Föderalismus aus Weltanschauung [Reprint 2021 ed.]
 9783112454084, 9783112454077

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„Dies Buch zieht einen Riß durch alle Kulturvölker!“ schreibt die ,, Neckar-Zeit ung*f über das Werk von

E. J. Jung:

Die Herrschaft der Minderwertigen.. ANDERE URTEILE ÜBER DAS BUCH: Lud. Borchardt „Ich verfolge die energische und grade politische Tätigkeit Edgar J. Jungs seit seiner vor Jahren plötzlich überraschend in die laue Zeit geworfenen Münchner Pfalzrede mit ste­ tiger Aufmerksamkeit und wärmster Teilnahme und habe in seinem Buche den mit leidenschaftlichem Naturell und bedeutenden geistigen Mitteln durchgeführten Versuch, Sin konservatives Weltbild aus den Gegebenheiten der Zeitlage heraus neu zu denken und mit eigner Plastik zu erfüllen, freudig begrüßt“

Leopold Liegier „Den Gedanken eines deutschen Staates, der sich nicht mechanisch aus Parteien zusammensetzt, sondern sich aus Bürgerschaften organisch schichtet.t hat wohl Edgar J. Jung in seinem Buche am klarsten geistig durchgeformt. Daß der Staat als Herrschaftsgefüge in jedem geschichtlichen Zeitalter seinen Stil wechselt, wird durch Jung ebenso evident gemacht, wie daß unsere Gegenwart unmittelbar in einem solchen Stilwandel begriffen ist. Diesen bejahen und seinen Ablauf tunlich u. bewußt beschleunigen kann in dieser Stunde allein politisch denken und politisch taten heißen.“

Leipziger Seuefte Kachrichten „In diesem Buche ist Wissen, Bildung und ethisches Wollen, wie es nur in ganz großen Zeitabschnitten in einem Kopf zum Ereignis wird.“

Westermanns Monatshefte „Ein gewichtigeres und positiveres Buch hat die durch den Krieg gegangene junge Generation unserer politischen Denker und Planer kaum schon beigesteuert“

in

Lauhleinerr kl«b. LM. 8.50

Verlag Deutsche Rundschau G.m.b.H., Berlin W 30

Föderalismus aus Weltanschauung Von

Or. Edgar 3- 3ung Rechtsanwalt in München

193 1 München, Berlin und Leipzig

I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier)

Druck von Dr. Z. p. Datieret & die., Zreising-München.

Inhalt: Seite

Einleitung.............................................................................. 5 Mechanischer und organischer Staat................................. 9 Geschichtlicher Überblick.............................................................. 18 Der deutsche Reichsgedanke...................................................... 23 Das Ganze und die Teile in ihrem Derhältnis zueinander 27 Die deutsche Gliederung 1871 und heute............................. 29 Der bedrängte Föderalismus.................................................. 34 Der heutige Stand der Reich-Sänderfrage......................... 37 Reich und Preußen.................................................................. 45 Derfassungsrechtliche Neugestaltung..........................................47 Zuständigkeiten.......................................................................... 57 Finanzausgleich.......................................................................... 63 Föderalismus in der Außenpolitik.......................................... 68

Einleitung. A,-

die Weimarer Verfassung Gesetz geworden war, wiegten sich ihre Väter

in der Hoffnung, einen Bau errichtet zu haben, der allen Stürmen trotzen sollte. Ulan glaubte die Rätsel, welche das staatliche Sein eines Volkes immer wieder aufgibt, endgültig gelöst zu haben. Aber das Verfassungsleben ist fortwährend irnZIuß, seine Bedürfnisse wech­ seln ebenso wie die Inhalte, die jeweilig den Rechtsnormen unterlegt werden. Wie die Gesetzgeber des Staatsgrundgesetzes nicht geglaubt hatten, daß der Parlamentarismus sich in veutschland zu einer heimlichen Diktatur der Parteiführer auswachsen würde, ebensowenig sahen sie voraus, daß das Verhältnis zwischen Reich und Ländern sich verschieben würde, daß Spannungen entstünden, die in verhältnismäßig kurzer Zeit den Ge­ danken an eine Verfassungsreform wach werden ließen. Sie hatten nämlich nicht gemerkt, daß die Weimarer Paragraphen keinen Ausgleich schufen, son­ dern den Kampf offen ließen. So kam es, daß in der Öffentlichkeit bald jener Streit zwischen Kabinetten, politischen Parteien, Richtungen der presse und der Wissenschaft entbrannte, der in der Länder-Konferenz seinen sichtbaren Ausdruck fand. Zwar haben diese Auseinandersetzungen zu einer gewissen Klärung der Begriffe, zur Sammlung der Kampflager und auch zur Aus­ räumung mancher Mißverständnisse geführt. Rur ein Schönfärber könnte in­ dessen behaupten, daß das gegenseitige Verständnis der streitenden Parteien wesentlich zugenommen hätte, oder daß wir gar vor einer friedlichen Lösung des Problems stünden. Vie Länder-Konferenz ist im versanden und mehr denn je spricht die politische Wacht ihr entscheidendes Wort. Der Vorgang, der von bestimmter Seite „Aushöhlung der Länder" genannt wird, ist nicht zum Stillstände gelangt und wird — je nach der politischen Einstellung — mit stiller Zreude verfolgt oder mit zäher Abneigung bekämpft. Wohl ist jeder politische Tatbestand bis zu einem gewissen Grade Ergebnis realer Wachtverhältnisse. Das soll aber keineswegs bedeuten, daß in der Politik einfach Recht hat, wer die Wacht besitzt, seine Auffassung durchzusetzen. Dieser reine Gewaltstandpunkt vermag keinen dauernden Frieden zu begründen. Gerade ein so „humanitäres" Zeitalter wie das gegenwärtige, sollte den Rechtsgedanken nicht in dem Waße vernachlässigen, wie dies heute geschieht. Es hat fast den Anschein, als ob eine, in der Außenpolitik immerhin verständ­ liche militaristische Haltung, die gerade dem Preußentum zu manchem glück­ lichen Wurf in der Geschichte verhalf, nunmehr ins Innenpolitische verkehrt

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Einleitung.

worden sei. Nichts aber ist verhängnisvoller, als wenn ein Staat nach Nutzen pazifistisch und nach Innen militant ist. Das Umgekehrte ist das Richtige. Ohne Macht wurde nie ein Recht verwirklicht. Insofern kann den philoso­ phischen Gedankengängen eines Spinoza beigestimmt werden. Macht aber, die nicht im Namen des Rechtes und damit eines ewig gültigen sittlichen Prinzips ausgeübt wird, bleibt rohe Gewalt, die sich immer rächt. Um so furchtbarer mutz die Rache aussallen, je weniger Gewaltanwendung natür­ licher Weise am Platze ist: also gegenüber den eigenen Volksgenossen. Es wäre nun aber verkehrt, den Trägern dieses Machtkampfes zwischen Reich und Ländern jeden guten Glauben abzusprcheen, sie nur als Ausbrüter teuflischer Machtgelüste zu betrachten. Die Anbetung der Macht als Haupt­ mittel innerer Politik ist vielmehr der politische Grundzug der Zeit und der gemeinsame Kehler fast aller politischen Richtungen. Aus dieser geistigen Zuständlichkeit wird der Mangel an gegenseitigem Verständnis begreiflich. Keine der Streitparteien bemüht sich ernsthaft, die politische Grundhaltung, aus welcher heraus der Gegner seine These verficht, zu verstehen und zu würdigen,weil unsere verstandesbeherrschte Zeit vom Aberglauben besessen ist, letzte politische Kragen würden durch Zweckmätzigkeitserwägungen entschieden. So lätzt man denn auch in Pressefehden und wissenschaftlichen Debatten, auf Konferenzen der Staatsmänner und Parteivorstände die Nützlichkeitsargu­ mente gegeneinander ausmarschieren und niemand merkt, datz schlietzlich kein Beweis ohne Gegenbeweis bleibt. Endlos plätschern kluge Reden gegen­ einander, jede Einigung im Grunde verhindernd, weil das innere Verständnis für den gegnerischen Ausgangspunkt mangelt. Es ist mehr verblüffend als aufschlutzreich, welche Vorstellungen die poli­ tischen Kührer — vom Keld-, Wald- und Wiesenpolitiker soll abgesehen werden — mit den beiden politischen Tendenzen, die unter den Schlagworten Köderalismus und Unitarismus bekannt sind, verbinden. Da gibt es Leute, die aus geschichtlichem Ressentiment einen Gegensatz zwischen Nord- und Süddeutsch­ land (insbesondere Bayern) — je nach dem Standpunkte — befürchten oder konstruieren. Nicht jenen Unterschied, der geistesgeschichtlich und stammlich begründet, späterhin in dieser Abhandlung seine besondere Rolle spielen wird,vielmehr eine primitive Gegenüberstellung von preutzischem und bayerischem Patriotismus oder gar Ehauvinismus. Der wirkliche Kenner der Verhältnisse wird über solche politische Verkalkungserscheinungen kein Wort verlieren. Andere wiederum erblicken in dem Selbstbehauptungswillen mancher Länder eine spietzbürgerliche Eitelkeit auf den eigenen Staat, eine Art von Anspruch auf Kirchtumsgerechtsame. Dieser Zug gilt dann als Ausdruck jener verhängnis­ vollen deutschen Sondertümelei, welche die deutsche Ohnmacht verschuldet und die geschichtliche Tragik der Deutschen beschworen habe. Der Ruf „ein Volk — ein Reich" wird mit Vorliebe gegen solche Bestrebungen ausgestotzen. Kür eine ganze Reihe von Politikern und Wirtschaftlern ist die Krage der

Einleitung.

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Reichsgliederung eine solche der Wirtschaftlichkeit. Sie gehen von dem noch später zu behandelnden Aberglauben aus, der zentralisierte Betrieb sei der billigste. Mit dieser Ansicht bewaffnet, verlangen sie, das Reich solle rationali­ siert werden wie eine Automobilfabrik. Noch oberflächlicher ist jene Betrach­ tungsweise, welche die Reichs-Länder-Frage als reines Finanzproblem sieht. Der ewige Zank der Finanzminister, der Kampf um den Finanzausgleich oder der noch mehr in die Augen fallende um Dinge wie die Biersteuer, mag aller­ dings den Kurzsichtigen dazu verleiten, eine Reichsform, die solch peinliche Schauspiele ermöglicht, entrüstet abzulehnen und nach einem einheitlichen Willen zu rufen. Dazu kommt, daß die Regierungen der verschiedenen Länder Spiegelbilder allgemeindeutscher Parteiverhältnisse sind. Der Dorurteilslose wird zugeben müssen, daß mancher Gegensatz zwischen Land und Reich nichts anderes wiedergibt, als den zwischen zwei sich bekämpfenden Parteien. Der Fall Thüringen bietet hierfür einen anschaulichen Beleg; auch kann nicht ab­ geleugnet werden, daß die Abneigung gegen Bayern häufiger dessen kon­ servativem Regime als dem Lande selbst gilt. Tin weiterer verschärfender Umstand liegt in folgendem: die Bürokraten, die schon bei einheitlicher Führung zu Kompetenzkonflikten neigen, pflegen dieses reizende Spiel um so hingebungsvoller, je machtbewußter und je beschäftigungsloser sie sind. Aus diesem anonymen Grunde erwächst die gefährlichste Zuspitzung des Reich-Länder-Streites, die überhaupt denkbar ist. Kommt aber zu dem Kon­ flikte zwischen dem Reiche und einzelnen Ländern noch die Nebenbuhlerschaft der Länder untereinander, so hört jede Besinnung auf das Grundsätzliche auf und der Kampf aller gegen alle ist da. Was mit diesen Beispielen angedeutet werden sollte, ist: die Frage der Reichsgliederung (später werden wir sehen, daß sie von der des Reichsaufbaues nicht zu trennen ist) wird heute nicht sachlich behandelt. Die Unsachlichkeit besteht nicht nur darin, daß die Debatte vorwiegend mit poli­ tischen Gefühlen arbeitet an Stelle vernünftiger Erwägungen. Staatsrecht­ liche und staatspolitische Betrachtungen mangeln keineswegs. Die Gelehrten marschieren auf beiden Seiten auf, die Fachleute verfertigen Statistiken und legen Paragraphen aus. Unsachlich ist vielmehr das mangelnde Eingehen auf die Staatsgrundideen, die den beiden Auffassungen des Unitarismus und des Föderalismus eigentümlich sind. Damit stoßen wir auf eine verhängnisvolle Besonderheit der deutschen Politik seit Jahrzehnten überhaupt. Während andere Völker die Unzulänglichkeit ihrer gesellschaftlichen und staatlichen Ord­ nung nicht nur fühlen, sondern sich auf das Wesen ihres staatlichen Seins zurückbesinnen, beschränken sich die Deutschen — mit Ausnahme des Bismarckischen Derfassungswerkes — auf Konservierung der gerade herrschenden Staatsidee und deren rein zwecknützliche Verwirklichung. Über das Wesen des Staates wird nirgends so wenig nachgedacht und in politischen Kreisen de­ battiert wie gerade im deutschen Volke. So ist denn auch die Verfassung von

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Einleitung.

Weimar das (Ergebnis eines nachahmenden Eklektizismus und nicht eigner staatsschöpferischer Kräfte. Dabei bietet die deutsche Geschichte Beispiele einer selten mannigfaltigen Staatsentwicklung, den Vorgang eines nie dagewesenen Reichtums an staatsbildender Zähigkeit. Die Exaktheit und die formelhafte Gründlichkeit der deutschen Staatslehre während der letzten Jahrzehnte bestreitet kein Mensch; nur ihre Fruchtbarkeit. (Es war zu hoffen, der entbrennende Streit um die Reichsgliederung würde die besten Geister reizen, ihren Ideenreichtum zu beweisen und für die je­ weilige politische Richtung begründend in die Wagschale zu werfen. Nichts davon ist geschehen, viele Gutachten, die von fachlicher Seite erstattet wurden, sind zwar im Sinne einer gewissen Wissenschaftlichkeit gründlich, aber geistespolitisch gesehen, flach. Wer in die Tiefe geht, gilt als Dilettant oder Utopist. Zweck dieser Abhandlung ist deshalb nicht die Vermehrung des wissenschaftlichen Materials, sondern die Ausfüllung einer Lücke, welche die bisherige Reich-Länder-Vebatte gelassen hat. Sie möchte die Hintergründe von Unitarismus und Föderalismus aufweisen. Za darüber hinaus zeigen, daß ein viel tieferer Gedanke dem Föderalismus zugrunde liegt, als etwa in der Gegenüberstellung von Bündnis (bzw. Bundesstaat) oder Einheitsstaat umschlossen ist. Zm allgemeinen hat die Staatsrechtslehre der letzten zwei Menschenalter eine Erweiterung des Problems auf das Weltanschauliche ab­ gelehnt. Ein Mann wie Konstantin Frantz wurde verlacht — um heute wieder modern zu werden, vielleicht lag seine Tragik darin, daß er gegen die ge­ schichtliche Entwicklung, wie sie 1866 und 1871 ihren Lauf nahm, und gegen einen politischen Titanen (Bismarck) ankämpfte, vielleicht auch darin, daß seine Staatsidee nicht überzeitlich genug begründet war. Trotzdem können die Spuren jenes bedeutenden Staatsdenkers denjenigen, der die veränderten Zeitumstände und die Gärung der Gegenwart erkannt hat, nicht schrecken. (Eine so gedankenarme Zeit wie die heutige, muß tragende Ideen nehmen, wo sie sich bieten. Denn es wäre doch kindisch, um die Reichsgestaltung im unitaristischen oder föderalistischen Sinne zu ringen, wenn sie nur eine Frage der reinen Zweckmäßigkeit wäre. Solche Kämpfe werden dem tiefer Blickenden nur verständlich, wenn er weltanschauliche Kräfte dahinter sieht, die nicht von gestern und von heute, sondern zeitlos sind. Diese Kräfte aufzuspüren und damit die staatsideelle Grundlage des Reich-Länder-Kampfes, soll die vor­ dringliche Aufgabe dieser Arbeit sein. Nach den gewonnen Grundsätzen dann die Gegenwartslage beurteilen, ist nichts als selbstverständliche Schluß­ folgerung.

Mechanischer und organischer Staat.

Di-i-

Staatsrechtler und Politiker wollen in der bündischen bzw. der

einheitsstaatlichen Verfassung nichts anderes sehen, als das verfassungsrecht­ liche Ergebnis rein politischer Vorgänge. Sie beschreiben die geschichtlichen Kräfte, die zu dem einen oder dem anderen Verfassungsbilde geführt haben und beruhigen sich bei dieser Varstellung. Fast noch einfacher stellt sich das Problem in den Köpfen jener dar, für welche der Einheitsstaat der endgültige Schlußstein eines angeblich zwangsläufigen Entwicklungsganges ist, der mit Kleinstaaterei anhebt und mit großen einheitlichen Staatsgebilden endigt. $ür diese Anschauung ist Föderalismus eine reaktionäre, Unitarismus eine fortschrittliche und unwiderstehliche Tendenz. Vie utilitaristische Staats­ philosophie betrachtet die Dinge noch nüchterner, weil für sie der Staat ein zwecknützliches Instrument ist, und jede Ansicht über ihn in eine Nützlichkeits­ debatte hinsichtlich der Verfassungsbestimmungen mündet. Mit dieser Betrachtungsweise will die vorliegende Abhandlung brechen, weil für sie die unitaristische bzw. föderalistische Haltung die staatspolitischen Pole zweier entgegengesetzten Weltanschauungen sind, die, wie jede Welt­ anschauung, in eigenen Staatsideen gipfeln. Für den Verfasser ist also auch die Geschichte nichts anderes als die Gestaltung der die Menschheit beherrschen­ den Ideen; weshalb auch aus der Geschichte bewiesen werden kann, daß die Ideen des Einheitsstaates bzw. des bundesstaatlichen Reiches zeitlose Prin­ zipien sind, welche je nach der Grundeinstellung einer Zeitepoche die staatlichen Schicksale der Volker geformt haben. Wir werden später sehen, daß der Begriff des Bundes, der dem Föderalismus seinen Namen gegeben hat, den welt­ anschaulichen Hintergrund des Föderalismus keineswegs erschöpft, weil Bünd­ nis einen historischen politischen Vorgang umschreibt, aber nicht ohne weiteres das bei seinem Abschluß wirksame staatsideelle Prinzip. Um dieses zu er­ forschen ist vielmehr ein kurzer Ausflug auf das Gebiet der Staatsphilosophie notwendig, dem dann durch einen knappen Abriß der modernen Geschichte der historische Hintergrund gegeben wird. Es besteht ein ewiger Wertwiderstreit zwischen den beiden nicht zu trennen­ den Erscheinungsformen, in welchen der Mensch auftritt. Einmal als Einzelund sodann als Gesellschaftswesen. Als Einzelwesen ist der Mensch ein ein­ maliges, begrenztes und abgeschlossenes Ganzes, ein Mikrokosmos. Als Gesellschaftswesen ist er Teil einer höheren Ganzheit, religiös gesehen: der göttlichen Schöpfung, soziologisch gesehen: der Gemeinschaft. Grund-

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sätzlich für jede soziologische Betrachtung ist die Erkenntnis, daß der Mensch in der Vereinzelung nur eine logische Vorstellung ist. Schon Zeugung, Auf­ zucht, Vererbung und Sprache widersprechen dieser unmöglichen Annahme. Jhering hat für diese platonische Erkenntnis (der Mensch ist ein zoon politikon sGesellschaftswesenj) die Zormel geprägt: „Vie Gesellschaft ist die tatsächliche Organisation des Lebens für und durch andere und — da der Einzelne, was er ist, nur durch andere ist — die Zorm des menschlichen Lebens überhaupt." Diese „Doppelnatur" des menschlichen Lebens bedingt einen ewigen Wert5 Widerstreit zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, zwischen Mensch und All. Niemals wird der Kampf zwischen dem Ganzen, das als solches nur vom Teil erlebt werden kann, und dem Teil, der sich selbst als Ganzes fühlt, zur Ruhe kommen. Alle geistige Bewegung lebt von dieser Zwiespältigkeit und aus ihr strömt im Grunde jedes religiöse Leben. Es gibt keine falschere Anschauung als die, daß die Spannung zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos sich nur religiös äußere und nicht auf das Gemeinschaftsleben hinüberstrahle. Zn Wahrheit ist dieses immer nur das soziale Spiegelbild des innermenschlichen Erlebens. Sinnfällig wird also der Widerstreit zwischen Zcherlebnis und All­ erlebnis an dem Verhältnisse zwischen Einzelnem und Gemeinschaft. Auch auf Erden ist der Mensch gleichzeitig Ganzes und Teil. Niemals kann diese Doppel­ eigenschaft aufgespaltet werden ohne das Lebensganze zu bedrohen. Sind die formen der Gesellschaft so starr, daß sie dem Einzelmenschen keine Entfaltung mehr gewähren, so versiegt die einzelmenschliche Schöpferkraft, wodurch auch die Lebendigkeit des Ganzen leidet. Löst sich umgekehrt das Einzelwesen aus seinen Gemeinschaftsbindungen, dann geht die Gesellschaft aus den Zügen und verliert die naturnotwendige Form, die auch das Leben des Einzelnen behütet. Alle Gestaltung der Gemeinschaft ist sonach nichts anderes als Aus­ gleich jener Spannung zwischen Einzelnem und Gemeinschaft, die als Natur­ gegebenheit betrachtet werden muß. Der Wertwiderstreit zwischen Einzelnem und Gemeinschaft wird in den einzelnen geschichtlichen Epochen verschiedenartig entschieden. Bald neigt das Wertgefühl dahin, das Individuum, seine Entfaltung und seinen Schutz als letzten Zweck aller politischen Bestrebungen zu betrachten, bald dahin, das Lebensganze, die Erhaltung der Art, über das Leben des Einzelwesens zu setzen. Jenes nennt man die individualistische Weltan­ schauung, dieses eine überindividualistische oder universalistische. Entweder gilt das Einzelwesen als höchster Wert diesseitigen Lebens oder die Ge­ meinschaft. $ür den Individualismus ist die Gemeinschaft nur eine Hilfs­ stellung zur Wohlfahrt und Entfaltung des Einzelnen, für den Universalismus ist der Einzelne nicht mehr als die Teilverkörperung eines größeren Ganzen, der Gemeinschaft, hinter der alles zurückzutreten hat. Selbstverständlich kann auch der Individualismus infolge der gesellschaft­ lichen Natur allen menschlichen Lebens nicht ohne Organisation auskommen.

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Denn folgerichtig zu Ende gedacht, führt er zur Anarchie, die deshalb eine Utopie ist, weil das praktische Leben immer wieder Gemeinschaftsregelung — und sei sie noch so dürftiger Art — notwendig macht. Zusammenfassen und ordnen mutz also auch der Individualismus. Es ist seine bitterste Aufgabe, die von ihm selbst aufgelöste und atomisierte Gemeinschaft nachträglich wieder zu rechtfertigen und zu rekonstruieren. Nur entsteht so an Stelle des früheren Miteinander und Untereinander ein Nebeneinander: also kein organisches Ganzes, sondern eine kollektivistische Summierung. Der Staat als die höchste Gemeinschaftsform ist für den Individualisten gewissermatzen nur ein „An­ hängsel des Einzelnen" (Spann). Er leitet seinen Willen vom Willen aller Einzelnen ab. Der Staatswillen entsteht durch Dertrag, laut welchem die Einzelnen teilweise auf ihre an und für sich unbegrenzten Freiheitsrechte ver­ zichten, um sich gegenseitig Leben und Eigentum zuzusichern. Die Regierung wacht darüber, datz die unter den Einzelnen abgeschlossenen Derträge ein­ gehalten werden. Damit ist der Staat zu einer Interessengemeinschaft herab­ gesunken, zum obersten und grundsätzlichsten aller Interessenverbände. Je stärker individualistisches Denken sich durchsetzt, um so nackter wird die In­ teressenherrschaft, und der Staat wird zum Spielball der jeweilig stärksten Interessengruppe. Das Lebensganze, das der Staat schützen soll, tritt immer mehr in den Hintergrund, das Partikularinteresse drängt sich vor. Anfäng­ lich heitzen die Interessenverbände, die um die Herrschaft im Staate ringen, Parteien; solange nämlich, als sie noch aufs Staatliche bezogene Ziele aus­ zuweisen haben. Zm Laufe der Zeit aber treten die Teilinteressen der einzelnen Machtgruppen immer unverhüllter zutage: die Klaffe verdrängt die Partei. Private Interessenvereinigungen üben am Ende im Namen des Staates eine Diktatur des gruppenmätzigen Nutzens aus. Wie später gezeigt werden wird, ist die moderne Demokratie die voll­ kommenste $orm dieser individualistischen Interessenherrschaft. Weil keine natürliche Spitze den Staatswillen verkörpert, mutz eine solche künstlich ge­ bildet werden. Dies geschieht auf dem Wege der Wahl und der Dertretung. Bei der Wahl setzt sich immer mehr das gleiche Wahlrecht durch. Die Einzelnen, welche als die Dertragspartner des Staates gedacht werden müssen, werden alle gleich gewertet. Durch Zusammenzählung der Stimmen und Erforschung des Mehrheitswillens (praktisch immer eine Utopie) wird auf mechanischem Wege eine Art von Staatswillen gebildet. Die Gleichheitsthese ist nun die natürliche Folge des Individualismus. Ls ist nicht richtig, datz die individualistische Weltanschauung den persönlich­ keitswert fordere und fördere. Diese Wirkung zeitigt sie nur im Anfangs­ stadium individualistischer Epochen. Denn Persönlichkeit ist nichts Unbedingtes, sondern eine nur am Ziel feststellbare Grütze; nur gemessen an der Gesellschaft wird persönlichkeitswert sichtbar, weil er nur im Gemeinschaftsleben Leistung entwickelt. Das, was wir die natürliche Derschiedenheit der Menschen nennen,

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bedingt durch Anlage, Erziehung, Charakter usw. wird von der Gleichheits­ lehre einfach verleugnet. Dom Individualismus aus gesehen auch mit Recht: Denn eine Weltanschauung, welche das Einzelwesen als letzten Wert aner­ kennt, geht des Wertmatzstabes zur Beurteilung der Leistung verlustig. Sie muß bei der Gleichheitsthese enden und ist auch in der praktischen Politik immer zu diesem Ziele gelangt. — Auch vom Standpunkte der Dertragstheorie aus wird die Gleichbewertung aller Menschen im staatlichen Leben verständlich. Denn prinzipiell gibt ja jeder Einzelne zur Bildung des Staats­ willens gleich viel von seinen sogenannten persönlichkeitsrechten auf. Durch die Anwendung der Gleichheitslehre fällt aber auch jede Gliederung und jedes Gefüge des Staates weg. Er leitet seine Macht vom Einzelnen her und die einander gleichen Einzelnen unterstehen der Staatsgewalt unmittelbar und in gleicher Weise. Alles Recht kommt vom Staate, jeder steht in derselben Gemeinschaftsbeziehung, nämlich in der einzig noch vorhandenen zwischen ihm und dem Staate. Es gibt nur noch eine atomisierte Masse von so und so viel Millionen „Staatsbürgern", denen gegenüber eine, angeblich aus ihrem Gesamtwillen hervorgegangene Regierung steht: eine einzige Zentrale. Des­ halb ist der Staat des Individualismus zentralistisch, verleugnet jede autonome Untergliederung, jede Eigenlebendigkeit der Teile und jedes Recht, das nicht von der Zentrale verliehen ist. Die andere Möglichkeit der Gemeinschaftsbildung beruht auf der welt­ anschaulichen Grundlage des Universalismus. Er sieht den Staat als ein höchstes über einem Ganzen, nämlich dem lebendigen Dolke, thronend. Das Ganze, dessen höchste §orm der Zusammenfassung der Staat ist, beruht auf einer geistigen Gemeinschaft, die ihrerseits wieder ihre blutsmäßige und ge­ schichtliche Grundlage hat. Boden, Blut und Schicksal sind der Schmelztiegel, aus welchem das geistig geformte Volk heraussteigt. Achte nennt ein Volk „das Ganze der in der Gesellschaft miteinander fortlebenden und sich aus sich selbst immerfort natürlich und geistig erzeugenden Menschen, das insgesamt unter einem gewissen besonderen Gesetze der Entwicklung des Göttlichen aus ihm steht". Dolk ist also die stärkste metaphysische Gebundenheit des Einzel­ menschen auf Erden. Gleichgültig ist, ob Dolk und Staat einen tatsächlichen Organismus im Sinne der Tier- und Pflanzenwelt darstellen, oder ob bei ihrer Gestaltung das Organische nur als Dorbild vorschwebt. Wesentlich im Organischen ist die lebendige Einheit des Ganzen, widergespiegelt von Teilen, die wiederum Eigenleben besitzen,- die gleichzeitige Zreiheit und Dienstschaft der Teile, die Wechselwirkung zwischen ihnen und dem Ganzen. Das Leben des Ganzen, gesichert durch den Dienst der Teile, das der Teile, behütet von der Kraft und Macht des Ganzen. Staatsmacht erst ist die bewahrende Krönung volksmätziger Ganzheit. Solche echten Gemeinschaften wie das Dolk sind vom Leben geboten, sind da und bedürfen nicht erst der theoretischen Rechtfertigung oder des künstlichen Aufbaues. Lebenswirksam ist das beseelte

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Gefühl und nicht der verstandeserrechnete Nutzen. Nicht der Znteressenverband, sondern die seelenhaft gebundene Gemeinschaft steht im Mittelpunkt des organischen Weltbildes. Die Gesellschaft ist nicht eine beliebige Summe von Einzelwesen, sondern die gegliederte Mannigfaltigkeit natürlicher Verbände, denen das Leben ihre Aufgaben und Zwecke zuweist. Dem Wiener Soziologen Gthmar Spann verdanken wir die moderne Darstellung des organischen Staates, wie er von allen Großen der Staats­ philosophie umrissen wurde. Don den ewigen Urbildern, wie dem Staate Platons (politeia müßte richtiger mit Gemeinschaft übersetzt werden) und der civitas Dei Augustins, von Dante und Thomas von Aquin, über die Romantiker wie Baader und Adam Müller, führt ein gerader Weg zu Kon­ stantin Frantz und den modernen Vertretern der universalistischen Staatsidee. Nur daß das Streben der jüngsten Schule nicht rückwärts gewandt ist, sondern aus dem Zerfall der atheistischen, individualistischen Massendemokratie Schluß­ folgerungen zieht, auf die jeder aufmerksame Beobachter des täglichen poli­ tischen Lebens ohne Weiteres stoßen muß. Die allgemeine Krise der parla­ mentarischen Demokratie, die in Europa zu starken Ansätzen einer revolutio­ nären Staatsumbildung geführt hat, liegt klar zu Tage. Der systematischen Denkarbeit über das wesen organischer Gesellschafts­ gestaltung verdanken wir die Erkenntnis, daß es falsch ist, die Ursache allen Übels allein bei den Staatsverfassungen zu suchen, daß vielmehr die Gesell­ schaftsordnung als solche fragwürdig geworden ist. Ehe das Problem einer neuen Staatsgestaltung angeschnitten wird, muß deshalb die Vorfrage nach dem Wesen und den Ausgaben des wahren Staates gestellt werden. Erst muß Klarheit darüber bestehen, welche Gesamtausgaben die menschliche Gemein­ schaft zu erfüllen hat und welche davon rein staatlicher Natur sind. Wer die menschliche Gemeinschaft als eine eigene geistige Wesenheit auffaßt, ist zu der Feststellung gezwungen, daß jedes gesellschaftliche handeln das Vorhanden­ sein eigener Lebenskreise voraussetzt, die sich bilden oder — wie der mecha­ nische Ausdruck lautet — organisiert werden. Diese Lebenskreise sind ver­ schiedener Art und weisen eigene Aufgaben und Leistungen auf. Kunst, Wissenschaft, Religion, Kirche, Familie, Gemeinde, Wirtschaft und Staat sind Gegenstand solcher körperschaftlichen Gebilde, in welche der Mensch hinein­ geboren wird oder an denen er handelnd beteiligt ist. Diese Lebenskreise sind also Teilganze, die ihren eigenen natürlichen Gesetzen gehorchen und recht eigentlich das Gemeinschaftsleben geschichtlich bestimmen. Sie sind durch den Geist des Volkstums ebenso bedingt wie die höchste Stufe der Organisation, welche die Gemeinschaft aufzuweisen hat, der Staat. Er verleiht einer bestimmten Gemeinschaft ihr geschichtliches Gepräge, die feste Gestalt, in welcher sie in das Leben der Völker und Staaten eintritt. Auf die Dauer ist kein Volkstum ohne diese Höchstform der körperschaftlichen Gestaltung (ohne Staat) denkbar. Aber so wie das Volk nach seiner geistigen Wesenheit

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sich auch den ihm angemessenen Staat formt, so formt umgekehrt der Staat wiederum das Volk. (Er ist Gestalter und — außenpolitisch gesehen — Schicksal eines Volkes. Nur der Staat ist lebenskräftig, der aus dem innersten Wesen eines Volkes herausgewachsen ist und ihm entspricht; der aber andererseits von der $ülle der Kräfte gespeist wird, die aus der lebendigen Gliederung des Volkes hervorgehen. Je gesunder der Teil, um so höher der Grad seiner Dienstleistung am Ganzen. Je mehr es gelingt, die Kräfte der Teile zu entwickeln, um so größer die Machtentfaltung des Gesamtstaates. Das Prinzip des organischen Staates, der universalistischen Weltanschauung entspringend, kann also niemals jenes sein, welches als grundsätzlich für den individualistischen Staat herausgefunden wurde: der Staat darf nicht seinen Willen und seine Be­ fugnisse vom Einzelnen herleiten. Er dient auch nicht den zusammengezählten Interessen der Einzelnen, sondern dem volksganzen. Die Regierung kann nicht auf der Grundlage der Volksvertretung entstehen, sondern sie muß den Volkswillen in seiner Ganzheit verkörpern, unter Umständen also dem me­ chanischen Nlehrheitswillen entgegenwirken und sich gegen diesen durchsetzen. Damit soll aber nicht die alte Gegensätzlichkeit zwischen Gbrigkeit und Untertan neu begründet werden. Sonst wäre der Staat nichts als Herrschaftsausübung (Machiavelli) oder Diktatur des Proletariats (Karl Marx) oder Herrschaft der wechselnden Eliten (Pareto). Der organische Staat hebt vielmehr die Gegensätzlichkeit zwischen Herrschern und Beherrschten auf und stellt die größt­ möglichste Identität zwischen beiden her. Allerdings nicht im Sinne der Demo­ kratie, welche dieses Ziel nur scheinbar erreicht, weil sie falscher Weise den Willen der Mehrheit dem des volksganzen (Staates) gleich setzt; ganz ab­ gesehen davon, daß dieser Mehrheitswillen infolge der Zwischenschaltung der Parteien und des Parlamentes eine Aktion ist. Sondern in dem der Wieder­ gewinnung einer lebendigen Einheit von imanentem Volkswillen und gegenständlichem Staatswillen. Der wahre Staat kann deshalb nicht auf der Summe der angeblich gleichen Staatsbürger aufgebaut sein. Die unselige Illusion der Gleichheit beraubt das Gemeinschaftsleben des Wichtigsten, dessen es bedarf: der Persönlichkeits­ leistung und des Einbaues jener gewaltigen Werte, die auf der Unterschied­ lichkeit der Menschen beruhen, in das Staatsganze. (Ein Staat, der darauf verzichtet, bringt sich selbst um die besten Leistungen. Der wahre Staat kann aber auch nicht zentralisiert sein, weil er nicht auf der direkten Beziehung zwischen der Staatszentrale und den einzelnen Staatsbürgern aufbaut, sondern die schützende hülle ist, welche die Lebensäußerungen der leben­ digen Glieder des Volkes in ein machtvolles Ganzes zusammenfaßt. Welches sind nun die hauptsächlichsten Kreise, in die das Leben eines Volkes als das einer geschlossenen Gemeinschaft sich ausgliedert? Zwei große Gruppen fallen hierbei ins Rüge: Zunächst die Lebenskreise des wirtschaft-

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lichen und geistigen (kulturellen) Lebens, sodann die, welche durch die Ge­ meinsamkeit des Blutes und des Raumes bedingt sind. Diese Lebensbereiche nennt die Spannsche Schule „Stände". Unter einem Stand verstehen die modernen Theoretiker der organischen Gesellschaftslehre Leistungsgemeinschaften im Gegensatz zur Klaffe als reiner Interessengemein­ schaft. Diese Unterscheidung kennzeichnet die Stände in ihrer Wirksamkeit, aber nicht genügend in ihrem Wesen. Denn wesentlich für sie ist nicht allein ihre Zielrichtung, sondern ihre Entstehung und ihre inneren An­ triebe. Zm Wirtschaftsleben kann von einem Stande nur gesprochen wer­ den, wenn der Gemeinwillen in erster Linie auf Erzeugung und nicht auf Wahrung der Interessen gerichtet ist. $ür das Kulturleben gilt dasselbe, nur daß die Gemeinschaft schöpferischer Zusammenarbeit auf geistige Werte hin­ zielt. Alle rein gewerkschaftlichen Berufsorganisationen verdanken aber ihr Dasein dem Drange, das materielle Berufsinteresse zu wahren,- ebenso die Arbeitgeberverbände. Es ist deshalb falsch, unter „Stand" im Sinne der orga­ nischen Gesellschaftslehre eine soziale oder gar eine Berufskaste zu verstehen. Solange der wahre Begriff des Standes sich noch nicht eingebürgert hat, wäre es vielleicht ratsamer, an seiner Stelle das Hilfswort „Körperschaft" zu gebrauchen. Es wird noch später davon zu reden sein, daß in dieser Broschüre nicht der „Ständestaat" im üblichen Sinne gefordert wird, insbesondere kein berufs­ ständischer. Das verlangen nach diesem läuft in der Praxis immer darauf hinaus, die parteiverbrämenden Staatsideologien einfach fallen zu lassen und sie offen durch die wirtschaftlichen Klassentendenzen zu ersetzen, die häufig mit dem Worte Berufsstand verschleiert werden sollen. Wir haben aber ge­ sehen, daß Stand ein Begriff ist, der weit über die wirtschaftliche Gliederung des Volkes hinausreicht. Sodann aber, daß es sich nicht nur darum handelt, den Staatsaufbau zu ändern, sondern zunächst die Vorfrage zu beantworten, was des Staates und was der gesellschaftlichen Selbstverwaltung sei. Der wahre Staat bedarf also zuvor der heute verloren gegangenen gesellschaft­ lichen Grundlage. Ihrer Wiederbelebung gilt die Hauptsorge universalistischen Staatsdenkens. Hauptstände des geistig-kulturellen Lebens sind die Religionsgesellschaften und Kirchen, die wissenschaftlichen und Erziehungsgemeinschaften. Vie Tren­ nung von Kirche und Staat — aus liberalem Denken heraus gefordert und durchgeführt — entspricht auch der Lehre von der organischen Gesellschaft. Rur die Gründe, aus denen heraus die Trennung verlangt wird, sind bei beiden Weltanschauungen verschieden. Dort wirkt die These, Religion sei Privatsache, sich aus, hier das Prinzip der körperschaftlichen Gliederung, welches dem der staatlichen Gmnipoten; widerspricht. Dort handelt es sich um eine bewußt atheistische Rote des Staates, hier um die Erkenntnis, daß gerade die klare Abgrenzung staatlicher und kirchlicher Aufgaben die beider-

fettigen Kräfte zu einer volksgemeinschaftlichen Synthese religiöser Prägung freimacht. Mit der Kirche war früher das Erziehungswesen eng ver­ bunden. heute regen sich erzieherische Gemeinschaftskräfte nicht nur auf kirch­ lichem, sondern auf allgemein weltanschaulichem Gebiete, und beide Arten haben gemeinsam, daß sie gegen die Unfruchtbarkeit und die Uniformierung des Staatsschulwesens ankämpfen. Reste von der Autonomie der Wissenschaften sind noch spärlich in den Universitäten vorhanden. Sie harren der Wieder­ erweckung. Auf wirtschaftlichem Gebiete drängt die Entwicklung ebenfalls zur körper­ schaftlichen Selbstverwaltung. Die Verquickung von Staat und Wirtschaft, die in dem geschichtsmaterialistischen Satze von der wirtschaft, die das Schicksal sei, gipfelte, hat beide lebensunfähig gemacht. Sie führte einerseits zur interessen­ mäßigen Beeinflussung des Staates durch die Wirtschaft, andererseits zu einem Staatssozialismus, der jede wirtschaftliche Entfaltung lähmt. Endlich aber hat die Atomisierung der natürlichen Erzeugungsgemeinschaften be­ wirkt, daß kollektive Kapitaloertretungen und kollektive Arbeitervertretungen sich feindlich gegenüberstehen und um den entscheidenden Einfluß in Staat und Wirtschaft kämpfen. Nur die Herausnahme der Wirtschaft aus dem Staatsleben und ihre Selbstverwaltung ermöglichen wieder die Lin- und Hinordnung auf die Erzeugung, die letztes Ziel allen Wirtschaftens ist. So wird auch die Entstehung und Wiedergeburt von Berufsständen und Er­ zeugungsgemeinschaften möglich, die ihrerseits wieder in dem Gesamt­ stande der Wirtschaft ruhen. Auch Steuergemeinschaften und soziale Kür­ sorgegemeinschaften würden aus der sich selbst verwaltenden Wirtschaft herauswachsen. Damit wäre das Schwergewicht der Aufbringung öffentlicher IKittel, sowohl für die eigentlichen Staatsaufgaben als auch für die soziale Kürsorge, vom staatlichen auf das körperschaftliche Gebiet verlegt. Der ge­ waltigen Entlastung des Staates entspräche auch sein Zuwachs an Autorität, weil er nun nicht mehr selber Partei oder Objekt sozialer und wirtschaft­ licher Kämpfe ist, sondern richtend und ausgleichend über den Interessen steht. (Eine andere Ausschaltung des Klassenkampfes, ein aussichtsreicherer Weg zur Unschädlichmachung der Klassengegensätze und endlichen Lösung der sozialen Krage ist bis jetzt nicht aufgezeigt worden, ganz abgesehen davon, daß die sozialphilosophische Logik gebieterisch in die hier angedeutete Richtung weist. Entscheidend bleibt der Grundgedanke, daß nun nicht mehr der Staat einer Summe von Einzelindividuen gegenübersteht, die sich zwecks Wahrung ihrer Interessen, unter Mißachtung natürlicher und lebendiger Zusammen­ hänge kollektiv zusammenschließen, sondern daß die Organismen des schöpferischen Lebens, jeden Einzelnen umfassend und nach sozialer Leistung einstufend, in geschlossener Kraft den Staat tragen, umgekehrt wieder von ihm die entscheidenden Richtlinien und Kormen empfangend, in welchen sie sich dem Volksganzen einzuordnen haben.

Mechanischer und organischer Staat.

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Diese gesellschaftliche Gliederung hat zunächst mit dem rein staatlichen Leben wenig zu tun. Kulturelle und wirtschaftliche Entfaltung tragen den Staat, sie bilden aber nicht sein innerstes Wesen. Es sind andere Kräfte der organischen Gemeinschaft, die unmittelbar den eigentlichen Staat aus sich entwickeln: die Gemeinsamkeit der Blutsbande (Zamilie, Sippe, Stamm) und des räumlichen Zusammenlebens (Haus, Hof, Nachbarschaft, Gemeinde, Heimat). Die Zamilie, die körperliche und geistige Zeugung der Nachkommen, ist die biologische Grundlage des Volkstums, das seinerseits wieder den Staat trägt. Dazu kommt die seelische Gebundenheit an den Boden, das verwurzelt« sein mit dem engeren Raume, das auf Seele, Geist und Schicksal eines jeden Menschen von größtem Einfluß ist. Hile Kulturen sind zugrunde gegangen, welche die Bodenwurzel freiwillig abschnitten! Die Beziehung zum Boden ist die älteste und stärkste Dienstschaft, die der Mensch kennt, mit ihr beginnen alle höher entwickelten Kulturen. Echte Gemeinschaft beruht auf dem Heimat­ erlebnis, aus ihm strömt die Daterlandsliebe, grundsätzlich verschieden vom modernen Nationalismus, dessen Wesen späterhin noch untersucht wird. Wer keine Heimat mehr hat, büßt seine Seele ein. Jede Nomadisierung eines Volkes wird auf die Dauer seinen Untergang besiegeln. Selbstverständlich bedingt dieses Derhaftetsein durch Blut und Boden eine starke Verschieden­ artigkeit, die durch Kamilienerziehung, Landschaft und Sitte bedingt ist. Das Streben, ein großes Volk zu einer Einheit zu verschmelzen, könnte dazu ver­ locken, diese Verschiedenheit aufzuheben durch die Beseitigung ihrer Ursachen. Damit aber würde sich der Mensch seiner eigenen Kraftquellen berauben, ein blutleerer, seelisch schwächlicher, uniformer Untertantgp würde entstehen, der wohl die Staatslenkung vereinfachen, aber die Gesamtkraft des Staates wesentlich herabsetzen würde. So wird offenbar, daß die „Stände" der Zamilie und Sippe, der Gemeinde und des Heimatlandes nicht geschwächt werden dürfen, um die volkskraft und damit die Staatsmacht nicht zu mindern. Wer bestrebt ist, alle Kraftaus­ strahlungen eines Volkes in einen Lrennspiegel aufzufangen, um sie rein zentral zu verwerten, saugt es auf die Dauer aus. Kamilienzerfall und Ge­ burtenrückgang sind nirgends stärker, als in der derzeitigen Hauptstadt des Deutschen Reiches, die einem eindeutigen Zentralismus huldigt. Sie brennt das Volk zur Schlacke und kann kraft ihrer inneren Struktur niemals für die Erhaltung der biologischen Grundlage das tun, was in der heutigen kritischen Zeit notwendig ist: die Regeneration der Familie betreiben. Ähnlich wie mit der Familie verhält es sich mit dem „Gebietsstande", der doch ein Mittelding zwischen gesellschaftlicher Selbstverwaltung und politischer Verwaltung dar­ stellt: Die Gemeinde ist gleichzeitig selbstverwaltende Zelle gesellschaftlicher Art und kleinste politische Einheit. Hus ihr wachsen Gaue, Landschaften und Länder, politisch ausgedrückt: Bezirke, Kreise und Länderstaaten. Diese wiederum bilden aus sich heraus in organischem Wachstum das Reich. Huch 2

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Geschichtlicher Überblick.

für sie gilt der Satz, daß nur lebendiges Eigenleben der Teile die Blüte des Ganzen verbürgt. Die Gebietsstände bilden also eine wesentliche Forderung der universalistischen Gesellschaft- und Staatslehre. Da das Herrschaftsgebiet ein Wesensmerkmal jeden Staates ist, so spielen sie bei der Gestaltung des Gberstaates, des Reiches, eine entscheidende Rolle. Zür die universalistische Auffassung gibt es ein Reichsgebiet nur im Sinne letzter Zusammenfassung. Genau so wenig, wie der Einzelne eine unmittelbare Beziehung zum Gesamt­ staate unterhält, so wenig kann es auch eine unmittelbare Beziehung einer einzelnen Gemeinde zum Reiche geben. Dielmehr bedarf es der körperschaft­ lichen Eingliederung der kleinsten Einheit in die nächstgrößere und so fort, weil nur so ein lebendiger Zusammenhalt von Mensch zu Mensch, von Zührer zu Zührer, von Körperschaft zu Körperschaft gewährleistet ist. Es gibt keinen unmittelbaren Weg vom Kleinsten zum Größten, sondern immer nur einen pgramidenartigen Aufbau. Wer Gesellschaft und Staat anders konstruiert, gleicht einem Baumeister, der die pgramide bei der Spitze zu bauen ansangen möchte. Aus dieser ganzen Darlegung aber ergibt sich, daß der Gebietsföderalismus, der für die Reich-Länderfrage die entscheidende Rolle spielt, nur einen Teilausschnitt aus dem Gesamtgebiete der universalistischen Gesellschafts­ und Staatsausfassung darstellt. Auch hier stehen die individualistische und die universalistische Weltanschauung mit gänzlich verschiedenen Darstellungen einander gegenüber. Es ist also nicht so, daß allein der Unitarist das Ganze sieht und der Föderalist nur den Teil (das wäre partikularismus), genau das Umgekehrte ist der Kall. Der wahre Föderalist möchte aus universalistischer Weltanschauung heraus zu einer echten Ganzheit gelangen und nicht zu einer kollektivistisch konstruierten. Er möchte dem Ganzen alle Kräfte der Teile zuführen und deshalb nicht die Teile zugunsten einer Zentrale ausbluten lassen. Ja man kann mit Recht behaupten: Der Zentralismus vernachlässigt das Ganze am stärksten,- denn er sieht es überhaupt nicht, sondern will ge­ wissermaßen alle Kräfte für die Zentrale einfangen, oder anders ausge­ drückt, von der Zentrale aus möglichst viele Teile verschlucken. Es ist ein imperialistischer partikularismus, den eigentlich der Zentralismus öerstellt.

Geschichtlicher Überblick. E)ie Geschichte spiegelt den Kamps zwischen individualistischer und univer­ salistischer Weltanschauung wieder. Das mittelalterliche Reich deutscher Nation war universalistisch. Nicht im Sinne des erst später zur Geltung gelangenden und die Neuzeit beherrschenden Imperialismus, heiliges Römisches Reich und katholische Kirche sind vielmehr nebeneinander herlaufende Dersuche, ein allumfassendes Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen, „die gesellschaft-

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Geschichtlicher Überblick.

für sie gilt der Satz, daß nur lebendiges Eigenleben der Teile die Blüte des Ganzen verbürgt. Die Gebietsstände bilden also eine wesentliche Forderung der universalistischen Gesellschaft- und Staatslehre. Da das Herrschaftsgebiet ein Wesensmerkmal jeden Staates ist, so spielen sie bei der Gestaltung des Gberstaates, des Reiches, eine entscheidende Rolle. Zür die universalistische Auffassung gibt es ein Reichsgebiet nur im Sinne letzter Zusammenfassung. Genau so wenig, wie der Einzelne eine unmittelbare Beziehung zum Gesamt­ staate unterhält, so wenig kann es auch eine unmittelbare Beziehung einer einzelnen Gemeinde zum Reiche geben. Dielmehr bedarf es der körperschaft­ lichen Eingliederung der kleinsten Einheit in die nächstgrößere und so fort, weil nur so ein lebendiger Zusammenhalt von Mensch zu Mensch, von Zührer zu Zührer, von Körperschaft zu Körperschaft gewährleistet ist. Es gibt keinen unmittelbaren Weg vom Kleinsten zum Größten, sondern immer nur einen pgramidenartigen Aufbau. Wer Gesellschaft und Staat anders konstruiert, gleicht einem Baumeister, der die pgramide bei der Spitze zu bauen ansangen möchte. Aus dieser ganzen Darlegung aber ergibt sich, daß der Gebietsföderalismus, der für die Reich-Länderfrage die entscheidende Rolle spielt, nur einen Teilausschnitt aus dem Gesamtgebiete der universalistischen Gesellschafts­ und Staatsausfassung darstellt. Auch hier stehen die individualistische und die universalistische Weltanschauung mit gänzlich verschiedenen Darstellungen einander gegenüber. Es ist also nicht so, daß allein der Unitarist das Ganze sieht und der Föderalist nur den Teil (das wäre partikularismus), genau das Umgekehrte ist der Kall. Der wahre Föderalist möchte aus universalistischer Weltanschauung heraus zu einer echten Ganzheit gelangen und nicht zu einer kollektivistisch konstruierten. Er möchte dem Ganzen alle Kräfte der Teile zuführen und deshalb nicht die Teile zugunsten einer Zentrale ausbluten lassen. Ja man kann mit Recht behaupten: Der Zentralismus vernachlässigt das Ganze am stärksten,- denn er sieht es überhaupt nicht, sondern will ge­ wissermaßen alle Kräfte für die Zentrale einfangen, oder anders ausge­ drückt, von der Zentrale aus möglichst viele Teile verschlucken. Es ist ein imperialistischer partikularismus, den eigentlich der Zentralismus öerstellt.

Geschichtlicher Überblick. E)ie Geschichte spiegelt den Kamps zwischen individualistischer und univer­ salistischer Weltanschauung wieder. Das mittelalterliche Reich deutscher Nation war universalistisch. Nicht im Sinne des erst später zur Geltung gelangenden und die Neuzeit beherrschenden Imperialismus, heiliges Römisches Reich und katholische Kirche sind vielmehr nebeneinander herlaufende Dersuche, ein allumfassendes Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen, „die gesellschaft-

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liche Annäherung an den optimalen Zustand" (Ziegler) herzustellen. Dieses ganzheitlich gedachte Reich barg eine ungeheure Sülle und Dielfalt von Sormen in sich, die ihm später allerdings zum Derhängnis wurde und seinen Auseinanderfall verschuldete; aber erst, als die Ganzheitsidee, der Gedanke des christlichen Universums, die Teile nicht mehr durchpulste. Friedrich II. von Hohenstaufen bedeutet politisch einen Gipfel, von dem die Aussicht nach zwei Seiten möglich ist, ähnlich wie Dante geistig. Leide erfassen noch einmal den Gedanken des Universalreiches als Wiederspiegelung einer gewaltigen kosmischen Ordnung, beide aber weisen mit ihrem Werke schon in eine neue Zeit: der hohenstaufe, indem er in Sizilien den ersten modernen zentralistisch geleiteten. Staat schuf, der Dichter dadurch, daß er mit seiner sprachlichen Leistung die Grundlage für die nationale Einigung Italiens legte, ob­ wohl er wie kein anderer unitalienisch, d. h. universalistisch empfand. IHit dem Zerfall der Scholastik, der heraufziehenden Renaissance, der Rezeption des römischen Rechtes setzt jener Umschwung im Wertgefühl nach der individuali­ stischen Seite ein, der in der bis zur Stunde nachwirkenden Aufklärung seinen stärksten Ausdruck findet. Die christliche Idee wird aus der Linie des staatlichen Denkens zurückgezogen und schafft sich in der Rlgstik und in der Reformation eine eigene jenseitige Welt, die den Zusammenhang mit der Diesseitsgestal­ tung einbüßt. Der Staat wird weltlich, späterhin sogar atheistisch. politisch ist diese Entwicklung gekennzeichnet durch den Zerfall der Stände, die vom Königtum aufgesogen werden. Der fürstliche Absolutismus ringt in erbittertem Kampfe die Stände nieder. Rur England bildet eine Ausnahme. Frankreich hingegen treibt den Absolutismus unter den europäischen Staaten als erster auf die Spitze, gewinnt dadurch einen gewaltigen Dorsprung vor allen anderen Dölkern und wird der eigentliche Totengräber des Reiches. Der französische Sendungsgedanke, der in der gesta dei per Francos schon früher seinen Ausdruck gefunden hatte, widerstrebte von vornherein dem Universalismus des deutschen Reichsgedankens. Wan kann nicht ohne weiteres sagen, daß hierbei die romanische und die germanische Staatsidee in Reinheit gegeneinander gestanden hätten. Denn das Reich hatte zunächst noch einen beträchtlichen Bestand an Romanen, die erst spät in mühseligen Kämpfen von den französischen Königen dem heutigen Frankreich angegliedert wurden. Im Reiche selbst entwickelte sich der fürstliche Absolutismus sehr viel später und entzündete sich nicht nur an dem französischen Dorbild (häufige Lundesgenossenschaften deutscher Zürsten mit den französischen Königen), sondern war auch durch das Bestreben der Anwärter auf die Kaiserkrone bedingt, durch eine starke Hausmacht der Kaiserwürde den nötigen Rückhalt zu verschaffen. Als das Kaisertum erblich wurde, verschmolzen Reichsgedanke und fürstliche Hausmacht zu einer Einheit, die immerhin bis zum Weltkriege in Zorm der österreichisch-ungarischen Monarchie politische Lebendigkeit be­ wies. Die eigentliche Grundlage zum modernen Staate in der Zorm des fürst2*

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lichen Absolutismus legten aber auf deutschem Boden die preußischen Könige. Sie versuchten den Vorsprung nachzuholen, den Zrankreich errungen hatte. In diesem Vorgänge, der zum Kampfe um die innerdeutsche Hegemonie und zum Jahre 1866 führte, erblicken viele Historiker eine schwere Schuld der deutschen Zürsten. Sie sehen in ihnen Träger des verhängnisvollen deutschen partikularismus, der jede deutsche Großmachtentfaltung unterbunden habe. Geschichtliche Wahrheit dürfte indessen sein, daß nach dem Zusammenbruche der mittelalterlichen Gesellschafts- und Staatsordnung die (Quelle staats­ bildender Kraft in der Tiefe des deutschen Volkstums versiegt war. Das deutsche Volk hatte durch die Aufnahme des römischen Rechtes auf eine eigene Rechtsentwicklung verzichtet und gelangte so zwangsläufig zur Nachahmung des französischen Beispiels. Daher war für staatsbildende Strebungen ein leerer Raum vorhanden, der naturnotwendig durch den monarchischen Ter­ ritorialstaat ausgefüllt werden mußte. Gin versagen der Surften auf staats­ schöpferischem Gebiete hätte wahrscheinlich den Zusammenbruch deutscher Eigenstaatlichkeit überhaupt bedeutet. Die Territorialfürsten verurteilen, weil sie nur an ihren Staat dachten, heißt den nachträglich gewonnenen gesamtdeutschen Standpunkt ihrer geschichtlich bedingten Handlungs­ weise unterlegen. Die deutschen Zürsten konnten damals nichts anderes tun als staatliche Kristallisationspunkte deutscher Machtbildung aus dem Zerfall retten. hätte das deutsche Volk einen einzigen absoluten Monarchen besessen, der mit eiserner Zaust alle Teilgewalten niederrang, so wäre vielleicht aus dem deutschen Volke eine deutsche Nation geworden. Dieser Bedingungssatz geht aber insofern von einer müßigen Annahme aus, als aus Gründen, die später noch besprochen werden, eine solche Entwicklung für das Deutschtum undenkbar war. Der Geist des deutschen Volkes und die in ihm wirksame Vorstellung vom Universalreiche, widersprachen nämlich der Möglichkeit eines nationalen Einschmelzungsprozesses, wie er auf französischem Boden sich voll­ zog. Denn die gallischen Romanen als Nachkommen der von den Römern unterjochten und aufgelösten Völker, als Reste der individualistischer Zer­ setzung verfallenen Antike, entbehren des stammlich überlieferten Volks­ begriffes. Die Mundarten der aus dem Vulgärlatein hervorgegangenen Sprachen sind daher etwas anderes als die stammlich bedingten der mittel« und osteuropäischen Volker. Schon Zichte weist darauf hin, daß in den Ger­ manen und Slaven die ungebrochene Sprache weiterlebe und damit volkhaftes Zählen. Dieses Zehlen der Stammlichkeit ermöglichte und erleichterte den gewaltigen Einschmelzungsvorgang, den das französische Königtum ge­ wissermaßen von Staats wegen mit seinen Untertanen vornahm und der zur Prägung dessen führte, was man die französische Nation nennt. Nation im westlichen Sinne ist also staatsgeformte Masse, nicht schicksalhafter und blutgemäßer Organismus eines Volkes. Dieser romanische Begriff Nation,

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innerlich ärmer als der germanische Volksbegriff, ist daher deutschem Denken von Haus aus fremd. Bis 1870 konnte man vielleicht davon sprechen, daß es unter den Deut­ schen so etwas ähnliches wie eine Nation gäbe: nämlich die preußische. Aber auch auf preußischem Boden hatte die staatliche Zusammenfassung zu spät eingesetzt. Vas Stammesdenken war schon zu lebendig geworden, um völlig im Nationalstaatsgedanken aufzugehen. Oie Entwicklung in Preußen hinkte der französischen um Jahrhunderte nach und konnte deshalb nicht die ent­ sprechend nachhaltige Wirkung ausüben. Außerhalb Preußens war die staat­ liche Prägung noch viel schwächer,- vielleicht in der Reihenfolge Bayern, Württemberg, Sachsen. Sonst blieb es bei einer mehr oder weniger wirk­ samen dynastischen Bindung, die nicht die formende Kraft wie in Frankreich haben konnte. Dem in Deutschland von der Spitze aus gebildeten Territorial­ staat stand also nicht nur kein gegliedertes Volkstum mehr gegenüber, sondern auch kein in seinen Massen zur Nation gereiftes Volk, das wie in Zrankreich, den Mangel an organischem Zusammenhalt durch die Gemeinsamkeit der Idee hätte ausgleichen können. Der dem Monarchen in persönlicher Treue verbundene Adel, das mit gleichem Geiste erfüllte Heer und Beamtentum, wurden Rückgrat des Staates. Zn dem gewaltigen Zeitraum individualistischer Staatsentwicklung, der vom zerfallenden Mittelalter bis zur Gegenwart reicht, schluckt der Staat alles gesellschaftliche Eigenleben und übernimmt alle Aufgaben der Körper­ schaften. Nach der Reformation wurde die Kirche Staatskirche,- die Erziehung ging an den Staat über. Die Selbstverwaltung wurde ersetzt durch einen zentralistischen Beamtenkörper, im Merkantilsystem schufen die Surften eine $orm der Beeinflussung der Wirtschaft seitens des Staates. Der Sreiheiten wurden immer weniger. Auch der Adel wurde zum Teil Hof-, Militär- und Beamtenadel. Line straffe Gliederung ging durch das ganze Volk, aber nicht organisch von unten nach oben, sondern von oben nach unten. Was die bürsten an Resten echter Selbstverwaltung und ständischen Lebens übrig ge­ lassen hatten, fiel dann dem politischen Liberalismus und den aus ihm entspringenden Revolutionen zum (Opfer. Zn der französischen Revolution griff die vom Königtum geformte und ihrer selbst bewußt gewordene Nation nach der Krone und ersetzte den Absolutismus eines Einzelnen durch den der Majorität. Der dritte Stand zertrümmerte die noch übrig gebliebenen Gliederungen und schuf jene Masse zusammenhangsloser Einzelwesen, die unter dem Namen Staatsbürger dem Staate unmittelbar gegenüberstehen. Es ist nun ein Gesetz der Geschichte, daß diejenigen, die sich befreien wollen, immer hemmungslose Sreiheit predigen. Zn der Zrühzeit der Demo­ kratie war diese Parole noch nicht gefährlich, weil gesellschaftliche Bindungen psychologischer Art blieben: auch in der bürgerlichen Gesellschaft der fran­ zösischen Revolution behielten die „Honoratioren" ihre Vormachtstellung.

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Wohl herrschte formelle Gleichheit, aber die praktische Politik erkannte still­ schweigend gesellschaftliche Stufungen und Abhängigkeiten, insbesondere solche des Besitzes, an. Dazu kam allerdings folgender mildernder Umstand: Das laisser faire, laisser aller der frühliberalen Epoche ermöglichte die Ent­ faltung von Technik und Industrie, brachte Freizügigkeit, Gewerbefreiheit und damit einen allgemeinen Aufschwung, der vorderhand keine Schattenseiten er­ kennen ließ. Bald aber stellten sich Krankheitserscheinungen bedenklicher Art ein. Der vierte Stand erwuchs, fühlte sich enterbt, vom Kapital ausgebeutet und vermißte jenen Rückhalt, den eine ständische Gesellschaft und eine patri­ archalische Ordnung geboten hatten. Ls blieb ihm deshalb nichts übrig, als bei dem einzigen Gesellschaftsordner, der noch übrig geblieben war, dem Staate, Rettung zu suchen. Und so wird der moderne Staat, ob er will oder nicht, zum Sozialstaate, der die durch zügellose Wirtschaft entstandenen Schäden bessern und die Gegensätze ausgleichen soll. Er übernimmt damit eine Ausgabe, welche die Gesellschaft wahrnehmen sollte, aber mangels eigener Gliederung und Ordnung nicht mehr wahrnehmen kann. Run soll der Staat allen helfen. Er soll die hungrigen satt machen, die Kranken heilen und den Arbeitslosen Arbeit geben. Lr wird der Universalregler des gesamten Gemeinschaftslebens, übernimmt also das Kulturelle, das Soziale, die ge­ samte Rechtsbildung in seine Obhut. Er macht Gesetze und nennt diese Recht. Der moderne allgewaltige Staat entsteht vor dem Auge des Betrachters.*) Autorität besitzt er wenig, weil seine Tätigkeit allzu sehr in die Einzelheiten geht, weil er selber mit dem gesellschaftlichen Leben zu eng verquickt ist, um darüber stehen zu können. Jeder verlangt etwas vom Staate, jeder ist mit ihm unzufrieden, die meisten hassen ihn. Die französische Revolution brach mit dem Regierungsabsolutismus, sie verstärkte aber den Staatsabsolutismus. Kein Dolk hat ihn in dem Ulaße weiter entwickelt wie das deutsche. Und es ist kein Zufall, daß dies unter preußischer Führung geschah, also dem Übergewichte jenes Staates, der den französischen Absolutismus als erster übernommen hat. Die Reichsversiche­ rungsgesetzgebung machte Preußen-Deutschland — zwar in Derfolg eines lobenswerten sozialen Gedankens — zum stärksten Träger des Staatsabso­ lutismus. Es gibt heute nur einen Staat, der konsequent diesen Weg noch weiter verfolgt hat, das ist Sowjetrußland mit seinem Staatskommunismus. So entsteht überraschend das Bild, daß fürstlicher Absolutismus, moderne Demokratie und kommunistische Diktatur die Glieder einer einzigen Kette sind, die individualistischem Staatsdenken ihre Entstehung verdankt. Das scheint vielen widerspruchsvoll, weil der Kollektivismus des Kommunis­ mus und der Individualismus des liberalen Staates scheinbar die stärksten Gegensätze sind. Aber nur scheinbar. Denn der Gleichheitsgedanke, der immer *) Der Staat wird zur Selbstorganisation der Gesellschaft, zum totalen Staat (Carl Schmitt).

Der deutsche Keichsgedanke.

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im Gefolge des Individualismus auftritt, weil ja der wirklich liberale Staat eine Utopie (Anarchie) darstellt, fördert die Bildung von Kollektivitäten un­ gemein. Je mehr der echte Persönlichkeitsgedanke mit zunehmender Ver­ städterung versackt, je mehr das gegliederte Volk sich in eine unförmige Masse verwandelt, um so häufiger treten an die Stelle vertikaler gewachsener Gliederung horizontale mechanische Zusammenschlüsse. Das Gesetz der großen Zahl entspringt naturnotwendig dem allgemeinen und gleichen Wahlrechte. Zn den modernen Großstädten erliegen die Massen den Demagogen und hören nicht mehr, wie in der Honoratiorengesellschaft, auf die gegebenen Zührer. Wenn man aber, wie Karl Marx, davon überzeugt ist, daß die Masse der Besitzlosen von der kleinen Minderheit der Besitzenden ausgebeutet wird, und wenn man gleichzeitig den Staatsabsolutismus bejaht, so ist es nur ein kleiner Schritt von der liberalen Demokratie zur kommunistischen Diktatur. So wenig der Liberalismus bei der konstitutionellen Monarchie stehen blieb, vielmehr zur demokratischen Republik drängte, so wenig läßt sich der Über­ gang zur staatssozialistischen Diktatur des Proletariats verhindern, wenn die Grundauffassung des Staatsabsolutismus herrschend bleibt. Nur die Er­ schütterung des Glaubens an die Allzuständigkeit und Allgewalt des Staates vermag deshalb Europa vor dem proletarischen Kollektivstaate zu retten. Nun könnte gegen diese Betrachtungsweise eingewendet werden: Warum soll das deutsche Volk nicht die den Zranzosen gut bekommene Nationwerdung nachholen. Zst das Zahr 1918 nicht den Vorgängen von 1789 gleichzusetzen und wird nicht die deutsche Demokratie eine Blüte des Deutschtums fördern, die der Entfaltungskraft des französischen Volkes nach seiner Befreiung von fürstlicher Vormundschaft gleichkommt? Dem ist entgegenzuhalten: Neue Herrschaftsprinzipien sind immer Ausdruck veränderter sozialer Umstände. Und schon der Doppelcharakter der Revolution von 1918 läßt erkennen, daß damals nicht so sehr die revolutionären Kräfte des dritten Standes gegen einen übrigens nicht mehr vorhandenen Feudalismus ankämpften, als viel­ mehr die des vierten Standes gegen die bürgerliche Ordnung, die zudem das Ergebnis einer schon 150 Jahre vorher vollzogenen Umwälzung war.

Oer deutsche Michsgedanke. Ä)er in der Geschichte nichts sieht als sich immer wiederholende Zwangs­

läufigkeiten oder ein Ergebnis wirtschaftlicher Entwicklungen, die bei allen Völkern angeblich gleichlaufen, kann zu der oberflächlichen Annahme ge­ langen, das deutsche Volk hätte nun die Aufgabe, seine Nationwerdung nachzuholen. Oder von einem anderen Standpunkte aus gesehen: die „Rei­ fung" zur Nation sei gewissermaßen ein geschichtliches Endziel und kein Volk könne sich ihm entziehen. Anders wird der denken, für den Geschichte die

Der deutsche Keichsgedanke.

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im Gefolge des Individualismus auftritt, weil ja der wirklich liberale Staat eine Utopie (Anarchie) darstellt, fördert die Bildung von Kollektivitäten un­ gemein. Je mehr der echte Persönlichkeitsgedanke mit zunehmender Ver­ städterung versackt, je mehr das gegliederte Volk sich in eine unförmige Masse verwandelt, um so häufiger treten an die Stelle vertikaler gewachsener Gliederung horizontale mechanische Zusammenschlüsse. Das Gesetz der großen Zahl entspringt naturnotwendig dem allgemeinen und gleichen Wahlrechte. Zn den modernen Großstädten erliegen die Massen den Demagogen und hören nicht mehr, wie in der Honoratiorengesellschaft, auf die gegebenen Zührer. Wenn man aber, wie Karl Marx, davon überzeugt ist, daß die Masse der Besitzlosen von der kleinen Minderheit der Besitzenden ausgebeutet wird, und wenn man gleichzeitig den Staatsabsolutismus bejaht, so ist es nur ein kleiner Schritt von der liberalen Demokratie zur kommunistischen Diktatur. So wenig der Liberalismus bei der konstitutionellen Monarchie stehen blieb, vielmehr zur demokratischen Republik drängte, so wenig läßt sich der Über­ gang zur staatssozialistischen Diktatur des Proletariats verhindern, wenn die Grundauffassung des Staatsabsolutismus herrschend bleibt. Nur die Er­ schütterung des Glaubens an die Allzuständigkeit und Allgewalt des Staates vermag deshalb Europa vor dem proletarischen Kollektivstaate zu retten. Nun könnte gegen diese Betrachtungsweise eingewendet werden: Warum soll das deutsche Volk nicht die den Zranzosen gut bekommene Nationwerdung nachholen. Zst das Zahr 1918 nicht den Vorgängen von 1789 gleichzusetzen und wird nicht die deutsche Demokratie eine Blüte des Deutschtums fördern, die der Entfaltungskraft des französischen Volkes nach seiner Befreiung von fürstlicher Vormundschaft gleichkommt? Dem ist entgegenzuhalten: Neue Herrschaftsprinzipien sind immer Ausdruck veränderter sozialer Umstände. Und schon der Doppelcharakter der Revolution von 1918 läßt erkennen, daß damals nicht so sehr die revolutionären Kräfte des dritten Standes gegen einen übrigens nicht mehr vorhandenen Feudalismus ankämpften, als viel­ mehr die des vierten Standes gegen die bürgerliche Ordnung, die zudem das Ergebnis einer schon 150 Jahre vorher vollzogenen Umwälzung war.

Oer deutsche Michsgedanke. Ä)er in der Geschichte nichts sieht als sich immer wiederholende Zwangs­

läufigkeiten oder ein Ergebnis wirtschaftlicher Entwicklungen, die bei allen Völkern angeblich gleichlaufen, kann zu der oberflächlichen Annahme ge­ langen, das deutsche Volk hätte nun die Aufgabe, seine Nationwerdung nachzuholen. Oder von einem anderen Standpunkte aus gesehen: die „Rei­ fung" zur Nation sei gewissermaßen ein geschichtliches Endziel und kein Volk könne sich ihm entziehen. Anders wird der denken, für den Geschichte die

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Der deutsche Reichrgedanke.

Gestaltung eines Volksschicksals aus völkischer geistiger Wesenheit ist. Er muh die Vorfrage stellen: aus welchem Stoff ist das deutsche Volk gebildet und wie kommt es, dah seine Geschichte andere Wege ging als beispielsweise die des europäischen Westens. Bedeutet es nicht verrat an eigenem Wesen, geschichtliche „Gesetze", die für andere Völker gegolten haben, einfach auf das deutsche zu übertragen? Worin besteht nun die deutsche Anlage, die unser geschichtliches Werden bis zur Stunde bestimmt? Ein Zranzose sagte, die Freiheit sei in den Wäldern Germaniens geboren. In keinem Volke der Erde schlummert so unbegrenzt die Möglichkeit, dem Geiste sämtliche Schranken zu öffnen. Oer auf das Seelische gerichtete Freiheitsdrang des deutschen Volkes hat ihm wahrschein­ lich den Vorwurf des Unpolitischseins eingetragen. Lr hat es mit jenen zen­ trifugalen Kräften ausgestattet, die als deutsche Uneinigkeit in die Erscheinung treten. Es wäre falsch, darin nur einen Nationalfehler zu erblicken. Venn aus dieser Veranlagung stammt auch der nie versiegende faustische Trieb, der das Beste am deutschen Volke ist,- aus welchem die religiöse Wiedergeburt (in Reformation und Gegenreformation) der Menschheit geschenkt wurden aus welchem auch die himmelstürmende Musik der deutschen Klassik ge­ boren wurde. Vieser „protestantische" Lharakter des deutschen Volkes hat seine politische und soziale Gestaltung außerordentlich erschwert. (Es ist nichts in der Geschichte so häufig und so vergeblich versucht worden, als diesem geistig-revolutionärem Volke eine politische §orm zu geben, die seiner Ver­ anlagung angemessen ist. Rudolf Borchardt spricht deshalb von dem ewigen Ideal „Deutschland", dessen Gestaltung immer wieder erstrebt und versucht werde. Hn dem Beispiel der skandinavischen Völker, Englands, Amerikas und der Schweiz, weist er nach, daß es sich dabei nicht nur um einen deutschen, sondern um einen germanischen Zug handle. Überall, so meint er, stünden wir gleichmäßig vor einem Zundamentalgesetz des germanischen Prozesses zwischen Eigenkraft und Gemeinschaft. (Es bestünde ein dauernder Schwebe­ zustand zwischen Eigenwillen und Eigenart einerseits und dem versuche umfassender Zusammenfassung andererseits. Unsere Uneinigkeit sei nicht mechanisch zu einigen, denn wir seien nicht wirklich einig, sondern verschieden. Vie Einigung sei nur möglich auf einer höheren Stufe, die lebendige Ge­ schichte staffele sich nach oben. Und diese Sehnsucht nach Aufwärtsentwick­ lung sei der wahre Reichsgedanke. Man muß also verstehen, daß der Reichsbegriff eine fast ins Mgthische reichende Vorstellung einer höheren Einheit umfaßt, die weit über das me­ chanische Staatsdenken des westlichen Individualismus hinausgeht. Wir sind keine individualistische Nation, die sich um ein Machtzentrum gruppiert, wie Frankreich um Paris und das jüngste Italien um Rom. Wir hegen nicht in uns jenen inbrünstigen Glauben an den bewegenden Mittelpunkt unseres Volkes wie die Italiener und Franzosen. Wo ist die Stadt, die so glanzvoll

Der deutsche Reichrgedanke.

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im Herzen des einzelnen Deutschen lebte, daß er willig von ihr das prägende Gesamtgesetz empfinge? Wir haben kein Paris und kein Rom. Wir haben auch keine „Provinz", es sei denn, daß eine neuerdings in der Reichshaupt­ stadt platzgreisende Überheblichkeit den deutschen Raum hierzu degradieren möchte. Die deutsche Geschichte ist die der deutschen Stämme, über denen der Elan; des halb mythischen, halb religiösen Kaisertums zusammenfassend schwebte. Die frühe und die mittelalterliche Geschichte des deutschen Volkes ist eine solche von Markgrafenvölkern und Herzogsvölkern. Und auch zu einer Zeit, da das heilige Römische Reich Deutscher Ration praktisch zerfallen war, unter dem Ansturm westlicher Ideen die deutschen Dynastien erwuchsen, gab es noch eine Gesamtdeutschheit von Kant und Lessing bis zu Bach und Beethoven, von Goethe und Schiller bis zu Mozart. Mit Recht weist Borchardt darauf hin, daß nie einer einzigen Ration solche umfassenden und groß­ artigen Kulturleistungen möglich gewesen wären, wie dem vielgegliederten deutschen Volk in der Zeit staatlichen Riederganges. Und kristallisierten sich nicht um die Residenzen der Kürsten neue kulturelle Kräfte, das Bild einer neuen deutschen Vielgestaltigkeit, aber auch einer überwältigender Einheit bietend? Daß der kulturelle Reichtum deutschen Lebens auf die politische Viel­ gestalt zurückzuführen ist oder mit ihr zusammenhängt, wird allgemein an­ erkannt. Abgesehen von einer kleinen Schicht von asphaltverhafteten Weltstadtliteraten, sind deshalb auch überzeugte Unitaristen von der Rotwendig­ keit durchdrungen, die Vielfältigkeit des deutschen Kulturlebens zu erhalten. Aber ist diese Beschränkung auf das Kulturelle möglich? Sind es doch die­ selben Kräfte, die Residenzen schufen und Staaten aufbauten, welche auch die Stammeskulturen pflegten und ideelle Werte aufspeicherten. Kein Staat, der zentralistisch gefügt wurde, vermochte die geistige provinzialisierung zu verhindern. Lin vergleichender Blick auf Krankreich und Deutschland zeigt den Unterschied. La France c’est Paris. Die französische Provinz ist tot, der Anblick auch großer Provinzstädte erschreckt das deutsche Auge. Was aber ist Deutschland? Deutschland ist Berlin, Wien, Köln, Düsseldorf, Ham­ burg, Königsberg, Danzig, Dresden, München, Stuttgart, Hannover und nicht zuletzt die deutsche Landschaft mit ihren Kleinresidenzen, mit Heidelberg, Darmstadt, Karlsruhe, Weimar, Rürnberg, Würzburg und so fort. Des Auf­ zählens ist kein Ende, wenn mit der Betrachtung deutscher Vielfalt und Herrlichkeit begonnen wird. Weiter oben wurde klargelegt, wie sich individualistische und universa­ listische Gemeinschaftsauffassung gegenüberstehen. Wenn die geschichtliche Betrachtung uns gezeigt hat, daß der Individualismus auf westlich-romani­ schem Boden sich in der §orm des modernen allgewaltigen und allzuständigen Staates (der mechanischen und zentralistischen Demokratie) durchgesetzt hat,

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Der deutsche Reichsgedanke.

so hat der gleiche Rückblick ergeben, daß in Mitteleuropa, auf volksdeutschem und „subgermanischem" Boden die Vorstellung des gegliederten Universal­ reiches mächtiger war. Der Grund für diese Unterscheidung ist nun gefunden: er ist darin zu suchen, daß der germanisch-deutsche Geist der universalistischen Gemeinschaftsauffassung zuneigt. Die Territorial- und Nationalstaatsent­ wicklung der letzten Jahrhunderte ist sonach nicht ein organischer Werdegang deutschen Wesens, sondern das Ergebnis einer Überflutung des deut­ schen Volkes durch westlich-individualistisches Denken. Wir sind unserem innersten Wesen untreu geworden, haben die Fahrt unseres Schiffes nicht mehr nach dem Stern gerichtet, der in unserer eigenen Brust leuchtet. Infolge­ dessen bedeutet eine individualistisch-zentralistische Staatsauffassung die Auf­ gabe des wertvollsten politischen Gutes, das eine tausendjährige Geschichte den Deutschen mitgegeben hat: der Reichsidee. Was heute die politische Öffentlichkeit unter Reich versteht, ist nicht mehr als der deutsche National­ staat nach westlichem Muster,- übrigens ein unvollkommener, weil die Deut­ schen als einziges Großoolk noch nicht ihre nationale Einheit erreicht haben. Ein nationaler Großstaat, zentralistisch durchorganisiert, verdiente aber den Namen des Reiches nicht mehr. Es ist bezeichnend, daß fremde Sprachen ein feineres Gefühl für den Reichsgedanken entwickeln als wir selber. Im Französischen hieß Deutschland früher ,,1’empire“, heute „le Reich“. Der Franzose hat also den Reichsbegriff, weil in seine Sprache unübersetzbar, als Fremdwort übernommen. Der geschichtliche Unterschied zwischen deut­ schem und französischem Staatsdenken offenbart sich so überraschend im Sprachgebrauch. Nie wird sich der Gedanke des Reiches mit dem formativen Rechtsdenken, das uns die Aufnahme des römischen Rechtes beschert hat, erschöpfen lassen. Dieses Rechtsdenken ist ein flaches, geht nicht in die Tiefe, kennt nur die nüchterne und harte Beziehung zwischen Einzelnem und Staat: im monarchi­ schen Staat hieß sie Untertanenschast, im heutigen mechanische Staatsbürger­ schaft. Es behandelt alle Staatsangehörige gleich und endet schroff an den Grenzen des Staates. Die Übergänge, die rechtlichen Zwischenstufen fehlen, unmittelbar prallen die Gegensätze zwischen eigenem Staatsvolk und fremdem Staatsvolk an den Grenzen aneinander, jede übervölkische Gemeinschaft, jede geopolitische Zusammenfassung verhindernd. Der wahre Reichsgedanke aber ist innen- und außenpolitisch ein Tiefenbegriff. Zm Innern will er körper­ schaftliche Gliederung und Stufung, nach Außen schafft er einen kristal­ lisierenden Kern, um den in immer lockerer werdenden Bindungen sich Stämme, ja volkstümer und Volkssplitter gruppieren. Das wahre Reich kennt mehr als nur staatsbürgerliche Beziehungen oder gar nur solche verwaltungs­ rechtlicher Art; es hat Übergänge vom Staatsrecht zum Völkerrecht, die seit langem verloren gegangen sind. Es weiß von Abstufungen, die vom festen Gefüge in die weite reichen bis zum lockeren Bündnis. Das Reich kapselt

Das Ganze und die Teile in ihrem Derhältnis zueinander.

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deshalb nicht das staatstragende Volk nach Außen ab, sondern macht es zum Mittelpunkt einer zentripetalen Bewegung. Nur wer diesen universalistischen Charakter des Reichsgedankens, der in einem außenpolitischen Schlußkapitel noch seinen Ausbau erfahren wird, als lebendigen und beherrschenden Zug der deutschen Geschichte und des deut­ schen Wesens erkannt hat, vermag der Krage der Neugliederung des Reiches mit einer politischen Grundanschauung gegenüberzutreten.

Das Ganze und die Teile in ihrem Verhältnis zueinander. ;Das Prinzip, welches das Leben fruchtbar und schöpferisch gestaltet, ist

das der Spannung. Es läßt sich auf rein physischem Gebiete ebenso nachweisen wie auf dem sozialen und dem geistigen. Die heutige Politik krankt daran, daß sie der biologischen Einsicht entbehrt, und wo sie auf biologische Gedankengänge zurückgreift, dies in rein materialistischem Sinne tut. So ist die biologizistische Geschichtsschreibung entstanden, zwar fruchtbar aber doch in eine Sackgasse geratend, weil sie die Einheit von Körper, Geist und Seele, die das Lebensganze bedeutet, allzusehr vernachlässigt. Man übertrug die Methoden der Naturwissenschaft einfach auf die Geschichte. Die wahre BioLogik der Geschichte ist die Erkenntnis, daß die Gesetze des Lebens nicht unge­ straft verletzt werden,- daß immer der Zusammenhang zwischen den inneren Lebensquellen und der äußeren Gestaltung gewahrt werden muß, sollen die Formen nicht mechanisch werden und das Leben bedrohen. Eine solche Mechani­ sierung ist aber Kennzeichen der Gegenwart. Die Zentralisierungs- und Unifor­ mierungsbestrebungen der modernen Demokratie sind ihr stärkster Ausdruck. Die Spannung zwischen den Teilen und dem Ganzen beruht auf dem biologischen Grundgesetze, daß jeder Teil bestimmte Aufgaben und Dienste für das Ganze zu leisten hat. verkümmert der Teil, so werden die Lebenskräfte des Ganzen herabgesetzt oder gar abgetötet. Wuchert er über, so erstickt er das Ganze. Es kommt also auf das Gleichgewicht an. Zwei Wege gibt es, auf denen das Ganze zugrunde gehen kann: der eine besteht darin, daß die künst­ liche Machtsteigerung der Zentrale die Kraftquellen der Glieder verschüttet oder leer schöpft. Die äußeren Glieder verdorren, und von außen her — ge­ wissermaßen konzentrisch — nähert sich die lähmende Welle dem Gehirn­ zentrum. Die Geschichte lehrt, daß auf diese Weise große Staatsgebilde zer­ fallen und aus ihrem ehemaligen Territorium dann kümmerliche Teilstaaten gewachsen sind, die vielleicht später wieder den Kristallisationspunkt zu einer neuen Zusammenfassung abgeben. Überwiegt dagegen die zentrifugale Ten­ denz, so verselbständigen sich noch zu Lebzeiten des Ganzen die Teile. Sie nehmen an Macht zu und setzen sich endlich über die Zentrale hinweg. Dies ist der Fall des heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, dessen Schicksal

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deshalb nicht das staatstragende Volk nach Außen ab, sondern macht es zum Mittelpunkt einer zentripetalen Bewegung. Nur wer diesen universalistischen Charakter des Reichsgedankens, der in einem außenpolitischen Schlußkapitel noch seinen Ausbau erfahren wird, als lebendigen und beherrschenden Zug der deutschen Geschichte und des deut­ schen Wesens erkannt hat, vermag der Krage der Neugliederung des Reiches mit einer politischen Grundanschauung gegenüberzutreten.

Das Ganze und die Teile in ihrem Verhältnis zueinander. ;Das Prinzip, welches das Leben fruchtbar und schöpferisch gestaltet, ist

das der Spannung. Es läßt sich auf rein physischem Gebiete ebenso nachweisen wie auf dem sozialen und dem geistigen. Die heutige Politik krankt daran, daß sie der biologischen Einsicht entbehrt, und wo sie auf biologische Gedankengänge zurückgreift, dies in rein materialistischem Sinne tut. So ist die biologizistische Geschichtsschreibung entstanden, zwar fruchtbar aber doch in eine Sackgasse geratend, weil sie die Einheit von Körper, Geist und Seele, die das Lebensganze bedeutet, allzusehr vernachlässigt. Man übertrug die Methoden der Naturwissenschaft einfach auf die Geschichte. Die wahre BioLogik der Geschichte ist die Erkenntnis, daß die Gesetze des Lebens nicht unge­ straft verletzt werden,- daß immer der Zusammenhang zwischen den inneren Lebensquellen und der äußeren Gestaltung gewahrt werden muß, sollen die Formen nicht mechanisch werden und das Leben bedrohen. Eine solche Mechani­ sierung ist aber Kennzeichen der Gegenwart. Die Zentralisierungs- und Unifor­ mierungsbestrebungen der modernen Demokratie sind ihr stärkster Ausdruck. Die Spannung zwischen den Teilen und dem Ganzen beruht auf dem biologischen Grundgesetze, daß jeder Teil bestimmte Aufgaben und Dienste für das Ganze zu leisten hat. verkümmert der Teil, so werden die Lebenskräfte des Ganzen herabgesetzt oder gar abgetötet. Wuchert er über, so erstickt er das Ganze. Es kommt also auf das Gleichgewicht an. Zwei Wege gibt es, auf denen das Ganze zugrunde gehen kann: der eine besteht darin, daß die künst­ liche Machtsteigerung der Zentrale die Kraftquellen der Glieder verschüttet oder leer schöpft. Die äußeren Glieder verdorren, und von außen her — ge­ wissermaßen konzentrisch — nähert sich die lähmende Welle dem Gehirn­ zentrum. Die Geschichte lehrt, daß auf diese Weise große Staatsgebilde zer­ fallen und aus ihrem ehemaligen Territorium dann kümmerliche Teilstaaten gewachsen sind, die vielleicht später wieder den Kristallisationspunkt zu einer neuen Zusammenfassung abgeben. Überwiegt dagegen die zentrifugale Ten­ denz, so verselbständigen sich noch zu Lebzeiten des Ganzen die Teile. Sie nehmen an Macht zu und setzen sich endlich über die Zentrale hinweg. Dies ist der Fall des heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, dessen Schicksal

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Das Ganze und die Teile in ihrem Verhältnis zueinander.

so abschreckend in unserer Erinnerung lebt, daß viele gutgemeinte Ver­ einheitlichungsbestrebungen ihren Ursprung aus diesem geschichtlichen Ressen­ timent herleiten. Der Zerstückelungsprozeß, genannt partikularismus, kann also ebenso gut aus der Überspannung der Zentralgewalt, welche die Teile nach Freiheit streben läßt, als aus ihrer Schwächung herrühren. Im letzteren Kalle ist er nicht Protest gegen ihre Stärke, sondern gegen ihre Schwäche. Als im mittelalterlichen Reiche die universalistische Idee ihre einigende Kiaft verlor, war der Kaiser gezwungen, zur Durchführung der notwendigen Reichsaufgaben bei den Ständen zu betteln. Das Eigenrecht der Fürsten ver­ drängte schließlich das kaiserliche Lehensrecht, der römische Rechtsbegriff den germanischen. Kür die Vereinheitlichung und Zentralisierung spricht zurzeit noch der geschichtliche Umstand, daß die straffe Zusammenfassung Krankreichs ihm eine politische Überlegenheit sicherte, die bis in die jüngste Zeit nachwirkt. Da aber die französische Entwicklung nicht abgeschlossen ist, so sind Urteile darüber verfrüht. Wir beobachten dieser Tage die überraschende Erscheinung, daß volkstümer, die unter anderen soziologischen Voraussetzungen mühelos dem französischen Staate eingegliedert wurden, nach langen Lähmungserscheinun­ gen wieder Eigenleben entwickeln. So die Bretonen, die nach ihrem erbitterten Widerstände gegen die französische Revolution zum Schweigen gebracht waren, sich heute aber langsam auf ihr Volkstum zurückbesinnen. Auch hat sich gezeigt, daß die magische Zähigkeit zur Einschmelzung den Kranzosen hinsichtlich der Elsässer abhanden gekommen ist. Ein eigenwilliger deutscher Stamm macht nun sein Lebensrecht geltend, und es dürfte Krankreich schwer fallen, seinen staatlichen Schematismus mit Erfolg auf die „befreiten Provinzen" anzuwenden. Wenn also Überspannung und Aushöhlung der Zentralgewalt gleich große Gefahren für die Erhaltung des Ganzen in sich bergen, so muß aus dieser Er­ kenntnis die Korderung gefolgert werden, zwischen beiden Klippen hindurch zu steuern. „Reich" ist für die universalistische Staatsauffassung demnach ein Schwebezustand. Lr entspricht der andauernden politischen Bemühung, weder ein Schwergewicht bei der Zusammenfassung noch bei der Gliederung auf­ kommen zu lassen, zwischen Zentralismus und partikularismus das Gleich­ gewicht der Kräfte aufrecht zu erhalten. Richt in dem Sinne, daß die Eigen­ kraft der Glieder die Eigenmacht des Ganzen ausheben soll, sondern in dem, daß das Ganze genau so viel Kraft zu entfalten vermag, als ihm aus den Teilen zugeführt wird. Der Begriff des Reiches kann sonach niemals statisch, sondern nur dyna­ misch gedacht werden. So lange der Souveränitätsstreit zwischen Reich und Ländern tobt, solange fehlt die Einsicht in die eigentliche Natur des Reichs­ begriffes. Denn an diesem Streite offenbart sich jene falsche statische Be­ trachtungsweise des Rechtes. Zm wahren Reiche gibt es keinen Kampf um

Die deutsche Gliederung 1871 und heute.

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die Souveränität, weil die Vorstellung von Hoheitsgraden geläufig ist, weil der Begriff der Abstufung vorwiegt und nicht der eines starren Neben­ einander. Aus dieser organischen Staatsausfassung kommt eine weitere Überlegung: der Gedanke des gegliederten Reiches ist nur dort zu verwirklichen, wo lebendige Glieder vorhanden sind. Kür das deutsche Volk und die vor­ wiegend germanischen Länder ist diese Bedingung erfüllt,- schon durch die stammliche Zusammensetzung der Völker. Wo aber lebendige Gliederungen fehlen oder nicht nach anderen Prinzipien, über die später noch zu reden sein wird, entwickelt werden können, ist der föderalistische Staatsgedanke ein Stotz ins Leere. Es ist deshalb falsch, das bündische und das Linheitsstaatsprinzip allgemein zur Wahl zu stellen, hier sprechen die geschichtlichen Voraussetzungen ein entscheidendes Wort.

Die deutsche Gliederung 1871 und heute. Ä^elcher Art sind diese nun in Deutschland? Die Deutschen sind doppelt gegliedert. Nach Stämmen (damit auch bis zu einem gewissen Grade nach Landschaften) und nach Ländern, was auch die Reichsverfassung zum Aus­ druck bringt. Bald wird das Schwergewicht auf die stammliche Gliederung gelegt, so von hellpach und dem Jungdeutschen Grden, bald auf das Wirt­ schaftliche im Zusammenhangs mit den Landschaften, bald auf das Staatliche, wie es durch das Territorialfürstentum überliefert ist. Die Stämme nun sind heute höchstens geistesgeschichtliche und kulturelle Wirklichkeit; politisch spielen sie nur eine mittelbare Rolle. Insoweit nämlich, als die dynastischen Staats­ grenzen den Stammesgrenzen gleichlaufen. Dies ist manchesmal der Fall, weil auch dynastische „Willkür" sich den Zwangsläufigkeiten der Geschichte und des Raumes nicht entziehen konnte. Jedenfalls waren die Territorial­ staaten, als Bismarck sie zum kleindeutschen Reiche zusammenschweitzte, eine Realität. Sie waren damals die §orm, in welcher sich die Eigenlebendigkeit der Teile, das Gliederungsprinzip, offenbarte. Datz die deutschen Gliedstaaten vollkommen verschiedenartige staatliche Werte in sich darstellten, die niemals mit der Gleichheitsbrille betrachtet werden können, wird niemand abstreiten können. Manche bildeten eine raumpolitische Einheit, andere hatten tatsächlich Zufallsgrenzen,- einzelne deckten sich annähernd mit der Stammlichkeit, andere waren gewissermatzen kolonial entstanden. Auch gab es Staaten, deren Be­ völkerung ein ausgesprochenes Staatsgefühl entwickelt hatte, im Gegensatz zu solchen, deren ganzer Zusammenhalt in der dynastischen Bindung bestand. Trotzdem sah Bismarck keine andere Möglichkeit als die, alle Gliedstaaten gleichmätzig zu bewerten und sie in ihrer gegebenen Gestalt in das Deutsche Reich einzubringen. War doch dieses seiner inneren Natur nach ein ewiges Bündnis zwischen souveränen Fürsten. Die Souveränität aber im legitimi-

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die Souveränität, weil die Vorstellung von Hoheitsgraden geläufig ist, weil der Begriff der Abstufung vorwiegt und nicht der eines starren Neben­ einander. Aus dieser organischen Staatsausfassung kommt eine weitere Überlegung: der Gedanke des gegliederten Reiches ist nur dort zu verwirklichen, wo lebendige Glieder vorhanden sind. Kür das deutsche Volk und die vor­ wiegend germanischen Länder ist diese Bedingung erfüllt,- schon durch die stammliche Zusammensetzung der Völker. Wo aber lebendige Gliederungen fehlen oder nicht nach anderen Prinzipien, über die später noch zu reden sein wird, entwickelt werden können, ist der föderalistische Staatsgedanke ein Stotz ins Leere. Es ist deshalb falsch, das bündische und das Linheitsstaatsprinzip allgemein zur Wahl zu stellen, hier sprechen die geschichtlichen Voraussetzungen ein entscheidendes Wort.

Die deutsche Gliederung 1871 und heute. Ä^elcher Art sind diese nun in Deutschland? Die Deutschen sind doppelt gegliedert. Nach Stämmen (damit auch bis zu einem gewissen Grade nach Landschaften) und nach Ländern, was auch die Reichsverfassung zum Aus­ druck bringt. Bald wird das Schwergewicht auf die stammliche Gliederung gelegt, so von hellpach und dem Jungdeutschen Grden, bald auf das Wirt­ schaftliche im Zusammenhangs mit den Landschaften, bald auf das Staatliche, wie es durch das Territorialfürstentum überliefert ist. Die Stämme nun sind heute höchstens geistesgeschichtliche und kulturelle Wirklichkeit; politisch spielen sie nur eine mittelbare Rolle. Insoweit nämlich, als die dynastischen Staats­ grenzen den Stammesgrenzen gleichlaufen. Dies ist manchesmal der Fall, weil auch dynastische „Willkür" sich den Zwangsläufigkeiten der Geschichte und des Raumes nicht entziehen konnte. Jedenfalls waren die Territorial­ staaten, als Bismarck sie zum kleindeutschen Reiche zusammenschweitzte, eine Realität. Sie waren damals die §orm, in welcher sich die Eigenlebendigkeit der Teile, das Gliederungsprinzip, offenbarte. Datz die deutschen Gliedstaaten vollkommen verschiedenartige staatliche Werte in sich darstellten, die niemals mit der Gleichheitsbrille betrachtet werden können, wird niemand abstreiten können. Manche bildeten eine raumpolitische Einheit, andere hatten tatsächlich Zufallsgrenzen,- einzelne deckten sich annähernd mit der Stammlichkeit, andere waren gewissermatzen kolonial entstanden. Auch gab es Staaten, deren Be­ völkerung ein ausgesprochenes Staatsgefühl entwickelt hatte, im Gegensatz zu solchen, deren ganzer Zusammenhalt in der dynastischen Bindung bestand. Trotzdem sah Bismarck keine andere Möglichkeit als die, alle Gliedstaaten gleichmätzig zu bewerten und sie in ihrer gegebenen Gestalt in das Deutsche Reich einzubringen. War doch dieses seiner inneren Natur nach ein ewiges Bündnis zwischen souveränen Fürsten. Die Souveränität aber im legitimi-

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stischen Sinne kennt keine Abstufung. Die legitime Herrschaft ist in sich gleich­ wertig, ganz ohne Rücksicht auf Größe und Macht des Staates, in dem sie ausgeübt wird. „Flurbereinigungen" konnte Bismarck, als Wahrer des legitimistischen Prinzips, um so weniger vornehmen, als er kurz zuvor sich in revolutionärer weise als dessen Zerstörer betätigt hatte. Um nicht vom Mon­ archisten zum Republikaner zu werden, mußte er sich selbst eine Grenze setzen, die er ohne Gefährdung der Legitimität nicht überschreiten konnte. Ist doch kein Schritt Bismarcks so umstritten und vielleicht in seinen Folgen so ver­ hängnisvoll gewesen wie die Einverleibung des Welfenstaates in Preußen. Rudolf Borchardt hat deshalb recht, wenn er feststellt: „Nie haben Bismarcks Hände, die zarten Dienerinnen eines titanischen Hauptes, leiser und schonen­ der gegriffen als in den Tagen, in denen er den Kaifermantel wob, denn er, Preuße aus einem Gusse, wußte, daß die Fäden zwischen seinen Fingern Nerven, Lebensnerven des deutschen Nationalgeistes, des Genius unseres Daseins, waren, und daß ein falscher Griff im einzelnen ans herz des Ganzen, das vor ihm gewesen war, des Ganzen, das vor ihm lag, gerührt hätte." Wer das Reich von Weimar mit dem Bismarckischen in vergleich setzen will, muß sich immer den dynastischen Eharakter der Bismarckischen Ver­ fassung vor Rügen halten, hier liegt eines der Hauptunterschiedsmerkmale von der heutigen Reichsgestaltung. Das zweite ist in der veränderten Stellung zu suchen, die seit 1919 Preußen innehat. Wie steht es nun damit? Die ge­ schichtliche Lage zu der Zeit, als die deutschen Einigungsbestrebungen nach Verwirklichung drängten, ist durch die preußische Hegemonie gekennzeichnet. So sehr sie einerseits den machtpolitischen Antrieb für die Zusammenschweißung der deutschen Einheit darstellte, so sehr war sie auch andererseits Hindernis eines organischen Föderalismus. Denn Föderalismus ist — als organischer Schwebezustand — unmöglich, wenn ein Teil an Bedeutung, Kraft und Um­ fang alle übrigen zusammen übertrifft. An dieser preußisch-deutschen Gegen­ überstellung krankte schon die Bismarckische Reichsverfassung. Das Übel wurde durch die praktische Union, sowohl des Staatsoberhauptes, als auch des Mini­ steriums, wie sie zwischen Reich und Preußen bestand, vor allem aber durch die überragende Gestalt des ersten Kanzlers verschleiert. Die Sorge um sein Werk und der bedeutsame Einfluß des Liberalismus bewogen Bismarck, seinen ursprünglich stark föderalistischen Entwurf zur norddeutschen Bundesverfas­ sung in unitarischem Sinne abzuändern. Bismarck selbst war mit dem föderali­ stischen Grgan seiner Reichsverfassung, dem Bundesrate, durchaus nicht immer zufrieden. Er wünschte ihm stärkere Initiative und vermehrten Einfluß. Trotzdem aber waren die Verhältnisse im zweiten Kaiserreiche durchaus er­ träglich. Es bewährte sich sowohl die von Bismarck geschaffene Einheit, als auch seine zarte Rücksichtnahme aus das Eigenleben der Länder. Preußen hatte seine innerdeutsche Aufgabe erfüllt und ging, infolge seiner tatsäch­ lichen Union mit dem Reiche, in ihm auf.

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Zwar erhoben sich auch damals Stimmen der Kritik, die von einer Ver­ kehrung des preußischen Berufes sprachen: statt nach außen deutsch zu wirken, dem innenpolitischen Ziele zu verfallen, ganz veutschland aus einem Reiche zu einem Einheitsstaate zu machen. Konstantin Krantz geht soweit, einen Sieg des stärksten deutschen Partikularismus festzustellen. IHit Sorge weist er auf den deutschen Osten hin, wo das Preußen des 19. Jahrhundert kolonisatorisch versage, da es ihn nicht einmal zu halten, geschweige denn das veutschtum weiter nach Osten vorzutreiben vermöge. Zu Bismarcks Zeit war diese Kritik nur teilweise berechtigt. Denn der Not­ wendigkeit, das deutsche Volk, wenn es sein müsse, auch durch Machtausübung zu einen, konnten sich Preußen und Bismarck nicht entziehen. Diese zeitlich be­ grenzte Aufgabe des Preußentums darf nicht unterschätzt werden. Aber setzt Preußen nicht dazu an, aus dieser vorübergehenden Aufgabe einen Dauer­ beruf zu machen, der das deutsche Volk in ein Prokrustesbett zwingt (Seipel) und seine Zukunft deshalb hoffnungslos macht? Darüber später mehr. Bismarck konnte die geschichtliche Lage dahin kennzeichnen, die Dynastien hätten sich als Reichsgliederungsprinzip stärker erwiesen als das Stammes­ bewußtsein. Was aber kann der Verfassungsgesetzgeber von Weimar für die Aufrechterhaltung der dynastischen Staaten anführen, nachdem ihre gekrönten Häupter weggefallen sind? Er könnte sich darauf berufen, daß mit dem heraufkommen des modernen konstitutionellen Staates, der zentralistisch von einer demokratischen Lildungsschicht, der Beamtenschaft, geleitet wurde, in manchen Territorialstaaten ein nicht zu unterschätzendes Staatsgefühl ent­ standen ist. Am stärksten wohl in Preußen, welchem in einem gewissen Ab­ stande Bayern und andere Gliedstaaten nachfolgen. Dieses Staatsgefühl ist in seinem Wesen und in seiner Mischung bei den einzelnen Bundesstaaten wieder verschieden. Die Preußen sind am ehesten das, was man in westlichem Sinne eine Nation nennt. Bayern dagegen bezog sein Staatsgefühl mehr aus der dynastischen Wurzel, weil hier die Monarchie frühzeitig demokratische Karinen entwickelte. Bei manchen Bundesstaaten kam noch das Stammes­ bewußtsein hinzu. Die Grundlage von Württemberg ist beispielsweise immer stark schwäbisch geblieben, während der bayerische Staat Bajuwaren, Schwa­ ben und Kranken staatlich verschmolz. So ergab der Wegfall der Dynastien ein vollkommen uneinheitliches Bild, weil die Krage nach dem inneren Werte der einzelnen Bundesstaaten nun gestellt werden mußte. Diejenigen, die das Prinzip der Legitimität als das vorherrschende des Bismarckischen Köderalismus empfunden hatten, folgerten aus der Beseitigung der Kürsten die endgültige Begründung des deutschen Einheitsstaates. Sie empfanden das Jahr 1918 als Schlußstein einer Entwicklung. Denn zahlreiche deutsche Kürsten hatten schon mit Hilfe Napoleons mediatisiert. Und auch Bismarck hatte Throne in Trüm­ mer geschlagen. Die Größeren erweiterten ihren Machtbereich auf Kosten der Kleineren. Mit dem Jahre 1918 wurde das deutsche Volk verfassungsmäßig

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Träger der gesamten deutschen Souveränität: ein Mediatisierungsprozeß fand so seinen Abschluß. Man sieht also, daß der Gegenüberstellung Föderalismus oder Unitarismus für diese Art der geschichtlichen Betrachtung die Gegenüber­ stellung Legitimität oder Republik entspricht. Aus dieser Gefühlswelt strömen die zahlreichen Kräfte, welche den bundesstaatlichen Charakter, den auch das Weimarer Reich übernommen hat, als geschichtliche Reliquie beseitigen und durch den Einheitsstaat ersetzen möchten. Unterscheidet der Wegfall der Dynastien die Weimarer Derfassung grund­ sätzlich von der Lismarckischen, weil nun die Krage der inneren Wertigkeit der vertragschließenden Länder auftaucht, so kommt als ferneres Unterschei­ dungsmerkmal der Auseinanderfall von Preußen und dem Reich hinzu. Preußen wird ein „Land" mit einem Parlamente, welches nach Entstehung und Zusammensetzung einen Abklatsch des Reichstages öerstellt, allerdings auf 3/5 des Reichsgebietes beschränkt. Es bekommt eine Regierung, die keinen Zusammenhang mehr mit der des Reiches hat, wird also gewissermaßen von der Derantwortung für das Reich, die es bisher getragen, frei, von nun an leben die Regierungen zweier Großstaaten, durch wenige Straßen getrennt, nebeneinander in Berlin, die eine mit einem mächtigen Unterbau, der einst weltberühmten preußischen Verwaltung, die andere in der Luft schwebend und deshalb bestrebt, den weggefallenen preußischen Unterbau durch einen reichseigenen zu ersetzen. Das Zeitalter eines neuen Dualismus bricht an (Reich-Preußen), das von Bismarck mühsam gewahrte Gleichgewicht des Reiches ist endgültig gestört. Ein innerer Kampf muß notwendig anheben. Die Lismarckische Verfassung verdankte ihre ausgleichende und das Reichs­ ganze fördernde Wirkung zwei Umständen: unitarisierende Tendenzen konn­ ten wenig Fortschritte machen, weil die Verfassung sich politisch als ein Bünd­ nis von Fürsten darstellte, die sich zur Bewahrung des Status von 1871 durch ihr Wort verpflichtet fühlten, wenn Montesquieu die Ehre als das Prinzip der Monarchie bezeichnet, so ist damit zum Ausdrucke gebracht, daß — unter Anerkennung der einmal bestehenden Machtverhältnisse — der Bundesstaat „Deutsches Reich" ein Höchstmaß des Rechtsgedankens verwirklichte. Er war auf dem vertraglichen Einverständnisse aller Kontrahenten aufgebaut. Ge­ waltanwendung war ausgeschlossen. Wenn Trampler meint, Föderalismus beruhe auf Zurcht vor dem eigenen Gewissen und nicht auf Untertanenfurcht, so war das Lismarckische Reich vollendeter Köderalismus. Dieser Hemmschuh gegen gewaltsame Ausbreitung zentralistischer Tendenzen fiel mit den Kronen. Denn keine Staatsform schwört so auf die Gewalt wie die Demokratie, die jedes Unrecht durch Mehrheitsbeschluß zu angeblichem Recht machen kann. Eine Verfassung, jederzeit durch Beschlüsse, ja flüchtige Volks­ stimmungen, abänderbar, bietet wenig Gewähr für den durch sie verbürgten Rechtszustand. Dazu kommt, daß die anonymen Gewalten, die hinter der Fassade jeder Republik herrschen, immer juristische Auswege finden, die for-

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malen Vorschriften einer Verfassung zu umgehen. Kür ungarische Bestrebun­ gen wurde also 1918 die Bahn frei. Um so mehr, als Maßnahmen dieser Art mit außenpolitischen Notwendigkeiten entschuldigt werden konnten. Man denke nur an die Erzbergersche Kinanzreform. Andererseits war das Reich gezwungen, sich sogenannte reichseigene Ver­ waltungen zu schaffen, bzw. die „Souveränität" der Länder zu unterhöhlen. Denn es hatte seinen stärksten Rückhalt (Preußen) verloren, und in ihm einen partikularistischen Gegner gefunden, der es an Macht übertraf. Der durch die Lismarckische Verfassung gebundene partikularismus wurde in dem Augen­ blicke frei, als die frühere Union zwischen Reich und Preußen wegfiel. Der Gegensatz zwischen beiden wurde durch einen Umstand verstärkt, der jenseits der Reichs-Länderproblematik liegt: durch die parteipolitische Zusammen­ setzung der beiderseitigen Kabinette. Zst es doch ein Widersinn, daß das Reich sich zur Ausführung seiner Gesetze an Regierungen wendet, die von Parteien repräsentiert werden, welche weltanschaulich entgegengesetzte Anschauungen vertreten. Bei kleineren Ländern ist dies ungefährlich. Der Widerstand eines Landes aber, dessen Übergewicht so groß ist wie das Preußens, kann die Reichsgewalt überhaupt hinfällig machen. Aber neben diesem unglücklichen Geschenke einer auf den Parlamentaris­ mus und die Parteien schwörenden Reichsverfassung, bleibt der natürliche Gegensatz zwischen dem Territorialstaatsgedanken der Großmacht Preußen und der Reichsidee. Bismarck hatte mit kluger Hand diesen Zwiespalt vorüber­ gehend aufgehoben, die Weimarer Verfassung erweckte ihn zu neuem Leben. Denn für einen Staat Preußen, eine preußische Ration innerhalb des viel­ fältigen deutschen Volkstums, ist kein Raum mehr. Es war das geschichtliche Schicksal Preußens, nach der Reichsgründung gewissermaßen im Reiche auf­ zugehen. Dadurch aber, daß man Preußen wieder zum Eigenleben neben dem Reiche erweckte, mußte die 40 Jahre niedergehaltene großpreußische Bewegung wieder lebendig werden. Während das Reich bei der Aushöhlungs­ politik verharrt und durch Schaffung einer reichseigenen Verwaltung nach einem eigenen Unterbau strebt, ist Preußen erfolgreich bemüht, seinen Herr­ schaftsbereich auszudehnen. Reich und Preußen haben das gleiche Interesse, die Länder zu schwächen,- nur die Ziele sind verschieden: hier Aushöhlung aller Länder, dort „Eroberung" der Länder durch Preußen. Je besser diese gelingt, um so mehr wächst die Besorgnis des Reiches vor dem immer über­ mächtiger werdenden partikularismus eines Einzellandes (Preußens). Im Endergebnis allerdings dienen beide Bestrebungen dem deutschen Einheits­ staate. Denn es ist gleichgültig, ob das Reich den Ländern allmählich ihre Be­ fugnisse schmälert, oder ob alle Länder in Preußen aufgehen. Im einen Kalle erobert und zentralisiert das Reich die Länder, im anderen Preußen das Reich. Das Ergebnis ist deshalb dasselbe, weil die Staatsidee, die hinter beiden Bestrebungen steht, die nämliche ist: die des zentralistischen westlichen 3

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Der bedrängte Föderalismus.

Staates, der keine Gliederung mehr kennt, es sei denn eine technische in Ver­ waltungseinheiten. Nur das geschichtliche Gefühl, aus welchem heraus dieser Zustand angestrebt wird, ist verschieden, hier handelt es sich um den natür­ lichen, geschichtlich überlieferten und ins Innerdeutsche abgewandelten preußischen Imperialismus. Dort um die mehr doktrinäre Einheitsidee des deutschen Liberalismus. Beide Richtungen aber vertreten den individuali­ stischen Staatsgedanken, welcher der Reichsidee entgegengesetzt ist und im grotzdeutschen Staate, nicht im Deutschen Reiche gipfelt.

Oer bedrängte Föderalismus. E)ie mächtigste Förderung des Einheitsstaatsgedankens beruht auf dem Umstande, daß die Weimarer Verfassung dem Parlament alle Macht in die Hände spielte. Wenn man von dem Ausnahmefall der bayerischen Volks­ partei, die sich aus mehr oder weniger föderalen Gründen vom Zentrum getrennt hält, absieht, so bleiben als Träger des Reichstages Parteien, die sämtliche ihrem Wesen nach Reichsparteien sind. Sie sind über das ganze Reichsgebiet verbreitet und stellen ihre Randidaten in großen Wahlkreisen auf, die das Reichsgebiet departementartig überziehen. Man muß sich also darüber klar sein, daß sowohl dem Reichstag als auch den Wahlkörpern zu diesem (den Parteien) eine unbedingt unitarische Tendenz innewohnt. Die Allgewalt des Reichstages, neben welchem der Reichsrat immer mehr zurück­ getreten ist*), stärkte demnach zwangsläufig unitarische Bestrebungen. Diese fast allen Parteien eigentümliche Neigung ist so stark, daß sie häufig zu Wider­ sprüchen führt: Parteien, die in den Ländern, bzw. in deren parlamentarischen Vertretungen föderalistisch eingestellt sind, versagen in ihrer föderalistischen Gesinnung im Reiche, weil sie aus anderen Gesichtspunkten sich den Zwangs­ läufigkeiten der Reichspolitik nicht entziehen können. Es ist deshalb eine der wichtigsten Erkenntnisse, daß eine wahrhaft föderalistische Umgestaltung des Reiches im organischen Sinne unmöglich sein wird, solange das unitarisierende Wahlrecht zum Reichstage in der heutigen §orm bestehen bleibt und das Schwergewicht aller Politik beim Reichstage verharrt. Ein Parlamentarismus, der auf dem allgemeinen gleichen Wahlrecht beruht, sowie auf dem Grundsätze der direkten Wahl, hat in der Geschichte noch immer zur zentralistischen Staats­ form geführt. Demgegenüber hat der Föderalismus, nicht nur in der politischen Praxis, sondern auch in der Verteidigung seiner Gedankenwelt ein schweres Spiel. Soweit er geschichtliche Gegensätze ;. B. das Ressentiment von 1866, neu zu beleben suchte, mußte er sich mit Recht den Vorwurf gefallen lassen, er sei *) Das Kabinett Brüning versucht, das Schwergewicht wieder auf den Reichsrgt zu verlegen.

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Der bedrängte Föderalismus.

Staates, der keine Gliederung mehr kennt, es sei denn eine technische in Ver­ waltungseinheiten. Nur das geschichtliche Gefühl, aus welchem heraus dieser Zustand angestrebt wird, ist verschieden, hier handelt es sich um den natür­ lichen, geschichtlich überlieferten und ins Innerdeutsche abgewandelten preußischen Imperialismus. Dort um die mehr doktrinäre Einheitsidee des deutschen Liberalismus. Beide Richtungen aber vertreten den individuali­ stischen Staatsgedanken, welcher der Reichsidee entgegengesetzt ist und im grotzdeutschen Staate, nicht im Deutschen Reiche gipfelt.

Oer bedrängte Föderalismus. E)ie mächtigste Förderung des Einheitsstaatsgedankens beruht auf dem Umstande, daß die Weimarer Verfassung dem Parlament alle Macht in die Hände spielte. Wenn man von dem Ausnahmefall der bayerischen Volks­ partei, die sich aus mehr oder weniger föderalen Gründen vom Zentrum getrennt hält, absieht, so bleiben als Träger des Reichstages Parteien, die sämtliche ihrem Wesen nach Reichsparteien sind. Sie sind über das ganze Reichsgebiet verbreitet und stellen ihre Randidaten in großen Wahlkreisen auf, die das Reichsgebiet departementartig überziehen. Man muß sich also darüber klar sein, daß sowohl dem Reichstag als auch den Wahlkörpern zu diesem (den Parteien) eine unbedingt unitarische Tendenz innewohnt. Die Allgewalt des Reichstages, neben welchem der Reichsrat immer mehr zurück­ getreten ist*), stärkte demnach zwangsläufig unitarische Bestrebungen. Diese fast allen Parteien eigentümliche Neigung ist so stark, daß sie häufig zu Wider­ sprüchen führt: Parteien, die in den Ländern, bzw. in deren parlamentarischen Vertretungen föderalistisch eingestellt sind, versagen in ihrer föderalistischen Gesinnung im Reiche, weil sie aus anderen Gesichtspunkten sich den Zwangs­ läufigkeiten der Reichspolitik nicht entziehen können. Es ist deshalb eine der wichtigsten Erkenntnisse, daß eine wahrhaft föderalistische Umgestaltung des Reiches im organischen Sinne unmöglich sein wird, solange das unitarisierende Wahlrecht zum Reichstage in der heutigen §orm bestehen bleibt und das Schwergewicht aller Politik beim Reichstage verharrt. Ein Parlamentarismus, der auf dem allgemeinen gleichen Wahlrecht beruht, sowie auf dem Grundsätze der direkten Wahl, hat in der Geschichte noch immer zur zentralistischen Staats­ form geführt. Demgegenüber hat der Föderalismus, nicht nur in der politischen Praxis, sondern auch in der Verteidigung seiner Gedankenwelt ein schweres Spiel. Soweit er geschichtliche Gegensätze ;. B. das Ressentiment von 1866, neu zu beleben suchte, mußte er sich mit Recht den Vorwurf gefallen lassen, er sei *) Das Kabinett Brüning versucht, das Schwergewicht wieder auf den Reichsrgt zu verlegen.

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partikularistisch und bedrohe die deutsche Einheit. Die Einheitsstaatler haben diese Gefahr mit bemerkenswerter Geschicklichkeit aufgebauscht. Immer wieder beschwor man die deutsche Zerrissenheit des Dreißigjährigen Krieges und die Ohnmacht des deutschen Lundes. Dieses geschichtliche Rüstzeug ist für die Propaganda sehr brauchbar. Es war deshalb falsch, daß Anhänger der föderalistischen Staatsidee bei der Derteidigung ihrer Ge­ dankenwelt in den Fehler verfielen, die partikularen Interessen ihres Landes mit der föderalistischen Gestaltung des Reiches zu verwechseln. Der wahre Föderalist denkt immer an Einheit, Größe und Wohlfahrt des Reiches und gewinnt aus diesem guten Gewissen die Kraft, für das Eigenleben der Teile einzutreten. Aber nicht dieses darf Endzweck föderalistischer Politik sein, son­ dern das Reichsganze. Dazu kommt die belastende Tatsache, daß die meisten deutschen Länder selber dem Zentralismus erlegen sind. Zn der Zeit, da der moderne Derwaltungsstaat entstand und Frankreich das Dorbild aller Territorialstaaten war, wurde von den deutschen Fürsten fleißig zentralisiert. So mußte sich Bayern von dem österreichischen Altbundeskanzler Seipel in München sagen lassen, es sei ja selber zentralistisch gestaltet. Die beste Abwehr gegen großpreußischen Zentralismus oder gegen die liberale deutsche Einheits­ staatsidee hätte darin bestanden, daß die widerstrebenden Länder von sich aus vorbildhaft an der Umbildung des eigenen Staates in der Richtung einer Wiederbelebung gegliederter Selbstverwaltung gearbeitet hätten. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn behauptet wird, die Länder, die sich auf den Föderalis­ mus als Reichsprinzip beriefen, hätten hinsichtlich der eigenen Staatsgestal­ tung vollkommen versagt. Wohin soll das Deutsche Reich gelangen, wenn es aus lauter parlamentarischen, zentralistischen, bürokratischen Staaten im Sinne des westlichen Individualismus besteht, von denen jeder die Tendenz weit­ gespannter Souveränität und eigener Machterweiterung in sich trägt. Nichts ist natürlicher, als daß — auf lange Sicht gesehen — der stärkste dieser Staaten den Sieg davon trägt und auf die Dereinheitlichung des Reiches in seinem Geiste hinarbeitet. Allerdings schreibt die Reichsverfassung die parlamen­ tarische Staatsform für alle Länder vor. Damit ist aber nicht gesagt, daß sie nun auch in ihrem Bereiche die Zentralisierung und Bürokratisierung zum äußersten zu treiben brauchten. Wie die Dinge heute liegen, werden die Par­ lamente der Länder allmählich beschäftigungslos, weil das Reich ihre Auf­ gaben wegnimmt. Sie haben deshalb die Neigung, innerhalb ihres Herr­ schaftsbereiches ihren Aufgabenkreis künstlich im zentralistischen Sinne zu ver­ größern. Wäre es nicht viel richtiger, wenn ein Land den Parlamentarismus an sich selbst ad absurdum führen würde,*) dadurch, daß es aus eigener staatsbildnerischer Kraft neue Formen des öffentlichen Lebens begründen und aufbauen würde? *) Bayern und Lachsen tun dies zur Zeit, aber nicht in schöpferischem Sinne. 3*

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Der bedrängte Föderalismus.

(Eine weitere Schwäche des Lagers der Föderalisten ist darin zu suchen, daß der Rückhalt einzelner Länder an ihren Staatsbürgern zu wünschen übrig läßt. Überall im Reiche sitzen Reichsparteien, die aus Grundsatz staatsindivi­ dualistisch eingestellt sind, deshalb den (Einheitsstaat erstreben und die Selb­ ständigkeit des eigenen Landes verneinen. Allerdings gibt es hier Unterschiede. Wo unitarische Parteien in Länderregierungen sitzen, fangen sie oft an, födera­ listisch zu werden. (Es ist dies aber eine „Weltanschauung", die auf sehr schwan­ kendem Grunde ruht. Entscheidend endlich bleibt für die ganze Zrage die unterschiedliche Stärke des Staatsgefühls in den einzelnen Ländern. Man kann von einem bayerischen, württernbergischen und sächsischen Staatsgefühle sprechen. Man weiß um den hanseatischen Bürgerstolz. Wo aber ist das Staats­ gefühl von Lippe-Vetrnold? (Eine Republik ist unvorstellbar ohne staats­ tragenden Volkskörper. Solche volkskörper bedürfen jedoch der erfüllenden Idee, der Verwurzelung im eigenen Staatswesen. So gab es 1918 Glied­ staaten, deren Staatsgefühl zu schwach war, um nicht nach dem Wegfall der Dynastien einen empfindlichen Stoß zu erleiden. Schlagartig verschwanden Staatsgebilde von der deutschen Landkarte, und es hat den Anschein, als ob noch mehr die Neigung in sich trügen, sich freiwillig aufzugeben. Wer aber auf sein Eigenleben verzichtet, besitzt keines mehr; und es wäre falsch es zu konstruieren, wo ein Land selbst auf die elementarste Äußerung seiner Kraft verzichtet. So sieht das Gegenwartsbild des Föderalismus sehr betrüblich aus. Immer mehr Macht fließt dem Reiche und Preußen zu, die sich beide wetteifernd darum bemühen. Die Säugpumpe Berlin, in welcher beide ihren Sitz haben, arbeitet unablässig und leitet die Kräfteströme der Glieder in die aufgeblähte Zentrale. Der Verstädterungsvorgang, gipfelnd in dem Ideal der Weltstadt, kommt dem staatlichen Zentralismus zu Hilfe, obwohl er in das Gebiet der Soziologie gehört und nicht notwendig mit der politischen Zentralisierung ver­ bunden sein muß. (Denn die Hauptstadt eines Reiches braucht nicht gleich­ zeitig seine größte Stadt zu sein, Regierungszentrale und Geldzentrale müssen nicht zusammenfallen.) Aber wie die Dinge heute liegen, fließen diese neben­ einander herlaufenden Ströme in einer gemeinsam zentralisierenden Richtung und wirken beide politisch gleichartig. Andererseits haben sich die Länder in die Stellung von Angegriffenen zurückdrängen lassen und wehren sich mit verhältnismäßig schwachen Kräften um ihre nackte Existenz. Sie sind selber den politischen Vorstellungen des Unitarismus erlegen und entbehren des­ halb der Waffen, die wirkungsvoll sein könnten. Sie reden von sich, wo sie vom Reiche sprechen sollten. Und sie gebrauchen das Wort Iöderalismus ohne Erfolg, weil die hinter diesem stehende Idee des organischen Staates (Reicher) ihnen nicht mehr lebendig ist.

Der heutige Stand der ReidpCänöerfrage.

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Oer heutige Stand der Reich-Länderfrage. Ä)er den heutigen Stand des Reich-Länderproblems untersuchen und dazu

Stellung nehmen möchte, kann nicht umhin, vorher die Begriffe zu klären. Unitarismus und Föderalismus sind zwei politische Tendenzen. Oie eine gipfelt im Einheitsstaate, die andere im „völkerrechtlichen Vereine mit bloßer Vereinsgewalt über die Mitgliedsstaaten und ohne unmittelbare Herrschaft über die Untertanen" (Triepel). Oie Verfassungsnormen gehören im einen Falle zum reinen Staatsrechte, im anderen vorwiegend zum Völkerrechte. Solche losen Staatenbünde haben oft eine partikularistische Entwicklung im Gefolge, weil die Zentralgewalt der notwendigen Macht entbehrt, ohne welche das Recht, das Verträgen rein völkerrechtlicher Art zugrunde liegt, sich nicht durchzusetzen vermag. Es zeigt sich demnach, daß der Zdealfall des Föderalis­ mus nicht mit dem Bilde vom organischen Staate zusammenfällt. Vieser ver­ langt das Gleichgewicht der Kräfte und nicht das Übergewicht der Teile, wie es leicht im Staatenbunde sich durchsetzt, wenn keine allgewaltige Idee oder reale Machtfaktoren, welche die Zentrale zur Hand hat, die Einheit des Ganzen verbürgen. Der Staatenbund als solcher trägt in sich partikulare Tendenzen. Die Umwandlung in einen Bundesstaat oder Einheitsstaat ist zwar ebenfalls möglich, die antreibende Kraft liegt dann aber weniger bei den sich zusammen­ schließenden Vertragsstaaten, als bei einer übergeordneten Macht, wie sie beispielsweise der deutsche Einheitsgedanke und Preußen zu Bismarcks Zeiten darstellten. Umgekehrt kann man kaum von föderalistischen Tendenzen bei einem Ein­ heitsstaate sprechen. Denn er leugnet, wie auch Rawiaskg hervorgehoben hat, jede zusammengesetzte Natur, insbesondere die Existenz der Glieder. Die Um­ wandlung eines Einheitsstaates in einen Bundesstaat oder gar Staatenbund ist deshalb immer ein revolutionärer Akt, sei es, daß er von sich neu entwickeln­ den und erstarkenden Gliedern ausgeht, sei es, daß die revolutionierende Zentralgewalt die einheitliche Staatsgewalt durch eine Art von Bündnis­ bildung ersetzt (Fall Rußland). Es ist also nicht richtig, wenn behauptet wird, die Geschichte strebe zwangsläufig zum Einheitsstaate. Dieses „Gesetz" gilt nur für den europäischen Westen, der unter der Herrschaft des individuali­ stischen Staatsgedankens steht. Zuzustimmen ist aber der von der Staatslehre allgemein vertretenen Ansicht, daß der Kampf zwischen unitarischen und föderalistischen Strömungen den eigentlichen Boden im Bundesstaat findet, also in jener Staatsform, die ein Mittelding zwischen Staatenbund und Ein­ heitsstaat darstellt. Daß das bismarckische Reich in diese Kategorie zu rechnen ist, steht fest. Auch die Verfassung von Weimar ist von dieser Grundsage nicht abgewichen, wenn auch die Vereinheitlichung nicht zu leugnende Fortschritte gemacht hat. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Neuverteilung der Zuständig-

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Der heutige Stand der Reich-Länderfrage.

feiten, als auch der Errichtung einer reichseigenen Verwaltung und endlich der Stärfung des unitarischen Reichstages. Daneben läuft die Gegenüberstellung der Begriffe zentralistisch und dezentralistisch. Der Einheitsstaat kann sowohl zentralistisch als dezentralistisch aus­ gebaut sein. Rawiaskg unterscheidet die verwaltungstechnische und die politische Zentralisation. Den ersten Zoll nimmt er als gegeben, wenn die Sülle der Entscheidungs- und Befehlsgewalt an der Spitze des Apparats vereinigt ist, den zweiten, wenn es gegenüber der Zentralbehörde feine Selbstverwaltung gibt. Bei der verwaltungstechnischen Zentralisation und Dezentralisation handelt es sich um einen zusammengehörigen Behördenaufbau, nicht um getrennte Willensorganisationen. Dasselbe gilt — und auch hier ist Nawiasfg beizu­ pflichten — hinsichtlich der politischen Zentralisation und Dezentralisation, weil beide Sormen des Staatsaufbaues von vornherein die Möglichfeit ver­ neinen, daß neben der Reichsgewalt noch andere Spitzen der Staatsgewalt bestehen, verwaltungstechnisch sann auch der Bundesstaat nicht ohne ein Mindestmaß von Zentralisation ausfommen, man denfe nur an Heeres-, Zollwesen und Ähnliches. Umgefehrt ist ein Einheitsstaat möglich, der den Teilgebieten eine größere Bewegungsfreiheit hinsichtlich ihrer Selbstverwal­ tung „überläßt" als dies der Bundesstaat tut. Trotzdem sann aber nicht geleugnet werden, daß mittelbar ein enger Zu­ sammenhang zwischen Zentralismus und Unitarismus besteht. Die meisten Einheitsstaaten haben notgedrungen den Behördenapparat bis zur höchsten Spitze durchorganisiert und die Zwischenbehörden mehr oder minder abhängig und bedeutungslos gemacht. Ein solcher zentralistischer Behördenaufbau liegt eben in der Natur der staatlichen Allgewalt, die das Wesen des Einheitsstaates ausmacht. Es leuchtet auch ein, daß der Einheitsstaat nicht gesonnen sein sann, eine ganze Reihe von Entscheidungen und Aufgaben ohne eigenen Einfluß der Zwischenbehörde zu überlassen. Weshalb denn auch neuerdings bei uns die Tendenz zutage tritt, über der dritten Instanz, die heute in Verwaltungs­ sachen die Länder darstellen, gewissermaßen die vierte des Reiches aufzubauen. Es sann aber fein Zweifel bestehen, daß nach Ausbau dieser vierten Instanz von einer bundesstaatlichen Gestaltung des Deutschen Reiches säum mehr die Rede sein sonnte. Ähnlich liegen die Dinge hinsichtlich der politischen Zentrali­ sation bzw. Dezentralisation. Solange eine Selbstverwaltung aus staatlich vor­ gefundenem Rechte ausgeübt wird (auf den Bundesstaat übertragen: solange die Gliedstaaten aus eigener Souveränität handeln), besteht die Gewähr der Dezentralisation. Empfangen sie aber ihre Rechte durch Delegation, auf dem Wege der Übertragung vom Reiche, die jederzeit widerrufen werden sann, so gerät ihre Selbständigfeit und die Eigenart ihres staatlichen handelns in Gefahr. Die verdorrung droht solchen Gliedern und ihr Lebenswille wird gelähmt, wer frei geboren ist, fühlt sich stärfer als der freigelassene Sflave.

Der heutige Stand der Reich-Länderfrage.

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Sieht man aber von der verwaltungstechnischen und staatsrechtlichen Seite ab und arbeitet mit biologischen Vorstellungen, so leuchtet ohne weiteres ein, warum zunehmende Vereinheitlichung immer mit Zentralisation zu­ sammengeht. Die Anhänger des Einheitsstaates wollen ja gerade den aus der Geschichte überlieferten lebendigen Eigenwillen abtöten oder durch Dauer­ kontrolle schmiegsam machen. Das wird auf dem Wege der Dezentralisation nicht so leicht sein wie durch Zentralisation. Und wenn auch überzeugte Einheitsstaatler, die sich als Anhänger der Dezentralisierung bekennen, den heutigen Ländern größtmögliche Freiheit in Aussicht stellen, so doch nur mit dem Hintergedanken, an Stelle der Freiheit aus eigenem Rechte eine gütigst gewährte Erlaubnis treten zu lassen. Das wahre Leben aber entwickelt sich immer am besten in angeborener und bewahrter Freiheit. Es ist deshalb, unter Verzicht auf formalrechtliches Denken möglich, zentralistisch und organisch gegliedert als feindliche Gberkategorien beizubehalten und hier­ unter bis zu einem gewissen Grade den Gegensatz Unitarismus und Föderalis­ mus einzuordnen. Das Wort Föderalismus knüpft an den Entstehungsvorgang gegliederter Reiche durch Verträge an: es macht also die Lündnisidee zum Mittelpunkte der Staatskonstruktion. Das Jahr 1918 hat mit dem Wegfall der vertrag­ schließenden Dynastien die Wiederbelebung des Lündnisgedankens außer­ ordentlich erschwert. Zwar kann die Möglichkeit eines Bündnisses zwischen einer Reihe von Länderrepubliken nicht geleugnet werden, vorausgesetzt, daß diese Länder eine ausgesprochene innere Staatskraft entwickeln. Auf der anderen Seite darf niemand übersehen, daß es 1918 nicht die Länder waren, die zur Neukonstituierung des Reiches zusammentraten, sondern das deutsche Volk. Gewiß sind die 1871 abgeschlossenen Bündnisverträge ewiges Recht. Dieses Recht hat aber eine revolutionäre Unterbrechung erfahren, über die schwer Hinwegzukommen ist. Die neue Verfassung ist nicht Ergebnis eines Bündnisvertrages, sondern der Mehrheitsbeschlüsse einer verfassunggebenden Versammlung, die durch und durch unitaristisch gebildet war. Es ist deshalb für die Verfechter des Föderalismus schwierig, den Vertragsgedanken zum Angelpunkte ihrer Staatslehre zu machen. Dabei soll keineswegs übersehen werden, daß hinsichtlich der großdeutschen Zukunft oder gar in bezug auf die Wiederbelebung des mitteleuropäischen Reichsgedankens, der Bündnisidee nach wie vor ihre staatsgestaltende Bedeutung zukommt und niemals ver­ nachlässigt werden darf. Aber zur Neugliederung des heutigen Reiches bedarf es weniger der Staatsverträge, als der verfassungsändernden Beschlüsse des Reichstages. Sie können keineswegs dem vertragsrechte zugerechnet werden. Aus dieser Überlegung ergibt sich, daß im heutigen Deutschland das unitarische Element in einem Matze überwiegt, welches eine vertragliche Regelung des Verhältnisses zwischen Reich und Ländern nahezu unmöglich gemacht hat.

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Unter diesen Umständen bleibt nur die Rückbesinnung auf die Staatsidee des organischen Reiches übrig, die übergeordnet hinter der föderalistischen steht. Wer sich zu ihr betennt, braucht nicht ängstlich die rechtlichen Tatbestände zu erwägen und die bange Zrage nach der Möglichkeit vertragsrechtlicher Konstruktionen zu stellen. $ür ihn ist nicht nur die Vorstellung erlaubt, daß die heute noch übrig gebliebene Eigenkraft der Glieder entsprechend berücksichtigt werden müsse, sondern er kann den kühneren Gedanken aussprechen, daß, unter der Oberfläche verschüttetes, organisches Leben der Glieder wieder­ belebbar ist. Vie Geschichte bietet uns dafür eine ganze Reihe von Bei­ spielen. Es braucht nur an die katalanische oder die bretonische oder die flämische Bewegung erinnert zu werden, die alle lange Jahre als endgültig erledigt galten, heute aber wieder ihr Haupt erheben. Roch anschaulicher wirkt das Erwachen slawischer Gstvölker. Wir haben die Entstehung eines tschechischen volkstumes und einer slowenischen Schriftsprache erlebt. Wir sehen, wie in dem ehemals zentralistischen Rußland neue volkstümer durch bewußte Förderung im Werden sind. Es ist Aufgabe des geschichtlich denkenden Politikers, überall die organischen Grundkräfte zu spüren und sie für die politische Gestaltung nutzbar zu machen. So ergibt sich auch für das deutsche Volk, daß der augenblickliche Rechts­ zustand, wie er durch das Weimarer Verfassungswerk festgelegt ist, keines­ wegs dem volklichen und kulturellen Tatbestände entspricht. Eine Untersuchung über die organischen Grundkräfte, die, weil noch entwicklungsfähig, einer Neu­ gliederung des Reiches nutzbar gemacht werden können, darf die Festlegung von Weimar übersetzen. Vies gilt natürlich nicht für den praktischen Politiker, der ein greifbares Ziel zu erreichen trachtet. Er muß mit den bestehenden Mächten und mit den im Wege stehenden Paragraphen rechnen. Immerhin ist das Unterfangen gerechtfertigt, vom Standpunkte der organischen Staats­ idee aus, Neugliederung und Neubau des Reiches zu entwerfen. Der Vorwurf des Utopischen wäre einem solchen Vorhaben gegenüber nur dann stichhaltig, würde ein Entwurf die organischen Grundkräfte des Volkes unberücksichtigt lassen, falsch beurteilen oder überschätzen. Daß die Verwirklichung weitge­ spannter Ideen auf politische Hindernisse stößt, ist kein durchschlagender Ein­ wand. Denn Zeitumstände und politische Kräftelagerung können stündlich wechseln. Es ist auch falsch, ein Fernziel abzulehnen, das doch stillwirkend auch die Tagespolitik beeinflußt, und als erlaubt nur solche Pläne zu bezeichnen, die jederzeit auch in politische Wirklichkeit nach Maßgabe der politischen Ver­ hältnisse umgesetzt werden können. Wer diese letzte Einstellung als allein realpolitisch ansieht, verwechselt Tagespolitik mit Realpolitik. Der Schiffer richtet den Kurs seines Schiffes auf hoher See nach den Sternen. Er kennt die Küste, zu der er strebt, ohne sie zu sehen. So brauchen auch wir in der Politik Leitsterne, welche über die begrenzte Sicht der Stunde zum Zernziele weisen.

Der heutige Stand der Reich-Länderfrage.

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Die Debatte über Neugliederung des Reiches, in der Länderkonferenz gipfelnd, stand immer im Banne tagespolitischer Erwägungen. Jeder Be­ teiligte berechnete, was ihm im Augenblicke als erreichbar schien und sagte nicht, was er wirklich wollte. So kamen die Unitarier in den Derdacht, eine Diktatur Berlins ausüben zu wollen, die Föderalisten in den des partikularismus. Den einen traute man bittere Feindschaft gegenüber jedem Lande zu, den anderen die Derleugnung des deutschen Standpunktes. Eine ehrliche Aussprache über die Staatsgrundideen, die hinter den beiden feindlichen Lagern stehen, fand nie statt. Es standen sich Bürokratien gegenüber, die um ihre Kompetenzen kämpften, Minister, die das Recht der Erstgeburt nicht preisgeben wollten, Wirtschaftler, die sich über die Billigkeit, bzw. Kostspielig­ keit des Einheitsstaates, bzw. des föderalistischen Reiches stritten. Dazu kamen noch die Nörgler, die überall Rückständigkeit witterten und tatsächlich überlebte Überbleibsel vergangener Zeiten mit Leidenschaft bekämpften. Die eigentüm­ liche Traditionslosigkeit des modernen Deutschen, die ihn vom Engländer unterscheidet, brach wieder einmal ungeduldig durch. Überblickt man das Ergebnis der öffentlichen Debatte, so bleibt ver­ hältnismäßig wenig übrig, was feste Anhaltspunkte gewährt. Einig sind alle hinsichtlich der Beseitigung von historischen Reliquien ohne Wert, praktisch heißt dies die Neuziehung von Grenzen, die tatsächlich auf rein dynastischen Zufälligkeiten beruhen, die Ausmerzung von lebensunfähigen Kleinstaaten, von Enklaven und Exklaven. IHan kann die Tätigkeit, die auf diesem Gebiete neuordnend Platz greifen soll, kur; unter dem Namen Flurbereinigung zu­ sammenfassen. Kein Zweifel kann bestehen, daß eine solche notwendig ist. hinsichtlich der eigentlichen Neugliederung liegen radikale Pläne vor, die sich auf volkhaftes Denken berufen. Sie wollen an Stelle der Staatlichkeit wieder die Stammlichkeit zur bewegenden Kraft der Gliederung machen. Da zweifelsohne eine Doppelgliederung des deutschen Volkes nach Stämmen und Territorialstaaten gegeben ist, so hat ein Rückgriff auf die Stammlichkeit geschichtliche Beweisgründe für sich. Es kann aber nicht geleugnet werden, daß die neuere Geschichte die Stammesgrenzen verwischt und staatlich überlagert hat. Za, daß in manchen Fällen das Staatsgefühl stärker geworden ist als das der Stammeszugehörigkeit. Die Stammlichkeit ist in erster Linie eine gefühls­ mäßige und kulturelle Realität, keine politische. Wo sich die Grenzen von Staaten und Selbstverwaltungskörpern mit denen der Stämme decken, ist dies allerdings anders. Die Überlegenheit der dynastischen Länder über die Stam­ mesgebiete kann aber im Augenblicke deshalb nicht geleugnet werden, weil sie mit einem unwiderlegbaren Atribute des Eigenlebens ausgestattet sind, nämlich der Staatlichkeit. Äußerst schwierig ist die Untersuchung darüber, wo das Stammesbewußt­ sein noch lebendig ist und wie die Stammesgrenzen verlaufen. Der moderne Staat beeinflußt die Psyche seiner Staatsbürger außerordentlich stark. Er kann

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Der heutige Stand der Reich-Länderfrage.

deshalb manche Stammes eigentümlichkeit geradezu verwischen. Aber das ist im Deutschen Reiche überall verschieden. Das Staatsgefühl ist in Abstufungen vorhanden und ebenso das der Stammlichkeit. Die Ansatzpunkte organischer Gliederung liegen sonach heute in Gebilden verschiedener Art: gemischt in Staaten, in Stämmen, in Landschaften, in Städten und in lVirtschaftsgebieten. Die Gegenwart erheischt deshalb eine Lösung der Gliederungsfrage, welche diese übergangartigen Derhältnisse berücksichtigt. IHit einer starren Regel sind die Schwierigkeiten von heute nicht zu meistern. An jedes Land und an jeden Stamm mutz ein eigener Matzstab angelegt, sein inneres Wesen auf organische Ktäfte untersucht werden. (Es gibt deshalb zurzeit keine Lösung, die gleichmätzig für alle Länder patzt. Rur eine formalrechtliche Denkweise, welche keine beweglichen Rechtsvorstellungen kennt, konnte deshalb die Dorschläge „des Bundes zur Erneuerung des Reiches" eine Kompromitzlösung nennen. So­ genannte differenzierte Dorschläge sind bei der Reichsgliederungsfrage kein Zugeständnis an das eine oder andere Prinzip, sondern lediglich Ausflutz organischer Staatspolitik, deren Wesen darin besteht, sich dem Leben anzu­ passen. Der Dersuch, mit lockerer Hand die Derhältnisse Norddeutschlands und Süddeutschlands verschieden zu regeln, verrät das Dorhandensein von poli­ tischem Gefühl für den Übergangscharakter unserer Zeit. Dazu kommt folgende Erwägung: Richt nur autzenpolitisch, sondern auch innenpolitisch befindet sich das deutsche Doll in einer Mittellage. Seine staatlichen Formen müssen des­ halb ebenfalls ein Mittleres darstellen, hier gilt kein Schema, sondern nur lebendige Beweglichkeit. Das wird wohl Schicksal des Deutschen Reiches in nächster Zeit sein: ein Zwischending zwischen staatlichem und völkischem Föde­ ralismus. Dielleicht wird die Zukunft dem letzten gehören, weil das Zeitalter der rein staatlichen Denkweise mit dem Zusammenbruche des Individualismus sich überlebt hat. Roch ruhen ungehobene Schätze in der Tiefe der deutschen Stämme, ihrer seelischen Sonderart. (Es wäre aber falsch und doktrinär, Gliedstaaten mit jahrhundertealter Tradition nur aus antidgnastischem Ressentiment zu zertrümmern, um auf dem Felde der Zerstörung das Lanner stammesartlicher Selbstverwaltung aufzupflanzen. Damit würde wenig erreicht. Die erst wieder zu entwickelnden Stammeskräfte würden als schon vorhanden fälschlich vorausgesetzt und wären kaum imstande, die gewaltsam beseitigte Staatlichkeit der Länder zu ersetzen. Genau so verkehrt ist es, Zwergstaaten, denen Lebenswillen und Lebens­ möglichkeit abgeht, zu erhalten, daneben aber eine auf Stammlichkeit be­ ruhende lebenskräftige Provinz in einem niederen Zustande schlechtentwickelter Selbstverwaltung zu belassen. (Es ist und bleibt ein Widersinn, datz einzelne Provinzen preutzens an Abgerundetheit und innerer Kraft manches Land, das doch über einen höheren Grad der politischen Selbständigkeit verfügt, übertreffen. Das sind Zustände, die mit pfleglicher Hand korrigiert werden müssen. Zu der Grundforderung der Flurbereinigung gehört deshalb die

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der Beseitigung lebensunfähiger Länder. (Db es richtig ist, diese in erster Linie an Preußen anzuschließen, ist noch sehr die Zrage. Bleibt Preußen als partikulare Macht bestehen, so bedeutet die Verbreiterung seines Herrschafts­ bereiches die endgültigevereinheitsstaatlichung des Deutschen Reiches. Anders lägen die Dinge, wenn eine stärker hervortretende Unterteilung Preußens bei gleichzeitiger Beseitigung seiner Staatsspitze (bzw. bei ihrem Zusammenfall mit der Reichsgewalt) Platz griffe. Dann wäre das Übergewicht des preu­ ßischen partikularismus und damit der Sieg des Staats- über den Reichs­ gedanken nicht mehr zu befürchten. Man sieht also, daß das Aufhören der Kleinstaaterei, wenigstens für den Norden Deutschlands, von dem Problem Reich-Preußen nicht zu trennen ist. Im Süden dagegen liegen die Lösungen auf der Hand, hier sind lebenskräftige Kernstaaten vorhanden, die der Ab­ rundung harren. Dies gilt insbesondere für die rheinische Landschaft, deren staatliche Verhältnisse noch nicht genügend geklärt sind. Das Land Baden ist kein glückliches Gebilde und in Hessen-Darmstadt kriselt es ununterbrochen. Es darf aber niemals geschehen, daß gerade dort ein preußischer partikularis­ mus seine annektierenden Kräfte zur Entfaltung bringt. Die Verschluckung dieser lebenskräftigen, mit echt süddeutschem Demokratenstolz ausgestatteten Stämme durch eine Staatlichkeit, die aus ganz anderem Geiste geboren ist, würde dem organischen Reichsgedanken eine tödliche Wunde schlagen. Nun wird aber eingewendet, diese Sonderbehandlung des deutschen Südens öffne aufs Neue die Kluft zwischen ihm und dem Norden, reiße wiederum die Mainlinie auf. Dieser Meinung kann nur sein, wer in unbeweg­ lichen Rechtsvorstellungen denkt. Wer aber das Reich auf seiner geschichtlichen Grundlage aufbauen möchte, muß natürliche Unterschiede bejahen, um nicht durch deren gewaltsame Verwischung lebendige Kräfte zu verschütten oder gar deren Widerstand künstlich zu erzeugen. Die Tatsache, daß der deutsche Süden sich grundverschieden vom Norden entwickelt hat, besteht einmal, und nichts ist gefährlicher, als sie zu leugnen. Besonders wenn man bedenkt, daß die Entwicklung im Süden noch nicht abgeschlossen ist. Zwar ist — zu unserem Leidwesen — ein Eckpfeiler des Deutschtums — Elsaß-Lothringen — heraus­ gerissen. Wäre es noch Teil unseres Gesamtkörpers, so müßten wir uns im Südwesten ganz besonders vor jedem Staatszentralismus hüten. Dasselbe gilt noch heute für den Südosten, für die wichtige Donaulandschaft und die bedeutsamen Alpenländer, die im Laufe dieses Jahrhunderts wieder zum Deutschen Reiche zurückfinden müssen, soll nicht die deutsche Schicksalskurve sich endgültig nach unten neigen. Wenn man überlegt, daß Süddeutschland bis zum Bodensee von Österreich umrahmt wird, so kann kein Zweifel an der gewaltigen Bedeutung der Anschlußfrage für das deutsche Volk bestehen. Eine zwar politisch lockere, aber kulturell enge Verbindung besteht ferner mit der Schweiz. Es hieße, die unglückliche Lostrennung der Eidgenossen vom deutschen Reichskörper mit gewolltem Ungeschick unterstreichen, würde das

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Deutsche Reich an die Schweiz mit einer preußischen Provinz grenzen, statt mit einem allemannischen Stammeslande. Ganz anders liegen die Verhältnisse im deutschen Norden, hier hat, im weiten Sinne des Wortes, auf Kolonialboden ein deutscher Territorialstaat sich zur Großmacht entwickelt und die „Halbnation" der Preußen geformt. Daß dieser Staat ein gewaltiges Aktivum in der neueren deutschen Geschichte bedeutet, kann auch derjenige nicht bestreiten, der sehnsüchtigen Auges auf die große Reichsgeschichte des Mttelalters zurückblickt. Aber das zweite Reich ist geschmiedet und hat sich im größten aller Kriege bewährt. Die Sendung Preußens wäre erfüllt, wenn nicht die klaffende Wunde im Nordosten brennte, die der Versailler Vertrag dem deutschen Volke geschlagen. Es ist deshalb ver­ ständlich, wenn viele Politiker die Erhaltung der preußischen Staatskraft for­ dern, solange die preußische Klammer, die vom Rheine bis zur Wentel reicht, als notwendig erscheint. Und sicher wäre es falsch, diese Staatskraft leicht­ sinnig preiszugeben, ohne etwas an ihre Stelle setzen zu können. $ür diese Einsicht ist bezeichnend, daß schon die vezentralisierungspläne eines Einheitsstaatlers wie Erich Kochs mit dem Argumente bekämpft werden, Preußen dürfe nicht zerschlagen werden. Nun ist es zweifelsohne Erich Koch weniger um die Zerschlagung Preußens, als um dessen Unterordnung unter das Reich zu tun. Er will aber lebendigere Provinzen, als es heute die preußischen sind, weil er einsieht, daß eine verwaltungsmäßige Entlastung des Reiches mit der Beseitigung der preußischen Zentralgewalt notwendig wird. Diese mit verstärkter Selbstverwaltung ausgestatteten preußischen Pro­ vinzen des dezentralisierten Einheitsstaates werden auch „Länder jüngerer Ordnung" genannt. Es soll damit zum Ausdrucke gebracht werden, daß sie an Selbständigkeit die heutige Provinz überragen, daß ihre Entstehung aber nicht auf eigenes Recht, sondern auf Delegation zurückgeht. Die unmittelbare Unterstellung dieser „Provinzen" unter das Reich wäre gerechtfertigt, wenn wieder eine Verschmelzung der Reichs- mit der preußischen Staatsgewalt stattfände. Gefährlich aber ist die Schaffung von Ländern jüngerer Ordnung dann, wenn sie eine verreichlichung auch der historisch gewordenen Länder einleiten soll. Diese Absicht gestehen die Anhänger des dezentralisierten Ein­ heitsstaates ein. Was aber an diesen Plänen — sowohl Erich Koch, als auch ein Referat der Länderkonferenz, als auch der Bund zur Erneuerung des Reiches stimmen darin überein, die preußischen Provinzen in ihrer Selbständigkeit zu heben — sgmpatisch berührt und in der Richtung des organischen Reiches verläuft, ist der Umstand, daß auf diese Weise eine neue lebendige Untergliederung des großen preußischen Staatskörpers vorbereitet werden könnte. So gefährlich die Aufteilung Preußens in unlebendige Provinzen wäre, so bedeutsam könnte die allmähliche Entwicklung von Stammesländern preußischer Prägung für eine zukünftige föderalistische Linie in völkischem Sinne werden. Allerdings

Reich und Preußen.

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müßten dann wahrscheinlich auch innerhalb des heutigen preußischen Ge­ bietes Unterschiede gemacht werden: zwischen dem niedersächsischen Westen, der nie ganz „verpreußt" ist, und dem urpreußischen Osten. (Ein Kernziel für die organische Staatsauffassung bleibt diese neu erwachende Stammlichkeit immer. AIs Gegenwartsforderung radikaler Neuerer ist sie wohl verfrüht. So wird offenbar, daß Norddeutschland zuvorderst berufen ist, den Koderalismus der Stammlichkeit, der Landschaften und Wirtschaftsgebiete (Ham­ burg) neu zu entwickeln. Untrennbar aber ist diese Krage von der des Gegen­ satzes zwischen Reich und Preußen, an welcher kein Politiker oorübergehen kann, und die in den Vordergrund der Erwägungen gerückt zu haben, das verdienst Hans Luthers ist.

Reich und Preußen. E)er Lund zur Erneuerung des Reiches hat in seiner Schrift „Reich und Länder" über die Krage des Verhältnisses von Preußen zum Reiche folgende Ausführungen gemacht: „Wie war es früher? Der König, der in Preußen maßgebender Kaktor der Gesetzgebung war, vereinigte in seiner Person mit der preußischen Königsgewalt auch das Amt des deutschen Kaisers, der Spitze des Reiches. Er ernannte den Reichskanzler, den einzigen staatsrechtlich ver­ antwortlichen NUnister im Reich. Und dieser Reichskanzler war bis auf zwei fehlgeschlagene Experimente von charakteristisch kurzer Dauer zugleich preu­ ßischer Ministerpräsident, also der höchste, für die Exekutive nicht nur im Reich, sondern auch in Preußen, dem größten Teil Deutschlands, verantwortliche Beamte. Seine Gehilfen, die Staatssekretäre des Reiches, waren zum Teil zugleich Mitglieder des preußischen Staatsministeriums, er selbst war gleich­ zeitig preußischer Minister des Auswärtigen. Sein Übergewicht sorgte für Einheitlichkeit der Politik im Reich und in Preußen, die schlimmstenfalls einem sich der Richtung des Kanzlers nicht anpassenden preußischen Minister gegenüber durch die nur vom König und Kaiser auszusprechende Entlassung jederzeit wiederhergestellt werden konnte. Dhne seine Mitwirkung wurde kein führender Beamter im Reich und in Preußen ernannt." Diesem knapp umrissenen Zustande unter der Bismarckischen Verfassung stellt nun die Denkschrift den gegenwärtigen gegenüber. Sie betont, daß weder Reichspräsident noch Reichsregierung in Preußen etwas zu sagen hätten, daß sie gewissermaßen auf den guten Willen des preußischen Staats­ ministeriums angewiesen wären. (Es gäbe keine Instanz, die zur Entscheidung zwischen Preußen und dem Reiche berechtigt sei. Es wird dann ferner auf die Gefahren hingewiesen, die in einem möglichen Dualismus der deutschen Außenpolitik und der preußischen Innenpolitik lägen, auf die Uneinheitlich­ keit der Wirtschaftspolitik, besonders im Osten. Endlich aber wird die Teilung

Reich und Preußen.

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müßten dann wahrscheinlich auch innerhalb des heutigen preußischen Ge­ bietes Unterschiede gemacht werden: zwischen dem niedersächsischen Westen, der nie ganz „verpreußt" ist, und dem urpreußischen Osten. (Ein Kernziel für die organische Staatsauffassung bleibt diese neu erwachende Stammlichkeit immer. AIs Gegenwartsforderung radikaler Neuerer ist sie wohl verfrüht. So wird offenbar, daß Norddeutschland zuvorderst berufen ist, den Koderalismus der Stammlichkeit, der Landschaften und Wirtschaftsgebiete (Ham­ burg) neu zu entwickeln. Untrennbar aber ist diese Krage von der des Gegen­ satzes zwischen Reich und Preußen, an welcher kein Politiker oorübergehen kann, und die in den Vordergrund der Erwägungen gerückt zu haben, das verdienst Hans Luthers ist.

Reich und Preußen. E)er Lund zur Erneuerung des Reiches hat in seiner Schrift „Reich und Länder" über die Krage des Verhältnisses von Preußen zum Reiche folgende Ausführungen gemacht: „Wie war es früher? Der König, der in Preußen maßgebender Kaktor der Gesetzgebung war, vereinigte in seiner Person mit der preußischen Königsgewalt auch das Amt des deutschen Kaisers, der Spitze des Reiches. Er ernannte den Reichskanzler, den einzigen staatsrechtlich ver­ antwortlichen NUnister im Reich. Und dieser Reichskanzler war bis auf zwei fehlgeschlagene Experimente von charakteristisch kurzer Dauer zugleich preu­ ßischer Ministerpräsident, also der höchste, für die Exekutive nicht nur im Reich, sondern auch in Preußen, dem größten Teil Deutschlands, verantwortliche Beamte. Seine Gehilfen, die Staatssekretäre des Reiches, waren zum Teil zugleich Mitglieder des preußischen Staatsministeriums, er selbst war gleich­ zeitig preußischer Minister des Auswärtigen. Sein Übergewicht sorgte für Einheitlichkeit der Politik im Reich und in Preußen, die schlimmstenfalls einem sich der Richtung des Kanzlers nicht anpassenden preußischen Minister gegenüber durch die nur vom König und Kaiser auszusprechende Entlassung jederzeit wiederhergestellt werden konnte. Dhne seine Mitwirkung wurde kein führender Beamter im Reich und in Preußen ernannt." Diesem knapp umrissenen Zustande unter der Bismarckischen Verfassung stellt nun die Denkschrift den gegenwärtigen gegenüber. Sie betont, daß weder Reichspräsident noch Reichsregierung in Preußen etwas zu sagen hätten, daß sie gewissermaßen auf den guten Willen des preußischen Staats­ ministeriums angewiesen wären. (Es gäbe keine Instanz, die zur Entscheidung zwischen Preußen und dem Reiche berechtigt sei. Es wird dann ferner auf die Gefahren hingewiesen, die in einem möglichen Dualismus der deutschen Außenpolitik und der preußischen Innenpolitik lägen, auf die Uneinheitlich­ keit der Wirtschaftspolitik, besonders im Osten. Endlich aber wird die Teilung

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Reich und Preußen.

der inneren Verwaltung zwischen Reich und Ländern, die bis zu eigenen Lokalverwaltungen des Reiches geführt hat, als unklar, ja chaotisch gekenn­ zeichnet. — Ls ist nicht leicht, diese verschiedenen Beschwerden auf einen einheitlichen Nenner zu bringen. So läßt sich beispielsweise nicht leugnen, daß das heute bestehende Nebeneinander von Lokalverwaltungen des Reichs und der Länder mehr das Gebiet der Zuständigkeit als das der Reichsgliede­ rung berührt. Wenn jedes Ministerium des Reiches bestrebt ist, sich einen eigenen Unterbau zu schaffen, dann muß allmählich jene verhängnisvolle voppelgleisigkeit der Verwaltung entstehen, die den öffentlichen Aufwand verteuert und den Kompetenzkonflikt zum Wesensinhalt deutscher Politik macht. Es kann nun aber nicht verkannt werden, daß dieses Streben nach einem eigenen Verwaltungsunterbau bei der Reichsleitung deshalb ausgelöst wird, weil der Staatsapparat des großen Landes Preußen zu viel Gewalt gegenüber der verhältnismäßig schwachen Reichszentrale in sich vereinigt. Genau dieselbe Ursache hat die Klage, das Reich vermöge sich gegenüber Preußen in seinen außen- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht durch­ zusetzen und es sei keine Instanz vorhanden, welche etwaige Streitfälle ent­ scheide. Diese Klage ist geeignet, als stärkstes Argument für den Einheitsstaat ins Feld geführt zu werden. Denn — so sagt der Unitarier — wenn die Reichsregierung nicht die oberste Spitze der gesamten Verwaltung darstellt, so gibt es ja keine Sicherheit dafür, daß die Entschlüsse der Reichsregierung auch von den Ländern durchgeführt werden. So liegen nun aber die Dinge keineswegs. Wer jener Anschauung huldigt, müßte überhaupt nach­ weisen, daß andere bundesstaatlich aufgebaute Staatswesen nicht aktions­ fähig seien. Dem ist aber nicht so. Es kommt ganz selten vor, daß sich ein Gliedstaat gegen die Zentralgewalt auflehnt. Eine solche Revolte kann nur gefährlich werden, wenn ein Teil alle übrigen Teile des Reiches an Macht übertrifft. Sind die Teile ungefähr gleich stark, so wird immer eine Mehrheit vorhanden sein, welche die Reichsexekutive gegen einen widerspenstigen Gliedstaat unterstützt. Diese Drohung ist so wirksam, daß sie jede Auflehnung im Keime erstickt. Anders aber im Falle Preußens. Dieses verfügt über Machtquellen und Staatskräfte, die einfach vom Reiche aus nicht zu be­ wältigen sind. Es bleibt also nichts übrig als die Schlußfolgerung, — freilich auf lange Sicht hinaus*) — diesen Dualismus nicht nur zu beseitigen, sondern das Staatswesen Preußen durch mehrere organische Gliedstaaten zu ersetzen. Die Hebung der Provinzen zu wirklichen Selbstverwaltungskörpern ist ein bedeutsamer Schritt in dieser Richtung. Fast alle Vorschläge zur Beseitigung dieses Dualismus streben irgendwie nach dem vorbilde, welches Bismarck mit seiner Verfassung gegeben. Zwar weisen sie innere Verschiedenheiten auf. Bald soll die preußische Staatlichkeit ganz im Reiche aufgehen (Lund zur Erneuerung des Reiches),- bald ist nur *) vgl. das vorhergehende Kapitel!

eine ministerielle Personalunion vorgesehen (Vorschlag hugenbergs); bald soll eine Verschmelzung von Landtag und Reichstag stattfinden- bald ein preußisches Zwischen- oder Halbparlament erhalten bleiben. Natürlich sind viele vifferenzierungen und Schattierungen möglich, je nachdem die Ver­ fasser der Vorschläge von grundsätzlichen oder von nur taktischen Erwägungen beherrscht sind. Bezeichnend für die letzte Richtung ist die vebatte, die darüber entbrannte, was nun mit den preußischen Abgeordneten zu geschehen habe, die ihre Sitze verlören, hier sieht der objektive Beschauer, wie der Parlamen­ tarismus zur Posse wird. Als das zweite deutsche Kaiserreich gegründet wurde, bestand die Not­ wendigkeit, es durch den stärksten Partikularismus (Preußen) regieren zu lassen, heute ist die Lage eine andere geworden: Das Reich soll umgekehrt preußisches Land solange verwalten, bis eine organische Untergliederung ent­ standen ist, die Eigenleben verbürgt. Gewiß ist dieser Zwischenzustand gefähr­ lich und nur unter ganz bestimmten Bedingungen tragbar. Gefährlich des­ halb, weil die verreichlichung Preußens den lveg zum Einheitsstaate verhäng­ nisvoll öffnen könnte,- die Bedingung, welche an eine solche Lösung zu knüpfen wäre, ist die, daß gleichzeitig mit der verreichlichung des deutschen Nordens seine lebendige Untergliederung vorbereitet und gesichert wird. Der Wille, der die verreichlichung befürwortet, darf also nicht unitarisch, sondern muß föderalistisch sein. Damit ist die allgemeine Richtung gezeigt, in welcher eine föderalistische Politik zu arbeiten hätte. Wie sie sich die verfassungs­ mäßige Gestaltung vorstellt, ist eine andere und schwierigere $rage. Verfassungsrechtliche Neugestaltung.

E)er bundesstaatliche Eharakter des Deutschen Reiches kam in der Bismarckischen Verfassung dadurch zum Ausdrucke, daß die eine der gesetzgebenden Körperschaften unitarisch zusammengesetzt war, die andere föderalistisch. Darüber gab es eine Reichsspitze, die gleichzeitig den „stärksten Partikularis­ mus" und den Reichsgedanken verkörperte durch die Personalunion des preußischen Königs und des deutschen Kaisers. Zwar hat der Bundesrat nicht das versprochen, was Bismarck von ihm erwartete. Immerhin war er der eigentliche Angelpunkt des Verfassungslebens, weil er das verfassungs­ mäßige Spiegelbild jenes ewigen Bündnisses darstellte, das die deutschen Fürsten 1871 miteinander geschlossen hatten. Das allmählich sich entwickelnde Übergewicht des Reichstages sah Bismarck nicht gern. Zn erster Linie des­ halb nicht, weil in ihm ein neuer Partikularismus, der der Parteien, lebendig wurde, welcher für den Bestand des Reiches gefährlich werden konnte. Be­ kannt sind die Erwägungen des alten Bismarck, die Verfassung radikal zu verbessern, wobei er sich naturgemäß auf den Bundesrat stützen wollte. Es

eine ministerielle Personalunion vorgesehen (Vorschlag hugenbergs); bald soll eine Verschmelzung von Landtag und Reichstag stattfinden- bald ein preußisches Zwischen- oder Halbparlament erhalten bleiben. Natürlich sind viele vifferenzierungen und Schattierungen möglich, je nachdem die Ver­ fasser der Vorschläge von grundsätzlichen oder von nur taktischen Erwägungen beherrscht sind. Bezeichnend für die letzte Richtung ist die vebatte, die darüber entbrannte, was nun mit den preußischen Abgeordneten zu geschehen habe, die ihre Sitze verlören, hier sieht der objektive Beschauer, wie der Parlamen­ tarismus zur Posse wird. Als das zweite deutsche Kaiserreich gegründet wurde, bestand die Not­ wendigkeit, es durch den stärksten Partikularismus (Preußen) regieren zu lassen, heute ist die Lage eine andere geworden: Das Reich soll umgekehrt preußisches Land solange verwalten, bis eine organische Untergliederung ent­ standen ist, die Eigenleben verbürgt. Gewiß ist dieser Zwischenzustand gefähr­ lich und nur unter ganz bestimmten Bedingungen tragbar. Gefährlich des­ halb, weil die verreichlichung Preußens den lveg zum Einheitsstaate verhäng­ nisvoll öffnen könnte,- die Bedingung, welche an eine solche Lösung zu knüpfen wäre, ist die, daß gleichzeitig mit der verreichlichung des deutschen Nordens seine lebendige Untergliederung vorbereitet und gesichert wird. Der Wille, der die verreichlichung befürwortet, darf also nicht unitarisch, sondern muß föderalistisch sein. Damit ist die allgemeine Richtung gezeigt, in welcher eine föderalistische Politik zu arbeiten hätte. Wie sie sich die verfassungs­ mäßige Gestaltung vorstellt, ist eine andere und schwierigere $rage. Verfassungsrechtliche Neugestaltung.

E)er bundesstaatliche Eharakter des Deutschen Reiches kam in der Bismarckischen Verfassung dadurch zum Ausdrucke, daß die eine der gesetzgebenden Körperschaften unitarisch zusammengesetzt war, die andere föderalistisch. Darüber gab es eine Reichsspitze, die gleichzeitig den „stärksten Partikularis­ mus" und den Reichsgedanken verkörperte durch die Personalunion des preußischen Königs und des deutschen Kaisers. Zwar hat der Bundesrat nicht das versprochen, was Bismarck von ihm erwartete. Immerhin war er der eigentliche Angelpunkt des Verfassungslebens, weil er das verfassungs­ mäßige Spiegelbild jenes ewigen Bündnisses darstellte, das die deutschen Fürsten 1871 miteinander geschlossen hatten. Das allmählich sich entwickelnde Übergewicht des Reichstages sah Bismarck nicht gern. Zn erster Linie des­ halb nicht, weil in ihm ein neuer Partikularismus, der der Parteien, lebendig wurde, welcher für den Bestand des Reiches gefährlich werden konnte. Be­ kannt sind die Erwägungen des alten Bismarck, die Verfassung radikal zu verbessern, wobei er sich naturgemäß auf den Bundesrat stützen wollte. Es

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zeigt sich also, daß das föderalistische Drgan der Bismarckischen Verfassung viel weniger Sprengpulver für die innere Einheit des Volkes in sich barg als der unitaristische Reichstag. Run kann als bekannt vorausgesetzt werden und bedarf keines ins Ein­ zelne gehenden Beleges mehr, daß die Weimarer Verfassung das Schwer­ gewicht zugunsten des Reichstages verschoben hat. Der Bundesrat, nun eben­ falls parteipolitisch stark beeinflußt, verlor als Reichsrat an Bedeutung. Früher brachten der Reichskanzler oder die Reichsstaatssekretäre in ihrer Eigenschaft als preußische Bevollmächtigte zum Bundesrat die Reichsgesetze ein. vom preußischen Kabinette ging also die Reichsgesetzgebung über den Bundesrat aus. heute ist das Schwergewicht der Gesetzgebung in den Reichs­ tag verlegt und die Reichsregierung hat das Recht der Einbringung. Rach der Loslösung des preußischen Staates von der Reichsgewalt in den Jahren 1918—1920 haben sich also die Verhältnisse insofern verändert, als Preußen im heutigen Reiche nicht mehr die verfassungsmäßige Führung hat. Aber auch nicht mehr die Pflicht, fürs Reichsganze einzustehen. Der preußische partikularismus, vorher gebunden, ist nun gewissermaßen frei geworden. Da aber die preußischen Stimmen im Reichsrate sehr gewichtig sind, so überlege man, welche Opposition der Reichsrat, im vergleich mit der Vor­ kriegszeit, der Reichsregierung heute machen kann, hier offenbart sich haupt­ sächlich die veränderte Stellung Preußens und damit die Schwächung des Reiches. Daß auch die Zuständigkeiten in beträchtlichem Maße zum Reichstag hinüberwanderten, wird später behandelt werden. Wer nun an die heutigen Einrichtungen den oben gewonnenen Maß­ stab des organischen Staates legt, gelangt zu folgender Feststellung: das immer mehr sich vergrößernde Übergewicht des unitarischen Reichstages*) widerspricht dem Gesetze der Gliederung und damit der deutschen Reichs­ idee. Der Keichsrat selbst, in dem das Gliederungsprinzip verfassungsmäßig wurzelt, beruht auf einer unvollkommenen Gliederung. Und zwar, — wie schon ausgeführt — weil die Träger des Stimmrechtes, die heutigen Länder, nicht durchweg jene organische Eigenkraft besitzen, die von ihnen vorausgesetzt werden müßte. Einen Vorzug weist allerdings der Reichsrat heute schon auf: die Hälfte der preußischen Reichsratsstimmen wird durch gewählte Vertreter der Provinzen geführt, hier sehen wir die Anfänge einer lebendigen Untergliederung des überstarken Preußens. Trotz allem aber steht der Rompaß der heutigen Verfassungsentwicklung in Richtung auf den Einheitsstaat. Alles Wehren dagegen bleibt kraftlos und ohne Nachhalt, wenn nicht Änderungen der Verfassung vorgesehen werden, die den Kurs wieder mehr nach der föderalistischen Seite umlenken. Es erhebt *) von der jüngsten Entwicklung (Kabinett Brüning) sei hier, weil Ausdruck einer Notzeit, abgesehen.

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sich deshalb die Frage, welche verfassungsändernden — nicht welche politisch­ taktischen — Möglichkeiten in diesem Sinne bestehen.

Wer

dem

individualistisch-zentralistischen

Staate

das

universalistisch­

föderalistische Reich gegenüberstellt, hat das Recht, die beiden Extreme ver­ fassungsplanend zu umreisten, ohne Rücksicht auf die Frage, ob das eine oder andere in Reinheit zu verwirklichen ist. Der Tagespolitiker wird einwenden,

der Entwurf solcher staatsrechtlichen „Luftschlösser" sei mützig. Er vergiht eines: datz es notwendig ist, auch für die Tagespolitik unverrückbare Matz­

stäbe zu schaffen, an denen diese gemessen werden kann. Wer föderalistisch

gesinnt ist, muß wissen, was Sinn des Föderalismus und was Ziel einer föderalistischen Politik ist. Dasselbe gilt für den Unitarier.

Die ideale unitaristische Dersassung wäre in dem Augenblick erreicht, in

welchem auch der heutige Reichsrat wegfiele oder durch eine Kammer ersetzt würde, für welche nicht das föderale, sondern das einheitsstaatliche Prinzip grundlegend ist. Erst dann, wenn beide gesetzgebenden Kammern und die

Reichsspitze aus unmittelbarer gleicher Wahl durch das gesamte deutsche Volk hervorgehen, ist jede föderative Gestaltung unmöglich. Denn die regio­

nale Gliederung nach Wahlkreisen ist dann nicht mehr als Ausdruck einer Wahltechnik. Länder oder Gliedstaaten, die bei der Reichswillensbildung nicht mehr mitzusprechen haben, würden ohne weiteres zu Verwaltungs­

provinzen des Reiches herabsinken, auch dann, wenn sie vorläufig noch eine Gesetzgebung aus eigenem Rechte behielten. Diese könnte ja jederzeit durch die gesetzgebenden Faktoren des Reiches eingeengt oder beseitigt werden.

Auf der anderen Seite steht die ideale föderalistische Verfassung: gesetz­ gebende Körperschaften und Reichsoberhaupt gehen aus der Wahl der Glieder

hervor. Die Gliederung nach Ländern wird dann durch keine direkte und im ganzen Reiche gleiche Wahl durchbrochen,-

sie bleibt maßgebend für die

gesamte Willensbildung des Reichsganzen. Schematisch dargestellt sieht dies so aus, datz Urwahlen nur in den Gemeinden stattfinden, datz die Gemeinde­

vertreter die Lezirksvertreter, diese die Kreisvertreter, diese die Landes­ vertreter und diese wiederum die gesetzgebende Körperschaft des Reichs wäh­ len, aus welcher der Reichsführer und durch Ernennung seitens des Reichs­

führers die Reichsregierung entsteht. Zn ihren Umrissen entspricht diese Auf­

fassung des organischen Staates dem Aufbau, den das Zungdeutsche Manifest entworfen hat*). Kennzeichnend dafür ist der Wegfall aller direkten Wahlen mit Ausnahme der in den Urzellen, den Gemeinden. Es gibt nur die indirekte

Wahl, d. h. die politischen Führungen werden pgramidenartig ausgegliedert,

bis zur Reichsspitze hinauf. Zm Falle des konsequenten Zentralismus geht alle Macht von einem

durch das ganze Volk — richtiger durch die Parteien — in unmittelbarer *) vgl. auch Leopold Ziegler: fünfundzwanzig Sätze vom Deutschen Staat, Darm« stadt 1931, (Otto Reichl Verlag.

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Wahl geschaffenen Parlamente aus; in dem des folgerichtigen Universalismus kommt aus den niederen Zellen immer die jeweils höhere Einheit; es herrscht Aufstufung. An diesen beiden Extremen gemessen, Iaht sich leicht der heutige Stand unseres Verfassungslebens ermitteln, wie auch die Tatsache feststellen, daß nur noch ein knapper Schritt uns vom Einheitsstaate trennt, während der Weg zum universalistischen Reiche ziemlich weit ist. Aber noch etwas anderes erhellt aus der bisher gepflogenen Unter­ suchung: daß nämlich die Stage der Reichsgliederung nicht von der des Staatsaufbaues zu trennen ist. Ulan kann dem ganzen Problem nicht bei­ kommen, wenn man einfach eine Neuverteilung der Zuständigkeiten fordert. Dei Staats- und Reichsaufbau selbst muh vielmehr in sich die Gewähr tragen für die Einheitlichkeit bzw. die Gliedhaftigkeit des Reichsganzen. Erschwert wird die Beurteilung dieser Dinge dadurch, dah beim Reichs­ aufbau nicht nur die Gegenüberstellung des vereinheitlichenden und des gliedernden Elementes ihre bedeutsame Rolle spielt, sondern auch der Gegen­ satz zwischen demokratischem und aristokratischem Gedanken, der in jedem Staatswesen Ausdruck finden muh. Es steht nun fest, dah die gegenwärtige Verfassung unter einem Nlangel an aristokratischen Sicherungen (nicht im Sinne der Geburisaristokratie) leidet, von vielen Seiten wird deshalb der Vorschlag gemacht, der deutschen Republik einen „Schuh Aristokratie" beizu­ fügen. Dies soll geschehen durch die Schaffung einer ersten Kammer, die in sich bewährte lNänner der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Politik ver­ einigen soll. Line aristokratische Kammer dieser Art kann schwerlich den föderalen Lharakter des Reiches zum Ausdrucke bringen. Denn während in einer föderalen Körperschaft wie dem Reichsrate ein Gesamtreichswillen aus dem Nebeneinander und Miteinander der Gliedstaaten herauskristallisiert werden soll, vertritt die „Aristokratie" eines Landes keinen Gebietsstand, sondern ganz andere Stände, die der Wirtschaft, der Kultur, der Wissenschaft und so fort. Das aristokratische Prinzip ist, wenn es staatswillensbildend in Wirksamkeit treten soll, eben ein anderes als das föderale. Diese Erwägung gilt auch für eine Ständekammer im weitesten Sinne des Wortes. Ständische Gliederung im soziologischen Sinne reicht Über die rein gebietsständische hinaus und ordnet das gesamte Reichsvolk erneut in einem anderen Sinne. Wohl ist denkbar, dah auch Wirtschaft und Kultur eines Gliedstaates eine abgeschlossene Einheit bilden. Aber Über eine gewisse Untergliederung im Rahmen des Reichsganzen geht dies nicht hinaus. Denn die Wirtschaft ver­ langt nach grohen Räumen und ist heute so verflochten, dah die Tren­ nung nach kleinen Gebieten undurchführbar ist. Wer also den föderalistischen Gedanken zu Ende denkt, muh unter allen Umständen an einer gesetzgebenden Kammer, die nur den Willen der politischen Gliedgebiete 3um Ausdrucke bringt, festhalten.

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Dieses Durcheinander der beiden Gegenüberstellungen: Zentralismus— Gliederung einerseits und demokratisch—aristokratisch andererseits, hat zu ver­ wirrenden Vorschlägen geführt. Vie einen ziehen aus ihm den Schluß, ein Dreikammersgstem zu fordern (demokratische, aristokratische und föderali­ stische Kammer), die anderen wollen das aristokratische und ständische Element mit dem föderativen in einer ersten Kammer vereinigen. Manche wollen in den Reichsrat neben die Ländervertreter reine Berufsstandsvertreter bringen. Zn Österreich tauchte der Vorschlag auf, die Ländervertreter aus den Kreisen der Berufsstände zu nehmen, um so gewissermaßen zwei Zliegen mit einer Klappe zu schlagen. Dagegen wurden mancherlei Einwände ge­ macht: gegen den ersten Vorschlag der, daß auf diese Weise der föderative Charakter des Reiches noch mehr in den Hintergrund trete,- gegen den zweiten der, man könne doch unmöglich einen berufsständischen Vertreter durch die Landesregierung instruieren lassen, in welchem Sinne er zu stimmen habe. Man sieht also, wie schwer es ist, die beiden großen, oben umrissenen Gesetze des Staatsbaues verfassungsmäßig zu verknüpfen und so in die Verfassung einzubauen, daß ihre Handhabung nicht allzu kompliziert wird. Den ver­ such, die verschiedenen oerfassungsschöpferischen Gedankenreihen zu ver­ schmelzen, macht die neueste Schrift des Bundes zur Erneuerung des Reiches „Das Problem des Reichsrats". Sie enthält zwei Gesetzentwürfe, deren einer den Reichsrat aus drei verschiedenen Dritteln zusammensetzen will: dem „Länderrat" (föderalistisches Element), einem halb vom Reichspräsi­ denten zu berufenden (aristokratisches Element) und halb vom Reichstag zu wählenden (parlamentarisch-aristokratisches Element) Drittel und endlich einem vom Reichswirtschaftsrat als Wahlkörper zu wählenden Drittel (be­ rufsständisches Element), von dem letzten Drittel soll wiederum die Hälfte nach ihrer Zugehörigkeit zu den einzelnen Ländern und Provinzen gewählt werden (föderalistisch-berufsständisches Element). Dieser Vorschlag des Er­ neuerungsbundes beweist, wie weit die Erkenntnis über das Wesen der Kräfte, die neu in den Staat eingebaut werden müssen, fortgeschritten ist. viele werden ihn als unorganisch ablehnend sie vergessen, daß hier ein Vorstoß unter bewußter Schonung der Weimarer Verfassung unternommen wird. Lin Schritt auf den Zukunftsweg wird getan, keine revolutionäre Entwicklung begonnen. Entscheidend bleibt aber die Feststellung der gemein­ samen großen Linie. Der kleinste verfassungsrechtliche Schritt nach der föderalistischen Seite besteht nun darin, Reichstag und Reichsrat wieder in ein erträgliches Gleich­ gewicht zu bringen, d. h. die Befugnisse des Reichsrates zu vergrößern und seine Rechte zu denen des Reichstages so abzustimmen, daß die Überge­ wichtigkeit des einheitsstaatlerischen Elementes aufhört. Der Lund zur Er­ neuerung des Reiches macht hierzu Vorschläge, welche in bescheidener Weise die Rechte des Reichsrates erweitern, besonders in bezug auf das Etatrecht. 4*

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von den vereinigten Staaten wissen wir, daß der Senat an Bedeutung weit das Repräsentantenhaus überragt. Diese Hebung des Reichsrates würde praktisch eine Verstärkung des gebietsständischen Prinzips bedeuten, aber auch den verzicht auf das aristokratische. Der Ausbau der Stellung des Reichspräsidenten könnte zwar der Verfassung einen Zug zum Monar­ chischen geben und damit indirekt zum Aristokratischen. Aber jeder Staats­ philosoph pflegt zwischen Aristokratie und Monarchie mit Recht zu unter­ scheiden. Es mutz also daran festgehalten werden, datz eine Rekonstruktion der Verfassung im Sinne Bismarcks zwar dem Köderalismus günstig ist, aber beim liberalen Staate mehr oder minder stehen bleibt und das Erfordernis einer grotzen Staatsreform in aristokratischem und universalistischem Sinne unberücksichtigt lätzt. Da aber unsere Zeit eine solche dringend verlangt, so würde diese „Lösung" keine lange Lebensdauer haben und unerbittlich neue Rätselfragen stellen. Die Kompliziertheit der politischen Gegenwart besteht also darin, datz zwei Krisen nebeneinander herlaufen: eine der Demokratie, also des Staats­ aufbaues und eine des Verhältnisses zwischen Reich und Ländern, also der Staatsgliederung. Dazu kommt nun aber jene umfassende Krise, die das Wesen des Staates selbst betrifft; die darin besteht, datz der Staat nicht mehr reiner Staat, nicht mehr bewahrende Krönung der Gesellschaftsordnung ist, sondern als einziger Regler unmittelbar der atomisierten Gesellschaft, die von Technik, kapitalisierter Wirtschaft und einem atheistisch-naturwissenschaft­ lichen Denken ihr Gepräge empfängt, gegenübersteht. Der Staat wird von dieser chaotischen, anarchischen, klassenkämpferischen Gesellschaft durchtränkt, mitzhandelt, ausgebeutet. Er wird zum Znteressenstaat, zum Kürsorgestaat, zur Versicherung auf Gegenseitigkeit. Er ist autoritätslos, weil mit allem verquickt. Es erhebt sich deshalb — zur Rettung seiner Autorität — die Krage, auf welche wahren Aufgaben der Hoheitsausübung er beschränkt werden soll, auf wen die Aufgaben, die ihn heute ersticken, übertragen werden sollen. Wenn man aber nun bedenkt, datz daneben und im Zusammenhang noch ein sozialer Krisenzustand vorhanden ist, der sich quer durch alle umrissenen Komplexe geltend macht, so wird das Bild noch verworrener. Denn die soziale Struktur der deutschen Landschaften beeinflutzt ebenfalls die ReichLänderfrage. Das eine Land ist vorwiegend agrarisch, das andere grotzstädtisch, die Politik des einen deshalb zwangsläufig konservativ, des anderen proletarisch-liberalistisch. Der Niederschlag der verschiedenartigen sozialen Schich­ tung äutzert sich nun in doppelter Weise: einmal in der parteipolitischen Einstellung der einzelnen Länder, sodann aber auch in dem Widerstreben agrarischer Länder, sich vom Grotzstädtertum zentralistisch regieren zu lassen. Der Köderalismus des agrarischen Südens findet so auch seine kulturelle und soziologische Erklärung: durch möglichst grotze Unabhängigkeit und Geschlossen­ heit möchte er den Asphaltbolschewismus von sich fernhalten.

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Lösungen aus diesem Wirr f al sind nur durch eine geistige Haltung mög­ lich, die ein klares weltanschauliches und damit staatspolitisches Ideal vor Augen sieht. Das bisher in der Politik üblich gewesene Jonglieren mit kurz­ fristigen Zweckmäßigkeiten und taktischen Erwägungen führt zu keinem Ziel. Es bleibt nur übrig, den Neubau des Reiches unter Anerkennung der Sortierung zu planen, sowohl die Krise der Reichsgliederung als auch die der Demokratie zu erkennen und zu beseitigen. Daneben aber immer wieder die Entlastung des Staates von artfremden Aufgaben zu bedenken. Alle Dersuche zur Überwindung der mechanischen Nlehrheitsdemokratie gipfeln in dem Streben, das Doll organisch zu gliedern und den Staatswillen auf organischen Wegen zu entwickeln. Die unmittelbare Wahl und das System der rein parlamentarischen Vertretung des Volkes, die Auswüchse jener falschen individualistischen Staatsauffassung, die den Einzelnen unmittelbar dem Staate eingliedern möchte, sind abbaureif. Zu dieser Erkenntnis führt auch folgende Erwägung: die allgemeine gleiche Wertgrundlage, jene Einheit des Volksbewußtseins, ohne welche auch Rousseau die Verwirklichung seiner Demokratie für unmöglich erklärte, ist weggefallen. Man kann nicht mehr von einer Identität der Regierten und der Regierenden sprechen, wenn viele „Staatsbürger" den Staat mit Leiden­ schaft verneinen. Eine parlamentarische Debatte ist überflüssig, wenn die verschiedenen Parteivertreter in sie mit dem festen Willen hineingehen, sich nicht überzeugen zu lassen. Die parlamentarischen Zwiegespräche werden sinnlos, nachdem erkannt ist, daß mit Dialektik das Richtige und das Zweck­ mäßige nicht gefunden werden kann. Dor allen Dingen aber wird die Lerechtigung einer „Volksvertretung" zweifelhaft, sobald die Obrigkeit nicht mehr — wie in der Monarchie — ihr Recht von Gott ableitet, sondern eben­ falls vom Volke. Warum soll denn das Volk sich durch Parlamentarier gegen das von ihm selbst gewählte Oberhaupt vertreten lassen? Dies ist doch eine offenbare Sinnwidrigkeit. Wozu solche Umwege? Es ist nicht einzusehen, warum der Volkswille nicht ebensogut von einem Einzigen repräsentiert werden kann wie von fünfhundert Abgeordneten. Solcher Lemerkungen könn­ ten noch viele gemacht werden,- sie deuten alle aus die Lresthaftigkeit unseres Staates hin. Die, wie Earl Schmitt sie genannt hat, Doppelkrise der Demo­ kratie und des Parlamentarismus, wird sich also auswirken und muß bei allen Neuausbauplänen in Betracht gezogen werden. Es sind demnach, wenn von dem schematischen, oben gezeigten, uni­ versalistischen Reichsplan abgesehen wird, folgende praktische Entwick­ lungslinien denkbar: Die gebietsständische Kammer (Reichsrat) bleibt als organischer Niederschlag der auch im deutschen Norden immer mehr sich durchsetzenden Gliederung. Die Vorschläge sowohl des Unterausschusses der Länderkonferenz, als auch Erich Kochs, als auch des Bundes zur Erneuerung des Reiches, erwägen deshalb die Verleihung des Reichsratsstimmrechtes an

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die Länder jüngerer Ordnung oder — wie der Vorschlag des Erneuerungs­ bundes sagt — die Reichslandprovinzen. Diese Entwicklung ist für den Köderalisten begrüßenswert und von ihm zu unterstützen. Vie Zahl der Stimmen der Länder kann aber nicht nur nach der Einwohnerzahl der ein­ zelnen Länder bemessen werden. In den vereinigten Staaten hat jeder Staat 2 Stimmen im Senat. So wird das flache Land vor der Vergewaltigung durch die Großstädte geschützt, der Zahlenmechanismus ausgeschaltet und das organische Prinzip des Lodens gewahrt. Gb sich das nichtgebietsständische Element (;. B. das aristokratische) in dieser Kommet verwurzeln läßt, ist eine Krage, die aus schon behandelten Gründen mit Vorsicht zu beantworten ist, um so mehr, als kein Zweifel darüber bestehen kann, daß die heute aus dem allgemeinen gleichen Wahl­ recht kommende zweite Kammer (Reichstag) rein unitarisch gerichtet ist. Vie Aristokratisierung des Reichsrates würde den föderalistischen Gedanken vollständig ins Hintertreffen bringen. Andererseits ist nicht abzusehen, ob nicht die Einführung eines organischen Wahlrechtes zum Reichstage diesen zu einem stark aristokratischen Verfassungsorgane machen könnte. Es gibt nun zahlreiche Stimmen, die eine berufsständische Kammer anstelle des Reichstages verlangen. Darnach würde eine zweite Neugliederung des deutschen Volkes erfolgen, aber nicht nach Gebietsständen, sondern nach einem anderen ständischen Prinzip. Dabei ist selbstverständlich, daß eine solche ständische Gliederung nicht bei den Berufsständen stehen bleiben darf, weil sonst der Staat zum Objekt wirtschaftlichen Denkens, gewissermaßen der Klassenkampf im Staatsleben verankert würde. Wie aber auch die ständische Entwicklung verläuft, eines steht fest: eine Ständekammer dieser Art wäre mehr oder minder unitarisch, vom gebietsföderalistischen Standpunkte aus gesehen. Ebenfalls unitarisch wäre die Schaffung einer Reichsspitze durch allgemeine gleiche Wahl. Sie würde den Einheitsgedanken noch mehr in den Vordergrund treten lassen. Möglich ist aber auch, die Reichsspitze aus der Wahl der föderalistischen Kammer hervorgehen zu lassen. Zn übertragenem Sinne wäre damit eine Annäherung an die Bismarckische Verfassung und an den universalistischen Staat vollzogen. Es gibt aber auch noch einen anderen Weg: die erste Kammer, der Reichsrat, wird Oberhaus, d. h. aristokratisch zusammengesetzt. Diese Forde­ rung wird auch von demokratischer Seite verfochten und ist begrüßenswert, solange sie nicht ihre Spitze gegen den bisher gebietsständischen Reichsrat aus unitarischen Gründen richtet. Entschließt man sich aber, ein aristokratisches Oberhaus einzurichten, unter vollkommener Durchführung des unitarischen Prinzips, so müßte der Gebietssöderalismus in der zweiten Kammer, dem Reichstage, zum Ausdrucke gelangen. Praktisch würde dann der organische Aufbau des Reiches aus Ländern sich in dieser zweiten Kammer manifestieren, die dann auf dem Wege der indirekten Wahl entstehen und von -en Ländern

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beschickt würde. Die allgemeine gleiche Wahl käme damit als Mittel zur staatlichen Willensbildung in Wegfall und bliebe nur noch den kleinsten Einheiten, den Gemeinden, erhalten. Die Stände (Wirtschaft, Berufe, Kultusgemeinöen und so fort) würden überhaupt aus dem Bereiche des Staates ausgeschaltet und in eigenen Ständekammern vereinigt, die als Selbstverwaltungsorgane unter dem Staate stehen und andererseits den Staat wieder entlasten. Diese letzte Auffassung kommt dem universalistischen Idealbilde am nächsten. Sie überläßt den Staat den politischen Kräften und bindet gleich­ zeitig die rein gesellschaftlichen. Auch im Faschismus sind solche Bestrebungen zu beobachten, wenn auch das Parlament in Italien heute noch in hohem Matze Niederschlag einer berufsständischen Gliederung ist. Immerhin haben aber die letzten gesetzgeberischen Maßnahmen des Faschismus gezeigt, daß es auch ihm darauf ankommt, die gesellschaftliche Selbstverwaltung stärker als bisher zu entwickeln und die staatliche Sphäre vom Wirtschaft­ lichen zu befreien. (Im übrigen ist der Faschismus aus historischen Gründen sehr zentralistisch.) Zusammenfassend mutz also gesagt werden: im folge­ richtig organischen Staate fallen Gebietsföderalismus und organischer Staats­ aufbau zusammen: für ein Zweikammersystem ist zunächst kein Platz, es sei denn, daß eine der Kammern rein aristokratisch durch die Erfassung von Spitzen des gesellschaftlichen Lebens gebildet wird. Die heutige Derfassungsstruktur, nach welcher in der einen Kammer der Staatswillen der Länder sich vereinigt, in der anderen der sogenannte Dolkswillen, wird in dem Augen­ blicke unhaltbar, in welchem die Möglichkeit der Herauskristallisierung des wahren Dolkswillens auf dem Wege der allgemeinen direkten Wahl ver­ neint wird. Wenn die mechanische Willensbildung durch eine organische er­ seht wird, fällt also die Unterscheidung von Staatswillensbildung und Dolkswillensbildung weg, weil beide zusammenfallen. Wird aber darüber hinaus die Notwendigkeit bejaht, eine Ständekammer dem Staatsaufbau zugrunde zu legen, dann bleibt nur ein Nebeneinander von zwei Kammern, deren eine die gebietsständische, deren andere die Durchgliederung nach den übrigen Ständen verkörpert,- eine dritte aristokratische Kammer daneben wäre wohl zu kompliziert. Dem Tagespolitiker werden solche Darlegungen zu allgemein und zu grundsätzlich vorkommen. Er wird einwenden, es ließe sich mit diesen Richt­ gedanken schwer praktische Politik machen. Durch Hinweis auf schon vor­ liegende Dorschläge hat aber der Derfasser gezeigt, daß Bestrebungen, die in der einen oder der anderen Linie laufen, tatsächlich vorhanden sind, daß sich alle gegenwärtigen politischen Tendenzen in die beiden verschiedenen Welt­ bilder einreihen lassen. Darauf aber kommt es ihm an. Der Föderalist soll sehen, welche der geplanten Maßnahmen seinen Wünschen gefährlich werden können, der Unitarier soll begreifen lernen, daß hinter dem Föderalismus

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verfassungsrechtliche Neugestaltung.

ein großer Staatsgedanke, der Wunsch nach einer höheren Einheit steht. Er soll vor allen Dingen ein Gefühl dafür bekommen, wie wesensfremd seine Staatsidee dem Deutschtum ist und wie wenig sie dem anbrechenden Zeitalter des neuen Universalismus entspricht. Es muß ihm gesagt werden, daß er nicht „fortschrittlich" ist, sondern reaktionär. Worauf es aber hauptsächlich ankam, war der Nachweis, daß die heutige Derfassung jeder föderativen Reichsgestaltung ungünstig ist. Die Zöderalisten haben eigentlich schon in Weimar versagt, als sie sich allzu ängstlich an westliche Dorbilder anklammerten, statt aus innerer Kreiheit das Reich neu zu gestalten. Wären ihnen echte föderalistische Gedankengänge geläufig ge­ wesen und hätte ihnen das weltanschauliche Gedankengut der universali­ stischen Staatslehre zur Derfügung gestanden, so hätten sie sehen müssen, daß in Weimar der Einheitsstaat zwar noch nicht endgültig begründet, aber sein Kommen politisch schon vorbereitet wurde. Sie vertrauten allzusehr den Paragraphen einer papierenen Derfassung und sahen nicht die Kräfte, die ein Derfassungswerk mit einer anderen Geistesrichtung erfüllen, ja in kor­ rigierendem und abwandelndem Sinne wirken können. Wer deshalb die gewaltige Bedeutung des Föderalismus für das deutsche Dolk erkannt hat, muß über die Weimarer Derfassung hinausgreifen. Der sogenannte realpolitische Einwand, sie bestehe einmal und müsse berück­ sichtigt werden, ist gleichzeitig richtig und falsch. Richtig insofern, als die politischen Tatsachen, auf denen die Weimarer Derfassung aufbaut (Ersah der monarchischen durch die republikanische Staatsform), durch Wünsche allein nicht beseitigt werden, geschweige denn durch andere Tatbestände ersetzt werden können. Was aber auf dieser Basis an Derfassungseinrichtungen geschaffen wurde, ist wandelbar. Und es ist gleichgültig, ob eine Derfassung in einem Zuge oder paragraphenweise geändert wird,- jede Neu­ ordnung ist verfassungsändernd. Dielleicht ist es politisch sogar richtiger und wirkungsvoller, wenn überhaupt einmal von Änderungen gesprochen wird, dann solche vorzuschlagen, die für sich die Hintergründigkeit eines politischen Weltbildes und nicht nur einen üblen Kompromiß der Zweckmäßigkeit auf­ zuweisen haben. Außerdem gilt folgende Erwägung: Da das deutsche Volk für Revolutionen eine bemerkenswert schlechte Begabung zu haben scheint, so liegt wohl der evolutionäre Weg näher. Dieser ist aber langwierig und nur in Etappen zu bewältigen. Wenn nun am Ende einer Wanderung durch die Wüste kein fruchtbares Land winkt, dann verliert die Karawane den IHut. Was wir also brauchen, sind langfristige Ziele, die der Tagespolitik erst ihren Schwung und ihren Sinn geben. Die Erfahrung in anderen Ländern während des letzten Jahrzehnts hat bewiesen, daß das europäische Derfassungsleben in 8luß gekommen ist. Nur die Kühnheit der Gedanken vermag diesem Flusse Richtung zu geben, die Zaghaftigkeit läßt ihn versickern oder wirft ein Dolk

Zuständigkeiten.

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zurück gegenüber andern, die das Gebot der Stunde erkannt haben und aus der geistigen und soziologischen Umschichtung des Abendlandes auch die staatsformende Schlußfolgerung ziehen.

Zuständigkeiten, öie Reichsgliederung und ihr verfassungsmäßiger Niederschlag sind nur ein Gerüst. Heftigkeit gewinnt der ganze Bau erst dann, wenn die hohl­ räume ausgefüllt sind. Diese Ausfüllung heißt aber Verteilung der Zuständig­ keiten. hier ist der Punkt, an dem in der Regel die Debatte bislang ins Stocken geriet; wahrscheinlich deshalb, weil alle Beteiligten fühlten, daß erst in diesem Augenblicke der schwierige Teil der Wanderung begänne. Denn was nützt die Anerkennung der Gliedstaatlichkeit, wenn die Kompetenzen der Gliedstaaten auf ein Mindestmaß begrenzt sind. Wie kann umgekehrt eine kraftvolle Einheit des Reiches entstehen, wenn es keine natürliche Eigenmacht entwickeln darf? Ls ist zu verstehen, daß geschichtlich denkende Linheitsstaatler an die Zeit erinnern, da der deutsche Kaiser bei den Ständen um die Mittel betteln mußte, die notwendig waren, das heilige Römische Reich Deutscher Nation an den Grenzen zu verteidigen. Manche Grenzmark ging verloren, nur weil die Gelder zur Rüstung und Kriegs­ führung fehlten. heute sind das tatsächlich nur Schreckgespenster. Denn das erwachende Dolksgefühl des neueren Deutschland ist Bürge dafür, daß solche Zustände niemals wiederkehren. Die umgekehrte Gefahr, daß die Länder zu staats­ rechtlichen Attrappen herabsinken, ist nicht nur viel größer, sondern steht unmittelbar vor der Tür. Wer mit geheimer Zreude diesen Heldzug der Gewalt beobachtet und seine Erfolge verzeichnet, dürfte übrigens irren, wenn er glaubt, daß der Steuerzahler dabei Sieger würde. Denn daß eine bürokratische Provinzialverwaltung teuerer ist als eine aus eigener Verantwortung, liegt ebenso auf der Hand, wie die häufig gemachte Er­ fahrung, daß nicht Vereinfachung der Verwaltung, sondern eine immer mehr sich herausbildende Doppelgleisigkeit Holge dieser zentralistischen Aushöh­ lungspolitik ist. Auch die Wirtschaft, die immer und mit Recht der öffentlichen Verwaltung vorhält, sie verletze das Gesetz der Ökonomie, hat mittlerweile bei ihrem eigenen Konzentrationsprozesse die Erfahrung gemacht, daß die Zentralisierung großer Wirtschaftsbetriebe den Nutzen keineswegs steigert, sondern häufig verringert, weil die persönliche Initiative gelähmt wird und die Bürokratisierung überhand nimmt. Die Verteilung der Zuständigkeiten verleiht also jeder Reichsgliederung erst inneres Leben, erlaubt erst ein endgültiges Urteil darüber, ob der or­ ganische Grundsatz vom Eigenleben der Teile gewahrt ist. Solange nun die

Zuständigkeiten.

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zurück gegenüber andern, die das Gebot der Stunde erkannt haben und aus der geistigen und soziologischen Umschichtung des Abendlandes auch die staatsformende Schlußfolgerung ziehen.

Zuständigkeiten, öie Reichsgliederung und ihr verfassungsmäßiger Niederschlag sind nur ein Gerüst. Heftigkeit gewinnt der ganze Bau erst dann, wenn die hohl­ räume ausgefüllt sind. Diese Ausfüllung heißt aber Verteilung der Zuständig­ keiten. hier ist der Punkt, an dem in der Regel die Debatte bislang ins Stocken geriet; wahrscheinlich deshalb, weil alle Beteiligten fühlten, daß erst in diesem Augenblicke der schwierige Teil der Wanderung begänne. Denn was nützt die Anerkennung der Gliedstaatlichkeit, wenn die Kompetenzen der Gliedstaaten auf ein Mindestmaß begrenzt sind. Wie kann umgekehrt eine kraftvolle Einheit des Reiches entstehen, wenn es keine natürliche Eigenmacht entwickeln darf? Ls ist zu verstehen, daß geschichtlich denkende Linheitsstaatler an die Zeit erinnern, da der deutsche Kaiser bei den Ständen um die Mittel betteln mußte, die notwendig waren, das heilige Römische Reich Deutscher Nation an den Grenzen zu verteidigen. Manche Grenzmark ging verloren, nur weil die Gelder zur Rüstung und Kriegs­ führung fehlten. heute sind das tatsächlich nur Schreckgespenster. Denn das erwachende Dolksgefühl des neueren Deutschland ist Bürge dafür, daß solche Zustände niemals wiederkehren. Die umgekehrte Gefahr, daß die Länder zu staats­ rechtlichen Attrappen herabsinken, ist nicht nur viel größer, sondern steht unmittelbar vor der Tür. Wer mit geheimer Zreude diesen Heldzug der Gewalt beobachtet und seine Erfolge verzeichnet, dürfte übrigens irren, wenn er glaubt, daß der Steuerzahler dabei Sieger würde. Denn daß eine bürokratische Provinzialverwaltung teuerer ist als eine aus eigener Verantwortung, liegt ebenso auf der Hand, wie die häufig gemachte Er­ fahrung, daß nicht Vereinfachung der Verwaltung, sondern eine immer mehr sich herausbildende Doppelgleisigkeit Holge dieser zentralistischen Aushöh­ lungspolitik ist. Auch die Wirtschaft, die immer und mit Recht der öffentlichen Verwaltung vorhält, sie verletze das Gesetz der Ökonomie, hat mittlerweile bei ihrem eigenen Konzentrationsprozesse die Erfahrung gemacht, daß die Zentralisierung großer Wirtschaftsbetriebe den Nutzen keineswegs steigert, sondern häufig verringert, weil die persönliche Initiative gelähmt wird und die Bürokratisierung überhand nimmt. Die Verteilung der Zuständigkeiten verleiht also jeder Reichsgliederung erst inneres Leben, erlaubt erst ein endgültiges Urteil darüber, ob der or­ ganische Grundsatz vom Eigenleben der Teile gewahrt ist. Solange nun die

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deutsche Verfassung an einen geschichtlichen Lntstehungsvorgang geknüpft war, der darin bestand, daß dem Deutschen Reiche auf vertraglichem Wege sein Aufgabengebiet von den Gliedstaaten zugesichert und übertragen wurde, solange war die Verteilung der Kompetenzen an lebendige Kräfte und Rechts­ verhältnisse gebunden. Anders mutzte dies werden, nachdem die Vertrags­ partner weggefallen waren und ein im Wesen unitarisches Gremium — die Nationalversammlung — die Kompetenzen neu ordnete. Diese Neuordnung geschah infolgedessen nach Doktrinen und nicht mehr durch lebendige Ge­ staltung. Nirgends hat sich die revolutionäre Unterbrechung einer natürlichen Entwicklung mehr gerächt, als gerade auf diesem Gebiete. Wo aber ein solcher Bruch der Linie stattgefunden hat, ist ihre einfache Wiederaufnahme unmög­ lich geworden. Es ist deshalb sehr schwer, die natürlichen Rechte der Länder aus der jüngsten Geschichte abzuleiten. Man gerät dabei in die Gefahr der mangelnden Unterscheidung zwischen solchen Zuständigkeiten, auf welche die Dynastien aus Prestigegründen bei der Gründung des Lismarckischen Reiche; nicht verzichten wollten, und solchen, die notwendig sind, soll von einem Eigenleben der Teile noch die Rede sein. Der Nlatzstab, nach welchem eine gerechte Neuverteilung vorgenommen werden könnte, lätzt sich weder aus der Geschichte der Entstehung des Deutschen Reiches noch aus Erwägungen verwaltungstechnischer Art ableiten. Am allerverkehrtesten wäre es aber, es aus einen Gewaltkampf ankommen zu lassen, der gerade deshalb verwerflich ist, weil er nur zwischen NUnisterialdirektoren unblutig ausgefochten wird. Was unter allen Umständen erreicht werden mutz, sind stabile Ver­ hältnisse. Konkurrierende Zuständigkeiten geben zwar der politischen Ent­ wicklung Raum, reizen aber geradezu zur Verlagerung jenes gesunden Schwebezustandes, der als das Wesen eines durchgegliederten Reiches er­ kannt wurde. Der Kompetenzkonflikt wird so zum Inhalte innerdeutscher Politik und alle Kräfte der Bürokratien werden auf ihn verwandt. Mög­ lichste Klarheit der beiderseitigen Zuständigkeit ist deshalb oberster Leitgedanke einer inneren Befriedung des Reiches. Dies ist auch die Stelle, wo vertragsrechtliche Bindungen neu geknüpft werden können. Wenn auch der Bündnisgedanke nicht mehr in jener früheren Reinheit gestaltet werden kann, wie sie die Entstehungszeit jedes Bündnisses auszeichnet, weil mittlerweile die Grundlage der deutschen Reichsverfassung mehr oder weniger das als Einheit aufgefatzte deutsche Volk geworden ist, so ist doch der Vertrags­ gedanke insofern noch verwertbar, als vereinbart werden könnte, datz ohne Zustimmung aller Beteiligten die Zuständigkeitsordnung nicht geändert wer­ den darf. Eine andere Art der Verfassungssicherung bestünde darin, gewisse Änderungen von der Zustimmung des Reichsoberhauptes abhängig zu machen. Sür ein organisches Staatsleben können höchstens Leitsätze allgemeinster Art aufgestellt werden, die besagen, wo richtigerweise die jeweilige Zu­ ständigkeit liegen soll. Welches also sind die Aufgaben des Ganzen (de;

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Reiches), welches die der Glieder (der Länder)? Seine eigentliche Kraft, den inneren Zusammenhalt, bezieht das Reich aus dem Bewußtsein, das deutsche Volkstum zu erhalten, zu stärken und es seiner großen europäischen Rufgabe zuzuführen. Das Reich soll deshalb führende Politik treiben, die Länder sollen verwalten, hieraus ergibt sich als selbstverständliche Folgerung, daß die Führung der Außenpolitik und der Wehrmacht unumschränkt in Händen des Reiches liegen muß. Dasselbe gilt ohne weiteres für die Wirtschafts- und Bevölkerungspolitik, soweit sie die außenpolitische Stellung des Gberstaates, des Reiches, berührt. Dazu gehört das gesamte Zollwesen und ein Grad von Finanzhoheit, welcher die Durchführung dieser Aufgaben ge­ währleistet. Daß die Verkehrsmittel aller Art einheitlich geordnet werden müssen, ist ebenso natürlich wie die mögliche Vereinheitlichung der Rechts­ sätze, die das bürgerliche und wirtschaftliche Leben, Handel und Verkehr betreffen. Das Herrschaftsgebiet einer Rechtsordnung kann nicht groß genug sein, und die rechtsschöpferische Kraft einer Volkes befestigt seine Stellung in der Welt oft stärker als noch so ausgezeichnete Heere. ((Ob das römische Recht oder der römische Soldat die Welt erobert hat, ist eine Streitfrage.) Diese Vereinheitlichung braucht aber nicht so weit zu gehen, daß bodenständiges und einer bestimmten Landschaft verhaftetes Recht durch ein künstliches er­ seht wird. Dadurch werden eher natürliche Kräfte gelähmt als gefördert. Gibt es doch einzelne Zweige des materiellen Rechtes, die so abseits des modernen Wirtschaftsverkehrs liegen, daß ernsthaft über die Notwendigkeit, sie zu vereinheitlichen, gestritten werden kann. Man denke nur an das ver­ waltungsrecht, welches doch sehr stark an Landschaft, soziale Struktur, Stam­ meseigenart und Sitte gebunden ist. Der Zug der Zeit, alles Landesrecht durch Reichsrecht zu ersetzen, hat nun nicht nur eine ideologische Ursache, sondern auch eine praktische. Weil der omnipotente Staat in alle Lebens­ gebiete eingreift, insbesondere in das wirtschaftliche, und weil das Wirt­ schaftsleben durch die Industrialisierung und den modernen Verkehr sich vereinheitlicht hat, stellte sich immer mehr die Notwendigkeit heraus, alle Gesetze zur Regelung des Wirtschaftslebens zentral zu erlassen. Zn dem Augenblicke aber, in welchem die Stände sich selbst verwalten und ein großer Teil der Gesetzgebung vom Staate zu diesen abwandert, wird das anders werden. Die Wirtschaft wird sich ihre eigenen Gesetze geben, die wohl ver­ einheitlichend sein können. Die Tendenz zur Vereinheitlichung wird sich aber nicht mehr dahin auswirken, daß das Reich den Ländern immer mehr Kom­ petenzen raubt, wird also unpolitisch sein. Daß der Gberstaat (das Reich) sich den notwendigen Ausgleich zwischen den Gliedern angelegen sein läßt, ist selbstverständlich. Es wäre partikularismus, würde man reichen Gliedstaaten das Recht zubilligen, mit ihrem Reich­ tum Wucher zu treiben. Beim finanziellen Lastenausgleich, über den später noch gesprochen werden wird, kann man oft hören, nur steuerkräftige Länder

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hätten das Recht mitzureden. Dies ist falsch gedacht. Zurzeit sind ;. B. die agrarischen Gebiete des Deutschen Reiches steuerarm. Die industriellen können sich zwar auf den Standpunkt stellen, daß sie in der Lage wären, die not­ wendigen Nahrungsmittel auch vom Auslande zu beschaffen. Diese Stellung­ nahme wäre jedoch eine Sünde gegen den Einheitsgedanken, viel größer als alle gebietsföderalistischen oder staatenbündlerischen Bestrebungen es je sein können. Denn es wird ein Teil des deutschen Dolles und des Deutschen Reiches verleugnet, der für den Gesamtkörper unersetzlich ist: Wissen wir doch, daß Dölker ohne Bauernstand dem Untergange geweiht sind, nicht nur weil sie der Nahrungsgrundlage entbehren, sondern weil sie ihren biologischen Jungbrunnen eingebüßt haben. Der deutsche Osten ist — kapitalistisch ge­ sehen — arm, biologisch viel reicher als der Westen oder gar als Berlin. Es ist nicht mehr als Recht, daß eine Landschaft, die Blut und Nlenschen liefert, von dem Lande Unterstützung erfährt, das mit Bodenschätzen und industriellen Reichtümern gesegnet ist. §ür die Reichsglieder, die bald Reichslandprovinzen, bald Länder, bald Gliedstaaten, bald verbündete Staaten heißen können, bleibt in der Haupt­ sache die gesamte innere Derwaltung, die Polizeihoheit im weiteren Sinne übrig. Spann bezeichnet als die zwei Hauptaufgaben des „wahren Staates", abgesehen von den arteigenen: die Oberleitung der Stände und das ersatz­ weise Eingreifen, wenn ein Stand versagt, praktisch heißt dies die Ausübung der Wirtschafts- und Nulturpolizei. Wenn nun auch kleinere staatliche Ein­ heiten wie die Länder besser auf Einzelbedürfnisse des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens einzugehen vermögen, als das Reich mit seinem großen Gebiete, so ist doch allgemein jeder staatliche Eingriff in das innere Wirtschafts- und Nulturleben von Übel. Der Staat soll lenken, beeinflussen und überwachen, aber nicht das ständische Leben durch staatliches ersetzen wollen. Diese Oberleitung aber ist Sache der Gliedstaaten. Dazu kommt die Justiz­ verwaltung und die eigentliche innere Derwaltung,- Polizeihoheit im engeren Sinne. Gegen die Justizverwaltung der Länder wird heute Sturm gelaufen. Warum ist nicht recht ersichtlich. Denn es kommt im Rechtsleben doch nur darauf an, daß der Geltungsbereich des Rechtes ein möglichst großer ist. Die Justizverwaltung selbst soll lokalen Bedürfnissen Rechnung tragen und braucht keineswegs für das ganze Reich schematisiert zu werden. Besonders wichtig aber ist zweifelsohne für die gesamtdeutsche Kultur der Derbleib aller Nulturangelegenheiten bei den Ländern. Im Erziehungswesen kann nicht genug individualisiert werden, da ja das Wesen der Erziehung darin besteht, die natürlichen Grundlagen der individuellen Einheit von Leib und Seele zu pflegen und zu entwickeln. Diese berechtigte individualistische Ein­ stellung im Erziehungswesen läßt sich auch auf das ganze deutsche Dolk über­ tragen: jede Gemeinde hat ihr Gesicht und jede Landschaft ihre Besonder­ heit, jeder Stamm seine Anlagen und jede Stadt ihre bekämpfenswerten

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Fehler, hier kann die Gleichheit des Lehrstoffes und des Lehrplanes nur schädlich wirken. Gegen solche Anschauungen wird eingewendet, es leide darunter die notwendige geistige Vereinheitlichung des deutschen Volkes. Abgesehen davon, daß jede mechanische Vereinheitlichung auf Kosten der inneren Kräfte geht, kann dem entgegengehalten werden, die notwendige Einheit des Erziehungsideals müsse aus höheren Gesichtspunkten sich von selbst ergeben: aus dem Erlebnis der Einheit des Volkes. Darüber hinaus sind allerdings einheitliche Lehrziele für ein großes Volk notwendig. Dafür könnte ein Reichserziehungsgesetz sorgen, das ein Mindestmaß von Richt­ linien umreißt, die zur Bildung eines echten völkischen Bewußtseins nicht umgangen werden dürfen. So steht auch fest, daß die allgemeine Wehrpflicht das deutsche Volkstum schärfer prägte als der gesamte Schulunterricht. Und ernsthaft kann die Frage gestellt werden, ob nicht dem reiferen jungen Men­ schen in einer für das ganze deutsche Volk allgemein gültigen Form jene Erziehung zum echten Staatsbürgertum, zum Opfer und zu den Tugenden des Alltags vermittelt werden soll, zu welcher die Elementarschulen unfähig sind, hier könnte vielleicht das Reich stärkeren Einfluß nehmen. Sonst aber müssen Erziehungswesen und Kulturpflege bei den Ländern verbleiben. Nichts fördert die pädagogische Entwicklung mehr als der Wettbewerb zwischen verschiedenen Schulherrn. Die zunehmende Bürokratisierung, die Vereinheitlichung des Schulwesens hat heute dazu geführt, daß der „pädagogische Fortschritt" zu den Privatbildungsstätten hinübergewechselt ist. Warum auf geistigem Gebiete die deutsche Vielfalt und Fülle ertötet werden soll, vermag niemand einzusehen, der in das Wesen der Kultur­ schöpfung Einblick gewonnen hat. Die Selbstverwaltung kleiner Räume kann nicht weit genug gehen. Je freiheitlicher und unmittelbarer die Demokratie, desto echter und gesunder. Ze weiter der Weg vom Leben eines Volkes zu denjenigen, die es in seinen täglichen Angelegenheiten regieren, um so unlebendiger die Führung. Groß­ staaten können nur bestehen und die letzten Kräfte ihrer Völker entfesseln, wenn in den engeren Lebensgemeinschaften das Leben frei emporblüht. Andererseits sollen aber föderalistische Prestigepolitiker auf überlebte For­ derungen verzichten. Nicht jedes Land braucht seine eigene Prüfungsordnung für die Ausbildung zu höheren Ämtern. Dafür ist die Freizügigkeit zu groß, das Bedürfnis nach gegenseitigem geistigen Austausch zu lebendig, als daß nicht solche Hemmungen fallen könnten. Ein offenes Wort muß auch hin­ sichtlich der halbdiplomatischen Vertretungen gesagt werden. Sowohl zwischen einzelnen Ländern als auch zwischen ihnen und dem Reich sind sie mehr oder minder überflüssig. Was die Länder an politischen Wünschen zu äußern haben, können sie in einem lebendigen Reichsrate zur Geltung bringen. Was ver­ traulich besprochen werden soll, ist mit einer Eisenbahnfahrt zu erledigen. Zu eiligen Zwecken steht der Fernsprecher zur Verfügung, hier sollte man

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die veränderten Verkehrsverhältnisse bedenken und sich auch klar machen, daß der Wegfall der Dynastien diplomatische $ormen, die vordem eine gewisse Berechtigung hatten, überflüssig macht. Wo jedoch eine solche Vertretung die besondere Kultur eines Landes lebendig repräsentiert, kann man sich von ihrer Beibehaltung wenigstens ideelle Wirkungen versprechen. Sollte aber tatsächlich der Reichsrat zur Geltendmachung des Länderwillens nicht zu­ reichen, so hätten die Reformen bei der Arbeitsweise des Reichsrates ein­ zusetzen. Die unregelmäßigen Besprechungen der Ministerpräsidenten der Länder, wie sie in den letzten Jahren häufig stattgefunden haben, lassen den Schluß zu, daß die Zormen, in denen der Reichsrat arbeitet, notwendigen Bedürfnissen nicht genügen. In zwei weiteren Punkten muß der Föderalismus den veränderten Ver­ hältnissen ebenfalls Rechnung tragen. Ungeachtet der Polizei- und Justiz­ hoheit der Länder ist nämlich die Zrage berechtigt, ob nicht für den Kriminal­ dienst eine Vereinheitlichung durch das Reich geschaffen werden könnte. Denn es liegt auf der Hand, daß in einer Zeit, da ein Verbrecher in einer Nacht ein Dutzend Landesgrenzen durchfährt, seine Verfolgung nicht auf bürokratische Hemmungen stoßen soll. Andererseits darf ein Reichskriminalgesetz nicht zur handhabe für politische Verfolgungen werden, die im Endziele sich sogar gegen die politische Richtung eines Landes wenden. Einer besonderen Be­ handlung bedarf auch die Wehrfrage. Ein Reichsheer, das rein außenpolitischen Zwecken dient, ist notwendig. Wenn es, wie dies in den letzten zehn Jahren der Sali war, eine landsmannschaftliche Gliederung aufweist, so kann das nur der Tradition und dem inneren Zusammenhalte nützen. Neben dem, im allgemeinen außenpolitischen Zwecken dienenden Reichsheer, gibt es aber noch ein Wehrwesen, das auf der Mannhaftigkeit und der natürlichen Wehr­ haftigkeit des gesamten Volkes beruht. Zum wahren Bürger gehört die Wehr­ fähigkeit. Die Heeresgliederung der Zukunft wird wahrscheinlich eine doppelte sein: auf der einen Seite das berufsmäßige Zreiwilligenheer der soldatischen und technischen Zachleute, auf der anderen der wehrfähige Bürger, der Auf­ rechterhaltung der Ordnung, der Erziehung zur Disziplin und der Verteidi­ gung der Scholle dienend. Diese Lürgerwehr (Miliz) kann ruhig regional ge­ gliedert sein. Sie soll den Schutz der Heimat darstellen. Darüber hinaus be­ zeichnet schon Zrantz solche Bürger- und Kreiswehren als das wirksamste Mittel, um in der Bürgerschaft durch gemeinsame Waffenübungen den leben­ digen Zusammenhang herzustellen. Das Bundesschießen in der Schwei; kann jeden Zweifelsüchtigen davon überzeugen, daß solche Gedanken nicht „roman­ tisch" sind, sondern der Mannestugend als zeitloser Erscheinung gerecht zu werden versuchen. Daß eine Bürgerwehr die Reichseinheit gefährden könne, wird niemand ernsthaft behaupten wollen. Er braucht sich nur durch Be­ trachtung amerikanischer Verhältnisse davon zu überzeugen, daß die ver­ einigten Staaten in ihrer Einheit nicht gelitten haben, obwohl die Gouvernöre

Zinanzaurgleich.

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einzelner Staaten das Recht der Mobilisierung haben. Die schweren Waffen des auswärtigen Krieges sind allerdings auch dort Bundessache, ebenso die Seestreitkräfte. Mit unserer Marine soll es genau so bleiben; sie ist schon des­ halb Reichssache, weil das weite Meer dem ganzen deutschen Dolke gehört.

Finanzausgleich. E)er stärkste Ausdruck der Staatshoheit ist die allgemeine Wehrpflicht. Aber die Dienstschaft des Einzelnen erstreckt sich nicht nur auf persönliche Dienste, sondern auch auf sachliche Leistungen: auf die Abgabe von Gütern und Geld. Zusammenbringen, Derwalten und Derausgaben der öffentlichen Zwecken dienenden Gelder wird so zu einem entscheidenden Rechte des Staates, hat die Weimarer Derfassung einen gewaltigen Ruck zum Unitarismus getan, so spiegelt sich dieser Dorgang auch — entsprechend der neuen Auf­ gabenverteilung — auf finanzpolitischem Gebiete wider. Während nach der alten Verfassung das Reich nur mit begrenzten Einnahmemöglichkeiten aus­ gestattet war, die Fehlbeträge durch Zuschüsse der Gliedstaaten gedeckt werden mußten, ist dies heute ganz anders geworden. Das Reich ist nicht mehr Kost­ gänger der Länder, sondern die Länder sind Kostgänger' des Reiches. Ls hat sich eine eigene Zinanzverwaltung geschaffen und besitzt heute das Recht, sämtliche Einnahmen, die es für nötig halten sollte, sich zu verschaffen. Gleich­ zeitig aber sperrt das Reich bis zu einem gewissen Grade den Ländern die Steuerhoheit. Sie dürfen keine gleichartigen Steuern erheben, es sei denn, daß ein besonderes Reichsgesetz die Erlaubnis dazu erteilt. Darüber hinaus kann das Reich auch die Steuern regeln, die teils Länderzwecken, teils Reichs­ zwecken dienen. Endlich erläßt es noch Rahmengesetze über die Steuer­ erhebungsmöglichkeiten der Länder. Ausreichende Steuerquellen sind den Ländern nicht zur Verfügung gestellt, so daß sie auf Überweisungen und in besonderen Zöllen auf Ausgleichsmittel angewiesen sind. von der schwierigen Zrage, ob die Schaffung eines gewaltigen Reichs­ beamtenkörpers mit dem föderativen Prinzip vereinbar ist, soll einmal ab­ gesehen werden. Man kann wohl die Anschauung vertreten, daß ebenso wie die Gestaltung des Heeres, so auch die Beschaffung öffentlicher Geldmittel unmittelbar durch das Reich geschehen müßte, weil nur so die Einheit und Unabhängigkeit des Reiches gewährleistet sei. Dagegen spricht die Tatsache, daß die Zinanzen des Lismarckischen Reiches vorbildlich geordnet waren und von feiten der Länder keinerlei Schwierigkeiten in der Bewilligung der Mittel, die für Reichszwecke notwendig waren, gemacht wurden. Dazu kommt folgende Erwägung: Jede Art von Verwaltung bedingt, daß sie aus eigenen Mitteln gespeist wird und daß der Verwaltungsbeamte im Zinanzwesen geschult ist. heute entwickelt sich ein Spezialistentum von Reichsfinanzbeamten, die ge-

Zinanzaurgleich.

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einzelner Staaten das Recht der Mobilisierung haben. Die schweren Waffen des auswärtigen Krieges sind allerdings auch dort Bundessache, ebenso die Seestreitkräfte. Mit unserer Marine soll es genau so bleiben; sie ist schon des­ halb Reichssache, weil das weite Meer dem ganzen deutschen Dolke gehört.

Finanzausgleich. E)er stärkste Ausdruck der Staatshoheit ist die allgemeine Wehrpflicht. Aber die Dienstschaft des Einzelnen erstreckt sich nicht nur auf persönliche Dienste, sondern auch auf sachliche Leistungen: auf die Abgabe von Gütern und Geld. Zusammenbringen, Derwalten und Derausgaben der öffentlichen Zwecken dienenden Gelder wird so zu einem entscheidenden Rechte des Staates, hat die Weimarer Derfassung einen gewaltigen Ruck zum Unitarismus getan, so spiegelt sich dieser Dorgang auch — entsprechend der neuen Auf­ gabenverteilung — auf finanzpolitischem Gebiete wider. Während nach der alten Verfassung das Reich nur mit begrenzten Einnahmemöglichkeiten aus­ gestattet war, die Fehlbeträge durch Zuschüsse der Gliedstaaten gedeckt werden mußten, ist dies heute ganz anders geworden. Das Reich ist nicht mehr Kost­ gänger der Länder, sondern die Länder sind Kostgänger' des Reiches. Ls hat sich eine eigene Zinanzverwaltung geschaffen und besitzt heute das Recht, sämtliche Einnahmen, die es für nötig halten sollte, sich zu verschaffen. Gleich­ zeitig aber sperrt das Reich bis zu einem gewissen Grade den Ländern die Steuerhoheit. Sie dürfen keine gleichartigen Steuern erheben, es sei denn, daß ein besonderes Reichsgesetz die Erlaubnis dazu erteilt. Darüber hinaus kann das Reich auch die Steuern regeln, die teils Länderzwecken, teils Reichs­ zwecken dienen. Endlich erläßt es noch Rahmengesetze über die Steuer­ erhebungsmöglichkeiten der Länder. Ausreichende Steuerquellen sind den Ländern nicht zur Verfügung gestellt, so daß sie auf Überweisungen und in besonderen Zöllen auf Ausgleichsmittel angewiesen sind. von der schwierigen Zrage, ob die Schaffung eines gewaltigen Reichs­ beamtenkörpers mit dem föderativen Prinzip vereinbar ist, soll einmal ab­ gesehen werden. Man kann wohl die Anschauung vertreten, daß ebenso wie die Gestaltung des Heeres, so auch die Beschaffung öffentlicher Geldmittel unmittelbar durch das Reich geschehen müßte, weil nur so die Einheit und Unabhängigkeit des Reiches gewährleistet sei. Dagegen spricht die Tatsache, daß die Zinanzen des Lismarckischen Reiches vorbildlich geordnet waren und von feiten der Länder keinerlei Schwierigkeiten in der Bewilligung der Mittel, die für Reichszwecke notwendig waren, gemacht wurden. Dazu kommt folgende Erwägung: Jede Art von Verwaltung bedingt, daß sie aus eigenen Mitteln gespeist wird und daß der Verwaltungsbeamte im Zinanzwesen geschult ist. heute entwickelt sich ein Spezialistentum von Reichsfinanzbeamten, die ge-

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wissermaßen die Bankiers der eigentlichen Wirtschaft, in diesem Zolle der Verwaltung, darstellen. Wie aber die Trennung von Geld und Wirtschaft gefährlich ist, so auch die Aufspaltung der Verwaltung in reines Finanzwesen und allgemeine Verwaltung. Dieses Bedenken muß gegen die allgemeine Konzentrierung des Finanzwesens bei den Reichsfinanzbehörden geltend gemacht werden. Schon vor dem Kriege wurde deshalb der Vorschlag ge­ macht, eine saubere Trennung der Steuerquellen vorzunehmen: dem Reiche die indirekten Steuern, den Bundesstaaten die Personalsteuern, den Kreisen und Gemeinden die Ertragssteuern zuzuweisen, vielleicht war das zu mecha­ nisch gedacht,- aber immer noch richtiger als das wüste Durcheinander von heute, bei dem überhaupt keine Trennung der Steuerquellen besteht und jede öffentliche Körperschaft wild darauf los wirtschaftet. Der wichtigste Grundsatz des Steuerwesens ist der einer gesunden Privatwirtschaft. Er lautet: wer Ausgaben beschließt, hat auch die Mittel hierfür aufzubringen. Was für den Einzelnen, was für den Wirtschaftsbetrieb gilt, verliert auch seinen Sinn nicht bei den öffentlichen Körperschaften. Gewiß sollen sie nicht von der Gnade der Staatsbürger abhängig sein. Aber anderer­ seits ist es kaum angängig, wenn politische Gremien Ausgaben beschließen, die sie nicht auch selber ausbringen. Trotzdem ist diese Methode heute üblich geworden und zwar in doppelter Richtung: einmal beschließen die Richt­ besitzenden über das Steueraufkommen der Besitzenden. Wo sie in der Mehr­ zahl sind oder gar das Eigentum leugnen, bedeutet dies die Bedrohung oder die Vernichtung des Besitzes und damit der Wirtschaft. Oer Einwand, auf diese Weise würde der soziale Ausgleich vollzogen und eine höhere Gerechtig­ keit ausgeübt, schlägt nicht durch. Denn diese Art von Ausgleich ist mechanischer Art und auf Gewalt aufgebaut. Das Zusammenwirken von Besitzenden und Nichtbesitzenden und damit die Schaffung einer organischen Gemeinschaft, hat dort zu erfolgen, wo es natürlich ist: im Wirtschaftsleben. Die Wirtschaft ist eine Einheit und muß in sich den Ausgleich vollziehen, den „gerechten Lohn" schaffen und die gesunde Verteilung der Wirtschaftserträgnisse nach Leistung vornehmen, politische Löhne sind gefährliche noch gefährlicher aber politische Steuern; und andere gibt es heute eigentlich nicht. Die zweite Art, wie gegen das oben umrissene Gesetz gesündigt wird, besteht darin, daß gesetzgebende Körperschaften über Steuern und Ausgaben beschließen, die weit entfernt von jenen Kreisen stehen, ja mit ihnen gar nichts zu tun haben, — welche die Mittel aufzubringen oder zu verwenden haben. Wo bleibt beispielsweise eine gesunde Gemeindepolitik, wenn sie aus Zu­ weisungen des Reiches indirekt die nötigen Gelder bezieht, wenn also die sparsame Gemeinde für die Verschwendungssucht einer anderen aufzukommen hat, wenn jede Kontrollmöglichkeit der Bürgerschaft über das tatsächliche Steueraufkommen der Gemeinde unmöglich wird. Was für die Gemeinden gilt, kann auch von den Ländern behauptet werden. Das Überweisungssgstem

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reizt deshalb geradezu zu einer verantwortungslosen Ausgabenwirtschaft an. Umgekehrt aber schwächt es die „Steuerfreudigkeit" und das Gefühl für Selbstverantwortung. Mancher Bürger ist bereit, Zwecken seiner Heimat­ gemeinde Gpser zu bringen, aber nicht einem mehr oder minder anonymen riesigen Topf, in den alle Gelder unterschiedslos hineinwandern. (Es ist nun ein Kennzeichen der Nachkriegszeit, daß an den Ländern geknausert wird, die Gemeinden dagegen im allgemeinen besser wegkommen. Die Zinanzverhältnisse der einzelnen Länder sind ja auch in der Regel leichter übersehbar als die der zahlreichen Gemeinden, lver aber einen Einblick in die Besoldungs­ politik der Gemeinden hat, der weiß, daß der Personalaufwand nach dem Kriege nirgends mehr gestiegen ist, als gerade bei den Gemeinden, hier be­ wahrheitet sich der Grundsatz, daß die Zinanzwirtschaft mit der Entfernung von der Stelle, welche die Ulittel aufbringt, an Verantwortungsbewußtsein abnimmt. Zu erstreben ist demnach eine Regelung, welche die Verantwortung für die Ausgabenwirtschaft, d. h. die Aufbringung der Ulittel auch denen über­ läßt, welche die Ausgaben bewilligen und andererseits in der Lage sind, ohne große Ulühe und Zachkenntnisse den Laus der Steuergelder bis zu ihrer Veraus­ gabung zu verfolgen. praktisch kann diese Forderung nur erfüllt werden, wenn eine Trennung der Steuerquellen vorgenommen, wenn jene Übersichtlichkeit hergestellt wird, die schon vor dem Krieg erstrebt wurde, jetzt aber anscheinend endgültig ver­ loren gegangen ist. Daß dazu innere Reformen des Steuerwesens notwendig wären, soll nur am Rande bemerkt werden. Unsere Steuertechnik ist zu kompliziert geworden, die Zahl der Steuern viel zu hoch, die Erhebungs­ arten sind zu teuer. Eine Steuervereinfachung, ja der Übergang der Steuer­ gesetzgebung an Steuerprooinzen müßte wahrscheinlich vorausgehen. Diese Krage fällt aber aus dem Rahmen unserer Betrachtung. Gegen eine solche Trennung der Steuerquellen wird nun eingewendet, daß sie den notwendigen Ausgleich erschwere. Dies ist um so richtiger, je mehr der öffentliche Kinanzbedarf sich im vergleiche zur Vorkriegszeit erhöht hat und deshalb für das Leben der lvirtschaft und des Einzelnen eine viel größere Rolle spielt als früher. Auch sind die außenpolitischen Aufgaben durch die Übernahme großer Tributlasten in den Vordergrund gerückt, der Sozialetat des deutschen Volkes ist gewaltig angeschwollen. Dies alles erschwert einen gerechten Ausgleich. „Der Staat" beansprucht heute einen so gewaltigen Teil des Volkseinkommens, das Geld spielt eine so verhängnisvolle Rolle, daß das Recht der Besteuerung fast gleichbedeutend wird mit dem Begriff der politischen Macht. Unter diesen Umständen kommt der Steuerkraft einer Gemeinde oder eines Landes eine Bedeutung zu, die bei gesunden Verhältnissen über­ trieben genannt würde. Es wird den Ansprüchen steuerschwacher Länder von unitaristischer Seite mit dem Hinweise begegnet, sie möchten be­ scheidener sein, weil sie doch bis zu einem gewissen Grade nicht von ihrer

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Selbständigkeit, sondern von der Gnade des Keichs lebten. Diese „kapitali­ stische" Denkweise ist denkbar unpolitisch. Sie beurteilt die Blüte eines Landes nach den jeweiligen Steuererträgnissen und nicht nach dem besonderen Beitrag, den es für das Ganze liefert und der auf ganz anderem Gebiete als auf finanziellem liegen kann. Mit dieser Einstellung läßt sich kein Staat und kein Reich aufbauen. Andererseits sollten allzu strenge Föderalisten, deren Denken an partikularismus grenzt, sich immer überlegen, daß zum Reichsgedanken das Linstehen eines Teiles bzw. der Gesamtheit für einen schwachen Teil gehört,- daß also gerade der Ganzheitsgedanke den Ausgleich fordert. Schwache Länder, arme Kreise, von Mißgeschick heimgesuchte Gemeinden, von Unglück geschlagene Volksteile, können nur aus höheren Kräften, vom Willen der Gesamtheit am Leben erhalten werden. Jeder Staat kennt sogenannte Zu­ schutzgebiete, und es wäre egoistisch, ja unpolitisch, diese Gebiete deshalb zu mißachten oder gar preiszugeben. Eine Ausgleichsmöglichkeit mutz deshalb immer vorhanden sein, und jede gute Regierung wird mit politischem und wirtschaftlichem Spürsinn die schwachen Stellen am Reichsgebäude wahr­ nehmen, sie zu untermauern und zu stärken suchen. Mit der Neuverteilung der Steuerquellen allein wird nun noch nicht die endgültige finanzpolitische Klarheit erzielt, solange nicht ein eindeutiger steuerpolitischer Zukunftskurs festgelegt ist. praktisch soll das heißen: auch dann, wenn den Ländern beispielsweise die direkten Steuern zugewiesen werden, ist ihre finanzeille Selbständigkeit nur gesichert, wenn die direkte Steuer auch zukunftsträchtig ist. Run wird von Steuertheoretikern und Finanz­ reformern allgemein gefragt, ob nicht ein Zeitalter der indirekten Steuern angebrochen sei und ob die neue Ganzheitsauffassung vom Wesen der Wirt­ schaft nicht auf die Schaffung einer Produktionssteuer dränge, die in ungeheurer Vereinheitlichung den Grundstock des ganzen Steueraufkommens darstellt. Seitdem die Wissenschaft sich mit den Fragen der Steuerüberwälzung ein­ gehend befaßt hat, seitdem über die Gerechtigkeit von Steuern, angesichts des Umstandes, daß die große Mehrzahl der im Erwerbsleben Stehenden Lohn­ empfänger sind, neue Vorstellungen wachgeworden sind, erhebt sich die Frage nach dem Sinn und der Berechtigung der direkten Steuer überhaupt. Es sind deshalb viel Vorschläge gemacht worden, die alle darauf hinauslaufen, das volkswirtschaftliche Einkommen an dem geeignetsten und unschädlichsten Punkte, auf mittelbarem Wege zu besteuern, und dadurch eine ganze Reihe von Steuern und Steuererhebungsarten überflüssig zu machen. Vie Stolpersche Finanzresorm will u/12 aller Lohnempfänger von der Einkommensteuer be­ freien. Warum soll man dann nicht gleich zu den Verbrauchssteuern über­ gehen? Wenn deshalb überzeugte Föderalisten die Einkommensteuer für Länder und Gemeinden beanspruchen, so sollten sie sich angesichts des erheb­ lichen Bedarfs dieser öffentlichen Körperschaften doch die Frage vorlegen, ob nicht in absehbarer Zukunft damit eine neue Finanznot der Länder begänne.

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Denn wenn die Verbrauchssteuern im Großen sich durchsetzen, gewissermaßen die preisebene für das ganze Reich durch die indirekte Besteuerung bestimmt wird, so ist der Rahmen, in welchem Einkommensbesteuerungen möglich sind, naturgemäß eng gezogen. Es braucht dazu nicht einmal der von den Ländern so bekämpften rahmengesetzlichen Begrenzung von Ländersteuern durch das Reich*). Wenn ein Land unvernünftig hohe Einkommensteuern beschließt, so werden die Einkommensteuerpflichtigen ganz einfach wegziehen und — wie sie es heute in der Schweiz und an der Riviera tun — ihr Einkommen in einem steuermilden Klima verzehren. Stolper will nun den Ländern die indirekten Steuern zuweisen. Dagegen wird eingewendet, Verbrauchssteuern müßten allgemein und gleichmäßig sein, damit die Preisebene nicht leide. Die Überweisung der Verbrauchssteuern an Länder und Gemeinden bedeute deshalb einen Rückfall in das 18. Jahr­ hundert. Das ist wohl zu schwarz gesehen. Ruch dann, wenn den Ländern die indirekten Steuern zugeteilt werden, verbietet sich für sie eine despotische Steuergesetzgebung. Die Erhöhung der preisebene würde zur Abwanderung von handel und Gewerbe führen und damit ihre Steuerkrast schwächen. Auch hier wird eine vernünftige Selbstregelung einsetzen. Rlöglich bleibt allerdings, daß eine marxistische Länderregierung sich Experimente leistet, die dem Wirt­ schaftsleben schwere Wunden schlagen. Aber schließlich hat sogar schon der Sozialismus gemerkt, daß man eine Kuh nicht immer melken kann. Das gewichtigste Bedenken gegen ein weitgehendes Steuererhebungsrecht der Länder und Gemeinden wird aus der Erkenntnis hergeleitet, daß der heute herrschende Kleinparlamentarismus vielerorts unfähig ist, eine sachliche Steuerpolitik zu treiben. Ein Mißtrauen dieser Art ist unbedingt berechtigt. Aber warum sind die Gemeinde- und Länderparlamente häufig so bewilli­ gungsfreudig? Nur deshalb, weil sie über den großen Topf verfügen und nicht aus dem eigenen Säckel zahlen. Die Sparsamkeit fängt immer mit der Verwaltung des eigenen vermögens, nicht mit der Verfügung über fremde Gelder an. Es wird also manches anders werden, sobald die Selbst­ verwaltungskörper die benötigten Mittel vor den eigenen Steuerzahlern ver­ antworten und durch sie beibringen müssen. Dazu kommt noch folgende Er­ wägung: wenn der Parlamentarismus irgendwo fällt, dann zu allererst in den Gemeinden, wo er sich als unbrauchbar schon heute herausgestellt hat. Angefangen bei der Reichshauptstadt wird heutzutage manche Gemeinde kom­ missarisch verwaltet. Nicht als ob dies der Jdealzustand wäre! Es wird so lediglich der Beweis geliefert, daß die heutige Zorm der Selbstverwaltung nicht den Grundsätzen echter Selbstverwaltung gerecht wird, daß es mindestens ein Unding ist, die Wahl zu den Gemeinde„parlamenten" denselben Parteien zu überlassen, welche große Politik im Reiche treiben. Sicher wird das Ge♦) In letzter Zeit ist es zu einer Klage Bayerns gegen das Reich wegen des Steuer» oereinheitlichungsgesetzes gekommen.

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Föderalismus in der Außenpolitik.

meinderecht neue Wege gehen und andere Wahlkörper suchen, als sie durch die heutigen Parteien dargestellt werden. Denn in den Gemeinden wirkt der Parteimechanismus noch verheerender als im Staate, wo er ebenfalls seinen letzten Tagen entgegensieht. Die Frage, welche Steuerquellen für die Länder gefordert werden sollen, läßt sich also heute kaum endgültig entscheiden. Sie kann nur im Zusammen­ hang mit einer inneren Steuerreform beantwortet werden. Aber so viel steht fest, datz Steuern, die das Preisniveau des ganzen Reiches berühren, dem Reiche zufallen sollen; daß Steuern, die der Sonderstruktur der Wirtschaft der verschiedenen Länder entsprechen, auch von diesen eingehoben werden können. Klarheit mutz auf alle Fälle geschaffen werden und der bisher bestehende Zu­ stand, einzelne Steuern nach einem komplizierten Schlüssel unter die verschie­ denen Körperschaften aufzuteilen, hat aufzuhören. Daneben wird immer eine Form des Ausgleichs für schwache Teile vor­ handen sein müssen. Das Reich ist ein Ganzes und wird als solches immer ver­ pflichtet sein, den Grenzen seinen besonderen Schutz angedeihen zu lassen. Denn Grenzländer sind in der Regel Schwächepunkte. Ihnen die nötige Hilfe abzuschneiden, bedeutet ganz einfach, sie verdorren zu lassen, hier ist der Punkt, wo eine „unitarische" Denkweise ihre Berechtigung hat, weil dieser Unitarismus einer Ganzheitsvorstellung entspricht und deshalb in das univer­ salistische Weltbild hineinpatzt. Aus der Tatsache leistungsschwacher Länder aber die Forderung nach ihrer Aufhebung herzuleiten, ist kein Unitarismus, sondern glatter Partikularismus. Zu dieser Auffassung neigen kapitalstarke deutsche Länder. Sie ist falsch, für das Reichsganze gefährlich und als Argument gegen den echten Föderalismus unbrauchbar.

Föderalismus in der Außenpolitik. Es gehört zum Wesen des Einheitsstaates, datz er in seiner nationalen und rechtlichen Prägung starr ist, datz er sein ganzes Territorium mit einer festen Form überzieht, die an den Grenzen schlagartig endet. So wenig er im Innern Selbständigkeit und Eigenleben dulden kann, so wenig vermag er über seine Grenzen hinauszustrahlen, hart stotzen Staaten und Staatsvölker, Rechtssphären und Gesinnungen an den Grenzen aufeinander. An ihnen be­ gegnen sich fremde Welten, die sich leicht aneinander entzünden und den Brand des Krieges entfachen. Ls gibt kein Ineinanderflietzen, keine grotze Zusammenfassung in geopolitische und wirtschaftliche Einheiten, die über die Grenzen der Dölker hinweg reichten. Nichts ist deshalb unzeitgemätzer, als die Propagierung paneuropäischer Ideen; sie sind nur verständlich aus einer kosmopolitischen Denkweise heraus. Denn man kann die starren National­ staaten von heute, die in ihrer Gmnipotenz kein völkisches Eigenleben dulden,

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Föderalismus in der Außenpolitik.

meinderecht neue Wege gehen und andere Wahlkörper suchen, als sie durch die heutigen Parteien dargestellt werden. Denn in den Gemeinden wirkt der Parteimechanismus noch verheerender als im Staate, wo er ebenfalls seinen letzten Tagen entgegensieht. Die Frage, welche Steuerquellen für die Länder gefordert werden sollen, läßt sich also heute kaum endgültig entscheiden. Sie kann nur im Zusammen­ hang mit einer inneren Steuerreform beantwortet werden. Aber so viel steht fest, datz Steuern, die das Preisniveau des ganzen Reiches berühren, dem Reiche zufallen sollen; daß Steuern, die der Sonderstruktur der Wirtschaft der verschiedenen Länder entsprechen, auch von diesen eingehoben werden können. Klarheit mutz auf alle Fälle geschaffen werden und der bisher bestehende Zu­ stand, einzelne Steuern nach einem komplizierten Schlüssel unter die verschie­ denen Körperschaften aufzuteilen, hat aufzuhören. Daneben wird immer eine Form des Ausgleichs für schwache Teile vor­ handen sein müssen. Das Reich ist ein Ganzes und wird als solches immer ver­ pflichtet sein, den Grenzen seinen besonderen Schutz angedeihen zu lassen. Denn Grenzländer sind in der Regel Schwächepunkte. Ihnen die nötige Hilfe abzuschneiden, bedeutet ganz einfach, sie verdorren zu lassen, hier ist der Punkt, wo eine „unitarische" Denkweise ihre Berechtigung hat, weil dieser Unitarismus einer Ganzheitsvorstellung entspricht und deshalb in das univer­ salistische Weltbild hineinpatzt. Aus der Tatsache leistungsschwacher Länder aber die Forderung nach ihrer Aufhebung herzuleiten, ist kein Unitarismus, sondern glatter Partikularismus. Zu dieser Auffassung neigen kapitalstarke deutsche Länder. Sie ist falsch, für das Reichsganze gefährlich und als Argument gegen den echten Föderalismus unbrauchbar.

Föderalismus in der Außenpolitik. Es gehört zum Wesen des Einheitsstaates, datz er in seiner nationalen und rechtlichen Prägung starr ist, datz er sein ganzes Territorium mit einer festen Form überzieht, die an den Grenzen schlagartig endet. So wenig er im Innern Selbständigkeit und Eigenleben dulden kann, so wenig vermag er über seine Grenzen hinauszustrahlen, hart stotzen Staaten und Staatsvölker, Rechtssphären und Gesinnungen an den Grenzen aufeinander. An ihnen be­ gegnen sich fremde Welten, die sich leicht aneinander entzünden und den Brand des Krieges entfachen. Ls gibt kein Ineinanderflietzen, keine grotze Zusammenfassung in geopolitische und wirtschaftliche Einheiten, die über die Grenzen der Dölker hinweg reichten. Nichts ist deshalb unzeitgemätzer, als die Propagierung paneuropäischer Ideen; sie sind nur verständlich aus einer kosmopolitischen Denkweise heraus. Denn man kann die starren National­ staaten von heute, die in ihrer Gmnipotenz kein völkisches Eigenleben dulden,

Köderalismus in der Außenpolitik.

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nicht zu gröberen Einheiten zusammenfassen, es sei denn durch Verwischung der nationalen Kulturen (was als unmöglich und sträflich erscheint), durch Ausübung eines hegemonialen Zwanges (Frankreichs) und unter Übernahme der unerlösten Minderheiten mit all ihren drohenden Gefahrenherden. Den Paneuropäern schwebt die riesenhafte Massenrepublik einer kommenden europäischen Mischrasse vor. Sie konstruieren zu diesem Zwecke eine euro­ päische Massenseele, die nur in der Phantasie existiert, sie leugnen alle völki­ schen Kräfte, deren Wirksamkeit erst eine gemeinsame abendländische Kultur geschaffen hat. Der richtige Weg zu einem kommenden Europa, einem neuen Univer­ salismus, verläuft umgekehrt. Es muß im Innern begonnen werden. Keine Neubildung kann des Kernes entbehren, den sie zu umwachsen hat. Der geographische Kern Europas ist aber von dem deutschen Volke, dem zahl­ reichsten der weißen Rasse bevölkert. Gelingt es ihm, wieder zum Mittelpunkt einer neuen europäischen Bünönispolitit zu werden, so ist der Raum für eine größere geopolitische Wirtschaftseinheit, für das große Geltungsgebiet einer künftigen Rechtsordnung, für die Bereinigung der Minderheitenfrage frei. Dies alles ist aber unmöglich, wenn das Deutsche Reich ein kleindeutscher starrer Nationalstaat wird, in statische Rechtsformen gegossen, zentralistisch geleitet und daher ohne Anziehungskraft. Der Weg des deutschen Volkes vom heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bis zur Gegenwart ist gekenn­ zeichnet durch die ununterbrochene Abstoßung deutscher Volksteile und sub­ germanischer Völkergruppen. Immer mehr Teile haben sich verselbständigt oder wurden aus dem deutschen Volkskörper herausgerissen. hier tut Umkehr not, eingeleitet durch rechtsschöpferisches Umdenken und durch Herausarbeitung eines neuen Rechtsbegriffes, der Zwischen­ stufen zwischen staatsrechtlichen Regelungen und völkerrechtlichen Verträgen kennt. An Stelle des nur machtpolitischen Bündnisses, übernommen aus der Kabinettspolitik der Fürsten und weitergeführt vom demokratischen Militaris­ mus, muß die Konzeption einer neuen europäischen Zusammengehörigkeit treten, die naturgemäß vom deutschen Volke, als dem herzen Europas, aus­ geht und seine nähere Nachbarschaft und Umgebung in den Bereich der Er­ wägungen zieht. Gewiß stehen vor den europäischen die deutschen Ziele: d. h. die deutsche Selbstbestimmung und der Staat aller Deutschen. Aber bei der starken Durch­ gliederung des deutschen Volkes ergeben sich schon hinsichtlich des Anschlusses Österreichs Bedenken, ob ein solcher in einheitsstaatlichen Formen, wie unsere Unitarier glauben, möglich ist. Die seelische und kulturelle Aufsaugung Wiens durch Berlin bleibt doch mit einem großen Fragezeichen versehen. Und bis jetzt hat niemand im Lager der Einheitsstaatler den Weg gezeigt, auf dem die kulturelle Vielfalt des deutschen Volkes erhalten bleiben könnte, ohne seine staatliche Untergliederung zu bewahren. Überlegt man weiter, daß Österreich

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Zöderalismus in der Außenpolitik.

schon einmal mit IHut und ftaatsschöpferischer Kraft zur inneren Gesundung angesetzt hat, daß die Absage an das in Preußen zur höchsten Blüte gelangte liberalistisch-marxistische Parteiwesen, in Österreich mit Wucht erfolgt ist, daß also dort die Krise der parlamentarischen Demokratie weitere Ausmaße ange­ nommen hat als im Reiche selbst, so kann nur der unverbesserliche Schönfärber leugnen, daß ernste Anschlußschwierigkeiten bestehen. Ein selbstbewußter, geistig-politisch fortgeschrittenes Deutsch-österreichisches Volk wird sich das Haus, das es beziehen soll, gründlich besehen. Damit wird nicht etwa der deutsche Wille der Österreicher bezweifelt, sondern nur ihr staatsideelles Denken entsprechend in Rechnung gestellt, haben unsere österreichischen Brüder eine bestimmte Vorstellung vom kommenden Reiche, so werden sie diese auch geltend zu machen versuchen und ihr Fruchtbarwerden für dar ganze deutsche Volk erstreben. Es würde zu weit führen, die Besonderheiten und Eigentümlichkeiten des österreichischen volksstammes an dieser Stelle zu umreißen,- es ist auch überflüssig, die tiefe Unterschiedlichkeit zwischen dem modernen Preußentum und den österreichischen Alpenländern aufzuzeigen. Der Realpolitiker muß sie eben in Betracht ziehen. Dabei ist die Form des Anschlusses zu berücksichtigen. Österreich ist selber ein Bund. Aber es bleibt offen, ob die österreichischen Einzelländer in dar Reich eintreten sollen, oder ob es als Ganzes den Anschluß sucht. Was geschieht dann mit dem innerösterreichischen Zöderalismus? Und ist Deutsch-Gsterreich gewillt, sich mit der Stellung eines reichsdeutschen Landes zu begnügen oder wird es Reservatrechte fordern? Was endlich soll es tun, wenn es überhaupt keine Länder mehr gibt? $ür jeden, dem Großdeutschland das nächste Ziel aller deutschen Politik ist, muß deshalb die Sorge lebendig bleiben, den Anschluß nicht dadurch zu er­ schweren, daß das kleindeutsche Reich sich Formen gibt, die Erweiterung und Anbau unmöglich machen. Geht das heutige Deutsche Reich den Weg des zentralistischen Nationalstaates, so schlägt es offene Türen an seinen Grenzen zu und fördert die „verschwgzerung" beträchtlicher deutscher Volksteile, die ein widriges geschichtliches Schicksal bis zur Stunde von uns fernhält. Es ist leider vorstellbar, daß das Volksdeutsche Ziel der deutschen Politik — Groß­ deutschland — durch unitarisierende Bestrebungen unerreichbar wird. In viel höherem Maße gilt dies aber für Nachbarländer, die zum Teil von fremden volkstümern bewohnt werden. Wer den geschichtlichen Weitblick besitzt, zu erkennen, daß es in Mitteleuropa Staaten gibt, die in sich keinen Ewigkeits­ charakter tragen, muß doch Vorsorge treffen, ihre Annäherung in irgendeiner Sonn an das deutsche Volk und das Deutsche Reich zu ermöglichen. Ze größer nun die rechtliche und kulturelle Vielfalt des Deutschen Reiches, je dynamischer das deutsche Staatsrecht, je größer unser Reichtum an Zwischenstufen zwischen staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Formen, um so erfreulicher auch die Aussichten auf eine mitteleuropäische Neugestaltung, deren Mittelpunkt das

Föderalismus in der Außenpolitik.

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deutsche Volk wird. Statt in mechanischer Gleichsetzung der Staaten nach dem vorbilde unserer Paneuropäer überstürzte Staatenverbindungen zu emp­ fehlen, wäre es viel klüger, auf nachbarliche Bindungen^der Staaten gleichen

Raumes zu zielen, aus denen sich dann allmählich in organischem Wachstum höhere föderative Einheiten entwickeln. Es ist bezeichnend, daß dieselben Kreise, die das Deutsche Reich unitarisieren wollen, auch die Anhänger der Paneuropaidee stellen. Sie haben nicht erkannt, daß ihre Argumente sich widersprechen. Jrt der inneren Politik sind sie unitarisierende Machtpolitiker, in der äußeren Pazifisten. Sie verhindern so die Neuentfaltung des Deutsch­ tums und seine zweite europäische Blüte. Die Ablehnung Paneuropas und damit der französischen Hegemonie genügt aber nicht,- es muß dazu der Glaube an eine^Neugestaltung Europas auf föderativer Grundlage unter deutscher Führung kommen. Dazu gehört der „Anfang im eigenen Hause". Eine wahr­ haft völkische Gesinnung ist also untrennbar verbunden mit der föderalistischen Grundeinstellung. Und so ergibt sich, daß auch das außenpolitische Bild der universalistischen Weltanschauung dem innenpolitischen entspricht. Zöderalismus nach innen und außen verbürgt die deutsche Zukunft, sichert die deutsche Sendung.

Das Preußisch-Deutsche Problem Don Dr. Heinrich Held, Bayer. Ministerpräsident. Gr. 8°, 36 Seiten. Geheftet RM. 1.20. Die Schrift weist nach, daß die von der Reichsregierung und Preußen aus­ gebenden DorschlLge für eine Neugestaltung des Derhältnisses zwischen Reich und Preußen auf die Krage Föderalismus oder Umtaristnus hinauslaufen und abzulehnen seien. Sie ist eine Ergänzung zu dem Referat,

Abgrenzung der Luständigtetten zwischen Reich und Ländern in Gesetzgebung und Verwaltung von Dr. Heinrich Held, Bayer. Ministerpräsident. 1929. Gr. 8°. 109 Seiten.

Steif broschiert RM. 3.—.

In Dorbereitung befindet sich:

Kommentar zur Vetchsoekfassung Don Dr. Ludwig Gebhard, Regierungsrat I KL in München. Gr. 8°, ca. 40 Bogen. Gebunden ca. RM. 30.—.

Bayerisches Verfaffungsrecht Don Dr. Hans Nawiasky, Univ.-Professor in München,

Lex. 8Ö, 581 Seiten. 1923.

Geh. RM. 7.50, geb. RM. 9.50.

3n ^Schweitzers braunen Handausgaben"

Die Verfaffungsurkunde des Freistaats Payern Mit den einschlägigen Gesehen, dem Konkordat und den Derträgen mit den protestantischen Kirchen.

Erläutert von B^.-Umtmann Dr. Iakob Kratzer in Diechtach. 8°, 374 Seiten. 1925.

In7 Ganzleinen gebunden RM. 9.—.

Bayerische Verfassungsurtunde Mit Erläuterungen und einem Anhang. (In Schweitzers blauen Textausgaben) herausgegeben von Heinrich von Ian, Staatsrat im Bayer. Staatsmin. d. Inn. 8°, 320 Seiten. 1927.

In Leinen gebunden RM. 5.—.

D. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München, Berlin, Leipzig.