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German Pages 108 [112] Year 1970
Max Euwe Feldherrnkunst im Sdiadi
MAX EUWE
Feldherrnkunst im Schach Eine Studie über die Entwicklung des Schachdenkens vom Jahre 1600 bis heute Mit einem Anhang: Schach mit dem Computer
WALTER D E G R U Y T E R & CO. B E R L I N 1970
Deutsche Ubersetzung: Kurt Richter, Berlin Titel der holländischen Originalausgabe Den Hertog-Euwe,
„Praktische S c h a a k l e s s e n "
© Copyright G . B. van G o o r Zonen's U . M. N . V., D e n Haag, Holland (1965)
©
Copyright 1970 by Walter de Gruyter & Co, vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung / J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J . Trübner / Veit & Comp., 1 Berlin 30 — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdruckes, der photomedianischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten — Printed in Germany — Archiv-Nr. 5376701 — Satz und Druck: Franz Spiller, 1 Berlin 36 Umschlag : U. Hanisch, Berlin-Zehlendorf
Exweltmeister Michail Botwinnik gewidmet
Vorwort Die Absicht des Verfassers ist nicht so sehr, mit dieser Studie einen Beitrag zur historischen Entwicklung des Schachspiels zu schaffen, als vielmehr, das Schachdenken in den verschiedenen Zeiträumen zu analysieren und so den Blick des Lesers für die Zusammenhänge einer Schachpartie zu verbreitern und sein Verständnis für die strategischen und taktischen Belange des Schachspiels zu vertiefen. Amsterdam Ende 1969
Prof. Dr. M a x E u w e
7
Inhaltsübersicht Vorwort
7
Einleitung
11
Abschnitt I. Greco: 1600—1634
13
Abschnitt II. Philidor: 1726—1795
16
Abschnitt I I I . Anderssen: 1818—1879
21
Abschnitt IV. Morphy: 1837—1884
29
Abschnitt V. Steinitz: 1836—1900
39
Abschnitt VI. Die Virtuosen: 1900—1914
68
Abschnitt V I I . Zwischen den Kriegen: 1919—1940
81
Abschnitt V I I I . Die Russische Schadischule: 1945 bis heute
90
Anhang: Schach mit dem Computer
97
9
Einleitung Es ist ein ernster Irrtum, wenn man glaubt, daß die Geschichte irgendeines Gebietes nichts anderes sein soll als ein Ganzes von selbständigen Fakten, das zwar wohl interessante Lektüre bedeutet, andererseits aber für das zu behandelnde Gebiet wenig Wert hat. Gewiß kann man bester Schachspieler der Welt („Weltmeister") werden, ohne jemals von der Weizenkörner-Legende gehört zu haben; aber das ist ja auch etwas, was man nicht gerade Geschichte nennt. Die Geschichte des Schachspiels (mit seinen heutigen Regeln) studiert man am besten anhand der stufenweisen Entwicklung bzw. Veränderung der strategischen Gedanken der führenden Meister in den verschiedenen Zeiträumen. Es ist gerade die Kenntnis und das persönliche Verstehen dieser Evolution, die für die Bildung eines besseren Urteils und damit für die Vergrößerung der Spielstärke besonders förderlich sind. Der Entwicklungsgang der Spieler läuft parallel mit der Entwicklung des Schachspiels überhaupt, und darum hat das Studium der Schachgeschichte so großen praktischen Wert. Das Schachspiel besteht sicher bereits mehr als 1200 Jahre, aber es wurde früher nach anderen Regeln gespielt und hat erst während und nach der Renaissance seine heutige Form gefunden. Dieses „neue" Schachspiel datiert vom Beginn des 16. Jahrhunderts in seinem ersten Stadium, und aus diesem Zeitraum stammt auch der Beginn seiner umfangreichen Literatur. An der Entwicklung des Schachspiels haben in allen Generationen viele Experten mitgewirkt, aber es war meist der Stil des einen oder anderen führenden Einzelgängers, der die Ansichten und die Spielauffassung seiner Zeitgenossen nachhaltig beeinflußt hat. Den bedeutendsten dieser Bahnbrecher ist dieses Buch gewidmet. In den verschiedenen Kapiteln dieses Buches kann der Schachspieler von heute vielleicht seine eigene Entwicklung zurückverfolgen. Er kann prüfen, welche Meilensteine der allgemeinen Entwicklung er schon passiert hat, und wie lang für ihn noch der Weg bis zur letzten Etappe ist. Wie weit er es bringen wird, ist freilich schwer zu sagen. Sicher ist aber, daß er sich erst mit den Stil-Problemen des 16. und 17. Jahrhunderts auseinandersetzen muß. Das ist ebensowenig zu vermeiden wie die Eröffnung in der Schachpartie.
11
Abschnitt I Spielereien mit Figuren Greco: 1600—1634 Das erste Stadium einer Entwicklung ist das schwierigste und dauert lange. Die Sdiadigeschichte macht keine Ausnahme. Der Schachanfänger lebt, wenn man so sagen darf, „von der H a n d in den Mund". Er zieht eben irgend etwas und hofft, daß es gut geht. Es ist eine Spielerei mit Figuren, gelegentlich unterbrochen durdi kleine nette Abenteuer wie Figurengewinn oder Schachbieten. Besonders letzteres hat f ü r den Anfänger einen seltsamen Reiz. Aber von „planmäßigem" Spiel kann noch keine Rede sein; alles bleibt mehr oder weniger dem Zufall überlassen. In der Art jedoch, wie die Spieler von mehr oder weniger zufälligen Gelegenheiten profitieren, zeigt sich zuerst der Fortschritt, und Greco ist in dieser Hinsicht die typischste Figur aus der Jugendzeit des Schachspiels. Die hier folgenden zwei Partien sind einem Manuskript entnommen, das Greco schon um 1625 geschrieben hat. Der Autor läßt darin ein scharfes Kombinationsvermögen und einen guten Blick f ü r Verwicklungen erkennen. Sein Manuskript besteht im wesentlichen in einer Sammlung von allerlei hübschen taktischen Wendungen, wobei jedoch oft die beste Verteidigung außer acht gelassen wird. Wir sehen den einen Spieler geradewegs auf Matt spielen und den anderen auf Eroberung von möglichst viel Material ausgehen. Ferner finden sidi in Schachsprache gehaltene Vergleiche zwischen Ehre und Reichtum;
zwar geniale Sprüche, doch sind sie f ü r unsere Verhältnisse etwas primitiv. Der Kalabrese Giochino Greco wurde etwa 1600 geboren und muß um 1634 verstorben sein. Er war das erste große Genie in der modernen Schachgeschichte. Sein Leben ist zwar nur kurz gewesen, aber die von ihm ausgearbeiteten Vorbilder gaben während seines Jahrhunderts den Ton an und einige haben sich bis heutigen Tags in der Schachtheorie behauptet.
Partie Nr. i Königsgambit Geschickte Ausnutzung einer Gelegenheit.
zufälligen
Eine Spielprobe aus dem 17. Jahrhundert (etwa 1625). 1. e2—e4 2. f2—f4
e7—e5 f7—f5
Ein schwacher Zug; vermutlich nur gespielt, weil so ein Bauern-Viereck mitten auf dem Brett hübsch aussieht. 3. e4xf5 Mit der listigen Drohung D h 5 f , die nicht leicht zu parieren ist, da der „natürliche" Zug 3. ... Sf6? an 4. fe5: scheitert. 3. ...
Dd8—h4t
Die Dame muß ziehen, um dem König Platz zu machen. Schwarz konnte auch sofort 3. ... De7 spielen, doch war die 13
Verlockung, erst Schach zu bieten, zu groß. Schach dem König!, wenn auch objektiv betrachtet dem Schachgebot keinerlei Bedeutung zuzumessen ist. 4. g2—g3 5. D d l — h 5 |
Dh4—e7
Jetzt hat diese im 3. Zuge aufgestellte Drohung keine Kraft mehr. Geboten war 5. fe5: D e 5 : t 6. Le2!, womit Weiß — gestützt auf die verfrühte Aktivität der schwarzen Dame — in jedem Falle erheblichen Entwicklungsvorteil erlangt. Schwächer wäre — statt 6. Le2 — 6. De2, weil Schwarz nach 6. ... d6 den Gambitbauern erobert; z. B. 7. De5:f de5: 8. Lg2 Sc6 9. g4 h5 10. h3 Sf6 usw. 5. ... 6. f4xe5
Ke8—d8
Im Hinblick auf die Drohung 6. ... ef4:f praktisch erzwungen, doch nun kommt die schwarze Dame auf bessere Felder. 6. ... 7. Lfl—e2
De7xe5|
Danach kann Weiß den Mehrbauern weder behaupten noch auf günstige Art zurückgeben. Auch 7. De2 war in dieser Hinsicht nicht besser, denn nach 7. ... D f 5 : steht Bc2 ein, und wenn Weiß dann 8. d4 antwortet, folgt stark 9. ... Lb4f nebst 10. ... Te8. Relativ am besten geschah noch 7. K d l , um eventuell Lh3 folgen zu lassen. Nach 7. ... g6 8. Df3 gf5: hätte Weiß dann wohl besser gestanden, weil Bf5 schwach werden kann. 7. ... 8. Dh5—f3
Sg8—f6 d7—d5
Greift den Bauern d5 an. 9.
g
3-g4
Dieser Versuch, den Bf5 zu behaupten, ist vergeblich und schwächt nur die weiße Position. Es wäre besser gewesen, den Bauern mit 9. d4 (9. ... Dd4: 10. Ld3 14
bzw. 9. ... D f 5 : 10. Ld3) sofort zurückzugeben). 9. ... h7—h5! Der erste starke Zug in dieser Partie. Schwarz hat richtig erkannt, daß nun der Bg4 ziehen muß, wonach der Bf5 verlorengeht. 10. h2—h3? Der erste taktische Fehler in dieser Partie. Bisher hatten beide Gegner lediglich den einen oder anderen naiven „Anfängerzug" getan. Notwendig war 10. g5. Dies hätte nach 10. ... Se8 zwar schließlich den Bf5 gekostet, aber Weiß wenigstens nicht in eine schlechte Stellung gebracht. 10. ... h5xg4 11. h3xg4 Th8xhl 12. D f 3 x h l De5—g3|? Geblendet von der Möglichkeit, Schach zu geben, versäumt Schwarz die beste Fortsetzung 12. ... Sg4:!. Zumindest würde Schwarz damit den Bf5 bekommen und bei guter Stellung einen Bauern mehr behalten. 13. K e l — d l ? Oberschätzung eines Schachgebotes oder auch Furcht vor seinen Folgen beherrschten seinerzeit das Denken der Spieler, wie es auch heutzutage noch bei Neulingen am Schachbrett der Fall ist. Anscheinend steht der König auf d l am sichersten, aber 13. K f l ! mit Deckung der Sgl war viel wesentlicher. Nach 13. ... Sg4: 14. Dd5:f Ld7 15. Lg4: Dg4: 16. Sc3 hätten die Spiele immer noch etwa gleich gestanden. 13. ...
Sf6xg4
Jetzt erzielt Schwarz damit mindestens den gleichen Vorteil, den er mit sofort 12. ... Sg4:! zwangsläufig erreichen konnte. 14. D h l x d 5 t ?
Kann ein Spieler nicht über einen solchen Zug jubeln: er erobert den Bauern, und sogar mit Schach!? In Wirklichkeit aber ist Weiß danach verloren, weil der Sgl ungedeckt steht, so daß Weiß nicht dazu kommt, den gefährlichen Sg4 zu beseitigen. Die einzige Verteidigung bestand in 14. Lg4:, was nach 14. ... Dg4:f 15. Se2 D f 5 : nur einen Bauern gekostet hätte. 14. ...
Lc8—d7
Nach diesem einfachen Zuge hat Weiß keine Verteidigung mehr, hauptsächlich weil 15. Lg4: nach D g l : t 16. Ke2 D g 4 : t eine Figur kosten würde. 15. Sgl—f3 Hiernach forciert Schwarz auf hübsche und für die damalige Zeit sicher sehr originelle Art das Matt. 15. 16. 17. 18.
... Kdl—el Kel—dl Sf3xel
Sg4—f2t Sf2—d3f Dg3—elf Sd3—f2 matt
Diagramm 1 (Sdilußstellung)
I s i
ü
± HP
ÜP
H
11
A ¡Ü H B ¡Ü ¡3 11 II • 11 11 a • S S •
Ersticktes Matt also. Das Stellungsbild läßt erkennen, daß man sich in jenen Tagen nicht viel aus einer ordnungsmäßigen Entwicklung machte. Man schaue nur auf den weißen Damenflügel! Der hübsche Schluß lehrt jedoch, daß man bereits raffiniert zu kombinieren verstand, wenn sich gerade die Gelegenheit dazu bot.
Partie Nr. 2 Italienisch Greco war im allgemeinen dem Stil seiner Zeitgenossen voraus. Hier folgt eine Probe seiner Betrachtungsweise der Eröffnung, die man heute die „Italienische" nennt. (Analyse etwa um 1625) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
e2—e4 Sgl—f3 Lfl—c4 c2—c3 d2—d4 c3xd4 Sbl—c3
e7—e5 Sb8—c6 Lf8—c5 Sg8—f6 e5xd4 Lc5—b4f
Dies gilt heute als Hauptvariante der Italienischen Partie. Das mit dem Textzug angebotene Bauernopfer wurde geraume Zeit als unzureidieod angesehen, dodi gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam Grecos Fortsetzung wieder zu Ehren. 7. ... 8. 0—0
Sf6xe4 Se4xc3
Hier hielt man lange 8. ... Lc3: als Widerlegung von Grecos Bauernopfer. Man rechnete nur mit 9. bc3: d5!, was in der Tat für Sdiwarz günstig ist. Jedoch nach dem stärkeren von Möller angegebenen Zug 9. d5! bekommt Weiß einen Angriff, der zumindest das Remis sichern sollte. Andererseits wurde der Textzug früher stark unterschätzt. Erst 300 Jahre nach dem Erscheinen von Grecos Manuskript konnte Dr. Bernstein nachweisen, daß Sdiwarz auf diese Weise doch ein vollwertiges Spiel erlangt. 9. b2xc3
Lb4xc3
Nach den heutigen Erkenntnissen kann hier 9. ... d5 ohne besonderen Nachteil geschehen. Hingegen wäre 9. ...Le7 15
nicht gut, weil Weiß mit 10.
Das schlägt dem Faß den Boden aus. Gleithermaßen schlecht ist die ebenfalls von Greco untersuchte Fortsetzung 10. ...Ld4:? Schwarz kann jedoch mit der von Dr. Bernstein angegebenen Folge 10. ...d5!, 11. Ld5: 0—0! immer noch gleiches Spiel behaupten. 11. Lc4xf7f 12. Lei—g5 13. Sf3—e5!
Ke8—f8 Sc6—¿7
Diagramm 2 (nach 13. Sf3—e5!)
m
macht gleichzeitig das Feld f 3 f ü r seine Dame frei. Nicht so überzeugend, obwohl ebenfalls günstig f ü r Weiß, wäre 13. Tel d5, 14. Le7:t De7:, 15. Te7: Ke7:, 16. Ld5:. Schwarz hätte dann zwar ausreichende Kompensation f ü r die Dame, doch sein König stünde schlecht. 13. ...
Lalxd4
Auf z. B. 13. ...d6 kämen ebenfalls entscheidend 14. Lg6! 14. 15. 16. 17. 18.
Lf7—g6! Db3—f3f Lg6xf5 Lf5—e6f Lg5xf6
d7—d5 Lc8—f5 Ld4xe5 Le5—f6 Kf8—e8
Das einzige, was Schwarz noch versuchen kann. 19. Lf6xg7
i
• WM A i1
und Weiß muß gewinnen. Durch die Doppeldrohung 20. D f 7 matt und 20. Lh8: erobert Weiß eine Figur, ohne daß sein Angriff nachläßt.
SP m i P P ¿ H â B A H Pf ¡3 1 1 Ein ungewöhnlich feiner Angriffszug. Weiß will 14. Lg6 folgen lassen, und
Diese Fortsetzung der Italienischen Partie steht als „Greco-Variante" in allen theoretischen Standardwerken vermerkt und bildet ein ehrenvolles Denkmal f ü r den großen Kalabresen.
Abschnitt II Der Bauer wird entdeckt Philidor: 1726—1795 Bis zum Bauer als sehen. In Schachspiel Anfängers. 16
18. Jahrhundert wurde der „quantité négligeable" angedieser Hinsicht stand das nodi auf dem Niveau eines Die Bauern interessierten nur
in Verbindung mit der Umwandlung, also hauptsächlich im Endspiel. Die große Bedeutung der Bauern in Eröffnung und Mittelspiel wurde erst von Philidor erkannt. „Die Bauern sind die Seele des Spiels", erklärte Philidor; eine Ansicht, die nadi heutigen Begriffen nicht einmal so sehr übertrieben ist. D a die
Laufbahn eines Bauern sich auf 5 bis 6 „unwiderrufliche" Züge beschränkt, erfordert jeder Bauernzug sorgfältige Uberlegung. Und da obendrein die Bauernstellung entscheidend die Plazierung und Aktivität der Figuren beeinflußt, ist die Sicherheit der Bauern selbst von größter Bedeutung. Diese müssen deshalb ökonomisch eingesetzt werden, am besten in geschlossener Phalanx. Diese und andere Wahrheiten hinsichtlich der Bauernstellung, zum Beispiel den Nachteil isolierter, zurückgebliebener oder Doppelbauern, hat Philidor als erster erkannt und verkündet. Er war es auch, der zuerst auf die Bedeutung des guten und schlechten Läufers hinwies; wenn er auch die unrichtige Meinung vertrat, daß in verteidigender Hinsicht der schlechte Läufer bessere Dienste leisten könnte als der gute. Audi zum Partieaufbau hat Philidor verschiedene belangreiche Regeln aufgestellt; man sehe als Beispiel: „Es ist immer vorteilhaft, den f-Bauern gegen den e-Bauern zu tausdien, weil auf diese Weise der Zentrumseinfluß verstärkt wird und außerdem dann die f-Linie den Türmen zur Verfügung steht." — „Da es häufig bedenklich ist, frühzeitig anzugreifen, soll man erst zum Angriff übergehen, wenn die den Angriff unterstützenden Bauern gut postiert sind. Ohne diese Vorbereitung sind Angriffe meist erfolglos." François André Danican Philidor wurde am 7. September 1726 in Dreux geboren. Er stammte aus einem Geschlecht von Musikern und wählte selbst die Musik als Beruf. Schon frühzeitig fühlte er sich aber auch zum Schachspiel hingezogen, denn schon mit 22 Jahren schrieb er sein berühmt gewordenes Buch „L'Analyse des Echecs". Dies geschah in Holland, wo Philidor in seinem Wanderleben häufig 2
Euwe, Feldherrnkunst
geweilt hat. Das Buch selbst ist 1749 in London erschienen; 1777 folgte die zweite und 1790 die dritte Auflage. Das Werk enthält neun sehr ausführlich glossierte Partien sowie wertvolle Untersuchungen über Endspiele. Philidor hat in dieser Schrift seine allgemeinen Regeln erläutert und so den Grundstein gelegt zum modernen Positionsspiel. Philidor starb am 24. August 1795, verkannt und enttäuscht. Seine Bauerntheorie wurde damals noch nicht verstanden, selbst nicht von seinen ersten Nachfolgern. Das lag zum Teil daran, daß Philidor hinsichtlich der Anwendung seiner Theorie selbst im dunkeln tastete. Er ging im allgemeinen zu weit, betrachtete die Figuren nachgerade als Diener der Bauern und unterschätzte ihr Leistungsvermögen. So hielt er z. B. nach 1. e4 e5 das Vorrücken der f-Bauern für so wichtig, daß er 2. Sf3 wegen 2. ... d6 nebst 3. ... f5 ablehnte und statt dessen 2. Lc4 empfahl; nicht direkt 2. f4, denn ein solches Weggeben eines Bauern ging ihm gegen den Strich. Diese und ähnliche Schlußfolgerungen haben seinem Rufe sehr geschadet. Es dauerte fast ein Jahrhundert, bis die Bauernlehre des großen Franzosen von Steinitz aufgegriffen, verstanden und verfeinert wurde.
Partie Nr. 3 Zur Erläuterung der Bauerntheorie von Philidor. (Aus seinem Werk) 1. e2—e4 „Der Königsbauer tut zwei Schritte", so Philidors Bezeichnung des ersten Zuges von Weiß. Wir sehen hier die älteste 17
Form der beschreibenden Notation, wie sie in modernerer Form noch heute in England, Spanien und einigen anderen Ländern gebräuchlich ist. 1. ... 2. L f l — c 4 3. d2—d4
e7—e5 c7—c6
»Es ist unvermeidlich notwendig, diesen Bauern zwei Schritte vorzurücken, um den Gegner daran zu hindern, sich im Zentrum festzusetzen."! Eine auch heute nodi wichtige Ansicht Philidors; denn nach 3. d3 d5 würde sozusagen der Vorteil des Anzuges auf Schwarz übergehen. 3.
e5xd4
„Wenn Schwarz statt dessen den Damenbauern zwei Schritte vorgesetzt hätte (3. ... d5), würde das Spiel sich gänzlich verändert haben; das gibt Gelegenheit zur ersten Veränderung." Heute würden wir sagen: „erstes Abspiel". Philidor behandelt die Konsequenzen von 3. ... d5 gesondert und kommt zu dem Schluß, daß Weiß danach Vorteil erlangt. 4. D d l x d 4 5. f2—f4
d7—d6 Lc8—e6
„Dieser Zug geschieht aus zwei Gründen: erstens, um d5 spielen zu können; dann aber auch, um den Lc4 abzutauschen, der eine ständige Bedrohung von f7 bildet." 6. Lc4—d3 7. e4—e5
d6—d5
In Ubereinstimmung mit Philidors Theorien. Weiß verschafft sich die Bauernmehrheit am Königsflügel und legt so die Grundlage für einen späteren Durdibruch. Zunächst aber nimmt die Stellung allerdings einen relativ geschlossenen Charakter an. 7. ... 8. Dd4—f2 18
c6—c5 Sb8—c6
„Wenn Schwarz, anstatt seine Entwicklung fortzusetzen, seine Bauern zieht, läuft er Gefahr, das Spiel zu verlieren. Man muß nämlich bedenken, daß ein oder zwei zu weit vorgerückte Bauern leicht verlorengehen können, bevor alle Figuren im Spiel sind, um sie zu schützen. Zwei Bauern, die auf der vierten Reihe Front machen, sind im allgemeinen mehr wert als zwei, die auf der sechsten Reihe stehen." (Das letztere bezieht sich offenbar auf den speziellen Fall, daß Bauern auf der sechsten Reihe schwer zu decken sind.) 9. c2—c3
g7—g6
Viel stärker war 9. ... f6!, hauptsächlich, weil 10. f5? an Se5:! scheitert. Solche taktischen Wendungen hat Philidor oft außer acht gelassen, so daß es ihm nicht gelungen ist, die große Bedeutung seiner Lehre auf überzeugende Weise darzutun. 10. h2—h3
h7—h5
„Um g2—g4 zu bekämpfen. Es ist bemerkenswert, daß im Augenblick beide Parteien die gleiche Anzahl Bauern haben: Weiß 4 gegen 3 am Königsflügel, Schwarz 4 gegen 3 am Damenflügel. Wer von beiden zuerst die Bauernstellung seines Gegners dort, wo sie am stärksten ist, brechen kann, muß sehr wahrscheinlich das Spiel gewinnen." Philidor erachtet es also als seinen großen Erfolg, wenn die Bauernphalanx der Gegenpartei auseinandergerissen werden kann. Das ist sehr richtig geurteilt. Deshalb hätte 9. ... f6! viel besser zu Philidors Theorie gepaßt. 11. g2—g3! „Dieser Zug ist sehr notwendig, weil Schwarz mit h5—h4 den Zusammenhalt der weißen Bauern zu zerstören drohte. Der g-Bauer wäre dann nicht in der Lage, sich mit dem f-Bauern zu vereinigen."
Audi nach moderner Auffassung ist dies eine wertvolle Bemerkung. 11. ... 12. Sgl—f3 13. a2—a4
Sg8—h6 Lf8—e7
Der Beginn einer Aktion gegen die schwarze Mehrheit am Damenflügel; ganz im Sinne auch der Anmerkung zu 10. ... h5. 13. ... 14. K e l — f l
Sh6—f5
Eine für den Stil von Philidor charakteristische Falle. An sich hat der Textzug keinen Wert, da der König auf f l nicht besser als auf el steht; aber Weiß will den Gegner aufs Glatteis führen. 14. ... h5—h4 Anscheinend sehr stark, jedoch gerade diesen Vorstoß wollte Weiß provozieren. 15. g3—g4 Relativ am besten. Weiß gibt die Qualität, um seine Bauernkette intakt zu halten. Philidor hielt also das Durchsetzen von g3—g4 für wesentlicher als den Besitz der Qualität (in mancher Hinsicht ebenfalls eine moderne Betrachtungsweise), und darum wird 14. K f l als Falle angesehen. 15. ... 16. K f l — g 2 17. Kg2xhl
Sf5—g3t Sg3xhl
Diagramm 3 (nach 17. Kg2xhl)
I w §§#|§ % A jjljHAll gp Ä 11 f j Ail^ IÜ& B RR 1® §J SÄ ü H ¡P^ 2»
»Trotz der Qualität weniger ist die weiße Stellung wahrscheinlich überlegen, weil der weiße König sehr sicher steht und Weiß einen Angriff inszenieren kann, nach welcher Seite Schwarz auch rochieren mag." Soweit Philidor, die Stellung ist in der Tat schwierig, aber der Schluß, daß Weiß im Vorteil sein soll, geht wohl doch über das Ziel hinaus. Es ist jedoch bemerkenswert, daß die Russische Schachschule (siehe Abschnitt VIII) hinsichtlich der Bedeutung der Qualität ebenfalls unterschiedlichen Auffassungen huldigt. 17. ... 18. Df2—gl
Dd8—d7
„Notwendig, um g4 zu decken, da Schwarz sonst zweifellos seinen Läufer f ü r zwei Bauern opfern würde. Da die Kraft der weißen Stellung auf der Bauernkette beruht, ist es f ü r Schwarz vorteilhaft, diese zu zerstören, zumal dann auch der Angriff auf ihn übergehen würde." 18. ...
a7—a5
Ein schwacher Zug. Die richtige Methode, um das materielle Übergewicht zur Geltung bringen zu können, bestand in der Öffnung von Linien. Deshalb sollte Schwarz 18. ... d4! spielen, um so mehr, als 19. c4 (um die Stellung noch geschlossen zu halten) die günstige Antwort 19. ... Sb4! erlaubt hätte. 19. Lei—e3 Um Schwarz zu c5—c4 zu verleiten, wonach Weiß vorteilhaft mit seinen Springern über d4 und b5 in das schwarze Spiel eindringen könnte. 19. ...
b7—b6
Auch hier war d5—d4 eine bessere Alternative; z. B. 20. cd4: Ld5 21. Sbd2 cd4: 22. Ld4:? Sd4: 23. Dd4: Lf3:f 24. Sf3: 19
Dd4: 25. Sd4: 0—0—0 usw., mit Vorteil für Schwarz. 20. S b l — a 3
0—0—0
„Schwarz rochiert lang, um den König der Bedrohung durch die weißen Königsflügelbauern zu entziehen; denn diese sind weiter vorgerückt als die weißen Bauern am Damenflügel." — Trotzdem kam aber der Vorstoß d5—d4 noch immer in Betracht. 21. Ld3—a6f 22. Sa3—c2
Kc8—c7
„Sb5"f" satt dessen hätte den Läufer in Gefahr gebracht und außerdem Zeitverlust bedeutet." 22. ... 23. La6—b5
Td8—a8 Dd7—d8
„Um von f8 aus den Bauern c5, den Weiß bald angreifen könnte, zu schützen."
Diagramm 4 (nach 24. b2—b4)
I SU ¡0 §§ B V ü A ¡¡p iü k B
§§
•| b b A •
Si
in
ü
B
gj H II n s
Nachdem Schwarz mit den Bauernzügen a5 und b6 seine Königsstellung wesentlich geschwächt hat, geht Weiß selbst zur LinienöfFnung über. 24. ... 20
25. b4xc5 26. Sf3—d2
Dd8—f8
b6xc5
„Um mit Sb3 den Angriff auf c5 fortzusetzen." 26. ... 27. Sd2—f3
c5—c4
Weiß beherrscht nun das Feld d4 und hat damit entscheidenden positioneilen Vorteil erreicht. Der Angriff, der die Entscheidung bringen muß, ergibt sich nun fast von selbst. Der weiße Vorteil stützt sich fast ausschließlich auf die Bauernstellung und wird durch planmäßiges Operieren vergrößert. 27. ...
24. b2—b4
AD
Konsequent, aber schlecht. Wieder einmal sehen wir hier den seltsamen Gegensatz zwischen der feinen Strategie Philidors und seiner unzureichenden Taktik. Sowohl 24. ... ab4: 25. cb4: d4 als auch sofort 24. ... d4 hätten Schwarz noch gute Chancen geboten.
f7—f6
Beschleunigt das Ende. 28. L e 3 — b 6 t 29. Lb5xc6f 30. Sf3—d4f
Kc7—b7 Kb7xc6 Kc6—d7
Auf 30. ... K b 6 : folgt 31. Se6:f Lc5 32. Dbl"|" mit Damengewinn. 31. f4—f5 Die weiße Phalanx in Aktion. 31. ...
Le6—g8
32. e5—e6t 33. Sd4—b5 34. D g l — d 4
Kd7—e8 Le7—d6
Mit der nicht zu parierenden tödlichen Drohung 35. Dd5:. Weiß gewinnt.
Abschnitt III Ei lebe die Kombination! Anderssen: 1818—1879 Philidor hat den Stil seiner direkten Nachfolger auf ganz andere Weise beeinflußt als man denken sollte. Da die Beispiele, mit denen er seine Bauerntheorie zu stützen trachtete, im ganzen genommen wenig überzeugend waren (man sehe u. a. Partie Nr. 3), ging man an dem Wertvollen seiner Lehre achtlos vorüber und wurde nur angespornt, es in taktischer Hinsicht besser zu tun. Auf die Periode des „Bauern" folgte die Napoleonische Reaktion. Der Absolutismus der Figuren trat aufs neue in den Vordergrund; womöglich noch stärker als zuvor. Man hatte nichts für das ruhige, wenig anziehende Positionsspiel Philidors übrig und hielt mehr vom scharfen Angreifen und Kombinieren. Der Geist von Greco herrschte, allerdings unter günstigeren Umständen. Zwei Jahrhunderte von Erfahrung und Kompilation hatten das ihre getan. Man besaß bereits einen sehr guten Blidc für die Möglichkeiten in der Anfangsstellung und kannte viele Eröffnungen. Man hatte gelernt, die Kombination in Angriffsstellungen zu suchen und wußte letztere audi zu erreichen; denn mittlerweile bekamen die Spieler eine große Fertigkeit in angriffsmäßiger Verwendung der Figuren und trieben also, indirekt angeregt durch Philidor, mit vollen Segeln in das wunderbare Reich der Kombination. Auf das Material, insbesondere auf die Bauern, wurde wenig geachtet. Man spielte vorzugsweise Gambite und suchte auch andere Eröffnungen in diesem Stil zu behandeln. Alles drehte sich um An-
griff oder Gegenangriff. Passiv spielen, sich nur verteidigen, Opfer ablehnen oder sich auf so etwas „armseliges" wie eine Bauernphalanx konzentrieren — diese und ähnliche Dinge lagen ganz außerhalb der Mentalität der Schachspieler in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Man war fasziniert durch die Schönheit der Kombination und hat in der Tat auf diesem Gebiet sehr sdiöne Leistungen vollbracht. Der glänzendste Vertreter dieses Stils war Adolf Anderssen (geboren in Breslau am 6. Juli 1818), Professor der Mathematik, gestorben am 13. März 1879. Anderssen erzielte den Erfolg seines Lebens im Wettstreit zu London 1851, dem ersten internationalen Turnier der Schadigeschichte. Die besten Spieler aller Länder waren zusammengekommen, und nach etwa einem Monat Spielzeit buchte Anderssen seinen sdiönen Sieg. Seitdem wurde er als „der beste der besten" angesehen. Von seinen übrigen Erfolgen ist der erste Platz in Baden-Baden 1870 am bemerkenswertesten. 1858 mußte Anderssen seinen Ruf als stärkster Spieler der Welt an Morphy abtreten, aber nur vorübergehend, weil dieser sich bald vom Schachspiel zurückzog. Anderssen hielt sich danach noch bis 1866 an der Spitze des Sdiadiolymp. Dann wurde er in einem Zweikampf von Steinitz geschlagen, jedoch mit dem wenig überzeugenden Resultat von 6 : 8 . Er blieb bis zu seinem Ende der beste und aktivste Spieler seiner Zeit. In der Schachgesdiidite lebt Anderssen fort als der geistreichste, reinste und, so betrachtet, audi einfallsreichste Kombinationsspieler aller Zeiten. Er bildet jedodi nicht den Ausgangspunkt einer neuen 21
Epoche, sondern nur den Höhepunkt einer bereits bestehenden Spielrichtung. Er ist kein Pädagoge gewesen, konnte es auch nicht sein, denn er bekümmerte sidi wenig um die nüchterne Wahrheit und suchte allein die Schönheit in der Schachpartie. Und wie kann man die Schönheit analysieren und in Regeln pressen!
Jetzt ist Bf4 zweimal gedeckt, und zugleich droht Sg3f. Offenbar hatte sich Schwarz hiervon zuviel versprochen, als er Dh6 zog. 8. Sf3—h4 9. Sh4—f5
Dh6—g5 c7—c6
Um d5 folgen zu lassen, was Schwarz in der Tat gutes Gegenspiel verschaffen würde.
Partie Nr. 4 Läufergambit Das ist die sogenannte „unsterbliche Partie"; eine klare Demonstration von Anderssens Geringschätzung des Materials. Weiß: A. Anderssen Schwarz: L. Kieseritzky (Gespielt
während
des
internationalen
Turniers zu London 1851) 1. e2—e4 2. f2—f4 3. L f l — c 4
e7—e5 e5xf4 Dd8—h4f
Die klassische Verteidigung des Läufergambits. Gegenwärtig hält man 3. ... Sf6 für den besten Zug von Sdiwarz. 4. K e l — f l
b7—b5
Im Prinzip gut durchdacht: Sdiwarz opfert einen Bauern im Interesse beschleunigter Entwicklung. Er fürchtet, daß sonst die unsichere Stellung seiner Dame schwerer wiegt als der weiße Rochadeverlust. Den Vorzug verdiente jedoch 4. ... d5. 5. Lc4xb5 6. S g l — f 3
Sg8—f6 Dh4—h6
Auf h5 hätte die Dame viel besser gestanden. 7. d2—d3 22
Sf6—h5
10.
g
2-g4
Die Einleitung zu einem hübschen Figurenopfer. 10. . . .
Sh5—f6
Nun hängt nicht nur Lb5, sondern auch Bg4. 11. T h l — g l ! Die Pointe: die schwarze Dame wird in die Enge getrieben und Weiß erzielt dadurch einen großen Entwiddungsvorsprung. 11. 12. 13. 14.
... h2—h4 h4—h5 Ddl—f3
c6xb5 Dg5—g6 Dg6—g5
Droht vor allem L f 4 : mit Damengewinn. Weiß steht bereits überlegen. 14. ...
Sf6—g8
Dies madit die Sache nur noch schlimmer. Schwarz mußte unbedingt versuchen, den feindlichen Angriff durch das Gegenopfer Sg4: zu dämpfen. 15. L c l x f 4
Dg5—f6
Auch nach 15. ... Dd8 hätte der weiße Entwiddungsvorsprung entscheidenden Vorteil bedeutet. Es ist jedoch bezeichnend, daß Sdiwarz selbst unter so schwierigen Umständen auf Gegenangriff sinnt und keinen Versuch macht, seine Dame in Sicherheit zu bringen. 16. Sbl—c3
Lf8—c5
Es ist bereits indifferent, was Sdiwarz hier zieht. Der weiße Ongriff ist in jedem Falle unwiderstehlich.
22. Lc7 matt. Eine befriedigende Verteidigung ist nicht mehr zu sehen.
17. Sc3—d5 Es lebe die Kombination und die Schönheit im Schach! Weiß hat einen ungewöhnlich glänzenden Schluß im Auge und kümmert sich nicht um die einfache, sichere Gewinnfortsetzung 17. d4, die Réti angegeben hat.
Hierauf folgt das Matt auf eine andere noch hübschere Art. Nach den meisten Kommentatoren war 20. ... La6 relativ am besten. Aber dies hätte nach 21. Sc7t Kd8 22. Sa6:!, drohend sowohl 23. L c 7 f als auch 23. D a 8 : usw., nur eine kurze Galgenfrist bedeutet.
Rein objektiv betrachtet ist der Textzug weniger stark. 17. ... 18. Lf4—d6
Df6xb2
20. . . .
21. Sf5xg7f Ke8—d8 22. D f 3 — f 6 f ! Sg8xf6 23. Ld6—e7 matt
Die Konsequenz des vorigen Zuges von Weiß. Anderssen hat vor, beide Türme zu opfern. 18. ... Db2xalt 19. K f l — e 2 Lc5xgl Kieseritzky greift zu und wird auf „unsterbliche Art" zu Fall gebracht. Auf 14. ... D g l : würde Matt in zwei Zügen folgen (20. S g 7 : t Kd8 21. Lc7 matt) und auf 19. ... Ld6: matt in vier Zügen (20. S d 6 : f Kd8 21. S f 7 : t Ke8 22. Sd6f Kd8 23. Df8 matt). Aber nadi 19. ... Db2! wäre die Sadie nidit so klar gewesen. 20. e4—e5ü Diagramm 5 (nach 20. e4—e5)
i n iLHP+M w k k •p k Ä i• Ö f wi ö ¡¡1 m • 1 m
• • ••
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A
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Ein Problemzug krönt das Werk. Nachdem nun die Dame al von g7 abgeschnitten ist, droht vor allem 21. Sg7:f Kd8
Sb8—a6
Partie Nr. 5 Evans-Gambit Nach der „Unsterblichen" ist dies die zweite berühmte Partie von Anderssen. Auch hier fällt die Entscheidung durch eine ungewöhnlich tiefe und hübsche Kombination. Weiß: A. Anderssen Schwarz: J . Dufresne (Gespielt in Berlin 1852) 1. 2. 3. 4.
e2—e4 Sgl—f3 Lfl—c4 b2—b4
e7—e5 Sb8—c6 Lf8—c5
Das Evans-Gambit, in jener Zeit eine sehr gebräuchliche Eröffnung. Weiß opfert einen Bauern, um mit Tempogewinn zur Besetzung des Zentrums zu kommen. 4. ... 5. c2—c3 6. d2—d4
Lc5xb4 Lb4—a5 e5xd4
Heutzutage hält man 6. ... d6 für die beste Erwiderung. 7. 0—0 23
Ein zweites Bauernopfer, um die Entwicklung noch mehr voranzutreiben. 7. ...
d4—d3
Schwarz will verhindern, daß Weiß mit cd4: die gewünschte Zentrumsformation erreicht. Riskant ist 7. ... dc3: (siehe 7. Partie). 8. 9. 10. 11.
Ddl—b3 e4—e5 Tfl—el Lei—a3
Dd8—f6 Df6—g6 Sg8—e7 b7—b5
Auch Schwarz spielt auf Angriff, doch ist es sehr gewagt, die Rochade solange aufzuschieben. 12. Db3xb5 13. Db5—a4
Ta8—b8 La5—b6
Jetzt würde die Rochade wegen Le7: eine Figur kosten. 14. 15. 16. 17.
Sbl—d2 Sd2—e4 Lc4xd3 Se4—f6f
Lc8—b7 Dg6—f5 Df5—h5
Ein starkes Scheinopfer mit dem Ziel, die e-Linie zu öffnen und Schwarz definitiv an der Rochade zu hindern. 17. ... 18. e5xf6
g7xf6 Th8—g8
Mit indirektem Angriff auf den Sf3. Wahrscheinlich ist Schwarz die voraufgegangene Abwicklung sogar willkommen gewesen; bekam er dabei doch auch selbst eine offene Linie. 19. T a l — d l Die Einleitung zu einer glänzenden Kombination. Verschiedene Analytiker sind der Ansicht, daß 19. Le4, drohend Lc6:, stärker gewesen wäre. Aber Anderssen hatte eine andere Einstellung zum Schach. Seine Entschlüsse wurden von der Begabung und Liebe zur Kombination diktiert. 24
Diagramm 6 (nach 19. T a l — d l )
X ^¡¡1 I ¡1 i i i Hl §i A Hf i ¡IS 41 II B ÜS in üf 11
w a ¡¡¡ü^ Aw m ÄO ¡¡¡fiB Ü
19. ... Dh5xf3 Schwarz nimmt das Opfer an und entfesselt damit ein prächtiges Feuerwerk. Alte Kommentatoren sind sich darüber einig, daß der von P. Lipke in der „Deutschen Schachzeitung" angegebene Zug 19. ... Tg4 Chancen auf Rettung geboten hätte. Wir werden aber gleich sehen, daß es noch eine offene Frage ist, ob der Textzug zwangsläufig zum Verlust führen mußte. 20. Telxe7f Sc6xe7? Hiernach erzwingt Weiß auf sehr effektvolle Weise das Matt. Aus der nun folgenden Ubersicht anderer Möglichkeiten ergibt sich aber, daß die Sache keineswegs so klar war: 20. ... Kd8! (Kf8? Te3t!), 21. Td7:f Kc8! (alles andere verliert klar, wie leicht nachprüfbar), 22. Td8f! Kd8: (Td8:f gf3:, oder 22. ... Sd8:?, 23. D d 7 t ü Kd7:, 24. L f 5 | und 25. Ld7 matt), 23. Le2f?. Nach den meisten Büchern soll dieser Zug gewinnen. Es folgt aber 23. ... Sd4!, und danach hat Weiß keine befriedigende, geschweige denn eine gewinnende Fortsetzung zur Verfügung. Auf 23. Lg6f D d l : f , 24. D d l : f Sd4! ergeben sich unklare Verwicklungen. Gemäß Collijn's Lärobok soll die Gewinnführung in 2 3 . L f 5 f D d l :f, 24. D d l Sd4, 25. Lh3 bestehen, doch nach 25. ... Ld5 ist auch hier der Ausgang zweifelhaft.
21. Da4xd7tü Ke8xd7 22. Ld3—f5f Kd7—e8 Oder Kc6 Ld7 matt. 23. Lf5—d7f Ke8—f8 24. La3xe7 matt. Es ist gewiß merkwürdig, daß Anderssen in seinen zwei berühmtesten Partien mit dem Damenläufer auf e7 mattsetzt!
Partie Nr. 6 Evans-Gambit Hier sehen wir, wie Anderssen unter schwierigen Umständen einen Angriff in Gang hält. Im richtigen Augenblick führt wieder eine hübsche Kombination zum Siege. Weiß: A. Anderssen Schwarz: H. J. Zukertort (gespielt in Barmen 1869) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
e2—e4 Sgl—f3 Lfl—c4 b2—b4 c2—c3 d2—d4 0—0
e7—e5 Sb8—c6 Lf8—c5 Lc5xb4 Lb4—a5 e5xd4 La5—b6
Wegen 7. ... d3 siehe Partie Nr. 5. 8. c3xd4 d7—d6 Die ideale Stellung im Evans-Gambit. Dank seines Obergewichts im Zentrum hat Weiß gute Angriffschancen. 9. d4—d5 Dies hielt man damals für die stärkste Spielweise. Aber 9. Sc3 (siehe Partie Nr. 9) spiegelt den Geist dieser Eröffnung am besten wieder. Nach dem Textzug nimmt die Stellung bald einen geschlossenen Charakter an.
9. ... Sc6—a5 10. Lei—b2 Sg8—e7 11. Lc4—d3 0—0 12. Sbl—c3 Se7—g6 13. Sc3—e2 c7—c5 Sehr richtig sucht Schwarz den Schwerpunkt des Kampfes auf den Damenflügel zu verlegen. 14. Ddl—d2 f7—f6 Jetzt zeigen sich für den Angreifer die weniger schönen Folgen von 9. d5. Die weißen Läufer haben wenig Wirkung; zudem ist es für Weiß schwer, auf dem Königsflügel Linien zu öffnen. Und doch versteht es Anderssen, den Angriff in Gang zu halten. 15. Kgl—hl Lb6—c7 16. T a l — c l Die Bedeutung dieses Zuges zeigt sich später. 16. ... Ta8—b8 17. Se2—g3 b7—b5 Die Situation ist allmählich kritisch geworden. Schwarz hat seine Mehrheit auf dem Damenflügel mobilisiert, und der Mehrbauer meldet seine Ansprüche an. Aber auch der weiße Angriff nimmt an Kraft zu. 18. Sg3—f5
b5—b4
Auf 18. ... Lf5:, 19. ef5: Se5 würde 20. Se5: den Wert des Zuges 16. Tel ans Licht bringen. Schwarz muß nämlich 20. ... fe5: antworten (de5:? Tc5:), und danach ist 21. f4 sehr stark. Der Vorstoß 18. ... c4 hat den Nachteil, daß Weiß das starke Springerfeld d4 bekommt. Nach dem Textzug aber bedeutet 19. ... c4 eine Drohung, denn nach dem erzwungenen 20. Lc4: würde Schwarz mit Sc4:, 21. Tc4: La6 die Qualität erobern. 19. T f l — g l 25
Dies pariert die Drohung. 19. ...
Lc7—b6
N u n ist der Bc5 überdeckt, so daß Schwarz mit 20. ... Lf5:, 21. ef5: Se5, 22. Se5: de5: ein gutes Spiel zu erlangen droht. 20.
g
2-g4
Sg6-e5
Jetzt hätte 20. ... Lf5: nicht den gewünschten Erfolg wegen 21. gf5:. 21. Lb2xe5 Eine bessere Verwendung ist für diesen Läufer nicht zu sehen. 21. ...
d6xe5?
Bisher hielten sich Angriff und Verteidigung in etwa die Waage. Der Textzug ist jedoch weniger gut, weil Weiß danach die g-Linie öffnen kann. Richtig war fe5:. 22. Tgl—g3 23. g 4 - g 5 !
Tf8—f7
Damit beginnt die kombinatorische und zugleich entscheidende Phase der Partie. 23. ... 24. e4xf5
Lc8xf5 Dd8xd5
Es gibt keine befriedigende Fortsetzung mehr. Der schwarze Textzug führt zwar schnell zum Verlust, hat aber wenigstens noch die praktische Chance, es Weiß am schwersten zu machen. Diagramm 7 (nadi 24. ... Dd8xd5)
1
w• i • Hl w ä' HPmméo* gmmmpi m
26
25. g5xf6! Geschickt vermeidet Weiß zwei verführerische aber unvorteilhafte Fortsetzungen: I. 25. Lc4? Dd2:, 26. Lf7:f Kf7:, 27. Sd2: Td8, und Schwarz hat mehr als ausreichende Kompensation für die Qualität. II. 25. g6? mit der Idee, nach einem willkürlichen Zug des Tf7 mit Lc4! die Dame zu gewinnen. Aber nach 25. ... Td7! schlägt diese Kombination nicht durch, und Schwarz kommt in Vorteil. 25. ... Tb8—d8 Nicht 25. ... Tf6:? wegen 26. Lc4! Nach dem Textzug sieht es wegen der Fesselung des Ld3 f ü r Schwarz günstig aus. Jedoch... 26. T e l — g l ! Ein Keulenschlag. Es droht Tg7:f nebst Matt in wenigen Zügen. 26. ...
Kg8—h8
Zwingt Weiß, mit dem Bauern auf g7 zu nehmen, wovon sich Schwarz noch etwas versprochen hat. 27. f6xg7f Nicht 27. Tg7: wegen D f 3 : f . 27
Kh8—g8
Die Erwartung, daß der weiße Bauer dem schwarzen König als Schutzschild dienen würde, erfüllt sich nicht. Jedoch ist 27. ... Tg7: ebenfalls chancenlos; z . B . 28. Tg7: D f 3 : t , 29. Tlg2 (am einfachsten), 29. ... c4 (oder 29. ... Td3:, 30. Tg8 matt, bzw. 29. ... Dd3:, 30. Dd3: Td3:, 31. Tg8 matt, schließlich 29. ... e4, 30. Tg8t! Tg8:, 31. Db2 nebst matt), 30. D e l (droht T g 8 | ) 30. ... Ld4, 31. Le4 Dh5, 32. Dgl De8, 33. f6 usw. Weiß kann auch effektvoller gewinnen, wenn er (auf 27. ... Tg7:) 28. Dh6 zieht. Die Hauptvariante lautet: 28. ... Tdg8, 29. Le4! De4: (oder a), 30. D h 7 : f ! Kh7:,
31. Th3t Dh4, 32. Th4: matt, a) 29. ... Df7, 30. Se5: Df8, 31. Tg7: Tg7:, 32. Tg7: Dg7:, 33. Sg6f Kg8, 34. Ld5f Df7, 35. Df8 matt. 28. Dd2—h6 Droht 29. Dh7:f Kh7:, 30. Th3t Kg8, 31. Th8 matt. Hiergegen kann Schwarz nichts mehr erfinden. 28. ... Dd5—d6 Anderssen kündigt nun ein Matt in fünf Zügen an. 29. Dh6xh7t! Nicht so zwingend wäre 29. f6 wegen Dd3: mit Dedkung von h7. Freilich sollte Weiß auch dabei gewinnen, am besten wohl mit 30. Sg5 usw. 29. ... 30. f5—f6f!
Kg8xh7
Präzise gespielt. Bei 30. Th3f Dh6, 31. f 6 | Kg8 (Td3:, g8D matt), 32. Th6: könnte Schwarz das Matt mit 32. ... Tf6: hinauszögern. 30. ... Kh7—g8 Oder 30. ... Dd3:, 31. Th3t und 32. Th8 matt. 31. Ld3—h7f! Kg8xh7 32. Tg3—h3t Kh7—g8 33. Th3—h8 matt. Das Kunstwerk ist vollendet.
Partie Nr. 7 Evans-Gambit „Sorgfältig verteidigen" war in der Anderssen-Zeit etwas Unbekanntes. Auch die führenden Meister suchten jede Aktion ihres Gegners mit einer Gegenaktion zu beantworten. Sie spielten nicht gern auf Konsolidation. Die nun folgende
Partie ist besonders in dieser Hinsicht charakteristisch. Weiß: A. Anderssen Schwarz H. J. Zukertort (Gespielt in Berlin 1871) 1. e2—e4 e7—e5 2. Sgl—f3 Sb8—c6 3. Lfl—c4 Lf8—c5 4. b2—b4 Lc5xb4 5. c2—c3 Lb4—a5 6. d2—d4 e5xd4 7. 0—0 d4xc3 Das sogenannte kompromittierte EvansGambit — sehr riskant, da das Nehmen des zweiten Bauern den weißen Entwicklungsvorsprung vergrößert. 8. Ddl—b3 Dd8—f6 9. e4—e5! Df6—g6 Nicht 9. ... Se5:?, denn nach 10. Tel d6, 11. Se5: de5:, 12. D b 5 | geht der La5 verloren. 10. Sblxc3 11. Sc3—e2
Sg8—e7 b7—b5
Dieses Gegenopfer, eine Art EvansGambit im Nachzuge, war damals sehr gebräuchlich (siehe auch die Partien 4 und 5). Schwarz gibt einen seiner Mehrbauern zurück, um nun seinerseits die Entwicklung zu beschleunigen. 12. Lc4—d3 Anderssen indessen hält lieber am Angriff fest. 12. ... Dg6—e6 13. Db3—b2 Droht mit 14. Sf4 die schwarze Dame in die Enge zu treiben. 13. ... Se7—g6 14. Se2—f4 De6—e7 Konsequenter und noch besser war jedenfalls Sf4:. 15. e5—e6 27
Eine interessante Transaktion, mit der die kurze Rochade des Gegners definitiv verhindert wird (man vergleiche hierzu 17. Sf6f in Partie Nr. 5). 15. ...
Sg6xf4
Andere Züge sind weniger gut, z. B. I. 15. ... fe6:?, 16. Lg6:f hg6:, 17. Sg6: und Weiß gewinnt. II. 15. ... 0—0?, 16. ef7:f Df7:, 17. Sg5 mit siegreichem Angriff für Weiß. III. 15. ... de6:, 16. Dg7:, und Schwarz wird auch die lange Rochade nicht mehr durchsetzen können. 16. Db2xg7
hätte das konsolidierende 21. ... Lb6 in dieser scharfen Stellung etwa gleiche Chancen geschaffen. 22. T a l — b l 23. Lf4—g3
De7—f6 Lc3—d4
Jetzt muß Schwarz Zeit verlieren, um diesen Läufer auf bessere Felder zu bringen. 24. Lb5—a6! Diagramm 8 (nach 24. Lb5—a6!)
Th8—f8
16. ... Sd3:? scheitert an 17. Dh8:f Df8, 18. ef7:f Kf7:, 19. Dh7:f nebst Dd3:. 17. Lclxf4 18. Dg7—g4 19. Ld3xb5
f7xe6 Lc8—b7
Jetzt ist das Nehmen dieses Bauern sinnvoll, da bei der kurzen Rochade von Schwarz das Fehlen des Bb5 die Königsstellung schwächt. 19. ...
0—0—0
Es geht hart auf hart. Beide Parteien verfügen über Angriffslinien. Der schwarze Mehrbauer spielt unter diesen Umständen keine große Rolle. Viel wichtiger ist die gute Aufstellung der Figuren. 20. T f l — c l 20. Lg5 leistet nichts wegen Dg7!. 20. ...
Tf8—g8
21. Dg4—h5 Droht Lc6: mit Figurengewinn. 21. ...
La5—c3
Einer von den Zügen, die den Geist der damaligen Zeit so treffend charakterisieren. Schwarz rechnet auf die „petite combinaison" 22. Tc3:? Dg7 mit der Doppeldrohung Dg2: matt bzw. Dc3:. Aber wenn Weiß diese Falle vermeidet, steht der Läufer auf c3 schlecht. Dagegen 28
Eine verblüffende Wendung, die zwar keinen direkten Vorteil bringt, aber doch die Aufgabe für Schwarz schwieriger macht, indem der starke Lb7 vom Brett verschwindet. Ohne das zeitraubende La5— c3—d4 wäre dieses Manöver nicht möglich gewesen. 24. ...
Ld4—b6
Am besten. Auf 24. ... La6: folgt glänzend 25. D a 5 ü mit Mattdrohung auf a6 bzw. c7, während 25. ... Sa5: an 26. Tc7: matt scheitert. Schwarz müßte 25. ... Lb6 spielen, wäre aber nach 26. Da6:f Kb8, 27. a4 einem kaum zu parierenden Angriff ausgesetzt. 25. Dh5—b5
Tg8xg3?
Wieder typisch für die damalige Spielauffassung: das Streben nach Initiative. Man sucht nicht nach einem guten Verteidigungssystem, sondern zieht es vor, so schnell wie möglich ein Gegenspiel zu
organisieren. Mit dem Textzug wird der gefährliche Lg3 ausgeschaltet, und Schwarz hat das Vergnügen, zwei Züge lang (!) das Heft in die Hand zu nehmen. Besser geschah jedenfalls 25. ... Df5 mit wohl noch haltbarem Spiel für Schwarz; z . B . 26. Tc5 D b l 2 7 . D b l : La6: usw. 26. h2xg3 27. Db5—d3
Sc6—d4
... g2xf3 Dd3xa6t Da6—c4
Sd4xf3f Lb7xa6 Kc8—b8
... Kgl—g2 Tbl—b3 a2—a4!
35. ...
Lb6xa5
Auf 35. ... Lf2: entscheidet 36. Dc7:. d7—d5
36. ... c6 geht nicht wegen 37. Tc6:!. Das ist die erste Pointe der weißen Kombination. 37. De4—a4! Und dies ist die zweite und eigentliche Pointe: Weiß bringt seine Dame auf das freigewordene Feld c6. Die schwarze Königsstellung wird nun weggeblasen.
Mit der Drohung Dc7:f. 30. 31. 32. 33.
h5—h4 h4—h3f
Um nicht einem weiteren Schach ausgesetzt zu sein.
36. Dc4—e4f!
Nach 27. Sd4: Dd4:, 28. Tc2 De4 müßte Weiß auf b7 tauschen, und sein Angriff käme zum Stehen. 27. 28. 29. 30.
33. ... 34. a4—a5! 35. Kg2—hl
Kb8—a8 Td8—f8 h7—h5
Abermals eine Kombination, diesmal weniger effektvoll, dafür aber tiefer. Es ist nicht leicht zu sehen, daß Weiß mit dem Vorrücken des a-Bauern die entscheidende Schwächung des Feldes c6 vorbereitet!
37. 38. 39. 40. 41. 42. 43.
... Da4—c6t Dc6xc7f Dc7—c6| Tb3xb6f Dc6xb6f Db6—a6f
La5—b6 Ka8—b8 Kb8—a8 Ka8—b8 a7xb6 Kb8—a8 Ka8—b8
44. T e l — b l t Schwarz gab auf. Eine von Anderssen ungewöhnlich ideenreich und stark gespielte Partie.
Abschnitt IV Strategiich kombinieren (Bei Morphy ist's kein Widerspruch!) Morphy: 1837—1884 Die Ära von Anderssen wurde durch eine Erscheinung von blendendem Glanz unterbrochen. Man hatte zwar in Europa schon dies und das von den großen Erfolgen gehört, die ein „gewisser" Morphy
in Amerika zu erzielen wußte; aber dergleichen Berichte konnten in Anderssens Weltteil nicht so sehr imponieren. Es verstand sich fast von selbst, daß Staunton, eine der europäischen Größen, die Einladung zu einem Match gegen Morphy, der eben erst die Schachbühne betreten hatte, nicht akzeptierte. Aber dann erschien Morphy selbst in England und ver29
blüffte bald die Schachspieler Europas. Der 21jährige Amerikaner blieb unüberwindlich und schlug nacheinander in Zweikämpfen verschiedene führende Meister. Dann ging Morphy nach Paris, wo er zum Schluß Gelegenheit hatte, sich mit Anderssen zu messen. Und auch dieser zog gegen ihn den kürzeren: mit 7 : 2 wurde der deutsche Schachriese eindrucksvoll niedergerungen. Dies alles geschah in der kurzen Zeit von Ende Juni bis Ende Dezember 1858. Morphy blieb dann noch einige Monate in England und gab in der Hauptsache Blindspielvorstellungen, meistens an acht Brettern, und erregte wieder Aufsehen durch seine enorme Spielstärke, die er auch bei dieser Gelegenheit offenbarte. Aber danach war es plötzlich aus, und die Ära Anderssen konnte nach sozusagen fünf Minuten Unterbrechung ihren Fortgang nehmen. Nach seiner Rückkehr in die U S A im Mai 1859 gab Morphy das seriöse Schachspiel auf, und nach etwa 1864 rührte er überhaupt keine Schachfigur mehr an. Ein psychischer D e f e k t hatte das größte Schachwunder aller Zeiten mattgesetzt. In N e w Orleans, der Stadt, wo er am 22. Juni 1837 geboren wurde, ist Paul Charles Morphy am 10. Juli 1884 gestorben, nachdem seine Liebe zum Schach allmählich in tiefen Widerwillen umgeschlagen war. Morphy hat der Schachwelt nichts weiter hinterlassen als seine Partien; schweigende, aber funkelnde Zeugen seines großen Könnens. Diese Partien zeichnen sich durch prächtige Angriffe und Kombinationen aus. Noch immer gilt ihr bezaubernder Stil als der vollkommenste und genialste im Schach, „k la Morphy" ist 30
ein geflügeltes Wort geworden, das dem Schachspieler mehr sagt als die Kombination von perfekt und brillant. Aber was ist nun der Unterschied zwischen Morphy und Anderssen, der doch einen ähnlichen Stil pflegte? Nun, Morphy war noch mehr; er war auch ein vollendeter Positionsspieler! Seine Überlegenheit gründete sich auf den A u f b a u der Partie, auf das Beachten und richtige Taxieren verschiedener allgemeiner Stellungsmerkmale. Hierdurch erreichte er öfter als Anderssen Situationen, in denen der schlummernde Prinz „Kombination" nur geweckt zu werden brauchte, während er sich andererseits auch in Stellungen zu Hause fühlte, die keine direkte Chance zum Kombinieren bzw. Angreifen boten. Entwicklung, Zentrum, offene Linien, dies waren nach Steinitz die drei wichtigsten Grundregeln, durch die sich auch Morphy leiten ließ. Sie waren für ihn primäre ganz auf sich gestellte Faktoren des Schachkampfes, während sie für Anderssen nur in Verbindung mit anderen Zielen Bedeutung hatten. Morphy war als Positionsspieler der Nachfolger von Philidor und der Vorläufer von Steinitz; aber er gewann seine Partien meist in der Manier von Anderssen; vor allem, weil er ein viel größeres Kombinationstalent besaß als die erstgenannten beiden Schachgelehrten. Zudem kam Morphys Begabung um so mehr zur Geltung, als seine Gegner meist bereits in der Eröffnung mehr oder weniger in Nachteil gerieten. So kam es auch, daß Morphy als reiner „Kombinationsspieler" abgestempelt wurde, während er gerade seine wichtigsten Siege, die gegen Anderssen, ausschließlich seinem besseren Verständnis für die positioneilen Elemente der jeweiligen Stellung zu verdanken hatte.
Hierunter folgen einige für Morphy charakteristische Partien; in der Hauptsache hübsche Beispiele glänzenden Kombinierens.
Partie Nr. 8 Falkbeers Gegengambit Zur Beleuchtung von Morphys Streben nach Initiative. Ein Angriff auf der offenen Linie. Weiß: J . W. Schulten Schwarz: P. Morphy (Gespielt in New York 1857) 1. e2—e4 2. f2—f4
e7—e5 d7—d5
Dieses von Falkbeer stammende Gegengambit war damals noch neu und wenig gebräuchlich. Schwarz opfert einen Bauern, um die Initiative zu ergreifen, statt ef4: zu spielen und Weiß die Führung zu überlassen. Eine derartige Taktik, nicht allzu riskant, lag ganz in der Linie von Morphy. Bis in die Neuzeit sahen viele Meister sogar das Falkbeer-Gambit als eine Art Widerlegung des Königsgambits an; nach den letzten Erkenntnissen hat aber eher Weiß die besseren Chancen. 3. e4xd5
e5—e4
Dieser Bauer übt einen starken Druck auf das weiße Spiel aus. 4. Sbl—c3 Bis vor 50 Jahren hielt man diesen Zug für weniger gut und bevorzugte 4. d3. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, daß auch der Textzug gute Chancen bietet. 4. ... 5. d2—d3
Sg8—f6
Aber dies verdient keine Empfehlung. Richtig ist 5. De2! Ld6, 6. d3! 0—0, 7. de4: Se4:, 8. Se4: Te8, 9. Df3 f5, 10. Le3!, und Weiß behauptet ohne viel Mühe den Mehrbauern. 5. ... 6. Lei—d2
Lf8—b4
Jetzt ist Schwarz gezwungen, Farbe zu bekennen. Muß er auf d3, eventuell auch auf c3, tauschen, um auf diese Weise seinen Bauern zurückzuholen? Dies würde Weiß in jedem Falle das bessere Spiel verschaffen. 6. ...
e4—e3!
Echt Morphy! Mit dem zweiten Bauernopfer wird die weiße Entwicklung verzögert, während Schwarz durch schnelle Besetzung der e-Linie einen gefährlichen Angriff bekommt. 7. Ld2xe3
0—0
Die e-Linie macht sich bereits bemerkbar: Schwarz droht mit Te8 in entscheidenden Vorteil zu kommen. 8. Le3—d2 Am besten: Die Fesselung des Le3 wird vermieden und die des Sc3 aufgehoben. 8. ...
Lb4xc3
Im Interesse der offenen Linie! Der weiße Springer könnte sonst mitwirken, die e-Linie auf e2 oder e4 zu verstellen. 9. b2xc3 10. Lfl—e2
Tf8—e8f Lc8—g4
Nun hat Weiß große Schwierigkeiten, seine Entwicklung fortzusetzen. 11. c3—c4 Auf 11. K f l oder 11. h3 folgt Le2: samt Sd5:, und Schwarz hat ein prächtiges Angriffsspiel auf Kosten nur eines Bauern. Weiß sucht deshalb beide Mehrbauern zu behaupten, um eine bessere Kompensation für den positionellen 31
Nachteil z/u haben. Aber diese Taktik macht die Sache noch ärger. 11. . . .
c7—c6!
12. d5xc6? Konsequent, aber verderblich. Weiß hätte sich doch zu K f l oder h3 entschließen sollen. 12. ...
Sb8xc6
Jetzt droht 13. ... Sd4 mit Verstärkung des Angriffs auf e2. Dagegen hat Weiß keine ausreichende Verteidigung mehr. 13. Kel—fl Zu spät, aber andere Züge genügen auch nicht mehr. Zum Beispiel I. 13. Kf2. Das wird auf die gleiche Art beantwortet wie der Textzug. II. 13. h3 Le2:, 14. Se2: Sd4, und Schwarz gewinnt eine Figur. III. Auch bei 13. Lc3 Sd4, 14. Ld4: Dd4: sitzt Schwarz am längeren Hebelarm, wovon man sich leicht überzeugen kann. 13. ...
Te8xe2
Diagramm 9 (nach 13. ... Te8xe2)
Auf 16. Kgl gewinnt Sc2: mit der Hauptdrohung Dd4f. Ebenfalls aussichtslos für Weiß ist 16. Kel De7. 16. ... Sf6—g4t 17. Kf2—gl Oder 17. Kg3 Sf5f nebst Matt, bzw. 17. Kel Dh4t, 18. g3 Te8! mit der vernichtenden Drohung Sf3 matt. — Auf den Königszug nach gl folgt ein Matt in sieben Zügen. 17. ... Sd4—f3f 18. g2xf3 Dd8—d4t 19. Kgl—g2 Dd4—f2f 20. Kg2—h3 Df2xf3t 21. Kh3—h4 Sg4—e3 22. Thl—gl Se3—f5f 23. Kh4—g5 Df3—h5 matt.
Partie Nr. 9 Evans-Gambit Morphys Blick auf das Zentrum, der prinzipielle Vorteil einer beweglichen Formation (zu vergleichen mit Partie Nr. 6). Weiß: P. Morphy Schwarz: C. H. Stanley (Gespielt in New York 1857)
Hiermit gewinnt Schwarz zwei Figuren gegen einen Turm, ohne daß sein Angriff an Kraft einbüßt. 14. Sglxe2 15. Ddl—bl
Sc6—d4
Andere Züge sind nicht besser. 15. ... 16. Kfl—f2 32
Lg4xe2f
1. e2—e4 e7—e5 2. Sgl—f3 Sb8—c6 3. Lfl—c4 Lf8—c5 4. b2—b4 Lc5xb4 5. c2—c3 Lb4—a5 6. d2—d4 e5xd4 7. 0—0 d7—d6 8. c3xd4 La5—b6 9. Sbl—c3 Ein für die damaligen Zeit sehr bemerkenswerter Zug. Sonst zog man meist 9. d5 oder eventuell 9. Lb2 mit der Drohung 10. d5. Man hielt es für notwendig, stets mit Drohungen zu arbeiten. Aber der
Vorstoß 9. d5 läßt in jedem Fall eine ziemlich geschlossene Stellung entstehen, die für die weißen Angriffspläne nicht gerade förderlich ist. Dies wurde bereits bei Partie Nr. 6 auseinandergesetzt. Morphy legte im allgemeinen mehr Wert auf langdauernde Spannungen als auf direkte Drohungen; daher auch hier sein Streben, das bewegliche Bauernzentrum d4—e4 solange als möglich zu behaupten. Der Textzug geschieht aus grundsätzlichen Erwägungen und bietet keine unmittelbaren Vorteile. 9. ... Sg8—f6? Einer jener taktischen Fehler, die das strategische Element in Morphys Partien in den Hintergrund treten lassen, weil der Schwerpunkt des Kampfes sofort auf den kombinatorischen Sektor verschoben wird. So bekommt Morphy sehr schnell (wie z. B. auch Aljechin in seinen Partien gegen schwächere Gegner) Gelegenheit, sein gewaltiges Kombinationstalent leuchten zu lassen. Nach 9. ... Lg4, worauf Weiß am besten 10. Lb5 antwortet, oder nach 9. ... Sa5, worauf 10. Lg5 f6, 11. Lf4 Sc4:, 12. Da4f Dd7, 13. Dc4: Df7, 14. Sd5 folgt, hätte es Weiß jedenfalls schwerer gehabt, die Richtigkeit seiner Zentrumsstrategie zu beweisen. 10. e4—e5! Diagramm 10 (nach 10. e4—e5!)
1li-K^I
%
•SIB*»18 L • •ÄH B B& 0m
13 Bwiinss 3
Euwe, Feldherrnkunst
Erzwingt das öffnen von Angriffslinien gegen den König. 10. ... d6xe5 Praktisch erzwungen. Der angegriffene Springer hat keinen vernünftigen Zug. 11. Lei—a3 Die wichtigste Pointe des Bauernvorstoßes nach e5: Schwarz kommt nicht mehr zur Kochade. 11. ... Lb6xd4 Auf 11. ... ed4: gewinnt Weiß mit 12. T e l f ; z.B. Le6, 13. Db3 Sa5, 14. Le6:! Sb3:, 15. Lf5t usw. 12. Ddl—b3 Droht 13. Lf7:f Kd7, 14. De6 matt. 12. ... Lc8—e6 Mit einem Bauernopfer will Schwarz den weißen Angriff brechen, was jedoch nicht glückt. 13. Lc4xe6 f7xe6 14. Db3xe6t Sc6—e7 15. Sf3xd4 e5xd4 16. Tfl—el Nachdem nun Weiß auch über die offene e-Linie verfügt, wird sein Angriff schnell unwiderstehlich. 16. ... Sf6—g8 Oder 16. ... dc3:, 17. Tadl Sd7, 18. Le7: und gewinnt. 17. Sc3—d5 17. Le7: hätte nach Maröczys MorphyBuch leichter entschieden. 17. ... Dd8—d7 18. La3xe7? Einer der seltenen Fälle, in denen Morphy in einer Angriffslage fehlgreift. Es gab mehrere Gewinnfortsetzungen; z.B. 18. De5, 18. De4, 18. Se7:, oder am einfachsten 18. Dd7:f Kd7:, 19. Se7: usw. 18. ... Dd7xe6 19. Telxe6 Ke8—d7! 20. Tal—el Ta8—e8 33
Gestützt auf die Fesselung des Le7 und die unsichere Position des Sd5 erobert Schwarz nun die verlorene Figur zurück. Die Drohung c7—c6 ist nicht zu parieren. 21. 22. 23. 24. 25. 26.
Te6—e4 Te4xd4 Td4xd5f Td5—d6t Tel—elf Le7—h4
c7—c6 c6xd5 Kd7—c6 Kc6—c7 Kc7—b8
Weiß hat seinen materiellen Vorteil eingebüßt, steht aber noch immer etwas besser. Morphy gewann das Endspiel nach 17 Zügen. Der Schluß der Partie ist für unsere Zwecke unwesentlich.
Partie Nr. io Philidor-Verteidigung
Läuferpaar und verfügt über zwei starke Drohungen. 6. ... Sg8—f6? Schwarz pariert das Matt, läßt aber die zweite Drohung außer acht. Geboten war 6. . . . De7, um 7. Db3 mit D b 4 f beantworten zu können. 7. Df3—b3 Gewinnt mindestens einen Bauern. 7. ...
Dd8—e7
Relativ noch am besten. Nach 8. Db7: D b 4 f könnte Schwarz im Endspiel noch Widerstand leisten. 8. S b l — c 3 ! Sehr richtig gibt Weiß seine Angriffschancen nicht für das Linsengericht eines Bauern auf. Jetzt droht D b 7 : sofort zu entscheiden. 8. ... 9. Lei—g5
c7—c6
Eine unsterbliche Kombinationspartie von Morphy. Sie zeigt keine tiefgründigen Unternehmungen, ist aber ungewöhnlich reizvoll.
Bereits hier zeigt sich, wie richtig Morphy seine Angriffsmöglichkeiten eingeschätzt hat. Weiß steht auf Gewinn.
Weiß: P. Morphy
Schlecht, aber kaum schlechter als ein be-
Schwarz: Herzog Karl von Braunschweig
liebiger anderer Zug. Immerhin war 9. ...
in Beratung mit Graf Isouard
Sa6 noch am hartnäckigsten:
(Gespielt in Paris 1858) 1. e2—e4 2. S g l — f 3 3. d2—d4
e7—e5 d7—d6 Lc8—g4
Eine weniger starke Fortsetzung. Bessere Züge sind 3. ... Sf6, 3. ... Sd7 oder auch 3. ... ed4:. 4. d4xe5
Lg4xf3
Sonst geht ein Bauer verloren. 5. D d l x f 3 6. L f l — c 4
d6xe5
Schon zeigt sich der Nachteil von 3. ... Lg4. Weiß ist besser entwickelt, hat das 34
9. ...
b7—b5
10. L f 6 : gf6:, 11. La6: ba6:, 12. Da4 usw. 10. Sc3xb5! Diagramm 11 (nach 10. Sc3xb5!)
•
•
I H •* U l i n ¡¡¡4 j j H II 11 1 wmJ AB Ä H B&f1 I B PI 11H
Ein auf der H a n d liegendes Opfer, das aber zu ungewöhnlich glänzenden Wendungen führt. 10. ... 11. Lc4xb5f 12. 0—0—0
c6xb5 Sb8—d7
Droht bereits Ld7:f oder Td7:, mit oder ohne voraufgegangenem Tausch auf f6. 12. ...
Ta8—d8
Das einzige. Wenn 12. ... Db4, so 13. Lf6:! gf6: (Db3:, Ld7: matt), 14. L d 7 : t Kd8, 15. Lc6t usw. Oder 12. ... De6, 13. Lf6:! Df6:, 14. Td7: usw. 13. Tdlxd7! Es geht alles wie am Schnürchen, ist aber köstlich anzuschauen. 13. ... 14. T h l — d l
Td8xd7 De7—e6
Auch jetzt scheitert 14. ... Db4 an 15. Lf6:. 15. Lb5xd7f 15. Lf6: würde ebenfalls genügen, doch ist Morphys Schluß viel hübscher. 15. ... 16. Db3—b8f!
Sf6xd7 Sd7xb8
17. T d l — d 8 matt Ein prächtiges Ende!
Partie Nr. 11 Philidor-Verteidigung Bei Anderssen war das Streben nach Brillanz vorherrschend. Viele seiner Partien zeigen, daß er in erster Linie den hübschesten Weg zum Siege suchte und nicht den kürzesten. Morphy indessen näherte sich mehr den rationellen Auffassungen der gegenwärtigen Zeit, nach J»
denen der kürzeste Weg zu einem bestimmten Ziel zugleich auch der hübscheste ist. Aber daß auch ihm das Streben nach äußerem Glanz einen Streich spielen kann, sehen wir in der nun folgenden Partie. Weiß: H . E. Bird Schwarz: P. Morphy (Gespielt in London 1858) 1. e2—e4 2. Sgl—f3 3. d2—d4
e7—e5 d7—d6 f7—f5
Morphy in den Fußspuren von Philidor! Der Textzug ist aber nicht gut. 4. Sbl—c3 Die stärkste Fortsetzung. 4. ... 5. Sc3xe4 6. Se4—g3?
f5xe4 d6—d5
Heutzutage ist bekannt, daß die von Schwarz gewählte Variante an 6. Se5:! de4:, 7. Dh5f usw. scheitert. Weiß bekommt so einen unwiderstehlichen Angriff. Nach dem Textzug hingegen erlangt Schwarz eine gute Stellung. 6. ... 7. Sf3—e5 8. Lei—g5
e5—e4 Sg8—f6 Lf8—d6
Morphy hat richtig erkannt, daß der nun folgende Angriff auf den gefesselten Sf6 eher für Schwarz günstig ist. Natürlich konnte sonst auch einfach 8. ... Le7 geschehen. 9. Sg3—h5 10. D d l — d 2
0—0
Kein starker Zug, denn gegen Angriffe wie 11. D f 4 oder 11. Lf6: gf6:, 12. Dh6 kann sich Schwarz leicht verteidigen. Den Vorzug verdiente 10. f4 oder 10. Le2. 10. ...
Dd8—e8! 35
Danach gerät plötzlich Weiß in Schwierigkeiten, weil er keine gute Parade gegen den Doppelangriff auf h5 und e5 hat. 11. g 2 - g 4 Kostet einen Bauern ohne Kompensation, doch Weiß hatte nur die Wahl zwischen verschiedenen Übeln: I. 11. Sf6:f gf6:, 12. Dg5 (Lg5, Sc6, und Schwarz stellt hg6:, 15. Dd5:f Kg7. und Schwarz steht mit seinem Läuferpaar besser. (Maroczy hält in seinem Morphy-Buch die Chancen allerdings für gleich.) II. 11. Lf6: Dh5:, 12. Dg5 (Lg5:, Sc6, und Schwarz steht prächtig), 12. Dg5:, 13. Lg5: Le5:, 14. de5: Sc6. Schwarz erobert den Be5. 11. ... Sf6xg4 12. Se5xg4 De8xh5 13. Sg4—e5 Sb8—c6 14. Lfl—e2 Dh5—h3 15. Se5xc6 b7xc6 16. Lg5—e3 Ta8—b8 Schwarz steht gut und hat einen gesunden Mehrbauern. Ein beliebiger Meister aus unseren Tagen würde wohl wenig Mühe haben, diese Partie mit exakten technischen Mitteln zu gewinnen. 17. 0—0—0
Tf8xf2!?
Diagramm 12 (nach 17. ... Tf8xf2!?)
• AA m A wF AB m wmmHA * m ¡3 u m
WM
£ Q £ 18 Jl m 8 *• s üf
Das Streben nach Brillanz. Schwarz will nicht trocken auf Gewinn spielen, sondern ersinnt eine sehr überraschende Opferkombination, die jedoch keine ent36
scheidende Kraft hat und bei richtigem Gegenspiel nur zum Remis führen sollte. Es war jedoch kein Anlaß gegeben, diese Position kombinatorisch zu behandeln; es sei denn, daß die gewählte Methode auch gegen die beste Verteidigung vollen Erfolg versprochen hätte. 18. Le3xf2
Dh3—a3!
Die prächtige Pointe des voraufgegangenen Turmopfers. Es droht Matt auf b2, während die Dame wegen La3: matt nicht genommen werden darf. Es ist zu verstehen, daß Morphy der Lockung dieses entzückenden Zuges nicht widerstehen konnte; um so mehr, als Weiß nun keine leichte Aufgabe hat. 19. c2—c3 Andere Verteidigungen sind ungenügend; z.B. 19. Dc3? Lf4f, 20. Td2 Da2: oder 19. Dg5? Db2:t, 20. Kd2 Lb4t, 21. Ke3 Da3f, 22. Ld3 La6!, 23. Thgl Lf8, und der schwarze Angriff ist unwiderstehlich. 19. ... Da3xa2 Droht Matt in zwei Zügen. 20. b2—b4 Auf 20. Dc2? gewinnt Lf4t, 21. Td2 D a l f , 22. Dbl Dbl-.f. 20. ... Da2—alt 21. Kcl—c2 Dal—a4f 22. Kc2—b2? Ein unmotivierter Gewinnversuch. Richtig war 22. Kcl!, z.B. 22. ... Lb4:, 23. cb4: Tb4:, 24. Dc2 Da3t, 25. Kd2 Tb2, 26. Tel, und Schwarz kommt in Schwierigkeiten, da er sein großes Obergewicht an Bauern nicht mobilisieren kann. Deshalb ist (auf 22. Kcl) 22. ... D a l f usw. mit ewigem Schach am besten, womit zugleich bewiesen ist, daß Schwarz mit seiner hübschen Kombination den Gewinn aus der Hand gegeben hat. 22. ...
Ld6xb4!
Mit diesem weiteren Opfer kommt Schwarz aufs neue in entscheidenden Vorteil. 23. c3xb4 Tb8xb4t 24. Dd2xb4 Erzwungen. 24. ... Da4xb4f 25. Kb2—c2 Auch andere Züge reichen nicht aus, weil Schwarz jetzt seine Bauernphalanx doch in Bewegung setzen kann. Man prüfe: I. 25. Kai Da3t, 26. Kbl e3, und Schwarz gewinnt durch die Doppeldrohung Lf5f bzw. ef2:. II. 25. Kcl Dc3f, 26. Kbl e3, 27. Lei Lf5t, 28. Ka2 Dc2f und gewinnt. III. 25. Ka2 c5!, 26. dc5: (26. Tbl Da4t, 27. Kb2 cd4:, und Schwarz gewinnt leicht. Wenn 26. Thgl, so c4 — droht c3 —, 27. Tbl Da4t, 28. Kb2 Db3f, 29. Kcl Dc3t, 30. Kdl Ld7 und gewinnt), 26. ... d4, 27. Ld4: Le6t, 28. Kai Da3f, 29. Kbl Da2t, 30. Kcl De2: usw. 25. ... e4—e3! Forciert das entscheidende Eingreifen des Lc8. 26. Lf2xe3 Wenn 26. Lei, so Lf5f usw. 26. ... Lc8—f5f 27. Tdl—d3 Auch auf Ld3 entscheidet Dc4|. 27. ... Db4—c4t 28. Kc2—d2 Dc4—a2f 29. Kd2—dl Da2—blf und Schwarz gewann.
nisse der Stellung. Darin vor allem hob er sich weit über seine Zeitgenossen hinaus, Anderssen inbegriffen. In der nachfolgenden Partie lernen wir Morphy als vollendeten Positionsspieler kennen.
Partie Nr. 12
10. ... Lf8—e7 11. Tal—dl 0—0 12. Dd4—c4f Tf8—f7 Eine kleine Falle, an sich wäre sonst Kh8 die natürliche Fortsetzung. 13. Sf3—d4!
Philidor-Verteidigung Das größte Geheimnis von Morphys verblüffenden Erfolgen verbirgt sich in seinem überlegenen Blick für die Erforder-
Weiß: P. Morphy Schwarz: D. Harrwitz (Aus dem Zweikampf zu Paris 1858) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
e2—e4 Sgl—f3 d2—d4 Ddlxd4 Lfl—b5 Lb5xc6 Lei—g5!
e7—e5 d7—d6 e5xd4 Sb8—c6 Lc8—d7 Ld7xc6
Auf Grund der Zentrumsformation — Schwarz hat das sogen, halbe Zentrum — verfügt Weiß über ein kleines Mehr an Bewegungsfreiheit. Es ist beispielhaft, wie Morphy diesen geringen Vorteil in unübertrefflicher Weise ausnutzt. Der feine Textzug verhindert, daß Schwarz seine Entwicklung ungestört mit Sf6 und Le7 fortsetzt. 7. ... 8. Lg5—h4 9. Sbl—c3
f7—f6 Sg8—h6 Dd8—d7
Schwarz muß auf die Schwäche e6 Rücksicht nehmen. Nach z.B. 9. ... Le7, 10. Dc4, drohend Sf3—d4—e6, würde dieser Punkt schon Sorgen machen. 10. 0—0 Jetzt hätte 10. Dc4 nicht den gleichen Effekt. Nach 10. ... 0—0—0, 11. Sd4 d5! stünden die Spiele ungefähr gleich.
37
Das ist stärker als der verlockende Zug 13. e5 (drohend) e6, worauf Schwarz aber mit 13. ... Dg4! erwidert (13. ... de5:? kostet die Dame, 13. ... fe5:? nach 14. Se5: die Qualität). Es könnte folgen 14. Td4 Dg6. Wenn Weiß nun auf d6 oder f6 tauscht, entsteht nur gleiche Stellung. Zieht er aber 15. e6, könnte der vorgerückte Freibauer schwach werden. 13. ... 14. h2—h3 15. Dc4—e2!
Sh6—g4 Sg4—e5
Solange die Stellung noch nicht für eine bestimmte Aktion reif ist, muß man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein; und das wird am besten erreicht durch eine zentrale Aufstellung der Figuren. (Nimzowitsch nannte dies später Zentralisation.) In der Handhabung dieses Strategems war Morphy nicht zu übertreffen. 15. ...
g7-g5?
In einer schwierigen Stellung kommen die Fehler gewöhnlich von selbst. Die Absicht, die Vertreibung des Se5 zu verhindern, ist löblich, aber die Schwächung der schwarzen Königsstellung wirkt viel schwerer. 16. Lh4—g3 17. Sd4—f5 18. f2—f4
Tf7—g7 Tg7—g6
Diesen Vorstoß wollte Schwarz mit 1 5 . . . . g5? eben entgiften. 18. ... g5xf4 19. T f l x f 4 Kg8—h8 Schwarz hat seinen Springer auf e5 behauptet und zudem die offene g-Linie bekommen. Seine Hoffnung auf Gegenspiel erfüllt sich aber nicht, denn der weiße Sf5 steht noch stärker als der schwarze Se5, und unter diesen Umständen hat die offene f-Linie viel mehr Bedeutung als die offene g-Linie von Schwarz. 38
Wer gedrückt steht, soll nicht nach Linienöffnung streben. Ein Erfahrungssatz, der hier einmal mehr bestätigt wird. 20. Tf4—h4! Droht 21. Le5: fe5:, 22. T h 7 : t Kh7:, 23. D h 5 f usw. 20. ...
Le7—f8
Eine bessere Verteidigung ist nicht zu sehen; z . B . I. 20. ... Tag8?, 21. T h 7 : t Kh7:, 22. D h 5 f Th6, 23. Dh6: matt. II. 20. ... De8?, 21. Le5: de5:, 22. T h 7 : t Kh7:, 23. D h 5 f Kg8, 24. S e 7 : t , und Weiß hat ein gewonnenes Endspiel. 21. Lg3xe5!
f6xe5
Der starke Se5 ist beseitigt, und die offenen Linien am Königsflügel kommen jetzt ausschließlich Weiß zugute. 22. T d l — f l 23. Sc3—b5!
Dd7—e6
Ein sehr feiner Zug, der sich gegen die Konsolidierung der schwarzen Stellung mit Dg8 richtet. Zunächst droht Sc7: mit Qualitätsgewinn. 23. ...
De6—g8
Eine wirklich befriedigende Fortsetzung ist nicht zu sehen. Zum Beispiel 23. ... Dd7, 24. Dh5! Lb5: (oder Kg8, 25. Sc3, und Weiß beherrscht die Lage), 25. Dg6: L f l : , 26. K f l : , und Schwarz steht praktisch patt (26. ... Te8?, 27. T h 7 : t ! bzw. 26. ... Td8?, 27. D f 6 t ! ) . Falls 2 3 . . . . L b 5 : , 24. Db5:. Dieser Tausch läßt eine andere Feinheit von 23. Sb5! erkennen: Schwarz behält einen schlechten Lf8 gegen den mächtigen Sf5, was seine Lage aus allgemeinen strategischen Erwägungen verschlimmert. Doch wäre diese Variante jedenfalls das kleinere Übel gewesen. 24. T f l — f 2 Gegen Lb5: nebst T g 2 : f gerichtet. Nach 24. Sc7: würde Schwarz den Bauern unter Verbesserung seiner Stellung zurücker-
obern: 24. ... Tc8, 25. Sd5 Ld5:, 26. ed5: Dd5:, 27. Th7:t Kh7:, 28. Dh5f Lh6, 29. Dg6:f Kg6:, 30. Se7t Kg7, 31. Sd5: Tc2: usw. 24. ... a7—a6 Führt zwar zum Verlust eines Bauern, jedoch 24. ... Lb5:, 25. Db5: hätte jetzt wegen der Doppeldrohung 26. Db7: und 26. Dd7 noch größeren Nachteil mit sich gebracht. 25. Sb5xc7 Ta8—c8 26. Sc7—d5 Lc6xd5 27. e4xd5 Tc8—c7 Auf 27. ... Dd5: könnte folgen: 28. Th7:t Kh7:, 29. Dh5t Lh6. Wenn Weiß nun mit 30. D g 6 : | Kg6:, 31. Se7f Kg7, 32. Sd5: fortsetzt, so erlangt er nach 32. ... Tc5! nur ein gleichstehendes Endspiel, da der Sd5 wegen Le3 nicht ziehen darf und Weiß also mit 33. c4 den gewonnenen Bauern zurückgeben müßte. Besser ist daher 30. Sh6:! Th6: (erzwungen), 31. D f 5 f nebst Dc8:, und Weiß behauptet den Bauern bei überlegener Stellung. Diese Variante ist möglich, weil Weiß nicht mit einem eventuellen Matt auf g2 zu rechnen braucht (vergl. Anm. zu 24. Tf2:). 28. c2—c4 29. Th4—h5 30. c4—c5!
Lf8—e7 Dg8—e8
Diagramm 13 (nach 30. c4—c5!)
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HP ¡ü i A
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• & • •• •• P i I
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B Nachdem Morphy mit tiefdurchdachtem Positionsspiel eine gewonnene Stellung errreicht hat, erzwingt er nun mit seiner gewaltigen Kombinationskraft eine schnelle Entscheidung. Die Drohung 31. cd6: Ld6:, 32. Sd6: Td6 :, 33. Te5: usw. stellt Schwarz vor ein unlösbares Problem. 30. 31. 32. 33.
... Th5xh7| De2—h5| Sf5xe7f
Tc7xc5 Kh8xh7 Kh7—g8 Kg8—g7
Oder De7: 34. Dg6:j", und Weiß gewinnt die Dame. 34. S e 7 — f 5 |
Kg7—g8
35. Sf5xd6 Schwarz gab auf. Eine großartige Leistung. Das Spiel von Morphy in dieser Partie ist in keiner Hinsicht zu übertreffen.
Abschnitt V Das Positionsspiel Steinitz: 1836—1900 Was Philidor gefühlt hat, aber durch mangelndes Kombinationstalent nicht auf überzeugende Weise darlegen konnte, was andererseits Morphy durch seine über-
schäumende Kombinationskraft nur selten als Waffe gebrauchte, das wurde von Steinitz ausgebaut und verewigt in seiner Lehre vom Positionsspiel. Wilhelm Steinitz wurde am 14. Mai 1836 zu Prag geboren. Somit war er ein Jahr 39
älter als Morphy, muß aber viel von diesem gelernt haben. Als Steinitz sich 1862 ganz dem Schachspiel widmete, war Morphys Karriere bereits abgeschlossen. Es versteht sich wohl von selbst, daß Steinitz die Partien seines berühmten Zeitgenossen gründlich unter die Lupe genommen haben wird. In seiner ersten Zeit war Steinitz ganz und gar Kombinationsspieler, und zwar ein sehr erfolgreicher, ohne freilich in dieser Hinsicht den hohen Standard Anderssens und Morphys zu erreichen. Nach einigen in Wien verlebten Jahren ging Steinitz 1862 nach England, und dort begann seine Wandlung zum Positionsspieler, die jedoch nur allmählich vor sich ging. Noch 1866, als es ihm gelang, einen Wettkampf gegen den großen Anderssen mit 8 : 6 zu gewinnen, war Steinitz kein reiner Positionsspieler. Auffallend war aber damals schon seine Findigkeit auf dem Gebiet der Verteidigung. Die große Zeit von Steinitz begann jedoch erst, als er 1872 Schachredakteur von „The Field" wurde. Hier konnte er, eines großen Leserkreises gewiß, seine Ansichten und Lehren zu Papier bringen und so seinen Ruf als Schachdenker und Lehrer festigen. Später, von 1885—1891, gab Steinitz auch eine eigene Schachzeitschrift heraus: „The International Chess Magazine". So wurde er der fruchtbarste Schachschriftsteller des 19. Jahrhunderts, der Verkünder einer neuen Lehre, die jedoch erst nach seinem Tode voll zur Geltung kam. Von 1873 bis 1882 hat Steinitz fast ausschließlich an seiner neuen Theorie gearbeitet. In dieser Zeit trat er nur selten in Turnieren an. Als er aber 1882 und 1883 wieder zwei große Wettstreite mitmachte und seine Lehrsätze in der Praxis ausprobierte, waren die Resultate doch einigermaßen
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enttäuschend. Ein führender Meister war Steinitz schon lange und es bedeutete daher keine Sensation, daß er im Turnier zu Wien 1882 an die Spitze kam. Aber daß er seinen Platz ausgerechnet mit Winawer teilen mußte (einem Taktiker, der von Steinitz' Lehren im allgemeinen wenig hielt), war nicht gerade schmeichelhaft für den Propheten des Positionsspiels. Noch schlimmer erging es Steinitz in London 1883. Zukertort, ein sehr begabter Kombinationsspieler, wurde mit drei Punkten Vorsprung Erster, und Steinitz mußte «ich mit dem zweiten Platz begnügen. War das Positionsspiel also doch keine „conditio sine qua non" für das vollkommene Schachspiel? Soll man es nur als eine Methode ansehen, das ursprüngliche Talent durch wissenschaftliche Mittel zu ersetzen? Keineswegs! Steinitz setzte jedoch zuviel Vertrauen in das Positionsspiel und vernachlässigte etwas das Gebiet der Kombination, wodurch seine Resultate abgeschwächt wurden. 1886 erzielte Steinitz aber den Erfolg seines Lebens: er besiegte den genialen Zukertort in einem Zweikampf mit 10 : 5 Punkten. Es war ein Triumph nicht allein seiner Theorie, sondern auch seines hervorstechendsten Zuges in seinem Charakter: der verbissenen Energie und Zähigkeit. Zukertort hatte nämlich anfangs mit 4 : 1 die Führung, aber Steinitz ließ sich dadurch nicht entmutigen. „Der größte Denker gewann gegen das größte Talent", so meinte Lasker nach dem Wettkampf. Nach seinem Sieg über Zukertort nannte Steinitz sich „Weltmeister", was die Schachwelt gerne akzeptierte mit der Einschränkung, daß der Titel auf denjenigen übergehen sollte, der Steinitz in einem Match schlug. Zunächst konnte Steinitz
seinen Titel dreimal erfolgreich verteidigen: 1889 gegen Tschigorin mit 1 0 : 6 , 1890 gegen Gunsberg mit dem gleichen Ergebnis und 1892 wieder gegen Tschigorin, diesmal knapper mit 10 : 8. Man hat jedoch den Eindruck, daß Steinitz diese Wettkämpfe hätte höher gewinnen können, wenn er nicht die taktische Seite des Schachspieles etwas vernachlässigt hätte. Denn in rein strategischer Hinsicht kamen diese Meister gegen Steinitz nicht auf. Ein Spieler mit ähnlichen Fähigkeiten, jedoch ein gediegener Stratege und famoser Taktiker zugleich, war es dann auch, der Steinitz 1894 den Welttitel entriß: Emanuel Lasker. Dieser gewann das Match gegen Steinitz mit 10 : 5 und zwei Jahre später das Revanchematch sogar mit 10 :2 Punkten. Bessere Taktik gab in beiden Fällen den Ausschlag. Der minder klare Blick für das Kombinatorische im Schach hat Steinitz besonders in seinen letzten Jahren manchen Streich gespielt. Im Riesenturnier zu Wien 1898, wo Steinitz 36 Partien spielen mußte, erzielte der 62jährige Altmeister mit einem vierten Platz noch einen schönen Erfolg. Auch in Köln 1898 ging es noch einigermaßen gut aus: Steinitz wurde Fünfter. Aber danach sank sein Stern schnell; eine letzte Anstrengung mißglückte. In London 1899 mußte Steinitz mit dem 11. Platz vorliebnehmen. Nervenkrank geworden durch bittere Enttäuschungen, vielleicht auch in der Furcht, daß seine Fehler seiner Lehre zur Last gelegt werden könnten, starb der größte Gesetzgeber auf dem Schachgebiet am 12. August 1900 in New York. • Steinitz ist in der Blütezeit des Gambitspiels aufgewachsen und war anfänglich
selbst Gambitspieler, aber mit wenig Begeisterung. Seine kritische Natur ließ ihn schon frühzeitig an der Korrektheit der Gambitspiele zweifeln. Anläßlich einiger scharfer Angriffspartien, die er gewann, hatte er den Eindruck, schlechter gestanden zu haben und abhängig zu sein von dem „Entgegenkommen" seines Gegners. Wohl muß man versuchen, Angriff zu erlangen, aber — so schloß Steinitz — der Angriff darf erst beginnen, wenn die Stellung reif dafür ist, sonst könnte das eventuelle Abschlagen des Angriffs positiven Vorteil für die Gegenpartei ergeben. Die Anfangsstellung ist nun ganz bestimmt nicht »reif für den Angriff", und deshalb lehnte es Steinitz prinzipiell ab, bereits in der Eröffnung scharf auf Angriff zu spielen und zu diesem Zwecke Material zu opfern. Steinitz hat den Begriff des positioneilen Gleichgewichts eingeführt. Im allgemeinen können in jeder Position Vorteile für beide Teile nachgewiesen werden. Wenn diese sich die Waage halten, ist die Lage im Gleichgewicht. Bei beiderseits korrektem Spiel gehen solche ausgeglichenen Stellungen wieder in ausgeglichene Stellungen über. Das bedeutet also, daß nicht das eigene gute Spiel die Gleichgewichtslage stören kann, sondern nur ein Fehler des Gegners. Steinitz lehrte weiter, daß ein Angriff erst dann korrekt ist, wenn das Gleichgewicht der Stellungen wesentlich gestört ist. Aber dann muß man auch angreifen, sonst geht der Vorteil wieder verloren. Dr. Lasker sah hierin einen großen philosophischen Gedanken von Steinitz. Zum Abschluß folgt noch eine Blumenlese von Partien, kennzeichnend für den Stil, die Ansichten, das mutige Selbstvertrauen, aber auch für die Schwächen von Steinitz. 41
Partie Nr. 13 Doppel-Fianchetto Hier bekommen wir eine hübsche AngrifFspartie zu sehen. Kennzeichnend für Steinitz ist aber, daß dieser erst dann zu reinen Angriffszügen übergeht, wenn die Stellung dies erfordert. Weiß: W. Steinitz Schwarz: A. W. Mongredien (Gespielt in London 1863) 1. e2—e4 2. d2—d4 3. c2—c3
g7—g6 Lf8—g7
Typisch für Steinitz: er trachtet nicht danach, ein breites Zentrum aufzubauen (was gleichwohl sehr in Frage kam), sondern begnügt sich mit einer einfachen, aber festen Formation. 3. 4. 5. 6.
... Lei—e3 Sbl—d2 Sgl—f3
b7—b6 Lc8—b7 d7—d6
Wieder ein charakteristischer Zug. Die von Schwarz gewählte Verteidigung ist sehr beschwerlich und eröffnet Weiß gute Angriffsaussichten. Viele Spieler hätten hier sicher das scharfe 6. f4 gewählt. Aber Steinitz hat einen anderen Plan. Zu einem aggressiven Vorgehen scheint ihm die Stellung noch nicht reif zu sein. 6. ... 7. d4xe5
e7—e5
Die positionelle Bedeutung dieses Tausches zeigt sich bald. 7. ... 8. L f l — c 4
d6xe5
Jetzt hat Weiß — ohne irgendein Risiko einzugehen — eine gute Stellung erreicht. Durch den Tausch auf e5 steht nun der Lg7 als „schlechter Läufer" innerhalb der 42
Bauernketten, und auch der Lb7 hat nur eine sehr begrenzte Aktivität, da der Gegner den Be4 bequem decken kann. Weiterhin kommt die offene d-Linie nur Weiß zugute. 8. . . . 9. D d l — e 2 10. h2—h4!
Sg8—e7 0—0
Nach der ruhigen Eröffnungsbehandlung ein überraschend scharfer Angriffszug, der aber positioneil vollkommen gerechtfertigt ist. Der Zug g7—g6 erweist sich unter diesen Umständen als Schwächung, von der Weiß durch Öffnung der h-Linie zu profitieren sucht. Die auf der Hand liegende lange Rochade statt dessen würde Schwarz nach 10. ... Sd7, 11. h4 Sf6 bessere Aussichten auf Verteidigung bieten. 10. ... Sb8—d7 Schwarz mußte unbedingt 10. ... h6 versuchen, um auf 11. h5 mit g5 die Öffnung der h-Linie zu vermeiden. Zwar wäre dann das Feld f5 bedenklich geschwächt und Weiß könnte eventuell später auf g5 ein chancenreiches Figurenopfer bringen, aber die Konsequenzen des Textzuges sind viel schlimmer. 11. h4—h5 12. h5xg6
Sd7—f6 Se7xg6
Die Alternative 12. ... hg6: ist ebenfalls unzureichend, z . B . 13. 0—0—0! (13. Se5: wäre wegen Le4:! schwächer. Weiß hätte keine aussichtsreiche Fortsetzung; das Opfer auf f7 schlägt nicht durch.) Schwarz ist nun zur hoffnungslosen Passivität verurteilt. Eine mögliche Folge wäre 13. ... Sc6, 14. Sg5 De7, 15. g4 Lc8, 16. f3 Sd8, 17. Th4 Le6, 18. Tdhl Lc4:, 19. Dh2, und Weiß gewinnt. 13. 0—0—0 Nachdem Weiß sich den bleibenden Vorteil der offenen h-Linie verschafft hat, findet er Zeit, zu rochieren.
13. ... 14. Sf3—g5
c7—c5 a7—a6
Schwarz bemüht sich, eine Gegenaktion in Gang zu setzen, aber er kommt damit viel zu spät. 15. Sg5xh7! Diagramm 14 (nach 15. Sg5xh7!)
gg
ü # H § J ¡ ¡ ¡ ¡ f lüf£> • 1 11
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18. Tdl—hl 19. Dh5xg6 20. Lc4xf7t!
Auf 20. ... Kf8 folgt 21. Le8: Te8:, 22. Th8t Lh8:, 23. Lh6f Ke7, 24. Lg5 mit Damengewinn. 21. Thl—h8f 22. Dg6xf7
Kein Wunder übrigens, denn so gut wie alle weißen Figuren stehen aktiver als die schwarzen, dazu kommt noch der große Vorteil der offenen h-Linie. Weiß gewinnt nun forciert. 15. ... 16. Thlxh7
Sf6xh7
Hier sehen wir Steinitz noch unter dem Einfluß von Anderssen stehen: er wählt die hübscheste Fortsetzung an Stelle der zielstrebigsten, die in dem einfachen 16. Dh5 Sf6, 17. Dg6: (drohend Lh6) bestand. Dies hätte schneller als die Textfolge zu einem noch größeren materiellen Vorteil geführt; z.B. 17. ... Dc8, 18. Th7! (Lh6?, Dg4!), 18. ... Sh7:, 19. Lh6, und Weiß setzt in drei Zügen matt. Oder 17. ... Ld5, 18. Ld5: Dd5:, 19. D g 7 : | ! Kg7:, 20. ed5: usw. 16. ... 17. De2—h5t
Kg8xh7 Kh7—g8
Kg8xh8
Weiß hat zwei Türme für die Dame gegeben. Sein Übergewicht beträgt also zwei Bauern. Damit ist der Gewinn gesichert, zumal Weiß obendrein noch Angriffschancen hat. Schwarz gab deshalb auf.
HS •• 1r ® S E i » B N u r 5 Züge hat der weiße Angriff gedauert und schon kann er opfermäßig entschieden werden.
Tf8—e8 Dd8—f6 Df6xf7
Partie N r . 14 Spanisch Ein Pendant zur vorigen Partie: die gleichen Kennzeichen, die gleichen Folgen. Weiß: W. Steinitz Schwarz: M. Tschigorin (Gespielt in Havanna 1891) 1. e2—e4 e7—e5 2. Sgl—f3 Sb8—c6 3. Lfl—b5 Sg8—f6 4. d2—d3 Steinitz ist mit wenig zufrieden: sein „schlechter" Läufer ist außerhalb der Bauernketten, und Schwarz kann dies schwerlich nachmachen. Die meisten Spieler geben freilich den stärkeren 4. 0—0 den Vorzug. 4. ...
d7—d6
Schwarz schließt seinen „schlechten" Läufer ein, weil die Alternative 4. ... Lc5 ebenfalls ihre Bedenkein hätte: 5. c3! (Mit sofort 5. Lc6: ist wegen dc6:! nichts zu erreichen, da 6. Se5: an Dd4!, 7. Le3 43
De5:, 8. d4 De4:, 9. dc5: Dg2: usw. scheitert.) Nach 5. c3! aber droht Lc6: somit Se5:, und wenn Schwarz 5. ... d6 zieht, folgt 6. d4! mit klarem Vorteil für Weiß. 5. c2—c3
g7—g6
Nach heutigen Erkenntnissen erreicht Schwarz mit 5. ... a6, 6. La4 Le7, 7. Sbd2 0—0 nebst b5 und d5 ein zufriedenstellendes Gegenspiel. 6. Sbl—d2 7. Sd2—fl
Lf8—g7
Steinitz pflegte im allgemeinen sich mit der Rochade nicht zu beeilen. Die Bedeutung dieser Taktik wird — wie in Partie Nr. 13 — auch hier bald klar. 7. ... 8. Lb5—a4
0—0
Ohne diesen Zug könnte Schwarz eventuell den Läufer tauschen. 8. ...
Sf6—d7
Dies rechtfertigt den vorigen Zug von Weiß. Stünde der Läufer nämlich noch auf b5, würde hier Sb6 nebst a6 eine kleine Drohung bedeuten. Besser als der Textzug wäre aber 8. ... a6 gewesen; z. B. 9. Se3 b5, 10. Lb3 (Lc2, d5!), 10. ... Sa5, 11. Lc2 c5 usw., mit Gegenspiel. 9. Sfl—e3 Die Stellung erfordert den Vorstoß d6— d5 für Schwarz. Weiß rechnet ständig damit, doch sein Gegner spielt in dieser Einsicht weniger konsequent. 9. ...
Sd7—c5
Man sehe die vorige Anmerkung. Zielbewußter wäre 9. ... Sb6 gewesen. 10. La4—c2 Sc5—e6 11. h2—h4! Eine ähnliche Unternehmung wie in Partie N r . 13: Weiß spielt auf Öffnung 44
der h-Linie, wobei ihm die Verzögerung der eigenen Rochade zugute kommt. 11. ...
Sc6—e7
Endlich kommt Schwarz auf die richtige Idee. 12. h4—h5 13. h5xg6
d6—d5! f7xg6?
Hierbei hofft Schwarz augenscheinlich auf ein Gegenspiel in der f-Linie, wozu es aber nicht kommt. Nach 13. ... hg6:! hätte er dagegen noch gute Chancen auf ausreichende Verteidigung gehabt. 14. e4xd5! 15. Sc3xd5 16. Lc2—b3
Se7xd5 Dd8xd5
Jetzt zeigt sich der Nachteil von 13. ... fg6:? Neben der offenen h-Linie hat Weiß nun einen weiteren Trumpf in der offenen Läuferlinie a2—g8. Hierdurch hat sich das positionelle Gleichgewicht auf bedenkliche Weise für Schwarz verschoben. Die Stellung ist für den Angriff reif geworden, und Steinitz läßt kein Gras darüber wachsen: er nimmt den schwarzen König unter Kreuzfeuer. 16. ... 17. Ddl—e2 18. Lei—e3
Dd5—c6 Lc8—d7 Kg8—h8
Vom Regen in die Traufe: der schwarze König flüchtet aus der Läuferlinie, gerät nun aber in die Linie des Turmes. 19. 0—0—0 Schließlich kommt Weiß doch zur Rochade — und gleich mit großem Effekt. 19. ... 20. De2—fl
Ta8—e8
Entzieht die Dame dem lästigen Gegenüber, um sowohl d3—d4 als auch den späteren kombinatorischen Schluß vorzubereiten. 20. ...
a7—a5
Mit der Absicht, den Lb3 durch a5—a4 zu vertreiben; allein dazu bekommt Schwarz keine Gelegenheit mehr. Relativ besser war noch 20. ... Tf5. 21. d3—d4!
e5xd4
Sonst folgt 27. L f 8 : f Lh3, 28. D h 3 : matt. 27. D h l — h 4 f Kf6—e5 28. Dh4xd4f Ke5—f5 29. Dd4—f4 matt.
Erzwungen, da 22. d5 drohte. 22. Sf3xd4
Lg7xd4
Auch andere Fortsetzungen sind ungenügend; z . B . I. 22. ... Sd4:, 23. T h 7 : f ! Kh7:, 24. D h l f nebst Matt in zwei Zügen. II. 22. ... Da6, 23. Lc4 Da8, 24. Sf3, mit siegreichem Angriff für Weiß. I I I . 22. ... De4, 23. Lc2 (auch 23. Sf3 ist stark) 23. . . . Dg4 (g6 muß gedeckt bleiben), 24. f3 Dg3, 25. Sf5 gf5:, 26. T d 7 : usw.
Partie Nr. 15 Damengambit Hier geht der Kampf um die Vor- und Nachteile des isolierten Damenbauern. Steinitz liegt es darauf an, die Nachteile ans Licht zu bringen, und erreicht sein Ziel auf meisterliche Weise. Weiß: H . J . Zukertort Schwarz: W. Steinitz
23. T d l x d 4 ! Droht vor allem La4 mit Eroberung von Ld7. 23. ...
Se6xd4
Auf 23. ... b5 entscheidet 24. Dd3, drohend sowohl 25. Td7: als 25. Dg6:. 24. T h l x h 7 f ! Diagramm 15 (nach 24. T h l x h 7 t 0
•
jf§ §§ I I 4 iü gn f w A ¡1
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•
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Ein hübscher Schluß, der einmal mehr die Bedeutung von 26. D f l ins rechte Licht rückt. 24. ... 25. D f l — h l f 26. Le3—h6f
Kh8xh7 Kh7—g7 Kg7—f6
(Gespielt in St. Lcvuis 1886) 1. d2—d4 2. c2—c4
d7—d5 e7—e6
Das klassische Damengambit. 3. Sbl—c3 4. S g l — f 3
Sg8—f6 d5xc4
In moderner Sicht ist die Annahme des klassischen Damengambits weniger ratsam. Vier andere Fortsetzungen gelten als sicherer: 4. ... Le7, 4. ... c5, 4. ... c6 oder 4. ... Sbd7. 5. e2—e3 Schärfer ist 5. e4. Der Einschritt des Bauern führt zu einer Stellung des angenommenen Damengambits, die nach 1. d4 d5, 2. c4 dc4: entsteht. 5. ... 6. L f l x c 4 7. e3xd4
c7—c5 c5xd4
Nach 7. Dd4: Dd4:, 8. Sd4: ständen die Spiele gleich. Deshalb läßt Weiß die Isolierung seines Damenbauern zu und erhofft sich davon Initiative. 45
7. 8. 9. 10. 11.
... 0—0 Ddl—e2 Lc4—b3 Lei—f4
Lf8—e7 0—0 Sb8—d7 Sd7—b6
Der Vorteil des isolierten Damenbauern besteht darin, daß Weiß über das gute Springerfeld e5 verfügt und so eventuell Angriffschancen bekommen kann. Konsequent und besser wäre deshalb 11. T d l , 12. Se5 und dann Lg5 bzw. auch Le3 gewesen. Der Textzug paßt nicht in diesen Plan und erlaubt Schwarz, das Blokkadefeld d5 mit Tempogewinn fest in die H a n d zu nehmen. 11. 12. 13. 14.
... Lf4—g3 Tal—cl Sf3—e5
Sb6—d5 Dd8—a5 Lc8—d7
Jetzt bringt dieser Zug nicht viel ein. 14. ...
Tf8—d8
Schwarz kann den Abtausch seines Damenläufers ruhig zulassen. Da Weiß bemüht sein muß, im Hinblick auf seinen isolierten Bauern Angriff zu erlangen, kann ihm an einem Tausch von Figuren nichts gelegen sein. Obendrein würde Weiß mit 15. Sd7: gerade die Figur weggeben, die f ü r seine Angriffsunternehmungen am günstigsten steht. Nach 15. ... Td7: würde dann der Nachteil des isolierten Bauern nur noch stärker in Erscheinung treten. 15. De2—f3 Damit droht Weiß sich unter günstigeren Umständen das Läuferpaar zu verschaffen: 16. Sd5: ed5: (Sd5:? Df7:f!), 17. Sd7: usw. 15. ...
Ld7—e8
So bleibt Schwarz im Besitz des Blockadefeldes d5; das heißt, er kann nun nicht mehr zu ed5: gezwungen werden. 46
16. T f l — e l 17. Lg3—h4
Ta8—c8
Abermals ein Versuch, Schwarz zu ed5: zu nötigen und so zumindest eine gleiche Bauernformation zu erreichen. Es droht 18. Sd5:, weil Sd5: nun an 19. Le7: Se7:, 20. Db7: scheitert. Der Textzug beweist aber, daß Weiß mit Lei—f4—g3 nur Zeit verloren hat. 17. ... Sd5xc3 Überraschend und anscheinend unlogisch, in Wirklichkeit aber sehr gut. Schwarz tauscht das günstige Kennzeichen seiner Stellung gegen ein anderes ebenso günstiges Merkmal ein. 18. b2xc3
Da5—c7
Die Bauernstellung ist verändert, aber das hat keinen Wechsel der Chancen mit sich gebracht. An Stelle des isolierten Bauern auf d4 hat Weiß nun auf der offenen c- und d-Linie ein isoliertes Bauernpaar, das dieselben Vor- und Nachteile bietet: es eignet sich zwar zur Unterstützung der Angriffskraft der Figuren, bedeutet aber für Verteidigungszwecke ein Handicap. Für ein solches Bauernpaar hat Steinitz die treffende Bezeichnung „hängende Bauern" gefunden. Die prinzipiellen Licht- und Schattenseiten der „hängenden Bauern" sind: in horizontaler Formation (c4—d4) beherrscht solch Doppel vier Felder der fünften Reihe, hält dadurch die Figuren des Gegners „auf Distanz" und erhöht so die Aktivität der eigenen Steine. Auf der anderen Seite aber müssen die Bauern stets durch Figuren gedeckt gehalten werden. Bei der horizontalen Formation sind also beide hängenden Bauern hilfsbedürftig. In der schrägen Formation (etwa c3—d4) bedarf zwar nur ein Bauer (der hinterste) des Schutzes, aber dann besteht wieder die Gefahr, daß der
Gegner die Herrschaft über die Blokkadefelder (in unserem Falle c4 und d5) gewinnt und so die Bauern entwertet. Zum Schluß bildet auch die beschränkte Tauschfreiheit der „hängenden Bauern" einen Nachteil; denn nach dem Tausch eines dieser Bauern bleibt der andere als „isoliert" zurück. Sie haben es nicht leicht, die „Siamesischen Zwillinge"! 19. Df3—d3 Mehr
geeignet, Schwarz
Probleme
zu
stellen, war 19. Lg3. 19. ... 20. Lg5xe7
Sf6—d5
Auch jetzt war 20. Lg3 vorzuziehen. Jeder Figurentausch ist für Schwarz vorteilhaft. 20. ... 21. Lb3xd5
Dc7xe7
Siehe die vorangehende Glosse. 21. Lc2, um eine kleine Schwächung am schwarzen Königsflügel zu erzwingen (denn wenn 21. ... Sf6, so 22. Sg4), bot noch kleine Angriffschancen. 21. ... Td8xd5 Diagramm 16 (nach 21. ... Td8xd5)
•1 JüI ÜJ1.H* p1 mtm H XES /• mm • • j a Ä ff 8 1
n
N u n hat Weiß zwar kaum wirksame Angriffsmöglichkeiten, doch bilden auch seine hängenden Bauern noch keine klar erkennbare Schwäche. Bis hierher sind beiderseits keine größeren Fehler vorge-
kommen, gleich.
und die Spiele stehen
fast
22. c3—c4 Auch dies kann nicht getadelt werden, im Gegenteil! Die horizontale Formation ist für die hängenden Bauern am günstigsten; vorausgesetzt, daß genügend Möglichkeiten zu ihrer Deckung bestehen. 22. ...
Td5—d8
Besser als mit Ta5 die Verbindung der Türme zu unterbrechen. 23. Tel—e3? Um doch noch auf Königsangriff zu spielen. Nach dem voraufgegangenen Tausch dreier Leichtfiguren bietet dieser Plan aber wenig Erfolgsaussichten, zumal eine echte Angriffsmarke fehlt. Durch den Textzug wird außerdem den hängenden Bauern eine wesentliche Deckungschance entzogen, was klaren Nachteil mit sich bringt. Besser hätte Weiß daher auf Behauptung des positioneilen Gleichgewichts gespielt, etwa indem er den Tel nach d l beorderte und die Dd3 aus der Linie des Td8 entfernte. Für später könnte er dann das Manöver c4—c5 nebst Se5—c4—d6 in petto halten. 23. ... 24. T e l — d l
De7—d6!
Wenn 24. Th3, so nicht Dd4:, 25. Dh7:f Kf8, 26. Te3!, und Weiß hat Chancen, sondern 24. ... h6!, 25. T d l f6 mit Übergang zur Partiefolge. 24. ... 25. Te3—h3
f7—f6
Ein korrektes Opfer, das jedoch keine Kraft hat, da Schwarz es ohne weiteres ablehnen kann. Andere Fortsetzungen waren jedoch nicht besser; z. B. I. 25. Sg4. Auch dieses Opfer bietet nur Chancen, wenn es sofort angenommen wird (h5, 47
26. Sf6:f usw.). Aber nach 25. ... Lg6!, 26. De2 e5! muß Schwarz leicht gewinnen (27. d5, h5!). II. 25. Sf3 Da6!, und Schwarz gewinnt wenigstens einen Bauern bei überlegener Stellung. III. 25. c5 Dd5, 26. Sc4 Lb5, und die hängenden Bauern gehen verloren (27. Tel e5! usw., oder 27. Sb6 ab6:, 28. Db5: bc5: usw.). 25. ... h7—h6 Nach 25. ... fe5:, 26. Dh7:f sollte der weiße Angriff zumindest das Remis sichern; z.B. 26. ... Kf8 (nicht aber 26. ... Kf7?, 27. Tf3f Ke7, 28. Dg7:t Lf7, 29. Df7: matt), 27. Tg3! usw. 26. Se5—g4 Mit der Opferdrohung Sf6:f oder Sh6:t. Wenn statt dessen 26. Sg6, so Lg6:, 27. Dg6: Tc4:, 28. Th6: Dd4:!, 29. Dh7f Kf8, 30. Dh8f Kf7, 31. Dd8: Dd8:, und Schwarz gewinnt. 26. ... Dd6—f4 Pariert die Drohung und greift den Sg4 an. 27. Sg4—e3 Le8—a4! Ein feiner Zug. Indem er den Tdl nach d2 treibt, erhält Schwarz später Mattchancen auf der untersten Reihe. 28. Th3—f3 Dieser Zwischenzug ist kaum von Bedeutung. 28. ... Df4—d6 29. Tdl—d2 Auf 29. Tf6: zieht Schwarz nicht gf6:, 30. Dg6f Kf8, 31. Df6:f Ke8, 32. Sf5 ef5:, 33. Telf Kd7, 34. D f 7 | Kc6, 35. Te6 usw., sondern gewinnt sofort mit 29. ... Ldl:!. 29. ... La4—c6 30. Tf3—g3 Auch andere Züge ergeben kein befriedigendes Resultat. Man sehe: I. 30. Tf6: gf6:, 31. Dg6f Kf8, 32. Df6:f Ke8, 33. 48
Sf5 ef5:, 34. Te2f Le4!, und Schwarz gewinnt. II. 30. d5. Dieser Zug führt zu schwierigen Komplikationen. Steinitz hielt seinerzeit 30. ... ed5: für die Widerlegung und rechnete nur mit 31. cd5:? Ld5:, 32. Sd5: Dd5:, 33. Dd5:f Td5: und Schwarz gewinnt. Aber Weiß kann stärker spielen: 31. Sf5!, womit er sogar einen kaum parierbaren Angriff erlangt: a) 31. ... De5, 32. Te3 D a l f , 33. Tdl usw. b) 31. ... Dd7, 32. Tg3 dc4:, 33. Sh6:f (oder auch einfach 33. Dd7: mit Figurengewinn) 33. ... Kh8 (Kf8, Dh7), 34. Dg6 Te8, 35. h4 mit Matt oder Damengewinn, c) 31. ... Df8, 32. Tg3 dc4:, 33. Sh6:f Kh8, 34. Dd8:! Td8:, 35. Td8: Dd8:, 36. S f 7 | usw. — Die richtige Spielweise auf 30. d5 besteht jedoch in 30. ... De5!, womit Schwarz zumindest einen Bauern erobert: 31. h3 ed5:, 32. ed5: Ld5:, 33. Sd5: T c l f , 34. Tdl T d l : t , 35. D d l : Td5: usw.; bzw. 31. g3 b5, 32. cb5: Ld5:, 33. Sd5: Td5: usw.; schließlich 31. Tg3 ed5:, 32. Dg6 Tc7! usw. (33. Dh6:? Dg3:!). 30. ...
f6—f5!
Diagramm 17 (nach 30. ... f6—f5)
HS * JJ
11 i
*mi • i m mm
•
1 1
*
•
B O B fi B Hü a
Dieser Gegenangriff stellt Weiß vor ein unlösbares Problem. Es droht f5—f4 mit Figurengewinn. Die weiße Turm hat auf dem Königsflügel nichts erreicht und kommt nun selbst ins Gedränge.
31. Tg3—g6 Ein letzter Versuch, durch Komplikationen Chancen zu schaffen. 31. ... Lc6—e4 32. Dd3—b3 Kg8—h7! 33. c4—c5 Die Pointe der letzten Züge von Weiß: der Tg6 kommt in Sicherheit. Am Ausgang der Partie kann dies jedoch nichts ändern. 33. ... Tc8xc5 34. Tg6xe6 Oder 34. De6: De6:; 35. Te6: T c l f , 36. Tdl (36. Sdl Lc2!, 36. Sfl Ld5 nebst Lc4) 36. ... T d l : f , 37. Sdl: Td4: mit leichtem Gewinnspiel für Schwarz. 34. ... Tc5—elf Die im 27. Zuge durch La4! hervorgerufene Schwächung der untersten Reihe macht sich nun bezahlt.
von Wichtigkeit sind. Ein Kennzeichen bietet sich jedoch jederzeit sozusagen von selbst an: der materielle Vorteil. Allerdings ist dieser mitunter schwer einzuschätzen, wenn nämlich die Gegenpartei anderweitige Pluspunkte in die Waagschale werfen kann. Steinitz setzte in solchen zweifelhaften Fällen fast stets auf den materiellen Vorteil, vielleicht aus Gewohnheit und einem gewissen Eigensinn heraus, denn seine Lebensaufgabe im Schach bestand im wesentlichen aus dem Bekämpfen von Gambitspielen. Bei seinen Versuchen, Gambite zu widerlegen, scheute er keine Gefahr. Zu welchen halsbrecherischen Risiken er dann bereit war und welche Geschicklichkeit im Verteidigen schier hoffnungsloser Stellungen er dabei entwickelte, lehrt diese Partie. Weiß: D. Janowski Schwarz: W. Steinitz
35. Se3—dl
(Gespielt in Köln 1898)
Oder 25. Tdl T d l : t , 36. Sdl Dd4:, und Schwarz gewinnt. 35. ... Dd6—f4 36. Db3—b2 Tel— bl 37. Db2—c3 Td8—c8! 38. Te6xe4 Um nach fe4:?, 39. Dc8: Dd2:, 40. D f 5 t ewiges Schach zu geben. 38. ... Df4xe4 Droht Matt auf el. Weiß gab auf.
Partie Nr. 16 Läufergambit Oftmals ist es eine Kunst, aus den vielen Besonderheiten der Stellung gerade die herauszufinden, die für den Partieverlauf 4 Euwe, Feldherrnkunst
1. 2. 3. 4.
e2—e4 f2—f4 Lfl—c4 Ddl—h5
e7—e5 e5xf4 Sg8—e7
Das ist stärker als 4. Sc3, worauf Schwarz mit 4. ... c6 nebst eventuell d5 ein befriedigendes Spiel erlangt. Nach dem Textzug kommt Schwarz nicht zu d7—d5. 4. ... 5. Sbl—c3
Se7—g6 Dd8—e7
Ein sehr merkwürdiger Zug, der im Widerspruch zu den gesunden Entwicklungsprinzipien steht. Steinitz hat wahrscheinlich so gerechnet: „Mit gewöhnlichen Zügen komme ich nicht weit, da Weiß dann zumindest den Gambitbauern zurückerobert und ein gutes Spiel bekommt. Und das gestehe ich einem Gegner, der ein Gambit gespielt hat, nicht ohne weiteres zu. Lieber gehe ich kämp49
fend zugrunde. Ich muß deshalb versuchen, den Bf4 so lange wie möglich zu behaupten. Zu diesem Zwecke ist es nötig, den Bf7 zu überdecken, denn sonst würde z . B . nach 6. d4 bereits L f 4 : drohen. Tue ich dies aber mit der Rochade (z. B. 5. ... Lb4, 6. Sf3 0—0, 7. Sg5!), so gerate ich in Mattgefahren. Es bleibt also nichts anders übrig als der Damenzug. Er ist sicher nicht schön, liegt aber in meinem Plane. Sei es denn! Vielleicht komme ich sogar zu d7—d5, da der Be4 gefesselt steht." 6. d2—d4 7. Sgl—f3
Sb8—c6 De7—b4
Unter den gegebenen Umständen ein sehr feines Manöver, mit dem Schwarz ein Tempo gewinnt. Zugleich ist dies die einzige Möglichkeit, größeren Nachteil zu vermeiden. Nach dem Textzug darf der Lc4 wegen Sd4:! nicht ziehen. 8. Dh5—d5
Sc6—d8
Droht 9. ... c6 mit Figurengewinn. 9. a2—a3 10. 0—0
Db4—e7 d7—d6
Droht 10. ... Le6, 11. D b 5 f c6, 12. Db3 Lc4:, womit sich Schwarz wesentlich entlasten würde. 11. Dd5—h5
c7—c6
Schwarz ist es noch gerade gelungen, den gefährlichen Zug Sd5 zu verhindern. Das Resultat von 7. ... Db4 ist nun zu übersehen. Schwarz hat zwei unwesentliche Züge getan (Db4, De7) und Weiß drei (Dd5, a3, Dh5). 12. L e i — d 2
Sd8—e6
Deckt f4 nochmal« und bindet den Sf3 an seinem Platz, da der Bd4 ständig gedeckt bleiben muß. 13. d5 wäre wegen Sc5, 14. Tael Sd7 verfrüht, wonach das strategisch wichtige Feld e5 Schwarz in die Hände fallen würde.
50
13. T a l — e l
De7—c7
14. d4—d5l Jetzt gut. 14. . . . 15. e4—e5!
Se6—d8
Allmählich wird deutlich, daß der schwarze Kampfplan wohl doch zu gewagt gewesen ist. Weiß hat mit einfachen Mitteln eine starke Stellung aufgebaut und geht nun zum direkten Angriff über. 15. ... d6xe5 16. Sf3xe5 Lf8—c5f 17. K g l — h l 0—0 18. d5xc6 Lc5—e3 ! Schwarz steht nun zwar auf Verlust, verteidigt sich aber so gut wie möglich. Andere Züge wären chancenloser: I. 18. ... bc6:?, 19. Sg6: hg6:, 20. Dc5: mit Figurengewinn für Weiß. II. 18. ... Sc6:?, 19. Sg6: usw., ebenfalls mit Figurengewinn. I I I . 18. ... Se5:, 19. Te5: mit siegreichem Angriff für Weiß; z . B . 19. ... Ld6, 20. Sd5 Dc6:, 21. S f 6 f ! gf6:, 22. T g 5 t l Kh8, 23. Dh6 fg5:, 24. L c 3 f f6, 25. D f 6 : t T f 6 : , 26. L f 6 : matt. 19. Se5—f3? Auf Kombination gespielt, aber nicht am besten. Geboten war einfach 19. Le3:! mit den Möglichkeiten I. 19. ... Se5:?, 20. L f 4 : Sdc6 :, 21. Ld5!, und Weiß gewinnt eine Figur. II. 19. ... fe3:, 20. Sg6: hg6:, 21. Dg6: Dc6:, 22. Dd3 Le6, 23. Ld5! mit siegreichem Angriff für Weiß. I I I . 19. ... De5:, 20. De5: Se5:, 21. cb7:! Lb7:, 22. T f 4 : Sc4:, 23. Tc4:, und der weiße Mehrbauer muß trotz der ungleichen Läufer entscheiden, da Weiß am Damenflügel ein großes Obergewicht hat. 19. ... Le3xd2 20. Sf3—g5 Die konsequente Fortsetzung. Nach 20. Sd2: bc6: würde Schwarz plötzlich sehr gut stehen.
20. 21. 22. 23.
... Dh5xg6 Sc3—d5 Sd5—e7f
h7—h6 h6xg5 Dc7xc6 Kg8—h8
Die Krisis der Partie. Der weiße Angriff ist noch gerade stark genug, um das Gleichgewicht zu halten. Diagramm 18 (nach 23. ... Kg8—h8)
Imx% 4 • ff • •f • ¡8Hm m AWiü fAB s p p k
24. Dg6xg5? Nach diesem zweiten Mißgriff geht die Partie für Weiß verloren. Richtig war 24. Lf7:! Sf7:!. (Am besten. 24. ... Dg6:?, 25. Sg6:f kostet die Qualität, und auch 24. ... Lf5?, 25. Df5: Tf7:, 26. Dd3 Te7:, 27. Te7: wäre für Weiß günstig.) 25. Sc6: Lei:, 26. Se7! Ld2, 27. Dh5f Sh6, 28. Sg6f Kg6, 29. Sf8: Kf8:, 30. h4! mit etwa gleichen Aussichten, da 30. ... gh4:? den schwarzen Königsläufer kosten würde: 31. Dc5f Ke8, 32. D e 5 | Kf8, 33. Dd6f nebst Dd2:. 24. ... Dc6—h6 25. Dg5—c5 Droht Sg6t und Df8:f. 25. ... Sd8—e6 26. Lc4xe6 Lc8xe6 27. Tel—e5 Ld2—e3! 28. Dc5—b5 g7—g6 Hiernach hätte Weiß die Partie ruhig aufgeben können. Er hat eine Figur weniger und nicht die Spur einer Angriffschance mehr. 4»
29. Db5xb7 Droht Matt in Dh2:f usw. 30. Db7—f3 31. h2—h3 32. Se7—c6 33. Df3xg4 Oder De4, Lh3:. 33. ... 34. h3xg4 35. Te5—h5 Weiß gab auf.
Kh8—g7 drei Zügen
durch
Ta8—d8 Dh6—h4 Le6—g4!
Dh4xg4 Tf8—h8f g6xh5
Partie Nr. 17 Französische Verteidigung Es ist auch heute noch sozusagen ein ungeschriebenes Gesetz, daß man gegen einen schwächeren Spieler scharf auf Angriff spielen muß, um den ganzen Punkt zu holen. Steinitz jedoch pflegte gerade in solchen Fällen keinerlei Risiko einzugehen. So sehen wir ihn zum Beispiel in der nachfolgenden Partie die Eröffnung farblos behandeln, aber es dauert nicht lange, und er steht überlegen, einfach durch seinen besseren Blick für die allgemeinen Erfordernisse der Stellung. Eine Positionspartie der leichten Hand. Weiß: W. Steinitz Schwarz: B. Fleißig (Gespielt in Wien 1882) 1. e2—e4 e7—e6 2. e4—e5 Dieser etwas voreilige Vorstoß wurde von Steinitz einige Male versucht. 2. ... d7—d5 Bessere Chancen, den letzten weißen Zug auszunutzen, bietet c7—c5 nebst baldigem d7—d6. 51
3. e5xd6 (e.p.) Uberraschend. Die Vorstoßvariante, die nach 3. d4 entstehen würde, gibt Weiß zwar Angriffsaussichten, aber auf Kosten positioneller Risiken. Die Textfolge allerdings macht es Schwarz besonders leicht. 3. ... 4. d2—d4
Lf8xd6 Sg8—e7
Das einzige, worauf Schwarz achten muß, ist die Befreiung des Lc8, am besten durch e6—e5. Dieses Ziel ist auf verschiedene Weise zu erreichen. Sogar das brutale sofortige e6—e5 wäre gut genug gewesen. 5. Lfl—d3 6. Sgl—f3
Se7—g6 Sb8—c6
Nicht 6. ... e5? wegen 7. Lg6: usw. mit Bauerngewinn für Weiß. Nach dem Textzug ist e6—e5 nicht mehr zu verhindern. Die Spiele stehen gleich. 7. Sbl—c3
Sc6—b4
Eine Abschweifung aus übertriebenem Respekt vor dem weißen Angriffsläufer. Nach 7. ... e5 hätte Schwarz nichts mehr zu befürchten gehabt. Man sieht daran übrigens, wie der Angriff damals das Denken der Schachspieler beherrschte. 8. Ld3—c4 c7—c6? Ein ernster positioneller Fehler, der zeigt, daß Schwarz nicht begriffen hat, worum es in dieser Stellung geht. Statt den Lc8 zu befreien, mauert er ihn geradezu ein. Es sind nun bereits drei Bauern, die den Läufer „schlecht" machen und innerhalb der Ketten halten: b7, c6, e6. Zwar ging 8. ... e5? jetzt nicht wegen 9. Sg5!, z.B. 9. ... 0—0, 10. Dh5 und Weiß gewinnt, aber mit 8. ... b6 oder auch 8. ... c5 konnte Schwarz immer noch ein brauchbares Spiel erlangen. 9. Sc3—e4 10. 0—0 52
Ld6—c7 0—0
Auf 10. ... e5? würde nun 11. Sfg5 folgen, z.B. 11. ... 0—0, 12. Sh7:!, bzw. 11. ... Sd5, 12. Tel. 11. Tfl—el Sb4—d5 Abermals würde 11. ... e5 scheitern; diesmal an 12. Lg5!; z.B. 12. ... Dd7, 13. Sc5 usw. Oder 12. ... De8, 13. de5: Se5:, 14. Se5: De5: (Le5:, Sd6 usw.), 15. Sf6f usw. 12. Se4—c5
Sg6—h4
13. Sf3—e5! Weiß steht nun überlegen. Die Art, in der es Steinitz glückte, großen positioneilen Vorteil zu erreichen, ist kennzeichnend für das schachliche Denken jener Zeit. Man war gewöhnt, sich hauptsächlich mit dem Angriff zu beschäftigen, und hatte keinen Sinn für kleinere positioneile Feinheiten. In modernen Meisterturnieren dürften Fehler, wie sie hier Schwarz unterliefen, kaum noch vorkommen. 13. ... Sh4—f5 14. c2—c3 Lc7xe5 Nun tauscht Schwarz ohne Not auch noch seinen guten Läufer, statt irgendwelche Vorbereitungen für das Fianchetto des Lc8 zu treffen I 15. Telxe5 Sd5—f6 16. Te5—el Mit der Idee, den Sc5 nach e5 zu bringen. 16. ... h7—h6 Verhindert Lg5, schwächt aber den Königsflügel. 17. Ddl—f3 Sf6—d5 18. Lc4—b3 Dieser Läufer könnte auch sofort mit 18. Ld3 die Diagonale bl—h7 besetzen, würde dann aber das Manöver Sc5—d3— e5 durchkreuzen; es käme b7—b6! 18. ... 19. Sc5—d3
b7—b6 Lc8—a6
Nun Ist der Läufer zwar endlich befreit, steht aber immer noch nicht gut, da er die Verteidigung des Königsflügels nicht zu unterstützen vermag und auch später selbst Angriffen ausgesetzt ist. 20. 21. 22. 23.
Sd3—e5 Lb3—c2 Df3—g3 Dg3—h4
Ta8—c8 Sf5—e7 Kg8—b8
Droht Lh6: usw. 23. ... Kh8—g8 24. Dh4—g3 Jetzt würde 24. Lh6: gh6:, 25. Dh6: wegen Sf5 nicht durchschlagen. 24. ... Kg8—h8 25. Dg3—h3 Se7—g8 Schwarz konnte auch abermals 25. ... Kg8 ziehen, aber dies hätte keinen wesentlichen Unterschied gemacht. Weiß würde dann — nachdem seine Dame nicht mehr im Bereich des Se7 steht — seinen Angriff auf die eine oder andere ruhige Art verstärken; z. B. durch 26. Te4. 26. Dh3—h5 27. Lei—d2 28. Dh5—h3
Tc8—c7 Sd5—f6 Sf6—d5
Schwarz kann überhaupt nichts unternehmen. 29. c3—c4 30. Tal—dl
Sd5—f6
Indirekte Deckung des Bauern d4. 30. ... 31. Ld2—f4!
Dd8—e8
Die entscheidende Verstärkung der weißen Stellung. Es droht Qualitätsgewinn durch Sg6f!, und dagegen hat Schwarz keine genügende Verteidigung. 31. ...
Tc7—c8
Andere Möglichkeiten: I. 31. ... Dd8, 32. Sg4 Td7, 33. Sh6: usw., mit siegreichem Angriff für Weiß. II. 31. ... Tb7,
Diagramm 19 (nach 31. Ld2—f4!)
gg B m ü s %¿¡n i. ha • l • 11P f 0 m • ÄSÄH ¡3 AB m II fio IS!
32. Da3! mit Figurengewinn. III. 31. ... Te7, 32. g4!, und auch jetzt muß der weiße Angriff durchdringen; z.B. 32. ... Sh7 (Sd7, 33. Sc6:), 33. g5 g6, 34. Sg6:f fg6:, 35. Le5f Tg7, 36. gh6: usw. 32. Dh3—a3! La6—b7 33. Da3xa7 Lb7—a8 34. Da7xb6 g7-g5 35. Lf4—g3 Sf6—d7 36. Db6—b3 f7—f5 Kh8—g7 37. f2—f3 Sd7—f6 38. c4—c5 39. Se5—c4! Schwarz gab auf.
Partie Nr. 18 Damengambit Hier sehen wir einen Kampf mit modernem Thema: Steinitz weist nach, daß seine Mehrheit im Zentrum schwerer wiegt als die Majorität seines Gegners am Damenflügel. Weiß: J. H. Zukertort Schwarz: W. Steinitz (Gespielt in New Orleans 1886) 1. d2—d4 2. c2—c4 3. Sbl—c3
d7—d5 e7—e6 Sg8—f6 53
4. Lei—g5 5. Sgl—f3 6. c4—c5
Lf8—e7 0—0
9. a2—a3
Weiß legt es darauf an, die Befreiung des Lc8 zu erschweren. Er fühlt sehr richtig, daß die Entwicklung dieser Figur das Hauptproblem der ganzen Variante darstellt. Jedoch ist die mit dem Textzug eingeleitete direkte Aktion entschieden verfrüht und wäre besser durch 6. e3 ersetzt worden. 6. ...
b7—b6!
Hingegen ist das schwarze Gegenspiel wohlmotiviert. 7. b2—b4 So gut wie erzwungen. 7. cb6: ab6: würde zweifellos die schwarze Stellung wesentlich verbessern. Tempogewinn, da Weiß mit c4—c5 und c5xb6 zwei nutzlose Züge vertan hat, Verstärkung des Zentrums, offene a-Linie, die Felder a6 und b7 f ü r den Damenläufer und last not least die Möglichkeit, c7—c5 zu ziehen. 7. ... 8. d4xc5
b6xc5
Abermals notwendig. 8. bc5: La6! würde Weiß vor beschwerliche Alternativen stellen: 9. e3 L f l : ! usw.; Weiß hätte das Rochaderecht eingebüßt und außerdem seinen guten Läufer gegen den schlechten von Schwarz getauscht. Oder 9. g3: Das wäre zu zeitraubend und kaum geeignet, dem L f l genügende Aktivität zu verschaffen. Zum Beispiel 9. ... Se4, 10. Le7: De7:, 11. Se4: de4:, 12. Se5 (12. Sd2 f5 nebst baldigem e5 und sehr gutem Spiel für Schwarz) 12. ... f6, 13. Sg4 e5, 14. de5: De5: mit Vorteil f ü r Schwarz. 8. ...
a7—a5
Es beginnt nun der Kampf zwischen den eingangs erwähnten beiden Mehrheiten. Der Textzug ist wichtig als Vorbereitung 54
für den Vormarsch der schwarzen Mittelbauern. d5—d4!
Schon macht sich der vorhergehende schwarze Zug bezahlt. Weiß darf diesen Bauern nicht nehmen: 10. Sd4:? ab4: usw., oder 10. Dd4:? Dd4:, 11. Sd4: ab4: usw. 10. Lg5xf6 Um eventuell mit 11. Se4 fortsetzen zu können oder wenigstens eine kleine Schwächung des schwarzen Köngisflügels zu erzielen. 10. ...
g7xf6
Das ist besser als 10. ... Lf6:. Unter den obwaltenden Umständen bedeutet der Textzug eher eine Stärkung des Zentrums als eine Schwächung der Königsstellung. 11. Sc3—a4 11. Se4 wäre jetzt wegen 11. ... f5 usw. ungünstig. 11. ... e6—e5 Konsequent gespielt. Es zeigt sich nun, daß der weiße Plan mißglückt ist: Der Lc8 ist befreit und Weiß laboriert an seiner rückständigen Entwicklung. Schwarz konnte aber auch recht gut 11. ... ab4:, 12. ab4: Sc6, 13. b5 Sb4, 14. Tel Dd5 usw. spielen. 12. b4—b5 Damit stellt Weiß die starke Drohung c5—c6 mit Lahmlegung des Sb8 und Ta8 auf. 12. ...
Lc8—e6?
Steinitz unterschätzt die Gefahr. Bessere Züge waren 12. ... Dd5, oder 12. ... c6, bzw. 12. ... Sd7. 13.
g2-g3?
Weiß nutzt die gebotene Möglichkeit nicht aus. 13. c6! hätte zwar unter Umständen einen Bauern gekostet, aber Weiß in klaren Vorteil gebracht. Zum
Beispiel I. 13. ... Dd5, 14. e3 de3:, 15. Dd5:! (nicht 15. fe3:? wegen D d l : t nebst Lb3f) 15. ... ef2:t, 16. Kf2: Ld5:, 17. Sc3, und Weiß steht überlegen. II. 13. ... Lc4, 14. e4 d3, 15. Sc3 a4, 16. Del Ta5, 17. Tbl Lc5, 18. Sd2 Le6, 19. Sa4:, ebenfalls mit besserem Spiel für Weiß. Relativ am besten für Schwarz wäre noch 19. ... Lf2:f usw. 13. ...
c7—c6
Nun verhindert Schwarz c5—c6 endgültig. 14. b5xc6 Oder 14. b6 Dd5, 15. Tel Sd7, 16. Dc2 Db3 mit besserem Spiel für Schwarz. 14. ... Sb8xc6 15. Lfl—g2 Ta8—b8 16. Ddl—cl d4—d3! Ausgezeichnet! Schwarz macht Entwicklungsvorsprung geltend.
seinen
17. e2—e3 Praktisch das einzige, da Weiß Sd4 nicht gut zulassen darf. Nach 17. ed3:? Dd3: könnte Weiß nicht mehr rochieren und wäre so einem vernichtenden Angriff ausgesetzt. 17. ... 18. Sf3—d2 19. 0—0
e5—e4 f6—f5 Tf8—e8!
Diagramm 20 (nach 19. ... Tf8—eS!)
m
11 * l . • AHA
m • mxrn 1 • m, • A Q wf b S B D ps 1121 i g B
Ja
h
Schwarz steht deutlich überlegen. Seine mächtigen Zentrumsbauern sind tief in die weiße Stellung eingedrungen, während von dem weißen Übergewicht am Damenflügel nur ein isolierter und gestoppter Freibauer übriggeblieben ist, der mehr eine Schwäche für Weiß als eine Gefahr für Schwarz darstellt. Aber noch hat Weiß eine belangreiche Ressource, nämlich f2—f3 bzw. g3—g4. Dies würde nicht nur die Kraft der schwarzen Mittelbauern brechen, sondern auch die Sicherheit des schwarzen Königs bedrohen. Diese Wendung vor allem zu entgiften ist der Sinn des feinen Textzuges. Schwarz beabsichtigt, mit Tempogewinn Lf6 nebst eventuell auch Ld5 zu spielen. 20. f2—f3 Gegen diesen unmittelbaren Angriff hat Schwarz noch einen anderen Pfeil im Köcher. 20. ... Sc6—d4! Droht sowohl Se2f als auch Sc2. Wohl oder übel muß Weiß also den Springer schlagen. 21. e3xd4 22. Kgl—hl
Dd8xd4f e4—e3!
Die Pointe. Nach 22. ... Da4:, 23. fe4: usw. würde Weiß sein Ziel erreichen, wonach der Ausgang der Partie unsicher wäre. 23. Sa4—c3
Le7—f6!
Wieder viel stärker als die sofortige Eroberung der Figur. Nachdem die vorgerückten schwarzen Zentrumsbauern zu zwei verbundenen Freibauern avanciert sind, sind sie mehr wert als ein Turm. 24. 25. 26. 27.
Sd2—bl Del—c2 Dc2xf5 Sc3xdl
d3—d2 Le6—b3 d2—dlD Lb3xdl
Stärker als Dal:. 55
28. Sbl—c3 e3—e2 29. T a l x d l Oder 29. T f d l : e d l : D f , 30. T d l : Dc3: usw. 29. ... Dd4xc3 Schwarz hat seine Figur zurüdt und bekommt noch einen Turm dazu. Weiß gab auf.
Partie N r . 19 Angenommenes Damengambit Wie die vorhergehende Partie zeigt auch dieses Spiel Steinitz in einem schwierigen Kampf gegen einen Gegner, der sichtlich bemüht ist, den Grundsätzen des Positionsspiels zu folgen, dann aber doch dagegen sündigt. Das Streben nach Gewinn durch Angriff trübt die objektiven Betrachtungen und verleitet Pillsbury zu voreiligen Zügen, die Steinitz präzise ausnutzt. Weiß: H. N. Pillsbury Schwarz: W. Steinitz (Gespielt in New York 1894) 1. d2—d4 d7—d5 2. c2—c4 d5xc4 3. Sgl—f3 e7—e6 4. e2—e3 c7—c5 Nach 4. ... b5, 5. a4 c6, 6. ab5: cb5:, 7. b3 gewinnt Weiß den Bauern mit gutem Spiel zurück. 5. Sbl—c3 Sb8—c6 6. Lflxc4 Sg8—f6 7. 0—0 c5xd4 8. e3xd4 Lf8—e7 9. Lei—f4 Steinitz hat wieder seine Lieblingsvariante erreicht. Pillsbury begeht nun den gleichen prinzipiellen Fehler wie Zukertort in Partie Nr. 15 (siehe dort 11. Lf4). 56
9. ... 0—0 10. Tal—cl Dd8—b6 11. Sc3—b5 Die Einleitung zu einer an sich gutgemeinten Aktion, die sich aber als verfrüht herausstellt. Geboten war 11. Dd2 Td8, 12. Le3. Weiß hätte dann noch durchaus befriedigend gestanden. 11. ... Sf6—e8 Erzwungen. Es drohte vor allem 12. Lc7 Da6, 13. Sd6 usw. 12. Tfl—el Sc6—a5 13. Lc4—d3 Lc8—d7 14. Sb5—c7 Ta8—c8 Nach 14. ... Sc7:?, 15. Lc7: würde der Sa5 verlorengehen. 15. Sc7—d5 e6xd5 16. Telxe7 Weiß hat anscheinend gut kalkuliert und einen kleinen Vorteil erzielt: Läuferpaar bei symmetrischer Bauernstellung. Trotzdem läßt die Partiefolge erkennen, daß die ganze Aktion zu früh gestartet wurde. 16. ... Se8—f6 Diagramm 21 (nach 16. ... Se8—f6)
Hf#lP II l | | • A mmXmi §§ 1 1 B 1 1 • A B • ' B 11 11 HS B HS B i L l I ^ l l •p3B I B
1 3
!^
Eine nähere Untersuchung dieser Stellung ergibt das überraschende Resultat, daß eher Schwarz die besseren Aussichten hat. Die Angriffskraft der weißen Figuren ist nämlich im Augenblick erschöpft, so daß Schwarz plötzlich dank einigen klei-
nen Drohungen die Initiative erlangt. Der Bauer b2 ist angegriffen, der Bauer d4 könnte nach Lg4 nebst Sc6 sehr schwach werden, und der Te7 muß sich davor hüten, mit Le6 nebst Sc6 gefangen zu werden. Bei der Abwehr dieser Drohungen muß Weiß zumindest den erreichten Vorteil des Läuferpaares wieder einbüßen. 17. Sf3—g5 Weiß versucht weiter, anzugreifen, und das ist noch das beste, was er unter den obwaltenden Umständen tun kann. Es droht 18. Sh7: oder 18. Lh7:f nebst 19. Td7:, bzw. sogar 18. Td7: nebst 19. Lh7:f und Dh5. Passive Verteidigung hat hier wenig Aussicht auf Erfolg; z.B. 17. Te2(?) Lg4, 18. Tec2 Tc2:, 19. Tc2: Lf3:, 20. gf3: Sc6, und Schwarz steht sehr gut. 17. ... Ld7—g4 Zwingt Weiß zu einer Abwicklung. Nach z.B. 17. ... h6, 18. Sh7 usw. würde Weiß Angriffschancen behalten. 18. Ld3xh7f Sonst geht d4 verloren (18. f3 Dd4:t, oder 18. Dd2 T c l : t , 19. Del: Dd4:). 18. 19. 20. 21. 22.
... Ddlxg4 Lf4xcl Dg4—dl Te7—el
Sf6xh7 Tc8xclt Sh7—f6 Sa5—c6 Db6xd4
Schwarz ist einen wesentlichen Schritt weitergekommen, da er das weiße Läuferpaar zerstören und außerdem einen weißen Zentrumsbauern gegen einen eigenen Randbauern tauschen konnte. Sein (unbestreitbarer) Stellungsvorteil ist jedoch noch keineswegs entscheidend. 23. Sg5—f3!
Dd4—b6!
Von beiden Seiten gut gespielt. Der Kampf geht um das Stoppfeld d4. Nach
23. ... Ddl:, 24. T d l : Te8, 25. Le3 würde Weiß etwas besser stehen, da der Bd5 blockiert ist und auf die Dauer schwach werden kann. 24. Lei—g5 Da Weiß das Blockadefeld d4 nicht beherrschen kann, geht er zu einem anderen Plan über. Zu Recht, denn 24. ... d4 darf er nicht ohne weiteres zulassen. Der schwarze Freibauer würde zu gefährlich werden. 24. ... 25. Tel—e2?
Db6xb2
Erst nach diesem Zuge, der faktisch ein Bauernopfer bedeutet, kommt Weiß definitiv in klaren Nachteil. Geboten war 25. Lf6: Df6:, 26. Dd5:. Zwar wäre auch in diesem Falle die Lage für Schwarz günstiger gewesen (u. a. Mehrheit am Damenflügel), aber das hätte noch keine entscheidende Bedeutung gehabt. 25 26. Lg5xf6
Db2—b5! g7xf6
Schwarz hat einen Bauern erobert und außerdem seinen starken Freibauern behauptet. Das wiegt schwerer als die Aufreißung seines Königsflügels. 27. Te2—d2 28. Sf3—h4
Tf8—d8
Diagramm 22 (nach 28. Sf3—h4)
# • • • •• 8• • ^ ¡ p 4 ¡p • m
§§ 11 HS §§ Ü
•
A
• i t ii m
ig 57
Jetzt beschleunigt die Fortsetzung des Angriffs nur den Verlust. Statt dessen konnte Weiß mit der Besetzung des Blockadefeldes (28. Sd4!) noch hartnäckigen Widerstand leisten. 28. ...
d5—d4!
Nun ist der Freibauer schon zu weit vorgerückt, als daß ihn Weiß mit Aussicht auf Erfolg noch stoppen könnte. Gleichzeitig hat Schwarz damit an Terrain gewonnen. 29. 30. 31. 32. 33. 34.
Td2—d3 Td3—b3 Tb3—g3t Ddl—d2 Dd2—h6f Sh4—f5f
Sc6—e5 Db5—c6 Kg8—f8 Td8—c8 Kf8—e7 Ke7—d7
Weiß hat danach kein Schach mehr und steht der Drohung D c l f machtlos gegenüber. 35. h2—h4 Dc6—elf 36. Dh6xcl Tc8xclf 37. Kgl—h2 d4—d3 Hiermit ist Figurengewinn gesichert. Weiß gab auf.
Partie Nr. 20 Spanisch Ein glänzendes, doch zugleich auch betrübliches Beispiel: bewundernswert, wie Steinitz durch tiefe strategische Manöver in Verbindung mit kaltblütiger Verteidigung entscheidenden Vorteil erzielt; traurig aber auch, weil er sich zum Schluß auf relativ simple Art den Gewinn entwinden läßt. Weiß: Dr. Em. Lasker Schwarz: W. Steinitz (Gespielt in Moskau 1896) 58
1. e2—e4 2. Sgl—f3 3. L f l — b 5
e7—e5 Sb8—c6 d7—d6
Die einfachste Verteidigung der Spanischen Partie. Heute ist man allerdings der Ansicht, daß der Textzug nicht empfohlen werden kann, weil Weiß klaren Raumvorteil bekommt. Da jedoch Steinitz gerade mit 3. ... d6 große Erfolge verbuchen konnte, hielt man seinerzeit dies f ü r die beste Methode im „Spanier". 4. d2—d4 5. Sbl—c3
Lc8—d7 Sg8 —e7
Schwarz sucht seinen Königsbauern auf e5 zu behaupten. In dieser Hinsicht ist der Textzug logisch; sein großer Nachteil besteht jedoch in weiterer Einschränkung der schwarzen Bewegungsfreiheit. Allerdings kann jedoch auch 5. ... Sf6 nicht voll befriedigen, weil 6. Lc6:! Lc6:, 7. Dd3! folgt, wonach 7. ... ed4: praktisch erzwungen ist und Weiß mit 8. Sd4: nebst Lg5 und 0—0—0 das bessere Spiel erlangt. 6. Lei—g5 Das bedeutet Wasser auf die schwarzen Mühlen. Aussichtsreicher ist 6. Lc4 oder 6. de5:, welche Fortsetzungen u. a. in anderen Partien zwischen den gleichen Gegnern vorkamen (Match 1894, resp. St. Petersburg 1895/96). 6. ...
f7—f6
So wird der Bauer e5 noch einmal gedeckt, obendrein mit Tempogewinn. 7. Lg5—e3
Se7—c8
Gut duchdacht. Schwarz macht das Feld e7 für den Läufer frei und unterbindet zugleich die Besetzung der schönen Diagonalen b3—g8 durch den weißen Königsläufer; z. B. 8. Lc4 Sb6, 9. Lb3 Sa5, und der Lb3 wird abgetauscht. 8. Sc3—e2
Weiß öffnet dem Lb5 eine Rückzugslinie und sucht zugleich Figurentausch soweit wie möglich zu vermeiden. Eine einfachere und zugleich gute Fortsetzung bestand in der Besetzung des Zentralfeldes d5, z . B . 8. Sd5 Sb6, 9. de5:!, und Weiß behauptet die Initiative: 9. ... Sd5: (9. ... fe5:, 10. Lg5 usw., bzw. 9. ... de5:, 10. De2 usw.), 10. ed5: Se5:, 11. L d 7 : f Dd7:, 12. Sd4! usw. 8 9. c2—c3
Lf8—e7 0—0
Diagramm 23 (nach 9. ... 0—0)
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Schwarz steht zwar fest, da seine Stellung keine Schwächen aufweist, aber doch schwierig, weil er wenig Bewegungsfreiheit hat. 10. 11. 12. 13.
Lb5—d3 Se2—g3 0—0 Tal—cl
Sc8—b6 Kg8—h8 Dd8—e8
Wahrscheinlich in der Absicht gespielt, 14. c4 und evtl. 15. d5 folgen zu lassen; denn sonst stünde der Turm auf cl nicht gut. 13. ... 14. T f l — e l
Sc6—d8
Nun ist Weiß doch wieder von seinem Plan abgekommen. Offenbar hat er eingesehen, daß c4 und d5 nicht viel ergibt. 14. ...
c7—c5
Schwarz hingegen manövriert sehr zielbewußt. Mit dem Textzug sucht er den Bauern d4 zum Ziehen zu zwingen, um die Lage im Zentrum zu klären. 15. Sf3—d2 Damit wird Schwarz über die weiteren Pläne von Weiß im Unklaren gelassen — im Prinzip eine sehr gute Taktik. Für den Gegner, der wenig Bewegungsfreiheit hat, ist es nämlich immer lästig, verschiedene Drohungen zugleich berücksichtigen zu müssen. Es geht hier um die Züge d4—d5, d4xc5 und f2—f4, wonach sich das Spiel in drei verschiedenen Richtungen entwickeln kann. Und doch ist der Textzug nicht ganz befriedigend, da Schwarz nun Gelegenheit zum Terraingewinn am Damenflügel bekommt. Mehr auf der Hand liegend war 15. dc5: mit der Absicht, aus der Schwäche des Feldes d5 Nutzen zu ziehen (vergleiche Feld d4 in Diagramm 19). Doch hätte auch dieser Plan wenig Erfolgschancen geboten, da seine Verwirklichung eine sehr zeitraubende Umgruppierung der weißen Figuren bedingen würde. Nein, die Idee, vorläufig die Karten nicht auf den Tisch zu legen, war schon gut, sollte aber besser mit 15. b3 nebst evtl. 16. Sd2 verfolgt werden. 15. ...
Sb6—a4!
Diesen starken Zug eben hätte 15. b3 verhindert. 16. T e l — c 2 Auf 16. b3? würde zwar Sb2, 17. Dc2 Sd3:, 18. Dd3: für Weiß günstig sein, aber Schwarz spielt besser 16. ... Sc3:!, 17. T c 3 : cd4:, 18. Ld4: ed4: mit Vorteil. 16. ... 17. f2—f4
b7—b5! Sd8—e6!
Mit seinen letzten drei Zügen hat Schwarz sich gutes Gegenspiel verschafft. 59
Weiß ist nun genötigt, die Spannung im Zentrum aufzulösen, und zwar durch Abschluß der Stellung; denn für eine Linienöffnung stehen seine Türme nicht günstig. 18. f4—f5 19. d4—d5
Se6—d8
Jetzt verfügen beide Teile über ein lokales Übergewicht an Raum: Weiß am Königs- und Schwarz am Damenflügel. Ein scharfer Kampf mit Angriff und Gegenangriff ist zu erwarten; denn keiner der beiden Gegner darf sich unter diesen Umständen mit einer passiven Haltung begnügen. 19. ... 20. Sd2—f3 21. Ld3—e2
Sd8—b7 c5—c4 Le7—d8
Dieser Läufer ist im Hinblick auf die Bauernstellung am Königsflügel schlecht, am Damenflügel aber gut. Mit dem schwarzen Damenläufer ist es genau umgekehrt. Also sucht Steinitz seinen Königsläufer am Damenflügel zu verwenden (Lb6), während der Damenläufer sich für ein Eingreifen am Königsflügel bereit hält (via e8). 22. Sf3—h4! Ein starker Angriffszug. Weiß droht nun wie folgt zu gewinnen: 23. Lh5 De7, 24. Sg6f! hg6:, 25. Lg6: nebst Matt durch Dh5f. 22. ...
g7—g6
Erzwungen. 23. Le2—g4. Mit einer neuen Drohung: 24. fg6: hg6:, 25. Ld7: Dd7:, 26. Sg6:|. Weiß nimmt seine Chancen am Königsflügel zwar geschickt wahr, doch er muß auch Zugeständnisse machen: der Läuferzug 60
schwächt das Feld d3, was sich Schwarz alsbald zunutze macht. 23. ...
g6—g5
Es versteht sich von selbst, daß Schwarz bemüht sein muß, die Stellung am Königsflügel solange wie möglich geschlossen zu halten. 24. Sh4—f3
Sb7—c5
Schon strebt ein schwarzer Springer nach d3, was Weiß sich wohl oder übel gefallen lassen muß. 25. h2—h4 Der Krisis entgegen. Weiß erzwingt doch Linienöffnung am Königsflügel und bringt dort alle Figuren in Angriffsposition, selbst auf Kosten eines Bauernverlustes am Damenflügel. 25. ... g5xh4 26. Sf3xh4 Sc5—d3 27. Tel—fl! 27. Tee2 würde der weißen Dame den Weg versperren, ohne die erstrebte Befestigung von b2 zu gewährleisten. Es könnte folgen: 27. ... Sdb2:, 28. Tb2: Sc3: nebst Se2:f, mit ausgezeichnetem Spiel für Schwarz. 27. 28. 29. 30. 31.
... Ddl—f3 Kgl— h2 Le3—h6 Sg3—h5
Sa4xb2 Ld8—b6 Tf8—g8 De8—e7
Der weiße Angriff wird nun außerordentlich gefährlich. 31. ...
Ld7—e8
Man vergleiche die Anmerkung zu 21. ... Ld8. Schwarz verteidigt sich kaltblütig. Der Textzug richtet sich vor allem gegen die Möglichkeit Sgöf. Auch kann der Sh5 notfalls unschädlich gemacht werden. 32. Df3—h3 Sb2—a4
Diagramm 24 (nach 32. . . . Sb2—a4)
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Eine seltsame Stellung. Beinahe alle weißen Figuren befinden sich auf der h-Linie außer denen, die eigentlich dort stehen sollten: den Türmen. Keine schöne Aufstellung also. Und doch ist der weiße Angriff stark, da Schwarz nur wenige Figuren für Verteidigungszwecke zur Verfügung hat. Lange kann dieser Zustand jedoch nicht dauern, denn Verstärkungen kann Schwarz besser heranbringen als Weiß. Die Krisis ist also erreicht. Alles hängt jetzt davon ab, ob Weiß in den kommenden Zügen eine Entscheidung herbeiführen oder zumindest eine rettende Wendung forcieren kann. 33. Lg4—f3 Weiß zögert — vom praktischen Standpunkt aus betrachtet sicher zu Unrecht. E r sucht seine Stellung weiter zu verstärken, kommt aber bald in eine hoffnungslose Lage. 33. Sg6|, obwohl nicht überzeugend, hätte die Sache jedenfalls sehr verwickelt gestaltet und bot deshalb begründete Rettungschancen. Zum Beispiel I. 33. . . . hg6:?, 34. S f 6 : ! Tg7, 35. L g 7 : f K g 7 : , 36. D h 7 f K f 6 : , 37. f g 6 : t Sf4, 38. D h 4 f und gewinnt die Dame. I I . 33. . . . Lg6:!, 34. fg6: T g 6 : , 35. S f 6 : ! (wenn 35. T f 6 : ? T f 6 : , 36. Lg5, so Sf4!, 37. L f 6 : f D f 6 : , 38. S f 6 : Sh3: usw. mit gewonnenem Endspiel für Schwarz) 35. ... T f 6 : , 36. Lg5
T f l : , 37. L e 7 : L g l f , 38. K h l ! , und Schwarz müßte sich mit Dauerschach begnügen. 33. . . . 34. T c 2 — e 2 35. g 2 - g 3
Sa4—c5 Sc5—d7
Weiß muß bereits an Verteidigungsmaßnahmen denken und bereitet Sh4—g2—e3 vor. Vielleicht aber hat er auch damit gerechnet, seinen Angriff später mit K g 2 nebst T h l wieder aufzufrischen, doch kommt er nicht dazu. 35. 36. 37. 38.
... Sh4—g2 Sg2—e3 Se3—dl
a7—a5 b5—b4 Ta8—c8 b4xc3
Schwarz steht mit seinem Plus am Damenflügel auf Gewinn. Der Textzug ist gut genug; noch kräftiger war aber 38. . . . b3 oder 38. . . . Sdc5. 39. 40. 41. 42. 43.
Sdlxc3 Lh6—d2 Dh3—h4 Lf3xh5 Sc3—dl
Lb6—d4 Sd7—c5 Le8xh5 Tc8—b8 Sc5—a4
Der freie c-Bauer verbürgt den Sieg. Schwarz braucht also keine Zeit zu verlieren, um seinen Mehrbauern zu behaupten. 44. Ld2xa5 45. L a 5 — d 2 46. L d 2 x c 3 !
Tb8—a8 c4—c3
Eine geistreiche Ressource. Z w a r verliert Weiß jetzt die Qualität, kann aber wenigstens noch Widerstand leisten. Bei anderen Zügen hätte Schwarz mit Tgc8 nebst c2 rasch gewonnen. 46. 47. 48. 49. 50. 51.
... Sdlxc3 Tfl—f3 Te2—c2 Tf3xc3 Tc2xc3
Sa4xc3 Ld4xc3 Sd3—cl Sclxa2 Sa2xc3
61
Die unmittelbare Gefahr ist behoben, da Schwarz nicht mehr den Freibauern hat. 51. ...
Tg8—c8
Eine Ungenauigkeit: 51. ... Tg5 war besser geeignet, Weiß jede Chance auf Gegenspiel zu nehmen. 52. Tc3—b3 53. Kh2—h3
Ta8—a2f Ta2—c2
Und hier war T a l , um Weiß zu Lf3 zu zwingen, stärker. Aber der Gewinn ist noch immer sicher. 54. Tb3—b6
Oder 56. ... Tc7, 57. Tc7: Dc7:, 58. D f 6 : t Kg8, 59. Lf7f usw. 57. D h 4 x f 6 t
Auf Kg8 folgt 58. D d 8 : | Kg7, 59. Lh5 usw. 58. Df6xd8f
Tc2—c3
Droht 56. Td6: und gibt Schwarz Gelegenheit zu einem groben Fehler. 55. ...
Tc8—d8??
Diagramm 25 (nach 55. ... Tc8—d8??)
Dg7—g8
59. Dd8—f6f Remis durch Dauerschach.
Partie Nr. 21
Die letzte Chance. Weiß hat eine kleine Überraschung in petto. 54. ... 55. Lh5—g6
Db7—g7
Holländisch In dieser Partie erlangt Steinitz bereits im 5. Zuge das Läuferpaar und bringt dieses in vortrefflicher Weise allmählich zur Geltung. Übrigens nimmt die Partie einen ähnlichen Verlauf wie das Spiel N r . 20. Steinitz erreicht durch vorbildliche Strategie eine glattgewonnene Stellung, gibt aber den Gewinn wieder aus der H a n d und siegt dann nur durch einen Fehler seines Gegners in einem an sich elementaren Endspiel. Weiß: G. R. Neumann Schwarz: W. Steinitz (Gespielt in Baden-Baden 1870) 1. d2—d4
f7—f5
Die holländische Verteidigung. Steinitz fällt tatsächlich herein und läßt sich den Gewinn im letzten Moment noch entgleiten. Schade um diese so hervorragend gespielte Partie! Nach 55. ... T3c7 (mit Überdeckung von h7) wäre Weiß am Ende seines Lateins gewesen. 56. Tb6—b7! Hübsch, wenn auch naheliegend. 56. ... 62
De7xb7
2. e2—e4 Das Staunton-Gambit. 2. ... 3. Sbl—c3
f5xe4 Sg8—f6
Nicht 3. ... d5? wegen 4. Dh5f nebst 5. Dd5:. 4. Lei—g5
c7—c6
Auch jetzt nicht 4. ... d5? wegen 5. Lf6:, wieder gefolgt von Dh5f und Dd5 :. Aber auch der Textzug hat seine Bedenken.
Gegenwärtig gilt 4. ... g6 als beste Spielweise. 5. Lg5xf6 Inkonsequent und schwach. Es mußte 5. f3 geschehen. Unwillkürlich fragt man sich, wie Weiß den Zug 5. f3 in einer Zeit, wo Gambitspiele die große Mode waren, außer acht lassen konnte. Die Erklärung ist wahrscheinlich in der Unkenntnis allgemeiner Grundregeln zu suchen; man war nur mit bestimmten Gambitsystemen (vornehmlich mit dem Königs- und dem Evansgambit) vertraut, wußte aber nicht, wie die Gambittaktik auch in anderen Eröffnungen angewandt werden konnte. 5 6. Sc3xe4
e7xf6
Der Bauer ist erobert, aber nun hat Schwarz das Läuferpaar. Da Weiß keine Kompensation dafür hat, bedeutet dies für Schwarz einen kleinen Vorteil. 6. ...
d7—d5
Nach der Theorie ist 6 Db6 noch stärker; vor allem, weil die Folgen von 7. De2 Db2: günstig f ü r Schwarz sind. 7. Se4—g3 Dd8—b6 8. Ddl—e2f Ke8—f7! ökonomische Verteidigung. Der König steht hier ganz sicher und bedarf keiner Hilfe. Obendrein droht nun 9. ... Lb4f nebst 10. ... Te8. 9. 0—0—0 10. De2—f3
Sb8—a6 g7—g6
Um 11. Sf5 zu verhindern, aber auch noch mit anderen Zwecken, wie sich bald zeigt. 11. L f l — d 3 Hiernach wird auch der andere Läufer von Weiß gegen einen Springer getauscht, doch hatten andere Züge ebenfalls ihre Schattenseiten. Weiß steht unbehaglich,
da seine Entwicklung in dynamischer Hinsicht viel zu wünschen übrig läßt. 11. ... 12. K c l — b l
Sa6—b4 h7—h5!
Diagramm 26 (nach 12. ... h7—h5!)
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Dieser starke Vorstoß wurde mit 10. ... g6 vorbereitet. Es droht Lg4 mit Qualitätsgewinn. Aber die eigentliche Bedeutung des Textzuges besteht in der Vertreibung des Sg3, wonach die Entwicklung des Lc8 nach f5 gesichert ist. Das eben ist der Vorteil der Läufer gegenüber den Springern: Die Läufer wirken aus der Ferne und können deshalb von Bauern nicht so leicht angegriffen werden. Steinitz zeigt hier, wie der Vorteil des Läuferpaares zu seinem Recht kommt: die Springer müssen durch Bauern in Abstand gehalten werden und können deshalb keine vitalen Punkte in der feindlichen Stellung beherrschen, während die Läufer hierzu wohl in der Lage sind. Die Folge davon ist, daß die Läuferpartei die Initiative bekommt. 13. h2—h3 Weiß hat keinen besseren Zug. Auf z. B. 13. Le2 könnte folgen 13. ... h4, 14. S f l h3! mit großem Vorteil für Schwarz. Nach 15. Sh3: Lf5 würde 16. Tel an Th3:! scheitern, während 16. Ld3 Sd3:, 17. cd3: Lh3:, 18. gh3: Dd4: zu einer 63
hoffnungslosen Schwächung der weißen Bauernstellung führt. 13. ... 14. Sg3—e2 15. Tdlxd3
h5—h4 Sb4xd3 Lc8—f5
Nachdem der Sg3 vertrieben und der Ld3 getauscht ist, besetzt der schwarze Damenläufer das starke Feld f5. 16. Td3—b3 17. Se2—f4
Db6—c7 Lf5—e4
Nützt es nicht, so schadet es auch nicht. Vielleicht spielt Weiß 18. De3?, worauf Lh6 schnell gewinnt. 18. Df3—g4
Le4—f5
Es hat also weder genützt noch geschadet: die weiße Dame muß wieder zurück nach f3, und Schwarz ist dann zum zweiten Male in der gleichen Stellung am Zuge. Er könnte also, wenn er wollte, Remis durch Zugwiederholung forcieren, wofür er sich natürlich bedankt. 19. Dg4—f3 20. Sgl—e2
Lf8—d6 a7—a5
Ein ähnlicher Vorstoß wie im 12. Zuge. Zwar wird jetzt kein Springer, sondern ein Turm vertrieben, aber das Ziel bleibt dasselbe: den Springern gute Felder zu nehmen. Der Besitzer des Läuferpaares riskiert im allgemeinen nicht viel, wenn er mit seinen Bauern vorrückt; vorausgesetzt, daß dabei — besonders in der zentralen Zone — keine schwachen Felder entstehen. Im letzteren Falle könnten die Chancen plötzlich wechseln, da die Springer vorzüglich geeignet sind, schwache Felder zu besetzen und auszubeuten. 21. Thl—gl 22. Tb3—e3
a5—a4 Ta8—e8
Das Festlegen der eigenen Bauern soll die Läuferpartei weitgehend vermeiden. So 64
würde hier 22. ... a3, 23. b3 die Lage von Weiß nur erleichtern. 23. g2—g3 Lf5—e4 24. Df3—g4 Le4—f5 Zugwiederholung wie im 18. Zuge; offenbar zu dem Zweck, Bedenkzeit zu sparen. 25. Te3xe8 Weiß weicht ab, wohl in der vagen Hoffnung, daß Schwarz die Dame für zwei Türme nimmt. Nach 25. Df3 Te3:, 26. De3: Te8, 27. Df3 (Dc3? g5!) würde die gleiche Stellung entstehen wie im Text nach dem 26. Zuge von Weiß. 25. ... 26. Dg4—f3
Th8xe8! Dc7—a5
Mit der Drohung Dd2. 27. Kbl—cl
Da5—a6
Droht Dc4 mit Angriff auf a2, c2 und d4. 28. Se2—c3 b7—b5 Droht 29. ... b4 nebst Dc4. Schwarz hat eine Reihe von Vorteilen gesammelt und hält nun die Gelegenheit für günstig, unmittelbar zum Angriff überzugehen. Er nimmt mit dem Textzug bewußt ein schwaches Feld auf c5 in Kauf, da Weiß bei seiner Figurenaufstellung keine Möglichkeit hat, in absehbarer Zeit daraus Nutzen zu ziehen. Eine solche Taktik (das Zulassen von Schwächen zugunsten anderer Vorteile) ist oft notwendig, erfordert aber stets eine genaue Einschätzung der Position. Hier hat Steinitz die Lage richtig beurteilt. Die Schwäche c5 spielt zunächst nur eine untergeordnete Rolle. 29. g3—g4 30. Sc3—dl 31. Sdl—e3
Lf5—c8 b5—b4 b4—b3!
Weiß hat zwar das gefährliche Dc4 verhindert, aber nun wird seine Königsstellung aufgebrochen.
Diagramm 27 (nach 31. ... b4—b3!)
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deshalb zum Endspiel über, das ihm ebenfalls günstige Perspektiven eröffnet. 40. ... 41. f2—f3
Lc8xh3
Das sofortige Nehmen von h4 scheitert an 41. ... f3! 42. Sf3: Lg4, 43. Scel Tel:f usw. 41. ... Te4—e8 42. Sg2xh4 Te8—h8 43. Sh4—g2 Th8—h5 44. Sg2—el Lh3—f5
32. a2—a3 Erzwungen. Nach anderen Zügen wird der schwarze Angriff unwiderstehlich.
Es ist klar zu sehen, daß Schwarz mit dem Läuferpaar und der besseren Turmstellung überlegen steht.
32. ... b3xc2 Die Schwäche c5 wird nun durch die des Feldes b3 mehr als kompensiert. 33. g4—g5 f6—f5 Vermutlich hat Weiß gehofft, durch die kunstvolle Isolierung des Bh4 eine Gegenchance zu erlangen. Auf der anderen Seite ist aber sein eigener Bh3 ebenfalls ein Sorgenkind. 34. Se3xc2 Da6—c4 35. Sf4—g2 Te8—e2 36. Se2—gl Nach 36. Sge3 Db5 wäre der Se3 durch den Angriff f5—f4 bedroht. 36. ... f5—f4 Fast sieht es so aus, als ob die weiße Stellung jeden Augenblick zusammenbrechen müßte. Aber so schlecht ist sie noch nicht. 37. Kcl—dl Te2—e4 38. Sei—g2 Dc4—b3 Nun darf Weiß die Dame nicht tauschen, weil dann d4 verlorengeht.
45. Sc2—b4 Lf5—d7 46. Tgl—g2 Nicht sogleich Sed3 wegen Th2! Die Besetzung der zweiten Reihe durch die schwarzen Türme würde die weiße Stellung schnell hoffnungslos machen. 46. ... Kf7—e6
39. Df3—c3 Db3xc3 40. b2xc3 Angesichts der zähen Verteidigung von Weiß sieht Schwarz keine Chance, die Partie im Angriff zu entscheiden; er geht 5 Euwe. Feldherrnkunst
Droht den Bauern g5 zu erobern. Weiß findet aber eine Möglichkeit, dieser Gefahr noch gerade zu begegnen. 47. Sei—d3 Ke6—f5 48. Sd3—b2! Diese Bedrohung von a4 zwingt Schwarz, auf den Bauern g5 zu verzichten und dafür den weißen a-Bauern, der sonst gefährlich werden könnte, unschädlich zu machen. 48. 49. 50. 51.
... Kdl—c2 Sb2xa4 Sa4—c5
Th5—hlt Thl—al Talxa3
Die Besetzung der Schwäche c5 bedeutet wenigstens einen moralischen Erfolg. 51. ...
Ld6xc5!
Die Einleitung zu der gewinnenden Abwicklung. Das Läuferpaar als solches hat seine Aufgabe erfüllt. Die Entscheidung 65
muß nun durch die bessere Stellung des schwarzen Königs und des Turmes fallen. 52. d4xc5 Diagramm 28 (nach 52. d4xc5)
1 • 1
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52. ...
d5—d4!
Die Pointe des vorangegangenen Zuges. Durch den indirekten Tausch von Bd5 gegen Bf3 wird f4 ein Freibauer, dessen Vorrücken durch den König unterstützt werden kann. Dieses letztere ist der entscheidende Faktor. 53. c3xd4 Ta3xf3 54. d4—d5 Die letzte Chance; sonst folgt 54. ... Ke4 mit leichtem Gewinn für Schwarz. 54. ... Tf3—g3 Stärker als 54. ... cd5:, worauf Weiß mit 55. c6 ein wichtiges Tempo gewinnen würde. 55. Tg2—f2 f4—f3 56. d5xc6 Ld7—e6 Droht Tg2 mit unmittelbarer Entscheidung. Der doppelte Freibauer von Weiß ist nicht allzu gefährlich. 57. Kc2—d2 Kf5—e4 Um mit Tg3xg5xc5 gemächlich zu gewinnen. 58. Tf2—fl
Tg3—g2f
Minder gut wäre 58. ... Tg5: wegen 59. T e l t Kf5, 60. c7. 66
59. Kd2—c3 Tg2—e2 60. c6—c7 Te2—e3t Wieder eine Zugwiederholung, um Bedenkzeit zu sparen. Der Gewinnzug war 60. ... f2. 61. Kc3—d2 Te3—e2f 62. Kd2—dl Weiß hat es gesehen (62. Kc3 f2!) und weicht deshalb ab. 62. ... Le6—b3f 63. Kdl—cl Lb3—e6 Dasselbe Spielchen. Wieder ist Weiß „Spielverderber", da er nach 64. Kdl den Gewinnzug Lg4! erkannt hat. 64. Sb4—c2 Le6—c8 65. Kcl—dl Lc8—g4 Jetzt hat Schwarz das Richtige gefunden. 66. c5—c6 Ke4—f4 67. Sc2—d4 Te2—e8 68. Kdl—d2 Te8—c8? Ein taktischer Fehler, der den Gewinn aus der Hand gibt. Nach dem einfachen 68. ... Kg3 war der Kampf so gut wie entschieden. Weiß müßte zumindest den Springer für den f-Bauern geben. 69. Kd2—d3 Kf4—g3 Schwarz sieht ein, daß er sich geirrt hat. Auf das ursprünglich geplante 69. ... Tc7: könnte Weiß nämlich mit 70. Tf3:f Lf3:, 71. Se6f und Sc7: das Remis forcieren. Der Fehler ist aber nicht mehr zu reparieren. Die verlorene Zeit sowie die Preisgabe der e-Linie rächt sich. 70. T f l — g l t Kg3—f4 Nach 70. ... Kh3, 71. Ke3! würde Weiß noch leichter den Remishafen erreichen. 71. Tgl—fl Kf4—g3 72. Tfl—gif Kg3—f4 73. Tgl—fl Tc8—e8 Es geht nicht anders; Schwarz muß die e-Linie wieder besetzen. 74. Kd3—c4
Der rettende Plan: der weiße König soll seinen Freibauern unterstützen. 74. 75. 76. 77.
... Sd4xf3 Tflxf3f Kc4—d5!
Kf4—g3 Lg4xf3 Kg3xf3
Sehr richtig. 77. Kb5? oder Kc5? wäre durch 77. ... Ke4, 78. Kb6 Kd5, 79. Kb7 Kd6, 80. c8D Tc8:, 81. Kc8: Kc6: usw. zu widerlegen. 77. ...
Te8—a8
Noch die beste Chance, denn nun kann der weiße König wenigstens nicht mit Tempogewinn nach d7 kommen. 78. Kd5—e5! Die einzige Möglichkeit, Remis zu erzielen. Nach 78. Kd6? Ke4 würde Weiß analog der bei 77. Kd5! angegebenen Variante gewinnen. 78. ...
Kf3—e3!
Nach einem anderen Königszug, z. B. 78. ... Kg4?, würde Weiß mit 79. Kd6! gar noch gewinnen. Schwarz muß auf Kd6 die Antwort Ke4! in petto haben. 79. Ke5—f6 Die letzte Feinheit. Mit seinem c-Bauern kann Weiß nichts ausrichten; aber nun erobert er g6 und macht mit dem gBauern Remis. 79. 80. 81. 82. 83. 84.
... Kf6xg6 Kg6—f6 g5-g6 Kf6—f7 g6-g7
85. Kf7—f8
Ta8—c8 Ke3—f4 Tc8xc7 Tc7xc6t Kf4—f5 Tc6—c7f Kf5—f6!
Droht Matt. 86. g7—g8Sf! Das einzige. Weiß erreicht so im letzten Augenblick eine theoretische Remisstellung. 5*
86. ... 87. Sg8—h6
Kf6—e6 Tc7—h7
Diagramm 29 (nach 87. ... Tc7—h7)
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Gewinnversuche haben nun eigentlich keinen Zweck mehr. In einem Meisterturnier von heute würde diese Stellung wohl ohne weiteres Remis gegeben werden. 88. Sh6—g4? Ein elementarer Fehler, wonach der Springer bald verlorengeht. Offenbar war damals die Regel, daß in solchen Endspielen der Springer in der Nähe seines Königs bleiben muß, selbst in „höheren Kreisen" noch wenig bekannt. 88. Sg8 — fün unsere Begriffe ein selbstverständlicher Zug — hätte leicht zum Remis geführt; z. B. 88. ... T f 7 t , 89. Ke8 T f l (Ta7, Kf8), 90. Sh6 Tgl (Thl Sg8), 91. Kf8 usw. 88. ... 89. Sg4—e3
Th7—h4
Nach 89. Sf2 geht der Springer durch Tf4f verloren. 89. ... 90. Se3—dl
Tb4—e4
Der Springer geht in jedem Falle verloren: 90. T f l Tf4f usw.; oder 90. Sg2 Kf6, 91. Kg8 T g 4 t usw.; bzw. 90. Sc2 Kd5, 91. Sa3 Kc5, 92. Sbl Kb4, 93. Sd2 Te2 nebst Tf2 (f) resp. 94. ... Tb2 usw. 67
90. ... Te4—f4f 91. Kf8—g7 Tf4—f3 92. K g 7 - g 6 Oder 92. Sb2 Kd5, 93. Sa4 Tb3 usw. 92. ... Ke6—e5 93. Kg6—g5 Ke5—d4 94. K g 5 - g 4 Der weiße König kommt zu spät, um den Springer zu befreien. 94. ... Tf3—fl 95. Sdl—b2 Tfl— b l 96. Sb2—a4 Tbl—b4 Weiß gab auf. Der Springer ist „mattgesetzt"!
Diagramm 30 (nach 96. ... Tbl—b4)
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Eine von Anfang bis Ende lehrreiche Partie!
Abschnitt VI Technik und Routine Die Virtuosen: 1900—1914 Auf die Zeit von Steinitz folgte im gewissen Sinne ein Stillstand in der Entwicklung des Schachspiels. Man war mit dem Verarbeiten und Verfeinern des eben erst Gelernten beschäftigt. Für ganz neue Auffassungen bestand keine innere Notwendigkeit. Man hatte vollauf mit dem Neuen, kaum Begriffenen zu tun. Der Unterschied in den Auffassungen zwischen Steinitz und seinen Zeitgenossen schuf einen unnatürlich breiten Abstand zwischen Positions- und Kombinationsspiel. Es wurde Zeit, hier eine Brücke zu schlagen, und das war die Aufgabe der folgenden Generation, die besonders reich an großen Talenten war. Wir wollen diese Meister die Virtuosen nennen, da sie im allgemeinen unter Anwendung der bereits bekannten Grundregeln nach Vollkommenheit strebten. Sie 68
sahen Steinitz als ihren Lehrmeister an, aber längst nicht als ihr Ideal. Sie waren weder extrem noch voreingenommen, sondern trachteten danach, die Gegensätze miteinander zu verbinden: das Angriffsspiel mit dem Positionsspiel, die Theorie mit der Praxis, das gewünschte mit dem möglichen. Verglichen mit ihren Vorgängern zeichneten sich die Virtuosen in erster Linie durch ihre gute Technik in allen Phasen der Schachpartie aus, sogar auf dem Gebiete der Kombination. Allmählich bekamen die Virtuosen einen ungewöhnlich guten Blick für alle Erfordernisse des Schachkampfes. Das Spielniveau erhöhte sich sichtlich, und viele Meister dieser Epoche gehörten zu den besten Spielern der Schachgeschichte überhaupt. Weil es hier um eine ganze Generation geht, ist der Beginn dieser Richtung schwer festzustellen. Wir haben 1900 gewählt, das Sterbejahr von Steinitz; aber die ersten Meister, die man zu den Virtuosen rech-
nen konnte, traten bereits in den 80er Jahren auf. Das Ende dieser Bewegung ist jedoch genau anzugeben. Es wurde durch ein elementares Ereignis verursacht: den Weltkrieg 1914—1918. Während der Zeitdauer der Virtuosen fand das Schachspiel im allgemeinen eine allmähliche Veränderung. Mit Technik hatte man begonnen, und der Routine trieb man zu. Man setzte ein übertriebenes Vertrauen in die Wissenschaft. Der unternehmende Griff, der das Spiel von Anderssen und Morphy im Angriffssinne, das von Steinitz in verteidigender Hinsicht beflügelte, und den zunächst auch die ersten Virtuosen besaßen, ging unmerklich verloren. Aus den letzten Jahren vor 1914 sind viele Partien führender Meister bekannt, in denen nur Routine und kaum Kampflust zu verspüren ist. Es sind kurze, langweilig korrekt gespielte Remispartien. Wir haben mit Absicht keine Namen genannt, um nicht den falschen Eindruck zu erwecken, daß diese Entwicklung dem Einfluß eines einzelnen Meisters zuzuschreiben ist. Daß es Spieler von ungewöhnlicher Stärke waren, ändert nichts an der Sache. Keiner von ihnen kann als Schöpfer eines neuen Stils angesehen werden. Lasker, der Weltmeister jener Zeit, am allerwenigsten; denn er besaß eine seltsame Fertigkeit im Behandeln verwickelter Stellungen — etwas, das nicht zu lernen (oder zu lehren!) ist. Tarrasch ist zwar als Lehrer aufgetreten und hat viele Regeln aufgestellt, aber es ging ihm stets um Details und Interpretationen der Lehre von Steinitz. So könnten wir eine ganze Reihe klingender Namen aufführen, bis zu Schlechter und Capablanca. Aber es ist unser Ziel, über Episoden in der Schachgeschichte zu schreiben und nicht nur über große Spieler. Schließen
wir daher dieses Kapitel mit einer Reihe aufschlußreicher Partien aus diesem Zeitraum ab.
Partie Nr. 22 Spanisch Sowohl Steinitz als seine Antagonisten, die Kombinationsspieler, hatten einen riskanten Stil. Letztere nahmen für praktische Chancen theoretische Nachteile in Kauf. Steinitz hingegen klammerte sich an theoretische Vorteile und achtete nicht genügend auf praktische Bedenken. In der Mitte zwischen diesen beiden Extremen stand Dr. Tarrasch, der erste große Virtuose. Dieser war von Natur aus sehr vorsichtig und hatte keine ausgesprochene Anlage zum Kombinieren; aber etwas hat er besser begriffen als seine Vorgänger: die Bedeutung einer raschen und ökonomischen Entwicklung ohne materielle Opfer. Er folgte im allgemeinen den Regeln von Steinitz, legte aber der Aktivität der Figuren viel mehr Wert bei als dieser und war vor allem auch darauf bedacht, dem Gegner alle guten Züge zu nehmen. Man könnte Tarraschs Stil den „pattsetzenden" nennen. Tarrasch blieb geraume Zeit der beste Techniker der Welt und erzielte außergewöhnliche Erfolge, auch als Lehrmeister, wobei er es besonders gut verstand, die Grundlagen des Positionsspiels populär zu machen. Die nachstehende Partie läßt die Auffassungen und Fähigkeiten Tarraschs klar erkennen. Weiß: Dr. S. Tarrasch Schwarz: W. Steinitz (Gespielt in Nürnberg 1896) 69
1. e2—e4 2. Sgl—f3 3. L f l — b 5
e7—e5 Sb8—c6 f7—f6
Tarrasch selbst gab zu, daß dieser Zug nicht so schlecht ist wie er aussieht, obwohl es für ihn selbstverständlich war, daß das Feld f6 dem Sg8 „zusteht". 4. 0—0 5. d2—d4 6. a2—a3
Sg8—e7 Se7—g6
Um den Lb5 auf die Diagonale a2—g8 zu bringen und vor allem auch gegen Abtausch zu sichern. Wenn Tarrasch Weiß hatte, hielt er den Königsläufer (den er auch „Angriffsläufer" zu nennen pflegte) f ü r seine wichtigste Leichtfigur. 6. ... 7. Lb5—c4 8. h2—h3
Lf8—e7 d7—d6
Um dem Lc8 des beste Entwicklungsfeld zu nehmen. 8. ... 9. Sbl—c3 10. Kgl— h2
Lc8—d7 Dd8—c8
Ein Sicherungszug gegen ein mögliches Läuferopfer auf h3. Wenn dieses auch kaum ausreichende Angriffschancen bietet, so würde es Weiß doch in die Rolle des Verteidigers drängen. Und da dachte Tarrasch seinerzeit praktischer als Steinitz: wer sich verteidigt, macht leichter Fehler. 10. ...
Sc6—d8
Steinitz führt ähnliche Manöver durch wie in Partie N r . 20. 11. Sc3—d5
70
12. Lei—e3 13. Sf3—gl
Sd8—e6
Wieder ein Zug mit dem Ziel, Schwarz keinerlei Initiative zuzugestehen. Es geht um die Besetzung von f4 durch einen schwarzen Springer. 13. ... c7—c6 Nicht gut, aber Schwarz war bereits um einen guten Zug verlegen. 14. Sd5—c3
Lf8—e7
Auf 14. ... Sef4 käme der Zug 13. Sgl zu seinem Recht: 15. Lf4: Sf4:, 16. g3!, und nun scheitert 16. ... Sh3:? an 17. Sh3: Lh3:, 18. Dh5f bzw. 15. Sgl—e2
Dc8—c7
Pariert die weiße Drohung f2—f4. 16. d4—d5 16. f4 würde jetzt einen Bauern kosten: 16. ... Sef4:, 17. Sf4: Sf4:, 18. Lf4: ef4:, und 19. Tf4:? geht nicht wegen 19.... d5!. 16. ... 17. Se2—g3 18. Sg3—f5
Se6—d8 Sd8—f7
Weiß steht nun überlegen. 18. ...
Le7—f8
Diagramm 31 (nach 18. ... Le7—f8)
1 • ¡¡¡611 w • 4lÄ Ii A± W mm • A B f wfm t n • sp
Tarrasch bemerkte dazu, daß er c6 provozieren und damit eine kleine Schwächung der schwarzen Stellung hervorrufen wollte. 11. ...
Echt Steinitz! Er gönnt seinem Gegner nichts Konkretes und nimmt lieber die größten Entwicklungsschwierigkeiten in Kauf. Das Aufgeben des Läuferpaares mit 11. ... Se6 hatte viel weniger Bedenken.
Le7—f8?
Dieser abermalige Rückzug ist zwar ein klarer Fehler; doch waren auch andere Züge unzureichend. 14. D d l — h 5 ? Ebensowenig wie Steinitz hatte auch Tarrasch einen Weitblick für kombinatorische Möglichkeiten. Weiß macht hier zwar einen soliden Zug, übersieht aber ganz, daß er bereits die Früchte seiner feinen Manöver (insbesondere das Provozieren von c7—c6) pflücken konnte; und zwar mit 19. dc6:!. I. 19. ... bc6: (der einzig logische Zug, der aber taktisch scheitert), 20. L f 7 : f K f 7 : , 21. Sb5! cb5:, 22. D d 5 f Le6, 23. Da8: mit Qualitätsgewinn für Weiß (Le7, 24. Da7:). II. 1 9 . . . . Lc6:, 20. Sb5 Dd8 (oder 2 0 . . . . Lb5:, 2 1 . L b 5 : t ) , 2 1 . L f 7 : t K f 7 : , 2 2 . Sbd6:t, und Weiß gewinnt leicht. I I I . 1 9 . . . . D c 6 : . Danach kann Weiß zwar nicht eine unmittelbare Entscheidung erzwingen, aber es besteht kein Zweifel, daß er im Hinblick auf die Schwäche des Bd6, die Beherrschung des Zentralfeldes d5 und seinen großen Entwicklungsvorsprung auf Gewinn steht. 19. ...
c6—c5
Hiermit ist die unmittelbare Gefahr gebannt. Gleichwohl steht Schwarz noch immer schlecht. 20. Lc4—b5! Weiß tauscht seinen schlechten gegen den guten von Schwarz. 20. ... 21. Sc3xb5 22. Dh5—e2
Läufer
Ld7xb5 Dc7—b6 Sg6—f4
Auf 22. ... a6, 23. Sc3 Db2: folgt am einfachsten 24. Sa4! Db5, 25. D b 5 : f ab5:, 26. Sc3 Ta5, 27. T f b l , und Weiß bekommt den geopferten Bauern mit entscheidendem Positionsvorteil zurück. 23. De2—c4
Nach 23. L f 4 : ef4: stünde das Feld e5 dem Sf7 offen. 23. ... 24. Sb5—c3
a7—a6 Db6—d8
Gegen 25. b4 gerichtet. Auf 24. . . . D b 2 : würde auch hier 25. Sa4! usw. folgen. 25. g2—g3 26. Sf5—h4
g7—g6
Mit 26. gf4: gf5:, 27. ef5: hätte Weiß ohne Gefahr einen Bauern vereinnahmen können. Aber Tarrasch bekundete im allgemeinen wenig Luft, abzuwickeln, solange noch eine Chance bestand, den Gegner welter einzuschnüren. 26. ... 27. b2—b4
Sf4—h5
Dies führt rasch zur entscheidenden Linienöffnung am Damenflügel. 27. ... 28. Dc4—e2
b7—b5 Lf8—e7
„Aller guten (oder schlechten!?) Dinge sind drei!" — Auf 28. ... c4 käme 29. a4. 29. 30. 31. 32. 33. 34.
Sh4—g2 Tal—bl a3—a4 Tblxb4 Le3—d2 Tfl—bl
Sh5—g7 0—0 c5xb4 Dd8—c7 b5xa4
Zumindestens gewinnt Weiß nun einen Bauern. 34. ...
Le7—d8
Mit 34. ... Tfb8 konnte Schwarz länger standhalten, obwohl diese „Opposition" nach 35. T b 8 : t Tb8:, 36. T b 8 : t Db8:, 37. D a 6 : nebst D a 4 : Bauernverlust bedeutet hätte. 35. 36. 37. 38.
Tb4xa4 De2—b5 Ta4—c4 Ld2—e3!
a6—a5 f6—f5 Dc7—e7
Droht Dc6 mit Figurengewinn. 71
38. ... 39. Db5—b7 40. Le3—a7
Sizilianisch
Damit verhindert Weiß das Vertreiben seiner Dame mit Tb8. 40. ... 41. Sc3—b5
Sf7—g5 Sg5—f7
Ein Fehler in hoffnungsloser Stellung. 42. Sb5—c7 Ta8xa7 43. Db7xa7? In Zeitnot übersieht Weiß, daß er mit 43. Se8:! Tb7:, 44. Sf6:f Kh8, 45. Tb7: einen Turm erbeuten konnte statt nur die Qualität. Man macht ja in Zeitnot gewöhnlich solche Flüchtigkeitsfehler. 43. ... De8—d7 44. Da7xa5 44. Tb7 (Sd8, 45. Tb8) hätte schneller gewonnen. 44. ... Sf7—g5 Nun erlangt Schwarz plötzlich noch einen nicht ungefährlichen Gegenangriff. 45. Da5—a4 46. Tbl—b7 47. Da4—a7
Dd7—f7 f5xe4 Lf6—e7
Zum vierten Male zieht der Läufer nach e7, aber diesmal ist eine kleine Falle damit verbunden. 48. Tc4—c3! Weiß fällt nicht herein. Nach 48. Se6? S7e6: würde Schwarz gewinnen, z. B. I. 49. de6: Sf3t, 50. K h l De6:, 51. g4 Dc4: usw. II. 49. Te7: Sf3t, 50. K h l Df5, 51. g4 Dg5, 52. De3 (52. Se3 Dh4), 52. ... De7:, 53. de6: d5 usw. 48. ... Sg5—f3t 49. Tc3xf3! e4xf3 50. Sg2—e3 Df7—f6 51. Sc7—e6 Sg7xe6 52. Tb7xe7 Auf einen Zug des Se6 gewinnt nun 53. Sg4. Deshalb gab Schwarz auf. 72
Partie Nr. 23
De7—e8 Ld8—f6
Lasker, Steinitz' Nachfolger als Weltmeister, war ein ganz anderer Virtuose als Tarrasch. Seine Technik stand zwar ebenfalls in jeder Hinsicht auf der Höhe, aber er gab sich nicht viel Mühe, die Partie besonders tief anzulegen. In der Eröffnung begnügte er sich bald mit einer einigermaßen befriedigenden Stellung; ob er etwas besser oder etwas schlechter stand, machte ihm nicht viel aus. Erst im Mittelspiel, in Komplikationen und Gefahren, erwachte sein Genie. Er wußte dann stets die besten oder zumindest die chancenreichsten Züge zu finden, besonders auch dann, wenn er in Schwierigkeiten geriet. Damit befand er sich im Gegensatz zu allen andern Größen seiner Zeit. Offensichtlich wurde seine Begabung gestützt durch ein ungewöhnlich starkes Nervensystem. Er war ganz und gar Praktikus, mehr als Tarrasch und viel mehr als Steinitz. Was er über die Schachtheorie geschrieben hat, ist sehr vage und hat mehr philosophische als schachtechnische Bedeutung. Man konnte von Lasker nicht viel lernen, man konnte ihn nur bewundern. Die nachfolgende Partie gibt ein prächtiges Bild von seiner Fertigkeit im Behandeln verwickelter Positionen. Weiß: Dr. E. Lasker Schwarz: W. E. Napier (Gespielt in Cambridge Springs 1904) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
e2—e4 Sbl—c3 Sgl—f3 d2—d4 Sf3xd4 Lei—e3 h2—h3 g2-g4
c7—c5 Sb8—c6 g7—g6 c5xd4 Lf8-g7 d7—d6 Sg8—f6
Lasker wählte (ab Schwarzer) gern selbst die Drachenvariante und kannte die Wichtigkeit von d6—d5. Deshalb der Textzug, der vor allem darauf hinausläuft, den Sf6 mit g4—g5 zu vertreiben und so d6—d5 zu erschweren. Eine interessante, aber nicht unbedingt sichere Idee. 8. ... 0—0 Sehr richtig. Nun droht wirklich 9. ... d5 mit günstigem Spiel für Schwarz. Die vorbereitende Rochade ist nötig, denn auf sofort 8. ... d5? würde 9. Lb5! mit Vorteil für Weiß folgen. 9. g4—g5 Sf6—e8 10. h3—h4 Weiß verbindet seine Absichten im Zentrum mit Angriffsdrohungen am Königsflügel, um für den Fall, daß Schwarz doch zu d6—d5 kommt, einen zusätzlichen Trumpf in Händen zu haben. 10. ... Se8—c7 11. f2—f4 Nun will WeiS d5 mit e5 beantworten. 11. ...
e7—e5!
Ausgezeichnet! Schwarz geht zu einem anderen Plan über und kommt damit zu einem guten Gegenspiel im Zentrum. 12. Sd4—e2 Es ist klar, daß sowohl 12. Sc6: als auch 12. fe5: Schwarz nur in die Hand arbeiten würde. 12. ... d6—d5? Geistreich und auch chancenvoll, aber noch immer war dieser Vorstoß nicht angebracht. Das ruhige 12. ... Lg4 hätte Schwarz ein gutes Spiel verschafft. Die nun folgenden ungewöhnlichen Verwicklungen meistert Lasker in seiner besten Form. 13. e4xd5 Nach 13. Sd5:? allerdings würde Schwarz mit 13. ef4:! in Vorteil kommen.
13. ... 14. Sc2xd4!
Sc6—d4!
Beiderseits die besten Züge. Nach 14. Ld4:? ed4:, 15. Sd4: Sd5: hätte Schwarz mehr als genügend Kompensation für den geopferten Bauern. 14. . . .
Sc7xd5!
Wieder ein feiner Zug. Bei 14. ... ed4:?, 15. Ld4: könnte Weiß ziemlich gefahrlos zwei Mehrbauern behaupten. 15. Sd4—f5! Scheinbar gewinnt dies eine Figur. 15. ...
Sd5xc3!
Die letzte direkte Pointe von 12. ... d5. Schwarz behauptet das materielle Gleichgewicht in chancenreicher Stellung. 16. Ddlxd8 17. Sf5—e7f!
Tf8xd8
Nach 17. bc3:? L f 5 : oder nach 17. Sg7: Sd5! stünde Schwarz überlegen. 17. ...
Kg8—h8!
Beide Parteien treffen in dieser Spielphase ständig die besten Züge. Nach 17 Kf8?, 18. Lc5! Se4, 19. La3! würde Weiß im Vorteil sein. Aber nach dem Textzug sieht es so aus, als säße Schwarz am längeren Hebelarm. 18. h4—h5ü Diagramm 32 (nach 18. h4—h5ü)
91A
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* S
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ÜB §§ JJ §§ • ¡Ü HA 11 B H II f u wf'rn B H Iii
!
Im kritischsten Augenblick der Partie spielt Weiß ganz unerwartet diesen 73
Trumpf aus und dreht damit den Spieß um. Schlecht für Weiß wäre statt dessen 18. Sc8:? Sd5! usw. oder 18. bc3:? ef4:, 19. Ld4 Ld4:, 20. cd4: Te8 usw. 18. ... 19. Le3—c5
Td8—e8 g6xh5!
Auf diese Weise behält Schwarz noch immer gute Chancen. 19. ... ef4:, obwohl nicht weniger verwickelt, würde für Weiß viel günstiger sein. Zum Beispiel (19. ... ef4:). I. 20. bc3:? Te7:t'. (aber nicht 20. ... L c 3 : f , 21. Kf2 L a l : , 22. Lc4, und Weiß hat einen unwiderstehlichen Angriff. Die schönste Variante lautet: 22. ... Lc3, 23. L f 7 : Te7:, 24. hg6:! T f 7 : , 25. gf7: Lg7, 26. g6 h6, 27. T h 6 : | Lh6:, 28. L d 4 f Lg7, 29. f8D matt!), 21. Le7: L c 3 : f , 22. K f 2 L a l : , 23. Lc4 L d 4 f , 24. K f 3 Lf5, und Schwarz hat die besseren Aussichten. II. 20. hg6:! fg6:, 21. Lc4! b5, 22. Lf7 Lb7, 23. Th2 Sd5, 24. Le8: Te8:, 25. 0—0—0 mit entscheidendem Vorteil für Weiß. 20. L f l — c 4 ! Nach 20. bc3: Lf8!, 21. Lb5 Te7: usw. hätte Schwarz ausreichenden Gegenwert für die Qualität. 20. ...
e5xf4!
Wieder sehr fein kombiniert. Schwarz behandelt die Partie nicht minder glänzend als sein Gegner. Wenn er zum Schluß doch den kürzeren zieht, liegt dies nur an der Stellung bzw. an seinem 12. Zug. Auf 20. ... Le6? käme Weiß wie folgt in entscheidenden Vorteil: 21. Le6: fe6:, 22. bc3: Lf8!, 23. Ld6! ef4: (oder Le7:, 24. L e 5 : f Kg8, 25. Th5: usw.), 24. L e 5 f Lg7, 25. Lf6! usw. 21. Lc4xf7 Hier hatte Lasker nur noch drei Minuten Bedenkzeit für zehn Züge. Er befand sich 74
also, besonders im Hinblick auf die verwickelte Stellung, in drückender Zeitnot. 21. 22. 23. 24.
... Lf7xe8 Tal—bl Kel—fl
Sc3—e4 Lg7xb2 Lb2—c3t Lc8—g4!
Schwarz hat einen Turm geopfert; aber nun zeigt sich die Pointe seiner letzten Kombination: Lc5 und Le8 sind direkt, T b l und T h l indirekt bedroht. Da Schwarz obendrein noch zwei Bauern mehr hat, scheint die Situation für ihn vorteilhaft zu sein. 25. Le8xh5! Laskers Weitblick für Kombinationen und sein feiner Spürsinn für günstige Abwicklungen lassen ihn den richtigen Weg finden. Weiß gibt den Turm so zurück, daß er definitiv dabei die Führung der Partie übernimmt und bald einen Mehrbauern besitzt. 25. ...
Lg4xh5
Besseres ist nicht vorhanden. 25. . . . Sg3t, 26. Kf2 kommt nach 26. ... Lh5 :, 27. Th5:! usw. auf dasselbe hinaus, während hier 26. ... Sh5:? (statt Lh5:), 27. Th4 Weiß in großen Vorteil bringt. 26. T h l x h 5 ! 27. K f l — g 2 28. T b l x b 7
Se4—g3f Sg3xh5
Die Situation hat sich vollständig verändert. Die Verwicklungen sind vorbei und das materielle Gleichgewicht ist wiederhergestellt; aber alle weißen Figuren stehen viel besser als die von Schwarz. Der Ba7 ist angegriffen, Bf4 sehr schwach. 28. . . . 29. Tb7—b3! 30. Tb3—h3!
a7—a5 Lc3—g7
Mit diesem letzten Zug vor der Zeitkontrolle läßt Weiß auch seinen Angriff auf
der h-Linie wieder aufleben. Der Kampf ist entschieden. 30. ... 31. Kg2—f3!
Sh5—g3
Damit erobert Weiß den Bauern f4, da sowohl 31. ... Le5? als auch 31. ... Tf8? an 32. Sg6f scheitert. 31. 32. 33. 34. 35.
... Kf3xf4 Kf4—f5 a2—a3 Lc5—e3
Ta8—a6 Sg3—e2f Se2—c3 Sc3—a4
Mit der nicht zu parierenden Drohung 36. g6 (bzw. nach 35. ... Lf8, 36. Ld4f Lg7 und nun 37. g6!). Schwarz gab auf.
Partie Nr. 24 Französisch Einer der besten Virtuosen war der Amerikaner Pillsbury. Seine Spezialität war der Königsangriff auf positioneller Basis, und da besonders der Durchbruch und die kombinatorische Öffnung der Zugänge zum Heiligtum der Gegenpartei. Bereits Partie Nr. 19 gab einen Einblick in Pillsburys Talent, wenn er sie auch verlor. Hier nun folgt seine „unsterbliche" Partie. Weiß: H . N. Pillsbury Schwarz: Dr. E. Lasker (Gespielt in Nürnberg 1896) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
e2—e4 d2—d4 Sbl—c3 e4—e5 f2—f4 d4xc5 a2—a3
e7—e6 d7-d5 Sg8—f6 Sf6—d7 c7—c5 Sb8—c6 Sd7xc5
Schärfer als 7
Lc5:.
8. b2—b4 Sc5—d7? Inkonsequent. Richtig war 8. ... d4!, z.B. 9. Sce2 d3!, 10. Sg3 Dd4, mit chancenreichem Spiel, so Lasker. 9. Lfl—d3
a7—a5
Riskant gespielt. Schwarz erobert das Feld c5, verliert aber einige Tempi. 10. b4—b5 Sc6—b8 11. Sgl—f3 Sd7—c5 12. Lei—e3 Sb8—d7 13. 0—0 g7—g6 Verhindert 14. f5. 14. Sc3—e2
Lf8—e7
Schwarz hält die Königsstellung im Zentrum für die sicherste. Der Textzug erschwert jedoch das Zusammenwirken der schwarzen Figuren, und deswegen wäre 14. ... Lg7 nebst 0—0 doch besser gewesen. 15. Ddl—el Sd7—b6 16. Sf3—d4 Lc8—d7 17. Del—f2 Droht 18. Se6: mit Bauerngewinn. 17. ... Sb6—a4 Hier verdiente die Besetzung des Feldes c4 den Vorzug; also 17. ... Dc7 nebst Sca4 und Sbc4. 18. Tal—bl Sonst könnte Sb2 folgen, und der drohende Bauemgewinn ist dann nicht leicht zu parieren. Außerdem hat der Textzug auch im Angriffssinne Bedeutung, wie sich bald zeigt. 18. ... h7—h5 Noch immer in der Meinung, der König sei auf e8 am sichersten aufgehoben. Aber auch hier hätte die Rochade bessere Chancen geboten. Dagegen würde das Spiel auf Bauerngewinn eine Figur kosten: 18. ... Sd3:, 19. cd3: La3:? 20. Tal De7, 21. Sc2 usw. 75
19. b5—b6! Um die doch bereits geringe Bewegungsfreiheit der schwarzen Steine noch mehr einzuschränken. Weiß opfert den Ba3, doch die mit dem Textzug verbundenen Vorteile wiegen schwerer. 19. ...
Sc5xd3
Nach 19. ... Sb6:, 20. Se6:! gewinnt Weiß den Bauern vorteilhaft zurück. 20. c2xd3
Le7xa3
Jetzt ist dies kein Fehler, weil der Sa4 gedeckt steht und 21. T a l also nichts leistet. 21. f4—f5! Ein kleiner Durchbruch als Vorspiel zu einem großen. Erst wird das Feld f4 freigemacht für den Se2. Pillsbury besaß eine unerreichte Technik in der Wahrnehmung von Chancen, die man die „Springkraft der Figuren" nennen könnte. 21. ...
g6xf5
Nach 21. ... ef5:?, 22. Sf4 würde Weiß leicht gewinnen. 22. Se2—f4 Nun liegen verschiedene kombinatorische Wendungen in der Luft; z. B. D f 2 — g 3 — g7, oder 23. Df3 h4, 24. Sf5: ef5:, 25. Sd5: usw. 22. ...
h5—h4
Um 23. Dg3 zu verhindern und 23. Df3 zu entgiften. 23. T b l — a l ! Die Einleitung zu einer ungewöhnlich tiefen Kombination, die zu einem klareren Ergebnis führt als das ebenfalls chancenreiche 23. 5 f 5 : ef5:, 24. Sd5: usw. 23. ...
La3—e7
23. ... Lf8 kommt auf dasselbe hinaus, und 23 De7 scheitert einfach an 24. Sf5: usw. 24. T a l x a 4 ü
76
Sehr fein gespielt. Das Feld e6 soll geschwächt werden. 24. . . . 25. Sd4xe6ü 26. Sf4xe6
Ld7xa4 f7xe6
Diagramm 33 (nach 26. Sf4xe6)
I HP 11 X H i w ¡Ü B 'ü B ü 0 i 11
A•
J J
• • Üä H
m K i i i( S CS
Der große Virtuose des Durchbruchs hat seinen „chef d'oeuvre" geliefert. Schwarz, obwohl mit einem Turm im Vorteil, muß verlieren, was er auch spielt. Dies vorausgesehen zu haben, ist eine glänzende Leistung von Pillsbury. Es sind nur wenige Kombinationen bekannt, die man mit dieser auf eine Stufe stellen könnte. 26. ...
La4—d7
Schwarz sieht ein, daß er die Partie nur „rekken" (hinausziehen), aber nicht retten kann. Nach 26. ... Dc8, 27. D f 5 : ! , womit vor allem 28. Lg5 droht, würde Weiß nämlich noch schneller gewinnen; z. B. I. 27. ... Tg8, 28. D f 7 f Kd7, 29. S c 5 f usw. II. 27. ... Dc6, 28. Lg5! D b 6 : t , 29. d4 Db4, 30. D f 7 f Kd7, 31. Le7: D e 7 : , 32. Sc5f Kd8, 33. S b 7 : f Kd7, 34. e 6 f usw. 27. Se6xd8
Ta8xd8
Schwarz hat nur Turm und Läufer für die Dame. Obendrein ist seine Bauernstellung geschwächt und sein König steht noch immer unsicher. Der Rest ist deshalb leicht.
28. Le3—c5 Td8—c8 29. Lc5xe7 Ke8xe7 30. Df2—e3 Tc8—c6 31. De3—g5f Ke7—(7 32. Tfl—cl Tc6xclf 33. Dg5xcl Th8—c8 34. Del—el h4—h3 Auch das unmittelbare Vorrücken des a-Bauern ist aussichtslos; z.B. 34 . ... a4, 35. Dh4: a3, 36. Dh7f Ke8 (Ke6, Dg7!), 37. Dg6t Kf8 (oder Ke7, 38. D f 6 | Ke8, 39. e6, bzw. 37. ... Kd8, 38. D f 6 t Ke8, 39 e6), 38. Dd6f Ke8, 39. Da3: und Weiß gewinnt. 35. g2xh3 Tc8—g8f 36. Kgl—f2 a5—a4 37. Del—b4 Tg8—g6 38. Kf2—f3 a4—a3 39. Db4xa3 Tg6xb6 40. Da3—c5 Tb6—e6 41. Dc5—c7 Kf7—e7 42. Kf3—f4 b7—b6 43. h3—h4 Te6—c6 44. Dc7—b8 Ld7—e8 45. Kf4xf5 Tc6—h6 46. Db8—c7t Ke7—f8 47. Dc7—d8 b6—b5 48. e5—e6 Th6—h7 49. Kf5—e5 b5—b4 50. Dd8—d6f Schwarz gab auf.
Partie Nr. 2 $ Vierspringerspiel Nachdem das Niveau der Technik anstieg, kamen immer kleinere Merkmale zur Geltung. Man gab dann auch auf relativ unwesentliche Besonderheiten der Stellung acht in der Hoffnung, daraus einmal merkliche Vorteile herausdestillieren zu können. Der erste führende Meister, der
auf dieser Basis praktische Erfolge zu erzielen wußte (durch seinen besonderen Blick für mikroskopische Vorteile, seine unendliche Geduld und nie erlahmende Streitlust) war Maroczy. Dieser kann als der Vorläufer verschiedener anderer Strategen, in erster Linie von Rubinstein, betrachtet werden. Da kleine Ungereimtheiten in lebendigen Stellungen kaum Bedeutung haben, suchte Maroczy seine Technik im Behandeln einfacher Positionen auszunutzen. Besonders auf dem Gebiet der Damenendspiele galt Maroczy bald als erster Experte. Die nachfolgende Partie zeigt eine seiner besten und charakteristischsten Leistungen. Weiß: G. Maroczy Schwarz: F. J. Marshall (Gespielt in Karlsbad 1907) 1. e2—e4 e7—e5 2. Sgl—f3 Sb8—c6 3. Sbl—c3 Sg8—f6 4. Lfl—b5 Sc6—d4 5. Sf3xe5 Lf8—b4 Hier ist gleich 5. ... De7 am besten. 6. Lb5—e2 Dd8—e7 Notwendig, sonst sieht Schwarz seinen Bauern nicht mehr wieder. 7. Se5—d3 Lb4xc3 8. d2xc3 Sd4xe2 9. Ddlxe2 De7xe4 Fast sieht es so aus, als sei die Stellung bereits reif für ein Remis. 10. Lei—e3! Damit hält Weiß den Kampf in Spannung. 10. ... 0—0 Auf 10. ... Dg2:? folgt 11. Ld4f De4, 12. Tgl mit Vorteil für Weiß; z. B. 12. ... De2:f, 13. Ke2: Kf8, 14. Tg7:! Kg7:, 15. Tglf Kf8, 16. Lf6: Tg8, 17. Le7f usw. 77
11. 0—0—0
d7—d6
Diagramm 34 (nach 23. Df2—h4!)
JJ w nf i B m
Jetzt wäre Dg2:? noch bedenklicher als einen Zug zuvor. 12. f2—f3 13. Le3—d4!
Wieder ein Bauernopfer, nicht annehmen darf. 13. ...
H A B HP iü iü i X J j SS J § ins NU B SU in ü nn A & II U jül 11 p B
De4—c4 das
Schwarz
Tf8—e8
Auf 13. ... Da2:? würde Weiß mit 14. Lf6: gf6:, 15. De7 Vorteil erlangen. 14. De2—f2
Lc8—f5
Auch jetzt wäre 14. . . . Da2:? verfehlt wegen 15. Thel!, wonach Schwarz gegen die Drohungen 16. Dg3 oder 16. Lf6: keine befriedigende Abwehr hat. 15. 16. 17. 18.
b2—b3 Ld4xf6 Tdlxd3 Kcl—b2
Dc4—a6 Lf5xd3 g7xf6
Was Weiß erreicht hat, ist sehr wenig. Zwar ist der schwarze Königsflügel aufgerissen, aber es ist nicht zu sehen, wie Weiß daraus Nutzen ziehen könnte. Für einen Königsangriff fehlen ihm vollends die Mittel. 18. ...
Te8—e6
Schwarz droht sich der e-Linie zu bemächtigen, was Weiß nicht zugestehen will. 19. T h l — e l 20. Td3—e3
Ta8—e8 Kg8—f8
Aufs neue bekommt man den Eindruck, daß die Spieler sich ruhig zum Remis entschließen könnten. Aber Maroczy entdeckt noch eine Chance. 21. Te3xe6 22. Telxeö
Te8xe6
Auch das noch! Schwarz wird seinen Doppelbauern los. 22. ... 23. Df2—h4! 78
f7xe6
Nun erst bekommt man einen schwachen Begriff von den weißen Absichten. Die weiße Dame steht aktiver als die schwarze, und der weiße König sicherer als der schwarze. Aber um daraus Kapital zu schlagen, muß man die Geduld eines Engels haben und vor allem — die Technik eines Maroczy! 23. 24. 25. 26.
... Dh4—g4| Dg4—h5f Dh5—e8
Kf8—g7 Kg7—f7 Kf7—g7
Es scheint tatsächlich etwas zu werden. 26. ...
Da6—e2!
Aber hiernach sieht es wieder nach nichts aus, da nun auch die schwarze Dame sehr aktiv steht. 27. De8—e7t 28. De7—f8!
Kg7—g6
Und doch besteht ein Unterschied in der Beweglichkeit der Damen: Weiß kann zwischen Angriff und Verteidigung wählen und dadurch weitgehend den Lauf der Partie bestimmen. Nach 28. D c 7 : Dg2: würde Schwarz bald das erreichen, was in dieser Art Endspiele am wichtigsten ist und den Verlust selbst mehrerer Bauern kompensieren kann: einen Feibauern mit langen Beinen!
28. ...
29. 30. 31. 32.
Df8—g8f Dg8—f8f Df8—g8f h2—h4!
e6—e5 Kg6—h6 Kh6—g6 Kg6—h6
Nach einer Zugwiederholung, um Bedenkzeit zu sparen, folgt jetzt ein sehr feines Manöver, mit dem Weiß seine Stellung verstärkt. 32. ... De2—f2 33. Dg8—f8f Kh6—g6 34. h4—h5f! Kg6xh5 35. Df8—g7! Dies war die Pointe von 32. h4!. Der Bh7 muß fallen und dann bedeutet der indirekte Tausch der beiden h-Bauern einen neuen kleinen Vorteil für Weiß. Warum, zeigt sich gleich. 35. ... Df2—d2 Auch 35. ... f5, 36. Dh7:f Kg5, 37. Dg7f ist günstig für Weiß. Maroczy gibt die folgenden Varianten: I. 37. ... Kh5, 38. g4f fg4:, 39. fg4:f Kh4, 40. g5 e4, 41. g6 e3, 42. Dh7f Kg3, 43. g7 und gewinnt. II. 37. ... Kf4, 38. Dh6t Kg3, 39. Dg5t Kh2, 40. g4 fg4:, 41. fg4: e4, 42. Dh6f! Kg2, 43. g5 e3 (oder 43. ... Df4, 44. Df6 Df6:, 45. gf6: e3, 46. f7 e2, 47. f8D elD, 48. Dg7f, und Weiß gewinnt zwei Bauern), 44. g6 e2, 45. Dg5f! Kfl!, 46. g7 elD, 47. g8D, und Schwarz kann Bauernverlust nicht vermeiden; z.B. 47. ... Dee2, 48. D c l t Deel, 49. Dc4f usw. 36. Dg7xh7t 37. g 2 - g 4 f 38. Dh7xc7
Dd2—h6 Kh5—g5
Jetzt hat Weiß unter günstigen Umständen (die h-Bauern fehlen) materiellen Vorteil erreicht. Aber der Gewinn ist noch schwierig genug. 38. ... 39. Dc7xb7
Kg5-f4 Dh6—hl
40. Db7—b4|! 41. Db4xd6 42. c3—c4!
Kf4xf3 Kf3xg4
Die Gewinnführung stützt sich auf das schnelle Vorrücken dieses Bauern. Nach 42. Df6: Dd5! (43. c4 Dd4f!) wäre der Gewinn viel schwieriger, vielleicht sogar unmöglich. 42. ... e5—e4 43. c4—c5 f6—f5 Schwarz sieht sich genötigt, ein wesentliches Tempo zu verlieren, und dadurch kommt Weiß dem Umwandlungsziel seines Freibauern ein Stückchen näher. Nach 43. ... e3, 44. Dd4f würde der Be3 verlorengehen, da 44. ... Kf3? an 45. Dd5t mit Damengewinn scheitert. 44. c5—c6 Dhl—h8f Maroczy führt aus, daß auch dieser Zwischenzug notwendig ist, weil sofort 44. ... e3 wie folgt widerlegt wird: 45. Dd4f De4, 46. De4:f! fe4:, 47. c7 e2, 48. c8Dt Kf3, 49. Df8f Kg2, 50. Db4 Kf2, 51. De4: usw. 45. c2—c3 e4—e3 46. Dd6—g6f! Treibt den schwarzen König nach f4, wodurch ein eventuelles Dh8—h2fxc7 ausgeschaltet wird. Wenn nämlich z. B. 46. c7 e2, 47. De6? (Dg6f!) 47. ... elD, 48. Del: geschieht, so 48. ... Dh2f nebst Dc7: und wahrscheinlichem Remis. 46. ... Kg4—f4 47. c6—c7 e3—e2 48. Dg6—e6 Kf4—f3 Das einzige, denn 48. ... elD leistet sich jetzt mehr, und 48. ... Dh2? scheitert an 49. Dd6f. 49. Dg6xf5t Kf3—g2 50. Df5—g4f Kg2—f2 51. Dg4—f4f Kf2—g2 52. Df4—e3! Kg2—fl 53. De3—f3f Kfl—el 79
Nachdem Schwarz genötigt war, seinen eigenen Freibauern zu blockieren, rückt der Gewinn für Weiß in greifbare Nähe. 54. Df3—f4 Das Stellungsproblem ist bereits auf verschiedene Arten zu lösen. Maroczy gibt an, daß nachstehende Fortsetzung einfacher gewesen wäre: 54. Df5 Kd2, 55. D d 7 f ! Ke3, 56. c8D D c 8 : , 57. D c 8 : e l D , 58. D e 8 f Kf2, 59. D e l : f usw. 54. ... 55. Df4—d6 56. Dd6—d8
Dh8—c8 Kel—f2 e2—elD
Um noch ein paar .Racheschachs" anzubringen. Auf 56. ... Dd8:, 57. cd8:D e l D entscheidet 58. D h 4 f ; und 56. ... Dc7:, 57. D c 7 : e l D , 58. D a 7 : f ist natürlich ebenfalls für Schwarz aussichtslos. 57. Dd8xc8 58. Kb2—a3
Del—d2f Dd2—elf
59. Ka3—a4
Del—f4f
60. c3—c4 Schwarz gab auf.
Partie Nr. 26
Selbst Capablanca, damals der neue Star, war nicht frei davon. Als Beweis hierfür folgen zwei Partien (Nr. 26 und 27), aber ohne Kommentar. Weiß: C. Schlechter Schwarz: R . Teichmann (Gespielt in San Sebastian 1911) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.
e2—e4 d2—d4 Sbl—c3 e4xd5 Lei—g5 Lfl—d3 Sgl—e2 0—0 Ddlxd3 Se2—g3 Lg5—d2 Sc3—e2 Ld2—f4 Se2xf4 Dd3—d2 T f l — el f2—f3 Talxel Telxe8f Remis.
e7—e6 d7—d5 Sg8—f6 e6xd5 Lf8—e7 Sb8—c6 Sc6—b4 Sb4xd3 0—0 h7—h6 c7—c6 Le7—d6 Ld6xf4 Dd8—d6 Lc8—d7 Tf8—e8 Te8xelt Ta8—e8 Ld7xe8
Französische Verteidigung In den letzten Jahren vor 1914 näherte sich die Technik immer mehr der Routine. Die Virtuosität im Positionsspiel erreichte ihren Höhepunkt. Ein Gefühl, alles zu wissen und alles zu kennen, schien die führenden Meister zu beherrschen, ihre Kampflust zu hemmen, ihren Stil zu verflachen und zu standardisieren. Sie spielten wohl enorm stark, diese Großmeister (wie man sie damals nannte, denn diesen offiziellen Titel gab es noch nicht), aber sie machten unter sich viele Partien Remis, und dann teilweise auch noch ohne irgendwelchen Ehrgeiz zu zeigen. 80
Partie Nr. 27 Damengambit (Siehe die Vorbemerkung zur Partie Nr. 26) Weiß: J . R . Capablanca Schwarz: O. Duras (Gespielt in San Sebastian 1911) 1. 2. 3. 4.
d2—d4 Sgl—f3 e2—e3 c2—c4
d7—d5 Sg8—f6 e7—e6 Lf8—e7
5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.
Sbl—c3 b2—b3 d4xc5 Lei—b2 Lfl—e2 Le2xc4 Lc4—e2 Talxdl 0—0 Sf3—g5 Tdl—cl Tfl—dl Le2—f3 Sg5xf3 Tdlxd8 Kgl—fl Kfl—e2 a2—a4 Sc3xa4 Lb2xcl
a7—a6 c7—c5 Le7xc5 Sb8—c6 d5xc4 b7—b5 Dd8xdlt Lc8—b7 Ke8—e7 Sc6—a7 Ta8—c8 h7—h6 Lb7xf3 Th8—d8 Tc8xd8 Lc5—d6 Td8—c8 b5xa4 Tc8xcl Sf6—e4
25. 26. 27. 28. 29.
Sf3—d2 Lclxd2 h2—h3 Ke2—d3 f2—f4 Remis.
Se4xd2 Ke7—d7 Kd7—c6 Sa7—b5 e6—e5 *
Wir wollen aber nicht den Eindruck erwecken, daß diese Standardremisen für die Vertreter dieser Generation kennzeichnend sein sollen. Auch die Virtuosen jener Zeit haben viele glänzende Partien geliefert, mit denen man mühelos ein Buch füllen könnte. Wie aber bereits früher schon ausgeführt, geht es in diesem Buch nicht um die individuellen Leistungen, sondern um die charakteristischen Eigentümlichkeiten einer Schule oder Richtung.
Abschnitt VII Selbständig denken Zwischen den Kriegen: 1919—1940 Der folgende Zeitabschnitt in der Schachgeschichte ist durch die zwei großen Weltkriege gekennzeichnet. Sozusagen „zwischen den Kriegen* entstand eine neue Richtung, die man die „hypermoderne" oder wohl auch „neuromantische" nannte; Bezeichnungen, die heute kaum noch bekannt sind. Es ist aber gut und lehrreich, die neue Denkweise bis zu ihrer Geburtsstunde zurückzuverfolgen. Als nach dem Kriege 1914—1918 das internationale Schachleben wieder langsam in Gang kam, traten einige Meister in den Vordergrund, deren Stil wesentliche Unterschiede zur Spielauffassung 6 Euwe, Feldherrnkunst
der vorhergehenden Generation aufwies: Aljechin, Bogoljubow, Breyer, Nimzowitsch und Réti. Aber war es wirklich ein neues „Evangelium", das diese Meister uns verkündeten? Wir dürfen jetzt diese Frage stellen, denn der Sturm, dein die „neue" Schachbewegung hervorgerufen hat, ist längst vorbei, und man kann also die Sache in aller Ruhe und Objektivität betrachten. Die größten Pädagogen auf dem Schachgebiet, gerechnet von etwa 1870 bis etwa 50 Jahre später, waren Steinitz und Tarrasch. Steinitz starb 1900, und Tarrasch wurde gewissermaßen sein Nachfolger. Schon im vorigen Abschnitt wurde darauf hingewiesen, daß die Lehren von Steinitz und Tarrasch sich mehr den Erfordernissen 81
der Praxis anpaßten. Für viele belangreiche Details wurden einprägsame, leicht verständliche Regeln geschaffen, wie zum Beispiel: „Entwickle erst die Springer, und danach die Läufer"; „Der Läufer ist stärker als der Springer"; „Ziehe nicht zweimal mit der gleichen Figur in der Eröffnung", und so fort. Dergleichen Winke, von einem Meister gegeben, der in internationalen Wettbewerben glänzende Erfolge hatte und außerdem seine Lehrsätze mit überzeugenden Beispielen zu untermauern verstand, wurden mit der Zeit Axiome f ü r die Schachwelt. U n d das ging zu weit! Die Dogmatik begann den gesunden Verstand zu verdrängen, die Intuition drohte in den Hintergrund zu treten. Unter diesen Umständen konnte Kritik am Stil der Zeit nicht ausbleiben. Aber da brach der erste Weltkrieg aus, und das internationale Schachleben kam f ü r rund fünf Jahre praktisch zum Erliegen. Es gab keine Gelegenheit zu einer ruhigen Entwicklung. So erklärt sich der besondere Effekt, den die verschiedenen strategischen Neuheiten der jungen Meister nach 1918 erzielten. All das Neue wirkte revolutionär, wurde mit Begeisterung begrüßt, jedoch in seiner Bedeutung sicherlich überschätzt. Doch war es eine schöne und interessante Zeit; sie hat in Ritis Buch „Die neuen Ideen im Schachspiel" ihren Niederschlag gefunden. Aber worin bestand nun eigentlich das Neue? Von historischem Abstand aus betrachtet vollzog sich eine plötzliche Überrumpelung des alten Dogmas durch die moderne Sachlichkeit. Die Dame soll nicht so früh ins Spiel gebracht werden? Die Zentrumsbauern müssen so früh als möglich vorrücken? Eine Figur soll in der Eröffnung nicht zweimal ziehen? H a h a ! Und die Neuromantiker demonstrierten, daß dies alles wohl eine gesunde Grund82
lage hat und sogar Vorteil bringen kann, wenn die Umstände es erfordern oder wenigstens zulassen. Dabei zeigte sich jedoch, daß derartige Gelegenheiten nicht so allgemein und häufig sind, wie man ursprünglich annahm. Die alten Regeln wurden damit zwar nicht widerlegt, jedoch auf ihren wahren Wert zurückgeführt; man hatte sie früher zu gedankenlos angewandt. Fort mit dem sturen Ziehen! Die modernen Meister gingen jeder Stellung mit größter Objektivität zuleibe und fanden speziell im Partieaufbau viele Möglichkeiten, das Alte mit Erfolg durch weniger konventionelle, dafür aber mehr zielstrebige Züge und Manöver zu ersetzen. Hieraus ist dann eine ganze Anzahl neuer Eröffnungssysteme und Varianten hervorgegangen. Am wichtigsten sind dabei die modernen Auffassungen über die richtige Zentrumsstrategie. Wir können an zwei fundamentalen Beispielen sehen, daß es weniger auf die Breite als auf die Festigkeit des Zentrums ankommt, und daß das Vorrücken der kostbaren Mittelbauern oftmals zurückgestellt werden kann; vorausgesetzt, daß die Gegenpartei inzwischen nicht etwa selbst ein starkes Zentrum aufbauen kann. Lassen Sie uns aber noch bemerken, daß es auch vor 1914 schon Meister gab, die die allzu bequemen Auffassungen von damals nicht teilten. Capablanca, Lasker, Nimzowitsch und Rubinstein müssen in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben werden, wobei allein Nimzowitsch bereits soweit ging, die Lehren von Tarrasch öffentlich zu kritisieren. Es folgen zunächst zwei Partieanfänge, die den Begriff „moderne Spielauffassung" besser erkennen lassen. Die Partie Bernstein—Nimzowitsch (St. Petersburg 1914) begann wie folgt: 1. d4
Sf6, 2. Sf3 e6, 3. c4 b6, 4. Sc3 Lb7, 5. e3 Lb4. Es mutete damals seltsam an, daß Schwarz nach 5 Zügen noch keinen Bauern im Zentrum zu stehen hatte und nun mit 5. ... Lb4 sogar die Möglichkeit andeutete, seinen Königsläufer gegen den unschuldigen weißen Damenspringer zu tauschen. Und doch erhielt Schwarz auf diese Weise ein befriedigendes Spiel. Es geht um die Beherrschung des wichtigen Zentralfeldes e4. Gegenwärtig ist dieses System („Damenindische Verteidigung") ganz gebräuchlich. Die Eröffnung der Partie Rubinstein— Aljechin (ebenfalls St. Petersburg 1914) verlief so: 1. d4 Sf6, 2. c4 e6, 3. Sc3 Lb4, 4. e3 b6, 5. Ld3 Lb7, 6. f3 c5, 7. a3 Lc3:t, 8. bc3: d5. Tarrasch fand sich mit dieser Eröffnung nicht zurecht, wie seine Anmerkungen im Turnierbuch beweisen. Zu 2. ... e6 bemerkte er, daß dieser Zug kaum eine andere Bedeutung haben könnte, als Weiß aus dem Konzept zu bringen. Er erkannte nicht, daß Schwarz so schnell als möglich einen Druck auf das Zentrumsfeld e4 ausüben wollte; selbst unter Tausch des Lb4 gegen den Sc3. Aus denselben Gründen kritisierte er auch die Züge 6. f3 und 8. ... d5. Nach unseren heutigen Erkenntnissen bewiesen hier jedoch beide Spieler ein feines Gefühl für die Erfordernisse der Stellung. Es handelt sich hier um eine der wichtigsten Varianten der heute sehr populären Nimzotitsch-Indischen Vertidigung. In einer Beratungspartie (Zürich 1921) überraschte Aljechin seine Gegner nach 1. e4 mit der Antwort 1. ... Sf6. Kann dieser Zug gut sein? Nach alter Auffassung entschieden nicht, da Weiß nun mit 2. e5 Sd5, 3. c4 Sb6, 4. d4 d6, 5. f4 ein mächtiges Zentrum bilden kann. Hinzu kommt noch, daß nach altem Reglement ein weißer Springer auf b3 (bzw. schwar6*
zer auf b6) immer schlecht stehen soll. Und dabei gilt heute gerade diese Fortsetzung als Hauptvariante der AljechinVerteidigung! Der Grund: das breite weiße Zentrum ist zwar imponierend, aber nicht unbedingt ein Vorteil, da es leicht angreifbar ist. Die Partie Aljechin—Wolf, Pistyan 1922, begann wie folgt: 1. d4 d5, 2. Sf3 c5, 3. c4 cd4:, 4. cd5: Sf6, 5. Sd4: a6, 6. e4 Se4:, 7. Da4f Ld7, 8. Db3 Sc5, 9. De3 g6, 10. Sf3 Dc7, 11. Dc3 mit überlegenem Spiel von Weiß, obwohl dieser von elf Zügen vier mit seiner Dame, drei mit dem Königsspringer und vier mit den Bauern verbraucht hat; nach alten Auffassungen über die Ökonomie der Entwicklung etwas Schreckliches . . . ! Tarrasch würde niemals imstande gewesen sein, auf solche Art Vorteil zu erlangen. Für die modernen Meister jedoch gibt es in dieser Hinsidit keine Tabus; denn der hervorstechendste Zug des Modernismus ist das selbständige Denken, besonders was die Auslegung und Anwendung positioneller Regeln anbetrifft. Fast ganz von selbst bringt diese Einstellung neue Begeisterung für die Kombination mit sich. Es folgen noch einige ausführlicher besprochene Beispiele.
Partie Nr. 28 Französische Verteidigung Capablanca als Vorläufer der modernen Meister. Wir sehen hier, wie Réti zum ersten Male auf den Unterschied zwischen dogmatischem und zielbewußtem Spiel aufmerksam wird. Weiß: Fähndr idi und Dr. Kaufmann Schwarz: Capablanca und Réti (Gespielt in Wien 1914) 83
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.
e2—e4 d2—d4 Sbl—c3 e4xd5 Lfl—d3 d4xc5 Lei—g5 Sgl—f3 0—0 Sc3—e2 Lg5—h4 Se2—c3 Ld3—e2 Ddlxe2
e7—e6 d7-d5 Sg8—f6 e6xd5 c7—c5 Lf8xc5 Lc8—e6 Sb8—c6 0—0 h7—h6 Le6—g4 Sc6—d4 Sd4xe2f
Diagramm 35 (nach 14. Ddlxe2)
I m ü n*> * IMA§ü ¡üfAüi fü 11 % A
• • mm• •
?•
AB WHAÖ s m lisi! Réti bemerkte seinerzeit hierzu: „Hiermit war eine Stellung erreicht, in der man die Möglichkeit hatte, eine bisher unentwikkelte Figur zu entwickeln, und zwar sogar mit Angriff (14 Te8). Nach den Prinzipien der damals geltenden Schachtechnik, in der ich aufgewachsen war, die für offene Positionen noch fast völlig mit Morphys Ideen übereinstimmte, hätte jeder Meister, ohne sich zu bedenken, hier diesen Zug gewählt. Zu meinem großen Erstaunen wollte Capablanca aber diesen Zug, den ich für selbstverständlich hielt, überhaupt nicht in Betracht ziehen. Und er fand schließlich folgendes Manöver, durch welches er mindestens eine Verschlechterung der weißen Bauern84
stellung und dadurch in weiterer Folge den Sieg erzwang." 14. 15. 16. 17.
... De2—d3 Dd3xc3 Dc3—d4
18. Sf3—e5
Lc5—d4 Ld4xc3 Sf6—e4 g7—g5 Lg4—f5
mit Vorteil für Schwarz. Réti fügte hinzu: „Mit dieser Partie begann für mich eine Umwälzung meiner Uberzeugung von der absoluten Richtigkeit des alten Prinzips, daß man zumindest in der Eröffnung mit jedem Zuge eine neue Figur entwickeln müsse. Ich studierte Capablancas Partien und erkannte, daß er im Gegensatz zu allen anderen damaligen Meistern dieses Prinzip längst nicht mehr befolgte." Wir müssen dem aber hinzufügen, daß wir mit der Beurteilung dieser Partie durdi Réti und andere Meister nicht ohne weiteres einverstanden sind; denn es ist uns nicht klar, weshalb das Manöver 14. ... Ld4 usw. Schwarz in Vorteil bringen soll. In der Partie folgte weiter 19. f3 gh4:, 20. fe4: Le4: in der Tat mit Vorteil für Schwarz, da 21. Sg4 wegen 21. ... f5 nichts leistet. Aber 19. f3? war ein schwacher Zug, statt dessen einfach 19. Lg3 geschehen mußte. Capablanca gibt darauf folgende Variante: 19. ... Sg3:, 20. fg3: Le2:, 21. Sg4 f5, 22. Se3 Le4, 23. Tadl Db6, 24. Sd5: Ld5:, 25. Db6: ab6:, 26. Td5: Ta2:, und Schwarz hat einen — wenn auch ziemlich wertlosen — Bauern gewonnen. Doch Weiß kann dieses Abspiel stärker behandeln. Zum ersten mit 23. Tfdl (statt Tadl), womit Weiß d5 erobert, ohne a2 zu verlieren. Zum anderen mit 20. hg3:! (an Stelle fg3:); in diesem Falle behält Weiß sogar das Heft in der Hand,
denn 20. ... Lc2: wäre nun wegen 21. Sg4 f5, 22. Se3 Le4, 23. f3 f4, 24. gf4: usw. ungünstig für Schwarz. Bei anderen Fortsetzungen aber (z.B. 20. ... f6 statt Lc2:) hat Schwarz kleine Schwierigkeiten mit seiner geschwächten Bauernstellung zu überwinden. Schwarz kann es auch auf eine andere Art versuchen, nämlich nach 19. Lg3! mit 19. ... h5, drohend h4, was sehr stark aussieht. Doch Weiß verfügt über eine witzige Parade: 20. Sd3 h4, 21. Le5 f6, 22. Lc7ü, und der Läufer kommt in Sicherheit, da 22. ... De7: nach 23. D d 5 : | nebst Df5 : einen Bauern kosten würde. Diese Untersuchung läßt uns Capablancas Manöver in einem anderen Licht erscheinen. Der Kubaner hat damit interessante Verwicklungen hervorgerufen; aber die Schlußfolgerung, daß der „moderne" Zug 14. ... Ld4 stärker war als der »altmodische* Zug 14. ... Te8 (wie es Réti vorkam), geht zu weit. Es ist jedoch an sich stets verdienstlich, wenn man die Gegenpartei auf überraschende Weise vor Probleme zu stellen vermag.
Partie Nr. 29 Réti-System Réti war der große Anführer der Meister der Zwischen-Kriegsepoche. Er hatte einen besonders scharfen Blick für die Begebenheiten auf dem Brett, sowohl was die Regelmäßigkeit der Züge als auch ihre Ausnahmen anbetraf. Réti ist der Schöpfer verschiedener moderner Aufbausysteme, die er in die Struktur der neuen Denkweise einbaute. Als Stratege war er sehr begabt; weniger als Taktiker.
Weiß: R. Réti Schwarz: Dr. Th. Gruber (Gespielt in Wien 1923) 1. Sgl—f3 Ein alter Zug mit neuen Zielen. Bereits Zukertort pflegte so zu eröffnen, aber er ließ dann stets 2. d4 folgen. Die Zukertort-Eröffnung war also lediglich ein Damenbauernspiel mit Zugumstellung. Réti zog aber 1. Sf3 mit dem Hauptziel, zwei Zentrumsfelder zu beherrschen (d4— e5), ohne die Besetzung dieser Felder mit Bauern baldigst zu verwirklichen. Dieses Ziel läßt sich nicht mit Zügen wie 1. Sc3, 1. b3 oder 1. g3 erreichen, weil Schwarz dann mit 1. ... e5 bequem zu einer befriedigenden Zentrumsbildung kommt. 1. ... Sg8—f6 Schwarz verfolgt die gleiche Taktik. Auf 1. ... d5 spielte Réti nicht, wie es z.B. Zukertort tat, 2. d4 (Besetzung des Zentrums), sondern 2. c4 (Unterminierung des gegnerischen Zentrums). 2. c2—c4 Nun kann Schwarz weder 2. ... e5 noch 2. ... d5 spielen; letzteres wäre zwar möglich, aber dann kommt Weiß mit 3. cd5: in Vorteil, da er zwei Mittelbauern hat und Schwarz nur einen. 2. ... d7—d6 Schwarz muß trachten, e5 oder d5 so schnell als möglich durchzusetzen, da sonst die Gefahr besteht, daß Weiß plötzlich doch mit seinen Zentrumsbauern vorrückt und sich so ein großes Plus in der zentralen Zone verschafft. Der Textzug soll e5 vorbereiten. Sicherer ist aber die Zentrumsbildung mit d5, eingeleitet durch c6 oder e6. Hingegen ist die symmetrische Form 2. ... c5 usw. zu riskant, da Schwarz damit rechnen muß, von der Symmetrie bald mit Nachteil abweichen zu müssen. 85
3. g2—g3 Die Flankenentwicklung eines (oder auch beider) Läufer ist eine natürliche Folge der Zurückhaltung der Zentrumsbauern. 3. ... Lc8—f5 4. Lfl—g2 c7—c6 Verkürzt die Diagonale des Lg2 und sichert zugleich vorbeugend den Bauern b 7. 5. b2—b3 Dd8—c8 Ein bekanntes Manöver: Schwarz will den weißen Königsläufer mit Lf5—h3 zum Tausch zwingen, wonach der Zug g2—g3 sich als eine Schwächung des weißen Königsflügels erweisen würde. 6. h2—h3 Pariert die Drohung. Zwar ist nun die weiße Rochade vorerst unmöglich, aber das hat in dieser geschlossenen Stellung keine Bedenken. 6. ... e7—e5 7. Lei—b2 Sb8—a6 Schwarz verzichtet auf Sbd7, um Weiß keine Gelegenheit zur Rochade zu geben. 8. Sbl—c3 h7—h6 Das ist nicht konsequent. Schwarz bereitet Lh7 vor, weicht aber damit von seinem ursprünglichen Plan (Erschwerung der weißen Rochade) ab. 9. d2—d3 Lf8—e7 10. Ddl—d2 Sa6—c7 XI. Sc3—dl 0—0 12. Sdl—e3 Lf5—h7 Konsequent war Le6 (siehe die vorige Anmerkung). Die bald folgende Besetzung dieses Feldes mit dem Springer hat wenig Wert. 13. 0—0 Weiß nimmt natürlich die Gelegenheit sofort wahr. 13. ... Sf6—d7 Zur Vorbereitung von f7—f5, was jedoch keine Vorteile bietet. 86
14. Sf3—h2! Wenn zwei dasselbe t u n . . . Weiß will f2—f4 spielen, was entschieden mehr Effekt hat als f7—f5 von Schwarz, weil der Zug zugleich einen Angriff auf das schwarze Zentrum bedeutet. In dieser Partie kommt die umzingelnde Wirkung der modernen Zentrumsstrategie sehr gut zum Ausdruck. Die Bauern auf c4 und f4 wirken wie eine Zange. 14. ... Sc7—e6 15. f2—f4 e5xf4 Hiermit konnte Schwarz noch warten. Den Vorzug verdiente jedenfalls sofort f7—f5. 16. g3xf4 Diagramm 36 (nach 16. g3xf4)
Weiß stand schon an sich sehr gut, aber durch den letzten schwarzen Zug hat er noch drei wesentliche Vorteile dazu bekommen: das numerische Obergewicht im Zentrum, die freie Diagonale b2—g7 und die offene g-Linie. Man beachte ferner, daß die weißen Läufer alle vier Zentrumsfelder beherrschen. Das ist einer der Vorteile, die die Flankenstrategie bieten kann. 16. ... f7—f5 Jetzt so gut wie erzwungen, da f4—f5 nicht zugelassen werden darf. 17. Kgl—hl Sd7—f6 18. Tfl— gl!
Um den Bauern f4 braucht Weiß sich nicht zu kümmern. Die Folgen von 18. ... Sf4: könnten sein: 19. Sd5! S4d5: (oder cd5:, 20. Df4: dc4:, 21. Ld5f Kh8, 22. Dg3 g5, 23. bc4: mit überlegenem Spiel für Weiß), 20. cd5: c5 (Sd5:f Ld5:f nebst Tg7:t), 21. Lf3 Kh8 (es drohte Dh6:), 22. Tg2 Tf7, 23. Tagl Lf8, 24. Sfl nebst Sg3 und Sh5 mit siegreichem Angriff. 18. ...
Sf6—h5
Droht Sg3+ und greift obendrein f4 nochmals an. Offenbar hofft Schwarz, jetzt diesen Bauern unter günstigeren Umständen zu bekommen. Jedoch vergrößert der Textzug die Aktivität des Lb2. 19. Lg2—£3 Sh5xf4 20. Se3—d5! Derselbe hübsche Springerzug wie in der Anmerkung zum 18. Zuge von Weiß angegeben. 20
Sf4xd5
Hiernach gewinnt Weiß forciert; aber auf 20. ... cd5:, 21. cd5: erobert Weiß die Figur mit ausgezeichneten Angriffschancen zurück. 21. c4xd5 Le7—g5 Schwarz ist verloren. Auf 21. ... cd5: gewinnt Weiß mit 22. Ld5: Lf6, 23. De3 usw. 22. d5xe6! Gewinnt eine Figur, da 22. ... Ld2: an 23. Tg7:f Kh8, 24. Tg6f nebst Matt in zwei Zügen scheitert. Es folgte noch: 22. ... 23. Dd2—c3 24. Dc3—d2 25. Tgl—g2 26. Tal—gl 27. d3—d4 28. d4—d5 Schwarz gab auf.
Dc8xe6 Lg5—f6 Kg8—h8 Tf8—f7 Lf6—e5 Le5—f6
Partie Nr. 30 Königsfianchetto Aljechin, der bedeutendste Meister jener Epoche, glänzte durch raffiniertes Positionsspiel mit starker Angriffstendenz und besaß außerdem ein seltenes Talent für die Kombination. Die nachfolgende Partie gehört nach seiner eigenen Aussage zu den zwei brillantesten, die er je gespielt hat. Weiß: R. Réti Schwarz: Dr. A. Aljechin (Gespielt zu Baden-Baden 1925) 1. g2—g3 2. Sgl—f3
e7—e5
Réti liebte Experimente in der Eröffnung. Hier sucht er mit vertauschten Farben und einem Tempo mehr zur AljechinVerteidigung (1. e4 Sf6) zu kommen. Indessen bedeutet in dieser Hinsicht der „gewonnene" Zug g2—g3 eher eine Schwächung als eine Verstärkung. 2. ... 3. Sf3—d4
e5—e4 d7—d5
Wenn Aljechin in der Eröffnung seiner Sache nicht absolut sicher war, pflegte er die größte Sorgfalt an den Tag zu legen, damit sein Gegner nicht etwa die Zügel (der Partie) in die Hand nehmen konnte. Deshalb vermeidet er hier 3. ... c5, 4. Sb3 c4, 5. Sd4 Lc5, eine Fortsetzung, die er allerdings später selbst als günstig für Schwarz empfohlen hat. 4. d2—d3 5. Ddlxd3 6. Lfl—g2
e4xd3 Sg8—f6 Lf8—b4t
Um schnell zur Rochade zu kommen. Hinterher hat Aljechin jedoch den Textzug abgelehnt, weil nach dem folgenden Läufertausch kleine schwarzfeldrige 87
Schwächen im schwarzen Lager entstehen. Aus der Partiefolge geht jedoch nicht hervor, daß der Läuferzug nachteilig ist. 7. Lei—d2 Nach 7. c3 Le7 hätte Weiß praktisch nur ein Tempo verloren, da er um den Vorstoß c3—c4 doch nicht herumkommt. 7. ... Lb4xd2f 8. Sblxd2 0—0 9. c2—c4 Zur Vorbereitung einer Aktion am Damenflügel. Nachdem die Bauern c2 undd5 verschwunden sind, hat Weiß die halboffene c-Linie als Operationsbasis und vergrößert zugleich die Wirksamkeit des Lg2. 9. ... Sb8—a6 Am besten. Auf 9. ... c5 wäre 10. S4b3 mit Angriff auf c5 und d5 sehr lästig für Schwarz. 10. c4xd5 Sa6—b4 11. Dd3—c4 Sb4xd5 12. Sd2—b3 c7—c6 13. 0—0 Tf8—e8 14. Tfl—dl Lc8—g4 15. Tdl—d2 15. h3 wäre hier nur ein Tempoverlust, da Schwarz dann zu dem Manöver Lg4— h5—g6—e4 übergeht. 15. ... Dd8—c8 16. Sb3—c5 Weiß hat folgerichtig gespielt und übt nun Druck am Damenflügel aus. Ein weiterer Teil seines Planes ist der Durchbruch b2—b4—b5. 16. .... Lg4—h3! Von hier ab beginnt Schwarz mit kombinatorischen Mitteln zu arbeiten. Zunächst jedoch begnügt er sich mit der Erhaltung des positionellen Gleichgewichts. Der Textzug bedeutet ein Bauernopfer, dessen Annahme für Weiß aber nicht empfohlen werden kann. 88
17. Lg2—f3 Und nicht 17. Lh3:? Dh3:, 18. Sb7:? wegen Sg4, 19. Sf3 Sde3!, 20. fe3: Se3:, 21. Df7:f Kh8, 22. Sh4 Tf8, mit Matt oder Dameverlust. Eine hübsche Wendung! 17. ... Lh3—g4! 18. Lf3—g2 Lg4—h3! 19. Lg2—f3 Lh3—g4! 20. Lf3—hl Nach einigem Zögern riskiert Weiß doch diese minder günstige Läuferstellung. Er meint auf Gewinn spielen zu müssen und hat dazu praktisch keine andere Möglichkeit. 20. ... h7—h5! Aljechin hat gut erkannt, daß er das Gleichgewicht der Stellung nur mit den schärfsten Mitteln behaupten kann. Mit dem Textzug sucht Schwarz sich Angriffschancen am Königsflügel zu verschaffen. 21. b2—b4 a7—a6 22. Tal—cl h5—h4 23. a2—a4 h4xg3 24. h2xg3 Schwarz hat nun eine Schwächung des Bauern g3 erreicht, und diesen Umstand nutzt er in der Folge auf grandiose Weise aus. 24. ... Dc8—c7 25. b4—b5? Konsequent, aber ungünstig. Weiß müßte statt dessen seinen Angriff am Damenflügel abblasen und an die eigene Sicherheit denken. Nach 25. e4! Sb6, 26. Db3 Sbd7! wären die Spiele immer noch ungefähr gleich gestanden. 25. ... a6xb5 26. a4xb5 Te8—e3ü Ein glänzender Zug, der zwar ziemlich auf der Hand liegt, dennoch aber außergewöhnlich tief berechnet ist. Schwarz
V\•
Diagramm 37 (nach 26. ... Te8—e3ü) I
HP
m
A S ¡¡¡W B um
im.
1! ü§
B f i B
§1 B P E Jl
H droht mit 27. ... Tg3:-j"! zu gewinnen; z. B. 28. fg3: Dg3:t, 29. Lg2 Se3 usw. 27. Sd4—f3? Dies führt zwangsläufig zum Verlust. Wohl befindet sich Weiß in Schwierigkeiten, hatte aber nach Aljechin noch Rettungschancen. Freilich nicht mit 27. Kh2? Taa3!, 28. Scb3 (28. fe3:? Se3: nebst Sflt), 28. ... De5!, 29. bc6: bc6:, und der schwarze Angriff ist kaum zu parieren. Auf 30. fe3: gewinnt Dh5t, 31. Kgl Dh3! usw. — Nicht so klar jedoch wäre 27. Lf3! Lf3:, 28. ef3: cb5:, 29. Sb5: Da5!, und Schwarz steht zwar sehr gut, aber noch nicht auf Gewinn. (Allerdings darf Weiß nicht 30. Td5:? ziehen wegen Tel f . 31. Tel: D e l : f , 32. Kg2 Tal!, und Schwarz gewinnt doch.) 27. ... c6xb5 28. Dc4xb5 Sd5—c3ü Ein neuer prächtiger Zug mit einer ungewöhnlich tiefen Pointe. 29. Db5xb7 Nach 29. Dc4 b5 gewinnt Schwarz viel leichter. 29. ... Dc7xb7 30. Sc5xb7 Auf die ungedeckte Stellung dieses Springers gründet sich die folgende Kombination von Schwarz. 30. ... Sc3xe2f 31. Kgl— h2
Andere Züge sind ebenfalls unbefriedigend; z. B. 31. K f l (das Qualitätsopfer 31. Te2: bietet auch keine Chancen), 31. ... Sg3:f, 32. fg3: Lf3:, 33. Lf3: Tf3:t, 34. Kg2 Taa3, 35. Td8f Kh7, 36. Thlf Kg6, 37. Th3 Tfb3!, und Schwarz gewinnt (nach Aljechin). 31. ... Sf6—e4ü Abermals eine brillante Fortsetzung; zugleich die einzige, die den Vorteil festhält. 32. Tel—c4 Noch am besten. Nach 32. fe3: Sd2: würde Schwarz ohne weiteres die Qualität erobern. 32. ... Se4xf2! Endlich hat Schwarz einen Bauern gewonnen, zugleich mit definitiver Befestigung des Te3. Aber die Kombination geht noch weiter. Bemerkenswert ist noch, daß Schwarz bei anderen Zügen seinen Vorteil einbüßen würde. Zum Beispiel 32. ... Sd2:?, 33. Sd2:! usw. oder 32. ... Tf3:?, 33. Te2: usw. 33. Lhl—g2 Lg4—e6! Ein wesentlicher Bestandteil der Gewinnführung: das Feld g4 wird mit Tempogewinn für den Sf2 freigemacht. Der Rest ist danach relativ einfach. 34. Tc4—c2 Sf2—g4f 35. Kh2—h3 Erzwungen, wie auch die folgenden Züge von Weiß. 35. ... Sg4—e5| 36. Kh3—h2 Te3xf3 37. Td2xe2 Se5—g4| 38. Kh2—h3 Sg4—e3f 39. Kh3—h2 Se3xc2 40. Lg2xf3 Sc2—d4 Nun würde 41. Tf2 wegen Sf3:t, 42. Tf3: Ld5! eine Figur kosten; deshalb ist die Qualität nicht zu retten. Weiß gab auf. 89
Abschnitt VIEL Die Russisdie Sdiadisdiule 1945 bis heute Nach dem letzten Weltkrieg bahnte sich in der Sowjetunion eine Bewegung mit dem Ziel an, aus dem Schach ein Volksspiel zu machen. Um diese Absicht zu verwirklichen, mußten sich die russischen Schachspieler stets voll einsetzen. Es galt, große Erfolge zu erzielen und damit die Voraussetzung zu schaffen, dem Schach einen besonderen Platz in der russischen Gemeinschaft zu sichern. Es kann keinen Zweifel geben, daß dieses Ziel vollständig erreicht wurde. Der Russisdie Schachbund zählt rund vier Millionen Mitglieder. Ungefähr die Hälfte aller Träger internationaler Titel lebt in Rußland. Seit 1948 ist die Weltmeisterschaft in russischen Händen, und man hat nicht den Eindruck, daß sich das in den nächsten Jahren ändern wird. Berühmte Namen russischer Großmeister sind: Botwinnik, Smyslow, Tal, Petrosjan, Spassky (sie alle trugen oder tragen den Weltmeistertitel), Keres, Bronstein, Geller, Taimanow, Kotow, Boleslawsky, Stein, Polugajewsky, Kortschnoj und viele andere, die die Hegemonie in der Schachwelt f ü r Rußland eroberten und behaupteten. Der Ausgangspunkt der russischen Schachschule ist der intensive Einsatz. Daraus ergeben sich folgende Merkmale: 1. Das Streben nach Initiative. 2. Kampfbereitschaft, also fort mit den Salon-Remisen! 3. Aktive Verteidigung, stets auf der Suche nach dem Gegenangriff. Es ist auffallend, wie viele Kampfpartien in Rußland gerade mit Schwarz gewonnen werden. 90
4. Sorgsames Studium der Eröffnungen, besonders der kombinatorischen Ausläufer umstrittener Varianten. 5. Keine kurzfristige Beurteilung einer Stellung lediglich mit der Maßschnur der materiellen Verhältnisse. Es ist weniger wichtig, welche Figuren zur Verfügung stehen, als was diese Figuren zu leisten vermögen. Eine Auswirkung dieser Einstellung ist unter anderem die sogenannte „russische Qualität". Es kommt in russischen Partien öfter vor als in anderen, daß eine Qualität auf sehr lange Sicht geopfert wird. Zur Illustration der Besonderheiten der russischen Schachschule folgen noch drei Partien.
Partie Nr. 31 Spanisch Michail Botwinnik, der mit zwei kurzen Unterbrechungen 15 Jahre lang den Weltmeistertitel trug, ist einer der bedeutendsten Vertreter der Russischen Schachschule. Er spielt in jeder Stellung auf Initiative und Gewinn. Sehr bemerkenswert ist seine tiefe Kombinationskunst, die es ihm ermöglicht, lange Zugserien zu durchdenken und zu vergleichen. Dabei ist er aber auch ein vortrefflicher Positionsspieler, ein guter Verteidiger und ein großer Kenner des Endspiels. Wenn man dann schließlich noch bedenkt, daß Botwinnik auch auf dem Gebiet der Eröffnungen ganz auf der Höhe ist, dann ist es wohl nicht zuviel gesagt, ihn als den vielseitigsten Champion der Schachgeschichte zu bezeichnen. Ledig-
lieh in der Behandlung ausgesprochen schlechter Stellungen zeigt er kleine Schwächen, und das hat ihn dann auch im Wettkampf mit Petrosjan (1963) den Weltmeistertitel gekostet. Weiß: Lublinsky Schwarz: Dr. M. Botwinnik (Gespielt in Moskau 1943) 1. 2. 3. 4. 5.
e2—e4 Sgl—f3 Lfl—b5 Lb5—a4 La4xc6
e7—e5 Sb8—c6 a7—a6 Sg8—f6
Der Tausch in diesem Augenblick könnte etwas befremden und sieht wie ein Tempoverlust aus. Jedoch ist der Beweggrund dazu verhältnismäßig einfach. In der spanischen Abtauschvariante (4. Lc6:) kann Schwarz seinen verwundbaren eBauern mit f7—f6 decken, und das ist jetzt nicht mehr möglich. 5. ...
b7xc6
Als stärker gilt zwar 5. ... dc6:, doch steht Schwarz auch dabei nach 6. d3 Ld6 (deckt e5), 7. Sbd2 Sd7 etwas schlechter. 6. Sbl—c3 Die Theorie empfiehlt hier 6. d4 oder 6. Se5:. 6. ... 7. d2—d4
d7—d6 Sf6—d7
Dieser Zug wird in dergleichen Stellungen gern gespielt, obschon Schwarz damit eine ernste Schwächung seines Damenflügels in Kauf nimmt. Erwägung verdiente statt dessen 7. ... ed4:, 8. Sd4: Ld7, 9. Df3 c5, 10. Sf5 Lf5:, Aljechin—Capablanca (St. Petersburg 1914). 8. 9. 10. 11. 12.
d4xe5 0—0 Sc3—e2 Se2—g3 b2—b3
d6xe5 Lf8—d6 0—0 Ta8—b8 Tf8—e8
13. 14. 15. 16.
Lei—e3 c2—c3 Ddl—c2 Tfl—dl
g7—g6 a6—a5 Dd8—e7 Sd7—c5
Trotz seiner ungünstigen Stellung am Damenflügel spielt Schwarz „k tort et