zwischen~ 19 22f; 20 35; 27 6; 28 9 Vergleich Einl 79, 129; Vor 8–18 80 ff, 96; 12 88; 13a 73; 14 30; 16a 53; 33 33 Form der ~sniederschrift Vor 8–18 82 gerichtlicher ~ 13a 50 Kosten bei ~ 13a 23 Widerrufsfrist siehe Frist Vergütung des Betreuers 23 14 Festsetzung der ~ 33 16 des Rechtsanwalts Vor 13a 11 ff; 14 33 Sachverständigen~ 15 74

Ver

Verhandlung mit Hör- und Sprachbehinderten 8 11 ff mündliche ~ 12 83 ff; 27 114; 30 15 mit Sprachfremden 8 5 ff Wiederholung der ~ 12 87 Verhandlungsmaxime 12 2 Verhinderung an der Ausübung des Richteramts 5 17 ff tatsächliche ~ 5 17 des zuständigen Gerichts 5 27 Verkehrsanwalt siehe Rechtsanwalt Verkehrsmittel, öffentliche 15 74 Verkehrsregelungssachen 25 18 Vermittlungsverfahren 14 49; 33 91 gerichtliches ~ 33 22 bei Umgangsregelung Vor 13a 15 Vermögen 14 7, 15; 20 18 Vermögensschaden siehe Schaden Vermögenssorge 33 19 Vermutung gesetzliche ~ 12 17 f Rechts~ 12 18 Tatsachen~ 12 17 Vernehmung 6 16; 15 54 Beteiligter 15 80 f wiederholte ~ 12 106 Verrichtungen 19 4, 12 handelsrechtliche ~ 20 78 Versäumnisentscheidung Vor 8–18 28, 69 Verschollenheitssachen 18 58 Beschwerde in ~ 20 95; 29 39 Verschulden 22 32 f; 33 44 grobes ~ 13a 18, 34, 69 Versicherung anwaltliche ~ 13a 55 eidesstattliche ~ siehe dort Versicherungsvertrag 1 113 Versorgungsausgleichssachen Einl 352 ff; Vor 13a 48; 33 5, 26 Versorgungsträger öffentlich-rechtliche ~ 33 26, 38 Verständigungsmittel 11 22 Versteigerung von Wohnungseigentum 20 99 Vertagung 12 138

1043

Ver

Sachregister

Verträge bilaterale ~ 2 44; 16 55; 16a 89 EU-Verträge 31 15 – Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge 31 15 multilaterale ~ 16 55; 16a 78 ff Staats~ 27 31; 33 71 Vertrauen in nichtige Verfügungen 32 7 Vertrauensperson 13 34 f Vertrauensstellung besondere berufliche ~ 15 46 Vertretung bei Beeidigung 15 76 bei Beschwerdeeinlegung 21 25 f durch Bevollmächtigte 13 36 ff diplomatische oder konsularische ~ 16 51, 53 Entziehung der ~smacht 32 8 gesetzliche ~ 13 13; 15 20; 16 33; 33 38, 68 Kosten des vollmachtlosen Vertreters 13 48 mangelnde ~ 27 77 ff rechtsgeschäftliche ~ 16 34 Verbot der ~ 29 6 Verfahrens~ 20 26 Vertretungsbefugnis 6 13 Amtsprüfung der ~ 13 46 Verwahrung letztwilliger Verfügungen Einl 516 ff Verwalter Zwangs~ 20 96 Verwaltung Justiz~ siehe dort Verwaltungsakt Anfechtung von ~en 1 6; Vor 3–7 26f; Vor 8–18 73 ff Bindung an ~ 12 24 ff feststellender ~ 12 35 Justiz~ 16 52 Verwaltungsbehörden Einl 16; 1 5 – Kostenauferlegung 13a 35 ff Verwaltungsgeheimnis siehe Geheimnis Verwandte 6 12 Anhörung ~r 12 66 Verweisung innerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1 143 ff

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bei Unzuständigkeit Einl 87 Zurück~ siehe dort Verwerfungsmonopol Vor 8–18 45 Verwirkung Vor 8–18 15 des Beschwerderechts siehe Beschwerde Verzicht Vor 8–18 15, 67; 12 42 auf Bekanntmachung 16 14 Beschwerde~ 27 99; 31 5 Völkerrecht 3 3; 16a 1 Volljährige 13 18 Vollmacht 13 44 ff beglaubigte ~ 13 47 gesetzlich vermutete ~ 13 52 Nachweis der ~ 13 46 ff Verfahrens~ Einl 100; 16 37 Vollständigkeitspflicht 12 7 Vollstreckbarer Titel siehe Titel Vollstreckung Einl 192 ff, 219; 2 31 f ausländischer Entscheidungen 16a 7, 63 ff, 105 von Freiheitsstrafen 2 32 von Beschwerdeentscheidungen 26 9 deutscher Entscheidungen im Ausland 16a 100 einstweiliger Anordnungen Einl 152 gerichtlicher Verfügungen 16 25 in Rechtsfürsorgeangelegenheiten Einl 81 sitzungspolizeilicher Maßnahmen 8 41f Testaments~ siehe dort Verfahren Einl 208 Vollstreckbarerklärung 16a 63; 33 71 ff Vollstreckungsbehörden siehe auch Behörde Vor 13a 10 Vollstreckungsgericht 20 102; 33 11 Vollstreckungsklausel 16a 72 ff; 33 9 Zwangs~ siehe dort Vollziehung ausländischer Entscheidungen 33 71 Aussetzung der ~ 2 29; 24 11 ff gerichtlicher Verfügungen 33 einer Herausgabeanordnung 19 37 Maßnahmen der ~ 33 66 Vollziehungsverfügung nach § 33 FGG 16a 64

Zeu

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Vorbehaltsübertragung 1 153 Vorbescheid nach Entscheidungsreife 19 17 des Nachlassgerichts 20 63; 27 26 Vorbringen neues ~ 23 verspätetes ~ 17 8 Vordruck amtlicher ~ 14 24 Vorfragen Kompetenz bei ~ 12 19 ff öffentlichrechtliche ~ 12 23 Vorgreiflichkeit Aussetzung wegen ~ Vor 8–18 39 Vorgriff 4 8 ff Vorgri ffszuständigkeit siehe Zuständigkeit Vorkaufsberechtigter 20 90 Vorlage Beschluss der ~ 28 35 f beim Bundesgerichtshof 30 21 Pflicht zur ~ 28 14, 33 Rechtsnorm, ~fähige 28 7 f Vorläufiger Rechtsschutz siehe auch einstweilige Anordnung 1 141 Vorläufiger Vergleich Einl 151 Vormund 12 96; 20 50 ff; 33 18 Gegen~ 12 67; 20 53 Vormundschaft Vor 13a 46f; 16a 24 f; 33 18 Abgabe von ~ssachen 1 145 Beschwerderecht bei ~ 20 38 ff Vormundschaftsgericht 12 44, 133; 33 18 ff Genehmigung, ~liche 18 13 Vorschuss Vor 13a 9 Vortrag mangelnde Fähigkeit zum ~ Wachtmeister Gerichts~ siehe dort Justiz~ siehe dort Waffengleichheit Grundsatz der ~ 14 50 Wahlanwalt siehe Rechtsanwalt Wahrheit materielle ~ 12 40 Wahrheitspflicht 12 7 ff Wahrnehmung eigene sinnliche ~ 15 12

Wahrscheinlichkeit 15 83 Wahrunterstellung 12 104 Weigerungsrecht nach § 372a Abs 1 ZPO 15 17 Wertvorschriften Vor 13a 26 ff Widerspruch Vor 19 18 Amts~ 31 10 Widerspruchsklage 33 14 Wiederaufnahme Einl 146 f; Vor 19 17 Verfahrens~ 18 55 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Einl 116 ff; 18 23; Vor 19 17; 22 27 ff; 25 5; 29 36 Ausschluss der ~ 22 45 Wiederholungsgefahr 27 104 Willenserklärung siehe Erklärung Willkürverbot 27 49; 29a 10 Wirksamkeit der Änderung gerichtlicher Verfügungen 18 33 ff gerichtlicher Verfügungen 16 11 ff, 23 ff sofortige ~ von Beschwerdeentscheidungen 26 7 – Anordnung der ~ 26 10 Wirtschaftliche Leistungskraft 14 4 Wirtschaftsrecht Vor 3–7 12 Wohnsitz 3 5; Vor 3–7 6; 4 2 Wohnung Vor 8–18 16; 33 66 exterritorialer ~sinhaber 16 60 Mitbewohner, ständiger 16 45 Zustellung in der ~ 16 45 Wohnungseigentumssachen 1 135 Beschwerderecht in ~ 20 96 ff Wohnungseigentümer – Gemeinschaft von ~n 13 8 – Mehrheitsbeschlüsse von ~n 32 9 Wohnungszuweisungssachen Einl 333 ff; Vor 13a 48 Zeuge 6 16; 27 45 Entschädigung der ~n 15 74 minderjähriger ~ 15 42 Zeugenbeweis siehe Beweis Zeugnis 1 9 Notfrist~ 31 6 Rechtskraft~ siehe dort Testamentsvollstrecker~ siehe dort 16a 36

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Zeu

Sachregister

Zeugnisfähigkeit 15 20 ff Zeugnispflicht 15 23 ff Zeugnisverweigerung 15 26 Ausschluss des ~srechts 15 43 kraft besonderer beruflicher Vertrauensstellung 15 46 ff Rechtmäßigkeit der ~ 15 49 ff Zinsen Vor 13a 48 Zivilhaftstrafen 2 32 Zivilrecht Streitigkeiten, ~liche 16a 67 Verfahrensgegenstand, ~licher 16a 12 Zivilurteil 7 37 Zugang 16 63 Zulässigkeit der Beschwerde siehe dort 25 2 ff Zulassung zur Beschwerde 25 5 Zulassungsbeschwerde siehe Beschwerde Zurücknahme eines Rechtsmittels 31 5 Zurückverweisung 12 142 ff der Beschwerde 25 11 ff, 22 ff; 27 9, 123 ff Kosten bei ~ 13a 17 Sprung~ 27 126 Zuständigkeit Vor 3–7 Abgabe wegen Un~ 1 143 f Auffang~, besondere 4 11 Ausschluss der ~ 4 8 f bei Beschwerdeeinlegung 21 4, 28 deutsche internationale ~ 1 182 ff funktionelle ~ Vor 3–7 3; Vor 13a 28 – des Rechtspflegers 11 13 – des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle 11 12 – Zuständigkeitsverstöße 11 15 funktionelle Un~ 32 7 gerichtliche Bestimmung der ~ Einl 89 innerstaatliche ~ Vor 3–7 10 internationale ~ 1 179 ff; 3 12; Vor 3–7 29 f – bei Anerkennung ausländischer Entscheidungen 16a 42 irrige Annahme der ~ oder Un~ 27 87 f

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konkurrierende ~ 1 128; 4 bei Kostenfestsetzung 13a 48 Mangel, Fehlen oder Überschreiten der ~ 7 19 ff der obersten Bundesgerichte 28 49 örtliche ~ Einl 85f; Vor 3–7 5 ff; 4 9; 5 5 ff – Bestimmung der ~ 5 – für Exteritoriale und Beamte im Ausland 3 – mehrfache ~ 4 2 f bei Prozesskostenhilfe 14 23 Prüfung der ~ Vor 3–7 33 ff im Rechtshilfeverfahren siehe Rechtshilfe sachliche ~ Vor 3–7 11 ff – bei Änderung gerichtlicher Entscheidungen 18 20 ff Status~ 1 184 Streitigkeiten über die ~ Vor 3–7 20, 23, 36; 5 5 ff; 28 6 Vereinbarungen über die ~ Vor 3–7 31 Vorgriffs~ 4 4 f bei Zwangsmittelfestsetzung 33 36 im Zwangsvollstreckungsverfahren 33 10 ff Zustellung Einl 78; 2 31; 16 30 ff Amts~ 16 31 im Ausland 16 51 Ersatz~ siehe dort förmliche ~ 27 132 Heilung von ~smängeln 16 63 öffentliche ~ 16 56 ff Urkunde der ~ siehe 16 50 bei verweigerter Annahme 16 49 Zustellungsbevollmächtigte 16 53 ZustErgG 7 39 Zuwiderhandlung siehe Handlung Zwang Anwalts~ siehe Rechtsanwalt 14 23, 47 f Anwendung von ~ 12 89 ff Erscheinens~ 12 99 Maßnahmen nach § 33 FGG 13 40 unmittelbarer ~ Einl 209; 12 95; 33 36, 68, 92 Zwangsgeld siehe Zwangsmittel

fette Zahlen = §§, magere Zahlen = Randnummern

Zwangsmittel 12 89, 92 ff; 24 Androhung und Festsetzung von ~n 33 36 ff – Rechtsmittel gegen ~ 33 49 ff Androhung von ~n 33 63 bei Erscheinenspflicht 15 31 zur Erzwingung der Aussage und der Eidesleistung 15 56 ff bei Gutachterpflicht 15 64 Ordnungsgeld 15 64 unmittebarer Zwang siehe Zwang Verfahren siehe dort Zwangsgeld Einl 571 ff; 12 96; 33 26, 29, 36, 39 ff, 61 – Androhung der Festsetzung von ~ 33 40 ff – Festsetzung von ~ 18 29; 33 44 ff, 53

Zwe

– Stundung, Ratenzahlung und Erlass 33 47 – Uneinbringlichkeit des ~s 33 60 – Vollstreckung des ~s 33 47 Zwangshaft 33 36, 48 – Beschwerde gegen ~ 24 10 Zwangsverfahren nach § 33 FGG Vor 13a 19 Zwangsverwalter siehe Verwalter Zwangsvollstreckung 28 43 aus Kostenfestsetzungsbeschluss 13a 64 Prozesskostenhilfe für die ~ 14 35 aus Vergleich Vor 8–18 85 nach der Zivilprozessordnung 33 8 ff Zweckmäßigkeit 5 24

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