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German Pages [1382] Year 2014
Mark Pieth / Stephanie Eymann / Ingeborg Zerbes Fallsammlung Strafrecht BT . .
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Mark Pieth / Stephanie Eymann / Ingeborg Zerbes .
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Fallsammlung Strafrecht BT Übungsfälle zum Besonderen Teil mit Lösungsvorschlägen 2., ergänzte und überarbeitete Auflage
Vorwort Sie haben ein Übungsbuch in Händen, das einerseits Musterlösungen zu klassischen Übungsfällen, insbesondere aus dem Bereich Leib, Leben und Vermögen, offeriert. Dabei werden gelegentlich auch Fallgeschichten aus der Bundesgerichtspraxis präsentiert, die Anlass zu Kontroversen geben. Andererseits enthält die Fallsammlung eine Reihe von Fällen zu sogenannt modernen Themen (Phishing, Haftung der juristischen Person, Finanzierung des Terrorismus, Korruption und Geldwäscherei). Die Fallsammlung bemüht sich um Realitätsnähe und nimmt von reinen Lehrbuchfällen bewusst Abstand. .
Die Fälle sind lose der Gesetzessystematik entlang angeordnet. Neben Fragen des Besonderen Teils spielen natürlich auch Themen des Allgemeinen Teils in die Falllösungen hinein. Weder der Allgemeine noch der Besondere Teil lassen sich isoliert betrachten. Um die Orientierung am Lernstoff zu erleichtern, wurde den Fällen jeweils eine kurze fallspezifische Bibliographie beigefügt. Im Text finden sich auch – wenn auch auf ein Minimum reduziert – Hinweise auf allgemeine Literatur und wichtige Entscheide in Fussnoten. Wir wünschen Ihnen eine gewinnbringende Lektüre. Basel, im Mai 2014 Mark Pieth Stephanie Eymann Ingeborg Zerbes
Dank Die Autorinnen und der Autor möchten Frau lic. iur. Rebekka Gigon und Frau Nora Schneider, BA herzlich für ihre Mitarbeit an der 2. Auflage dieser Fallsammlung danken.
Inhaltsübersicht Vorwort
1
Dank
2
Literaturverzeichnis
5
Abkürzungsverzeichnis
7
Hinweise zur Lösung von Strafrechtsfällen
11
Fall 1
Rheinfall
17
Fall 2
Schwimmhalle
27
Fall 3
Schulreise
39
Fall 4
Hannibal the Cannibal
47
Fall 5
Fasnächtliche Zollbeamte
61
Fall 6
Bree
75
Fall 7
Grüner Pullover
85
Fall 8
Krümelmonster
97
Fall 9
Leasing
109
Fall 10
Zapfhahn
125
Fall 11
Luzern
135
Fall 12
Basler Diamantenfieber
143
Fall 13
Afrikanische Antilopen
161
Fall 14
Häschenfall
173
Fall 15
Fernsehquiz
181
Fall 16
Phishing
191
Fall 17
Retrozessionen
205
Fall 18
Hotel Napf-Palace
221
Fall 19
Olivenöl
241
Fall 20
Russischer Salat
257
Fall 21
Die gläserne Patientin
267
Anhang: Verbrechensaufbau (Schemen)
279
Stichwortverzeichnis
284
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Literaturverzeichnis CORBOZ, B.,
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Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich 2013 (zit. PK-Autor / Autor 2013, Art …)
TRECHSEL,
S..
/.
PIETH,
M.,
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TRECHSEL ,
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S. / NOLL , P., Schweizerisches Strafrecht. Allgemeiner Teil I: Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit, 5. Aufl., Zürich 1998 .
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Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AG AJP AML ANA Art. AS AT Aufl. AwR BankG BaZ BBl Bd. betr. BG BGE BGer BGH BGHSt
andere Ansicht Absatz Aktiengesellschaft Aktuelle Juristische Praxis Anti-Money Laundering Albanische Nationalarmee; Nachfolgeorganisation der UÇK Kosovo Artikel Amtliche Sammlung Allgemeiner Teil Auflage Anwaltsrevue Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (SR 952.0) Basler Zeitung Bundesblatt Band betreffend Bundesgesetz Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Schweizerisches Bundesgericht Deutscher Bundesgerichtshof Entscheidungen des (deutschen) Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Köln) Basler Juristische Mitteilungen Basler Kommentar Beispiel Besonderer Teil .
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BJM BSK Bsp. BT BV
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.4.1999 (SR 101) bezüglich beziehungsweise Celsius circa Schweizer Franken Christlich-Soziale Kranken- und Unfallkasse der Schweiz das heisst derselbe dieselbe Dissertation Bundesgesetz über den Datenschutz vom 16.6.1992 (SR 235.1) Entwurf Erwägung ebenda Eidgenössisches Departement des Innern Editors (Herausgeber) Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement ergänzt (e) et alii (= und andere) Euskadi Ta Askatasuna (baskisch für Baskenland und Freiheit) et cetera Europäische Union Europäisches Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.1.1997 eventuell folgende .
bzgl. bzw. C ca. CHF CSS d. h. ders. dies. Diss. DSG E E. ebda. EDI Eds. EFD EJPD erg. et al. ETA etc. EU EÜBT evtl. f.
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ff. Fn. FS GwG
fortfolgende Fussnote Festschrift Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor vom 10.10. 1997 (Geldwäschereigesetz, SR 955.0) herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber in der Regel im engeren Sinn Innerrhoden im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinn inklusive Irische Republikanische Armee Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (SR 832.112.31) kritisch Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18.3.1994 (SR 832.10) litera meiner Ansicht nach mit anderen Worten mit Verweisen mit Verweis auf mit weiteren Hinweisen mit weiteren Verweisen mindestens Nummer .
h.L. h.M. Hrsg. i. d. R. i. e.S. I.Rh. i. S. v. i. V. m. i. w.S. inkl. IRA KLV
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krit. KVG
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lit. m.A.n. m.a.W. m.V. m.V.a. m.w.H. m.w.V. mind. Nr.
obj. OECD OR
objektiv Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesgesetz vom 30.3.1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, SR 220) Arbeiterpartei Kurdistans Polizeigesetz die Praxis des Bundesgerichts Rechenschaftsbericht Obergericht Thurgau respektive Randnote Seite siehe oben Schweizerische Juristenzeitung sogenannt Zeitschrift für Sport und Recht Systematische Sammlung des Bundesrechts Der Schweizer Treuhänder (Zürich) Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21.12.1937 (SR 311) Strafprozessordnung vom 5.10.2007 (SR 312) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht unten und Andere überarbeitet (e) und so weiter unter Umständen unter Verweis auf United Nations United States of America .
PKK PolG Pra RBOG resp. Rn. S. s.o. SJZ sog. SpuRt SR ST StGB StPO SZW u. u.A. überarb. u.s.w. u.U. u.V.a. UN US
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UWG
Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 19.12.1986 (SR 241) vor allem Vorentwurf vergleiche Volume versus Bundesgesetz vom 22.3.1974 über das Verwaltungsstrafrecht (SR 313.0) Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung zum Beispiel zum Teil Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Ziffer zitiert Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht .
v.a. VE vgl. vol. vs VStrR
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WBF z.B. z.T. ZBJV Ziff. zit. ZStrR
Hinweise zur Lösung von Strafrechtsfällen Üblicherweise finden sich in Fallsammlungen zum Allgemeinen Teil eingehende methodische Einleitungen, die sich insbesondere mit der Subsumtionstechnik auseinandersetzen (vgl. Literaturhinweise unten). Einer Fallsammlung zum Besonderen Teil soll keine lange technische Einleitung vorangestellt werden. Die folgenden Hinweise dienen lediglich als kurzes «pro memoria» und dazu, für den Besonderen Teil einige spezielle Tipps mit auf den Weg zu geben. .
I. Berufsrollen und juristische Texte Wie Sie einen strafrechtlichen Fall behandeln, hängt entscheidend von der Rolle ab, in der Sie mit der Aufgabe konfrontiert sind. Je nachdem, ob Sie ■ ■ ■ ■ ■
StudentIn in einer Examensklausur, GutachterIn, ParteivertreterIn in einem Strafprozess, GerichtsberichterstatterIn oder KriminologIn sind,
werden Sie sich unterschiedlicher juristischer Stile bedienen. Als Studierende werden Sie sich v.a. mit dem Urteils- und Gutachterstil beschäftigen. a) Das Urteil Anders als von den traditionellen Geschworenen, die ihren Wahrspruch als Stimme des Volkes nicht zu begründen hatten, verlangen wir von unseren Richtern eine sachliche Begründung des Entscheides, damit die rationale Überprüfbarkeit durch eine weitere Tatinstanz ermöglicht wird. Allerdings sind Gerichte nicht verpflichtet, sämtlichen auch entfernten Tateventualitäten und allen abweichenden Lehrmeinungen nachzugehen. Richter lassen sich auch selten auf einen schulmässigen Tatbestandsaufbau fixieren. Entscheide rücken die umstrittenen Fragen ganz ins Zentrum und stellen bisweilen den Tatbestandsaufbau nicht unerheblich um. Typisch für den Urteilsstil ist, dass
der Text mit dem Ergebnis beginnt und einen in sich möglichst kohärenten Begründungsstrang enthält. Sich aufdrängende Einwände werden zwar angesprochen, aber mit möglichst zwingenden Argumenten verworfen: Funktion [12] des Urteils ist es, den Rechtsstreit beizulegen, Rechtssicherheit zu vermitteln. Dabei bedient sich der Gerichtsschreiber oder die Gerichtsschreiberin oft gewisser Hilfstechniken: Der banalste aller «Tricks» ist das Voranstellen der Argumente, die für die Meinung sprechen, die anschliessend verworfen werden soll. Im Übrigen muss man sich bewusst machen, dass die Begründung überwiegend Darstellungszwecken dient und 1
nicht ein Protokoll der Herstellung von Entscheiden enthält . b) Das Gutachten Die Fallbehandlung im Studium orientiert sich demgegenüber primär am Gutachterstil. Urteile sind daher als Vorbild für die Fallbehandlung mit Vorsicht zu geniessen. Typisch für das Gutachten ist der offene Einstieg: Am Anfang steht eine klare, möglichst neutral formulierte Frage. Beispiel: Hat A dadurch, dass er das fremde Portemonnaie aus der Telefonkabine entfernte, eine fremde bewegliche Sache weggenommen? In einem zweiten Arbeitsgang wird der theoretische Bezugsrahmen (Interpretation) abgesteckt
.
Beispiel: Wegnahme setzt den Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams voraus. Gewahrsam steht zwar für tatsächliche Herrschaftsmöglichkeit, allerdings wird auch eine Sachherrschaft «nach den Regeln des sozialen Lebens» anerkannt. Die Zugriffsmöglichkeiten anderer Personen schliesst die erweiterte Sachherrschaft nicht automatisch aus. Allerdings muss weiter erörtert werden, ob das in öffentlich zugänglichen Räumen behändigte Portemonnaie nach den Regeln des sozialen Lebens noch im Gewahrsam des Eigentümers stand … In
dieser
Phase
sollen
realistische
rechtliche
Erwägungen
und
Gegenerwägungen, Theorien und Gegentheorien zu Wort kommen. Der eigentliche Wert einer Fallbehandlung zeigt sich in der intelligenten Auswahl der entscheidenden Problemfelder und im argumentativen Tiefgang der Auseinandersetzung. Stark strukturierte Texte, die Nebenfragen zwar andeuten, sich aber deutlich auf Hauptfragen konzentrieren und hier einen gewissen Aufwand betreiben, sind Fallbearbeitungen vorzuziehen, die sämtliche Fragen in derselben (unvermeidlicherweise oberflächlichen) Art abhandeln. .
In der dritten Phase steht die Anwendung der abstrakten Regeln auf den konkreten Sachverhalt im Vordergrund (Subsumtion). Im Rahmen eines Gutachtens (und einer schriftlichen Examensarbeit) geht es darum, die Behandlung auf die eigentlich interessanten Problempunkte einzumitten. Nun soll [13] aufgrund des konkreten Sachverhalts argumentiert werden. Dabei darf der Sachverhalt nicht überinterpretiert werden. Bei Lücken und Unklarheiten sollte der Sachverhalt hingegen mit Alternativen ergänzt werden (lebensnahe Interpretation). .
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Zum Schluss der Bearbeitung sollte die Antwort auf die Eingangsfrage gegeben werden. Je nach Fragestellung muss dieses Vier-Stufenprogramm für jede Einzelfrage durchlaufen werden (so bei konkreten Fallanalysen für jeden Tatbestand und für die wichtigsten Tatbestandselemente gesondert). Bei theoretischen Themen (v. a. Hausarbeiten) gibt das Modell die Struktur der gesamten Arbeit vor. .
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Nicht in jedem Fall kann oder soll ein Fall in der gleichen epischen Breite im Gutachterstil abgehandelt werden. Gewisse Fragen können bereits in einer Vorprüfung ausgeschlossen werden (im sog. «Brainstorming»). Insbesondere evidentermassen nicht anwendbare Tatbestände werden nicht geprüft. Sodann sind auch «Abkürzungen» innerhalb der Falllösung erlaubt. Zu gewissen Themen gibt es beim besten Willen nicht viel zu sagen, während andernorts ein wesentlich grösserer Aufwand gerechtfertigt ist. Für klare Fragen ist der Urteilsstil streckenweise zulässig, wenn auch nur um Ressourcen für die eigentlichen Kernfragen des Falles zu sparen, die dann ausführlich im Gutachterstil abzuhandeln sind. Durch die geschickte Auswahl beweisen Studierende ja auch, dass sie die Materie beherrschen. .
Zur Erleichterung des Vorgehens sind praktische Fallbehandlungsregeln entwickelt worden. II. Die Vorbereitung der konkreten Fallbehandlung Die nachfolgenden Hinweise sind nicht als verbindliche Vorschriften, sondern eher als Tipps zu verstehen, die das schrittweise Vorgehen erleichtern sollen. Natürlich kann man auch auf ganz anderem Wege zu vernünftigen Ergebnissen gelangen; die Risiken, an der Komplexität der Aufgabe zu scheitern, sind aber erfahrungsgemäss höher. a) Arbeitsphasen Zumal bei einer schriftlichen Fallbehandlung im Rahmen einer Prüfung empfiehlt sich, drei Arbeitsphasen deutlich zu trennen: Sie sollten sich vorweg ausreichend Zeit für ein «Brainstorming» nehmen. Diese erste schematische Analyse des Falles dient dazu, die ganze Breite der Probleme zu erkennen, dann aber auch auszuwählen und die Schwerpunkte der folgenden Fallbehandlung festzusetzen (Richtwert: Bei einer fünfstündigen Prüfungsdauer bis zu einer Stunde; bei einer zweistündigen Prüfung eine halbe Stunde). In [14] der nachfolgenden Phase der Ausführung kann sich einiges noch verschieben, daher ist ausreichend Zeit für eine dritte Phase mit Akzent auf der sprachlichen Überarbeitung und der Bereinigung der Darstellung vorzusehen. .
b) Strukturierung der Fallbehandlung Je nach Aufgabestellung kann die besondere Schwierigkeit in der Komplexität des Geschehens, in der Zahl und den Rollen der beteiligten Personen oder (regelmässig) in der Abgrenzung der anzuwendenden Tatbestände liegen. Gute Erfahrungen sind gemacht worden mit einer Strukturierung nach .
■ Handlungsabschnitten ■ Personen ■ Tatbeständen Natürlich
müssen
nicht
à
tout
prix
mehrere
Handlungsabschnitte
unterschieden werden. Die Fallbehandlung sollte aber Personen auf jeden Fall getrennt behandeln. Es ist daran zu erinnern, dass eine Anklageschrift für jede Person individuell die zu prüfenden Tatbestände nennen muss. Nach Klärung der Beteiligungsrollen darf allerdings auf vorangehende Ausführungen verwiesen werden (Examinatoren sind in der Regel nicht an der Wiederholung von Textbausteinen interessiert). Auf jeden Fall sollte die konkrete Falllösung mit einer Überschrift beginnen, die die betreffende Handlungssequenz des Sachverhalts, die Person und den zu prüfenden Tatbestand nennt. .
Aus dem Geschehen werden die strafrechtlich relevanten Phasen herausgegriffen und in chronologischer Reihenfolge abgehandelt. Hierbei ist Augenmass erforderlich. Nur dort, wo es nötig ist, sollen Sachverhalte in Teile zerlegt werden. Im jeweiligen Handlungsabschnitt wird der Beitrag jeder Person gesondert erörtert. Dabei sind (wegen der Akzessorietät der Teilnahme) die möglichen Täter auf jeden Fall vor den Teilnehmern zu behandeln. Es ist mit der Person zu beginnen, die am nächsten am Geschehen erscheint. Haben mehrere Beteiligte massgeblich mitgewirkt, sind die Regeln der Mittäterschaft anzuwenden, wenn sie gestützt auf einen gemeinsamen Tatentschluss je nur einen Teil der eigentlichen Tathandlung ausführen. Ist dagegen im Sachverhalt von mehreren Personen die Rede, die die Tat (sei es abhängig oder unabhängig voneinander) selbst vollbracht haben, kann mit einer der Personen begonnen werden. Für die weiteren Personen kann die Fallprüfung abgekürzt werden, allerdings ist ein Kontrollblick auf die Schuld, die natürlich bei jeder Person individuell zu beurteilen ist, nötig. .
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Die in Frage kommenden Tatbestände sind für jeden Täter der Reihe nach abzuhandeln. Dabei empfiehlt es sich, in drei Schritten vorzugehen: ■ Brainstorming: Liste denkbarer Tatbestände erstellen (Bsp. Art. 111, 112, 113, 117, 129 StGB) ■ Ordnen (Hilfsregeln): .
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– mit der schwerwiegendsten Rechtsgutverletzung beginnen (grob gesagt: höchste Strafdrohung), – allerdings Grundtatbestand vor qualifizierten oder privilegierten .
Tatbeständen, – Verletzung vor Gefährdung, – konkrete Gefährdung vor abstrakter Gefährdung, – Vorsatztaten vor Fahrlässigkeitstaten prüfen. ■ Es wird dringend empfohlen, bei der Detailerörterung die Stufen des «Verbrechensaufbaus» des AT zu respektieren. Allerdings sind nur solche Kategorien eingehend zu erörtern, die Probleme aufwerfen. Solche, die für die Strafbarkeit notwendig, aber unproblematisch sind, sollten lediglich 2
vermerkt werden . Literaturhinweise ARZT, G., Die Strafrechtsklausur, 7. Aufl., München 2006; BEULKE, W., Klausurenkurs im Strafrecht III, Ein Fall- und Repetitionsbuch für Examenskandidaten, 4. Aufl., Heidelberg 2013; DONATSCH, A.. /. JOSITSCH, D.. /. KILLIAS, M.. /. SCHWARZENEGGER, C.. /. TAG, B.. /. WOHLERS, W., Klausuren und Hausarbeiten im Strafrecht und Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich et al. 2008; EYMANN, S.. /. GETH, C.. /. KANYAR, A.. /. LANZA, G., Fallsammlung Strafrecht AT, 13 Fälle zum Allgemeinen Teil mit Lösungsvorschlägen, 2. Aufl., Basel 2011; GÖSSEL, K.H., Strafrecht mit Anleitungen zur Fallbearbeitung und zu Subsumtion für Studenten und Referendare, 8. Aufl., Heidelberg 2001; HAFT, F., Strafrecht, Fallrepetitorium zum Allgemeinen und Besonderen Teil, 5. Aufl., München 2004; HASSEMER, W., Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, 2. Aufl., München 1990; HILGENDORF, E., Fallsammlung zum Strafrecht. Allgemeiner und Besonderer Teil, 6. Aufl. in drei Bänden, München 2010/2011; MAIHOLD, H., Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Basel 2013; NOLL, P.. /. IMPERATORI, M.. /. UTZ, H., Übungen im Strafrecht, 2. Aufl., Zürich 1982; OTTO, H.. /. BACH, N., Übungen im Strafrecht, 7. Aufl., Berlin et al. 2010; RUDOLPHI, H.-J., Fälle zum Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl., München 2000; SCHAFFNER, D., Strafrecht Allgemeiner Teil I: Die Straftat, Fragen und Antworten, Bern 2009; WOHLERS, W., Fallbearbeitung im Strafrecht, 3. Aufl., Zürich 2009.
Fall 1 Rheinfall Bearbeitung: Mark Pieth
An einem kühlen Herbsttag beobachten Spaziergänger vom Kleinbasler Rheinufer aus, wie eine Frau im kalten Wasser daher treibt und mit den Armen um sich schlägt. Ein Medizinstudent mit Rettungsschwimm-Brevet rennt aufgeregt zu zwei Polizisten (A und B) hin, die den Vorgang ebenfalls beobachten. Obwohl die Distanz zu der Frau nicht sehr gross ist, versichern die beiden, das Rettungsboot sei bereits alarmiert, es werde gleich eintreffen. Ihnen selbst sei es aber vom Polizeikommando prinzipiell untersagt, zur Rettung einer Person in den Rhein zu springen, auch wenn es in § 2 Ziff. 2 des baselstädtischen Polizeigesetzes heisse: «Sie (die Kantonspolizei) hilft Menschen, die unmittelbar an Leib und Leben bedroht oder anderweitig in Not sind.» Aufgrund früherer Unfälle möchte die Weisung ausschliessen, dass sich Polizisten zur Rettung von Personen selbst in Gefahr begeben. Dies gelte, so wurde in der Schulung klargestellt, auch wenn eine Rettung möglich erscheine. Dazu seien die Boote und weiteres Rettungsgerät vorgesehen. Die Polizisten machen dem Medizinstudenten zudem klar, dass er die Rettung den Profis überlassen solle, alles andere sei im Spätherbst nur gefährlich. .
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Da rennt der Student weiter rheinabwärts, reisst sich die Kleider vom Leib und stürzt sich in das ca. 12 °C kalte Wasser. Durch den Zeitverlust kann er aber nicht mehr verhindern, dass die Frau in den Fluten untertaucht. Es gelingt weder ihm noch dem bald darauf eintreffenden Rettungsboot, die Frau lebend zu bergen. Zuschauer (X, Y und Z) am Rheinufer unternehmen selbst nicht nur nichts zur Rettung der Frau, sondern verspotten den Medizinstudenten, als er wieder ans Ufer gelangt. .
▶
Prüfen Sie eine allfällige Strafbarkeit der Polizisten und der inaktiven Zuschauer.
Vorbemerkung 1
Es handelt sich um einen realen Fall , der unseres Wissens nicht strafrechtlich aufgearbeitet worden ist. Es empfiehlt sich, mit der Prüfung der Strafbarkeit der Polizisten, die zweifellos in einem höheren Masse als die Vertreter der Allgemeinheit zur Hilfe verpflichtet sind, zu beginnen. Es könnte vorweg zwar die Frage nach der Strafbarkeit der Polizisten für vorsätzliche Tötung (Art. 111 StGB) gestellt werden, aus dem Sachverhalt ergibt sich aber zweifelsfrei, dass die Polizisten den Tod der Frau weder gewollt noch in Kauf genommen haben. Im Sinne einer Vorausscheidung im «Brainstorming»-Verfahren, dürfte daher direkt zur Prüfung der vorsätzlichen Gefährdungsdelikte und der fahrlässigen Tötung übergegangen werden. Insofern ist eine Kurzbehandlung im Urteilsstil zulässig. .
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des Polizisten A A. Aussetzung gemäss Art. 127 StGB? Hat sich der Polizist A, dadurch dass er der Ertrinkenden nicht selbst zu Hilfe geeilt ist, der Aussetzung schuldig gemacht? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Garantenpflicht Art. 127 StGB setzt voraus, dass eine hilflose Person unter der «Obhut» des Täters steht. Polizisten sind aufgrund der Sondernorm von § 2 Ziff. 2 des baselstädtischen Polizeigesetztes (PolG) verpflichtet, Menschen zu helfen «die unmittelbar an Leib und Leben bedroht oder anderweitig in Not sind». Diese Hilfeleistungspflicht geht deutlich über die allgemeine Pflicht hinaus, die nach Art. 128 StGB jedermann trifft. Polizisten sind besonders im Umgang mit Gefahrenlagen ausgebildet. Ihre Berufspflicht geht auch deutlich über die Hilfe in akutester Lebensgefahr hinaus. Es fragt sich allerdings, ob § 2 PolG die spezifische Garantenpflicht von Art. 127 StGB konkretisiert. Es darf davon ausgegangen werden, dass gefährdete Personen auf die spezifische Hilfe der Polizei zählen dürfen, sobald die Gefahr den Dringlichkeitsgrad von Art. 127 StGB erreicht hat. Unter diesen spezifischen Umständen stehen sie .
2
unter der «Obhut» der anwesenden Polizeikräfte . b) Gefahr Wie bereits erwähnt, greift Art. 127 StGB nicht nur bei akuter Lebensgefahr, sondern bereits bei einer «schweren unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit». Die Frau, die im kalten Wasser daher trieb und mit den Armen
um sich schlug, war offensichtlich in akuter Gefahr für Leib und Leben. Die von Art. 127 StGB vorausgesetzte Gefahr ist im vorliegenden Fall gegeben. c) «Aussetzt» oder «im Stiche lässt» Die Polizisten haben im entscheidenden Moment auf die naheliegende Rettungshandlung verzichtet. Das blosse Nichteingreifen, um die Gefahr herabzusetzen, entspricht dem «im Stiche lassen» in der Gefahrenlage. Daran [20] ändert die ungeeignete Rettungsbemühung, etwa das Alarmieren eines Rettungsbootes, das aber wahrscheinlich zu spät kommen wird, nichts. Demgegenüber erfordert «Aussetzen» aktives gefährdendes Tun: Darunter kann auch das Verzögern der Nothilfe durch einen Dritten, insbesondere den Rettungsschwimmer, fallen. Allerdings müsste die Verzögerung erheblich und vor allem sozial-inadäquat sein. Diese Schwelle ist im vorliegenden Fall wohl nicht erreicht. Es bleibt also beim «im Stiche lassen». 2. Subjektiver Tatbestand Gefährdungsvorsatz setzt Wissen um die Gefahr voraus, eine separate Willenskomponente lässt sich bei Gefährdungsdelikten nur schwer abschichten. In casu wissen die Polizisten um die Gefahr. Sie mögen hoffen, dass das Rettungsboot rechtzeitig eintreffe, aber sie wissen auch, dass ein unmittelbares Eingreifen durch einen geübten Rettungsschwimmer die Rettungschancen dramatisch erhöhen würde. Somit liegt der subjektive Tatbestand vor. II. Rechtfertigung Gemäss Sachverhalt verbietet eine Dienstanweisung den Polizisten, selbst zur Rettung in den Rhein zu springen. In der Ausbildung ist klargestellt worden, dass das auch gelte, wenn eine Rettung möglich erscheine. Die Dienstanweisung möchte den Polizisten – mit Blick auf frühere Unfälle – den Entscheid im Konflikt zwischen Rettungspflicht und Schutz vor Selbstgefährdung abnehmen. Die Frage der Zumutbarkeit (die im Tatbestand oder – wie hier, in der Schuld – zu prüfen wäre) verwandelt sich somit in eine .
Rechtfertigungsfrage: Darf der Dienstanweisung Folge geleistet werden? In dieser Allgemeinheit kann die Dienstanweisung aber die Handlungspflicht nach § 2 Ziff. 2 PolG nicht neutralisieren. Sie darf der Polizei bestimmte Rettungsoptionen nicht verbieten, wo sie etwa von Vertretern der Allgemeinheit – im Rahmen der Zumutbarkeit – durchaus abverlangt werden: Wenn Lebensrettung durch zumutbares Schwimmen möglich ist, muss das Mittel auch von der Polizei ergriffen werden. Die Dienstanweisung ist damit zu pauschal. Sie vermag die Garantenpflicht gemäss Art. 11 StGB nicht einzuschränken. Sie steht auch im Konflikt mit Art. 128 StGB. Vorausgesetzt, die Rettung durch Schwimmen ist zumutbar (gleich unten), ist die Dienstanweisung daher unbeachtlich. Die Polizisten können sich nicht durch Berufung auf Befehl der Pflicht entziehen. .
III. Schuld 1. Zumutbarkeit Die Frage der Zumutbarkeit wird im üblichen Tatbestandsaufbau im Rahmen der Schuld geprüft, auch wenn bei Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikten das Prinzip eine viel breitere Anwendung als beim vorsätzlichen 3
Handlungsdelikt erfährt . Im Rahmen der Gefährdungsdelikte (Art. 128 StGB) wird das Element zum Teil als vertyptes Tatbestandselement behandelt. Bei Art. 127 StGB und den weiteren Fällen von Art. 11 StGB empfiehlt sich trotzdem eine Einordnung im Rahmen der Zurechnungsschuld. .
Der Polizist ist (wie jeder Mensch) nur zu jener Hilfeleistung verpflichtet, die ihm zumutbar ist. Er kann nicht dazu verpflichtet werden, sein Leben zur Rettung eines anderen Rechtsguts ernsthaft in Gefahr zu bringen. Aufgrund ihrer Ausbildung sind Spezialisten wie Feuerwehrleute und Polizisten aber in der Lage, Risiken besser abzuschätzen, und es darf ihnen fallweise mehr zugemutet werden als dem breiten Publikum. .
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Polizisten über ein
Rettungsschwimm-Brevet verfügen, dass das Rheinwasser zwar kalt (12 °C) aber nicht akut gefährlich kalt war. Zwar ist der Rhein an gewissen Orten und ab einem gewissen Wasserstand riskant, normalerweise kann der Rhein bekanntlich im Stadtbereich aber gefahrlos durchschwommen werden. Angesichts des akuten Risikos für das Leben der Frau und der eher sekundären Risiken für die Polizisten, wäre ein Rettungsschwimmeinsatz somit zumutbar gewesen. .
IV. Zwischenergebnis Für den Polizisten A gilt demnach, dass er sich durch seine Inaktivität der Aussetzung nach Art. 127 StGB schuldig gemacht hat. B. Fahrlässige Tötung gemäss Art. 117 StGB? Nachdem im Vorprüfungsverfahren die vorsätzliche Tötung abgelehnt wurde, wurde vorsätzliche Gefährdung im Sinne von Art. 127 StGB bejaht. Daneben könnte durchaus ein fahrlässiges Erfolgsdelikt erfüllt sein. I. Tatbestand 1. Voraussetzungen a) Garantenpflicht Siehe oben Kapitel A.I.1.a). b) Inaktivität des Polizisten Siehe oben Kapitel A.I.1.c). c) Todeseintritt Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, gelang es nicht mehr, die Frau lebend zu bergen. d) Objektive Zurechenbarkeit des Erfolges Zentrale Kategorie der «objektiven Zurechenbarkeit» ist die Kausalität zwischen der Inaktivität und dem Todeseintritt. Im Rahmen des
Unterlassungsdelikts wird auf eine «hypothetische» Kausalitätsprüfung abgestellt. Hätte die gesollte Handlung (der Rettungsschwimmeinsatz) den Erfolg (den Tod der Frau) verhindert oder zumindest das Risiko des Erfolgseintritts entscheidend vermindert? Es ist davon auszugehen, dass die gesollte Handlung das Risiko des Erfolges stark vermindert hätte. .
.
Wenn die Polizisten sofort nach Erkennen der Notlage und der konkreten Rettungsmöglichkeit einen Rettungsschwimmversuch unternommen hätten, ist – gestützt auf den Sachverhalt – davon auszugehen, dass die Rettungschancen erheblich höher gewesen wären als beim verzweifelten Rettungsversuch durch den Medizinstudenten, nachdem er in seinem Einsatz noch behindert worden ist. Damit ist die «hypothetische Kausalität» zu bejahen. Weitere Kriterien der objektiven Zurechenbarkeit bedürfen im vorliegenden 4
Fall keiner Erörterung . e) Sorgfaltspflichtverletzung Bei der Abklärung der Sorgfaltspflichten im Fahrlässigkeitsdelikt wird die «generelle Sorgfaltspflicht» zum Ausgangspunkt genommen. Sie ist das Ergebnis der Abwägung von gesetzlichen und anderen Pflichten («Verkehrsnormen»; einschliesslich Berufsregeln) mit dem sogenannten «erlaubten Risiko» [23] und entsprechenden Sondernormen (Vertrauensprinzip). Die generelle Pflicht wird anschliessend nach Massgabe .
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5
der konkreten Situation individualisiert . Im Rahmen der Prüfung der Sorgfaltspflichtverletzung werden Gesichtspunkte der Garantenpflichten aufgegriffen und verfeinert. Aus der Garantenstellung ergibt sich die Pflicht, zur Erfolgsabwendung tätig zu werden; die Sorgfaltspflicht präzisiert, was konkret unternommen werden muss. Das Polizeigesetz schreibt, zusammen mit der Hilfeleistungspflicht nach Art. 127 StGB, vor, Menschen in Not beizustehen. Natürlich kommt es darauf an, wie
akut die Notlage ist und welche Rettungsmittel realistischerweise zur Verfügung stehen. Ein Rettungsboot kann hilfreich sein. Ist aber abzusehen, dass es zu spät kommen wird und ist reale Hilfe durch Rettungsschwimmen eine ernst zu nehmende Alternative, wäre der Polizist verpflichtet gewesen, ins Wasser zu springen und die Rettung zu versuchen. Diese Sorgfaltspflicht hat er missachtet. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Bereits oben wurde ausgeführt, dass der Rettungsschwimmeinsatz für den Polizisten A zumutbar war. Dass die Dienstanweisung ihm einen physischen Rettungseinsatz untersagt, steht der Rettungspflicht nicht entgegen. III. Zwischenergebnis Der Polizist A hat auch den Tatbestand der fahrlässigen Tötung erfüllt. IV. Konkurrenzen Neben der vorsätzlichen Lebensgefährdung hat durchaus eine Strafbarkeit aus fahrlässiger Erfolgsverursachung Platz. Nur ein vorsätzliches Erfolgsdelikt würde das entsprechende Gefährdungspotential konsumieren. Art. 127 StGB 6
und Art. 117 StGB stehen in casu in Idealkonkurrenz zueinander .
Strafbarkeit des Polizisten B Auch wenn im Sachverhalt nicht explizit von einer Absprache unter den Polizisten die Rede ist, trifft beide der gleiche Vorwurf, da sie, unabhängig oder koordiniert, gegen dieselben Pflichten verstossen haben. Der Sachverhalt lässt auch keine Differenzierung auf der Ebene der Schuld zu: Wir wissen z.B. nichts von unterschiedlichen Fähigkeiten der Polizisten.
Strafbarkeit der Zuschauer Die Zuschauer am Rheinufer unternahmen nichts zur Rettung der Frau. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, ob einzelne der Zuschauer in der Lage gewesen wären, rettend einzugreifen. Trotzdem ist ihre Strafbarkeit aus Art. 128 StGB zu prüfen. Sie können mangels gemeinsamen Tatentschlusses nicht als Kollektiv behandelt werden. Es wäre die Strafbarkeit jedes einzelnen Zuschauers gesondert zu prüfen. A. Unterlassung der Nothilfe gemäss Art. 128 Abs. 1 Variante 2 StGB? Hat Zuschauer X dadurch, dass er nichts zur Rettung der ertrinkenden Frau beitrug, den Tatbestand von Art. 128 Abs. 1 Variante 2 StGB erfüllt? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Lebensgefahr Art. 128 StGB setzt (anders als Art. 127 StGB) «unmittelbare Lebensgefahr» voraus, welche gemäss den Angaben im Sachverhalt zweifelsfrei vorliegt. Damit ist die Eingriffspflicht grundsätzlich gegeben. .
b) Inaktivität «Nicht hilft» ist die schlichte tatbestandliche Umschreibung der Unterlassung. c) Zumutbarkeit des rettenden Eingriffs Das Schuldmerkmal der Zumutbarkeit ist hier im Tatbestand vertypt: Von ihm 7
dürfte regelmässig die Strafbarkeit überhaupt abhängen . Aufgrund des Sachverhalts lässt sich – anders als bei den Polizisten – nicht feststellen, ob bei den einzelnen Zuschauern Zumutbarkeit des rettenden Eingriffs vorlag. Dies müsste aufgrund der persönlichen Ausstattung und von Fall zu Fall
geprüft werden. 2. Subjektiver Tatbestand Für Art. 128 StGB gilt, was bereits zum Gefährdungsvorsatz bei Art. 127 StGB gesagt worden ist: Ist sich Zuschauer X der akuten Gefahrenlage und seiner Eingriffsmöglichkeit bewusst, so liegt Gefährdungsvorsatz vor. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Weitere Gesichtspunkte zu Rechtswidrigkeit und Schuld sind nicht zu erörtern.
Gesamtzusammenfassung Die Polizisten A und B haben sich je aus Art. 127 StGB und Art. 117 StGB in Idealkonkurrenz strafbar gemacht. Die Zuschauer X, Y, Z haften (je nach individueller Zumutbarkeit und nach Gefährdungsvorsatz) aus Art. 128 StGB. .
Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Realistische Einschätzung der in Frage kommenden Tatbestände (Gefährdung und fahrlässige Tötung) ■ Überzeugende Diskussion der Garantenpflicht ■ Umgang mit dem Dienstreglement und Ausschluss der Rechtfertigung durch Handlung auf Befehl ■ Adäquate Behandlung des Zumutbarkeitskriteriums ■ Klare Abgrenzung der Erfordernisse der starken Garantenpflicht von der allgemeinen Hilfeleistungspflicht
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Literaturhinweise BURGSTALLER, M., Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, Wien 1974.
Fall 2 Schwimmhalle Bearbeitung: Mark Pieth
Am 12. Oktober 2009 stürzt die heruntergehängte Betondecke der erst 2005 erstellten Schwimmhalle «Seegraben» ein. Die herunterstürzenden Zementbrocken erschlagen zwei Schwimmer und verletzen zehn weitere Schwimmerinnen und Schwimmer zum Teil schwer. Die Betondecke ist von der Baufirma «Walther AG» erstellt worden. Die forensischen Abklärungen ergeben, dass die Deckenaufhängung nicht den Regeln der Kunst entsprach: Zwar waren die Pläne und Anweisungen – soweit ersichtlich – korrekt, allerdings hatte der Vorarbeiter, um Zeit zu sparen, offensichtlich einen rasch abbindenden, porösen Zement verwenden lassen, der keine ausreichende Verbindung zur Aufhängung garantierte. Ob die Unternehmensleitung über diese unzureichende Wahl der Werkstoffe im Bild war, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Die Geschäftsleitung hat bei der Anstellung ihrer Vorarbeiter aber generell auf Fachausbildung und Erfahrung geachtet. Im Übrigen war der Geschäftsleiter der Ansicht, dass diese Spezialisten für Fragen der Bauchemie zuständig waren. Die ausführenden Arbeiter hatten sich an deren Anweisungen zu halten, und der Geschäftsleiter war dafür besorgt, dass das Fachpersonal durch geeignete Fortbildung auf dem neuesten Stand der Technik blieb. Ein weiteres Problem tritt hinzu: Nach Ausführung der Arbeitsleistung war das Bauunternehmen in einem ganz anderen Kontext in Probleme geraten: Wegen Beschäftigung von «Schwarzarbeitern» musste es ein Verfahren befürchten. Deshalb hat der Geschäftsleiter in einer «Nacht- und Nebelaktion» die Arbeitsrapporte der letzten zehn Jahre zerstört. Aus diesem Grund lässt sich heute nicht mehr zuverlässig rekonstruieren, wer damals als Vorarbeiter für den Bau verantwortlich war und wer am Bau als Arbeiter mitgewirkt hat. Im Betrieb mag sich niemand erinnern. Auf Anraten des Firmenanwalts lässt die Geschäftsleitung nach dem Unfall
den Mitarbeitern der «Walther AG» ein Schreiben zukommen, in dem sie die Mitarbeiter an ihre vertragliche Treue- und Schweigepflicht erinnert und sie bittet, sich bei allfälligen Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft auf ihr Aussageverweigerungsrecht zu berufen – dies schon im Interesse der Erhaltung ihrer Arbeitsstelle. ▶
Prüfen Sie die Strafbarkeit des Geschäftsleiters für die Folgen des Deckeneinsturzes.
▶
Prüfen Sie weiter die strafrechtliche Haftbarkeit der «Walther AG» für die Folgen des Deckeneinsturzes.
▶
Teilen Sie die Auffassung des Firmenanwalts, dass allen Mitarbeitern ein Aussage- bzw. Auskunftsverweigerungsrecht zusteht und dass ihnen sogar eine entsprechende Pflicht obliegt?
Vorbemerkung Wie bei anderen Fällen greifen hier Probleme des Allgemeinen und des Besonderen Teils des Strafrechts ineinander. Angesichts der Neuheit der zu stellenden Fragen ist es aber angezeigt, die Thematik in die Fallsammlung aufzunehmen. Es handelt sich bei dieser Aufgabenstellung um eine Erweiterung des Falles 1
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«Schwimmhalle Uster» , um eine Variation des «Gabelstaplerfalles» und der 3
Geschäftsherrenhaftungsfälle 4
sowie
der
neu
eingeführten 5
Unternehmenshaftung , einschliesslich des Unternehmensstrafverfahrens .
Vorweg ist – wegen der Subsidiarität der Unternehmenshaftung – die Individualhaftung zu klären. Dabei kommen als Haftungsträger der Geschäftsleiter, der Vorarbeiter und die Bauarbeiter in Frage.
Lösungsvorschlag
Individualhaftung Strafbarkeit des Geschäftsleiters A. Hat der Geschäftsleiter den Tatbestand der fahrlässigen Tötung gemäss Art. 117 StGB erfüllt? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Handlung oder Unterlassen? Vorab gilt es zu klären, ob dem Geschäftsleiter ein Handlungs- oder ein Unterlassungsvorwurf gemacht werden soll: Gemäss Sachverhalt hat er die Zusammensetzung der Betonmasse dem Vorarbeiter überlassen. Vorgeworfen werden kann ihm daher allenfalls, dass er sich zu wenig um die konkreten Fragen der Bauchemie usw. gekümmert hat. Anders als beim sog. 6
«Gabelstaplerfall» , wo dem Geschäftsleiter vorgeworfen wurde, er habe ein riskantes Produkt verkauft (und damit gehandelt), geht der Vorwurf hier auf Tötung durch fahrlässiges Unterlassen. .
2. Voraussetzungen a) Garantenpflicht Gemäss Art. 11 StGB kann ein «Vergehen auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben» begangen werden. «Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtsstellung dazu verpflichtet ist.» Als Entstehungsgründe für Garantenpflichten nennt Art. 11 StGB insbesondere Gesetz, Vertrag, Ingerenz. Allerdings stellt er klar, dass die Aufzählung nicht abschliessend ist.
Es versteht sich, dass der Geschäftsleiter gegenüber der Bauherrschaft (im vorliegenden Fall wohl die Gemeinde) vertraglich für die korrekte Ausführung des Baus einsteht. Von dieser vertraglichen Pflicht profitieren aber die Benützer des Bades nur indirekt. Wesentlich ist, dass Art. 11 StGB weitere, von der Rechtsprechung entwickelte Entstehungsgründe für Garantenpflichten anerkennt. So hat der Geschäftsleiter gegenüber jedermann für seine Verantwortung über eine Gefahrenquelle einzustehen, falls die Voraussetzungen [30] der «Geschäftsherrenhaftung» vorliegen: Sie gehört zu den in Art. 11 StGB nicht ausdrücklich genannten aber durchaus gemeinten weiteren Anwendungsfällen der Garantenpflicht. .
Anhand eines Falles besonders dreister Verletzung der Kriegsmaterialexportbestimmungen wurde der Firmenchef Bührle als Garant für das Verhalten seiner Untergebenen zur Rechenschaft gezogen. Entscheidend war, nach Meinung des Bundesgerichts, dass er nicht nur eine rechtliche Organstellung innehatte, sondern tatsächlich der oberste Leiter des 7
Unternehmens war
und als solcher nichts gegen die fortgesetzten 8
Embargoverletzungen seiner Untergebenen unternommen hatte . Der Fall «Von Roll», bei dem es um die Verantwortung des Konzernchefs für die Lieferung von Teilen einer «Superkanone» in den Irak zur Zeit des Embargos gegen das Regime von Saddam Hussein ging, wurden die Grundsätze präzisiert: Das Bundesgericht hielt fest, dass ein Unternehmen der Stahlproduktion das Kriegsmaterial herstellt, Sicherheitsvorkehren gegen den illegalen Kriegsmaterialexport zu treffen habe. Die Geschäftsleitung ist dafür verantwortlich, die nötigen organisatorischen Vorkehren zu treffen .
9
(insbesondere ein Compliance System zu entwickeln) . Dem Geschäftsleiter von «Von Roll» wurde vorgeworfen, dass er als Konzernchef und Chef des Konzernstabs Recht der «Problematik keine Aufmerksamkeit schenkte und sich nicht für eine hinreichende Organisation einsetzte, es fahrlässig 10
unterlassen hat, die Verletzung des Kriegsmaterialgesetzes zu verhindern» . Es handelt sich nicht um einen Unterfall der Garantenpflicht aus Gesetz. Vielmehr wird von der Praxis eine ungeschriebene Garantenpflicht aus Verantwortungsübernahme oder Zuständigkeit für besondere Gefahrenherde anerkannt. Im vorliegenden Fall braucht auf der Stufe der Garantenpflicht die Frage der Pflichtverletzung noch nicht weiter diskutiert zu werden, vielmehr geht es darum, die prinzipielle Zuständigkeit des Geschäftsleiters zur Auswahl, Instruktion und Überwachung seiner Mitarbeiter, insbesondere der Vorarbeiter, festzuhalten. Daran ist aufgrund der referierten Rechtsprechung nicht zu zweifeln. b) Tod verursacht Gemäss Sachverhalt sind aufgrund des Deckeneinsturzes zwei Schwimmer zu Tode gekommen. c) Objektive Zurechenbarkeit des Erfolges 11
In casu steht die Kausalfrage im Zentrum . aa) Hypothetische Kausalität Beim Unterlassungsdelikt kann die Kausalität natürlich nur hypothetisch
geprüft werden. Gemäss der abstrakten Formel soll das «gesollte Handeln nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele». Aufgrund der 12
Praxis des Bundesgerichts müsste das schädigende Ereignis bei pflichtgemässer Aufsicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht (oder deutlich anders) eingetreten sein. In der Literatur wird demgegenüber zu Recht gefordert, dass zumindest das Risiko des Erfolgseintrittes deutlich gesteigert worden ist. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, was passiert wäre. .
Aufgrund des Sachverhalts darf davon ausgegangen werden, dass die korrekte Betonmischung das Risiko des Deckeneinsturzes drastisch vermindert hätte. Wäre dem Geschäftsleiter dafür ein Vorwurf zu machen (sogleich unten), wäre der Kausalzusammenhang zweifellos gegeben. Alles hängt somit von der Frage der Sorgfaltspflichtverletzung ab. .
d) Sorgfaltspflichtverletzung Abermals (vgl. bereits Fall 1) muss bei der Prüfung der Sorgfaltspflicht beim Fahrlässigkeitsdelikt eine generelle und eine individuelle Ebene in Zusammenhang gebracht werden. Sodann müssen sorgfaltsbegründende Normen (Gesetz, weitere Verkehrsnormen oder aber der allgemeine .
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Gefahrensatz) mit dem erlaubten Risiko abgeglichen werden . Bezogen auf den konkreten Fall ist festzuhalten, dass die Delegation von Entscheidungskompetenzen im modernen Wirtschaftsleben notwendig und zulässig ist. Ganz analog zum Zivilrecht operiert das Strafrecht im Rahmen der Fahrlässigkeitsbetrachtung bei Geschäftsherrenhaftung mit den sog. «curae»: Es ist Aufgabe der Organe des Unternehmens, besondere Sorgfalt bei der Auswahl, der Instruktion und der Beaufsichtigung der Mitarbeiter anzuwenden («cura in eligendo instruendo et custodiendo»). Bezogen auf komplex [32] strukturierte, moderne Grossunternehmen könnte man die .
Organisationspflicht als separate cura hinzufügen (sie wird uns bei der Prüfung der Haftung des Unternehmens wieder begegnen). .
Der Geschäftsleiter hatte sich im vorliegenden Fall zwar nicht selbst um Fragen der Bauchemie gekümmert, vielmehr hat er dafür erfahrene Spezialisten angestellt und dafür gesorgt, «dass das Fachpersonal durch geeignete Fortbildung auf dem neuesten Stand der Technik blieb». Nichts deutet darauf hin, dass er den Vorarbeiter zum Zeitsparen gedrängt hätte. Da er nicht gegen die «curae» verstiess, darf davon ausgegangen werden, dass sich der Geschäftsleiter bei der Delegation der Fragen der Bauchemie im Rahmen des erlaubten Risikos befand. Somit fehlt es an einer Sorgfaltspflichtverletzung und die weitere Prüfung der fahrlässigen Tötung kann abgebrochen werden. B. Haftung des Geschäftsleiters für fahrlässige Körperverletzung gemäss Art. 125 StGB? Analoges gilt für die fahrlässige Körperverletzung an zehn Schwimmerinnen und Schwimmern.
Strafbarkeit des Vorarbeiters und der Arbeiter Die Haftung des Vorarbeiters aus fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung liegt nahe, da beim Bau ein Kunstfehler vorlag, der auf die riskante Betonmischung zurückzuführen ist, die der Vorarbeiter angeordnet hatte. Allerdings lässt sich aufgrund des Sachverhalts nicht mehr feststellen, wer als Vorarbeiter zuständig war. Die Arbeiter lassen sich ebenfalls infolge der Vernichtung der Arbeitsrapporte nicht mehr klar eruieren. Im Übrigen hatten sie sich an die Weisungen des Vorarbeiters zu halten und verfügten selbst wohl auch nicht über das spezielle Know-how, das beim Bau von Schwimmhallen notwendig ist.
Zwischenergebnis
Der Geschäftsleiter haftet nicht aus Art. 117 StGB und Art. 125 StGB, da ihm keine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Der Vorarbeiter lässt sich demgegenüber nicht mehr klar eruieren und die Arbeiter sind nicht sachkundig, abgesehen davon, dass auch sie nicht mehr mit der nötigen Klarheit individualisierbar sind.
Haftung des Unternehmens Vorbemerkung Art. 102 StGB sieht zwei Typen von Unternehmenshaftung vor. Sie unterscheiden sich einerseits nach Bezugstaten und andererseits nach der Formulierung der Desorganisation: Während nach Abs. 1 infolge des Organisationsmangels die Zurechnung der Straftat an ein Individuum ausgeschlossen ist, ist die Desorganisation bei Abs. 2 eine unabhängige Haftungsvoraussetzung: Es wurden «nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen […] um eine solche Straftat zu verhindern». In casu geht es nicht um ein Wirtschaftsdelikt, daher ist Abs. 1 zu prüfen. A. Haftet die Walther AG strafrechtlich für die Tötung der Schwimmer gemäss Art. 117 i. V.m. Art. 102 Abs. 1 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Voraussetzungen a) Unternehmen Das Schweizer Unternehmensstrafrecht hat bewusst einen sehr breiten Anknüpfungspunkt gewählt: Zum einen entschied sich der Gesetzgeber für einen wirtschaftlichen Unternehmensbegriff statt für eine Anknüpfung an der
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wesentlich engeren «juristischen Person» . Sodann hat er einen Begriff aus 15
früheren Entwürfen
übernommen, der auch Einzelkaufleute erfasst. Diese 16
Regelung ist Gegenstand von Kritik . Im vorliegenden Fall ist allerdings klar, dass die Baufirma als AG in den Kernbereich des Unternehmensstrafrechtes gehört. b) Anlasstat Wie bereits im einleitenden «Brainstorming» ausgeführt, kommt Art. 102 Abs. 1 StGB aufgrund eines doppelten Ausschlussverfahrens zur Anwendung: Zum einen darf keiner der abschliessend aufgezählten Tatbestände von Abs. 2 vorliegen. Zum anderen muss zwar feststehen, dass eine Straftat begangen worden ist, die aber «wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden» kann. Fahrlässige Tötung ist zwar ein gemeinrechtliches Delikt, das unter Abs. 1 fallen würde. Problematisch ist indessen, wo die beim Fahrlässigkeitsaufbau erforderliche individualisierende Betrachtungsweise ansetzen soll, wenn der Täter nicht bekannt ist. Die vom Fahrlässigkeitsaufbau geforderte Individualisierung meint zunächst situative Aspekte, die objektiv erstellt werden können. Diskutabel könnte demgegenüber das Erfordernis einer 17
weiteren Subjektivierung sein . Allerdings setzt die Prüfung der «Vorhersehbarkeit» und der «Beherrschbarkeit» wiederum objektive Massstäbe voraus. Echte Subjektivierung gehört beim Fahrlässigkeitsdelikt in
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die Schuld und ist damit nicht Gegenstand der Prüfung der Anlasstat gemäss Art. 102 Abs. 1 StGB. Art. 102 Abs. 1 StGB verlangt daher, für den unbekannten Vorarbeiter eine hypothetische Fahrlässigkeitsprüfung vorzunehmen. Voraussetzungen: – Auf Täterfragen (Garantenpflichten) ist nicht einzugehen, da es um ein Handlungsdelikt geht (das Erstellen eines fehlerhaften Bauwerkes). – Der Tod ist auf erwartbare Weise durch die Baufehler hervorgerufen worden (siehe oben die Ausführungen zur Kausalität der Haftung des Geschäftsleiters). – Die ungeeignete Betonmischung muss gemäss Sachverhalt als Kunstfehler betrachtet werden. – Aufgrund der Ausbildung des Vorarbeiters muss davon ausgegangen werden, dass dies dem Vorarbeiter hätte bewusst sein müssen. – Er hätte sich mehr Zeit lassen können. – Die Pflichtwidrigkeit und das schädigende Ereignis stehen in einem relevanten Zusammenhang (Risikozusammenhang). .
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c) In einem Unternehmen Gemeint ist, dass die fragliche Bezugstat von einem Angestellten oder einem sonstigen Vertreter (auch Agenten) des Unternehmens begangen wurde, .
19
sodass es für seine Handlungen einzustehen hat . d) In Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszweckes Diese Formel möchte Exzesstaten, die nicht mit dem Unternehmenszweck zu tun haben, ausscheiden (Kameradendiebstahl, sexuelle Übergriffe). Für .
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Exzesstaten steht das Unternehmen nicht ein . Beim Deckeneinsturz handelt es sich um die Verwirklichung eines typischen Unternehmensrisikos, für das die «Walther AG» zuständig ist. e) Subsidiarität greift nicht: Fehlende Zurechenbarkeit infolge Organisationsversagens Art. 102 Abs. 1 StGB gelangt nur zur Anwendung, wenn das Delikt «keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden» kann. Die fehlende Zurechenbarkeit muss überdies auf die «mangelhafte Organisation des Unternehmens» zurückgeführt werden können. In diesem Element kommt eines der Leitmotive der Unternehmenshaftung zum Ausdruck: Unternehmen haben es in der Hand, durch komplexe Strukturen die wahren Verantwortlichkeiten zu verbergen, bis hin zur «organisierten 21
Unverantwortlichkeit» . Gemäss Sachverhalt behindert vor allem die nach Abschluss des Baus, aber vor dem Deckeneinsturz erfolgte Vernichtung der Arbeitsrapporte – die wohl aus arbeits- oder versicherungsrechtlichen Motiven erfolgte – die Ermittlung des zuständigen Vorarbeiters. Das Verhalten des Managements mag seinerseits deliktisch sein, im Kontext des Deckeneinsturzes führt es aber lediglich dazu, dass die Tat keiner bestimmten Person zugerechnet werden kann. Die Arbeitsrapporte waren aus anderen Gründen als zur Rekonstruktion der Verantwortlichkeit aufzubewahren. Sie zu vernichten entspricht aber zweifellos nicht den Prinzipien eines seriösen Managements. An dieser Stelle zählt allerdings allein, dass das Organisationsversagen dazu führt, dass die Tat keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden kann. f) Kausalhaftung? Steht einmal fest, dass das aktuelle Management Fehler gemacht hat, die den
Prozess erschweren, heisst das nicht, dass ein Organisationsversagen die Tat selbst begünstigt hätte. Nach Ansicht einzelner Autoren droht Abs. 1, wenn die Subsidiaritätshürde einmal überwunden ist, zur Kausalhaftung zu werden. Sie verlangen zusätzlich, in korrigierender Auslegung des Art. 102 Abs. 1 StGB, das Organisationsversagen im Sinne des Abs. 2 .
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(Organisationsversagen, das
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die Tat begünstigt hat) zu prüfen . Andere 23
Autoren mögen diese Konsequenz nicht ziehen . Das Unternehmen könnte m.a.W. zu Recht versuchen, das Kriterium des ausreichenden ComplianceSystems zur Zeit des Baus als Verteidigungsstrategie herbeizuziehen.
Verfahrensfragen Zunächst wirft das Verhalten des Firmenanwalts die Frage nach der Rechtsstellung der Angestellten der «Walther AG» im Unternehmensstrafverfahren auf. Jenseits der hier zu behandelnden Themen stellen sich aufgrund seines Verhaltens, das vom Management gedeckt erscheint, weitere arbeitsrechtliche und strafrechtliche Fragen (Nötigung?). .
Mit Erlass der Schweizerischen Strafprozessordnung wurde Art. 102a StGB inhaltlich in die StPO übernommen (Art. 112 und Art. 178 lit. g StPO). .
A. Verfahrensstellung der Organe Die Organe der AG im zivilrechtlichen Sinne sind gemäss Art. 178 lit. g StPO als Auskunftspersonen zu behandeln. Über den nunmehr aufgehobenen
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Art. 102a Abs. 2 Satz 2 StGB hinaus werden auch Hilfspersonen der Organe (etwa die Direktionssekretärin, die Sekretäre des Verwaltungsrates etc.) in die Rolle der Auskunftsperson versetzt. Für beide Kategorien gilt, dass ihre .
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Aussage nicht erzwungen werden kann . B. Verfahrensstellung der übrigen Mitarbeiter im Verfahren gegen das Unternehmen Aufgrund der neuen Schweizerischen StPO werden die übrigen Mitarbeiter als 26
gewöhnliche Zeugen behandelt . Sie verfügen unter Umständen über ein Zeugnisverweigerungsrecht (nicht aber eine Zeugnisverweigerungspflicht), allerdings nur in klar bestimmten Umständen. In Frage kommt insbesondere das Risiko der Selbstbelastung (Art. 169 StPO). Im Übrigen sind sie zur .
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wahrheitsgemässen Aussage verpflichtet . C. Zusammenfassung Insofern ist die Aussage des Firmenanwaltes nur beschränkt richtig. Abgesehen davon dürfte der «Wink mit dem Zaunpfahl», der Hinweis auf die Erhaltung der Arbeitsstelle, sowohl arbeitsrechtlich fragwürdig wie strafrechtlich relevant (Nötigung) sein. .
Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ ■ ■ ■
Auseinanderhalten von Individual- und Kollektivhaftung Abarbeiten der prioritären Option einer Individualhaftung Aufbau des Fahrlässigkeitstatbestandes Vertiefen der Geschäftsherrenhaftung beim unechten Unterlassungsdelikt ■ Aufbau der Haftung des Unternehmens ■ Vertiefung der einzelnen Voraussetzungen insbesondere des Organisationsversagens nach Art. 102 Abs. 1 StGB ■ Sicherheit im Umgang mit prozessualen Fragen der Unternehmenshaftung
Literaturhinweise BERTOSSA, C.A., Unternehmensstrafrecht – Strafprozess und Sanktionen, Bern 2003; BURGSTALLER, M., Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafprozess, Wien 1974; CASSANI, U., Droit pénal économique 2003 –2005: actualité législative .(responsabilité pénale de l’entreprise, financement du terrorisme, corruption), in: Fellmann, W.. /. Poledna, T. .(Hrsg.), Aktuelle Anwaltspraxis 2005, 671 ff.; ESER, A.. /. HEINE, G.. /. HUBER, B. .(eds.), Criminal responsibility of legal and collective entities, Freiburg 1999; FÖRSTER, M., Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens nach Art. 102 StGB, Bern 2006; GEIGER, R., Organisationsmängel als Anknüpfungspunkt im Unternehmensstrafrecht, Zürich 2006; HEINE, G., Verantwortlichkeit im Unternehmen aus zivil- und strafrechtlicher Sicht, Basel 2007; DERS., Die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Unternehmen: Von individuellen Fehlverläufen zu kollektiven Fehlentwicklungen, insbesondere bei Grossrisiken, BadenBaden 1995; HURTADO POZO, J., Quelques réflexions sur la responsabilité pénale de l’entreprise, in: FS Schmid, Zürich 2001, 187 ff.; KOLLER, T., Das Von Roll Urteil und die Organisationshaftung – Rezeption einer genuin zivilistischen Betrachtungsweise im Strafrecht?, SJZ 1996 .(92), 409 ff.; KRAUSS, D., Probleme der Täterschaft im Unternehmen, Plädoyer 1989, 42 ff.; KUMMER, K., Widerhandlungen gegen das KMG, AJP 1997, 616 ff.; MACALUSO, A., La responsabilité pénale de l’entreprise, Zürich 2004; PIETH, M., Schweizerisches Strafprozessrecht, Grundriss für Studium und Praxis, 2. Aufl., Basel 2012; DERS., Strafverfahren gegen das Unternehmen, in: FS Eser, München 2005, 599 ff.; DERS., Risikomanagement und Strafrecht, Organisationsversagen als Voraussetzung der Unternehmenshaftung, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2004, Basel et al., 598 ff.; DERS.,
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Fall 3 Schulreise Bearbeitung: Mark Pieth
Samuel X ist Primarlehrer in Wädenswil. Mit seiner sechsten Klasse beabsichtigte er, im Mai ein Klassenlager in Schwende (Appenzell I.Rh.) durchzuführen. Am 19. Mai, dem ersten Lagertag, fuhren er, seine rund zwanzig Schüler und eine erwachsene Begleitperson mit der Bahn auf den Hohen Kasten. Von dort aus begaben sie sich auf den geologischen Wanderweg und wanderten zur Staubern, wo sie das Mittagessen aus dem Rucksack einnahmen. Danach setzten sie um ca. 13 Uhr die Bergtour auf dem Wanderweg in Richtung Furgglen fort. Der Lehrer wies zwei berggewohnte Schüler an, der Gruppe voraus zu gehen. Die erwachsene Begleitperson ging etwa in der Mitte und X am Schluss der Schulklasse. Wenige Meter nach dem Restaurant Staubern mussten sie zunächst ein kleineres, dann ein grösseres und schliesslich nochmal ein kleines Schneefeld überqueren. Auf dem dritten Schneefeld rutschte der an der siebenten Stelle gehende Schüler Vincenzo aus. Er überschlug sich und stürzte weiter unten über eine Felswand. Dabei zog er sich tödliche Verletzungen zu. .
Der angeklagte Lehrer führte zu seiner Verteidigung an, dass er diese Wanderung seit neun Jahren immer wieder unternehme und dass sie im Prospekt der Seilbahn gerade für Schulexkursionen angepriesen werde. Die Wetterverhältnisse seien gut gewesen. Er habe den Schülern auch die Weisung erteilt, hintereinander zu gehen und sich gegenseitig nicht zu überholen. Der Schnee auf dem Schneefeld sei im Übrigen weich und gut begehbar gewesen. Schulwanderungen seien – so führt er weiter aus – selten völlig ohne Gefahren, es gehe aber auch darum, die Schüler zur Eigenverantwortung zu erziehen. Die Staatsanwaltschaft hielt demgegenüber fest, die Wanderung sei nur vermeintlich harmlos gewesen: Schneefelder seien immer trügerisch. Das konkrete Schneefeld sei zwar kurz aber sehr steil gewesen. Im Übrigen hätte der Lehrer realisieren müssen, dass der abgestürzte Schüler als Sizilianer bergungewohnt und überdies recht korpulent gewesen sei.
Schliesslich hätte bei ihm auch aus charakterlichen Gründen zu grösserer Sorgfalt Anlass bestanden, er neigte dazu, «sich zu produzieren». ▶
Sie absolvieren beim Bezirksgericht Appenzell I.Rh. ein Volontariat. Die Gerichtspräsidentin hat Sie gebeten, ein Gutachten zum Fall zu erstellen.
Vorbemerkung Der Sachverhalt ist BGE 122 IV 303 nachempfunden. Wie bei den meisten Fahrlässigkeitsdelikten steht vor allem eine Rechtsfrage im Zentrum: die Beurteilung, ob der Verantwortliche seinen Sorgfaltspflichten gerecht geworden ist. Von den Studierenden wird erwartet, dass sie den Aufbau des Fahrlässigkeitsdeliktes (Anhang S. 282) beherrschen und dass sie – unter Rückgriff auf den konkreten Sachverhalt – die einzelnen Argumente überzeugend gegeneinander abwägen. .
Dass es sich um einen Zweifelsfall handelt (der für die Lehrerschaft .
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erhebliche praktische Folgen zeitigte ), ergibt sich schon daraus, dass im obgenannten Leitfall sowohl das Bezirksgericht Appenzell I.Rh. wie das Kantonsgericht zu einem Freispruch gelangten, während das Bundesgericht die Beschwerde der Staatsanwaltschaft («Kriminalkommission») guthiess und das Urteil der Vorinstanz aufhob. .
Lösungsvorschlag
Grundfall Strafbarkeit des Lehrers Samuel X A. Fahrlässige Tötung gemäss Art. 117 StGB? Hat sich Samuel X der fahrlässigen Tötung gemäss Art. 117 StGB an Vincenzo schuldig gemacht? I. Handeln oder Unterlassen? Da die Anforderungen zwischen Handlungs- und Unterlassungsdelikten divergieren, muss vorab entschieden werden, ob der Fall als Handlungs- oder Unterlassungstat erörtert werden soll. Die Schweizer Praxis hat in der 2
Vergangenheit – wo sie sich zum Thema geäussert hat – dem Handlungsdelikt im Zweifel den Vorrang gelassen, während die Lehre zum Teil mit der deutschen Praxis darauf abgestellt hat, welcher Gesichtspunkt im 3
Vordergrund steht . Im vorliegenden Fall führen beide Theorien zur Annahme eines Unterlassungsvorwurfs: Natürlich hat der Lehrer die Schulreise angeordnet und organisiert. Er ist auch mit den Schülern – trotz gewisser Risiken – aufgebrochen. Insofern könnte man das ganze Geschehen als Handlung auffassen. Der eigentliche Vorwurf geht aber dahin, dass er beim konkreten Hindernis, dem Schneefeld, die Schüler einfach hat weitergehen lassen statt besondere Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen oder allenfalls umzukehren. Es
wird damit konkret ein Unterlassungsvorwurf beim eigentlich relevanten 4
Geschehen erhoben . II. Tatbestandsmässigkeit (Voraussetzungen) .
1. Garantenpflicht Gemäss Art. 11 StGB können als Handeln umschriebene Tatbestände dann auch durch Unterlassen begangen werden, wenn eine Garantenpflicht anzunehmen ist: Das Gesetz sagt in Art. 11 Abs. 2 StGB «pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten [42] Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtsstellung dazu verpflichtet ist, namentlich aufgrund: a. des Gesetzes; b. eines Vertrages; c. einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder […]». Primarschüler unterliegen der obligatorischen Schulpflicht. Lehrer sind ihrerseits aufgrund eines privat- oder öffentlich-rechtlichen Vertrages angestellt. Regelmässig haben die Kantone zur Erfassung dieser beiden Rechtsverhältnisse Schulgesetze erlassen, die die Pflichten der Lehrer regeln, darunter auch die Obhutspflichten für die ihnen anbefohlenen Schüler. 2. Unterlassen Das strafrechtliche Verhalten gemäss Art. 117 StGB erfüllt, wer die Verletzung eines Rechtsgutes nicht verhindert. Der Lehrer hat am Projekt der Wanderung trotz des Hindernisses festgehalten. Er hat keine besonderen Sicherungsvorkehren angeordnet oder vorgenommen (z. B. Einzelbegleitung besonders unsicherer Schüler, Anseilen etc.). .
3. Taterfolg Art. 117 StGB setzt voraus, dass das Opfer zu Tode gekommen ist. 4. Objektive Zurechenbarkeit
Das Unterlassen muss für den Erfolg kausal gewesen sein, wenn es die Zurechnung begründen soll. Im Rahmen der objektiven Zurechnung beim Unterlassungsdelikt haben sich zwei rivalisierende Kausallehren herausgebildet. Das Entscheidende beim unechten Unterlassungsdelikt ist, 5
dass es gerade an der eigentlichen Kausalität fehlt . Es versteht sich, dass die Kausalität nur hypothetisch geprüft werden kann. Die sog. «hypothetische 6
Kausalität» stellt darauf ab, dass das schädigende Ereignis bei rechtmässigem Alternativverhalten (dem geforderten Handeln) nicht eingetreten wäre. Neben diese nach wie vor herrschende Lehre ist die .
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Risikosteigerungstheorie getreten , die danach fragt, ob durch das Untätigbleiben das Risiko des Erfolgseintritts gesteigert worden ist. Weitere Differenzen zwischen Theorie und Praxis bestehen zur Frage, ob die hypothetische Kausalität sich «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» oder lediglich «höchstwahrscheinlich» annehmen lässt. Die Lehre und die neuere Praxis haben sich für die 8
«Wahrscheinlichkeitstheorie» entschieden . Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass eine Intervention des Lehrers – sei es der Abbruch der Wanderung oder eine Einzelbetreuung unsicherer Schüler an der heiklen Stelle auf dem Schneefeld – den Erfolg verhindert oder jedenfalls das Risiko des Erfolgseintrittes stark vermindert hätte. Somit liegt hypothetische Kausalität bzw. Risikosteigerung gegenüber rechtmässigem
Alternativverhalten vor. 5. Sorgfaltspflichtverletzung Gemäss Art. 12 Abs. 3 StGB begeht fahrlässig ein Verbrechen oder Vergehen, «wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist». Lehre und Praxis behandeln bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit zum Zwecke der Zurechnung gleich. Der Tatbestandsaufbau des Fahrlässigkeitsdeliktes unterscheidet die generelle von der individuellen Sorgfaltspflichtverletzung. Auf der Stufe der generellen Pflichtverletzung wird geprüft, wie eine «Massfigur» (der «gewissenhafte und besonnene .
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Mensch» ) gehandelt hätte. Bei der individuellen Pflichtverletzung geht es um eine Einschränkung der Perspektive auf die Situation, die Ausbildung etc. des 10
konkret Verantwortlichen . Demgegenüber wird seine persönliche Fähigkeit, sich nach dem Massstab zu richten, auf der Wertungsstufe der Schuld erörtert. a) Generelle Sorgfaltspflichten Bereits nach dem allgemeinen Gefahrensatz hat der Verantwortliche alles zu vermeiden, das die ihm anbefohlenen Rechtsgüter gefährden oder schädigen könnte. Primarlehrer, die einen Schulausflug organisieren, haben besondere Sorgfalt walten zu lassen: Sie müssen den Ausflug umsichtig planen, sich über die Eignung des Weges erkundigen, sie müssen Wetterauskünfte einholen und sich über die konkreten Bedingungen vor Ort ein Bild machen. Sie müssen sich auch differenziert mit der Eignung und den Fähigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen. Der Schulanlass muss dem Alter und dem Können der Schüler angepasst sein.
Liesse man dieses Prinzip so stehen, wären allerdings Schulausflüge kaum mehr möglich. Das Gegenkonzept zum allgemeinen Gefahrensatz, das erlaubte Risiko, muss in die Erörterung miteinbezogen werden. Eine Ausformung des erlaubten Risikos, das Vertrauensprinzip, ist besonders von Bedeutung. Dies [44] spricht die Verteidigung an, wenn sie auf das Ziel der Erziehung zur Eigenverantwortung verweist. Nun dürfen für Jugendliche und Erwachsene nicht die gleichen Massstäbe angelegt werden. Erwachsenen ist wesentlich mehr Selbstverantwortung zuzumuten. Bei Jugendlichen – zumal der sechsten Klasse – ist zu Bedenken, dass sie evtl. nicht in der Lage sind, in gleichem Masse wie Erwachsene Risiken einzuschätzen. Dies gilt insbesondere für nicht berggewohnte Schüler. Zudem sind sie möglicherweise auch körperlich den Anforderungen nicht voll gewachsen. All diesen Umständen ist bei der Abgleichung von Gefahrensatz und erlaubtem Risiko Rechnung zu tragen. Konkret dürfte den Ausschlag geben, dass auch wenn der Weg insgesamt zumutbar war, die konkrete Stelle übermässig riskant war. Das Schneefeld war zwar kurz, der Schnee weich und an sich gut begehbar, aber es war äusserst steil. Zudem konnte der Lehrer beim nicht berggewohnten, korpulenten Schüler, der charakterliche Auffälligkeiten mit sich brachte, nicht davon ausgehen, dass er sicher den Tritt finden würde. Der Fehltritt erwies sich denn auch als übermässig gefährlich. Der Lehrer hat den Schüler überfordert. Er hätte sich an dieser Stelle zumindest um ihn persönlich kümmern müssen. Dies scheint der Lehrer verkannt zu haben. Somit hat er die verlangte Vorsicht missachtet. b) Individuelle Sorgfalt Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Lehrer aufgrund seiner Ausbildung oder der konkreten Situation daran gehindert war, sorgfaltspflichtgemäss zu handeln. Es ist sodann davon auszugehen, dass der Lehrer die Risiken hat vorhersehen können (Vorhersehbarkeit) und auch über die nötige Handlungsmöglichkeit verfügte (Beherrschbarkeit, Tatmacht). Aus diesen Gründen ist auch die individuelle Sorgfaltspflichtverletzung zu bejahen. .
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6. Pflichtwidrigkeitszusammenhang Unter dem Gesichtspunkt des Pflichtwidrigkeitszusammenhanges (oder des Schutzzweckes der Sorgfaltsnorm) geht es darum, Fälle auszuscheiden, bei denen die verletzte Sorgfaltsnorm nicht den Zweck hatte, Erfolge wie den eingetretenen zu verhindern. Nun ist es aber gerade Sinn von Art. 117 StGB, tödliche Unfälle, die auf Sorgfaltspflichtverletzung der beschriebenen Art zurückzuführen sind, zu vermeiden. .
III. Rechtswidrigkeit und Schuld Aufgrund des Sachverhaltes ist weder an der Rechtswidrigkeit des Verhaltens noch an der Schuld des Lehrers zu zweifeln. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Aufbau des Fahrlässigkeitsdelikts beherrschen ■ Speziell mit dem fahrlässigen Unterlassungsdelikt zurechtkommen ■ In der Lage sein, die Überlegungen des Sachverhaltes in die rechtlichen Erwägungen einzupassen (Subsumtion) .
Fall 4 Hannibal the Cannibal Bearbeitung: Stephanie Eymann
Grundfall: Beim Angeklagten Hans (H) entstanden in der Pubertät Fantasien, in denen er sein Ziel, eine Person für immer bei sich zu haben und an sich zu binden, dadurch zu realisieren suchte, dass er diese Person sich einverleibte. Zielobjekt seiner Vorstellung war hierbei jeweils eine jüngere männliche Person. .
Ungefähr ab 1999 beschäftigte sich Hans über das Internet immer stärker mit dem Thema Kannibalismus. Er stiess dabei auch auf eine Schlachtanleitung für den menschlichen Körper. Schliesslich begann er, über Internetforen Männer zum Schlachten und Verspeisen zu suchen. In seinem Haus in W. richtete der Angeklagte einen «Schlachtraum» ein. Nach mehreren nicht im Sinne des Angeklagten zielführenden Internetkontakten stiess er Anfang Februar 2001 im Internet auf das spätere Opfer Bert (B). Dieser knüpfte die Vorstellung des höchsten Lustempfindens an eine Penisamputation. .
Der dabei erwartete sexuelle Höhepunkt besetzte das Bewusstsein des B dermassen, dass danach für ihn nichts mehr eine Rolle spielen sollte, und sein Tod dem erwarteten «ultimativen Hochgefühl» folgen konnte. Zwischen dem Angeklagten H und B entwickelte sich ein reger E-MailVerkehr. Darin schilderte B seine sexuelle Präferenz der Penisamputation; der Angeklagte erläuterte seine Vorstellung des Schlachtens und Einverleibens. Beide zeigten Bereitschaft, auf die jeweiligen Interessen des anderen einzugehen. Dem Angeklagten war es nach seinen Angaben wichtig, sich eine sympathische Person einzuverleiben und somit eine untrennbare Bindung herzustellen. Dies war für ihn ebenso eine Bedingung für das Schlachten und Einverleiben, wie der Umstand, dass sich der zu Schlachtende freiwillig zur Verfügung stelle. Am 9. März 2001 reiste B mit dem Zug nach W., wo ihn der Angeklagte abholte. Sie begaben sich in der
Folge in H’s Haus, wo H versuchte B’s Penis abzubeissen, was allerdings misslang. Schliesslich trennte er das Geschlechtsteil des Opfers mit einem scharfen Küchenmesser ab. Anschliessend verspeisten sie es gemeinsam. Dann wies B den H an, ihn abzustechen, sobald er bewusstlos werde. Einige Stunden später tötete H sein Opfer mit einem grossen Küchenmesser, wie er noch heute immer wieder betont, auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin. Diesen Vorgang hielt er auf einem Videoband fest. Er zerkleinerte die Leiche so, dass er sie in einzelne Portionen einfrieren konnte. Die Reste vergrub er im Garten. Sexuell hätte noch nichts ihn derart befriedigen können, wie das Zerstückeln und Zerkleinern seines Opfers. Nach 2 Tagen begann er das Fleisch zu braten und mit einer Pfeffersauce zu sich zu nehmen. ▶
Strafbarkeit des Angeschuldigten H?
Variante: H’s Plan der maximalen Lustoptimierung sieht vor, dass sich B nach der Penisamputation selbst tötet. B ist damit einverstanden, da nach der Amputation seines Penis als «ultimativem Hochgefühl» sein Tod folgen kann. Er rammt sich plangemäss das Messer ins Herz und stirbt (Anfang und Ende der Geschichte gleich wie im Grundfall). .
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Strafbarkeit des Angeschuldigten H?
Vorbemerkung Sachverhalt angelehnt an: BGH 2 StR 310/04 – Urteil vom 22. April 2005.
Lösungsvorschlag
Grundfall Strafbarkeit des H Erster Handlungsabschnitt: Abschneiden von B’s Penis A. Schwere Körperverletzung gemäss Art. 122 Abs. 2 StGB? Indem H B’s Penis abschneidet, könnte er sich der schweren Körperverletzung nach Art. 122 Abs. 2 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 122 Abs. 2 StGB erfüllt, wer ein wichtiges Organ eines Menschen verstümmelt. Ob ein Organ wichtig ist, 1
bestimmt sich gemäss einem überwiegenden Teil der Lehre nach einem individuellen Massstab. Der Penis ist das primäre Geschlechtsorgan des Mannes und somit ein wichtiges Organ. Unbrauchbarkeit resp. Verstümmelung ist dann anzunehmen, wenn ein Organ in seinen Grundfunktionen erheblich gestört ist, eine dauerhafte, aber nur leichte 2
Beeinträchtigung reicht nicht aus . In casu wird der Penis vollständig abgetrennt und damit dauerhaft verstümmelt. Es handelt sich dabei folglich
um eine schwere Verletzung. Das Abschneiden mit dem Messer ist sowohl natürlich als auch adäquat kausal als auch sonst objektiv zurechenbar für den eingetretenen Erfolg. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand von Art. 122 Abs. 2 StGB erfordert Vorsatz nach Art. 12 Abs. 2 StGB. H weiss, dass das Abschneiden des Penis ein Verstümmeln darstellt und diesen überdies unbrauchbar macht und will dies auch. H handelt damit vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand sowie die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind somit erfüllt. II. Rechtswidrigkeit Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass B mit der Penisamputation einverstanden war. Es könnte eine Einwilligung vorliegen. Fraglich ist jedoch, 3
ob er rechtsgenüglich in diesen Eingriff einwilligen konnte . Hierzu müsste B die Verfügungsbefugnis über das Rechtsgut haben. Das betroffene Rechtsgut bei einer schweren Körperverletzung ist die körperliche Unversehrtheit. Eine Einwilligung in einen schweren Eingriff ist nur begrenzt möglich: Voraussetzung ist, dass der Eingriff mit Blick auf das wohlverstandene Interesse des Betroffenen als sinnvoll oder wenigstens 4
vertretbar erscheint . Dabei geht es darum, den Einzelnen um seiner eigenen langfristigen Interessen willen vor kurzschlüssigem Verzicht auf Schutz von
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Leib und Leben zu bewahren . Die Einwilligung muss sich dabei nicht bloss 6
auf die Tathandlung sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen . Eine Einwilligung in einen schweren, verstümmelnden Eingriff ist nur möglich, 7
wenn dieser medizinisch geboten ist oder es sich um eine Organspende unter 8
Lebenden handelt . In casu erhoffen sich H und B einen sexuellen Lustgewinn durch das Abtrennen von B’s Penis, es handelt sich um eine – wenn auch extreme – Variation von Sexspielen. Gemäss Rechtsprechung des 9
Bundesgerichts ist schon eine Einwilligung in eine Strangulation bei Sexspielen nicht rechtfertigend, eine Penisamputation ist daher ebenfalls und erst recht nicht einwilligungsfähig. B konnte daher nicht rechtsgenüglich in die Penisamputation einwilligen. H handelt rechtswidrig. III. Schuld Es liegen weder Schuldausschluss- noch Entschuldigungsgründe vor. H handelt schuldhaft. IV. Ergebnis
H hat sich gemäss Art. 122 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.
Zweiter Handlungsabschnitt: Erstechen des B 10
A. Vorsätzliche Tötung gemäss Art. 111 StGB?
Indem H den B mit einem Küchenmesser ersticht, könnte er sich der vorsätzlichen Tötung gemäss Art. 111 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer einen anderen Menschen tötet. Die Tathandlung, das Erstechen mit dem Küchenmesser, war sowohl natürlich als auch adäquat kausal für den Taterfolg, den Tod des B. Der Erfolg ist H auch sonst objektiv zurechenbar. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB. H wusste, dass B durch die Stiche mit dem Küchenmesser sterben könnte und strebte seinen Tod gerade an (dolus directus 1. Grades). .
H handelt damit vorsätzlich, der subjektive Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind erfüllt.
Tatbestand
und
die
II. Rechtswidrigkeit Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass B den H anwies, ihn abzustechen, sobald er bewusstlos werde. Es könnte eine Einwilligung des B vorliegen. Hierzu müsste B über das in Frage stehende Rechtsgut «Leben» verfügungsbefugt sein, was er in casu nicht ist: In eine Tötung kann nicht rechtsgenüglich eingewilligt werden.
H handelt daher rechtswidrig. III. Schuld Es liegen weder Schuldausschluss- noch Entschuldigungsgründe vor, H handelt schuldhaft. IV. Ergebnis H hat sich gemäss Art. 111 StGB schuldig gemacht. B. Tötung auf Verlangen gemäss Art. 114 StGB? Indem B den H anweist, dass er ihn abstechen soll, sobald er bewusstlos sei, könnte sich H der Tötung auf Verlangen gemäss Art. 114 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 114 StGB erfüllt, wer einen Menschen auf dessen ernsthaftes und eindringliches Verlangen tötet. Ein ernsthaftes und eindringliches Verlangen erfordert mehr als eine Einwilligung: Das Opfer muss aktiv sein, es muss die Initiative ergreifen im 11
Sinne einer subjektiven Tatherrschaft . Aus dem Sachverhalt ist zwar ersichtlich, dass H den B auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin tötet. B erhofft sich von der Penisamputation einen solchen Lustgewinn, dass danach nichts mehr eine Rolle spielen soll und sein Tod folgen kann. Es geht weiter hervor, dass B den H anweist, ihn abzustechen. Auch betont H, dass dies auf ausdrücklichen Wunsch des B geschehen ist. Für H ist es ausserdem Bedingung, dass der zu Schlachtende
sich freiwillig zur Verfügung stellt. Diese Aussagen sprechen zwar zweifellos dafür, dass B einverstanden war, von H getötet zu werden. Dies reicht jedoch für ein ernsthaftes und eindringliches Verlangen gerade noch nicht aus. H hatte ursprünglich die Idee zu töten, er ist es auch, der sich dadurch sexuelle Befriedigung verspricht. B wollte einzig eine Penisamputation, nur um diese zu bekommen, hat er sozusagen als Gegenleistung zugesagt, sich töten zu lassen. Damit ging die Initiative, auch wenn B ihn während des Geschehens anweist ihn zu töten, [53] von H aus. Ein ernsthaftes und eindringliches 12
Verlangen liegt daher nicht vor . Der objektive Tatbestand liegt nicht vor. II. Ergebnis H hat sich nicht gemäss Art. 114 StGB schuldig gemacht. C. Mord gemäss Art. 112 StGB? Indem H den B mit einem Küchenmesser ersticht, könnte er sich des Mordes gemäss Art. 112 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Wie gesehen (A.I.1.), liegt der objektive Tatbestand der vorsätzlichen Tötung vor. .
2. Subjektiver Tatbestand A müsste vorsätzlich gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB gehandelt haben, was er in casu tat. Es bedarf zusätzlich noch besonderer Skrupellosigkeit: Skrupellosigkeit liegt vor, wenn entweder der Beweggrund, der Zweck der Tat
oder die Art der Ausführung besonders verwerflich ist. Auch wenn eines dieser Merkmale erfüllt ist, ist dies allerdings nur ein Indiz für die Annahme eines Mordes. Es muss eine Gesamtwürdigung aller äusseren und inneren Umstände, unter denen der Täter gehandelt hat, vorgenommen werden. Danach liegt die Annahme eines Mordes umso näher, je krasser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten Zweck und der 13
Auslöschung eines Menschenlebens ist . H verspricht sich durch die Tat sexuelle Befriedigung. Er könnte damit aus einem besonders verwerflichen Beweggrund gehandelt haben. So gab er an, [54] nichts habe ihn zuvor derart befriedigt wie das Zerstückeln und Zerkleinern des B. Mit der Tötung eines Menschen zur anschliessenden sexuellen Befriedigung durch Verstümmeln der Leiche äussert H einen 14
besonders verwerflichen Beweggrund der Tat . Es fragt sich, ob auch eine Gesamtwürdigung der Tat für Mord spricht: Einerseits weiss sein Opfer, dass und auf welche Weise es getötet wird, und ist (wenn auch ohne rechtliche Bedeutung) damit einverstanden. Dieser Umstand könnte gegen die Annahme eines Mordes angebracht werden. Andererseits will B eigentlich «nur» die Penisamputation, das Tötungsvorhaben geht von H aus. In H’s eigener sexueller Fantasie ist die Tötung mit anschliessender Zerkleinerung und Einverleibung des Opfers wesentlicher Bestandteil der Befriedigung. Gerade weil die Initiative zur Tötung von H ausgeht, aus sexuellen Motiven erfolgt und er die Tat sogar noch zur späteren erneut sexuell motivierten Betrachtung auf Video festhält, liegt ein besonders verwerflicher Beweggrund und damit die Skrupellosigkeit vor. Diese Gesamtwürdigung der Tat spricht für die .
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Annahme des Mordes . Der subjektive Tatbestand und damit die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es liegen weder Rechtfertigungs-, Schuldausschliessungs- noch Entschuldigungsgründe vor. H handelt sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft. III. Ergebnis H hat sich des Mordes gemäss Art. 112 StGB schuldig gemacht.
Dritter Handlungsabschnitt: Verspeisen der Leiche A. Störung des Totenfriedens gemäss Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB? H könnte sich der Störung des Totenfriedens nach Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB schuldig gemacht haben, indem er den Leichnam verspeist. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Der objektive Tatbestand erfordert, dass ein Leichnam verunehrt wird. Verunehren bedeutet, dass massgebliche soziale Normen wie z. B. Tradition, Selbstzweckhaftigkeit oder Professionalität verletzt werden. Es geht um physische Handlungen, die am Leichnam durchgeführt werden, ohne dass es
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dafür einen achtbaren Grund gäbe . Indem H den Leichnam zerkleinert und verspeist, missachtet er grundlegende soziale Werte, denn Kannibalismus ist in unserem Kulturkreis verboten. Ausserdem bezweckt er mit dem Verspeisen den eigenen sexuellen Lustgewinn, ein Beweggrund, der weit von einem achtbaren Motiv entfernt ist. Der objektive Tatbestand ist gegeben. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz nach Art. 12 Abs. 2 StGB. H zerkleinert und verspeist B vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand und die Tatbestandsmässigkeit insgesamt liegen damit vor. II. Rechtswidrigkeit Da B damit einverstanden war, dass H ihn nach seinem Tod verspeist, könnte eine Einwilligung vorliegen. Geschütztes Rechtsgut von Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB ist das Pietätsgefühl 17
der Allgemeinheit. Eine Einwilligung seitens des B ist daher nicht möglich . H handelt rechtswidrig. III. Schuld Es liegen weder Schuldausschluss- noch Entschuldigungsgründe vor. H handelt schuldhaft. IV. Ergebnis
H hat sich der Störung des Totenfriedens gemäss Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB schuldig gemacht.
Vierter Handlungsabschnitt: Aufzeichnen auf Video A. Gewaltdarstellungen gemäss Art. 135 Abs. 1 StGB? Indem H das ganze Geschehen auf Video aufzeichnet, könnte er sich gemäss Art. 135 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer Bildaufnahmen herstellt, die grausame Gewaltdarstellungen gegen Menschen eindringlich darstellen und dabei die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen. H filmt das ganze Geschehen, stellt also eine Bildaufnahme her. Eine Gewaltdarstellung liegt bei aktiver, aggressiver physischer Einwirkung vor. Grausam ist eine Gewalttätigkeit dann, wenn sie körperliche oder seelische Leiden zufügt, die nach ihrer Intensität, Dauer oder Wiederholung als besonders schwer erscheinen. Eindringlich ist die Darstellung bei suggestiver und realistischer 18
Wirkung auf das Publikum . Das Abtrennen und anschliessende Verspeisen eines Penis sowie das Erstechen des B erfüllen diese Voraussetzungen und sind als eine grausame Gewaltdarstellung zu qualifizieren. Daran ändert auch nichts, dass B damit einverstanden war. Die elementare Würde des Menschen wurde damit verletzt. Eine Ausnahme von der Strafbarkeit besteht dort, wo diese Aufnahmen einen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert verfolgen. Dies ist in casu nicht der Fall. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz nach Art. 12 Abs. 2 StGB. H handelt vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand und die gesamte Tatbestandsmässigkeit sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es liegen weder Rechtfertigungs-, Schuldausschliessungs- noch Entschuldigungsgründe vor. H handelt sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft. III. Ergebnis H hat sich gemäss Art. 135 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Variante Strafbarkeit des H 19
A. Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord gemäss Art. 115 StGB?
Indem H dem B vorschlägt sich nach der Penisamputation umzubringen, könnte er sich der Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord nach Art. 115 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand H müsste B zum Selbstmord verleitet haben. «Verleiten» entspricht einer Anstiftung nach Art. 24 Abs. 1 StGB. H müsste den Entschluss des B, sich
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umzubringen, hervorgerufen haben . B wollte ursprünglich eigentlich nur die Penisamputation. Die Idee, sich anschliessend umzubringen, stammt von H. Damit hat H den Entschluss des B, sich zu töten, hervorgerufen. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert zunächst Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB. H hat B vorsätzlich zur Tat bestimmt. Weiter müssten als zusätzliche subjektive Tatbestandselemente selbstsüchtige Beweggründe vorliegen. H müsste den B aus selbstsüchtigen Beweggründen zur Tat bewogen haben. Selbstsüchtige Beweggründe liegen vor, wenn der Täter aus egoistischen Motiven handelt, d.h. sich einen persönlichen Vorteil 21
verspricht. Der Vorteil muss dabei nicht materieller Art sein . H verspricht sich dadurch, dass B sich selber umbringt, einen optimierten Lustgewinn. Dieses Motiv stellt einen selbstsüchtigen Beweggrund im geforderten Sinne dar. Der subjektive Tatbestand und damit die gesamte Tatbestandsmässigkeit sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. H handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis H hat sich gemäss Art. 115 StGB schuldig gemacht.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis 1. Grundfall H hat sich der schweren Körperverletzung nach Art. 122 Abs. 2 StGB, der vorsätzlichen Tötung gemäss Art. 111 StGB, des Mordes nach Art. 112 StGB, der Störung des Totenfriedens gemäss Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB sowie der Gewaltdarstellungen nach Art. 135 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Art. 112 StGB steht in unechter Konkurrenz zu Art. 111 StGB und geht im Sinne der Spezialität vor. Die schwere Körperverletzung (Art. 122 Abs. 2 StGB) ist auf Verstümmelung gerichtet und stellt hier kein notwendiges Durchgangsstadium zur Tötung dar, sie steht daher in echter Konkurrenz zu Art. 112 StGB. Da verschiedene Rechtsgüter geschützt werden, stehen auch .
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Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB zu Art. 112 StGB.
und Art. 135 Abs. 1 StGB in echter Konkurrenz
Damit hat sich H gemäss Art. 112 StGB, Art. 122 Abs. 2 StGB, Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB sowie Art. 135 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. 2. Variante H hat sich der schweren Körperverletzung gemäss Art. 122 Abs. 2 StGB, der Beihilfe zum Selbstmord gemäss Art. 115 StGB, der Störung des Totenfriedens gemäss Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB sowie der Gewaltdarstellungen nach Art. 135 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Die schwere Körperverletzung (Art. 122 Abs. 2 StGB) ist auf Verstümmelung gerichtet und stellt hier kein notwendiges Durchgangsstadium zur Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord dar. Sie steht daher in echter Konkurrenz zu Art. 115 StGB. Da verschiedene Rechtsgüter geschützt werden, stehen auch .
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Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB zu Art. 115 StGB.
und Art. 135 Abs. 1 StGB in echter Konkurrenz
H hat sich gemäss Art. 122 Abs. 2 StGB, Art. 115 StGB, Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB sowie Art. 135 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Richtiger Aufbau und Erkennen der verschiedenen Probleme in den jeweiligen Handlungsabschnitten ■ Korrekte Abhandlung der schweren Körperverletzung, insb. Wahl der richtigen Tatbestandsvariante ■ Richtige Unterscheidung der Tötungsdelikte inkl. sauberer Subsumtion ■ Erkennen und richtige Subsumtion der Einwilligungsvoraussetzungen ■ Erkennen der Tatbestände Art. 135 StGB (Gewaltdarstellungen) und Art. 262 StGB (Störung des Totenfriedens) sowie richtige Abhandlung ■ Richtige Prüfung der Konkurrenzen .
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Literaturhinweise SCHUBARTH, M.. /. VEST, H., Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Delikte gegen den öffentlichen Frieden, Bern 2007, Art. 262; VEST, H., Mord an der Grenze zur vorsätzlichen Tötung, AJP 2001, 726 ff.; WALDER H., Vorsätzliche Tötung, Mord und Totschlag, Art. 111–113 StGB, ZStrR 1979, 117 ff.
Fall 5 Fasnächtliche Zollbeamte Bearbeitung: Stephanie Eymann
A und B, zwei eingefleischte Basler «Fasnächtler», sind knapp bei Kasse und benötigen dringend Geld. Eines Abends bei einem Bier in der Stammkneipe kommt A die zündende Idee. Er möchte zusammen mit B an der grünen Grenze in Allschwil eine Grenzkontrolle fingieren und den Grenzgängern, die ihre Waren nicht deklarieren oder keinen Pass auf sich tragen, eine Busse von CHF 200 abnehmen. A hat in der Zeitung gelesen, dass dieser Grenzübergang von Schmugglern häufig gewählt wird. B, der von diesem Plan begeistert ist, hat noch aus früheren Jahren zwei alte Fasnachtskostüme. Das damalige «Sujet» war die Grenzöffnung aufgrund der Bilateralen Verträge mit der EU (Schengen / Dublin). Die Tambouren waren als Zollbeamte verkleidet. .
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So verkleidet fahren sie eines Abends mit einem Camion an den besagten Ort. X, der erste Grenzgänger, lässt nicht lange auf sich warten und zahlt, weil er keinen Pass dabei hat, die geforderten CHF 200, weil A und B ihm für den anderen Fall mit einem Verfahren drohen. Eine halbe Stunde später stoppen sie einen Lieferanten L, der versucht, unverzollte Ware einzuführen. Da dieser die Busse nicht bezahlen kann, sperren sie ihn in den Camion und lassen ihn erst nach Ende der Aktion, ungefähr eine Stunde später, wieder frei. ▶
Prüfen Sie die Strafbarkeit von A und B.
Aus dem Zollgesetz (SR 631.0): .
Art. 118 Zollhinterziehung Mit Busse bis zum Fünffachen des hinterzogenen Zollabgabenbetrags wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig: 1
a. die Zollabgaben durch Nichtanmelden, Verheimlichen oder unrichtige
Zollanmeldung der Waren oder in irgendeiner anderen Weise ganz oder teilweise hinterzieht; oder b. sich oder einer anderen Person sonst wie einen unrechtmässigen Zollvorteil verschafft. Artikel 14 VStrR bleibt vorbehalten. Bei erschwerenden Umständen wird das Höchstmass der angedrohten Busse um die Hälfte erhöht. Zugleich kann auf eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr erkannt werden. […] 2 3
Aus der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5.10.2007: 3. Abschnitt: Vorläufige Festnahme Art. 218 Durch Privatpersonen Kann polizeiliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden, so sind Private berechtigt, eine Person vorläufig festzunehmen, wenn: 1
a. sie diese bei einem Verbrechen oder Vergehen auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach der Begehung einer solchen Tat angetroffen haben; oder b. die Öffentlichkeit zur Mithilfe bei deren Fahndung aufgefordert worden ist. Bei der Festnahme dürfen Privatpersonen nur nach Massgabe von Artikel 200 Gewalt anwenden. 3 Festgenommene Personen sind so rasch als möglich der Polizei zu übergeben. 2
Lösungsvorschlag
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Strafbarkeit von A und B bezüglich der Opfer X und L A. Amtsanmassung gemäss Art. 287 StGB in Mittäterschaft? Indem A und B sich als Zollbeamte verkleiden und eine Kontrolle fingieren, könnten sie sich der Amtsanmassung gemäss Art. 287 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 287 StGB erfüllt, wer sich die Ausübung eines Amtes anmasst. Der Täter muss vorgeben, Träger eines Amtes zu sein, 2
das er in Wahrheit nicht innehat . Träger eines Amtes ist, wer in öffentlichrechtlicher Funktion handelt. Das Amt muss hoheitlicher Natur sein, d. h. 3
gewisse Gewalt- und Machtbefugnisse beinhalten . Erforderlich ist dabei die Ausübung von Amtshandlungen, blosses Anschein erwecken, man habe ein
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Amt inne, genügt zur Erfüllung des Tatbestandes nicht . Gemäss 5
Rechtsprechung des Bundesgerichts muss sich der Täter nicht ausdrücklich als Beamter ausgeben, es reicht, wenn er verkleidet Amtshandlungen vornimmt. A und B treten als Zollbeamte auf. Zollbeamte erfüllen eine öffentlich-rechtliche Funktion und fallen unter die Beamtendefinition von Art. 110 Abs. 3 StGB. Indem A und B eine Grenzkontrolle fingieren, massen sie sich Hoheitsbefugnisse und damit Amtshandlungen an. Weiter müssen A und B die Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllen. Sie müssen einen gemeinsamen Tatentschluss gefasst sowie die Tat arbeitsteilig ausgeführt haben. A liefert die Idee für die Tat in der Stammkneipe und B ist laut Sachverhalt «begeistert». Es ist nicht erforderlich, dass A und B den Tatentschluss gleichzeitig fassen. Das Anwerben des A zur gemeinsamen Tatbegehung führt zum gemeinsamen Tatentschluss. Aus dem Sachverhalt sind [64] die einzelnen Tatbeiträge zwar nicht ersichtlich, jedoch wird deutlich, dass A und B die Tat gemeinsam begehen, d.h. den Grenzgängern gemeinsam vorgeben, Zollbeamte zu sein. Eine gemeinsame Tatausführung liegt vor. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB sowie eine rechtswidrige Absicht. A und B massen sich das Amt von Zollbeamten vorsätzlich an und handeln in der Absicht, sich durch die Ausübung der Amtshandlungen zu bereichern.
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Diese Absicht ist rechtswidrig . Der subjektive Tatbestand und die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. A und B handeln rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis A und B haben sich der Amtsanmassung gemäss Art. 287 StGB schuldig gemacht.
Strafbarkeit von A und B bezüglich X A. Betrug gemäss Art. 146 StGB in Mittäterschaft? Indem A und B vorgeben, Zollbeamte zu sein und von X eine Busse fordern, die dieser auch bezahlt, könnten sie sich des Betruges gemäss Art. 146 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 146 StGB erfüllt, wer jemanden durch Vorspiegelung von Tatsachen arglistig irreführt und den Irrenden dadurch zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich am Vermögen schädigt. a) Arglistige Täuschung Der Betrugstatbestand setzt eine arglistige Täuschung voraus. Die Täuschung
besteht in der Vorspiegelung von Tatsachen. Tatsachen sind vergangene oder 7
gegenwärtige, d.h. objektiv feststehende Geschehnisse . A und B geben durch ihre Verkleidung vor Zollbeamte zu sein. Sie täuschen X. Weiter muss die Täuschung auch arglistig sein. Arglist kann in besonderen betrügerischen Machenschaften, d.h. der Errichtung eines ganzen 8
Lügengebäudes , oder aber ausnahmsweise auch in der schlichten Täuschung liegen, wenn: 1) die Überprüfung der falschen Angaben dem Getäuschten nicht oder nur 9
mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist oder 2) wenn der Täter den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder wenn er nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung unterlassen wird, weil ein besonderes Vertrauensverhältnis 10
besteht . A und B geben durch ihre Verkleidung vor, Zollbeamte zu sein. Bei einer Kontrolle wird die Identität der Beamten i.d.R. nicht hinterfragt. Es kann zwar ein Ausweis verlangt werden, doch wird an der Echtheit eines solchen kaum je gezweifelt. Es ist unüblich, dass die Kontrollierten nachprüfen, ob es sich um eine Fälschung bzw. falsche Beamten handelt. Fraglich ist allenfalls, ob aufgrund der verlangten Busse Zweifel hätten aufkommen können, da ungewiss ist, ob Zollbeamte überhaupt eine Busse erheben dürfen, wenn jemand keinen Pass auf sich trägt. Dies kann mangels
Angaben im Sachverhalt nicht abschliessend beantwortet werden. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine offensichtlich unzulässige Handlung, die Anlass für Zweifel an der «Echtheit» der Beamten gibt. Der Normalbürger geht wohl davon aus, tatsächlich eine Busse zu schulden, wenn ein Beamter dies behauptet. Auch dies ist schwierig überprüfbar. Eine arglistige Täuschung liegt deshalb vor. b) Irrtum Irrtum ist jede Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, die durch die Täuschung hervorgerufen wurde. Weil A und B vorgeben, Zollbeamte zu [66] sein, denkt X, er müsse bezahlen. Er unterliegt damit gerade aufgrund der Täuschung einem Irrtum. c) Vermögensverfügung aa) Unmittelbar X müsste aufgrund des Irrtums eine Vermögensverfügung vorgenommen haben. Diese muss unmittelbar vermögensmindernde Wirkung haben und freiwillig erfolgt sein. X bezahlt die von A und B geforderte Busse von CHF 200 und mindert sein Vermögen damit unmittelbar. bb) Freiwillig Allerdings ist fraglich, ob diese Verfügung auch freiwillig erfolgte. Freiwilligkeit setzt eine gewisse Wahlfreiheit voraus. X bezahlte im Glauben, es handle sich um zwei Beamte, die zur Erhebung von Bussen bei Verfehlungen des Kontrollierten legitimiert seien. Ob eine gegenüber vermeintlichen Beamten getätigte Vermögensverfügung freiwillig erfolgt, ist strittig: Eine Lehrmeinung sieht die Wahlfreiheit und damit die Freiwilligkeit einer gegenüber einem (falschen) Beamten getätigten Zahlung gerade nicht als gegeben an. Zur Begründung wird angeführt, es bestehe hier gerade keine Entscheidungsfreiheit, weil es darum gehe, sich dem scheinbar .
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Unvermeidlichen zu fügen .
Eine andere Meinung sieht auch die gegenüber vermeintlichen Beamten getätigten Vermögensdispositionen als freiwillig an und kritisiert die Verneinung der Entscheidungsfreiheit durch die ältere Lehre mit dem Argument, dass diese Meinung das zunehmende Selbstbewusstsein der Bürger 12
gegenüber (Polizei-)Beamten in einem Rechtsstaat unterschätze . .
Eine wirkliche Wahlfreiheit, die für die Freiwilligkeit der Vermögensverfügung gegenüber einem (wenn auch bloss vermeintlichen) staatlichen Beamten spräche, besteht nach der hier vertretenen Meinung gerade nicht, ist es doch schwierig sich einer solchen Sanktion zu widersetzen. Es wird daher der ersten Lehrmeinung gefolgt. Die Vermögensverfügung im .
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für den Betrug erforderlichen freiwilligen Sinne liegt nicht vor . Der objektive Tatbestand von Art. 146 StGB ist nicht erfüllt. II. Ergebnis A und B haben sich nicht des Betruges gemäss Art. 146 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht. B. Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB in Mittäterschaft? Indem A und B vorgeben, Zollbeamte zu sein und von X eine Busse fordern, die dieser auch bezahlt, könnten sie sich der Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer jemanden durch Gewalt oder
Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich am Vermögen schädigt. a) Nötigung Das Gesetz stellt bei der Erpressung geringere Anforderungen an die Nötigung als beim Raub. Es reicht, dass dem Opfer ein «ernstlicher Nachteil» angedroht wird. Fraglich ist, ob das Nichtbezahlen einer eingeforderten Busse durch vermeintliche Beamte einen ernstlichen Nachteil nach sich zieht. Ein ernstlicher Nachteil liegt vor, wenn nach der Darstellung des Täters der Eintritt des Nachteils als von seinem Willen abhängig erscheint und wenn die Androhung geeignet ist, den Betroffenen in seiner Entscheidungsfreiheit 14
einzuschränken . Dabei ist unwesentlich, ob A und B überhaupt in der Lage wären, den angedrohten Nachteil wahrzumachen. Entscheidend ist, dass er als 15
ernst gemeint ankommt . X bezahlt gerade aufgrund dieser Androhung. Der Nachteil könnte vorliegend darin bestehen, dass A und B dem X damit drohen, ein Verfahren einzuleiten, wenn er die Busse nicht bezahlt. Dieses Vorgehen ist üblich, wenn Forderungen nicht beglichen werden und findet seine Legitimation im Gesetz. Es knüpft an eine Verfehlung des hier in Frage stehenden Nötigungsopfers an. Das Nichtbegleichen einer gesetzlich vorgesehenen Busse berechtigt den Staat bzw. den zum Einfordern [68] zuständigen Amtsträger dem Betroffenen einen Nachteil in Form eines Verfahrens zuzufügen. Ein solches Verfahren ist jedoch keine rechtswidrige Freiheitsbeschränkung, weil der andere sich diesen Nachteil 16
aufgrund des eigenen Fehlverhaltens gefallen lassen muss . Es handelt sich
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um ein rechtmässiges Mittel . Geschützt ist nicht jegliche Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung, sondern nur die rechtlich geschützte 18
Freiheit . Gemäss einer anderen Ansicht lässt sich der durch Beamte ausgeübte Druck 19
nicht als nötigende Handlung qualifizieren . Weil vorliegend jedoch keine echten Beamten mit einem Verfahren drohen, sondern diese nur den Anschein erwecken befugt zu sein ein Verfahren einzuleiten, ist dieses Vorgehen keineswegs zulässig. Ein Nachteil liegt damit vor. b) Vermögensschaden Eine Erpressung ist vollendet, wenn das Opfer aufgrund der Drohung «sich selber oder einen anderen am Vermögen schädigt». Dadurch dass X die vermeintlich geschuldete Busse in Höhe von CHF 200 bezahlt, erleidet er einen Vermögensschaden. c) Gemeinsamer Tatentschluss und gemeinsame Tatausführung Weiter müssen ein gemeinsamer Tatentschluss sowie eine gemeinsame Tatausführung vorliegen. A liefert die Idee für die Tat in der Stammkneipe und B ist laut Sachverhalt «begeistert». Ein gemeinsamer Tatentschluss liegt vor. Aus dem Sachverhalt sind die einzelnen Tatbeiträge zwar nicht ersichtlich, jedoch wird deutlich, dass A und B die Tat gemeinsam begehen, d.h. X gemeinsam vortäuschen, Zollbeamte zu sein und die Busse von CHF 200 gemeinsam einkassieren. Eine gemeinsame Tatausführung liegt vor. Der objektive Tatbestand ist aus diesen Gründen erfüllt.
2. Subjektiver Tatbestand A und B müssten vorsätzlich sowie in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht gehandelt haben. A und B wollen gerade durch ihr Auftreten als falsche Zollbeamte Geld erhalten, auf das sie keinen Anspruch haben und handeln sowohl vorsätzlich als auch in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Der subjektive Tatbestand sowie wie die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. A und B handeln rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis A und B haben sich gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB schuldig gemacht. C. Raub gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft? Indem A und B vorgeben, Zollbeamte zu sein und von X eine Busse fordern, die dieser auch bezahlt, könnten sie sich des Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht. a) Qualifizierte Nötigung Fraglich ist, ob A und B Gewalt angewendet haben, um das Geld zu
bekommen. Nach allgemein anerkannter Auffassung ist für die Annahme der Gewalt beim Raub nur die «unmittelbare physische Einwirkung auf den 20
Körper des Opfers»
ausreichend.
A und B haben das Geld nicht durch Gewalt im für den Raub verlangten Sinne von X herausverlangt. Eine Gewalthandlung liegt damit nicht vor. Auch liegt keine Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben vor und X wurde nicht zum Widerstand unfähig gemacht. Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. II. Ergebnis A und B haben sich nicht gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Strafbarkeit von A und B bezüglich L A. Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft? Indem A und B den L in den Camion sperren, könnten sie sich der Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt, wer jemanden unrechtmässig festnimmt. Festnahme ist die Aufhebung der Freiheit den Aufenthaltsort zu verändern. Das Opfer wird an einen Ort eingegrenzt und
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seine Fortbewegungsfreiheit aufgehoben . Das Tatmittel wird vom Gesetz nicht festgelegt. Denkbar sind Gewalt (z. B. fesseln), mechanische Mittel .
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(verschliessen einer Tür) oder auch psychische Mittel (z.B. Drohung) . Erforderlich ist eine gewisse Intensität. Eine blosse Erschwerung der .
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Fortbewegung genügt nicht . In casu sperren A und B den L in den Camion. Nach einer lebensnahen Auslegung ist davon auszugehen, dass sie die Türe verschliessen. Sie verwenden damit ein mechanisches Mittel. L ist es nicht mehr möglich, sich fortzubewegen. Fraglich ist, ob die Festnahme für die Dauer einer Stunde den Tatbestand erfüllt. In der Praxis gibt es keine festen Grenzwerte für die Dauer der Freiheitsberaubung, dies wäre weder möglich noch sinnvoll. Die Anforderungen sind nicht sehr hoch angesetzt. So sieht das Bundesgericht eine Autofahrt von zehn Minuten bereits als tatbestandsmässig 24
an . In Anbetracht dessen ist das Einsperren für eine Stunde als ausreichend zu qualifizieren. Fraglich ist, welche Auswirkungen es hat, dass A und B vorgeben, Zollbeamte zu sein und das Einsperren als rechtmässige Massnahme erscheinen lassen, weil L nicht zahlen kann. Indem sie sich als Zollbeamte ausgeben, täuschen sie L, der sich aufgrund dieses Irrtums einsperren lässt. Auch wenn L sich [71] aufgrund der Täuschung die Freiheit nehmen lässt, ist der Tatbestand
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erfüllt, denn der Tatbestand verlangt weder Gewalt noch Drohung . A und B verfügen über einen gemeinsamen Tatentschluss und führen die Tat gemeinsam aus. Eine mittäterschaftliche Tatbegehung liegt vor. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB. A und B verwirklichen die objektiven Tatbestandselemente vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand und somit die gesamte Tatbestandsmässigkeit sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit 26
Fraglich ist, ob die Freiheitsberaubung auch unrechtmässig war . 1. Polizeiliche oder strafprozessuale Festnahmebefugnisse? Eine Rechtfertigung aufgrund polizeilicher oder strafprozessualer Festnahmebefugnisse nach Art. 217 StPO entfällt mangels Beamteneigenschaft von A und B von vornherein. 2. Vorläufige Festnahme durch Private (Art. 218 StPO)? .
a) Objektive Seite der Rechtfertigung A und B könnten allenfalls durch das Festnahmerecht eines auf frischer Tat Ertappten (geregelt in Art. 218 StPO) gerechtfertigt sein. Dieses gibt Privaten das Recht der vorläufigen Festnahme, wenn polizeiliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Voraussetzung gemäss Art. 218 Abs. 1 lit. a StPO ist, dass sie eine Person bei der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach Begehung einer solchen Tat .
angetroffen haben. Den Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt diese Art der Festnahme gemäss Bundesgericht dann, wenn sie länger dauert als die 27
Zeit, die die Polizei bräuchte, um an den Ort des Geschehens zu gelangen . Fraglich ist zunächst, ob es sich bei der Nichtablieferung geschuldeter Zollabgaben um ein Verbrechen oder ein Vergehen handelt. Die entsprechenden Tatbestände finden sich im Zollgesetz (Art. 117 und Art. 118). Es handelt sich dabei grundsätzlich um Übertretungen. Wenn allerdings erschwerende [72] Umstände vorliegen, kann auf Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr erkannt werden. In diesem Fall läge ein Vergehen vor. Die konkreten Umstände können in casu mangels Angaben im Sachverhalt nicht ausgemacht werden. Grundsätzlich wäre es aber möglich, dass es sich um ein Vergehen handelt. .
b) Subjektive Seite der Rechtfertigung Allerdings halten A und B den L nicht fest, weil sie ihn der Polizei übergeben wollen oder sein Vergehen ahnden wollen, sondern als «Sanktion», weil er ihre Geldforderung nicht begleichen kann und sie sich an ihm nicht bereichern können. Sie haben insofern keinen Übergabewillen (Art. 218 Abs. 3 StPO). Die subjektive Seite der Rechtfertigung liegt nicht vor. Dieses Verhalten ist unter Art. 218 StPO nicht zu rechtfertigen. .
Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. A und B handeln rechtswidrig. III. Schuld Es liegen weder Schuldausschluss- noch Entschuldigungsgründe vor. A und B handeln schuldhaft. IV. Ergebnis A und B haben sich der Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht.
B. Versuchte Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 28
StGB in Mittäterschaft? Indem A und B von L die Bezahlung einer Busse fordern, dieser aber nicht bezahlen kann, könnten sie sich der versuchten Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Subjektiver Tatbestand: Gemeinsamer Tatentschluss A und B haben – wie oben gesehen – gemeinsam beschlossen, fingierte Grenzkontrollen durchzuführen, um Geld einzunehmen. Der gemeinsame Tatentschluss bezüglich aller objektiven Tatbestandselemente der Erpressung ist [73] gegeben (bezüglich der detaillierten Prüfung der Erpressungsvoraussetzungen wird auf das unter B.I.1. [Strafbarkeit von A und B bezüglich X] Gesagte verwiesen). Indem sie von L eine nicht geschuldete Busse fordern, handeln sie ausserdem in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. .
2. Objektiver Tatbestand: Beginn der gemeinsamen Tatausführung 29
Der Versuch beginnt mit Ansetzen der Täuschung . A und B haben, verkleidet als Zollbeamte, den Camion angehalten und die Busse von L gefordert. Dieser konnte sie allerdings nicht bezahlen. A und B haben damit alles nach ihrem Plan Notwendige getan. Der Beginn der gemeinsamen Tatausführung ist vorliegend zu bejahen. II. Rechtswidrigkeit und Schuld
Es liegen weder Rechtfertigungs-, Schuldausschliessungs- noch Entschuldigungsgründe vor. A und B handeln sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft. III. Ergebnis A und B haben sich der versuchten Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis Bezüglich X A und B haben sich bezüglich X der Amtsanmassung gemäss Art. 287 StGB sowie der versuchten Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB schuldig gemacht. Da verschiedene Rechtsgüter geschützt werden steht Art. 287 StGB in echter Konkurrenz (Idealkonkurrenz) zu Art. 139 Ziff. 1 StGB. .
Damit haben sich A und B nach Art. 287 StGB und Art. 156 Ziff. 1 StGB in Mittäterschaft strafbar gemacht. Bezüglich L A und B haben sich bezüglich L der Amtsanmassung gemäss Art. 287 StGB sowie der Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB und des versuchten Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB schuldig gemacht. Alle Delikte stehen, weil sie verschiedene Rechtsgüter schützen, in echter Konkurrenz. A und B haben sich damit der mittäterschaftlichen Verwirklichung von Art. 287 StGB, Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowie Art. 139 Ziff. 1 i.V. m. Art. 22 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin
neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Erkennen und richtige Subsumtion des Tatbestands der Amtsanmassung ■ Richtige Prüfung sowie gute argumentative Abgrenzung zwischen Betrug und Erpressung ■ Saubere Argumentation bei der Freiheitsberaubung inkl. möglicher Rechtfertigungsgründe ■ Erkennen der versuchten Erpressung bei L
Fall 6 Bree Bearbeitung: Mark Pieth
Grundfall: Bree hat ein vielversprechendes Rendezvous vereinbart und möchte sich von ihrer Freundin Gaby für den Abend deren rassige Wildlederjacke ausleihen. Gaby befürchtet, dass ihre neue Jacke Schaden nehmen könnte und verweigert der Bree den Freundesdienst. Da bedient sich Bree im Fitness-Studio selbst und nimmt Gabys Jacke an sich.
Variante 1: Sie gibt sie anderntags reumütig an Gaby zurück.
Variante 2: Durch ihre Ungeschicklichkeit hat sie sich Rotwein über den Ärmel geleert und muss nun der Gaby die beschädigte Jacke zurückgeben.
Variante 3: Die Jacke gefällt ihr so, dass sie anderntags beschliesst, sie zu behalten. ▶
Prüfen Sie die allfällige Strafbarkeit von Bree nach diesen drei Varianten.
Lösungsvorschlag
Variante 1: Die Gebrauchsentwendung Vorbemerkung Das Verhalten der Bree beschränkt bereits nach der ersten Tatvariante zweifellos die Verfügungsmöglichkeit der Gaby über ihre Jacke. Ob sie sich 1
aber «Eigentümerposition anmasst» , muss erst anhand der Aneignungstatbestände geprüft werden. Dabei empfiehlt es sich, mit dem 2
Grundtatbestand der «unrechtmässigen Aneignung» nach Art. 137 Ziff. 1 StGB zu beginnen. A. Unrechtmässige Aneignung gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt Die Wildlederjacke gehört der Gaby und ist für Bree eine fremde bewegliche Sache. b) Tathandlung Fraglich ist aber, ob Bree sich die Jacke angeeignet hat. Die Frage der Aneignung lässt sich nur aufgrund der Willensrichtung der Täterin klären. Daher muss bereits im Rahmen des objektiven Tatbestands ein Element des
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subjektiven Tatbestands vorweg geprüft werden : der Aneignungswille (bzw. im Sprachgebrauch des Gesetzes «die Aneignungsabsicht»). Anschliessend .
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müsste die Willensbetätigung auch objektiv geprüft werden . Der Wille der Täterin müsste sich einerseits auf eine dauernde Enteignung und andererseits auf eine mindestens vorübergehende Zueignung gerichtet haben. Bereits der Wille dauernder Enteignung bereitet allerdings Schwierigkeiten: Bree wollte sich die Jacke lediglich für kurze Zeit, d. h. für einen Abend, [77] ausleihen und sie dann zurückerstatten. Sie wollte sie – ihrer Vorstellung 5
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nach – unversehrt , d.h. ohne dass ihr Sachwert beeinträchtigt war, zurückgeben. Es handelt sich somit um einen klassischen Fall der «Gebrauchsleihe»: Es fehlt Bree bereits am Willen der dauernden 7
Enteignung . Die Willensbetätigung muss daher gar nicht mehr geprüft werden. Somit ist Art. 137 Ziff. 1 StGB nicht anwendbar. B. Aneignung ohne Bereicherungsabsicht gemäss Art. 137 Ziff. 2 StGB oder Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB? Da bereits der Grundtatbestand nicht erfüllt ist, fallen auch die spezielleren Aneignungstatbestände, insbesondere die Aneignung durch Wegnahme mit Bereicherungsabsicht (Diebstahl) wie auch die blosse Aneignung ohne .
Bereicherungsabsicht ausser Betracht: Es fehlt allemal an der erforderlichen Aneignung einer fremden beweglichen Sache. C. Sachentziehung gemäss Art. 141 StGB? In Frage kommt demgegenüber die Sachentziehung, der Auffangtatbestand 8
der Entziehung beweglicher Sachen ohne Aneignungswillen : I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt 9
Als Tatobjekt reicht eine bewegliche Sache , die vorliegend klarerweise gegeben ist. b) Tathandlung: «Entziehen» In der Lehre ist man sich einig, dass Art. 141 StGB nicht eine eigentliche 10
Wegnahme im Sinne des Diebstahls voraussetzt , es reicht vielmehr die eine Seite [78] der Gewahrsamsverletzung, der Bruch fremden Gewahrsams. Im konkreten Fall wird aber durchaus auch neuer, wenn auch nur 11
vorübergehender Gewahrsam begründet («vorübergehende Enteignung» ). .
12
Das heisst, Art. 141 StGB könnte auch die blosse Gebrauchsleihe erfassen . c) Fehlen der Aneignungsabsicht Wie oben ausgeführt wurde, fehlt die Aneignungsabsicht, damit ist die negative Voraussetzung von Art. 141 StGB erfüllt. d) Erfolg: Dem Opfer dadurch «einen erheblichen Nachteil zufügt» Von der neuen Gesetzesfassung werden durchaus auch immaterielle Nachteile 13
erfasst , allerdings müssen sie erheblich sein. Lehre und Praxis haben sich bisher zur weiteren Klärung mit einer kasuistischen Methode beholfen. Als erheblich wurde der Nachteil etwa eingestuft, wenn er das Opfer nötigte, Ersatz zu beschaffen oder wenn das Verhalten des Täters die Sache für die Zwecke des Opfers unbrauchbar machte. Als Beispiele wurden genannt, das Verstecken des Hochzeitskleids am Hochzeitstag, des Musikinstruments am 14
Aufführungstag oder des Manuskriptes zum Zeitpunkt des Vortrags . Nicht als erheblich gilt bloss lästiges Vorenthalten von Objekten. In die Grauzone zu liegen kamen aber die Beispiele der Wegnahme einer Teppichklopfstange 15
während drei Monaten
oder die Gebrauchsleihe des Regenschirmes (wohl .
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während eines Gewitters?) .
Im vorliegenden Fall deutet nichts darauf hin, dass Gaby ihre Jacke an diesem Abend unbedingt brauchte, auch wenn natürlich die Entziehung äusserst ärgerlich sein kann. Ohne zusätzliche Annahmen (kalte Witterung, eigenes Date usw.) reicht es aber wohl nicht zum erheblichen Nachteil im Sinne des Gesetzes. .
Eine weitere Überlegung mag diese Einschätzung bestärken: Während der geringfügige Diebstahl von Art. 172ter StGB auf das Niveau Übertretungsstrafe herabgestuft wird, soll die Privilegierung von Art. 172ter 17
StGB nicht auf Art. 141 StGB Anwendung finden . Umso mehr muss der minimale «furtum usus» straffrei bleiben. Somit ist Art. 141 StGB nicht anwendbar. Die «Gebrauchsleihe» von Bree nach der Variante 1 ist nicht strafbar.
Variante 2: Rückgabe im verschmutzten Zustand A. Sachbeschädigung gemäss Art. 144 StGB? Dieser Tatbestand lässt sich bereits vorab im «Brainstorming»-Verfahren oder doch im Urteilsstil ausscheiden: Sachbeschädigung setzt Vorsatz voraus
.
18
(zumindest dolus eventualis) . Daher fällt im vorliegenden Fall mangels Vorsatz Art. 144 StGB von vornherein ausser Betracht. Die fahrlässige Sachbeschädigung ist nicht strafbar (Art. 12 Abs. 1 StGB). .
B. Unrechtmässige Aneignung infolge Sachentwertung (Art. 137 Ziff. 1 StGB)? .
I. Tatbestandsmässigkeit
1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt Siehe oben Variante 1: A.I.1.a). b) Tathandlung: Aneignung 19
Zwar kann die Rückgabe der Sache in stark entwertetem Zustand
infolge 20
Überschreiten der gewöhnlichen Nutzungsintensität der Gebrauchsleihe 21
nach der Sachwerttheorie als objektive Betätigung des Aneignungswillens gewertet werden. In casu fehlt es aber, wie bemerkt, sowohl am eigentlichen Aneignungswillen wie auch am Entwertungswillen: Die Jacke ist infolge einer Ungeschicklichkeit verdreckt worden. Zudem ist durchaus offen, ob der Schaden das erforderliche Mass der «Entwertung» erreichen würde. Es fehlt wiederum bereits am Aneignungswillen. C. Sachentziehung gemäss Art. 141 StGB? Die Sachlage ist nach der Variante 2 nicht prinzipiell anders als nach Variante 1. Nach wie vor wurde die Jacke nach relativ kurzem Entzug wieder zurückgegeben (siehe oben Variante 1: C.). Der durch die Verdreckung erlittene Nachteil wurde Gaby nicht vorsätzlich zugefügt. .
Variante 3: Nachträgliche Aneignung
Nach der dritten Variante finden sowohl eine Wegnahme wie eine Aneignung statt und es liegt auch Bereicherungsabsicht vor, wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten. A. Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt: Fremde bewegliche Sache Siehe oben Variante 1: A.I.1.a). b) Tathandlung aa) Wegnahme Am Vortag lag durchaus eine Wegnahme vor: Es wurde Gabys Gewahrsam gebrochen und Bree begründete vorübergehend eigenen Gewahrsam. 2. Subjektiver Tatbestand a) Zur Aneignung? Allerdings erfolgte die Wegnahme damals nicht, wie Art. 139 Ziff. 1 StGB es voraussetzt, zur Aneignung. Damals fehlte die Aneignungsabsicht gerade noch. Umgekehrt stellte sich die Aneignungsabsicht ein, als Bree die Jacke bereits in ihrem Gewahrsam hatte: Es fehlt somit an der Gleichzeitigkeit von Wegnahme und Aneignungsabsicht, die aber nach der gesetzlichen Formel 22
von der «Wegnahme zur Aneignung» unabdingbar wäre . b) Bereicherungsabsicht Im Übrigen müsste auch die Bereicherungsabsicht bereits zum Zeitpunkt der Wegnahme bestanden haben, sonst würde man hier einen Fall des dolus
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subsequens anerkennen . B. Unrechtmässige Aneignung gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB? Nach der dritten Variante stellt sich aber für die Situation am anderen Tag die Frage der Aneignung gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB umso dringender. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt Siehe oben Variante 1: A.I.1.a). b) Tathandlung: Aneignung aa) Aneignungswille Nunmehr ergibt sich bereits aus dem Sachverhalt, dass sich Bree entschlossen hat, die Jacke, die ihr so gefällt, zu behalten. Damit fasst sie den Entschluss 24
zur Aneignung . bb) Betätigung des Aneignungswillens Durch das Behalten der Jacke betätigt sie den Willen auch und erfüllt somit 25
das Erfordernis der Aneignung . 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz
Wissen und Wollen (vgl. Art. 12 StGB) müssen sich wie immer auf den objektiven Tatbestand beziehen (insbesondere die Fremdheit der Sache erfassen). Die Aneignungsabsicht ist bereits im Rahmen des objektiven Tatbestandes geprüft und bejaht worden (sie wird in den Lehrbüchern und Kommentaren oftmals pro memoria im subjektiven Tatbestand erneut .
.
.
26
erwähnt ): Es ist immerhin daran zu erinnern, dass nur der dolus directus das 27
Erfordernis der [82] Aneignungsabsicht erfüllt . Die Aneignungsabsicht liegt im vorliegenden Fall vor. b) Absicht unrechtmässiger Bereicherung Nunmehr fasst Bree – im Zeitpunkt der Aneignung – auch die Absicht, sich auf Kosten der Gaby zu bereichern. Aufgrund des Sachverhaltes geschieht dies durchaus gegen den Willen der Berechtigten, sodass auch an der Unrechtmässigkeit nicht zu zweifeln ist. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtswidrigkeit und Schuld werfen im vorliegenden Fall keine Fragen auf.
Zusammenfassung Variante 1: Bree bleibt straflos, weil sowohl Art. 137 StGB wie Art. 139 StGB mangels Aneignung wegfallen und Art. 141 StGB wohl mangels erheblichen Nachteils nicht in Frage kommt. Variante 2:
Bree bleibt ebenfalls straflos, weil die Sachbeschädigung gemäss Art. 144 StGB nur vorsätzlich begangen werden kann und die Verschmutzung der Jacke die Folge einer Unachtsamkeit war. Art. 137 StGB infolge Entwertung fällt aus dem gleichen Grund ausser Betracht und zu Art. 141 StGB gilt das bereits zu Variante 1 Gesagte. Variante 3: Zwar ist Art. 139 StGB abzulehnen, weil die Wegnahme nicht «zur Aneignung» erfolgte und zu diesem Zeitpunkt noch keine Bereicherungsabsicht vorlag. Umgekehrt war zur Zeit der Aneignung die Wegnahme bereits erfolgt. Bree ist aber aufgrund von Art. 137 Ziff. 1 StGB zu bestrafen, da sie sich die Jacke nachträglich mit Bereicherungsabsicht angeeignet hat. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Sich zurechtfinden im System der Aneignungsdelikte ■ Klarheit, was Aneignung heisst und Abgrenzung zur Gebrauchsentwendung ■ Aufbau des Tatbestands der Sachentziehung ■ Klarheit, dass in Variante 3 die Gleichzeitigkeit von Wegnahme, Aneignungswille und Bereicherungsabsicht erforderlich ist
Literaturhinweise MÜLLER, P., Die Revision des Vermögensstrafrechts – Nachbesserungen und Innovationen, ZStrR 1995, 1 ff.; ECKERT, A.. /. FLACHSMANN, S.. /. ISENRING, B., Tafeln zum Strafrecht. Besonderer Teil, 2. Aufl., Zürich 2008.
Fall 7 Grüner Pullover Bearbeitung: Mark Pieth
Frau K besucht während des Ausverkaufs die Modeboutique Z. Dabei gefällt ihr ein grüner Pullover ganz besonders. Zu ihrem Leidwesen stellt sie allerdings fest, dass gerade dieses Stück nicht herabgesetzt ist und bei einem Preis von CHF 390 auch ihr Budget klar übersteigt. Kurzerhand entfernt sie vom daneben liegenden Ausverkaufsgut ein Klebeetikett mit dem Logo der Boutique und der Preisangabe von CHF 120 und vertauscht es mit dem ursprünglichen Preisetikett auf dem grünen Pullover. Im Laden herrscht zu dieser Zeit grosser Andrang. Es gelingt Frau K ohne Schwierigkeiten mit dem Pullover, unter Entrichtung von CHF 120, die Kasse zu passieren. Der Ladendetektiv D, der den gesamten Vorgang beobachtet hat, stellt Frau K nach Passieren der Kasse. Erst will er Frau K anzeigen, dann entschliesst er sich zu einem alternativen Vorgehen: Er erklärt sich bereit, auf Meldung und Strafanzeige zu verzichten, falls Frau K ihm persönlich CHF 200 zukommen lasse. Frau K will dem Ersuchen gerade nachkommen, als die beiden von der Ladeninhaberin überrascht werden. ▶
Wie ist das Verhalten der Beteiligten strafrechtlich zu beurteilen?
Vorbemerkung Im Zentrum der Erörterung steht einerseits die Frage, ob Frau K einen Ladendiebstahl oder einen Betrug begangen hat, und andererseits, ob neben dem Vermögensdelikt auch noch ein Urkundendelikt zu Buche schlägt. Im Rahmen der Vermögensdelikte empfiehlt es sich, mit dem zentraleren Aneignungsdelikt (Diebstahl) zu beginnen und erst anschliessend mit dem Delikt gegen das Vermögen überhaupt (Betrug) weiterzumachen. .
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Lösungsvorschlag
Strafbarkeit von Frau K A. Diebstahl gemäss Art. 139 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Aneignung einer fremden beweglichen Sache Eine fremde bewegliche Sache liegt mit dem grünen Pullover eindeutig vor. Frau K hat sich den Pullover aneignen wollen und sie hat ihren Aneignungswillen auch betätigt. Allerdings ist die zentrale Frage, ob sie ihn durch Wegnahme, das heisst durch Bruch fremden Gewahrsams und Begründung neuen Gewahrsams, an sich genommen hat, durchaus noch offen. b) Wegnahme? Ist der Gewahrsamsinhaber mit der Aufhebung der Herrschaft einverstanden, 1
so handelt es sich um eine tatbestandsausschliessende Einwilligung . Das Bundesgericht wendet allerdings ein, dass «ein Einverständnis, das nicht frei von wesentlichen Willensmängeln ist […] sich nicht als Einwilligung» erweist 2
und eine Wegnahme nicht ausschliesse . Demgegenüber differenzieren Stratenwerth und Jenny in ihrem Lehrbuch danach, ob «das Einverständnis auf einer Täuschung» beruht – diesfalls komme nur Betrug in Betracht –, bei Nötigung erwägen sie entweder Erpressung, Diebstahl oder Raub. Entscheidend ist, dass mit einer Täuschung der Wille des
3
Gewahrsamsinhabers «nicht gebrochen» wird . Damit fällt Diebstahl ausser Betracht. B. Betrug gemäss Art. 146 StGB? Hat Frau K dadurch, dass sie die Preisschilder vertauschte und an der Ladenkasse den inkorrekten, günstigeren Preis bezahlte, die Modeboutique betrogen? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Arglistige Täuschung Durch Vertauschen des Preisetiketts und Vorlegen des Pullovers mit dem inkorrekten Preisschild, täuschte die Kundin die Verkäuferin über den Wert 4
des Pullovers . Der Betrugstatbestand setzt nach Schweizer Rechtsauffassung allerdings 5
Arglist voraus. Arglist kann in besonderen betrügerischen Machenschaften oder aber ausnahmsweise auch in der schlichten Täuschung liegen, wenn 1) die Überprüfung der falschen Angaben dem Getäuschten nicht oder nur 6
mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist oder
2) wenn der Täter den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder wenn er nach den Umständen voraussieht, dass dieser die Überprüfung unterlassen wird, weil ein besonderes Vertrauensverhältnis 7
besteht . In casu besteht kein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der Kundin und der Kassiererin. Im Sachverhalt ist aber die Rede davon, dass grosser Andrang im Laden herrschte. Es ist davon auszugehen, dass die Kassiererin die echten Preise realistischerweise nicht überprüfen konnte. Die Vorgehensweise mag dreist erscheinen, im Ausverkaufsrummel besteht aber für die Käuferin kein grosses Risiko, entdeckt zu werden. Dass der Ladendetektiv D den gesamten Vorgang beobachtet hat, darf als Künstlerpech eingestuft werden. Es ändert nichts daran, dass Arglist vorliegt. b) Irrtum, Vermögensverfügung, Vermögensschaden, Motivationszusammenhang Die Verkäuferin irrt sich aufgrund der Täuschung über den wahren Wert des Pullovers, verlangt einen zu niedrigen Kaufpreis und schädigt dadurch in der Differenz der beiden Preise (CHF 270) die Boutique. Der Motivationszusammenhang ist darin zu sehen, dass die Verkäuferin durch die Täuschungshandlung der Kundin zu einem vermögensmindernden Verhalten veranlasst wird. [88] Mit dem Passieren der Kasse – trotz Beobachtung durch .
8
den Hausdetektiv – ist das Delikt vollendet . 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz Der Vorsatz muss sich auf sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen. Dies bereitet in casu keine Probleme.
b) Unrechtmässige Bereicherungsabsicht Der von der Kundin angestrebte Vermögensvorteil entspricht dem Schaden 9
der Modeboutique (Stoffgleichheit ). Die Bereicherung ist in keiner Weise gerechtfertigt. .
II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtswidrigkeit und Schuld werfen keine Fragen auf. Damit ist der Tatbestand des Betrugs erfüllt. C. Geringfügiges Vermögensdelikt gemäss Art. 172ter StGB? Art. 172ter StGB enthält einen Bagatelltatbestand, der sich auf sämtliche Vermögensdelikte bezieht. Wesentlich ist, dass sich die Tat auf den illegalen Erwerb eines geringen Vermögenswertes oder auf einen geringen Schaden richtet. Damit wird das Verbrechen zur Übertretung herabgestuft. Im vorliegenden Fall liegt die Deliktsumme von CHF 270 unterhalb des von 10
der Praxis entwickelten Grenzwertes von CHF 300 , daher ist Art. 172ter StGB anwendbar. D. Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB? Dadurch, dass Frau K die Preisanschriften vertauschte, könnte sie sich der Fälschung oder Verfälschung einer Urkunde schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand
a) Tatobjekt: Urkunde (Art. 110 Abs. 4 StGB) .
Art. 110 Abs. 4 StGB nennt drei Formen der Urkunde: die Schrifturkunde, das Beweiszeichen und die der Urkunde gleichgestellten Aufzeichnungen auf Bild- und Datenträgern. Im vorliegenden Fall dürfte das Beweiszeichen im Vordergrund stehen. Zeichen sind im Gegensatz zur Schrifturkunde nicht aus sich selbst heraus verständlich, ihr Erklärungsinhalt ergibt sich erst aus dem 11
Kontext . Damit Beweiszeichen als Urkunden eingestuft werden können, 12
müssen sie aber – wie die Schrifturkunde – den Aussteller erkennen lassen . 13
Sie müssen fest mit der Unterlage verbunden sein und sie müssen sowohl bestimmt wie geeignet sein, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (auch wenn Art. 110 Abs. 4 StGB nur von der Beweisbestimmung .
14
spricht ). Preisschilder werden gelegentlich in Lehre und Rechtsprechung geradezu als Musterbeispiel des (privaten) Beweiszeichens mit Urkundenqualität .
15
dargestellt , andernorts ist der «Preisanschrift» die Urkundenqualität explizit
16
abgesprochen worden . Zu Recht hat aber das Bundesgericht in BGE 116 IV 319 das Auswechseln von Preisschildern im Möbelgeschäft und das Bezahlen des niedrigeren Kaufpreises auch unter dem Aspekt der Urkundenfälschung geprüft. Unter der Annahme, dass das Preisetikett in casu durch das Logo der Boutique hinreichend auf den Aussteller hinweist, und dass es durch den Klebstoff ausreichend auf der Unterlage fixiert war, liegt ein «Zeichen» im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB vor. b) Tathandlung: Fälschen oder Verfälschen Die klassische Fälschungshandlung besteht in der Herstellung einer unechten Urkunde, d.h. es wird über den wirklichen Urheber der Erklärung getäuscht. Im vorliegenden Fall wird eher der Urkundeninhalt so verändert, dass der Anschein entsteht, der Urheber des Preisetiketts habe ihm diesen Inhalt gegeben: Der Pullover sei auf CHF 120 herabgesetzt worden. Es liegt durch 17
die
[90]
Vertauschung nicht eine Lüge vor , vielmehr ist dies ein Fall des 18
«Verfälschens» der Urkunde . 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz Der Vorsatz muss sich auch hier auf sämtliche Elemente des objektiven Tatbestandes beziehen. Daran ist im Falle von K nicht zu zweifeln. b) Vorteils- oder Schädigungsabsicht Auch wenn die Vorteilsabsicht weiter als die Bereicherungsabsicht zu
verstehen ist, liegt im vorliegenden Fall die klare Absicht vor, mit Hilfe der Etikettenmanipulation einen finanziellen Vorteil zu erlangen. Damit ist auch der subjektive Tatbestand von Art. 251 Ziff. 1 StGB gegeben. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Zu Rechtswidrigkeit und Schuld ist nichts Weiteres beizufügen. E. Ein «besonders leichter Fall» gemäss Art. 251 Ziff. 2 StGB? Die Privilegierung nach Ziff. 2 fällt weit weniger deutlich aus als nach Art. 172ter StGB: An die Stelle der Verbrechensstrafe tritt die Vergehensstrafe, auch wenn die Rechtsnatur des Delikts im Übrigen (was z.B. die Verjährung .
19
anbelangt ) nicht geändert wird. Trotzdem legt die Praxis strenge Massstäbe an den Bagatellcharakter des Deliktes an. Nur der in objektiver wie subjektiver Hinsicht besonders leichte Fall verdient Privilegierung. Aus der Tatsache, dass für den vorliegenden Fall Art. 172ter StGB bejaht wurde (oben C.), darf aber auf einen besonders leichten Fall nach Art. 251 Ziff. 2 StGB geschlossen werden. .
Konkurrenzen Die Rechtsprechung nimmt im Verhältnis von Betrug und Urkundenfälschung in konstanter Praxis echte Konkurrenz (Idealkonkurrenz nach Art. 49 StGB) an. Wo allerdings das Urkundendelikt ausschliesslich der Begehung eines Betrugs dient, «erscheint das Urkundendelikt […] als blosse .
20
Vorbereitungshandlung
[91]
und geht im Betrug auf» . Zu Recht meint
21
Kohlbacher, bezogen auf unseren Fall des Preisetikettenschwindels , dass der Unrechtsgehalt durch die Betrugsbestrafung bereits vollständig erfasst sei (Konsumtion). .
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass Frau K sich aus Art. 146 StGB strafbar gemacht hat.
Strafbarkeit des Ladendetektivs D Bei der Strafbarkeit von D muss die Delinquenz gegen Frau K und eine allfällige Strafbarkeit für die Verletzung von Interessen seiner Arbeitgeberin separat geprüft werden.
Gegenüber Frau K A. Versuchte Erpressung gemäss Art. 156 i.V. m. Art. 22 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz Der subjektive Tatbestand der Erpressung setzt einerseits Vorsatz, bezogen auf den objektiven Tatbestand voraus, d.h. das Wissen und den Willen, einen anderen durch Nötigung zu einem vermögensschädigenden Verhalten zu motivieren. b) Bereicherungsabsicht Wie beim Betrug ist zudem die Absicht unrechtmässiger Bereicherung erforderlich. Auch dieses Element ist gegeben, falls die Nötigung illegal war (besondere Begründung im Rahmen des objektiven Tatbestandes notwendig).
.
2. Objektiver Tatbestand a) Nötigung Das Gesetz stellt bei der Erpressung geringere Anforderungen an die Nötigung als beim Raub. Es reicht, dass dem Opfer «ernstliche Nachteile» angedroht [92] werden. Klassisch ist die «Schweigegelderpressung»
.
22
(«chantage») : Es wird angedroht, etwas bekannt zu machen oder anzuzeigen, was sich für das Opfer oder eine nahestehende Person nachteilig 23
auswirken kann . Die angedrohten Nachteile müssen immerhin ernstlich sein. Wie bei der Nötigung nach Art. 181 StGB ist auch bei der Erpressung nach Art. 156 StGB die Rechtswidrigkeit der Tathandlung besonders zu 24
begründen . Wie bei Art. 181 StGB kann sie im Zweck, in den Mitteln oder in der spezifischen Zweck-Mittel-Relation liegen. Im konkreten Fall ist die Drohung mit einer Anzeige resp. einer Meldung an die Boutique-Inhaberin zwar mit erheblichen Nachteilen für Frau K 25
verbunden, aber sie ist keineswegs rechtswidrig . Rechtswidrig ist dagegen die Forderung eines Schweigegeldes, d.h. der Verzicht auf Anzeige gegen die Leistung von CHF 200. Auf die CHF 200 hat der Detektiv keinerlei Anspruch. Es könnte ihm lediglich gelingen, sie erhältlich zu machen, weil sich Frau K vor der Anzeige und den nachfolgenden Peinlichkeiten fürchtet. D nutzt also seine berufliche Stellung für einen privaten finanziellen Vorteil aus, auf den er
keinerlei Anspruch hat. b) Beginn der Tatausführung Mit der Nötigung hat D «nach seinem Plan auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt» unternommen «von dem es in der Regel kein 26
Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände» . Der Versuch von Art. 156 StGB hat, sobald D sein Angebot ausspricht, begonnen, allerdings fehlt es gemäss Sachverhalt noch an der Vermögensverfügung und am Vermögensschaden. Frau K wollte gerade bezahlen, als die beiden von der Ladeninhaberin überrascht wurden. Somit ist die Erpressung im Versuchsstadium stecken geblieben. Ein freiwilliger Rücktritt i.S.v. Art. 23 Abs. 1 StGB ist nach der Entdeckung nicht mehr möglich. B. Geringfügiges Vermögensdelikt (Art. 172ter StGB)? .
Es fragt sich, ob auch bezüglich der versuchten Erpressung im Umfang von blossen CHF 200 Art. 172ter StGB zur Anwendung kommen kann. Allerdings steht dem die explizite Vorschrift von Art. 172ter Abs. 2 StGB entgegen, die eine Anwendung bei Erpressung ausschliesst.
Gegenüber der Modeboutique Detektiv D ist bei der Modeboutique angestellt, um Ladendiebstähle und ähnliche Delikte zu verhindern und um TäterInnen zur Anzeige zu bringen. Im konkreten Fall hat er zwar in einer ersten Phase seine Pflicht getan, in einer zweiten Phase ist er allerdings auf Abwege geraten und hat nicht nur die fehlbare Kundin erpressen wollen, er war auch bereit, die Schädigung der Boutique zuzulassen. A. Veruntreuung gemäss Art. 138 StGB?
Bereits im Vorprüfungsverfahren kann die Prüfung von Art. 138 StGB abgebrochen werden, weil die Objekte in der Boutique dem Detektiv D nicht 27
im Rechtssinne «anvertraut» sind . Er hat nicht durch ein Treueverhältnis an ihnen Gewahrsam erlangt. Trotz seiner Aufmerksamkeitspflicht bleibt er ein «Extraneus». Gewahrsam hat nur die Ladeninhaberin. B. Betrug durch Unterlassen gemäss Art. 146 StGB? Könnte es sein, dass Detektiv D sich am Betrug der K beteiligt (sei es als Täter oder als Gehilfe), indem er trotz seiner Aufsichtspflicht nicht einschreitet? .
I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Garantenpflicht 28
Den Detektiv treffen vertragliche Aufsichtspflichten im Sinne von Art. 11 StGB aufgrund seines Arbeitsverhältnisses mit der Boutique. Er hat Ladendiebe [94] und ähnliche DelinquentInnen zu beobachten, zu stellen, zu melden und allenfalls der Polizei zu übergeben. b) Inaktivität während der Manipulation durch K Dass D abgewartet hat bis K die Kasse passiert hat, ist – äusserlich betrachtet – unproblematisch und entspricht gängiger Praxis. Er wollte sicher gehen, dass die K ihren deliktischen Plan auch wirklich umsetzt. Bis hierhin hatte er seinerseits offensichtlich auch noch nicht den Plan gefasst, sie zu erpressen. c) Inaktivität nach Passieren der Kasse
Für die Boutique wird sein Verhalten problematisch als er sich, nachdem K die Kasse passiert hatte, entschloss, sie zu erpressen, statt den Vorfall zur Anzeige zu bringen. Es fragt sich, ob er in diesem Zeitpunkt überhaupt noch Beteiligter der K sein kann: Ist der Betrug nicht sowohl vollendet wie beendet? Während beim Ladendiebstahl eine Phase der Unsicherheit im Gewahrsamswechsel bestehen mag, der durch die beiden Begriffe Vollendung und Beendigung markiert wird (wobei Beteiligung bis zur Beendigung möglich ist) besteht keine Veranlassung zu diesem zeitlichen interregnum beim Betrug: Sobald die Vermögensverfügung erfolgt ist, tritt auch der Schaden (und in der Regel auch die Bereicherung) ein. Er kann, wie bei jedem Vermögensdelikt, durch contrarius actus wieder rückgängig gemacht werden; das ändert aber nichts daran, dass die Tat nicht bloss vollendet, sondern bereits beendet ist. .
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Somit kann D, nachdem er auf der Strasse plötzlich beschliesst, K die Anzeige zu ersparen, wenn sie ihn persönlich begünstigt, nicht mehr am Betrug teilnehmen, sonst würde man einen dolus subsequens akzeptieren. C. Begünstigung gemäss Art. 305 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Der Strafverfolgung […] Ist die Vortat abgeschlossen, kommt allerdings Begünstigung in Frage. Vorausgesetzt wird zunächst, dass eine tatverdächtige Person (sie könnte sogar unschuldig sein) der Strafverfolgung entzogen wird. Gleichgültig ist dabei, ob der Vorwurf auf ein Verbrechen, ein Vergehen oder gar eine Übertretung geht. .
b) […] entzieht Der Gesetzestext ist sehr weit gefasst. Er schliesst die blosse Gefährdung der Justizgewährleistungsfunktion ein. Allerdings ist es bei Vermögensdelikten dem Verfügungsberechtigten natürlich unbenommen, ob er Strafanzeige
erstattet oder ob er nötigenfalls Strafantrag stellt. Zudem besteht keine staatliche Verpflichtung für Privatpersonen, einschliesslich Ladendetektive, 29
Verdächtige der Justiz zu übergeben . Der Detektiv gefährdet allenfalls die privaten Vermögensinteressen seiner Arbeitgeberin. Er untersteht keiner staatlichen Anzeigepflicht und damit auch keiner Garantenpflicht. Er kann Art. 305 StGB nicht durch Unterlassen begehen. Damit kann die weitere Prüfung von Art. 305 StGB abgebrochen werden. D. Bestechlichkeit im Privatbereich gemäss Art. 4a UWG? Allenfalls könnten aus dem Bereich des Nebenstrafrechts weitere Gesichtspunkte, insbesondere der im Rahmen der Reform von 2004/2006 30
eingefügte Tatbestand der Bestechlichkeit im Privatbereich (Art. 4a UWG) , in Frage kommen. Allerdings kann dieser Tatbestand bereits im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens ausgeschieden werden. Selbst wenn der Wortlaut zu passen scheint, schützt Art. 4a UWG ein Rechtsgut, das hier nicht tangiert wird: die Lauterkeit des Wettbewerbs. .
Zusammenfassung Frau K begeht dadurch, dass sie das Preisetikett auf den Pullovern vertauscht und unentdeckt die Kasse mit der reduzierten Preisaufschrift am Pullover passiert, den Tatbestand des Betrugs. Allerdings handelt es sich um ein Bagatellvermögensdelikt im Sinne von Art. 172ter StGB. Die an sich erfüllte Verfälschung einer Urkunde bzw. eines Beweiszeichens (nach Art. 251 Ziff. 1 StGB) hat kein selbständiges Gewicht neben dem Vermögensdelikt. .
Der Ladendetektiv D begeht gegenüber Frau K einen Erpressungsversuch im
Sinne von Art. 156 StGB in Verbindung mit Art. 22 StGB. Gegenüber seiner Arbeitgeberin gefährdet er zwar Vermögensinteressen, er kann aber am Betrug nicht mehr teilnehmen, da dieser bereits beendet ist. Eine Begünstigung begeht er mangels staatlicher Anzeigepflicht nicht und eine Privatbestechung [96] dürfte ausscheiden, weil der Tatbestand nach UWG ein völlig anderes Rechtsgut schützt. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Abgrenzung Diebstahl-Betrug ■ Detailkenntnisse des Betrugsaufbaus (insbesondere Kenntnis der Praxis zur Arglist) ■ Urkundenfälschung: Urkundenbegriff, die Besonderheiten von Beweiszeichen, Beweis- und Perpetuierungsfunktion ■ Erpressung (Problematik des dolus subsequens) ■ Klarheit, welche Interessen der Begünstigungstatbestand schützt .
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Literaturhinweise FERRARI, P., La constatation fausse – le mensonge écrit, ZStrR 1994 .(112), 153 ff.; KOHLBACHER, U., Beweiszeichen als Urkunden im Schweizerischen Strafrecht, Basel 1991.
Fall 8 Krümelmonster Bearbeitung: Ingeborg Zerbes
Das Läckerli-Lädeli in Basel wird von einem etwa 20 × 50 cm grossen, vergoldeten Läckerli geschmückt – der ganze Stolz des Ladens, von Touristen immer wieder gerne fotografiert. Eines Nachts geht jedoch das Krümelmonster aus der Sesamstrasse folgendermassen vor: Es klettert geschickt die Fassade hoch, montiert das goldene Läckerli ab und verbringt es in sein Haus. Wie geplant schickt es von dort einen aus Zeitungsausschnitten zusammengesetzten Brief an die Inhaberin des Läckerli-Lädeli mit folgendem Inhalt: «Wenn du nicht binnen 14 Tagen den Kindern des Kantonsspitals Basel 100 Säcke Läckerli (50 davon in Schokolade getunkt) übergibst, wandert das goldene Läckerli zu Oskar in die Mülltonne. Wenn du das tust, bin ich jedoch weiterhin lieb zu ihm und werde es zurückgeben». Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, legt es auch noch folgendes Bild dazu. .
Die Inhaberin des Läckerli-Lädeli reagiert sofort und erfüllt zur Freude der beschenkten Kinder die Forderung des Krümelmonsters. In der nächsten Nacht wird das Läckerli daher – es ist um ein Vielfaches mehr wert als 100
Säcke essbare Läckerli – unbeschädigt zum Gepäck der über den Rhein blickenden Helvetia-Statue gelegt. Es kann ohne Probleme in Sicherheit gebracht und wieder an seinen ursprünglichen Platz montiert werden. ▶
Prüfen Sie die Strafbarkeit des Krümelmonsters.
Vorbemerkung Der Fall behandelt Diebstahl, Erpressung und Nötigung. Grundlage ist eine 1
wahre Geschichte aus Deutschland , die vor allem zu einer besonderen Beliebtheit von Krümelmonsterkostümen zur Fasnacht geführt hat. Die gleichen Probleme treten aber durchaus auch in ernsthaften Zusammenhängen auf: Sie werden in den immer wieder begangenen Kunsterpressungen diskutiert, bei denen die Täter berühmte Kunstgegenstände aus einem Museum entwenden und sie anschliessend der 2
Museumsleitung gegen Entgelt wieder anbieten . Als Vorgehen zur Falllösung empfiehlt es sich, mit dem Diebstahl zu beginnen und anschliessend danach zu fragen, ob andere Tatbestände in Frage kommen.
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des Krümelmonsters (K) .
Vorbemerkung Man könnte zwar überlegen, ob das Krümelmonster überhaupt als Täter in Frage kommt. Mit «wer» bezeichnet ein Straftatbestand jedoch jeweils eine natürliche Person als Tatsubjekt. Das Krümelmonster (in weiterer Folge: K) ist eine solche. Es ist davon auszugehen, dass es nicht nur älter als 10 Jahre und daher deliktsfähig, sondern auch nicht mehr in den Genuss des Jugendstrafrechts kommt. Im Fall einer Klausur würde der Fall dahingehend ergänzt werden, dass sich ein erwachsener Mensch bloss als Krümelmonster verkleidet hat. .
A. Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB K könnte sich dadurch, dass er das am Läckerli-Lädeli angebrachte goldene Läckerli von dort abmontiert und in sein Haus bringt, wegen Diebstahls nach Art. 139 Ziff. 1 StGB, schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Beim goldenen Läckerli handelt es sich um eine fremde bewegliche Sache: Eigentümer ist nicht K, sondern die Inhaberin des Läckerli-Lädeli. Da die Verbindung leicht lösbar ist, ist das goldene Läckerli trotz Montage am Geschäftslokal beweglich. Die Tathandlung einer Wegnahme besteht darin, dass der Gewahrsam der bisherigen Inhaberin einer Sache gegen deren Willen beendigt (gebrochen) und eigener Gewahrsam begründet wird. Das goldene Läckerli ist zwar ausserhalb des Geschäftslokals angebracht, damit befindet es sich dennoch eindeutig im Herrschaftsbereich der Geschäftsinhaberin und ist somit deren .
Gewahrsam zugeordnet. K ist es mit der Demontage des Läckerli und anschliessender verfolgungsfreier Entfernung vom Tatort, spätestens aber mit Erreichen seines Hauses, gelungen, das Läckerli in seinen Gewahrsam zu verbringen. Er hat damit den objektiven Tatbestand des Diebstahls erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand a) Tatbestandsvorsatz Diebstahl erfordert Vorsatz, der sich auf sämtliche Elemente des objektiven Tatbestandes beziehen muss (Art. 12 StGB), wobei dolus eventualis reicht. K muss es demnach zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich auch damit abgefunden haben, eine fremde bewegliche Sache wegzunehmen. Das ist zweifellos zu bejahen: K war sich bei seiner Tat bewusst, dass erstens das goldene Läckerli nicht seines und folglich fremd war und dass zweitens mit der Verbringung des Läckerlis in den eigenen Herrschaftsbereich der ursprüngliche Gewahrsam am Läckerli gebrochen und eigener Gewahrsam hergestellt wurde. .
K hat folglich Vorsatz auf den objektiven Tatbestand des Diebstahls. b) Aneignungsabsicht Art. 139 Ziff. 1 StGB erfüllt auf subjektiver Ebene nur, wer die Sache «zur Aneignung» wegnimmt: Der Täter muss sog. Aneignungsabsicht haben. Gegenstand dieser Absicht – die Aneignung – ist, dass er sich die Sache durch 3
die Ausübung einer «Quasi-Eigentümer-Position» zumindest vorübergehend in das eigene Vermögen einverleiben will (Zueignung) und sie zu diesem .
4
Zweck dem Eigentümer auf Dauer entziehen will (Enteignung) . Absichtlich handelt er dabei nur, wenn diese Verschiebungen sein Ziel sind (dolus .
.
5
directus) . Er muss daher bereits bei der Wegnahme zur Aneignung entschlossen sein. Hält er sich zu diesem Zeitpunkt noch offen, ob er sich beispielsweise die Sache nicht doch nur ausleihen will, handelt er nur eventualvorsätzlich und ist dementsprechend allenfalls bloss nach Art. 141 6
StGB strafbar . K will sich das Läckerli einerseits vorübergehend zueignen: Er will jene Rechte ausüben, die dem Eigentümer zustehen. Die täterbezogene Komponente der Aneignungsabsicht ist daher erfüllt. Andererseits hat K auch von Anfang an vor, das Läckerli wieder zurückzugeben. Die Rückgabe verbindet K zwar mit einer bestimmten Forderung – das ändert aber nichts an seinem Willen, dass der Eigentümer es wieder bekommt. Nach herrschender Abgrenzung schliesst ein derartiger Wille die opferbezogene Seite der Aneignungsabsicht mangels [101] Dauerhaftigkeit der geplanten Enteignung 7
aus . Damit läge bloss eine – grundsätzlich straflose – Gebrauchsanmassung vor. Es ist im Ergebnis jedoch überzeugender, das Element der Dauer weiter zu lockern als üblich. K versetzt mit seinem Angebot – goldenes Läckerli gegen essbare Läckerli an Kinder – die Eigentümerin schliesslich in eine Lage, in der diese nicht nach eigener Willkür ihre Eigentumsrechte ausüben kann. Diese Lage ist endgültig, wenn sie nicht das von K bestimmte Verhalten setzt. Insofern hat sich der Verlust ihrer eigentümerspezifischen Macht
8
manifestiert . Nach dieser Überlegung begeht K genauso einen Diebstahl wie ein Fahrraddieb, der durchaus damit rechnet, dass der bestohlene Eigentümer 9
sich sein Fahrrad z.B. am Flohmarkt zurückkauft . Da K den Plan der Aneignung bereits während der Wegnahme gefasst hatte, liegt seine Aneignungsabsicht, wie erforderlich, zum Zeitpunkt der Tathandlung vor. c) Bereicherungsabsicht Folgt man der zuletzt skizzierten Lösung, nach der Aneignungsabsicht bejaht wird, ist – wie Art. 139 StGB ebenfalls verlangt – zu prüfen, ob K das vergoldete Läckerli weggenommen hat, «um sich oder einen anderen damit unrechtmässig zu bereichern». Der Täter muss demnach bei der Wegnahme Bereicherungsabsicht haben, und er muss diese Bereicherungsabsicht mit der Wegnahme verbinden (Art. 139 StGB: «damit» bezieht sich auf «wegnimmt»). .
K will sich selbst um das weggenommene Läckerli bereichern, denn es will das Läckerli nach eigenem Wunsch nutzen – wenn auch dieser Wunsch 10
ausschliesslich den Kindern zugute kommen soll . Damit handelt K in der Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Das Krümelmonster will zwar etwas Gutes tun, aber es gibt keinen Rechtfertigungsgrund für sein Vorgehen. K ist auch schuldfähig und ihm kommen keine Entschuldigungsgründe zugute.
III. Zwischenergebnis K ist wegen Diebstahls am goldenen Läckerli schuldig. Vertretbar ist allerdings auch, die Aneignungsabsicht mangels Ziel einer endgültigen Enteignung zu verneinen und Diebstahl daher auf subjektiver Ebene auszuschliessen. Diesfalls müsste festgestellt werden, dass K für die Wegnahme straflos ist. Art. 141 StGB müsste nicht durchgeprüft werden: Es genügt die kurze Feststellung, dass K keinen erheblichen Nachteil zugefügt hat. B. Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB K könnte dadurch, dass er der Läckerli-Lädeli-Inhaberin androht, das vergoldete Läckerli zu Oskar in die Mülltonne wandern zu lassen, sollte sie nicht 100 Säcke Läckerli bestimmter Art an Kinder spenden, eine Erpressung nach Art. 156 Ziff. 1 StGB begangen haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand der Erpressung begeht, wer «jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt». Das auf diese Weise erzwungene Verhalten muss dazu führen, dass das Opfer dadurch «sich selber oder einen anderen am Vermögen schädigt». a) Tathandlung: Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile Als Tathandlung werden der Einsatz von Gewalt oder die Androhung ernstlicher Nachteile beschrieben. Gewalt wendet K keine an. Ernstliche Nachteile i.S. des Art. 156 StGB sind Beeinträchtigungen, zu deren 11
Vermeidung eine «verständige Person in der Lage des Betroffenen» bereit wäre, eine Vermögensleistung zu erbringen. Mit K’s Ankündigung, das
Läckerli werde ansonsten bei Oskar in der Mülltonne landen, wird die endgültige Vernichtung des Läckerlis in Aussicht gestellt. Damit könnte K der [103] Läckerli-Lädeli-Inhaberin einen Verlust angedroht haben, den zu verhindern ein verständiger Geschäftsinhaber durchaus Kosten auf sich nehmen würde. Da die Läckerli-Lädeli-Inhaberin durch den Diebstahl ihr goldenes Läckerli allerdings bereits verloren hat, lässt sich einerseits argumentieren, dass ihr mit dessen Vernichtung kein weiterer Nachteil entsteht: K stellt etwas in Aussicht, was die verursachte Lage – ohne goldenes 12
Läckerli zu sein – nicht ändert . Andererseits kann entgegengehalten werden, dass mit einer endgültigen Vernichtung auch jegliche Chance, das Läckerli wieder zu finden, verloren geht. Insofern wäre die Lage der Eigentümerin verschlechtert: Sie würde vom Zustand, ohne das goldene Läckerli zu sein, in den Zustand geraten, auch noch ohne Hoffnung zu sein, es je wiederzufinden. Fraglich ist, wie diese Verschlechterung zu bewerten ist. Sie würde jedenfalls die Wiedererlangung endgültig ausschliessen, was die mit der Wegnahme bereits eingetretene Rechtsgutsverletzung weiter intensiviert. Immerhin handelt es sich bei dem vergoldeten Läckerli um ein aufwendig gearbeitetes Markenzeichen; die Herstellung eines Ersatzes ist aufwendig. Die Androhung des endgültigen Verlusts lässt sich daher als objektiv nachvollziehbare Motivation zu einer Vermögensleistung beurteilen. Folgt man der zuletzt skizzierten Argumentation, liegt in der Ankündigung, das Läckerli werde in die Mülltonne wandern, eine Androhung eines ernstlichen Nachteils i.S. des Art. 156 StGB. b) Taterfolg: Vermögensschaden Eine Erpressung ist vollendet, wenn das Opfer aufgrund der Drohung «sich selber oder einen anderen am Vermögen schädigt». Dadurch, dass die Läckerli-Lädeli-Inhaberin 100 Säcke Läckerli verschenkt, könnte sie sich selbst um den Wert dieser Läckerli geschädigt haben. Allerdings erhält sie eine Gegenleistung: das vergoldete Läckerli, das sogar um einiges wertvoller
ist. Ihr Vermögensschaden wird insofern kompensiert. Dieser Argumentation kann auf den ersten Blick entgegen gehalten werden, dass ihr ja das vergoldete Läckerli zusteht: Sie ist nach wie vor die Eigentümerin, die Anspruch auf Herausgabe hat. Die Herausgabe führe somit zu keinem Vermögenszuwachs und könne folglich den Vermögensschaden in der Höhe des Wertes von 100 Säcken Läckerli nicht kompensieren. Diese Lösung, die der deutsche BGH in einem Fall von «Kunsterpressung» ohne weitere Vertiefung gewählt und daher die Strafbarkeit des betreffendes 13
Diebes auch wegen Erpressung bejaht hat , übersieht allerdings die Eigenheiten des strafrechtlichen Vermögensbegriffs. Einen Schaden bzw. einen Zuwachs am Vermögen berechnet man im Strafrecht gerade nicht nach den zivilrechtlichen Ansprüchen, die nach einer deliktischen Vermögensverschiebung eintreten, sondern nach der faktischen wirtschaftlichen Lage. So hat etwa ein Betrüger, der einem anderen durch Täuschung eine Sache herausgelockt hat, einen Vermögensgewinn (Bereicherung), der Betrogene einen Vermögensschaden. Dass er einen zivilrechtlichen Anspruch auf Rückgabe und diese Forderung insofern auf Seiten seiner Aktiva steht, lässt die strafrechtliche Bewertung unberührt. Diese ist sogar notwendige Voraussetzung, um überhaupt ein Vermögens(Verschiebungs-) Delikt festzustellen. .
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Ausgehend von diesen Überlegungen hat die Läckerli-Lädeli-Inhaberin durch den Diebstahl einen Vermögensschaden um das gestohlene Läckerli erlitten. Bekommt sie es zurück, wird dieser Vermögensschaden wieder 14
ausgeglichen . Das ist – nach den oben skizzierten strafrechtlichen Kriterien – ein Vermögensgewinn. Dass essbare Läckerli und ein vergoldetes Läckerli Vermögenswerte verschiedener Art sind, spielt im Zusammenhang mit der Erpressung keine Rolle: Es handelt sich um kein gegenstandsbezogenes
Delikt, sondern um ein Delikt gegen das gesamte Vermögen. Der Vermögensschaden wird demnach aus einem Vergleich des Vermögens vor der Tat mit dem Vermögen nach der Tat ermittelt. Vor der Tat hat die LäckerliLädeli-Inhaberin 100 Säcke Läckerli und einen wirtschaftlich gesehen wertlosen Anspruch auf das vergoldete Läckerli. Nach ihrer mittels Androhung erzwungenen Spende sind von ihrem Vermögen 100 Säcke Läckerli abzuziehen, aber ein vergoldetes Läckerli dazu zu rechnen. Und da das goldene Läckerli sogar mehr wert ist als die essbaren Läckerli, an denen sie sich aufgrund der Drohung am Vermögen schädigt, ist insgesamt kein Vermögensschaden eingetreten. II. Zwischenergebnis Nach der hier entwickelten Lösung, nach der trotz Rückgabevorhabens 15
Aneignungsabsicht und somit Diebstahl bejaht wurde , scheitert die Erpressung aufgrund der Kompensation des durch Drohung erwirkten Vermögensschadens. Wird hingegen unter Berufung auf die gängigen Stellungnahmen zur Dauer der Enteignung ausgeschlossen, dass K das vergoldete Läckerli mit Aneignungsabsicht weggenommen und daher nicht gestohlen hat, kann die Rückgabe den abgenötigten Vermögensschaden nicht kompensieren: Ohne Aneignungsvorsatz des Täters hat das Opfer einer Wegnahme die betreffende Sache nicht verloren. 16
C. Nötigung gemäss Art. 181 StGB
Die Androhung, das gestohlene Läckerli endgültig zu vernichten, wenn die Läckerli-Lädeli-Inhaberin nicht die betreffende Spende leistet, könnte auch als Nötigung, Art. 181 StGB, beurteilt werden.
I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Wie Erpressung wird Nötigung durch die Androhung ernsthafter Nachteile begangen. Das dadurch abgenötigte Verhalten des Opfers wird aber nicht weiter konkretisiert: Die Verursachung eines Vermögensschadens ist nicht erforderlich; der Täter zwingt das Opfer zu irgendeinem Verhalten. a) Tathandlung: Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile Die Tathandlung der Nötigung stimmt mit der einer Erpressung überein. 17
Folglich kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden . Folgt man der Überlegung, nach der endgültiges Vernichten einer Sache die Lage des Opfers auch dann verschlechtert, wenn es die Sache bereits verloren hat, kann auch hier das Androhen eines ernsthaften Nachteils bejaht werden. b) Taterfolg: Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung Die Läckerli-Lädeli-Inhaberin spendet 100 Säcke echte Läckerli, um das vergoldete Läckerli vor der angedrohten Vernichtung zu bewahren. Sie setzt damit eine durch die Androhung motivierte Handlung. Der Nötigungserfolg liegt damit vor, ebenso die Kausalität zwischen Androhung und Nötigungserfolg. Daher ist der objektive Tatbestand einer Nötigung insgesamt erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Die Nötigung muss zumindest von Eventualvorsatz getragen sein. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass K sich sowohl seiner Androhung, der Ernsthaftigkeit der angedrohten Nachteile als auch der Wirkung seiner Androhung als Motivation für die Spende bewusst ist und all das auch will. K handelt daher vorsätzlich. II. Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit ist bei Nötigung nicht durch die Tatbestandserfüllung indiziert, sondern bedarf einer besonderen Prüfung: Mittel oder Zweck müssen unerlaubt oder das Mittel im Hinblick auf den angestrebten Zweck 18
unverhältnismässig sein . K ist sympathisch, setzt aber mit der Drohung, das Läckerli endgültig zu vernichten, ein unerlaubtes Mittel für sein schönes Ziel ein. Es geniesst auch keine sonstigen Rechtfertigungsgründe. III. Schuld Es gibt auch keine Entschuldigungsgründe für das Verhalten von K. IV. Zwischenergebnis K ist aufgrund seiner Androhung der Vernichtung des vergoldeten Läckerlis und des dadurch ausgeübten Zwanges zur Spende wegen Nötigung schuldig.
Konkurrenzen K hat zuerst einen Diebstahl und anschliessend eine Nötigung begangen; falls man – anders als hier präferiert – der Lösung des BGH folgt, ist ihm sogar eine Erpressung vorwerfbar, die kraft Spezialität die Nötigung verdrängt. Einerseits hat K zwar mit seinem Diebstahl das Eigentum der Läckerli-LädeliInhaberin verletzt und mit der anschliessenden Nötigung (bzw. der Erpressung) ein Delikt gegen die Freiheit begangen. Angesichts dessen könnte .
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echte Konkurrenz angenommen werden . Andererseits hat es mit der Nötigung (bzw. der Erpressung) nichts anderes gemacht als seine Diebstahlsbeute verwertet. Sein Verhalten lässt sich daher .
genauso beurteilen, wie das Handeln eines Diebes, der die gestohlene Sache – an wen auch immer – verkauft. So gesehen setzt es kein weiteres (strafbares) [107] Unrecht. Seine Nötigung lässt sich daher durchaus als straflose Nachtat zum Diebstahl beurteilen. Selbst der Dieb, der die gestohlene Sache zerstört, wird nach einhelliger Konkurrenzlehre nicht auch noch wegen .
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Sachbeschädigung verurteilt . Das gilt selbst dann, wenn er die Zerstörung dem Opfer mitteilt. K, das hingegen die gestohlene Sache nicht nur erhält, sondern sogar eine solche Verwertung betreibt, die weniger als den Wert der Sache einbringt, darf nicht schlechter gestellt werden. Der Eigentümer erhält durch das Nachtatverhalten sogar einen Teil des durch den Diebstahl erlittenen Vermögensschadens zurück (in der Höhe des Mehrwerts des goldenen Läckerlis gegenüber den 100 Säcken der Spende). .
Gesamtzusammenfassung Das Krümelmonster ist wegen Diebstahls strafbar. Die anschliessend verursachte Nötigung wird als straflose Nachtat vom Diebstahl konsumiert. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Überzeugende Diskussion der Aneignungsabsicht beim Diebstahl ■ Präzise Anwendung des strafrechtlichen Vermögensbegriffs für die Frage des Vermögensschadens bei einer Erpressung. Es sollte die Frage herausgearbeitet und schlüssig beantwortet werden, inwiefern das Opfer, das für die Rückgabe einer ihm bereits entzogenen Sache etwas leisten muss, einen (weiteren) Vermögensnachteil erleidet und daher (auch) Opfer einer Erpressung wird. .
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■ Erkennen einer Nötigung bei erpresserischem Verhalten, das zu keinem Vermögensschaden führt
Literaturhinweise VENIER, A., Kunsterpressung – ein Vermögensstrafrechtliches Paradoxon?, JSt 2004, 73.
Fall 9 Leasing Bearbeitung: Stephanie Eymann
Grundfall: Franz hat ein Fahrzeug geleast. Mit Abschluss des Leasingvertrages verpflichtete er sich, eine Vollkaskoversicherung abzuschliessen und die Rechte und Leistungen aus dieser Versicherung an den Leasinggeber abzutreten. Gleichzeitig wurde im Leasingvertrag vereinbart, dass der Vertrag bei Diebstahl des Fahrzeuges aufgehoben würde, wenn das gestohlene Leasingfahrzeug nicht mehr beigebracht werden könne und der Leasinggeber deshalb die Leistung der Kaskoversicherung erhalten habe. In der Folgezeit inszeniert Franz das Verschwinden des Fahrzeugs und meldet es bei der Polizei, dem Leasinggeber und der Versicherung als gestohlen. Die Versicherung zahlt daraufhin die Versicherungssumme an den Leasinggeber aus. ▶
Strafbarkeit des Franz?
Variante: Franz hat das in seinem Eigentum stehende Fahrzeug versichert. Er zündet das Auto im Bestreben an, die Versicherungssumme zu kassieren. Ehe er den Verlust melden kann, zeigt ihn ein Kollege, der von seiner Absicht wusste, an. ▶
Strafbarkeit des Franz?
Vorbemerkung Sachverhalt angelehnt an: BGE 134 IV 210.
Lösungsvorschlag
Grundfall Strafbarkeit Franz Schädigung der Versicherung A. Betrug nach Art. 146 Abs. 1 StGB Indem Franz das geleaste Fahrzeug bei der Versicherung als gestohlen meldet, obwohl er es selbst hat verschwinden lassen, könnte er sich des Betrugs nach Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 146 Abs. 1 StGB erfüllt, wer jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und den Irrenden dadurch zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich am Vermögen schädigt. a) Arglistige Täuschung Der Betrugstatbestand setzt eine arglistige Täuschung voraus. Die Täuschung besteht in der Vorspiegelung von Tatsachen. Tatsachen sind vergangene oder 1
gegenwärtige, d. h. objektiv feststehende Geschehnisse . Weiter muss die Täuschung auch arglistig sein. Arglist kann in besonderen betrügerischen Machenschaften, d.h. der Errichtung eines ganzen
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Lügengebäudes , oder aber ausnahmsweise auch in der schlichten Täuschung liegen, wenn 1) die Überprüfung der falschen Angaben dem Getäuschten nicht oder nur 3
mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist oder 2) wenn der Täter den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder wenn er nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung unterlassen wird, weil ein besonderes Vertrauensverhältnis 4
besteht . Vorliegend hat Franz das Auto wohl versteckt. Es ist fraglich, ob damit ein ganzes Lügengebäude erstellt wurde. Dafür sprechen die gezielt aufeinander abgestimmten einzelnen Meldungen an die Polizei, den Leasinggeber und die Versicherung. Sieht man hier die Schwelle zum Lügengebäude noch nicht als überschritten an, so kann jedenfalls eine von der Arglist mitumfasste schlichte Täuschung angenommen werden, denn die Überprüfung, ob ein Fahrzeug wirklich gestohlen wurde, ist praktisch unmöglich und der Versicherung nicht zumutbar. Franz hat die Versicherung somit arglistig getäuscht. b) Irrtum 5
Die Täuschung muss als nächsten «Zwischenerfolg» einen Irrtum, das heisst,
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eine «Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit» , hervorrufen. Dadurch dass Franz das Fahrzeug als gestohlen meldet, unterliegt die Versicherung einem Irrtum. c) Vermögensverfügung Betrug ist ein Selbstschädigungsdelikt. Die getäuschte Person muss eine Vermögensverfügung zu ihrem eigenen Nachteil oder zum Schaden eines Dritten veranlassen. Als Vermögensverfügung gilt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts jede Handlung, Duldung oder Unterlassung, die geeignet ist, eine Vermögensverminderung beim Getäuschten oder einem Dritten 7
herbeizuführen . Die Versicherung zahlt aufgrund der nicht wahrheitsgemässen Meldung, das Auto sei gestohlen worden, die Versicherungssumme an den Leasinggeber aus und verfügt damit über ihr Vermögen. d) Motivationszusammenhang Der Motivationszusammenhang ist darin zu sehen, dass die Versicherung durch die Täuschung des Franz über den Diebstahl des Fahrzeugs in einen Irrtum versetzt und zu einem vermögensvermindernden Verhalten, nämlich zur Auszahlung der Versicherungssumme an den Leasinggeber, veranlasst wird. e) Vermögensschaden Aufgrund der Vermögensverfügung müsste ein Vermögensschaden eingetreten sein. Dem Vermögensschaden liegt gemäss nunmehr h. L. und Rechtsprechung der
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juristisch-wirtschaftliche Vermögensbegriff zugrunde . Danach wird das Vermögen als Summe der rechtlich geschützten wirtschaftlichen Werte definiert. Ein Schaden kann in der Verminderung der Aktiven oder in der Vermehrung der Passiven oder aber in einer unterbliebenen Vermögensvermehrung bestehen. Durch das Ausbezahlen der Versicherungssumme an den Leasinggeber ohne Vorliegen eines Versicherungsfalles vermindert die Versicherung ihre Aktiven und erleidet dadurch einen Vermögensschaden. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz Der subjektive Tatbestand von Art. 146 Abs. 1 StGB erfordert zunächst Vorsatz nach Art. 12 Abs. 2 StGB. Es bestehen im vorliegenden Fall für Franz keine Zweifel, dass er die Elemente des objektiven Tatbestandes gekannt und auch gewollt hat. Franz handelt damit vorsätzlich. b) Unrechtmässige Bereicherungsabsicht Weiter ist erforderlich, dass Franz in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht handelt. Erforderlich ist ein innerer Zusammenhang zwischen Schaden und Bereicherung, die sog. Stoffgleichheit. Die Bereicherung muss somit als 9
Kehrseite des Schadens erscheinen . Das Bundesgericht hat das Erfordernis der Stoffgleichheit bejaht, indem es Folgendes festhielt: «[…] so wie es bei den Aneignungsdelikten um eine Eigentumsverschiebung geht, geht es beim Betrug um eine (beabsichtigte) Vermögensverschiebung. Aus dem Tatbestandsmerkmal der Bereicherungsabsicht ist daher zu schliessen, dass der Täter die Absicht verfolgen muss, sich oder einen Dritten gerade um denjenigen Vermögensbestandteil zu bereichern, der dem Getäuschten .
entzogen wird. Entscheidend ist mithin, dass die Bereicherung nicht aus einem 10
anderen als dem Opfervermögen erfolgt ». Im vorliegenden Fall ist fraglich, ob die Stoffgleichheit gegeben ist: Franz hat die Versicherungsansprüche vertraglich an den Leasinggeber abgetreten. Der Schaden der Versicherung besteht in der ausbezahlten Versicherungssumme an den Leasinggeber. Die Bereicherung des Franz besteht darin, infolge [113] Auflösung des Leasingvertrags, keine Leasingraten mehr bezahlen zu müssen. Dieser Vorteil ist aber bloss mittelbar, da er aus dem Vermögen des Leasinggebers stammt. Damit ist die Stoffgleichheit nicht gegeben. Der subjektive Tatbestand sowie die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind somit mangels Stoffgleichheit nicht erfüllt. II. Ergebnis Franz hat sich nicht gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. B. Arglistige Vermögensschädigung gemäss Art. 151 StGB Indem Franz das geleaste Fahrzeug bei der Versicherung als gestohlen meldet, obwohl er dieses nur hat verschwinden lassen, könnte er sich der arglistigen Vermögensschädigung nach Art. 151 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Die objektiven Tatbestandselemente sind deckungsgleich mit denjenigen des Betrugs. Es wird daher vollumfänglich auf die dortige Abhandlung verwiesen (A.I.1.).
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Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.
2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand von Art. 146 Abs. 1 StGB erfordert zunächst Vorsatz nach Art. 12 Abs. 2 StGB. Es bestehen im vorliegenden Fall für Franz keine Zweifel, dass er die Elemente des objektiven Tatbestandes gekannt und auch gewollt hat. Franz handelt damit vorsätzlich. Art. 151 StGB ist als Auffangtatbestand konzipiert und greift dann, wenn die Betrugsstrafbarkeit aufgrund mangelnder Stoffgleichheit an der 11
unrechtmässigen Bereicherungsabsicht scheitert . Dies ist vorliegend, wie unter A.I.2.b) gesehen, der Fall. Der subjektive Tatbestand sowie die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind somit erfüllt. II. Rechtswidrigkeit Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor, Franz handelt rechtswidrig. III. Schuld Es liegen weder Schuldausschluss- noch Entschuldigungsgründe vor, Franz handelt schuldhaft. IV. Ergebnis Franz hat sich gemäss Art. 151 StGB schuldig gemacht.
Schädigung des Leasinggebers A. Betrug nach Art. 146 Abs. 1 StGB Indem Franz das Fahrzeug als gestohlen meldet, die Vertragsauflösung bewirkt und folglich keine Leasingraten mehr bezahlen muss, könnte er sich
des Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 146 Abs. 1 StGB erfüllt, wer jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und den Irrenden dadurch zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich am Vermögen schädigt. a) Arglistige Täuschung Bezüglich der Definition der arglistigen Täuschung wird auf die unter A.I.1.a) gemachten Ausführungen verwiesen (oben S. 110 f.). .
Franz täuscht den Leasinggeber durch die Meldung, das Fahrzeug sei gestohlen worden. Die ebenfalls getäuschte Versicherung, die dem Irrtum unterliegt, der Versicherungsfall sei eingetreten, zahlt dem Leasinggeber die Versicherungssumme aus und bewirkt somit die Vertragsauflösung mit Franz und den Wegfall der Leasingratenzahlungen. Es kann auf das unter A.I.1.a) Gesagte verwiesen werden (oben S. 110 f.). Die arglistige Täuschung liegt vor. .
b) Irrtum 12
Die Täuschung muss als nächsten «Zwischenerfolg»
einen Irrtum, das 13
heisst, eine «Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit» , hervorrufen. [115] Dadurch dass Franz das Fahrzeug dem Leasinggeber als gestohlen meldet unterliegt dieser dem Irrtum, das Fahrzeug sei tatsächlich gestohlen worden. c) Vermögensverfügung Bezüglich der Definition der Vermögensverfügung wird auf das unter A.I.1.c)
Gesagte verwiesen (oben S. 111 f.). .
Der Leasinggeber unterlässt es, die Leasingraten gegenüber Franz weiterhin zu fordern und löst den Leasingvertrag auf. Diese Nichtgeltendmachung eines Anspruchs gilt als Vermögensverfügung. d) Motivationszusammenhang Der Motivationszusammenhang ist darin zu sehen, dass Franz den Leasinggeber durch die Täuschung über den Diebstahl des Fahrzeugs in einen Irrtum versetzt und zu einem vermögensvermindernden Verhalten, nämlich zur Nichtgeltendmachung der Leasingraten, bringt. e) Vermögensschaden Aufgrund der Vermögensverfügung müsste ein Vermögensschaden eingetreten sein. Bzgl. der Definition des Vermögensschadens wird auf das unter A.I.1.e) Gesagte verwiesen (oben S. 111 f.). .
Fraglich ist, ob dem Leasinggeber ein Vermögensschaden entstanden ist. Der Wegfall der Leasingraten wird durch die ausbezahlte Versicherungssumme bereits kompensiert. Damit könnte argumentiert werden, dass dem Leasinggeber kein Schaden entstanden ist. Jedoch ist der Anspruch mit einer Unsicherheit behaftet, denn für den Fall, dass der Betrug des Franz auffliegt, könnte der Leasinggeber rückerstattungspflichtig werden. Mit diesem Argument könnte der Vermögensschaden angenommen werden. Der Vermögensschaden könnte unabhängig von dieser Diskussion darin gesehen werden, dass die ausbezahlte Versicherungssumme regelmässig tiefer ist als das was der Leasinggeber durch die Gewinnmarge auf den Leasingraten hätte einnehmen können, wenn der Vertrag ordentlich erfüllt worden wäre. Dieser Prozentsatz wird dem Leasinggeber nicht ersetzt. Somit erleidet er im fehlenden Differenzbetrag zwischen Versicherungssumme und Leasingrate einen Vermögensschaden. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz
Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB. Franz weiss, dass er durch das Fingieren des Diebstahls aus dem Leasingvertrag freikommt und keine Raten mehr zahlen muss während er im Besitz des Fahrzeugs bleibt und will dies auch. Er handelt damit vorsätzlich. b) Unrechtmässige Bereicherungsabsicht Weiter müsste Franz in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht handeln. Gegenstand der unrechtmässigen Bereicherung ist nicht nur der Vorteil, den der Täter als Endziel anstrebt, sondern er umfasst auch alle Bereicherungen, die er als Zwischenziel durchläuft, in casu also auch die Bereicherung des Leasinggebers als fremdnütziger Betrug auf dem Weg zum Ziel, von den Leasingraten befreit zu sein. Die Bereicherung stammt aus dem Vermögen des Getäuschten, damit liegt die für die unrechtmässige Bereicherungsabsicht erforderliche Stoffgleichheit vor. Der subjektive Tatbestand und die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. Franz handelt rechtswidrig. III. Schuld Es liegen weder Schuldausschluss- noch Entschuldigungsgründe vor. Franz handelt schuldhaft. IV. Ergebnis Franz hat sich gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. B. Veruntreuung nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB Indem Franz das Fahrzeug als gestohlen meldet, die Vertragsauflösung bewirkt und folglich keine Leasingraten mehr bezahlen muss, könnte er sich der Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht
haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand der Veruntreuung erfüllt, wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet. a) Fremde, bewegliche Sache Beim Fahrzeug handelt es sich um eine bewegliche Sache. Fraglich ist, ob das Fahrzeug auch fremd ist. Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass Franz das Fahrzeug geleast hat. Das Leasing ist ein privatrechtlicher Innominatvertrag, der sich aus Elementen der Miete und des Kaufs zusammensetzt. Es gibt bzgl. des Eigentumsübergangs verschiedene Unterarten. Um die Frage der Fremdheit sicher beantworten zu können, müsste man den konkret in Frage stehenden Vertrag kennen. Es kann aber gesagt werden, dass im Normalfall des Leasings das Eigentum während der Laufdauer des Vertrags gerade nicht über geht, sondern erst am Ende eine sogenannte Kaufoption für den Leasingnehmer entsteht. Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen, so dass das Fahrzeug für Franz fremd ist. b) anvertraut Fraglich ist, ob der Leasinggeber Franz das Fahrzeug anvertraut hat. Anvertraut ist nach langjähriger Rechtsprechung des Bundesgerichts, «[…] was jemand mit der Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse eines anderen zu verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder abzuliefern. Eine solche Verpflichtung kann auf 14
ausdrücklicher oder stillschweigender Abmachung beruhen ». In der Lehre wurde verschiedentlich eine Konkretisierung der Definition des Elements
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«anvertraut» gefordert: So schlagen Niggli / Riedo folgende Ergänzungen der bundesgerichtlichen Formulierung vor: «Anvertraut ist, (1) was jemand mit der besonderen Verpflichtung empfängt, es dem Treugeber zurückzugeben oder es für diesen an einen Dritten weiterzuleiten, (2) wobei der Treugeber seine Verfügungsmacht über das Anvertraute aufgibt». Aus dieser Definition wird deutlich, dass der Täter das Anvertraute empfangen, d.h. ausschliessliche Verfügungsmacht erlangt haben muss und ihn ausserdem eine Werterhaltungspflicht trifft. Die Objekte des so verstandenen Anvertrautseins ergeben sich dabei aus dem Grundgeschäft. .
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Beim Leasing empfängt der Leasingnehmer die Sache und erlangt ausschliessliche Verfügungsmacht über sie. Er ist befugt sie zu verwenden, darf sie aber nicht veräussern oder zerstören, zumal am Ende der Vertragsdauer eine Rücknahme durch den Leasinggeber möglich ist. Das Fahrzeug wurde Franz damit anvertraut. c) aneignen Aneignung ist die Manifestation des Aneignungswillens durch eine äusserlich 16
erkennbare Handlung . Sie besteht in der dauernden Enteignung des Treugebers und der mindestens vorübergehenden Zueignung des Treunehmers. Indem Franz das Verschwinden des Autos inszeniert, es aber in Tat und Wahrheit noch immer in seinem Besitz hat, hat er es wirtschaftlich seinem eigenen Vermögen einverleibt und damit zugeeignet und den Leasinggeber endgültig enteignet. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz nach Art. 12 Abs. 2 StGB sowie unrechtmässige Bereicherungsabsicht.
Franz lässt das Fahrzeug vorsätzlich im Bestreben verschwinden, die Vertragsauflösung zu bewirken und keine Leasingraten mehr bezahlen zu müssen, aber das Fahrzeug dennoch zu behalten. Die unrechtmässige Bereicherungsabsicht liegt damit vor. Der subjektive Tatbestand sowie die gesamte Tatbestandsmässigkeit liegen vor. II. Ergebnis Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. Franz handelt rechtswidrig. III. Schuld Es liegen weder Schuldausschluss- noch Entschuldigungsgründe vor. Franz handelt schuldhaft. IV. Ergebnis Franz hat sich gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Rechtspflegedelikte A. Irreführung der Rechtspflege gemäss Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB Indem Franz das bloss versteckte Fahrzeug bei der Polizei als gestohlen meldet, könnte er sich der Irreführung der Rechtspflege nach Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer bei einer Behörde anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden. Als Behörde im Sinne des Tatbestands
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gilt die Strafjustiz insgesamt . Die Polizei ist damit als Angriffsobjekt mitumfasst. Indem Franz das versteckte Fahrzeug bei der Polizei als gestohlen meldet, zeigt er eine nicht verübte Straftat an. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Den subjektiven Tatbestand erfüllt, wer wider besseres Wissen handelt. Erforderlich ist damit ein qualifizierter Vorsatz. Franz weiss, dass das Fahrzeug nicht gestohlen wurde und will den Verlust wider besseres Wissen anzeigen. Er handelt damit vorsätzlich, der subjektive Tatbestand und die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor. Franz handelt rechtswidrig. III. Schuld Es liegen keine Entschuldigungsgründe vor. Franz handelt schuldhaft. IV. Ergebnis Franz hat sich des Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Variante Strafbarkeit des F A. Versuchter Betrug gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB Indem Franz sein Fahrzeug im Bestreben die Versicherungssumme zu
kassieren anzündet, könnte er sich des versuchten Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. Beim Betrug handelt es sich um ein Verbrechen (Art. 10 Abs. 2 StGB). Der Versuch ist demnach gemäss Art. 146 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB strafbar. .
I. Tatbestandsmässigkeit 1. Subjektiver Tatbestand: Tatentschluss Franz muss den Tatentschluss, d.h. den Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB bezüglich aller objektiven Tatbestandselemente gefasst haben. Er müsste also Vorsatz bezüglich der arglistigen Täuschung, dem daraus folgenden Hervorrufen eines Irrtums, der Vermögensverfügung und dem daraus resultierenden Vermögensschaden sowie dem Motivationszusammenhang haben. Überdies muss Franz in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht gehandelt haben. Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass es zu einer Schadensmeldung bei der Versicherung nur deshalb nicht kommt, weil ein Kollege Franz anzeigt. Dieser hatte jedoch den Vorsatz darauf, die Versicherung zu täuschen, indem er bei der Schadensmeldung den tatsächlichen Grund des Brandes verschwiegen hätte. Ein solches Schweigen erfüllt das Erfordernis der Arglist, denn die Brandursachenforschung ist ein schwieriges Unterfangen. Ein solches Vorgehen hätte bei der Versicherung den Irrtum hervorgerufen, dass sich der Schaden unverschuldet, ohne fremdes Zutun ereignet hatte. Denn ein vorsätzlich selbst herbeigeführtes Schadensereignis ergibt nach sämtlichen Versicherungsbestimmungen keinen Anspruch. Darauf gestützt hätte die Versicherung die Versicherungssumme ausbezahlt und sich somit am Vermögen geschädigt. Bezüglich all dieser Elemente hatte Franz Vorsatz und handelte überdies um die Versicherungssumme zu erhalten, folglich also mit Bereicherungsabsicht. Franz hat den Tatentschluss gefasst. 2. Objektiver Tatbestand: Beginn der Ausführung Fraglich ist, ob Franz bereits mit der Tatausführung begonnen hat. Nach der
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Schwellentheorie des Bundesgerichts zählt zur Tatausführung schon «jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen». Dabei dienen die zeitliche und räumliche Nähe zur Tatbestandsverwirklichung sowie der Einbruch in die Schutzsphäre des Opfers als Abgrenzungskriterien. Fraglich ist, ob mit dem Anzünden des Fahrzeugs der point of no return in casu bereits überschritten wurde. Es könnte argumentiert werden, dass die eigentlich beabsichtigte Tat, der Versicherungsbetrug, noch gar nicht begonnen hat, zumal noch keinerlei Kontakt resp. täuschendes Verhalten gegenüber der Versicherung vorliegt und daher der letzte entscheidende Schritt noch nicht getan wurde. Es wurde noch nicht in die Schutzsphäre des Opfers eingegriffen und die zeitliche Nähe zur Tatbestandsverwirklichung 19
liegt noch nicht vor. Demgegenüber setzt das Bundesgericht den Versuchsbeginn beim Versicherungsbetrug sehr früh an: Die Schwelle zum Versuch soll bereits dann überschritten sein, wenn das versicherte Objekt mit dem Ziel beschädigt wird, von der Versicherung betrügerisch Schadenersatz zu verlangen. Es geht sogar noch weiter und bejaht den versuchten Betrug bereits ab dem Zeitpunkt des Versuchs der Beschädigung des versicherten 20
Objekts . Die Bejahung des Versuchsbeginns bereits mit Versuch der Beschädigung erscheint etwas weit vorgegriffen, kann sich der Täter doch noch immer gegen die Vollendung der Zerstörung des versicherten Objekts entscheiden. Es ist
jedoch der Meinung des Bundesgerichts dahingehend zu folgen, dass der letzte entscheidende Schritt zum versuchten Versicherungsbetrug in der Zerstörung des Fahrzeugs zu sehen ist, denn die Schadensmeldung und damit das Kassieren der Versicherungssumme erscheinen als logische Konsequenz dieses Vorgehens. Mit dem Anzünden des Fahrzeugs hat Franz folglich den letzten 21
entscheidenden Schritt getan und mit der Tatausführung begonnen . II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. Franz handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis Franz hat sich gemäss Art. 146 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis 1. Grundfall a) Schädigung der Versicherung Franz hat sich der arglistigen Vermögensschädigung gemäss Art. 151 StGB strafbar gemacht. b) Schädigung des Leasinggebers Franz hat sich des Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB sowie der Veruntreuung nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Es fragt sich, wie diese beiden Tatbestände in Konkurrenz stehen: Da vorliegend der Treuebruch, die Aneignung des durch den Leasingvertrag anvertrauten Fahrzeugs, im Vordergrund steht und der Erlass der Leasingraten durch
Täuschung als blosse Folge davon erscheint, tritt nach der hier vertretenen 22
Meinung der Betrug hinter die Veruntreuung zurück . Franz hat sich damit der Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. c) Rechtspflegedelikte Franz hat sich der Irreführung der Rechtspflege nach Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. 2. Variante Franz hat sich des versuchten Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Richtiger Aufbau und Erkennen der verschiedenen Probleme in den jeweiligen Handlungsabschnitten ■ Saubere Unterscheidung der möglichen Geschädigten und der sich stellenden Probleme ■ Sichere Kenntnis der Tatbestandsmerkmale des Betrugs ■ Erkennung des Problems der Stoffgleichheit ■ Erkennung des Ausweichtatbestands der arglistigen Vermögensschädigung ■ Diskussion des Schadens des Leasinggebers ■ Erkennung und saubere Abhandlung der Veruntreuung
Literaturhinweise
WOHLERS, W., Die Stoffgleichheit von Vermögensschaden und angestrebter Bereicherung beim Betrug, Zugleich Besprechung von BGer, Urteil vom 13. 6. 2008, 6B_4/2008 .(BGE 134 IV 210 m.V. auf Häring, AJP 2008, 1596), forumpoenale 2009, 115 ff.
Fall 10 Zapfhahn Bearbeitung: Stephanie Eymann
X fährt mit seinem Personenwagen von Zürich herkommend an eine Tankstelle auf der Autobahn Richtung Basel und tankt sein Fahrzeug voll. Im Anschluss begibt er sich an die Kasse, um mit seiner Kreditkarte zu bezahlen. Zu seinem gespielten Erstaunen funktioniert die Karte aber nicht. Eine andere Karte hat er nicht und Bargeld hat er ebenfalls keines auf sich. Er erklärt der Dame an der Kasse peinlich berührt die Situation und versichert ihr, Geld holen zu gehen und zurückzukehren. X fährt los, kehrt jedoch nie zur Tankstelle zurück. Allenfalls erforderliche Strafanträge gelten als gestellt. ▶
Prüfen Sie die Strafbarkeit von X.
Lösungsvorschlag
A. Diebstahl nach Art. 139 Ziff. 1 StGB (i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB) .
Indem X sein Fahrzeug an der Tankstelle volltankt, jedoch nicht bezahlt, könnte er sich des Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB (i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB) schuldig gemacht haben. .
I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Eine Tankladung Benzin für einen Personenwagen kostet unter CHF 300, 1
weshalb der Schaden nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung geringfügig ist, der Diebstahl gemäss Art. 172ter Abs. 1 StGB somit nur auf Antrag verfolgt wird. Hinweise auf eine qualifizierte Tatbegehung (Art. 172ter Abs. 2 StGB) liegen keine vor. Der erforderliche Strafantrag des Tankstelleninhabers wurde laut Sachverhalt gestellt. .
Den objektiven Tatbestand von Art. 139 Ziff. 1 StGB erfüllt, wer jemandem eine fremde bewegliche Sache wegnimmt. a) Fremde, bewegliche Sache Bei Benzin handelt es sich ungeachtet des flüssigen Aggregatszustands um eine bewegliche Sache. Fraglich ist jedoch, ob es sich beim an einer Selbstbedienungstankstelle bezogenen Benzin auch um eine fremde Sache handelt. Das Einfüllen des Benzins führt zur Vermischung mit dem sich im Tank befindenden Restbenzin. Gemäss Art. 727 Abs. 1 ZGB entsteht im Falle der Vermischung Miteigentum an der neuen Sache, wenn eine Trennung nicht möglich ist. Nach herrschender zivilrechtlicher Lehre gilt dies auch bzgl.
2
vertretbarer Sachen wie Benzin . Eine im Miteigentum stehende Sache ist damit nach wie vor fremd. b) Wegnahme Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache nach den Regeln des sozialen Lebens. Gewahrsam beinhaltet dabei zwei Elemente: 3
die [127] Herrschaftsmöglichkeit und den Herrschaftswillen . Zur Bejahung der Herrschaftsmacht sind die räumliche und zeitliche Beziehung zur Sache massgebend. Fraglich ist, in wessen Gewahrsam das Benzin an einer Tankstelle, bei der zuerst getankt und anschliessend bezahlt wird, steht. Das zur Verfügung gestellte Benzin steht, solange es sich noch in der Zapfsäule befindet, im Gewahrsam des Tankstelleninhabers. Wird das Benzin dann in den Tank eines Fahrzeugs eingefüllt, geht es in den Gewahrsam des Fahrzeuginhabers über. Fraglich ist, ob der Gewahrsam des Tankstelleninhabers durch das Einfüllen des Benzins an Selbstbedienungstankstellen gebrochen wird. Hierzu können verschiedene Meinungen vertreten werden: Gegen die Annahme eines Gewahrsamsbruchs spricht die typische Konstellation an Tankstellen wie der vorliegend beschriebenen: Das Benzin wird vom Tankstelleninhaber zur Verfügung gestellt, es wird durch den Kunden eingefüllt und danach bezahlt (im Unterschied zum Tanken am Automaten, wo zuerst bezahlt und dann getankt wird). Der Gewahrsamswechsel erfolgt damit im Einverständnis mit dem Tankstellenbetreiber. Dass die Dame an der Kasse über die Zahlungsbereitschaft getäuscht wird, spielt dabei keine Rolle, da das Einverständnis des Tankstellenbetreibers das objektive Tatbestandselement der Wegnahme bereits durch das zur Verfügung stellen der Zapfsäule entfallen .
lässt. Bei diesem Tatbestandstypus genügt der natürliche Wille des Opfers, das 4
mit einem Willensmangel behaftete Einverständnis ist dennoch gültig . Damit liegen weder Gewahrsamsbruch noch Wegnahme vor. Das Bundesgericht hat demgegenüber in einem älteren Entscheid den fortdauernden Gewahrsam des Tankstelleninhabers bejaht. Gewahrsam soll demnach erst unter der Voraussetzung anschliessenden Bezahlens, soll heissen bedingt, auf den Tankenden übergehen. Der Tankstelleninhaber gibt seinen Herrschaftswillen unter der Voraussetzung auf, dass anschliessend bezahlt wird, also die Benutzungsbedingungen und die Bedienungsvorschriften 5
eingehalten werden . Lässt man es zu, dass das Einverständnis bzgl. der Aufgabe des Gewahrsams an Bedingungen geknüpft wird, so wird der Gewahrsam nur unter der Voraussetzung der anschliessenden Bezahlung aufgegeben. Wird nicht bezahlt, so wird als Folge der Gewahrsam gebrochen. Dass diese Argumentation nicht schlüssig begründbar ist, wird deutlich, wenn man die Diskussion der Wegnahme in Selbstbedienungsläden heranzieht: [128] Dort wird der Gewahrsam des Geschäftsinhabers solange bejaht, wie die Waren im Geschäft offen, z. B. in einem Einkaufskorb, mitgeführt werden. Die Grenze zum Bruch des Gewahrsams wird dort gesehen, wo der Kunde die Ware, z.B. in der Jackentasche, versteckt, da ab diesem Zeitpunkt keine Kontrollmöglichkeit des Geschäftsinhabers mehr besteht, die Zugriffs- und Herrschaftsmöglichkeit also gerade nicht mehr gegeben ist. Überträgt man diese Argumentation auf den vorliegenden Fall, so ist die Zugriffs- und Herrschaftsmöglichkeit mit Einfüllen des Benzins gerade nicht mehr gegeben. 6
Der Tankstelleninhaber hat keine Kontrolle mehr .
Richtigerweise muss daher in Übereinstimmung mit der Konstellation in Selbstbedienungsgeschäften, der Gewahrsamswechsel mit dem Einfüllen als vollzogen gelten und die Theorie des Bundesgerichts des fortgesetzten Gewahrsams abgelehnt werden, da die Kontrolle gerade nicht mehr möglich ist. Da der Gewahrsamswechsel einvernehmlich erfolgt, liegt keine Wegnahme vor. Der objektive Tatbestand von Art. 139 Ziff. 1 StGB ist nicht erfüllt. II. Ergebnis X hat sich gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB nicht schuldig gemacht. B. Unrechtmässige Aneignung nach Art. 137 Ziff. 1 StGB Indem X tankt ohne zu bezahlen und nicht zur Tankstelle zurückkehrt, um seine Schuld zu begleichen, könnte er sich einer unrechtmässigen Aneignung gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit Den objektiven Tatbestand von Art. 137 Ziff. 1 StGB (i.V. m. Art. 172ter Abs. 1 StGB) erfüllt, wer sich eine fremde, bewegliche Sache aneignet. Fraglich ist, ob es sich beim Benzin um eine fremde Sache handelt. Hierzu wird auf die in A.I.1.a) geführte Diskussion verwiesen und die Fremdheit des Benzins bejaht. .
Die Aneignung, d.h. die Enteignung des bisherigen Eigentümers und die Zueignung des Täters, findet bereits in dem Moment statt als X tankt, da es von Anfang an sein Plan war, nicht zu bezahlen, spätestens jedoch als X von der Tankstelle wegfährt. Ein Einverständnis des Tankstellenbetreibers liegt hier gerade nicht vor, weil die definitive Enteignung des Tankstelleninhabers und die Zueignung des [129] Tankenden gerade erst dann eintreten sollen, wenn das Benzin auch
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bezahlt wird . Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. X handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis X hat sich gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB schuldig gemacht. 8
Alternativ wird vor allem in der deutschen Lehre und Rechtsprechung die Thematik unter den Betrugstatbestand subsumiert, was auch vorliegend getan werden kann, wenn sowohl Art. 139 StGB als auch Art. 137 StGB abgelehnt wurden. Es wird nachfolgend deshalb Art. 146 StGB geprüft. 9
C. Betrug gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB
Indem X tankt ohne bezahlen zu wollen und auch nicht bezahlt, könnte er sich des Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 146 Abs. 1 StGB erfüllt, wer jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und
den Irrenden dadurch zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich oder einen anderen am Vermögen schädigt. a) Arglistige Täuschung Der Betrugstatbestand setzt eine arglistige Täuschung voraus. Die Täuschung besteht in der Vorspiegelung von Tatsachen. Tatsachen sind vergangene oder 10
gegenwärtige, d.h. objektiv feststehende Geschehnisse . Weiter muss die Täuschung auch arglistig sein. Arglist kann in besonderen betrügerischen Machenschaften, d.h. der Errichtung eines ganzen 11
Lügengebäudes , oder aber ausnahmsweise auch in der schlichten Täuschung liegen, wenn 1) die Überprüfung der falschen Angaben dem Getäuschten nicht oder nur 12
mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist oder 2) wenn der Täter den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder wenn er nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung unterlassen wird, weil ein besonderes Vertrauensverhältnis 13
besteht . Fraglich ist, worin eine arglistige Täuschung des X zu sehen sein könnte. Folgende Anknüpfungspunkte sind denkbar: X fährt, in der Absicht das Benzin nicht zu bezahlen, an die Tankstelle und gibt vor, ein normaler Kunde zu sein. Dieses Verhalten könnte als konkludente
Täuschung über die Zahlungswilligkeit verstanden werden, welche sich aufgrund mangelnder Überprüfungsmöglichkeit als arglistig erweist. Da diese Unterscheidung an rein subjektiven Elementen anknüpft, könnte die Täuschung auch darin gesehen werde, dass X nach dem Tanken an der Kasse vorgibt, Geld holen zu wollen. X täuscht die Dame an der Kasse über seine Zahlungswilligkeit. Man könnte sich aber fragen, ob die Dame an der Kasse nicht mindestens einen Ausweis hätte verlangen müssen. Dies hätte zwar die nachträgliche Geltendmachung der Forderung vereinfacht, ändert aber nichts daran, dass die Zahlungswilligkeit nicht überprüfbar ist. Die Täuschung ist damit als arglistig zu qualifizieren. b) Irrtum 14
Die Täuschung muss als nächsten «Zwischenerfolg»
einen Irrtum, das 15
heisst, eine «Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit» , hervorrufen. Dadurch dass X wie ein normaler Kunde auftritt, unterliegt die Dame an der Kasse dem Irrtum über seine Zahlungswilligkeit. Setzt man das täuschende Verhalten erst beim Vortäuschen Geld holen zu gehen an, unterliegt die Kassiererin erst dann einem Irrtum über die Zahlungswilligkeit des X. c) Vermögensverfügung Betrug ist ein Selbstschädigungsdelikt. Die getäuschte Person muss eine Vermögensverfügung zu ihrem eigenen Nachteil oder zum Schaden eines Dritten veranlassen. Als Vermögensverfügung gilt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts jede Handlung, Duldung oder Unterlassung, die geeignet ist, eine Vermögensverminderung beim Getäuschten oder einem Dritten
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herbeizuführen . Die Vermögensverfügung besteht vorliegend darin, dass die Kassierin X konkludent gestattet zu tanken und danach die Forderung gegenüber X nicht sofort geltend macht und somit das Eintreiben faktisch verunmöglicht. Vorliegend wird die Dame an der Kasse getäuscht, sie verfügt jedoch nicht über ihr eigenes, sondern über das Vermögen des Tankstellenbetreibers. Es handelt sich um einen sogenannten Dreiecksbetrug. Solche Verfügungen über ein Drittvermögen setzen ein Näheverhältnis zwischen dem Verfügenden und dem Geschädigten voraus. Die Kassendame ist aufgrund des Anstellungsverhältnisses befugt, über das Vermögen des Tankstellenbetreibers 17
zu
verfügen,
sie
stammt
aus
seinem
Lager .
Damit
liegt
eine
18
Vermögensverfügung vor . d) Motivationszusammenhang Fraglich ist, ob zwischen der Täuschung, dem Irrtum Vermögensverfügung ein Motivationszusammenhang vorliegt.
und
der
Sieht man die Täuschung im Auftreten wie ein normal zahlungswilliger Kunde, so liegt der Motivationszusammenhang gerade nicht vor: Denn der Tankstellenbetreiber ist von vornherein entschlossen, jedem potentiellen Kunden das Tanken zu gestatten. Ob ein Kunde zahlungswillig ist oder nicht, lässt sich äusserlich nicht erkennen. Folglich fehlt es an der Kausalität zwischen der Täuschung, dem Irrtum und der Vermögensverfügung des Tankstelleninhabers. Sieht man die Täuschung erst im Vorspiegeln der Zahlungswilligkeit, so
unterliegt die Kassiererin darauf gestützt einem Irrtum über die Zahlungswilligkeit des X und verfügt über das Vermögen, indem sie die Forderung nicht sofort geltend macht. Der Motivationszusammenhang liegt diesfalls vor. e) Vermögensschaden Aufgrund der Vermögensverfügung müsste ein Vermögensschaden eingetreten sein. Dem Vermögensschaden liegt gemäss nunmehr h. L. und Rechtsprechung der 19
juristisch-wirtschaftliche Vermögensbegriff zugrunde . Danach wird das Vermögen als Summe der rechtlich geschützten wirtschaftlichen Werte definiert. Ein Schaden kann in der Verminderung der Aktiven, der Vermehrung der Passiven oder aber in einer unterbliebenen Vermögensvermehrung bestehen. Vor der Tat hat der Tankstelleninhaber einen eintreibbaren Anspruch auf das Geld für bezogenes Benzin. Durch das Verschwinden des Täters verbleibt ihm eine praktisch wertlose Forderung, welche wirtschaftlich betrachtet weniger Wert hat als die Forderung gegen denjenigen, der noch da steht. Der Tankstelleninhaber erleidet durch das nicht bezahlte Benzin folglich einen Vermögensschaden. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert zunächst Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB. Wie aus dem Sachverhalt ersichtlich, handelt X vorsätzlich bzgl. aller objektiven Tatbestandselemente sowie in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Der subjektive Tatbestand sowie die gesamte Tatbestandsmässigkeit sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld
Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. X handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis X hat sich gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. D. Erschleichen einer Leistung gemäss Art. 150 StGB Indem X tankt ohne bezahlen zu wollen und dies auch nicht tut, könnte er sich des Erschleichens einer Leistung gemäss Art. 150 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 150 StGB erfüllt, wer ohne zu zahlen eine Leistung erschleicht, die nur gegen Entgelt erbracht wird. a) Leistung Fraglich ist, ob der Bezug von Benzin an einer Tankstelle eine Leistung im Sinne des Tatbestands darstellt. Aus der in Art. 150 StGB nicht abschliessenden Aufzählung möglicher Leistungen wird deutlich, dass Gegenstand des Tatbestands Dienstleistungen sind. Sach- und Geldleistungen 20
werden demgegenüber nicht vom Tatbestand erfasst . Tanken an einer Tankstelle ist klarerweise als Sachleistung zu qualifizieren. Der objektive Tatbestand ist damit nicht erfüllt. II. Ergebnis X hat sich gemäss Art. 150 StGB nicht schuldig gemacht.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis X hat sich der unrechtmässigen Aneignung gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB (i.V. m. Art. 172ter Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
.
Alternativ hat sich X des Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin, neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils, die folgenden Punkte entscheidend: ■ Richtiger Aufbau und Erkennen der verschiedenen Probleme in den jeweiligen Handlungsabschnitten ■ Korrekte Abhandlung der Wegnahme, sichere Kenntnisse der einzelnen Komponenten ■ Richtige Analyse der sich hier stellenden Fragen rund um den Gewahrsam ■ Erkennen der Problematik rund um die Fremdheit des Benzins ■ Präzise Auseinandersetzung mit dem Betrugstatbestand, insbesondere mit der Arglist, der Vermögensverfügung und dem Vermögensschaden
Literaturhinweise SCHWANDER, I., Kommentar zu Art. 727, in: Honsell, H.. /. Vogt, N. P.. /. Geiser, T. .(Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, 4. Aufl., Basel 2011.
Fall 11 Luzern Bearbeitung: Mark Pieth
Die 73-jährige A spaziert am späteren Nachmittag des 7. Juni 2004 in Luzern den Quai entlang. In der linken Hand hält sie eine Handtasche an langen Riemen. B, der einige Zeit hinter der ihm unbekannten, älteren Frau hergeht, beschliesst, ihr die Handtasche zu entreissen. Er denkt, es wäre ein Leichtes. An einem ihm günstig erscheinenden Ort schliesst er rennend auf das Opfer auf, packt die Riemen der Handtasche und zieht daran, um sie zu behändigen. Dies gelingt ihm aber zunächst nicht, weil A die Tasche festzuhalten versucht. Durch das Zerren des B kommt sie zu Fall und wird von ihm einen bis zwei Meter weit mitgeschleift, bis sie die Tasche nicht mehr halten kann und loslässt. Dabei zieht sie sich Schürfungen am Rücken und an den Knien, ein Hämatom an der linken Hand sowie ein Hämatom (evtl. Bruch) am linken grossen Zeh zu. B rennt mit der Handtasche davon und entwendet aus dem darin befindlichen Portemonnaie rund CHF 170. .
▶
Prüfen Sie die Strafbarkeit des B.
Vorbemerkung Beim vorliegenden Fall soll anhand eines ambivalenten Sachverhaltes die heikle Abgrenzung zwischen Entreissdiebstahl (Gewahrsamsbruch durch Überraschung etc.) und Raub (Gewahrsamsbruch durch Gewaltausübung) ausgelotet werden. Dass der Sachverhalt, der fast wörtlich BGE 133 IV 207 (208) entnommen ist, Anlass zu Debatten gab, belegt, dass die erste Instanz auf Raub, das Luzerner Obergericht auf Diebstahl und das Bundesgericht wieder auf Raub erkannte. Dahinter stehen nebst dogmatischen auch rechtspolitische Erwägungen: Dadurch, dass der neu formulierte Raubtatbestand der Revision von 1995 nicht mehr vollständige .
.
.
1
Widerstandsunfähigkeit voraussetzt , ist sein Anwendungsfeld erweitert worden. Demgegenüber möchte das Luzerner Obergericht vermeiden, dass jeder Fall des Entreissdiebstahls gleich mit einer Sanktion von mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht wird; einer Sanktion, die sonst für bandenmässigen Diebstahl, Diebstahl unter Mitführung einer Waffe und 2
andere Fälle besonderer Gefährlichkeit angedroht wird . Demgegenüber [136] hatte das Bundesgericht vor der Revision Schritte in die umgekehrte Richtung unternommen und denjenigen, der planmässig älteren Leuten Handtaschen entreisst, in der Regel des qualifizierten Diebstahls 3
schuldig gesprochen . Als Vorgehen zur Falllösung empfiehlt es sich, mit dem härteren Vorwurf des Raubes zu beginnen und anschliessend danach zu fragen, ob andere Tatbestände in Frage kommen.
Lösungsvorschlag
A. Raub gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB? Hat sich der B dadurch, dass er der A die Handtasche entreisst, des Tatbestands des Raubes schuldig gemacht? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Qualifizierte Nötigung aa) Lehre und Rechtsprechung Der Tatbestand des einfachen Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB setzt eine qualifizierte Nötigung voraus, die in der Gewaltausübung gegen eine Person, in der Androhung einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben oder im Zum-Widerstand-unfähig-Machen bestehen kann. Im vorliegenden Fall steht die erste Variante, die direkte Gewaltausübung, im Vordergrund. 4
«Gewalt» meint im StGB je nach Kontext Unterschiedliches . Beim Raub ist nach allgemein anerkannter Auffassung nur die «unmittelbare physische 5
Einwirkung auf den Körper des Opfers» ausreichend. Entscheidend ist aber, dass die Gewalt darauf gerichtet ist, den Widerstand des Opfers zu brechen, auch wenn das Opfer nach neuem Recht nicht vollkommen 6
widerstandsunfähig sein muss .
Nicht genügen kann für den Gewahrsamsbruch durch Gewalt die Ausnützung 7
des Überraschungsmomentes, die Verblüffung oder Überraschung . Lehre und Praxis sind sich einig, dass «ein kurzes Packen am Arm, ein Anrempeln zur 8
Ablenkung oder der blosse Griff an die Gesässtasche» nicht ausreichen. Gefordert wird demgegenüber ein Schweregrad der Einwirkung, «der normalerweise genügt, um dem Opfer eine wirksame Gegenwehr zu 9
verunmöglichen oder doch wesentlich zu erschweren» . Immer wieder findet sich in Literatur und Praxis die Formel, dass die Gewalt, die dem Widerstand 10
«zuvorkommen [138] soll» nicht gemeint sei. Wohl zu Unrecht wurde in BGE 78 IV 227 (232) «Gewalt» bei einem blossen Schlag auf die Hand, der eine Schrecklähmung bewirkte, angenommen. Als ungenügend für die Raubqualifikation wurde «ein zweites Zerren» an der Handtasche .
11
angesehen . Demgegenüber gibt es eine Vielzahl von Entscheiden, in denen zu Recht 12
Gewalt bejaht wurde, sei es, weil das Opfer durch einen Boxhieb , durch ein
13
Handgemenge ,
14
durch
eine
Verletzung ,
oder
durch
überlegenen
15
Krafteinsatz am erfolgreichen Widerstand gehindert wurde. Immer wieder gibt es Fälle, in denen im Zuge von Entreissdiebstählen ältere Personen zu Fall gebracht werden: Hier macht die Praxis eine heikle Unterscheidung 16
danach, ob das Opfer sich bloss «reflexartig» gegen den «raschen Griff nach dem Diebstahlsobjekt» zur Wehr setzt – selbst wenn es dabei zu Boden fällt (Entreissdiebstahl) – und Situationen, in denen sich das Opfer «über diese Phase hinaus bei anhaltender physischer Einwirkung durch den Täter an der .
17
Sache festklammert» . Wenn sich der Täter unter diesen Umständen «über den erwarteten oder tatsächlich geleisteten Widerstand des Opfers 18
hinwegsetzt» , liegt Raub vor. Die Rechtsprechung ist voller Beispielsfälle, in denen, über das blosse Reissen hinaus, das Opfer von einem oder mehreren 19
Tätern an den Boden gedrückt , das Widerstand leistende Opfer
20
21
umgerissen oder verletzt angenommen worden.
wurde. In diesen Fällen ist regelmässig Raub
bb) Überlegungen zum konkreten Fall Vom vorliegenden Sachverhalt erfahren wir, dass sich das Geschehen anders entwickelt hat, als es sich der Täter ursprünglich vorgestellt hatte. A versuchte die Tasche wider Erwarten festzuhalten; durch das Zerren kam A zu Fall und wurde für kurze Zeit mitgeschleift, bis sie die Tasche nicht mehr halten konnte und losliess. Die Verteidigung (und mit ihr wohl auch das kantonale Obergericht) würde zweifellos das reflexartige Festhalten betonen und in der weiteren Entwicklung [139] lediglich eine Verlängerung des Reflexes sehen. Der Überraschungsangriff steht nach dieser Sichtweise im Vordergrund, während .
22
die Verletzungen die Folge des unbeabsichtigten Sturzes darstellen . Demgegenüber müsste die Staatsanwaltschaft argumentieren, dass der Sturz und die Verletzung durchaus Teil der Tat sind, dass sie über die reflexartige Abwehr hinaus gehen, dass im bewussten Mitschleifen das Brechen des Widerstandes des Opfers liegt. So ähnlich hat auch das Bundesgericht 23
argumentiert . Auch wenn die rechtspolitischen Überlegungen des Obergerichts anerkennenswert sind (nicht leichtfertig auf sechs Monate MindestFreiheitsstrafe zu erkennen), dürfte aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes dem Bundesgericht recht zu geben sein: Anders als in BGE 81 IV 224, wo ein zweimaliges Zerren an der Handtasche genügte, konnte der Täter die Tasche .
erst an sich nehmen, nachdem er durch Mitschleifen des am Boden liegenden Opfers, aufgrund seiner überlegenen Kraft den Widerstand der A überwunden hatte. Dieser Fall passt zu diversen Vorentscheiden, bei denen 24
Gewaltausübung angenommen wurde . b) Diebstahl Nachdem die Gewaltkomponente bejaht wurde, gilt es, die Diebstahlsfrage zu klären. Es versteht sich, dass mit der Handtasche der Täter der A eine fremde bewegliche Sache mit Gewalt weggenommen hat. Der Bruch fremden Gewahrsams und die Begründung neuen Gewahrsams bedürfen im vorliegenden Fall keiner ausführlicheren Begründung. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand des Raubs setzt sich – entsprechend dem Baumuster des Tatbestands überhaupt – aus einer Kombination von Elementen der Nötigungsdelikte und der Aneignungstatbestände zusammen: a) Vorsatz Der Vorsatz muss sich sowohl bezüglich der Wissens- wie der Willensseite auf die Gewalt- wie die Aneignungskomponente beziehen. aa) Nötigungswille Fraglich ist in casu höchstens, ob der Tätervorsatz sich auch auf die qualifizierte Nötigung erstreckt: War dem Täter bewusst, dass er durch fortgesetztes Zerren an der Handtasche den Widerstand brechen würde? Realisierte er, dass die A zu Fall kommen würde? Obwohl das Opfer gestürzt war, zerrte der Täter weiter an der Handtasche bis sie die Tasche nicht mehr halten konnte und schliesslich losliess. Es ist davon auszugehen, dass ihm dies sehr wohl bewusst war und dass er in Kauf nahm, den Widerstand des Opfers zu brechen (Art. 12 Abs. 3 Satz 2 StGB). .
bb) Aneignungswille
Der Aneignungswille ist nicht mit dem «Herrschaftswillen» des Gewahrsamsinhabers zu verwechseln. Es geht um den allen Aneignungsdelikten gemeinsamen Willen, sich als Eigentümer aufzuführen. In casu besteht kein Zweifel, dass sich der Täter die Tasche respektive ihren Inhalt aneignen wollte (ob er dabei zivilrechtlich Eigentümer wird oder nicht ist aus strafrechtlicher Sicht nicht erheblich). .
b) Bereicherungsabsicht Die Bereicherungsabsicht bettet den Raub wie den Diebstahl, aber auch etwa den Betrug, in den Kontext der Vermögensdelikte ein. Durch seine gewaltsame Wegnahme mit Aneignungswillen möchte sich der Täter an den in der Handtasche befindlichen Werten bereichern. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Sachverhalt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtswidrigkeit und Schuld werfen im vorliegenden Fall keine erkennbaren Probleme auf. B. Andere Tatbestände? I. Diebstahl gemäss Art. 139 StGB? Dadurch, dass die gewaltsame Wegnahme der Tasche angenommen worden ist, ist der Diebstahlstatbestand vom Spezialtatbestand des Raubes verdrängt worden. Er ist nicht weiter zu erörtern. II. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB? Der räuberische Diebstahl geht davon aus, dass die Nötigung der Beutesicherung dient. Der Tatbestand setzt damit voraus, dass der Diebstahl, das heisst zumindest die Wegnahme, bereits vollendet ist. Im vorliegenden Fall dient aber die Gewalt der Erlangung der Beute. Es liegt ein «gewöhnlicher» Raub nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB vor. Diese Variante schliesst Absatz 2 aus.
Zusammenfassung Der Täter hat sich des einfachen Raubes nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht, indem er der A gewaltsam die Handtasche entrissen hat und von seinem Vorhaben auch nicht abliess, als sie bereits gestürzt war. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Klarheit bezüglich der Anforderungen des Diebstahls- und des Raubtatbestandes ■ Argumentationstiefe bezüglich des Nötigungselements ■ Abgrenzung von Raub und räuberischem Diebstahl
Literaturhinweise GERBER, R., Rechtliche Probleme beim Raub, ZStrR 1974, 113 ff.; SCHÜRMANN, F., Der Begriff der Gewalt im schweizerischen Strafgesetzbuch, Basel et al. 1986; STAUB, P., Der qualifizierte Diebstahl nach der revidierten Fassung des Strafgesetzbuches vom 9. Oktober 1981, ZStrR 1986, 321 ff.; WEISSENBERGER, P., Wann erfüllt der Entreissdiebstahl den Tatbestand des Raubes oder des gefährlichen Diebstahls?, ZBJV 1997, 498 ff.
Fall 12 Basler Diamantenfieber Bearbeitung: Stephanie Eymann
David ist Boss einer international tätigen Schmuckmafia. Er hat es schon seit geraumer Zeit auf die an der Schmuckmesse in Basel ausgestellten teuersten Diamanten der Firma «Shine» abgesehen. Da die Sicherheitsvorkehrungen jedoch als sehr gut gelten, ist sein Plan vielschichtig und soll folgendermassen ablaufen: David entsendet einen seiner Mitarbeiter, Frank, nach Basel, der sich in die Halle 2 einschleichen und die Vitrine während der Aufbauphase so manipulieren soll, dass die Schmuckstücke zu einem späteren Zeitpunkt, ohne grosses Aufsehen zu erregen, entwendet werden können. Weiter heuert er den vorbestraften und ziemlich mittellosen Alfons an, der ihm, wie viele andere auch, treu ergeben ist. Dieser erklärt sich für einen Lohn von CHF 4000 bereit, die Steine aus der Vitrine zu holen. Alfons weiss, dass die Vitrine präpariert wird, damit er die Steine unauffällig entwenden kann. Er kennt Frank allerdings nicht. Auch für die anschliessende Flucht hat David vorgesorgt: Vor der Messehalle soll sein Mitarbeiter Pepe mit einem Motorrad auf Alfons warten und ihn an den Übergabeort am Grenzübergang Weil am Rhein fahren. Es läuft zunächst alles nach Plan: Nach erfolgreichen Vorarbeiten an der Vitrine fährt Alfons am vorgesehenen Tag wie geplant nach Basel und entwendet die Diamanten. Er wird allerdings von einem aufmerksamen Standmitarbeiter dabei beobachtet wie er die Steine in seiner Jackentasche versorgt. Der Standmitarbeiter nimmt sofort die Verfolgung auf. Alfons rennt mit der Beute davon, verliert dabei aber einige Steine noch in der Halle und stösst einen mutigen Passanten, der ihn zu stoppen versucht, gewaltsam weg, so dass dieser stürzt und sich das Handgelenk bricht. Alfons kann sich gerade noch auf das Motorrad retten. Wenig später werden Alfons und Pepe mit den restlichen Diamanten aber am Grenzübergang gefasst.
▶
Strafbarkeit der Beteiligten?
Vorbemerkung Der Sachverhalt ist angelehnt an einen Fall, den das Strafgericht Basel-Stadt am 4. 11. 2009 zu beurteilen hatte. Darüber wurde ausführlich in der Presse berichtet (Bericht auf «bazonline» vom 4.11.2009: «Millionen-Schmuckdieb: Über drei Jahre Gefängnis»). .
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des Alfons A. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB? Indem Alfons die Diamanten aus der Vitrine nimmt, mit der Beute flüchtet und einen Passanten gewaltsam wegstösst, könnte er sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Bei Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB handelt es sich um eine Variante zum Grundtatbestand des Raubs, den sog. räuberischen Diebstahl (neben dem «schlichten Raub» von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein: .
a) Diebstahl Der objektive Tatbestand von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB verlangt zunächst die Begehung eines Diebstahls. Art. 139 Ziff. 1 StGB definiert den Diebstahl als Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache nach den Regeln des sozialen Lebens. Gewahrsam beinhaltet dabei zwei Elemente: die 1
Herrschaftsmöglichkeit und den Herrschaftswillen . Die Diamanten sind bewegliche Sachen und stehen im Eigentum der Firma Shine, sie sind insofern fremd für A. Der Diebstahl muss aufgrund der gesetzlichen Formulierung «die gestohlene Sache zu behalten» bereits vollendet sein. Fraglich ist, ob der Diebstahl in casu bereits vollendet ist. Vollendet ist der Diebstahl dann, wenn neuer
Gewahrsam begründet wurde. Wann neuer Gewahrsam begründet und damit der Diebstahl vollendet ist, bestimmt sich nach heute h. L. gemäss der 2
Apprehensionstheorie : Danach wird neuer Gewahrsam begründet sobald der Täter die Sache ergreift. Dieser Ansatz erweist sich allerdings als zu eng. Es werden daher verschiedene Konkretisierungen angeführt: – So soll entscheidend sein, dass die Herrschaftsmacht des Berechtigten 3
aufgehoben ist . – Neuer Gewahrsam soll sodann begründet sein, sobald die alleinige 4
Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache besteht . – Der Diebstahl ist folglich erst vollendet, wenn der Täter die Möglichkeit hat, die ergriffene Sache wegzuschaffen. Ob dies vorliegt, bestimmt sich dabei nach den Anschauungen des täglichen Lebens. Hat A im vorliegenden Fall neuen Gewahrsam begründet? Er hat die Steine in der Jackentasche versorgt und damit die Herrschaftsmöglichkeit des bisherigen Gewahrsamsinhabers aufgehoben. Der Standmitarbeiter hat A zwar dabei beobachtet und weiss, während er ihn verfolgt, wo die Steine sind. Gemäss h.L. spielt dies allerdings keine Rolle. Neuer Gewahrsam wird mit 5
dem Verstecken begründet, selbst dann, wenn jemand zusieht . Das Bundesgericht hat demgegenüber in einem frühen Entscheid den Zeitpunkt der Begründung neuen Gewahrsams erst sehr spät angesetzt, indem es auf das
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Verlassen eines Selbstbedienungsgeschäfts (Tankstellenshop) abstellte . Der Entscheid ist allerdings auf massive Ablehnung gestossen, weil dieser Zeitpunkt als zu spät angesehen wird. Es wird vorliegend der h.L. gefolgt. Der Diebstahl ist damit, im Moment als A die Steine in der Jackentasche versorgt, vollendet. .
Der Täter eines räuberischen Diebstahls muss sodann «auf frischer Tat ertappt» worden sein. Erforderlich ist, dass der Täter am Tatort oder in unmittelbarer Nähe entdeckt wird. Gemeint ist damit die Phase zwischen der Vollendung und der Beendigung des Diebstahls. Beendet ist der Diebstahl mit 7
Eintritt der Bereicherung, d.h. der Sicherung der Beute . Alfons wird noch in der Halle entdeckt und verfolgt und damit konnte er die Beute noch nicht sichern. Die Tat ist somit noch nicht beendet, er wird auf frischer Tat ertappt. b) Nötigungshandlung aa) Täter Als Täter der Nötigungshandlung eines räuberischen Diebstahls kommt nur in Frage, wer den Diebstahl begangen oder mitgewirkt hat. Alfons hat den Diebstahl begangen und ist auch Nötigungstäter. bb) Opfer Opfer der Nötigungshandlung kann jeder sein, der den Täter bemerkt, nicht nur der Eigentümer oder der sonst an der Sache Berechtigte. Alfons wird von einem mutigen Passanten, der ihn zu stoppen versucht, aufgehalten. Dieser ist das Opfer der Nötigung. cc) Nötigungsmittel Als Nötigungsmittel kommen alle in Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB genannten Mittel in Frage. Das Wegstossen kann als Gewalt gegen eine Person, d.h. als
unmittelbaren physischen Eingriff auf den Körper einer Person, qualifiziert werden. Erforderlich ist eine Gewalthandlung von solcher Intensität, die es 8
ermöglicht, den Widerstand des Opfers zu brechen . Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass der Passant stürzt und sich verletzt. Die erforderliche Intensität der Gewalthandlung ist damit erreicht. dd) Zweck der Nötigungshandlung: Beutesicherung 9
Die Nötigungshandlung muss zum Zwecke der Beutesicherung erfolgen . Diese muss aber nicht das einzige Handlungsziel sein, eine gleichzeitige 10
Fluchtsicherung ist ebenfalls möglich . In casu ist davon auszugehen, dass Alfons durch das gewaltsame Wegstossen des Passanten sowohl die Beute als auch seine Flucht sichern will. Fraglich ist, ob die Beutesicherung auch 11
tatsächlich gelingen muss. Dies ist umstritten , im vorliegenden Fall allerdings nicht weiter von Bedeutung, da Alfons mit einem Teil der Steine die Halle verlässt und später auch mit den Steinen gefasst wird. Die Sicherung immerhin eines Teils der Beute ist damit gelungen. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Den subjektiven Tatbestand erfüllt, wer hinsichtlich des Diebstahls und der Nötigung gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB vorsätzlich sowie mit Aneignungswillen und Bereicherungsabsicht handelt.
Die Tathandlung des räuberischen Diebstahls muss zudem in der Absicht erfolgen, die Beute zu sichern. Diese Absicht muss das eigentliche Handlungsziel darstellen, daher wird dolus directus 1. Grades verlangt. Alfons entwendet die Steine vorsätzlich. Auch stösst er den Passanten vorsätzlich und in der Absicht weg, die Beute zu sichern. Zudem handelt Alfons mit Aneignungswillen, d.h. er möchte den bisherigen Eigentümer dauernd enteignen und sich mindestens vorübergehend die Steine zueignen. Die Bereicherungsabsicht ist ebenfalls gegeben. Der subjektive Tatbestand sowie die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind somit erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Entschuldigungsgründe schuldhaft.
Rechtfertigungs-, ersichtlich. Alfons
Schuldausschlussnoch handelt rechtswidrig und
III. Ergebnis Alfons hat sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. B. Einfache Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB? Alfons könnte sich durch das gewaltsame Wegstossen des Passanten mit der Folge, dass dieser das Handgelenk bricht, der einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt, wer einen Menschen an der Gesundheit schädigt. Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustandes mit
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Krankheitswert . Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass sich der Passant das Handgelenk bricht. Ein Bruch ist mit Schmerzen und einer längeren Heilungsphase verbunden und stellt einen pathologischen Zustand mit Krankheitswert und damit eine Gesundheitsschädigung dar. Das Stossen war kausal für die Verletzung. Der Erfolg ist Alfons auch sonst objektiv zurechenbar. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Den subjektiven Tatbestand erfüllt, wer vorsätzlich gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB handelt. Alfons weiss, dass ein gewaltsames Wegstossen zu einem Sturz mit Verletzungsfolge führen kann und nimmt dies zumindest in Kauf. Der subjektive Tatbestand ist erfüllt. Die Tatbestandsmässigkeit liegt insgesamt vor. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Entschuldigungsgründe schuldhaft.
Rechtfertigungs-, ersichtlich. Alfons
Schuldausschlussnoch handelt rechtswidrig und
III. Ergebnis Alfons hat sich der einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. C. Hausfriedensbruch gemäss Art. 186 StGB? Indem Alfons die Messehalle betritt, im Bestreben, die Diamanten aus der Vitrine zu entwenden, könnte er sich des Hausfriedensbruchs gemäss Art. 186 StGB schuldig gemacht haben.
I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer gegen den Willen des Berechtigten z.B. in ein Haus unrechtmässig eindringt. Die Messehalle ist ein Haus und damit ein von Art. 186 StGB geschütztes Objekt. Fraglich ist, ob Alfons gegen den Willen des Berechtigten eindringt. Berechtigter der Messehalle sind die Veranstalter der Schmuckmesse. Der Wille kann sich nach h. L. und Rechtsprechung ausdrücklich oder auch konkludent ergeben. Es handelt sich vorliegend um Räumlichkeiten, die dem Publikum für einen bestimmten Zweck, nämlich den Besuch der Messe gegen Bezahlen eines Eintrittsgeldes, offenstehen. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt in solchen Räumen derjenige gegen den Willen des Berechtigten, der zu einem anderen 13
Zweck eindringt . Diese offene und grundsätzliche Formulierung wurde von der Lehre kritisiert und eine Einschränkung dahingehend gefordert, dass der Widerspruch zum Willen des Berechtigten äusserlich klar ersichtlich sein müsse. Diese Kritik ist [150] berechtigt, da sich sonst jeder, der Räumlichkeiten zu einem anderen Zweck als dem vorgesehenen betritt, des Hausfriedensbruchs schuldig machen würde (z.B. Betreten eines Kaufhauses, .
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einzig um die Toilette zu benützen) . In casu ist nicht nach aussen ersichtlich, mit welcher Absicht Alfons die Schmuckmesse besucht, es ist davon auszugehen, dass er ordnungsgemäss Eintritt bezahlt und daher kein Aufsehen erregt, als er die Halle betritt. Alfons ist daher nicht gegen den Willen des Berechtigten in die Messehalle eingedrungen. Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. II. Ergebnis
Alfons hat sich nicht gemäss Art. 186 StGB schuldig gemacht. D. Weitere Tatbestände? I. Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB Dadurch, dass die Wegnahme der Steine mit anschliessender gewaltsamer Beutesicherung angenommen worden ist, wird der Diebstahlstatbestand vom Spezialtatbestand des Raubes verdrängt. Er ist, da in der Prüfung von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB integriert, nicht nochmals zu erörtern. Es wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen (siehe oben A.I.1.a). .
II. Nötigung gemäss Art. 181 StGB Dadurch, dass die Wegnahme der Steine mit anschliessender gewaltsamer Beutesicherung angenommen worden ist, wird der Nötigungstatbestand vom Spezialtatbestand (qualifizierter Nötigungstatbestand) des Raubes verdrängt. Er ist, da in der Prüfung von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB integriert, nicht nochmals zu erörtern. Es wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen (siehe oben A.I.1.b). .
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Konkurrenzen
und Ergebnis
Alfons hat sich gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowie Art. 139 Ziff. 1 StGB und Art. 181 StGB schuldig gemacht. Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB geht als lex specialis Art. 139 Ziff. 1 StGB und Art. 181 StGB vor. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB tritt ebenfalls hinter Art. 140 StGB zurück. Alfons hat sich damit eines räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1
Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
Strafbarkeit des Frank A. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Mittäterschaftliche Tatverwirklichung erfordert Tatentschluss sowie eine gemeinsame Tatausführung:
einen
gemeinsamen
a) Gemeinsamer Tatentschluss Gemeinsamer Tatentschluss bedarf der wechselseitigen Übereinstimmung, eine Tat durch arbeitsteiliges Zusammenwirken zu begehen. Der Tatentschluss braucht nicht ausdrücklich erklärt worden zu sein, er kann auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) gefasst werden. Die Mittäter brauchen sich nicht einmal zu kennen. Es genügt das Wissen, dass andere an der Tat mitwirken. .
Alfons und Frank müssten also den gemeinsamen Tatentschluss bezüglich eines räuberischen Diebstahls haben. Sowohl Alfons als auch Frank werden von David angeheuert, sie kennen sich allerdings nicht persönlich. Alfons weiss jedoch, dass Frank die Vitrine im Vorfeld präpariert, damit er die Steine unauffällig entwenden kann. Genauso muss Frank bekannt sein, zu welchem Zweck er die Vitrine manipuliert, nämlich dazu, jemand anderem den Zugriff zu ermöglichen. Fraglich ist, ob sich der Tatentschluss auch auf die Begehung eines räuberischen Diebstahls bezieht, d.h. die Nötigungshandlung des Alfons dem Frank [152] ebenfalls zurechenbar ist. Angesichts der Tatsache, dass die Sicherheitsvorkehrungen als sehr gut gelten, besteht auch eine gewisse Gefahr entdeckt zu werden. Die Sicherung der Beute auf der Flucht ist daher noch
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vom gemeinsamen Tatentschluss gedeckt und stellt keinen Exzess dar . Ein gemeinsamer Tatentschluss liegt damit vor. b) Arbeitsteilige Tatausführung Zum gemeinsamen Tatentschluss muss eine gemeinsame Tatausführung kommen. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist Mittäter, wer «bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht». Ausserdem ist im Sinne der funktionalen Tatherrschaft notwendig, dass «der Tatbeitrag […] für die Ausführung des Deliktes so wesentlich war, dass [die Tat] mit ihm steht oder 17
fällt» . Frank präpariert im Vorfeld die Vitrine, damit Alfons zu einem späteren Zeitpunkt die Steine unauffällig entwenden kann. Es ist sodann nicht ersichtlich, dass Alfons mit Werkzeug ausgerüstet wäre, denn er weiss um die Vorbereitung durch Frank. Seine Aufgabe ist es nur noch, dank der Vorarbeit des Frank, die Steine aus der Vitrine zu entwenden. Die Tatbeiträge erfolgen somit gestaffelt, jedoch gehören sie beide zur Ausführungsphase. Franks Tatbeitrag ist damit so wesentlich, dass die Tat ohne sein Zutun nicht möglich gewesen wäre. Es ist dabei für die gemeinsame Tatausführung nicht notwendig, dass jeder Mittäter auch eine wortlautmässige Handlung (hier eine Wegnahme oder Nötigung) setzt. Die Ausführung des Delikts steht oder fällt damit mit F’s Beitrag, womit dieser als Hauptbeteiligter dasteht. .
Die gemeinsame Tatausführung ist gegeben. 2. Subjektiver Tatbestand Frank müsste vorsätzlich gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB bezüglich aller objektiven Tatbestandselemente gehandelt haben. F möchte mittäterschaftlich
einen räuberischen Diebstahl begehen, er handelt sowohl bezüglich des Diebstahls als auch der Nötigungshandlung mindestens eventualvorsätzlich sowie mit Aneignungswillen und Bereicherungsabsicht. Der subjektive Tatbestand und die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschluss- oder Entschuldigungsgründe ersichtlich, Frank handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis Frank hat sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht.
Strafbarkeit des Pepe A. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft? Indem Pepe mit dem Motorrad auf Alfons wartet und mit ihm flüchtet, könnte er sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Gemeinsamer Tatentschluss Ein gemeinsamer Tatentschluss bedarf einer wechselseitigen Übereinstimmung, eine Tat durch arbeitsteiliges Zusammenwirken zu begehen. Dieser kann angesichts der Tatsache, dass Pepe dem Alfons bei der Flucht helfen möchte, bejaht werden. Ein gemeinsamer Tatentschluss liegt vor.
b) Gemeinsame Tatausführung Fraglich ist, ob eine gemeinsame Tatausführung vorliegt. Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass Pepe Fluchthilfe leisten soll, indem er mit dem Motorrad auf Alfons wartet. Es fragt sich, ob dieser Tatbeitrag den unteren Schwellenwert der funktionalen Tatherrschaft erreicht, er also so wesentlich ist, dass die Tat mit ihm steht oder fällt. Obwohl dazu dem Sachverhalt nichts Konkretes zu entnehmen ist, ist doch klar, dass Alfons weiss, dass er vor der Messehalle Fluchthilfe erhält, sonst hätte er sich nicht zielstrebig aufs Motorrad retten können. Allerdings lässt sich nicht abschliessend sagen, wie sich die Tat ohne Pepe abgespielt hätte. Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine klassische Fluchthilfe handelt. Die Zusage einer solchen Fluchthilfe fördert die Tat zwar, ist aber nicht conditio sine qua non für deren Gelingen. [154] Eine gemeinsame Tatausführung liegt nicht 18
vor . Der objektive Tatbestand ist somit nicht erfüllt. II. Ergebnis Pepe hat sich nicht des räuberischen Diebstahls in Mittäterschaft gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. B. Gehilfenschaft zum räuberischen Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 StGB? Indem Pepe mit dem Motorrad auf Alfons wartet und mit ihm flüchtet, könnte er sich der Gehilfenschaft zum räuberischen Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 25 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Haupttat
Der objektive Tatbestand erfordert i.S. der limitierten Akzessorietät zunächst das Vorliegen einer (zumindest versuchten) vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat. Diese liegt vor, denn Alfons hat sich gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. .
b) Hilfeleistung durch den Gehilfen Als Hilfeleistung gilt gemäss Formel des Bundesgerichts «jeder irgendwie geartete kausale Tatbeitrag, der die Tat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgespielt hätte. Nicht erforderlich ist, dass es ohne die Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen wäre. […] Der Gehilfe 19
muss die Erfolgschancen der tatbestandserfüllenden Handlung erhöhen» . Gehilfenschaft ist auch in Form einer psychischen Unterstützung möglich. Zeitlich ist sie auch nach Vollendung der Haupttat möglich. Von dieser Konstellation ist vorliegend auszugehen: Indem Pepe Alfons mit dem Motorrad mitnimmt, leistet er ihm Fluchthilfe. Diese erfolgt nachdem der räuberische Diebstahl bereits vollendet ist, also neuer Gewahrsam begründet wurde, jedoch vor Beendigung der Tat (siehe dazu Strafbarkeit des A: A.I.1.a). Beendet ist die Tat mit dem Eintritt der Bereicherung resp. der Sicherung der Beute. Pepe beteiligt sich durch die Zusicherung der Fluchthilfe vor der Tat und der tatsächlichen [155] Hilfeleistung nach der Tat. Diese Beiträge fördern das Gelingen der Tat, da Alfons sonst wahrscheinlich schon früher gefasst worden wäre. Eine Hilfeleistung liegt damit vor und der objektive Tatbestand ist erfüllt. .
2. Subjektiver Tatbestand Erforderlich ist ein sog. doppelter Gehilfenvorsatz, d.h. der Gehilfe muss zum einen Vorsatz auf die Begehung der Haupttat durch den Haupttäter haben und zum anderen auch bezüglich seiner Hilfeleistung vorsätzlich handeln. Als Mitarbeiter von David beauftragt, wird Pepe wohl um die Haupttat des A und um seine Funktion als Fluchthelfer wissen. Der subjektive Tatbestand ist erfüllt und die Tatbestandsmässigkeit liegt insgesamt vor.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschluss- oder Entschuldigungsgründe ersichtlich, Pepe handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis Pepe hat sich gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 StGB schuldig gemacht.
Strafbarkeit des David A. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft? Indem David sowohl Alfons als auch Frank zur Tat anheuert, könnte er sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Gemeinsamer Tatentschluss Fraglich ist, ob ein gemeinsamer Tatentschluss vorliegt. Dieser muss sich darauf beziehen, durch wechselseitige Übereinstimmung eine Tat durch arbeitsteiliges Zusammenwirken zu begehen. Die Idee für die Tat stammt von David. Er hat den genauen Ablauf sowie die Einsätze der verschiedenen Personen in den verschiedenen Phasen geplant. Der Tatentschluss muss nicht im gleichen Zeitpunkt erfolgen. Ein nachträgliches Einsteigen ist im Sinne der [156] sukzessiven Mittäterschaft möglich. Sowohl Frank als auch Alfons machen sich den Tatentschluss des David zu eigen, damit kann ein gemeinsamer Tatentschluss bejaht werden. b) Gemeinsame Tatausführung
Mittäter ist, «wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht». Ausserdem ist notwendig, dass «der Tatbeitrag […] für die Ausführung des Deliktes so 20
wesentlich war, dass sie mit ihm steht oder fällt» . Das Bundesgericht vertritt hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem der Tatbeitrag erfolgen muss, eine Alternativlösung. Der Tatbeitrag muss demgemäss nicht im Ausführungsstadium erfolgen; er kann auch im Vorfeld, bei der Entschliessung oder auch Planung erbracht werden. Voraussetzung ist, dass 21
der «untere Schwellenwert» der funktionalen Tatherrschaft noch erreicht wird, d.h. der Beitrag so wesentlich ist, dass das Gelingen der Tat von ihm abhängt. David ist der Initiant der Tat, von ihm stammt die Idee, er ist es, der den Ablauf plant und die Leute engagiert. Ohne seinen Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium wäre es nicht zu dieser Tat gekommen. Nach der Rechtsprechung wäre aus diesen Gründen eine gemeinsame Tatausführung zu bejahen. Die Alternativlösung des Bundesgerichts ist in der Lehre allerdings auf Kritik gestossen: So wird dagegen vorgebracht, die Möglichkeit der Mittäterschaft würde die Abgrenzung zur Gehilfenschaft zu sehr in den Bereich des 22
rechtspolitisch Zweckmässigen verlegen . Mittäterschaft setze daher ein arbeitsteiliges Zusammenwirken im Ausführungsstadium voraus. Das breite Verständnis des Bundesgerichts führt tatsächlich dazu, dass eine exakte Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Gehilfenschaft nicht mehr möglich ist. Dies ist nicht überzeugend. Es wird deshalb vorliegend der
zweiten Meinung gefolgt. Weil David nur im Planungs- und Vorbereitungsstadium dabei ist und die Ausführung gänzlich Frank und Alfons überlässt, liegt keine gemeinsame Tatausführung vor. Der objektive Tatbestand und die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind nicht gegeben. II. Ergebnis David hat sich nicht des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft schuldig gemacht. B. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in mittelbarer Täterschaft? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Keine unmittelbare Verwirklichung des Tatbestandes durch den mittelbaren Täter («Hintermann») .
Die mittelbare Täterschaft geht von der Konstellation aus, dass sich jemand zur Begehung eines Delikts eines anderen bedient, selber jedoch Tatherrschaft 23
hat . David verwirklicht selber keine Handlung, die die Voraussetzungen des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt. David ist daher Hintermann. b) Vorliegen einer Handlung des Tatmittlers Wie gesehen verwirklichen Frank und Alfons den Tatbestand des räuberischen Diebstahls mittäterschaftlich. Eine Handlung zweier Tatmittler liegt vor. c) Tatherrschaft des Hintermannes kraft Werkzeugeigenschaft und Wissensoder Willensüberlegenheit David müsste die Tatherrschaft innehaben. Diese wird in klassischen Fällen
der mittelbaren Täterschaft dann bejaht, wenn der Vordermann aus bestimmten Gründen nicht oder nicht voll verantwortlich handelt und insofern vom Hintermann wie ein Werkzeug benutzt wird. Ein derartiges Verantwortlichkeitsdefizit des Vordermanns liegt insbesondere dann vor, wenn dieser entweder objektiv tatbestandslos, vorsatzlos, gerechtfertigt, schuldlos oder strafunmündig handelt. Der vorliegende Fall ist allerdings anders gelagert: Sowohl Frank als auch Alfons sind für ihre Taten voll verantwortlich und haben sich nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schuldig gemacht – es liegt keine der typischen Konstellationen mittelbarer Täterschaft vor. Allerdings könnte es sich um einen Sonderfall mittelbarer Täterschaft handeln, um die sog. Konstellation des «Täters hinter dem Täter». Die [158] Werkzeugeigenschaft wird ausnahmsweise bei voll deliktisch handelndem Vordermann angenommen, wenn dieser ein beliebig austauschbares Werkzeug in einem Machtapparat (Staatsorganisation oder auch in der organisierten Kriminalität) ist. Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass David Boss einer Organisation der international aktiven Schmuckmafia ist. Bei der Mafia handelt es sich um einen Machtapparat. Die ganze Planung der Tat geht von David aus. Er setzt die ausführenden Personen aus seinem Umfeld ein. Als Boss kann er sich der Ausführung auf seinen Befehl hin sicher sein. Er könnte den Vordermann problemlos durch jemanden anderen aus seinem Milieu ersetzen. So ist in concreto ersichtlich, dass es sich bei Frank um einen Mitarbeiter Davids handelt, der die Aufträge von seinem Boss ausführt und damit wohl sein Geld verdient. Seine Austauschbarkeit ist insofern zu bejahen. Fraglich ist, ob auch Alfons als austauschbar zu qualifizieren ist. Dagegen – und in der Konsequenz daher eher für eine Anstiftung – spräche insbesondere die Formulierung im Sachverhalt, dass er ein Honorar erhält und «angeheuert» wird. Er scheint daher nicht Teil des Machtapparates zu sein. Allerdings ist auch bekannt, dass Alfons dem David ebenfalls, und wie viele andere auch, treu ergeben ist. Dies spricht dafür, dass auch er austauschbar ist. Damit hat D Tatherrschaft inne und der objektive Tatbestand ist erfüllt. .
2. Subjektiver Tatbestand David müsste Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB bezüglich des räuberischen
Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB haben. David weist den Alfons an, die Steine aus der Vitrine zu holen. Darüber, ob nötigenfalls auch Gewalt angewendet werden soll, ist nichts bekannt. Ersichtlich ist aber, dass David um die strengen Sicherheitsvorkehrungen weiss. Damit muss ihm auch bekannt sein, dass Alfons entdeckt werden könnte und flüchten muss. Eine lebensnahe Auslegung geht dahin, dass die gewalttätige Sicherung der Beute ebenfalls vom Vorsatz gedeckt ist. David handelt sowohl bezüglich seiner Rolle als mittelbarer Täter als auch bezüglich der Tat vorsätzlich. Er handelt überdies auch mit Aneignungswillen und in Bereicherungsabsicht. Der subjektive Tatbestand und die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Entschuldigungsgründe schuldhaft.
Rechtfertigungs-, ersichtlich. David
Schuldausschlussnoch handelt rechtswidrig und
III. Ergebnis David hat sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in mittelbarer Täterschaft schuldig gemacht.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis Alfons Alfons hat sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Frank Frank hat sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft strafbar gemacht. Pepe
Pepe hat sich der Gehilfenschaft zum räuberischen Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 StGB strafbar gemacht. David David hat sich des räuberischen Diebstahls gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in mittelbarer Täterschaft strafbar gemacht. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Erkennen und richtige Prüfung der Voraussetzungen des räuberischen Diebstahls (insb. Frage der Vollendung des Diebstahls; Frage der Beutesicherung etc.) ■ Gute Argumentation sowie sinnvoller Aufbau bezüglich der verschiedenen möglichen Beteiligungsrollen von Alfons, Frank, Pepe und David ■ Richtiger Aufbau und saubere Argumentation der mittelbaren Täterschaft .
Fall 13 Afrikanische Antilopen Bearbeitung: Mark Pieth
Alphonse Bayer ist Fleischgrosshändler. Im vergangenen Jahr importierte er 50 Tonnen afrikanisches Antilopenfleisch und verkaufte es auf dem Schweizer Markt unter der korrekten Bezeichnung an Detailhändler. Afrikanische Antilope wird auf dem Schweizer Markt zu ca. 20% unter dem Preis von einheimischem Wild gehandelt. Der Metzgermeister Fritz Rüdisüli erwarb 200 kg des Fleisches. Entgegen den Vorschriften der Lebensmittelgesetzgebung versah er die für den Detailhandel bestimmten Fleischpakete mit der Aufschrift «Schweizer Rehfleisch». Allerdings verkaufte Rüdisüli das Fleisch in PublikumsAktionen zu günstigen Preisen, die nicht über dem Detailhandelswert von Antilopenfleisch lagen. Auf die Frage nach den Gründen seines Handelns erklärte Rüdisüli, Antilopenfleisch lasse sich in der Schweiz kaum absetzen, obwohl es qualitativ durchaus mit einheimischem Wild vergleichbar sei. Es gebe allerdings auf dem schweizerischen Markt einfach zu wenig echtes Rehfleisch. Wer ein Geschäft machen wolle, müsse eben nachhelfen. Er bestreitet allerdings, dass seine Kunden zu Schaden gekommen seien. In der Befragung anerkannte Bayer seinerseits, dass er sich schon bewusst war, dass diese Menge an Fleisch kaum korrekt deklariert auf den einheimischen Tellern landen würde. Er war sich darüber im Klaren, dass die Abnehmer es grösstenteils falsch deklariert weiterverkaufen. Er betrachtete es aber nicht als seine Verantwortung, den Konsumenten vor fehlbaren Detailhändlern zu schützen. ▶
Haben sich Bayer oder Rüdisüli nach StGB strafbar gemacht?
Vorbemerkung Bei der vorgelegten Fallgeschichte handelt es sich um eine Erweiterung des Sachverhaltes, der BGE 119 IV 289 zugrunde lag.
Sinnvollerweise wird bei der Fallbehandlung mit der tatnäheren Person, hier dem Metzgermeister Rüdisüli, begonnen. Im Vordergrund steht die Prüfung des Betrugs und der Falschbeurkundung. Warenfälschung ist gemäss Art. 155 Ziff. 1 Abs. 3 StGB subsidiär zu den Verbrechenstatbeständen, sodass sie nur geprüft werden muss, wenn weder Art. 146 noch Art. 251 StGB anwendbar [162] sind. Die Tatbestände des Nebenstrafrechts (Lebensmittelgesetzgebung) sind nicht Prüfungsgegenstand.
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Anschliessend stellt sich die Frage, ob Alphonse Bayer als Tatbeteiligter in Frage kommt, obwohl er das Fleisch unter korrekter Bezeichnung an Detaillisten verkauft hatte. Trägt er eine Mitverantwortung für deren Fehlverhalten?
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des Metzgermeisters Rüdisüli A. Hat Rüdisüli den Tatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 StGB begangen? Dadurch, dass Rüdisüli den KonsumentInnen insgesamt 200 kg afrikanische Antilope als «Schweizer Rehfleisch» verkauft, könnte er den Tatbestand des Betrugs gleich mehrfach erfüllt haben. Die Anzahl der Verkaufshandlungen ergibt sich nicht aus dem Sachverhalt. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Arglistige Täuschung Durch Verkauf der Fleischpakete an KundInnen unter falscher Aufschrift hat Rüdisüli darüber getäuscht, dass es sich in Wahrheit nicht um einheimisches Wild, sondern um afrikanische Antilope handelte. Der Betrugstatbestand setzt allerdings nach Schweizer Recht Arglist voraus. Das Bundesgericht unterscheidet in konstanter Praxis Fälle besonderer 1
betrügerischer Machenschaften von einfacher Lüge, bei der aber dem Opfer die Überprüfung der Angaben des Täuschenden unmöglich oder doch unzumutbar war, resp. bei denen der Getäuschte von der Überprüfung abgehalten wird oder bei denen er davon ausgeht, dass der Getäuschte die 2
Überprüfung unterlassen werde . Im vorliegenden Fall wird dem Normalverbraucher die Möglichkeit fehlen,
den Wareninhalt der Fleischpakete zu überprüfen. Experten bestätigen im Übrigen auch, dass sich die Fleischsorten, wenn zubereitet, geschmacklich kaum unterscheiden. Im Übrigen kann Rüdisüli auch davon ausgehen, dass die KonsumentInnen seine Angaben nicht nachprüfen werden. Selbst wenn man also das Abpacken und Falschbeschriften alleine nicht schon als «Machenschaft» werten möchte, liegt ein Fall der Arglist aufgrund einer schlichten Lüge vor. b) Irrtum, Vermögensverfügung, Motivationszusammenhang Die arglistige Täuschung ruft bei den KäuferInnen direkt einen Irrtum über die erworbene Fleischsorte hervor. Es ist anzunehmen, dass der Preisrabatt die KäuferInnen motiviert hat, das günstige «Schweizer Rehfleisch» zu kaufen. Die Täuschung bewirkt nicht nur direkt den Irrtum, sie motiviert auch zur 3
Vermögensverfügung . c) Vermögensschaden Diskussionsbedürftig ist im Vermögensschaden. Die Lehre
vorliegenden erörtert den
Fall allerdings Vermögens- und
der den
4
Schadensbegriff gesondert . Im vorliegenden Fall wirft der Vermögensbegriff als solcher keine Fragen auf, die zu erörternde Problematik konzentriert sich auf den Schadensbegriff. Der Betrugstatbestand geht davon aus, dass das Opfer nicht nur «düpiert» worden ist, sondern sich selbst am Vermögen geschädigt hat. Der Ausgangspunkt des Schadensbegriffs ist ein wirtschaftlicher: Das Opfer muss durch den Betrug «ärmer» geworden sein. Während das Bundesgericht den Schadensbegriff zeitweilig stark subjektivierte und die versprochene und die erbrachte Leistung in Bezug
5
setzte , hat die Lehre einhellig zunächst einen objektiven Schadensbegriff ins Zentrum gestellt: Verglichen werden die effektiv erbrachten Leistungen von 6
Täter und Opfer . Nur wenn dieser Vergleich für das Opfer objektiv ungünstig ausfällt, ist es «ärmer» geworden. Allein in Extremfällen, bei denen eine Leistung objektiv unbrauchbar ist, hat die Lehre eine Individualisierung des 7
Schadensbegriffs zugelassen . Für eine «objektiv-individuelle» Unbrauchbarkeit (z.B. Unverträglichkeit, Allergie etc.) liegen in casu keine Anhaltspunkte vor. .
Die Schadensformel des Bundesgerichts würde unter Umständen dazu führen, dass der Enttäuschte «Rabattjäger» als geschädigt anzusehen wäre. Die Formel ist aber – mit der Lehre – abzulehnen, weil sie die (Ent)täuschung doppelt veranschlagt, ohne dass sie sich ökonomisch niederschlagen muss. Wer kauft, weil er glaubt, ein «Schnäppchen» zu machen, in Wirklichkeit aber .
8
den wahren (Markt)preis der Ware entrichtet, ist nicht ärmer geworden . Die Praxis [165] verkennt, dass der Betrugstatbestand mit der arglistigen Täuschung und dem Vermögensschaden zwei selbständige Tatbestandselemente verlangt. .
Im konkreten Fall ist daher davon auszugehen, dass die KäuferInnen von Rüdisüli zwar «reingelegt» worden sind, dass sie aber keinen Vermögensschaden erlitten haben. Damit ist die Prüfung des Betrugstatbestandes abzubrechen.
B. Hat Rüdisüli den Tatbestand der Falschbeurkundung gemäss Art. 251 StGB erfüllt? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt: Urkunde (Art. 110 Abs. 4 StGB) .
Art. 110 Abs. 4 StGB nennt drei Formen der Urkunde: Die Schrifturkunde, das Beweiszeichen und die den Urkunden gleich gestellten Aufzeichnungen auf Bild- und Datenträgern. Im vorliegenden Fall stehen die ersten beiden Varianten im Vordergrund. Der Unterschied zwischen der Schrifturkunde und dem Beweiszeichen liegt darin, dass das Zeichen nicht aus sich heraus verständlich ist, sondern dass sich sein Erklärungsinhalt erst aus dem Kontext 9
ergibt . Im vorliegenden Fall dürfte die Anschrift (auch wenn sie den Namenszug der Metzgerei Rüdisüli und den konkreten Stückpreis enthalten sollte) ihren Erklärungsinhalt nur zusammen mit dem Fleischpaket selbst erhalten, auf dem sie angebracht ist. Es ist daher vertretbar, hier die Variante .
10
des Beweiszeichens alleine weiter zu verfolgen . (Alternativ dazu wäre die .
11
Annahme einer «zusammengesetzten Urkunde» vertretbar .) Auch
Beweiszeichen
müssen
den
Aussteller
erkennen
lassen
.
12
(Garantiefunktion) , weiter müssen sie fest mit der Unterlage verbunden 13
sein, um der Perpetuierungsfunktion nachzukommen . Schliesslich müssen sie, wie die Schrifturkunde, bestimmt und geeignet sein, eine Tatsache von 14
rechtlicher [166] Bedeutung zu beweisen . Preisanschriften sind in der Praxis als Musterfall des privaten Beweiszeichens mit Urkundenqualität eingestuft 15
worden . Es ist in casu davon auszugehen, dass die Aufschrift fest mit der Unterlage verbunden ist. Der Aussteller ist aufgrund des Kontextes (Einkauf in der Metzgerei), eventuell auch aufgrund der Aufschrift selbst, erkennbar. Die Preisanschrift «Schweizer Rehfleisch» soll gerade den Eindruck erwecken, dass einheimisches Wild verkauft werde. Das Beweiszeichen in seinem Kontext ist daher dazu bestimmt und geeignet, eine rechtserhebliche Tatsache zu beweisen. Es liegt mit anderen Worten ein Beweiszeichen mit Urkundenqualität vor. .
b) Tathandlung Im vorliegenden Fall wird nicht über die Identität des Ausstellers getäuscht, 16
vielmehr sind die Fleischpakete inhaltlich unrichtig beschriftet . Somit kommt nicht Urkundenfälschung sondern allenfalls Falschbeurkundung in
Frage. aa) Unrichtige Beurkundung Der Tatbestand der Falschbeurkundung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2, 2. Variante StGB) setzt voraus, dass der Täter «eine rechtlich erhebliche Tatsache .
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unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt» . Dass die Anschrift inhaltlich unrichtig war, steht aufgrund des Sachverhalts ausser Frage. Diskussionsbedürftig ist aber, ob sich das Verhalten von einer einfachen schriftlichen Lüge abhebt. bb) Abgrenzung von der schriftlichen Lüge Das Bundesgericht ist der Lehre gefolgt und verlangt in seiner neueren Praxis, dass «allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung 18
gewährleisten» . Die Praxis hat eine Reihe von Indikatoren entwickelt, die als objektive Garanten der Wahrheit gelten sollen: Im Vordergrund steht die Prüfpflicht einer Amtsperson oder einer gesetzlich mit der Überprüfung der Wahrheit betrauten Person (z.B. eines Buchprüfers, der die gesetzliche Buchführung eines Unternehmens zu überprüfen hat). Allerdings besteht in .
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der Praxis eine erhebliche Randunschärfe . Es ist nicht einzusehen, weshalb sich etwa aus der eidgenössischen Fleischschauverordnung oder dem Lebensmittelgesetz eine [167] solche «garantenähnliche Stellung» ergeben soll. Es trifft zwar zu, dass diese Rechtsgrundlagen sowohl Fleischgrosshändlern wie Detaillisten Vorschriften über die Bezeichnung der Waren machen. Das sie dadurch aber gegenüber den KundInnen zu Garanten ihrer Warenbezeichnung werden, leuchtet nicht ohne weiteres ein. Wodurch
unterscheiden sich Metzgermeister von anderen Verkäufern oder gar von Privatpersonen, die auf dem Flohmarkt ihre Güter verhökern? Das Bundesgericht anerkennt zwar in unserem Bezugsfall, dass es sich hierbei um eine Auslegungsfrage handle, nimmt aber, jedenfalls für den Grossisten, ohne 20
weitere Erklärung eine Garantenstellung an . Den Detaillisten zum Garanten der Wahrheit seiner schriftlichen Äusserungen zu machen, müsste aber gut argumentiert werden: etwa mithilfe der Meisterprüfung und den Regeln des Berufstandes auf deren Seriosität das konsumierende Publikum bei Lebensmitteln vor allem angewiesen ist. Einen Automatismus, dass ein Verkäufer Garant für die Wahrheit seiner Versprechungen ist, gibt es aber nicht. Nach der hier vertretenen Auffassung fehlt dem Metzgermeister Rüdisüli die garantenähnliche Stellung. Damit ist die Prüfung von Art. 251 StGB hier abzubrechen. C. Hat sich Rüdisüli der Warenfälschung gemäss Art. 155 StGB schuldig gemacht? Die Warenfälschung kommt gemäss Art. 155 Ziff. 1 Abs. 3 StGB nur subsidiär zu den Verbrechenstatbeständen zur Anwendung. Der Tatbestand von Art. 155 StGB ist ein betrugsähnlicher Auffangtatbestand. Die abstrakte Gefährdung des Vermögens des möglichen Erwerbers ist ausreichend; weder eine erfolgte 21
Täuschung noch ein Vermögensschaden sind erforderlich . I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Der Tatbestand setzt voraus, dass eine Ware, «die einen höheren als ihren wirklichen Verkehrswert vorspiegelt», hergestellt bzw. eingeführt, gelagert
oder in Verkehr gebracht wird. Die Vorspiegelung erfolgt namentlich durch Nachmachen oder Verfälschen der Ware. In der bisherigen Fallbearbeitung wurden sowohl der Vermögensschaden beim Betrug wie die garantenähnliche Stellung des Täters bei der schriftlichen Lüge [168] abgelehnt. Obwohl diese qualifizierenden Merkmale wegfallen, kann im konkreten Fall die Falschdeklaration des Fleischs sehr wohl als Ware verstanden werden, die «einen höheren als ihren wirklichen Verkehrswert vorspiegelt». Ein objektiver Schaden, wie beim Betrug, muss – wie bemerkt – nicht eingetreten sein. Wie das Bundesgericht festgehalten hat, soll der Tatbestand der Warenfälschung sicherstellen, «dass der Erwerber nicht eine Ware erhält, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn er wüsste, dass ihre Beschaffenheit nicht dem entspricht, was ihr 22
Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuscht» . Dies entspricht genau der Situation im vorliegenden Fall. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert neben Vorsatz die Absicht, die Ware zur Täuschung in Handel und Verkehr zu verwenden. Der Metzgermeister hat die Täuschungsabsicht, auch wenn er sich nicht bereichern will. Bereicherungsabsicht ist bei Art. 155 StGB nicht Voraussetzung. Damit ist der Grundtatbestand von Art. 155 StGB erfüllt. II. Qualifikation (Art. 155 Ziff. 2 StGB) .
Gewerbsmässigkeit wird heutzutage der Berufsmässigkeit gleichgestellt, die nach Bundesgericht vorliegt «wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er [der Täter] für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art
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eines Berufs ausübt» . Rüdisüli ist berufsmässiger Metzgermeister. Er setzt das Antilopenfleisch im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit ab. Auch wenn die Menge des Fleisches beschränkt ist, er also nicht längerfristig von den Warenfälschungen leben kann, ist die deliktische Tätigkeit Teil seiner beruflichen Aktivität. III. Ergebnis Rechtswidrigkeit und Schuld werfen hier keine weiteren Fragen auf. Somit hat sich Rüdisüli des Art. 155 Ziff. 2 StGB schuldig gemacht. Alphonse Bayer hat eine grosse Menge afrikanischen Antilopenfleisches importiert, sie allerdings unter korrekter Bezeichnung verkauft. Er ist [169] sich zwar im Klaren, dass die Abnehmer es grösstenteils falsch deklariert weiterverkaufen. Er betrachtet es aber nicht als seine Verantwortung, den Konsumenten vor fehlbaren Detailhändlern zu schützen. Zu prüfen ist hier, ob Bayer sich der strafbaren Gehilfenschaft zur Warenfälschung des Rüdisüli schuldig gemacht hat oder ob sog. «harmlose Gehilfenschaft» vorliegt.
Strafbarkeit des Grosshändlers Bayer A. Hat sich Bayer der Gehilfenschaft zur Warenfälschung gemäss Art. 155 i.V. m. Art. 25 StGB strafbar gemacht? I. Objektive Voraussetzungen Mit der Strafbarkeit von Rüdisüli aus Art. 155 Ziff. 2 StGB liegt eine strafbare Vortat vor, die Bayer unterstützt haben könnte. Der Gehilfe muss die Haupttat zumindest gefördert haben. Durch den Grosseinkauf und die Belieferung der fehlbaren Abnehmer, einschliesslich des fehlbaren Metzgermeisters, hat Bayer die Voraussetzungen zur Tat des
Rüdisüli geschaffen. II. Subjektive Voraussetzungen Gehilfenschaft setzt einen doppelten Vorsatz voraus: Die vorsätzliche Mitwirkung an der vorsätzlichen Haupttat. Bayer war sich bewusst, dass in der Schweiz die von ihm weiterverkauften Mengen kaum unter korrekter Bezeichnung verkauft würden. Trotzdem hat er 200 kg afrikanische Antilope importiert und an Detaillisten weiterverkauft. Er hat mit dem Weiterverkauf an Rüdisüli in Kauf genommen, dass jener die Antilope falsch deklariert an seine 24
KundInnen absetzt . III. Erlaubtes Risiko: «Harmlose Gehilfenschaft»? Vor allem in der deutschen Lehre hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass Alltagshandlungen auch dann straflos sind, wenn sie vorsätzlich .
25
(eventualvorsätzlich) zur Deliktsbegehung beitragen : Gedacht wurde an Bäcker, die in einem Quartier Brot verkaufen, in dem besonders viele Drogenhändler aktiv sind. Sie müssen damit rechnen, auch mit Drogenerlös bezahlt zu werden, ihre Tätigkeit ist aber vollkommen alltäglich und neutral. Ähnliche Überlegungen [170] sind auch zur Strumpfverkäuferin angestellt worden, die sich unter den vielen unbedenklichen KundInnen irgendwann auch einem Bankräuber gegenüber sieht, der sich bei ihr mit Deliktsutensilien eindeckt. Realitätsnäher ist wohl das Beispiel des Anwalts, der aus Deliktsbeute bevorschusst wird und damit die Gefahr läuft, zum Geldwäscher 26
zu werden . Die dogmatische Einordnung der Erwägung ist noch nicht
durchwegs gesichert. Die Konstruktion der «harmlosen Gehilfenschaft» wird aber üblicherweise beim «erlaubten Risiko» geprüft. Allerdings trägt die Theorie nur, soweit der Verkäufer – bei den obgenannten Fällen – auf das legale Verhalten der Käufer zählen kann. Das Risiko ist erlaubt, wenn und solange der Verkäufer auf das Legalverhalten der von ihm Belieferten nach dem Vertrauensprinzip zählen kann. Im konkreten Fall hat der Grossist grundsätzlich Recht, dass ihn keine Verantwortung für die Handlungen weiterer erwachsener Personen trifft, von denen prinzipiell Legalverhalten erwartet werden darf (man spricht .
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gelegentlich von «Regressverbot» ). Allerdings wusste Alphonse Bayer, dass afrikanische Antilope in der Schweiz unter korrekter Bezeichnung praktisch unverkäuflich war. Er musste also vom überwiegend deliktischen Weiterverkauf ausgehen. Zu Recht nahm das Bundesgericht im analogen Fall 28
einen «deliktischen Sinnbezug» an . Damit hat Bayer ein «unerlaubtes 29
Risiko» geschaffen . IV. Gewerbsmässigkeit Die Gewerbsmässigkeit ist ein sachlicher Umstand, der dem Teilnehmer akzessorisch zugerechnet wird (Art. 27 StGB). Es ist daher im vorliegenden Fall unerheblich, ob Bayer selbst gewerbsmässig handelt, er haftet mit aus Art. 155 Ziff. 2 StGB, weil es der Haupttäter tut. .
Zusammenfassung
Der Metzgermeister Rüdisüli hat zwar weder den Tatbestand des Betrugs noch der Falschbeurkundung erfüllt. Er hat sich allerdings der gewerbsmässigen Warenfälschung strafbar gemacht. Der Grosshändler Bayer ist der Gehilfenschaft zu Art. 155 i.V.m. Art. 25 StGB strafbar, dabei trifft auch ihn der Vorwurf der Gewerbsmässigkeit (Ziff. 2). .
Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors, neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils, die folgenden Punkte entscheidend: ■ ■ ■ ■
Der korrekte Tatbestandsaufbau bei Betrug und Urkundenfälschung Die detaillierte Diskussion des Vermögensschadens beim Betrug Die adäquate Bearbeitung des Urkundenbegriffs Die Unterscheidung der Urkundenfälschung und der Falschbeurkundung ■ Problemsicht und Erörterung der Abgrenzung von Falschbeurkundung und schriftlicher Lüge ■ Ansprechende Diskussion der «harmlosen Gehilfenschaft» für Bayer
Literaturhinweise BOOG, M., Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Begriff des Vermögensschadens beim Betrug, Diss., Basel et al. 1991; KOHLBACHER, U., Beweiszeichen als Urkunden im schweizerischen Strafrecht: ein Beitrag zur Reform der Urkundendelikte, Basel et al. 1991; LEE, J.H., Die Beteiligung des Strafverteidigers an der Geldwäscherei, Basel 2006; WEHRLE, S., Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt: Regressverbot?, Basel et al. 1986.
Fall 14 Häschenfall Bearbeitung: Ingeborg Zerbes
Im Internet wird folgende Seite veröffentlicht:
RETTET Bernd
Ich schwör bei Gott, ich werd dieses süße Karnickel zu Ostersonntag 2010 fressen, wenn bis zum 31.3.2010 mein Konto nicht mindestens ein Guthaben von CHF 1000 000 aufweist. IHR KÖNNT BERND RETTEN!!! Bernds Ende liegt in euren Händen! Links verweisen auf die Lebensgeschichte von Bernd, die Kontodaten des Autors (A), auf ein Kochrezept («Kaninchen mit Pfifferlingen»), auf die .
.
Zusicherung, dass Bernd bei seiner allfälligen Schlachtung nicht leiden würde, auf einen online Shop zum Kauf von Bernd-Fanartikeln – und auf den aktuellen Kontostand: CHF 70 000.
▶
Ein leidenschaftlicher Tierschützer ist empört und erstattet Anzeige. Unter der Annahme schweizerischer Zuständigkeit: Könnte sich der Autor (A) der Internetseite strafbar gemacht haben? .
Vorbemerkung Eine derartige Seite existiert tatsächlich; unter «Save Bernd» gibt es sogar einen Wikipedia-Eintrag. Angeblich haben einige Leute wirklich etwas bezahlt. Natürlich: Selber schuld, wer auf solchen Unfug hineinfällt – es ist aber gar nicht so einfach zu sagen, ob ein solcher Unfug nicht strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Immerhin hat A sich auf Kosten anderer bereichert, denen es aufgrund ihrer Tierliebe offensichtlich unerträglich war, eine Rettungschance für ein Kaninchen zu verpassen. Sie werden sich geradezu erpresst gefühlt haben – kann Art. 156 StGB, Erpressung, erfüllt sein? Und falls A gar keinen Hasen hat, den er essen kann oder will, hat er die Spenden durch eine Täuschung herausgelockt. Er könnte Betrug, Art. 146 StGB, begangen haben: hinsichtlich der bereits gespendeten CHF 70 000 vollendet, bezogen auf den Rest der insgesamt geforderten Summe im Versuch.
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des A A. Erpressung gemäss Art. 156 StGB? Hat A dadurch, dass er droht, das Kaninchen Bernd zu schlachten und zu essen, gegenüber jenen, die ihn durch eine Spende davon abhalten wollten, Erpressung begangen? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Erpressung begeht, wer jemanden «durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt». Die Prüfung kann hier enden: Gewalt scheidet aus, denn durch den Aufruf «Rettet Bernd» wird das Kaninchen nicht einmal berührt. Ernstliche Nachteile i.S. des Erpressungstatbestandes müssen dem Erpressungsopfer an eigenen Rechtsgütern drohen, an den Rechtsgütern einer ihm nahestehenden Person oder einer Person, der er sich verpflichtet 1
fühlt (sog. Sympathiepersonen). Das Kaninchen gehört nicht zu den Rechtsgütern des jeweiligen Spenders. So süss es ist, Person ist es keine. .
B. Betrug gemäss Art. 146 StGB? Hat sich A durch die Behauptung, dass durch ausreichend hohe Geldspenden ein Kaninchen gerettet wird, wegen Betruges schuldig gemacht? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand
Betrug wird durch eine Täuschung begangen, die den Getäuschten dazu bewegt, über Vermögen zu verfügen: so, dass er selbst oder ein Dritter geschädigt und der Täter bereichert wird. a) Arglistige Täuschung Wenn A gar kein Kaninchen hat, das er essen wollte oder könnte, dann ist seine im Internet veröffentlichte Behauptung falsch. Wer sie liest und glaubt, unterliegt einer Täuschung. Arglistig ist eine Täuschung nach der klassischen Formel der Rechtsprechung zum einen dann, «wenn der Täter zur Täuschung […] ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe 2
bedient» . A äussert sich allein über den Internetauftritt; ausser dem Foto legt er keine Beweise für seine Behauptungen vor – besondere Machenschaften und Kniffe sind das wohl noch keine. Auch Lügengebäude wurde keines errichtet: Die Behauptungen, einen Hasen zu haben und schlachten zu wollen, sind keine «Lügen, [die] von besonderer Hinterhältigkeit zeugen und derart raffiniert aufeinander abgestimmt sind, dass sich auch das kritische Opfer 3
täuschen lässt» . Zum anderen können nach der Judikatur bloss einfache unwahre Angaben, wie sie hier vorliegen, als arglistig gelten: dann, wenn «deren Überprüfung 4
nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist» . Das wird hier der Fall sein – A gibt seine Kontodaten, aber nicht seine Identität preis, und die kontoführende Bank darf Kundendaten nicht an Privatpersonen weitergeben. Wie sollte herausgefunden werden, ob er ein Kaninchen hat, das
er essen will? Selbst wenn A seine Identität preisgibt, ist die Überprüfung seines Vorhabens, wenn überhaupt, nur mit besonderer Mühe möglich. Anderseits sieht man der Internetseite durchaus an, dass sie nicht ernst zu nehmen ist. Die gesamte Aufmachung weist doch auf einen Spass hin. Kann den Spendern hier nicht Leichtsinnigkeit vorgeworfen werden? Hätten sie sich 5
«mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit» selbst schützen können? Ist jemand, der tatsächlich an die Bedrohung des Kaninchens glaubt, inadäquat vertrauensselig? Wenn es so ist, ist Arglist und mit ihr Betrug 6
ausgeschlossen . Dagegen spricht allerdings erstens, dass der Empfängerkreis einer Botschaft, die über das Internet verbreitet wird, unbeschränkt ist. Der Autor muss damit rechnen, dass auch besonders schützenswerte Opfer wie z. B. Kinder und Jugendliche oder intellektuell unterlegene Opfer erreicht werden. Wer die [177] überdurchschnittliche Vertrauensseligkeit anderer gezielt ausnutzt, der kann seiner Strafbarkeit nicht den Leichtsinn der Betroffenen 7
entgegenhalten . Zweitens ist die Internetseite zwar offensichtlich spassig gemeint – aber es könnte durchaus sein, dass es tatsächlich einen Hasen gibt, dem die Schlachtung bevorsteht. Nicht nur ein besonders leichtgläubiger sondern auch ein kritischer und vernünftiger Internetuser wird das nicht ausschliessen. Es ist also gar nicht Leichtsinn, der an die Selbstverantwortung der Opfer denken lässt, sondern deren aussergewöhnlich ausgeprägte Weichheit, Rührseligkeit, Tierliebe. Diese Eigenschaften sprechen allerdings nicht gegen die Arglistigkeit einer Täuschung – Arglist beschreibt die Intensität der Lüge, mit den Emotionen, die die Lüge auslöst, hat sie nichts zu
tun. Im vorliegenden Fall kann folglich von einer arglistigen Täuschung ausgegangen werden. b) Vermögensverfügung, Vermögensschaden und Motivationszusammenhang Eine Einzahlung auf das Konto des A ist eine Vermögensverfügung, und jeder, der spendet, fügt sich selbst einen Vermögensschaden um diesen Betrag zu, um den A bereichert wird. Auch der in Fall 15 (S. 187) erklärte Motivationszusammenhang zwischen Täuschung und selbstschädigender Handlung des Getäuschten liegt vor: Die irrtümliche Annahme, dass ein Kaninchen zu retten ist, führt unmittelbar zur Spende; es gibt kein weiteres Ereignis, das diese Entscheidung auslöst. .
c) Einschränkung der Strafbarkeit bei Spenden- oder Bettelbetrug Nach der bisherigen Prüfung ist A wegen Betrugs verantwortlich, falls er seine Hasengeschichte nur vorgetäuscht hat und diese Täuschung als arglistig qualifiziert wird. Wird die Prüfung hier beendet, müsste Betrug allerdings stets angenommen werden, wenn – wie hier – eine Spende herausgelockt wird: wenn der Spender zwar keine vermögenswerte Gegenleistung erwartet hat, sondern ihm ein bestimmtes Verhalten des Begünstigten oder eine bestimmte Verwendung seiner Spende fälschlich versprochen wurde. Manche Fälle eines solchen Spenden- oder Bettelbetrugs sind aber schlicht nicht strafwürdig. Soll ein Bettler grundsätzlich als Betrüger strafbar sein, wenn er vorgibt, für das erbettelte Geld bloss etwas zu essen kaufen zu wollen, in Wahrheit aber nur das nächste Bier finanzieren will? Ist ein Student kriminell, der seine Eltern um einen Zuschuss zu Büchern und der Miete bittet, mit dem er jedoch einen [178] Fernseher finanzieren will? Derartige Abweichungen von einem Versprechen zu kriminalisieren ist wohl überzogen, selbst wenn die 8
Täuschungen nach Art und Ausmass arglistig sind – für andere Konstellationen gilt das allerdings nicht. Wer Spenden angeblich z.B. für Erdbebenopfer sammelt, die in Wahrheit ihm selbst zufliessen sollen, ist
durchaus strafwürdig. Um die Strafbarkeit sachgerecht zu begrenzen, sind zuerst die Fälle von Spendenbetrug von typischen Betrugsfällen abzugrenzen. Bei diesen wird das Opfer um eine vermögenswerte Gegenleistung geprellt. Gegenstand von Täuschung und Irrtum ist der Vermögensschaden als solcher. Im Gegensatz dazu ist das Opfer eines Spendenbetruges sich darüber durchaus im Klaren. Es erwartet keinen vermögenswerten Ausgleich, im Gegenteil – es will den oder die Begünstigten fördern und nimmt für dieses aus seiner Sicht immaterielle Interesse die Vermögenseinbusse auf sich. Seine Motive, dies zu tun, werden allerdings durch eine Täuschung hervorgerufen. Der Getäuschte unterliegt einem Irrtum über den Zweck seiner Spende; seine «ideelle 9
Erwartung» bleibt unerfüllt: Der Bettler stillt seinen Hunger nicht, der Student kauft keine Bücher, den Erdbebenopfern wird nicht geholfen – und kein Häschen wird gerettet. Die wenigen Schweizer Urteile sehen in derartigen Fällen den Vermögensschaden in der «sozialen 10
Zweckverfehlung»
11
und gehen von Betrug aus .
In der (österreichischen) Lehre wurde demgegenüber vorgeschlagen, die Begriffe von Täuschung und Irrtum enger zu fassen: Nur eine Täuschung über .
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die Person des Beschenkten soll eine Täuschung i.S. v. Art. 146 StGB sein . Wer also sich selbst, statt – wie angegeben – Erdbebenopfer begünstigt, begeht Betrug. Lässt er aber die Spende tatsächlich den Zielpersonen zukommen, die er dem Spender genannt hat, ist er auch dann straflos, wenn die Wirkung der Spende eine andere ist als er zugesichert hat. Auf die genannten Beispiele angewendet bedeutet das Straffreiheit für den Bettler
sowie für den Studenten: Die Geber fördern genau die Person, die sie fördern wollten. Und im vorliegenden, dem Häschenfall? – Der Autor A ist der Nutzniesser der Einzahlungen, und das weiss jeder, der irrtümlich annimmt, ein Häschen zu retten. Entgegen der h.L. und Judikatur lässt sich Betrug auf diesem Weg verneinen: A ist straflos. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Knapp formulierter, aber klarer Ausschluss der Erpressung ■ Erkennen und Auseinanderhalten der Betrugsmerkmale ■ Erkennen der Besonderheiten des Spendenbetrugs
Literaturhinweise BOOG, M., Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Begriff des Vermögensschadens beim Betrug, Diss., Basel et al. 1991; CASSANI, U., Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, ZStrR 1999, 152 ff.; FUCHS, H.. /. REINDL-KRAUSKOPF, S., Strafrecht, Besonderer Teil I, Delikte gegen den Einzelnen .(Leib und Leben, Freiheit, Ehre, Privatsphäre, Vermögen), 3. Aufl., Wien 2009, 150 ff.
Fall 15 Fernsehquiz Bearbeitung: Mark Pieth
Das Schweizer Fernsehen führt ein Ratespiel durch. Im Cupsystem müssen Kandidatinnen und Kandidaten Fragen beantworten. Diejenigen, die die meisten Antworten richtig beantwortet haben, kommen weiter. Zum Schluss dürfen die Finalisten noch an einer Hoffnungsrunde (Glücksrad) mitmachen. Sie können durch einen hohen Einsatz ihre Chancen auf einen Hauptgewinn noch deutlich steigern. Wenn sie niedrig setzen, verlieren sie trotz geringerer Gewinnchance aber auch weniger des bisher Erlangten. .
Drei Freunden ist aufgefallen, dass die Moderatorin in einer Trainingsrunde mit anderen Kandidaten und einem anderen Publikum am selben Abend unmittelbar vor der Sendung die gleichen Fragen stellt, wie im darauf stattfindenden Ernstfall. Die echten Kandidaten befinden sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Studio und werden dauernd begleitet, ausser natürlich auf die Toilette. Zwei der Freunde, denen es gelingt, sich ins Probepublikum aufnehmen zu lassen, deponieren für ihren Freund, der als Kandidat in der Sendung mitwirkt, die Fragen und die richtigen Antworten in einem vorher vereinbarten Versteck auf der allgemein zugänglichen Herrentoilette. Der Kandidat, der vorgängig die Spielregeln unterzeichnet und darin «ethisches» Spielverhalten versprochen hat, findet den «Kassiber» wie vereinbart und lernt Fragen und Antworten auswendig. Aufgrund dieses Vorteils schafft er es in das Finale, auch wenn er – peinlicherweise – einzelne Antworten verwechselt. Im Finale verhält er sich bewusst vorsichtig und riskiert nur wenig, sodass er einen Gewinn von CHF 20 000 auf sicher hat. Die Moderatorin erklärt ihn zum Sieger und veranlasst in der Folge die Gewinnauszahlung. ▶
Haben sich die drei Freunde strafbar gemacht?
Vorbemerkung
Beim vorliegenden Fall handelt es sich um den vereinfachten Sachverhalt des Quizentscheides («Risiko») des Bundesgerichts (BGE 126 IV 165). Wie sich zeigen wird, weist der Fall Parallelen zur umstrittenen Frage des «Dopingbetrugs» auf. .
.
Lösungsvorschlag
Die Beteiligungsrollen der drei Freunde können im Anschluss an die Prüfung der Strafbarkeit des Hauptbeteiligten erörtert werden, weil er in der massgebenden Tatphase selbst umfassend aktiv war.
Strafbarkeit des «Kandidaten» A. Betrug gemäss Art. 146 StGB? Hat der Kandidat dadurch, dass er sich als gewöhnlicher Mitspieler ausgegeben hat, die Moderatorin zu einer Vermögensverfügung veranlasst und damit zu Lasten des Schweizerischen Fernsehens den Tatbestand des Betrugs (Art. 146 StGB) erfüllt? .
I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Nach dem objektiven Tatbestand des Betrugs wirkt der Täter auf eine Weise motivierend auf das Opfer ein, die es zur Selbstschädigung veranlasst. Der objektive Betrugstatbestand wird in vier Schritte unterteilt, die durch einen Motivationszusammenhang verbunden sind. a) Täuschung Nach Gesetz erfordert das motivierende Verhalten entweder die Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen oder das Bestärken eines bestehenden Irrtums. Tatsachenbehauptungen können explizit oder konkludent aufgestellt werden. Gemäss Sachverhalt hat der Kandidat «Spielregeln» unterzeichnet und darin «ethisches» Spielverhalten versprochen. Darin ist durchaus eine erste Parallele zu den Dopingfällen zu sehen, wo der Wettkampfteilnehmer typischerweise
1
eine «Athletenvereinbarung» eingeht, die «fair play» zum Gegenstand hat . Durch seine Vertragsunterzeichnung gibt sich der Kandidat als regulärer Mitspieler aus, der sich an die Regeln halten will. Insofern täuscht er sowohl die Fernsehanstalt in der Person der Moderatorin wie die Mitspieler. Es [183] bleibt ihnen verborgen, dass er sich mit unfairen Mitteln überlegenes 2
Wissen beschafft hat . Es liegt eine Art «Gehirndoping» vor. b) Arglist Fraglich ist allerdings, ob es sich bei der Täuschung um eine einfache Vertragsverletzung handelt, die allenfalls zivilrechtlich relevant wäre (Art. 28 .
3
OR) , oder ob eine arglistige Täuschung im Sinne von Art. 146 StGB vorliegt. Das Bundesgericht hat den Begriff der Arglist, der ursprünglich dem 4
französischen Recht entstammt , konkretisiert: Zunächst wurde die Subsidiarität des Strafrechts gegenüber dem Zivilrecht betont, indem für den Betrug «besondere Machenschaften», «Kniffe» («manœuvres frauduleuses») .
5
vorausgesetzt wurden . Umgekehrt wurde der strafrechtliche Schutz demjenigen verweigert, der «sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit
6
[…] selbst hätte schützen» können. Der Gedanke der «Opferselbstverantwortung» schliesst zwar den Schutz des Leichtsinnigen oder des Faulen aus, allerdings wurde seine Bedeutung in der Praxis stark eingeschränkt, zumal wenn die Betrüger gerade darauf aus sind, die Leichtgläubigen, Unerfahrenen, Naiven etc. «übers Ohr zu hauen». Bald ist daher Arglist auch bei gewissen Fällen einfacher Lüge angenommen worden: namentlich wenn der Täter «bloss falsche Angaben macht, deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, sowie dann, wenn er den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussetzt, dass jener die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses 7
unterlassen werde» . Den drei Freunden ist im vorliegenden Fall vorab aufgefallen, dass die Moderatorin in der Trainingsrunde mit anderen Kandidaten und einem anderen Publikum am selben Abend unmittelbar vor der Sendung die gleichen Fragen stellt, wie im darauf stattfindenden Ernstfall. Um «ihrem» Kandidaten zu helfen, mussten sie sich erst ins Publikum aufnehmen lassen, sie mussten die Fragen und Antworten an einem vorher vereinbarten Versteck auf der Herrentoilette verbergen, die für das Probepublikum und die ErnstfallKandidaten gleichermassen zugänglich war. Der Kandidat musste sich in kurzer [184] Zeit Fragen und Antworten merken und während seines Fernsehauftritts kühles Blut bewahren. Insgesamt setzt das Vorgehen einen erheblichen organisatorischen Aufwand und eine gehörige Portion Kühnheit voraus. Das Bundesgericht konkretisiert «besondere Machenschaften» unter anderem mit der Formel «sie kennzeichnen sich durch intensive, planmässige
8
und systematische Vorkehren» . Auf diese Formel greift denn auch das Bundesgericht – wohl zu Recht – in seinem «Risiko»-Entscheid zurück, wenn es das Verhalten der Freunde als «raffiniert, planmässig und systematisch 9
inszeniert» bezeichnet . Abgesehen vom «Lügengebäude» oder den «besonderen Machenschaften» könnte auch ein Fall der strafbaren einfachen Lüge vorliegen: Die Präsentatorin und das weitere «Risiko»-Team des Schweizerischen Fernsehens haben an einen solchen Missbrauch gar nicht gedacht. Auf den ersten Blick mag man erstaunt sein darüber, dass eine Fernsehstation ihre finanziell hochdotierte Quizsendung so dilettantisch organisiert. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass die Kandidaten dauernd begleitet wurden. Dass sie nicht auch noch auf der Toilette überwacht werden konnten, versteht sich. Es musste wohl auch nicht damit gerechnet werden, dass eine Gruppe von «Zuschauern» und «Mitspielern» sich so gekonnt sämtliche Schwachstellen des Dispositivs zu Nutze macht. Nur Opfer, die sich aus Leichtsinn, 10
Risikofreudigkeit, Gier oder zur Gewinnmaximierung geradezu anbieten , 11
verdienen keinen strafrechtlichen Schutz . Aber es ist nicht einzusehen, weshalb die bloss Ungeschickten und Leichtgläubigen schutzlos gestellt
12
werden sollen . Dementsprechend haben im «Risiko»-Fall sowohl die Vorinstanz wie das Bundesgericht Opfermitverantwortung auf Fälle beschränkt, in denen das Opfer «die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen» 13
nicht beachtet . Man kann sich fragen, ob damit der Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts gegenüber dem Zivilrecht nicht ungebührlich eingeschränkt wird. In casu ist aber aufgrund des Sachverhalts davon auszugehen, dass das Fernseh-Team wohl etwas naiv war, dass es aber mit den Sicherheitsvorkehrungen zum Schutze gegen Manipulation doch recht weit gegangen ist. Damit vermag das Opferselbstverschulden die Arglist nicht aufzuwiegen, selbst wenn man das Selbstverschulden nicht so eng definiert wie das Bundesgericht. Somit liegt Arglist gleich aus mehreren Gründen vor. c) Irrtum 14
Die Täuschung muss als nächsten «Zwischenerfolg»
einen Irrtum, das heisst 15
eine «Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit» , hervorrufen. Aufgrund des Sachverhalts ist davon auszugehen, dass sich die Moderatorin durch die Täuschung zur Annahme hat verleiten lassen, dass es sich beim Kandidaten um einen fairen Mitspieler handelte. Daran würde auch nichts ändern, wenn ihr aufgrund der Verwechslung einzelner Antworten gewisse
16
Zweifel an der Seriosität des Mitspielers gekommen wären . d) Vermögensverfügung Betrug ist ein Selbstschädigungsdelikt. Zumindest muss die getäuschte Person eine Vermögensverfügung, sei es zu ihrem eigenen Nachteil oder zum Schaden eines Dritten veranlassen. Das setzt voraus, dass die getäuschte 17
Person Verfügungsmacht über das Vermögen des Dritten hat . Bei Entscheiden von Preisrichtern wird von der Lehre gelegentlich eine Analogie 18
zum Prozessbetrug hergestellt : So wie die Täuschung des Richters einen Dritten um seinen Anspruch bringen kann, können im sportlichen Wettkampf durch den Entscheid des Schiedsrichters oder des Preisrichters Mitbewerber um das Preisgeld gebracht oder im Quiz andere Kandidaten zurückgestellt werden. Vor allem aber verpflichtet die Moderatorin mit ihrem Entscheid die Fernsehgesellschaft. Im vorliegenden Fall scheint die Moderatorin in die Rolle der getäuschten Preisrichterin zu passen und die durch ihren Entscheid veranlasste Auszahlung des Gewinnes entspräche der Vermögensverfügung. Allerdings bedarf hier eine Frage der Erörterung, die vom Bundesgericht und auch den meisten Kommentatoren schlicht übergangen wird: Der Motivationszusammenhang (siehe unten f). .
e) Vermögensschaden
19
20
Abermals glauben das Bundesgericht und Teile der Lehre die Folge des Vermögensschadens mit dem einfachen Hinweis auf die Auszahlung des Preisgeldes beantworten zu können. Die Frage, ob freiwillig geleistete Spielschulden überhaupt zivilrechtlich rückforderbar wären, wird zu Recht als nicht relevant angesehen. Überhaupt kommt es beim Betrug, ebenso wenig wie bei Aneignungsdelikten, darauf an, ob der Schaden wiedergutgemacht werden könnte, das Delikt ist mit Eintritt 21
des Schadens bereits vollendet . 22
Das Argument, der Fernsehsender riskiere «Doppelzahlung» , ist aber aus den gleichen Gründen nicht strafrechtlich relevant: Es spekuliert mit einer ungewissen zivilrechtlichen Lage nach Vollendung der Tat. Ist der Rückforderungsanspruch nicht von Bedeutung, ist auch das noch ebenso ungewisse Risiko einer Doppelzahlung nicht von Belang. Auch die weitere Überlegung, dass der Organisator des Wettkampfes (im vorliegenden Fall das Schweizerische Fernsehen) das Preisgeld ohnehin .
23
ausgegeben hätte – jedenfalls an den nächsten korrekten Spieler – mag zur Ablehnung des Vermögensschadens nicht überzeugen: Es geht dem Fernsehen nicht darum, einfach Spiele zu organisieren, gleichgültig, wer das Preisgeld erhält. Der Gewinner erhält Preisgeld nach seiner Leistung und der zusätzlichen Glückskomponente. Die nachfolgenden Spieler würden nicht einfach an die Stelle eines disqualifizierten Spielers rücken, sie würden nach
Massgabe der eigenen Leistung belohnt. Kurz: Das Preisgeld ist nicht sowieso «geopfert», die Kosten der Fernsehstation nicht ohnehin bereits entstanden. Während damit der Vermögensschaden der Fernsehanstalt letzten Endes auf die Täuschung zurückzuführen ist, ist ein Betrug zum Nachteil der Konkurrenten weniger leicht zu begründen: Zwar erfasst der Betrug wie oben bemerkt auch Vermögensverschiebungen, die Dritte schädigen. Allerdings kann nach dem Arrangement des Fernsehspiels nicht einfach davon ausgegangen werden, der Gewinner stehe den weiteren Konkurrenten im 24
Wege und schädige sie : Der Anspruch der Konkurrenten ist abhängig von 25
ihrer eigenen Leistung . f) Motivationszusammenhang In der Theorie ist man sich einig, dass die Elemente des objektiven Tatbestandes, insbesondere die Täuschung, der Irrtum und die schädigende Vermögensverfügung, durch einen Motivationszusammenhang verflochten sein müssen: «Der Unrechtsgehalt des Betrugs liegt geradezu darin, dass der Betroffene durch Irreführung zu einem vermögensvermindernden Verhalten 26
bewogen wird […]» . Bekanntermassen verlangt der Motivationszusammenhang mehr als einen 27
blossen
Kausalzusammenhang .
Und
hier
manifestiert
sich
ein
28
grundsätzliches Problem : Gesiegt hat der Quizkandidat, genauso wie der 29
gedopte Sportler, wegen der unrechtmässigen Leistungssteigerung . Das Preisgeld hat er, jedenfalls einstweilen einmal, das heisst bis zur 30
Disqualifizierung , gewonnen. Die Vermögensverfügung, die Auszahlung des Gewinns, beruht nicht auf der Täuschung (dem Unterzeichnen der Spielregeln), sondern auf der Tatsache, dass der Kandidat am meisten Fragen beantwortet hat (und am Glücksrad am wenigsten Geld verloren hat). Diese Argumentation lässt den Motivationszusammenhang als unterbrochen erscheinen. Aufgrund dieser aus dem Dopingrecht abgeleiteten Theorie liegt der objektive Tatbestand des Betrugs nicht vor. .
.
Da diese Deutung nicht der «comunis opinio» entspricht, wird die Fallbehandlung im Sinne einer Eventualprüfung fortgesetzt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand setzt zunächst Vorsatz voraus. Es bestehen im vorliegenden Fall für den Kandidaten keine Zweifel, dass er die Elemente des objektiven Tatbestandes gekannt und auch gewollt hat. Darüber hinaus müsste er sich unrechtmässig bereichern wollen. An der Bereicherungsabsicht ist 31
zwar nicht zu zweifeln . Allerdings fragt sich, ob die «Stoffgleichheit» gegeben ist, das heisst, ob die beabsichtigte Bereicherung mit dem Schaden
32
korrespondiert, ob eine Vermögensverschiebung intendiert ist . Soweit der Vermögensschaden der Fernsehanstalt zum Gewinn des Kandidaten in Bezug gesetzt wird, ist Stoffgleichheit anzunehmen. Problematischer wäre die Frage [188] der Stoffgleichheit, wenn der Vermögensschaden im entgangenen 33
Preisgeld der Mitbewerber gesehen würde : Der Gewinn des Kandidaten ist nicht automatisch mit dem Verlust der Mitkonkurrenten gleichzusetzen, da er aufgrund der Anzahl richtiger Antworten und des zusätzlichen individuellen 34
Glückselements berechnet wird . Nach der Eventualvariante ist somit der Tatbestand des Betrugs zumindest zulasten der Fernsehanstalt erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtfertigungs- oder Schuldausschlussgründe sind keine ersichtlich.
Beteiligungsrolle der Freunde Die beiden Freunde liessen sich, nachdem ihnen gemeinsam aufgefallen war, dass in der Trainingsrunde die gleichen Fragen verwendet werden wie im «Ernstfall», ins Publikum aufnehmen, und sie deponierten die Fragen und Antworten für ihren Kollegen in der Herrentoilette. Es ist abzuklären, ob sie Mittäter oder Gehilfen waren. A. Mittäterschaft an Art. 146 StGB?
I. Gemeinsamer Tatentschluss Der Sachverhalt differenziert nicht nach den drei Freunden, sie haben ihre Beobachtungen gemeinsam gemacht und beschliessen das Vorgehen gemeinsam. II. Arbeitsteilige Verwirklichung Zwar kommt dem Kandidaten eine Schlüsselrolle zu, aber ohne «Back-upTeam» hätte er die Tat nie ausführen können. Die beiden Freunde leisten nicht nur einen essentiellen Tatbeitrag, sie haben es auch in der Hand, ob und wie die Tat begangen werden kann. Sie steuern die Tat mit. Die gemeinsame Tatherrschaft macht sie zu Mittätern am Betrug. Gehilfenschaft scheidet somit aus. Auch in ihrer Person liegen im Übrigen keine Schuldausschlussgründe vor.
Zusammenfassung Falls man – mit der Praxis – den Motivationszusammenhang bejaht, haben die drei Freunde in Mittäterschaft zum Nachteil des Schweizerischen Fernsehens einen Betrug gemäss Art. 146 StGB begangen. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Sichere Kenntnis des Betrugsaufbaus (einschliesslich des Arglisterfordernisses) ■ Kritischer Blick auf das Element des Motivationszusammenhanges ■ Adäquate Argumentationstiefe bezüglich der Vermögensverfügung und des Vermögensschadens .
Literaturhinweise CASSANI, U., Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, ZStrR 1999, 152 ff.; CHERKEH, R.T., Betrug .(§ 263 StGB), verübt durch Doping im Sport, Frankfurt a.M. 2000; FABER, A., Doping als unlauterer Wettbewerb und Spielbetrug, Zürich 1974; MAIHOLD, H., Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Basel 2008, 170 ff.; MOMSEN-PFLANZ, G., Die sportethische und strafrechtliche Bedeutung des Dopings – Störung des wirtschaftlichen Wettbewerbs und Vermögensrelevanz, Frankfurt a.M. 2005; REHBERG, J.. /. FLACHSMANN, S., Strafbarkeit von «Doping» als Betrug nach Schweizerischem Strafrecht, SpuRt 2000, 212 ff.; SCHMIDT, J., Zur Strafbarkeit von Doping im Sport – Perspektiven für einen Anti-Doping-Tatbestand, in: Eckner, M.. /. Kempin, T. .(Hrsg.), Recht des Stärkeren – Recht des Schwächeren, Zürich 2005, 1 ff.; SCHUBARTH, M., Dopingbetrug, recht 2006, 222 ff.; ZERBES, I., Rechtliche Bewertung des Dopings in Österreich, in: Vieweg, K.. /. Siekmann, R. .(Hrsg.), Legal Comparison and Harmonisation of Doping Rules, Den Haag 2001 .(CD-ROM).
Fall 16 Phishing Bearbeitung: Mark Pieth
Sie sind Kunde / Kundin der Media-Bank und erhalten ein E-Mail in der korrekten Aufmachung der Media-Bank mit folgendem Inhalt: .
.
«Liebe Kundin, lieber Kunde Die Media-Bank ist gegenwärtig daran, ihr Online-Internet-Bankingsystem zu überprüfen. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns dabei behilflich sein könnten. Bitte bestätigen Sie auf dem elektronischen Formular im Attachment Ihre Kundendaten: –
Ihre Benutzerkennung (Identifikationsnummer)
–
Ihr Passwort
–
Zu Versuchszwecken: drei Ihrer Transaktionscodes»
.
Sie befolgen die Anweisungen Ihrer Hausbank. Erstaunt stellen Sie fest, dass von Ihrem Konto unberechtigterweise CHF 10 000 abdisponiert worden sind. ▶
Prüfen Sie die Strafbarkeit der Urheber des E-Mails,
1) noch bevor es zu einer Abdisposition der Vermögenswerte vom Konto des Opfers gekommen ist; 2) nach der Abdisposition der Vermögenswerte.
Lösungsvorschlag
Erster Handlungsabschnitt: Zusendung des E-Mails und die Datenbeschaffung A. Unbefugte Datenbeschaffung gemäss Art. 143 StGB? Der gelegentlich als «Datendiebstahl» bezeichnete Tatbestand setzt voraus, dass jemand elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt: Gespeicherte oder übermittelte Daten Als Daten gelten alle «Notate», die Gegenstand menschlicher Kommunikation sein können und sich in einem Prozess der automatisierten Datenverarbeitung 1
befinden . Auch Codes, Passwörter usw. werden durch Art. 143 StGB 2
geschützt . Solche Daten sollen im vorliegenden Fall beschafft werden. b) Nicht für den Täter bestimmt Die Passwörter und Codes werden dem Benutzer des Telebanking-Systems persönlich anvertraut, sie sind nicht für Dritte bestimmt. Das Tatbestandselement repliziert die Fremdheit der Sache bei den
3
Aneignungsdelikten . Im konkreten Fall erlangten die Dritten diese auch nur durch Täuschung. c) Vor unbefugtem Zugriff besonders gesichert Zum Schutze der Banktransaktionen wird eine Serie von Zugangscodes und Passwörtern eingerichtet. Die Passwörter selbst sind elektronisch gesichert. Der Täter versucht diese Schranken beim Phishing zu überwinden. Allerdings versucht er durch Täuschung von Menschen und nicht durch Ausschaltung von elektronischen Sicherungen an die Codes zu gelangen. d) Tathandlung: Beschaffen «Datendiebstahl» verlangt nach einem Pendant zur Wegnahme. Es könnte in 4
der Überwindung der besonderen Zugangsschranken gesehen werden . 5
Während Weissenberger der Meinung ist, dass auch die Überwindung durch List unter den Tatbestand fällt, geht Ammann zu Recht davon aus, dass die Täuschung des Opfers, die zur Herausgabe der Codes führt, nicht als Überwinden des Schutzmechanismus anzusehen ist. Entscheidend ist, dass mit der Täuschung nicht-computerspezifische Zugangsschranken überwunden 6
werden. Es handelt sich um einen traditionellen interpersonalen Vorgang .
7
Damit ist Art. 143 StGB auszuschliessen . B. Unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem gemäss Art. 143bis Abs. 1 StGB? Der Tatbestand des «Hacking» ist – jedenfalls im objektiven Tatbestand – ähnlich aufgebaut wie Art. 143 StGB: Er setzt voraus, dass der Täter auf dem Wege von Datenübertragungseinrichtungen unbefugterweise in ein fremdes, gegen seinen Zugriff besonders gesichertes Verarbeitungssystem eindringt. Im Zentrum steht abermals die Frage, ob der Täter aktiv Zugangsschranken zum 8
E-Banking-System ausschaltet oder überwindet : Durchaus analog zu der eben zu Art. 143 StGB getroffenen Feststellung fehlt es auch hier an der computertechnischen Überwindung besonderer elektronischer 9
Zugangsschranken . Im Übrigen passt Art. 143bis StGB eigentlich nur auf Fälle fehlender Bereicherungsabsicht. Somit ist Art. 143bis Abs. 1 StGB nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. C. Unbefugtes Beschaffen von Personendaten gemäss Art. 179novies StGB? Art. 179novies StGB ist im Kontext der Einführung des Datenschutzgesetzes (DSG) 1992 ins StGB eingeführt worden. Entsprechend schützt der Tatbestand Daten im Sinne des DSG.
.
I. Tatbestandsmässigkeit
1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt Geschützt werden «besonders schützenswerte Personendaten», «Persönlichkeitsprofile» und «Datensammlungen» im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c und d DSG. Es geht bei den «besonders schützenswerten Personendaten» um besonders sensible Daten, die die Intimsphäre, die religiöse, politische, weltanschauliche Ausrichtung, die Rassenzugehörigkeit usw. betreffen. Es geht auch etwa um Gesundheitsdaten, d.h. um Daten, die die Persönlichkeit im eigentlichen Sinne betreffen. Dazu gehören aber Passwörter nicht, auch 10
wenn sie den Zugang zu Vermögenswerten schützen . Genauso wenig geht es im vorliegenden Fall um den Zugriff auf «Persönlichkeitsprofile» oder «Datensammlungen». Damit ist auch Art. 179novies StGB im vorliegenden Fall nicht anwendbar. D. Betrug gemäss Art. 146 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Zum Aufbau des Betrugstatbestandes sei im Detail auf die Erörterungen zu den Fällen 7 und 15 verwiesen. a) Täuschung Die Daten (Benutzerkennung, Passwort und Transaktionscodes) wurden aufgrund einer Täuschung erlangt. Dass sie nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern per E-Mail erfolgte, spielt selbst dann keine Rolle, wenn es sich um ein «Spam», d.h. einen Massenversand, gehandelt hat. Entscheidend ist, dass [195] sich das Opfer – ähnlich wie bei der brieflichen Täuschung – durch die Aufforderung zur Antwort motivieren liess. .
b) Arglist Die Details der Bundesgerichtspraxis zur Arglist sind bereits verschiedentlich (oben Fälle 7 und 15) angesprochen worden. .
Gemäss Sachverhalt wurde das E-Mail in der korrekten Aufmachung der Media-Bank (mit Logo usw.) zugestellt. Der Text ist nicht offensichtlich unseriös. Zudem wird die Täuschung durch ein Attachment im Bankjargon unterstützt. Ungeübte Telebanking-Nutzer können durch solche Mails durchaus irregeführt werden. Darauf spekulieren die Autoren des Mails ja auch. Mit ihrem Verhalten errichten die Autoren des E-Mails ein Lügengebäude. Auch das Kriterium des Vertrauens auf die Gutgläubigkeit der Empfänger könnte beigezogen werden. Das Verhalten erfüllt auf jeden Fall die Anforderungen der Arglist. Ein allfälliges Opferselbstverschulden wiegt nicht .
11
so schwer, dass es dem Arglisterfordernis im Wege stünde . c) Irrtum Die arglistige Täuschung muss kausal einen Irrtum beim Opfer bewirkt haben. Daran ist im vorliegenden Fall nicht zu zweifeln. d) Vermögensverfügung und Schaden? Zwar lässt sich das Opfer durch die Täuschung veranlassen, die Codes herauszugeben, eine Vermögensverfügung ist dadurch aber weder intendiert noch vorgenommen. Fraglich kann allenfalls sein, ob die durch die Auslieferung der Zugangsdaten geschaffene Vermögensgefährdung ausreicht, um als schadensgleiche Vermögensgefährdung gewertet zu werden. Lehre und Praxis sind allerdings mit Vermögensgefährdungen zu Recht sehr zurückhaltend. Mit Bezug auf den Fall des Phishing werden Vermögensschäden für die blosse Datenauslieferung in der Lehre überwiegend 12
abgelehnt . Auch die Bundesgerichtspraxis hat Betrug abgelehnt, wo der
Schaden erst durch eine weitere selbständige Handlung des Täters ausgelöst 13
wird (Bsp. mit Hilfe einer Codekarte) . Damit scheidet Art. 146 StGB im ersten Handlungsabschnitt aus. .
E. Versuchter «Datenbetrug» gemäss Art. 147 i.V.m. Art. 22 StGB? Art. 147 StGB muss zweifellos für den zweiten Handlungsabschnitt detailliert geprüft werden. Im ersten Handlungsabschnitt, in dem erst die Datenbeschaffung thematisiert wird, kann die Prüfung aber kursorisch erfolgen. Da es noch nicht zur Vermögensverschiebung gekommen ist, kommt höchstens Versuch in Frage: Der Versuch setzt einerseits den subjektiven Tatbestand voraus und auf der anderen Seite muss mit der Ausführung der Tat begonnen worden sein. Gemäss gängiger Formel des Bundesgerichts gehört dazu «schon jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine 14
Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen» . Mit Blick auf den konkreten Fall wird deutlich, dass sich die Täter mit der Versendung der Spam-E-Mails noch sehr weit von der Schwelle zur Tat i. S. v. Art. 147 StGB befinden: Konstituierend für Art. 147 StGB ist die Vermögensverschiebung und der Schadenseintritt. Hat der Täter die erlangten Daten noch nicht verwendet, befindet er sich noch in der (straflosen) .
15
Vorbereitungsphase .
F. Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB? Im Rahmen des ersten Handlungsabschnitts ist schliesslich noch zu prüfen, ob das Zustellen eines Phishing-E-Mails den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllen kann. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Urkundenbegriff (Art. 110 Abs. 4 StGB) .
Urkunden sind einer bestimmten Person zurechenbare Schriften oder Zeichen, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlich erheblicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zwecke dient (Art. 110 Abs. 4 .
16
StGB) . Auch wenn elektronische Aufzeichnungen somit Urkunden sein können, müssen sie die gleichen Anforderungen erfüllen wie physische Urkunden: Sie müssen der Garantiefunktion und der Perpetuierungsfunktion der Urkunde 17
Rechnung tragen. Beide Anforderungen bereiten Schwierigkeiten . aa) Garantiefunktion Eine «Schrift» wird dadurch zur Urkunde im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB, dass sie einer bestimmten Person zurechenbar ist. Mit der Urkunde gibt der Aussteller eine Erklärung ab, die bestimmt und geeignet ist «die Entstehung,
18
Veränderung, Aufhebung oder Feststellung eines Rechts» zu bewirken . Die besondere Beweisqualität erlangt die Urkunde dadurch, dass sie Vertrauen schafft, weil der Aussteller sich bereit erklärt, sie gegen sich gelten zu 19
lassen . Zwar enthalten das E-Mail und die Aufforderung im Attachment menschliche Erklärungen und sie scheinen von einem bestimmten Urheber zu stammen. Zumindest verwendet der Täter das Logo der Bank und er bedient sich der üblichen «Geschäftssprache» in der Banken mit ihren Kunden sprechen. Darf man aber darauf vertrauen, dass ein E-Mail vom scheinbaren Urheber stammt? Angesichts der Leichtigkeit, mit der Computerspezialisten die Urheberschaft vortäuschen können, ist durchaus zu Recht gefragt worden, ob 20
einer E-Mail die qualifizierte Beweiskraft der Urkunde zukommt . Praxis und Literatur stellen darauf ab, ob eine Schrift «nach Gesetz oder 21
Verkehrsübung» als Beweismittel anerkannt wird . Daran ist richtig, dass es 22
bei der Urkunde um die Form geht, die Vertrauen im Rechtsverkehr schafft . Es dürfte die Tatsache, dass im Alltag Verträge per E-Mail geschlossen und allgemein akzeptiert werden, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem E-
23
Mail an den klassischen Insignien der Garantiefunktion gerade fehlt . Allerdings sind die Grenzen hier längst durch die Praxis verschoben worden, indem auch etwa nicht persönlich unterzeichnete Serienbriefe (etwa .
24
Bankauszüge ) als Urkunden gewertet werden. Der Vertrauensschutz verlagert sich auf die Aufmachung. Aus diesem Grund ist die Spezialliteratur zum Phishing zur Ansicht gelangt, dass die Garantiefunktion mit dem 25
irreführenden E-Mail gegeben
[198]
sei . Einer «elektronischen Signatur»
26
bedarf es nicht . Das Kriterium wird damit zwar vollständig verwässert. Dies ist aber eine Konsequenz des neuen Gesetzes, die wohl hingenommen werden muss. bb) Perpetuierungsfunktion Die Urkunde muss sodann beständig sein. Zunächst ist problematisch, dass durch die Ausdehnung des Urkundenbegriffs auf elektronisch gespeicherte Daten nicht eigentlich die Schrift, sondern die Möglichkeit, sie zu reproduzieren, geschützt wird. Und die Zuverlässigkeit der elektronischen Registrierung ist nicht ohne weiteres mit der Beständigkeit der Urkunde 27
gleichzustellen , die ihren Beweiswert ausmacht. Mühsam sucht die Praxis nun nach Kriterien, die die Beständigkeit bei elektronischen Aufzeichnungen
ausmachen soll. So wird z.B. auf den Passwortschutz vor unbeabsichtigter 28
Löschung abgestellt . Professionelle E-Mail-Systeme, die über den Server einer Institution laufen, dürfen in der Regel durch ein Back-up-System über längere Zeit Reproduzierbarkeit sicherstellen. Wie der Empfängercomputer im vorliegenden Fall gesichert ist, lässt sich aus dem Sachverhalt nicht feststellen. Das Kriterium beweist ein weiteres Mal die Problematik der Gleichstellung von Bild- und Datenträgern mit Urkunden in Art. 110 Abs. 4 StGB. Trotzdem geht die Spezialliteratur zum Phishing davon aus, dass E29
Mails die nötige Perpetuierungsfunktion erfüllen . b) Tathandlung: Fälschen oder Verfälschen Die Tathandlung der Urkundenfälschung besteht in der Herstellung einer «unechten» Urkunde, d.h. einer Urkunde, die über den wirklichen Urheber 30
täuscht . Im vorliegenden Fall geben die Absender der E-Mail vor, die «Media-Bank» zu sein. Das E-Mail erfüllt somit die Tathandlung der Urkundenfälschung in vergleichbarer Weise wie ein unechter Brief gleichen Inhalts. 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz Es ist davon auszugehen, dass die Absender es darauf angelegt hatten, mit ihrem raffinierten Vorgehen den Eindruck zu erwecken, das E-Mail stamme von der «Media-Bank». b) Absicht
Darüber hinaus verlangt der Tatbestand von Art. 251 Ziff. 1 StGB entweder Vorteils- oder Schädigungsabsicht. Auch wenn die Urheber der E-Mails davon ausgehen, erst in einem zweiten Schritt durch eigene Nutzung der ertrogenen Zugangscodes, einen finanziellen Vorteil zu erlangen, ist bereits die Fälschung 31
der Urkunde getragen von der Vorteilsabsicht . Damit ist der Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Der Sachverhalt lässt keine Rechtfertigungs- oder Schuldausschlussgründe erkennen. Somit ist die Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gegeben.
Zweiter Handlungsabschnitt: Abdisposition der Werte durch den Täter A. Betrug gemäss Art. 146 StGB? Der
Betrug
geht
dem
betrügerischen
Missbrauch
einer
32
Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 StGB) vor werden. .
und muss zuerst geprüft
Allerdings ist der Betrug ein Selbstschädigungsdelikt. Er setzt voraus, dass das Opfer, motiviert durch die Täuschung, eine Vermögensverfügung vornimmt, die zum Schaden führt. Nachdem im ersten Handlungsabschnitt die «freiwillige» Herausgabe der Zugangscodes diskutiert und eine Vermögensdisposition abgelehnt wurde, handeln in der zweiten Phase Drittpersonen. Sie missbrauchen die Codes und bewirken die
33
Vermögensverschiebung. Es fehlt an der Selbstschädigung des Opfers . B. Betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage gemäss Art. 147 Abs. 1 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Tathandlung aa) Unbefugte Verwendung Der sog. «Computerbetrug» setzt die «unrichtige, unvollständige oder unbefugte Verwendung von Daten» voraus. Im Zentrum steht die unbefugte Verwendung von Daten (analog zur Verwendung der Codekarte durch den .
34
Nichtberechtigten) . Die Täuschung ermöglicht in casu die unbefugte Datenverwendung. bb) Einwirkung auf Datenverarbeitungsvorgang Sodann muss auf einen «elektronischen oder vergleichbaren Datenverarbeitungsvorgang» eingewirkt werden. Dieses Tatbestandsmerkmal stellt den Kontext zu den Computerdelikten her. Durch die Eingabe der entlockten Codes und Passwörter wirkt der Täter zweifellos auf einen 35
Datenverarbeitungsvorgang ein : auf jenen programmierten Vorgang, der eine Abdisposition von dem betreffenden Konto bewirkt. Auch die blosse Dateneingabe, die den Vorgang auslöst, ist eine Form von Einwirkung im
Sinne des Art. 147 Abs. 1 StGB. Eine Programmveränderung ist nicht erforderlich. cc) Unrichtiges Ergebnis Die Lehre hat ein ungeschriebenes Tatbestandselement hinzugefügt: die Unrichtigkeit des Ergebnisses. Gestützt auf eine Passage in der Botschaft des Bundesrates soll «die Manipulation zu einem anderen Ergebnis führen, als es bei einem Dateneinsatz gemäss gegebener Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt 36
des Datenverarbeitungsvorganges erzielt worden wäre» . Auch wenn in concreto der Datenverarbeitungsvorgang programmgemäss verlaufen ist, war 37
das Ergebnis «unrichtig», da es aufgrund einer Täuschung zustande kam . b) Taterfolg Nach der einen von zwei Tatvarianten setzt Art. 147 StGB eine Vermögensverschiebung voraus, die – anders als bei Art. 146 StGB – durchaus vom Täter ausgehen kann. Schliesslich muss die Vermögensverschiebung zum Schaden eines anderen herbeigeführt worden sein. Die Täter haben durch ihre Täuschung die notwendigen Zugangsdaten zum Konto des Opfers erlangt und sie in der zweiten Tatphase für ihre eigenen Zwecke genutzt: Durch die Abdisposition der Vermögenswerte kommen die 38
Opfer zu Schaden . 2. Subjektiver Tatbestand Analog
zu
Art. 146
StGB
setzt
Art. 147
StGB
Vorsatz
und
Bereicherungsabsicht voraus. Im vorliegenden Fall sind beide Kriterien eindeutig erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtswidrigkeit und Schuld werfen im vorliegenden Fall keine weiteren Fragen auf. C. Qualifizierter Fall gemäss Art. 147 Abs. 2 StGB? Gewerbsmässigkeit erfordert nach Ansicht der Lehre, dass der Täter die deliktische Tätigkeit «nach der Art eines Berufes» ausübt. Er müsse sich darauf eingerichtet haben, durch deliktische Einkünfte einen namhaften 39
Betrag an die Kosten der Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu leisten . Die Vorgehensweise mittels Spam und der Aufwand der Täter deuten zwar auf 40
eine erheblich Professionalität hin , darüber, wie sehr sie «Phishing» zu ihrem regelmässigen Einkommen machen, wissen wir indessen nichts. Damit bleibt es bei Art. 147 Abs. 1 StGB.
Zusammenfassung Erster Handlungsabschnitt Bezüglich Art. 143 StGB (Datendiebstahl) gehen die Meinungen auseinander. Nach der hier vertretenen Auffassung fällt nur ein «Beschaffen» von Daten unter den Tatbestand, das die spezifisch computertechnischen Zugriffsschranken überwindet. Art. 143 StGB ist daher nicht anwendbar. Art. 143bis StGB («Hacking») fällt aus den gleichen Gründen ausser Betracht. .
.
Im Übrigen ist der Tatbestand zum Datendiebstahl subsidiär, weil er keine Bereicherungsabsicht voraussetzt. Art. 179novies StGB schützt qualifizierte sensible Personendaten, Persönlichkeitsprofile oder ganze Datensammlungen, nicht einzelne (äusserliche) Zugangscodes. Betrug (Art. 146 StGB) liegt im ersten Handlungsabschnitt mangels Vermögensverfügung und Selbstschädigung nicht vor, und Art. 147 StGB («Computerbetrug») hat noch nicht das strafbare Versuchsstadium erreicht. Art. 251 StGB (Urkundenfälschung) schliesslich wird angenommen, obwohl beim Spam-EMail die Garantie- und die Beweisfunktion von diversen Autoren in Frage gestellt werden. Das neue Recht und die geltenden Handelsgebräuche zwingen dazu, ein glaubwürdiges E-Mail dem (Serien-)Brief, etwa einer Bank, gleichzustellen. .
.
.
.
.
Zweiter Handlungsabschnitt Betrug wird mangels Selbstschädigung abgelehnt. Demgegenüber ist Art. 147 StGB («Datenbetrug») im vorliegenden Fall mit der Abdisposition der Werte vom Konto des Opfers erfüllt, da eine Vermögensverschiebung (hier durch die Täterschaft) und der Schaden des Opfers vorliegen. .
.
Bewertungshinweise Für eine gute oder sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Verständnis des Phänomens, klare Trennung der Phasen gemäss Aufgabenstellung ■ Orientierungssicherheit im Computerstrafrecht ■ Detailarbeit an den Erfordernissen («Eindringen» bei Art. 143 StGB) ■ Abgrenzung von Betrug und Computerbetrug ■ Urkundenfälschung und die Anforderungen deren Anpassung auf Aufzeichnungen auf Daten- und Bildträgern .
Literaturhinweise
AENIS, L.. / . MÜHLEMANN, D., Zur Qualifikation von E-Mails als Urkunde, Digma 4/2013, 164 ff.; AMMANN, M., Sind Phishing-Mails strafbar?, AJP 2006, 195 ff.; ARZT, G., Drei leichtsinnige Opfer vor Bundesgericht, recht 2000, 114 ff.; CASSANI, U., Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, ZStrR 1999, 152 ff.; CORBOZ, B., Le faux dans les titres, ZBJV 1995, 534 ff.; FERRARI, P., La constatation fausse – le mensonge écrit, ZStrR 1994, 153 ff.; GISIN, M., Phishing und Skimming, Die Strafbarkeit aktueller Deliktsformen im elektronischen Zahlungsverkehr, Masterarbeit, Mas Forensics, Luzern 2007; JENNY, G., Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 2002, ZBJV 2004, 725 ff.; DERS., Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 1988, 393 ff.; JENNY, G.. /. STRATENWERTH, G., Zur Urkundenqualität elektronischer Aufzeichnungen, ZStrR 1991, 197 ff.; KUNZ, K.-L., Grundstrukturen des neuen Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 1996, 189 ff.; OSWALD, S., Phishing, Betrug oder betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage?, Bundesamt für Polizei, fedpol, August 2006; REINDL-KRAUSKOPF, S., Computerstrafrecht im Überblick, 2. Aufl., Wien 2009; SCHILD TRAPPE, G., Kreditkartenmissbrauch und Urkundenfälschung, Jusletter 26. Juni 2000; SCHMID, N., Das neue Computerstrafrecht, ZStrR 1995, 22 ff.; SCHUBARTH, M., Zur Auslegung der Urkundendelikte, ZStrR 1995, 387 ff.; STRATENWERTH, G., Computerbetrug, ZStrR 1981, 229 ff.; WESSELMANN, B., Banken-Phishing und Gegenmassnahmen, SicherheitsForum 2007, 15 ff.
Fall 17 Retrozessionen Bearbeitung: Stephanie Eymann
Die reiche belgische Staatsangehörige Rita Riche (R) hat Vermögenswerte in beträchtlicher Höhe auf verschiedenen Konten bei der Bank X in der Schweiz liegen. Da sie nur jeweils einmal jährlich geschäftlich in der Schweiz weilt, hat sie seit 1999 den selbstständigen Vermögensverwalter V, einen Freund der Familie, mit der Verwaltung ihres Vermögens betraut. Der Vermögensverwaltungsvertrag wurde mündlich geschlossen, eine Honorarregelung fehlt. V hat bis anhin auch nie Rechnung gestellt für seine Dienste. .
Allerdings geht V trotz fehlender Abrede nicht leer aus: Die von der Bank ausbezahlten Retrozessionen fliessen ususgemäss direkt an V, der sie als Honorar behält. In den Abrechnungen, die er Rita Riche ausstellt, erscheinen diese Retrozessionen jedoch nicht. R erfährt aus der Zeitung, dass die Frage, wem Retrozessionen gehören, seit dem Leitentscheid des Bundesgerichts aus dem Jahre 2006, der die Ablieferungspflicht an den Kunden festhält, in der Schweiz heiss diskutiert wird. R wird misstrauisch und reicht am 2. 4.2007 bei der zuständigen schweizerischen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen V ein. ▶
Prüfen Sie die Strafbarkeit des V.
Vorbemerkung Das Thema Retrozessionen hat seit dem privatrechtlichen Leitentscheid des Bundesgerichts aus dem Jahre 2006 (BGE 132 III 460), der die auftragsrechtliche Ablieferungspflicht an den Kunden festhält, in der Lehre zu einer wahren Flut an Beiträgen geführt. Vorwiegend handelt es sich dabei um auftragsrechtliche Auseinandersetzungen. So wird die Frage der Rechenschafts- und Herausgabepflicht eingehend diskutiert und die Anforderungen an einen Verzicht des Kunden auf Retrozessionen thematisiert. Nur vereinzelt finden sich auch strafrechtliche Beiträge zu diesem Thema. Es .
sollen daher im Folgenden die möglicherweise anwendbaren strafrechtlichen Tatbestände systematisch beleuchtet werden. Dabei ist v. a. die Frage nach der Schwelle, die überschritten werden [206] muss, damit privatrechtliche Vertragsverletzungen zugleich auch strafrechtlich relevant sind, von 1
massgeblichem Interesse .
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des V A. Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB? Indem V die von der Bank ausbezahlten Retrozessionen nicht der Kundin Rita Riche weiterleitet sondern für sich behält, könnte er sich der Veruntreuung nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in eigenem oder fremdem Nutzen verwendet. a) Vermögenswerte Retrozessionen sind Geldbeträge, die von der Bank auf ein Konto des Vermögensverwalters überwiesen werden. Es handelt sich um Forderungen, d. h. um Buchgeld, das unter den Begriff des Vermögenswertes fällt. b) Anvertraut Die Vermögenswerte müssen anvertraut worden sein. Anvertraut ist nach langjähriger Rechtsprechung des Bundesgerichts, «[…] was jemand mit der Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse eines andern zu verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder abzuliefern. Eine solche Verpflichtung kann auf ausdrücklicher oder stillschweigender 2
Abmachung beruhen.» In der Lehre wurde verschiedentlich eine Konkretisierung der Definition des Elements «anvertraut» gefordert: So
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schlagen Niggli / Riedo folgende Ergänzungen der bundesgerichtlichen Formulierung vor: «Anvertraut ist, (1) was jemand mit der besonderen Verpflichtung empfängt, es dem Treugeber zurückzugeben oder es für diesen an einen Dritten weiterzuleiten, (2) wobei der Treugeber seine Verfügungsmacht über das Anvertraute aufgibt». Aus dieser Definition wird deutlich, dass der Täter das Anvertraute empfangen, d.h. ausschliessliche Verfügungsmacht erlangt haben muss und ihn ausserdem eine Werterhaltungspflicht trifft. Die Objekte des so verstandenen Anvertrautseins ergeben sich dabei aus dem Grundgeschäft. Es stellen sich aber weitere Fragen: .
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.
.
aa) Anvertraut durch den Treugeber? Fraglich ist, ob R die Vermögenswerte dem V anvertraut hat. Zwar besteht zwischen dem Vermögensverwalter und dem Treugeber ein vertragliches Verhältnis (meist ein Auftrag nach Art. 394 ff. OR), allerdings werden Retrozessionen gerade nicht vom Treugeber ausbezahlt, sondern von der Bank direkt an den Vermögensverwalter überwiesen. .
Bezüglich der Frage, ob die Vermögenswerte trotz dieser speziellen Dreieckskonstellation als vom Treugeber anvertraut gelten, lassen sich zwei Meinungen vertreten: Es kann einerseits dahingehend argumentiert werden, dass die Ausschüttung von Retrozessionen ausschliesslich das Verhältnis zwischen Bank und Vermögensverwalter betrifft, die Vermögenswerte nicht vom Treugeber und Kunden anvertraut wurden. Die seit dem Leitentscheid des Bundesgerichts bestehende Ablieferungspflicht spricht dafür, dass Retrozessionen gerade nicht vom Treugeber anvertraut wurden. Folgt man dieser Meinung, sind die Vermögenswerte nicht anvertraut. Andererseits kann jedoch auch gesagt werden, dass die Auszahlung von Retrozessionen ihren Grund und Ursprung gerade in der vertraglichen Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Vermögensverwalter hat, es ohne diesen Auftrag nicht zu diesen Vergütungen gekommen wäre. Die
Vermögenswerte stammen deshalb aus dem vertraglichen Verhältnis und 4
können somit insgesamt als anvertraut angesehen werden . Vor dem Leitentscheid des Bundesgerichts im Jahre 2006 dürfte die erste Meinung bezüglich Retrozessionen vorherrschend gewesen sein. Die Überweisung der Bank erfolgte nach überwiegender Meinung nicht mit der 5
Pflicht, diese weiterzuleiten . Allerdings hätte auch damals bereits mit der vertraglichen Herkunft der Mittel argumentiert und das Anvertrautsein damit bejaht werden können. Vorliegend wird der zweiten Meinung gefolgt. Es ist daher grundsätzlich möglich, dass die Vermögenswerte vom Treugeber anvertraut wurden, weil Grund ihrer Ausschüttung der Vermögensverwaltungsvertrag ist. Es bedarf allerdings weiterer Voraussetzungen: bb) Verfügungsmacht des Treuhänders Damit die Vermögenswerte anvertraut sind, muss der Treuhänder – analog zu 6
Ziff. 1 Abs. 1 – Verfügungsmacht über die Vermögenswerte erlangen . Die Verfügungsmacht muss vom Treugeber bewusst und rechtlich gültig übertragen worden sein. Der Treuhänder muss die Verfügungsberechtigung erlangen. In casu besteht ein Vermögensverwaltungsvertrag zwischen V und R, auf den die Bestimmungen über den Auftrag gemäss Art. 394 ff. OR 7
anwendbar sind . Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass der Vertrag
mündlich geschlossen wurde. Dieser Umstand steht der rechtlichen Gültigkeit jedoch nicht entgegen, denn der Auftrag kann formfrei geschlossen werden (Art. 11 Abs. 1 OR).
.
R hat die Verfügungsmacht rechtlich gültig und bewusst übertragen. cc) Vollständige Aufgabe der Verfügungsmacht durch den Treugeber? Es stellt sich weiter die Frage, ob der Treugeber seine Verfügungsmacht vollständig aufgeben muss, damit die Vermögenswerte als anvertraut gelten, oder ob es ausreicht, wenn seine Verfügungsmöglichkeit ebenfalls bestehen bleibt. Die Fragestellung ist dieselbe wie in Ziff. 1 Abs. 1, wo es darum geht, ob ausschliesslicher Gewahrsam (Alleingewahrsam) des Treuhänders über eine Sache erforderlich ist. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts reicht für Ziff. 1 Abs. 1 Mitgewahrsam aus, während die h.L. verlangt, dass der Treugeber seinen Gewahrsam an der Sache vollständig aufgeben, der .
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Treuhänder also Alleingewahrsam erlangen muss . Bezüglich der hier zur Diskussion stehenden Forderungen (Buchgeld) kann allerdings nicht von Gewahrsam gesprochen werden. Hier geht es im Unterschied zu Ziff. 1 Abs. 1 um die Zugriffsberechtigung auf den Vermögenswert. Dabei ist der Zugriffswille des Täters erforderlich, der in casu gegeben ist. .
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt ein Vermögenswert im Sinne des Abs. 2 immer dann als anvertraut, wenn der Täter «ohne Mitwirkung des 9
Treugebers über die Werte verfügen kann» . Eine vollständige Aufgabe der Verfügungsmacht durch den Treugeber ist gemäss Bundesgericht also, wie auch bei Ziff. 1 Abs. 1, nicht erforderlich. Bei Vermögensverwaltungsverträgen besteht regelmässig eine parallele Zugriffsmöglichkeit von Treugeber [210] und Treuhänder auf die zu verwaltenden Konten. Der Treugeber erteilt dem Treuhänder mittels
Vollmacht die Befugnis, die Vermögenswerte zu verwalten, anzulegen etc. Er gibt dadurch seine eigene Verfügungsmacht aber nicht auf. Würde man in casu der Rechtsprechung des Bundesgerichts folgen, würde die Zugriffsmöglichkeit durch die Vollmacht ausreichen und die Vermögenswerte wären anvertraut. Die h.L. verlangt demgegenüber die alleinige Verfügungsmacht des 10
Treuhänders über die anvertrauten Werte . Die Situation paralleler Zugriffsmöglichkeit erscheint gerade nicht als schutzbedürftig, denn der Treugeber hat die Möglichkeit, die Tätigkeit des Treuhänders zu kontrollieren. Im vorliegenden Fall könnte allenfalls argumentiert werden, dass R nur einmal im Jahr in der Schweiz weilt und von Belgien aus Kontrollen nicht gleich einfach durchzuführen sind. Allerdings wären z.B. ein telefonischer Kontakt mit der Schweizer Bank oder Internet-Banking jederzeit möglich. Richtigerweise ist daher die vollständige Aufgabe der Verfügungsmacht des Treugebers zu fordern, damit die Vermögenswerte anvertraut sind. Die bestehende Kontrollmöglichkeit des Treugebers spricht gegen das Schutzbedürfnis. Ausserdem lässt sich mit dieser Auslegung verhindern, dass 11
Art. 158 Ziff. 1 Abs. 2 StGB die Anwendung versagt wird . Aus diesen Überlegungen wird der h.L. gefolgt und das Element des Anvertrautseins im 12
gegebenen Fall verneint . Die Vermögenswerte sind damit dem V nicht anvertraut. Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. II. Ergebnis
V hat sich nicht der Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. B. Ungetreue Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB? Indem V die von der Bank ausbezahlten Retrozessionen nicht der Kundin Rita Riche weiterleitet sondern für sich behält, könnte er sich der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer aufgrund eines Rechtsgeschäfts damit betraut ist, Vermögen eines anderen zu verwalten und dabei unter Verletzung seiner Pflichten bewirkt, dass der andere am Vermögen geschädigt wird. a) Täter: Geschäftsführer Eine Definition des Täters enthält das Gesetz nicht, sondern es sagt lediglich, dass Täter sein kann, wer fremdes Vermögen verwaltet. Diese Umschreibung ist sehr unbestimmt und muss dahingehend konkretisiert werden, dass der Täter eine Vermögensfürsorgepflicht innehaben und damit als Garant für den 13
Schutz der betreffenden Vermögenswerte erscheinen muss . Zentral ist der 14
Begriff des Geschäftsführers . Geschäftsführer ist gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts, «wer in tatsächlich oder formell selbständiger und verantwortlicher Stellung im Interesse eines andern für einen nicht
15
unerheblichen Vermögenskomplex zu sorgen hat […]» . Die Pflicht, fremdes Vermögen zu verwalten, ist dann gegeben, wenn «der […] Verpflichtete zur selbständigen Verfügung über das fremde Vermögen 16
oder Bestandteile eines solchen befugt ist» . Nur der selbstständigen Stellung 17
des Vermögensverwalters entspricht die besondere Treuepflicht der Ziff. 1 . Weiter erforderlich ist, dass die Pflichten gerade auf Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen gerichtet sind, d.h. ihren eigentlichen Kern darstellen 18
müssen . Schliesslich müssen die «zu betreuenden Vermögensinteressen als 19
[…] bedeutsam und von Gewicht» erscheinen. V ist von R mit der Verwaltung [212] ihres Vermögens betraut worden. Das zugrunde liegende Rechtsgeschäft ist ein Auftrag gemäss Art. 394 ff. OR. V verwaltet das für ihn fremde Vermögen der R selbstständig. Es handelt sich dabei um Vermögenswerte in beträchtlicher Höhe. Die Vermögensinteressen sind damit bedeutsam. Die Treuepflicht ist vorliegend gegeben. V ist als Geschäftsführer zu qualifizieren. b) Tathandlung: Verletzung der Treuepflicht Das tatbestandsmässige Verhalten besteht in der Verletzung von Pflichten, die
dem Täter aus dem Rechtsgeschäft erwachsen. Das Verhalten kann dabei in 20
einem Handeln oder einem Unterlassen bestehen . Die Pflichtwidrigkeit könnte, da der Vermögensverwalter den Erhalt der Retrozessionen dem Kunden gegenüber nicht offenlegt, in der Verletzung der Abrechnungs- und daraus folgend der Ablieferungspflicht bestehen – vorausgesetzt, dass er eine 21
solche hat . Es gilt zu differenzieren: Vor 2006 war es, obwohl die Lehre die 22
Herausgabepflicht gestützt auf Art. 400 OR damals schon befürwortete , üblich, dass die Retrozessionen dem Vermögensverwalter zuflossen und dieser sie nicht an den Kunden weiterleitete. Dies war in der Vermögensverwaltungsbranche gängige Praxis. Dennoch hätte auch damals schon eine Abrechnungs- und Ablieferungspflicht aus Auftragsrecht bestanden, entsprechende Verzichtserklärungen auf Ablieferung der 23
Retrozessionen fehlten allerdings in den Vertragswerken . Seit dem Leitentscheid des Bundesgerichts aus dem Jahre 2006 ist der Vermögensverwalter nun aber unmissverständlich zur Ablieferung verpflichtet. Stellt er eine Abrechnung aus, auf der die Retrozessionen nicht erscheinen, ist dies pflichtwidrig. Er bewirkt damit, dass R die ihr zustehenden Retrozessionen nicht geltend machen kann, weil sie ihr nicht offengelegt
24
werden. V hat damit die Treuepflicht gegenüber R verletzt . c) Vermögensschaden Dem Vermögensschaden liegt gemäss nunmehr h. L. und Rechtsprechung der 25
juristisch-wirtschaftliche Vermögensbegriff zugrunde . Danach wird das Vermögen als Summe der rechtlich geschützten wirtschaftlichen Werte definiert. Ein Schaden kann in der Verminderung der Aktiven oder in der Vermehrung [213] der Passiven oder aber in einer unterbliebenen Vermögensvermehrung bestehen. Letzteres könnte vorliegend der Fall sein. Voraussetzung ist, dass die Gewinnaussichten hinreichend konkretisiert 26
sind . Indem V die von der Bank ausbezahlten Retrozessionen für sich behält, verhindert er die Vermögensvermehrung der R. Die Gewinnaussichten bezüglich dieser Zahlungen sind hinreichend konkret. Der Vermögensschaden der R besteht in der Höhe der nicht abgelieferten Retrozessionen und liegt damit vor. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB. V müsste mit Wissen und Willen hinsichtlich aller objektiven Tatbestandselemente gehandelt haben. Es gilt wiederum nach dem Zeitpunkt der Begehung zu differenzieren: In der Zeitspanne vor 2006, und damit vor der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichts, war es geradezu üblich, dass Retrozessionen dem Vermögensverwalter zuflossen und dem Kunden gegenüber nicht offengelegt wurden, denn sie wurden als einzig das Verhältnis
zwischen Bank und Vermögensverwalter betreffende Zahlungen verstanden. Es wäre daher möglich, dass V den Umfang der zivilrechtlichen Abrechnungspflicht, die grundsätzlich schon dann bestand, gar nicht kannte, er einem Irrtum über die Abrechnungspflicht und damit einem Sachverhaltsirrtum nach Art. 13 StGB unterlag. Dies hätte das Entfallen des Vorsatzes und mangels fahrlässiger Tatbegehungsmöglichkeit (Art. 13 Abs. 2 StGB) Straflosigkeit zur Folge. .
Für die Zeitspanne ab 2006 dürfte dies allerdings kaum mehr plausibel darzulegen sein. Es bestehen im Sachverhalt auch keinerlei Hinweise auf einen Irrtum. Ein Vorsatz hinsichtlich dieser Zeitspanne liegt damit vor. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschliessungsnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. V handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis V hat sich der ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 27
StGB schuldig gemacht . C. Qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 28
Abs. 3 StGB? Indem V die von der Bank ausbezahlten Retrozessionen nicht der Kundin Rita Riche weiterleitet, sondern für sich behält, könnte er sich der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB schuldig gemacht haben.
I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Hinsichtlich der objektiven Tatbestandselemente kann auf die Ausführungen zum Grundtatbestand (B.I.1.) verwiesen werden. .
2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz Der Vorsatz ist, wie unter B.I.2. gesehen, zu bejahen. b) Bereicherungsabsicht Um sich der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB schuldig zu machen, müsste V in unrechtmässiger 29
Bereicherungsabsicht handeln . Er behält die Retrozessionen für sich und bereichert sich insofern. Allerdings kann daran gezweifelt werden, dass diese Bereicherung unrechtmässig ist. Wie gesehen, erhält V von R kein Honorar für seine Dienste. Es könnte daher argumentiert werden, dass er die Retrozessionen als Honorar bezogen hat, eine Bereicherungsabsicht zwar vorliegt, diese jedoch nicht als unrechtmässig zu qualifizieren ist. Da der Auftrag grundsätzlich unentgeltlich möglich ist (Art. 394 Abs. 3 OR), ist allerdings fraglich, ob überhaupt ein Honorar geschuldet ist. Gemäss Art. 394 Abs. 3 OR ist ein Honorar dann geschuldet, wenn dies üblich ist. Für Vermögensverwaltungsverträge ist üblicherweise ein Honorar geschuldet. Dennoch muss angeführt werden, dass die Frage der Höhe eines geschuldeten Honorars Gegenstand einer ausdrücklichen Abmachung sein muss. V hat aber R nie über die Retrozessionen informiert. Allerdings muss wiederum nach Zeitspanne differenziert werden: .
In der Phase vor 2006 erscheint es plausibel, dass V die Retrozessionen der gängigen Praxis folgend als Lohnersatz bezogen hat. Die Unrechtmässigkeit müsste für diese Zeit wohl verneint werden.
Nach 2006 spricht vieles dafür, dass V die Retrozessionen eigenmächtig zurückbehält und sich der Unrechtmässigkeit dieses Verhaltens bewusst ist. Nach 2006 kann die unrechtmässige Bereicherungsabsicht deshalb 30
angenommen werden . Die Qualifikation von Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB liegt damit vor. Der subjektive Tatbestand sowie die gesamte Tatbestandsmässigkeit sind gegeben. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschliessungsnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. V handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis V hat sich der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB schuldig gemacht. D. Betrug gemäss Art. 146 StGB? Indem V die Retrozessionen gegenüber R nicht offenlegt und diese ihren Anspruch nicht geltend machen kann, könnte er sich des Betruges gemäss Art. 146 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 146 StGB erfüllt, wer jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und den Irrenden dadurch zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich am Vermögen schädigt.
a) Arglistige Täuschung Der Betrugstatbestand setzt eine arglistige Täuschung voraus. Die Täuschung besteht in der Vorspiegelung von Tatsachen. Tatsachen sind vergangene oder 31
gegenwärtige, d.h. objektiv feststehende Geschehnisse . Weiter muss die Täuschung auch arglistig sein. Arglist kann in besonderen betrügerischen Machenschaften, d.h. der Errichtung eines ganzen 32
Lügengebäudes , oder aber ausnahmsweise auch in der schlichten Täuschung liegen, wenn 1) die Überprüfung der falschen Angaben dem Getäuschten nicht oder nur 33
mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist oder 2) wenn der Täter den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder wenn er nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung unterlassen wird, weil ein besonderes Vertrauensverhältnis 34
besteht . Es ist ersichtlich, dass V die bezogenen Retrozessionen nicht in den für die Kundin ausgestellten Abrechnungen aufführt. Fraglich ist, ob dieses Verhalten als arglistige Täuschung zu qualifizieren ist. Bei Vermögensverwaltungsverträgen besteht zwischen Vermögensverwalter und Kunde ein Vertrauensverhältnis. Dies drückt sich bei Vertrauensverlust im jederzeitigen Widerrufsrecht (Art. 404 Abs. 1 OR) aus. Es ist daher davon .
auszugehen, dass der Kunde den Abrechnungen des Vermögensverwalters Glauben schenkt und diese nicht nachprüft. In casu hat R keine Ahnung von 35
den geleisteten Retrozessionen, sie ist daher arglos . Es gilt jedoch wiederum nach Tatzeitraum zu differenzieren: Bis 2006 war es üblich, dass die Retrozessionen zum Teil als Lohnbestandteil dem Vermögensverwalter 36
zuflossen und nicht in der Abrechnung erschienen. Die Annahme einer arglistigen Täuschung in dieser Zeitspanne wäre im Ergebnis wohl 37
abzulehnen . Der Leitentscheid des Bundesgerichts aus dem Jahre 2006 hat nun aber zur Folge, dass der Kunde über die Höhe der Retrozessionen informiert werden muss und diese auch abgeliefert werden müssen (anderes ist nur mit einem ausdrücklichen Verzicht [217] möglich). R prüfte die Abrechnungen wohl gerade aufgrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses zu V, der auch ein Freund der Familie war, nicht nach. .
Das Ausstellen einer unvollständigen Abrechnung stellt eine Täuschung durch aktives Tun dar. Das Vorlegen der Abrechnung erfolgt in der konkludenten Erklärung, die Abrechnung sei vollständig. Eine arglistige Täuschung durch 38
aktives Tun liegt daher vor . b) Irrtum
39
Die Täuschung muss als nächsten «Zwischenerfolg»
einen Irrtum, das 40
heisst, eine «Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit» , hervorrufen. Rita Riche irrt sich aufgrund der Täuschung (unvollständige Abrechnung) des V über das Vorhandensein bzw. auch die Höhe der ihr zustehenden Retrozessionen. Ein Irrtum liegt vor. .
c) Vermögensverfügung Betrug ist ein Selbstschädigungsdelikt. Die getäuschte Person muss eine Vermögensverfügung zu ihrem eigenen Nachteil oder zum Schaden eines Dritten veranlassen. Als Vermögensverfügung gilt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts jede Handlung, Duldung oder Unterlassung, die geeignet ist, eine Vermögensverminderung beim Getäuschten oder einem Dritten 41
herbeizuführen . Fraglich ist allerdings, ob R eine Vermögensverfügung tätigt. Sie wird aufgrund des Irrtums über die Ausschüttung von Retrozessionen dazu verleitet, diese nicht geltend zu machen. Es handelt sich dabei um eine sogenannte unbewusste Verfügung. Eine solche Nichtgeltendmachung eines 42
Anspruchs gilt nach allgemeiner Auffassung als Vermögensverfügung . Das Nichtgeltendmachen des Anspruchs, also eine Unterlassung, ist geeignet, eine Vermögensverminderung herbeizuführen. d) Motivationszusammenhang
Der Motivationszusammenhang ist darin zu sehen, dass R durch die Täuschung des V zu einem vermögensvermindernden Verhalten, nämlich der Nichtgeltendmachung ihres Anspruchs auf Auszahlung der Retrozessionen, veranlasst wird. e) Vermögensschaden Aufgrund der Vermögensverfügung müsste ein Vermögensschaden eingetreten sein. Dem Vermögensschaden liegt gemäss nunmehr h. L. und Rechtsprechung der 43
juristisch-wirtschaftliche Vermögensbegriff zugrunde . Danach wird das Vermögen als Summe der rechtlich geschützten wirtschaftlichen Werte definiert. Ein Schaden kann in der Verminderung der Aktiven oder in der Vermehrung der Passiven oder aber in einer unterbliebenen Vermögensvermehrung bestehen. Letztere könnte vorliegend der Fall sein. Voraussetzung ist, dass die Gewinnaussichten hinreichend konkretisiert 44
sind . Indem V die von der Bank ausbezahlten Retrozessionen für sich behält, verhindert er die Vermögensvermehrung der R. Die Gewinnaussichten bezüglich dieser Zahlungen sind hinreichend konkret. Der Schaden besteht vorliegend in Höhe der entgangenen Retrozessionen. Es handelt sich dabei um eine unterbliebene Vermögensvermehrung. Allerdings tritt der Schaden im Vermögen der R bereits in dem Moment ein, in dem die Bank die Retrozessionen direkt auf das Konto von V überweist. Dadurch, dass R es später unterlässt, ihren Anspruch geltend zu machen, tritt kein neuer Schaden ein: R bewirkt damit den Schaden nicht durch Nichtgeltendmachen, der Schaden ist nicht die Folge der Vermögensverfügung, sondern sie übersieht (bloss), dass sie geschädigt wurde. .
Der objektive Tatbestand von Art. 146 StGB ist damit nicht erfüllt. II. Ergebnis V hat sich des Betruges gemäss Art. 146 StGB nicht schuldig gemacht.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis V hat sich der ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowie der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss 45
Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB schuldig gemacht . Die Qualifikation von Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB verdrängt den Grundtatbestand von Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB im Sinne der unechten Konkurrenz. V hat sich folglich der ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB strafbar gemacht. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Erkennen der massgeblichen Tatbestände ■ Erkennen der Problematik des Anvertrautseins bei Retrozessionen (Verhältnis Bank – Vermögensverwalter – Kunde) ■ Richtige Prüfung der ungetreuen Geschäftsbesorgung und gute Argumentation ■ Korrekte Prüfung des Betruges ■ Prüfung der Konkurrenzen .
Literaturhinweise ABEGGLEN, S., «Retrozession» ist nicht gleich «Retrozession»: Zur Anwendbarkeit von Art. 400 Abs. 1 OR auf Entschädigungen, die an Banken geleistet werden, insbesondere im Fondsvertrieb, SZW 2007, 122 ff.; ARZT, G., Geldwäscherei: komplexe Fragen, recht 1995, 131 ff.; BERNASCONI, P., Die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Rahmen der Vermögensverwaltung und der Anlageberatung, in: FS Schmid, Zürich 2001; BORER-BENZ, B., Die Herausgabepflicht des Beauftragten gemäss Art. 400 OR, Diss., St. Gallen 2006; DE CAPITANI, W., Retrozessionen an externe Vermögensverwalter, in: FS Chapuis, Zürich 1998, 25 ff.; DONATSCH, A., Aspekte der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 StGB, ZStrR 1996, 200 ff.; GEISSBÜHLER, A.. /. STULZ, S., Finanzmarktrecht. Die Pflicht des unabhängigen Vermögensverwalters zur Rückerstattung von Retrozessionen an den Kunden .(BGE 132 III 460), in: Chancen und Risiken rechtlicher Neuerungen 2006 –2007. /. KPMG, Zürich 2007, 86 ff.; JAEGER, R.. /. HAUTLE, T., Retrozessionen versus Bestandespflegekommissionen im Vermögensverwaltungsgeschäft, AwR 2008, 437 ff.; JENNY, G., Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 1988, 393 ff.; JÖRG, F.. /. ARTER, O., Herausgabe- und Rechenschaftspflicht des unabhängigen Vermögensverwalters. Übergabepflichten richten sich nach dem Auftragsrecht, ST 2004, 297 ff.; KILGUS, S.. /. KUHN, R., Das Bundesgericht spricht Retrozessionen dem Kunden zu, Jusletter 26. Juni 2006; KUHN, R., Retrozessionszahlungen an externe Vermögensverwalter – eine Standortbestimmung, AJP 2006, 1051 ff.; LOMBARDINI, C.. /. MACALUSO, A., Rétrocessions et rétributions dans le domaine bancaire: une nécessaire mise en perspective, AJP 2008, 180 ff.; NÄNNI, M.. /. VON DER CRONE, C., Rückvergütungen im Recht der unabhängigen Vermögensverwalter. Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts vom 22.3. 2006 . (4C.432/2005), BGE 132 III 460, i.S. Stiftung U .(Klägerin und Berufungsklägerin) gegen A .(Beklagter und Berufungskläger), SZW 2006, 377 ff.; POPP, P., Vertragsverletzung als strafbare Untreue, ZBJV 1993, 283 ff.; REIMANN, T.. /. KUHN, R., Nach dem Retrozessionsentscheid Konsequenzen für Vermögensverwalter – BGE 4C.432/2005, ST 2006, 688 ff.; ROBERTO, V., Vertriebsprovisionen: Entschädigung des Beauftragten oder dem Auftraggeber zustehender Vermögenswert?, Jusletter 5. Januar 2009; ROTH, M., Das Dreiecksverhältnis Kunde – Bank – Vermögensverwalter, Zürich 2007; SCHÄREN, S., Retrozessionskontroverse – Bringt das Handelsgericht Zürich Licht in die Sache?, Jusletter 20. Oktober 2008; SCHAUB, L., Die unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes – ein Beitrag zur Auslegung von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Basel 1978; SCHÄREN, S., Rechenschaftsund Herausgabepflicht des Vermögensverwalters im Bezug auf «Retrozessionen», AJP 2008, 1204 ff.; SCHUBARTH, M., Die Bedeutung der neuen Retrozessionsentscheidung des Bundesgerichts für das Konzernstrafrecht, Jusletter 17. Dezember 2012; DERS., Retrozession und Ungetreue Geschäftsbesorgung, in: Emmenegger, S. .(Hrsg.), Anlagerecht. /. Institut für Bankrecht, Universität Bern, Basel 2007, 169 ff.; SCHWOB, R., Retrozessionen: Betrachtungen zur strafrechtlichen Relevanz für eine Bank, ZStrR 130/2012, 121 ff.; URBACH, G., Die ungetreue Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 StGB, Diss., Zürich 2002.
Fall 18 Hotel Napf-Palace Bearbeitung: Stephanie Eymann
Die Geschäfte gehen schlecht im Hotel Napf-Palace. Weit abseits wichtiger Verkehrswege steht der viel zu grosse und veraltete Hotelkomplex allein auf einem Vorgipfel des Napfs. Nach der letzten Erhöhung des Hypothekarzinses bemerkt der Hotelier und Eigentümer Robert Ammann (R) resigniert im Kreise seiner Familie, jetzt würde nur noch ein Vollbrand das Familienunternehmen retten können. .
Eines Nachts in der Zwischensaison hört der Hotelier verdächtige Geräusche im Generatorenschuppen. Er beschliesst nachzusehen und beobachtet heimlich, wie sein Sohn Markus (M) mit Getriebeöl hantiert. Obwohl ihm klar ist, dass sein Sohn sich daranmacht, Feuer zu legen, hindert er ihn nicht daran, sondern verzieht sich unbemerkt ins Hotel. .
Nachdem das Feuer auf das Haupthaus übergegriffen hat, sorgt der Hotelier dafür, dass die übrigen Familienmitglieder und die beiden Gäste rechtzeitig gewarnt werden. Er kann allerdings nicht verhindern, dass der Gast Albert Ehrismann, der in Lampenberg der freiwilligen Feuerwehr angehört, einen verzweifelten Löschversuch unternimmt. Ehrismann erleidet dabei Verbrennungen ersten Grades am rechten Arm und eine Rauchgasvergiftung. Als Folge dieser Verletzungen ist er zwei Monate lang arbeitsunfähig. Mit dem Hotel und dem Inventar verbrennt im Übrigen auch der Rucksack des anderen Gastes X, den dieser in der Aufregung zurückgelassen hat. Das Hotel brennt vollständig aus, nicht einmal die Grundmauern bleiben stehen. Die herbeigerufene Kantonspolizei eröffnet ein Verfahren wegen Brandstiftung, noch bevor R den Brand der Gebäudeversicherung anmelden kann. ▶
Prüfen Sie die Strafbarkeit von Robert und Markus.
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des Sohnes Markus (M) .
A. Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB? Indem der Sohn M im Generatorenschuppen Feuer legt und dadurch das Hotel vollständig niederbrennt, könnte er sich der Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 221 Abs. 1 StGB erfüllt, wer unter Herbeiführung einer Gemeingefahr oder zum Schaden eines andern eine Feuersbrunst verursacht. Aus dem Sachverhalt ist zwar ersichtlich, dass R Eigentümer ist, dennoch ist von einem Familienunternehmen die Rede. Es stellt sich daher die Frage, ob M – unter der Annahme, er sei ebenfalls Eigentümer des Hotels – überhaupt tatbestandsmässig handeln konnte. Nach h.L. kann auch an eigenen Sachen Brandstiftung begangen werden, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen 1
vorliegen : a) Feuersbrunst Eine Feuersbrunst erfordert ein Feuer von gewisser Erheblichkeit, das vom 2
Urheber nicht mehr selber beherrschbar ist . Das Feuer, das M im Generatorenschuppen legt, breitet sich so aus, dass es von M allein nicht mehr
hätte gelöscht werden können. Begünstigt wird dies sicherlich auch dadurch, dass ein altes Gebäude wie das Hotel zu einem grossen Teil aus brennbaren Materialien wie Holz besteht und überdies brennbare Einrichtungsgegenstände (aus Kunststoff etc.) enthält. Eine Feuersbrunst liegt damit vor. .
b) Gemeingefahr Fraglich ist, ob M mit dem Brand eine Gemeingefahr geschaffen hat. Eine solche liegt nach der sog. Repräsentationstheorie vor, wenn eine Vielzahl 3
vom [223] Zufall ausgewählte Güter in Gefahr geraten ist . Dabei repräsentiert der gefährdete Einzelne die Allgemeinheit, wenn das Feuer auf benachbarte 4
Gebäude oder Sachen überzugreifen droht . Eine Personengefährdung ist dazu nicht Voraussetzung bzw. gemäss neuester bundesgerichtlicher 5
Rechtsprechung nicht von Abs. 1 erfasst. Diese Meinung ist allerdings in der Lehre auf Kritik gestossen: Werden nämlich Personengefährdungen nicht unter den Begriff der Gemeingefahr des Abs. 1 subsumiert, sondern einzig unter die Qualifikation von Abs. 2, kommt man zum Ergebnis, dass eine eventualvorsätzliche Gefährdung von Personen weder unter Abs. 1 noch Abs. 2 fallen würde, da Abs. 2 direkten Vorsatz verlangt. Eine Bestrafung nach Art. 221 StGB wäre demnach ausgeschlossen. Dies ist im Ergebnis stossend. Es wäre daher v.a. mit Blick auf die Konstellation, dass die Feuersbrunst keine fremden Sachen, jedoch vom Zufall ausgewählte Personen in Gefahr bringt, im Ergebnis besser, unter den Begriff der Gemeingefahr auch die Gefährdung von Personen (eine sog. Personengemeingefahr) zu subsumieren. Obwohl sich zum Tatzeitpunkt ausser der Familie noch zwei Gäste im Hotel .
befinden, muss die Frage der Anwendbarkeit der Gemeingefahr auch auf Personen hier nicht beantwortet werden, da diese gerade nicht vom Zufall ausgewählt, sondern von Anfang an bekannt sind. Auch steht der Hotelkomplex allein auf einem Vorgipfel des Napfs abseits wichtiger Verkehrswege. Das Feuer kann somit nicht auf eine Vielzahl vom Zufall ausgewählter Güter übergreifen. Eine Gemeingefahr liegt nicht vor. c) Schaden eines anderen Fraglich ist, ob die Alternative zur Gemeingefahr, der Schaden eines anderen, verursacht wurde. Ein solcher wird in Anlehnung an den Tatbestand der Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) bspw. dann angenommen, wenn in fremdem Eigentum stehende Sachen vom Feuer zerstört werden. .
Es kommen verschiedene Schäden und Geschädigte in Betracht, die es nachfolgend getrennt zu erörtern gilt: aa) Eigentum des Vaters Das Hotel inkl. Inventar wurde durch den Brand vollständig zerstört. Es fragt sich, ob dieser Schaden bei einem anderen eingetreten ist und es sich um einen Drittschaden handelt. Geschädigter könnte der Vater sein. Aus dem Sachverhalt ist zwar ersichtlich, dass der Vater R Eigentümer des Hotelkomplexes ist. [224] Dennoch ist von einem Familienunternehmen die Rede. Daher könnte auch M Eigentümer (Gesamt- oder Miteigentümer) des Hotelkomplexes sein. Fraglich ist, ob diesfalls überhaupt ein Drittschaden vorläge. Eine Drittschadenkomponente liegt dann vor, wenn eine Sache nicht in Alleineigentum steht. Wenn aufgrund des Hinweises im Sachverhalt, dass es sich um ein Familienunternehmen handelt, Gesamt- oder Miteigentum angenommen wird, verfügt der Sohn gerade nicht über ein ausschliessliches Eigentumsrecht, die Sache ist dann fremd. Es ist ersichtlich, dass R Eigentümer des Familienunternehmens ist, fremdes Eigentum ist daher zu bejahen. Es ist damit davon auszugehen, dass ein Drittschaden vorliegt. .
6
bb)
Einverständnis / Einwilligung . .
Es könnte aber eine Einwilligung des Berechtigten vorliegen. R hat im Kreise der Familie bemerkt, dass nur noch ein Vollbrand das Familienunternehmen retten könne. Ausserdem sieht er dem Sohn tatenlos zu, als dieser das Feuer legt. Betroffenes Rechtsgut ist das Eigentum des R. Es handelt sich um kein höchstpersönliches Rechtsgut, weshalb die im Verhältnis zur traditionellen 7
Einwilligung gelockerten Voraussetzungen zu prüfen sind : Für ein rechtsgenügliches Einverständnis müsste R über das in Frage stehende Rechtsgut verfügungsbefugt sein. Betroffen ist das Eigentum des R, er ist verfügungsbefugt. Weiter muss R die Einsicht in die Tragweite und das Wesen des Verzichts haben. R redete selber schon davon, dass ein Vollbrand die Lösung wäre und ist sich der Tragweite bewusst. R müsste sein Einverständnis schliesslich vor der Tat erteilt haben. Dies ist in casu fraglich. R hat sich zwar dahingehend geäussert, dass ein Brand die Lösung aller finanzieller Probleme wäre, doch fragt sich, ob diese allgemeinen Bemerkungen genügend konkret sind, um sie als Einverständnis werten zu können. Würden solche allgemeinen Bemerkungen ausreichen, hätte dies zur Folge, dass nur noch wohlüberlegte Äusserungen möglich wären, damit man nicht gleich mit einer Straftat einverstanden ist. Dies ist allerdings nicht sachgerecht: Die geplante Tat muss bereits so bestimmt sein, dass der Konnex deutlich wird und eine Äusserung nur als Einverständnis zu dieser Tat [225] gedeutet werden kann. Vorliegend ist mangels konkreten 8
Tatvorhabens zum Äusserungszeitpunkt ein Einverständnis zu verneinen . cc) Rucksack des Gastes X Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass der Rucksack eines Gastes im Feuer
verbrannte. Es handelt sich dabei um einen klassischen Drittschaden. dd) Hypothekargläubiger Fraglich ist, ob auch die Hypothekargläubiger einen Schaden erleiden. Obwohl die Wendung «Schaden eines andern» von der Sachbeschädigung 9
10
beeinflusst ist, soll die dort geltende Auslegung nach h.L. und Praxis für den Schadensbegriff der Brandstiftung nicht gelten: Geht es bei der Sachbeschädigung um den Schutz fremden Eigentums und anderer dinglicher Berechtigungen (Nutzniessungs- und Gebrauchsrechte), sollen im Geltungsbereich von Art. 221 Abs. 1 StGB auch obligatorische Rechte unter den Begriff subsumiert werden. Dies ist nicht unproblematisch, führt eine solche Auslegung doch zur Pönalisierung einfacher privatrechtlicher .
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Verbindlichkeiten . Immerhin hat das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung den Schaden ausser beim Eigentümer nur beim Hypothekargläubiger, also einem dinglich Berechtigten, bejaht. Dabei ist 12
gemäss BGer Voraussetzung, dass die unmittelbaren Folgen des Feuers seine Ansprüche gefährden. Dies ist dann der Fall, wenn durch die Zerstörung des Objekts die dingliche Absicherung nicht mehr besteht, d.h. das Pfand die 13
gesicherte Forderung nicht mehr decken kann . In casu wurde der Hotelkomplex durch den Brand vollständig zerstört, die Absicherung der Forderung ist nicht mehr gewährleistet. Die Hypothekargläubiger erleiden daher einen Schaden.
ee) Versicherung Fraglich ist, ob auch die Versicherung einen Schaden erleidet. Dies ist angesichts dessen, dass die Versicherung den Schaden in Erfüllung des Versicherungsvertrags zu decken hat, zu verneinen. Sie ist nur mittelbar 14
betroffen und erleidet damit keinen Schaden im Sinne von Art. 221 StGB . ff) Verletzung von Ehrismann: Personenschaden Der Hotelgast Ehrismann hat sich beim Versuch, den Brand zu löschen, am Arm verletzt und sich eine Rauchvergiftung zugezogen. Fraglich ist allerdings, ob auch Personenschäden unter den Drittschaden fallen. Dies wird von der h.L. aufgrund der Ähnlichkeit der Regelung zur Sachbeschädigung 15
verneint . Es wird vorliegend dieser Meinung gefolgt und damit die Prüfung bezüglich des Personenschadens unter diesem Titel abgebrochen. Der objektive Tatbestand ist hinsichtlich des Eigentums des Vaters, des Rucksacks des Gastes X sowie des Hypothekargläubigers erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Den subjektiven Tatbestand von Art. 221 Abs. 1 StGB erfüllt, wer vorsätzlich im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB bezüglich aller objektiven Tatbestandselemente handelt. M weiss, dass ein durch Getriebeöl angefachtes Feuer zu einem Grossbrand führen kann, und wollte das Feuer legen. Fraglich ist, ob er auch bezüglich des weiteren objektiven Tatbestandselements, des Schaden eines andern, vorsätzlich handelte: Es gilt nach den verschiedenen Geschädigten und Schäden zu differenzieren: a) Vorsatz bezüglich der Schädigung des Vaters M wusste, dass das Hotel dem Vater gehört, und wollte dieses niederbrennen. Er handelt diesbezüglich vorsätzlich.
b) Vorsatz bezüglich der Zerstörung des Rucksacks von X Fraglich ist, ob M den Rucksack vorsätzlich im Feuer verbrennen liess. Es ist nicht ersichtlich, dass er überhaupt um den Rucksack wusste. Er wollte zwar das Hotel inkl. des Mobiliars zerstören, sein Vorsatz richtet sich aber gerade nicht auf den Rucksack. M handelt bezüglich des Rucksacks nicht 16
vorsätzlich . c) Vorsatz bezüglich der Hypothekargläubiger M wusste, dass das vom Feuer zerstörte Hotel die Forderung als Grundpfand nicht mehr zu decken vermag und wollte dies auch. Er schädigte die Hypothekargläubiger damit vorsätzlich. d) Zwischenergebnis M handelte bezüglich der Zerstörung des Hotelkomplexes inklusive Mobiliar sowie den Hypothekargläubigern vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand und somit die gesamte Tatbestandsmässigkeit sind erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. M handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis M hat sich der Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. B. Qualifizierte Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 2 StGB? M könnte sich der qualifizierten Brandstiftung nach Art. 221 Abs. 2 StGB schuldig gemacht haben, indem durch das gelegte Feuer auch Menschen gefährdet werden.
I. Tatbestandsmässigkeit Der objektive Tatbestand der Qualifikation nach Abs. 2 ist erfüllt, wenn der Täter Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringt. Vorausgesetzt ist, dass Leib und Leben von Menschen tatsächlich konkret gefährdet werden. Erforderlich ist eine nahe Gefahr, d.h. eine grosse Wahrscheinlichkeit der Verletzung. Eine bloss abstrakte Gefährdung reicht zur Annahme des qualifizierten Tatbestands nicht aus. 17
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist für Abs. 2 keine Gemeingefahr erforderlich: Der Tatbestand ist bereits dann erfüllt, wenn eine individuell bestimmte Person gefährdet wird. Diese Rechtsprechung wird von der Lehre z. T. kritisiert und eine eingeschränkte Betrachtungsweise mit dem Argument gefordert, der Grundtatbestand verlange nicht zwingend eine Gemeingefahr, eine individuelle Gefährdung aber könne schon die Strafschärfung nach Abs. 2 auslösen. So wird verlangt, der gefährdete Einzelne müsse die Allgemeinheit vertreten, um das Element der 18
Gemeingefahr annehmen zu können . Die beiden Meinungen führen im vorliegenden Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen: Folgt man der eingeschränkten Betrachtungsweise, die z. T. in der Lehre vertreten wird, kommt man zum Schluss, dass die Qualifikation nicht vorliegt, denn wie bereits unter Abs. 1 gesehen (siehe oben A.I.1.b), muss die Gemeingefahr verneint werden, denn die Personen sind nicht vom Zufall ausgewählt. .
19
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, der vorliegend gefolgt wird , ist in dieser Konstellation die Annahme der Qualifizierung möglich. In casu werden die Gäste und Bewohner, nachdem das Feuer auf das Haupthaus übergegriffen hat, von R gewarnt und können es rechtzeitig verlassen. Es besteht daher keine konkrete Gefährdung. Fraglich ist einzig, ob bezüglich Ehrismann, der trotz Warnung nochmals ins Haus läuft, um einen Löschversuch zu unternehmen, eine konkrete Gefährdung anzunehmen ist. Dies ist grundsätzlich zu bejahen. Ehrismann verletzt sich sogar, er erleidet eine Verbrennung und eine Rauchgasvergiftung. Allerdings ist fraglich, ob diese Gefährdung dem M auch objektiv zurechenbar ist: Entfallen des objektiven Selbstgefährdung:
Tatbestands
aufgrund
eigenverantwortlicher
Ehrismann gehört der freiwilligen Feuerwehr an. Fraglich ist, ob sein verzweifelter Löschversuch eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung darstellt, die die objektive Zurechnung entfallen lässt. Ehrismann war als Gast privat im Hotel und nicht im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes zugegen. Selbst wenn er im Dienst gewesen wäre, müsste man sich fragen, ob die Gefährdung der Feuerwehrleute die Haftung begründen kann. Dies wird von der h.L. und Rechtsprechung verneint, denn es handelt sich um Risiken ihrer Dienst- und Berufspflicht und damit um eine freiwillige Übernahme eines 20
Risikos . Dies muss umso mehr gelten, wenn sich eine Privatperson, die nicht über die nötigen Utensilien verfügt, daran macht, einen Brand zu löschen. Es handelt sich dabei um eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung, für die der Brandstifter nicht einzustehen hat. Der Sohn haftet damit nicht für die Gefährdung des Ehrismann.
II. Ergebnis M hat sich nicht gemäss Art. 221 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. C. Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB? Indem M den Hotelkomplex inklusive Mobiliar niederbrennt und damit zerstört, könnte er sich der Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB 21
schuldig gemacht haben . I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer eine fremde Sache zerstört. Wie gesehen, steht das Hotel inklusive Mobiliar im Eigentum des Vaters und ist damit für den Sohn fremd. Auch wenn aufgrund des Hinweises im Sachverhalt, dass es sich um ein Familienunternehmen handelt, Gesamt- oder Miteigentum angenommen würde, verfügt der Sohn gerade nicht über ein 22
ausschliessliches Eigentumsrecht, die Sache wäre auch dann fremd . Unter Zerstören wird eine radikale Form des Beschädigens verstanden. Die Substanz der Sache wird dabei vollständig vernichtet. Dabei wird gerade das Verbrennen einer Sache als Beispiel angeführt. Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass das Hotel vollständig ausbrennt und nicht einmal die Grundmauern stehen bleiben. Demgemäss ist auch das Mobiliar den Flammen zum Opfer gefallen. Hotelkomplex und Mobiliar wurden folglich zerstört. Die Handlung ist kausal für den Erfolg. Der Erfolg ist M auch sonst objektiv zurechenbar. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.
2. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB. M weiss um die Fremdheit der Sache und will sie zerstören. Der subjektive Tatbestand und die Tatbestandsmässigkeit insgesamt sind damit erfüllt. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. M handelt rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis M hat sich gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. D. Einfache Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB? Indem sich Ehrismann bei einem Löschversuch verletzt, könnte sich M, der das Feuer gelegt hatte, der einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt, wer jemanden an der Gesundheit schädigt. Eine Gesundheitsschädigung liegt vor, wenn ein pathologischer Zustand mit Krankheitswert hervorgerufen wird. Ehrismann zieht sich beim Löschversuch Verbrennungen ersten Grades am rechten Arm sowie eine Rauchgasvergiftung zu. Damit wird ein pathologischer Zustand geschaffen. Das Legen eines Schadenfeuers war auch kausal für die Verletzung. Allerdings entfällt die objektive Zurechnung auch hier aufgrund eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Ehrismann (siehe oben B.I.). .
II. Ergebnis
23
M hat sich nicht gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig gemacht . E. Gefährdung des Lebens gemäss Art. 129 StGB? M könnte sich der Gefährdung des Lebens gemäss Art. 129 StGB schuldig gemacht haben, weil sich Menschen im Gebäude befinden, als er das Feuer legt. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Den objektiven Tatbestand von Art. 129 StGB erfüllt, wer einen Menschen in unmittelbare Lebensgefahr bringt. Lebensgefahr ist ein Zustand, bei dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Verletzung des geschützten Rechtsgutes als drohendes Ereignis bevorsteht. Die Gefahr muss konkret sein. [231] Beurteilt wird das Vorliegen einer solchen Gefahr aufgrund einer 24
objektiv-nachträglichen Prognose . Unmittelbarkeit der Gefahr wird dann bejaht, wenn «nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Verletzung 25
des geschützten Rechtsguts besteht» . Eine bloss vage Möglichkeit genügt dabei nicht. Fraglich ist, ob eine solche unmittelbare Lebensgefahr in casu bestand. Die Hotelgäste und die übrigen Familienmitglieder wurden rechtzeitig vom
Hotelier gewarnt und konnten das Gebäude vor Ausbruch des Vollbrandes verlassen. Eine unmittelbare Lebensgefahr liegt nicht vor. Eine solche könnte allerdings unter Anwendung einer objektiv-nachträglichen Prognose bezüglich Ehrismann bestehen, der sich ins Feuer begibt, um einen Löschversuch zu unternehmen. Es besteht bei einem Brand immer die Gefahr eines sog. «Flashover», d.h. des plötzlichen Übergangs eines Entstehungsbrandes in einen Vollbrand aufgrund der Wärmestrahlung, die von Brandrauch, heissen Gasen und von den Raumwänden ausgeht. Eine unmittelbare Lebensgefahr bezüglich Ehrismann liegt damit vor. Allerdings entfällt die objektive Zurechnung auch hier aufgrund der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung (siehe dazu B.I.). .
II. Ergebnis M hat sich nicht gemäss Art. 129 StGB schuldig gemacht.
Strafbarkeit des Vaters Phase 1: Reden A. Anstiftung zur Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 i. V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB? Indem R im Kreise seiner Familie bemerkt, nur noch ein Vollbrand könne das Familienunternehmen retten und der Sohn das Hotel tatsächlich anzündet, könnte er sich der Anstiftung zur Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Haupttat Eine tatbestandsmässige, rechtswidrige Haupttat im Sinne der limitierten Akzessorietät liegt vor. M hat den Tatbestand der Brandstiftung gemäss
Art. 221 Abs. 1 StGB erfüllt und sich auch schuldig gemacht. b) Hervorrufen des Tatentschlusses R müsste den Tatentschluss des Sohnes hervorgerufen haben. R sagt im Kreise seiner Familie, nur noch ein Vollbrand könne das Familienunternehmen retten. Die Äusserung richtet sich nicht konkret an den Sohn. Fraglich ist, ob ein solcher Ausspruch bereits als Anstiftung gedeutet werden kann. Der Sohn handelt aufgrund dieser Äusserung des Vaters. Damit ruft der Vater den Tatentschluss hervor. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Erforderlich ist ein «doppelter» Anstiftervorsatz: Zum einen muss Vorsatz hinsichtlich des Hervorrufens des Tatentschlusses, also darauf, jemanden zu einer Tat anzustiften, vorliegen und zum anderen muss der Vorsatz bezüglich der Haupttat bestehen. Fraglich ist insbesondere, ob R durch sein Reden wirklich den Tatentschluss seines Sohnes hervorrufen will. Dies erscheint fraglich. R erzählt im Kreise seiner Familie von seinen finanziellen Sorgen. Unbedachte, in vertrautem Rahmen gemachte Äusserungen können für sich noch nicht als Vorsatz bezüglich der Anstiftung zu einem Verbrechen gedeutet werden. Aus dem Sachverhalt lässt sich kein Vorsatz auf eine Anstiftung ableiten. Der Vorsatz 26
Anstifter zu sein ist bei R aufgrund des Gesagten zu verneinen . Die Tatbestandsmässigkeit ist nicht erfüllt. II. Ergebnis R hat sich nicht der Anstiftung zur Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. B. Fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst gemäss Art. 222 StGB?
Indem R unbedacht im Kreise der Familie von einem Vollbrand des Hotelkomplexes als Lösung redet und M daraufhin das Hotel auch anzündet, könnte R sich der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst gemäss Art. 222 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit a) Erfolg Das Feuer wird von M gelegt und damit eine Feuersbrunst verursacht (Definition siehe Strafbarkeit des M, A.I.1.a). Der Erfolg liegt vor.
.
b) Tathandlung Zwar hat R das Feuer nicht gelegt, seine Tathandlung kann jedoch im unbedachten Reden im Kreise der Familie gesehen werden. 27
c)
Kausalität Es kommt darauf an, ob das unbedachte Reden natürlich kausal war für den Eintritt des Erfolges, d.h. dafür, dass M Feuer legt und das Hotel in der Folge niederbrennt. Natürlich kausal ist eine Handlung dann, wenn sie nicht hinweggedacht 28
werden kann, ohne dass auch der konkrete Erfolg entfiele . Vorliegend war das unbedachte Reden des R ursächlich dafür, dass M zur Tat schritt und das Hotel in Brand setzte. Das Reden kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass auch der Erfolg, das in Brand setzen des Hotels durch M, entfiele. Die natürliche Kausalität liegt damit vor. d) Sorgfaltspflichtverletzung Es gilt zu prüfen, ob R eine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Gemäss Art. 12
Abs. 3 StGB verhält sich pflichtwidrig unvorsichtig, wer die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. Vorausgesetzt ist erstens die Verletzung einer generellen Sorgfaltspflicht, die sich entweder aus einem Gesetz, einer sonstigen Norm oder aus dem [234] allgemeinen Gefahrensatz ergibt. Diese gilt es sodann zum erlaubten Risiko abzugrenzen. Zweitens muss die Verletzung einer individuellen Sorgfaltspflicht vorliegen. Darunter fallen die individuelle Vorhersehbarkeit und die Beherrschbarkeit des Erfolgseintritts. aa) Verletzung einer generellen Sorgfaltspflicht Fraglich ist, ob R, indem er im Kreise seiner Familie von einem Vollbrand als Lösung redet, eine generelle Sorgfaltspflicht verletzt. Eine solche könnte sich aus dem allgemeinen Gefahrensatz ergeben. Dieser besagt, dass jeder, der einen Gefahrenzustand schafft, alles Zumutbare tun muss, damit die Gefahr zu 29
keiner Verletzung fremder Rechtsgüter führt . Zu klären ist, ob R durch sein unbedachtes Reden einen solchen unerlaubten Gefahrenzustand schafft: bb) Abgrenzung zum erlaubten Risiko – Vertrauensgrundsatz Ähnlich wie im Strassenverkehr wird auch in diesem Themenbereich angeführt, man müsse darauf vertrauen können, dass andere keine Vorsatztaten begehen. Ohne dieses Prinzip wären viele Alltagshandlungen wie z.B. der Kauf eines Messers, einer Axt oder eines Feuerzeugs nicht mehr möglich und das soziale Leben erschwert. Allerdings gilt dieses Prinzip nicht unbeschränkt: Der Vertrauensgrundsatz gilt dort nicht, und es handelt sich insofern um kein erlaubtes Risiko mehr, wo ein Verhalten die erkennbare 30
Tatgeneigtheit eines potentiellen Vorsatztäters fördert .
R äussert seine Sorgen im Kreise seiner Familie und macht die Äusserung nicht speziell nur gegenüber seinem Sohn. Da nähere Angaben im Sachverhalt dazu fehlen, ist davon auszugehen, dass für R die Tatgeneigtheit des M zum Äusserungszeitpunkt nicht ersichtlich ist. Anders wäre etwa zu entscheiden, wenn sich der Gesprächspartner aufgrund der Aussage näher erkundigt, z.B. fragt, wie viel für eine solche Tat bezahlt würde oder sich über Einzelheiten informiert, wie dies in einem vom Bundesgericht entschiedenen Urteil der Fall 31
war . Im vorliegenden Fall ist keine Reaktion seitens der Familie und insbesondere von M ersichtlich. R darf darauf vertrauen, dass seine Äusserung nicht überbewertet wird. Dieser unüberlegte «Spruch» stellt damit ein erlaubtes Risiko dar. R hat keinen unerlaubten Gefahrenzustand geschaffen, für den er einzustehen hätte. R handelt nicht tatbestandsmässig. Anmerkung: Würde die Sorgfaltspflichtverletzung jedoch bejaht, müsste noch die objektive Zurechnung geprüft werden. Hier liegt ein weiterer Diskussionspunkt, der nachfolgend zu Lernzwecken aufgezeigt wird: e) Objektive Zurechnung Es stellt sich hier die Frage, welche Auswirkungen die fahrlässige Mitwirkung an einem vollverantwortlich verwirklichten Vorsatzdelikt hat. Diese Frage wird seit jeher von Lehre und Rechtsprechung intensiv diskutiert, und es werden verschiedene Lösungsvarianten präsentiert. Die frühere Lehre ging überwiegend davon aus, ein solches fahrlässiges Mitwirken unterliege einem 32
Regressverbot und sei daher straflos . Diese Lehre ist heute überholt, vielmehr muss differenziert werden: aa) Entfallen aufgrund der Eigenverantwortung des Sohnes? R hat zwar unbedacht geredet, doch darf man davon ausgehen, dass erwachsene Personen unbedachtes Reden als solches erkennen und
entsprechend reagieren bzw. aufgrund einer solchen unüberlegten Äusserung nicht gleich zur Tat schreiten. Allerdings kann die Eigenverantwortung nicht das ausschlaggebende Kriterium sein, denn wenn ein unvorsätzlich Handelnder die Gefahr einer Vorsatztat geschaffen hat, gibt es keinen Grund, 33
ihn von der Verantwortung auszuschliessen . Verantwortungsbereiche lassen sich nicht immer strikt und klar trennen. II. Ergebnis R hat sich nicht gemäss Art. 222 StGB schuldig gemacht. Phase 2: Zuschauen A. Brandstiftung durch Unterlassen gemäss Art. 221 Abs. 1 i.V. m. Art. 11 StGB? Indem R zusieht wie sein Sohn Feuer legt, jedoch nichts dagegen unternimmt, könnte er sich der Brandstiftung durch Unterlassen gemäss Art. 221 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 StGB schuldig gemacht haben. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Taterfolg Der Taterfolg, eine Feuersbrunst, liegt vor (siehe Strafbarkeit des M, A.I.1.a). .
b) Handeln / Unterlassen . .
R beobachtet wie M mit Getriebeöl hantiert und Feuer legt. R verhält sich gänzlich passiv und setzt keine causa efficiens. Es liegt ein Unterlassen vor. c) Garantenpflicht R müsste gemäss Art. 11 Abs. 1 StGB aufgrund seiner Rechtsstellung dazu
verpflichtet sein, den Erfolg zu verhindern, d.h. eine Garantenpflicht gemäss Art. 11 Abs. 2 StGB innehaben. Es wird zwischen Sicherungs- und Obhutsgarantenpflichten unterschieden. Bei der Obhutsgarantenpflicht steht der Schutz eines Rechtsgutes im Mittelpunkt, während bei der Sicherungsgarantenpflicht die Sicherung bzw. Überwachung einer Gefahrenquelle im Zentrum steht. Das Gesetz nennt in einer nicht abschliessenden Aufzählung (lit. a–d) die Entstehungsgründe solcher Garantenpflichten. .
Vorliegend könnte eine Sicherungspflicht aus Ingerenz, d. h. der Schaffung einer Gefahr, gemäss Art. 11 Abs. 2 lit. d StGB die Garantenpflicht begründen. R hat durch seine Äusserung im Kreise der Familie allenfalls eine solche Gefahr geschaffen. Fraglich ist allerdings, wie das Vorverhalten beschaffen sein muss, um eine Ingerenzhaftung zu begründen. Nach überwiegender 34
Auffassung muss das Vorverhalten sorgfaltspflichtwidrig sein . Dies hätte vorliegend zur Konsequenz, dass keine Haftung bestünde, denn das Verhalten des R ist – wie gesehen – nicht sorgfaltspflichtwidrig. Nach einem anderen Teil der Lehre kann allerdings auch rechtmässiges Vorverhalten Ingerenz begründen: Dann, wenn das zwar erlaubte Risiko höher 35
ist als das durch unumgängliches alltägliches Verhalten geschaffene Risiko . Dieses höhere Risiko ist rechtsgutsbezogen nach dem Adäquanzmassstab zu bestimmen. Fraglich ist also, ob ein Spruch nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, eine Vorsatztat zu provozieren. Dies muss angesichts der Tatsache, dass der Sohn die Tat 36
vollverantwortlich verwirklicht, verneint werden . R hat damit keine
Garantenpflicht inne und der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. II. Ergebnis R hat sich nicht gemäss Art. 221 Abs. 1 i. V.m. Art. 11 StGB schuldig gemacht. Phase 3: Vorhaben der Schadensmeldung bei der Gebäudeversicherung A. Versuchter Betrug gemäss Art. 146 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB? Indem R den Schaden der Versicherung melden wollte, die Kantonspolizei aber dieses Vorhaben durch die Strafuntersuchung verunmöglichte, könnte er sich eines versuchten Betruges nach Art. 146 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. Beim Betrug handelt es sich um ein Verbrechen (Art. 10 Abs. 2 StGB). Der Versuch ist demnach gemäss Art. 146 i.V. m. Art. 22 Abs. 1 StGB strafbar. .
I. Tatbestandsmässigkeit 1. Subjektiver Tatbestand: Tatentschluss R muss den Tatentschluss, d. h. den Vorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB bezüglich aller objektiven Tatbestandselemente gefasst haben. Er müsste also Vorsatz bezüglich der arglistigen Täuschung, dem daraus folgenden Hervorrufen eines Irrtums, der Vermögensverfügung und dem daraus resultierenden Vermögensschaden sowie dem Motivationszusammenhang haben. Überdies muss R in Bereicherungsabsicht gehandelt haben. Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass es zu einer Schadensmeldung bei der Gebäudeversicherung nur deshalb nicht kommt, weil die Kantonspolizei ein Strafverfahren in dieser Sache eröffnet. R hatte jedoch den Vorsatz darauf, die Versicherung zu täuschen, indem er bei der Schadensmeldung den tatsächlichen Grund des Brandes verschwiegen hätte. Ein solches Schweigen erfüllt das Erfordernis der Arglist, denn die Brandursachenforschung ist ein schwieriges Unterfangen. Ein solches Vorgehen hätte bei der Versicherung den
Irrtum hervorgerufen, dass sich der Schaden unverschuldet, ohne fremdes Zutun ereignete. Denn ein vorsätzlich selbst herbeigeführtes Schadensereignis ergibt nach sämtlichen Versicherungsbestimmungen keinen Anspruch. Darauf gestützt hätte die Versicherung die Versicherungssumme ausbezahlt und sich somit am Vermögen geschädigt. Bezüglich aller dieser Elemente hatte R Vorsatz und handelte überdies genau aus dem Grund, durch die Versicherungssumme aus der [238] finanziellen Misere herauszukommen, folglich also mit Bereicherungsabsicht. R hat den Tatentschluss gefasst. 2. Objektiver Tatbestand: Beginn der Tatausführung R müsste mit der Tat begonnen haben. Nach der Schwellentheorie des 37
Bundesgerichts zählt zur Tatausführung schon «jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen». Dabei dienen die Kriterien der zeitlichen und räumlichen Nähe zur Tatbestandsverwirklichung sowie des Einbruchs in die Schutzsphäre des Opfers der Konkretisierung. R hat sich vor der Tat des M zwar dahingehend geäussert, dass nur ein Vollbrand das Familienunternehmen retten könne, womit er wohl gemeint hat, dass durch den Brand die Versicherungssumme bezogen werden kann. Allerdings hat er nach der Tat nichts mehr weiter unternehmen können. Er kann den Brand nicht mehr bei der Versicherung melden, da die Polizei Ermittlungen wegen Brandstiftung aufnimmt. Es ist daher fraglich, ob der sog. point of no return bereits überschritten ist. Es könnte dahingehend argumentiert werden, dass die Schadensmeldung gerade noch nicht erfolgte, R noch nicht mit der Versicherung in Kontakt getreten ist und er sich immer noch hätte umentschliessen können. Dagegen spricht jedoch der Umstand, dass R fast gezwungen gewesen wäre, nach der vollständigen Zerstörung des Hotelkomplexes, der seine Lebensgrundlage darstellte, weiterzuhandeln und
den Schaden der Versicherung zu melden, um die Versicherungssumme zu erhalten. Es wird in der Lehre daher die Meinung vertreten, die Täuschung beginne bereits dann, wenn gegenüber der Polizei falsche Angaben gemacht 38
werden . Obwohl im Sachverhalt entsprechende Angaben fehlen, ist nach einer lebensnahen Auslegung wohl davon auszugehen, dass R das Geschehen gegenüber der Polizei nicht wahrheitsgemäss wiedergibt. 39
Das Bundesgericht setzt den Versuchsbeginn beim Versicherungsbetrug sogar noch früher an: Die Schwelle soll bereits dann überschritten sein, wenn das versicherte Objekt mit dem Ziel beschädigt wird, von der Versicherung betrügerisch Schadenersatz zu verlangen. Es geht noch weiter und bejaht 40
den [239] versuchten Betrug bereits ab dem Versuch der Beschädigung . Die Bejahung des Versuchsbeginns in diesem frühen Stadium folgt jedoch einer rein subjektiven Versuchslehre und ist als rechtspolitischer Entscheid zum 41
Schutz der Versicherung anzusehen. Dies ist abzulehnen . Damit hat R den point of no return überschritten und mit der Tatausführung begonnen. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Es sind weder Rechtfertigungs-, Schuldausschlussnoch Entschuldigungsgründe ersichtlich. R handelt rechtswidrig und schuldhaft.
III. Ergebnis R hat sich des versuchten Betruges nach Art. 146 i. V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis Markus Markus hat sich gemäss Art. 221 Abs. 1 und Art. 144 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Da die Brandstiftung als lex specialis der Sachbeschädigung vorgeht, hat sich Markus gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Robert Robert hat sich gemäss Art. 146 i.V. m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig und mangels Konkurrenzen auch strafbar gemacht. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung der Autorin neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Erkennen und richtige Subsumtion der Elemente der Brandstiftung, insb. der Problematik des Hypothekargläubigers und der Versicherung ■ Diskutieren der Beteiligungsrolle des Vaters, insb. Erkennen des Elements der Eigenverantwortlichkeit des erwachsenen Sohnes und des daraus fliessenden Regressverbots sowie des Vertrauensgrundsatzes ■ Richtige Subsumtion des versuchten Versicherungsbetrugs
Literaturhinweise BRUNNER, M., Die Brandstiftung und die fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst im Sinne von Art. 221 StGB und Art. 222 StGB, Diss., Zürich 1986; JENNY, G., Die strafrechtliche Rechtsprechung
des Bundesgerichts im Jahre 1999, ZBJV 1999, 625 ff.; ROXIN, C., Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, 4. Aufl., München 2006; ROXIN, C., Bemerkungen zum Regressverbot, in: FS Tröndle, Berlin 1989, 177 ff.; SCHWANDER, V., Das Schweizerische Strafgesetzbuch unter besonderer Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Praxis, 2. Aufl., Zürich 1964; STRATENWERTH, G., Gemeingefährliche Straftaten, ZStrR 1964, 8 ff.; WEHRLE, S., Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt – Regressverbot?, Diss., Basel 1986.
Fall 19 Olivenöl Bearbeitung: Mark Pieth
In der Vorweihnachtszeit verkaufen Madeleine und Esther auf dem Marktplatz einer Schweizer Stadt Olivenöl aus Palästina. Der Erlös soll einem Spital im Gazastreifen zugute kommen. Das Spital liegt in einer Siedlung, die bei den Wahlen 2006 unter die Verwaltung der Hamas gelangt ist. Die Hamas gilt gemäss der Liste des Sanktionsausschusses des UN-Sicherheitsrats als «terroristische Vereinigung». Die Hilfsorganisation überweist den Erlös der Verkaufsaktion mit Hilfe der Schweizer Bank X an das Konto der Stadtverwaltung in Gaza bei der Schweizer Bank Y. Die Spitalverwaltung hebt in der Folge einen Teil der Hilfsgelder ab. ▶
Haben sich Madeleine, Esther und die Kundenbetreuerinnen der Banken X und Y strafbar gemacht?
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Wäre die Lage anders zu beurteilen, wenn sie davon ausgehen müssten, dass von den Hilfsgeldern möglicherweise etwas für militärische Zwecke abgezweigt würde?
Vorbemerkung Der Fall beschäftigt sich mit dem aktuellen Problem der «Finanzierung des Terrorismus» und dem Verhältnis verschiedener Strafnormen zueinander, die nicht optimal aufeinander abgestimmt und nach Meinung der Lehre sogar unnötig sind. Im Zentrum steht insbesondere das Verhältnis von Art. 260ter StGB und Art. 260quinquies StGB. Im Übrigen gilt es auch Art. 260bis StGB und Art. 305bis StGB zu beachten. Selbst wenn sich Art. 260ter StGB im Nachhinein als der umfassendere Tatbestand erweisen sollte, empfiehlt sich ein Einstieg über die scheinbare lex specialis des Art. 260quinquies StGB bezüglich der Mitarbeiterinnen der Nicht-Regierungs-Organisation.
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit der Mitarbeiterinnen der Hilfsorganisation A. Haben sich Madeleine und Esther der Finanzierung des Terrorismus gemäss Art. 260quinquies StGB schuldig gemacht? Madeleine und Esthers Beteiligungsrollen werden im Sachverhalt nicht unterschieden, sie dürfen gemeinsam geprüft werden. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Vermögenswerte 1
Die Materialien verweisen auf den im Einziehungsrecht entwickelten Begriff der «Vermögenswerte». Es besteht kein Zweifel, dass der durch den ÖlVerkauf erzielte und auf das Konto der Nicht-Regierungs-Organisation einbezahlte bzw. auf das Konto des Spitals überwiesene Erlös Vermögenswerte im Sinne der Norm sind. b) «Sammelt» oder «zur Verfügung stellt» In casu wird in der ersten Phase, dem Verkauf auf dem Marktplatz, nicht im klassischen Sinne Geld gesammelt; die Produkte aus Palästina werden für einen realen Preis verkauft, allerdings wird der Reingewinn in einer weiteren Phase dem Spital zur Verfügung gestellt. Zwar ist Art. 260quinquies gemäss der 2
Ansicht von Arzt auf reine Handelsgeschäfte nicht anwendbar. «Sammeln»
resp. «zur Verfügung stellen» haben primär Spenden im Auge. Allerdings dürfte eine gemischte Spende, bei der den Verkäufern ein «guter Preis» bezahlt wird, sehr wohl als «Mittel zur Verfügung stellen» eingestuft werden. 2. Subjektiver Tatbestand a) Absicht Die gesamte Abgrenzung zwischen legalem und illegalem Verhalten wird bei diesem Tatbestand vom Gesetz in den subjektiven Tatbestand verlagert, in [243] die «Absicht, ein Gewaltverbrechen zu finanzieren, mit dem die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll». b) Was heisst Terrorismus? «Terrorismus» wird somit indirekt als Element des subjektiven Tatbestandes definiert, als «Gewaltverbrechen, mit dem die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll». Diese Definition lehnt sich an diverse 3
internationale Konventionen an . Der Begriff des Verbrechens ist technisch im Sinne des Art. 10 StGB gemeint und Gewalt ist hier eng, als qualifizierte 4
Gewalt gegen Personen zu verstehen . Hinzugedacht werden müssen aber die Ausnahmeklauseln von Art. 260quinquies Abs. 3 und Abs. 4 StGB, die mindestens teilweise auf die frühere Bundesgerichtspraxis im Rechtshilfe- und Auslieferungsrecht zurückgehen: Auch wenn eine terroristische Straftat beabsichtigt wird (ein qualifiziertes Gewaltverbrechen nach der obengenannten Definition), liegt keine strafbare Finanzierung des Terrorismus vor, wenn die (Finanzierungs-)Tat auf die «Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer oder rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten» gerichtet ist. Abs. 4 schliesst .
.
die Strafbarkeit für Handlungen in Konformität mit dem Kriegsvölkerrecht aus. Das Bundesgericht hatte in seiner früheren Praxis zu Art. 260ter StGB eine Unterscheidung von Terroristen einerseits und Bürgerkriegsparteien und Guerilla-Armeen anderseits, denen es das Privileg des «politischen Deliktes» 5
im Auslieferungsrecht gewährte , danach getroffen, ob die Gewalt «in einem 6
angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen» stand . Detailliertere Ausführungen zu diesem Massstab der Verhältnismässigkeit enthält das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1997 (EÜBT), insbesondere Art. 1 lit. c–e. Nicht gehört wird etwa die Einrede des «politischen Delikts» im Auslieferungsverfahren, wenn sich die Gewalt gegen völkerrechtlich geschützte Personen richtete oder wenn [244] Vertreter der Allgemeinheit in qualifizierter Weise in ihrer Freiheit .
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beschränkt oder durch besonders gefährliche Waffen gefährdet wurden . Bei schweren Gewaltverbrechen (insbesondere Tötungen) wird der politische Charakter regelmässig verneint. Ausnahmen sah das BGer lediglich bei .
8
«offenen Bürgerkriegsverhältnissen» oder «wenn das betreffende Recht (etwa im Falle eines «Tyrannenmordes») das einzige praktikable Mittel zur
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Erreichung wichtiger humanitärer Ziele darstellen würde» . Das Bundesgericht hat in neuester Zeit seine Auslieferungspraxis (immer gestützt auf Art. 260ter StGB) weiter differenziert und es abgelehnt, bei formell .
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beendetem Bürgerkrieg
oder auch bei nur «bürgerkriegsähnlichen
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Auseinandersetzungen» ein politisches Delikt anzuerkennen. Die Praxis entspricht dem internationalen Interesse an der «Entpolitisierung» 12
terroristischer Verhaltensweisen . Bei Lichte besehen wird die Praxis aber durch einen wesentlich formaleren Zugang dominiert: Für das Bundesgericht wie für die Bundesämter ist 13
entscheidend , ob eine Organisation auf einer der sog. «Terrorismuslisten» figuriert. Gemeint wird eine der Listen des UN-Sicherheitsrates aufgrund der 14
UN-Sicherheitsratsresolutionen 1267 und 1373
15
oder einzelner Staaten
.
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(oder Regionen ). Neben den «Brigate Rosse», der «ETA» und der «Al Quaïda» gilt nach diesen Listen auch die «Hamas» als terroristische Organisation. Die Betrachtungsweise ist undifferenziert. Zum einen, weil die Hamas – ähnlich wie andere radikale Organisationen (etwa die IRA) – zwar einen bewaffneten Arm aufweist, aber auch eine politische Partei ist und ein Sozialsystem unterhält. Zum andern wird beim Listenansatz die Detailprüfung nach den Kriterien des Bundesgerichts gerade ausgelassen. .
Im vorliegenden Fall soll aber nach dem Sachverhalt gar nicht die Hamas unterstützt werden, vielmehr soll der Erlös des Verkaufs einem Spital im Gaza-Streifen zugute kommen. Allerdings ist dem Sachverhalt zu entnehmen, dass [245] das Spital unter der Verwaltung der Hamas-dominierten Stadtbehörde steht. Es ist nicht völlig auszuschliessen, dass von den Hilfsgeldern auch etwas für den bewaffneten Kampf abgezweigt wird. So haben die USA diverse «Hamas-related charities», auch solche mit Domizil in der Schweiz, auf die schwarze Liste gesetzt, weil sie befürchten, die Hilfsorganisationen könnten als Deckadresse zur Finanzierung des 17
militärischen Armes der Hamas dienen . c) Im konkreten Fall? Das Kriterium der «Absicht», terroristische «Gewaltverbrechen unterstützen», wirft in casu bereits zwei Fragen auf:
zu
1) Ist Hamas wirklich eine terroristische Organisation? 2) Wird durch humanitäre Hilfe an ein Spital unter der Verwaltung einer fraglichen Organisation eigentlich die Organisation in ihrem terroristischen Zweck unterstützt, wenn sie als terroristische Organisation einzustufen wäre? Dazu gleich unten.
aa) Ist Hamas eine terroristische Organisation? Diese hochpolitische Frage wird in der Praxis typischerweise durch Verweis auf die UN-Listen beantwortet. Dabei muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Aufnahme auf die Liste im Wesentlichen Gegenstand eines politischen und nicht eines technischen Prozesses ist, in dem vor allem die Mitglieder des Sicherheitsrats und ihre Freunde das Sagen haben. Die Hamas hat sowohl die Funktion einer politischen Partei, eines sozialen Sicherheitsnetzes, wie einer militärischen Organisation. Der militärische Arm hat dabei immer wieder die Verantwortung für Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung übernommen. Sie ist damit nicht nur eine legitime Selbstverteidigungsarmee. Im Vordergrund dürfte hier der Vorwurf der Gewaltverbrechen stehen, und zwar der Selbstmord-Attentate, die sich gegen nicht-kombattante «unbeteiligte» Dritte richten. Was ursprünglich als Verzweiflungsakte erschien, hat sich im Laufe der Zeit zu einem Mittel der regulären Kriegsführung entwickelt. Darauf stützt sich auch die Einstufung der Hamas als terroristische Vereinigung durch die USA und die EU. Das internationale Recht und auch die Grundsätze des schweizerischen Bundesgerichts stufen «Angriffe, die unterschiedslos auch Unbeteiligte bzw. Zivilisten treffen […] auch im Befreiungskampf» als «absolut verboten» 18
ein . Von daher ist die Einstufung des militärischen Arms der Hamas, jedenfalls bezogen auf ihre [246] Praxis in den 1990er Jahren in Israel, als terroristische Organisation vertretbar. bb) Unterstützung eines bestimmten terroristischen Aktes oder einer Gruppe schlechthin? Während im Alltagsverständnis Finanzierung des Terrorismus leicht als die Unterstützung einer terroristischen Gruppe konzipiert wird – und der Gesetzgeber mit Art. 260ter StGB (dazu unten C.) auch dazu einlädt – ist der Tatbestand von Art. 260quinquies StGB enger gefasst: Es soll auf die Absicht ankommen «ein Gewaltverbrechen zu finanzieren». Zu Recht insistiert .
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Cassani entgegen Donatsch / Wohlers darauf, dass der Täter «diese bestimmte terroristische Handlung» kennen müsse. .
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d) Absatz 2: Dolus directus Im Umkehrschluss zu Abs. 2 wird verlangt, dass sich der Financier bewusst ist, dass er ein terroristisches Gewaltverbrechen finanziert und auch, dass er dies will. Blosser dolus eventualis bezüglich der Terrorismusfinanzierung reicht also nicht. Der Botschaft ist zu entnehmen, dass genau der vorliegende Fall aus dem Einzugsbereich von Art. 260quinquies StGB ausgeschlossen werden soll: «Es ist deshalb für diesen Auffangtatbestand der Nachweis zu fordern, dass die Begehung von Terrorakten das eigentliche Ziel des Täters darstellt, welches er durch die Finanzierung erreichen will. Wer Geld für wohltätige Zwecke spendet und annehmen muss, dass sein Geld auch für terroristische Aktivitäten verwendet werden kann, macht sich nicht nach Art. 260sexies StGB 21
strafbar, wenn die Finanzierung von Terrorakten gerade nicht gewollt ist» . II. Zwischenergebnis Die Zweckentfremdung der Gelder ist nach der ersten Sachverhaltsvariante zwar nicht ganz auszuschliessen. Allerdings setzt Art. 260quinquies StGB nicht nur dolus directus, sondern auch die Absicht, ein «bestimmtes» Gewaltverbrechen zu finanzieren, voraus. Aufgrund des Sachverhalts kann ausgeschlossen werden, dass Madeleine und Esther mit ihrem Weihnachtsverkauf bewusst bestimmte Gewaltakte der Hamas finanzieren wollten. Damit fällt eine Strafbarkeit nach Art. 260quinquies StGB ausser Betracht.
B. Beteiligung an einer konkreten terroristischen Tat gemäss Art. 25 StGB; Strafbare Vorbereitungshandlung zu einer bestimmten Katalogtat gemäss Art. 260bis StGB? Beide Fragen können im Vorprüfungsverfahren ausgeschieden werden, da manifesterweise weder von Madeleine noch von Esther ein konkretes terroristisches Gewaltverbrechen gefördert werden soll, weder in Gehilfenschaft noch als Vorbereitungstäterinnen. C. Unterstützung einer kriminellen Organisation durch finanzielle Mittel im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Organisation Die «kriminelle Organisation» mag sich aus kriminologischer Perspektive von der «terroristischen Vereinigung» unterscheiden. Zu Recht hat das Bundesgericht aber, zumal in seiner Auslieferungspraxis, immer wieder die terroristische Organisation als «kriminelle Organisation» behandelt. Es hat in den Fällen der «Brigate Rosse», der «ETA», der «Al Quaïda», der «ANA» und der «PKK» im Rahmen der Prüfung der beidseitigen Strafbarkeit von 22
einer «terroristischen kriminellen Organisation» gesprochen . Das Wesen der «kriminellen Organisation» ist eine gewisse Grösse, der Bestand über die konkreten Mitglieder hinaus, eine professionelle 23
Organisation , Dauerhaftigkeit, hierarchische Struktur und Austauschbarkeit
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der Akteure , vor allem aber die Geheimhaltung des Aufbaus (nach .
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Donatsch / Wohlers sollen namentlich die Rollenverteilung, die Befehlsstrukturen und das Beziehungsnetz geheim gehalten werden) und der «personellen Zusammensetzung». Es wird eine Sanktionierung der .
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Geheimhaltung verlangt (Omertà) . Dass die Hamas ihre Mitgliedschaft teilweise geheim hält, ist angesichts der Risiken zu erwarten. Allerdings sind die in der politischen Vertretung einsitzenden, [248] gewählten Repräsentanten natürlich namentlich bekannt. Dies weist ein weiteres Mal auf die Janusköpfigkeit dieser Organisation hin. .
b) Zweck Die kriminelle Organisation verfolgt entweder den Zweck, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass der militärische Arm der Hamas – nicht wegen der Selbstverteidigung auf eigenem Territorium – aber wegen Selbstmordattentaten und Bombenattentaten auf nicht-kombattante Personen, z.B. Buspassagiere in Israel, vom UN Sicherheitsrat als Terrororganisation eingestuft worden ist. c) Unterstützen Neben der eigentlichen Beteiligung ist auch die Unterstützung der 27
verbrecherischen Tätigkeit vom Tatbestand erfasst . Finanzierung wäre eine
mögliche Form der Unterstützung. Allerdings müsste «die Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt» werden. In concreto müsste die spezifische terroristische Aktivität (das Organisieren von Selbstmordattentaten, die die Bevölkerung in Schrecken versetzen und allgemeine Unsicherheit verbreiten) finanziert werden. Das ist auch aufgrund des konkreten Sachverhalts in seiner zweiten Variante durchaus zweifelhaft. Auch die zweite Variante des Sachverhalts äussert sich nicht zur Frage, ob abgezweigte Mittel tatsächlich zur Organisation von Selbstmordattentaten verwendet wurden bzw. dass eine solche Verwendung kurz bevorstand. Insofern fehlt es bei Art. 260ter StGB am objektiven Tatbestand (im Sinne einer Eventualprüfung soll allerdings auf die weiteren Fragen des Tatbestandes eingegangen werden). .
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2. Subjektiver Tatbestand Das Risiko der Zweckentfremdung von Hilfsgeldern und Hilfsgütern ist bei jeder Hilfsoperation real. Würde dies die Möglichkeit zu helfen ausschliessen, wären Entwicklungshilfe, Katastrophenhilfe und Noteinsätze in Bürgerkriegen kaum mehr zulässig. Art. 260ter StGB stellt allerdings auf den gewöhnlichen Vorsatz, einschliesslich des Eventualdolus ab. Daher ist, sobald die Vertreterinnen der Hilfsorganisation nicht ausschliessen können, dass Hilfsgelder von einer kriminellen Organisation für deren spezifische verbrecherische Tätigkeit 28
zweckentfremdet werden, der subjektive Tatbestand an sich erfüllt . II. Erlaubtes Risiko? Die Frage des erlaubten Risikos kann innerhalb des objektiven Tatbestandes oder als generelle Schranke abstrakt zu weit geratener Tatbestände, im Anschluss an den objektiven Tatbestand geprüft werden. Die neuere Rechtsprechung und Lehre haben unter dem Stichwort «harmlose Beteiligung» Fälle kausaler Risikosteigerung auch dann straflos erklärt, wenn
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sie bewusst zur Deliktsverwirklichung beitragen . Dies ist dann möglich, wenn der Deliktsbeitrag in sich «harmlos» ist, lediglich «neutrale Handlungen» oder «Alltagshandlungen» umfasst. Als Beispiele werden genannt der Bäcker in der Bronx, der damit rechnen muss, Drogengelder entgegen zu nehmen oder die Strumpfverkäuferin, die nicht ausschliessen kann, auch Räuber zu bedienen. Die Ausnahme von der Strafbarkeit wird damit begründet, dass das Risiko, das der Beteiligte schafft oder erhöht, nicht unerlaubt ist oder, dass es doch sozialadäquat bleibt. Ihre Grenze findet die Ausnahme dort, wo der Beteiligte weiss, dass der Beitrag, also z.B. die 30
gelieferte Ware, ausschliesslich deliktischen Zwecken dient . Angesichts der Sozialadäquanz des Spendensammelns erlaubt die Konstruktion, jene Fälle von der Strafbarkeit auszuscheiden, in denen zwar mit dem Missbrauch eines Teils der Gelder gerechnet werden muss, trotzdem 31
aber im humanitären Interesse das wohltätige Anliegen überwiegt . Unerlaubt wäre das Risiko erst, wenn der wohltätige Zweck nur vorgeschoben wäre, um terroristische Aktivitäten zu finanzieren. Damit scheidet im konkreten Fall für Madeleine und Esther Strafbarkeit aus Art. 260ter StGB aus. Trotzdem soll kurz das Verhältnis von Art. 260ter StGB und Art. 260quinquies StGB angesprochen werden. D. Das Verhältnis von Art. 260ter StGB und Art. 260quinquies StGB: Subsidiarität oder Spezialität? Gerade der letzte Abschnitt demonstriert die Fragwürdigkeit der Konstruktion
von Art. 260ter StGB und Art. 260quinquies StGB: Es ist zwar richtig, dass es des Art. 260quinquies StGB – von ganz marginalen 32
Fällen abgesehen – nicht bedurft hätte . Ist der Tatbestand der Finanzierung des [250] Terrorismus aber eingeführt, muss ein Ausweg aus den dadurch entstehenden Problemen gefunden werden. Art. 260quinquies StGB ist für eine spezifische Unterstützungstätigkeit – die Finanzierung – wesentlich enger als Art. 260ter StGB: Er setzt dolus directus voraus, zudem muss sich der dolus auf eine bestimmte Straftat richten, die Beteiligung oder Unterstützung einer Aktivität als solche reichen nicht. Demgegenüber reicht bei Art. 260ter StGB die logistische Hilfe für eine kriminelle Organisation (wenn eine solche Organisation vorliegt). Die Anforderungen sowohl an die Tätigkeit wie an den subjektiven Tatbestand (dolus eventualis reicht) sind minimal. Trotzdem behauptet die Lehre, gestützt .
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auf die Botschaft , fast einhellig, Art. 260quinquies StGB sei gegenüber 34
Art. 260ter StGB subsidiär . 35
Arzt zeigt sich von dieser Lösung nicht befriedigt. Ist die finanzielle Unterstützung einer terroristischen Organisation in irgendeiner Weise speziell im Vergleich zu anderen Förderungshandlungen (Waffenlieferungen, Transportleistungen, Beherbergung)? Ja, indem Geld unspezifisch ist, indem es nicht durch seine Natur auf den illegalen Kontext hinweist: Daher hat man auch in Art. 260quinquies Abs. 2 StGB auf dem dolus directus insistiert. Gerade .
weil das Risiko des Missbrauchs von Hilfsgeldern besteht, für die die Entwicklungshelfer weder nach Art. 260quinquies StGB noch nach Art. 260ter 36
StGB haften sollen . Diese Deutung versucht zwar zwischen den Widersprüchen des unklaren Gesetzes durchzunavigieren, ganz überzeugen kann die Theorie aber nicht: Geld lässt sich leicht widmen, z. B. zum Erwerb von Waffen. Weitere Gründe sprechen gegen die Deutung der h. L.: Es wäre gänzlich unverständlich, wenn der Gesetzgeber einzig zur Abdeckung marginaler Lücken (terroristischer Einzeltäter) eine besondere Finanzierungsnorm mit detaillierten Ausnahmen für völkerstrafrechtlich vertretbare Konfliktführung usw. geschaffen hätte. .
Es bleibt die teleologische Reduktion: Entgegen der herrschenden Lehre ist m.A.n. Art. 260quinquies StGB nicht subsidiär, sondern ein Spezialtatbestand gegenüber Art. 260ter StGB. Das hat zur Folge, dass in einem Fall wie dem Vorliegenden, in dem Art. 260quinquies StGB mangels Absicht nicht gegeben ist, die Finanzierung einer terroristischen Organisation auch nicht nach [251] Art. 260ter StGB strafbar ist. (Zumindest könnte dies im Rahmen einer Klausur ohne weiteres vertreten werden.) Alternativ dazu müsste weiter darüber nachgedacht werden, ob im Falle von Art. 260ter StGB nicht ein .
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Bereich des erlaubten Risikos besteht .
Strafbarkeit der Kundenbetreuerinnen Die Position der Kundenbetreuerinnen der Banken X und Y unterscheiden sich vorab aufgrund bankaufsichtsrechtlicher Bestimmungen und verwaltungsrechtlicher Geldwäschepräventionsnormen: Beide müssen ihren
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Kunden kennen , die Natur der Transaktionen verstehen , bei Zweifeln 40
besondere Aufmerksamkeit anwenden und bei Hinweisen auf Terrorismusfinanzierung der schweizerischen Geldwäsche-Meldestelle
.
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(MROS) Meldung erstatten . Während die Kundenbetreuerin der Bank X in casu lediglich eine transaktionsbezogene Pflicht zu besonderer Aufmerksamkeit trifft (Anweisung zugunsten eines Spitals im Gazastreifen) ist die Verantwortung der Vertreterinnen der Bank Y viel umfassender: Sie haben das Spital selbst zum Kunden und müssen sich konkret mit dem Risiko auseinandersetzen, dass die Mittel von Hamas zur Unterstützung des bewaffneten Kampfes oder gar zur Förderung von Selbstmordattentaten auf .
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unbeteiligte Zivilisten zweckentfremdet werden könnten . Nochmals, das sind primär aufsichtsrechtliche Pflichten. Verstösse können aber indirekt kernstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (das Verwaltungsstrafrecht und das GwG sind nicht Gegenstand dieser Falllösung). .
Strafbarkeit der Kundenbetreuerin der Bank X A. Geldwäscherei gemäss Art. 305bis StGB? I. Tatbestandsmässigkeit
1. Objektiver Tatbestand a) Vermögenswerte, die aus Verbrechen herrühren Fundamental für das Verständnis der Geldwäsche ist, dass verbrecherisch erworbene Werte verborgen und als scheinbar legal wieder in den 43
Wirtschaftskreislauf eingebracht werden. Gemäss Arzt will «der Wäscher […] erreichen, dass verbrecherisch erworbene Mittel in legale Geschäfte investiert werden können». Demgegenüber sei die Investition sauberen Geldes in schmutzige Geschäfte (wie bei der Terrorfinanzierung) «eine alte Form der Teilnahme». .
Ausnahmsweise mag deliktisches Geld zur Finanzierung von Terrorakten 44
verwendet werden . Unrichtig ist aber der vom Bundesgericht im 45
Rechtshilfefall «Al Quaïda» gezogene Schluss, dass grundsätzlich Geldwäscherei vorliege, «wenn finanzielle Spenden an terroristische Organisationen dadurch verschleiert werden, dass sie in den legalen Geldkreislauf einer wohltätigen Stiftung eingeschleust werden». Dieser Grundsatz beruht auf einer kühnen Konstruktion und hat keine Basis im Gesetz: Gemäss Art. 260ter StGB begeht zwar ein Verbrechen, wer eine 46
kriminelle Organisation in ihrer kriminellen Tätigkeit unterstützt . Soweit Finanzieren eine relevante Unterstützung darstellt, stammen die legal erworbenen Unterstützungsgelder aus der Perspektive des Empfängers (der .
Organisation) und der sie weiter in Umlauf setzenden Bank gleichwohl nicht aus einem Verbrechen. Die Finanzierung ist die Vorstufe der eigentlichen deliktischen Tätigkeit, das Geld beim besten Willen nicht das Produkt von Delikt. Will man den Geldwäschereitatbestand auf Unterstützungsbeiträge zugunsten von kriminellen und terroristischen Organisationen ausdehnen, 47
müsste man eine explizite Norm schaffen . Alles andere verstösst gegen Art. 1 StGB. Kurz: Die Kundenbetreuerin hat sich nicht der Geldwäscherei strafbar gemacht. B. Tatbeteiligung? Eine konkrete terroristische Tat ist gemäss Sachverhalt nicht ersichtlich, diese Option kann daher bereits im «Brainstorming»-Verfahren verworfen werden. C. Finanzierung des Terrorismus gemäss Art. 260quinquies StGB? Da die Finanzierung des Terrorismus (als Sammeln und Zurverfügungstellen von Vermögenswerten) typischerweise eine Kette von Transaktionen involviert, könnten sich die Bankerinnen des Art. 260quinquies StGB schuldig gemacht haben. Allerdings muss bereits im Vorprüfungsverfahren die von Abs. 2 geforderte direkte Absicht ausgeschlossen werden. .
D. Unterstützung einer kriminellen Organisation gemäss Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB? Die Kundenbetreuerin der Bank X befindet sich in einer noch distanzierteren Situation als die Mitarbeiterinnen der Hilfsorganisation zu einem allfälligen Missbrauch der Gelder für eine verbrecherische Tätigkeit im Nahen Osten. Trotzdem zwingt sie die offene Formulierung des Tatbestands, das Risiko der
Strafbarkeit ernst zu nehmen. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand Zur Frage der Unterstützung einer kriminellen Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit vgl. bereits oben (C.I.1.) Strafbarkeit von Madeleine und Esther. .
2. Subjektiver Tatbestand Für die Bankangestellten, die (anders als ihre Kundinnen) die Mitarbeiter der Spitalverwaltung nicht kennen, die bestenfalls die gute Absicht der Kundinnen kennen und über abstrakte Berichte von US- und EU-Behörden wissen, dass gelegentlich Gelder abgezweigt worden sind, ist die Wissenskomponente des Vorsatzes reichlich verdünnt. Zudem ist es vom Abzweigen zur militärischen Verwendung und von dort zur spezifischen Finanzierung von kriegsvölkerrechtswidrigen Attentaten auf die Zivilbevölkerung noch ein Stück Weg. Der Tatbestand von Art. 260ter StGB begnügt sich (anders als Art. 260quinquies StGB) mit dem dolus eventualis, allerdings verlangt die Vorsatztheorie nicht bloss abstrakte Spekulation. Der Beschuldigte muss den Eintritt der Elemente des [254] objektiven Tatbestandes – hier: den Zufluss der Gelder in den militärischen Arm der Hamas und die Verwendung für .
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Selbstmordanschläge – real und konkret für möglich gehalten haben . Im vorliegenden Fall ist der Bezug zur Zweckentfremdung besonders für die Betreuerin der Bank X sehr dünn. Es ist daran zu erinnern, dass sie Kundenbetreuerin einer Hilfsorganisation ist, die an ein Spital Geld überweist, das in einer Stadt liegt, deren Verwaltung Geld zweckentfremden könnte. Das Geld könnte allenfalls auch militärischen Zielen zugeführt werden und es könnte die militärische Strategie in der Förderung von Selbstmordattentaten auch gegen Zivilpersonen bestehen. Das einzige, was sie zu konkreter Aufmerksamkeit veranlassen müsste, ist der Empfänger: das Konto des Spitals
bei der Bank Y. Die Compliance Officers der Banken X und Y könnten sich, soweit das Bankgeheimnis dies zulässt, zu den Risiken unterhalten. Unterlassen sie es, dann resultiert aus einer aufsichtsrechtlichen Pflichtverletzung aber nicht automatisch Strafbarkeit nach Art. 260ter StGB. Art. 260ter StGB bleibt ein Vorsatzdelikt. Soweit konkrete Anhaltspunkte für die missbräuchliche Verwendung der Gelder vorliegen, könnte man sich fragen, ob – neben den direkt die Zahlungen veranlassenden Bankmitarbeiterinnen – nicht auch weitere Personen (z.B. Personen der Compliance Abteilung) eingreifen müssten. Strafrechtliche Haftung für Inaktivität käme aber nur bei einer entsprechenden .
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Garantenpflicht in Frage . Bei der Geldwäscherei hat das BGer ausnahmsweise in einem Fall Unterlassungshaftung der Geschäftsherren 50
angenommen . Im Übrigen lehnt die Lehre aber die Garantenpflicht der 51
Compliance Officers überwiegend ab . II. Weitere Gesichtspunkte Schliesslich gilt, was für Madeleine und Esther bereits oben festgehalten wurde: Das unerlaubte Risiko muss besonders begründet werden. Zudem entfaltet Art. 260quinquies StGB nach der hier vertretenen Auffassung eine Sperrwirkung, soweit die direkte Absicht der finanziellen Unterstützung einer Terrororganisation fehlt. Dann ist auch Art. 260ter StGB nicht anwendbar (dies .
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ist allerdings umstritten) .
Strafbarkeit der Kundenbetreuerin der Bank Y Für die Kundenbetreuerin der Bank Y müssten analoge Fragen wie für die Kundenbetreuerin der Bank X geprüft werden. Im Unterschied zur Bank X, müsste sich die Bank Y, als Schweizer Bank des Spitals, intensiver mit den Beziehungen zur Stadtverwaltung und auch Hamas beschäftigen. Sie befindet sich in der Verpflichtung zu gesteigerter Aufmerksamkeit im Rahmen des 53
«risk based approach» . Allerdings gilt auch hier, dass eine Unterlassung der erforderlichen Prüfung nicht automatisch zur Haftung aus Art. 260ter StGB führt. Sie ist allerdings naheliegender, je mehr die Bankerin über die konkreten Umstände Bescheid weiss (es sei denn man folge der hier postulierten grundsätzlichen Annahme einer Sperrwirkung von Art. 260quinquies Abs. 2 StGB). .
Zusammenfassung Strafbarkeit von Madeleine und Esther Auch wenn damit gerechnet werden muss, dass von den Hilfsgeldern etwas für militärische Zwecke abgezweigt wird, ist Art. 260quinquies StGB in Ermangelung des dolus directus auf konkrete terroristische Gewalttaten nicht anwendbar. Art. 260ter StGB erfasst zwar auch den Eventualdolus, allerdings dürfte bei echten Hilfsoperationen der Verlust eines Teils der Gelder selbst zu deliktischen Zwecken in den Bereich des «erlaubten Risikos» fallen.
Strafbarkeit der Kundenbetreuerinnen der beiden Banken Sie unterliegen zwar weitreichenden bankaufsichtsrechtlichen bis Sorgfaltspflichten, für Art. 305 StGB (Geldwäscherei) fehlt es aber an der qualifizierten Vortat. Bezüglich Art. 260ter StGB und Art. 260quinquies StGB gilt dasselbe wie für Madeleine und Esther, verstärkt noch dadurch, dass die Kundenbetreuerinnen noch weiter weg vom eigentlichen Geschehen sind. .
Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ ■ ■ ■
Als erste Schwierigkeit gilt es zu klären, wie der Fall anzupacken ist. Detailkenntnisse bei Art. 260quinquies StGB Kenntnis des Art. 260bis StGB Bei Art. 260ter StGB kommt es neben der Kenntnis der Einzelelemente auf die Frage an, wie sozialadäquate Fälle ausgeschlossen werden können. ■ Schliesslich ist das problematische Verhältnis von Art. 260ter StGB und Art. 260quinquies StGB zu diskutieren. Verschiedene Lösungen sind denkbar.
Literaturhinweise ACKERMANN, J.-B., IN: ACKERMANN, J.-B. . / . HEINE, G. . (HRSG.), WIRTSCHAFTSSTRAFRECHT DER SCHWEIZ, HAND- UND STUDIENBUCH, BERN 2013, 407 FF.; ARZT, G., Finanzierung des Terrorismus .(Art. 260quinquies), in: Schmid, N. .(Hrsg.), Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, 2. Aufl., Zürich 2007, 399 ff.; CASSANI, U., Le train des mesures contre le financement du terrorisme: une loi nécessaire?, SZW . (75) 2003, 293 ff.; CAVALLO, A. . / . DONATSCH, B., A, Entwicklungen im Strafrecht, SJZ 107 . (2011), 521 ff.; FORSTER, M., Die Strafbarkeit der Unterstützung .(insbesondere Finanzierung) des Terrorismus, ZStrR 2003, 423 ff.; DERS., Zur Abgrenzung zwischen Terroristen und Militanten «politischen» Widerstandskämpfern im internationalen Strafrecht, ZBJV 2005, 213 ff.; FRANK, F., Art. 260ter StGB als verbrecherische Vortat des Art. 305bis StGB?, Jusletter 15. März 2010; JOSITSCH, D., Terrorismus oder Freiheitskampf? Heikle Abgrenzungsfragen bei der Anwendung von Art. 260quinquies
StGB, ZStrR 2005, 458 ff.; KUNZ, K.-L., Massnahmen gegen die organisierte Kriminalität, Plädoyer 1996, 35 ff.; MOREILLON, L.. /. DE COURTEN, F., La lutte contre le terrorisme et les droits du suspect: le principe de sécurité à l’épreuve des droits fondamentaux, ZStrR 2003, 117 ff.; PIETH, M., Criminalizing the Financing of Terrorism, Journal of International Criminal Justice 4 .(2006), 1074 ff.; DERS. .(Ed.), Financing terrorism, Dordrecht et al. 2002; DERS., Das zweite Paket gegen das Organisierte Verbrechen – die Überlegungen des Gesetzgebers, ZStrR 1995, 225 ff.; PIETH, M.. /. EYMANN, S., Combatting the financing of terrorism: The «Guantanamo Principle», in: Pieth, M.. /. Thelesklaf, D.. /. Ivory, R. .(Eds.), Countering terrorist financing, Bern 2009, 163 ff.; THELESKLAF, D.. /. WYSS, R.. /. ZOLLINGER, D.. /. VAN THIEL, M., Kommentar zum Geldwäschereigesetz, Zürich 2009; TRECHSEL, S., «Organisierte Kriminalität» – Überlegungen zur kriminalpolitischen Instrumentalisierung eines Begriffs, ZStrR 1994, 121 ff.; VEST, H., Terrorismus als Herausforderung des Rechts, Zürich 2005.
Fall 20 Russischer Salat Bearbeitung: Mark Pieth
Die Schweizer Firma «Klotz AG» beteiligt sich am Erweiterungsbau der U-Bahn von Moskau. Sie ist spezialisiert auf Bauchemie, insbesondere die Feuchtigkeitsdämmung von Untertagbauten. Zur Ausführung der Arbeiten ist die Klotz AG auf die Einfuhr von Spezialwerkzeugen und -produkten angewiesen. Immer wieder werden Luftfrachtsendungen vom Zoll auf dem Moskauer Flughafen – unberechtigterweise – blockiert. Die Arbeiten werden dadurch erheblich verzögert und die Klotz AG riskiert bedeutende finanzielle Einbussen. Daraufhin beschliesst der Schweizer Bauleiter der Klotz AG in Moskau dem Rat eines mit den lokalen Verhältnissen vertrauten Geschäftsfreundes zu folgen. Er bezahlt nun pro Container an den Zollchef des Flughafens ein sog. «facilitation payment» von 50 USDollar, damit die Einfuhr ihren ungehinderten, aber gesetzeskonformen Gang geht. Dadurch gelingt es, den Rückstand aufzuholen. Eifersüchtige Kollegen zeigen allerdings den Zollchef bei der russischen Staatsanwaltschaft an, da sie nicht zu Unrecht davon ausgehen, dass der Zollchef durch den Bauleiter alleine im Jahr 2008 zu einem informellen Zusatzeinkommen von 50 000 US-Dollar gelangt ist – eine für russische Verhältnisse ganz erhebliche Summe. Die Moskauer Staatsanwaltschaft eröffnet daraufhin ein Strafverfahren gegen den Zollchef und den Bauleiter. Zudem fordert die Vergabebehörde für Bauaufträge eine interne Untersuchung durch die Klotz AG, um herauszufinden, ob noch weitere Personen aus russischer Sicht illegale Zahlungen erhalten haben und wer im Mutterhaus davon Bescheid wusste. Die Behörde droht damit, andernfalls die Klotz AG von der Liste der Unternehmer im Metro-Projekt zu streichen. Zur Abwendung dieser Folge erklärt sich der Verwaltungsratspräsident der Klotz AG in der Schweiz gegenüber den russischen Vergabe- und Strafverfolgungsbehörden bereit, am Hauptsitz der Unternehmung eine Untersuchung durch eine spezialisierte «Forensics»-Firma zu veranlassen und die Protokolle von Befragungen von Mitarbeitern in der Schweiz
sowie firmeninterne Dokumente an die russischen Behörden herauszugeben. Unter diesen Umständen darf die Firma in Moskau vorläufig weiterbauen. ▶
Haben sich der Bauleiter oder der Verwaltungsratspräsident nach Schweizer Recht strafbar gemacht?
Vorbemerkung Dieser Fall thematisiert eine – vor allem im Verkehr mit US-Behörden – keineswegs seltene Situation. Bisher hat sich die Literatur aber noch wenig mit den beiden Hauptproblemen, der Strafbarkeit von «facilitation payments» durch Schweizer zugunsten von fremden Amtsträgern einerseits und der Strafbarkeit für interne Untersuchungen zugunsten ausländischer Behörden 1
andererseits befasst . Der Sachverhalt lässt den Schluss nicht zu, dass der Verwaltungsratspräsident des Mutterhauses über die Zahlungen in Moskau im Bilde war, geschweige denn, sie angeordnet hätte. Bezüglich dieser Zahlungen steht die Strafbarkeit des Bauleiters im Vordergrund. Die Strafbarkeit des Empfängers ist zwar nach einer in neuerer Zeit erfolgten Schweizer Gesetzesrevision über Art. 322septies Abs. 2 StGB möglich, insoweit dürfte aber in der Praxis den russischen 2
Behörden der Vorrang gegeben werden . Der Verwaltungsratspräsident der schweizerischen Unternehmung muss sich demgegenüber Fragen betreffend die Zulässigkeit der Herausgabe der Ergebnisse einer internen forensischen Untersuchung in der Schweiz an ausländische Behörden gefallen lassen.
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des Bauleiters A. Bestechung fremder Amtsträger gemäss Art. 322septies Abs. 1 StGB? Hat der Bauleiter durch die Zahlung von 1000 Mal 50 US-Dollar (insgesamt 50 000 US-Dollar) an den Zollchef des Moskauer Flughafens den Tatbestand der Bestechung fremder Amtsträger erfüllt? .
I. Anwendbares Recht In der Annahme, dass die Zahlungen nicht auf Schweizer Territorium erfolgt sind, ist zu prüfen, ob das Prinzip der aktiven Personalität (Art. 7 Abs. 1 StGB) Anwendung findet. Der Tatverdächtige ist Schweizer. Im Übrigen ist Bestechung auch am Begehungsort strafbar. Das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit setzt nicht voraus, dass das Auslandsrecht auch die transnationale Bestechung unter Strafe stellt. Somit ist Schweizer Recht anwendbar. .
II. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Empfänger Vorab ist zu prüfen, ob es sich beim Zollchef des Flughafens um einen Beamten oder sonstigen Amtsträger handelt. Die Aufzählung in Art. 322septies Abs. 1 StGB ist zusammen mit Art. 110 Abs. 3 StGB zu lesen: Beamte sind entweder institutionelle (gemäss Ämterklassifikation oder einer vergleichbaren Rechtsnorm) oder funktionale Amtsträger. Die Aufzählung von Art. 322septies StGB verweist nicht unmittelbar auf das russische Recht: Sie ist «autonom» zu deuten, d. h. das Schweizer Recht (eben Art. 110 Abs. 3 StGB) ist sinngemäss anwendbar und das russische Recht ist lediglich für die Frage von Belang, ob die betreffende Person in eine der vom schweizerischen .
.
3
Recht geschaffenen Kategorien passt (dies ist eine Sachfrage) . .
Im konkreten Fall bereitet die Frage keinerlei Schwierigkeiten, da der lokale Zollchef sowohl nach russischem wie nach schweizerischem Recht Amtsträger ist. Auch das Kriterium der «Fremdheit» bedarf keiner weiteren Erörterung. b) Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines nichtgebührenden Vorteils Der Bestechungstatbestand setzt voraus, dass dem Bestochenen ein Vorteil angeboten, versprochen oder gewährt wurde. Im vorliegenden Fall liegt «Gewähren» vor. Der Vorteil muss im Übrigen «nicht gebührend» sein. Es ist davon auszugehen, dass das russische Recht Geschenke in der Höhe von 50 000 US-Dollar in einem Jahr für einen Amtsträger nicht zulässt. Eine ähnliche Regelung besteht im Übrigen im schweizerischen Beamtenrecht 4
sowohl auf kantonaler wie eidgenössischer Ebene . Fraglich könnte sein, ob die «facilitation payments» nicht unter die Ausnahme der Geringfügigkeit resp. Sozialüblichkeit gemäss Art. 322octies Ziff. 2 StGB fallen. Einzeln genommen dürften die Zahlungen nach Schweizer Massstäben wohl gerade noch unterhalb der Relevanzgrenze zu liegen kommen, zumal von der Leistung von 50 US-Dollar von einem Beamten hierzulande nicht eine Verletzung seiner Dienstpflicht zu erwarten ist. Allerdings führt dieselbe Überlegung dazu, schon die einzelnen Leistungen im russischen Kontext als sehr wohl relevant anzusehen: Bei einem Monatslohn von einigen hundert Dollar sind 50 Dollar ein erheblicher Betrag, der deutlich oberhalb der Bagatellgrenze liegt. Dass hier auf die Verhältnisse im Land des Empfängers abgestellt wird, hat mit der ratio legis von Art. 322septies Abs. 1 StGB zu tun:
5
Der Tatbestand soll für Wettbewerbsgleichheit unter Exporteuren sorgen . Bei richtiger Betrachtung müssen aber die regelmässig erfolgenden, repetitiven Zahlungen, die auf Druck hin erfolgen, wohl zusammengezählt werden: Auch wenn sich weder aus dem Gesetz noch den internationalen Abkommen ein klarer Zeitrahmen für das Zusammenzählen ergibt, lässt sich aus der Häufung schliessen, dass Art. 322octies Ziff. 2 StGB im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Damit ist das Erfordernis des «nicht gebührenden Vorteils» gegeben. c) Zusammenhang zur amtlichen Tätigkeit Die Einfuhrerlaubnis bzw. -verweigerung fällt in den Zuständigkeitsbereich des Zollchefs. Dieses Erfordernis wirft im vorliegenden Fall somit keine weiteren Fragen auf. d) Pflichtwidrige oder im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung Im Zentrum unseres Falles steht demgegenüber die Frage, ob sich der Bauleiter für seine Zahlungen vom Beamten eine pflichtwidrige Gegenleistung erhofft [261] hat: Im Sachverhalt wird klargestellt, dass er mit dem Schmiergeld nicht eine gesetzeswidrige Umgehung der Zollbestimmungen bewirken wollte. Wir erfahren auch nichts von einer Warteschlange und davon, dass der Zahlende – nach Ermessen des Beamten – in der Reihenfolge der Wartenden vorgerückt wäre. Die Zahlung soll schlicht und einfach den Beamten (und seine Mitarbeiter) veranlassen, ihre Pflicht zu tun. Es wäre wohl auch eine Überinterpretation des Sachverhalts, aus der Höhe der Summe alleine auf die Intention des Zahlenden zu schliessen, illegales Handeln fördern zu wollen. .
Fehlt es an der Intention der Pflichtwidrigkeit, ist aber Art. 322septies StGB nicht anwendbar. Ein den Art. 322quinquies StGB oder Art. 322sexies StGB entsprechender Tatbestand des Anfütterns fehlt in der transnationalen Bestechung bewusst, zum einen weil es die ratio legis verlassen würde, zum andern weil eine Vielzahl von im Ausland begangenen Bagatelltaten in der
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Schweiz behandelt werden müssten .
Strafbarkeit des Verwaltungsratspräsidenten A. Wirtschaftlicher Nachrichtendienst gemäss Art. 273 Abs. 2 StGB? Könnte dem Verwaltungsratspräsidenten vorgeworfen werden, dass er dadurch, dass er Geschäftsunterlagen an fremde Behörden herausgibt, nicht nur das Geschäftsgeheimnis nach Art. 162 StGB, sondern wirtschaftlichen Nachrichtendienst gegen die Schweiz begeht? Die Frage mag abenteuerlich klingen, sie stellt sich in der Praxis tatsächlich: Unter der Voraussetzung, dass der Verwaltungsratspräsident – firmenintern – tatsächlich alleine über die Geheimhaltung verfügen darf (was aufgrund des drohenden Rechtsverlustes für das Unternehmen naheliegt), muss lediglich das Aussenverhältnis geklärt werden: Die Klotz AG ist Geheimnisherrin und es sind ihre eigenen Interessen, die durch das Geschäftsgeheimnis geschützt werden. Art. 273 StGB überhöht die durch Art. 162 StGB geschützten .
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Interessen und macht daraus Staatsinteressen : Allerdings ist es nicht Sache des Staates, dem Geheimnisherren zu sagen, welche wirtschaftlichen Geheimnisse er zu bewahren hat. Dies gilt auf jeden Fall soweit nicht 8
Drittinteressen betroffen sind . Darf somit der Verwaltungsratspräsident über die Geheimhaltung [262] verfügen, kann er bei berechtigter Offenbarung nach aussen nicht belangt werden. Es liegt, trotz des indirekten Druckes der russischen Behörden, offensichtlich im Interesse der Klotz AG, mit den
ausländischen Behörden zu kooperieren. Der Entschluss des Unternehmens beruht nicht auf einem Willensmangel. So unangenehm die Kooperation sein mag, sie kann nicht als «erzwungen» qualifiziert werden. Damit ist Art. 273 StGB nicht weiter zu verfolgen. B. Verbotene Handlungen für einen fremden Staat gemäss Art. 271 StGB? Die Durchführung von Befragungen von Mitarbeitern auf Schweizer Territorium für ausländische Behörden muss von der Herausgabe von Firmendokumenten getrennt betrachtet werden. I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Auf Schweizer Gebiet Die Befragungen finden gemäss Sachverhalt auf Schweizer Gebiet statt. b) Ohne Bewilligung Da Art. 271 StGB sicherstellen möchte, dass im internationalen Verkehr die rechtlich vereinbarten Vorkehren eingehalten werden, kommen unterschiedliche Bewilligungsinstanzen in Frage. Zur Durchsetzung und Respektierung von Amts- und Rechtshilfe ist das EJPD, im Bereiche der Kooperationen im Bankaufsichtswesen das EFD und im Bereich des 9
Embargowesens das WBF zuständig . Im Sachverhalt ist nicht die Rede davon, dass eine Bewilligung erteilt worden wäre. c) Für einen fremden Staat Im vorliegenden Fall ist klar, dass die Untersuchung nicht nur für die Unternehmung selbst, sondern auch für die russischen Behörden angestellt wird.
d) Handlungen, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen aa) Durchführung der Befragung von Mitarbeitern Das Unternehmen darf seine eigenen Mitarbeiter (sofern sie nicht unter Druck gesetzt werden) für interne Zwecke befragen. Die bei internen Untersuchungen selbst oder durch beauftragte Dritte erlangten Informationen darf das Unternehmen auch zur Vorbereitung von Prozessen im Ausland .
10
verwenden . Es handelt sich dabei z.B. um straflose sog. «Prozessvorbereitungen». Sollen die Befragungsprotokolle aber von Anfang an an ausländische Verwaltungs- und Strafbehörden gehen, liegen typische Handlungen vor, die auf korrektem Wege nur im Amts- oder Rechtshilfeverfahren zu erlangen sind. Der Verwaltungsratspräsident würde 11
die schweizerische Hoheit verletzen . Solche Befragungen wären bewilligungspflichtig; zudem müsste ihnen ein Schweizer Staatsanwalt beiwohnen. bb) Dokumente ins Ausland ausliefern Während also die Organisation der Befragung und die Herausgabe der Protokolle durchaus Art. 271 StGB erfüllen würden, ist dies für die Herausgabe von weiteren Firmenunterlagen wesentlich weniger klar. Die 12
Edition von Akten ist nicht ein hoheitlicher Akt , sondern die typische Kooperationshandlung des Gewaltunterworfenen (auch wenn er nicht direkt der russischen Staatsgewalt unterstellt ist). Es handelt sich also nicht um eine Handlung, die einer Behörde oder einem Beamten zukommt. Weiter fehlt es auch an der Tathandlung: Durch die mehr oder weniger freiwillige .
Herausgabe der Firmendokumente leistet der Verwaltungsratspräsident einer solchen Handlung keinen Vorschub. Damit fällt für die Tatvariante «Herausgabe von Dokumenten» Art. 271 StGB ausser Betracht.
Zusammenfassung Strafbarkeit des Bauleiters Der Bauleiter ist nach Art. 322septies Abs. 1 StGB nicht strafbar, weil es an der pflichtwidrigen Gegenleistung fehlt, die durch die nicht gebührende Leistung gefördert werden müsste. Die Vorteilsvergabe ist aber im transnationalen Verhältnis nicht strafbar. Strafbarkeit des Verwaltungsratspräsidenten Art. 273 StGB ist nicht anwendbar, weil der Verwaltungsratspräsident als Vertreter des Unternehmens den Geheimhaltungswillen artikulieren darf und berechtigt ist, zur Abwendung weiteren Schadens, auch geheime Informationen zu offenbaren. Damit ist keine Basis da für den verbotenen Nachrichtendienst, der an private Wirtschaftsgeheimnisse anknüpft und sie lediglich überhöht. Während die Herausgabe von firmeneigenen Dokumenten auch nicht gegen Art. 271 StGB verstösst (es fehlt an der Usurpation der Schweizer Hoheit), ist die Befragung von Mitarbeitern der Klotz AG auf Schweizer Territorium zugunsten fremder Behörden ohne Bewilligung der Bundesbehörden verboten. Der Verwaltungsratspräsident begeht durch sein Organisieren der Einvernahmen und die Herausgabe der Protokolle an die russischen Behörden einen Verstoss gegen Art. 271 StGB. .
Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte entscheidend: ■ Wichtig ist vorab die Problemsicht.
■ Bei Art. 322septies StGB kommt es auf den Tatbestandsaufbau und die Detailkenntnis an. ■ Wichtig ist sodann die Kenntnis des Systems und der ratio legis der einzelnen Bestechungsdelikte. ■ Die Kenntnis der Wirtschaftsspionagedelikte ist im Geschäftsleben wichtig, auch wenn sie nicht zum zentralen Lernstoff der Studierenden gehört: Bei Art. 271 StGB muss die Zwangslage herausgearbeitet werden, in die ein Schweizerisches Unternehmen geraten könnte. ■ Bei Art. 273 StGB kommt es entscheidend auf die Verfügungsbefugnis über das Geheimnis an.
Literaturhinweise CASSANI, U., Le droit pénale Suisse face à la corruption de fonctionnaires, Plädoyer 1997, 44 ff.; DIES., «Pretrial discovery» sur sol suisse et protection pénale de la souveraineté territoriale, SZW 1992, 10 ff.; JOSITSCH, D., Das Schweizerische Korruptionsstrafrecht, Art. 322ter bis Art. 322octies StGB, Zürich 2004; PIETH, M., KORRUPTIONSSTRAFRECHT, IN: ACKERMANN, J.-B. . / . HEINE, G. . (HRSG.), WIRTSCHAFTSSTRAFRECHT DER SCHWEIZ, HAND- UND STUDIENBUCH, BERN 2013, 677 FF.;; ZERBES, I., ARTICLE 1. BRIBERY OF FOREIGN PUBLIC OFFICIALS, IN: PIETH, M.. / . LOW, L.. / . BONUCCI, N. . (EDS.), THE OECD CONVENTION ON BRIBERY, A COMMENTARY, 2ND ED., CAMBRIDGE 2014.
Fall 21 Die gläserne Patientin 1
Bearbeitung: Mark Pieth
A, die sich in psychiatrischer Behandlung befindet, traut ihren Augen nicht, als sie von ihrer Krankenkasse, der BTC, im Anhang eines Briefes, der von der administrativen Sachbearbeiterin B unterzeichnet ist, eine detaillierte Diagnose ihres Geisteszustandes zugestellt erhält. In der Anlage ist die Rede von «depressiven Störungen nicht nur an der Oberfläche», «Durchbrüchen von massiven aggressiven Gefühlen» und einer «Störung in der Tiefe der Persönlichkeitsstruktur». Gemäss der «Psychotherapieverordnung«1 muss der behandelnde Arzt den Vertrauensarzt der Krankenkasse darüber informieren, wenn die Behandlung länger als vierzig Sitzungen dauern soll und ihm die Diagnose mitteilen. Der vertrauensärztliche Dienst der BTC hat routinemässig die so erhaltenen Patientengeschichten in ihr hausinternes elektronisches Datensystem eingescannt, auf das hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BTC Zugriff haben. ▶
A kommt zu Ihnen als Rechtsanwältin / Rechtsanwalt und erkundigt sich, ob sie strafrechtlich gegen den behandelnden Psychiater, den Vertrauensarzt, die Krankenkassenleitung oder allenfalls die administrative Mitarbeiterin vorgehen könnte. . .
Vorbemerkung Der Fall ist einem Artikel des «Tagesanzeigers» (vom 19. März 2007, Seiten 1 und 3) nachempfunden, der vom Konflikt zwischen Psychotherapeuten, dem Bundesamt für Gesundheit und einzelnen Krankenkassen berichtet. Aufgrund des Berichtes gehört das dem Fall zugrunde gelegte Vorgehen zum «courant normal» in einzelnen Krankenkassen. Der Fall wirft insbesondere die Frage nach der Rolle des Vertrauensarztes im Verhältnis zur .
Krankenkassenverwaltung und zum Patienten auf.
Lösungsvorschlag
Strafbarkeit des Psychiaters A. Verletzung des Berufsgeheimnisses gemäss Art. 321 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Täter Der
Psychiater
fällt
unter
die
in
Art. 321
StGB
aufgezählten
2
Berufskategorien . b) Tatobjekt Bei psychiatrischer Diagnose und Therapie handelt es sich um besonders sensible Informationen, die typischerweise nicht offenkundig sind und an denen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Geheimnisherrn besteht. Es ist aufgrund des Sachverhalts nicht davon auszugehen, dass die Patientin 3
ihren Geheimhaltungswillen aufgegeben hat . Das Geheimnis ist somit aufrecht. c) Tathandlung Dadurch, dass der Psychiater den Vertrauensarzt der Krankenkasse darüber informiert, dass die Behandlung länger als zehn Sitzungen dauern soll und die Mitteilung mit Hilfe der Diagnose begründet, offenbart der Psychiater ein Geheimnis, das ihm infolge seines Berufes von seiner Patientin anvertraut
4
worden ist bzw. das er in dieser Rolle wahrgenommen hat . 2. Subjektiver Tatbestand Die Offenbarung geschieht ohne Zweifel vorsätzlich. II. Rechtswidrigkeit Der Psychiater ist aufgrund von Art. 3 und Art. 3b der KLV verpflichtet, dem Vertrauensarzt der Krankenkasse Meldung zu erstatten, wenn die [269] Psychotherapie voraussichtlich mehr als vierzig Sitzungen erfordert. Im Kontext der obligatorischen Grundversicherung ist der Patient versicherungspflichtig und die Krankenkasse leistungspflichtig. Der gesetzlich vorgesehene Vertrauensarzt dient als Mediator zwischen Ärzteschaft, Patienten und Krankenkasse. Er schlägt der Krankenkasse vor, in welchem Umfang Kosten zu übernehmen sind. Die Versicherung entscheidet allerdings in der Sache selbst. In der vorliegenden Konstellation könnte zwar angenommen werden, der Patient habe den Therapeuten gegenüber dem Vertrauensarzt von der 5
Schweigepflicht mindestens implizit durch seine Verträge mit dem Arzt einerseits und mit der Krankenkasse (und spätestens der Einreichung des Rückforderungsbelegs) andererseits entbunden (Art. 321 Ziff. 2 StGB). Im Vordergrund dürfte allerdings die rechtlich vorgeschriebene Auskunftspflicht stehen: Art. 3 und 3b KLV sowie Art. 14 StGB geben einen Rechtfertigungsgrund ab. .
.
So oder so ist der Psychiater gerechtfertigt, soweit er die Unterlagen dem Vertrauensarzt (und nicht etwa der Versicherungsverwaltung) einreicht. .
Strafbarkeit des Vertrauensarztes und seines Hilfspersonals Eine erste heikle Frage dieses Falles wirft die Rechtsnatur des Vertrauensarztes auf. Ob der Vertrauensarzt durch seine systematische Weitergabe der gesamten Patientengeschichten an die Verwaltung der Krankenkasse seine Geheimhaltungspflicht verletzt hat, kann nur aufgrund eines spezifischen Tatbestandes geprüft werden, und es ist durchaus offen, ob Art. 320 StGB oder Art. 321 StGB im Vordergrund steht. 6
Angesichts der subsidiären Natur von Art. 321 StGB empfiehlt es sich, zuerst Art. 320 StGB zu prüfen. A. Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäss Art. 320 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Täterqualität: Amtsträger (Art. 110 Abs. 3 StGB) .
Art. 320 StGB spricht davon, dass jemand ein Geheimnis offenbart, «das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter anvertraut [270] worden ist oder das er in seiner amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat». Art. 110 Abs. 3 StGB bringt zum Ausdruck, dass neben dem institutionellen vor allem ein funktionaler Amtsträgerbegriff massgebend ist. Entscheidend ist, dass jemand eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, unerheblich ist dabei, ob er in einem öffentlich-rechtlichen oder einem privatrechtlichen Dienstverhältnis steht. Diese generellen
7
Überlegungen wirken sich auf den Schutz des Amtsgeheimnisses aus. aa) Funktion der Krankenkasse Klärungsbedürftig ist allerdings die Frage, ob der Vertrauensarzt einer Krankenkasse eine amtliche Funktion wahrnimmt. Es ist wohl richtig, dass es sich bei der obligatorischen Krankenversicherung gemäss KVG um eine 8
Staatsaufgabe handelt . Die Krankenkasse sei, jedenfalls im obligatorischen 9
Anwendungsbereich des KVG, «rechtlich ein Bundesorgan» . bb) Funktion des Vertrauensarztes und seiner Mitarbeiter Damit ist natürlich der Vertrauensarzt der Krankenkasse nicht automatisch ein «Beamter». Zunächst muss man sich fragen, ob Art. 320 StGB sich nicht allein auf den Bereich der hoheitlichen Verwaltung bezieht. Allerdings 10
verweisen die Kommentierungen zur Täterdefinition bei Art. 320 StGB auf die Legaldefinition in Art. 110 Abs. 3 StGB. Und hier sind die Kommentierungen eindeutig: «Dient sie [die Funktion] der Erfüllung einer dem Gemeinwesen zukommenden öffentlichrechtlichen Aufgabe, so begründet sie die Beamteneigenschaft, auch wenn sie nicht hoheitlicher Natur 11
ist» .
Innerhalb des Systems der obligatorischen Sozialversicherung nimmt der 12
Vertrauensarzt eine wichtige Rolle als gesetzlich vorgesehener Mediator ein : Der Patient muss sich obligatorischerweise versichern lassen, die Kassen müssen ihn (im Prinzip) versichern. Sie sind nach den Regeln des KVG und seiner Verordnungen leistungspflichtig. Allerdings besteht ein starkes öffentliches Interesse daran, dass die Ärzte nur wirksame, zweckmässige und .
13
wirtschaftliche Leistungen erbringen . Zwar müssen die Ärzte der Krankenkasse die «notwendigen medizinischen Angaben» machen, die es der Krankenkasse erlauben, die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen: Der Arzt kann – und je nach [271] Patientenwillen darf er – die Diagnose ausschliesslich an den 14
Vertrauensarzt senden . Damit nimmt der Vertrauensarzt im System der obligatorischen Krankenversicherung eine wichtige Funktion im öffentlichen Interesse wahr. Er ist Amtsträger im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB und Art. 320 StGB. cc) Vertrauensverhältnis? Eine weitere Überlegung bekräftigt diese Schlussfolgerung: Würde man auf den Vertrauensarzt anstelle von Art. 320 StGB den subsidiären Art. 321 StGB anwenden wollen, würde man spätestens bei der gesetzlichen Formulierung des Tatobjektes in Schwierigkeiten geraten: Der Tatbestand von Art. 321 StGB setzt voraus, dass die Geheimnisse vom Patienten dem Arzt (im Behandlungskontext) «anvertraut» worden sind oder doch im Rahmen einer Behandlung wahrgenommen worden sind. Der Patient hat jedoch zum Vertrauensarzt gar keine Beziehung. Der Vertrauensarzt kann auch nicht als Konsulent oder gar als Hilfsperson des behandelnden Arztes eingestuft .
werden: Die Kenntnisnahme der Patientengeschichte durch den Vertrauensarzt erfolgt aufgrund einer Verordnung, aufgrund verpflichtenden öffentlichen Rechts. Demgegenüber dient Art. 321 StGB dem Schutze von Individualinteressen oder allenfalls dem «sozialpolitischen» Gesichtspunkt, zwischen Patienten und Ärzteschaft ein offenes Vertrauensklima zu 15
garantieren . Gerade auch dieser Aspekt ist im Verhältnis Patient– Vertrauensarzt nicht relevant. Auch insofern passt Art. 320 StGB wesentlich besser als Art. 321 StGB. b) Tatobjekt: Geheimnis Die Erfordernisse des materiellen Geheimnisbegriffs (relative Unbekanntheit, berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, Geheimhaltungswille der berechtigten Person) sind bereits oben erörtert worden. Sie gelten auch bezüglich des .
16
17
Amtsgeheimnisses . Wie sowohl das KVG und auch das DSG anerkennen , gehören Gesundheitsdaten, zumal Angaben über die geistige Gesundheit, zu den sensibelsten Daten überhaupt und sie sind geheim. c) In seiner amtlichen Stellung wahrgenommen Der Vertrauensarzt nimmt, aufgrund der Meldung, vom Geheimnis im Rahmen seiner amtlichen Stellung Kenntnis. d) Tathandlung: Offenbaren Der vertrauensärztliche Dienst der BTC hat in unserem Fall die Patientendaten nicht nur im Einzelfall, sondern systematisch in das hausinterne elektronische Datensystem eingespiesen. Es ist fast so, als ob damit eine rechtspolitische 18
Grundsatzdebatte provoziert werden sollte .
Damit ist der objektive Tatbestand von Art. 320 StGB erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Das systematische Vorgehen des vertrauensärztlichen Dienstes lässt auch keinen Zweifel daran, dass die Offenbarung der Geheimnisse bewusst erfolgt ist. II. Rechtswidrigkeit gemäss Art. 14 StGB? Die rechtspolitische Debatte verlagert sich auf die Rechtfertigungsebene. Die Krankenkassen sehen es offensichtlich mehr und mehr als ihre Aufgabe an, nicht nur im wirtschaftlichen Eigeninteresse, sondern auch im Interesse der Öffentlichkeit, die Wirtschaftlichkeit von ärztlichen Behandlungen sicherzustellen (sich gegen «Überarzten» oder gegen unnötige Therapien zur Wehr zu setzen). .
19
Dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten und dem Bundesamt für Gesundheit ist jedoch Recht zu geben: Vertrauensärzte dürfen keine medizinischen Daten weitergeben. «Der Kassenmitarbeiter darf nur generelle, administrative Angaben zu Gesicht bekommen und keine sensiblen 20
Personendaten» . Es mag zwar aus heutiger Perspektive als Fehler gelten, dass die Vertrauensärzte in vielen Fragen eher beratende Funktion haben als über Entscheidungskompetenzen zu verfügen, trotzdem sind sie und ihr Stab Geheimnisträger und die Mitglieder der Krankenkassenverwaltung sind aussenstehende Dritte. Die Vertrauensärzte müssen die Details der Patientengeschichte für sich behalten und müssen der Verwaltung allenfalls
21
Antrag stellen . Es ist – angesichts der konkreten gesetzlichen Normierung – unrichtig, dass die Vertrauensärzte ihren Entscheid gegenüber der Krankenkassenverwaltung mit Zitaten aus der Krankengeschichte begründen 22
müssen . In casu kann sich weder der Vertrauensarzt noch sein Stab auf einen Rechtfertigungsgrund berufen. Das Einscannen von Patientengeschichten ins hausinterne elektronische Datensystem verletzt Art. 320 StGB. III. Schuld Der Sachverhalt gibt keine Veranlassung, Schuldfragen zu diskutieren. Der Vertrauensarzt hat sich gemäss Art. 320 StGB schuldig gemacht. B. Strafbarkeit der MitarbeiterInnen Die MitarbeiterInnen des vertrauensärztlichen Dienstes der Krankenkasse fallen ihrerseits als Amtsträgerinnen und Amtsträger unter die Sonderpflicht von Art. 320 StGB und können daher ebenfalls Täter oder Täterin sein. C. Verletzung der beruflichen Schweigepflicht (Art. 35 DSG) und Konkurrenzen .
Art. 320 StGB geht gegenüber dem DSG (Übertretungstatbestand) vor. Daher kann Art. 35 DSG bereits im Brainstormingverfahren ausgeschlossen werden. .
Strafbarkeit des Krankenkassenverwalters
Die Prüfung der Strafbarkeit des Krankenkassenverwalters wirft einige heikle Fragen auf, insbesondere nach seiner Rolle (ist er Beamter?) und nach seiner Verantwortung für Fehlverhalten im Betrieb (Geschäftsherrenhaftung?). Es ist davon auszugehen, dass er selbst keine geheimen Daten offenbart und wohl auch nicht einmal Kenntnis von konkreten Daten genommen hat. .
.
Er dürfte aber die Praxis in seinem Betrieb kennen. Es sind daher zwei verschiedene Wege der Begründung einer Haftung für die Verletzung des Amtsgeheimnisses denkbar: die Teilnahme an der Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Sonderpflichtige oder das Einstehen für die Verletzung des Amtsgeheimnisses in Täterschaft durch Unterlassen. Die zweite Eventualität ist zuerst zu prüfen, weil sie die stärkere Beteiligungsform thematisiert. A. Verletzung der Amtspflicht durch Unterlassen gemäss Art. 320 i.V.m. Art. 11 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Täterqualifikation Im Rahmen der Täterqualifikation gilt es, zwei Fragen zu klären: die Beamtenqualität und die Garantenpflicht. Soweit
die
Krankenkasse
im
Bereich
der
obligatorischen 23
Krankenversicherung tätig ist, nimmt sie öffentliche Aufgaben wahr
und 24
daher sind ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch funktionale Beamte . Dies wurde bereits zur Stellung des Vertrauensarztes ausgeführt. Der
Krankenkassenverwalter dürfte erst recht Amtsträger sein (siehe oben «Strafbarkeit des Vertrauensarztes», A.I.1.a). .
Damit er aber den Tatbestand von Art. 320 StGB durch Untätigkeit erfüllen kann, muss ihn zudem eine Garantenpflicht im Sinne von Art. 11 StGB treffen. Nun ist die Situation insofern speziell, als er selbst gar nicht Kenntnis von den Daten erlangt. Der Vorwurf geht dahin, dass er als Geschäftsleiter eines «funktionalen Verwaltungszweigs» zulässt, dass die Geheimhaltungsverpflichtung gegenüber den Patienten systematisch verletzt wird. Er ist in seiner Rolle als Geschäftsherr angesprochen: Hat er eine Pflicht gegenüber den bei seiner Krankenkasse versicherten Patienten, dafür zu sorgen, dass deren Geheimnisse beim Vertrauensarzt bleiben – ohne selbst Geheimnisträger zu werden? Der Krankenkassenverwalter hat zwar Organisations- und Aufsichtspflichten für den Betrieb der Krankenkasse, er selbst ist aber weder Geheimnisträger, noch obliegt ihm die spezifische Aufgabe, die gemeldeten Daten geheimzuhalten. Diesbezüglich ist er nicht Garant. Das Fehlen der Garantenpflicht kommt auch in den übrigen Erfordernissen des objektiven Tatbestands zum Ausdruck, die hier hilfsweise geprüft werden. b) Tatobjekt Das Geheimnis muss dem Täter als Beamten «anvertraut» worden sein, oder er muss es «in seiner amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen haben». Vorliegend nimmt der Verwalter überhaupt nicht Kenntnis von den [275] Geheimnissen. Man könnte höchstens fragen, ob seinem Unternehmen insgesamt der Datensatz seiner Patienten «anvertraut» wurde. Gerade dies ist aber unrichtig. Weder der Verwalter noch sein Personal sollen in die Details der Patientengeschichten eingeweiht werden. Der Verwalter ist bezogen auf Art. 320 StGB ein «Extraneus». c) Tatbestandsmässiges Verhalten Der Verwalter müsste das Geheimnis zudem durch seine Inaktivität «offenbaren». Er verhindert nicht, dass andere, die den Inhalt kennen (der vertrauensärztliche Dienst), es offenbaren. Auch wenn der vertrauensärztliche Dienst im weiteren Sinne in die Krankenkasse integriert ist, ist es allerdings .
durchaus zweifelhaft, ob der Verwalter dem Vertrauensarzt Weisungen zum spezifischen Datenmanagement geben kann. Das Datenmanagement ist Teil der typisch vertrauensärztlichen Rolle. Der Verwalter kann zwar Einfluss auf die Empfänger der Daten, auf das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen. Dadurch würde er aber nicht das tatbestandsmässige Verhalten, das aktive «Offenbaren», unterbinden. Insgesamt fehlen dem Verwalter die Garantenpflicht und entscheidende Bezüge zum Tatobjekt, zudem «offenbart» er auch nichts durch seine Inaktivität. Er ist somit nicht Täter. B. Strafbarkeit des Krankenkassenverwalters als Gehilfe des Vertrauensarztes gemäss Art. 320 i.V.m. Art. 11 und Art. 25 StGB? I. Tatbestandsmässigkeit 1. Objektive Voraussetzungen der Gehilfenschaft a) Täterqualität Als Gehilfe braucht er die Beamtenqualität nicht (im Übrigen aber liegt Beamtenqualität wie oben ausgeführt vor). Der Verwalter haftet gemäss Art. 26 StGB trotzdem aus dem Sondertatbestand, ist aber milder zu bestrafen. .
b) Förderung der Straftat Die Praxis verlangt für die Gehilfenschaft mindestens einen kausalen Beitrag 25
zur Tat . Die Tat müsste sich ohne den Beitrag anders abgespielt haben, auch 26
wenn sie keine conditio sine qua non für die Tat war . Im vorliegenden Fall könnte der Krankenkassenverwalter dadurch, dass er nicht einschreitet, die Verletzung der Amtspflichten durch den Vertrauensarzt
unterstützt haben. Allerdings müsste auch im Gehilfenschaftstatbestand die Voraussetzung der Haftung aus unechtem Unterlassen, insbesondere die Garantenpflicht bezüglich der Kundendaten vorliegen. Wie bereits oben ausgeführt, fehlt dem Verwalter allerdings gerade diese Verantwortung. Er kann auch nicht Gehilfe zur Amtspflichtverletzung durch Unterlassen sein.
Strafbarkeit der Mitarbeiterin der Krankenkasse Die Mitarbeiterin der Krankenkasse, die den Brief an die Patientin versandt hat, «offenbart» nicht im Rechtssinne Geheimnisse, da sie die Geheimnisherrin über ihren eigenen Befund aufklärt. Selbst wenn die Patientin über den Befund bisher nicht im Bilde war, ist darin nicht ein «Offenbaren» zu sehen, da die Information nicht an Dritte weitergeleitet wurde. Art. 320 StGB ist damit nicht erfüllt. Dies darf bereits im Vorprüfungsverfahren festgestellt werden.
Zusammenfassung Der Psychiater ist für die Herausgabe der Patientendaten an den Vertrauensarzt nicht strafbar, da er rechtlich dazu verpflichtet ist. Der Vertrauensarzt und seine Hilfspersonen haben den Tatbestand von Art. 320 StGB erfüllt, der dem Tatbestand von Art. 321 StGB vorgeht. Der Krankenkassenverwalter hat weder als Täter noch als Teilnehmer für seine Untätigkeit angesichts der systematischen Geheimnisverletzung in der Krankenkasse einzustehen. Die Mitarbeiterin der Krankenkasse offenbart in ihrem Brief an die Patientin keine Geheimnisse an Dritte. Bewertungshinweise Für eine gute bis sehr gute Klausur sind nach Auffassung des Autors neben einer angemessenen Anwendung des Gutachtenstils die folgenden Punkte
entscheidend: ■ Behandlung von Art. 321 StGB einschliesslich der Rechtswidrigkeitsthematik ■ Klärung der Rechtsnatur der Krankenkasse und des Vertrauensarztes im Rahmen der obligatorischen Versicherung ■ Abgrenzung der Amtsgeheimnisverletzung ■ Klärung der Rolle des Krankenkassenverwalters, insbesondere Prüfung seiner Garantenpflicht ■ Bezüglich der Mitarbeiterin der Krankenkasse Klarheit darüber, wer Geheimnisherrin ist
Literaturhinweise KUHN, H., Datenschutz und KVG, Überlegungen zur Privatsphäre, Patientengeheimnis und Datenschutz in der Sozialversicherung am Beispiel des KVG, Schweizerische Ärztezeitung 2001 .(24), 1266 ff.; MEIER, P., Wieviel muss oder darf die Krankenkasse wissen? Datenschutz und Datenfluss unter dem Regime von Tarmed im KVG-Bereich, Schweizerische Ärztezeitung 2004 .(22), 1154 ff.; PETER, Ch., Die Zulässigkeit der Auslagerung der Bearbeitung der Patientendaten von Spitälern an externe Informatikdienstleister, Jusletter 22. Juni 2009; TAG, B., Die Verschwiegenheit des Arztes im Spiegel des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung des Kantons Zürich, ZStrR 2004, 1 ff.
Anhang: Verbrechensaufbau (Schemen) .
A. Tatbestandsaufbau des vorsätzlichen Handlungsdelikts I.
Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a. b. c. d. e.
Täterqualifikation (bei Sonderdelikten) (Tatobjekt) Tathandlung Erfolg (bei Erfolgsdelikten) Objektive Zurechenbarkeit des Erfolges .
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aa. Natürlicher Kausalzusammenhang bb. Adäquater Kausalzusammenhang cc. Weitere von der Praxis entwickelte Eingrenzungskriterien – Risikosteigerung – Unerlaubtes Risiko –
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Risikozusammenhang / Schutzzweck der Norm 2. Subjektiver Tatbestand . .
a. Vorsatz aa. Wissen bb. Wollen b. Besondere subjektive Tatbestandsmerkmale II. Rechtswidrigkeit 1. Objektive Elemente der Rechtfertigung (am Beispiel der Notwehr gemäss Art. 15 StGB) .
a. Angriff aa. Gegenwärtig (bereits und noch aktuell; Abgrenzung zum extensiven Exzess) .
bb. Rechtswidrig b. Abwehr aa. Abwehr bb. Den Umständen angemessen (Abgrenzung zum intensiven Exzess) .
– Geeignet – Erforderlich – Verhältnismässig im engeren Sinn 2. Subjektive Elemente der Rechtfertigung a. Wissen um die rechtfertigende Sachlage b. Abwehrwille III. Schuld Katalog der Schuldausschliessungsgründe 1. Schuldunfähigkeit a. Infolge Unreife b. Infolge psychischer Störung (Art. 19 StGB) 2. Fehlendes Unrechtsbewusstsein / Verbotsirrtum (Art. 21 StGB) 3. Unzumutbarkeit (am Bsp. der Notwehr gemäss Art. 16 StGB) .
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a. Exzess: gemäss Art. 16 Abs. 1 StGB b. In entschuldbarer Aufregung: Art. 16 Abs. 2 StGB
B. Tatbestandsaufbau des vorsätzlichen Unterlassungsdelikts Vorüberlegung: Handeln oder Unterlassen? I.
Tatbestandsmässigkeit 1. Objektiver Tatbestand a. Täterqualität: beim unechten Garantenpflicht b. (Tatobjekt) c. Verbotenes Verhalten: Unterlassen d. Erfolg (bei Erfolgsdelikten) e. Objektive Zurechenbarkeit des Erfolges
Unterlassungsdelikt:
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aa. Für Erfolgseintritt kausale Unterlassung (hypothetische Kausalität) 28 bb. .
Weitere von der Praxis entwickelte Eingrenzungskriterien f. Handlungsmöglichkeit / Tatmacht 2. Subjektiver Tatbestand . .
a. Vorsatz aa. Wissen bb. Wollen b. Besondere subjektive Tatbestandsmerkmale II. Rechtswidrigkeit III. Schuld
C. Tatbestandsaufbau des fahrlässigen Handlungsdelikts I.
Tatbestandsmässigkeit a. b. c. d. e.
Evtl. Täterqualifikation (bei Sonderdelikten) (Tatobjekt) Tathandlung Erfolg (bei Erfolgsdelikten) Objektive Zurechenbarkeit des Erfolges .
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aa. Natürlicher Kausalzusammenhang bb. Adäquater Kausalzusammenhang cc. Weitere von der Praxis entwickelte Eingrenzungskriterien – Risikosteigerung – Unerlaubtes Risiko f. Sorgfaltspflichtverletzung aa. Verletzung genereller und individueller Sorgfaltspflichten: – Gesetzliche / sonstige Normen – Evtl. Gefahrensatz – Abgrenzung zum erlaubten Risiko bb. Vorhersehbarkeit cc. Beherrschbarkeit g. Pflichtwidrigkeitszusammenhang II. Rechtswidrigkeit III. Schuld . .
D. Tatbestandsaufbau des fahrlässigen Unterlassungsdelikts I.
Tatbestandsmässigkeit a. b. c. d. e.
Täterqualität: Garantenpflicht (Tatobjekt) Verbotenes Verhalten: Unterlassen Erfolg (bei Erfolgsdelikten) Objektive Zurechenbarkeit des Erfolges .
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aa. Für Erfolgseintritt kausale Unterlassung (hypothetische Kausalität) bb. Weitere von der Praxis entwickelte Eingrenzungskriterien .
– Risikosteigerung – Unerlaubtes Risiko f. Sorgfaltspflichtverletzung aa. Verletzung genereller und individueller Sorgfaltspflichten: – Gesetzliche / sonstige Normen – Evtl. Gefahrensatz – Abgrenzung zum erlaubten Risiko bb. Vorhersehbarkeit cc. Beherrschbarkeit (Handlungsmöglichkeit / Tatmacht) g. Pflichtwidrigkeitszusammenhang II. Rechtswidrigkeit III. Schuld . .
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Anhang: Bundesgerichtsentscheide
Das vorliegende Werk wurde in der elektronischen Version vom Helbing Lichtenhahn Verlag um die Volltexte aller von den Autoren angegebenen Bundesgerichtsentscheide ergänzt. Die Bundesgerichtsentscheide wurden im Mai 2014 vom offiziellen Internetauftritt des Bundesgerichts (www.bger.ch) heruntergeladen. .
A. In der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Entscheide 115 II 440 130 II 337 131 II 235 132 III 460 71 IV 205 72 IV 59 72 IV 126 75 IV 175 77 IV 160 81 IV 224 85 IV 130 85 IV 224 89 IV 85 94 IV 60 95 IV 65 96 IV 21 96 IV 155 96 IV 185 98 IV 188 99 IV 220 100 IV 155 100 IV 273 102 IV 90
103 IV 83 105 IV 39 105 IV 172 105 IV 307 105 IV 330 106 IV 26 106 IV 80 107 IV 107 107 IV 169 107 IV 175 107 IV 182 108 IV 33 108 IV 88 109 IV 27 110 IV 12 111 IV 55 113 IV 77 114 IV 100 114 IV 112 115 IV 199 115 IV 207 116 IV 306 116 IV 319 116 IV 343 117 IV 139 117 IV 186 117 IV 429 118 IV 148 118 IV 244 119 IV 28 119 IV 54 119 IV 127 119 IV 129 119 IV 224
119 IV 289 120 IV 17 120 IV 117 120 IV 186 120 IV 265 121 IV 10 121 IV 109 121 IV 261 122 IV 103 122 IV 179 122 IV 197 122 IV 303 123 IV 61 123 IV 113 123 IV 128 123 IV 155 124 IV 59 124 IV 97 126 IV 113 126 IV 165 127 IV 68 128 IV 11 128 IV 18 128 IV 73 128 IV 164 129 IV 1 131 IV 1 132 IV 132 133 IV 21 133 IV 76 133 IV 207 134 IV 149 134 IV 210 135 IV 198
136 IV 188 138 IV 1 B. Nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Entscheide 6S.604/1999 1A.194/2002 6S.109/2003 1P.843/2005 4C.432/2005 6S.8/2006 6S.63/2006 6S.74/2006 6S.167/2006 6B_4/2008
BGE 115 II 440 78. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. November 1989 i. S. C. AG gegen A. (Berufung) .
Regeste Schadenersatzpflicht wegen Vertragsverletzung; zwischen vertragswidrigem Verhalten und Schaden.
Kausalzusammenhang
1. Berücksichtigung von hypothetischen Ereignissen, die unabhängig vom vertragsverletzenden Verhalten ebenfalls zum Schadeneintritt geführt hätten, als Befreiungsgrund? (E. 4) 2. Kausalität von Unterlassungen: Einschränkung der Praxis, wonach auch bei Unterlassungen zwischen natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang zu unterscheiden ist (E. 5a). Bestätigung der Praxis bezüglich der beschränkten Anfechtbarkeit von Annahmen oder Feststellungen der Vorinstanz über hypothetische Geschehensabläufe (E. 5b). 3. Die hypothetische Kausalität braucht nicht streng nachgewiesen zu werden. Es genügt, wenn der Richter die Überzeugung gewinnt, die überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche für einen bestimmten Kausalverlauf (E. 6a). .
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Sachverhalt ab Seite 441 BGE 115 II 440 S. 441 A. Am 5. September 1978 schlossen Frau A. und die Gebrüder B. & Co. AG einerseits sowie die C. AG in Gründung andererseits einen öffentlich beurkundeten Vorvertrag zum Abschluss eines Kaufvertrages über ein in D. gelegenes Grundstück. Ziffer 2 dieser Vereinbarung sah vor, dass der Abschluss des Kaufvertrages innerhalb von dreissig Tagen seit Rechtskraft einer rechtsgültigen Bewilligung für eine Überbauung des Kaufobjektes
erfolgen sollte. Die Verkäufer verpflichteten sich, beim Bewilligungsverfahren mitzuwirken, soweit dies für Grundeigentümer erforderlich ist (Ziffer 3). Der Vorvertrag sollte dahinfallen, falls der Abschluss des Kaufvertrages und dessen Eintrag ins Grundbuch nicht innerhalb von vier Jahren seit der Unterzeichnung des Vorvertrages erfolgen würde (Ziffer 10). Unter bestimmten Voraussetzungen konnte die Käuferin eine Verlängerung dieser Frist um weitere zwei Jahre verlangen (Ziffer 11 Abs. 2). Ein Baugesuch vom 25. Mai 1979 für die Erstellung von zwei dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern auf einem Teil des Grundstückes stiess unter der Bevölkerung von D. auf Widerstand. In der Gemeindeabstimmung vom 8. Juni 1980 nahmen die Stimmbürger eine Initiative an, wonach dieses Gebiet von der drei- in die zweigeschossige Wohn- und Gewerbezone umgezont werden sollte. Eine von der C. AG in Gründung gegen den Rekursentscheid des Regierungsrates eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wurde vom Bundesgericht am 18. Mai 1983 gutgeheissen. Darauf liess die C. AG ein neues Projekt ausarbeiten, das am 30. September 1983 eingabebereit war (sog. 5. Projekt). Dieses Baugesuch wurde von der Gebrüder B. & Co. AG als Miteigentümerin des Grundstückes am 3. November 1983 unterschrieben. Die Miteigentümerin .
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BGE 115 II 440 S. 442 Frau A. unterzeichnete innerhalb einer bis 4. November 1983 gesetzten Frist nicht, worauf die inzwischen am 10. Oktober gegründet C. AG ihr gegenüber auf die nachträgliche Leistung verzichtete und Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangte. B. Mit Klageschrift vom 9. April 1985 forderte die C. AG von Frau A. die Zahlung von Fr. 1 611 881.40 nebst 5% Zins seit 21. März 1984. Die Klägerin verlangte damit Ersatz für nutzlos gewordene Aufwendungen und für entgangenen Gewinn wegen inzwischen eingetretener Wertsteigerung des Grundstückes. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden schützte die Klage am 3. Juli 1986 im Teilbetrag von Fr. 925 681.45. Dagegen appellierten beide Parteien unter Aufrechterhaltung ihrer ursprünglichen Rechtsbegehren an das
Obergericht von Appenzell Ausserrhoden, das die Klage mit Urteil vom 24. Mai 1988 abwies. Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingereicht, die vom Bundesgericht abgewiesen wird. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Nach Ansicht der Vorinstanz hatte die Klägerin zu beweisen, dass das vertragsverletzende Verhalten der Beklagten Ursache des geltend gemachten Schadens ist. Dieser Beweis ist gemäss dem angefochtenen Urteil nicht erbracht worden, da es höchst wahrscheinlich sei, dass die Klägerin wegen Einwirkungen Dritter erst nach dem 5. September 1984 eine rechtskräftige Baubewilligung hätte erhalten können, selbst wenn die Beklagte innerhalb der ihr gesetzten Frist unterschrieben hätte. Die Klägerin will diese Feststellungen mit der Begründung in Frage stellen, die hypothetischen Verläufe hätten sich bei richtiger Betrachtungsweise anders abgespielt, als vom Obergericht angenommen werde. Sie vertritt die Meinung, das Problem der hypothetischen Kausalität werde in der Regel nicht den Rechtsfragen, sondern den tatsächlichen Feststellungen zugeordnet, welche im Berufungsverfahren der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen seien. Anders verhalte es sich aber, soweit sich die Vorinstanz auf Vermutungen über die künftige Entwicklung abstütze, da es sich dabei um Rechtsfragen handle. a) Das Obergericht geht Zutreffend vom Grundsatz aus, dass der Geschädigte gleich wie im Fall der unerlaubten Handlung auch bei einer Vertragsverletzung den natürlichen Kausalzusammenhang BGE 115 II 440 S. 443 zwischen dieser und dem Schaden nachzuweisen hat (BGE 111 II 160). In Lehre und Rechtsprechung umstritten ist dagegen die von den Parteien und der Vorinstanz stillschweigend bejahte Rechtsfrage, ob der Schädiger zu seiner Befreiung einwenden kann, der behauptete Schaden wäre unabhängig .
von seinem Verhalten wegen späterer hypothetischer Ereignisse ohnehin eingetreten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist uneinheitlich. Es hat zwar in einem unveröffentlichten Urteil vom 9. Mai 1989 (i.S. B.), in dem es um die Verletzung eines Mietvertrages ging, auf die im Deliktsrechts vertretene Lehrmeinung hingewiesen, dass sich der Schädiger in der Regel nicht darauf berufen könne, der gleiche Schaden wäre auch aufgrund später sich auswirkender hypothetischer Ereignisse entstanden, für die er nicht verantwortlich sei. Diese Äusserung steht indessen im Widerspruch zu mehreren Urteilen, die sowohl im Gebiet des Vertrags- wie des Haftpflichtrechts ergangen sind. So wurde in BGE 39 II 476 – im Gegensatz zum zitierten unveröffentlichten Entscheid – der Anspruch des Mieters auf Ersatz der Kosten für den vorzeitigen Umzug mit der Begründung abgelehnt, diese Kosten wären später ohnehin angefallen. In BGE 87 II 372 E. 2 wurde die Ersatzpflicht eines Anwaltes gegenüber seinem Klienten davon abhängig gemacht, dass die wegen Fristversäumnis verwirkte Klage des Klienten gutgeheissen worden wäre. In BGE 96 II 178 E. 3b hat das Bundesgericht den Einwand, eine von selbst niedergehende Lawine hätte den gleichen Schaden angerichtet wie die vorher künstlich ausgelöste Lawine, nicht grundsätzlich für unerheblich erklärt (entgegen BREHM, N. 149 zu Art. 41 OR), sondern als nicht bewiesen erachtet. Im Haftpflichtrecht ist sodann anerkannt, dass der Einwand zugelassen werden muss, die konstitutionelle Prädisposition des Verunfallten hätte allein und unabhängig vom Unfall zum späteren Schaden oder dessen Vergrösserung geführt (BGE 113 II 92 E. 3). In BGE 113 II 339 hat das Bundesgericht schliesslich bezüglich der Ersatzforderung von Angehörigen eines tödlich verunfallten Mannes ausgeführt, die Kosten für Trauerkleider seien nicht voll zu erstatten, wenn sie ohnehin angeschafft worden wären. Bei der Schadensberechnung werden im übrigen spätere hypothetische Ereignisse in der Regel berücksichtigt; sei es aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften (vgl. dazu OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, Bd. I, 4. Aufl., S. 173, 194 ff. und 233 f.) oder unmittelbar aufgrund des allgemeinen Schadensbegriffes (vgl. .
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BGE 115 II 440 S. 444 GUHL / MERZ / KUMMER, Schweiz. Obligationenrecht, 7. Aufl., S. 64: .
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entgangener Gewinn). In der schweizerischen Lehre sind die Meinungen geteilt. Während die ältere Literatur sich ablehnend äusserte (BECKER, N. 14 zu Art. 41 OR; OSER / SCHÖNENBERGER, N. 90 zu Art. 41 OR), wurde diese Auffassung später eingeschränkt. So halten VON TUHR / PETER (OR Allg. Teil, Bd. I, S. 92 f.) zwar am Grundsatz der Unerheblichkeit späterer hypothetischer Ereignisse unter dem Gesichtspunkt der Kausalität fest, wollen diese aber bei der Schadensberechnung berücksichtigen, «wenn das künftige schädliche Ereignis seinen Schatten vorauswirft in Gestalt einer Gefährdung der Sache». DESCHENAUX hat sich dieser Ansicht angeschlossen (Norme et causalité en responsabilité civile, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, S. 405). Im Ergebnis gleich äussert sich VON BÜREN (OR Allg. Teil, S. 72 ff.). BREHM hält dagegen die sich später auswirkende hypothetische Ursache grundsätzlich für rechtlich unerheblich (N. 149 zu Art. 41 OR). Eine Meinung, die er aber in anderem Zusammenhang stillschweigend einschränkt (N. 7 ff. zu Art. 45 OR: Ersatz der Bestattungskosten). Eine differenzierte Auffassung vertritt sodann OFTINGER, der die Frage als Problem der Adäquanz des Kausalzusammenhangs behandelt (a.a.O., S. 124 f.). Nach diesem Autor vermag ein hypothetischer Schadenseintritt, der sich unabhängig von der als haftungsbegründend angenommenen Ursache ereignet, die Adäquanz in der Regel nicht zu unterbrechen. Er weist jedoch auf gesetzlich geregelte Ausnahmen und den Fall der konstitutionellen Prädisposition hin und fügt bei, weitere Ausnahmen seien denkbar und von Fall zu Fall zu beurteilen. Nicht logische, sondern wertende Gesichtspunkte seien massgebend; so dürfe bei der Schadensberechnung die Berücksichtigung eines hypothetischen Schadenseintritts nur erfolgen, wenn sie sich angesichts der Umstände mit Sinn und Zweck des Schadenersatzes vertrage. STEPHAN WEBER, der sich zum Fall der konstitutionellen Prädisposition äussert, hält Reserveursachen für erheblich, soweit sie sich bereits im Zeitpunkt der Verletzung manifestiert haben (SJZ 85/1989 S. 77). KRAMER will dagegen die Berufung auf eine Reserveursache, die hypothetisch zum gleichen Schaden geführt hätte, in Anlehnung vor allem an die deutsche Literatur grundsätzlich zulassen (Die Kausalität im Haftpflichtrecht: Neue Tendenzen in Theorie und Praxis, ZBJV .
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123 (1987) S. 289 ff., S. 302/3). In der von diesem Autor zum .
BGE 115 II 440 S. 445 Vergleich herangezogenen deutschen Lehre wird mehrheitlich eine Berücksichtigung der hypothetischen Kausalität im Prinzip befürwortet, aber nach Sachverhaltsgruppen und Art des geltend gemachten Schadens differenziert; in die gleiche Richtung geht die deutsche Rechtsprechung (vgl. LARENZ, Lehrbuch des Schuldrechts, 14. Aufl., Bd. I, S. 523 ff.; STEFFEN, RGRK, N. 99 ff. zu § 823 BGB; GRUNSKY, Münch.Komm., Bd. 2, 2. Aufl., N. 78 ff. vor § 249 BGB; ESSER / SCHMIDT, Schuldrecht, Bd. I, Allg. Teil, 6. Aufl. S. 541 ff., § 33 IV). .
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b) Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass der geltend gemachte Schaden mit der Weigerung der Beklagten, das Baugesuch bis zum 4. November 1983 zu unterschreiben, noch nicht eingetreten war. Vielmehr stand erst mit Ablauf des Vorvertrages am 5. September 1984 fest, dass die Beklagte nicht mehr gebunden war und die Klägerin das Grundstück nicht erwerben konnte. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet geht es nicht um den Vergleich zwischen einem am 4. November 1983 bereits abgeschlossenen Sachverhalt und einem anderen, hypothetischen, der erst später zu wirken begann, sondern zu beurteilen sind zwei parallele Verläufe, welche beide im gleichen Zeitpunkt zum schadenauslösenden Ereignis geführt haben würden. Der eine dieser Verläufe blieb aber hypothetisch, weil aufgrund des anderen eine notwendige Voraussetzung zu seiner Realisierung fehlte. Es muss somit nicht über die Streitfrage entschieden werden, ob auch hypothetische Ereignisse von Bedeutung sind, die erst nach Schadeneintritt wirksam werden. Insoweit spielt deshalb die mehrheitlich ablehnende Haltung der schweizerischen Literatur für den vorliegenden Sachverhalt keine Rolle. Damit kann zudem offenbleiben, wie in solchen Fällen die Berücksichtigung späterer hypothetischer Geschehnisse in zeitlicher Hinsicht einzugrenzen wäre. Im vorliegenden Fall bestehen jedenfalls wegen der zeitlichen Nähe der hypothetischen Ereignisse insoweit keine Bedenken. Dazu kommt, dass es unter den gegebenen Umständen auch sachlich naheliegt, hypothetisch mit einer Wiederholung oder einem ähnlichen Verlauf der früheren Geschehnisse
zu rechnen. Aufgrund von wertenden Gesichtspunkten, wie sie OFTINGER für massgebend hält, kann deshalb die hypothetische Kausalität berücksichtigt werden. c) Eine weitere Besonderheit liegt im Umstand, dass der Beklagten nicht eine vertragswidrige Handlung, sondern eine Unterlassung vorgeworfen wird. Im angefochtenen Urteil wird dazu auf BGE 115 II 440 S. 446 die Rechtsprechung des Kassationshofs verwiesen, der auf eine Kritik von SCHULTZ (ZBJV 112/1976 S. 416 und 113/1977 S. 534) seine frühere Praxis zum Kausalzusammenhang bei Unterlassungen geändert hat. Nach dieser früheren Rechtsprechung war auch im Fall einer Unterlassung zwischen natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang zu unterscheiden. Gemäss geänderter Rechtsprechung (BGE 105 IV 19/20) kann bei Unterlassungen nicht im gleichen Sinn von Kausalität gesprochen werden wie bei Handlungen, da es bei Unterlassungen nur um eine Kausalität der nicht erfolgten Handlung gehe, die hypothetisch zum eingetretenen Erfolg in Beziehung gesetzt werde. In diesem Urteil wurde sodann ausgeführt, die Kontroverse sei aber für den Ausgang der Sache ohne Belang, da es so oder anders um die objektive Zurechnung eines Erfolgs gehe und bei fahrlässigen Erfolgsdelikten jener dem Täter nur zuzurechnen sei, wenn er durch Anwendung pflichtgemässer Vorsicht höchstwahrscheinlich vermieden worden wäre; wäre er gleichwohl eingetreten, so beruhe er nicht auf der Pflichtwidrigkeit, wobei es keinen Unterschied ausmache, ob diese in einem Tun oder Unterlassen liege. Dieser Grundsatz wurde in BGE 108 IV 7/8 dahin zusammengefasst, der Kausalzusammenhang sei nur dann gegeben, wenn die erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden können, ohne dass der Erfolg höchstwahrscheinlich entfiele. Das Obergericht will daraus vor allem ableiten, dass der natürliche Kausalzusammenhang nicht streng, sondern nur mit hoher Wahrscheinlichkeit nachzuweisen sei. Ob das für den Zivilprozess richtig ist, bleibt noch zu prüfen. Wesentlicher und von grundlegender Bedeutung ist indessen eine andere Auswirkung der Rechtsprechung des Kassationshofes. Sie beruht .
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nämlich auf dem Gedanken, dass der Normverstoss nur dann rechtserheblich ist, wenn nicht auch ein normgemässes Verhalten zum gleichen Erfolg geführt hätte. Wird aber ein solcher Rechtswidrigkeitszusammenhang (dazu KRAMER, a.a. O., S. 299) zwischen normwidrigen Verhalten und Erfolg verlangt, so muss folgerichtig auch der Einwand zugelassen werden, dass im Fall normgemässen Verhaltens weitere hypothetische Ereignisse trotzdem zum Eintritt des Erfolges geführt hätten, da auch dann der Sachverhalt vom Anwendungsbereich der verletzten Norm nicht erfasst wird. In diesem Sinn befürwortet KRAMER die Übernahme des Grundsatzes in das Haftpflichtrecht, weil damit Wertungseinheit mit der Strafrechtspraxis hergestellt und eine nicht gerechtfertigte .
BGE 115 II 440 S. 447 Ungleichbehandlung von zwei Fallgruppen im Haftpflichtrecht vermieden werden könne (a.a.O., S. 299 f.). Seiner Auffassung ist – jedenfalls für den vorliegenden Fall – zuzustimmen. Dem steht nicht entgegen, dass es nicht um eine Schadenersatzpflicht aus unerlaubter Handlung, sondern aus Vertragsverletzung geht, denn im Vertragsrecht gelten insoweit die gleichen Zurechnungsprinzipien. Das Obergericht hat somit zu Recht geprüft, ob die Vertragsverletzung der Beklagten für die Entstehung des behaupteten Schadens nicht rechtserheblich ist, weil dieser aufgrund hypothetischer Ereignisse, für die sie nicht verantwortlich ist, auch dann eingetreten wäre, wenn sie ihrer vertraglichen Pflicht zur Unterzeichnung des Baugesuchs nachgekommen wäre. .
5.a) Die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts geht im Gegensatz zum Kassationshof in ständiger Praxis davon aus, dass auch bei einer Unterlassung zwischen natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang unterschieden werden kann und muss (vgl. z.B. BGE 108 II 53 E. 3, BGE 103 II 244 E. 4, BGE 102 II 263 E. 3, BGE 93 II 29 E. 6). In einem unveröffentlichten Urteil vom 6. März 1984, das von SCHUBARTH (Berufung und staatsrechtliche Beschwerde, BJM 1985 S. 78 ff.) auszugsweise zitiert wird, ist sodann darauf hingewiesen worden, dass der natürliche Kausalzusammenhang bei einer Unterlassung auf der hypothetischen Annahme beruhe, der Schaden wäre bei .
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rechtmässigem Handeln nicht eingetreten; die natürliche Kausalität müsse deshalb nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit und in zwingender Weise nachgewiesen werden. Nach überwiegender und richtiger Auffassung handelt es sich bei der Frage, ob eine Unterlassung natürliche Ursache einer Wirkung oder eines Erfolges sein kann, um einen blossen Streit um Worte, da Einigkeit darüber besteht, dass es nur um den hypothetischen Zusammenhang zwischen der unterlassenen Handlung und dem Erfolg gehen kann (STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, Allg. Teil I, S. 384; KRAMER, a.a.O., S. 295; Appellationshof des Kantons Bern in ZBGR 67/1986 S. 147 f.). Daraus ergibt sich aber gegenüber dem Fall der Handlung die Besonderheit, dass der Sachrichter bereits bei der Feststellung dieses Zusammenhangs in der Regel auch auf die allgemeine Lebenserfahrung abstellt und damit bestimmte, nach dieser Erfahrung unwahrscheinliche Geschehensabläufe von vornherein ausser Betracht lässt. Die wertenden Gesichtspunkte, welche sonst erst bei der Beurteilung der Adäquanz zum Tragen kommen, spielen deshalb schon bei der .
BGE 115 II 440 S. 448 Feststellung der hypothetischen Kausalität eine Rolle. Aus diesem Grunde ist es im allgemeinen nicht sinnvoll, den festgestellten oder angenommenen hypothetischen Geschehensablauf auch noch auf seine Adäquanz zu prüfen, da ein solcher Vergleich den beabsichtigten Zweck einer vernünftigen Begrenzung der Haftung (BGE 107 II 276, BGE 96 II 396 E. 2 mit Hinweisen) nicht zu erfüllen vermag. Anders kann es sich aber verhalten, falls aufgrund von tatsächlich festgestellten Anhaltspunkten angenommen werden muss, der hypothetische Geschehensablauf hätte sich nicht so abgespielt, wie nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwarten ist. Die Unterscheidung zwischen natürlicher und adäquater Kausalität ist im weitern auch dann von Bedeutung, wenn es nicht mehr um hypothetische Verläufe geht, sondern um daran anschliessende, direkt feststellbare Folgen (vgl. dazu KRAMER, a.a.O., S. 296 Fn. 27). Die zitierte Rechtsprechung zur Unterscheidung zwischen natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang ist demnach im Sinne der .
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vorangehenden Erwägungen einzuschränken. b) Damit stellt sich die Frage, ob in bezug auf die Kausalität von Unterlassungen und die damit verbundenen hypothetischen Annahmen an der in ständiger Rechtsprechung befolgten Regel festgehalten werden kann, dass Feststellungen der Vorinstanz über den natürlichen Kausalzusammenhang für das Bundesgericht gemäss Art. 63 Abs. 2 OG verbindlich sind (BGE 113 II 56 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat sich bereits in BGE 86 II 187 E. 3d zu dieser Frage geäussert und festgehalten, Annahmen der Vorinstanz über hypothetische Geschehensabläufe seien verbindlich, da sie, gleich wie die Feststellung dessen, was sich tatsächlich ereignet habe, auf dem Wege der Beweiswürdigung getroffene Schlussfolgerungen aus konkreten Anhaltspunkten darstellten. Im späteren BGE 87 II 373/4 scheint diese Auffassung mit Hinweis auf die abweichende Rechtsprechung einer anderen Abteilung des Bundesgerichts angezweifelt worden zu sein. Es wurde aber eingeräumt, dass Hypothesen jedenfalls nur mit Zurückhaltung überprüft werden dürften, da sie naturgemäss weitgehend durch die Beweiswürdigung der Vorinstanz präjudiziert seien. Das Bundesgericht dürfe von derartigen Vermutungen höchstens dann abweichen, wenn schwerwiegende Gründe gegen sie sprächen, insbesondere wenn sie mit einer Erfahrungsregel unvereinbar seien. Diese Betrachtungsweise liegt im wesentlichen auch dem unveröffentlichten Urteil vom 6. März 1984 zugrunde, in dem ausgeführt .
BGE 115 II 440 S. 449 wurde, wenn der kantonale Richter einen behaupteten Kausalverlauf gestützt auf Zeugenaussagen oder andere Beweismittel bejahe oder verneine, so liege Beweiswürdigung vor, die nicht überprüft werden könne; vorbehalten blieben nur Schlussfolgerungen, die ausschliesslich auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhten. Daran ist trotz der Kritik von SCHUBARTH (a.a.O., S. 79) für den vorliegenden Fall festzuhalten. Ebenfalls von Bedeutung sind sodann die Erwägungen in BGE 107 II 274 E. 2b, wo klargestellt wurde, dass Schlüsse aus allgemeiner Lebenserfahrung auch bei der Beweiswürdigung eine Rolle spielen, dieser Umstand aber nicht zur
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Aufhebung der für das Berufungsverfahren vom Gesetz vorgeschriebenen Kognitionsbeschränkung führen darf. c) Eine Prüfung der von der Klägerin angefochtenen vorinstanzlichen Feststellungen ergibt, dass keine davon im erwähnten Sinne ausschliesslich auf allgemeiner Lebenserfahrung beruht. Das gilt zunächst für die Feststellung, das gemeindeinterne Bewilligungsverfahren dauere erfahrungsgemäss fünf bis sieben Monate, welche das Obergericht auf den Bericht der Baupolizeikommission stützt. Die Beweiswürdigung betreffen aber auch die Einwände, welche die Klägerin in bezug auf die Ausschöpfung des Rechtsmittelweges und den Zeitbedarf für das gesamte Verfahren erhebt. Die entsprechenden Feststellungen hat das Obergericht vor allem aufgrund der Aussagen der als Zeugen einvernommenen Eigentümerin eines Nachbargrundstückes und ihres Sohnes getroffen. Alle diese Feststellungen hat die Klägerin denn auch mit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswürdigung angefochten; sie ist damit aber nicht durchgedrungen. 6. Mit der Berufung erhebt die Klägerin auch die Rüge einer Verletzung von Art. 8 ZGB. Zur Begründung bringt sie vor, das Obergericht habe an den Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Vertragsverletzung und dem behaupteten Schaden zu hohe Anforderungen gestellt und von ihr beantragte erhebliche Beweise nicht abgenommen sowie die Beweislast falsch verteilt. a) Nach Auffassung der Klägerin durfte die Vorinstanz an den Beweis des Kausalzusammenhangs keine hohen Anforderungen stellen, weil hypothetische Geschehensabläufe zu beurteilen waren. Damit will sie offenbar rügen, die Vorinstanz hätte aufgrund des richtigen Beweismasses andere als die angenommenen Hypothesen für wahrscheinlicher halten müssen. Das Bundesgericht hat im unveröffentlichten Urteil vom 6. März 1984 festgehalten, in Fällen hypothetischer Kausalität genüge es, wenn der Richter die BGE 115 II 440 S. 450
Überzeugung gewinne, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Kausalverlauf spreche. Diese mit Lehre und Rechtsprechung übereinstimmende Ansicht (KUMMER, N. 211 zu Art. 8 ZGB; OFTINGER, a.a.O., S. 90 mit Nachweis der Rechtsprechung) liegt indessen auch dem angefochtenen Urteil zugrunde. Das Obergericht spricht zwar in der theoretischen Einleitung von einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit, der beim Nachweis des Kausalzusammenhangs erforderlich sei, wendet aber dieses Beweismass dann in Wirklichkeit nicht an, wie die nachfolgenden Erwägungen Zeigen. Das gleiche ergibt sich auch aus den Ausführungen im Zusammenhang mit der Frage, ob gegen einen positiven Entscheid der Gemeinde an den Regierungsrat rekurriert worden wäre. Aus Art. 8 ZGB oder sonst aus dem Bundesprivatrecht abgeleitete Anforderungen an das Beweismass sind somit vom Obergericht nicht verkannt worden. .
b) Kein Verstoss gegen Art. 8 ZGB liegt auch darin, dass die Vorinstanz nicht alle von der Klägerin beantragten Beweise abgenommen hat. Wie im Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde dargelegt worden ist, beruht die Verweigerung der Beweisabnahme auf antizipierter Beweiswürdigung. In einem solchen Fall ist der aus Art. 8 ZGB abgeleitete Beweisanspruch nach ständiger Rechtsprechung nicht verletzt (BGE 114 II 291 mit Hinweisen). Ebenfalls unbegründet ist schliesslich die Rüge einer Verletzung von Art. 8 ZGB durch falsche Verteilung der Beweislast. Gemäss der Praxis des Bundesgerichts ist die Frage der Beweislastverteilung gegenstandslos, wenn der kantonale Richter – wie hier – in Würdigung von Beweisen zur Überzeugung gelangt ist, eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder widerlegt (BGE 114 II 291 mit Hinweisen). .
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c) Damit ist die Feststellung des Obergerichts, die Klägerin hätte erst nach Ablauf des Vorvertrages eine rechtskräftige Baubewilligung erhalten können, für das Bundesgericht verbindlich. Das führt zur Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
BGE 130 II 337 33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Bundesamt für Justiz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) .
1A.80/2004/1A.116/2004 vom 8. Juli 2004 Regeste Art. 2 Ziff. 1, Art. 3 Ziff. 1 und Art. 12 Ziff. 2 lit. b EAUe, Art. 1 und 2 EÜBT, Art. 3 Abs. 1 und Art. 55 Abs. 2 IRSG; Auslieferungsersuchen von Serbien-Montenegro gegen eine Person, die Organisationen unterstützt haben soll, denen terroristische Anschläge vorgeworfen werden; Einrede des politischen Delikts. Rechtsquellen (E. 1); Zuständigkeit und Verfahren bei der Einrede des politischen Deliktes (E. 1.1); Sachurteilsvoraussetzungen, Beschwerdegründe und Kognition (E. 1.2–1.4). Begriff des «politischen Deliktes» im Auslieferungsrecht, besonders bei der Verfolgung von Terrorismusverdächtigen; heikle Abgrenzung zwischen mutmasslichen Terroristen bzw. bewaffneten politischen Widerstandskämpfern und Bürgerkriegsparteien (E. 3). Anforderungen an die Verlässlichkeit und Genauigkeit des Ersuchens im vorliegenden Fall (E. 6.1). Zusammenfassung der Tatvorwürfe gegen den Verfolgten (E. 6.2). Auf Grund des Ersuchens und der vorliegenden Akten können weder die Einrede des politischen Deliktes noch die übrigen geltend gemachten Auslieferungshindernisse ausreichend geprüft werden; Rückweisung zur Neubeurteilung (E. 7). .
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Sachverhalt ab Seite 338 BGE 130 II 337 S. 338 Die Strafjustiz von Serbien und Montenegro ermittelt gegen X. und Mitangeschuldigte wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation
und weiteren Straftaten. Auf Verhaftsersuchen von Interpol Belgrad hin und gestützt auf eine provisorische Haftanordnung des Bundesamtes für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung (BJ), wurde X. am 14. Januar 2004 an seinem Wohnort im Kanton Glarus verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft versetzt. Anlässlich seiner gleichentags erfolgten Befragung widersetzte sich der Verfolgte einer vereinfachten Auslieferung an Serbien und Montenegro. Am 23. Januar 2004 ersuchte die Botschaft von Serbien und Montenegro in Bern um Auslieferung des Verfolgten. Das Ersuchen wurde mit Eingaben vom 9. Februar und 22. März 2004 ergänzt. Mit Entscheid vom 7. April 2004 bewilligte das BJ die Auslieferung des Verfolgten an Serbien und Montenegro. Der Auslieferungsentscheid erging «unter dem Vorbehalt eines allfälligen bundesgerichtlichen Entscheids über die Einsprache des politischen Delikts». .
BGE 130 II 337 S. 339 Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ gelangte X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 5. Mai 2004 an das Bundesgericht (Verfahren 1A.116/2004). Mit separater Eingabe vom 7. April 2004 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, die Einrede des Verfolgten, wonach er politisch verfolgt werde, sei abzulehnen (Verfahren 1A.80/2004). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, tritt auf den Antrag, es sei die Einrede des politischen Deliktes abzuweisen, nicht ein und weist die Streitsache zur Neubeurteilung bzw. neuen Antragstellung zurück an das BJ. .
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beurteilung von Auslieferungsersuchen des Staatenverbundes von Serbien und Montenegro richtet sich nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) sowie den beiden Zusatzprotokollen zum EAUe vom 15. Oktober 1975 bzw. .
17. März 1978 (SR 0.353.11–12), denen beide Staaten beigetreten sind. Soweit dem Verfolgten die Beteiligung an einer terroristischen Gruppierung vorgeworfen wird, ist sodann das Europäische Übereinkommen vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus (EÜBT; SR 0.353.3) zu berücksichtigen, welches von beiden Staaten ebenfalls ratifiziert wurde (vgl. BGE 128 II 355 E. 1 S. 357; BGE 125 II 569 E. 9a S. 577). Das EÜBT ist für Serbien und Montenegro seit dem 16. August 2003 in Kraft. Soweit die genannten Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, ist das schweizerische Landesrecht anwendbar, namentlich das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11; vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG; BGE 128 II 355 E. 1 S. 357). .
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1.1 Der Verfolgte hat im Auslieferungsverfahren geltend gemacht, er werde aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt. 1.1.1 Über ausländische Auslieferungsersuchen entscheidet das BJ (Art. 55 Abs. 1 IRSG). Macht der Verfolgte geltend, er werde eines politischen Deliktes bezichtigt, oder ergeben sich bei der Instruktion ernsthafte Gründe für den politischen Charakter der Tat, so entscheidet das Bundesgericht darüber auf Antrag des Bundesamtes und nach Einholung einer Stellungnahme des Verfolgten (Art. 55 Abs. 2 IRSG; vgl. BGE 128 II 355 E. 1.1.1 S. 357 f.). Das Verfahren .
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BGE 130 II 337 S. 340 der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 25 IRSG bzw. Art. 97 ff. OG) ist dabei sinngemäss anwendbar (Art. 55 Abs. 3 IRSG). .
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1.1.2 In BGE 128 II 355 hat das Bundesgericht die Zuständigkeiten für Auslieferungsfälle im Rahmen der Bundesrechtspflege präzisiert. Danach entscheidet das Bundesgericht (nur) über die Einrede des politischen Deliktes als erste und einzige Instanz. Zu den übrigen Auslieferungsvoraussetzungen hat das BJ einen erstinstanzlichen Auslieferungsentscheid zu fällen. Dieser erfolgt unter dem Vorbehalt des bundesgerichtlichen Entscheides über die .
Einsprache des politischen Deliktes und ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar (BGE 128 II 355 E. 1.1.3 –1.1.4 S. 358 f.). Auch in Fällen, bei denen Einreden des politischen Delikts erfolgen oder sich bei der Instruktion entsprechende Fragen stellen, hat das BJ die notwendigen Sachabklärungen hinsichtlich aller Auslieferungsvoraussetzungen vollumfänglich vorzunehmen (BGE 128 II 355 E. 1.1.2 S. 358). .
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1.1.3 Im vorliegenden Fall erliess das BJ am 7. April 2004 einen Auslieferungsentscheid. Dieser erfolgte «unter dem Vorbehalt eines allfälligen bundesgerichtlichen Entscheids über die Einsprache des politischen Delikts». Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ hat der Verfolgte am 5. Mai 2004 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Mit separater Eingabe vom 7. April 2004 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, die Einrede des politischen Deliktes sei abzulehnen; zur Begründung verweist das BJ auf die Erwägungen des Auslieferungsentscheides. Es erfolgte in beiden Verfahren ein doppelter Schriftenwechsel. 1.1.4 Da im Beschwerdeverfahren und im Verfahren betreffend Einrede des politischen Deliktes inhaltlich konnexe auslieferungsrechtliche Fragen zu behandeln sind, rechtfertigt sich eine gemeinsame Behandlung im Rahmen des vorliegenden Urteils. Die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind in beiden Verfahren (sinngemäss) anwendbar (Art. 55 Abs. 3 IRSG). .
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1.2 Der Auslieferungsentscheid des BJ kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 55 Abs. 3 i.V. m. Art. 25 Abs. 1 IRSG). Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 97–114 OG sind erfüllt.
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1.3 Zulässige Beschwerdegründe sind sowohl die Verletzung von Bundesrecht, inklusive Staatsvertragsrecht (einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens), als auch die Rüge der .
BGE 130 II 337 S. 341
unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts; der Vorbehalt von Art. 105 Abs. 2 OG trifft hier nicht zu (Art. 104 lit. a–b OG; vgl. BGE 117 Ib 64 E. 2b / bb S. 72). Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben (und die staatsrechtliche Beschwerde daher ausgeschlossen) ist, kann auch die Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (bzw. der EMRK und des UNO-Paktes II) mitgerügt werden (BGE 124 II 132 E. 2a S. 137; BGE 123 II 153 E. 2c S. 158 f.; BGE 122 II 373 E. 1b S. 375). .
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1.4 Das Bundesgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden (Art. 25 Abs. 6 IRSG). Es prüft die Auslieferungsvoraussetzungen grundsätzlich mit freier Kognition. Im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde befasst es sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand des Verfahrens bilden (vgl. BGE 123 II 134 E. 1d S. 136 f.; BGE 122 II 367 E. 2d S. 372, je mit Hinweisen). .
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2. Der Verfolgte erhebt die Einrede, er werde aus politischen Gründen verfolgt. Es handle sich um einen «propagandistischen Schuldvorwurf in einem politisch motivierten Prozess». Ziel des serbischen Ersuchens sei es, die kosovo-albanischen Bürgerkriegsgegner (namentlich die Nachfolgeorganisationen der UCK) sowie die durch die UNO und die OSZE eingesetzten «multiethnischen» Polizeikräfte im Kosovo (MEP) als «Terroristen» zu diskreditieren. Auch die Auslieferungsvoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit sei nicht erfüllt. «Abgesehen von einem diffusen, politisch motivierten und schwammig gehaltenen Terrorismusvorwurf» werde aus dem Ersuchen sowie dessen Ergänzungen und Beilagen «nicht einmal ansatzweise klar, was dem Beschwerdeführer eigentlich zur Last gelegt wird». Zwar werde diesem vorgeworfen, er sei (in den Jahren 1999–2000 sowie 2002 – 2003) in Südserbien an Straftaten gegen serbische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen und anschliessend in die Schweiz geflüchtet. Diesbezüglich habe der Verfolgte jedoch Alibis nachgewiesen. Die Lage in Südserbien sei nach wie vor bürgerkriegsähnlich und sehr angespannt. Dem Beschwerdeführer als Repräsentanten der verhassten und von der serbischen Regierung bekämpften albanischen Minderheit drohe in Serbien eine menschenrechtswidrige Behandlung. Die vom BJ verfügte Auslieferung .
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verstosse gegen verschiedene Bestimmungen der EMRK und des UNO-Paktes II. 3. Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn die strafbare Handlung, derentwegen sie begehrt wird, vom ersuchten Staat als eine BGE 130 II 337 S. 342 politische oder eine mit einer solchen zusammenhängende strafbare Handlung angesehen wird (Art. 3 Ziff. 1 EAUe; vgl. auch Art. 3 Abs. 1 IRSG). .
3.1 Gemäss Art. 2 Ziff. 1 EÜBT kann der ersuchte Staat im Falle von Auslieferungsgesuchen entscheiden, dass eine schwere Gewalttat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person nicht als politische oder mit einer solchen zusammen hängende Straftat angesehen wird (sofern die Tat nicht ohnehin unter Art. 1 EÜBT fällt). Analoges gilt für den Versuch, eine solche schwere Gewalttat zu begehen, oder für die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (Art. 2 Ziff. 3 EÜBT). Keine politische Straftat im Sinne des EÜBT liegt namentlich bei schweren Straftaten vor, die in einem Angriff auf das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen einschliesslich Diplomaten bestehen (Art. 1 lit. c EÜBT). Das gleiche gilt für Entführungen, Geiselnahmen, schwere widerrechtliche Freiheitsentziehungen oder für Straftaten, bei deren Begehung eine Bombe, eine Handgranate, eine Rakete, eine automatische Schusswaffe oder ein Sprengstoffbrief oder -paket verwendet wird, wenn dadurch Personen gefährdet werden (Art. 1 lit. d–e EÜBT). Keine politische Straftat stellt schliesslich der Versuch dar, eine der genannten Straftaten zu begehen, oder die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (Art. 1 lit. f EÜBT). .
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3.2 In der Praxis des Bundesgerichtes wird zwischen so genannt «absolut» politischen und «relativ» politischen Delikten unterschieden. «Absolut» politische Delikte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit politischen Vorgängen. Darunter fallen namentlich Straftaten, welche sich ausschliesslich
gegen die soziale und politische Staatsorganisation richten, wie etwa Angriffe gegen die verfassungsmässige Ordnung, Landes- oder Hochverrat (BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 364; BGE 125 II 569 E. 9b S. 578; BGE 115 Ib 68 E. 5a S. 85, je mit Hinweisen). Ein «relativ» politisches Delikt liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn einer gemeinrechtlichen Straftat im konkreten Fall ein vorwiegend politischer Charakter zukommt. Der vorwiegend politische Charakter ergibt sich aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Kampfes stehen .
BGE 130 II 337 S. 343 (BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365; BGE 125 II 569 E. 9b S. 578; BGE 124 II 184 E. 4b S. 186 ff.; BGE 117 Ib 64 E. 5c S. 89; BGE 115 Ib 68 E. 5 S. 84 ff., je mit Hinweisen; vgl. CLAUDE ROUILLER, L’évolution du concept de délit politique en droit de l’entraide internationale en matière pénale, ZStrR 103/1986 S. 24 ff.; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 2. Aufl., Bern 2004, Rz. 385). Darüber hinaus müssen die fraglichen Rechtsgüterverletzungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen, und die auf dem Spiel stehenden politischen Interessen müssen wichtig und legitim genug sein, um die Tat zumindest einigermassen verständlich erscheinen zu lassen (BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365; BGE 125 II 569 E. 9b S. 578). .
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3.3 Zu denken ist hier insbesondere an den Einsatz von illegalen Mitteln gegen diktatorische oder systematisch die Menschenrechte verletzende Regimes. Bei schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten, wird der politische Charakter in der Regel verneint. Ausnahmen könnten allenfalls bei eigentlichen offenen Bürgerkriegsverhältnissen gegeben sein, oder wenn das betreffende Delikt (etwa im Falle eines «Tyrannenmordes») das einzige praktikable Mittel zur Erreichung wichtiger humanitärer Ziele darstellen würde (BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365; BGE 109 Ib 64 E. 6a S. 71 f.; vgl. ROUILLER, a. a.O., S. 31; ZIMMERMANN, a.a. O., Rz. 385 S. 431). Diese .
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Praxis des Bundesgerichtes gilt auch bei der Prüfung der Frage, ob es sich beim Verfolgten um einen mutmasslichen Terroristen oder einen bewaffneten politischen Widerstandskämpfer handelt (vgl. BGE 128 II 355 E. 4 S. 363 f., E. 4.2 S. 365 mit Hinweisen; MARC Forster, Die Strafbarkeit der Unterstützung [insbesondere Finanzierung] des Terrorismus, ZStrR 121/2003 S. 423 ff., 430 f., 438 f.). Der heiklen Unterscheidung zwischen «legitimen» Widerstandskämpfern bzw. Bürgerkriegsparteien und Terroristen hat der Eidgenössische Gesetzgeber auch beim Erlass des neuen Art. 260quinquies StGB (Terrorismusfinanzierung, in Kraft seit 1. Oktober 2003) Rechnung getragen. So sehen die Absätze 3 und 4 dieser Bestimmung Strafbarkeitsausschlüsse vor bei Personen, welche namentlich (das humanitäre Kriegsvölkerrecht respektierende) Bürgerkriegsparteien finanziell unterstützen oder auch Freiheitskämpfer gegen Unterdrückung und Besatzung bzw. politische Aktivisten, die zur Durchsetzung ihrer ideellen und politischen Anliegen angemessene Mittel des gewalttätigen Widerstands einsetzen (vgl. Botschaft des Bundesrates, BBl 2002 S. 5439; Kommissionspräsident .
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BGE 130 II 337 S. 344 Ständerat Epiney, AB 2002 S S. 1080; URSULA CASSANI, Le train de mesures contre le financement du terrorisme: une loi nécessaire?, SZW 2003 S. 293 ff., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 444 f.). Auch die Anwendung von Art. 260ter Ziff. 1 StGB (Unterstützung bzw. Beteiligung an einer terroristischen Organisation) verlangt eine analoge Abgrenzung zwischen Terroristen und politischen Widerstandskämpfern (vgl. Forster, a.a.O., S. 438 f., 445). Die vom Gesetzgeber – bewusst – an die Gerichte delegierte Aufgabe, zu bestimmen, was im Einzelfall eine straflose «politisch legitime» Gewaltanwendung darstelle und was nicht, muss allerdings als sehr delikat bezeichnet werden (vgl. CASSANI, a.a.O., S. 299 f., 301 f.; FORSTER, a.a. O., S. 445; s. auch Botschaft, BBl 2002 S. 5439; Ständerat Pfisterer, AB 2002 S S. 1081). .
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3.4 Da weder das EAUe noch das EÜBT den Begriff des politischen Deliktes näher definieren, verfügen die Vertragsstaaten hier über ein weites
Ermessen. Das Bundesgericht prüft die Frage, ob ein politisches Delikt vorliegt, welches eine Auslieferung ausschliesst, mit freier Kognition (BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365; BGE 125 II 569 E. 9b S. 577 f.). Das schweizerische Strafrecht unterscheidet zwischen kriminellen Organisationen (Art. 260ter StGB), staatsgefährdenden rechtswidrigen Vereinigungen (Art. 275ter StGB) sowie gemeinrechtlichen Formen kollektiver Kriminalität bzw. der Teilnahme an Straftaten. Unter den Begriff der kriminellen Organisationen fallen neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien, oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen (BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365 f.; BGE 125 II 569 E. 5c S. 574, je mit Hinweisen). (…) .
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6. Im vorliegenden Fall stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die Sachdarstellung des Ersuchens und die eher knappen Sachabklärungen des BJ es dem Bundesgericht ermöglichen, die Einrede des politischen Deliktes und die übrigen (beschwerdeweise erhobenen) Auslieferungshindernisse ausreichend zu prüfen. Die Abgrenzung zwischen «legitimen» Freiheitskämpfern bzw. Bürgerkriegsparteien und mutmasslichen Terroristen gehört zu den schwierigsten Fragen des internationalen Strafrechts («one man’s terrorist is .
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BGE 130 II 337 S. 345 another man’s freedom fighter»; vgl. dazu CASSANI, a.a.O., S. 299 f., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 430 f., 433 f., 438 f.; LAURENT MOREILLON / FRÉDÉRIQUE DE COURTEN, La lutte contre le terrorisme et les droits du suspect, ZStrR 121/2003 S. 117 ff., 118 f.; YVES SANDOZ, Lutte contre le terrorisme et droit international: risques et opportunités, RSDIE 2002 S. 319 ff., 353; TOBIAS SCHRADER, Terrorismus und das Problem seiner Definition, Kriminalistik 56/2002 S. 570 ff., 570– 572). Dies gilt besonders im vorliegenden Fall bzw. vor dem Hintergrund des serbisch-kosovarischen . .
Bürgerkrieges. Die Zulässigkeit einer allfälligen Auslieferung eines angeblichen «Terroristen» an Serbien-Montenegro, dem vorgeworfen wird, er habe der kosovo-albanischen Widerstandsbewegung UCK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen nahe gestanden und sich dabei an Straftaten gegen serbische Sicherheitskräfte beteiligt, kann nur auf der Basis von eingehenden Sachabklärungen beurteilt werden. 6.1 Im vorliegenden Fall sind höhere Anforderungen an die Verlässlichkeit und Genauigkeit des Ersuchens zu stellen als in den üblichen Fällen der Auslieferung wegen gemeinrechtlichen Straftaten (wie z.B. Drogen- oder Vermögensdelikten) ohne starke politische Konnotation und an Staaten, die keine (nur wenige Jahre zurückliegende) Bürgerkriegsgeschichte zu bewältigen haben. Zwar weist das BJ darauf hin, dass das Bundesgericht bereits im Jahre 2003 eine Auslieferung an Serbien und Montenegro bewilligt habe. Beim zitierten Entscheid handelte es sich allerdings um die Auslieferung eines rechtskräftig verurteilten mehrfachen Vergewaltigers (Urteil 1A.159/2003 vom 15. September 2003). Im Rahmen der Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit muss die Sachdarstellung des Ersuchens namentlich die Prüfung ermöglichen, ob sich die Ermittlungen wegen angeblich «terroristischer» Umtriebe gegen eine terroristische Organisation im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB richten (vgl. BGE 128 II 355 E. 2.2 –2.6 S. 360 – 363). Der vorliegende Fall verlangt aber auch die Ausleuchtung des politischen und völkerrechtlich-humanitären Kontextes. Weder darf die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zu politischen Zwecken missbraucht werden, noch dürfen Hinweise auf den angeblich politischen Charakter einer Strafverfolgung dazu führen, dass Schwerkriminelle oder Terroristen von Strafverfolgung verschont bleiben. .
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6.2 Im angefochtenen Entscheid wird die Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens wie folgt zusammengefasst: In den Jahren 1999–2000 bzw. ab 2002 habe der Verfolgte den «terroristischen BGE 130 II 337 S. 346 Organisationen» OVPMB bzw. ANA («Albanian National Army»/«Armée .
nationale albanaise») angehört. Mit den Mitgliedern dieser Organisationen habe er «einen ständigen Telefonkontakt aufrecht erhalten» und «vor allem eine beratende Rolle gespielt». Ausserdem habe er «seine Gesprächspartner zur Ausführung konkreter terroristischer Aktionen gegen Angehörige des Sicherheitsdienstes in Südserbien angestiftet und diese Aktionen vorbereitet bzw. koordiniert». Auch sei der Verfolgte «für die Bereitstellung von Geldmitteln zur Beschaffung von Ausrüstung sowie Waffen und Munition zuständig gewesen». Am 3. Februar 2003 habe die Organisation ANA «in Serbien einen Sicherheitsbeamten getötet». Die Täter hätten sich «danach im Haus des Verfolgten versteckt». Mitglieder der ANA hätten ausserdem am 2. März und 23. September 2003 «in Serbien Sprengkörper an verschiedenen Orten angebracht, welche in der Folge nicht explodiert» seien. Dem Verfolgten werde allerdings «keine direkte Tatbeteiligung» an konkreten terroristischen Straftaten vorgeworfen. (…) .
7. Es fragt sich, ob ausreichend abgeklärt ist, in welchem speziellen Kontext die Tatvorwürfe gegen den Verfolgten stehen. 7.1 Bei den Opfern der als «terroristisch» eingestuften «Untergrundaktionen» und Anschläge der ANA handelt es sich (nach Darstellung des Ersuchens) in erster Linie um Angehörige der serbischen Polizei- und Militärstreitkräfte in Südserbien. Angeschuldigt werden von serbischer Seite primär kosovo-albanische Sicherheitskräfte Südserbiens bzw. der «autonomen Provinz» Kosovo, nämlich Angehörige der von UNO / UNMIK, OSZE / OMIK und NATO / KFOR ab Mai 2001 eingesetzten und überwachten «multiethnischen» Polizei (MEP / «UNMIK Police»), die überwiegend aus ethnischen Albanern und teilweise auch aus Serben zusammengesetzt ist. Unbestrittenermassen sind vier der Mitbeschuldigten Angehörige der «multiethnischen» Polizeikräfte. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die ehemaligen Bürgerkriegsparteien (kosovoalbanischer Widerstand und kosovarische Polizei sowie serbische Sicherheitskräfte) und deren Nachfolgeorganisationen sich gegenseitig gewaltsamer bzw. «terroristischer» Aktivitäten im südserbischen Krisengebiet bezichtigen. .
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Aber auch bei der Prüfung der beidseitigen Strafbarkeit bleiben wesentliche Fragen offen. So ist nicht ausreichend abgeklärt, ob die BGE 130 II 337 S. 347 Organisationen, die der Verfolgte angeblich unterstützte bzw. denen er angehört haben soll (1999 –2000 OVPMB bzw. UCPMB, ab 2002 ANA) aufgrund von verlässlichen Informationen überhaupt als «terroristisch» eingestuft werden können. Trotz entsprechenden Nachfragen des BJ haben die serbischen Behörden keine Informationen zum Aufbau und zur Struktur der Organisationen OVPMB und ANA vorgelegt. Nach Angaben des Bundesamtes für Polizei (Dienst für Analyse und Prävention) hat die ANA «keine einheitliche militärisch-operative Führung». Über die Strukturen der OVPMB «liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor». Die ursprüngliche UCK kann kaum als «terroristisch» bezeichnet werden, zumal es sich dabei unbestrittenermassen um eine völkerrechtlich anerkannte Bürgerkriegspartei handelte. Namentlich war die Führung der UCK (zusammen mit anderen Repräsentanten der kosovo-albanischen Bevölkerung) als offizielle Verhandlungspartei an den (fehlgeschlagenen) Friedensgesprächen von Rambouillet im Februar 1999 beteiligt. Auch die Gleichstellung der Nachfolgegruppierungen OVPMB und ANA mit terroristischen Organisationen wie den italienischen «Brigate Rosse» oder der baskischen ETA erscheint problematisch. Zwar verweist das BJ auf einen Bericht des Bundesamtes für Polizei, wonach Politiker der US-Regierung und ein ehemaliger Leiter der UNO-Verwaltung im Kosovo die Nachfolgeorganisation ANA angeblich als «terroristisch» bezeichnet hätten. Es sind zu diesen Fragen jedoch keine Berichte der zuständigen internationalen Gremien (UNO, OSZE, ICTY) bzw. von deren Terrorismusexperten beigezogen worden, welche z.B. über die zuständigen Dienste des EDA eingeholt werden könnten. Verlässliche Informationen zur Struktur und zum Aufbau von OVPMB und ANA liegen wie erwähnt nicht vor. .
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7.2 Näher zu prüfen ist, ob die Vorwürfe gegen den Verfolgten politisch motiviert sein könnten und ob sie die Beurteilung der beidseitigen Strafbarkeit erlauben.
Die im Ersuchen dargelegten Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den fraglichen albanischen Gruppierungen um terroristische Organisationen im Sinne des schweizerischen und internationalen Strafrechts handelt, müssen als vage bezeichnet werden. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Hauptbetroffenen der als «terroristisch» eingestuften Untergrundaktionen und Anschläge der ANA nach Darstellung des Ersuchens um serbische Sicherheitskräfte. Angeschuldigt werden von serbischer Seite vorwiegend BGE 130 II 337 S. 348 kosovo-albanische Sicherheitskräfte, nämlich Angehörige der ab 2001 von UNMIK und OSZE eingesetzten «multiethnischen» Polizei (MEP). Vier der Mitbeschuldigten (bzw. die Hauptangeschuldigten) sind unbestrittenermassen Angehörige dieser multiethnischen Polizeikräfte. Gemäss dem bei den Akten liegenden Kosovo-Bericht des U. S. State Department vom 25. Februar 2004 sei es vor allem der Einsetzung der «multiethnischen» Polizei zu verdanken, dass es ab 2002 zu einer starken Abnahme von Übergriffen der (ehemals serbischen) Polizei gegen ethnische Albaner in Südserbien gekommen ist. Bei der vorliegenden Strafuntersuchung stehen sich somit faktisch die ehemaligen Bürgerkriegsparteien gegenüber. .
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7.3 Dem Verfolgten wird sodann keine direkte Tatbeteiligung an konkreten terroristischen Straftaten vorgeworfen (vgl. auch angefochtener Entscheid, S. 7 in fine). Vielmehr habe ein Mitbeschuldigter die Polizistenattentäter am 3. Februar 2003 für einen Tag im Haus des Verfolgten «untergebracht». Unklar erscheint auch, ob das betreffende Haus sich in Bujanovac oder in Veliki Trnovac befindet. Dem Verfolgten wird zwar die logistische Unterstützung der albanischen Organisationen OVPMB und ANA vorgeworfen. Nähere Informationen dazu sind jedoch gemäss den Angaben der serbischen Behörden nicht vorhanden. Dies gilt namentlich für die Art und Weise, die Umstände oder die Zeitpunkte der mutmasslichen Beschaffung von Geldmitteln und Waffen. Die vagen und teilweise widersprüchlichen Angaben im Ersuchen und dessen Ergänzungen kontrastieren mit den Medienmitteilungen der serbischen Regierung, wonach es sich beim (mit vollem Namen genannten) Verfolgten um den «main financier» und .
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«mastermind of terrorism in Southern Serbia» handle. Sachdienliche Angaben dazu oder zum persönlichen, beruflichen und politischen Umfeld des Verfolgten bzw. zu seinem Werdegang und Verhalten in seiner Heimat und in der Schweiz enthält auch der angefochtene Entscheid nicht. Ebenso wenig wurden Informationen (etwa bei der UNMIK / OMIK) über die Hauptangeschuldigten eingeholt, bei denen es sich unbestrittenermassen um Angehörige der MEP handle. .
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7.4 Art. 12 Ziff. 2 lit. b EAUe bestimmt, dass Zeit, Ort und Umstände der Begehung der fraglichen Delikte «so genau wie möglich» anzugeben seien. Im vorliegenden Fall weisen die dem Verfolgten vorgeworfenen Delikte zweifelsohne einen politischen Konnex auf. Es sind daher erhöhte Anforderungen an die Ausführlichkeit, Widerspruchsfreiheit und Verlässlichkeit des Ersuchens BGE 130 II 337 S. 349 zu verlangen. Zum einen erscheint dies erforderlich, damit die Einrede des politischen Deliktes sachgerecht beurteilt werden kann (vgl. oben, E. 3). Zum andern sind nähere verlässliche Angaben notwendig, um – im Falle einer Auslieferung – gegenüber dem ersuchenden Staat genau festlegen zu können, für welche Straftaten die Auslieferung erfolgt (vgl. BGE 128 II 355 E. 2.2– 2.6 S. 360 –363). Das vorliegende Ersuchen und seine (sich teilweise widersprechenden) Ergänzungen genügen diesen Anforderungen nicht. Dieser Mangel kann nicht dadurch wettgemacht werden, dass die Auslieferung mit dem Hinweis versehen wird, die serbischen Behörden dürften den Verfolgten wegen allfälliger politischer Hintergründe nicht verfolgen oder bestrafen. Ohne ausreichende Abklärungen zum Sachverhalt ist es im vorliegenden kontroversen Fall nicht möglich, die Einrede des politischen Deliktes zu beurteilen (vgl. BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365, E. 4.3 S. 365 f.). Ebenso wenig kann geprüft werden, inwieweit hier das Rechtshilfeerfordernis der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist. Dies gilt namentlich für die Tatbestandsmerkmale von Art. 260ter Ziff. 1 StGB (vgl. BGE 128 II 355 E. 2.2– 2.6 S. 360 – 363) oder Art. 260quinquies StGB (vgl. dazu FORSTER, .
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a.a.O., S. 443 ff.). 7.5 Im vorliegenden Fall bedürfte auch die Frage des Alibis weiterer Abklärungen. Im Ersuchen wird dem Verfolgten die Beteiligung an «terroristischen» Aktivitäten in Südserbien im Zeitraum von 3. Februar bis 9. März 2003 bzw. 23. September 2003 vorgeworfen. Wie im angefochtenen Entscheid eingeräumt wird, hat der Verfolgte diesbezüglich Alibis geltend gemacht und dokumentiert. Insbesondere will er sich an den fraglichen Daten nicht in Serbien, sondern nachweisbar an seinem Wohn- und Arbeitsort in der Schweiz aufgehalten haben. Das BJ verweist darauf, dass die serbischen Behörden über die Alibihinweise «informiert» worden seien; «ein Rückzug des Auslieferungsersuchens» sei jedoch nicht erfolgt. Das BJ vertritt die Auffassung, selbst wenn sie zuträfen, änderten die Alibis nichts an der Zulässigkeit der Auslieferung, da sie sich nicht auf sämtliche Anklagepunkte bezögen. Diese Argumentation greift zu kurz. Alibis für die Tatvorwürfe im Jahre 2003 könnten zumindest zu einer Begrenzung der Rechtshilfe (auf die allfälligen verbleibenden Anklagepunkte) führen. Im Übrigen ist aufgrund der vorliegenden Akten darauf hinzuweisen, dass .
BGE 130 II 337 S. 350 bei einem Wegfall der Tatvorwürfe betreffend das Jahr 2003 nur noch sehr vage und strafrechtlich kaum qualifizierbare Vorwürfe gegen den Verfolgten übrig blieben. Nähere Angaben zur angeblichen logistischen Unterstützung (Art und Weise – insbesondere Zeitpunkte und Bezugskanäle – der Beschaffung von Geld und Waffen) werden im Ersuchen und dessen Ergänzungen nicht gemacht. Die ersuchende Behörde hat demgegenüber das Protokoll der untersuchungsrichterlichen Einvernahme eines Mitangeschuldigten vom 1. Oktober 2003 eingereicht. Danach habe es sich beim Verfolgten «sicher nicht» um ein Mitglied der ANA gehandelt.
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7.6 Schliesslich ist auch auf alarmierende Berichte des UNHCR, der OSZE und von diversen Menschenrechtsorganisationen aus den Jahren 2003 und 2004 hinzuweisen über verschiedene Fälle von menschenrechtswidriger
erniedrigender Behandlung durch serbische Polizeikräfte, namentlich gegen inhaftierte mutmassliche kosovo-albanische Nationalisten und Extremisten. Aus dem Rechtshilfedossier ergeben sich sodann ernsthafte Anhaltspunkte für die Befürchtung, dass im vorliegenden Fall Mitbeschuldigte des Verfolgten im serbischen Polizeigewahrsam massiv misshandelt wurden. Daher ist die Menschenrechtslage in Serbien und Montenegro – im Hinblick auf die politische Relevanz der erhobenen Tatvorwürfe – näher abzuklären. 7.7 Nach dem Gesagten können aufgrund des Ersuchens und der vorliegenden Akten weder die Einrede der politischen Verfolgung noch die übrigen geltend gemachten Auslieferungshindernisse ausreichend geprüft werden. Dies gilt namentlich für die Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit. Was die Einrede des politischen Deliktes betrifft, so hat zwar das Bundesgericht erstinstanzlich darüber zu entscheiden. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Bundesgerichtes, in Auslieferungsfällen die notwendigen Sachabklärungen selber zu treffen. Auch in Fällen, bei denen Einreden des politischen Delikts erfolgen oder sich bei der Instruktion entsprechende Fragen stellen, hat daher das zuständige BJ tatsächliche Abklärungen hinsichtlich aller Auslieferungsvoraussetzungen vollumfänglich vorzunehmen (vgl. BGE 128 II 355 E. 1.1.2 S. 358). Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, drängen sich im vorliegenden Fall weitere Sachabklärungen auf. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Auf den Antrag des BJ, es sei die Einrede des .
BGE 130 II 337 S. 351 politischen Deliktes abzuweisen, kann zurzeit nicht eingetreten werden. Das Rechtshilfedossier ist zu ergänzenden Sachverhaltsabklärungen, zur Neubeurteilung (betreffend Auslieferungsvoraussetzungen) und zur neuen Antragstellung (betreffend die Einrede des politischen Delikts) an das BJ zurückzuweisen. .
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BGE 131 II 235 19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Ab- teilung i.S. X. gegen Bundesamt für Justiz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) .
1A.4/2005/1A.288/2004 vom 28. Februar 2005 Regeste Art. 2 Ziff. 1, Art. 3 Ziff. 1, Art. 12 Ziff. 2 lit. b und Art. 14 Ziff. 1 EAUe; Art. 1 und 2 EÜBT; Art. 3 Abs. 1 IRSG; Art. 260ter Ziff. 1 StGB. Auslieferungsersuchen von Serbien-Montenegro gegen einen Verfolgten, dem vorgeworfen wird, er habe Nachfolgeorganisationen der kosovo-albanischen Organisation UCK unterstützt, die terroristische Anschläge verübt hätten (s. auch BGE 130 II 337 ff.). Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens und weitere Abklärungen der eidgenössischen Behörden (E. 2.10 und 2.11). Begriff der terroristischen Organisation im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB. Auslieferungsvoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit bejaht (E. 2.12–2.14). Einrede des «politischen» Deliktes im Auslieferungsrecht. Abgrenzung zwischen mutmasslichen Terroristen bzw. bewaffneten politischen Widerstandskämpfern und Bürgerkriegsparteien. Einrede der politischen Verfolgung abgewiesen (E. 3.1–3.5). .
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Sachverhalt ab Seite 236 BGE 131 II 235 S. 236 Die Strafjustiz von Serbien und Montenegro ermittelt gegen X. und Mitangeschuldigte wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation und weiteren Straftaten. Mit Entscheid vom 7. April 2004 bewilligte das Bundesamt für Justiz (BJ) die Auslieferung des Verfolgten an Serbien und Montenegro. Mit Urteil vom 8. Juli 2004 hiess das Bundesgericht die dagegen .
erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut; der Auslieferungsentscheid des BJ vom 7. April 2004 wurde aufgehoben, und die Streitsache wurde zur Neubeurteilung an das BJ zurückgewiesen. Auf den Antrag des BJ vom 7. April 2004, es sei die Einrede des BGE 131 II 235 S. 237 politischen Deliktes abzuweisen, trat das Bundesgericht nicht ein. Das Haftentlassungsgesuch des Verfolgten wies das Bundesgericht ab. Das Urteil vom 8. Juli 2004 wurde in BGE 130 II 337 teilweise publiziert. Am 13./14. August sowie am 17. September 2004 reichte die Botschaft von Serbien und Montenegro weitere Ergänzungen des Auslieferungsersuchens ein. Am 13. August und 9. September 2004 übermittelten der Dienst für Analyse und Prävention des Bundesamtes für Polizei sowie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten dem BJ Zusatzberichte. Mit Entscheid vom 3. Dezember 2004 bewilligte das BJ erneut die Auslieferung des Verfolgten an Serbien und Montenegro. Der Auslieferungsentscheid erfolgte «unter dem Vorbehalt des bundesgerichtlichen Entscheids über die Einsprache des politischen Delikts». Mit separater Eingabe vom 3. Dezember 2004 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, die Einrede des Verfolgten, wonach er politisch verfolgt werde, sei abzulehnen (Verfahren 1A.288/2004). Der Verfolgte hält mit Stellungnahme vom 22. Dezember 2004 an der Einrede des politischen Deliktes fest. Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ vom 3. Dezember 2004 gelangte X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 4. Januar 2005 an das Bundesgericht (Verfahren 1A.4/2005). Er beantragt im Hauptstandpunkt die Abweisung des Auslieferungsersuchens. Das Bundesgericht weist die Beschwerde und die Einrede des politischen Deliktes ab. .
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2.
2.10 Im angefochtenen Entscheid des BJ wird die Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens und seiner diversen Ergänzungen nun wie folgt zusammengefasst: 2.10.1 Der Verfolgte habe in den Jahren 1999 und 2000 der OVPMB («Befreiungsarmee für Presevo, Medvedja und Bujanovac») sowie ab 2002 der ANA («Albanian National Army»/«Armée nationale Albanaise») angehört. In diesem Zusammenhang habe er «gegenüber den anderen Mitgliedern – mit denen er einen ständigen Telefonkontakt aufrechterhalten» habe – «vor allem eine beratende Rolle gespielt und deren Handlungen beeinflusst». Dabei habe der Verfolgte «seine Gesprächspartner zur Ausführung konkreter terroristischer Aktionen gegen Angehörige des .
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BGE 131 II 235 S. 238 Sicherheitsdienstes in Südserbien angestiftet und diese Aktionen vorbereitet bzw. koordiniert». Ausserdem sei er «für die Bereitstellung von Geldmitteln zur Beschaffung von Ausrüstung sowie von Waffen und Munition zuständig gewesen». Die ANA habe «am 3. Februar 2003 in Serbien einen Sicherheitsbeamten getötet». Die Täter hätten sich «danach im Haus des Verfolgten versteckt». Mitglieder der ANA hätten «am 2. März 2003 und 23. September 2003» in Serbien Sprengkörper an verschiedenen Orten angebracht, welche «in der Folge nicht explodiert» seien. 2.10.2 Gemäss Angaben der ersuchenden Behörde seien «Struktur und Aufbau» der OVPMB und der ANA «veränderlich» und «von der Anzahl der Mitglieder sowie von der politischen bzw. wirtschaftlichen Situation im betroffenen Gebiet» abhängig. In diesem Zusammenhang sei auch «die Sicherheitslage von Bedeutung». Es habe sich «gezeigt, dass sich die Struktur dieser Organisationen oft», manchmal sogar innert Wochenfrist, verändert habe. Der Verfolgte habe eine «Sondergruppe» der ANA gegründet, «welche mit der Planung und der unmittelbaren Ausführung von terroristischen Aktionen und Gewaltakten zur Beunruhigung der Einwohner beauftragt gewesen» sei. «Als eines der aktivsten Mitglieder dieser Organisation sowie als Koordinator» habe er «durch kontinuierliche und ordentliche Kontakte mit
anderen Mitgliedern und durch konkrete Anweisungen deren Aktionen geleitet, Finanzhilfe aus dem Ausland, namentlich aus der Schweiz, besorgt und die Ausrüstung der Gruppe sichergestellt». In der Schweiz habe der Verfolgte «für die Organisation Geld eingezogen und dieses über eine andere Person in den Kosovo weitergeleitet». Er sei «über die Vorbereitung und Ausführung der Tötung» des serbischen Sicherheitsbeamten «informiert» gewesen. Zudem kenne er die Täter persönlich und habe mit ihnen «vor und nach der Aktion telefonisch und per SMS-Mitteilungen kommuniziert». Ausserdem hätten sich die Täter nach dem Tötungsdelikt «im Haus des Verfolgten» in Bujanovac versteckt. Eine «physische Teilnahme an der Tatausführung vor Ort» werde ihm hingegen «nicht vorgeworfen». Zudem habe der Verfolgte «die Aufstellung der Sprengladung auf einer Landstrasse im Gebiet des Dorfs Turija, welche von Angehörigen der Einheiten des serbischen Innenministeriums, der Gendarmerie und der Polizei benutzt» worden sei, «koordiniert». Er sei diesbezüglich «ausführlich durch einen Mittäter orientiert worden, ohne dabei physisch an der Tatausführung beteiligt gewesen zu BGE 131 II 235 S. 239 sein». Schliesslich habe der Verfolgte «bei den geplanten Hinterhalten gegen die Gendarmerie im Zeitraum vom 6. bis 9. März 2003 im Gebiet der Gemeinde Bujanovac mitgewirkt, indem die Kommunikation zwischen den Mittätern über den Verfolgten, der aus der Schweiz telefoniert» habe, erfolgt sei. 2.10.3 Zwar erscheint die Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens und seiner Ergänzungen nicht in allen Punkten konsistent. Sie entspricht jedoch insgesamt den formellen Voraussetzungen von Art. 12 Ziff. 2 lit. b des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1). .
2.11 Zu den weiteren Sachverhaltsabklärungen des BJ wird im angefochtenen Entscheid Folgendes ausgeführt:
2.11.1 Gemäss den Berichten des Dienstes für Analyse und Prävention des Bundesamtes für Polizei (DAP) vom 22. März und 13. August 2004 seien die OVPMB und die ANA «Nachfolgeorganisationen der UCK» (Ushtria Clirimtare e Kosovës / «Kosovo Liberation Army») und «eng miteinander verbunden». Nach Auflösung der OVPMB im Mai 2001 seien die meisten ihrer Mitglieder der ANA beigetreten. Diese sei für «Untergrundaktionen» und «Anschläge» verantwortlich, «namentlich gegen serbische Sicherheitskräfte in Südserbien». «Mit ihren gezielten Kampfhandlungen» versuche sie, «die Krisenregion zu destabilisieren und damit die internationalen Friedensbemühungen zu behindern». Die ANA habe sich «zu mehreren Anschlägen bekannt, bei denen seit 2001 ca. 25 Angehörige der Sicherheitskräfte aus Mazedonien und Serbien getötet worden» seien. Die ANA-Zellen seien «vielfach mit den lokalen kriminellen Gebietschefs verbunden». «Die Kämpfer dieser Zellen» seien «als feste Bestandteile der kriminellen Clanstrukturen in Schutzgelderpressungen, Schmuggel, Waffen-, Drogen- und Menschenhandel involviert». .
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2.11.2 Laut DAP hätten die US-Regierung sowie der ehemalige Chef der UNO-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) die ANA als terroristische Organisation bezeichnet. Zwar habe die internationale Staatengemeinschaft «aufgrund von politischen Überlegungen und verschiedener Abkommen» die UCK und ihre Nachfolgeorganisationen «anfänglich grundsätzlich nicht auf Terrorlisten gesetzt». Ab Mitte 2001 sei jedoch erkannt worden, dass in den Kampfhandlungen von selbst ernannten Befreiungsbewegungen eine Gefährdung des Friedens und der Sicherheit in der .
BGE 131 II 235 S. 240 Krisenregion liege. Am 17. April 2003 habe der zuständige Sonderbevollmächtigte des UNO-Generalsekretärs, Michael Steiner, eine Verwaltungsanweisung erlassen, wonach es sich bei der ANA um eine «terroristische Vereinigung» (im Sinne der UNMIK-Verfügung Nr. 2001/12 vom 14. Juni 2001) handle. Diese Verfügung sei erfolgt, nachdem sich die ANA zu einem Sprengstoffanschlag vom 12. April 2003 auf eine .
Eisenbahnbrücke in Zvecan bekannt habe. Am 28. Mai 2003 habe auch das Schatzamt der US-Regierung die ANA als «terroristische Organisation» bezeichnet. Zur Struktur und zum Aufbau der ANA gebe es wenig neue Erkenntnisse. Oberstes Gremium der ANA für politische Entscheidungen sei ein Exekutivorgan, welches aus elf Mitgliedern bestehe. Die Mitgliederzahl werde auf einige hundert Personen geschätzt, darunter viele frühere Mitglieder der UCK. 2.11.3 Gemäss dem Zusatzbericht des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) vom 13. August 2004 könne momentan «von einer organisierten Kraft unter dem Namen ANA» nicht mehr gesprochen werden. Im Jahre 2003 «sei das Problem jedoch noch aktuell gewesen». Vertreter der UCK hätten ausgesagt, dass die ANA «bereits vor dieser existiert habe». Die ANA habe «politische, militärische, finanzielle und eventuell auch logistische Strukturen». Selbst für die ehemaligen Vertreter der UCK sei es «nicht immer leicht», die Verästelungen innerhalb der ANA zu überblicken. «Seit dem Jahre 2004» gleiche die ANA «eher einer Gruppe von Kriminellen, als einer Organisation mit disziplinierten Kämpfern», die politische Ziele verfolgt. Ab 2004 hätten die Aktionen, die der ANA zuzurechnen sind, «mehrheitlich Erpressungen und Einschüchterungen der Bevölkerung» betroffen. Die Organisation verfüge heute über nicht mehr als 200 Mitglieder. Nur wenige davon befänden sich im Kosovo, die Mehrheit halte sich in Belgien, der Schweiz und eventuell in Italien auf. Seit dem erwähnten Attentat vom 12. April 2003 auf eine Eisenbahnbrücke in Zvecan habe sich die ANA «zu keinen weiteren Anschlägen mehr bekannt». Da die ANA die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien mit gewalttätigen Mitteln angestrebt habe, sei sie Mitte April 2003, nach dem Attentat von Zvecan, von der UNMIK «als terroristische Organisation eingestuft worden». Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass seither «verschiedene Gruppierungen unter dem Deckmantel der ‹ANA› gemeinrechtliche Straftaten begehen würden, ohne jeglichen politischen Hintergrund». .
BGE 131 II 235 S. 241 2.12 Gemäss Art. 260ter Ziff. 1 StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren
oder mit Gefängnis bestraft, wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheimhält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Ebenso macht sich strafbar, wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt. Unter den Begriff der kriminellen Organisationen fallen neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien, oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen (BGE 130 II 337 E. 3.4 S. 344; BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365 f.; BGE 125 II 569 E. 5c S. 574, je mit Hinweisen). Nach der Praxis des Bundesgerichtes stellen insbesondere die italienischen «Brigate Rosse», die baskische ETA und das internationale Netzwerk Al-Qaïda terroristische verbrecherische Organisation im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB dar (BGE 128 II 355 E. 2.2 S. 361; BGE 125 II 569 E. 5c und d S. 574 f.; zur betreffenden teilweise nicht publizierten Rechtsprechung und zur Abgrenzung zwischen Art. 260ter Ziff. 1 und Art. 260quinquies StGB vgl. auch MARC FORSTER, Die Strafbarkeit der Unterstützung [insbesondere Finanzierung] des Terrorismus, ZStrR 121/2003 S. 423 ff.). .
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2.12.1 Als Beteiligte im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 1 StGB sind alle Personen anzusehen, welche funktionell in die kriminelle Organisation eingegliedert sind und im Hinblick auf deren verbrecherische Zweckverfolgung Aktivitäten entfalten. Diese Aktivitäten brauchen (für sich allein) nicht notwendigerweise illegal bzw. konkrete Straftaten zu sein. Es genügen namentlich auch logistische Vorkehren, die dem Organisationszweck unmittelbar dienen (wie z.B. Auskundschaften, Planen oder Bereitstellen der operativen Mittel, insbesondere Beschaffen von Fahrzeugen, Kommunikationsmitteln oder Finanzdienstleistungen usw.). Die Beteiligung setzt auch keine massgebliche Funktion innerhalb der Organisation voraus. Sie kann informeller Natur sein oder auch geheimgehalten werden (BGE 128 .
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II 355 E. 2.3 S. 361 mit Hinweisen). 2.12.2 Bei Personen, die nicht in die Organisationsstruktur integriert sind, kommt die Tatvariante der Unterstützung in Frage. BGE 131 II 235 S. 242 Diese verlangt einen bewussten Beitrag zur Förderung der verbrecherischen Aktivitäten der kriminellen Organisation. Im Gegensatz zur Gehilfenschaft zu spezifischen Straftaten (Art. 25 StGB) ist für die Unterstützung nach Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Nachweis von kausalen Tatbeiträgen im Hinblick auf ein konkretes Delikt nicht erforderlich (BGE 128 II 355 E. 2.4 S. 361 f. mit Hinweisen). So können namentlich das blosse Liefern von Waffen an eine terroristische oder mafiaähnliche Organisation, das Verwalten von Vermögenswerten oder andere logistische Hilfeleistungen von Aussenstehenden unter den Organisationstatbestand von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB fallen. Dementsprechend besteht zwischen der Beihilfe zu konkreten Straftaten und dem Organisationstatbestand auch grundsätzlich echte Konkurrenz (BGE 128 II 355 E. 2.4 S. 362 mit Hinweisen). Der subjektive Tatbestand von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB verlangt jedoch, dass der Unterstützende weiss oder zumindest in Kauf nimmt, dass sein Beitrag der verbrecherischen Zweckverfolgung der kriminellen Organisation dienen könnte. Blosse Sympathisanten oder «Bewunderer» von terroristischen oder mafiaähnlichen Vereinigungen fallen demgegenüber nicht unter den Organisationstatbestand (BGE 128 II 355 E. 2.4 S. 362 mit Hinweisen). .
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2.13 Gestützt auf die Zusatzberichte des DAP und des EDA muss die ANA aufgrund ihrer Struktur und ihrer verbrecherischen Aktivitäten im fraglichen Zeitraum (Frühjahr 2003) als terroristische Organisation im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB bezeichnet werden. Bei der ANA handelte sich nach den vorliegenden Erkenntnissen um eine relativ straff geführte und paramilitärisch organisierte extremistische Untergrundorganisation mit einigen hundert aktiven Mitgliedern, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheim hielt. Ihr Ziel bestand darin, die ehemalige Bürgerkriegsregion Kosovo-Südserbien mit dem Einsatz von Gewalt politisch .
zu destabilisieren, um die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien zu erzwingen. Zu diesem Zweck verübte die ANA im Februar und März 2003 Attentate mit Schusswaffen und Sprengstoff auf serbische Sicherheitskräfte. Ab Mitte April 2003 beanspruchte sie aber auch die Urheberschaft eines Bombenanschlages gegen zivile Einrichtungen (Eisenbahnbrücke in Zvecan). Wie sich aus den Rechtshilfeakten ergibt, wurde die ANA deshalb vom zuständigen Sonderbevollmächtigten des UNO-Generalsekretärs am 17. April 2003 auf die Liste der als terroristisch .
BGE 131 II 235 S. 243 eingestuften extremistischen Gruppierungen gesetzt. Dem Beschwerdeführer wird im Wesentlichen vorgeworfen, er habe der ANA (als eines ihrer aktivsten Mitglieder) angehört. Von der Schweiz aus habe er die Organisation logistisch unterstützt. Namentlich habe er sich an der Planung und Koordination von Anschlägen beteiligt und für die ANA finanzielle Mittel beschafft. Über die im Februar 2003 geplante und ausgeführte Tötung eines serbischen Polizisten sei er zumindest «informiert» gewesen. «Vor und nach der Aktion» habe er mit den Hauptverdächtigen «telefonisch und per SMSMitteilungen kommuniziert». Ausserdem hätten sich die Täter nach dem Tötungsdelikt in einem Haus des Beschwerdeführers versteckt. Eine «physische Teilnahme an der Tatausführung vor Ort» werde ihm hingegen «nicht vorgeworfen». Dies gelte auch für fehlgeschlagene Sprengstoffdelikte der ANA im März bzw. September 2003. .
2.14 Im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung fiele der inkriminierte Sachverhalt nach schweizerischem Recht grundsätzlich unter Art. 260ter Ziff. 1 StGB. Damit liegt ein auslieferungsfähiges Delikt im Sinne von Art. 2 Ziff. 1 EAUe vor. Einen liquiden Alibibeweis vermag der Beschwerdeführer nicht zu erbringen. Zwar macht er geltend, er habe sich im fraglichen Zeitraum jeweils in der Schweiz aufgehalten. Die ersuchende Behörde wirft ihm jedoch keine Teilnahme an konkreten Tathandlungen in Südserbien vor; vielmehr wird er verdächtigt, die ANA von der Schweiz aus logistisch unterstützt zu haben. Auch die übrigen Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Sachdarstellung des Ersuchens lassen den dargelegten Verdacht nicht ohne
weiteres dahinfallen. Dies gilt namentlich für sein Vorbringen, entgegen der Sachdarstellung des Ersuchens habe er nie in Bujanovac gewohnt oder dort ein Haus besessen. Es kann offen bleiben, ob die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tatbeiträge ausreichend konkret wären, um ihm darüber hinaus eine direkte strafbare Beteiligung an dem fraglichen Tötungsdelikt und an den versuchten Sprengstoffdelikten anzulasten. Welche Straftatbestände im Falle einer Anklageerhebung nach ausländischem Recht in Frage kämen, ist nicht vom schweizerischen Rechtshilferichter zu prüfen. Dass im Dispositiv des angefochtenen Entscheides der Sachverhalt, für den die Auslieferung bewilligt werden soll, im Sinne der obigen Erwägungen eingegrenzt wird, hält vor dem Bundesrecht stand. Die Begrenzung BGE 131 II 235 S. 244 nach dem Grundsatz der Spezialität (Art. 14 Ziff. 1 EAUe) soll sicherstellen, dass der ersuchende Staat im Falle der Auslieferung lediglich Sachverhalte zur Anklage bringt, die gemäss Art. 2 Ziff. 1 EAUe auch nach schweizerischem Recht strafbar wären. Eine allfällige Ausdehnung des Anklagesachverhaltes wäre nur mit ausdrücklicher Zustimmung der schweizerischen Behörden zulässig (vgl. Art. 14 Ziff. 1 lit. a EAUe). 3. (…) .
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3.1 Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn die strafbare Handlung, derentwegen sie begehrt wird, vom ersuchten Staat als eine politische oder eine mit einer solchen zusammenhängende strafbare Handlung angesehen wird (Art. 3 Ziff. 1 EAUe; vgl. auch Art. 3 Abs. 1 und Art. 55 Abs. 2 IRSG). Serbien und Montenegro sowie die Schweiz haben das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977 ratifiziert (EÜBT; SR 0.353.3). Das EÜBT ist für Serbien und Montenegro seit dem 16. August 2003 in Kraft. Gemäss Art. 2 Ziff. 1 EÜBT kann der ersuchte Staat im Falle von Auslieferungsgesuchen entscheiden, dass eine schwere Gewalttat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person nicht als politische oder mit einer solchen zusammenhängende Straftat angesehen wird (sofern die Tat nicht ohnehin .
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unter Art. 1 EÜBT fällt). Analoges gilt für den Versuch, eine solche schwere Gewalttat zu begehen oder für die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (Art. 2 Ziff. 3 EÜBT). Keine politische Straftat im Sinne des EÜBT liegt namentlich bei schweren Straftaten vor, die in einem Angriff auf das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen einschliesslich Diplomaten bestehen (Art. 1 lit. c EÜBT). Das gleiche gilt für Entführungen, Geiselnahmen, schwere widerrechtliche Freiheitsentziehungen oder für Straftaten, bei deren Begehung eine Bombe, eine Handgranate, eine Rakete, eine automatische Schusswaffe oder ein Sprengstoffbrief oder -paket verwendet wird, wenn dadurch Personen gefährdet werden (Art. 1 lit. d und e EÜBT). Keine politische Straftat stellt schliesslich der Versuch dar, eine der genannten Straftaten zu begehen, oder die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (Art. 1 lit. f EÜBT). .
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3.2 In der Praxis des Bundesgerichtes wird zwischen so genannt «absolut» politischen und «relativ» politischen Delikten BGE 131 II 235 S. 245 unterschieden. «Absolut» politische Delikte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit politischen Vorgängen. Darunter fallen namentlich Straftaten, welche sich ausschliesslich gegen die soziale und politische Staatsorganisation richten, wie etwa Angriffe gegen die verfassungsmässige Ordnung, Landes- oder Hochverrat. Ein «relativ» politisches Delikt liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn einer gemeinrechtlichen Straftat im konkreten Fall ein vorwiegend politischer Charakter zukommt. Der vorwiegend politische Charakter ergibt sich aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Kampfes stehen. Darüber hinaus müssen die fraglichen Rechtsgüterverletzungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen, und die auf dem Spiel stehenden politischen Interessen müssen wichtig und legitim genug sein, um die Tat zumindest
einigermassen verständlich erscheinen zu lassen (BGE 130 II 337 E. 3.2 S. 342 f.; BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365; BGE 125 II 569 E. 9b S. 578, je mit Hinweisen). .
3.3 Zu denken ist hier insbesondere an den Einsatz von illegalen Mitteln gegen diktatorische oder systematisch die Menschenrechte verletzende Regimes. Bei schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten, wird der politische Charakter in der Regel verneint. Ausnahmen könnten allenfalls bei eigentlichen offenen Bürgerkriegsverhältnissen gegeben sein, oder wenn das betreffende Delikt (etwa im Falle eines «Tyrannenmordes») das einzige praktikable Mittel zur Erreichung wichtiger humanitärer Ziele darstellen würde (BGE 130 II 337 E. 3.3 S. 343; BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365; BGE 109 Ib 64 E. 6a S. 71 f., je mit Hinweisen). Diese Praxis des Bundesgerichtes gilt auch bei der Prüfung der Frage, ob es sich beim Verfolgten um einen mutmasslichen Terroristen oder einen bewaffneten politischen Widerstandskämpfer handelt (BGE 130 II 337 E. 3.3 S. 343; BGE 128 II 355 E. 4 S. 363 f., je mit Hinweisen). Der heiklen Unterscheidung zwischen «legitimen» Widerstandskämpfern oder Bürgerkriegsparteien einerseits und Terroristen andererseits hat der eidgenössische Gesetzgeber auch beim Erlass des neuen Art. 260quinquies StGB (Terrorismusfinanzierung, in Kraft seit 1. Oktober 2003) Rechnung getragen. So sehen die Absätze 3 und 4 dieser Bestimmung Strafbarkeitsausschlüsse vor bei .
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BGE 131 II 235 S. 246 Personen, welche namentlich (das humanitäre Kriegsvölkerrecht respektierende) Bürgerkriegsparteien finanziell unterstützen oder auch Freiheitskämpfer gegen Unterdrückung und Besatzung bzw. politische Aktivisten, die zur Durchsetzung ihrer ideellen und politischen Anliegen angemessene Mittel des gewalttätigen Widerstands einsetzen (vgl. BGE 130 II 337 E. 3.3 S. 343 f. mit Hinweisen). Auch die Anwendung von Art. 260ter Ziff. 1 StGB (Unterstützung bzw. Beteiligung an einer terroristischen Organisation) verlangt eine entsprechende Abgrenzung zwischen Terroristen und politischen Widerstandskämpfern. Die vom Gesetzgeber – bewusst – an .
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die Gerichte delegierte Aufgabe, zu bestimmen, was im Einzelfall eine straflose «politisch legitime» Gewaltanwendung darstelle und was nicht, muss allerdings als sehr delikat bezeichnet werden (BGE 130 II 337 E. 3.3 S. 344 mit Hinweisen). .
3.4 Da weder das EAUe noch das EÜBT den Begriff des politischen Deliktes näher definieren, verfügen die Vertragsstaaten hier über ein weites Ermessen. Das Bundesgericht prüft die Frage, ob ein politisches Delikt vorliegt, welches eine Auslieferung ausschliesst, mit freier Kognition (BGE 130 II 337 E. 3.4 S. 344; BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365; BGE 125 II 569 E. 9b S. 577 f.). Das schweizerische Strafrecht unterscheidet zwischen kriminellen Organisationen (Art. 260ter StGB), staatsgefährdenden rechtswidrigen Vereinigungen (Art. 275ter StGB) sowie gemeinrechtlichen Formen kollektiver Kriminalität bzw. der Teilnahme an Straftaten. Unter den Begriff der kriminellen Organisationen fallen neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien, oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen (BGE 130 II 337 E. 3.4 S. 344; BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365 f.; BGE 125 II 569 E. 5c S. 574, je mit Hinweisen). .
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3.5 Wie bereits dargelegt, wird dem Beschwerdeführer die Unterstützung und Beteiligung an einer terroristischen Organisation im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB vorgeworfen, welche namentlich für ein Tötungsdelikt und für versuchte Sprengstoffanschläge im Frühjahr 2003 verantwortlich sei (vgl. oben, E. 2.12 –2.13). Bei schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten, wird der politische Charakter der verfolgten Straftaten in der Regel .
BGE 131 II 235 S. 247 verneint (BGE 130 II 337 E. 3.3 S. 343; BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365, je .
mit Hinweisen). Analoges muss auch für die Unterstützung von politisch motivierten terroristischen Gewalttaten gelten. Eine Ausnahme im Sinne der dargelegten Praxis (offene Bürgerkriege, moderater Widerstandkampf gegen fremde Besatzung oder diktatorische Regimes) ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, sie wäre hier auch mit der Zielrichtung des EÜBT nur schwer zu vereinbaren. Zwar ist es im März 2004 erneut zu blutigen interethnischen Auseinandersetzungen im Kosovo gekommen. Der Bürgerkrieg ist jedoch seit mehreren Jahren formell beendet. Seither bemüht sich die internationale Staatengemeinschaft mit grossem Engagement um eine Befriedung der Krisenregion (vgl. KFOR-Botschaft des Bundesrates, BBl 2005 S. 447 ff., 450 –52; s. auch oben E. 2.11.2). Der terroristische, den Einwand des politischen Deliktes grundsätzlich ausschliessende Charakter der fraglichen Straftaten kommt im Falle der ANA namentlich dadurch zum Ausdruck, dass dieser extremistischen Organisation (jedenfalls seit Mitte April 2003) neben Attentaten auf serbische Sicherheitskräfte auch noch ein Sprengstoffanschlag gegen zivile Einrichtungen (Eisenbahnbrücke in Zvecan) vorgeworfen wird. Die Einschüchterung der Bevölkerung oder auch die Nötigung von Staaten bzw. internationalen Organisationen durch Gewaltverbrechen ist ein typisches Merkmal für terroristische Aktivitäten im Sinne des EÜBT (vgl. URSULA CASSANI, Le train de mesures contre le financement du terrorisme: une loi nécessaire? SZW 2003 S. 293 ff., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 444; s. auch Art. 260quinquies Abs. 1 StGB). Nach dem Gesagten ist die Einrede des politischen Deliktes im vorliegenden Fall abzuweisen. .
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BGE 132 III 460 52. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Stiftung U. gegen A. (Berufung)
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4C.432/2005 vom 22. März 2006 Regeste Art. 400 Abs. 1 OR; Vermögensverwaltungsvertrag; Herausgabe von Retrozessionen und Finder’s Fees. Voraussetzungen eines rechtsgültigen Verzichts des Auftraggebers auf die Herausgabe von Retrozessionen und ähnlichen Einnahmen des Vermögensverwalters (E. 4). .
Sachverhalt ab Seite 461 BGE 132 III 460 S. 461 A. Die Stiftung U. (Klägerin und Berufungsklägerin), wurde im Jahre 1993 gegründet; sie wurde wirtschaftlich von B. und dessen Ehefrau beherrscht. A. (Beklagter und Berufungsbeklagter) verwaltete das Stiftungsvermögen seit der Gründung bis im Sommer 1998 als Angestellter verschiedener Banken. Im Jahre 1998 nahm er eine selbständige Erwerbstätigkeit auf und führte die Verwaltung des Vermögens der Stiftung in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung weiter. Das Stiftungsvermögen wuchs auf über 100 Millionen Franken an. Anfangs Februar 2000 wurde B. von der Staatsanwaltschaft Mannheim verhaftet und in der Folge wegen Vermögensdelikten in Milliardenhöhe, die er über seine Gesellschaft «D. GmbH» begangen hatte, zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Über die «D. GmbH» eröffnete das Amtsgericht Karlsruhe am 4. Februar 2000 das Insolvenzverfahren; am 1. Mai 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen von B. eröffnet. Im Rahmen eines .
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Rechtshilfeverfahrens wies die Bezirksanwaltschaft Zürich am 10. Februar 2000 unter anderem auch den Beklagten an, ihr sämtliche Dokumente betreffend B. herauszugeben und belegte die B. zuzurechnenden Vermögenswerte einstweilen mit einem Verfügungsverbot. Am 14. Februar 2000 stellte der Beklagte der Klägerin eine Honorarrechnung für seine Vermögensverwaltung über den Betrag von Fr. 847’50.–, den er am 16. Februar 2000 auf seinem Bankkonto gutgeschrieben erhielt. Am 15. Februar 2000 erstattete der Beklagte der Meldestelle für Geldwäscherei eine Verdachtsmeldung betreffend die Klägerin. Auf Strafanzeige der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 21. Februar 2000 eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden am 7. März 2000 ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei gegen den Beklagten und dehnte dieses Verfahren im Frühjahr 2001 auf den Tatbestand der Veruntreuung aus. Das Strafverfahren wurde in der Folge im November 2002 teilweise eingestellt; im Übrigen wurde der Beklagte am 30. Oktober 2003 vom Bezirksgerichtsausschuss BGE 132 III 460 S. 462 Maloja freigesprochen; der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden bestätigte dieses Urteil am 9. Juni 2004. Am 14. Mai 2002 stellte die Klägerin beim Vermittleramt des Kreises Oberengadin folgende Rechtsbegehren: «1. Der Beklagte sei unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter zur Bestrafung nach Art. 292 StGB zu verpflichten, der Klägerin umfassend Rechenschaft über seine Tätigkeit als Beauftragter der Klägerin abzugeben und insbesondere sämtliche Aufzeichnungen, Bücher und Belege herauszugeben, welche über die von ihm im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens der Klägerin bezogenen Honoraransprüche und Provisionen (Retrozessionen), über sämtliche vom Beklagten getätigten Barbezüge und weitere erhaltene Vermögenswerte sowie über deren Verwendung, umfassend Aufschluss zu geben. 2. Es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin sämtliche von ihm im .
Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Beauftragter der Klägerin vereinnahmten Provisionen (Retrozessionen) der Bank X., der Bank Y. sowie der Bank Z., alle Niederlassungen in St. Moritz, herauszugeben und es sei der Beklagte überdies zu verpflichten, der Klägerin sämtliche von ihm als Beauftragter der Klägerin erlangten Vermögenswerte, über deren auftragsgemässe Verwendung und / oder Weiterleitung der Beklagte keine Rechenschaft ablegen kann, zurückzuerstatten bzw. zu bezahlen, und zwar in der Höhe des nach erfolgter Rechenschaftsablegung des Beklagten festgestellten Herausgabeanspruchs der Klägerin, mindestens jedoch in der Höhe von Fr. 1392’50.–, zuzüglich Zins ab Datum der Klageeinleitung an». .
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Die Klägerin erhöhte ihre Forderung in der Folge auf Fr. 2 783 873.28. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und verlangte widerklageweise noch ein Honorar für seine Verwaltungstätigkeit von Februar 2000 bis Februar 2001 in Höhe von Fr. 565’00.–. B. Das Bezirksgericht Maloja wies die Klage mit Urteil vom 3. November 2004 ab. Die Widerklage wurde gutgeheissen und die Klägerin / Widerbeklagte verpflichtet, dem Beklagten / Widerkläger Fr. 565’00.– zuzüglich 5% Zins seit 4. Juli 2002 zu bezahlen. Das Gericht kam zum Schluss, der Beklagte habe den wirtschaftlich Berechtigten regelmässig über seine Verwaltungstätigkeit informiert, die vorhandenen Akten seien im Strafverfahren beschlagnahmt worden und ständen der Klägerin zur Verfügung, weshalb eine erneute Rechenschaftslegung des Beklagten nicht geschuldet sei. Das Gericht stellte sodann fest, die Parteien seien sich über die Entgeltlichkeit des Auftrags zur Vermögensverwaltung einig; da keine der Parteien eine Vereinbarung über die Höhe des Entgelts beweisen konnte, setzte das Gericht die Entschädigung nach Verkehrsübung .
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BGE 132 III 460 S. 463 auf 0.5% des verwalteten Vermögens pro Jahr fest und schloss, die dem Beklagten von Banken ausgerichteten Retrozessionen ständen ihm gemäss Branchenübung und der mit B. stillschweigend getroffenen Vereinbarung zu. Das Bezirksgericht kam sodann zum Schluss, dass der Verwaltungsauftrag des
Beklagten auch für die Zeit von Februar 2000 bis Februar 2001 weiterhin bestand und sprach ihm dafür den in der Widerklage begehrten Betrag zu. Das Kantonsgericht von Graubünden wies die von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobene Berufung am 23. Mai 2005 ab. Das Gericht hielt zunächst fest, die Klägerin habe ihr Rechtsbegehren auf Rechenschaftsablegung nicht mehr erneuert, weshalb darüber nicht mehr zu befinden sei; auch sei die nachträgliche Zeugeneinvernahme von Dr. E. zu Recht erfolgt. Das Gericht verneinte sodann die Pflicht des Beklagten zur Herausgabe der Retrozessionen und Finder’s Fees mit der Begründung, die Parteien hätten dies vereinbart; eventuell habe sie der Beklagte auf eigene Rechnung erhalten und nach Art. 400 Abs. 1 OR daher nicht herauszugeben; schliesslich stehe der Ablieferungspflicht auch die Verkehrsübung entgegen. C. Die Klägerin hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden sowohl staatsrechtliche Beschwerde wie auch eidgenössische Berufung eingereicht. Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 400 und Art. 6 OR verletzt, indem sie die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der Retrozessionen und Finder’s Fees abgewiesen habe. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Klägerin rügt hauptsächlich, die Vorinstanz habe in Verletzung von Bundesrecht verneint, dass der Beklagte zur Herausgabe der von ihm im Rahmen der Verwaltung des Vermögens der Klägerin eingenommenen Retrozessionen und Finder’s Fees verpflichtet sei. In der Bankenbranche wird unter Retrozession der Vorgang bezeichnet, dass eine Bank gestützt auf eine entsprechende Vereinbarung einem Dritten (insbesondere einem Vermittler im Vermögensverwaltungs- und Kapitalanlagegeschäft) einen Anteil einer vereinnahmten Kommission weitergibt (vgl. die Definition bei BOEMLE / GSELL et al., Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Zürich 2002, S. 903; EMCH / RENZ / ARPAGAUS, Das Schweizerische .
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Bankgeschäft, 6. Aufl. 2004, N. 1691 S. 553). Die Klägerin versteht unter dem Ausdruck «Finder’s Fee» eine einmalige BGE 132 III 460 S. 464 Entschädigung, welche der Vermögensverwalter von einer Bank für die Zuführung von neuen Vermögenswerten bzw. neuer Kunden (gelder) erhält (vgl. HESS, Zur Stellung des externen Vermögensverwalters im Finanzmarktrecht, AJP 1999 S. 1432; EMCH / RENZ / ARPAGAUS, a.a.O., N. 1693 S. 554). .
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4.1 Auf den Vermögensverwaltungsvertrag finden die auftragsrechtlichen Regeln Anwendung (BGE 124 III 155 E. 2b S. 161; BGE 115 II 62 E. 1; Urteil 4C.97/1997 vom 29. Oktober 1997, E. 3a, publ. in: SJ 1998 S. 200). Nach Art. 400 Abs. 1 OR ist der Beauftragte schuldig, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grund zugekommen ist, zu erstatten. Die Ablieferungspflicht betrifft nicht nur diejenigen Vermögenswerte, die der Beauftragte direkt vom Auftraggeber zur Erfüllung des Auftrags erhält, sondern auch indirekte Vorteile, die dem Beauftragten infolge der Auftragsausführung von Dritten zukommen. Der Beauftragte soll durch den Auftrag – abgesehen von einem allfälligen Honorar – weder gewinnen noch verlieren; er muss daher alle Vermögenswerte herausgeben, welche in einem inneren Zusammenhang zur Auftragsausführung stehen; behalten darf er nur, was er lediglich bei Gelegenheit der Auftragsausführung, ohne inneren Zusammenhang mit dem ihm erteilten Auftrag, von Dritten erhält (FELLMANN, Berner Kommentar, N. 115, 117, 127 zu Art. 400 OR; WEBER, Basler Kommentar, N. 12 zu Art. 400 OR; TERCIER, Les contrats spéciaux, 3. Aufl. 2003, N. 4705 f.). Zu den indirekten Vorteilen, die der Beauftragte herausgeben muss, zählen beispielsweise Rabatte, Provisionen, Schmiergelder usw. (FELLMANN, a.a.O., N. 128 und 132 zu Art. 400 OR; WEBER, a.a. O., N. 14 zu Art. 400 OR). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Zuwendung nach dem Willen des Dritten ausschliesslich dem Beauftragten zugute kommen soll oder nicht (Urteil 4C.125/2002 vom 27. September 2002, E. 3.1; FELLMANN, a. a.O., N. 131 zu Art. 400 OR mit weiteren Hinweisen). .
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Retrozessionen – und wohl regelmässig auch Finder’s Fees, sofern der Beauftragte dem Auftraggeber im Rahmen des Vertrags geraten hat, die zur Verwaltung überlassenen Vermögenswerte bei einer bestimmten Bank (neu) zu deponieren (a.M. offenbar DE CAPITANI, Retrozessionen an externe Vermögensverwalter, Festschrift Jean-Paul Chappuis, Zürich 1998, S. 29 Ziff. 13) – werden dem Beauftragten ausgerichtet, weil er im Rahmen des Auftrags bestimmte Verwaltungshandlungen vornimmt oder veranlasst; sie fallen im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens an und .
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BGE 132 III 460 S. 465 unterliegen der Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR (vgl. EMCH / RENZ / ARPAGAUS, a.a.O., N. 1694 S. 554; JÖRG / ARTER, Herausgabeund Rechenschaftspflicht des unabhängigen Vermögensverwalters, Der Schweizer Treuhänder 2004, S. 297 f.; HESS, a.a.O., S. 1432; WATTER, Über die Pflichten der Bank bei externer Vermögensverwaltung, AJP 1998 S. 1177 Rn. 27). Aus BGE 112 III 90 E. 4e S. 97 ergibt sich entgegen der Ansicht der Vorinstanz nichts Gegenteiliges. .
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4.2 Die auftragsrechtliche Ablieferungspflicht kann die Hauptpflicht sein oder eine Nebenpflicht bilden (FELLMANN, a.a. O., N. 151 f. zu Art. 400 OR; WEBER, a.a.O., N. 10 zu Art. 400 OR). Ob der Auftraggeber auf die Ablieferung überhaupt oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gültig verzichten kann, ist in der Lehre umstritten. Während eine ältere Lehrmeinung die Pflicht zur Herausgabe im Sinne von Art. 400 OR für zwingend hält und einen Verzicht auf die Ablieferung erst zulässt, wenn der Verzichtende weiss, was und wieviel er erlässt (GAUTSCHI, Berner Kommentar, N. 38 d / f zu Art. 400 OR), wird die Gültigkeit einer Verzichtsvereinbarung in der neueren Lehre überwiegend bejaht (vgl. WERRO, Commentaire Romand, N. 20 zu Art. 400 OR; FELLMANN, a. a.O., N. 154 zu Art. 400 OR; DE CAPITANI, a.a.O., S. 27; WATTER, a.a. O., S. 1177 Rn. 27; EMCH / RENZ / ARPAGAUS, a.a.O., S. 554; vgl. allerdings WEBER, Basler Kommentar, N. 10/21 zu Art. 400 OR; differenzierend HOFSTETTER, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/6, Basel 2000, S. 119). Art. 400 OR enthält kein ausdrückliches Verzichtsverbot .
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und es sind auch keine Gründe erkennbar, welche gegen die dispositive Natur der Ablieferungspflicht sprechen. Mit der überwiegenden neueren Lehre ist daher grundsätzlich die Gültigkeit einer Vereinbarung zu bejahen, wonach der Auftraggeber auf die Ablieferung bestimmter, auch künftig anfallender Werte verzichtet. Immerhin ergeben sich Schranken aus der eigentlichen Fremdnützigkeit des Auftrags, welche durch eine entsprechende Vereinbarung nicht aufgehoben werden kann (vgl. FELLMANN, a.a.O., N. 154 zu Art. 400 OR). Die Fremdnützigkeit als solche wird zwar nicht berührt, wenn die Ablieferung von Einnahmen wie sog. Retrozessionen im Vermögensverwaltungsvertrag eine Nebenpflicht bildet und dem Beauftragten dadurch im Ergebnis ein – zusätzliches – Entgelt für seine Tätigkeit zukommen soll. Die Pflicht zur Ablieferung bildet aber auch hier ein zentrales Element der Fremdnützigkeit des Auftrags und ist mit der Rechenschaftspflicht des Beauftragten so eng verbunden, dass sie als deren Folge erscheint .
BGE 132 III 460 S. 466 (vgl. BGE 110 II 181 E. 2 S. 182; GUHL / SCHNYDER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl. 2000, S. 553 Rz. 20). Von der Lehre wird daher zutreffend verlangt, dass der Auftraggeber über zu erwartende Retrozessionen vollständig und wahrheitsgetreu informiert sein muss, und dass sein Wille, auf deren Ablieferung zu verzichten, aus der Vereinbarung entsprechend klar hervorgehen muss (EMCH / Renz / Arpagaus, a.a.O., S. 554 f.; DE CAPITANI, a.a.O., S. 27; vgl. auch LOMBARDINI, Droit bancaire suisse, Zürich 2002, S. 506). Diese Anforderung rechtfertigt sich zusätzlich aus der Erwägung, dass eine solche Vereinbarung zu Interessenkonflikten führen kann, da durch (zu) häufige Transaktionen ein nennenswertes Zusatzeinkommen erzielt werden kann (zum sog. Churning vgl. WATTER, a.a.O., S. 1177). .
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4.3 Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden, wenn sie annimmt, ein Verzicht auf die Ablieferung von im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallenden Retrozessionen ergebe sich auch daraus, dass entsprechende Vereinbarungen als üblich gelten könnten. Nach der Feststellung im
angefochtenen Urteil leiten 81% der Vermögensverwalter Retrozessionen nicht an ihre Kunden weiter und bestehen 28.5 % ihrer Einnahmen aus Retrozessionen. Aus der allgemeinen tatsächlichen Verbreitung der Einbehaltung von Retrozessionen allein kann weder in Bezug auf den Grundsatz noch die Höhe derartiger Einnahmen eine übliche Vergütung nach Handels- oder Ortsgebrauch im Sinne von Art. 394 Abs. 3 OR abgeleitet werden (vgl. BGE 120 V 515 E. 4b / bb S. 520). Abgesehen davon, dass die entsprechenden Einnahmen von der Art und Häufigkeit von Vermögenstransaktionen abhängen, bildet die Vereinbarung über die Einbehaltung der umstrittenen Retrozessionen und ähnlicher Einnahmen keine Honorarabrede, auch wenn damit im Ergebnis die Entschädigung des Vermögensverwalters für seine Tätigkeit erhöht wird. Denn es kann nicht als üblich unterstellt werden, dass ein Auftraggeber unbesehen auf Rechenschaft verzichte und mit Einnahmen des Beauftragten einverstanden sei, deren Ausmass er weder kennen noch kontrollieren kann. Die Standesregeln des Verbandes Schweizerischer Vermögensverwalter verlangen denn auch im Gegenteil, dass der Vermögensverwalter gegenüber dem Kunden sämtliche derartigen Leistungen offen legt und im Vertrag mit dem Kunden festhält, wem die Rückvergütungen zukommen sollen (EMCH / RENZ / ARPAGAUS, a.a. O., N. 1694 S. 554; vgl. Art. 10 i.V.m. Art. 7 Anhang B Standesregeln VSV). Derartige Standesregeln können nach der Rechtsprechung als Ausdruck einer Berufsübung zur Auslegung .
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BGE 132 III 460 S. 467 und Ergänzung eines Vertrags beigezogen werden (Urteil 4C.236/1997 vom 31. Oktober 1997, publ. in: SJ 1998 S. 379, E. 3b mit Verweis auf BERTSCHINGER, Sorgfaltspflichten des Vermögensverwalters bei Derivaten – Bemerkung zum Urteil des Bundesgerichts vom 28. Juli 1995 [4C.467/1994] in SZW 1996 S. 240 ff.; vgl. auch FELLMANN, a. a.O., N. 71 zu Art. 396 OR; LOMBARDINI, a.a.O., S. 503). Sie stehen hier einer Auslegung entgegen, wonach der Beauftragte mangels gegenteiliger Absprache die im Rahmen der Vermögensverwaltung eingenommenen Retrozessionen nicht abliefern müsse. Es bedarf einer Vereinbarung der Parteien, aus der sich der Wille des informierten Mandanten eindeutig ergibt, auf die Ablieferung der dem .
Mandatar im Rahmen des Auftrags bezahlten Retrozessionen (ganz oder teilweise) zu verzichten. .
4.4 Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall eine entsprechende Vereinbarung bejaht. Die Vorinstanz erwog zunächst in Würdigung der Beweise, dass auf die widersprüchliche Aussage des an der Klägerin wirtschaftlich Berechtigten B. (über die konkrete Kenntnis bzw. Unkenntnis von bezogenen Retrozessionen und Finder’s Fees) nicht abgestellt werden könne. Die Vorinstanz stellte hingegen auf die Aussage des Stiftungsratspräsidenten der Klägerin (Dr. E.) ab. Aus dem Umstand, dass der Stiftungsratspräsident wusste, dass Retrozessionen und Finder’s Fees an den Beklagten bezahlt wurden, könne – so die Vorinstanz – nur geschlossen werden, dass «sich die Parteien stillschweigend, aber zumindest durch konkludentes Handeln darüber einig waren, dass die Retrozessionen und Finder’s Fees beim Beklagten verbleiben sollen.» Die Vorinstanz hat angenommen, dass der Beklagte angesichts sämtlicher Umstände davon ausgehen durfte, die Klägerin sei damit einverstanden gewesen, dass der Beklagte die Entschädigungen behalte, zumal sie Stillschweigen bewahrte. Die Vorinstanz erwog sodann in Anlehnung an die Begründung der ersten Instanz, dass der wirtschaftlich Berechtigte B. durch sein Stillschweigen betreffend die (allgemeine) Geschäftsabwicklung der Klägerin, «wozu auch die ihm allgemein bekannte Usanz der Auszahlung von Retrozessionen und Finder’s Fees zählt», sein Einverständnis erklärte; denn ohne das Vorliegen einer solchen «Einigung» wäre nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin trotz Kenntnis des Bezugs von Retrozessionen und Finder’s Fees nicht eingeschritten sei; ausserdem deute eine Besprechungsnotiz des Beklagten darauf hin, dass zwischen dem wirtschaftlich Berechtigten der Klägerin (B.) und dem Beklagten sogar ausdrücklich vereinbart worden sei, dass .
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BGE 132 III 460 S. 468 dem Beklagten auch die Kommissionen als Honorar verbleiben sollten. Die Vorinstanz leitete jedoch aus diesen Feststellungen nichts ab und traf insbesondere keine Feststellungen über eine allfällige Befugnis des wirtschaftlich Berechtigten zur Vertretung der Klägerin bzw. zur
Genehmigung ihrer Geschäfte. Sie hielt es vielmehr für das zwischen den Parteien geltende Vertragsverhältnis für letztlich belanglos, ob die wirtschaftlich berechtigten Personen der (Nicht-)Ablieferung von Retrozessionen und Finder’s Fees zugestimmt hätten oder nicht. Die Vorinstanz erwog schliesslich, dass der damalige Stiftungsratspräsident der Klägerin (Dr. E.) zwar nicht um die konkrete Höhe der Auszahlungen, aber immerhin darum gewusst habe, dass solche Auszahlungen in der Schweiz üblich seien; ausserdem sei ihm die Grössenordnung der verwalteten Vermögenswerte bekannt gewesen; ebenso sei er über deren Stand per Ende Jahr jeweils informiert worden und habe Kenntnis vom konkreten Verwaltungshonorar gehabt; folglich habe er auch die Höhe der Retrozessionen und Finder’s Fees «fassbar abschätzen» können. .
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4.5 Das von der Vorinstanz festgestellte Wissen des Organs der Klägerin über die Grössenordnung der vom Beklagten eingenommenen Retrozessionen und Finder’s Fees genügt nicht für einen rechtswirksamen Verzicht auf Rechenschaftslegung und Ablieferung mit dem die Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR wegbedungen wird. Die von der Vorinstanz festgestellte Schätzbarkeit der Höhe der Retrozessionen aufgrund der Grössenordnung des verwalteten Vermögens, des vereinbarten Verwaltungshonorars und der Üblichkeit solcher Einnahmen vermittelte der Klägerin keine hinreichend genaue Kenntnis über die tatsächlich anfallenden Retrozessionen und Finder’s Fees; denn diese hängen von weiteren Faktoren wie insbesondere der Anzahl getätigter Geschäfte und der Vereinbarung über die Höhe derartiger Entschädigungen an den Vermögensverwalter durch Dritte ab. Über die genaue Höhe der konkreten Einnahmen des Beklagten hatte die Klägerin (bzw. ihr Stiftungsratspräsident) nach den Feststellungen der Vorinstanz keine Kenntnis. Auch wenn daher der Beklagte wusste, dass dem Stiftungsratspräsidenten als Organ der Klägerin die Üblichkeit derartiger Entschädigungen bekannt war und dass er um die Grössenordnung des verwalteten Vermögens wusste, durfte er nach Treu und Glauben aus dem blossen Stillschweigen der Klägerin bzw. deren Organe nicht ableiten, er sei von der Rechenschaftsablegung und Ablieferung der ihm im .
BGE 132 III 460 S. 469
Rahmen der Verwaltung des Vermögens der Klägerin von Dritten bezahlten Retrozessionen und ähnlichen Einnahmen befreit. Angesichts der Bedeutung der Rechenschaftspflicht für den fremdnützigen Auftrag hätte es vielmehr dem Beklagten oblegen, die Klägerin bzw. deren zuständige Organe über die konkret anfallenden Retrozessionen und Finder’s Fees in Kenntnis zu setzen. Ohne ausdrückliche und eindeutige Verzichtserklärung der Klägerin auf Rechenschaftslegung und Ablieferung hätte sich der Beklagte zumindest vergewissern müssen, dass die Auftraggeberin ihm die im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallenden Einnahmen als zusätzliche Entschädigung für seine Tätigkeit in Kenntnis der konkreten Vereinbarung mit den Banken über deren Höhe sowie der mutmasslichen Häufigkeit der entschädigungspflichtigen Transaktionen überlassen wollte. Aus dem blossen Stillschweigen der Klägerin durfte der Beklagte nach den im angefochtenen Urteil festgestellten Umständen nicht auf einen Verzicht der Klägerin auf Herausgabe dieser der Klägerin zustehenden Einnahmen schliessen. 4.6 Die Vorinstanz hat bundesrechtswidrig angenommen, dass die umstrittenen Retrozessionen nicht der Ablieferungspflicht gemäss Art. 400 OR unterfallen und bundesrechtswidrig aus dem blossen Stillschweigen der Auftraggeberin geschlossen, dass der Beauftragte nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, die Klägerin sei mit der Nicht-Ablieferung von Retrozessionen und ähnlichen im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallender Entschädigungen einverstanden. Die Berufung ist in diesem Punkt begründet. Da dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen darüber zu entnehmen sind, welche Beträge aus welchen Rechtsgeschäften der Beklagte im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens der Klägerin von Dritten eingenommen hat, ist das angefochtene Urteil entsprechend dem Eventualantrag der Klägerin aufzuheben. Die Sache ist zur Ergänzung der massgebenden Feststellungen im Rahmen der rechtsgenügenden Vorbringen in diesem Punkt und zu neuem Entscheid im Rahmen der prozessual zulässigen Rechtsbegehren gemäss den vorstehenden Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG). .
BGE 71 IV 205
BGE 72 IV 59
BGE 72 IV 126 Betrügerischer Buchverkauf 38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. September 1946 i. S. Scala und Bordi gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Regeste Art. 148 Abs. 1 StGB, Betrug. 1. Anforderungen an die Täuschungshandlung (Erw. 1). 2. Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Vermögensdisposition (Erw. 2). 3. Schaden (Erw. 3). .
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Sachverhalt A. Scala und Bordi nahmen im Jahre 1943 als Reisende der FraumünsterVerlag AG manchmal einzeln, manchmal gemeinsam bei katholischen Familien der Ostschweiz Bestellungen entgegen auf das von Gaston Castella, Professor an der Universität Freiburg, verfasste Buch «So ist die Treue dieses Volkes». Das Buch schildert die Geschichte der Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Schweiz. Es enthält ein Bildnis des Papstes Pius XI. mit der gedruckten Bitte des Verfassers um den apostolischen Segen für sich und seine Mitarbeiter sowie der faksimilierten Unterschrift und dem Stempel des Papstes als Zeichen dafür, dass dem Ersuchen entsprochen wurde. Dann folgt ein empfehlendes Vorwort von Bundesrat Motta. Bevor Scala und Bordi in einer bestimmten Ortschaft für das Buch Absatz suchten, boten sie es mit Vorliebe zuerst dem Ortsgeistlichen an und veranlassten ihn, sich mit Namenszug und Stempel in eine Liste einzutragen, die sie dann als Werbemittel gebrauchten und durch die Namen weiterer Interessenten vervollständigen liessen. Sie stellten das Buch als ausgesprochen katholisches Buch dar, auf dem ein besonderer päpstlicher Segen ruhe und das deshalb nur
für Katholiken bestimmt sei. Sie gaben ausserdem vielfach wahrheitswidrig an, ein Teil des Erlöses komme der katholischen Universität Freiburg oder der Schweizergarde oder dem Papste zugute, man vollbringe mit der Bestellung ein wohltätiges Werk, beweise damit seine Treue zu der Kirche und ihren Einrichtungen. Viele liessen sich durch diese Angaben täuschen und bestellten das Buch, in der Meinung, damit dem erwähnten wohltätigen Zweck zu dienen. Teils bezahlten sie es ganz, teils leisteten sie eine Anzahlung. In zwei Fällen, in denen Scala die falschen Angaben machte, gelang ihm die Aufnahme einer Bestellung nicht. B. Am 4. Februar 1946 verurteilte das Kantonsgericht von St. Gallen Scala wegen vollendeten und versuchten gewerbsmässigen Betruges zu sieben Monaten Gefängnis und zu fünfzig Franken Busse und Bordi wegen wiederholten einfachen Betruges zu zwei Monaten Haft. Beide Freiheitsstrafen erklärte es bedingt vollziehbar. C. Mit Nichtigkeitsbeschwerden an den Kassationshof des Bundesgerichtes verlangen die beiden Verurteilten Aufhebung dieses Urteils und Rückweisung der Sache an das Kantonsgericht zur Freisprechung, eventuell zu neuer Beurteilung einzelner Tatbestände. Sie bestreiten eine arglistige Irreführung durch Vorspiegelung von Tatsachen, weil es den Käufern des Buches durch Lesen des Bestellzettels, der nichts von einer Spende gesagt habe, und durch Anfrage bei der Fraumünster-Verlag AG leicht gewesen wäre, den wahren Sachverhalt zu erfahren. Ferner machen sie geltend, die Käufer seien nicht geschädigt worden, weil sie für den ausgelegten Preis als gleichwertige Gegenleistung das Buch erhalten hätten. D. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt, die Beschwerden seien abzuweisen. Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Betrug setzt unter anderem voraus, dass der Täter jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irregeführt. Das Bundesgericht hat dieses Erfordernis dahin ausgelegt, dass falsche Angaben,
die der Getäuschte ohne besondere Mühe überprüfen kann, nicht genügen (BGE 72 IV 13). Damit wird verlangt, dass jeder die Augen offen behalte, wo es ihm zugemutet werden kann. Wer allzu leichtgläubig auf eine Lüge hereinfällt, wo er sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit durch Überprüfung der falschen Angaben selbst hätte schützen können, soll nicht den Strafrichter anrufen. Einen Freibrief, auf die Gutgläubigkeit und Unvorsichtigkeit des Gegners zu spekulieren, gibt aber diese Rechtsprechung nicht. Das Bundesgericht hat eine Ausnahme vom erwähnten Grundsatz bereits vorgesehen für Fälle, in denen der Täter den Getäuschten arglistig davon abhält, die Überprüfung der Angaben vorzunehmen (BGE 72 IV 13). Nicht anders kann es sein, wenn sie dem Getäuschten zum vornherein nicht zugemutet werden kann. Wer einen andern durch eine falsche Angabe irreführt in der nach den Umständen begründeten Voraussicht, dass der Getäuschte sich nicht veranlasst sehen werde, die Angabe zu überprüfen, handelt arglistig. Ein solcher Fall liegt hier vor. Da das von den Beschwerdeführern vertriebene Buch über die päpstliche Schweizergarde von einem Professor der Universität Freiburg verfasst ist, das Bildnis des Papstes enthält, den päpstlichen Segen für den Verfasser und seine Mitarbeiter kundgibt und im Vorwort von Bundesrat Motta empfohlen wird, lag es für den Kaufsinteressenten nahe, der Angabe der Beschwerdeführer, ein Teil des Erlöses sei für die erwähnte Universität, für die Schweizergarde oder für den Papst bestimmt, Glauben zu schenken. In vielen Fällen kam dazu, dass die Beschwerdeführer eine Liste, auf welche sich der Ortsgeistliche als erster eintrug, als Werbemittel benutzten. Die ganze Werbung zählte auf die religiösen Gefühle der Leute. Dass aber jemand, der von solchen Gefühlen bewegt ist, sich zuerst erkundige, ob die Angaben der Beschwerdeführer richtig seien, können diese zum vornherein nicht angenommen haben, umso weniger, als sie die Bestellungen durch Vorsprache von Haus zu Haus aufnahmen, ohne den Getäuschten Zeit zur Erkundigung zu lassen. Einer Person, die unter solchen Umständen irregeführt wird, kann die Überprüfung der täuschenden Angaben nicht zugemutet werden. Es bedurfte keiner besonderen Leichtgläubigkeit, um die Versicherungen der Beschwerdeführer für wahr zu halten. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Bestellschein .
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nichts von einer gemeinnützigen Zuwendung sagte, obwohl er daneben z. B. den päpstlichen Segen und das Vorwort von Bundesrat Motta erwähnte. Die Beschwerdeführer haben selber damit gerechnet, dass in der Atmosphäre, in welcher die Bestellung aufgenommen wurde, der Wortlaut des Bestellscheines den Käufer nicht stutzig machen werde. Die Überprüfung ihrer falschen Angaben wäre zudem nicht einfach gewesen. Eine Anfrage bei der Fraumünster-Verlag AG fiel ausser Betracht, da die Beschwerdeführer ihre Angaben ja gerade als Vertreter dieser Firma machten. Die Kaufsinteressenten hätten sich an die Universität Freiburg oder an den Heiligen Stuhl wenden müssen, was aber von ihnen vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte. 2. Was den Kausalzusammenhang betrifft, erklärt das Kantonsgericht, es sei auszugehen von der Behauptung der Anklage, die Täter hätten in den herangezogenen Fällen das Geschäft nur durch die falsche Angabe, der Erlös komme teilweise der Schweizergarde oder der Universität Freiburg zugute, zustande gebracht; die Vermögensdisposition sei demnach von den Käufern vorgenommen worden im Glauben, sie wirkten damit an einer allgemein charitativen Aktion mit, nähmen für einen bestimmten, wohlgefälligen, guten Zweck ein Opfer auf sich. Das kann nach dem ganzen Zusammenhang nur heissen, dass das Kantonsgericht die Darstellung der Staatsanwaltschaft für richtig hält. Damit ist der ursächliche Zusammenhang der Geschäftsabschlüsse mit der Täuschung verbindlich festgestellt. 3. Das Kantonsgericht geht davon aus, dass das verkaufte Buch objektiv den verlangten Preis wert war. Das schliesst entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer eine Schädigung der getäuschten Käufer nicht aus. Wie der Kassationshof schon wiederholt erkannt hat, ist der Irrende durch Abschluss und Erfüllung eines zweiseitigen Vertrages nicht bloss dann geschädigt, wenn das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung nach objektiver Schätzung gestört ist, sondern schon dann, wenn er für seine eigene Leistung nicht den Gegenwert erhält, den er nach dem Vertrag erhalten sollte, so beispielsweise, wenn der Händler dem getäuschten Käufer schlechteren Wein liefert als versprochen, mag auch der gelieferte trotzdem den Preis wert sein. Dieser Rechtsprechung liegt der Gedanke zugrunde, dass der Getäuschte immer schon dann geschädigt ist, wenn Leistung und Gegenleistung in einem
für ihn ungünstigeren Wertverhältnis stehen, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage stehen müssten. In diesem Sinne sind die Käufer auch im vorliegenden Falle geschädigt. Zwar wurde ihnen nicht ein anderes Buch geliefert als versprochen. Es wurde aber zu einem höheren Preise abgegeben, als die Käufer annahmen und nach dem Vertrag annehmen durften. Denn indem ihnen zugesichert wurde, ein Teil ihrer Leistung werde zu einem bestimmten wohltätigen Zwecke verwendet, erhielten sie Anspruch darauf, dass nur ein Teil ihrer Zahlung als Entgelt für das Buch diene, die Mehrleistung dagegen als Spende an Dritte gehe. Um den Betrag der Spende sind sie bei dieser Betrachtungsweise geprellt worden. Das ist nicht subjektiver, d.h. nach dem Empfinden des Betroffenen eingeschätzter, sondern objektiver Schaden, der sich freilich nicht aus einer von den gegebenen Zusicherungen absehenden und in diesem Sinne objektiven Vergleichung von Leistung und Gegenleistung ergibt, sondern nur durch Berücksichtigung der vorgespiegelten Sachlage ermittelt werden kann. Die Käufer sind noch unter einem andern Gesichtspunkte, und zwar wiederum objektiv, nicht nach ihrem subjektiven Empfinden, geschädigt worden. Die Beschwerdeführer haben ihnen ein Buch aufgeschwatzt, das den Preis zwar wert war, das aber die Käufer nicht zum gleichen Preise wieder losschlagen können. Wollen sie es weiterverkaufen, so lösen sie daraus, da es aus zweiter Hand kommt, weniger als sie ausgelegt haben. Dieser individuelle Umstand ist bei der Ermittlung des Schadens zu berücksichtigen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Käufer hätten das Buch nicht zum Weiterverkauf, sondern zum persönlichen Gebrauche erworben, so wenig beispielsweise dem geprellten Schenker vorgehalten werden kann, er habe ja gewusst, dass er schenke (BGE 70 IV 196). Der Getäuschte hat Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie wenn der andere die Tat nicht begangen hätte. Die Käufer dürfen sich also des Buches, das ihnen durch Täuschung angehängt worden ist, wieder entledigen, was sie, wie gesagt, nur mit Verlust tun können. Dass der Verlag, nachdem der Betrug geltend gemacht worden war, es auf Verlangen zurückgenommen und den Preis ersetzt hat, ist belanglos. Das war Wiedergutmachung des eingetretenen Schadens. .
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
BGE 75 IV 175
BGE 77 IV 160
BGE 78 IV 227
BGE 81 IV 224 50. Urteil des Kassationshofes vom 15. Juli 1955 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Bamert. Regeste Art. 139 Ziff. 1 StGB. Wer auf den Körper oder die Psyche der Person nicht oder nicht im Sinne einer vollständigen Verunmöglichung des Widerstandes einwirkt, sondern der Abwehr ganz oder teilweise durch List, Überraschung und dgl. zuvorkommt, begeht keinen Raub. Sachverhalt ab Seite 224 BGE 81 IV 224 S. 224 A. Anton Bamert folgte am 1. Dezember 1954 etwa um 18.50 Uhr der vom Bahnhof Winterthur weggehenden Nelly Brügger, die unter ihrem rechten Arm eine Handtasche mit Geld und anderem Inhalt trug. Er beabsichtigte, sich die Tasche mit den darin versorgten Sachen anzueignen, um sich unrechtmässig zu bereichern. An der Lindstrasse rannte er von hinten an die Fussgängerin heran und versuchte, ihr die Tasche nach vorn wegzureissen. Das gelang ihm erst durch ein zweites Zerren, da BGE 81 IV 224 S. 225 Frau Brügger trotz der Überraschung zunächst ihr Gut mit dem Arm fester einzuklemmen vermochte. Bamert lief mit der Beute davon, gab sie aber preis, als er von einem Dritten gestellt wurde. B. Entgegen dem Antrage der Staatsanwaltschaft, welche die Tat als Raub würdigte (Art. 139 Ziff. 1 StGB), erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Bamert mit Urteil vom 16. Mai 1955 lediglich des einfachen Diebstahls .
schuldig (Art. 137 Ziff. 1 StGB). Zur Begründung führte es aus, von einem eigentlichen Widerstand der Angegriffenen, der mit Gewalt hätte überwunden werden müssen, könne nicht die Rede sein. Soweit Bamert Gewalt verübt habe, sei sie gegen eine Sache, nicht gegen die Person gerichtet worden. Er sei durch sein schnelles und überraschendes Zupacken jedem Widerstand zuvorgekommen. Da Frau Brügger in keinem Augenblick in der freien Bildung und Betätigung ihres Willens gehindert gewesen sei, liege lediglich Diebstahl vor. Das Obergericht verurteilte Bamert unter Anrechnung von drei Tagen Untersuchungshaft zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vier Monaten. .
C. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeklagten wegen Raubes an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, indem Bamert den im festeren Einklemmen der Tasche liegenden Widerstand der Frau Brügger überwunden habe, habe er nicht nur gegen eine Sache, sondern gegen eine Person Gewalt verübt. Nicht nötig sei, dass Frau Brügger die Tasche krampfhaft festgehalten habe. Nach BGE 78 IV 227 liege Raub schon vor, wenn der Täter nur zum Teil Gewalt anwende, zum Teil dagegen das Opfer durch ein anderes Mittel, z.B. durch Hervorrufung von Verblüffung und Schrecken, zum Widerstand unfähig mache. Bamert habe den Raub auch vollendet, da er den Widerstand ganz gebrochen, die Angegriffene zu weiterer Gegenwehr vollständig unfähig gemacht habe. BGE 81 IV 224 S. 226 Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Des Raubes macht sich schuldig, «wer in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, oder wer, auf einem Diebstahl betreten, an einer Person Gewalt verübt, sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben bedroht oder sie in anderer Weise zum Widerstand unfähig macht» (Art. 139 Ziff. 1 StGB). Die Auffassung des Obergerichts, der Beschwerdegegner habe nicht «an .
einer Person», sondern nur an einer Sache Gewalt verübt, hält nicht stand. Mag er auch nur Hand an die Tasche gelegt und die Besitzerin nicht berührt haben, so musste er doch einen durch das verstärkte Einklemmen der Sache geleisteten körperlichen Widerstand überwinden, um zum Ziele zu gelangen, und da dieser von einer Person geleistet wurde, war auch der auf Überwindung gerichtete Aufwand an Kraft, so geringfügig er gewesen sein mag, Gewalt an der Person. Das genügt jedoch zur Anwendung des Art. 139 StGB nicht. Die Gewalt stempelt die Tat nur dann zum Raub, wenn der Täter die Person, an der er sie verübt, sei es durch dieses Mittel allein, sei es in Verbindung mit anderen Schritten («in anderer Weise»), zum Widerstand vollständig unfähig macht (BGE 71 IV 122, BGE 78 IV 232). Wie die Gewalt, muss aber auch das sie ergänzende oder ersetzende andere Mittel auf die Person einwirken. Das ergibt sich aus den im Gesetzestext angeführten Beispielen, die zugleich zeigen, dass die Einwirkung nicht eine körperliche zu sein braucht wie im Falle der Anwendung von Gewalt, sondern auch eine psychische sein kann wie bei Bedrohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben. So setzt sich der Strafe wegen Raubes auch aus, wer jemanden durch Betäubung, Hypnose, Anwendung von Tränengas, Blendung, Schrecklähmung usw. zum Widerstand vollständig unfähig macht. Wer dagegen auf den Körper oder die Psyche der Person nicht oder nicht im Sinne einer vollständigen Verunmöglichung des Widerstandes .
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BGE 81 IV 224 S. 227 einwirkt, sondern der Abwehr ganz oder teilweise durch List, Überraschung und dergleichen zuvorkommt, begeht keinen Raub. Das Gesetz kann den, der z. B. durch einen raschen Griff nach der Sache oder durch Ablenkung der Aufmerksamkeit ihres Besitzers die Abwehr ausschaltet, nicht mit der strengen Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis belegen wollen (Art. 139 Ziff. 1 StGB), während es für ausgezeichneten Diebstahl nur mindestens drei Monate Gefängnis androht (Art. 137 Ziff. 2 StGB). Die höhere Mindeststrafe für Raub entspricht einer besonderen, über den ausgezeichneten Diebstahl hinausgehenden Verwerflichkeit der Tat, wie sie nur in der Ausschaltung des Widerstandes durch Einwirkung auf die Person
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liegen kann. An der in BGE 78 IV 232 vertretenen Auffassung, dass auch die Ausschaltung des Widerstandes durch Verblüffung (Überraschung) des Opfers die Tat zum Raub mache, ist also nicht festzuhalten. Dass der Beschwerdegegner dem Widerstand der Frau Brügger, wie beabsichtigt, durch überraschendes Vorgehen im wesentlichen zuvorkam, fällt somit für die Beurteilung der Tat als Raub ausser Betracht. Die Gewalt aber, die angewendet wurde, um den angesichts der Überraschung nur geringen Widerstand des Opfers zu überwinden, war für sich allein weder geeignet noch bestimmt, Frau Brügger zum Widerstand vollständig unfähig zu machen; der Beschwerdegegner wollte Gewalt nur soweit anwenden, als der verblüfften Besitzerin der Handtasche für etwelche Abwehr Zeit bleiben würde. Das Obergericht hat ihn daher mit Recht weder des Raubes noch des Raubversuches, sondern nur des Diebstahls schuldig erklärt. .
Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
BGE 85 IV 130 34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Juni 1959 i.S. Schmid gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. Regeste 1. Art. 221 StGB. Begriff der Gemeingefahr (Abs. 1) und der wissentlichen Gefährdung von Menschen (Abs. 2); Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes (Erw. 1 und 2). 2. Mittäterschaft setzt nicht Beteiligung an der Ausführungshandlung voraus (Erw. 3). 3. Art. 68 Ziff. 1 StGB. Begeht der Mittäter, der einen anderen zur Tat anstiftet, zwei strafbare Handlungen, die realiter miteinander konkurrieren? (Erw. 4). 4. Art. 24 Abs. 2 StGB. Akzessorietät der Anstiftung (Erw. 5). .
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Erwägungen ab Seite 131 BGE 85 IV 130 S. 131 Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 221 Abs. 1 StGB wird mit Zuchthaus bestraft, wer vorsätzlich zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht, und nach Abs. 2 ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren, wenn der Täter wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringt. Der Beschwerdeführer hält Art. 221 Abs. 2 nicht für anwendbar, weil er es nur auf die Erlangung finanzieller Vorteile abgesehen, die Gefährdung von Leib und Leben von Drittpersonen dagegen nicht direkt gewollt, sondern höchstens in Kauf genommen habe. Das sei aber auch Merkmal der einfachen Brandstiftung nach Abs. 1, die immer eine Gemeingefahr voraussetze und
damit die Gefährdung anderer in sich schliesse. Qualifizierte Brandstiftung im Sinne des Abs. 2 liege deshalb nur vor, wenn der Vorsatz des Täters primär darauf gerichtet sei, für bestimmte Personen eine unmittelbare Lebensgefahr zu schaffen, wie es beispielsweise der Fall sei, wenn ein Knecht den Hof des ihm verhassten Meisters in Brand stecke. Daran ist schon die Auffassung unrichtig, dass Brandstiftung notwendig zu einer Gefährdung von Drittpersonen führen müsse, damit die Tat unter Art. 221 Abs. 1 falle. Das Gesetz nennt die objektiven Merkmale der Schädigung eines anderen und der Herbeiführung einer Gemeingefahr alternativ, setzt also nicht voraus, dass BGE 85 IV 130 S. 132 beide erfüllt seien, sondern verlangt nur, dass entweder das eine oder das andere zum grundlegenden Tatbestandsmerkmal der Verursachung einer Feuersbrunst hinzutrete. Auch bedeutet der Ausdruck Gemeingefahr nicht das gleiche wie das in Abs. 2 genannte Tatbestandsmerkmal der Gefahr für Leib und Leben von Menschen. Gemeingefahr ist als weiterer Begriff ein Zustand, der die Verletzung von Rechtsgütern in einem nicht zum voraus bestimmten und abgegrenzten Umfange wahrscheinlich macht (THORMANN / OVERBECK, N. 10 zu Art. 221 und Vorbemerkungen N. 1 zu Art. 221–230 StGB; HAFTER, Bes. Teil II, S. 491, 495). Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass auch Personen gefährdet seien; es genügt schon die Gefahr, dass das Feuer auf benachbarte Gebäude oder andere Sachen übergreife. Unter Gefahr für Leib und Leben von Menschen im Sinne des Abs. 2 ist dagegen die Gefährdung individuell bestimmter Personen, namentlich der Bewohner des angezündeten Gebäudes, zu verstehen. Aus welchem Beweggrunde der Beschwerdeführer sodann gehandelt hat, ob zur Erlangung der Versicherungsentschädigung oder zur Erreichung eines anderen Zweckes, ist ohne Belang. Eine besondere Absicht wird vom Gesetze nicht gefordert. Zum subjektiven Tatbestand des Art. 221 Abs. 2 StGB gehört bloss, dass der Täter die objektiven Tatbestandsmerkmale des Abs. 1 mit Wissen und Willen (vorsätzlich) erfüllt und darüber hinaus weiss, dass er Leib und Leben von Menschen in konkrete Gefahr bringt. Nach der Rechtsprechung zu Art. 237 Ziff. 1 und anderen Bestimmungen des StGB, in .
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denen wie in Art. 221 Abs. 2 ausdrücklich bloss von wissentlicher Gefährdung die Rede ist, genügt es, dass der Täter die durch seine Tat herbeigeführte Gefahr für Leib und Leben von Menschen kennt; zu wollen braucht er sie nicht (BGE 73 IV 229Erw. 1). .
2. Die Vorinstanz hat die Frage der konkreten Gefährdung von Leib und Leben von Personen bejaht, mit Recht. Nach ihren verbindlichen Feststellungen fand BGE 85 IV 130 S. 133 das im rund 24 m langen Mitteltrakt zwischen 22.30 und 23.00 Uhr gelegte Feuer in der leichten Holzkonstruktion der Baracke reichlich Nahrung, und es breitete sich rasch aus; Mitteltrakt und ein Teil des Ostflügels brannten innert kurzer Zeit nieder. Griff aber das Feuer mit sehr grosser Geschwindigkeit um sich und konnte der Brand, wie ebenfalls feststeht, nur dank eines Zufalles verhältnismässig frühzeitig bemerkt und durch die Feuerwehr bekämpft werden, so lag nach menschlicher Erfahrung die Wahrscheinlichkeit nahe, dass das Feuer sich auf das ganze Barackengebäude ausdehnte und dass die in den beiden angebauten Seitenflügeln untergebrachten Bewohner, die zum Teil bereits schliefen, der ernsthaften Gefahr ausgesetzt waren, getötet, verletzt oder an der Gesundheit geschädigt zu werden, sei es durch Feuer oder einstürzende Gebäudeteile, sei es durch Rauch oder Brandgase, ist doch festgestellt worden, dass der Asphalt auf dem Dachboden in Flammen stand und von der Decke tropfte. Die Gefahr für Leib und Leben der Barackenbewohner wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass die Italiener, die im Ostflügel wohnten, sich durch die Fenster ins Freie flüchten und einen Teil ihrer Habe in den Flammen zurücklassen mussten. Nach der verbindlichen Feststellung des Schwurgerichts hat der Beschwerdeführer, der über die Verhältnisse genau im Bilde war, gewusst, dass durch die Brandlegung Personen an Leib und Leben gefährdet werden. Der Tatbestand des Art. 221 Abs. 2 StGB ist damit objektiv und subjektiv erfüllt. 3.
Die Vorinstanz betrachtet den Beschwerdeführer als Mittäter, weil er die
Initiative zur Brandstiftung ergriff, den Plan zur Tat entwarf, die Rollen verteilte, seinem Bruder Gottfried Weisungen über die Art des Vorgehens bei der Brandlegung erteilte und die Ausführung der Tat erleichterte. Damit hat sie den Begriff der Mittäterschaft nicht verkannt. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht so sehr auf die Beteiligung an der BGE 85 IV 130 S. 134 Ausführungshandlung, sondern entscheidend auf das Mass des schuldhaften Willens abzustellen (vgl.BGE 69 IV 98;BGE 70 IV 102;BGE 77 IV 91; BGE 81 IV 62, 149). Wenn sich der Beschwerdeführer auch nicht am Entfachen des Feuers beteiligt hat, so beschränkte sich sein Wille auch nicht bloss auf die Anstiftung seiner Brüder, wie er zu Unrecht geltend macht. Er war darüber hinaus an der Organisation und Vorbereitung der Tat massgebend beteiligt und spielte als geistiger Urheber des Planes die führende Rolle beim ganzen Unternehmen. .
4. Das Schwurgericht verurteilte den Beschwerdeführer als Mittäter der qualifizierten Brandstiftung und zugleich als Anstifter zu diesem Verbrechen, davon ausgehend, dass er zwei voneinander unabhängige Handlungen begangen habe, die im Sinne von Art. 68 Ziff. 1 StGB realiter miteinander konkurrierten. Eine solche Konkurrenz zwischen Mittäterschaft und Anstiftung ist z.B. möglich, wenn der Anstifter sich erst nachträglich entschliesst, sich an der Tat zu beteiligen, zu der er angestiftet hat. Ob indessen zwei konkurrierende Handlungen auch vorliegen, wenn der Mittäter, wie es hier zutrifft, schon im Zeitpunkt der Anstiftung den Willen hat, an der Planung und Vorbereitung der Tat in massgebender Weise mitzuwirken, oder ob in einem solchen Falle die Anstiftung nicht eher als Ausfluss eines einheitlichen, auf die Haupttat gerichteten Willensentschlusses in der Mittäterschaft aufgehe, ist umstritten (vgl. THORMANN / OVERBECK, Vorbemerkungen N. 11 zu Art. 24 StGB; GERMANN, Das Verbrechen, S. 87, 197 Ziff. 5; SCHWANDER, Das schweiz. Strafgesetzbuch, S. 124/5 Nr. 317; SCHULTZ, ZStR 1956, S. 290). Die Frage braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Die Vorinstanz erklärt nämlich, dass sie ohne Annahme einer Konkurrenz die Anstiftung im Rahmen des Art. 63 StGB berücksichtigt hätte .
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und dass sie auf diesem Wege zum gleichen Ergebnis gelangt wäre. Steht aber fest, dass im Falle der Nichtanwendung von Art. 68 Ziff. 1 an der ausgesprochenen Strafe nichts BGE 85 IV 130 S. 135 geändert würde, so ist die Beschwerde in diesem Punkt unbegründet (BGE 81 IV 76). .
5. Der Beschwerdeführer wollte seinen Bruder Rudolf zur Gehilfenschaft bei qualifizierter Brandstiftung anstiften. Rudolf Schmid, dem die Gefahr für Leib und Leben von Menschen nicht bekannt war, hat sich jedoch bloss der einfachen Brandstiftung schuldig gemacht. Der Beschwerdeführer wendet daher zu Recht ein, dass seine Schuldigerklärung wegen Anstiftung zur Gehilfenschaft zum Tatbestand des Art. 221 Abs. 2 StGB nicht standhält. Nach dem Grundsatze der Akzessorietät der Anstiftung kann ihm an sich nur Anstiftung zur Gehilfenschaft bei einfacher Brandstiftung zugerechnet werden. Daneben erfüllt die Tat aber gleichzeitig den nach Art. 24 Abs. 2 StGB selbständigen Straftatbestand der versuchten Anstiftung zur Gehilfenschaft bei qualifizierter Brandstiftung, da dieses Delikt mit Zuchthaus bedroht und somit Verbrechen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 StGB ist. Das hat indessen nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge. Die Vorinstanz hat die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage nicht übersehen, sie aber aus prozessualen Gründen offen gelassen mit der Begründung, dass sie angesichts der übrigen dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen für die Strafzumessung völlig bedeutungslos sei. Damit gibt sie zu erkennen, dass eine Berichtigung des Schuldspruches an den ausgesprochenen Rechtsfolgen nichts zu ändern vermöchte. Nur zur Änderung der Urteilsgründe, zu denen auch der Schuldspruch gehört, ist jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde nicht gegeben (BGE 81 IV 76 und dort erwähnte Entscheidungen). .
BGE 85 IV 224 59. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. November 1959 i. S. Müller & Konsorten gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. Regeste 1. Art. 221 Abs. 1 StGB. a) Eine Feuersbrunst liegt vor, wenn der Brand vom Urheber nicht mehr selber bezwungen werden kann (Erw. I/1); b) Der Versicherer des verbrannten Gegenstandes ist nicht Geschädigter (Erw. I/2); c) Der Haupt- oder Alleinaktionär, der eine Sache der Gesellschaft anzündet, schädigt einen anderen (Erw. I/3). 2. Art. 239 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. .
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a) Unter den Begriff der öffentlichen Verkehrsanstalt fallen auch Privatbetriebe, die öffentlichen Verkehrszwecken dienen (Erw. III/2); b) Das Eigentum an einem Teil der Verkehrsanlage berechtigt nicht zur Störung des Betriebes (Erw. III/3). .
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Sachverhalt ab Seite 225 BGE 85 IV 224 S. 225 A. Reinhold Müller war Eigentümer eines Oelgemäldes, das Paolo Ucello zugeschrieben wurde. Am 20. Dezember 1957 liess er es für Fr. 75 000.– bei der Versicherungsgesellschaft «Helvetia» für die Dauer von drei Tagen gegen Transportgefahren, worunter auch gegen Feuer, versichern. Zwei Tage später unternahm er mit einem Personenauto, das der von ihm beherrschten Primera AG gehörte, in Begleitung seines Angestellten Mohler eine Fahrt, angeblich um das mitgeführte Gemälde von Zürich nach Bern zu bringen. Zwischen Berikon und Zufikon täuschte Mohler, der den Wagen führte, auf offener Strecke eine Motorpanne vor, indem er ausstieg und sich am Vergaser und an
der Benzinzuleitung zu schaffen machte. Unterdessen zündete Müller die im Wageninnern befindlichen Putzlappen an, nachdem er sie mit Benzin übergossen hatte, so dass schlagartig ein grosses Feuer entstand, welches das Gemälde samt Rahmen und Verpackung vollständig vernichtete und das Innere des Fahrzeuges zerstörte. Müller und Mohler erklärten auf dem Brandplatz dem Polizisten, beim Versuch, den Motordefekt zu beheben, BGE 85 IV 224 S. 226 sei durch eine beim Armaturenbrett plötzlich auftretende Stichflamme der Mittelteil des Fahrzeuges explosionsartig in Feuer geraten. Am 23. Dezember 1957 meldete Müller der Versicherung den angeblich durch Selbstentzündung entstandenen Feuerschaden und erhob Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme von Fr. 75 000.–. Am 30. Dezember 1957 und 21. Januar 1958 erneuerte er das Begehren. Die Versicherungsgesellschaft, welche Verdacht geschöpft hatte, verweigerte jedoch die Deckung des Schadens. B.
…
C. Gerhard Müller erstellte 1955/56 im Auftrag der Autobus AG, Liestal, die Gondelbahn Reigoldswil-Wasserfallen. Nach Beendigung der Arbeiten hielt die Auftraggeberin einen bedeutenden Teil des vereinbarten Werklohnes wegen angeblicher Mängel zurück. Da der darüber geführte Prozess einen schleppenden Gang nahm und Müller auf sein Guthaben angewiesen war, versuchte er, die Befriedigung seiner Ansprüche auf andere Weise zu erreichen. Sein Bruder Reinhold Müller liess durch die Mastag AG eine Landparzelle erwerben, auf dem der erste Trägermast der Seilbahn errichtet war; in der Nacht vom 14./15. Januar 1958 liessen die Gebrüder Müller durch Fachleute den Trägermast demontieren und das Förderseil durchschneiden. Die Gondelbahn wurde dadurch für einige Zeit ausser Betrieb gesetzt. D. Das Kriminalgericht des Kantons Aargau erklärte am 12. Februar 1959 Reinhold Müller und Mohler, diesen neben anderen Delikten, der vorsätzlichen Brandstiftung und des versuchten Betruges sowie Gerhard und
Reinhold Müller der vorsätzlichen Störung eines öffentlichen Betriebes schuldig. E. Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird unter anderem Freispruch von den Anklagen der Brandstiftung und der Störung eines öffentlichen Betriebes verlangt. F. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt Abweisung der Beschwerden. BGE 85 IV 224 S. 227 Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: I.
Brandstiftung.
I.1. Vorsätzliche Brandstiftung setzt nach Art. 221 Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter eine Feuersbrunst verursacht, welche einen andern schädigt oder eine Gemeingefahr herbeiführt. Unter Feuersbrunst versteht das Gesetz nicht einen so grossen oder gefährlichen Brand, dass der Täter nicht mehr imstande ist, den Umfang des drohenden Schadens auf bestimmte Sachen oder Personen zu begrenzen. Läge nur dann Brandstiftung vor, so wäre das besondere Tatbestandsmerkmal der Gemeingefahr überflüssig, das nach Art. 221 Abs. 1 nur erfüllt sein muss, wenn ein Schaden Dritter nicht entsteht (BGE 85 IV 131). Das Merkmal der Feuersbrunst wird somit im vorliegenden Falle nicht deswegen ausgeschlossen, weil Müller das Auto mit dem Bild an einer einsamen, auf offenem Feld gelegenen Stelle angezündet hat, wo ein Übergreifen des Feuers auf andere Güter nicht zu befürchten war. Wie auch die Entstehungsgeschichte des Art. 221 zeigt, hat der Ausdruck Feuersbrunst den Sinn, dass nicht jedes unbedeutende Feuer, das ohne Gefahr beherrscht werden kann, unter den Brandstiftungstatbestand fallen soll, sondern bloss ein Feuer von solcher Stärke oder Ausdehnung, dass es vom Urheber nicht mehr selber bezwungen .
werden kann (STOOS, Bericht zum Vorentwurf 1896, S. 43; ZüRCHER, Erläuterungen zum Vorentwurf von 1908, S. 266; Botschaft des Bundesrates vom 23. Juli 1918, BBl 1918 IV S. 46; Sten.Bull. NR 1929 S. 545/6 und StR 1931 S. 547; THORMANN / OVERBECK, Art. 221 N 1 und 6; HAFTER, Bes. Teil Bd. II, S. 499 und 502; LOGOZ, Art. 221 N 1 S. 429; SCHWANDER, Das schweiz. Strafgesetzbuch, Nr. 669). Diese Voraussetzung trifft hier zu. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die den Kassationshof gemäss Art. 277bis Abs. 1 und Art. 273 Abs. 1 lit. b .
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BGE 85 IV 224 S. 228 BStP binden, hat das im Auto entfachte Feuer einen derart erheblichen Umfang angenommen, dass die Beschwerdeführer es nicht mehr zu meistern imstande waren; zudem bestand wegen des im Wagen vorhandenen Benzinvorrates Explosionsgefahr, so dass auch Polizei und Publikum gezwungen waren, sich vom Brandobjekt entfernt zu halten und von jedem Löschungsversuch abzusehen. I.2. Eine Gemeingefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 StGB ist durch das Inbrandsetzen des Autos mit Bild, wie auch die Vorinstanz annimmt, nicht enstanden. Die Beschwerdeführer sind somit wegen Brandstiftung nur strafbar, wenn sie die Feuersbrunst zum Schaden eines andern verursacht haben. Die Vorinstanz betrachtet ohne nähere Begründung als selbstverständlich, dass der Versicherer des verbrannten Gemäldes geschädigt worden sei, auch wenn die Auszahlung einer Versicherungsleistung unterblieben ist. Bei der Brandstiftung, die nur an einer körperlichen Sache möglich ist, könnte man sich aber fragen, ob unter Schaden im Sinne von Art. 221 Abs. 1 nicht ausschliesslich der Schaden zu verstehen sei, der unmittelbar durch die Zerstörung oder Beschädigung des Brandobjektes entsteht, also derjenige, der den Eigentümer des verbrannten Gegenstandes und im Falle der Brandstiftung an eigener Sache andere dinglich oder obligatorisch Berechtigte trifft. Bei dieser Betrachtungsweise wäre der Versicherer, der lediglich aus Vertrag zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist und nicht selber zu den erwähnten
Berechtigten zählt, bloss indirekt geschädigt und der ihn belastende Versicherungsanspruch infolgedessen nicht Schaden im Sinne von Art. 221 StGB. Die Frage kann indessen offen bleiben. Im vorliegenden Falle ist eine nach Art. 221 StGB beachtliche Schädigung des Versicherers nicht eingetreten, weil das versicherte Gemälde vom Versicherungsnehmer vorsätzlich in Brand gesteckt wurde. Gemäss Art. 14 Abs. 1 VVG haftet der Versicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das BGE 85 IV 224 S. 229 befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. Die Versicherungsgesellschaft war somit jeder Leistungspflicht entbunden (ROELLI, Anm. 3 / d zu Art. 14 und 15 VVG). Aus dem Versicherungsvertrag entstand überhaupt keine Forderung, nicht einmal eine wegen Unverbindlichkeit anfechtbare. Darum war auch ein bloss vorübergehender Schaden, wie er z.B. beim betrügerisch zustandegekommenen Darlehensvertrag möglich ist (BGE 74 IV 152), ausgeschlossen. Wollte man noch einen Schaden darin erblicken, dass der Versicherer sich des vom Versicherungsnehmer erweckten Scheins eines Forderungsrechtes erwehren musste und Gefahr lief, den Nachweis der absichtlichen Schadensverursachung nicht erbringen zu können, so wären diese Nachteile nicht auf den Brand an sich, sondern auf die falsche Schadensanzeige zurückzuführen; denn erst durch diese erhielt der Versicherer davon Kenntnis, dass der Eintritt eines Schadensereignisses behauptet und daraus ein Versicherungsanspruch abgeleitet werden wollte. Der Schaden wäre also die Folge des betrügerischen Verhaltens des Versicherungsnehmers und daher unter dem Gesichtspunkt des Art. 148 StGB zu würdigen. Aus diesen Erwägungen folgt, dass der Versicherer im Falle vorsätzlicher Brandstiftung erst durch das Hinzutreten betrügerischer Handlungen geschädigt werden kann; gegen diese Verletzung bietet ihm aber die Betrugsbestimmung einen genügenden strafrechtlichen Schutz. Zum gleichen Ergebnis ist der Kassationshof schon im Falle der fahrlässigen Brandstiftung gelangt; wie in BGE 83 IV 28 dargelegt wurde, ist der Versicherer, der in Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht eine Entschädigung leistet, nicht .
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geschädigt im Sinne von Art. 222 StGB, sondern höchstens nach Art. 148 StBG, falls er auf betrügerische Weise zur Leistung veranlasst worden ist. Die Beschwerdeführer haben den Tatbestand der Brandstiftung, angeblich begangen durch Verbrennen des Bildes, mangels Schädigung eines Dritten nicht erfüllt und sind daher freizusprechen. BGE 85 IV 224 S. 230 I.3. Die Vorinstanz erklärt, es könne mit Rücksicht auf die Brandstiftung am Bild dahingestellt bleiben, ob durch den Brand nicht auch die von Müller beherrschte Primera AG als Eigentümerin des verbrannten Autos oder sogar die Gläubiger dieser finanziell bedrängten Gesellschaft geschädigt worden seien. Dafür, dass einzelne oder sämtliche Gesellschaftsgläubiger durch den Autobrand eine Vermögenseinbusse erlitten hätten, bieten die Akten jedoch keinerlei Anhaltspunkte, weshalb auch in diesem Zusammenhange nicht entschieden zu werden braucht, ob ein solcher indirekter Schaden überhaupt für den Tatbestand des Art. 221 genügt. Dagegen bleibt zu prüfen, ob der durch die Zerstörung des Fahrzeuges entstandene Schaden sich zum Nachteil der Primera AG als eines andern im Sinne von Art. 221 Abs. 1 StGB ausgewirkt hat, und zwar auch dann, wenn Müller ihr Haupt- oder Alleinaktionär gewesen ist. Zivilrechtlich war die Primera AG im Verhältnis zu Müller eine andere Person und das ihr gehörende Auto für ihn eine fremde Sache. Wirtschaftlich betrachtet besteht freilich zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter, der alle Aktien in seiner Hand vereinigt, Identität. Die Frage des Eigentums beurteilt sich indessen auch im Strafrecht nach rechtlichen, nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Wo das Strafgesetzbuch die Fremdheit einer Sache fordert (z.B. Art. 137, 140 Ziff. 1 Abs. 1, 141, 145), setzt es voraus, dass die Sache rechtlich nicht im Alleineigentum des Täters steht. Dementsprechend hat die Rechtsprechung die Begriffe der herrenlosen Sache und des Eigentums stets im Rechtssinne ausgelegt (BGE 72 IV 153,BGE 78 IV 26); ein strafrechtliches oder wirtschaftliches Eigentum gibt es nicht (Leipziger Kommentar, Bem. B III vor § 242 DStGB; SCHöNKE, Kommentar zu § 242 DStGB S. 677). Die gleichen Grundsätze müssen auch gelten, wenn es sich um Eigentum einer juristischen Person handelt, die kraft ihrer eigenen .
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Rechtspersönlichkeit BGE 85 IV 224 S. 231 der gleichen Vermögensrechte fähig ist wie die natürliche Einzelperson (Art. 53 ZGB). Die Aktiengesellschaft als selbständige Vermögensträgerin ist daher mit Bezug auf ihr Eigentum nicht nur nach aussen, sondern auch im Verhältnis zu den einzelnen Gesellschaftern ein anderer im Sinne von Art. 221 StGB (THORMANN / OVERBECK, N 8 zu Art. 221 StGB). Auch die Einmanngesellschaft, die nach der Praxis des schweizerischen Rechts geduldet wird, behält ihre Rechtspersönlichkeit bei und bleibt Trägerin eigenen Vermögens, solange sie nicht aufgelöst und die Liquidation nicht durchgeführt ist (BGE 50 II 176,BGE 67 II 29). Die wirtschaftliche Identität zwischen Gesellschaft und Alleinaktionär ist nur dann rechtserheblich mit der Wirkung, dass die formalrechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft nach Treu und Glauben nicht zu beachten ist, wenn der Alleinaktionär beim Abschluss von Rechtsgeschäften seine besondere Stellung missbraucht und aussenstehende Drittpersonen dadurch in ihren Rechten oder schutzwürdigen Interessen verletzt würden (BGE 72 II 76, BGE 81 II 459). Ausser in diesen Sonderfällen muss sich aber der Aktionär die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft entgegenhalten lassen; dieser Nachteil ist das Gegenstück zu den Vorteilen, die ihm aus der Rechtsform der AG, so z.B. aus der Beschränkung der Haftung, zukommen. Wenn er widerrechtlich Eigentum der Einmanngesellschaft verletzt, so schädigt er daher fremdes, nicht eigenes Vermögen (SIEGWART, N 26 zu Art. 625 OR) und kann sich dadurch des Diebstahls, der Veruntreuung usw. schuldig machen (Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. 42 S. 283 und 71 S. 355). Ist demnach die Primera AG eine von Müller verschiedene Person, auch wenn dieser ihr Alleinaktionär gewesen sein sollte, so erfüllt das Inbrandsetzen des Autos alle Merkmale der vorsätzlichen Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB. … .
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BGE 85 IV 224 S. 232
III. Störung eines öffentlichen Betriebes. III.1. … III.2. Nach Art. 239 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer vorsätzlich den Betrieb einer öffentlichen Verkehrsanstalt, namentlich den Eisenbahn-, Post-, Telegraphen- oder Telephonbetrieb hindert, stört oder gefährdet. Diese Bestimmung will die ungestörte Aufrechterhaltung von Betrieben sichern, die öffentlichen Verkehrszwecken dienen. Geschützt ist das öffentliche Interesse an der Benützbarkeit einer für die Allgemeinheit bestimmten Verkehrsanlage, nicht das Interesse, das der Eigentümer an der Unversehrtheit seines Eigentums oder an der Ertragsfähigkeit seines Unternehmens hat. Art. 239 Ziff. 1 stellt daher nicht auf die Art des Eigentums oder die Person des Eigentümers des Betriebes ab, sondern, wie der Randtitel unmissverständlich erkennen lässt, einzig darauf, ob der Betrieb der Allgemeinheit dient (service d’intérêt général), mit anderen Worten, ob er von öffentlichem Interesse ist. Abs. 2 bringt diesen Grundgedanken deutlich zum Ausdruck, indem dort die Hinderung, Störung oder Gefährdung jeder Anstalt oder Anlage, die der Versorgung der Allgemeinheit mit Wasser, Licht, Kraft oder Wärme dient, ohne Rücksicht darauf, wem der Betrieb gehört, mit Strafe bedroht. Weshalb ein der Allgemeinheit dienender Verkehrsbetrieb den erwähnten Versorgungsbetrieben nur dann gleichgestellt sein sollte, wenn er in öffentlichem Eigentum steht, wäre nicht einzusehen, denn von öffentlichem Interesse ist auch ein privater Verkehrsbetrieb, wenn er dazu bestimmt ist, der Allgemeinheit zu dienen. Unter den Begriff der öffentlichen Verkehrsanstalt im Sinne von Abs. 1 fallen daher insbesondere auch Privatbetriebe, welche die Beförderung auf Grund einer öffentlichrechtlichen Konzession betreiben. Gegen diese Auffassung wenden die Beschwerdeführer zu Unrecht ein, das Erfordernis einer Konzession mache einen Betrieb noch nicht zu einer öffentlichen Anstalt, .
BGE 85 IV 224 S. 233 weil sonst die meisten Taxiunternehmen und der Betrieb von
Gesellschaftswagen dem Schutze des Art. 239 StGB unterstellt wären. Die Taxibetriebe führen in der Regel keine regelmässigen Fahrten im Sinne von Art. 1 der Vollziehungsverordnung vom 23. Dezember 1955 zum Postverkehrsgesetz durch; insoweit ist deren Personenbeförderung von der Konzessionspflicht ausgenommen, ebenso unter bestimmten Voraussetzungen diejenige mit Gesellschaftswagen auf regelmässigen Rundfahrten (Art. 2 des BRB über regelmässige Rundfahrten mit Automobilen vom 23. Dezember 1955). Die Polizeibewilligung aber, von deren Erteilung die Ausübung des Taxigewerbes oder die Benützung eines Standplatzes abhängig gemacht werden kann, stellt nicht eine Konzession im eigentlichen Sinne dar (BGE 79 I 336). Die Autobus AG betreibt die Luftseilbahn Reigoldswil-Wasserfallen zur gewerbsmässigen Beförderung von Personen mit regelmässigen Fahrten, wozu ihr das Eidg. Post- und Eisenbahndepartement gestützt auf Art. 3 des Postverkehrsgesetzes die Konzession erteilt hat (Verkehrsaktensammlung 1955 S. 301). Der Betrieb der Seilbahn ist demnach eine öffentliche Verkehrsanstalt gemäss Art. 239 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Dass die Anlage vorwiegend dem Ausflugs- und Sportverkehr dient, ändert nichts daran, dass sie jedermann offen steht und nach der Art der Personenbeförderung unter das Postregal fällt. .
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III.3. Indem die Beschwerdeführer einen Trägermast der Seilbahn demontierten und das Förderseil durchschnitten, haben sie den Betrieb vorsätzlich gehindert. Dazu waren sie nicht berechtigt, selbst dann nicht, wenn ihre Behauptung zutreffen sollte, dass der Baurechts- und Durchleitungsvertrag, der zwischen der Autobus AG und dem früheren Grundstückeigentümer Roth geschlossen wurde, nicht verbindlich sei und infolgedessen die auf diesem Grundstück erstellten Anlagen nicht nach Art. 676 ZGB Zugehör der Seilbahn, sondern Bestandteil des Grundstücks geworden seien. Das Verbot des Art. 239 BGE 85 IV 224 S. 234 StGB gilt auch für die Eigentümer der Anlage, soweit sie nicht als Konzessionäre im Rahmen der Konzessionsbedingungen über die
Betriebsanlagen zu verfügen berechtigt sind. Das Eigentum, das der Mastag AG allenfalls an einem Teil der Anlage zustand, gab daher den Beschwerdeführern nicht das Recht, den Betrieb der Seilbahn ohne Ermächtigung der Konzessionärin stillzulegen. Auch die Berufung der Beschwerdeführer auf das Recht der Selbsthilfe gemäss Art. 926 ZGB geht fehl. Reinhold Müller handelte nach seinen eigenen Angaben ausschliesslich im Interesse und Auftrag seines Bruders Gerhard Müller, und dieser liess nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die Seilbahn unterbrechen, um dadurch die Autobus AG zur Anerkennung und Befriedigung seiner Lohnforderung zu veranlassen. Den Beschwerdeführern ging es demnach in Wirklichkeit gar nicht um die Wahrung des Besitzes am Grundstück. Die Bestimmung des Art. 926 ZGB ist schon aus diesem Grunde nicht anwendbar. Davon abgesehen stand der Schaden, der durch den Abbruch des Trägermasts und das Durchschneiden des Förderseiles der Autobus AG erwuchs, in keinem angemessenen Verhältnis zur behaupteten Besitzesstörung. Diese bestand übrigens schon, bevor die Mastag AG das Grundstück von Roth erwarb, und es war deshalb auch keine Gefahr im Verzuge, die es notwendig gemacht hätte, unter Umgehung des ordentlichen Rechtsweges durch gewaltsamen Eingriff Abhilfe zu schaffen.
BGE 89 IV 85 17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1963 i. S. Ferro gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau. Regeste 1. Zwischen Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 und 187 StGB besteht unechte Gesetzeskonkurrenz (Erw. 2). 2. Art. 187 Abs. 2 StGB. Der Täter muss die Frau bewusstlos oder widerstandsunfähig gemacht haben, bevor er sie geschlechtlich missbraucht. Subjektive Voraussetzungen (Erw. 3). .
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Sachverhalt ab Seite 86 BGE 89 IV 85 S. 86 A. Giovanni Ferro fuhr am 11. März 1962, etwa 21.15 Uhr, zusammen mit Erich Peter in einem Personenauto auf der Strasse Kreuzlingen-Frauenfeld. In der Gegend von Bernrain hielten sie an, griffen die auf der Strasse in die FHD-Kaserne zurückkehrende, 1940 geborene X. an und schleppten sie gewaltsam in den Wagen, worauf Peter das Fahrzeug in Bewegung setzte und davon fuhr, während Ferro die Überfallene auf der hintern Sitzbank festhielt und am Aussteigen hinderte. Nach rund 7,5 km langer Fahrt hielt Peter das Auto in der Nähe von Dotnacht auf einem abgelegenen Feldweg an. Die beiden Männer vollzogen hierauf nacheinander mit Gewalt den Beischlaf mit X., währenddessen jeder den andern in der Weise unterstützte, dass er das Opfer auf der Sitzbank festhielt und am Schreien hinderte. B. Die Kriminalkammer des Kantons Thurgau erklärte am 17. Dezember 1962 Ferro der qualifizierten Freiheitsberaubung (Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1), der qualifizierten Notzucht (Art. 187 Abs. 2) und der Gehilfenschaft dazu .
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(Art. 187 Abs. 2 und Art. 25 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Jahren Zuchthaus, zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit und zu zehn Jahren Landesverweisung. Ferner verpflichtete sie den Verurteilten, X. Fr. 2000.– als Genugtuung zu bezahlen. C. Ferro führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der Kriminalkammer aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, der Tatbestand der Freiheitsberaubung gehe in demjenigen der Notzucht auf und diese sei nur in der Form des Art. 187 Abs. 1 StGB erfüllt. D. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt, die Beschwerde abzuweisen. BGE 89 IV 85 S. 87 Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Eine Freiheitsberaubung begeht, wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht (Art. 182 Ziff. 1 StGB). Dieser Tatbestand ist erfüllt. Der Beschwerdeführer hat X. gegen deren Willen zunächst zusammen mit Peter in das Auto geschleppt und sie hierauf während der rund 7,5 km langen Fahrt am Aussteigen gehindert. Durch die Festnahme auf der Strasse und das Festhalten im fahrenden Auto wurde X., die zu Fuss in die Kaserne zurückkehren wollte, ihrer Bewegungsfreiheit beraubt. Nach der Feststellung der Kriminalkammer hat der Beschwerdeführer nicht nur diesen Erfolg gewollt, sondern darüber hinaus in der Absicht gehandelt, X. an einem abgelegenen Ort zur Unzucht zu missbrauchen. Diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet den Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277 bis Abs. 1 BStP). Die Tat fällt daher unter die Bestimmung des Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 StGB. .
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2. Der Beschwerdeführer hat, was nicht bestritten ist, an X. ausserdem das Verbrechen der Notzucht (Art. 187 StGB) begangen. Richtig ist, dass diese Tat und die vorausgegangene Freiheitsberaubung nicht idealiter konkurrieren. Idealkonkurrenz ist aber nicht deswegen zu verneinen, weil Art. 182 und 187 im Verhältnis der unechten Gesetzeskonkurrenz zueinander stünden, wie der Beschwerdeführer glaubt, sondern weil er die beiden Straftatbestände nicht durch ein und dieselbe Handlung erfüllt hat. Mit den Notzuchtshandlungen begann er erst, als nach 7,5 km langer Autofahrt ein abgelegener Ort erreicht, das Verbrechen der Freiheitsberaubung also, auch wenn es noch andauerte, schon vollendet war; von einer einzigen Handlung, durch die sowohl Art. 182 als auch Art. 187 verletzt worden wären, kann nicht die Rede sein. Die Vorinstanz hat denn auch die Strafe nicht wegen Ideal-, .
BGE 89 IV 85 S. 88 sondern wegen Realkonkurrenz gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB erhöht. Die Anwendung dieser Bestimmung wäre nur dann nicht zulässig, wenn eine der beiden in Frage kommenden Bestimmungen – Art. 182 oder 187 – das Verhalten des Beschwerdeführers nach allen Seiten erfassen würde. Das trifft nicht schon zu, wenn zwei selbständige strafbare Handlungen objektiv und subjektiv so zusammenhangen, dass die eine bloss als Vorbereitungs- oder Fortsetzungshandlung der andern erscheint. Insbesondere genügt der einheitliche Willensentschluss des Täters nicht, um die einzelnen Handlungen zu einem einzigen Verbrechen zu machen oder aus ihrem subjektiven Zusammenhang abzuleiten, dass die Strafe für die eine Tat auch die andere abgelte. So hat der Kassationshof unechte Gesetzeskonkurrenz z. B. verneint, wenn der Täter sich gleichzeitig entschlossen hat, eine Urkunde zu fälschen und damit jemanden zu betrügen (BGE 71 IV 207) oder falsches Geld einzuführen und es in Umlauf zu setzen (BGE 77 IV 16; vgl. ferner BGE 80 IV 256 und dort erwähnte frühere Entscheidungen). Ebensowenig schliesst die eine Bestimmung die Anwendung der andern aus, wenn jemand an einer Frau das Verbrechen des Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 verübt und sie nachher, wie von vorneherein beabsichtigt, zur Notzucht nach Art. 187 missbraucht. -Weder braucht der Notzucht stets eine Freiheitsberaubung vorauszugehen, noch führt .
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die Freiheitsberaubung, die an einer Frau begangen wird, um sie geschlechtlich zu missbrauchen, notwendig dazu, dass der Täter sie mit Gewalt oder unter schwerer Drohung zur Duldung des Beischlafes zwingt. Der Täter kann, nachdem er die Frau z. B. eingeschlossen hat, auf sein Vorhaben verzichten, an der Verwirklichung seiner Absicht gehindert werden, oder die Frau kann sich ihm freiwillig hingeben. Art. 187, der die Freiheit und Ehre in geschlechtlichen Dingen schützt, gilt die dem geschlechtlichen Angriff vorausgegangene Beschränkung der Bewegungsfreiheit des Opfers nicht mit ab, während anderseits Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 BGE 89 IV 85 S. 89 die Verwirklichung der unzüchtigen Absicht nicht erfasst. 3.a) Notzucht im Sinne des Art. 187 Abs. 1 StGB liegt immer dann vor, wenn eine Frau, die imstande ist, körperlichen Widerstand zu leisten, durch Gewalt oder schwere Drohung zur Duldung des ausserehelichen Beischlafs gezwungen wird, sei es, dass ihr Widerstand gewaltsam gebrochen wird, sei es, dass sie unter dem Drucke des ausgeübten Zwanges zum voraus auf Widerstand verzichtet oder ihn nach anfänglicher Abwehr aufgibt (BGE 75 IV 115/6; BGE 87 IV 71). Der in Abs. 2 mit schwererer Strafe bedrohte Fall setzt dagegen voraus, dass der aussereheliche Beischlaf mit einer bewusstlosen oder zum Widerstand unfähigen Frau vollzogen wird. Das gleiche Tatbestandsmerkmal findet sich in der Bestimmung über die Schändung (Art. 189 Abs. 1 StGB), wie denn auch der Tatbestand des Art. 187 Abs. 2 ursprünglich als erschwerter Fall der Schändung behandelt worden ist (Prot. 1 Exp. Kom. Bd. II S. 161 ff., 577 ff.). Von dieser unterscheidet er sich aber durch den Umstand, dass der Täter das Opfer nicht schon im Zustande der Wehrlosigkeit antrifft, sondern es selber in diesen Zustand versetzt. Dabei muss er, wie sich aus der Wendung «zu diesem Zweck» ergibt, die Wehrlosigkeit des Opfers in der Absicht herbeiführen, es nachher geschlechtlich zu missbrauchen. Wer aus einem anderen Beweggrunde eine Frau bewusstlos oder widerstandsunfähig macht und sich erst dann entschliesst, an ihr den Beischlaf zu vollziehen, macht sich der Schändung, nicht der Notzucht schuldig (Prot. 2. Exp. Kom. Bd. III .
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S. 131, 135/6). Über die Mittel, mit denen der Täter sein Opfer wehrlos macht, schweigt sich Art. 187 Abs. 2 aus. In der Gesetzesberatung wurden vor allem Mittel mit betäubender Wirkung genannt (Narkotika, Hypnose, Alkohol), doch erfasst der Wortlaut der Bestimmung auch die Anwendung von Gewalt (z.B. betäubender Schlag, Fesselung). Entscheidend ist indessen nicht so sehr die Art des verwendeten Mittels als vielmehr, dass der Täter es unmittelbar .
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BGE 89 IV 85 S. 90 zur Herbeiführung der Bewusstlosigkeit oder Widerstandsunfähigkeit der Frau, die er missbrauchen will, verwendet hat und dass dieser Erfolg eingetreten ist, ehe der Beischlaf vollzogen wurde. Der Grund für das hohe Strafminimum von drei Jahren Zuchthaus, das Art. 187 Abs. 2 vorsieht, liegt in der besonders verwerflichen Gesinnung des Täters, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass er sich vornimmt, zuerst eine Frau gegen ihren Willen wehrlos zu machen, um sie hernach ohne Widerstand zu missbrauchen. b) X. ist nicht vollständig widerstandsunfähig gemacht worden, bevor sie von Peter und vom Beschwerdeführer vergewaltigt wurde. Sie hat, wie die Kriminalkammer feststellt, bloss während der Unzuchtshandlungen zufolge der Gewaltanwendung der beiden Männer keinen ernsthaften Widerstand mehr leisten können. Daraus ergibt sich nicht, dass sie überhaupt nicht mehr imstande gewesen sei, Widerstand zu leisten, sondern nur, dass ihr Widerstand wirkungslos geblieben ist, solange sie der vereinten Gewalt der beiden Männer ausgesetzt war, d.h. während der eine sie festhielt und der andere zugleich den Beischlaf mit ihr vollzog. Die Vorinstanz bestätigt es durch die weitere Feststellung, dass die Geschädigte während der Zeit, als die beiden Angeklagten ihre Rollen vertauschten, Gelegenheit hatte, sich ein wenig zu erheben und sich zu wehren. X., auf deren Aussagen das angefochtene Urteil verweist, erklärt zudem selber, dass sie sich bis zum Schluss nach Möglichkeit zu Wehr gesetzt habe. Fehlt schon das objektive Merkmal der Widerstandsunfähigkeit, so kann dahingestellt bleiben, ob der Vorsatz des Beschwerdeführers darauf gerichtet gewesen sei, X. widerstandsunfähig zu machen, um sie in wehrlosem Zustand zu missbrauchen.
c) Da die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Notzucht und die Gehilfenschaft dazu unter Art. 187 Abs. 1, nicht unter Abs. 2, fallen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubemessung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 94 IV 60 17. Urteil des Kassationshofes vom 8. März 1968 i.S. Glaas gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. Regeste Art. 129 Abs. 1 StGB, Gefährdung des Lebens. 1. Unmittelbare Lebensgefahr (Erw. 2). 2. Wissentlichkeit (Erw. 3) .
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a) Wille ebenfalls erforderlich, b) Eventualvorsatz genügt nicht. 3. Gewissenlosigkeit (Erw. 4). .
Sachverhalt ab Seite 60 BGE 94 IV 60 S. 60 A. Der 1944 geborene Beschwerdeführer Charles Glaas, der bei seinen Eltern wohnt, hatte mit dem Vater schon seit längerer Zeit Zwistigkeiten. Am Abend des 31. Dezember 1966 BGE 94 IV 60 S. 61 befand er sich, nachdem er schon vorher reichlich dem Alkohol zugesprochen hatte, mit seinem Freund Erwin Anneler in der von ihm eingerichteten Kellerbar. Gegen 20.30 Uhr erschien auch Vater Glaas in der Bar, worauf es zwischen ihm und dem Sohn wieder zu einer Auseinandersetzung kam. Als der Sohn sich kurz entfernte und dann zurückkam, verliess der Vater die Bar und begab sich in die Wohnung hinauf. Anneler berichtete hierauf dem Sohn, dass sich der Vater abfällig über ihn geäussert habe. Glaas geriet in Wut, leerte in kürzester Zeit eine Flasche Bier und holte im Zimmer der Schwester Beatrice sein Sturmgewehr, das er zuerst
mit einer und dann mit elf weitern Patronen lud. Mit der Schwester wieder in den Keller hinabgestiegen, wies er diese an, den Vater zu holen. Als er Schritte auf der Treppe hörte, nahm er das Gewehr in Anschlag, entsicherte es und umspannte mit dem Zeigfinger den Abzug. Die Kellertüre öffnend, blickte Vater Glaas direkt in den Gewehrlauf. Der Sohn erklärte, jetzt könne man miteinander reden, und auf die Aufforderung des Vaters, doch abzudrücken, fragte er ihn, ob er denn nicht glaube, dass das Gewehr geladen sei. Noch bevor der Vater antworten konnte, schwenkte der Sohn den Gewehrlauf leicht nach rechts und drückte ab. Der Schuss drang auf Brusthöhe etwa 1,2 m neben dem Vater in die Mauer ein. Unmittelbar darauf schwenkte Glaas das Gewehr, den Finger immer noch am Abzug, auf den Vater zurück. Dieser sprang im gleichen Augenblick die Treppe hinauf und brachte sich in Sicherheit. B. Das Strafgericht Basel-Stadt sprach Charles Glaas am 27. Juli 1967 der Gefährdung des Lebens (Art. 129 Abs. 1 StGB) sowie des Missbrauchs und der Verschleuderung von militärischem Material (Art. 73 MStG) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug bei zwei Jahren Probezeit. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte am 8. November 1967 das erstinstanzliche Urteil gestützt auf dessen tatsächliche und rechtliche Ausführungen. .
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C. Gegen das Urteil des Appellationsgerichts führt Glaas Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Hauptantrag auf Freisprechung von der Anklage der Gefährdung des Lebens. Das Appellationsgericht und die Staatsanwaltschaft beantragen Abweisung der Beschwerde. BGE 94 IV 60 S. 62 Erwägungen Der Kassationshofzieht in Erwägung:
1. Nach Art. 129 Abs. 1 StGB ist strafbar, wer einen Menschen wissentlich und gewissenlos in unmittelbare Lebensgefahr bringt. 2. Der Begriff unmittelbare Lebensgefahr ist nicht ohne weiteres klar. Es kann sich nur um eine konkrete Gefahr handeln. Diese ist ein Zustand, aufgrund dessen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Verletzung des geschützten Rechtsgutes besteht (BGE 71 IV 100,BGE 72 IV 27,BGE 73 IV 101 f., BGE 80 IV 182, BGE 83 IV 30), wobei nicht eine mathematische Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % vorausgesetzt ist (BGE 61 I 206). Die unmittelbare Gefahr muss mehr sein. Anderseits muss der Eintritt der Rechtsgutverletzung, des Todes, nicht unausweichlich erscheinen, sonst würde Art. 129 vom Gefährdungs- zum Verletzungstatbestand. Innerhalb dieser Grenzen lässt sich die Höhe der Gefahr näher bestimmen, indem man das Tatbestandsmerkmal der Gewissenlosigkeit heranzieht. Die beiden Tatbestandselemente der vorgestellten Gefahr und der Gewissenlosigkeit des Trotzdemhandelns stehen zueinander in so enger Beziehung, dass das eine sich nicht ohne den Blick auf das andere beurteilen lässt. Eine unmittelbare Lebensgefahr im Sinne von Art. 129 besteht somit nicht erst dann, wenn die Wahrscheinlichkeit des Todes grösser ist als die Wahrscheinlichkeit seiner Vermeidung, sondern schon dann, wenn überhaupt eine nahe Möglichkeit der Tötung vorliegt, eine Möglichkeit, über die wissentlich sich hinwegzusetzen als gewissenlos erscheint (NOLL, ZStrR 1954 S. 22 f.). Wer, wie der Beschwerdeführer, mit geladener und entsicherter Schusswaffe, den Finger am Abzug, auf einen lebenswichtigen Körperteil wie Kopf oder Brust eines Menschen zielt, setzt damit dessen Leben einer sehr nahen Gefahr aus. Das traf hier umsomehr zu, als sich der Beschwerdeführer in angetrunkenem und stark erregtem Zustande befand, bei dem der leiseste äussere oder innere Anlass genügen konnte, um den Druck auf den Abzug auszulösen. Der Schuss 1,2 m neben dem Vater gegen die Mauer aber rückte wegen der Möglichkeit des Rikoschettierens den Tod in äusserst bedrohliche Nähe. Diese hochgradigen Gefahren hat der Beschwerdeführer wissentlich .
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BGE 94 IV 60 S. 63
(s. unten) geschaffen. Das war gewissenlos. Voraussetzungen der unmittelbaren Lebensgefahr erfüllt. .
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Damit
sind
die
Weiter fordert Art. 129 Abs. 1 eine wissentliche Gefährdung.
a) InBGE 73 IV 230 (zu Art. 230 Ziff. 1 StGB) und BGE 85 IV 132 (zu Ar t. 221 Abs. 2; auchBGE 76 IV 247oben zu Art. 237 Ziff. 1) wurde ausgeführt, dass nur dort, wo das Gesetz die Gefährdung als objektives Tatbestandsmerkmalnenne, ohne sich über den subjektiven Tatbestand besonders auszusprechen, der Täter nicht nur um die Gefährdung wissen, sondern sie auch wollen müsse. Für Fälle, in denen die subjektiven Erfordernisse der Tat im besonderen Teil umschrieben seien, gelte dies nicht. Bei Bestimmungen, in denen ausdrücklich bloss von wissentlicher Gefährdung die Rede sei, genüge es deshalb, dass der Täter die durch seine Tat herbeigeführte Gefahr kenne, zu wollen brauche er sie nicht. Wer indessen mit Wissen und Willen einen Zustand schafft, aus dem sich eine Gefahr ergibt, die er kennt, der will notwendig auch diese Gefahr (BGE 73 IV 168 f.; ZUERCHER, Erläuterungen VE 1908 S. 128; GERMANN, ZStrR 1940 S. 367, 1961 S. 391; NOLL, ZStrR 1954 S. 20; LOGOZ, Art. 129 N 3 b; SCHWANDER, 2. Aufl., Nr. 667; THORMANN-v. OVERBECK, Art. 18 N 26, Art. 129 N 5). Der Gefährdungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Gefahr kennt und trotzdem handelt (ohne auf ihren Nichteintritt zu vertrauen, in welchem Fall nur bewusste Fahrlässigkeit vorliegt). Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Täter die Verwirklichung der Gefahr, sei es auch nur eventuell, gewollt hat, denn dann wäre er wegen vorsätzlicher Begehung des entsprechenden Verletzungsdelikts (z.B. Tötung) strafbar. Da Gefahr die Möglichkeit des Verletzungseintritts ist, schliesst freilich das Wissen um die Gefahr notwendig das Wissen um den möglichen Verletzungseintritt in sich. Auf der Vorstellungsseite ist die eventuelle Verletzung im Gefährdungsvorsatz stets enthalten. Der Unterschied zwischen Gefährdungsvorsatz und eventuellem Verletzungsvorsatz liegt einzig im Willensinhalt. Weil aber als konkrete Gefahr eine nahe Möglichkeit des Verletzungseintritts (auch bei Art. 129) genügt, braucht der Täter, obwohl er den gefährlichen Zustand willentlich herbeiführt, den Verletzungserfolg nicht .
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notwendig zu wollen (BGE 70 IV 142; NOLL, S. 23, 26; GERMANN, ZStrR 1961 S. 390 f.; LOGOZ, a. a.O.). .
BGE 94 IV 60 S. 64 In diesem Sinne ist somit die bisherige Auffassung, dass dort, wo das Gesetz von wissentlicher Gefährdung spricht, der Wille nicht zur Erfüllung des Straftatbestandes gehöre, richtigzustellen. Der Wille zur Gefährdung ist mit dem Wissen um ihren sicheren Eintritt notwendig verbunden. Für Art. 129 gilt dies umsomehr, als er eine hohe Strafdrohung enthält und das weitere Tatbestandsmerkmal der Gewissenlosigkeit aufstellt; beides wäre ohne den entsprechenden Willen nicht verständlich (GERMANN, ZStrR 1961, S. 391 N 11). .
b) Anderseits genügt Eventualvorsatz nicht. Es geht nicht um das Wissen von der Möglichkeit eines Verletzungserfolges, sondern um die Gewissheit, dass eine Gefahr hervorgehe aus dem Verhalten des Täters. Dieser muss sich bewusst sein, dass er das geschützte Rechtsgut tatsächlich gefährdet, dass sein Handeln die Gefährdung notwendig zur Folge hat (ZÜRCHER a. a.O.; LOGOZ a.a. O.). Genügte eventueller Gefährdungsvorsatz, so würde das heissen, dass der Täter schon dann strafbar ist, wenn er die Gefahr nicht sicher kennt, sondern bloss für möglich hält. Da das Bewusstsein der Gefahr das Wissen um die Möglichkeit der Verletzung ist, wäre der Eventualvorsatz, als Bewusstsein der Möglichkeit einer Gefahr, das Wissen um die Möglichkeit einer Möglichkeit (und der Einbezug dieser Möglichkeit in den Willensinhalt). Damit wäre der Eventualvorsatz praktisch nicht mehr von der Fahrlässigkeit zu unterscheiden (NOLL S. 30). Fahrlässigkeit aber ist nur strafbar, wo es das Strafgesetz ausdrücklich bestimmt (Art. 18 Abs. 1), was z.B. bei Art. 129 nicht zutrifft. Müsste sich der Täter nur bewusst sein, dass er die Möglichkeit einer Gefährdung schafft, dann wäre der Ausdruck «wissentlich» überflüssig, denn das Wissen um die Möglichkeit der Gefahr ist schon im Eventualvorsatz enthalten und hätte daher nicht besonders erwähnt werden müssen. .
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c)
Das
Strafgericht
erklärt
in
seinen
vom
Appellationsgericht
übernommenen Erwägungen, dass beim Beschwerdeführer, der die Handhabung des Sturmgewehres vom Militärdienst her gekannt habe, das Bewusstsein der Gefährdung vorausgesetzt werden müsse. Das kann nichts anderes heissen, als dass er sich ihrer tatsächlich bewusst war, womit das Wissen verbindlich festgestellt ist. Etwas anderes wäre auch kaum denkbar; um die Gefahr zu erkennen, bedurfte es nicht einmal der Vertrautheit mit dem Sturmgewehr aus dem Militärdienst. BGE 94 IV 60 S. 65 War sich der Beschwerdeführer aber bewusst, den Vater mit seiner Handlungsweise in unmittelbare Lebensgefahr zu bringen, so hat er diese Gefährdung auch gewollt. 4. Schliesslich ist zur Erfüllung des Tatbestandes von Art. 129 das Merkmal der Gewissenlosigkeit erforderlich. Gewissenlos ist eine Gefährdung, deren Motive sittlich zu missbilligen sind. Je höher die dem Täter bewusste Gefahr ist, und je weniger seine Beweggründe Achtung verdienen, desto eher ist die Gewissenlosigkeit anzunehmen (NOLL, S. 28 f.; GERMANN, Verbrechen, S. 247). Der Beschwerdeführer bestreitet die Gewissenlosigkeit seines Vorgehens mit Recht nicht. Er hat das Leben seines Vaters aus blosser Wut und dem, wenn auch an sich verständlichen Bedürfnis, ihm einmal den Meister zu zeigen, einer schweren Gefahr ausgesetzt. .
Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
BGE 95 IV 65 17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Mai 1969 i. S. Rieder gegen Generalprokurator des Kantons Bern Regeste Art. 159 Abs. 1 StGB. Ungetreue Geschäftsführung setzt voraus, dass der zur Fürsorge Verpflichtete befugt ist, über das fremde Vermögen selbständig zu verfügen. Sachverhalt ab Seite 65 BGE 95 IV 65 S. 65 A. Rieder war vom Oktober 1958 bis Dezember 1966 Buchhalter der Schloss- und Metall warenfabrik AG in Herzogenbuchsee. In dieser Eigenschaft oblagen ihm alle Büroarbeiten, so die Buchführung, die Abrechnungen über die Löhne, AHV-, Suval- und Krankenkassenbeiträge sowie Fremdarbeitersteuern. Die Kasse und das Kassen- sowie Postcheckbuch dagegen wurden durch Direktor Ruf geführt. In der Zeit vom 17. April 1964 bis 21. November 1966 liess sich Rieder zahlreiche Verfehlungen zuschulden kommen, durch die seine Arbeitgeberfirma im Betrage von rund Fr. 37 000 geschädigt wurde. B. Am 19. Dezember 1968 wurde Rieder vom Obergericht des Kantons Bern wegen wiederholter ungetreuer Geschäftsführung (2 Fälle), wiederholten Betruges (13 Fälle), wiederholter Veruntreuung (5 Fälle), wiederholter Urkundenfälschung (19 Fälle) und Unterdrückung von Urkunden zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. .
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C. Rieder führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Verurteilung wegen ungetreuer Geschäftsführung sei aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit es ihn in diesem Anklagepunkt
freispreche und die Strafe neu festsetze. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Rieder erhöhte im 4. Quartal 1966 das Taggeld der Krankenversicheruug für die Fremdarbeiter ohne Wissen der Geschäftsleitung von Fr. 10.50 auf Fr. 15.75 und liess die dadurch monatlich pro Arbeiter geschuldete Mehrprämie von Fr. 5.25, insgesamt Fr. 173.25, durch das Geschäft bezahlen, BGE 95 IV 65 S. 66 statt sie den Arbeitern zu belasten. Ferner täuschte Rieder in den Jahren 1965 und 1966 durch falsche Abrechnungen grössere Prämienzahlungen vor, als sie vom Geschäft der Krankenkasse geschuldet und entrichtet worden waren, und verwendete die Differenzbeträge, insgesamt Fr. 914.20, dazu, in Krankheitsfällen auch die Selbstbehalte und kleinere Arztrechnungen, die von den Arbeitern zu tragen gewesen wären, zu Lasten des Geschäfts zu übernehmen. Es ist unbestritten, dass Rieder die Firma vorsätzlich schädigte, um die Arbeiter zu begünstigen. Art. 159 Abs. 1 StGB ist in diesen beiden Fällen nur anwendbar, wenn Rieder die Fürsorgepflicht, die ihm für das Geschäftsvermögen oblag, als Geschäftsführer verletzt hat. Geschäftsführung setzt voraus, dass der zur Fürsorge Verpflichtete zur selbständigen Verfügung über das fremde Vermögen oder Bestandteile eines solchen befugt ist (BGE 81 IV 279, BGE 86 IV 14). Eine derartige Stellung hatte der Beschwerdeführer nicht. Weder konnte er über die Leistungen bestimmen, für die die Fremdarbeiter bei der Krankenkasse auf Kosten des Geschäfts versichert waren, noch stand ihm über die Kasse oder das Postcheckkonto ein Verfügungsrecht zu. Er hatte nur die für die Entscheidungen erforderlichen Unterlagen zu beschaffen und die technische Seite des Postcheckverkehrs zu besorgen, insbesondere die Abrechnungen sowie Einzahlungsscheine und Girozettel zu erstellen. Verfügungen zu treffen, war Sache der Direktion, die auch allein unterschriftsberechtigt war. Der Umstand, dass der Direktor auf die .
Fachkenntnisse des Beschwerdeführers angewiesen war und alles unterschrieb, was ihm dieser vorlegte, kennzeichnet den Beschwerdeführer entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht als Geschäftsführer; die Verfügungsmacht über das Geschäftsvermögen blieb trotzdem der Direktion vorbehalten. 2. Erfüllt ist dagegen der Tatbestand des Betruges (Art. 148 Abs. 1 StGB). Der Beschwerdeführer hat Direktor Ruf durch falsche Abrechnungen arglistig getäuscht und ihn dadurch zu den die Firma schädigenden Zahlungen bestimmt (was näher ausgeführt wird). .
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BGE 96 IV 21 5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. Februar 1970 i.S. Gantenbein gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Regeste Art. 143 StGB. Begriff der Sachentziehung. Sachverhalt ab Seite 21 BGE 96 IV 21 S. 21 A. Am 8. September 1962 stieg Gallus Gantenbein über den Zaun seiner Liegenschaft in Gossau und entriss einer Nachbarin gewaltsam eine Teppichklopfstange, die sie in die dort angebrachte Vorrichtung einsetzen wollte. Gantenbein nahm die Stange fort. Die Nachbarin erhob Strafklage, wobei sie darauf verwies, dass sie als Mieterin der Hausmeisterin gegenüber für Ersatz der Stange verantwortlich sei. Die Eigentümerin des Hauses schloss sich der Strafklage an. In seiner ersten Einvernahme erklärte Gantenbein, er gebe die Stange nicht freiwillig zurück, sondern verlange im Gegenteil, dass die ganze Teppichklopfanlage beseitigt werde. Noch am 14. Januar 1963 verweigerte er die vorbehaltlose Rückgabe; schliesslich übergab er die Stange dem Berechtigten. B. Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte Gantenbein am 9./22. September 1964 im Abwesenheitsverfahren wegen Sachentziehung zu einer Busse von Fr. 100.–. Das Urteil konnte zunächst nicht zugestellt werden, weil sich Gantenbein nach Madagaskar begeben hatte. Als er anfangs 1969 vorübergehend in Gossau weilte, stellte das Bezirksamt ihm am 13. Januar 1969 das Urteil zu. Gantenbein stellte ein Reinigungsbegehren und erhob sowohl kantonale
Kassationsbeschwerde wie eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Das Kantonsgericht wies das Reinigungsbegehren am 22. April 1969 ab. Das Kassationsgericht verwarf mit Urteil vom 25. Oktober 1969 die kantonale Kassationsbeschwerde. Mit der Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht verlangt Gantenbein Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils und Freisprechung des Angeklagten. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Art. 143 StGB bedroht denjenigen mit Strafe, der ohne Bereicherungsabsicht eine bewegliche Sache dem Berechtigten entzieht und ihn dadurch schädigt. BGE 96 IV 21 S. 22 Der Tatbestand der Sachentziehung ist subsidiär zum Diebstahl wie zur Veruntreuung und zur Unterschlagung (BGE 72 IV 61,BGE 77 IV 162oben); die Entziehung kann in einem Wegnehmen oder Vorenthalten der Sache bestehen. Art. 143 schützt entgegenBGE 77 IV 162nicht nur das Eigentum, sondern das Vermögen (in diesem SinnBGE 73 IV 40). Dass die Bestimmung im Abschnitt «Strafbare Handlungen gegen das Eigentum» eingereiht ist, ändert an dem sich aus dem Wortlaut ergebenden Sinn nichts (BGE 85 IV 26). Danach können aber nicht nur der Eigentümer, sondern auch andere Berechtigte verletzt werden. Der durch die Entziehung verursachte Schaden muss ein vermögenswerter sein (BGE 77 IV 162mit Hinweisen). Dabei genügt ein bloss vorübergehender Schaden (BGE 82 IV 90 zu Art. 148 StGB; vgl. HEIM, Journal des Tribunaux 1952 IV S. 18 ff.). Subjektiv ist erforderlich der Vorsatz, den Berechtigten zu schädigen, wobei Eventualvorsatz genügt. Nicht nötig ist dagegen, dass der Täter mit Aneignungsabsicht gehandelt habe (BGE 85 IV 20). Etwas anderes meint auch SCHWANDER, Strafgesetzbuch 2. Aufl. Nr. 552 trotz der missverständlichen Verwendung des Ausdrucks der Aneignungsabsicht nicht, .
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wie sein Hinweis auf BGE 85 IV 20 in der ergänzenden Nr. 552 a Ziff. 3 zeigt. 2. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht in Aneignungsabsicht gehandelt, vermag ihn somit nicht zu entlasten. Auch seine Berufung aufBGE 72 IV 62geht fehl. Die Frage, ob der Beschwerdeführer lediglich eine Rückgabepflicht nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt habe, stellt sich nicht. Die Teppichklopfstange ist ihm nicht anvertraut worden oder gegen seinen Willen zugekommen. Er hat sie unberechtigterweise aus dem Gewahrsam der Nachbarin weggenommen, eigenmächtig von ihr Besitz ergriffen. Nach der Feststellung der Vorinstanz konnten Eigentümerin und Mieterin die Stange während rund drei Monaten nicht benutzen. Wie der Beschwerdeführer heute nicht mehr bestreitet, liegt in der Entziehung einer solchen arbeitserleichternden Einrichtung eine wirtschaftliche Schädigung. Da sie, wie das Kantonsgericht verbindlich feststellt (Art. 277 bis Abs. 1 BStP), vom Vorsatz des Beschwerdeführers, die Stange wegzunehmen und nicht mehr herauszugeben, mitumfasst war, ist er mit Recht der Sachentziehung schuldig erklärt worden. .
BGE 96 IV 21 S. 23 Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
BGE 96 IV 155 40. Auszug aus dem Urteil des Bundesstrafgerichts vom 27. November 1970 i. S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Lebedinsky und Mitbeteiligte. Regeste Art. 63, 68 Ziff. 1, 251 Ziff. 1 und 3, 254 Abs. 1, 340 Ziff. 1 Abs. 4 und 5 StGB; Art. 18 Abs. 1 lit. b und c, 19 Abs. 2 BRB vom 28. März 1949 über das Kriegsmaterial. 1. Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts. Zusammentreffen von Strafbestimmungen. Falschbeurkundung. Besonders leichter Fall von Urkundenfälschung? Unterdrückung von Urkunden zwecks Selbstbegünstigung. Mittäterschaft (Erw. I). 2. Verbotene Ausfuhr von Kriegsmaterial durch ein Rüstungsunternehmen: Strafrechtliche Verantwortung .
– des Leiters der Waffen-Verkaufsabteilung (Erw. II/1), – von Mitarbeitern, welche bei der Vorbereitung oder Durchführung der Lieferungen entscheidend mitwirkten (Erw. II/2 und 3), – des Firmeninhabers, der Lieferungen bewusst duldete (Erw. II/4). 3. Allgemeine und besondere Strafzumessungsgründe (Erw. III). .
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Sachverhalt ab Seite 156 BGE 96 IV 155 S. 156 A. Die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO) ist seit ihrer Übernahme durch Vater Bührle ein Familienunternehmen, das bis Ende 1967 rechtlich eine Kommanditgesellschaft war und seither eine Aktiengesellschaft ist. Bührle besitzt 49%, seine Schwester 51 % der Aktien. Er war bis 1969 einziges Verwaltungsratsmitglied. Die WO umfasst je eine Fabrik- und eine Entwicklung / .
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Konstruktionsabteilung sowie drei Verkaufsabteilungen. Zu diesen gehört auch die Waffen-Verkaufsabteilung. Jeder Abteilung steht ein Direktor vor. Von 1963 bis zu seiner Entlassung Ende Januar 1969 nahm Lebedinsky diesen Rang bei der Waffen-Verkaufsabteilung ein. Die WO erzielte in den Jahren 1964/1969 einen Gesamtumsatz von Fr. 896 653,000.–, wovon Fr. 539 992,000.– auf die Waffen-Verkaufsabteilung entfielen. B. 1.– Nach Art. 41 BV bedarf einer Bewilligung des Bundes, wer Waffen oder sonstiges Kriegsmaterial herstellen, vertreiben und ausführen will. Die Bewilligung wird nur Personen und Unternehmungen erteilt, die vom Standpunkte der Landesinteressen aus die nötige Gewähr bieten (Abs. 2 und 3). Der Bundesrat ist unter Vorbehalt der Bundesgesetzgebung ermächtigt, die zum Vollzug nötigen Vorschriften zu erlassen (Abs. 4). Gestützt auf diese Verfassungsbestimmung erliess der Bundesrat bereits in den Jahren 1938 bis 1946 wiederholt Vorschriften über Herstellung, Beschaffung und Vertrieb, Ein- und Ausfuhr von Kriegsmaterial. Diese Vorschriften sind durch den Bundesratsbeschluss vom 28. März 1949 über das Kriegsmaterial .
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BGE 96 IV 155 S. 157 (KMB) abgelöst worden, der mit einigen Abänderungen und Ergänzungen noch heute gilt. Der Beschluss von 1949 stellt die Herstellung, die Beschaffung und den Vertrieb von Kriegsmaterial unter die Aufsicht des Bundes und verbietet insbesondere, solches Material auszuführen; vorbehalten bleiben ausdrücklich erteilte Bewilligungen (Art. 1). Wer beabsichtigt, Kriegsmaterial herzustellen, solches zu beschaffen, um es zu verkaufen, sonstwie zu vertreiben oder davon Lager anzulegen, hat eine Grundbewilligung des Eidg. Militärdepartementes einzuholen (Art. 7 Abs. 1 lit. a und b). Die Bewilligung wird nur gut beleumdeten und vertrauenswürdigen Personen und Unternehmen erteilt. Erforderlich ist zudem, dass die Personen oder Unternehmen für eine ordnungsgemässe Führung der Geschäfte Gewähr bieten und dass die Bewilligung weder den Interessen der Landesverteidigung oder des öffentlichen Wohls noch zwischenstaatlichen Vereinbarungen widerspricht .
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(Art. 9 Abs. 4). Wer Kriegsmaterial herstellen will, bedarf ausserdem einer Fabrikationsbewilligung (Art. 13). Die Ausfuhr von Kriegsmaterial ist nur gestattet, wenn sie von der zuständigen Amtsstelle bewilligt wird. Die Bewilligung setzt voraus, dass es sich um die Lieferung an eine ausländische Regierung oder an eine von einer solchen mit einem Fabrikationsauftrag betraute Firma handelt und dass eine Erklärung dieser Regierung vorliegt, wonach das Material nur für das eigene Land benötigt und nicht wieder ausgeführt wird (Art. 15 Abs. 2, Fassung gemäss BRB vom 23. Dezember 1960). Zum Beweise dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Gesuchsteller vom Bestimmungsland eine Endverbraucher-Erklärung zu verlangen und sie dem Ausfuhrgesuch beizulegen. Über das Gesuch entscheidet eine Amtsstelle des Militärdepartementes, in besonderen Fällen dieses Departement im Einvernehmen mit dem Politischen Departement. Entscheide über grundsätzliche Fragen sind dem Bundesrat vorbehalten (Art. 15 Abs. 1, Fassung gemäss BRB vom 23. Dezember 1960). .
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2. Von diesem Entscheidungsrecht hat der Bundesrat wiederholt Gebrauch gemacht, indem er die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Ländern, in denen kriegerische Auseinandersetzungen stattfanden oder zu befürchten waren, schlechthin verbot oder für solche Länder bestimmtes Material mit einem Embargo belegte. Bereits am 8. November 1955 beschloss er, BGE 96 IV 155 S. 158 dass Israel und die Arabischen Staaten, zu denen auch Saudi-Arabien, Ägypten und der Libanon gehören, nicht mehr mit Kriegsmaterial aus der Schweiz beliefert werden dürfen und jedes neue Fabrikationsgesuch für Waffen nach diesen Ländern abzulehnen sei. Ähnliche Beschlüsse fasste er insbesondere am 6. Dezember 1963 gegenüber Südafrika, im Februar 1964 gegenüber Indonesien und Malaysia und am 28. April 1967 gegenüber Nigeria. Der Beschluss über Indonesien und Malaysia wurde im November 1966 aufgehoben. C.
In der Zeit vom 6. Dezember 1963 bis Juni 1968 liessen Lebedinsky,
Gelbert und Meili zusammen mit weitern leitenden Angestellten der WaffenVerkaufsabteilung der WO sieben Staaten, welche unter Embargo-Beschlüsse des Bundesrates fielen, für insgesamt Fr. 88 919,904.– Kriegsmaterial zukommen. Das sind etwa 16% vom Umsatz, den die Abteilung in dieser Zeit erzielte. Sie gingen im allgemeinen so vor, dass sie der zuständigen Amtsstelle ein Ausfuhrgesuch zur Bewilligung von Lieferungen an ein Land unterbreiteten, das nicht unter einem Embargo stand, und dem Gesuch eine Endverbraucher-Erklärung dieses Landes beilegten. War die Bewilligung erteilt, so liessen sie das Kriegsmaterial zum Scheine an das angegebene Land senden, unterwegs aber durch die Speditionsfirma nach dem Bestimmungsland umleiten. Die Weisung zur Umleitung gaben Meili oder Gelbert. Um die verbotenen Lieferungen innerhalb der WO möglichst geheim zu halten, wurden die Betriebsaufträge zur Herstellung oder Beschaffung des Materials sowie die Rechnungen für die Buchhaltung ebenfalls auf das Tarnland ausgestellt. Falsche Endverbraucher-Erklärungen beizubringen, war Sache Gelberts, der viel ins Ausland reiste, Absatzmöglichkeiten zu ermitteln und Kunden nachzugehen hatte. Die meisten falschen Erklärungen verschaffte er sich in Frankreich; sie stammten angeblich von Beamten der «Délégation Ministérielle pour l’Armement» des französischen Armeeministeriums, vom «Etat-Major particulier» des französischen Verteidigungsministeriums oder ähnlicher Amtsstellen. Gelbert gab sie an Lebedinsky oder Meili weiter, die gestützt auf die falschen Erklärungen die Ausfuhrgesuche vorbereiten liessen. Die Gesuche unterzeichnete in der Regel Meili zusammen mit Seidemann, vereinzelt auch Lebedinsky, Gelbert oder Rubli zusammen mit je einem weiteren Angestellten der WO. Mit ihrer Teilnahme an BGE 96 IV 155 S. 159 den verbotenen Lieferungen und deren Umfang verhielt es sich im einzelnen wie folgt: 1. Südafrika bestellte in den Jahren 1961/1963 bei der WO 36 Zwillingsgeschütze 35 mm, 119 200 Schuss 35 mm und 415 130 Schuss 30 mm Munition. Davon waren am 6. Dezember 1963, als der Bundesrat das
Embargo gegen Südafrika beschloss, 28 Geschütze und 216 000 Schuss 30 mm Munition noch nicht geliefert; dieses Kriegsmaterial fiel daher unter die Ausfuhrsperre. Um es gleichwohl ausführen und weiteren Bestellungen Südafrikas nachkommen zu können, verschaffte Gelbert sich im Einvernehmen mit Lebedinsky vier falsche Endverbraucher-Erklärungen aus Frankreich. Mit Hilfe dieser Erklärungen täuschten sie den Bundesbehörden in 13 inhaltlich ebenfalls falschen Ausfuhrgesuchen vor, das darin aufgeführte Kriegsmaterial sei für Frankreich bestimmt. Eines der Gesuche hat Lebedinsky, zehn haben Seidemann und elf Meili mitunterzeichnet. Die Bundesbehörden liessen sich täuschen und bewilligten die Ausfuhr. Auf diese Weise erhielt Südafrika von der WO in der Zeit vom 9. April 1964 bis 28. März 1968 Kriegsmaterial für Fr. 54 243,245.–, insbesondere 36 Zwillingsgeschütze 35 mm, 325 000 Schuss 35 mm und 380 985 Schuss 30 mm Munition. Bührle selbst erfuhr angeblich erst anfangs Juli 1965 durch Dr. Blättler, den Rechtsberater der Oerlikon-Bührle Holding AG, von verbotenen Lieferungen nach Südafrika. Er will daraufhin angeordnet haben, dass dieses Land nicht mehr aus der Schweiz, sondern nur noch aus einer Fabrik im Ausland beliefert werde. Als Ende 1968 gegen Angestellte der WO ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, liess Lebedinsky eine Anzahl Kaufverträge, welche die WO mit Südafrika geschlossen hatte, sowie schriftliche Bestellungen dieses Landes vernichten. 2. Am 5. und 9. September 1964 lieferten Rubli und Meili Malaysia 10 Geschütze 20 mm. Auf Weisung Lebedinskys benutzten sie dazu eine auf Indonesien lautende echte Ausfuhrbewilligung, die mehrmals verlängert, für dieses Land aber nicht verwendet wurde. Zum Scheine liessen sie die Geschütze nach Indonesien ausführen, unterwegs jedoch umleiten. Eine weitere unerlaubte Lieferung bereiteten sie so vor, dass sie die Bundesbehörden am 21. Juni 1965 ersuchten, die Ausfuhr von 28 Geschützen 20 mm nach Thailand zu bewilligen, und dem BGE 96 IV 155 S. 160
Gesuch eine angeblich von der thailändischen Marinepolizei ausgestellte Endverbraucher-Erklärung beilegten. Das Gesuch wurde bewilligt, die Bewilligung jedoch für die Ausfuhr von 14 Geschützen nach Malaysia verwendet. Malaysia erhielt so im September 1964 und August 1965 insgesamt 24 Geschütze 20 mm im Werte von Fr. 619 203.–. Die schriftlichen Lieferaufträge Malaysias liess Lebedinsky Ende 1968 vernichten. 3. Mit Hilfe von neun unwahren Endverbraucher-Erklärungen aus Frankreich und drei solchen Bescheinigungen aus Iran täuschte Lebedinsky mit seinen Untergebenen den Bundesbehörden in 24 Ausfuhrgesuchen vor, es gehe um Bestellungen aus diesen Ländern, während es sich in Wirklichkeit um geplante Lieferungen nach Israel, in drei Gesuchen teils auch um Kriegsmaterial für Südafrika handelte. Bei fünf weiteren Gesuchen, die ohne Endverbraucher-Erklärungen eingereicht wurden und Zeitzünder sowie Radareinrichtungen betrafen, ging es entgegen den Angaben ebenfalls um Lieferungen nach Israel. Die falschen Erklärungen besorgte alle Gelbert. Von den Ausfuhrgesuchen, die mit zwei Ausnahmen alle bewilligt wurden, haben Meili 24, Seidemann 23 und Lebedinsky eines mitunterzeichnet. Von Ende Februar 1966 bis Ende September 1968 erhielt Israel durch unerlaubte Lieferungen der WO Kriegsmaterial im Werte von Fr. 17 504,537.–, nämlich 381 098 Schuss 30 mm Munition, 100 000 Zünder, 50 Trommelmagazine, 4050 Raketen 8 cm, 2000 Zeitzünder, 370 000 Zünderzündkapseln sowie verschiedene Radarbestandteile. 4. Durch Vertrag vom 16. Juni 1967 verpflichteten sich Lebedinsky und Meili namens der WO, Nigeria 48 Geschütze 20 mm und 100 000 Schuss 20 mm Munition zu liefern. Einen weitern Vertrag mit diesem Land über die Lieferung von 48 Geschützen und 50 000 Schuss Munition schlossen sie am 5. Februar 1968. Um den Embargo-Beschluss des Bundesrates umgehen zu können, liess Gelbert sich am 3. Juli 1967 angeblich von einem Vertreter der Imperial Ethiopian Air Force die Endverbraucher-Erklärung ausstellen, dass die Lieferung der WO von 100 Geschützen 20 mm und 200 000 Schuss 20 mm Munition für Äthiopien bestimmt sei und nicht wieder ausgeführt
werde. Die Erklärung wurde drei Ausfuhrgesuchen beigelegt, die angeblich Lieferungen nach Äthiopien betrafen. Zwei weitere BGE 96 IV 155 S. 161 Gesuche wurden ohne Endverbraucher-Erklärung, jedoch mit der Verpflichtung eingereicht, das Kriegsmaterial gegebenenfalls in die Schweiz zurückzunehmen. Meili hat alle, Gelbert und Seidemann haben je zwei Gesuche mitunterzeichnet. Die Bundesbehörden bewilligten die Gesuche, widerriefen am am 21. August 1968 aber eine Bewilligung; die übrigen wurden von der WO, wie vorgesehen, zu Lieferungen nach Nigeria missbraucht. Nigeria erhielt so in der Zeit vom 19. Juli 1967 bis 26. März 1968 insgesamt 96 Geschütze 20 mm und 100 000 Schuss 20 mm Munition im Werte von Fr. 5447,436.–. Den Kaufvertrag vom 16. Juni 1967 liess Meili Ende 1968 auf Weisung Lebedinskys beseitigen, denjenigen vom 5. Februar 1968 teilweise abändern, um ein rechtmässiges Geschäft vorzutäuschen. 5. Zwei falsche Endverbraucher-Erklärungen, welche bereits im Falle Israel verwendet wurden, benutzten Gelbert und Meili im Einvernehmen mit Lebedinsky auch, um die Bundesbehörden in zwei Ausfuhrgesuchen über geplante Raketenlieferungen nach Saudi-Arabien zu täuschen. Die Gesuche, die Meili und Seidemann mitunterzeichneten, wurden bewilligt, das Kriegsmaterial daraufhin zum Scheine teils nach Iran, teils nach Frankreich ausgeführt und von dort nach Saudi-Arabien weitergeleitet; dieses Land erhielt so 4000 Raketen 8 cm im Werte von Fr. 4450,000.–. 6. Am 10. Februar 1968 schlossen Lebedinsky und Meili namens der WO mit Kamil, einem Vertreter Ägyptens, einen Kaufvertrag über 228 Geschütze 20 mm und 77 250 Schuss 20 mm Munition. Um die Bundesbehörden über das Bestimmungsland zu täuschen, verschaffte Gelbert sich in Addis-Abeba eine Endverbraucher-Erklärung, die zwei von Meili mitunterzeichneten Ausfuhrgesuchen für angebliche Lieferungen des Kriegsmaterials nach Äthiopien beigelegt wurde. Die Bundesbehörden liessen sich irreführen und
erteilten die verlangten Bewilligungen. Das Material wurde daraufhin zum Scheine nach Äthiopien geliefert, im Ausland aber nach Ägypten umgeleitet. Es handelte sich um 220 Geschütze 20 mm und 51 420 Schuss 20 mm Munition. Acht weitere Geschütze, die für Nigeria bestimmt waren und sich bereits in Marseille befanden, wurden ebenfalls nach Ägypten geliefert. Dieses Land erhielt so Kriegsmaterial im Werte von Fr. 6505,320.–. BGE 96 IV 155 S. 162 Der Kaufpreis wurde 1968 von der ägyptischen Botschaft in in Bern in vier Teilzahlungen beglichen. Dreimal holte Meili das Geld in Bern ab und händigte es Abplanalp aus. Einmal war er begleitet von Seidemann, der zusammen mit einem weitern Angestellten der WO die vierte Teilzahlung holen ging. Als die Bundesbehörden am 30. Juli 1968 über die (vorgetäuschte) Kriegsmateriallieferung nach Äthiopien Auskunft verlangten, flog Gelbert im Einvernehmen mit Lebedinsky nach Addis-Abeba und liess sich dort von einem angeblichen Ato Abete Haile Mariam schriftlich bestätigen, die äthiopische Luftwaffe habe von der WO 320 Geschütze 20 mm und 277 250 Schuss 20 mm Munition gekauft. Eine Kopie dieser angeblich bereits am 15. Juli 1967 ausgestellten Bestätigung stellten sie hierauf den Bundesbehörden zu. Den mit Ägypten abgeschlossenen Kaufvertrag liess Meili Ende 1968 auf Weisung Lebedinskys vernichten. .
7. Gelbert und Meili kamen anfangs 1968 überein, dem Libanon auf eine Bestellung hin Munition zu liefern. Lebedinsky billigte das geplante Geschäft. Mit Hilfe einer Endverbraucher-Erklärung, die sich Gelbert von einem angeblichen Beamten des belgischen Generalstabes ausstellen liess, täuschten sie den Bundesbehörden in einem Ausfuhrgesuch vom 28. März 1968 vor, die darin aufgeführte Munition sei für Belgien bestimmt. Die Bundesbehörden vertrauten auf die Angaben und bewilligten die Ausfuhr. Die Munition wurde daraufhin zum Scheine nach Belgien ausgeführt, nachdem sie die Schweiz verlassen hatte, aber nach dem Libanon umgeleitet. Es handelte sich um 4100 Schuss 20 mm Munition im Werte von Fr. 150 162.–. Die schriftliche Bestellung Libanons liess Meili Ende 1968 auf Weisung
Lebedinskys vernichten. Erwägungen Das Bundesstrafgericht hat erwogen: I.1. Widerhandlungen gegen den Kriegsmaterialbeschluss unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit (Art. 22 Abs. 1 KMB). Die Gerichtsbarkeit des Bundes besteht auch hinsichtlich der dem Angeklagten Abplanalp zur Last gelegten Begünstigung. Die Anklage sieht dieses Vergehen insbesondere darin, dass Abplanalp 1968 Belege beseitigt haben soll, um die verbotenen .
BGE 96 IV 155 S. 163 Lieferungen von Kriegsmaterial nach Saudi-Arabien und Ägypten zu verschleiern und die Beteiligten einer allfälligen Strafverfolgung zu entziehen. Die behauptete Begünstigung richtete sich gegen eine Verfolgung durch die Bundesbehörden und damit gegen die Bundesrechtspflege im Sinne von Art. 340 Ziff. 1 Abs. 5 StGB. Nicht der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen dagegen die den Angeklagten vorgeworfenen Urkundendelikte. Es geht weder bei den von Angeklagten verfälschten oder beseitigten Schriftstücken (Kaufverträge, Bestellungen, Belege) noch bei den von ihnen zur Täuschung gebrauchten (falschen) Endverbraucher-Erklärungen um Urkunden des Bundes im Sinne von Art. 340 Ziff. 1 Abs. 4 StGB; denn als Bundesurkunde gilt ein Schriftstück nur, wenn es von einer Behörde oder einem Beamten des Bundes, sei es in Ausübung staatlicher Hoheit, sei es in Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder gewerblicher Verrichtungen, ausgestellt wird (vgl.BGE 39 I 245,BGE 58 I 64,BGE 69 IV 65Erw. 2,BGE 71 IV 153Erw. 2). Durch Beschluss vom 29. Januar 1969 hat der Bundesrat indes gemäss Art. 344 Ziff. 1 Abs. 1 StGB die Verfolgung und Beurteilung in der Hand der Bundesbehörden vereinigt, die Gerichtsbarkeit also auch hinsichtlich der Urkundendelikte dem Bundesgericht übertragen. Das Bundesstrafgericht ist daher für die Beurteilung aller Straftaten, die Gegenstand der Anklage sind, zuständig. .
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I.2. Wer vorsätzlich in einem auf Grund des Kriegsmaterialbeschlusses eingereichten Gesuch unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für die Bewilligungserteilung wesentlich sind, oder ein von einem Dritten verfasstes Gesuch dieser Art verwendet, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft (Art. 18 Abs. 1 lit. b KMB). Die gleichen Strafen droht der Beschluss demjenigen an, der Kriegsmaterial, für das er eine Ausfuhrbewilligung gemäss Art. 14 oder 15 besitzt, im In- oder Ausland nach einem andern als dem in der Bewilligung genannten Empfänger oder Empfangsort umleitet oder umleiten lässt (Art. 18 Abs. 1 lit. c KMB). Die Verteidigung macht geltend, diese beiden Straftatbestände könnten nicht unabhängig voneinander erfüllt werden. Das Umleiten des Kriegsmaterials an ein anderes als das in der Bewilligung genannte Land sei die zwingende Folge des inhaltlich falschen Ausfuhrgesuches und ein solches Gesuch die notwendige .
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BGE 96 IV 155 S. 164 Voraussetzung für das Umleiten. Das Verhalten des Täters, der mit unwahren Angaben eine Ausfuhrbewilligung erwirke und das Kriegsmaterial nachher umleite, werde daher schon von Art. 18 Abs. 1 lit. b erfasst. Der Bundesanwalt vertritt dagegen die Auffassung, eine Bestrafung nach lit. b gelte eine Handlung gemäss lit. c nicht ab, und umgekehrt. Die Verteidigung übersieht, dass weder das Umleiten noch das Umleitenlassen zum Tatbestand von lit. b gehört. Schon daraus erhellt, dass diese Bestimmung das Verhalten des Täters, der im Bewilligungsverfahren entgegen seinen Absichten vorgibt, das Kriegsmaterial an das im Gesuch angegebene Land zu liefern, es dann aber nach einem andern umleitet, nicht nach allen Seiten erfasst, von einer unechten Gesetzeskonkurrenz im Verhältnis zu lit. c folglich nicht die Rede sein kann. Dass dem Umleiten hier (mit einer Ausnahme) stets ein Ausfuhrgesuch mit falschen Angaben vorausgegangen ist, hilft darüber nicht hinweg. Der Täter kann den Tatbestand von lit. b erfüllen, ohne sich zugleich nach lit. c zu vergehen. Das trifft z.B. zu, wenn er selber weder umleitet noch umleiten lässt, sondern sich mit dem Erschleichen der Ausfuhrbewilligung begnügt. Ebensowenig lässt sich sagen, .
ein strafbares Umleiten setze notwendigerweise ein Ausfuhrgesuch mit falschen Angaben voraus. Wenn der Täter mit einem wahrheitsgemässen Gesuch eine Ausfuhrbewilligung erwirkt, sich dann aber entschliesst, das Kriegsmaterial nicht, wie er zunächst vorhatte, dem im Gesuch angeführten, sondern einem andern Land zu liefern, so macht er sich nur wegen Umleitens strafbar. So verhielt es sich z. B. bei der ersten Lieferung nach Malaysia (s. hiervor C/2). Die Beispiele zeigen, dass lit. b und c sich auf verschiedene Vorgänge beziehen und Tatbestände enthalten, die unabhängig voneinander erfüllt werden können. Wer beide erfüllt, macht aber sowohl unter dem Gesichtspunkt des Erfolges als auch unter dem der Schuld mehr als jemand, der nur entweder die eine oder die andere Straftat verübt; er ist daher nach beiden Bestimmungen strafbar (vgl.BGE 77 IV 92Erw. 2). .
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I.3. Die Verteidigung macht ferner geltend, Art. 18 Abs. 1 lit. b KMB erfasse nicht nur unrichtige und unvollständige Angaben, sondern auch Urkundenfälschungen, insbesondere den Gebrauch von falschen Endverbraucher-Erklärungen. Solche Erklärungen seien ausserhalb des Bewilligungsverfahrens rechtlich bedeutungslos; man habe sie hier jedenfalls nur benutzt, BGE 96 IV 155 S. 165 um die unwahren Angaben in den Ausfuhrgesuchen zu stützen. Auf diesen Tatbestand treffe aber gerade Art. 18 Abs. 1 lit. b KMB zu. Art. 251 StGB sei entgegen der Auffassung des Bundesanwalts nicht anwendbar. Die Verteidigung will damit sagen, die Bestimmung des Spezialgesetzes gehe derjenigen des Strafgesetzbuches vor; sie beruft sich denn auch auf Spezialität. Solche wäre indes nur anzunehmen, wenn der Tatbestand des KMB denjenigen der Urkundenfälschung in allen Teilen in sich schlösse. Das trifft offensichtlich nicht zu. Art. 18 Abs. 1 lit. b KMB erwähnt weder die Merkmale der Urkundenfälschung noch den Gebrauch falscher Urkunden zur Täuschung der Behörden. Nach dieser Bestimmung macht sich vielmehr schon strafbar, wer in einem Gesuch unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für die Erteilung der Bewilligung wesentlich sind. Nicht nötig ist,
dass der Täter die Angaben mit falschen Urkunden tarne. Da nicht in allen Fällen Endverbraucher-Erklärungen verlangt werden, kann er schon mit einem inhaltlich falschen Gesuch eine Bewilligung erwirken. Art. 14 Abs. 3 KMB (Fassung gemäss BRB vom 27. Dezember 1967) sieht vor, dass Ausfuhrbewilligungen «in der Regel» nur erteilt werden, wenn die dort angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Wortlaut der Bestimmung lässt also Ausnahmen zu, insbesondere in dem Sinne, dass die Bewilligungsbehörde auf eine Endverbraucher-Erklärung verzichtet. Solche Ausnahmen sind auch hier gemacht worden. Im Falle Nigeria erwirkten die Angeklagten zwei, im Falle Israel sogar fünf Ausfuhrbewilligungen, ohne die inhaltlich unwahren Gesuche mit falschen Endverbraucher-Erklärungen zu stützen (s. hiervor C/3 und 4). Ebensowenig ist der Gebrauch einer falschen Urkunde im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB wertmässig, dem Verschulden und dem Unrecht nach (BGE 91 IV 213), im Tatbestand des Art. 18 Abs. 1 lit. b KMB enthalten, weshalb auch von Konsumtion nicht die Rede sein kann. Das ergibt sich schon daraus, dass diese Bestimmung bloss Gefängnis oder Busse, jene dagegen Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis androht. Wer unwahre Angaben im Bewilligungsverfahren mit falschen Urkunden deckt, der vergeht sich denn auch schwerer als derjenige, der sich mit unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Gesuch begnügt. Sein strafbares Verhalten ist nur dann allseits erfasst und seine Schuld im .
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BGE 96 IV 155 S. 166 vollen Umfange abgegolten, wenn neben Art. 18 Abs. 1 lit. b KMB auch Art. 251 StGB Anwendung findet. Mit dem Unrecht der Täuschung verhält es sich nicht anders. Mag mit falschen Angaben im Gesuche und einer entsprechenden Endverbraucher-Erklärung auch das gleiche bezweckt werden, macht es doch einen Unterschied, ob der Täter es bei schriftlichen Lügen bewenden lässt oder sie mit einer falschen Urkunde belegt. Der im Gebrauch der falschen Endverbraucher-Erklärung liegende Unrechtsgehalt wäre aber nicht miterfasst und geahndet, wenn der Täter diesfalls einzig nach Art. 18 Abs. 1 lit. b KMB bestraft würde. Dass es in dieser Bestimmung um Täuschungshandlungen gegenüber einer
Behörde geht, ist kein Grund, den Täter zu privilegieren. Wer den Staat hintergeht, ist entgegen einer weit verbreiteten Auffassung nicht weniger strafwürdig als derjenige, der die Urkundenfälschung gegenüber einer Privatperson verübt. Die ausschliessliche Anwendung der mildern Spezialbestimmung ist insbesondere nicht schon deswegen am Platze, weil der Täter dem Getäuschten im ersten Fall in einem öffentlichrechtlichen Verhältnis untergeordnet, im zweiten jedoch gleichgeordnet gegenübersteht (vgl. NOLL, ZStR 1959 S. 48). Wo eine Behörde, wie hier, zur Erfüllung ihrer Aufgaben darauf angewiesen ist, dass Gesuchsteller wahrheitsgemäss Angaben machen und echte Endverbraucher-Erklärungen beibringen, wiegen die Ausnützung täuschungsbegünstigender Umstände und die Ausbeutung von Vertrauen (vgl. Art. 9 Abs. 4 KMB) jedenfalls nicht weniger schwer als Täuschungshandlungen gegenüber einem Privaten. Die Strafbestimmungen des KMB enthalten denn auch nicht den geringsten Anhalt dafür, dass der Beschluss die strafbaren Handlungen im Bewilligungsverfahren wegen der Stellung des Täters abschliessend regle und auch die verwandten Tatbestände des StGB erfasse. Nach Art. 21 bis Abs. 2 KMB werden die besondern Bestimmungen des StGB vielmehr ausdrücklich vorbehalten. Wer im Bewilligungsverfahren unwahre Angaben macht und sie mit einer falschen Endverbraucher-Erklärung tarnt, ist daher sowohl nach Art. 18 Abs. 1 lit. b KMB als auch nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB strafbar. Die Lösung entspricht der Rechtsprechung des Kassationshofes, der Idealkonkurrenz annimmt, wenn sich der besondere Tatbestand mit demjenigen des StGB nicht deckt, für die gleichzeitige Anwendung beider .
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BGE 96 IV 155 S. 167 Bestimmungen Raum bleibt und der Kumulation nicht eine besondere Kollisionsnorm des Spezialgesetzes entgegensteht (BGE 77 IV 46; BGE 80 IV 39; BGE 81 IV 118, 162, 247; BGE 83 IV 139; BGE 86 IV 92; BGE 88 IV 137). .
I.4. Gelbert weigerte sich im Untersuchungsverfahren, über die Personen, die ihm die (falschen) Endverbraucher-Erklärungen besorgten, Auskunft zu geben. In der Hauptverhandlung erklärte er, dass das mit Briefkopf versehene .
Papier sowie die Stempel und Unterschriften auf den Schriftstücken echt, die darin enthaltenen Erklärungen dagegen erfunden seien. Eine strafbare Falschbeurkundung liegt nur vor, wenn die Urkunde gerade dazu bestimmt ist, die erlogene Tatsache aufzunehmen und festzustellen (BGE 72 IV 72). Das trifft auf die von Gelbert eingebrachten Erklärungen zu. Die Endverbraucher-Erklärung ist die Bescheinigung einer ausländischen Regierungsstelle, dass sie das in der Schweiz bestellte Kriegsmaterial nur für das eigene Land benötige und nicht wieder ausführe. Die Erklärung ist eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung im Sinne des Art. 110 Ziff. 5 StGB, weil sie in der Regel vorliegen muss, damit die Ausfuhr bewilligt werden darf (Art. 14 Abs. 3 KMB, Fassung gemäss BRB vom 27. Dezember 1967). Indem die von Gelbert angegangenen Personen im Namen von Regierungs- oder hohen Verwaltungsstellen wider besseres Wissen solche Bescheinigungen ausstellten, haben sie daher rechtlich erhebliche Tatsachen unrichtig beurkundet. Lebedinsky und Gelbert anerkannten in der Hauptverhandlung denn auch ausdrücklich, dass es sich um inhaltlich falsche Urkunden, d.h. um Falschbeurkundungen handelte. Urkundenfälschung und Gebrauch einer falschen Urkunde sind mit der gleichen Strafe bedroht, jedoch selbständige Tatbestände (Art. 251 Ziff. 1 StGB). Erfüllt der Täter beide, so darf er entweder nur wegen Fälschung oder bloss wegen Gebrauchs des Falsifikates bestraft werden (BGE 95 IV 73 Erw. b und c). Bei dieser Rechtslage kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, wie es sich mit den im Ausland veranlassten Falschbeurkundungen verhält, ob insbesondere das Gesetz am Begehungsorte für den Täter milder wäre (Art. 6 StGB). Der Bundesanwalt hat denn auch nur den Gebrauch der Falsifikate im Inland unter Anklage gestellt; dafür aber haben die Täter nach schweizerischem Recht einzustehen (Art. 7 Abs. 1 StGB). .
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BGE 96 IV 155 S. 168 I.5. Die Verteidiger von Lebedinsky und Meili sind der Auffassung, die nachträgliche Verfälschung eines Kaufvertrages im Falle Nigeria durch die Angeklagten sei ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 251 Ziff. 3 StGB. Dasselbe sei von der falschen Bestätigung zu sagen, welche Gelbert sich auf Weisung Lebedinskys in Addis-Abeba beschaffte, um den
Bundesbehörden eine verbotene Waffenlieferung nach Ägypten zu verheimlichen. Ob ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 251 Ziff. 3 StGB gegeben sei, hängt von den gesamten Umständen ab, die bei der Abwägung des Verschuldens zu berücksichtigen sind (vgl. BGE 95 IV 26 Erw. c). Im vorliegenden Fall lassen die Umstände das Verschulden der Beteiligten nicht als geringfügig erscheinen. Welche Bedeutung die Angeklagten z. B. der falschen Bestätigung beimassen, erhellt daraus, dass Gelbert einzig zu deren Beschaffung nach Addis-Abeba reiste. Mögen die Angeklagten die zu beurteilenden Fälschungen auch vorwiegend in der Absicht verübt haben, verbotene Lieferungen von Kriegsmaterial zu vertuschen, so zeigt ihr Vorgehen doch, dass sie auch hier nicht davor zurückschreckten, Drittstaaten zur Irreführung schweizerischer Behörden zu missbrauchen. Zu einer andern Beurteilung besteht umsoweniger Anlass, als das Gesetz bei der Abgrenzung der privilegierten von den einfachen Fällen einen strengen Massstab angelegt wissen will und der Richter Art. 251 Ziff. 3 StGB nicht leichthin anwenden soll (BGE 71 IV 216Erw. 2). .
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I.6. Die Verteidigung wendet ferner ein, die Angeklagten Lebedinsky und Meili seien berechtigt gewesen, belastende Beweisstücke über verbotene Lieferungen vernichten zu lassen. Der Einwand geht fehl. Es ist unbestritten und liegt zudem auf der Hand, dass es den Angeklagten bei der Beseitigung von Unterlagen wie bei den nachträglichen Fälschungen darum gegangen ist, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Selbstbegünstigung ist freilich in der Regel nicht strafbar (BGE 72 IV 164,BGE 73 IV 239). Wenn die Selbstbegünstigung in einer andern strafbaren Handlung besteht, entgeht der Täter der Strafe jedoch nicht (BGE 75 IV 179,BGE 76 IV 106). Ein solcher Fall liegt hier vor. Wer wie die WO zur Führung von Geschäftsbüchern verpflichtet ist, hat nicht nur diese, sondern auch Geschäftskorrespondenzen während zehn Jahren aufzubewahren (Art. 962 OR). Die Pflicht der WO zur Aufbewahrung von Belegen und .
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BGE 96 IV 155 S. 169 Korrespondenzen ergab sich zudem aus Art. 16 Abs. 4 KMB. Indem
Lebedinsky und Meili Ende 1968 insbesondere Kaufverträge und Bestellungen, die sich auf verbotene Kriegsmateriallieferungen bezogen, vernichteten oder vernichten liessen, um der Strafverfolgung zu entgehen, setzten sie sich über diese Pflicht hinweg; sie unterdrückten Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, und wollten sich durch die unerlaubte Handlung einen unrechtmässigen Vorteil im Sinne von Art. 254 Abs. 1 StGB verschaffen. I.7. Die Vorbereitung und Durchführung der verbotenen Lieferungen waren nie Sache eines einzigen Angeklagten, sondern stets die Arbeit mehrerer, die nach den ihnen auch bei erlaubten Geschäften zukommenden Rollen oder Aufgaben bewusst und gewollt zusammenwirkten, um die Ausfuhr des Kriegsmaterials nach dem unter Embargo stehenden Lande zu ermöglichen. Das ist, wie der Bundesanwalt mit Recht bemerkt, Mittäterschaft. Soweit die Angeklagten zu den verbotenen Lieferungen in Kenntnis der wahren Sachlage beigetragen haben, sei es, dass sie als Vorgesetzte die Straftaten veranlasst oder sie nicht nach ihren Möglichkeiten verhindert, sei es, dass sie als Untergebene die Straftaten ausgeführt haben, sind sie daher als Mittäter zur Verantwortung zu ziehen. II.1. Der Angeklagte Lebedinsky hat über die ihm zur Last gelegten Straftaten in der Untersuchung ein glaubwürdiges Geständnis abgelegt und dieses in der Hauptverhandlung ausdrücklich aufrechterhalten. Er hat vor Gericht insbesondere erklärt, dass er in allen Fällen, die Gegenstand der Anklage sind, von den verbotenen Geschäften Kenntnis gehabt, sie als Vorgesetzter gebilligt habe und dafür die Verantwortung übernehme. An der Vorbereitung einiger Geschäfte hat er selber aktiv mitgewirkt, indem er z.B. ein inhaltlich falsches Ausfuhrgesuch mitunterzeichnete, in Ägypten mit General Riad über Waffenlieferungen verhandelte und nicht nur mit diesem Lande, sondern auch mit Nigeria namens der WO Kaufverträge über Kriegsmaterial abschloss. Als Direktor der Waffen-Verkaufsabteilung hat er aber auch für die übrigen Fälle einzustehen. Er war der Initiant der wiederholten und fortgesetzten Widerhandlungen gegen den KMB und der damit verbundenen BGE 96 IV 155 S. 170
Urkundenfälschungen. Das zeigt sich darin, dass er auch in Fällen, in denen er nach aussen nicht handelnd in Erscheinung trat, eine massgebende Rolle spielte. Als der Bundesrat gegenüber Südafrika ein Embargo verhängte, entschloss er sich, dieses Land mit Hilfe falscher Endverbraucher-Erklärungen weiterhin von der Schweiz aus zu beliefern. Er war es auch, der Gelbert veranlasste, solche Erklärungen für Lieferungen nach Südafrika und andern unter Embargo stehenden Ländern zu besorgen. Die Bedeutung seiner Rolle erhellt insbesondere auch aus seinem Verhalten im Sommer und Herbst 1968, als die Bundesbehörden Verdacht schöpften und die Angeklagten mit einer Untersuchung rechneten. Anfangs August beauftragte er Gelbert, nach Addis-Abeba zu fliegen, um die falsche Bestätigung eines gewissen Mariam beizubringen, mit der die Leitung der WO sich gegenüber den misstrauisch gewordenen Bundesbehörden rechtfertigen wollte. Als die Untersuchung bevorstand oder bereits im Gange war, erteilte Lebedinsky die Weisung, belastende Aktenstücke, wie Verträge und Bestellungen, zu vernichten. Ferner liess er einen mit Nigeria geschlossenen Kaufvertrag über die Lieferung von Flab-Kanonen durch Meili so abändern, dass die Meinung entstand, die Urkunde beziehe sich auf ein erlaubtes Geschäft. Er hat sich dadurch der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB sowie der Urkundenunterdrückung (Art. 254 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht. Lebedinsky hat sich nach seinen eigenen Aussagen bewusst über die Embargo-Beschlüsse des Bundesrates hinweggesetzt. Er war entschlossen, gleichwohl zu liefern, will sich aber nicht ein für allemal, sondern von Land zu Land für die Umgehung der Beschlüsse entschieden haben. Er begründete sein Verhalten vor allem damit, dass er der WO Kunden erhalten wollte, weil es angesichts der grossen Konkurrenz im internationalen Waffenhandel schwierig sei, verlorene Kunden zurückzugewinnen; dazu sei das Interesse der Firma an einer steten Fabrikation gekommen, was für die Programmierung und Entwicklung neuer Waffen wichtig sei. Durch die Umgehung der Beschlüsse hat Lebedinsky sich der wiederholten und fortgesetzten Widerhandlung gegen Art. 18 Abs. 1 lit. b und c KMB schuldig gemacht. Soweit dazu falsche Endverbraucher-Erklärungen verwendet worden sind, ist er ausserdem wegen wiederholter und .
BGE 96 IV 155 S. 171 fortgesetzter Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB zu verurteilen. II.2. Der Angeklagte Gelbert hat an den verbotenen Lieferungen nach Südafrika, Israel, Nigeria, Saudi-Arabien, Ägypten und dem Libanon mitgewirkt. Auf Veranlassung Lebedinskys besorgte er die falschen Endverbraucher-Erklärungen, welche teils einmal, teils wiederholt zur Täuschung der Bundesbehörden verwendet wurden. Eine dieser Erklärungen erhielt er angeblich von belgischen, zwei von äthiopischen, drei von iranischen und elf von französischen Regierungs- oder Verwaltungsstellen. Auf die Fragen, welche Personen ihm zu den falschen Urkunden verhalfen und wieviel er ihnen dafür bezahlte, wollte Gelbert weder in der Untersuchung noch in der Hauptverhandlung antworten. Er räumte in anderm Zusammenhang lediglich ein, dass man ihn auf Verbindungen aufmerksam gemacht habe, er im Ausland «so hoch wie möglich», mit Generalstäben, Ministern und Königen verkehrt habe und dass die Anbahnung und Vermittlung von Geschäften im internationalen Waffenhandel viel Geld koste. Dies lässt auf hohe Belohnungen schliessen. Gelbert übergab die falschen Endverbraucher-Erklärungen Lebedinsky oder Meili, will sich dann aber nicht mehr um sie bekümmert haben. Er wusste jedoch, dass damit den Bundesbehörden erlaubte Lieferungen vorgetäuscht und Embargo-Beschlüsse des Bundesrates umgangen wurden. Wegen der Rolle, die er dabei spielte, wollte er seine Stelle bei der WO denn auch mehrmals aufgeben, brachte den Mut zur Kündigung aber nicht auf. Seine Mitwirkung beschränkte sich übrigens nicht darauf, erfundene Erklärungen einzubringen. Im Falle Israel hat er wiederholt Bestellungen entgegengenommen und selber bearbeitet. Im Falle Nigeria hat er zwei falsche Ausfuhrgesuche mitunterzeichnet und die falsche Bestätigung des Mariam eingeholt. Bei zahlreichen Lieferungen sorgte er zudem durch Weisungen an die Speditionsfirma dafür, dass das Kriegsmaterial nach dem Bestimmungsland umgeleitet wurde. Auch hat er Lebedinsky auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, Saudi-Arabien mit Raketen zu beliefern.
Wenn er bei einigen Lieferungen nach Israel angenommen haben will, es handle sich nicht um Kriegsmaterial, so verdient er angesichts seines Einsatzes und seines an der Hauptverhandlung selbst bekundeten besondern Interesses für dieses Land keinen Glauben. Er hat mit BGE 96 IV 155 S. 172 der Möglichkeit, dass die Lieferungen Kriegsmaterial enthielten, jedenfalls gerechnet und sie in Kauf genommen, folglich zumindest mit Eventualvorsatz gehandelt. Gelbert ist daher der wiederholten und fortgesetzten Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB sowie der wiederholten und fortgesetzten Widerhandlung gegen Art. 18 Abs. 1 lit. b und c KMB schuldig zu sprechen. II.3. Der Angeklagte Meili hat in allen Fällen, die Gegenstand der Anklage sind, in der einen oder andern Weise aktiv mitgewirkt. Er kannte den Waffenhandel aus langjährigen Erfahrungen und gehörte denn auch von Anfang an zu den Eingeweihten. Er wusste insbesondere, dass EmbargoBeschlüsse des Bundesrates umgangen werden sollten und die zur Täuschung der Bundesbehörden benutzten Endverbraucher-Erklärungen erlogen waren. Statt Widerstand zu leisten, hat er als Leiter der Administration oder Sachbearbeiter von Geschäften aus arabischen Staaten, wie er sich in der Hauptverhandlung ausdrückte, einfach mitgemacht. Seine Rolle erhellt vor allem daraus, dass er namens der WO die Kaufverträge mit Nigeria und Ägypten sowie über vierzig falsche Ausfuhrgesuche mitunterzeichnet hat. Wenn er bei einzelnen Lieferungen das Bestimmungsland nicht gekannt haben will, hat er doch unbekümmert darum mitgemacht und zumindest eventualvorsätzlich gehandelt. Im Falle Israel erklärte er denn auch, er habe gewusst, dass das Kriegsmaterial für dieses Land bestimmt war, hätte die Ausfuhrgesuche aber auch unterschrieben, wenn ihm der Bestimmungsort nicht bekannt gewesen wäre. In Kenntnis des Sachverhaltes hat Meili ferner die Betriebsaufträge ausfertigen lassen, die zur Verheimlichung der Straftaten in der WO auf ein Tarnland oder einen Decknamen (z. B. Sophie) lauteten; die meisten Aufträge hat er zudem selber unterschrieben. Schliesslich hat er die .
Speditionsfirma in vielen Fällen angewiesen, das ausgeführte Kriegsmaterial nach dem Bestimmungsland umzuleiten. Meili will bisweilen Bedenken gehabt haben, weiter mitzumachen, hat die Skrupel nach seinen Angaben aber «von Fall zu Fall wieder beerdigt», weil er aus Altersgründen die Stelle nicht mehr wechseln wollte. Wegen seiner Mittäterschaft bei der Vorbereitung und Durchführung der verbotenen Lieferungen ist er daher der wiederholten und fortgesetzten Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB sowie BGE 96 IV 155 S. 173 der wiederholten und fortgesetzten Widerhandlung gegen Art. 18 Abs. 1 lit. b und c KMB schuldig zu erklären. Indem er einen mit Nigeria geschlossenen Kaufvertrag nachträglich auf Weisung Lebedinskys abänderte, um den Untersuchungsbehörden ein erlaubtes Geschäft vortäuschen zu können, hat Meili sich ferner der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB schuldig gemacht. Auf Weisung Lebedinskys hat er zu Beginn der Untersuchung ausserdem zusammen mit einer Sekretärin belastende Aktenstücke, insbesondere einen mit Nigeria und den mit Ägypten geschlossenen Kaufvertrag sowie eine schriftliche Bestellung des Libanons vernichtet. Dass er auch in den Fällen Südafrika und Malaysia bei der Vernichtung von Unterlagen mitwirkte, konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Er ist daher in den ersten drei Fällen der fortgesetzten Urkundenunterdrückung im Sinne von Art. 254 Abs. 1 StGB schuldig zu erklären, in den beiden letzten dagegen von der Anklage freizusprechen. Freizusprechen ist Meili auch von der Anklage, Art. 19 Abs. 2 KMB zuwidergehandelt zu haben. Nach dieser Bestimmung macht sich strafbar, wer unerlaubte Geschäfte über Kriegsmaterial finanziert oder deren Finanzierung vermittelt, d.h. für solche Geschäfte Kapital beschafft oder beschaffen hilft. Das hat Meili dadurch, dass er 1968 als Angestellter der WO bei der ägyptischen Botschaft in Bern dreimal Geld abholte, das Ägypten der Firma aus dem Kauf von Waffen und Munition schuldete (vgl. hiervor C/6), nicht getan. .
II.4. Der Bundesanwalt wirft Bührle fortgesetzte Urkundenfälschung sowie fortgesetzte vorsätzliche Widerhandlung gegen Art. 18 Abs. 1 lit. b und c KMB vor; fahrlässige Widerhandlungen gegen diese Bestimmungen des KMB wären als Übertretungen bereits verjährt. Der Bundesanwalt hat gegen Bührle jedoch einzig im Falle Südafrika Anklage erhoben, weil ein hinreichender Beweis dafür, dass der Angeklagte bei unerlaubten Lieferungen an andere Länder vorsätzlich mitgewirkt oder solche Lieferungen bewusst geduldet habe, nicht zu erbringen gewesen sei. An diese Beschränkung der Anklage auf ein Land ist das Gericht gebunden; denn es darfgemäss Art. 169 Abs. 1 BStP nur die Tat beurteilen, auf die sich die Anklage bezieht. Der Bundesanwalt macht nicht geltend, Bührle habe nach dem Erlass des Embargo-Beschlusses vom 6. Dezember 1963 BGE 96 IV 155 S. 174 an der Belieferung Südafrikas aktiv mitgewirkt. Anhalte für eine solche Mitwirkung des Angeklagten an verbotenen Lieferungen nach Südafrika hat auch die Hauptverhandlung nicht ergeben. Es fragt sich indes, ob Bührle nicht deswegen zu bestrafen sei, weil er nichts gegen die verbotenen Lieferungen vorgekehrt, die ihm zur Last gelegten Straftaten also durch Unterlassung verübt hat. Der Bundesanwalt sieht das strafbare Verhalten des Angeklagten denn auch darin, dass dieser vom November 1964 bis Ende März 1968, statt als Gesellschafter und oberster Chef der WO einzuschreiten und die rechtswidrige Belieferung Südafrikas ein für allemal abzustellen, vorsätzlich untätig geblieben sei. a) Kann ein Begehungsdelikt nach seinem Sinn und Wortlaut sowohl durch Tun wie durch (unechte) Unterlassung verübt werden, so ist unter bestimmten Voraussetzungen auch die Unterlassung strafbar. Zu diesen Voraussetzungen gehört insbesondere, dass der Urheber der Unterlassung rechtlich verpflichtet war, die mit Strafe bedrohte Gefährdung oder Verletzung des geschützten Rechtsgutes zu verhindern. Die Rechtspflicht zum Handeln kann sich aus gesetzlicher Vorschrift, aus Vertrag oder auch aus den Umständen ergeben (vgl. BGE 81 IV 121 unten). Voraussetzung ist ferner, dass der Unterlassende .
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die ihm obliegende Pflicht schuldhaft verletzt hat und dass er den Eintritt des verpönten Erfolges durch pflichtgemässes Verhalten hätte verhüten können. Die Strafbarkeit des unechten Unterlassungsdeliktes findet ihre Rechtfertigung darin, dass derjenige, der verpflichtet ist, durch Handeln einen bestimmten Erfolg abzuwenden, und dazu auch in der Lage ist, aber untätig bleibt, grundsätzlich ebenso strafwürdig ist wie derjenige, der den Erfolg durch Tun herbeiführt (BGE 79 IV 147, BGE 81 IV 202, BGE 86 IV 220 und dort angeführtes Schrifttum). Ob die Pflicht Bührles, gegen die verbotene Belieferung Südafrikas einzuschreiten und einer weitern Missachtung des Embargo-Beschlusses durch Massnahmen vorzubeugen, sich bereits aus Art. 9 Abs. 4 und 21 KMB ergäbe, wie der Bundesanwalt geltend macht, kann offen bleiben. Sie ergibt sich jedenfalls aus der Stellung und Rolle, welche der Angeklagte während der kritischen Zeit im Familienunternehmen eingenommen hat. Er war einziger Komplementär der Kommanditgesellschaft und, als diese im Frühjahr 1967 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, bis Ende 1968 einziger Verwaltungsrat. Tatsächlich .
BGE 96 IV 155 S. 175 war er der oberste Leiter der WO und der nach aussen in Erscheinung tretende Inhaber der Firma. Als Haupt der WO und nach der beherrschenden Rolle, die er innehatte, wäre er aber verpflichtet gewesen, sogleich durchzugreifen und für Abhilfe zu sorgen, als er erkennen konnte, dass die Leitung der Waffen-Verkaufsabteilung sich über den Embargo-Beschluss des Bundesrates hinwegsetzte. b) Bührle versucht diese Pflicht übrigens nicht zu bestreiten, behauptet aber, er habe erst anfangs Juli 1965 von Dr. Blättler und dann auch von Lebedinsky erfahren, dass Frankreich nur als Tarnland diente und das Kriegsmaterial nach Südafrika weitergeleitet wurde. Er habe daraufhin sogleich angeordnet, dass dieses Land nur noch aus einem Unternehmen im Ausland beliefert werde. Die WO lieferte Südafrika am 9. April und 4. August 1964, also nachdem der Embargo-Beschluss längst erlassen war, je 108 000 Schuss 30 mm
Munition. Dass Bührle um diese Lieferungen gewusst habe, konnte ihm nicht nachgewiesen werden und wirft ihm die Anklage auch nicht vor. Nach der Auffassung des Bundesanwalts war der Angeklagte dagegen vom November 1964 an im Bilde, da er zwischen dem 19. Oktober und dem 2. November von Lebedinsky unterrichtet worden sei. Die Beschuldigung stützt sich auf eine Aussage Lebedinskys, der im Ermittlungsverfahren erklärte, er habe Bührle damals anlässlich einer Besprechung persönlich von der weitern Belieferung Südafrikas über Frankreich Kenntnis gegeben. Bührle bestritt dies und behauptete, Lebedinsky habe ihm erklärt, die von Südafrika bestellten Geschütze hätten nun zu einem Truppentest nach Frankreich geliefert werden können; die Erklärung habe ihn beruhigt und er habe sich lediglich gefragt, ob Frankreich die Geschütze nach Südafrika verkaufen könnte. Lebedinsky hielt an seiner belastenden Aussage zunächst fest, auch als er Bührle gegenübergestellt wurde, rückte dann aber mit der Begründung davon ab, dass er die Besprechung vom Oktober / November 1964 mit einer spätern von anfangs Juli 1965 verwechselt haben müsse und die Darstellung Bührles zutreffe. Im gleichen Sinne äusserte er sich in der Hauptverhandlung. Bei diesen einander widersprechenden Aussagen Lebedinskys darf trotz schwerwiegenden Verdachts ein Mitwissen Bührles schon seit November 1964 nicht als bewiesen gelten, zumal Dr. Blättler als Zeuge erklärte, bei der Besprechung von anfangs .
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BGE 96 IV 155 S. 176 Juli 1965 habe er den Eindruck erhalten, der Angeklagte erfahre etwas Neues. Als Bührle am 1. oder 2. Juli 1965 mit Sicherheit den wahren Sachverhalt erfuhr, begnügte er sich nach seinen eigenen Aussagen mit der Bemerkung, man solle mit der Belieferung Südafrikas aus der Schweiz Schluss machen. Diese Bemerkung war nach den bereits in Missachtung des EmbargoBeschlusses getätigten Geschäften nicht geeignet, weitern Verletzungen der Sperre vorzubeugen. Wenn er auch nicht immer anwesend sein konnte, wäre er als Firmeninhaber und oberster Chef der WO doch verpflichtet gewesen, Lebedinsky und dessen Untergebene unmissverständlich vor neuen Verstössen zu warnen und die nötigen Kontrollmassnahmen anzuordnen. Es fehlte ihm
indes offensichtlich am ernstlichen Willen, wirksam einzugreifen; nur so ist zu verstehen, dass die Waffen-Verkaufsabteilung bereits mit Ausfuhrgesuch vom 5. August 1965 eine weitere Lieferung nach Südafrika vorzubereiten und mit verbotenen Geschäften im bisherigen Umfange bis Ende März 1968 fortzufahren wagte. Auch hat Bührle sich nie erkundigt, obwohl er sich früher gerade für die Belieferung von Südafrika besonders interessierte; er blieb vielmehr während Jahren untätig. Sein Verhalten kann nur so ausgelegt werden, dass er mit weiteren direkten Lieferungen der WO nicht bloss rechnete, sondern damit einverstanden war. Er erklärte in der Hauptverhandlung denn auch, dass er wegen der direkten Belieferung Südafrikas «nicht unglücklich» gewesen sei, weil er das Embargo als Gefährdung dieser Geschäftsmöglichkeit angesehen und es übrigens für politisch unklug gehalten habe. Sein fortgesetztes und bewusst pflichtwidriges Verhalten nach dem 2. Juli 1965 erfüllt den Begriff des Eventualvorsatzes (vgl. BGE 86 IV 15 Erw. 5 und 6). Bührle ist daher als Mittäter der Widerhandlungen gegen den KMB zu betrachten, welche Lebedinsky, Gelbert und Meili durch die Belieferung Südafrikas nach diesem Zeitpunkt begangen haben. .
c) Die Frage, ob Bührle sich durch sein passives Verhalten überhaupt der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 machen konnte, seine Unterlassung insbesondere tatbestandsmässig gewesen sei und der Begehung der Straftat durch ein Tun gleichzustellen wäre, braucht nicht näher geprüft zu werden, weil der subjektive Tatbestand jedenfalls nicht nachgewiesen ist. Als Inhaber der WO wusste Bührle sicher BGE 96 IV 155 S. 177 Bescheid über die Voraussetzungen, welche eine Firma erfüllen muss, um Kriegsmaterial ordnungsgemäss ausführen zu können. Er wusste im vorliegenden Fall auch, dass Frankreich als Tarnland benutzt und das Kriegsmaterial von dort nach Südafrika weitergeleitet wurde. Dagegen bestehen Zweifel, ob er sich auch darüber Rechenschaft gegeben habe, dass die Belieferung Südafrikas mit Hilfe falscher Endverbraucher-Erklärungen verwirklicht wurde. Da ein ausreichender Beweis hierüber fehlt, ist der
Angeklagte in diesem Punkte freizusprechen. III.1. Gemäss Art. 63 StGB ist die Strafe nach dem Verschulden des Täters zuzumessen; zu berücksichtigen sind ferner die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten. Das Verschulden ist umso grösser, je bedenkenloser und länger sich ein Angeklagter vergangen hat. Auch das Vorgehen, die Rolle und der Rang, die ein Angeklagter einnahm, sind für die Art und das Mass der Strafe von Bedeutung. Wer in führender Stellung war, wird strenger, wer untergeordnete Aufgaben erfüllte, milder bestraft. Allgemein wird das Verschulden dadurch erhöht, dass die Grundbewilligung zur Herstellung von Kriegsmaterial nur gut beleumdeten und vertrauenswürdigen Personen oder Unternehmen erteilt wird (Art. 9 Abs. 4 KMB) und dass die WO das Vertrauen der Bundesbehörden genossen hat. Dieses Vertrauen haben die Angeklagten, wie der verbotene Umsatz von nahezu 90 Millionen Franken zeigt, während Jahren hemmungslos ausgenützt. Sie haben nicht bloss zahlreiche falsche Ausfuhrgesuche eingereicht und Kriegsmaterial nachher umgeleitet, sondern den Gesuchen in den meisten Fällen erlogene Endverbraucher-Erklärungen beigelegt, die von den Bundesbehörden, wie die Angeklagten wussten, nur sehr schwierig zu überprüfen waren. Sie liessen von ihren Straftaten auch dann nicht ab, als die Bundesbehörden wegen Meldungen aus Nigeria misstrauisch wurden, von der WO im April 1968 Auskunft verlangten und verschiedene Ausfuhrbewilligungen widerriefen; sie versuchten die Behörden vielmehr zu beschwichtigen, unter anderem mit einer falschen Bescheinigung aus AddisAbeba, und fuhren mit den verbotenen Lieferungen bis gegen Mitte September 1968 fort. Als besonders verwerflich erscheint ihr .
BGE 96 IV 155 S. 178 Geschäftsgebaren im Falle Nigeria. Obschon zu gleicher Zeit insbesondere auch schweizerische Hilfsorganisationen mit Spenden der Bevölkerung die Leiden des Bürgerkrieges in Nigeria zu mildern suchten, schreckten sie nicht davor zurück, diesem Land 1967/68 96 Flab-Kanonen und 100 000 Schuss 20 mm Munition zu liefern. Durch ihre Handlungsweise haben sie dem Ruf
und Ansehen der Schweiz geschadet, dem Lande innen- und aussenpolitisch Schwierigkeiten bereitet. Dass die Angeklagten nicht auf unmittelbare persönliche Vorteile ausgingen, sondern der WO Aufträge einbringen, Absatzgebiete erhalten oder neue Märkte erschliessen wollten, vermag sie nicht wesentlich zu entlasten. Der Vertrieb von Waffen und Munition ist nach Art. 41 BV nicht frei, und wenn der Bundesrat aus neutralitätspolitischen Gründen die Belieferung von kriegführenden oder konfliktbedrohten Ländern sperrt, so haben die Rüstungsbetriebe sich daran zu halten. Ob die Embargo-Beschlüsse des Bundesrates nicht allen Verhältnissen genügend Rechnung tragen, wie von der Verteidigung behauptet wird, ist hier nicht zu untersuchen; der Richter hat die bestehenden Vorschriften anzuwenden und kann sich nicht in die Rüstungs- und Aussenpolitik einschalten. III.2. Der Angeklagte Lebedinsky ist am meisten belastet. Als Leiter der Waffen-Verkaufsabteilung hat er zugestandenermassen den Anstoss zu den Widerhandlungen gegen den KMB und den damit verbundenen Urkundenfälschungen gegeben. Statt das Vertrauen der Bundesbehörden zu rechtfertigen, ist er während Jahren mit einigen Untergebenen darauf ausgegangen, ihr Vertrauen auszunützen und sie mit falschen Angaben und erlogenen Urkunden hinters Licht zu führen. Hätte er es im Falle Südafrika, wo die Ausfuhrsperre des Bundesrates die vollständige Erfüllung eines Vertrages verhinderte, bei der Lieferung des 1961–1963 bestellten Kriegsmaterials bewenden lassen, so wäre sein Verhalten, wenn nicht entschuldbar, doch einigermassen verständlich. Er fuhr mit den verbotenen Lieferungen jedoch hemmungslos und in immer grösserem Ausmasse fort. Nicht einmal Rückfragen der Bundesbehörden, die 1967/68 Verdacht schöpften, haben ihn von der Fortsetzung und Erneuerung seiner Vergehen abgehalten. Der hohe Betrag von verbotenen Lieferungen, die Zahl und Häufigkeit der Vergehen sowie die dabei bekundete Hemmungslosigkeit rufen einer strengen Strafe. BGE 96 IV 155 S. 179
Anderseits ist dem Angeklagten zugute zu halten, dass er – abgesehen von einer weit zurückliegenden geringen Strafe – nicht vorbestraft ist, einen tadellosen Leumund geniesst, seiner Firma zu dienen glaubte, nach anfänglichem Leugnen geständig war und vor Gericht freimütig die Hauptverantwortung für alle verbotenen Geschäfte übernommen hat. Die vom Bundesanwalt beantragte Strafe erweist sich in Abwägung aller Umstände als zu niedrig; angemessen sind 18 Monate Gefängnis. III.3. Der Angeklagte Gelbert hat die meisten falschen EndverbraucherErklärungen eingebracht und dadurch in entscheidendem Masse zu den Straftaten anderer beigetragen. Er hat in zahlreichen Fällen die verbotenen Geschäfte überhaupt ermöglicht, indem er Mitangeklagten das besondere Mittel verschaffte, mit dem die Bundesbehörden getäuscht und die Ausfuhrbewilligungen erwirkt wurden. Nach seiner Stellung und Rolle, die er bei der Vorbereitung und Durchführung der verbotenen Lieferungen eingenommen hat, gehört er zu den Hauptverantwortlichen. Sein Verschulden kommt demjenigen Lebedinskys denn auch nahe. Gemindert wird sein Verschulden dadurch, dass er aus den Straftaten keine persönlichen Vorteile gezogen hat und vor allem im Interesse der WO gehandelt haben will. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Gelbert, ausser mit einigen Polizeibussen, die hier nicht ins Gewicht fallen, nicht vorbestraft ist, dass er seine Mitwirkung weitgehend zugegeben hat, heute kränklich und daher besonders strafempfindlich ist. Eine Gefängnisstrafe von 16 Monaten wird seiner Schuld gerecht. III.4. Der Angeklagte Meili war der willige Mittäter, der mit seinen Erfahrungen von Anfang an bis zur letzten verbotenen Lieferung mitwirkte. Dass er nur als Angestellter oder in untergeordneter Rolle mitgemacht habe, wie er in der Untersuchung und vor Gericht vorzugeben suchte, trifft nicht zu. Er nahm innerhalb der Waffen-Verkaufsabteilung vielmehr eine Schlüsselstellung ein, hatte er doch als Vertrauter Lebedinskys die verbotenen Geschäfte vorzubereiten und für deren Geheimhaltung im Betriebe zu sorgen. Er erscheint nach seiner Rolle und Teilnahme als der dritte unter den drei Hauptverantwortlichen, was auch im Strafmass zum Ausdruck kommen muss.
BGE 96 IV 155 S. 180 Strafmindernd ist zu berücksichtigen, dass Meili keine persönlichen Interessen verfolgte, nach anfänglichem Leugnen geständig war und durch seine Angaben viel zur Abklärung des Sachverhaltes beitrug, ferner dass er einen guten Leumund geniesst und nicht vorbestraft ist. Rechnung zu tragen ist auch der Tatsache, dass der Angeklagte heute nahezu 70 Jahre alt ist. Meili hat seine Schuld mit 15 Monaten Gefängnis zu sühnen. III.5. Der Angeklagte Bührle trug als oberster Chef der WO und Inhaber der Grundbewilligung (Art. 7 ff. KMB) eine besondere Verantwortung. Er hätte wirksam dafür sorgen müssen, dass verbotene Geschäfte mit Kriegsmaterial unterblieben. Das hat er gerade im Falle Südafrika bewusst nicht getan. Nach den erfolglosen Bemühungen, die er und Dritte 1963/64 beim Bundesrat unternahmen, um das Embargo gegen Südafrika rückgängig zu machen, wusste er, dass die WO mit einer längern Sperre rechnen musste und fand sich vorübergehend damit ab. Als er spätestens am 2. Juli 1965 jedoch von der verbotenen Belieferung Südafrikas durch die WO erfuhr, griff er nicht durch, sondern liess den Dingen freien Lauf, um mit diesem Land im Geschäft zu bleiben. Besonders erschwerend wirkt, dass er ein Wirtschaftsführer und Geschäftsmann von internationalem Ansehen, Vertrauensmann der schweizerischen Behörden für Rüstungsfragen, Oberst im Generalstab und Jurist ist. Von einem Manne in solchen Verhältnissen wäre zu erwarten gewesen, dass er pflichtgemäss eingriff. Es darf mit Sicherheit angenommen werden, dass die Leitung der Waffen-Verkaufsabteilung dann nicht mehr gewagt hätte, weitere verbotene Geschäfte zu tätigen, weder mit Südafrika noch mit einem andern Lande, das unter einem Embargo stand. Bührle verhielt sich jedoch während Jahren bewusst passiv und liess Lebedinsky und dessen Mitarbeiter frei gewähren. Dazu kommt, dass er die verbotenen Lieferungen an Südafrika mit keinem Wort bedauerte; im Gegenteil: er machte vor dem Gericht kein Hehl daraus, über die weitere Belieferung Südafrikas durch die WO eine gewisse Genugtuung empfunden zu haben. Ihre Straftaten bedauert haben übrigens auch die andern Angeklagten nicht. .
Minderungsgründe wie guter Leumund und der Umstand, dass das Embargo gegen Südafrika die weitere Erfüllung eines Kaufvertrages durch die WO verunmöglichte, fallen angesichts der besonderen Verantwortung Bührles nicht ins Gewicht. Zu berücksichtigen ist dagegen, dass BGE 96 IV 155 S. 181 er – im Gegensatz zu Mitangeklagten – bloss wegen Verletzung des KMB durch Dulden von Lieferungen an Südafrika während 23/4 Jahren verurteilt werden kann. Bührle ist mit 8 Monaten Gefängnis und einer Busse von Fr. 20 000.– zu bestrafen. Die Geldstrafe müsste mit Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten viel höher ausfallen, wenn ihm Gewinnsucht, d. h. ein hemmungsloses oder besonders ausgeprägtes, zur Sucht gewordenes Streben nach Gewinn (BGE 74 IV 142,BGE 79 IV 118, BGE 89 IV 17) nachzuweisen wäre. Dass Bührle durch sein passives Verhalten ein solches Streben nach Gewinn bekundet habe, lässt sich entgegen der Auffassung des Bundesanwalts jedoch nicht sagen. Dem Angeklagten ging es vor allem darum, bereits vor dem Erlass der Ausfuhrsperre begonnene Lieferungen zu üblichen Geschäftsbedingungen fortzusetzen. Die Busse ist daher auf das gesetzliche Höchstmass zu beschränken (Art. 48 Ziff. 1 StGB). .
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BGE 96 IV 185 42. Estratto della sentenza 2 ottobre 1970 della Corte di cassazione penale nella causa Soldati contro Procura pubblica sopraccenerina del Cantone Ticino Regeste Art. 148 und 151 StGB Durch das ungerechtfertigte Entfernen von Lochkarten und durch die Eingabe falscher Daten in einen Elektronenrechner werden Personen, nicht nur die Maschine, irregeführt. Kausalzusammenhang zwischen den täuschenden Manövern und dem Irrtum des Bedienungspersonals (Erw. 1). Unter einem schädigenden Verhalten, zu dem der Irrende bestimmt werden kann, ist jede Handlung, Duldung oder Unterlassung zu verstehen, die geeignet ist, eine Vermögensverminderung herbeizuführen (Erw. 2). Art. 110, 251 und 317 StGB Schriften, die geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Herstellung falscher Urkunden (Erw. 3). .
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Sachverhalt ab Seite 186 BGE 96 IV 185 S. 186 A. Dal 1. settembre 1964 Curzio Soldati era alle dipendenze dello Stato in qualità di capooperatore del Centro elettronico. Egli aveva come mansione di dirigere l’ufficio operativo del Centro, che si suddivideva in 3 sezioni, cioé: il reparto perforazioni schede, il reparto operativo vero e proprio e il reparto informazioni. Era pure di sua competenza il rilascio ai contribuenti, che ne facevano richiesta, di estratti conto compilati dalle impiegate, firmati e timbrati dal capo-operatore. Nel Cantone Ticino i dati delle imposte cantonali, dell’imposta per la difesa nazionale e dell’imposta di circolazione sono elaborati nel Centro
elettronico secondo il sistema delle schede perforate. Oltre alla scheda programma determinante il metodo d’elaborazione occorrono diverse altre schede, specialmente la scheda indirizzo, che registra le generalità di ogni contribuente, e la scheda di calcolo per le operazioni concernenti il reddito, la sostanza, l’imposta preventiva, il riparto intercantonale, la motivazione e l’assoggettamento. La scheda di calcolo è compilata con perforatrice sulla scorta delle dichiarazioni fiscali inviate al Centro elettronico dagli Uffici di tassazione. L’elaborazione di queste schede e di altre ancora conduce in una prima fase del procedimento, da un lato, alla stampa della richiesta di acconto da trasmettere al contribuente, d’altro lato alla stampa delle schede debitori 1. I pagamenti eseguiti dal contribuente vengono registrati, sulla base della polizza postale di versamento, dalla perforatrice sulla scheda pagamento. In seguito, la scheda è messa in uno speciale contenitore. In determinati intervalli di tempo, le schede pagamento vengono elaborate meccanicamente, insieme alle schede debitori, da un operatore del Centro elettronico. È così che i pagamenti sono trascritti sulla parte inferiore della scheda debitori 1. Se i pagamenti corrispondono al debito fiscale, la scheda debitori è saldata. Il debito fiscale è allora considerato estinto, per cui non ci sarà né procedura di diffida, né procedura esecutiva. B. Soldati ha abusato della sua funzione di capo operatore del Centro elettronico, come si può dedurre dagli antefatti seguenti, che sono accaduti dal 1965 al 1969. Egli ha sottratto le sue personali partite d’imposte cantonali, d’imposta per la difesa nazionale e d’imposta di circolazione, per un ammontare complessivo di Fr. 2373.50, e le partite d’imposta cantonale di J. per un ammontare di Fr. 1490.30. Per tale intento, l’imputato ha sottratto dalle cassette le schede BGE 96 IV 185 S. 187 perforate concernenti le sue proprie partite d’imposta e quelle di J., evitando con ciò i richiami e la susseguente procedura esecutiva. Inoltre, egli ha sottratto partite d’imposte cantonali, d’imposta per la difesa nazionale e d’imposta di circolazione, dovute da terze persone, allestendo
personalmente le schede perforate di pagamento per questi contribuenti, benché non fossero stati effettuati i relativi versamenti. Queste schede, così elaborate, venivano unite alle altre e servivano agli operatori per saldare le schede debitori dei corrispettivi contribuenti. Con la perforazione di una o più schede pagamento fittizie, le schede debitori 1, e pertanto le partite dei contribuenti, risultavano pareggiate. I contribuenti così favoriti non ebbero in tal modo da pagare le loro imposte. In questo modo furono sottratte: – – – –
le imposte cantonali dovute da B. per: Fr. 2397.– le imposte cantonali dovute da D. per: Fr 183.30 le imposte cantonali dovute da G. per: Fr 2826.80 le imposte cantonali, l’IDN e l’imposta di circolazione dovute da N. per complessivi: Fr 13 915.30 – le imposte cantonali, l’IDN e l’imposta di circolazione dovute da Sc. per complessivi: Fr 4888.20 – le imposte cantonali dovute da S. per: Fr 864.20 Nei casi B., N. e Sc., Curzio Soldati è proceduto in tale maniera per compensare i suoi debiti personali verso questi tre contribuenti con i debiti fiscali di quest’ultimi. Di fronte a loro, Soldati si avvalse del pretesto di pagare per loro le imposte dovute. Egli ha poi favorito i tre contribuenti D., G. e J. senza che essi ne sapessero qualcosa. La Confederazione svizzera e il Cantone Ticino hanno subito un danno di circa Fr. 28 938,60. C. Soldati ha rilasciato un estratto conto del Centro elettronico del Dipartimento delle finanze alle persone suenunciate, nel quale erano attestati pagamenti di imposte che non furono mai eseguiti. Questi estratti conto, redatti nel modulo ufficiale del Centro elettronico, recavano in calce il timbro del Centro elettronico medesimo e la firma del capo operatore Soldati, rispettivamente furono allestiti su carta da lettera con l’intestazione del Centro elettronico. D. Il 28 aprile 1970, la Corte di cassazione e di revisione penale del Cantone Ticino confermava la decisione della Corte delle Assise correzionali che condannava Soldati alla pena di
BGE 96 IV 185 S. 188 15 mesi di detenzione, da dedursi il carcere preventivo sofferto, per causa di truffa di complessivi Fr. 28 938.60 e di falsità in atti secondo l’art. 317 CP. E. Soldati ha presentato ricorso per cassazione al Tribunale federale, chiedendo di annullare la decisione impugnata e di rinviare la pratica all’istanza precedente, affinché lo dichiarasse colpevole di truffa e di falsità in atti solo nel caso B. e lo condannasse ad una pena inferiore ai 12 mesi, con la sospensione condizionale durante un periodo di prova di 2 anni. Il ricorrente contesta di essersi reso colpevole di truffa negli altri casi, perché non ha ingannato alcuna persona fisica e non c’é stato atto di disposizione patrimoniale. Tanto meno esisterebbe, in questi casi, falsità in atti, poiché gli scritti redatti da lui non sarebbero stati destinati a provare il loro contenuto. F. Il Procuratore pubblico sopraccenerino ha proposto la reiezione del ricorso. Erwägungen Considerando in diritto: 1. Il ricorrente contesta di aver ingannato chicchessia o approfittato dell’errore in cui si fosse trovato qualcuno per indurlo ad atti pregiudizievoli al patrimonio proprio od altrui. In casu, dovrebbe essere escluso l’inganno, perché materialmente impossibile, tutte le fasi decisive del procedimento essendosi svolte automaticamente. Soldati fa, insomma, valere di aver ingannato una macchina, non invece una persona. Questa opinione disconosce il fatto che la macchina elettronica può compiere un lavoro solo se esso è comandato secondo un programma elaborato dall’uomo, e che i dati forniti sono pure compilati dall’uomo. La macchina esegue, in definitiva, un lavoro programmato dall’uomo: essa compie un lavoro di elaborazione dei dati, di modo che l’uomo può fare assegnamento su un determinato risultato corrispondente al programma e ai dati informativi da lui forniti (v. P. SIDLER: Der Schutz von .
Computerprogrammen im Urheber- und Wettbewerbsrecht, Tesi Berna 1968, p. 5 e segg). Nel caso in esame, anche gli organi dell’Amministrazione cantonale delle contribuzioni, in collaborazione con il Centro elettronico, si attendevano dall’ordinatore un risultato completo e fededegno. Tuttavia, la macchina non poteva prestare tale lavoro: in effetti, gli operatori, da un lato, non avevano alimentato la macchina con i dati necessari all’elaborazione automatica, il ricorrente avendo sottratto BGE 96 IV 185 S. 189 talune schede, d’altro lato, avevano fornito all’elaboratore elettronico dati che non corrispondevano alla verità. Come l’istanza precedente ha giustamente rilevato, furono ingannati, in ambedue i casi, oltre alla macchina, anche talune persone, cioé gli organi del Centro elettronico e dell’Amministrazione delle contribuzioni. Essi s’attendevano che l’elaboratore, sulla base del programma prescritto e dei dati comunicati specialmente dalle schede di calcolo e dalle schede di pagamento, fornisse informazioni fededegne, che permettessero di desumere se le imposte fossero state pagate dai singoli contribuenti completamente, oppure solo in parte, oppure non del tutto. Il ricorrente sottrasse dalle cassette le schede perforate concernenti le sue proprie partite d’imposta e quelle di J. e, negli altri casi, perforò schede di pagamento fittizie. Di conseguenza, egli e J. non sono affatto apparsi come contribuenti nel risultato finale dell’elaboratore elettronico, rispettivamente i debiti fiscali ancora esistenti degli altri contribuenti menzionati vennero annunciati come pagati. Naturalmente, gli organi statali che si servirono dell’elaboratore avevano sempre supposto che il risultato conseguito fosse completo e materialmente giusto, ciò che invece non si era avverato. Non si può pertanto negare che siano state ingannate delle persone. Inconcludente si rivela il paragone fatto da Soldati con il funzionamento fraudolento di un apparecchio automatico, punibile, secondo il ricorrente, solo ai sensi dell’art. 151, non invece ai sensi dell’art. 148 CP, siccome verrebbe a mancare il rapporto intellettuale tra autore e vittima. Soldati pone a confronto due cose non paragonabili tra loro. L’apparecchio automatico accorda una prestazione a colui che lo mette in azione con una moneta, rispettivamente, nel
caso dell’art. 151 CP, con un oggetto che per la forma e il peso sia analogo a una moneta, senza che il proprietario dell’automatico debba a sua volta essere direttamente attivo. Altrimenti si procede invece nel Centro elettronico. Prescindendo dal fatto che questa macchina non accorda a un terzo sconosciuto che la metta in funzione una prestazione effettuabile solo dietro pagamento, l’elaboratore elettronico lavora secondo un programma prescritto che si sviluppa in determinate fasi, introdotte e ordinate da operazioni eseguite dagli organi del relativo reparto amministrativo. Dopo che l’elaboratore ha assunto il programma tramite il lettore, gli operatori devono introdurre le schede indirizzo BGE 96 IV 185 S. 190 e le schede di calcolo per ottenere la tassazione del contribuente; i pagamenti effettuati dal contribuente vengono perforati sulle schede pagamento; in seguito, gli operatori devono introdurre le schede di pagamento, insieme alle schede debitori, nell’elaboratore elettronico per poter costatare se le imposte furono o no pagate. Come l’istanza precedente ha costatato in modo vincolante, gli operatori sono partiti dalla premessa che l’elaborazione elettronica delle schede indirizzo e delle schede di calcolo fosse completa e che il contenuto delle schede pagamento fosse conforme a verità. Queste erano anche le condizioni affinché l’elaboratore potesse dare un risultato completo e giusto. Gli addetti al Centro elettronico dovevano poter agire nella convinzione che alcun elemento anomalo, in particolare nessuna scheda fittizia o nessuna sottrazione di schede si fosse verificata. Per le macchinazioni poste in atto da Soldati, gli addetti al Centro, involontari partecipi della frode, sono incorsi in un errore, dovuto al fatto che da un lato mancavano le schede del ricorrente e di J. e che d’altro lato esistevano fra le schede di pagamento una serie di schede fittizie che non furono perforate sulla base di versamenti effettuati con polizze postali. Con ciò è chiaramente dimostrata l’esistenza del nesso causale tra gli inganni posti in atto dal ricorrente e l’errore commesso dagli operatori. Senza importanza è invece il fatto per cui il lavoro degli operatori – messo in relazione alla prestazione dell’elaboratore – rappresenti un ben piccolo contributo. Invero, senza il lavoro degli operatori anche la macchina non avrebbe potuto assolvere la sua
specifica funzione di elaborare i dati ricevuti. 2. A torto il ricorrente contesta di aver compiuto un atto di disposizione del patrimonio delle persone ingannate. Senza le sue macchinazioni gli operatori, nei casi S. e J., avrebbero introdotto nell’elaboratore le schede indirizzo e le schede di calcolo come pure le altre schede perforate necessarie allo scopo. Per quanto concerne gli altri casi, gli operatori avrebbero impiegato, esclusivamente sulla base di schede postali di versamento, schede di pagamento perforate conformemente alla realtà. Le schede debitori del ricorrente e dei contribuenti da lui favoriti non sarebbero in tal caso risultate saldate; gli operatori avrebbero poi introdotto queste schede, non ancora saldate, nell’elaboratore elettronico per l’ulteriore procedura d’incasso (con eventuale diffida e precetto esecutivo). Le operazioni .
BGE 96 IV 185 S. 191 fraudolenti del Soldati impedirono però di alimentare l’elaboratore con le schede di tutti i contribuenti, rispettivamente indussero gli addetti a tali funzioni ad introdurre nella macchina schede che erano in parte fittizie. Ciò ebbe come conseguenza che il risultato del lavoro prestato dalla macchina nelle pratiche litigiose non ha reso necessario l’ulteriore procedimento, per cui fu tralasciato di eseguire l’incasso dei debiti fiscali per lo Stato. Soldati ha indotto gli operatori del Centro elettronico ad eseguire atti tali da causare una diminuzione del patrimonio statale. Dottrina e prassi predominanti sono consoni nell’affermare che una disposizione patrimoniale ai sensi dell’art. 148 CP può essere provocata anche omettendo un’azione che un terzo avrebbe eseguito, qualora non vi fosse stato inganno. Riferendosi a GERMANN, Das Verbrechen, p. 277, HAFTER, AT, p. 265, LOGOZ, Commentaire, N. 5 ad art. 148, la Corte di cassazione ha deciso nella sentenza inedita, in re Lauper, del 9 marzo 1956, che per atti pregiudizievoli ai quali può essere indotta la persona ingannata, deve essere intesa ogni azione, tolleranza od omissione, propria a causare una diminuzione patrimoniale. 3. L’istanza precedente ha dichiarato il ricorrente colpevole di falsità in atti ai sensi dell’art. 317, num. 1, cpv. 2 CP, avendo egli consegnato ai contribuenti
D., G., N. e Sc. un estratto conto del Centro elettronico dal quale risultavano come saldate partite d’imposta che in realtà non lo erano. Gli estratti conto per D., G. e N. furono allestiti su modulo ufficiale del Centro elettronico e recavano in calce il timbro di quest’ultimo e la firma del Soldati stesso; l’estratto conto destinato a Sc. fu redatto su carta da lettere del Centro elettronico con allegato un biglietto firmato dal Soldati. Il ricorrente contesta che quegli estratti conto debbano essere considerati documenti secondo l’art. 110 CP, perché non erano né destinati né atti a comprovare il loro contenuto. Come ha asserito a più riprese la Corte di cassazione, non ogni menzogna espressa per iscritto costituisce formazione di di documento falso ai sensi della legge. Lo è soltanto, qualora lo scritto è destinato o atto a esporre e certificare il fatto mendace, in altre parole, a fornirne la prova (RU 88 IV 34). La qualifica di documento va già riconosciuta quando lo scritto, in concreto (RU 77 IV 176), sia destinato o atto a provare un fatto di portata giuridica (RU 95 IV 71). Non è tuttavia necessario che la .
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BGE 96 IV 185 S. 192 prova venga fornita in modo completo e irrefutabile; anzi, è sufficiente che lo scritto abbia a comprovare il suo contenuto, fintanto che non si manifesti il contrario (RU 91 IV 7, 95 IV 71). Gli estratti conto consegnati da Soldati ai citati contribuenti certificavano l’avvenuto pagamento di imposte, dunque un fatto di indubbia portata giuridica, ciò che neppure il ricorrente contesta. Gli estratti conto di cui si tratta, allestiti normalmente dal Servizio informativo del Centro elettronico e firmati dal capo operatore, sono per loro natura destinati a ragguagliare il contribuente sullo stato del suo debito fiscale. Essi non vengono inviati d’ufficio a tutti i contribuenti, ma solo a coloro che ne fanno domanda. Se questi estratti conto fossero destinati a comprovare – come una ricevuta – il pagamento delle imposte (vedi RU 76 IV 152), bisognerebbe inviarli ad ogni contribuente. Intanto, non esiste normalmente motivo per procedere in tal guisa, poiché il contribuente può provare i suoi pagamenti tramite la ricevuta postale, mentre la cedola della polizza di versamento è trasmessa – come prova dell’avvenuto pagamento – all’Amministrazione delle contribuzioni e al Centro elettronico. Se invece il .
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contribuente non venisse in possesso di tale documento probatorio, sia perché lo abbia perso, sia perché un terzo abbia pagate le imposte per lui ed ha trattenuto presso di sè la ricevuta postale, può provare l’avvenuto pagamento con l’estratto conto ufficiale, almeno fintanto che non sia dimostrato il contrario. Gli estratti conto, consegnati a N. e a Sc. da parte del ricorrente, possono essere in questo senso reputati documenti atti a provare un fatto di portata giuridica. Soldati, che era debitore dei due contribuenti, aveva promesso a quest’ultimi di pagare, a saldo dei suoi propri debiti verso di loro, le imposte che erano loro addebitate. Rimettendo ai due contribuenti degli estratti conto, nei quali figuravano come pagate le loro imposte, egli allestiva scritti atti a provare, fino alla dimostrazione del contrario, gli avvenuti versamenti di fronte ad eventuali pretese dello Stato. Si aggiunga poi che Soldati aveva un interesse al rilascio di questi estratti conto, dal momento che poteva, con ciò, simulare di aver pagato le imposte per i suoi creditori. Del resto, i documenti furono destinati dal ricorrente a provare in tal senso il fatto mendace dell’effettuato versamento. Ciò è pure illustrato dall’evenienza secondo cui Soldati, almeno per quanto BGE 96 IV 185 S. 193 concerne il caso N., allestì l’estratto conto senza che il contribuente glielo richiedesse. Irrilevante è il fatto che gli estratti conto attestavano soltanto il pagamento delle imposte, senza precisare che il versamento era effettuato da Soldati. L’allusione fatta da Soldati a RU 88 IV 35 non è pertinente, poiché in quella sentenza si trattava di una fattura con la quale si voleva comprovare l’esistenza di un credito, mentre in casu si tratta invece di un’attestazione di pagamento effettuato. Ma anche gli estratti conto allestiti per D. e G. erano pure destinati a provare un fatto di portata giuridica, anche se lo stesso G. non poteva spiegarsi come ciò fosse accaduto, siccome egli sapeva di non aver ancora pagato le sue imposte. Quest’ultima circostanza non aveva però tolto allo scritto la sua idoneità a provare un fatto di portata giuridica e non escludeva la possibilità di impiegare, al momento opportuno, quell’estratto conto come mezzo di prova. Se si volesse negare allo scritto la qualifica di documento,
perché G. sapeva del suo contenuto suppositizio, anche colui che facesse uso di un documento mendace, pur conoscendone il contenuto inveritiero, non potrebbe essere punito secondo l’art. 251 num. 1 cpv. 3 CP; ma, allora, questa norma perderebbe il suo senso. Non si può mettere in dubbio che gli scritti in parola erano atti a provare il loro contenuto con la motivazione secondo cui essi sarebbero inscindibili dagli atti in possesso dello Stato (richiami, interpellazioni, precetti esecutivi) e che quest’ultimi, essendo in contraddizione con gli scritti rilasciati dal Soldati, formerebbero la negazione di questi scritti medesimi, i quali a loro volta costituirebbero non la prova, ma l’antiprova del loro contenuto. Questa argomentazione del ricorrente ignora ad ogni modo che nella procedura di rigetto d’opposizione si può provare con documenti l’estinzione del debito (art. 81 cpv. 1 LEF) persino nei casi di tassazioni fiscali divenute effettive (a cui seguirono quindi i richiami, le interpellazioni e l’intimazione del precetto esecutivo). Ciò presuppone necessariamente una contraddizione tra gli atti prodotti nel corso della procedura dalle Autorità fiscali e l’atto fornito dall’escusso. Non per questo tuttavia può venir meno al documento presentato dall’escusso l’idoneità a provare un fatto di portata giuridica, anche se, per tale rispetto, si debba considerare dubbia la forza probante di tale atto. Quest’ultima però, a sua volta, non ha nulla a che fare con la sua destinazione atta a provare un .
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BGE 96 IV 185 S. 194 fatto di portata giuridica (RU 81 IV 240/241). Nel resto occorre ancora rilevare che lo Stato può far valere le sue pretese anche senza procedere necessariamente per via esecutiva, ma rivolgendosi direttamente ai contribuenti, proprio come avvenne nei casi presenti, dopo conosciute le macchinazioni di Soldati. .
Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è parzialmente accolto. La sentenza impugnata è annullata nella misura in cui punisce il ricorrente, ai sensi dell’art. 148 CP, nei casi D., G., S.
e J.; la causa è trasmessa all’istanza precedente per nuova decisione, nel senso dei considerandi.
BGE 98 IV 188 36. Urteil des Kassationshofes vom 4. September 1972 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Marty. Regeste Art. 153, 154 StGB; Warenfälschung und Inverkehrbringen gefälschter Waren. Unter diese Bestimmungen fallen das Herstellen und das Feilhalten von Birnenweggen, – deren Füllung teilweise aus zur Tierfütterung bestimmtem Birnentrester besteht (Erw. 1, 2); – deren Fettsubstanz nur zu 22,7% in Butter besteht, unter der Bezeichnung «Feinste Butter- und Birnenspezialität» (Erw. 4). .
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Sachverhalt ab Seite 189 BGE 98 IV 188 S. 189 A. Im Jahre 1960 begann das Ehepaar Franz und Gertrud Marty mit der Herstellung und dem Grosshandel von Birnenweggen und Lebkuchen. Als Füllung der Birnenweggen, von denen sie jährlich 50 000–100’000 absetzten, wurde nach einem von Franz Marty entwickelten Rezept neben Trockenbirnen, Zucker und Gewürzen auch Futtertrester (Birnentrester) verwendet, und zwar im Verhältnis von einem Drittel bis zur Hälfte der Gesamtfüllung. Von Mai 1961 bis Juni 1964 wurde das Geschäft von Frau Marty allein geführt, da sich der Ehemann im Strafvollzug befand. Nach der Scheidung der Ehe im Oktober 1967 bezog sie von Dezember 1967 bis Mai 1968 für ihr eigenes Geschäft von ihrem frühern Ehemann die genannte Füllmasse und verwendete sie zur Herstellung von Birnenweggen. Nachdem Franz Marty im März 1967 in Waltenschwil die Firma Marwey AG gegründet hatte, brachte er ab Ende 1967 Birnenweggen mit dem .
Qualitätshinweis «Feinste Butter- und Birnenspezialität» in den Handel, die zwar keinen Trester mehr enthielten, deren Teig aber u.a. mit einem Fettgemisch hergestellt war, das nur zu 22,7% aus reiner Butter bestand. B. Auf Anzeige des Chemischen Laboratoriums des Kantons Aargau klagte die Staatsanwaltschaft Franz und Gertrud Marty der gewerbsmässigen Warenfälschung und des gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren an. Das Bezirksgericht Muri verurteilte die beiden Angeklagten wegen Widerhandlung gegen Art. 149 Abs. 2 und 160 LMV zu Bussen von je Fr. 1000.–. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft sprach das Obergericht des Kantons Aargau am 20. April 1972 Franz und Gertrud Marty von der Anklage der gewerbsmässigen Warenfälschung und des gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren frei. Franz Marty erklärte es der Widerhandlung gegen Art. 149 BGE 98 IV 188 S. 190 Abs. 2 LMV schuldig, stellte jedoch das Verfahren wegen Eintritts der absoluten Verjährung ein. C. Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuweisen zur Bestrafung beider Beschwerdegegner wegen gewerbsmässiger Warenfälschung und gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren nach Art. 153 und 154 StGB. Gertrud Marty hat sich mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen. Franz Marty hat innert Frist keine Gegenbemerkungen eingereicht. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach dem angefochtenen Urteil steht fest, dass die Beschwerdegegner zum Zwecke des Weiterverkaufs während Jahren in grossen Mengen Birnenweggen hergestellt oder durch ihre Angestellten haben herstellen lassen, deren Füllung zum Teil aus Birnentrester bestand, der für die Tierfütterung bestimmt war. Die Vorinstanz hat, was von der Staatsanwaltschaft übersehen wird, in diesem Verhalten objektiv insoweit eine Warenfälschung und ein Inverkehrbringen gefälschter Waren gesehen, als sie eine Wertverringerung der Ware angenommen hat. Ein Nachahmen oder Verfälschen hat sie dagegen verneint. a) Zur Wertverringerung führt die Vorinstanz aus, die Beschwerdegegner hätten ihren Birnenweggen keinen besonderen Qualitätsanschein gegeben, aus dem auf die ausschliessliche Verwendung ganzer gedörrter Birnen hätte geschlossen werden können. Wenn Obsttrester auch minderwertige Nebenprodukte seien, so bedeute ihre Verwendung in Backwaren doch nur dort eine Wertverringerung, wo der Konsument mit solchen Zutaten nicht rechnen müsse. Es sei indessen nicht dargetan, dass nach der Verkehrsauffassung die Füllung gewöhnlicher Birnenweggen ausser gedörrten Birnen nicht auch Stoffe minderer Qualität enthalten dürfe, namentlich wenn, wie im vorliegenden Fall, die Ware verhältnismässig billig sei. Indessen sei dennoch eine Wertverringerung zu bejahen, weil der für die Tierfütterung bestimmte Birnentrester nach den Erhebungen des Kantonschemikers direkt getrocknet worden sei, welches Vorgehen die Gefahr gesundheitsschädlicher Verunreinigungen berge. Da der von den Beschwerdegegnern BGE 98 IV 188 S. 191 verwendete Trester für die menschliche Ernährung nicht zu empfehlen sei, habe die Birnenweggenfüllung einer vom Publikum als selbstverständlich vorausgesetzten Anforderung nicht genügt und sei somit in ihrem Wert verringert gewesen. Mit dieser Begründung kann eine Wertverringerung im Sinne der Art. 153 und 154 StGB nicht bejaht werden. Wie der Kassationshof in BGE 81 IV 99 und 161 entschieden hat, wollen diese Bestimmungen nicht der öffentlichen
Gesundheit oder sonstwie dem menschlichen Wohlbefinden dienen, mit anderen Worten, vor dem Gebrauch oder Verbrauch mit sachlichen Mängeln behafteter Waren schützen. Schutzobjekt der Art. 153 und 154 ist vielmehr das Vermögen. Sie sollen gewährleisten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhält, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn er wüsste, dass ihre Beschaffenheit nicht dem entspricht, was ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuscht. Entscheidend ist deshalb nicht, ob die Ware für die Gesundheit bekömmlich ist, sondern ob ihr Handelswert mit dem vorgetäuschten Wert übereinstimmt. Das hat die Vorinstanz verkannt. Dennoch ist ihr – mit anderer Begründung – im Ergebnis beizupflichten. Die Vollwertigkeit einer Ware hängt ab von den Eigenschaften, die der Käufer gemäss herrschender Verkehrsauffassung nach Aussehen, Bezeichnung oder Aufmachung der Ware voraussetzen darf (ebenso DÜRR, Kommentar zum eidg. Lebensmittelgesetz nebst Verordnungen, S. 59; SCHWANDER, Das Schweiz. StGB, 2. Aufl., S. 356). Dem Obergericht ist insoweit zuzustimmen, dass bei verhältnismässig billigen Backwaren der Käufer damit rechnen muss, dass sie auch Rest- und Nebenprodukte, wie sie in einer Bäckerei anfallen können, enthalten. Das berechtigt jedoch den Hersteller solcher Waren nicht, Abfallprodukte, die ihrer Natur nach überhaupt nicht für die Verwendung in Bäckereien bestimmt sind, heranzuziehen, um die Gestehungskosten zu senken und einen grösseren Gewinn zu erzielen. Das aber haben die Beschwerdegegner getan. Sie haben zur Herstellung der Füllmasse, die für Birnenweggen charakteristisch ist und weitgehend deren Handelswert bestimmt, ausser Zucker und Gewürzen nicht nur gedörrte Birnen verwendet, die üblicherweise den Hauptbestandteil der Füllung bilden (Auskunft der Fachschule Richemont des Schweiz. Bäcker-Konditorenmeisterverbandes), sondern in erheblichem .
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BGE 98 IV 188 S. 192 Masse die Birnen durch Birnentrester ersetzt, der nach der eigenen Feststellung der Vorinstanz zur Tierfütterung bestimmt war und übrigens von den Beschwerdegegnern selber auch den Schweinen gefüttert wurde. Mit der Beimischung eines derart minderwertigen Abfallproduktes aber muss der
Kunde nicht rechnen. Er darf sich darauf verlassen, dass eine als Birnenweggen angebotene Backware aus Stoffen zusammengesetzt ist, die zur Herstellung dieses menschlichen Nahrungsmittels allgemein verwendet werden, und deshalb den dafür geforderten handelsüblichen Preis wert ist. Indem die Beschwerdegegner die gedörrten Birnen, die ihnen auf Fr. 250.– die 100 kg zu stehen kamen, in Umfang von 30% bis 50 % der Weggenfüllung durch Tierfutter ersetzt haben, für das sie bloss Fr. 24.92 je 100 kg bezahlten, haben sie Birnenweggen hergestellt, deren Füllung im genannten Masse zehnmal weniger wert war als der Käufer in guten Treuen nach der Bezeichnung der Ware und ihrem Preis erwarten durfte. Diese war deshalb, auch wenn sie keine besondere Qualitätsbezeichnung trug, in ihrem Werte verringert. b) Das Verhalten der Beschwerdegegner erfüllt objektiv überdies den Tatbestand der Warenverfälschung. Die Vorinstanz hat eine solche verneint, weil die Lebensmittelgesetzgebung nicht vorschreibe, wie die Füllung von Birnenweggen zusammengesetzt sein müsse. Die Auffassung des Kantonschemikers, wonach sie aus ganzen gedörrten Birnen bestehen müsse, könne sich auf keine gesetzliche Vorschrift stützen. Vielmehr werde in Art. 243 Abs. 1 LMV für Konditoreiwaren, die nach einer bestimmten Frucht bezeichnet seien, vorgeschrieben, dass sie mindestens 5 % der betreffenden Frucht enthalten müssten. Analog müsse auch bei Backwaren die Beigabe von anderen Stoffen erlaubt sein. Das entspreche, soweit es um Birnenweggen gehe, der Verkehrsauffassung. Das Publikum «dürfte» sich denn auch bewusst sein, dass die verschiedensten Rest- und Nebenprodukte eines Bäckereibetriebes bei der Herstellung der Füllmasse für Birnenweggen mitverwertet würden. Im vorliegenden Fall sei die Füllung zu 50 –66% aus gedörrten Birnen und zu 33– 50% aus Birnentrester, dem Rückstand gepresster Birnen, hergestellt worden, so dass die Ware den Namen Birnenweggen verdient habe. Obsttrester seien zwar, was ihren Nährwert für den Menschen betreffe, minderwertig, aber nicht gesundheitsschädlich. Schliesslich sei nicht erstellt, dass die Verwendung von Obsttrester als Zusatz zur Füllmasse von Birnenweggen BGE 98 IV 188 S. 193
nicht im Rahmen der Vorstellung liege, die sich das Publikum über die für eine solche Füllung mitverwendeten Rest- und Nebenprodukte machen dürfte. Dass sich die Lebensmittelgesetzgebung über die Zusammensetzung der Füllmasse von Birnenweggen nicht im einzelnen ausspricht, trifft zu. Auch ist richtig, dass nach Art. 243 Abs. 1 LMV Konditoreiwaren, die nach einer bestimmten Frucht benannt sind, «mindestens» 5 % der betreffenden Frucht enthalten müssen. Abgesehen davon, dass es zweifelhaft ist, ob diese Vorschrift mangels einer Verweisung auf die unter einem anderen Titel der LMV geregelten Backwaren Anwendung findet, handelt es sich dabei jedoch um eine Mindestvorschrift, mit deren Einhaltung die Frage, ob eine bestimmte Backware im Sinne von Art. 153 StGB in ihrer natürlichen Beschaffenheit verfälscht worden sei, noch nicht beantwortet wäre. Denn niemandem würde es beispielsweise einfallen, eine Backware, die nur 5 % Äpfel enthält, als Apfelstrudel oder Apfelkuchen zu bezeichnen. In welchem Umfang und in welcher Form (frisch, gedörrt usw.) eine nach einer Frucht benannte Backware diese enthalten muss, bestimmt sich deshalb auch hier nach der Verkehrsauffassung. Nach dieser aber wird der Kunde, der Birnenweggen kauft, von der Vorstellung ausgehen, dass er eine Backware erhält, deren Füllung zum grössten Teil Birnen enthält; denn das eigentliche Birnenweggenaroma entsteht durch den Dörrprozess bei den Birnen. Dabei spielt die sog. Karamelisierung des Fruchtzuckers eine wesentliche Rolle, welcher Vorgang bei der Verwendung von Trestern entfällt. Weiter wird der Käufer erwarten, dass dieser Fruchtanteil nicht ein Abfallprodukt sei, das bei einer anderweitigen Verwertung der Frucht zurückgeblieben ist und im Handel allgemein nur noch als Tierfutter gilt. Denn wer eine Bäckerei betritt, um Birnenweggen zu erstehen, wünscht nicht Tierfutter zu kaufen, sondern eine Ware, die den Anforderungen genügt, welche üblicherweise an ein für Menschen bestimmtes Nahrungsmittel der betreffenden Art gestellt werden. Ein Gemisch, das ausser gedörrten oder gekochten Birnen, Zucker, Feigen und Gewürzen zu einem erheblichen Teil für die Tierfütterung bestimmten Birnentrester enthält, liegt deshalb ausserhalb des Rahmens der Vorstellung, die sich das Publikum über die Zusammensetzung der Füllmasse von Birnenweggen macht und machen muss. Wer demnach eine Backware .
herstellt, deren Füllung in einem BGE 98 IV 188 S. 194 solchen Gemisch besteht, und sie als Birnenweggen anbietet, verfälscht entgegen der Meinung des Obergerichtes objektiv die Ware und täuscht den Kunden über deren natürliche Beschaffenheit, unbekümmert darum, ob das verfälschte Erzeugnis ebenso gut ist wie das unverfälschte und ob seine Veränderung eine Gefahr für das menschliche Wohlbefinden schafft (BGE 97 IV 65 mit Zitaten). Daran ändert nichts, dass während des zweiten Weltkrieges Obsttrester auch für die menschliche Nahrung verwendet wurden; denn damit ist nicht gesagt, dass auch unter den heutigen Verhältnissen Birnentrester, der wegen seiner Behandlung zur Tierfütterung bestimmt ist, menschlichen Nahrungsmitteln und namentlich Birnenweggen als Füllmasse beigegeben werden darf. Einmal ist nicht jeder irgendwie hergestellte Obsttrester als menschliches Nahrungsmittel geeignet, und des weitern kann bezüglich der Beschaffenheit eines Lebensmittels die Verkehrsauffassung in Kriegszeiten eine andere sein als in Friedenszeiten. Tatsächlich stellt der Kunde erfahrungsgemäss in Notzeiten an die Zusammensetzung eines Nahrungsmittels weniger hohe Anforderungen als in Zeiten allgemeinen wirtschaftlichen Wohlergehens. .
2. Die Vorinstanz hat die Beschwerdegegner von der Anklage der Warenfälschung und des Inverkehrbringens gefälschter Waren wegen Fehlens des Vorsatzes freigesprochen. Es sei nicht nachgewiesen, dass sie von der möglichen Verunreinigung des Tresters infolge der Trocknung durch direkte Feuerung Kenntnis hatten. Es liege auch nichts vor, was den Schluss zulasse, Futtertrester fielen nur in Mostereien an, die über eine Trocknungsanlage mit direkter Feuerung verfügten, so dass sie stets «die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung» für den Menschen in sich trügen. Hätte die Obstverwertung Hitzkirch, von welcher die Beschwerdegegner den Trester bezogen hatten, diesen mittels indirekter Feuerung getrocknet, so wäre der Birnentrester nicht zu beanstanden gewesen. Damit geht die Vorinstanz erneut von dem unzutreffenden Gesichtspunkt der Gesundheitsschädlichkeit aus. Wie bereits ausgeführt (Erw. 1a), kommt .
darauf nach Art. 153 und 154 StGB nichts an. Der Gesundheitsschutz ist Gegenstand der Lebensmittelgesetzgebung, während die genannten Bestimmungen auf den Schutz des Vermögens angelegt sind. Soweit daher im vorliegenden Fall eine Wertverringerung der Ware in Frage steht, ist das Verhältnis von tatsächlichem Wert und Preis massgebend BGE 98 IV 188 S. 195 Die Vorinstanz hätte deshalb prüfen sollen, ob sich die Beschwerdegegner einerseits bewusst waren, dass sie mit der erheblichen Beimischung des Futtertresters eine Ware herstellten, die wertmässig nicht dem entsprach, was der Kunde nach ihrer Bezeichnung, ihrem Aussehen oder ihrer Aufmachung und nach dem für sie geforderten handelsüblichen Preis erwarten durfte, und ob sie anderseits eine solche Täuschung des Publikums auch wollten. Gegebenenfalls wäre abzuklären gewesen, ob sich den Beschwerdegegnern die Möglichkeit einer Täuschung nicht derart aufdrängen musste, dass ihr Handeln als Billigung derselben erscheint (BGE 89 IV 67). Da die Vorinstanz dies nicht getan hat, ist die Sache an sie zurückzuweisen, damit sie feststelle, wie es sich damit verhielt. Dabei wird sie zur Vorsatzfrage auch unter dem Gesichtspunkt der Warenverfälschung Stellung beziehen müssen, nachdem feststeht, dass die Beschwerdegegner die Birnenweggen nicht nur in ihrem Wert verringert, sondern auch in ihrer natürlichen Beschaffenheit unzulässigerweise verändert haben. .
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(…).
4. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichtes hat Franz Marty ab Dezember 1967 für die Marwey AG Birnenweggen unter der Bezeichnung «Feinste Butter- und Birnenspezialität» hergestellt und vertrieben, wobei die in der Backware verarbeitete Fettsubstanz nur zu 22,7% in Butter bestand. Dennoch hat es auch in diesem Falle eine Warenfälschung und ein Inverkehrbringen gefälschter Waren objektiv und subjektiv verneint. Art. 149 Abs. 2 LMV schreibe zwar vor, dass Backwaren, deren Bezeichnung auf einen Buttergehalt schliessen lasse, mit reiner Butter und ohne Zusatz anderer Fette hergestellt werden müssten. Diese Bestimmung habe Marty eindeutig verletzt.
Eine Warenfälschung habe er sich aber deswegen nicht zuschulden kommen lassen, weil das Publikum dem Qualitätshinweis «Feinste Butter- und Birnenspezialität» nur entnehme, dass bei der Herstellung der Birnenweggen auch Butter mitverwendet worden sei. Dass die Birnenweggen bei solcher Berühmung keine anderen Fette enthalten dürften, wisse der Durchschnittskäufer nicht. Er erwarte dies auch nicht, jedenfalls dort nicht, wo der Buttergehalt der Backware eine untergeordnete Rolle spiele wie bei Birnenweggen. Eine Täuschung durch die beanstandete Bezeichnung sei daher zu verneinen. Dazu komme dass Marty «die Bezeichnung» nicht zum Zwecke der Täuschung BGE 98 IV 188 S. 196 gewählt habe, sondern zur Verbesserung des Geschmacks! Schliesslich erscheine die Behauptung des Beschwerdegegners, er habe Art. 149 Abs. 2 LMV nicht gekannt, nicht unglaubhaft, da es sich um eine ausgesprochene Spezialvorschrift handle. Diese beziehe sich wohl auf die Branche Martys; doch sei nicht anzunehmen, dass dieser bei Kenntnis der Rechtslage das Risiko einer neuen Verurteilung mit Widerruf seiner 1964 erfolgten bedingten Entlassung aus der Strafanstalt eingegangen wäre. Sei ihm aber die Unzulässigkeit der Bezeichnung «Feinste Butter-Spezialität» nicht bewusst gewesen, dann könne er diese auch nicht mit der Absicht, Handel und Verkehr zu täuschen, verwendet haben. Jedenfalls aber fehle für dieses subjektive Tatbestandsmerkmal der rechtsgenügende Beweis. a) Dass der Beschwerdegegner mit dem Qualitätshinweis «Feinste ButterSpezialität» gegen Art. 149 Abs. 2 LMV verstossen hat (welche Übertretung verjährt ist), anerkennt auch das Obergericht. Diese Bestimmung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Reihe anderer Vorschriften der LMV, welche auf die Verwendung des Wortes Butter Bezug haben (z.B. Art. 98 Abs. 3, 99 Abs. 1, 102 Abs. 1, 104 Abs. 1, 106 Abs. 2, 109) und aus denen sich ergibt, dass der Gesetzgeber dieses Wort allein oder in Verbindung mit anderen Bezeichnungen grundsätzlich nur zulassen wollte, wo die im betreffenden Nahrungsmittel enthaltene Fettsubstanz ausschliesslich in Milchfett, d.h. in reiner Butter besteht (nicht veröffentlichtes Urteil des .
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Kassationshofes vom 2. Juni 1972 i.S. Schaerer betr. «Kräuterbutter»). Dass sich der Gesetzgeber hierbei nicht nur von gesundheitspolizeilichen Überlegungen hat leiten lassen, sondern dass er auch der Täuschungsgefahr hat einen Riegel schieben wollen (s. auch Art. 54 Abs. 1 LMG, Art. 8, 15 und 18 LMV), erhellt ohne weiteres aus dem Sinn der genannten Vorschriften. Wer deshalb für ein Nahrungsmittel eine Sachbezeichnung, einen Phantasienamen oder einen Qualitätshinweis verwendet, der das Wort «Butter» oder ihm ähnliche Ausdrücke enthält, obschon die betreffende Ware hinsichtlich ihres Fettanteils nicht vollständig aus reiner Butter beteht, der begeht objektiv eine Warenfälschung gemäss Art. 153 StGB, indem er dem Publikum eine Eigenschaft des betreffenden Erzeugnisses vortäuscht, die dieses nicht hat. Das gilt entgegen der Auffassung der Vorinstanz insbesondere auch im vorliegenden Fall. Die Bezeichnung der Birnenweggen als .
BGE 98 IV 188 S. 197 «Feinste Butter-Spezialität» beinhaltete für den Durchschnittskäufer keineswegs nur die Angabe eines blossen Butterzusatzes neben anderen Fetten. Vielmehr musste jene Bezeichnung bei ihm den Eindruck erwecken, dass die betreffende Backware hinsichtlich ihres Fettanteils ausschliesslich mit Butter hergestellt wurde. Darin musste ihn die Tatsache bestärken, dass auf der Verpackung von «Feinster Butter-Spezialität» die Rede war. Inwiefern der Umstand, dass der Buttergehalt bei Birnenweggen im allgemeinen nur eine untergeordnete Rolle spielt, zu einem andern Schluss führen sollte, ist nicht ersichtlich. Gegenteils musste gerade dieses von der Vorinstanz herangezogene Moment bewirken, dass der ausdrückliche Hinweis auf die feinste Butter-Spezialität dem Käufer besonders auffiel und ihm die Vorstellung, dass es sich um ein ausschliesslich mit Butter hergestelltes Gebäck handle, erst recht aufdrängte. Dass schliesslich der Durchschnittskäufer nicht weiss, dass Birnenweggen bei der genannten Berühmung keine andern Fette als Butter enthalten dürfen, ist entgegen der Meinung des Obergerichts nach Art. 153 und 154 StGB belanglos. Nach diesen Bestimmungen kommt es nicht auf die Gesetzeskenntnis des Publikums an, sondern einzig darauf, welche Eigenschaften es aufgrund der Bezeichnung, des Aussehens oder der Aufmachung einer Ware dieser in guten
Treuen beimessen darf. So betrachtet aber unterliegt es keinem Zweifel, dass im vorliegenden Fall Herstellung und Vertrieb der als «Feinste ButterSpezialität» bezeichneten Birnenweggen nach Art. 153 und 154 StGB unzulässig war, weil dadurch beim Kunden der Eindruck erweckt wurde, es würden ihm Backwaren angeboten, deren Fettanteil ausschliesslich aus Butter bestehe, während in Wirklichkeit die Butter nur 22,7% der gesamten Fettsubstanz ausmachte. Die von Marty hergestellte und feilgebotene Backware entsprach somit nicht dem, was der Käufer nach der genannten Bezeichnung erwarten durfte. Das aber genügt zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes (BGE 97 IV 65 mit Zitaten und das angeführte Urteil des Kassationshofes i.S. Schaerer). Die Rüge der Staatsanwaltschaft, wonach die Vorinstanz insoweit Art. 153 und 154 StGB verletzt habe, ist somit begründet. .
b) Was den subjektiven Tatbestand anbelangt, so hat das Obergericht die Täuschungsabsicht verneint mit der Begründung, Marty habe die vorgenannte «Bezeichnung» nicht zum Zweck der Täuschung gewählt, wie dies der Tatbestand erheische, BGE 98 IV 188 S. 198 sondern zur «Verbesserung des Geschmacks». Mit dieser missglückten Formulierung wollte die Vorinstanz offenbar zum Ausdruck bringen, der Beschwerdegegner habe bei der Herstellung von Birnenweggen ein Gemisch von Butter und anderen Fetten verwendet, um dem Gebäck einen besseren Geschmack zu verleihen, und es ergebe sich daraus, dass er auch mit der gewählten Bezeichnung nicht eine Täuschung von Handel und Verkehr gewollt habe. Damit aber hat sie eine tatsächliche Feststellung getroffen, die den Kassationshof bindet, auch wenn sie im gegebenen Fall deswegen nicht voll zu überzeugen vermag, weil die Herstellung der Ware und deren Bezeichnung zweierlei sind. Der Bäcker, der einen Birnenweggen statt mit reiner Butter mit einem Fettgemisch herstellt – was an sich zulässig ist –, kann dies in der wohlgemeinten Absicht tun, dem Gebäck einen besseren Geschmack zu verleihen. Das schliesst aber nicht notwendig aus, dass derselbe Bäcker sodann bei der Bezeichnung seines Erzeugnisses wissentlich und willentlich Angaben macht, die der inneren Zusammensetzung desselben
nicht entsprechen und deswegen eine Täuschungsgefahr schaffen. Man könnte sich angesichts dessen fragen, ob der Richter den Begriff der Täuschungsabsicht nicht verkennt, wenn er diese bei einer unzulässigen Warenbezeichnung einzig deswegen verneint, weil das Motiv, welches den Täter zu einer bestimmten Zusammensetzung seiner Ware veranlasst hat, nicht eine Täuschung von Handel und Verkehr gewesen ist. Indessen hielte auch bei Bejahung der Frage das angefochtene Urteil in diesem Punkte stand, weil das Obergericht es nicht bei jener zu Zweifeln Anlass gebenden Erwägung hat bewenden lassen, sondern am Schluss seiner Ausführungen zur Frage der Täuschungsabsicht allgemein festgestellt hat, es fehle jedenfalls für «dieses subjektive Tatbestandsmerkmal der rechtsgenügende Beweis». Damit ist die Sache für den Kassationshof von der tatsächlichen Seite her endgültig erledigt, und es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob das weitere in diesem Zusammenhang angeführte und von der Beschwerdeführerin beanstandete Argument der Vorinstanz, wonach der Beschwerdegegner die Spezialvorschrift des Art. 149 Abs. 2 LMV nicht gekannt habe, ihm deshalb die Unzulässigkeit der Bezeichnung «Feinste Butter-Spezialität» nicht bewusst gewesen sei und er diese infolgedessen auch nicht mit Täuschungsabsicht habe verwenden können, rechtlich haltbar sei (s. BGE 97 IV 66 E. 3). .
BGE 98 IV 188 S. 199 Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
BGE 99 IV 220 50. Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1973 i.S. B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste Art. 182 (Freiheitsberaubung) und Art. 183 StGB (Entführung). Verhältnis der beiden Bestimmungen. .
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Sachverhalt ab Seite 220 BGE 99 IV 220 S. 220 A. Am 1. November 1972 gegen 22.30 h war die Prostituierte Ruth zu Fuss unterwegs zwischen dem Café Shalimar und ihrem Standplatz im Monbijouquartier in Bern. Da hielt neben ihr ein Personenwagen, dem vier weitere Prostituierte, worunter Theresia, entstiegen. Sie warfen Ruth vor, sie bediene ihre Freier ohne Präservativ und unter dem üblichen Preis, und forderten sie auf, mit ihnen in die Polizeikaserne zu fahren. Ruth kam der Aufforderung nach, doch führten sie die vier Frauen in den Frienisbergwald. Auf deren Geheiss verliess sie dort den Wagen, worauf ihr Eva Tränengas in die Augen sprühte. Anschliessend wurde sie von den Frauen entkleidet, geschlagen und im Wald zurückgelassen. B. Am 19. Oktober 1973 erklärte das Obergericht des Kantons Bern Theresia der Freiheitsberaubung schuldig und verurteilte sie zu dreissig Tagen Gefängnis. C. Die Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. BGE 99 IV 220 S. 221
Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Handlungen fielen nicht unter Art. 182 (Freiheitsberaubung), sondern unter Art. 183 StGB (Entführung). Die Begründung, mit der im angefochtenen Urteil die Entführung verneint wird (Erw. III 2), überzeugt nicht. Dieses Vergehen, das auch von einer Frau verübt werden kann und dessen Begehung nicht an einen bestimmten Zweck gebunden ist (HAFTER, Bes. T. I S. 104, II 2), verlangt keineswegs die Schaffung einer persönlichen Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer. Indem sie vortäuschten, sie führen zur Polizeikaserne, brachten Theresia und ihre Kumpaninnen Ruth durch Anwendung von List dazu, in das Auto zu steigen. Da sie sie darauf in den Frienisbergwald verbrachten, haben sie sie im Sinne von Art. 183 StGB entführt. .
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2. Doch sind auch alle Tatbestandselemente der Freiheitsberaubung gegeben. Gewiss setzt sie im Gegensatz zur Entführung nicht eine Ortsveränderung voraus. Hingegen schliesst ein Wegbringen des Opfers die Freiheitsberaubung nicht aus. Der Täter beschränkt sein Opfer auf einen bestimmten Raum (HAFTER, Bes. T. I S. 27). Dieser Raum kann aber ein sich fortbewegendes Fahrzeug sein. Freiheitsberaubung kann begangen werden durch Führen eines Automobils mit einer Geschwindigkeit, die das Opfer zwingt, im Fahrzeug zu verbleiben (LOGOZ, partie spéciale I S. 275 i.f.). Eine hohe Geschwindigkeit ist im übrigen nicht nötig, um einen Passagier am Verlassen eines in Bewegung befindlichen Fahrzeugs zu hindern. Es genügt, dass Passagiere in einem Auto, einem Flugzeug usw. festgehalten und so der Bewegungsfreiheit beraubt werden (THORMANN / OVERBECK, N 5 zu Art. 182; BGE 89 IV 87 E 1). Ruth ist auf der Fahrt von Bern in den Wald ihrer Freiheit beraubt gewesen. Die Beschwerdeführerin macht mit Recht nicht geltend, zu ihrem Vorgehen berechtigt gewesen zu sein. .
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3.
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Auf die Frage des Verhältnisses zwischen Art. 182 und 183 StGB braucht
im einzelnen nicht eingegangen zu werden, denn Ruth hat ausdrücklich auf die Stellung eines Strafantrags verzichtet. Art. 183 StGB fällt daher ausser Betracht. Somit hat die Vorinstanz Bundesrecht nicht verletzt, indem sie die Beschwerdeführerin gemäss Art. 182 StGB verurteilte (BGE 71 IV 93und 186,BGE 76 IV 127Nr. 24). .
BGE 99 IV 220 S. 222 Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
BGE 100 IV 155 39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Mai 1974 i. S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen Hadorn und Bruchez. Regeste Art. 137 StGB. Übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund. Erlaubt ein Grundeigentümer auf seinem Grund und Boden das Ausbeuten von Mineralien (sog. Strahlen) durch Dritte nur unter der Bedingung, dass bestimmte Regeln eingehalten werden, dann kann sich derjenige, der diese Übung missachtet, nicht auf den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung des Grundeigentümers berufen. .
Sachverhalt ab Seite 155 BGE 100 IV 155 S. 155 A.1. Im Jahre 1966 fand Rufibach am Zinggenstock im Grimselgebiet im Kanton Bern auf 2750 Meter über Meer eine Kluft mit Rauchquarzen. Da das Loslösen von Rauchquarzgruppen in dieser Höhe zeitraubend ist, weil die im vereisten Lehm und Fluoritsand festgehaltenen Mineralien vorerst abgeschmolzen und danach von Staub und Stein gereinigt werden müssen, und die Arbeitsleistung pro Tag deshalb sehr gering ist, musste Rufibach mit einer sich über eine längere Zeit hinziehenden Ausbeutung rechnen. Aus diesem Grund belegte er die Kluft, indem er seine Werkzeuge an Ort und Stelle zurückliess. Nach allgemeinem und überliefertem Strahlerbrauch ist damit ein Dritter von einer Ausbeutung der betreffenden Höhle ausgeschlossen. Zur wirksameren Sicherung gegen «Wilderer» brachte Rufibach in der Folge beim Einstieg in die Kluft ein in den Felsen eingemauertes Eisentor an. Laut Grundbuch gehört das Gebiet, in dem diese Mineralien liegen, der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO). .
Erwägungen 2. Als sich Rufibach zusammen mit einem Kollegen am 28. August 1970 in der genannten Kluft befand, kam Hadorn mit seinen zwei Söhnen anlässlich einer Bergwanderung bei BGE 100 IV 155 S. 156 der Höhle vorbei. Rufibach zeigte den Knaben die Kluft und beschenkte sie mit Rauchquarzstückchen. Am 11. September 1970 begab sich Hadorn zusammen mit Bruchez zur Kluft. Sie hatten sich entschlossen, das Eisentor aufzubrechen und sodann in die Höhle einzusteigen, wo sie sich Kristalle aneignen wollten. Mit entsprechendem Werkzeug ausgerüstet machten sie sich gegen 22.00 Uhr auf den Weg und erreichten die Kluft nach etwa zwei Stunden. Gemeinsam brachen sie das Eisentor auf, indem sie drei Vorhängeschlösser aufsprengten und einige Schrauben lösten. Hierauf drangen sie in die Höhle ein, brachen Stücke aus einer Mineraliengruppe ab und behändigten diese zusammen mit lose auf dem Boden liegenden Kristallstücken. B. Am 6. Dezember 1972 sprach das Strafamtsgericht von Oberhasli Hadorn und Bruchez des Diebstahls und der Sachbeschädigung schuldig. Es verurteilte Hadorn zu sieben und Bruchez zu acht Monaten Gefängnis, gewährte beiden Angeschuldigten den bedingten Strafvollzug und setzte die Probezeit auf drei Jahre an. Am 17. April 1973 gab das Obergericht des Kantons Bern dem Verfahren gegen die beiden Verurteilten wegen Sachbeschädigung, angeblich begangen durch Beschädigung von Kristallen und des Eisentors, keine weitere Folge. Es sprach Hadorn und Bruchez von der Anschuldigung des Diebstahls frei, verurteilte sie jedoch wegen Sachbeschädigung (Vorhängeschlösser) zu je Fr. 5.– Busse. .
C. Der Generalprokurator des Kantons Bern führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt u.a. die Angeschuldigten wegen Diebstahls zu verurteilen.
D.
Hadorn und Bruchez beantragen Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Es ist unbestritten und ergibt sich aus den Fotos und den vorinstanzlichen Feststellungen, dass die Kluft in kulturunfähigem Felsgebiet in einer Höhe von 2750 m liegt. Nach Art. 664 Abs. 2 ZGB besteht an nicht kulturfähigem Land wie Felsen und Schutthalden, Firnen und Gletschern vorbehältlich anderweitigen Nachweises kein Privateigentum. Der Beschwerdeführer schliesst daraus, die Kristallkluft gehöre BGE 100 IV 155 S. 157 nicht der KWO, sondern dem Staate Bern. Die Vorinstanz und die Beschwerdegegner verweisen jedoch zutreffend auf die Unterlagen, aus denen sich das Privateigentum der KWO ergibt. Laut Grundbuch Meiringen wurde das Grundstück im Jahre 1514 von der Burgergemeinde Törbel erworben und seither unangefochten besessen und am 7. August 1911 in die kantonalen Bücher eingetragen. Bei Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches war das Gebiet somit nicht herrenlos, sondern stand im Privateigentum der Burgergemeinde. Von ihr erwarb es die KWO mit Kaufvertrag von 1948. Diese wurde unter Nr. 949 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Burgergemeinde Törbel habe das Felsgebiet nicht wirtschaftlich genutzt, daran also auch kein Eigentum erworben und kein solches auf die KWO übertragen können. Der Einwand hält nicht stand. Für den räumlichen Inhalt des Grundstückes wird zwar auf 35 Kuhrechte Weide verwiesen, das Recht selber aber nicht etwa als blosses Alprecht bezeichnet. Der ursprüngliche Eintrag bezieht sich auf einen Kaufvertrag über eine geographisch genau umschriebene Besitzung. Das vom Grundbuch ausgewiesene Eigentum der Burgergemeinde und seit 1948 der KWO ist bis heute unangefochten geblieben. Der Kanton Bern selbst hat zwar diese Liegenschaft zusammen mit andern am 1. August 1958 unter Naturschutz gestellt, in Ziffer III/7 seines Beschlusses aber ausdrücklich «alle
Rechte der Kraftwerke Oberhasli AG als Eigentümerin der Grimsel-, Oberaarund Räterichsbodenbesitzungen …» vorbehalten, also nicht etwa nur im Rahmen der bestehenden Kraftwerkanlagen und der gegenwärtigen Nutzungsart. Auch die kantonale Forstverwaltung verweist auf das grundbuchlich eingetragene Privatrecht. In ihrem Schreiben vom 29. Dezember 1972 beansprucht die KWO selbst das volle Eigentumsrecht am betreffenden Grundstück. Übrigens ist der Einwand des Beschwerdeführers unbeachtlich, weil die vorinstanzlichen Feststellungen über den Eigentumserwerb der Burgergemeinde Törbel die Anwendung kantonalen Rechts betreffen, die vom Bundesgericht nicht überprüft werden kann (BGE 89 II 295 Erw. 3). .
2. Die Beschwerdegegner berufen sich auf Art. 667 ZGB, wonach sich das Eigentum so weit nach unten in das Erdreich erstreckt, als für die Ausübung des Eigentums ein Interesse BGE 100 IV 155 S. 158 besteht. Dieses bestimmt sich nach Auffassung der Beschwerdegegner nach der gegenwärtigen Nutzung durch den derzeitigen Eigentümer. Die KWO sei nicht an den Mineralien interessiert, weshalb sie kein Eigentum an den in der Kluft befindlichen Kristallen habe. Die betreffenden Mineralien stellten demnach herrenlose Sachen dar. Für die vertikale Abgrenzung des Grundeigentums kommt es nicht auf die gegenwärtige Nutzung durch den konkreten Eigentümer an. Vielmehr ist der künftigen möglichen Entwicklung Rechnung zu tragen (HAAB, N. 5 zu Art. 667 ZGB). Der Grundeigentümer ist vorbehältlich des Bergregals (das im Kanton Bern die Kristallvorkommen nicht erfasst) berechtigt, Bodenmaterialien auszubeuten (HAAB, a.a.O., N. 12). Ob er ein schutzwürdiges Interesse hat, sein Eigentum bis in eine bestimmte Tiefe auszunutzen, entscheidet sich nicht nach der gegenwärtigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Eigentümers, sondern danach, ob er den betreffenden Raum überhaupt beherrschen und daran aus dem Eigentum fliessende Nutzungsbefugnisse ausüben kann (BGE 93 II 175 Erw. 5 mit Verweisungen); es genügt das Interesse an einer allfällig künftigen Nutzung (BGE 97 II 338 .
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Erw. 2). Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz stehen die fragliche Kluft und alle darin mit dem Fels verbundenen Mineralien im Eigentum der KWO. Diese übt ihr Recht an den Mineralien gegenwärtig nicht aus, könnte dies aber jederzeit tun. Sie hat daher ein schutzwürdiges Interesse daran, das Eigentum an ihrem Grundstück nach unten bis zu diesen Mineralien geltend zu machen. Ist dem aber so, dann trifft die Behauptung des Beschwerdeführers und der Beschwerdegegner, die Kristalle seien herrenlose Sachen gewesen, nicht zu. 3. Waren die fraglichen Mineralien nicht herrenlos und konnten die Beschwerdegegner demnach nicht durch blosse Aneignung Eigentum daran erwerben, so ist zu prüfen, ob die übrigen Tatbestandsmerkmale des Diebstahls erfüllt sind. a) Nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz war die Kristallkluft im Zeitpunkt der Tat erschlossen und die KWO hatte den Herrschaftswillen über das Gebiet, einschliesslich der Mineralien. Sie hatte also Gewahrsam an der Kluft, auch wenn sie Strahlern unter gewissen Voraussetzungen die Ausbeutung gestattete. Die Beschwerdegegner haben diesen Gewahrsam BGE 100 IV 155 S. 159 durch das Aufsprengen des Tors, das Abbrechen der mit dem Felsen verbundenen Mineralien und deren nachträgliche Wegschaffung gebrochen. Dass die Eigentümerin zur Zeit der Tat vorübergehend nicht in der Lage war, die Sache tatsächlich zu beherrschen (BGE 80 IV 153), ändert entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner nichts. .
b) Sodann stellt die Vorinstanz verbindlich fest, dass die Täter die Rauchquarze aus dem Eigentum der KWO weggenommen und in ihr eigenes Vermögen überführt haben. Dadurch strebten sie den Erwerb von Kristallen an, für den sie sonst Zeit, Arbeit und Geld hätten aufwenden müssen. Die unrechtmässige Bereicherung ist damit ausgewiesen. Was die Beschwerdegegner dazu ausführen, ist unzulässige Kritik an tatsächlichen
Feststellungen (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). .
c) Endlich haben die Täter nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz vorsätzlich gehandelt. 4. Obschon die Tatbestandselemente des Diebstahls erfüllt sind, hat die Vorinstanz die Beschwerdegegner freigesprochen mit der Begründung, es liege der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung des Verletzten vor. Sind die einzelnen Merkmale eines Delikts erfüllt, so macht sich der Täter dann nicht strafbar, wenn die Tat ausschliesslich private Vermögensinteressen verletzt und der Verletzte im voraus die Einwilligung dazu erteilt (SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Auflage, Nr. 173). Auch eine bloss mutmassliche EinWilligung des Verletzten kommt, wo dieser nicht rechtzeitig einwilligen kann, für eine in seinem Interesse liegende Tat als Rechtfertigungsgrund in Betracht (GERMANN, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 9. Auflage, S. 61). Die Vorinstanz stellt fest, die KWO erlaube auf dem in ihrem Eigentum stehenden Gebiet grundsätzlich jedem Dritten das Strahlen; diese Erlaubnis habe somit auch für die beiden Täter gegolten. Diese könnten sich deshalb auf den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung der Verletzten berufen. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die KWO hat die Aneignung von Kristallen aus dem ihr gehörenden Grund und Boden, insbesondere des Zinggenstocks nicht vorbehaltlos zugelassen. Vielmehr gestattete sie das Strahlen lediglich grundsätzlich, d.h. unter bestimmten Voraussetzungen. Diese hat sie in ihrer Stellungnahme vom 29. Dezember 1973 unzweideutig genannt: sie erlaubt das Strahlen nur unter der Bedingung, .
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BGE 100 IV 155 S. 160 dass die allgemeinen überlieferten Strahlerregeln eingehalten werden. Insbesondere darf eine bereits belegte oder gar durch ein Tor gesicherte Fundstelle nur durch die ursprünglichen Entdecker, die die Kluft belegt haben, nicht aber durch Dritte ausgebeutet werden. Die Vorinstanz verneint die Rechtsverbindlichkeit dieser an sich unbestrittenen Beschränkungen für die Beschwerdegegner mit dem Hinweis darauf, die Bedingungen seien nicht
öffentlich kundgegeben worden. Darauf kommt jedoch nichts an. Für die Einwilligung des Verletzten gilt das Willensprinzip: Der tatsächliche Umfang der Erlaubnis hängt ausschliesslich vom Willen des Verletzten ab (NOLL, Übergesetzliche Rechtfertigungsgründe, S. 130 ff.). Im vorliegenden Fall ergibt sich dieser eindeutig aus den nicht in Frage gestellten Erklärungen der KWO. Deshalb kann sich derjenige nicht auf den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung des Grundeigentümers berufen, der sich nicht an die überlieferten Strahlerregeln hält oder gar an einer bereits belegten Kluft «wildert». Die KWO hat zudem nicht etwa früher eine Erklärung veröffentlicht, die eine bedingungslose Einwilligung darstellen würde. Wussten die Beschwerdegegner aber nur ganz allgemein, dass das Strahlen erlaubt worden sei, so hätten sie erst recht Anlass gehabt, sich über die Modalitäten zu vergewissern. Die Rechtswidrigkeit der von den Beschwerdegegnern begangenen Handlungen wurde demnach durch die grundsätzliche Strahlerbewilligung der KWO nicht ausgeschlossen. Deshalb haben sich jene des Diebstahls schuldig gemacht. Das angefochtene Urteil ist in diesem Punkte aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Beschwerdegegner des Diebstahls schuldig erkläre und entsprechend bestrafe. .
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
BGE 100 IV 273 69. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Oktober 1974 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen Cavina. Regeste 1. Art. 148 Abs. 1 StGB, Betrug. a) Arglist ist auch gegeben, wenn der Täter voraussieht, dass der Getäuschte die Überprüfung der falschen Angabe unterlassen wird; Tatumstände, die den Getäuschten veranlassen können, von der Überprüfung abzusehen (Erw. 1 und 2). b) Objektive Wertgleichheit zwischen Leistung und Gegenleistung schliesst einen Vermögensschaden nicht aus; Fall, in dem jemand zufolge arglistiger Irreführung über die Verbindlichkeit eines Versicherungsantrages einen Versicherungsvertrag abschliesst, den er nicht eingehen will (Erw. 3). 2. Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. mittelbare Falschbeurkundung. .
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Durch die Unterzeichnung eines Vertrages beurkundet die Partei auch dann den Willen zum Vertragsschluss, wenn die Erklärung nicht der Wahrheit entspricht (Erw. 4). .
Erwägungen ab Seite 274 BGE 100 IV 273 S. 274 Aus den Erwägungen: 1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Täuschung durch eine einfache Lüge nicht nur dann arglistig, wenn die Überprüfung für den Getäuschten unmöglich oder unzumutbar ist oder wenn er daran gehindert wird, sondern auch, wenn der Täter nach den Umständen voraussieht, dass der Getäuschte die Nachprüfung unterlassen wird.
Das Obergericht lehnt die Anwendung des zuletzt genannten Kriteriums der Voraussehbarkeit der fehlenden Überprüfung mit der Begründung ab, dass der strafrechtliche Schutz nicht auf Opfer ausgedehnt werden dürfe, die ihre Schädigung zufolge Leichtgläubigkeit überwiegend selbst zu verantworten haben. Diese Betrachtungsweise verkennt den Sinn der Rechtsprechung. Auch das Bundesgericht vertritt die Auffassung, dass ein allzu leichtgläubiges Opfer sich nicht auf Arglist berufen kann, wenn es eine einfache Lüge bei einem Mindestmass an zumutbarer Vorsicht hätte durchschauen können (BGE 72 IV 128, BGE 99 IV 78 Erw. 4). Es ist jedoch nicht das gleiche, ob der Täter, wie es gewöhnlich geschieht, im Sinne einer blossen Hoffnung darauf vertraut, dass seine falschen Angaben geglaubt werden, oder ob er aufgrund bestimmter Umstände zum voraus erkennt, dass er es mit einem Opfer zu tun hat, das ihm infolge Unbeholfenheit, Unerfahrenheit und dergleichen besonderes Vertrauen entgegenbringt und deshalb aller Voraussicht nach von einer Überprüfung absieht. Solche Personen sind oft rasch bereit, unwahren Angaben trotz zumutbarer Überprüfung Glauben zu schenken, ohne dass ihnen Leichtsinn oder Leichtgläubigkeit vorgeworfen werden kann. Gerade weil sie ohne eigenes Verschulden leicht missbraucht werden können, bedürfen sie des besonderen Schutzes. Es ist daher entgegen den Einwänden der Vorinstanz, mit denen sich der Kassationshof schon in BGE 99 IV 77 auseinandergesetzt hat, an der bisherigen Praxis festzuhalten. .
2. Die Staatsanwaltschaft erblickt in den angefochtenen 8 Betrugsfällen ausgesprochene Musterbeispiele dafür, dass sich der Angeklagte auf die Unterlassung der Überprüfung BGE 100 IV 273 S. 275 seiner falschen Behauptungen habe verlassen können. Das Obergericht habe deshalb in diesen Fällen das Merkmal der Arglist zu Unrecht verneint. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass Cavina in den 8 Fällen vorgeworfen wird, er habe den Unterzeichnern des Versicherungsantrages falsche Angaben über die Bedeutung des Antrages gemacht, so durch die Zusicherung, die Unterschrift verpflichte sie nicht, der Antrag diene nur der Anforderung weiterer Unterlagen, sie könnten sich noch später entscheiden
usw. Die Vorinstanz hat mit Ausnahme des Falles Asmus davon abgesehen, sich mit den einzelnen Sachverhalten, insbesondere mit dem Wahrheitsgehalt der behaupteten Täuschungen, näher auseinanderzusetzen, und die 8 Freisprüche einzig auf die Annahme gestützt, dass auf jeden Fall das Tatbestandsmerkmal der Arglist fehle, weil es den Geschädigten möglich und zumutbar gewesen wäre, das Antragsformular vor der Unterzeichnung durchzulesen. Ist somit die Frage der Täuschung in 7 Fällen in tatsächlicher Hinsicht überhaupt nicht abgeklärt und fehlen in allen 8 Fällen auch weitere Feststellungen über die näheren Umstände, unter denen sich die Verhandlungen abgespielt haben, kann nicht überprüft werden, ob Cavina Arglist zur Last fällt oder nicht. Das Urteil ist daher gemäss Art. 277 BStP aufzuheben und die Sache zur Ergänzung der Feststellungen sowie zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei ist ausser der Tatsache, dass die meisten Geschädigten im jugendlichen Alter von 20 Jahren standen, auch die Möglichkeit geschäftlicher Unerfahrenheit in Betracht zu ziehen und gegebenenfalls weiter zu berücksichtigen, inwieweit sie unter Zeitdruck gehandelt haben oder als Folge anderer Tatumstände, z.B. ihrer persönlichen Verhältnisse oder vertrauenerweckender Zusicherungen des Angeklagten, Veranlassung hatten, den schriftlichen Antrag nicht zu überprüfen. 3. Cavina bestreitet, dass Kaufmann und Grichting durch die Unterzeichnung des Versicherungsantrages, den sie infolge arglistiger Irreführung für. unverbindlich hielten, geschädigt worden seien, weil zwischen den verlangten Prämienzahlungen und der versprochenen Gegenleistung des Versicherers Wertgleichheit bestanden habe. Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, ist ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB auch dann BGE 100 IV 273 S. 276 möglich, wenn Leistung und Gegenleistung der Vertragsparteien wirtschaftlich gleichwertig sind. Der Grund liegt darin, dass die auszutauschenden Leistungen nicht ausschliesslich nach objektiven Massstäben zu bewerten sind, sondern auch subjektive Gesichtspunkte
berücksichtigt werden müssen. Nach dem objektiv-individuellen Vermögensbegriff, der auch in der Lehre vorherrschend ist (vgl. SCHWANDER, Schweiz. Strafgesetzbuch, Nr. 563, SCHÖNKESCHRÖDER, § 263 N 61), ist davon auszugehen, dass die gleiche Leistung je nach den persönlichen Bedürfnissen und Interessen des Einzelfalles, für den einen vollwertig, für den andern aber nutzlos oder im Wert herabgesetzt sein kann. Dementsprechend hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung den Leitsatz aufgestellt, dass eine Schädigung des Getäuschten immer dann gegeben sei, wenn Leistung und Gegenleistung in einem für ihn ungünstigeren Wertverhältnis stehen, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage stehen müssten (BGE 72 IV 130, BGE 92 IV 130, BGE 93 IV 73, BGE 99 IV 87). Gegen diese Auffassung ist eingewendet worden, sie mache den Betrug zu einem Delikt der Dispositionsfreiheit, so dass ein wirklicher Vermögensschaden entbehrlich werde (STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil I, S. 229). Dieser Einwand trifft indessen nicht zu. Denn entgegen der Annahme des erwähnten Autors bejaht das Bundesgericht nicht immer schon dann einen Betrug, wenn der Getäuschte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Vermögensverfügung nicht vorgenommen hätte, sondern die Praxis verlangt darüber hinaus, dass der Getäuschte eine Gegenleistung von geringerem Wert erhält, als ihm versprochen wurde. Die gleichen Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn jemand durch arglistige Irreführung zum Abschluss eines Vertrages bestimmt wird, den der Getäuschte in Wirklichkeit nicht eingehen wollte. In den vorliegenden Fällen ist verbindlich festgestellt, dass Kaufmann und Grichting inbezug auf das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht getäuscht worden sind. Die Vorinstanz hat ferner angenommen, dass die versprochene Versicherungsleistung dem Wert der verlangten Prämienzahlungen objektiv entsprach. Nach rein objektiver Betrachtungsweise kann somit ein Vermögensschaden nur eingetreten sein, wenn der Vertragsschluss trotz der Wertgleichheit der gegenseitigen Leistungen eine Veränderung der Vermögenslage der Getäuschten zu ihren .
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BGE 100 IV 273 S. 277 Ungunsten zur Folge hatte. Eine solche Benachteiligung liegt schon darin,
dass durch den Abschluss von Lebensversicherungen in der Höhe von 15 000.– bzw. 20 000.– Franken und die Verpflichtung, während 30 Jahren entsprechende Prämien zu bezahlen, ein Teil des Einkommens der Getäuschten gebunden war, den sie nicht mehr nach ihrem freien Willen für andere Zwecke verwenden konnten. Die mit der finanziellen Belastung verbundene Beschränkung der vermögensrechtlichen Verfügungsfreiheit, die im Hinblick auf die Länge der Vertragsdauer ins Gewicht fällt, stellt einen Vermögensnachteil dar. Umsomehr wurden die Getäuschten unter subjektiven Gesichtspunkten geschädigt. Für Personen, die wie Kaufmann und Grichting infolge ihres jugendlichen Alters und ihrer bescheidenen Einkommensverhältnisse keine Lebensversicherung eingehen wollen, bedeutet der unerwünschte Geschäftsabschluss eine ihren wirtschaftlichen Interessen zuwiderlaufende Ausgabe mit der Wirkung, dass die Gegenleistung des Versicherers für sie weniger Wert hat, als sie für eine abschlusswillige Partei hätte. Die Schädigung ist mit der Unterzeichnung des Versicherungsantrages eingetreten. Dass der zustandegekommene Versicherungsvertrag wegen absichtlicher Täuschung unverbindlich war, ist nach ständiger Rechtsprechung unerheblich (BGE 74 IV 153, BGE 100 IV 170). .
4. Das Obergericht verurteilte Cavina wegen mittelbarer Falschbeurkundung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) einzig in den Fällen Bösch, Gartmann und Knupfer, in denen er im Versicherungsantrag unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand der Versicherungsnehmer machte. Es sprach ihn dagegen frei, wo er den Versicherungsnehmern bloss vorgespiegelt hatte, der Versicherungsantrag sei unverbindlich. Zur Begründung führte es aus, dass Versicherungsanträge – gleich wie schriftliche Verträge – nur bestimmt und geeignet seien, den Inhalt der Vereinbarungen der Parteien zu beweisen, nicht aber, dass der Vertrag ohne Willensmängel zustandegekommen sei. Ein Vertrag könne deshalb immer nur die Wahrheit der darin bezeugten Tatsachen beweisen, niemals aber, dass eine der Parteien einer Täuschung oder einem Irrtum unterworfen gewesen sei. Die Vorinstanz stellt sich damit auf den Standpunkt, dass eine Falschbeurkundung immer dann ausgeschlossen sei, .
BGE 100 IV 273 S. 278 wenn die Schrift nur die Abgabe der Erklärung einer Person beweise, nicht aber die Wahrheit der erklärten Tatsache. Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten (vgl. HÄFLIGER, Probleme der Falschbeurkundung, ZStR 1958, 407). Schriftliche Verträge sind dazu bestimmt und geeignet, die darin festgehaltenen Tatsachen von rechtlicher Bedeutung zu beweisen, weshalb ihnen Urkundenqualität zukommt (BGE 81 IV 240). Durch die Unterzeichnung des Schriftstückes beurkunden die Parteien den Willen, einen Vertrag abzuschliessen und die Verbindlichkeit seines Inhalts anzuerkennen. Diese Erklärung ist als solche eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung, für die der Vertrag selbst Beweis erbringt. Daran ändert nichts, dass ein Vertrag nicht beweist, ob die Erklärung dem wirklichen Willen der Partei entspreche, insbesondere ob sie frei von Willensmängeln oder einer Täuschung gewesen sei (CHAPPUIS, Le faux intellectuel et la simulation, S. 158/159 N 337). Denn massgebend ist allein, dass die mit der Unterschrift abgegebene Erklärung der Parteien in einer Schrift enthalten ist, die als Beweismittel zum Nachweis der erklärten Tatsache taugt. Im Prozess wird denn auch dieser verurkundeten Erklärung solange rechtliche Bedeutung beigemessen, als nicht der Gegenbeweis für das Vorliegen eines Willensmangels geleistet wird. In den in Frage stehenden Fällen haben sich die Versicherungsnehmer durch die Unterzeichnung eines Versicherungsantrages zum Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, den sie in Wirklichkeit nicht eingehen wollten. Cavina hat daher, wie die Staatsanwaltschaft zu Recht einwendet, auch in jenen Fällen eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig verurkunden lassen, in denen er den Versicherungsnehmern einzig die Unverbindlichkeit des Versicherungsantrages vortäuschte. Die Vorinstanz hat sich demzufolge in den von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Fällen erneut mit der Frage der Urkundenfälschung zu befassen. .
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BGE 102 IV 90 23. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation du 14 mai 1976 dans la cause F. contre Ministère public du canton du Valais. Regeste Art. 159 StGB. Begriff des Geschäftsführers. Die dem Geschäftsführer eigene Befugnis zur selbständigen Verfügung über fremdes Vermögen umschliesst nicht nur die rechtliche Fürsorgepflicht für dieses Vermögen, sondern auch allgemeine Sorgfaltspflichten zu dessen Erhaltung. Sachverhalt ab Seite 90 BGE 102 IV 90 S. 90 A. F. a été engagé comme fromager par la Société de laiterie de X. pour la saison 1972 –1973, avec un salaire de 63 fr. par jour. Il a commencé son travail le 11 décembre 1972. En avril 1973, quelques difficultés se sont élevées entre le comité de la Société de laiterie et F. au sujet du travail de ce dernier. Celuici, fâché des remarques formulées contre lui, a cessé, à partir du 8 mai 1973, de s’occuper du stock de fromage dont il avait la charge. Usant de divers prétextes, il s’est arrangé pour tenir à l’écart des caves à fromage tous ceux qui auraient voulu les visiter. Le 8 juin 1973, les membres du comité de la Société de laiterie qui voulaient procéder à la taxation et à la livraison du fromage ont découvert l’état déplorable dans lequel se trouvait le stock, formé de 937 pièces. BGE 102 IV 90 S. 91 Dans leur grande majorité, les pièces étaient affaissées, recouvertes de moisissures ou en décomposition complète. 497 fromages irrécupérables ont dû être jetés; 440 fromages endommagés ont dû être déclassés. Les experts ont
évalué le dommage à 41 589 fr. 50. B. La Société de laiterie de X. est une corporation de droit cantonal au sens de l’art. 59 al. 3 CC. Elle constitue une personne morale. Elle a pour but de procurer à ses membres le moyen de tirer le parti le plus avantageux du lait de leurs vaches, soit en le vendant en commun, soit en fabriquant pour les revendre du fromage, du beurre et d’autres produits laitiers. Les statuts de la société confèrent au comité l’engagement ainsi que la surveillance du fromager et de ses aides. Un règlement d’exploitation indique quelles sont les tâches et les compétences du fromager: peser le lait livré par les membres, inscrire les quantités sur registre, inspecter les écuries, les vaches, les fromages et la traite, prolonger le délai minimum de livraison du lait de vaches ayant fraîchement vêlé, assister avec voix consultative aux délibérations du comité, veiller au bon ordre de la fromagerie, assurer la police de l’établissement, vouer tout son temps et ses soins à l’obtention de bons produits laitiers, peser et numéroter les fromages, être sous les ordres du comité, tenir une comptabilité des livraisons de lait et de la fabrication, livrer enfin les produits selon les instructions du comité. En réalité, les tâches du fromager comportaient avant tout trois activités: la réception du lait livré par les consorts (en moyenne 770 litres par jour), la fabrication quotidienne de 13 pièces de fromage gras ou de 7 pièces de fromage maigre, le salage et l’élevage de ces fromages en caves jusqu’à vente à des tiers ou répartition entre les consorts (le stock pouvant atteindre jusqu’à 1000 pièces de fromage). Le fromager était détenteur des clés des locaux de fabrication et d’élevage. Le comité ne s’acquittait de sa tâche de surveillance que par des visites de locaux, espacées parfois de plusieurs semaines. Selon les experts, le temps nécessaire pour accomplir l’ensemble des opérations confiées au fromager était de 9 à 10 heures par jour. Comme son salaire quotidien était de 17 fr. supérieur à celui prévu par le contrat type de la branche, il lui était loisible d’engager un aide rétribué par lui. Après y avoir songé, il y avait renoncé. .
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BGE 102 IV 90 S. 92 C.
Le 8 juin 1973, le vice-président de la Société de laiterie de X. a déposé
plainte contre F. en déclarant le faire «au nom du consortage». Le 17 septembre 1974, le Tribunal d’arrondissement pour le district d’Entremont a reconnu F. coupable de gestion déloyale et l’a condamné à huit mois d’emprisonnement avec sursis pendant cinq ans. F. a fait appel, concluant à son acquittement. Par voie d’appel joint, le Ministère public a demandé qu’en sus de gestion déloyale F. soit reconnu coupable de dommages à la propriété au sens de l’art. 145 al. 2 CP, et que la peine soit portée à un an de réclusion. Par arrêt du 16 mai 1975, notifié le 20 janvier 1976, le Tribunal cantonal du Valais a confirmé le jugement attaqué. D. F. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut principalement à son acquittement et subsidiairement au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouveau jugement. Le Procureur général du Valais propose de rejeter le pourvoi. E. F. demande à être mis au bénéfice de l’assistance judiciaire pour l’instance fédérale. Erwägungen Considérant en droit: 1.a) Le recourant fait valoir à titre principal qu’il a été condamné à tort pour gestion déloyale, car il n’occupait pas selon lui la position d’un gérant. b) L’art. 159 CP ne sanctionne pas n’importe quelle obligation de diligence relative à tout ou partie d’un patrimoine étranger, mais seulement celle qui est attachée à une gestion (Geschäftsführung). Il ne suffit ainsi pas que l’auteur ait eu l’obligation contractuelle ou légale de veiller sur le patrimoine d’autrui, il faut encore qu’il ait eu la position d’un gérant (RO 81 IV 279, 100 IV 36 consid. 2). Les termes «veiller sur», employés à l’art. 159 CP, n’ont pas d’autre sens ni un sens moins étendu que le terme «gérer» (RO 80 IV 246). Seul peut avoir la position d’un gérant celui qui dispose d’une indépendance suffisante et qui jouit d’un pouvoir de disposition autonome sur .
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les biens qui lui sont remis (RO 95 IV 66, 100 IV 172 consid. 3a, 101 IV 167 No 42; SCHWANDER, p. 363, No 582; PH. GRAVEN, FJS 1035 p. 2/3). .
BGE 102 IV 90 S. 93 C’est cette autonomie qui symbolise la confiance particulière accordée au gérant (PH. GRAVEN op.cit.). Il serait cependant erroné de ne considérer que l’autonomie de l’auteur à l’égard de la maîtrise juridique du bien confié. Elle peut en effet tout aussi bien se manifester dans les soins que le gérant doit apporter matériellement à ce bien, pour en assurer l’existence, voire seulement l’intégralité, à la condition qu’il s’agisse véritablement d’une prise en charge du bien pour le compte d’autrui et non d’un simple entretien ou de l’exécution d’un travail subordonné (cf. STRATENWERTH, p. 258; SCHWANDER, Nos 582 et 582a). .
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c) n casu, il ressort de l’arrêt attaqué que le recourant devait confectionner les fromages et les amener à maturité en effectuant un travail soutenu de plusieurs semaines, dont il avait seul la responsabilité. L’indépendance dont il jouissait dans cette activité lui conférait, quant à ces fromages et à l’égard de ses employeurs, une autonomie suffisante pour qu’il soit qualifié de gérant, même si, du point de vue économique, la commercialisation et la répartition des marchandises relevaient de la seule compétence de la Société de laiterie. A cela s’ajoutent d’autres circonstances que relève également l’autorité cantonale: le recourant avait la maîtrise des locaux de fabrication et des caves; il était libre dans l’organisation de son travail et dans l’engagement d’un aide, à ses frais; il avait la responsabilité de comptabiliser les produits et les livraisons. Même si ces éléments pris isolément ne suffisent pas à justifier la qualification de gérant, s’agissant du recourant, elles soulignent encore l’indépendance qui lui était laissée et l’autonomie dont il disposait dans l’exercice de son travail, que ce soit en vertu du contrat passé avec la Société de laiterie, mais également en fait. Il s’ensuit que le Tribunal cantonal n’a pas violé l’art. 159 CP en affirmant que le recourant avait la position d’un gérant.
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le pourvoi.
BGE 103 IV 83 23. Urteil des Kassationshofes vom 19. April 1977 i.S. S. gegen Justizdirektion des Kantons Appenzell A. Rh. Regeste Art. 137 und Art. 151 StGB. Die Erschleichung einer grösseren Menge Benzin aus einem Benzinautomaten ist als Diebstahl zu bewerten. Ebenso fällt der Missbrauch anderer Warenautomaten, wenn die Wertgrenze einer geringfügigen Entwendung überschritten wird oder andere erschwerende Umstände vorliegen, unter Art. 137, nicht unter Art. 151 StGB. Sachverhalt ab Seite 83 BGE 103 IV 83 S. 83 A. Eine Garage stellt seit 1974 ihren Kunden einen Benzinautomaten zur Verfügung. Der Kunde erhält ein Metallplättchen in der Grösse von ca. 30/50/1,5 mm, in welches eine Zahl von 01– 99 eingestanzt ist. Um Benzin zu tanken, ist an der Zählertafel die Zahl des Kunden einzustellen und das Plättchen einzustecken. Dann ist an der Pumpsäule ein Blockierungshebel zurückzuziehen und mit einem weiteren Hebel das Pumpwerk in Betrieb zu setzen. Der Kunde kann an der Zählertafel den laufenden Benzinbezug ablesen. Für diesen wird dem Inhaber des Plättchens monatlich Rechnung gestellt. Ein Kunde hatte sein Plättchen stecken lassen. Als er für die Zeit vom 12. bis 23. April 1975 eine Rechnung für 184 Liter Benzin erhielt, obwohl er nur ca. 105 Liter bezogen haben konnte, verlangte er für die nächste Berechnungsperiode vom 23. April bis 26. Mai 1975 eine polizeiliche Überwachung. In dieser Zeit wurden nochmals 149 Liter getankt. S. ist geständig,
BGE 103 IV 83 S. 84 mit dem fremden Plättchen 149 Liter Benzin bezogen zu haben. B. Im Appellationsverfahren sprach das Obergericht des Kantons Appenzell A. Rh. am 8. Juni 1976 S. des fortgesetzten Diebstahls an 149 Liter Benzin, begangen in der Zeit vom 23. April bis 26. Mai 1975, schuldig. Es bestrafte ihn, unter Annahme aufrichtiger Reue, mit drei Wochen Haft und einer Busse von Fr. 200.–, bei Bewährung bedingt vollstreckbar bzw. löschbar. C. Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt S., das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung, eventuell zur Einstellung des Verfahrens, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, sein Verhalten begründe eine Erschleichung einer Leistung gemäss Art. 151 StGB, er sei mangels Strafantrages aber nicht strafbar. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Diebstahl im Sinne von Art. 137 Ziff. 1 StGB verübt, wer einem andern eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern. a) Es ist unbestritten, dass das Benzin in der Tankstelle eine fremde bewegliche Sache im Sinne des Gesetzes ist. Auch steht fest, dass der Beschwerdeführer sich unrechtmässig bereicherte. b) Der Beschwerdeführer wendet jedoch ein, der Bezug des Benzins stelle eher eine Täuschung als ein Wegnehmen im Sinne des Gewahrsamsbruchs dar und stehe daher dem Betrug näher als dem Diebstahl. Dem widerspricht er aber selbst, wenn er fortführt, getäuscht werden könne nur ein Mensch und kein Automat. Der Beschwerdeführer hat das Pumpwerk in Betrieb gesetzt und dadurch das Benzin aus dem Gewahrsam des Tankhalters in seinen Gewahrsam übergeführt. Er wollte über das Benzin für seine Fahrten und
damit nach eigenem Gutdünken darüber verfügen. Damit brachte er das Benzin auch in seine Herrschaftsgewalt und hat es sich angeeignet. c) Fehl geht der Einwand, der Tankstellenhalter habe in den Bezug des Benzins eingewilligt. Richtig ist zwar, dass die Wegnahme gegen den Willen des Gewahrsaminhabers erfolgen BGE 103 IV 83 S. 85 muss und dass dessen Einwilligung ein Wegnehmen im Sinne des Art. 137 StGB ausschliesst. Ein solches Einverständnis des Tankstellenhalters fehlte aber. Zwar war der Beschwerdeführer selber Inhaber eines Selbstbedienungsplättchens der Garage. Dies berechtigte ihn aber nicht, mit dem Plättchen eines andern auf dessen Kosten zu tanken, es wäre denn, der andere hätte es erlaubt. Nur unter dieser hier nicht zutreffenden Voraussetzung wäre der Tankstellenhalter mit dem Vorgehen des Beschwerdeführers einverstanden gewesen. Wenn in der Beschwerde angenommen wird, der Tankstellenhalter habe die Einwilligung in der irrigen Meinung geben können, der Beschwerdeführer tanke mit seinem eigenen Plättchen, so gibt er damit selbst zu, dass die Einwilligung unter einem wesentlichen Irrtum erfolgt wäre. Ein Einverständnis, das nicht frei von wesentlichen Willensmängeln ist, erweist sich nicht als Einwilligung und schliesst ein Wegnehmen im Sinne des Art. 137 StGB keineswegs aus. 2. Die Handlungsweise des Beschwerdeführers erfüllt allerdings nicht nur den Tatbestand des Diebstahls, sondern auch die Merkmale der Erschleichung einer Leistung im Sinne von Art. 151 StGB, denn das Benzin wurde durch die Funktion eines Automaten bezogen, den der Beschwerdeführer unter Benützung des fremden Steckplättchens in Bewegung gesetzt hatte. Es stellt sich daher die Frage nach dem Verhältnis zwischen Art. 137 und 151 StGB. Der Tatbestand der Erschleichung einer Leistung soll in erster Linie Anwendung finden, wenn der Tatbestand des Diebstahls oder des Betruges nicht erfüllt ist (BGE 97 IV 196 E. 2). In andern Fällen Art. 151 StGB stets als subsidiäre Bestimmung zurücktreten zu lassen, hat zwar den Vorteil der klaren Grenzziehung zwischen den Tatbeständen, entspricht aber beim .
Automatenmissbrauch weder dem Willen des Gesetzgebers noch einer sinngemässen Auslegung des Gesetzes. Unter Leistungen, die ein Automat vermittelt, wurde nicht nur eine Dienstleistung, sondern von Anfang an auch eine Warenleistung verstanden (Botschaft, BBl 1918 IV 69; ZÜRCHER, Erl. zum VE 1908, S. 454). Es wäre daher schon unter diesem Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt, die Erschleichung einer Dienstleistung (Abspielen von Musik, Erstellung einer Photographie, etc.) gegenüber der Erschleichung gleichwertiger Warenleistungen (Lebensmittel, Zigaretten usw.) zu privilegieren. .
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BGE 103 IV 83 S. 86 Dazu kommt vor allem, dass Automaten üblicherweise durch den Einwurf einer Geldmünze in Betrieb gesetzt werden, woraus folgt, dass die erschlichene Leistung regelmässig von kleinem Wert ist. Die listige Entnahme einzelner Gegenstände aus einem Warenautomaten bietet noch durchaus das Bild der geringfügigen Entwendung (ZÜRCHER, a. a.O. S. 455). Die Annahme eines Diebstahls und damit eines Verbrechens im Sinne des Art. 9 StGB ist bei so geringen Werten nicht mehr am Platz. Diese schwere Qualifikation des Diebstahls und des Betruges gab auch auf andern Gebieten Anlass, leichtere Tatbestände auszuscheiden und gesondert unter Strafe zu stellen (vgl. Art. 143, 149; kantonale Tatbestände des Feld- und Waldfrevels; Bettelbetrug). Das bedeutet indessen nicht, dass jeder Missbrauch eines Warenautomaten Art. 151 StGB unterstellt werden soll. Von jeher wurde Diebstahl angenommen, wenn jemand einen Automaten aufbricht, um sich dessen Inhalt anzueignen (ZÜRCHER, a.a.O. S. 454, BGE 97 IV 196 E. 3 unten). Auch andere erschwerende Umstände, wie die geplante Plünderung vieler Automaten, gewerbsmässiges Handeln, fortgesetzte Begehung, welche die durch Art. 138 StGB gesetzte Wertgrenze übersteigt, werden richtigerweise als Diebstahl gewürdigt. .
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3. Das Vorgehen des Beschwerdeführers übersteigt den üblichen Missbrauch eines Warenautomaten. Während dort die Leistung des Benützers in Münzen erbracht wird und der Betrag, um den der Automatenbesitzer
geprellt wird, zum voraus geringfügig ist, ermöglicht die missbräuchliche Verwendung eines Steckplättchens am Benzinautomaten schon an sich einen Benzinbezug von viel höherem Wert. Durch fortgesetzten Missbrauch hat der Beschwerdeführer auch eine Benzinmenge bezogen, welche den nach Art. 138 StGB gegebenen Höchstwert eindeutig übersteigt. Diesen aber in Art. 151 StGB höher als in Art. 138 StGB anzusetzen, ist in Fällen wie hier, wo die Merkmale des Diebstahls eindeutig erfüllt sind, nicht gerechtfertigt. Dagegen kann nicht der niedrigere Strafrahmen des Art. 138 StGB angeführt werden. Dieser ist wesentlich durch die entlastenden Motive der Not, des Leichtsinns und des momentanen Gelüsts bedingt. Darauf kann sich derjenige, der in solchem Ausmass, wie es hier zutrifft, einen Warenautomaten missbraucht, nicht berufen. Hinzu kommt im vorliegenden Falle, dass der Beschwerdeführer nicht nur BGE 103 IV 83 S. 87 den Inhaber der Tankstelle schädigte. Er bewirkte mittelbar auch, dass das auf Kredit bezogene Benzin einem andern belastet wurde. Solcher Missbrauch des Selbstservice verdient keine privilegierte Behandlung. Der Beschwerdeführer wurde mit Recht wegen Diebstahls bestraft. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
BGE 105 IV 39 10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Januar 1979 i.S. D. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 221, 222 StGB. Schädigung eines andern. Geschädigt im Sinne dieser Bestimmungen ist nicht der Versicherer des Brandobjekts, hingegen ein Hypothekargläubiger durch die Beeinträchtigung des Pfandobjekts (E. 2a und b). Der Vorsatz der Brandstiftung (Art. 221) setzt voraus, dass der Täter oder Anstifter die Schädigung eines andern zum vornherein erkannt und bewusst in Kauf genommen hat (E. 2c). .
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Erwägungen ab Seite 39 BGE 105 IV 39 S. 39 Aus den Erwägungen: 2. Die Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich nicht gegen den Schuldspruch wegen Betruges, sondern ausschliesslich gegen die Verurteilung wegen Anstiftung zur Brandstiftung. Der Beschwerdeführer macht geltend, das in Art. 221 StGB enthaltene Erfordernis der Schädigung eines andern sei nicht erfüllt und zwar objektiv wie subjektiv nicht, weil für Dritte kein Schaden eingetreten sei und der Beschwerdeführer nicht einen anderen habe schädigen wollen. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 85 IV 228, BGE 83 IV 28) ist der Versicherer eines Brandobjektes nicht Geschädigter im Sinne von Art. 221/222 StGB. Diese von der früher in der Doktrin vertretenen Auffassung abweichende Praxis ist seinerzeit von WAIBLINGER begrüsst worden (ZBJV 1959 S. 187) und hat im Ergebnis auch die Zustimmung von .
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STRATENWERTH gefunden (Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil II, 2. Aufl. S. 111). Zu einer neuen Überprüfung der Frage besteht .
BGE 105 IV 39 S. 40 im vorliegenden Fall kein Anlass. Der Versicherer ist vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme durch den Straftatbestand des Betruges geschützt und bedarf des Schutzes durch die Art. 221/222 StGB nicht. b) Das Kantonsgericht hat denn auch als «Schaden eines andern» nicht die Beanspruchung des Feuerversicherers betrachtet, sondern die Beeinträchtigung der den Hypothekargläubigern zur Verfügung stehenden Grundpfandsicherheit. Es sieht die Schädigung in der durch die Zerstörung des Stalles objektiv eingetretenen Wertverminderung des Pfandes, die ein Hypothekargläubiger gemäss Art. 808–811 ZGB nicht hinzunehmen brauche. Daraus schliesst die Vorinstanz, Art. 221 StGB schütze auch den Hypothekargläubiger gegen eine Wertverminderung des Pfandes durch Brandstiftung des Pfandeigentümers, der Hypothekargläubiger sei ein anderer im Sinne dieser Strafnorm und die durch Brand herbeigeführte Wertverminderung des Pfandes sei ein Schaden ohne Rücksicht darauf, ob im Falle einer Zwangsvollstreckung das im Wert verminderte Pfand für die Deckung der Hypothekarforderungen samt Zinsen ausreichen würde. Dieser Ausdehnung des Schadensbegriffes auf jede Beeinträchtigung eines Pfandobjektes ist grundsätzlich zuzustimmen. c) Die Verurteilung wegen Brandstiftung bzw. Anstiftung zu diesem Delikt setzt voraus, dass der Vorsatz des Täters oder Anstifters sich mindestens in der Form des Eventualvorsatzes auch auf das Tatbestandsmerkmal der Schädigung eines andern oder der (hier ausser Betracht fallenden) Gemeingefahr bezieht. Dass objektiv die Schädigung eines andern möglich ist, genügt nicht; der Angeschuldigte muss dies von vornherein erkannt und bewusst in Kauf genommen haben. Die Vorinstanz äussert sich zu diesem Punkt nur im Falle des Angestifteten, wo sie summarisch feststellt, dieser habe zwar die Frage der Schädigung Dritter möglicherweise nicht voll überblickt, jedoch zumindest .
mit einer solchen Schädigung rechnen müssen und dies in Kauf genommen. In den Erwägungen über den Vorsatz des Beschwerdeführers wird nur kurz auf die Verurteilung des Angestifteten wegen vorsätzlicher Brandstiftung Bezug genommen und daraus gefolgert, D. sei der Anstiftung zur Brandstiftung schuldig zu erklären. Ob die Vorinstanz tatsächlich als erwiesen erachtete, der Beschwerdeführer habe mit dem nach Art. 221 in Verbindung BGE 105 IV 39 S. 41 mit Art. 24 StGB erforderlichen Vorsatz der Schädigung eines andern gehandelt, ist dieser Begründung nicht zu entnehmen. Auch sonst enthält das angefochtene Urteil keine Ausführungen, die zuverlässig darauf schliessen liessen, der Beschwerdeführer habe an die Möglichkeit, dass ausser dem Versicherer des Brandobjekts noch ein anderer durch den Brand geschädigt werde, gedacht und diese Folge in Kauf genommen. Kann somit der Vorsatz mangels genügender tatsächlicher Feststellungen nicht überprüft werden, ist die Sache gemäss Art. 277 BStP zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Sollte der Beschwerdeführer eine Schädigung der hier in Frage kommenden Hypothekargläubiger nicht in Kauf genommen haben, müsste er von der Anstiftung zur Brandstiftung freigesprochen und die Strafe neu festgesetzt werden.
BGE 105 IV 172 47. Urteil des Kassationshofes vom 31. Juli 1979 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mitglieds des Verwaltungsrates einer AG für strafbare Handlungen Dritter im Geschäftsbetrieb. Einem Verwaltungsratsmitglied kommt nicht schon Kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Funktion Garantenstellung zu; entscheidend ist vielmehr seine tatsächliche Position im Unternehmen. Der Garant ist als Vorsatztäter strafbar, wenn er die Tatbestandsverwirklichung erkennt oder als möglich voraussieht und sie dennoch nicht nach seinen Möglichkeiten in ihrer Wirkung aufhebt oder verhindert, weil er sie will oder zumindest in Kauf nimmt. Sachverhalt ab Seite 173 BGE 105 IV 172 S. 173 A.a) W. ist einziges Verwaltungsratsmitglied der G. AG in Kreuzlingen. Weil das Warenangebot dieses Versandgeschäftes auch unzüchtige Schriften und Bilder umfasste, wurde gegen die Geschäftsführerin H. und gegen den Verwaltungsrat W. ein Strafverfahren eingeleitet. Am 2. Februar 1978 sprach das Obergericht des Kantons Thurgau die beiden Angeklagten der fortgesetzten unzüchtigen Veröffentlichung im Sinne von Art. 204 StGB schuldig und bestrafte W. mit einer Busse von Fr. 2’00.–, bedingt vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von 2 Jahren. b) Dieses Urteil wurde, soweit es W. betraf, vom Bundesgericht in Gutheissung einer staatsrechtlichen Beschwerde am 25. Oktober 1978 aufgehoben. Die staatsrechtliche Kammer für Beschwerden wegen Verletzung
von Art. 4 BV kam zum Ergebnis, die Erwägung über die Beteiligung des W. am Delikt sei unklar; man könne die Ausführungen des Obergerichts dahin verstehen, dass W. als einziger Verwaltungsrat das Verkaufssortiment und den Inhalt der Kataloge hätte kennen müssen und dass er sich deswegen strafbar gemacht habe, auch wenn die tatsächliche Kenntnis der inkriminierten Publikationen nicht nachgewiesen sei. Die Urteilsbegründung lasse sich aber auch im Sinne der Annahme interpretieren, W. habe das Warensortiment tatsächlich gekannt; eine solche Feststellung würde jedoch gegen Art. 4 BV verstossen, da ein Beweis dafür fehle, dass W. Kenntnis vom Warensortiment gehabt habe. c) Das Obergericht des Kantons Thurgau gelangte in seinem neuen Entscheid vom 30. Januar 1979 wiederum zur Verurteilung des W. wegen fortgesetzter unzüchtiger Veröffentlichung. In den Erwägungen wird nun klargestellt, dass das Gericht W. nicht zur Last legt, «er habe positiv gewusst, dass speziell die im Urteil als unzüchtig erklärten Hefte durch Frau H. in Vertrieb gesetzt wurden». Der Schuldspruch wird auf die Aufsichtspflicht des W. als Verwaltungsrat gestützt und es wird ihm vorgeworfen, er habe durch Verletzung seiner Aufsichtspflicht die unzüchtigen Veröffentlichungen in Kauf genommen. BGE 105 IV 172 S. 174 B. Gegen dieses Urteil führt W. Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung. Obergericht und Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau haben sich mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Obergericht betrachtet es nicht als erwiesen, dass der Beschwerdeführer vom Vertrieb der als unzüchtig erklärten Waren Kenntnis hatte. Es legt ihm aber Eventualvorsatz zur Last mit der Begründung, er habe
seine Aufsichtspflicht als einziges Verwaltungsratsmitglied eines leicht überschaubaren Unternehmens verletzt und mit der Unterlassung der gebotenen Aufsicht über die Geschäftsführerin, welche bereits im Jahre 1975 wegen anderer im Versandhandel begangener Delikte bestraft worden war, die unzüchtigen Veröffentlichungen in Kauf genommen. 2. In ihrer Vernehmlassung macht die Vorinstanz geltend, ob Eventualvorsatz vorliege oder nicht, sei Tatfrage; ihre Feststellung, W. habe eventualvorsätzlich gehandelt, sei mithin für den Kassationshof verbindlich und könne mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Annahme des Eventualvorsatzes nicht eine aus der Beweiswürdigung sich ergebende tatsächliche Feststellung über das effektive Wissen und Wollen des Beschwerdeführers, sondern eine rechtliche Überlegung, welche dazu dient, aus der Organstellung als Verwaltungsrat auf dessen strafrechtliche Verantwortung für Delikte im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit der juristischen Person zu schliessen. Der «festgestellte» Eventualvorsatz bezieht sich auch nicht darauf, dass der Beschwerdeführer in Kauf genommen hätte, sein Verhalten könnte einen entsprechenden tatbestandsmässigen Erfolg bewirken, sondern es wird ihm zur Last gelegt, er hätte durch gehörige Aufsicht die Deliktsbegehung einer Drittperson, der Geschäftsführerin, erkennen können und verhindern müssen. Bei dieser Argumentation handelt es sich somit nicht um blosse Feststellungen über Wissen und Wollen, sondern es geht um die Rechtsfrage der Garantenstellung eines Verwaltungsrates bei Delikten im Betrieb einer juristischen Person und um die Auslegung des bundesrechtlichen BGE 105 IV 172 S. 175 Begriffs des Vorsatzes, insbesondere des Eventualvorsatzes. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher W. seine strafrechtliche Verantwortlichkeit für die unzüchtigen Veröffentlichungen durch seine Geschäftsführerin bestreitet, ist daher einzutreten. 3. Juristische Personen sind nicht deliktsfähig, sofern nicht ein Bundesgesetz (vgl. jetzt insbesondere Art. 7 VStrR) oder kantonales Recht die .
Deliktsfähigkeit ausdrücklich vorsehen (BGE 97 IV 203). Werden im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person Straftaten verübt, so sind grundsätzlich die natürlichen Personen, welche handelten oder hätten handeln sollen, strafbar; denn nur natürliche Personen können sich im strafrechtlichen Sinne schuldhaft verhalten (SCHULTZ, AT, Bd. I, S. 108 f.). Wenn in Art. 172 und 326 StGB die Strafbarkeit verschiedener Organe (im weiteren strafrechtlichen Sinne, vgl. BGE 100 IV 42) für die von ihnen im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person begangenen Betreibungsdelikte ausdrücklich geregelt ist, so bedeutet dies nicht, dass die handelnden Organe für andere im Geschäftsbetrieb begangene Delikte von vornherein nicht strafbar seien. Art. 172 und 326 StGB sind vielmehr erlassen worden, um die Organe juristischer Personen für die in diesen Bestimmungen aufgezählten Sonderdelikte bestrafen zu können, obschon nicht ihnen, sondern lediglich der juristischen Person die Sondereigenschaft (etwa eines Schuldners) zukommt (BGE 100 IV 40 E. 2b, BGE 97 IV 203 f.). In Art. 172 und 326 StGB kommt aber auch deutlich zum Ausdruck, dass ein Organ, etwa der Verwaltungsrat, nicht allein kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung bestraft wird, sondern dass nur jene Organe für Delikte im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person strafbar sind, welche «diese Handlungen begangen haben» (Abs. 1), beziehungsweise jene, die «schuldig» sind (Abs. 2). Auch gemäss Art. 6 Abs. 1 VStrR finden bei Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben die Strafbestimmungen auf jene natürlichen Personen Anwendung, «welche die Tat verübt haben». Nach den allgemeinen Lehren des schweizerischen Schuldstrafrechts gibt es somit grundsätzlich keine von der konkreten Tatbeteiligung unabhängige strafrechtliche .
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BGE 105 IV 172 S. 176 Haftung der Organe einer juristischen Person für Delikte, welche in deren Betrieb von andern begangen werden. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid denn auch nicht direkt geltend gemacht, es bestehe eine Art formelle strafrechtliche Haftung des Verwaltungsrates, sondern sie leitete aus der Organstellung des Beschwerdeführers die Pflicht zur Überwachung des Warensortimentes bzw. der Handlungen der Geschäftsführerin ab und erblickte in der Unterlassung dieser pflichtgemässen Überwachung den
Eventualvorsatz zum Vertrieb unzüchtiger Publikationen. 4. Soll die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als sog. unechtes Unterlassungsdelikt (Nichtabwendung eines verpönten Erfolges) begründet werden – wie das die Vorinstanz in Anlehnung an BGE 96 IV 174 (Fall Bührle) tut – so setzt dies erstens eine Garantenstellung des W. inbezug auf das in Frage stehende Delikt und zweitens die schuldhafte, bei einem Vorsatzdelikt also zumindest eventualvorsätzliche Verletzung der Garantenpflicht voraus. .
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a) Garant ist, wer gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist, die Verwirklichung eines Straftatbestandes zu verhindern oder in ihren Wirkungen aufzuheben. In BGE 96 IV 174 E. 4 hat das Bundesstrafgericht die Garantenpflicht des Angeklagten Dr. Bührle nicht schon, wie die Vorinstanz annimmt, aus der rechtlichen Funktion Bührles als einziger Komplementär der Kommanditgesellschaft und später als einziger Verwaltungsrat des in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Unternehmens abgeleitet, sondern die Garantenstellung wurde entscheidend damit begründet, dass Bührle tatsächlich der oberste Leiter, das Haupt der Firma mit beherrschender Rolle und der nach aussen in Erscheinung tretende Inhaber war. Aus den Akten und den Feststellungen der Vorinstanz kann nicht gefolgert werden, dem Beschwerdeführer komme in der G. AG eine vergleichbare beherrschende Rolle zu. Er war zwar in der fraglichen Zeit einziger Verwaltungsrat und in seinem Treuhandbüro wurde die Buchhaltung der Aktiengesellschaft geführt. Dass er an diesem Unternehmen aus finanziellen oder persönlichen Gründen besonders interessiert gewesen wäre, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Es fehlt jede Feststellung, die den Schluss erlauben würde, W. habe an der Planung und Durchführung der geschäftlichen Aktivität der G. AG über das bei einem externen, nicht in der Firma arbeitenden und nur mit wenigen Aktien beteiligten Verwaltungsrat übliche Mass hinaus Anteil genommen. Im Gegenteil hat sich W., was die Vorinstanz ihm gerade vorwirft, nur wenig BGE 105 IV 172 S. 177
um das Unternehmen gekümmert. Die Bejahung der Garantenpflicht im vorliegenden Fall würde eine die im Falle Bührle angewandten Kriterien überschreitende, allgemein gefasste strafrechtliche Haftung der Mitglieder des Verwaltungsrates für Delikte im Betrieb der juristischen Person voraussetzen. Zu einer solchen Ausdehnung der vom Bundesstrafgericht in BGE 96 IV 174 begründeten Rechtsprechung besteht hier kein Anlass. Abgesehen von den grundsätzlichen Einwänden, welche gegen die Konstruktion unechter Unterlassungsdelikte im Hinblick auf das Erfordernis der Bestimmtheit der Straftatbestände erhoben werden (vgl. STRATENWERTH, Strafrecht Allgem. Teil I, 2. Aufl., Köln etc., S. 272, Rdnr. 988; SCHULTZ, AT, Bd. I, S. 129), bestehen auch gewichtige spezielle Bedenken gegen eine allgemeine Garantenpflicht der Mitglieder des Verwaltungsrates hinsichtlich aller im Betrieb einer Aktiengesellschaft möglichen Straftaten. Für eine solche Garantenpflicht setzte sich Schmid ein (N. SCHMID, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Wirtschaftsdelikte im Tätigkeitsbereich der Aktiengesellschaft, in der Zeitschrift «Schweizerische Aktiengesellschaft» 46/1974 S. 101 ff., insbes. S. 110 f.). Kritisch äusserten sich dazu SCHULTZ in seiner kurzen Besprechung des Bührle-Urteils (ZBJV 107/1971 S. 451 f.) und SCHUBARTH (Zur strafrechtlichen Haftung des Geschäftsherrn, ZStR 92/1976 S. 370 ff., insbes. S. 392 ff.) Zur Frage der kriminalpolitischen Notwendigkeit und der rechtsstaatlichen Zulässigkeit einer solchen Garantenpflicht braucht hier indessen nicht abschliessend Stellung genommen zu werden, da im vorliegenden Fall selbst bei Bejahung einer Garantenstellung die Strafbarkeit des Beschwerdeführers aus einem andern Grund nicht gegeben ist. .
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b) Der Garant ist für deliktisches Verhalten Dritter als Täter strafrechtlich verantwortlich, wenn er die Garantenpflicht verletzt hat. Das ist bei einem Vorsatzdelikt wie der hier in Frage stehenden unzüchtigen Veröffentlichung dann der Fall, wenn der Garant die Verwirklichung eines Straftatbestandes durch einen Dritten erkennt oder voraussieht und sie dennoch nicht nach seinen Möglichkeiten in ihren Wirkungen aufhebt oder verhindert, weil er sie will oder zumindest in Kauf nimmt. Die Frage, ob die Garantenpflicht verletzt sei, stellt sich bei einem Vorsatzdelikt somit erst, wenn feststeht, dass der
Garant die Verwirklichung eines Straftatbestandes erkannte oder voraussah; denn nur erkanntes oder vorausgesehenes Verhalten BGE 105 IV 172 S. 178 Dritter konnte er in seinen Wirkungen aufheben oder verhindern. Wenn in BGE 96 IV 175 oben gesagt wird, Bührle hätte für Abhilfe sorgen sollen, «als er erkennen konnte», dass die Leitung der WaffenVerkaufsabteilung Vorschriften verletzte, so darf dieses «Erkennenkönnen» nicht im Sinne einer abstrakten Erkenntnismöglichkeit verstanden werden. Das Bundesstrafgericht hat Bührle denn auch richtigerweise nur für jene inkriminierten Handlungen verantwortlich gemacht, für welche es sein Mitwissen als bewiesen erachtete (BGE 96 IV 175/176). Auch beim vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikt muss dem Garanten das konkrete tatbestandsmässige Wissen und Wollen nachgewiesen werden. Es wäre mit dem schweizerischen Schuldstrafrecht nicht vereinbar, den Vorsatz des Garanten zu vermuten oder gar zu fingieren. In der schweizerischen Gesetzgebung finden sich denn auch zahlreiche Bestimmungen, welche bei echten Unterlassungsdelikten die Kenntnis des Geschäftsherrn von den strafbaren Handlungen Dritter im Geschäftsbetrieb ausdrücklich verlangen (Art. 14 UWG, Art. 59 Abs. 2 ArbG, Art. 42 Abs. 2 GSchG u.a. m.; vgl. hiezu SCHUBARTH, a.a.O., S. 374 ff.). Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz nichts festgestellt, was belegen würde, dass der Beschwerdeführer von den als unzüchtig bezeichneten Waren im Sortiment der G. AG Kenntnis hatte. Die unbestrittene und dem Beschwerdeführer bekannte Tatsache, dass die Geschäftsführerin 1975 wegen anderer Verfehlungen im Versandhandel (Anpreisung von unerlaubten Abhörgeräten, unerlaubter Verkauf von Waffen) mit einer hohen Busse bestraft wurde, mag als Indiz dafür gewertet werden, dass Frau H. der Einhaltung gesetzlicher Schranken bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit nicht immer die nötige Aufmerksamkeit schenkt. Damit ist aber auch nach Auffassung der Vorinstanz nicht bewiesen, dass der Beschwerdeführer die erneuten Verfehlungen seiner Geschäftsführerin erkannt oder vorausgesehen hat. Sah W. somit die Verwirklichung des Tatbestandes von Art. 204 StGB nicht voraus, konnte er sie auch nicht verhindern. Selbst wenn W. – in .
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Ausdehnung der in BGE 96 IV 174 begründeten Rechtsprechung – als Garant qualifiziert würde, könnte er nicht wegen unzüchtiger Veröffentlichungen bestraft werden, da er die Garantenpflicht nicht verletzt hat. BGE 105 IV 172 S. 179 c) Die Frage, ob der Beschwerdeführer infolge pflichtwidriger Unaufmerksamkeit die strafbaren Handlungen seiner Geschäftsführerin nicht vorausgesehen und nicht erkannt hat, braucht hier nicht beantwortet zu werden, da die fahrlässige unzüchtige Veröffentlichung kein gesetzlicher Straftatbestand ist und fahrlässiges Verhalten nicht zu einer Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes führen kann. d) Auch eine weitgehende Anwendung der Konstruktion des unechten Unterlassungsdeliktes dürfte keinesfalls dazu führen, dass ein Verwaltungsrat generell für jedes Delikt selber als Täter strafrechtlich verantwortlich wäre, das er – retrospektiv beurteilt – durch geeignete Überwachung hätte voraussehen und verhindern können. Aus dem Wissen um die Vorstrafe der Geschäftsführerin lässt sich selbstverständlich nicht eine strafrechtlich abgesicherte Pflicht zur totalen Überwachung ableiten, mit der Folge, dass jedes durch Kontrolle voraussehbare und vermeidbare Delikt die Bestrafung des Garanten nach sich zöge. Jede Umschreibung der Garantenstellung muss im Erfordernis des Nachweises des subjektiven Tatbestandes eine klare, durch das Schuldprinzip gebotene Grenze finden (vgl. SCHUBARTH, a.a.O., S. 396). Daher ist der Beschwerdeführer freizusprechen, auch wenn man seine Garantenstellung grundsätzlich bejahen wollte. .
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 30. Januar 1979 aufgehoben, soweit es sich auf den Beschwerdeführer bezieht. Die Sache wird zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
BGE 105 IV 307 79. Urteil des Kassationshofes vom 20. November 1979 i.S. B. und R. gegen Generalprokurator-Stellvertreter des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste 1.
Art. 70 ff. StGB. Verfolgungsverjährung. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, das die Rechtskraft des angefochtenen kantonalen Urteils nicht hemmt (Erw. 1). .
2.
Art. 159 Abs. 1 StGB. Ungetreue Geschäftsführung. Begriff des Geschäftsführers (Erw. 2). Wer als Geschäftsführer Mehrung des Vermögens des Geschäftsherrn verpflichtet ist, verletzt Treuepflicht, wenn er gewinnbringende Geschäfte nicht für Geschäftsherrn abschliesst, sondern schwarz erledigt (Erw. Vermögensschaden im entgangenen Gewinn (Erw. 4). .
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zur die den 3).
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Sachverhalt ab Seite 308 BGE 105 IV 307 S. 308 A. S. betreibt ein Ingenieurbüro für Hoch- und Tiefbau sowie Vermessung mit einem auswärtigen Zweigbüro. Ende 1965 stellte er B. für «Projektierung und Bauleitung aller Ingenieurarbeiten auf dem Gebiete des Hoch- und Tiefbaus» an. B. übernahm in der Folge immer weiterreichende Kompetenzen. Insbesondere war er befugt, Aufträge entgegenzunehmen, Honorarverhandlungen zu führen, Aufträge mit von ihm errechneten Angaben über das Honorar in Form von Offerten zu bestätigen und Verträge bzw. Bestätigungen zu unterzeichnen. Wenn er auch die Aufträge vorgängig der Bestätigung oder auch nachträglich noch mit S. besprach, so liess dieser ihm
besonders bezüglich der Festlegung des Honorars und in Verhandlungen mit dem Architekten R., der ausschliesslich mit B. verhandelte, freie Hand. S. überprüfte die Honorare nur stichprobeweise und erschien nicht häufig in der Filiale, so dass auch die Überwachung des Personals im Zweigbüro B. zukam. Am 30. November 1971 wurde B. auf den 1. März 1972 gekündigt, doch verliess er das Geschäft erst im Sommer dieses Jahres. Als B. in gekündigter Stellung bei S. arbeitete, erhielt die Firma vom Architekten R. die Ingenieurarbeiten für eine Überbauung und für ein Mehrfamilienhaus. In beiden Fällen bestätigte B. den Bauherren die Übernahme des Auftrages durch die Firma S. zu bestimmten Pauschalhonoraren. Im Einvernehmen mit R., der B. eine Starthilfe für die Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit geben wollte, führte letzterer ausserhalb der Bürozeit persönlich bestimmte Ingenieurarbeiten aus, welche R. sonst in seinem Büro ausführen liess, wegen Zeitmangels aber B. übertragen und gesondert berechnet wurden. BGE 105 IV 307 S. 309 B. bezog dafür in den beiden Fällen je Fr. 5’00.–, welche Beträge er am 21. bzw. 27. Januar 1972 ausbezahlt erhielt. Am 21. Oktober 1975 wurde gegen B. und R. eine Strafuntersuchung eröffnet. B. Am 13. Juli 1979 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern B. wegen wiederholter ungetreuer Geschäftsführung zu zwei Monaten Gefängnis und R. wegen Gehilfenschaft dazu zu einem Monat Gefängnis. Es gewährte beiden Verurteilten den bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren. C. B. und R. führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung, eventuell zur Freisprechung zurückzuweisen. Der Generalprokurator-Stellvertreter des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Strafverfolgung wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich mit dem Urteil der letzten kantonalen Instanz beendet (BGE 96 IV 52, BGE 92 IV 172; Ausnahme: BGE 97 IV 157). In diesem Zeitpunkt hört die Verfolgungsverjährung auf und beginnt in der Regel die Vollstreckungsverjährung zu laufen. .
a) Die Beschwerdeführer machen geltend, im vorliegenden Fall habe die Verfolgungsverjährung mit der Ausfällung des obergerichtlichen Urteils nicht aufgehört, weil die von ihnen eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde gemäss BGE 72 IV 106 und BGE 73 IV 14 den Eintritt der Rechtskraft gehemmt habe. Da nach den Prozessvorschriften des Kantons Bern ein nicht rechtskräftiges Urteil auch nicht vollstreckbar werde, sei die Strafverfolgung mit der Ausfällung des angefochtenen Urteils nicht abgeschlossen worden, sondern weitergelaufen und einige Tage später verjährt. b) Die Berufung auf die erwähnten früheren Bundesgerichtsentscheide geht fehl. Die in BGE 73 IV 14 und BGE 72 IV 106 vertretene Auffassung, dass die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde die Rechtskraft des angefochtenen Entscheides hemme, ist in der Literatur einhellig und mit Recht verworfen worden (vgl. PERRIN, Voies de recours et prescription de l’action .
BGE 105 IV 307 S. 310 pénale, ZStR 79/1963, S. 15, und dort angeführtes Schrifttum). Das Bundesgericht hat in der Folge auch nicht daran festgehalten, da grundsätzliche Voraussetzung der Vollstreckbarkeit letztinstanzlicher kantonaler Strafurteile deren Rechtskraft ist. Rechtskräftig aber wird ein letztinstanzlicher, mit keinem ordentlichen kantonalen Rechtsmittel mehr anfechtbarer Entscheid mit dessen Ausfällung, weil die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht ein ausserordentliches Rechtsmittel ist, das nur eine auf Rechtsfragen beschränkte Überprüfung zulässt (SCHULTZ, AT, Bd. 1 S. 92; WAIBLINGER, ZBJV 1948, S. 429, 1949, S. 435; HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen .
Strafprozessrechts, S. 275; REHBERG, Der Anfechtungsgrund bei der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts, in Hundert Jahre Bundesgericht, S. 353; PERRIN, a. a. O., S. 17). Ein mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbares kantonales Strafurteil ist also notwendig ein rechtskräftiger Entscheid. Mit der Rechtskraft des kantonalen Strafurteils, durch das der Beschuldigte verurteilt wird, erlischt aber der öffentliche Strafanspruch und endet demnach die Verfolgungsverjährung. Ob mit dem Ende der Verfolgungsverjährung gleichzeitig die Vollstreckungsverjährung beginne, was nach den kantonalen Prozessordnungen meistens der Fall ist, aber nicht immer zutrifft (s. BGE 101 IV 394), ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Das Bundesrecht schreibt nicht vor, dass das kantonale Urteil im Zeitpunkt der Einreichung der Nichtigkeitsbeschwerde auch vollstreckbar sein müsse. Art. 272 Abs. 7 BStP bestimmt bloss, dass die Nichtigkeitsbeschwerde den Vollzug des angefochtenen Entscheides, sofern dieser vollstreckbar ist, nicht hemme (PERRIN, a. a.O., S. 14). Das Ende der Verfolgungsverjährung ist demzufolge nicht von der Vollstreckbarkeit des kantonalen Urteils abhängig; entscheidend ist einzig, dass es in formelle Rechtskraft erwachsen ist. Insoweit ist die in BGE 105 IV 101 angebrachte gegenteilige Bemerkung richtigzustellen. .
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c) Das Urteil des Obergerichts ist, ungeachtet der Nichtigkeitsbeschwerde der Verurteilten, mit der Ausfällung am 13. Juli 1979 rechtskräftig geworden, was übrigens mit Art. 297 Abs. 3 BE / StrV übereinstimmt. Am gleichen Tag hat die Verfolgungsverjährung ihr Ende genommen. In diesem Zeitpunkt war die absolute Verjährungsfrist von siebeneinhalb Jahren, die .
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BGE 105 IV 307 S. 311 am 21. bzw. 27. Juli 1972 begann, noch nicht abgelaufen (Art. 159 Abs. 1 und 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Die Strafverfolgung ist somit nicht verjährt. .
2. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz habe mit der Annahme, B. sei Geschäftsführer gewesen, Art. 159 StGB verletzt. Nach dem angefochtenen Urteil sei B. nämlich bloss befugt gewesen, Aufträge
entgegenzunehmen, Honorarverhandlungen zu führen und Verträge über die Honorare zu bestätigen. Dagegen habe er Verträge nicht ohne Vorbehalt unterschreiben dürfen, sondern sie immer seinem Arbeitgeber zur Genehmigung vorlegen müssen. Ohne Abschlusskompetenz habe er aber die für einen Geschäftsführer wesentliche Selbständigkeit nicht besessen. Die Befugnis, kleinere Einkäufe zu tätigen und andere Angestellte zu überwachen, habe ihn im Aussenverhältnis nicht zum Geschäftsführer gemacht. a) Nach Art. 159 StGB macht sich der ungetreuen Geschäftsführung schuldig, wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll. Danach genügt eine blosse Fürsorgepflicht für fremdes Vermögen nicht, vielmehr muss der Täter auch die Stellung eines Geschäftsführers haben. Als Geschäftsführer im Sinne dieser Bestimmung gilt jedoch entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht nur, wer Rechtsgeschäfte nach aussen abzuschliessen hat, sondern auch wer bloss tatsächlich oder im Innenverhältnis fremde Vermögensinteressen wahren soll (BGE 100 IV 36, BGE 97 IV 13, BGE 81 IV 278). Auch verlangt Art. 159 StGB nicht, dass die Kompetenz zum Abschluss von Verträgen dem Geschäftsführer allein zustehe (BGE 100 IV 172). Immerhin muss er mit hinreichender Selbständigkeit über das fremde Vermögen oder Teile eines solchen, über Betriebsmittel oder das Personal eines Unternehmens verfügen können (BGE 102 IV 92; BGE 100 IV 36; BGE 95 IV 66). Wer der ständigen Kontrolle eines Vorgesetzten unterliegt, ist in der Regel nicht Geschäftsführer. Auch genügen untergeordnete Verrichtungen den Anforderungen einer Geschäftsführung im Sinne des Gesetzes nicht (BGE 95 IV 65, BGE 86 IV 14). .
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b) Nach dem angefochtenen Urteil war B. befugt, Aufträge entgegenzunehmen, Honorarverhandlungen zu führen, Aufträge mit von ihm errechneten Angaben über das Honorar in Form einer Offerte zu bestätigen und Verträge bzw. BGE 105 IV 307 S. 312 Bestätigungen derselben zu unterzeichnen. Wenn er auch die Aufträge
vorgängig der Bestätigung oder nachträglich noch mit seinem Chef besprochen habe, so habe ihm dieser besonders bezüglich der Festlegung des Honorars und in den Verhandlungen mit R. freie Hand gelassen. S. habe die Honorare nur stichprobeweise überprüft und sei nicht häufig in der Filiale erschienen, so dass B. auch die Überwachung der anderen Angestellten obgelegen habe, die ihn als Chef der Filiale betrachtet hätten. Auch sei er befugt gewesen, kleinere Einkäufe zu tätigen und Lohnauszahlungen vorzunehmen. Wenn die Vorinstanz gestützt auf diesen verbindlich festgestellten Sachverhalt annahm, B. habe die Stellung eines Geschäftsführers gehabt, so ist das rechtlich nicht zu beanstanden, denn er verfügte über eine recht weitgehende Selbständigkeit in der Erfüllung bedeutender Aufgaben. Jedenfalls lag die für ein Ingenieurbüro wichtige Festsetzung der Honorare praktisch in seiner Hand und konnte er das Büro mit selbständig unterzeichneten und mit Honorarofferten versehenen Auftragsbestätigung vertraglich binden. Zudem oblag ihm, da S. wegen seiner Beschäftigung im Hauptbüro nur etwa einmal in der Woche in der Filiale erschien, auch im Innenverhältnis tatsächlich die Leitung der Filiale. Insgesamt betrachtet erscheinen der eigenverantwortliche Tätigkeitsbereich des B. und die in diesem Rahmen zu betreuenden Vermögensinteressen als durchaus bedeutsam und von Gewicht (s. STRATENWERTH, BT I, S. 266). .
3. Die Beschwerdeführer sind der Meinung, eine ungetreue Geschäftsführung liege nicht schon darin, dass B. zwei Aufträge schwarz erledigte, statt sie seinem Arbeitgeber weiterzuleiten. Schwarzarbeit sei eine Verletzung des Arbeitsvertrages; eine solche dürfe nicht ohne weiteres strafrechtlich verfolgt werden. a) Wenn es grundsätzlich auch zutrifft, dass in der strafrechtlichen Ahndung von Vertragsverletzungen Zurückhaltung geboten ist, so ist anderseits nicht zu verkennen, dass der Tatbestand des Art. 159 StGB ausdrücklich neben der Verletzung einer gesetzlichen auch die Verletzung einer vertraglich übernommenen Fürsorgepflicht für ein Vermögen unter Strafe stellt, sofern der Täter als Geschäftsführer seine Vertragspflicht missachtet und dadurch den Vertragspartner am Vermögen geschädigt hat. Wo alle diese Elemente
vorliegen, muss Art. 159 StGB zur Anwendung kommen, selbst wenn es BGE 105 IV 307 S. 313 sich um die Verletzung eines Arbeitsvertrages handelt. Ob eine solche gegeben ist, hängt vom vertraglich umschriebenen Inhalt der Vermögensfürsorgepflicht ab, denn der Geschäftsführer macht sich nur strafbar, wenn das schädigende Tun oder Unterlassen seinen vertraglichen Pflichten widerspricht (BGE 80 IV 247). Ist dem Geschäftsführer nach Vertrag nicht nur die Erhaltung des vorhandenen, sondern auch die Mehrung des Vermögens aufgegeben, was bei der Geschäftsführung eines Handelsgeschäftes oder Gewerbebetriebes regelmässig zutrifft, so liegt auch im Nichtabschluss gewinnbringender Geschäfte oder im Abschluss solcher Geschäfte für ein eigenes Konkurrenzunternehmen statt für den Treugeber eine nach Art. 159 StGB erhebliche Pflichtverletzung (BGE 80 IV 248; SCHWANDER, Das schweizerische StGB, S. 363; STRATENWERTH, BT I S. 269/270; VOLLMAR, Die ungetreue Geschäftsführung, Diss. Zürich 1978, S. 74). .
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b) Im vorliegenden Fall stellt das Obergericht ausdrücklich fest, B. habe gemäss Art. 5 des Dienstvertrages vom 1. Oktober 1965 ohne vorherige Verständigung mit seinem Arbeitgeber keine beruflichen Aufträge auf eigene Rechnung oder auf Rechnung Dritter ausführen dürfen. Damit habe er sich verpflichtet, sich jeglicher Konkurrenz- und Schwarzarbeit zu enthalten. Das wird in der Beschwerde mit Recht nicht bestritten, zumal B. auch von Gesetzes wegen zu solchem Verhalten verpflichtet war (Art. 328 Abs. 1bis aOR / Art. 321a Abs. 3 OR). Indem er im Auftrage von R. in zwei Fällen in der Freizeit umfangreiche Ingenieurarbeiten verrichtete und sich von den Bauherren direkt bezahlen liess, ohne dass sein Arbeitgeber davon wusste, hat er sich diesem gegenüber der Untreue im Sinne des Art. 159 StGB schuldig gemacht, denn innerhalb des Geschäftsführungsbereichs ist es dem Geschäftsführer untersagt, eigene Interessen zu verfolgen; diese sind den Interessen des Geschäftsherrn hintanzustellen (VOLLMAR, a. a.O., S. 82 mit Verweisungen). .
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4. Schliesslich bestreiten die Beschwerdeführer den Vermögensschaden und den Schädigungsvorsatz. Sie machen namentlich geltend, es sei entgegen den Annahmen der Vorinstanz nicht erwiesen, dass S. die zwei fraglichen Aufträge erhalten hätte, wenn sich B. dafür eingesetzt hätte, und dass der Gewinn der Firma mit grösster Wahrscheinlichkeit erhöht worden wäre, wenn sie die Aufträge hätte ausführen können. BGE 105 IV 307 S. 314 a) Soweit die Beschwerdeführer die Nichtabnahme von Beweisen rügen und die Tatsachenfeststellung der Vorinstanz beanstanden oder von einem andern als dem festgestellten Sachverhalt ausgehen, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Vorbringen solcher Art sind unzulässig und daher unbeachtlich (Art. 277bis Abs. 1 und 273 Abs. 1 lit. b BStP). Das gilt auch hinsichtlich der Ausführungen, mit denen dargetan werden soll, B. habe sich von R. zur Schwarzarbeit drängen lassen. Seine Behauptung wäre übrigens auch neu, denn die Vorinstanz stellt fest, B. habe selber nicht geltend gemacht, dass die Idee zur Schwarzarbeit allein von R. gekommen sei. .
b) Wird der im angefochtenen Urteil festgestellte Sachverhalt zugrunde gelegt, so steht ausser Zweifel, dass B., der zur Vermehrung des Vermögens verpflichtet war, seinen Arbeitgeber dadurch geschädigt hat, dass er Aufträge, die er für ihn hätte erhältlich machen können und sollen, pflichtwidrig persönlich übernahm und sich dafür auch direkt von den Bauherren bezahlen liess. Da diese Aufträge, wenn sie durch die Fa. S. hätten ausgeführt werden können, für diese mit grösster Wahrscheinlichkeit gewinnbringend gewesen wären, besteht der durch die Schwarzarbeit zugefügte Schaden in entgangenem Gewinn (BGE 80 IV 249). Angesichts dieses Vermögensschadens kann dahingestellt bleiben, ob auch die von der Vorinstanz erwähnte Beeinträchtigung des geschäftlichen Ansehens als Schädigung von Vermögensinteressen angesehen werden könne, die nach Art. 159 StGB beachtlich wäre. c) Nach den Feststellungen der Vorinstanz war es B. nicht bloss klar, dass er in leitender Stellung in der Eigenschaft eines Geschäftsführers handelte und .
durch die Annahme von Schwarzarbeit einen krassen Treuebruch beging; er nahm auch bewusst in Kauf, dass er dadurch seinen Arbeitgeber schädigte. Damit ist der Schädigungsvorsatz verbindlich erstellt, denn was der Täter weiss, will oder in Kauf nimmt, ist Tatfrage (BGE 100 IV 221). Die Bestreitung tatsächlicher Verhältnisse ist in der Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig. .
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
BGE 105 IV 330 84. Urteil des Kassationshofes vom 12. November 1979 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft Bern-Oberland (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 222 StGB. Wer – ohne den Vorsatz der Anstiftung – durch unbedachte Äusserungen über die «Wünschbarkeit» eines Brandes einen Gesprächspartner dazu anregt, den Brand zu legen, erfüllt nicht den Tatbestand der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst (Erw. 1). .
Art. 148 StGB. Betrug. Bereicherungsabsicht (Erw. 2). .
Sachverhalt ab Seite 331 BGE 105 IV 330 S. 331 A.a) Am 14. April 1976 war Ursula P. mit ihrem Freund Beat S. bei ihrer Bekannten Helene M. in Lachen SZ auf Besuch. Man kam auf die beträchtlichen Renovations- und Kanalisationskosten zu sprechen, die Frau M. für das Bauernhaus in Thalheim AG bevorstanden, das ihre Patin ihr ein halbes Jahr vorher geschenkt hatte. Frau M. sagte, am besten würde man das Haus «warm abbräche». Beat S., dessen kriminelle Vergangenheit Frau M. nicht kannte, antwortete unverzüglich, dass dies für ihn eine Kleinigkeit wäre, dass er es mit einem Kurzschluss erledigen könnte. Dann fragte er Helene, wieviel ihr dies wert wäre. Sie nannte den Betrag von Fr. 5000.–, den sie gerade im Haus habe und den sie ihrer Patin nach Klagenfurt bringen wolle, wohin sie noch am gleichen Abend für einige Tage abreisen werde. Auch Ursula P. zeigte Interesse an der Sache und meinte, sie wüsste schon, was man mit den Fr. 5000.– machen könnte, und erwähnte eine Polstergruppe, die sie in
einem Geschäft in Lachen gesehen hatte. Helene M. beschrieb Ursula und Beat die Lage des Hofes und den Weg dorthin. Sie will das alles nur spasseshalber gesagt haben. Mindestens beim Hinausgehen sagte sie zu den beiden, sie sollten «keinen Seich» machen. Nach anfänglichen Zweifeln kamen Beat S. und Ursula P. zum Schlusse, Helene M. habe ihr Angebot ernst gemeint. Sie zündeten am Ostersonntagmorgen, den 18. April 1976, das Bauernhaus an, in dem sich auch Fahrhabe des Pächters U. befand. b) Am Mittwoch nach Ostern orientierte Frau P. Helene M. über den Brand. Diese machte grosse Augen, war erstaunt und BGE 105 IV 330 S. 332 wollte es nicht glauben. Darauf erzählte Frau P., vor der Brandlegung seien ein Zelt und ein Kronleuchter, welche den Eheleuten M. gehörten, in Sicherheit gebracht worden. Der Ehemann Rudolf M., der damals über den wahren Sachverhalt nicht orientiert war, meldete in der Folge diese Gegenstände der Schweiz. Mobiliarversicherung als vermisst an zu einem Schadensbetrag von Fr. 916.–, womit Frau M. einverstanden war. Die Auszahlung unterblieb, weil die Sache auskam. Frau M. unterzeichnete eine Strafanzeige wegen der verschwundenen Gegenstände und liess es zu, dass ihr Stiefvater nicht nur der Brandstiftung sondern auch des Diebstahls dieser Gegenstände verdächtigt wurde. Das Aargauische Versicherungsamt zahlte am 4. Juni 1976 Helene M. die ordentliche Versicherungssumme von Fr. 27 421.– aus. B. Am 23. Oktober 1978 sprach das Geschwornengericht des I. Bezirks des Kantons Bern Helene M. der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB) zum Nachteil von U. im Deliktsbetrag von ca. Fr. 46 150.–, des vollendeten Betrugsversuchs zum Nachteil der Schweiz. Mobiliarversicherungsgesellschaft (Art. 148 Abs. 1 StGB) und der Irreführung der Rechtspflege (Art. 304 Ziff. 1 StGB) schuldig und verurteilte sie zu drei Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben auf zwei Jahre. .
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C. Helene M. beantragt sinngemäss Aufhebung des Urteils des Geschwornengerichts und Rückweisung der Sache zum Freispruch von den
Anklagen der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst und des Betrugsversuchs. Die Staatsanwaltschaft Bern-Oberland beantragt sinngemäss Gutheissung der Beschwerde hinsichtlich der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst und Abweisung betreffend den Betrugsversuch. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.a) Das Geschwornengericht hat Beat S. und Ursula P. der eventualvorsätzlichen Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 StGB) schuldig erklärt. Es kommt zum Schluss, das dumme Gerede von Frau M. beim Besuch von Ursula P. und Beat S. am 14. April 1976 .
BGE 105 IV 330 S. 333 sei ursächlich gewesen für die vier Tage danach verübte Brandstiftung. Doch stellt es für den Kassationshof verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP; BGE 101 IV 50), es könne nicht schlüssig bewiesen werden, dass Frau M. den Vorsatz gehegt habe, die beiden zu einer Brandstiftung anzustiften. Deshalb wertet es ihr Verhalten nicht als Anstiftung gemäss Art. 24 StGB. Hingegen qualifiziert es ihr Gerede als fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222 Abs. 1 StGB). Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie Beat S. und Ursula P. durch ihr Gerede, wenn auch nicht vorsätzlich, zur Brandstiftung veranlasst hat. Sie macht jedoch geltend, durch Reden könne der Tatbestand der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst nicht erfüllt werden. .
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b) Die Vorinstanz führt im einzelnen aus, wenn die Feuersbrunst beim Tatbestand von Art. 222 StGB auch normalerweise durch unvorsichtigen Umgang mit irgendwelchen Instrumenten oder brennbaren Mitteln, d.h. manuell, verursacht werde, so schliesse das Gesetz doch nicht aus, dass sie durch ungeschicktes und leichtfertiges Reden, das bei Dritten zu verhängnisvollen Reaktionen führen könne, d. h. verbal, verursacht werden
könne. Ohne die Äusserungen von Frau M. wären Beat und Ursula niemals auf die Idee gekommen, den Hof anzuzünden. Somit habe letztlich die Angeklagte durch ihr höchst unbedachtes und inspirierendes Reden die am 18. April 1976 von S. und Frau P. gelegte Feuersbrunst verursacht. Die Beschwerdeführerin setzte somit durch ihr Verhalten, das nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht als Anstiftung qualifiziert werden kann, in fahrlässiger Weise eine conditio sine qua non für die vorsätzliche Brandstiftung durch Beat S. und Ursula P. «Fahrlässige Anstiftung» ist jedoch nicht strafbar. Zwischen dem unbedachten Reden über die Möglichkeit oder Wünschbarkeit einer Straftat und der spätern vorsätzlichen Begehung gerade dieses Deliktes durch einen voll schuldfähigen Täter, der von dem (nicht als Anstiftung gemeinten) Gespräch zur Tat angeregt wurde, besteht zwar ein Kausalzusammenhang, aber es fehlt die Adäquanz; denn dass unbedachtes Reden über Brandstiftung einen Gesprächspartner zur vorsätzlichen Tatbegehung veranlasse, ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht voraussehbar (zur Fahrlässigkeitshaftung bei der Förderung der .
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BGE 105 IV 330 S. 334 Vorsatztat eines Dritten durch unvorsichtiges Verhalten: JESCHECK, Lehrbuch, 3. Aufl. S., 465). In diesem Punkt ist daher das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin freizusprechen. 2. Helene M. wurde auch wegen versuchten Betruges im Betrage von Fr. 916.– zum Nachteil der Schweiz. Mobiliarversicherung verurteilt. Am 19. April 1976 bemerkten die Eheleute M. im Bauernhof das Fehlen eines Zeltes und eines Kronleuchters, welche sie während der Ehe angeschafft hatten. Am folgenden Tag stellte M. deswegen Strafanzeige gegen Unbekannt. Frau M. unterschrieb sie. M. verlangte bei der Versicherung auch eine Vergütung von Fr. 916.–. Frau M. war damit einverstanden, obwohl sie – im Gegensatz zu ihrem Manne – wusste, dass Beat S. und Ursula P. diese Gegenstände vor der Brandlegung für sie in Sicherheit gebracht hatten. Die Auszahlung unterblieb nur, weil die Sache rechtzeitig auskam.
a) Die Schadensmeldung erfolgte mit Wissen und Zustimmung der Beschwerdeführerin. Da sie an den Sachen ebenfalls Eigentumsrechte hatte, galt der Vergütungsantrag wenigstens mittelbar auch für sie. Sie liess also ihren Mann auch für sich selber handeln. Das war mehr als eine blosse Unterlassung (Nichtaufklären). Auch sonst hat sie positiv zur Irreführung des Versicherers beigetragen. Sie stellte mit ihrem Mann das Fehlen des Zeltes und des Kronleuchters im abgebrannten Hof fest und tat so, wie wenn diese Gegenstände von Unbefugten weggenommen worden wären. Mindestens durch Unterzeichnung der Strafanzeige an die Polizei half sie mit, beim Ehemann und der Polizei und mittelbar auch beim Versicherer diesen Eindruck zu wecken und festigen. Spätestens als sich ihr Mann anschickte, den «Schaden» bei der Versicherung zu melden, wusste sie, die falsche Version über das Verschwinden der Gegenstände werde sich nach aller Voraussicht zum Schaden des Versicherers auswirken. Trotzdem stimmte sie ihrem Manne zu, als er diese Sachen, an denen auch sie Eigentum hatte, als gestohlen anmeldete. Daher muss sie gegen sich gelten lassen, durch ihr Tun und mittels ihres gutgläubigen Mannes die Versicherung irregeführt zu haben. Der wahre Sachverhalt war für die Versicherung nicht erkennbar, sodass auch Arglist gegeben ist. .
BGE 105 IV 330 S. 335 b) Die Vorinstanz bejaht neben dem Vorsatz auch die Bereicherungsabsicht mit dem Satz: «Helene wollte sich resp. ihren Ehemann an der Versicherungssumme für die gestohlen gemeldeten Objekte, die die Eheleute während der Ehe angeschafft hatten, unrechtmässig bereichern.» Die Beschwerde wendet dagegen u.a. ein: «Man kann sagen, dass die Beschwerdeführerin durch die Verhältnisse und insbesondere das rasche Handeln ihres Ehemannes überrollt wurde. Da sie aber nicht wollte, dass er von der ganzen Angelegenheit etwas erfuhr, musste sie ihn ungehindert mit der Versicherung verhandeln lassen.» Tatsächlich befand sich Frau M. in einer gewissen Zwangslage, da sie sich nicht durch Bekanntgabe ihrer leichtfertigen Unterhaltung vom 14. April 1976 in Lachen und ihrer Beziehungen zu Beat S. und Ursula P. bei Behörden und
ihrem Manne dem Verdacht der Anstiftung zu Brandstiftung aussetzen wollte. Es erhebt sich damit ernsthaft die Frage, was das Verhalten von Helene M. motivierte; der Wunsch, das verdächtige Gespräch in Lachen und ihre Beziehungen zu Beat S. und Ursula P. zu verschweigen, oder die Aussicht auf die Fr. 916.– oder beides zusammen. c) Nach der neueren Rechtsprechung genügt es nicht, dass die Erlangung des Vermögensvorteils nur eine notwendige, dem Täter vielleicht sogar höchst unerwünschte Nebenfolge eines von ihm erstrebten anderen Erfolges ist (BGE 101 IV 207). Indessen muss das Erstreben der Bereicherung nicht ausschliessliches Motiv des Handelns sein; es genügt, dass es mitbestimmend war (BGE 102 IV 83 f.). Wie es sich im vorliegenden Falle verhält, ist aus dem Urteil nicht mit hinreichender Klarheit ersichtlich. Die Sache ist daher im Sinne von Art. 277 BStP an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückzuweisen. .
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Geschwornengerichts des I. Bezirks des Kantons Bern vom 23. Oktober 1978 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
BGE 106 IV 26 9. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale du 18 mars 1980 dans la cause Cravanzola dit Jean-Michel contre Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) .
Regeste Art. 148 Abs. 2 StGB. Betrug, begangen durch die an zahlreiche Personen gerichtete Aufforderung zur Teilnahme an einer Geldsammlung für wohltätige Zwecke unter Verschweigung der Tatsache, dass ein bedeutender Teil der eingehenden Summen luxuriösen Aufwendungen dienten, um die Prunksucht zu befriedigen. Sachverhalt ab Seite 27 BGE 106 IV 26 S. 27 A.1. Au début de 1975, Cravanzola a créé avec des amis une association au sens des art. 60 ss. CC sous le nom de «Jean-Michel et son équipe», qui exerce une activité lucrative en la forme commerciale et qui a été inscrite au Registre du commerce du district de Moudon. Son but statutaire est «d’aider les jeunes qui ont des difficultés personnelles ou sociales … dans l’esprit de les amener à une foi chrétienne et, ainsi, de provoquer une transformation profonde de leur personnalité et de leur vie …». Cravanzola est le président de l’association. Il prend pratiquement toutes les décisions, qu’il fait entériner par le comité. Près de 215 personnes vivent dans trois communautés dépendant de l’association, dont une en France, une à Vugelles-la-Mothe qui compte une cinquantaine d’adultes et 25 enfants, et une à Hermenches qui compte une soixantaine d’adultes et une quarantaine d’enfants. Ces membres sont répartis en équipes chargées de l’évangélisation, de l’imprimerie, de l’administration, de l’entretien des immeubles, des travaux de ménage et de l’éducation des
enfants. Les bilans établis, qui ne sont pas publiés, démontrent que les biens de l’association augmentent d’année en année, mais comportent des immobilisations importantes. Les principales ressources proviennent de la vente de livres et de publications sortis de l’imprimerie de l’association, qui a rapporté près de 400 000 fr. par mois. D’autres ressources proviennent de collectes et appels de fonds. 2. En novembre 1977, Cravanzola a expédié deux lettres circulaires demandant des fonds de toute urgence, dans la semaine, pour faire face à des circonstances dramatiques. La première a été adressée en 1470 exemplaires aux abonnés de «La Gerbe de blé», publication éditée par l’association. 348 personnes ont répondu, versant au total 144 607 fr., se décomposant notamment en 83 dons de 500 à 1000 fr., 40 de 1000 à 2500 fr. et 6 de 2500 à 5000 fr. La seconde lettre a été envoyée à plus de 86 000 personnes qui avaient occasionnellement acheté une publication de l’association, BGE 106 IV 26 S. 28 dont 21 000 en Suisse française et 65 000 en Suisse allemande. Elle a permis de récolter 179 000 fr. 3. Sur les ressources de l’association, Cravanzola a disposé de montants considérables tant pour ses besoins personnels qu’au profit de certains des «Frères» qu’il a privilégiés, pour assurer leur confort personnel, assouvir leur goût du luxe, maintenir à un haut niveau leur image de marque et rehausser leur prestige. Il a engagé des dépenses inconsidérées sans aucun rapport avec les objectifs de l’association par laquelle il se faisait entretenir très largement, affectant des montants considérables à l’aménagement du château d’Hermenches, pour lequel il a notamment acheté des meubles anciens et des bibelots; de bureaux luxueux à Mauborget; d’un appartement de luxe à Epalinges; à l’achat de voitures de grand luxe (une Mercédès de 92 000 fr.), de bijoux et de vêtements de prix réservés à lui-même, à sa femme, à certains Frères et à leurs épouses; à des voyages d’agrément dans des pays éloignés, .
dont l’évangélisation n’était que le prétexte. 4. Les donateurs touchés par les appels de novembre 1977 ont ignoré cette affectation d’une partie des fonds de l’association. Certains, s’étant rendu compte qu’une partie de leurs dons n’était pas affectée au but visé par l’association, ont dénoncé la chose aux autorités judiciaires, se déclarant victimes d’une tromperie. Trois d’entre eux ont déposé plainte. Aucun n’a pris de conclusions civiles. B. Le 18 juin 1979, le Tribunal correctionnel du district de Lausanne a condamné Cravanzola pour escroquerie par métier et contravention à un arrêté cantonal sur les collectes à la peine de 18 mois de réclusion, à une amende de 20 000 fr. ainsi qu’à l’expulsion du territoire suisse pour une durée de cinq ans, avec sursis durant cinq ans. Il a subordonné l’octroi du sursis à la condition spéciale que le condamné n’exercerait aucune activité statutaire au sein de l’association «Jean-Michel et son équipe», notamment comme membre du comité, durant le délai d’épreuve. Sur double recours du condamné et du Ministère public, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a, par arrêt du 15 octobre 1979, admis partiellement les deux recours; elle a réformé le jugement en ce sens que l’amende a été réduite à 5000 fr., mais que le sursis à la peine principale a été supprimé. BGE 106 IV 26 S. 29 C. Cravanzola se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral; il a également déposé un recours de droit public qui a été rejeté ce jour. Dans son pourvoi en nullité, Cravanzola conclut à libération pure et simple, l’accusation d’escroquerie par métier étant abandonnée; subsidiairement, il demande à n’être condamné qu’à une amende n’excédant pas 500 fr., avec délai d’épreuve en vue de la radiation; plus subsidiairement, enfin, il demande à être libéré de la circonstance aggravante du métier, la peine et l’amende étant de ce fait considérablement réduites et assorties du sursis, la peine accessoire de l’expulsion étant quant à elle supprimée.
Erwägungen Extrait des considérants: 4. La seule question – de droit – qu’il reste ainsi à examiner est de savoir si les faits rappelés ci-dessus doivent être qualifiés d’escroquerie au sens de l’art. 148 CP. a) A ce sujet, le recourant semble, mais de façon confuse, contester que certains éléments de l’escroquerie soient réunis. C’est ainsi qu’il nie avoir usé d’une tromperie pour amener ses correspondants à faire un don à l’association: la proportion entre les frais généraux et les montants affectés au but de charité serait normale; l’affectation des fonds collectés à des dépenses d’apparat ne serait pas établie; l’association a effectivement agi conformément à son but; l’intention d’affecter les fonds collectés à des dépenses de pur luxe ne serait pas établie; le caractère familier et personnel des lettres ne serait pas trompeur; l’urgence du besoin serait véritable; les causes de la crise de trésorerie ne devaient pas nécessairement être indiquées; les abonnés à «La Gerbe de blé» connaissaient l’activité exacte de l’association. b) L’ensemble de ces remarques n’est toutefois pas propre à établir le caractère véridique des lettres de novembre 1977. En effet, il n’est pas question, dans ces lettres, de frais généraux qui absorberaient une partie des ressources de l’association. Elles se présentent comme rédigées de façon artisanale, sur un mauvais papier, avec des ratures et des retouches manuscrites, ce qui éveille le sentiment que les frais généraux sont réduits au minimum, le recourant dactylographiant lui-même, de façon malhabile, et renonçant aux services d’une secrétaire BGE 106 IV 26 S. 30 expérimentée et aux frais qu’entraînent des imprimés. Les dépenses de pur luxe sont entièrement passées sous silence. Elles sont même implicitement contestées lorsque le recourant écrit qu’il ne se résout à faire appel à la générosité de ses amis qu’après avoir recherché une solution rapide, vendu tout ce qu’il possédait et consacré sa vie à sa tâche auprès des âmes perdues.
De telles déclarations sont tout à fait impropres à évoquer des aménagements luxueux et des dépenses d’apparat. Les dépenses inconsidérées étant établies par ailleurs, c’est mensongèrement que le recourant affirme que ses difficultés financières – telles qu’elles nécessitent un miracle – sont dues uniquement au travail auprès de milliers de personnes qui rencontrent de grandes difficultés, à l’accueil d’enfants abandonnés, travail qui a encore augmenté et qui seul, d’après les lettres en cause, est à l’origine des difficultés financières. Les dépenses d’apparat ayant été faites avant ou après l’envoi des lettres, et étant entièrement cachées, le recourant n’y ayant pas renoncé par la suite, n’ayant pas réalisé les aménagements luxueux ni renoncé aux voyages d’agrément dans des pays lointains, peu importe que les fonds collectés aient été affectés uniquement à des dépenses de pur luxe ou aussi en partie à des buts de l’association. La tromperie consiste à faire état uniquement des buts charitables pour inciter les destinataires des lettres à faire des donations, sans les renseigner sur le fait que les ressources de l’association ont aussi servi à faire des dépenses d’apparat auxquelles le recourant a démontré qu’il n’a jamais eu l’intention de renoncer. Il ressort du reste des constatations des premiers juges que notamment les voyages au Kenya, à Haïti et à la Guadeloupe – dont le prétendu but d’évangélisation n’est qu’un prétexte – ont eu lieu postérieurement à novembre 1977, l’achat de la Mercédès à 92 000 fr. précédant de peu – en date du 6 octobre 1977 – les appels de fonds dramatiques. Le recourant a donc bien usé de tromperie à l’appui de ses appels, en cachant l’affectation réelle d’une part importante des ressources de l’association. Il n’est nullement établi que les abonnés à «La Gerbe de blé» aient connu l’activité exacte de l’association. Il ne ressort nullement du jugement que ces abonnés ont su que le recourant avait fait des investissements de luxe dans une partie du château d’Hermenches, dans ses bureaux de Mauborget, dans l’appartement d’Epalinges, dans des bijoux et des vêtements de BGE 106 IV 26 S. 31 prix destinés à quelques privilégiés, dans une voiture de grand prix affectée à lui seul.
c) Le recourant ne conteste pas le caractère astucieux de la tromperie à laquelle il a recouru en cachant ses dépenses inconsidérées, exorbitantes au but de l’association. A bon droit. Les comptes n’étant pas publiés, aucune vérification n’était possible aisément. Si le recourant parle, dans ses lettres, des communautés, il n’est pas établi que l’existence de bureaux somptueux à Mauborget et d’un appartement de luxe meublé d’antiquités de prix à Epalinges fût connue. Au surplus, le recourant pouvait s’attendre à ce que les gens auxquels il s’adressait eussent confiance en lui et le considérassent comme un homme désintéressé, se vouant entièrement à une activité charitable; c’est cette image qu’il donne de lui dans ses lettres. Les destinataires devaient donc avoir une confiance particulière en lui et ne pas entreprendre de contrôles. Cette circonstance suffit à établir l’astuce (cf. ATF 100 IV 274, 99 IV 77; STRATENWERTH, I, p. 221, 222). .
d) Le recourant ne conteste pas non plus la relation de causalité entre la tromperie astucieuse et l’acte des victimes qui lui ont envoyé des sommes d’argent. Cette relation de causalité est évidente, car si l’on est enclin à donner de l’argent pour venir en aide à des malheureux, cela n’entraîne pas la conséquence que l’on est aussi disposé à donner pour assouvir les besoins de luxe du donataire. Il résulte d’ailleurs des faits constatés par les premiers juges que plusieurs donateurs ont précisément dénoncé le cas aux autorités, voire ont déposé plainte lorsqu’ils ont appris qu’une partie de leurs dons n’étaient pas affectés aux buts de l’association. L’art. 148 CP a donc été correctement appliqué.
BGE 106 IV 80 28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Februar 1980 i.S. G. und K. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 18 Abs. 3 StGB; Art. 36 Abs. 1 der Verordnung über die Unfallverhütung bei Sprengarbeiten vom 24. Dezember 1954. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Das schliesst aber nicht aus, dass, namentlich bei Lückenhaftigkeit des Spezialgesetzes, der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann (E. 4). .
Erwägungen ab Seite 81 BGE 106 IV 80 S. 81 Aus den Erwägungen: 4.a) Die Vorinstanz geht in ihrem Urteil davon aus, dass die Einhaltung der Sorgfaltsregeln rechtlich begründet sein müsse, sei es durch Gesetz, Vertrag oder allgemeine Rechtsgrundsätze, namentlich auch die Regel, dass derjenige, welcher einen Gefahrenzustand schaffe, alles Zumutbare tun müsse, damit die Gefahr zu keiner Verletzung fremder Rechtsgüter führe (sog. allgemeiner Gefahrensatz). Entsprechend stützt das Obergericht seinen Entscheid primär auf die Vorschriften der Verordnung des Bundesrates über die Unfallverhütung bei Sprengarbeiten vom 24. 12. 1954 (SR 832.314.11) und subsidiär auf jenen allgemeinen Gefahrensatz ab, weil die genannte Verordnung nicht alle Bereiche regle. .
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Dem halten die Beschwerdeführer entgegen, der allgemeine Gefahrensatz finde keine Anwendung, wo eine lex specialis nähere Vorschriften für ein bestimmtes Verhalten vorsehe. Würden diese eingehalten oder sei ihre Unterlassung nicht kausal oder lasse eine solche Regel verschiedene Auslegungen zu, so dürfe die strafrechtliche Kausalität, bzw. die Schuld nicht über den generellen Begriff des allgemeinen Gefahrensatzes herbeigeführt werden. b) Dass dort, wo besondere Vorschriften ein bestimmtes Verhalten gebieten, die Frage, ob der Täter pflichtgemäss oder pflichtwidrig gehandelt habe, primär nach jenen Bestimmungen zu beantworten ist, liegt auf der Hand. Das schliesst aber nicht aus, dass daneben auch der erwähnte allgemeine Rechtsgrundsatz Platz greifen kann; denn nicht jeder Verstoss gegen eine gesetzliche Verhaltensnorm rechtfertigt den Vorwurf der Fahrlässigkeit, wie umgekehrt ein solcher begründet sein kann, auch wenn nicht gegen eine bestimmte Verhaltensregel verstossen wurde (BGE 85 IV 48 für das Gebiet des Strassenverkehrs). Die Vorsicht, zu der ein Täter verpflichtet ist, wird letztlich durch die konkreten Umstände und seine persönlichen Verhältnisse bestimmt (Art. 18 Abs. 3 StGB; nicht veröffentlichtes Urteil i.S. F. vom 7. 6. 1979 betr. Dienstvorschriften für Strassenbahnpersonal). In diesem Rahmen ist aber neben speziellen Verhaltensregeln auch der allgemeine Gefahrensatz beachtlich, zumal naturgemäss nicht .
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BGE 106 IV 80 S. 82 alle denkbaren tatsächlichen Gegebenheiten in Vorschriften gefasst werden können. Im vorliegenden Fall verstösst deshalb das Vorgehen des Obergerichtes nicht gegen Bundesrecht.
BGE 107 IV 107 31. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale du 16 juin 1981 dans la cause N. contre procureur général du canton de Genève (pourvoi en nullité) .
Regeste Art. 139 Ziff. 1 StGB, einfacher Raub. Eine Frau, welche von zwei Männern, die sie berauben wollen, angegriffen und zu Boden geworfen wird, ist ein Opfer von Gewalt und widerstandsunfähig im Sinne dieser Bestimmung. Sachverhalt ab Seite 107 BGE 107 IV 107 S. 107 A. Le 5 février 1981, la Cour de cassation du canton de Genève a rejeté le pourvoi déposé par N. contre un arrêt de la Cour d’assises genevoise du 20 juin 1980. N. avait été condamné par la Cour d’assises à une peine de huit ans de réclusion et quinze ans d’expulsion du territoire suisse pour recels, brigandages, délit manqué de brigandages, vols, délits manqués de vol, dommages à la propriété, lésions corporelles simples et infraction à la loi fédérale sur le séjour et l’établissement des étrangers. Dans son arrêt, la Cour de cassation a constaté que le recourant ne contestait qu’un des deux brigandages, et que par conséquent les autres chefs d’accusation n’étaient pas contestés par le recourant. Elle s’est donc prononcée exclusivement sur la question de la qualification des faits retenus en première instance comme constitutifs de BGE 107 IV 107 S. 108 brigandage au détriment de demoiselle H. En revanche, l’autorité cantonale n’a nullement examiné la question de la mesure de la peine en
application de l’art. 63 CP. B. Outre un recours de droit public qui a été rejeté le 19 mai 1981, N. forme un pourvoi en nullité contre l’arrêt de la Cour d’assises aussi bien que contre celui de la Cour de cassation genevoise. Il se plaint de la violation de l’art. 139 CP en tant que, dans l’affaire de dlle H., la Cour de cassation a reconnu un crime de brigandage alors qu’il n’y avait selon lui que vol au sens de l’art. 137 CP tout au plus, et de celle de l’art. 63 CP en tant que la peine infligée au recourant était très insuffisamment motivée. Il demande l’assistance judiciaire en faisant valoir qu’il est dénué de toutes ressources. C. En ce qui concerne les faits retenus au titre du brigandage dans le cas H., l’autorité considère ce qui suit (p. 2 al. 1): .
«Le 7 novembre 1977, le recourant a décidé de commettre un vol en compagnie de V., coauteur condamné dans le même arrêt. Tous deux savaient que, ce jour-là, Mlle H. transportait une somme de Fr. 18 850.–, depuis les locaux de son employeur, Tabac Distribution S.A., à la rue du Jura à Genève, jusqu’au siège de la Banque Populaire Suisse, place St-Gervais. Arrivée à la rue Batte, Mlle H. fut bousculée par les deux hommes puis poussée par terre. Les auteurs purent alors s’emparer de la sacoche contenant l’argent. La Cour d’assises a précisé que la victime avait été mise hors d’état de résister.»
Ces faits correspondent à ceux constatés par la Cour d’assises (dossier cantonal, questions posées au jury, p. 33 et 34, dossier IV). .
Erwägungen Considérant en droit: 3.a) En ce qui concerne le brigandage, le recourant prétend que dans le cas H., il n’y a pas eu violences au sens de l’art. 139 CP. Le fait que dans cette occasion la victime ait été bousculée et jetée à terre ne revêtirait selon lui pas ce caractère de gravité. Il soutient que le brigandage ne peut exister que si la victime a été complètement mise hors d’état de résister (ATF 71 IV 122) par les violences. Il en conclut que dlle H. n’ayant pas été complètement mise hors d’état de résister, le rapport de cause à effet entre les violences dont elle a été l’objet et sa mise hors d’état de résister n’a pas été établi; ce serait plutôt la .
surprise et la rapidité de l’action qui ont été à l’origine de l’impossibilité dans laquelle elle s’est trouvée de réagir. Dès lors, il ne saurait dans ce cas y avoir de condamnation que pour vol, tout au plus. BGE 107 IV 107 S. 109 b) Se rend coupable d’infraction à l’art. 139 ch. 1 CP celui qui, dans le dessein de commettre un vol ou pris en flagrant délit de vol, aura exercé des violences sur une personne, l’aura menacée d’un danger imminent pour la vie ou l’intégrité corporelle, ou l’aura de toute autre manière mise hors d’état de résister. Le brigandage apparaît donc selon une jurisprudence ancienne qui n’a jamais été démentie comme une contrainte exercée pour imposer un vol ou des actes tendant à un vol (ATF 71 IV 122, ATF 83 IV 68). La qualification particulière se justifie en ce cas par l’atteinte portée du même coup à la propriété et aux personnes. Il s’ensuit que l’on ne saurait considérer comme l’auteur d’un brigandage celui qui n’use pas de violence physique ou morale sur une personne ou qui, par une telle violence, ne met pas sa victime complètement hors d’état de résister, mais prévient seulement sa défense, totalement ou en partie, par la ruse, la surprise ou tout autre moyen semblable (ATF 81 IV 227). En revanche, si l’auteur exerce des violences contre des personnes afin de s’emparer de la chose d’autrui et de la conserver, le brigandage est réalisé (ATF 92 IV 155), car il s’agit d’une contrainte exercée pour imposer un vol ou d’actes tendant à un vol; peu importe au reste que le vol lui-même ait été réalisé, pourvu qu’il ait été envisagé (ATF 100 IV 164 consid. b; cf. item ATF ATF 101 IV 156 consid. 1). Il suffit enfin que la résistance de la victime ait été supprimée durant un certain temps (ATF 100 IV 164 consid. b al. 3; REHBERG, Strafrecht, III 1980, p. 40 n. 1.11; LOGOZ, n. 8 al. 3 ad art. 139 CP, p. 117 et STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil I, p. 204). .
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c) Les deux questions qui se posent dès lors sont de savoir, d’une part, si N. a, avec son complice, exercé des violences et si, d’autre part, la victime s’est trouvée, fût-ce un moment, hors d’état de résister au sens de l’art. 139 ch. 1 CP. C’est à tort que le recourant se réfère à l’arrêt ATF 71 IV 122, car il
s’agissait d’un cas où la victime a réussi à prendre la fuite, tandis qu’in casu, non seulement la victime a été surprise, mais également bousculée puis poussée à terre. On ne saurait nier qu’une femme qui se trouve dans une telle situation, jetée à terre par deux hommes qui l’attaquent, est victime de violence et qu’elle est dans l’incapacité de résister au détroussement sous l’effet aussi bien d’une contrainte matérielle (vis absoluta) que morale (vis compulsiva) au sens de l’arrêt ATF 71 IV 122/123. Elle est de plus, au moment où on lui ôte la sacoche contenant l’argent, momentanément complètement hors d’état de résister (ATF 100 .
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BGE 107 IV 107 S. 110 IV 164 et REHBERG, op.cit., p. 40 n. 1.11). C’est donc bien à ce momentlà que sont réalisées les conditions du brigandage, à savoir la contrainte exercée pour imposer le vol (ATF 100 IV 164 consid. b al. 1). Dès lors, le rapport de cause à effet entre la violence, la mise hors d’état de résister et le vol de la sacoche est bien établi. Le pourvoi en nullité, dans la mesure où il est recevable, doit donc être rejeté. Il était d’ailleurs voué d’emblée à l’échec, si bien que l’assistance judiciaire ne peut être accordée au recourant, l’une des conditions cumulatives posées à l’art. 152 OJ n’étant pas réunie. .
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le pourvoi dans la mesure où il est recevable.
BGE 107 IV 169 49. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. November 1981 in Sachen I. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 148 Abs. 1 StGB. Betrug; Begriff der Arglist. Arglist ist auch gegeben, wenn der Täter voraussieht, dass der Getäuschte die Überprüfung der falschen Angabe unterlassen wird, sofern diese Voraussicht sich aus einem besonderen Vertrauensverhältnis ergibt, auf klaren Regelungen oder Zusicherungen beruht und nicht nur eine aus gewissen Beobachtungen stammende Erwartung darstellt. Sachverhalt ab Seite 170 BGE 107 IV 169 S. 170 A. I. eröffnete am 24. Dezember 1976 bei der Bank X. ein Lohnkonto. Er arbeitete damals als Packer und verdiente etwa Fr. 1000.– pro Monat. Zwischen dem 24. Dezember 1976 und dem 1. Januar 1977 hob er vom Lohnkonto Fr. 1700.– ab und im Januar 1977 in acht Bezügen weitere Fr. 3350.–. Den Lohn für den Monat Dezember 1976 erhielt er in bar. Ende Januar wies das Konto einen Schuldsaldo von Fr. 5050.80 auf. Am 24. Januar 1977 verfügte die Bank X. die Sperrung des Kontos. I. gelang es aber auch im Februar und im März, in verschiedenen Filialen Beträge von je einigen hundert Franken zu beziehen. B. Das Strafobergericht des Kantons Zug erklärte am 7. April 1981 I. für die Geldbezüge vor der Kontosperrung des wiederholten Betruges für schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Zusatzstrafe von 3 1/2 Monaten. C.
I. führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt die Aufhebung des
obergerichtlichen Urteils und seine Freisprechung. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird die Verurteilung wegen wiederholten Betruges ausschliesslich mit dem Argument angefochten, das Vorgehen des Beschwerdeführers sei zwar ein Handeln wider Treu und Glauben, doch erfülle der Bezug von Geld unter Vorweisung der Kontokarte und ohne jede falsche Angabe das Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht. a)
Arglist liegt nach der Rechtsprechung vor:
– wenn der Täter sich zur Täuschung besonderer Machenschaften (manoeuvres frauduleuses, Lügengebäude) bedient oder – wenn er blosse falsche Angaben macht, deren Überprüfung jedoch dem Getäuschten nicht oder nur mit besondere Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, – und schliesslich dann, wenn der Täter den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder wenn er nach den .
BGE 107 IV 169 S. 171 Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung unterlassen wird, weil ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht (vgl. BGE 100 IV 274, BGE 99 IV 76 E. 4). .
b) Der Beschwerdeführer hat keine besondern täuschenden Machenschaften gebraucht. Er beschränkte sich darauf, sich (wahrheitsgemäss) als Kontoinhaber auszuweisen. Dabei verschwieg er, dass er auf das Konto noch nichts einbezahlt hatte und in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein werde, den Bezügen entsprechende Summen einzuzahlen. Dieses Verschweigen seiner finanziellen Situation und des bestehenden Passivsaldos lässt sich als die für die Bereicherung des Täters kausale Irreführung qualifizieren; es handelt sich um eine in der Unterlassung der Orientierung bestehende .
einfache falsche Angabe. Den Organen der Bank X. wäre es jeweils ohne besondere Mühe, mit einem zumutbaren Aufwand möglich gewesen, abzuklären, ob das Konto des Beschwerdeführers einen Aktivsaldo aufweise. I. wird auch nicht vorgeworfen, er habe die mögliche Kontrolle bewusst erschwert, etwa durch den Zeitpunkt seiner Vorsprache (bei Schalterschluss oder in Stosszeiten) oder er habe ihn bedienende Personen durch zusätzliche unwahre Angaben von einer Überprüfung seines Kontos abgehalten (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 29. Januar 1979 i.S. P.). .
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c) Von den oben (lit. a) erwähnten Formen der Arglist kommt lediglich die letzte Variante in Frage: Die Vorinstanz wirft I. vor, er habe gewusst, dass bei der Bank X. eine Kontrolle des Kontostandes in der Regel unterbleibe. Auf diese Erfahrungstatsache habe er sich verlassen. Jeder, der mit einer falschen Angabe etwas zu erreichen sucht, hofft, die mögliche Kontrolle werde nicht durchgeführt. Das allein vermag den Vorwurf der Arglist noch nicht zu begründen, sonst würde dieses Tatbestandsmerkmal den Kreis strafbarer Täuschungen kaum einschränken. Die Voraussicht, dass nicht überprüft wird, reicht nur dort als Grundlage der Arglist aus, wo diese Voraussicht sich aus einem besondern Vertrauensverhältnis ergibt, auf klaren Regelungen oder Zusicherungen beruht und nicht nur eine auf gewissen Beobachtungen beruhende Erwartung darstellt, sondern eine Gewissheit. Diese Voraussetzung war in BGE 99 IV 77 ff. gegeben: Es ging in jenem Fall um die Ausnützung des Vertrauensverhältnisses zwischen Post und Kontoinhaber. Der Inhaber eines Postscheck-Kontos kann auf höchstens zwei Poststellen eine Ermächtigungskarte deponieren. An diesen Poststellen .
BGE 107 IV 169 S. 172 werden dem dort bekannten Kunden dann Checks bis zu einem bestimmten Höchstbetrag ohne Rückfrage beim Postcheckamt ausbezahlt (früher bis Fr. 2000.–, jetzt bis Fr. 4000.–). Diese aus Rationalisierungsgründen geschaffene Möglichkeit von Geldbezügen ohne Kontrolle der Deckung beruht auf einer ausdrücklichen, dem Kunden bekannten Regelung und darf als Ausfluss eines strafrechtlich .
schützenswerten, besonderen Vertrauensverhältnisses qualifiziert werden. Anders liegen die Verhältnisse bei Kleinkreditbanken, welche für die Angaben ihrer potentiellen Darlehensnehmer keine Unterlagen verlangen und auch von Rückfragen (an Arbeitgeber usw.) absehen, um die Kundenakquisition nicht zu behindern. Von einem besondern Vertrauensverhältnis kann in dieser Situation nicht die Rede sein, so dass in der Regel die überprüfbare falsche Angabe das Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht erfüllen wird (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 12. Juni 1981 i.S. B.; PESCH in SJZ 1970 S. 323), auch wenn der potentielle Darlehensnehmer von der grosszügigen Praxis der Kleinkreditbank Kenntnis hat und daher annimmt, jede Überprüfung seiner Angaben werde unterbleiben. Zwischen I., der ein Lohnkonto neu eröffnete und in der hier zu beurteilenden Phase noch nichts einbezahlt hatte, und der Bank X. bestand kein besonderes Vertrauensverhältnis, das einen Verzicht auf die Überprüfung hätte erwarten lassen und rechtfertigen können. Die einfache Ausnützung des Fehlens einer an sich leicht möglichen Kontrolle kann unter den gegebenen Umständen nicht als arglistig qualifiziert werden. Der Schuldspruch wegen wiederholten Betruges verletzt daher Art. 148 StGB und das angefochtene Urteil ist aufzuheben. .
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BGE 107 IV 175 51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. September 1981 i. S. N. und M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 163 Ziff. 1, 167 und 172 StGB. Beiseiteschaffen von Vermögensstücken der AG auf Veranlassung und zu Gunsten des Mehrheitsaktionärs, der zugleich Gläubiger der AG ist, nicht Gläubigerbevorzugung, sondern betrügerischen Konkurs dar. Sachverhalt ab Seite 176 BGE 107 IV 175 S. 176 A. N. war Verwaltungsratspräsident, M. Mehrheitsaktionär der TS AG. An Darlehen und direkt bezahlten Betriebsmobilien stellte M. der Firma vom 26. Oktober 1973 bis 14. März 1974 nach einer Zusammenstellung des N. insgesamt Fr. 425 000.– zur Verfügung. Mit dem Geld wurden u.a. am 14. November 1973 eine Folienkaschiermaschine für Fr. 205 066.65, am 26. November 1973 ein Gabelstapler für Fr. 28 000.– und am 2. April 1974 ein Lastwagen Opel-Blitz für Fr. 28 390.– angeschafft. Kurz vor dem am 21. November 1974 über die AG eröffneten Konkurs liess M. im Einverständnis mit N. den Gabelstapler, den Lastwagen und die Folienkaschiermaschine abholen. Für die Wegnahme beruft sich M. auf die von ihm erbrachte Finanzierung, einen Leasingvertrag über die Folienkaschiermaschine, datiert vom 1. Februar 1974, und Kompensationsvereinbarungen mit der AG. Im Konkurs der AG erhielten 102 Gläubiger Verlustscheine für Fr. 928 748.–, die privilegierten Forderungen wurden nur teilweise befriedigt und die Fünftklassgläubiger gingen leer aus.
B. Am 25. November 1980 erklärte das Obergericht des Kantons Thurgau N. und M. des betrügerischen Konkurses, der Gläubigerbevorzugung (N.) bzw. der Gehilfenschaft dazu (M.) sowie der Urkundenfälschung schuldig und verurteilte sie zu je 16 Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug. .
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C. Sowohl N. wie M. führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung. Obergericht und Staatsanwaltschaft beantragen Abweisung der Beschwerden. BGE 107 IV 175 S. 177 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1.a) Der Schuldner, der zum Nachteil der Gläubiger sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich Vermögensstücke beiseiteschafft, wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet worden ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft (Art. 163 Ziff. 1 StGB; Betrügerischer Konkurs). Art. 163 StGB bezweckt den Schutz des Zwangsvollstreckungsrechtes und den Schutz der Gläubiger. Nicht erforderlich ist, dass die Gläubiger wegen der Bankrotthandlung ganz oder teilweise zu Verlust kommen. Es genügt, dass der Schuldner die Zwangsvollstreckung erschwert oder verzögert. Eine Gläubigerbenachteiligung kann schon in einer vorübergehenden Erschwerung oder Verzögerung der Zwangsvollstreckung liegen (BGE 85 IV 219, BGE 93 IV 17 f., BGE 97 IV 20 f., BGE 102 IV 175 E. 3). Nach Art. 167 StGB wird der Schuldner, der im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit und in der Absicht, einzelne seiner Gläubiger zum Nachteil anderer zu bevorzugen, darauf abzielende Handlungen vornimmt, mit Gefängnis bestraft, wenn über ihn der Konkurs eröffnet worden ist (Gläubigerbevorzugung). Im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person wird die .
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Schuldnereigenschaft im Sinne der Art. 163 und 167 StGB den Direktoren, Bevollmächtigten, den Mitgliedern der Verwaltungs- oder Kontrollorgane und den Liquidatoren zugerechnet (Art. 172 StGB). Ferner gelten als Schuldner die Personen, welche die Mitglieder der statutarischen Verwaltung, die Direktoren oder die Bevollmächtigten als Strohmänner benützen und so die juristische Person tatsächlich leiten (BGE 78 IV 30 f., BGE 97 IV 14, BGE 100 IV 42). .
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b) M. und der Verwaltungsratspräsident N. haben Folienkaschiermaschine, Gabelstapler und Lastwagen beiseitegeschafft. Damit haben sie diese Aktiven der TS AG der Zwangsvollstreckung entzogen, wodurch deren Gläubiger im Sinne von Art. 163 StGB benachteiligt wurden (BGE 93 IV 19), was die Beschwerdeführer übersehen. Dass der Tatbestand des Art. 163 StGB auch sonst erfüllt ist, stellt die Vorinstanz verbindlich bzw. zutreffend und unangefochten fest. Da M. als tatsächlicher Leiter der AG Schuldner im Sinne des Art. 163 StGB ist, hat er sich wie Verwaltungsratspräsident N. gemäss Ziff. 1 und nicht nach der Dritte betreffenden Ziff. 2 strafbar gemacht. .
c) Weil M. sich durch das Beiseiteschaffen der Maschinen für seine finanziellen Leistungen für die AG schadlos hielt, hat die BGE 107 IV 175 S. 178 Vorinstanz überdies N. der Gläubigerbevorzugung und M. der Gehilfenschaft dazu schuldig erklärt. Da M. aber eben Schuldner im Sinne des Art. 163 StGB war, war seine Schadloshaltung Schuldnerbegünstigung, die nach Art. 163 zu ahnden ist (BGE 93 IV 20). Gläubigerbevorzugung, die ein privilegiertes Bankrottdelikt ist, weil das den einen Gläubigern entzogene Vermögen nicht für den Schuldner oder für Dritte verwendet wird, sondern immerhin andern Gläubigern zukommt (SCHWANDER, SJK Karte 1129 S. 6 oben), liegt nicht vor. .
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BGE 107 IV 182 53. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. November 1981 i. S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 221, 222 StGB. Schädigung eines andern. Geschädigt im Sinne dieser Bestimmungen ist nicht der Versicherer des Brandobjekts, hingegen der Pfandgläubiger, sofern sein Anspruch als unmittelbare Folge des Feuers gefährdet ist. Erwägungen ab Seite 182 BGE 107 IV 182 S. 182 Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 222 Abs. 1 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, «wer fahrlässig zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht». a) Dass das hier in Frage stehende Feuer nicht mehr beherrscht werden konnte und im Sinne der Rechtsprechung (BGE 85 IV 227, vgl. STRATENWERTH, Besonder Teil II, 2. Aufl. 1978, S. 108/9) das Ausmass einer Feuersbrunst erreichte, ist unbestritten. Das Vorliegen einer Gemeingefahr wurde weder von der Anklagebehörde noch vom Kantonsgericht angenommen. Bejaht wurde hingegen, dass die Verursachung der Feuersbrunst zum Schaden eines andern, nämlich zum Schaden der Gebäudeversicherungsanstalt und der privaten Versicherungsgesellschaft X., erfolgt sei. Dieses Tatbestandselement wird mit der Nichtigkeitsbeschwerde bestritten (b / c). Zudem stellt der Beschwerdeführer in Abrede, dass er fahrlässig gehandelt habe (d). .
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b) In BGE 83 IV 30 ff. hat das Bundesgericht – entgegen der ältern Doktrin – entschieden, dass die durch den Brandfall ausgelöste Zahlungspflicht einer Versicherung keinen «Schaden eines andern» im Sinne der Art. 221/222 StGB darstelle. Diese Auffassung wurde in BGE 85 IV 228 f. und BGE 105 IV 39 f. grundsätzlich bestätigt. WAIBLINGER begrüsste BGE 83 IV 30 ausdrücklich (ZBJV 1959 S. 187). SCHULTZ hingegen warf in seiner Besprechung .
BGE 107 IV 182 S. 183 von BGE 85 IV 228 die Frage auf, ob Art. 221 StGB nicht doch eine andere Auslegung nahelege, ohne jedoch bestimmte Einwände vorzutragen (ZBJV 1961 S. 187). STRATENWERTH stimmt im Ergebnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zu, sieht aber die zutreffende Begründung eher darin, dass der Schaden unmittelbar durch die Zerstörung oder Beschädigung des Brandobjektes entstanden sein müsse (a. a.O., S. 111). Das Kantonsgericht St. Gallen ist im angefochtenen Entscheid von der Praxis des Bundesgerichts abgewichen. Es betrachtet die Versicherer, die Gemeinschaft der übrigen Versicherten (wegen des möglichen Einflusses des Schadenvolumens auf die Prämienhöhe) sowie die Aktionäre der Versicherungsgesellschaft als indirekt Geschädigte. Eine erneute Prüfung der Frage, ob die Tatsache, dass das Brandobjekt versichert ist, für die Anwendbarkeit der Art. 221 und 222 StGB wesentlich sei, führt nicht zu einer Änderung der Praxis. Das Tatbestandserfordernis der Schädigung eines andern («zum Schaden eines andern») soll in denjenigen Fällen, in welchen die Feuersbrunst keine Gemeingefahr mit sich brachte, den Bereich des Strafbaren in vernünftiger Weise einschränken. Die Versicherungsleistung kann nicht als Schaden bezeichnet werden. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist die für die Versicherung sich ergebende finanzielle Belastung nicht Schaden; ihre Leistung dient der Deckung eines dem Anspruchsberechtigten entstandenen Schadens (vgl. ROELLI-KELLER, Komm. zum VVG, Bd. I, S. 545; W. KÖNIG, Schweizeriches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. S. 99). Die Verpflichtung der Versicherung beruht auf vertraglichen Abmachungen (Versicherungspolicen). Der Versicherungsnehmer bezahlt als Gegenleistung Prämien, die aufgrund von .
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Erfahrungszahlen der Häufigkeit des Eintritts des versicherten Ereignisses, der durchschnittlichen Schadenshöhe, der Anzahl der Versicherungsnehmer und weiterer Faktoren errechnet worden sind. Bei Eintritt eines Schadensfalles erbringt die Versicherung im Rahmen des kalkulierten Risikos ihre Leistung, für welche sie sich im synallagmatischen Vertrag verpflichtete. Auch aus praktischen Überlegungen drängt sich eine andere Auffassung nicht auf. Gegen missbräuchliche Inanspruchnahme der Versicherung bietet Art. 148 StGB ausreichenden strafrechtlichen Schutz. Da heute sozusagen bei jedem fahrlässig verursachten Schadenfeuer im häuslichen Bereich (wie Brandentstehung durch Bügeleisen, Unvorsichtigkeit von Rauchern, überhitztes Fett usw.) .
BGE 107 IV 182 S. 184 auch brandversicherte Objekte betroffen werden, hätte die vom Kantonsgericht vertretene Auffassung zur Folge, dass bei derartigen Kleinbränden (ohne Gemeingefahr) stets von Amtes wegen Strafverfahren durchgeführt werden müssten, auch wenn ausschliesslich dem Schuldigen gehörende, aber gegen Feuerschaden versicherte Gegenstände betroffen wären, und nur eine leichte Fahrlässigkeit in Frage stände, welche gemäss Art. 14 VVG nicht einmal zu einer Kürzung des Versicherungsanspruchs führt. Die Subsumtion aller dieser Fälle unter Art. 222 StGB wäre mit der ratio legis nicht im Einklang; das Tatbestandselement der Schädigung eines andern würde seine limitierende Wirkung in weitem Masse verlieren. .
c) Als Schädigung eines andern hat das Bundesgericht in BGE 105 IV 40 auch die Wertverminderung eines Pfandes zum Schaden des Pfandgläubigers bezeichnet und dabei erklärt, die durch Brand herbeigeführte Wertverminderung des Pfandes sei ein Schaden ohne Rücksicht darauf, ob im Falle einer Zwangsvollstreckung das im Wert verminderte Pfand für die Deckung der Pfandforderungen samt Zinsen ausreichen würde. Bei vorsätzlicher Brandstiftung ergibt sich eine Schranke subjektiver Natur, indem mindestens der Eventualvorsatz einer Schädigung der Hypothekargläubiger nachgewiesen sein muss. Bei fahrlässiger Verursachung einer nicht gemeingefährlichen Feuersbrunst kann die verursachte Wertverminderung
eines Pfandobjektes als «Schaden eines andern» in Betracht fallen, sofern infolge der Feuersbrunst zumindest das erkennbare Risiko entstanden ist, dass das im Wert verminderte Pfandobjekt die gesicherte Forderung nicht mehr in vollem Umfange decken könnte. Hingegen liegt eine Schädigung der Pfandgläubiger nicht vor, sofern das Pfandobjekt nur in ganz geringem Umfange betroffen wurde und eine Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion des Pfandes durch die Feuersbrunst nach menschlichem Ermessen als ausgeschlossen erscheint. Dass Pfandgläubiger allenfalls von der Brandversicherung eine Entschädigung erhalten, ist dabei nicht in Rechnung zu stellen, d.h. das Tatbestandselement der Schädigung ist erfüllt, sobald die unmittelbaren Folgen des Feuers ihre Ansprüche gefährden. Das erwähnte Präjudiz BGE 105 IV 39 ist in diesem Sinne zu präzisieren. Das Kantonsgericht hat im vorliegenden Fall eine Schädigung der Hypothekargläubiger zu Recht als nicht gegeben erachtet. Bei einer Pfandbelastung von Fr. 114 000.–, einer amtlichen Verkehrswertschätzung von Fr. 130 500.– und einem erheblichen BGE 107 IV 182 S. 185 Mehrwert des in der Wohnzone befindlichen Landes (5300m2) ist offensichtlich, dass ein Gebäudeschaden von rund Fr. 3000.– die Ansprüche der Hypothekargläubiger nicht gefährdet. Auch unter diesem Aspekt ist daher das Erfordernis der Schädigung eines andern nicht erfüllt. .
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen vom 26. Mai 1981 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
BGE 108 IV 33 10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Februar 1982 i.S. Sch. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 260 StGB; Landfriedensbruch. 1. Begriff der öffentlichen Zusammenrottung (E. 1). 2. Teilnahme an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden. .
a) Objektive Strafbarkeitsbedingung der Begehung von Gewalttätigkeiten (Schleudern von Farbbeuteln und Petarden gegen Gebäude, Beschmieren von Hausfassaden usw.) (E. 2). b) Teilnahme an einer öffentlichen Zusammenrottung; Vorsatz (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 3). .
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Art. 186 StGB; Hausfriedensbruch. 1. Begriff des Hauses (E. 5a). 2. Eindringen in Räumlichkeiten, die dem Publikum offenstehen. Für jedermann klar erkennbare Zweckbestimmung der Räumlichkeiten als Ausdruck des Willens des Berechtigten (E. 5b). .
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Erwägungen ab Seite 34 BGE 108 IV 33 S. 34 Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 260 Abs. 1 StGB macht sich des Landfriedensbruchs schuldig, wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten
Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden. a) Eine Zusammenrottung ist eine Ansammlung von einer je nach den Umständen mehr oder weniger grossen Zahl von Personen (s. BGE 70 IV 220), die nach aussen als vereinte Macht erscheint und die – was der sprachliche Ausdruck nahelegt und auch aus dem Sinngehalt des Art. 260 StGB als eines gegen den öffentlichen Frieden gerichteten Deliktes (Titel und BGE 103 IV 245) folgt – von einer für die bestehende Friedensordnung bedrohlichen Grundstimmung getragen wird. Ohne Belang ist, ob sich die Menge spontan oder auf Einladung hin zusammengefunden hat und ob dies zu einem deliktischen Zweck geschehen ist; das Gesetz verlangt nicht, dass die Ansammlung von vornherein eine Störung des öffentlichen Friedens verfolge. Indessen kann eine zunächst friedliche Versammlung zu einer Zusammenrottung werden, wenn die Stimmung in der Menge derart umschlägt, dass sie leichthin zu den die öffentliche Ordnung störenden Handlungen führen kann (ähnlich F. FALB, Demonstrationen und Strafrecht, ZStR 91, 1975, S. 268 ff.; HAFTER, BT S. 454; LOGOZ, N. 2 zu Art. 260 StGB; STRATENWERTH, BT II, 2. Aufl., S. 207; THORMANN / V. OVERBECK, N. 3 zu Art. 260 StGB; SCHÖNKE / SCHRÖDER, Strafgesetzbuch, 20. Aufl., N. 6 zu § 124 des deutschen StGB). Öffentlich ist sodann eine Zusammenrottung im vorgenannten Sinne, wenn sich ihr eine unbestimmte Zahl beliebiger Personen anschliessen kann. .
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b) Die hier in Frage stehende Demonstration vom 30. August 1980 weist alle Merkmale einer öffentlichen Zusammenrottung auf und dies in allen vom angefochtenen Urteil erfassten Phasen einschliesslich derjenigen, in der die Demonstranten sich in Gruppen neu formierten und eine ca. 100 Personen umfassende Rotte sich in Richtung Sihlporte / Nüschelerstrasse bewegte. Nach den von der Vorinstanz teils selbständig, teils durch Verweisung auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Richters für den Kassationshof verbindlich getroffenen Feststellungen war die Grundstimmung der Demonstration keineswegs eine friedliche, sondern eine ausgesprochen aggressive, die denn auch tatsächlich zu Gewalttätigkeiten geführt hat. Als Indiz für das Gesagte spricht übrigens . .
BGE 108 IV 33 S. 35 auch der Umstand, dass die Demonstration nicht behördlich bewilligt worden war und die Teilnehmer trotz des gegen sie eingesetzten Polizeiaufgebots ihr Vorhaben fortsetzten … 2. Die Teilnahme an einer öffentlichen Zusammenrottung ist nach Art. 260 StGB nur strafbar, wenn bei ihr mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden. Da der Landfriedensbruch ein Massendelikt ist, genügt es nicht, dass der eine oder andere aus einer an sich friedlichen Menge heraus gewalttätig wird. Vielmehr müssen solche Handlungen des einzelnen Teilnehmers als Tat der Menge erscheinen (BGE 103 IV 245), mit anderen Worten, von ihrer die öffentliche Ordnung bedrohenden Grundstimmung getragen sein. Trifft dies zu, ist die objektive Strafbarkeitsbedingung erfüllt, selbst wenn die Gewalttätigkeiten in ihren schädigenden Auswirkungen nicht schwere sind (BGE 103 IV 245, BGE 99 IV 217). Auch diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Das Schleudern von Farbbeuteln und Petarden gegen Gebäude, das Beschmieren von Hausfassaden, das Zerstören von Schaufenstern und Fensterscheiben und dergleichen sind unzweifelhaft Gewalttätigkeiten im Sinne des Art. 260 StGB, die hier nach den verbindlichen Feststellungen der kantonalen Instanzen aus der Menge heraus verübt wurden und von ihrer gewalttätigen Grundstimmung getragen waren. Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei nicht abgeklärt worden, von welcher Gruppe die Sachbeschädigungen begangen worden seien, ist unbehelflich. Nach dem angefochtenen Urteil wurden schon auf dem Marsch des gesamten Demonstrationszugs vom Helvetiaplatz in Richtung Badenerstrasse Farbbeutel und Petarden gegen das Bezirksgebäude geschleudert und Hausfassaden verschmiert. Zu entsprechenden Gewalttätigkeiten kam es bei der Liegenschaftsverwaltung, als die Polizei den Zug am weiteren Vordringen hinderte. Des weiteren steht fest, dass auch aus der Gruppe, der sich der Beschwerdeführer in der zweiten Phase angeschlossen hatte und die aus ungefähr 100 Personen bestand, Gewalttätigkeiten verübt wurden, indem das Schaufenster des .
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Kleidergeschäfts «Rex» eingeschlagen sowie Autos, Fensterscheiben und eine Notausgangstüre der Parkgarage «Talgarten» beschädigt wurden. Abgesehen davon, dass diese Gruppe allein schon eine Zusammenrottung im Sinne des Art. 260 StGB bildete, durfte sie im angefochtenen Urteil auch ohne weiteres zur Demonstration gezählt werden, nachdem von der Vorinstanz ausdrücklich festgestellt wurde, die Demonstranten seien, BGE 108 IV 33 S. 36 nachdem sie von der Polizei am weiteren Vordringen in die Innenstadt gehindert worden waren, zum Helvetiaplatz zurückgekehrt und aufgefordert worden, sich in kleineren Gruppen wiederum in Richtung Innenstadt zu bewegen. Die Vorinstanz hat somit Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie annahm, die Gewalttätigkeiten seien mit vereinten Kräften begangen worden. 3. Unter die Strafdrohung des Art. 260 Abs. 1 StGB fällt schon, wer an der Zusammenrottung, bei der mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten begangen werden, teilnimmt, auch wenn er selber solche nicht verübt. a) Objektiv nimmt an der Zusammenrottung teil, wer kraft seines Gehabens derart im Zusammenhang mit der Menge steht, dass er für den unbeteiligten Beobachter als deren Bestandteil erscheint. Dabei macht es keinen Unterschied aus, ob er sich der bereits in einer für den öffentlichen Frieden bedrohlichen Stimmung befindenden Menge anschliesst oder in dieser nach Eintritt einer solchen Stimmung verbleibt. Auch setzt Art. 260 Abs. 1 StGB nicht voraus, dass der Täter seine Teilnahme durch irgendeine Kampfhandlung manifestiert. Es genügt, dass er sich nicht als bloss passiver, von der Ansammlung distanzierter Zuschauer gebärdet. Subjektiv ist erforderlich, dass der Täter um den Charakter der Ansammlung als einer Zusammenrottung im obgenannten Sinne weiss und sich ihr dennoch anschliesst bzw. in ihr verbleibt. Dagegen muss er nicht auch die Gewalttätigkeiten in seinen Vorsatz einbeziehen. Zwar hat das Bundesgericht entschieden, der Täter müsse diese – wenn auch stillschweigend – «billigen» (BGE 99 IV 218). Das darf jedoch nicht im Sinne .
eines zum Vorsatz gehörenden Willensaktes (s. BGE 98 IV 65) verstanden werden; denn die Verübung von Gewalttätigkeiten ist objektive Strafbarkeitsbedingung, die vom Vorsatz nicht erfasst sein muss. Die zu weitgehende und deshalb missverständliche Aussage, die sich in der genannten Form auch nicht auf das daselbst angeführte Schrifttum stützen kann, ist dahin zu präzisieren, dass es genügt, wenn der Täter sich wissentlich und willentlich einer Zusammenrottung, d.h. einer Menschenmenge, die von einer für die Friedensordnung bedrohlichen Grundstimmung getragen wird, anschliesst oder in ihr verbleibt; denn wer solches tut, muss mit Gewaltakten rechnen (s. SCHWANDER, 2. Aufl. 1964, Nr. 713; STRATENWERTH, a.a.O., S. 209/210). Der Nachweis einer Zustimmung zu ihnen ist nicht geboten. .
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BGE 108 IV 33 S. 37 b) Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe sich mit zwei Begleitern zum Besammlungsort der Demonstration auf den Helvetiaplatz begeben, nachdem er durch eine Information von «Radio 24» dazu motiviert worden sei. Nachdem seine Begleiter ihn verlassen hätten, sei er auf dem Platz geblieben und habe sich dem Demonstrationszug angeschlossen, als dieser sich am Bezirksgebäude vorbei zur Badenerstrasse bewegt habe. Dort habe er sich von der Menge getrennt, um das Schallplattengeschäft BRO aufzusuchen. Nach Verlassen des Geschäfts habe er sich der vor der Polizei zurückflutenden Menge wieder angeschlossen und sei zum Helvetiaplatz zurückgekehrt. Als die Demonstranten daselbst aufgefordert worden seien, sich in kleineren Gruppen in Richtung Innenstadt zu bewegen, habe er sich auf den Weg gemacht, bei der Sihlporte die EPA aufgesucht und sich nach Verlassen des Geschäftes wiederum in einer grossen Menschenmenge befunden, welche sich auf der Flucht vor der Polizei befand und schliesslich in die Parkgarage «Talgarten» eindrang. Nach diesen für den Kassationshof verbindlichen tatsächlichen Feststellungen sowie in Berücksichtigung der Tatsache, dass die Menschenmenge nach dem angefochtenen Urteil von einer offensichtlich gewalttätigen Grundstimmung getragen war, die ja auch zu entsprechenden Ausschreitungen führte, hat der Beschwerdeführer ohne jeden Zweifel
objektiv an einer Zusammenrottung teilgenommen. Indem er sich immer wieder der Menge anschloss, benahm er sich nicht bloss als ein passiver Zuschauer, sondern legte er ein aktives Verhalten an den Tag, das ihn für einen aussenstehenden Beobachter als Teilnehmer an der Zusammenrottung erscheinen liess. c) In subjektiver Beziehung steht nach dem angefochtenen Urteil fest, dass Sch. schon in der ersten Phase des Geschehens angenommen hat, es handle sich um eine nicht bewilligte Demonstration. Auch habe er beim Zurückfluten der Menge auf den Helvetiaplatz genau gewusst, dass der Demonstrationszug von der Polizei aufgehalten worden war. Die Vorinstanz bezeichnet es weiter als ganz unglaubhaft, dass Sch. auf dem Helvetiaplatz nichts von der weiteren Entwicklung der Dinge gehört habe. Jedenfalls habe er direkt oder mindestens indirekt mitbekommen, dass die Demonstranten aufgefordert wurden, sich nunmehr in kleineren Gruppen in Richtung Innenstadt zu bewegen, was er denn auch befolgt habe. Dass er bei der Sihlporte nach dem Besuch der EPA rein zufällig in die Menge geraten und schliesslich in die BGE 108 IV 33 S. 38 Parkgarage «Talgarten» eingedrungen sei, sei ausgeschlossen. Sodann müsse als erwiesen gelten, das Sch. schon in der ersten Phase der Demonstration nicht nur das Aufhalten von Autos beobachtet, sondern auch wahrgenommen habe, dass von seiten der Demonstranten Sachbeschädigungen begangen wurden. Trotzdem und trotz seines Wissens, dass es im Rahmen von früheren Demonstrationen zu Gewalttätigkeiten gekommen sei, habe er es für richtig gehalten, nach dem Besuch des Schallplattengeschäftes sich wieder der Menge anzuschliessen. Ein solches Verhalten könne nicht anders denn als Billigung der aus der Zusammenrottung heraus verübten Gewalttaten gewertet werden. Schliesslich stellt das Obergericht fest, der Beschwerdeführer habe sich mit Wissen und Willen der öffentlichen Zusammenrottung angeschlossen. Hat der Beschwerdeführer nach diesen für den Kassationshof verbindlichen Annahmen, die mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht bestritten werden können, um die friedensbedrohende Grundstimmung der Menge
gewusst, ja sogar deren Gewalttätigkeiten wahrgenommen, und sich dennoch mehrere Male wissentlich und willentlich der Zusammenrottung angeschlossen, so hat er vorsätzlich an dieser teilgenommen, ohne dass ihm ein Billigen der Gewalttätigkeiten im Sinne einer Zustimmung nachgewiesen werden muss. Die Beschwerde ist deshalb auch in diesem Punkte klarerweise unbegründet. 4. Was vom Beschwerdeführer schliesslich allgemein gegen die vorgenannte Auslegung des Art. 260 StGB vorgebracht wird, schlägt nicht durch. Die Demonstrationsfreiheit ist nicht als verfassungsmässiges Recht garantiert (BGE 104 Ia 96, BGE 100 Ia 400), und die Meinungsäusserungsfreiheit muss in jedem Fall ihre Schranke dort finden, wo es um die Einhaltung der vom Strafrecht gesetzten Grenzen geht (BGE 101 Ia 181). Freilich hat der Richter bei mehreren möglichen Auslegungen das Gesetz verfassungskonform zu interpretieren (BGE 99 Ib 189). Das heisst aber nicht, dass dort, wo die ratio der Strafnorm eine bestimmte Auslegung gebietet, von dieser abzuweichen sei, nur um den Raum einer freien Betätigung auf Kosten eines Rechtsgutes auszuweiten, dem der Gesetzgeber einen besonderen strafrechtlichen Schutz hat angedeihen lassen wollen. Art. 260 StGB will die öffentliche Friedensordnung sichern, und auf diesen Zweck hin ist das Gesetz auszulegen. Dass die obgenannte Interpretation unzulässigerweise über dieses Ziel hinausginge und nicht dem Sinngehalt des Gesetzes entspräche, trifft nicht zu. .
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BGE 108 IV 33 S. 39 5. Des Hausfriedensbruchs macht sich nach Art. 186 StGB u.a. strafbar, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus eindringt. a) Haus im Sinne dieser Bestimmung ist nicht nur ein Wohnhaus, sondern jede einen oder mehrere Räumlichkeiten umfassende, mit dem Boden fest und dauernd verbundene Baute, hinsichtlich der ein schutzwürdiges Interesse eines Berechtigten besteht, über den umbauten Raum ungestört zu herrschen und in ihm den Willen frei zu betätigen (s. BGE 90 IV 76 E. 1 mit Verweisungen). Der Begriff des Hauses ist somit in weitem Sinn zu nehmen; er umfasst .
beispielsweise Fabriken und Geschäftsräume, aber auch Amtslokale, Parkgaragen und dergleichen. Dass solche Räumlichkeiten dem Publikum, d.h. einer unbestimmten Zahl von Personen offenstehen, schliesst den Schutz des Art. 186 StGB nicht aus (s. LOGOZ, N. 2 a zu Art. 186 StGB; SCHÖNKE / SCHRÖDER, a.a.O., N. 5 zu § 123 deutsches StGB). .
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b) Gegen den Willen des Berechtigten dringt im Sinne des Art. 186 StGB ein, wer den Raum ohne die erteilte Einwilligung des Trägers des Hausrechts betritt. Wo die Erlaubnis generell erteilt wird, wie das bei dem Publikum offen stehenden Räumlichkeiten zutrifft, kann und wird auch häufig das Betreten von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht oder auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Solche Grenzen einer allgemeinen Erlaubnis können als Willensäusserungen des Berechtigten ausdrücklich festgelegt werden oder sich aus den Umständen ergeben (s. BGE 90 IV 77 E. 2b). Wo bestimmte Räumlichkeiten dem Publikum nur für bestimmte Zwecke offenstehen und ihre Zweckbestimmung für jedermann ohne jeden Zweifel klar zutage tritt, handelt gegen den Willen des Berechtigten, wer zu einem anderen Zweck in sie eindringt. Entsprechend liegt es denn auch auf der Hand, dass der Inhaber einer als solche bezeichneten Parkgarage das Betreten derselben nicht schlechthin, sondern nur Personen, die daselbst gegen Entgelt ihr Fahrzeug parkieren bzw. ihr parkiertes Fahrzeug wieder holen wollen, und deren Begleitpersonen gestatten will. Die Begrenzung der Erlaubnis folgt hier zweifelsfrei aus der den Räumlichkeiten vom Berechtigten gegebenen Zweckbestimmung. Wer deshalb eine solche Garage bewusst und gewollt zu einem anderen, als dem vom Berechtigten bestimmten Zweck betritt, handelt dessen Willen entgegen und verletzt das Hausrecht, es sei denn, er könne sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen (BGE 90 IV 78 E. 2c und E. 3); nur dann dringt der Täter nicht «unrechtmässig» ein. .
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BGE 108 IV 33 S. 40 c) Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer zusammen mit einer ca. 100-köpfigen Menge in die Parkgarage «Talgarten» eingedrungen ist, wo Autos und eine Notausgangstüre beschädigt und Fensterscheiben zertrümmert wurden. Sch. hat somit diese Räumlichkeiten
gegen den Willen des Berechtigten betreten, der sich für ihn klarerweise aus der Zweckbestimmung des «Hauses» ergeben hat. Wenn die Vorinstanz in diesem Zusammenhang ergänzend auf den nachträglich gestellten Strafantrag verwies, so geschah das lediglich, um darzutun, dass darin ein Indiz für den vorbestandenen Willen des Berechtigten liege, was rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Behauptung des Beschwerdeführers aber, die Demonstranten hätten die Garage sogleich wieder durch den Notausgang verlassen, wenn sie nicht von der Polizei zurückgetrieben worden wären, ist belanglos; dem Beschwerdeführer fällt dennoch ein unrechtmässiges Eindringen in die Garage zur Last. Sodann hilft ihm auch nicht, dass seine Absicht nicht auf ein Verweilen in den Garageräumlichkeiten, sondern darauf gerichtet war, sich angeblich den Unruhen zu entziehen. Art. 186 StGB ist kein Absichtsdelikt, bei welchem der Täter gerade zum Zweck der Verletzung des geschützten Rechtsgutes handelt. Es genügt einfacher Vorsatz, und bei diesem kann der Täter ein anderes Ziel verfolgen und die Verletzung des geschützten Rechtsgutes bloss als eine ihm gleichgültige, ja unter Umständen sogar unerwünschte Nebenfolge in Kauf nehmen (BGE 98 IV 66/67). Das aber hat der Beschwerdeführer nach den verbindlichen Feststellungen der ersten Instanz, auf welche das Obergericht verweist, getan. .
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
BGE 108 IV 88 23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. September 1982 i. S. Rolf Clemens Wagner gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regeste Mittäterschaft. Wer an der Beschlussfassung sowie Planung und Vorbereitung von Straftaten (Raubüberfall und Delikte zur Flucht- und Beutesicherung) massgeblich mitwirkte und an deren Ausführung bis zu seiner Festnahme aktiv beteiligt war, ist auch in bezug auf die von seinen Komplizen verübten weiteren Delikte zur Flucht- und Beutesicherung als Mittäter verantwortlich, wenn diese zum allgemeinen Täterplan gehören und zu den vorangegangenen Taten in enger Beziehung stehen (E. I). .
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Sachverhalt ab Seite 89 BGE 108 IV 88 S. 89 A. Am 19. November 1979 verübte Rolf Clemens Wagner zusammen mit drei Komplizen einen Raubüberfall auf die Schweizerische Volksbank an der Bahnhofstrasse in Zürich, wobei ein Geldbetrag von Fr. 548 068.50 erbeutet wurde. Auf der anschliessenden Flucht mit den von ihnen einige Tage zuvor entwendeten Fahrrädern schossen die Täter unter anderem auf ein sie verfolgendes Auto, in dem Louis Favre und Harry Hohl sassen, sowie in die Richtung des PTT-Beamten Clemens Klingler. Favre, Hohl und Klingler wurden nicht getroffen. In der Folge kam es im Shop-Ville unter dem Bahnhofplatz zu einem Schusswechsel zwischen den Tätern und dem Polizeibeamten Bernhard Pfister, bei dem dieser verletzt und die unbeteiligte Passantin Edith Kletzhändler getötet wurden. Alsdann trennte sich Wagner von seinen Komplizen. Diese bemächtigten
sich an der Nordostseite des Hauptbahnhofes vor der «Küchliwirtschaft» eines eben vom dortigen Parkplatz wegfahrenden Wagens, in dem Verena Schenk als Lenkerin und Margrit Schenk sassen, und ergriffen mit diesem Fahrzeug die Flucht. Im Verlauf dieses Vorfalls wurden Verena Schenk und der herbeigeeilte Polizeibeamte Werner Bodenmann, der auf das Fluchtfahrzeug schoss, von Kugeln getroffen und verletzt. Wagner seinerseits war in der Zwischenzeit auf der Tramhaltestelle Bahnhofquai festgenommen worden und er wurde während der Geschehnisse BGE 108 IV 88 S. 90 im Bereich der «Küchliwirtschaft» vom Polizeibeamten Remo Galanti mit der Waffe in Schach gehalten. B. Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach Wagner am 26. September 1980 schuldig – des Mordes (an Edith Kletzhändler) und des fortgesetzten vollendeten Mordversuchs (an Louis Favre, Harry Hohl, Bernhard Pfister, Verena Schenk und Werner Bodenmann); – des Raubes (Art. 139 Ziff. 2 Abs. 2 und 4 StGB); – der Gefährdung des Lebens (von Clemens Klingler); – der Erpressung (von Verena Schenk) und der fortgesetzten Nötigung (u. a. von Margrit Schenk); – der fortgesetzten Gewalt und Drohung gegen Beamte; – sowie der Sachentziehung, der Sachbeschädigung, der fortgesetzten Entwendung zum Gebrauch, der fortgesetzten Verletzung von Verkehrsregeln und der Übertretung der §§ 6 und 17 der kantonalen Waffenverordnung und sprach ihn von der Anschuldigung der Gefährdung des Lebens von Anton Wermelinger und einer unbestimmten Anzahl nicht bekannter Personen sowie der Widerhandlung gegen Art. 17 lit. a Abs. 4 des Kriegsmaterialgesetzes frei und verurteilte ihn zu lebenslänglichem Zuchthaus, abzüglich die erstandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft von 312 Tagen, sowie zu 15 Jahren Landesverweisung. Das Gericht auferlegte Wagner die gesamten Verfahrenskosten (exklusive die Übersetzungskosten) und verpflichtete ihn, Leo Kletzhändler eine Genugtuung von Fr. 60 000.– und Bernhard Pfister eine solche von .
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Fr. 30 000.– zu bezahlen. C. Wagner führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, der Entscheid des Geschworenengerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen in bezug auf die Verurteilung wegen Mordes und fortgesetzten vollendeten Mordversuchs, wegen Erpressung, Nötigung (von Margrit Schenk), wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte (im Fall Werner Bodenmann) sowie in bezug auf die Bernhard Pfister zugesprochene Genugtuung von Fr. 30 000.–. Der Beschwerdeführer ersucht um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. .
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D. Eine von Wagner gegen das Urteil des Geschworenengerichts eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 23. März 1982 ab, soweit es auf sie eintrat. BGE 108 IV 88 S. 91 E. Die von Wagner gegen das Urteil des Geschworenengerichts und den Beschluss des Kassationsgerichts erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies der Kassationshof des Bundesgerichts am 9. September 1982 ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: I.1. Mordversuch an Werner Bodenmann und an Verena Schenk; Erpressung von Verena Schenk und Nötigung von Margrit Schenk; Gewalt und Drohung gegen Beamte im Fall Werner Bodenmann. Diesen Schuldsprüchen liegen die Ereignisse im Bereich der «Küchliwirtschaft» zugrunde, an denen Wagner nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht mehr als direkt Handelnder beteiligt war; er wurde zur Zeit dieser Geschehnisse auf einer Bank der Tramhaltestelle Bahnhofquai von einem Polizeibeamten mit der Waffe in Schach gehalten.
a) Das Geschworenengericht hat sich mit der Frage der Mittäterschaft Wagners in bezug auf die Vorgänge im Bereich der «Küchliwirtschaft» eingehend auseinandergesetzt und sie unter Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung bejaht. Zur Begründung weist die Vorinstanz darauf hin, dass Wagner an den den Ereignissen im Bereich der «Küchliwirtschaft» vorangegangenen Aktionen (Raubüberfall auf die Schweizerische Volksbank, Schiessereien zur Sicherung der Beute und zur Vermeidung der Festnahme) sowie an deren Planung und Vorbereitung in massgeblicher Funktion mitwirkte und dass er auch die Vorgänge bei der «Küchliwirtschaft» billigte. Das Vorgehen seiner Komplizen im Bereich der «Küchliwirtschaft» stelle keine der Persönlichkeit Wagners fremde und ausserhalb des gemeinsamen Tatentschlusses und des Täterplans liegende Handlungsweise dar, sondern sei gegenteils «Ausfluss des gemeinsamen Tatplans zur Flucht- und Beutesicherung» gewesen. .
b) Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, der schuldhafte Wille sei für die Beurteilung einer Mittäterschaft zwar von erheblicher Bedeutung, doch sei er es nicht allein. Neben dem subjektiven Willen sei bei der Mittäterschaft, wie bei jeder Form der Täterschaft, vor allem das Element der Tatherrschaft von Bedeutung. Neben der Beteiligung am gemeinsamen Tatentschluss müsse auch ein objektiver Beitrag zur Tat selbst vorliegen, damit Mittäterschaft bejaht werden dürfe. Der Mittäter müsse den den BGE 108 IV 88 S. 92 Tatbestand erfüllenden Geschehensablauf (mit) beherrschen, was aber voraussetze, dass er die einzelnen Tathandlungen wesentlich mitbestimme und / oder bei deren Setzung mitbeteiligt sei. Ein verhafteter Tatbeteiligter könne logischerweise keine Tatherrschaft mehr ausüben, weil sein Tun nicht mehr von ihm selber bestimmt werden könne, und er könne damit auch einen von andern gesetzten tatbestandserfüllenden Geschehensablauf nicht mehr mitbeherrschen. .
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I.2.a) Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass das blosse «Wollen» der
Tat, der subjektive Wille allein, zur Begründung von Mittäterschaft nicht genügt. Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Argumentation aber davon ausgeht, Mittäter sei nur, wer an der eigentlichen Tatausführung selber beteiligt ist bzw. diese – allenfalls aus Distanz – zu beeinflussen vermag, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ist Mittäter, wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Delikts vorsätzlich und in massgebender Weise mit andern Tätern zusammenwirkt (BGE 101 IV 49 E. 3, BGE 98 IV 259 E. 5 mit Hinweisen), so dass er als Hauptbeteiligter dasteht (BGE 77 IV 91mit Verweisungen); dabei ist besonders auf das Mass des schuldhaften Willens abzustellen (BGE 91 IV 221, BGE 85 IV 133/4 mit Verweisungen). Die Begründung für diese Praxis liegt unter anderem darin, dass gerade raffinierte Delinquenten sich bei der Tatausführung häufig im Hintergrund halten und die «Handarbeit» andern überlassen. Solche Delinquenten sind Mittäter, obschon sie sich zur Zeit der Tatausführung allenfalls an einem ganz andern Ort aufhalten und auf den Geschehensablauf und die Details der Tatausführung keinen Einfluss und damit keine «Tatherrschaft» in dem vom Beschwerdeführer verstandenen Sinn mehr haben. Mittäter sind sie gegebenenfalls selbst dann, wenn sie zur eigentlichen Tatausführung bzw. zur Beteiligung daran selber aus irgendwelchen Gründen gar nicht imstande wären. Die Mitwirkung an der eigentlichen Tatausführung bzw. die Möglichkeit, auch während der Ausführung der Tat noch auf diese Einfluss zu nehmen, ist keine notwendige Voraussetzung für die Bejahung von Mittäterschaft (s. BGE 101 IV 311). Der Beschwerdeführer räumt denn auch an anderer Stelle immerhin ein, dass der «objektive Beitrag zur Tat selbst», der neben der Beteiligung am gemeinsamen Tatentschluss vorliegen müsse, «auch in der konkreten Planung und Vorbereitung eines Delikts liegen kann, ohne dass der Mittäter selbst an der Ausführung der Tat beteiligt zu sein .
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BGE 108 IV 88 S. 93 braucht». Dass die Geschehnisse im Bereich der «Küchliwirtschaft» nicht im einzelnen vorgeplant waren, ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers unerheblich. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei solchen Aktionen – Schussabgabe auf eventuelle Verfolger und im Wege
stehende Menschen zur Flucht- und Beutesicherung – eine Planung aller Einzelheiten gar nicht möglich ist. Mittäterschaft ist nicht nur dann gegeben, wenn zwei oder mehr Personen eine konkrete Straftat planen, sondern auch bei einer generellen Vereinbarung darüber, dass und wie man sich in gegenseitigem Zusammenwirken zur Wehr setze, wenn die gemeinsame Aktivität durch Intervention Dritter oder von Behörden gefährdet oder gestört werde (s. nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes i.S. K. und M. vom 5. Februar 1979). .
b) Wagner hat nicht nur an der Beschlussfassung sowie an der Planung und Vorbereitung der gesamten Aktion massgeblich mitgewirkt, sondern sich daran bis zu seiner Festnahme auch aktiv beteiligt. Die vom Beschwerdeführer ausdrücklich gebilligten, im Grundsätzlichen zum gemeinsamen Tatentschluss und zum Täterplan gehörenden Vorkommnisse im Bereich der «Küchliwirtschaft» stehen mit den vorangegangenen Schiessereien, an denen er unmittelbar aktiv mitwirkte, in einer engen zeitlichen, räumlichen und sachlichen – vom Geschworenengericht als Fortsetzungszusammenhang gewerteten – Beziehung, so dass der Beschwerdeführer auch in bezug auf diese Ereignisse offensichtlich als Hauptbeteiligter dasteht und somit Mittäter ist. Der Umstand, dass Wagner im Verlauf der Aktion festgenommen und dadurch ausser Gefecht gesetzt wurde, ändert nichts daran, dass er bis zu diesem Zeitpunkt massgebliche Tatbeiträge geleistet hatte. Das Geschworenengericht hat die Mittäterschaft Wagners an den Mordversuchen an Werner Bodenmann und Verena Schenk, an der Erpressung von Verena Schenk und der Nötigung von Margrit Schenk sowie an der Gewalt und Drohung gegen Beamte im Fall Werner Bodenmann (Ereignisse im Bereich der «Küchliwirtschaft») zu Recht bejaht. .
BGE 109 IV 27 9. Urteil des Kassationshofes vom 8. April 1983 i.S. I. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. 1. Der Veruntreuung macht sich schuldig, wer ihm durch Vollmacht anvertraute Post- oder Bankguthaben (Buchgeld) unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet (E. 2c). 2. Anvertraut ist eine Forderung dem Bevollmächtigten dann, wenn er ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann, selbst wenn das Konto auf dessen Namen lautet (E. 3). 3. Veruntreuung liegt auch vor, wenn der Täter dem Geschädigten nicht ein vorhandenes Aktivum entzieht, sondern einen Passivsaldo des Kontos herbeiführt bzw. erhöht (E. 4). .
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Sachverhalt ab Seite 28 BGE 109 IV 27 S. 28 A. Als Beauftragter (Inhaber eines Treuhandbüros) sowie als Beistand der 1967 geborenen Erbin A. befasste sich I. seit 1968 mit der Verwaltung des Vermögens der Erbengemeinschaft S. Zudem wurde er Aktionär und Verwaltungsrat der W. AG, welche von der Erbengemeinschaft S. das Warenlager der frühern Einzelfirma S. übernahm. Auf Veranlassung des I. eröffnete die Bank X. im November 1973 für die Erbengemeinschaft S. ein Kontokorrent und räumte gleichzeitig einen Kontokorrent-Kredit über Fr. 200 000.– ein. Der Kredit war gedeckt durch einen der Bank verpfändeten Schuldbrief in der Höhe von Fr. 270 000.–. Die Erbengemeinschaft S., bestehend aus A., B. und C., wurde der Bank gegenüber durch I., B. und C. je mit Einzelunterschrift vertreten. .
Im Herbst 1974 liess I. bei der Bank X. auf den Namen der Erbengemeinschaft S. das Separatkonto 814 375–1 als weiteres KontokorrentKreditkonto eröffnen. Der nur zu einem kleinen Teil benutzte KontokorrentKredit auf dem Hauptkonto 814 375–0 (damals belastet mit ca. Fr. 45 000.–) konnte auch für das Separatkonto beansprucht werden. Meldungen über den Verkehr auf dem Separatkonto gingen nur an I., nicht an B. und C. In der Folge beauftragte I. die Bank, zu Lasten des Separatkontos 814 375 –1 auf die Firma W. AG gezogene Wechsel einzulösen. Aufgrund dieser Zahlungsaufträge ergab sich vom 9. September 1974 bis zum Jahresende, inklusive Zinsen und Kommissionen, eine Belastung des Separatkontos der Erbengemeinschaft von total Fr. 185 542.70. .
B. Das Obergericht des Kantons Zürich hat I. wegen dieses Sachverhaltes mit Entscheid vom 25. August 1982 der Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 StGB schuldig gesprochen und deswegen sowie wegen wiederholter Urkundenfälschung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, abzüglich einen Tag Untersuchungshaft, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren. C. Gegen diesen Entscheid führt I. Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei bezüglich des Schuldspruchs BGE 109 IV 27 S. 29 wegen Veruntreuung aufzuheben und die Sache sei zum Freispruch in diesem Punkte sowie zur Neufestsetzung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gegen die Subsumtion des geschilderten Sachverhaltes unter Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB werden in der Nichtigkeitsbeschwerde folgende Einwendungen erhoben:
a) Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB beziehe sich nach der ratio legis auf jene Fälle, in denen das Eigentum an den anvertrauten Werten – im Unterschied zu Abs. 1 – auf den Täter übergegangen sei (Hauptbeispiel: Vermischung anvertrauten Geldes mit eigenem Geld). Bei der Verfügung über ein Konto (Buchgeld) gehe es aber um fremde Werte, die sachenrechtlich nicht im Eigentum des Täters stehen; die spezifische Voraussetzung für die Anwendung von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB fehle also. .
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b) Wenn schon Buchgeld als «Gut» behandelt werde, dann sei ein Anvertrauen dieses Gutes im Sinne der von REHBERG vertretenen Auffassung (Grundriss, Strafrecht III, 1982 S. 56) nur anzunehmen, sofern der Berechtigte seine eigene Verfügungsmacht völlig zugunsten des Täters aufgegeben habe. Diese Voraussetzung sei im konkreten Fall nicht erfüllt, indem die andern Vertreter der Erbengemeinschaft gegenüber der Bank nach wie vor unterschriftsberechtigt waren. .
c) Von «anvertrautem Gut» könne hier schon deswegen nicht gesprochen werden, weil der Beschwerdeführer nicht über eine der Erbengemeinschaft zustehende Forderung verfügte, sondern unerlaubterweise eine Kreditmöglichkeit ausschöpfte. d) Das «Anvertrautsein» erscheine überdies fraglich, weil die Zahlungen über ein vom Beschwerdeführer selber gegen den mutmasslichen Willen der Erben geschaffenes Separatkonto erfolgten, nicht aus einem ihm von den Erben zur Verwaltung anvertrauten Konto. 2. ährend Abs. 1 von Art. 140 Ziff. 1 StGB das Schutzobjekt unter Verwendung zivilrechtlicher Begriffe («fremde, bewegliche Sache», «aneignet») umschreibt, dehnt Abs. 2 den strafrechtlichen Schutz auf «anvertrautes Gut, namentlich Geld», aus. .
a) Unter «anvertrautem Gut» wurden in BGE 90 IV 193 und BGE 103 IV 88 unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte sowie den französischen und den italienischen Gesetzestext («chose fongible», .
BGE 109 IV 27 S. 30 «cosa fungibile») nur vertretbare Sachen (Gattungssachen) verstanden, welche durch Vermischung in das Eigentum dessen übergehen, dem sie anvertraut worden sind, also nicht sachenrechtlich, sondern nur wirtschaftlich fremd bleiben. Nach diesen Präjudizien können nur körperliche Objekte, nicht auch Forderungen, Gegenstand der Veruntreuung sein (vgl. auch BGE 101 IV 163; BGE 106 IV 255; GERMANN, Verbrechen, S. 266; HAFTER, Besonderer Teil I S. 240 f.). .
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b) In der neuern Doktrin wird die Auffassung vertreten, als «Gut» kämen (anders als bei der «Sache» nach Abs. 1) auch unkörperliche Werte in Betracht (REHBERG in ZStR 92/1976 S. 32 ff. insbesondere auch S. 36 und ZStR 98/1981 S. 372 ff.; SCHAUB, Die unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes, Basel 1979, S. 102 ff.; SCHUBARTH, Die Systematik der Aneignungsdelikte, Basel 1968, S. 16 Fussnote 75; STRATENWERTH, Besonderer Teil I, 2. Aufl. S. 180 f.). Dass unrechtmässiges Verfügen über anvertraute Forderungen den Tatbestand der Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllen kann, wird in zunehmendem Masse anerkannt (siehe insbesondere REHBERG und SCHAUB a. a.O.; SCHULTZ in ZBJV 114/1978 S. 469 f.; vgl. auch N. SCHMID, Missbräuche im modernen Zahlungs- und Kreditverkehr, Bern / Stuttgart 1982, S. 17 ff.). Der Kassationshof hat ebenfalls in einzelnen Entscheidungen implizite vorausgesetzt, der Veruntreuungstatbestand könne auch an Post- und Bankguthaben erfüllt werden (BGE 94 IV 138, BGE 98 IV 31), aber zur Frage nie in grundsätzlicher Weise Stellung genommen. .
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c) Der Wortlaut von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erlaubt in der deutschsprachigen Fassung ohne weiteres eine den heutigen Erfordernissen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs entsprechende Auslegung. Schon in der Entstehungsgeschichte der Bestimmung gibt es Ansatzpunkte dafür, dass man mit dem Begriff «Gut» allgemein Vermögenswerte erfassen und die Beschränkung des Schutzes auf körperliche Sachen durchbrechen wollte (vgl. ZÜRCHER, Erläuterungen zum Vorentwurf von 1908, Bern 1914, S. 147 f.; .
dazu REHBERG ZStR 92/1976 S. 32 ff.). Die Übersetzung von «Gut» mit «chose fongible» entstand offenbar nicht im Sinne einer sachenrechtlichen Begrenzung des Tatbestandes, sondern eher als sprachliche Notlösung, weil kein befriedigendes Äquivalent für den deutschsprachigen Ausdruck «Gut» gefunden wurde. Der zuerst in Erwägung gezogene Begriff «valeur» wurde von Logoz im BGE 109 IV 27 S. 31 Nationalrat als «mot un peu imprécis» bezeichnet (REHBERG ZStR 92/1976 S. 33 Fussnote 13). Nachdem heute Verwalter fremder Vermögenswerte sehr oft nicht Bargeld verwahren, sondern über Bank- und Postcheck-Konten verfügen, drängt es sich vom Schutzzweck des Art. 140 StGB her auf, auch anvertraute Forderungen als «Gut» und damit als mögliches Veruntreuungsobjekt zu qualifizieren. Eine Beschränkung des strafrechtlichen Schutzes auf Bargeld unter Ausschluss des heute viel bedeutungsvolleren Buchgeldes würde dem Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB einen wesentlichen Teil seiner Funktion nehmen. Wer die ihm durch Vollmacht anvertrauten Werte eines Bankkontos unrechtmässig zu seinem oder eines andern Nutzen verwendet, macht sich eines in gleichem Masse strafwürdigen Verhaltens schuldig wie derjenige, der über anvertrautes Bargeld eigenmächtig verfügt. Eine objektiv-zeitgemässe Auslegung des vom Gesetzgeber bewusst weit gefassten und von sachenrechtlichen Begriffen losgelösten Wortlautes von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB gewährleistet den strafrechtlichen Schutz anvertrauter Werte in einer den praktischen Bedürfnissen entsprechenden Weise. Gegen den Einbezug von Konten (Buchgeld) in den Begriff des Gutes bestehen auch keine rechtsstaatlichen Bedenken; es handelt sich um eine aus der ratio legis sich ergebende, vom deutschsprachigen Gesetzestext gestützte Interpretation, welche gegenüber Einschränkungen, die sich aus der französischen und italienischen Fassung ableiten lassen, unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte den Vorzug verdient. Die in BGE 94 IV 139, BGE 98 IV 31 (vgl. auch BGE 106 IV 21) vorausgesetzte Auffassung, Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erstrecke sich auch auf den Schutz anvertrauter Forderungen (insbesondere Post- oder Bankguthaben) ist daher hier ausdrücklich zu .
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bestätigen (in diesem Sinne REHBERG, Strafrecht III, Zürich 1982, S. 55, vgl. auch die oben in lit. b erwähnte Literatur; vorwiegend kritisch N. SCHMID, a.a.O.) .
3. Ein Geldbetrag kann durch Überweisung auf ein dem Täter gehörendes und auf seinen Namen lautendes Konto anvertraut werden. Es ist aber auch möglich, dass eine unrechtmässige Verfügung sich – wie im vorliegenden Fall – auf ein Konto bezieht, das auf den Namen des Inhabers und Treugebers lautet, über welches der Täter jedoch kraft Vollmacht selbständig verfügen kann. REHBERG schränkt für die zweite Variante den Begriff des Anvertrauens ein auf den Fall des gänzlichen Ausschlusses eigener BGE 109 IV 27 S. 32 Verfügungsmacht des Treugebers; wenn dem Täter zwar eine Vollmacht eingeräumt ist, der Inhaber des Post- oder Bankkontos aber daneben auch noch selber verfügen kann, so wäre nach dieser Auffassung das auf dem Konto vorhandene Buchgeld dem Bevollmächtigten nicht im Sinne von Art. 140 StGB anvertraut (REHBERG, Strafrecht III S. 56; ZStR 98/1981 S. 373). Diese Begrenzung des Begriffs «Anvertrauen» wird aus einer Parallele zu Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB abgeleitet: Wenn Abs. 1 den Alleingewahrsam des Täters voraussetze unter Ausschluss des Sacheigentümers von der Sachherrschaft, dann müsse auch bei Abs. 2 das Anvertrauen von der Alleinberechtigung des Treuhänders und dem Verzicht des Treugebers auf eigene Verfügungsbefugnis abhängig gemacht werden (vgl. dazu SCHAUB, a.a.O. S. 110). Diese These verkennt, dass bei Abs. 1 von Art. 140 Ziff. 1 StGB die Frage des Alleingewahrsams oder Mitgewahrsams im Zusammenhang mit der Grenzziehung zwischen Veruntreuung und Diebstahl erörtert wird und nicht zur Festlegung der Grenze der Strafbarkeit überhaupt. Ob die unrechtmässige Aneignung einer Sache, welche im Mitgewahrsam des Täters und anderer Personen steht, als Diebstahl oder als Veruntreuung zu ahnden sei, ist eine Frage, die sich analog bei Abs. 2 von Art. 140 Ziff. 1 StGB gar nicht stellt. Selbst wenn man – abweichend von der Praxis des Bundesgerichtes (BGE 101 .
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IV 35, BGE 92 IV 91) – davon ausgehen wollte, dass blosser Mitgewahrsam an einer Sache nie ein Anvertrauen (gemäss Abs. 1) bilde (REHBERG, Strafrecht III, S. 49) und somit gegebenenfalls stets der Diebstahlstatbestand anwendbar sei (weil die unrechtmässige Verfügung Mitgewahrsam breche), so ist daraus weder aus logischen, noch aus praktischen Gründen die Parallele zu ziehen, auch eine Forderung sei dem potentiellen Täter nur anvertraut, sofern dem Gläubiger / Kontoinhaber selber jede Verfügungsmacht fehle und nur der Täter solche besitze. Anvertraut ist eine Forderung dem Bevollmächtigten immer dann, wenn er ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann. Sobald diese unkontrollierbare Verfügungsbefugnis eingeräumt wurde oder kraft Gesetzes vorhanden ist, besteht das Bedürfnis nach strafrechtlichem Schutz des Vertrauensverhältnisses, dem der Art. 140 StGB gerecht werden soll. Weshalb dieser Schutz durch restriktive Interpretation des Begriffes «Anvertrauen» auf jene Fälle einzuschränken wäre, in denen dem Gläubiger keine eigene Verfügungsmacht zusteht, ist nicht erkennbar. Auch wenn der Inhaber eines Kontos durchaus selber noch verfügen kann, .
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BGE 109 IV 27 S. 33 geniesst der neben ihm Einzelunterschriftsberechtigte doch jene typische Vertrauensstellung, die ihm rechtswidrige Eingriffe in fremdes Vermögen ermöglicht, ohne dass er zu den Mitteln des Diebstahls oder des Betruges greifen müsste. Aus diesen Überlegungen ist die in der Doktrin postulierte Einschränkung abzulehnen. Ob bei Abs. 1 von Art. 140 Ziff. 1 StGB nur Alleingewahrsam des Täters das «Anvertrautsein» der Sache konstituiert (und bei Mitgewahrsam stets Art. 137 StGB zum Zuge kommen muss), ist hier nicht zu untersuchen. Auf jeden Fall ist unter dem Aspekt von Abs. 2 eine die Anwendbarkeit dieser Strafnorm rechtfertigende Vertrauensstellung auch gegeben, wenn der Täter neben dem Inhaber (oder andern Personen) über ein fremdes Bankkonto allein verfügen kann. .
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4. Der Beschwerdeführer hat im vorliegenden Fall nicht den Aktivsaldo des ihm anvertrauten Bankkontos unrechtmässig verwendet, sondern die durch
das Konto und den von der Erbengemeinschaft verpfändeten Schuldbrief geschaffene Kreditmöglichkeit unerlaubterweise ausgeschöpft. a) NIKLAUS SCHMID (a. a.O. S. 19 und S. 22) weist auf die Schwierigkeit hin, die sich ergibt, wenn unrechtmässige Transaktionen zu einer Soll-Belastung des anvertrauten Kontos führen. Er neigt zur Auffassung, in diesen Fällen versage Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; das Ausnützen einer Kreditmöglichkeit zu Gunsten des Bevollmächtigten und zum Nachteil des Kontoinhabers könne kaum als Verfügung über anvertrautes Gut bezeichnet werden. .
b) Diese Argumentation hat prima vista den Wortlaut des Gesetzes für sich. Unter «Gut» wird in erster Linie ein auch buchhalterisch als Aktivum erscheinender Vermögenswert verstanden und die durch Abs. 2 von Art. 140 Ziff. 1 StGB erfasste unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes besteht häufig in der Verfügung über ein Bankguthaben zum Nachteil des Kontoinhabers und zum Vorteil des Täters. Unrechtmässigkeit des Vorgehens sowie Schädigung des Kontoinhabers und Bereicherung des Täters sind aber genau gleich, wenn die inkriminierte Verfügung dem Geschädigten nicht (oder nicht nur) ein vorhandenes Aktivum entzieht, sondern einen Passivsaldo des Kontos herbeiführt, d.h. eine Kreditmöglichkeit ausschöpft. Die dem Inhaber zustehende, eventuell sogar – wie im vorliegenden Fall – durch Verpfändung gesicherte Kreditmöglichkeit gehört wirtschaftlich zu dem Gut, das mit der Vollmacht zur Verfügung über das Konto dem Bevollmächtigten anvertraut .
BGE 109 IV 27 S. 34 wird. Die durch Pfand (oder durch die Kreditwürdigkeit des Kontoinhabers) gesicherte Kreditmöglichkeit stellt für den Verfügungsberechtigten einen Vermögenswert dar, über den er – wie über anvertrautes Bargeld – auftragsgemäss oder eben unrechtmässig zu seinem oder eines andern Nutzen verfügen kann. Es ist ihm z. B. möglich, auf diesem Wege den Wert eines vom Kontoinhaber hinterlegten Pfandes auszubeuten. Wer die auf einem anvertrauten Bankkonto für ihn verfügbaren finanziellen .
Mittel im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB unrechtmässig verwenden will, braucht nicht zu wissen, ob er durch seine treuwidrigen Transaktionen nur Aktiven des Kontoinhabers «benützt» oder ob er zu dessen Lasten eine Darlehensschuld begründet, allenfalls unter Beanspruchung eines vom Kontoinhaber hinterlegten Pfandes. Sein Vorsatz geht so oder so auf eine unrechtmässige Verwendung der ihm durch die Verfügungsberechtigung über das Konto anvertrauten fremden Vermögenswerte. Für den Täter wirtschaftlich fremd und ihm anvertraut sind nicht nur die Aktiven, sondern auch die Kreditmöglichkeit. Unter dem Aspekt der Strafwürdigkeit und des Schutzzwecks von Art. 140 StGB besteht kein Grund, das unrechtmässige Ausschöpfen einer anvertrauten Kreditmöglichkeit anders zu beurteilen als die rechtswidrige Aneignung anvertrauten Bargeldes oder die rechtswidrige Verfügung über einen auf dem Konto vorhandenen Betrag (Aktivsaldo). Es wäre stossend, wenn in einschränkender Auslegung des Wortlautes die faktisch geldwerte Kreditmöglichkeit aus dem Bereich des strafrechtlichen Schutzes von Art. 140 StGB ausgeschieden würde. Der ratio legis dieser Norm entspricht es dagegen, eine konkrete Kreditmöglichkeit (im Rahmen der Verfügung über ein Konto) als einen Bestandteil des anvertrauten Gutes zu betrachten. Auch der Täter wird vernünftigerweise keinen entscheidenden Unterschied sehen können zwischen einem Missbrauch seiner Vertrauensstellung durch eigennütziges Abheben von Aktiven und dem unrechtmässigen Ausschöpfen der Kreditmöglichkeit. Die sprachliche Fassung zwingt nicht zu einer derartigen realitätsfremden und wertungsmässig nicht begründeten Grenzziehung. .
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c) Noch ein anderer Ansatzpunkt ist geeignet, diese Auslegung von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu stützen: Der zur Verfügung über ein Konto Ermächtigte begeht ein Delikt ja nicht wegen der formellen Tatsache seiner Verfügung über auf dem Konto vorhandene Werte; denn zur Verfügung an sich ist er ja befugt. Das Unrecht wird im Grunde erst in der zweiten Phase durch die BGE 109 IV 27 S. 35 treuwidrige Verwendung der aus dem Konto «herausgeholten» Werte
realisiert. Geht man von einer solchen Zweiteilung aus, dann lässt sich folgern, der ein ihm anvertrautes Konto unrechtmässig Benutzende hole immer zunächst einen Wert aus dem anvertrauten Konto heraus und über diesen ihm anvertrauten Betrag, den er nur im Interesse des Vollmachtgebers verwenden dürfte, verfüge er unrechtmässig. Bei dieser Betrachtungsweise bezieht sich die unrechtmässige Verwendung immer auf einen positiven Wert (regelmässig eine Summe Buch- oder Bargeld). Ob die vorangehende, formell rechtmässige Disposition auf dem Konto zu einer Reduktion der Aktiven oder zu einem Passivsaldo führte, ist aus dieser Sicht ohne Belang. Unrechtmässig verwendet und damit veruntreut wird nie ein Passivum, sondern stets ein durch einen ersten Akt – als Darlehen, Überweisung oder Auszahlung – aus dem anvertrauten Konto «realisierter» Betrag. Wird in dieser Weise die Veruntreuung nicht in dem formell korrekten «Herausholen» des Betrages gesehen, sondern ausschliesslich in der nachfolgenden unrechtmässigen Verwendung des «herausgeholten» (immer noch anvertrauten) Wertes, so ergibt sich damit eine Abgrenzung des rechtserheblichen Sachverhaltes, welche selbst bei einer restriktiveren Auslegung des Begriffes «Gut» ohne Schwierigkeit die Subsumtion unter Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erlaubt. .
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5. Der Einwand, das Separatkonto, über welches der Beschwerdeführer die inkriminierten Verfügungen traf, sei ja von ihm selber eröffnet worden, geht an der Sache vorbei. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer nur kraft seiner Verfügungsbefugnis über das Hauptkonto das Separatkonto eröffnen konnte und dass er unter Missbrauch seiner Vertrauensstellung durch die Belastung des Separatkontos die auf dem Hauptkonto vorhandenen, ihm anvertrauten Werte – insbesondere die durch Pfand gesicherte Kreditmöglichkeit – zum Nachteil der Kontoinhaberin unrechtmässig beanspruchen konnte. Der offenbar zur Vertuschung gegenüber den Mitgliedern der Erbengemeinschaft gewählte Umweg über ein Separatkonto ändert somit an der Strafbarkeit des Vorgehens nichts. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
BGE 110 IV 12 7. Urteil des Kassationshofes vom 21. August 1984 i.S. N. c. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 137 Ziff. 1 StGB. Wer sich an einer Tankstelle mit zentraler Kasse Benzin einfüllen lässt, diesen Bezug der Kassiererin nicht meldet und ohne Bezahlung des Kaufpreises wegfährt, um sich dadurch unrechtmässig zu bereichern, macht sich des Diebstahls schuldig. Sachverhalt ab Seite 12 BGE 110 IV 12 S. 12 A. Am 13. November 1982 liess sich N. an der Autobahn-Raststätte Ruderbach-Süd vom Tankwart B. Benzin im Werte von BGE 110 IV 12 S. 13 Fr. 52.– einfüllen, bediente sich dann noch mit Zigaretten im Werte von Fr. 23.– und bezahlte an der zentralen Kasse mit einer Hunderternote. Die Kassiererin gab ihm Fr. 77.– zurück, berücksichtigte also den Benzinbezug nicht, weil sie das ihr diesen Bezug anzeigende Klingelzeichen überhört hatte und N. nichts sagte. Dieser begab sich darauf schnell zu seinem Auto und fuhr weg. B. Wegen dieses Verhaltens wurde N. am 20. Februar 1984 vom Kantonsgericht St. Gallen im Appellationsverfahren des Diebstahls schuldig erklärt und zu einer Woche Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug verurteilt. C.
Gegen diesen Entscheid führt N. Nichtigkeitsbeschwerde mit dem
Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung, eventuell zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. In tatsächlicher Hinsicht ist nach den für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer das eingefüllte Benzin nicht bezahlte, den Irrtum der Kassiererin bemerkte und vorsätzlich mit dem nicht bezahlten Benzin die Raststätte verliess, um sich dadurch unrechtmässig zu bereichern. Gegen die Bestrafung wegen Diebstahls erhebt N. den Einwand, es fehle das Tatbestandselement der Wegnahme. Der Tankwart habe den Gewahrsam am Benzin (durch das Einfüllen) freiwillig aufgegeben. Der nachträgliche Entschluss, das Benzin nicht zu bezahlen, könnte höchstens als Unterschlagung erfasst werden, doch fehle hiefür ein rechtzeitiger Strafantrag. .
2. Es ist daher zu prüfen, ob eine Wegnahme im Sinne von Art. 137 StGB vorliegt, d.h. ob der Gewahrsam des Eigentümers gebrochen wurde. Bei einem Barkauf (Handkauf), welcher korrekterweise so vor sich geht, dass der Käufer die Ware an sich nimmt (Selbstbedienungsladen, Selbstbedienungstankstelle) oder sich geben lässt und nachher an der Kasse bezahlt, bevor er den Verkaufsraum oder das Verkaufsareal verlässt, geht nach der Rechtsprechung der Gewahrsam an der Kaufsache erst mit der ordnungsgemässen Bezahlung des Kaufpreises vollständig auf den Käufer über. Bis zur Preiszahlung bleibt zumindest Mitgewahrsam des Verkäufers bestehen (vgl. R. LEVI-ANLIKER, Zur Problematik des strafrechtlichen .
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BGE 110 IV 12 S. 14 Gewahrsamsbegriffs, Diss. Zürich 1977, S. 64 ff.). Die in dieser Phase (vor der Zahlung des Preises) vorhandene «Herrschaftsmöglichkeit» des Kunden erlaubt allenfalls die Verschiebung innerhalb des Verkaufsareals, .
nicht aber die Wegnahme der Sache aus dem Herrschaftsbereich des Verkäufers. Die gänzliche Aufhebung der Sachherrschaft des Verkaufsgeschäftes, d.h. die Mitnahme der Sache aus dem Verkaufsraum / Verkaufsareal ist rechtlich erst zulässig, wenn der Preis bezahlt ist. Ein Mitnehmen oder Wegführen der Sache ohne Zahlung des Preises (oder Zustimmung des Verkäufers, d.h. Vereinbarung eines Kreditkaufes) stellt einen Bruch des Gewahrsams bzw. Mitgewahrsams des Verkäufers dar (vgl. BGE 92 IV 90; R. STEPHANI, Die Wegnahme von Waren in Selbstbedienungsgeschäften durch Kunden, Diss. Bern 1968, S. 9 f.). Diese herrschende strafrechtliche Betrachtungsweise entspricht dem effektiven Ablauf der Verkaufstätigkeit in solchen Geschäften. Ob die Ware vom Kunden selber vom Regal genommen oder durch Verkaufspersonal abgeschnitten und eingepackt (z.B. Fleisch, Käse) bzw. eingefüllt (Benzin) wird, kann für die Frage des Fortbestandes von Mitgewahrsam des Verkäufers bis zur ordnungsgemässen Bezahlung des Preises nicht massgebend sein. Solange die Ware sich noch im Verkaufsareal befindet und nicht bezahlt ist, hat der Verkäufer subjektiv und objektiv noch eine erhebliche Sachherrschaft, die von demjenigen rechtswidrig gebrochen wird, der die Ware ohne Bezahlung mitnimmt (BGE 92 IV 90/91). Das vorsätzliche Wegfahren mit dem nicht bezahlten Benzin wurde daher im vorliegenden Fall richtigerweise unter Art. 137 StGB subsumiert. Eine Bestrafung wegen Unterschlagung kam von vornherein nicht in Frage, weil Art. 141 StGB voraussetzt, dass der Täter den Alleingewahrsam hat und dass dieser Gewahrsam ohne den Willen des Täters (durch Naturgewalt, Irrtum, Zufall, Fund) zustande kam. Dies trifft hier nicht zu. Die Beziehung zur in Frage stehenden Ware hat der Beschwerdeführer willentlich herbeigeführt, indem er sich vom Tankwart Benzin einfüllen liess. Diese Übergabe der Ware erfolgte unter der stillschweigenden, aber klaren Bedingung, dass der Preis sofort bezahlt werde und dass ein Wegführen des Benzins ohne Bezahlung nicht gestattet sei. Die Sachherrschaft des Verkäufers über das Benzin war mit dem Einfüllen in den Tank faktisch gelockert, aber nicht aufgehoben. Mitgewahrsam am eingefüllten, aber (noch) .
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BGE 110 IV 12 S. 15
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nicht bezahlten Benzin blieb bestehen, und diesen Mitgewahrsam hat der Beschwerdeführer durch das Wegfahren gebrochen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
BGE 111 IV 55 16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. März 1985 i.S. Frau B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 148 StGB, Art. 19 BetmG; Betrug bei Drogengeschäften. a) Wer durchschnittlich gestrecktem Rauschgift (Heroin, Kokain) nochmals mindestens 30% Zucker beimengt, die so gewonnene Menge stillschweigend als Stoff üblichen Reinheitsgehalts weiterverkauft und dabei einen handelsüblichen oder gar massiv erhöhten Marktpreis verlangt, macht sich der arglistigen Täuschung schuldig; dem Erwerber der Droge entsteht dadurch objektiv ein Vermögensschaden (E. 2 und 3). b) Art. 19 BetmG schützt die öffentliche Gesundheit und vermag ein Delikt gegen das Vermögen nicht abzugelten (E. 4). .
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Sachverhalt ab Seite 56 BGE 111 IV 55 S. 56 A. Frau B. erwarb Heroin und Kokain durchschnittlicher Qualität und verschnitt in der Zeit von April 1983 bis März 1984 unter mehreren Malen die gekauften und bereits gestreckten Drogen mit Puder- oder Traubenzucker. Sie verkaufte sodann den gefälschten Stoff zu einem durchschnittlichen Grammpreis von Fr. 500.– bzw. 300.– unter Verschweigung der Tatsache, dass sie die Drogen zusätzlich um 30 –50% mit fremden Substanzen gestreckt hatte. B. Die Kriminalkammer des Kantons Thurgau sprach Frau B. am 2. November 1984 ausser der wiederholten und fortgesetzten, teilweise schweren Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz auch des
wiederholten Betrugs schuldig und verurteilte sie wegen dieser und anderer Delikte zu zwei Jahren Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft und des vorzeitigen Vollzugs ab 7. April 1984. C. Frau B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, Ziffer 1 des Urteilsdispositivs der Kriminalkammer sei aufzuheben, sie sei von der Anklage des wiederholten Betrugs freizusprechen und zu höchstens 18 Monaten Gefängnis zu verurteilen unter Abzug der Untersuchungshaft und des bereits vollzogenen Strafteils. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 111 IV 55 S. 57 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. In rechtlicher Beziehung stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, es fehle an einer arglistigen Täuschung. a) Nach dem angefochtenen Urteil ist es in Händler- und Konsumentenkreisen durchaus üblich, Drogen nach ihrer «Güte» zu beurteilen und zu klassifizieren. Dabei spiele – so führt die Vorinstanz aus – neben der Eignung des Stoffs als Rauschgift dessen Reinheit eine wichtige Rolle; dass reines Heroin im Handel mit Endverbrauchern kaum angeboten werde, berechtige indes nicht zum Schluss, Qualitätsschwankungen hätten keinen Einfluss auf den Marktwert. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdeführerin – welche die zu streckenden Rauschgifte in mittlerer Qualität zu handelsüblichen Preisen übernommen hatte – in etwa acht Fällen das ursprüngliche Gewicht des erworbenen Kokains und Heroins um ca. einen Drittel mit Puderzucker gestreckt und «die so gewonnene Menge mindestens zum marktgerechten Ankaufspreis, jedoch in den meisten Fällen noch zu erhöhtem Grammpreis verkauft». Indem sie den Käufern die Beimengung von Zucker verschwiegen habe, habe sie diese ohne Zweifel bezüglich des Reinheitsgehalts der Drogen getäuscht; die Käufer hätten nämlich «ein
gegenüber dem Marktwert für Drogen dieser verminderten Qualität massiv erhöhtes Entgelt» entrichtet. Die Beschwerdeführerin habe denn auch selber zugegeben, es hätte für diese Ware nicht der übliche Handelspreis verlangt werden können, wenn die Abnehmer nicht im Glauben belassen worden wären, «normalen» Stoff zu kaufen. Mit dem stillschweigenden Verkauf von Heroin und Kokain unterdurchschnittlichen Reinheitsgehalts zu handelsüblichen Preisen sei diesen die wesentliche Eigenschaft mindestens mittlerer, handelsüblicher Qualität der Rauschgifte vorgetäuscht worden, die in Wirklichkeit nicht vorhanden gewesen sei. Da der Reinheitsgrad der zwei Drogen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht sofort und mühelos während des Kaufgeschäfts überprüfbar sei, indem dessen Verminderung nicht aufgrund der Farbe festgestellt werden könne, sondern sich erst beim Konsum manifestiere, und da beim illegalen Drogenhandel auch andere Faktoren mitspielten, die zu einem schnellen Kauf ohne Prüfung der Ware führten (z.B. Angst vor der Verfolgung durch die Polizei usw.), habe die Beschwerdeführerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen können, dass die Verminderung des Reinheitsgehalts nicht sofort nachkontrollierbar .
BGE 111 IV 55 S. 58 sei. Daraus schloss die Vorinstanz, Frau B. habe die Käufer arglistig getäuscht. b) Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein Käufer in Kenntnis der Sachlage keine minderwertige Ware zum Preis einer vollwertigen kauft. Dieser Erfahrungssatz gilt vorwiegend im Bereich des landesüblichen Marktes, also dann, wenn vollwertige Ware ohne weiteres erhältlich ist. Er kann aber nicht schlechthin auf den illegalen Drogenhandel übertragen werden. Einerseits ist hier nicht jederzeit Ware normaler Qualität erhältlich. Anderseits ist der Käufer gelegentlich von der Droge derart abhängig, dass es ihm nur darauf ankommt, sie zu erhalten, selbst wenn er für minderwertigen Stoff den für gängige Qualität üblichen Preis bezahlen muss. In solchen Fällen unterlässt er die objektiv gebotene Prüfung oder bezahlt gar bewusst den übersetzten Preis. Ist dagegen der Käufer nicht in solchem Masse süchtig,
dann ist ihm das Verhältnis zwischen Preis und Qualität nicht gleichgültig. Solche Käufer sind nicht bereit, für gestreckte bzw. überdurchschnittlich gestreckte Ware den Normalpreis zu bezahlen. c) Im vorliegenden Fall behauptet die Beschwerdeführerin selber nicht, dass sie das überdurchschnittlich gestreckte Rauschgift an Personen verkauft habe, die in so hohem Masse süchtig waren, dass das Verhältnis von Qualität und Preis des Stoffes für sie belanglos war. Gegenteils hatte sie nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz selber anerkannt, dass sie für die Ware nicht den üblichen Handelspreis hätte verlangen können, wenn die Abnehmer nicht im Glauben belassen worden wären, «normalen» Stoff zu erhalten. Sie war sich also durchaus bewusst, dass das Verhältnis zwischen Reinheitsgehalt der Droge und Preis für ihre Käuferschaft von Bedeutung war. Indem sie den Käufern verschwieg, dass sie das zu handelsüblichen Preisen erworbene Heroin und Kokain durchschnittlicher Qualität weiter um über 30% mit Zucker gestreckt und damit einen Stoff von unterdurchschnittlicher Qualität hergestellt hatte, gleichzeitig aber mindestens den üblichen Handelspreis, in den meisten Fällen sogar einen massiv erhöhten Grammpreis forderte, erweckte sie bei der Käuferschaft den falschen Eindruck, es werde Stoff von mindestens durchschnittlicher, wenn nicht sogar von besonderer «Güte» angeboten. Darin liegt unzweifelhaft eine Täuschung über Tatsachen. d) Diese Täuschung war auch arglistig. Wie nämlich die Vorinstanz feststellt, konnte der Reinheitsgehalt des Stoffes bei Abwicklung des Kaufgeschäfts nicht sogleich und mühelos überprüft BGE 111 IV 55 S. 59 werden, da die Beimischung von Zucker farblich nicht erkennbar war; die «Güte» der Droge war erst beim Konsum, d. h. nach Erwerb derselben festzustellen. Es war deshalb arglistig, dem preis- und qualitätsbewussten Käufer eine überdurchschnittlich stark gestreckte Droge zu einem für gängigen, ja überdurchschnittlich guten Stoff angemessenen Preis anzubieten, und ihn damit in den Glauben zu wiegen, er erhalte für seine Leistung eine vollwertige Gegenleistung, welchen Irrtum er nicht durch sofortige
Überprüfung der Sachlage beheben konnte (s. BGE 107 IV 170 E. 2a). Demgegenüber kann nicht eingewendet werden, es gebe auf dem Gebiet des illegalen Drogenhandels keinen «normalen» oder «handelsüblichen» Stoff bzw. keine Ware von «gängiger Qualität». Vielmehr zeigt die Erfahrung des Alltags, dass dem anders ist, was die Vorinstanz zutreffend angenommen hat. Im übrigen hatte die Beschwerdeführerin vor der Kriminalkammer selber geltend gemacht, das auf dem Markt zirkulierende Heroin weise einen durchschnittlichen Streckungsgrad von 30% auf. Entsprechend ist denn auch die Vorinstanz davon ausgegangen, dass das von Frau B. erworbene oder übernommene Rauschgift nicht von einer das verkehrsübliche Mass übersteigenden Reinheit war und dass sie diese gängige Qualität durch zusätzliche Beimengung von mindestens 30 % Zucker derart verschlechtert hatte, dass sie unter das Handelsübliche fiel. .
3. Die Beschwerdeführerin behauptet, die Käufer hätten keinen Vermögensschaden erlitten; sie hätten gestrecktes Heroin erwartet und für ihre Leistung eine Gegenleistung erhalten, die sich zu jener in einem durchaus angemessenen Verhältnis gehalten habe. Damit setzt sich die Beschwerdeführerin erneut in Widerspruch zu den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, denen zufolge die Käufer gegen Bezahlung des in den meisten Fällen verhältnismässig hohen Preises einen zwar gestreckten Stoff, nicht aber einen solchen von unterdurchschnittlicher Qualität erwarteten. Standen aber Leistung und Gegenleistung in einem ungünstigeren Wertverhältnis, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage hätten stehen müssen (BGE 93 IV 73), dann ist den Käufern mit dem Erwerb der Droge objektiv ein Schaden im Sinne des Art. 148 StGB entstanden. .
4. Die Beschwerdeführerin vertritt schliesslich die Auffassung, der Tatbestand, dass jemand mit gestrecktem Heroin handle und dabei allenfalls einen Gewinn mache, sei einzig von der Strafbestimmung des Art. 19 BetmG erfasst und es gelte dieser Artikel BGE 111 IV 55 S. 60 den Unrechtsgehalt der Tat nach allen Seiten ab, weshalb für eine
zusätzliche Verurteilung nach Art. 148 StGB kein Raum bleibe. Diese Argumentation lässt ausser acht, dass das von Art. 19 BetmG geschützte Rechtsgut die öffentliche Gesundheit ist, während Art. 148 StGB dem Schutz des Vermögens dient. Es kann deshalb nicht gesagt werden, die Verurteilung nach der erstgenannten Gesetzesbestimmung gelte einen beim Handel mit Drogen verübten Betrug ebenfalls ab, zumal auch nicht einzusehen ist, warum der Drogenhändler, der beim Verkauf eines Rauschgiftes einen andern durch arglistige Täuschung am Vermögen schädigt, um sich selbst zu bereichern, hierfür straflos bleiben sollte. Wer solches tut, tut mehr als illegal mit Drogen zu handeln.
BGE 113 IV 77 22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. Mai 1987 i. S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 110 Ziff. 5, Art. 317 StGB. Notarielle Beurkundungs- und Beglaubigungsformeln sind bestimmt und geeignet, die darin genannten Tatsachen betreffend den Beurkundungsvorgang zu beweisen. Diese Tatsachen sind rechtlich erheblich unabhängig davon, ob sie nach dem kantonalen Notariatsrecht ein wesentliches Erfordernis für die Gültigkeit der öffentlichen Urkunde darstellen und ob das Rechtsgeschäft überhaupt der öffentlichen Beurkundung bedarf. Der Notar, der in der Beurkundungsformel wahrheitswidrig festhält, dass die Parteien ihre Unterschrift gemeinsam und in seinem Beisein geleistet hätten, erfüllt den objektiven Tatbestand der Urkundenfälschung (Falschbeurkundung) (E. 3, 5a). Subjektiver Tatbestand (E. 4, 5b). .
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Sachverhalt ab Seite 78 BGE 113 IV 77 S. 78 A. Der Notar X. beurkundete eine von ihm abgefasste Vollmacht, durch die drei Personen zwei andere Personen zur Vornahme verschiedener Handlungen im Rahmen einer grösseren Transaktion bevollmächtigten, mit der folgenden Formel: «Öffentliche Beurkundung Die vorstehende Urkunde wird durch den unterzeichneten Notar den Parteien bzw. deren Vertretern, die sich über ihre Identität, Handlungs- und Verfügungsfähigkeit ausgewiesen haben, vorgelesen. Die Parteien erklären hierauf übereinstimmend, die Urkunde enthalte den Ausdruck ihres Willens und unterzeichnen dieselbe zusammen mit dem Notar.
Die Verurkundung vollzieht sich ohne Unterbrechung und in Anwesenheit aller Mitwirkenden im Hotel Schweizerhof, Lenzerheide. Lenzerheide, den 24. Juni 1983 Der Notar:… .(X.)…»
Die beteiligten Personen hatten die Vollmacht in Tat und Wahrheit nicht am 24. Juni 1983 in Lenzerheide, sondern, da sie an diesem vereinbarten Termin kurzfristig verhindert waren, an andern Tagen in andern Orten, zum Teil in Abwesenheit des Notars, unterschrieben. Der Fehler wurde im Rahmen der Strafuntersuchung gegen G. wegen Betrugs bei der Durchsicht der Unterlagen betreffend die fragliche Transaktion entdeckt. Dabei stellte sich ferner heraus, dass die von X. am 27. Oktober 1982 vorgenommene Beglaubigung der Echtheit der Unterschriften von S. und Be., welche als neue Mitglieder des Verwaltungsrates der Z. Immobilien AG beim Handelsregisteramt des Kantons Graubünden angemeldet wurden, insoweit unkorrekt war, als entgegen dem Wortlaut der Beglaubigungsformel X. die beiden Männer nicht persönlich kannte und diese die beglaubigten Unterschriften, die echt waren, nicht in seinem Beisein geleistet hatten. X. hatte eine im Schreibautomaten gespeicherte Beglaubigungsformel verwendet, die im konkreten Fall nicht zutreffend war. BGE 113 IV 77 S. 79 B. Das Kreisgericht Chur sprach X. am 23. April 1986 von Schuld und Strafe frei. Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden verurteilte ihn am 12. November 1986 auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin wegen wiederholter Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) zu einer Gefängnisstrafe von 8 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 3 Jahren. .
C. Der Verurteilte ficht den Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses mit staatsrechtlicher Beschwerde und mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde an. Mit der letzteren stellt er den Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zu seiner Freisprechung, eventuell zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft stellt in ihrer Vernehmlassung den Antrag, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, dass die in der Beurkundungsformel unrichtig wiedergegebenen Tatsachen nicht «rechtlich erheblich» (Art. 317 StGB) beziehungsweise, was dasselbe ist, nicht «von rechtlicher Bedeutung» (Art. 110 Ziff. 5 StGB) waren. Er wirft in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe zivilrechtlicher Fragen auf. Er legt mit ausführlicher Begründung unter anderem dar, dass die fragliche Vollmacht zur Eingehung einer Bürgschaft etc. gar nicht der qualifizierten Form der öffentlichen Beurkundung bedurfte, dass die einzige natürliche Person unter den Vollmachtgebern, G., als Schuldner nicht zugleich Bürge sein konnte, dass die Vollmachterteilung durch G. im übrigen korrekt öffentlich beurkundet wurde und dass die Parteien die öffentliche Beurkundung auch nicht gemäss Art. 16 OR freiwillig als Gültigkeitsvoraussetzung vereinbarten, sondern diese Form nachträglich einzig deshalb wählten, weil sie vom Grundbuchinspektor als notwendig erachtet worden war, dass demnach die Vollmacht trotz allfälliger Mangelhaftigkeit der öffentlichen Urkunde gültig sei und daher die in der Beurkundungsformel unrichtig wiedergegebenen Tatsachen betreffend das Vorgehen bei der öffentlichen Beurkundung der Vollmacht nicht rechtlich erheblich seien. Diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei. .
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BGE 113 IV 77 S. 80 a) Rechtlich erheblich sind Tatsachen, welche allein oder in Verbindung mit andern Tatsachen die Entstehung, Veränderung, Aufhebung oder Feststellung eines Rechts bewirken (HÄFLIGER, Der Begriff der Urkunde im schweizerischen Strafrecht, S. 29/30, URS SCHERER, Strafbare Formen falscher schriftlicher Erklärungen, Diss. Bern 1977, S. 64 mit Hinweisen). .
Rechtlich erheblich sind aber auch Indizien, die den Schluss auf erhebliche Tatsachen zulassen, und ebenso Hilfstatsachen, die für die Beurteilung des Werts oder der Beweiskraft eines Beweismittels von Bedeutung sind (BGE 102 IV 33 E. 2a). .
b) Wohl wurde in BGE 95 IV 114 E. 1, auf den sich der Beschwerdeführer unter anderem beruft, die Rechtserheblichkeit von den Beurkundungsvorgang betreffenden Tatsachen unter anderem auch damit begründet, dass infolge der Ungültigkeit der öffentlichen Urkunde wegen Nichteinhaltung des nach dem kantonalen Notariatsrecht vorgeschriebenen Beurkundungsverfahrens (Art. 55 SchlTzZGB) das der öffentlichen Beurkundung bedürfende Rechtsgeschäft (in casu Erhöhung der Grundpfandsumme) von Bundesrechts wegen nichtig sei. Nach BGE 99 IV 198 E. 3 hängt die Rechtserheblichkeit einer den Beurkundungsvorgang betreffenden Tatsache indessen nicht davon ab, ob diese gemäss dem kantonalen Notariatsrecht ein wesentliches Erfordernis für die Gültigkeit der öffentlichen Urkunde sei. Gemäss Art. 34 der Notariatsverordnung des Kantons Graubünden hat sich der Notar über die Identität und Handlungsfähigkeit der vor ihm erscheinenden Person sowie darüber zu vergewissern, ob der Inhalt der Erklärung dem Parteiwillen entspreche. Er sorgt dafür, dass der wirkliche Wille der Parteien klar und vollständig zum Ausdruck gelangt. Nach Art. 35 muss die Urkunde den Parteien, ihren allfälligen Vertretern und, soweit das Gesetz es vorschreibt, auch den sonst Mitwirkenden vorgelesen oder von ihnen gelesen und hierauf von ihnen genehmigt und eigenhändig mit ihrem Namen unterschrieben werden. In der Urkunde muss festgestellt werden, dass dies geschehen ist (Abs. 1). Die bei der Beurkundung mitwirkenden Personen müssen in der Regel und, soweit das Gesetz nicht Ausnahmen vorsieht, während der ganzen Verhandlung zugegen sein; das Verfahren ist ohne wesentliche Unterbrechung zu Ende zu führen (Abs. 2). Die Parteien können, soweit das Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, die zu beurkundenden Schriftstücke entweder geschrieben dem Notar vorlegen oder ihm die Abfassung derselben übertragen (Art. 36). .
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BGE 113 IV 77 S. 81
Die öffentliche Beurkundung erfolgt in der Weise, dass der Notar auf der Urkunde erklärt, diese enthalte den ihm mitgeteilten Parteiwillen und sei den Parteien zur Kenntnis gebracht und von ihnen (bzw. von ihren allfällig bevollmächtigten Stellvertretern) unterzeichnet worden, und dass er seiner Erklärung Ortsangabe, Datum, Unterschrift und Stempel beisetzt (Art. 37). Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, inwiefern diese Bestimmungen der Notariatsverordnung des Kantons Graubünden Gültigkeits- und inwiefern sie blosse Ordnungsvorschriften sind. Das in einer von einem Notar unterzeichneten Beurkundungsformel beschriebene Vorgehen bei der öffentlichen Beurkundung eines Rechtsgeschäfts etc. ist selbst dann rechtlich erheblich, wenn dieses Vorgehen im kantonalen Notariatsrecht gar nicht vorgeschrieben ist. Die in der Beurkundungsformel wiedergegebenen eigenen Wahrnehmungen des Notars sind namentlich deshalb rechtlich erheblich, weil sie ihm die Gewissheit (siehe Art. 34 und 43 Abs. 2 lit. b der bündnerischen Notariatsverordnung) verschaffen, dass die in der Schrift genannten, handlungsfähigen Personen die fragliche Erklärung abgegeben haben und diese ihrem Willen entspricht; gerade auch wegen dieser durch bestimmte Tatsachen begründeten Überzeugung des Notars kommt der notariellen Urkunde gemäss Art. 9 ZGB erhöhte Beweiskraft zu. Die den Beurkundungsvorgang betreffenden Tatsachen sind daher (beweis)rechtlich erheblich (so überwiegend auch die bundesdeutsche Lehre und Rechtsprechung, vgl. DREHER / TRÖNDLE, Kommentar, 43. Aufl. 1986, N. 7 zu § 348 dt. StGB mit Hinweisen, NStZ 1986 S. 121 f. mit Überblick über die Praxis zur sog. «Fernbeglaubigung»; a.A. SCHÖNKE / SCHRÖDER / CRAMER, Kommentar, 22. Aufl. 1985, N. 11 zu § 348 dt. StGB), und zwar selbst dann, wenn der Notar trotz ihres Fehlens, aufgrund anderer, in der Beurkundungsformel nicht genannter Umstände jene Gewissheit hatte. Der Leser des Dokuments geht davon aus, der Notar habe sich aufgrund der in der Beurkundungsformel genannten Tatsachen davon überzeugt, dass die darin genannten Personen die Bedeutung der Vollmacht verstanden und diese den Bevollmächtigten als Ausdruck ihres Willens erteilten. Indem der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Notar die Beurkundungsformel unterzeichnete, die den Beurkundungsvorgang in .
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verschiedener Hinsicht falsch wiedergab, erfüllte er somit nach der im Ergebnis zutreffenden Auffassung der Vorinstanz den objektiven Tatbestand der Urkundenfälschung (Falschbeurkundung) im Sinne von Art. 317 StGB. .
BGE 113 IV 77 S. 82 c) Der Beschwerdeführer setzte den Tatbestand von Art. 317 StGB sodann auch dadurch, dass er in der Beurkundungsformel durch deren Datierung auf den 24. Juni 1983 zum Ausdruck brachte, S. und Be. hätten die Vollmacht an diesem Tage unterzeichnet, während sie sie in Tat und Wahrheit erst am 27. Juni 1983 unterschrieben. Der Zeitpunkt der Unterzeichnung einer Vollmacht ist eine rechtlich erhebliche Tatsache. Ob durch die unrichtige Angabe des Datums, d.h. die «Rückdatierung» der Vollmachterteilung, irgend jemand geschädigt werden konnte, ist unerheblich. 4. Der Beschwerdeführer unterzeichnete die Beurkundungsformel willentlich, obschon er wusste, dass darin der Beurkundungsvorgang falsch wiedergegeben wurde. Er handelte damit vorsätzlich. Die weitere Feststellung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe den täuschenden Gebrauch der Urkunde zumindest in Kauf genommen, ist tatsächlicher Natur (BGE 100 IV 182 E. 3b) und daher für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis BStP). Im übrigen wird eine Urkunde schon dadurch täuschend gebraucht, dass sie in den Rechtsverkehr gebracht, also nicht bloss etwa zu Experimentierzwecken oder als kalligaphisches Dokument (siehe BGE 100 IV 182 E. 3a) verwendet wird. Mehr ist jedenfalls bei der Urkundenfälschung durch einen Beamten oder eine Person öffentlichen Glaubens (Art. 317 StGB), die eine strafbare Handlung gegen die Amts- oder Berufspflicht ist (S. auch BGE 81 IV 287 E. 2), nicht erforderlich. BGE 100 IV 182 ist in diesem Sinne zu präzisieren. Insbesondere ist nicht nötig, dass eine Partei oder eine Drittperson durch die Verwendung des fraglichen Dokuments «hereingelegt» und geschädigt werden könnte. Der Beschwerdeführer erfüllte demnach den subjektiven Tatbestand von Art. 317 StGB spätestens in dem Augenblick, als er die von allen drei Vollmachtgebern unterzeichnete Vollmacht, welcher die von ihm unterschriebene, unwahre Beurkundungsformel beigefügt war, den .
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Bevollmächtigten überliess. 5. Zum Zwecke der Anmeldung von S. und Be. als neue Mitglieder des Verwaltungsrates der Z. Immobilien AG an das Handelsregisteramt des Kantons Graubünden erstellte der Beschwerdeführer am 27. Oktober 1982 die folgende Beglaubigung: «Die Echtheit vorstehender Unterschriften der mir persönlich bekannten Herren S … und Be …, als von denselben in meinem Beisein BGE 113 IV 77 S. 83 geschrieben, beglaubigt …»
In Tat und Wahrheit waren Be. und S. dem Beschwerdeführer nicht persönlich bekannt und hatten sie die Unterschriften, die aber unbestrittenermassen echt waren, nicht in dessen Beisein geleistet. a) Die in der Beglaubigungsformel falsch wiedergegebenen Tatsachen sind aus den vorstehend genannten Gründen, auf die verwiesen werden kann (E. 3b), (beweis)rechtlich erheblich, und zwar selbst dann, wenn der Notar aufgrund anderer, in der Beglaubigungsformel nicht genannter Umstände von der Echtheit der Unterschriften überzeugt gewesen sein sollte. Es ist daher entgegen den Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde belanglos, dass nach Art. 43 Abs. 1 der Notariatsverordnung des Kantons Graubünden eine Unterschrift nicht nur dann beglaubigt werden darf, wenn sie in Gegenwart des Notars vollzogen oder anerkannt wird, sondern auch dann, «wenn ihre Echtheit sonstwie einwandfrei feststeht, worüber der Notar unter seiner Verantwortlichkeit entscheidet». Der Leser des fraglichen Dokuments, etwa der Handelsregisterbeamte, ging davon aus, dass der Beschwerdeführer deshalb von der Echtheit der beglaubigten Unterschriften überzeugt war, weil die Unterzeichner diesem entsprechend dem Text der Beglaubigungsformel persönlich bekannt waren und die Unterschriften in dessen Beisein geleistet hatten. .
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b) Da die beglaubigten Unterschriften unbestrittenermassen echt waren und dem Beschwerdeführer daher insoweit mit Recht nicht eine Falschbeurkundung vorgeworfen wurde, kann der Vorsatz entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht damit begründet werden, der Beschwerdeführer habe von der Echtheit der Unterschriften nicht überzeugt
sein können und daher eine Falschbeglaubigung zumindest in Kauf genommen. Die in der Nichtigkeitsbeschwerde gegen die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz erhobenen Einwände gehen daher ebenfalls an der Sache vorbei. Der Beschwerdeführer hat durch die Unterzeichnung der Beglaubigungsformel, die, wie er wusste, den Beglaubigungsvorgang falsch wiedergab, und durch die eine Täuschungsgefahr im vorgenannten Sinne (E. 4) begründende Zustellung der in dieser Weise beglaubigten Unterschriften an das Handelsregisteramt des Kantons Graubünden auch den subjektiven Tatbestand (Vorsatz) von Art. 317 Ziff. 1 StGB erfüllt, selbst wenn er von der – unbestrittenen – Echtheit der Unterschriften aufgrund anderer, in der Beglaubigungsformel nicht genannter Umstände überzeugt gewesen sein sollte. .
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BGE 113 IV 77 S. 84 Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher auch in diesem Punkt abzuweisen.
BGE 114 IV 100 30. Urteil des Kassationshofs vom 14. Dezember 1988 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung. Adäquater Kausalzusammenhang und Sorgfaltspflichtsverletzung bejaht bei einem Todesfall als Folge von Sexspielen mit aussergewöhnlicher Strangulationstechnik. Sachverhalt ab Seite 100 BGE 114 IV 100 S. 100 A. Am frühen Morgen des 19. September 1985 hielten sich Frau X. und Frau Y. bei dem stark alkoholisierten Z. in dessen Wohnung in Herrliberg auf, wobei es zu Sexspielen kam. Z. setzte sich nackt auf das Doppelbett im Schlafzimmer und liess sich von Frau X. die Hände auf dem Rücken zusammenbinden. Die Handschellen wurden durch einen Stahlstab mit einer die beiden Unterschenkel umfassenden Lederschlaufe verbunden. Frau X. legte ein Nylon-Bergseil von 3,45m Länge und einem Durchmesser von 11 mm um den Hals des Z. und verschnürte es hinten am Hals mit einem einfachen Knoten. Daraufhin legte sich Z. auf den Bauch, während sich die beiden Frauen auf der linken und rechten Seite des Bettes aufstellten. Sie ergriffen je ein Seilende und strafften dieses. Ihre Hände befanden sich mindestens einen halben Meter höher als der Kopf des Z. Das Seil wurde weiter gestrafft, wodurch der Kopf ca. 50 cm in die Höhe gezogen wurde. Dieses Anheben des Kopfes und das nachfolgende Absenken wiederholten Frau X. und Frau Y. im Rhythmus von je ca. 3 Sekunden mindestens dreimal. Plötzlich fiel der Kopf des Z. nach vorne und dieser gab nach kurzem Röcheln kein Lebenszeichen
mehr von sich. Das Vorgehen an diesem Morgen unterschied sich insofern von dem früher jeweils praktizierten, als Z. erstmals auf dem Bauch lag und somit das Gewicht seines kräftig gebauten Oberkörpers im vorderen Halsbereich hing, in welchem sich die Gefässstränge befinden, die bei starker Drosselung einen Sauerstoffmangel bewirken. BGE 114 IV 100 S. 101 Nach den Feststellungen der Experten ist Z. infolge der mehrmaligen Strangulation (Drosselung) im Halsbereich erstickt, wobei der Vorgang durch einen vorzeitig eingetretenen reflektorischen Herzstillstand beschleunigt worden sein dürfte. Die Alkoholisierung hat dabei die Reflexbereitschaft erhöhen und einen vorzeitigen Herzstillstand begünstigen können. .
B. Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach Frau X. am 18. Mai 1987 der fahrlässigen Tötung i. S. von Art. 117 StGB schuldig und bestrafte sie deswegen und wegen weiterer Straftaten (u.a. Betrug und Betrugsversuch in einem Deliktsbetrag von über Fr. 500 000.–) mit 18 Monaten Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von drei Jahren. .
C. Frau X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, die entsprechende Bestrafung und die Kostenauflage seien aufzuheben und es sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft schliesst sich den Ausführungen im angefochtenen Entscheid an und beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen:
1. Die natürliche Kausalität zwischen den Sexspielen und dem Tod des Z. wird in der Beschwerde nicht bestritten; dies wäre im vorliegenden Verfahren auch nicht zulässig, da es um tatsächliche Feststellungen geht (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, sie habe weder eine Sorgfaltspflicht missachtet noch den eingetretenen Erfolg und den Kausalverlauf «in groben Zügen» voraussehen können; zudem sei der adäquate Kausalzusammenhang durch die «erstmalig angewandte Bauchlage und die massive Irritation der nervösen Strukturen … unterbrochen» worden. .
2. Es steht fest, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung eine Strangulation zum Tod eines Menschen führen kann. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der adäquate Kausalzusammenhang sei durch die aussergewöhnliche Art des Vorgehens (Bauchlage) und durch die als Folge
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BGE 114 IV 100 S. 102 der Nervenreizungen verursachte Hemmung des Herzschlages unterbrochen worden. Beide Vorbringen gehen an der Sache vorbei. Die Bauchlage gehört zur Darstellung des im vorliegenden Fall zu beurteilenden Tatvorgehens, und es unterliegt keinem Zweifel, dass die Drosselung eines Menschen, auch wenn er sich in Bauchlage befindet, nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Tod herbeiführen kann. Die Vorinstanz stellte fest, Z. sei «infolge der mehrmaligen Strangulation im Halsbereich … erstickt»; selbst wenn «die Alkoholisierung des Verstorbenen und ein damit möglicher frühzeitiger reflektorischer Herzstillstand die konkreten Folgen der Strangulation beschleunigt haben», folgerte sie, sei der Todeseintritt adäquate Folge der Strangulationspraktiken gewesen. Bei der Annahme eines Erstickungstodes ist nicht zu sehen, wieso diese Erwägung verfehlt sein sollte. 3. Die Beschwerdeführerin bestreitet, die sie treffende Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. Folglich ist zu prüfen, ob für sie die Tatbestandserfüllung aus damaliger Sicht erkennbar gewesen ist bzw. ob der Tod als Folge der
aussergewöhnlichen Sexualpraktiken voraussehbar war. Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Täter in Missachtung der nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen gebotenen Sorgfalt die Folgen seines Verhaltens nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat, obschon er sie nach objektiven Massstäben hätte bedenken und berücksichtigen müssen. Nicht erforderlich ist dabei, dass der Kausalverlauf bis in alle Einzelheiten vorausgesehen worden ist. Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass es im Hinblick auf eine mögliche Todesfolge generell unvorsichtig ist, einen Menschen am Hals zu würgen. Dies war auch der Beschwerdeführerin nach ihrer eigenen Zugabe klar. Die Gefährdung wird ohne Zweifel noch verstärkt, wenn zur Strangulation ein Seil verwendet wird. Die geringe Schul- und Allgemeinbildung hilft der Beschwerdeführerin nicht, denn sie hat ja zugegebenermassen um die Gefährlichkeit der von ihr praktizierten Strangulation gewusst. Überdies nahm sie nicht zum ersten Mal an Sexspielen der in Frage stehenden Art teil. Wenn sie mit ihrer einschlägigen Erfahrung aber bei einer auch für sie ungewöhnlichen Variante mitmachte, von der sie bedenken musste, dass sie besonders gefährlich sein könnte, so kann ihr heute der Vorwurf der Sorgfaltswidrigkeit nicht erspart werden. Dass es ihr nicht konkret bewusst war, dass wegen der Bauchlage und der Alkoholisierung des Z. ein frühzeitiger reflektorischer BGE 114 IV 100 S. 103 Herzstillstand die Folgen der Strangulation beschleunigen könnte, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass sie die besondere Gefährlichkeit der vorgenommenen Strangulation erkennen konnte. Immerhin ging auch die Vorinstanz zu Recht von nur geringer Fahrlässigkeit aus. 4. Schliesslich fragt es sich, ob die Beschwerdeführerin etwas für sich aus dem Umstand herleiten kann, dass es Z. war, der die vorgenommenen Handlungen verlangt hat. Dieser Einwand vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil mindestens die Gefahr einer schweren Körperschädigung im vorliegend zu beurteilenden Fall derart nahe lag, dass der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung des Verletzten nicht in Betracht
kommt. Nichts berechtigte die Beschwerdeführerin zur Annahme, Z. würde in jede Gefährdung einwilligen. Bei dieser klaren Sachlage kann offen bleiben, ob bei Fahrlässigkeitsdelikten eine Einwilligung des Verletzten begrifflich überhaupt möglich ist (vgl. dazu BGE 91 IV 124 E. 5; ANDREAS DONATSCH, Die Selbstgefährdung des Verletzten im Strafrecht, ZStrR 105/1988, S. 369; ARTHUR HAEFLIGER, Über Einwilligung des Verletzten im Strafrecht, ZStrR 67/1952, S. 94; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht AT I S. 407; NOLL / TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht AT I S. 230; SCHUBARTH, Kommentar I, Systematische Einleitung N 167 und Art. 117 N 76 ff.; SCHÖNKE / SCHRÖDER / LENCKNER, 23. Aufl., vor §§ 32 N 102 ff.; SAMSON, SK, Anhang zu § 16 N 33). Der Umstand, dass der Getötete das gefährliche Unternehmen selber wünschte, ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, und die Vorinstanz hat das Verschulden der Beschwerdeführerin denn auch zu Recht als geringfügig eingestuft. .
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BGE 114 IV 112 33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Juni 1988 i.S. X. gegen Schweizerische Pay-Sat AG (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 151 und 21 Abs. 1 StGB; Gehilfenschaft zu versuchter Erschleichung einer Leistung (Abonnementsfernsehen). Der Leistungserschleichung macht sich schuldig, wer unbefugt Abonnementsfernsehen empfängt, indem er ein Decodiergerät verwendet, das nicht von den Kabelnetzbetreibern zur Verfügung gestellt und angeschlossen worden ist. Der Ankauf von Geräten, die ausschliesslich dem genannten Zweck dienen können, stellt nicht bediglich eine straflose Vorbereitungshandlung, sondern einen strafbaren Versuch der Leistungserschleichung dar. Der Verkäufer, der um den Verwendungszweck der von ihm vertriebenen Geräte weiss, macht sich der Gehilfenschaft schuldig. .
Sachverhalt ab Seite 112 BGE 114 IV 112 S. 112 X. ist seit November 1970 selbständiger Unternehmer in Y. Er steht der Firma Z., die hauptsächlich Elektronikbauteile vertreibt, als Verwaltungsratspräsident vor. Seine Klientschaft besteht vorwiegend aus Amateurelektronikern. Unter den von ihm verkauften Elektronikgegenständen befanden sich Sperrkreise, die er zum Teil als handelsübliche Bausätze, zum Teil als fertig zusammengesetzte Sperrkreisfilter veräusserte. Daneben verkaufte er auch sogenannte Trägerfrequenzsperren (Polytron-Filter), welche ebenfalls im Handel frei erhältlich sind. Bei beiden Sperrfiltern handelt es sich um Nachbarkanalsperren, welche zur Unterdrückung eines Hochfrequenzsignals in Überreichweiten bzw. bei Interferenzstörungen .
BGE 114 IV 112 S. 113 bei Fernsehen und Computern verwendet werden. In Gebieten, die an das regionale Kabelnetzfernsehen angeschlossen sind, sind solche Filter heute überflüssig, da Interferenzstörungen nicht mehr auftreten. Sie werden aber etwa noch in Amateurfunkgeräten eingesetzt. Anfänglich verkaufte X. von diesen Filtern pro Jahr zirka zehn Stück. Im Herbst 1985 wurde in der Schweiz das Teleclub-Fernsehen eingeführt. Bei diesem handelt es sich um ein Abonnementsfernsehprogramm, welches gegen Entrichtung einer Gebühr mit Hilfe eines von den Kabelnetzbetreibern zur Verfügung gestellten Decoders empfangen werden kann. Von diesem Zeitpunkt an stieg die Nachfrage nach den obenerwähnten Sperrkreis- und Trägerfrequenzsperrfiltern im Geschäft des X. sprunghaft an (2000 bis 2500 Stück pro Halbjahr), denn diese Filter konnten nach entsprechender Abstimmung zur Entschlüsselung des Störsignals verwendet werden, welches den Empfang durch nichtautorisierte Teilnehmer verhindern sollte. Auf Anzeige der Schweizerischen Pay-Sat AG sprach der Amtsgerichtspräsident von Olten-Gösgen X. am 12. August 1986 von der Anklage wegen Gehilfenschaft zum Erschleichen einer Leistung, Inverkehrbringens von Ton- und Bildaufnahmegeräten und Widerhandlung gegen das BG über den unlauteren Wettbewerb frei. Auf Appellation der Anzeigerin verurteilte das Obergericht des Kantons Solothurn X. wegen fortgesetzter Gehilfenschaft zur versuchten Erschleichung einer Leistung zu einer Busse von Fr. 1000.– und bestätigte im übrigen den Freispruch. Gegen dieses Urteil reicht X, eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein mit den Anträgen, das Urteil sei aufzugeben und er sei freizusprechen. .
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 151 StGB ist strafbar, wer eine Leistung, die, wie er weiss, nur gegen Entgelt erbracht wird, ohne zu zahlen erschleicht. Nach Ansicht der
Vorinstanz erfüllt diesen Tatbestand, wer unbefugt das Teleclub-Programm empfängt, indem er ein Decodiergerät verwendet, das nicht von den Kabelnetzbetreibern zur Verfügung gestellt und angeschlossen worden ist. Zum Empfang des Teleclub-Programms sei nur derjenige berechtigt, der die Abonnementsgebühr bezahlt habe. Die Kunden des Beschwerdeführers, BGE 114 IV 112 S. 114 die von ihm die inkriminierten Geräte erworben hätten, seien zwar nicht ermittelt worden. Entscheidend sei deshalb, ob bereits im Ankauf der Versuch einer Leistungserschleichung liege. Dies treffe im Falle der Bausätze nicht zu, da diese nicht nur zur Herstellung von Sperrfiltern verwendet werden könnten. Die Frage müsse demgegenüber bei den aus den Bausätzen hergestellten gebrauchsfertigen Sperrkreisfiltern bejaht werden, denn diese könnten nur als Decodiergeräte eingesetzt werden. Wenn aber im Ankauf dieser Geräte bereits der Versuch der Erschleichung einer Leistung liege, dann habe sich der Beschwerdeführer der Gehilfenschaft dazu schuldig gemacht. c) aa) Nach Ansicht des Beschwerdeführers bedarf es für eine Verurteilung wegen Gehilfenschaft des Nachweises, dass mit den von ihm verkauften Filtern das Teleclub-Programm auch tatsächlich empfangen worden ist. Diese Auffassung widerspricht der einhelligen Lehre und Rechtsprechung, wonach es genügt, dass die Haupttat in strafbarer Weise versucht worden ist. bb) Sinngemäss könnte die Rüge auch dahin verstanden werden, dass der Beschwerdeführer geltend machen will, mit dem Kauf der Sperrkreisfilter hätten sich die Kunden noch nicht der versuchten Erschleichung einer Leistung schuldig gemacht, sondern nur eine straflose Vorbereitungshandlung begangen. Gemäss Art. 21 Abs. 1 StGB ist ein Versuch der strafbaren Tat anzunehmen, wenn der Täter mit der Ausführung des Verbrechens oder Vergehens begonnen hat. Dazu zählt jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten
entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen (BGE 104 IV 181 mit Hinweis). Für den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die gebrauchsfertig an Amateurelektroniker verkauften Sperrkreisfilter nur als Decodiergeräte für den Empfang des Teleclub-Programms eingesetzt werden konnten. Zutreffend stellte die Vorinstanz unter diesen Umständen fest, mit dem Kauf eines solchen Gerätes habe der Käufer seinen Willen «signalisiert», die Geräte als Decoder einsetzen zu wollen. Bei dieser Sachlage ist die Schlussfolgerung nicht zu beanstanden, wonach der Kauf die erste zielgerichtete Handlung und den entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Deliktsverwirklichung darstellte, von dem es normalerweise kein Zurück mehr gibt. Denn im Gegensatz zum Kauf anderer Objekte, .
BGE 114 IV 112 S. 115 die zur Verübung von Straftaten dienen können (z. B. Gift, Waffen), ist im vorliegenden Fall entscheidend, dass die Sperrkreisfilter nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ausschliesslich als Decoder eingesetzt werden konnten. Wer aber einen Gegenstand käuflich erwirbt, der nur für deliktische Zwecke verwendet werden kann, der hat den Schritt von der straflosen Vorbereitungshandlung zum strafbaren Versuch getan. .
d) Die Vorinstanz verwarf die Auffassung, wonach mit der Fernsehempfangskonzession gemäss Art. 72 TVG auch die TeleclubSendungen gebührenfrei empfangen werden dürfen; vielmehr sei die Schweizerische Pay-Sat AG für die Verbreitung ihres Programmes zur Gebührenerhebung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, der Privatempfang von Radio und Fernsehen sei grundsätzlich frei und jeder Private, der im Besitz einer PTT-Konzession sei, könne alle Sendungen empfangen, selbst wenn er sich dazu gewisser Hilfsmittel bedienen müsse; die PTT-Generaldirektion habe denn auch einer Anzeige in der vorliegenden Angelegenheit keine Folge gegeben. Das zweite Argument geht von vornherein fehl, da es dabei um eine Anzeige wegen angeblicher Verletzung von Art. 42 Telegrafen- und
Telefonverkehrsgesetz (TVG; SR 784.10) ging; ob dieses Delikt erfüllt worden ist, muss heute nicht überprüft werden. Die Auffassung des Beschwerdeführers ist insoweit richtig, als durch die Informationsfreiheit das Recht gewährleistet ist, alle in den Äther ausgestrahlten und für die Öffentlichkeit bestimmten Nachrichten und Programme zu empfangen und die dafür notwendigen Einrichtungen zu betreiben (JÖRG PAUL MÜLLER, Kommentar BV, Informationsfreiheit, Rz. 23 mit Hinweis). Aus dieser Empfangsfreiheit darf jedoch nur hergeleitet werden, dass der Staat dem Bürger prinzipiell den Empfang gewisser Sendungen nicht verunmöglichen darf. Zur Frage, ob der Betreiber eines kommerziellen Fernsehens, jedenfalls dann, wenn er im Besitze einer gültigen Betriebskonzession ist, den Empfang der Sendung durch technische Sperren demjenigen, der die Abonnementsgebühr nicht bezahlt, verunmöglichen darf, lässt sich aus dem genannten Freiheitsrecht nichts herleiten. Wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, ergibt sich jedenfalls weder aus der Fernsehempfangskonzession gemäss Art. 72 TVG noch aus der für den Kabelnetzanschluss entrichteten Gebühr ein Recht darauf, Privatfernsehsendungen ohne Bezahlung einer zusätzlichen Abonnementsgebühr .
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BGE 114 IV 112 S. 116 zu empfangen. Eine andere Norm, die ein solches Recht statuieren würde, vermag der Beschwerdeführer nicht zu nennen. Aus den von ihm zitierten Präjudizien (BGE 110 II 61 ff. und BGE 107 II 71) ergibt sich für die vorliegend interessierende Frage nichts, da dort nur über die urheberrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit der Einspeisung von Sendungen in Kabelfernsehanlagen zu befinden war. Wie es sich mit den von ihm erwähnten Fällen aus Lausanne und Genf verhält, kann offenbleiben; aus dem bei den Akten befindlichen Zeitungsartikel ergibt sich, dass es dabei um Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs ging, und die Gerichte begründeten ihren Entscheid mit dem Argument, der in Frage stehende Sender besitze nur eine Sendeerlaubnis für das französische Gebiet und die Wellen dürften somit ausserhalb Frankreichs von jedermann genutzt werden. Der vorliegende Fall ist demgegenüber sowohl vom Sachverhalt als auch von den Rechtsfragen her .
völlig anders gelagert. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
BGE 115 IV 199 44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. November 1989 i. S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 117 StGB; Art. 227 Ziff. 2 StGB; Verletzung der Sorgfaltspflicht; Kausalität. 1. Abgrenzung zwischen Handlung und Unterlassung (E. 2). 2. Der Bauingenieur, der trotz festgestellter Mängel an der Stahlaufhängung einer frei schwebenden Betondecke in einem Hallenbad (ein gebrochener Stahlbügel und braune Flecken auf anderen) und trotz Unklarheit über deren Ursache weder eine sorgfältige Untersuchung durch einen Fachmann (Stahlfachmann / Korrosionsexperte) veranlasst, noch die zuständigen Behörden informiert, sondern diesen bestätigt, die Aufhängungen seien kontrolliert worden und die Konstruktion befinde sich in einwandfreiem Zustand, verletzt die ihm obliegende Sorgfaltspflicht (E. 4). 3. Kausalität. Auch beim Begehungsdelikt genügt, dass das Verhalten des Täters mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit die Ursache des – voraussehbaren und vermeidbaren – Erfolges (hier u.a. Einsturz der Decke, Tod von 12 Menschen) bildete (E. 5). .
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Sachverhalt ab Seite 200 BGE 115 IV 199 S. 200 A. Bei der Erstellung eines Hallenbades 1971/72 auf dem Areal der Sportanlagen Buchholz übertrug die Stadt Uster die Ingenieurarbeiten E. W., dipl. Bauingenieur ETH, der seinen Angestellten F. W., Ingenieur HTL, als seinen Stellvertreter und Verantwortlichen für den fraglichen Auftrag
bestimmte. Die Oberbauleitung lag in den Händen der Architekten R. S. (Projektverfasser) und A. S. Architekt A. S. war überdies mit der örtlichen Bauleitung beauftragt, in welcher Eigenschaft sich dieser durch seinen damaligen Angestellten E. B., Architekt HTL, vertreten liess. Bestandteil des Hallenbadbaus war eine frei schwebende, nicht unterteilte Betondecke über der Schwimmhalle, welche eine Gesamtfläche von 830 m2 aufwies und mit 207 eingegossenen Chromnickelstahlbügeln von 10 mm Durchmesser am eigentlichen Hallendach bzw. an den Unterzügen befestigt war. Der Hohlraum zwischen der untergehängten Decke und dem Hallendach diente der Abluftführung. Da das Schwimmbadwasser mit Chlorgas
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BGE 115 IV 199 S. 201 entkeimt wurde, enthielt die Abluft feinste Tröpfchen von chloridhaltigem Badewasser und Spuren von Chlorgas. Das hatte zur Folge, dass sich auf der Oberfläche der Trägerbügel ein saurer, chloridhaltiger Feuchtigkeitsfilm bildete. Dadurch wurde der auf der Metalloberfläche aufgetragene und vor Korrosion schützende Passivfilm örtlich zerstört, was nach einer Inkubationszeit zu Lochkorrosion in der Erscheinungsform kleiner lokaler Anfressungen und in einem späteren Stadium zu transkristalliner Spannungsrisskorrosion führte. Diese Entwicklung wurde dadurch beschleunigt, dass die Aufhängebügel der untergehängten Decke zu stark belastet waren, indem die mechanische Beanspruchung einem Sicherheitskoeffizienten von 1,27 entsprach, während nach den einschlägigen SIA-Normen mindestens ein solcher von 1,8 hätte erreicht werden müssen. Die Schädigung der Trägerbügel durch Korrosion, kombiniert mit zu hoher mechanischer Beanspruchung, liess eine Gefahrenlage entstehen, welche während Jahren andauerte und vermutlich bereits vor 1979 bestand. Am 9. Mai 1985 um 20.25 Uhr stürzte die untergehängte Betondecke des Hallenbades in Uster infolge eines Versagens der Aufhängung auf das Schwimmbassin hinunter, wobei die fast kompakte Betonmasse das Bassin und dessen Ränder zudeckte und mehrere Personen, welche sich im Wasser oder am Bassinrand aufhielten, unter sich begrub. Bei diesem Unfall wurden 12 Menschen getötet und weitere 19 Personen verletzt oder einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt.
B. Das Bezirksgericht Uster sprach E. W., F. W. und E. B. der fahrlässigen Tötung im Sinne von Art. 117 StGB sowie der fahrlässigen Verursachung eines Einsturzes im Sinne von Art. 227 Ziff. 2 StGB schuldig. Gegen dieses Urteil erhob von den Verurteilten lediglich E. B. Berufung. Vier Geschädigtenparteien und der zuständige Staatsanwalt hatten zunächst selbständig Berufungen gegen alle Angeklagten erhoben, zogen diese aber hinsichtlich der nicht appellierenden W. und W. in der Folge wieder zurück. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte mit Urteil vom 28. Oktober 1988 das erstinstanzliche Urteil. Eine von E. B. dagegen eingereichte Kassationsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich ab. C. Gegen das Urteil des Obergerichts Zürich führt E. B. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Fall zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 115 IV 199 S. 202 Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichteten auf Gegenbemerkungen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.a) Die Vorinstanz ging in bezug auf den Beschwerdeführer im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus, der auch der Anklage zugrunde lag: Im Sommer 1984 wurden im Hallenbad Uster Sanierungsarbeiten durchgeführt, wobei der Beschwerdeführer mit der Bauleitung beauftragt war. Im Verlaufe dieser Arbeiten wurde von einem Handwerker zufälligerweise entdeckt, dass im Hohlraum zwischen dem Unterzug U6 und der östlichen Fassade ein Chromnickelstahlbügel der Deckenaufhängung gebrochen war. Der Beschwerdeführer, der über diesen Schaden ins Bild gesetzt wurde, nahm zusammen mit F. W. einen Augenschein vor. Im betreffenden Hohlraum, wo der schadhafte Bügel entdeckt worden war, kontrollierten sie eine Anzahl
weiterer Aufhängebügel. Da diese braune Flecken aufwiesen, wurde das Vorhandensein von Rost erwogen. Dieser Gedanke wurde jedoch sofort wieder fallengelassen und statt dessen angenommen, der Stangenbruch müsse während des Bauvorganges entstanden sein. Es wurde die Reparatur durch Anschweissen eines die Bruchstelle überbrückenden Zusatzstabes aus Chromnickelstahl veranlasst. In einer Sammelrechnung, welche mit «Hallenbad Uster / Sanierung Fensterfronten 1. Etappe» überschrieben war und insgesamt zehn Positionen umfasste, wurden die Kosten für die Reparatur des Aufhängebügels aufgeführt. Gestützt auf den Kontrollvermerk des Beschwerdeführers wurde diese Rechnung von der Stadtverwaltung ohne nochmalige detaillierte Überprüfung zur Zahlung freigegeben. Die Behörden der Stadt Uster wurden über den entdeckten Schaden und dessen Reparatur nicht informiert. Der Beschwerdeführer unternahm überdies aktive Schritte, um die Behörde in der Auffassung zu bestärken, dass die Sicherheit der Deckenaufhängung nach wie vor gewährleistet sei. Zunächst liess er anlässlich einer Besichtigung im Sommer / Herbst 1984 gegenüber Stadtrat A. S. und Sekretär E. B. mündlich verlauten, eine neuerliche Besichtigung des Deckenhohlraums habe ergeben, dass alles in Ordnung sei. Dieser mündlichen Erklärung liess er später noch eine schriftliche Bestätigung folgen, indem er in einem Kostenvoranschlag über Sanierungsmassnahmen an den Fensterfronten in der Schwimmhalle (2. Etappe) .
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BGE 115 IV 199 S. 203 zuhanden der städtischen Behörden vom 26. November 1984 einen Passus mit folgendem Wortlaut einfügte: «Die Sicherheit der bestehenden Metallfronten ist weiterhin gewährleistet! Im Zuge mit diesen Vorarbeiten konnten ebenfalls die Aufhängungen der Betondecke im Ablufthohlraum über der Schwimmhalle kontrolliert werden. Kontrolle durch das Ingenieurbüro E. W., Herr W. Die Konstruktion befindet sich in einwandfreiem Zustand!»
Von dieser günstig lautenden Beurteilung nahm der Stadtrat Uster in seinem Beschluss vom 18. Dezember 1984 Vormerk. b)
Die Unglücksursache erblickte die Vorinstanz gestützt auf ein EMPA-
Gutachten darin, dass die Hallenbadabluft zur Durchrostung von 1/7 sowie zur Schädigung von zahlreichen weiteren Aufhängebügeln und schliesslich zum Absturz der untergehängten Betondecke führte. Sie hielt jedoch fest, dass der Angeklagte vor dem Unglück die Anfälligkeit sogenannter nichtrostender Stähle (hier Chromnickelstahlbügel) gegenüber der Spannungsrisskorrosion, zumal in Hallenbadatmosphäre, nicht habe kennen können; überdies habe er aus dem Erscheinungsbild nicht zwingend auf einen Korrosionsschaden schliessen müssen; ein solches Wissen habe laut Gutachten damals bei qualifizierten Baufachleuten nicht vorausgesetzt werden dürfen; «nichtrostender» Stahl habe weitgehend als genügende Korrosionsschutzmassnahme gegolten. Nach Ausführungen über die Voraussetzungen des fahrlässigen Unterlassungsdelikts, dessen Strafbarkeit und die Garantenstellung des Beschwerdeführers hielt die Vorinstanz im angefochtenen Urteil fest, aus dem zur Garantenpflicht Gesagten folge nun nicht, dem Angeklagten würde ein Begehungsdelikt, also eine positive Handlung (Bericht an die Stadt), vorgeworfen; der auch in der Anklage so formulierte Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung gehe zusammengefasst dahin, er habe 1984 nach Entdeckung des gebrochenen Bügels und aufgrund der vorgefundenen Anzeichen an den Bügeln auf eine Materialschädigung durch Rost schliessen müssen; jedenfalls aber hätte er aufgrund der Anzeichen diese Möglichkeit in Betracht ziehen müssen; pflichtwidrig unvorsichtig habe sich der Angeklagte keine weiteren Gedanken darüber gemacht, sondern die Lage für gefahrlos gehalten, obwohl er sich auf nichts Fundiertes habe stützen können; pflichtwidrig sei er passiv geblieben und habe es auch unterlassen, die Behörden wahrheitsgemäss zu informieren. .
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2.a) Die Abgrenzung zwischen Handlung und Unterlassung ist im Zweifel nach dem Subsidiaritätsprinzip vorzunehmen (PETER .
BGE 115 IV 199 S. 204 NOLL / STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht Allgemeiner Teil I, S. 203 mit Verweisungen; HANS SCHULTZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, 4. Auflage, S. 127; GÜNTHER .
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STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht Allgemeiner Teil I, S. 370; ROBERT HAUSER / JÖRG REHBERG, Strafrecht I, 4. Auflage, S. 182). Danach ist immer zuerst zu prüfen, ob ein aktives Tun vorliegt, das tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft ist. Dabei sind allerdings nur Handlungen zu berücksichtigen, die das Risiko, das in den Erfolg umschlug, herbeiführten oder steigerten – und nicht nur nicht verminderten (STRATENWERTH, a.a.O., S. 370 f.). .
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b) Dem Beschwerdeführer ist in Anwendung dieses Subsidiaritätsprinzips – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – eine Handlung und nicht eine Unterlassung vorzuwerfen, denn die erwähnte Mitteilung an die Stadt Uster, die Konstruktion der aufgehängten Hallenbaddecke befinde sich in einwandfreiem Zustand, stellt eine Tätigkeit dar. Die Vorinstanz begründete ihre Annahme einer Garantenpflicht des Beschwerdeführers denn auch unter anderem mit dem Hinweis, dieser habe der Stadt gegenüber mündlich und später schriftlich zugesichert, der Zustand der Deckenaufhängekonstruktion sei kontrolliert worden und einwandfrei. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in seinem Bericht vom 26. November 1984 bestimmte Tatsachen, die er festgestellt hatte, wegliess, lässt sein Verhalten nicht als Unterlassung erscheinen, nachdem gleichzeitig eine Handlung vorliegt, an die angeknüpft werden kann und muss. c) Ist nach dem Gesagten von einem Begehungsdelikt und nicht von einem unechten Unterlassungsdelikt auszugehen, so sind die Einwendungen des Beschwerdeführers, die Bejahung der Strafbarkeit eines unechten Unterlassungsdeliktes verstosse gegen den Grundsatz «nullum crimen sine lege» und seine Garantenstellung sei zu Unrecht bejaht worden, gegenstandslos. 4.a) Das Obergericht des Kantons Zürich führt zu der dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Sorgfaltspflichtverletzung aus: «Vorgeworfen wird ihm nicht, dass er das Erscheinungsbild nicht korrekt als alarmierende Spannungsrisskorrosion eingeschätzt hat. Vorzuwerfen ist ihm vielmehr, dass er sich als Baufachmann angesichts einer unklaren und auch vom beigezogenen W. nach erkennbar oberflächlicher (Kontrolle) nicht .
überzeugend erklärbaren Schadensituation mit der harmlosesten und einfachsten BGE 115 IV 199 S. 205 Ursachenvermutung zufriedengab und trotz bestehender Unklarheiten eine weitergehende sorgfältige Untersuchung ebensowenig unternahm oder veranlasste wie er auch eine Information der Stadtbehörden unterliess. Der Vorinstanz ist weiter beizupflichten, dass selbst die leichtfertig falsche Schlussfolgerung vom Bauschaden eine eingehendere Untersuchung bzw. eine Information der Behörde erfordert hätte, da weitere analoge Schäden auch unter diesem Gesichtspunkt nicht auszuschliessen waren. Aus dem EMPAGutachten sowie bei Betrachtung der dem Gericht vorliegenden Proben ergibt sich zweifelsfrei, dass eine sorgfältige Untersuchung der vom Bruch betroffenen Kammer nicht bloss Rostflecken, sondern auch Ablagerungen und Anfressungen durch mehrjährigen, alten Rost an den Bügeln ergeben hätte.» b) Der Einwand des Beschwerdeführers, aufgrund des damaligen Wissensstandes eines Baufachmannes könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, den Rost nicht als solchen erkannt zu haben, geht an der Sache vorbei, nachdem ihm ausdrücklich nicht angelastet wird, das Erscheinungsbild der Aufhängebügel nicht als Spannungsrisskorrosion erkannt zu haben. Es wird ihm lediglich vorgeworfen – und dies unbestrittenermassen zu Recht – sich mit der harmlosesten und einfachsten Ursachenvermutung zufriedengegeben zu haben und weder weitere Untersuchungen angestellt noch die Stadtbehörde informiert zu haben. Unbehelflich ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, er habe sich keineswegs mit der erstbesten Erklärung für den Bügelbruch und die Verfärbungen an den Bügeln zufriedengegeben, sondern sich an Ingenieur W. gewandt, der ihm als Fachmann für Fragen des Stahlbaus unmissverständlich erklärt und bestätigt habe, die Deckenaufhängung sei in Ordnung. Die Vorinstanz hielt dem zu Recht entgegen, die Berufung auf W. als «Spezialisten» – der selbst jedoch metallurgische Kenntnisse in Abrede stelle – helfe dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht, weil ihm habe auffallen müssen, dass dieser gar keine ernsthafte Kontrolle vorgenommen habe;
ausserdem habe W., der weder Stahlfachmann noch Korrosionsexperte gewesen sei, dem Angeklagten auch keine Erklärung geben können, mit der dieser sich aufgrund seines Wissensstandes und der für ihn sichtbaren Anzeichen hätte zufriedengeben dürfen. Der Einwand, es sei keineswegs rechtsgenüglich nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass W. in bezug auf die Deckenaufhängung und das dort verwendete Material kein Fachmann gewesen sei, ist im BGE 115 IV 199 S. 206 Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu hören, weil der Kassationshof an diese tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden ist (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277bis Abs. 1 BStP). .
c) Das angefochtene Urteil verletzt daher Bundesrecht nicht, wenn dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde, er habe eine Sorgfaltspflicht verletzt bzw. fahrlässig gehandelt, indem er, ohne weitere Untersuchungen vorgenommen zu haben und ohne die Stadtbehörden über die bei einer rudimentären Kontrolle gemachten Feststellungen zu informieren, der Stadt Uster mitteilte, die Aufhängung der Hallenbaddecke sei kontrolliert worden und sie befinde sich in einem einwandfreien Zustand. 5.a) In der Nichtigkeitsbeschwerde wird vorgebracht, bei Annahme eines Begehungsdeliktes sei eine Verurteilung nur möglich, wenn der Nachweis erbracht würde, dass die Deckenaufhängung auf Veranlassung der Verantwortlichen der Stadt Uster vor dem Unglück überprüft worden wäre, dies jedoch aufgrund der «Bestätigung» des Beschwerdeführers unterblieben sei; da dieser Nachweis nicht erbracht werden könne, sei die betreffende Mitteilung nicht Ursache des Einsturzes gewesen. Der Beschwerdeführer stellt damit den Kausalzusammenhang zwischen der festgestellten Sorgfaltspflichtverletzung sowie dem eingetretenen Erfolg in Frage. b) Im natürlichen Sinne ist ein (pflichtwidriges) Verhalten kausal, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch der eingetretene Erfolg .
entfiele; dieses Verhalten braucht nicht alleinige oder unmittelbare Ursache des Erfolges zu sein (BGE 95 IV 142 E. 2a). Mit dieser «conditio sine qua non»-Formel wird entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers (auch beim Begehungsdelikt: BGE 101 IV 152 E. 2c) ein hypothetischer Kausalverlauf untersucht, indem man prüft, was beim Weglassen bestimmter Tatsachen geschehen wäre (WALDER, Die Kausalität im Strafrecht, ZStrR 1977, S. 139); ein solchermassen vermuteter natürlicher Kausalverlauf lässt sich nicht mit Gewissheit beweisen, weshalb es genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolges bildete (BGE 101 IV 152 f. E. 2c). Die Vorinstanz stellt – verbindlich (Art. 277bis BStP) – fest, «dass das Unglück bei korrekter Schadensmeldung oder aber bei direktem Beizug eines Experten vermieden worden wäre»; aufgrund des bisherigen Verhaltens der Stadtbehörden könne mit an .
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BGE 115 IV 199 S. 207 Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass bei richtiger Meldung ein Experte beauftragt und der wahre Schaden entdeckt worden wäre. Ob der Bericht nicht den Tatsachen entsprach, weil er vorhandene Mängel wegliess, oder weil er behauptete, es lägen keine solchen vor, spielt für die Ursächlichkeit desselben für den Deckeneinsturz mit seinen verheerenden Folgen keine Rolle, da in beiden Fällen ein gleicher hypothetischer natürlicher Kausalzusammenhang verlangt werden muss, welcher aufgrund der vorinstanzlichen Feststellungen gegeben ist. c) Mit der Frage des adäquaten Kausalzusammenhangs bzw. der Voraussehbarkeit des eingetretenen Erfolges, welche die Vorinstanz bejaht, setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Es liegt aber auf der Hand, dass das hier in Frage stehende Verhalten geeignet war, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen (vgl. BGE 103 IV 291, BGE 101 IV 70, BGE 100 IV 283), und der Beschwerdeführer dies auch hätte voraussehen und vermeiden können. Ob er .
hätte bedenken können oder sollen, dass sich die Ereignisse gerade so abspielen würden, wie sie sich dann zugetragen haben, ist unerheblich (BGE 99 IV 131, BGE 98 IV 16, BGE 79 IV 170). Der adäquate Kausalzusammenhang wird nur dann ausgeschlossen, wenn zur sorgfaltswidrigen Handlung ganz aussergewöhnliche Umstände (wie z.B. Material- oder Konstruktionsfehler) oder Verhaltensweisen des Opfers bzw. Dritter als Mitursachen des Erfolges hinzutreten (BGE 103 IV 291, BGE 101 IV 67, BGE 100 IV 214; vgl. auch BGE 106 IV 403); die Material- und Konstruktionsfehler sowie das Verhalten der Ingenieure W. und W. waren nicht derart aussergewöhnlich, dass sie die Relevanz der Handlung des Beschwerdeführers für den Einsturz auszuschliessen vermöchten. .
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BGE 115 IV 207 45. Urteil des Kassationshofes vom 7. Juli 1989 i.S. K. gegen L. und Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 143 und 181 StGB. Sachentziehung und Nötigung im Rahmen vertraglicher Beziehungen. Art. 895 Abs. 1 ZGB (bürgerliches Retentionsrecht). .
1. Die Verweigerung der Rückgabe einer beweglichen Sache entgegen einer vertraglichen Pflicht stellt keine Entziehung im Sinne von Art. 143 StGB dar (E. 1; Bestätigung der Rechtsprechung). 2. Androhung eines Nachteils durch Drohung mit einem Unterlassen, wo eine vertragliche Pflicht zum Handeln besteht. Erheblichkeit des Nachteils bei Verweigerung der Rückgabe von Wärmepumpen kurz vor Beginn der Heizperiode (E. 2a). 3. Das bürgerliche Retentionsrecht gemäss Art. 895 Abs. 1 ZGB geht mit der Lieferung der Sache, an welcher bis dahin ein Retentionsrecht bestand, unter und lebt auch bei späterer Rücknahme der Sache nicht wieder auf (E. 2b / bb). 4. Rechtswidrigkeit der Nötigung auf Grund der Zweck / Mittel-Relation des eingesetzten Nötigungsmittels. Wer die Reinstallation von Wärmepumpen kurz vor Beginn der Heizperiode ohne Retentionsrecht verweigert und überdies für den Fall, dass einem Zahlungsvorschlag kurzfristig nicht zugestimmt wird, eine wesentliche Verlängerung der Lieferfrist androht, handelt sittenwidrig (E. 2b / cc). .
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Sachverhalt ab Seite 209 BGE 115 IV 207 S. 209 A.
Auf Grund eines Vertrages vom 22. August 1985 hatte K. dem L. eine
Wärmepumpenheizungsanlage geliefert. Nachdem die installierten vier Wärmepumpen die vorgesehene Heizleistung angeblich nicht erbringen konnten, forderte L. die Lieferfirma auf, die Anlage zu überprüfen. Im Anschluss an eine Besichtigung der Anlage vom 4. Juni 1987 baute K. die Wärmepumpen aus, um Messungen auf dem firmeneigenen Prüfstand vornehmen zu können. Am 17. August 1987 forderte L. den K. auf, die Wärmepumpen innert 10 Tagen zu reinstallieren. Am 25. September 1987 antwortete ihm K., eine Rückgabe der Wärmepumpen komme nur in Frage, wenn L. die noch offenen Installationskosten von Fr. 51 553.50 begleiche. Er verlangte sofortige Bezahlung der Hälfte der Forderung und Sicherstellung für die andere Hälfte zuzüglich Fr. 5000.– durch eine vollwertige Bankgarantie und schloss mit folgenden Bemerkungen: «Wir erwarten bis zum 29.9.1987 17.00 Uhr Ihren Entscheid. Sollten Sie sich bis dahin für unseren Vorschlag entschieden haben, dauert unsere Lieferfrist ca. 20 Tage. Andernfalls benötigen wir 6 bis 8 Wochen.» In der Folge gab er die Wärmepumpen mit einem Gesamtwert von rund Fr. 40 000.– nicht zurück. B. Das Bezirksgericht Diessenhofen verurteilte K. am 18. Oktober 1988 wegen Sachentziehung und vollendeten Versuchs der Nötigung (Art. 143 und 181 i.V.m. Art. 22 StGB) zu fünf Tagen Gefängnis bedingt. Am 14. März 1989 bestätigte das Obergericht des Kantons Thurgau den erstinstanzlichen Schuldspruch, sprach indessen lediglich eine Busse von Fr. 600.– aus. .
C. Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt der Gebüsste, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.a) Sachentziehung gemäss Art. 143 StGB begeht, wer ohne Bereicherungsabsicht eine bewegliche Sache dem Berechtigten entzieht und ihn dadurch schädigt. Der Tatbestand hat die Funktion eines Auffangtatbestandes zu den Aneignungsdelikten Diebstahl, Veruntreuung (in .
der Form von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) und Unterschlagung. Dabei geht es, was die gegenwärtige Fassung vom Wortlaut her allerdings nicht deutlich zum Ausdruck bringt, einerseits um die Erfassung von Aneignungen ohne (rechtswidrige) Bereicherungsabsicht, sofern diese zu einer
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BGE 115 IV 207 S. 210 Schädigung geführt haben, und andererseits um den Schutz gewisser Positionen wie etwa des Besitzers gegen schädigende Entziehungen. In der von der Expertenkommission vorgeschlagenen Neufassung (Vorentwurf Art. 141; wiedergegeben bei JACHEN CURDIN BONORAND, Die Sachentziehung, Diss. Zürich 1987, S. A-5), wo diese Bereiche in zwei verschiedenen Absätzen geregelt werden, wird dies wesentlich klarer (vgl. auch Bericht zum Vorentwurf S. 12). .
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b) Vorliegend wird dem Beschwerdeführer nicht eine Aneignung ohne Bereicherungsabsicht, sondern eine eigentliche Sachentziehung vorgeworfen. Er hat die Pumpen bis zur Bezahlung der Lieferungsrestanz zurückbehalten und (jedenfalls einstweilen) nicht behalten wollen, um wie ein Eigentümer über sie zu verfügen. Für die Erfüllung dieser Tatbestandalternative sind kumulativ Entziehung und Schädigung erforderlich. .
aa) Entziehen bedeutet insbesondere Wegnehmen. Allerdings wird teilweise angenommen, dass darüber hinaus auch das Vorenthalten ein Entziehen im Sinne von Art. 143 StGB darstellen könne (NOLL, Schweizerisches Strafrecht, BT, S. 168). Dabei ist allerdings zu präzisieren, dass unter Vorenthalten nicht jede Verletzung einer Rückgabepflicht verstanden werden darf, weil andernfalls etwa jede verspätete Rückgabe eines beweglichen Mietgegenstandes erfasst würde (so schon deutlich BGE 72 IV 62; NOLL, a.a.O.; STRATENWERTH, BT I, S. 225; vgl. JACHEN CURDIN BONORAND, a.a. O., S. 39 und 46 ff.), was mit dem Gedanken der Subsidiarität des Strafrechtes nicht zu vereinbaren wäre. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz gilt dies, wie bereits aus BGE 72 IV 62 ersichtlich, auch dann, wenn dem Eigentümer eine Sache vorenthalten wird, was gerade bei der Verletzung von Rückgabepflichten die Regel sein dürfte. Deshalb ist .
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die Entziehung in der Form des Vorenthaltens einzuschränken auf Fälle, wo es der Täter dem Opfer verunmöglicht, eine Sache wiederzuerlangen (vgl. etwa den Sachverhalt von BGE 99 IV 155: Wegwerfen der Handtasche, die das Opfer im Auto zurückgelassen hat; BGE 72 IV 62: Edelstein, der in den tiefen See geworfen wird), oder die Wiedererlangung zumindest erheblich verzögert oder erschwert, etwa wenn Gegenstände in den Räumen des Berechtigten so versteckt werden, dass sie nur mit Mühe wieder aufgefunden werden können (vgl. etwa den Sachverhalt von BGE 104 IV 156). Es geht mit anderen Worten um Fälle der dauernden Enteignung ohne gleichzeitige Zueignung und der «vorübergehenden .
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BGE 115 IV 207 S. 211 Enteignung» (vgl. BONORAND, a.a.O., S. 40; BGE 96 IV 21). Der Beschwerdeführer hat vorliegend die Wärmepumpen im Rahmen der vertraglichen Beziehungen mit dem Beschwerdegegner und mit dessen Einverständnis mitgenommen. Seine Weigerung, sie zurückzugeben, verstiess also gegen seine – unter dem Vorbehalt des von ihm behaupteten Retentionsrechtes bestehende – vertragliche Rückgabepflicht. Die Verletzung einer solchen vertraglichen Pflicht fällt aber nach dem Gesagten nicht unter die Sachentziehung. Für solche Fälle besteht auch – unter dem Gesichtspunkt des Vermögensschutzes – kein Bedürfnis für eine strafrechtliche Sanktion; vielmehr genügen hier die zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten (vgl. BGE 112 IV 34 für den insoweit vergleichbaren Sachverhalt des Verbleibens im Mietobjekt nach Ablauf der Mietdauer). .
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bb) Nach dem Gesagten ist das Tatbestandsmerkmal der Entziehung in der vorliegenden Konstellation nicht gegeben, weshalb der Beschwerdeführer zu Unrecht wegen Sachentziehung verurteilt wurde. Auf die Frage eines allfälligen Retentionsrechts und der über die Entziehung hinaus erforderlichen Schädigung muss unter diesen Umständen im Rahmen von Art. 143 StGB nicht eingegangen werden. 2. Wegen Nötigung gemäss Art. 181 StGB macht sich strafbar, wer einen anderen durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch
andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. a) Zu prüfen ist vorliegend, ob die Androhung ernstlicher Nachteile zu bejahen ist. Der Beschwerdeführer drohte dem Beschwerdegegner, die Wärmepumpen so lange nicht zurückzugeben, wie dieser die behauptete noch offene Forderung nicht bezahlt habe. Er drohte ihm also nicht mit einem aktiven Tun, sondern mit einem Unterlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist diese Unterscheidung unerheblich (BGE 105 IV 122 E. 2b; BGE 96 IV 61 E. 2), während die Literatur zu dieser Frage teilweise eine differenziertere Haltung einnimmt (vgl. STRATENWERTH, BT I, S. 95; NOLL, BT, S. 71; SCHUBARTH, Kommentar Art. 181 N. 23 ff.; MARTINO IMPERATORI, Das Unrecht der Nötigung, Diss. Zürich 1987, S. 81 ff.). Die Frage braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden, weil der Beschwerdeführer, falls man ihm kein Retentionsrecht zubilligt, zur Rückgabe der Wärmepumpen verpflichtet war, also eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. .
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BGE 115 IV 207 S. 212 Beruft er sich jedoch zutreffend auf ein Retentionsrecht, dann wäre sein Verhalten jedenfalls nicht rechtswidrig. Auch das Erfordernis des erheblichen Nachteils ist zu bejahen, da die Androhung, die Wärmepumpen nicht zurückzugeben, kurz vor Beginn der Heizperiode erfolgte und der Beschwerdegegner deshalb vor die Wahl gestellt war, entweder den geforderten Betrag umgehend zu bezahlen oder weiterhin auf die notwendige Wärmequelle zu verzichten bzw. sich mit erheblichen Kosten eine Ersatzwärmequelle zu beschaffen. Denn eine Möglichkeit, kurzfristig auf dem Zivilweg Remedur zu schaffen, was die Ernstlichkeit des angedrohten Nachteils ausschliessen könnte (vgl. SCHUBARTH, Art. 181 N. 37), bestand hier offensichtlich nicht. .
b) Entscheidend ist somit, ob das Vorgehen des Beschwerdeführers als rechtswidrig zu betrachten ist. Die Rechtswidrigkeit entfiele auf jeden Fall, wenn er aufgrund eines Retentionsrechtes zur Zurückbehaltung der
Wärmepumpen berechtigt war. aa) Die Vorinstanz hat (allerdings im Zusammenhang mit der von ihr erörterten Widerrechtlichkeit der Sachentziehung) ein Retentionsrecht des Beschwerdeführers verneint. Zur Begründung führte sie an, soweit ihm ursprünglich für die Kaufpreisrestforderung ein Retentionsrecht zugestanden sein sollte, wäre dies mit der Lieferung der Pumpen an den Beschwerdegegner untergegangen; mit der späteren Rücknahme der Pumpen zu Prüfzwecken und gegebenenfalls zur Vornahme von Reparaturarbeiten sei ein neues Retentionsrecht in bezug auf die alte Kaufpreisrestanz nicht entstanden; einzig bei Nichtbegleichung einer allenfalls daraus entstehenden neuen Forderung hätte sich ein neuer Retentionsanspruch ergeben können; die Voraussetzung des kaufmännischen Retentionsrechtes sei nicht gegeben, da der Beschwerdegegner nicht Kaufmann sei. Der Beschwerdeführer versucht nicht, diese Begründung in Frage zu stellen. Er macht einzig geltend, die Verknüpfung des hier gewählten Zwangsmittels sei weder rechtsmissbräuchlich noch sittenwidrig, weil ein direkter Zusammenhang zwischen der Weigerung, die Wärmepumpen herauszugeben, und der Bezahlung des restlichen Werklohnes bestand. .
bb) Die Frage, ob der Beschwerdeführer gestützt auf ein Retentionsrecht berechtigt war, die Wärmepumpen zurückzubehalten, ist von Amtes wegen zu prüfen. Gemäss Art. 895 Abs. 1 ZGB kann der Gläubiger bewegliche Sachen, die sich mit Willen des Schuldners in seinem Besitz befinden, BGE 115 IV 207 S. 213 bis zur Befriedigung für seine Forderung zurückbehalten, wenn die Forderung fällig ist und ihrer Natur nach mit dem Gegenstand der Retention im Zusammenhang steht. Gemäss Abs. 2 besteht dieser Zusammenhang unter Kaufleuten, sobald sowohl Besitz wie auch Forderung aus ihrem geschäftlichen Verkehr herrühren. Diese Bestimmung ist jedoch vorliegend nicht anwendbar, weil nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die Voraussetzungen des sogenannten kaufmännischen Retentionsrechts nicht
gegeben sind. Das engere, sogenannte bürgerliche Retentionsrecht setzt einen Zusammenhang zwischen der Forderung und dem Retentionsobjekt voraus. Ein solcher Zusammenhang kann hier nicht von vorneherein verneint werden, denn die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Forderung geht auf die Lieferung und Installation der Wärmepumpen zurück, welche sich im Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Nötigungshandlung wieder in seinem Besitz befanden, und die Rücknahme der Wärmepumpen erfolgte offensichtlich aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung zur Überprüfung und gegebenenfalls Nachbesserung von etwaigen Mängeln. Wie weit in einer derartigen Konstellation die vom Gesetz geforderte Konnexität bejaht werden darf, ist unter Rückgriff auf das Prinzip von Treu und Glauben zu beantworten. Die Zurückbehaltung ist dann, aber auch nur dann zulässig, wenn es Treu und Glauben widersprechen würde, den Gläubiger zur Rückgabe der Sache an den Eigentümer zu verpflichten, wo er eine mit der gleichen Sache im Zusammenhang stehende Gegenforderung hat (OFTINGER / BÄR, Art. 895 ZGB N. 83). Vorliegend hatte der Beschwerdeführer ein Retentionsrecht an den Wärmepumpen jedenfalls in bezug auf Forderungen, die ihm aus etwaigen Reparaturarbeiten entstanden waren. Solche hat er jedoch nicht geltend gemacht. In bezug auf seine frühere Forderung hatte er ursprünglich ebenfalls ein Retentionsrecht, welches jedoch, wie die Vorinstanz zu Recht festhält, mit der Lieferung der Wärmepumpen an den Beschwerdegegner L. untergegangen ist. Dass bei späterer Rücknahme der Sache ein solches Retentionsrecht wieder auflebe, wird im allgemeinen abgelehnt (OFTINGER / BÄR, Art. 895 ZGB N. 104a und 179). In der Tat wäre es schwer einsichtig, dass ein Lieferant, der für eine Forderung von über Fr. 50 000.– keine Pfandsicherung mehr hat, von neuem in den Genuss einer solchen gelangen soll, bloss weil er die gelieferte Sache für Kontrollzwecke zu sich zurücknimmt. Die damit verbundene Privilegierung des Gläubigers gegenüber andern .
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BGE 115 IV 207 S. 214 Gläubigern wäre jedenfalls schwer begründbar. Die neue Inbesitznahme des Gegenstandes lässt deshalb ein Retentionsrecht nur für neue Forderungen,
nicht aber für frühere entstehen (OFTINGER / BÄR, Art. 895 ZGB N. 104a). Der Beschwerdeführer kann sich somit zur Rechtfertigung nicht auf ein Retentionsrecht berufen. .
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cc) Mit der Verneinung der Voraussetzungen eines besonderen Rechtfertigungsgrundes, wie hier eines Retentionsrechtes aus Art. 895 ZGB, ist jedoch die Frage der Rechtswidrigkeit nicht endgültig beantwortet, da die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale von Art. 181 StGB die Rechtswidrigkeit noch nicht indiziert. Vielmehr ist eine besondere, über die üblichen Rechtfertigungsgründe hinaus vorzunehmende Rechtswidrigkeitsprüfung erforderlich (vgl. BGE 69 IV 172). Die Rechtswidrigkeit der Nötigung ist nur dann zu bejahen, wenn entweder der Zweck der Nötigung oder das eingesetzte Nötigungsmittel bereits rechtswidrig war, oder aber dann, wenn Zweck und Mittel der Nötigung zwar als rechtmässig erscheinen, aber ihre Verknüpfung als rechtswidrig oder sittenwidrig anzusehen ist (SCHUBARTH, Kommentar Art. 181 N. 55 ff. mit Nachweisen). Der Beschwerdeführer bezweckte die Bezahlung einer (behaupteten) ausstehenden Schuld. Der Zweck der von ihm begangenen Nötigung erscheint deshalb nicht als rechtswidrig. Ob das eingesetzte Nötigungsmittel als rechtswidrig anzusehen ist, kann dann offenbleiben, wenn jedenfalls die Zweck / Mittel-Relation als rechtswidrig erscheint. Hier kommt dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf ein Retentionsrecht berufen kann, Indizwirkung zu, da auch das Retentionsrecht nur im Rahmen einer gewissen, hier nicht gegebenen Konnexität zu bejahen ist. Allerdings wird man nicht schon aus dem Fehlen eines Retentionsrechtes auf die Rechtswidrigkeit des Vorgehens schliessen dürfen; sonst ergäbe sich aus der vertraglichen Pflicht des Beschwerdeführers, die Wärmepumpen zurückzugeben, von vorneherein die Rechtswidrigkeit der nötigenden Handlung, ohne dass die für Art. 181 StGB erforderliche zusätzliche Rechtswidrigkeitsprüfung stattgefunden hätte. Erschwerend ins Gewicht fällt vorliegend, dass der Beschwerdeführer die Situation des Beschwerdegegners kurz vor Beginn der Heizperiode ausnützen wollte. Er nahm die Wärmepumpen im Laufe des Sommers zurück, um Messungen auf dem firmeneigenen Prüfstand vorzunehmen, und verweigerte dann (ohne Retentionsrecht) die Reinstallierung kurz vor Beginn der Heizperiode bis zur .
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Bezahlung einer behaupteten Forderung. Überdies drohte er L. für den Fall, dass er nicht BGE 115 IV 207 S. 215 kurzfristig seinem Zahlungsvorschlag zustimme, eine wesentliche Verlängerung der Lieferfrist an. Damit nützte er die Situation seines Vertragspartners in einer Art aus, die als sittenwidrig bezeichnet werden muss. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer deshalb zu Recht wegen versuchter Nötigung verurteilt.
BGE 116 IV 306 59. Urteil des Kassationshofes vom 11. Dezember 1990 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 117 StGB; Art. 3, Art. 71, Art. 80 und Art. 81 SSV; Verletzung der Sorgfaltspflicht durch mangelhafte Signalisation einer Baustelle, Kausalität. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Täter seine Sorgfaltspflicht verletzt hat, kann auf Verordnungen zurückgegriffen werden, die der Unfallverhütung und der Sicherheit im Strassenverkehr dienen; ein Verstoss gegen die in solchen Verordnungen enthaltenen Vorschriften lässt in der Regel auf eine Sorgfaltswidrigkeit schliessen (E. 1a; Bestätigung der Rechtsprechung). Sorgfaltspflichtverletzung bejaht bei einem Baustellenpolier, der bei der Signalisation einer Baugrube verschiedene Bestimmungen der Verordnung über die Strassensignalisation (SSV) missachtet hat (E. 1b). Begriff der Kausalität (E. 2a; Zusammenfassung der Rechtsprechung). Der Entscheid darüber, ob bei Vornahme der gebotenen Handlung der Erfolg mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre, setzt die Feststellung aller erheblichen Tatsachen voraus (E. 2b). Von einer umfassenden Klärung des Sachverhalts entbindet auch nicht die Risikoerhöhungstheorie. Anwendungsbereich dieser Theorie (E. 2c). .
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Sachverhalt ab Seite 307 BGE 116 IV 306 S. 307 A. Am 14. September 1987, um ca. 20.30 Uhr, fuhr M. mit seinem Motorrad von Hochdorf herkommend in Richtung Ballwil. Auf dieser Strecke wurden damals in einem Gesamtbereich von 1200 m abschnittweise Strassenbauarbeiten ausgeführt. Rund 400 m vor dem Ortseingang Ballwil befand sich eine etwa 25 m lange offene Baugrube, bei welcher der Verkehr
mit einer Lichtsignalanlage geregelt wurde. Diese Baugrube wurde von M. offenbar zu spät gesehen. Er leitete noch ein Bremsmanöver ein, bevor er zunächst mit der Signalanlage und anschliessend mit einer in der Baugrube abgestellten Strassenwalze kollidierte. Die Kollision führte zu seinem sofortigen Tod. Als zuständiger Baustellenpolier war A. für die Baustellensignalisation verantwortlich. B. Am 6. Oktober 1988 sprach das Amtsgericht Hochdorf A. der fahrlässigen Tötung schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 200.–. C. Eine von A. dagegen eingereichte Kassationsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 13. Dezember 1989 ab. D. A. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. E. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt Abweisung der Beschwerde. BGE 116 IV 306 S. 308 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.a) Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gemäss Art. 117 StGB setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch sorgfaltswidriges Verhalten den Tod des Motorradfahrers M. verursacht hat. Sorgfaltswidrig im Sinne von Art. 117 StGB ist eine Handlung dann, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Handlung aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung des Lebens des Opfers hätte erkennen können und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Art. 117 N 15; vgl. auch STRATENWERTH, .
Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, § 16 N 20). Bei der Bestimmung des im Einzelfall zugrunde zu legenden Massstabs des sorgfaltsgemässen Verhaltens kann auf Verordnungen zurückgegriffen werden, die der Unfallverhütung und der Sicherheit im Strassenverkehr dienen (vgl. BGE 114 IV 175; BGE 112 IV 5; BGE 106 IV 80 ff.). Für Baustellen im Bereich öffentlicher Strassen ist insbesondere auf die Verordnung über die Strassensignalisation (SSV; SR 741.21) zu verweisen. Ein Verstoss gegen die in solchen Verordnungen enthaltenen Vorschriften lässt in der Regel auf eine Sorgfaltswidrigkeit schliessen (vgl. BGE 114 IV 175). .
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b) Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, bei der Signalisation der Baustelle könne ihm eine Sorgfaltspflichtverletzung nicht angelastet werden; die nach dem Unfall beigezogenen Ermittlungsorgane hätten die Signalisation für in Ordnung befunden. aa) Die kantonalen Instanzen gehen davon aus, dass die vom Beschwerdeführer erstellte Baustellensignalisation den Vorschriften der Signalisationsverordnung in verschiedener Hinsicht nicht entsprach. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, die einer Willkürprüfung durch die Vorinstanz standgehalten haben, wies die Signalisation im einzelnen folgende Mängel auf: Bei der Vorsignalisation wurde entgegen Art. 3 Abs. 4 SSV anstelle der Zusatztafel «Streckenlänge 1200 m» (5.03 Anhang 2 SSV) die Distanztafel «1200 m» (5.01 Anhang 2 SSV) verwendet; 150 bis 250 m vor der Baugrube fehlte das in Art. 3 Abs. 3 lit. b SSV vorgeschriebene Gefahrensignal «Baustelle» (1.14 Anhang 2 SSV); dieses Signal fehlte entgegen Art. 80 Abs. 1 SSV auch unmittelbar bei der Baugrube selbst; die Tafel Lichtsignalanlage (1.27 Anhang 2 SSV) sodann befand sich in Missachtung von .
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BGE 116 IV 306 S. 309 Art. 3 Abs. 3 lit. b SSV nur 100 m anstatt 150 bis 250 m von der Baugrube entfernt und war nicht mit dem Signal «Baustelle» kombiniert; die unmittelbar vor der Baugrube aufgestellte Lichtsignalanlage war entgegen Art. 81 Abs. 2 SSV nicht bewilligt und stand ausserdem in der Mitte der rechten
Fahrbahnhälfte statt, wie es Art. 71 Abs. 1 SSV entsprochen hätte, am rechten Strassenrand; anstelle der vorgeschriebenen Abschrankung mit Querlatten und einer hochstehenden Latte (Art. 80 Abs. 2 SSV) war die Baugrube nur mit 75 cm hohen Absperrkegeln abgegrenzt; die Lampen an der Absperrung der Baugrube befanden sich zudem in einer Höhe von nur 40 bis 50 cm und nicht, wie von Art. 80 Abs. 5 SSV verlangt, 80 bis 100 cm über dem Boden. .
bb) Die kantonalen Instanzen lasten dem Beschwerdeführer indes nicht alle diese Mängel an. Sie halten ihm zugute, dass die Vorsignalisation von einem Beamten des Strassenverkehrsamtes abgenommen wurde und dass er die Lichtsignalanlage auf entsprechende Weisung des für die Gesamtleitung der Strassenbauarbeiten zuständigen Bauführers aufstellte. Hinsichtlich der übrigen Signalisationsmängel bejahen sie dagegen die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers, und sie halten die Sorgfaltspflichtverletzung insoweit für gegeben. cc) Der Standpunkt der kantonalen Instanzen ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer hat nicht nur bei der Vorsignalisation, sondern auch bei der Signalisierung der Baugrube selber verschiedenen Vorschriften der Signalisationsverordnung zuwidergehandelt; da ihm deren Beachtung nach seinen persönlichen Verhältnissen möglich und zumutbar war, hat er seine Sorgfaltspflicht verletzt. Nichts zu seinen Gunsten ergibt sich aus dem Umstand, dass die unmittelbar nach dem Unfall beigezogenen Ermittlungsorgane die von ihm errichtete Signalisation offenbar nicht beanstandeten; von einem für Strassenbauarbeiten verantwortlichen Baustellenpolier muss erwartet werden, dass er die in der Signalisationsverordnung enthaltenen, für die Verkehrssicherheit wichtigen Bestimmungen jedenfalls soweit kennt, als sie seine berufliche Tätigkeit betreffen. 2. Der Beschwerdeführer rügt im weiteren, die Vorinstanz habe den Kausalzusammenhang zu Unrecht bejaht; sie habe ihn in Verletzung von Bundesrecht aufgrund der Risikoerhöhungstheorie verurteilt; bei strikter Anwendung der vom Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung befolgten Wahrscheinlichkeitstheorie hätte er freigesprochen werden müssen.
BGE 116 IV 306 S. 310 a) Nach der Rechtsprechung ist ein (pflichtwidriges) Verhalten im natürlichen Sinne kausal, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch der eingetretene Erfolg entfiele; dieses Verhalten braucht nicht alleinige oder unmittelbare Ursache des Erfolgs zu sein (BGE 115 IV 206 E. 5b mit Hinweis). Mit dieser «conditio sine qua non-Formel» wird ein hypothetischer Kausalverlauf untersucht und dabei geprüft, was beim Weglassen bestimmter Tatsachen geschehen wäre; ein solchermassen vermuteter natürlicher Kausalverlauf lässt sich nicht mit Gewissheit beweisen, weshalb es genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolgs bildete (BGE 115 IV 206 E. 5b; BGE 101 IV 152 f. E. 2c). Um hypothetische Kausalität geht es auch bei der Unterlassung. Zwischen dieser und dem Erfolg besteht dann ein Kausalzusammenhang, wenn bei Vornahme der gebotenen Handlung der Erfolg mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre; die blosse Möglichkeit des Nichteintritts des Erfolgs bei Vornahme der gebotenen Handlung reicht zur Bejahung des Kausalzusammenhangs nicht aus (BGE 115 IV 191 E. 2 mit Hinweisen). .
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b) Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs ist hier somit die Frage entscheidend, ob der Motorradfahrer M. mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tödlich verunfallt wäre, wenn der Beschwerdeführer die Baustelle ordnungsgemäss signalisiert hätte. Das Amtsgericht, dessen Feststellungen von der Vorinstanz als willkürfrei angesehen werden, geht nach einer Analyse der in Erwägung 2b angeführten, dem Beschwerdeführer anzulastenden Mängel davon aus, dass die von diesem erstellte Signalisation eindeutig weniger auffällig war als die gesetzlich vorgeschriebene. Es kommt danach zum Schluss, dass die mangelhafte Signalisation sehr wahrscheinlich zu einer späteren Reaktion des Verunfallten und damit zumindest zu einer Verschlimmerung der Unfallfolgen geführt hat. Da es diese Aussage auf die allgemeine Lebenserfahrung stützt, kann sie vom Kassationshof überprüft werden (vgl. BGE 115 II 448 E. 5b). Ob die .
Bejahung des Kausalzusammenhangs durch das Amtsgericht bundesrechtskonform ist, kann aufgrund der in seinem Urteil enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen indes nicht entschieden werden; denn diese sind lückenhaft. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren verbindlich festgestellt (Art. 277bis Abs. 1 BStP) sind nur die bereits erwähnten, zumindest teilweise relevanten Mängel der Baustellensignalisation sowie .
BGE 116 IV 306 S. 311 die Tatsache, dass der Verunfallte mit erheblicher Geschwindigkeit in die Lichtsignalanlage hineingefahren ist. Nicht abgeklärt ist demgegenüber, aus welcher Distanz die Baustelle, so wie sie signalisiert war, bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit erkannt werden konnte und ob der Verunfallte bei Einhaltung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit auf diese Distanz hätte anhalten können bzw. ob und wieviel er langsamer hätte fahren müssen, um rechtzeitig bremsen zu können. Ebensowenig ist festgestellt, aus welcher Entfernung der Verunfallte die Baustelle bei korrekter Abschrankung und Beleuchtung hätte erkennen können. Nicht zu entnehmen ist dem Urteil des Amtsgerichts ferner, wie sich die Tatsache, dass die Lichtsignalanlage in der Mitte der rechten Fahrbahnhälfte anstatt am rechten Strassenrand stand, auf die Erkennbarkeit der Baustelle ausgewirkt hat. c) Es ist einzuräumen, dass diese Feststellungen nicht ohne Schwierigkeiten getroffen werden können. Auf die Erhebung von Beweisen darf indes nicht verzichtet werden, auch dann nicht, wenn man den vorliegenden Fall, wie die Vorinstanz, abweichend von der bisherigen Rechtsprechung auf der Grundlage der Risikoerhöhungstheorie beurteilen wollte. Die Anwendung dieser Theorie entbindet nämlich nicht von einer umfassenden Klärung des Sachverhalts. Denn ob der Täter die Gefahr, die sich im Erfolg verwirklicht hat, mindestens gesteigert hat, ist unter Auswertung aller im Zeitpunkt des Urteils, also ex post bekannten Umstände zu ermitteln (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, § 9 N 31; vgl. auch WALDER, Die Kausalität im Strafrecht, ZStR 93 (1977), S. 159 ff.; RUDOLPHI, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band I, Allg. Teil, 5. A., vor § 1 N 69 f.; ZIELINSKI, Alternativkommentar StGB, Band 1, Neuwied 1990, § 15/16 .
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N 119). Sollte die Klärung bestimmter Tatsachen im Einzelfall scheitern, ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu entscheiden. Der Anwendungsbereich der Risikoerhöhungstheorie beschränkt sich auf Fälle, in denen, wie etwa bei der Beurteilung des Genesungsprozesses eines Kranken bei korrekter ärztlicher Diagnose und Behandlung, ein hypothetischer Geschehensablauf in Frage steht, über den beweismässig keine Aussagen gemacht werden können (vgl. WALDER, a.a.O., insb. S. 160; STRATENWERTH, a.a.O.). .
3. Da die Gesetzesanwendung mangels hinreichender Klärung des Sachverhalts nicht nachgeprüft werden kann, ist der angefochtene Entscheid gemäss Art. 277 BStP aufzuheben BGE 116 IV 306 S. 312 und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 116 IV 319 61. Urteil des Kassationshofes vom 14. September 1990 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen M. und R. X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regeste Art. 148 Abs. 2 Gewerbsmässiger Betrug. Begriff der Gewerbsmässigkeit (Änderung der Rechtsprechung). Gewerbsmässigkeit ist bei berufsmässigem Handeln gegeben. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt. Diese abstrakte Umschreibung, die für alle Straftaten gegen das Vermögen gilt, hat nur Richtlinienfunktion. Eine Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen Phänomene und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen bei den verschiedenen Delikten nur für die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger Tatbestände möglich. Eine quasi nebenberufliche deliktische Tätigkeit kann als Voraussetzung für Gewerbsmässigkeit genügen. Auch in diesem Fall kann die erforderliche soziale Gefährlichkeit gegeben sein. Wesentlich ist, dass der Täter sich darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen relativ regelmässige Einnahmen zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen. Ob dies der Fall sei, ist aufgrund der gesamten Umstände zu entscheiden. Dazu gehören die Anzahl bzw. die Häufigkeit der während eines bestimmten Zeitraums bereits verübten Taten, die Entwicklung eines bestimmten Systems bzw. einer bestimmten Methode, der Aufbau einer Organisation, die Vornahme von Investitionen usw. Der Richter hat bei der Entscheidung der Frage, ob in einem konkreten Fall Gewerbsmässigkeit .
gegeben sei, auch mitzuberücksichtigen.
die
Höhe
der
angedrohten
Mindeststrafe
Sachverhalt ab Seite 321 BGE 116 IV 319 S. 321 A. In der Zeit von Anfang 1987 bis April 1988 begingen die Eheleute M. und R. X. insgesamt 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil des Möbelgeschäfts Interio AG in einem Deliktsbetrag von total ca. Fr. 5500.–. Diese Betrüge verübten sie dadurch, dass sie in der Filiale Pratteln die Preisschilder an den Waren, die sie zu kaufen beabsichtigten, gegen Preisschilder mit einem niedrigeren Preis auswechselten, beim Kauf diesen niedrigeren Preis zahlten, einige Tage später die Waren, die sie wieder mit den Original-Preisetiketten versehen hatten, unter irgendeinem Vorwand zu einer Interio-Filiale in Pratteln, Dietlikon ZH, Emmenbrücke LU, Abtwil SG, Morges VD oder in Genf zurückbrachten und sich dafür den höheren Preis gemäss dem OriginalPreisschild auszahlen liessen. Zweimal brachten die Eheleute X. die Möbel nicht selber zurück, sondern liessen sie, im Sommer 1987 und im April 1988, durch Bekannte zurückbringen, denen sie für diese Dienste jeweils ca. Fr. 200.– übergaben. Die Eheleute X. verübten sodann am 2. Mai 1987 und am 1. März 1988 je einen Betrug zum Nachteil der Secura Versicherung und der Europäischen Reise-Versicherungs AG mit einer Deliktssumme von total Fr. 2786.50. Sie meldeten diesen Versicherungsgesellschaften wahrheitswidrig den angeblichen Diebstahl von Waren, den sie zuvor der Polizei wider besseres Wissen angezeigt hatten. Von der Secura Versicherung erhielten sie den ganzen angeblichen Schaden von Fr. 230.– ersetzt; von der Europäischen Reise-Versicherung AG, der sie eine Schadenssumme von Fr. 6805.50 angegeben hatten, erhielten sie den Betrag von Fr. 2556.50. BGE 116 IV 319 S. 322 B. Am 13. Januar 1989 verurteilte das Strafgericht Basel-Land M. und R. X. wegen wiederholten und fortgesetzten vollendeten sowie wegen versuchten Betrugs, wegen wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung und wegen
wiederholter Irreführung der Rechtspflege zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von sechs Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auf Appellation der Staatsanwaltschaft bestätigte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft am 22. August 1989 den erstinstanzlichen Entscheid. C. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung der Angeklagten wegen gewerbsmässigen Betrugs an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.
M. und R. X. beantragen Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.a) Die 1. Instanz verneinte die Gewerbsmässigkeit im wesentlichen mit der Begründung, dass die Bereitschaft, um des Verdienstes willen unbestimmt viele Opfer zu schädigen, nicht erstellt sei; die Beschwerdegegner hätten nur die drei Firmen Interio AG (wobei sie allerdings sechs Filialen heimsuchten), Secura Versicherung und Europäische Reise-Versicherungs AG geschädigt und es könne ihnen auch nicht unterstellt werden, dass sie ohne die am 2. Mai 1988 erfolgte Anhaltung ihr deliktisches Tätigkeitsfeld ausgeweitet hätten. Die 1. Instanz vertrat im weiteren die Auffassung, dass auch die Deliktssumme von total rund Fr. 8300.– und der angesichts der Spesen für die Autofahrten erheblich geringere Reingewinn eher gegen eine gewerbsmässige Aktivität sprächen. Nach Meinung der 1. Instanz legt das in Art. 148 Abs. 2 StGB statuierte hohe Strafminimum von einem Jahr Zuchthaus eine enge Fassung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit nahe. .
b) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil lässt sich «das im Vergleich zum Grundtatbestand sehr hohe Mindeststrafmass von 1 Jahr Zuchthaus für den gewerbsmässigen Betrug … nur dadurch erklären, dass der Gesetzgeber der aus einer asozialen Grundhaltung entspringenden sozialen Gefährlichkeit des Täters begegnen wollte». Das Obergericht verweist in
diesem BGE 116 IV 319 S. 323 Zusammenhang unter anderem auf BGE 88 IV 61 (betreffend qualifizierten Diebstahl), in dem ebenfalls davon ausgegangen werde, dass die besondere Gefährlichkeit des gewerbsmässigen Vorgehens in einer «asozialen Grundhaltung und sittlichen Hemmungslosigkeit» des Täters begründet sei, aufgrund welcher befürchtet werden müsse, «er werde auch bei andern Gelegenheiten vor gleichen oder ähnlichen Handlungen nicht zurückschrecken». Entscheidend für die Antwort auf die Frage nach der Gewerbsmässigkeit ist nach Meinung des Obergerichts daher, ob beim Täter «eben diese asoziale Grundhaltung und sittliche Hemmungslosigkeit» vorliege. Gemäss den weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid darf diese asoziale Grundhaltung, die auch in verschiedenen Bundesgerichtsentscheiden erwähnt werde, nicht einfach der Bereitschaft des Täters, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, gleichgestellt werden; diese Bereitschaft könne zwar eine asoziale Grundhaltung anzeigen, lasse aber nicht den zwingenden Schluss auf eine solche zu. Die erforderliche asoziale Grundhaltung bedarf nach Meinung des Obergerichts einer besonderen Begründung in Würdigung der in der Person des Täters liegenden Umstände. Gemäss den weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid begründet die nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Bejahung der Gewerbsmässigkeit unter anderem erforderliche Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, mithin nur dann die Gewerbsmässigkeit, wenn diese Bereitschaft auf einer asozialen Grundhaltung des Täters beruht, nicht aber dann, wenn die Bereitschaft durch andere Umstände, etwa jugendliches Alter und Unüberlegtheit, finanzielle Notlage usw. hervorgerufen oder begünstigt wird und sich daher eine Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus nicht rechtfertige. Das Obergericht führt zudem aus, dass die Bereitschaft des Täters, gegen unbestimmt viele zu handeln, als solche kein taugliches Kriterium für die Abgrenzung des gewerbsmässigen Handelns vom wiederholten oder fortgesetzten Handeln bilde; denn bei einem Täter, der die Tat bereits wiederholt begangen hat, werde in den meisten Fällen faktisch allein schon daraus auf die Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, .
geschlossen, und werde ein solcher Schluss nur bei Vorliegen ungewöhnlicher Umstände ausnahmsweise nicht gezogen. Auch aus diesem Grunde kann nach Meinung der Vorinstanz nur die einer asozialen Grundhaltung entspringende Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, Gewerbsmässigkeit begründen. BGE 116 IV 319 S. 324 Das Obergericht hält fest, dass die Beschwerdegegner durch die Aufnahme eines Kleinkredits und den Wegfall des Einkommens der Beschwerdegegnerin 2 zufolge Schwangerschaft unter einen erheblichen finanziellen Druck geraten seien und dass sie sich vor allem angesichts dieser finanziellen Notlage, aber auch aufgrund ihres jugendlichen Alters (sie sind in den Jahren 1964 bzw. 1965 geboren) und ihrer Unüberlegtheit zu den Delikten entschlossen hätten. Es kommt in Würdigung dieser Umstände zum Schluss, dass bei den Beschwerdegegnern keine die hohe Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus rechtfertigende asoziale Grundhaltung vorliege und ihr Vorgehen daher nicht als gewerbsmässig im Sinne von Art. 148 Abs. 2 StGB qualifiziert werden könne. .
c) Die Staatsanwaltschaft macht unter Berufung auf die auch im angefochtenen Urteil zitierten BGE 71 IV 115, BGE 72 IV 110 und BGE 86 IV 10 geltend, dass die Gewerbsmässigkeit entgegen der Meinung des Obergerichts nicht eine (subjektive) asoziale Grundhaltung, sondern eine (objektive) soziale Gefährlichkeit voraussetze. Sie beruft sich auf BGE 74 IV 142 (betreffend Inverkehrbringen gefälschter Waren), wonach es nicht darauf ankommt, «ob der Täter aus Not oder aus Gewinnsucht das Vergehen zum Gewerbe mache». Sie verweist auf TRECHSEL, der festhält (Kurzkommentar, Art. 148 StGB N 30), dass nach der bundesgerichtlichen Praxis «nicht so sehr die besonders verwerfliche Gesinnung des Täters … als vielmehr die besondere soziale Gefährlichkeit des Täters, von dem eine unbestimmte Vielzahl von Delikten droht», den Qualifikationsgrund ausmacht. Die Staatsanwaltschaft legt dar, dass vorliegend sämtliche Elemente der Gewerbsmässigkeit nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfüllt .
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seien. Sie hält fest, dass die Beschwerdegegner innerhalb von 16 Monaten 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil der Interio AG und je einen Betrug zum Nachteil von zwei Versicherungsgesellschaften verübt und damit eindeutig wiederholt gehandelt hätten. Sie weist darauf hin, die Beschwerdegegner hätten sich durch diese quasi «nebenberuflich» verübten Taten während des genannten Zeitraums einen monatlichen Zusatzverdienst von mindestens Fr. 300.–, im Durchschnitt von über Fr. 500.– verschafft und damit in der Absicht gehandelt, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen. Die Staatsanwaltschaft führt weiter aus, dass auch die Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, gegeben sei. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf BGE 94 IV 21, BGE 116 IV 319 S. 325 wonach diese Bereitschaft auch bestehen kann, «wenn der Täter sich ausschliesslich gegen die gleiche Person vergangen hat», vorausgesetzt nur, «dass nicht aus besonderen Gründen geschlossen werden muss, der Täter habe sich nur gerade gegen diese eine Person vergehen wollen und er wäre gegenüber andern Personen, selbst wenn sich ihm eine passende Gelegenheit geboten hätte, untätig geblieben». Die Staatsanwaltschaft hält dazu fest, dass die Beschwerdegegner zwar zur Hauptsache gegenüber der Interio AG aktiv geworden seien, weil dort ihr System einwandfrei funktioniert habe, dass sie aber die Bereitschaft, auch gegen andere vorzugehen, durch die beiden Versicherungsbetrüge zum Nachteil von zwei Versicherungsgesellschaften eindrücklich demonstriert hätten. Die Staatsanwaltschaft zieht sinngemäss aus der Dauer der deliktischen Tätigkeit, der Zahl der Einzeltaten und ihrer Regelmässigkeit den Schluss, dass die Beschwerdegegner ihre Deliktsserie in der Zukunft fortgesetzt hätten, wenn sie nicht am 2. Mai 1988 angehalten worden wären, nachdem sie die letzte Tat zum Nachteil der Interio AG im April 1988 verübt hatten. Die Staatsanwaltschaft hält fest, dass Gewerbsmässigkeit auch dann gegeben sei, wenn man davon ausgehe, dass die Beschwerdegegner in der Zukunft lediglich gegen die Interio AG nach bewährtem System weiter delinquiert hätten; sie verweist auf BGE 115 IV 34, wo das Bundesgericht in Präzisierung seiner Praxis die bisher geforderte «Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln», der «Bereitschaft, in
unbestimmt vielen Fällen zu handeln», gleichgesetzt habe. 2. Betrug wird gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis (von mindestens drei Tagen, Art. 36 StGB) bestraft. Nach Art. 148 Abs. 2 StGB wird der Betrüger mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er den Betrug gewerbsmässig betreibt. Die Mindeststrafe beträgt in diesem Fall mithin ein Jahr Zuchthaus (Art. 35 StGB). Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt gewerbsmässig, wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen (oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit) zu handeln, die Tat wiederholt verübt (BGE 110 IV 31 E. 2, BGE 107 IV 82 E. 3a, 174 E. 2, BGE 99 IV 88 E. 7, BGE 94 IV 21 E. 1 und andere mehr). Das Bundesgericht hat in BGE 115 IV 34, der Kreditkartenbetrüge betraf, in Präzisierung dieser Rechtsprechung erkannt, dass nicht auf die Anzahl der Geschädigten oder Getäuschten abzustellen, sondern .
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BGE 116 IV 319 S. 326 vielmehr die Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen zu handeln, entscheidend sei. a) Die bundesgerichtliche Definition der Gewerbsmässigkeit gemäss der ständigen Rechtsprechung stösst in der herrschenden Lehre seit langer Zeit auf Kritik (HALTER, ZStrR 62/1947, S. 350 ff.; MOPPERT, SJZ 65/1969, S. 172; SCHULTZ, ZStrR 78/1962, S. 10 ff.; derselbe, ZBJV 105/1969, S. 402; derselbe, ZStrR 88/1972, S. 11 f.; STRATENWERTH, Festgabe Schultz, ZStrR 94/1977, S. 88 ff.; REHBERG, Strafrecht III, 5. Auflage, S. 75; NOLL, Strafrecht Besonderer Teil, S. 140 und 206 f.; CHRISTIAN-NILS ROBERT, SJK Nr. 77 (1981); PHILIPPE GRAVEN, SJK Nr. 822 (1974), S. 4; SCHUBARTH, Kommentar zum Strafgesetzbuch, Art. 119 N 26 ff.; neuerdings eingehend BEAT ANDREAS SCHNELL, Der gewerbsmässige Betrug (Art. 148 Abs. 2 StGB), Diss. Bern 1989, insbes. S. 63 ff.). Sie ist auch in der kantonalen Praxis immer wieder auf Widerstand gestossen und nicht .
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befolgt worden (vgl. die Nachweise bei STRATENWERTH, op.cit., S. 88; TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 148 StGB N 34; STAUB, ZStrR 103/1986, S. 322 Fn. 5). Diese Kritik wird unter anderem mit dem Hinweis darauf begründet, dass das StGB bei verschiedenen Straftaten für den durch die Gewerbsmässigkeit qualifizierten Tatbestand eine vergleichsweise hohe Mindeststrafe von beispielsweise einem Jahr Zuchthaus (so etwa in Art. 144 Abs. 3 und 148 Abs. 2 StGB) oder gar von drei Jahren Zuchthaus (so in Art. 119 Ziff. 3 StGB) androht, die zudem wesentlich höher ist als die für die entsprechenden Grundtatbestände angedrohte Mindeststrafe von drei Tagen Gefängnis (Art. 144 Abs. 1, 148 Abs. 1, 119 Ziff. 1 StGB). .
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b) Das Bundesgericht hat in einem nicht publizierten Urteil vom 27. März 1990 in Sachen G. c. ZH eingeräumt, dass es wohl Fälle geben mag, die bei formaler Betrachtungsweise von der bundesgerichtlichen Definition der Gewerbsmässigkeit erfasst werden, bei denen aber eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wie sie das StGB etwa für gewerbsmässigen Betrug androht, als stossend erscheint. Schon im nicht publizierten Urteil vom 4. Juni 1984 in Sachen G. c. ZH hat es unter Hinweis auf verschiedene Autoren anerkannt, dass die weit gefasste Umschreibung der Gewerbsmässigkeit, wie sie in der Praxis entwickelt worden ist, bei den Strafnormen, welche für gewerbsmässige Begehung eine Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus androhen, zu Härtefällen führen kann. Es hat offengelassen, ob der durch solche Härtefälle ausgelösten Kritik durch eine andere Definition des Begriffs der BGE 116 IV 319 S. 327 Gewerbsmässigkeit oder eher durch eine vom Gesetzgeber vorzunehmende Reduktion der betreffenden Strafdrohungen Rechnung zu tragen sei. c) Der Gesetzgeber hat schon verschiedentlich der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend die Gewerbsmässigkeit Rechnung getragen. Die Erhöhung der noch bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafen von maximal einem Jahr (Gefängnis) auf höchstens .
18 Monate (Gefängnis oder Zuchthaus) durch Bundesgesetz vom 18. März 1971 wurde nicht zuletzt auch damit begründet, dass auch die sogenannten «kleinen Fische», die wegen gewerbsmässigen Betrugs zu einer Zuchthausstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden müssen, noch in den Genuss des bedingten Strafvollzugs kommen können sollen (Amtl.Bull. NR 1969 S. 106 f., Voten Gerwig und Schmid, 1970 S. 523, Votum Gerwig; SR 1970 S. 431 f., Votum Hofmann), wobei die Votanten den von ihnen kritisierten Missstand allerdings nicht ausdrücklich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Gewerbsmässigkeit zurückführten. Durch Bundesgesetz vom 9. Oktober 1981 (betreffend Gewaltverbrechen) hat der Gesetzgeber unter anderem die Regelung bezüglich des qualifizierten Diebstahls dergestalt geändert, dass das gewerbsmässige Stehlen nicht mehr als ein Beispiel der Offenbarung von besonderer Gefährlichkeit des Täters aufgeführt, sondern in einem selbständigen Absatz (1bis) geordnet wird, wobei die Mindeststrafe für gewerbsmässigen Diebstahl bei drei Monaten Gefängnis belassen, während sie für die übrigen Fälle des qualifizierten Diebstahls von drei Monaten auf sechs Monate Gefängnis erhöht worden ist. In den Eidgenössischen Räten wurde dazu unter anderem festgehalten, dass nach der Bundesgerichtspraxis sehr rasch Gewerbsmässigkeit angenommen werde und dass man den kleinen gewerbsmässigen Dieb nicht stärker anpacken möchte, als dies schon heute der Fall sei (Amtl.Bull. NR 1980, Votum Frau Blunschy; SR 1981, Votum Binder). Gemäss Art. 19 Ziff. 2 BetmG liegt ein schwerer Fall des Betäubungsmittelhandels unter anderem dann vor, wenn der Täter «durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt». Diese Erfordernisse der Erzielung eines grossen Umsatzes oder eines erheblichen Gewinns sind aufgestellt worden, damit nicht «kleine Fische» als gewerbsmässige Täter der qualifizierten Bestrafung unterliegen (BGE 106 IV 234 E. 7c mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien). Ebenso liegt nach Art. 305bis Ziff. 2 StGB betreffend Geldwäscherei ein schwerer .
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BGE 116 IV 319 S. 328 Fall unter anderem dann vor, wenn der Täter «durch gewerbsmässige Geldwäscherei einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt». Im Bericht des EJPD zum Vorentwurf über die Änderung des StGB und
des Militärstrafgesetzes betreffend die strafbaren Handlungen gegen das Vermögen und die Urkundenfälschung wird festgehalten, dass die bundesgerichtliche Umschreibung der Gewerbsmässigkeit bei der Expertenkommission Bedenken erweckt. Dabei ist der Kommission laut Bericht nicht entgangen, dass die Auslegung dieses Begriffs, insbesondere als Voraussetzung der hohen Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus für qualifizierten Betrug im Sinne von Art. 148 Abs. 2 StGB, nicht einfach ist. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht es in BGE 99 IV 88 abgelehnt habe, den Begriff der Gewerbsmässigkeit auf planmässiges oder organisiertes, einem wirklichen Gewerbe ähnliches, berufsmässiges Verhalten zu begrenzen. Die Expertenkommission hat dennoch davon abgesehen, eine gesetzliche Definition der Gewerbsmässigkeit vorzuschlagen oder diesen Qualifikationsgrund zu streichen. Sie ist der Auffassung, dass das Problem der Auseinandersetzung von Wissenschaft und Praxis zu überlassen sei. Die Kommission schlägt zwecks Milderung der heute bestehenden Härten vor, die Mindeststrafe für gewerbsmässigen Betrug (Art. 146 Abs. 2 VE) auf drei Monate Gefängnis herabzusetzen und die Busse fallenzulassen (vgl. zum ganzen Bericht des EJPD S. 19). Im Bericht und Vorentwurf zur Revision des Allgemeinen Teils und des Dritten Buches des Schweizerischen Strafgesetzbuchs verweist SCHULTZ auf die von STRATENWERTH (op.cit., S. 105) vorgeschlagene Umschreibung, wonach gewerbsmässig handelt, wer das strafbare Verhalten «zum Gewerbe macht» und «durch eben diesen Umstand in der Delinquenz festgehalten» wird. Diese Umschreibung würde gemäss SCHULTZ zur Formel führen, dass gewerbsmässig handelt, wer die strafbare Tätigkeit zu seinem Gewerbe macht und dadurch veranlasst wird, weiter zu delinquieren (Bericht und Vorentwurf S. 241). SCHULTZ hält fest, dass die von STRATENWERTH gefundene Formulierung sachlich volle Zustimmung verdient, «doch scheint sie sich … nicht zur Aufnahme in das Gesetz zu eignen, weil sie scheinbar tautologisch klingt und der Auslegung bedarf» (Bericht und Vorentwurf S. 241). Im Vorentwurf SCHULTZ wird daher auf eine Definition der Gewerbsmässigkeit im Allgemeinen Teil des StGB verzichtet. .
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BGE 116 IV 319 S. 329
3.a) Die Definition der Gewerbsmässigkeit gemäss der langjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann nicht aufrechterhalten werden. Sie ist vor allem deshalb aufzugeben, weil darunter auch Handlungen fallen können, für welche die in verschiedenen Bestimmungen des StGB für gewerbsmässiges Handeln angedrohte Mindeststrafe – etwa von einem Jahr Zuchthaus gemäss Art. 144 Abs. 3, 148 Abs. 2, 156 Ziff. 2, 157 Ziff. 2 StGB – unverhältnismässig ist. Es kommt hinzu, dass die neu in Art. 19 Ziff. 2 BetmG und Art. 305bis Ziff. 2 StGB durch den Gesetzgeber aufgenommenen Qualifizierungsgründe (vgl. dazu oben E. 2c) auf eine Absage an die Gewerbsmässigkeitsdefinition des Bundesgerichts hinauslaufen. Durch eine restriktive Auslegung dieser Definition – etwa der Merkmale der «wiederholten» Verübung der Tat, des «Erwerbseinkommens», der «Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen bzw. in unbestimmt vielen Fällen zu handeln» – könnten zwar Härten teilweise vermieden werden. Zweckmässiger ist die Aufgabe der bisherigen Definition. .
b) Die Umschreibung der Gewerbsmässigkeit in einer vergleichsweise knappen, abstrakten Formel ist schwierig. Sie kann letztlich nur eine Richtlinienfunktion haben. Gewerbsmässigkeit kann, wie bis anhin (vgl. schon BGE 70 IV 16), nur dann gegeben sein, wenn erstens der Täter die Tat bereits mehrfach begangen hat; dieses Erfordernis dürfte sich schon aus dem Wortlaut von Art. 148 Abs. 2 StGB ergeben, in dem vom Täter die Rede ist, der den Betrug gewerbsmässig «betreibt». Sodann ist nach wie vor erforderlich, dass der Täter zweitens in der Absicht handelt, ein Erwerbseinkommen zu erlangen, und dass drittens aufgrund seiner Taten geschlossen werden muss, er sei zu einer Vielzahl von unter den fraglichen Tatbestand fallenden Handlungen bereit gewesen. Entscheidend und schwierig sind aber die Antworten auf die Fragen, welches Ausmass und welchen Umfang die bereits verübten und die künftigen Taten sowie das bereits erzielte und das angestrebte Einkommen haben müssen und aus welchen Umständen auf die Bereitschaft zu weiteren gleichartigen Delikten geschlossen werden darf. Der Richter hat bei der Entscheidung der Frage, ob im konkreten Fall Gewerbsmässigkeit gegeben sei, stets auch die Höhe der angedrohten Mindeststrafe zu berücksichtigen. Denn bei der Auslegung von .
Straftatbeständen ist auch der angedrohten Strafe Rechnung zu tragen (vgl. GERMANN, ZStrR 54/1940, S. 345 ff., derselbe, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Art. 1 N 9.2; BGE 106 IV 25). Dafür spricht bereits der Grundsatz .
BGE 116 IV 319 S. 330 der Verhältnismässigkeit, dem gerade auch im Strafrecht eine grosse Bedeutung zukommt, und das Schuldprinzip. Gewerbsmässigkeit darf daher nur bejaht werden, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, zu denen insbesondere auch der Deliktsbetrag gehört, die Ausfällung der im Gesetz angedrohten Mindeststrafe – bei gewerbsmässigem Betrug ein Jahr Zuchthaus – gerechtfertigt erscheint. Zu beachten ist überdies, dass der Richter auch im Rahmen des Grundtatbestandes eine Strafe von beispielsweise über einem Jahr aussprechen kann, wenn Unrechts- und Schuldgehalt der Tat dies erfordern. c) Es fällt auf, dass sich das Problem der Gewerbsmässigkeit bis heute kaum je bei Fällen aus der französischen und aus der italienischen Schweiz gestellt hat. Der Grund hiefür liegt offenbar darin, dass die entsprechenden Formulierungen in den romanischen Gesetzestexten «fait métier» bzw. «fa mestiere» wesentlich plastischer zum Ausdruck bringen, was mit Gewerbsmässigkeit gemeint ist. Die Qualifikation liegt im «berufsmässigen» Handeln. So werden im Kanton Genf beispielsweise wegen gewerbsmässigen Betrugs Täter verfolgt, die unter falschen Angaben gegenüber vielen Personen in grossem Stil Sammlungen organisieren, und werden wegen gewerbsmässigen Diebstahls Einbrecher verfolgt, die, gut organisiert, ganze Quartiere systematisch heimsuchen, oder Taschendiebe, die mit grossem Geschick ihrem Metier nachgehen und von den dabei erzielten Einkünften leben. 4. Im Begriff des berufsmässigen Handelns liegt der Ansatzpunkt für die neue Umschreibung der Gewerbsmässigkeit. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der
Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt. a) Diese abstrakte Umschreibung gilt für das gesamte Vermögensstrafrecht. Sie kann aber, wie gesagt (siehe vorn E. 3b), insoweit nur Richtlinienfunktion haben. Eine Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen Phänomene und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen bei den verschiedenen Delikten – z.B. ein Jahr Zuchthaus für gewerbsmässigen Betrug, drei Monate Gefängnis für gewerbsmässigen Diebstahl – nur für die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger Tatbestände möglich. Es liegt nämlich auf der Hand, .
BGE 116 IV 319 S. 331 dass je nach dem konkreten Tatvorgehen ein mehr oder weniger grosser Aufwand an Zeit und Mitteln zur Erzielung der angestrebten Einkünfte erforderlich ist. Kriterien wie «Planmässigkeit», «Organisation» etc., die in der Literatur als Definitionsmerkmale vorgeschlagen werden, können im Einzelfall ein Indiz für Gewerbsmässigkeit sein. Das Kriterium der «Organisation» weist allerdings, soweit damit das sogenannte «organisierte Verbrechen» unter Einbeziehung mehrerer Täter gemeint ist, eher auf Bandenmässigkeit hin. Zwar ist das sogenannte «organisierte Verbrechen» in der Regel ein typischer Fall des gewerbsmässigen bzw. berufsmässigen Verbrechens; doch kann auch der Einzeltäter gewerbsmässig handeln. Entscheidend ist, ob die deliktische Tätigkeit aufgrund der gesamten Umstände als berufsmässige erscheint. b) Es ist sodann entgegen der von verschiedenen Autoren vertretenen Auffassung nicht erforderlich, dass der Täter die deliktische Tätigkeit gewissermassen «hauptberuflich» oder etwa im Rahmen seines legalen Berufes oder Gewerbes betreibt; eine quasi «nebenberufliche» deliktische Tätigkeit kann als Voraussetzung für Gewerbsmässigkeit genügen. Zwar ist nicht zu übersehen, dass die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des gewerbsmässigen vom nicht gewerbsmässigen Handeln gerade auch durch
den Einbezug der «nebenberuflichen» deliktischen Tätigkeit unter den Begriff der Gewerbsmässigkeit entstehen, da es in diesem Fall zu bestimmen gilt, in welchem Verhältnis die deliktische zur nicht deliktischen Tätigkeit etwa in bezug auf den Zeitaufwand und insbesondere den Umfang des Einkommens stehen muss, damit noch von Gewerbsmässigkeit gesprochen werden kann. Es könnte sodann an sich genügen, die bloss, aber immerhin «nebenberufliche» deliktische Tätigkeit innerhalb des für den Grundtatbestand festgelegten Strafrahmens (bei Art. 144, 148, 156, 157 StGB: drei Tage Gefängnis bis fünf Jahre Zuchthaus), der bei Annahme wiederholter Tatverübung sich gemäss Art. 68 StGB um die Hälfte (auf 7 1/2 Jahre Zuchthaus) erweitert, straferhöhend zu berücksichtigen. Entscheidend ist aber, dass die besondere soziale Gefährlichkeit des Täters, welche dessen Unterstellung unter den Strafrahmen für den qualifizierten Tatbestand rechtfertigt, weniger davon abhängt, ob der Täter hauptberuflich oder nebenberuflich delinquiert, als vielmehr davon, aus welchen Gründen bzw. mit welcher Zielsetzung er die Straftaten verübt. So kann ein nebenberuflich delinquierender Täter bei hoher Zielsetzung mehr kriminelle Energie entwickeln und daher sozial gefährlicher sein als ein hauptberuflich .
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BGE 116 IV 319 S. 332 delinquierender Täter mit vergleichsweise bescheidenen Ansprüchen. Wesentlich ist nach der insoweit zutreffenden Auffassung von STRATENWERTH (op.cit., S. 105), dass der Täter «in der Delinquenz festgehalten» wird. Dies kann aber, je nach den Zielen des Täters und weiteren Umständen, auch bei nebenberuflicher deliktischer Tätigkeit der Fall sein. Der Verzicht auf eine nebenberufliche deliktische Tätigkeit kann, je nach den Umständen, schwerer fallen als die Aufgabe einer hauptberuflichen deliktischen Tätigkeit. .
c) Wesentlich für die Annahme von Gewerbsmässigkeit ist, dass der Täter durch die deliktischen Handlungen relativ regelmässige Einnahmen erzielt und anstrebt, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen. Gerade wenn der Täter, wie aus den gesamten Umständen geschlossen werden muss, «sich darauf eingerichtet
hat», durch deliktische Handlungen Einkünfte zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen, ist die soziale Gefährlichkeit gegeben. Dabei kann Gewerbsmässigkeit aber auch vorliegen, wenn sich der Täter vorgenommen hat, nur beispielsweise bis zur Erreichung eines bestimmten, aber doch relativ hochgesteckten finanziellen Ziels und somit lediglich für eine gewisse, aber immerhin längere Zeit gleichartige Straftaten zu verüben. Ob sich der Täter auf deliktische Tätigkeit eingerichtet hat, ist aufgrund der Umstände zu entscheiden. Auf die Bereitschaft zu deliktischer Tätigkeit in der Zukunft darf indessen nicht allein aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Täter die unter den fraglichen Tatbestand fallende Tat schon wiederholt bzw. mehrfach verübt hat; denn in diesem Fall wäre die Unterscheidung zwischen gewerbsmässigem Handeln einerseits und fortgesetztem oder wiederholtem Handeln anderseits faktisch aufgehoben. Hingegen sind aber die Anzahl bzw. die Häufigkeit der während eines bestimmten Zeitraums bereits verübten Taten, teilweise auch die Dauer der deliktischen Tätigkeit, relevante Umstände im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob sich der Täter darauf eingerichtet hat, durch Einkünfte aus deliktischer Tätigkeit einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung zu erzielen. Zu den insoweit relevanten Umständen können auch die Entwicklung eines bestimmten Systems bzw. einer bestimmten Methode, der Aufbau einer Organisation, die Vornahme von Investitionen usw. gehören. Bei diesen Umständen handelt es sich BGE 116 IV 319 S. 333 indessen nicht um notwendige Voraussetzungen für die Annahme von Gewerbsmässigkeit, sondern lediglich um Kriterien, die als Entscheidungshilfen dienen können im Rahmen der Beantwortung der wesentlichen Frage, ob der Täter sich auf deliktische Tätigkeit eingerichtet hat. Nicht erforderlich ist, hinsichtlich der bereits verübten Taten etwa in bezug auf deren Häufigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder in bezug auf den Deliktsbetrag oder bezüglich des Anteils der durch die Delikte erzielten Einnahmen am Gesamteinkommen Zahlen und Ziffern festzulegen. Die
Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums hängt ja unter anderem auch von der Höhe der durch die einzelnen Taten erzielten Einkünfte sowie etwa davon ab, ob für die einzelne Tat eine mehr oder weniger umfangreiche Planung und Vorbereitung erforderlich ist. Der Sachrichter wird bei der Entscheidung der Frage, ob gewerbsmässiges Handeln gegeben sei oder nicht, stets die im zu würdigenden Tatbestand für gewerbsmässiges Handeln angedrohte Mindeststrafe beachten (vgl. oben E. 3b). Da die Umschreibung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit zwangsläufig vage ist und daher, wie erwähnt, nur eine Richtlinienfunktion haben kann, wird der Sachrichter die Gewerbsmässigkeit verneinen, wenn die eingeklagten Taten unter den gegebenen Umständen zwar bei formaler Betrachtungsweise unter die Umschreibung des Begriffs fallen, die angedrohte Strafe aber im konkreten Fall, insbesondere angesichts des Deliktsbetrages, unter Berücksichtigung der für den Grundtatbestand angedrohten Mindeststrafe als zu hoch erscheint, weil der Fall nicht schwer genug wiegt. Daher können etwa beim gewerbsmässigen Diebstahl angesichts der im Vergleich zu andern gewerbsmässigen Straftaten gegen das Eigentum und das Vermögen vergleichsweise niedrigen Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis weniger hohe Anforderungen an die Gewerbsmässigkeit gestellt werden als etwa bei Hehlerei, Betrug, Erpressung und Wucher. .
d) Die asoziale Grundhaltung des Täters ist nicht eine selbständige Voraussetzung der Gewerbsmässigkeit. Die asoziale Grundhaltung bzw. die soziale Entfremdung kann allenfalls für die Frage von Bedeutung sein, ob an Stelle des Strafvollzugs eine Massnahme anzuordnen sei. Auch der Täter, der sich in einer Notlage, etwa weil er (teil)arbeitslos geworden ist, darauf einrichtet, fortan bis zum ungewissen bzw. unbestimmten Ende dieser Notlage durch Einkünfte aus deliktischer Tätigkeit einen namhaften Beitrag an .
BGE 116 IV 319 S. 334 die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung zu erzielen, kann gewerbsmässig handeln. 5.
Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ist im vorliegenden Fall die
Gewerbsmässigkeit im Sinne von Art. 148 Abs. 2 StGB nach der im Ergebnis zutreffenden Auffassung der Vorinstanzen zu verneinen. Die Beschwerdegegner begingen innerhalb von 16 Monaten 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil der Interio AG und je einen Versicherungsbetrug zum Nachteil der Secura Versicherung und der Europäischen Reise-Versicherungs AG. Die Häufigkeit der gleichartigen Straftaten innerhalb eines bestimmten Zeitraums spricht für die Annahme von Gewerbsmässigkeit. Die Beschwerdegegner begannen mit diesen Straftaten, weil die Beschwerdegegnerin 2 wegen Schwangerschaft ihre Erwerbstätigkeit aufgeben musste und das Einkommen des Beschwerdegegners 1 allein zur Tilgung der Kleinkreditschulden und zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausreichte. Das spricht nicht gegen Gewerbsmässigkeit. Der Umstand, dass die Beschwerdegegner im wesentlichen stets gegen die gleiche Unternehmung, die Interio AG, vorgingen, spricht ebenfalls nicht notwendigerweise gegen die Annahme von Gewerbsmässigkeit. Gewerbsmässig kann auch der Täter handeln, der stets gegen die gleiche, grosse Unternehmung vorgeht, etwa weil er mit deren Strukturen vertraut ist und sich das von ihm angewandte System insoweit bewährt hat (vgl. etwa den BGE 115 IV 34 ff. zugrunde liegenden Sachverhalt: organisierter Missbrauch von Kreditkarten). Das Vorgehen der Beschwerdegegner gegen die Interio AG beruhte auf einem gewissen System, erforderte eine gewisse Organisation, die Aufwendung von Zeit (Reisen in verschiedene Filialen der Interio AG) und den Einsatz von Mitteln (Kauf der Waren, die dann wieder zurückgebracht werden sollten). Das Tatvorgehen war insoweit aber ziemlich umständlich, auch wenn in zwei Fällen zur Rückgabe der gekauften Möbel Drittpersonen eingesetzt werden konnten, und es war wenig ergiebig, erst recht, wenn die eingesetzten Drittpersonen für ihre Dienste belohnt werden mussten. Es ist zweifelhaft, ob diese Umstände den Schluss zulassen, dass sich die Beschwerdegegner für längere Zeit auf eine betrügerische Tätigkeit eingerichtet hatten; wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass unter Mitberücksichtigung der beiden Versicherungsbetrüge der Deliktsbetrag total lediglich rund Fr. 8300.– ausmacht und dass die beiden Beschwerdegegner somit im Verlauf von .
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BGE 116 IV 319 S. 335 16 Monaten lediglich Bruttoeinnahmen von durchschnittlich etwas über Fr. 250.– pro Kopf und Monat erzielten. Diese Beträge sind sowohl absolut als auch relativ, d.h. als Beitrag an die Kosten zur Finanzierung der Lebensgestaltung, derart niedrig, dass angesichts der in Art. 148 Abs. 2 StGB angedrohten Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus nicht Gewerbsmässigkeit im Sinne dieser Bestimmung angenommen werden darf. Die Beschwerdegegner manifestierten durch die ihnen zur Last gelegten Taten nicht jenes Mass an krimineller Energie einerseits und sozialer Gefährlichkeit anderseits, wie sie einem gewerbsmässigen Betrüger eigen sind. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.
BGE 116 IV 343 64. Urteil des Kassationshofes vom 14. Juni 1990 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 110 Ziff. 5 und Art. 251 StGB; Urkundenfälschung. Nicht die mittels eines Computers auf elektromagnetischen Datenträgern gespeicherten Daten als solche, sondern deren Erscheinungsbild in der Form des Ausdrucks oder der Bildschirmanzeige (sog. Output) können als Schriften und Zeichen im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB betrachtet werden und damit, soweit sie deren übrige Voraussetzungen erfüllen, Urkunden darstellen (Präzisierung der Rechtsprechung). Voraussetzungen, unter denen bei einer Bildschirmanzeige die für eine Schrift erforderliche Beständigkeit bejaht werden kann (E. 5b). Beweiseignung der Wiedergabe einer Gutschrift oder des Standes eines Bankkontos mittels Computerausdruck oder Bildschirmanzeige (E. 6). .
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Sachverhalt ab Seite 344 BGE 116 IV 343 S. 344 A. H., tätig in der Bankbuchhaltung des Schweizerischen Bankvereins in Zürich, kam Mitte September 1986 mit den nicht in diesem Betrieb beschäftigten R. und M. überein, mittels der Datenverarbeitungsanlage der Bank Gutschriften auf von R. und M. noch zu eröffnende Konten zu überweisen. Am 24. September 1986 speicherte H. in dieser Absicht unter Verwendung seiner Legitimationskarte sowie des Codes TB 401 in dem an seinem Arbeitsplatz stehenden Terminal – ohne einen entsprechenden Auftrag dieses Bankkunden – zulasten der Republic National Bank / New York die Überweisung von Fr. 3 148 920.15 auf das tags zuvor durch M. eröffnete Kontokorrent sowie Fr. 3 551 250.20 auf das von R. eröffnete Kontokorrent. .
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Anschliessend bestätigte er in Überschreitung seiner Kompetenzen und unter Verwendung der seinem Arbeitskollegen P. entwendeten Legitimationskarte sowie des Codes TB 421 die Transaktionen auf einem in einem anderen Raum stehenden Terminal. R. versuchte in der Folge erfolglos – der Kassier hatte Verdacht geschöpft –, einen Betrag von Fr. 42 000.– von seinem Kontokorrent zu beziehen. Demgegenüber gelang es M., einen Betrag von Fr. 74 400.– von dem von ihm eröffneten Konto abzuheben. M. leaste zudem ein Auto, welches er verkaufte, ohne dazu ermächtigt zu sein. B. Am 7. Februar 1990 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich M. wegen Urkundenfälschung und Veruntreuung zu 18 Monaten Gefängnis, ohne ihm den bedingten Strafvollzug zu gewähren. C. Mit eidgenössicher Nichtigkeitsbeschwerde beantragt M., das Urteil des Obergerichts aufzuheben und ihn vom Vorwurf der Urkundenfälschung freizusprechen. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. BGE 116 IV 343 S. 345 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist rein kassatorischer Natur (Art. 277ter Abs. 1 BStP); soweit der Beschwerdeführer daher mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, ist er nicht zu hören.
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2.a) Der Beschwerdeführer pflichtet der Darstellung der Vorinstanz bei, wonach er mit R. und H. den Tatentschluss gefasst und H. die Tat auch in ihrem Interesse ausgeführt habe, womit alle drei als Hauptbeteiligte und somit als Mittäter zu betrachten seien. Beanstandet werde einzig die Qualifizierung
der von H. getätigten Computermanipulation als Urkundenfälschung, denn dies verletze Art. 1, 110 Ziff. 5 und 251 StGB sowie Art. 7 EMRK; Art. 251 StGB sei auf einen Fall der sogenannten Computerkriminalität nicht anwendbar, weil hier gar keine Schrift und damit auch keine Urkunde vorliege. b) Nicht angefochten und daher nicht zu prüfen ist die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Veruntreuung. 3. Der Art. 251 StGB zugrunde liegende Urkundenbegriff ergibt sich aus Art. 110 Ziff. 5 StGB. Nach dieser Bestimmung sind Urkunden «Schriften, die bestimmt oder geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache rechtlicher Bedeutung zu beweisen». a) In BGE 111 IV 121 f. E. 4 erkannte das Bundesgericht, die unmittelbare Lesbarkeit gehöre nicht zum Begriff der Urkunde; auch auf elektromagnetischen Trägern gespeicherte Daten seien Schriften oder Zeichen im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB, denn es genüge, dass die Zeichen elektronisch oder optisch sichtbar gemacht werden könnten. Diese Rechtsprechung wurde von verschiedenen Autoren kritisiert (JENNY, Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 124 (1988) 393 f.; SCHULTZ, in ZBJV 123 (1987), 38 f.; TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, Art. 1 N. 23; in der Tendenz eher zustimmend dagegen ROTH, SJ 1987 S. 100). Sie halten eine Auslegung, die auf elektronischen Datenträgern gespeicherte Daten grundsätzlich als Schriften im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB betrachtet, mit Art. 1 StGB nicht vereinbar. .
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b) Es ist einzuräumen, dass sich der Vorgang beim Lesen eines Microfilms mittels eines Vergrösserungsgeräts nicht mit dem Sichtbarmachen von elektromagnetisch gespeicherten Daten in der Form einer Bildschirmanzeige oder eines Ausdrucks vergleichen BGE 116 IV 343 S. 346 lässt, wovon im zitierten Bundesgerichtsentscheid ausgegangen wurde. Wie JENNY (a. a. O., S. 427) zutreffend anführt, geht es dort immer nur .
darum, Aussagen lesbar zu machen, die bereits in Schrift- oder Zeichenform festgehalten sind, während hier auf andere Weise fixierte Erklärungen erst in die Schriftform transferiert werden; im ersten Fall wird nichtlesbare Schrift zu lesbarer Schrift, im zweiten dagegen Nicht-Schrift zu Schrift. Soweit in BGE 111 IV 121 E. 4 auf elektronischen Datenträgern gespeicherte Daten als Schrift betrachtet wurden, kann daran daher nicht weiter festgehalten werden. Auch der stetige und sehr rasche technische Fortschritt in diesem Bereich (vgl. dazu unten E. 6a) gebietet, solche Daten nicht als Urkunden zu betrachten, da der Datenträger und die Art und Weise der Aufzeichung sowie der Abrufung der Daten sehr unterschiedlich sein können. Der Urkundencharakter von Computerdaten wurde im zitierten Bundesgerichtsentscheid (S. 122 oben) hingegen auch mit der als entscheidend bezeichneten Tatsache begründet, dass die mit Hilfe elektronischer oder optischer Mittel lesbar gemachten Daten bestimmt und geeignet seien, eine Tatsache rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Zur Beurteilung der Beweisbestimmung und -eignung als weitere Voraussetzungen der Urkundenqualität wurde damit nicht auf die Daten als solche, sondern auf ihr Erscheinungsbild, wenn sie lesbar gemacht sind, abgestellt. Eine andere Möglichkeit besteht denn auch nicht. Nur in der Form, in der auf Datenträgern gespeicherte Daten im Geschäftverkehr in Erscheinung treten, können sie zum Beweise bestimmt und geeignet sein. .
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c) Daraus wird deutlich, dass, wenn die Daten selber auch nicht als eine Schrift angesehen werden können, noch nicht gesagt ist, deren Veränderung könne keine Urkundenfälschung sein. Vielmehr fragt sich, ob ihr Erscheinungsbild im Geschäftsverkehr – nach der Sichtbarmachung – eine Urkunde und dessen Veränderung durch Abänderung der Daten eine Urkundenfälschung darstellen kann. Wie darzulegen sein wird, ist diese Frage grundsätzlich zu bejahen (so auch SCHMID, Erfassung von Missbräuchen im Bereich des bargeldlosen, insbesondere elektronisch abgewickelten Zahlungsund Kreditverkehrs, ZStrR 104/1987 S. 135 ff.), weshalb BGE 111 IV 121 E. 4 lediglich entsprechend zu präzisieren ist. .
4.a) In Fällen wie dem BGE 111 IV 121 zugrundeliegenden und dem hier zu
beurteilenden handelt es sich im wesentlichen um BGE 116 IV 343 S. 347 die folgenden Operationen, die auf einer Computeranlage ausgeführt werden. In einer ersten Phase stellt der Bankangestellte – in der Regel auf Grund von schriftlich vorliegenden Belegen – das Vorhandensein einer Schuld oder eines Guthabens fest. Diese schriftlichen Eingabebelege setzt er elektronisch um, indem er sie bestimmten Konten belastet bzw. diesen gutschreibt. Zu diesem Zweck bedient er sich einer Tastatur; die Eingaben verfolgt er gleichzeitig auf dem Bildschirm, wo sie sichtbar sind. Zur Kontrolle muss ein anderer Mitarbeiter anschliessend die vorgenommene Buchung, nachdem er sie auf seinem eigenen Bildschirm sichtbar gemacht hat, überprüfen und durch entsprechende Eingaben über seine Tastatur bestätigen. Das Resultat ihrer mittels Tastatur erfolgten Eingaben können die Beteiligten unmittelbar auf dem Bildschirm verfolgen. Nach erfolgter Bestätigung der Buchung kann diese nur noch nach einem genau bestimmten Verfahren geändert werden, welches registriert wird. Unter diesen Umständen geniessen die gespeicherten Eingaben eine erhöhte Sicherheit. Dies besonders dann, wenn – wie hier – die einzelnen Mitarbeiter nur mit ihrer persönlichen Legitimationskarte sowie mit einem für sie bestimmten Code Zugang zu den Daten erhalten. Will der Kontoinhaber nun von seinem Konto einen Betrag abheben, macht der dafür zuständige Bankangestellte die von seinen Kollegen eingegebenen Daten auf seinem Bildschirm sichtbar. Angesichts der Zuverlässigkeit des Systems und der vorhandenen Sicherungen bei der Dateneingabe und -verwaltung nimmt er die vom Kunden verlangte Operation allein gestützt auf die Bildschirmanzeige vor, auf deren Richtigkeit er aufgrund der Richtlinien oder der Übung im entsprechenden Betrieb vertrauen darf. b) In gleicher Weise ging auch der Beschwerdeführer bzw. sein Mittäter vor (vgl. oben den Sachverhalt unter A.). Es wurde durch Überschreitung der Kompetenz des Mittäters und unter missbräuchlicher Verwendung der Legitimationskarte sowie des Codes eines dritten Mitarbeiters der Bank .
vorgetäuscht, die Gutschriften auf den Bankkonten des Beschwerdeführers und eines weiteren Mittäters seien durch hierzu in jeder Hinsicht befugte Bankangestellte ordnungsgemäss verbucht worden. Gleichzeitig wurde auch vorgespiegelt, der entsprechend höhere Saldo zugunsten der Kontoinhaber beruhe auf befugterweise vorgenommenen Buchungen. Mit anderen Worten wurde, wenn die weiteren Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind, eine unechte Urkunde hergestellt, indem BGE 116 IV 343 S. 348 buchungsberechtigte Bankangestellte als Aussteller vorgetäuscht wurden. Als der für Auszahlungen zuständige Bankbeamte den Kontostand des Beschwerdeführers konsultierte, sei dies mittels Bildschirmanzeige oder eines Ausdrucks, schien entweder direkt die gefälschte Gutschrift oder der dadurch gefälschte Kontostand auf; wie sich dies im einzelnen tatsächlich abspielte, stellte die Vorinstanz nicht fest, ist indes ohne Belang. Dass der Beschwerdeführer und seine beiden Mittäter genau dies beabsichtigten und dass sie sich dadurch die gewünschten Auszahlungen und damit einen unrechtmässigen Vorteil im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB verschafften, ist unbestritten. 5. Es fragt sich nun, ob die Bildschirmanzeige und / oder der Ausdruck einer Gutschrift oder eines Kontostandes, wie sie hier in Betracht fallen, eine Schrifturkunde im Sinne des Gesetzes darstellen. .
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a) Zunächst ist festzuhalten, dass beide das Erscheinungsbild der Daten der EDV-Anlage als Datenträger sind, die durch den Beschwerdeführer bzw. seinen Mittäter verändert wurden. Weil er oder sein Mittäter die Daten abänderten, sind sie damit auch ohne weiteres als Urheber des veränderten Erscheinungsbildes dieser Daten zu betrachten. Auch wenn sie nicht selber die Bildschirmanzeige oder den Ausdruck, den der zuständige Bankbeamte dann zu Rate zog, herstellten, d.h. nicht die Tastatur der Anlage hierzu entsprechend betätigten, so haben sie doch als deren Urheber zu gelten. Sie veränderten die Daten und benützten entsprechend ihrem Tatplan den Angestellten am Bankschalter für die Herstellung der Anzeige oder des
Ausdrucks als Tatmittler, ähnlich wie derjenige, der eine vorher unbemerkt abgeänderte Erklärung durch den Erklärenden unterzeichnen lässt. b) Der Ausdruck stellt ohne weiteres ein Schriftstück dar. Es fragt sich indessen, ob dies auch auf die Bildschirmanzeige zutrifft. Die Lehrmeinungen dazu sind kontrovers. STRATENWERTH (Strafrecht Besonderer Teil II, § 37 N. 6 mit Verweisung auf ROHNER, Computerkriminalität, S. 75 f.) ist der Auffassung, solange die gespeicherten Informationen nicht ausgedruckt würden, handle es sich nicht um verkörperte Schriftzeichen. Anders WALDER (Falsche schriftliche Erklärungen im Strafrecht, ZStrR 99/1982, S. 78 Fn. 19) und SCHMID (Registriervorrichtungen und ihre Aufzeichnungen im Urkundenstrafrecht, SJZ 64/1968 97 ff.), nach denen «Registrierungen» auf Magnetspeichern dann wohl noch als Schriften (oder Zeichen) und damit allenfalls als Urkunden .
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BGE 116 IV 343 S. 349 anzusehen sind, wenn sie über ein Gerät mit Bildschirm (oder Drucker) lesbar gemacht werden könnten; die Perpetuierung sei damit sichergestellt. Letzterem ist jedenfalls für Systeme beizupflichten, bei denen die Daten genügend gegen unbeabsichtigte Löschung oder Veränderung gesichert und jederzeit lesbar gemacht werden können. Diese einschränkenden Bedingungen treffen hier zu, einerseits schon weil das EDV-System sonst zu dem Zwecke, zu welchem es eingesetzt wird, gar nicht tauglich wäre (vgl. im übrigen E. 4 oben). Andererseits müssen die zu stellenden Bedingungen, soweit es um die aufzubewahrende Buchhaltung einer buchführungspflichtigen Firma geht, von Gesetzes wegen erfüllt sein (Art. 962 OR; Verordnung des Bundesrates über die Aufzeichnung von aufzubewahrenden Unterlagen vom 2. Juni 1976, SR 221.431, und Richtlinien des Bundesamtes für Justiz und der Eidgenössischen Steuerverwaltung dazu, abgedruckt z.B. bei KÄFER, Berner Kommentar zu Art. 962/963 OR S. 1272 ff.). Nach diesen Richtlinien (Ziff. 3.1) genügt die Lesbarkeit mittels eines Bildschirms. Die hier in Frage stehende Bildschirmanzeige kann mithin als ein Schriftstück im Sinne der Legaldefinition der Urkunde angesehen werden. Weil diese grundsätzlich immer wieder in unveränderter Weise hergestellt .
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werden kann, kann die erforderliche Beständigkeit bejaht werden. c) Aus dem Erfordernis der «Schrift» ergibt sich aber auch, dass eine Urkunde eine Erklärung verkörpern, einen gedanklichen Inhalt haben muss und nur in dieser Hinsicht Urkunde ist. Wenn eine Aufzeichnung als das Ergebnis einer automatischen Registrierung oder Verarbeitung von Daten erscheint, also ihrem Inhalt nach nicht vom Menschen herrührt, liegt keine Urkunde vor. Wo die Maschine nur Rechen- oder Schreibhilfe leistet, also unmittelbar menschliche Gedanken wiedergibt – wie beim Kontrollstreifen der Registrierkasse (BGE 91 IV 7), beim Telexapparat oder dem Schreibautomaten – kann das Erzeugnis jedoch eine Urkunde sein (STRATENWERTH, a.a.O., § 37 N. 7 und 8; HAUSER / REHBERG, Strafrecht IV, S. 166). Wenn eine genaue Abgrenzung auch Schwierigkeiten bereiten kann, so geht es im vorliegenden Fall doch zweifellos um eine Erklärung, d.h. um einen gedanklichen Inhalt. Die EDV-Anlage wurde als Schreibhilfe eingesetzt, um die Gutschrift zu verbuchen und daneben hatte sie lediglich noch eine einfache Addition durchzuführen, damit der massgebliche Kontostand am Bildschirm oder .
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BGE 116 IV 343 S. 350 im Ausdruck aufschien. Es liegt daher ohne weiteres die Wiedergabe eines unmittelbar menschlichen Gedankens vor. Danach erfüllen der Ausdruck und auch die in Frage stehende Bildschirmanzeige unter den Umständen des vorliegenden Falles die Voraussetzungen einer Schrift. 6. Art. 251 StGB in Verbindung mit Art. 110 Ziff. 5 StGB schützt das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird (BGE 114 IV 29 E. c). Zwar ist einzuräumen, dass der Gesetzgeber bei Erlass dieser Bestimmungen die elektromagnetische Bearbeitung und Aufbewahrung von Daten nicht voraussehen und damit auch nicht miteinbeziehen konnte, was aber einer zeitgemässen Auslegung nicht im Wege steht. Eine solche Auslegung widerspricht Art. 1 StGB oder Art. 7 .
EMRK nicht; problematisch unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes nullum crimen sine lege wäre nur die hier aufgegebene Auffassung, dass die Daten als solche eine Schrift darstellen. Die Urkunde ist geschützt, weil sie ein Beweismittel ist; allerdings geht es auch um das erhöhte Vertrauen, das die Urkunde geniesst (STRATENWERTH, a.a.O., S. 162 oben). Mittel zum Beweis kann aber nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu erbringen (BGE 103 IV 25, BGE 102 IV 34 und BGE 101 IV 279). Ob und inwieweit einer Schrift Beweiseignung zukommt, bestimmt sich nach dem Gesetz und auch nach der Verkehrsübung (BGE 114 IV 28 E. 2 mit Hinweisen). .
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a) Gemäss Gesetz kommt auch bei einer auf Datenträgern gespeicherten Buchhaltung den Aufzeichnungen und den Wiedergaben (einschliesslich Bildschirmanzeige) Beweiskraft zu (Art. 962 OR und oben unter E. 5a zitierte Verordnung sowie Richtlinien; Art. 963 OR; KÄFER, Berner Kommentar, N 141 ff. zu Art. 963 OR; BOSSARD, Zürcher Kommentar, N 48 zu Art. 963 OR). Es kann hier letztlich offenbleiben, ob die streitige Bildschirmanzeige oder der Ausdruck in dem Sinne Bestandteile der Buchhaltung bilden, da ihnen diese zivilrechtliche Beweiskraft von Gesetzes wegen zukommt. Ihre Beweiseignung im Sinne des strafrechtlichen Urkundenbegriffs ist jedenfalls aufgrund der Verkehrsübung zu bejahen. .
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b) Elektronisch gespeicherte Daten haben heute bereits weitgehend die schriftlichen Beweismittel zur Abwicklung des Rechtsverkehrs ersetzt (DIETHART ZIELINSKI, Urkundenfälschung durch Computer, in Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, München
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BGE 116 IV 343 S. 351 1989, S. 620). Immer häufiger werden keine Schrifturkunden im herkömmlichen Sinn mehr ausgetauscht, sondern die entsprechenden Daten papierlos und optisch nicht wahrnehmbar gespeichert, allenfalls zu neuen Daten umgeformt und wieder gespeichert, sodann von Computer zu Computer übermittelt, dort gelesen, weiterverarbeitet und wieder gespeichert. Die Selbstverständlichkeit solcher Datenübermittlungen führt dazu, dass man im
täglichen Gebrauch den Ausdrucken von elektromagnetisch gespeicherten Daten und, wo kein Ausdruck erfolgt, den Bildschirmanzeigen, also dem Output, nicht weniger Vertrauen entgegenbringt als entsprechenden Schriftstücken. – Dies gilt indessen aufgrund der technischen Entwicklung nicht nur für den Output von elektromagnetisch gespeicherten, sondern auch für denjenigen von optoelektrisch gelesenen Daten: In neuester Zeit werden Dokumente vermehrt auch auf Compact-Disks (CD) gespeichert, auf welchen die Informationen wie bei der herkömmlichen Schallplatte – der die Urkundenqualität einzig deshalb abgesprochen wurde, weil die auf ihr enthaltenen Informationen nur durch Hören, nicht aber durch Sehen erkennbar sind (HAEFLIGER, Der Begriff der Urkunde im schweizerischen Strafrecht, Basel 1952) – mechanisch eingeprägt werden sowie mittels eines Laserstrahls abgelesen und auf einem Bildschirm sichtbar gemacht werden können; hier ist der Aufzeichnungsvorgang mechanisch, der Lesevorgang optoelektronisch. Nach Verkehrsübung, insbesondere aufgrund der entsprechenden, unbestrittenen Handhabung in der betroffenen Bank (siehe auch oben E. 4a.E.) war also die massgebliche Bildschirmanzeige oder der Ausdruck – als Erscheinungsbild elektromagnetisch gespeicherter Daten – durchaus geeignet, die erfolgte Gutschrift bzw. den Kontostand zu beweisen bzw. das erhöhte Vertrauen, das eine Urkunde geniesst, zu begründen. .
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c) Nach herrschender Lehre muss eine Schrift noch ein weiteres, in der Legaldefinition nicht enthaltenes Erfordernis erfüllen: Es muss der Aussteller erkennbar sein (STRATENWERTH, a.a.O., § 37 N 20 ff.; HAUSER / REHBERG, a.a.O., S. 167; TRECHSEL, Kurzkommentar zum StGB, Vor Art. 251 N. 9 mit weiteren Verweisungen). Es kann offengelassen werden, ob dieser Meinung zu folgen oder am bisherigen gegenteiligen Standpunkt des Bundesgerichts (BGE 70 IV 171) festzuhalten ist, weil hier auch diese Erkennbarkeit des Ausstellers zu bejahen ist. Dank der mittels Legitimationskarten und Codes in der Weise vorgenommenen Absicherung, dass nur dazu berechtigte Bankangestellte .
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BGE 116 IV 343 S. 352 Buchungen auf den einzelnen Konten ausführen können, und der
Erschwerung des Unterlaufens dieser Sicherung mit dem Erfordernis der doppelten Buchung (vgl. oben E. 4), darf der Bankangestellte, der vor einer Auszahlung den Kontostand des Klienten zu Rate zieht, darauf vertrauen, dieser beruhe ausschliesslich auf durch befugte Personen getätigten Buchungen. Wenn der oder die Aussteller aus der Bildschirmanzeige oder dem Ausdruck auch nicht ersichtlich sind, treten aufgrund des bekannten Sicherungssystems doch die buchungsbefugten Bankbeamten als Garanten für die erfolgten Buchungen auf und besteht daher zumindest der Anschein, dass sich eine bestimmte Person – nämlich die besagten Bankbeamten – zur Schrifturkunde bekenne, der wesentlich ist (STRATENWERTH, a.a.O., § 37 N 22). Die Beweiseignung der hier in Frage stehenden Wiedergabe der Gutschrift oder des Kontostandes ist mithin auch in der Weise gegeben, dass davon ausgegangen werden durfte, dieser sei nicht das Resultat beliebiger Buchungen, sondern nur von solchen aus der Hand buchungsberechtigter Bankangestellter. .
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7. Zusammenfassend kann gesagt werden, im heutigen Geschäftsleben werde Bildschirmanzeigen bzw. Ausdrucken von elektromagnetisch gespeicherten Daten, jedenfalls dort, wo die dargelegten notwendigen Sicherungssysteme bestehen, nicht weniger Vertrauen entgegengebracht als entsprechenden Schriftstücken. Der Schutzzweck der Art. 110 Ziff. 5 und 251 StGB erlaubt es daher zwar nicht, elektromagnetisch gespeicherte Daten als solche, aber unter den erwähnten Voraussetzungen deren Schriftform aufweisende Bildschirmanzeige oder Ausdruck als Urkunde zu betrachten. Wenn daher der Beschwerdeführer bzw. sein Mittäter, ohne dazu berechtigt zu sein, die elektromagnetisch gespeicherten Daten eines Kontokorrents durch Eingabe neuer Daten veränderte und auf diesem Weg einen falschen Computer-Output bewirkte, um ihm nicht zustehende Zahlungen zu erwirken, erfüllte er den Tatbestand der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist. 8. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich aufgrund des vorliegenden Entscheides eine spezielle Bestimmung über die strafrechtliche Erfassung von
Computermanipulationen keineswegs erübrigt, da trotz der Anwendbarkeit von Art. 251 StGB auf Sachverhalte wie den vorliegenden Strafbarkeitslücken (vgl. etwa Bericht des EJPD zum Vorentwurf über die Änderung des .
BGE 116 IV 343 S. 353 Strafgesetzbuches, Art. 47: Betrügerischer Missbrauch von Datenverarbeitungsanlagen; STRATENWERTH, Computerbetrug, ZStrR 1981, S. 229 ff.; ULRICH SIEBER, Computerkriminalität und Strafrecht, Nachtrag 1980, 2/20 ff. mit zahlreichen Hinweisen) verbleiben, welche auszufüllen allein Sache des Gesetzgebers sein kann. Die vorliegende Begründung zeigt überdies, dass das geltende Recht den Richter mit Schwierigkeiten konfrontiert, die sich bei einer zeitgemässen Gesetzgebung vermeiden liessen.
BGE 117 IV 139 29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Mai 1991 i. S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 148 StGB. Betrug beim Verkauf von Betäubungsmitteln. 1. Arglist beim Verkauf von übermässig gestrecktem Heroin zum «handelsüblichen» Preis für durchschnittlich gestrecktes Heroin (E. 1). 2. Ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB ist nur insoweit gegeben, als der arglistig Getäuschte einen rechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils hat. Diesen Ausgleich kann der arglistig getäuschte Betäubungsmittelkäufer nach Art. 41 OR beanspruchen (E. 3; Änderung der Rechtsprechung, BGE 69 IV 75, hinsichtlich der Begründung). 3. Strafzumessung. Anforderung an die Begründung (E. 4). .
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Sachverhalt ab Seite 140 BGE 117 IV 139 S. 140 A. Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte X. am 18. September 1990 in Bestätigung des Entscheides des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 27. Oktober 1989 wegen fortgesetzten Betrugs (Art. 148 Abs. 1 StGB) und wegen fortgesetzter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von dessen Art. 19 Ziff. 1 und 2 (unter anderem durch Verkauf von insgesamt 234 g Heroin) zu 4 Jahren und 9 Monaten Zuchthaus, abzüglich 126 Tage Untersuchungshaft. Es verwies ihn für die Dauer von 15 Jahren des Landes und widerrief den ihm gewährten bedingten Strafvollzug hinsichtlich der einjährigen Gefängnisstrafe gemäss Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 28. Januar 1987. Zudem wurde unter anderem der beschlagnahmte Drogenerlös von Fr. 11 402.65 .
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eingezogen. Die Verurteilung wegen fortgesetzten Betrugs beruht auf folgendem Sachverhalt: X. streckte im August 1988 40 g Heroin mit 15 g Milchpulver und verkaufte den gestreckten Stoff mit einem Gewinn von Fr. 9500.– zum Teil direkt, zum Teil durch einen Mittelsmann an Z. X. streckte zudem am 14. Oktober 1988 40 g Heroin mit 59 g Milchpulver und übergab den gestreckten Stoff einem Mittelsmann zum Verkauf an Z. Dieser Stoff konnte noch beim Mittelsmann sichergestellt werden. BGE 117 IV 139 S. 141 Aus der Begründung des Obergerichtsurteils ergibt sich, dass die Vorinstanz im zweiten Fall entgegen dem durch das Urteilsdispositiv erweckten Anschein lediglich einen vollendeten Versuch des Betrugs angenommen hat. B. Der Verurteilte ficht den Entscheid des Obergerichts sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde an. Mit der letzteren stellt er den Antrag, der Schuldspruch wegen fortgesetzten Betrugs sei aufzuheben und die Sache sei insoweit zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er beantragt zudem, das Strafmass sei zu überprüfen und es sei keine oder allenfalls eine bedingt vollziehbare Landesverweisung auszusprechen. Er ersucht um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. C. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 1. Die Vorinstanz hält im angefochtenen Urteil fest, dass der Beschwerdeführer den Vorwurf des Betrugs einzig mit der Begründung bestritten habe, es fehle an einer arglistigen Täuschung.
Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid hat der Beschwerdeführer überdurchschnittlich gestrecktes Heroin zum Preis von durchschnittlich gestrecktem Heroin verkauft bzw. zu verkaufen versucht. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich (Art. 273 Abs. 1 lit. b, Art. 277bis BStP). .
a) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid erweckte der Beschwerdeführer dadurch, dass er den handelsüblichen Preis für durchschnittlich gestreckten Stoff verlangte, beim Käufer den falschen Eindruck, es handle sich beim fraglichen Stoff um solchen durchschnittlicher Qualität. Diese Täuschung des – gemäss den Feststellungen der Vorinstanz preis- und qualitätsbewussten – Käufers über den Reinheitsgehalt bzw. den Streckungsgrad des Stoffes ist nach den weiteren Erwägungen im angefochtenen Urteil arglistig. Die Vorinstanz begründet die Arglist unter praktisch wörtlicher Übernahme einer in BGE 111 IV 58 f. E. 2d enthaltenen Erwägung damit, dass der Reinheitsgehalt des Stoffes bei Abwicklung des Kaufgeschäfts nicht sogleich und mühelos überprüft werden konnte, da die Beimischung von BGE 117 IV 139 S. 142 Milchpulver weder farblich noch am Geruch erkennbar war und die Qualität der Droge somit erst beim Konsum, d.h. nach dem Erwerb derselben, festgestellt werden konnte. b) Die Ausführungen der Vorinstanz zur arglistigen Täuschung stimmen mit den Erwägungen in BGE 111 IV 55 ff. überein und verstossen nicht gegen Bundesrecht. Die diesbezüglichen Einwände in der Nichtigkeitsbeschwerde gehen an der Sache vorbei und stützen sich auf einen Sachverhalt, der im Widerspruch zu den für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz steht. Die Täuschung über den Reinheitsgehalt des vom Beschwerdeführer verkauften bzw. zum Kauf angebotenen Heroins ist im übrigen nicht nur deshalb im Sinne von Art. 148 StGB arglistig, weil, wie die
Vorinstanz unter Bezugnahme auf BGE 111 IV 58/59 ausführt, die Beimischung des Milchpulvers weder farblich noch am Geruch, sondern erst beim Konsum und damit nach dem Kauf des Stoffes erkannt werden konnte; die Täuschung ist zudem auch deshalb arglistig, weil der Beschwerdeführer und Z. schon seit einiger Zeit einen regen Drogenhandel miteinander betrieben, der, von einem einzigen Fall abgesehen, offenbar bestens geklappt hatte, so dass zwischen dem Beschwerdeführer und Z. – trotz den im Drogenhandel herrschenden rauheren Sitten – im Zeitpunkt der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Geschäfte ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand, aufgrund dessen der Beschwerdeführer voraussehen konnte, dass der betäubungsmittelabhängige Z. eine Überprüfung der Droge vor dem Kauf durch Konsum einer Probe des Stoffes unterlassen werde. c) Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass einerseits die Ermittlung eines «handelsüblichen» Preises für Drogen von bestimmten Reinheitsgehalten und anderseits die Ermittlung eines üblichen durchschnittlichen Streckungsgrades schwierig ist (siehe dazu eingehend MARKUS BOOG, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Begriff des Vermögensschadens beim Betrug, Diss. Basel 1989, S. 115 ff.). Das bedeutet aber nur, dass die Beantwortung der Fragen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen arglistigen Täuschung auf seiten des Verkäufers einerseits und die tatsächlichen Voraussetzungen eines täuschungsbedingten Irrtums bzw. einer irrtumsbedingten Zahlung des verlangten Kaufpreises auf seiten des Käufers anderseits gegeben seien und ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein .
BGE 117 IV 139 S. 143 Missverhältnis bestehe, schwierig ist. Diese Schwierigkeiten tatsächlicher Natur lassen aber als solche nicht die Schlussfolgerung zu, dass die Möglichkeit von Betrug im Rahmen von Betäubungsmittelgeschäften auszuschliessen sei. Eine andere, von BOOG ebenfalls eingehend erörterte Frage ist aber, ob ein festgestelltes Missverhältnis zwischen der Leistung des Drogenverkäufers und der Gegenleistung des Drogenkäufers als Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB qualifiziert werden könne.
Dazu wird nachfolgend Stellung genommen. 2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Käufer Z. habe «für das durchschnittlich gestreckte Heroin kein überhöhtes Entgelt leisten müssen»; somit fehle es am zur Erfüllung des Betrugstatbestandes erforderlichen Vermögensschaden. Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Käufer habe ihm für das durchschnittlich gestreckte Heroin kein überhöhtes Entgelt leisten müssen, steht im Widerspruch zu den für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Danach hat der Beschwerdeführer überdurchschnittlich gestrecktes Heroin zum Preis von durchschnittlich gestrecktem Heroin verkauft bzw. zu verkaufen versucht. Damit hält die Vorinstanz auch fest, dass der vom Beschwerdeführer gelieferte Stoff den verlangten Preis nicht wert war, dass der Käufer also durch die Zahlung des verlangten Kaufpreises für den fraglichen Stoff einen Nachteil erlitt beziehungsweise, im zweiten Fall, erlitten hätte. Es stellt sich die Frage, ob dieser tatsächliche Nachteil rechtlich als Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB qualifiziert werden kann. Der Beschwerdeführer setzt sich zwar mit dieser Rechtsfrage nicht auseinander; sie ist aber von Amtes wegen zu prüfen, nachdem der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Vermögensschadens – zwar mit einer untauglichen, sich in einer Kritik am Sachverhalt erschöpfenden Begründung – bestreitet (BGE 102 IV 106 E. a; BGE 101 IV 411 E. 2). .
3.a) Das Bundesgericht hat im bereits zitierten BGE 111 IV 55 ff. erkannt, dass dem Käufer der Droge objektiv ein Vermögensschaden entstehe, wenn Leistung und Gegenleistung in einem ungünstigeren Wertverhältnis stehen, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage hätten stehen müssen (E. 3). Damit bejaht das Bundesgericht die Möglichkeit des Betrugs im Bereich rechtswidriger Rechtsgeschäfte. Es hat sich mit dieser Frage und insbesondere mit dem Problem des Vermögensschadens im Rahmen .
BGE 117 IV 139 S. 144
verbotener Rechtsgeschäfte schon in BGE 69 IV 75 (betreffend zur Zeit des Zweiten Weltkriegs widerrechtliche Kaufverträge über Zucker) eingehend befasst. Gemäss den Erwägungen in diesem Entscheid ist eine Vermögensschädigung im Sinne von Art. 148 StGB auch möglich, wenn das Verhalten des Irrenden im Abschluss eines widerrechtlichen Rechtsgeschäfts besteht und er vorleistet, ohne die Gegenleistung zu erhalten; sein Vermögen werde dadurch um den Wert seiner Leistung vermindert. Die Schädigung könne nicht schon deshalb verneint werden, weil der Vorleistende wegen der Widerrechtlichkeit des Geschäfts keinen Anspruch auf Gegenleistung habe bzw. seine eigene Leistung nicht zurückfordern könne. Da im erlaubten Geschäft trotz der Möglichkeit des rechtlichen Ausgleichs der Schaden bejaht werde, liege es im Gegenteil umso näher, ihn auch zu bejahen, wenn ein Anspruch auf dem Rechtswege nicht durchgesetzt werden könne. Der Irrende sei nicht deshalb geschädigt, weil er angesichts der Widerrechtlichkeit des Geschäfts weder die Gegenleistung fordern noch die eigene Leistung zurückverlangen könne, sondern er sei vielmehr deshalb geschädigt, weil er geleistet hat. Das Bundesgericht hielt im zitierten Entscheid sodann fest, in Wirklichkeit komme es jedoch auf die rechtliche Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Ausgleichs gar nicht an, sondern auf den wirtschaftlichen Einfluss, welchen das Verhalten des Irrenden auf sein Vermögen habe. Es führte im weiteren aus, durch diese Betrachtungsweise entstehe nicht ein Widerspruch zwischen dem Zivilrecht einerseits und dem Strafrecht anderseits. Dass das Zivilrecht nicht die Mittel an die Hand gebe, den betrügerischen Erfolg rückgängig zu machen, heisse nicht, dass das Strafrecht auch von Strafe absehen müsse. Dieses bestrafe nicht um des Geschädigten, sondern um der öffentlichen Ordnung willen. Die Bereicherung, die sich der Betrüger arglistig verschaffe, sei unrechtmässig auch dann, wenn der Betrogene sie nicht zurückfordern könne (S. 78). .
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b) In der Lehre ist umstritten, ob und inwieweit im Rahmen rechtswidriger Rechtsgeschäfte Betrug möglich sei; umstritten ist dabei insbesondere, ob in solchen Konstellationen von einem Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB gesprochen werden könne. Denn kann es angehen, dass das Vermögensstrafrecht Positionen schützt, die zivilrechtlich wegen der
Rechtswidrigkeit des Vertragsinhaltes nicht geschützt werden (Art. 20 OR) und wo insbesondere eine Rückforderung aufgrund gesetzlicher Anordnung (Art. 66 OR) ausgeschlossen ist? .
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BGE 117 IV 139 S. 145 Die Frage wird von mehreren Autoren bejaht. Nach der Auffassung von HAFTER (Strafrecht Besonderer Teil, S. 269) bestraft der Staat «den Betrüger nicht um des Geschädigten willen, sondern um einen Täter zu treffen, der mit Lug und Trug in fremdes Vermögen eingreift». Daher brauche «ein Schaden, den das Privatrecht auf sich beruhen lässt,… nicht auch im Strafrecht unbeachtlich zu sein». Auch nach Ansicht von ARDINAY (Der Betrug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, ZStrR 86/1970, S. 241) kann der Täter «nicht deshalb privilegiert werden, weil das Betrugsopfer auch unsauber ist». Es gebe «um der öffentlichen Ordnung willen kein gegen Betrug ungeschütztes Vermögen» (mit Hinweis auf BGE 93 IV 14). Gemäss SCHWANDER (Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Aufl., S. 353) ist trotz Art. 20 und 66 OR Betrug auch im Rahmen rechtswidriger Rechtsgeschäfte möglich. Auch STRATENWERTH bejaht Betrug in den Fällen, in denen im Rahmen rechtswidriger Rechtsgeschäfte eine Partei durch arglistige Täuschung zu einer Geldleistung zwecks Erfüllung des Vertrages veranlasst wird; denn der Betroffene verfüge dadurch über sein (rechtlich geschütztes) Vermögen (Strafrecht Besonderer Teil I, 3. Aufl., § 10 N 52). Dass der Getäuschte seine Leistung nicht zurückfordern könne (Art. 20 und 66 OR), mache die Schädigung nur umso nachhaltiger (N 50). NOLL (Strafrecht Besonderer Teil, S. 201) ist der Auffassung, dass zwischen dem Verkäufer und dem Käufer von verbotenen Drogen Betrug möglich sei. Verschiedene Autoren sind demgegenüber der Ansicht, dass Betrug im Sinne von Art. 148 StGB im Rahmen von wegen ihres Inhalts rechtswidrigen und damit nichtigen Rechtsgeschäften ausser Betracht falle, und zwar auch in den Fällen, in denen der Betroffene durch arglistige Täuschung zu einer Geldleistung aus seinem Vermögen zwecks Erfüllung des rechtswidrigen Vertrages veranlasst wird. Diese Auffassung wird einmal damit begründet, dass derjenige, welcher sein Geld für ein rechtswidriges Geschäft einsetzt, aus dem er keine Ansprüche auf Gegen- oder Rückleistung geltend machen kann, .
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auf eigene Gefahr handle (vgl. SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht, Art. 148 N 73) bzw. nicht durch den arglistig täuschenden Partner zu Schaden gebracht werde, sondern sich selbst schädige (siehe die bei HAFTER, op.cit., S. 268/9 Fn. 1, genannten Autoren). Die Auffassung, dass in solchen Konstellationen mangels eines Vermögensschadens im Sinne von Art. 148 StGB Betrug ausser Betracht falle, wird aber .
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BGE 117 IV 139 S. 146 vor allem damit begründet, dass das Strafrecht als «ultima ratio» keinen Rechtsschutz gewähren könne, wo das Zivilrecht diesen dem Opfer gerade ausdrücklich versagt (siehe SCHUBARTH, op.cit., Art. 148 N 76 in fine, TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 148 N 20, eingehend insbesondere MARKUS BOOG, op.cit., S. 89 ff., 97 ff., 109 ff.). BOOG hält unter Berufung auf verschiedene deutsche Autoren fest, dass ein rein wirtschaftlich orientierter Vermögensbegriff in unlösbare Wertungswidersprüche mit dem Strafrecht gerate, wenn er Positionen schützt, die von andern Teilen der Rechtsordnung nicht anerkannt werden (S. 110 f.). Es könne nicht die Aufgabe des Strafrechts sein, dort Schutz zu gewähren, wo die Rechtsordnung an anderer Stelle diesen Schutz gerade versagt; einen strafrechtlichen Schutz schutzunwürdiger Güter könne es nicht geben (S. 111). Das Vermögen stelle im Bereich rechtswidriger Rechtsgeschäfte kein schutzwürdiges Gut mehr dar und könne somit durch arglistiges Verhalten gar nicht angegriffen oder gar verletzt werden (S. 111). Das strafwürdige Unrecht, so BOOG unter Hinweis auf verschiedene deutsche Autoren weiter, liege nicht allein im Handlungsunwert, also, beim Betrug, in der (arglistigen) Täuschung, sondern in der zusätzlich erforderlichen Rechtsgutverletzung, also, beim Betrug, in der Vermögensschädigung. Art. 148 StGB bestrafe den Täter nicht um der öffentlichen Ordnung, sondern um der Vermögensschädigung willen (S. 111). BOOG weist zudem darauf hin, dass der Einsatz von Geld zum Drogenerwerb nicht nur (im Sinne von Art. 20 OR) rechtswidrig, sondern darüber hinaus gemäss Art. 19 BetmG strafbar ist (S. 116); durch die Bejahung der Möglichkeit von Betrug im Rahmen von Drogengeschäften, begangen etwa durch Verkauf von übermässig gestreckten Drogen zu übersetzten Preisen – der übrigens unter Berücksichtigung der Realitäten des Drogenmarktes an der .
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Tagesordnung sei (S. 116) –, werde der getäuschte Käufer, der ja unter dem Gesichtspunkt des Betäubungsmittelgesetzes auch Täter sei, gewissermassen – überspitzt formuliert – in der ungestörten Ausübung einer strafbaren Handlung (nämlich des Drogenerwerbs) geschützt (S. 117). Auch in der deutschen Lehre ist umstritten, ob und inwieweit Betrug im Rahmen von wegen ihres Inhalts rechtswidrigen Rechtsgeschäften möglich sei. Verschiedene Autoren und die Rechtsprechung bejahen die Frage jedenfalls in den Fällen, in denen der Getäuschte eigene Vermögensbestandteile – «gutes Geld» – hingibt, ohne eine entsprechende – sei es auch rechtlich .
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BGE 117 IV 139 S. 147 missbilligte – Gegenleistung zu erhalten. Andere Autoren verneinen, wie die frühere deutsche Rechtsprechung, um der Einheit der Rechtsordnung willen und zur Vermeidung von unauflösbaren Wertungswidersprüchen im System der Gesamtrechtsordnung die Möglichkeit von Betrug in Fällen, in denen die Rechtsordnung die Verfügung über ein Gut untersagt oder dem Inhaber dieses Gutes keinen Rechtsschutz gewährt; ihres Erachtens ist nicht entscheidend, dass der Getäuschte an sich «gutes Geld» aus seinem Vermögen hingibt, sondern ist vielmehr massgebend, dass das Zivilrecht weder einen Anspruch auf die Gegenleistung noch einen Anspruch auf Rückgabe der erbrachten eigenen Leistung einräumt (siehe zum Ganzen die Hinweise bei LACKNER, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., § 263 N 122 f., 132, 241 f., sowie bei SCHÖNKE / SCHRÖDER / CRAMER, Kommentar, 23. Aufl., § 263 N 78 ff., 93, 150). .
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c) Die erhöhten Risiken bei Abschluss und Erfüllung von inhaltlich rechtswidrigen Rechtsgeschäften im allgemeinen und von Betäubungsmittelgeschäften im besonderen sowie die damit zusammenhängende Mitverantwortung des Opfers hindern als solche die Annahme von Betrug nicht. Sie sind aber (vgl. schon vorn E. 1c) insoweit von Bedeutung, als das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung auf seiten des Täters und eines täuschungsbedingten Irrtums bzw. einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung auf seiten des .
Opfers sowie eines objektiven Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung besonders sorgfältig zu prüfen sind. Ob der Abschluss bzw. die Erfüllung eines wegen seines Inhalts rechtswidrigen und daher nichtigen Rechtsgeschäfts zudem auch strafbar ist (so der Betäubungsmittelhandel) oder nicht, ist für die Beantwortung der Frage, ob im Rahmen des rechtswidrigen Rechtsgeschäfts Betrug im Sinne von Art. 148 StGB möglich sei, grundsätzlich belanglos. .
d) Der Betrug gemäss Art. 148 StGB ist eingeordnet bei den strafbaren Handlungen gegen das Vermögen überhaupt. Dieser strafrechtliche Schutz des Vermögens des einzelnen vor Angriffen durch arglistige Täuschungen besteht zwar gerade auch aus Gründen der öffentlichen Ordnung, doch ist das durch Art. 148 StGB geschützte Rechtsgut nicht die öffentliche Ordnung, sondern das Vermögen. Soweit in BGE 69 IV 75 eine andere Auffassung vertreten worden ist (S. 78), kann an diesem Entscheid nicht festgehalten werden. Beim Betrug liegt das strafwürdige Unrecht nach den insoweit zutreffenden Ausführungen von BOOG (op.cit., .
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BGE 117 IV 139 S. 148 S. 111) und der von ihm genannten deutschen Autoren nicht allein im Handlungsunwert, d.h. in der (arglistigen) Täuschung, sondern auch in der zusätzlich erforderlichen Rechtsgutverletzung, also in der Vermögensschädigung. .
aa) Unter «Vermögen» im Sinne von Art. 148 StGB ist Vermögen zu verstehen, das zivilrechtlich geschützt ist. Das Strafrecht als «ultima ratio» kann nicht Vermögen schützen, welches zivilrechtlich nicht geschützt ist. Ein Vermögensschaden gemäss Art. 148 StGB ist nur dann und insoweit gegeben, wenn und als der arglistig Getäuschte einen rechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils hat. Wenn und soweit ein solcher Anspruch dem Betroffenen vom Gesetz ausdrücklich versagt wird, kommt Betrug mangels eines Vermögensschadens nicht in Betracht. Es ist somit entgegen der in BGE 69 IV 77 und von verschiedenen Autoren – in der Schweiz u.a. von STRATENWERTH (op.cit., § 10 N 52) – vertretenen .
Auffassung nicht entscheidend, dass der Getäuschte durch seine irrtumsbedingte Vermögensverfügung, etwa die Hingabe von Geld zwecks Erfüllung des inhaltlich rechtswidrigen und damit nichtigen Vertrages, «sein (rechtlich geschütztes) Vermögen» vermindert. Massgebend ist nach der insoweit zutreffenden Auffassung von BOOG (op.cit., S. 111) und der von ihm genannten deutschen Autoren vielmehr, ob der Betroffene einen rechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils habe. .
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bb) Der Vertrag über die Lieferung von Betäubungsmitteln gegen Bezahlung von Geld ist wegen seines Inhalts rechtswidrig und damit gemäss Art. 20 OR nichtig. Dem Käufer, der in Erfüllung eines solchen Vertrages den Kaufpreis vorgeleistet hat, steht wegen der Nichtigkeit des Vertrages kein vertraglicher Anspruch auf die Gegenleistung (Lieferung von Betäubungsmitteln) zu. Der Käufer hat auch keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückleistung der von ihm geleisteten Kaufpreiszahlung. Denn gemäss Art. 66 OR kann nicht zurückgefordert werden, was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist; dass auch der Verkäufer mit seiner Willensäusserung, Betäubungsmittel zu liefern, die Herbeiführung eines rechtswidrigen Erfolges beabsichtigte, ändert daran nichts, denn es gilt insoweit das Sprichwort: «In pari turpitudine melior est causa possidentis.» .
cc) Das Zivilrecht anerkennt prinzipiell die Möglichkeit, dass vertragliche und ausservertragliche Haftung miteinander konkurrieren BGE 117 IV 139 S. 149 (vgl. BGE 112 II 138 ff., ferner GAUCH / SCHLUEP, OR Allgemeiner Teil, 4. Aufl., Nrn. 1719 ff., mit Hinweisen). dd) Die arglistige Täuschung gemäss Art. 148 StGB stellt eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 41 OR dar. Dem arglistig getäuschten Betäubungsmittelkäufer, der vorgeleistet hat, steht gegen den Verkäufer ein Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nach Art. 41 OR zu. Daran ändert nichts, dass der Betäubungsmittelkäufer den von ihm in Erfüllung des wegen seines widerrechtlichen Inhalts nichtigen Vertrages gezahlten .
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Kaufpreis gemäss Art. 66 OR nicht zurückfordern kann. Die in Art. 66 OR enthaltene Regelung, die je nach den Umständen zu moralisch unbefriedigenden Ergebnissen führen kann und daher als fragwürdig empfunden wird (siehe BGE 84 II 184; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 678 ff., GAUCH / SCHLUEP, op.cit., Nrn. 1167 ff., BRUNO VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, S. 301 ff.), schliesst nur den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus, lässt aber den konkurrierenden Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäss Art. 41 OR unberührt (BECKER, Kommentar, N 10 zu Art. 66 OR, ROBERT JAKOB MUNZ, Artikel 66 des Obligationenrechts, Diss. Zürich 1958, S. 114; zum deutschen Recht vgl. Kommentar zum BGB, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, 12. Aufl., § 817 N 13, J. VON STAUDINGERS Kommentar zum BGB, 12. Aufl., § 817 N 14, SOERGEL-MÜHL, BGB, 11. Aufl., § 817 N 29). Das ergibt sich schon aus der systematischen Einordnung von Art. 66 OR im dritten Abschnitt betreffend Entstehung der Obligation aus ungerechtfertigter Bereicherung. Für eine Beschränkung der Tragweite von Art. 66 OR auf Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung spricht aber insbesondere der Ausnahmecharakter der fragwürdigen Bestimmung, weswegen ohnehin deren möglichst restriktive Anwendung befürwortet wird. Art. 66 OR findet sodann rechtspolitisch seine Rechtfertigung gerade in der Parömie «in pari turpitudine melior est causa possidentis». Die Anwendung von Art. 66 OR ist daher nicht gerechtfertigt, wenn die «turpitudo» der Vertragsparteien nicht im wesentlichen gleich schwer wiegt, sondern der Empfänger der Vorleistung über die Mitwirkung am inhaltlich rechtswidrigen Geschäft hinaus eine arglistige Täuschung begangen hat und ihm somit quasi eine zusätzliche «turpitudo» vorzuwerfen ist. Der Umstand, dass sich der Betäubungsmittelkäufer durch den Abschluss und die Erfüllung des Kaufvertrages selber ausserhalb .
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BGE 117 IV 139 S. 150 die Rechtsordnung gestellt hat, ist in diesem Fall nicht mehr entscheidend. Dem Betäubungsmittelkäufer, der vorgeleistet hat, steht somit gegen den Verkäufer, der ihn arglistig getäuscht hat, trotz Art. 20 und 66 OR
grundsätzlich ein Anspruch auf Schadenersatz aus unerlaubter Handlung gemäss Art. 41 OR zu. In dem Umfang, in welchem dem Käufer ein solcher Schadenersatzanspruch zusteht, liegt ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB vor. e) Es ergibt sich somit zusammenfassend folgendes: Der Betäubungsmittelverkäufer, der den Käufer über den Reinheitsgehalt der Droge arglistig täuscht, erfüllt dadurch den Tatbestand des Betrugs im Sinne von Art. 148 StGB, wenn der Käufer bei Kenntnis der wahren Sachlage die Droge nicht oder jedenfalls nicht zum verlangten Preis gekauft hätte und Leistung und Gegenleistung in einem ungünstigeren Wertverhältnis stehen, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage hätten stehen müssen. BGE 111 IV 55 ff. ist demnach im Ergebnis zu bestätigen. Ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB ist allerdings nur insoweit gegeben, als das Zivilrecht dem arglistig getäuschten Käufer einen Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils einräumt. An BGE 69 IV 75 ff. kann daher nicht festgehalten werden, soweit darin das Vorliegen eines Vermögensschadens unabhängig vom Bestehen eines rechtlichen Anspruchs auf Ausgleich des Nachteils bejaht und zudem festgehalten wird, Art. 148 StGB bestrafe nicht um des Geschädigten, sondern um der öffentlichen Ordnung willen. Dem über den Reinheitsgehalt der Droge arglistig getäuschten Betäubungsmittelkäufer, der zwecks Erfüllung des Kaufvertrages vorgeleistet hat, steht zwar gemäss Art. 20 und 66 OR kein Anspruch auf die Gegenleistung oder auf Rückgabe seiner eigenen Vorleistung zu, doch hat er angesichts der in der arglistigen Täuschung auf seiten des Verkäufers liegenden unerlaubten Handlung grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch gemäss Art. 41 OR. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betrugs, begangen durch Verkauf übermässig gestreckten Heroins zum «handelsüblichen» Preis für durchschnittlich gestrecktes Heroin an den nach den Feststellungen der Vorinstanz preis- und qualitätsbewussten X., verstösst demnach nicht gegen Bundesrecht. 4. Der Beschwerdeführer macht geltend, die von der Vorinstanz ausgefällte Strafe von 4 Jahren und 9 Monaten Zuchthaus verstosse gegen Bundesrecht. Die Rüge ist unbegründet.
BGE 117 IV 139 S. 151 a) Dem kantonalen Sachrichter steht – innerhalb des ordentlichen und gegebenenfalls ausserordentlichen Strafrahmens – bei der Gewichtung der einzelnen zu beachtenden Strafzumessungskriterien von der Natur der Sache her ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Der Kassationshof des Bundesgerichts kann daher auf Nichtigkeitsbeschwerde hin, mit der ausschliesslich eine Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden kann (Art. 269 BStP), in die Strafzumessung nur eingreifen, wenn der kantonale Richter den gesetzlich vorgeschriebenen Strafrahmen über- oder unterschritt, wenn er von sachfremden Gesichtspunkten ausging oder wesentliche Kriterien ausser acht liess oder in Überschreitung bzw. Missbrauch seines Ermessens unrichtig gewichtete (BGE 116 IV 6 E. 2b, 285 E. 2a, 290 E. 2b). Der Kassationshof hat im Urteil vom 23. April 1991 i. S. K. (BGE 117 IV 114) dargelegt, welche Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung im Urteil des Sachrichters zu stellen sind. Damit das Bundesgericht überprüfen kann, ob die ausgefällte Strafe im Einklang mit den Zumessungsregeln des Bundesrechts stehe und ob der Sachrichter sein Ermessen überschritten habe oder nicht, müssen alle wesentlichen Strafzumessungskriterien in der schriftlichen Urteilsbegründung Erwähnung finden. Die Begründung der Strafzumessung muss in der Regel den zur Anwendung gelangenden Strafrahmen nennen und die Tat- und Täterkomponenten so erörtern, dass festgestellt werden kann, ob alle rechtlich massgeblichen Gesichtspunkte Berücksichtigung fanden und wie sie gewichtet wurden, d.h. ob und in welchem Grade sie strafmindernd oder straferhöhend in die Waagschale fielen. Dabei müssen aber die einzelnen Strafzumessungsfaktoren nicht in allen Einzelheiten ausgebreitet werden, und über Umstände ohne oder von ausgesprochen untergeordneter Bedeutung darf auch mit Stillschweigen hinweggegangen werden. Je höher die Strafe ist, desto strengere Anforderungen sind im übrigen an die Darlegung der Gründe, die die Strafe rechtfertigen, zu stellen. .
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b) Die Begründung der Strafzumessung im angefochtenen Urteil genügt gesamthaft betrachtet den vom Bundesgericht im zitierten Entscheid gestellten
Anforderungen. Sie erlaubt jedenfalls im Rahmen der erhobenen Rügen dessen Überprüfung. Die Vorinstanz hat alle wesentlichen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Der Beschwerdeführer hat mit dem fortgesetzten Verkauf und der Abgabe von insgesamt 234 g Heroin (gemisch) eine grosse Betäubungsmittelmenge umgesetzt. Dass er die .
BGE 117 IV 139 S. 152 Drogen nicht selber direkt an eine Vielzahl von Konsumenten, sondern bloss an eine bzw. zwei Personen verkaufte, ist entgegen einem Einwand in der Nichtigkeitsbeschwerde unerheblich. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass mit der umgesetzten Heroinmenge die Gesundheit sehr vieler Menschen gefährdet werden kann. Die Strafe ist indessen nicht allein nach der Menge und der Gefährlichkeit der umgesetzten Droge, sondern auch und in erster Linie nach dem Verschulden des Täters zu bemessen, wobei dessen Beweggründe, Vorleben und persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind (BGE 107 IV 62 E. 2c). Der Beschwerdeführer war selber nicht drogenabhängig. Es ging ihm allein darum, mit den Gewinnen aus dem Drogenhandel einen vergleichsweise hohen Lebensstandard zu finanzieren; so kaufte er einen PW Toyota Supra, ein Autotelefon Natel C sowie eine TVVideo-Stereo-Compactanlage. Der Beschwerdeführer ist im schweizerischen Zentralstrafregister mit 9 Vorstrafen seit 1980 eingetragen. Neben mehreren Verurteilungen wegen Widerhandlungen gegen das SVG sind darin auch Verurteilungen wegen Diebstahls, Raubes, Sachbeschädigung, Drohung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte verzeichnet. Der Beschwerdeführer wurde vom Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 28. Januar 1987 wegen Raubes zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, wobei ihm das Gericht im Sinne einer «letzten Chance» den bedingten Strafvollzug gewährte. Noch während der Probezeit verübte er die Gegenstand des vorliegend angefochtenen Urteils bildenden Straftaten. Nach der Ausfällung des erstinstanzlichen Urteils vom 27. Oktober 1989 in dieser Angelegenheit machte sich der Beschwerdeführer der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig, wofür er mit 1000 Franken gebüsst wurde. Die Vorinstanz hat verschiedene zu Gunsten des Beschwerdeführers .
sprechende Umstände bei der Strafzumessung berücksichtigt, nämlich, dass er geständig war, als guter Arbeiter geschätzt wird, an seinem Arbeitsort in letzter Zeit zu keinerlei Klagen Anlass gab und die Alimente für seine Tochter aus der 1989 geschiedenen Ehe offenbar pünktlich bezahlt. Der Beschwerdeführer wurde im Jahre 1958 in Saigon / Vietnam geboren und wuchs als ältester Sohn eines höheren Polizeioffiziers in geordneten Familienverhältnissen auf. Er flüchtete gemeinsam mit einem Onkel im Sommer 1976 aus dem damaligen Südvietnam und gelangte über Malaysia im März 1977, im Alter von 19 Jahren, .
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BGE 117 IV 139 S. 153 in die Schweiz, wo er seither lebt. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe die Assimilierungschwierigkeiten und den unausweichlichen Kulturschock durch die völlig andere Lebensweise und Mentalität in der Schweiz, welche seine darauffolgenden Jahre prägten, nicht ausreichend berücksichtigt. Der Einwand ist unbegründet. Der Beschwerdeführer war im Alter von 19 Jahren in die Schweiz gekommen und lebte hier – von 1981 bis 1989 verheiratet – seit rund 9 Jahren, als er die Gegenstand des angefochtenen Urteils bildenden Straftaten verübte. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass das Verschulden des Beschwerdeführers in bezug auf diese Taten infolge von Auswirkungen eines allenfalls einmal erlebten Kulturschocks vermindert sei.
BGE 117 IV 186 36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Juni 1991 i.S. W. und A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 91 Abs. 1 SVG, Art. 25 StGB; Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand. Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand kann auch durch Förderung des Alkoholkonsums des Motorfahrzeuglenkers begangen werden (Bestätigung der Rechtsprechung). Durch das wechselseitige Bestellen und Bezahlen von «Runden» alkoholischer Getränke durch die Teilnehmer an einem Trinkgelage wird nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Alkoholkonsum der Beteiligten gefördert. Subjektiv ist erforderlich, dass der Gehilfe zur Zeit der (eventual)vorsätzlichen Erbringung seines Tatbeitrages auch weiss oder damit rechnet, dass der Fahrzeuglenker schon zu dieser Zeit eine Trunkenheitsfahrt zumindest in Kauf nimmt. .
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Sachverhalt ab Seite 187 BGE 117 IV 186 S. 187 A. Am 5. Oktober 1988 hatten B., A. und W. im Auftrag ihrer Arbeitgeberin in Sarnen Montagearbeiten auszuführen. Bereits am Mittag hatten sie die Arbeiten abgeschlossen. Gemeinsam begaben sie sich zwischen 12.00 und 14.00 Uhr in ein Restaurant in Sarnen, wo sie das Mittagessen einnahmen und anschliessend bis zum Abend zahlreiche Runden Kaffee-Schnaps tranken. Gegen 18.00 Uhr verliess W. seine beiden Kollegen. B. und A. hielten sich noch bis ca. 18.45 Uhr im Restaurant auf, ehe sie zwecks Heimfahrt den Firmenwagen bestiegen. B. setzte sich ans Steuer. Schon nach wenigen Metern, bei der Einmündung der Lindenstrasse in die Poststrasse, kam es zu
einer Kollision mit einem Personenwagen. B. hatte zum Zeitpunkt des Unfalls einen Blutalkoholgehalt von mindestens 2,00 und höchstens 2,67 Gewichtspromille. B. Das Obergericht des Kantons Obwalden als Appellationsinstanz in Strafsachen verurteilte W. und A. mit Entscheid vom 22. Oktober 1990 wegen Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 25 StGB) zu Bussen von Fr. 500.– respektive von Fr. 1000.–. .
C. Die beiden Gebüssten führen in getrennten Eingaben eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A. beantragt eventualiter, die Sache sei zwecks Umgangnehmens von Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft hat auf Vernehmlassung verzichtet. D. Der Fahrzeuglenker B. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 10. Februar 1989 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Kassationshof hat in BGE 116 IV 71 in Änderung seiner früheren Rechtsprechung erkannt, dass beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand Täter nur sein kann, wer das Fahrzeug führt. Dass das Verschulden des Dritten angesichts von dessen Tatbeitrag und Interesse an der Fahrt allenfalls mindestens gleich schwer wiegt wie das Verschulden des angetrunkenen Fahrzeugführers, erlaubt es nicht, ihn als Mittäter zu qualifizieren. Denn die vom angetrunkenen Fahrzeugführer ausgehende Gefahr ist nicht Tatbestandsmerkmal von Art. 91 SVG. Deshalb kann, wer etwa als Anführer eines Trinkgelages einen Beitrag zu dieser BGE 117 IV 186 S. 188
Gefahr leistete, nicht unter Hinweis darauf als Mittäter zu Fahren in angetrunkenem Zustand verurteilt werden. Der nicht massgeblich an der Führung des Fahrzeugs Beteiligte kann, je nach den Umständen, lediglich als Anstifter oder Gehilfe zu Fahren in angetrunkenem Zustand verurteilt werden. Überlässt er ein Fahrzeug dem Angetrunkenen, so erfüllt er dadurch den Tatbestand von Art. 2 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 96 VRV. Dieser Tatbestand kann, je nach den Umständen, zu Anstiftung oder Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand in echter Konkurrenz stehen (BGE 116 IV 74). Dass strafbare Gehilfenschaft im Sinne von Art. 25 StGB zu Fahren in angetrunkenem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG (ein Vergehen) möglich ist, wie sich aus Art. 102 Ziff. 1 SVG ergibt, ist in Rechtsprechung und Lehre unbestritten und wird auch von den Beschwerdeführern anerkannt. .
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3. Gehilfe ist, wer vorsätzlich in untergeordneter Stellung die vorsätzliche Haupttat eines andern fördert; Gehilfenschaft zu einer nicht vorsätzlichen Haupttat ist nicht möglich (TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 25 N 1; STRATENWERTH, Strafrecht Allg. Teil I, § 13 N 111). Als Hilfeleistung gilt nach der Rechtsprechung jeder irgendwie geartete kausale Tatbeitrag, jeder kausale Beitrag des Gehilfen, der das Delikt fördert, so dass sich die Tat ohne seine Mitwirkung anders abgespielt hätte (BGE 98 IV 85; BGE 113 IV 109). Nicht erforderlich ist, dass es ohne die Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen wäre (BGE 78 IV 7; BGE 88 IV 27; BGE 92 IV 114). Es reicht aus, dass der Gehilfe die Tat im Sinne dieser Rechtsprechung gefördert hat. Andererseits muss die Hilfeleistung tatsächlich zur Tat beigetragen, also einen kausalen Beitrag dargestellt haben (vgl. BGE 113 IV 87). Der Gehilfe muss die Erfolgschancen der tatbestandserfüllenden Handlung erhöhen (STRATENWERTH, op.cit., § 13 N 113). Subjektiv ist erforderlich, dass der Gehilfe weiss oder damit rechnet, eine bestimmt geartete Straftat zu unterstützen, und dass er dies will oder in Kauf nimmt, wobei zum Vorsatz auch die Voraussicht des Geschehensablaufs gehört; dabei genügt es, dass er die wesentlichen Merkmale des vom Täter zu verwirklichenden strafbaren Tuns erkennt, während er Einzelheiten der Tat nicht zu kennen braucht. Ein ganz unbestimmter, allgemein gehaltener Vorsatz .
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dahingehend, dass das eigene Verhalten einem Dritten überhaupt Hilfe zur Deliktsbegehung leiste, kann nicht ausreichen (BGE 113 IV 109 mit Hinweisen). Zum Vorsatz des Gehilfen .
BGE 117 IV 186 S. 189 gehört auch die Kenntnis des Vorsatzes des Haupttäters; dieser muss deshalb bereits einen Tatentschluss gefasst haben (HAUSER / REHBERG, Strafrecht I, S. 103). .
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4.a) Die Vorinstanz sieht die die Haupttat des B. fördernde aktive Hilfeleistung der beiden Beschwerdeführer darin, dass diese mit B. an einem Trinkgelage teilnahmen und dass die drei Beteiligten dabei wechselseitig «Runden» bestellten und bezahlten. Die Erfahrung zeige, dass die Teilnehmer an einem solchen Trinkgelage allein schon durch den Umstand des gemeinsamen Trinkens zu erhöhtem Alkoholkonsum neigen. Hinzu komme das gegenseitige Bestellen und Bezahlen von «Runden». Dadurch werde nach aller Erfahrung der Alkoholgenuss der Beteiligten stark gefördert. Wer eine «Runde aufwirft», gehe nämlich davon aus, dass die Mitzecher seinem Beispiel folgen werden. Diese wiederum stünden unter Erwartungsdruck und damit in gewisser Hinsicht unter Zugzwang. Die aktive Teilnahme an einem solchen «circulus vitiosus» unterscheide sich daher erheblich vom Fall, da jemand zwar mitzecht, aber ansonsten – abgesehen von seinem schlechten Beispiel – die Angetrunkenheit des Fahrzeugführers nicht aktiv fördert. Die Vorinstanz geht gestützt auf diese Überlegungen davon aus, dass sich der Motorfahrzeuglenker B. ohne das gemeinsam veranstaltete Trinkgelage unter wechselseitiger Bestellung und Bezahlung von «Runden» nicht in dem Masse alkoholisiert und sich infolgedessen auch nicht mit einem Rausch ans Steuer gesetzt hätte. Die Vorinstanz hat mit diesen Ausführungen unter zutreffender Berufung auf die allgemeine Lebenserfahrung eine aktive, die Haupttat des Fahrens in angetrunkenem Zustand fördernde Hilfeleistung mit Recht bejaht. Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand kann nicht nur in Tatbeiträgen liegen, die die Fahrt in angetrunkenem Zustand, sondern auch in Tatbeiträgen, welche den angetrunkenen Zustand des Fahrzeugführers fördern.
An dieser Rechtsprechung (vgl. schon BGE 65 I 336 zu Art. 59 MFG) ist festzuhalten (zustimmend z. B. SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr, Bern 1964, S. 193 mit Hinweisen; GIGER, Strassenverkehrsgesetz, S. 245; BUSSY / RUSCONI, Commentaire, art. 91 LCR, rem. 4.1). Ob schon die Beteiligung an einem Trinkgelage als solche und somit auch in einem Fall, in dem jeder Beteiligte seine Getränke selber bestellt und bezahlt, objektiv als relevanter Tatbeitrag qualifiziert werden könne, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Jedenfalls .
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BGE 117 IV 186 S. 190 liegt im wechselseitigen Bestellen und Bezahlen von «Runden» durch die Beteiligten im Rahmen eines Trinkgelages aus den von der Vorinstanz genannten Gründen eine die Haupttat des Fahrens in angetrunkenem Zustand fördernde aktive Hilfeleistung. Wohl ist davon auszugehen, dass keiner der drei Beteiligten der bestimmende Anführer des Trinkgelages (siehe dazu BGE 113 IV 86 E. 3b, 98 IV 15) war; der vorliegende Fall unterscheidet sich in bezug auf das Gewicht des Tatbeitrags des Gehilfen auch von dem BGE 65 I 336 ff. zugrunde liegenden Fall, in dem der als Gehilfe angeschuldigte Prokurist seinem Chauffeur bei sieben von insgesamt acht Restaurantbesuchen im Verlaufe eines Nachmittags die Zeche bezahlt hatte. Ein im Sinne von Art. 25 StGB relevanter Tatbeitrag kann indessen mehr oder weniger gewichtig sein, und zwar gerade dann, wenn gemäss der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 116 IV 71) der nicht massgeblich an der Führung des Fahrzeugs Beteiligte nicht Mittäter, sondern nur Teilnehmer zu Fahren in angetrunkenem Zustand sein kann. Entscheidend ist vorliegend, dass durch das wechselseitige Bestellen und Bezahlen von «Runden» im Rahmen eines Trinkgelages nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Alkoholkonsum der Beteiligten gefördert wird; dass am Ende allenfalls alle drei Beteiligten ungefähr gleich viel bezahlt hatten, ist unerheblich. Ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen sich Gastwirte, Servicepersonal oder Veranstalter von Firmenfesten der Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand schuldig machen können, ist hier nicht zu prüfen. Es ist davon auszugehen, dass B. im Verlaufe des fraglichen Nachmittags .
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gelegentlich auch einen Kaffee-Crème getrunken hatte. Die Behauptung der Beschwerdeführer, es sei nicht auszuschliessen bzw. es sei zu ihren Gunsten davon auszugehen, dass B. jeweils gerade dann einen Kaffee-Crème trank, wenn sie die Runde bezahlten, steht im Widerspruch zu den Feststellungen im angefochtenen Urteil, worin dieser bereits im kantonalen Verfahren erhobene Einwand als nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern auch aktenwidrig qualifiziert wird. Der Einwand des Beschwerdeführers W., es sei ihm, da er ja das Lokal rund eine Stunde vor den beiden andern verliess, gar nicht möglich gewesen, B. an der Fahrt zu hindern, geht an der Sache vorbei. Den Beschwerdeführern wird im angefochtenen Entscheid ausdrücklich nicht eine derartige Unterlassung als Tatbeitrag zur Last gelegt, sondern es wird ihnen insoweit einzig vorgeworfen, BGE 117 IV 186 S. 191 durch die Beteiligung am Trinkgelage unter wechselseitigem Bestellen und Bezahlen von «Runden» während der Dauer eines Nachmittags den Alkoholkonsum des Motorfahrzeuglenkers B. gefördert zu haben. b) Im angefochtenen Urteil wird festgehalten, dass der Haupttäter B. «wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand» verurteilt worden ist. Im Strafbefehl der Strafkommission des Kantons Obwalden vom 10. Februar 1989 in Sachen B. ist ebenfalls lediglich von «Fahren in angetrunkenem Zustand (mit mind. 2,0 Gew.%o)» die Rede. Der angefochtene Entscheid und die Akten enthalten mithin keine ausdrückliche Antwort auf die Frage, ob B. den Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand vorsätzlich oder fahrlässig erfüllt habe; auch fahrlässiges Fahren in angetrunkenem Zustand ist möglich und, wie sich aus Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG ergibt, strafbar (dazu eingehend REHBERG, Das Fahren in angetrunkenem Zustand, ZStrR 86/1970 S. 121 ff.). Die Antwort auf die Frage, ob B. den Tatbestand von Art. 91 Abs. 1 SVG vorsätzlich oder fahrlässig erfüllte, ist gerade vorliegend von Bedeutung, da ja Gehilfenschaft im Sinne von Art. 25 StGB nur zu einer (eventual)vorsätzlichen Tat möglich ist. Die Vorinstanz erachtet das von ihr richtig erkannte Erfordernis der vorsätzlichen Haupttat offensichtlich als .
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selbstverständlich gegeben. Am (Eventual)Vorsatz des Motorfahrzeuglenkers B. in bezug auf dessen Angetrunkenheit kann denn auch in der Tat kein Zweifel bestehen, so dass kein Anlass zu einer Rückweisung der Sache nach Art. 277 BStP besteht. B. konsumierte eigenen Aussagen zufolge im Verlaufe des Nachmittags vor dem Unfall 8 bis 10 Kaffee-Zwetschgen und noch einige Kaffee-Crème; die Analyse der ihm abgenommenen Blutprobe ergab für den Zeitpunkt des Unfalls, der sich kurz nach dem Antritt der Fahrt ereignet hatte, eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,00 und höchstens 2,67 Gewichtspromille. Gemäss den Feststellungen im erstinstanzlichen Entscheid stand zudem «für alle drei Beteiligten», mithin auch für B. selber, schon vor Trinkbeginn fest, dass B. am Abend bei der Rückfahrt den Firmenwagen lenken werde. Bei dieser Sachlage steht fest, dass der Motorfahrzeuglenker B. den Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand (eventual)vorsätzlich erfüllte, dass somit das Erfordernis einer Vorsatztat, zu welcher allein Gehilfenschaft im Sinne von Art. 25 StGB möglich ist, erfüllt ist. Bezeichnenderweise machen die beiden Beschwerdeführer denn auch nicht geltend, dass der Vorsatz des Haupttäters B. in bezug auf das Fahren in .
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BGE 117 IV 186 S. 192 angetrunkenem Zustand nicht gegeben bzw. nicht hinreichend erstellt sei. c) Gemäss den tatsächlichen, für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wussten die Beschwerdeführer, dass B. am Abend mit dem Geschäftsfahrzeug die Rückfahrt antreten würde. Dies war auch B. selber klar; er war mithin zur Fahrt entschlossen, als die Beschwerdeführer ihre Tatbeiträge leisteten, indem sie dessen Alkoholkonsum förderten. Die Beschwerdeführer nahmen zudem nach den hinreichend deutlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid zumindest in Kauf, dass B. nach dem ausgedehnten Trinkgelage, bei dem alle drei Beteiligten rund 8 bis 12 Kaffee-Zwetschgen tranken, bei Antritt der Rückfahrt angetrunken sein werde. Dass die Beschwerdeführer dies nicht geradezu anstrebten, ist unerheblich; nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid genügt zur Bejahung des Eventualvorsatzes, dass sie die
Trunkenheitsfahrt in Kauf nahmen, mag sie ihnen auch unerwünscht gewesen sein (vgl. BGE 109 IV 151). Das Verhalten der Beschwerdeführer, die im Wissen darum, dass B. am Abend noch den Firmenwagen lenken werde, mit dem sie zum Restaurant gelangt waren, durch wechselseitiges Bestellen und Bezahlen von «Runden» dessen Alkoholkonsum förderten und in der Folge nichts zur Verhinderung der Trunkenheitsfahrt unternahmen (vgl. dazu SCHULTZ, op.cit., S. 194 oben), kann vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieser Trunkenheitsfahrt interpretiert werden. Das gilt auch für das Verhalten des Beschwerdeführers W. Dass dieser sich gegen 18.00 Uhr von seinen beiden Kollegen verabschiedete und diese noch eine Zeitlang im Lokal blieben, ist unerheblich. Gemäss einer tatsächlichen, für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlichen Feststellung der Vorinstanz war B. im Zeitpunkt des Aufbruchs von W. zweifellos schon berauscht. Die Trunkenheitsfahrt des B. entsprach dem vom Beschwerdeführer W. als möglich erkannten Ablauf des Geschehens. .
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BGE 117 IV 429 74. Urteil des Kassationshofes vom 22. Oktober 1991 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. 1. Ob ein Anklagesachverhalt bundesrechtlich als Veruntreuung zu qualifizieren ist, beantwortet sich unabhängig davon, ob bei einer erweiterten Anklage auf Betrug hätte erkannt werden müssen (E. 2). 2. Eine Forderung ist dem Bevollmächtigten anvertraut, wenn er ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann. Stellungnahme zur Kritik an dieser Rechtsprechung (E. 3b / cc). 3. Ein Gut ist dem Täter auch anvertraut, wenn er sich die Verfügungsmöglichkeit durch eine vorangegangene Täuschung erschlichen hat und sich die Täuschung gerade darauf bezieht, dass der Getäuschte dem Täter die Sache anvertraut hat (E. 3c). .
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Sachverhalt ab Seite 430 BGE 117 IV 429 S. 430 Das kantonale Strafgericht Schwyz verurteilte X. am 29./30. März 1990 wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung im Amt, in einem Falle des Versuchs hiezu, sowie wegen wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung im Amt zu drei Jahren Zuchthaus und erklärte ihn für zehn Jahre als amtsunfähig. Mit Urteil vom 31. Januar 1991 hiess das Kantonsgericht des Kantons Schwyz eine Berufung des Verurteilten teilweise gut und sprach ihn von der Anklage der Veruntreuung frei. Es bestrafte ihn mit zwei Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Amtsunfähigkeit.
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts erhebt die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid insoweit aufzuheben, als X. von der wiederholten und fortgesetzten Veruntreuung freigesprochen wurde, und die Sache zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden BGE 117 IV 429 S. 431 Erwägungen Erwägungen: 1.a) Dem Vorwurf der Veruntreuung liegt folgender Anklagesachverhalt zugrunde: Zwischen dem 23. Februar 1984 und dem 12. Dezember 1988 stellte der Beschwerdegegner als Sekretär-Adjunkt des Land- und Forstwirtschaftsdepartements des Kantons Schwyz an seinem Arbeitsplatz eine Vielzahl von Checks der Kantonalbank Schwyz, die auf Konti der kantonalen Verwaltung gezogen waren, unrechtmässig zugunsten von Drittpersonen und zugunsten von sich und seinem Sohn aus. Diese Checks «löste er, nachdem er sie teilweise mit einer Zessionserklärung versehen hatte, entweder selber bei der Kantonalbank in Schwyz ein und verwendete das Geld für private Zwecke oder leitete das Geld an seine privaten Gläubiger und nicht anspruchsberechtigte Drittpersonen weiter, welche die Checks einlösten». Überdies begünstigte er am 14. Dezember 1988 verschiedene Personen durch Checküberweisungen für ihnen nicht zustehende Ausfuhrprämien zu Lasten des Kantons Schwyz; in einem dieser Fälle hat der Begünstigte den Check nicht erhalten bzw. nicht eingelöst, weshalb dem Beschwerdegegner nur Versuch vorgeworfen wird. b) Nach den Ausführungen der Vorinstanz war der Beschwerdegegner im Land- und Forstwirtschaftsdepartement zuständig für Beständeprämien, Zuchtfamilien- und Halteprämien etc. im Bereich von Gross- und Kleinviehzucht. Ein weiterer Aufgabenbereich waren die Entschädigungen für die Schauexperten an den verschiedenen Viehausstellungen. Bis zum Jahre
1986 bearbeitete er zudem die Remontierungsbeiträge. Zum Vorgehen stellte die Vorinstanz fest, der Beschwerdegegner habe (in einer von der Anklage wegen Veruntreuung nicht umfassten ersten Phase) auf Briefpapier des Departements Prämien- und Entschädigungslisten erstellt und darauf Personen, namentlich Bauern, aufgeführt, die in der Regel Berechtigte hätten sein können, dies jedoch im konkreten Fall nicht waren; er habe somit mögliche Begünstigte frei erfunden. Diese Listen habe er mit dem Visumsstempel versehen, sein Visum eingesetzt und sie an den Departementsvorsteher weitergeleitet, der sie mit dem Endvisum versehen habe. Nach Prüfung durch die Finanzkontrolle habe die Finanzverwaltung des Kantons Schwyz der Kantonalbank Schwyz einen Vergütungsauftrag im auf der Liste angeführten Gesamtbetrag erteilt. Vor der Weiterleitung an den Departementsvorsteher .
BGE 117 IV 429 S. 432 habe der Beschwerdegegner in der Regel vom oberen Teil des Originalbelegs mit dem Visumsstempel und unter Abdeckung des unteren Teils mit den aufgeführten Empfängern und Beträgen eine Fotokopie erstellt und darauf persönliche Gläubiger, seinen eigenen Namen oder denjenigen seines Sohnes aufgelistet. Auf die Namen der in dieser gefälschten Liste aufgeführten Begünstigten habe er (in der zweiten, von der Anklage umfassten Phase) im entsprechenden Betrag Checks des Land- und Forstwirtschaftsdepartementes ausgestellt, wobei er diese mit dem Unterschriftenstempel des Departementssekretärs versehen habe. Die veränderten Listen und Kopien der Checks habe er an die Kantonalbank weitergeleitet. Die Originalchecks habe er – zum Teil mit einer beigefügten Zessionserklärung – den jeweils Begünstigten geschickt, welche die Beträge bei einer Bank eingelöst hätten, oder er habe die auf seinen Namen, den Namen seines Sohnes oder das Land- und Forstwirtschaftsdepartement lautenden Checks in der Regel bei der Kantonalbank Schwyz an deren Hauptsitz eingelöst. .
c) Die Vorinstanz verneinte, dass dem Beschwerdegegner Kontoguthaben der kantonalen Verwaltung bzw. des Landwirtschaftsdepartementes bei der
Kantonalbank Schwyz anvertraut gewesen seien, denn er habe zwar über das «sogenannte Visumsrecht» verfügt, demgegenüber aber «weder faktisch, geschweige denn rechtlich eine unkontrollierbare Verfügungsbefugnis über Gelder und Konti seines Arbeitgebers» gehabt. Nur durch die geschilderten arglistigen Machenschaften habe er eine Freigabe der Gelder und in der Folge eine unrechtmässige Vermögensverschiebung zu seinen Gunsten und zugunsten Dritter erreicht. Wenn der Täter die tatsächliche Verfügungsmacht über Güter erst durch arglistige Täuschung erlange, sei Veruntreuung zu verneinen und ausschliesslich Betrug gegeben. Eine Verurteilung wegen Betruges sei im vorliegenden Fall aber (ohne Verletzung des Anklageprinzips) nicht möglich. .
d) Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist demgegenüber entscheidend, dass der Beschwerdegegner nach der Freigabe der Gelder durch die Finanzverwaltung die faktische Verfügungsbefugnis über die Konti der kantonalen Verwaltung bzw. des Landwirtschaftsdepartementes bei der Kantonalbank hatte. Er habe ein «Zugangsvertrauen» gehabt, das nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung geschützt sei. Im übrigen laufe auch die Begründung der Vorinstanz darauf hinaus, dass Veruntreuung in BGE 117 IV 429 S. 433 Konkurrenz mit Betrug anzunehmen sei, weshalb man den Tatbestand der Veruntreuung nicht verneinen dürfe. 2. Die Frage, ob der Anklagesachverhalt bundesrechtlich als Veruntreuung zu qualifizieren ist, beantwortet sich unabhängig davon, ob bei einer erweiterten Anklage auf Betrug hätte erkannt werden müssen und ob in diesem Fall eine Verurteilung wegen Veruntreuung schon aus Konkurrenzgründen entfallen müsste. Zu prüfen ist demnach, ob gestützt auf die tatsächlichen Feststellungen, die die Vorinstanz im Rahmen des Anklagesachverhaltes getroffen hat, die Voraussetzungen einer Veruntreuung gemäss Art. 140 StGB gegeben sind. 3.a) Gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB begeht eine Veruntreuung, wer
anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. Die Gutsveruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB unterscheidet sich von der eigentlichen Veruntreuung gemäss Absatz 1 zunächst und vor allem durch das Tatobjekt. Tatobjekt ist – zunächst negativ – nicht eine fremde bewegliche Sache. Demgegenüber bereitet es Schwierigkeiten, den Begriff des anvertrauten Gutes positiv in einer Art zu umschreiben, die den sich aus dem Grundsatz nullum crimen sine lege ergebenden Anforderungen genügt. Absatz 2 erfasst zweifellos einmal bewegliche Sachen, die aufgrund besonderer zivilrechtlicher Konstellationen im Eigentum des Täters stehen, obwohl die Konstellation als solche mit der eigentlichen Veruntreuung vergleichbar ist (vgl. SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht, Band 2, Art. 140 N 24). Nach der Rechtsprechung gilt Absatz 2 aber auch in Fällen, in denen die Verwandtschaft mit der Aneignung einer fremden beweglichen Sache nur noch entfernt gegeben ist, etwa bei der Verfügung über ein Guthaben des Treugebers, über welches der Täter Vollmacht hat. In der Doktrin wird demgegenüber angenommen, Absatz 2 sollte nur solches Unrecht erfassen, das dem in Absatz 1 vertypten strukturell gleichwertig ist (JENNY, Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 124/1988, S. 402 f.; LUKAS SCHAUB, Die unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes, Basel 1979, S. 105 ff.; SCHUBARTH, a.a.O. Art. 140 N 24; gleicher Grundgedanke bei REHBERG, Zum objektiven Tatbestand der Veruntreuung, ZStrR 92/1976, S. 44). In der Praxis ist Gutsveruntreuung bejaht worden bei der unrechtmässigen Verwendung von Post- oder Bankguthaben des Treugebers, über welche der Täter aufgrund einer Vollmacht verfügen .
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BGE 117 IV 429 S. 434 konnte (BGE 109 IV 27), bei der unrechtmässigen Ausschöpfung der mit dem Konto verbundenen Kreditmöglichkeit (BGE 109 IV 33 E. 4) sowie bei der unrechtmässigen Verfügung über Konti, über die der Prokurist einer Bank faktisch allein verfügen kann (BGE 111 IV 19). .
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b)
aa) Nach der Rechtsprechung ist eine Forderung dem Bevollmächtigten immer dann anvertraut, wenn er ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann. Sobald diese unkontrollierbare Verfügungsbefugnis eingeräumt wurde oder kraft Gesetzes vorhanden ist, besteht das Bedürfnis nach strafrechtlichem Schutz des Vertrauensverhältnisses, dem Art. 140 StGB gerecht werden soll (BGE 109 IV 32). Die Vorinstanz stellt zunächst für das Bundesgericht verbindlich fest, dass der Beschwerdegegner jedenfalls generell weder faktisch, geschweige denn rechtlich eine unkontrollierbare Verfügungsbefugnis über Gelder oder Konti seines Arbeitgebers hatte. Im Lichte dieser tatsächlichen Feststellung ist die Auffassung der Vorinstanz nicht bundesrechtswidrig. .
bb) Die Beschwerdeführerin bringt jedoch vor, dem Beschwerdegegner sei nach der Freigabe der Gelder durch die Finanzverwaltung die faktische Verfügungsbefugnis über die Konti der kantonalen Verwaltung bzw. des Landwirtschaftsdepartementes bei der Kantonalbank Schwyz zugestanden. Damit sei ihm das nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geschützte Zugangsvertrauen eingeräumt worden. Diese Argumentation zielt also dahin, auch wenn dem Beschwerdegegner zunächst in der ersten nicht zur Anklage gebrachten Deliktsphase die Gelder nicht anvertraut gewesen seien, habe sich dies mit der Freigabe der Gelder geändert. Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdegegner in dieser zweiten Phase des Geschehens die faktische Befugnis hatte, die Checks auf die Namen der berechtigten Bezüger zu erstellen und mit dem Faksimilestempel des Departementssekretärs zu «unterzeichnen». Dennoch schliesst sie Veruntreuung aus; anders zu entscheiden sei möglicherweise dann, «wenn der Beschwerdegegner nur seine faktische Kompetenz im Bereich Checkverkehr dazu missbraucht hätte, die Gelder zu seinen oder eines anderen Gunsten unrechtmässig zu verwenden, ohne zu vorhergehenden täuschenden Machenschaften zu greifen». cc) Wie in E. 2 dargelegt, ist für die Beurteilung einer Veruntreuung nicht entscheidend, ob dem Sachverhalt, der unter dem
BGE 117 IV 429 S. 435 Gesichtspunkt der Veruntreuung zu prüfen ist, ein betrugsrelevantes Geschehen vorangegangen ist. Entscheidend ist deshalb, ob die faktische Befugnis, Checks mit Hilfe eines Faksimilestempels zu unterzeichnen, zur Bejahung des Anvertrautseins im Sinne von Art. 140 StGB genügt. JENNY (a. a.O. S. 402 ff.) vertritt die Ansicht, dass derjenige, dessen Vermögen sich durch das ihm entgegengebrachte Vertrauen nicht vermehrt, der also nichts empfängt, sondern nur die Befugnis erhält, über Werte des Vollmachtgebers, d.h. über rechtlich fremdes «Gut» zu verfügen, keine Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB begehen könne. Denn die strukturelle Gleichwertigkeit von Absatz 2 mit Absatz 1 liege nur vor, wenn der Treugeber analog dem gänzlichen Verzicht auf die Sachherrschaft gemäss Absatz 1 das Recht am «Gut» völlig aufgibt. Nur dann bestehe in Analogie zur besonderen Pflicht der Respektierung des Eigentums gemäss Absatz 1 die Verpflichtung des Treuhänders, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zur Verfügung zu halten. Nur dadurch sei sichergestellt, dass Absatz 2 die gleiche Art von Vertrauen schütze wie Absatz 1. Absatz 2 sei deshalb nur anwendbar, wenn die missbräuchliche Ausübung eingeräumter Befugnisse äquivalentes Vertrauen enttäusche, d. h. Treuepflichten desselben Typs verletze. JENNY kommt zum Schluss, der Bevollmächtigte habe bloss eine dem Mitgewahrsamsinhaber, in Fällen intern beschränkter Verfügungsbefugnis eine dem Gewahrsamsdiener vergleichbare Stellung, weshalb ihm das Gut nicht anvertraut sei. Demgegenüber nimmt SCHAUB (a. a.O. S. 111 f.) an, es ergebe sich in dieser Hinsicht vom Faktischen her eine Relativierung. Der Mitgewahrsamsinhaber habe bei körperlichen Sachen die Möglichkeit, sich jeder unbefugten Verfügung des Täters über die Sache zu widersetzen. Diese Möglichkeit fehle dem Forderungsgläubiger; mangels Körperlichkeit der Forderung sei eine Verfügung des Täters nicht augenfällig. Insofern sei die Situation des Bevollmächtigten, der über eine einem andern zustehende Forderung verfügen könne, mit demjenigen zu vergleichen, der Alleingewahrsam an einer fremden Sache innehabe. JENNY (a. a.O. S. 405) fügt seiner Argumentation den Gesichtspunkt .
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hinzu, dass das Gesetz sehr wohl eine Bestimmung kenne, die exakt auch jenes Vertrauen schütze, um das es bei der Bevollmächtigung gehe, nämlich die ungetreue Geschäftsführung gemäss Art. 159 StGB. Die Tatbestandserfordernisse dieser Bestimmung BGE 117 IV 429 S. 436 würden unterlaufen, wenn man Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB systemwidrig auf Vermögensschädigungen ausdehne, die ihrer Struktur nach in den Bereich von Art. 159 StGB fallen. An der in BGE 109 IV 27 ff. begründeten Rechtsprechung ist unter Hinweis auf die von SCHAUB genannten Gründe festzuhalten. Im übrigen wird es Sache des Gesetzgebers sein, im Zusammenhang mit der Revision des Vermögensstrafrechtes die Tatbestände der Gutsveruntreuung besser aufeinander abzustimmen. c) Zu prüfen bleibt, ob ein Gut dem Täter auch dann anvertraut sein kann, wenn er sich die Verfügungsmöglichkeit durch eine vorangegangene Täuschung erschlichen hat. Die Vorinstanz scheint dies unter Bezugnahme auf BGE 111 IV 130 zu verneinen. BGE 111 IV 130 nimmt zur Konkurrenz zwischen Betrug und Veruntreuung Stellung. Wer die tatsächliche Verfügungsmacht durch arglistige Täuschung erlangt, ist – wenn die übrigen Betrugsvoraussetzungen erfüllt sind – ausschliesslich nach Art. 148 StGB zu bestrafen und nicht wegen Veruntreuung und zwar auch dann nicht, wenn qualifizierte Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 2 StGB in Frage steht. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht darum, ob der Beschwerdegegner (bei erweiterter Anklage) wegen Betruges hätte verurteilt werden müssen, sondern ob die Voraussetzungen von Art. 140 StGB erfüllt sind (oben E. 2). Zutreffend ist allerdings, dass dem Täter eine Sache in der Regel nicht anvertraut ist, die er durch Täuschung erlangt hat. Dem Betrüger, der eine Sache betrügerisch gekauft hat, ist der Kaufgegenstand so wenig anvertraut wie dem Dieb die Sache, die er gestohlen hat. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Täuschung sich gerade darauf bezieht, dass der Getäuschte dem Täter die Sache anvertraut. Denn nach der Rechtsprechung ist eine Sache .
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anvertraut, wenn der Täter sie mit der Verpflichtung empfängt, sie in bestimmter Weise im Interesse eines andern zu verwenden (BGE 105 IV 33). Entscheidend ist jedenfalls die Verpflichtung des Empfängers, die Sache in dem Zustand zu erhalten, dass er sie vertragskonform zurückgeben kann, wobei statt Rückgabe je nach Abmachung auch Weitergabe an einen Dritten in Betracht kommt (SCHUBARTH, a.a.O. Art. 140 N 5). Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der Täter den Treugeber beim Vertragsschluss getäuscht hat. Denn ist ein übereinstimmender innerer Wille der Parteien, welcher in erster Linie massgebend wäre, nicht festgestellt, ist eine vertragliche Vereinbarung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen (BGE 111 II 457). Nach diesem Grundsatz ist .
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BGE 117 IV 429 S. 437 die Berufung auf einen eigenen einseitigen versteckten Dissens ausgeschlossen (BGE 107 II 230 E. 5). Dass der Getäuschte den Vertragsschluss anfechten kann (Art. 31 OR), ändert daran nichts. Denn nur ihm steht die Möglichkeit der Anfechtung zu, und auch dann, wenn er anficht, bleibt die gegebenenfalls vereinbarte Pflicht des Vertragspartners, für den anvertrauten Gegenstand zu sorgen, bis zur Beendigung der Rückabwicklung des Vertrages bestehen. Dass der Treugeber die Sache dem Empfänger aufgrund eines Willensmangels anvertraut hat, ändert also nichts daran, dass sie anvertraut im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist. Entsprechendes gilt für das anvertraute Gut gemäss Absatz 2 dieser Bestimmung. d) Es kann offenbleiben, ob die vom Beschwerdegegner verwendeten Checks ihm anvertraut waren, was er in seiner Vernehmlassung in Abrede stellt. Denn vorliegend ist entscheidend, dass ihm die auf dem Konto befindlichen Gelder nach deren Freigabe durch die Finanzverwaltung anvertraut waren und dass er unrechtmässig über sie verfügt hat. .
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BGE 118 IV 148 28. Urteil des Kassationshofes vom 8. April 1992 i.S. V. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Nichtigkeitsbeschwerde). .
Regeste Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Begriff der Aneignung. Aneignung setzt voraus, dass der Täter einerseits den Willen auf dauernde Enteignung des Eigentümers und anderseits den Willen auf zumindest vorübergehende Zueignung der Sache an sich selbst hat. Dieser Wille muss sich nach aussen manifestieren. Sachverhalt ab Seite 149 BGE 118 IV 148 S. 149 A. Am 25. Mai 1983 schloss V. einen Abzahlungsvertrag über einen Mercedes 280 SE, Jahrgang 1975, ab. Der vereinbarte Eigentumsvorbehalt wurde am 3. Juni 1983 in das Eigentumsvorbehaltsregister des Betreibungsamtes Bern eingetragen. Im Dokument betreffend den Abzahlungsvertrag wurden das Eigentum am Fahrzeug und die Kaufpreisforderung an die Bank A. übertragen. Die erste Monatsrate von Fr. 437.10 wurde am 30. Juni 1983 fällig. Gemäss dem Schreiben der Bank vom 4. April 1984 schuldete V. zu diesem Zeitpunkt der Bank auf den Gesamtkredit von Fr. 10 490.40 noch den Betrag von Fr. 8886.60. V. blieb den ausstehenden Betrag weiterhin schuldig. Somit wurden nur knapp 4 Monatsraten bezahlt. Diese Raten zahlte die Kommanditgesellschaft B., obwohl V. den Abzahlungsvertrag in seinem eigenen Namen abgeschlossen hatte und er auch der Halter des Fahrzeugs war. Über die Firma B. wurde am 11. Januar 1984 der Konkurs eröffnet, der am 21. Februar 1984 mangels Aktiven eingestellt werden musste.V. verbrachte den Mercedes zu einem nicht genau bestimmten Zeitpunkt in die Türkei, wo dieser sich spätestens seit dem
11. Januar 1984 befindet. Es steht fest, dass V. den Wagen am 24. Mai 1984 in der Türkei benutzte. Am 31. Januar 1986 ist das Fahrzeug, das sich noch immer im Besitz von V. befand, vom türkischen Zoll beschlagnahmt worden. B. Das Obergericht des Kantons Solothurn sprach V. mit Urteil vom 7./8./9. November 1990 der Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit 4 Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren. Die von der Bank A. gegen V. erhobene Zivilforderung im Betrag von Fr. 8886.60 wurde der Gläubigerin zugesprochen. C. Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, der Schuldspruch wegen Veruntreuung und die Zusprechung der Zivilforderung sowie die Kostenauflage seien aufzuheben. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn haben auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Obergericht des Kantons Solothurn erachtete den objektiven und den subjektiven Tatbestand der Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB im wesentlichen mit der folgenden Begründung als erfüllt. In objektiver Hinsicht habe der Beschwerdeführer BGE 118 IV 148 S. 150 das im Eigentum der Bank stehende Fahrzeug seit spätestens dem 11. Januar 1984 benützt, ohne sich nach dem Konkurs der B. weiter um die Ratenzahlungen zu kümmern; dies, obwohl er sich persönlich im Abzahlungsvertrag verpflichtet habe. Aus der Bemerkung des Verteidigers, dass das Fahrzeug in der Türkei zur Verfügung stehe, gehe hervor, dass es sich heute noch immer im Besitz des Beschwerdeführers befinde. Hinzu trete, dass der Beschwerdeführer den Wagen in die Türkei verbracht habe, was der Bank
die Durchsetzung ihrer Eigentumsansprüche erschwert habe. Auch könne nicht ausser acht gelassen werden, dass er das Fahrzeug bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung über die Firma B. normalerweise nicht in die Türkei mitgenommen habe. Aus all diesen Tatumständen ergebe sich, dass er das der Bank gehörende Fahrzeug sich angeeignet habe. Auch der Einwand des Verteidigers, dass sein Mandant das Auto habe zurückgeben wollen, dies jedoch durch die Verarrestierung des Wagens durch den türkischen Zoll verunmöglicht worden sei, begründe keinen Zweifel am Aneignungsvorsatz des Beschwerdeführers. Selbst wenn diesem angesichts des wegen anderer Vorwürfe in der Schweiz gegen ihn ausgestellten Haftbefehles nicht vorgehalten werden könne, dass er das Fahrzeug nicht persönlich in die Schweiz zurückgebracht habe, hätten doch andere Möglichkeiten der Regelung dieser Angelegenheit bestanden. Der Beschwerdeführer habe jedoch weder mit der Bank Kontakt aufgenommen bzw. die Raten bezahlt noch für die Rückführung des Fahrzeuges durch Dritte gesorgt. Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, es gehe aus den Akten hervor, dass er oft geschäftlich in die Türkei gereist sei. Er habe in der Folge auch den Mercedes mit in die Türkei genommen, ihn aber auch jeweils wieder zurück in die Schweiz gebracht. Auch als er sodann im Dezember 1983 wieder in die Türkei gereist sei, habe er den Mercedes mitgenommen. Anfang Februar 1984 sei er in der Schweiz zur Verhaftung ausgeschrieben worden, weshalb er es vorgezogen habe, vorläufig nicht mehr in die Schweiz zurückzukommen. Natürlich sei es ihm so auch nicht mehr zumutbar gewesen, den noch nicht abbezahlten Mercedes zurück in die Schweiz zu bringen. Die Qualifikation seines Verhaltens als Aneignungshandlung sei unrichtig. In diesem Sinne habe auch die Staatsanwaltschaft betreffend den Tatbestand der Veruntreuung klar auf Freispruch plädiert. Er habe mehrmals betont bzw. durch seinen Vertreter immer wieder und auch anlässlich der Hauptverhandlung geltend gemacht, dass er niemals die Absicht gehabt habe, den Mercedes zu behalten. BGE 118 IV 148 S. 151 Hätte er diese Absicht gehabt, hätte er den Wagen ja schon längst in der Türkei verkaufen können; dies sei jedoch nie seine Absicht gewesen. Die Vorinstanz unterscheide nicht zwischen den beiden Voraussetzungen der
Aneignung, nämlich der Enteignung einerseits und der Zueignung anderseits. Zwar reiche eine vorübergehende Zueignung aus, doch müsse die Enteignung des bisherigen Eigentümers stets eine dauernde sein. Es sei ihm aber nicht nachgewiesen worden, dass er eine dauernde Enteignung gewollt haben könnte. Da der Mercedes in der Türkei zur Verfügung stehe, erübrige sich auch die zu Gunsten der Bank A. gutgeheissene Zivilforderung, welche nicht mehr begründet sei. Da er freizusprechen sei, sei über die Zivilforderung nicht zu entscheiden. 2. Nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer sich eine ihm anvertraute fremde, bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern. Es ist unbestritten, dass das Fahrzeug dem Beschwerdeführer aufgrund des Abzahlungsvertrages und des rechtsgültigen Eigentumsvorbehaltes als eine fremde, bewegliche Sache anvertraut war. Streitig ist indessen, ob die Vorinstanz das Tatbestandsmerkmal der Aneignung zu Recht bejahte. a) Aneignung bedeutet, dass der Täter die fremde Sache oder den Sachwert wirtschaftlich seinem eigenen Vermögen einverleibt (BGE 104 IV 158 E. 1b), sei es, um sie zu behalten oder zu verbrauchen, sei es, um sie an einen andern zu veräussern (BGE 85 IV 19 E. 2, BGE 114 IV 136 E. 2a), bzw. dass er wie ein Eigentümer über die Sache verfügt, ohne diese Eigenschaft zu haben (BGE 95 IV 4, auch BGE 81 IV 234). In der Lehre wird bei der Aneignung zwischen der negativen Seite der Enteignung und der positiven der Zueignung unterschieden. Der Täter muss einerseits einen Willen auf dauernde Enteignung des bisherigen Eigentümers und anderseits einen Willen auf mindestens vorübergehende Zueignung an ihn selbst, d.h. auf Verwendung der Sache zu seinen eigenen Zwecken, haben. Dabei genügt es aber nicht, dass der Täter den Aneignungswillen hat, er muss ihn vielmehr auch betätigen; denn strafbar ist niemals der Wille als solcher, sondern immer nur ein bestimmt geartetes Verhalten (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, § 8 N 20 ff., insbesondere N 35 und 36; REHBERG, Strafrecht III, 5. Aufl. 1990, S. 64; NOLL, Strafrecht, Bes. Teil, S. 147; NOLL, Der Einfluss von Kompensation und Retention bei den Delikten gegen das Eigentum, ZStrR 71/1956, S. 148 ff., 164; SCHUBARTH, Kommentar zum .
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schweizerischen Strafrecht, Art. 137 N 80 ff., Art. 141 N 5 ff.; PETER DUERST, BGE 118 IV 148 S. 152 Der Begriff der Aneignung im Schweizerischen Strafgesetzbuch, Diss. Bern 1955, S. 21 ff.). Das Erfordernis, dass sich der Aneignungswille in einem bestimmten Verhalten manifestiere, ergibt sich schon aus dem Schuldprinzip (vgl. zur entsprechenden Problematik bei der Mordqualifikation BGE 117 IV 389 E. 17). Der Gedanke, dass sich die Tathandlung nach aussen manifestieren muss, wird auch deutlich aus deren Umschreibung im Tatbestand der Veruntreuung von Pfandsachen (Art. 147 Abs. 1 StGB). Wirtschaftlich gesehen stellt eine unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache ein Pfand dar, das im Besitz des Schuldners bleibt (vgl. BGE 80 III 26 f.).
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b) Der Beschwerdeführer hat das Fahrzeug nach der Konkurseröffnung über die Firma B. weiter für seine eigenen Zwecke verwendet, ohne sich um die Ratenzahlungen zu kümmern. Mit Recht bestreitet er nicht, sich damit das Fahrzeug zumindest vorübergehend zugeeignet zu haben; er stellt aber seinen Willen auf dauernde Enteignung in Frage. Ob er den Willen manifestiert habe, den Mercedes der rechtmässigen Eigentümerin für dauernd zu enteignen, kann der Kassationshof mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht überprüfen. Die Vorinstanz trifft die von der Lehre zu Recht geforderte Unterscheidung zwischen der dauernden Enteignung einerseits und der vorübergehenden Zueignung anderseits nicht. Deshalb ist nicht klar, ob und aus welchen Umständen sie auf einen Willen auf dauernde Enteignung der rechtmässigen Eigentümerin geschlossen habe. Dabei kann zwar nicht gefordert werden, dass der Täter einen Akt vornimmt, aus dem sich unzweideutig – auch für jeden Dritten – der Aneignungswille im dargelegten Sinne ergibt. Erforderlich ist also nur, aber immerhin ein Verhalten, durch das der – vorhandene! – Aneignungswille manifestiert, eben betätigt wird (so STRATENWERTH, a.a.O., § 8 N 38). Der angefochtene Entscheid ist daher in Anwendung von Art. 277 BStP aufzuheben. Die Vorinstanz wird in ihrem neuen Entscheid darüber zu befinden haben, ob und aus welchen Tatumständen auf einen auf dauernde .
Enteignung der Eigentümerin gerichteten Willen des Beschwerdeführers zu schliessen ist. Sie wird dann auch die Zivilforderung neu zu beurteilen haben.
BGE 118 IV 244 44. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale du 1er juillet 1992 dans la cause X. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) .
Regeste Art. 159 StGB; ungetreue Geschäftsführung. Wer als Mitglied einer Behörde berechtigt ist, die Funktion eines Verwaltungsrates auszuüben, die Tantiemen aber dem Gemeinwesen abliefern muss, macht sich, wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, grundsätzlich nicht der ungetreuen Geschäftsführung schuldig, ausser wenn seine amtlichen Funktionen ihn dazu verpflichten, für die Eintreibung solcher Forderungen zu sorgen (E. 2). .
Sachverhalt ab Seite 244 BGE 118 IV 244 S. 244 A. Elu conseiller municipal de la ville de L., X. a été chargé des Services industriels de juin 1981 jusqu’à sa démission peu avant le renouvellement des autorités communales en automne 1989. Le règlement de la Municipalité de L. du 14 décembre 1965 prévoit, à son art. 11 al. 2, que les membres de cette autorité ne peuvent appartenir à l’administration d’aucune entreprise ou société poursuivant un but lucratif, sauf si la commune y a un intérêt manifeste. L’art. 13 al. 3 de ce règlement prescrit que «les tantièmes perçus par les membres de la Municipalité dans le cadre de l’activité prévue à l’art. 11 al. 2 sont versés à la caisse communale». Sur le plan pratique, il a été établi que certains conseillers municipaux encaissaient des tantièmes, puis en versaient le montant à la caisse communale; d’autres remettaient directement à l’administration des finances le chèque qu’ils avaient reçu; d’autres enfin avisaient la comptabilité
BGE 118 IV 244 S. 245 et demandaient à recevoir une facture pour effectuer leur versement. Seuls les tantièmes devaient être versés; les conseillers municipaux pouvaient conserver les jetons de présence, le remboursement des frais, ainsi que les sommes perçues comme membres d’un comité de direction. Dès son accession à la Municipalité de L., X. est devenu administrateur ou membre du comité de direction de diverses sociétés à but lucratif; dans le cadre de ses activités, des tantièmes lui ont été versés. Constatant qu’il n’avait restitué qu’une partie des tantièmes reçus, la comptabilité de la commune de L. avisa le syndic, qui, par lettres du 9 février 1989 et du 8 mars 1989, somma X. de payer les sommes dues. En plusieurs versements, celui-ci s’est acquitté du montant total, en capital, avec un excédent de 8250 fr. 40. Il a cependant été établi que dès 1984, X. avait accumulé un retard dans ses paiements qui est allé en s’accroissant, atteignant une somme totale de plus de 28 000 francs, jusqu’à ses versements importants d’avril à juin 1989. Il a été constaté que, pendant la période considérée, il ne disposait pas des fonds qui lui auraient permis de régler en tout temps ce qu’il devait à la caisse communale. Cette situation n’était pas due à un désordre dans ses affaires, mais à ses difficultés financières, qui l’avaient amené à procéder volontairement de cette façon pour s’assurer temporairement des liquidités. B. Par jugement du 21 juin 1991, le Tribunal correctionnel du district de L. a condamné X., pour abus de confiance qualifié, à la peine de douze mois d’emprisonnement avec sursis pendant deux ans; il a prononcé son incapacité de revêtir une charge ou une fonction officielle pour une durée de cinq ans; il l’a enfin condamné aux frais et dépens, réservant les prétentions civiles de la commune de L. Statuant le 10 février 1992 sur recours du condamné, la Cour de cassation cantonale a modifié la qualification juridique de l’infraction, retenant la gestion déloyale en lieu et place de l’abus de confiance qualifié; elle a réduit la peine de douze mois à six mois d’emprisonnement avec sursis pendant deux ans et a confirmé le jugement attaqué pour le surplus.
C. Contre cet arrêt, X. s’est pourvu en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Soutenant que les faits de la cause ne correspondent pas à la qualification de gestion déloyale, il conclut, sous suite de dépens, à l’annulation de la décision attaquée et au renvoi de la cause à l’autorité cantonale pour prononcer son acquittement. Le Ministère public a conclu au rejet du pourvoi. BGE 118 IV 244 S. 246 Erwägungen Extrait des considérants: 2.a) La seule question litigieuse est de savoir si les faits retenus par la cour cantonale constituent une gestion déloyale au sens de l’art. 159 al. 1 CP. Commet une gestion déloyale, selon cette disposition, celui qui, tenu par une obligation légale ou contractuelle de veiller sur les intérêts pécuniaires d’autrui, y aura porté atteinte. L’art. 159 CP ne sanctionne pas la violation de n’importe quelle obligation de diligence relative à tout ou partie du patrimoine d’autrui, mais seulement celle qui est attachée à une gestion; il ne suffit ainsi pas que l’auteur ait eu l’obligation contractuelle ou légale de veiller sur le patrimoine d’autrui, il faut encore qu’il ait eu la position d’un gérant; seul peut avoir la position d’un gérant celui qui dispose d’une indépendance suffisante et qui jouit d’un pouvoir de disposition autonome sur les biens qui lui sont remis; ce pouvoir peut se manifester non seulement par la passation d’actes juridiques, mais également par la défense sur le plan interne d’intérêts patrimoniaux ou par des actes matériels; il faut cependant que le gérant ait une autonomie suffisante sur tout ou partie de la fortune d’autrui, sur les moyens de production ou le personnel d’une entreprise (ATF 105 IV 311 consid. 2a, ATF 102 IV 92 consid. 1b et les références citées voir également ATF 113 IV 73 consid. 6a). Une gestion déloyale peut aussi être commise par un membre d’une autorité ou un fonctionnaire, notamment lorsqu’il est chargé de gérer des fonds publics, l’art. 314 CP constituant toutefois une lex specialis (ATF 88 IV .
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141, ATF 81 IV 230 s. consid. 1a; STRATENWERTH, Bes. Teil I, 3e éd., p. 282 No 9; REHBERG, Strafrecht III, 5e éd., p. 161). b) En tant que conseiller municipal, le recourant était chargé, collégialement avec les autres membres du conseil, de gérer la commune de L.; par ailleurs, il était spécialement chargé d’administrer les Services industriels. Il n’est pas douteux, par les pouvoirs qui lui étaient dévolus, qu’il avait la position de gérant. Il faut toutefois préciser qu’à l’instar d’une position de garant, une telle position de gérant n’est évidemment pas absolue. Elle n’impose des obligations que dans les domaines où la personne revêt véritablement cette qualité, c’est-à-dire où elle jouit effectivement d’un pouvoir de disposition autonome (cf. SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht, Bes. Teil II, art. 159 No 24 avec un renvoi à l’art. 140 No 16; voir également ATF 113 IV 73 s. et SCHMID, Einige Aspekte der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Gesellschaftsorganen, RPS 105 (1988), p. 168). .
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BGE 118 IV 244 S. 247 Ainsi, pour qu’il y ait gestion déloyale, il ne suffit pas que l’auteur ait été gérant ni qu’il ait violé une quelconque obligation de nature pécuniaire à l’endroit de la personne dont il gère tout ou partie du patrimoine. Le terme de gestion déloyale et la définition légale de l’infraction exigent que l’obligation violée soit liée à la gestion confiée (ATF 105 IV 312 consid. 3a, ATF 102 IV 92 consid. 1b, ATF 81 IV 279, ATF 80 IV 247; NOLL, Bes. Teil I p. 223; REHBERG, op.cit., p. 161; TRECHSEL, Kurzkommentar, ad art. 159 No 8). .
c) Le recourant était chargé des Services industriels. S’il est vrai qu’il avait été désigné au conseil d’administration de diverses sociétés en raison de sa charge officielle, il n’apparaît nullement que l’activité qu’il y déployait constituait une partie intégrante de sa charge de conseiller municipal délégué aux Services industriels. Le fait qu’il ait pu conserver toutes les sommes versées par les sociétés en question dans la mesure où elles tendaient à rémunérer ou défrayer l’activité d’administrateur montre bien que l’accusé n’était pas rétribué par la commune pour cette activité et que celle-ci sortait donc du cadre de sa charge officielle. C’est pour récompenser son activité
d’administrateur au sein des sociétés que celles-ci lui ont versé personnellement des tantièmes. Certes, le règlement communal l’obligeait, en raison de son statut de conseiller municipal, à restituer les tantièmes à la commune. Il ne s’agissait cependant que d’une dette à l’égard de la commune, découlant de son statut, et faisant suite à l’activité lucrative qu’il avait exercée, de façon licite, en dehors du domaine de sa charge. Dans un tel système, l’inexécution de l’obligation de restitution n’apparaît en aucune façon comme un acte de gestion des Services industriels. On ne voit pas non plus, sur la base des constatations cantonales, que le recourant ait été chargé de recouvrer ce type de créances, puisqu’il n’était pas délégué aux finances; d’autre part, n’étant pas le syndic, il n’était pas tenu spécialement de veiller à ce que les conseillers municipaux respectent les devoirs de leur charge. La cour cantonale a cependant considéré qu’étant membre du conseil municipal, il était chargé, collégialement, de veiller à ce que la commune encaisse ses créances. Cette conception est beaucoup trop large et ne peut être suivie. Ainsi qu’il a été démontré, le recourant, en exerçant ses mandats d’administrateur, accomplissait de manière licite une activité lucrative accessoire, mais extérieure aux devoirs de sa charge. Son statut de conseiller municipal l’obligeait à restituer une partie des sommes reçues dans ce contexte, à savoir les tantièmes. Il s’agissait donc BGE 118 IV 244 S. 248 d’une dette personnelle à l’égard de la commune, liée à une activité extérieure à la charge municipale. On ne voit pas qu’en tant que conseiller municipal le recourant ait eu un quelconque devoir de gestion dans le cadre duquel il aurait été tenu de procéder ou de faire procéder au recouvrement de sa propre dette personnelle. Il ne ressort pas des constatations de fait qu’il ait été chargé de façon générale de recouvrer les créances de la commune, ni qu’il ait été chargé de manière particulière de recouvrer ce type de créances. Il est notoire que les tâches sont réparties au sein d’un conseil municipal et on ne saurait faire appel à la notion de collégialité pour soutenir que n’importe quel conseiller municipal est tenu de gérer sa dette personnelle à l’égard de la
commune et qu’il doit veiller à se faire notifier un commandement de payer à lui-même. On ne voit pas qu’en retardant le paiement d’une dette personnelle envers la commune, le recourant ait violé un devoir concret et précis de gestion qui lui était dévolu dans le cadre de la répartition des tâches au sein des autorités municipales. Certes, on peut déplorer qu’un magistrat municipal ne s’acquitte pas ponctuellement de ses dettes à l’égard de la commune; cela ne suffit toutefois pas pour conclure à l’existence d’une gestion déloyale, en l’absence de toute violation de ses devoirs de gestion proprement dits; au demeurant, il semble que la commune pouvait parfaitement connaître la situation et qu’il lui appartenait de réagir rapidement, le cas échéant par les voies de la poursuite pour dettes, étant observé que sa mise en demeure s’est révélée en définitive efficace. En qualifiant les faits retenus de gestion déloyale, la cour cantonale a violé l’art. 159 al. 1 CP. Le pourvoi doit donc être admis et l’arrêt cantonal annulé.
BGE 119 IV 28 6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. März 1993 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen F. (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 268 ff. BStP; Eintreten auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde trotz Aufhebung des angefochtenen Entscheids durch das kantonale Kassationsgericht. Das Rechtsschutzinteresse eines Beteiligten, Gründe der Verfahrensökonomie und das Beschleunigungsgebot können es rechtfertigen, die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zu behandeln, obgleich das kantonale Kassationsgericht den angefochtenen Entscheid aufgehoben hat (E. 1). Art. 148 Abs. 1 StGB; Arglist; Lügengebäude, besonderes Vertrauensverhältnis, Opfermitverantwortung. Ein Lügengebäude und damit Arglist ist bei der Summierung mehrerer Lügen nicht ohne weiteres anzunehmen. Es ist erst gegeben, wenn die Lügen von besonderer Hinterhältigkeit zeugen und derart raffiniert aufeinander abgestimmt sind, dass sich auch das kritische Opfer täuschen lässt. Ist das nicht der Fall, scheidet Arglist jedenfalls dann aus, wenn sowohl das vom Täter gezeichnete Bild insgesamt, als Ganzes, wie auch die falschen Angaben für sich allein in zumutbarer Weise überprüfbar gewesen wären und schon die Aufdeckung einer einzigen Lüge zur Aufdeckung des ganzen Schwindels geführt hätte (E. 3c). Ein die Arglist begründendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Täter und dem Getäuschten ist nicht bei jeder Geschäftsbeziehung gegeben (E. 3e). Opfermitverantwortung bei einer Bank, die bei der Vergabe eines Kredits in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken die grundlegendsten Sorgfaltsmassnahmen missachtet hat (E. 3 f). .
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Sachverhalt ab Seite 30 BGE 119 IV 28 S. 30 A. Am 21. November 1991 befand das Obergericht des Kantons Zürich F. schuldig der Urkundenfälschung sowie der mehrfachen Veruntreuung. Vom Vorwurf des mehrfachen Betruges sprach es ihn frei. Es bestrafte ihn mit zehn Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren. Ausserdem erklärte es zwei bedingte Vorstrafen von 15 Monaten Gefängnis und einem Monat Gefängnis als vollziehbar. B. Dagegen erhoben sowohl die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich als auch F. kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft richtete sich gegen den Freispruch vom Vorwurf des Betruges, jene des F. gegen die Verurteilung wegen Urkundenfälschung. Am 14. Juli 1992 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ab. Die Beschwerde des F. hiess es dagegen gut und hob das Urteil des Obergerichts auf. Es war der Ansicht, das Obergericht habe den Grundsatz der richterlichen Bindung an die Anklage verletzt. C. Gegen das Urteil des Obergerichts führt die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid insoweit aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, als F. vom Vorwurf des mehrfachen Betruges zum Nachteil der Bank X. freigesprochen wurde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1.a) Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat das angefochtene Urteil am 14. Juli 1992 in Gutheissung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdegegners aufgehoben. Nach der bisherigen Rechtsprechung war bei
dieser Sachlage auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten, da es an einem Anfechtungsobjekt fehle. Der Kassationshof des Bundesgerichts behält sich in seiner neueren Praxis bei konnexen Beschwerden jedoch vor, auch bei Gutheissung der einen Beschwerde die andere zu behandeln, das insbesondere dann, wenn das Rechtsschutzinteresse eines Beteiligten und Gründe der Verfahrensökonomie dafür sprechen (BGE 117 IV 402 f. E. 2; SCHUBARTH, AJP 1992, S. 855 N 18). Dies ist namentlich dort der Fall, wo das infolge Gutheissung einer konnexen Beschwerde aufgehobene kantonale Urteil nach erfolgter Rückweisung von der kantonalen Instanz in einer im anderen .
BGE 119 IV 28 S. 31 Beschwerdeverfahren zu beurteilenden Frage bestätigt werden müsste. Ein erneutes Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht kann vermieden werden, wenn die zweite Beschwerde insoweit behandelt und erledigt wird (unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 11. Juli 1990 in Sachen S. und vom 1. April 1992 in Sachen W.). Ein entsprechendes Vorgehen kann sich auch rechtfertigen, wenn neben der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde kantonale Nichtigkeitsbeschwerde erhoben wurde und das kantonale Kassationsgericht den angefochtenen Entscheid aufgehoben hat.
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b) Die Vorinstanz hat den Beschwerdegegner vom Vorwurf des Betruges freigesprochen. Die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich abgewiesen. Die Vorinstanz begründet den Freispruch damit, das Tatbestandsmerkmal der Arglist sei nicht gegeben. Das rügt die Beschwerdeführerin mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde als bundesrechtswidrig. Würde die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde jetzt abgeschrieben, so ist anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin das neue Urteil der Vorinstanz, das im streitigen Punkt gleich lauten müsste wie ihr erster Entscheid, mit der gleichen Begründung erneut anfechten würde. Sollte das Bundesgericht dann zum Schluss kommen, die Vorinstanz habe das Tatbestandsmerkmal der Arglist zu Unrecht verneint, müsste ihr Urteil ein weiteres Mal aufgehoben werden, und die Vorinstanz hätte ein drittes Mal zu
entscheiden. Dies wäre mit den Grundsätzen einer vernünftigen Verfahrensökonomie und mit dem Beschleunigungsgebot (dazu BGE 117 IV 126) nicht zu vereinbaren. Auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb einzutreten. .
2.a) Die Vorinstanz fasst den hier massgeblichen Sachverhalt wie folgt zusammen: Im Frühjahr 1984 wechselte S. von seiner bisherigen Arbeitgeberfirma zur Bank X., wo er als Vizedirektor tätig war. Der Beschwerdegegner trat die Nachfolge von S. an dessen früherer Stelle an. Im Zusammenhang mit der Arbeitsübergabe lernten sich S. und der Beschwerdegegner kennen und hatten anschliessend einige Male Kontakt, in erster Linie, um Fragen, die bei der Arbeit des Beschwerdegegners auftraten, zu klären. Es blieb eine geschäftliche Beziehung. Auf Oktober 1984 fand der Beschwerdegegner eine neue Anstellung bei der Firma Z. als Geschäftsführer mit Kollektivprokura. Er war dort zuständig für die Leitung der Division Einkaufcontrolling / Finanzen in Zürich. S. hatte im Sommer / Herbst 1984 vom bevorstehenden Stellenwechsel des Beschwerdegegners erfahren. .
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BGE 119 IV 28 S. 32 Anfangs September 1984 stellte der Beschwerdegegner ein Kreditbegehren bei der Bank X. Er trat als Vertreter und Vertrauter der Familie Z. auf und ersuchte um diskrete Abwicklung des Geschäftes. Er erklärte, der Kredit sei bestimmt zur Finanzierung eines Liegenschaftskaufs auf der Rigi. Es gehe um eine kurzfristige Überbrückung, da noch nicht sämtliche Handelsregistereinträge vollzogen seien. Der Beschwerdegegner wies auf die «schwarze Natur» des Geschäftes hin und legte dar, dass die in Deutschland wohnhafte Familie Z. wohl nicht über eine den schweizerischen öffentlichrechtlichen Vorschriften entsprechende Bewilligung verfüge, aber dennoch im Begriffe stehe, über einen Strohmann, nämlich ihn, Wohneigentum in der Schweiz zu erwerben. Ohne die üblicherweise erforderlichen Unterlagen und ohne mündliche Rückfragen bei den vom Beschwerdegegner vorgegebenen Auftraggebern kam es hierauf am 6. September 1984 nach Orientierung des Vorgesetzten von S. zur Eröffnung von zwei Kontokorrentkrediten. Am 6. September 1984
wurde das Konto Nr. 64– 00 eröffnet; die Kreditlimite von vorerst Fr. 200 000.– wurde zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt später auf Fr. 500 000.– erhöht. Kurze Zeit danach wurde das Konto Nr. 87–00 eröffnet mit einer Kreditlimite von Fr. 200 000.–. Auf beiden Konten war nur der Beschwerdegegner unterschriftsberechtigt. Durch das vermeintlich gegenüber der Familie Z. gezeigte Entgegenkommen erhofften sich die Bankorgane, die finanzkräftige Z.-Gruppe als Kunden zu gewinnen. Der Beschwerdegegner tätigte zu Lasten der beiden Konten in der Zeit vom 6. September bis zum 27. Dezember 1984 insgesamt 16 Bezüge, wodurch per Saldo insgesamt Fr. 700 000.– bezogen wurden. b) In rechtlicher Hinsicht erwägt die Vorinstanz folgendes: Der Beschwerdegegner sei von Anfang an darauf ausgegangen, Bezüge für sich selbst zu tätigen. Das Geld habe er nach eigenen Angaben hauptsächlich für die Tilgung von Schulden verbraucht, aber auch beim Spielen in Casinos und bei Kollegen. Eine Rückzahlung habe er nicht beabsichtigt. Zum vereinbarten Termin, ja auf absehbare Zeit, sei er dazu auch nicht in der Lage gewesen. Die Vorinstanz bejaht teils ausdrücklich, teils konkludent das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale von Art. 148 StGB mit Ausnahme der Arglist. Diese sei zu verneinen. Soweit sie für den Zeitpunkt ab Mitte Oktober wegen der Verwendung einer gefälschten Fotokopie zu bejahen sei, sei der Motivationszusammenhang zwischen der arglistigen Irreführung und der Kreditgewährung nicht gegeben. BGE 119 IV 28 S. 33 Es sei unklar, ob die Anklagebehörde bereits in den unwahren Behauptungen des Beschwerdegegners als solchen arglistiges Verhalten erblicke. Er habe die Auszahlungen im wesentlichen gestützt auf die unwahre Behauptung erwirkt, er handle als Vertreter der Familie Z., welche aus Diskretionsgründen nicht in Erscheinung treten wolle. Im weiteren habe er unwahre Verwendungszwecke der benötigten Gelder angegeben (Finanzierung von Eigentumswohnungen, eines Flügels für Frau Z. und allenfalls eines Schiedsgerichtsverfahrens). Jede dieser Erklärungen sei ohne besondere Mühe überprüfbar gewesen. Sie bildeten deshalb auch in ihrer .
Gesamtheit kein raffiniertes Lügengebäude. Die Anklagebehörde sehe denn wohl auch die Arglist eher darin, dass der Beschwerdegegner die Bank davon abgehalten habe, seine Angaben zu überprüfen, weil er um verschwiegene Abwicklung des Geschäfts unter Hinweis auf dessen rechtswidrige Natur ersucht habe. Indem er bei der Bank die Erwartung auf künftige ertragreiche Geschäftsbeziehungen mit der Firmengruppe Z. geweckt habe, habe er die genauere Prüfung der Kreditbegehren vermieden. Seine Behauptung, er arbeite bei der Firma Z., sei zutreffend gewesen. Da er aber das Kreditbegehren gerade nicht in seiner Eigenschaft als Angestellter der Firma gestellt habe, sondern im eigenen Namen als Kreditnehmer aufgetreten sei, hätte es minimaler Sorgfaltspflicht der Bank entsprochen, das Vertretungsverhältnis abzuklären bzw. eine Vollmacht zu verlangen, wenn es ihr darum gegangen wäre, die Haftung der behaupteten Auftraggeberin für das Darlehen sicherzustellen. Dass der Bank die Überprüfung der Angaben des Beschwerdegegners nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich gewesen wäre, lasse sich der Anklageschrift nicht entnehmen. Darin werde eher angedeutet, weitere Abklärungen seien für die Bank unzumutbar gewesen; zwischen dem Beschwerdegegner und Vizedirektor S. habe ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden; dieses müsse die Bank berechtigt haben anzunehmen, die Familie Z. werde für den dem Beschwerdegegner gewährten Kredit einstehen. Beweismässig geht die Vorinstanz davon aus, dass aufgrund der Bekanntschaft zwischen S. und dem Beschwerdegegner von den sonst üblichen Nachforschungen bei einer derartigen Kreditgewährung abgesehen worden sei. Sie verweist auf eine Zeugenaussage, wonach man seitens der Bank selbst von Nachlässigkeit spreche. Nicht jede Geschäftsbekanntschaft begründe ein besonderes Vertrauensverhältnis. Nachfolge am Arbeitsplatz reiche dazu nicht aus, insbesondere nicht für einen berufsmässig für eine Bank handelnden BGE 119 IV 28 S. 34 Vizedirektor. Ihn treffe eine erhöhte Vorsichtspflicht. Denn er habe von Gesetzes wegen die Höhe der eingegangenen Risiken und den Wert der Aktiven zu kennen und intern überprüfbar darzulegen. So hätte er der Bank
gegenüber dartun müssen, ob im vorliegenden Fall ein ungesichertes Darlehen an irgend einen Privatmann gegeben werde, oder ob das Darlehen eine besondere Güte habe, weil die Firma Z. hafte. Allenfalls hätten auch Schuldbriefe als Sicherheit ausgestellt werden müssen. Es sei aber nichts dergleichen geschehen. Die Mitverantwortung des Opfers am Schaden erscheine hier derart schwer, dass nicht mehr von Arglist auf Seiten des Täters gesprochen werden könne. Die Vorinstanz prüft anschliessend, ob gegebenenfalls die Arglist für einen späteren Zeitpunkt und damit für einen Teil der Bezüge des Beschwerdegegners zu bejahen sei. Der Beschwerdegegner habe in der zweiten Hälfte Oktober 1984, nachdem erste fällige Rückzahlungen ausgeblieben seien, die selbstverfertigte Fotokopie eines Schreibens der Firma Z. an ihn selbst vorgelegt. Die Anklage werfe ihm vor, er habe dies getan, um aufkommende Bedenken zu beschwichtigen. Hier sei aber zu berücksichtigen, dass der Beschwerdegegner zu diesem Zeitpunkt bereits Bezüge im Umfang von Fr. 430 000.– getätigt habe. Die Erhöhung der Kreditlimite von ursprünglich Fr. 200 000.– auf Fr. 500 000.– sei also zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt gewesen. Dass dem Beschwerdegegner weitere Bezüge verweigert worden wären, wenn er das fragliche Dokument nicht vorgelegt hätte, sage die Anklage nicht. Derartiges gehe auch aus keiner der Zeugeneinvernahmen hervor. Die weiteren Bezüge des Beschwerdegegners habe die Bank aufgrund derselben Motivation zugelassen, die sie zur ursprünglichen Krediteinräumung bewogen habe und die nicht auf eine arglistige Irreführung durch den Beschwerdegegner zurückgeführt werden könne. Ein Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und dem fraglichen Schreiben sei nicht gegeben. c) Die Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Arglist sei zu bejahen. Der Beschwerdegegner habe sich betrügerischer Machenschaften und Kniffe bedient und habe ein ganzes Lügengebäude errichtet. 3.a) Gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB macht sich des Betruges schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder den Irrtum eines andern arglistig benutzt und so den Irrenden zu einem
Verhalten bestimmt, BGE 119 IV 28 S. 35 wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. Für die Erfüllung des Tatbestandes genügt somit nicht jede, sondern nur die arglistige Täuschung. Wer sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen (BGE 72 IV 128), den Irrtum durch ein Minimum zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können (BGE 100 IV 274; BGE 99 IV 78), ist strafrechtlich nicht geschützt. Arglist ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gegeben, wenn der Täter zur Täuschung eines anderen ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses; mise en scène) bedient, aber auch dann, wenn er bloss falsche Angaben macht, deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, sowie dann, wenn er den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde (BGE 118 IV 360 E. 2; 116 IV 25, je mit Hinweisen). Die Rechtsprechung nimmt an, bei einem Lügengebäude und besonderen Machenschaften sei Arglist stets gegeben, gleichgültig ob die Überprüfung der Angaben möglich, zumutbar und voraussehbar war oder nicht (BGE 116 IV 25, 106 IV 362, BGE 74 IV 152; kritisch dazu WILLI WISMER, Das Tatbestandselement der Arglist beim Betrug, Diss. Zürich 1988, S. 53 ff. und 113; Urteil des Luzerner Obergerichts vom 21. März 1989, LGVE 1989 I Nr. 41 S. 81/82). .
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b) Die Frage, ob bei der Summierung mehrerer Lügen auf ein Lügengebäude und damit auf Arglist geschlossen werden könne, hat die Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. So sagte das Bundesgericht einerseits, arglistig handle, wer ein ganzes Lügengebäude aufbaue, das von besonderer Hinterhältigkeit zeuge (BGE 74 IV 151), wer ein ganzes Gebäude von Lügen errichte, die raffiniert aufeinander abgestimmt seien (unveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 25. November 1960 in Sachen W.). Anderseits bejahte es die Arglist bei einer Täterin, die auf einem .
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Kreditantragsformular betreffend Geburtsdatum, Beruf, Arbeitgeber, Monatslohn und Miete mehrere falsche Angaben gemacht hatte (unveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 26. April 1988 in Sachen K.). Dieser letztere Entscheid ist auf Kritik gestossen. SCHUBARTH (Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 2. Band, Art. 148 N 42) führt aus, für die vom Bundesgericht in den beiden angeführten
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BGE 119 IV 28 S. 36 älteren Entscheiden gegebene engere Auslegung spreche, dass die blosse Summierung mehrerer Lügen für sich allein dem Getäuschten die Entdeckung jedenfalls dann nicht erschwere, sondern gegenteils erleichtere, wenn jede für sich allein ohne besondere Mühe überprüft werden könne und schon die Aufdeckung einer Lüge zur Aufdeckung des ganzen Schwindels führen könne. Deshalb sollte (entgegen dem Bundesgerichtsurteil vom 26. April 1988) Arglist verneint werden, wenn bei einem Kreditantrag mehrere falsche Angaben (Personalien, Arbeitgeber, Verdienst) gemacht würden, von denen jede für sich allein überprüfbar sei. WISMER (a.a.O., S. 56) ist der Auffassung, das Lügengebäude zeichne sich aus durch ein unübersichtliches Gestrüpp von falschen Angaben, die je einzeln und zusammen das falsche Bild von Wahrheit projizierten, dem selbst das kritische Opfer erliege. Das blosse Aneinanderreihen plumper, leicht durchschaubarer Lügen könne niemals nur deshalb als arglistig bezeichnet werden, weil es in formaler Hinsicht ein Lügengebäude darstelle. Die Lügen müssten – unbesehen ihrer Anzahl – in ihrer Gesamtheit eine Wirkung gleich derjenigen besonderer Machenschaften zu entfalten vermögen und von besonderer Hinterhältigkeit zeugen. .
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c) Nach der zutreffenden Ansicht des Schrifttums ist bei der Summierung mehrerer Lügen die Arglist nicht ohne weiteres zu bejahen. Ein Lügengebäude und damit Arglist ist nicht schon gegeben, wenn verschiedene Lügen bloss aneinandergereiht werden. Der Begriff des Lügengebäudes setzt etwas Stabiles, Konstruktives voraus (WISMER, a.a.O., S. 75, Fn. 34). Ein Lügengebäude und folglich Arglist ist erst anzunehmen, wenn die Lügen von .
besonderer Hinterhältigkeit zeugen und derart raffiniert aufeinander abgestimmt sind, dass sich auch das kritische Opfer täuschen lässt. Ist das nicht der Fall, scheidet Arglist jedenfalls dann aus, wenn sowohl das vom Täter gezeichnete Bild insgesamt, als Ganzes, wie auch die falschen Angaben für sich allein in zumutbarer Weise überprüfbar gewesen wären und schon die Aufdeckung einer einzigen Lüge zur Aufdeckung des ganzen Schwindels geführt hätte. Wie das Schrifttum zu Recht darlegt, ist es unter diesen Umständen für den Getäuschten sogar leichter, den Schwindel zu entdecken, als wenn der Täter nur eine einzige falsche Angabe gemacht hätte. d) Der Beschwerdegegner behauptete, (1) er sei Vertrauter und Vertreter der Familie Z.; (2) diese wolle aus Diskretionsgründen nicht in Erscheinung treten; (3) der Kredit sei bestimmt zur Finanzierung von Eigentumswohnungen auf der Rigi, eines Flügels für Frau Z. und .
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BGE 119 IV 28 S. 37 allenfalls eines Schiedsgerichtsverfahrens; (4) die Familie Z. verfüge wohl nicht über eine den schweizerischen öffentlichrechtlichen Vorschriften entsprechende Bewilligung, stehe aber dennoch im Begriffe, über einen Strohmann, nämlich ihn, Wohneigentum in der Schweiz zu erwerben. Diese Lügen stehen zwar in einem Zusammenhang. Sie zeugen jedoch nicht von besonderer Hinterhältigkeit und sind nicht derart raffiniert aufeinander abgestimmt, dass sich auch das kritische Opfer täuschen lässt. Die Bankorgane hätten sowohl das vom Beschwerdegegner gezeichnete Gesamtbild als auch jede einzelne Angabe für sich in zumutbarer Weise überprüfen können. Es hätte genügt, die Vorlage einer Vollmacht zu verlangen. Die Vorinstanz hat deshalb kein Bundesrecht verletzt, wenn sie die Arglist insoweit verneint hat. .
e) Arglist ist, wie dargelegt, nach der Rechtsprechung auch dann zu bejahen, wenn der Täter nach den Umständen voraussieht, dass der Getäuschte die Überprüfung aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde. Wie die Vorinstanz zu Recht annimmt, begründet nicht jede
Geschäftsbekanntschaft ein besonderes Vertrauensverhältnis, gestützt auf welches Arglist bejaht werden könnte. Nachfolge am Arbeitsplatz reicht dazu nicht aus, schon gar nicht bei einem berufsmässig für eine Bank handelnden Vizedirektor. Ein besonderes Vertrauensverhältnis im Sinne der ArglistRechtsprechung ist hier deshalb zu verneinen. f) Gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. c des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (SR 952.0) hat die Bank für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit Gewähr zu bieten. Eine einwandfreie Geschäftstätigkeit verlangt, dass die Bank keine rechts- und sittenwidrigen Geschäfte tätigt. Auch wenn das Bankengesetz hauptsächlich bezweckt, die Bankgläubiger vor Verlusten zu bewahren, so bezieht sich die Bankenaufsicht nicht allein auf die Solidität und Sicherheit der Banken, sondern insgesamt auf deren Vertrauenswürdigkeit. Die Verwicklung in rechts- oder sittenwidrige Geschäfte kann das Vertrauen nicht nur in die betroffene Bank, sondern in die Schweizer Banken ganz allgemein beeinträchtigen. Die Banken haben deshalb die wirtschaftlichen Hintergründe eines Geschäfts abzuklären, wenn Anzeichen darauf hindeuten, dass dieses Teil eines unsittlichen oder rechtswidrigen Sachverhalts bilden könnte, und haben sich entsprechend einer Mitwirkung an unrechtmässigen oder sittenwidrigen Geschäften eines Kunden zu enthalten (BGE 111 Ib 127 mit Hinweisen). .
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BGE 119 IV 28 S. 38 Die Bank hat hier Hand geboten zur Ausrichtung eines Kredits, der, wie sie annahm, hätte bestimmt sein sollen zum Kauf von Wohnungen unter Umgehung der öffentlichrechtlichen Vorschriften über den Grundeigentumserwerb durch Personen im Ausland. Sie hat bei der Kreditvergabe zudem die elementarsten Vorsichtsmassnahmen missachtet. Auf die mündliche Zusicherung, für die Rückzahlung hafte ein begüterter Dritter, gewährte sie einen Kredit in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken, ohne die Verhältnisse näher abzuklären und Sicherheiten zu verlangen. Bei dieser Sachlage ist die Arglist auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung zu verneinen. Hätte es die Bank abgelehnt, auf das Geschäft einzugehen, und hätte sie die grundlegendsten Sorgfaltsmassnahmen
beachtet, hätte sie keinen Schaden erlitten. g)
Die Beschwerde ist insoweit deshalb abzuweisen.
4. (Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, da auch dann, wenn man einen Motivationszusammenhang zwischen der Verwendung der gefälschten Fotokopie im Oktober 1984 und der Kreditgewährung verneint, insoweit der Versuch eines Betruges möglich bleibt und sich die Vorinstanz dazu nicht ausgesprochen hat). .
BGE 119 IV 54 10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Februar 1993 i.S. M. gegen Öffentliches Amt des Kantons Wallis (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 110 Ziff. 5, Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung. Der Urkundencharakter eines Schriftstückes ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, mit Bezug auf andere nicht (E. 2c / aa). Ermächtigt der Bauherr den bauleitenden Architekten, die Unternehmerrechnungen im Sinne der SIA-Normen zu genehmigen, darf er sich darauf verlassen, dass der Architekt seiner Prüfungspflicht in jeder Hinsicht nachkommt. Die in der schriftlichen Genehmigung einer Unternehmerrechnung liegende wahrheitswidrige Erklärung des Architekten, die genehmigte Rechnung sei inhaltlich richtig, erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung (E. 2d).
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Sachverhalt ab Seite 55 BGE 119 IV 54 S. 55 A. Das Kantonsgericht Wallis befand M. mit Urteil vom 26. Mai / 17. Juni 1992 zweitinstanzlich schuldig des gewerbsmässigen Betrugs, der Urkundenfälschung, der Erschleichung einer Falschbeurkundung sowie des wiederholten Pfändungsbetrugs und bestrafte ihn in Ausfällung einer teilweisen Zusatzstrafe zum Urteil des Kreisgerichts Oberwallis für den Bezirk Leuk vom 30. Januar 1981 mit 20 Monaten Zuchthaus, abzüglich 354 Tage Untersuchungshaft. .
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B. M. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der einzige Schuldspruch, den der Beschwerdeführer mit einer hinreichenden Begründung anficht, ist die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Zusammenhang mit Aushubarbeiten. a) Eine Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB begeht, wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. b) Die Vorinstanz führt aus, die auf Veranlassung des Beschwerdeführers erstellten Rechnungen der Gebrüder T. AG vom 17. Juni 1980 und 6. Juli 1980 seien unwahr, d.h. inhaltlich unrichtig gewesen, weil die Firma T. nur für rund Fr. 70 000.– und nicht für Fr. 210 000.– Aushubarbeiten ausgeführt habe. Der Beschwerdeführer habe diese Rechnungen mit dem Kontrollstempel der Bauleitung versehen und «zur Bezahlung freigegeben». Die Herstellung der erwähnten inhaltlich unwahren Rechnungen an sich stelle noch keine Falschbeurkundung dar. Es gehe hier jedoch nicht nur um inhaltlich falsche Rechnungen, sondern um auf Veranlassung des Architekten hin erstellte und schliesslich von ihm visierte und bestätigte Rechnungen. Durch die Bestätigung hätten die Rechnungen beweisbildende Kraft erhalten. Sie seien geeignet und bestimmt gewesen, die Bauherren von der Wahrheit der behaupteten Tatsachen zu überzeugen, seien doch alle von den Handwerkern BGE 119 IV 54 S. 56 hergestellten Rechnungen vorerst dem Architekten zur Kontrolle und Visierung vorgelegt worden. Dadurch hätten die Rechnungen erhöhte Überzeugungskraft gewonnen und seien damit als Beweismittel geeignet. Die Prüfung der vom Bauunternehmer gestellten Rechnung durch den
bauleitenden Architekten solle dem Bauherrn objektive Gewähr bieten, dass die in der Rechnung aufgeführten Leistungen, soweit sie vom Bauleiter bestätigt wurden, tatsächlich erbracht worden sind. Der Rechnungskontrolle durch den Bauleiter komme für die Abrechnung zwischen dem Unternehmer und dem Besteller zentrale Bedeutung zu. Der Bauherr müsse sich daher auf die Angaben des von ihm mit der Bauleitung betrauten Architekten verlassen können. Diesem komme im Verhältnis zum Bauherrn eine ähnliche Vertrauensstellung zu wie dem Arzt gegenüber der Krankenkasse. Der auf der Rechnung des Unternehmers angebrachte Kontrollstempel mit der Unterschrift des bauleitenden Architekten sei nach der Verkehrsübung bestimmt und geeignet, den Beweis für die Wahrheit der gegebenenfalls berichtigten Rechnung zu erbringen, und verleihe damit diesem Schriftstück Urkundencharakter. Als Aussteller der Urkunde sei dabei, da die Rechnung erst durch die Bestätigung des bauleitenden Architekten Urkundenqualität erlange, der Bauleiter, hier also der Beschwerdeführer, zu betrachten. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als die fraglichen Rechnungen nach der Weisung des Beschwerdeführers erstellt worden seien. c) aa) Der Urkundencharakter eines Schriftstückes ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, mit Bezug auf andere nicht. So können die auf Veranlassung des Beschwerdeführers erstellten Rechnungen unabhängig davon, ob sie inhaltlich richtig sind, Urkunden für den Beweis der Tatsache darstellen, dass die entsprechende Erklärung durch die entsprechende Baufirma abgegeben worden ist. An diesen Rechnungen können deshalb prinzipiell Urkundendelikte begangen werden, etwa durch ihre unzulässige Veränderung (Urkundenfälschung) oder, je nach Umständen, durch ihre Beseitigung (Urkundenunterdrückung). Mit dieser Aussage, dass die Rechnungen prinzipiell Urkundencharakter haben können, ist jedoch noch keine Antwort darauf gegeben, ob sich der Beschwerdeführer der Falschbeurkundung schuldig gemacht hat, indem er die Erstellung inhaltlich unrichtiger Rechnungen veranlasst und sie anschliessend mit seinem Visum als richtig bestätigt hat. .
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bb) Bei der Falschbeurkundung geht es allein darum, dass die in der Urkunde
enthaltene Erklärung nicht mit der Wahrheit übereinstimmt, wobei nach allgemeiner Ansicht die einfache schriftliche BGE 119 IV 54 S. 57 Lüge keine Falschbeurkundung darstellt. Nach Lehre und Rechtsprechung darf eine Falschbeurkundung, also eine Art qualifizierte schriftliche Lüge, nur dann angenommen werden, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, wie sie u. a. in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson und in gesetzlichen Vorschriften gefunden werden können, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR, gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf die entsprechenden Angaben verlässt (BGE 117 IV 38 E. d; BGE 118 IV 364 E. 2a mit Hinweisen). .
cc) In seiner neueren Rechtsprechung hat das Bundesgericht deshalb eine Falschbeurkundung in folgenden Fällen verneint: Erstellen einer Rechnung für nicht ausgeführte Arbeiten (BGE 117 IV 35 ff.); zuhanden einer Anlegerin ausgestellte inhaltlich unrichtige Bestätigung, wonach der Aussteller einen von der Anlegerin einem Dritten übergebenen Geldbetrag auf treuhänderischer Basis verwalte und einen bestimmten Jahreszins entrichten werde (BGE 117 IV 168 mit Hinweis); Erstellen von inhaltlich unwahren Regierapporten (BGE 117 IV 165 ff.); Ausstellung von Lohnabrechnungen auf den Namen einer Person, die nicht mit dem wirklichen Arbeitnehmer identisch war (BGE 118 IV 364). .
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dd) Umgekehrt erfüllt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Erstellung eines unrichtigen Krankenscheines den Tatbestand der Falschbeurkundung. Denn mit einem Krankenschein macht der Arzt gegenüber der Krankenkasse Leistungen für sich oder den Patienten geltend. Aufgrund seiner besonderen Stellung ist er zur wahrheitsgetreuen Angabe verpflichtet und deshalb auch besonders glaubwürdig (BGE 117 IV 169 f. unter Hinweis auf BGE 103 IV 184). Dem Krankenschein kommt somit eine .
über eine blosse Rechnung hinausgehende qualifizierte Funktion zu. In BGE 103 IV 184 wurde dies im einzelnen wie folgt begründet: Eine Überprüfung namentlich der vom Arzt verzeichneten Anzahl Konsultationen im Einzelfall durch die Kasse sei nicht möglich und in der Regel auch nicht zumutbar. Der Arzt stehe nicht nur zu seinem Patienten, sondern auch zur Krankenkasse, mit der er vertraglich verbunden sei, in einem besonderen Vertrauensverhältnis. Hinzu komme, dass durch den von der Ärztegesellschaft mit dem Krankenkassenverband abgeschlossenen Vertrag die Ärzte sich BGE 119 IV 54 S. 58 verpflichtet hätten, jeder unberechtigten Inanspruchnahme der Kasse entgegenzuwirken. d) Es erhebt sich die Frage, ob der bauleitende Architekt, der die Rechnungen der Unternehmer zu prüfen und gegebenenfalls zu genehmigen hat, sich in einer vergleichbaren Stellung befindet. aa) Nach der SIA-Norm 118, Art. 153–156, wickelt sich die Schlussabrechnung wie folgt ab: Der Unternehmer reicht seine Rechnung der Bauleitung ein (Art. 154 Abs. 1). Diese prüft sie und gibt dem Unternehmer über das Ergebnis Bescheid (Art. 154 Abs. 2). Ergeben sich bei der Prüfung keine Differenzen, so gilt die Schlussabrechnung mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung als beidseitig anerkannt. Allfällige Differenzen sind baldmöglichst zu bereinigen (Art. 154 Abs. 3). Die durch die Schlussabrechnung ermittelte Forderung des Unternehmers wird mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung fällig (Art. 155 Abs. 1). Der Prüfungsbescheid der Bauleitung bedeutet eine für den Bauherrn verbindliche Anerkennung (GAUCH / SCHUMACHER, Kommentar zur SIA-Norm 118, Art. 38–156, Zürich 1992, Art. 154 N 24). .
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bb) Nach der SIA-Ordnung 102 gehört zu den Aufgaben der Bauleitung die Kontrolle der Rechnung und Zahlungsanweisungen sowie der Abschluss der Unternehmer- und Lieferantenrechnungen (Art. 4.4; vgl. RUDOLF SCHWAGER, Die Vollmacht des Architekten, in: GAUCH / TERCIER, Das .
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Architektenrecht, Freiburg 1986, N 813). cc) Den SIA-Normen kommt als einem privaten Regelwerk keine allgemeine Verbindlichkeit im Sinne eines Gesetzes oder einer Verordnung zu. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie jedenfalls in den Bereichen, in denen sie inhaltlich nicht zu beanstanden sind, für diejenigen, die sich ihnen unterwerfen, von ähnlich hoher Bedeutung wie ein Gesetz sind (BGE 117 IV 168 mit Hinweisen). Es rechtfertigt sich deshalb für die Frage, welche Stellung dem bauleitenden Architekten bei der Genehmigung von Rechnungen zukommt, auch auf Regeln der SIA-Ordnung zurückzugreifen, und zwar auch dort, wo sich die Parteien diesen nicht direkt unterworfen haben, aber konkludent von der Geltung einer Regel der SIA-Ordnung ausgehen. Deshalb braucht auf die Bedenken, die gegen das SIA-Regelwerk vorgebracht werden (vgl. BGE 109 II 461 E. e; GAUCH, Der Werkvertrag, 3. A. N 865; SCHWAGER, a.a.O., N 809), hier nicht eingegangen zu werden. .
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dd) Der Bauherr ist in der Regel schon mangels fachlicher Kenntnisse nicht in der Lage zu überprüfen, ob Unternehmerrechnungen BGE 119 IV 54 S. 59 richtig sind. Jedenfalls bei grösseren Bauten fehlt ihm dazu häufig auch die Zeit. Wenn er deshalb den bauleitenden Architekten ermächtigt, die Unternehmerrechnungen im Sinne der SIA-Normen zu genehmigen, dann verlässt er sich darauf, dass der Architekt aufgrund seiner besonderen fachlichen Kenntnis und der ihm übertragenen besonderen Aufgabe seiner Prüfungspflicht in jeder Hinsicht nachkommt. Aufgrund der besonderen Stellung des bauleitenden Architekten im Verhältnis zwischen Bauherr und Unternehmer darf er sich auch darauf verlassen. Der Architekt, der die Pflicht zur ordnungsgemässen Prüfung der Schlussabrechnung übernommen hat, befindet sich insoweit in einer garantenähnlichen Stellung in bezug auf das Vermögen des Bauherrn. Die in der Genehmigung der Unternehmerrechnung liegende Erklärung des bauleitenden Architekten, die genehmigte Rechnung sei inhaltlich richtig, stellt deshalb mehr als eine einfache schriftliche Lüge dar. Sie erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1
StGB. Die Beschwerde erweist sich demnach insoweit als unbegründet.
BGE 119 IV 127 22. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale du 29 janvier 1993 dans la cause H. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) .
Regeste Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB: Veruntreuung eines Bankkontos. Wird über ein Bankkonto eine Vollmacht ausgestellt, so ist es eine anvertraute Sache im Sinne dieser Bestimmung, unabhängig davon, ob der Saldo des Kontos aktiv oder passiv ist und ob dessen Inhaber darüber noch verfügen kann. Wer einen Blankocheck, auf welchem der Aussteller auf jegliche Verfügungsbefugnis verzichtet hat, anders als vereinbart benützt, begeht eine Veruntreuung. Erwägungen ab Seite 127 BGE 119 IV 127 S. 127 Considérant en droit: 2. C. a remis à H. des chèques en blanc, dûment signés, tirés sur son compte auprès de la BPS; le recourant H. les a utilisés pour BGE 119 IV 127 S. 128 acquitter des dettes personnelles. Il conteste que ces faits soient constitutifs d’un abus de confiance. Il admet cependant que C. a procédé comme s’il lui avait accordé une procuration générale. En effet, en complétant les chèques et en les présentant, le recourant pouvait obtenir, par sa seule action, des montants portés au débit du compte de C.
Selon la jurisprudence, un compte bancaire sur lequel on accorde une procuration constitue une chose confiée au sens de l’art. 140 ch. 1 al. 2 CP (ATF 118 IV 33 consid. 2a, ATF 117 IV 434 ss consid. cc, ATF 111 IV 21 consid. 2, 109 IV 31 consid. 2c). Il importe peu que le titulaire du compte puisse encore en disposer, il suffit, pour que le compte soit confié, que l’auteur soit mis en situation d’en disposer seul (ATF 109 IV 32). Il est également sans importance que le compte soit créancier ou débiteur de telle sorte que l’on ne puisse qu’en augmenter le débit (ATF 109 IV 33 ss consid. 4b et c). Ainsi, en le mettant en situation de disposer seul de son compte, c’est-àdire de sa créance ou de sa dette auprès de la banque, C. a confié une valeur au recourant, qui doit être assimilée à une chose au sens de l’art. 140 ch. 1 al. 2 CP. Il est sans importance que le compte ait été déjà débiteur et que le recourant ait été garant du solde du compte. En lui remettant les chèques en blanc, C. a confié son compte au recourant et celui-ci l’a utilisé à son profit contrairement aux instructions tacites qu’il avait reçues (cf. ATF 117 IV 257 consid. 1a et les arrêts cités) en augmentant la dette de C. pour satisfaire des besoins personnels. Il s’est révélé dans l’incapacité de reproduire la somme en temps utile, ce qui suffit pour exclure l’Ersatzbereitschaft, contrairement à ce que soutient le recourant (ATF 118 IV 34 consid. a et les arrêts cités). Ainsi, c’est à juste titre que les faits retenus par la cour cantonale ont été qualifiés d’abus de confiance même si l’on donne à l’art. 140 ch. 1 al. 2 CP une portée restrictive (cf. JENNY ZBJV 1988, 402 ff.; SCHUBARTH, Kommentar StGB Art. 140 N 45) car de toute manière C. avait renoncé à tout pouvoir de disposition sur les chèques en blanc remis au recourant (cf. ATF 117 IV 429). Lorsque le recourant soutient qu’il y aurait eu un simple passage d’un compte à l’autre ou que C. aurait consenti ou aurait ratifié les actes commis, il s’écarte des faits constatés par l’autorité cantonale, ce qui n’est pas admissible dans le cadre d’un pourvoi en nullité (ATF 115 IV 41 consid. 3a, 106 IV 340 consid. 1). .
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BGE 119 IV 129 23. Urteil des Kassationshofes vom 18. August 1993 i.S. G. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 148 Abs. 2 StGB; gewerbsmässiger Betrug. Gewerbsmässigkeit bejaht bei einem Täter, der innert 19 Monaten bei 23 Gebrauchtwagen den Kilometerstand durchschnittlich jeweils um ca. 50 000 km geändert und durch den Verkauf der Fahrzeuge unter Angabe des niedrigeren falschen Kilometerstandes ein regelmässiges Zusatzeinkommen von knapp Fr. 1000.– pro Monat erzielt hat (Konkretisierung der Rechtsprechung). .
Sachverhalt ab Seite 129 BGE 119 IV 129 S. 129 A. G. betreibt seit Januar 1984 in O. eine Karosseriewerkstatt. Daneben handelt er mit Gebrauchtwagen. In der Zeit vom 19. April 1988 bis zum 17. November 1989 baute er an 23 Fahrzeugen den Kilometerzähler aus, stellte den Kilometerstand um einige tausend bzw. zehntausend Einheiten zurück und verkaufte die Wagen unter Angabe des niedrigeren falschen Kilometerstandes. In drei Fällen trug er den unrichtigen Kilometerstand überdies in den Kaufvertrag ein. B. Am 1. September 1992 sprach ihn das Strafamtsgericht X. schuldig des wiederholten einfachen Betruges und verurteilte ihn zu acht Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren, und zur Rückerstattung des unrechtmässig erzielten Gewinnes von Fr. 18 000.– an den Staat. Von der Anschuldigung der Urkundenfälschung sprach es ihn frei. C.
Auf Appellation des stellvertretenden Prokurators 3 hin erklärte das
Obergericht des Kantons Bern G. am 18. Dezember 1992 BGE 119 IV 129 S. 130 schuldig des gewerbsmässigen Betruges und bestrafte ihn mit einem Jahr Zuchthaus, bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren, und mit einer Busse von Fr. 500.–. Zufolge Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils bestätigte es den Freispruch vom Vorwurf der Urkundenfälschung sowie die Verurteilung zur Rückerstattung des unrechtmässig erzielten Gewinnes von Fr. 18 000.– an den Staat. D. G. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Verurteilung wegen einfachen Betruges an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Erwägungen: 1.a) Das Strafamtsgericht führt aus, die neuere Rechtsprechung stelle hohe Anforderungen an die Gewerbsmässigkeit. Das Vorgehen des Beschwerdeführers liege nahe bei der Gewerbsmässigkeit, erfülle deren Voraussetzungen jedoch nicht. Die Manipulationen am Kilometerzähler stellten gegenüber dem gesamten Handeln des Beschwerdeführers nur einen vergleichsweise kleinen Teilaspekt dar. Er habe bei jedem dritten Wagen den Kilometerstand geändert. Darauf sei der kleinere Teil des Gesamtgewinns bei diesen Fahrzeugen zurückzuführen. Der Grossteil des Gewinns sei erzielt worden aufgrund der Arbeitsleistung (Instandstellen und Prüfen). Von namhaften Beträgen könne nicht gesprochen werden. Der Beschwerdeführer sei nicht berufsmässig vorgegangen. Sein Verschulden wiege objektiv schwer. Anderseits habe er sich seit Begehung der Taten klaglos verhalten. Er sei von Anfang an geständig gewesen und zeige aufrichtige Reue und Einsicht. Den Schaden habe er gutgemacht, soweit ein solcher von den Käufern geltend gemacht worden sei. Er lebe in geordneten Verhältnissen und geniesse einen .
guten Ruf. b) Die Vorinstanz bejaht demgegenüber die Gewerbsmässigkeit. Ein gewichtiges Indiz für die Gewerbsmässigkeit liege darin, dass der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen im Rahmen seiner legalen Erwerbstätigkeit begangen habe. Er habe pro Wagen rund zwei Stunden Arbeit für die Manipulation am Kilometerzähler eingesetzt. Zudem sei die Suche nach geeigneten Fahrzeugen mit einem BGE 119 IV 129 S. 131 Zeitaufwand verbunden gewesen. Er habe für die Manipulationen eine gewisse Fingerfertigkeit entwickeln müssen. In drei Fällen habe er in den Kaufverträgen den falschen Kilometerstand eingetragen, und er habe mehrmals die zu den Fahrzeugen gehörenden Servicehefte vernichtet. Während den hier zu beurteilenden 19 Monaten habe er 40 bis 50 Wagen umgesetzt. Dabei habe er an 23 Fahrzeugen, also an etwa jedem zweiten Wagen, den Kilometerstand geändert. Insgesamt habe er 1,2 Millionen Kilometer zurückgedreht. Der Gewinn aus der strafbaren Tätigkeit betrage Fr. 18 000.–. Es ergebe sich demnach ein Durchschnittsgewinn pro manipuliertes Fahrzeug von Fr. 782.– oder ein monatlicher Mehrgewinn von knapp Fr. 1000.–. In einem Kleinbetrieb sei ein derartiger zusätzlicher Gewinn von erheblicher Bedeutung. Der Beschwerdeführer sei aufgrund einer im Immobilienbereich getätigten Fehlinvestition aus existentiellen Gründen auf die Mehreinnahme angewiesen gewesen. Die strafbare Tätigkeit habe wesentlich an die Finanzierung seiner Lebensgestaltung beigetragen. Ein Indiz für die Berufsmässigkeit stelle das systematische Vorgehen bzw. das Entwickeln einer eigentlichen Methode dar. Schon beim Einkauf der Gebrauchtwagen habe er darauf geachtet, Fahrzeuge zu erstehen, die für ihr Alter eine hohe Anzahl Kilometer, wenn möglich bereits über hunderttausend, aufgewiesen hätten. Er habe die Marke «Volkswagen» bevorzugt, da sich diese wegen ihrer Preisbeständigkeit für die Manipulationen besonders geeignet habe. Er habe einzig deshalb nur bei jedem zweiten Wagen den Kilometerstand zurückgedreht, weil nicht bei allen Fahrzeugen die Voraussetzungen dazu gegeben gewesen seien. Denn nach der Manipulation
hätte der Kilometerstand jeweils ungefähr zum Alter des Wagens passen müssen. Der Beschwerdeführer hätte, wie er zugebe, die strafbare Tätigkeit fortgeführt, wenn sie nicht entdeckt worden wäre. Die angedrohte Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus sei angemessen. Die Tat wiege objektiv schwer. In subjektiver Hinsicht bestätigt die Vorinstanz die zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Strafzumessungserwägungen des Strafamtsgerichts. c) Der Beschwerdeführer wendet im wesentlichen ein, seine Einkünfte aus der strafbaren Tätigkeit seien im Verhältnis zu seinen Gesamteinnahmen vergleichsweise unbedeutend gewesen. Er habe nur bei jedem dritten Fahrzeug den Kilometerstand geändert. Der Umstand, dass er die Manipulationen im Rahmen einer legalen Erwerbstätigkeit vorgenommen habe, lasse keinen Schluss auf Gewerbsmässigkeit zu. Die für die Manipulation aufgewendete Zeit BGE 119 IV 129 S. 132 von anderthalb Stunden pro Fahrzeug sei gering. Er sei von der Anklage der Falschbeurkundung rechtskräftig freigesprochen worden. Deshalb dürfe es nicht als Indiz für die Gewerbsmässigkeit betrachtet werden, dass er in drei Fällen den falschen Kilometerstand in den Kaufvertrag eingetragen habe. Schliesslich sei hier die Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus für gewerbsmässigen Betrug unverhältnismässig. Wiederholt begangener Betrug in 23 Fällen mit einem Gesamtdeliktsbetrag von Fr. 18 000.– werde normalerweise mit einer Strafe von unter einem Jahr Zuchthaus geahndet, insbesondere bei einem Ersttäter. 2. Im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdeführer den Kilometerstand bei jedem zweiten Wagen geändert und dafür pro Fahrzeug zwei Stunden aufgewendet hat. Soweit der Beschwerdeführer von einem anderen Sachverhalt ausgeht, ist er nicht zu hören. .
3.a) Betrug wird gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis (von mindestens drei Tagen, Art. 36 StGB) bestraft. Nach Art. 148 Abs. 2 StGB wird der Betrüger mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er den Betrug gewerbsmässig betreibt. Die Mindeststrafe beträgt in diesem Fall somit ein Jahr Zuchthaus (Art. 35 StGB). Das Bundesgericht hat in BGE 116 IV 319 ff. seine Rechtsprechung zum Qualifikationsgrund der Gewerbsmässigkeit geändert. Nach der neuen Rechtsprechung liegt im Begriff des berufsmässigen Handelns der Ansatzpunkt für die Umschreibung der Gewerbsmässigkeit. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt. Diese abstrakte Umschreibung gilt für das gesamte Vermögensstrafrecht. Sie kann aber nur Richtlinienfunktion haben. Eine Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen Phänomenologie und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen nur für die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger Tatbestände möglich. Eine quasi «nebenberufliche» deliktische Tätigkeit kann genügen. Wesentlich für die Annahme von Gewerbsmässigkeit ist, dass sich der Täter, wie aus den gesamten Umständen geschlossen werden muss, darauf eingerichtet hat, durch .
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BGE 119 IV 129 S. 133 deliktische Handlungen Einkünfte zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen; dann ist die erforderliche soziale Gefährlichkeit gegeben. Es ist nach wie vor notwendig, dass der Täter die Tat bereits mehrfach begangen hat, dass er in der Absicht handelte, ein Erwerbseinkommen zu erlangen, und dass aufgrund seiner Taten geschlossen werden muss, er sei zu einer Vielzahl von unter den fraglichen Tatbestand fallenden Taten bereit gewesen. Der Richter hat bei der Entscheidung der Frage, ob im konkreten Fall Gewerbsmässigkeit gegeben
sei, stets auch die Höhe der angedrohten Mindeststrafe zu berücksichtigen. Denn bei der Auslegung von Straftatbeständen ist auch der angedrohten Strafe Rechnung zu tragen (E. 4). .
b) Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer in den zu beurteilenden 19 Monaten bei 23 Fahrzeugen den Kilometerstand geändert und dadurch einen Gewinn von insgesamt Fr. 18 000.– oder monatlich knapp Fr. 1000.– erzielt. Er hat sich somit durch ein strafbares Verhalten von einiger Intensität ein regelmässiges Zusatzeinkommen verschafft. Er entwickelte eine bestimmte Methode und ging planmässig vor. Zudem hatte er sich darauf eingerichtet, durch deliktische Handlungen Einkünfte zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellten. Zu Recht hat die Vorinstanz den Eintrag des falschen Kilometerstandes in drei Kaufverträgen als weiteres Indiz für die Gewerbsmässigkeit berücksichtigt. Der insoweit erfolgte Freispruch von der Anklage der Falschbeurkundung aufgrund der neueren restriktiven Rechtsprechung des Bundesgerichts zu diesem Tatbestand (BGE 118 IV 364 f. mit Hinweisen) hinderte sie daran nicht. In Anbetracht dieser Umstände verletzt die Bejahung der Gewerbsmässigkeit Bundesrecht nicht. Sie lässt sich rechtfertigen auch unter Berücksichtigung der Strafdrohung. Die verhängte Mindeststrafe ist jedenfalls vertretbar auch mit Blick auf die zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte und den Deliktsbetrag von Fr. 18 000.–. .
BGE 119 IV 224 42. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale du 29 janvier 1993 dans la cause S. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) .
Regeste Art. 21 Abs. 1 StGB; Art. 187 aStGB; versuchte Notzucht. Wer, nachdem er sein Opfer eingesperrt hat, um es zu missbrauchen, sehr aggressiv wird und unmittelbar bedroht, überschreitet den letzten entscheidenden Schritt zur Tatbegehung; er macht sich deshalb einer versuchten Notzucht schuldig (E. 2). .
Art. 187 Abs. 2 aStGB; Art. 190 Abs. 3 StGB; qualifizierte Notzucht. Eine qualifizierte Notzucht begeht, wer dem Opfer besondere Leiden zufügt, die weit über das hinausgehen, was zur Begehung des Grundtatbestandes notwendig ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter das Opfer mit einer derartigen Gewalt würgt, dass es um sein Leben fürchtet (E. 3). .
Sachverhalt ab Seite 225 BGE 119 IV 224 S. 225 A. Par jugement du 17 mars 1992, le Tribunal correctionnel du district de Lausanne a condamné S., pour viol, tentative de viol, viol qualifié et appropriation d’objet trouvé, à la peine de quatre ans et demi de réclusion et à dix ans d’expulsion du territoire suisse, mettant à sa charge les frais de la procédure. Ce jugement retient pour l’essentiel les faits suivants. a) Le dimanche 19 août 1990, S., en recourant à des mensonges, réussit astucieusement à persuader Monique (prénom fictif) de l’accompagner dans .
un studio. Après avoir fermé la porte, il la poussa sur le lit. Elle perdit ses lunettes, mais essaya encore de téléphoner pour prévenir la police. S. l’en empêcha, ajoutant que, de toute façon, elle était venue volontairement chez lui. Monique s’est débattue et a crié; ses cris ont été perçus par une voisine. S. a alors serré fortement le cou de sa victime et lui a dit d’être «gentille, sinon cela finirait mal», lui demandant d’arrêter de trembler tout en continuant à entraver ses mouvements. La jeune femme a constaté que son agresseur était le plus fort et craignit d’être tuée si elle résistait davantage. S. la déshabilla, la caressa, la contraignit à une fellation, mit ses doigts dans le vagin de sa victime, puis la pénétra jusqu’à éjaculation. Monique fut gravement perturbée par ces événements. b) Au début du mois de mai 1991 vers 23 heures, alors que Anne (prénom fictif) était au lit, dans le logement qu’elle occupait dans un foyer d’étudiants, S. a frappé avec insistance à sa porte et s’est précipité à l’intérieur, dès qu’elle eut ouvert, en fermant la porte à clé derrière lui. Il déclara avoir trop bu et être poursuivi par la police, sollicitant qu’elle l’héberge un moment. Après lui avoir signifié que cela ne lui convenait pas, mais constatant qu’il était très excité et pris de boisson, la jeune femme accepta à contrecoeur et lui fournit un training. Devenant de plus en plus agressif, il déclara à Anne que «lorsqu’il avait bu, il pouvait devenir violent, la cogner, voire la violer». S. prit une cigarette que la jeune femme, sentant le danger imminent, lui avait proposée et accepta que celle-ci se rende aux toilettes, tout en faisant de même. Elle en profita pour sortir précipitamment .
BGE 119 IV 224 S. 226 et aller demander de l’aide, ce qui amena S. à remettre ses vêtements et à quitter rapidement les lieux. Les juges ont tenu pour établi que S. avait l’intention d’obtenir par la contrainte des relations sexuelles avec la jeune femme et que seuls sa maîtrise de soi et son esprit d’initiative ont permis à celle-ci d’interrompre un processus qui se serait terminé par des violences sexuelles. c)
Dans la soirée du 17 au 18 mai 1991, S. persuada Denise (prénom fictif) .
de monter dans sa voiture pour la reconduire chez elle. Sa passagère lui demanda de s’arrêter lorsqu’ils arrivèrent à proximité de son lieu de destination, mais S. refusa et n’immobilisa son véhicule que plus haut, sur un parking, pour le motif qu’il entendait parler avec elle. Lorsque la jeune femme voulut sortir du véhicule, S. la saisit par le bras et, de l’autre main, lui serra le cou. Denise se mit à pleurer et insista pour rentrer. Il s’énerva et obligea sa victime à passer avec lui sur la banquette arrière. La tenant fermement et grâce à la peur qu’il lui inspirait, il réussit à obtenir d’elle qu’elle descende son collant; il la caressa, essaya de se faire masturber par elle, puis la pénétra et éjacula. Denise fut gravement perturbée par ces événements. d) Dans la soirée passée avec Denise, S. a pris l’appareil photographique de la jeune femme et s’en est sans doute débarrassé, de peur d’être compromis par l’une des photos qu’elle avait prises durant la soirée, avant l’agression. B. Statuant sur recours du condamné le 29 juin 1992, la Cour de cassation cantonale réforma le jugement entrepris en ce sens qu’elle accorda à S., en ce qui concerne l’expulsion, un sursis avec délai d’épreuve de cinq ans; les griefs du recourant furent rejetés pour le surplus. C. Contre cet arrêt, S. s’est pourvu en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Contestant l’existence d’une tentative, au sens de l’art. 21 al. 1 CP, dans le cas d’Anne, et déniant qu’il s’agisse d’un viol aggravé, selon l’art. 187 ch. 2 CP, dans le cas de Monique, le recourant conclut, sous suite de frais et dépens, à l’annulation de la décision attaquée et sollicite par ailleurs l’assistance judiciaire. Erwägungen Considérant en droit: 2. Le recourant conteste que les actes qu’il a commis à l’encontre d’Anne puissent constituer une tentative inachevée. BGE 119 IV 224 S. 227
Selon l’art. 21 al. 1 CP, il y a tentative inachevée lorsque l’auteur a commencé l’exécution d’un crime ou d’un délit, sans toutefois poursuivre jusqu’au bout son activité coupable. Selon la jurisprudence, la tentative inachevée suppose, à la différence des actes préparatoires, un début d’exécution; il faut que les actes accomplis représentent, dans l’esprit de l’auteur, la démarche ultime et décisive vers l’accomplissement de l’infraction et après laquelle on ne revient normalement plus en arrière, sauf survenance de circonstances extérieures qui rendent l’exécution de l’intention plus difficile sinon impossible (ATF 117 IV 384 consid. 9, 396 consid. 3, ATF 114 IV 114 consid. bb et les arrêts cités). Selon l’autorité cantonale, le recourant est entré dans la chambre d’Anne avec «l’intention d’obtenir par la contrainte des relations sexuelles avec la jeune femme». Déterminer ce que l’auteur sait, veut ou l’éventualité à laquelle il consent relève des constatations de fait qui lient la Cour de cassation saisie d’un pourvoi en nullité (ATF 117 IV 286, ATF 116 IV 145 consid. c, 115 IV 223 consid. 1, 41 consid. 3a et les références citées). Il a également été retenu en fait qu’il avait fermé la porte à clé, de sorte qu’il se trouvait seul avec la jeune femme dans la chambre. Très excité, il est devenu de plus en plus agressif, passant même aux menaces, en déclarant à sa victime qu’il pouvait la frapper, voire la violer. Ainsi, non seulement il avait enfermé sa victime dans l’intention d’abuser d’elle, mais il avait passé au stade des menaces directes, étant devenu très excité et agressif. Seule la présence d’esprit de la jeune femme, qui a réussi à s’échapper à la faveur d’un prétexte, a pu lui éviter des violences sexuelles. Au vu d’un tel état de fait, qui lie la Cour de cassation, l’autorité cantonale n’a pas violé le droit fédéral en considérant que le recourant, ayant enfermé sa victime, devenant toujours plus agressif et la menaçant directement, avait franchi le pas ultime et décisif vers l’accomplissement de son intention délictuelle, après lequel on ne revient normalement plus en arrière, sauf – comme cela s’est produit en l’espèce – survenance de circonstances extérieures qui rendent l’exécution de l’intention plus difficile, sinon impossible. La cour cantonale n’a donc pas violé le droit fédéral en retenant l’existence d’une tentative inachevée de viol (art. 21 al. 1 et 187 al. 1 CP). .
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3. Le recourant soutient que les actes qu’il a commis au préjudice de Monique ne constituent pas le cas aggravé de viol prévu et puni par l’art. 187 al. 2 CP. Les dispositions du code pénal consacrées aux infractions contre l’intégrité sexuelle ont été modifiées le 21 juin 1991 (RO 1992 .
BGE 119 IV 224 S. 228 p. 1670 ss); cette révision législative est entrée en vigueur le 1er octobre 1992 (RO 1992 p. 1678). Il apparaît d’emblée que les faits litigieux se sont produits sous l’empire de l’ancien droit et qu’ils ont été jugés par l’autorité de répression statuant en dernière instance avant l’entrée en vigueur des nouvelles dispositions; dans un tel cas, l’ancien droit reste seul applicable (ATF 117 IV 386 consid. 15, ATF 101 IV 361 consid. 1). Selon l’art. 187 al. 2 aCP, «celui qui aura fait subir à une femme l’acte sexuel hors mariage, après l’avoir, à cet effet, rendue inconsciente ou mise hors d’état de résister, sera puni de la réclusion pour trois ans au moins». Le Tribunal fédéral a récemment revu sa jurisprudence relative à la notion de viol qualifié, au sens de l’art. 187 al. 2 CP (voir ATF 118 IV 52 ss). Eu égard aux problèmes que pose la distinction entre le viol simple et le viol qualifié dans l’ancienne version de l’art. 187 CP et compte tenu de la modification de cette disposition, il a admis que l’art. 187 al. 2 aCP devait être interprété restrictivement; ainsi, le cas grave doit être retenu en particulier lorsque l’auteur a fait preuve de cruauté sur le plan physique ou psychique (ATF 118 IV 56 consid. d). Une telle interprétation restrictive, qui s’impose notamment en raison de l’augmentation importante du minimum légal de la peine pour l’infraction aggravée par rapport à celui prévu pour l’infraction simple (ATF ATF 118 IV 56 consid. d), implique que le cas grave ne soit retenu que si l’atteinte subie par la victime est nettement plus lourde que celle qui résulte inévitablement d’un viol. L’arrêt mentionne à ce propos que le viol est en soi un acte cruel de sorte que l’infraction prévue à l’al. 1 de l’art. 187 aCP constitue déjà pour la femme qui en est victime une très grave lésion, qui la touche au plus profond de son être. La nouvelle disposition traite dans son premier alinéa du viol simple et du .
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viol aggravé tels qu’ils étaient prévus par l’ancien droit; ces actes sont donc tous deux passibles de la même peine maximale de 10 ans de réclusion. Si en revanche l’auteur a agi avec cruauté, il doit être puni de la réclusion pour 3 ans au moins (art. 190 al. 3 CP). Dans son message, le Conseil fédéral mentionne que la cruauté, définie comme brutalité, absence de sentiments, torture, est une intensification de la violence au point de vue physique ou moral; il précise qu’il y a cruauté lorsque l’auteur, sciemment et volontairement, inflige à sa victime des souffrances particulières, excédant ce qui eût suffi à la réunion des éléments constitutifs du délit de base (FF 1985 II 1090 et l’arrêt cité). .
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BGE 119 IV 224 S. 229 La notion de cruauté à laquelle fait appel la nouvelle jurisprudence relative au viol qualifié, au sens de l’art. 187 al. 2 aCP, correspond à celle qui figure dans le nouvel art. 190 al. 3 CP, de sorte que le nouveau droit peut être pris en considération pour l’interprétation de cette notion. Conformément au principe du droit pénal fondé sur la culpabilité telle qu’elle ressort de la commission de l’infraction, seuls entrent en considération pour déterminer si l’auteur a fait preuve de cruauté les actes liés à l’exécution du délit et les circonstances qui se trouvent en relation directe avec l’infraction (voir ATF 117 IV 390 s.). L’usage de la force, la menace et la contrainte font déjà partie des éléments constitutifs du viol simple, au sens de l’art. 187 al. 1 aCP. La cruauté n’est par conséquent à considérer comme un élément aggravant que si elle excède ce qui est nécessaire pour briser la résistance de la victime et donc pour parvenir à la réalisation de l’infraction; tel est le cas si l’auteur a recours à des moyens disproportionnés ou dangereux et inflige de cette manière à sa victime des souffrances particulières, qui vont au-delà de ce que la femme doit déjà endurer uniquement en raison du viol. Il s’agit donc de souffrances qui ne sont pas la conséquence inévitable de la commission de l’infraction de base, mais que l’auteur fait subir à sa victime par sadisme ou à tout le moins dans le dessein d’infliger des souffrances particulières (voir ATF 106 IV 367 s. consid. f, relatif à la séquestration, au sens de l’ancien art. 182 CP) ou encore par brutalité ou insensibilité à la douleur d’autrui. Le viol qualifié n’est pas .
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seulement réalisé si l’auteur est un pervers ou un sadique, mais dès que celuici fait preuve d’une cruauté qui ne s’impose pas pour parvenir à consommer l’infraction de base. Aux termes de l’art. 190 al. 3 CP, agit notamment avec cruauté l’auteur qui fait usage d’une arme dangereuse ou d’un autre objet dangereux. De la même façon, celui qui serre fortement le cou de sa victime agit d’une manière qui est non seulement cruelle, mais dangereuse. Il inflige ainsi à la victime des souffrances physiques et psychiques particulières – notamment si celle-ci en vient à craindre pour sa vie – qui ne sont pas nécessaires pour la réalisation de l’infraction de base, de sorte qu’il doit être reconnu coupable de viol aggravé. En l’espèce, le recourant a serré le cou de sa victime avec tant de force que des traces de strangulation ont par la suite été constatées par un médecin. En usant d’une telle violence physique, le recourant ne pouvait ignorer qu’il amènerait sa victime à craindre pour sa vie. BGE 119 IV 224 S. 230 Cette manière d’agir, cruelle (et dangereuse), sort manifestement du cadre des actes qui apparaissent plus ou moins nécessaires pour la commission d’un viol. En imposant à sa victime de telles souffrances et en l’exposant à un tel danger, il a fait preuve de cruauté conformément à ce qui vient d’être exposé. Ainsi, sur la base des faits retenus – qui lient la Cour de cassation –, l’autorité cantonale n’a pas violé le droit fédéral en considérant qu’il s’agissait d’un viol aggravé au sens de l’art. 187 al. 2 aCP. Le pourvoi doit donc être rejeté. .
BGE 119 IV 289 55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Oktober 1993 i.S. F., B. und S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 25 und 148 StGB; Gehilfenschaft zum Betrug; Strafbarkeit der Teilnahme bei Alltagsgeschäften; Eigenverantwortung des Haupttäters. Gehilfenschaft zum Betrug durch den Verkauf von afrikanischem Antilopenfleisch unter richtiger Bezeichnung im Wissen darum, dass der Käufer dieses nur betrügerisch verwenden kann (durch Weiterverkauf unter der falschen Bezeichnung als europäisches Wildfleisch); keine Einschränkung der Teilnahmestrafbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung des Käufers (E. 2). .
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Art. 251 Ziff. 1 StGB; Art. 41 Abs. 1 und Art. 54 LMG; Art. 67 Abs. 1 lit. e und f und Art. 108 Abs. 1 EFV; Falschbeurkundung durch die Bezeichnung von afrikanischem Antilopenfleisch als europäisches Wildfleisch. Das Gesetz verlangt eine korrekte Bezeichnung von Wildfleisch auch im Grosshandel. Der Grossist hat damit eine garantenähnliche Stellung zum Schutz der Konsumenten vor Täuschungen. Bezeichnet er afrikanisches Antilopenfleisch als europäisches Wildfleisch, macht er sich wegen Falschbeurkundung strafbar. Der Übertretungstatbestand von Art. 41 Abs. 1 LMG tritt insoweit zurück (E. 4). .
Sachverhalt ab Seite 290 BGE 119 IV 289 S. 290 A. Die X. AG führt unter anderem ausländisches Wildfleisch in die Schweiz ein.F. ist Vizepräsident des Verwaltungsrates und übt die Gesamtleitung der
X. AG aus. B. war zwischen Mai 1983 und Juni 1987 als leitender Angestellter verantwortlich für die Abteilung Nahrung Schweiz. S. ist seit September 1987 bei der X. AG angestellt und Nachfolger von B. Mit Anklageschrift vom 21. Mai 1991 warf die Staatsanwaltschaft F., B. und S. vor, sie hätten in der Zeit von 1984 bis 1987 als Verantwortliche BGE 119 IV 289 S. 291 der X. AG für ca. 4,7 Millionen Franken knapp 450 Tonnen afrikanisches Antilopenfleisch eingekauft, das in der Schweiz hauptsächlich unter der falschen Bezeichnung «Reh», «Gems» und «Hirsch» in den Handel gelangen sollte. Weniger als zehn Prozent des Antilopenfleisches sei in der Folge unter richtiger Bezeichnung an Kundschaft verkauft worden, bei der nicht mit einer deliktischen Verwendung der Ware zu rechnen gewesen sei. Der überwiegende Teil des Fleisches habe mit falscher Bezeichnung direkt oder indirekt den Weg zum Konsumenten gefunden. B. Am 24. März 1993 verurteilte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (Ausschuss) in zweiter Instanz F. wegen mehrfacher Gehilfenschaft zum Betrug und mehrfacher Urkundenfälschung zu acht Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren; B. wegen mehrfacher Gehilfenschaft zum Betrug und mehrfacher Urkundenfälschung zu sechs Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren; S. wegen mehrfacher Urkundenfälschung zu zwei Monaten Gefängnis, ebenfalls bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren. .
C. F., B. und S. erheben eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes ganz, eventualiter teilweise, aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen:
1. Die Verurteilung der Beschwerdeführer beruht auf verschiedenen Anklagekomplexen, die im folgenden getrennt zu prüfen sind. 2.a) Die Vorinstanz hat – abweichend vom Strafgericht, das insoweit zu einem Freispruch kam – die Beschwerdeführer 1 und 2 wegen Gehilfenschaft zum Betrug verurteilt im Anklagekomplex der Lieferungen von Antilopenfleisch unter richtiger Bezeichnung an sogenannte dubiose Abnehmer, d.h. an Abnehmer, welche das Fleisch unter falscher Bezeichnung, nämlich als europäisches Wildfleisch, weiterverkauften. Die Beschwerdeführer haben hier das Fleisch bei drei Firmen unter richtiger Bezeichnung abgesetzt. Die Vorinstanz nimmt an, diese drei Firmen hätten den Tatbestand des Betruges erfüllt, indem sie das Fleisch als europäisches Wildbret verkauften. BGE 119 IV 289 S. 292 Die Beschwerdeführer hätten gewusst oder zumindest in Kauf genommen, dass das von ihnen gelieferte Antilopenfleisch betrügerisch weiterverkauft werde. Damit hätten sie den Betrug gefördert. b) Die Beschwerdeführer wenden ein, damit werde der Rahmen der Gehilfenschaft überspannt. Der Verkauf von Antilopenfleisch sei ein normales Geschäft ohne deliktischen Sinnbezug. Es müsse eine Grenze geben, von der an auch ein im natürlichen Kausalzusammenhang mit einem Delikt stehender Vorgang, dem an sich nichts Deliktisches anhafte, keinen strafbaren Tatbeitrag mehr darstelle, weil keine Garantenstellung für das Verhalten des Haupttäters gegeben sei. In vergleichbaren Fällen, etwa beim Verkauf von Gold an eine Person, die damit ein Ausfuhrverbot umgehe, oder bei der Lieferung von Medikamenten an einen Arzt, dem man verbotene Abtreibungen nachsage, sei die erforderliche Grenze deutlicher erkennbar. Werde diese Begrenzung des Tatbestandes der Gehilfenschaft beachtet, so könne auch das Wissenmüssen um die Absichten des Käufers keine Rolle spielen. c) Nach Art. 25 StGB ist strafbar, wer zu einem Verbrechen oder zu einem Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet. Das Gesetz umschreibt die
Voraussetzungen der strafbaren Gehilfenschaft nicht näher. Es ist deshalb insoweit auf die Kriterien abzustellen, die Rechtsprechung und Lehre entwickelt haben. aa) Nach der Rechtsprechung gilt als Hilfeleistung jeder kausale Beitrag, der die Tat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgespielt hätte. Nicht erforderlich ist, dass es ohne die Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen wäre. Die Förderung der Tat genügt. Anderseits muss die Hilfeleistung tatsächlich zur Tat beigetragen, also einen kausalen Beitrag dargestellt haben. Der Gehilfe muss die Erfolgschancen der tatbestandserfüllenden Handlung erhöhen (BGE 117 IV 186 E. 3 mit Hinweisen). Im Lichte dieser Erwägung wäre der Tatbeitrag der Beschwerdeführer ohne weiteres als Gehilfenschaft zu qualifizieren. Denn die Lieferung des Antilopenfleisches an die drei Firmen, die dieses dann betrügerisch als europäisches Wild verkauft haben, stellt objektiv eine Förderung der Haupttat im Sinne der angeführten Rechtsprechung dar. .
bb) In der neueren Doktrin setzt sich jedoch zunehmend die Ansicht durch, dass eine kausale Risikosteigerung für die Annahme einer strafbaren Gehilfenschaft nicht ausreicht. Vielmehr wird angenommen, dass sogenannte «neutrale» Handlungen oder «Alltagshandlungen» BGE 119 IV 289 S. 293 auch dann straflos sind, wenn sie bewusst zu einer Deliktsverwirklichung beitragen (ROXIN, StGB, Leipziger Kommentar, 11. Aufl., Berlin 1993, § 27 N. 16 mit Hinweisen). Man könne in solchen Konstellationen am tatbestandsmässigen Verhalten von anderen Personen vorsätzlich mitwirken, ohne für diese «Beteiligung» im weiteren Sinn strafrechtlich zu haften. Dies gelte dann, wenn der «Beteiligte» einen Beitrag leiste, der für sich harmlos und alltäglich sei und nur durch die Verwirklichung von Plänen anderer Personen in einen schädigenden Verlauf umgebogen werde. Zu unterscheiden sei zwischen eigener Deliktsbeteiligung und dem Schaffen einer Lage, in der andere einen Tatbestand erfüllen (JAKOBS, Strafrecht, Allg. Teil, 2. Aufl., .
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Berlin 1991, S. 696 ff., N. 13 ff. mit Beispielen). Vor allem die «normalen Geschäfte des täglichen Lebens», auch wenn sie die Begehung von Delikten ermöglichen oder Dritten deren Durchführung erleichtern, seien aus dem Kreis der missbilligten Risikoschaffung und damit des tatbestandsmässigen Verhaltens auszuscheiden. Erwähnt werden insoweit der Verkauf oder die miet- oder leihweise Überlassung deliktisch missbrauchbarer Gegenstände, die man sich jederzeit auch sonst unproblematisch durch entsprechende Geschäfte verschaffen kann, sowie die entsprechende Erbringung allgemein verfügbarer Dienstleistungen oder die Vermittlung jederzeit auch anderweitig zugänglichen Wissens. Leistungen dieser Art seien weder für sich schon wesensmässig deliktisch oder deliktisch ausgestaltet, noch komme der Leistende mit ihrer Vornahme deliktischem Verlangen nach. Die entsprechenden Leistungen würden vielmehr dem Verlangen nach Schaffung durchaus rechtskonformer Zustände Rechnung tragen, auch wenn sich diese Zustände ihrerseits deliktisch missbrauchen liessen (WOLFGANG FRISCH, Tatbestandsmässiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, Heidelberg 1988, S. 295 ff.). Strafbar sei nur eine rechtlich missbilligte Risikosteigerung (ROXIN, a.a.O., N. 16). Über die Tragweite dieses Ansatzes bzw. darüber, wie er im Einzelfall zu konkretisieren ist, gehen die Meinungen jedoch auseinander (ROXIN, a.a.O., N. 17 ff.). Die Behandlung dieser Fälle sei noch wenig geklärt (ROXIN, a.a.O., N. 16). Vorgeschlagen wird, den Aussenstehenden, der die Absichten des Täters kennt, dann zu bestrafen, wenn sein Beitrag einen deliktischen Sinnbezug aufweist, d.h. für den Täter einzig im Hinblick auf die Haupttat sinnvoll ist (ROXIN, a.a.O., N. 17). Erörtert wird auch, die Strafbarkeit des Aussenstehenden von dessen Solidarisierung mit dem Täter abhängig zu .
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BGE 119 IV 289 S. 294 machen (HERIBERT SCHUMANN, Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der Anderen, Tübingen 1986, S. 49 ff.). .
cc) Der Verkauf von afrikanischem Antilopenfleisch unter richtiger Bezeichnung stellt grundsätzlich kein unrechtmässiges Verhalten dar. An sich
fällt es in den Verantwortungsbereich des Abnehmers, was mit der bezogenen Ware weiter geschieht (vgl. JAKOBS, a.a.O., N. 17), und darf der Verkäufer darauf vertrauen, dass der Käufer die gekaufte Ware legal verwendet (vgl. zum Vertrauensgrundsatz und dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit STEFAN WEHRLE, Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt – Regressverbot?, Basel 1986, S. 54 ff., 61 f.). Im hier zu beurteilenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die an sich mögliche legale Verwendung des Antilopenfleisches durch die drei Abnehmerfirmen faktisch ausser Betracht fiel, weil die Erfahrung gezeigt hatte, dass sich Antilopenfleisch in der Schweiz unter richtiger Bezeichnung aufgrund des Verhaltens der Konsumenten nur mit Mühe absetzen lässt und keinesfalls in grossen Mengen. In einer derartigen Situation, wo der Verkäufer weiss, dass der Abnehmer die bezogene Ware praktisch nur illegal verwenden kann, rechtfertigt es sich nicht, die Strafbarkeit der Teilnahme unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung des Haupttäters einzuschränken. Die Lieferungen wären ohne die strafbaren Handlungen der Abnehmer sinnlos gewesen; der deliktische Sinnbezug ist also zu bejahen (vgl. BGE 114 IV 114/5, wo der Sache nach für die Abgrenzung zwischen straflosem und strafbarem Verhalten ebenfalls darauf abgestellt wurde, ob verkaufte Gegenstände ausschliesslich für deliktische Zwecke verwendet werden können). Da die Beschwerdeführer das Fleisch über längere Zeit in mehreren Malen geliefert haben, ist im übrigen auch ihre Solidarisierung mit den Tätern gegeben. .
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d)
Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte abzuweisen.
4.a) Die Vorinstanz hat schliesslich – in Übereinstimmung mit dem Strafgericht – die Beschwerdeführer wegen Falschbeurkundung verurteilt, weil sie die mit Fleisch gefüllten Plastikkisten mit falschen Inhaltsangaben beschriftet haben. b) Eine Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB begeht, wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen.
BGE 119 IV 289 S. 295 Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung darf eine Falschbeurkundung nur dann angenommen werden, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, wie sie unter anderem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften gefunden werden können, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR, gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf entsprechende Angaben verlässt (BGE 119 IV 54 E. 2c / bb; 118 IV 363 E. 2a; 117 IV 35 E. 1d). Zu prüfen ist, ob, wie die Vorinstanz annimmt, sich aus der eidgenössischen Fleischschauverordnung vom 11. Oktober 1957 (EFV; SR 817.191), gegebenenfalls in Verbindung mit dem Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (LMG; SR 817.0), eine gesetzliche Vorschrift in diesem Sinne ergibt. Gemäss Art. 54 LMG erlässt der Bundesrat die nötigen Vorschriften unter anderem zur Verhütung von Täuschung im Verkehr mit Nahrungsmitteln (Abs. 1). Er verordnet, dass die Lebensmittel sowohl im Gross- als im Kleinverkehr so bezeichnet werden, dass eine Täuschung über ihre Natur und ihre Herkunft nicht möglich ist (Abs. 2). Gemäss Art. 108 Abs. 1 EFV muss Wildbret beim Inverkehrbringen mit dem Vulgärnamen des betreffenden Wildes bezeichnet werden. Sofern die Benennung zu Verwechslungen mit einheimischen Wildarten Anlass geben kann, ist die Herkunft anzugeben. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine gesetzliche Bestimmung, die den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegt. Schon aus dem Gesetz ergibt sich, dass Lebensmittel sowohl im Gross- wie auch im Kleinverkehr so zu bezeichnen sind, dass eine Täuschung über ihre Natur und ihre Herkunft nicht möglich ist. In der Verordnung wird dies für das Wildbret, wie dargelegt, konkretisiert. Die Beschwerdeführer waren also verpflichtet, das von ihnen verkaufte Antilopenfleisch korrekt als solches, gegebenenfalls unter Angabe des Herkunftslandes, zu bezeichnen, und zwar auch im Grosshandel. .
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c)
Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, ist unbehelflich. Sie wollen aus Art. 67 Abs. 1 lit. e und f EFV herleiten, dass für Grosshandelspackungen im Unterschied zu Konserven und verkaufsfertigen Kleinpackungen keine Sachbezeichnung verlangt werde. Die genannte Vorschrift befindet sich im Abschnitt «I. Allgemeine Vorschriften betreffend den Verkehr mit Fleisch BGE 119 IV 289 S. 296 und Fleischwaren» (Art. 60 ff. EFV). Die Bestimmungen im IV. Abschnitt über den Verkehr unter anderem mit Wild (Art. 108 ff. EFV) gehen als Spezialbestimmungen diesen allgemeinen Regeln vor. Art. 108 EFV unterscheidet denn auch nicht zwischen Gross- und Kleinhandel, sondern verlangt in jedem Fall, dass Wildbret beim Inverkehrbringen mit dem Vulgärnamen bezeichnet und dass gegebenenfalls auch die Herkunft angegeben wird. Unter Inverkehrbringen ist dabei das Gewinnen, Herstellen, Lagern oder Ankündigen zum Zwecke des Verkaufes sowie das Einführen, Feilhalten und Verkaufen zu verstehen (Art. 4 der Verordnung über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände [SR 817.02] in Verbindung mit Art. 1a EFV), was die Beschwerdeführer vor Bundesgericht im übrigen nicht in Frage stellen. Ob sich aus einer gesetzlichen Vorschrift herleiten lässt, dass sie eine allgemeingültige objektive Garantie der Wahrheit gewährleisten will, ist eine Frage ihrer Auslegung. Ein ausdrücklicher Hinweis auf Strafbestimmungen, wie er sich in Art. 964 OR findet, ist dafür entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht notwendig. Im Gegenteil ergibt sich aus der Pflicht des Grossisten, Wildbret schon auf der Grosshandelsstufe korrekt zu deklarieren, dass er insoweit eine garantenähnliche Stellung zum Schutze des Konsumenten vor unrichtiger Bezeichnung von Wild innehat. Diese garantenähnliche Stellung ist das materielle Kriterium für die Bejahung der Falschbeurkundung (BGE 119 IV 54 E. 2d / dd). Die Beschwerdeführer machen eventualiter geltend, sie seien nicht nach Art. 251 StGB, sondern nur nach dem Übertretungstatbestand von Art. 41 Abs. 1 LMG zu bestrafen. Danach wird, wenn die Bestimmungen der Art. 36, .
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37 und 38 LMG nicht gegen ihn anwendbar sind, mit Haft bis zu drei Monaten oder mit Busse bis zu Fr. 1000.– bestraft, wer vorsätzlich den in Ausführung von Art. 54 LMG erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt. Die Vorinstanz nimmt an, diese Übertretungsbestimmung finde nur Anwendung, wenn etwa Wildbret ohne Vulgärnamen des betreffenden Wildes oder allenfalls ohne Herkunftsangabe in Verkehr gebracht werde; erfasst sei also nur das Unterlassen der Bezeichnung. Wer weitergehend eine falsche Bezeichnung zum Zwecke der Irreführung wähle, sei nach Art. 251 StGB zu bestrafen. Der Vorinstanz ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Nach den allgemeinen Konkurrenzregeln tritt ein Übertretungstatbestand, auch des Nebenstrafrechtes, hinter die allgemeinen schwereren Bestimmungen des Strafgesetzbuches zurück, sofern nicht von einer abschliessenden BGE 119 IV 289 S. 297 lex specialis des Übertretungstatbestandes ausgegangen werden muss. Dass mit Art. 41 LMG der gemeinstrafrechtliche Tatbestand der Falschbeurkundung, insbesondere in seiner nach der neueren Rechtsprechung restriktiven Auslegung, hätte derogiert werden sollen, ist nicht ersichtlich. d) Die Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Falschbeurkundung verletzt deshalb Bundesrecht nicht.
BGE 120 IV 17 5. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale du 2 février 1994 en la cause B. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) .
Regeste Art. 181 StGB; Nötigung, Täterschaft. Wer jemandem ohne ernsthaften Grund mit einer Strafanzeige droht, damit das Opfer sich in einer bestimmten Weise verhalte, was es ohne Drohung nicht tun würde, begeht eine versuchte Nötigung (E. 2a u. b); Eventualvorsatz genügt (E. 2c). Begriff des Täters, mittelbaren Täters und Mittäters (E. 2d). .
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Sachverhalt ab Seite 17 BGE 120 IV 17 S. 17 A. B. a repris en 1978 la direction effective d’une société zurichoise spécialisée dans le recouvrement des créances. Il a changé les pratiques de la société dans le sens d’une efficacité plus grande et il a décidé notamment de manifester une fermeté particulière à l’égard des débiteurs romands et tessinois. Il dirigeait étroitement la marche de sa société et en déterminait les méthodes de travail, connaissant le contenu et l’utilisation des formules stéréotypées mises à disposition des collaborateurs. Le 14 mai 1986, la société de B. a adressé à J. une lettre dont le texte était préimprimé et dans laquelle la société, s’étonnant que des actes de défaut de biens aient été dressés contre le débiteur, ajoutait: «Etant donné que vous avez aggravé votre situation financière en achetant de la marchandise chez notre clientèle, tout en sachant que vous ne seriez pas capable d’assumer vos obligations, nous sommes forcés de porter une plainte pénale contre vous, au sens d’art. 165 CP .(décadence de fortune).
BGE 120 IV 17 S. 18
Notre plainte concernant un délit poursuivi d’office ne peut être retirée; un retrait n’empêcherait nullement la poursuite de l’information pénale. Si vous désirez empêcher cette mesure, nous vous accordons une dernière occasion de régler cette affaire à l’amiable.»
Le débiteur était invité à prendre contact avec la société dans un certain délai, faute de quoi la plainte serait automatiquement déposée. Au bas de la page, il était ajouté le texte dactylographié suivant: Copie au Procureur général: «Veuillez prendre immédiatement les mesures définitives et exécutoires si le débiteur ne donnera pas suite à nos propositions.»
Le 15 janvier 1990, la société de B. a adressé la même formule à P., en sa qualité de curateur de M.; la mention de la copie au Procureur général était devenue préimprimée. Le 16 août 1990, la société a également envoyé la même formule à Z. Alors même que B. se savait renvoyé devant le Tribunal du district de Lausanne pour ces faits, la même formule a encore été envoyée, le 25 février 1991, à G. et, le 6 mai 1991, à Z. La société de B. ne disposait en réalité d’aucun élément concret lui permettant sérieusement de fonder une plainte pour infraction à l’art. 165 CP. D’autre part, contrairement à ce qui apparaissait, aucune copie de ces lettres n’était envoyée au Procureur général. B. Par jugement du 4 février 1993, le Tribunal correctionnel du district de Lausanne a condamné B., pour délit manqué de contrainte, à la peine de deux mois d’emprisonnement avec sursis pendant deux ans, mettant à sa charge une partie des frais de la procédure et statuant partiellement sur des conclusions civiles. Par arrêt du 7 juin 1993, la Cour de cassation cantonale a rejeté le recours formé par le Ministère public et a admis partiellement le recours de B., qualifiant l’infraction de tentative de contrainte et supprimant la condamnation sur les conclusions civiles. C. B. se pourvoit en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral contre cet arrêt.
Erwägungen Extrait des considérants: 2.a) Reconnu coupable de tentative de contrainte, le recourant conteste tout d’abord que le procédé utilisé puisse réaliser les éléments constitutifs de cette infraction. BGE 120 IV 17 S. 19 Selon l’art. 181 CP, se rend coupable de contrainte «celui qui, en usant de violence envers une personne ou en la menaçant d’un dommage sérieux, ou en l’entravant de quelque autre manière dans sa liberté d’action, l’aura obligée à faire, à ne pas faire ou à laisser faire un acte». En l’espèce, il résulte des faits retenus que les lettres litigieuses avaient pour but, sous la menace d’une plainte pénale pour infraction à l’art. 165 CP, d’amener les destinataires à faire un acte, à savoir de payer leur dette. Il s’agissait donc bien d’exercer une influence sur leur liberté d’action en les poussant, par la perspective d’un dommage sérieux, à adopter un comportement qu’ils n’auraient vraisemblablement pas eu sans cela (ATF 96 IV 58 consid. 1, ATF 81 IV 101 consid. 1). Pour qu’il y ait menace d’un dommage sérieux, au sens de l’art. 181 CP, il faut d’une part que le dommage apparaisse sérieux (ATF 115 IV 207 consid. 2a, ATF 106 IV 125 consid. 2a, ATF 101 IV 47 consid. 2, ATF 96 IV 58 consid. 3) et d’autre part que la contrainte soit illicite (ATF 115 IV 207 consid. 2b, ATF 106 IV 125 consid. 3a, ATF 101 IV 47 consid. 2b, ATF 96 IV 58 consid. 1, ATF 87 IV 13 consid. 1). .
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aa) Il y a menace d’un dommage sérieux lorsqu’il apparaît, selon la déclaration faite, que la survenance de l’inconvénient dépend de l’auteur et que cette perspective est telle qu’elle est de nature à entraver le destinataire dans sa liberté de décision (ATF 106 IV 125 consid. 2a, ATF 96 IV 58 consid. 3). La question doit être tranchée en fonction de critères objectifs, et non pas d’après les réactions du destinataire d’espèce (ATF 106 IV 125 consid. 2b, .
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ATF 101 IV 47 consid. 2a, ATF 96 IV 58 consid. 3, ATF 81 IV 101 consid. 3). La menace de déposer une plainte pénale doit être considérée comme la menace d’un dommage sérieux; en effet, un tel acte, dépendant de la volonté de l’auteur, provoque l’ouverture d’une procédure pénale qui est, pour la personne visée, une source de tourments et un poids psychologique considérable, de sorte que cette perspective est propre, pour un destinataire raisonnable, à l’amener à adopter un comportement qu’il n’aurait pas eu s’il avait eu toute sa liberté de décision (cf. ATF 96 IV 58 consid. 3). En menaçant les destinataires des lettres litigieuses de déposer contre eux une plainte pénale pour infraction à l’art. 165 CP, l’entreprise dirigée par le recourant proférait à leur encontre une menace d’un dommage sérieux, puisqu’une telle plainte, vu la complexité des faits à élucider, est de nature à provoquer de sérieux tourments et à inciter la personne menacée à céder. .
BGE 120 IV 17 S. 20 bb) Il reste à déterminer si la contrainte, dans les circonstances d’espèce, était illicite. Selon la jurisprudence, une contrainte est illicite lorsque le moyen ou le but est contraire au droit ou lorsque le moyen est disproportionné pour atteindre le but visé ou encore lorsqu’un moyen de contrainte conforme au droit utilisé pour atteindre un but légitime constitue, au vu des circonstances, un moyen de pression abusif ou contraire aux moeurs; cette dernière hypothèse est en particulier réalisée lorsqu’il n’y a pas de rapport entre l’objet de la menace et l’exigence formulée (ATF 106 IV 125 consid. 3a, ATF 105 IV 120 consid. 2b, ATF 101 IV 47 consid. 2b et les arrêts cités). Réclamer le paiement d’une créance ou menacer de déposer une plainte pénale (lorsque l’on est victime d’une infraction) constituent en principe des actes licites; celui qui, étant victime d’une infraction, menace de déposer une plainte pénale afin d’obtenir la réparation du préjudice subi ne commet pas une contrainte au sens de l’art. 181 CP; l’illicéité n’apparaît que si le moyen utilisé n’est pas dans un rapport raisonnable avec le but visé et constitue un moyen de pression abusif; tel est le cas en particulier si l’objet de la plainte pénale est sans rapport avec la prestation demandée ou si la menace doit permettre d’obtenir un avantage indu (cf. ATF 115 IV 207 consid. 2b / cc, ATF 101 IV 47 .
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consid. 2b, ATF 96 IV 58 consid. 1, ATF 87 IV 13 consid. 1). En l’espèce, il a été retenu en fait – d’une manière qui lie la Cour de cassation (art. 277bis PPF [RS 312.0]) – que les employés avaient reçu pour instruction, dès réception d’un acte de défaut de biens d’une certaine couleur, d’envoyer la formule préimprimée comprenant la menace de la plainte pénale. Or, la seule délivrance d’un acte de défaut de biens ne permet nullement d’étayer un soupçon d’infraction à l’art. 165 CP. Dans la mesure où le recourant affirme qu’il y avait un tri préalable, au siège de l’entreprise, il s’écarte des constatations cantonales, ce qui n’est pas admissible dans le cadre d’un pourvoi en nullité (art. 273 al. 1 let. b PPF; ATF 115 IV 38 consid. 3a, 106 IV 338 consid. 1). Au demeurant, il n’a jamais été en mesure d’apporter le moindre indice sérieux d’une telle infraction à l’encontre de l’un ou l’autre des destinataires en cause. Il s’agissait donc de menaces qui étaient systématiquement proférées à la légère. En cela, le procédé était abusif, puisqu’il consistait à menacer, sans raison sérieuse, le destinataire de tourments importants, afin de l’amener à payer sa dette, même en empiétant, le cas échéant, sur le minimum vital. Menacer d’une plainte pour une infraction que rien ne permet sérieusement de soupçonner constitue un moyen en soi inadmissible. Le moyen .
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BGE 120 IV 17 S. 21 utilisé étant dans ces circonstances abusif et sans rapport raisonnable avec le but visé, la contrainte était illicite. C’est donc à juste titre que l’autorité cantonale a retenu la qualification de contrainte au sens de l’art. 181 CP. b) Contrairement à ce que semble soutenir le recourant, les trois éléments analysés par l’autorité cantonale ne constituent pas des contraintes distinctes qui entreraient en concours; il s’agit en réalité de procéder à une appréciation globale de la lettre, pour dire s’il y a usage d’un moyen de pression abusif, donc illicite. Les trois éléments s’éclairent donc l’un l’autre et la lettre doit être comprise comme un tout; il importe donc peu que l’un ou l’autre de ces éléments, pris isolément, n’aurait pas suffi pour justifier la qualification de contrainte.
Lorsque le recourant sous-entend qu’il aurait eu des soupçons plausibles à l’encontre des personnes visées, il s’écarte des constatations de fait cantonales, ce qui n’est pas admissible. Il n’indique d’ailleurs même pas en quoi consistaient ces soupçons. Comme les lettres litigieuses mentionnaient expressément l’art. 165 CP et employaient les termes «aggravé sa situation» figurant dans cette disposition, l’autorité cantonale a admis que cette disposition avait été lue et que l’on savait donc que l’infraction à l’art. 165 CP, contrairement à ce qui était affirmé dans les lettres, n’était pas toujours un délit poursuivable d’office. Elle a également retenu qu’il s’agissait, par cette imprécision, de mettre le destinataire sous pression en lui faisant croire que s’il ne payait pas immédiatement un processus irréversible serait enclenché. Sur la base d’un tel état de fait – qui ne peut pas être réexaminé dans le cadre d’un pourvoi en nullité (art. 277bis PPF) –, il était juste d’observer qu’il s’agissait d’une affirmation trompeuse, donc déloyale, destinée à accroître la pression psychologique. L’indication qu’une copie était adressée au Procureur général avait manifestement pour but de montrer que la situation était déjà sous le contrôle de cette autorité et qu’il fallait redouter son intervention en cas de nonpaiement. Comme aucune copie n’était envoyée au Procureur général, il y avait ici également une tromperie, qui confirme le caractère abusif du procédé, même si cet aspect, pris isolément, n’aurait pas suffi pour justifier la qualification de contrainte. Il faut d’ailleurs relever que l’autre lettre, citée par le recourant, ne comportait aucune référence à une infraction pénale, de sorte que la mention d’une copie au Procureur général n’avait pas la même portée, en l’absence de tout allégué dont il .
BGE 120 IV 17 S. 22 aurait pu se saisir. Le fait qu’aucune copie n’était envoyée au Procureur général confirme que l’on avait conscience de ce qu’une plainte ne peut pas être déposée à la légère et que l’on ne disposait pas d’éléments suffisants. c) Pour qu’il y ait tentative de contrainte, il faut que l’auteur ait agi avec conscience et volonté, soit au moins qu’il ait accepté l’éventualité que le
procédé illicite employé entrave le destinataire dans sa liberté de décision (ATF 101 IV 42 consid. 4, ATF 96 IV 58 consid. 5, ATF 87 IV 13 consid. 2). Contrairement à ce que suggère le recourant, il ne ressort nullement de l’arrêt attaqué que l’autorité cantonale aurait méconnu le caractère intentionnel de l’infraction. Selon les faits retenus, qui ne peuvent être réexaminés dans le cadre d’un pourvoi, le recourant dirigeait de près son entreprise, il avait déterminé la manière de procéder et faisait donner aux employés les instructions nécessaires avec le jeu des formules utilisées; il connaissait la formule litigieuse et son utilisation. Il résulte de façon suffisamment claire de l’arrêt entrepris que l’autorité cantonale a retenu qu’il avait voulu cette manière de procéder (sans instaurer aucun contrôle préalable des soupçons d’infraction à l’art. 165 CP, ni aucun tri suivant que l’infraction soit poursuivable d’office ou sur plainte) et qu’il a fait en sorte qu’elle soit appliquée par ses subordonnés. Le but de la lettre étant clair, le recourant avait nécessairement accepté d’exercer, par la menace d’une plainte pénale, une pression sur la volonté des débiteurs, pour les amener à effectuer des versements qu’ils n’étaient vraisemblablement pas disposés à faire sans cela; le caractère illicite du procédé consistant à menacer d’une plainte pénale, sans que celle-ci ait un fondement sérieux, ne pouvait lui échapper; la situation se distingue à l’évidence des avertissements figurant sur les formules des offices de poursuites pour le cas où le destinataire commettrait à l’avenir une infraction; d’ailleurs, aucune erreur du recourant n’a été constatée en fait. .
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d) Le recourant conteste que les faits retenus permettent de le qualifier d’auteur de la tentative de contrainte. Les juges de première instance l’avaient considéré comme auteur médiat, mais la cour cantonale, dont la décision fait seule l’objet du pourvoi, a laissé cette question ouverte, estimant qu’il suffisait de constater qu’il avait agi en qualité d’auteur. L’auteur médiat est celui qui se sert d’une autre personne comme d’un instrument dénué de volonté ou du moins agissant sans intention coupable, BGE 120 IV 17 S. 23
afin de lui faire exécuter l’infraction projetée (ATF 77 IV 88 consid. 1, 71 IV 132 consid. 3). L’auteur médiat est punissable comme s’il avait accompli lui-même les actes qu’il a fait exécuter par le tiers agissant comme instrument (ATF 87 I 451 consid. 5 p. 457, ATF 85 IV 203). Le coauteur est celui qui collabore intentionnellement et de manière déterminante avec d’autres personnes dans la décision de commettre une infraction, dans son organisation ou son exécution, au point d’apparaître comme l’un des participants principaux (ATF 118 IV 397 consid. 2b, ATF 115 IV 161 consid. 2, ATF 108 IV 88 consid. 2a). La coactivité suppose une décision commune, mais qui n’est pas nécessairement expresse; elle peut aussi résulter d’actes concluants et le dol éventuel quant au résultat suffit (ATF 118 IV 397 consid. 2b, 115 IV 161 consid. 2). Il n’est pas nécessaire que le coauteur participe à la conception du projet, il peut y adhérer ultérieurement (ATF 118 IV 397 consid. 2b; TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, vor Art. 24 Nr. 12). Il n’est d’ailleurs pas nécessaire que l’acte soit prémédité, le coauteur peut s’y associer en cours d’exécution (ATF 108 IV 88 consid. 2a). Le contenu de la volonté doit permettre de distinguer le coauteur du participant accessoire (ATF 115 IV 161, ATF 108 IV 88 consid. 2a): il faut que l’auteur s’associe à la décision dont est issu le délit (mais sans accomplir nécessairement des actes d’exécution) ou à la réalisation de ce dernier, dans des conditions ou dans une mesure qui le font apparaître comme un participant non pas secondaire, mais principal (ATF 69 IV 97 s.). La seule volonté ne suffit cependant pas pour admettre la coactivité, il faut encore que le coauteur participe effectivement à la prise de la décision, à l’organisation ou à la réalisation de l’infraction (ATF 108 IV 88 consid. 2a); la jurisprudence la plus récente, se référant à la doctrine, exige même que le coauteur ait une certaine maîtrise des opérations et que son rôle soit plus ou moins indispensable (ATF 118 IV 397 consid. 2b; cf. STRATENWERTH, Allg. Teil I, par. 13 no 55; NOLL / TRECHSEL, Allg. Teil I, 3ème éd. p. 159 s.; BERNHARD PETER, Zur Mittäterschaft nach schweizerischem Strafrecht, Zürich 1984 p. 38 ss, 53 s.). Dès lors que l’infraction apparaît comme l’expression d’une volonté commune, chacun des coauteurs est pénalement tenu pour le tout (ATF 109 IV 161 consid. 4b et les arrêts cités). Cette construction juridique tend en .
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particulier à la répression de ceux qui ont planifié une infraction, mais sans prendre part à son exécution proprement dite (ATF 108 IV 88 consid. 2a). Les concepts d’auteur médiat et de coauteur montrent qu’une personne peut être considérée comme auteur d’une infraction, même si elle n’en est pas .
BGE 120 IV 17 S. 24 l’auteur direct, c’est-à-dire si elle n’a pas accompli elle-même tous les actes décrits dans la disposition pénale; cela résulte naturellement du fait qu’une infraction, comme toute entreprise humaine, n’est pas nécessairement réalisée par une personne isolée, mais peut procéder d’une action commune avec une répartition des tâches (cf. PHILIPPE GRAVEN, L’infraction pénale punissable, Berne 1993 p. 272 ss). La distinction entre l’auteur médiat et le coauteur, invoquée par le recourant, ne lui est d’aucun secours. En effet, elle n’a d’importance dans le cas d’espèce que pour examiner si les subordonnés qui envoyaient les formules avaient ou non l’intention délictueuse et, en conséquence étaient ou non punissables. Or, l’accusé n’a qualité pour se pourvoir en nullité (art. 270 al. 1 PPF) que dans la mesure où le jugement touche à ses intérêts personnels; il ne peut pas se plaindre par cette voie de la manière dont d’autres personnes ont été traitées (CORBOZ, Le pourvoi en nullité, SJ 1991 p. 71). Il n’est donc pas nécessaire de trancher cette question et il suffit d’examiner, sur la base des faits retenus (art. 277bis al. 1 PPF), si le recourant peut être considéré comme auteur de la tentative de contrainte. Il a été retenu que le recourant, qui dirigeait l’entreprise, avait voulu durcir la procédure à l’égard des débiteurs, en particulier ceux de Suisse romande et du Tessin. Suivant de près la marche de l’entreprise, il déterminait les manières de procéder. Il donnait ou faisait donner aux employés de l’entreprise des instructions précises, les amenant à procéder de manière stéréotypée, en fonction d’un jeu de formules. C’est manifestement pour satisfaire sa volonté de durcissement que la formule litigieuse a été établie, même si les circonstances exactes de son élaboration n’ont pas pu être élucidées. Il connaissait l’existence, le contenu et l’utilisation qui devait être faite de cette formule. Il avait la maîtrise totale de la situation, puisqu’il aurait pu, dès l’origine et à tout moment, en interdire l’usage. Comme les .
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subordonnés ne faisaient que suivre ses ordres, il en résulte de façon suffisante qu’il a voulu l’emploi de cette formule et que sa volonté exerçait une influence déterminante sur son utilisation effective. Admettre en pareilles circonstances qu’il a agi comme auteur, sous la forme de l’auteur médiat ou du coauteur, ne viole en rien le droit fédéral. Pour la qualification d’auteur médiat ou de coauteur, il est sans pertinence qu’il n’ait pas accompli lui-même les actes d’exécution proprement dits.
BGE 120 IV 117 21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1994 i. S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 312 ff. OR; Veruntreuung, Verwendung eines Darlehens entgegen dem vereinbarten Zweck. Eine unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes kommt nur in Betracht, wenn der Treuhänder verpflichtet ist, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zu erhalten (E. 2e). Bei einem Darlehen, das für einen bestimmten Zweck gewährt wurde (hier: Kauf einer Liegenschaft), kann sich die Werterhaltungspflicht des Borgers aus der mit dem Darleiher getroffenen Vereinbarung ergeben (E. 2 f). .
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Sachverhalt ab Seite 118 BGE 120 IV 117 S. 118 Am 20. April 1993 bestrafte das Obergericht des Kantons Thurgau F. in zweiter Instanz unter anderem wegen mehrfacher Veruntreuung mit 22 Monaten Gefängnis. Eine von F. dagegen erhobene eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde weist das Bundesgericht ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2.a) Nach der Anklageschrift hatte der Beschwerdeführer seit Mitte 1986 Schulden in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken und kein nennenswertes regelmässiges Einkommen. Um seinen aufwendigen
Lebensunterhalt gleichwohl bestreiten zu können, habe er sich unter anderem wie folgt Geld beschafft: Mit dem Vorwand, er könne eine bestimmte Liegenschaft in H. kaufen und mit Gewinn weiterveräussern, sofern ihm Fr. 30 000.– zur Verfügung stünden, habe er von W. am 24. März 1987 diesen Betrag als Darlehen erhältlich gemacht. Der Beschwerdeführer habe die Fr. 30 000.– in der Folge nicht für den Liegenschaftskauf, sondern, wie das seiner Absicht vor der Entgegennahme des Geldes entsprochen habe, für eigene Bedürfnisse verwendet. Die erste Instanz verurteilte den Beschwerdeführer deshalb wegen Betrugs. Die Vorinstanz geht – für das Bundesgericht verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 .
BGE 120 IV 117 S. 119 BStP) – demgegenüber davon aus, der Beschwerdeführer habe tatsächlich beabsichtigt, die Liegenschaft zu kaufen. Sie verneint daher mangels arglistiger Täuschung einen Betrug. Statt dessen nimmt sie eine Veruntreuung an. W. habe dem Beschwerdeführer die Fr. 30 000.– für den Kauf der Liegenschaft, also für einen ganz bestimmten Zweck, übergeben. Das Geld sei dem Beschwerdeführer deshalb anvertraut gewesen. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Verurteilung wegen Veruntreuung in diesem Punkt verletze Bundesrecht. b) Gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist strafbar, wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet. Nach der Rechtsprechung ist anvertraut, was jemand mit der Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse eines andern zu verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder abzuliefern. Eine solche Verpflichtung kann auf ausdrücklicher oder stillschweigender Abmachung beruhen (BGE 118 IV 239 E. 2b mit Hinweisen). .
c) Das Bundesgericht befasste sich bereits in BGE 86 IV 167 mit der Frage, ob der Borger eine Veruntreuung begehe, wenn er das Darlehen nicht zum vereinbarten Zweck verwende. Es legte dar, eine vertretbare Sache sei nur
dann im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anvertraut, wenn sie dem Täter nicht für sich selbst, d.h. in seinem eigenen Interesse, übergeben worden sei, sondern im Interesse eines andern. Im allgemeinen begehe daher der Borger, der das Geld nicht vereinbarungsgemäss verwende, keine Veruntreuung, wenn das Darlehen ihm in seinem eigenen Interesse und nicht im Interesse eines andern gewährt worden sei. Wenn das Darlehen im Interesse eines andern gewährt worden sei, begehe der Borger hingegen angesichts der wirtschaftlichen Bestimmung des Geldes, die es zu einer anvertrauten Sache mache, eine Veruntreuung. Im beurteilten Fall verneinte das Bundesgericht eine Veruntreuung. Eine Frau hatte ihrem Freund, gegen den Strafantrag wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht gestellt worden war, Fr. 1000.– gegeben, damit er seiner Unterhaltspflicht nachkommen könne. Der Mann verwendete das Geld für eigene Bedürfnisse. Das Bundesgericht erachtete es als entscheidend, dass die Frau ihrem Freund das Geld in seinem eigenen Interesse übergeben hatte, um ihn vor einer Verurteilung wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht zu bewahren, und nicht im Interesse eines andern. BGE 120 IV 117 S. 120 d) Im Schrifttum gehen die Ansichten darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen in der Verwendung eines Darlehens entgegen dem vereinbarten Zweck eine Veruntreuung liege, auseinander. REHBERG nimmt an, eine Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB komme nur in Betracht, wenn der Treuhänder verpflichtet sei, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zu erhalten. An einer solchen Werterhaltungspflicht fehle es beim Darlehen, und zwar ungeachtet dessen, ob es zu bestimmten Zwecken gewährt und der Geldgeber am Gewinn beteiligt werde. Denn der Borger sei lediglich dazu verpflichtet, zum vereinbarten Termin einen gleichen Geldbetrag zurückzuerstatten (Aktuelle Rechtsfragen beim Veruntreuungstatbestand gemäss StrGB Art. 140, ZStrR 98/1981, S. 366; REHBERG, Zum objektiven Tatbestand der Veruntreuung nach StrGB Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2, ZStrR 92/1976, S. 46; REHBERG, Strafrecht III, 5. Aufl., S. 97). SCHAUB (Die unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes, Basel 1979, S. 92), der die Annahme einer Veruntreuung gemäss .
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Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ebenfalls an die Werterhaltungspflicht des Treuhänders knüpft, führt aus, eine solche Pflicht, die dem Wesen des Darlehens grundsätzlich widerspreche, könne höchstens dann entstehen, wenn der Borger eindeutig verspreche, die erhaltene Summe für einen bestimmten Zweck zu verwenden oder aber den Betrag unangetastet zu lassen und zurückzuerstatten, wenn er den in Frage stehenden Zweck nicht mehr erreichen könne oder wolle. VON RECHENBERG (Die rechtswidrige Verwendung übergebener Gelder im Hinblick auf die Tatbestände des Betruges, der Veruntreuung und der ungetreuen Geschäftsführung, Kriminalistik 1962, S. 533 f.) legt dar, wieweit der Borger in seiner Verfügung beschränkt sei, ergebe sich aus dem Darlehensvertrag. Wer Geld empfange, um es im Interesse des Darleihers oder auch im gemeinsamen Interesse des Darleihers und des Borgers zu verwenden, mache sich der Veruntreuung schuldig, wenn er entgegen der getroffenen Abmachung über das Geld verfüge. In diesem Fall sei ihm das Geld eben nicht zur freien Verwendung übergeben worden, sondern im Sinne von Art. 140 StGB anvertraut. AMSLER (Zur Abgrenzung zwischen Diebstahl und Veruntreuung, Diss. Bern 1972, S. 81/2) schliesslich ist der Auffassung, die Verwendung eines Darlehens entgegen dem vereinbarten Zweck sei unrechtmässig im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB und stelle eine Veruntreuung dar. .
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e) Bei der Gutsveruntreuung gemäss Abs. 2 von Art. 140 Ziff. 1 StGB handelt es sich um einen subsidiären Tatbestand. Abs. 2 soll in Fällen, in denen BGE 120 IV 117 S. 121 aus Gründen des Zivilrechts die Fremdheit nicht gegeben oder zumindest zweifelhaft ist, dennoch Strafbarkeit nach Art. 140 StGB ermöglichen. Vorausgesetzt ist aber, dass der Fall mit der eigentlichen Veruntreuung gemäss Abs. 1 von Art. 140 Ziff. 1 StGB sonst vergleichbar ist. Abs. 2 soll nur jenes Unrecht erfassen, das dem in Abs. 1 vertypten strukturell gleichwertig ist (SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 2. Band, Art. 140 N. 24; JENNY, Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 124/1988, S. 402/3; REHBERG, ZStrR 98/1981, .
S. 363). In den Fällen, in denen Abs. 2 zur Anwendung kommt, erwirbt der Treuhänder an den erhaltenen Sachen Eigentum. Er erlangt also nicht nur, wie beim Anvertrautsein nach Abs. 1, eine tatsächliche, sondern eine rechtliche Verfügungsmacht. Die ins Eigentum des Treuhänders übergegangenen Vermögenswerte sind jedoch dazu bestimmt, wieder an den Berechtigten zurückzufliessen. Sie sind wirtschaftlich fremd. Der Treuhänder hat sie deshalb unangetastet zu lassen: Er ist verpflichtet, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zu erhalten. Nur wo diese Werterhaltungspflicht besteht, befindet sich der Treuhänder in einer vergleichbaren Stellung mit dem, der eine fremde bewegliche Sache erhalten und das Eigentum des Treugebers daran zu wahren hat. Die Werterhaltungspflicht ist deshalb Voraussetzung einer Verurteilung nach Abs. 2. Diese Auffassung hat sich auch im Schrifttum durchgesetzt (REHBERG, Strafrecht III, 5. Aufl., S. 97; REHBERG, ZStrR 98/1981, S. 365; SCHAUB, a.a.O., S. 80 ff.; JENNY, a.a.O., S. 403; NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, S. 153; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 4. Aufl., S. 259; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 140 N. 14). .
f) Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit bei einem Darlehen eine Veruntreuung in Betracht kommt, ist somit, ob der Borger zur ständigen Werterhaltung verpflichtet ist. Bei einem Darlehen, bei dem kein bestimmter Verwendungszweck verabredet ist, ist eine Pflicht des Borgers zur ständigen Werterhaltung zu verneinen. Der Borger darf mit dem Darlehen nach seinem Belieben wirtschaften. Er ist einzig verpflichtet, es zum vertraglichen oder gesetzlichen Termin zurückzuerstatten (vgl. Art. 318 OR). Die Annahme einer Veruntreuung fällt deshalb ausser Betracht. Anders kann es sich dagegen verhalten, wenn das Darlehen ausgerichtet wurde für einen bestimmten Zweck. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich aus .
BGE 120 IV 117 S. 122
der vertraglichen Abmachung eine Werterhaltungspflicht des Borgers ergibt. Im zu beurteilenden Fall richtete W. das Darlehen aus, damit es der Beschwerdeführer für den Erwerb einer bestimmten Liegenschaft verwende und nach dem in Aussicht gestellten gewinnbringenden Weiterverkauf der Liegenschaft zurückzahle. Dabei handelte es sich um einen wesentlichen Vertragsbestandteil. W. konnte davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer bei einer vertragsgemässen Verwendung des Geldes über die Mittel zur Rückzahlung des Darlehens verfügen werde. Die Festlegung des Verwendungszwecks war für W. somit entscheidend im Hinblick auf die Begrenzung seines Verlustrisikos. Es ist offensichtlich, dass er das Darlehen nicht gewährt hätte, wenn er gewusst hätte, dass der stark überschuldete und über kein regelmässiges Einkommen verfügende Beschwerdeführer das Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verwenden würde; diesfalls wäre der gänzliche Verlust der Fr. 30 000.– absehbar gewesen. War der Beschwerdeführer aufgrund der getroffenen Vereinbarung gehalten, das Geld für den Kauf der Liegenschaft und für nichts anderes zu verwenden, so war er aber auch verpflichtet, es bis zum Erwerb der Liegenschaft treuhänderisch zu verwalten. Zum Darlehen trat insoweit ein Auftrag hinzu. Aufgrund dieses Auftrags war der Beschwerdeführer zur Werterhaltung verpflichtet. Indem er diese Pflicht missachtete und das Geld abmachungswidrig für eigene Bedürfnisse ausgab, verwendete er anvertrautes Gut unrechtmässig im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Da auch der subjektive Tatbestand gegeben ist, verletzt die Verurteilung wegen Veruntreuung in diesem Punkt Bundesrecht nicht.
BGE 120 IV 186 32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. September 1994 i. S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 148 Abs. 1 StGB; Arglist, Opfermitverantwortung. Bei der Prüfung der Frage, ob Arglist gegeben sei, ist die Lage des Opfers im Einzelfall zu berücksichtigen. Ist das Opfer geistesschwach, unerfahren oder aufgrund des Alters oder einer (körperlichen oder geistigen) Krankheit beeinträchtigt, befindet es sich in einem Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis oder in einer Notlage, und nützt der Täter dies aus, ist Arglist zu bejahen. Der Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung kann nur dort zur Verneinung der Arglist führen, wo eine derartige Unterlegenheit des Opfers nicht besteht. .
Sachverhalt ab Seite 186 BGE 120 IV 186 S. 186 A. Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte B. am 30. November 1993 zweitinstanzlich wegen gewerbsmässigen Betruges, Widerhandlungen gegen die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige sowie wegen Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer zu zweieinhalb BGE 120 IV 186 S. 187 Jahren Zuchthaus und zu einer Busse von Fr. 10 000.–. Überdies verwies es ihn für sieben Jahre des Landes (unbedingt). Die Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betruges stützt sich auf .
folgenden Anklagevorwurf: B. habe durch Vorspiegelung falscher Tatsachen in der Zeit von Dezember 1991 bis März 1992 insgesamt ca. Fr. 191 000.– von Landsleuten erhältlich gemacht. In zehn Fällen habe er sich als Kontaktperson zur Fremdenpolizei ausgegeben und dadurch das Vertrauen seiner Landsleute erschlichen. Sein Vorgehen habe sich jeweils nach dem gleichen Muster abgespielt. Durch Vorzeigen von Papieren bzw. einer Visitenkarte mit dem Stempelaufdruck «Fremdenpolizei» oder mit dem Hinweis «Generalvertreter für Jugoslawien» habe er seinen Opfern Arbeitsund Aufenthaltsbewilligungen gegen Vorausbezahlung von Fr. 10 000.– bis Fr. 25 000.– pro Bewilligung versprochen. Quittungen für die einkassierten Beträge habe er grundsätzlich keine ausgestellt. Er habe die Erteilung der Bewilligungen seinen Geldgebern innert weniger Wochen zugesichert, obwohl er nicht in der Lage gewesen sei, solche zu beschaffen. In einem weiteren Fall habe er ein Darlehen von Fr. 10 000.– für den geplanten Aufbau eines ImportExport- Geschäftes auf betrügerische Weise erwirkt. B. B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben; die Sache sei zur Freisprechung vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betruges und zur Aufhebung der Landesverweisung an die Vorinstanz zurückzuweisen. C.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer bringt gegen seine Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betruges einzig vor, er habe nicht arglistig gehandelt; die Vorinstanz habe den Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung, der nach der neueren Rechtsprechung zur Verneinung der Arglist führen könne, nicht berücksichtigt. a) Für die Erfüllung des Tatbestandes des Betrugs gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB genügt nicht jede, sondern nur die arglistige Täuschung. Wer sich mit
einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen, den Irrtum durch ein Minimum zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können, ist strafrechtlich nicht geschützt. BGE 120 IV 186 S. 188 Arglist ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gegeben, wenn der Täter zur Täuschung eines anderen ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses, mise en scène) bedient, aber auch dann, wenn er bloss falsche Angaben macht, deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, sowie dann, wenn er den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach dem Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde (BGE 119 IV 28 E. 3a mit Hinweisen). Bei der Beantwortung der Frage, ob Arglist gegeben sei, ist auch der Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung zu berücksichtigen. So hat das Bundesgericht in BGE 119 IV 28 die Arglist unter anderem mit der Begründung verneint, das Opfer – eine Bank – hätte bei Beachtung der grundlegendsten Sorgfaltsmassnahmen die Täuschung entdecken können (E. 3 f). In BGE 119 IV 210 bejahte das Bundesgericht demgegenüber die Arglist in einem Fall, wo das Opfer geistig beeinträchtigt war und die Täuschung für einen verständigen Dritten offensichtlich gewesen wäre (E. 3d). Diese Entscheide widersprechen sich nicht. Bei der Prüfung der Frage der Arglist ist nicht aufgrund einer rein objektiven Betrachtungsweise darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich vorsichtiger und erfahrener Dritter auf die Täuschung reagiert hätte. Zu berücksichtigen ist auch die Lage des Opfers im Einzelfall, soweit der Täter diese kennt und ausnützt. Das gilt insbesondere bei geistesschwachen, unerfahrenen oder aufgrund des Alters oder einer (körperlichen oder geistigen) Krankheit beeinträchtigten Opfern, ferner bei solchen, die sich in einem Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis oder in einer Notlage befinden und deshalb kaum imstande sind, dem Täter zu misstrauen. Das Ausnützen einer derartigen Lage ist gerade eine der Erscheinungsformen der Arglist. .
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b) Nach den Darlegungen im angefochtenen Urteil untermauerte der Beschwerdeführer in neun Fällen seine falschen Angaben bezüglich Vermittlung von Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen durch Vorlage eines gefälschten Ausweises mit dem Stempelaufdruck «Fremdenpolizei» und dem Hinweis «Generalvertreter für Jugoslawien» und / oder eines gefälschten Schreibens mit dem Stempelaufdruck «Polizei». Mit Hilfe dieser fingierten Dokumente habe er sich gegenüber seinen wenig rechtskundigen Landsleuten den Anschein einer mit staatlicher Genehmigung .
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BGE 120 IV 186 S. 189 zur Vermittlung von Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen befugten Privatperson verliehen. Die Vorinstanz nimmt an, mit dieser kombinierten Vorgehensweise von Lüge und besonderer Machenschaft habe er bei seinen unerfahrenen Landsleuten ein hohes Mass an Glaubwürdigkeit bewirkt. Seine Landsleute seien jedenfalls von seinen angeblich guten Beziehungen zu den Amtsstellen in Luzern und Bern überzeugt gewesen. In einem weiteren Fall habe er dem Opfer für dessen Schwester die Vermittlung einer Arbeitsstelle mitsamt einer fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung offeriert. Dabei habe er angegeben, schon wiederholt ausländischen Arbeitnehmern Stellen mit Arbeitsbewilligungen vermittelt zu haben, was er an einem Beispiel ausgeführt habe. Schliesslich habe er sich beim Darlehensbetrug insofern arglistig verhalten, als er sich unter anderem mittels einer gefälschten Visitenkarte einem Landsmann als erfolgreicher Geschäftsmann im Aussendienst vorgestellt habe; ausserdem habe er sich als Mitarbeiter der Fremdenpolizei ausgegeben. Gesamthaft kommt die Vorinstanz zum Schluss, das Tatbestandsmerkmal der Arglist sei erfüllt aufgrund der Intensität der breit abgestützten und raffiniert inszenierten Lügengeschichten. Die Arglist könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung in Frage gestellt werden. Die Opfer seien durchwegs Bürger aus Ex-Jugoslawien, bei denen infolge der Greueltaten im jugoslawischen Bürgerkrieg ein grosses Sicherheitsbedürfnis bestanden habe. Aufgrund ihres starken verwandtschaftlichen Zusammenhalts
seien sie daran interessiert gewesen, auch anderen Familienangehörigen das Verlassen ihrer Heimat zu ermöglichen und ihnen mittels Aufenthaltsbewilligungen in der Schweiz Sicherheit zu verschaffen. Diese Opfersituation habe der Beschwerdeführer hemmungslos ausgenützt. Aufgrund der vorgelegten gefälschten Dokumente hätten sich für die Opfer keine Nachforschungen bei der Fremdenpolizei aufgedrängt. Auch beim Darlehensbetrug habe das Opfer keinen Anlass zur Überprüfung der gemachten Angaben gehabt, da der Beschwerdeführer deren Richtigkeit durch das Vorzeigen der gedruckten Visitenkarte seiner angeblich ihm gehörenden Firma bestätigt habe. c) Die Vorinstanz hat damit die Arglist zutreffend bejaht. Wer, wie der Beschwerdeführer, die Unterlegenheit seiner Opfer derart ausnützt, handelt arglistig. Der Fall unterscheidet sich deutlich von BGE 119 IV 28, wo sich BGE 120 IV 186 S. 190 das Opfer – eine Bank, die sich in der Vergabe von Darlehen auskennt – nicht in einer unterlegenen Stellung befand. Der Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung darf insbesondere nicht zur Verneinung der Arglist mit dem Argument führen, das Opfer hätte sich theoretisch durch geeignete Rückfragen Klarheit verschaffen können. Arglist ist auch dann zu bejahen, wenn diese theoretische Möglichkeit besteht, die Opfer jedoch nicht rückfragen, weil sie – wie hier – unerfahren sind, sich rechtlich und tatsächlich nicht auskennen und dem Täter vertrauen. Gerade bei Ausländern in der Situation der Opfer ist die unter Umständen gegebene Scheu, mit Amtsstellen Kontakt aufzunehmen, zu berücksichtigen. Unbehelflich ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, ein kritisches Opfer hätte sich nicht täuschen lassen, da er in einzelnen Fällen ausdrücklich darauf hingewiesen habe, die Zahlungen würden als Schmiergelder verwendet. Opfern aus Ländern, wo Schmiergelder nicht unüblich sind, kann dieser Einwand nicht entgegengehalten werden.
BGE 120 IV 265 44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. September 1994 i. S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Familie R. (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 25, 26, 111 und 112 StGB; Teilnahme an Mord, besondere persönliche Verhältnisse. Abgrenzung Mittäterschaft / Gehilfenschaft. Der uneingeweihte Lenker eines Autos, der während der Fahrt bemerkt, dass zwei Fahrgäste eine Begleiterin zu erdrosseln beginnen, ist Gehilfe der Tat, wenn er weiterfährt und dadurch das Gelingen der Tat fördert (E. 2). Von mehreren Beteiligten sind nur diejenigen wegen Mordes zu verurteilen, die selbst besonders skrupellos handelten (E. 3). .
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Sachverhalt ab Seite 266 BGE 120 IV 265 S. 266 A. Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach B. (geboren 1972), E. (geboren 1971) und G. (geboren 1969) am 26. März 1993 des Mordes im Sinne von Art. 112 StGB (sowie weiterer untergeordneter Straftaten) schuldig. Das Gericht wies B. in Anwendung von Art. 100bis StGB in eine Arbeitserziehungsanstalt ein und bestrafte E. mit 14 Jahren sowie G. mit 16 Jahren Zuchthaus. .
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B. Der Verurteilung wegen Mordes liegt zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde: a) E., G., B., X. und das Mädchen R. bildeten im Februar 1992 eine Clique, die mit dem Auto Ausfahrten unternahm, Restaurants besuchte und intensiv Haschisch konsumierte. R. versuchte anfänglich, mit G. eine Beziehung
einzugehen. Er liess sie abblitzen, worauf sie sich E. zuwandte. Dieser tat sich jedoch mit ihrer Art schwer, und sie ging ihm zunehmend auf die Nerven. Er stiess sich daran, dass sie stundenlang im Auto sitzen konnte und mit den Fingern durch ihre Haare fuhr, ohne etwas zu sagen, dass sie sich so benahm, als sei sie bei ihm zu Hause, und in seiner Wohnung Kleider und andere Gegenstände liegen liess. Dazu kam, dass er wegen ihr am Arbeitsplatz, wo sie gegen seinen Willen erschien und einmal ein Schokolade-Entchen mitbrachte, geneckt wurde. R. wurde in der Clique geplagt und misshandelt. E. erschreckte sie beispielsweise mit angedeuteten Schlägen gegen das Gesicht, zündete ihr zusammen mit G. mit einem Feuerzeug die Haare an, und B. versetzte ihr einmal aus nichtigem Anlass einen Faustschlag ins Gesicht. b) E., G., B. und X. trafen sich am Nachmittag des 14. März 1992 und fuhren in die Wohnung des E. in Winterthur, wo sie etwas Haschisch rauchten. B. versuchte vergeblich, R. telefonisch zu Hause zu erreichen. Im Verlaufe des Nachmittags wurde darüber gesprochen, das Mädchen «kaputt zu machen». E. zog im Verlaufe einer Rammelei einen Bändel aus der Kapuze des Trainers von B., legte ihn diesem um den Hals und zeigte, wie man damit jemanden erwürgen könne. In der nachfolgenden Diskussion wiederholte E., R. gehe ihm auf den Geist und müsse «weg». Er schwankte allerdings noch, ob er die besprochene Tötung ausführen solle oder nicht, und verlangte von den anderen, wenn es so weit sei, müssten sie ihn «motivieren». G. drohte, nicht mitzukommen, sondern nach Deutschland zu fahren, falls «es» nicht geschehe. Einzig B. hatte noch nicht mit letzter Konsequenz realisiert, dass das Mädchen umgebracht werden sollte. In der Folge stieg X. unter einem Vorwand aus dem Unternehmen aus, weil er sich dachte, «die machet’s würklich». BGE 120 IV 265 S. 267 Zu Hause erfuhr R. von ihrer Mutter, sie solle E. anrufen. Dieser nahm ab und reichte den Telefonhörer an B. weiter, welcher fragte, ob sie Lust habe, mit auf die Hulftegg zu fahren, und ob sie ihm fürs Benzin 30 Franken leihen könne. R. sagte zu. Gegen 19.00 Uhr fuhren die drei jungen Männer an den
Wohnort des Mädchens. Dieses nahm auf dem Beifahrersitz des Wagens von B. Platz und gab ihm 30 Franken, womit er Benzin tankte. Auf der Fahrt durch das Tösstal in Richtung Hulftegg unterhielten sie sich etwas, wobei R. einmal mehr einfach dasass und nichts sagte. Im Restaurant Hulftegg trank E. schnell drei Flaschen Bier, da er alkoholisiert sein wollte und damit der Alkohol ihm «in den Kopf steige». Auch G. stürzte ein Bier zügig hinunter, damit er es «auch ein wenig im Kopf merken würde». Auf der Fahrt von der Hulftegg zurück ins Tösstal sassen wiederum B. am Steuer und R. auf dem Beifahrersitz. Hinter ihr sass G., und E. nahm hinter dem Lenker Platz. Ausgangs Wila sagte E. unvermittelt, er habe den (Kapuzen-)Bändel vergessen. G. antwortete, für «das» brauche er keinen Bändel, «da langet en Gurt». Er zog seinen Gürtel aus und legte ihn der vor ihm sitzenden R. um den Hals. Die Enden führte er um die Kopfstützen herum und verschlaufte den Gurt im äussersten Loch. Dann begann er R. mit dem Gürtel zu würgen, indem er mehrmals am verschlauften Gurt zog. R. riss den Gürtel nach vorne, warf ihn nach hinten und sagte, «sie sollten aufhören». E. legte den Gürtel erneut um ihren Hals und würgte sie. Das Mädchen versuchte, mit den Händen unter den Gürtel zu greifen und ihn zu lockern. Sie wand sich, weinte, und es ging ihr schlecht. E. liess den Gürtel darauf etwas los. Als R. wegen des Würgens hustete, sagte B. zu ihr, sie solle nicht in seinen Wagen kotzen. Danach stellte er Striemen am Hals des Mädchens fest und forderte E. und G. auf, mit dem Würgen aufzuhören. Diese erwiderten, jetzt müssten sie R. umbringen, «sonst würde sie später etwas sagen». Sie bewegte sich in diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr, lebte aber noch. Auch B. erkannte nun, dass es sich nicht mehr nur um einen Spass handeln konnte. Er griff jedoch nicht ein und hielt auch nicht an, weil er Angst hatte, «dass irgend etwas von diesem Würgen auskomme und er zur Polizei hätte gehen müssen». Im Gegenteil liess er sich vom Argument der beiden anderen überzeugen, dass R. nun umgebracht werden müsse, weil sie sonst von diesem Vorfall sprechen könnte. E. forderte nun G. auf, ebenfalls am Gürtel zu ziehen und R. zu würgen. Die beiden, die in der Zwischenzeit die Plätze getauscht hatten, zogen nun zu zweit am Gurt und liessen nicht mehr locker. Es ging ihnen nur noch darum, .
BGE 120 IV 265 S. 268
wer fester ziehen könne und wer der Stärkere sei. B. stellte fest, dass R. die Hände schlaff nach unten hielt und aus dem Mund schäumte. Nachdem die beiden anderen ihr Opfer während mehrerer Minuten mit vereinten Kräften stranguliert und sich dabei sogar mit den Füssen oder den Knien gegen die Vordersitze gestemmt hatten, hielt B. sein Fahrzeug zwischen Turbenthal und Girenbad an. Er stellte fest, dass das Mädchen nicht mehr atmete. G. lehnte nach vorne und stellte Bläschen vor ihrem Mund sowie eine komische Zungenstellung fest, worauf er zu E. sagte, er solle aufhören, sie sei ja schon tot, «das haltet kän Muni us». G. und E. lachten und grölten dabei. Vor Girenbad bog B. nach links ab und fuhr über Zell, Langenhard und Unterschlatt nach Waltenstein. G. und E. beschlossen, die Leiche irgendwo auszuladen. G. sprach in der Untersuchung in diesem Zusammenhang von «Entsorgen». Hinter Waltenstein fuhr B. über einen Feldweg in den Wald und hielt an. Verstört und in Panik lief er weg. E. beruhigte ihn, worauf sie zum Wagen zurückkehrten. Gemeinsam schleppten die Beteiligten die Leiche hinter das Fahrzeug, worauf ihr E. die Jacke auszog, sämtliche Taschen durchsuchte und dabei ein Stück Haschisch fand. G. schlug vor, es müsse nach einer Vergewaltigung aussehen. Sie zogen der Leiche die Hose herunter und rollten den Pullover herauf. E. steckte ihr einen Finger in die Scheide. Anschliessend schleppten sie sie das Bord hinab, wo sie sie in Rücklage liegen liessen. E. machte nun den Vorschlag, R. mit einem Messer ins Herz zu stechen, um sicher zu sein, dass sie tot sei. B. zog darauf ein Schmetterlingsmesser aus der Tasche, erklärte aber, er habe den Mut nicht, um zuzustechen. Er gab seinen Kollegen das Messer in die Hand, damit diese zustechen könnten. Auch G. wollte dies aber nicht, während E. erklärte, er steche nur, wenn es auch die anderen täten. So liessen sie es schliesslich bleiben. G. trat der Leiche noch gegen den Kopf. Nachdem die drei Beteiligten sämtliche Effekten von R. und ihre eigenen Zigarettenstummel eingesammelt hatten, fuhren sie nach Winterthur an den Wohnort von E. c) Zu Hause versuchten sie Spuren zu beseitigen, und E. und G. waren stolz auf ihre Tat und brüsteten sich, es geschafft und die Leiche noch an den Kopf getreten zu haben. Nur B. war «geschockt» und fertig mit den Nerven. Als
auch X. um 23.00 Uhr eintraf, bemerkte B. nur, jetzt müsse er die Fr. 30.– nie mehr an R. zurückgeben. Die beiden anderen schnitten auf und nahmen es «völlig locker». E. erläuterte X., sie sei jetzt «eifach nüme BGE 120 IV 265 S. 269 ume». Vom Haschisch, das sie auf sich getragen und E. an sich genommen hatte, wurde ein Joint gedreht, den E., G. und X. zusammen rauchten. In der nachfolgenden Diskussion einigten sie sich darauf, im Falle polizeilicher Befragungen auszusagen, sie seien mit R. auf der Hulftegg gewesen und hätten sie dann um 23.00 Uhr in der Disco Schützenhaus ausgeladen, weil sie um jene Zeit noch nicht nach Hause habe gehen wollen. G. sagte bei dieser Gelegenheit, wer nicht dichthalte, sei der Nächste, der an die Reihe komme. Im weiteren Verlauf der Nacht fuhren die Beteiligten zu einer Waschanlage und reinigten das Auto innen und aussen gründlich. E. warf die Effekten des Opfers in einen Container. Anschliessend kehrten sie zurück in die Wohnung von E., wo sie nochmals Haschisch rauchten und anschliessend die Nacht verbrachten. Am nächsten Tag kehrten sie an den Ort, wo sie die Leiche abgelegt hatten, zurück, luden sie ins Auto von B. und warfen sie schliesslich zwischen Sennhof und Kyburg in einen Abwasserschacht. C. B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 26. März 1993 sei aufzuheben, insbesondere soweit er wegen Mordes schuldig erklärt worden sei. Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Obwohl der Beschwerdeführer an der Strangulation des Opfers selber nicht mitgewirkt hat, wirft ihm die Vorinstanz vor, er habe sich an der Tötung in einer Weise beteiligt, dass er als Mittäter dastehe. Dies wird vom Beschwerdeführer bestritten. Ebenso stellt er in Abrede, Gehilfe im Sinne von
Art. 25 StGB gewesen zu sein. In diesem Zusammenhang macht er zudem geltend, er habe keinen Tatvorsatz gehabt. a) Die Vorinstanz geht zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, am Nachmittag habe er die Pläne zur Tötung der R. nicht ernst genommen, den beiden anderen eine solche Tat nicht zugetraut und nie gedacht, dass sie das Mädchen töten könnten. Er habe es einfach nicht glauben können, dass die beiden «so etwas tun könnten», und nicht den Eindruck gehabt, «dass das am Abend geschehen könnte». Der Beschwerdeführer habe erst erkannt, dass «aus dem Spiel Ernst geworden war», als E. und G. während der Fahrt zu würgen begannen. Die BGE 120 IV 265 S. 270 Tötungsabsicht der Beteiligten sei für ihn ohne Zweifel zu jenem Zeitpunkt erkennbar gewesen, als er nach dem ersten Würgen blaue Striemen am Hals des Mädchens festgestellt, die Beteiligten zum Aufhören aufgefordert und darauf die Antwort erhalten habe, jetzt müssten sie R. umbringen, da sie sonst später vom Würgen erzählen könnte. Zu diesem Zeitpunkt habe es der Beschwerdeführer objektiv betrachtet in der Hand gehabt, die Tötung (z.B. durch Anhalten, Hupen und Aussteigen) zu verhindern. Der Beschwerdeführer habe im übrigen auch eine Garantenstellung innegehabt. Er sei Lenker und Halter des Fahrzeuges gewesen, in welchem R. als Fahrgast auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Er sei es gewesen, der sie im Auftrag der beiden anderen zur Fahrt eingeladen und von ihr das Benzingeld erhalten hatte. Als er realisiert habe, dass E. und G., entgegen seinen bisherigen Annahmen und Vorstellungen, ihren Tötungsvorsatz zu verwirklichen eben doch entschlossen waren, habe er auch erkannt, dass er durch das Zurverfügungstellen seines Wagens die Gefahrenlage geschaffen hatte. Infolge seiner Garantenstellung habe er eine Rechtspflicht zum Handeln gehabt. Indem er bei der von ihm als solche erkannten Tötungshandlung nicht rechtzeitig eingegriffen habe und sich vom Argument, dass R. wegen des Vorfalles bei der Polizei eine Anzeige erstatten könnte, habe überzeugen lassen, habe er sich nicht nur den Tötungsvorsatz der beiden anderen zu eigen .
gemacht, sondern wie diese den Tatbestand des Mordes verwirklicht. Die Strangulation sei während mindestens drei bis fünf Minuten bzw. während einer Fahrstrecke von mehreren Kilometern erfolgt, weshalb in zeitlicher Hinsicht ein Einschreiten des Beschwerdeführers gegen die Tat objektiv möglich gewesen wäre. Aus seinen Aussagen gehe hervor, dass er für sich eine Konfliktsituation in Anspruch nehme, in der er sich befunden habe, nachdem er gehört hatte, dass jetzt aus Spass Ernst geworden sei und dass man jetzt R. umbringen müsse, damit sie nichts erzählen könne. Er habe nämlich nicht gesehen werden wollen, weshalb er in Turbenthal nicht angehalten habe. Sodann habe er Angst gehabt, «dass irgend etwas von diesem Würgen auskommen würde und er zur Polizei hätte gehen müssen». In diesem Konflikt habe er sich dafür entschieden weiterzufahren, bis es dann zu spät war. Den Tatbestand des Mordes habe er damit nicht nur durch eine Unterlassung verwirklicht, sondern auch durch ein aktives Handeln, indem er als Lenker des Tatfahrzeuges weitergefahren sei und «die bewohnten Gebiete von Turbenthal» BGE 120 IV 265 S. 271 verlassen habe, während die beiden anderen für ihn erkennbar das Opfer zu Tode würgten. Dadurch habe er einen so entscheidenden Tatbeitrag geleistet, dass er als Mittäter erscheine. Schliesslich wäre er – wenn auch in mittel bis schwer beeinträchtigtem Mass – fähig gewesen, nach seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln. Er hätte sich nicht unmittelbar und in direkter Konfrontation gegen die beiden anderen durchsetzen müssen, da andere Handlungen – wie das blosse Anhalten in Turbenthal, das Betätigen der Hupe oder das Verlassen des Fahrzeugs – «als durchaus unwesentliche Einwirkungen» genügt hätten, um den Erfolg zu verhindern. b) Zusammenfassend kommt die Vorinstanz zum Schluss, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des Mordes nicht nur durch eine Unterlassung verwirklicht, sondern auch durch ein aktives Handeln, indem er als Lenker des Tatfahrzeuges weitergefahren und schliesslich die bewohnten Gebiete von Turbenthal verlassen habe, während die beiden Mitangeklagten
für ihn erkennbar das Opfer zu Tode würgten. Die Abgrenzung zwischen Handlung und Unterlassung ist im Zweifel nach dem Subsidiaritätsprinzip vorzunehmen. Es ist immer zuerst zu prüfen, ob ein aktives Tun vorliegt, das tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft ist (BGE 115 IV 199 E. 2a). Dem Beschwerdeführer ist vorzuwerfen, dass er in der letzten Phase des Geschehens im Wissen um die Tötungsabsicht der beiden Mitangeklagten während mehrerer Minuten weitergefahren ist und damit eine bewohnte Ortschaft verlassen hat, in der die Tat – nach Auffassung der Vorinstanz – hätte verhindert werden können. Ihm ist folglich ein aktives Tun (nämlich das Weiterfahren) vorzuwerfen, also ein Handlungs- und nicht ein Unterlassungsdelikt (ebenso in einem ähnlichen Fall der deutsche BGH, Urteil vom 21. Mai 1981 E. 1, DAR 1981 S. 226 Nr. 104). Ob der Beschwerdeführer eine Garantenstellung hatte, kann deshalb offenbleiben. .
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c) Es ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer Mittäter des Verbrechens oder allenfalls Gehilfe im Sinne von Art. 25 StGB ist, weil er während mehrerer Minuten aus der Ortschaft in unbewohntes Gelände weiterfuhr, als die beiden anderen das Mädchen erdrosselten. aa) Nach der Rechtsprechung ist Mittäter, wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter BGE 120 IV 265 S. 272 dasteht; dabei kommt es darauf an, ob der Tatbeitrag nach den Umständen des konkreten Falles und dem Tatplan für die Ausführung des Deliktes so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht oder fällt. Das blosse Wollen der Tat, der subjektive Wille allein genügt zur Begründung von Mittäterschaft nicht. Daraus folgt aber nicht, dass Mittäter nur ist, wer an der eigentlichen Tatausführung beteiligt ist oder sie zu beeinflussen vermag. Mittäterschaft setzt unter anderem einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, wobei dieser nicht ausdrücklich bekundet werden muss; es genügt, wenn er konkludent zum Ausdruck kommt. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Mittäter bei der
Entschlussfassung mitwirkt, sondern es reicht aus, dass er sich später den Vorsatz seiner Mittäter zu eigen macht. Wenn die Rechtsprechung angenommen hat, Mittäterschaft könne auch darin liegen, dass einer der Teilnehmer massgeblich bei der Entschliessung oder Planung des Deliktes mitgewirkt hat, so darf daraus nicht geschlossen werden, Mittäterschaft sei ausschliesslich möglich, wenn die Tat im voraus geplant und aufgrund eines vorher gefassten gemeinsamen Tatentschlusses ausgeführt wurde (vgl. BGE 118 IV 227 E. 5d / aa, 397 E. 2b, je mit Hinweisen). Demgegenüber ist gemäss Art. 25 StGB als Gehilfe strafbar, wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet. Nach der Rechtsprechung gilt als Hilfeleistung jeder kausale Beitrag, der die Tat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgespielt hätte. Nicht erforderlich ist, dass es ohne die Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen wäre. Die Förderung der Tat genügt. Andererseits muss die Hilfeleistung tatsächlich zur Tat beigetragen, also einen kausalen Beitrag dargestellt haben. Der Gehilfe muss die Erfolgschancen der tatbestandserfüllenden Handlung erhöhen. Zur Frage, inwieweit sogenannte «neutrale» Handlungen oder «Alltagshandlungen» straflos sein sollen, selbst wenn sie bewusst zu einer Deliktsverwirklichung beitragen, hat das Bundesgericht noch nicht abschliessend Stellung genommen (BGE 119 IV 289 E. 2c mit Hinweisen). Auch im vorliegenden Fall kann dies offen bleiben. .
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bb) Der deutsche Bundesgerichtshof in Strafsachen hatte im Jahre 1981 eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Angelegenheit zu entscheiden. Die Angeklagte hatte eine weitere Frau sowie zwei Männer in ihrem Personenwagen mitgenommen. Während der Fahrt entschloss sich der eine Mann, der mitfahrenden Frau ein Päckchen Heroin, das diese bei sich führte, und deren Bargeld gewaltsam wegzunehmen. Es kam zu einem Kampf zwischen den beiden, in dessen Verlauf auch der zweite Mann eingriff. Es gelang den beiden BGE 120 IV 265 S. 273 Haupttätern, dem sich heftig wehrenden und laut um Hilfe schreienden Opfer einen Geldbetrag abzunehmen.
Der Bundesgerichtshof kam zum Schluss, der nicht eingeweihte Lenker eines Autos mache sich der Beihilfe zum Raub durch positives Tun schuldig, wenn er den Überfall in seinem Fahrzeug bemerke und gleichwohl weiterfahre. Im zur Entscheidung stehenden Fall sei der Tatbeitrag der Angeklagten für die Begehung der Haupttat ursächlich gewesen, da die Handlung des Haupttäters durch die Gehilfentätigkeit erleichtert worden sei. Denn während der Fahrt hätten keine Aussichten bestanden, dass die Schreie des Opfers von Dritten, die die Möglichkeit zum Eingreifen gehabt hätten, gehört werden konnten. Auch der Gehilfenvorsatz sei erstellt, da die Angeklagte während der Fahrt wahrgenommen habe, dass der Frau gewaltsam Heroin weggenommen werden sollte und Geld weggenommen worden ist. Sie habe daher zumindest billigend in Kauf genommen, dass durch ihr Verhalten die Tat erleichtert oder gefördert worden sei. Dass die Angeklagte den Taterfolg selbst nicht wollte und ihn nicht billigte, stehe der Annahme des Gehilfenvorsatzes nicht entgegen (DAR 1981 S. 226 Nr. 104; zustimmend ROXIN, Leipziger Kommentar, 11. Aufl., § 27 N. 24). .
cc) Im vorliegenden Fall ist ebenso zu entscheiden. Der Beschwerdeführer war am Nachmittag an der Planung der Tat nicht beteiligt. Die Tatherrschaft lag offensichtlich bei den beiden anderen Beteiligten, die sich dazu schon vorher entschlossen hatten. Erst während der Fahrt, als die beiden anderen zu würgen begannen, merkte der Beschwerdeführer, dass «aus dem Spiel Ernst geworden war». Sein Tatbeitrag liegt also nur darin, dass er in der letzten Phase des Geschehens während mehrerer Minuten durch Turbenthal fuhr, als die beiden anderen das Mädchen erdrosselten. Dieser Beitrag erhöhte die Chance, dass den beiden Haupttätern die Tötung gelingen konnte, denn ein allfälliges Eingreifen von Drittpersonen wurde dadurch verunmöglicht. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz wäre der Beschwerdeführer auch subjektiv in der Lage gewesen, in Turbenthal anzuhalten. An seiner Stellung als Gehilfe ändert nichts, dass er mit der Tat zunächst nicht einverstanden war und die anderen sogar aufforderte aufzuhören; denn entscheidend ist, dass er zum deliktischen Gelingen beigetragen hat. Sein Beitrag fiel jedoch nicht derart ins Gewicht, dass man ihn als Hauptbeteiligten und damit als Mittäter ansehen könnte. Es darf in diesem Zusammenhang
denn auch nicht übersehen werden, dass sich die Tat gegen 22.00 Uhr ereignete, zu einem Zeitpunkt also, in dem ein Eingreifen durch BGE 120 IV 265 S. 274 eine Drittperson eher wenig wahrscheinlich war. Die Vorinstanz, die von einem Unterlassungsdelikt ausgeht, stellt denn auch zu Recht fest, der Beschwerdeführer habe «durchaus unwesentliche Einwirkungen» auf die beiden anderen Beteiligten unterlassen. Der Beschwerdeführer bestreitet im übrigen zu Unrecht, vorsätzlich gehandelt zu haben. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat er während der Fahrt realisiert, dass E. und G., entgegen seinen vorherigen Annahmen und Vorstellungen, entschlossen waren, R. zu töten, und dass sie diesen Entschluss in die Tat umsetzten. Auch schloss er sich deren Auffassung an, R. müsse umgebracht werden, damit sie bei der Polizei keine Anzeige erstatten könne. Damit ist der Gehilfenschaftsvorsatz erstellt, den der Beschwerdeführer durch seine Weiterfahrt denn auch konkludent zum Ausdruck brachte. d) Nach dem Gesagten ist dem Beschwerdeführer Gehilfenschaft im Sinne von Art. 25 StGB zur Last zu legen. Der angefochtene Entscheid ist also aufzuheben, soweit sein Tatbeitrag als Mittäterschaft qualifiziert worden ist. 3. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, der Schuldspruch wegen Mordes verletze Bundesrecht. a) Gemäss Art. 112 StGB macht sich des Mordes schuldig, wer vorsätzlich einen Menschen tötet und dabei besonders skrupellos handelt, namentlich wenn sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich sind. Mord zeichnet sich danach durch aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Absichten aus. Das Gesetz will jenen Tätertyp erfassen, den der Psychiater Hans Binder beschrieben hat als skrupellos, gemütskalt, krass und primitiv egoistisch, ohne soziale Regungen, der sich daher zur Verfolgung seiner eigenen Interessen rücksichtslos über das Leben anderer Menschen
hinwegsetzt (BGE 118 IV 122 E. 2b mit Hinweisen). Den einzelnen Tatumständen kommt indes keine absolute Bedeutung in dem Sinne zu, als sie bei ihrem Vorliegen zur Annahme von Mord zwingen würden. Sie stellen lediglich – wenn auch bedeutsame – Indizien dar. Entscheidend für die Qualifikation ist eine Gesamtwürdigung der äusseren und inneren Umstände der Tat. Die besondere Skrupellosigkeit kann danach immer noch entfallen, namentlich wenn das Tatmotiv einfühlbar und nicht krass egoistisch ist, etwa wenn die Tat durch eine schwere Konfliktsituation ausgelöst wurde (BGE 118 IV 122 E. 3d, BGE 104 IV 150 E. 1, BGE 101 IV 279 E. 5). .
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BGE 120 IV 265 S. 275 Gemäss Art. 26 StGB sind besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, die die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, bei dem Täter, Anstifter oder Gehilfen zu berücksichtigen, bei dem sie vorliegen. Bei der Tötung eines Menschen ist also nur derjenige Beteiligte nach Art. 112 StGB zu bestrafen, der dabei besonders skrupellos handelte (REHBERG, Strafrecht I, 5. Aufl., S. 114; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht BT I, 4. Aufl., § 1 N. 33). .
b) Die Vorinstanz hat in bezug auf die beiden Mitangeklagten aus zutreffenden Gründen die besondere Skrupellosigkeit und damit die Mordqualifikation bejaht. Sie haben das Mädchen zur Hauptsache deswegen getötet, weil es ihnen zu aufdringlich wurde, sie es als lästig empfanden und sie sich an gewissen (unbedeutenden) Gewohnheiten des Opfers stiessen. Ein zweiter Beweggrund ergab sich nach dem ersten Würgen. Das Mädchen sollte nicht erzählen können, es sei gewürgt worden. Zum Zeitpunkt der Tötung war es zudem völlig ahnungs- und wehrlos. Der Tat ging keine Auseinandersetzung voraus. Die Tötung selbst erfolgte ohne die geringste Gefühlsregung und ohne das geringste Mitleid mit dem Mädchen, welches sich gegen das qualvolle, minutenlange Würgen verzweifelt wehrte. Sowohl unter dem Gesichtspunkt dieser äusseren Tatumstände als auch der Beweggründe ist bei den Mittätern die besondere Skrupellosigkeit zu bejahen. Demgegenüber geriet der Beschwerdeführer ohne seinen Willen und unvermittelt in das Tatgeschehen hinein. Er wirkte schliesslich in der .
Endphase des Geschehens «nur» deshalb mit, weil er befürchtete, dass «irgend etwas von diesem Würgen auskommen würde und er zur Polizei hätte gehen müssen». Dazu kam seine auch von der Vorinstanz hervorgehobene «überaus leichte Beeinflussbarkeit». Der Beschwerdeführer befand sich, wie die Vorinstanz zu Recht feststellt, in einer Konfliktsituation. All dies spricht dafür, dass beim Beschwerdeführer die besondere Skrupellosigkeit im Sinne des Mordtatbestandes zu verneinen ist. Der angefochtene Entscheid ist deshalb auch in diesem Punkte aufzuheben. Die Vorinstanz wird den Beschwerdeführer wegen Gehilfenschaft zu vorsätzlicher Tötung zu verurteilen haben.
BGE 121 IV 10 3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Februar 1995 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 18 und 117 StGB; Art. 1 und 3 STEG; Sorgfaltspflicht des Verkäufers eines technischen Gerätes (Hebebühne). Der Verkäufer eines Produkts, dessen Gebrauch mit Gefahren für Leben und Gesundheit verbunden sein kann, handelt pflichtwidrig unvorsichtig, wenn er dieses nicht einer umfassenden Funktionskontrolle unterzieht und auf allenfalls versteckte Mängel prüft (E. 3a). .
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Sachverhalt ab Seite 10 BGE 121 IV 10 S. 10 A. G. ist Geschäftsleiter der E. AG, die auf Lösungen von Transport- und Lagerproblemen spezialisiert ist. Die Gesellschaft lieferte im Herbst 1987 der Firma C. AG für deren Schreinereibetrieb eine elektrohydraulische, fahrbare Hebebühne mit Rollbahn. Diese wurde für den Transport von Kunststoffplatten zwischen dem Produktions- und dem Lagerraum eingesetzt. Am 20. März 1990 waren F. und ein weiterer, aushilfsweise angestellter Mann damit beschäftigt, mit der Hebebühne Corian-Platten von einem Kiesplatz über einen Warenlift in den Produktionsraum zu bringen. Nachdem drei Fuhren BGE 121 IV 10 S. 11 ohne Probleme verlaufen waren, entschlossen sie sich, die Hebebühne im Lift stehen zu lassen und dort zu beladen. Nachdem sie 16 Platten mit einem Gesamtgewicht von 1030 kg aufgeladen hatten, glitt die Ladung plötzlich über
die Hebebühne hinaus und stürzte gegen die noch offene Lifttüre. Dabei geriet die Hebebühne ihrerseits in Bewegung. Sie wurde leicht angehoben und gegen die hintere, geschlossene Liftwand gedrückt. Der dort zwischen Hebebühne und Liftrückwand stehende F. wurde eingeklemmt und starb noch auf der Unfallstelle an den erlittenen inneren Verletzungen. G. wird als Geschäftsleiter der E. AG vorgeworfen, er habe ein Gerät geliefert, das für den vorgesehenen Einsatz nicht sicher gewesen sei und den anerkannten Regeln der Technik nicht entsprochen habe. B. Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte G. am 1. April 1993 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Busse von Fr. 3000.–. Das Obergericht, 1. Strafkammer, des Kantons Aargau wies eine dagegen gerichtete Berufung am 17. Januar 1994 ab. C. Der Kassationshof des Bundesgerichts hiess die dagegen gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde von G. mit Urteil vom 19. Juli 1994 gut und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Die staatsrechtliche Beschwerde von G. wurde als gegenstandslos abgeschrieben. D. Das Obergericht, 1. Strafkammer, des Kantons Aargau wies hierauf mit Urteil vom 15. September 1994 die Berufung von G. erneut ab. E. Dagegen erhebt G. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau verzichten auf Gegenbemerkungen. F. Mit heutigem Urteil hat der Kassationshof die in der gleichen Sache erhobene staatsrechtliche Beschwerde von G. abgewiesen. Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, Erwägungen aus folgenden Erwägungen:
1.a) Die Vorinstanz bejaht die Garantenpflicht des Beschwerdeführers, da er Geschäftsführer der Firma E. sei, welche die Hebebühne geliefert habe. Die Offerte zu dieser Lieferung sei aufgrund «eingehender Platz- und Handlingstudien» erfolgt und der Lieferfirma sei klar gewesen, dass die BGE 121 IV 10 S. 12 Hebebühne Corian-Plattenpakete von der Grösse der beim Unfall abgerutschten Platten zu verschieben hatte. Bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte der Beschwerdeführer erkennen können, dass die mechanische Stapelbremse der Hebebühne für den Transport von CorianPlatten dieses Ausmasses absolut wirkungslos war: Wegen des Überhangs der Platten von 580 mm auf beiden Seiten der Bühne und der entsprechenden Biegung der Platten hätten sich die gebremsten Rollen nie in Kontakt mit dem Ladegut befunden. Die Hebebühne sei mit der vorhandenen Abrollsicherung für jeglichen Transport und für jede Art der Beladung, die zu einem Rutschen der Ladung führen konnte, ungeeignet und gefährlich gewesen. Dies hätte der Beschwerdeführer, welcher der C. AG dieses Modell vorschlug und lieferte, erkennen müssen. Als Geschäftsführer der Firma E. AG, die für die Lösung von Transport- und Lagerproblemen im Schreinereibereich spezialisiert sei, habe er, trotz seiner kaufmännischen Grundausbildung, die dafür nötigen Kenntnisse besitzen müssen. Durch die Lieferung der Hebebühne für den genannten Zweck habe er Sorgfaltspflichten verletzt und damit fahrlässig im Sinne von Art. 18 Abs. 3 StGB gehandelt. Die natürliche Kausalität sei zu bejahen, obwohl nicht mehr festgestellt werden könne, ob die Ware abgerutscht sei, weil die Hebebühne von einem Arbeiter kurz bewegt oder weil sie nicht gleichmässig beladen worden sei. Jedenfalls seien die Kunststoffplatten wegen der mangelhaften Abrollsicherung abgerutscht und hätten die Hebebühne nach vorne geschoben, welche dann F. erdrückt habe. Dieser Unfall wäre mit Sicherheit nicht geschehen, wenn das Transportgut gegen ein Abrollen genügend gesichert gewesen wäre. Es sei voraussehbar gewesen, dass das Transportgut wegen der mangelnden Abrollsicherung von der Hebebühne fallen und diese dadurch in
Bewegung geraten und einen vor dem Bedienungsbügel stehenden Arbeiter an die Wand drücken und töten könnte. Der adäquate Kausalzusammenhang sei deshalb zu bejahen; er werde weder dadurch unterbrochen, dass sich der Verunfallte im Lift nicht hinter, sondern neben der Hebebühne hätte aufhalten sollen, noch dadurch, dass die Hebebühne mit 1030 kg an Stelle der zugelassenen 800 kg überladen war. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 117 StGB verletzt, indem sie die natürliche und die adäquate Kausalität zwischen seinem Verhalten und dem Tod des F. als erstellt betrachtet habe, seine BGE 121 IV 10 S. 13 Garantenstellung bejaht oder eventuell deren Umfang falsch beurteilt habe und ihm vorwerfe, eine subjektive Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. Die Auffassung der Vorinstanz, «der Unfall wäre mit Sicherheit nicht geschehen, wenn das Transportgut gegen Abrollen genügend gesichert gewesen wäre», sei unzutreffend und aktenwidrig. Die Abrollsicherung sei nicht ungenügend, sondern defekt gewesen, die Gummibeläge der Bremse abgenützt. Die Annahme, die mechanische Stapelbremse sei absolut wirkungslos gewesen, sei eine reine und nicht bewiesene Hypothese, da die Hebebühne während rund zweieinhalb Jahren ohne Probleme im Einsatz gestanden sei. Nachdem feststehe, dass die Rollenbremse aufgrund eines Defektes sowie mangelhaften Unterhalts nicht funktionierte, könne nicht unterstellt werden, der Unfall wäre auch passiert, wenn die Bremse funktionstüchtig gewesen wäre. Die Vorinstanz habe in diesem Zusammenhang auch nicht beachtet, dass der Verunfallte die Ladung unmittelbar vor dem Unfall verschoben habe: Diese Einwirkung und der Defekt der Bremse seien die natürliche Ursache für den eingetretenen Erfolg. Für die Annahme einer Garantenstellung sei eine qualifizierte Rechtspflicht erforderlich. Durch den Verkauf der Hebebühne durch die vom Beschwerdeführer geleitete E. AG entstünden keine strafrechtlich relevanten, qualifizierten Rechtspflichten. Von einer dazu erforderlichen Schaffung einer «nahen Gefahr» könne im konkreten Fall nicht gesprochen werden, da die Hebebühne ja zweieinhalb Jahre in problemlosem Einsatz gestanden sei.
Die Vorinstanz habe übersehen, dass das Gerät ausdrücklich für die Einund Auslagerung von Platten im Lager, die Beschickung der Zuschneidemaschine und die damit zusammenhängenden Transporte im Bereich von 8 m des Elektrokabels bestellt und ausgelegt worden sei. Der Unfall habe sich aber ausserhalb dieses Verwendungszweckes ereignet. Eine Garantenstellung des Beschwerdeführers würde auch aus dieser Sicht hinfällig. Selbst wenn seine Garantenpflicht bejaht würde, so hätte er höchstens dafür zu sorgen gehabt, dass die Hebebühne den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Selbst der SUVA seien aber zum Unfallzeitpunkt bezüglich der Hebebühne keine Sicherheitsnormen bekannt gewesen. Das Unfallgeschehen sei nicht voraussehbar gewesen, da die Bremse in einwandfreiem Zustand die erforderliche Wirkung gehabt hätte und eine zusätzliche Abrollsicherung nicht notwendig gewesen sei. Die grosse Zeitspanne zwischen der Lieferung der Hebebühne und dem Unfall beweise, BGE 121 IV 10 S. 14 dass das Fehlen der Abrollsicherung gerade nicht geeignet gewesen sei, den eingetretenen Erfolg herbeizuführen. Die Ansicht der Vorinstanz, der genannte Unfall hätte sich in irgendeinem Raum derart abspielen können, sei unzutreffend. In einem normalen Raum wäre ein Ausweichen möglich gewesen. Zum andern habe die Hebebühne bei bestimmungsgemässem Gebrauch nur seitlich bedient werden können. Schliesslich sei zu berücksichtigen, dass er nur über eine kaufmännische Grundausbildung verfüge und die Hebebühne von einer international anerkannten Firma in Mailand eingekauft worden sei. 2.a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Bremse der Hebebühne sei in ihrem Prinzip wirksam gewesen und der Unfall sei auf deren unsachgemässe Reparatur und Abnutzung zurückzuführen, ist er nicht zu hören, da er sich damit in unzulässiger Weise gegen die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid wendet (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). .
b) Ob der Beschwerdeführer eine Garantenstellung innehatte, braucht nicht geprüft zu werden: Eine solche ist nach Lehre und Rechtsprechung beim unechten Unterlassungsdelikt erforderlich (BGE 117 IV 130). Dem Beschwerdeführer wird jedoch vorgeworfen, eine Hebebühne zu einem Zweck geliefert zu haben, für welchen sie ungeeignet und gefährlich war. Damit wird ihm ein aktives Tun in der Form eines fahrlässigen Begehungsdelikts angelastet (zur Unterscheidung vgl. BGE 120 IV 265 E. 2b, BGE 115 IV 199 E. 2; TRECHSEL / NOLL, Schweizerisches Strafrecht AT I, 4. Aufl., S. 216 ff.). .
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3. Fahrlässig begeht der Täter ein Verbrechen oder Vergehen, wenn die Tat darauf zurückzuführen ist, dass er die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 StGB). Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritt (Art. 18 Abs. 3 Satz 2 StGB; BGE 118 IV 130 E. 3, BGE 116 IV 306 E. 1a). Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Das schliesst nicht aus, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf .
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BGE 121 IV 10 S. 15 allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann (BGE 106 IV 80). Für die Beantwortung der Frage, ob die Gefahr des Erfolgseintritts für den Täter erkennbar bzw. voraussehbar war, gilt der Massstab der Adäquanz; das heisst, dass sein Verhalten geeignet sein muss, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen (BGE 120 IV 300 E. 3e, BGE 118 IV 130 E. 3c, BGE 116 IV 182 E. 4b je mit Hinweisen). .
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Die Adäquanz der zu beurteilenden Ursache für den Erfolg ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler, als Mitursachen hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolges erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren – namentlich das Verhalten des Angeschuldigten – in den Hintergrund drängen (BGE 120 IV 300 E. 3e, BGE 115 IV 100 E. 2b und 199 E. 5c). .
a) Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer zu Recht eine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit vor. Wer ein technisches Gerät wie die in Frage stehende Hebebühne anpreist und in Verkehr bringt, hat dafür zu sorgen, dass bei dessen Verwendung Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem allgemeinen Gefahrensatz sowie insbesondere aus Art. 1 und 3 des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG; SR 819.1). Ferner können die Grundsätze, die zur Geschäftsherrenhaftung nach Art. 55 OR entwickelt wurden, für die Zuweisung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Unternehmen herangezogen werden. Daraus folgt unter anderem die Pflicht des Verantwortlichen zur Schaffung einer zweckmässigen Arbeitsorganisation (vgl. BGE 120 IV 300 E. 3d / bb S. 310) und einer Endkontrolle der Produkte, wenn damit eine Schädigung Dritter verhindert werden kann (BGE 110 II 456 E. 3a S. 463 f.; NIKLAUS SCHMID, Von der zivilrechtlichen zur strafrechtlichen Produktehaftung, Festschrift Max Keller, Zürich 1989, S. 650, 654 f.; LOTHAR KUHLEN, Grundfragen der strafrechtlichen Produkthaftung, Juristenzeitung 49/1994, S. 1146). Auch den Verkäufer eines Produkts, dessen Gebrauch mit Gefahren verbunden sein kann, trifft somit die Pflicht, dieses einer umfassenden Funktionskontrolle zu unterziehen und auf allenfalls versteckte Mängel zu prüfen. Dass es, wie der Beschwerdeführer geltend macht, zum .
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BGE 121 IV 10 S. 16
Lieferungszeitpunkt keine spezifischen Sicherheitsnormen bezüglich der Hebebühne gab, ist deshalb nicht entscheidend. Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der E. AG, welche die Hebebühne zwar nicht selber herstellte, diese aber unter eigenem Namen anbot und vertrieb. Die elektrohydraulische Hebebühne E. diente gemäss der vom Beschwerdeführer unterzeichneten Offerte «zum Ein- und Auslagern Ihrer Corian-Platten in Kassettenlager, zum Auf- und Abladen der Platten auf Lastwagen, zum Be- und Entschicken der Zuschneidemaschine» sowie zum «rationellen Plattentransport». Die Länge der zu verwendenden Corian-Platten (3700 mm) war dabei bekannt. Aus Art. 3 STEG ergab sich für den Beschwerdeführer die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die von seiner Firma gelieferte Hebebühne bei der absprachegemässen Verwendung betriebssicher war. Der Umstand, dass die E. AG die Hebebühne von einer «international anerkannten Firma in Mailand» bezogen hatte, befreite ihn nicht von dieser Verantwortung; denn die in Art. 3 STEG verankerte Sorgfaltspflicht ist gerade beim «Anpreisen und Inverkehrbringen technischer Einrichtungen und Geräte» zu beachten (Art. 1 Abs. 1 STEG). Der Beschwerdeführer war insbesondere verpflichtet, eine Hebebühne zu liefern, bei der bis zu 800 kg schwere Plattenpakete bei der Be- und Entladung und bei der Verschiebung der Hebebühne wirkungsvoll gegen ein Abrutschen gesichert waren. Das Sachverständigengutachten, auf das die Vorinstanz abstellt, kam jedoch zum Schluss, dass die in der Hebebühne eingebaute Abrollsicherung «beim Transport von Corian-Platten der Länge 3680 mm absolut wirkungslos» war und «absolut ungenügend, es kann hier von einem Konstruktionsfehler gesprochen werden». Die E. AG habe ein Gerät geliefert, welches für den vorgesehenen Einsatz nicht sicher gewesen sei. Die technische Einrichtung habe hinsichtlich der Sicherheit den anerkannten Regeln der Technik nicht entsprochen. Obwohl laut Offerte die Wahl der Hebebühne nach «eingehenden Platzund Handlingstudien» erfolgte, hat sich der Beschwerdeführer nicht vergewissert, dass die Hebebühne eine genügende Abrollsicherung aufwies. Mit der nötigen Sorgfalt hätte der Beschwerdeführer die vom Gutachter kritisierten Mängel aber feststellen können und müssen, auch wenn er nur eine .
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kaufmännische Grundausbildung besass: Wenn er die dazu notwendigen Kenntnisse nicht aufwies, hätte er einen Fachmann mit der Prüfung beauftragen müssen. Der Beschwerdeführer hat demnach die Hebebühne zu einem Zweck angeboten und geliefert, für den sie nicht genügend sicher war. Die BGE 121 IV 10 S. 17 Vorinstanz verletzt deshalb kein Bundesrecht, wenn sie eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Beschwerdeführer bejaht. b) Der Beschwerdeführer hätte die Gefahr des Erfolgseintritts erkennen müssen. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens stellt eine Hebebühne, die der Beladung und Verschiebung von bis zu 800 kg schweren Plattenpaketen dient, eine schwere Gefahr für Leib und Leben dar, wenn die Ladung nicht genügend gesichert ist. Der Beschwerdeführer konnte deshalb bei der Lieferung der Hebebühne einen Erfolg, wie er hier eingetreten ist, voraussehen. Zutreffend hat daher die Vorinstanz den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen seinem sorgfaltswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Erfolg bejaht. Der zweijährige, unfallfreie Betrieb der Hebebühne ändert nichts am Umstand, dass diese für den Gebrauch zum Zweck, dem sie dienen sollte, einen grundlegenden Konstruktionsfehler aufwies, den der Beschwerdeführer durch sein pflichtwidriges Verhalten nicht bemerkte und nicht behob. Dieser Konstruktionsfehler hat gemäss den verbindlichen (Art. 277bis Abs. 1 BStP) Feststellungen der Vorinstanz zum Unfall geführt. Dass dies nicht früher geschah, ist einer glücklichen Fügung zu verdanken, die am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der vom Beschwerdeführer begangenen Pflichtwidrigkeit und dem Unfall nichts zu ändern vermag. Dass sich die Hebebühne zum Zeitpunkt des Unfalls ausserhalb des Kassettenlagers im Lift befand, vermag den adäquaten Kausalzusammenhang nicht zu unterbrechen. Der gleiche Unfall hätte ebensogut in einem anderen Raum, wie dem Plattenlager, geschehen können. Die Hebebühne wurde in einer Weise zu Transportzwecken angepriesen, dass ihre Verwendung zum Transport von Platten in einem Lift, wie vorliegend, nicht ganz .
aussergewöhnlich war. Für die Adäquanz unerheblich ist ebenfalls, dass der Verunglückte im Lift hinter und nicht neben der beladenen Hebebühne stand. Die entsprechende Verhaltensvorschrift der SUVA will Unfälle vermeiden, die sich im Zusammenhang mit der Funktionsweise von Aufzügen ergeben. Da der Unfall in keiner Weise durch den Betrieb des Lifts verursacht oder beeinflusst wurde, vermag der Beschwerdeführer aus der Vorschrift nichts für sich abzuleiten. Es gibt keinen Hinweis dafür, dass der Verunfallte die Hebebühne falsch bedient hat, weil diese nach Auffassung des Beschwerdeführers «bei bestimmungsgemässem Gebrauch nur seitlich bedient werden» durfte, das Opfer BGE 121 IV 10 S. 18 aber davor gestanden sei. Dieses wurde durch die Hebebühne erdrückt, als es sich an deren – an der Vorderseite angebrachten – Bedienungsbügel befand. Weshalb dies unsachgemäss gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn eine Einwirkung des Opfers auf das Ladegut unmittelbar vor dem Unfall erstellt wäre, könnte diese nicht als Hauptursache des Unfalls bezeichnet werden, die das sorgfaltswidrige Verhalten des Beschwerdeführers in den Hintergrund stellen würde. Bei einer Hebebühne, die der Be- und Entladung dient, sind Einwirkungen auf die Ladung nichts Aussergewöhnliches. Die Vorinstanz verletzt deshalb kein Bundesrecht, wenn sie die pflichtwidrige Unvorsichtigkeit des Beschwerdeführers als adäquat kausal zum Unfall betrachtet. c) Nach dem Gesagten verstösst die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Tötung nicht gegen Bundesrecht. 4.
(Kostenfolgen).
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BGE 121 IV 109 21. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale du 17 février 1995 dans la cause R. contre Procureur général du canton de Vaud (pourvoi en nullité) .
Regeste Art. 204 aStGB, unzüchtige Veröffentlichungen, und Art. 197 Ziff. 1 StGB, Pornographie. Live-Gespräche obszönen Inhalts, auch wenn sie telefonisch mitgehört werden können, stellen (im Unterschied zu entsprechenden Aufzeichnungen) keine unzüchtige Veröffentlichung bzw. pornographische Vorführung dar (E. 2c). Art. 25 StGB, Gehilfenschaft zur Pornographie. Der für die Einführung des sogenannten Telekiosks Verantwortliche der PTT macht sich der Gehilfenschaft zur unzüchtigen Veröffentlichung bzw. zur Pornographie schuldig, wenn er die für den Betrieb des Telekiosks notwendigen Einrichtungen zur Verfügung stellt im Wissen darum, dass damit pornographische Tonaufnahmen verbreitet werden, die Personen unter 16 Jahren zugänglich sind (E. 3). Art. 32 StGB, Rechtfertigung durch Gesetz. Das Gesetz verpflichtet die PTT nicht, ihre Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, wenn sie zur Begehung strafbarer Handlungen verwendet werden (E. 4). Art. 19 StGB, Irrtum über den Sachverhalt, und Art. 20 StGB, Rechtsirrtum. Der Verantwortliche für den Telekiosk, auf dessen illegalen Gebrauch hingewiesen und auf das Risiko der Strafbarkeit im Falle der Fortführung des illegalen Gebrauchs aufmerksam gemacht, kann sich weder auf Sachverhaltsirrtum (E. 5a) noch auf Rechtsirrtum (E. 5b) berufen. .
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Sachverhalt ab Seite 110
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BGE 121 IV 109 S. 110 A. R., ressortissant suisse né en 1941, licencié en droit, a été nommé par le Conseil fédéral, le 1er octobre 1989, directeur général du département des télécommunications des PTT. Marié et père de trois enfants à sa charge, il réalise un salaire annuel brut de 250 000 fr. environ et il est imposé sur une fortune de 75 000 fr. Il bénéficie d’une excellente réputation et son casier judiciaire est vierge. Le 7 mai 1991, R., agissant dans l’exercice de ses fonctions, a pris seul la responsabilité d’ordonner, à titre d’essai, l’introduction du télékiosque 156. Il s’agit d’un système permettant à un exploitant de fournir des messages au public, moyennant paiement, par le truchement de plusieurs lignes téléphoniques commençant par le numéro 156; toute personne BGE 121 IV 109 S. 111 disposant d’un raccordement téléphonique a la possibilité d’accéder, en composant le numéro qui lui est indiqué dans la publicité, aux messages proposés, moyennant une taxe facturée ensuite par les PTT, dont une part revient à l’exploitant et l’autre aux PTT. R. devait savoir, sur la base des expériences déjà réalisées à l’étranger, que le télékiosque serait largement utilisé pour diffuser des messages érotiques. L’essai d’exploitation du télékiosque 156 a débuté, comme prévu, le 1er octobre 1991. Le 8 octobre 1991 déjà, le Juge d’instruction du canton de Vaud ouvrait une enquête contre inconnu pour publications obscènes. Les investigations menées ont montré que les prestations offertes par les exploitants dans le domaine du sexe pouvaient être divisées en trois catégories: – il y a tout d’abord des messages préenregistrés consistant le plus souvent dans la description de pratiques sexuelles de tout genre et évoquant en termes non équivoques l’excitation sexuelle et l’orgasme; – il est aussi possible d’accéder à une conversation de vive voix à deux ou plusieurs personnes avec une hôtesse; dans ce cas, le fait que les propos soient tenus par des personnes en direct, avec des expressions et des
bruitages évocateurs, rend ces conversations encore plus choquantes; – il est possible enfin d’entendre une bande d’annonces émanant de particuliers recherchant des contacts, d’insérer soi-même une telle annonce ou de répondre à une annonce existante; certaines annonces, au contenu souvent provocateur, décrivent en termes crus les pratiques sexuelles les plus diverses. Dans un petit nombre de cas, il était question de pratiques avec des mineurs. Parfois, il était fait allusion à l’utilisation d’excréments humains. Dans la presse quotidienne, les exploitants ont publié de nombreuses annonces, souvent illustrées et suggestives, pour faire connaître au public leurs prestations et leur numéro d’appel; ainsi, les mineurs étaient parfaitement renseignés sur les possibilités d’accès à ces prestations. Tout abonné appelant le numéro diffusé par la publicité pouvait accéder librement à l’écoute des bandes enregistrées, des dialogues de vive voix et des annonces; même un enfant pouvait donc, par exemple en utilisant le raccordement de son domicile en l’absence de ses parents, accéder à l’ensemble de ces messages. Dans un cas de conversation de vive voix, il fut constaté que l’hôtesse avait décelé la présence d’un enfant, mais qu’il BGE 121 IV 109 S. 112 a néanmoins pu rester en ligne et assister à la suite de la discussion entre les autres participants. Le 11 octobre 1991, le Procureur général du canton de Vaud a adressé une lettre au Directeur général des PTT, en joignant la transcription de trois messages mis à disposition des usagers par le biais du no 156, dans laquelle il l’informe qu’il a dénoncé les auteurs de ces messages pour publications obscènes, l’avertit du fait que le transport de tels messages peut être constitutif à tout le moins de complicité de publications obscènes et lui impartit un délai de cinq jours pour qu’il se détermine sur la façon dont il entend mettre un terme à de tels agissements. R. a admis avoir pris connaissance de cette lettre, mais n’en avoir pas lu les annexes. Par lettre du 17 octobre 1991, la Division principale du service du
contentieux des PTT a répondu au Procureur général du canton de Vaud que l’entreprise des PTT n’avait pas à procéder au contrôle du contenu des messages et que des mesures ne pourraient être prises que lorsqu’un jugement pénal définitif et exécutoire rendu contre les abonnés concernés aurait été notifié aux PTT. A la suite de ce courrier, le Ministère public vaudois a formellement dénoncé les PTT pour complicité de publications obscènes. Le 31 octobre 1991, le Ministère public de la Confédération a fait paraître un communiqué de presse annonçant qu’il avait engagé une procédure d’autorisation de poursuites pénales contre les fonctionnaires des PTT. De leur côté, les PTT ont fait paraître un communiqué de presse le 5 novembre 1991 exposant aux usagers les mesures qu’ils pouvaient prendre, à leurs frais, pour empêcher que leur raccordement ne soit utilisé pour appeler un numéro 156. Par ailleurs, les PTT se sont déterminés à l’égard du Département fédéral des transports, des communications et de l’énergie (ci-après: DFTCE); ils ont repris en substance l’opinion figurant déjà dans la lettre adressée au Procureur général vaudois, rappelant qu’ils n’ont ni le devoir ni le droit de soumettre les conversations téléphoniques à des contrôles et que l’abonné est seul responsable de ses messages. Cette lettre désigne R. comme fonctionnaire responsable pour le système télékiosque 156. R. s’est expressément rallié à ces déterminations. Le 23 janvier 1992, le DFTCE a transmis la prise de position des PTT au Ministère public de la Confédération et a demandé que l’autorisation de poursuites pénales ne soit pas accordée, en reprenant en substance les .
BGE 121 IV 109 S. 113 mêmes arguments et en concluant qu’il ne peut y avoir d’infraction de la part des PTT. Le 25 mars 1992, le Département fédéral de justice et police (ci-après: DFJP) a accordé l’autorisation de poursuivre pénalement R., ainsi que d’éventuels autres fonctionnaires des PTT. Dans ses considérants, le DFJP a réfuté de manière précise et détaillée les arguments présentés par les PTT. Il a laissé aux cantons intéressés le soin de fixer le for. .
Le canton de Vaud a accepté sa compétence en application de l’art. 346 al. 2 CP. L’accusé a été délié du secret de fonction par le DFTCE le 22 juin 1992. A la suite de l’entrée en vigueur, le 1er mai 1992, de la loi fédérale du 21 juin 1991 sur les télécommunications (LTC; RS 784.10) et de l’ordonnance du 25 mars 1992 sur les services de télécommunications (OST; RS 784.101.1), le télékiosque a été instauré de manière définitive. A la fin de l’année 1992, le Ministère public de la Confédération a tenté en vain d’expliquer au DFTCE et à l’entreprise des PTT que la pratique de cette dernière consistant à attendre l’entrée en force de jugements pénaux était erronée. Le 18 février 1993, le DFTCE a proposé au Conseil fédéral de modifier l’OST en introduisant un nouvel art. 18a précisant notamment que les fournisseurs de service n’ont pas le droit de diffuser des messages pornographiques au sens de l’art. 197 CP. A cette époque, le Conseil fédéral, tout en partageant l’opinion des PTT selon laquelle il n’appartenait pas à cette entreprise de surveiller ou de censurer le contenu des informations transmises sur leur téléréseau, s’est déclaré préoccupé par le développement du télékiosque sous l’angle des messages érotiques, respectivement de la protection de la jeunesse, et a demandé qu’un rapport lui soit présenté au plus tard à la fin de l’année 1994. Au 30 juin 1993, 51 condamnations avaient été prononcées dans les cantons de Zurich, du Tessin et de Vaud. A cette date, les PTT n’avaient révoqué l’abonnement que dans un seul cas, prononçant par ailleurs 24 avertissements. Le 25 juin 1993, la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral a rendu, dans un cas concernant le télékiosque 156, un arrêt déclarant punissable le fait de rendre accessible à tout public, sans distinction d’âge, l’enregistrement de propos obscènes relevant de la pornographie douce (ATF 119 IV 145 ss). .
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BGE 121 IV 109 S. 114 Le 6 décembre 1993, le Conseil fédéral a adopté une modification de l’art. 18a OST, entrée en vigueur le 14 décembre 1993, tenant compte des principes dégagés dans cet arrêt (RO 1993 p. 3134). .
L’exploitation du télékiosque 156 a donné sur le plan financier des résultats largement supérieurs aux prévisions. Au total, pour la période allant du 1er octobre 1991 jusqu’à la fin du mois d’août 1993, le montant des recettes globales s’élève à 242 300 186 fr. et la quote-part des PTT se monte à 69 877 647 fr. A ce chiffre, il convient d’ajouter le montant des abonnements par 350 fr. par mois et par ligne; à la fin du mois de septembre 1993, le nombre des numéros 156 s’élevait à 1500 pour 780 fournisseurs. Pour les lignes ayant fait l’objet d’enquête pénale et de confiscation selon jugement, il fut déterminé que le chiffre d’affaires global se montait à 39 110 405 fr. 10 et la quote-part des PTT à 10 987 443 fr. B. Par jugement du 29 octobre 1993, le Tribunal correctionnel du district de Lausanne a condamné R., pour complicité de publications obscènes (art. 25 CP et 204 aCP) et de pornographie (art. 25 et 197 CP), à la peine de 2 mois d’emprisonnement avec sursis pendant 2 ans ainsi qu’à une amende de 20 000 fr. avec délai de radiation de 2 ans, mettant à sa charge les frais de la procédure. Le tribunal a observé que R., responsable du télékiosque 156, n’a pas contesté qu’une partie des prestations des fournisseurs revêtait un caractère obscène ou pornographique; il a toutefois soutenu qu’il n’était pas responsable du contenu des messages et que ses services ne pouvaient prendre une décision qu’après un jugement pénal. Se référant en particulier aux art. 11 al. 2 let. a, 12 al. 3 let. b LTC et 6 OST, le tribunal a estimé que l’accusé, dès qu’il a su par le procureur vaudois que certains raccordements étaient utilisés régulièrement pour diffuser des messages illicites, aurait dû intervenir comme il en avait le pouvoir et qu’en continuant de mettre à disposition les installations téléphoniques nécessaires à la répétition des infractions, il s’était rendu complice de leurs auteurs au moins par dol éventuel. Il a été constaté en particulier qu’il n’avait pas reçu l’ordre d’une autorité supérieure de mettre les installations des PTT à disposition de personnes qui émettaient régulièrement des messages tombant sous le coup de la loi pénale. Statuant le 25 avril 1994, la Cour de cassation cantonale a estimé notamment qu’il fallait tenir compte, pour apprécier l’ampleur de l’activité coupable, non pas seulement des enregistrements pornographiques, mais .
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également des conversations pornographiques tenues de vive voix. Elle a souligné par ailleurs qu’il fallait prendre en considération, au stade de BGE 121 IV 109 S. 115 la fixation de la peine, le fait que la position du service juridique des PTT et le soutien du DFTCE et du Conseil fédéral avaient mis l’accusé dans une situation inconfortable. Réformant le jugement entrepris, la cour cantonale a condamné R., pour complicité de publications obscènes et de pornographie, à une amende de 20 000 fr. avec délai de radiation de 2 ans, mettant à sa charge les frais de la procédure jusqu’au jugement de première instance. C. Contre cet arrêt, R. s’est pourvu en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Il a conclu à l’annulation de la décision attaquée en vue de son acquittement, d’une exemption ou d’une réduction de peine. A l’appui de ses conclusions, il fait valoir: – que son comportement lui a été dicté par la loi, par le devoir de fonction ou par le droit coutumier; – que la cour cantonale a violé le droit fédéral en considérant que des conversations de vive voix pouvaient tomber sous le coup des art. 204 aCP et 197 CP; – qu’il n’avait ni la compétence, ni les moyens, ni le devoir d’agir autrement qu’il l’a fait; – que vu les avis recueillis, il devrait être mis au bénéfice de l’erreur de droit, voire de l’erreur de fait; – qu’en admettant la complicité, la cour cantonale ne paraît pas avoir fait application de l’art. 65 CP; – que si son pourvoi est admis, la décision cantonale sur les frais et dépens devra être annulée. Le recourant a par ailleurs requis l’effet suspensif, qui lui a été refusé en date du 6 septembre 1994. Le Procureur général du canton de Vaud a présenté des observations et conclu au rejet du pourvoi avec suite de frais. La cour cantonale a renoncé à présenter des observations.
Erwägungen Considérant en droit: 1.
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(Recevabilité).
2.a) Le recourant a été condamné pour complicité (art. 25 CP) de publications obscènes (art. 204 aCP) et de pornographie (art. 197 CP). Cette qualification suppose tout d’abord que les exploitants des numéros 156 se soient rendus coupables de publications obscènes (art. 204 aCP) et de pornographie (art. 197 CP). Il convient donc tout d’abord d’examiner cette question. .
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BGE 121 IV 109 S. 116 b) Pour les motifs déjà expliqués dans la jurisprudence, il faut appliquer l’ancien droit aux faits qui se sont produits sous son empire (ATF 119 IV 145 consid. 2c) et le nouveau droit aux faits survenus depuis son entrée en vigueur (art. 2 al. 1 CP). Ainsi qu’il a déjà été jugé, l’activité commerciale consistant à mettre à disposition du public, y compris des jeunes de moins de 18 ans, des enregistrements dont le contenu est obscène tombe sous le coup de l’art. 204 ch. 1 al. 3 aCP (ATF 119 IV 145 consid. 2a). Il a été constaté – d’une manière qui lie la Cour de cassation (art. 277bis al. 1 PPF) – que des exploitants de ligne 156 ont, sous l’empire de l’ancien droit, rendu accessibles à des jeunes de moins de 18 ans des messages dont le contenu relève de la pornographie douce; ces faits sont constitutifs de publications obscènes au sens de l’art. 204 aCP. Le nouvel art. 197 CP, entré en vigueur le 1er octobre 1992 (RO 1992 p. 1678), réprime expressément le fait de rendre accessibles à une personne de moins de 16 ans des enregistrements sonores pornographiques (art. 197 ch. 1 CP). Il a été constaté en fait – d’une manière qui lie la Cour de cassation (art. 277bis al. 1 PPF) – que des messages enregistrés relevant de la pornographie douce ont été rendus accessibles, par le canal du télékiosque 156, à des jeunes de moins de 16 ans, ce qui est constitutif de pornographie au .
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sens de l’art. 197 ch. 1 CP (voir ATF 119 IV 145 consid. 2b). Il n’y a pas à examiner s’il y a eu également de la pornographie dure (art. 197 ch. 3 CP) en raison de l’interdiction de la reformatio in pejus (ATF 119 IV 44 consid. 2c, ATF 111 IV 51 consid. 2, ATF 110 IV 116 consid. 2). .
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c) Pour apprécier l’ampleur de l’activité délictueuse à laquelle l’accusé a participé en tant que complice, la cour cantonale a tenu à préciser qu’il n’y avait pas seulement infraction dans les cas où des enregistrements pornographiques étaient rendus accessibles, mais également dans les cas où il y a eu des conversations de vive voix dont le contenu relevait de la pornographie douce. La jurisprudence avait laissé cette question ouverte, en citant un avis de doctrine qui apportait une réponse négative (ATF 119 IV 145 consid. 2a). Comme cette question a manifestement joué un rôle en l’espèce dans la détermination de l’activité délictueuse et, par voie de conséquence, dans la fixation de la peine, elle doit être maintenant tranchée. Sous l’empire de l’ancien droit, l’art. 204 aCP se référait expressément à «des écrits, images, films ou autres objets obscènes». La loi exigeait donc clairement un objet, c’est-à-dire un support matériel de l’évocation .
BGE 121 IV 109 S. 117 obscène. On ne peut pas imaginer, à la lecture de l’art. 204 aCP, que le législateur ait voulu réprimer de simples discussions entre deux ou plusieurs personnes, que celles-ci soient présentes ou conversent par le truchement du téléphone. Il faut donc admettre, avec la doctrine, que des propos tenus de vive voix ne constituent pas des publications obscènes au sens de l’art. 204 aCP (RUDOLF GERBER, Unzüchtige Veröffentlichungen [Art. 204 StGB] und Gefährdung Jugendlicher durch unsittliche Schriften und Bilder [Art. 212 StGB], Kriminalistik 1967 p. 380). Certes, l’exploitation d’une ligne 156 présente, par son aspect commercial et son ouverture au public, une certaine analogie avec les situations prévues par l’art. 204 aCP. Il n’en demeure pas moins qu’il manque l’objet obscène requis expressément par l’art. 204 aCP, de sorte que seul le législateur, face à ce phénomène nouveau, aurait pu étendre le champ d’application de la disposition pénale par une modification de la loi; .
faute de réaliser l’un des éléments constitutifs – l’objet obscène – prévus par la loi pénale, cette activité n’est pas punissable (art. 1 CP). Le nouvel art. 197 CP évoque tout d’abord «des écrits, enregistrements sonores ou visuels, images ou autres objets pornographiques». Pour les raisons qui viennent d’être évoquées, une conversation de vive voix n’est pas visée par cette liste, en l’absence d’un objet pornographique. A côté des objets pornographiques, le nouvel art. 197 ch. 1 CP vise également les représentations (en allemand «Vorführungen», en italien «rappresentazioni») pornographiques. Ce terme a manifestement pour but d’étendre la répression à des cas où il n’y a pas de support matériel, c’est-àdire d’objet proprement dit. Utilisé dans ce contexte, après avoir parlé des enregistrements et des images et avant de citer la radio et la télévision, le terme de représentation fait immédiatement penser à la présentation à un certain public d’un spectacle ou d’une pièce que ce soit à l’opéra, au théâtre, dans un cabaret, un music hall, sur une place publique ou, en direct, par le moyen de la radio ou de la télévision. S’il est vrai que le mot «représentation» vise le fait de représenter une pièce au public (GRAND ROBERT, 2ème éd., vol. 8 p. 279; de même en allemand pour «vorführen»: DUDEN, Das grosse Wörterbuch der deutschen Sprache vol. 6 p. 2813), il peut aussi signifier le seul fait de représenter par le discours, étant alors synonyme de description ou d’évocation (GRAND ROBERT, op.cit., p. 279; mais le mot allemand ne semble pas avoir une acception aussi large, DUDEN, op.cit., p. 2813). .
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BGE 121 IV 109 S. 118 Le terme «représentation» figurant à l’art. 197 ch. 1 CP se trouvait déjà dans le projet du Conseil fédéral (FF 1985 II 1132). Si l’on se réfère au message en langue française, on constate que le mot de «représentation» est employé dans un sens très large (cf. FF 1985 II 1105 s.). Si l’on consulte cependant le texte allemand, on constate qu’il emploie les mots «Darstellung» ou «Darbietung» dans le sens général (BBl 1985 II 1089 s.), tandis que le mot «Vorführung» n’apparaît que dans un sens étroit, pour la projection d’un film (BBl 1985 II 1090). Sachant que c’est le mot «Vorführung» qui a été retenu .
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dans le texte légal en allemand et que ce terme a un sens plus étroit qu’en français (cf. DUDEN, op.cit., p. 2813), on doit en déduire que le législateur avait en vue la représentation d’un spectacle ou d’une pièce, ce qui correspond au sens qui vient naturellement à l’esprit en français dans le contexte de cette disposition. Il n’est d’ailleurs en tout cas pas usuel en français d’employer le terme de «représentation» pour une description ou une évocation faite lors d’une conversation de vive voix. La doctrine ne s’est guère penchée sur le problème d’interprétation qui se pose en l’espèce. TRECHSEL envisage la punissabilité des interlocuteurs lors d’une conversation par le télékiosque 156, mais il ne semble pas voir le problème d’interprétation qui se pose ici (STEFAN TRECHSEL, Fragen zum neuen Sexualstrafrecht, RJB 1993 p. 579). REHBERG pense qu’il y a une lacune de la loi dans le domaine du téléphone, mais il ne s’exprime pas directement sur le problème qui se pose ici (JÖRG REHBERG, Das revidierte Sexualstrafrecht, AJP / PJA 1/1993 p. 28). STRATENWERTH semble donner un sens très général aux termes légaux, mais il ne précise pas les raisons de son opinion (STRATENWERTH, Bes.Teil, I, 5ème éd., p. 180 nos 8 et 10). Seule URSULA CASSANI se pose directement la question et y apporte une réponse plutôt négative en écrivant: «il est cependant douteux qu’une conversation interactive puisse être qualifiée de [représentation]» (URSULA CASSANI, Les représentations illicites du sexe et de la violence, RPS 1993 p. 434 note 29). Tandis que l’ancien droit exigeait un objet obscène, le nouveau droit a étendu la portée de la disposition pénale en mentionnant également des représentations. Selon le contexte et le sens ordinaire des mots, ce terme vise la présentation à un certain public d’un spectacle ou d’une pièce. Cela apparaît encore plus clairement dans le texte allemand, dont le terme «Vorführungen» est plus restrictif. Rien ne justifie une autre interprétation. Si le projet avait voulu viser de simples discussions entre particuliers, il aurait certainement employé les termes de «description» ou .
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BGE 121 IV 109 S. 119 «évocation» plutôt que «représentation»; surtout, le message du Conseil fédéral n’aurait pas manqué de le dire, parce qu’il se serait agi d’une extension
considérable du champ d’application de la norme, de nature à susciter des débats et des hésitations. Il faut donc conclure qu’une conversation de vive voix ne tombe pas sous le coup de l’art. 197 ch. 1 CP, en raison de l’absence d’un objet ou d’une représentation pornographique. Il est vrai que le télékiosque 156 présente une certaine analogie avec les hypothèses visées par la loi, si l’on songe à la publicité, au caractère commercial, à l’organisation mise en place et au fait que le thème des conversations est plus ou moins convenu par avance. Ces éléments ne suffisent cependant pas pour transformer les conversations plus ou moins improvisées en une représentation, puisqu’il n’y a pas présentation à un certain public d’un spectacle ou d’une pièce. Comme l’a observé REHBERG (op.cit., loc.cit.), le législateur n’a manifestement pas envisagé l’hypothèse de ces conversations téléphoniques et les termes qu’il a employés ne l’englobent pas; on ne sait d’ailleurs pas si et dans quelle mesure il aurait rendu punissable des conversations de vive voix plus ou moins improvisées. Ce comportement ne tombe donc pas sous le coup de la loi pénale (art. 1 CP) et il appartient au législateur, si cette situation lui apparaît insatisfaisante, d’adopter les dispositions nécessaires. Le pourvoi doit donc être admis sur ce point. Comme l’ampleur de l’infraction à laquelle le recourant a participé s’en trouve réduite, la peine devra être fixée à nouveau. .
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3. Après avoir constaté, pour ce qui est des enregistrements de messages et d’annonces relevant de la pornographie douce, que les exploitants des lignes 156 s’étaient rendus coupables sous l’empire de l’ancien droit de publications obscènes et sous l’empire du nouveau droit de pornographie, il faut ensuite se demander si le recourant a été complice de ces infractions. a) Selon l’art. 25 CP, le complice est «celui qui aura intentionnellement prêté assistance pour commettre un crime ou un délit»; la complicité, qui est une forme de participation accessoire à l’infraction, suppose que le complice apporte à l’auteur principal une contribution causale à la réalisation de l’infraction, de telle sorte que les événements ne se seraient pas déroulés de la même manière sans cet acte de favorisation; il n’est toutefois pas nécessaire que l’assistance du complice soit une condition sine qua non à la réalisation de
l’infraction (ATF 119 IV 289 consid. 2c); l’assistance prêtée par le complice peut être matérielle, intellectuelle ou consister en une simple abstention; le complice peut .
BGE 121 IV 109 S. 120 apporter sa contribution jusqu’à l’achèvement de l’infraction (ATF 118 IV 309 consid. 1a et les arrêts cités). Subjectivement, il faut que le complice sache ou se rende compte qu’il apporte son concours à un acte délictueux déterminé et qu’il le veuille ou l’accepte; à cet égard, il suffit qu’il connaisse les principaux traits de l’activité délictueuse qu’aura l’auteur, lequel doit donc avoir pris la décision de l’acte (ATF 117 IV 186 consid. 3 et les arrêts cités). Le dol éventuel suffit pour la complicité (ATF 118 IV 309 consid. 1a, ATF 109 IV 147 consid. 4, ATF 108 Ib 301 consid. 3b). .
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b) Le recourant soulève la question de savoir s’il lui est reproché une action ou une abstention. On vient de voir que la complicité est concevable sous ces deux formes, mais une pure omission ne serait punissable que si l’intéressé avait l’obligation juridique d’agir. Il a été constaté en fait que le recourant avait ordonné l’introduction du télékiosque 156 et que c’est donc sur son ordre que les installations téléphoniques nécessaires à la réalisation de l’infraction ont été fournies. La mise à disposition de ces installations constitue une prestation positive. Que cette prestation ait pu être licite si elle s’était accompagnée de mesures de précaution n’a pas pour effet de transformer l’action en une omission. Il est fréquent que l’on reproche à une personne la manière dont elle a agi et, en définitive, des omissions dans son action; dans ces cas délicats, la jurisprudence a admis, dès lors que l’on discerne action et omission, qu’il fallait traiter le cas comme une action (ATF 115 IV 199 consid. 2a; cf. CORBOZ, L’homicide par négligence, SJ 1994 p. 177 s. et les références citées). Lorsqu’il a été mis en garde par le procureur vaudois, le recourant n’a pas révoqué ses ordres, de sorte que les installations téléphoniques ont continué d’être régulièrement mises à disposition des exploitants sur son ordre, ce qui constitue une action. .
c) Il est évident que les exploitants des lignes 156 n’auraient pas pu faire entendre, notamment à des jeunes, leurs enregistrements obscènes, si les services obéissant aux ordres du recourant ne leur avaient pas mis à disposition les installations téléphoniques nécessaires à cette fin. Le mode choisi pour la réalisation de l’infraction supposait l’usage du téléphone et, en le fournissant, le recourant a objectivement apporté une contribution causale à la réalisation des infractions, en ce sens que les événements ne se seraient pas déroulés de la même manière si ces installations n’avaient pas été disponibles. Sur le plan subjectif, le recourant a su, dès la lettre du procureur vaudois, que certains exploitants utilisaient régulièrement le télékiosque BGE 121 IV 109 S. 121 156 pour commettre l’infraction de publications obscènes. Il a choisi alors, en toute connaissance de cause, de continuer de fournir sa prestation, c’est-àdire de mettre à disposition le télékiosque 156. L’attitude identique qu’il a adoptée après les prises de position du Ministère public fédéral et du DFJP corrobore l’interprétation qui a été faite de son comportement au moment où il a reçu la lettre du procureur vaudois. Voulant assurer le succès du télékiosque 156 qu’il avait lancé, il a décidé de mettre à disposition le plus longtemps possible un service spécial servant des prestations qui allaient bien au-delà des installations téléphoniques usuelles et par lequel les PTT ont réalisé des profits considérables, et ce alors même qu’il savait que certains exploitants utilisaient régulièrement et constamment ces services pour diffuser des messages pornographiques accessibles aux jeunes; il n’ignorait pas le fait que l’institution de mesures permettant d’éviter que des enfants n’aient accès à ces messages ne pourraient pas être prises sans entraîner un manque à gagner non seulement pour les exploitants des lignes du télékiosque mais également pour les PTT. Il faut relever de surcroît qu’il ne s’agissait nullement d’une opération commerciale courante (voir ATF 119 IV 289 consid. 2c), mais au contraire d’une prestation tout à fait spécifique que seuls les PTT étaient en mesure de fournir. Dans ces circonstances, et face à un tel état d’esprit – constaté en fait d’une manière qui lie la Cour de cassation –, l’autorité cantonale n’a pas violé le droit fédéral en constatant que le recourant avait eu .
le dol d’un complice. Il importe peu qu’il n’ait pas lui-même voulu faire entendre des enregistrements pornographiques à des enfants. Il ne lui est en effet pas reproché d’avoir commis l’infraction en qualité d’auteur ou de coauteur. Il est manifeste qu’il poursuivait un but différent, à savoir le succès du télékiosque 156; il n’empêche qu’ayant été informé et mis au pied du mur par la lettre du procureur vaudois, il a accepté, en persistant à fournir ses prestations, d’apporter une contribution causale à des exploitants dont il savait qu’ils utilisaient ce moyen pour commettre régulièrement des infractions. L’état de fait décrit correspond bien à la notion de complicité définie par l’art. 25 CP (également dans le sens d’une punissabilité de la participation des PTT: CASSANI: op.cit., p. 434 no 30). Le recourant ne peut pas être suivi lorsqu’il soutient qu’il ne pouvait pas agir autrement. Il ressort des constatations de fait – qui lient la Cour de cassation – que c’est lui qui a décidé d’introduire à l’essai le système du télékiosque. On en déduit donc qu’il aurait aussi pu décider de ne pas .
BGE 121 IV 109 S. 122 l’introduire. Il en résulte nécessairement qu’il aurait pu également fixer des conditions. S’agissant d’un essai, il pouvait donner des ordres pour l’adapter en fonction de l’évolution des circonstances, étant entendu qu’il devait veiller au respect de l’ordre juridique dans son ensemble, y compris les normes pénales. Lorsqu’il a été décidé d’instaurer le télékiosque 156 de manière définitive, il est évident que le recourant, en fonction de sa position, jouait un rôle moteur décisif et qu’il pouvait influencer les décisions à prendre. La rapidité avec laquelle il a été possible de faire entrer en vigueur la nouvelle version de l’art. 18a OST après l’arrêt rendu par la Cour de cassation du Tribunal fédéral montre qu’il était possible de réagir efficacement. Il est sans importance que le recourant n’ait pas pu prendre les décisions seul ou que les mesures n’aient pas pu être immédiatement efficaces; ce qui est décisif, pour retenir la complicité, c’est que le recourant a continué de fournir les prestations des PTT, sans rien entreprendre, alors même qu’il savait que certains exploitants des lignes 156 utilisaient régulièrement ce canal pour commettre des infractions.
Il importe peu également que le recourant n’ait pas su exactement, dès réception de la lettre du procureur vaudois, quelles étaient les mesures définitives à prendre. Dès lors qu’il savait de manière précise que certains exploitants particuliers utilisaient régulièrement le télékiosque 156 pour commettre des infractions, il devait en tout cas ordonner à ses services d’entreprendre la procédure de révocation des abonnements pour que cela cesse. Lorsque le télékiosque n’existait qu’à titre d’essai, sans être codifié, cette mesure pouvait déjà être fondée sur l’interdiction, découlant de l’art. 25 CP, de prêter assistance à la commission d’une infraction. Depuis l’entrée en vigueur du nouveau droit des télécommunications, les art. 11 al. 2 let. a et 12 al. 3 let. b LTC prévoient expressément le refus ou la révocation de l’abonnement en cas d’utilisation à des fins illicites. Se référant à l› ATF 119 IV 289 consid. 2c / bb, le recourant observe que celui qui fournit une prestation courante, de nature neutre, n’est pas punissable du seul fait qu’en raison des circonstances il pourrait avoir conscience de collaborer à la réalisation d’une infraction. Ces réflexions ne sont pas transposables au cas d’espèce. Le recourant a été informé par le procureur vaudois que certains exploitants déterminés du télékiosque 156 utilisaient régulièrement les installations mises à disposition pour commettre des infractions; il a été expressément mis en garde qu’en cas de persistance, il se rendrait coupable de complicité; une telle situation ne .
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BGE 121 IV 109 S. 123 correspond pas à celle envisagée par la jurisprudence, puisqu’il ne s’agit plus d’une prestation neutre dont l’usage pourrait être illicite, mais bien d’une contribution indispensable à la commission de l’infraction qui a été signalée comme telle à l’intéressé par l’autorité pénale, avant qu’il ne continue à fournir la prestation qui lui est reprochée. L’idée que le recourant pouvait attendre un jugement pénal définitif est insoutenable. Le recourant fait observer que l’on ne saurait reprocher à un directeur du service des automobiles d’attendre le jugement pénal pour statuer sur un retrait du permis de conduire. Il perd de vue cependant que lorsque le directeur du service des automobiles est saisi, l’infraction à la circulation routière est déjà commise et qu’il n’existe alors aucune certitude raisonnable
qu’une nouvelle infraction va être commise, de sorte que l’on ne saurait imputer au directeur la volonté de prêter assistance à une infraction future suffisamment déterminée. Au surplus, il faut relever que l’autorité administrative ne doit surseoir à statuer jusqu’à droit connu sur la question pénale que s’agissant d’un retrait d’admonestation. Lorsqu’un retrait de sécurité est en jeu, elle peut, voire doit, intervenir immédiatement si elle soupçonne une incapacité permanente de conduire. D’autres domaines du droit administratif fournissent également des exemples; ainsi, la mise en vente d’un fromage peut et doit même le cas échéant être interdite avant que la causalité avec la propagation d’une maladie n’ait été établie sur le plan pénal. Il y aura éventuellement lieu d’intervenir avant que la cause exacte d’une contamination soit établie, voire avant que l’épidémie elle-même n’ait été constatée de manière absolument certaine. Dès lors que le recourant avait été informé par le procureur vaudois, sur la base des constatations faites, que certains exploitants du télékiosque 156 allaient utiliser effectivement à l’avenir le téléphone pour commettre des infractions, il ne pouvait, sans réagir, continuer de fournir les prestations des PTT nécessaires à la réalisation de l’infraction, dès lors qu’il n’avait aucune raison sérieuse de penser – comme on le verra – que le procureur vaudois se trompait dans son appréciation juridique des faits. 4. Le recourant soutient qu’il n’est pas punissable car il doit être mis au bénéfice de l’art. 32 CP. a) Il fait valoir tout d’abord que son comportement lui aurait été «ordonné par la loi». Il ne peut cependant citer aucune disposition qui ordonnerait au directeur des télécommunications de mettre un raccordement téléphonique à disposition BGE 121 IV 109 S. 124 d’une personne dont il sait qu’elle va l’utiliser afin de commettre une infraction. Il n’existe en particulier aucune disposition qui exonérerait les fonctionnaires des PTT de toute responsabilité pénale, ni aucune disposition
qui, à l’instar de l’art. 179quinquies CP et 23 al. 2 LStup (RS 812.121), rendrait non punissable un comportement qui tombe normalement sous le coup de la loi pénale. On ne peut donc pas parler non plus d’un acte «que la loi déclare permis ou non punissable» (art. 32 CP). Que les PTT soient un service public ne signifie pas que ses fonctionnaires, dans un cas concret, peuvent mettre les installations téléphoniques à disposition d’une personne afin de lui permettre de commettre une infraction, alors qu’ils connaissent son projet. Que les PTT n’aient ni le droit, ni le devoir de contrôler le contenu des communications téléphoniques n’est d’aucun secours pour le recourant. En effet, il a été informé d’une manière circonstanciée par le procureur vaudois et il ne saurait se retrancher derrière le fait qu’il ne savait pas quelle utilisation était faite des raccordements. Que les dispositions du droit administratif prévoient la responsabilité des abonnés pour les messages transmis par les PTT (art. 8 et 28 OST) résulte manifestement du fait que le contenu de ces messages est en principe ignoré des PTT. On ne peut interpréter ces dispositions en ce sens qu’elles exonéreraient sur le plan pénal les fonctionnaires des PTT qui, en toute connaissance de cause, favoriseraient la commission d’une infraction pénale en fournissant des installations des PTT. .
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b) Le recourant invoque également le devoir de fonction au sens de l’art. 32 CP et se réfère à ce sujet à la prise de position du DFTCE et du Conseil fédéral (transmise en particulier par une lettre du chancelier). Si l’on examine les opinions exprimées dans l’ordre chronologique – selon des constatations de fait qui lient la Cour de cassation –, il apparaît d’emblée que la position de défense adoptée par le recourant a été formulée d’abord par la Direction des PTT, puis adoptée par le DFTCE, et enfin, bien que de manière plus dubitative, par le Conseil fédéral. Il ne s’agissait donc en aucune façon d’ordres qui venaient d’en haut, mais bien d’une prise de position émanant des services du recourant qui a été approuvée par les autorités supérieures. Le recourant n’a jamais reçu l’ordre d’agir comme il l’a fait, mais c’est au contraire sa prise de position qui a été approuvée par l’autorité supérieure. Il pouvait certes se sentir soutenu, ce qui est .
BGE 121 IV 109 S. 125 de nature à influencer la gravité de sa faute et a été pris en compte, à juste titre, au stade de la fixation de la peine. Il n’empêche que les idées émanaient de ses services (comme il l’explique très bien pour l’adoption du nouvel art. 18a OST) et qu’il n’a jamais reçu l’ordre d’agir comme il l’a fait, pas plus que son comportement ne lui était dicté par une prescription de service. Savoir s’il a été induit en erreur par les juristes des PTT est une question qui sera examinée sous l’angle de l’erreur de droit, puisqu’il apparaît que ces fonctionnaires n’avaient pas le pouvoir de décision et qu’ils n’avaient donc pas compétence pour déterminer le devoir de fonction. Lorsque le recourant conteste qu’il ait été, au sein des PTT, le responsable du télékiosque 156 auquel on faisait confiance et qui prenait les décisions à ce sujet, il s’écarte des constatations de fait de l’autorité cantonale, ce qui n’est pas admissible dans un pourvoi en nullité. .
c) Le recourant soutient enfin que son comportement était commandé ou autorisé par la loi coutumière. Il ne démontre cependant pas l’existence d’une coutume et cite des dispositions de droit administratif, reprenant les arguments déjà discutés cidessus. On ne voit en tout cas pas qu’une coutume permette à un fonctionnaire des PTT, en toute connaissance de cause, de favoriser la commission d’une infraction en fournissant des installations dont il sait qu’elles seront utilisées à cette fin. En refusant d’appliquer l’art. 32 CP, l’autorité cantonale n’a donc pas violé le droit fédéral. 5. Le recourant invoque ensuite l’erreur sur les faits (art. 19 CP) ou l’erreur de droit (art. 20 CP). .
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a) Il ressort des constatations de fait cantonales – qui lient la Cour de cassation – que le recourant a su, par la lettre du procureur vaudois, que certains exploitants déterminés utilisaient le télékiosque 156 pour diffuser des
enregistrements relevant de la pornographie douce; des transcriptions lui ont été soumises, de sorte qu’il a pu se faire son opinion personnelle. Il savait également, en tant que responsable du télékiosque 156, que ce système, tel qu’il était pratiqué, permettait même à des enfants d’accéder aux messages. Il a été informé par le procureur vaudois que ces enregistrements allaient continuer d’être diffusés. Dans de telles circonstances, il n’y a pas de place pour une erreur sur les faits. b) Comme on vient de le voir, le DFTCE et le Conseil fédéral n’ont fait que reprendre la ligne de défense adoptée précédemment par la Direction des BGE 121 IV 109 S. 126 PTT, ce qui ne pouvait échapper au recourant. Il ressort du mémoire du recourant que cette position avait été adoptée en réalité par les juristes des PTT. La question est de savoir si leur avis donnait au recourant, en sa qualité d’autorité de décision, «des raisons suffisantes de se croire en droit d’agir» (art. 20 CP). Dans un arrêt récent (ATF 115 IV 67 ss), le Tribunal fédéral a réprouvé l’Entreprise des PTT qui s’était opposée à l’autorité pénale en se fondant exclusivement sur le droit administratif des PTT. Ce précédent, qui n’est pas sans analogie, aurait dû inciter les membres de la Direction générale, y compris le recourant, à faire preuve de prudence à l’égard des avis d’un service qui semble raisonner en matière pénale exclusivement en fonction des dispositions administratives propres aux PTT. La circonspection était d’autant plus requise que cet avis allait manifestement dans le sens des intérêts financiers de l’entreprise. De toute manière, le recourant avait été informé, par la lettre du Procureur général du canton de Vaud, que s’il continuait de mettre les installations téléphoniques à la disposition des exploitants qui diffusaient des messages obscènes, il se rendait coupable de complicité de publications obscènes. Cette lettre n’était pas rédigée de manière dubitative, mais au contraire sur un ton affirmatif et comminatoire. En présence d’opinions contradictoires, celle des services juridiques des PTT d’une part et celle du Procureur général du canton de Vaud d’autre part, le recourant, qui est lui-même juriste, devait procéder à .
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une appréciation raisonnable. Il ne pouvait lui échapper que le Procureur général du canton de Vaud est l’autorité pénale chargée de poursuivre les infractions relevant de la juridiction du canton; il devait prendre en compte que cette autorité, bien plus que les services juridiques des PTT, est spécialisée dans l’interprétation et l’application du droit pénal ordinaire et qu’elle ne peut en aucune façon être encline à favoriser exagérément les intérêts financiers de l’entreprise. Vu le ton adopté et l’autorité dont elle émanait, la lettre du procureur vaudois était suffisante pour détruire dans l’esprit du recourant, même s’il ne pratique plus le droit depuis longtemps, les certitudes qu’il pouvait avoir acquises sur la base de l’avis des juristes des PTT. Dans une telle situation, tout homme raisonnable serait à tout le moins resté dubitatif. On ne peut donc pas dire que le recourant «avait des raisons suffisantes de se croire en droit d’agir» au sens de l’art. 20 CP, puisque les circonstances devaient en tout cas le laisser dans le doute à ce sujet. BGE 121 IV 109 S. 127 Lorsque le recourant affirme que des dizaines de magistrats et de juristes fédéraux étaient opposés à la thèse du procureur vaudois, il s’écarte des constatations de fait cantonales, ce qui n’est pas admissible dans le cadre d’un pourvoi en nullité. La situation ne s’est pas modifiée par la suite en ce sens que le recourant aurait acquis ultérieurement des raisons suffisantes de se croire en droit d’agir. Certes, la position de l’entreprise des PTT a été reprise par le DFTCE et, dans une certaine mesure, par le Conseil fédéral. Il faut cependant signaler que parallèlement et relativement peu de temps après la lettre du procureur vaudois, le Ministère public de la Confédération a pris position dans le même sens que ce dernier. Il ne s’agissait alors plus, comme le recourant se plaît à le dire, d’un procureur cantonal parmi d’autres, mais de l’organe fédéral chargé spécialement de la poursuite des infractions pénales, dont l’autorité ne pouvait lui échapper. Quelques temps plus tard, le DFJP s’est exprimé dans le même sens, en autorisant la poursuite pénale, avec une argumentation détaillée. En définitive, toutes les autorités extérieures à la hiérarchie des PTT (au sens large) qui ont été amenées à s’exprimer ont régulièrement et de façon catégorique émis l’opinion que le fait de mettre à disposition dans ces .
circonstances des installations PTT constituait une infraction. On ne saurait donc dire que le recourant ait eu des raisons suffisantes de se croire en droit d’agir. L’autorité cantonale n’a donc pas violé le droit fédéral en écartant l’application des art. 19 et 20 CP. 6.a) Le recourant se plaint de ce que l’autorité cantonale, ayant admis la complicité, n’aurait pas fait application de l’art. 65 CP. Il ressort clairement de l’arrêt cantonal que le recourant a été condamné comme complice, et non pas comme auteur ou coauteur. C’est également une activité de complice qui est analysée, pour apprécier la faute, au moment de la fixation de la peine. On ne saurait donc dire que la peine a été mesurée en perdant de vue que le recourant était complice; s’il est vrai que l’art. 65 CP n’est pas expressément mentionné dans l’arrêt attaqué, il figure dans le jugement de première instance, qui a été confirmé sur ce point, de sorte que l’on doit considérer qu’il a été repris par l’autorité cantonale. b) Le grief du recourant concernant les frais et dépens vise manifestement l’hypothèse où la Cour de cassation serait parvenue à la conclusion qu’il ne devait pas être condamné et puni. Cette hypothèse n’étant pas réalisée, ce grief est dépourvu de tout fondement. BGE 121 IV 109 S. 128 7. Il résulte de ce qui précède que l’arrêt attaqué doit être annulé et que l’autorité cantonale doit fixer à nouveau la peine en tenant compte du fait qu’il n’y a pas de complicité de publications obscènes ou de pornographie lorsqu’il s’agissait de conversations de vive voix. Tous les points qui n’ont pas été remis en cause ici demeurent acquis (art. 277ter al. 2 PPF; ATF 119 IV 10 consid. 4c / bb, ATF 117 IV 97 consid. 4, ATF 106 IV 194 consid. 1c, ATF 103 IV 73 consid. 1). (Suite de frais). .
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BGE 121 IV 261 42. Urteil des Kassationshofes vom 6. November 1995 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen R. (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 172ter Abs. 1 StGB; geringfügige Vermögensdelikte, geringer Vermögenswert. Bei Sachen mit einem Marktwert beziehungsweise einem objektiv bestimmbaren Wert ist allein dieser entscheidend (E. 2c; Bestätigung der Rechtsprechung). Die Grenze für den geringen Vermögenswert im Sinne von Art. 172ter Abs. 1 StGB beträgt Fr. 300.– (E. 2d). .
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Sachverhalt ab Seite 262 BGE 121 IV 261 S. 262 A. R. zog am 28. September 1994 in einer Umkleidekabine eines Kleidergeschäfts in Basel eine Lederjacke im Wert von Fr. 398.– an, ging zum Geschäftsausgang, ohne die Jacke, deren Preis er kannte, zahlen zu wollen, löste beim Verlassen des Geschäfts den Alarm aus, wurde von der Geschäftsaufsicht zurückgehalten und in der Folge der Polizei übergeben. B. Der Strafgerichtspräsident von Basel-Stadt verurteilte am 13. Februar 1995 R. wegen geringfügigen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. 172ter StGB) zu 8 Tagen Haft bedingt mit 1 Jahr Probezeit. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt appellierte und beantragte, R. sei wegen Diebstahls (Art. 137 Ziff. 1 aStGB) zu 10 Tagen Gefängnis bedingt mit 2 Jahren Probezeit zu verurteilen. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (Ausschuss) bestätigte .
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am 19. Mai 1995 das Urteil des Strafgerichtspräsidenten. C. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung (im Sinn von Art. 137 Ziff. 1 aStGB) an die kantonale Behörde zurückzuweisen. .
D. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verzichtete auf Vernehmlassung und beantragt Abweisung. E.
R. beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.a) Der Strafgerichtspräsident führte aus, der Diebstahltatbestand sei erfüllt, doch frage sich, ob die Tat als geringfügiges Vermögensdelikt nach dem milderen neuen Art. 172ter StGB zu qualifizieren sei. Diese Bestimmung sei an die Stelle früherer Spezialvorschriften getreten, schaffe eine klare und einheitliche Neuregelung im Bagatellbereich des Vermögensstrafrechts und ermögliche, massenhaft auftretende Bagatellfälle wie Ladendiebstähle in einem vereinfachten Verfahren als Übertretungen zu ahnden. Sie könne ihren Sinn und Zweck nur erfüllen, wenn tatsächlich ein Grossteil dieser Delikte BGE 121 IV 261 S. 263 erfasst werde. Der Grenzwert sei entsprechend festzusetzen; dabei sei neben der Geldentwertung auch zu berücksichtigen, dass Ladendiebe hauptsächlich Kleider und Elektronik in den Preiskategorien von 200 bis 500 Franken stehlen. Die Basler Praxis habe den geringen Wert im Sinn von Art. 138 und 142 aStGB zuletzt auf Fr. 200.– festgesetzt. Dieser Wert sei vor allem aufgrund der von acht Tagen auf drei Monate Haft erhöhten Strafdrohung des Art. 172ter StGB deutlich auf Fr. 500.– heraufzusetzen. In einem Strafrahmen bis zu drei Monaten Haft liessen sich jegliche Delikte bis
500 Franken auch bei schwererem Verschulden abgelten. Der erhöhte Strafrahmen trage zugleich präventiven Gesichtspunkten Rechnung. b) Die Vorinstanz geht von der Rechtsprechung zur Entwendung (Art. 138 aStGB) sowie BGE 116 IV 190 aus. Die Basler Praxis habe sich stets am objektiven Wert orientiert und nicht auf die jeweiligen Umstände der Tat oder auf die subjektiven Wertvorstellungen des Täters abgestellt. Der Grenzwert sei im September 1982 von Fr. 50.– auf Fr. 100.– und im Januar 1993 auf Fr. 200.– festgesetzt worden. Die Autoren SCHUBARTH und ALBRECHT hätten in ihrem Kommentar zum Strafrecht schon im Jahre 1990 einen Wert von 200 bis 300 Franken befürwortet. Den überzeugenden Ausführungen des Strafgerichtspräsidenten sei lediglich ergänzend beizufügen, dass Art. 172ter StGB nicht nur die geringfügigsten Bagatelldelikte erfasse, sondern im markant erweiterten Strafrahmen auch Straftaten Platz finden, die den bisherigen Anwendungsbereich von Art. 138 aStGB sprengen. .
c) Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung des Grenzwerts auf Fr. 500.–. Art. 172ter StGB fasse die Privilegierungen des alten Rechts in einem Tatbestand zusammen und habe mit wenigen Ausnahmen für alle Tatbestände des Vermögensstrafrechts Gültigkeit. Von einer wertmässigen Ausdehnung sei dagegen weder in der Botschaft noch in der Literatur die Rede. Wie die meisten Übertretungstatbestände drohe die neue Bestimmung Haft oder Busse an; daraus sei nicht zu schliessen, der Gesetzgeber habe die bisherigen Richtwerte massiv erhöhen wollen. 400 oder 500 Franken seien nicht geringfügig, sondern bildeten für viele einen wesentlichen Teil des monatlichen Lebensunterhalts. Vermögensdelikte bis 500 Franken als geringfügig einzustufen, führe zu deren Bagatellisierung und zum Abbau des Unrechtbewusstseins. Die Anhebung des Grenzwerts auf zuletzt Fr. 200.– in Basel habe die Teuerung mehr als aufgewogen und liege teils weit über der BGE 121 IV 261 S. 264 Praxis anderer Kantone. Nach einer Umfrage befürworteten zwar die Kantone der Zentralschweiz und das Strafgericht Basel-Stadt eine Grenze von
500 Franken, die Mehrheit der Kantone aber 200 Franken, einzelne sogar noch weniger. Die Lehre befürworte einen Wert von 200 Franken. Soweit ersichtlich, habe auch das Bundesgericht keine Fälle beurteilt, in denen der Marktwert Fr. 100.– entscheidend überstiegen habe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass bei Übertretungen Versuch und Gehilfenschaft straflos blieben und infolge der kurzen Verjährungsfrist Delikte serienweise verjähren können. Art. 172ter StGB müsse auf wirkliche Bagatellfälle beschränkt bleiben, damit Quervergleiche auf andere Tatbestände nicht zu grotesken Ergebnissen führten. Schliesslich habe der Gesetzgeber nicht eine vereinfachte Behandlung «massenhaft» auftretender Bagatelldelikte bezweckt; weil jeder Kanton eine andere Strafprozessordnung kenne, hätten solche Überlegungen keine Rolle spielen können. 2. Richtet sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden, so wird der Täter, auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft (Art. 172ter Abs. 1 StGB). Diese Vorschrift gilt nicht bei qualifiziertem Diebstahl (Art. 139 Ziff. 2 und 3), bei Raub und Erpressung (Art. 172ter Abs. 2 StGB). Im vorliegenden Fall ist der Begriff des «geringen Vermögenswerts» auszulegen. Wie es sich mit dem «geringen Schaden» verhält, kann hier offenbleiben. .
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a) Art. 172ter StGB wurde im Rahmen der Revision des Vermögensstrafrechts neu in das Gesetz aufgenommen und am 1. Januar 1995 in Kraft gesetzt. Die Bestimmung führt unter Vorbehalt von Abs. 2 zu einer Privilegierung der geringfügigen Vermögensdelikte des Zweiten Titels des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (Strafbare Handlungen gegen das Vermögen). Damit werden Bagatellverstösse im gesamten Vermögensstrafrecht zu Übertretungen und nur noch auf Antrag verfolgt (vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [strafbare Handlungen gegen das Vermögen und Urkundenfälschung] vom 24. April 1991, BBl 1991 II 969, 1076 f.). Die Expertenkommission befürchtete bei der Anwendung und einheitlichen Durchsetzung der neuen Bestimmung keine besondern Schwierigkeiten und verwies für die Auslegung des geringfügigen .
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Vermögenswerts auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung. Der Polizei könne mit Kreisschreiben oder Instruktionskursen bekannt gegeben werden, welcher Wert noch als gering anzusehen sei (Bericht des EJPD zum Vorentwurf über die Änderung des .
BGE 121 IV 261 S. 265 Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes betreffend die strafbaren Handlungen gegen das Vermögen und die Urkundenfälschung, Bern 1985, S. 61). Der Bundesrat hielt am Begriff des geringen Vermögenswerts fest, ohne ihn zu beziffern; der Begriff sei schon in den Art. 138 und 142 aStGB enthalten und habe in der Praxis nie zu grossen Problemen geführt (Botschaft, S. 1077). Auch die eidgenössischen Räte bezifferten den Grenzwert nicht (Amtl.Bull. 1993 N 923– 933, 947–950, 1993 S 966). .
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b) Unter der Herrschaft des alten Rechts (insbesondere Art. 138 und 142 aStGB) hatte das Bundesgericht keine Fälle präjudiziell zu entscheiden, in denen der Marktwert der Sache Fr. 100.– erheblich überstieg; allerdings beurteilte sich der geringe Wert bis zur Änderung der Rechtsprechung (BGE 116 IV 190) nach den objektiven und subjektiven Umständen des Einzelfalls (so galten etwa 1949 nach BGE 75 IV 49 Fr. 26.90 als zwei Tagesverdienste von Arbeiterinnen nicht als gering; mit BGE 98 IV 22 wies das Bundesgericht 1972 einen Fall, in dem es um insgesamt Fr. 26.25 Trinkgeld ging, zu weiterer Abklärung zurück; in BGE 104 IV 156 beurteilte es 1978 das Beiseiteschaffen von monatlich 4 bis 5 Flaschen Whisky im Ankaufspreis von je rund Fr. 20.– nicht als Sache von geringem Wert, ebenso im nicht veröffentlichten BGE vom 31. August 1984 betreffend 2 gestohlene Flaschen Pastis und 1 Flasche Whisky im Gesamtwert von Fr. 92.30; zur kantonalen Praxis Urteil des Strafgerichtspräsidenten von Basel-Stadt vom 6. Januar 1969, SJZ 65/1969 S. 79 f., sowie TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 138 N. 3). In der Literatur zum alten Recht forderte TRECHSEL (a.a. O., Art. 138 N. 3) im Jahr 1989, das Bundesgericht solle einen einheitlichen Richtwert von beispielsweise Fr. 100.– festlegen (vgl. derselbe, Die ‹Umstände des besondern Falles› in der Strafrechtspraxis, St. Galler Festgabe zum .
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schweizerischen Juristentag 1981, S. 195 ff.). SCHUBARTH (Kommentar Strafrecht, Art. 138 N. 9) empfahl im Jahr 1990 einen einheitlichen Richtwert von Fr. 200.– bis Fr. 300.–. Nach STRATENWERTH (Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Auflage, Bern 1995, § 25 N. 15) lag dieser Wert zuletzt überwiegend bei Fr. 100.–. Zum neuen Recht führen REHBERG / SCHMID (Strafrecht III, 6. Auflage, Zürich 1994, S. 65) aus, die kantonale Praxis werde wie im alten Recht neue Grenzwerte herausbilden; dieser Wert habe im Kanton Zürich für die Entwendung zuletzt Fr. 200.– betragen. REHBERG (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Ausgabe 1995, S. 226) .
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BGE 121 IV 261 S. 266 und SCHMID (Das neue Vermögens- und Urkundenstrafrecht, SJZ 91/1995 S. 3) gehen ohne nähere Begründung nunmehr von Fr. 200.– aus. Nach einer Umfrage der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) nehmen die Kantone der Zentralschweiz und das Strafgericht Basel-Stadt einen Grenzwert von Fr. 500.– an, die übrigen Kantone in der Regel Fr. 200.–, teilweise aber auch Fr. 100.– bis Fr. 150.– (THOMAS HUG, SJZ 91/1995 S. 183; dieser Autor hält einen Fr. 200.– nicht übersteigenden Wert für angemessen). .
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c) Der Gesetzgeber konkretisierte zwar den Begriff des geringen Vermögenswerts nicht eigens, verwies aber auf den geringen Wert im damaligen Recht und dessen praktische Anwendung. Entsprechend ist bei der Auslegung des neuen Rechts von der bisherigen Rechtsprechung zur Sache von geringem Wert im Sinn der Art. 138 und 142 aStGB auszugehen. Nach der Rechtsprechung ist bei Sachen mit einem Marktwert beziehungsweise einem objektiv bestimmbaren Wert allein dieser entscheidend (BGE 116 IV 190 E. 2b / aa). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der unbestimmte Rechtsbegriff des geringen Vermögenswerts ist somit objektiv, einheitlich und ziffernmässig festzulegen. Solchen Grenzziehungen mag etwas Zufälliges anhaften, zu vermeiden sind sie nicht: Sie sind durch Rechtsgleichheit und einheitliche Rechtsanwendung geboten. Dieses Vorgehen ist denn auch der Rechtsprechung nicht fremd (vgl. etwa die Festlegung der 0.8-Promillegrenze in BGE 90 IV 159, die Rechtsprechung .
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zum schweren Fall nach Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG [BGE 109 IV 143, BGE 117 IV 314, BGE 119 IV 180] sowie zu Art. 90 Ziff. 2 SVG bei Geschwindigkeitsüberschreitungen [BGE 118 IV 188]). Während aber in diesen Fällen wissenschaftliche Untersuchungen Entscheidhilfen liefern, ist im zu beurteilenden Fall der Grenzwert letztlich nach Recht und Billigkeit festzusetzen. Der Gesetzgeber schuf mit Art. 172ter StGB eine allgemeine «Bagatellnorm», um die Behörden über die Filterwirkung des Antragserfordernisses von der Verfolgung der Kleinkriminalität zu entlasten (Amtl.Bull. 1993 N 948 f., 1993 S 966) und eine Entkriminalisierung im Bagatellbereich zu erreichen (SCHMID, a. a.O., S. 2). Die Bestimmung soll den privaten Ausgleich zwischen Täter und Opfer fördern und auch dem teils suggestiven Angebotsverhalten auf Opferseite Rechnung tragen (vgl. zu Besonderheiten von Bagatellkriminalität unter modernen Vermarktungsbedingungen RAINER HAMM, .
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BGE 121 IV 261 S. 267 Eigentum im Wandel der Zeiten, in KritV 76/1993 S. 213 ff.). Jedoch ist die Strafverfolgung auf Antrag weiterhin gewährleistet. Der Gesetzgeber gestaltete die Bestimmung bewusst als Übertretungstatbestand aus (Bericht EJPD, S. 60). Die rechtlichen Konsequenzen hinsichtlich Versuch, Gehilfenschaft (Art. 104 Abs. 1 StGB) und Verjährung (Art. 109 StGB) folgen daher unabhängig vom Grenzwert aus Art. 172ter StGB. Wortlaut und Randtitel von Art. 172ter StGB lassen eher auf einen nicht allzuhohen Grenzwert schliessen. Wie die Beschwerdeführerin einwendet, bleiben 400 bis 500 Franken erhebliche Beträge, die auch für Gutsituierte nicht bedeutungslos sind und für weniger Bemittelte und Jugendliche sogar einen wesentlichen Teil des monatlichen Lebensunterhalts ausmachen können. Auch ihre Befürchtungen, ein Grenzwert von 500 Franken könne eine Bagatellisierung der Vermögensdelikte und einen Abbau des Unrechtbewusstseins bewirken, sind nicht von der Hand zu weisen. Bei der Auslegung eines Straftatbestands ist auch der angedrohten Strafe Rechnung zu tragen (vgl. BGE 116 IV 312 E. 2d / aa, BGE 118 IV 200 E. 3d, BGE 121 IV 67 E. 2b / cc). Die Vorinstanz berücksichtigte daher .
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richtigerweise den gegenüber dem alten Recht von acht Tagen auf drei Monate Haft erweiterten Strafrahmen. Sie nahm an, Art. 172ter StGB erfasse nicht nur geringfügigste Delikte, sondern auch Straftaten, die den bisherigen Anwendungsbereich der Art. 138 und 142 aStGB sprengen. Das ist bereits insoweit der Fall, als die neue Bestimmung Bagatellverstösse des gesamten Vermögensstrafrechts erfasst; zugleich deutet der neue Strafrahmen darauf hin, dass nicht lediglich Delikte ohne nennenswerten Unrechts- oder Schuldgehalt darunter fallen. Der Vorinstanz ist denn auch zuzustimmen, dass kaum Vermögensdelikte im Deliktsbetrag bis 500 Franken denkbar sind, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten Haft (und Busse) nicht abgegolten werden können. Ist nämlich Geringfügigkeit zu verneinen oder richtet sich die Handlung gegen weitere Rechtsgüter, scheidet der Tatbestand ohnehin aus (Art. 172ter Abs. 2 StGB; Amtl.Bull. 1993 N 949; Botschaft, S. 1076; vgl. REHBERG / SCHMID, a.a. O., S. 66, sowie STRATENWERTH, a.a. O., § 25 N. 19). Dennoch ist das Argument hier nicht entscheidend, weil der Gesetzgeber eine generelle Norm für das gesamte Vermögensstrafrecht mit einem Strafrahmen verband, der es dem Richter ermöglichen soll, den unterschiedlichsten Sachverhalten gerecht zu werden und die Bagatellkriminalität einzelfallgerecht zu beurteilen (vgl. Ausführungen des Berichterstatters im Nationalrat, Amtl.Bull. 1993 N 949). .
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BGE 121 IV 261 S. 268 d) Zusammenfassend wollte der Gesetzgeber die Strafverfolgungsbehörden von der Bagatellkriminalität entlasten und damit Kräfte für die eigentliche Aufgabe der Bekämpfung der Schwerkriminalität freimachen (Amtl.Bull. 1993 N 949). Die geringfügigen Vermögensdelikte verwies er in das Übertretungsstrafrecht. Er hat damit die grundsätzliche Bedeutung von Art. 172ter StGB klar ausgesprochen, gleichzeitig aber mit dem Begriff der Geringfügigkeit und der Verweisung auf die Rechtsprechung zu Art. 138 und 142 aStGB einen recht engen Rahmen für die Bestimmung des Grenzwerts festgelegt. Angesichts dieser Kriterien erscheint ein Grenzwert von Fr. 500.– als zu hoch. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass Beträge von 400 oder 500 Franken nicht mehr eine Bagatelle oder Geringfügigkeit bedeuten. .
Dagegen würde ein Wert von Fr. 100.– die Zielsetzung des Gesetzes unterlaufen, während Werte bis Fr. 200.– in der kantonalen Praxis bereits auf die erheblich weniger weitgehenden altrechtlichen Tatbestände Anwendung fanden. Die Grenze für den geringen Vermögenswert im Sinn von Art. 172ter Abs. 1 StGB ist bei Fr. 300.– festzusetzen. Mit diesem Grenzwert wird der ratio von Art. 172ter StGB und dem gegenüber dem alten Recht erweiterten Strafrahmen Rechnung getragen. Damit kann auf Kleinkriminalität im Rahmen des Übertretungsstrafrechts angemessen und schuldadäquat reagiert werden. 3. Eine unrechtmässige Aneignung einer Lederjacke im Marktwert von Fr. 398.– ist nach dem Gesagten nicht mehr als geringfügiges Vermögensdelikt einzustufen und lässt sich folglich nicht unter Art. 172ter Abs. 1 StGB subsumieren. Daher ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. 4.
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(Kostenfolgen).
BGE 122 IV 103 17. Auszug aus dem Urteil des Bundesstrafgerichts vom 1. Februar 1996 i. S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen F., G., M. und P. Regeste Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz; Lieferungen der Firma Von Roll an den Irak. 1. Verfahren. a) Art. 125 ff. und 154 Abs. 1 BStP; vorfrageweise Überprüfung der Anklagezulassung? (E. I/1). b) Art. 85 Abs. 4, 162 und 181 BStP; Grundsätze für das Protokoll (E. I/3). c) Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Verletzung des Beschleunigungsgebotes durch systembedingte Mängel (E. I/4). d) Art. 160 und 164 Abs. 2 BStP; Berücksichtigung von Zeugenaussagen, die vor der Hauptverhandlung gemacht wurden (E. I/6). 2. Widerhandlungen gegen das KMG. .
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a) b) c) d)
Art. 1 KMG, Art. 1 Abs. 2 VKM; Kriegsmaterial (E. III). Art. 19 Abs. 2 KMG; fahrlässige Tat (E. IV/2). Art. 19 Abs. 1 KMG; vorsätzliche Tat (E. IV/3). Art. 19 KMG. Ein Unternehmen, das in der Stahlproduktion tätig ist und Bestandteile für Kriegsmaterial herstellt, ist verpflichtet, Sicherheitsvorkehren zu treffen, die nach Möglichkeit von vornherein Widerhandlungen gegen das KMG im Betrieb ausschliessen (E. VI/2 a / bb). Delegation (E. VI/2 a / dd). Pflichten des Konzernchefs (E. VI/2 c). Kausalität der Pflichtverletzung (E. VI/2 d). e) Art. 63 StGB; Strafzumessung (E. VII). f) Art. 20 KMG; Einziehung (E. VIII). .
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Sachverhalt ab Seite 104 BGE 122 IV 103 S. 104 A.a) Der kanadische Ballistikexperte Dr. Gerald V. Bull experimentierte während Jahren mit grosskalibrigen Geschützen, obwohl die Raketentechnologie zunehmend an Bedeutung gewann. Seine ehrgeizigen Projekte scheiterten im Laufe der Zeit am ersterbenden Interesse der Auftraggeber (vgl. z.B. G.V. Bull / C.H. Murphy, Paris Kanonen – The Paris Guns (Wilhelmsgeschütze) and Project HARP, Bonn 1988). In den achtziger .
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BGE 122 IV 103 S. 105 Jahren war Gerald Bull der Kopf der Speace Research Corporation (SRC) mit Sitz in Brüssel. Ende der achtziger Jahre war ihr das Advanced Technology Institute (ATI) angegliedert. Im Jahre 1980 begann der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran, der bis August 1988 dauerte. Im Verlaufe dieses Krieges kam es zu Kontakten Gerald Bulls und seiner Mitarbeiter mit den irakischen Machthabern. Einer der Mitarbeiter Bulls war der Metallurge Dr. Chris Cowley. Die irakischen Machthaber entschlossen sich, Gerald Bull mit der Konstruktion eines ballistischen Systems zu beauftragen, das ein Kaliber von einem Meter und eine Länge von über 150 Metern aufweisen sollte. Das System wurde später unter dem Namen «Supergun» bekannt und trägt die Bezeichnung «S 1000 L150 Launcher». Daneben wurde ein massstabgetreues kleineres Modell der «Supergun» als Versuchssystem entwickelt. Es diente gewissen ballistischen Tests und konnte nur horizontal abgefeuert werden. Das Kaliber betrug 350 Millimeter und die Länge etwa 52 Meter. Es wird als «S 350 L-150 HL (Horizontal Launcher)» oder auch als «Babygun» bezeichnet. Schliesslich wurde zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Anlage geplant. Diese sollte schwenk- und elevierbar sein und ein Kaliber von 350 Millimetern und eine Länge von etwa 30 Metern aufweisen. Ihre Bezeichnung ist «S 350 L-86 ET (Elevating / Traversing Launcher)». .
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b) Nachdem die irakischen Machthaber Gerald Bull mit der Konstruktion der «Supergun» beauftragt hatten, knüpften dessen Mitarbeiter Kontakte zu verschiedenen europäischen Gesellschaften. Eine ihrer Kontaktadressen war die Eric Uldry SA in Vevey, eine Handelsfirma, die im militärischen und im zivilen Sektor mit Spezialstählen handelte und Aufträge vermittelte. Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt im Frühling oder Sommer 1988 trafen sich Chris Cowley und P., der in der Eric Uldry SA im kaufmännischen Bereich tätig war. Chris Cowley beauftragte die Eric Uldry SA, Firmen zu suchen, die in der Lage wären, grosse Schmiedestücke herzustellen. P. nahm daraufhin Kontakt mit der Von Roll AG Gerlafingen auf. c) Die Von Roll AG Gerlafingen gehört zu den führenden schweizerischen Industrieunternehmen. Sie ist unter anderem in der Stahl- und Gussproduktion tätig. Die «Neue Führungsorganisation der Von Roll» vom 19. Mai 1987 weist die Geschäftseinheit «Maschinen und Fördertechnik» als BGE 122 IV 103 S. 106 «besonders wichtiges Profitzentrum» aus. Ihr ist gemäss dem Organigramm der Geschäftseinheit unter anderem das Werk Bern unterstellt. Dazu gehört das Departement «Allgemeiner Maschinenbau Lohnfertigung». Vorsitzender der Konzernleitung der Von Roll AG war Ende der achtziger Jahre F.. Ihm unterstanden auch die Geschäftseinheit «Maschinen und Fördertechnik» und das Werk Bern. Zusätzlich betreute er unter anderem den Konzernstab «Recht und Information». M. leitete zu dieser Zeit die Stabsstelle «Kommerzielle Dienste» der Geschäftseinheit «Maschinen und Fördertechnik», und G. war Leiter des Departements «Allgemeiner Maschinenbau Lohnfertigung» im Werk Bern. d) In der Folge kam es zu verschiedenen Kontakten im In- und Ausland zwischen G., M. und P. einerseits und Chris Cowley und dem irakischen Staatsangehörigen A. andererseits. Unter anderem hielten sich M., G. und P. im November 1988 einige Tage in Bagdad auf, wo am 13. November 1988 ein Vertrag zwischen dem «Ministry of Industries Iraq, Baghdad; Project: PC2»
und der «Von Roll Ltd.; Machinery and Handling System Division» abgeschlossen wurde. Gemäss vertraglicher Definition umschrieb die Abkürzung «PC2» ein «Petrochemicals Project». Der Vertrag betraf die Herstellung und Lieferung von acht «Hydraulic Cylinder Assemblies» und von vier «Throttling Rods», also von Hydraulikzylindern und Kolbenstangen im Vertragswert von insgesamt Fr. 5 513 000.–. Angeblich waren die Objekte für die petrochemische Industrie bestimmt. Der Vertrag wurde durch M. und A. unterschrieben. Ein weiterer Vertrag wurde am 30. Mai 1989 abgeschlossen. Partner der Von Roll war das «Ministry of Industries, PC 2, Project 839 Baghdad». Der Vertrag betraf die Herstellung und Lieferung von je acht «End caps» und «Brackets», d. h. von Endstücken und Konsolen im Vertragswert von insgesamt Fr. 1 750 000.–. Auch diese Objekte waren angeblich für die petrochemische Industrie bestimmt. Der Vertrag wurde durch M. und G. einerseits und durch A. andererseits in Frankfurt unterschrieben. Schliesslich wurde am 13. November 1989 ein dritter Vertrag unterzeichnet. Partner der Von Roll war erneut das «Ministry of Industry Iraq, Baghdad; Project: PC2 No. 839». Der Vertrag betraf zwei «Housing Assemblies», vier «Hydraulic Cylinders», zwei «Housing Slides», zwei «Bearing Housing» und zwei «Pivot Drum Housing Assemblies», also Hydraulikzylinder, Gleitlager-Gehäuse, Lager-Gehäuse und Pivot-TrommelGehäuse im Vertragswert BGE 122 IV 103 S. 107 von insgesamt Fr. 1 640 000.–. Bestimmungsort war auch hier angeblich die petrochemische Industrie. Auch dieser Vertrag wurde durch M. und G. einerseits und durch A. andererseits in Bern unterschrieben. e) Die Von Roll AG stellte einen Grossteil der vereinbarten Teile her, und ab Dezember 1989 wurde die Ware in mehreren Lieferungen zum Transport in den Irak aufgegeben. Bis April 1990 erreichten unter anderem vier «Brackets» und vier «End caps», vier «Cylinders», zwei «Bearing Housing», ein «Housing Slide» und ein «Pivot Drum Housing Assembly» ihren Bestimmungsort.
f) Im Mai 1990 erfuhr die Schweizerische Bundesanwaltschaft, dass auf dem Flughafen Frankfurt mehrere von der Von Roll AG versandte Kisten mit Gütern, die für den Irak bestimmt waren, zurückbehalten wurden. Es handelte sich dabei – nebst der hier nicht interessierenden Lieferung Nr. 19 über eine Schraubenspannvorrichtung – um die Lieferung Nr. 20, die zwei «Hydraulic Cylinders», ein «Pivot Drum Housing Assembly» und ein «Housing Slide» enthielt. Wenig später hielt der Zoll im Güterbahnhof Bern am 10. Mai 1990 ebenfalls eine von der Von Roll AG Bern aufgegebene Sendung zurück. Dabei handelte es sich um die Lieferung Nr. 21, die unter anderem mehrere Hydraulikzylinder, vier «Brackets» und vier «End caps» umfasste. M. und G. gaben an, dass es sich bei den im Bahnhof Bern zurückbehaltenen Gegenständen um Bestandteile von Schmiedepressen handle, wie sie auch beim Zoll deklariert waren. Aufgrund eines von der Gruppe für Rüstungsdienste des Eidgenössischen Militärdepartementes (EMD) erstellten Berichts vom 14. Mai 1990 konnte jedoch die Verwendung der Hydraulikzylinder als Rohrrücklaufbremsen einer sehr grosskalibrigen Kanone nicht ausgeschlossen werden. Das im Güterbahnhof Bern auf drei Eisenbahnwagen geladene Material wurde mit Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 15. Mai 1990 vorläufig beschlagnahmt. Das im Flughafen Frankfurt angehaltene Material wurde später ebenfalls beschlagnahmt, in die Schweiz zurückgeführt und zusammen mit den im Werk Bern vorhandenen, noch nicht fertiggestellten Stücken sichergestellt und in die Waffenfabrik Bern überführt. Heute befinden sich alle Gegenstände in Thun. .
B.a) Am 15. Mai 1990 bzw. am 28. Juni 1990 eröffnete die Bundesanwaltschaft gegen die Verantwortlichen der Firma Von Roll AG Bern BGE 122 IV 103 S. 108 und gegen den Direktor der Eric Uldry SA, P., ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Widerhandlung gegen Art. 17 des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial vom 30. Juni 1972 (KMG; SR .
514.51). b) Aufgrund eines Antrags des Justizdepartementes beschloss der Bundesrat gestützt auf die Art. 105 und 110 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 (BStP; SR 312.0) am 18. März 1991, die Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen G., M. und P. sowie allfällige weitere verantwortliche Personen der Firmen Von Roll AG und Eric Uldry SA wegen Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz zu erteilen. Der Bundesrat ordnete an, dass das Verfahren auf eidgenössischer Ebene zu führen sei, und beauftragte in Anwendung von Art. 108 BStP den Bundesanwalt, beim eidgenössischen Untersuchungsrichter die Eröffnung der Voruntersuchung zu beantragen. .
c) Gestützt auf den Beschluss des Bundesrates vom 18. März 1991 eröffnete die Stellvertreterin des eidgenössischen Untersuchungsrichters für die deutsche Schweiz mit Verfügung vom 15. Mai 1991 eine Voruntersuchung gegen G., M. und P. Mit Verfügung vom 31. März 1992 dehnte sie die Voruntersuchung auf F. aus. C.a) Am 14. Februar 1995 erhob der Vertreter des Bundesanwaltes Anklage gegen F., G., M. und P.. Er machte geltend, – F. habe sich schuldig gemacht der mehrfachen, vollendeten und versuchten, vorsätzlichen und fahrlässigen Widerhandlung gegen das KMG im Sinne von dessen Art. 17 Abs. 1 lit. a, Art. 17 Abs. 2 sowie Art. 19 Abs. 1 und 3, – G. habe sich schuldig gemacht der mehrfachen, vollendeten und versuchten, vorsätzlichen, ev. fahrlässigen Widerhandlung gegen das KMG im Sinne von dessen Art. 17 Abs. 1 lit. a, ev. Art. 17 Abs. 2 sowie Art. 19 Abs. 1, – M. habe sich schuldig gemacht der mehrfachen, vollendeten und versuchten, vorsätzlichen, ev. fahrlässigen Widerhandlung gegen das KMG im Sinne von dessen Art. 17 Abs. 1 lit. a, ev. Art. 17 Abs. 2 sowie Art. 19 Abs. 1 – und P. habe sich schuldig gemacht der mehrfachen, vollendeten und versuchten, ev. fahrlässigen Widerhandlung gegen das KMG im Sinne von
dessen Art. 17 Abs. 1 lit. a und e, ev. Art. 17 Abs. 2 sowie Art. 19 Abs. 1. b) In Anwendung der Art. 128 und 132 BStP, Art. 17 Abs. 1 lit. a und e sowie Abs. 2, Art. 19 und 20 KMG liess die Anklagekammer des Bundesgerichts mit Beschluss vom 27. Juni 1995 die Anklage zu. Die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht fand vom 15. Januar bis 1. Februar 1996 statt. BGE 122 IV 103 S. 109 Erwägungen Das Bundesstrafgericht hat erwogen: I.1.a) aa) Liegen gegen den Beschuldigten hinreichende Verdachtsgründe vor, so erhebt der Bundesanwalt Anklage (Art. 125 BStP). Die Anklageschrift bezeichnet den Angeklagten, das Vergehen, dessen er beschuldigt wird, nach seinen tatsächlichen und gesetzlichen Merkmalen, die Bestimmungen des Strafgesetzes, die anzuwenden sind, die Beweismittel für die Hauptverhandlung und das zuständige Gericht (Art. 126 BStP). Der Bundesanwalt sendet die Anklageschrift mit den Akten und einem erläuternden Bericht an die Anklagekammer (Art. 127 Abs. 1 Satz 1 BStP). Diese prüft, ob die Ergebnisse der Voruntersuchung die Erhebung der Anklage rechtfertigen und ob das in der Anklageschrift bezeichnete Gericht zuständig ist (Art. 128 BStP). Lässt die Anklagekammer die Anklage zu, so übermittelt sie die Akten an das zuständige Gericht, wobei der Beschluss über die Zulassung nicht begründet wird (Art. 132 BStP). Zu Beginn der Hauptverhandlung gibt der Präsident des Bundesstrafgerichts den Parteien Gelegenheit, Einwendungen gegen die Zuständigkeit oder die Besetzung des Gerichtes geltend zu machen oder andere Vorfragen aufzuwerfen (Art. 154 Abs. 1 BStP). .
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bb) Die Anklagekammer beschloss in Anwendung von Art. 128 und 132 BStP am 27. Juni 1995, die wegen Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz erhobene Anklage vom 14. Februar 1995 gegen F., G.,
M. und P. werde zugelassen. Die Anklagekammer stellte fest, sie habe die in den Verteidigungsschriften gestellten Anträge, die Anklage sei nicht zuzulassen und ihr sei keine Folge zu geben, geprüft. Sie habe jedoch «festgestellt und in Erwägung gezogen, dass die Anklageschrift den sich aus den gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere Art. 126 BStP) und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergebenden Anforderungen genügt, dass die Ergebnisse der Voruntersuchung die Erhebung der Anklage gegen alle Angeklagten rechtfertigen und keiner Ergänzung bedürfen» und «dass sich die den Angeklagten zur Last gelegten Tatbestände der Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch der gesetzlichen Merkmale aus der Anklageschrift hinlänglich ergeben». Abschliessend wies die Anklagekammer darauf hin, «dass der Beschluss über die Zulassung der Anklage gemäss Art. 132 Abs. 2 BStP nicht begründet wird». .
BGE 122 IV 103 S. 110 b) Zu Beginn der Hauptverhandlung wiederholte der Verteidiger des Angeklagten F. den im Anklagezulassungsverfahren gestellten Antrag, es sei die Anklageschrift des Vertreters des Bundesanwaltes vom 14. Februar 1995 nicht zuzulassen, da sie die dem Angeklagten vorgeworfenen Unterlassungen nicht hinreichend umschreibe und versucht werde, «eine Ergänzung der Voruntersuchung durch das Bundesstrafgericht zu bewirken». Die Verteidiger der drei anderen Angeklagten stellten zwar keinen ausdrücklichen Antrag, schlossen sich jedoch sinngemäss dem Verteidiger des Angeklagten F. an. Dem BStP ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob die Anklagekammer mit ihrem Beschluss über die Zulassung der Anklage endgültig entscheidet oder ob es sich bei der Frage nach der Zulassung der Anklage um eine «andere Vorfrage» im Sinne von Art. 154 Abs. 1 BStP handelt, die auch dem Bundesstrafgericht unterbreitet werden kann. Die Materialien äussern sich dazu ebenfalls nicht (vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 10. September 1929, BBl 1929 II S. 617 und 619 f.). In BGE 116 IV 56 E. I/1 hat das Bundesstrafgericht geprüft, ob die Anklageschrift den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ohne die Frage der .
Zulässigkeit dieser Prüfung aufzuwerfen. Vieles spricht dafür, dass das Bundesstrafgericht nur ausnahmsweise auf die Zulassungsentscheidung der Anklagekammer zurückkommen kann, etwa in bezug auf neue Tatsachen betreffend die Prozessvoraussetzungen (Tod eines Angeklagten, inzwischen eingetretene Verjährung). Die Frage kann jedoch offenbleiben, da die Anklageschrift die gegen die Angeklagten erhobenen Vorwürfe vielleicht teilweise etwas summarisch, aber doch hinreichend umschreibt. Aus ihr konnten die Angeklagten klar erkennen, was ihnen zur Last gelegt wird. Der Antrag, die Anklage sei nicht zuzulassen, wird somit abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. .
I.3. Der Verteidiger des Angeklagten M. beantragte, es sei mindestens bei den Zeugeneinvernahmen ein wörtliches Protokoll zu erstellen. Die BStP sieht dies nicht vor. Sie stellt es ins Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen zu protokollieren sind (Art. 162 BStP), wobei die Zeugenaussagen im übrigen gegebenenfalls nach ihrem wesentlichen Inhalt protokolliert würden (Art. 85 Abs. 4 BStP). Gemäss Art. 181 Abs. 1 BStP ist ein Protokoll über die Hauptverhandlung zu erstellen, das Ort und Zeit der Verhandlung, die Namen .
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BGE 122 IV 103 S. 111 der Richter, des Vertreters der Bundesanwaltschaft, des Gerichtsschreibers, des Angeklagten und seines Verteidigers, des Geschädigten und seines Rechtsbeistandes oder Vertreters sowie das in der Anklage bezeichnete Vergehen angibt und den Gang der Hauptverhandlung sowie die Beobachtung der Formen, die Anträge der Parteien, die darüber gefällten Entscheidungen und den Urteilsspruch feststellt. Der Präsident kann ausnahmsweise anordnen, dass noch anderes in das Protokoll aufgenommen werden soll (Art. 181 Abs. 2 BStP). Eine solche Anordnung erging im vorliegenden Verfahren nicht. .
I.4. Während der Verhandlung bemängelte die Verteidigung mehrfach die Untersuchung und insbesondere deren Dauer. Der vorliegende Fall ist recht komplex und bot den Untersuchungsbehörden aus diesem Grund einige Schwierigkeiten. Es ist
mehr als fraglich, ob die Organisation der Bundesstrafrechtspflege auf solche Fälle zugeschnitten ist und sie immer in befriedigender Weise bewältigen kann. Ob sich hier Änderungen aufdrängen, betrifft allerdings eine Frage, die vom Gesetzgeber zu beantworten ist. Immerhin ist für den vorliegenden Fall festzuhalten, dass die Untersuchung sehr lange gedauert hat. Zu beurteilen sind heute Geschehnisse aus den Jahren 1988 bis 1990. Auch fällt auf, dass zwischen dem Bericht des Zeugen B. vom August 1990 und der Eröffnung der Voruntersuchung im Mai 1991 offenbar praktisch keine untersuchungsrelevanten Handlungen vorgenommen worden sind. Ebenso wie man den Stahl schmieden sollte, solange er heiss ist, sollte man Spuren nachgehen, solange sie heiss sind. Gerade der Bericht B. hätte die Grundlage für eine unverzügliche intensive Abklärung verschiedener Fragen geben können. Das Bundesstrafgericht kommt deshalb gesamthaft gesehen zum Schluss, dass das Beschleunigungsgebot von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt worden ist, zumal davon ausgegangen werden muss, dass das Strafverfahren für die Angeklagten zu einer besonderen Belastung geführt hat (vgl. BGE 119 IV 107 E. 1c). Dies ist im vorliegenden Urteil ausdrücklich festzuhalten und im Falle eines Schuldspruchs bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGE 117 IV 124 E. 3 und 4). Die Verletzung des Beschleunigungsgebotes ist, soweit dies das Bundesstrafgericht beurteilen kann, auf systembedingte Mängel der Untersuchung zurückzuführen; sie haben dazu geführt, dass nach den ersten Abklärungen während mehrerer Monate keine effiziente Untersuchung geführt wurde. Im übrigen ist es nicht mehr zeitgemäss, derartige Untersuchungen .
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BGE 122 IV 103 S. 112 durch eine eidgenössische Untersuchungsrichterin im Nebenamt führen zu lassen. I.6. Der Verteidiger des Angeklagten G. stellte im Plädoyer den Antrag, es seien «diejenigen Zeugenaussagen nicht zu berücksichtigen, in welchen ein Zeuge lediglich seine Aussagen in der Voruntersuchung bestätigte, sofern an der entsprechenden Einvernahme in der Voruntersuchung kein Verteidiger anwesend war». Und der Verteidiger des Angeklagten M. beantragte, «es
seien diejenigen Zeugenaussagen nicht zu verwenden, bei denen die Verteidigung nicht anwesend war und die sich in irgendeiner Weise zu Lasten der Angeklagten auswirken können». Wegen der besonderen Umstände der Untersuchung und insbesondere der langen Dauer des Verfahrens (s. oben E. 4) hat das Bundesstrafgericht ein gewisses Verständnis für das Anliegen der Verteidigung und legt sich deshalb bei der Verwendung von in der Untersuchung angefertigten Protokollen Zurückhaltung auf. In bezug auf Botschafter C., der nur in der Voruntersuchung einvernommen wurde und sich zur Zeit der Hauptverhandlung im Ausland befand, wurde den Verteidigern zudem Gelegenheit geboten, die gewünschten Zusatzfragen dem Gericht anzugeben. Diese Fragen beziehen sich nicht auf den einzigen Punkt, in dem sich das Bundesstrafgericht auf die Aussagen von Botschafter C. stützt (s. unten E. IV/1 / b). Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist es im übrigen grundsätzlich zulässig, auf frühere Aussagen abzustellen. Erinnert sich ein Zeuge nicht mehr genau an eine Wahrnehmung, über die er früher berichtet hat, oder besteht ein Widerspruch mit seiner früheren Aussage, so darf diese in Anwendung von Art. 160 BStP insoweit vorgelesen werden; und Art. 164 BStP bestimmt, dass eine frühere Aussage unter anderem dann verlesen werden darf, wenn ein Zeuge, ein Sachverständiger oder ein Angeklagter gestorben ist oder aus einem andern zwingenden Grund in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann. Die Anträge der Verteidigung sind deshalb abzuweisen. II. .
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II.1. Als Kriegsmaterial im Sinne des KMG gelten Waffen, Munition, Sprengmittel, weitere Erzeugnisse und deren Bestandteile, die als Kampfmittel verwendet werden können (Art. 1 Abs. 1 KMG). Unter den Begriff Kriegsmaterial fallen das fertige Material sowie Gegenstände, roh, ganz .
BGE 122 IV 103 S. 113 oder teilweise bearbeitet oder fertiggestellt, die ausschliesslich als Bestandteile von Kriegsmaterial hergestellt werden und in der gleichen
Ausführung keine zivile Verwendung finden (Art. 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesrates über das Kriegsmaterial vom 10. Januar 1973 [VKM; SR 514.511]). Ohne Grundbewilligung des Bundes ist es untersagt, (a) Kriegsmaterial herzustellen, (b) Kriegsmaterial zu beschaffen, (c) Kriegsmaterial zu vertreiben und (d) die Beschaffung oder den Vertrieb von Kriegsmaterial zu vermitteln (Art. 4 Abs. 1 KMG). Ausser der nach Art. 4 erforderlichen Grundbewilligung ist für jeden einzelnen Fall der Herstellung von Kriegsmaterial vorher bei der vom Bundesrat bezeichneten Amtsstelle eine Fabrikationsbewilligung einzuholen (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KMG). Ohne Bewilligung des Bundes sind die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr von Kriegsmaterial untersagt (Art. 9 Abs. 1 KMG). Wer vorsätzlich ohne entsprechende Bewilligung Kriegsmaterial herstellt, beschafft oder vertreibt, die Beschaffung und den Vertrieb von Kriegsmaterial vermittelt oder Kriegsmaterial einführt, ausführt oder durchführt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 500 000 Franken bestraft. In schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren, verbunden mit der Verweigerung der Erteilung neuer Bewilligungen auf die Dauer von zwei bis fünf Jahren, erkannt werden (Art. 17 Abs. 1 lit. a KMG). Derselben Strafdrohung unterliegt, wer bei der finanziellen Abwicklung eines illegalen Kriegsmaterialgeschäfts mitwirkt oder dessen Finanzierung vermittelt (Art. 17 Abs. 1 lit. e KMG). Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse (Art. 17 Abs. 2 KMG). Wird eine Widerhandlung beim Besorgen der Angelegenheiten einer juristischen Person oder sonst in Ausübung geschäftlicher oder dienstlicher Verrichtungen für einen anderen begangen, so finden die Strafbestimmungen auf diejenigen natürlichen Personen Anwendung, welche die Tat verübt haben (Art. 19 Abs. 1 KMG). Der Geschäftsherr oder Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene, der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung des Untergebenen, Beauftragten oder Vertreters abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben, untersteht den Strafbestimmungen, die für den entsprechend handelnden Täter gelten (Art. 19 Abs. 2 KMG). Ist der Geschäftsherr oder Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene eine juristische Person, so findet Abs. 2 auf die schuldigen .
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Organe, Organmitglieder, geschäftsführenden Gesellschafter oder BGE 122 IV 103 S. 114 tatsächlich leitenden Personen Anwendung (Art. 19 Abs. 3 KMG). Die allgemeinen Bestimmungen des StGB finden insoweit Anwendung, als das KMG nicht selbst Bestimmungen aufstellt (Art. 22 Abs. 1 KMG). .
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II.2. Es ist unbestritten, dass die oben erwähnten Verträge vom 13. November 1988, 30. Mai 1989 und 13. November 1989 abgeschlossen und von den Angeklagten G. und M. unterzeichnet wurden. Ebenfalls unbestritten ist, dass die entsprechenden Objekte bei der Von Roll Bern hergestellt sowie im oben umschriebenen Umfang in den Irak geliefert und teilweise in Frankfurt oder in Bern angehalten worden sind. Schliesslich ist unbestritten, dass für die Irakgeschäfte der Von Roll weder Fabrikations- noch Ausfuhrbewilligungen eingeholt wurden. Die Verteidigung macht jedoch geltend, es habe sich bei den in Frage stehenden Objekten nicht um Kriegsmaterial gehandelt (dazu unten E. III). III. Zu prüfen ist, ob es sich bei den Gegenstand der Anklage bildenden Objekten um Kriegsmaterial handelt. .
III.1.a) Die Anklage geht davon aus, die hergestellten Objekte seien für die Systeme «S 1000 L-150 Launcher» und «S 350 L-86 ET (Elevating / Traversing Launcher)» bestimmt gewesen. Sie beruft sich in diesem Punkt auf zwei «Monthly Reports» Nr. 20 und 21 vom Januar und Februar 1990. Die Verteidigung macht geltend, dieser angebliche Bestimmungszweck der Objekte sei nicht nachgewiesen, zumal es sich bei den beiden Monatsrapporten um zweifelhafte Beweismittel handle. .
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b) Die drei von Von Roll abgeschlossenen Verträge enthalten bei der Bezeichnung des Vertragspartners die Hinweise auf «PC2» und auf das «Project 839» bzw. auf «No. 839». Schon daraus folgt, dass zwischen den von Von Roll hergestellten Objekten und dem irakischen Supergunprojekt ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Im vom Verteidiger des Angeklagten G. zu den Akten gegebenen englischen Affidavit des Zeugen Cowley erklärt
dieser, er sei «the Project Manager for the project known as PC2 (‹Supergun›)» gewesen. In der Hauptverhandlung ordnete Cowley auch die Bezeichnung «839» dem irakischen Projekt zu. Bei dieser Sachlage kann nicht ernstlich behauptet werden, der Bestimmungszweck der von Von Roll hergestellten Objekte stehe nicht mit Sicherheit fest. .
BGE 122 IV 103 S. 115 c) Die beiden von der Anklage erwähnten «Monthly Reports» tragen auf dem Titelblatt ebenfalls die Bezeichnung «Project 839». Entgegen der Ansicht der Verteidigung kann auf diese Rapporte jedenfalls im hier interessierenden Punkt auch abgestellt werden. Die Monatsrapporte waren Bestandteile des Berichtes, den der Zeuge B. am 20. August 1990/7. September 1990 über seine Abklärungen erstellt hatte. Gemäss seinen Angaben hat er die Rapporte von den englischen Untersuchungsbehörden erhalten. Dies trifft zu, denn auch der Zeuge E. hat in seinem Bericht über die Dienstreisen nach England vom 30. Juli 1990 festgestellt, Kopien dieser Monatsrapporte seien ihnen in Birmingham überreicht worden. Es ist folglich nicht einzusehen, warum diesen Rapporten kein Beweiswert zukommen sollte. Die Verteidigung hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, die Rapporte trügen die Unterschrift von zwei Personen, nämlich von «H.» und «I.», deren Identität nicht feststehe. Dies trifft jedenfalls für die erste der genannten Personen nicht zu. Der Verteidiger des Angeklagten G. gab Auszüge aus dem Buch über G.V. Bull von William Lowther (Arms & The Man, London 1991) zu den Akten. Aus diesen Auszügen ist ersichtlich, dass der Aerodynamiker H. zum «original Project Babylon team» gehörte (S. 212). Im übrigen wird auf derselben Seite des Buches der «highly talented graphics man» J. als Mitglied desselben Teams genannt, und es war dieser «J.», der den Annex 2 («Project Coordination Liaison Monthly Status Report») des Monthly Report Nr. 20 verfasst hat. Der Angeklagte M. hat an der Hauptverhandlung übrigens ausdrücklich darauf hingewiesen, bei J. handle es sich um den Nachfolger von Cowley. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass über die Autoren der «Monthly Reports» nichts bekannt wäre. Gerade aus dem soeben erwähnten Annex 2, den die Anklage unter .
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anderen Teilen der Rapporte an der Hauptverhandlung als wesentlich bezeichnet hat, folgt aber z.B. klar, dass zwischen dem System «S 350 L-86 ET (Elevating / Traversing Launcher)» und den hier in Frage stehenden Objekten ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. In diesem Punkt sind keine Zweifel möglich, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen. .
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III.2. Zweitens ist zu prüfen, ob es sich bei den Systemen «S 1000 L-150 Launcher» und «S 350 L-86 ET (Elevating / Traversing Launcher)» um Waffen handelt. Dies wird von der Verteidigung bestritten. .
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BGE 122 IV 103 S. 116 Der Zeuge Cowley behauptet, analog zu den früheren Projekten Bulls, die dieser für die amerikanische Regierung verfolgt habe, sei es beim Supergunprojekt nicht um ein Waffensystem, sondern darum gegangen, kostengünstig Satelliten ins All zu schiessen. Der Zeuge, der ein Buch über seine Tätigkeit bei G.V. Bull geschrieben hat, bestätigte an der Hauptverhandlung aber ebenfalls ausdrücklich, «big-gun systems were a practical low-cost way of investigating the upper atmosphere and space, as well as delivering payloads over long distances» (Guns, Lies and Spies, London 1992, S. 47). Es ist folglich von vornherein fraglich, ob der Irak tatsächlich die Absicht verfolgt hat, mit der Supergun zivile Satelliten ins All zu schiessen. Ausgeschlossen ist dies für das System «S 350 L-86 ET (Elevating / Traversing Launcher)», denn der Zeuge Cowley hat an der Hauptverhandlung die in seinem Buch gemachte Äusserung ausdrücklich bestätigt, bei diesem System «350-ET» handle es sich um «a new offensive gun system» (S. 245). In bezug auf das System «S 1000 L-150 Launcher» räumte der Zeuge Cowley an der Hauptverhandlung ebenfalls ein, es sei technisch machbar, damit unterkalibrige Geschosse (z.B. solche mit einem Kaliber von 300 mm) über eine geringere Reichweite (z. B. von 200 km oder mehr) abzufeuern. Der Experte K. hat in seinem Bericht über Leistungsgrenzen von Rohrwaffen vom 11. Juni 1990 ebenfalls festgestellt, das Projekt sei zwar «als unsinnige Fehlinvestition jenseits jeder vernünftigen Denkweise zu qualifizieren», dürfe aber trotzdem «nicht verharmlost» werden, denn es stelle, «falls es wider .
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Erwarten tatsächlich zur Funktionstüchtigkeit gebracht würde,… durchaus eine (‹gerichtete›) Bedrohung dar». Als ihm dieser Auszug aus seinem Bericht an der Hauptverhandlung vorgehalten wurde, erklärte der sich im übrigen eher zurückhaltend äussernde Experte, «wenn jemand unbedingt wolle, könne er ein solches System als Waffe einsetzen». In seinem Bericht hatte er denn auch klar darauf hingewiesen, eine militärische Anwendung der Idee von G.V. Bull stelle insbesondere dann für die anvisierten Zielräume eine Bedrohung dar, «wenn nukleare Gefechtsköpfe zum Einbau gelangen». Das Beweisverfahren hat zwar ergeben, dass – wie der Verteidiger des Angeklagten G. unter Hinweis auf einen Artikel in der NZZ vom 9. Mai 1990 geltend macht – «ein 160 m langes Geschütz konventioneller Bauweise eine Absurdität ist». Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein Einsatz der Supergun als Waffe grundsätzlich als möglich erscheint. .
BGE 122 IV 103 S. 117 Damit steht nach Auffassung des Bundesstrafgerichts fest, dass die in Frage stehenden Systeme «S 1000 L-150 Launcher» und «S 350 L-86 ET (Elevating / Traversing Launcher)» als Kampfmittel hätten verwendet werden können und somit gemäss Art. 1 Abs. 1 KMG Waffen darstellen. .
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III.3. Schliesslich ist zu prüfen, wie es sich mit der Kriegsmaterialeigenschaft der von Von Roll gelieferten Teile verhält. Gemäss Art. 1 Abs. 2 VKM stellt sich die Frage, ob die Gegenstände «ausschliesslich als Bestandteile von Kriegsmaterial hergestellt werden und in der gleichen Ausführung keine zivile Verwendung finden». Der Experte L. stellte in seiner Zusammenfassung der technischen Abklärungen vom 31. Mai 1990 mit Bestimmtheit fest, «die Von RollZylinder sind offensichtlich als hydraulische Bremsen und nicht als Arbeitszylinder konzipiert». An dieser Annahme hielt er an der Hauptverhandlung fest. Auch aus dem Kurzgutachten über Hydraulikzylinder des Paul Scherrer Institutes in Villigen vom 12. November 1992 folgt, dass die in Frage stehenden Zylinder «nicht zur Erzeugung von Kräften, sondern für den Abbau grosser Kräfte über die gesamte Hublänge verwendet werden». Es ist nach dem Gesagten davon auszugehen, dass die Von Roll – wie es im oben
erwähnten Annex 2 zum Monthly Report Nr. 20 heisst – mit der Herstellung von «Recoil Cylinders», also von Rückstossdämpfzylindern für das Supergunprojekt beschäftigt war. Nun hat das Beweisverfahren allerdings ergeben, dass die Annahme der Untersuchungsbehörden nicht zutrifft, wonach Bremszylinder der vorliegenden Grösse ausschliesslich für militärische Zwecke verwendet werden können. Die Zeugen N. und O. haben dargelegt, dass grosse Dämpfzylinder für verschiedene zivile Aufgaben eingesetzt werden. Ihr Einsatz ist immer dann möglich, wenn grosse Massen auf einer kurzen Distanz abgebremst werden müssen. Dies ist zum Beispiel bei Ölplattformen, Schiffsschleusen und dergleichen der Fall. Ob Dämpfzylinder ganz allgemein auch zivile Verwendung finden können, ist jedoch nicht entscheidend, denn es kommt nach dem klaren Wortlaut der VKM darauf an, ob die konkret in Frage stehenden Gegenstände «in der gleichen Ausführung» eine zivile Verwendung finden können oder nicht. Dies ist zu verneinen. Es ist unbestritten, dass die Objekte bei Von Roll «nach Mass», d.h. nach genauen und detaillierten Plänen hergestellt worden sind. Dies ist, wie das Beweisverfahren ergeben hat, ja geradezu ein Wesensmerkmal der BGE 122 IV 103 S. 118 sogenannten «Lohnfertigung». Der Zeuge N. sprach denn auch bei den von ihm angegebenen Beispielen von «Sonderzylindern». Die von Von Roll hergestellten Gegenstände waren genau auf die irakischen Projekte zugeschnitten und konnten «in der gleichen Ausführung» ausschliesslich dort eingebaut werden. Eine zivile Verwendungsmöglichkeit ist demgegenüber von vornherein nicht denkbar. Dafür spricht auch das spätere Verhalten des irakischen Bestellers; hätte er das beschlagnahmte Material tatsächlich für zivile Zwecke verwenden wollen, so ist nicht einzusehen, warum er sich nicht um dessen Freigabe bemüht hat, zumal die Ware ja grösstenteils schon bezahlt war. Die Gegenstände wurden folglich im Sinne von Art. 1 Abs. 1 VKM «ausschliesslich als Bestandteile von Kriegsmaterial hergestellt». IV. In bezug auf die Angeklagten G. und M. ist im folgenden von drei Phasen
des Geschehens auszugehen. IV.1.a) Das Beweisverfahren hat zunächst nicht ergeben, dass die Angeklagten durch Cowley, A. oder jemand anderen über den wahren Zweck des Materials orientiert worden wären. Zwar hat der Zeuge B. in seinem Bericht über die Abklärungen vom 20. August 1990/7 September 1990 behauptet, es sei insbesondere an den Vertragsverhandlungen in Bagdad «im Klartext über die Geschütz-Projekte gesprochen worden». An der Hauptverhandlung musste er jedoch einräumen, damit nur seine subjektive Meinung wiedergegeben zu haben. Der Zeuge Cowley hat im Gegenteil glaubhaft ausgesagt, es sei Bulls Idee gewesen, die Zulieferer über den wahren Verwendungszweck zu täuschen und ihnen gegenüber zu behaupten, es gehe um petrochemische Projekte. In allen drei von Von Roll abgeschlossenen Verträgen wird dieser Verwendungszweck denn auch ausdrücklich genannt. b) Bis zum Abschluss des ersten Vertrages in Bagdad am 13. November 1988 lässt sich den beiden Angeklagten auch noch nicht vorwerfen, sie hätten fahrlässig gehandelt. Allerdings war ihr Vertragspartner ein irakisches Ministerium, und der Irak befand sich bis August 1988 im Krieg mit dem Iran. Der Partner hätte folglich gewisse Bedenken wecken und insbesondere einige begründete Zweifel über die Endbestimmung der bestellten Teile hervorrufen sollen. BGE 122 IV 103 S. 119 Die Angeklagten haben im übrigen beim Abschluss des ersten Vertrages in Bagdad keinen Kontakt zur schweizerischen Botschaft aufgenommen, obwohl dies gemäss der Aussage des Zeugen Q. allgemein üblich war. Botschafter C., dem die Angeklagten in diesem Zusammenhang keine Zusatzfragen stellen wollten (vgl. oben E. I/6), bezeichnete einen solchen Besuch sogar als «normal». Zwar besteht keine generelle Pflicht zu derartigen Kontakten. Es stellt sich aber doch die Frage, ob es unter den gegebenen Umständen sachgerecht war, darauf und insbesondere auf eine Erkundigung über den Vertragspartner und gegebenenfalls auf weitere Hintergrundinformationen zu .
verzichten. Es kann jedoch noch nicht gesagt werden, dass die Angeklagten bis zum Abschluss des ersten Vertrages die Folgen ihres Verhaltens «aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit» im Sinne von Art. 18 Abs. 3 StGB nicht bedacht hätten. IV.2.a) Die zweite Phase dauerte vom Abschluss des ersten Vertrages bis zur Anhaltung der Lieferungen Nr. 19 und 20 in Frankfurt. Der Angeklagte G. war in dieser Zeit direkt mit der Produktion befasst und trug dafür die Verantwortung. Er hat eine Berufslehre als Maschinenschlosser absolviert, war nachher mehrere Jahre in der Fertigung und Montage im Werk Bern und als Chefmonteur im In- und Ausland tätig. 1972 absolvierte er die Werkmeisterschule in Winterthur. In der Folge leitete er unter anderem die Werkmontage und seit Ende 1988 den allgemeinen Maschinenbau in Bern. Wenn das Beweisverfahren auch nicht ergeben hat, dass er den tatsächlichen Verwendungszweck der hergestellten Teile erkannte, ist doch davon auszugehen, dass er – im Gegensatz zum Angeklagten M. (s. unten E. b) – über technische Kenntnisse verfügt. Jedenfalls in der Produktionsphase hätte er sich als technischer Projektleiter intensivere Gedanken über den angeblichen Verwendungszweck der bestellten Teile machen müssen. Entscheidend ist dabei, dass es für den verantwortlichen Produktionsleiter G. «neu» war, «Komponenten zu Schmiedepressen» herzustellen. Er hatte auf diesem Gebiet keine Erfahrung. Wenn man auf seine eigenen Angaben abstellt, verliess er sich ohne weiteres auf Cowley und A., die ihm beide nicht näher bekannt waren. Er konnte jedoch nicht mit Bestimmtheit wissen, was sein Betrieb für das irakische Ministerium eigentlich herstellt und wofür die Objekte bestimmt waren. Er nahm nur an, dass es sich um «Komponenten zu Schmiedepressen» handle, weil ihm dies von Cowley und A. so gesagt worden .
BGE 122 IV 103 S. 120 war. Dies hinterfragte er nach seiner eigenen Zugabe nicht, obwohl gewisse Auffälligkeiten bestanden. Wie oben bereits gesagt, hätte schon der Vertragspartner, das Ministerium
eines bis kurz zuvor Krieg führenden arabischen Landes, gewisse Zweifel über die Endbestimmung der bestellten Teile hervorrufen sollen. Die Bundesanwaltschaft geht überdies davon aus, Dr. Cowley habe «darüber orientiert …, dass Bull verschiedene Rüstungssachen in Arbeit habe». Der Zeuge Cowley hatte vor der Untersuchungsrichterin denn auch ausgesagt, er habe gegenüber Von Roll erwähnt, dass Dr. Bull verschiedene Projekte aus dem Rüstungssektor mit dem Irak in Arbeit hatte. Dies hat der Zeuge an der Hauptverhandlung bestätigt, wobei er in bezug auf den Angeklagten G. jedoch einschränkte, er habe diesen «nicht spezifisch» informiert. Der Zeuge hat jedoch nicht behauptet, dass man sich nicht «ganz allgemein» über seine Tätigkeit auf dem Rüstungssektor unterhalten habe. Es erscheint denn auch als ausgeschlossen, dass der Angeklagte G. überhaupt nichts über die übrige Tätigkeit Cowleys gehört haben könnte und nicht erfuhr, dass Cowley sich jedenfalls in anderem Zusammenhang mit Rüstungsprojekten befasst hatte. Die Bundesanwaltschaft ist weiter der Auffassung, «mehrfache Planänderungen» hätten «die Annahme eines Prototyps (und nicht einer üblichen Schmiedepresse)» nahegelegt. Das Beweisverfahren hat zwar nicht ergeben, dass auffallend viele Planänderungen vorgekommen wären. Es steht jedoch fest, dass der Kunde jedenfalls gewisse Änderungswünsche vorbrachte, die nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen waren. Am 31. Januar 1989 sah sich die Von Roll veranlasst, per Telex an A. eine dringende Mitteilung («Urgent Message!!!!!») zu senden, in der sie sich eher ungehalten unter anderem über «new drawings for the cylinder (new configuration)» äusserte, die erst nach Beginn der Produktion («after production has been started») eingetroffen waren. Auch einer Aktennotiz über eine Besprechung vom 7. März 1989 in Brüssel ist zu entnehmen, Von Roll sei «frustrated by continual design changes». Die Bundesanwaltschaft macht zu Recht geltend, dass es sich für Von Roll erkennbar um eine «heikle und einzigartige Ausführung» handelte, und dies hätte beim technischen Leiter der Produktion doch dazu führen sollen, sich Gedanken über den Auftrag zu machen. An der soeben erwähnten Besprechung in Brüssel wurde im übrigen noch über «the supply and fitting of nimonic liners to the Tubes» gesprochen. Bis kurz zuvor hatte der Angeklagte nie etwas von diesem Werkstoff gehört, .
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BGE 122 IV 103 S. 121 und er war denn auch entschlossen, den Auftrag, die Buchsen mit Nimonic auszukleiden, abzulehnen. Immerhin hätte aber auch dieser für ihn aussergewöhnliche Wunsch der Vertragspartner dazu führen sollen, dass er sich den Verwendungszweck der herzustellenden Teile einmal überlegt. Trotz verschiedener Umstände, die sowohl in bezug auf den irakischen Vertragspartner und dessen europäischen Beauftragten Cowley als auch in bezug auf die herzustellenden Teile jedenfalls etwas auffällig waren, hielt der Angeklagte G. als verantwortlicher technischer Leiter während der ganzen Produktionsphase ohne weiteres und unbeirrt daran fest, dass der irakische Staatsangehörige A. und Dr. Cowley die Wahrheit über den Verwendungszweck der herzustellenden Teile gesagt hatten. Diese Vertrauensseligkeit war jedoch auf Grund der Umstände nicht gerechtfertigt und muss nach Auffassung des Bundesstrafgerichts in bezug auf den für die Fertigung Verantwortlichen als sorgfaltswidrig bezeichnet werden. Am Rande ist denn auch anzumerken, dass der Zeuge R., der bei Von Roll ebenfalls mit den für den Irak herzustellenden Teilen befasst war und der an der Hauptverhandlung auf entsprechende Frage bemerkte, «sicher» habe er im Untersuchungsverfahren die Wahrheit gesagt, in der Voruntersuchung deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass unter der Belegschaft schon während der Produktionsphase eine gewisse Unsicherheit entstand und ein Monteur sich z.B. fragte, «ob das für Pressen sei oder ob es nicht Verschlussblöcke wären». Der Angeklagte G. will zwar heute noch davon überzeugt sein, dass er damals in jeder Beziehung korrekt und fehlerfrei gehandelt hat. Dann aber erstaunt es doch einigermassen, dass er ohne weiteres dazu bereit war, nach den Anhaltungen in Frankfurt und Bern einen Teil der Konstruktionspläne der irakischen Botschaft abzuliefern. Zu diesem Zeitpunkt wusste er genau, dass die Behörden wegen vermuteter Widerhandlung gegen das KMG ermittelten. Wäre seine Annahme, er habe sich an der Herstellung von Bestandteilen zu Schmiedepressen beteiligt, richtig gewesen, so hätten ihn diese Pläne ja gerade entlasten können. Das Bundesstrafgericht kommt zum Schluss, dass der Angeklagte G. verpflichtet gewesen wäre, den wahren Verwendungszweck der unter seiner
technischen Leitung hergestellten Gegenstände intensiver zu hinterfragen. Er hätte dann mindestens festgestellt, dass die in Frage stehenden Zylinder BGE 122 IV 103 S. 122 nicht zur Erzeugung von Kräften, sondern für den Abbau grosser Kräfte verwendet werden und Eigenschaften von grossen Stossdämpfern aufweisen. Dies hätte zu weiteren Fragen über den Verwendungszweck Anlass gegeben. Da der Angeklagte solche Überlegungen unterlassen hat, ist er der fahrlässigen Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz schuldig zu sprechen. Nicht erwiesen ist auch für diese Zeit demgegenüber, dass der Angeklagte G. tatsächlich um den wahren Verwendungszweck der unter seiner Leitung hergestellten Teile gewusst hat. Insbesondere kann aus der Tatsache, dass mit der Zeit die Projekt- durch Phantasienamen ersetzt wurden, nichts hergeleitet werden. b) Der Angeklagte M. war beruflich immer kaufmännisch tätig, und gemäss dem Ergebnis des Beweisverfahrens verfügt er über keine technischen Kenntnisse. Es sind nicht genügend Umstände ersichtlich, aus denen sich ergäbe, dass er als an der Produktion Unbeteiligter in dieser Zeit hätte am angeblichen Verwendungszweck der in seiner Firma hergestellten Gegenstände zweifeln müssen. Da im übrigen auch nicht nachgewiesen worden ist, dass er vom wahren Verwendungszweck tatsächlich Kenntnis erhalten hat, ist er für diese Zeitspanne freizusprechen. IV.3.a) Anders verhält es sich in bezug auf den Angeklagten M. für die letzte Phase des Geschehens. Ende April / Anfang Mai 1990 wurden auf dem Flughafen Frankfurt sowohl die Lieferung Nr. 19 als auch die Lieferung Nr. 20, die zwei «Hydraulic Cylinders», ein «Pivot Drum Housing Assembly» und ein «Housing Slide» enthielt, von den Behörden zurückgehalten. Bevor der Angeklagte von diesem Umstand erfuhr, ging bei Von Roll am 30. April 1990 ein von A. unterzeichneter Telex ein, der verlangte, der Versand des noch bei Von Roll befindlichen Materials sei zu stoppen «until we inform because we .
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find cheaper transporters». Der Angeklagte M. bestreitet nicht, am 4. Mai 1990 von der Anhaltung der Lieferungen in Frankfurt Kenntnis erhalten zu haben. Unbestrittenermassen wurde ihm an diesem Tag ein Fernschreiben von S. von der Iraqi Airways übergeben, in welchem es um die Anhaltung in Frankfurt ging. Das Fernschreiben hat folgenden Wortlaut: This is to inform you, that above mentioned shipment is confiscated by german customs authorities frankfurt-airport and are not allowed to be exported to iraq. BGE 122 IV 103 S. 123 Reason. Legal offense against – Kriegswaffenkontrollgesetz – (german war materials control law). Unallowed transit of war materials through 3rd countries. Der Angeklagte M. bestätigte an der Verhandlung, das Fernschreiben nicht nur erhalten, sondern auch gelesen zu haben. Er behauptet zwar heute, sich nicht mehr an den Hinweis auf das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz erinnern zu können. Es ist aber ausgeschlossen, dass er damals diesen kurzen Telex nicht ganz gelesen und insbesondere übersehen haben könnte, dass darin von «legal offense against Kriegswaffenkontrollgesetz» und «unallowed transit of war materials» die Rede war. Es steht somit fest, dass er ab dem 4. Mai 1990 wusste, dass der Irakauftrag in bezug auf die Frage, ob es allenfalls um Kriegsmaterial geht, problematisch war. Der Zeuge T., der im fraglichen Zeitraum bei der Von Roll als Speditionsleiter tätig war und der den Telex ebenfalls gelesen hatte, erklärte denn auch an der Hauptverhandlung, er sei «konsterniert» gewesen, als er von der Anhaltung erfahren hatte. Auch weitere Personen, die ausserhalb der Von Roll standen, waren über die zollamtliche Anhaltung von Gütern der Von Roll ernstlich besorgt. Der Zeuge U., seinerzeit Leiter des Beglaubigungsdienstes bei der Berner Handelskammer, sagte aus, er habe, nachdem er von der Anhaltung erfahren und entsprechende Bilder im Fernsehen gesehen hatte, seine Mitarbeiter dahingehend instruiert, allfällige in dieser Sache eingehende Gesuche müssten ihm vorgelegt werden; er habe seine Unterlagen durchgesehen und die mit der .
vorliegenden Angelegenheit in Zusammenhang stehenden Papiere in den Tresor gelegt. Der Zeuge V. vom Schweizerischen Bankverein vertrat auf die Frage, welche Auswirkungen eine Beschlagnahme auf die Abwicklung eines Akkreditives habe, sogar die Auffassung, in einem solchen Fall sollte man «nach Treu und Glauben» nicht bezahlen, bevor man nicht wisse, «was los ist». Der Zeuge W. von der Transportfirma Danzas schliesslich, der nach seiner Aussage ebenfalls durch die Iraqi Airways darüber informiert worden ist, dass die Lieferung in Frankfurt wegen vermuteter Widerhandlung gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zurückbehalten wurde, sprach an der Hauptverhandlung von einer «Ausnahmesituation», und ergänzte, ein ähnlicher Fall habe sich in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Transportgewerbe nur noch ein weiteres Mal ereignet. Es steht aufgrund dieser Zeugenaussagen fest, dass die Anhaltung in Frankfurt derart aussergewöhnlich war, dass man BGE 122 IV 103 S. 124 nicht einfach darüber hinweg und zur Tagesordnung übergehen durfte. Nach seinen Aussagen hat der Angeklagte M. nach Erhalt des Telex vom 4. Mai 1990 beim Zoll in Frankfurt telefonisch nachgefragt und erfahren, dass abgeklärt werden müsse, ob eine «Durchfuhrbewilligung» vorliege. Dies mag zutreffen, ändert jedoch nichts daran, dass es nach seinem Kenntnisstand nicht einfach um das Fehlen irgendeiner verhältnismässig belanglosen «Durchfuhrbewilligung» ging, sondern dass der Verdacht auf eine Zuwiderhandlung gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz bestand. Dem Angeklagten ist zwar zugute zu halten, dass er die Rechtsabteilung der Von Roll über die Anhaltung in Frankfurt grundsätzlich informiert hat. Aber er behauptet selber nicht, eindringlich auf den Umstand, dass der Verdacht auf eine Zuwiderhandlung gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz bestand, hingewiesen zu haben. Er will nach wie vor der unbeirrten Überzeugung gewesen sein, es gehe in Wirklichkeit um Schmiedepressen, und aus diesem Grund habe er die letzte Lieferung abgewickelt, wie wenn nichts geschehen wäre. Nach seiner Angabe an der Hauptverhandlung hatte der Angeklagte M.
bereits vorher davon Kenntnis, dass die Iraker angeordnet hatten, die noch in Bern befindlichen Gegenstände müssten über eine andere Route versandt werden, da diese billiger sei und in Jugoslawien ein Sammeltransport bereit stehe. Zudem bestand der Irak plötzlich auf einem anderen Adressaten für die noch beim Werk befindliche 21. Sendung. Die Iraker verlangten, dass die Angabe «Ministry of Industries Iraq, PC2 Project 839, att. Mr. A.» durch «The State Trading Company for Cars and Machines, Ministry of Trade» ersetzt werde. Diese Umstände meldete der Angeklagte der Rechtsabteilung nicht, weil er sich nach seiner Behauptung an der Hauptverhandlung darüber keine Gedanken gemacht haben will. Dies kann ihm nach Auffassung des Bundesstrafgerichts nicht abgenommen werden, da ihm die irakischen Änderungswünsche auffallen mussten, nachdem ihm bekannt war, dass der Verdacht auf eine Zuwiderhandlung gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz bestand. Die vom Irak verlangten Änderungen machten für die Vorbereitung der 21. und letzten Lieferung umfangreiche Arbeiten nötig. Die Transportkisten mussten neu beschriftet und die Dokumente, das heisst die Beglaubigung der Berner Handelskammer und das Akkreditiv, geändert werden. An diesen Aktivitäten war der Angeklagte M. zugestandenermassen beteiligt. Noch am 9. Mai 1990, BGE 122 IV 103 S. 125 also einen Tag vor der Anhaltung der 21. Lieferung in Bern, sandte er persönlich an A. einen Telefax mit dem Inhalt: «Top urgent – Top urgent – Amendmend of May 8, 1990 uncomplete. Please add the following: – delivery terms ex works Berne instead of FOB Frankfurt airport, – forwarding agents receipt marked freight payable at destination to be presented instead of airwaybill. Please amend as soon as possible». Dem Angeklagten M. ist nach Auffassung des Bundesstrafgerichts vorzuwerfen, dass er, nachdem er von der Anhaltung in Frankfurt und dem Verdacht auf Zuwiderhandlung gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz erfahren hatte, alles dafür unternahm, dass die 21. Lieferung doch noch ihren Bestimmungsort erreichte. Seine Aktivitäten hörten erst mit der Beschlagnahme der 21. Lieferung in Bern auf. Er hat dabei
eine Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz zumindest in Kauf genommen und damit eventualvorsätzlich gegen das genannte Gesetz verstossen. Dem Angeklagten M. ist anzulasten, dass er gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a KMG ohne entsprechende Bewilligung Kriegsmaterial vertrieben hat. Er ist folglich wegen vollendeter Tatbegehung schuldig zu sprechen. Ob darin zugleich ein Versuch der unerlaubten Ausfuhr liegt, ist für die Subsumtion seines Verhaltens unerheblich. b) Demgegenüber hat das Beweisverfahren in bezug auf den Angeklagten G. nicht ergeben, dass dieser nach dem 4. Mai 1990 für die Abwicklung der letzten Sendung noch irgend etwas aktiv unternommen hätte. Der Angeklagte M. hat ausgeführt, er habe den Angeklagten G. über die Anhaltung in Frankfurt informiert. Dass dieser in der Folge irgendwie tätig geworden wäre, hat der Angeklagte M. demgegenüber nicht behauptet. Ob der Angeklagte G. allenfalls unter dem Gesichtswinkel der Unterlassung verpflichtet gewesen wäre, der Abwicklung der letzten Lieferung entgegenzuwirken, muss im übrigen schon deshalb nicht geprüft werden, weil ihm in der Anklage eine Unterlassung nicht vorgeworfen wird. Der Angeklagte G. ist für diese letzte Phase des Geschehens deshalb vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz freizusprechen. V. (Freispruch des Angeschuldigten P.) .
BGE 122 IV 103 S. 126 VI.1. Gemäss Art. 19 Abs. 2 KMG macht sich strafbar, wer als Geschäftsherr oder Arbeitgeber es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung von Untergebenen abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben. Ist der Geschäftsherr oder Arbeitgeber eine juristische Person, so machen sich nach Art. 19 Abs. 3 KMG strafbar die schuldigen Organe, Organmitglieder, geschäftsführenden Gesellschafter oder tatsächlich leitenden Personen. Auch im Falle des Angeklagten F. lässt sich nicht nachweisen, dass er um das Irakgeschäft als solches oder gar um den wahren Verwendungszweck der
hergestellten Teile gewusst hätte. VI.2. Die Anklage wirft dem Angeklagten F. vor, es seien «keinerlei organisatorische Bemühungen erkenntlich, Kriegsmateriallieferungen, z.B. durch das Werk Bern, frühzeitig zu erkennen und zu verhindern». Der Angeklagte hat anerkannt, dass in der Von Roll keine solchen Vorkehren getroffen worden sind. Seiner Ansicht nach war dies nicht nötig, da die Von Roll nicht mit Waffen handelte, und zudem wäre jedenfalls nicht er als Konzernchef zum Erlass entsprechender Weisungen verpflichtet gewesen. a) aa) Es mag zutreffen, dass die Von Roll keine Waffen herstellt. Sie stellt jedoch Waffenbestandteile für schweizerische Stellen her. Wie aus einer «Aufstellung über die der Firma Von Roll AG seit 1983 erteilten Aufträge durch die Eidg. Rüstungsbetriebe» vom 11. Juni 1992 ersichtlich ist, weisen diese Aufträge einen nicht unerheblichen Umfang auf. Die Von Roll AG in Gerlafingen ist denn auch Inhaberin der Grundbewilligung Nr. 2736 vom 20. Juli 1967, wonach sie unter anderem ermächtigt ist, Bestandteile für Feuerwaffen samt Zubehör, gepanzerte Fahrzeuge und militärische Spezialfahrzeuge, Panzerungen für militärische Verwendung, Flugmaterial für militärische Verwendung sowie (aufgrund einer Ergänzung der Bewilligung vom 18. Juni 1980) Bestandteile für Munition herzustellen. .
bb) Ein Unternehmen, das in der Stahlproduktion tätig ist und Bestandteile für Kriegsmaterial herstellt, ist verpflichtet, Sicherheitsvorkehren zu treffen, die nach Möglichkeit von vornherein Widerhandlungen gegen das KMG im Betrieb ausschliessen. Dies ist aus Art. 19 Abs. 2 KMG herzuleiten. Vor allem aber besteht für ein solches Unternehmen die Pflicht, die nötigen organisatorischen Vorkehren zu treffen, damit bei einem konkreten Verdacht, BGE 122 IV 103 S. 127 die Herstellung und die Ausfuhr von in seinen Betrieben hergestellten Produkten könnte gegen das KMG verstossen, die Zulässigkeit der Produktion und der Ausfuhr unverzüglich überprüft und ein bereits in Angriff
genommenes Geschäft nicht einfach abgewickelt wird, wie wenn nichts geschehen wäre. cc) Wie dargelegt, wurde spätestens am 4. Mai 1990 im Werk Bern bekannt, dass eine für den Irak bestimmte Sendung der Firma Von Roll in Frankfurt angehalten worden war, weil der Verdacht eines Verstosses gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz bestand. Der Angeklagte M. hat diese Information unverzüglich an die Rechtsabteilung des Von Roll-Konzerns in Gerlafingen weitergegeben. Spätestens als die Anhaltung der Lieferung in Frankfurt bekannt wurde, bestand für die Firma Von Roll die Rechtspflicht, die Vereinbarkeit des Irakgeschäftes mit dem KMG zu überprüfen. Insbesondere war die Firma verpflichtet zu verhindern, dass bis zur Klärung dieser Frage das Geschäft fortgeführt und weitere Lieferungen vorgenommen würden. Diese Rechtspflicht wurde verletzt, indem trotz des eindeutigen Warnsignals der Anhaltung in Frankfurt nichts unternommen wurde, um die letzte Lieferung zu stoppen. Die Anhaltung einer für den Irak bestimmten Lieferung wegen Verdachts der Verletzung des deutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes stellt nicht irgendeine Bagatelle dar, sondern ist ein Ereignis, in bezug auf welches sichergestellt sein muss, dass die verantwortlichen Organe erstens unverzüglich informiert werden und zweitens sofort die nötigen Dispositionen in bezug auf die Abwicklung laufender Geschäfte treffen können. dd) Ob und inwieweit die Konzernleitung berechtigt ist, die hier umschriebene Rechtspflicht zu delegieren (dazu GÜNTER HEINE, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, Baden-Baden 1995, S. 121 ff.; NIKLAUS SCHMID, Einige Aspekte der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Gesellschaftsorganen, ZStrR 105/1988, S. 175 ff.), braucht nicht entschieden zu werden, da die Verantwortlichen der Von Roll nicht einmal versucht haben, im Rahmen einer sachgerechten Organisation insoweit eine Delegation vorzunehmen. Deshalb braucht auch nicht weiter geprüft zu werden, ob und inwieweit auch dann, wenn die Konzernleitung Pflichten in zulässiger Weise delegiert, sie weiterhin, etwa unter dem Gesichtspunkt der sorgfältigen Auswahl und Kontrolle, verantwortlich bleiben .
kann. b) Nach der eigenen Darstellung des Angeklagten und aufgrund des Beweisergebnisses ist davon auszugehen, dass es im Mai 1990 in der Firma BGE 122 IV 103 S. 128 Von Roll keinerlei organisatorische Vorkehren dafür gab, wie zu verfahren ist, wenn eine Lieferung wegen des Verdachts eines Verstosses gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz angehalten wird. Entsprechend hat auch der Leiter des Rechtsdienstes, wenn man ihm Glauben schenken darf, auf die Nachricht der Anhaltung in Frankfurt nicht sachgerecht reagiert. Er hat niemanden informiert, der nun seinerseits eine Überprüfung des Irakgeschäftes und im Zusammenhang damit gegebenenfalls einen Verzicht auf die sofortige Abwicklung der nächsten Lieferung angeordnet hätte. Er selbst hat in dieser Hinsicht auch nichts unternommen. c) Die verantwortlichen Organe haben es also unterlassen, die nötigen organisatorischen Massnahmen zu treffen, die eine richtige Reaktion auf die Anhaltung der Lieferung in Frankfurt sichergestellt hätten. Die Verantwortung dafür tragen die schuldigen Organe, Organmitglieder, geschäftsführenden Gesellschafter und tatsächlich leitenden Personen im Sinne von Art. 19 Abs. 3 KMG. In einem grösseren Unternehmen wie der Firma Von Roll dürfte die Verantwortung für eine genügende Organisation mehrere Personen treffen. In erster Linie dürfte die entsprechende Pflicht beim gesamten Verwaltungsrat liegen, der sich jedenfalls objektiv seiner Verantwortung nur entschlagen kann, wenn er das Problem der hinreichenden Organisation im Rahmen der zulässigen Grenzen an eine andere Stelle delegiert hat. Vorliegend ist jedoch einzig zu prüfen, ob die Pflicht jedenfalls auch den Angeklagten F. traf. Diese Frage ist zu bejahen. Er war nicht nur als Konzernchef, sondern insbesondere auch als derjenige, der in der obersten Leitung für den Rechtsdienst verantwortlich war, verpflichtet, eine Organisation durchzusetzen, wie sie hier umschrieben wurde. Diese Pflicht traf ihn schon lange vor der Anhaltung der Lieferung in Frankfurt. Er hat gegen diese ihm obliegende Rechtspflicht
verstossen und zwar, wie das Bundesstrafgericht im Zweifel annimmt, fahrlässig, weil er sich darüber nicht hinreichende Gedanken gemacht hat. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob er aufgrund der Presseberichte von April 1990 (vgl. z.B. NZZ vom 14.4.: «Eine Superkanone für Saddam Hussein?», NZZ vom 17.4.: «Rätselraten über die irakische ‹Superkanone’«) hätte hellhörig werden müssen. .
d) Die weitere Frage, ob diese Pflichtverletzung für die Widerhandlung gegen das KMG kausal war, ist zu bejahen, wenn anzunehmen ist, dass aufgrund eines hinreichenden Sicherheitsdispositivs die letzte Lieferung hätte verhindert werden können. BGE 122 IV 103 S. 129 aa) Hätte der Angeklagte rechtzeitig ein entsprechendes Sicherheitsdispositiv auf die Beine gestellt, dann hätte noch am 4. Mai 1990 eine verantwortliche Person von der Anhaltung der Lieferung in Frankfurt und den Umständen der Anhaltung erfahren. Diese verantwortliche Person hätte noch am 4. Mai, spätestens aber am Montag, den 7. Mai, die Notbremse ziehen können. Vorausgesetzt, dass der Angeklagte bei der Auswahl und der Instruktion dieser verantwortlichen Person mit der nötigen Sorgfalt gehandelt hätte, hätten sich damit die letzte schliesslich in Bern angehaltene Lieferung und damit auch eine weitere Verletzung des KMG verhindern lassen. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Unterlassen des Angeklagten und der eingetretenen Gesetzesverletzung ist deshalb zu bejahen. bb) Zu prüfen bleibt, ob die Kausalität auch dann zu bejahen wäre, wenn davon auszugehen wäre, dass der Angeklagte F. die erforderliche Organisation nicht alleine hätte anordnen und durchsetzen können, sondern dass es dazu der Entscheidung eines leitenden Gremiums bedurft hätte. Wäre hier gegebenenfalls der Kausalzusammenhang zwischen dem Unterlassen des Angeklagten und dem eingetretenen Erfolg zu verneinen mit dem Argument, es sei nicht bewiesen, dass der Angeklagte, hätte er sich für eine hinreichende Organisation eingesetzt, dafür eine Mehrheit gefunden hätte? Die strafrechtliche Zurechnung ist auch in einer solchen Konstellation zu bejahen
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(vgl. ERIC HILGENDORF, Fragen der Kausalität bei Gremienentscheidungen, NStZ 1994, S. 565 f.; GÜNTHER JAKOBS, Strafrechtliche Haftung durch Mitwirkung an Abstimmungen, Festschrift für Koichi Miyazawa, Baden-Baden 1995, S. 419 ff.; LARS RÖH, Die kausale Erklärung über bedingte Erfolge im Strafrecht, Frankfurt 1995, S. 145 ff.; vgl. auch WINFRIED HASSEMER, Produkteverantwortung im modernen Strafrecht, Heidelberg 1994, S. 59 ff.). Wenn ein Entscheidungsgremium für eine hinreichende Organisation verantwortlich ist, dann ist jedes Mitglied dieses Gremiums, das es unterlässt, sich für die Durchsetzung dieser Pflicht einzusetzen, kausal für den Erfolg verantwortlich. e) Zusammenfassend ergibt sich, dass der Angeklagte F., indem er als Konzernchef und insbesondere in seiner Funktion als Betreuer des Konzernstabs Recht der vorliegend zu beurteilenden Problematik keine Aufmerksamkeit schenkte und sich deshalb nicht für eine hinreichende Organisation einsetzte, es fahrlässig unterlassen hat, die Verletzung des Kriegsmaterialgesetzes zu verhindern. BGE 122 IV 103 S. 130 VII.1.a) Bei der Strafzumessung ist vom gesetzlichen Strafrahmen auszugehen. Wer – ohne dass ein schwerer Fall vorliegt – vorsätzlich ohne entsprechende Bewilligung Kriegsmaterial unter anderem herstellt oder vertreibt, wird mit Gefängnis von drei Tagen bis zu drei Jahren oder mit Busse bis zu 500 000 Franken bestraft (Art. 17 Abs. 1 lit. a KMG, Art. 36 StGB). Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis von drei Tagen bis zu sechs Monaten oder Busse bis zu 40 000 Franken (Art. 17 Abs. 2 KMG, Art. 36 und 48 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Ist im Gesetz wahlweise Freiheitsstrafe oder Busse angedroht, so kann der Richter in jedem Falle die beiden Strafen verbinden (Art. 50 Abs. 2 StGB). Derselben Strafdrohung unterliegt unter anderem der Geschäftsherr, der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung gegen das KMG abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben (Art. 19 Abs. 2 KMG). Gemäss Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe innerhalb des .
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gesetzlichen Strafrahmens nach dem Verschulden des Täters zu und berücksichtigt dabei insbesondere die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Das Bundesgericht hat sich in den letzten Jahren mehrfach in grundsätzlicher Weise mit der Strafzumessung befasst. Auf diese Entscheide kann hier verwiesen werden (vgl. BGE 121 IV 3 E. 1a und 49 E. 2a, BGE 119 IV 10 E. 4b und 330 E. 3, je mit Hinweisen). .
b) Mit der Bundesanwaltschaft ist zunächst davon auszugehen, dass kein schwerer Fall im Sinne von Art. 17 Abs. 1 letzter Satz KMG vorliegt. Dennoch ist in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen. Das KMG erfasst die unterschiedlichsten Phänomene. In einem Fall, mit dem sich der Kassationshof des Bundesgerichts im Dezember 1995 zu befassen hatte, wurde ein Täter mit vier Monaten Gefängnis bestraft, der vorsätzlich und ohne Bewilligung 26 Faustfeuerwaffen veräussert und fünf mit Tränengas ausgerüstete Schlagstöcke in die Schweiz eingeführt und zwei davon verkauft hatte (vgl. BGE 121 IV 365). Auch der Handel mit verhältnismässig wenigen und kleineren Waffen kann also das KMG verletzen. Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um Waffensysteme, die ein ausserordentliches Gefährdungspotential aufweisen, wenn sie zum Einsatz gelangen. Schon dies allein rechtfertigt es, auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen. .
BGE 122 IV 103 S. 131 c) Die Angeklagten G., M. und F. sind zwar aus verschiedenen Gründen zu verurteilen. In Berücksichtigung aller Umstände ist ihr Verschulden jedoch etwa gleich hoch einzustufen. Obwohl ihnen aufgrund des Beweisergebnisses nicht vorgeworfen werden kann, vorsätzlich Verträge über die Herstellung und den Export von Kriegsmaterial abgeschlossen zu haben, und die Anklage sich nur teilweise als begründet erwiesen hat, darf das ihnen anzulastende Fehlverhalten nicht bagatellisiert werden. Sie haben eine Gleichgültigkeit in bezug auf das Problem der illegalen Kriegsmaterialausfuhr an den Tag gelegt, die nach Auffassung des Bundesstrafgerichts mehr als bedenklich ist. Dies gilt unter
den vorliegenden Umständen selbst für den Fall, dass es in der sogenannten «Lohnfertigung» tatsächlich üblich sein sollte, Gegenstände herzustellen, von denen man nicht weiss, wofür sie eigentlich bestimmt sind. Wenn auch dem Angeklagten M. als einzigem vorzuwerfen ist, dass er vorsätzlich gehandelt hat, so ist ihm doch in erheblichem Umfang zugute zu halten, dass er nach der Kenntnis der Anhaltung in Frankfurt unverzüglich den Rechtsdienst in Gerlafingen orientierte, und er kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass der Rechtsdienst daraufhin nichts unternommen hat; er hat auch das Fehlen eines Sicherheitsdispositivs nicht zu verantworten. Dem Angeklagten G. ist zwar nur eine fahrlässige Tatbegehung anzulasten, diese wiegt jedoch schon deshalb recht schwer, weil er sich als unmittelbar für die Produktion Verantwortlicher über längere Zeit pflichtwidrig verhalten hat. Schliesslich erscheint auch das Verschulden des Angeklagten F., der seiner besonderen Verantwortung als Mitglied des obersten Kaders nur unzureichend nachgekommen ist, als schwerwiegend, obwohl seine Pflichtwidrigkeit nach dem oben Gesagten nur für die letzte Lieferung kausal gewesen sein dürfte. Gerade diese Lieferung war bedeutend; sie umfasste unter anderem mehrere Hydraulikzylinder sowie je vier «Brackets» und «End caps». Bei allen drei Angeklagten ist der Verletzung des Beschleunigungsgebotes (oben E. I/4) Rechnung zu tragen, und bei den Angeklagten G. und M. ist zu berücksichtigen, dass seit der Tat verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist und sie sich während dieser Zeit wohlverhalten haben (Art. 64 Abs. 5 StGB). Das Bundesstrafgericht erachtet in allen drei Fällen eine Gefängnisstrafe von einem Monat als angemessen, wobei sie im Falle des Angeklagten F. als Zusatzstrafe zu einer Verurteilung durch den .
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BGE 122 IV 103 S. 132 Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 5. April 1995 wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz zu zwei Wochen Gefängnis und einer Busse von Fr. 7500.– auszusprechen ist. Zusätzlich sind die Angeklagten zu Geldbussen zu verurteilen. Aufgrund ihrer guten bis sehr guten wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl …) rechtfertigt es sich, die Geldbussen beim Angeklagten F. auf Fr. 25 000.–, beim Angeklagten G. auf Fr. 10 000.– und beim Angeklagten M. auf Fr. 8000.– festzusetzen. .
VII.2. Den Angeklagten kann ohne weiteres eine günstige Prognose gestellt werden. Die Freiheitsstrafen sind deshalb bedingt aufzuschieben, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. VIII. Ist eine Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz festgestellt, so ist, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung des betreffenden Kriegsmaterials durch den Richter zu verfügen (Art. 20 Abs. 1 KMG). Das eingezogene Kriegsmaterial verfällt dem Bunde (Art. 20 Abs. 2 KMG). Die Angeklagten haben sich einer Einziehung des im vorliegenden Verfahren beschlagnahmten Materials nicht widersetzt. Der Irak hat sich auf entsprechende Anfrage hin nicht vernehmen lassen, und die Von Roll AG hat ausdrücklich erklärt, dass sie keinerlei Rechte am einzuziehenden Material geltend mache (zum rechtlichen Gehör von Dritten zur Frage der Einziehung vgl. BGE 121 IV 365 E. 7c). Besondere Gründe, die einer Einziehung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Folglich ist im Sinne von Art. 20 KMG zu entscheiden. .
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BGE 122 IV 179 26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Juni 1996 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 137 Ziff. 1 aStGB, Art. 19 f. BetmG; Wegnahme von Betäubungsmitteln, Diebstahl. Wer jemandem aus verbotenem Besitz Betäubungsmittel wegnimmt, ist nicht wegen Diebstahls strafbar. Er ist, sofern er die Drogen nach der Wegnahme nicht unverzüglich der Polizei übergibt oder vernichtet, in Anwendung der Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes zu verurteilen (E. 3c-e). .
Sachverhalt ab Seite 179 BGE 122 IV 179 S. 179 B. fuhr am 1. Februar 1993 nach Amsterdam. Am folgenden Tag bestieg er den Zug nach Zürich. Dort fand er den Drogenhändler W. vor, der ihm von seinem Bruder in St. Gallen einmal gezeigt worden war. W. kannte B. nicht. Im Verlauf der Fahrt behändigte B. den Koffer von W., der 880 Gramm Kokain und ca. 4 kg Haschisch enthielt. B. stieg in Düsseldorf aus, mietete ein Auto und fuhr nach Frankfurt, wo er sich mit seinem Bruder und M. traf. Gemeinsam fuhren die drei in der Folge nach Konstanz, wo die Drogen in das Fahrzeug von M. umgeladen und von diesem über die Grenze in die Schweiz gebracht wurden. BGE 122 IV 179 S. 180 Am 15. Mai 1995 verurteilte das Kantonsgericht St. Gallen B. wegen Diebstahls und qualifizierter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz zu 3 Jahren Gefängnis. Im weiteren erkannte es auf eine Ersatzforderung des Staates im Betrag von Fr. 5000.–. B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben; die Sache sei an dieses zurückzuweisen zu seiner Freisprechung von der Anklage des Diebstahls und zur neuen Festsetzung der Strafe. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.
(Eintretensfrage).
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2.a) Die Vorinstanz legt dar, der Beschwerdeführer habe sämtliche Tatbestandsmerkmale des Diebstahls nach Art. 137 Ziff. 1 aStGB erfüllt. Die unrechtmässige Bereicherungsabsicht sei gegeben. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf den Stoff gehabt und dies auch nicht angenommen. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Annahme des Diebstahls verletze Bundesrecht. Das Tatbestandsmerkmal der Fremdheit der Sache und die unrechtmässige Bereicherungsabsicht seien nicht gegeben. Die Wegnahme sei in Deutschland erfolgt. Die Tat wäre deshalb nach Art. 6 Ziff. 1 StGB nur strafbar, wenn sie auch nach deutschem Recht einen Diebstahl darstellen würde. Dazu habe sich die Vorinstanz überhaupt nicht ausgesprochen. Der Beschwerdeführer ficht im weiteren die Strafzumessung an. Eine Bundesrechtsverletzung sei insoweit auch dann zu bejahen, wenn es beim Schuldspruch wegen Diebstahls bleiben sollte. 3.a) Gemäss Art. 137 Ziff. 1 aStGB wird mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer jemandem eine fremde bewegliche Sache wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern. Der am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Art. 139 Ziff. 1 nStGB, der inhaltlich Art. 137 Ziff. 1 aStGB entspricht, ist nicht milder. Die Vorinstanz ist hier deshalb zu Recht von der Anwendbarkeit von Art. 137 Ziff. 1 aStGB ausgegangen (Art. 2 StGB). .
b) aa) Das Bundesgericht hat sich bisher nicht näher dazu ausgesprochen, ob und inwieweit die Wegnahme von Betäubungsmitteln als Diebstahl strafbar sei. In drei nicht veröffentlichten Entscheiden vom 3. Februar 1989, die den gleichen Sachverhalt betrafen, hat die I. öffentlichrechtliche Abteilung in einer Rechtshilfesache Diebstahl nach schweizerischem Recht ohne weitere Begründung bejaht bei der Wegnahme von polizeilich BGE 122 IV 179 S. 181 beschlagnahmtem Rauschgift durch Kriminalbeamte (Urteile in Sachen J., C. und G. gegen Bundesamt für Polizeiwesen, je E. 3c). Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, illegale Drogen könnten gestohlen werden (PETER ALBRECHT, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Sonderband Betäubungsmittelstrafrecht, Art. 27 N. 9). Diebstahl wird auch bejaht, wenn das Opfer zum Besitz der Betäubungsmittel nicht befugt war (FELIX BOMMER, Grenzen des strafrechtlichen Vermögensschutzes bei rechts- und sittenwidrigen Geschäften, Diss. Bern 1996, S. 260 ff.). .
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bb) In Deutschland ist die Eigentumsfähigkeit, Fremdheit und Diebstahlstauglichkeit von Betäubungsmitteln umstritten (vgl. HARALD HANS KÖRNER, Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz, 4. Aufl., 1994, § 29 N. 719; WOLFGANG RUSS, Leipziger Kommentar, 11. Aufl., 1994, § 242 N. 8; LACKNER / KÜHL, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 21. Aufl., 1995, § 242 N. 5; THORSTEN ENGEL, Die Eigentumsfähigkeit und Diebstahlstauglichkeit von Betäubungsmitteln, Neue Zeitschrift für Strafrecht [NStZ] 1991, S. 520 ff.; WALTER MARCELLI, Diebstahl «verbotener» Sachen, NStZ 1992, S. 220 f.; ELMAR VITT, Nochmals: Zur Eigentumsfähigkeit und Diebstahlstauglichkeit von Betäubungsmitteln, NStZ 1992, S. 221 f.). In Frankreich wird die Auffassung vertreten, jede aneignungsfähige Sache könne gestohlen werden, auch wenn ihr Besitz durch das Opfer selbst strafbar sei (ANDRÉ VITU, Traité de droit criminel, Droit pénal spécial, 1982, .
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N. 2218; ROBERT VOUIN / MICHÈLE LAURE RASSAT, Droit pénal spécial, 6. Aufl., 1988, S. 33); der Umstand, dass es sich bei Betäubungsmitteln um verbotene Sachen bzw. solche «hors commerce» handle, sei ohne Einfluss auf die Qualifikation als Diebstahl (Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, Chambre criminelle, Paris 1985, No. 340). .
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cc) In BGE 117 IV 139 äusserte sich der Kassationshof zur Frage des Betrugs durch Verkauf von übermässig gestreckten Betäubungsmitteln. Er erkannte, unter «Vermögen» im Sinne des Betrugstatbestandes sei Vermögen zu verstehen, das zivilrechtlich geschützt sei. Das Strafrecht als «ultima ratio» könne nicht Vermögen schützen, welches zivilrechtlich nicht geschützt ist. Ein Vermögensschaden sei nur dann gegeben, wenn der arglistig Getäuschte einen rechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils habe. Ein derartiger Anspruch des arglistig getäuschten Käufers wurde im beurteilten Fall aus Art. 41 OR hergeleitet (kritisch dazu: HANS SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung des .
BGE 122 IV 179 S. 182 Bundesgerichts im Jahre 1991, ZBJV 129/1993, S. 36 f.; MARKUS BOOG, Zu den Merkmalen der Arglist und des Vermögensschadens beim Betrug im Rahmen rechtswidriger Rechtsgeschäfte, AJP 7/93, S. 779 ff.; MARC AMSTUTZ / MARCEL NIGGLI, Unrecht im Unrecht?, AJP 2/94, S. 188 ff.; GRACE SCHILD, Urteilsanmerkung, recht 1991, S. 142 ff.). REHBERG / SCHMID (Strafrecht III, 6. Aufl., S. 60) führen aus, massgebend für eine Schädigung im wirtschaftlich-juristischen Sinne könne wohl nur sein, dass dem Betroffenen durch die Straftat eine rechtlich geschützte Position entzogen wurde. Das treffe auf den Betäubungsmittelkäufer im erwähnten Fall zu, der um einen von ihm im voraus bezahlten Geldbetrag gebracht werde, nicht aber auf den umgekehrten Fall des betrügerischen Erlangens von Rauschgift, weil dessen Besitz dem Getäuschten verboten war und dieser im Hinblick auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages auch keinen Anspruch auf Bezahlung hatte. .
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aa) Gegenstand eines Diebstahls kann nur eine fremde bewegliche Sache sein. Fremd ist die Sache, wenn sie im Eigentum eines andern als des Täters steht. Massgebend ist grundsätzlich die Zivilrechtsordnung (vgl. BGE 88 IV 15 E. 4; MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Band, Art. 137 N. 17 ff.; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl., § 13 N. 7; REHBERG / SCHMID, a.a.O., S. 69; PETER NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, S. 132; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, vor Art. 137 N. 4). Fremd kann eine Sache nur sein, wenn sie verkehrsfähig ist. Die zivilrechtliche Lehre unterscheidet verkehrsfähige, beschränkt verkehrsfähige und verkehrsunfähige Sachen. Verkehrsfähig sind alle Sachen, die geeignet sind, Gegenstand privater Rechte und privatrechtlicher Verfügungen zu bilden. Sachen, denen diese Eignung ganz oder zum Teil abgeht, nennt man verkehrsunfähig oder beschränkt verkehrsfähig (ARTHUR MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, Das Eigentum, 5. Aufl., 1981, Systematischer Teil N. 198). Verkehrsunfähige Sachen sind per definitionem nicht geeignet, Objekte privatrechtlichen Eigentums zu sein; und beschränkt verkehrsfähige sind es nur in begrenztem Masse (MEIER-HAYOZ, a. a.O., Art. 641 N. 21). Zu den nicht oder nur beschränkt verkehrsfähigen Sachen gehören die sog. verbotenen Sachen. Das sind Sachen, deren Verkehrsfähigkeit durch das öffentliche Recht aus Gründen des öffentlichen Wohles aufgehoben oder beschränkt worden ist, sei es, dass sie überhaupt nicht veräussert werden .
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BGE 122 IV 179 S. 183 dürfen oder aus Gründen der Gesundheits- oder Sicherheitspolizei gar vernichtet werden müssen, sei es, dass deren Veräusserung nur unter Bedingungen (behördliche Bewilligung) zulässig ist (HAAB / SIMONIUS / SCHERRER / ZOBL, Zürcher Kommentar, Das Eigentum, 1977, Einleitung N. 34). Solche Veräusserungsverbote und -beschränkungen ergeben sich u. a. aus dem Betäubungsmittelgesetz (vgl. MEIER-HAYOZ, a. a.O., Systematischer Teil N. 212; HAAB / SIMONIUS / SCHERRER / ZOBL, a.a.O.). Entsprechend werden Betäubungsmittel zu den verkehrsunfähigen .
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bzw. beschränkt verkehrsfähigen Sachen gezählt (PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, 1. Band, 2. Aufl., Bern 1990, S. 29 N. 76 f.). HEINZ REY (Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, Bern 1991, S. 44 N. 195) spricht den Betäubungsmitteln die Verkehrsfähigkeit überhaupt ab. Betäubungsmittel könnten danach nie Gegenstand privatrechtlichen Eigentums und somit eines Diebstahls sein. Diese Auffassung erscheint als zu weit. Denn Handel und Besitz von Betäubungsmitteln sind nicht stets verboten. Eine Firma kann etwa über eine Bewilligung zu Herstellung und Handel mit Betäubungsmitteln verfügen (vgl. Art. 4 BetmG; SR 812.121). Bestimmte Medizinalpersonen können sodann grundsätzlich Betäubungsmittel nach Massgabe des Bedarfs der vorschriftsgemässen Berufsausübung ohne besondere Bewilligung beziehen, lagern, verwenden und abgeben (Art. 9 BetmG). In derartigen Fällen des erlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln dürfte deren Verkehrsfähigkeit zu bejahen sein. Wie es sich damit im einzelnen verhält, braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Die Verkehrsfähigkeit von Betäubungsmitteln ist jedenfalls zu verneinen, soweit – was meistens zutrifft – Handel und Besitz verboten sind. In diesem Bereich sind Betäubungsmittel nicht eigentumsfähig. .
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bb) W. war auf dem illegalen Drogenmarkt tätig. Zu Besitz und Handel der von ihm mitgeführten Betäubungsmittel war er offensichtlich nicht befugt. Der Beschwerdeführer hat deshalb keine fremde Sache weggenommen und den Tatbestand des Diebstahls nicht erfüllt. d) Diebstahl ist in Fällen wie hier auch zu verneinen im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut. Der Tatbestand des Diebstahls schützt, wie sich aus dem Randtitel zu Art. 137 ff. nStGB ergibt, das Vermögen. Nach BGE 117 IV 139 E. 3d / aa ist dabei auszugehen vom wirtschaftlich-juristischen Vermögensbegriff. Das Vermögen setzt sich danach zusammen aus der Summe der rechtlich geschützten wirtschaftlichen Werte (STRATENWERTH, a.a.O., § 15 N. .
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BGE 122 IV 179 S. 184 45; TRECHSEL, a. a.O., Art. 148 N. 20). Zu diesen rechtlich geschützten
Werten gehören Betäubungsmittel bei unbefugtem Besitz nicht. Sie unterliegen im Gegenteil der Einziehung (Art. 58 StGB). REHBERG / SCHMID nehmen ausgehend vom wirtschaftlich-juristischen Vermögensbegriff im übrigen zutreffend an, dass das betrügerische Erlangen von Betäubungsmitteln nicht strafbar ist, wenn der Besitz dem Getäuschten verboten war (oben E. 3b / cc). Bestraft man aber den nicht wegen Betrugs, der den Drogenbesitzer durch arglistige Täuschung um den Stoff bringt, so wäre es stossend, den wegen Diebstahls zu bestrafen, der dem Drogenbesitzer den Stoff wegnimmt. Die beiden Sachverhalte liegen nahe beieinander. Eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sich nicht. .
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e) Die Verneinung des Diebstahls führt nicht zu Strafbarkeitslücken. Denn der Täter, der dem unbefugten Besitzer Betäubungsmittel wegnimmt und sie nachher behält oder weiterveräussert, macht sich nach Art. 19 f. BetmG strafbar. Straflosigkeit kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Betäubungsmittel nach der Wegnahme unverzüglich der Polizei übergibt oder vernichtet und damit gewissermassen privat beschlagnahmt. Ist, wie hier, ein schwerer Fall nach Art. 19 BetmG gegeben, ist die Strafdrohung sogar deutlich höher als bei Diebstahl. Der Strafrahmen reicht bei einem schweren Fall nach Art. 19 BetmG von 1 Jahr Gefängnis bis zu 20 Jahren Zuchthaus, womit eine Busse bis zu 1 Million Franken verbunden werden kann; bei einfachem Diebstahl dagegen lediglich von 3 Tagen Gefängnis bis zu 5 Jahren Zuchthaus (Art. 137 Ziff. 1 aStGB, Art. 139 Ziff. 1 nStGB), bei qualifiziertem Diebstahl von 3 bzw. 6 Monaten Gefängnis bis zu 10 Jahren Zuchthaus (Art. 137 Ziff. 1bis und 2 aStGB, Art. 139 Ziff. 2 und 3 nStGB). Es können in Fällen wie hier je nach Verschulden somit aufgrund des Betäubungsmittelgesetzes gegebenenfalls hohe Strafen ausgesprochen werden. Eine zusätzliche Verurteilung wegen Diebstahls wäre von nebensächlicher Bedeutung. Mit der Bestrafung allein in Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes wird auch dem Verhaltensunwert der Tat Rechnung getragen. Dieser besteht nicht darin, dass der Täter dem unbefugten Besitzer die Betäubungsmittel entzieht. Dadurch schafft der Täter vielmehr den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand. Der Verhaltensunwert liegt darin, dass der Täter die .
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Betäubungsmittel nachher – statt sie der Polizei zu übergeben oder zu vernichten – für seine eigenen Zwecke verwendet (vgl. THORSTEN ENGEL, a.a. O., S. 521 f.). .
BGE 122 IV 179 S. 185 f) Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Da die Wegnahme der Drogen nach schweizerischem Recht im vorliegenden Fall keinen Diebstahl darstellt, erübrigt es sich zu entscheiden, wie es sich damit nach deutschem Recht verhält. Die Vorinstanz wird die Strafe neu festzusetzen haben. Deshalb brauchen auch die Einwände zur Strafzumessung nicht geprüft zu werden. Der Beschwerdeführer hat dem W. nicht nur die Drogen, sondern auch den Koffer weggenommen. Möglicherweise befanden sich nebst den Drogen noch weitere Gegenstände darin. Soweit prozessrechtlich zulässig wird sich die Vorinstanz deshalb dazu zu äussern haben, ob sich der Beschwerdeführer durch die Wegnahme des Koffers und der darin gegebenenfalls enthaltenen weiteren Gegenstände des Diebstahls strafbar gemacht hat. 4.
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(Kostenfolgen).
BGE 122 IV 197 30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Juni 1996 i.S. P. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 146 StGB; Prozessbetrug, Arglist. Auch der sogenannte Prozessbetrug fällt unter den allgemeinen Betrugstatbestand. Betrug begeht, wer das Gericht durch Täuschung veranlasst, zum Nachteil des Prozessgegners zu entscheiden (E. 2; Änderung der in BGE 78 IV 84 begründeten Rechtsprechung). Arglist in der Form der besonderen Machenschaften (E. 3). .
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Sachverhalt ab Seite 197 BGE 122 IV 197 S. 197 A. P. und K. verkauften am 15. Juli 1988 ein Grundstück mit zwei im Umbau befindlichen Mehrfamilienhäusern. Im Streit um den Vertragsinhalt erhoben die Käufer eine Forderungsklage und schliesslich am 5. Dezember 1990 eine Strafklage. Im Strafverfahren erwiesen sich die von P. im Zivilverfahren eingereichten Kreditorenlisten, die Bauabrechnung und die Belege als falsch. K. stützte sich ebenfalls auf diese Beweismittel. B. Das Bezirksgericht Rorschach verurteilte am 25. Februar 1994 P. wegen mehrfacher Urkundenfälschung und Erschleichens einer falschen Beurkundung BGE 122 IV 197 S. 198 zu 5 Monaten Gefängnis bedingt, sprach ihn aber von der Anklage des Betrugs, der Veruntreuung und der versuchten Anstiftung zur
Urkundenfälschung frei. Es verurteilte K. wegen Erschleichens einer falschen Beurkundung zu 3 Wochen Gefängnis bedingt und sprach ihn von der Anklage des Betrugs frei. Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte am 19. September 1995 beide Verurteilten auch wegen versuchten Betrugs und bestätigte die weitern Schuldsprüche. Es bestrafte P. mit 10 Monaten Gefängnis bedingt und K. mit 5 Monaten Gefängnis bedingt. C. P. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben, die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen und ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. Er macht geltend, der Schuldspruch wegen versuchten Betrugs verletze Bundesrecht und eine Arglist und Bereicherungsabsicht fehlten. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Bezirksgericht sprach den Beschwerdeführer von der Anklage des versuchten Betrugs frei, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 78 IV 84; BGE 103 IV 27 E. 5c) Prozessbetrug nicht von Art. 148 aStGB erfasst sei. Die Vorinstanz stellt diese Rechtsprechung in Frage und verurteilte den Beschwerdeführer wegen versuchten Betrugs. In der schweizerischen Literatur werde die Praxis des Bundesgerichts überwiegend kritisiert, und die kantonalen Gerichte wichen teilweise von dieser Praxis ab, so das Obergericht des Kantons Zürich (SJZ 79/1983 Nr. 41) und das Obergericht des Kantons Thurgau (RS 1983 Nr. 585). Auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung seien sich heute einig, dass der Prozessbetrug einen Anwendungsfall des Betrugstatbestands bilde. Nach dem Wortlaut von Art. 148 aStGB beziehungsweise Art. 146 StGB müssten Getäuschte und Geschädigte nicht identisch sein. Damit werde bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten ein Prozessbetrug möglich. Der Betrugstatbestand verlange seinem Sinn und .
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Zweck nach nicht, dass der Getäuschte oder die Person, die dieser vertrete, dem Betrüger oder einer von ihm vertretenen Person als Partei im privaten Rechtsgeschäftsverkehr gegenüberstehe. Er setze lediglich voraus, dass der Getäuschte durch sein «Verhalten» sich selbst oder einen anderen am Vermögen schädige. Dieses Verhalten erfasse nebst dem Verhalten im privaten BGE 122 IV 197 S. 199 Rechtsgeschäftsverkehr auch das hoheitliche Handeln des Richters. Werde der Richter in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit von einer Prozesspartei oder ihrem Vertreter arglistig getäuscht und dadurch zu einer das Vermögen des Prozessgegners schädigenden Entscheidung veranlasst, so schädige er durch sein Verhalten einen anderen am Vermögen. Der Betrugstatbestand pönalisiere jegliches Verhalten, das andere arglistig täusche und am Vermögen schädige. Es erscheine stossend, nur denjenigen wegen Betrugs zu bestrafen, der einen potentiellen Prozessgegner im vorprozessualen Stadium durch arglistige Täuschung zu einer vermögensschädigenden Verfügung veranlasse, nicht aber jenen, der seinen Prozessgegner während des Gerichtsverfahrens durch arglistige Täuschung des Richters schädige. Der Unrechtsgehalt sei in beiden Fällen mehr oder weniger gleich. Die Art. 306 und 307 StGB stellten zwar die Irreführung des Richters unter Strafe; sie schützten aber die Ermittlung der materiellen Wahrheit im gerichtlichen Verfahren und nur mittelbar die Interessen des Prozessgegners. Diese Tatbestände kämen nicht zum Tragen, wenn der Richter durch Einreichen falscher, gefälschter oder inhaltlich unwahrer Urkunden arglistig getäuscht werde. 2. Als «Prozessbetrug» gilt die arglistige Täuschung des urteilenden Richters durch unwahre Tatsachenbehauptungen der Prozessparteien, die darauf abzielen, ihn zu einem das Vermögen einer Prozesspartei oder Dritter (materiell unbegründet) schädigenden Entscheid zu bestimmen. .
a) Das Bundesgericht lehnte es in BGE 78 IV 84 ab, den Prozessbetrug nach Art. 148 aStGB zu beurteilen, weil sich das weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus dem Gesetz ergebe: Aus den (nicht bindenden) Materialien lasse sich nicht schliessen, dass unter dem .
«Verhalten» im Sinne von Art. 148 aStGB notwendigerweise auch eine Urteilsfällung verstanden werden müsse; und werde das Gesetz aus sich selbst heraus ausgelegt, halte die Auffassung nicht stand, dass die Erwirkung eines die Gegenpartei schädigenden Urteils durch Irreführung des Richters Betrug sei. Diese Entscheidung ging vom Grundgedanken aus, der Betrugstatbestand schütze die freie Willensbildung von sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr als «Parteien» gegenüberstehenden Privatrechtssubjekten. Beim sogenannten Prozessbetrug dagegen stehe der Richter weder im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit einer Partei noch handle er als deren Vertreter. Er stehe über den Parteien und spreche Recht, auch wenn er gestaltend in das Vermögen BGE 122 IV 197 S. 200 einer Partei eingreife. Gegen eine Irreführung des Richters schützten andere Bestimmungen (besonders Art. 306 und 307 StGB), so dass für den Betrugstatbestand kein Bedürfnis bestehe. In BGE 103 IV 27 E. 5c, einem Kontingentsbetrugsfall, führte das Bundesgericht aus, die Kontingentsbehörde handle hoheitlich und «verhalte» sich daher nicht im Sinne von Art. 148 aStGB. Analoges gelte beim sogenannten Prozessbetrug: Auch dort sei der hoheitlich verfügende Richter weder Geschädigter noch dessen Vertreter, weshalb der Prozessbetrug nicht unter Art. 148 aStGB falle. Es bestehe kein Anlass, von dieser Praxis abzuweichen, dies um so weniger, als nunmehr der Kontingentsbetrug vom Tatbestand des Leistungs- und Abgabebetrugs von Art. 14 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (VStrR; SR 313.0) erfasst werde (die Bestimmung war aber nicht rückwirkend anwendbar). .
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b) Die ersten Kommentatoren des schweizerischen Strafgesetzbuchs gingen von einer Anwendbarkeit des Betrugstatbestands auf den Prozessbetrug aus, bemerkten aber bereits eine Unsicherheit in der Rechtsprechung (GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, Zürich 1942, S. 276; GRAVEN, L’escroquerie en droit pénal suisse, Basel 1947, S. 33; HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, Berlin 1937, S. 269 f.; THORMANN / VON OVERBECK, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, Zweiter Band, Zürich 1941, N. 8 zu Art. 148 aStGB; ferner MAX .
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GRÜNHUT, Der strafrechtliche Schutz loyaler Prozessführung, ZStrR 51/1937 S. 43 –79, 77). BGE 78 IV 84 wurde denn auch sogleich grundsätzlich in Frage gestellt (WAIBLINGER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1952, ZbJV 91/1955 S. 101–104; WALDER, Der Prozessbetrug, SJZ 50/1954 S. 105–111) und anschliessend fortlaufend kritisiert. NOLL fand, dieser Entscheid lasse sich methodisch und dogmatisch nur schwer rechtfertigen, während er BGE 103 IV 27 in der Sache zustimmte (Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, Zürich 1983, S. 200). Nach ARDINAY dient der Betrugstatbestand nicht nur dem Schutz der Wahrheit im privaten Rechtsgeschäftsverkehr. Der getäuschte Richter entscheide kraft obrigkeitlicher Machtbefugnis, treffe so eine dem Geschädigten nachteilige Disposition, und dieses Verhalten könne einen Vermögensschaden bewirken (Der Betrug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, ZStrR 86/1970 S. 325). REHBERG betrachtet Verfügungen staatlicher Organe als Vermögensdispositionen im Sinne des Betrugstatbestands (Strafrecht III, 5. Auflage, Zürich 1990, S. 134). SCHUBARTH setzt für die Vermögensverfügung eine rechtliche Befugnis zur .
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BGE 122 IV 197 S. 201 Verfügung über fremdes Vermögen voraus, und diese Befugnis habe auch der Richter, der über eine strittige Forderung entscheidet (Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, Art. 148 StGB N. 62 und 63). STRATENWERTH führt aus, zweifellos spreche der Richter Recht, doch könne darin zugleich eine Vermögensverfügung liegen. BGE 103 IV 27 erweitere den früheren Entscheid auf alle kraft hoheitlicher Gewalt getroffenen Verfügungen und sei in dieser Allgemeinheit kaum haltbar, auch wenn sich bei betrügerischem Verhalten gegenüber dem Staat im einzelnen zahlreiche Zweifelsfragen stellten (Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Auflage, Bern 1995, § 15 N. 36). TRECHSEL merkt an, das Urteil sei mit Recht kritisiert worden (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1989, N. 18 zu Art. 148 aStGB). Auch kantonale Gerichte haben – wie die Vorinstanz – abweichend entschieden oder sind nur zögernd der Praxis des Bundesgerichts gefolgt (Nachweise a.a.O. bei ARDINAY, HAFTER und TRECHSEL). .
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Die (neuere) deutsche Lehre und Rechtsprechung anerkennen den Prozessbetrug und nehmen für eine Tatbestandsmässigkeit keine grundsätzlichen Besonderheiten an. Grundsätzliche Bedenken ergeben sich auch nicht daraus, dass ein hoheitlich handelnder Richter als Werkzeug missbraucht wird. Der Prozessbetrug wird strukturell als Dreiecksbetrug im Zivilprozess verstanden. Doch ist darauf hinzuweisen, dass nach dem im Jahre 1933 eingeführten § 138 dtZPO im Zivilprozess eine Wahrheitspflicht gilt und § 263 dtStGB nur eine Täuschung und keine Arglist voraussetzt. Nach den deutschen Erfahrungen scheint die strafrechtliche Verfolgung aufgrund unwahrer Behauptungen im Zivilprozess eher die Ausnahme als die Regel zu sein (vgl. LACKNER, Leipziger Kommentar, 10. Auflage, § 263 N. 110, 305 ff.; SCHÖNKE / SCHRÖDER / CRAMER, Strafgesetzbuch, 24. Auflage, § 263 N. 68 ff.; ULRICH EISENBERG, Wahrheitspflicht und Prozessbetrug [§ 263 StGB] im Zivilrechtsstreit, Festschrift Hannskarl Salger, Köln 1995, S. 15 –29; JÜRGEN SEIER, Prozessbetrug durch Rechts- und ungenügende Tatsachenbehauptungen, ZStW 102/1990 S. 563– 95). In der französischen Lehre und Rechtsprechung blieb die Beurteilung dieses Sachverhalts ebenfalls lange umstritten. Eingewendet wurde, dass Getäuschter (Richter) und Geschädigter nicht identisch sind, der Richter gerade wahr und falsch scheiden müsse, der Betrugstatbestand die Rolle der Delikte gegen die Rechtspflege übernehme und der im Zivilprozess .
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BGE 122 IV 197 S. 202 geschädigten Partei der zivilprozessual nicht vorgesehene strafprozessuale Rechtsweg als Zivilkläger geöffnet werde. Für Betrug sprach, dass der Richter eben getäuscht werden kann, und es widersinnig erschien, einen ausserprozessual gescheiterten Betrüger sein Ziel ungestraft durch die Täuschung des Richters erreichen zu lassen. Die französische Rechtsprechung qualifiziert diese Sachverhalte denn auch seit dem Jahre 1973 einheitlich als Prozessbetrug (escroquerie dite «au jugement», escroquerie par une procédure), so dass dieser Qualifikation heute positivrechtliche Bedeutung zukommt (MICHÈLE-LAURE RASSAT, Escroquerie [Art. 313–1 Code pénal français], Juris-Classeur Pénal 2/1996 N 142 –144). .
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c) Die in BGE 78 IV 84 begründete Praxis ist zu überprüfen. Das Bundesgericht war im Grundsatzentscheid lediglich zum Ergebnis gelangt, aus der Entstehungsgeschichte von Art. 148 aStGB lasse sich nicht schliessen, dass auch die Ausfällung eines richterlichen Urteils um Vermögenswerte erfasst sei; im übrigen sei der Richter nicht an die Materialien gebunden (BGE 78 IV 84 E. 1). Zur Hauptsache wurde der Entscheid mit dem «Wesen des Betruges» begründet, wonach der Tatbestand die rechtsgeschäftliche Willensbildung schütze und daher den Prozessbetrug nicht erfasse. Die neuere Gesetzgebung und Rechtsprechung haben diese Auslegung bereits in Frage gestellt. So wurde entschieden, dass das Erschleichen kantonaler Studienbeiträge mit gefälschten Urkunden (BGE 112 IV 19) und die Erschleichung von Schlechtwetterentschädigungen (Art. 105 AVIG; SR 837.0; BGE 117 IV 153) einen Betrug nach Art. 148 aStGB darstellen können. Dieses Konzept, dass eine über Gelder entscheidende Behörde betrogen werden kann, liegt den Art. 14 und 15 VStrR zugrunde. Es ist nicht einsichtig, weshalb das gerade dann nicht gelten soll, wenn ein Richter entscheidet, respektive dass dies nur gelten soll, wenn es um öffentliche Gelder geht. Der Schutz des allgemeinen Betrugstatbestands geht über den rechtsgeschäftlichen Verkehr hinaus, und das Tatbestandsmerkmal «Verhalten» erfasst auch die richterliche Urteilsfindung, weil der Arglistige den Richter in einen Irrtum versetzen kann und ihn so als «Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser […] einen andern am Vermögen schädigt» (Art. 146 StGB; vgl. WAIBLINGER, a.a.O.; WALDER, a.a.O., S. 109). Weil wohl Getäuschter und Verfügender, nicht aber Verfügender und Geschädigter identisch sein müssen, kann der Betrüger einen Angriff auf fremdes Vermögen auch dadurch unternehmen, dass er den urteilenden Richter zu einem materiell unrichtigen Entscheid bestimmt. .
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BGE 122 IV 197 S. 203 Wie ausgeführt, lässt sich BGE 78 IV 84 nicht anders verstehen, als dass dieser Entscheid das Schutzobjekt des Betrugstatbestands wesentlich in der freien Willensbildung sich rechtsgeschäftlich gegenüberstehender Privatrechtssubjekte sah und deshalb eine Anwendbarkeit beim hoheitlich
handelnden Richter wegen dessen fehlender Parteistellung verneinte. Diese rechtsgeschäftliche Auffassung führte dazu, die Vermögensrechte lediglich als von der Willensbildung abhängig geschützt zu betrachten (a.a.O., S. 90 Mitte). Der Entscheid stützte sich zudem auf Grünhut, der den Schaden als Auswirkung eines staatlichen Aktes und den Betrugstatbestand als auf den privaten Verkehr zugeschnitten betrachtete (a.a.O., S. 72). Diese mit einer Sonderstellung des Richters argumentierende Lehre überzeugte damals nicht und gilt heute als gänzlich überwunden (EISENBERG, a. a.O., S. 23 Fn. 60; SEIER, a.a.O., S. 564 f.). Nach heutiger Ansicht ist ausschliessliches Rechtsgut des Betrugs das Vermögen (MARKUS BOOG, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Begriff des Vermögensschadens beim Betrug, Diss. Basel 1991, S. 7 f.). Ist demnach der Betrug als Vermögensverschiebungsdelikt zu verstehen, bildet nicht die rechtsgeschäftliche Willensbildung oder ein entsprechender Verkehrsschutz das wesentliche Kriterium, sondern eben die Schädigung des Vermögens. Entscheidend ist dann, dass der Täter den Getäuschten zu einem vermögensmindernden Verhalten bestimmt. Eine Verfügungsmacht des Richters ist sodann aufgrund seiner amtlichen Zuständigkeit ebenso zu bejahen wie eine unmittelbar vermögensmindernde Wirkung des Urteils, selbst wenn es noch zu vollstrecken ist; mit der Urteilsfällung gilt der Betrug als vollendet (vgl. BGE 74 IV 146 E. 2). Schliesslich ist in dieser Konstellation ein Motivationszusammenhang der richterlichen Entscheidfindung ebenso unzweifelhaft anzunehmen wie die Kausalität zwischen der richterlichen Vermögensverfügung und dem eingetretenen Schaden (vgl. LACKNER, a.a.O., § 263 N. 310). .
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d) Zusammenfassend fällt der Sonderfall des Prozessbetrugs unter den allgemeinen Betrugstatbestand. Für eine Tatbestandsmässigkeit gelten keine grundsätzlichen Besonderheiten. Die in BGE 78 IV 84 begründete Praxis wird aufgegeben. Des Betrugs macht sich daher auch schuldig, wer den Tatbestand durch Irreführung des Gerichts begeht. Die Vorinstanz verletzt somit kein Bundesrecht, wenn sie annimmt, der sogenannte Prozessbetrug falle unter Art. 148 aStGB beziehungsweise Art. 146 StGB.
BGE 122 IV 197 S. 204 3.a) Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer zur Bestreitung von Arglist und Bereicherungsabsicht von einem andern als dem festgestellten Sachverhalt ausgeht (BGE 120 IV 16 E. 2b). Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1 und Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). An die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid ist das Bundesgericht gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Dazu zählen auch die inneren Sachverhalte wie Beweggründe und Absichten (BGE 119 IV 242 E. 2c; BGE 110 IV 20 E. 2). Im vorliegenden Verfahren ist einzig die Tatsache der Einreichung und Verwendung unwahrer Beweismittel unter betrugsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, nicht aber die Vertragsauslegung oder die materielle Begründetheit der Parteistandpunkte. Ebensowenig ist die im kantonalen Verfahren rechtskräftig beurteilte Frage des Urkundencharakters der Beweismittel zu prüfen. .
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b) Nach der Vorinstanz stehen die Prozessparteien den Behauptungen und Beweismitteln der Prozessgegner besonders kritisch gegenüber und kontrollierten sich gegenseitig. Doch sei eine Arglist dann zu bejahen, wenn falsche Beweismittel, insbesondere gefälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden, eingereicht würden, um damit nicht der Wahrheit entsprechende Parteibehauptungen zu beweisen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Klageantwort und Widerklage wahrheitswidrig ausgeführt, auf der Liegenschaft seien durch Umbauarbeiten und Gebühren Kosten von insgesamt Fr. 1 039 203.85 aufgelaufen und die spätern, der Widerklage zugrundeliegenden Umbauarbeiten hätten Kosten von Fr. 579 976.95 verursacht. Er habe zur Untermauerung dieser Behauptungen eine inhaltlich unwahre Bauabrechnung und zwei inhaltlich unwahre Listen von bezahlten Kreditoren samt Belegen eingereicht; weiter habe er zur Abstützung der Kreditorenlisten insgesamt acht gefälschte oder verfälschte Urkunden und dreizehn inhaltlich unwahre Urkunden ins Recht gelegt. Das seien keine einfachen Lügen. Er habe seine wahrheitswidrigen Behauptungen
auf eine unrichtige Bauabrechnung, aufgeblähte Kreditorenlisten und gefälschte, verfälschte und inhaltlich unwahre Urkunden abgestimmt und sich damit besonderer Machenschaften bedient. Die Unrichtigkeit der Belege sei nicht leicht durchschaubar gewesen. c) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nicht arglistig gehandelt. Er habe weder ein Lügengebäude errichtet noch sich besonderer Machenschaften bedient. Er habe einzig die Kreditorenliste dilettantisch BGE 122 IV 197 S. 205 erweitert. Nach dem Untersuchungsrichter hätten die Strafkläger die Sachdarstellung nie geglaubt. Es handle sich um einfache Lügen, deren Unwahrheit aufgrund der Prozessakten sofort feststellbar und deren Überprüfung jederzeit ohne besondere Mühe möglich gewesen sei. d) Eine blosse falsche Angabe, welche die Gegenpartei ohne besondere Mühe auf ihre Richtigkeit hin überprüfen kann, gilt seit jeher nicht schon als arglistig (BGE 72 IV 12). Bei besonderen Machenschaften kam es dagegen auf eine Überprüfbarkeit nicht an (BGE 73 IV 24 E. 1; BGE 74 IV 146 E. 1; BGE 116 IV 23 E. 1c; BGE 119 IV 28 E. 3a). Diese früher ebenso für die Tatbestandsmässigkeit des «Lügengebäudes» geltende Rechtsprechung, dass es auf eine Überprüfbarkeit nicht ankomme, wurde in BGE 119 IV 28 präzisiert: Nach diesem Entscheid ist bei einer Summierung von Lügen erst dann ein Lügengebäude und mithin Arglist anzunehmen, wenn die Lügen von besonderer Hinterhältigkeit zeugen und derart raffiniert aufeinander abgestimmt sind, dass sich auch das kritische Opfer täuschen lässt. Ist das nicht der Fall, scheidet Arglist jedenfalls dann aus, wenn sowohl das vom Täter gezeichnete Bild insgesamt, als Ganzes, wie auch die falschen Angaben für sich allein in zumutbarer Weise überprüfbar gewesen wären und schon die Aufdeckung einer einzigen Lüge zur Aufdeckung des ganzen Schwindels geführt hätte (a.a.O., E. 3 mit Hinweis auf WILLI WISMER, Das Tatbestandselement der Arglist beim Betrug, Diss. Zürich 1988, S. 53 ff. und 113). Dieser Grundgedanke des Einbezugs des Opfers (BGE 120 IV 186 E. 1a; BGE 119 IV 210 E. 3c) ist auch im Falle von Machenschaften im .
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Prozess zu berücksichtigen, so dass nicht unbesehen der konkreten Umstände eine Arglist bejaht werden darf. Als besondere Machenschaften (machinations) gelten Erfindungen und Vorkehrungen sowie das Ausnützen von Begebenheiten, die allein oder gestützt durch Lügen oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses) geeignet sind, das Opfer irrezuführen oder es in seinem Irrtum zu bestärken. Diesen Sachverhalt erfüllt insbesondere das Vorlegen rechtswidrig erlangter oder gefälschter Urkunden und Belege (BGE 106 IV 358 E. 2a [systematische Verwendung unechter akademischer Titel durch einen Psychologen], BGE 116 IV 23 E. 2c [gestohlenes Namen-Sparheft]; BGE 117 IV 153 E. 4b [inhaltlich unwahre Stempelkarten]; BGE 120 IV 14 [Erstellen inhaltlich unwahrer Rechnungen], BGE 120 IV 186 [Verwendung fingierter Dokumente]). Machenschaften sind eigentliche Inszenierungen (mise en scène); sie bestehen aus einem ganzen System von Lügen (BGE 119 IV 284 E. 6b) und setzen damit gegenüber einer .
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BGE 122 IV 197 S. 206 Summierung von Lügen (zum Lügengebäude BGE 119 IV 28 E. 3b und c) höhere Anforderungen an die Vorbereitung, Durchführung und Wirkung der Täuschungshandlung. Sie kennzeichnen sich durch intensive, planmässige und systematische Vorkehren, nicht aber notwendigerweise durch eine besondere tatsächliche oder intellektuelle Komplexität. Diese Inszenierungen können an sich einfach sein wie der Verkauf anderer als der bestellten Waren (BGE 99 IV 80; BGE 71 IV 13 E. 4). Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird, an eine Arglist seien im Prozessbetrug erhöhte Anforderungen zu stellen (SCHUBARTH, a. a.O., Art. 148 N. 63), kann das nur bedeuten, dass der Strafrichter bei der Beurteilung der Arglist der konkreten Prozessituation und Verfahrensart im Rahmen der zur Arglist entwickelten Kriterien Rechnung tragen muss. .
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e) Das prozessuale Vorgehen des Beschwerdeführers stellt zweifellos eine Machenschaft dar. Er erstellte eine unrichtige Bauabrechnung und aufgeblähte Kreditorenlisten, die er mit einer grossen Zahl gefälschter, verfälschter und inhaltlich unwahrer Urkunden und Belege stützte, um so Investitionen in der
Höhe von einer Million Franken nachzuweisen. Er stellte somit systematisch und planmässig unwahre Beweismittel her und stimmte sie aufeinander ab. Die Vorinstanz qualifizierte diese Vorkehren zu Recht als besondere Machenschaften, die das Arglistmerkmal erfüllen. Zudem gingen der Beschwerdeführer und der Mitverurteilte in ihren Klageantworten gestützt auf die gleiche Bauabrechnung vor, so dass die Vorinstanz eine gemeinsame Prozessstrategie und einen koordinierten Vorsatz im Sinne der Mittäterschaft annehmen durfte. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers schliessen dilettantische Vorkehren eine besondere Machenschaft nicht aus. Der weitere Einwand, die Zivilkläger hätten sich tatsächlich nicht täuschen lassen, ist irrelevant, weil es einerseits um eine Täuschung des Gerichts ging, und anderseits der Versuch gerade darin besteht, dass wohl der subjektive Tatbestand, nicht aber sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind; das zivilrechtliche Beweisverfahren war bei Einleitung des Strafprozesses denn auch nicht abgeschlossen gewesen.
BGE 122 IV 303 47. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. September 1996 i. S. Kriminalkommission des Kantons Appenzell I.Rh. gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 18 Abs. 3 und Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung, Sorgfaltspflicht des Lehrers auf einer Bergwanderung. Pflichten des Primarlehrers einer sechsten Klasse auf einem teilweise schneebedeckten Bergwanderweg in felsdurchsetztem Gelände; besonders im Hinblick auf das Traversieren eines abschüssigen Schneefeldes. Sachverhalt ab Seite 303 BGE 122 IV 303 S. 303 A. X. ist Primarlehrer in Wädenswil. Mit seiner sechsten Klasse beabsichtigte er, im Mai 1992 ein Klassenlager in Schwende (Appenzell I.Rh.) durchzuführen. Am 19. Mai, dem ersten Lagertag, fuhren er, seine rund zwanzig Schüler und eine erwachsene Begleitperson mit der Bahn auf den Hohen Kasten. Von dort aus begaben sie sich auf den geologischen Wanderweg und wanderten zur Staubern, wo sie das Mittagessen aus dem Rucksack einnahmen. Danach setzten sie um ca. 13.00 Uhr die Bergtour auf dem Wanderweg in Richtung Furgglen fort. Die Begleitperson ging etwa in der Mitte und X. am Schluss der Schulklasse. Wenige Meter nach dem Restaurant Staubern mussten sie zunächst ein kleineres, dann ein grösseres und schliesslich nochmals ein kleines Schneefeld überqueren. Auf dem dritten Schneefeld rutschte der ungefähr an der siebenten Stelle gehende Schüler V. aus. Er überschlug sich und stürzte weiter unten über eine Felswand. Dabei zog er sich tödliche Verletzungen zu. .
BGE 122 IV 303 S. 304 B. Gegen X. wurde eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Nach durchgeführter Untersuchung und Überweisung der Sache an das Gericht entschied das Bezirksgericht Appenzell I.Rh. an seiner Sitzung vom 5. Dezember 1994, X. werde von Schuld und Strafe freigesprochen. Gegen dieses Urteil erhoben die Kriminalkommission des Kantons Appenzell I.Rh. und die Erben des verunfallten Schülers Berufung. Am 5. September 1995 bestätigte das Kantonsgericht Appenzell I.Rh. den Freispruch der ersten Instanz. C. Die Kriminalkommission des Kantons Appenzell I.Rh. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und dieses anzuweisen, den Angeschuldigten wegen fahrlässiger Tötung schuldig zu sprechen. Die Vorinstanz hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. X. beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.
(Eintretensfrage).
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2.a) Die Vorinstanz stellte in grundsätzlicher Hinsicht fest, die Pflicht eines Lagerleiters zur Vermeidung von Gefahren müsse auf ein vernünftiges Mass beschränkt werden, wenn die mit dem Lager angestrebte Erziehung der Lagerteilnehmer zur Eigenständigkeit und Selbstverantwortung nicht zum vornherein verunmöglicht werden solle. Der Lagerleiter habe seine Sorgfaltspflicht erfüllt, wenn er die Tour sorgfältig vorbereite und die Teilnehmer richtig instruiere. Der Beschwerdegegner habe die in Frage stehende Wanderung neun Jahre zuvor bereits einmal mit einer sechsten Klasse aus Wädenswil unternommen
und sich dabei vorgängig bei der Bergstation erkundigt, ob der Wanderweg für Sechstklässler geeignet sei. Man habe ihm damals gesagt, mit gutem Schuhwerk sei dies sicher möglich, und seither habe er die Tour in jedem Klassenlager auf dem Programm gehabt. Im Prospekt der Luftseilbahn Brülisau-Hoher Kasten stehe, dass der Bergwanderweg für Schulexkursionen geschaffen worden sei und bei minimalen touristischen Anforderungen ein Maximum an verblüffenden Panoramen anbiete. Aufgrund dieser Angaben habe sich der Beschwerdegegner mit einer erwachsenen Begleitperson für die ca. 20 Schüler begnügen können. BGE 122 IV 303 S. 305 Bei einer Klassenbesprechung seien die Eltern der Schüler über das Wanderlager informiert worden, und der Beschwerdegegner habe durch den Hinweis darauf, es seien Wanderschuhe nötig, auf die Art der Touren hingewiesen. Allenfalls wären die sizilianischen Eltern von V. verpflichtet gewesen, sich insbesondere nach dem Schwierigkeitsgrad der Wanderungen zu erkundigen und darauf hinzuweisen, dass ihr relativ korpulenter Sohn noch nie eine solche Wanderung unternommen hatte und völlig bergungewohnt war. Im übrigen habe auch dieser nie erkennen lassen, dass er nicht schwindelfrei sei. Mit den erwähnten Informationen habe der Beschwerdegegner das Lager im Vorfeld genügend vorbereitet. Der Beschwerdegegner hat – nach den Ausführungen im angefochtenen Entscheid – «auf der Tour noch nie Schneefelder überqueren müssen» und «darin mit der Klasse keine Erfahrungen» gehabt. Selber habe er diesbezügliche Erfahrungen, und Schwierigkeiten hätten sich dabei nicht ergeben. Er habe vom Lagerhaus aus einen grossen Teil des Höhenwegs überblickt, so dass er sich nicht veranlasst gesehen habe, über den Zustand des Weges und allfällige Schneefelder Erkundigungen einzuholen, zumal der Wanderung eine lange Trockenperiode vorausgegangen sei. Am Morgen vor Beginn der Tour habe er erfahren, dass das Wildkirchli wegen Schnees gesperrt sei, und daraus geschlossen, «dass dies auch für andere gesperrte Wege gelte». Da es auf der Tour keine derartigen Sperren gegeben habe, habe er angenommen, dass alles in Ordnung sei. Gesamthaft gesehen habe er ohne weitere Abklärungen davon ausgehen können, der geologische Wanderweg sei
normal begehbar. Vor dem Abmarsch habe der Beschwerdegegner den Schülern die Weisung erteilt, es müsse immer einer hinter dem anderen gehen, es dürfe keiner überholen und es müsse auf dem Weg geblieben und bei Unsicherheit gewartet werden. Diese einmalige Anweisung am Anfang der Tour habe ausgereicht, da den Schülern das von ihnen geforderte Verhalten schon von anderen gemeinsamen Exkursionen und vom letztjährigen Klassenlager her bekannt gewesen sei. Spezielle Instruktionen über das Verhalten auf Schneefeldern habe der Beschwerdegegner keine gegeben. In diesem Zusammenhang sei zu betonen, «dass solche Lager nicht zuletzt dazu dienen, Eigenständigkeit und Selbstverantwortung der Schüler zu fördern». Kurz nach dem Kastensattel habe der Beschwerdegegner bei der Überquerung eines ersten, vorgespurten Schneefeldes gesehen, dass die Schneeverhältnisse gut gewesen seien und der Schnee gehaftet BGE 122 IV 303 S. 306 habe und nicht gerutscht sei, und auch bei den weiteren Schneefeldern habe er festgestellt, dass sie nicht gefroren gewesen seien. Damit habe er die Schneeverhältnisse ausreichend geprüft. Nach der Mittagsrast seien zwei berggewohnte Kinder voraus, der Beschwerdegegner am Schluss und die Begleitperson irgendwo dazwischen, aber nicht unmittelbar bei V. marschiert. Auch diese Marschordnung sei nicht zu beanstanden. Auf die Schüler an der Spitze der Klasse habe der Beschwerdegegner sich verlassen können, und die Schüler seien vor dem Abmarsch auf dem Hohen Kasten dahingehend instruiert worden, dass sie bei Schwierigkeiten halten sollten. Schon im Vorjahr sei V. in einem Klassenlager mit dem Velo sehr oft ausgeschert, habe zu Mutproben geneigt, indem er sich gefährliche Stellen ausgesucht habe, und deshalb vom Beschwerdegegner und den Mitschülern immer wieder angehalten werden müssen, sich an die Regeln zu halten. Zu dieser Frage habe der Beschwerdegegner jedoch festgestellt, «dass er aufgrund des Verhaltens von V. diesen immer bei sich haben müsste. Aber auch V. sollte Selbstverantwortung lernen. Der Angeklagte hätte ihn umgekehrt sicher zu sich genommen, wenn V. Zeichen von Unsicherheit gezeigt hätte, wenn er gesagt hätte, er habe Angst, es sei ihm schwindlig».
Die vom Beschwerdegegner erwähnte Erziehung zur Selbstverantwortung gehöre zu den wichtigsten Aufgaben der Schule. Wäre er direkt hinter V. gegangen, hätte er ihn im übrigen höchstens hin und wieder zur Aufmerksamkeit ermahnen, den Sturz selber aber nicht verhindern können. Gemäss dem Polizeirapport sei das Schneefeld an der Unfallstelle ungefähr 12 bis 15 m breit und unterhalb des Weges ungefähr 15 m lang gewesen. Im griffigen Schnee habe es zunächst gute Fusstritte gehabt. Im steilen Gelände sei der Weg zuerst ansteigend, anschliessend bei der schmalsten und zugleich steilsten Stelle leicht abfallend gewesen, und genau beim Übergang zwischen dem ansteigenden und dem abfallenden Wegstück habe sich der Unfall ereignet. Es stehe fest, «dass der Weg grundsätzlich gespurt war, dass also offensichtlich verschiedene Leute ihn als begehbar einschätzten». Gesamthaft gesehen sei dem Beschwerdegegner keine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen. b) Die Beschwerdeführerin lastet dem Beschwerdegegner im wesentlichen an, er habe die Gefahren einer nur vermeintlich harmlosen Bergtour im Frühling, insbesondere beim Vorhandensein von abschüssigen Schneefeldern, die den sicheren Weg überdecken, BGE 122 IV 303 S. 307 falsch eingeschätzt und deshalb die notwendigen Schutz- und Sicherheitsmassnahmen sowie eine hinreichende Kontrolle und Aufsicht unterlassen. Der dem Überqueren von solchen Schneefeldern innewohnenden Gefährlichkeit müsse mit Sicherungsmassnahmen (z.B. Einzelüberquerung, Pickel, Seil) begegnet werden. Vor einer anspruchsvollen Route sei zudem stets sorgfältig zu prüfen, ob die Teilnehmer über die nötige körperliche Verfassung sowie die erforderlichen geistigen und charakterlichen Qualitäten verfügen, und gegebenenfalls seien die notwendigen Vorkehren (z.B. Spezialaufsicht, Einzelbetreuung) zu treffen. Angesichts tödlicher Gefahren sei ein Hinweis auf die Erziehung zu Eigenständigkeit und Selbstverantwortung verfehlt. .
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c) Der Beschwerdegegner vertritt in seiner Stellungnahme demgegenüber die Auffassung, es könne ihm nicht als Verletzung der Sorgfaltspflicht angelastet werden, dass er mit seiner Klasse in jenem Zeitpunkt und mit seiner Ausbildung den Höhenweg gewandert sei. Auch die Unfallstelle habe gar nicht besonders gefährlich ausgesehen, und nur wo eine tödliche Gefahr als solche erkannt werde, müssten Vorsichtsmassnahmen getroffen werden. Da schliesslich der Kausalverlauf – z.B. wegen eines nicht ausgeschlossenen Selbstverschuldens des Verunfallten – nicht klar sei, müsse der Beurteilung zu seinen Gunsten der für ihn günstigste Kausalverlauf zugrunde gelegt werden. 3.a) Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft (Art. 117 StGB). Eine fahrlässige Tat liegt vor, wenn sie darauf zurückzuführen ist, dass der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat, und pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 18 Abs. 3 StGB; zum Fahrlässigkeitsdelikt allgemein vgl. BGE 122 IV 145 E. 2b; BGE 121 IV 286 E. 3). Es ist unbestritten, dass der verantwortliche Leiter eines Lagers oder einer Tour grundsätzlich verpflichtet ist, Gefahren möglichst zu vermeiden, oder dann, wenn ein Gefahrenzustand entsteht, alles Zumutbare zu tun, damit sich die Gefahr nicht verwirklicht. In einem Fall wie dem vorliegenden ist zu prüfen, was ein gewissenhafter und besonnener Mensch mit der Ausbildung und den individuellen Fähigkeiten des Angeschuldigten in der fraglichen Situation getan oder unterlassen hätte. .
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BGE 122 IV 303 S. 308 Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass Lager- und Tourenleiter, die Kinder in die Berge führen, hohen Anforderungen an die Sorgfaltspflichten gerecht werden müssen, weil Kinder meist noch nicht in der Lage sind, drohende Gefahren wahrzunehmen (GREGOR BENISOWITSCH, Die strafrechtliche Beurteilung von Bergunfällen, Zürcher Dissertation 1993, .
S. 176). Selbst körperlich trainierte und ausdauernde Jugendliche reagieren in den Bergen sehr unterschiedlich, und nicht selten verlieren sie in Notsituationen die Nerven und neigen zu Fehlreaktionen (BENISOWITSCH a.a.O. S. 53). Keinen Ausschlag geben darf angesichts der in den Bergen lauernden Gefahren, ob im Einzelfall die Erziehung des Jugendlichen zur Eigenständigkeit und Selbstverantwortung eingeschränkt wird (BENISOWITSCH a.a. O. S. 194). Dies ist jedenfalls dann hinzunehmen, wenn besondere Gefahren auftauchen. Pflicht des Führers ist es, vor Antritt der Tour sorgfältig zu prüfen, ob bei den gegebenen Witterungs- und Routenverhältnissen, der körperlichen Eignung und dem technischen Können der Teilnehmer die geplante Bergwanderung überhaupt durchgeführt werden soll. Er wird sich dabei auch vergewissern, ob die Teilnehmer genügend ausgerüstet sind. Während einer Bergtour oder Bergwanderung ist auf die Kondition der Teilnehmer Rücksicht zu nehmen und das Gelände eingehend zu studieren. Treten im Verlaufe der Tour Schwierigkeiten auf, ist in jedem Fall besondere Sorgfalt geboten (vgl. BGE 83 IV 9 E. 1a und b sowie ANDREAS GERBER, Strafrechtliche Aspekte von Lawinen- und Bergunfällen, Zürcher Dissertation 1979, S. 34–44). Auch vermeintlich harmlose Bergwanderungen bergen erhebliche Gefahren. Gerade im Frühjahr trifft man immer wieder überraschend auf abschüssige Schneefelder, die den sicheren Weg überdecken und auf welchen ein Ausrutscher genügen kann, um über eine solche Schnee- oder Firnfläche zu gleiten, was nicht selten und besonders in felsdurchsetztem Gelände zu schweren Verletzungen oder gar zum Tod führt (BENISOWITSCH a. a.O. S. 24). Gerade Kinder sollten in solchem Gelände stets zu diszipliniertem Gehen ermahnt und an exponierten Stellen sogar an ein Sicherungsseil gebunden werden (BENISOWITSCH a.a.O. S. 38). Gegebenenfalls ist auf das Durchqueren solcher Stellen zu verzichten und der Rückweg anzutreten. .
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b) Im Lichte dieser Erwägungen und der vorinstanzlichen Feststellungen erweist sich der angefochtene Freispruch als bundesrechtswidrig, zumal insbesondere bei Kindern von vornherein nicht BGE 122 IV 303 S. 309
gesagt werden kann, seine Sorgfaltspflicht habe bereits erfüllt, wer eine Tour sorgfältig vorbereite und die Teilnehmer richtig instruiere. Mit der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner die Risiken einer Frühlingsbergtour generell unterschätzt und insbesondere die hohe Gefahr verkannt hat, die entstand, als die Kindergruppe an das abschüssige Schneefeld gelangte, welches den Weg überdeckte. Der Weg wurde an dieser Stelle besonders gefährlich, da er nach den Feststellungen der Vorinstanz zunächst auf dem Schnee anstieg und dann bei der steilsten Stelle wieder abfallend wurde; genau bei diesem aussergewöhnlich gefährlichen Übergang stürzte der Verunfallte denn auch ab. Es lässt sich durchaus die Meinung vertreten, dass ein Lehrer bei den vorliegend zu beurteilenden überaus steilen Verhältnissen mit einer Schulklasse ein solches Schneefeld überhaupt nur queren darf, wenn jedes Kind (z. B. mit einem Seil) gesichert ist. Allenfalls ist sogar eine Umkehr in Betracht zu ziehen. Der Beschwerdegegner hat nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid zwar am Anfang der Tour einmal Weisungen über das Hintereinandergehen und das Verhalten bei auftauchenden Unsicherheiten erteilt, es aber unterlassen, spezielle Instruktionen für den Fall zu geben, dass Schneefelder – und insbesondere abschüssige – den Weg überdecken. Diese Unterlassung war verfehlt, da die Gruppe nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid an diesem ersten Lagertag noch über keine Erfahrung mit Schneefeldern verfügte und der Beschwerdegegner sich im übrigen, indem er am Schluss der Kolonne ging, die Möglichkeit nahm, gegebenenfalls selber das Nötige vorzukehren. Unerheblich ist dabei, dass zwei berggewohnte Kinder die Kolonne anführten, denn es kann zwar sein, dass solche Kinder den auftauchenden Gefahren richtig begegnen und – wie im vorliegenden Fall – deshalb nicht verunfallen; es ist aber ausgeschlossen, dass sie die Verantwortung für die nachfolgenden und allenfalls weniger erfahrenen Kinder übernehmen können, und es steht insbesondere nicht fest, ob sie auch in bezug auf die Fähigkeiten der anderen Kinder richtig reagieren. Im vorliegenden Fall haben die beiden Kinder an der Spitze denn auch nicht angehalten, obwohl sie dies beim Auftauchen von Unsicherheiten .
weisungsgemäss hätten tun sollen. Dazu kommt, dass der verunfallte Schüler offenbar von vornherein nicht die nötigen körperlichen und charakterlichen Eigenschaften aufwies, die im Gebirge bei auftauchenden Gefahren nötig sind. Er BGE 122 IV 303 S. 310 war nach den Ausführungen der Vorinstanz völlig bergungewohnt und überdies etwas korpulent. Er führte sich am Unfalltag sonderbar auf. Schon im Vorjahr musste er vom Beschwerdegegner und den Mitschülern in einem Klassenlager dazu angehalten werden, sich an die Regeln zu halten. Bei diesen charakterlichen Auffälligkeiten und der mangelnden Reife des Verunfallten hätte der Beschwerdegegner der Sache nicht einfach ihren Lauf lassen und den offenbar besonders auffälligen Schüler bei der heute zu beurteilenden Tour irgendwo in der Gruppe mitmarschieren lassen dürfen, ohne ihm ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Der Beschwerdegegner hat nach den Feststellungen der Vorinstanz ja selber gewusst, «dass er aufgrund des Verhaltens von V. diesen immer bei sich haben müsste». Er hätte ihn dann nicht bloss, wie die Vorinstanz anerkennt, hin und wieder zur Aufmerksamkeit ermahnen, sondern überdies die Schwierigkeiten des offensichtlich überforderten Schülers erkennen und entsprechend reagieren können. c) Was im angefochtenen Entscheid und in der Stellungnahme des Beschwerdegegners zu dessen Gunsten vorgetragen wird, vermag nicht zu überzeugen. Der Hinweis des Beschwerdegegners darauf, dass allenfalls ein Selbstverschulden des Verunfallten vorgelegen haben könnte, dringt von vornherein nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts wäre eine Durchbrechung des adäquaten Kausalzusammenhanges nur dann anzunehmen, wenn der Verunfallte ein so aussergewöhnliches Verhalten an den Tag gelegt hätte, dass damit nach allgemeiner Lebenserfahrung schlichtweg nicht hätte gerechnet werden müssen. Dass diese Voraussetzung erfüllt wäre, behauptet selbst der Beschwerdegegner nicht. Nach dem Gesagten ist es unerheblich, dass der Prospekt der Luftseilbahn generell festhält, der Wanderweg sei für Schulexkursionen geschaffen worden
und stelle nur minimale touristische Anforderungen. Diese Darstellung im Werbematerial mag für einigermassen bergerfahrene Schüler und für eine Tour im Sommer durchaus zutreffen. Sie ändert ebenso wie der Umstand, dass der Weg am Unfalltag nicht gesperrt gewesen ist, jedoch nichts daran, dass es immer auf die konkreten Verhältnisse ankommt. Schliesslich hat der Beschwerdegegner nach den Feststellungen der Vorinstanz bei der Überquerung anderer Schneefelder gesehen, dass die Schneeverhältnisse – dort! – gut gewesen sind. Daraus ist nichts für ihn herzuleiten, weil auch bei angeblich generell guten Schneeverhältnissen nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei BGE 122 IV 303 S. 311 einer schwierigen Traverse Eis oder eine andere Gefahrenquelle vorhanden ist. Kein Schneefeld ist identisch mit den anderen, und es kann nicht von der Beschaffenheit des einen ohne weiteres auf diejenige der anderen geschlossen werden. d) Der Freispruch verletzt Art. 117 StGB, und die Beschwerde erweist sich deshalb als begründet. Sie ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 4.
(Kostenfolgen).
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BGE 123 IV 61 9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. April 1997 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung. Das Erstellen und Vorlegen eines simulierten Vertrages zum Zweck der Erlangung eines Kredits erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung nicht (E. 5c / cc). .
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Sachverhalt ab Seite 61 BGE 123 IV 61 S. 61 Das Obergericht des Kantons Thurgau erklärte G. mit Urteil vom 12. Dezember 1995 in zweiter Instanz u.a. der Urkundenfälschung (Falschbeurkundung) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten
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BGE 123 IV 61 S. 62 Gefängnis, mit bedingtem Strafvollzug unter Auferlegung einer Probezeit von vier Jahren und unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft. Ferner verurteilte es ihn zur Zahlung von Fr. 70 000.– nebst 8 % Zins seit dem 18. März 1993 an die Geschädigte, unter solidarischer Haftbarkeit mit A. Im Mehrbetrag von Fr. 50 000.– wies es die Zivilforderung ab. Gegen diesen Entscheid führt G. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung u.a. von der Anklage der Urkundenfälschung (Falschbeurkundung) an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht des Kantons Thurgau beantragt in seinen Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft .
des Kantons Thurgau schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde hinsichtlich der Falschbeurkundung gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 3. Die Vorinstanz stellte für das Bundesgericht verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP), A. habe bei der Geschädigten O. AG einen Kredit über Fr. 120 000.– aufnehmen wollen, wobei weder er noch die (wirtschaftlich ihm gehörende) M. AG über Sachwerte zur Sicherung des Darlehens verfügt hätten. A. sei daher auf die Idee verfallen, den Verkauf eines Lastwagens zu fingieren, um auf diese Weise seine angebliche Zahlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen bzw. den Anschein zu erwecken, er verfüge über ein Pfand. In der Meinung, A. werde ihm später seinen Lastwagen tatsächlich abkaufen, habe sich der Beschwerdeführer zur Mitwirkung bei dem fingierten Geschäft bereit erklärt und durch seine Ehefrau nach seinen Angaben einen in der Folge von ihm und A. unterzeichneten Kaufvertrag mit Datum vom 26. Februar 1993 schreiben lassen. Nach diesem Vertrag habe er von der M. AG den in Wirklichkeit ihm selbst gehörenden Dreiachs-Kipp-Lastwagen IVECO 260 –30 H zum Preis von Fr. 106 000.–, zahlbar bis Ende März 1993, gekauft. Gleichzeitig habe A. in einem separaten Schriftstück vom selben Datum dem Beschwerdeführer die Ungültigkeit dieses Kaufvertrages bestätigt und erklärt, die M. AG benötige den Kaufvertrag lediglich für eine interne Überbrückungsfinanzierung. Unter Verwendung dieses Kaufvertrags sowie einer Kopie des annullierten Fahrzeugausweises habe A. erwirkt, dass die O. AG ihm ein persönliches Darlehen von .
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BGE 123 IV 61 S. 63 insgesamt Fr. 120 000.– unter gleichzeitiger Inanspruchnahme des Lastwagens als Pfand gewährt habe.
4. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Schuldspruch der Falschbeurkundung. Die Vorinstanz nahm an, im fraglichen Kaufvertrag figurierten die M. AG als Verkäuferin und der Beschwerdeführer als Käufer des Lastwagens, obwohl das Fahrzeug in Wahrheit bereits dem Beschwerdeführer gehört habe und A. bzw. die M. AG nie dessen Besitzer oder Eigentümer gewesen seien. Aufgrund dieses Vertrages habe ein Dritter annehmen können, die M. AG habe am 26. Februar 1993 (Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) über einen Lastwagen als Sachwert bzw. nach diesem Datum über eine entsprechende Forderung im Betrag von Fr. 106 000.– verfügt. Anders als in BGE 120 IV 29 habe dieser Kaufvertrag aus einem einzigen Schriftstück und nicht aus Offerten und entsprechenden Bestellungen bestanden. Die erhöhte Glaubwürdigkeit des Schriftstücks ergebe sich daraus, dass als Käufer ein gewerbsmässiger Nutzfahrzeughändler auftrat, was mit dem Stempel des Beschwerdeführers besonders hervorgehoben worden sei. Ein Dritter dürfe, wenn an einem solchen Kaufgeschäft ein professioneller Händler mitwirke, in der Regel davon ausgehen, dass die aufgrund des Vertragsinhalts als wahr erscheinenden Umstände auch zutreffen. Dass für den fraglichen Kaufvertrag kein vorgedrucktes Formular verwendet und beispielsweise die Gewährleistung nicht wegbedungen oder die Zahlungsmodalitäten nicht festgehalten worden seien, ändere an der erhöhten Glaubwürdigkeit des Kaufvertrages nichts. .
5.a) Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird. Mittel zum Beweis kann nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu erbringen. Als Urkunden gelten deshalb unter anderem nur Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB; BGE 117 IV 35 E. 1a mit Hinweisen; BGE 101 IV 279). Der Urkundencharakter eines Schriftstücks ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, mit Bezug auf andere nicht. So können Rechnungen unabhängig davon, ob sie inhaltlich richtig sind, Urkunden für den Beweis der Tatsache darstellen, dass die entsprechende Erklärung durch den Rechnungssteller .
abgegeben worden ist. An solchen Rechnungen können deshalb prinzipiell Urkundendelikte begangen werden, etwa durch ihre unzulässige Veränderung (Urkundenfälschung) oder, je .
BGE 123 IV 61 S. 64 nach den Umständen, durch ihre Beseitigung (Urkundenunterdrükkung). Nach der Praxis kann sich die Beweisbestimmung eines Schriftstücks einerseits unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und andererseits aus dessen Sinn oder Natur abgeleitet werden. Ebenfalls nach Gesetz oder aber nach der Verkehrsübung bestimmt sich, ob und inwieweit einer Schrift Beweiseignung zukommt (BGE 122 IV 332 E. 2a; 121 IV 131 E. 2c; 120 IV 25 E. 3b und 122 E. 4c; 119 IV 54 E. 2c / aa; 118 IV 254 E. 3; 117 IV 35 E. 1a je mit Hinweisen auf die Lehre und weitere Entscheide). .
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b) Eine Falschbeurkundung begeht sowohl nach der alten wie nach der neuen Fassung von Art. 251 Ziff. 1 StGB, wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Derselben Strafdrohung untersteht die Verwendung einer von einem Dritten hergestellten Urkunde dieser Art zur Täuschung. Im Unterschied zur Urkundenfälschung im eigentlichen Sinn, welche das Herstellen einer unechten Urkunde erfasst, deren wirklicher Aussteller mit dem aus ihr ersichtlichen Autor nicht identisch ist, betrifft die Falschbeurkundung die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der also der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen, wobei nach allgemeiner Ansicht die einfache schriftliche Lüge keine Falschbeurkundung darstellt (BGE 123 IV 17 E. 2b; BGE 122 IV 332 E. 2a mit weiteren Hinweisen; vgl. schon BGE 68 IV 87 E. 2; BGE 75 IV 166 E. 1; im selben Sinn nun auch Art. 23/24 des Gesetzes über die technischen Handelshemmnisse vom 6. Oktober 1995 [THG; SR 946.51]; ferner Botschaft zum THG vom 15. Februar 1995, BBl 1995 II S. 618 f.). Das Vertrauen darauf, dass über die Person des Ausstellers nicht getäuscht wird, ist und darf grösser sein als das Vertrauen, dass jemand nicht in schriftlicher Form lügt. Aus diesem Grund werden an die .
Beweisbestimmung und Beweiseignung einer Urkunde bei der Falschbeurkundung höhere Anforderungen gestellt. Eine qualifizierte schriftliche Lüge im Sinne der Falschbeurkundung wird deshalb nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Dies ist der Fall, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der schriftlichen Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten und der Adressat deshalb der Erklärung ein besonderes Vertrauen entgegenbringt, so dass eine Überprüfung derselben weder nötig noch zumutbar erscheint. Solche ein besonderes BGE 123 IV 61 S. 65 Vertrauen begründende Garantien können unter anderem etwa in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften liegen, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR, gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Hingegen genügen blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf entsprechende Angaben verlässt. Die Grenze zwischen Falschbeurkundung und schriftlicher Lüge muss für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände gezogen werden und ist zum Teil mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die jedoch unumgänglich sind und darin begründet liegen, dass das Gesetz nicht eindeutig regelt, wann noch eine straflose und wann eine strafbare schriftliche Lüge vorliegt (BGE 122 IV 25 E. 2a und 332 E. 2b; 121 IV 131 E. 2c; 120 IV 122 E. 4c je mit weiteren Hinweisen). In seiner neueren Rechtsprechung verneinte das Bundesgericht eine Falschbeurkundung beim Inrechnungstellen von nicht ausgeführten Arbeiten (BGE 117 IV 35 E. 2), beim Erstellen von inhaltlich unwahren Regierapporten (BGE 117 IV 165 E. 2c), bei der Ausstellung von Lohnabrechnungen auf den Namen einer Person, die nicht mit dem wirklichen Arbeitnehmer identisch war (BGE 118 IV 363 E. 2b), bei der Errichtung einer inhaltlich falschen Vertragsurkunde, ohne dass besondere Garantien bestanden, dass die beiden übereinstimmend abgegebenen Erklärungen dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprachen (BGE 120 IV 25 E. 3 f) und beim Ausstellen .
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einer fiktiven Rechnung mit dazugehöriger Quittung (BGE 121 IV 131 E. 2c). Umgekehrt bejahte das Bundesgericht den Tatbestand der Falschbeurkundung im Falle der falschen Buchführung einer Aktiengesellschaft durch die unrichtige Verbuchung von Vergünstigungen und Ausgaben privater Art als geschäftsbedingte Auslagen sowie durch die Verbuchung von Lohnzahlungen auf einem sachfremden Aufwandkonto (BGE 122 IV 25 E. 2b und c), ferner im Falle der Erstellung eines unrichtigen Protokolls einer Generalversammlung (BGE 120 IV 199 E. 3c) sowie der Herausgabe eines freiwillig herausgegebenen Emissionsprospekts anlässlich der Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft nach dem Verfahren der Simultangründung (BGE 120 IV 122 E. 4 d / bb). Falschbeurkundung nahm das Bundesgericht auch an bei einem Grossisten, der afrikanisches Antilopenfleisch als europäisches Wildfleisch deklariert hatte (BGE 119 IV .
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BGE 123 IV 61 S. 66 289 E. 4c), bei einem bauleitenden Architekten, der die Pflicht zur ordnungsgemässen Prüfung der Schlussabrechnung übernommen und überhöhte Rechnungen der Unternehmer geprüft und schriftlich genehmigt hatte (BGE 119 IV 54 E. 2d), sowie bei einem Arzt, der einen unrichtigen Krankenschein erstellt und damit gegenüber der Krankenkasse Leistungen für sich oder für den Patienten geltend gemacht hatte (BGE 117 IV 169 f. unter Hinweis auf BGE 103 IV 184). Schliesslich erfüllt nach einem neueren Entscheid auch das zum Zwecke der Täuschung von Strafverfolgungsbehörden vorgenommene Rückdatieren von Vollmachtsurkunden den Tatbestand der Falschbeurkundung (BGE 122 IV 332 E. 2c). .
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c) aa) Der Beschwerdeführer stellt zunächst in Frage, ob der Kaufvertrag überhaupt geeignet gewesen sei, das Eigentum am Lastwagen zu beweisen. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war der Vertrag jedoch nicht derart dilettantisch und unprofessionell abgefasst, dass die Geschädigte sofort hätte Verdacht schöpfen müssen, so dass die Beweiseignung
grundsätzlich ohne weiteres bejaht werden kann. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Kaufvertrag sei schon in grundsätzlicher Hinsicht nicht zum Beweis dafür geeignet, dass die M. AG ihm den Lastwagen verkauft habe und somit Eigentümerin desselben gewesen sei, und ihm von daher kein Urkundencharakter zukomme, erweist sich seine Beschwerde somit als unbegründet. Indes ist damit noch nichts darüber gesagt, ob dem Vertrag in der konkreten Konstellation des Falles Urkundenqualität zukommt, denn nach der Rechtsprechung ist der Urkundencharakter eines Schriftstücks relativ und werden an Beweiseignung und Beweisbestimmung im Rahmen der Falschbeurkundung höhere Anforderungen gestellt (vgl. E. 5a und b). Dass der Vertrag auch zum Beweis bestimmt war, kann sodann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht ernsthaft in Frage stehen, da er eigens deswegen erstellt worden ist, um der Geschädigten eine Sicherheit für das erstrebte Darlehen vorzutäuschen. Deshalb ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, dass der Vertrag hinsichtlich des Eigentums am Lastwagen nichts Unwahres beweisen konnte, weil dieser auch in Wirklichkeit dem Beschwerdeführer gehörte. Der Vertrag war offensichtlich dazu bestimmt, gegenüber der Geschädigten Beweis über die Vermögensverhältnisse von A. bzw. dessen Firma zu erbringen und nicht über das Eigentum des Beschwerdeführers. Ob er hiezu unter den konkreten Umständen auch geeignet war, ist nachfolgend zu prüfen. .
bb) Das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Wahrheit einer in BGE 123 IV 61 S. 67 einem Schriftstück verkörperten Erklärung geniesst nach der Rechtsprechung nur dann strafrechtlichen Schutz gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB, wenn der Urkunde erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt (vgl. E. 5b). Nach Auffassung der Vorinstanz soll sich im zu beurteilenden Fall diese erhöhte Glaubwürdigkeit des Kaufvertrags daraus ergeben, dass am Kaufgeschäft ein professioneller Nutzfahrzeughändler mitgewirkt hat. In einem solchen Fall dürfe ein Dritter in der Regel annehmen, die aufgrund des Vertragsinhalts als wahr erscheinenden Umstände träfen tatsächlich zu. Dies wird vom Beschwerdeführer zu Recht beanstandet. Zwar ist in der neueren .
Rechtsprechung verschiedentlich erkannt worden, auch die besondere Stellung des Ausstellers vermöge die inhaltliche Richtigkeit einer Erklärung objektiv zu gewährleisten (vgl. BGE 121 IV 131 E. 2c, S. 135 f.), doch betrifft dies ausschliesslich Konstellationen, bei denen der Erklärung des Ausstellers aufgrund objektiver Umstände eine erhöhte Glaubwürdigkeit beigemessen wird. Dies trifft nach der Rechtsprechung etwa zu auf den als Vermögensverwalter tätigen leitenden Angestellten einer Bank im Verhältnis zu seinen von ihm betreuten Kunden, insbesondere wegen der besonderen Gesetzgebung und spezifischen Kontrollen, denen Bankinstitute unterworfen sind (BGE 120 IV 361 E. 2c), sowie auf den Grossisten, der schon auf der Grosshandelsstufe gesetzlich verpflichtet ist, zum Schutze der Konsumenten Wildfleisch korrekt zu deklarieren (BGE 119 IV 289 E. 4c). Dasselbe gilt aufgrund der SIA-Norm 118, Art. 153–156, für den mit der Prüfung der Schlussabrechnung betrauten Architekten in bezug auf das Vermögen des Bauherrn (BGE 119 IV 54 E. 2d / dd) und den Arzt aufgrund seines besonderen Vertrauensverhältnisses gegenüber der Krankenkasse (BGE 117 IV 169 f. unter Hinweis auf BGE 103 IV 184). Im blossen Umstand, dass der Beschwerdeführer gewerbsmässig mit Nutzfahrzeugen Handel treibt, liegen demgegenüber keine objektiven Garantien, die seinen schriftlichen Erklärungen erhöhte Glaubwürdigkeit zu verleihen vermöchten. Insbesondere trifft den Nutzfahrzeughändler, wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet, keine gesetzliche Pflicht zur korrekten Deklarierung der Ware und kommt ihm im Verhältnis zur Geschädigten als Kreditgeberin, die sich offenbar gewerbsmässig u. a. mit Finanzierungen befasst, auch keine besondere Vertrauensstellung zu. Diese hatte somit keinen objektiven Anlass, der Erklärung des Beschwerdeführers ein besonderes Vertrauen entgegenzubringen, welches eine Überprüfung hätte als entbehrlich erscheinen lassen. Dies gilt jedenfalls, soweit im .
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BGE 123 IV 61 S. 68 Rahmen der Urkundendelikte der Schutz des Rechtsverkehrs in Frage steht. Der Beschwerdeführer erscheint daher bloss als einfacher Vertragspartner von A.. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beschwerdeführer im Verhältnis zwischen A. und der Geschädigten als eine
am Kreditgeschäft unbeteiligte Drittperson erscheint (vgl. hiezu BERNARD CORBOZ, Le faux dans les titres, ZBJV 131/1995, S. 575; PIERRE FERRARI, La constatation fausse – le mensonge écrit, ZStR 112/1994, S. 167 f.). Denn im Vordergrund steht im vorliegenden Fall die in der Präsentation des Kaufvertrages liegende falsche Erklärung von A., dem Beschwerdeführer einen Lastwagen verkauft zu haben, welche impliziert, es stehe ihm eine Forderung zu, die den begehrten Kredit in gewissem Umfang hätte absichern können. In diesem Kontext erlangt die Unterzeichnung des simulierten Vertrages durch den Beschwerdeführer für die Geschädigte als Adressatin keine eigenständige besondere Glaubwürdigkeit. Dem Beschwerdeführer kommt daher in dieser Hinsicht keine besondere Vertrauensstellung zu (BGE 122 IV E. 2c). Selbst wenn im übrigen der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf die Angaben bzw. den Vertrag eines professionellen Händlers abstellen würde, liesse sich daraus keine erhöhte Glaubwürdigkeit der Urkunde ableiten, da dies allein für die Falschbeurkundung nach der Rechtsprechung nicht genügt. .
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cc) Zu prüfen ist schliesslich, ob dem simulierten schriftlichen Vertrag als solchem erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Ein simuliertes Rechtsgeschäft im Sinne von Art. 18 OR liegt vor, wenn beide Parteien darüber einig sind, dass die gegenseitigen Erklärungen nicht ihrem Willen entsprechende Rechtswirkungen haben sollen, weil sie entweder ein Vertragsverhältnis vortäuschen oder mit dem Scheingeschäft einen wirklich beabsichtigten Vertrag verdecken wollen (BGE 112 II 337 E. 4a mit Hinweisen). Der simulierte Vertrag ist sowohl zwischen den Parteien als auch im Verhältnis zu Dritten (mit gewissen Einschränkungen) unwirksam (GAUCH / SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allg. Teil, 6. Aufl. 1995, Bd. I, N. 1019 und 1022). Nach der neueren Rechtsprechung beweist eine einfachschriftliche Vertragsurkunde, dass zwei Personen übereinstimmend eine bestimmte Willenserklärung abgegeben haben. Hingegen beweist sie für sich allein nicht, dass die beiden übereinstimmend abgegebenen Erklärungen dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprechen. Insbesondere beweist sie nicht, dass Willensmängel bei den Vertragsparteien auszuschliessen sind und dass keine Simulation vorliegt (BGE 120 IV 25 E. 3e und f). .
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BGE 123 IV 61 S. 69 Der simulierte Vertrag genügt den im Rahmen der Falschbeurkundung verlangten höheren Anforderungen an die Beweiseignung nicht. Er geniesst daher keine erhöhte Glaubwürdigkeit, und es kommt ihm unter dem Gesichtspunkt der Falschbeurkundung kein Urkundencharakter zu. Denn in einem schriftlichen Vertrag werden nur die von den Parteien abgegebenen Erklärungen verurkundet, nicht aber, dass diese Erklärungen auch tatsächlich dem wirklichen Willen der Vertragspartner entsprechen und diese die Verbindlichkeit seines Inhalts anerkennen (so noch BGE 100 IV 273 E. 4; vgl. JEAN-CLAUDE CHAPPUIS, Le faux intellectuel et la simulation, S. 200 N. 439). In der blossen Unterzeichnung eines Vertrages durch die Vertragsparteien liegt daher keine objektive Garantie, welche dessen inhaltliche Richtigkeit gewährleistet und ein besonderes Vertrauen des Adressaten rechtfertigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der simulierte Vertrag im Zusammenhang mit dem Antrag auf Gewährung eines Kredits zum Nachweis der Zahlungsfähigkeit des Borgers vorgelegt wird. In diesem Kontext wird man nicht sagen können, der Adressat der Erklärung dürfe – soweit jedenfalls der Schutz des Rechtsverkehrs im Rahmen der Urkundendelikte in Frage steht – aus vernünftigen Gründen auf ihre Wahrheit vertrauen. Dass bei Kreditgeschäften eine Überprüfung derartiger Erklärungen grundsätzlich unzumutbar ist, lässt sich nicht sagen. Dass der Vertrag auch von einem nicht in das Kreditgeschäft involvierten Dritten unterzeichnet worden ist, ändert nichts, solange jedenfalls auch der Antragsteller selbst unterzeichnet und das Dokument vorlegt. Für den Kreditgeber muss bei dieser Sachlage die Präsentation des Vertrags in erster Linie als Erklärung des Borgers erscheinen. Unter diesen Umständen ist die Vorlegung des simulierten Kaufvertrages gegenüber der Geschädigten eine blosse schriftliche Lüge. Die Tatsache, dass im zu beurteilenden Fall im Gegensatz zu BGE 120 IV 25 E. 2e eine aus einem einzigen Schriftstück bestehende Vertragsurkunde vorlag, ändert an diesem Ergebnis nichts. Damit erfüllt das Erstellen und Vorlegen eines simulierten Vertrages zum Zweck der Erlangung eines Kredits den Tatbestand der Falschbeurkundung nicht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Sachverhalt nicht unter Betrugsgesichtspunkten von Bedeutung sein kann .
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(BGE 120 IV 14 E. 2b). Der Verurteilung wegen Falschbeurkundung verletzt aber Bundesrecht, und die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet.
BGE 123 IV 113 18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Juni 1997 i.S. C. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen und Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerden) .
Regeste Art. 21 Abs. 1 StGB, 139 Ziff. 2 StGB, 144 Abs. 1 und 172ter StGB sowie 68 Ziff. 1 StGB; versuchter und vollendeter gewerbsmässiger Diebstahl und mehrfache Sachbeschädigung (Einbruchdiebstahl), geringfügige Vermögensdelikte, geringer Schaden, Konkurrenz. Der Versuch geht im vollendeten gewerbsmässigen Delikt auf (E. 2c und d; Bestätigung der Rechtsprechung). Die Grenze des geringen Schadens im Sinne von Art. 172ter Abs. 1 StGB beträgt Fr. 300.– (E. 3d). Art. 172ter Abs. 1 StGB gilt für Bagatelldelinquenz (E. 3d und f), nicht bei Sachbeschädigungen des gewerbsmässigen Einbruchdiebstahls (E. 3g). Bei Einbruchdiebstahl stehen Sachbeschädigung und Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 und 2 StGB in echter Konkurrenz (E. 3h; Bestätigung der Rechtsprechung). Art. 100 StGB und 100bis StGB; Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt, Erziehbarkeit zur Arbeit. Die Arbeitserziehung soll eine Fehlentwicklung junger Erwachsener berichtigen und künftigen Straftaten vorbeugen. Im Vordergrund steht die berufliche Ausbildung. Die Massnahme erfordert ein Mindestmass an Kooperationsbereitschaft (E. 4c). .
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Sachverhalt ab Seite 114 BGE 123 IV 113 S. 114
A. C. wurde vorgeworfen, von Dezember 1994 bis Mai 1995 mit Unterbrüchen bis zu 0,1 g Heroin pro Tag und bis 31. Juli 1995 bis zu 10 g Haschisch pro Woche geraucht zu haben. Weiter habe er vom Januar bis zum 31. Juli 1995 sechsundzwanzig versuchte bzw. vollendete Diebstähle begangen. B. Das Kantonsgericht Schaffhausen sprach ihn deshalb am 8. Mai 1996 schuldig des mehrfachen Diebstahls, des mehrfachen BGE 123 IV 113 S. 115 Diebstahlversuchs, der mehrfachen Sachbeschädigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes und wies ihn in eine Arbeitserziehungsanstalt ein. Es widerrief eine bedingte dreizehnmonatige Gefängnisstrafe aus dem Jahre 1994 und schob deren Vollzug zugunsten der Massnahme auf. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen fand am 10. September 1996 die Berufung des Verurteilten unbegründet und jene der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen teilweise begründet. Es sprach ihn schuldig des gewerbsmässigen Diebstahls, des mehrfachen Diebstahlversuchs, der mehrfachen Sachbeschädigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und bestätigte im übrigen das Urteil des Kantonsgerichts. C. C. und die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen erheben Nichtigkeitsbeschwerden: – C. beantragt, er sei in allen Punkten freizusprechen; im Falle der Verurteilung wegen gewerbsmässigen Diebstahls sei er des Diebstahlversuchs freizusprechen; anstelle der Arbeitserziehungsmassnahme sei er mit Gefängnis zu bestrafen; es sei ihm die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zuzuerkennen. – Die Staatsanwaltschaft beantragt, das Urteil des Obergerichts insoweit aufzuheben, als es C. u. a. neben gewerbsmässigen Diebstahls auch noch des mehrfachen Diebstahlversuchs und ferner in Anwendung von Art. 144
Abs. 1 teils i.V. m. Art. 172ter Abs. 1 StGB der mehrfachen Sachbeschädigung schuldig erklärt habe; und es sei die Sache zur Verurteilung u.a. wegen gewerbsmässigen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 2 teils i.V.m. Art. 21 Abs. 1 StGB und mehrfacher Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB an das Obergericht zurückzuweisen. D. In seiner Vernehmlassung nimmt C. (mit der Staatsanwaltschaft) an, dass gewerbsmässiger Diebstahl auch den Diebstahlversuch einschliesst; beim Sachschaden sei von mehrfacher Sachbeschädigung und mehrfacher geringer Sachbeschädigung auszugehen. Die Staatsanwaltschaft reicht keine Vernehmlassung ein. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen verzichtet auf Gegenbemerkungen. Erwägungen .
Aus den Erwägungen: 1.
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(Eintretensfrage)
2.a) Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer habe in siebeneinhalb Monaten 23 Diebstähle und 6 Versuche dazu begangen und dabei etwa Fr. 3400.– erbeutet. In der ersten Phase habe er zumeist Waschkücheneinbrüche begangen und etwa Fr. 820.– erbeutet. In der zweiten, vom Mai bis zu seiner Verhaftung Ende Juli dauernden Phase, habe er sich auf lukrativere Einbrüche in Restaurants und Geschäften konzentriert. Die Erzielung eines Einkommens sei mitbestimmendes Motiv gewesen, wenngleich auch ein Nervenkitzel mitgespielt habe; seine legalen Einkünfte hätten ihm für seinen Lebenswandel nicht gereicht. Er sei deshalb des gewerbsmässigen Diebstahls und zusätzlich des mehrfachen BGE 123 IV 113 S. 116 Diebstahlversuchs schuldig; eine andere Betrachtungsweise würde die Anwendbarkeit von Art. 21 Abs. 1 StGB beim gewerbsmässigen Betrug ausschliessen. Schliesslich wäre der privilegierte Tatbestand von Art. 172ter StGB auch bei Verneinung einer Gewerbsmässigkeit auszuschliessen, da die
Taten nicht auf einen geringen Vermögenswert gerichtet gewesen seien. b) Der Beschwerdeführer wendet ein, gemäss Art. 139 Ziff. 2 StGB handle nur noch gewerbsmässig, wer es auf relativ regelmässige deliktische Einnahmen abgesehen habe, die einen wesentlichen Beitrag an die Lebenshaltungskosten liefern sollten. Bei ihm sei das nie der Fall gewesen. Er habe durchgehend seinen Arbeitsplatz versehen und dort ein monatliches Einkommen von rund Fr. 3500.– erzielt. Bei Fr. 3400.– Beute in einer über sechsmonatigen Deliktsserie könne nicht von einem erheblichen Beitrag an die Lebenshaltungskosten gesprochen werden, denn diese «Nebeneinnahmen» hätten nur etwa Fr. 500.– monatlich betragen. Dieser Beitrag sei auch nicht in seinen allgemeinen Lebensunterhalt geflossen, sondern habe in erster Linie der Finanzierung des Betäubungsmittelkonsums gedient, was die Vorinstanz nicht gewürdigt habe. Subjektiv sei es ihm um Nervenkitzel gegangen. Wer Waschmaschinen und Getränkeautomaten aufbreche, könne es unmöglich auf grosse Beute abgesehen haben. c) Nach der Rechtsprechung (BGE 116 IV 319) liegt im Begriff des berufsmässigen Handelns der Ansatzpunkt für die Umschreibung der Gewerbsmässigkeit. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufs ausübt. Diese abstrakte Umschreibung kann nur Richtlinienfunktion haben. Eine quasi «nebenberufliche» deliktische Tätigkeit kann genügen. Wesentlich ist, dass sich der Täter, wie aus den gesamten Umständen geschlossen werden muss, darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen Einkünfte zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen; dann ist die erforderliche soziale Gefährlichkeit gegeben. Es ist nach wie vor notwendig, dass der Täter die Tat bereits mehrfach begangen hat, dass er in der Absicht handelte, ein Erwerbseinkommen zu erlangen, und dass aufgrund seiner Taten geschlossen werden muss, er sei zu einer Vielzahl von unter die fraglichen Tatbestände fallenden Taten bereit gewesen (BGE 119 IV 129 E. 3a). .
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BGE 123 IV 113 S. 117 Die zu beurteilende Diebstahlserie ist nach dieser Umschreibung als gewerbsmässig zu qualifizieren. Daran kann die ordentliche Erwerbstätigkeit nichts ändern. Wesentlich ist, dass sich der Beschwerdeführer darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen relativ regelmässige Einnahmen zu erzielen (die einen namhaften Beitrag an seine Lebenshaltungskosten darstellten). Dagegen sind für die Qualifikation weder die durchschnittliche Erfolgsquote noch deren Relation zum ordentlichen Erwerbseinkommen massgebend noch auch ein Nervenkitzel oder entwicklungsdefizitäre Persönlichkeitsstörungsanteile. Nicht von Belang ist daher auch, dass die deliktischen Einnahmen der Finanzierung des Drogenkonsums gedient haben sollen (vgl. BGE 116 IV 319 E. 4d). Schliesslich kommt, anders als noch beim altrechtlichen Betrugstatbestand (Art. 148 Abs. 2 aStGB; BGE 116 IV 319 E. 3b), der Auslegung der Straftatbestände nach der angedrohten Mindeststrafe beim gewerbsmässigen Diebstahl angesichts der Mindeststrafdrohung von 3 Monaten Gefängnis (Art. 139 Ziff. 2 StGB) nur noch untergeordnete Bedeutung zu. .
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d) Der Beschwerdeführer und die Staatsanwaltschaft rügen zu Recht den zusätzlichen Schuldspruch des mehrfachen Diebstahlversuchs als bundesrechtswidrig. Begeht der Täter vollendete und versuchte gleichartige Delikte und handelt er dabei gewerbsmässig, geht der Versuch im vollendeten gewerbsmässigen (Kollektiv-) Delikt auf (BGE 105 IV 157 E. 2; BGE 107 IV 172 E. 4). Das ist vorliegend der Fall. .
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e) Art. 172ter Abs. 1 StGB gilt nicht bei qualifiziertem Diebstahl im Sinne von Art. 139 Ziff. 2 StGB (Art. 172ter Abs. 2 StGB). Die Vorinstanz wendet diese Bestimmung hier im Ergebnis zu Recht nicht an. .
f) Zusammenfassend spricht die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Recht des gewerbsmässigen Diebstahls schuldig. Dagegen ist ihr Entscheid insoweit aufzuheben, als sie ihn zusätzlich des mehrfachen Diebstahlversuchs schuldig spricht.
3.a) Die Vorinstanz führt mit Verweisung auf die Erstinstanz aus, der Beschwerdeführer habe stehlen wollen, die Sachbeschädigungen seien nicht das eigentliche Handlungsziel gewesen; er habe sie aber vorausgesehen und in Kauf genommen, denn um zu stehlen, habe er beschädigen müssen. Damit habe er vorsätzlich gehandelt. Sein Vorsatz sei aber nicht auf grössere als die angerichteten Schäden gerichtet gewesen. Auf die geringen Schäden sei Art. 172ter StGB anzuwenden. Nach der Rechtsprechung (BGE 121 IV 261) .
BGE 123 IV 113 S. 118 betrage der Grenzwert Fr. 300.–, so dass die entsprechenden Delikte gemäss Art. 172ter Abs. 1 StGB und die restlichen beiden gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB zu beurteilen seien. Der Beschwerdeführer anerkannte Zivilforderungen im Umfang von Fr. 9090,80 (Mehrbeträge und nicht anerkannte Forderungen wurden auf den Zivilweg verwiesen). .
b) Die Staatsanwaltschaft führt zunächst aus, der Klarheit halber hätte der Schuldspruch wegen mehrfacher Sachbeschädigung auf mehrfache Sachbeschädigung und mehrfache geringfügige Sachbeschädigung lauten müssen, sonst müssten diese Übertretungen erst in einer Urteilsanalyse herausgeschält werden. Dieser Ansicht ist grundsätzlich zuzustimmen. Art. 172ter StGB enthält im Schuld- und Strafpunkt privilegierende Merkmale und bildet insoweit einen selbständigen Tatbestand. Weil der angefochtene Entscheid ohnehin aufgehoben wird, kann im übrigen zur Abfassung des Urteilsdispositivs auf BGE 107 IV 172 E. 4 verwiesen werden. c) Die Staatsanwaltschaft wendet sich sodann gegen die Privilegierung der Sachbeschädigungen mit Deliktsbeträgen unter Fr. 300.–. Der Beschwerdeführer habe etwa in der Nacht vom 7. auf den 8. März 1995 mit sechs Einbrüchen einen Sachschaden von Fr. 1200.– verursacht. Die im einzelnen als geringfügig einzustufenden Schäden der im Laufe eines Tages begangenen Taten müssten zusammengezählt werden. Die Einzeltaten seien nicht zu privilegieren, weil sie in ihrer Häufung eine eminente kriminelle Energie belegten. Wer einbreche oder sich auch nur einschleiche, um zu stehlen, was er erlangen könne, handle mit einem derart erheblichen
Verschulden, dass für alle in Frage kommenden konkurrierenden Tatbestände eine Privilegierung nach Art. 172ter Abs. 1 StGB abzulehnen sei, weil ihnen, im Gesamtzusammenhang betrachtet, wiederum der Bagatellcharakter abgehe. d) Art. 172ter Abs. 1 StGB gilt für Taten, die sich nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden richten. Die Bestimmung führt unter Vorbehalt von Abs. 2 zu einer Privilegierung der geringfügigen Vermögensdelikte des Zweitens Titels des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (Strafbare Handlungen gegen das Vermögen). Damit werden Bagatellverstösse im gesamten Vermögensstrafrecht zu Übertretungen und nur noch auf Antrag verfolgt. Der Gesetzgeber wollte die Strafverfolgungsbehörden von der Bagatellkriminalität entlasten und damit Kräfte für die eigentliche Aufgabe der Bekämpfung der Schwerkriminalität freimachen. Die Bestimmung soll einerseits den privaten Ausgleich zwischen .
BGE 123 IV 113 S. 119 Täter und Opfer fördern und es anderseits den Gerichten ermöglichen, den unterschiedlichsten Sachverhalten gerecht zu werden und die Bagatellkriminalität einzelfallgerecht zu beurteilen (ausführlich BGE 121 IV 261). In diesem Entscheid setzte das Bundesgericht die Grenze für den geringen Vermögenswert im Sinne von Art. 172ter Abs. 1 StGB bei Fr. 300.– fest; wie es sich mit dem «geringen Schaden» verhält, liess es dagegen offen (BGE 121 IV 261 E. 2). Der Gesetzgeber konkretisierte auch den Begriff des geringen Schadens im Sinne von Art. 172ter Abs. 1 StGB nicht. Ausgangspunkt für diesen Grenzwert bilden ebenfalls die Erwägungen des genannten Entscheids, auf die im übrigen zu verweisen ist. Danach ist bei Sachen mit einem Marktwert beziehungsweise einem objektiv bestimmbaren Wert allein dieser entscheidend (BGE 116 IV 190 E. 2b / aa) und der Grenzwert objektiv, einheitlich und ziffernmässig festzulegen, und zwar – wie bereits im Grundsatzentscheid ausgeführt – letztlich nach Recht und Billigkeit (BGE 121 IV 261 E. 2c und d). Es fehlt an entscheidenden Gesichtspunkten für einen abweichenden Grenzwert beim geringen Schaden, so dass dieser ebenfalls bei Fr. 300.– festzusetzen ist. .
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e) Sind mehrere gleichartige oder verschiedene Vermögensdelikte unter den Gesichtspunkten von Art. 172ter StGB gleichzeitig zu beurteilen, fragt sich für die Anwendbarkeit der Bestimmung, welche Delikte örtlich, zeitlich oder betragsmässig zusammenzufassen oder zu trennen sind und wie es sich verhält, wenn einzelne Deliktsbeträge über und andere unter dem Grenzwert stehen (vgl. PETER ALBRECHT, Bemerkungen zum Tatbestand der geringfügigen Vermögensdelikte gemäss Art. 172ter StGB, Festschrift Gauthier, Bern 1996, S. 152 f.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Auflage, Bern 1995, § 25 N. 16). Auf solche Fragen ist hier nicht weiter einzugehen. Zu beurteilen sind mit gewerbsmässigem Einbruchdiebstahl verbundene Sachbeschädigungen. .
f) Entscheidend für die Privilegierung ist zunächst, dass sich die Tat auf ein geringfügiges Vermögensdelikt gerichtet hat (Art. 172ter Abs. 1 StGB), somit ein subjektives Kriterium, nämlich die Absicht des Täters und nicht der eingetretene Erfolg (BGE 122 IV 156 E. 2a). Aus dieser subjektiven Konzeption von Art. 172ter StGB und seinem Sinn und Zweck ergibt sich gleichzeitig, dass seine Anwendung auf Bagatelldelinquenz gerichtete Taten einzugrenzen ist. So ist die Bestimmung etwa auch dann nicht anwendbar, wenn zwar der erlangte Vermögenswert den objektiven Grenzwert nicht erreicht, aber der Täter eine grössere Beute wollte (BGE 122 IV 156 E. 2b). .
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BGE 123 IV 113 S. 120 Die Vorinstanz nimmt mit der Erstinstanz für den subjektiven Tatbestand der Sachbeschädigung Vorsatz an und führt dabei sowohl aus, der Beschwerdeführer habe die Sachbeschädigungen in Kauf genommen wie auch, er habe sie begehen müssen, um zu seinem Hauptziel zu gelangen. Weiter nimmt die Vorinstanz im Gegensatz zur Beurteilung der Diebstähle an, der Vorsatz habe sich nicht auf grössere als die angerichteten Sachbeschädigungen gerichtet. An die dieser Annahme zugrundeliegende tatsächliche Willensfeststellung ist das Bundesgericht gebunden, weshalb der Einwand der Staatsanwaltschaft, es sei nicht ersichtlich, weshalb die Vorinstanz davon ausgehe, nicht zu hören ist.
Somit kam es dem Beschwerdeführer nicht in erster Linie auf die Sachbeschädigungen an. Er wollte stehlen und musste dabei Beschädigungen in Kauf nehmen (Türen, Fenster, Behältnisse aufbrechen usw.), um an das Geld zu kommen. Die Beschädigungen waren das Zwischenziel auf dem Weg zum angestrebten Erfolg und damit das sicher vorausgesehene, direkt gewollte, vorbereitende Mittel des gewerbsmässigen Diebstahls. Es stellt sich damit die Frage, ob in Fällen, in denen die Tat auf den Erwerb eines Vermögenswerts unter Beschädigung von Sachen gerichtet ist bzw. die Beschädigung in Kauf nimmt, nicht ohnehin Vermögenswert und Schaden mit Folgeschäden zusammenzuzählen sind. Auch diese Frage braucht hier nicht weiter beurteilt zu werden. .
g) Serieller Einbruchdiebstahl offenbart erhebliche kriminelle Energie. Es lässt sich mit Sinn und Zweck von Art. 172ter Abs. 1 StGB nicht vereinbaren, Sachbeschädigungen zu privilegieren, die solchen Einbruchserien dienen. Das Verbot in Art. 172ter Abs. 2 StGB, gewerbsmässigen Diebstahl unter diesen Tatbestand zu subsumieren, wirkt sich seinem Normgehalt nach auf die notwendigen Sachbeschädigungen als Begleitdelikte des gewerbsmässigen Einbruchdiebstahls aus. Dieser Handlungsunwert lässt sich nicht mehr unter den Begriff der Geringfügigkeit einordnen, auch wenn einzelne Taten als geringfügige Vermögensdelikte zu werten wären; solchem Verhalten fehlt der Bagatellcharakter. Es verhält sich hier wie mit der Qualifikation wegen Gewerbsmässigkeit, die erfolgt, ungeachtet der Tatsache, dass einzelne Taten für sich genommen als geringfügig einzustufen wären. Eine solche, durch künstliche Trennung des tatsächlichen Sachverhalts geschaffene Bagatellisierung der einen Seite des Handlungszusammenhangs, nämlich der Privilegierung des Einbruchs als Übertretungstatbestand, würde in einen Wertungswiderspruch führen. Der auf gewerbsmässigen BGE 123 IV 113 S. 121 Einbruchdiebstahl gerichtete kriminelle Wille und die Tragweite derartiger Delinquenz schliessen demnach die Geringfügigkeit des notwendigen Begleitdelikts aus. Nach dieser gesamthaften Betrachtungsweise sind die in Begehung gewerbsmässigen Einbruchdiebstahls verursachten
Sachbeschädigungen gemäss dem einschlägigen Art. 144 StGB abzuurteilen. h) Die Vorinstanz setzt sich mit der Konkurrenz von Diebstahl und Sachbeschädigung nicht ausdrücklich auseinander. Nach BGE 72 IV 115 ist beim Einbruchdiebstahl echte Konkurrenz (Realkonkurrenz) im Sinne von Art. 68 Ziff. 1 StGB anzunehmen. An dieser Rechtsprechung ist jedenfalls in den Fällen von Art. 139 Ziff. 1 und 2 StGB festzuhalten; wie bei den qualifizierten Tatbeständen von Art. 139 Ziff. 3 StGB zu entscheiden ist, kann hier offenbleiben (vgl. SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 2. Band, Bern 1990, Art. 137 N. 120, Art. 145 N. 45; STRATENWERTH, a.a.O., § 13 N. 108; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1989, Art. 137 N. 28, Art. 145 N. 12). .
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i) Zusammenfassend ist der angefochtene Entscheid daher aufzuheben, soweit Art. 172ter Abs. 1 StGB auf die mit dem gewerbsmässigen Diebstahl verbundenen Sachbeschädigungen angewendet wurde. Die Vorinstanz wird den Beschwerdeführer gemäss Art. 144 StGB wegen Sachbeschädigung in echter Konkurrenz zu gewerbsmässigem Diebstahl schuldig zu sprechen haben. 4.a) Die Vorinstanz ordnet eine Einweisung des Beschwerdeführers in eine Arbeitserziehungsanstalt an und stützt sich dafür auf ein Gutachten des Psychiatrie-Zentrums Schaffhausen vom 23. Februar 1996. Sie führt aus, das Gutachten charakterisiere den Beschwerdeführer als neurotische Persönlichkeit von unreifer Struktur und mangelhafter Eigenidentität und attestiere ihm ein ausgesprochen dissozial-delinquentes Verhalten. Es schreibe dies einer entwicklungsphasenbedingten Ich-Schwäche zu und komme – trotz gewisser Bedenken – zum Schluss, die Mängel seien grundsätzlich therapierbar. Das werde für die Anordnung jeglicher Massnahme vorausgesetzt und sei hinsichtlich einer Arbeitserziehungsmassnahme von besonderer Bedeutung für die erforderliche günstige Prognose. Entgegen dem Beschwerdeführer lasse sich die Strafe zugunsten einer ambulanten Massnahme nach Art. 43 Ziff. 2 Abs. 3 StGB nur aufschieben, wenn eine wirklich vorhandene Aussicht auf erfolgreiche Behandlung durch
den sofortigen Vollzug wesentlich beeinträchtigt würde. Das habe der Gutachter aber verneint. Somit stünden BGE 123 IV 113 S. 122 nur noch unbedingte Freiheitsstrafe und Arbeitserziehungsmassnahme zur Verfügung. In dieser Situation sei der Massnahme mit ihrer primär spezialpräventiven Zielrichtung der Vorzug zu geben; die Arbeitserziehung müsse angeordnet werden, sobald deren Voraussetzungen gegeben seien. Auch das Gutachten betrachte die Arbeitserziehungsmassnahme als eine adäquate Sanktion, da aufgrund des psychologischen Befunds der Versuch einer therapeutischen Intervention in einem sicheren, psychoedukativen und pädagogischen Rahmen angezeigt sei. Auch das Alter des dreiundzwanzigjährigen Beschwerdeführers stehe einer Einweisung nicht entgegen. b) Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe Art. 100bis StGB verletzt. Sie gehe durch nichts gestützt davon aus, seine charakterliche Fehlentwicklung lasse sich durch diese Massnahme angehen. Zentral in der Arbeitserziehung stehe die Anleitung zur Arbeit. Das aber habe er gerade nicht nötig. Er habe nie Müssiggang getrieben, sondern immer gearbeitet. Es könnten ihm viele Fehler nachgesagt werden, nur nicht eine fehlende Arbeitshaltung. Deshalb sei diese Massnahme unmöglich der richtige Schritt. Eingewiesen würden hauptsächlich Männer im Eintrittsalter zwischen 18 und 20 Jahren. Er passe daher auch nicht in diese auf eine jüngere Klientel ausgerichtete Einrichtung. Die Vorinstanz habe ausserdem Art. 100 Abs. 2 StGB missachtet: Im Gutachten fehle jeglicher Hinweis auf seine Erziehbarkeit zur Arbeit, obwohl es sich dabei um den Kerngedanken der Massnahme handle; die Vorinstanz habe dazu keine Fachmeinung eingeholt und sie durch das eigene richterliche Gefühl ersetzt. Nach dem Gutachten lägen seine Probleme anderswo. Eine Einweisung ohne Eigenmotivation würde schliesslich eine krasse Ungleichbehandlung gegenüber betäubungsmittelabhängigen Tätern bedeuten, wo dieser Grundsatz gültig sei. c)
Die Arbeitserziehung (Art. 100bis StGB) ist eine Massnahme, die eine .
Fehlentwicklung von jungen Erwachsenen durch Erziehung zur Arbeit und charakterliche Festigung berichtigen und damit künftigen Straftaten vorbeugen will (BGE 100 IV 205 E. 4). Der Gesetzgeber liess sich vom Gedanken leiten, dass sich der junge Erwachsene in seiner Entwicklung zumeist noch wesentlich beeinflussen lässt, dass er also noch gebessert und seine gesamte Persönlichkeit entwickelt werden kann. Lehrziel ist ein vom BIGA anerkannter Berufsschulabschluss (ausführlich BGE 118 IV 351 E. 2b). .
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aa) Der Einwand des Beschwerdeführers, weil er immer gearbeitet habe, könne die Massnahme unmöglich der richtige Schritt sein, BGE 123 IV 113 S. 123 ist nicht stichhaltig. Bei der Arbeitserziehung geniesst die berufliche Ausbildung einen hohen Stellenwert. Der Lehrmeister vermittelt sowohl die theoretische als auch die praktische Ausbildung, und Lehrziel bildet der Berufsschulabschluss (BGE 118 IV 351 E. 2b). Der Beschwerdeführer besitzt keine solche Berufsausbildung, womit indessen seine Arbeitshaltung nicht in Frage gestellt werden soll. Eine erste handwerkliche Ausbildung und eine zweite als Kellner scheiterten. Seither arbeitet er als Hilfsarbeiter oder übt angelernte Tätigkeiten aus, vorwiegend im Betrieb seines Stiefvaters. Dieser hatte ihn auch bei einem eigenen kleinen Unternehmen finanziell unterstützt, doch scheiterte das Unternehmen. Demnach ist für den Beschwerdeführer eine Erziehung zur Arbeit (vgl. Art. 100bis Ziff. 3 StGB) – und das bedeutet im vorliegenden Zusammenhang eine Berufsausbildung – von vorrangiger Bedeutung. .
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bb) Der Beschwerdeführer bezeichnet sich mit seinen 23 Jahren sinngemäss als zu alt für die Massnahme, bestreitet aber die Möglichkeit der Einweisung zu Recht nicht (vgl. Art. 100 Abs. 1 StGB). Hinzukommt, dass er sich nach dem Gutachten infolge seiner «recht protrahierten ‹Entwicklungskrise› […] auch entwicklungsmässig nach wie vor in einem ‹Übergangsalter’« befindet. .
cc) Auch Art. 100 Abs. 2 StGB ist nicht verletzt. Die Vorinstanz kann sich bezüglich der «Erziehbarkeit zur Arbeit» auf das Gutachten stützen. Der
Gutachter führte aus, angesichts der Entwicklungssituation des Beschwerdeführers sei der Versuch einer therapeutischen Intervention angezeigt, dies allerdings in einem ‹sicheren›, durchaus auch psychoedukativen, pädagogischen Rahmen, und er wies ausdrücklich auf die Möglichkeit der Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt hin: Über die etwas anachronistische Bezeichnung hinaus böten diese Institutionen in der Regel neben einem pädagogischen Rahmen auch eine therapeutische Betreuung, gerade innerhalb der Gleichaltrigengruppe. Diese Massnahme könnte und müsste als Alternative zu einem Strafvollzug ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Den Bezug zur Arbeit, d.h. zur fehlenden Ausbildung des Beschwerdeführers, stellt das Gutachten mit der erwähnten mangelhaften Berufsausbildung her. dd) Der Beschwerdeführer macht schliesslich fehlende Eigenmotivation geltend, ohne das näher zu begründen. Die Vorinstanz setzt sich mit diesem Einwand nicht ausdrücklich auseinander. Es ist richtig, dass der Aspekt der Zweckmässigkeit einer Massnahme vom Betroffenen ein Mindestmass an Kooperationsbereitschaft erfordert. Die Arbeitserziehungsmassnahme ist jedoch mit den vom Beschwerdeführer BGE 123 IV 113 S. 124 herangezogenen Massnahmen im Sinne von Art. 44 StGB bei Betäubungsmittelabhängigen nur schwer zu vergleichen, weil es in diesen Fällen um eine Suchttherapie geht. Allerdings ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass eine Lehre auch in der Arbeitserziehungsanstalt scheitern wird, sollte er nicht ein Mindestmass an Motivation aufzubringen vermögen. Die Massnahme ist denn auch abzubrechen, wenn sich herausstellt, dass sie ihren spezialpräventiven Zweck nicht erreichen wird und somit zwecklos geworden ist; doch kann ein vorzeitiger Abbruch nur ausnahmsweise erfolgen (BGE 100 IV 205 E. 4). Was der Beschwerdeführer damit aber zu gewinnen hätte, ist nicht ersichtlich. Der Vorinstanz ist aufgrund des Gutachtens und unter den Gesichtspunkten von Art. 100bis StGB zuzustimmen, dass sich die Arbeitserziehungsmassnahme als die angemessene Sanktion erweist. Die Entscheidung mag in der Begründung nicht ganz überzeugen; sie überzeugt .
aber im Bestreben, dem Beschwerdeführer im Rahmen des Sanktionenrechts an Stelle der eingeschlagenen Laufbahn doch noch eine andere Entwicklungsperspektive aufzuzeigen, indem sie ihm, statt ihn für längere Zeit in ein Gefängnis einzuweisen, eine Berufsbildungsmöglichkeit eröffnet. d) Die Einweisung des Beschwerdeführers in eine Arbeitserziehungsanstalt verletzt daher kein Bundesrecht. Seine Beschwerde wird in diesem Umfang ebenfalls abgewiesen. 5. Zusammenfassend ist die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gutzuheissen. Diejenige des Beschwerdeführers ist in einem Punkt (oben E. 2d) gutzuheissen und im übrigen abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. .
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(Kostenfolgen)
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BGE 123 IV 128 20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. Juli 1997 i.S. D. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 221 Abs. 2 StGB, 21 ff. StGB; qualifizierte Brandstiftung, Versuch. Der qualifizierte Tatbestand setzt voraus, dass durch die Feuersbrunst, so wie sie sich ereignet hat, Leib und Leben von Menschen tatsächlich konkret gefährdet worden sind und dass der Täter im Sinne des direkten Vorsatzes um diese konkrete Gefährdung gewusst und sie gewollt hat. Angesichts der hohen Strafandrohung ist eine grosse Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Leib und Leben und damit eine nahe Gefahr erforderlich (E. 2a). Der Täter ist wegen versuchter qualifizierter Brandstiftung schuldig zu sprechen, wenn z.B. dank rascher Hilfeleistung niemand konkret gefährdet wurde und bloss die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (E. 2b). .
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Sachverhalt ab Seite 129 BGE 123 IV 128 S. 129 Am Abend des 13. Dezember 1994 setzte D. den seit mehreren Monaten wegen familiärer Schwierigkeiten gehegten Plan, in der ehelichen Wohnung im Erdgeschoss eines Zweifamilienhauses in N. einen Brand zu legen, in die Tat um. Die sich im Zeitpunkt des Brandausbruchs in ihrer Wohnung im ersten Obergeschoss aufhaltende X. konnte das Haus verlassen. Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach D. am 22. März 1996 der (qualifizierten) Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 und 2 StGB schuldig. D. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Geschworenengerichts sei aufzuheben und die Sache zur Ausfällung eines neuen Urteils wegen einfacher Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 .
StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 123 IV 128 S. 130 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Anwendung von Art. 277 BStP gut Erwägungen aus folgender Erwägung: 2.a) Wer vorsätzlich zum Schaden eines anderen oder unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht, wird mit Zuchthaus bestraft (Art. 221 Abs. 1 StGB). Bringt der Täter wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren (Art. 221 Abs. 2 StGB). Der qualifizierte Tatbestand von Abs. 2 setzt voraus, dass Leib und Leben von Menschen tatsächlich konkret gefährdet wurden; eine bloss abstrakte Gefahr reicht nicht aus. Erforderlich ist zudem, dass der Täter im Sinne des direkten Vorsatzes um diese konkrete Gefährdung weiss und sie auch will; es genügt mithin nicht, dass er im Sinn des Eventualvorsatzes eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben für möglich hält und sie in Kauf nimmt. Wer aber mit Wissen und Willen einen Zustand schafft, aus dem sich eine Gefahr ergibt, die er kennt, der will notwendig auch diese Gefahr (zum Ganzen BGE 117 IV 285; BGE 106 IV 127 E. 4 S. 131 f.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT II, 4. Aufl. 1995, § 28 N. 20; REHBERG, Strafrecht IV, 2. Aufl. 1996, S. 33 f.). Die bei den konkreten Gefährdungsdelikten vorausgesetzte Gefahr ist gegeben, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Verletzung des geschützten Rechtsguts besteht (BGE 94 IV 60 E. 2 S. 62; BGE 106 IV 12 E. 2a S. 14; BGE 111 IV 51 E. 2 S. 55; BGE 121 IV 67 E. 2b / aa S. 70; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT I, 5. Aufl. 1995, § 4 N. 8, zu Art. 129 StGB). Die Wahrscheinlichkeit der Verletzung des geschützten Rechtsgutes und damit die konkrete Gefahr können indessen mehr oder weniger gross bzw. nahe sein. Welche Anforderungen an die Nähe der bei .
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einem konkreten Gefährdungsdelikt erforderlichen Gefahr zu stellen sind, hängt auch von der Strafdrohung ab (s. dazu BGE 121 IV 67 E. 2d S. 74). Angesichts der vergleichsweise hohen Strafandrohung von drei bis zwanzig Jahren Zuchthaus in Art. 221 Abs. 2 StGB ist für diesen Tatbestand eine grosse Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Leib und Leben und damit eine nahe Gefahr erforderlich. Dies rechtfertigt sich auch deshalb, weil Art. 221 Abs. 2 StGB nach der Rechtsprechung (BGE 85 IV 130 E. 1; BGE 117 IV 285) keine Gemeingefahr voraussetzt und schon im Falle der Gefährdung einer einzigen, individuell bestimmten Person erfüllt sein kann. .
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BGE 123 IV 128 S. 131 Die Verurteilung wegen qualifizierter Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 2 StGB als vollendete Tat setzt voraus, dass durch die vom Täter mit Wissen und Willen verursachte Feuersbrunst, so wie sie sich ereignet hat, tatsächlich Leib und Leben von Menschen im genannten Sinn konkret gefährdet worden sind und dass der Täter diese Gefährdung gekannt und gewollt hat. Es genügt nicht, dass Menschen gefährdet worden wären, wenn das Feuer später, als es tatsächlich geschah, entdeckt bzw. gelöscht worden wäre. Massgebend ist insoweit nicht, was alles hätte geschehen können, sondern einzig, was sich tatsächlich ereignet hat. Wurde etwa dank rascher Hilfeleistung niemand konkret gefährdet, so kommt, sofern die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, allenfalls eine Verurteilung wegen versuchter qualifizierter Brandstiftung (s. nachstehend lit. b) in Betracht. .
b) Es stellt sich in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, ob der Täter, wenn niemand konkret gefährdet wurde und bloss die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, nicht wegen Versuchs der qualifizierten Brandstiftung, sondern nur wegen vollendeter einfacher Brandstiftung schuldig zu sprechen ist. Das Bundesgericht hat festgehalten, der Qualifikationsgrund von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG (SR 812.121) sei eine Strafzumessungsregel, während die allgemeinen Regeln über den Versuch (Art. 21 ff. StGB) die Frage der Strafbarkeit beträfen (BGE 122 IV 360 E. 2b). Daraus darf nicht hergeleitet werden, dass bei qualifizierten Tatbeständen ein strafbarer Versuch .
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grundsätzlich ausgeschlossen ist. Vielmehr ist diese Frage von Fall zu Fall besonders zu prüfen. Für die hier zu beurteilende Brandstiftung ergibt sich dabei folgendes: Nach dem Grundtatbestand macht sich strafbar, wer zum Schaden eines anderen oder unter Herbeiführung einer Gemeingefahr handelt. Der qualifizierte Tatbestand von Art. 221 Abs. 2 StGB dagegen schützt darüber hinaus ein weiteres Rechtsgut, nämlich Leib und Leben von Menschen. Im Unterschied zur Strafzumessungsregel des Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG kann Art. 221 Abs. 2 StGB demnach als dritte Variante der strafbaren vorsätzlichen Brandstiftung aufgefasst werden, womit dieser Bestimmung selbständige Bedeutung zukommt (JÖRG REHBERG, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 2. Aufl., Zürich 1996, S. 33). Ebenso wie beim Raub die Möglichkeit des Versuchs des qualifizierten Tatbestandes bejaht wurde (BGE 120 IV 113), ist deshalb bei der qualifizierten Brandstiftung eine versuchte Tatbegehung möglich. .
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BGE 123 IV 155 24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. August 1997 i. S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 139 Ziff. 1 ZGB i.V. m. Art. 172ter Abs. 1 StGB; Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP und Art. 277bis Abs. 1 Satz 2 BStP; Taschendiebstahl, geringfügiges Vermögensdelikt, Vorsatz des Täters. Ob der Vorsatz auf einen geringen Vermögenswert gerichtet war, ist eine Beweisfrage, die im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Diskussion gestellt werden kann. Möglichkeit der Annahme eines geringfügigen Vermögensdelikts auch bei einem Taschendiebstahl (E. 1b). .
Sachverhalt ab Seite 155 BGE 123 IV 155 S. 155 Im Mai 1991 entwendete B. während einer Tramfahrt in Zürich einem Fahrgast aus der Gesässtasche das Portemonnaie. Dieses enthielt Notengeld im Gesamtbetrag von Fr. 17.–, eine EC-Karte, eine Eurocard, einen Führerausweis und eine Identitätskarte. Am 1. November 1995 griff B. im Stadion Hardturm in Zürich während der Pause des Fussballspiels Grasshoppers gegen Ajax Amsterdam einem unbekannten Jugendlichen mit Diebstahlsabsicht in die Gesässtasche. Es blieb beim Versuch, da der Jugendliche in der Gesässtasche weder Portemonnaie noch Bargeld mit sich trug und B. durch einen Sicherheitsbeamten, der den Vorfall beobachtet hatte, unverzüglich festgenommen werden konnte. Am 18. November 1996 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich B. zweitinstanzlich wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls zu 30 Tagen Gefängnis, abzüglich einen Tag Polizeiverhaft, als Zusatzstrafe zum Urteil des
Appellationsgerichtes Basel-Stadt vom 19. April 1996. Das Obergericht schob den Vollzug der Freiheitsstrafe BGE 123 IV 155 S. 156 nicht auf. Überdies ordnete es den Vollzug der am 25. Mai 1993 vom Bezirksgericht Zürich ausgesprochenen bedingten Vorstrafe von 4 Wochen Gefängnis, abzüglich 22 Tage Untersuchungshaft, an. B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Obergerichtes aufzuheben. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe die Anwendung von Art. 172ter StGB zu Unrecht abgelehnt. Die ihm angelasteten Taten stellten geringfügige Vermögensdelikte im Sinne dieser Bestimmung dar. a) Der Beschwerdeführer hat sich wegen Diebstahls bzw. Diebstahlversuchs strafbar gemacht. Für den Grundtatbestand des Diebstahls droht das Gesetz Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder Gefängnis an (Art. 139 Ziff. 1 StGB; ebenso Art. 137 Ziff. 1 aStGB). Bei Versuch kann der Täter milder bestraft werden (Art. 21 Abs. 1 i.V. m. Art. 65 StGB). Gemäss Art. 172ter Abs. 1 StGB wird der Täter, auf Antrag, lediglich mit Haft oder mit Busse bestraft, wenn sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden richtet. Der Versuch ist nicht strafbar (Art. 104 Abs. 1 StGB). Die Grenze für den geringen Vermögenswert im Sinne von Art. 172ter StGB beträgt nach der Rechtsprechung Fr. 30.– (BGE 121 IV 261 E. 2d). Entscheidend ist der Vorsatz des Täters, nicht der eingetretene Erfolg. Art. 172ter StGB ist nur anwendbar, wenn der Täter von vornherein bloss einen geringen Vermögenswert oder einen geringen Schaden im Auge hatte. Liegt die Deliktssumme unter dem Grenzwert von Fr. 30.–, scheidet .
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Art. 172ter StGB deshalb aus, wenn der Vorsatz des Täters auf eine den Grenzwert übersteigende Summe gerichtet war (BGE 122 IV 156 E. 2a). Der Eventualvorsatz ist eine Form des Vorsatzes. Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den strafbaren Erfolg als möglich voraussieht, aber gleichwohl handelt, weil er ihn in Kauf nimmt für den Fall, dass er eintreten sollte (BGE 119 IV 1 E. 5a mit Hinweisen). Was der Täter weiss, will oder in Kauf nimmt, ist Tatfrage. Die entsprechenden Feststellungen der kantonalen Behörde sind für das Bundesgericht im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde deshalb verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 BStP; BGE 122 IV 156 E. 2b mit Hinweisen). .
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BGE 123 IV 155 S. 157 b) Die Vorinstanz legt dar, wer wie der Beschwerdeführer Taschendiebstähle begehe, habe die Bereitschaft, das zu nehmen, was ihm in die Hände falle, und wohl die Hoffnung auf möglichst grosse Beute; dies unabhängig davon, ob es sich beim Bestohlenen um einen Erwachsenen oder einen Jugendlichen handle. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass beim Beschwerdeführer Eventualvorsatz bezüglich eines Fr. 30.– übersteigenden Geldbetrags gegeben war. Dieser Schluss beruht auf Beweiswürdigung, welche im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht in Frage gestellt werden kann (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Ist aber beweismässig davon auszugehen, dass sich der Eventualvorsatz des Beschwerdeführers auf einen Geldbetrag von mehr als Fr. 30.– richtete, so hat die Vorinstanz die Anwendung von Art. 172ter StGB zu Recht abgelehnt. Die Vorinstanz hat weder die rechtlichen Voraussetzungen der Privilegierung nach Art. 172ter StGB noch den Begriff des Eventualvorsatzes verkannt. Einzuräumen ist dem Beschwerdeführer, dass Art. 172ter StGB auch bei einem Taschendiebstahl anwendbar sein kann. Der Vorsatz kann auch hier auf einen geringen Vermögenswert im Sinne dieser Bestimmung gerichtet sein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter beobachtet, wie ein Dritter dem Opfer eine Hundertfrankennote übergibt, und der Täter dem Opfer anschliessend die Note aus der Tasche zieht. Die konkreten Umstände müssen .
daher auch bei einem Taschendiebstahl geprüft werden. Ob sich der Vorsatz auf einen geringen Vermögenswert richtete, bleibt aber eine Beweisfrage, die im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Diskussion gestellt werden kann. Die Beschwerde wird in diesem Punkt deshalb abgewiesen.
BGE 124 IV 59 10. Estratto della sentenza della Corte di cassazione penale del 20 febbraio 1998 nella causa P. contro Ministero pubblico del Cantone Ticino (ricorso per cassazione) .
Regeste Art. 70 ff. StGB, art. 146 Abs. 2 StGB, Art. 148 Abs. 2 aStGB; Verfolgungsverjährung, gewerbsmässiger Betrug. Die einzelnen strafbaren Handlungen eines gewerbsmässigen Betruges bilden keine verjährungsrechtliche Einheit. Der vom Gesetz hergestellte Zusammenhang zwischen diesen und dem Qualifikationsmerkmal der Gewerbsmässigkeit betrifft die Strafzumessung. Sachverhalt ab Seite 59 BGE 124 IV 59 S. 59 Il 25 ottobre 1995 la Corte delle assise criminali di Lugano ha riconosciuto E. P. tra l’altro colpevole, congiuntamente a E. F. e a A. P., di ripetuta e continuata truffa aggravata, commessa per mestiere, per avere nel periodo ottobre 1976-ottobre 1985, in qualità di vicepresidente della F. SA, ripetutamente ingannato clienti della ditta nell’ambito di operazioni immobiliari promosse in Svizzera mediante la pubblicazione di prospetti ed eseguite all’estero. Tenuto conto del lungo tempo trascorso dalla commissione dei reati, la Corte delle assise ha condannato E. P. alla pena di 3 anni di reclusione. In quanto ammissibile, il ricorso inoltrato dal condannato è stato respinto dalla Corte di cassazione e di revisione penale del Tribunale d’appello del Cantone Ticino (CCRP) con sentenza del 22 novembre 1996. E. P. è insorto con tempestivi ricorsi di diritto pubblico e per cassazione dinanzi al Tribunale federale, chiedendo di annullare quest’ultima sentenza .
nonché di essere posto al beneficio dell’assistenza giudiziaria con gratuito patrocinio. Il Tribunale federale ha respinto, nella misura in cui era ammissibile, il ricorso di diritto pubblico, mentre ha parzialmente accolto, in quanto era ammissibile, il gravame per cassazione. BGE 124 IV 59 S. 60 Erwägungen Dai considerandi: 3. Il ricorrente contesta inoltre l’applicazione degli art. 70–72 CP effettuata dall’autorità cantonale in relazione ai reati di truffa per mestiere commessi nel periodo ottobre 1976-ottobre 1985. A suo avviso, gli atti rimproveratigli non sono suscettibili di costituire un’unica infrazione, bensì vanno giudicati separatamente. Ne discenderebbe, qualora l’ipotesi prospettata dall’interessato fosse corretta, che al momento di pronunciare la decisione impugnata, il 22 novembre 1996, la gran parte di essi era prescritta in modo assoluto. a) Giusta l’art. 70 cpv. 2 CP, l’azione penale si prescrive in dieci anni, se al reato è comminata la reclusione o la detenzione, ciò che è il caso per i reati rimproverati al ricorrente (art. 146 cpv. 2 CP, 148 cpv. 2 vCP). L’azione penale è prescritta assolutamente quando il termine ordinario della prescrizione sia superato della metà o, qualora si tratti di reati contro l’onore e di contravvenzioni, col decorso di un termine pari al doppio della durata normale (art. 72 n. 2 cpv. 2 CP). Di principio, la prescrizione decorre dal giorno in cui l’imputato ha compiuto il reato; ove quest’ultimo sia stato eseguito mediante atti successivi, essa decorre invece dal giorno in cui è stato compiuto l’ultimo atto (art. 71 cpv. 1 e 2 CP). .
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b) L’azione penale relativa al reato di truffa per mestiere si prescrive, in modo assoluto, in 15 anni. Dato che la decisione cantonale di ultima istanza è stata pronunciata il 22 novembre 1996, gli atti di truffa per mestiere antecedenti il 22 novembre 1981 dovrebbero essere ritenuti prescritti qualora,
come preteso dal ricorrente, i singoli atti dovessero essere considerati infrazioni a sé stanti ai sensi dell’art. 71 cpv. 1 CP. Per converso, qualora gli atti imputati al ricorrente, risalenti al periodo ottobre 1976-ottobre 1985, costituissero una sola infrazione ai sensi dell’art. 71 cpv. 2 CP, la loro prescrizione assoluta non sarebbe ancora subentrata. Si pone pertanto il quesito di sapere se le infrazioni rimproverate al ricorrente vadano considerate come singoli atti a sé stanti o se, invece, costituiscano una sola entità sotto il profilo della prescrizione, come reputato dall’autorità cantonale. aa) Il Tribunale federale ha rinunciato, nella DTF 117 IV 408, alla figura giuridica del reato continuato. Da allora, la questione se e a quali condizioni una pluralità di infrazioni debba essere riunita in un’entità giuridica che le comprenda tutte va decisa, separatamente e unicamente in base a criteri oggettivi, in ognuno degli ambiti in BGE 124 IV 59 S. 61 cui sinora era applicata la nozione di reato continuato. Più infrazioni distinte devono essere considerate come una sola ai fini dell’art. 71 cpv. 2 CP, secondo cui il termine della prescrizione decorre per l’insieme dei singoli atti solamente a partire dal giorno in cui è stato commesso l’ultimo atto, quando esse siano della stessa indole, siano commesse a pregiudizio dello stesso bene giuridico e costituiscano – senza che sussista un reato permanente ai sensi dell’art. 71 cpv. 3 CP – un comportamento illecito durevole, contemplato, esplicitamente o implicitamente, dalla fattispecie penale applicabile in concreto. Le condizioni precise che devono all’uopo essere adempiute non possono essere esaurientemente definite con una formula astratta (DTF 120 IV 6 consid. 2b; DTF 117 IV 408 consid. 2 f). Nondimeno, la sussistenza di una sola entità sotto il profilo della prescrizione va ammessa in modo restrittivo, onde evitare la reintroduzione sotto altra etichetta della nozione giuridica abolita. Il Tribunale federale ha ammesso la riunione di più infrazioni in una sola entità sotto il profilo della prescrizione in caso di amministrazione infedele (DTF 117 IV 408 consid. 2g), di trascuranza degli obblighi di mantenimento (DTF 118 IV 325 consid. 2b), di ripetute infrazioni alla legge sulle dogane (DTF 119 IV 73 consid. 2d / cc) nonché di atti sessuali .
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con fanciulli commessi da un maestro di scuola elementare (DTF 120 IV 6 consid. 2c / cc), mentre l’ha negata in caso di accettazione di doni (DTF 118 IV 309 consid. 2c) e di offese all’onore (DTF 119 IV 199 consid. 2). Tale riunione di più infrazioni in una sola entità è stata altresì ammessa, di recente, in caso di appropriazione indebita (DTF 124 IV 5). Nella fattispecie, l’autorità cantonale ha ritenuto, senza che il ricorrente sollevi obiezioni al proposito, che le infrazioni in causa sono della stessa indole e sono state commesse a pregiudizio dello stesso bene giuridico. Senonché, ancorché le modalità operative messe successivamente in atto dal ricorrente e dagli altri imputati fossero sostanzialmente le medesime, è lecito chiedersi se, considerate la moltitudine di parti lese e di operazioni immobiliari nonché la pluralità (almeno due) di azioni fraudolenti, si possa ancora legittimamente parlare di reati della stessa indole e commessi a pregiudizio dello stesso bene giuridico. Il quesito non merita tuttavia di essere approfondito, visto che, contrariamente a quanto sostenuto nella decisione impugnata, in concreto fa comunque difetto un comportamento durevolmente contrario ad un dovere permanente dell’agente. Il reato di cui all’art. 146 CP (art. 148 vCP) non comprende infatti un tale elemento a carattere durevole. Diversamente dal .
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BGE 124 IV 59 S. 62 caso di amministrazione infedele o di appropriazione indebita, l’agente non è costantemente tenuto a tutelare gli interessi pecuniari della controparte, rispettivamente a riparare il danno causatole. I singoli atti truffaldini non implicano una situazione suscettibile di prolungarsi nel tempo, bensì costituiscono atti a sé stanti, puntuali. Ne deriva che, ancorché secondo gli accertamenti vincolanti dell’autorità cantonale (art. 277bis cpv. 1 PP) tali atti si iscrivevano nell’ambito di un rapporto d’affari fondato anche sulla fiducia, in concreto non può essere ammessa la sussistenza di un comportamento durevolmente contrario ad un dovere permanente facente parte, esplicitamente o implicitamente, degli elementi oggettivi costitutivi del reato di truffa. .
bb) La precedente giurisprudenza considerava più infrazioni come una sola ai sensi dell’art. 71 cpv. 2 CP non solo in caso di reato continuato, bensì pure
in quello di reato commesso per mestiere. Con la rinuncia alla figura giuridica del reato continuato, è stata lasciata aperta la questione se e a quali condizioni possa essere ammessa un’unità sotto il profilo della prescrizione nel caso in cui l’agente sia ritenuto colpevole – come nella fattispecie – di aver fatto mestiere del reato commesso (DTF 117 IV 408 consid. 2f / aa). In concreto, ci si deve quindi chiedere se i singoli atti truffaldini rimproverati al ricorrente non siano suscettibili di essere riuniti in una sola entità, con la conseguenza che per tutti gli atti la prescrizione comincia a decorrere dal giorno in cui è stato compiuto l’ultimo atto (art. 71 cpv. 2 CP). In dottrina il quesito sollevato non trova una soluzione univoca. Alcuni autori associano l’art. 71 cpv. 2 CP unicamente al reato continuato (THORMANN / VON OVERBECK, Schweizerisches Strafgesetzbuch, AT, 1940, pag. 230; ERNST HAFTER, Lehrbuch des schweizerischen Strafrechts, AT, 1946, pag. 348 e 432; PAUL LOGOZ, Commentaire du Code pénal suisse, partie générale, 1976, pag. 389). Altri menzionano invece anche il reato commesso per mestiere quale esempio d’applicazione dell’art. 71 cpv. 2 CP (VITAL SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, 1964, pag. 220); HANS SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, I, 1982, pag. 249; JÖRG REHBERG, Strafrecht I, 1996, pag. 285). A sostegno della loro tesi, questi due ultimi autori fanno in particolare riferimento alla DTF 105 IV 12, in base alla quale sia il reato continuato sia il reato commesso per mestiere sono cosiddetti reati collettivi («Kollektivdelikte») che giuridicamente costituiscono una sola entità, di modo che ad entrambi è applicabile l’art. 71 cpv. 2 .
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BGE 124 IV 59 S. 63 CP. Per converso, GÜNTHER STRATENWERTH (Schweizerisches Strafrecht, AT I, 1996, pag. 478 seg.) ritiene corretta siffatta conclusione solo qualora siano contemporaneamente realizzati i normali presupposti di un’unità sotto il profilo della prescrizione (v. consid. 3b / aa). Per la dottrina germanica, SCHÖNKE / SCHRÖDER (Strafgesetzbuch, Kommentar, 1997, pag. 691 e 926) considerano che le singole infrazioni mantengono la loro indipendenza e non formano, per il semplice fatto di essere state commesse per mestiere, una sola entità giuridica. A loro avviso, la prescrizione decorre quindi .
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singolarmente da ciascun atto punibile. Da questi cenni dottrinali (e giurisprudenziali) risulta che l’art. 71 cpv. 2 CP è stato prevalentemente associato al reato continuato, nel frattempo abolito (DTF 120 IV 6; DTF 117 IV 408). Taluni autori evocano pure il reato commesso per mestiere, senza tuttavia fornire particolari motivazioni, salvo quella secondo cui (anche) esso costituisce un cosiddetto reato collettivo («Kollektivdelikt», «Sammelstraftat»), ovvero una sola entità giuridica, per la quale la prescrizione decorrerebbe dal giorno in cui è stato compiuto l’ultimo atto. Senonché, allorquando il Codice penale fa riferimento alla nozione di mestiere (art. 119 n. 3, 139 n. 2, 146 cpv. 2 CP, ecc.), si tratta di regola di una circostanza aggravante, per la quale è comminata una pena (notevolmente) più rigorosa rispetto al reato non qualificato, ciò che spiega perché in simili casi l’art. 68 CP non è di principio applicabile (GÜNTER STRATENWERTH, op.cit., pag. 478; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 1997, n. 35 ad art. 146, n. 10 ad art. 68). L’aggravamento della pena suole tuttavia essere previsto nel «Capo secondo: Della commisurazione della pena» (art. 63 segg. CP) anziché nel «Capo terzo: Della prescrizione» (art. 70 segg. CP) del Codice penale. Ne deriva che il legame creato dalla legge tra i singoli atti punibili con l’istituzione della citata aggravante non concerne la prescrizione, ma, piuttosto, la commisurazione della pena. Secondo la giurisprudenza, la nozione di mestiere dipende principalmente dall’intenzione dell’agente di procurarsi redditi regolari alla stessa stregua di una professione (DTF 119 IV 129; DTF 116 IV 319). Prevedendo che la pena è della reclusione fino a dieci anni o della detenzione non inferiore a tre mesi se il colpevole fa mestiere della truffa, la legge tiene conto, già a livello di comminatoria legale, della particolare pericolosità sociale così dimostrata dall’agente. In tal senso, l’art. 146 cpv. 2 CP non illustra un elemento costitutivo della fattispecie penale in causa, bensì una circostanza suscettibile di portare all’applicazione del quadro più .
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BGE 124 IV 59 S. 64 rigoroso della pena. L’art. 146 cpv. 2 CP costituisce quindi una norma riferita alla commisurazione della pena (cosiddetta «Strafzumessungsregel»), che, in quanto tale, non impone di trattare come una sola entità anche sotto il .
profilo della prescrizione i singoli atti punibili. Questi ultimi vanno bensì considerati indipendenti gli uni dagli altri (GÜNTER STRATENWERTH, op.cit., pag. 478; SCHÖNKE / SCHRÖDER, op.cit., pag. 926), con la conseguenza che ciascuno di essi si prescrive singolarmente (art. 71 cpv. 1 CP). .
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cc) Da quanto esposto deriva che le infrazioni imputate al ricorrente in connessione alle operazioni immobiliari promosse nel periodo 1976–1985 non sono suscettibili, benché punite nel loro insieme in quanto commesse per mestiere, di costituire una sola entità sotto il profilo della prescrizione. Quest’ultima decorre bensì, dal giorno in cui le singole truffe sono state compiute. Conseguentemente, il gravame va ammesso su questo punto e la causa rinviata all’autorità cantonale affinché si pronunci di nuovo, segnatamente ricommisuri la pena, dopo aver tenuto conto dell’intervenuta prescrizione per le infrazioni precedenti il 22 novembre 1981.
BGE 124 IV 97 18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. April 1998 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 139 Ziff. 1bis aStGB und Art. 140 Ziff. 2 nStGB; Art. 23 Abs. 1 StGB; qualifizierter Raub (Mitführen einer Schusswaffe), untauglicher Versuch. Schützt der qualifizierte Tatbestand gegenüber dem Grundtatbestand ein weiteres Rechtsgut, so kommt der Versuch der qualifizierten Tatbegehung in Betracht. Untauglicher Versuch des qualifizierten Raubes bejaht bei einem Räuber, der irrtümlich annahm, die Schusswaffe des Mittäters sei geladen (E. 2c). .
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Sachverhalt ab Seite 97 BGE 124 IV 97 S. 97 Am Abend des 8. November 1993 verübten B. und E. einen Überfall auf den Vorstand des Bahnhofs in O. Sie erbeuteten Bargeld im Betrag von Fr. 904.50 und zwei unpersönliche SBB-Generalabonnemente im Wert von ca. Fr. 8200.–. B. und E. führten je einen ungeladenen Revolver mit sich. B. nahm irrtümlich an, der Revolver des E., mit dem dieser den Bahnhofvorstand bedrohte, sei geladen. BGE 124 IV 97 S. 98 Am 16. September 1997 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich B. unter anderem wegen Raubes im Sinne von Art. 139 Ziff. 1bis aStGB in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 StGB zu 6 Jahren Zuchthaus. B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1.a) Die Vorinstanz legt dar, der Grundtatbestand des Raubes sei erfüllt. Der Beschwerdeführer und E. hätten in Mittäterschaft gehandelt. Die Qualifikationsgründe der Lebensgefahr (Art. 139 Ziff. 3 aStGB) und der besonderen Gefährlichkeit (Art. 139 Ziff. 2 aStGB) seien nicht gegeben. Für die Qualifikation des Mitführens einer Schusswaffe (Art. 139 Ziff. 1bis aStGB) genüge eine ungeladene Waffe nach BGE 111 IV 49 nicht. Da der Beschwerdeführer aber gemeint habe, der Revolver des E. sei geladen, und er unter dieser Annahme am Raub teilgenommen habe, sei in bezug auf den Qualifikationsgrund nach Art. 139 Ziff. 1bis aStGB ein untauglicher Versuch gegeben. Der untaugliche Versuch führe gemäss Art. 23 Abs. 1 StGB zwar zu einer Strafmilderung nach freiem Ermessen (Art. 66 StGB). Der Grundtatbestand des Raubes sei hier jedoch vollendet worden. Das Strafminimum für den einfachen Raub von 6 Monaten Gefängnis bilde daher die untere Grenze des Strafrahmens. .
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b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei lediglich nach dem Grundtatbestand des Raubes zu verurteilen. Die Annahme des untauglichen Versuchs des qualifizierten Raubes gemäss Art. 139 Ziff. 1bis aStGB verletze Bundesrecht. Die Qualifikation komme nur zur Anwendung, wenn sowohl die subjektiven als auch die objektiven Voraussetzungen gegeben seien. 2.a) Art. 139 Ziff. 1 aStGB droht für den Grundtatbestand des Raubes Zuchthaus bis zu 20 Jahren oder Gefängnis nicht unter 6 Monaten an. Art. 139 aStGB in der Fassung vom 9. Oktober 1981, in Kraft seit 1. Oktober 1982, enthält drei Qualifikationen: (1) Das Mitführen einer Schusswaffe oder einer anderen gefährlichen Waffe zum Zweck des Raubes führt nach Ziff. 1bis zur Anhebung der Mindeststrafe von 6 Monaten auf 1 Jahr Gefängnis. (2) Ziff. 2 enthält zwei alternative Qualifikationen, nämlich den bandenmässigen .
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BGE 124 IV 97 S. 99 Raub sowie die besondere Gefährlichkeit aufgrund der Tatbegehung. Hier wird die Mindeststrafe auf zwei Jahre Zuchthaus angehoben. (3) Gemäss Ziff. 3 wird die Mindeststrafe auf 5 Jahre Zuchthaus angehoben, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. Mit der Revision des Vermögensstrafrechts durch das Bundesgesetz vom 17. Juni 1994, in Kraft seit 1. Januar 1995, wurde der Raubtatbestand teilweise neu gefasst (Art. 140 nStGB). Beim Grundtatbestand wurde die Höchststrafe von früher 20 Jahren auf 10 Jahre herabgesetzt; die Mindeststrafe von 6 Monaten Gefängnis wurde dagegen beibehalten (Art. 140 Ziff. 1 nStGB). Die Qualifikationen blieben unverändert, wurden aber neu numeriert (neu Ziff. 2– 4 anstelle von bisher Ziff. 1bis, 2 und 3). Der untaugliche Versuch ist in Art. 23 StGB geregelt. Danach kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 66 StGB), wenn das Mittel, womit jemand ein Verbrechen oder ein Vergehen auszuführen versucht, oder der Gegenstand, woran er es auszuführen versucht, derart ist, dass die Tat mit einem solchen Mittel oder an einem solchen Gegenstand überhaupt nicht ausgeführt werden könnte (Abs. 1). Beim untauglichen Versuch besteht ein Sachverhaltsirrtum zuungunsten des Täters. Nach der Vorstellung des Täters erfüllt er einen Tatbestand, in Wirklichkeit ist sein Verhalten harmlos (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 23 N. 1). .
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b) Das Bundesgericht hatte sich bereits mit der Frage zu befassen, wie es sich verhält, wenn der qualifizierte Tatbestand nur subjektiv, nicht aber objektiv erfüllt ist. Nach der Rechtsprechung ist die Annahme eines mengenmässig schweren Falles gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. a des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel (BetmG; SR 812.121) geknüpft an eine objektive und an eine subjektive Voraussetzung. Die subjektive allein genügt nicht, auch nicht für den Versuch des qualifizierten Falles. Wie in BGE 122 IV 360 E. 2b ausgeführt wurde, betreffen die Regeln über den Versuch die Frage der .
Strafbarkeit. Sie bestimmen, wann der Versuch strafbar ist, wie er gegebenenfalls zu bestrafen ist und welche Folgen der Rücktritt hat. Bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein nach Art. 19 Ziff. 1 BetmG tatbestandsmässiges Verhalten einen schweren Fall im Sinne von Ziff. 2 lit. a darstellt und deshalb mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu ahnden ist, geht es demgegenüber nicht um die Strafbarkeit, sondern um Strafzumessung. Ziff. 2 lit. a. ist eine Strafzumessungsregel. Sie BGE 124 IV 97 S. 100 nennt Umstände, welche zur Anwendung des höheren Strafrahmens von einem bis zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe führen, nicht Tatbestandsmerkmale. Letztere beschreiben die gesetzlich erfasste Rechtsgutbeeinträchtigung und bestimmen das strafbare Geschehen als Gegenstand der Strafzumessung. Strafzumessungsregeln dagegen enthalten einen Massstab für die Bewertung dieses Gegenstandes. Im Stadium dieser Bewertung kann die Frage des Versuchs, die sich gegebenenfalls bei der Tatbestandsmässigkeit stellt, nicht mehr aufgeworfen werden (vgl. bereits BGE 119 IV 180 E. 2d; kritisch dazu Peter Albrecht, Untauglicher Versuch oder Wahndelikt?, AJP 1997, S. 752 ff.). In BGE 124 IV 79 hatte das Bundesgericht einen Fahrzeuglenker zu beurteilen, der ein Kind angefahren und danach seine Fahrt fortgesetzt hatte, ohne sich um dieses zu kümmern. Das Kind war nicht verletzt worden. Das Bundesgericht lehnte eine Verurteilung wegen Fahrerflucht nach Art. 92 Abs. 2 SVG ab. Diese Bestimmung stellt gegenüber Art. 92 Abs. 1 SVG, der den Grundtatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall bildet, einen qualifizierten Fall dar. Wie das Bundesgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG darlegte, muss der qualifizierte Fall subjektiv und objektiv erfüllt sein (E. 2d). Wie in BGE 123 IV 128 ausgeführt wurde, darf aus der Rechtsprechung zu Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG nicht hergeleitet werden, bei qualifizierten Tatbeständen sei ein strafbarer Versuch grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr ist diese Frage von Fall zu Fall besonders zu prüfen (E. 2b). Im erwähnten BGE 123 IV 128 ging es um eine Brandstiftung. Nach dem Grundtatbestand (Art. 221 Abs. 1 StGB) ist strafbar, wer vorsätzlich zum .
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Schaden eines anderen oder unter Herbeiführung einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht. Der qualifizierte Tatbestand (Art. 221 Abs. 2 StGB) schützt darüber hinaus ein weiteres Rechtsgut, nämlich Leib und Leben von Menschen. Im Unterschied zur Strafzumessungsregel von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG kann Art. 221 Abs. 2 StGB daher als dritte Variante der vorsätzlichen Brandstiftung aufgefasst werden. Dieser Bestimmung kommt mithin eine selbständige Bedeutung zu. Der Täter ist deshalb wegen versuchter qualifizierter Brandstiftung schuldig zu sprechen, wenn z.B. dank rascher Hilfeleistung niemand konkret gefährdet wurde und bloss die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (E. 2b). .
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c) Entscheidend ist danach, ob bei der Qualifikation ein weiteres Rechtsgut hinzutritt und ihr damit eine selbständige Bedeutung BGE 124 IV 97 S. 101 zukommt. Ist dies der Fall, so kommt ein Versuch der qualifizierten Tatbegehung in Betracht. Art. 19 Ziff. 1 BetmG erfasst die abstrakte Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, der qualifizierte Tatbestand (Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG) ebenso. Beim qualifizierten Tatbestand ist aufgrund der grossen Betäubungsmittelmenge lediglich die Gefährdung stärker. Die Art der Widerhandlung ist die gleiche wie beim Grundtatbestand. Der qualifizierte Tatbestand unterscheidet sich mit andern Worten lediglich in bezug auf die Intensität der Rechtsgutbeeinträchtigung vom Grundtatbestand. Insoweit hat er keine selbstän-dige Bedeutung. Anders verhält es sich bei Art. 221 Abs. 2 StGB. Hier kommt gegenüber dem Grundtatbestand ein weiteres Rechtsgut hinzu. Die strafbare Tätigkeit nach Abs. 2 unterscheidet sich qualitativ vom Grundtatbestand. Der Gesetzgeber hätte für die qualifizierte Brandstiftung deshalb ebensogut eine eigenständige Strafbestimmung schaffen können. Das hat er beispielsweise getan beim Raub, welchen er auch der Bestimmung über den Diebstahl (Art. 139 StGB) als qualifizierten Tatbestand hätte anfügen können. Da bei einer eigenständigen Strafbestimmung aber der Versuch möglich ist, muss bei einem qualifizierten Tatbestand dasselbe gelten, wenn dieser eine .
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eigenständige Strafbestimmung bilden könnte. Unterscheidet sich die Qualifikation nur in bezug auf die Intensität der Rechtsgutbeeinträchtigung vom Grundtatbestand, scheidet ein Versuch demgegenüber aus. Die erhöhte Intensität ist entweder gegeben oder nicht. Ein selbständiges tatbestandsmässiges Geschehen, das unvollendet sein könnte, gibt es nicht. d) Geschützte Rechtsgüter beim Grundtatbestand des Raubes sind das Eigentum und die Freiheit der Person (MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Band, Bern 1990, Art. 139 N. 9; JÖRG REHBERG / NIKLAUS SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl., Zürich 1997, S. 122; BERNARD CORBOZ, Les infractions principales, Bern 1997, S. 120 N. 4). Bei der Qualifikation nach Art. 139 Ziff. 1bis aStGB tritt als weiteres Rechtsgut der Schutz der körperlichen Integrität hinzu. Ziff. 1bis stellt eine Art abstraktes Gefährdungsdelikt dar. Der Grund für die Qualifikation liegt in der Gefahr, dass der Täter von der Waffe, wenn er sie schon bei sich hat, in einer kritischen Situation Gebrauch machen und damit das Opfer erheblich verletzen oder sogar töten könnte (vgl. SCHUBARTH, a.a.O., Art. 137 N. 144 und 148; CORBOZ, a. a.O., S. 123 N. 16; TRECHSEL, a.a.O., Art. 139 N. 18; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches BGE 124 IV 97 S. 102 Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl., Bern 1995, § 13 N. 105). Ziff. 1bis enthält somit eine eigenständige Kombination von Rechtsgütern. Die Qualifikation ist vergleichbar mit jener in Art. 221 Abs. 2 StGB. Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Beschwerdeführer wegen untauglichen Versuchs des qualifizierten Raubes nach Art. 139 Ziff. 1bis aStGB verurteilt hat. Ebenso hat sie zutreffend erkannt, dass sich hier die Möglichkeit der Strafmilderung wegen Versuchs nur auf die erhöhte Strafdrohung des qualifizierten Tatbestands bezieht, nicht aber auf die Strafdrohung des Grundtatbestands, da dieser vollendet ist. .
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3.
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(Kostenfolgen)
BGE 126 IV 113 18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Juni 2000 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 146 Abs. 1 StGB; Betrug im Checkverkehr. Einreichung eines der Ausstellerin abhanden gekommenen gekreuzten Checks bei einer Bank zum Inkasso bei der bezogenen Bank; tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über fremdes Vermögen; Unmittelbarkeit der Vermögensverfügung (E. 3). .
Sachverhalt ab Seite 113 BGE 126 IV 113 S. 113 A. Im Juli 1994 übergab A. seiner betagten Mutter B. einen von C. für die Groupe Everstyl Investissements ausgestellten, auf die Bank Société Générale gezogenen, gekreuzten Check über FF 370’00.– mit dem Auftrag, den Check ihrer Hausbank zum Inkasso vorzulegen. Dabei instruierte er sie dahingehend, als Erwerbsgrund den Verkauf eines Bildes aus ihrer Gemäldesammlung anzugeben. A. hatte den Check zuvor von D. entgegengenommen, der ihn seinerseits unter dubiosen, nicht näher ermittelten Umständen erworben hatte. Am 25. Juli 1994 präsentierte B. den Check der Bank Dreyfus Söhne & Cie AG in Basel zum Inkasso. Die Frage des Bankdirektors nach der Herkunft des Checks beantwortete B. wahrheitswidrig im BGE 126 IV 113 S. 114 Sinne der Instruktion ihres Sohnes. Nachdem B. ihren Namen in die noch leere Ordre-Rubrik eingesetzt und den Check indossiert hatte, übernahm die Bank Dreyfus das Inkasso und leitete den Check der Banque Wormser Frères
SA Paris weiter, welche ihn der bezogenen Bank vorlegte. In der Folge belastete die bezogene Bank das Guthaben der Groupe Everstyl Investissements mit FF 370’00.– und überwies den Betrag der Banque Wormser. Anschliessend wurden dem Konto von B. bei der Bank Dreyfus sFr. 90 465.– gutgeschrieben. Am 5. August 1994 überwies B. Fr. 10’00.– auf ein Konto des Anwaltsbüros X. bei der Crédit Suisse in Lausanne, «Référence A.», sowie Fr. 60’00.– an die Bank Crédit Foncier in Monaco zur Verfügung ihres Sohnes. Am 16. August 1994 liess sie Bargeld in der Höhe von FF 250’00.– durch die Bank Dreyfus an E. in Genf, einen Dienstkollegen ihres Sohnes, spedieren. Von dort aus wurde das Geld kurz darauf durch einen nicht identifizierten Kurier unter Verwendung eines Codes abgeholt. Am 30. September 1994 meldete sich ein Mitarbeiter der Firma Everstyl bei der Bank Dreyfus und erklärte, der Check sei der Firma gestohlen worden. B. Der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt sprach A. am 14. Januar 1999 von der Anklage der Hehlerei und des Betrugs kostenlos frei. Auf Rekurs der Staatsanwaltschaft sprach das Appellationsgericht BaselStadt A. am 22. Oktober 1999 des Betrugs schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 4 Monaten, als Zusatzstrafe zu einem Urteil des Tribunal de Grande Instance d’Aix-en-Provence vom 20. Dezember 1996, mit welchem A. zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren, wovon 19 Monate bedingt, verurteilt worden war. Von der Anklage der Hehlerei sprach es ihn hingegen frei. C. A. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei das Urteil des Appellationsgerichts in Bezug auf den Schuldspruch wegen Betrugs teilweise aufzuheben, und es sei die Sache zu seiner Freisprechung von Schuld und Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen:
2.a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht Betrug bejaht. Zunächst fehle es am Nachweis eines BGE 126 IV 113 S. 115 Vermögensschadens. Allein aus der Einlösung des Checks könne nicht auf einen Vermögensschaden geschlossen werden, weil sich die «Checkeinlösung naturgemäss als Pendant zur Checkausstellung darstellt». Weiter liege keine Täuschung der «Einreicherbank» vor. Die Mutter des Beschwerdeführers habe bei der Bank Dreyfus ihren Namen in die zuvor leere Ordre-Rubrik gesetzt und den Check indossiert. Der Inhabercheck sei somit in einen Ordrecheck «umgewandelt» worden. Zudem habe sich die Kundin nach den Vorschriften über den Rückgriff haftbar gemacht (Art. 1111 OR). Die Bank selbst habe sorgfaltsgemäss gehandelt und sichergestellt, dass sie den Check nur für Rechnung eines Kunden einzog. Umstände aber, die sich erst nach der Gutschrift des Checkbetrags ergäben, wie hier die Weiterleitung des Betrags an einen anderen Empfänger, seien aus Sicht des Checkrechts bedeutungslos. In jedem Fall fehle es aber am Motivationszusammenhang zwischen der angeblichen Täuschung «oder dem dadurch allenfalls entstandenen Irrtum der Bank und der als Folge eines solchen Irrtums vorgenommenen Vermögensdisposition». Denn die Bank habe das Konto ihrer Kundin nicht aufgrund des ihr vorgelegten Checks gutgeschrieben, sondern als Folge der Honorierung durch die bezogene Bank. Die «Einreicherbank» sei nicht verpflichtet gewesen, nähere Umstände, wie etwa die «materielle Begründetheit des vom Gesetzgeber als Zahlungsmittel konzipierten Checks» zu prüfen. Schliesslich sei es nicht zulässig, aus der Annahme einer groben Fahrlässigkeit bei der Entgegennahme des Checks ohne weitere Prüfung auf Betrugsvorsatz zu schliessen. Der Umfang der Prüfungspflicht beim Erwerb eines Inhaberchecks ergebe sich aus Art. 1100 OR. Der Erwerber habe nur zu prüfen, ob der Check die erforderlichen Angaben enthalte, nicht aber die Rechtsgültigkeit früherer Begebungsakte. Trotz der «nicht über allen Verdacht erhabenen» Umstände habe er sich darauf verlassen dürfen, dass sich «etwaige Unkorrektheiten» im Zusammenhang mit dem Check beim Inkasso herausstellen würden. .
b) Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP [SR 312.0]) übernahm der Beschwerdeführer den Check von D. und übergab ihn seiner Mutter zur «Einreichung» (d. h. Inkasso) bei ihrer Hausbank (Bank Dreyfus). Dabei instruierte er sie dahingehend, als Erwerbsgrund den Verkauf eines Bildes aus ihrer Gemäldesammlung anzugeben. In der Folge wurde das Konto der Groupe Everstyl bei der bezogenen Bank aus dem Inkasso des Checks durch die Banque Wormser S.A. Paris am 1. August 1994 mit FF 370 000 belastet. Im Gegenzug wurden dem .
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BGE 126 IV 113 S. 116 Konto von B. bei der Bank Dreyfus sFr. 90 465.– gutgeschrieben. Für die Einlösung des Checks erhielten der Beschwerdeführer und D. eine Provision über je FF 60’00.–. Bei Kenntnis des Umstandes, dass B. lediglich im Auftrag und auf Rechnung des in keiner Kundenbeziehung zur Bank Dreyfus stehenden Beschwerdeführers handelte, hätte die Bank den Check nicht entgegengenommen. Wären ihr die Hintergründe des Erwerbs des Wertpapiers sowie die unklare legitimationsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers bekannt gewesen, hätte die Bank Dreyfus zudem weitere Erkundigungen veranlasst und «mit grösster Wahrscheinlichkeit» von der Entgegennahme des Checks auch aus diesen Gründen abgesehen. Die betagte Mutter des Beschwerdeführers war eine langjährige Kundin der Bank Dreyfus. Aufgrund dieses Umstandes sowie angesichts des von ihr geschilderten Bilderverkaufs hatte die Bank keinen Anlass, den Check sowie die Berechtigung der Kundin näher zu überprüfen. Mit der Frage des Bankdirektors, was der Grund für die Ausstellung des Checks sei, kehrte die Bank das vor, was von ihr vernünftigerweise erwartet werden konnte und wovon der in Bank- und Checkangelegenheiten versierte Beschwerdeführer auch ausging. In rechtlicher Hinsicht führt die Vorinstanz aus, der Beschwerdeführer habe seine betagte Mutter als «Werkzeug» benutzt, um den Check einzulösen. Dies habe er nicht selbst vornehmen können, weil der Check gekreuzt gewesen sei. Die Bezogene habe den Check daher nur an einen Bankier oder an einen ihrer Kunden bezahlen dürfen (Art. 1124 Abs. 1 OR). Auf der anderen Seite habe ein Bankier den Check nur von einem seiner Kunden oder .
von einem anderen Bankier erwerben und zudem allein für deren Rechnung einziehen dürfen (Art. 1124 Abs. 3 OR). Die vom Beschwerdeführer inszenierte Täuschung der Bank Dreyfus unter «Einschaltung» seiner Mutter erfülle das Tatbestandsmerkmal der Arglist, weil er davon habe ausgehen können, dass die Bank aufgrund des Vertrauensverhältnisses zu ihrer langjährigen Kundin von einer näheren Überprüfung ihrer Angaben absehen würde. Die Täuschung habe zum Schaden der Ausstellerin geführt. Schliesslich sei angesichts der Bösgläubigkeit des Beschwerdeführers bei der Entgegennahme des Checks auch der subjektive Tatbestand erfüllt. .
3.a) Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB erfüllt den Tatbestand des Betrugs, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig BGE 126 IV 113 S. 117 bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. Der Getäuschte muss durch den Irrtum zu einer Vermögensverfügung veranlasst werden. Damit wird ein ursächliches Bindeglied zwischen Irrtum und Vermögensverfügung hergestellt (statt vieler SCHUBARTH / ALBRECHT, Kommentar Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Band, Art. 148 N. 60 ff.). Vermögensverfügung ist grundsätzlich jedes Handeln oder Unterlassen, das eine Vermögensverminderung unmittelbar herbeiführt (vgl. nur STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl. 1995, § 15 N. 33 f.). Unmittelbarkeit bedeutet, dass das irrtumsbedingte Verhalten des Getäuschten zu der Vermögensminderung führt, ohne dass dafür noch zusätzliche deliktische Zwischenhandlungen des Täters erforderlich sind (LACKNER, LK, 10. Aufl., § 263 N. 99 mit Hinweisen). Die Verfügung selbst muss aber nicht zwingend in einem einzigen Akt bestehen. Vielmehr ist – namentlich in arbeitsteiligen Organisationsformen wie Unternehmen, Behörden usw. – auch möglich, dass verschiedene Personen stufenweise Einzelhandlungen vornehmen, von denen erst die letzte die Vermögensverminderung herbeiführt (LACKNER / KÜHL, StGB, 23. Aufl., .
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München 1999, § 263 N. 25; LACKNER, a. a.O., § 263 N. 99, 108; MAURACH / SCHRÖDER / MAIWALD, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, 8. Aufl., Heidelberg 1995, § 41 N. 75). Wann vermittelnde Zwischenhandlungen des Getäuschten oder dritter Personen den erforderlichen Zusammenhang abbrechen lassen, lässt sich abstrakt nicht beantworten (LACKNER, a. a.O., ebd.). Getäuschter und Verfügender müssen beim Betrug identisch sein, nicht aber Verfügender und Geschädigter. Schädigt der Getäuschte nicht sich selbst, sondern einen Dritten (sog. Dreiecksbetrug), setzt die Erfüllung des Betrugstatbestandes voraus, dass der Getäuschte für den Vermögenskreis des Geschädigten «verantwortlich» bzw. «zuständig» ist und darüber verfügen kann. Nur dann ist das Verhalten des getäuschten Dritten dem Opfer wie eigenes zuzurechnen und der Grundgedanke des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt gewahrt. Dabei genügt nach vorherrschender Auffassung eine tatsächliche Verfügungsmöglichkeit; nicht erforderlich ist dagegen, dass der Verfügende zusätzlich auch rechtlich wirksam disponieren kann (HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 11937, 271; REHBERG / SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl. 1997, 178; STRATENWERTH, a.a.O., § 15 N. 33 f.; anders – rechtliche Verfügungsmacht – aber SCHUBARTH / ALBRECHT, a. a.O., Art. 148 N. 62). .
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BGE 126 IV 113 S. 118 Das gilt gleichermassen für den Sach- und den Forderungsbetrug (RUDOLPHI / HORN / GÜNTHER, SK-StGB, § 263 N. 98). Die exakte Begrenzung des vorausgesetzten Näheverhältnisses des Getäuschten zur Vermögenssphäre des Geschädigten und des Einflussbereichs im Sinne der tatsächlichen Verfügungsmacht bietet freilich Schwierigkeiten (dazu näher STRATENWERTH, a.a.O., § 15 N. 34). Entscheidend ist, dass der getäuschte Dritte bildlich gesprochen «im Lager» des Geschädigten steht (LENCKNER, JZ 1966 S. 321). .
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b) Nach der gesetzlichen Regelung darf ein allgemein gekreuzter Check vom Bezogenen nur an einen Bankier oder an einen Kunden des Bezogenen
bezahlt werden (Art. 1124 Abs. 1 OR). Auf der anderen Seite darf ein Bankier einen gekreuzten Check nur von einem seiner Kunden oder von einem anderen Bankier erwerben und allein für deren Rechnung einziehen (Art. 1124 Abs. 3 OR). Diese Bestimmungen dienen der Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen der Kreuzung (HIPPELE, Basler Kommentar OR, Art. 1125 N. 15). Der Bezogene oder Bankier, der den vorstehenden Vorschriften zuwiderhandelt, haftet für den entstandenen Schaden, jedoch nur bis zur Höhe der Checksumme (Art. 1124 Abs. 5 OR). Wird der Check von einem Nichtberechtigten eingereicht (Dieb, Finder usw.), so kann dies zum Schaden für den wahren Berechtigten führen. Ein Schaden tritt für diesen beispielsweise ein, wenn er die Summe nicht seinerseits bei der Bezogenen einfordern kann, d. h. in der Regel dann, wenn diese mangels Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit befreiend geleistet hat (vgl. Art. 1121 OR). Die Einreicherbank verfügt am ehesten über die Möglichkeit, unlautere Handlungen, die zum Missbrauch führen, aufzudecken, tritt doch der unberechtigte Inhaber oft in direkten Kontakt zu ihr. Aus dem System des Checkrechts ergibt sich eine zentrale «Siebfunktion» der Einreicherbank. Sie ist häufig die einzige Instanz im Checkumlauf, wo überhaupt die Chance der Aufdeckung eines Missbrauchs besteht. Wird der Checkverkehr als System angesehen, handelt die Einreicherbank an sich für alle übrigen Beteiligten. Dabei gilt grundsätzlich das selbe Mass an Sorgfalt, wie es bei direktem Eingang des Checks bei der Bezogenen anwendbar wäre (JÄGGI / DRUEY / VON GREYERZ, Wertpapierrecht, Basel 1985, S. 286 ff.). .
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c) aa) Im hier beurteilten Fall wird in der Anklageschrift und in den Urteilen der Vorinstanzen einzig die Ausstellerin des Checks als Geschädigte genannt. Aufgrund der festgestellten Tatsachen ist davon auszugehen, dass sich die Bank Dreyfus an die Vorschriften über die Entgegennahme gekreuzter Checks gehalten hat. Damit BGE 126 IV 113 S. 119
dürfte ein Schadenersatzanspruch der Geschädigten gegen die Bank Dreyfus ausser Betracht fallen, weshalb der Eintritt eines Vermögensschadens bei Letzterer ausgeschlossen werden kann. bb) Der Beschwerdeführer hat die Bank Dreyfus durch seine Mutter als willenloses Werkzeug arglistig über die Herkunft des Checks getäuscht und die Bank dadurch veranlasst, den Check einzuziehen bzw. das Inkasso zu übernehmen. In der Folge hat die Bank Dreyfus den Check an die Bank Wormser in Paris weitergeleitet, welche den Check schliesslich bei der bezogenen Bank einlöste. Diese bezahlte den Check und belastete das Konto der Ausstellerin im entsprechenden Umfang. Auf der Grundlage der verbindlichen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil ist es bundesrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz eine arglistige Täuschung der Bank Dreyfus durch den Beschwerdeführer in mittelbarer Täterschaft und einen dadurch bewirkten Irrtum der Getäuschten sowie der verfügenden Bezogenen bejaht. Fraglich ist in objektiver Hinsicht jedoch, ob die Bank Dreyfus unmittelbar über fremdes Vermögen verfügt hat, indem sie den gekreuzten Check zum Inkasso entgegennahm und weiterleitete. cc) Die gesetzliche Regelung, wonach ein allgemein gekreuzter Check vom Bezogenen nur an einen Bankier oder an einen Kunden des Bezogenen bezahlt werden darf (Art. 1124 Abs. 1 OR) und einem Bankier nur erlaubt ist, einen solchen Check von einem seiner Kunden oder von einem anderen Bankier zu erwerben und allein für deren Rechnung einzuziehen (Art. 1124 Abs. 3 OR), begründet ein besonderes Verhältnis der Einreicherbank zum Vermögensgegenstand. Wie oben (E. 3b) dargetan, trifft die Einreicherbank ein Mindestmass an Sorgfalt bei der Entgegennahme von gekreuzten Checks. Das System des Checkrechts auferlegt ihr die Aufgabe einer vorgelagerten Missbrauchskontrolle, die der Bezogenen in der Folge weitgehend verschlossen bleibt. Diese gesetzliche «Filter- oder Siebfunktion» soll namentlich die Ausstellerin vor Checkmissbrauch schützen und begründet insofern eine gesteigerte Verantwortung der Einreicherbank für deren Vermögen. Die Einreicherbank tritt damit gleichermassen als verlängerter .
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Arm der anderweitig Beteiligten auf. Nimmt sie einen gekreuzten Check von einem Nichtberechtigten zum Inkasso entgegen, stellt sie damit die entscheidende Weiche auf dem Weg zur Auszahlung durch die Bezogene. Die kraft Gesetzes delegierte Pflichtenstellung der Einreicherbank ist für die Honorierung des Checks von derart (vor-)entscheidender Bedeutung, dass .
BGE 126 IV 113 S. 120 die stufenweisen Einzelhandlungen der Einreicherbank und der Bezogenen einen in sich geschlossenen Geschehensablauf darstellen. Für den hier zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass sich die Entgegennahme und Weiterleitung eines gekreuzten Checks an die Bezogene durch die Bank Dreyfus in Anbetracht der wertpapierrechtlichen Verkettung tatsächlich unmittelbar auf die Vermögensposition der Ausstellerin ausgewirkt hat. Indem die Vorinstanz (stillschweigend) bejahte, dass das irrtumsbedingte Verhalten der getäuschten Bank Dreyfus die Vermögensverminderung und schädigung bei der Checkausstellerin unmittelbar herbeigeführt hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer auch die weiteren objektiven Tatbestandsmerkmale des Betruges in mittelbarer Täterschaft erfüllt; insoweit kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG). .
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dd) In subjektiver Hinsicht hat die Vorinstanz zu Recht aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer bei der Entgegennahme des Checks von der fehlenden Rechtszuständigkeit von D. ausging und damit bösgläubig im Sinne von Art. 1112 OR war, sowie aus den weiteren Tatumständen sowohl die Absicht unrechtmässiger Bereicherung als auch zumindest eventuellen Betrugsvorsatz bejaht. Entgegen dem Verständnis des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz Bösgläubigkeit und nicht bloss grobe Fahrlässigkeit bejaht. Wer zutreffend annimmt, dass ein gekreuzter Check der Ausstellerin abhanden gekommen ist, und diesen gleichwohl einlöst, handelt in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Dass sich der Vorsatz des Beschwerdeführers auf alle Tatbestandsmerkmale – wie etwa das motivierende Verhalten, das Setzen eines Motivs beim Getäuschten sowie dessen Verfügung und die Vermögensschädigung einschliesslich des Motivationszusammenhanges
zwischen ihnen – richtete, bedarf hier keiner besonderen Erörterung.
BGE 126 IV 165 27. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Oktober 2000 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Art. 146 Abs. 1 StGB, Art. 513 Abs. 1 und Art. 514 Abs. 2 OR; Betrug bei einem Fernsehquiz, Arglist, Vermögensschaden, Vorsatz. Arglist in der Form besonderer Machenschaften bejaht bei einem Täter, der umfangreiche Vorkehren getroffen hat, um vor der Sendung Kenntnis von den gestellten Fragen und Antworten zu erhalten. Opfermitverantwortung verneint (E. 2). Frage offen gelassen, ob es sich bei der Sendung um ein Spiel im Sinne des Obligationenrechtes handelt, da auch diesfalls der Veranstalter einen zivilrechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils hätte und damit ein Vermögensschaden gegeben wäre (E. 3). Hält der Täter einen Gewinn für möglich und will er ihn für den Fall, dass er eintreten sollte, ist Vorsatz gegeben (E. 4). .
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Sachverhalt ab Seite 166 BGE 126 IV 165 S. 166 A. Mit Anklageschrift vom 30. September 1998 warf die Bezirksanwaltschaft Zürich X. vor, sich in Mittäterschaft mit Y. und Z. des Betrugs bzw. des Versuchs dazu schuldig gemacht zu haben; dies gestützt auf folgenden Sachverhalt: I. Sendung «Risiko» vom 22. April 1996 1. Mitte 1995 bewarb sich Y. als Kandidat für die Sendung «Risiko» des Schweizer Fernsehens DRS (SF DRS) in Zürich-Leutschenbach. Er wurde im Dezember 1995 von der Redaktion «Risiko» als Kandidat für die Sendung .
vom 22. April 1996 zugelassen, wobei er sich gleichzeitig unterschriftlich zur Einhaltung des Spielreglementes «Risiko» (Ausgabe September 1995) verpflichtete. Am 1. April 1996 nahm er als Testkandidat an der Generalprobe für die abendliche Live-Sendung «Risiko» teil. Dabei stellte er fest, dass in der Generalprobe von ca. 17.00–18.00 Uhr mit den Probekandidaten jeweils die gleichen Fragen und Antworten verwendet wurden wie in der abendlichen Live-Sendung ab 20.00 Uhr mit den richtigen Teilnehmern. 2. Zirka eine Woche nach der Generalprobe vom 1. April 1996 beschlossen X. und die beiden Mittäter, die Verantwortlichen der Sendung «Risiko» zu täuschen, um die Sendung vom 22. April 1996 zu manipulieren. Sie entschlossen sich, mit einem Kniff zu spielen, um den Spielverlauf und ausgang zu ihren Gunsten zu bestimmen, die Gewinnchancen der beiden Mitkandidaten weitestgehend zu beschneiden und einen in der Höhe noch unbestimmten, aber möglichst hohen Spielgewinn zu erlangen, von welchem X. und Z. einen Anteil von zirka 10 –20 Prozent und Y. den Rest erhalten sollten. Sie fassten den Plan, X. und Z. in die Generalprobe vom 22. April 1996 einzuschleusen, um so die Lösungen für die Live-Sendung in Erfahrung zu bringen und diese anschliessend Y. heimlich und unter gezielter Ausnützung einer von ihnen ausgeforschten Lücke im Sicherheitsdispositiv von SF DRS zu übermitteln. Das Sicherheits- und Betreuungskonzept der Sendung «Risiko» hatte einerseits den Sicherheitsaspekten und anderseits den besonderen technischen Voraussetzungen einer Live-Sendung Rechnung zu tragen, aber auch zu berücksichtigen, dass die Intimsphäre der Kandidaten gewahrt und eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens aufgebaut werden musste, damit die TV-unerfahrenen Kandidaten adäquat auf ihren LiveAuftritt vorbereitet werden konnten und nicht völlig verunsichert vor der Kamera auftraten. Dieses Konzept sah vor, dass die Kandidaten ab Betreten des Geländes von SF DRS dauernd abgeschirmt und von Mitarbeitern der Sendung «Risiko» begleitet und beaufsichtigt werden, ausser beim Besuch der Toilette und beim Umziehen in der (persönlichen) Garderobe. 3. Die drei Mittäter wussten, dass in den Runden 1–3, in welchen zehn Wissensfragen zu beantworten sind, mit Kenntnis der Lösungen und Setzen der Höchstbeträge (Fr. 1’00.–) bei einem Maximalgewinn von Fr. 14’50.– mit Sicherheit ein Gewinn von mindestens Fr. 11’00.– .
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BGE 126 IV 165 S. 167 erzielt werden konnte (Fr. 2’00.– Startkapital + 10 x Fr. 1’00.– + Fr. 1’00.– Jokereinsatz abzüglich Fr. 1’50.– Maximalverlust [sich ergebend aus den aleatorischen Elementen «Kugelspiel» Fr. 50.– und «Musiktip» Fr. 1’00.–]). Sie wussten, dass damit auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Einzug in die Finalrunde erreicht werden konnte, an welcher die beiden Kandidaten mit den höchsten Gewinnen teilnehmen können. Weiter war ihnen klar, dass in der Finalrunde, welche ein Wissenselement (6 Fragen) und ein aleatorisches Element (sog. «Gold-Rad») enthält, aufgrund des von Y. in diesem Zeitpunkt bereits erspielten sehr hohen Kapitals und des Wissensvorsprunges auf den noch verbleibenden Gegenkandidaten bei geschicktem, kalkuliertem Verhalten (d. h. nötigenfalls entweder gezielte Falschbeantwortung von Fragen, um nicht am «Gold-Rad» spielen zu müssen, oder Setzen von kleinen Beträgen am «Gold-Rad», um allfällige Zufallsverluste in vertretbarem Ausmass zu halten) mit grosser Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen war, dass der andere Finalist keine Chance haben und ausscheiden würde. Sie rechneten aufgrund dieser Umstände damit, dass Y. als Gesamtsieger der Sendung an der sog. «RisikoTafel» (aleatorischer Faktor) würde spielen können. An der «Risiko-Tafel» besteht eine objektive Wahrscheinlichkeit von 12,5 % für die Aufdeckung des optimalsten Faktors (x 10), von 81,2 % für eine positive Wahrscheinlichkeit und von ca. 60% für eine höhere Auszahlung als der Betrag, welcher gesetzt bzw. bis dahin erspielt wurde. 4. Einige Tage vor der Live-Sendung vom 22. April 1996 führte die Präsentatorin A. das übliche und vorgesehene Telefongespräch mit Y., um ein Vertrauensverhältnis zum Kandidaten aufzubauen und mit diesem nochmals den genauen Ablauf des TV-Quiz und die Spielregeln zu erörtern. 5. Dem Plan entsprechend telefonierte X. mit Frau B. von der Redaktion «Risiko» und verschaffte sich und dem namentlich nicht genannten Z. unter dem Vorwand, sie seien medieninteressierte Personen und würden gerne die Generalprobe der Sendung «Risiko» vom 22. April 1996 mitverfolgen, um einmal hinter die Kulissen von SF DRS zu sehen, Zugang als Gäste dieser Generalprobe. Z. und X. merkten sich während der .
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Generalprobe die zu den Fragen gehörenden Lösungen und schrieben diese unmittelbar nach der Sendung heimlich auf zwei Zettel auf. Einen Kassiber deponierten sie im vereinbarten und von Y. erkundeten Versteck auf dem WC in unmittelbarer Nähe der Betriebskantine von SF DRS, in welcher die Kandidaten jeweils vor der Sendung gemeinsam speisen. Einen zweiten (Reserve-)Zettel hinterlegten sie im auf dem Besucherparkplatz abgestellten Auto von Y. für den Fall, dass dieser aus irgendeinem Grunde nicht auf den Kassiber im WC würde zugreifen können und sich unter einem Vorwand zu seinem Auto begeben müsste. Y. holte in der Folge plangemäss den Kassiber im WC und lernte die Lösungen vor seinem Live-Auftritt in der ihm in seiner (Einzel-)Garderobe zur Verfügung stehenden Zeit auswendig. 6. Anschliessend nahm Y. zusammen mit zwei anderen Kandidaten um 20.00 Uhr an der Live-Sendung vom 22. April 1996 teil. Während seines .
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BGE 126 IV 165 S. 168 Auftritts verwendete er die ihm bekannten Lösungen gegenüber der Präsentatorin A. Wie es X. und die beiden Mittäter erwartet und beabsichtigt hatten, ging Y. aufgrund seines Wissensvorsprungs als bester Kandidat aus den Runden 1– 3 hervor und konnte an der Finalrunde teilnehmen. Erwartungsgemäss ging er ebenfalls aus der Finalrunde als Sieger hervor und wies schliesslich einen Gewinn von Fr. 9’70.– auf. An der «Risiko-Tafel» erzielte Y. den Faktor «+5» und erhielt so von A. schliesslich einen Gesamtbetrag von Fr. 9705.– zugesprochen. Y. gab sich während der Sendung gegenüber A. als normaler, lauterer Kandidat aus und verheimlichte dabei die Tatsache, dass er sich spielreglementswidrig und unter Verstoss gegen das Prinzip des «Fairplay», auf welchem das TV-Quiz beruht und welches auch die Grundlage des schriftlichen Spielreglementes bildet, die Lösungen verschafft hatte und beabsichtigte, die Sendung derart zu seinen Gunsten zu manipulieren, dass die beiden Mitkonkurrenten faktisch chancenlos waren. Indem er vor, während und nach der Live-Sendung die Rolle des scheinbar normalen und regelkonform handelnden Kandidaten spielte, sich die – ihm scheinbar unbekannten – Fragen von A. stellen liess, überlegte und die Fragen dann – scheinbar ausschliesslich aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten bzw. seines
«normalen» Wissens – beantwortete, behauptete er stillschweigend, dass er die Lösungen nicht im Voraus kannte, und täuschte dadurch die Ordnungsmässigkeit des Spieles vor. Aufgrund des Gesamtverhaltens von Y. durfte und musste A. annehmen, dass er redlich und ohne spielwidrig erlangte Vorkenntnisse bzw. ohne Anwendung von Kniffen am Quiz teilnahm. Durch sein konkludentes Verhalten vor, während und nach der Sendung erweckte er bei A. den falschen Eindruck, dass er – wie die anderen beiden Kandidaten – keinerlei Kenntnisse von den gestellten Fragen bzw. den Lösungen hatte und auf lautere Art und Weise gewann, weil er einfach ein ausserordentlich «guter» Kandidat sei. Diesen Irrtum von A. über die Tatsache, dass er die Lösungen für die Fragen vorgängig heimlich und unter Umgehung des Sicherheitsdispositives beschafft hatte, also unfair spielte und sich so einen positiven Spielausgang und einen finanziellen Gewinn gesichert hatte, unterhielt und festigte er während der Sendung fortlaufend durch ein bewusst unauffälliges und geschicktes Auftreten, indem er zum Beispiel einzelne Fragen absichtlich falsch beantwortete, damit A. keinen Verdacht schöpfte. 7. Dabei sahen X. und die beiden Mittäter voraus und rechneten damit, dass A. vor, während und nach der Live-Sendung bei dieser Vorgehensweise nicht in der Lage sein würde, diesen derart verheimlichten Umstand (Vorhandensein unlauterer Kniffe bzw. bestehende Kenntnis der Lösungen) zu überprüfen bzw. zu erkennen und auf die raffiniert, planmässig und systematisch inszenierten Machenschaften aufmerksam zu werden. 8. Tatsächlich hegte A. keine Zweifel und wurde durch das gesamte Verhalten von Y. dazu bewogen, diesem schliesslich als vermeintlich ehrlichem Sieger den Gewinn von Fr. 9705.– zuzusprechen und am folgenden .
BGE 126 IV 165 S. 169 Tag die Auszahlung auf das Bankkonto von Y. zu veranlassen, was sie in Kenntnis des wahren Sachverhaltes nicht getan hätte. 9. In der Höhe des ausbezahlten Betrages von Fr. 9705.– wurden X. und die beiden Mittäter bereichert (wobei X. einen Anteil von ca. Fr. 1’80.– und Z. einen solchen von ca. Fr. 60.– erhielt) und kam SF DRS zu Schaden, da Y. keinen Anspruch auf die spielwidrig und unfair erhältlich gemachte .
Gewinnsumme hatte, was die drei wussten und wollten, zumindest aber billigend in Kauf nahmen. II. Sendung «Risiko» vom 5. Januar 1998 1. Im Februar 1997 bewarb sich X. im Einvernehmen mit den beiden Mittätern als Kandidat für die Sendung «Risiko». Dabei war es für X. und die beiden Mittäter von Anfang an klar, nach der gleichen, oben dargestellten Art und Weise wie 1996, aber mit vertauschten Rollen, vorzugehen. Sie wussten aus Erfahrung, dass die von ihnen gewählte Vorgehensweise zur Umgehung des Sicherheitskonzeptes von SF DRS funktionierte und sich die Organe der Sendung erneut täuschen lassen würden. X. wurde im September 1997 von der Redaktion «Risiko» als Kandidat für die Sendung vom 5. Januar 1998 zugelassen, wobei er sich gleichzeitig unterschriftlich zur Einhaltung des Spielreglementes «Risiko» (Ausgabe September 1995) verpflichtete. Am 15. Dezember 1997 nahm er als Testkandidat an der Generalprobe teil. 2. An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag zwischen der Generalprobe vom 15. Dezember 1997 und dem 5. Januar 1998 telefonierte der bei SF DRS bisher noch nie namentlich in Erscheinung getretene Z. dem Plan entsprechend mit C. von der Redaktion «Risiko» und verschaffte sich und Y. unter dem Vorwand, er und sein (namentlich nicht genannter) Kollege seien Studenten der Medienwissenschaft aus Basel und würden zu Studienzwecken gerne die Generalprobe der Sendung «Risiko» vom 5. Januar 1998 mitverfolgen, Zugang als Gäste dieser Generalprobe. 3. Einige Tage vor der Live-Sendung vom 5. Januar 1998 führte A. das übliche und vorgesehene Telefongespräch mit X., um ein Vertrauensverhältnis zum Kandidaten aufzubauen und mit diesem nochmals den genauen Ablauf des TV-Quiz und die Spielregeln zu erörtern. 4. Die beiden Mittäter merkten sich während der Generalprobe die Antworten und schrieben diese unmittelbar danach heimlich auf drei Zettel auf. Zur Erhöhung der Übermittlungssicherheit deponierten sie dieses Mal zwei Kassiber in verschiedenen, vorher vereinbarten Verstecken auf dem WC. Einen dritten (Reserve-)Zettel hinterlegten sie als Notfallvariante im Auto von X. auf dem Besucherparkplatz von SF DRS. X. holte in der Folge die zwei Kassiber im WC und lernte die Antworten vor seinem Live-Auftritt in seiner (Einzel-)Garderobe auswendig. .
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5. Anschliessend nahm X. zusammen mit zwei anderen Kandidaten um 20.00 Uhr an der Live-Sendung vom 5. Januar 1998 teil. Bei seinem Auftritt verwendete er die ihm bekannten Lösungen gegenüber A. Wie es X. und die beiden Mittäter vorausgesehen hatten, waren die zwei Mitkandidaten BGE 126 IV 165 S. 170 auch dieses Mal faktisch chancenlos. X. ging mit Fr. 10’20.– aus den Runden 1–3 hervor. Erwartungsgemäss blieb er – trotz mehreren unbeabsichtigten und selbstverschuldeten Fehlern – auch in der Finalrunde Sieger und kam mit einem Betrag von Fr. 9’50.– zur «Risiko-Tafel». Dort erzielte er den Faktor «x 10» und erhielt so von A. schliesslich einen Gesamtbetrag von Fr. 95’00.– zugesprochen. 6. und 7. (In der Sache gleiche Ausführungen wie oben zum täuschenden Verhalten in der Sendung vom 22. April 1996). 8. Tatsächlich hegte A. keine Zweifel und wurde durch das gesamte Verhalten von X. dazu bewogen, diesem als vermeintlich ehrlichem Sieger den Gewinn von Fr. 95’00.– zuzusprechen. 9. In diesem Betrag wären X. und die beiden Mittäter bereichert worden und SF DRS zu Schaden gekommen, da X. keinen Anspruch auf die spielwidrig und unfair erhältlich gemachte Gewinnsumme hatte, was die drei wussten und wollten, zumindest aber billigend in Kauf nahmen. Zur Zahlungsanweisung an die Kasse von SF DRS, welche jeweils durch A. am Tag nach der Sendung vorgenommen wird, kam es aber nicht mehr, weil die Organe von SF DRS mittlerweile Verdacht geschöpft hatten. B.- Am 27. Januar 1999 sprach der Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich X. schuldig des mehrfachen Betruges im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB, teilweise in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, und bestrafte ihn mit 4 1/2 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von 3 Tagen Untersuchungshaft. Der Einzelrichter gewährte den bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. .
C. Auf Berufung von X. und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin rechnete das Obergericht des Kantons Zürich am 20. September 1999 4 Tage Untersuchungshaft an. Im Übrigen bestätigte es das Urteil des Einzelrichters.
D. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Erwägungen: 1. Die Vorinstanz erachtet in Übereinstimmung mit der ersten Instanz den in der Anklageschrift geschilderten Sachverhalt als erwiesen. Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze in dreierlei Hinsicht Bundesrecht. Es fehle am Tatbestandsmerkmal der Arglist, an einem betrugsrechtlich relevanten Vermögensschaden sowie am Vorsatz. BGE 126 IV 165 S. 171 2.a) Wegen Betruges ist strafbar, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt (Art. 146 Abs. 1 StGB). Den Tatbestand erfüllt nur die arglistige Täuschung. Wer sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen bzw. den Irrtum durch ein Minimum zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können, wird strafrechtlich nicht geschützt (BGE 122 IV 246 E. 3a mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung ist die Täuschung arglistig, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses; mise en scène) bedient. Ein Lügengebäude liegt vor, wenn mehrere Lügen derart raffiniert aufeinander abgestimmt sind und von besonderer Hinterhältigkeit zeugen, dass sich auch das kritische Opfer täuschen lässt. Ist dies nicht der Fall, scheidet Arglist jedenfalls dann aus, .
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wenn sowohl das vom Täter gezeichnete Bild insgesamt wie auch die falschen Tatsachen für sich allein in zumutbarer Weise überprüfbar gewesen wären und schon die Aufdeckung einer einzigen Lüge zur Aufdeckung des ganzen Schwindels geführt hätte (BGE 119 IV 28 E. 3c). Als besondere Machenschaften (machinations) gelten Erfindungen und Vorkehren sowie das Ausnützen von Begebenheiten, die allein oder gestützt durch Lügen oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses) geeignet sind, das Opfer irrezuführen. Machenschaften sind eigentliche Inszenierungen (mise en scène); sie bestehen aus einem ganzen System von Lügen und setzen damit gegenüber einer blossen Summierung von Lügen höhere Anforderungen an die Vorbereitung, Durchführung und Wirkung der Täuschungshandlung voraus. Sie sind gekennzeichnet durch intensive, planmässige und systematische Vorkehren, nicht aber notwendigerweise durch eine besondere tatsächliche oder intellektuelle Komplexität (BGE 122 IV 197 E. 3d mit Nachweisen). Arglist ist auch bei einfachen falschen Angaben gegeben, wenn deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, sowie dann, wenn der Täter den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieser die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde (BGE 125 IV 124 E. 3; BGE 122 IV 246 E. 3a, je mit Hinweisen). Nach der neueren Rechtsprechung erlangt das Kriterium der Überprüfbarkeit .
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BGE 126 IV 165 S. 172 auch bei einem Lügengebäude und bei besonderen betrügerischen Machenschaften Bedeutung. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Arglist verleiht das Gesetz dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung wesentliche Bedeutung. Danach ist bei der Prüfung der Arglist nicht aufgrund einer rein objektiven Betrachtungsweise darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich vorsichtiger und erfahrener Dritter auf die Täuschung reagiert hätte. Vielmehr ist die jeweilige Lage und Schutzbedürftigkeit des Betroffenen im Einzelfall zu berücksichtigen, soweit der Täter diese kennt und ausnützt. Das gilt insbesondere bei geistesschwachen, unerfahrenen oder aufgrund des Alters
oder einer (körperlichen oder geistigen) Krankheit beeinträchtigten Opfern, ferner bei solchen, die sich in einem Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis oder in einer Notlage befinden und deshalb kaum imstande sind, dem Täter zu misstrauen (BGE 120 IV 186 E. 1a und c). Auf der anderen Seite ist die besondere Fachkenntnis und Geschäftserfahrung des Opfers in Rechnung zu stellen, wie sie etwa im Rahmen von Kreditvergaben Banken beigemessen wird (vgl. BGE 119 IV 28 E. 3 f). Auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung ist für die Erfüllung des Tatbestands indes nicht erforderlich, dass das Opfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle denkbaren Vorsichtsmassnahmen trifft. Entscheidend ist nicht, ob der Betroffene alles vorgekehrt hat, um den Irrtum zu vermeiden. Arglist scheidet lediglich dann aus, wenn das Opfer die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet hat. Entsprechend entfällt der strafrechtliche Schutz nicht bei jeder Fahrlässigkeit des Opfers, sondern nur bei Leichtfertigkeit (URSULA CASSANI, Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, ZStR 117/1999 S. 163). .
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b) Die Vorinstanz nimmt eine Täuschung durch konkludentes Verhalten an. Der Beschwerdeführer bzw. Y. hätten sich durch ihre Teilnahme generell und insbesondere zusätzlich durch das Akzeptieren des Spielreglementes zu «Fairplay» verpflichtet. Sie hätten konkludent erklärt, «normale», ehrliche und redliche Teilnehmer zu sein, während sie sich in Wirklichkeit in aufwendiger und minuziös geplanter und ausgeführter Art die für einen Gewinn entscheidenden Antworten zu den in der Sendung gestellten Fragen unlauter beschafft hätten. Die Vorinstanz bejaht die Arglist. Wer, wie der Beschwerdeführer und seine Mittäter, sich durch komplexe, arbeitsteilige und raffinierte Machenschaften in den Besitz des «Keys» – wie es der BGE 126 IV 165 S. 173 Beschwerdeführer genannt habe –, also des Schlüssels zum Geldsegen bringe, handle arglistig in der Form der «manoeuvres frauduleuses», der betrügerischen Machenschaften. Eine die Arglist ausschliessende
Opfermitverantwortung sei nicht gegeben. c) Der Beschwerdeführer bringt vor, die Auffassung der Vorinstanz verletze Bundesrecht. Er habe lediglich eine Lücke im System ausgenützt. Der Veranstalter der Sendung habe es an einem Mindestmass an Aufmerksamkeit fehlen lassen. d) Soweit der Beschwerdeführer von einem Sachverhalt ausgeht, den die Vorinstanz nicht festgestellt hat, kann auf seine Vorbringen nicht eingetreten werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP [SR 312.0]). Im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). .
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e) Der Beschwerdeführer und seine Mittäter haben umfangreiche Vorkehren getroffen, um Kenntnis von den in der Sendung gestellten Fragen und den Antworten zu erlangen. Zwei Mittäter haben sich unter einem Vorwand Zugang zur Hauptprobe verschafft, sich dort die Fragen und Antworten gemerkt, diese aufgeschrieben und anschliessend die angefertigten Zettel in der Toilette bzw. – für den Notfall – im Auto versteckt. In der Folge mussten Y. bzw. der Beschwerdeführer einen Zettel behändigen, die Fragen und Antworten auswendig lernen und dann in der Sendung vor einem Fernsehpublikum von mehreren hunderttausend Personen den redlichen Teilnehmer spielen. Wenn die Vorinstanz in Anbetracht dieser planmässigen, arbeitsteiligen und systematischen Vorkehren besondere Machenschaften bejaht hat, hat sie kein Bundesrecht verletzt. Im Übrigen wäre die Arglist wohl selbst dann zu bejahen, wenn man nur von einer einfachen falschen Angabe ausgehen wollte. Denn es ist nicht ersichtlich, wie A. die falsche Angabe in zumutbarer Weise hätte überprüfen können. Zu Recht hat die Vorinstanz keine die Arglist ausschliessende Opfermitverantwortung angenommen. Wie dargelegt ist nach der Rechtsprechung nicht erforderlich, dass das Opfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle denkbaren Vorsichtsmassnahmen trifft. Arglist scheidet lediglich dann aus, wenn das Opfer die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet hat. Das kann dem Veranstalter der Sendung nicht vorgeworfen werden. Nach den verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) sind die Kandidaten in Kenntnis des Spielreglements gesetzt worden und haben sich unterschriftlich zu dessen Einhaltung .
BGE 126 IV 165 S. 174 verpflichtet. Die Sendung beruhte somit auf dem allseits anerkannten Gedanken des «Fairplay». Damit ist verständlich, wenn der Veranstalter von strengsten Überwachungsmassnahmen abgesehen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei den Kandidaten um Personen handelte, die in der Regel noch nie vor der Kamera gestanden waren. Dem Veranstalter war es deshalb berechtigterweise ein Anliegen, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen. Auch dem wären strengste Überwachungsmassnahmen abträglich gewesen. Vom Veranstalter konnte auch deshalb kaum verlangt werden, die Kandidaten beim Toilettenbesuch und in der Garderobe zu überwachen, weil ihre Privatund Intimsphäre zu achten war. Ausserdem weisen die kantonalen Instanzen zu Recht darauf hin, dass der Veranstalter ein berechtigtes Interesse daran haben konnte, in der abendlichen Sendung die gleichen Fragen zu stellen wie in der vorangegangenen Generalprobe. So war es möglich, allfällige Schwierigkeiten, die sich aus bestimmten Fragen ergaben, rechtzeitig vor der abendlichen Live-Sendung zu erkennen und zu beheben. Die umfangreichen Vorkehren, welche die Täter treffen mussten, um ihren Plan zu verwirklichen, sind im Übrigen der Beleg dafür, dass der Veranstalter keine grundlegenden Sorgfaltspflichten missachtet hat. 3.a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe den «Vermögensbegriff verletzt». Entgegen ihrer Ansicht habe es sich bei der Sendung um ein Spiel im Sinne von Art. 513 Abs. 1 OR gehandelt. Aus Spiel entstehe keine Forderung. Ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB sei zu verneinen. b) Nach der Rechtsprechung ist unter «Vermögen» im Sinne von Art. 146 StGB Vermögen zu verstehen, das zivilrechtlich geschützt ist. Das Strafrecht als «ultima ratio» kann nicht Vermögen schützen, welches zivilrechtlich nicht geschützt ist. Ein Vermögensschaden gemäss Art. 146 StGB ist nur insoweit
gegeben, als der arglistig Getäuschte einen rechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils hat (BGE 117 IV 139 E. 3d / aa). .
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c) Beim Spielvertrag versprechen sich die Parteien ohne wirtschaftlichen Grund gegenseitig und unter einer entgegengesetzten Bedingung eine bestimmte Leistung, so dass es notwendig einen Gewinner und einen Verlierer gibt, welcher bestimmt wird durch den Eintritt oder das Ausbleiben der Bedingung (BGE 77 II 45 E. 3). Gemäss Art. 513 Abs. 1 OR entsteht aus Spiel und Wette keine Forderung. Daraus ergibt sich, dass der Gewinner die ihm versprochene Summe weder verlangen noch einklagen noch auch in .
BGE 126 IV 165 S. 175 sonstiger Weise (z.B. durch Verrechnung) gegen den Willen des Verlierers sich verschaffen kann. Wenn aber der Verlierer sein Wort hält und freiwillig zahlt, so sieht das Gesetz darin ein korrektes Verhalten. Daher verbietet das Gesetz grundsätzlich die Rückforderung des gezahlten Spielverlustes (VON TUHR / PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, 1. Band, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 33). Gemäss Art. 514 Abs. 2 OR kann eine freiwillig geleistete Zahlung aber dann zurückgefordert werden, wenn die planmässige Ausführung des Spieles durch Zufall oder durch den Empfänger vereitelt worden ist, oder wenn dieser sich einer Unredlichkeit schuldig gemacht hat. Letzteres trifft im vorliegenden Fall offensichtlich zu. Deshalb kann hier offen bleiben, ob ein Spiel im Sinne von Art. 513 OR gegeben ist. Selbst wenn das so wäre, hätte der Veranstalter der Sendung einen zivilrechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils gestützt auf Art. 514 Abs. 2 OR. Der Veranstalter der Sendung hat deshalb bei der ersten Sendung einen Vermögensschaden im Sinne von Art. 146 StGB erlitten bzw. hätte bei der zweiten Sendung einen solchen erlitten, wenn es zur Auszahlung gekommen wäre. d) Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet. .
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4.a) Der Beschwerdeführer wendet ein, es fehle am Vorsatz. Ob er ab Runde 4 überhaupt einen Spielgewinn erzielen würde, habe ausschliesslich vom Zufall («Gold-Rad»; «Risiko-Runde») abgehangen. Er habe den Getäuschten .
nach den Runden 1 bis 3 deshalb nicht zu einer Vermögensdisposition bestimmen und nicht wissen können, ob eine solche erfolgen werde. Durch das Beschaffen der Fragen und Antworten habe er sich lediglich in eine günstigere Ausgangsposition gebracht, auch in der Runde mitspielen zu können, in welcher der Erfolg ausschliesslich vom Zufall abhängig gewesen sei. b) Die Vorinstanz trifft keine derartige tatsächliche Feststellung. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben. Selbst wenn ab Runde 4 der Erfolg ausschliesslich vom Zufall abhängig gewesen sein sollte, wäre der Vorsatz zu bejahen. Denn es ist offensichtlich, dass der Beschwerdeführer mindestens mit der Möglichkeit eines Gewinnes und damit einer Vermögensdisposition des Veranstalters rechnete und den Gewinn für den Fall, dass er eintreten sollte, auch wollte. Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ging es dem Beschwerdeführer um das zu gewinnende Geld. Vorsatz ist damit gegeben.
BGE 127 IV 68 10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Februar 2001 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) .
Regeste Betrug (Art. 146 StGB), Check- und Kreditkartenmissbrauch (Art. 148 StGB); Verhältnis. Wer eine ihm vom Aussteller überlassene Kredit- oder Kundenkarte trotz Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit zum Bezug von Waren und Dienstleistungen verwendet, fällt auch dann nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 146 StGB (Betrug), sondern unter den Anwendungsbereich von Art. 148 StGB (Checkund Kreditkartenmissbrauch), wenn er die Karte durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangt hat und bereits bei der Antragstellung die Absicht hatte, die Karte trotz Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit zu verwenden (E. 2c). Wer eine Kredit- oder Kundenkarte durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangt, erfüllt nicht den Tatbestand des Betrugs (E. 2d). Rückweisung der Sache an die kantonalen Behörden, damit diese, sofern nach dem kantonalen Prozessrecht möglich und zulässig, prüfen, ob im konkreten Fall anstatt des Tatbestands des Betrugs der Tatbestand des Kreditkartenmissbrauchs erfüllt sei und die Kartenaussteller die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karten ergriffen haben (E. 3). .
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Sachverhalt ab Seite 69 BGE 127 IV 68 S. 69 Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte X. am 21. Dezember 1999
wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug (Art. 146 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 StGB) und wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 und 2 lit. a BetmG [SR 812.121]) unter Annahme einer in mittlerem Grade verminderten Zurechnungsfähigkeit zu 10 Monaten Gefängnis, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 7. November 1995. Der X. gewährte bedingte Vollzug hinsichtlich Gefängnisstrafen von 3 und von 14 Monaten gemäss Urteilen vom 2. November 1993 und vom 7. November 1995 (wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz) wurde widerrufen. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung vom Vorwurf der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut. .
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde: Im April 1996 gründete A. die K. GmbH mit einem Stammkapital von Fr. 20’00.–, wovon Fr. 10’00.– liberiert waren. Die GmbH mit Sitz in Hemberg / SG wurde am 22. April 1996 im Handelsregister eingetragen. Sie bezweckte den «Handel mit Sammelobjekten und Antiquitäten; Kauf und Verkauf von Restposten und weiteren Gegenständen; Erwerb, Verwaltung, Nutzung und Veräusserung von Gütern». Gesellschafterinnen waren zwei Frauen. B. wurde als Angestellter genannt. Im Mai 1996 wurden die beiden Gesellschafterinnen durch den Beschwerdeführer als neuen, alleinigen Gesellschafter abgelöst, der auch als Geschäftsführer der K. GmbH .
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BGE 127 IV 68 S. 70 mit Einzelunterschrift in das Handelsregister eingetragen wurde. A. meldete den Beschwerdeführer bei der Einwohnerkontrolle in Inwil / LU an, .
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obschon dieser nicht dort wohnte. Es wurde aber in Inwil ein Postfach auf den Namen des Beschwerdeführers gemietet, damit die an die K. GmbH gerichtete Post dorthin geleitet werden konnte. Nach der Eintragung der K. GmbH im Handelsregister zog A. den Betrag von Fr. 10’00.–, den er zur Teilliberierung des Stammkapitals zur Verfügung gestellt hatte, wieder ab und verwendete das Geld für eigene Zwecke. A. und der Beschwerdeführer kamen überein, Kreditkarten, Zahlkarten sowie WIR-Karten und WIR-Buchungsaufträge auf den Namen der K. GmbH ausstellen zu lassen, um damit die betreffenden Konti zu überziehen beziehungsweise die fraglichen Gesellschaften «abzuzocken». Irgendeine legale Geschäftstätigkeit übte die K. GmbH nicht aus. Am 22. Mai 1996 beantragten A. und B. unter Verwendung der gefälschten Unterschrift des in der Folge für mehrere Monate nach Thailand verreisten Beschwerdeführers bei der WIR-Wirtschaftsring-Genossenschaft die Eröffnung eines WIR-Kontos für die K. GmbH. Dem Antrag wurde stattgegeben, und es wurden drei Zahlkarten ausgestellt, lautend auf A., B. und den Beschwerdeführer. In der Zeit vom 19. Juni bis zum 8. Oktober 1996 stellten A. und B. WIR-Buchungsaufträge im Gesamtbetrag von Fr. 30 882.05 aus. A. und B. beantragten unter Verwendung der gefälschten Unterschrift des Beschwerdeführers bei der BP (Switzerland) AG drei Kundenkarten für drei «Vertreter» der K. GmbH und bei der Shell (Switzerland) AG drei Kundenkarten für «Geschäftsleitung», «Aussendienst Ost» und «Aussendienst West» der K. GmbH. Den Anträgen wurde entsprochen. In der Zeit vom 30. August bis zum 19. Oktober 1996 tätigten A. und B. Waren- und Benzinbezüge im Gesamtbetrag von Fr. 29 537.15 (mit den Shell-Karten) und Fr. 20 628.50 (mit den BP-Karten). Die Rechnungen hätten im Lastschriftverfahren über ein vom Beschwerdeführer bei der St. Galler Kantonalbank eingerichtetes Konto beglichen werden sollen. Belastungen auf diesem Konto konnten indessen nicht erfolgen, da keine Deckung vorhanden war und weil die Bank die K. GmbH nicht kannte. Die Shell- und die BPKundenkarten wurden in der Folge gesperrt. Der Beschwerdeführer macht gegen seine Verurteilung wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug (Art. 146 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 StGB) einzig geltend, das Tatbestandsmerkmal der Arglist sei .
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nicht erfüllt. BGE 127 IV 68 S. 71 2. Die kantonalen Behörden haben nicht (nur) die Erlangung der Karten durch (ihres Erachtens arglistige) Täuschung der Aussteller, sondern (auch) die Verwendung der dergestalt erlangten Karten während mehrerer Wochen zum Bezug von Waren etc. im Wert von insgesamt mehreren 10 000 Franken als (gewerbsmässigen) Betrug qualifiziert. Dies ergibt sich deutlich unter anderem aus den erstinstanzlichen Erwägungen zur Gewerbsmässigkeit, auf welche die Vorinstanz verweist. Nach der Auffassung der kantonalen Behörden hat der Beschwerdeführer durch die ihm zur Last gelegte Mitwirkung bei der Erlangung der Karten durch arglistige Täuschung einen Beitrag zur anschliessenden Verwendung dieser Karten durch A. und B. geleistet und sich daher der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug schuldig gemacht. .
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Damit stellt sich die Frage, ob derjenige, welcher die Karte durch arglistige Täuschung des Ausstellers über die Zahlungsfähigkeit und / oder den Zahlungswillen erlangt und anschliessend die ihm vom Aussteller überlassene Karte, obschon er zahlungsunfähig und / oder zahlungsunwillig ist, zum Bezug von Waren und Dienstleistungen verwendet, unter den Anwendungsbereich von Art. 146 StGB (Betrug) oder aber unter den Anwendungsbereich von Art. 148 StGB (Kreditkartenmissbrauch) falle. .
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a) aa) Durch Erkanntnis des Amtsstatthalteramtes Sursee vom 13. Januar 1998 wurde die Untersuchung gegen den Beschwerdeführer unter anderem wegen Check- und Kreditkartenmissbrauchs gemäss Art. 148 StGB «eingestellt». In demselben Entscheid wurde der Beschwerdeführer wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug gemäss Art. 146 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 25 StGB dem Kriminalgericht des Kantons Luzern zur Beurteilung überwiesen. Die Akten wurden der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern zur Anklageerhebung überwiesen. Gemäss den Erwägungen im Erkanntnis des
Amtsstatthalteramtes Sursee kommt beim vorliegenden Sachverhalt Betrug gemäss Art. 146 StGB, nicht jedoch Kreditkartenmissbrauch nach Art. 148 StGB zur Prüfung. Diesbezüglich erfolge eine Einstellung des Verfahrens. Grundsätzlich bestehe zwischen den beiden Tatbeständen unechte Konkurrenz in Form der Spezialität. Wenn der berechtigte Karteninhaber die Karte kartenspezifisch missbrauche, gehe Kreditkartenmissbrauch vor. Werde hingegen der Kartenaussteller bereits bei der Erlangung der Karte durch den Täter arglistig getäuscht, komme Betrug zur Anwendung, wie sich aus BGE 122 IV 149 ergebe. BGE 127 IV 68 S. 72 bb) Die Einstellung der Untersuchung unter anderm wegen Check- und Kreditkartenmissbrauchs wurde von der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern am 30. Januar 1998 visiert. Die Staatsanwaltschaft erhob am 28. April 1998 gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug. In der Anklageschrift wird unter Berufung auf BGE 122 IV 149 E. 3 S. 152 ff. ausgeführt, im Einklang mit den Zielen des Gesetzgebers und der Auffassung der Lehre sei grundsätzlich davon auszugehen, dass eine kartenspezifische, missbräuchliche Verwendung von Check- und Kreditkarten durch den berechtigten Inhaber im Verkehr sowohl mit dem Kartenaussteller als auch mit Dritten von Art. 148 StGB als speziellem Tatbestand erfasst werde und der allgemeine Betrugstatbestand (Art. 146 StGB) insoweit keine Anwendung finde. Wenn allerdings bereits der Kartenaussteller getäuscht werde, damit die Karte erlangt werden könne, erweise sich Art. 148 StGB (Kreditkartenmissbrauch) gegenüber Art. 146 StGB (Betrug) subsidiär. Mit guten Gründen habe der Amtsstatthalter den Fall nur unter dem Aspekt des Betrugs dem Kriminalgericht überwiesen, da sich die Täterschaft bereits zur Erlangung der Karten täuschender Machenschaften bedient habe. .
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cc) Die erste Instanz hält in ihrem Urteil fest, dass Art. 148 StGB betreffend Check- und Kreditkartenmissbrauch vorliegend nicht anwendbar sei, «weil – soweit es um Kundenkarten geht – bereits die Kartenaussteller arglistig getäuscht worden sind». In solchen Fällen sei «Art. 148 StGB gegenüber
Art. 146 StGB subsidiär (BGE 122 IV 153; TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 148 StGB N. 14…)». dd) Die Vorinstanz befasst sich nicht ausdrücklich mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen Art. 146 und Art. 148 StGB und legt nicht dar, weshalb vorliegend die Anwendung von Art. 148 StGB ausser Betracht falle. .
ee) In der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht geltend gemacht, der Beschwerdeführer hätte im Falle eines Schuldspruchs richtigerweise wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Kreditkartenmissbrauch statt wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug verurteilt werden müssen. Das Bundesgericht kann diese Rechtsfrage von Amtes wegen prüfen. b) Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen, und den Aussteller dadurch am BGE 127 IV 68 S. 73 Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, nach Art. 148 Abs. 1 StGB wegen Checkund Kreditkartenmissbrauchs mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft. aa) Gemäss BGE 122 IV 149, auf den sich die erste Instanz und die Staatsanwaltschaft berufen, findet Art. 148 StGB auch im Zweiparteiensystem Anwendung, so etwa beim Einlösen von ungedeckten, mittels einer Postcheckkarte garantierten Postchecks durch den rechtmässigen Inhaber bei einer schweizerischen Poststelle, und geht Art. 148 StGB dem Betrugstatbestand (Art. 146 StGB) vor. In BGE 122 IV 149 E. 3b S. 153 werden einige Meinungsäusserungen in der Lehre zum Verhältnis zwischen Art. 146 und Art. 148 StGB wiedergegeben. Während für STRATENWERTH und ECKERT der spezielle Art. 148 StGB Vorrang vor dem allgemeinen Art. 146 StGB habe, sei nach der Ansicht von SCHMID Art. 148 StGB nur .
anwendbar, wenn Missbräuche mit Check- und Kreditkarten nicht als Betrug qualifiziert werden können. Als Beispiele dafür nenne SCHMID jedoch nur Fälle, in welchen die Karte ausserhalb der mit ihr besonders verbundenen Garantie- und Zahlungsfunktion eingesetzt oder der Kartenaussteller bereits getäuscht werde, um die Karte zu erlangen. In diesem Sinne müsse wohl auch die «Subsidiarität» verstanden werden, von der in der Botschaft die Rede sei, nämlich dass Betrug vorgehe, sofern der Missbrauch des Täters nicht in dem für Art. 148 StGB typischen Verhalten liege. Im Anschluss an diese Hinweise wird in BGE 122 IV 149 E. 3b S. 154 festgehalten, es sei im Einklang mit den Zielen des Gesetzgebers und der Auffassung der Lehre somit grundsätzlich davon auszugehen, dass eine kartenspezifische, missbräuchliche Verwendung von Check- und Kreditkarten durch den berechtigten Inhaber im Verkehr sowohl mit dem Kartenaussteller als auch mit Dritten von Art. 148 StGB als speziellem Tatbestand erfasst werde und der allgemeine Betrugstatbestand (Art. 146 StGB) insoweit keine Anwendung finde. .
bb) Aus diesen Erwägungen ergibt sich nicht, dass die kartenspezifische Verwendung einer Kunden- oder Kreditkarte durch den Inhaber, dem sie vom Aussteller überlassen worden ist, unter den Anwendungsbereich von Art. 146 StGB (Betrug) falle, wenn der Inhaber die Karte durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangt hat. Zwar könnte die zitierte Meinungsäusserung von SCHMID, wonach Art. 146 StGB zur Anwendung gelange, wenn der Kartenaussteller bereits getäuscht werde, um die Karte zu erlangen, .
BGE 127 IV 68 S. 74 in diesem Sinne verstanden werden; doch wird in BGE 122 IV 149 zu dieser Meinungsäusserung nicht Stellung genommen. Allerdings ist im Entscheid von der Verwendung «durch den berechtigten Inhaber» die Rede; doch wird nicht dargelegt, was darunter zu verstehen sei. In BGE 122 IV 149 ging es nicht um die Verwendung einer durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangten Karte, und daher war nicht im Einzelnen zu prüfen, ob ein solches Verhalten von Art. 146 StGB oder aber von Art. 148 StGB erfasst werde.
c) aa) Wer eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein ähnliches Zahlungsmittel zur Zahlung von Waren und Dienstleistungen etc. verwendet, mithin kartenspezifisch gebraucht, fällt unter den Anwendungsbereich von Art. 148 StGB (Checkund Kreditkartenmissbrauch), nicht unter Art. 146 StGB (Betrug). Dies gilt auch dann, wenn derjenige, welcher die ihm vom Aussteller überlassene Karte verwendet, die Karte durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangt hat und bereits bei der Stellung des Antrags auf Aushändigung der Karte die Absicht hatte, diese trotz Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit zu verwenden. Auch in diesem Fall wird die Verwendung der Karte, welche dem Inhaber vom Aussteller überlassen worden ist, von Art. 148 StGB erfasst. Dieser Fall unterscheidet sich wesentlich von der Verwendung einer Karte, welche der Inhaber beispielsweise gefunden, gestohlen oder gefälscht hat, die ihm somit nicht vom Aussteller überlassen worden ist. Wohl mag auch derjenige, welcher die Karte durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangt hat, nicht ein berechtigter Inhaber sein. Kein berechtigter Inhaber in diesem Sinne ist aber auch derjenige, welcher die Karte durch eine nicht arglistige Täuschung des Ausstellers erlangt hat. Die kartenspezifische Verwendung einer durch nicht arglistige Täuschung des Ausstellers erlangten Karte ist, da Betrug mangels Arglist von vornherein ausser Betracht fällt, gemäss Art. 148 StGB strafbar, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Es gibt keinen sachlichen Grund, die kartenspezifische Verwendung einer durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangten Karte rechtlich anders zu qualifizieren. Im einen wie im andern Fall ist die Karte dem Inhaber, was entscheidend ist, vom Aussteller überlassen worden. .
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bb) Die Erlangung der Karte durch (arglistige oder nicht arglistige) Täuschung des Ausstellers ist das eine, die anschliessende Verwendung der vom (arglistig oder nicht arglistig) getäuschten Aussteller überlassenen Karte ist etwas anderes. Zwar räumt der .
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BGE 127 IV 68 S. 75 Aussteller durch die Überlassung der Karte dem Inhaber die Möglichkeit ein, den Aussteller zur Zahlung zu verpflichten. Der Aussteller wird indessen nicht schon durch die Überlassung der Karte an einen Zahlungsunfähigen oder Zahlungsunwilligen am Vermögen geschädigt, sondern erst dadurch, dass der Inhaber, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, die Karte verwendet (siehe dazu nachfolgend E. 2d). Diese Verwendung der Karte durch den Inhaber kann nicht etwa als ein Akt einer mehraktigen Vermögensverfügung betrachtet werden, mit der Folge, dass die Verwendung der durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangten Karte durch den Inhaber als Betrug zu qualifizieren ist (so aber, unter dem Geltungsbereich des alten Rechts, SCHMID, Zur strafrechtlichen Erfassung von Missbräuchen im Bereiche des bargeldlosen, insbesondere elektronisch abgewickelten Zahlungs- und Kreditverkehrs, in: ZStrR 104/1987 S. 129 ff., 143 ff.; dagegen JENNY, Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, in: ZBJV 124/1988 S. 393 ff., 408 ff.). Zu solchen Konstruktionen besteht jedenfalls nach dem geltenden Recht, in Anbetracht des neu geschaffenen Art. 148 StGB (Check- und Kreditkartenmissbrauch), kein Anlass. .
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cc) Wer eine ihm vom Aussteller überlassene Kreditkarte oder Kundenkarte zur Zahlung von Waren und Dienstleistungen verwendet, mithin kartenspezifisch gebraucht, ist somit für die Verwendung der Karte unter den in Art. 148 StGB genannten Voraussetzungen auch dann gemäss dieser Bestimmung zu bestrafen, wenn er die Karte durch arglistige Täuschung des Ausstellers erlangt hat. d) Es stellt sich die Frage, ob bereits die Erlangung der Karte durch arglistige Täuschung des Ausstellers als solche den Tatbestand des Betrugs im Sinne von Art. 146 StGB erfüllt (bejahend zum Beispiel REHBERG / SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl., 1997, S. 197; verneinend zum Beispiel JENNY, a.a.O., S. 408 f.; SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 1990, N. 64 zu Art. 148 (a)StGB; GRACE SCHILD TRAPPE, Zum neuen Straftatbestand des Check- und Kreditkartenmissbrauchs, Art. 148 .
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StGB – zugleich eine Anmerkung zu BGE 122 IV 149 ff., in: ZBJV 133/1997 S. 1 ff., 3 Fn. 8). Die Frage ist zu verneinen. Der Aussteller wird nicht schon durch die Überlassung der Karte an einen Zahlungsunfähigen oder Zahlungsunwilligen am Vermögen geschädigt, sondern erst dadurch, dass dieser die Karte tatsächlich verwendet. Das Risiko beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit, dass der zahlungsunfähige BGE 127 IV 68 S. 76 oder zahlungsunwillige Inhaber die ihm vom Aussteller überlassene Karte verwenden wird, stellt noch keinen rechtlich relevanten Vermögensschaden dar. Ein solcher Vermögensschaden tritt erst dann ein, wenn der Inhaber die ihm überlassene Karte verwendet und die damit entstandene Forderung des Ausstellers infolge der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Inhabers der Karte in ihrem Wert vermindert ist. Mit Recht hat denn auch die Vorinstanz nicht angenommen, dass die Straftat des (gewerbsmässigen) Betrugs, zu welcher ihres Erachtens der Beschwerdeführer Gehilfenschaft leistete, schon mit der Erlangung der Karten vollendet gewesen sei. .
e) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug verstösst demnach gegen Bundesrecht, da das inkriminierte Verhalten nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 146 StGB fällt. Bei diesem Ergebnis muss nicht geprüft werden, ob die Vorinstanz Arglist im Sinne des Betrugstatbestands zu Recht bejaht habe. 3.a) Ob sich der Beschwerdeführer durch das ihm in tatsächlicher Hinsicht zur Last gelegte Verhalten stattdessen allenfalls der Gehilfenschaft zu (gewerbsmässigem) Kreditkartenmissbrauch schuldig gemacht habe, hängt unter anderem davon ab, ob die Kartenaussteller im Sinne der in Art. 148 StGB umschriebenen objektiven Strafbarkeitsbedingung die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben. Der Kassationshof kann diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht selber entscheiden. Denn erstens hat sich die Vorinstanz damit nicht .
ausdrücklich befasst und liegt daher insoweit kein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vor. Zweitens hatte der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren keinen Anlass, sich mit dieser Frage auseinander zu setzen, nachdem die Untersuchung wegen Check- und Kreditkartenmissbrauchs durch Verfügung des Amtsstatthalteramtes Sursee und der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern vom 13./31. Januar 1998 «eingestellt» worden war und die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer einzig wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug Anklage erhoben hatte. Und drittens reichen die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht aus, um unter anderem zu entscheiden, ob die Kartenaussteller im Sinne von Art. 148 StGB die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karten ergriffen haben. b) Die Vorinstanz wird, sofern dies nach dem kantonalen Prozessrecht möglich und zulässig ist (vgl. BGE 113 IV 68 E. 2c; .
BGE 127 IV 68 S. 77 116 IV 371 E. 2e), prüfen, ob sich der Beschwerdeführer durch das ihm zur Last gelegte Verhalten der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Kreditkartenmissbrauch schuldig gemacht habe. aa) Dabei wird die Vorinstanz allerdings die objektive Strafbarkeitsbedingung (betreffend Ergreifung der zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte) nicht kurzerhand mit den Erwägungen bejahen können, mit welchen sie im angefochtenen Urteil die Arglist im Sinne des Betrugstatbestands als gegeben erachtet hat. So ist es beispielsweise unerheblich, dass der Zahlungswille, der vorgetäuscht wurde, als innere Tatsache grundsätzlich nicht direkt überprüfbar ist. Der Zahlungswille ist immerhin indirekt überprüfbar; denn wer nicht zahlungsfähig ist, kann keinen ernsthaften Zahlungswillen haben. Unerheblich ist auch, dass das Vorschieben einer Scheinfirma zwecks Erlangung von Kundenkarten für angebliche Mitarbeiter des Unternehmens allenfalls als eine besondere Machenschaft zu betrachten ist. Massgebend ist vielmehr, ob die zumutbaren Abklärungen von Seiten der Kartenaussteller ergeben hätten, dass die K. GmbH keine seriöse, .
zahlungsfähige Unternehmung sei. Vom Erfordernis der zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte kann auch nicht mit der Überlegung abgesehen werden, dass nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr bei einer (neu gegründeten) GmbH grundsätzlich redliche Geschäftsabsichten vermutet werden dürfen. Dass die K. GmbH laut Handelsregistereintrag über ein Stammkapital von Fr. 20’00.– verfügte, wovon die Hälfte liberiert war, sagt über ihre Zahlungsfähigkeit nichts Wesentliches aus. Die GmbH konnte, gerade in der kurzen Zeit seit ihrer Gründung, bereits verschiedene (zum Beispiel fixe Kosten begründende) Verpflichtungen eingegangen sein, denen noch keine entsprechenden Einkünfte gegenüberstanden. Unerheblich ist auch, dass offenbar der Haupttäter A. die Antragsformulare mit dem Namen des Beschwerdeführers unterzeichnete und damit dessen Unterschrift fälschte. Der Beschwerdeführer stellte sich als alleiniger Gesellschafter und einzelzeichnungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH zur Verfügung, und er war damit einverstanden, dass A. im Namen der GmbH Kredit- beziehungsweise Kundenkarten beschaffte. Indem der Haupttäter A. die Antragsformulare mit dem Namen des Beschwerdeführers unterzeichnete, hat er eine Überprüfung der Kreditwürdigkeit der GmbH und des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers nicht erschwert. .
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bb) Welche Massnahmen im Sinne von Art. 148 StGB zumutbar sind, hängt wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls BGE 127 IV 68 S. 78 ab. Auch wenn die Ausstellung von Kreditkarten und insbesondere Kundenkarten heute ein Massengeschäft geworden ist, muss der Aussteller, insbesondere auch bei neuen, ihm nicht bekannten Antragstellern, im Rahmen seiner «Opfermitverantwortung» sachdienliche Angaben betreffend die Zahlungsfähigkeit des Antragstellers fordern und diese Angaben auch überprüfen. Der Kartenaussteller, der dies unterlässt, etwa weil er aus wirtschaftlichen Gründen (Kundenbindung, Umsatzsteigerung) an der Überlassung von Kundenkarten in grosser Zahl interessiert ist, verdient den besonderen Schutz des Strafrechts nicht. Wohl mag wegen der hohen Zahl der .
beantragten und abgegebenen Kundenkarten der Prüfungsaufwand insgesamt erheblich sein; dies bedeutet aber nicht, dass die Überprüfung der Zahlungsfähigkeit des einzelnen Antragstellers unzumutbar sei. cc) Die Vorinstanz wird demnach gegebenenfalls abklären, welche Angaben die einzelnen Kartenaussteller von der Antragstellerin verlangten, ob und inwiefern die Aussteller die Angaben überprüften, ob die Aussteller auch Auskünfte von Dritten über die Antragstellerin einholten und gegebenenfalls welche (siehe dazu BGE 125 IV 260 ff.). Die den Ausstellern obliegende Überprüfung durfte sich allerdings nicht auf die Antragstellerin, das heisst auf die K. GmbH, beschränken, sondern musste sich, da dieses Unternehmen erst kurze Zeit vor der Einreichung des Antrags gegründet und im Handelsregister eingetragen worden war, auch auf den Beschwerdeführer selbst erstrecken, der laut Handelsregistereintrag der einzige Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelzeichnungsberechtigung des Unternehmens war. Die Vorinstanz wird daher abklären, welche Angaben zur Person des Beschwerdeführers die einzelnen Kartenaussteller verlangten, ob und inwiefern sie diese Angaben überprüften, ob die Aussteller allenfalls weitere Auskünfte über den Beschwerdeführer einholten und gegebenenfalls welche. Die Vorinstanz wird sodann entscheiden, ob die von den Kartenausstellern getroffenen Vorkehrungen vor Aushändigung der jeweils mehreren Karten mit unbeschränkter Limite an die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt der «Opfermitverantwortung» genügten, ob also die Kartenaussteller im Sinne von Art. 148 StGB die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben. .
BGE 128 IV 11 3. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale dans la cause X. contre Procureur général du canton de Genève (pourvoi en nullité) .
6S.507/2001 du 6 décembre 2001 Regeste Art. 21 Abs. 1, Art. 24 und 139 Ziff. 1 StGB; versuchte Anstiftung zu Diebstahl. Begriff der Anstiftung (E. 2a). Wer vorsätzlich und in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht einen fremden Datenträger, z.B. eine CD-ROM oder eine Kopie derselben wegnimmt, um ihn sich anzueignen, begeht Diebstahl. Offen gelassen, ob die Wegnahme einer solchen Sache allenfalls auch unter Art. 143 StGB fällt, wenn die Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung erfüllt sind (E. 2b). .
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Sachverhalt ab Seite 12 BGE 128 IV 11 S. 12 A. Par jugement du 9 janvier 2001, le Tribunal de police de Genève, statuant sur opposition à une ordonnance rendue le 26 juin 2000 par le Procureur général, a condamné X., né en 1957, pour tentative d’instigation à vol (art. 21 al. 1, 24 al. 2 et 139 ch. 1 CP), à la peine de 45 jours d’emprisonnement avec sursis pendant 3 ans. Il a par ailleurs condamné un coaccusé, Y., pour la même infraction, à la peine de 3 mois d’emprisonnement avec sursis pendant 3 ans. Les appels interjetés par les condamnés contre ce jugement ont été écartés par arrêt du 25 juin 2001 de la Chambre pénale de la Cour de justice genevoise. .
B.
La condamnation des accusés repose, en résumé, sur les faits suivants:
a) L’Etude d’avocats A., à Genève, a été mandatée par la Banque cantonale de Genève dans le cadre de procédures civiles et pénales dirigées contre X. Eu égard à la complexité du dossier pénal, l’Etude a souhaité regrouper les documents essentiels de cette procédure sur un CD-ROM et traiter facilement les données au moyen de clefs de tri. Ce travail a été confié à Z., informaticien indépendant. Z., qui envisageait d’effectuer une traversée de l’Atlantique en solitaire sur un voilier, était à la recherche d’un solde de financement pour ce projet. A cette fin, il s’est rendu le 2 juin 1999 en début d’après-midi chez un ami de son père, Y. Ce dernier lui a parlé de X., avec lequel il était en relation d’affaires, comme d’une personne susceptible de l’aider. Voulant mettre Y. en garde contre X., Z. lui a révélé qu’il travaillait, au sein de l’Etude d’avocats A., sur un BGE 128 IV 11 S. 13 CD-ROM contenant des informations relatives à X. Y., qui souhaitait non seulement aider le fils de son ami mais conclure une affaire de pétrole avec X., a alors suggéré à Z. de proposer à X. d’acquérir une copie du CD-ROM en contrepartie d’une somme de 20 000 francs. En cours d’après-midi, Y. a contacté téléphoniquement X. pour convenir d’un rendez-vous le jour même dans sa boucherie, lui disant qu’il avait une «super affaire» à lui proposer. Selon Z., après ce téléphone, Y. lui a dit qu’il aurait son financement; il lui a par ailleurs demandé de lui indiquer l’intitulé exact de l’Etude d’avocats pour laquelle il travaillait, qu’il a inscrit sur un papier. X. est arrivé vers 18 heures 30 à la boucherie, où Y. lui a présenté Z. comme étant son filleul. Comme convenu précédemment avec Y., Z. a alors quitté la boucherie pour se rendre dans un café des environs, où Y. et X. l’ont rejoint plus tard. Selon Z., l’un de ceux-ci, mais il ne se souvenait plus lequel, lui a alors proposé de remettre un exemplaire du CD-ROM à X. en contrepartie d’un montant de l’ordre de 20 000 francs; l’idée de cet échange revenait toutefois à Y., qui l’avait évoquée devant lui avant l’arrivée de X. à la boucherie. Z. a admis n’avoir rien objecté à cette proposition d’échange, car il
avait besoin de l’argent pour réaliser son projet de régate et les échéances approchaient. Quelques minutes plus tard, Y. est retourné dans sa boucherie, laissant Z. et X. seuls dans le café. Au terme de la discussion, Z. a communiqué son numéro de téléphone à X. pour qu’il puisse le contacter. Il a été retenu qu’à l’issue de sa rencontre avec Y. et X., Z. était déterminé à remettre une copie du CD-ROM à X. contre une rémunération de 20 000 francs. Le 8 juin 1999 au matin, Z., après réflexion, s’est ravisé. Il a téléphoné à son employeur, lui expliquant qu’il avait été contacté par X., qui lui avait proposé, par l’intermédiaire d’un ami de sa famille, dont il a tu le nom, de lui verser une somme d’argent de l’ordre de 20 000 francs contre la remise d’une copie du CD-ROM constitué par ses soins. L’Etude d’avocats A. a alors déposé plainte pénale, le 10 juin 1999, contre X. pour instigation à vol et instigation à violation du secret professionnel. Z. a accepté de participer à l’enquête ouverte à la suite de cette plainte et d’agir sur les instructions de la police. Le 8 juin 1999, X. a appelé Z. afin de fixer un rendez-vous pour l’échange. Voulant gagner du temps, Z. a allégué un problème avec le graveur de CD. Un rendez-vous a cependant été fixé au 10 juin 1999 à Annemasse, près de la frontière suisse, où un motard BGE 128 IV 11 S. 14 coiffé d’un casque rouge devait procéder à l’échange. Sur conseil de la police, Z. ne s’est toutefois pas présenté à ce rendez-vous. X. l’a rappelé le soir du 15 juin, puis à nouveau à deux reprises le lendemain, lui proposant un rendez-vous dans ses bureaux à Genève. Le 16 juin 1999, sous le contrôle de la police et du Ministère public, Z. a remis à X. le CD-ROM en échange d’une enveloppe contenant 20 000 francs. X. a alors été interpellé par la police, qui a en outre procédé à une perquisition et a notamment saisi le CD-ROM. b) Les juges cantonaux ont considéré qu’en acceptant de verser 20 000 francs à Z. en contrepartie de la remise d’un CD-ROM appartenant à ses employeurs, X. l’avait conforté de manière décisive dans son intention délictueuse et qu’il s’était ainsi rendu coupable de tentative d’instigation à vol.
Quant à Y., il s’était rendu coupable de la même infraction en essayant, non seulement pour aider le fils d’un ami mais pour conclure une affaire de pétrole avec X., d’amener Z. à remettre le CD-ROM à X. contre une somme de 20 000 francs. Au stade de la fixation de la peine, il a notamment été tenu compte de l’importance de la faute et des mobiles de chacun des accusés, de leur situation personnelle et de leur absence d’antécédents judiciaires ainsi que de leur comportement durant la procédure. C. X. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Contestant qu’une instigation à vol puisse lui être reprochée, il conclut à l’annulation de l’arrêt attaqué. Le Tribunal fédéral a rejeté le pourvoi. Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant invoque une violation des art. 18, 24 al. 2 et 139 ch. 1 CP. Il conteste avoir intentionnellement décidé Z. à commettre un vol et en déduit que seule aurait pu entrer en considération une tentative d’instigation à soustraction de données au sens de l’art. 143 CP, dont les conditions ne seraient toutefois pas réalisées. a) Est un instigateur celui qui, intentionnellement, décide autrui à commettre un crime ou un délit (art. 24 al. 1 CP). L’instigation consiste à susciter chez autrui la décision de commettre un acte déterminé. La décision de l’instigué de commettre l’acte doit résulter du comportement incitatif de l’instigateur; il faut donc qu’il existe un rapport de causalité entre ces deux éléments. Il n’est pas nécessaire que l’instigateur ait dû vaincre la résistance de l’instigué; la volonté d’agir peut être déterminée même chez celui qui est disposé à agir ou chez celui qui s’offre à accomplir un acte réprimé par le droit pénal et cela aussi longtemps que l’auteur ne s’est pas encore décidé .
BGE 128 IV 11 S. 15
à passer à l’action concrètement. L’instigation n’entre en revanche pas en considération si l’auteur de l’acte était déjà décidé à le commettre (ATF 127 IV 122 consid. 2b / aa p. 127 s. et la jurisprudence citée; cf. également ATF 124 IV 34 consid. 2c p. 37 s. et les références citées). Par ailleurs, celui qui se borne à créer une situation dans laquelle une autre personne pourrait éventuellement se décider à commettre une infraction n’est pas un instigateur. L’instigation implique bien plutôt une influence psychique ou intellectuelle directe sur la formation de la volonté d’autrui. Peut être un moyen d’instigation tout comportement propre à susciter chez autrui la décision d’agir, même une simple demande, une suggestion ou une invitation concluante (ATF 127 IV 122 consid. 2b / aa p. 127 s. et les références citées). Sur le plan subjectif, l’instigation doit être intentionnelle, mais le dol éventuel suffit (ATF 116 IV 1 consid. 3d p. 3 et les références citées). Il faut donc que l’instigateur ait su et voulu ou, à tout le moins, envisagé et accepté que son intervention était de nature à décider l’instigué à commettre l’infraction. Pour qu’il y ait instigation, il faut que l’instigué ait agi, c’est-à-dire qu’il ait commis ou, à tout le moins, tenté de commettre l’infraction. Si, pour un motif ou un autre, l’instigué n’agit pas, une condamnation ne peut éventuellement être prononcée que pour tentative d’instigation, laquelle n’est toutefois punissable que pour autant que l’infraction visée soit un crime (cf. art. 24 al. 2 CP). L’instigation étant une forme de participation à une infraction déterminée, ses éléments matériels sont ceux de cette infraction. Savoir s’il y a eu instigation à une infraction donnée doit donc être déterminé en référence aux éléments de cette infraction. .
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b) Se rend coupable de vol celui qui, pour se procurer ou procurer à un tiers un enrichissement illégitime, soustrait une chose mobilière appartenant à autrui dans le but de se l’approprier (art. 139 ch. 1 al. 1 CP). Un support de données, tel qu’un CD-ROM ou une copie de celui-ci, est une chose mobilière, de sorte que celui qui, intentionnellement et dans un dessein d’enrichissement, soustrait un tel objet appartenant à autrui pour se l’approprier, que ce soit en vue de le conserver ou de l’aliéner (ATF 85 IV 17 .
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consid. 1 p. 19), commet un vol (ATF 111 IV 74 consid. 1 p. 75). Certes, s’agissant d’un objet qui présente la particularité de contenir des données informatiques, on peut se demander si sa soustraction peut éventuellement aussi tomber sous le coup de l’art. 143 CP, applicable en concours, pour autant que les conditions de cette .
BGE 128 IV 11 S. 16 disposition soient réunies. Sur cette question – que le Tribunal fédéral n’a pas été amené à examiner dans l› ATF 111 IV 74 précité du fait que l’art. 143 CP, entré en vigueur le 1er janvier 1995, n’avait pas encore été adopté – la doctrine est divisée. Pour STRATENWERTH, en cas de soustraction d’un support de données, il peut y avoir concours réel entre le vol et la soustraction de données, dès lors que les art. 139 et 143 CP protègent des biens juridiques différents (STRATENWERTH, BT I, 5ème éd., Berne 1995, § 14 n. 34); TRECHSEL et SCHMID estiment en revanche que l’art. 139 CP, qui prime, est seul applicable en pareil cas (TRECHSEL, Kurzkommentar, 2ème éd., Zurich 1997, art. 143 n. 10; NIKLAUS SCHMID, Das neue Computerstrafrecht, in RPS 113/1995 p. 22 ss, p. 29), le second de ces auteurs étant toutefois d’avis qu’il y a concours idéal entre les art. 139 et 143 CP lorsque le propriétaire du support et le propriétaire des données sont des personnes différentes (NIKLAUS SCHMID, op. cit., p. 29), opinion que ne partage pas TRECHSEL, pour lequel on ne voit pas en quoi la culpabilité de l’auteur serait plus lourde dans un tel cas (TRECHSEL, op. cit., art. 143 n. 10). En l’espèce, il n’y a toutefois pas lieu d’examiner la question plus avant, compte tenu de l’interdiction de la reformatio in pejus, puisque seule une tentative d’instigation à vol au sens de l’art. 139 CP a été retenue à la charge du recourant. Le vol est punissable de la réclusion pour cinq ans au plus ou de l’emprisonnement. Il s’agit donc d’un crime, de sorte que la tentative d’instigation à cette infraction est punissable. .
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c) L’arrêt attaqué ne reproche pas au recourant d’avoir tenté de décider Z. à faire une copie du CD-ROM, mais lui fait exclusivement grief d’avoir tenté de décider Z. à lui remettre cette copie. Au demeurant, avec raison. Le premier de
ces comportements eût été constitutif de tentative d’instigation à soustraction de données au sens de l’art. 143 CP (cf. STRATENWERTH, op. cit., § 14 n. 30; TRECHSEL, op. cit., art. 143 n. 7; NIKLAUS SCHMID, op. cit., p. 28), dont les conditions ne sont toutefois pas réalisées en l’espèce, puisque Z. était manifestement autorisé à disposer des données en question, auxquelles il avait libre accès. .
d) Le recourant, à juste titre, ne conteste pas la réalisation des éléments objectifs de l’instigation. Des faits retenus, il résulte que, pour en avoir été informé par Y., il savait que Z. était en mesure de lui procurer une copie du CD-ROM appartenant à ses employeurs et qu’il pourrait accepter de le faire en contrepartie d’une somme d’argent, dont il avait besoin pour réaliser un projet de régate. Dans ces circonstances, l’offre du recourant de le rémunérer en contrepartie BGE 128 IV 11 S. 17 était de nature à inciter Z. à lui procurer une copie du CD-ROM. Il a par ailleurs été constaté – ce qui relève du fait et lie donc la Cour de céans – que Z., s’il n’a pas protesté lorsque l’idée de l’échange lui a été soumise, voire a été intéressé par cette idée, ne s’est résolu à agir qu’à l’issue de la discussion qui a eu lieu dans un café, le soir du 2 juin 1999, après avoir su que le recourant acceptait de lui verser de l’argent en contrepartie d’une copie du CD-ROM. Il est au demeurant manifeste que, si ce n’est contre rémunération, Z. n’avait aucune raison de procurer une copie du CD-ROM au recourant et que l’acceptation de ce dernier de lui verser une somme d’argent était donc déterminante. e) Pour que l’instigation soit intentionnelle, il faut d’abord que l’instigateur ait agi, au moins par dol éventuel, avec la conscience et la volonté de décider l’auteur principal. A cet égard, le recourant ne saurait soutenir qu’il ignorait que la décision de Z. de lui remettre une copie du CD-ROM dépendait de son acceptation de le rémunérer en contrepartie. Il est manifeste qu’il savait, dès le départ, que cette acceptation était une condition de l’obtention d’une copie du CD-ROM. Au demeurant, connaissant le besoin d’argent de Z., il ne pouvait
ignorer que son acceptation de lui verser 20 000 francs était de nature à le décider à agir. Il faut en outre, pour que l’instigation soit intentionnelle, que l’instigateur ait agi, au moins par dol éventuel, avec la conscience et la volonté que l’auteur principal commette l’infraction, en l’occurrence un vol. A ce propos, le recourant insiste vainement sur le fait que, pour Z., il s’agissait de lui remettre non pas le CD-ROM sur lequel il regroupait les données pour le compte de ses employeurs, mais une copie de celui-ci; les juges cantonaux ne l’ont nullement nié. Pour autant, il n’est pas établi que, comme semble le suggérer le recourant, qui ne l’affirme d’ailleurs pas, Z. aurait copié les données sur un support lui appartenant et, surtout, que, le cas échéant, le recourant l’aurait su; rien dans les constatations de fait cantonales ne permet de l’admettre; tout indique au contraire que le recourant voulait obtenir une copie du CD-ROM quel qu’en soit le propriétaire et qu’il s’accommodait sans autre de ce qu’elle appartienne aux employeurs de Z. Que l’intention du recourant ait porté sur les autres éléments constitutifs du vol n’est au reste à juste titre pas contesté. Avec raison aussi, le recourant, qui a offert 20 000 francs à Z. en contrepartie du CD-ROM, ne nie pas avoir agi dans une dessein d’enrichissement illégitime. BGE 128 IV 11 S. 18 f) Au vu de ce qui précède, la condamnation du recourant pour tentative d’instigation à vol ne viole pas le droit fédéral.
BGE 128 IV 18 4. Extrait de l’arrêt de la Cour de cassation pénale dans la cause B. contre Procureur général du canton de Berne (pourvoi en nullité) .
6S.504/2001 du 25 octobre 2001 Regeste Art. 22 Abs. 1 und Art. 146 StGB; vollendeter Betrugsversuch, Arglist. Zunächst ist zu entscheiden, ob das Vorgehen des Täters objektiv arglistig war. Trifft dies zu, bleibt die Täuschung jedoch ohne Erfolg, so ist versuchte arglistige Täuschung gegeben (E. 3b). .
Sachverhalt ab Seite 18 BGE 128 IV 18 S. 18 A. Par jugement du 29 novembre 2000, le Président 3 de l’Arrondissement judiciaire I Courtelary-Moutier-La Neuveville a reconnu B. coupable de tentative d’escroquerie et l’a condamné à une peine de dix jours d’emprisonnement avec sursis pendant deux ans. Statuant sur l’appel de B. par jugement du 23 mai 2001, la IIème Chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a reconnu B. coupable de délit manqué d’escroquerie et l’a condamné à une peine de dix jours d’emprisonnement avec sursis pendant deux ans. B.
Ce jugement retient notamment les faits suivants:
a) Par courrier du 15 mai 1998, la société Y. Assurances (ci-après: la société Y.) a dénoncé B. aux autorités pénales en lui reprochant d’avoir annoncé le 20 décembre 1996 à la société Z. Assurances (ci-après: la société Z.) un sinistre (le bris d’un pare-brise) avec l’indication qu’il s’était produit le 2 septembre 1996, alors qu’il remontait au 28 février 1996 et avait déjà été .
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indemnisé par la société Y. en novembre 1996. BGE 128 IV 18 S. 19 La société Y. a exposé avoir pris en charge le sinistre du 28 février 1996, annoncé le 29 février 1996. Le montant en jeu était de 1239 francs 80 selon la facture du garagiste du 19 septembre 1996. Par courrier du 20 novembre 1996 adressé à B., la société Y. a accepté de couvrir l’entier du préjudice, sous déduction des diverses primes d’assurance encore dues par ce dernier. Après compensation, elle a donc versé le montant résiduel revenant à B., soit 437 francs 50. La société Y. a affirmé que B. avait demandé à la société Z. de l’indemniser pour le même sinistre en remettant à cette dernière la facture du garagiste précitée. b) Sur la base de la dénonciation de la société Y., du rapport interne de la société Z. du 22 février 1997, des déclarations de B., des témoins entendus et du dossier, la Chambre d’appel a retenu ce qui suit: La police d’assurance de B. auprès de la société Z. a pris effet le 3 septembre 1996. Cette assurance ne pouvait être tenue de couvrir le sinistre du 28 février 1996 puisqu’il était antérieur à l’entrée en vigueur de la police. De peur que le sinistre du 28 février 1996 ne soit pas pris en charge par la société Y., B. l’a également annoncé à la société Z. sous une date différente. L’annonce du sinistre à la société Z. s’est déroulée en plusieurs étapes, soit en premier lieu par une déclaration orale de B. à fin septembre 1996, ensuite par la présentation de la facture du garagiste vers la mi-décembre 1996 et, enfin, par la rédaction d’une déclaration de sinistre aux environs du 20 décembre 1996. En rédigeant cette déclaration, B. a indiqué que le sinistre s’était produit le 2 septembre 1996 (alors que l’entrée en vigueur de la police datait du 3 septembre 1996). Celui-ci a prétendu avoir volontairement mentionné une date antérieure à l’entrée en vigueur de la police pour éviter que la société Z. n’entrât en matière sur le dossier car il avait été indemnisé entre-temps (le 20 novembre 1996) par la société Y. La Chambre d’appel n’a pas suivi B. sur ce point. Elle a au contraire retenu que la mention sur la déclaration de sinistre d’une date antérieure à l’entrée en vigueur de la police d’assurance résultait .
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d’une erreur de B., comme celui-ci l’avait expliqué en première instance. Après avoir réalisé que le sinistre annoncé était antérieur à l’entrée en vigueur de la police d’assurance, la société Z. a demandé à la société Y., soit la précédente assurance de B., si ce sinistre n’avait pas déjà été couvert. Elle a ainsi appris que cela était le cas. Lorsque la société Z. a transmis au juge d’instruction son rapport interne du 22 février 1997, elle a précisé n’avoir versé aucune indemnité à B. BGE 128 IV 18 S. 20 Sur le plan personnel, B. a été employé en qualité d’agent par la société Y. pendant deux ans et demi jusqu’en mars 1996 et a ensuite exercé la même activité pour la société Z. jusqu’à la fin février 1997, époque à laquelle il a été licencié en raison de la présente affaire. C. Agissant en personne, B. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral contre ce jugement, concluant implicitement à son annulation. Le Tribunal fédéral a rejeté le pourvoi dans la mesure où il était recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 3. Le recourant conteste s’être rendu coupable de délit manqué d’escroquerie, en faisant valoir l’absence d’astuce. a) Sur le plan objectif, l’escroquerie réprimée par l’art. 146 CP suppose en particulier que l’auteur ait usé de tromperie et que celle-ci ait été astucieuse. L’astuce au sens de cette disposition est réalisée lorsque l’auteur recourt à un édifice de mensonges, à des manoeuvres frauduleuses ou à une mise en scène, mais aussi lorsqu’il donne simplement de fausses informations, si leur vérification n’est pas possible, ne l’est que difficilement ou ne peut raisonnablement être exigée, de même que si l’auteur dissuade la dupe de vérifier ou prévoit, en fonction des circonstances, qu’elle renoncera à le faire en raison d’un rapport de confiance particulier (ATF 122 II 422 consid. 3a .
p. 426/427; ATF 122 IV 246 consid. 3a p. 247/248 et les arrêts cités). Il y a notamment manoeuvre frauduleuse lorsque l’auteur fait usage de titres falsifiés ou obtenus sans droit ou de documents mensongers (arrêt 6S.370/1997 du 16 juillet 1997, reproduit in RVJ 1998 p. 180, consid. 3b; ATF 122 IV 197 consid. 3d p. 205; ATF 116 IV 23 consid. 2c p. 25). L’astuce n’est toutefois pas réalisée si la dupe pouvait se protéger avec un minimum d’attention ou éviter l’erreur avec le minimum de prudence que l’on pouvait attendre d’elle. Il n’est pas nécessaire, pour qu’il y ait escroquerie, que la dupe ait fait preuve de la plus grande diligence et qu’elle ait recouru à toutes les mesures de prudence possibles; la question n’est donc pas de savoir si elle a fait tout ce qu’elle pouvait pour éviter d’être trompée (arrêt 6S.740/1997 du 18 février 1998, reproduit in SJ 1998 p. 457, consid. 2; ATF 122 IV 246 consid. 3a p. 247/248). L’astuce n’est exclue que lorsque la dupe est coresponsable du dommage parce qu’elle n’a pas observé les mesures de prudence élémentaires qui s’imposaient (ATF 126 IV 165 consid. 2a p. 171; ATF 119 IV 28 consid. 3 f p. 38). .
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BGE 128 IV 18 S. 21 Pour apprécier si l’auteur a usé d’astuce et si la dupe a omis de prendre des mesures de prudence élémentaires, il ne suffit pas de se demander comment une personne raisonnable et expérimentée aurait réagi à la tromperie; il faut, au contraire, prendre en considération la situation particulière de la dupe, telle que l’auteur la connaît et l’exploite, par exemple une faiblesse d’esprit, l’inexpérience ou la sénilité, mais aussi un état de dépendance, d’infériorité ou de détresse faisant que la dupe n’est guère en mesure de se méfier de l’auteur. L’exploitation de semblables situations constitue précisément l’une des caractéristiques de l’astuce (ATF 120 IV 186 consid. 1a p. 188). Le principe de coresponsabilité doit amener les victimes potentielles à faire preuve d’un minimum de prudence. Il s’agit d’une mesure de prévention du crime, la concrétisation d’un programme de politique criminelle (cf. URSULA CASSANI, Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, in RPS 117/1999 p. 174). Le principe ne saurait dans cette mesure être utilisé pour nier trop aisément le caractère .
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astucieux de la tromperie (arrêt 6S.438/1999 du 24 février 2000, reproduit in RVJ 2000 p. 310, consid. 3). .
b) Le délit manqué (art. 22 al. 1 CP) est une forme de tentative au sens large (cf. art. 21 ss CP). Il y a tentative, au sens large, d’escroquerie lorsque l’auteur, agissant intentionnellement et dans un dessein d’enrichissement, a commencé l’exécution de cette infraction, manifestant ainsi sa décision de la commettre, même si les éléments objectifs font, en tout ou en partie, défaut. Conformément aux règles générales, l’intention doit porter sur l’ensemble des éléments constitutifs objectifs. A cet égard, ce qui est déterminant c’est que l’auteur a agi en se représentant (donc en acceptant) une situation dans laquelle ces éléments sont réalisés (ATF 122 IV 246 consid. 3a p. 248). Une tentative punissable d’escroquerie n’est réalisée que si l’intention de l’auteur porte sur une tromperie astucieuse, donc sur un comportement qui apparaît objectivement astucieux. On ne saurait conclure que toute tromperie qui ne réussit pas est nécessairement dénuée de caractère astucieux. Abstraction faite de l’échec de la tromperie, il importe d’examiner si la tromperie prévue paraissait ou non facilement décelable compte tenu des possibilités de protection dont disposait la victime et dont l’auteur avait connaissance. Autrement dit, c’est dans le cadre d’un examen hypothétique qu’il faut déterminer si le plan élaboré par l’auteur était objectivement astucieux ou non. S’il l’était et que la tromperie échoue parce que la victime .
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BGE 128 IV 18 S. 22 était plus attentive ou plus avisée que l’auteur ne se l’était figuré ou en raison du hasard ou d’une autre circonstance non prévisible, il y a alors lieu de retenir une tentative de tromperie astucieuse (cf. CASSANI, op. cit., p. 164; cf. aussi ATF 122 IV 246 consid. 3c p. 249/250 où le résultat a été empêché par une connaissance anticipée de la victime par rapport à ce que supposait l’auteur). .
c) En l’espèce, le recourant a annoncé le même sinistre sous des dates différentes à deux compagnies d’assurances auxquelles il a présenté la même facture de garagiste, sachant que la seconde compagnie (la société Z.) n’était .
en aucun cas tenue de couvrir le dommage. Il a procédé en plusieurs phases pour tromper la société Z., s’adressant d’abord oralement à elle, lui transmettant ensuite la facture du garage et, enfin, remplissant la déclaration de sinistre. Il a ainsi mis sur pied un stratagème par lequel il s’est appliqué à convaincre cette société de l’existence d’un cas d’assurance. Il est très difficile pour une assurance d’établir la fausseté des déclarations de son assuré, d’autant plus lorsque celui-ci est également, comme c’est le cas ici, son employé. Examiné de manière hypothétique, le plan adopté par le recourant doit objectivement être qualifié d’astucieux dès lors qu’il était propre à tromper la vigilance de la société Z., sans qu’on puisse imputer à celle-ci une quelconque coresponsabilité. La tromperie a finalement échoué. Selon les constatations cantonales, qui lient le Tribunal fédéral (art. 277bis al. 1 PPF [RS 312.0]), l’échec est dû au fait que le recourant a indiqué par mégarde sur la déclaration une date de sinistre antérieure à l’entrée en vigueur de l’assurance. En niant le caractère involontaire de son erreur, le recourant s’en prend aux faits retenus, ce qu’il n’est pas habilité à faire dans un pourvoi (art. 273 al. 1 let. b PPF). Quoi qu’il en soit, en signalant d’abord oralement à la société Z. le dommage puis en lui remettant ultérieurement la facture du garagiste, le recourant est, par ces deux premières phases, passé à l’exécution de la tromperie. Ces éléments suffisent en soi à retenir une tentative astucieuse de tromperie. Que le recourant se soit ensuite mépris en rédigeant la déclaration de sinistre, ce qui a permis à la société Z. de découvrir la tromperie, ne modifie pas cette qualification. C’est en effet à cause d’une erreur indépendante de la volonté du recourant, même si c’est lui qui l’a commise, que la société Z. a découvert la tromperie. Dans ces conditions, la Chambre d’appel n’a pas violé le droit fédéral en retenant une tentative de tromperie astucieuse et en appliquant en conséquence les art. 22 al. 1 et 146 al. 1 CP au cas du recourant. Le grief est infondé en tant qu’il est recevable. .
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BGE 128 IV 73 14. Estratto della sentenza della Corte di cassazione penale nella causa A. contro Corte di cassazione e di revisione penale del Tribunale d’appello del Cantone Ticino (ricorso per cassazione) .
6S.500/2001 del 26 febbraio 2002 Regeste Art. 183 StGB, Art. 63 StGB; Freiheitsberaubung, Festnahme auf frischer Tat, Strafzumessung. Die vorläufige Festnahme einer auf frischer Tat ertappten verdächtigen Person durch den Geschädigten erfüllt den Tatbestand der Freiheitsberaubung, soweit sie länger dauert als die Zeit, welche die Polizei bräuchte, um zum Ort des Geschehens zu gelangen (E. 2a-d). Der Richter kann eine dem Verschulden angemessene Strafe herabsetzen, wenn deren Folgen für den Täter äusserst schwer wiegen. Im konkreten Fall rechtfertigt sich eine Herabsetzung nicht, obschon der Vollzug einer Reststrafe von 32 Monaten Zuchthaus wahrscheinlich ist (E. 4b-d). .
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Sachverhalt ab Seite 74 BGE 128 IV 73 S. 74 A. Il 30 novembre 2000 la Corte delle assise criminali di Bellinzona riconosceva A. colpevole di sequestro di persona per avere tenuto rinchiusa nel proprio appartamento sotto la minaccia di una pistola giocattolo, dalle ore 7.00 alle ore 9.45 di mercoledì 29 marzo 2000, la cittadina brasiliana B., e lo condannava, computato il carcere preventivo sofferto, a 18 mesi di reclusione nonché all’espulsione dal territorio svizzero per una durata di 5 anni, sospesa con un periodo di prova di 2 anni. B.
Il 3 luglio 2001 la Corte di cassazione e di revisione penale del Tribunale
d’appello del Cantone Ticino (CCRP) accoglieva parzialmente il ricorso di A. e riformava la sentenza impugnata nel senso che la pena inflittagli veniva ridotta a 6 mesi di detenzione. .
C. Con tempestivo ricorso per cassazione, A. è insorto dinanzi al Tribunale federale contro la sentenza della CCRP e ne postula l’annullamento. Il Tribunale federale ha respinto il ricorso. Erwägungen Dai considerandi: 2.a) In virtù dell’art. 183 cpv. 1 CP, è punibile per reato di sequestro di persona chi indebitamente arresta o tiene sequestrata una persona o la priva in altro modo della sua libertà personale. Il bene giuridico protetto è la libertà di movimento. I presupposti sono BGE 128 IV 73 S. 75 adempiuti se la persona è privata della libertà di andare, di venire e di scegliere il luogo dove vuole stare. Non è necessario che la privazione di libertà sia di lunga durata, qualche minuto è sufficiente (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2a ed., Zurigo 1997, n. 7 ad art. 183 CP). Poco importa il modo in cui l’agente trattiene la sua vittima (MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht [Kommentar], Vol. 3, Berna 1994, n. 14 –20 ad art. 183 CP); una persona può essere sequestrata ricorrendo alla minaccia, alla violenza, oppure sottraendole ciò di cui ha bisogno per partire o ponendola in condizioni tali da impedirle comprensibilmente di andarsene (BERNARD CORBOZ, Les principales infractions, Berna 1999, Vol. II, n. 5–9/14–15 ad art. 183 CP e rinvii; GÜNTER STRATENWERTH, Straftaten gegen Individualinteressen, BT I, 5a ed., Berna 1995, n. 26, pag. 117). .
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b) È accertato in modo insindacabile (art. 277bis cpv. 1 e 273 cpv. 1 lett. b PP [RS 312.0]) che verso le ore 7.00 del mattino del 29 novembre 2000, dopo .
aver avuto rapporti sessuali con il ricorrente, la resistente, dicendo di volere prendere dal portafoglio di quest’ultimo fr. 2.– per pagare un taxi e rientrare a casa, prelevava in realtà fr. 23.–, ossia tutto il denaro ivi contenuto. Resosene conto, il ricorrente ne pretendeva la restituzione immediata. Nasceva così un’accesa discussione. Egli chiudeva a chiave la porta dell’appartamento per obbligare l’interessata a restituire il maltolto, impedendole di partire. La minacciava poi con una pistola giocattolo, che sembrava vera, e ricuperava il denaro sottratto. Dopodiché, tratteneva la vittima nell’appartamento, temporeggiando, tergiversando e comportandosi in modo tale da gettarla in uno stato di terrore e di angoscia così profondo da indurla a gettarsi dal terrazzino dell’appartamento. c) La CCRP ha ritenuto che il ricorrente, una volta accortosi della somma sottratta e in virtù del suo diritto di ottenerne senza indugio la restituzione (art. 926 cpv. 2 CC e art. 32 CP), poteva trattenere la resistente il tempo necessario – una ventina di minuti al massimo – alla polizia locale per giungere sul posto. Avendola costretta a rimanere nell’appartamento senza motivo apparente, egli si è reso colpevole di sequestro di persona per tutto il tempo che ha ecceduto quanto sarebbe occorso al normale intervento delle forze dell’ordine, ossia per più di 2 ore. .
d) È d’uopo premettere che, di regola, il fermo di una persona sospettata di aver perpetrato un reato è legittimo solo se si fonda su un ordine di arresto pronunciato dalle autorità competenti. Ma non sempre è possibile emanare l’ordine di arresto in tempo; ragion per BGE 128 IV 73 S. 76 cui, eccezionalmente e di fronte all’urgenza, le forze dell’ordine ed anche i singoli cittadini possono arrestare un indiziato (SCHUBARTH [Kommentar], op. cit., n. 33–34 ad art. 183 CP). L’art. 99 del Codice di procedura penale ticinese (CPP / TI), applicato a ragione dalla CCRP, prevede che l’autore colto in flagrante o quasi flagrante reato può essere arrestato da «chiunque». Il fermo da parte di un singolo cittadino deve avere per scopo di ovviare al pericolo di fuga del malfattore per poi consegnarlo alla polizia .
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(SCHUBARTH [Kommentar], op. cit., n. 36 ad art. 183 CP). Nello stesso ordine di idee s’inserisce l’incontestabile diritto dell’offeso di trattenere l’offensore per ricuperare una cosa sottratta in modo illecito ai sensi dei combinati disposti degli art. 926 cpv. 2 CC e 32 CP. L’esercizio di tale diritto deve durare il meno possibile; ogni costrizione non necessaria costituisce una privazione di libertà arbitraria anche se giustificata all’origine (SCHUBARTH [Kommentar], op. cit., n. 37 ad art. 183 CP). Essendo accertato in modo insindacabile (art. 277bis cpv. 1 e 273 cpv. 1 lett. b PP) che circa 20 minuti sarebbero occorsi alla polizia locale per giungere all’appartamento e che la resistente poteva ragionevolmente essere presunta l’autrice del furto, il ricorrente aveva il diritto di trattenerla solo durante quei pochi minuti; dopodiché – il denaro essendo per di più stato restituito – il sequestro litigioso non aveva più alcun fondamento e, pertanto, era illecito. .
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e) Il ricorrente sostiene che la sua condanna per sequestro di persona viola l’art. 183 n. 1 CP poiché, rientrato in possesso dell’ammanco in modo legittimo, egli non ha più compiuto alcun atto suscettibile di ostacolare la libertà di movimento della resistente. f) L’argomentazione del ricorrente è manifestamente contraddetta dagli accertamenti operati in sede cantonale da cui risulta, in modo insindacabile (art. 277bis cpv. 1 e 273 cpv. 1 lett. b PP), che egli aveva ammesso davanti agli inquirenti di aver trattenuto la resistente anche dopo la restituzione dell’ammanco, in particolare temporeggiando e mettendosi a guardare la televisione. Inoltre, benché a suo dire avesse avuto l’intenzione di riaccompagnarla a casa verso le ore 9.30, alle ore 9.45 non lo aveva ancora fatto. Non risulta altresì che, dopo aver riottenuto il denaro, il ricorrente avesse aperto la porta del suo appartamento o dato la chiave alla sua vittima. Contrariamente a quanto sostenuto nell’impugnativa, la resistente non era libera di andarsene quando e come meglio credeva: era rinchiusa nell’appartamento, in un palese stato di eccitazione e di angoscia esacerbato dal comportamento ostinato del suo carceriere, insensibile alle sue implorazioni al punto da proporle di avere altri rapporti sessuali. Il suo sequestro .
BGE 128 IV 73 S. 77 è durato fino a quando, esasperata e non potendo credere, vista anche la presenza dell’arma, di poter partire senza pericolo (CORBOZ, op. cit., n. 15 e SCHUBARTH [Kommentar], op. cit., n. 20–21 ad art. 183 CP), si è calata dal terrazzino sottraendosi così, dopo più di 2 ore di prigionia, all’imperio del ricorrente (DTF 119 IV 216 consid. 2 f). Pertanto, condannando quest’ultimo per sequestro di persona per il lasso di tempo che andava oltre il necessario per la chiamata e l’arrivo della polizia locale, la CCRP non ha violato il diritto federale. .
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3.a) In via subordinata, il ricorrente contesta la pena inflittagli che considera eccessiva e lesiva dell’art. 63 CP. b) Secondo l’art. 63 CP, il giudice commisura la pena essenzialmente alla colpa del reo. Questa disposizione non elenca in modo dettagliato ed esauriente gli elementi pertinenti per la commisurazione. La giurisprudenza, a cui si rinvia, li ha interpretati in modo diffuso (v. da ultimo DTF 127 IV 101 consid. 2). In questa sede è sufficiente rilevare che il giudice di merito, più vicino ai fatti, fruisce di un’ampia autonomia. Il Tribunale federale interviene solo quando egli cade nell’eccesso o nell’abuso del suo potere di apprezzamento, ossia laddove la pena fuoriesca dal quadro legale, sia valutata in base a elementi estranei all’art. 63 CP o appaia eccessivamente severa o clemente (DTF 127 IV 101 consid. 2c; DTF 123 IV 49 consid. 2a; DTF 122 IV 299 consid. 2a, 241 consid. 1a, 156 consid. 3b; DTF 121 IV 193 consid. 2a, 3 consid. 1a; DTF 120 IV 136 consid. 3a). .
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c) La CCRP ha ridotto, in quanto eccessivamente severa, la pena pronunciata dai primi giudici da 1 anno e 6 mesi di reclusione a 6 mesi di detenzione. Essa ha negato che il sequestro fosse qualificato poiché il ricorrente aveva impugnato la pistola giocattolo solo per riavere il denaro ed evitare che la donna «spaccasse tutto» o «facesse casino». Ha comunque precisato che la colpa di quest’ultimo era tutt’altro che leggera: egli aveva agito in modo tale da profondere nella resistente, per 2 ore abbondanti,
angoscia e terrore, fino a spingerla, a rischio della sua vita, a calarsi dal terrazzino. A favore del reo ha ribadito che all’origine della vicenda vi era un furto, che il fermo della donna all’inizio era legittimo e che il sequestro di persona non era il frutto di una fredda premeditazione bensì di una situazione degenerata in un acceso diverbio. Ha ricordato poi i precedenti penali dell’interessato, senza tuttavia conferire loro un peso particolare, ossia la condanna del 5 giugno 1991 a 15 giorni di detenzione e a una multa fr. 15.– per furto d’uso, nonché la condanna dell›11 febbraio 1994 a una multa di fr. 90.– per infrazione grave alla circolazione stradale. Ha constatato in seguito la recidiva dovuta BGE 128 IV 73 S. 78 a una precedente condanna pronunciata il 9 ottobre 1997 a 3 anni di reclusione per ripetuta infrazione aggravata alla legge federale sugli stupefacenti, condanna sospesa per dare luogo al collocamento del ricorrente in un istituto per tossicomani in applicazione dell’art. 44 CP; ha ritenuto poi che l’aggravante della recidiva, benché non andasse sopravvalutata, giustificava per lo meno l’aumento della pena di base di un mese. Ha infine tenuto conto che il ricorrente è padre di una figlia e che, da quando è stato liberato condizionalmente il 14 marzo 1998 dall’istituto per tossicomani, non ha più commesso delitti sotto l’influsso di droghe ed ha sempre lavorato. d) Il ricorrente si duole del peso eccessivo accordato alla recidiva e di un ingiustificabile duplice computo di quest’ultima: dapprima nell’apprezzamento dei suoi precedenti penali e in seguito come recidiva. e) La CCRP ha considerato il carattere problematico dell’aggravante della recidiva quando, come nella fattispecie, si riferisce ad un illecito senza relazione alcuna con il reato successivo. Nel gravame non vengono addotte valide ragioni per cui l’aumento della pena di base di un mese debba essere considerato come eccessivo al punto da costituire un abuso del potere di apprezzamento. Per quanto concerne infine il preteso duplice computo, la critica appare infondata poiché, come testé visto (v. supra, consid. 3c in fine), la CCRP ha ponderato la condanna del 9 ottobre 1997 esclusivamente .
nell’ambito della recidiva. f) Il ricorrente considera altresì la pena inflittagli come manifestamente eccessiva se paragonata a quelle irrogate in casi simili. A sostegno della sua tesi egli cita la DTF 101 IV 402 in cui l’agente, colpevole di avere sequestrato una persona per 8 ore, era stato sanzionato con una pena di 3 mesi di detenzione, e la DTF 104 IV 170 in cui, per aver trattenuto una persona per 2 ore e mezza con la forza, l’agente era stato condannato alla pena di 3 mesi e 20 giorni di detenzione. g) Secondo giurisprudenza costante, non spetta alla Corte di cassazione del Tribunale federale vegliare affinché le singole pene corrispondano tra di loro scrupolosamente; tale controllo sarebbe contrario al principio dell-‹individualizzazione della pena voluta dal legislatore (DTF 124 IV 44 consid. 2c). Quanto precede vale anche quando, per dimostrare un preteso insostenibile rigore della pena irrogata, il ricorrente invochi condanne pronunciate in situazioni da lui ritenute analoghe alla sua (DTF 116 IV 292 consid. 2). Considerati gli innumerevoli fattori che intervengono nella commisurazione della pena, i paragoni con altre cause relative a circostanze di fatto diverse .
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BGE 128 IV 73 S. 79 si rivela per lo più infruttuoso. Non è inoltre sufficiente, come fa il ricorrente, richiamare uno o due casi dove in apparenza sono state pronunciate pene meno dure per dimostrare che la sanzione sia così severa da costituire un abuso del potere di apprezzamento (DTF 120 IV 136 consid. 3a). La Corte cantonale ha comunque ponderato con rigore gli elementi determinanti per la commisurazione della pena impugnata. Ma non solo. Per motivare la riduzione dell’eccessiva sanzione pronunciata dai primi giudici si è riferita lei stessa a precedenti giurisprudenziali. In siffatte circostante la censura è infondata. .
4.a) Il ricorrente sostiene infine che la CCRP non ha tenuto sufficientemente conto delle conseguenze giuridiche della pena inflittagli.
b) La Corte cantonale ha esaminato in modo diffuso l’inevitabile applicazione dell’art. 45 n. 3 cpv. 1 CP che prevede il ripristino del collocamento in istituto o l’esecuzione delle pene sospese per il liberato che è condannato a una pena privativa di libertà superiore a 3 mesi per un crimine o un delitto commessi durante il periodo di prova. Ha espresso il suo scetticismo a proposito delle conseguenze sulla risocializzazione dell’espiazione della pena residua di 32 mesi di reclusione a cui dovrà verosimilmente sottomettersi il ricorrente; ha concluso tuttavia che la pena litigiosa non poteva essere dimezzata per questo solo motivo. c) Il ragionamento della CCRP non dà adito a critica. È doveroso, nell’ambito della commisurazione della pena, evitare nella misura del possibile sanzioni che ostacolino il reinserimento del condannato, tenendo conto tra l’altro degli effetti della condanna sulla sua vita (DTF 127 IV 97 consid. 3; DTF 118 IV 342 consid. 2; DTF 119 IV 125 consid. 3b). In particolare, il giudice può ridurre una pena apparentemente adeguata alla colpa del reo se le conseguenze sull’esistenza futura del condannato appaiono eccessivamente severe (MATTHIAS HÄRRI, Folgenberücksichtigung bei der Strafzumessung, in: RPS 116/1998 pagg. 212–214 e, tra l’altro, il rinvio all’art. 49 cpv. 1 dell’avamprogetto della Commissione peritale sulla revisione delle disposizioni generali del Codice penale svizzero il quale prevede esplicitamente che, commisurando la pena, il giudice deve ponderarne l’effetto prevedibile sull’esistenza futura dell’agente; HANS WIPRÄCHTIGER, Strafzumessung und bedingter Strafvollzug – eine Herausforderung für die Strafbehörden, in: RPS 114/1996 pag. 440; v. anche sulla pratica dei tribunali tedeschi ECKHARD HORN, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Allgemeiner Teil, 7a ed. 2001, § 46, n. 137 segg.). Ciò non toglie che l’elemento .
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BGE 128 IV 73 S. 80 determinante resta comunque la proporzione con la colpa del reo (DTF 127 IV 97 consid. 3). La CCRP – senza violare il diritto federale – ha ritenuto che una pena di 6 mesi, per quanto severa, è adeguata alla colpa del ricorrente. Non vi è ragione di ridurla della metà per evitare l’espiazione della pena .
sospesa al momento della condanna del 9 ottobre 1997. La soluzione potrebbe essere diversa se la sanzione impugnata fosse vicina al limite legale di 3 mesi al di sotto del quale non vi è luogo d’applicare l’art. 45 n. 3 cpv. 1 CP. Tale era il caso nella DTF 119 IV 125, richiamata a ragione dalla Corte cantonale, ove al condannato, che si era emendato notevolmente, era stata inflitta una sanzione di 4 mesi di detenzione (v. anche la giurisprudenza costante che impone di commisurare la pena tenendo conto, tra l’altro, del limite di 18 mesi a cui soggiace la sospensione condizionale in virtù dell’art. 41 n. 1 CP, ultima in data DTF 127 IV 97 consid. 3). È inoltre accertato che il ricorrente era stato formalmente avvertito delle conseguenze di un’eventuale recidiva e, pertanto, perfettamente cosciente delle conseguenze a cui si sarebbe esposto se avesse deluso la fiducia in lui riposta. Di poco rilievo appaiono sotto questo profilo la sua buona condotta dopo la liberazione condizionale e il fatto che sia divenuto padre di una bambina. Riguardo alla sua recente paternità, e contrariamente alla fattispecie oggetto della giurisprudenza citata nel gravame (sentenza 6S.596/2000 del 22 febbraio 2001, consid. 3b), non sono stati accertati elementi di fatto atti a fare temere che la separazione da sua figlia lo colpirebbe in modo così grave e particolare da dover influire sulla commisurazione della pena (DTF 102 IV 231 consid. 3). .
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d) Un’eventuale sospensione condizionale della pena – che permetterebbe di eludere le conseguenze dell’art. 45 n. 3 cpv. 1 CP – è infine esclusa poiché mancano i presupposti oggettivi. In virtù dell’art. 41 n. 1 cpv. 2 CP la sospensione non è ammissibile se, nei 5 anni precedenti il reato commesso, il condannato ha scontato una pena di reclusione o di detenzione superiore a 3 mesi per un crimine o un delitto intenzionale. Una privazione di libertà subita in esecuzione di una misura ai sensi degli art. 43, 44, 91 o 100bis CP non costituisce una ragione obiettiva per negare la sospensione condizionale (DTF 113 IV 10 consid. 1c). Pertanto, il periodo che il ricorrente ha trascorso in uno stabilimento per tossicomani prima della sua liberazione non è determinante. Tuttavia, secondo giurisprudenza costante, nell’ambito dell’art. 41 CP il carcere preventivo è assimilato alla pena privativa di libertà sulla quale esso è computato (DTF 110 IV 65 consid. 3; DTF 109 IV 8; v. anche TRECHSEL, op. cit., .
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BGE 128 IV 73 S. 81 n. 24– 25 e 27 ad art. 41 CP). Nella fattispecie è accertato che il ricorrente ha parzialmente scontato la pena di 3 anni di reclusione pronunciata il 9 ottobre 1997 in carcere preventivo dal 13 settembre 1995 al 22 aprile 1996, ossia per più di 4 mesi. Tale durata è stata computata sulla pena prima che la sua esecuzione fosse sospesa a favore del collocamento in un istituto per tossicomani. Pertanto, la sospensione condizionale è oggettivamente esclusa. e) Discende da quanto precede che la pena litigiosa, benché dura, non appare eccessiva al punto da essere abusiva e non viola il diritto federale.
BGE 128 IV 164 24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. R.X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
6S.337/2001 vom 3. Juni 2002 Regeste Art. 287 StGB; Amtsanmassung, rechtswidrige Absicht. Das subjektive Tatbestandsmerkmal der rechtswidrigen Absicht ist nicht erfüllt, wenn der Täter weder ein an sich rechtswidriges Handlungsziel verfolgt noch in unzulässiger Weise in fremde Individualrechte eingreift (E. 3).
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Sachverhalt ab Seite 164 BGE 128 IV 164 S. 164 A. Am 9. Juni 1998 fand R.X. in einem Zürcher Tram einen Bussenblock, welchen eine Verkehrsbeamtin der Stadtpolizei Zürich dort liegen gelassen hatte. Weil sich das Ehepaar X. bereits seit BGE 128 IV 164 S. 165 längerer Zeit darüber ärgerte, dass A.B., ein in der Nachbarschaft ansässiger Garagist, für seine Kunden regelmässig Parkplätze in der blauen Zone beanspruchte, füllte E.X. mit dem Einverständnis ihres Mannes einen Beanstandungsrapport aus dem gefundenen Bussenblock aus. Daraus geht hervor, dass in besagter blauer Zone keine Plätze für andere Lenker und Wagen reserviert werden dürfen. Sie unterzeichnete den Rapport mit «C.D.»; der Angeschuldigte befestigte den «polizeilichen» Rapport an der Windschutzscheibe des Fahrzeugs von A.B. mit der Absicht, diesem Angst vor einer polizeilich auszufällenden Busse zu machen.
B. Wegen dieses Vorfalles sprach die Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürichs mit Urteil vom 2. Dezember 1999 R.X. der Amtsanmassung schuldig und verurteilte ihn deswegen und wegen eines weiteren Delikts zu einer bedingt vollziehbaren Haftstrafe von fünf Tagen. C. Die Berufung des Verurteilten hiess das Obergericht des Kantons Zürich R.X. mit Urteil vom 31. Januar 2001 zwar teilweise gut, es bestätigte aber den Schuldspruch wegen Amtsanmassung. D. R.X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. E. Mit Beschluss vom 3. Dezember 2001 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die von R.X. gegen das Urteil des Obergerichts geführte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es überhaupt darauf eintrat. F. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat am 6. Mai 2002 auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3.a) Die Amtsanmassung betreffend verweist die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht global auf den in der Anklageschrift geschilderten Sachverhalt, welcher vom Angeklagten zugestanden worden sei. Die diesbezüglichen Feststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 BStP [SR 312.0]). In rechtlicher Hinsicht qualifiziert die Vorinstanz das Verhalten des Beschwerdeführers folgendermassen: Amtsgewalt masse sich nicht nur derjenige an, welcher sich ein Amt als solches anmasse; Art. 287 StGB finde auch Anwendung, wenn sich eine Person nur einzelne Befugnisse eines Amtes anmasse, so zum Beispiel unter .
BGE 128 IV 164 S. 166 dem Deckmantel einer nicht gegebenen Funktion Befehle erteile, deren Erteilung nur einem Amtsinhaber zustünde. Der Beschwerdeführer habe mit dem polizeilichen Formular eines Beanstandungsrapportes, welches mit der gefälschten Unterschrift einer Verkehrsbeamtin versehen war, Weisungen erteilt, deren Anordnung in dieser Form allein staatlichen Organen zustehe. Es sei damit eine behördliche Intervention vorgetäuscht worden, was den objektiven Tatbestand zu erfüllen vermöge. Nicht von Belang sei dabei, dass das Formular nicht bestimmungsgemäss verwendet und vollständig ausgefüllt worden sei sowie dass die verwendeten Formulierungen ungelenk gewesen seien. Auch der subjektive Tatbestand sei erfüllt, insbesondere liege die vom Gesetz verlangte rechtswidrige Absicht vor. Der Sinn dieses zusätzlichen subjektiven Tatbestandserfordernisses liege darin, diejenigen Fälle aus dem Bereich der Strafbarkeit auszuscheiden, in welchen ein Täter mit seiner Handlung ein Verbrechen verhindert oder Schaden von Dritten abgewendet habe. Der Beschwerdeführer habe sich aber fraglos einen Vorteil verschafft, auch wenn dieser nur in der persönlichen Genugtuung gelegen haben sollte; jedenfalls sei seine Aktion nicht selbstlos gewesen. b) Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, er habe weder den objektiven noch den subjektiven Tatbestand erfüllt. aa) Hinsichtlich des objektiven Tatbestandes macht er Folgendes geltend: Das verwendete Formular könne ausschliesslich zur Beanstandung technischer Mängel verwendet werden, nicht aber zur Erteilung irgend eines amtlichen Befehls, der sich nicht auf den technischen Zustand eines Fahrzeuges beziehe. Es könne also damit kein Befehl erteilt werden, welcher sich auf die Parkierpraxis beziehe. Es liege insofern ein untauglicher Versuch gemäss Art. 23 StGB vor. Im Weiteren habe er mit dem Text auf dem verwendeten Formular auf einen allgemein gültigen Umstand hingewiesen; der Hinweis auf ein allgemein bekanntes Verbot sei aber keine Amtsanmassung im Sinne des Gesetzes. Die Ausübung behördlicher Macht trete sodann erst ein, wenn mit Konsequenzen gedroht werde. Der
Beanstandungsrapport habe aber mit keinem Wort auf zu gewärtigende Folgen hingewiesen, weshalb es auch insofern an einer Amtsanmassung fehle. Schliesslich stünde es auch dem zuständigen Beamten nicht zu, mit dem vom Beschwerdeführer verwendeten Beanstandungsformular einen das Parkieren betreffenden Befehl zu erteilen. Es liege auch deshalb keine Amtsanmassung vor, weil der Täter sich eine Befugnis anmassen müsste, die in der Kompetenz des angeblich Handelnden läge. BGE 128 IV 164 S. 167 bb) In subjektiver Hinsicht verlange das Gesetz das Vorliegen rechtswidriger Absicht. Diese sei jedoch nicht gegeben. Das Rechtsgut bleibe ungeschützt gegenüber gut gemeinten, wenn auch untragbaren Angriffen, die keine Individualrechte verletzten. Eine Verletzung von Individualrechten sei auszuschliessen; im Übrigen habe der betroffene Garagist von Anfang an gewusst, von wem der Rapport stamme. Die Vorinstanz habe die rechtswidrige Absicht deshalb bejaht, weil sich der Beschwerdeführer einen Vorteil habe verschaffen wollen, auch wenn dieser nur in einer persönlichen Genugtuung gelegen haben sollte. Diese Begründung halte zum einen nicht stand vor Art. 277 BStP, weil die Vorinstanz damit auf eine blosse Vermutung abstelle, aber offen lasse, welchen Vorteil sich der Beschwerdeführer effektiv verschafft habe. Eine persönliche Genugtuung habe aber gar nicht vorgelegen; weder sei eine solche den Akten noch der Anklageschrift zu entnehmen. Massgeblich aber sei schliesslich, dass eine persönliche Genugtuung, auch wenn sie bestanden haben sollte, eine rechtswidrige Absicht nicht zu begründen vermöge bzw. keinen ungerechtfertigten Vorteil im Sinne des Gesetzes darstellen könne. c) Art. 287 StGB bestimmt, dass mit Busse oder Gefängnis bestraft wird, wer sich in rechtswidriger Absicht die Ausübung eines Amtes oder militärischer Befehlsgewalt anmasst. aa) Soweit der Beschwerdeführer die Erfüllung des objektiven Tatbestandes bestreitet, ist die Beschwerde abzuweisen: Die Vorinstanz stellt in rechtlicher Hinsicht zutreffend fest, zur Erfüllung des Tatbestandes sei ausreichend, dass ein Täter sich einzelne Befugnisse anmasse, welche nur
einem Amtsträger zustünden. Indem die Vorinstanz das Verhalten des Beschwerdeführers unter Art. 287 StGB subsumierte, verletzte sie kein Bundesrecht, weil der Beschwerdeführer, indem er ein amtliches Formular verwendete, um die Parkierpraxis des Garagisten zu beanstanden, eine behördliche Intervention vortäuschte. Nicht von Belang ist dabei, dass die verwendeten Formulierungen unbeholfen waren und das Formular für die Beanstandung technischer Mängel bestimmt ist. Wesentlich ist allein, dass der Beschwerdeführer ein amtliches Formular verwendete. Es spielt deshalb auch keine Rolle, dass für den Fall der weiteren Widerhandlung nicht explizit mit einer behördlichen Sanktion gedroht wurde: Der Beschwerdeführer selbst stellt fest, er habe mit der Beanstandung lediglich auf ein allgemein bekanntes Verbot hingewiesen. Wer mit einem amtlichen Beanstandungsrapport auf ein allgemein bekanntes Verbot hinweist, droht implizit eine BGE 128 IV 164 S. 168 behördliche Sanktion an, da Widerhandlungen Strassenverkehrsrecht von Amtes wegen verfolgt werden.
gegen
das
bb) Der Beschwerdeführer hat offensichtlich vorsätzlich gehandelt; bestritten ist allein, dass die vom Gesetz verlangte rechtswidrige Absicht vorgelegen hatte. Die Bedeutung der «rechtswidrigen Absicht» und damit der Umfang des strafbaren Verhaltens gemäss Art. 287 StGB sind generell bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur abschliessend bestimmt worden. In der Literatur werden, teils mit Hinweis auf die spärliche Gerichtspraxis zu dieser Strafnorm, unterschiedliche Deutungen erwogen (vgl. z.B. TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, N. 4 zu Art. 287 StGB; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl., Bern 2000, N. 7 zu § 53). Das Bundesgericht hat in einem Entscheid vom 19. Juni 1995 (Urteil 6S.309/1995, E. 3, publ. in: Pra 85/1996 Nr. 174 S. 641) die Frage offen gelassen, ob dieses Tatbestandsmerkmal als «qualifizierte Vorsatzform» oder «in einem weiteren Sinne» zu verstehen sei. Aus dem Entscheid kann jedoch abgeleitet werden, dass sich nicht nur derjenige strafbar macht, der mit der Amtsanmassung ein .
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an sich rechtswidriges Handlungsziel verfolgt. Strafbar macht sich auch, wer ein an sich gerechtfertigtes Handlungsziel verfolgt, dies aber mit Mitteln tut, welche für die Verfolgung des Ziels nicht notwendig sind, und der gleichzeitig in unzulässiger Weise in fremde Individualrechte eingreift. Im zitierten Entscheid war dies deshalb der Fall, weil der Täter unter Anmassung eines Amtes einen vermutlich fahrunfähigen Fahrzeuglenker nicht nur – was für sich alleine gerechtfertigt gewesen wäre – an der Weiterfahrt hinderte, sondern gleichzeitig dessen Personalien kontrollierte. Um die Strafbarkeit einer Amtsanmassung unter dem Gesichtspunkt des Tatbestandsmerkmals der rechtswidrigen Absicht festzustellen, ist zunächst zu prüfen, ob der Täter ein an sich rechtswidriges Handlungsziel verfolgte. Falls dies nicht der Fall ist, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob der Täter das nicht widerrechtliche oder das rechtfertigende Ziel unter unnötiger Beeinträchtigung fremder Individualrechte verfolgte. Der Beschwerdeführer gibt an, mit der scheinbar amtlichen Beanstandung nur auf ein allgemein bekanntes Verbot, einen allgemein gültigen Umstand hingewiesen zu haben: Dass in der blauen Zone keine Parkplätze reserviert werden dürfen. Die Vorinstanz scheint dem zuzustimmen, wenn sie die rechtswidrige Absicht allein darin erblickt, dass der Beschwerdeführer einen Vorteil für sich selbst BGE 128 IV 164 S. 169 erstrebte, einen Vorteil, der möglicherweise nur in der persönlichen Genugtuung gelegen habe, dem Betroffenen eine Lektion erteilen zu können. Einen weiter gehenden Vorwurf macht die Vorinstanz dem Beschwerdeführer nicht; insbesondere wirft sie ihm nicht vor, widerrechtlich in die Rechtssphäre eines anderen eingegriffen oder einen in anderer Weise widerrechtlichen Zweck verfolgt zu haben. Es kann hier dahin gestellt bleiben, wie die beabsichtigte persönliche Genugtuung unter moralischem Gesichtspunkt zu werten ist, widerrechtlich in einem strikten Sinn ist sie allerdings nicht. Mit anderen Worten fehlt es bei der hier zu beurteilenden Konstellation an der Strafwürdigkeit des inkriminierten Verhaltens. Wird persönliche Genugtuung im Rahmen einer Amtsanmassung angestrebt, indem gleichzeitig in die Rechtssphäre eines anderen eingegriffen
wird, ergibt sich die Rechtswidrigkeit und damit die Strafbarkeit des Verhaltens nicht aus der intendierten Genugtuung, sondern bereits aus dem Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Beanstandungsrapport ausschliesslich auf eine allgemein bekannte Norm und, implizit, auf die Sanktion hingewiesen, die eine Verletzung der Norm nach sich ziehen kann. Ein die Strafwürdigkeit seines Verhaltens begründender Eingriff in Rechte anderer ist dabei nicht auszumachen. Für eine enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals der rechtswidrigen Absicht spricht im Weiteren auch, dass die von der Vorinstanz festgestellte persönliche Genugtuung in analogen Fällen regelmässig gegeben sein dürfte: Wollte man die rechtswidrige Absicht allein damit begründen, hätte das praktisch zur Folge, dass das zusätzliche subjektive Tatbestandserfordernis immer gegeben wäre, die Strafbarkeit durch dieses Merkmal nicht mehr eingeschränkt und das Merkmal neben Art. 34 StGB jede selbständige Bedeutung verlieren würde.
BGE 129 IV 1 1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen D. und Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg (Nichtigkeitsbeschwerde) .
6S.79/2002 vom 7. November 2002 Regeste Art. 122 Abs. 2 und Art. 123 Ziff. 2 StGB; schwere Körperverletzung und qualifizierte einfache Körperverletzung. Ein wichtiges Organ oder Glied ist im Sinne des Gesetzes nur unbrauchbar, wenn es in seinen Grundfunktionen erheblich gestört ist; eine zwar dauerhafte, aber nur leichte Beeinträchtigung genügt nicht (E. 3.2). Der «Sklave» eines sadomasochistischen Sexspiels kann unter bestimmten Umständen als wehrlos im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 StGB gelten; in casu liegt Wehrlosigkeit nicht vor (E. 3.3). .
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Sachverhalt ab Seite 1 BGE 129 IV 1 S. 1 A. Im Jahr 1996 liess sich X. einen Piercing-Ring von 2,8 cm Durchmesser und 3 mm Stärke in den Penis einsetzen. Als regelmässiger Kunde suchte er am 16. September 1997 D. auf, welche in BGE 129 IV 1 S. 2 Freiburg einen Salon für sadomasochistische Praktiken betreibt und dabei als Domina auftritt. Im Rahmen der an diesem Tag vollzogenen Handlungen kniete X. mit auf dem Rücken gefesselten Händen am Boden. Vorher hatte er den Piercing-Ring an seinem Penis mit einer Kette verbinden lassen, deren anderes Ende an einem Bett befestigt war. Als D. ihn aufforderte aufzustehen, erhob sich X.
Weil die Kette zu kurz war, wurde der Ring dabei aus seinem Penis ausgerissen. X. musste sich deswegen in ärztliche Behandlung begeben und in der Folge mehrere operative Eingriffe an seinem Penis vornehmen lassen. Der Penis konnte nicht vollständig wiederhergestellt werden: X.s Harnstrahl ist seither gefächert und zweigeteilt. B. Am 16. April 2000 erhob X. Strafanzeige gegen D. wegen schwerer Körperverletzung und weiterer Delikte. Er stellte gleichzeitig Strafantrag. Am 23. Mai 2000 reichte er im Strafverfahren gegen D. adhäsionsweise eine Zivilforderung im Umfang von Fr. 5568.75 ein. C. Mit Verfügung vom 11. Mai 2001 stellte der zuständige Untersuchungsrichter das Verfahren ein, nachdem er die Beteiligten und zwei Zeuginnen einvernommen und einen Augenschein durchgeführt hatte. Er auferlegte die aufgelaufenen Verfahrenskosten D. und X. je zur Hälfte. D. Mit Schreiben vom 13. Juni 2001 erhob X. Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung bei der Strafkammer des Kantonsgerichts Freiburg. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 16. Januar 2002 ab. E. X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichts sei aufzuheben. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Gemäss Art. 29 StGB ist ein Strafantrag vor Ablauf einer Frist von drei Monaten nach Bekanntwerden der Tat zu stellen. Der Beschwerdeführer liess nach seiner Verletzung mehr als zwei Jahre verstreichen, bis er Strafantrag stellte. Soweit vorliegend Antragsdelikte in Frage kamen, erfolgte der Strafantrag zu spät. Es kann deshalb offen bleiben, wie der Vorfall
strafrechtlich zu bewerten wäre, wenn der Strafantrag rechtzeitig gestellt worden wäre. Die angezeigte Tat könnte deshalb nur noch unter dem Gesichtspunkt eines Offizialdeliktes verfolgt werden. Eine Körperverletzung BGE 129 IV 1 S. 3 ist von Amtes wegen zu verfolgen, wenn sie schwer ist; dabei ist unerheblich, ob die Tat vorsätzlich, Art. 122 StGB, oder fahrlässig, Art. 125 Abs. 2 StGB, begangen wurde. Eine einfache vorsätzliche Körperverletzung ist in Anwendung von Art. 123 Ziff. 2 StGB von Amtes wegen zu verfolgen, wenn sie mit Gift, einer Waffe oder einem gefährlichen Gegenstand zugefügt worden ist oder wenn das Opfer wehrlos war beziehungsweise unter der Obhut des Täters stand. 3.2 Der Begriff der schweren Körperverletzung stellt einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Steht ein Grenzfall zur Diskussion, weicht das Bundesgericht insoweit nur mit einer gewissen Zurückhaltung von der Auffassung der Vorinstanz ab (vgl. BGE 115 IV 17 E. 2b; Analoges gilt für die Abgrenzung von Tätlichkeit und einfacher Körperverletzung und für die Prüfung der Frage, ob ein leichter Fall im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB vorliege, vgl. BGE 127 IV 59 E. 2a / bb). Die Vorinstanz qualifiziert die erlittene Verletzung als einfach im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB. Zwar könne der Penis als wichtiges Organ im Sinne des Gesetzes gelten, doch sei dessen Verletzung nur dann als schwer zu taxieren, wenn er verstümmelt oder unbrauchbar gemacht worden wäre. Davon könne jedoch nur bei dessen Verlust oder bei dauernder Beeinträchtigung seiner Funktion gesprochen werden, eine geringfügige Einschränkung seiner Funktion genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht. Zwar liege eine operativ nicht behebbare und daher bleibende Schädigung insofern vor, als der Harnstrahl des Beschwerdeführers gefächert und zweigeteilt sei, doch seien die urinale und die sexuelle Grundfunktion intakt, den Beschwerdeführer werde «einzig Zeit seines Lebens jeweils beim Wasserlassen und beim Höhepunkt der sexuellen Lust der zweite Strahl begleiten, ohne dass ihm dadurch weitere Unannehmlichkeiten erwachsen .
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würden». Der Entscheid der Vorinstanz, die Verletzung des Beschwerdeführers nicht als schwer zu qualifizieren, ist im Lichte des Gesetzes und der Rechtsprechung zum Begriff der schweren Körperverletzung auf jeden Fall vertretbar, auch wenn eine dauernde und nicht behebbare Beeinträchtigung vorliegt. Objektiv wiegt die Verletzungsfolge nicht schwer. Für die Beurteilung der Verletzungsschwere können auch die psychische Betroffenheit des Geschädigten und insbesondere die Schädigung seiner geistigen Gesundheit von Bedeutung sein. Soweit der Beschwerdeführer den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt diesbezüglich ergänzt, kann auf seine Eingabe im Verfahren der BGE 129 IV 1 S. 4 Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP): Die Vorinstanz stellt weder fest, der Beschwerdeführer sei von der Verletzung subjektiv in besonderer Weise betroffen, noch stellt sie fest, dass die Verletzung zu einer Schädigung der geistigen Gesundheit des Beschwerdeführers geführt hat. Auf die Beschwerde kann auch insoweit nicht eingetreten werden, als der Beschwerdeführer den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt in anderer Weise ergänzt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz mit der Qualifikation der Verletzungsschwere Bundesrecht nicht verletzt. .
3.3 Die qualifizierten Begehungsweisen einfacher Körperverletzung nach Art. 123 Ziff. 2 StGB sind nur von Amtes wegen zu verfolgen, wenn Vorsatz gegeben ist. Der Untersuchungsrichter hat die Vorsatzfrage eingehend geprüft und verneint. Die Vorinstanz weist auf die entsprechenden Erwägungen in der Einstellungsverfügung hin, äussert sich dazu selbst jedoch nicht. Sie lässt – wie der Beschwerdeführer auch – die Frage offen und prüft unter dem hypothetischen Gesichtspunkt, dass der Vorsatz vorliegen würde, die Rechtsfrage nach den Tatbestandsmerkmalen von Art. 123 Ziff. 2 StGB. Die Vorinstanz verneint zu Recht die Tatbestandsvarianten gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB. Zu prüfen ist vorliegend allein die Tatbestandsvariante der Wehrlosigkeit gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB. Wehrlos im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 StGB ist, wer nicht in der Lage ist,
sich gegen eine schädigende Einwirkung zur Wehr zu setzen («hors d’état de se défendre»). Nach dem Gesetz braucht die Wehrlosigkeit nicht durch körperliche oder seelische Besonderheiten wie Alter, Körperschwäche, Krankheit oder Gebrechlichkeit bedingt zu sein. Das Gesetz verlangt auch nicht, dass das Opfer ausserstande sei, sich jedem beliebigen Angriff zu entziehen, dass die Wehrlosigkeit mithin eine absolute sein müsste, damit das qualifizierende Tatbestandsmerkmal bejaht werden könnte. Es genügt, wenn sich das Opfer gegenüber seinem Angreifer und der Handlung, mit der dieser es bedroht, nicht mit einiger Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen kann (vgl. BGE 85 IV 125 E. 4b = Pra 48/1959 Nr. 186 S. 510). In einer generellen Überlegung stellt die Vorinstanz zunächst fest, der Sklave eines sadomasochistischen Sexspiels könne nicht als wehrlos im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 StGB gelten, da andernfalls alle entsprechenden Praktiken mit Verletzungsfolge als an einem .
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BGE 129 IV 1 S. 5 Wehrlosen begangen betrachtet und von Amtes wegen verfolgt werden müssten. Dies könne nicht die ratio legis sein. Der Beschwerdeführer kritisiert diese Auffassung zu Recht. Ob eine bestimmte Körperverletzung strafbar ist oder nicht, kann nicht allein davon abhängen, ob sie im Rahmen sadomasochistischer Knebelungspraktiken zugefügt wurde. Auch wer sich freiwillig fesseln lässt, kann unter bestimmten Umständen als wehrlos unter den strafrechtlichen Schutz von Art. 123 Ziff. 2 StGB fallen; entscheidend ist allein, ob der Betreffende in eine ihm vorsätzlich zugefügte einfache Körperverletzung eingewilligt hat. Insofern geht die Vorinstanz fehl, wenn sie in kategorischer Weise feststellt, es sei nicht ratio legis, den Sklaven eines Sadomasochismusspiels als wehrlos dem Schutzbereich von Art. 123 Ziff. 2 StGB zuzuordnen, weil andernfalls alle sadomasochistischen Knebelungspraktiken, welche zu einer Verletzung führen, von Amtes wegen verfolgt werden müssten. Dagegen ist festzuhalten, dass derjenige, welcher eine Person, die sich freiwillig fesseln liess, vorsätzlich in einfacher Weise verletzt, ohne dass der Betroffene eingewilligt hätte, sich nach Art. 123 Ziff. 2 StGB ohne weiteres strafbar machen kann (vgl. dazu auch BGE 114 IV 100, wo allerdings nicht eine einfache .
Körperverletzung, sondern ein Todesfall zu beurteilen war, der im Rahmen einer sexuell motivierten freiwilligen Fesselung eintrat). Die Fehlerhaftigkeit der generellen vorinstanzlichen Erwägung zum Begriff der Wehrlosigkeit ist jedoch für die vorliegend zu beurteilende konkrete Konstellation nicht von Belang, weil die Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Entscheid und die Akten insgesamt gegen die Annahme tatsächlicher Wehrlosigkeit sprechen. Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdeführer auf einfache Aufforderung der Beschwerdegegnerin hin freiwillig aufstand; die Bewegung, mit welcher er sich seine Verletzung zuzog, war in seinem Willens- und Herrschaftsbereich. Dass er keine andere Wahl gehabt hätte, als der Aufforderung zu gehorchen, ist weder ersichtlich noch macht der Beschwerdeführer dies geltend. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er sich aus physischen oder psychischen Gründen so verhalten musste, dass er sich nicht anders hätte verhalten können, als er es faktisch tat. Er hätte sich ohne weiteres widersetzen können. Der Beschwerdeführer selbst gab in der Voruntersuchung an, im entscheidenden Moment davon ausgegangen zu sein, dass die Kette nicht mehr mit dem Piercing-Ring verbunden war. Er legt damit implizit dar, dass er sich anders verhalten hätte, wenn er sich im Klaren darüber gewesen wäre, immer noch angekettet zu BGE 129 IV 1 S. 6 sein. Allein der Umstand, dass er fälschlicherweise davon ausging, nicht mehr angekettet zu sein, vermag seine Wehrlosigkeit im Sinne des Gesetzes jedoch nicht zu begründen. 3.4 Da ein gültiger Strafantrag fehlt und keine Variante einer von Amtes wegen zu verfolgenden Körperverletzung vorliegt, hat die Vorinstanz mit der Bestätigung der Einstellungsverfügung kein Bundesrecht verletzt. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.
BGE 131 IV 1 1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) .
6S.176/2004 vom 27. Oktober 2004 Regeste Schwere Körperverletzung (Art. 122 Abs. 1 StGB); Verbreiten menschlicher Krankheiten (Art. 231 Ziff. 1 StGB); Vorsatz (Art. 18 Abs. 2 StGB); Versuch (Art. 21 f. StGB). Ungeschützte Sexualkontakte einer HIV-infizierten Person. Die HIV-Infektion ist schon als solche objektiv eine schwere (lebensgefährliche) Körperverletzung (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1). Vorsatz im konkreten Fall bejaht (E. 2). Eine Verurteilung der HIV-infizierten Person wegen (versuchter) schwerer Körperverletzung fällt ausser Betracht, wenn der Partner in Kenntnis der Infektion und des Übertragungsrisikos freiverantwortlich mit dem ungeschützten Sexualkontakt einverstanden ist und das Geschehen mitbeherrscht (E. 3). Wer durch ungeschützte Sexualkontakte das HI-Virus auf einen andern überträgt, erfüllt auch den Tatbestand des Verbreitens menschlicher Krankheiten (Bestätigung der Rechtsprechung). Das Einverständnis des Partners schliesst insoweit die Tatbestandsmässigkeit und die Rechtswidrigkeit nicht aus (E. 4). .
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 131 IV 1 S. 2 Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach X. am 15. Juli 2003 der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB sowie des mehrfachen versuchten Verbreitens menschlicher
Krankheiten im Sinne von Art. 231 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, jeweils in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie teilweise in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 StGB, schuldig und bestrafte ihn mit dreieinhalb Jahren Gefängnis unter Anrechnung von 29 Tagen Untersuchungshaft. X. wird zur Last gelegt, zwischen August 1995 und Juni / Juli 1998 mit fünf Männern, wissend um seine HIV-Infektion, ungeschützt sexuell verkehrt zu haben. X. erhebt mit Eingabe vom 17. Mai 2004 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Geschworenengerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. .
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Ansteckung mit dem HI-Virus erfülle entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der Auffassung der Vorinstanz den Tatbestand der schweren Körperverletzung nicht; es fehle nach dem heutigen Stand der BGE 131 IV 1 S. 3 Behandlungsmöglichkeiten an einer erheblichen Wahrscheinlichkeit des tödlichen Verlaufs. 1.1 Nach Art. 122 StGB wird wegen schwerer Körperverletzung mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich verletzt (Abs. 1); wer vorsätzlich den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt (Abs. 2); wer vorsätzlich eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht .
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(Abs. 3). Die Infektion mit dem HI-Virus führt nach ungewisser, relativ langer Zeit bei vielen Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Immunschwäche AIDS und anschliessend mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode. Die HIV-Infektion ist damit lebensgefährlich, weshalb eine schwere Körperverletzung nach der Tatbestandsvariante des Absatzes 1 von Art. 122 StGB vorliegt, wie das Bundesgericht entschieden hat (BGE 125 IV 242 E. 2b). Zwar darf eine lebensgefährliche Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB nur angenommen werden, wenn die Verletzung zu einem Zustand geführt hat, in dem sich die Möglichkeit des Todes dermassen verdichtete, dass sie zur ernstlichen und dringlichen Wahrscheinlichkeit wurde (BGE 109 IV 18 E. 2c S. 20), was aber nicht bedeutet, dass die Lebensgefahr notwendigerweise eine zeitlich unmittelbare, akute sein muss; massgebend ist vielmehr die erhebliche Wahrscheinlichkeit des tödlichen Verlaufs (BGE 125 IV 242 E. 2b / dd). Trotz gewisser medizinischer Fortschritte und verbesserten medikamentösen Behandlungen, auf welche der Beschwerdeführer verweist, hat sich nichts Grundsätzliches daran geändert, dass die Infektion mit dem HIVirus nach relativ langer Zeit bei vielen Betroffenen zur Immunschwäche AIDS und anschliessend mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod führt. Das ist ausreichend für die Annahme einer lebensgefährlichen Verletzung. Einer zeitlichen Unmittelbarkeit der Lebensgefahr bedarf es nicht, wie das Bundesgericht erkannt hat und woran festzuhalten ist. .
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2. Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf die statistisch gesehen geringe Wahrscheinlichkeit der Übertragung des HI-Virus BGE 131 IV 1 S. 4 beim ungeschützten Sexualverkehr geltend, er Eventualvorsatz, sondern höchstens fahrlässig gehandelt.
habe
nicht
mit
2.1 In tatsächlicher Hinsicht hält die Vorinstanz zunächst fest, dass vier der fünf Männer, mit denen der Beschwerdeführer sexuell verkehrte, heute HIVpositiv sind. Es spricht aufgrund der von der Vorinstanz erhobenen Indizien
einiges dafür, dass sie vom Beschwerdeführer infiziert wurden, was die Vorinstanz aber letztlich offen lassen konnte, weil der Beschwerdeführer lediglich der versuchten schweren Körperverletzung angeklagt wurde. Der Beschwerdeführer wusste um seine Infektion, als er mit den fünf Männern anal und oral ungeschützt verkehrte. Er wusste auch, dass durch ungeschützten Analverkehr eine Ansteckung erfolgen kann, ebenso durch Ejakulieren in den Mund. Dennoch verkehrte er in ungeschützter Weise mit seinen Sexualpartnern. Dass er diese habe infizieren wollen, stellt die Vorinstanz nicht fest, wiewohl sie für ein direktvorsätzliches Handeln gewisse Anhaltspunkte fand. Der Beschwerdeführer habe aber eine Übertragung des HI-Virus durch die ungeschützten Sexualkontakte in Kauf genommen. Der Einwand der Verteidigung, dass das Infektionsrisiko beim einzelnen Sexualkontakt, statistisch gesehen, gering sei, ändere daran nichts. Zur Begründung führt die Vorinstanz unter Berufung auf BGE 125 IV 242 aus, dass beim ungeschützten Sexualkontakt jeder einzelne und schon ein einziger Akt das Risiko der Übertragung des HI-Virus in sich birgt, dass der Infizierte dieses ihm bekannte Risiko in keiner Art und Weise kalkulieren und dosieren kann und dass der nicht informierte Partner gegen die Gefahr einer Infizierung keinerlei Abwehrchancen hat. Unter Hinweis auf diese Ausführungen hält die Vorinstanz in ihren rechtlichen Erwägungen fest, dass der Beschwerdeführer mit (Eventual-)Vorsatz gehandelt hat. .
2.2 Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 130 IV 58 E. 8.2; BGE 125 IV 242 E. 3c; BGE 121 IV 249 E. 3a; BGE 103 IV 65 E. 2). Eventualvorsatz kann unter anderem angenommen werden, wenn sich dem Täter der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs infolge seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieses Erfolgs gewertet werden kann (BGE 109 IV 137 E. 2b mit Hinweisen). Eventualvorsatz kann indessen auch .
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BGE 131 IV 1 S. 5
vorliegen, wenn der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolges bloss möglich ist, ja selbst dann, wenn sich diese Möglichkeit, statistisch gesehen, nur relativ selten verwirklicht. Doch darf nicht allein aus dem Wissen des Beschuldigten um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme und damit auf Eventualvorsatz geschlossen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen. Solche Umstände hat das Bundesgericht in BGE 125 IV 242 E. 3 darin gesehen, dass jeder einzelne ungeschützte Sexualkontakt und schon ein einziger und der erste das Risiko einer Übertragung des HI-Virus in sich birgt, dass der Infizierte dieses ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren und dosieren kann und dass sein Partner keinerlei Abwehrchancen hat (E. 3 f). Das Bundesgericht hat zudem ausgeführt, der Beschwerdeführer in jenem Verfahren habe bei jedem einzelnen ungeschützten Sexualkontakt in grober Verletzung der sich aus seinem Wissen ergebenden Aufklärungspflicht aus eigennützigen Interessen die nicht informierten Sexualpartnerinnen dem inakzeptablen, unberechenbaren und nicht beeinflussbaren Risiko einer Übertragung des HIVirus und den sich daraus ergebenden, ihm bekannten Gefahren für die Gesundheit und das Leben ausgesetzt. Damit habe er den tatbestandsmässigen Erfolg für den Fall seines Eintritts bei jedem einzelnen Sexualkontakt in Kauf genommen (E. 3g). Diese Rechtsprechung wird von einem erheblichen Teil der Lehre im Wesentlichen unter Hinweis auf die statistisch gesehen geringe Wahrscheinlichkeit der Übertragung des HI-Virus durch ungeschützte Sexualkontakte mit verschiedenen Argumenten abgelehnt (siehe z.B. GUIDO JENNY, Basler Kommentar, StGB I, 2003, Art. 18 N. 49; derselbe, ZBJV 136/2000 S. 641 ff.; HANS VEST, Vorsatz bezüglich der Übertragung des HIVirus durch ungeschützte heterosexuelle Sexualkontakte, AJP 2000 S. 1168 ff.; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl. 2000, § 31 N. 6; derselbe, [Deutsches] Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 4. Aufl. 2000, § 8 N. 126; wohl auch FRIDOLIN BEGLINGER, Basler Kommentar, StGB II, 2003, Art. 231 N. 45). An der Rechtsprechung ist trotz dieser Kritik festzuhalten. Das Bundesgericht hat in seinen Erwägungen zum Eventualvorsatz in BGE 125 IV .
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242 E. 3c-h am Rande darauf hingewiesen, dass die Infektionswahrscheinlichkeit durch ungeschützte Sexualkontakte statistisch gesehen allerdings gering sei und sich im Promille-Bereich bewege; nur ein ungeschützter Geschlechtsverkehr von ca. 300 BGE 131 IV 1 S. 6 sei infektiös (E. 3 f). Das Bundesgericht hat sich mit dieser Frage der statistischen Wahrscheinlichkeit nicht näher auseinander gesetzt und beispielsweise auch nicht geprüft, ob sich der Beschuldigte in jenem Verfahren überhaupt Gedanken zur Frage der statistischen Infektionswahrscheinlichkeit gemacht habe und gegebenenfalls welche. Zu diesbezüglichen Erörterungen besteht bei der gegebenen Begründung des Eventualvorsatzes nach wie vor keine Veranlassung. Wer im Wissen um seine HIV-Infektion und in Kenntnis der Übertragungsmöglichkeiten den Partner nicht über die Infektion aufklärt und gleichwohl mit ihm ungeschützt sexuell verkehrt, obschon sowohl die Aufklärung als auch Schutzvorkehrungen ein einfaches wären, bekundet eine Gleichgültigkeit gegenüber der bei jedem einzelnen ungeschützten Sexualkontakt möglichen Infizierung des Partners in einem Ausmass, das den Schluss auf Inkaufnahme der Infizierung aufdrängt, mag ihm diese auch unerwünscht sein. Er nimmt nicht nur das Risiko als solches, sondern auch die bei jedem einzelnen ungeschützten Sexualkontakt mögliche Verwirklichung dieses Risikos in Kauf. Denn er kann unmöglich wissen, ob nicht gerade der eine ungeschützte Sexualkontakt den Partner infiziert, und er muss daher das Risiko der Tatbestandsverwirklichung in jedem einzelnen Fall ernst nehmen. .
2.3 Ergänzend ist festzuhalten, dass die in BGE 125 IV 242 erwähnte statistische Infektionswahrscheinlichkeit von 0.3% eine mittlere Übertragungswahrscheinlichkeit je Sexualkontakt bei Vaginalverkehr in einer länger dauernden Partnerschaft darstellt. Nach neueren Erkenntnissen ist indessen die Wahrscheinlichkeit der Übertragung bei den ersten Sexualkontakten höher, während sie später sinkt, möglicherweise zurückzuführen auf eine zelluläre Immunantwort. So zeigten Studien über sich prostituierende Frauen in Kenya und in Thailand eine Übertragungsrate auf
Freier beim ersten Sexualkontakt von 2–8% (siehe zum Ganzen BEGLINGER, a.a.O., Art. 231 StGB N. 23 mit Hinweis u.a. auf PIETRO VERNAZZA et al., Sexual transmission of HIV: infectiousness and prevention, in: AIDS 1999, Bd. 13, S. 157). Zudem ergab eine retrospektive Erhebung, dass bei künstlicher Befruchtung mit Samen, die sich nachträglich als kontaminiert erwiesen, 3.5 % der Frauen angesteckt wurden (siehe VERNAZZA, a.a. O., S. 156 f.). Dies also unter gleichsam klinischen Bedingungen und bei Fehlen von Faktoren, die beim Geschlechtsverkehr hinzukommen und die Infektiosität erhöhen können. Die Übertragungswahrscheinlichkeit scheint .
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BGE 131 IV 1 S. 7 mithin stark von verschiedenen Faktoren abzuhängen, so namentlich von der Infektiosität des den Virus übertragenden Partners und der Anfälligkeit beim anderen, aber auch von den Sexualpraktiken (VERNAZZA et al., Biological correlates of sexual transmission of HIV, in: Reviews in medical microbiology 2001 S. 131 ff.). .
2.4 Was den vorliegenden Fall betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Übertragungswahrscheinlichkeit bei Analverkehr weit höher ist als bei Vaginalverkehr (VERNAZZA, Sexual transmission, a. a.O., S. 157). Der Beschwerdeführer hat seine Sexualpartner (mit einer Ausnahme) nicht darüber informiert, dass er HIV-positiv ist. Und nicht nur dies: Bei A., der darauf bestand, nur geschützt zu verkehren, ging der Beschwerdeführer sogar so weit, dass er einmal plötzlich das Kondom entfernte und ohne dieses in den Anus des Partners eindrang. Von einer Kollegin auf seine HIV-Positivität und die damit verbundene Ansteckungsgefahr bei ungeschütztem Verkehr angesprochen, bemerkte er, die Leute, die mit ihm Sex haben wollten, seien selber für die Verwendung des Kondoms verantwortlich; er sage den Leuten einfach immer, dass er kein Kondom brauche, ihm sei die Sache egal; die Leute seien selber schuld, wenn er sie bei ungeschütztem Verkehr anstecken würde. Damit aber bestätigte der Beschwerdeführer mit aller erdenklichen Deutlichkeit, dass das einzige, worauf es ihm ankam, der ungeschützte Sexualverkehr war, während ihm das Schicksal seiner Sexualpartner völlig .
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gleichgültig war und er ihre Ansteckung in Kauf nahm. Er hat eventualvorsätzlich gehandelt. 3. Der Beschwerdeführer hat seine Sexualpartner grundsätzlich nicht darüber informiert, dass er HIV-positiv ist, und diese wussten es auch nicht. Bei B. verhält es sich insoweit anders, als dieser weiter mit dem Beschwerdeführer ungeschützt verkehrte, auch nachdem er von dessen HIVPositivität erfahren hatte. Der Beschwerdeführer leitet hieraus eine rechtfertigende Einwilligung in Bezug auf den Tatbestand der (versuchten) schweren Körperverletzung ab, während die Vorinstanz eine solche verneint, weil es an einem sittlichen oder ethischen Zweck für eine Einwilligung in eine schwere Körperverletzung fehle. .
3.1 Es ist zunächst klarzustellen, dass sich eine Einwilligung beim vorsätzlichen Verletzungsdelikt, hier die schwere Körperverletzung, nicht nur auf die Tathandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen müsste (PHILIPPE WEISSENBERGER, Die Einwilligung des Verletzten bei den Delikten gegen Leib und Leben, Diss. .
BGE 131 IV 1 S. 8 Basel 1996, S. 60 f.; CLAUS ROXIN, [Deutsches] Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl., 1997, § 13 N. 49, S. 479). Es lässt sich nicht annehmen und wird im angefochtenen Entscheid auch nicht festgestellt, dass B. seine Ansteckung mit dem Virus gewollt und damit in die Körperverletzung eingewilligt hätte, auch nicht in Form eines analogen Eventualvorsatzes (siehe dazu WEISSENBERGER, a.a.O., S. 61). Dass der Täter mit Eventualvorsatz handelt, bedingt nicht zugleich, dass das um die Gefährdung wissende Opfer den tatbestandsmässigen Erfolg ebenfalls in Kauf nimmt. Eher als beim Täter ist beim Opfer nämlich anzunehmen, dass es gerade auf das Ausbleiben dieses Erfolgs vertraut. In Frage steht mithin nur, dass B. aufgrund seines Wissens um die Infizierung des Beschwerdeführers nicht in den Verletzungserfolg, sondern in eine Gefährdung «eingewilligt» hat. Damit stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine solche «Einwilligung» in eine Gefährdung rechtlich relevant ist. .
3.2 In der deutschen Lehre und Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang unter anderem zwischen der einverständlichen Fremdgefährdung und der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung unterschieden (SCHÖNKE / SCHRÖDER / LENCKNER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Aufl. 2001, N. 165 ff. zu § 15, N. 102 ff. vor § 32; TRÖNDLE / FISCHER, Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 52. Aufl. 2004, N. 19 f. vor § 13, N. 28 ff. zu § 222; ROXIN, a.a.O., § 11 N. 90 ff., S. 334 ff.). Diese Unterscheidung wird in neuerer Zeit auch in der schweizerischen Lehre vorgenommen (WEISSENBERGER, a.a.O., passim). Das Bundesgericht hat sie einem jüngeren Entscheid zugrunde gelegt, in dem zu beurteilen war, ob die Führerin eines Motorfahrrades sich der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig gemacht hat, indem sie einem Fahrradfahrer ermöglichte, sich an ihrem Oberarm festzuhalten und sich so ziehen zu lassen, und der dabei zu Fall kam (BGE 125 IV 189). Blosse Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung liegt vor, wenn der Rechtsgutträger sich bewusst und freiverantwortlich einer bestimmten Gefahr für seine Rechtsgüter aussetzt und das Tatgeschehen derart beherrscht, dass er darin jederzeit und bis zuletzt steuernd einzugreifen vermag (BGE 125 IV 189 E. 3a; WEISSENBERGER, a.a.O., S. 105). Einverständliche Fremdgefährdung ist demgegenüber gegeben, wenn die Geschehensherrschaft nicht mehr beim Rechtsgutträger liegt, sondern sich dieser einer unübersehbaren Entwicklung ausliefert, in welche er nicht mehr eingreifen oder die .
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BGE 131 IV 1 S. 9 er nicht mehr abbrechen könnte, wo der sich selbst Gefährdende dies noch könnte (WEISSENBERGER, a.a. O., S. 102 ff.). Im Falle beidseitiger Herrschaft über das Gefährdungsgeschehen wird Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung angenommen (WEISSENBERGER, a.a.O., S. 106; SCHÖNKE / SCHRÖDER / LENCKNER, a.a.O., N. 107 vor § 32). .
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3.3 Nach Lehre und Rechtsprechung ist die eigenverantwortliche Selbstgefährdung straflos und die Mitwirkung daran (d. h. die Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung) ist es auch, solange der sich selbst Gefährdende .
das Risiko im selben Masse übersieht wie der Mitwirkende (ROXIN, a. a.O., § 11 N. 97, S. 339; WEISSENBERGER, a.a. O., S. 108, 111 f.; BGE 125 IV 189 E. 3a). Die Straflosigkeit der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung ergibt sich aus der Straflosigkeit des Suizids und – vorbehältlich Art. 115 StGB – der Teilnahme hierzu. Wenn schon die Teilnahme an einer Selbsttötung und auch an einer vorsätzlichen Selbstverletzung straflos bleibt, kann um so weniger die Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung strafbar sein (WEISSENBERGER, a.a.O., S. 110 f.; ROXIN, a. a.O., § 11 N. 91). Dahinter steht die normative Wertentscheidung, dass kein Grund besteht, die Handlungsfreiheit einzuschränken, solange niemand gegen seinen Willen gefährdet wird (WEISSENBERGER, a.a.O., S. 111; ROXIN, a.a.O., § 11 N. 91, Anm. 176, S. 335). Die Straflosigkeit der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung findet ihre Grenze jedoch dort, wo der Veranlasser oder Förderer erkennt, dass das Opfer die Tragweite seines Entschlusses nicht überblickt. In diesem Fall schafft er ein Risiko, das vom Willen des Opfers nicht mehr gedeckt und dessen Verwirklichung daher dem Mitwirkenden zuzurechnen ist (ROXIN, a.a.O., § 11 N. 97, S. 339; WEISSENBERGER, a.a.O., S. 112). Demgegenüber ist die einverständliche Fremdgefährdung grundsätzlich strafbar; doch kann unter gewissen Umständen Straflosigkeit in Betracht fallen, wobei die Voraussetzungen hiefür im Einzelnen umstritten sind (siehe WEISSENBERGER, a.a.O., S. 114 ff.). .
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3.4 B., welcher mit dem Beschwerdeführer mehrfach sexuell verkehrte, wusste zwar nicht von Anbeginn an, aber ab einem späteren Zeitpunkt, dass der Beschwerdeführer Träger des HI-Virus ist. Dennoch kam es weiterhin zu ungeschützten sexuellen Kontakten. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass B. unter Zwang gehandelt oder nicht überblickt hätte, worauf er sich bei diesen ungeschützten Kontakten einliess. Ist demnach davon BGE 131 IV 1 S. 10 auszugehen, dass B. freiverantwortlich gehandelt hat, bleibt die Frage, ob Mitwirkung des Beschwerdeführers an einer Selbstgefährdung des B. oder aber eine einvernehmliche Fremdgefährdung vorliegt.
In der Lehre ist umstritten, ob der ungeschützte Sexualkontakt einer HIVinfizierten Person mit einem freiverantwortlich handelnden, informierten Partner als Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung oder als einverständliche Fremdgefährdung zu qualifizieren ist (für Selbstgefährdung: KARLLUDWIG KUNZ, Aids und Strafrecht: Die Strafbarkeit der HIV-Infektion nach schweizerischem Recht, ZStrR 107/1990 S. 39 ff., 54; WEISSENBERGER, a.a.O., S. 113 f.; SCHÖNKE / SCHRÖDER / LENCKNER, a.a.O., N. 107 vor § 32; für Fremdgefährdung: ROXIN, a. a.O., § 11 N. 108 S. 344, mit zahlreichen Hinweisen in den Anmerkungen 207 und 208 auf die verschiedenen Lehrmeinungen). Bei Sexualkontakten kommt die Herrschaft über das Geschehen grundsätzlich beiden Beteiligten zu. Sie haben es jederzeit in der Hand, noch rechtzeitig abzubrechen oder aber ein Kondom zu benützen bzw. darauf zu beharren, dass der Partner dieses verwendet. Die gegenteilige Auffassung, welche darauf abstellt, dass die Gefährdung ausschliesslich vom Infizierten ausgehe und der Partner sich dieser lediglich aussetze, verkennt den entscheidenden Gesichtspunkt, dass nämlich die Geschehensherrschaft bei beiden Beteiligten liegt. In diesem Fall aber ist noch immer Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung gegeben (oben E. 3.2). Im Übrigen mag darauf hingewiesen werden, dass auch ROXIN Straflosigkeit annimmt, weil er die einvernehmliche Fremdgefährdung der Mitwirkung an Selbstgefährdung gleichstellt, wenn der Schaden Folge des eingegangenen Risikos und nicht hinzukommender anderer Fehler ist und der Gefährdete für das gemeinsame Tun dieselbe Verantwortung trägt wie der Gefährdende (ROXIN, a.a.O., § 11 N. 107 f.). Bezüglich des Schuldspruchs auch für die ungeschützten Sexualkontakte mit B. in der Zeit, in welcher dieser über die Infektion des Beschwerdeführers aufgeklärt war, erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde demnach als begründet. .
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4. Der Beschwerdeführer beanstandet – ohne nähere Begründung allerdings – weiter seine Verurteilung wegen mehrfachen Versuches der Verbreitung einer menschlichen Krankheit im Sinne von Art. 231 StGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts «verbreitet» im Sinne von Art. 231 StGB eine Krankheit, wer als HIV-infizierte
BGE 131 IV 1 S. 11 Person durch ungeschützten Geschlechtsverkehr das Virus auf einen anderen Menschen überträgt, da zumindest die (ausreichende) abstrakte Gefahr besteht, dass die angesteckte Person ihrerseits auf irgendwelchen Wegen weitere Menschen infizieren könnte (BGE 125 IV 242 E. 2a / bb). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, womit der Beschwerdeführer zu Recht wegen mehrfachen Versuchs der Verbreitung einer menschlichen Krankheit verurteilt wurde. Fraglich könnte höchstens noch sein, ob etwas anderes gilt bezüglich derjenigen Sexualkontakte, bei denen B. über die HIV-Positivität des Beschwerdeführers informiert war. Das ist indessen nicht der Fall, da Einwilligung des Verletzten oder eigenverantwortliche Selbstgefährdung nur bei Straftatbeständen bedeutsam sein können, die Individualinteressen schützen. Bei Delikten der Gemeingefährdung, die sich ausschliesslich gegen öffentliche Interessen richten, kann es auf die Haltung des zunächst Betroffenen aber nicht ankommen (WEISSENBERGER, a.a.O., S. 176 ff.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, Straftaten gegen Gemeininteressen, 5. Aufl., Bern 2000, § 31 N. 7, S. 69). .
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5. Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich damit teilweise als begründet, d.h. bezüglich der Verurteilung wegen versuchter mehrfacher schwerer Körperverletzung zum Nachteil von B., soweit dieser über die HIV-Positivität des Beschwerdeführers informiert war. Das hat zur Folge, dass die Vorinstanz die Strafe neu zumessen muss, weshalb eine Prüfung der ebenfalls beanstandeten Strafzumessung unterbleiben kann.
BGE 132 IV 132 19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen E.A. und Mitb. (Nichtigkeitsbeschwerde)
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6S.59/2005 vom 2. Oktober 2006 Regeste Art. 260ter Ziff. 1 StGB; Beteiligung an einer kriminellen Organisation. Der Tatbestand der Beteiligung an einer kriminellen Organisation ist auf kriminelle Zusammenschlüsse ausgerichtet, von denen eine ganz spezielle Bedrohung ausgeht. Abgrenzung zu einer familiär eng verbundenen Drogenhändlerbande (E. 5). .
Erwägungen ab Seite 133 BGE 132 IV 132 S. 133 Aus den Erwägungen: 2. Die Vorinstanz stellt in tatsächlicher Hinsicht für den Kassationshof verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP), die Beschwerdegegner hätten im Jahre 2000 im Raum Zürich zusammen mit weiteren Beteiligten im grossen Stil den Import, die Lagerung und den Verkauf harter Drogen, namentlich von rund 30,66 kg Kokain und 26,4 kg Heroin mit einem Reinheitsgrad von 65% bzw. 45 % organisiert, bewerkstelligt und vorbereitet sowie den Erlös aus dem Handel in Millionenhöhe verschoben. Der innere Kreis der Täter sei familiär eng miteinander verbunden gewesen. Kopf der Gruppe sei H.B. gewesen. Nach dessen Untertauchen hätten in der Schweiz sein Bruder D.B. mit seiner (Schein-)Ehefrau F.V.-B. sowie seine Schwester Z.A.-B. mit ihrem Ehemann E.A. sowie der Cousin S. im Zentrum gestanden. Im Hintergrund habe der Vater Z. B. agiert. .
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4. Gemäss Art. 260ter Ziff. 1 StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheim hält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Ebenso macht sich strafbar, wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt. 4.1 Die im Rahmen des zweiten Massnahmepakets zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens eingeführte Bestimmung war gedacht als «zentrales Element einer erfolgversprechenden Gesamtstrategie gegen das organisierte Verbrechen». Sie sollte dort eingreifen, wo sich die zur konkreten Tat führende Kausalkette nicht mehr rekonstruieren lässt, weil dem eigentlichen Täter die Tatbeteiligung am einzelnen Delikt nicht mehr nachgewiesen werden kann (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers], vom 30. Juni 1993, BBl 1993 III 295). .
4.1.1 Der Begriff der Verbrechensorganisation gemäss Art. 260ter Ziff. 1 StGB (vgl. auch Art. 305bis Ziff. 2 lit. a StGB) ist enger gefasst als derjenige der Gruppe, der Vereinigung gemäss Art. 275ter StGB oder der Bande im Sinne von Art. 139 Ziff. 3 Abs. 2, 140 Ziff. 3 Abs. 1 StGB oder Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG. Er setzt eine .
BGE 132 IV 132 S. 134 strukturierte Gruppe von mindestens drei, im Allgemeinen mehr, Personen voraus, die mit dem Ziel geschaffen wurde, unabhängig von einer Änderung ihrer Zusammensetzung dauerhaft zu bestehen, und die sich namentlich durch die Unterwerfung ihrer Mitglieder unter Anweisungen, durch systematische Arbeitsteilung, durch Intransparenz und durch in allen Stadien ihrer verbrecherischen Tätigkeit vorherrschende Professionalität auszeichnet. Im Weiteren gehört zum Begriff der kriminellen Organisation die Geheimhaltung
von Aufbau und Struktur. Eine im Allgemeinen mit jeglichem strafbaren Verhalten verbundene Verschwiegenheit genügt nicht. Erforderlich ist eine qualifizierte und systematische Verheimlichung, die sich nicht notwendig auf das Bestehen der Organisation selbst, wohl aber auf deren interne Struktur sowie den Kreis ihrer Mitglieder und Helfer erstrecken muss. Zudem muss die Organisation den Zweck verfolgen, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich durch verbrecherische Mittel Einkünfte zu verschaffen. Die Bereicherung durch verbrecherische Mittel setzt das Bestreben der Organisation voraus, sich durch die Begehung von Verbrechen, namentlich von Verbrechen gegen das Vermögen und von als Verbrechen erfassten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, rechtswidrige Vermögensvorteile zu verschaffen (BGE 129 IV 271 E. 2.3.1 mit Hinweisen). .
4.1.2 Die Rechtsprechung der I. öffentlichrechtlichen Abteilung in Auslieferungssachen hat unter den Begriff der kriminellen Organisation neben mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen gefasst. Hierunter fallen etwa die extremistisch-islamistische Gruppierung «Märtyrer für Marokko» (Urteil des Bundesgerichts 1A.50/2005 vom 5. April 2005), die extremistische kosovo-albanische Untergrundorganisation «ANA» («Albanian National Army»/«Armée Nationale Albanaise» [Nachfolgeorganisation der UCK]; BGE 131 II 235), die italienischen «Brigate Rosse» (BGE 128 II 355 E. 2.2 S. 361; BGE 125 II 569 E. 5c-d), die baskische «ETA» (Urteil des Bundesgerichts 1A.174/2002 vom 21. Oktober 2002) oder das internationale Netzwerk «Al-Qaïda» (Urteil des Bundesgerichts 1A.194/2002 vom 15. November 2002; vgl. auch MARC FORSTER, Die Strafbarkeit der Unterstützung [insbesondere Finanzierung] des Terrorismus, ZStrR 121/2003 S. 423 ff.). Demgegenüber erfüllen nach der Rechtsprechung extremistische Parteien, oppositionelle politische Gruppen oder Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die .
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BGE 132 IV 132 S. 135 politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen, die Voraussetzungen der kriminellen
Organisation grundsätzlich nicht (BGE 131 II 235 E. 2.12; BGE 130 II 337 E. 3.4 S. 344; BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365 f., je mit Hinweisen). .
4.1.3 Als Beteiligte im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 1 StGB gelten alle Personen, welche funktionell in die kriminelle Organisation eingegliedert sind und im Hinblick auf deren verbrecherische Zweckverfolgung Aktivitäten entfalten. Diese Aktivitäten brauchen (für sich allein) nicht notwendigerweise illegal zu sein bzw. konkrete Straftatbestände zu erfüllen. Es genügen namentlich auch logistische Vorkehren, die dem Organisationszweck unmittelbar dienen (wie z.B. Auskundschaften, Planen oder Bereitstellen der operativen Mittel, insbesondere Beschaffen von Fahrzeugen, Kommunikationsmitteln oder Finanzdienstleistungen usw.). Die Beteiligung setzt auch keine massgebliche Funktion innerhalb der Organisation voraus. Sie kann informeller Natur sein oder auch geheimgehalten werden (BGE 131 II 235 E. 2.12.1; BGE 128 II 355 E. 2.3 S. 361 mit Hinweisen). .
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4.1.4 Die Tatvariante der Unterstützung im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB kommt bei Personen in Betracht, die nicht in die Organisationsstruktur integriert sind. Die Unterstützung verlangt einen bewussten Beitrag zur Förderung der verbrecherischen Aktivitäten der kriminellen Organisation. So können namentlich das blosse Liefern von Waffen an eine terroristische oder mafiaähnliche Organisation, das Verwalten von Vermögenswerten oder andere logistische Hilfeleistungen von Aussenstehenden unter den Tatbestand fallen (BGE 131 II 235 E. 2.12.2; BGE 128 II 355 E. 2.4 mit Hinweisen). Der subjektive Tatbestand von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB verlangt jedoch, dass der Unterstützende weiss oder zumindest in Kauf nimmt, dass sein Beitrag der verbrecherischen Zweckverfolgung der kriminellen Organisation dienen könnte. Blosse Sympathisanten oder «Bewunderer» von terroristischen oder mafiaähnlichen Vereinigungen fallen demgegenüber schon objektiv nicht unter den Organisationstatbestand (BGE 131 II 235 E. 2.12.2; BGE 128 II 355 E. 2.4 S. 362 mit Hinweisen). .
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4.2 Nach der Rechtsprechung kommt Art. 260ter Ziff. 1 StGB subsidiärer Charakter zu, wenn sich die Beteiligung des Täters an der Organisation in der Begehung oder Mitwirkung an einer konkreten
BGE 132 IV 132 S. 136 Straftat erschöpft. Echte Konkurrenz kommt in Betracht, wenn die Beteiligung an der kriminellen Organisation oder ihre Unterstützung über die nachweisbare Beteiligung am konkreten Delikt, für welches der Täter bestraft wird, hinausgeht (Urteil des Bundesgerichts 6S.229/2005 vom 20. Juli 2005, E. 1.2.2 und 1.3 mit Hinweisen; vgl. auch Botschaft, S. 304). Dies gilt auch für das Verhältnis der Gehilfenschaft zu konkreten Straftaten (Art. 25 StGB) zur Unterstützung der kriminellen Organisation, da für die Unterstützung nach Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Nachweis von kausalen Tatbeiträgen im Hinblick auf ein konkretes Delikt im Gegensatz zur Beihilfe nicht erforderlich ist (BGE 131 II 235 E. 2.12.2; BGE 128 II 355 E. 2.4 mit Hinweisen). In Bezug auf die Bestimmung von Art. 19 Ziff. 2 BetmG verhält es sich genauso. Art. 260ter Ziff. 1 StGB findet folglich keine Anwendung, wenn das strafbare Verhalten die Merkmale von Art. 19 Ziff. 2 BetmG erfüllt und in dieser Bestimmung aufgeht (Urteil des Bundesgerichts 6S.229/2005 vom 20. Juli 2005, E. 1.5). .
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5. 5.1 Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht, wenn es das Vorliegen einer kriminellen Organisation verneint. Das ergibt sich in klarer Weise aus der Zweckrichtung des Tatbestandes, der auf diejenigen kriminellen Zusammenschlüsse ausgerichtet ist, bei denen unüberwindliche Hindernisse bestehen, die Kette bis zum einzelnen Delikt stringent nachzuweisen, und bei denen dementsprechend das Bedürfnis besteht, die Grenze der Strafbarkeit vom einzelnen Delikt auf die Zugehörigkeit und Unterstützung der Verbrechensorganisation vorzuverlegen (Botschaft, S. 295 f.). Die Vorverlagerung der Strafbarkeit auf die Zugehörigkeit oder Unterstützung von Verbrechensorganisationen birgt grundsätzlich die Gefahr eines Missbrauchs des Tatbestandes als Instrument zur Durchsetzung von Verdachtsstrafen in sich. Ein solcher Vorfeldschutz ist daher nur gerechtfertigt, wenn von der kriminellen Organisation eine ganz spezielle Bedrohung ausgeht und diese als wesentlich gefährlicherer Zusammenschluss erscheint als bei kriminellen .
Gruppierungen minderer Stufe, namentlich etwa bei Zusammenschlüssen mehrerer Täter, bei denen das Qualifikationsmerkmal der Bandenmässigkeit eingreift (Botschaft, S. 296). Dem ist durch eine am Ziel der Bekämpfung der organisierten Kriminalität orientierte enge Auslegung Rechnung zu tragen (DONATSCH / WOHLERS, Strafrecht IV, S. 192; .
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BGE 132 IV 132 S. 137 GUNTHER ARZT, Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei, Bd. I, Zürich 1998, Art. 260ter StGB N. 109 ff., 122). 5.2 Im zu beurteilenden Fall hat die Vorinstanz aufgrund des Umstands, dass sämtliche Gruppenmitglieder familiär eng miteinander verbunden waren und daher ein Austausch der beteiligten Personen familiär wie organisatorisch nur schwer möglich gewesen wäre, zu Recht angenommen, der Zusammenschluss der in den Drogenhandel involvierten Personen sei als Bande im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG zu würdigen. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn sich zwei oder mehrere Täter mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger, im Einzelnen möglicherweise noch unbestimmter Straftaten zusammen zu wirken. Dabei muss der Wille der Täter auf die gemeinsame Verübung einer Mehrzahl von Delikten gerichtet sein. Auch das Qualifikationsmerkmal der Bande setzt gewisse Mindestansätze einer Organisation (etwa Rollen- oder Arbeitsteilung) und eine Intensität des Zusammenwirkens in einem Masse voraus, dass von einem stabilen Team gesprochen werden kann, auch wenn dieses allenfalls nur kurzlebig ist (BGE 124 IV 86 E. 2b und 286 E. 2a; BGE 122 IV 265 E. 2b; BGE 120 IV 317; vgl. auch NIGGLI / RIEDO, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Art. 139 StGB N. 112 ff.). Was die Beschwerdeführerin gegen das angefochtene Urteil vorbringt, führt zu keinem anderen Ergebnis. So fehlt es bei der familiär verbundenen Gruppe der Beschwerdegegner zunächst an einer hinreichend festen und auf Dauer angelegten Struktur, deren Bestand prinzipiell unabhängig ist vom Ausscheiden einzelner Mitglieder. Denn wie sich aus dem Begriff der Organisation ergibt, treten bei der kriminellen Organisation im Gegensatz zu .
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einer Bande, die auf das Zusammenwirken ganz bestimmter Personen ausgerichtet ist und in der Regel aus einem überschaubaren personengebundenen Kreis besteht, die persönlichen Beziehungen zurück, so dass ihre Mitglieder jederzeit weitgehend ausgewechselt werden können, ohne dass die Organisation dadurch in ihrem Bestand gefährdet wird (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil II, 5. Aufl. 2000, § 40 N. 21; HANS BAUMGARTNER, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Art. 260ter StGB N. 6; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches ter Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 260 StGB .
BGE 132 IV 132 S. 138 N. 4; vgl. auch NICOLAS ROULET, Das kriminalpolitische Gesamtkonzept im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, S. 121 f.; ferner GÜNTHER KAISER, Kriminologie, 3. Aufl., Heidelberg 1996, § 38 N. 15 ff.). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, stehen im vorliegenden Fall die engen familiären und persönlichen Bindungen der Beteiligten im Vordergrund, was darauf schliessen lässt, dass die einzelnen Mitglieder nicht hätten ersetzt werden können, ohne dass dadurch der Bestand der Gruppe in Frage gestellt worden wäre. Dass sich, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, etwa bei der sizilianischen Mafia, dem klassischen Beispiel einer kriminellen Organisation (STRATENWERTH, a.a.O., § 40 N. 22), im Zuge von Nachfolgeregelungen regelmässig interne Fehden entzünden, steht dem nicht entgegen. Denn die Organisation als solche wird durch derartige Auseinandersetzungen um Führungsansprüche in ihrem Bestand nicht gefährdet. Demgegenüber führt bei anderen kriminellen Zusammenschlüssen die Auswechslung einzelner oder der Ersatz ausgeschiedener Personen mangels hinreichender Beständigkeit der Strukturen dazu, dass sich die Vereinigung nach einem Wechsel in der Zusammensetzung der Mitglieder wieder neu konstituieren muss. Auch die weiteren von der Beschwerdeführerin angeführten Merkmale lassen im vorliegenden Fall den Schluss auf eine kriminelle Organisation nicht zu. So ist zwar richtig, dass das Merkmal der Geheimhaltung von Aufbau und personeller Zusammensetzung einem teilweisen Agieren in der Öffentlichkeit nicht entgegen steht. Das Erfordernis einer systematischen Abschottung .
gegenüber Aussenstehenden bezieht sich lediglich auf die kriminelle Tätigkeit und schliesst nicht aus, dass sich die Organisation zur Tarnung nach aussen den Anschein einer legalen Unternehmung gibt. Die Vorinstanz räumt denn auch ein, dass die Tätergruppe im zu beurteilenden Fall in dieser Hinsicht einiges vorgekehrt hat. Namentlich die verschlüsselte Sprechweise und die Verwendung von nicht registrierten Rufnummern von Mobiltelefonen für die Kontakte der einzelnen Mitglieder untereinander seien geeignet gewesen, die kriminelle Tätigkeit zu verdecken. Doch nimmt sie in diesem Zusammenhang zu Recht an, dass sich diese Verhaltensweise im Bereich des Betäubungsmittelhandels auf jeder Stufe findet. Namentlich die Geheimhaltung nach aussen, etwa durch das Anmieten von Wohnungen durch Niedergelassene für Asylbewerber und das Einlösen eines Fahrzeugs unter fremdem Namen, geht nicht über das hinaus, was in der Drogenkriminalität üblich ist. BGE 132 IV 132 S. 139 Dies gilt auch insoweit, als sich die Gruppe um die Geschwister B. zur Verwirklichung ihrer kriminellen Aktivitäten in verschiedene Tätigkeitsbereiche, so namentlich die Bandenführung und Drogenbeschaffung, das Kurierwesen (Drogen- und Geldtransporte), den Drogenabsatz sowie die Aufbewahrung bzw. -verwaltung der eingenommenen Gelder aufgeteilt und die einzelnen Bereiche sowohl personell als auch örtlich weitgehend voneinander abgeschottet hat. Dass grössere Banden im Bereich des Drogenhandels hierarchisch strukturiert und arbeitsteilig organisiert sind, ist kein unbekanntes Phänomen und spricht für sich allein nicht für ein höheres Mass an systematischer Arbeitsteilung und Professionalität, wie sie der kriminellen Organisation eigen ist. Insgesamt verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie annimmt, die Voraussetzungen für die Annahme einer kriminellen Organisation seien nicht erfüllt. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet. .
BGE 133 IV 21 3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft sowie Kantonsgericht St. Gallen (Staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde) .
6P.176/2006/6S.404/2006 vom 16. Februar 2007 Regeste Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 StGB; qualifizierte Veruntreuung anvertrauter Vermögenswerte. Täuschungsbedingte Gegenleistungen für die versprochene vertragliche Leistung aus vollkommen zweiseitigen Verträgen begründen keine Werterhaltungspflicht. Der Freispruch von der Anklage des Betruges in einem Fall schwindelhaften Verkaufs von angeblichen Bankgarantien erlaubt daher keine ersatzweise Verurteilung wegen Veruntreuung (E. 6 und 7). .
Sachverhalt ab Seite 21 BGE 133 IV 21 S. 21 A. A.a Das Bezirksgericht Werdenberg sprach X. mit Urteil vom 5. Juli 2001 des gewerbsmässigen Betruges schuldig und verurteilte ihn zu 3 Jahren Gefängnis. Ferner verurteilte es ihn zur Zahlung von DM 1450’00.– Schadenersatz an die Geschädigten. Auf Berufung des Beurteilten hin erklärte das Kantonsgericht St. Gallen X. mit Entscheid vom 2. Juni 2004 der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug schuldig und verurteilte ihn zu 21/2 Jahren Gefängnis. BGE 133 IV 21 S. 22 Von der Anklage des gewerbsmässigen Betruges in einem Fall sprach es
ihn frei. Die Zivilforderungen verwies es auf den Weg des Zivilprozesses. A.b Eine gegen diesen Entscheid geführte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 25. Februar 2005 gemäss Art. 277 BStP gut, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Die gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde schrieb es als gegenstandslos am Geschäftsverzeichnis ab. B. Das Kantonsgericht St. Gallen sprach daraufhin X. mit Urteil vom 2. Mai 2006 von der Anklage der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug frei. Hingegen erklärte es ihn nunmehr der qualifizierten Veruntreuung schuldig und verurteilte ihn zu 18 Monaten Gefängnis, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. In einem Fall sprach es ihn von der Anklage der qualifizierten Veruntreuung frei. Die Zivilforderungen gemäss Ziff. 5 des Urteils des Bezirksgerichts Werdenberg vom 5./6. Juli 2001 verwies es auf den Weg des Zivilprozesses. C. X. führt erneut sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit denen er je beantragt, die Ziffern 2 und 4, soweit sich die Letztgenannte auf die Verfahrenskosten beziehe, sowie die Ziffern 5 und 6 des angefochtenen Urteils seien aufzuheben und die Angelegenheit sei zu seinem Freispruch von Schuld und Strafe bzw. zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: I.
Nichtigkeitsbeschwerde
4. 4.1 Dem zu beurteilenden Fall liegt folgender, für den Kassationshof verbindlich festgestellter Sachverhalt (Art. 277bis Abs. 1 BStP) zugrunde: Die deutschen Staatsangehörigen A., B. und C. boten in Zeitungsinseraten .
und persönlichen Werbeaktionen die Vermittlung von Bankgarantien (Zahlgarantien, letters of intent) in Millionenhöhe an, welche unter anderem zur Sicherstellung von Krediten, Finanzierungen von Immobilien, als Kapitaleinlagen usw. dienen sollten. Mit diesen Werbeaktionen sprachen sie in erster Linie Personen an, die Kreditbedarf hatten, jedoch in der Regel von deutschen Banken keine .
BGE 133 IV 21 S. 23 Kredite erhielten. Circa im Sommer 1995 trat A. mit dem Beschwerdeführer, der damals Geschäftsführer der D. AG war, in Verbindung, um ihn für die treuhänderische Entgegennahme und Weiterleitung der Gebühren für die Vermittlung der Bankgarantien zu gewinnen. Mit der angebotenen Bankgarantie (Zahlgarantie) erklärte sich die Bank unwiderruflich und unbedingt bereit, dem Vertragspartner nach Ablauf von 5 Jahren und einem Tag (gerechnet ab Datum der Garantieerklärung) ohne weitere Aufforderung einen Betrag von USD 49 Mio. zu zahlen. Die Garantien sollten durch die Firma E. Inc., welche die vom Beschwerdeführer geführte Treuhandgesellschaft im Juni 1995 an A. verkauft hatte, bzw. durch den seitens der E. Inc. beauftragten deutschen Rechtsanwalt C. gegen eine Gebühr von DM 200’00.– vermittelt werden. Die Verpflichtung bestand ohne Gegenleistung, namentlich ohne Leistung von Sicherheiten. Der von den Kunden zu bezahlende Betrag von DM 200’00.– floss nicht an die Bank, sondern ging an die Vermittler. Keiner der Kunden unterhielt zudem bei der entsprechenden Bank ein Konto oder ein Depot, auf welches diese im Falle der Inanspruchnahme hätte zurückgreifen können. Die Bank klärte auch die Bonität der Kunden nicht ab. Zur Erlangung einer solchen Zahlgarantie mussten die Kunden einen «Auftrag für die Vermittlung einer Bankgarantie» sowie einen «Treuhandauftrag» abschliessen. Die Verträge wurden neben den Kunden als Auftraggeber von der E. Inc. als Beauftragter sowie vom Beschwerdeführer unterzeichnet. Die Vermittlungsgebühr hatten die Kunden auf dem Konto der vom Beschwerdeführer geführten Treuhandgesellschaft zu hinterlegen. In der Folge unterzeichneten in der Zeit vom 21. September bis zum 23. November 1995 neun Kunden in den Räumlichkeiten der D. AG .
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insgesamt 18 Verträge für die Vermittlung einer Bankgarantie, in der Regel von der Bank F. oder der G. Bank. Die Kunden überwiesen dabei Gebühren von insgesamt DM 3,6 Mio. auf das Konto der D. AG. Der Beschwerdeführer überwies jeweils DM 105’00.– pro Vertrag an Rechtsanwalt C. sowie einen Betrag von DM 20’00.– entsprechend dem vereinbarten Honorar an die E. Inc., über deren Konto er im Übrigen verfügungsberechtigt war. Den restlichen Betrag überwies er an die E. Inc., sobald er von Rechtsanwalt C. benachrichtigt worden war, dass die «unwiderrufliche Bereitschaftserklärung» der Bank bei ihm eingegangen sei. Pro abgeschlossenem BGE 133 IV 21 S. 24 Vertrag erhielt der Beschwerdeführer eine Treuhandkommission von DM 14’00.–. Die in den einzelnen Fällen in Umlauf gebrachten Bankpapiere erwiesen sich in der Folge allesamt als plumpe Fälschungen. Die von den Kunden einbezahlten Beträge wurden von den Verantwortlichen für die Geschäftsabwicklung nicht zurückerstattet, wodurch die Anleger zu Schaden gekommen sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6P.124/2004 vom 25. Februar 2005, E. 4/6.4.1). .
4.2 Der Kassationshof gelangte in seinem Rückweisungsentscheid vom 25. Februar 2004 bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Arglist im Rahmen der Anklage wegen Betruges zum Schluss, es könne auch einem Laien in Finanzangelegenheiten nicht verborgen bleiben, dass ein Geschäft, in welchem sich eine Bank unwiderruflich und bedingungslos verpflichte, Kunden, welche bei ihr weder ein Konto noch ein Depot unterhielten, nach Ablauf von 5 Jahren und einem Tag einen Betrag von USD 49 Mio. auszuzahlen, vollkommen realitätsfremd sei und mit den Gegebenheiten des üblichen Wirtschaftsverkehrs nichts gemein habe. Den Geschädigten habe klar sein müssen, dass ein solcher Handel nicht existieren könne, zumal sie in ihrer Mehrheit jedenfalls nicht völlig branchenunkundig gewesen seien (E. 6.4.1). Da das Kantonsgericht St. Gallen indes in Bezug auf die Schutzbedürftigkeit der einzelnen Geschädigten keine umfassenden Feststellungen getroffen hatte, war der Kassationshof nicht in der Lage, abschliessend zu prüfen, ob das .
Merkmal der Arglist in den angeklagten Einzelfällen erfüllt war. Er wies daher den angefochtenen Entscheid zur weiteren Abklärung an das Kantonsgericht zurück (E. 6.4.3). .
4.3 Die Vorinstanz gelangte anlässlich ihrer Beratung vom 9. Dezember 2005 zum Schluss, dass am Tatbestand des Betruges nicht mehr festgehalten werden könne. Den Parteien wurde das Ergebnis der Beratung zur Kenntnis gebracht und es wurde ihnen mitgeteilt, dass das Verhalten des Beschwerdeführers, wie es sich aus der Anklageschrift ergebe, nunmehr unter dem Gesichtspunkt der Veruntreuung geprüft werde. 5. 5.1 5.1.1 Die Vorinstanz nimmt in rechtlicher Hinsicht an, die von den Geschädigten überwiesenen Beträge von DM 200’00.– oder einem Vielfachen davon seien den Tätern anvertraut gewesen. Jene seien BGE 133 IV 21 S. 25 durch ein Konglomerat von Täuschungshandlungen dazu bewogen worden, die Vermögenswerte auf das Konto der vom Beschwerdeführer geführten Treuhandgesellschaft einzuzahlen. Zu diesen Täuschungen hätten die verschiedenen Versprechungen und Ausführungen der Finanzverwalter aus Deutschland, die schriftlichen Verträge und nicht zuletzt auch das Verhalten des Beschwerdeführers sowie das Umfeld seiner Geschäftsräumlichkeiten gehört. Das Verhalten der Beteiligten habe dazu gedient, die Opfer dazu zu motivieren, ihnen die Vermögenswerte anzuvertrauen. Insbesondere die schriftlichen Verträge hätten dabei eine nicht existierende Sicherheit vorgespiegelt, indem zwei Treuhänder – der Beschwerdeführer und Rechtsanwalt C. – zwischen die Kunden und den sogenannten Supervisor geschaltet worden seien. Dabei sei unerheblich, dass der Beschwerdeführer selber nicht alle bzw. nur den kleineren Teil der Täuschungshandlungen vorgenommen habe. Wesentlich sei, dass die Opfer ihm den Betrag von DM 200’00.– aufgrund einer Täuschung übergeben hätten.
Erfüllt seien auch die übrigen Tatbestandsmerkmale der Veruntreuung. Der Beschwerdeführer habe aufgrund des von ihm unterzeichneten Vermittlungsvertrages die Aufgabe gehabt, die anvertrauten Vermögenswerte im Sinne der vertraglichen Vereinbarung mit den Treugebern treuhänderisch zu verwalten. Zweck des mit den Opfern geschlossenen Vertrages sei die Hinterlegung eines Betrages von DM 200’00.– für die Beschaffung einer Bankgarantie gewesen. Dem Beschwerdeführer und den weiteren Tätern sei indes klar gewesen, dass dieses Ziel nicht zu erreichen gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei Glied einer die Anleger täuschenden Tätergruppe gewesen, die gewillt gewesen sei, den obligatorischen Anspruch der Investoren zu vereiteln. Diese Vereitelungshandlung habe darin bestanden, dass er die ihm anvertrauten Beträge zwar dem Wortlaut der Verträge entsprechend verwendet habe, dies aber im Wissen darum, dass die Anleger bzw. Treugeber weder die versprochene Gegenleistung erhalten noch je wieder in den Genuss des investierten Geldes kommen würden. Eine Veruntreuungshandlung stelle auch der Umstand dar, dass der Beschwerdeführer für die E. Inc. und die D. AG das vertraglich vereinbarte Honorar von DM 20’00.– entgegengenommen habe, weil er wegen der Unrechtmässigkeit der abgeschlossenen Geschäfte keinen Anspruch auf Honorar habe erheben können. Dabei habe es ihm offensichtlich an der Ersatzfähigkeit und auch an der Bereitschaft zum Ersatz der unrechtmässig eingenommenen Beträge gefehlt. BGE 133 IV 21 S. 26 5.1.2 In subjektiver Hinsicht nimmt die Vorinstanz an, der Beschwerdeführer habe gewusst, dass die Anleger über die wahre Natur des abgeschlossenen Geschäfts getäuscht worden seien. Er habe daher zumindest mit Eventualvorsatz gehandelt. In Bezug auf die unrechtmässige Bereicherung führt sie aus, das Handlungsziel des Beschwerdeführers habe in der Vereinnahmung des verabredeten Honorars bestanden. Die Unrechtmässigkeit der Bereicherung ergebe sich daraus, dass es sich beim ganzen Geschäft um eine täuschende Handlung der Täter gehandelt habe und der versprochene Erfolg des Geschäfts gar nicht zu erreichen gewesen sei. Der Vertrag sei daher von Beginn weg unmöglich gewesen bzw. mangels Konsens nicht zustande
gekommen, womit das Honorar des Beschwerdeführers und die übrigen Gebühren gemäss Vertrag nicht geschuldet gewesen seien. 5.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Schuldspruch der Veruntreuung verletze Bundesrecht. Ein aufgrund einer Täuschung übertragener Vermögenswert könne nicht als im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anvertraut gelten, so dass ein Schuldspruch wegen Veruntreuung von vornherein ausser Betracht falle. Wollte man im vorliegenden Fall die Vermögenswerte dennoch als anvertraut betrachten, verletze der Schuldspruch deshalb Bundesrecht, weil er auch nach der Auffassung der Vorinstanz die ihm überwiesenen Gelder dem Wortlaut der Verträge entsprechend verwendet habe. So habe er vertragsgemäss aus der Hinterlegungssumme von DM 200’00.– pro Vertrag die Kosten der E. Inc. in der Höhe von DM 20’00.–, welche mit dem Eintreffen der Hinterlegungssumme fällig geworden seien, ausbezahlt. Ausserdem habe er Rechtsanwalt C., welcher die Bereitschaftserklärungen beizubringen gehabt habe, jeweils den Betrag von DM 105’00.– zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Verträge habe der Rechtsanwalt erst nach Eingang dieser Summe auf dem Anderkonto tätig werden müssen. Nach Vorliegen der Bereitschaftserklärungen habe er über die Restbeträge disponieren müssen. Die Geldüberweisungen seien den Kunden jeweils angezeigt worden. Dass die Haupttäter die Ansprüche der Geschädigten letztendlich nicht erfüllt hätten, treffe ihn nicht als Vorwurf. 6. 6.1 6.1.1 Gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB wird wegen Veruntreuung mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder BGE 133 IV 21 S. 27 eines anderen Nutzen verwendet (Delikt gegen den Vermögenswert). Der qualifizierten Veruntreuung macht sich schuldig, wer die Tat u.a. als berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufs begeht, .
zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist. Die tatbestandsmässige Handlung besteht bei der Veruntreuung von Vermögenswerten in einem Verhalten, durch welches der Täter eindeutig seinen Willen bekundet, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln (BGE 121 IV 23 E. 1c mit Hinweisen). .
6.1.2 Der subjektive Tatbestand erfordert für beide Tatvarianten der Veruntreuung Vorsatz und ein Handeln in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Nach der Rechtsprechung bereichert sich bei der Veruntreuung von Vermögenswerten unrechtmässig, wer die Vermögenswerte, die er dem Berechtigten jederzeit zur Verfügung zu halten hat, in seinem Nutzen verwendet, ohne fähig und gewillt zu sein, sie jederzeit sofort zu ersetzen (BGE 118 IV 27 E. 3a, BGE 118 IV 32 E. 2a S. 34). .
6.2 Nach der Rechtsprechung gilt als anvertraut, was jemand mit der Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse des Treugebers zu verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder einem anderen abzuliefern (BGE 120 IV 117 E. 2b). Dabei genügt nach der Rechtsprechung, dass der Täter ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann, ihm mithin Zugriff auf das fremde Vermögen eingeräumt worden ist (BGE 119 IV 127; BGE 117 IV 429 E. 3b / cc; BGE 109 IV 27 E. 3; kritisch hiezu MARCEL ALEXANDER NIGGLI / CHRISTOF RIEDO, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Art. 138 StGB N. 91; GÜNTER STRATENWERTH / GUIDO JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, § 13 N. 57; MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, Bes. Teil, 2. Bd., Art. 140 StGB N. 24/45; GUIDO JENNY, Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 124/1988 S. 403 ff.; vgl. auch GUNTHER ARZT, Vom Bargeld zum Buchgeld als Schutzobjekt im neuen Vermögensstrafrecht, recht 13/1995 S. 137). Der Tatbestand von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfasst Fälle, in denen – anders als bei der Veruntreuung von Sachen gemäss Abs. 1 derselben Bestimmung – zivilrechtlich die Fremdheit der anvertrauten Werte nicht gegeben oder zumindest zweifelhaft ist. Voraussetzung ist aber, dass der Fall mit der Veruntreuung von Sachen vergleichbar ist. Abs. 2 soll nur jenes .
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Unrecht erfassen, das mit dem in Abs. 1 umschriebenen strukturell gleichwertig ist. In den Fällen, BGE 133 IV 21 S. 28 in denen Abs. 2 zur Anwendung kommt, erwirbt der Treuhänder an den erhaltenen Werten Eigentum. Er erlangt daher nicht nur eine tatsächliche, sondern auch eine rechtliche Verfügungsmacht. Die ins Eigentum des Treuhänders übergegangenen Werte sind jedoch bestimmt, wieder an den Berechtigten zurückzufliessen. In diesem Sinne sind sie wirtschaftlich fremd. Der Treuhänder ist deshalb verpflichtet, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zu erhalten. Nur wo diese besondere Werterhaltungspflicht besteht, befindet sich der Treuhänder in einer vergleichbaren Stellung mit demjenigen, der eine fremde bewegliche Sache empfangen und das Eigentum des Treugebers daran zu wahren hat (BGE 124 IV 9 E. 1a; BGE 120 IV 117 E. 2e; JENNY, a.a.O., S. 402 f.; vgl. auch JÖRG REHBERG, Aktuelle Fragen beim Veruntreuungstatbestand, ZStrR 98/1981 S. 363). Die Werterhaltungspflicht, d.h. das Anvertrauen eines Vermögenswerts im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, kann auf ausdrücklicher oder stillschweigender Abmachung beruhen (BGE 120 IV 117 E. 2b). Massgeblich ist, ob dem Täter die Verfügungsmacht über den Vermögenswert von einem anderen bewusst und freiwillig übertragen wird (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Kurzkommentar, Art. 138 StGB N. 8). Nach der Rechtsprechung genügt für die Werterhaltungspflicht die Begründung eines «faktischen» oder «tatsächlichen» Vertrauensverhältnisses (BGE 86 IV 160 E. 4a; BGE 92 IV 174 E. 2; kritisch NIGGLI / RIEDO, a. a.O., Art. 138 StGB N. 82/94; ferner STRATENWERTH / JENNY, a.a.O., § 13 N. 50 in Bezug auf gemäss Art. 20 OR nichtige Verträge; ebenso REHBERG / SCHMID / DONATSCH, Strafrecht III, 8. Aufl. 2003, S. 102; TRECHSEL, a. a. O., Art. 138 StGB N. 7; differenzierend SCHUBARTH, a. a.O., Art. 140 StGB N. 8). In der Lehre wird demgegenüber für das Anvertrautsein von Vermögenswerten verschiedentlich verlangt, dass die Begründung der Verfügungsmacht des Täters, d. h. das Grundgeschäft zwischen Treugeber und Treuhänder rechtlich gültig zustande kommt. Dem Täter soll nicht bloss .
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tatsächliche Verfügungsmacht, sondern Verfügungsberechtigung eingeräumt werden. Nach dieser Auffassung genügt es namentlich nicht, wenn die Verfügungsmacht durch Täuschung erlangt wird (NIGGLI / RIEDO, a.a.O., Art. 138 StGB N. 86 f./94; vgl. auch JENNY, a.a.O., S. 406 f. Fn. 30; anders FELIX BOMMER, Grenzen des strafrechtlichen Vermögensschutzes bei rechts- und sittenwidrigen Geschäften, Diss. Bern 1996, S. 240; ders., Zum Verhältnis von Betrug und Veruntreuung, Urteilsanmerkung, ZBJV 141/2005 S. 125 ff.; JÜRG-BEAT ACKERMANN, Wirtschaftsstrafrecht 2003– 2005, Aktuelle .
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BGE 133 IV 21 S. 29 Rechtsprechung, Aktuelle Anwaltspraxis, Bern 2005, S. 661). In diesem Sinne hat das Bundesgericht in einem früheren Entscheid erkannt, ein Vermögenswert sei nicht anvertraut, wenn zur Erlangung der Verfügungsmöglichkeit eine Täuschung oder ein Gewahrsamsbruch notwendig war (BGE 111 IV 130 E. 1a). Bezieht sich die Täuschung indes gerade darauf, dass der Getäuschte dem Täter die Verfügungsmacht einräumt, ist die Sache bzw. der Vermögenswert nach der Rechtsprechung anvertraut (BGE 117 IV 429 E. 3c S. 436). .
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7. Die Vorinstanz geht davon aus, soweit aus prozessualen Gründen eine Verurteilung wegen Betruges ausscheide, gelange der Tatbestand der Veruntreuung zur Anwendung. Es könne nicht die Meinung des Gesetzgebers gewesen sein, denjenigen straflos zu lassen, der sich das Vertrauen erschlichen habe und der sich über seine wahren Absichten hinsichtlich der Verwendung der anvertrauten Sache oder des Vermögenswertes bereits bei Übergabe bzw. beim Vertragsschluss im Klaren gewesen sei. Dies setzt indes voraus, dass die durch Täuschung erlangten Vermögenswerte im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anvertraut sind. 7.1 Im vorliegenden Fall ist dem unter dem Gesichtspunkt der Veruntreuung zu beurteilenden Sachverhalt ein Geschehen vorausgegangen, das als Betrug angeklagt war, mangels genügender Abklärung der Opfermitverantwortung im Rahmen der Arglist aber nicht als Betrug gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB
gewürdigt werden konnte. Zu prüfen ist somit zunächst, ob die Geldbeträge, welche die Geschädigten aufgrund der Täuschung über die Natur des Geschäfts überwiesen haben, dem Beschwerdeführer im Sinne des Veruntreuungstatbestandes anvertraut waren, d.h. ob ihn in Bezug auf diese Vermögenswerte eine Werterhaltungspflicht traf. Soweit dies zuträfe, wäre im Weiteren zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die anvertrauten Vermögenswerte unrechtmässig verwendet, d.h. seinen Willen bekundet hat, die obligatorischen Ansprüche der Treugeber zu vereiteln. 7.2 Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof verbindlich fest, dass die Geschädigten für die Erlangung der Zahlgarantie einen «Auftrag für die Vermittlung einer Bankgarantie» und einen «Treuhandauftrag» abschlossen und dass sie hiefür eine Vermittlungsgebühr in der Höhe von DM 200’00.– je Vertrag auf dem Konto der vom Beschwerdeführer geführten Treuhandgesellschaft zu hinterlegen hatten (vgl. E. 3.1). .
BGE 133 IV 21 S. 30 Im «Auftrag für die Vermittlung einer Bankgarantie» beauftragten die Kunden die E. Inc., ihnen eine Bankgarantie einer italienischen Bank über USD 49 Mio. zu vermitteln und zu diesem Zweck in ihrem Namen mit einem deutschen Rechtsanwalt einen Treuhandvertrag zu schliessen. Für die Beschaffung der Garantie hatte der Auftraggeber einen Betrag von DM 200’00.– zu hinterlegen, welcher treuhänderisch durch die Treuhandgesellschaft des Beschwerdeführers verwaltet wurde. Nach dieser vertraglichen Regelung stellten die von den geschädigten Kunden übertragenen Vermögenswerte reine Vermittlungsgebühren, d.h. Gegenleistungen für die versprochene vertragliche Leistung dar (Urteil des Bundesgerichts 6P.124/2004 vom 25. Februar 2005, E. 6.4.1). Es handelte sich namentlich nicht um eine Einlage, die in fremdem Interesse in einer bestimmten Weise hätte investiert werden müssen. Die Gelder waren demnach nicht dazu bestimmt, später wieder – allenfalls mit einer bestimmten Rendite – an die Geschädigten zurückzufliessen. Diese waren mithin keine Investoren, sondern Kunden, die gegen eine Vermittlungsgebühr ein Bankpapier erwerben wollten. Im Übrigen wäre die Annahme einer Werterhaltungspflicht selbst .
dann fraglich, wenn die Vermögenswerte als Anlage in ein bestimmtes Projekt geflossen wären, da solche Investitionen in der Regel mit Risiken verbunden sind, die im Extremfall zu einem Totalverlust der angelegten Beträge führen können. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann hier indes offenbleiben, da der Beschwerdeführer vertraglich jedenfalls nicht verpflichtet war, die ihm übertragenen Gelder in ein bestimmtes Projekt zu investieren. Er hat die Gelder als Gebühren, mithin als Gegenleistung für die von ihm bzw. den Mitbeteiligten vorgetäuschten Bemühungen für sich selbst bzw. für die Mitbeteiligten eingenommen (BGE 118 IV 239 E. 2b S. 241; vgl. auch NIGGLI / RIEDO, a.a. O., Art. 138 StGB N. 45). Aus gegenseitigen Zuwendungen aus synallagmatischen Verträgen entstehen denn auch nur Ansprüche auf Gegenleistungen, nicht aber auf Werterhaltung (REHBERG, a.a.O., S. 367). Die von den Kunden überwiesenen Vermögenswerte waren daher nicht anvertraut. Selbst wenn man hier nach den Rollen der Tatbeteiligten unterscheiden und annehmen wollte, der Beschwerdeführer habe die Gelder als Stellvertreter der Geschädigten entgegengenommen, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes, da er – wie er zu Recht einwendet und auch die Vorinstanz anerkennt – die Gelder dem Wortlaut der Verträge entsprechend weitergeleitet hat. .
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BGE 133 IV 21 S. 31 Im Grunde nimmt die Vorinstanz hier nur deshalb Veruntreuung an, weil der Beschwerdeführer und die übrigen Tatbeteiligten die Gelder, die ihnen aufgrund der nicht arglistigen Täuschungen überwiesen worden waren, für eine Gegenleistung entgegennahmen, die gar nicht erbracht werden konnte. Dabei geht es der Sache nach aber nicht um die Verletzung eines Werterhaltungsanspruchs, sondern um die Verleitung zum Abschluss eines unmöglichen Vertrages und zur Erbringung der eigenen Leistung der Geschädigten, die nur unter dem Gesichtspunkt des Betruges von Bedeutung ist. Die strafrechtlich relevante Handlung erschöpft sich bei dieser Konstellation in der Motivierung zu einer schädigenden Vermögensverfügung. Auf die weitere Verwendung der Gelder kommt es nicht an. Fehlt es dabei an der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals der Arglist, kann daher nicht ersatzweise ein Schuldspruch wegen Veruntreuung eingreifen.
Die Beschwerde erweist sich daher als begründet.
BGE 133 IV 76 9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Bundesamt für Justiz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) .
1A.181/2006/1A.211/2006 vom 23. Januar 2007 Regeste Art. 51 Ziff. 4 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen; Art. 2 Ziff. 1, Art. 10, 12 Ziff. 2 lit. b und Art. 14 Ziff. 1 EAUe; Art. 7 und 10 Ziff. 1 UNO-Pakt II; Art. 3 EMRK; Art. 10 Abs. 3 und Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 24 und 111 StGB. Auslieferung; Verfolgung eines mutmasslichen Führungsmitglieds der PKK durch die Türkei. Anforderungen an das Auslieferungsersuchen; Vorwürfe gegen den Verfolgten laut Ersuchen; beidseitige Strafbarkeit bejaht im Hinblick auf die untersuchte Teilnahme an der Tötung eines sogenannten «Dorfwächters» (E. 2). Einrede des politischen Deliktes. Mitberücksichtigung der bürgerkriegsähnlichen Situation im Zeitpunkt der verfolgten Straftat. Problematische Abgrenzung zwischen Terrorismus und legitimem Widerstandskampf gegen ethnische Verfolgung und Unterdrückung. Terroristischer Charakter namentlich von schweren Gewalttaten, die unterschiedslos auch Unbeteiligte bzw. Zivilisten treffen (E. 3.8 und 3.9). Anforderungen an ausreichende Menschenrechtsgarantien des ersuchenden Staates in Auslieferungsfällen wie dem vorliegenden (E. 4). .
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Sachverhalt ab Seite 77 BGE 133 IV 76 S. 77 Am 22. August 2000 ersuchte Interpol Ankara die Schweiz um Verhaftung des türkischen Staatsangehörigen X. (geb. 1. Januar 1966). Das .
Verhaftungsersuchen stützte sich auf einen gerichtlichen Haftbefehl vom 21. Januar 2000, in welchem dem Verfolgten diverse Tötungsdelikte, die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und weitere Straftaten vorgeworfen werden. Am 20. Dezember 2005 wurde der Verfolgte bei seiner Einreise in die Schweiz am Flughafen Zürich-Kloten verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft versetzt. BGE 133 IV 76 S. 78 Bei seinen Befragungen vom 22. Dezember 2005 und 6. Februar 2006 widersetzte sich der Verfolgte einer Auslieferung an die Türkei. Insbesondere machte er geltend, er sei kurdischer Abstammung und werde in der Türkei politisch verfolgt. Zudem reichte er ein Asylgesuch ein, welches vom Bundesamt für Migration (BFM) mit Entscheid vom 14. November 2006 abgewiesen wurde. Mit Noten vom 26. und 30. Januar 2006 ersuchte die türkische Bot schaft in Bern das Bundesamt für Justiz (BJ) formell um Auslieferung des Verfolgten. Mit Entscheid vom 29. August 2006 bewilligte das BJ die Auslieferung an die Türkei zur Verfolgung der Teilnahme an einem Tötungsdelikt, das laut Ersuchen am 30. April 1994 verübt worden sei. Für eine Verfolgung der übrigen Vorwürfe wies das BJ das Rechtshilfegesuch ab. Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ gelangte X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, die Abweisung des Auslieferungsersuchens und die Entlassung aus der Auslieferungshaft. Mit separater Eingabe an das Bundesgericht beantragte das BJ, die Einrede des politischen Delikts sei abzulehnen. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde und die Einrede des politischen Delikts ab. .
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2.
Der Verfolgte macht zunächst geltend, das Ersuchen bzw. dessen
Ergänzungen und Beilagen enthielten eine chronologisch völlig chaotische Darstellung des Sachverhaltes. Das Mass der Substantiierung der Vorwürfe sei ungenügend. Die Sachdarstellung enthalte verschiedene Widersprüche und Unklarheiten, was grösste Zweifel an den Vorwürfen der ersuchenden Behörde begründe. Angesichts seiner langjährigen (im Mai 1989 begonnenen) «politischen Arbeit» für die PKK (ab 1995 unter anderem «als Mitglied des Zentralkomitees») würden die Vorwürfe nur vorgeschoben. Er habe mit den im Ersuchen dargelegten Sachverhalten nichts zu tun. Belastende Aussagen eines Mitangeklagten seien ausserdem (laut Einvernahmeprotokoll) unter Zwang erfolgt. Die Mängel des Ersuchens seien selbst nach mehreren Jahren und nach mehreren Gelegenheiten zur Substantiierung nicht behoben worden. Da sich die Vorwürfe nicht unter Art. 260ter StGB subsumieren liessen, fehle es überdies am Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit. .
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BGE 133 IV 76 S. 79 2.1 Nach Massgabe des Europäischen Auslieferungsüberkeinkommens vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) sind die Vertragsparteien grundsätzlich verpflichtet, einander Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Massnahme gesucht werden (Art. 1 EAUe). Auszuliefern ist wegen Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach demjenigen des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe (oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme) im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind (Art. 2 Ziff. 1 EAUe; Art. 35 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen [IRSG; SR 351.1]; vgl. BGE 128 II 355 E. 2.1 S. 360). Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn nach den Rechtsvorschriften des ersuchenden oder des ersuchten Staates die Strafverfolgung oder Strafvollstreckung verjährt ist (Art. 10 EAUe; Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG). .
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2.2 Unter dem Gesichtspunkt des hier massgebenden Art. 12 EAUe reicht es in der Regel aus, wenn die Angaben im Rechtshilfeersuchen sowie in dessen Ergänzungen und Beilagen es den schweizerischen Behörden ermöglichen zu
prüfen, ob ausreichende Anhaltspunkte für eine auslieferungsfähige Straftat vorliegen, ob Verweigerungsgründe gegeben sind bzw. für welche mutmasslichen Delikte dem Begehren allenfalls zu entsprechen ist. Der Rechtshilferichter muss namentlich prüfen können, ob ein politisches Delikt vorliegt und ob die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist. Es kann hingegen nicht verlangt werden, dass die ersuchende Behörde die Tatvorwürfe bereits abschliessend mit Beweisen belegt. Der Rechtshilferichter hat weder Tat- noch Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen. Er ist vielmehr an die Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen gebunden, soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche entkräftet wird (vgl. BGE 125 II 250 E. 5b S. 257; BGE 122 II 134 E. 7b S. 137, BGE 122 II 367 E. 2c S. 371, 422 E. 3c S. 431; BGE 120 Ib 251 E. 5c S. 255, je mit Hinweisen). .
2.3 Art. 12 Ziff. 2 lit. b EAUe bestimmt, dass Zeit, Ort und Umstände der Begehung der fraglichen Delikte so genau wie möglich anzugeben seien. Im vorliegenden Fall weisen die dem Verfolgten BGE 133 IV 76 S. 80 vorgeworfenen Delikte eine starke politische Konnotation auf. Nach der einschlägigen Praxis des Bundesgerichtes sind in solchen Fällen erhöhte Anforderungen an die Ausführlichkeit, Widerspruchsfreiheit und Verlässlichkeit des Ersuchens zu verlangen (BGE 130 II 337 E. 6.1 S. 345, E. 7.4 S. 348 f. mit Hinweisen; vgl. auch BGE 132 II 81 E. 2.3– 2.12 S. 86 –93, E. 3.4.4 S. 100 f.). Dem Verfolgten werden Straftaten im Rahmen terroristischer Aktionen der kurdischen separatistischen Organisation PKK zur Last gelegt. Die Aktionen seien ab 1990 und insbesondere im April 1994 erfolgt, als in der Türkei bürgerkriegsähnliche gewalttätige Auseinandersetzungen stattfanden. Im Rahmen der Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit muss die Sachdarstellung des Ersuchens namentlich die Prüfung ermöglichen, ob sich die Ermittlungen gegen Schwerverbrecher bzw. terroristische Organisationen im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB richten (BGE 130 II 337 E. 6.1 S. 345, E. 7.4 S. 348 f.; s. auch BGE 128 II 355 E. 2.2– 2.6 S. 360 –363). .
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Entsprechende Abklärungen verlangen regelmässig sachliche Bezugnahmen zum historischen bzw. völkerrechtlich-humanitären Kontext des Konfliktes. Weder darf die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zu politischen Zwecken missbraucht werden, noch dürfen Hinweise auf den angeblich politischen Charakter einer Strafverfolgung dazu führen, dass Schwerkriminelle oder Terroristen im Rechtssinne von Strafverfolgung verschont bleiben (BGE 130 II 337 E. 6.1 S. 345). Es ist Aufgabe des für das Auslieferungsverfahren zuständigen BJ, die entsprechenden sorgfältigen Sachabklärungen zu treffen und dem Bundesgericht ausreichende Entscheidungsgrundlagen zu unterbreiten (BGE 130 II 337 E. 7.7 S. 350 mit Hinweis). .
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2.4 Das Ersuchen stützt sich auf zwei Haftbefehle türkischer Gerichte vom 21. Januar 2000 und 1. Februar 2005 bzw. auf die sachlich zugehörigen Anklageschriften vom 7. und 24. Dezember 2001, 24. Januar und 9. Mai 2002 (Strafverfahren «Erzurum») sowie vom 4. Februar 2005 (Strafverfahren «Adana»).
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2.4.1 Im angefochtenen Entscheid werden die inkriminierten Sachverhalte im Strafverfahren «Erzurum» wie folgt zusammengefasst: Der Verfolgte habe zwischen April 1990 und August 2001 als bewaffnetes Mitglied der PKK in der Türkei persönlich an verschiedenen Anschlägen teilgenommen. Unter anderem seien am 10. April 1990 eine Person erschossen und ein Haus angezündet worden. Am 4. Mai 1990 habe die PKK bei bewaffneten Auseinandersetzungen (mit Kampfverwicklung des Verfolgten) einen Polizeibeamten getötet. Am 23. .
BGE 133 IV 76 S. 81 Oktober 1990 sei ein Mordanschlag auf eine Person und ein Brandanschlag auf eine Schule verübt worden. Am 6. August und 1. Oktober 1991 seien Brandanschläge auf eine Rundfunkstation bzw. auf eine Schule erfolgt. Bei einem Hinterhalt gegen einen militärischen Geleitzug habe die PKK am 4. Mai 1992 sieben Soldaten bzw. Beamte getötet. Am 21. Mai 1992 seien bei einem Brandanschlag auf eine Rundfunkstation zwei Personen
erschossen worden, am 25. Juli 1992 eine weitere Person entführt und getötet. Im Oktober 1992 sei der Verfolgte als Mitglied der PKK an einem Strassenraub auf einen Reisebus beteiligt gewesen. Zwischen Juni und Juli 1993 habe er sich an folgenden Anschlägen der PKK beteiligt: Legen eines Hinterhalts gegen ein militärisches Fahrzeug und Erschiessen von sechs Soldaten; Entführung von zwei Personen und Erschiessen dieser Personen; Entführung und Tötung einer Person; bewaffneter Überfall auf ein Dorf und Tötung von drei Personen. Anfang September 1993 sei von den Verantwortlichen der PKK eine weitere Schule angezündet worden. Am 28. Oktober 1993 hätten sie einen bewaffneten Überfall auf ein Dorf verübt, sieben Personen erschossen und 14 Häuser verbrannt (vgl. Anklageschriften vom 7. Dezember 2001 und 24. Januar 2002). Dem Verfolgten wird sodann vorgeworfen, er habe am 30. April 1994 als Mitglied der PKK vier weiteren Mitgliedern dieser Organisation den Auftrag erteilt, einen sogenannten Dorfwächter zu töten (vgl. Anklageschrift vom 9. Mai 2002). Am 1. Juli 1994 hätten PKK-Aktivisten mit Beteiligung des Verfolgten ein weiteres Dorf überfallen und 240 Nutztiere geraubt. Am 25. August 1995 sei ein Kind entführt und gegen Lösegeld wieder freigelassen worden. Hinzu kämen noch weitere Straftaten (vgl. Anklageschriften vom 7. und 24. Dezember 2001). .
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2.4.2 Die Sachdarstellung des Ersuchens im Strafverfahren «Adana» wird im angefochtenen Entscheid wie folgt zusammengefasst: Der Verfolgte wird verdächtigt, Mitglied der PKK und der PKK-KongraGel gewesen zu sein, wobei er namentlich mit der Führung von bestimmten Aktionen beauftragt gewesen sei (vgl. Anklageschrift vom 4. Februar 2005). .
2.5 Das BJ kommt im angefochtenen Entscheid zum Ergebnis, dass alle inkriminierten Sachverhalte des Strafverfahrens «Erzurum» – mit Ausnahme des Sachverhaltes vom 30. April 1994 (Anklageschrift vom 9. Mai 2002) – entweder bereits verjährt oder von der ersuchenden Behörde nicht ausreichend konkretisiert worden seien. Auch die Sachdarstellung des Ersuchens im Strafverfahren «Adana» (Anklageschrift vom 4. Februar 2005) sei selbst nach einer entsprechenden Rückfrage zu wenig konkret für eine Prüfung der .
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Auslieferungsvoraussetzung der doppelten Strafbarkeit im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Namentlich fehlten Hinweise auf BGE 133 IV 76 S. 82 die konkrete Rolle des Verfolgten im Zusammenhang mit den einzelnen Straftaten. 2.6 Der Anklageschrift vom 9. Mai 2002 ist folgende Sachdarstellung zu entnehmen: Am 30. April 1994 hätten vier Angehörige der PKK auf Anweisung des Verfolgten das Dorf Kayalisu (im Gebiet der Kreisstadt Senkaya) aufgesucht und dort den «Dorfshüter» Y. getötet. Die Beteiligten hätten diesem sogenannten Dorfwächter vorgeworfen, er habe Angehörige der PKK bei den türkischen Sicherheitskräften angezeigt. Gemäss der Anweisung des Verfolgten hätten die vier Haupttäter den Dorfwächter in seinem Haus aufgesucht, ihn mitgenommen, zur Einfahrtseite des Dorfes gebracht, seine Hände festgebunden und ihn dann getötet. An den Kragen seines Hemdes hätten sie eine Notiz angebracht, wonach Personen, die die Guerillas anzeigen, der Tod drohe. Neben die Leiche des Opfers sei ausserdem ein Geldschein von 10’00.– türkischen Pfund gelegt worden. Der Verfolgte habe die Anweisung zu dieser Exekution als Gruppenführer der PKK erteilt. Als Beweismittel nennt die Anklageschrift unter anderem den Obduktionsbericht, das polizeiliche Augenscheinsprotokoll, Sachverständigengutachten sowie Beweisaussagen eines weiteren mutmasslichen PKK-Angehörigen. .
2.7 Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird nach schweizerischem Recht mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft (Art. 111 StGB). Mittäter ist, wer sogenannte «Tatherrschaft» ausübt, d.h. wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht. Der Tatbeitrag begründet Tatherrschaft, wenn er «nach den Umständen des konkreten Falles und dem Tatplan für die Ausführung des Deliktes so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht oder fällt» (BGE 130 IV 58 E. 9.2.1 S. 66; BGE 126 IV 84 E. 2c / aa S. 88 mit Hinweisen; zum .
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Mittäterschaftsbegriff vgl. auch ANDREAS DONATSCH / BRIGITTE TAG, Strafrecht I, Verbrechenslehre, 8. Aufl., Zürich 2006, S. 166 ff.; MARC FORSTER, Basler Kommentar, StGB, Bd. I, Basel 2003, vor Art. 24 StGB N. 7 ff.; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl., Bern 2005, § 13 Rz. 59 ff.; STEFAN TRECHSEL / PETER NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 6. Aufl., Zürich 2004, S. 200 ff.). Anstiftung begeht, wer jemanden zu dem von ihm verübten Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich bestimmt hat. Der Anstifter wird nach der Strafdrohung, die .
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BGE 133 IV 76 S. 83 auf den Täter Anwendung findet, bestraft (Art. 24 Abs. 1 StGB; vgl. dazu BGE 128 IV 11 E. 2a S. 15; BGE 127 IV 122 E. 1 S. 125, E. 4a S. 130 f., je mit Hinweisen; DONATSCH / TAG, a.a. O., S. 147 ff.; FORSTER, a.a.O., vor Art. 24 StGB N. 36, Art. 24 StGB N. 3 ff.; STRATENWERTH, a.a.O., § 13 Rz. 95 ff.; TRECHSEL / NOLL, a.a.O., S. 210 ff.). .
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2.8 Im Falle einer Verurteilung nach schweizerischem Recht fiele der Sachverhalt gemäss Anklageschrift vom 9. Mai 2002 grundsätzlich unter den Tatbestand der Anstiftung (allenfalls der intellektuellen Mittäterschaft) zu vorsätzlicher Tötung (Art. 111 i.V. m. Art. 24 Abs. 1 StGB). Was der Verfolgte dagegen einwendet, vermag die dargelegten Verdachtsgründe nicht ohne Weiteres zu entkräften: Zwar macht er geltend, in den diversen Rechtshilfeunterlagen gebe es widersprüchliche zeitliche und sachliche Angaben. Wie der Verfolgte selbst darlegt, betreffen diese jedoch nicht die Anklageschrift vom 9. Mai 2002 (Tötung eines Dorfwächters am 30. April 1994 in Kayalisu), sondern ein anderes untersuchtes Tötungsdelikt (vom 4. Mai 1992 an einem Polizeibeamten in Yukaridut), zu dessen Verfolgung im angefochtenen Entscheid die Auslieferung verweigert wurde. Analoges gilt für weitere angebliche Ungenauigkeiten. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis, der Mitangeklagte «Mehmet S.» (recte: Metin S.) habe zu Protokoll gegeben, seine belastenden Aussagen seien unter Zwang erfolgt. Der Verfolgte weist selbst darauf hin, dass sich der gemäss Anklageschrift .
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vom 9. Mai 2002 erhobene Vorwurf auf die Aussage eines Zinnar M. stützt. Der Verfolgte räumt ein, dass ihm in der Anklageschrift vom 9. Mai 2002 der Vorwurf der Anstiftung zur Tötung gemacht wird. Zwar wendet er ein, der betreffende Sachverhalt lasse sich nicht unter Art. 260ter StGB subsumieren (und die betreffende Strafnorm sei im April 1994 noch gar nicht in Kraft gewesen). Diese Fragen brauchen jedoch nicht zusätzlich geprüft zu werden, da der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit (Art. 2 Ziff. 1 EAUe) nicht verlangt, dass der inkriminierte Sachverhalt unter mehrere Strafnormen des ersuchten Staates fällt (BGE 132 II 81 E. 2.7.2 S. 90 f.; BGE 131 II 235 E. 2.14 S. 243; BGE 128 II 355 E. 2.6 S. 363). Auch die Verfolgungsverjährung (von 15 Jahren) des Tötungsdeliktes vom 30. April 1994 ist noch nicht eingetreten (aArt. 70 Abs. 1 lit. b und nArt. 97 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 111 und Art. 24 Abs. 1 StGB). Die weiteren Einwände des Verfolgten begründen in diesem Zusammenhang kein Auslieferungshindernis. .
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BGE 133 IV 76 S. 84 2.9 Die Sachdarstellung zum untersuchten Tötungsdelikt vom 30. April 1994 genügt den Anforderungen von Art. 12 EAUe. Die übrigen Vorwürfe sind entweder bereits verjährt (Art. 10 EAUe) oder sie wurden im Ersuchen und seinen Ergänzungen im Sinne der dargelegten Praxis (vgl. E. 2.2 – 2.3) nicht ausreichend konkretisiert. Diesbezüglich kann sowohl auf die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Auslieferungsentscheides verwiesen werden als auch auf die Vorbringen des Verfolgten. Unter dem Gesichtspunkt der beidseitigen Strafbarkeit (Art. 2 Ziff. 1 i.V.m. Art. 10 und Art. 12 EAUe) ist eine Auslieferung für den in der Anklageschrift vom 9. Mai 2002 dargestellten Sachverhalt (Teilnahme am Tötungsdelikt vom 30. April 1994) somit grundsätzlich zulässig. Die Begrenzung des Sachverhaltes, für den die Auslieferung bewilligt werden kann, erfolgt nach dem Grundsatz der Spezialität (Art. 14 Ziff. 1 EAUe). Dieser soll sicherstellen, dass der ersuchende Staat im Falle der Auslieferung ausschliesslich jenen Sachverhalt zur Anklage bringt, der gemäss Art. 2 Ziff. 1 EAUe auch nach schweizerischem Strafrecht strafbar wäre. Eine allfällige Ausdehnung des Anklagesachverhaltes wäre nur mit ausdrücklicher Zustimmung der schweizerischen Behörden zulässig (Art. 14 Ziff. 1 lit. a .
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EAUe; vgl. BGE 131 II 235 E. 2.14 S. 243 f.). 3.
(…)
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3.8 Im Lichte der Praxis des Bundesgerichtes können die gegen den Verfolgten erhobenen Vorwürfe nicht als rein politisch oder rassisch motiviert eingestuft werden. Dem Verfolgten wird die massgebliche Beteiligung (Anstiftung, eventuell Mittäterschaft) an der Tötung eines sogenannten «Dorfwächters» zur Last gelegt. Dieser sei aus Vergeltung erschossen worden, weil er Angehörige der PKK bei den türkischen Sicherheitskräften angezeigt habe. Bei schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten, ist der politische Charakter des Deliktes in der Regel zu verneinen. Im vorliegenden Fall rechtfertigt sich keine Ausnahme von dieser Praxis. Dabei ist auch der Gesamtkontext des Falles mitzuberücksichtigen. Zwar sind die übrigen untersuchten Delikte (zu deren Verfolgung keine Auslieferung gewährt werden kann) entweder bereits verjährt oder sie wurden von der ersuchenden Behörde zu wenig konkretisiert. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass dem Verfolgten von der Türkei die persönliche Beteiligung an einer Vielzahl von schweren Verbrechen vorgeworfen wird, denen über mehrere Jahre hinweg nicht zuletzt zahlreiche Zivilpersonen zum Opfer gefallen seien (vgl. dazu oben, .
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BGE 133 IV 76 S. 85 E. 2.4.1). Selbst in bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen handelt es sich dabei nicht mehr um angemessene oder wenigstens einigermassen verständliche Mittel des gewalttätigen Widerstands gegen die geltend gemachte ethnische Verfolgung und Unterdrückung (BGE 131 II 235 E. 3.2– 3.3 S. 245 f.; BGE 130 II 337 E. 3.2 –3.3 S. 343 f.; BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365, je mit Hinweisen; vgl. auch MARC Forster, Zur Abgrenzung zwischen Terroristen und militanten «politischen» Widerstandskämpfern im internationalen Strafrecht, ZBJV 141/2005 S. 213 ff., 236 – 238; derselbe, Terroristischer Massenmord an Zivilisten als «legitimer Freiheitskampf» kraft «Analogieverbot»?, ZStrR 124/2006 S. 331 ff., 333; HANS VEST, Berner Kommentar StGB, Bern 2007, N. 26 und 27 zu Art. 260quinquies StGB). .
Angriffe, die unterschiedslos auch Unbeteiligte bzw. Zivilisten tref fen, sind bereits durch Art. 51 Ziff. 4 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (SR 0.518.521) – auch im sogenannten «Befreiungskampf» – absolut verboten (vgl. STEFAN OETER, Kampfmittel und Kampfmethoden in bewaffneten Konflikten und ihre Vereinbarkeit mit dem humanitären Völkerrecht, in: J. Hasse et al. [Hrsg.], Humanitäres Völkerrecht, Baden-Baden 2001, S. 86 ff.; HANS VEST, Terrorismus als Herausforderung des Rechts, St. Galler Schriften zur Rechtswissenschaft, Bd. 12, Zürich 2005, S. 53). Es kommt hier hinzu, dass der Verfolgte einräumt, seit dem 6. Mai 1989 für die PKK tätig gewesen zu sein. Im Jahre 1995 sei er als Mitglied des Zentralkomitees gewählt worden. Wie sich dem Bericht des für Analyse und Prävention des Bundesamtes für Polizei vom 8. März 2006 entnehmen lässt, sei die radikale kurdische Widerstandsorganisation PKK schon ab 1993 von Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft und verboten worden; weitere europäische Staaten und die USA hätten ähnliche Verbote erlassen. In der massgeblichen Anklageschrift vom 9. Mai 2002 wird dem Verfolgten substantiiert vorgeworfen, er habe auch noch nach 1993 (nämlich Ende April 1994) tödliche Attentate durch PKK-Kämpfer persönlich angeordnet (vgl. dazu oben, E. 2.6). .
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3.9 Nach dem Gesagten ist die Einrede des politischen Deliktes abzuweisen. 4. Schliesslich macht der Verfolgte geltend, er habe als Kurde und PKKAngehöriger für eine Abspaltung der kurdischen Gebiete von der Türkei gekämpft. Im Falle einer Auslieferung sei er aufgrund BGE 133 IV 76 S. 86 seiner «politischen Arbeit» der Gefahr von Folterungen ausgesetzt. Nach einem Türkeibericht von «Amnesty International» aus dem Jahr 2005 würden Folterungen und Misshandlungen im Gewahrsam der Polizei und der Gendarmerie nach wie vor Anlass zu grosser Sorge geben. Ähnliches ergebe sich aus einem Gutachten der «Schweizerischen Flüchtlingshilfe» und einem Bericht der «Human Rights Watch». Ein niederländisches Gericht habe im
Januar 2005 die Auslieferung einer hochrangigen PKK-Exponentin an die Türkei verweigert. Im Falle einer Auslieferung müsse er, der Verfolgte, mit Einzelhaft bzw. menschenrechtswidriger Isolationshaft rechnen. Die von der Türkei abgegebenen Garantieerklärungen seien inhaltlich und formal ungenügend. Die betreffenden Erklärungen trügen weder einen amtlichen Stempel noch eine Unterschrift. 4.1 Die Schweiz prüft die Auslieferungsvoraussetzungen des EAUe auch im Lichte ihrer grundrechtlichen völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach internationalem Völkerrecht sind Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung verboten (Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 EMRK, Art. 7 und 10 Ziff. 1 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte [UNOPakt II; SR 0.103.2]). Niemand darf in einen Staat ausgeliefert werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 25 Abs. 3 BV; vgl. BGE 123 II 161 E. 6a S. 167, BGE 123 II 511 E. 5a S. 517, je mit Hinweisen). Auch behält sich die Schweiz die Verweigerung von Rechtshilfe vor, wenn im ersuchenden Staat die Respektierung eines vom internationalen Ordre public anerkannten Minimalstandards an Verfahrensrechten nicht gewährleistet erscheint (vgl. BGE 126 II 324 E. 4 S. 326 ff.). .
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4.2 Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, die Türkei sei ein langjähriges Mitglied des Europarates und habe die EMRK und den UNOPakt II ratifiziert. Grundsätzlich sei festzuhalten, dass die Schweiz, so wie andere Staaten auch, in der Regel ohne Einholung von Garantien verfolgte Personen an die Türkei ausliefere. Das BJ verweist diesbezüglich auf den «BGE 1A.215/2000 vom 16. Oktober 2000». Das Bundesamt habe von der Türkei hier dennoch die Abgabe von Garantien in ausdrücklicher Form verlangt. Die türkische Botschaft habe am 4. Juli 2006 zugesichert, dass der Verfolgte Besuche aus seinem Familien- bzw. Bekanntenkreis empfangen und dass er einen uneingeschränkten bzw. unbewachten Kontakt zu seinem Rechtsanwalt pflegen dürfe. Diese Garantien seien BGE 133 IV 76 S. 87
glaubwürdig und reichten aus, um korrekte Haftbedingungen und die Durchführung eines fairen Verfahrens gegen den Verfolgten sicherzustellen. Das BJ begründet diese Auffassung mit dem Argument, der Auslieferungsverkehr zwischen der Türkei und der Schweiz verlaufe «grundsätzlich unproblematisch». In den vergangenen Jahren habe die Schweiz mehrere Personen ohne entsprechende Garantien an die Türkei ausgeliefert. Dass die Türkei zur Abgabe von Garantien im Einzelfall bereit sei, erscheine «hingegen neu». Dieses Entgegenkommen der Türkei gehe einerseits auf verschiedene bilaterale politische und technische Konsultationen zwischen der Schweiz und der Türkei zurück, stelle anderseits aber nach den Wahrnehmungen des BJ auch ein Novum im Verkehr mit anderen Staaten dar. Auch im vorliegenden Fall hätten die türkischen Behörden die von der Schweiz verlangten Garantien erst nur zögerlich abgegeben. «Schon daraus» lasse sich schliessen, dass die Türkei zu deren Einhaltung gewillt sei. 4.3 Aktuelle Berichte des Europäischen Folterschutzausschusses sowie von türkischen, schweizerischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen weisen immer noch auf dokumentierte Folterfälle hin, vor allem in den südöstlichen Provinzen der Türkei und gegen mutmassliche kurdische Aktivisten. In einem bei den Rechtshilfeakten befindlichen Bericht an das BJ vom 20. Juni 2006 zur aktuellen Menschenrechtssituation in der Türkei weist das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) zwar auf Fortschritte bei der Implementierung rechtsstaatlicher Grundsätze und Verfahren in der Türkei hin. Es konstatiert aber auch gewisse anhaltende Probleme bei der praktischen Umsetzung des Menschenrechtsschutzes, insbesondere im Bereich der Kurdenfrage. Das Risiko von Folterungen oder erniedrigender Behandlung könne nach Ansicht des EDA im Fall von mutmasslichen Terroristen nicht ganz ausgeschlossen werden. Zwar gebe es Fortschritte im Menschenrechtsbereich, welche weitgehend auf die EUBeitrittsverhandlungen zurückzuführen seien und vor allem die Gesetzgebung beträfen. Dadurch sei auch der Kampf gegen Folter und erniedrigende Behandlung grundsätzlich gestärkt worden. Dazu gehörten zum Beispiel das unverzügliche Recht auf einen Anwalt, das Recht zu schweigen und .
Verbesserungen im Bereich der Rechtshilfe. Was die praktische Umsetzung dieser Neuerungen betrifft, habe die Türkei jedoch längst nicht alles Erforderliche unternommen. Während sich das Bewusstsein der Notwendigkeit rechtsstaatlichen Vorgehens im Justizbereich BGE 133 IV 76 S. 88 generell gefestigt habe, sei dies in heiklen Bereichen wie zum Beispiel der Kurdenfrage, des Terrorismus oder des Linksextremismus noch unzureichend der Fall. Folter und erniedrigende Behandlung seien vorwiegend während Demonstrationen, Polizeieinsätzen oder dem Transport von Häftlingen festzustellen, also ausserhalb von Strafanstalten. Die Straflosigkeit bei Folterfällen bleibe ein grosses Problem. Das Risiko von Folterungen oder erniedrigender Behandlung könne nicht ganz ausgeschlossen werden, insbesondere im Fall von mutmasslichen Terroristen. 4.4 Zwar sind die genannten Berichte über Fälle von Menschenrechtsverletzungen in der Türkei nicht leicht zu nehmen. Sie rechtfertigen jedoch im vorliegenden Fall nicht zum Vornherein den Ausschluss jeglicher Rechtshilfe auch auf dem Wege der Auslieferung. Solches wäre mit dem Sinn und Geist des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und des Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus (EÜBT; SR 0.353.3) nicht vereinbar: Einerseits muss es auch Vertragsstaaten, die eine dramatische Bürgerkriegsgeschichte zu bewältigen haben und die noch nicht auf eine gefestigte und lange rechtsstaatliche Tradition zurückblicken können, grundsätzlich ermöglicht werden, zur Verfolgung von schweren Verbrechen bzw. terroristischen Anschlägen internationale Rechtshilfe zu erhalten. Anderseits darf die Rechtshilfe weder zu politischen Zwecken missbraucht werden, noch ihrerseits schweren Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten (vgl. BGE 130 II 337 E. 6.1 S. 345). In politisch und völkerrechtlich schwierigen Fällen wie dem vorliegenden, bei denen die Auslieferungsvoraussetzungen des EAUe grundsätzlich erfüllt erscheinen, ist daher nach der Praxis des Bundesgerichtes ein grosses Gewicht auf wirksame und überprüfbare Menschenrechtsgarantien zu legen (vgl. BGE 123 II 161 E. 6 S. 172 f., BGE 123 II 511 E. 6c S. 522 f.; .
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BGE 122 II 373 E. 2d S. 380; Urteil 1A.4/2005 vom 28. Februar 2005, E. 4.3– 4.6 nicht publ. in BGE 131 II 235). 4.5 Bei heiklen Konstellationen wie im vorliegenden Fall bestehen die schweizerischen Behörden beim ersuchenden Staat regelmässig auf förmlichen Garantieerklärungen bezüglich der Einhaltung der Grund- und Menschenrechte. In Auslieferungsfällen, auf die das EAUe anwendbar ist, kann der ersuchende Staat im konkreten Einzelfall zur Einhaltung bestimmter Verfahrensgarantien als Bedingung für eine Auslieferung ausdrücklich verpflichtet werden. Dies gilt namentlich für die Zulassung unangemeldeter Haftbesuche und die Beobachtung des Strafverfahrens durch Vertreter der Botschaft des BGE 133 IV 76 S. 89 ersuchten Staates (Urteil 1A.4/2005 vom 28. Februar 2005, E. 4.3 nicht publ. in BGE 131 II 235; Urteil 1A.149/2004 vom 20. Juli 2004, E. 4.3; s. auch BGE 123 II 161 E. 6 S. 172 f., BGE 123 II 511 E. 6c S. 522 f.). .
4.5.1 Im bereits erwähnten BGE 122 II 373 E. 2d S. 380 knüpfte das Bundesgericht die Auslieferung an folgende Bedingungen: (…) de subordonner l’extradition du recourant à des assurances de l’Etat requérant, garantissant le droit de l’Ambassade suisse à Ankara de rendre régulièrement et librement visite au recourant durant sa détention préventive et d’être tenue informée, par l’autorité compétente, du lieu et des conditions de détention du recourant, ainsi que de son état de santé. De même, le recourant devra pouvoir s’adresser librement à l’Ambassade de Suisse, qui sera aussi autorisée à suivre librement, le cas échéant, l’audience de jugement et à y déléguer des observateurs. Ces mesures devraient suffire pour parer aux dangers que redoute le recourant. Elles ne sont pas pour le surplus inhabituelles, la Suisse ayant déjà par le passé subordonné l’extradition – notamment à la Turquie – à des garanties semblables (cf. les arrêts G., précité, B., du 10 juillet 1991 et S., du 10 juillet 1987). .
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4.5.2 In
BGE
131
II
235
wurde
die
Auslieferung
eines
terrorismusverdächtigen Kosovo-Albaners an Serbien und Montenegro bewilligt. Serbien hatte unter anderem die förmliche Garantie abgegeben, dass Vertreter der eidgenössischen Behörden den Verfolgten nach dessen Auslieferung ohne jegliche Überwachungsmassnahmen besuchen könnten. Der Verfolgte habe auch jederzeit das Recht, sich an diese Personen zu wenden. Die Vertreter der schweizerischen Behörden seien ermächtigt, sich über den Verfahrensstand zu erkundigen und an den Gerichtsverhandlungen teilzunehmen. Das Bundesgericht erwog (in der nicht amtlich publizierten E. 4.6) Folgendes: Im vorliegenden Fall hat das BJ in enger Zusammenarbeit mit dem EDA sicherzustellen, dass die Haftbedingungen des Beschwerdeführers und der gegen ihn geführte Strafprozess vor Ort durch die schweizerische diplomatische Vertretung in Belgrad aufmerksam beobachtet werden und dass den oben genannten Garantieerklärungen nötigenfalls Nachachtung verschafft wird. Zu diesem Zweck müssen die schweizerischen Vertreter vereinbarungsgemäss jederzeit Zugang zum inhaftierten Verfolgten erhalten und mit diesem unbeaufsichtigt sprechen können. Ein entsprechender Hinweis ist in das Dispositiv des Auslieferungsentscheides aufzunehmen. .
4.5.3 Ähnliche Garantien waren (in BGE 123 II 161 E. 6 S. 172 f., BGE 123 II 511 E. 6c S. 522 f.) auch schon für politisch und menschenrechtlich heikle Auslieferungen an Russland bzw. Kasachstan verlangt worden. .
BGE 133 IV 76 S. 90 4.5.4 Im Urteil 1A.149/2004 vom 20. Juli 2004 war eine Auslieferung an Albanien zu prüfen. In jenem Fall hatte schon das BJ entschieden, dass die Auslieferung nur unter der Bedingung erfolge, dass die albanische Botschaft eine Garantie abgibt, wonach bei einem Strafverfahren und einem allfälligen Strafvollzug in Albanien die Grundsätze der EMRK bzw. des UNO-Pakts II beachtet werden, der Verfolgte jederzeit mit der schweizerischen Vertretung Kontakt aufnehmen und ein Vertreter der Botschaft oder eine von der Botschaft bezeichnete Person jederzeit den Verfolgten besuchen und sämtlichen Verhandlungen beiwohnen kann.
4.6 Was die Praxis zur Einholung von Menschenrechtsgarantien betrifft, kann somit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid des BJ nicht gefolgt werden. In Fällen wie dem vorliegenden stellen wirksame ausdrückliche Menschenrechtsgarantien keineswegs ein ungewöhnliches Novum dar. Dies gilt weder im Rechtshilfeverkehr mit der Türkei, noch mit anderen Staaten, die eine Bürgerkriegsvergangenheit, dramatische politische Umwälzungen oder eine schwierige Menschenrechtssituation zu bewältigen haben. Der vom BJ in diesem Zusammenhang ausdrücklich zitierte (nicht amtlich publizierte) Entscheid 1A.215/2000 vom 16. Oktober 2000 ist nicht einschlägig. Er betraf einen gemeinstrafrechtlichen Fall, nämlich einen Verfolgten, dem Hehlerei bzw. die illegale Ausfuhr von Kulturgütern zur Last gelegt wurde. In heiklen politisch konnotierten Fällen, wie dem hier zu beurteilenden, legt die publizierte und mehrfach bestätigte Praxis des Bundesgerichtes ein grosses Gewicht auf die Einholung von wirksamen und überprüfbaren Menschenrechtsgarantien. .
4.7 Wie sich aus den Rechtshilfeakten ergibt, ersuchte das BJ die türkische Botschaft am 27. März 2006 um die Abgabe von Garantien. Ihrer Antwort vom 5. April 2006 legte die türkische Botschaft eine Notiz bei. Diese Notiz ist weder datiert, noch mit einer Unterschrift versehen. Sie trägt die Überschrift «Extraits de la correspondance du Ministère de la Justice de la République de Turquie concernant X.» und enthält allgemeine Ausführungen zum türkischen Recht. Mit Schreiben vom 22. Juni 2006 verlangte das BJ die Abgabe von Zusicherungen in ausdrücklicher Form. Am 4. Juli 2006 übermittelte die türkische Botschaft ausdrückliche Garantieerklärungen. Darin sichert die Türkei zu, dass im Strafverfahren gegen den Verfolgten die Grundrechte der EMRK und des UNO-Paktes II eingehalten würden. Während der gesamten Haftdauer habe der Verfolgte (ohne .
BGE 133 IV 76 S. 91 Überwachung und Einschränkung) das Recht, einen Anwalt seiner Wahl zu kontaktieren. Ausserdem erhalte er die Möglichkeit, im Gefängnis Besuche
aus seinem Familien- und allenfalls aus seinem Bekanntenkreis zu empfangen. Ferner werde der Verfolgte nicht vor einem Ausnahmegericht angeklagt, und seine physische und psychische Integrität werde respektiert. Seine Haftbedingungen würden nicht aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen erschwert und hielten den Anforderungen von Art. 3 EMRK stand. Ausserdem werde der Verfolgte nicht aus politischen Motiven angeklagt oder verurteilt; ebenso wenig erfolge aus solchen Motiven eine Strafschärfung. 4.8 Die vom BJ eingeholten Garantien sind unzureichend und entsprechen nicht der dargelegten einschlägigen Rechtsprechung. Im vorliegenden Fall ist die Auslieferung praxisgemäss von folgenden zusätzlichen Garantien abhängig zu machen: Der schweizerischen Botschaft in Ankara ist das Recht zuzusichern, Vertreter zu bezeichnen, die den Verfolgten nach dessen Auslieferung ohne Überwachungsmassnahmen jederzeit besuchen können. Ebenso dürfen diese Vertreter sich jederzeit über den Verfahrensstand erkundigen sowie an sämtlichen Gerichtsverhandlungen teilnehmen. Der Verfolgte hat jederzeit das Recht, sich an diese Vertreter zu wenden. Vor einem allfälligen Vollzug der Auslieferung muss das BJ eine entsprechende ausdrückliche Garantieerklärung bei der ersuchenden Behörde einholen. Der angefochtene Entscheid ist im Sinne einer solchen zusätzlichen Auslieferungsbedingung zu ergänzen. Die Prozessbeobachtung durch schweizerische Behördenvertreter hat im vorliegenden Fall auch sicherzustellen, dass dem Grundsatz der Spezialität (Art. 14 Ziff. 1 EAUe) Nachachtung verschafft wird: Der ersuchende Staat darf im Falle der Auslieferung lediglich denjenigen Sachverhalt zur Anklage bringen, der gemäss Art. 2 Ziff. 1 EAUe auch nach schweizerischem Strafrecht grundsätzlich strafbar wäre (inkriminiertes Tötungsdelikt vom 30. April 1994). Eine allfällige Ausdehnung des Anklagesachverhaltes wäre nur mit ausdrücklicher Zustimmung der schweizerischen Behörden zulässig (Art. 14 Ziff. 1 lit. a EAUe; vgl. BGE 131 II 235 E. 2.14 S. 243 f.).
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4.9 Der angefochtene Auslieferungsentscheid erfolgte bereits unter dem Vorbehalt eines rechtskräftigen ablehnenden Asylentscheids. Das Asylgesuch des Verfolgten wurde am 14. November 2006 vom
BGE 133 IV 76 S. 92 Bundesamt für Migration (BFM) erstinstanzlich abgewiesen. Der Auslieferungsentscheid kann demnach nur vollzogen werden, wenn – a) – der ablehnende Asylentscheid des BFM rechtskräftig geworden ist (vgl. auch BGE 132 II 469 E. 2.5 S. 473; BGE 122 II 373 E. 2d S. 380 f.) und – b) – die ersuchende Behörde die oben (E. 4.8) genannte ausdrückliche Garantieerklärung abgegeben hat. .
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BGE 133 IV 207 31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde) .
6S.510/2006 vom 17. Juli 2007 Regeste Handtaschenraub (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) oder Entreissdiebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB)? Wer sich über den tatsächlich geleisteten Widerstand des Opfers mit Gewalt hinwegsetzt, um dessen Handtasche wegzunehmen, begeht einen Raub und keinen Entreissdiebstahl (E. 4 und 5). .
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Sachverhalt ab Seite 207 BGE 133 IV 207 S. 207 A. Mit Urteil vom 22. März 2006 sprach das Kriminalgericht des Kantons Luzern X. der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie verschiedener weiterer Delikte, u.a. des Raubes zum Nachteil von A. (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), schuldig und verurteilte ihn zu einer Zuchthausstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten.
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B. Auf Appellation von X. hin sprach ihn das Obergericht des Kantons Luzern am 23. August 2006 vom Vorwurf des Raubes zum Nachteil von A. frei, erkannte diesbezüglich auf Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB) und fällte gesamthaft eine bedingt vollziehbare Strafe von 18 Monaten Zuchthaus aus. .
C. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt gegen das Urteil des Obergerichtes vom 23. August 2006 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache in Bezug auf den Überfall auf A. zur Verurteilung des Beschwerdegegners
wegen Raubes im Sinne von BGE 133 IV 207 S. 208 Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, eventuell wegen qualifizierten Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 StGB zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die kantonalen Gerichtsinstanzen stellen für den Kassationshof folgenden Sachverhalt verbindlich (Art. 277bis BStP) fest: Die 73-jährige A. spazierte am späteren Nachmittag des 7. Juni 2004 in Luzern dem Quai entlang. In der linken Hand hielt sie eine Handtasche an langen Riemen. Der Beschwerdegegner, der einige Zeit hinter der ihm unbekannten, älteren Frau herging, beschloss, ihr die Handtasche zu entreissen. Er dachte, es wäre ein Leichtes. An einem ihm günstig erscheinenden Ort schloss er rennend auf das Opfer auf, packte die Riemen der Handtasche und zog daran, um sie zu behändigen. Dies gelang ihm aber zunächst nicht, weil A. die Tasche festzuhalten versuchte. Durch das Zerren des Beschwerdegegners kam sie zu Fall und wurde von ihm einen bis zwei Meter weit mitgeschleift, bis sie die Tasche nicht mehr halten konnte und losliess. Dabei zog sie sich Schürfungen am Rücken und an den Knien, ein Hämatom an der linken Hand sowie ein Hämatom (ev. Bruch) am linken grossen Zeh zu. Der Beschwerdegegner rannte mit der Handtasche davon und entwendete aus dem darin befindlichen Portmonnaie rund 170 Franken. .
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3.2 Die erste kantonale Instanz würdigte den Sachverhalt als einfachen Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Sie erwog, es handle sich nicht bloss um einen sog. Entreissdiebstahl, bei welchem das Opfer – typischerweise – aufgrund der Überraschung keine Gegenwehr zu entwickeln
vermöge. Das Opfer habe sich vorliegend gewehrt, indem es die Handtasche für eine gewisse Zeit festhielt, derweil der Beschwerdegegner weiterhin daran zerrte und das Opfer mitschleifte, um dessen Widerstand zu brechen. Darin liege Gewalt im Sinne der genannten Bestimmung. 3.3 Die Vorinstanz kommt zum gegenteiligen Schluss. Der Beschwerdegegner habe nur insofern Gewalt verübt, als er das Opfer durch das Ziehen an den Riemen der Handtasche zu Fall brachte und anschliessend noch einen bis zwei Meter weit mitschleifte, bis es die Tasche nicht mehr halten konnte und losliess. Der Beschwerdegegner sei damit dem Widerstand des Opfers durch sein BGE 133 IV 207 S. 209 überraschendes Vorgehen im Wesentlichen zuvorgekommen. Vorherrschendes Moment sei die Überraschung des Opfers gewesen und nicht die Ausübung physischer Gewalt. Die Gewalteinwirkung des Beschwerdegegners sei auf die Wegnahme der Handtasche fokussiert gewesen, wobei die sich daraus ergebenden Folgen wie der Sturz und das Mitschleifen über eine kürzere Wegstrecke nicht durch zusätzliche Gewalt gesteigert bzw. verschlimmert worden seien. Da er das Opfer nicht mit Absicht umgerissen habe, sei nicht massgebend, dass es durch das Zerren letztlich zu Fall gekommen, mitgeschleift und verletzt worden sei. Der Angriff habe sich auf den gezielten Griff nach der Handtasche beschränkt, der nahtlos in den Entreissvorgang mündete. Zwar sei das Zerren darauf gerichtet gewesen, das Festhalten des Opfers an der Handtasche zu «stoppen». Die dabei angewendete Gewalt sei jedoch nicht so intensiv gewesen, dass sie den Gewaltbegriff im Sinne von Art. 140 StGB erfüllen würde. Dem Opfer sei aufgrund des überraschenden Vorgehens keine Zeit für Abwehr geblieben bzw. diese habe einzig darin bestanden, dass es die Tasche reflexartig festgehalten habe. Darüber hinaus habe es keinen besonderen Widerstand geleistet. Das im Reflex begründete Festhalten als Folge der Fremdeinwirkung und der vom Beschwerdegegner auf Überwindung gerichtete konstante Aufwand an Kraft könne nicht bereits als Widerstand qualifiziert werden. Anders entscheiden hiesse, dass der Entreissvorgang bloss
noch in ganz seltenen Fällen als Diebstahl zu betrachten wäre. Es könne auch nicht der Sinn des Gesetzes sein, das Ausschalten der Abwehr wie im vorliegenden Fall mit der gleich strengen Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis zu belegen (Art. 140 Ziff. 1 StGB) wie das Vorgehen eines Täters, der einen qualifizierten Diebstahl nach Art. 139 Ziff. 3 StGB (bandenmässige Begehung, Mitführen einer Waffe, besondere Gefährlichkeit) begehe. .
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3.4 Die Beschwerdeführerin macht geltend, unter rechtlichen Gesichtspunkten sei der Sachverhalt in zwei Phasen zu unterteilen. In einer ersten Phase habe der Beschwerdegegner die Handtasche gepackt und an ihr gerissen. Weil das Opfer die Tasche festgehalten habe, sei es zu Fall gekommen. Auch wenn der Beschwerdegegner es nicht absichtlich zu Boden gerissen habe, so habe er dessen Sturz zumindest in Kauf genommen, da nach allgemeiner Lebenserfahrung gerade ältere Frauen einer erhöhten Sturzgefahr ausgesetzt seien. BGE 133 IV 207 S. 210 Bereits durch das Packen und Zerren habe der Beschwerdegegner direkten körperlichen Zwang auf das Opfer ausgeübt und es damit veranlasst, die Wegnahme der Handtasche zu dulden. Das starke Reissen an den Riemen und der damit einhergehende Sturz seien an sich genügend intensiv, um den Widerstand des betagten Opfers zu brechen, so dass bereits diese erste Phase als Raub zu qualifizieren sei. Auch nach dem Sturz – zweite Phase – habe das Opfer am Boden liegend weiteren Widerstand geleistet. Es habe an der Handtasche festgehalten und sei so lange mitgeschleift worden, bis es die Tasche nicht mehr habe halten können. Dass der Beschwerdegegner den körperlichen Widerstand mit beträchtlichem Kraftaufwand gebrochen habe, ergebe sich aus den Verletzungen des Opfers. Vorherrschendes Element sei eindeutig die physische Gewalt und nicht der Überraschungseffekt. Auch wenn das Opfer anfänglich überrascht gewesen sei, so habe es die Handtasche gezielt gehalten und in der Folge tatkräftige Abwehr geleistet, indem es am Boden an der Tasche festgehalten habe, solange die Kräfte dazu ausreichten. Das brutale Mitschleifen, bis der Widerstand des Opfers gebrochen war und es die Tasche
loslassen musste, sei mit der (harten) Sanktion des Raubtatbestandes zu ahnden. .
4. 4.1 Gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (in der Fassung des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1994, in Kraft seit 1. Januar 1995) macht sich des Raubes schuldig und wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft, wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht. .
4.2 Der eigentliche Raubtatbestand im Sinne dieser Bestimmung stellt eine in Diebstahlsabsicht begangene qualifizierte Nötigung dar. Zur Vollendung des Tatbestandes gehört zum einen ein vollendeter Diebstahl und zum anderen wird der Diebstahl erst dadurch zum Raub, dass der Täter ein tatbeständliches Nötigungsmittel anwendet, um die Eigentumsverschiebung herbeizuführen (vgl. BGE 124 IV 102 E. 2 S. 104; SCHUBARTH / ALBRECHT, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 2. Bd., Bern 1990, Art. 139 StGB N. 4; STRATENWERTH / JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, S. 308 Rz. 123; REHBERG / SCHMID / DONATSCH, Strafrecht III, 8. Aufl., Zürich 2003, S. 136; NIGGLI / RIEDO, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Basel 2003, Art. 140 StGB N. 8). .
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BGE 133 IV 207 S. 211 Dass der Beschwerdegegner einen Diebstahl begangen hat, liegt ausser Streit. Zu prüfen bleibt der Sachzusammenhang zur Nötigung durch Anwendung von Gewalt. 4.3 4.3.1 Unter dem Begriff der Gewalt ist die unmittelbare physische Einwirkung auf den Körper des Opfers zu verstehen (vgl. BGE 81 IV 224; BGE 107 IV 107 E. 3b und c). Im Gegensatz zum früheren Recht (Art. 139 aStGB) setzt der Tatbestand des Raubes nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB .
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nicht mehr voraus, dass das Opfer durch die Anwendung von Gewalt zum Widerstand unfähig gemacht wird. Die Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit wird als selbständige Begehungsform erfasst. Nach der Botschaft des Bundesrates vom 24. April 1991 sollte der revidierte Tatbestand gegenüber der alten Fassung klar verschärft werden (BBl 1991 II 1004). Den Tatbestand von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt bereits, wer das Opfer durch Gewalt veranlasst, die Wegnahme einer Sache zu dulden (STRATENWERTH / JENNY, a.a.O., S. 305 Rz. 117; NIGGLI / RIEDO, a.a.O., Art. 140 StGB N. 18). .
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4.3.2 Die Gewalt muss darauf gerichtet sein, den Widerstand des Opfers zu brechen. Massgeblich erscheint die Intensität der Gewalt, weil es sich bei Art. 140 StGB um eine qualifizierte Nötigung handelt und Raub im Vergleich zum Diebstahl eine beträchtlich erhöhte Mindeststrafe vorsieht. Wie bei anderen Nötigungsdelikten richtet sich die erforderliche Intensität der Gewalt nach dem Widerstand des konkreten Opfers (vgl. BGE 128 IV 106 E. 3a / bb; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 140 StGB N. 4). Zu fragen ist daher, ob die Einwirkung auf den Körper einen Schweregrad erreicht hat, der normalerweise genügt, um dem Opfer eine wirksame Gegenwehr zu verunmöglichen oder doch wesentlich zu erschweren. Als ungenügend erscheint ein kurzes Packen am Arm, ein Anrempeln zur Ablenkung oder der blosse Griff an die Gesässtasche (REHBERG / SCHMID / DONATSCH, a.a.O., S. 138; NIGGLI / RIEDO, a.a.O., Art. 140 StGB N. 19; FRANK SCHÜRMANN, Der Begriff der Gewalt im schweizerischen Strafgesetzbuch, Basel 1986, S. 83 f. mit weiteren Beispielen). Gar keine Gewalt verübt indes, wer der Abwehr des Opfers durch List, Überraschung oder dergleichen lediglich zuvorkommt (vgl. BGE 81 IV 224 S. 227). .
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4.3.3 In subjektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand – Diebstahlsabsicht hinaus – Vorsatz, der sich auf die Ausführung
über die
BGE 133 IV 207 S. 212 der Nötigungshandlung gegenüber dem Opfer zum Zwecke eines
Diebstahls bezieht. Der Täter muss also die Wegnahme der Sache erzwingen wollen oder zumindest in Kauf nehmen, dass er den Widerstand des Opfers durch die ausgeübte Gewalt bricht. 4.4 Nach diesen Grundsätzen ist zu beurteilen, ob ein sog. Entreissdiebstahl vorliegt. Typisches Merkmal der praktisch wichtigen Entreissdiebstähle ist das Ausnutzen eines Überraschungsmomentes. Indem der Täter das Opfer mit einem unerwarteten Handstreich verblüfft oder überrascht, versucht er, einem Widerstand der betroffenen Person zuvorzukommen und ihr den anvisierten Wertgegenstand ohne Anwendung unmittelbarer physischer Einwirkung auf den Körper zu entreissen. In der Regel erfüllt ein solches Tatvorgehen mangels Gewalt gegen eine Person den Tatbestand des Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nicht. Anders verhält es sich, wenn sich der Täter über den erwarteten oder tatsächlich geleisteten Widerstand des Opfers hinwegsetzt. Dann kann je nach Umständen ein vollendeter oder versuchter Raub vorliegen (PHILIPPE WEISSENBERGER, Wann erfüllt der Entreissdiebstahl den Tatbestand des Raubes oder des gefährlichen Diebstahls?, ZBJV 133/1997 S. 498; STRATENWERTH / JENNY, a.a.O., S. 308 Rz. 124). Entscheidend ist demnach, ob das Opfer auf das Entreissen zu reagieren vermag, indem es z.B. sein Gut im letzten Moment fest umklammert, und der Täter diesen – besonderen – Widerstand mit Gewalt bricht (siehe ROLF WERNER MAEDER, Der Raub nach schweizerischem Strafgesetzbuch, Diss. Bern 1959, S. 89; ERNST HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Berlin 1937, S. 255; SCHÜRMANN, a.a.O., S. 83 f.; NIGGLI / RIEDO, a.a.O., Art. 140 StGB N. 21). .
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4.5 Das Bundesgericht nahm in BGE 81 IV 224 unter altem Recht einen Entreissdiebstahl an bei folgender Sachverhaltskonstellation: Der Täter versuchte, einer Fussgängerin die Tasche nach vorn wegzureissen, was ihm aber erst durch ein zweites Zerren gelang, da das Opfer trotz Überraschung zunächst sein Gut mit dem Arm fester einzuklemmen vermochte. Entscheidend war, dass zwar Gewalt verübt wurde, diese aber für sich allein weder geeignet noch bestimmt war, das Opfer im Sinne von Art. 139 aStGB vollständig zum Widerstand unfähig zu machen (S. 227). In BGE 107 IV 107 E. 3b war hingegen die Frau, welche von zwei Männern angegriffen und zu .
Boden geworfen wurde, Opfer von Gewalt und widerstandsunfähig im Sinne des altrechtlichen Tatbestandes (S. 109). Nach der Gesetzesrevision hat das Bundesgericht in mehreren unveröffentlichten .
BGE 133 IV 207 S. 213 Entscheiden darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber den Tatbestand des Raubes klar verschärfen und wohl nur völlig harmlose Entreissdiebstähle davon ausnehmen wollte. So bejahte es die Anwendung von Gewalt im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB durch einen Täter, der an der Tasche riss und dem Opfer beim Handgemenge unabsichtlich einen Schlag ins Gesicht versetzte, nachdem dieses sich zur Wehr gesetzt und die Tasche fest unter den Arm geklemmt hatte. In einem anderen Fall versuchte der gleiche Täter, einem 71-jährigen sitzenden Opfer im Zugabteil die leicht geöffnete Handtasche zu entreissen, die es festhielt. Durch die entgegengesetzten Kräfte hatte sich die Tasche vollends geöffnet und der Täter konnte daraus die Brieftasche des Opfers behändigen (Urteil 6S.102/1997 vom 18. April 1997; dazu WEISSENBERGER, a.a.O., S. 498 ff.). Ebenso beurteilte das Bundesgericht das kräftige Ziehen an den Riemen der Handtasche einer 60jährigen Frau als Gewalt, die, obwohl sie nicht gestürzt war, leichte Verletzungen (Hämatom in der Handinnenfläche von 9 × 6 cm) davontrug (Urteil 6S.109/2003 vom 6. Juni 2003, E. 2.2). .
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5. 5.1 Nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid (Art. 277bis BStP) hatte der Beschwerdegegner derart heftig an der Handtasche gezerrt, dass das 73-jährige Opfer stürzte und über einen oder zwei Meter am Boden mitgeschleift wurde, bis es die Tasche nicht mehr halten konnte und losliess. Damit hat er das Opfer mit Gewalt veranlasst, die Wegnahme der Handtasche zu dulden, was den objektiven Tatbestand des Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt. Die Vorinstanz selbst nimmt an, dass die vom Beschwerdeführer ausgeübte Gewalt mit konstantem Aufwand an Kraft darauf gerichtet war, das Festhalten des Opfers an der Tasche zu überwinden. Sie verneint hingegen .
eine hinreichend intensive Gewalt und gelangt zu diesem Schluss, indem sie den – unabsichtlich – bewirkten Sturz des Opfers und die damit einhergehenden Folgen ausser Betracht lässt. Das allerdings kann nicht richtig sein. Der vom Beschwerdegegner beabsichtigte Diebstahl war objektiv erst vollendet, als er die Handtasche wegnehmen konnte, und folglich beurteilt sich die unmittelbare physische Einwirkung auf den Körper des Opfers bis zum Zeitpunkt des Gewahrsamsbruchs. Dann aber hält die Ansicht, er sei dem Widerstand im Wesentlichen zuvorgekommen und die Gewalt habe sich auf einen gezielten Griff nach der Handtasche beschränkt, nicht BGE 133 IV 207 S. 214 stand. Um sein Ziel zu erreichen, musste er vielmehr das Opfer durch anhaltendes Zerren zu Fall bringen und es am Boden so lange mit sich schleifen, bis es gezwungen war, seine Tasche preiszugeben. Die Erheblichkeit des körperlichen Zwanges kann bei einer solchen Gewalteinwirkung und den festgestellten Verletzungen (Hämatome, Schürfungen, evtl. Bruch) nicht fraglich sein. Ebenso wenig lässt sich die Ausübung von Gewalt damit verneinen, dass das Opfer keinen besonderen, über das reflexartige Festhalten hinausgehenden Widerstand geleistet habe. Nach dem Gesagten ist massgebend (E. 4.4), ob die betroffene Person trotz Überraschung auf den Angriff zu reagieren vermag. Indem das Opfer vorliegend seine Handtasche für kurze Zeit festhalten konnte und selbst nach dem Sturz am Boden liegend sich noch daran festklammerte, hat es sich zweifellos zur Wehr gesetzt. Eine weiter gehende Gegenwehr war ihm weder möglich noch zumutbar. Die anfänglich unbewusste Reflexhandlung ändert nichts daran, dass das Opfer tatsächlich Widerstand leistete, über den sich der Beschwerdegegner mit Gewalt hinwegsetzte. .
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5.2 Der subjektive Tatbestand von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist auch erfüllt. Wer – wie der Beschwerdegegner – nicht ablässt und an der Handtasche weiterhin zerrt, nachdem das Wegreissen nicht auf Anhieb gelungen ist, setzt sich über den körperlichen Widerstand des Opfers bewusst hinweg und will den Diebstahl mit Gewalt erzwingen. Dabei ist unerheblich, dass er das Opfer nicht mit Absicht umgerissen und durch das Mitschleifen
am Boden verletzt hat, wie die Vorinstanz annimmt. Der Tatbestand des Raubes erfordert keine Verletzungsabsicht in subjektiver Hinsicht.
BGE 134 IV 149 15. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) .
6S.91/2007 vom 6. Dezember 2007 und 17. Januar 2008 Regeste Art. 125 und 18 Abs. 3 StGB; fahrlässige Körperverletzung; Selbstgefährdung des Verletzten. Wer an einer eigenverantwortlich gewollten Selbstgefährdung lediglich mitwirkt, macht sich grundsätzlich nicht strafbar, wenn sich das mit der Gefährdung bewusst eingegangene Risiko realisiert (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4). Strafbarkeit der Organisatorin eines Feuerlaufseminars verneint, weil ihre Mitwirkung ohne Einfluss auf das Gefährdungsgeschehen blieb und sie das Verbrennungsrisiko nicht besser erfasste als die Feuerläuferinnen (E. 5). .
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Sachverhalt ab Seite 149 BGE 134 IV 149 S. 149 A. Am 23. August 2003 veranstalteten X. und Y. ein Feuerlaufseminar, an dem die Unihockey-Damenmannschaft von A. teilnahm. Nachmittags wurden die Seminarteilnehmerinnen über die Risiken des Feuerlaufs, die Eigenverantwortung und den von ihnen unterzeichneten Haftungsausschluss aufgeklärt. Gegen Abend entfachten sie das Feuer. Unter Anleitung der Organisatorinnen führten sie noch verschiedene Vorbereitungsübungen durch, bevor X. das Feuer kurz vor Mitternacht freigab. A., die als erste lief, zog sich BGE 134 IV 149 S. 150 Verbrennungen zweiten Grades an den Fusssohlen zu. Auch andere
Feuerläuferinnen haben sich die Füsse leicht verbrannt. B. Mit Urteil vom 23. September 2005 sprach das Kreisgericht Rheintal X. und Y. der fahrlässigen schweren Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB) schuldig und verurteilte sie je zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von fünf Tagen sowie einer Busse von 1000 Franken. Im Weiteren verpflichtete es sie unter solidarischer Haftung, A. eine Genugtuung von 1000 Franken zu bezahlen. .
C. Das Kantonsgericht St. Gallen wies eine dagegen erhobene Berufung von X. sowie die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 22. November 2006 ab. Die Klägerin A. hat sich am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligt. D. X. führt gegen das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und sie sei vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung vollumfänglich freizusprechen. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Der Beschwerdeführerin wird als Organisatorin und Leiterin des Feuerlaufseminars zusammenfassend vorgeworfen, sie habe die gebotenen Erste-Hilfe-Massnahmen unterlassen. Zum einen habe sie in Kenntnis der Risiken keine (genügenden) Vorkehrungen getroffen für den Fall, dass sich eine Teilnehmerin die Füsse verbrennen würde, und zum anderen nach Eintritt der Verbrennungen nicht umgehend ärztliche Hilfe angefordert. Darin erschöpft sich das inkriminierte Verhalten. Namentlich wird der Beschwerdeführerin nicht mehr zur Last gelegt, bei der Vorbereitung und .
Durchführung des Seminars (in Bezug auf Holzauswahl, Feuertemperatur, usw.) einen Fehler begangen zu haben. .
3.2 Die Vorinstanz hält gestützt auf die Ausführungen des behandelnden Arztes fest, dass die Folgeschäden der Verbrennungen mit grösster Wahrscheinlichkeit geringer ausgefallen wären, wenn die Klägerin ihre Füsse konsequent und lange genug hätte kühlen können und ärztliche Versorgung rasch gewährleistet worden wäre. Die Beschwerdeführerin habe eine Garantenstellung innegehabt, die sich aus einer vertraglichen Nebenpflicht und dem Prinzip des BGE 134 IV 149 S. 151 gefährlichen Vorverhaltens (Ingerenz) ergebe. Infolge ihrer Garantenstellung wäre sie verpflichtet gewesen, Massnahmen für die erste Hilfe im Verletzungsfall zu treffen. Zwar habe sie einen Eimer Wasser zur Verfügung gestellt, in dem die Klägerin ihre Füsse während rund 15 Minuten habe kühlen können. Doch unbestrittenermassen sei dies die einzige Vorsichtsmassnahme gewesen, und sie habe sich als ungenügend erwiesen. Gemäss Arztbericht stelle nämlich das sofortige Kühlen mit kaltem Wasser – während mindestens 20– 30 Minuten – eine zentrale Massnahme bei Verbrennungen dar, und anschliessend sollte die Patientin rasch einer ärztlichen Beurteilung zugeführt werden. Damit sei erstellt, dass das pflichtwidrige Unterlassen der Beschwerdeführerin für die Verletzungen der Klägerin kausal sei. Unerheblich sei dagegen, dass die Teilnehmerinnen einen sog. Haftungsausschluss unterzeichneten und auf die Freiwilligkeit und Gefährlichkeit des Feuerlaufs mehrfach hingewiesen worden waren, weil eine Garantenpflicht nicht wegbedungen werden könne. Eine rechtfertigende Einwilligung in die schwere Körperverletzung falle ebenfalls ausser Betracht, weil es an einem sittlichen oder ethischen Zweck fehle. .
3.3 Die Beschwerdeführerin hält ihre Verurteilung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung für bundesrechtswidrig. Sie wendet sich sowohl gegen die Annahme einer schweren Schädigung im Sinne von Art. 125 Abs. 2
StGB wie auch gegen den Fahrlässigkeitsvorwurf überhaupt, da die Teilnehmerinnen freiwillig und in Kenntnis der Verletzungsgefahr über die Glutbahn gingen. 4. 4.1 Die Beschwerdeführerin liess die Seminarteilnehmerinnen einen sog. Haftungsausschluss unterzeichnen. Darin erklärten sie, dass es keine «Garantie für die Sicherheit und Unversehrtheit während des Feuerlaufseminars» gebe, und versicherten, «völlig freiwillig» und «auf eigenes Risiko» teilzunehmen. Im Weiteren verzichteten sie auf jede Art von Schadenersatzansprüchen für den Fall von Verletzungen und übernahmen die «volle Verantwortung» für ihre Teilnahme. Die Beschwerdeführerin leitet hieraus eine rechtfertigende Einwilligung in den Tatbestand der (einfachen) Körperverletzung ab, während die Vorinstanz eine solche verneint, weil es an einem sittlichen oder ethischen Zweck für eine Einwilligung in eine (schwere) Körperverletzung fehle. .
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4.2 Das Bundesgericht hat bisher die Frage, ob die Einwilligung des Verletzten bei Fahrlässigkeitsdelikten begrifflich überhaupt möglich BGE 134 IV 149 S. 152 ist (BGE 114 IV 100 E. 4) bzw. wie weit einer solchen bei Gefährdung durch einen Dritten Schranken gesetzt sind (BGE 125 IV 189 E. 3a), nicht abschliessend geprüft. Ein unlängst ergangener Entscheid stellt indessen klar, dass sich die Einwilligung beim vorsätzlichen Verletzungsdelikt sowohl auf die Tathandlung als auch auf den tatbestandsmässigen Erfolg beziehen müsste (BGE 131 IV 1 E. 3.1). Entsprechendes gilt auch für das Fahrlässigkeitsdelikt. Eine Einwilligung liegt nicht schon vor, wenn das um die Gefährdung wissende Opfer lediglich in das Risiko einwilligt, sondern es müsste zugleich den Verletzungserfolg in Kauf nehmen, was nur ausnahmsweise vorkommen dürfte. Denn in der Regel wird der Betroffene mindestens ebenso wie der unvorsätzlich handelnde Täter gerade darauf vertrauen, dass die Gefährdung für seine Rechtsgüter folgenlos bleiben wird (PHILIPPE WEISSENBERGER, .
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Die Einwilligung des Verletzten bei den Delikten gegen Leib und Leben, Diss. Bern 1996, S. 144). Nach dem angefochtenen Entscheid haben alle beteiligten Personen, an erster Stelle die Klägerin, darauf vertraut, dass sich beim Feuerlauf niemand die Füsse verbrennen würde. Eine Einwilligung in den tatbestandsmässigen Erfolg der (schweren) Körperverletzung liegt deshalb nicht vor. Inwiefern rechtlich von Bedeutung ist, dass die Klägerin freiwillig und auf eigene Verantwortung am Feuerlauf teilgenommen hat, bleibt bei der Zurechnung des Verletzungserfolges zu prüfen. .
4.3 Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Tat darauf zurückzuführen ist, dass der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 StGB). Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (Art. 18 Abs. 3 Satz 2 StGB; BGE 130 IV 7 E. 3.2 mit Hinweisen). Die Bemessung der Sorgfaltspflicht macht eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche erforderlich. Das gilt namentlich dort, wo der Rechtsgutträger bewusst ein erhöhtes Risiko eingeht und sich einer Gefährdung aussetzt (siehe BGE 125 IV 189; BGE 115 IV 189 E. 3d und 5; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl., Bern 2005, § 9 Rz. 39 S. 161). .
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BGE 134 IV 149 S. 153 4.4 In diesem Zusammenhang unterscheidet die jüngere Rechtsprechung und Lehre zwischen Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung und einverständlicher Fremdgefährdung (BGE 125 IV 189 E. 3a; BGE 131 IV 1 E. 3.2; ANDREA ESTHER HUBER, Die Selbstgefährdung des Verletzten, Diss. Zürich 2003, insbes. S. 46 ff.; WEISSENBERGER, a.a.O., S. 100 ff. und passim; CLAUS ROXIN, Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 4. Aufl., .
München 2006, § 11 N. 107 ff.; SCHÖNKE / SCHRÖDER / CRAMER / STERNBERG-LIEBEN, Strafgesetzbuch, Kommentar, 27. Aufl., München 2006, § 15 N. 165 ff.). Blosse Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung liegt vor, wenn der Rechtsgutträger sich bewusst und freiverantwortlich einer bestimmten Gefahr für seine Rechtsgüter aussetzt und der andere diese Selbstgefährdung lediglich ermöglicht, veranlasst oder unterstützt. Einverständliche Fremdgefährdung ist demgegenüber gegeben, wenn der Rechtsgutträger sich im Bewusstsein des Risikos durch einen anderen gefährden lässt (BGE 125 IV 189 E. 3a). Die Abgrenzung erfolgt nach dem Kriterium der Tatherrschaft. Danach ist zu fragen, ob der Rechtsgutträger das Tatgeschehen derart beherrscht, dass er darin jederzeit und bis zuletzt steuernd einzugreifen vermag, oder aber das Gefährdungsgeschehen in den Händen des Dritten liegt (BGE 131 IV 1 E. 3.2). Entscheidend ist insoweit die Herrschaft über den letzten, unmittelbar zur Verletzung führenden Akt (SCHÖNKE / SCHRÖDER / CRAMER / STERNBERG-LIEBEN, a.a.O., § 15 N. 165). .
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4.5 Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung fällt nicht unter den Tatbestand eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts. Wer lediglich eine solche Selbstgefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, macht sich grundsätzlich ebenfalls nicht strafbar, wenn das mit der Gefährdung bewusst eingegangene Risiko sich realisiert. Solche Erfolge werden nicht vom Schutzzweck der Tötungs- und Körperverletzungstatbestände gedeckt. Die Straflosigkeit der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung leitet sich ab aus der Straflosigkeit des Suizids und – vorbehältlich Art. 115 StGB – der Teilnahme hierzu. Wenn schon die Teilnahme an einer Selbsttötung und auch an einer vorsätzlichen Selbstverletzung straflos bleibt, kann umso weniger die Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung strafbar sein. Dahinter steht die normative Wertentscheidung, dass kein Grund besteht, die Handlungsfreiheit einzuschränken, solange niemand gegen seinen Willen gefährdet wird (BGE 131 IV 1 E. 3.3 mit Hinweisen). Die Straflosigkeit der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung findet ihre Grenze jedoch dort, wo der Veranlasser oder Förderer das Risiko kraft überlegenen Sachwissens besser erfasst (BGE 125 IV 189 .
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BGE 134 IV 149 S. 154
E. 3a S. 194) oder erkennt, dass das Opfer die Tragweite seines Entschlusses nicht überblickt. In diesem Fall schafft er ein Risiko, das vom Willen des Opfers nicht mehr gedeckt und dessen Verwirklichung daher dem Mitwirkenden zuzurechnen ist (BGE 131 IV 1 E. 3.3 mit Hinweisen). .
5. 5.1 Im konkret zu beurteilenden Fall lag die Herrschaft über das unmittelbar zur Verletzung führende Geschehen bei der Klägerin (und jeder einzelnen Feuerläuferin), die «freiwillig und in grundsätzlicher Kenntnis der Verletzungsgefahr» über die Glut ging. Entscheidend ist, dass es ihr bis zuletzt offen stand, von ihrem Entschluss Abstand zu nehmen und auf den riskanten Feuerlauf zu verzichten. Demgegenüber war die Beschwerdeführerin am Gefährdungsgeschehen nur insoweit beteiligt, als sie das Feuerlaufseminar organisiert, geleitet und das Feuer zum Lauf freigegeben hat. Die Teilnehmerinnen hat sie dadurch nicht unmittelbar gefährdet, die Gefährdung vielmehr nur veranlasst und unterstützt. Die Gefahr, die in den Verletzungserfolg umschlug, ist nicht auf eine Unterlassung der Beschwerdeführerin zurückzuführen. Sie hat an der Selbstgefährdung durch aktives Tun mitgewirkt, und danach beurteilt sich der strafrechtliche Vorwurf (vgl. dazu BGE 120 IV 265 E. 2b S. 271; BGE 115 IV 199 E. 2a S. 203 f.). Deshalb braucht hier nicht entschieden zu werden, ob und inwieweit sie zugunsten der Teilnehmerinnen eine Garantenstellung (aus Vertrag) einnahm. Immerhin ist klarzustellen, dass dort, wo die Mitwirkung nach den dargelegten Grundsätzen straflos bleibt, auch der Umweg über ein gefährliches Vorverhalten (Ingerenz) nicht zur Erfolgsabwendungspflicht und Unterlassungshaftung des Mitwirkenden führen kann, was allgemein anerkannt ist (vgl. nur STRATENWERTH, a. a.O., § 14 Rz. 22 S. 430; ROXIN, a.a.O., § 11 N. 112; LACKNER / KÜHL, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Aufl., München 2007, vor § 211 N. 26). Den Fahrlässigkeitsvorwurf begründet die Vorinstanz damit, dass die Klägerin ihre Füsse nur 15 Minuten (statt wie vom Arzt empfohlen mindestens 20– 30 Minuten) im Wassereimer kühlen konnte. Dies genügt indessen nicht, um die eingetretenen Verletzungen der Beschwerdeführerin .
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zuzurechnen. Denn einerseits führte das Bereitstellen des Wassereimers gerade nicht zu einer Risikoerhöhung während des Gefährdungsverlaufs, sondern diente der Verhütung und Linderung allfälliger Verbrennungen. Andererseits konnten die Teilnehmerinnen selbst erkennen, welche Kühlmöglichkeit für den Fall BGE 134 IV 149 S. 155 von Verbrennungen bereitstand. Die Vorsichtsmassnahme blieb somit ohne Einfluss auf das Gefährdungsgeschehen und das von den Feuerläuferinnen eingegangene Risiko. 5.2 Die Erfahrung lehrt, dass man sich an glühender Kohle leicht verbrennt und Kühlung mit Wasser Linderung bringen kann. Das Risiko, sich beim Lauf über das (rund vier Meter lange) Glutbeet die Fusssohlen verbrennen zu können, war offensichtlich und ohne weiteres überschaubar. Zudem steht fest, dass die Klägerin über die Risiken des Feuerlaufs eingehend – mündlich und schriftlich – aufgeklärt worden ist, was sie durch Unterzeichnung des erwähnten Haftungsausschlusses bekräftigte. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, inwiefern sie die Tragweite ihres Entschlusses nicht überblickt hätte oder ihre Willensbildung sonst wie mangelhaft gewesen wäre. Indem sie trotz Risikokenntnis und offenkundiger Gefahr über das Glutbeet lief, setzte sich die Klägerin willentlich und frei verantwortlich einer Selbstgefährdung aus. .
5.3 Auf Seiten der Beschwerdeführerin ist nicht auszumachen, dass sie das Verbrennungsrisiko aufgrund überlegenen Sachwissens besser erfasst hätte. Das wäre etwa anzunehmen, wenn sie Holz in ungewöhnlicher Qualität verwendet hätte, dessen hohe Dichte oder Wärmeleitfähigkeit – wie ihr bekannt – das Risiko von Verbrennungen begünstigte. Doch solches wird von der Vorinstanz weder festgestellt noch zum Vorwurf erhoben. Gegenteils liegt ausser Streit, dass sich die Beschwerdeführerin bei der Vorbereitung und Durchführung des Feuerlaufs (in Bezug auf die verwendete Holzmischung, die Feuertemperatur, usw.) keinerlei Fehlverhalten zu Schulden kommen liess und insoweit unvermeidbar war, dass die Klägerin sich Verbrennungen an den .
Füssen zuzog. Hat sich demnach aber gerade das mit der Selbstgefährdung eingegangene Risiko realisiert, erscheint der Verletzungserfolg ausschliesslich durch die Klägerin selbst herbeigeführt. 5.4 Der Schuldspruch der Beschwerdeführerin wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB) verletzt aus den dargelegten Gründen Bundesrecht. Der ebenfalls erhobene Einwand, die Verletzungen seien nicht als schwere Schädigung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB zu qualifizieren, wird damit gegenstandslos. .
BGE 134 IV 210 21. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Beschwerde in Strafsachen) .
6B_4/2008 vom 13. Juni 2008 Regeste Erfordernis der Stoffgleichheit beim Betrug; Leasingvertrag. Beim Betrugstatbestand hat der Schaden als Vermögensnachteil der Bereicherung als Vermögensvorteil zu entsprechen (Prinzip der Stoffgleichheit; E. 5.3). Der Leasingnehmer, welcher das Leasingfahrzeug der Versicherungsgesellschaft, bei der er eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat, fälschlicherweise als gestohlen meldet, um sich hierdurch gegenüber dem Leasinggeber von seiner Verpflichtung zur Bezahlung der Leasingraten zu befreien, macht sich nicht des Betrugs gemäss Art. 146 StGB, sondern – allenfalls – der arglistigen Vermögensschädigung gemäss Art. 151 StGB schuldig (E. 5.4). .
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Sachverhalt ab Seite 211 BGE 134 IV 210 S. 211 A. Das Obergericht des Kantons Thurgau befand X. am 15. November 2007 in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Kreuzlingen vom 13. Juni 2007 des Betrugsversuchs und der Irreführung der Rechtspflege für schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten. B. X. führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, die Urteile des Bezirksgerichts Kreuzlingen vom 13. Juni 2007 und des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 15. November 2007 seien aufzuheben, und er sei freizusprechen. Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Thurgau
beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Verurteilung des Beschwerdeführers liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer behauptet, in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 2005 mit seinem geleasten Personenwagen von Kreuzlingen nach Zürich gefahren zu sein, sein Fahrzeug an der Limmatstrasse abgestellt und sich anschliessend mit Kollegen getroffen zu haben. BGE 134 IV 210 S. 212 Am 17. Juli 2005 um 02.00 Uhr erstattete der Beschwerdeführer Anzeige bei der Polizei, sein Auto sei entwendet worden, und übergab dieser einen Fahrzeugschlüssel (Schlüssel Nr. 1). Eine Woche später meldete er den Schaden der Versicherungsgesellschaft V., bei welcher er eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hatte. Er übergab der Versicherung einen zweiten Fahrzeugschlüssel (Schlüssel Nr. 2). Diese liess in der Folge den Schlüssel Nr. 1, welchen sie von der Polizei überreicht erhalten hatte, wie auch den Schlüssel Nr. 2 vom kriminaltechnischen Prüflabor P. GmbH untersuchen. Dieses kam zum Ergebnis, der Schlüssel Nr. 1 passe im Gegensatz zum Schlüssel Nr. 2 nicht zu dem als gestohlen gemeldeten Wagen. Die Versicherungsgesellschaft V. erstattete am 21. Dezember 2005 Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachts auf Versicherungsbetrug. Nach durchgeführter Beweiswürdigung zog die Vorinstanz die Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer habe den Diebstahl seines Fahrzeugs inszeniert. Er habe das Auto verschwinden lassen und es anschliessend als gestohlen gemeldet, um von der Versicherung eine Entschädigung ausgerichtet zu erhalten respektive um sich der Bezahlung der geschuldeten Leasingraten zu entledigen. .
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(…)
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5. 5.1 Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, es mangle an der für die Erfüllung des Betrugstatbestands gemäss Art. 146 StGB notwendigen Bereicherung, denn die Versicherungsgesellschaft V. hätte ihre allfälligen Versicherungsleistungen an den Leasinggeber und nicht an ihn ausbezahlt. Sein einziger Vorteil habe darin bestanden, dass er keine Leasingraten mehr geschuldet habe. Insoweit fehle es jedoch an der Identität der Vermögensmassen. Zur Anwendung gelange daher das Antragsdelikt der arglistigen Vermögensschädigung gemäss Art. 151 StGB. Da ein Strafantrag nicht innert Frist gestellt worden sei, habe im Ergebnis ein Freispruch zu erfolgen. 5.2 Die Vorinstanz hat erwogen, die Versicherungsgesellschaft V. hätte zwar bei einem Diebstahl ihre Versicherungsleistungen in der Tat dem Leasinggeber ausgerichtet. Der Beschwerdeführer hätte sich jedoch bei vollendetem Betrug dadurch bereichert, dass er sich gegenüber dem Leasinggeber seiner Verpflichtung zur Bezahlung der Leasingraten hätte entledigen können. Ferner übersehe der BGE 134 IV 210 S. 213 Beschwerdeführer, dass er der Versicherungsgesellschaft V. auch sich angeblich im Fahrzeug befindliche Effekten im Wert von Fr. 66.– als gestohlen gemeldet habe. 5.3 Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich des Betrugs namentlich schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen anderen am Vermögen schädigt. Vorausgesetzt ist somit ein Handeln in Bereicherungsabsicht. Nach der herrschenden Lehre hat der Schaden als Vermögensnachteil der Bereicherung als Vermögensvorteil zu entsprechen. Zwischen Schaden und Bereicherung
muss mithin ein innerer Zusammenhang bestehen, d.h. die Bereicherung muss sich als Kehrseite des Schadens darstellen. Dieses Erfordernis wird als Prinzip der Stoffgleichheit bezeichnet (ERNST HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Erste Hälfte, 1937, S. 273; GUNTHER ARZT, Basler Kommentar II, 2. Aufl. 2007, Art. 146 StGB N. 119; GÜNTER STRATENWERTH / GUIDO JENNY, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Straftaten gegen Individualinteressen, 6. Aufl. 2003, § 15 N. 60; ANDREAS DONATSCH, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 9. Aufl. 2008, S. 218; MARTIN SCHUBARTH / PETER ALBRECHT, Delikte gegen das Vermögen: Art. 137- 172 StGB, 1990, Art. 148 StGB N. 102 ff.; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, vor Art. 137 StGB N. 12; GÜNTER STRATENWERTH / WOLFGANG WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 2007, Art. 146 StGB N. 17; ablehnend hingegen ALEXANDER I. DE BEER, Börsenmanipulation und Betrug, ZStrR 109/1992 S. 278 ff.). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich. Während der Kassationshof in BGE 119 IV 210 E. 4b das Prinzip der Stoffgleichheit anerkannt hat, indem er festhielt, «die Bereicherung beim Betrug ist die Kehrseite des beim Opfer eingetretenen Schadens», hat die I. öffentlich-rechtliche Abteilung in einem Rechtshilfeverfahren (BGE 122 II 422 E. 3b) das Erfordernis der Stoffgleichheit ausdrücklich abgelehnt, da sich ein solches nicht aus dem Gesetzestext ergebe und deshalb einfache Kausalität zwischen Schaden und Bereicherung genügen müsse. Die Strafrechtliche Abteilung hält an der Rechtsprechung des Kassationshofs fest. So wie es bei den Aneignungsdelikten um eine .
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BGE 134 IV 210 S. 214 Eigentumsverschiebung geht, geht es beim Betrug um eine (beabsichtigte) Vermögens verschiebung. Aus dem Tatbestandsmerkmal der Bereicherungsabsicht ist daher zu schliessen, dass der Täter die Absicht verfolgen muss, sich oder einen Dritten gerade um denjenigen Vermögensbestandteil zu bereichern, welcher dem Getäuschten entzogen wird. Entscheidend ist mithin, dass die Bereicherung nicht aus einem andern als dem Opfervermögen erfolgt. .
Wird die Bereicherungsabsicht mangels Stoffgleichheit verneint, so findet statt des Tatbestands des Betrugs gemäss Art. 146 StGB jener der arglistigen Vermögensschädigung nach Art. 151 StGB Anwendung. Nach dieser Bestimmung wird – auf Antrag – mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer jemanden ohne Bereicherungsabsicht durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. 5.4 Vorliegend ist der Einwand des Beschwerdeführers, es fehle an der Stoffgleichheit, berechtigt. Mit Abschluss des Leasingvertrags verpflichtete sich der Beschwerdeführer, eine Vollkaskoversicherung abzuschliessen und die Rechte und Leistungen aus dieser Versicherung an den Leasinggeber abzutreten. Gleichzeitig wurde im Leasingvertrag vereinbart, dass der Vertrag bei Diebstahl aufgehoben wird, wenn das gestohlene Leasingfahrzeug nicht mehr beigebracht werden kann und die Versicherung deshalb ihre Kaskoleistung erbringt. Hätte die Versicherungsgesellschaft V. gestützt auf die Meldung des Beschwerdeführers, das geleaste Fahrzeug sei entwendet worden, dem Leasinggeber die Versicherungsleistung ausgerichtet, so wäre folglich der Leasingvertrag aufgehoben worden – mit der Konsequenz, dass sich der Beschwerdeführer von der Entrichtung der geschuldeten Leasingraten hätte befreien können. Der Schaden der Versicherungsgesellschaft V. hätte daher in der dem Leasinggeber ausbezahlten Versicherungssumme bestanden, während die Bereicherung beim Beschwerdeführer bloss als Reflex in Form der Aufhebung seiner Verpflichtung, die Leasingraten zu zahlen, eingetreten wäre. Er hätte mithin bloss einen mittelbaren – weil aus dem Vermögen des Leasinggebers stammenden – Vorteil erlangt. Damit aber mangelt es an der für die Bejahung des subjektiven Tatbestands des Betrugs notwendigen Stoffgleichheit. Der BGE 134 IV 210 S. 215 Beschwerdeführer handelte nicht in der Absicht, sich oder den
Leasinggeber zu bereichern. Der Sachverhalt ist folglich nicht unter den Tatbestand des Betrugs (zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft V.), sondern – wenn schon – unter jenen der arglistigen Vermögensschädigung gemäss Art. 151 StGB zu subsumieren. Voraussetzung für einen diesbezüglichen Schuldspruch ist jedoch das Vorliegen eines rechtzeitig gestellten Strafantrags. .
5.5 Im Ergebnis hat die Vorinstanz demnach den Beschwerdeführer, soweit den vorgetäuschten Diebstahl des Leasingfahrzeugs betreffend, zu Unrecht des Betrugsversuchs zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft V. schuldig gesprochen. Hingegen ist er insofern zutreffend des Betrugsversuchs für schuldig befunden worden, als dass er der Versicherungsgesellschaft sich angeblich im entwendeten Leasingfahrzeug befindliche Effekten fälschlicherweise als gestohlen meldete. Da diese Versicherungsleistungen ihm persönlich ausgerichtet worden wären, ist der Grundsatz der Stoffgleichheit gewahrt. Die Beschwerde ist deshalb in diesem Punkt teilweise gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei ihrer Neubeurteilung wird die Vorinstanz – soweit prozessual zulässig – einerseits zu klären haben, ob eine Verurteilung wegen arglistiger Vermögensschädigung in Betracht kommt, respektive andererseits zu prüfen haben, ob sich der Beschwerdeführer des Betrugsversuchs zwar nicht zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft, aber zu jenem des Leasinggebers schuldig gemacht hat. Dies wäre der Fall, wenn der Beschwerdeführer versucht hätte, den Leasinggeber durch Vorspiegelung von Tatsachen – in casu des fingierten Diebstahls des Leasingfahrzeugs – arglistig irrezuführen und ihn dazu zu bestimmen, auf die geschuldeten Leasingraten zu verzichten. In diesem Verzicht auf die Ratenzahlungen müssten zugleich die Vermögensverfügung und der Vermögensschaden des Leasinggebers wie auch der angestrebte Vermögensvorteil des Beschwerdeführers begründet liegen.
BGE 135 IV 198 29. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. V. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft und Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) (Beschwerde in Strafsachen) .
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6B_916/2008 vom 21. August 2009 Regeste a Beamtenbegriff (Art. 110 Abs. 3 StGB). Der strafrechtliche Beamtenbegriff im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB erfasst sowohl institutionelle als auch funktionelle Beamte. Bei Letzteren ist die Funktion der Verrichtungen entscheidend. Bestehen diese in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, so sind die Tätigkeiten amtlich und die sie verrichtenden Personen Beamte im Sinne des Strafrechts (E. 3.3). Die SUVA als selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes, welcher im Bereich der Unfallversicherung ein Teilmonopol zukommt, übt öffentliche Aufgaben aus, so dass sich der strafrechtliche Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Objektivität der Tätigkeit rechtfertigt. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Immobilienverwaltung, da diese der Sicherung der Renten der versicherten Personen dient. Ein Immobilien-Portfoliomanager der SUVA wird daher vom funktionellen Beamtenbegriff erfasst (E. 3.4.1). .
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Regeste b Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB). Der objektive Tatbestand von Art. 322sexies StGB verlangt, dass die Vorteilszuwendung im Hinblick auf die Amtsführung geschieht. Die Zuwendung muss geeignet sein, die Amtsführung des Empfängers zu beeinflussen, und einen Bezug zum künftigen Verhalten im Amt schlechthin aufweisen. Blosse Belohnungen scheiden aus (E. 6.3). .
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Erwägungen ab Seite 200 BGE 135 IV 198 S. 200 Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Auffassung der Vorinstanz, dass er als Immobilien-Portfoliomanager der Beschwerdegegnerin 1 (SUVA) vom funktionellen Beamtenbegriff im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB erfasst werde, verstosse gegen Bundesrecht. Er sei zivilrechtlich angestellt gewesen, und im Bereich der Liegenschaftsverwaltung als Vermögensverwaltung übe die Beschwerdegegnerin 1 keine hoheitliche Funktion aus. Zudem stamme ein überwiegender Teil der von der Beschwerdegegnerin 1 verwalteten Versicherungsgelder aus nichtobligatorischen Versicherungsbeiträgen. Zwar bestünden für die Anlage des Rentendeckungskapitals Vorschriften des Verwaltungsrats der Beschwerdegegnerin 1. Analoge Vorschriften gebe es jedoch auch bei privatrechtlich organisierten Unfallversicherungsgesellschaften. Ferner unterscheide sich ein Portfoliomanager der Beschwerdegegnerin 1 in seiner Funktion in keiner Weise von einem privatwirtschaftlichen Immobilienverwalter. Eine den staatlichen Aufgabenbereich kennzeichnende hoheitliche Beziehung zu den Bürgern fehle vollends, weshalb das von den Strafnormen des Korruptionsstrafrechts geschützte Vertrauen der Allgemeinheit in die Objektivität und Sachlichkeit amtlicher Tätigkeit nicht tangiert sei. Wer seine Tätigkeit im freien Wettbewerb mit der privaten Konkurrenz ausübe, könne nicht als Beamter qualifiziert werden. Zudem habe er die Geschenke «suvaintern» erhalten. Es stelle sich daher die Frage, ob ein «Beamter» einen anderen «Beamten» bestechen könne, wollten die Korruptionstatbestände doch Zahlungen von aussen abwenden. Selbst wenn er aber objektiv als Beamter qualifiziert werde, so sei er sich jedenfalls seines Beamtenstatus nicht bewusst gewesen, denn .
BGE 135 IV 198 S. 201 er habe sich einzig als Liegenschaftsverwalter, nicht aber als Vertreter des Staats gesehen. 3.2 Die Vorinstanz hat erwogen, die Beschwerdegegnerin 1 sei eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes, welche der Oberaufsicht des Bundesrates unterstehe. Der Beschwerdegegnerin 1 stehe im öffentlichen Aufgabenbereich der obligatorischen Unfallversicherung ein Teilmonopol zu. Zu den öffentlichen Aufgaben zählten auch Tätigkeiten der Beschwerdegegnerin 1, die der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherung des Rentendeckungskapitals dienten, was insbesondere auf die Kapitalanlage in Liegenschaften und alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten zutreffe. Der Beschwerdeführer als Portfoliomanager für die Region Zentralschweiz und Graubünden habe damit öffentliche Funktionen wahrgenommen und werde folglich vom funktionellen Beamtenbegriff erfasst. Der Beschwerdeführer sei 15 Jahre – zuletzt in leitender Stellung – bei der Beschwerdegegnerin 1 angestellt gewesen. Es sei SUVA-intern bekannt, dass diese öffentliche Aufgaben einer Sozialversicherung wahrnehme. Als Portfoliomanager im Immobilienbereich habe der Beschwerdeführer gewusst, dass die von ihm betreuten Immobilien der langfristigen Anlage von Prämiengeldern dienten, weshalb ihm auch die zu wahrenden öffentlichen Interessen bekannt gewesen seien. 3.3 Der strafrechtliche Beamtenbegriff im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB erfasst sowohl institutionelle als auch funktionelle Beamte. Erstere sind die Beamten im öffentlichrechtlichen Sinn sowie Angestellte im öffentlichen Dienst. Bei Letzteren ist es nicht von Bedeutung, in welcher Rechtsform diese für das Gemeinwesen tätig sind. Das Verhältnis kann öffentlichrechtlich oder privatrechtlich sein. Entscheidend ist vielmehr die Funktion der Verrichtungen. Bestehen diese in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, so sind die Tätigkeiten amtlich und die sie verrichtenden Personen Beamte im Sinne des Strafrechts (MARK PIETH, in: Basler Kommentar, Strafgesetzbuch, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 4 zu Art. 322ter StGB; DANIEL JOSITSCH, Das .
Schweizerische Korruptionsstrafrecht, Art. 322ter bis Art. 322octies StGB, 2004, S. 314 f.; MARCO BALMELLI, Die Bestechungstatbestände des schweizerischen Strafgesetzbuches, 1996, S. 103; ROLF KAISER, Die Bestechung von Beamten unter Berücksichtigung des Vorentwurfs zur Revision des schweizerischen Korruptionsstrafrechts, Zürich 1999, S. 92 ff.). BGE 135 IV 198 S. 202 In der Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Korruptionsstrafrechts) sowie über den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 19. April 1999 (Botschaft Korruptionsstrafrecht, BBl 1999 5497 ff.) wird zur Illustration des strafrechtlichen Beamtenbegriffs folgendes Beispiel angeführt (BBl 1999 5525): «Eine Beamtin der staatlichen Liegenschaftsverwaltung X nimmt ihr nicht gebührende Vorteile für Wohnungszuweisungen entgegen. Sie kontrahiert namens des Staates mit den jeweiligen Mietern privatrechtlich und unterscheidet sich in ihrer Tätigkeit an sich nicht vom Angestellten einer privaten Liegenschaftsverwaltung. Dennoch rechtfertigt die Tatsache, dass sie Angestellte der staatlichen Liegenschaftsverwaltung ist, den strafrechtlichen Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Objektivität ihrer Tätigkeit. Die Liegenschaftsverwalterin ist auf Grund ihrer eigenen institutionellen Einbindung in die staatliche Organisation in casu als Beamtin im Sinne von Artikel 110 Ziffer 4 Satz 1 StGB zu qualifizieren. Die privatrechtliche Natur der Kundenbeziehung ändert daran nichts.» .
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3.4 3.4.1 Ausgehend von der dargestellten Rechtslage hat die Vorinstanz die (funktionelle) Beamteneigenschaft des Beschwerdeführers zutreffend bejaht. Entscheidend ist, dass die Beschwerdegegnerin 1 als selbständige öffentlichrechtliche Anstalt des Bundes (vgl. Art. 61 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung [UVG; SR 832.20]), welcher im Bereich der Unfallversicherung ein Teilmonopol zukommt, öffentliche Aufgaben ausübt, .
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so dass sich der strafrechtliche Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Objektivität der Tätigkeit der Beschwerdegegnerin 1 rechtfertigt. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Immobilienverwaltung, da diese der Sicherung der Renten der Versicherten dient. Dass ein Teil dieser Versicherungsgelder aus nichtobligatorischen Versicherungsbeiträgen stammte, ändert an der öffentlichen Funktion der Beschwerdegegnerin 1 nichts. 3.4.2 Zudem ist die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht willkürfrei davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe die nicht gebührenden Vorteile nicht «SUVA-intern» erhalten. Vielmehr hat sie T. in diesem Zusammenhang der Bestechung für schuldig befunden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers würde sich im Ergebnis aber nichts ändern, wenn er die Geschenke «SUVA-intern» BGE 135 IV 198 S. 203 bekommen hätte, kann doch auch ein Amtsträger als Extraneus an der Tat mitwirken (JOSITSCH, a. a.O., S. 321 f.; QUELOZ / BORGHI / CESONI, Processus de corruption en Suisse, Bd. I, 2000, S. 332). 3.4.3 Des Weiteren hat die Vorinstanz, ohne in Willkür zu verfallen, festgestellt, der Beschwerdeführer habe als Portfoliomanager um die öffentlichen Aufgaben der Beschwerdegegnerin 1 als Sozialversicherung gewusst und sei sich folglich bewusst gewesen, mit der von ihm getätigten Anlage der Prämiengelder in Immobilien als Beamter im strafrechtlichen Sinne zu handeln. (…) .
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6. 6.1 Betreffend den Schuldspruch wegen Vorteilsannahme in Bezug auf die Liegenschaft Piazzale alla Valle in Mendrisio bringt der Beschwerdeführer vor, er sei völlig überrascht gewesen, einen Barbetrag von Fr. 45’00.– und eine Uhr der Marke Rolex geschenkt erhalten zu haben. Er habe das Geld nicht gewollt, einer physischen Rückgabe der Vermögenswerte an W. sei aber
dessen Verhaftung entgegengestanden. Er habe sich daher entschieden, das Geld für W. aufzubewahren und es ihm nach dessen Entlassung zurückzugeben. Er habe mithin gar keinen Vorteil angenommen. Des Weiteren verlange der Tatbestand von Art. 322sexies StGB, dass die Vorteilsannahme zukunftsgerichtet sein müsse, blosse Belohnungen kämen daher im Gegensatz zum Tatbestand von Art. 322quater StGB nicht in Frage. Vorliegend sei das Geschenk aber erst im Nachgang zur Verurkundung und damit gerade nicht zukunftsgerichtet ausgerichtet worden. 6.2 Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdeführer habe wissentlich im Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft Piazzale alla Valle, für dessen Abwicklung er formell zuständig gewesen sei, beträchtliche und ihm nicht gebührende Vermögenswerte (in Form einer Rolex-Uhr und von Fr. 45’00.–) angenommen. Damit sei der erforderliche Konnex zwischen Vorteil und Amtsführung gegeben, und der Beschwerdeführer habe sich der Vorteilsannahme gemäss Art. 322sexies StGB schuldig gemacht. .
6.3 Wegen Vorteilsannahme ist gemäss Art 322sexies StGB namentlich strafbar, wer als Beamter im Hinblick auf die Amtsführung einen nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. BGE 135 IV 198 S. 204 Als Vorteile im Sinne der Bestimmung gelten sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen materieller und immaterieller Natur (PIETH, a.a.O., N. 7 zu Art. 322quinquies StGB mit Hinweisen auf N. 21 zu Art. 322ter StGB). Anders als bei den Bestechungstatbeständen steht die Vorteilszuwendung nicht im Zusammenhang mit einer konkreten, mindestens bestimmbaren Amtshandlung als Gegenleistung (Botschaft Korruptionsstrafrecht, BBl 1999 5533). Die Zuwendung muss aber im Hinblick auf die Amtsführung geschehen. Sie muss mithin geeignet sein, die Amtsführung des Empfängers zu beeinflussen und einen Bezug zum künftigen Verhalten im Amt schlechthin aufweisen. Die Vorteilszuwendung muss ihrer Natur nach somit zukunftsgerichtet sein (Botschaft Korruptionsstrafrecht, BBl 1999 5509, 5535; PIETH, a.a.O., N. 9 zu Art. 322quinquies StGB; TRECHSEL / JEAN.
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RICHARD-DIT-BRESSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 2 zu Art. 322sexies StGB; MARTIN ARZETHAUSER, Die Vorteilsgewährung bzw. die Vorteilsannahme nach dem revidierten Schweizerischen Korruptionsstrafrecht unter besonderer Berücksichtigung der unteren Begrenzung der Strafbarkeit im Rahmen der Sozialadäquanz und der freiwilligen Mitfinanzierung öffentlicher Aufgaben, Basel 2001, S. 154 f.; DONATSCH / WOHLERS, Delikte gegen die Allgemeinheit, Bd. IV, 3. Aufl. 2004, S. 529; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. II, 2002, N. 9 zu Art. 322quinquies StGB; a.M. STRATENWERTH / BOMMER, Straftaten gegen Gemeininteressen, 6. Aufl. 2008, § 60 N. 30; JOSITSCH, a.a.O., S. 382 f.). Blosse Belohnungen und sozial übliche Geschenke scheiden daher aus, da ihnen eine solche Eignung von vornherein abgeht. Sie gelten nicht als ungebührende Vorteile (PIETH, a.a.O., N. 9 zu Art. 322quinquies StGB; Botschaft Korruptionsstrafrecht, BBl 1999 5528; vgl. auch Art 322octies Abs. 2 StGB). Als Tathandlungen nennt Art. 322sexies StGB gleich dem Tatbestand des «Sich-bestechen-Lassens» nach Art. 322quater StGB das «fordern», «sich versprechen lassen» oder «annehmen» eines nicht gebührenden Vorteils. Zur Erfüllung der Tatbestandsvariante «fordern» genügt eine einseitige Willenserklärung des Beamten. Die Forderung muss den Adressaten erreichen; nicht notwendig ist, dass der Empfänger die Forderung erfüllt oder dies auch nur in Aussicht stellt. Unter «sich versprechen lassen» versteht man die ausdrückliche oder konkludente Annahme (im Gegensatz zur blossen Entgegennahme) eines Angebots eines späteren Vorteils. Unter «annehmen» wird, wie dargelegt, die Entgegennahme des Vorteils zu eigener Verfügungsgewalt verstanden (PIETH, a.a.O., N. 4 ff. zu Art. 322quater StGB). .
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BGE 135 IV 198 S. 205 6.4 Die Vorinstanz hat in sachverhaltlicher Hinsicht einzig festgestellt, der Beschwerdeführer habe Fr. 45’00.– und eine Rolex-Uhr «im Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft Piazzale alla Valle» angenommen, weshalb «der erforderliche Konnex zwischen Vorteil und Amtsführung gegeben» sei. Sie äussert sich jedoch nicht zum Zeitpunkt der Überreichung der Vermögenswerte und lässt – nach dem Gesagten zu Unrecht – offen, ob die
Vorteilszuwendung zukunftsgerichtet war oder eine nachträgliche Belohnung darstellte. Die Sache ist daher insoweit zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollte die Vorinstanz bei ihrer Neubeurteilung in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Beschwerdeführers davon ausgehen, dieser habe die Vermögenswerte erst im Anschluss an den Verkauf der Liegenschaft Piazzale alla Valle erhalten, entfiele zwar die Tatbestandsvariante des «Annehmens». Soweit mit dem Anklagegrundsatz vereinbar, wird die Vorinstanz jedoch zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer die ihm nicht gebührenden Vorteile gefordert hat oder sich diese hat versprechen lassen. Die Beschwerde ist damit zusammenfassend in diesem Punkt gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 136 IV 188 27. Extrait de l’arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public de la Confédération (recours en matière pénale) .
6B_908/2009 du 3 novembre 2010 Regeste Art. 11, 305bis StGB und Art. 9 GwG. Ein Finanzintermediär kann sich der Geldwäscherei durch Unterlassen schuldig machen (E. 6). .
Sachverhalt ab Seite 188 BGE 136 IV 188 S. 188 A. Par arrêt du 18 septembre 2008 et complément du 18 mai 2009, la Cour des affaires pénales du Tribunal pénal fédéral a notamment condamné X. pour blanchiment d’argent à une peine privative de liberté de 486 jours, avec sursis pendant trois ans, à une peine pécuniaire ferme de 54 jours-amende de 400 fr. par jour et au paiement des frais de la cause à hauteur de 59 073 fr. Cette condamnation repose, en résumé et pour l’essentiel, sur les éléments suivants. A.a En 1999, le gouvernement de l’Etat de Rio de Janeiro a constitué une nouvelle entité de contrôle fiscal des grandes sociétés implantées dans l’Etat, soit l’Inspectorat des grands contribuables, qui était dirigé par A. et chargé du redressement fiscal desdites entreprises, comprenant tant l’encaissement des impôts soustraits que les amendes y relatives. Cette structure rapportait plus de 80% de la recette fiscale de l’Etat précité. Les agents de cette structure ont rapidement mis en place un système pour obtenir des sociétés inspectées qu’elles versassent des pots-de-vin en échange d’arrangements sur les amendes et redressements à encaisser par
l’administration. En bref, ils désignaient un inspecteur qui se rendait dans les locaux de l’entreprise et lui demandait de produire divers documents à bref délai, sous peine d’amende. La brièveté du délai imparti avait pour but et conséquence de mettre l’entreprise dans l’impossibilité de l’observer, ce qui entraînait une série d’amendes et, avec la mise sous pression de la société, créait les conditions utiles au chantage. Apparaissait alors un intermédiaire étranger à l’administration fiscale, venant proposer à la société un BGE 136 IV 188 S. 189 accord de clôture d’inspection et / ou de remise finale d’amende contre paiement d’un pot-de-vin. Par l’acceptation de cet accord, l’entreprise voyait l’inspection clôturée, ce qui lui permettait, d’une part, d’éviter de payer de nouvelles amendes et, d’autre part, d’échapper à un redressement fiscal plus important. Par arrêt du 19 septembre 2007, le Tribunal régional fédéral de la 2e région, statuant en appel, a confirmé la condamnation des trois agents fiscaux A., B. et C., pour corruption passive notamment. A.b A., B. et C. ont transféré, par le biais des services d’un changeur, l’argent issu du système de corruption exposé ci-dessus sur des comptes ouverts auprès de la banque D. dont le siège était à Genève et qui disposait de succursales à Zurich et Lugano. Cette banque a été dissoute sans liquidation le 26 juin 2002, la banque E. en ayant repris l’actif et le passif. Elle comprenait un Conseil d’administration et son Comité du Conseil, un Comité de Direction générale, un Comité de Direction locale pour chacune des succursales, un Comité de conformité, un organe de révision interne, des services juridiques et de compliance auprès du siège comme des succursales, ainsi que des chefs de groupe, des gestionnaires et des assistants gestionnaires. La banque D. agissait également par ses Bureaux de représentation à l’étranger, fonctionnant notamment comme pourvoyeurs d’affaires. A.c Le Comité de Direction locale de la succursale de Zurich était notamment composé de X., directeur du 1er janvier 2000 au 19 juin 2002, et de F., directeur adjoint et chef du groupe Amérique latine et Brésil I du 1er janvier 1991 au 19 juin 2002. G. en était le secrétaire. .
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Le 30 mai 2000, ce dernier a attiré l’attention du Comité de Direction locale sur le fait que A. était mentionné comme auditeur fiscal pour deux comptes et vendeur de machines agricoles pour un troisième. La question de la possibilité de l’exercice d’une activité accessoire pour un agent public PEP était ainsi posée. De même, l’existence de transferts internes exécutés en faveur d’autres fonctionnaires fiscaux et l’importance des avoirs en compte étaient également relevées. Lors de sa séance du 4 août 2000, le Comité de conformité a chargé X. d’enquêter sur place sur la compatibilité de l’activité publique de A. avec le maintien de ses comptes auprès de la banque D. et de lui adresser un rapport. Le 9 février 2001, le Comité de Direction locale a pris connaissance du tableau établi par G. montrant l’accroissement des avoirs des BGE 136 IV 188 S. 190 clients «fonctions publiques» entre le 1er janvier 2000 et le 5 février 2001. Ainsi, les avoirs de B. avaient augmenté de 330.10 % à près de 6 000 000 USD, ceux de A. de 257 % à plus de 10 000 000 USD sur un compte, son deuxième compte présentant un solde supérieur à 1 000 000 USD et le troisième un montant dépassant 400 000 USD. Les avoirs de C., déposés sur deux comptes, dépassaient 2 300 000 USD. Les membres du Comité de la Direction locale ont alors chargé F. de contacter le représentant à Rio de Janeiro pour lui demander des informations complémentaires sur A. Les éléments disponibles laissaient pourtant déjà présumer que les fonds des agents brésiliens pouvaient avoir une origine criminelle. Lors des quatre séances suivantes, soit les 13, 20, 27 février et 6 mars 2001, les membres du Comité de la Direction locale n’ont pas abordé la question des comptes des fiscalistes brésiliens. A l’occasion de la séance du 13 mars 2001, ils ne pouvaient que constater qu’ils n’avaient reçu aucune réponse aux questions soulevées par les comptes des agents susmentionnés. Ils devaient par conséquent soumettre ces cas au Comité de Direction générale, ce qu’ils n’ont toutefois pas fait, violant leurs obligations et empêchant de la sorte que les comptes fussent annoncés au Bureau de communication et les avoirs bloqués. Ces manquements se sont perpétués jusqu’à la fusion de la banque D. avec la banque E., le 19 juin 2002.
B. X. a déposé un recours en matière pénale au Tribunal fédéral. Il a conclu, principalement, à son acquittement et, subsidiairement, au renvoi de la cause à la Cour des affaires pénales pour nouvelle décision dans le sens des considérants. Il a également requis l’effet suspensif. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il a été recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 6. Invoquant une violation des art. 11 et 305bis CP, 9 al. 1 et 10 al. 1 de la loi fédérale du 10 octobre 1997 concernant la lutte contre le blanchiment d’argent et le financement du terrorisme dans le secteur financier (loi sur le blanchiment d’argent, LBA; RS 955.0), le recourant conteste sa condamnation pour blanchiment d’argent. Il nie avoir eu une position de garant au sein de la banque (cf. infra consid. 6.2) et soutient qu’aucune omission ne saurait lui être reprochée (cf. infra consid. 6.3). .
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6.1 Aux termes de l’art. 305bis CP, celui qui aura commis un acte propre à entraver l’identification de l’origine, la découverte ou la BGE 136 IV 188 S. 191 confiscation de valeurs patrimoniales dont il savait ou devait présumer qu’elles provenaient d’un crime, sera puni d’une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d’une peine pécuniaire. Le blanchiment d’argent peut être commis par n’importe qui, la disposition précitée n’apportant aucune restriction quant à l’auteur de l’infraction. Si cette dernière a été commise au sein d’une entreprise, il convient d’examiner les responsabilités individuelles compte tenu de la division et de la répartition interne des tâches. Le blanchiment d’argent est une infraction de mise en danger abstraite, et non pas de résultat (ATF 128 IV 117 consid. 7a p. 131; ATF 127 IV 20 consid. 3a p. 25 s.). Le comportement délictueux consiste à entraver l’accès de .
l’autorité pénale au butin d’un crime, en rendant plus difficile l’établissement du lien de provenance entre la valeur patrimoniale et le crime. Il peut être réalisé par n’importe quel acte propre à entraver l’identification de l’origine, la découverte ou la confiscation de la valeur patrimoniale provenant d’un crime (ATF 122 IV 211 consid. 2 p. 215; ATF 119 IV 242 consid. 1a p. 243). Ainsi, le fait de transférer des fonds de provenance criminelle d’un pays à un autre constitue un acte d’entrave (ATF 127 IV 20 consid. 2b / cc p. 24 et 3b p. 26). De même, le recours au change est un moyen de parvenir à la dissimulation de l’origine criminelle de fonds en espèces, qu’il s’agisse de convertir les billets dans une monnaie étrangère ou d’obtenir des coupures de montants différents (cf. URSULA CASSANI, Commentaire du droit pénal suisse, partie spéciale, vol. 9, 1996, n o 37 ad art. 305bis CP). .
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6.2 Le blanchiment d’argent peut aussi être réalisé par omission si l’auteur se trouvait dans une position de garant qui entraînait pour lui une obligation juridique d’agir (cf. Message du 12 juin 1989 concernant la modification du code pénal suisse, FF 1989 II 983 ch. 231.1; JÜRG-BEAT ACKERMANN, in Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Schmid [éd.], Geldwäscherei, vol. I, 1998, n o 371 et les références citées). En effet, selon l’art. 11 al. 1 CP, un crime ou un délit peut aussi être commis par un comportement passif contraire à une obligation d’agir. Tel est le cas, d’après l’alinéa 2 de cette disposition, lorsque l’auteur n’empêche pas la mise en danger ou la lésion du bien juridique protégé, bien qu’il y soit tenu à raison de sa situation juridique, notamment en vertu de la loi, d’un contrat, d’une communauté de risques ou de la création d’un risque. N’importe quelle obligation juridique ne suffit pas. Il faut qu’elle ait découlé d’une position de garant, c’est-à-dire que l’auteur se soit trouvé dans une .
BGE 136 IV 188 S. 192 situation qui l’obligeait à ce point à protéger un bien déterminé contre des dangers indéterminés (devoir de protection), ou à empêcher la réalisation de risques connus auxquels des biens indéterminés étaient exposés (devoir de surveillance), que son omission peut être assimilée au fait de provoquer le résultat par un comportement actif (ATF 134 IV 255 consid. 4.2.1 p. 259 s.). .
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Ainsi, pour déterminer si un délit de commission par omission a été réalisé, il faut rechercher si la personne à laquelle l’infraction est imputée se trouvait dans une situation de garant. La question de savoir si un intermédiaire financier peut, de par sa seule passivité et indépendamment de tout autre acte, se rendre coupable d’une violation de l’art. 305bis CP n’a encore jamais été tranchée par le Tribunal fédéral et est controversée en doctrine. 6.2.1 Avant l’entrée en vigueur de la nouvelle loi fédérale sur le blanchiment d’argent, les auteurs ont, de manière générale, répondu négativement à cette question. Se référant à l› ATF 106 IV 276 – qui exclut qu’un témoin puisse se rendre coupable d’entrave à l’action pénale sous la forme d’un délit par omission improprement dit, en refusant de nommer un inconnu suspecté d’avoir commis une infraction aux règles de la circulation et qui l’a chargé de réparer le dommage causé lors d’un accident dans lequel il était seul impliqué – ARZT estime que la violation de l’obligation d’annonce ne crée pas une responsabilité pénale du banquier, seul un fonctionnaire pouvant être reconnu coupable de blanchiment par omission (GUNTHER ARZT, Das schweizerische Geldwäschereiverbot im Lichte amerikanischer Erfahrungen, RPS 106/1989 p. 192). GRABER suit l’avis précité, estimant que l’infraction de blanchiment par omission ne peut être commise que par un fonctionnaire et non un employé de banque qui viole l’obligation d’annonce contenue dans son cahier des charges (CHRISTOPH K. GRABER, Geldwäscherei, 1990, p. 137). Il admet toutefois, comme d’autres auteurs, que le supérieur hiérarchique qui sait que ses employés commettent des actes de blanchiment et ne fait rien pour les en empêcher, peut se rendre coupable de blanchiment par omission, son devoir d’agir découlant alors de son devoir de surveillance (cf. GRABER, op. cit., p. 138; CASSANI, op. cit., n o 44 ad art. 305bis CP; STEFAN TRECHSEL ET AL., Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, n o 20 ad art. 305bis CP). Selon CASSANI, n’importe quel citoyen, fût-il un professionnel de la finance, n’a pas un devoir juridique spécial d’agir pour sauvegarder les intérêts de la justice. En matière bancaire, le réviseur a toutefois, .
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BGE 136 IV 188 S. 193
en application de l’ancienne loi sur les banques, le devoir de dénoncer l’infraction constatée à la Commission fédérale des banques (ancien art. 21 al. 4 de la loi fédérale du 8 novembre 1934 sur les banques et les caisses d’épargne [loi sur les banques, LB; RS 952.0]), qui a elle-même le devoir d’avertir les autorités pénales compétentes en application de l’ancien art. 23ter al. 4 LB. Lorsque les personnes physiques agissant au sein de l’organe de révision ou de la Commission fédérale des banques s’abstiennent de dénoncer les actes de blanchiment constatés, la question d’une violation par abstention de l’art. 305bis CP peut alors se poser (CASSANI, op. cit., n o 43 ad art. 305bis CP). Suite à l’entrée en vigueur de la LBA, une partie des auteurs répond toujours négativement à la question de savoir si un intermédiaire financier peut se rendre coupable d’une violation de l’art. 305bis CP par omission. Ainsi, PIETH estime que l’obligation de communiquer au sens de l’art. 9 LBA, dont la violation est sanctionnée séparément à l’art. 37 LBA, ne fonde pas un devoir juridique d’agir du financier (MARK PIETH, in Basler Kommentar, Strafrecht, vol. II, 2e éd 2007, n o 45 ad art. 305bis CP p. 2217). EGGER TANNER soutient le même avis, relevant que si les intermédiaires financiers doivent, par le biais de l’art. 9 LBA, participer à la lutte de l’Etat contre le blanchiment, le devoir d’annonce ne fait pas partie intégrante de leurs obligations professionnelles (CHRISTINE EGGER TANNER, Die strafrechtliche Erfassung der Geldwäscherei, Ein Rechtsvergleich zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland, 1999, p. 137). En revanche, CORBOZ admet que, selon la LBA, les intermédiaires financiers sont, dans une certaine mesure, tenus de collaborer à la lutte contre le blanchiment et, dans cette limite, ont une position de garant (BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. II, 3e éd. 2010, n o 23 ad art. 305bis CP). ACKERMANN considère également que celui qui est responsable, selon l’organigramme de la banque, des questions de blanchiment et qui n’annonce pas le cas, viole son contrat de travail et son cahier des charges et peut ainsi se rendre coupable de blanchiment par omission (ACKERMANN, op. cit., n o 385 ad art. 305bis CP). .
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6.2.1.1 La LBA, en vigueur depuis le 1er avril 1998, définit les règles
auxquelles sont astreints les intermédiaires financiers en matière de lutte contre le blanchiment d’argent. Ceux-ci ont désormais des obligations de diligence (art. 3 à 8 LBA) et des devoirs en cas de soupçons de blanchiment d’argent (art. 9 à 11 LBA). .
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BGE 136 IV 188 S. 194 Ainsi, en application de l’art. 6 al. 1 LBA, l’intermédiaire financier est tenu d’identifier l’objet et le but de la relation d’affaires souhaitée par le cocontractant. L’étendue des informations à collecter est fonction du risque que représente le cocontractant. L’art. 7 LBA prévoit une obligation d’établir et de conserver les documents relatifs aux transactions effectuées ainsi qu’aux clarifications requises. L’art. 8 LBA précise que les intermédiaires financiers prennent dans leur domaine les mesures nécessaires pour empêcher le blanchiment d’argent et le financement du terrorisme. Ils veillent notamment à ce que leur personnel reçoive une formation suffisante et à ce que des contrôles soient effectués. Selon l’art. 9 al. 1 let. a LBA, l’intermédiaire financier informe immédiatement le Bureau de communication en matière de blanchiment d’argent au sens de l’art. 23 LBA (bureau de communication), s’il sait ou présume, sur la base de soupçons fondés, que les valeurs patrimoniales impliquées dans la relation d’affaires ont un rapport avec une des infractions mentionnées aux art. 260ter ch. 1 ou 305bis CP, proviennent d’un crime, sont soumises au pouvoir de disposition d’une organisation criminelle ou servent au financement du terrorisme (art. 260quinquies al. 1 CP). Aux termes de l’art. 10 LBA, l’intermédiaire financier doit bloquer immédiatement les valeurs patrimoniales qui lui sont confiées si elles ont un lien avec les informations communiquées en vertu de l’art. 9 (al. 1). Il maintient le blocage des avoirs jusqu’à la réception d’une décision de l’autorité de poursuite pénale compétente, mais au maximum durant cinq jours ouvrables à compter du moment où il a informé le bureau de communication (al. 2). .
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6.2.1.2 La Commission fédérale des banques (ci-après: CFB) a établi des directives relatives à la prévention et à la lutte contre le blanchiment de capitaux du 26 mars 1998 (ci-après: Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux). Ces directives, applicables à la période concernée, prévoient .
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notamment ce qui suit: Les intermédiaires financiers ne doivent pas accepter d’avoirs d’origine criminelle. Les organes ou les employés desdits intermédiaires financiers se rendent coupables de blanchiment de capitaux s’ils acceptent, gardent en dépôt ou aident à placer ou à transférer des valeurs patrimoniales, dont ils savent ou doivent présumer qu’elles proviennent d’un crime (art. 305bis CP). Les intermédiaires financiers ne doivent pas accepter des fonds dont ils savent ou doivent présumer qu’ils proviennent de la corruption ou de détournements de fonds .
BGE 136 IV 188 S. 195 publics. Ils doivent dès lors examiner avec une attention particulière s’ils veulent entrer en relations d’affaires, accepter et garder des avoirs appartenant, directement ou indirectement, à des personnes exerçant des fonctions publiques importantes pour un Etat étranger ou à des personnes et sociétés qui, de manière reconnaissable, leur sont proches. Les intermédiaires financiers doivent, dans le cadre des conditions fixées par la circulaire, éclaircir l’arrière-plan économique et le but d’une transaction ou d’une relation d’affaires lorsque, d’une part, elles paraissent inhabituelles ou, d’autre part, des indices permettent de soupçonner que des valeurs patrimoniales proviennent d’un crime ou qu’une organisation criminelle exerce un pouvoir de disposition sur ces valeurs. Lorsque l’intermédiaire financier sait ou présume, sur la base de soupçons fondés, que les valeurs patrimoniales impliquées dans la relation d’affaires ont un rapport avec une infraction au sens de l’art. 305bis CP, qu’elles proviennent d’un crime ou qu’une organisation criminelle exerce un pouvoir de disposition sur ces valeurs, il doit en informer sans délai le Bureau de communication en matière de blanchiment d’argent. L’obligation de communiquer vaut également si un client refuse de coopérer aux clarifications exigées par les directives (cf. Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux p. 6 ss). .
6.2.1.3 Les Directives internes de la banque D. relatives à la prévention et à la lutte contre le blanchiment de capitaux du 29 juin 1998, entrées en vigueur le 1er juillet 1998, prévoyaient que l’entrée en relation d’affaires avec des
personnes exerçant des fonctions publiques importantes pour l’Etat suisse ou un Etat étranger, ou avec des personnes ou sociétés qui, de manière reconnaissable, leur étaient proches, était de la compétence du Comité de Direction du siège, respectivement de chaque succursale, en application des directives y relatives du Comité de Direction générale. Le Comité de Direction locale concerné s’assurait, avant d’autoriser l’entrée en relations, que les fonds ne provenaient pas de corruption ou du détournement de biens publics. Si l’entrée en relation était autorisée, le gestionnaire du compte s’assurait, sur base continue, que le compte n’était pas utilisé à des fins illicites, respectivement que les fonds parvenant sur le compte n’avaient pas une origine illicite. En cas de doute, il soumettait immédiatement le cas au Comité de Direction locale. Celui-ci examinait au moins une fois par année les comptes dont il avait autorisé l’ouverture. BGE 136 IV 188 S. 196 6.2.1.4 Le 6 juillet 1998, le Comité de Direction générale de la banque D. a adopté des Directives sur les clients potentiels ou les clients existants, qui exercent des fonctions publiques dans leurs pays, fixant notamment les principes suivants: 1. Il était formellement interdit d’accepter des fonds provenant de la corruption ou du détournement de biens publics, que ce fût au détriment de l’Etat suisse ou d’un Etat étranger. 2. Par décision de principe, la banque n’ouvre pas de comptes à des chefs d’Etat ou à leurs proches ni à des membres de gouvernement ou à leurs proches (PEP I), sauf accord exprès du Comité de Direction générale. 3. La banque pouvait ouvrir des comptes à des fonctionnaires ou d’autres personnes n’exerçant que des fonctions publiques subalternes et à leurs proches (PEP II). Dans ce cas, les Comités de Direction visaient l’ouverture et chargeaient le gestionnaire de chaque compte de s’assurer, sur base continue, que le compte n’était pas utilisé à des fins illicites, respectivement que les fonds parvenant sur le compte n’avaient pas une origine illicite. Cette exigence s’appliquait également aux comptes déjà existants. .
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Au moins une fois par année, les Comités de Direction demandaient aux gestionnaires concernés de leur remettre un rapport écrit sur l’évolution du compte, notamment au niveau des entrées / sorties. Si ce rapport (ou la relation en tant que telle) ne soulevait pas de doutes, ils le visaient et le remettaient au fichier central pour conservation dans le dossier du client. Si le rapport (ou la relation en tant que telle) soulevait des doutes que des clarifications complémentaires éventuelles n’avaient pas permis de lever, les Comités de Direction soumettaient le cas au Comité de Direction générale pour décision, en concours avec le Comité de conformité s’il y avait lieu. .
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6.2.2 Il convient d’admettre, avec la doctrine minoritaire (cf. supra consid. 6.2.1) et conformément à la théorie générale exposée ci-dessus (cf. supra consid. 6.2), que les intermédiaires financiers se trouvent, depuis l’entrée en vigueur de la LBA, dans une situation juridique particulière qui les oblige notamment à clarifier l’arrière-plan économique et le but d’une relation d’affaires lorsque des indices laissent supposer que des valeurs patrimoniales proviennent d’un crime et à informer immédiatement le Bureau de communication en matière de blanchiment d’argent s’ils savent ou présument, sur la base de soupçons fondés, que les valeurs patrimoniales .
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BGE 136 IV 188 S. 197 impliquées dans la relation d’affaires ont un rapport avec un acte de blanchiment ou proviennent d’un crime, ce en application des art. 6 et 9 LBA et des directives de la CFB. Il résulte désormais des normes concernant la lutte contre le blanchiment d’argent que les intermédiaires financiers doivent, dans les limites fixées par la loi (cf. art. 3 à 10 LBA), collaborer avec les autorités compétentes. Ces obligations légales créent une position de garant. En l’espèce, le recourant était membre du Comité de Direction locale en qualité de directeur de la succursale de Zurich. En tant que tel, il occupait une position de garant, ses obligations en matière de blanchiment découlant non seulement de la LBA et de la Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux, mais également des directives internes de la banque D. et par conséquent de son propre cahier des charges. .
6.3 Lorsque l’auteur a un devoir de garant, il faut encore déterminer l’étendue du devoir de diligence découlant de cette position et les actes concrets qu’il était tenu d’accomplir. 6.3.1 Le recourant avait tout d’abord des obligations d’analyse des comptes, puis de clarification en cas d’indices de blanchiment. En application des Directives internes de la banque D. relatives à la prévention et à la lutte contre le blanchiment de capitaux du 29 juin 1998, il devait effectivement examiner, au moins une fois par année, les comptes dont le Comité avait autorisé l’ouverture afin notamment de s’assurer que les fonds parvenant sur ceux-ci n’avaient pas une origine illicite. Il devait aussi, en vertu des Directives sur les clients potentiels ou les clients existants qui exercent des fonctions publiques dans leurs pays du 6 juillet 1998, demander, au moins une fois par année, aux gestionnaires concernés de lui remettre un rapport écrit sur l’évolution de ces comptes, notamment au niveau des entrées et sorties. Conformément à la LBA et à la Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux, l’intermédiaire financier doit clarifier l’arrière-plan économique et le but d’une transaction ou d’une relation d’affaires lorsque celles-ci paraissent inhabituelles ou lorsque des indices laissent supposer que des valeurs patrimoniales proviennent d’un crime (cf. art. 6 LBA; Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux p. 3). Cette obligation de clarification est accrue lorsque l’intermédiaire financier ouvre et administre des comptes ouverts pour des personnes exerçant des fonctions publiques. Ces clarifications sont notamment nécessaires .
BGE 136 IV 188 S. 198 lorsque, au cours d’une relation d’affaires, le montant d’une transaction ou le nombre de transactions apparaît anormalement élevé eu égard à l’activité et à la situation financière connue du client et / ou lorsque l’intermédiaire financier constate l’existence d’indices de blanchiment de capitaux au sens de l’annexe aux directives de la CFB et / ou constate l’existence d’autres indices lui faisant soupçonner que des valeurs patrimoniales sont d’origine criminelle .
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(cf. art. 6 LBA; Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux p. 6). Des transactions présentent des risques particuliers de blanchiment, par exemples, lorsque leur construction indique un but illicite, lorsque leur but économique n’est pas reconnaissable, voire lorsqu’elles apparaissent absurdes d’un point de vue économique ou encore lorsqu’elles ne sont pas compatibles avec les informations et les expériences de l’intermédiaire financier concernant le client ou le but de la relation d’affaires. Doit également être considéré comme suspect tout client qui donne à l’intermédiaire financier des renseignements faux ou fallacieux ou qui, sans raison plausible, refuse de lui fournir les informations et les documents nécessaires, admis par les usages de l’activité concernée (cf. Annexe n o 1 ch. II à la Cir-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux). L’intermédiaire financier doit exiger du cocontractant qu’il fournisse les informations propres à clarifier toutes situations inusuelles ou à dissiper tous doutes raisonnables. Il doit se procurer les informations, dont il doit vérifier la plausibilité et qui puissent lui permettre de porter une appréciation suffisante de l’arrière-plan économique des transactions (cf. Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux p. 6). Ainsi, il ne peut accepter n’importe quelles explications de son cocontractant et, nonobstant le rapport de confiance qu’il entretient avec son client, il doit procéder, avec un esprit critique, à un examen de la vraisemblance de ses dires. Le degré de cette analyse dépend en particulier de la nature de la relation d’affaires et des motifs ayant justifié la clarification. Celle-ci doit en particulier porter sur la provenance des fonds déposés, sur l’activité professionnelle ou commerciale du cocontractant ainsi que sur sa situation financière (cf. Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux p. 6). .
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6.3.2 Le recourant avait ensuite une obligation d’informer la Direction générale de l’existence des cas PEP susceptibles de faire l’objet d’une communication ou d’un blocage. Il lui incombait en effet de soumettre les cas suspects, soit lorsque le rapport (ou la relation en tant que telle) soulevait des doutes que .
BGE 136 IV 188 S. 199
des clarifications complémentaires éventuelles n’avaient pas permis de lever, au Comité de Direction générale pour décision quant à la communication de ces comptes ou à leur blocage (cf. Directives du 6 juillet 1998 sur les clients potentiels ou les clients existants qui exercent des fonctions publiques dans leurs pays; art. 9 LBA; Circ.-CFB 98/1 Blanchiment de capitaux p. 6). .
6.3.3 Selon les faits établis, en décembre 1998, le Comité de Direction locale de la succursale de Zurich a décidé que les comptes des clients exerçant des fonctions publiques devaient être analysés au moins deux fois par an. Aussi, le 1er mars 1999, G. lui a adressé un bilan des transactions sur les comptes en question entre le 1er juillet 1998 et le 13 février 1999. Parmi ceux-ci, ceux de C. et A. présentaient, pour le premier, des sorties de 66 890 USD et des entrées de 161 622 USD entre le 20 juillet et le 24 décembre 1998 et un solde de 1 165 470 USD au 23 février 1999 et, pour le second, des entrées de 689 789 USD entre le 1er octobre et le 26 novembre 1998 et un solde de 2 179 165 au 23 février 1999. Le 29 février 2000, K. SA, réviseur externe de la banque D., a adressé à la Direction locale de Zurich des recommandations relatives notamment à la nécessité de mieux documenter l’arrière-plan économique des fonds déposés et des transactions et d’actualiser de manière périodique la liste des relations dont l’ayant droit économique était une personne exerçant des fonctions publiques et de la faire approuver par la Direction générale. Par courrier électronique du 30 mai 2000, adressé notamment au recourant, G. a rappelé que A. était mentionné sous différentes professions sur ses comptes, à savoir comme auditeur fiscal pour deux comptes et vendeur de machines agricoles pour un troisième. Il avait déjà demandé, à plusieurs reprises, comment et même s’il était possible qu’un agent public exerçât une activité accessoire. Il rappelait aussi qu’en janvier de cette année-là des transferts importants avaient été exécutés en faveur d’autres fonctionnaires fiscaux, soit B. et C., qui avaient également des comptes auprès de la banque, et demandait comment cela devait être interprété. Il mentionnait enfin l’importance des montants déposés. Le 9 février 2001, le recourant a pris connaissance d’un tableau montrant
l’accroissement considérable des avoirs des clients PEP entre le 1er janvier 2000 et le 5 janvier 2001. Ainsi, les avoirs de B. avaient augmenté de 330.10 % à près de 6 000 000 USD, ceux de A. de BGE 136 IV 188 S. 200 257% à plus de 10 000 000 USD sur un compte, alors que ses deux autres comptes présentaient des soldes supérieurs à 1 000 000 USD et 400 000 USD. Les avoirs de C. déposés sur deux comptes dépassaient 2 300 000 USD. Le 26 novembre 2001, le recourant a reçu en copie le courrier électronique envoyé par L. à M. contenant les rapports sur les comptes PEP établis par les gestionnaires, aux termes duquel elle précisait qu’à son avis la plupart des rapports sur les comptes qui avaient enregistré des transactions du 1er janvier au 31 octobre 2001 étaient peu significatifs et qu’elle était disposée à demander aux gestionnaires des informations qui le seraient plus. Dans un courrier électronique du 31 mai 2002, adressé notamment au recourant, G. a indiqué que 499 900 USD étaient arrivés sur l’un des comptes de A., via le changeur. Depuis le début de l’année, ce compte avait été crédité de 2 638 848 USD, alors que, selon les informations transmises, les entrées normales ne devaient pas excéder 50 000 USD par mois. Le recourant a répondu à G. que cette situation était hautement problématique. Si la fusion aboutissait, ce compte devrait de toute façon être fermé. En l’absence de fusion, ils devraient en discuter sérieusement. 6.3.4 Au regard de l’ensemble de ces éléments, le recourant devait prendre les mesures nécessaires pour clarifier, dans les plus brefs délais, la situation des agents brésiliens et déterminer si leurs fonds avaient une origine illicite, dès lors que les indices étaient suffisants pour douter de la provenance desdits avoirs. Par ailleurs, il ne pouvait manifestement se contenter des renseignements obtenus du Bureau de représentation, ceux-ci n’étant pas documentés et ne permettant en aucune manière d’écarter les doutes existant, les montants entrés sur les comptes de A. ne correspondant d’ailleurs pas aux indications transmises par F. dans son rapport du 10 juillet 2001. Enfin, le recourant n’a pas davantage alerté le Comité de Direction générale et ne lui a pas non plus soumis les cas pour décision, alors que les informations
collectées au sujet des comptes étaient clairement insuffisantes et que les éléments disponibles laissaient déjà présumer que les fonds en question pouvaient avoir une origine criminelle. Ainsi, le recourant a omis l’accomplissement d’actes qu’il était tenu juridiquement d’accomplir. Il a par conséquent violé, par omission, les devoirs qui lui incombaient.
BGE 138 IV 1 1. Extrait de l’arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public de la Confédération (recours en matière pénale) .
6B_729/2010 du 8 décembre 2011 Regeste Art. 305bis StGB; Art. 260ter StGB; aArt. 59 Ziff. 3 StGB; Art. 72 StGB; Beweis der verbrecherischen Herkunft von Vermögenswerten einer kriminellen Organisation bei der Geldwäscherei. Bei der Geldwäscherei von Vermögenswerten einer kriminellen Organisation dürfen an den Nachweis der Vortat keine höheren Anforderungen gestellt werden als bei den anderen Fällen der Geldwäscherei. Der Beweis, dass ein Verbrechen vorausging, reicht aus. Exakte Kenntnis des Verbrechens und des Täters ist nicht erforderlich. Ebenso wenig wird verlangt, dass ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen den individualisierbaren, im Rahmen der kriminellen Organisation begangenen Verbrechen und den gewaschenen Vermögenswerten aufgezeigt wird. Der von der Rechtsprechung geforderte «absichtlich lockere» Zusammenhang (BGE 120 IV 323 E. 3d S. 328) ist ausreichend erstellt, wenn bewiesen ist, dass die Verbrechen im Rahmen der kriminellen Organisation verübt wurden und die Vermögenswerte von dieser herrühren. Zwischen den Verbrechen gesamthaft betrachtet und den Vermögenswerten muss ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang gegeben sein, selbst wenn die verbrecherische Herkunft nur eine indirekte ist (E. 4.2.3.2). Genügt die Vermutung von Art. 72 StGB, um die verbrecherische Herkunft von Geldern im Besitz eines Mitglieds der kriminellen Organisation für die Anwendung von Art. 305bis StGB zu erstellen? Die Frage wurde offengelassen (E. 4.2.3.2). .
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Sachverhalt ab Seite 2
BGE 138 IV 1 S. 2 A. X., né en 1963, est employé de banque de formation. Après d’autres postes, notamment celui de responsable du secteur Amérique latine de 1995 à 2001 auprès de la banque A., il a travaillé de 2001 à 2008 comme responsable du même secteur de la banque B. Il a rencontré C. une première fois à l’occasion d’un cocktail, plus mondain que professionnel, organisé par un ancien collègue de A. et ami, D., en 2002 à Sao Paulo. Entre mars-avril et juin 2003, E., tiers gérant privé lié par un contrat d’apporteur d’affaires avec B., a contacté X. pour qu’il ouvre une relation bancaire au nom de F. SA, BGE 138 IV 1 S. 3 puis qu’il crée la fondation lichtensteinoise G. pour C. Cette structure financière, voulue par celle-ci, devait permettre de faire apparaître H., son fils, comme unique bénéficiaire de l’argent. Le 6 juin 2003, X. a ouvert la relation bancaire n o 104558–00 au nom de la société F. SA (Panama) auprès de B. Ce compte a été crédité de USD 3,6 millions, provenant d’un compte n o 279CO312.56 ouvert auprès de I. SA par C., avec procuration individuelle à J. X. a ensuite rencontré la cliente les 21 et 22 octobre dans les locaux de B. à Genève, avant de se rendre au Brésil le 26 octobre suivant. C. et son ex-compagnon J., juge fédéral brésilien, père de l’enfant H., ont été arrêtés le 30 octobre 2003 au Brésil dans le cadre d’une vaste enquête pénale baptisée «K.», menée par le Parquet de Sao Paulo. Dès début novembre 2003, cette opération a été largement relayée par la presse brésilienne, que X. lisait tous les jours. Le 3 novembre 2003, X., qui était encore au Brésil, a envoyé, par l’intermédiaire d’une collègue, une première information au service compliance de B., au sujet de l’arrestation de C. Le 10 novembre, à la suite d’une requête d’informations complémentaires du service concerné, il a répondu par courriel qu’il préférait revenir en Suisse pour communiquer les détails de l’affaire et qu’il ramenait avec lui la plupart des articles de presse parus sur l’affaire au Brésil. Dans l’une de ces coupures, il était notamment mentionné que des documents attestant de l’existence de dépôts effectués auprès d’une banque suisse ainsi que de comptes bancaires en .
Suisse avaient été trouvés lors d’une perquisition chez C. X. a également reconnu que son nom était apparu dans la presse brésilienne, parce qu’il figurait sur un téléfax rédigé par C., retrouvé en original dans son appartement par les enquêteurs. Ce document avait été rédigé lorsqu’elle avait clôturé le compte I. n o 279-CO312.56. Elle avait inscrit le nom de X. comme personne de contact à la banque B. Par un courriel du 11 novembre 2003, X. a informé le service compliance de B. de l’arrestation de la mère de l’ayant droit économique de la relation en question, expliquant: «J. was a lawyer, became judge … He is accused of ‹association de malfaiteurs›, negociation of sentences, corruption. C. is accused mainly of being a ‹front person› for her ex-husband and of having an account outside». Il a proposé à son supérieur, le 13 novembre 2003, de bloquer le compte à l’interne mais de ne pas annoncer le cas au Money Laundering Reporting Office-Switzerland (MROS) dans l’immédiat. Le compte a été séquestré par le Ministère public de la Confédération le 22 juin 2004. .
BGE 138 IV 1 S. 4 Par jugement du 17 décembre 2004, confirmé le 4 février 2008 par le Tribunal suprême du Brésil (sous réserve d’une légère réduction de la peine infligée à C.), le Tribunal régional fédéral de la troisième région de Sao Paulo a condamné, parmi d’autres accusés, C. à deux ans et demi de réclusion et J. à 3 ans de réclusion pour «association de malfaiteurs» soit pour s’être associés avec d’autres personnes afin de commettre des infractions pénales telles que la prévarication, la corruption, la concussion, les menaces, l’abus d’autorité et la vente de facilités. C. a été condamnée pour son rôle important au sein de l’organisation, en tant que responsable des fonds obtenus grâce à des activités illicites. Par jugement du 28 juin 2007, J. a également été condamné pour corruption passive à une peine de quatre ans de réclusion. D’autres procédures pénales étaient en cours contre eux au Brésil. .
B. Par arrêt du 1er juin 2010, la Cour des affaires pénales du Tribunal pénal fédéral a condamné X. pour défaut de vigilance en matière d’opérations financières et blanchiment d’argent à 90 jours-amende à 300 fr. l’un avec deux ans de sursis. En résumé, le Tribunal pénal fédéral a jugé que X. aurait,
d’emblée, dû qualifier la relation comme «personne exposée politiquement» (Politically Exposed Person; ci-après: PEP) parce qu’il connaissait le rapport de filiation entre l’ayant droit économique et un juge. Cette circonstance aurait dû l’amener à approfondir ses recherches, ce qui l’aurait conduit à découvrir qu’il s’agissait d’un juge de haut rang. En ne le faisant pas, il s’était rendu coupable, du 6 juin au 11 novembre 2003, de défaut de vigilance en matière d’opérations financières. Par ailleurs, fort des informations relayées à sa banque, X. savait, à compter du 11 novembre 2003, que les valeurs patrimoniales du compte B. n o 104 558 pouvaient provenir du crime. Les obligations de gestionnaire de compte de X. ne se limitaient pas à informer le service compliance le 11 novembre, puis à en proposer le blocage le 13 novembre 2003. Il aurait alors, au moins dès ce moment-là, dû qualifier la relation de PEP et, jusqu’à annonce du cas au MROS, approfondir ses investigations, tenir sa hiérarchie au courant de la situation au Brésil et éclaircir la question de l’origine des fonds du compte n o 104 558. Ces omissions relevaient du blanchiment. .
C. X. recourt en matière pénale contre cette décision. Il conclut, avec suite de frais et dépens, principalement à sa réforme dans le sens de son acquittement. A titre subsidiaire, il demande l’annulation de l’arrêt querellé et le renvoi de la cause à l’autorité précédente pour nouvelle décision au sens des considérants. BGE 138 IV 1 S. 5 Invités à formuler des observations sur le recours, le Tribunal pénal fédéral y a renoncé, cependant que le Ministère public de la Confédération a conclu principalement au rejet du recours et, à titre subsidiaire, à la réforme de la décision entreprise en ce sens que le recourant soit condamné pour blanchiment d’argent pour la période du 6 juin au 11 novembre également et sa peine aggravée en conséquence. Erwägungen Extrait des considérants:
4. 4.2 Selon le recourant, la Cour des affaires pénales aurait ensuite constaté de manière arbitraire la provenance criminelle des fonds se trouvant sur le compte B. 4.2.1 Sur ce point, l’autorité précédente a rappelé que la loi exige un lien suffisamment étroit pour que l’on puisse parler de provenance. Elle a relevé que la procédure brésilienne avait permis de démontrer que ni J. ni C. n’auraient pu gagner dans toute leur vie les sommes retrouvées chez cette dernière et les montants des comptes en banques étrangères. Elle a conclu à l’origine illicite des fonds. 4.2.2 Le but de l’art. 305bis CP réside dans la lutte contre le crime organisé et contre des organisations qui s’adonnent au blanchiment par métier. Comme ces délinquants sont souvent actifs dans plusieurs pays, le blanchiment est aussi punissable lorsque le délit initial a été commis à l’étranger. Afin d’atteindre l’objectif visé, l’action des autorités suisses ne doit pas être rendue considérablement plus compliquée et ralentie. C’est pourquoi le Tribunal fédéral a jugé que la condamnation pour blanchiment ne supposait pas la connaissance précise du crime préalable et de son auteur. Le lien entre le crime à l’origine des fonds et le blanchiment d’argent est donc volontairement ténu (ATF 120 IV 323 consid. 3d p. 328). L’exigence d’un crime préalable suppose cependant établi que les valeurs patrimoniales proviennent d’un crime (URSULA CASSANI, Commentaire du droit pénal suisse, Partie spéciale, vol. 9, 1996, n o 9 ad art. 305bis CP; TRECHSEL / AFFOLTEREIJSTEIN, in Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, n o 11 ad art. 305bis CP). .
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4.2.3 Jusqu’ici, le Tribunal fédéral n’a jamais été amené à examiner à quelles conditions les valeurs patrimoniales d’une organisation criminelle peuvent être considérées comme provenant d’un crime au sens de l’art. 305bis CP, respectivement si la participation à une telle organisation peut constituer un crime dont proviennent les valeurs. Ces questions sont disputées en doctrine.
BGE 138 IV 1 S. 6 4.2.3.1 Selon URSULA CASSANI, lorsque l’argent appartient à une organisation criminelle suffisamment grande pour avoir des activités illicites diversifiées qui lui rapportent de l’argent, sans qu’il soit possible d’établir de quel crime précis proviennent les valeurs patrimoniales, ces cas ne se situent pas dans le champ d’application de l’art. 305bis CP, mais dans celui de l’art. 260ter CP régissant la punissabilité de l’organisation criminelle (op. cit., n o 10 ad art. 305bis CP). Pour NIKLAUS SCHMID, dans la règle, les comportements réprimés par l’art. 260ter CP ne confèrent pas directement des avantages patrimoniaux qui «proviennent d’un crime» au sens de l’art. 305bis CP, sous réserve de l’hypothèse où l’organisation rémunère ses membres pour la commission de crimes. Il est pour le moins douteux que l’on puisse pallier l’absence de preuve de l’origine criminelle par le fait que l’auteur aurait dû connaître cette origine dès lors que les valeurs patrimoniales proviendraient d’une telle organisation. Il serait de même très hasardeux et même exclu d’appliquer, sur ce point, la présomption, qui vaut en matière de confiscation des valeurs patrimoniales d’une organisation criminelle, selon laquelle celles appartenant à une personne participant ou soutenant l’organisation sont présumées soumises, jusqu’à preuve du contraire, au pouvoir de disposition de l’organisation (NIKLAUS SCHMID, Insiderdelikte und Geldwäscherei, in Aktuelle Probleme im Bankenrecht, 1994, ch. 3.2.2 et 3.3 p. 202 s.). Pour JÜRG-BEAT ACKERMANN, également, la participation à l’organisation criminelle ne peut, comme telle, constituer le crime initial parce que les valeurs patrimoniales appartenant directement ou indirectement à l’organisation criminelle ne proviennent pas de manière immédiate de la participation à l’organisation criminelle mais de l’activité, tournée vers le crime, de celle-ci. Cet auteur admet cependant que le blanchiment de valeurs patrimoniales de l’organisation peut être réprimé si la preuve des crimes commis par l’organisation est rapportée (JÜRG-BEAT ACKERMANN, in Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, 1998, n o 159 ad art. 305bis CP p. 447). A l’opposé, un auteur soutient que l’on ne peut déduire du texte de l’art. 305bis CP que la provenance devrait être «directe». Cette interprétation .
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irait à l’encontre du but visé par la norme. Tant les approches grammaticale, systématique, historique que téléologique imposeraient d’appréhender toutes les valeurs patrimoniales de l’organisation criminelle comme provenant d’un crime au sens de l’art. 305bis CP (FRIEDRICH FRANK, Art. 260ter StGB als verbrecherische Vortat des Art. 305bis StGB?, Jusletter 15 mars 2010). .
BGE 138 IV 1 S. 7 4.2.3.2 L’art. 305bis CP vise le comportement de celui qui commet un acte propre à entraver l’identification de l’origine, la découverte ou la confiscation de valeurs patrimoniales dont il savait ou devait présumer qu’elles provenaient d’un crime. La jurisprudence a, en particulier, mis l’accent sur l’acte susceptible d’entraver la confiscation, ce qui inclut l’entrave à l’identification de l’origine et à la découverte des valeurs patrimoniales (ATF 129 IV 238 consid. 3.3 p. 244). Elle en a déduit, en se référant aux principes dégagés en matière de confiscation des valeurs patrimoniales qui sont le résultat d’une infraction (art. 70 al. 1 CP), qu’en matière de blanchiment le crime doit être la cause essentielle et adéquate de l’obtention des valeurs patrimoniales et que celles-ci doivent provenir typiquement du crime en question. En d’autres termes, il doit exister entre le crime et l’obtention des valeurs patrimoniales un rapport de causalité tel que la seconde apparaît comme la conséquence directe et immédiate du premier (ATF 137 IV 79 consid. 3.2 p. 80 ss). L’art. 305bis CP règle de manière uniforme le blanchiment des valeurs patrimoniales provenant de crimes. Malgré les liens étroits existant entre cette disposition et les normes relatives à la confiscation, l’art. 305bis CP ne prévoit pas expressément de régime spécifique pour les actes susceptibles d’entraver la confiscation des biens d’une organisation criminelle. Bien qu’il apparaisse souhaitable que la punissabilité en application de l’art. 305bis CP puisse être fondée sur la seule connaissance, par l’auteur, du fait que les valeurs patrimoniales proviennent d’une organisation criminelle (SCHMID, op. cit., ch. 3.2.2 p. 202) et que, à défaut, la présomption de l’art. 72 CP pourrait constituer un allègement considérable des problèmes de preuve en matière de blanchiment des valeurs patrimoniales d’une organisation criminelle, il semble que le législateur n’a pas voulu régler de manière distincte ce cas de blanchiment. En d’autres termes, il semble qu’il n’a pas voulu jeter un pont .
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entre les art. 305bis et 72 CP (SCHMID, loc. cit.). Ainsi, dans le Message concernant la révision du droit de la confiscation, punissabilité de l’organisation criminelle, droit de communication du financier (FF 1993 III 269 ss, 293 ch. 212.1 / d / bb), le Conseil fédéral expose-t-il que «La norme [art. 260ter CP]est également applicable à celui qui administre des fonds en sachant pertinemment que sa prestation de service profite à une organisation criminelle […] Il est ainsi possibled’appréhender des comportements qui contribuent dans une large mesure à renforcer la capacité de fonctionnement de l’organisation criminelle, même dans les situations .
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BGE 138 IV 1 S. 8 où la disposition sur le blanchiment reste sans effet. On songera notamment aux cas dans lesquels, par suite du mélange de valeurs patrimoniales provenant de diverses activités légales et illégales de l’organisation, il n’est plus possible d’apporter la preuve – exigée par la norme sur le blanchissage d’argent – de l’origine criminelle des fonds». Un tel renvoi à la norme réprimant le soutien à l’organisation criminelle n’aurait pas été absolument nécessaire si l’on avait voulu, en édictant l’art. 260ter CP et la norme permettant la confiscation des valeurs patrimoniales sur lesquelles une organisation criminelle exerce un pouvoir de disposition (ancien art. 59 ch. 3 CP; art. 72 CP), faciliter la preuve des conditions du blanchiment des valeurs patrimoniales d’une organisation criminelle. Cela démontre que, dans l’esprit du Conseil fédéral, l’application de l’art. 305bis CP, qui était déjà en vigueur, supposait établi non seulement un lien entre les valeurs patrimoniales et l’organisation criminelle, mais également avec les crimes commis par cette dernière. Cette approche paraît cependant sous-estimer largement les rapports étroits existant entre la norme sur le blanchiment et la lutte contre les organisations criminelles. Elle apparaît, par ailleurs, dépassée. On peut relever, à cet égard, que l’art. 6 de la loi fédérale du 10 octobre 1997 sur le blanchiment d’argent (LBA; RS 955.0) imposait déjà dans sa teneur en vigueur depuis le 1er avril 1998 de clarifier l’arrière-plan économique d’une relation d’affaires en présence d’indices laissant supposer que des valeurs patrimoniales provenaient d’un crime ou qu’une organisation criminelle .
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exerçait un pouvoir de disposition sur ces valeurs (RO 1998 894). Quoi qu’il en soit, il n’est pas nécessaire de trancher définitivement en l’espèce la question de savoir si la présomption de l’art. 72 CP suffit à établir l’origine criminelle des fonds trouvés en possession d’un membre de l’organisation criminelle pour l’application de l’art. 305bis CP. Si, en effet, la présomption de l’art. 72 CP ne devait pas permettre de faciliter cette preuve, il n’y aurait, quoi qu’il en soit, pas lieu, en matière de blanchiment des valeurs patrimoniales d’une organisation criminelle, de poser des exigences plus strictes en relation avec l’existence du crime préalable qu’en ce qui concerne les autres cas de blanchiment. Il faut ainsi, de toute manière, admettre que la preuve de l’existence préalable d’un crime suffit, sans que la connaissance précise de celui-ci et de son auteur soit nécessaire. Poser des exigences accrues irait à l’encontre tant de la norme réprimant le blanchiment d’argent que de celle réprimant la participation et le soutien à .
BGE 138 IV 1 S. 9 une organisation criminelle, qui sont l’une et l’autre complémentaires. Aussi, même si l’on admet, avec les auteurs cités précédemment que, dans la règle, la participation ou le soutien à l’organisation, à lui seul, ne constituerait pas encore un crime préalable dont les valeurs patrimoniales sont issues dans la mesure où la preuve d’autres crimes n’est pas rapportée, on ne saurait, de toute manière, exiger des précisions excessives quant aux crimes commis par l’organisation. On ne saurait non plus exiger la démonstration d’un lien de causalité naturelle et adéquate entre chacun de ces crimes individualisés et les valeurs patrimoniales blanchies. Le lien «nécessairement ténu» exigé par la jurisprudence est suffisamment établi lorsqu’il est prouvé que des crimes ont été commis dans le cadre de l’organisation et que les valeurs patrimoniales proviennent de cette dernière. On doit alors exiger, même si la provenance criminelle n’est qu’indirecte, que soit donné un rapport de causalité naturelle et adéquate entre les crimes, considérés globalement, et les valeurs patrimoniales. 4.2.3.3 Un comportement est la cause naturelle d’un résultat s’il en constitue l’une des conditions sine qua non. Pour déterminer si un comportement est la
cause naturelle d’un résultat, il faut se demander si le résultat se reproduirait si, toutes choses étant égales par ailleurs, il était fait abstraction de la conduite à juger. Lorsqu’il est très vraisemblable que non, cette conduite est causale, car elle est la condition sine qua non du résultat (PHILIPPE GRAVEN, L’infraction pénale punissable, 2e éd. 1995, p. 90 s.). La constatation du rapport de causalité naturelle relève du fait, ce qui la soustrait au contrôle de la cour de céans. Il y a toutefois violation du droit fédéral si l’autorité précédente méconnaît le concept même de la causalité naturelle (ATF 122 IV 17 consid. 2c / aa p. 23). En matière de blanchiment, cela conduit à rechercher si le crime préalable est une condition nécessaire, mais pas forcément suffisante, de l’obtention des valeurs patrimoniales. Dans le contexte particulier du blanchiment des valeurs patrimoniales d’une organisation criminelle, il faut se demander si les valeurs patrimoniales auraient pu être obtenues sans les crimes commis par l’organisation. .
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4.2.3.4 En l’espèce, l’existence de crimes commis par l’organisation est établie par les décisions judiciaires brésiliennes. Comme l’a retenu à juste titre l’autorité précédente, les infractions dont la commission est imputée à l’organisation criminelle, respectivement à ses membres, peuvent être qualifiées, en droit suisse, comme les crimes de corruption passive (art. 322quater CP), d’abus d’autorité (art. 312 .
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BGE 138 IV 1 S. 10 CP), de gestion déloyale des intérêts publics (art. 314 CP) en vue de se procurer des avantages patrimoniaux illégaux. L’extorsion et le chantage (art. 156 CP) faisaient aussi partie des crimes commis par l’organisation. Enfin, C. a été convaincue d’actes correspondant, en droit suisse, à la qualification de blanchiment aggravé (art. 305bis ch. 2 let. a CP). Reste à établir le lien existant entre ces crimes et les valeurs patrimoniales se trouvant sur le compte B. .
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4.2.3.5 La Cour des affaires pénales a retenu que la procédure brésilienne avait permis de démontrer que ni J. ni C. n’auraient pu gagner dans toute leur vie les sommes retrouvées en espèces chez cette dernière et les montants des
comptes en banques étrangères. Elle a également exclu l’origine successorale de ces fonds. Elle a, par ailleurs, relevé que C. ne s’était absolument pas manifestée ensuite des ordonnances de suspension et de confiscation rendues par le Ministère public et que les fonds en cause avaient, de surcroît, fait l’objet d’une demande d’entraide judiciaire du Brésil. 4.2.3.6 Les juges brésiliens ont relevé la saisie au domicile de C. d’une somme considérable en monnaie étrangère, d’objets de grande valeur (bijoux, montres, équipements électroniques), ainsi que de documents en relation avec les liens de la bande. Ils ont constaté des indices de l’existence de montants déposés à l’étranger et ont retenu qu’ils constituaient sans le moindre doute le produit des crimes commis, dont elle avait la garde en quelque sorte comme une «caissière» de l’organisation, poste très important et de confiance. L’intéressée avait certes tenté de justifier la possession de ces biens et avoirs, alléguant qu’ils provenaient d’activités licites exercées tout au long de son existence, tels salaires et revenus de sa charge publique, opérations réalisées dans le commerce des mines de pierres précieuses, achat et vente de pierres précieuses et d’antiquités, surplus de campagnes et de mandats politiques, prestations de services en conseils fiscaux, ainsi que présents d’amoureux et de son parrain, mais qu’elle n’avait pas été en mesure de démontrer l’origine de telles richesses. Les témoins entendus sur ce point, qui avaient des liens avec elle, n’avaient pu indiquer ce que les travaux en question lui avaient rapporté. Les pièces qu’elle avait produites ne permettaient pas non plus d’établir l’origine de 800 000 réaux déposés sur un compte bancaire, soit l’origine de ces moyens financiers, le cheminement de ceux-ci, la localisation précédente et enfin depuis quand elle les détenait, leur provenance et par où ils avaient transité. Ce jugement souligne aussi tout particulièrement que «La communion .
BGE 138 IV 1 S. 11 d’intérêts entre J. et C. est indéniable, étant donné qu’il n’y a pas de séparation réelle du patrimoine, des biens, titres, demeures, affaires, documents, papiers, archives [et] véhicules». Ces constatations de fait recueillies au Brésil permettaient à la Cour des
affaires pénales d’exclure sans arbitraire que les avoirs retrouvés sur le compte ouvert par C. provinssent de son travail ou d’activités commerciales, plus généralement de sources licites. Par ailleurs, l’autorité précédente pouvait également écarter, sans arbitraire, une nouvelle justification – désormais successorale – que l’intéressée n’avait jamais avancée dans la procédure dirigée contre elle au Brésil. Les griefs du recourant sont, sur ce point, infondés. 4.2.4 Le recourant objecte aussi que la somme transférée sur le compte B. provenait d’un compte I. ouvert en 1989 et se trouvait déjà sur ce compte en 1994. Il avance ensuite que le jugement brésilien ne contiendrait aucun indice d’activités criminelles antérieures à 1994 pour en déduire qu’il était arbitraire de constater l’origine criminelle des fonds se trouvant sur le compte B. 4.2.4.1 Selon les constatations de fait de l’arrêt querellé, le compte initial I. n o 279-CO312.056 duquel proviennent les avoirs du compte B. n o 104 558 a été ouvert le 24 juillet 1989 par C., avec procuration individuelle à J. Si les documents obtenus auprès de I. n’indiquent pas le montant versé en compte à l’ouverture de la relation, les premiers relevés, datant de 1994, mentionnent un solde de quelques 3 816 000 USD selon l’arrêt entrepris (recte: 3 081 608 USD). Par ailleurs, 3 600 000 USD ont été crédités sur le compte B. à son ouverture. .
4.2.4.2 L’argument du recourant repose sur l’hypothèse que le compte I. n o 279-CO312.056, essentiellement composé de titres, n’aurait pas fait l’objet de mouvements externes depuis 1994, soit en particulier de versements, et que les variations de son solde, principalement son augmentation, résulteraient, pour la période durant laquelle le jugement brésilien permet d’établir l’existence d’activités criminelles de l’organisation, uniquement des transactions effectuées sur les titres en dépôt soit du résultat des investissements. Cette prémisse ne fait l’objet d’aucune démonstration. Insuffisamment motivé, le grief est irrecevable (art. 106 al. 2 LTF). .
4.2.4.3 Au demeurant, cette hypothèse est en contradiction avec les pièces du dossier, dont il ressort, d’une part, que le solde annuel du compte en question
n’est pas demeuré constant ou en légère BGE 138 IV 1 S. 12 augmentation de 1994 à 2003 et, d’autre part, que différents versements, en provenance d’autres banques (virements SWIFT), portant respectivement sur plusieurs dizaines à plusieurs centaines de milliers de dollars, ont été effectués en faveur de ce compte notamment durant les années 1998 (virements pour un total de 400 000 USD) et 2000 (virements pour un total de 280 000 USD). L’hypothèse sur laquelle repose le grief du recourant n’est donc pas vérifiée. .
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4.2.4.4 Par ailleurs, il ressort du jugement brésilien de nombreux éléments permettant d’établir l’existence de relations entre les différents membres de l’organisation criminelle dans les années 1990 déjà, soit en particulier au moment où les fonds de C. étaient déposés auprès de I. et où des versements interbancaires ont été effectués. Cela permet aussi, sous l’angle de l’arbitraire, d’écarter l’argumentation du recourant selon laquelle il ne serait pas possible d’établir l’existence de crimes préalables avant le moment où l’intégralité des fonds se serait trouvée sur le compte I., puis B. Supposé recevable, ce grief devrait ainsi être rejeté. Il s’ensuit que le recourant ne démontre pas en quoi il était arbitraire de retenir l’existence d’un rapport de causalité naturelle entre les valeurs se trouvant sur le compte B. et les crimes perpétrés dans le cadre de l’organisation criminelle. 4.2.5 Pour le surplus, il suffit de relever que les divers crimes dont la réalisation a été imputée à l’organisation criminelle, soit en particulier la corruption passive, la gestion déloyale des intérêts publics en vue de se procurer des avantages patrimoniaux illégaux ou encore l’extorsion et le chantage sont de nature, selon le cours ordinaire des choses et l’expérience générale de la vie, à permettre à leur auteur d’obtenir des valeurs patrimoniales. En outre, il a été reproché à C. d’avoir commis, au sein de l’organisation, des actes correspondant à la qualification de blanchiment aggravé (art. 305bis ch. 2 let. a CP) en droit suisse. Ces deux éléments .
permettaient ainsi de retenir l’existence d’un rapport de causalité adéquate entre les crimes commis au sein de l’organisation et les valeurs patrimoniales retrouvées sur le compte B. On examinera, sous l’angle des aspects subjectifs ce que le recourant savait ou ce dont il devait se douter quant à l’origine de ces fonds (v. consid. 4.5 non publié). .
BGer 6S.604/1999 2. März 2000 KASSATIONSHOF Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger und Gerichtsschreiber Näf. In Sachen X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Daniel Kiefer, Bielstrasse 8, Postfach, Solothurn, gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Schweizerische Bundesanwaltschaft, betreffend mehrfache ungetreue Geschäftsführung (Art. 159 aStGB), Gehilfenschaft zu betrügerischem Konkurs (Art. 163 aStGB i.V.m. Art. 25 StGB), mehrfache Widerhandlung gegen das Bankengesetz (Art. 46 Abs. 1 lit. c BankG), .
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hat sich ergeben: A. Das Obergericht des Kantons Solothurn sprach X.________ am 4. Dezember 1998 schuldig der mehrfachen ungetreuen Geschäftsführung (im Sinne von Art. 159 aStGB) in zwei Anklagepunkten, der Gehilfenschaft zu betrügerischem Konkurs (im Sinne von Art. 163 aStGB i.V.m. Art. 25 StGB) .
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sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Bankengesetz (im Sinne von Art. 46 Abs. 1 lit. c BankG) und verurteilte ihn deswegen zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. In zahlreichen Fällen wurde er vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsführung freigesprochen. .
B. X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Mit der Letzteren beantragt er, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Die Bundesanwaltschaft hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.a) Gemäss Art. 46 Abs. 1 lit. c BankG wird bestraft, wer vorsätzlich «die mit der Bewilligung verbundenen Bedingungen verletzt». Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer in Anwendung dieser Bestimmung verurteilt, da er an der Gewährung von Krediten mitgewirkt habe, die ausserhalb des in den Bankstatuten umschriebenen geografischen Geschäftskreises gelegen hätten (siehe angefochtenes Urteil S. 208 – 263).
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b) Dieses dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten kann indessen nicht in Anwendung von Art. 46 Abs. 1 lit. c BankG bestraft werden. Der darin umschriebene Tatbestand der Verletzung der mit der Bewilligung verbundenen Bedingungen erfasst Überschreitungen des in den Statuten der Bank umschriebenen Geschäftskreises nicht mit der nach dem Legalitätsprinzip im Sinne von Art. 1 StGB erforderlichen Bestimmtheit (BGE 125 IV 35). Zur Begründung kann auf die Erwägungen im zitierten Entscheid verwiesen werden. Der Kassationshof hat diese Rechtsprechung in einem nicht publizierten Urteil vom 2. Juni 1999 in Sachen S. gegen BE (6S. 42/1999) bestätigt und erkannt, dass auch etwa die Missachtung von statutarischen und reglementarischen Bestimmungen betreffend die Kreditvergabe (bankinterne Zuständigkeiten zur Kreditbewilligung, .
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Belehnungsgrenzen, Dossierführung) nicht als Verletzung der mit der Bewilligung verbundenen Bedingungen im Sinne von Art. 46 Abs. 1 lit. c BankG strafbar ist. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Bankengesetz (im Sinne von Art. 46 Abs. 1 lit. c BankG) verstösst demnach gegen Bundesrecht. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt gutzuheissen. .
2. Der Beschwerdeführer wurde im Punkt Ziff. 2.1.15 der Schlussverfügung (Konsortialhypothek Claragraben) der ungetreuen Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 aStGB schuldig gesprochen (angefochtenes Urteil S. 178 f.). .
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a)
Dabei ging es um Folgendes (s. angefochtenes Urteil S. 155 ff.): Am 20. Februar 1990 hatte die Bank dem C.________ eine Erhöhung des Betriebskredits Nr. 41283. 54 von Fr. 1 900 000.– auf Fr. 3 400 000.– gewährt. Als Sicherheit dienten mehrere Schuldbriefe, darunter ein Inhaberschuldbrief über Fr. 300 000.–, lastend im 3. Rang auf der Liegenschaft Claragraben 6 in Basel, bei einem Vorgang von Fr. 1 950 000.–. Diese Liegenschaft haftete – im Vor- und Nachgang zum Schuldbrief der Bank – auch für einen Kredit einer Ersparniskasse über Fr. 2 750 000.–. Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt nahmen die beiden Institute wegen dieses Engagements miteinander Kontakt auf. In einem Schreiben der Ersparniskasse an die Bank vom 19. Juli 1991 wurde sodann unter Bezugnahme «auf die kürzlichen Besprechungen mit Ihren Herren Y.________ und X.________» Folgendes festgehalten: «Vereinbarungsgemäss übernehmen Sie von dieser Konsortial-Hypothek in der Höhe von Fr. 2 750 000.– einen hälftigen Anteil von Fr. 1 375 000.–». Die Ersparniskasse ersuchte die Bank um Aushändigung des Schuldbriefs über Fr. 300 000.– und hielt fest: «Sobald alle Akten in unserem Besitz sind, werden wir bei Ihnen den Betrag von ca. Fr. 1 075 000.– (Differenz zwischen Fr. 1 375 000.– und Fr. 300 000.–) abrufen». Die Kreditabteilung der Bank erstellte am 5. August 1991 den entsprechenden Gesuchsbogen zuhanden des Verwaltungsratsausschusses. Darin wurde der Verkehrswert der Liegenschaft Claragraben 6 in Basel unter Berufung auf die Angaben der Ersparniskasse auf Fr. 2 350 000.– beziffert und gestützt auf Mieteinnahmen von Fr. 150 000.– bei einem Kapitalisierungsfaktor von 6 % .
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ein Ertragswert von Fr. 2 500 000.– errechnet. Als Sicherheit dienten Schuldbriefe über insgesamt Fr. 2 750 000.– im 1. bis 5. Rang, darunter auch der erwähnte Schuldbrief im 3. Rang über Fr. 300 000.–, der bis dahin als Sicherheit für den Betriebskredit gedient hatte. Von der Kreditsumme von Fr. 1 350 000.–, welche die Bank von der Ersparniskasse übernahm, wurde der Betrag von Fr. 1 075 000.– als «neues Geld» ausgewiesen, wobei der Zinssatz 6% betrug. Der Verwaltungsratsausschuss der Bank bewilligte die Hypothek Nr. 41284. 73 am 6. August 1991. Der Konsortialvertrag mit der Ersparniskasse wurde am 7. August 1991 unterzeichnet. Am 9. August 1991 bestätigte die Bank der Ersparniskasse die Bereitstellung von Fr. 1 075 000.–. Am 12. September 1991 überwies sie diesen Betrag an die Ersparniskasse; gleichzeitig wurde der Betrag von Fr. 300 000.– dem Betriebskredit Nr. 41283. 54 gutgeschrieben und damit der Betrag von total Fr. 1 375 000.– dem Hypothekarkonto Nr. 41283. 73 belastet. b) aa) Die Vorinstanz hält in ihren allgemeinen Erwägungen zur Frage der Geschäftsführer-Eigenschaft fest, der Beschwerdeführer habe (wie der Mitbeschuldigte Y.________) bei der Vorbereitung der inkriminierten Kreditvorlagen über einen grossen Handlungsspielraum verfügt und den Entscheid des an sich hiefür zuständigen Verwaltungsratsausschusses faktisch präjudiziert, und zwar als Direktor und oberster Kreditverantwortlicher durch die Visierung und Vertretung des Kreditgesuchs vor dem Verwaltungsratsausschuss. Der Verwaltungsratsausschuss habe auf die ihm vorgelegten Anträge abgestellt, zumal er kaum je Anlass gesehen und Zeit gefunden habe, sich mit einer Kreditvorlage näher zu befassen. Der Beschwerdeführer habe hier autonom und mitunter sogar selbstherrlich agiert (angefochtenes Urteil S. 23). Zwar habe die Kreditkompetenz bei den hier eingeklagten grösseren Krediten beim Verwaltungsratsausschuss gelegen. Federführend für die entsprechenden Vorarbeiten sei aber jeweils die Geschäftsleitung gewesen, welche auch das hiezu erforderliche Fachwissen besessen habe. Auf die Anträge der Geschäftsleitung habe der Verwaltungsratsausschuss weitgehend abgestellt, was im Ergebnis auf eine wesentliche materielle Mitbestimmung der Geschäftsleitung auch in jenen .
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Fragen hinausgelaufen sei, bei denen der Entscheid letztlich beim Verwaltungsratsausschuss gelegen habe (angefochtenes Urteil S. 36). Die Vorinstanz führt sodann aus, dass der Beschwerdeführer auch in Bezug auf das vom Verwaltungsratsausschuss an der Sitzung vom 6. August 1991 beschlossene Kreditgeschäft als Geschäftsführer zu qualifizieren sei. Zwar habe er an der Sitzung vom 6. August 1991 nicht teilgenommen, doch sei er an mindestens einer Besprechung mit den Vertretern der Ersparniskasse anwesend gewesen, wie aus deren Schreiben vom 19. Juli 1991 hervorgehe. Der Beschwerdeführer habe dies im Prinzip zugegeben, allerdings stets eingewandt, er habe mit dem Geschäft nichts zu tun gehabt und lediglich die Leute von der Ersparniskasse kennen lernen wollen; er habe die Sitzung kurz nach der Begrüssung wieder verlassen. Dieser Darstellung des Beschwerdeführers könne jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr sei erstellt, dass zwar Y.________ die Vorbereitung des Konsortialvertrags geleitet, dass aber der Beschwerdeführer um den Inhalt dieses Geschäfts gewusst habe (angefochtenes Urteil S. 178 ff.). Wohl sei der Mitbeschuldigte Y.________ der Kundenbetreuer von C.________ gewesen. Dies ändere aber nichts daran, dass der Beschwerdeführer im Bereich des Kreditwesens der oberste Verantwortliche gewesen sei. Zwar habe er sich in dieser Eigenschaft nicht mit jedem einzelnen anstehenden Kreditgeschäft befasst; er sei aber bezeichnenderweise gerade in einem so aussergewöhnlichen Fall wie dem vorliegenden durch Y.________ beigezogen worden. Vor diesem Hintergrund müsse angenommen werden, dass sich Y.________ wohl kaum über eine abweichende Auffassung des Beschwerdeführers hinweggesetzt hätte. Dem Beschwerdeführer komme daher auch in diesem Fall die Stellung eines Geschäftsführers zu (angefochtenes Urteil S. 179 f.). .
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bb) Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe betreffend das Geschäft Claragraben keine materiellen Kenntnisse gehabt. Er weist auf seine staatsrechtliche Beschwerde hin, in welcher er die gegenteilige Annahme der Vorinstanz als willkürlich kritisiert. Unabhängig davon sei er nicht als Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 aStGB zu qualifizieren. Zur massgeblichen Zeit sei D.________ Chef der Kreditabteilung gewesen, und Y.________ habe den Kunden C.________ betreut. Der
Verwaltungsratsausschuss der Bank habe am 7. Mai 1991 ein Ausstiegsszenario betreffend den Kunden C.________ verabschiedet und damit auf strategischer Ebene die Leitplanken für die künftige Geschäftsbeziehung zu diesem Kunden gesetzt. Auf operativer Ebene habe Y.________ als Kundenbetreuer das Ausstiegsszenario umsetzen müssen. Der Beschwerdeführer, der das fragliche Geschäft an der Sitzung des Verwaltungsratsausschusses vom 6. August 1991 auch nicht vertreten habe, sei nicht als Geschäftsführer zu betrachten, da er weder Betreuer des Kunden C.________ noch Chef der Kreditabteilung gewesen sei. c) Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 aStGB ist, wer in tatsächlich oder formell selbständiger und verantwortlicher Stellung im Interesse eines andern für einen nicht unerheblichen Vermögenskomplex zu sorgen hat (siehe BGE 123 IV 17 E. 3b S. 21; 120 IV 190 E. 2b S. 192; 118 IV 244 E. 2a S. 246; 109 Ib 47 E. 5a S. 53; 105 Ib 418 E. 5b S. 427; 105 IV 106 E. 2 S. 109 f.; 102 IV 90 E. 1 S. 92 f.; 95 IV 65). Geschäftsführer ist nicht nur, wer Rechtsgeschäfte nach aussen abzuschliessen hat, sondern auch, wer entsprechend seiner Fürsorgepflicht im Innenverhältnis für fremde Vermögensinteressen sorgen soll, insbesondere wer darüber in leitender Stellung verfügt (BGE 97 IV 10 E. 2 S. 13; 81 IV 276 E. 2a S. 278 f.). .
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aa) Das fragliche Kreditgeschäft wurde vom hiefür zuständigen Verwaltungsratsausschuss beschlossen. Es wurde von verschiedenen andern Mitarbeitern der Bank bis zur Entscheidungsreife vorbereitet, insbesondere vom Betreuer des Kunden C.________, dem Mitbeschuldigten Y.________, der auf Seiten der Bank die Gespräche mit der Ersparniskasse leitete. Die Rolle des Beschwerdeführers ist nicht restlos klar. Er war gemäss den Ausführungen der Vorinstanz Direktor, Mitglied der Geschäftsleitung und der «oberste Kreditverantwortliche» der Bank (angefochtenes Urteil S. 180). Nach seiner eigenen Darstellung war aber im Zeitpunkt des fraglichen Geschäfts nicht mehr er, sondern D.________ «Chef der Kreditabteilung» (Nichtigkeitsbeschwerde S. 5). Unstreitig nahm er an der Sitzung vom 6. August 1991, an welcher der Verwaltungsratsausschuss das Kreditgeschäft beschloss, nicht teil. Er war aber nach den Feststellungen der Vorinstanz an mindestens einer Besprechung zwischen dem Mitbeschuldigten Y.________ .
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und den Vertretern der Ersparniskasse anwesend und über das Geschäft zumindest in den Grundzügen informiert. bb) Die an der Vorbereitung der Konsortialhypothek Claragraben beteiligten Mitarbeiter der Bank waren hinsichtlich dieses Geschäfts keine Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 aStGB, da ihnen insoweit die hiefür erforderliche Kompetenz zur hinreichend selbständigen vermögenswirksamen Entscheidung fehlte. Wohl hatte der Beschwerdeführer als Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung seine Aufgaben mit aller Sorgfalt zu erfüllen und die Interessen der Geschäftsherrin in guten Treuen zu wahren (vgl. Art. 717 OR). In Anbetracht seiner Stellung in der Bank war er in den Bereichen, in denen er mit hinreichender Selbständigkeit vermögenswirksame Entscheidungen treffen konnte, auch Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 aStGB. Aus der hohen Stellung des Beschwerdeführers darf indessen nicht der Schluss gezogen werden, dass er in Bezug auf alle seine Tätigkeiten bei der Bank Geschäftsführer im strafrechtlichen Sinne gewesen sei. Insbesondere kann auch nicht gesagt werden, dass er in Bezug auf die vom Verwaltungsratsausschuss beschlossenen Kredite insoweit faktischer Geschäftsführer gewesen sei und die Mitglieder des Verwaltungsratsausschusses gleichsam nur als Strohmänner fungiert hätten (siehe dazu BGE 97 IV 10 E. 2 S. 14 unten, mit Hinweisen). Dass die Mitglieder des Verwaltungsratsausschusses den Empfehlungen und Anträgen von Mitgliedern der Geschäftsleitung offenbar fast immer folgten, weil sie keinen Anlass und nicht genügend Zeit für eine eingehende Prüfung hatten und allenfalls auch über weniger Wissen verfügten, macht den Beschwerdeführer nicht eo ipso zum Geschäftsführer (vgl. BGE 95 IV 65 f.). Unerheblich ist auch, dass der Beschwerdeführer nach Meinung der Vorinstanz als der «oberste Kreditverantwortliche» der Bank hätte einschreiten und das fragliche Geschäft hätte verhindern müssen (siehe angefochtenes Urteil S. 180). Denn die Vorbereitung des Kreditgeschäfts, an welcher der Beschwerdeführer allenfalls (auch) durch pflichtwidrige Unterlassung mitwirkte, ist als solche keine Geschäftsführung im strafrechtlichen Sinne von Art. 159 aStGB. Mit dem zuletzt genannten Argument scheint die Vorinstanz zudem ausser Acht zu lassen, dass ab .
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Oktober 1990 D.________ als Mitglied der Geschäftsleitung und stellvertretender Direktor den Kreditsektor übernommen hatte (siehe erstinstanzliches Urteil S. 79), d.h. für den kommerziellen Bereich und das gesamte Kreditwesen zuständig war (erstinstanzliches Urteil S. 58). Gerade in Bezug auf die Konsortialhypothek Claragraben kann nicht gesagt werden, dass sie vom Verwaltungsratsausschuss gleichsam allein im Vertrauen in die Lagebeurteilung durch den Beschwerdeführer und den Mitbeschuldigten Y.________ beschlossen worden sei. Wesentliche Tatsachen und die sich u.a. daraus zwingend ergebende Folge, in welcher die Vorinstanz einen Schaden im Sinne von Art. 159 aStGB erblickt (siehe dazu angefochtenes Urteil S. 157 ff., 162), waren den Mitgliedern des Verwaltungsratsausschusses auf Grund der Angaben in dem von der Kreditabteilung erstellten Gesuchsbogen bekannt. Darin wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Belehnungsgrenze 117% betrage. Den Mitgliedern des Verwaltungsratsausschusses war zudem ab April 1991 auch bekannt, dass der Schuldner C.________ nicht mehr liquid und es nur eine Frage der Zeit war, bis Konkurs oder Nachlassstundung eingegeben werden würde (erstinstanzliches Urteil S. 382 Mitte). Das Geschäft vom 6. August 1991 erfolgte sodann in einem andern Umfeld als die vorangegangenen, relativ lange Zeit zurückliegenden Geschäfte in Sachen C.________. Es wurde im Rahmen eines vom Verwaltungsratsausschuss kurze Zeit zuvor beschlossenen Ausstiegsszenarios getätigt, auf welches im Gesuchsbogen ausdrücklich hingewiesen wurde, und es handelte sich dabei nicht quasi um ein Routinegeschäft in Sachen C.________. Der Beschwerdeführer hat somit in Bezug auf das Geschäft vom 6. August 1991 (Konsortialhypothek Claragraben) den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung (Art. 159 aStGB) nicht erfüllt, da er insoweit nicht Geschäftsführer war. .
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d) Ob der Beschwerdeführer sich durch seine Mitwirkung an diesem Geschäft allenfalls der Teilnahme (Gehilfenschaft oder Anstiftung) am Sonderdelikt der ungetreuen Geschäftsführung schuldig gemacht habe, ist hier schon deshalb nicht zu prüfen, weil die Mitglieder des Verwaltungsratsausschusses, welche das Geschäft beschlossen, ihrerseits .
insoweit nicht wegen ungetreuer Geschäftsführung angeklagt und verurteilt worden sind, sondern allein wegen (teils vorsätzlicher, teils fahrlässiger) Widerhandlung gegen das Bankengesetz im Sinne von Art. 46 Abs. 1 lit. c BankG durch Gewährung eines Kredits ausserhalb des in den Statuten umschriebenen geografischen Geschäftskreises. .
e) Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist somit in diesem Punkt gutzuheissen. 3.a) Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer auch im Punkt Ziff. 2.1.14 lit. i der Schlussverfügung betreffend das Geschäftskonto Nr. 31160. 50 des Kunden E.________ der ungetreuen Geschäftsführung im Sinne vom Art. 159 aStGB schuldig gesprochen (angefochtenes Urteil S. 172 ff.). Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, er habe in der Zeit vom 22. April bis zum 26. Juni 1991 siebenmal Vergütungsaufträge über insgesamt Fr. 902 694. 25 visiert, obschon der Schuldsaldo auf dem fraglichen Konto mehr als Fr. 1,3 Mio. betragen und somit den Wert der beiden haftenden Inhaberschuldbriefe von insgesamt Fr. 1,3 Mio. überstiegen habe. .
b) Der Kassationshof hat die Verurteilung des Beschwerdeführers in diesem Punkt in teilweiser Gutheissung der konnexen staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Anklagegrundsatzes aufgehoben. Damit ist insoweit die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher in diesem Schuldpunkt der Vorsatz bestritten wird, gegenstandslos geworden. 4. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer im Punkt Ziff. 2.3 der Schlussverfügung wegen Gehilfenschaft zu betrügerischem Konkurs im Sinne von Art. 163 Ziff. 1 aStGB i.V.m. Art. 25 StGB schuldig gesprochen (angefochtenes Urteil S. 195 – 208). .
a) Dem Schuldspruch liegt kurz zusammengefasst im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde: A.________ kaufte von der Z.________ zum Preis von Fr. 23 Mio. deren Fabrikliegenschaft, die als Pfand u.a. für eine Kreditforderung der Bank über Fr. 16 Mio. haftete. Der Betrag von Fr. 23 Mio. wurde in Teilbeträgen von Fr. 19 Mio. (per 30. Juni 1991) und von Fr. 4 Mio. .
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(per 15. Juli 1991) auf ein Konto der Z.________ überwiesen. Der Betrag von Fr. 4 Mio. wurde sodann per 15. Juli 1991 von der Z.________ an B.________, den Präsidenten des Verwaltungsrats der Z.________, überwiesen, der nach seiner Behauptung über eine Darlehensforderung gegen die Z.________ in diesem Umfang verfügte. B.________ seinerseits überwies den Betrag von Fr. 4 Mio. per 15. Juli 1991 an A.________, den Käufer des Grundstücks, dem er nach seiner von A.________ bestätigten Darstellung den Betrag von Fr. 6,5 Mio. schuldete. b) Nach der Auffassung der Vorinstanz erfüllte (der im Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Entscheids bereits verstorbene) B.________ durch sein Verhalten den Tatbestand des betrügerischen Konkurses im Sinne von Art. 163 Ziff. 1 aStGB, indem er das Vermögen der Z.________ im Wissen um deren missliche finanzielle Lage um den Betrag von Fr. 4 Mio. zum Nachteil der Gläubiger verminderte, und ist auch die objektive Strafbarkeitsbedingung der Konkurseröffnung erfüllt, da am 31. März 1992 über die Z.________ der Konkurs eröffnet wurde. Der Beschwerdeführer spielte nach den weiteren Ausführungen der Vorinstanz bei der Abwicklung dieses Geschäfts eine wesentliche Rolle. Er habe die Aufträge entgegengenommen, bankintern alles in die Wege geleitet und bei der Unterzeichnung Regie geführt. Dabei sei ihm die angespannte finanzielle Lage der Z.________ bekannt gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich durch sein die Haupttat des B.________ förderndes Verhalten der Gehilfenschaft zu betrügerischem Konkurs schuldig gemacht, wobei das alte Recht (Art. 163 aStGB) zur Anwendung gelange, weil das neue Recht (Art. 163 StGB) nicht milder sei. Da dem Beschwerdeführer selbst die Schuldnereigenschaft abgehe, finde auf ihn die für den Dritten geltende Strafandrohung gemäss Art. 163 Ziff. 2 aStGB Anwendung, sodass die Verjährungsfrist relativ fünf und absolut siebeneinhalb Jahre betrage. Die Verjährung habe am 28. Juni 1991 zu laufen begonnen, da an diesem Tag die verschiedenen Vergütungsaufträge, welche der Beschwerdeführer vorbereitet habe, von den Beteiligten unterzeichnet worden seien (s. zum Ganzen angefochtenes Urteil S. 195 – 208). .
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c)
Was der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung in diesem Punkt
vorbringt, geht zum einen an der Sache vorbei und ist zum anderen unbegründet. aa) Es ist rechtlich unerheblich, dass alle Beteiligten des Kaufgeschäfts von Anbeginn Kenntnis davon hatten, dass der Teilbetrag von Fr. 4 Mio. nicht bei der Verkäuferin Z.________ verbleiben, sondern schlussendlich an den Käufer A.________ ausbezahlt werden sollte, und dass nach dem übereinstimmenden Willen aller Beteiligten lediglich der Betrag von Fr. 19 Mio. für die Z.________ bestimmt war. Massgebend ist nach den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Urteil (S. 204) allein, dass tatsächlich ein Kaufpreis von Fr. 23 Mio. vereinbart wurde und dass die Z.________ somit über eine Forderung in dieser Höhe verfügte. Diese Forderung gehörte in ihrem vollen Umfang zum Vermögen der Z.________. Der Einwand des Beschwerdeführers, der Teilbetrag von Fr. 4 Mio. habe nie zum Vermögen der Z.________ gehört und daher dieser auch nicht entzogen werden können, ist unbegründet. .
bb) Rechtlich unerheblich ist auch, dass der Beschwerdeführer sich nach seiner Darstellung allein zwecks Rettung einer gefährdeten Kreditposition der Bank für einen Verkauf des Grundstücks an A.________ eingesetzt habe, in dessen Person anstelle der finanzschwachen bisherigen Schuldnerin ein finanziell starker neuer Schuldner habe gewonnen werden können, dass A.________ nur unter den vereinbarten Bedingungen überhaupt zum Kauf des Grundstücks bereit gewesen sei und dass der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des Kaufpreises keinen Einfluss gehabt habe. Die Beweggründe sind unerheblich (s. BGE 78 IV 33 ff., 38 Mitte; Stratenwerth, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil I, 5. Aufl. 1995, § 23 N 9, mit Hinweisen). Sie ändern nichts daran, dass der finanziell angeschlagenen Z.________ ein Vermögenswert zum Nachteil der Gläubiger entzogen wurde, wozu der Beschwerdeführer mit Wissen und Willen einen wesentlichen Beitrag leistete. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt abzuweisen. .
5.
Zusammenfassend ergibt sich somit Folgendes:
a) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Bankengesetz im Sinne von Art. 46 Abs. 1 lit. c BankG und die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen ungetreuer Geschäftsführung gemäss Art. 159 aStGB im Punkt Ziff. 2.1.15 der Schlussverfügung (Konsortialhypothek Claragraben) verletzen Bundesrecht. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist insoweit gemäss Art. 277ter BStP gutzuheissen (s. vorne E. 1 und 2). .
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b) Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsführung gemäss Art. 159 aStGB im Punkt Ziff. 2.1.14 lit. i der Schlussverfügung (Geschäftskonto Nr. 31160. 50; Fr. 902 694. 25) richtet, ist sie zufolge Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde in diesem Punkt gegenstandslos geworden (s. vorne E. 3).
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c) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Gehilfenschaft zu betrügerischem Konkurs gemäss Art. 163 aStGB i.V.m. Art. 25 StGB verstösst nicht gegen Bundesrecht. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen (s. vorne E. 4). .
6. Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Gesuch ist, soweit nicht gegenstandslos geworden, abzuweisen, da die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Verurteilung wegen Gehilfenschaft zu betrügerischem Konkurs von vornherein aussichtslos war. Somit hat der Beschwerdeführer eine reduzierte Gerichtsgebühr von Fr. 400.– zu zahlen und ist ihm eine reduzierte Entschädigung von Fr. 1500.– aus der Bundesgerichtskasse auszurichten. Demnach erkennt das Bundesgericht: 1. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit nicht gegenstandslos geworden, teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 4. Dezember 1998 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird, soweit nicht gegenstandslos geworden, abgewiesen. 3.
Der Beschwerdeführer hat eine Gerichtsgebühr von Fr. 400.– zu zahlen.
4. Dem Beschwerdeführer wird eine Entschädigung von Fr. 1500.– aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 5. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (Strafkammer) des Kantons Solothurn sowie der Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt. .
Lausanne, 2. März 2000 Im Namen des Kassationshofes des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
BGer 1A.194/2002 Urteil vom 15. November 2002 I. Öffentlichrechtliche Abteilung Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, Bundesrichter Reeb, Féraud, Catenazzi, Fonjallaz, Gerichtsschreiber Forster. X.________ Inc., British Virgin Islands, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bernhard Vischer, Talacker 50, 8001 Zürich, gegen Bundesamt für Justiz, Zentralstelle USA, Bundesrain 20, 3003 Bern. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an die USA – B 128909, Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Bundesamts für Justiz, Zentralstelle USA, vom 26. August 2002. Sachverhalt: A. Die Strafjustiz der USA ermittelt gegen Verantwortliche der Stiftung Y.________ mit Hauptsitz im US-Bundesstaat Illinois. Es wird ihnen die Unterstützung des von Osama Bin Laden geleiteten terroristischen Netzwerkes Al Qaida bzw. Geldwäscherei zu Gunsten der Al Qaida vorgeworfen. Am 19. April 2002 stellte das U.S. Department of Justice bei den Schweizer Behörden ein Rechtshilfegesuch. Beantragt wurden darin Kontenerhebungen betreffend ein Konto bei der Bank Z.________ (Zürich) und allfällige weitere Konten der Fa.X.________ Inc. oder der Stiftung Y.________ bzw. deren Verantwortlichen A.________. Ausserdem wird um Durchsuchung allfälliger Bankschliessfächer der Genannten ersucht sowie um .
Einvernahme der zuständigen Bankangestellten. B. Mit Verfügung vom 30. April 2002 bewilligte das Bundesamt für Justiz, Zentralstelle USA (BJ), das Rechtshilfeersuchen vollumfänglich und beauftragte die Bundesanwaltschaft mit dem Vollzug der Untersuchungshandlungen. Gegen diese Verfügung erhob die Fa. X.________ Inc. Einsprache, welche das BJ mit Einspracheentscheid vom 26. August 2002 abwies, soweit es darauf eintrat. .
C. Gegen den Einspracheentscheid gelangte die Fa. X.________ Inc. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 25. September 2002 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das BJ beantragt mit Stellungnahme vom 11. Oktober 2002 die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin replizierte am 29. Oktober 2002. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Rechtshilfeverkehr zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika (im Rahmen der sogenannten «kleinen» Rechtshilfe) richtet sich nach dem Staatsvertrag zwischen den beiden Ländern über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vom 25. Mai 1973 (RVUS, SR 0.351.933.6, inklusive diplomatischer Notenaustausch zur Auslegung des RVUS). Soweit der Staatsvertrag keine abschliessenden Regelungen enthält, ist das schweizerische Landesrecht anwendbar, namentlich das Bundesgesetz zum RVUS vom 3. Oktober 1975 (BG-RVUS, SR 351.93) sowie das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG, SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV, SR 351.11; vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG). .
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1.1 Der angefochtene Entscheid erging im Einspracheverfahren nach Art. 16a BG-RVUS. Verfügungen der Zentralstelle USA unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nach Art. 97–114 OG (Art. 17 Abs. 1 BG-RVUS). .
1.2 Soweit die Beschwerdeführerin als Inhaberin des fraglichen Bankkontos von den Rechtshilfemassnahmen direkt betroffen ist, ist sie zur Beschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a OG; s. auch Art. 80h lit. b IRSG i.V. m. Art. 9a lit. a IRSV sowie Art. 16 Abs. 1 BG-RVUS). .
1.3 Zulässige Beschwerdegründe sind die Verletzung von Bundesrecht (inklusive Staatsvertragsrecht), einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unzulässige oder offensichtlich unrichtige Anwendung des amerikanischen Rechts (Art. 17 Abs. 3 BG-RVUS) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. b OG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 BG-RVUS; der Vorbehalt von Art. 105 Abs. 2 OG ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar). Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben (und die staatsrechtliche Beschwerde daher ausgeschlossen) ist, kann auch die Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte mitgerügt werden (vgl. BGE 122 II 373 E. 1b S. 375). .
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1.4 Da die Beschwerde im vorliegenden Fall von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 19a Abs. 2 BG-RVUS i.V.m Art. 111 Abs. 2 OG; s. auch Art. 80 l Abs. 1 IRSG), wird der betreffende Verfahrensantrag der Beschwerdeführerin hinfällig. .
2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens sei ungenügend. Es fehle darin gänzlich an Hinweisen zum sachlichen Konnex zwischen der Beschwerdeführerin und dem Gegenstand der Strafuntersuchung. Ausserdem werde der massgebliche Sachverhalt im angefochtenen Entscheid unvollständig bzw. unrichtig festgestellt. 2.1 Das Ersuchen soll – soweit wie möglich – eine Beschreibung der wesentlichen behaupteten oder festzustellenden Handlungen enthalten sowie den Hauptgrund für die Erforderlichkeit der gewünschten Beweise und Auskünfte nennen (Art. 29 Ziff. 1 lit. a– b RVUS). Von den Behörden des ersuchenden Staates kann nicht verlangt werden, dass sie den Sachverhalt, der Gegenstand des hängigen Strafverfahrens bildet, .
lückenlos und völlig widerspruchsfrei darstellen. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des Rechtshilfeverfahrens unvereinbar, ersucht doch ein Staat einen andern gerade deswegen um Unterstützung, damit er die bisher im Dunkeln gebliebenen Punkte klären kann. Es reicht daher unter dem Gesichtspunkt des hier massgebenden RVUS aus, wenn die Angaben im Rechtshilfeersuchen den schweizerischen Behörden ermöglichen zu prüfen, ob ausreichende Anhaltspunkte für eine rechtshilfefähige Straftat vorliegen, ob Verweigerungsgründe gegeben sind bzw. in welchem Umfang dem Begehren allenfalls entsprochen werden muss. Es kann auch nicht verlangt werden, dass die ersuchende Behörde die Tatvorwürfe bereits abschliessend mit Beweisen belegt. Der Rechtshilferichter hat weder Tat- noch Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen, sondern ist vielmehr an die Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen gebunden, soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet wird (vgl. BGE 125 II 250 E. 5b S.257; 122 II 134 E. 7b S.137, 367 E. 2c S.371, 422 E. 3c S.431; 120 Ib 251 E. 5c S.255; 118 Ib 111 E. 5b S.121 f.; 117 Ib 64 E. 5c S.88, je mit Hinweisen). .
2.2 Laut Ersuchen prüfen die US-Behörden die Aktivitäten der Stiftung Y.________ mit Hauptsitz in B.________ / Illinois. Die Stiftung Y.________, eine in den USA steuerprivilegierte angeblich gemeinnützige Stiftung, werde verdächtigt, Spenden aus verschiedenen Quellen, darunter einem schweizerischen Bankkonto, zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten der von Osama Bin Laden geleiteten Al Qaida zu verwenden bzw. Geldwäscherei zu betreiben. Im Ersuchen wird konkret folgender Sachverhalt dargestellt. .
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2.2.1 Die Stiftung werde vom (syrischstämmigen) US-Staatsangehörigen A.________ geleitet. Offiziell verfolge sie den Zweck, Hilfsaktionen zugunsten von Moslems in von Kriegen betroffenen Regionen zu unterstützen und zu finanzieren. Geholfen werde namentlich den Waisenkindern von muslimischen «Märtyrern» bzw. von Personen, welche im Kampf für die «islamische Sache» ihr Leben liessen. Die seit 8. Februar 1999 laufende Strafuntersuchung habe zutage gebracht, dass die Stiftung Y.________ bei der Unterstützung von Mujaheddin in Bosnien und an anderen Orten involviert gewesen sei. Laut ihrer offiziellen Website im Internet sei sie in .
Aserbeidschan, Bosnien, Tschetschenien, Dagestan und Tadschikistan präsent. Die Stiftung konzentriere sich auf die Unterstützung der Familien von getöteten oder verletzten Mujaheddin. Dementsprechend habe sie einen Fonds für in Bosnien getötete oder verletzte muslimische Kämpfer geäufnet. Das erklärte primäre Ziel der Stiftung in Tschetschenien sei die finanzielle Unterstützung der vielen Bürgerkriegswaisen, deren Väter bei der Verteidigung der Heimat gefallen seien. Ausserdem seien Fonds eröffnet worden, um für die Familien gefallener Mujaheddin Häuser zu errichten. Dies erinnere an ähnliche Anstrengungen der palästinensischen Terrororganisationen Hizbollah und Hamas, welche damit Terroristennachwuchs zu rekrutieren versuchten. Im Übrigen habe die Stiftung Y.________ den muslimischen Freiheitskämpfern in Bosnien bzw. der bosnischen Armee US$ 6 Mio. sowie logistische Unterstützung zukommen lassen, inklusive Waffen, Munition, weitere Güter sowie den Hin- und Rücktransport von muslimischen Kämpfern. 2.2.2 Schliesslich wird im Ersuchen erwähnt, dass die Spenden an die Stiftung Y.________ während der letzten zwei Jahre aus verschiedenen Quellen stammten, darunter von einem (den US-Behörden bekannten) engen Vertrauten Osma Bin Ladens. Geldtransfers über insgesamt US$ 1 414 406.– seien zwischen Juni 2000 und September 2001 ausserdem über das fragliche Zürcher Konto an die Stiftung Y.________ erfolgt. Es handle sich dabei um die grösste Einzelspendenquelle zugunsten der Stiftung im Jahre 2001. In einer der telegrafischen Banküberweisungen (vom 15. November 2000) werde die Beschwerdeführerin ausdrücklich als Auftraggeberin genannt. Die Stiftung Y.________ habe sodann im Jahre 2000 mehr als US$ 1 Mio. an ihre Zweigstellen in Moskau, Aserbeidschan, Pakistan, Armenien und Bosnien weitergeleitet. .
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2.3 Diese Sachverhaltsdarstellung entspricht den Anforderungen von Art. 29 Ziff. 1 lit. a– b RVUS. Es wird darin ausreichend dargelegt, worin der sachliche Konnex zwischen den beantragten Rechtshilfemassnahmen und dem Gegenstand der Strafuntersuchung besteht. Wie sich aus der nachfolgenden Erwägung 3 ergibt, ermöglicht die Sachverhaltsdarstellung auch eine Prüfung der Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit.
2.4 Die Beschwerdeführerin beanstandet sodann, das BJ habe den massgeblichen Sachverhalt unvollständig bzw. unrichtig festgestellt. Die tatsächlichen Annahmen des angefochtenen Entscheides fänden im Rechtshilfeersuchen keine Stütze. 2.4.1 Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, die Stiftung Y.________, welche vorgebe, eine karitative Organisation zu sein, werde verdächtigt, angebliche Spenden aus verschiedenen Quellen, darunter einem schweizerischen Bankkonto, zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten der Al Qaida zu verwenden. Nach Angaben der von A.________ geleiteten Stiftung Y.________ sammle diese öffentlich Geld, um in Kriegsgebieten Hilfsaktionen zugunsten von Moslems durchzuführen. Die finanzielle Hilfe diene jedoch in Wirklichkeit dazu, an der Basis Unterstützung für terroristische Aktivitäten zu schaffen und namentlich «junge Rekruten» anzuwerben. Die Unterstützung beschränke sich «auf die Familien der Mujaheddin, die im Kampf für den Islam gefallen sind». Ausserdem sei der Bau von Häusern für die Familien der muslimischen Kämpfer, die in Bosnien und anderen Ländern gefallen sind, finanziert worden. Die Stiftung Y.________ habe auch «die Mujaheddin und die bosnische Armee im Laufe des dortigen Krieges» mit Waffenlieferungen unterstützt. Den US-Behörden sei «aufgefallen», dass zwischen Juni 2000 und September 2001 mindestens 33 telegrafische Überweisungen an die Stiftung Y.________ im Gesamtumfang von über US$ 1,4 Mio. und in Teilbeträgen zwischen ungefähr US$ 35 000.– und 50 000.– aus einem Zürcher Bankkonto erfolgten. Zumindest eine der Überweisungen (diejenige vom 15. November 2000) sei im Auftrag der Beschwerdeführerin erfolgt. Die Stiftung Y.________ habe die überwiesenen Geldbeträge jeweils an ihre Büros in Bosnien, Armenien und anderen Ländern weitergeleitet. Die US-Behörden verdächtigten A.________ des Betruges mittels telegrafischer Medien («wire fraud»), der Geldwäscherei und der «Bereitstellung materieller Unterstützung für Terroristen». .
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2.4.2 Die
wesentlichen
tatsächlichen
Annahmen
des
angefochtenen
Entscheides widersprechen dem Ersuchen nicht. Daran vermögen auch die Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern, laut Ersuchen sei die Stiftung Y.________ karitativ tätig, ihre Unterstützung beschränke sich nicht auf die Unterstützung der Familien von Mujaheddin, und sie betreibe in den USA eine eigene Internet-Website. Ebenso wenig erscheint die Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Entscheides in den wesentlichen Punkten lückenhaft. Zwar macht die Beschwerdeführerin geltend, es bleibe darin unerwähnt, dass sich im Ersuchen «kein einziger Vorwurf oder konkreter Verdacht gegen die Beschwerdeführerin» richte. Aus diesem Umstand folgt jedoch kein Rechtshilfehindernis, zumal der RVUS die zulässige Rechtshilfe nicht auf Beweiserhebungen bei Tatverdächtigen beschränkt. 3. Die Beschwerdeführerin kritisiert die Ausführungen des angefochtenen Entscheides zur Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit als «sehr summarisch». Insbesondere würden die Tatbestände der Geldwäscherei und der kriminellen Organisation nicht nachgewiesen. Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und der Rote Halbmond unterstützten Notleidende, darunter namentlich Angehörige von muslimischen Bürgerkriegsopfern in Bosnien und Tschetschenien. Entsprechende Aktivitäten stellten nicht per se eine konkrete Unterstützung einer terroristischen Organisation oder Geldwäscherei dar. Alle muslimischen Bürgerkriegsopfer bzw. alle getöteten und verwundeten muslimischen Kämpfer pauschal in einen terroristischen Zusammenhang oder gar ins Umfeld der Al Qaida zu stellen, sei unzulässig. Im Übrigen richteten sich die deliktischen Vorwürfe nicht gegen die gutgläubige Beschwerdeführerin, sondern gegen die Stiftung Y.________. 3.1 Zwangsmassnahmen werden im ersuchten Staat rechtshilfeweise nur angewendet, wenn die Handlung, die das Ersuchen betrifft, die objektiven Merkmale eines Straftatbestandes erfüllt, auch nach dem Recht des ersuchten Staates (falls dort verübt) strafbar wäre und auf der Deliktsliste des RVUS aufgeführt ist (Art. 4 Ziff. 2 lit. a RVUS). Handelt es sich um einen Tatbestand, der nicht auf der Liste aufgeführt ist, so entscheidet die Zentralstelle des ersuchten Staates, ob die Bedeutung der Tat Zwangsmassnahmen rechtfertigt (Art. 4 Ziff. 3 RVUS). .
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3.2 Die USA und die Schweiz haben sich sodann verpflichtet, einander bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens Rechtshilfe nach Kapitel II RVUS zu leisten, mit allen Mitteln, die nach den übrigen Vorschriften des RVUS und anderen Rechtsvorschriften zulässig sind (Art. 6 Ziff. 1 RVUS). Kapitel II RVUS findet Anwendung auf Ermittlungs- und Gerichtsverfahren namentlich gegen Personen, die wissentlich an der rechtswidrigen Tätigkeit einer verbrecherischen Organisation im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 RVUS mitwirken, mit einer solchen Gruppe eng verbunden sind und sie regelmässig durch wichtige Dienste unterstützen (Art. 6 Ziff. 2 lit. a [2] RVUS). .
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3.3 Im angefochtenen Entscheid wird die Auffassung vertreten, die Vorwürfe gegen die Verantwortlichen der Stiftung Y.________ erfüllten nach schweizerischem Recht die Tatbestände des Betruges (Art. 146 StGB), der strafbaren Vorbereitungshandlungen (Art. 260bis StGB), der kriminellen Organisation (Art. 260ter StGB) und der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB). Die Anwendbarkeit von Art. 260bis StGB ergebe sich «aus dem mittlerweile notorischen Umstand, dass Osama Bin Laden bzw. der durch ihn geführten Organisation Al Qaida zur Last gelegt wird, den Anschlag vom 11. September 2001 gegen das World Trade Center geplant und durchgeführt zu haben». Der Tatbestand der Geldwäscherei sei erfüllt, weil die Stiftung Y.________ «von den Vereinigten Staaten aus die ihr überwiesenen Geldbeträge jeweils an ihre Büros in Bosnien, Armenien und in anderen Ländern weitergeleitet» habe. In Bezug auf den Straftatbestand von Art. 260ter StGB wird ausgeführt, die untersuchten Straftaten würden «von einer kriminellen Organisation ausgehen». Es seien aus dem fraglichen Konto «zahlreiche Transaktionen» zugunsten der Stiftung Y.________ erfolgt, und es habe sich dabei im Jahre 2001 um die «grösste Einzelquelle» zugunsten der Stiftung Y.________ gehandelt. Dies genüge, um die Gewährung der Rechtshilfe zu rechtfertigen, «da die ersuchende Behörde nicht Beweis darüber zu führen» habe, «ob Straftaten begangen wurden». Es genüge, wenn sich der ersuchte Staat vergewissern könne, «dass kein unbestimmtes Suchen nach Beweisen vorliegt». Der «Beweis einer Normverletzung» sei nicht erforderlich. .
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3.4 Den Verantwortlichen der Stiftung Y.________ wird die Unterstützung
des von Osama Bin Laden geleiteten und international operierenden terroristischen Netzwerkes Al Qaida bzw. Geldwäscherei vorgeworfen. Ein den US-Behörden bekannter naher Vertrauter Osama Bin Ladens habe Geld an die Stiftung Y.________ überwiesen, und die als Spenden an die Stiftung Y.________ getarnten Mittel seien für die Zwecke der Al Qaida verwendet worden. 3.5 Gemäss Art. 260ter Ziff. 1 StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheim hält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Ebenso macht sich strafbar, wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt. Art. 260ter Ziff. 1 StGB ist grundsätzlich auch auf terroristische Vereinigungen anwendbar (BGE 125 II 569 E. 5c S. 574; s. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers], BBl 1993 III 277 ff., 296; vgl. Gunther Arzt, in: Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. 1, Zürich 1998, Art. 260ter N. 17 f.; Marc Forster, Kollektive Kriminalität, Das Strafrecht vor der Herausforderung durch das organisierte Verbrechen, Bibliothek zur Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Beiheft 27, Basel 1998, S. 9; Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 4. Aufl., Bern 1995, § 40 N. 21). Nach der Praxis des Bundesgerichtes stellen insbesondere die italienischen «Brigate Rosse» und die baskische Untergrundorganisation «ETA» terroristische verbrecherische Organisationen im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB dar (vgl. BGE 125 II 569 E. 5c-d S. 574 f.; zur Publikation bestimmtes Urteil 1A.159/2002 vom 18. September 2002 i.S. Bortone, E. 2.2 –2.6; Urteil 1A.174/2002 vom 21. Oktober 2002, E. 3). .
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3.6 Die Tatbestandsvariante der Unterstützung verlangt einen bewussten Beitrag zur Förderung der verbrecherischen Aktivitäten der kriminellen Organisation. Im Gegensatz zur Gehilfenschaft zu spezifischen Straftaten (Art. 25 StGB) ist für die Unterstützung nach Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB
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der Nachweis von kausalen Tatbeiträgen im Hinblick auf ein konkretes Delikt nicht erforderlich (zur Publikation bestimmtes Bundesgerichtsurteil 1A.159/2002 vom 18. September 2002, E. 2.4; vgl. Forster, a.a.O., S. 11, 24; Stratenwerth, a.a.O., § 40 N. 26). So können namentlich das blosse Liefern von Waffen an eine terroristische oder mafiaähnliche Organisation, das Verwalten von Vermögenswerten oder andere logistische Hilfeleistungen von Aussenstehenden unter den Organisationstatbestand von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB fallen. Dementsprechend besteht zwischen der Beihilfe zu konkreten Straftaten und dem Organisationstatbestand auch grundsätzlich echte Konkurrenz (vgl. BBl 1993 III 304; Forster, a.a.O., S. 13). Der subjektive Tatbestand von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB verlangt jedoch, dass der Unterstützende weiss oder zumindest in Kauf nimmt, dass sein Beitrag der verbrecherischen Zweckverfolgung der kriminellen Organisation dienen könnte. Blosse Sympathisanten oder «Bewunderer» von terroristischen oder mafiaähnlichen Vereinigungen fallen demgegenüber nicht unter den Organisationstatbestand (vgl. BBl 1993 III 302; Arzt, a. a.O., Art. 260ter N. 163 f.; Forster, a.a.O., S. 11). .
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3.7 Bei Al Qaida handelt es sich um eine kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB. Es werden ihr weltweit zahlreiche terroristische Schwerverbrechen angelastet. Insbesondere werfen ihr die US-Behörden die Urheberschaft an den mörderischen Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York City und auf das Pentagon-Gebäude (Washington, D.C.) vor, denen tausende von Menschen zum Opfer fielen. Den Verantwortlichen der Stiftung Y.________ wird im Ersuchen vorgeworfen, sie hätten Al Qaida finanziell bzw. logistisch unterstützt. Ein enger Vertrauter Osama Bin Ladens habe der Stiftung Y.________ Geld zukommen lassen, welches im Interesse der Al Qaida bzw. zur Unterstützung ihrer terroristischen Aktivitäten verwendet worden sei. Eine solche Unterstützung fällt grundsätzlich unter den Tatbestand von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB (vgl. zur Publikation bestimmtes Bundesgerichtsurteil 1A.159/2002 vom 18. September 2002, E. 2.4 – 2.6). .
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3.8 Ausserdem wird den Verantwortlichen der Stiftung Y.________ sinngemäss vorgeworfen, sie hätten Geldwäscherei betrieben, indem sie
Gelder der Al Qaida als angebliche Spendengelder an ihre Zweigstellen in Moskau, Aserbeidschan, Pakistan, Armenien und Bosnien überweisen liessen. Wegen Geldwäscherei wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen herrühren (Art. 305bis Ziff. 1 StGB). Wie dargelegt, handelt es sich bei der Al Qaida um eine terroristische kriminelle Organisation, und den Verantwortlichen der Stiftung Y.________ wird vorgeworfen, sie hätten die Al Qaida unterstützt. Der Richter verfügt die Einziehung aller Vermögenswerte, welche der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen (Art. 59 Ziff. 3 Satz 1 StGB). Es braucht nicht nachgewiesen zu werden, dass die Vermögenswerte der Organisation durch konkrete Straftaten erlangt wurden. Auch bei so genannten «Strohmännern», Tarnfirmen und sogar bei gutgläubigen Dritten ist ein «Durchgriff» auf das Vermögen mafiöser oder terroristischer Vereinigungen möglich (vgl. BBl 1993 III 318; Forster, a.a.O., S. 38 f.; Niklaus Schmid, in: Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. 1, Zürich 1998, Art. 59 N. 132 ff.; s. auch BGE 122 IV 91 E. 4 S. 96). Bei Vermögenswerten einer Person, die sich an einer kriminellen Organisation beteiligt oder sie unterstützt, wird die Verfügungsmacht der Organisation bis zum Beweis des Gegenteils vermutet (Art. 59 Ziff. 3 Satz 2 StGB). Von dieser Herkunftsvermutung ist auch das Vermögen von juristischen Personen betroffen, die von den Unterstützern einer kriminellen Organisation faktisch beherrscht werden (vgl. BBl 1993 III S. 320; Forster, a.a.O., S. 38). Das Einschleusen von Vermögenswerten einer terroristischen Organisation in den Geldkreislauf einer (angeblichen) wohltätigen Stiftung fällt daher grundsätzlich unter den Tatbestand von Art. 305bis Ziff. 1 StGB (vgl. auch Jürg-Beat Ackermann, in: Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. 1, Zürich 1998, Art. 305bis N. 301 ff.; s. ferner BGE 128 IV 117 E. 7a S. 131 f.; 127 IV 20 E. 3a S. 26; 124 IV 274 E. 2 S. 276; 122 IV 211 E. 2c S. 216, je mit Hinweisen). .
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3.9 Dass die deliktischen Vorwürfe nicht gegen die Beschwerdeführerin
selbst gerichtet sind, sondern gegen die Verantwortlichen der Stiftung Y.________, lässt die beidseitige Strafbarkeit nicht dahinfallen. Der RVUS beschränkt die Zulässigkeit von Rechtshilfemassnahmen nicht auf angeschuldigte Personen. Ebenso wenig verlangt der Rechtshilfevertrag, dass die Straftatbestände der USA und der Schweiz identisch sein müssten (vgl. Art. 4 Ziff. 4 RVUS). Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob der inkriminierte Sachverhalt auch noch unter weitere Straftatbestände fallen könnte. .
3.10 Wie aus dem Ersuchen hervorgeht, sind die untersuchten Vorwürfe auch nach dem Recht der USA strafbar (insbesondere als «Providing material support to terrorists», 18 U.S.C. § 2339A, sowie als «Laundering of monetary instruments», 18 U.S.C. § 1956 [a] [1]). Damit ist die Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt. .
4. Die Beschwerdeführerin macht sodann geltend, die angeordnete Rechtshilfe sei unverhältnismässig. Es bestehe kein sachlicher Zusammenhang zwischen ihr und dem Gegenstand der Strafuntersuchung. Ausserdem könnten die angeordneten Rechtshilfemassnahmen zur Aufklärung nichts beitragen. 4.1 Die ersuchende Behörde hat den Gegenstand und den Grund ihres Gesuches zu spezifizieren. Eine im ersuchenden Staat strafbare Handlung im Sinne des RVUS liegt vor, wenn in diesem Staat begründeter Verdacht besteht, dass Handlungen verübt worden sind, die einen Straftatbestand erfüllen (Art. 1 Ziff. 2 RVUS). Das Ersuchen soll eine Beschreibung der wesentlichen behaupteten oder festzustellenden Handlungen enthalten sowie den Hauptgrund für die Erforderlichkeit der gewünschten Beweise und Auskünfte nennen (Art. 29 Ziff. 1 lit. a– b RVUS). Daraus leitet die Praxis ein Verbot der Beweisausforschung ab. Dieses richtet sich gegen Beweisaufnahmen «auf’s Geratewohl». Es dürfen keine strafprozessualen Untersuchungshandlungen zur Auffindung von Belastungsmaterial zwecks nachträglicher Begründung eines Tatverdachtes (oder zur Verfolgung nicht rechtshilfefähiger Fiskaldelikte) durchgeführt werden (vgl. Art. 2 Ziff. 1 lit. c [5] RVUS). Eine hinreichend präzise .
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Umschreibung der Verdachtsgründe soll möglichen Missbräuchen vorbeugen. Bei Ersuchen um Kontenerhebungen sind nach der Praxis des Bundesgerichtes grundsätzlich alle Aktenstücke zu übermitteln, welche sich auf den im Ersuchen dargelegten Verdacht beziehen können. Mithin muss ein ausreichender sachlicher Konnex zwischen dem untersuchten Sachverhalt und den fraglichen Dokumenten erstellt sein (BGE 122 II 367 E. 2c S. 371; 112 Ib 462 E. 2b S. 463 f., je mit Hinweisen; vgl. Peter Popp, Grundzüge der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, Basel 2001, N. 400 ff., 407). .
4.2 Laut Ersuchen seien die Spenden an die Stiftung Y.________ während der letzten zwei Jahre aus verschiedenen Quellen geflossen. Dazu gehöre namentlich ein (den US-Behörden bekannter) enger Vertrauter Osma Bin Ladens. Geldtransfers über insgesamt US$ 1 414 406.– seien zwischen Juni 2000 und September 2001 auch über das fragliche Zürcher Konto der Beschwerdeführerin an die Stiftung Y.________ erfolgt. Es handle sich dabei um die grösste Einzelspendenquelle zugunsten der Stiftung im Jahre 2001. In einer der telegrafischen Banküberweisungen (vom 15. November 2000) werde die Beschwerdeführerin ausdrücklich als Auftraggeberin genannt; die übrigen Überweisungen aus dem Konto der Beschwerdeführerin seien anonym erfolgt. Die Stiftung Y.________ habe im Jahre 2000 sodann mehr als US$ 1 Mio. an ihre Zweigstellen in Moskau, Aserbeidschan, Pakistan, Armenien und Bosnien weitergeleitet. Damit besteht eine ausreichende sachliche Konnexität zwischen den Rechtshilfemassnahmen und dem Gegenstand der Strafuntersuchung. Die erhobenen Konteninformationen können für die ersuchende Behörde von sachdienlichem Interesse sein. Die Beschwerdeführerin selbst wird damit in keiner Weise einer strafbaren Handlung bezichtigt. .
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5. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, es bestehe ein erhebliches Interesse an der Wahrung des Bankgeheimnisses. Die Rechtshilfe kann verweigert werden, wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, dass die Erledigung des Ersuchens geeignet wäre, die Souveränität, Sicherheit oder ähnliche wesentliche Interessen seines Landes zu beeinträchtigen (Art. 3 Ziff. 1 lit. a RVUS). Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) entscheidet, ob die Ausführung des Ersuchens .
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geeignet wäre, die Souveränität, Sicherheit oder ähnliche wesentliche Interessen der Schweiz zu beeinträchtigen (Art. 4 i.V. m. Art. 1 Ziff. 2 BGRVUS). Gegen den Entscheid des EJPD ist die Beschwerde an den Bundesrat gegeben (Art. 18 Abs. 1 BG-RVUS). Eine von der Beschwerdeführerin separat erhobene Verwaltungsbeschwerde (im Sinne von Art. 4 i. V.m. Art. 18 BG-RVUS) wurde vom Bundesgericht mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 zuständigkeitshalber an das EJPD weitergeleitet. Ein vom Bundesgericht festzustellendes Rechtshilfehindernis ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. Durch die streitigen Rechtshilfemassnahmen wird das gesetzlich geschützte Bankkundengeheimnis (Art. 47 BankG, SR 952.0) nicht in der Weise verwässert, dass wesentliche Interessen der Schweiz tangiert erschienen (vgl. BGE 115 Ib 68 E. 4b S. 83 mit Hinweisen; s. auch Briefwechsel zwischen der Schweiz und den USA vom 25. Mai 1973 zur Auslegung des RVUS). Was die Beschwerdeführerin darüber hinaus noch vorbringt, lässt ebenfalls kein Rechtshilfehindernis erkennen. Da der vorliegende Entscheid über die materiellen Rechtshilfevoraussetzungen nicht vom Ausgang der beim EJPD hängigen Verwaltungsbeschwerde abhängt, ist dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Sistierung des vorliegenden Verfahrens nicht stattzugeben. .
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6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet abzuweisen ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). .
Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 5000.– wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 3. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Bundesamt für Justiz, Zentralstelle USA, sowie dem Eidgenössischen Justizund
Polizeidepartement, Generalsekretariat, schriftlich mitgeteilt. Lausanne, 15. November 2002 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
BGer 6S.109/2003 Arrêt du 6 juin 2003 Cour de cassation pénale Composition MM. et Mme les Juges Schneider, Président, Kolly et Pont Veuthey, Juge suppléante. Greffière: Mme Bendani. Parties X.________, recourant, représenté par Me François Membrez, avocat, rue Bellot 9, 1206 Genève, contre Procureur général du canton de Genève, place du Bourg-de-Four 1, case postale 3565, 1211 Genève 3. Objet brigandage; fixation de la peine, pourvoi en nullité contre l’arrêt de la Cour de justice du canton de Genève, Chambre pénale, du 24 février 2003. Faits: A. X.________ est né le 15 mai 1981, à Saint-Julien-en-Genevois (France). Il vit chez son père, à Cessy, en France. Au bénéfice d’un baccalauréat, il n’a pas de formation professionnelle. Il travaille dans l’entreprise paternelle comme mécanicien sur machines agricoles. Il n’a pas d’antécédent judiciaire. .
B. Le 18 juillet 2002, X.________ s’est rendu à Ferney Voltaire (France) pour y rencontrer son ami Y.________. Discutant de leur situation financière précaire, ils ont décidé d’agresser une passante. Ils ont donc quitté l’appartement vers 21 h 30 pour aller en Suisse au moyen d’une VW Golf appartenant à une connaissance. Arrivés au centre commercial de Meyrin, ils ont garé leur véhicule sur le parking situé en face d’un arrêt de bus et y sont demeurés environ une heure afin de repérer les lieux et trouver une victime. Après avoir remarqué une passante, A.________, cheminer seule sur un trottoir non éclairé, ils ont décidé de passer à l’acte. X.________ est alors sorti de la voiture, tandis que son comparse a avancé le véhicule le long du trottoir pour l’attendre un peu plus loin. Après avoir dépassé sa victime, il a attendu qu’elle arrivât à sa hauteur, puis lui a arraché son sac à main, en tirant d’un coup sec sur la lanière. Il a ensuite couru vers la voiture et les deux comparses ont alors quitté les lieux pour retourner en France. Arrivés à Ferney Voltaire, ils ont jeté le sac à main dans un container et ont conservé les cartes de crédit, l’argent, soit environ 20 francs, les clefs et les lunettes qu’il contenait. Ils ont essayé, sans succès, d’effectuer des retraits au moyen des cartes bancaires et de crédits trouvées dans le sac de la victime. A.________, née en 1942, a tenté en vain de retenir son sac à main et a été légèrement blessée, le certificat médical établi le 19 juillet 2002 faisant état d’un hématome de 9 × 6 cm au niveau de la face interne du poignet gauche et d’une hypertension artérielle. Elle n’est toutefois pas tombée et a essayé de poursuivre son agresseur. Elle a récupéré ce qui lui avait été dérobé, à l’exception de son sac à main et d’une somme d’environ 20 francs. Elle a indiqué avoir été traumatisée juste après l’événement, mais n’avoir plus aucune séquelle à ce jour. Elle ne s’est pas constituée partie civile. X.________ a été interpellé le 1er septembre 2002 à son entrée en Suisse par les douaniers du poste frontière de Chavanne-de-Bogis. Il a admis les faits qui lui étaient reprochés. Il a indiqué avoir voulu se procurer de l’argent sans faire de mal, ni violenter sa victime. Il a notamment insisté sur le fait qu’il n’avait pas touché cette dernière, mais qu’il s’était borné à tirer une seule fois sur son sac à main pour l’arracher. .
C.
Par jugement du 22 novembre 2002, la 1ère Chambre du Tribunal de
police du canton de Genève a reconnu X.________ et Y.________ coupables de brigandage (art. 140 CP). Elle les a condamnés à une peine d’un an emprisonnement avec sursis pendant 4 ans et a prononcé leur expulsion du territoire de la Confédération pour une durée de cinq ans avec sursis pendant 4 ans. .
D. Statuant sur les appels interjetés par X.________ et Y.________, la Chambre pénale de la Cour de justice genevoise, par arrêt du 24 février 2003, les a écartés et a confirmé le jugement attaqué. E. Invoquant une violation des art. 140 et 63 CP, X.________ se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral et conclut à l’annulation de l’arrêt attaqué. Il requiert l’assistance judiciaire. Le Tribunal fédéral considère en droit: 1. Saisie d’un pourvoi en nullité, qui ne peut être formé que pour violation du droit fédéral (art. 269 PPF), la Cour de cassation contrôle l’application de ce droit sur la base d’un état de fait définitivement arrêté par l’autorité cantonale (cf. art. 277bis et 273 al. 1 let. b PPF). Le raisonnement juridique doit donc être mené sur la base des faits retenus dans la décision attaquée, dont le recourant est irrecevable à s’écarter (ATF 126 IV 65 consid. 1 p. 66 et les arrêts cités). .
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2.
Le recourant conteste sa condamnation pour brigandage (art. 140 CP). .
2.1 Aux termes de l’art. 140 al. 1 CP, en vigueur depuis le 1er janvier 1995, celui qui aura commis un vol en usant de violence à l’égard d’une personne, en la menaçant d’un danger imminent pour la vie ou l’intégrité corporelle ou en la mettant hors d’état de résister sera puni de la réclusion pour dix ans au plus ou de l’emprisonnement pour six mois au moins. Le brigandage n’est consommé que si le vol a été commis. Il s’agit d’une forme aggravée du vol qui se caractérise par les moyens que l’auteur a employés (ATF 124 IV 102 consid. 2 p. 104). Ainsi, à la différence du voleur, qui agit clandestinement ou par surprise, l’auteur recourt à la contrainte pour .
soustraire la chose d’autrui. Le brigandage n’est donc pas exclusivement une infraction contre le patrimoine, mais aussi contre la liberté, ce qui explique qu’elle soit plus sévèrement réprimée (Corboz, Les infractions en droit suisse, Volume I, Berne 2002, n. 4 p. 247). La violence est toute action physique immédiate sur le corps de la personne qui doit défendre la possession de la chose (Corboz, op. cit., n. 5 p. 247; Niggli / Riedo, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, ad art. 140, n. 14 p. 343; Rehberg / Schmid / Donatsch, Strafrecht III, 8ème éd., p. 138; Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, Berne 1995, n. 115 s. p. 283). Au lieu de la violence, l’auteur peut employer la menace d’un danger imminent pour la vie ou l’intégrité corporelle, à l’exclusion d’autres biens juridiquement protégés. Depuis la révision de la loi, il importe peu que la victime ait été mise dans l’incapacité de se défendre; il suffit que l’auteur ait recouru aux moyens indiqués et que le vol ait été consommé (FF 1991 II 972; arrêt non publié du Tribunal fédéral du 18 avril 1997, 6S.102/1997; Niggli / Riedo, op. cit., n. 18 p. 344; Corboz, op. cit., n. 5 p. 247). En effet, contrairement à l’art. 139 aCP qui punissait le fait de mettre une personne hors d’état de résister, en particulier et surtout, en usant de violence à son égard ou en la menaçant d’un danger imminent pour la vie ou l’intégrité corporelle, le nouvel art. 140 CP prévoit que le simple fait de rendre la victime incapable de résister constitue désormais une troisième forme autonome de commission du brigandage. De cette manière, le recours à la violence ou à la menace ne doit plus nécessairement entraîner l’incapacité de la victime à se défendre pour que le brigandage soit consommé (FF 1991 II 972). Dans un arrêt non publié du 18 avril 1997 (6S.102/1997), le Tribunal fédéral a admis que les brigandages étaient réalisés dans le cas où l’accusé avait arraché le sac à main d’une femme qui avait tenté de résister et reçu un coup involontaire au visage et dans celui où il avait arraché le sac d’une femme qui s’était défendue et dont le sac s’était alors ouvert, ce qui lui avait permis de s’emparer du porte-monnaie de la victime. Concernant l’aspect subjectif, l’intention doit porter sur tous les éléments constitutifs de l’infraction et donc notamment sur le moyen de contrainte utilisé, soit la violence ou la menace d’un danger imminent pour la vie ou .
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l’intégrité corporelle à l’égard d’une personne ou le fait de la mettre hors d’état de résister. L’auteur doit également avoir le dessein de s’approprier la chose et de se procurer ou de procurer à un tiers un enrichissement illégitime (cf. Corboz, op. cit., n. 10 à 12 p. 248; Niggli / Riedo, op. cit., n. 38 s. p. 349 s.). .
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2.2 Le recourant soutient d’abord que les conditions objectives de l’art. 140 al. 1 CP ne sont pas réalisées, puisque la victime n’a pas été mise hors d’état de résister et qu’il n’a exercé aucune violence directe à son encontre. La critique du recourant selon laquelle les conditions objectives posées par l’art. 140 CP ne sont pas réalisées au motif que la victime n’a pas été mise hors d’état de résister tombe à faux. En effet, si l’auteur recourt à la violence ou à la menace, il n’est nullement exigé que ce moyen ait pour effet de mettre la victime hors d’état de résister (cf. supra, consid. 2.1). Il reste donc à examiner si le recourant a usé de violence. Selon les constatations cantonales qui lient la cour de céans (cf. supra, consid. 1), le recourant a arraché, avec force, le sac à main de la victime qui a essayé, en vain, de résister en retenant son bien. Même si elle n’est pas tombée, la passante a été légèrement blessée, le certificat médical établi le lendemain de l’agression faisant état d’un hématome de 9 × 6 centimètres et d’une hypertension artérielle. Ainsi, au regard de la force utilisée pour arracher le sac tenu en bandoulière sur l’épaule, du fait que la victime ait résisté et qu’elle ait subi des blessures, le recourant a bien exercé une violence et n’a pas simplement agi par surprise à l’encontre de la passante. Enfin, que le recourant n’ait pas directement touché cette dernière n’enlève rien au fait qu’il a usé de violence à son encontre en lui arrachant avec force le sac qu’elle a tenté en vain de retenir (cf. arrêt non publié du Tribunal fédéral du 18 avril 1997, 6S.102/1997). .
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2.3 Le recourant conteste ensuite la réalisation de l’aspect subjectif de l’infraction, l’intention n’ayant pas porté sur le moyen de contrainte utilisé. Déterminer ce que l’auteur sait, veut ou l’éventualité à laquelle il consent, relève des constatations de fait qui lient la Cour de cassation, de même que déterminer le dessein ou les mobiles de l’auteur (ATF 125 IV 49 consid. 2d p. 56; 121 IV 90 consid. 2b p. 92 et les arrêts cités). En conséquence, est seul .
recevable le moyen tiré d’une interprétation ou d’une application erronée des notions d’intention et d’enrichissement illégitime. Selon l’arrêt attaqué, l’intention du recourant était de s’approprier le sac à main de la victime et de se procurer un enrichissement illégitime afin d’améliorer sa mauvaise situation financière. La cour cantonale a relevé que le recourant ne pouvait ignorer qu’en tirant ainsi fortement sur la lanière du sac, il risquait de blesser sa victime, risque qui s’est d’ailleurs concrétisé, et qu’au vu de la taille de l’hématome dont elle a souffert, le recourant a dû user d’une certaine violence pour s’emparer de l’objet. Elle a encore retenu que les comparses ont décidé d’un commun accord d’agresser une passante, soit d’user délibérément de violence à son encontre. Il s’agit là d’une constatation de fait qui lie le Tribunal fédéral et autant que le recourant la conteste dans son pourvoi, sa critique est irrecevable (cf. supra, consid. 1). .
2.4 En conclusion, la cour cantonale n’a pas violé le droit fédéral en condamnant le recourant pour brigandage. 3. Invoquant une violation de l’art. 63 CP, le recourant se plaint de la peine infligée. 3.1 Pour fixer la peine, le juge dispose d’un large pouvoir d’appréciation. Un pourvoi en nullité portant sur la quotité de la peine ne peut donc être admis que si la sanction a été fixée en dehors du cadre légal, si elle est fondée sur des critères étrangers à l’art. 63 CP, si les éléments d’appréciation prévus par cette disposition n’ont pas été pris en compte ou enfin si la peine apparaît exagérément sévère ou clémente au point que l’on doive parler d’un abus du pouvoir d’appréciation (ATF 127 IV 101 consid. 2c p. 104; 124 IV 286 consid. 4a p. 295; 123 IV 49 consid. 2a p. 51, 150 consid. 2a p. 152 s. et les arrêts cités). Le juge doit exposer dans sa décision les éléments essentiels relatifs à l’acte ou à l’auteur qu’il prend en compte, de manière à ce que l’on puisse constater que tous les aspects pertinents ont été pris en considération et comment ils ont été appréciés, que ce soit dans un sens atténuant ou aggravant; il peut passer sous silence les éléments qui, sans abus du pouvoir d’appréciation, lui paraissent non pertinents ou d’une importance mineure. La .
motivation doit justifier la peine prononcée, en permettant de suivre le raisonnement adopté; mais le juge n’est nullement tenu d’exprimer en chiffres ou en pourcentages l’importance qu’il accorde à chacun des éléments qu’il cite. Un pourvoi ne saurait être admis simplement pour améliorer ou compléter un considérant lorsque la décision rendue apparaît conforme au droit (ATF 127 IV 101 consid. 2c p. 104 s.; 122 IV 265 consid. 2d p. 269). La gravité de la faute est le critère essentiel à prendre en considération dans la fixation de la peine et le juge doit l’évaluer en fonction de tous les éléments pertinents, notamment ceux qui ont trait à l’acte lui-même, à savoir le résultat de l’activité illicite, le mode d’exécution, l’intensité de la volonté délictuelle et les mobiles, et ceux qui concernent l’auteur, soit les antécédents, la situation personnelle et le comportement après l’acte et au cours de la procédure pénale (ATF 127 IV 101 consid. 2a p. 103; 122 IV 241 consid. 1a p. 243; 118 IV 21 consid. 2b p. 24 s.; 117 IV 112 consid. 1; 116 IV 288 consid. 2a). .
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3.2 Le recourant rappelle que la victime n’a pas subi de dommage, puisqu’elle a pu récupérer la plupart de ses affaires et ne s’est pas constituée partie civile. Il soutient que la cour cantonale doit tenir compte du fait qu’il n’a pas d’antécédent judiciaire, qu’il est un jeune adulte et qu’il a exprimé ses regrets à l’encontre de la victime. Ces critiques sont vaines. En effet, la cour cantonale a constaté que la victime avait récupéré ce qu’on lui avait dérobé, à l’exception de son sac et d’une somme d’environ 20 francs, qu’elle avait souffert d’un hématome au niveau de la face interne du poignet gauche et d’une hypertension artérielle, sans avoir conservé aucune séquelle à ce jour, et qu’elle ne s’était pas constituée partie civile. Elle a également relevé l’âge du recourant et le fait qu’il n’avait pas d’antécédent judiciaire. Enfin, il est faux de prétendre que la cour cantonale aurait omis de prendre en considération les regrets exprimés par le recourant, cet élément n’ayant pas été constaté dans les faits. 3.3 Dès lors que le recourant ne peut citer aucun élément important propre à modifier la peine, qui aurait été omis ou pris en considération à tort, il ne reste plus qu’à examiner si, au vu des faits retenus, la peine infligée apparaît exagérément sévère au point de constituer un abus du pouvoir d’appréciation.
En raison de l’infraction retenue, le recourant encourait une peine de réclusion pour dix ans au plus ou de l’emprisonnement pour six mois au moins (cf. art. 140 al. 1 CP). Selon l’arrêt attaqué, les comparses ont décidé de commettre un brigandage pour se procurer de l’argent. Ils ont donc quitté Ferney Voltaire pour se rendre à Meyrin, où ils ont stationné leur véhicule et attendu environ une heure afin de repérer les lieux et trouver une victime. Ils ont décidé de passer à l’acte en voyant une passante seule sur le trottoir qui n’était pas éclairé. Le recourant lui a alors arraché son sac à main avec force et a pris la fuite. La victime a tenté de résister et a été légèrement blessée. Dans ces circonstances, la faute du recourant est loin d’être légère. L’absence d’antécédent, l’âge du recourant et le fait que la victime ait pu récupérer certaines de ses affaires ne contrebalancent que faiblement les éléments à charge. Dans ces conditions, la peine, certes sévère, d’un an d’emprisonnement avec sursis pendant 4 ans et l’expulsion du territoire suisse pour une durée de 5 ans avec sursis pendant 4 ans n’apparaît pas sévère au point de constituer un abus du pouvoir d’appréciation. Elle ne viole donc pas le droit fédéral. .
4.
Le pourvoi doit ainsi être rejeté dans la mesure où il est recevable. S’agissant de la question de la fixation de la peine, le recours n’était pas d’emblée dépourvu de chances de succès et l’assistance judiciaire sera accordée au recourant qui a suffisamment démontré qu’il était dans le besoin (art. 152 al. 1 OJ). En conséquence, il ne sera pas perçu de frais et une indemnité sera versée à l’avocat du recourant. .
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce: 1.
Le pourvoi est rejeté dans la mesure où il est recevable.
2.
La requête d’assistance judiciaire est admise.
3.
Il n’est pas perçu de frais.
4. La Caisse du Tribunal fédéral versera une indemnité de 2000 francs à l’avocat du recourant.
5. Le présent arrêt est communiqué en copie au mandataire du recourant, au Procureur général du canton de Genève et à la Cour de justice du canton de Genève, Chambre pénale. Lausanne, le 6 juin 2003 Au nom de la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral suisse Le président: La greffière:
BGer 1P.843/2005 Urteil vom 19. Dezember 2006 I. Öffentlichrechtliche Abteilung Besetzung Bundesrichter Féraud, Präsident, Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio, Gerichtsschreiber Pfäffli. Parteien X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Benno Wild, gegen A.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Sieger, Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich, Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, Hirschengraben 13/15, Postfach, 8023 Zürich. Gegenstand Strafverfahren, Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 20. Oktober 2005. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Anklageschrift der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 31. Oktober 2001 wirft dem Angeklagten A.________ u.a. vor, er habe eine Verwaltungsvollmacht bezüglich des bei der Bank B.________ geführten
Kontos C.________ des Geschädigten X.________ innegehabt und sich dabei ab Januar 1996 durch sinnlose Devisentransaktionen möglichst viele Retrozessionen gutschreiben lassen. In der Folge habe er für die Monate Januar 1996 bis und mit Februar 1997 Retrozessionen im Umfang von insgesamt Fr. 386 970.– ausbezahlt erhalten. Sodann habe er einen tatsachenwidrigen Depotauszug erstellt und dem Kunden per Fax zugestellt, um eine gute Performance vorzuspiegeln. Das Bezirksgericht Zürich sprach mit Urteil vom 2. Oktober 2002 den Angeklagten der ungetreuen Geschäftsbesorgung i.S.v. Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowie der Urkundenfälschung i.S.v. Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Gefängnisstrafe von 15 Monaten. Gegen dieses Urteil erklärte sowohl der Angeklagte als auch der Geschädigte X.________ Berufung. Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich trat mit Urteil vom 20. Oktober 2005 auf die Anklage mit Bezug auf das Hauptdossier nicht ein; mit Bezug auf das Nebendossier (zum Nachteil des Geschädigten X.________) wurde der Angeklagte freigesprochen. .
2. X.________ erhob gegen das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Mit Verfügung vom 30. Dezember 2005 sistierte der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das bundesgerichtliche Verfahren bis zum Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich über die bei ihm hängige Beschwerde. Mit Zirkulationsbeschluss vom 25. August 2006 trat das Kassationsgericht des Kantons Zürich mangels einer genügenden Begründung auf die Beschwerde nicht ein. In der Folge fragte das Bundesgericht den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. Oktober 2006 u.a. an, ob er an seiner Beschwerde vom 16. Dezember 2005 festhalten wolle. Mit der Leistung des geforderten Kostenvorschusses brachte der Beschwerdeführer zum Ausdruck, dass er an seiner Beschwerde vom 16. Dezember 2005 festhalte. Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen. 3.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist unter Vorbehalt von hier nicht in
Betracht fallenden Ausnahmen (vgl. Art. 86 Abs. 2 OG) nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig (Art. 86 Abs. 1 OG). Vorliegend ist somit zu prüfen, ob das angefochtene Berufungsurteil der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. Oktober 2005 ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid ist. .
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3.1 Gemäss § 3 Abs. 2 der Schlussbestimmungen des Gesetzes über die Teilrevision der Strafprozessgesetzgebung ist die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Entscheide des Obergerichts als Berufungsinstanz in Verfahren zulässig, in denen die Berufung im Zeitpunkt des Inkraftretens (Teilrevision auf den 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt) bereits erklärt worden ist. Im vorliegenden Fall erklärte der Geschädigte am 8. Oktober 2002 die Berufung, weshalb das Berufungsurteil des Obergerichts mit der Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht angefochten werden kann. Das Kassationsgericht ist denn auch mangels einer genügenden Begründung und nicht wegen fehlender Zuständigkeit mit Beschluss vom 25. August 2006 auf die Beschwerde nicht eingetreten. .
3.2 Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, so namentlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die willkürliche Beweiswürdigung, wie auch die unmittelbare Verletzung der EMRK können mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde vorgebracht werden (vgl. § 430 StPO; Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, N. 1072 ff. und 1114; Andreas Donatsch / Niklaus Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919, Zürich 2000, § 430 N. 19 und 21 sowie § 430b N. 9). .
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3.3 Der Beschwerdeführer macht in einer den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise geltend, das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts habe das rechtliche Gehör verletzt und verstosse gegen das Willkürverbot. Hinsichtlich dieser Rügen stand ihm die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde offen, weshalb es sich beim angefochtenen Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts nicht um einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid im Sinne von Art. 86 OG handelt. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist somit nicht einzutreten.
4. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). .
Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG: 1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1000.– wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 3. Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. Lausanne, 19. Dezember 2006 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
BGer 4C.432/2005 Urteil vom 22. März 2006 I. Zivilabteilung Besetzung Bundesrichter Corboz, Präsident, Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss, Gerichtsschreiber Arroyo. Parteien Stiftung U.________, Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Kuhn, gegen A.________, Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Franco Tramèr. Gegenstand Vermögensverwaltungsvertrag, Berufung gegen das Urteil des Zivilkammer, vom 23. Mai 2005.
Kantonsgerichts
von
Graubünden,
Sachverhalt: A.
Die Stiftung U.________ (Klägerin und Berufungsklägerin), wurde im .
Jahre 1993 gegründet; sie wurde wirtschaftlich von B.________ und dessen Ehefrau beherrscht. A.________ (Beklagter und Berufungsbeklagter) verwaltete das Stiftungsvermögen seit der Gründung bis im Sommer 1998 als Angestellter verschiedener Banken. Im Jahre 1998 nahm er eine selbständige Erwerbstätigkeit auf und führte die Verwaltung des Vermögens der Stiftung in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung weiter. Das Stiftungsvermögen wuchs auf über 100 Millionen Franken an. Anfangs Februar 2000 wurde B.________ von der Staatsanwaltschaft Mannheim verhaftet und in der Folge wegen Vermögensdelikten in Milliardenhöhe, die er über seine Gesellschaft «D.________ GmbH» begangen hatte, zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Über die «D.________ GmbH» eröffnete das Amtsgericht Karlsruhe am 4. Februar 2000 das Insolvenzverfahren; am 1. Mai 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen von B.________ eröffnet. Im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens wies die Bezirksanwaltschaft Zürich am 10. Februar 2000 unter anderem auch den Beklagten an, ihr sämtliche Dokumente betreffend B.________ herauszugeben und belegte die B.________ zuzurechnenden Vermögenswerte einstweilen mit einem Verfügungsverbot. Am 14. Februar 2000 stellte der Beklagte der Klägerin eine Honorarrechnung für seine Vermögensverwaltung über den Betrag von Fr. 847 500.–, den er am 16. Februar 2000 auf seinem Bankkonto gutgeschrieben erhielt. Am 15. Februar 2000 erstattete der Beklagte der Meldestelle für Geldwäscherei eine Verdachtsmeldung betreffend die Klägerin. Auf Strafanzeige der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 21. Februar 2000 eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden am 7. März 2000 ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei gegen den Beklagten und dehnte dieses Verfahren im Frühjahr 2001 auf den Tatbestand der Veruntreuung aus. Das Strafverfahren wurde in der Folge im November 2002 teilweise eingestellt; im Übrigen wurde der Beklagte am 30. Oktober 2003 vom Bezirksgerichtsausschuss Maloja freigesprochen; der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden bestätigte dieses Urteil am 9. Juni 2004. Am 14. Mai 2002 stellte die Klägerin beim Vermittleramt des Kreises Oberengadin folgende Rechtsbegehren: .
1. Der Beklagte sei unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter zur Bestrafung nach Art. 292 StGB zu verpflichten, der Klägerin umfassend Rechenschaft über seine Tätigkeit als Beauftragter der Klägerin abzugeben und insbesondere sämtliche Aufzeichnungen, Bücher und Belege herauszugeben, welche über die von ihm im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens der Klägerin bezogenen Honoraransprüche und Provisionen (Retrozessionen), über sämtliche vom Beklagten getätigten Barbezüge und weitere erhaltene Vermögenswerte sowie über deren Verwendung, umfassend Aufschluss zu geben. 2. Es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin sämtliche von ihm im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Beauftragter der Klägerin vereinnahmten Provisionen (Retrozessionen) der Bank X.________, der Bank Y.________ sowie der Bank Z.________, alle Niederlassungen in St. Moritz, herauszugeben und es sei der Beklagte überdies zu verpflichten, der Klägerin sämtliche von ihm als Beauftragter der Klägerin erlangten Vermögenswerte, über deren auftragsgemässe Verwendung und / oder Weiterleitung der Beklagte keine Rechenschaft ablegen kann, zurückzuerstatten bzw. zu bezahlen, und zwar in der Höhe des nach erfolgter Rechenschaftsablegung des Beklagten festgestellten Herausgabeanspruchs der Klägerin, mindestens jedoch in der Höhe von Fr. 1 392 500.–, zuzüglich Zins ab Datum der Klageeinleitung an». .
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Die Klägerin erhöhte ihre Forderung in der Folge auf Fr. 2 783 873.28. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und verlangte widerklageweise noch ein Honorar für seine Verwaltungstätigkeit von Februar 2000 bis Februar 2001 in Höhe von Fr. 565 000.–. B. Das Bezirksgericht Maloja wies die Klage mit Urteil vom 3. November 2004 ab. Die Widerklage wurde gutgeheissen und die Klägerin / Widerbeklagte verpflichtet, dem Beklagten / Widerkläger Fr. 565 000.– zuzüglich 5% Zins seit 4. Juli 2002 zu bezahlen. Das Gericht kam zum Schluss, der Beklagte habe den wirtschaftlich Berechtigten regelmässig über seine Verwaltungstätigkeit informiert, die vorhandenen Akten seien im Strafverfahren beschlagnahmt worden und ständen der Klägerin zur Verfügung, weshalb eine erneute Rechenschaftslegung des Beklagten nicht .
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geschuldet sei. Das Gericht stellte sodann fest, die Parteien seien sich über die Entgeltlichkeit des Auftrags zur Vermögensverwaltung einig; da keine der Parteien eine Vereinbarung über die Höhe des Entgelts beweisen konnte, setzte das Gericht die Entschädigung nach Verkehrsübung auf 0,5 % des verwalteten Vermögens pro Jahr fest und schloss, die dem Beklagten von Banken ausgerichteten Retrozessionen ständen ihm gemäss Branchenübung und der mit B.________ stillschweigend getroffenen Vereinbarung zu. Das Bezirksgericht kam sodann zum Schluss, dass der Verwaltungsauftrag des Beklagten auch für die Zeit von Februar 2000 bis Februar 2001 weiterhin bestand und sprach ihm dafür den in der Widerklage begehrten Betrag zu. Das Kantonsgericht von Graubünden wies die von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobene Berufung am 23. Mai 2005 ab. Das Gericht hielt zunächst fest, die Klägerin habe ihr Rechtsbegehren auf Rechenschaftsablegung nicht mehr erneuert, weshalb darüber nicht mehr zu befinden sei; auch sei die nachträgliche Zeugeneinvernahme von Dr. E.________ zu Recht erfolgt. Das Gericht verneinte sodann die Pflicht des Beklagten zur Herausgabe der Retrozessionen und Finder’s Fees mit der Begründung, die Parteien hätten dies vereinbart; eventuell habe sie der Beklagte auf eigene Rechnung erhalten und nach Art. 400 Abs. 1 OR daher nicht herauszugeben; schliesslich stehe der Ablieferungspflicht auch die Verkehrsübung entgegen. Das Kantonsgericht wies die Forderung der Klägerin auf Rückzahlung angeblich zu viel bezogenen Honorars mit der Begründung ab, es sei eine Entschädigung von 0,5 % des verwalteten Vermögens vereinbart worden und dass dies jedenfalls die übliche Entschädigung wäre. Ob die Erhöhung des Klagebegehrens vor Kantonsgericht zulässig sei, liess das Gericht bei diesem Verfahrensausgang offen. Schliesslich bestätigte das Gericht den Honoraranspruch des Beklagten für die Zeit von März 2000 bis Februar 2001. C. Die Klägerin hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden sowohl staatsrechtliche Beschwerde wie auch eidgenössische Berufung eingereicht. In der Berufung stellt sie folgende Rechtsbegehren: 1. Die Ziffern 1 bis 2 des Urteilsdispositivs des Urteils des Kantonsgerichts von Graubünden vom 23. Mai 2005 seien aufzuheben.
1. Es sei der Berufungsbeklagte und Widerkläger zu verpflichten, der Berufungsklägerin die von ihm im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Beauftragter der Berufungsklägerin vereinnahmten Vergütungen und Provisionen der Bank X.________, der Bank Y.________ sowie der Bank Z.________, alle Niederlassungen in St. Moritz, im Umfang von CHF 2 301 246.77, EUR 496.68 (=CHF 768.80) und USD 4980.17 (=CHF 6253.60) herauszugeben bzw. zu bezahlen, zuzüglich 5 % Zins ab 14. Mai 2002, sowie der Berufungsklägerin die Forderungen «Depotgebühren» und «Treuhandanlagen» im Betrag von CHF 9381.85 und CHF 747.66 abzutreten. 2. Es sei die Sache in Bezug auf den Honoraranspruch zur neuen Beurteilung an das Kantonsgericht von Graubünden zurückzuweisen. 3. Es sei die Widerklage abzuweisen. 4. Eventualiter sei die Sache gesamthaft zur neuen Beurteilung an das Kantonsgericht von Graubünden zurückzuweisen.» .
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Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 400 und Art. 6 OR verletzt, indem sie die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der Retrozessionen und Finder’s Fees abgewiesen habe; die Vorinstanz habe Art. 394 Abs. 3 OR falsch ausgelegt und Art. 8 ZGB verletzt, indem sie ein übliches Honorar von 0,5 % des verwalteten Vermögens pro Jahr als massgebend erachtet habe; sie habe Art. 2 ZGB verletzt, indem sie die Honorarforderung gemäss Widerklage nicht als rechtsmissbräuchlich qualifiziert habe. D.
Der Beklagte schliesst in der Antwort auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Bundesgericht verlangt im Berufungsverfahren in ständiger Rechtsprechung die Bezifferung der Geldsumme, zu deren Zahlung die Gegenpartei verpflichtet werden soll. Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz sind grundsätzlich ungenügend und haben das Nichteintreten auf die Berufung zur Folge. Immerhin ist ein Rückweisungsantrag zulässig – und auch allein angezeigt –, wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung ohnehin in der Sache nicht selbst entscheiden könnte, weil die
erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fehlen (BGE 125 III 412 E. 1b S. 414 mit Verweisen). Dies trifft hier mindestens teilweise zu, hat doch die Vorinstanz die Klage abgewiesen, ohne die Art und Höhe der vom Beklagten im Rahmen der Verwaltung des klägerischen Vermögens eingenommenen Retrozessionen und Finder’s Fees festzustellen. Insoweit fehlen die tatsächlichen Voraussetzungen, die dem Bundesgericht im Falle der Gutheissung der Berufung erlauben würden, einen Entscheid in der Sache zu treffen, womit allein der Antrag auf Rückweisung zulässig ist. .
2. Beruht der angefochtene Entscheid auf mehreren selbständigen Erwägungen, ist in der Berufung oder allenfalls mit einer parallel erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde (BGE 115 II 300 E. 2a S. 302) für jede einzeln kurz darzulegen, inwiefern Bundesrechtssätze durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 111 II 397 E. 2; 122 III 43 E. 3) oder inwiefern er gegen verfassungsmässige Rechte verstösst. Denn stützt eine unangefochten gebliebene Begründung den angefochtenen Entscheid, so entfällt das Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung der beanstandeten Erwägungen. Gegen die tatsächliche Feststellung, dass die Parteien übereinstimmend ein Honorar für die Vermögensverwaltung von 0,5% des verwalteten Vermögens pro Jahr vereinbart haben, wendet die Klägerin zu Recht im vorliegenden Verfahren nichts ein; denn an die Feststellung des subjektiven Parteiwillens ist das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren grundsätzlich gebunden (Art. 63 Abs. 3 OG; vgl. BGE 118 II 365 E. 1; 125 III 435 E. 2a S. 436 mit Verweisen). Da die Beweiswürdigung der Vorinstanz zur Vereinbarung der Höhe des Honorars im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht aufgehoben worden ist, bleibt die Abweisung der Klage in Bezug auf die von der Klägerin beanspruchte Honorardifferenz auch dann bestehen, wenn ihren Vorbringen zur Auslegung von Art. 394 Abs. 3 OR Erfolg beschieden wäre. Auf die Berufung ist mangels Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten, soweit die Klägerin die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung der Höhe des Honoraranspruchs des Beklagten beantragt. .
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3. Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht
offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64 OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die Partei, welche den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d OG; BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106 mit Hinweisen). Blosse Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren unzulässig (BGE 127 III 73 E. 6a; 126 III 10 E. 2b S. 13 mit Hinweisen). Die Klägerin rügt (sinngemäss) die Vorinstanz habe Art. 2 ZGB verletzt, indem sie die Weitergeltung des Vermögensverwaltungsauftrags mitsamt der Honorarvereinbarung bis zur Kündigung im Februar 2001 bejaht und die Einforderung des Honorars durch den Beklagten nicht als rechtsmissbräuchlich qualifiziert habe. Nach den Feststellungen der Vorinstanz führte der Beklagte die Vermögensverwaltung bis Februar 2001 im Interesse der Klägerin (bzw. der Insolvenzverwaltung) weiter und wurden die Banken seitens der Untersuchungsbehörde angewiesen, die mittlerweile gesperrten Vermögenswerte weiterhin nach banküblichen Grundsätzen zu verwalten. Den Vorbringen der Klägerin ist nicht zu entnehmen und es ist auch nicht erkennbar, inwiefern die Geltendmachung der Honorarforderung durch den Beklagten unter diesen Umständen rechtsmissbräuchlich sein sollte. Die Vorbringen in der Berufung erschöpfen sich insoweit in einer von den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhaltsschilderung, was im vorliegenden Verfahren unzulässig ist. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Rüge ist abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. .
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4. Die Klägerin rügt hauptsächlich, die Vorinstanz habe in Verletzung von Bundesrecht verneint, dass der Beklagte zur Herausgabe der von ihm im Rahmen der Verwaltung des Vermögens der Klägerin eingenommenen Retrozessionen und Finder’s Fees verpflichtet sei. In der Bankenbranche wird unter Retrozession der Vorgang bezeichnet, dass eine Bank gestützt auf eine entsprechende Vereinbarung einem Dritten (insbesondere einem Vermittler im Vermögensverwaltungs- und Kapitalanlagegeschäft) einen Anteil einer .
vereinnahmten Kommission weitergibt (vgl. die Definition bei Boemle / Gsell et al., Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Zürich 2002, S. 903; Emch / Renz / Arpagaus, Das Schweizerische Bankgeschäft, 6. Aufl. 2004, N. 1691 S. 553). Die Klägerin versteht unter dem Ausdruck «Finder’s Fee» eine einmalige Entschädigung, welche der Vermögensverwalter von einer Bank für die Zuführung von neuen Vermögenswerten bzw. neuer Kunden (gelder) erhält (vgl. Hess, Zur Stellung des externen Vermögensverwalters im Finanzmarktrecht, AJP 1999 S. 1432; Emch / Renz / Arpagaus, a.a.O., N. 1693 S. 554). .
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4.1 Auf den Vermögensverwaltungsvertrag finden die auftragsrechtlichen Regeln Anwendung (BGE 124 III 155 E. 2b S. 161; 115 II 62 E. 1; Urteil 4C.97/1997 vom 29. Oktober 1997, E. 3a, publ. in: SJ 1998 S. 200). Nach Art. 400 Abs. 1 OR ist der Beauftragte schuldig, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grund zugekommen ist, zu erstatten. Die Ablieferungspflicht betrifft nicht nur diejenigen Vermögenswerte, die der Beauftragte direkt vom Auftraggeber zur Erfüllung des Auftrags erhält, sondern auch indirekte Vorteile, die dem Beauftragten infolge der Auftragsausführung von Dritten zukommen. Der Beauftragte soll durch den Auftrag – abgesehen von einem allfälligen Honorar – weder gewinnen noch verlieren; er muss daher alle Vermögenswerte herausgeben, welche in einem inneren Zusammenhang zur Auftragsausführung stehen; behalten darf er nur, was er lediglich bei Gelegenheit der Auftragsausführung, ohne inneren Zusammenhang mit dem ihm erteilten Auftrag, von Dritten erhält (Fellmann, Berner Kommentar, N. 115, 117, 127 zu Art. 400 OR; Weber, Basler Kommentar, N. 12 zu Art. 400 OR; Tercier, Les contrats spéciaux, 3. Aufl. 2003, N. 4705 f.). Zu den indirekten Vorteilen, die der Beauftragte herausgeben muss, zählen beispielsweise Rabatte, Provisionen, Schmiergelder usw. (Fellmann, a.a.O., N. 128 und 132 zu Art. 400 OR; Weber, a.a.O., N. 14 zu Art. 400 OR). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Zuwendung nach dem Willen des Dritten ausschliesslich dem Beauftragten zugute kommen soll oder nicht (Urteil 4C.125/2002 vom 27. September 2002, E. 3.1; Fellmann, a.a.O., N. 131 zu Art. 400 OR mit weiteren Hinweisen). Retrozessionen – und wohl .
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regelmässig auch Finder’s Fees, sofern der Beauftragte dem Auftraggeber im Rahmen des Vertrags geraten hat, die zur Verwaltung überlassenen Vermögenswerte bei einer bestimmten Bank (neu) zu deponieren (a.M. offenbar de Capitani, Retrozessionen an externe Vermögensverwalter, Festschrift Jean-Paul Chappuis, Zürich 1998, S. 29 Ziff. 13) – werden dem Beauftragten ausgerichtet, weil er im Rahmen des Auftrags bestimmte Verwaltungshandlungen vornimmt oder veranlasst; sie fallen im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens an und unterliegen der Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR (vgl. Emch / Renz / Arpagaus, a.a.O., N. 1694 S. 554; Jörg / Arter, Herausgabe- und Rechenschaftspflicht des unabhängigen Vermögensverwalters, Der Schweizer Treuhänder 2004, S. 297 f.; Hess, a.a. O., S. 1432; Watter, Über die Pflichten der Bank bei externer Vermögensverwaltung, AJP 1998 S. 1177 Rn. 27). Aus BGE 112 III 90 E. 4e S. 97 ergibt sich entgegen der Ansicht der Vorinstanz nichts Gegenteiliges. .
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4.2 Die auftragsrechtliche Ablieferungspflicht kann die Hauptpflicht sein oder eine Nebenpflicht bilden (Fellmann, a. a.O., N. 151 f. zu Art. 400 OR; Weber, a.a.O., N. 10 zu Art. 400 OR). Ob der Auftraggeber auf die Ablieferung überhaupt oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gültig verzichten kann, ist in der Lehre umstritten. Während eine ältere Lehrmeinung die Pflicht zur Herausgabe im Sinne von Art. 400 OR für zwingend hält und einen Verzicht auf die Ablieferung erst zulässt, wenn der Verzichtende weiss, was und wieviel er erlässt (Gautschi, Berner Kommentar, N. 38 d / f zu Art. 400 OR), wird die Gültigkeit einer Verzichtsvereinbarung in der neueren Lehre überwiegend bejaht (vgl. Werro, Commentaire Romand, N. 20 zu Art. 400 OR; Fellmann, a. a.O., N. 154 zu Art. 400 OR; de Capitani, a.a.O., S. 27; Watter, a. a.O., S. 1177 Rn. 27; Emch / Renz / Arpagaus, a.a.O., S. 554; vgl. allerdings Weber, Basler Kommentar, N. 10/21 zu Art. 400 OR; differenzierend Hofstetter, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/6, Basel 2000, S. 119). Art. 400 OR enthält kein ausdrückliches Verzichtsverbot und es sind auch keine Gründe erkennbar, welche gegen die dispositive Natur der Ablieferungspflicht sprechen. Mit der überwiegenden neueren Lehre ist daher grundsätzlich die .
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Gültigkeit einer Vereinbarung zu bejahen, wonach der Auftraggeber auf die Ablieferung bestimmter, auch künftig anfallender Werte verzichtet. Immerhin ergeben sich Schranken aus der eigentlichen Fremdnützigkeit des Auftrags, welche durch eine entsprechende Vereinbarung nicht aufgehoben werden kann (vgl. Fellmann, a.a.O., N. 154 zu Art. 400 OR). Die Fremdnützigkeit als solche wird zwar nicht berührt, wenn die Ablieferung von Einnahmen wie sog. Retrozessionen im Vermögensverwaltungsvertrag eine Nebenpflicht bildet und dem Beauftragten dadurch im Ergebnis ein – zusätzliches – Entgelt für seine Tätigkeit zukommen soll. Die Pflicht zur Ablieferung bildet aber auch hier ein zentrales Element der Fremdnützigkeit des Auftrags und ist mit der Rechenschaftspflicht des Beauftragten so eng verbunden, dass sie als deren Folge erscheint (vgl. BGE 110 II 181 E. 2 S. 182; Guhl / Schnyder, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl. 2000, S. 553 Rz. 20). Von der Lehre wird daher zutreffend verlangt, dass der Auftraggeber über zu erwartende Retrozessionen vollständig und wahrheitsgetreu informiert sein muss, und dass sein Wille, auf deren Ablieferung zu verzichten, aus der Vereinbarung entsprechend klar hervorgehen muss (Emch / Renz / Arpagaus, a.a.O., S. 554 f.; de Capitani, a. a.O., S. 27; vgl. auch Lombardini, Droit bancaire suisse, Zürich 2002, S. 506). Diese Anforderung rechtfertigt sich zusätzlich aus der Erwägung, dass eine solche Vereinbarung zu Interessenkonflikten führen kann, da durch (zu) häufige Transaktionen ein nennenswertes Zusatzeinkommen erzielt werden kann (zum sog. Churning vgl. Watter, a.a.O., S. 1177). .
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4.3 Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden, wenn sie annimmt, ein Verzicht auf die Ablieferung von im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallenden Retrozessionen ergebe sich auch daraus, dass entsprechende Vereinbarungen als üblich gelten könnten. Nach der Feststellung im angefochtenen Urteil leiten 81 % der Vermögensverwalter Retrozessionen nicht an ihre Kunden weiter und bestehen 28,5 % ihrer Einnahmen aus Retrozessionen. Aus der allgemeinen tatsächlichen Verbreitung der Einbehaltung von Retrozessionen allein kann weder in Bezug auf den Grundsatz noch die Höhe derartiger Einnahmen eine übliche Vergütung nach Handels- oder Ortsgebrauch im Sinne von Art. 394 Abs. 3 OR abgeleitet
werden (vgl. BGE 120 V 515 E. 4b / bb S. 520). Abgesehen davon, dass die entsprechenden Einnahmen von der Art und Häufigkeit von Vermögenstransaktionen abhängen, bildet die Vereinbarung über die Einbehaltung der umstrittenen Retrozessionen und ähnlicher Einnahmen keine Honorarabrede, auch wenn damit im Ergebnis die Entschädigung des Vermögensverwalters für seine Tätigkeit erhöht wird. Denn es kann nicht als üblich unterstellt werden, dass ein Auftraggeber unbesehen auf Rechenschaft verzichte und mit Einnahmen des Beauftragten einverstanden sei, deren Ausmass er weder kennen noch kontrollieren kann. Die Standesregeln des Verbandes Schweizerischer Vermögensverwalter verlangen denn auch im Gegenteil, dass der Vermögensverwalter gegenüber dem Kunden sämtliche derartigen Leistungen offen legt und im Vertrag mit dem Kunden festhält, wem die Rückvergütungen zukommen sollen (Emch / Renz / Arpagaus, a.a.O., N. 1694 S. 554; vgl. Art. 10 i.V.m. Art. 7 Anhang B Standesregeln VSV). Derartige Standesregeln können nach der Rechtsprechung als Ausdruck einer Berufsübung zur Auslegung und Ergänzung eines Vertrags beigezogen werden (Urteil 4C.236/1997 vom 31. Oktober 1997, publ. in: SJ 1998 S. 379, E. 3b mit Verweis auf Bertschinger, Sorgfaltspflichten des Vermögensverwalters bei Derivaten – Bemerkung zum Urteil des Bundesgerichts vom 28. Juli 1995 [4C.467/1994] in SZW 1996 S. 240 ff.; vgl. auch Fellmann, a.a.O., N. 71 zu Art. 396 OR; Lombardini, a.a.O., S. 503). Sie stehen hier einer Auslegung entgegen, wonach der Beauftragte mangels gegenteiliger Absprache die im Rahmen der Vermögensverwaltung eingenommenen Retrozessionen nicht abliefern müsse. Es bedarf einer Vereinbarung der Parteien, aus der sich der Wille des informierten Mandanten eindeutig ergibt, auf die Ablieferung der dem Mandatar im Rahmen des Auftrags bezahlten Retrozessionen (ganz oder teilweise) zu verzichten. .
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4.4 Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall eine entsprechende Vereinbarung bejaht. Die Vorinstanz erwog zunächst in Würdigung der Beweise, dass auf die widersprüchliche Aussage des an der Klägerin wirtschaftlich Berechtigten B.________ (über die konkrete Kenntnis bzw. Unkenntnis von bezogenen Retrozessionen und Finder’s Fees) nicht abgestellt werden könne. Die Vorinstanz stellte hingegen auf die Aussage des .
Stiftungsratspräsidenten der Klägerin (Dr. E.________) ab. Aus dem Umstand, dass der Stiftungsratspräsident wusste, dass Retrozessionen und Finder’s Fees an den Beklagten bezahlt wurden, könne – so die Vorinstanz – nur geschlossen werden, dass «sich die Parteien stillschweigend, aber zumindest durch konkludentes Handeln darüber einig waren, dass die Retrozessionen und Finder’s Fees beim Beklagten verbleiben sollen.» Die Vorinstanz hat angenommen, dass der Beklagte angesichts sämtlicher Umstände davon ausgehen durfte, die Klägerin sei damit einverstanden gewesen, dass der Beklagte die Entschädigungen behalte, zumal sie Stillschweigen bewahrte. Die Vorinstanz erwog sodann in Anlehnung an die Begründung der ersten Instanz, dass der wirtschaftlich Berechtigte B.________ durch sein Stillschweigen betreffend die (allgemeine) Geschäftsabwicklung der Klägerin, «wozu auch die ihm allgemein bekannte Usanz der Auszahlung von Retrozessionen und Finder’s Fees zählt», sein Einverständnis erklärte; denn ohne das Vorliegen einer solchen «Einigung» wäre nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin trotz Kenntnis des Bezugs von Retrozessionen und Finder’s Fees nicht eingeschritten sei; ausserdem deute eine Besprechungsnotiz des Beklagten darauf hin, dass zwischen dem wirtschaftlich Berechtigten der Klägerin (B.________) und dem Beklagten sogar ausdrücklich vereinbart worden sei, dass dem Beklagten auch die Kommissionen als Honorar verbleiben sollten. Die Vorinstanz leitete jedoch aus diesen Feststellungen nichts ab und traf insbesondere keine Feststellungen über eine allfällige Befugnis des wirtschaftlich Berechtigten zur Vertretung der Klägerin bzw. zur Genehmigung ihrer Geschäfte. Sie hielt es vielmehr für das zwischen den Parteien geltende Vertragsverhältnis für letztlich belanglos, ob die wirtschaftlich berechtigten Personen der (Nicht-)Ablieferung von Retrozessionen und Finder’s Fees zugestimmt hätten oder nicht. Die Vorinstanz erwog schliesslich, dass der damalige Stiftungsratspräsident der Klägerin (Dr. E.________) zwar nicht um die konkrete Höhe der Auszahlungen, aber immerhin darum gewusst habe, dass solche Auszahlungen in der Schweiz üblich seien; ausserdem sei ihm die Grössenordnung der verwalteten Vermögenswerte bekannt gewesen; ebenso sei er über deren Stand per Ende Jahr jeweils informiert worden und habe .
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Kenntnis vom konkreten Verwaltungshonorar gehabt; folglich habe er auch die Höhe der Retrozessionen und Finder’s Fees «fassbar abschätzen» können. 4.5 Das von der Vorinstanz festgestellte Wissen des Organs der Klägerin über die Grössenordnung der vom Beklagten eingenommenen Retrozessionen und Finder’s Fees genügt nicht für einen rechtswirksamen Verzicht auf Rechenschaftslegung und Ablieferung mit dem die Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR wegbedungen wird. Die von der Vorinstanz festgestellte Schätzbarkeit der Höhe der Retrozessionen aufgrund der Grössenordnung des verwalteten Vermögens, des vereinbarten Verwaltungshonorars und der Üblichkeit solcher Einnahmen vermittelte der Klägerin keine hinreichend genaue Kenntnis über die tatsächlich anfallenden Retrozessionen und Finder’s Fees; denn diese hängen von weiteren Faktoren wie insbesondere der Anzahl getätigter Geschäfte und der Vereinbarung über die Höhe derartiger Entschädigungen an den Vermögensverwalter durch Dritte ab. Über die genaue Höhe der konkreten Einnahmen des Beklagten hatte die Klägerin (bzw. ihr Stiftungsratspräsident) nach den Feststellungen der Vorinstanz keine Kenntnis. Auch wenn daher der Beklagte wusste, dass dem Stiftungsratspräsidenten als Organ der Klägerin die Üblichkeit derartiger Entschädigungen bekannt war und dass er um die Grössenordnung des verwalteten Vermögens wusste, durfte er nach Treu und Glauben aus dem blossen Stillschweigen der Klägerin bzw. deren Organe nicht ableiten, er sei von der Rechenschaftsablegung und Ablieferung der ihm im Rahmen der Verwaltung des Vermögens der Klägerin von Dritten bezahlten Retrozessionen und ähnlichen Einnahmen befreit. Angesichts der Bedeutung der Rechenschaftspflicht für den fremdnützigen Auftrag hätte es vielmehr dem Beklagten oblegen, die Klägerin bzw. deren zuständige Organe über die konkret anfallenden Retrozessionen und Finder’s Fees in Kenntnis zu setzen. Ohne ausdrückliche und eindeutige Verzichtserklärung der Klägerin auf Rechenschaftslegung und Ablieferung hätte sich der Beklagte zumindest vergewissern müssen, dass die Auftraggeberin ihm die im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallenden Einnahmen als zusätzliche Entschädigung für seine Tätigkeit in Kenntnis der konkreten Vereinbarung mit den Banken über deren Höhe sowie der mutmasslichen Häufigkeit der .
entschädigungspflichtigen Transaktionen überlassen wollte. Aus dem blossen Stillschweigen der Klägerin durfte der Beklagte nach den im angefochtenen Urteil festgestellten Umständen nicht auf einen Verzicht der Klägerin auf Herausgabe dieser der Klägerin zustehenden Einnahmen schliessen. 4.6 Die Vorinstanz hat bundesrechtswidrig angenommen, dass die umstrittenen Retrozessionen nicht der Ablieferungspflicht gemäss Art. 400 OR unterfallen und bundesrechtswidrig aus dem blossen Stillschweigen der Auftraggeberin geschlossen, dass der Beauftragte nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, die Klägerin sei mit der Nicht-Ablieferung von Retrozessionen und ähnlichen im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallender Entschädigungen einverstanden. Die Berufung ist in diesem Punkt begründet. Da dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen darüber zu entnehmen sind, welche Beträge aus welchen Rechtsgeschäften der Beklagte im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens der Klägerin von Dritten eingenommen hat, ist das angefochtene Urteil entsprechend dem Eventualantrag der Klägerin aufzuheben. Die Sache ist zur Ergänzung der massgebenden Feststellungen im Rahmen der rechtsgenügenden Vorbringen in diesem Punkt und zu neuem Entscheid im Rahmen der prozessual zulässigen Rechtsbegehren gemäss den vorstehenden Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG). .
5. Die Berufung ist unzulässig bzw. unbegründet, soweit die Klägerin die Honorarforderung des Beklagten im Umfang von 0,5% des verwalteten Vermögens bis zur Kündigung des Auftrags im Februar 2001 bestreitet. Die Berufung ist dagegen insoweit teilweise gutzuheissen, als im angefochtenen Urteil angenommen wird, Retrozessionen und ähnliche im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallende Entschädigungen unterlägen nicht der Rechenschafts- und Herausgabepflicht nach Art. 400 OR oder verblieben bei Stillschweigen des Auftraggebers dem Beauftragten. Bei diesem Verfahrensausgang rechtfertigt es sich, die Gerichtsgebühr den Parteien je zur Hälfte zu auferlegen (Art. 156 Abs. 3 OG) und die Parteikosten wettzuschlagen (Art. 159 Abs. 3 OG). .
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Demnach erkennt das Bundesgericht: 1. Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 23. Mai 2005 wird aufgehoben und die Streitsache wird gestützt auf Art. 64 OG an die Vorinstanz zurückgewiesen. 2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 16 000.– wird den Parteien je zur Hälfte auferlegt. 3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. Lausanne, 22. März 2006 Im Namen der I. Zivilabteilung des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
BGer 6P.5/2006_6S.8/2006 Urteil vom 12. Juni 2006 Kassationshof Besetzung Bundesrichter Schneider, Präsident, Bundesrichter Karlen, Zünd, Gerichtsschreiber Willisegger. Parteien X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger, gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. Gegenstand 6P.5/2006 Art. 9, 29 Abs. 2 sowie 32 Abs. 2 BV (Strafverfahren; Willkür, rechtliches Gehör, Grundsatz «in dubio pro reo»), .
6S.8/2006 Versuchte Erpressung (Art. 156, Art. 22 StGB), Staatsrechtliche Beschwerde (6P.5/2006) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.8/2006) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, .
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Strafgericht, 1. Kammer, vom 17. November 2005. Sachverhalt: A. Am 8. Januar 2001 erteilten die Baubehörden der A.________ AG eine Baubewilligung für die Errichtung eines «Medical Center» in der Aarauer Altstadt. Die Bewilligung wurde rechtskräftig. Am 30. September 2002 reichte die Bauherrschaft ein weiteres Gesuch ein, um nachträglich eine Nutzungsänderung bewilligen zu lassen. Dagegen erhob der Nachbar Y.________ Einsprache mit Eingabe vom 28. Oktober 2002. In der Folge suchte die Bauherrschaft mehrfach das Vergleichsgespräch, da ihr an einer raschen Bereinigung der Einwände gelegen war. Am 7. November 2002 kam es zu einer Besprechung zwischen der Bauherrschaft und dem Architekten B.________ einerseits sowie Y.________ in Begleitung des Baujuristen X.________ andererseits. Eine Woche später, am 14. November 2002, unterbreitete die Bauherrschaft telefonisch das Angebot, einen Betrag von Fr. 15 000.– zu bezahlen, damit die Einsprache zurückgezogen werde. X.________ rief noch gleichentags zurück und verlangte, der angebotene Geldbetrag müsse mindestens um das Zehnfache erhöht werden. Bei einem Telefongespräch vom 18. November 2002 forderte X.________, die Bauherrschaft müsse als angemessene Entschädigung eine Zahlung in der Höhe von Fr. 820 000.– (entsprechend 4% der Bausumme) leisten. Die Bauherrschaft ging auf die Forderung nicht ein und erstattete am folgenden Tag Strafanzeige gegen Y.________ und X.________. .
B. Das Bezirksgericht Aarau erklärte X.________ der versuchten Erpressung (Art. 156 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 9 Monaten und einer Busse von Fr. 3000.–. Eine dagegen erhobene Berufung von X.________ hiess das Obergericht des Kantons Aargau teilweise gut. Mit Urteil vom 17. November 2005 bestätigte es den Schuldspruch, reduzierte jedoch die Strafe auf 7 Monate Gefängnis und Fr. 3000.– Busse. Im Übrigen wies es die Berufung ab. .
C. X.________ erhebt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Mit beiden Rechtsmitteln beantragt er, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. D. Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme zu den beiden Beschwerden. Eine Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft wurde nicht eingeholt. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: I.
Staatsrechtliche Beschwerde
1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV), des Grundsatzes von «in dubio pro reo» (Art. 8 Abs. 1 BV, Art. 9 BV), des Willkürverbotes (Art. 9 BV), eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie der Verteidigungsrechte (Art. 32 Abs. 2 BV). Er macht geltend, die Opfer hätten sich wider Treu und Glauben und sittenwidrig verhalten. Die Bauherrschaft sei als «agent provocateur» aufgetreten, habe den Architekten B.________ als «Lockvogel» eingesetzt und mehrere «Fallstricke» ausgelegt, erstmals am 7. November 2002, als sie ihm ein Angebot für den Rückzug der öffentlichrechtlichen Einsprache im Baugesuchsverfahren unterbreitet und den Verhandlungsrahmen abgesteckt habe. Indem das Obergericht diese Machenschaften nicht oder unrichtig gewürdigt habe, sei es in Willkür verfallen und seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen. Die Beweiswürdigung sei unhaltbar, weil weder in der Untersuchung noch vor Gericht je die Rede davon gewesen sei, dass er mit dem Weiterzug des Baurechtsverfahrens gedroht habe. Darin liege ein Verstoss gegen den Anklagegrundsatz und den Grundsatz «in dubio pro reo». Das zentrale Beweisthema im vorliegenden Prozess sei, ob das geplante Bauvorhaben hätte bewilligt werden dürfen. Die Anträge auf Einholung eines Gutachtens durch den Rechtsdienst des Regierungsrates, auf Beizug der Baugesuchsakten sowie auf erneute Einvernahme des Architekten habe das Obergericht in antizipierter .
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Beweiswürdigung willkürlich abgelehnt. Damit sei eine wirksame Verteidigung nicht möglich gewesen, zumal eine eigentliche Untersuchung nicht stattgefunden habe und eine Befragung des Architekten B.________ als Zeugen einzig an der Hauptverhandlung möglich gewesen sei. Hätte das Obergericht die richtigen Schlüsse gezogen, hätte ein Freispruch ergehen müssen. 2. Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (grundlegend: BGE 110 Ia 1 E. 2a; 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen). Wird eine Verletzung des Willkürverbotes geltend gemacht, muss in der Beschwerde im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 130 I 258 E. 1.3; 125 I 492 E. 1b). Dabei genügt es nicht, wenn der angefochtene Entscheid sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 8 E. 2.1; 128 I 177 E. 2.1, mit Hinweisen). Die Beschwerdeschrift genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Beschwerdeführer setzt sich mit der Begründung des angefochtenen Entscheides nicht in rechtsgenügender Weise auseinander. Um Willkür darzutun, wiederholt er seine bereits im kantonalen Verfahren erhobenen Rügen und stellt der Beweiswürdigung des Obergerichts lediglich seine eigene Sicht der Dinge gegenüber. Mit dieser appellatorischen Kritik ist er nicht zu hören. Gleiches gilt für die Rüge, die Abweisung der beantragten Beweisergänzung sei willkürlich erfolgt. Das Obergericht nimmt zu den in der Berufung erhobenen Beweisanträgen ausführlich Stellung. Es kommt zum Schluss, der eingeklagte Sachverhalt sei hinreichend erstellt, und es sei unerheblich, ob die Einsprache gegen das Baugesuch begründet gewesen sei .
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oder nicht (angefochtenes Urteil, S. 7 ff., insbes. S. 14 f.). Eine Auseinandersetzung mit dieser Begründung findet in der Beschwerdeschrift nicht statt. Es wird nicht dargetan, weshalb die Abnahme der offerierten Beweismittel relevant sein soll und inwiefern sie sich auf das Beweisergebnis hätte auswirken können. Schliesslich kritisiert der Beschwerdeführer pauschal den Gang der Untersuchung und macht eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend. Auch in dieser Hinsicht legt er jedoch nicht dar und ist auch nicht ersichtlich, inwiefern seine verfassungsmässigen Rechte durch den angefochtenen Entscheid verletzt sein sollten. .
3. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten vor Bundesgericht zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). .
II.
Nichtigkeitsbeschwerde
4. 4.1 Gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB wird wegen Erpressung mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis bestraft, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt. Der Tatbestand der Erpressung ist lex specialis zur Nötigung nach Art. 181 StGB. Die in beiden Tatbeständen genannten Nötigungsmittel stimmen seit der Gesetzesrevision von 1994 wörtlich und inhaltlich überein (Botschaft des Bundesrates vom 24. April 1991, BBl 1991 II S. 1044). Im Gegensatz zum früheren Recht (Art. 156 aStGB) setzt eine Erpressung durch Drohung nicht mehr voraus, dass diese «schwer» wiegt. Auch für die zweitgenannte Tatbestandsvariante gelten nunmehr die gleichen Anforderungen, die das Bundesgericht zum allgemeinen Nötigungstatbestand entwickelt hat (vgl. nur BGE 122 IV 322 E. 1a mit zahlreichen Hinweisen). .
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4.2 Bei der Androhung ernstlicher Nachteile im Sinne von Art. 156 StGB und Art. 181 StGB stellt der Täter dem Opfer die Zufügung eines Übels in
Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig erscheinen lässt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Täter die Drohung wirklich wahr machen will, sofern sie nur als ernst gemeint erscheinen soll (BGE 122 IV 322 E. 1a; 120 IV 17 E. 2; 105 IV 120 E. 2a). Ernstlich sind die Nachteile, wenn ihre Androhung nach einem objektiven Massstab geeignet ist, auch eine besonnene Person in der Lage des Betroffenen gefügig zu machen und so seine freie Willensbildung und -betätigung zu beschränken (BGE 122 IV 322 E. 1a S. 325; 120 IV 17 E. 2a / aa, je mit Hinweisen). .
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4.3 Die Rechtswidrigkeit einer Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB bedarf einer zusätzlichen, besonderen Begründung. Sie ist unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 129 IV 6 E. 3.4 S. 15 f., 262 E. 2.1; 122 IV 322 E. 2a S. 326; 120 IV 17 E. 2a / bb S. 20; 119 IV 301 E. 2b S. 305 f., je mit Hinweisen). Bei Art. 156 StGB hingegen ergibt sich die Rechtswidrigkeit schon aus dem Zweck der Nötigung, da die erpresserische Handlung darauf gerichtet ist, das Opfer zu einer schädigenden Vermögensdisposition zu motivieren bzw. dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu erlangen (Esther Omlin, Intersubjektiver Zwang & Willensfreiheit, Diss. Freiburg 2002, S. 58). Erweist sich bereits die angestrebte Vermögensverschiebung als unrechtmässig, erübrigt es sich, die nötigende Handlung weiter auf ihre Rechtswidrigkeit zu prüfen (Omlin, a.a.O., S. 58 Fn 241). Daraus folgt zugleich, dass eine Erpressung auch bei Drohung mit rechtmässigen Mitteln vorliegen kann. Das trifft etwa zu, wenn der Täter zur Durchsetzung einer Forderung ein an sich erlaubtes, freigestelltes Verhalten androht – wie z.B. Strafanzeige zu erstatten –, der erhobene Anspruch aber überhaupt nicht besteht, rechtlich nicht durchsetzbar oder übersetzt ist (vgl. Urteil des Kassationshofes 6S.77/2003 vom 6. Januar 2003, publiziert in: recht 3/2004 S. 119, E. 4.6; BGE 69 IV 168 E. 3 S. 173; Philippe Weissenberger, in: Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Basel 2003, Art. 156 N. 14). Besteht dagegen ein rechtlich begründeter Anspruch auf den Vermögensvorteil, liegt keine Erpressung vor, sondern allenfalls .
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Nötigung infolge rechtswidrigen Mittels oder einer rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Zweck / Mittel-Relation (vgl. etwa BGE 115 IV 207 E. 2b / cc S. 214; 122 IV 322 E. 2 und 3; Peter Noll, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Besonderer Teil I, Zürich 1983, S. 220; Omlin, a.a.O., S. 58; Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 156 N. 8). . .
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4.4 In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz und Bereicherungsabsicht erforderlich. Der Täter muss zumindest in Kauf nehmen, dass der erhobene Anspruch unbegründet ist, und auch für diesen Fall die Bereicherung, wenn sie eintritt, billigen (BGE 118 IV 32 E. 2a S. 34; 105 IV 36 E. 3a; 72 IV 121 E. 3; Stratenwerth / Jenny, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, § 17 N. 9 und § 15 N. 62 f.). .
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5. 5.1 Ob im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer der Bauherrschaft angekündigt hat, er werde gegen die Baubewilligung Beschwerde erheben, und ob er sie dadurch veranlassen wollte, für den Verzicht von Rechtsmitteln ein Entgelt zu leisten, sind Tatfragen, die im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde grundsätzlich nicht überprüft werden können (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Soweit der Beschwerdeführer behauptet, er habe nicht bedrängt, sondern lediglich versprochen, die Einsprache gegen das Baugesuch für eine Entschädigung zurückzuziehen, setzt er sich in Widerspruch zu den Feststellungen der Vorinstanz und deren unmissverständlichen Schlussfolgerung. Denn diese stellt verbindlich fest, dass er für den Fall, dass die Zahlung von Fr. 820 000.– ausbleibe, implizit angekündigt hat, er werde gegen die Baubewilligung Beschwerde erheben und das Bauvorhaben erheblich verzögern (angefochtenes Urteil, S. 16 und 18). Angesichts der Höhe des geforderten Entgeltes konnte seine Erklärung auch nur den Sinn haben, er werde bei ausbleibender «Entschädigung» die Opposition gegen das Bauvorhaben fortsetzen. Dieser Eindruck musste bei der Bauherrschaft umso mehr entstehen, wenn es zutreffen sollte, dass er vor seiner Ankündigung noch damit drohte, er wolle das Bauprojekt auf jeden Fall verhindern (Beschwerde, S. 6 und 12). .
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Ist gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz aber davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine Verwaltungsbeschwerde bzw. eine Verzögerung des Bauvorhabens in Aussicht stellte, erschöpfte sich das angedrohte Verhalten nicht darin, die Einsprache nicht zurückzuziehen. Folglich hat er auch nicht mit einem Unterlassen gedroht, sondern mit einem aktiven Tun, nämlich dem Weiterzug der Baubewilligung. Die in der Lehre umstrittene Frage, ob und inwieweit die Drohung in der Ankündigung einer Unterlassung bestehen kann, stellt sich daher nicht und braucht nicht näher erörtert zu werden (vgl. Martino Imperatori, Das Unrecht der Nötigung, Diss. Zürich 1987, S. 81 ff.; Noll, a.a.O., S. 71; Rehberg / Schmid / Donatsch, Strafrecht III, 8. Aufl., Zürich 2003, S. 365 f.; Martin Schubarth, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, Bern 1984, Art. 181 N. 23 ff.; Günter Stratenwerth / Guido Jenny, a.a.O., § 5 N. 8; Stefan Trechsel, a.a.O, Art. 181 N. 6). Im Übrigen setzt die Androhung von Nachteilen im Rechtssinne nicht voraus, dass der Täter diese ausdrücklich ankündigt, solange für das Opfer nur hinreichend klar ist, worin sie bestehen (unveröffentlichte E. 7.3 des zur Publikation vorgesehenen Urteils des Kassationshofes 6S.46/2005 vom 2. Februar 2006; Rehberg / Schmid / Donatsch, a.a.O., S. 241; Philippe Weissenberger, a.a.O., Art. 156 N. 13). Ausgehend vom verbindlich festgestellten Sachverhalt ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern die Bauherrschaft noch hätte Zweifel haben können, dass ihr eine Bauverzögerung angedroht wurde. Sie nahm die Drohung denn auch ernst, was sich etwa daran zeigt, dass sie sich gezwungen sah, die Verhandlungen abzubrechen und tags darauf Strafanzeige zu erstatten. .
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5.2 Zwar trifft zu, dass der Beschwerdeführer persönlich zur Erhebung der Verwaltungsbeschwerde nicht legitimiert gewesen wäre, sondern nur der Nachbar, in dessen Name die Einsprache eingereicht wurde. Daraus folgt jedoch nicht, dass er eine Bauverzögerung bloss vorausgesagt, nicht aber angedroht hätte. In tatsächlicher Hinsicht steht nämlich fest, dass er sich mit dem Nachbar zusammenschloss, um vom drohenden Verzögerungsschaden der Bauherrschaft in gemeinsamer Sache zu profitieren. Dabei fasste er die Einsprache ab und führte als erfahrener Baujurist die Verhandlungen mit der
Bauherrschaft allein. Er war es auch, der damit drohte, sie würden Beschwerde erheben (angefochtenes Urteil, S. 20). Damit hat er die Verwirklichung der angedrohten Nachteile als von seinem Willen abhängig hingestellt. Denn die Bauherrschaft musste annehmen, dass über den Weiterzug der Baubewilligung letztlich er entscheiden werde und der Nachbar sich ihm ohne weiteres anschliessen würde. Ob er in der Lage gewesen wäre, den von ihm vertretenen Einsprecher tatsächlich zur Beschwerdeerhebung zu bewegen und die angedrohten Nachteile zu bewirken, ist belanglos. Es genügt, wenn nach der Darstellung des Täters der Eintritt als von seinem Willen abhängig erscheint. Mehr verlangt das Gesetz nicht, da schon in diesem Fall die Drohung geeignet sein kann, die freie Willensbildung und Willensbetätigung des Betroffenen zu beeinträchtigen (BGE 106 IV 125 E. 2a). .
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6. Die Verzögerung von Bauvorhaben durch administrative und gerichtliche Verfahren kann zu einer erheblichen Schädigung der Bauherrschaft führen (vgl. nur Hugo Casanova, La réparation du préjudice causé par l’opposition injustifiée à un projet de construction, in: BR 1986 S. 75 ff., 77; Attilio R. Gadola, Die unbegründete Drittbeschwerde im öffentlichrechtlichen Bauprozess – Korrektive zum Schutz des Baubewilligungspetenten, in ZBl 3/1994 S. 97 ff., 99). Zu denken ist etwa an den um Monate verzögerten Beginn in der Bauausführung, eine damit verbundene Baukostenverteuerung, den Ausfall von Mietzinsen, Kosten für Ersatzauslagen, eine laufende Kapitalverzinsung, aber auch an Verfahrens- und Anwaltskosten, soweit sie nicht ersatzfähig sind (Gadola, a.a.O., S. 99; Casanova, a. a.O., S. 77). Der Bauherr trägt in einem öffentlichrechtlichen Bauprozess regelmässig ein weitaus grösseres Risiko als der beschwerdeführende Nachbar (Gadola, a.a.O.). Im Allgemeinen hat er daher ein nachvollziehbares Interesse, die Zustimmung zum bekämpften Bauvorhaben durch privatrechtliche Vereinbarung zu gewinnen und damit einen langwierigen Bauprozess zu vermeiden. Für die Bauherrschaft im hier zu beurteilenden Fall gilt dies besonders, da sie bereits über eine rechtskräftige Baubewilligung verfügte und lediglich der Entscheid über ein Nachtragsbaugesuch noch ausstehend war (angefochtenes Urteil, S. 11; Beschwerde, S. 17). Der Erstellung der .
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bewilligten Baute stand demnach grundsätzlich nichts mehr im Weg und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Nachbargrundstück waren insoweit hinzunehmen. Auch berechtigte Einwände gegen das nachträglich eingereichte Gesuch hätten das missliebige Bauvorhaben als Ganzes nicht mehr verhindern, wohl aber erheblich verzögern und die Bauherrschaft ernstlich schädigen können. Unter diesen Umständen steht ausser Frage, dass die Androhung einer Bauverzögerung objektiv geeignet war, eine verständige Person in ihrer Lage gefügig zu machen. Die Vorinstanz hat die Ernstlichkeit der angedrohten Nachteile daher zu Recht bejaht. An der Erheblichkeit der Drohung ändert nichts, dass die Vergleichsgespräche von der Bauherrschaft ausgingen und sie für den Rechtsmittelverzicht ein Angebot von Fr. 15 000.– unterbreitet hatte. Denn die Ernstlichkeit des angedrohten Nachteils entfällt nicht ohne weiteres, wenn der Betroffene bereits vor der Drohung mit dessen Eintritt rechnet und durch gütlichen Abschluss einer Vereinbarung den Nachteil abzuwenden sucht. Im angefochtenen Urteil wird dazu zutreffend ausgeführt, das Verhalten der Bauherrschaft bringe lediglich zum Ausdruck, wie sehr ihr an einer raschen Einigung über die Einsprache gelegen war, um der Gefahr einer Bauverzögerung möglichst frühzeitig zu begegnen (angefochtenes Urteil, S. 17). Ihr Verhalten lässt jedoch keineswegs den vom Beschwerdeführer gezogenen Schluss zu, sie habe in die Nötigung eingewilligt oder zur Selbstschädigung angestiftet (Beschwerde, S. 16). Sie bemühte sich vielmehr um eine rasche Bereinigung der baurechtlichen Einwände und strebte selbstredend keine Vermögensschädigung an. Hätte sie dem Ansinnen des Beschwerdeführers unter dem Eindruck der Drohung aber nachgegeben und die übersetzte Entschädigung bezahlt, wäre sie am Vermögen geschädigt worden. Aus diesem Grund wies sie dessen Forderung entschieden zurück. .
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7. 7.1 Zu klären bleibt, ob der Beschwerdeführer mit seiner Drohung einen unrechtmässigen Zweck verfolgte, indem er versuchte, für den Rechtsmittelverzicht im Bauverfahren eine finanzielle Abfindung zu erlangen. Wenn die angestrebte Verzichtsvereinbarung unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten gültig verabredet werden kann, ist die Drohung als zulässig
anzusehen. Wird dagegen die Vermögensverschiebung von der Rechtsordnung missbilligt, diente sie einem rechtswidrigen Zweck. 7.2 Nach Art. 20 Abs. 1 OR ist ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, nichtig. Auch die Sittenwidrigkeit bezieht sich auf den Vertragsinhalt, der in einem weiteren Sinn den Vertragszweck mitumfasst (BGE 123 III 101 E. 2 S. 102). Die Ausübung von Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen ist grundsätzlich auch dann rechtmässig, wenn sie sich schliesslich als erfolglos erweisen. Jeder Bürger ist befugt, für vermeintliche Ansprüche Rechtsschutz zu beanspruchen, sofern er in guten Treuen handelt. Prozessbezogenes Verhalten als solches ist nur dann als rechts- oder sittenwidrig zu werten, wenn Verfahrensrechte missbräuchlich, böswillig oder wider Treu und Glauben in Anspruch genommen werden (BGE 123 III 101 E. 2a S. 103 mit weiteren Hinweisen). Wer ein aussichtsloses Rechtsmittel ergreift und sich dessen Rückzug entschädigen lässt, nutzt regelmässig den drohenden Verzögerungsschaden des Bauherrn zur Erlangung verfahrensfremder Zwecke aus, was sittenwidrig ist. Chancen und Vorteile eines nicht aussichtslosen Rechtsmittels können demgegenüber geldwerter Natur sein. Es verstösst daher nicht gegen die guten Sitten, sich für den Verzicht auf das Rechtsmittel eine Entschädigung versprechen zu lassen (BGE 115 II 232 E. 4b). Sittenwidrig würde eine solche Vereinbarung auch nicht aufgrund eines Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung, weil die Grundwerte der Rechtsordnung eine Wertdisparität der Vertragsleistungen nicht verbieten wollen; hier greift zivilrechtlich nur der Übervorteilungstatbestand (Art. 21 OR), wonach ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausnahmsweise die einseitige Unverbindlichkeit des Vertrages zur Folge hat, wenn die eine Partei dessen Abschluss durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinnes der anderen herbeigeführt hat (BGE 115 II 232 E. 4c). In der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichts war bisher nicht zu entscheiden, wie es sich verhält, wenn sich der Nachbar für den Verzicht auf ein Rechtsmittel bezahlen lässt, das zwar nicht aussichtslos ist, die verlangte Entschädigung aber gänzlich ausserhalb dessen steht, was vernünftigerweise noch als – wenn auch sehr grosszügig bemessene – .
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Entschädigung für nachbarrechtliche Inkonvenienzen bezeichnet werden kann. Allgemein gilt, dass der entgeltliche Verzicht auf eine rechtliche Befugnis sittenwidrig ist, wenn er auf einer verpönten Kommerzialisierung der Rechtsposition der verzichtenden Partei beruht (BGE 123 III 101 E. 2c S. 105). Dies kann auch der Fall sein, wenn der Nachbar seine Rechtsmittelbefugnis weder für die Verhinderung eines ihm rechtswidrig erscheinenden Bauprojekts noch für den Ausgleich nachbarrechtlicher Nachteile einsetzt, sondern sie als blosses Vehikel zur Erlangung von Geldleistungen missbraucht. Leichthin darf solches allerdings nicht angenommen werden, denn ein Bauprojekt hat regelmässig negative Auswirkungen auf das Nachbargrundstück, und solange die vereinbarte Entschädigung noch als Ausgleich für solche Nachteile verstanden werden kann, wenn auch vielleicht in übersetztem Masse, ist ein sittenwidriger Vertrag nicht gegeben. Sittenwidrig ist die Verzichtsvereinbarung erst, wenn aufgrund der Umstände gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass auf schutzwürdige Interessen des Nachbarn Bezug genommen wird. .
7.3 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ging es dem Beschwerdeführer ganz überwiegend darum, aus dem drohenden Verzögerungsschaden der Bauherrschaft Profit zu ziehen (angefochtenes Urteil, S. 19). Zunächst verlangte er ohne nähere Begründung, sie müsse ihr Angebot von Fr. 15 000.– mindestens um das Zehnfache erhöhen, damit die Einsprache zurückgezogen werde; wenig später forderte er «als angemessene Entschädigung» einen Betrag von Fr. 820 000.–. Der Beschwerdeführer stellt zu Recht nicht in Abrede, dass das geforderte Entgelt offensichtlich übersetzt war. Eine Vergütung in solcher Höhe liesse sich von vornherein nicht als Gegenleistung für die behaupteten Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks wie Lärmimmissionen oder Schattenwurf begreifen. Es ging ihm auch nicht um den Ausgleich nachbarrechtlicher Nachteile. Vielmehr hatte er die Absicht, für den Rechtsmittelverzicht eine finanzielle Abfindung erhältlich zu machen und die Bauherrschaft unter dem Eindruck der angedrohten Bauverzögerung zu einer exorbitanten finanziellen Leistung zu zwingen, die keinerlei Bezug zu allfälligen nachbarrechtlichen Nachteilen hatte. Die Verfahrensposition des Nachbarn im Bauverfahren wurde dadurch .
in einer Weise missbraucht, die als blosse zweckwidrige Kommerzialisierung der Rechtsposition und damit als sittenwidrig zu betrachten ist. Dass eine gewisse Entschädigung für nachbarrechtliche Nachteile nicht zu beanstanden gewesen wäre und auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer eine Änderung des Bauprojekts hätte erwirken können, ändert hieran nichts. Denn dem Beschwerdeführer ging es nicht um schutzwürdige Interessen des Nachbarn, sondern darum, die Situation auszunutzen, um sich beträchtliche finanzielle Mittel zu verschaffen, die sich auch gar nicht in Bezug zu nachbarrechtlichen Nachteilen bringen lassen. Die vom Beschwerdeführer zweckwidrig beabsichtigte Kommerzialisierung des Rechtsmittelverzichts hätte deshalb die Nichtigkeit der Entschädigungsvereinbarung nach Art. 20 Abs. 1 OR nach sich gezogen, wenn sie zustande gekommen wäre. Demzufolge diente die Drohung einem rechtswidrigen Zweck. 8. 8.1 Nach Auffassung des Beschwerdeführers wird ein verpöntes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung jedoch abschliessend durch das Wucherverbot von Art. 157 StGB geregelt. In diesem Zusammenhang beruft er sich auf eine Lehrmeinung zum deutschen Recht, wonach ein vom Opfer initiierter Freikauf vom Tatbestand der Nötigung auszuklammern sei (Gunther Arzt, Zwischen Nötigung und Wucher, in: Festschrift für Karl Lackner, Hrsg. von Wilfried Küper, Berlin 1987, S. 641 ff.). Nach Ansicht von Arzt schützt die Strafdrohung auf Nötigung bzw. Erpressung das Opfer nicht nur gegen Vermögensverluste, sondern typischerweise auch vor dem angedrohten Übel. Vielmals gehe es dem Täter nämlich nicht «einfach» um die Zufügung des Übels, sondern um die inkonnexe Verwertung der Nachteile. Wenn allerdings der Zusammenhang zwischen Übel und dessen Abwendung durch Zahlung vom Opfer hergestellt werde, liege ausnahmsweise keine Nötigung vor. Dem Täter liesse sich dieses Wissen zwar als Drohung anrechnen, wenn er es übernehme oder ausnütze. Eine Nötigung sei gleichwohl nicht anzunehmen, da dies sonst dazu führe, dass das Opfer zur Hinnahme des Übels gezwungen sei und in der Not belassen würde wie beim Wuchertatbestand. Das Gesetz nehme zur .
Vermeidung von Wuchergeschäften in Kauf, dass dem Opfer ein gewünschter Vertragsabschluss verwehrt bleibe, wenn der Täter zu nicht-wucherischen Bedingungen nicht abschlussbereit sei. Die Nötigungstatbestände hätten aber die Verhinderung der Notlage zum Ziel und dürften zugleich das Opfer nicht bevormunden. Aus diesem Grund seien Freikäufe auf Initiative des Opfers hin vom Tatbestand der Nötigung bzw. Erpressung auszuklammern (Arzt, a.a.O., S. 654 f.). .
8.2 Zur aufgeworfenen Frage nach der Konkurrenz zwischen Erpressung (Art. 156 StGB) und Wucher (Art. 157 StGB) ist Stellung zu nehmen. Wucher begeht namentlich, wer die Zwangslage eines anderen ausbeutet, indem er sich unverhältnismässige Vermögensvorteile gewähren oder versprechen lässt (BGE 130 IV 106 E. 7.2 mit Hinweis). Beiden Tatbeständen ist gemeinsam, dass das Opfer unter dem Eindruck von Zwang steht. Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich Art und Entstehung der erforderlichen Zwangssituation. Hat sich die Zwangslage unabhängig vom Täter eingestellt und begnügt er sich, die auswegslose Situation des Betroffenen auszunützen, liegt Wucher vor. Wirkt er dagegen auf die Entschlussfreiheit durch Nötigung weiter ein, ist Erpressung zu prüfen. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Erpresser die Zwangslage überhaupt erst herbeiführt; es genügt, wenn er die Gewährung des Vermögensvorteils zu erzwingen sucht und damit die Not des Bedrohten noch steigert. Denn will der Täter das Opfer (auch) durch Ausübung von Zwang zur Vermögensschädigung motivieren, wird dessen Willensfreiheit zusätzlich eingeschränkt. Gerade diese Freiheit aber schützt Art. 156 StGB. Demgegenüber ist der Wuchertatbestand als reines Vermögensdelikt konzipiert und vermag als solches die (Dispositions-)Freiheit des Opfers nur mittelbar zu schützen. Durch das blosse Ausnützen der Zwangslage wird aber das Unrecht der nötigenden Einflussnahme nicht erfasst, weshalb Erpressung vorgeht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen sowohl von Art. 156 StGB als auch von Art. 157 StGB erfüllt sind (Bernard Corboz, Les principales infractions, Band 2, Bern 1999, S. 79 N. 58; Trechsel, a.a.O., Art. 157 N. 16; Weissenberger, a. a.O., Art. 157 N. 16). .
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8.3 Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer nicht darauf beschränkt, eine Zwangslage auszubeuten. Vielmehr wollte er durch
Androhung der Ergreifung eines Rechtsmittels erzwingen, dass die Bauherrschaft die geforderte Entschädigung bezahle. Zweimal stellte er ihrem Angebot eine Forderung gegenüber, die ein Vielfaches dessen betrug, was sie zu zahlen bereit gewesen wäre, und verknüpfte diese Forderung mit der Drohung, nicht nur die Einsprache aufrecht zu erhalten, sondern auch die Baubewilligung anzufechten. Seine Nötigungshandlungen hoben sich vom Vergleichsangebot der Bauherrschaft somit klar ab und setzten später ein. Aus der Auffassung von Arzt vermag der Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu seinen Gunsten ableiten, weil es nicht bei einem vom Opfer ausgehenden Freikaufsangebot blieb, das der Täter bloss übernommen hätte (vgl. Arzt, a.a.O., S. 655). Durch seinen Zwang, und insbesondere die Höhe der geforderten Entschädigung, setzte sich der Beschwerdeführer über den Willen der Bauherrschaft hinweg und verunmöglichte es ihr, sich zu angemessenen Bedingungen freizukaufen. In einem solchen Fall kann der «Freikauf» für das Opfer von vornherein keinen freiwilligen und vernünftigen Ausweg darstellen, der ihm nicht durch Pönalisierung des erpresserischen Täterverhaltens verwehrt sein dürfte. Die Vorinstanz hat daher zutreffend auf versuchte Erpressung erkannt. .
9. 9.1 Zuletzt wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Strafzumessung. Er macht zusammengefasst geltend, die Vorinstanz habe teilweise auf nicht massgebende Gesichtspunkte abgestellt, einzelne wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt oder unter Verletzung ihres Ermessens falsch gewichtet und die Begründung des Strafmasses sei nicht nachvollziehbar. 9.2 Das Bundesgericht hat in mehreren jüngeren Entscheiden die Grundsätze der Strafzumessung und die an sie gestellten Anforderungen zusammengefasst (BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 20 f.; 127 IV 101 E. 2; 124 IV 286 E. 4a S. 295; 123 IV 49 E. 2a, je mit Hinweisen). Darauf ist zu verweisen. .
9.3 Die Vorinstanz hat die Zumessung der Strafe eingehend und sorgfältig begründet. Sie hat alle wesentlichen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt und in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Die ausgesprochene
Freiheitsstrafe von sieben Monaten Gefängnis liegt im unteren Bereich des bis zu 5 Jahren Zuchtaus reichenden Strafrahmens und bleibt unter einem Viertel des für die Strafart Gefängnis vorgesehenen Strafrahmens (Art. 36 StGB). Auch in Verbindung mit der verhängten Busse von Fr. 3000.– ist sie unter Berücksichtigung aller massgebenden Gesichtspunkte nicht unhaltbar hart. Eine Verletzung von Bundesrecht liegt nicht vor. Auf die insgesamt ohne weiteres nachvollziehbaren und überzeugenden Erwägungen der Vorinstanz kann verwiesen werden. Nachfolgend bleibt auf einzelne Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen. Soweit er allerdings rügt, der Strafzumessung lägen aktenwidrige Feststellungen zugrunde, ist er nicht zu hören (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Gleiches gilt, soweit er verlangt, es sei zu berücksichtigen, dass er eine negative Publizität durch die Medien erfahren habe. In diesem Punkt ist auf die Beschwerde mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer legt auch nicht ansatzweise dar, inwiefern die Medienberichterstattung zu einer Vorverurteilung geführt oder ihn auch nur in seiner Persönlichkeit verletzt haben sollte (BGE 128 IV 97 E. 3 b). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war die Vorinstanz nicht gehalten, zu dessen Gunsten zu berücksichtigen, dass die Vergleichsgespräche auf Initiative der Bauherrschaft hin geführt wurden. Eine Strafmilderung bzw. -minderung wegen ernstlicher Versuchung im Sinne von Art. 64 al. 5 StGB kommt nur in Betracht, wenn der Verletzte den Anstoss zur strafbaren Handlung gegeben hat, und zwar derart ernstlich, dass der Täter für seinen Entschluss, sie zu begehen, nicht als voll verantwortlich erscheint (BGE 98 IV 67 E. 1 S. 68). Die Bauherrschaft gab zur Nötigung weder Anlass noch Anstoss. Sie hat den Beschwerdeführer nicht, und schon gar nicht ernstlich in Versuchung geführt. Dieser drohte vielmehr aus eigenem Entschluss, um eine übersetzte Entschädigung erhältlich zu machen. Unbegründet ist sodann der Einwand, der fragliche Vorfall liege über drei Jahre zurück. Seit der Tat ist nicht eine verhältnismässig lange Zeit verstrichen, die gemäss Art. 64 al. 8 StGB strafmildernd oder auch nur strafmindernd zu berücksichtigen wäre (vgl. BGE 132 IV 1 E. 6). Nicht zu beanstanden ist ferner, dass der Beweggrund des Beschwerdeführers zu seinen Lasten berücksichtigt wird, weil es ihm nur .
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darum ging, sich den Verzicht auf Rechtsmittel im Bauprozess «vergolden zu lassen». Der Beschwerdeführer bringt vor, eine Erpressung beinhalte in jedem Fall ein finanzielles Motiv, und beruft sich damit sinngemäss auf das Doppelverwertungsverbot. Das angerufene Verbot verwehrt dem Richter indes nicht, dem Ausmass eines qualifizierenden oder privilegierenden Tatumstandes Rechnung zu tragen (BGE 120 IV 67 E. 2b S. 72; 118 IV 342 E. 2b S. 347 f.). Dies hat die Vorinstanz getan, indem sie berücksichtigte, dass sich der Beschwerdeführer ausschliesslich von pekuniären Interessen leiten liess und dessen Bereicherungsabsicht – als qualifizierendes Merkmal gegenüber der Nötigung gemäss Art. 181 StGB – als besonders verwerflich betrachtete. Ein Verstoss gegen das Doppelverwertungsverbot liegt deshalb nicht vor. Schliesslich verletzt die Vorinstanz Bundesrecht nicht, wenn sie neben der Freiheitsstrafe zusätzlich eine Busse von Fr. 3000.– verhängt hat. Gemäss Art. 172bis StGB kann der Richter eine Freiheitsstrafe mit einer Busse bis zu Fr. 40 000.– (Art. 48 StGB) verbinden, wenn die Strafandrohung eines Vermögensdelikts ausschliesslich auf Freiheitsstrafe lautet. Diese Bestimmung ermöglicht dem Sachrichter eine flexiblere Handhabe bei der Auswahl der Strafart. Dabei müssen die verwirkte Freiheitsstrafe und die Geldbusse in ihrer Gesamtheit schuldangemessen sein (BGE 124 IV 134 E. 2c / bb). Die Vorinstanz hat von der gesetzlichen Befugnis bundesrechtskonform Gebrauch gemacht. Die Höhe der ausgefällten Busse liegt innerhalb des sachrichterlichen Ermessens. Sie ist auch zusammen mit der ausgesprochenen Freiheitsstrafe der Schuld des Beschwerdeführers nicht unangemessen. .
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10. Demzufolge ist die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten vor Bundesgericht zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). .
Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist. 3. Die Gerichtsgebühr Beschwerdeführer auferlegt.
von
insgesamt
Fr. 4000.–
wird
dem
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. Lausanne, 12. Juni 2006 Im Namen des Kassationshofes des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
BGer 6P.31/2006_6S.63/2006 Urteil vom 25. April 2006 Kassationshof Besetzung Bundesrichter Schneider, Präsident, Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Gerichtsschreiber Briw. Parteien X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Franz Stämpfli, gegen Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern. Gegenstand 6P.31/2006 Art. 9 BV (Strafverfahren; willkürliche Beweiswürdigung), .
6S.63/2006 Raub, Staatsrechtliche Beschwerde (6P.31/2006) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.63/2006) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 24. November 2005. .
Sachverhalt:
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A. Die 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern stellte am 24. November 2005 fest, dass das Urteil der Dreierkammer des oberländischen Jugendgerichtes insoweit in Rechtskraft erwachsen sei, als X.________ (Jahrgang 1986) verschiedener Straftaten schuldig erklärt wurde (sexuelle Nötigung, unrechtmässige Aneignungen, Sachbeschädigungen, Hausfriedensbrüche, Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz). Es sprach ihn in drei Anklagepunkten frei und fand ihn der Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz sowie eines nach Vollendung des 18. Altersjahres begangenen Raubes (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) schuldig. Das Obergericht wies X.________ gestützt auf Art. 100bis StGB in eine Arbeitserziehungsanstalt ein und ordnete eine ambulante, den stationären Massnahmenvollzug begleitende Psychotherapie sowie eine Therapie für jugendliche Sexualstraftäter gemäss Art. 43 StGB an. .
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B. X.________ erhebt Nichtigkeitsbeschwerde und subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben, die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurückzuweisen und den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Staatsrechtliche Beschwerde 1. 1.1 Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe auf die Meinung des Gutachters vom 25. November 2005 und nicht auf dessen Gutachten vom 24. November 2004 abgestellt. Das sei willkürlich. 1.2 Das Obergericht beurteilt eine ambulante Massnahme aus verschiedenen Gründen als nicht mehr angezeigt und spricht sich für eine stationäre Massnahme aus, nämlich die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt. Es begründet seine Auffassung ausführlich und sorgfältig (angefochtenes Urteil S. 65 – 69). Es bezieht das Gutachten vom 24. November 2004 in seine Beurteilung ein und berücksichtigt insbesondere die anlässlich der .
Appellationsverhandlung vom 24. November 2005 geäusserte Meinung des Gutachters, in welcher dieser seine Einschätzung änderte und eine stationäre Massnahme befürwortete (angefochtenes Urteil S. 66 mit Hinweis auf die kantonalen Akten). .
1.3 Das Gericht würdigt ein psychiatrisches Gutachten grundsätzlich frei (Art. 249 BStP). Es darf aber in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe vom Gutachten abweichen und muss Abweichungen begründen. Das Abstellen auf nicht schlüssige Gutachten kann gegen Art. 9 BV verstossen, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen oder Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern. Willkür liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation im klaren Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Fehler beruhen oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen (BGE 129 I 49 E. 4; ausführlich dazu Hans Wiprächtiger, Psychiatrie und Strafrecht – Was erwartet der Jurist?, in: Gerhard Ebner / Volker Dittmann / Bruno Gravier / Klaus Hoffmann / René Raggenbass [Hrsg.], Psychiatrie und Recht, Zürich 2005, S. 207). Das Obergericht weist den Beschwerdeführer in eine Arbeitserziehungsanstalt gemäss Art. 100bis StGB ein (Bereits das erstinstanzliche Jugendgericht hatte angeordnet, die Massnahme der Unterbringung in einem Erziehungsheim in einer Arbeitserziehungsanstalt zu vollziehen). Es prüft die Meinung des Gutachters und bezieht weitere Elemente, die gegen eine ambulante und für die stationäre Massnahme sprechen, in seine Würdigung ein. Dabei stellt es letztlich nicht auf das Gutachten vom 24. November 2004, sondern auf die Aussagen des Gutachters vor dem Obergericht ab. Richtigerweise hatte es diesen zur Hauptverhandlung eingeladen, weil bei jungen Menschen die während eines ganzen Jahres erfolgte Entwicklung von entscheidender Bedeutung sein kann. Der Gutachter zeigte diese Entwicklung des Beschwerdeführers nachvollziehbar und plausibel auf, so dass es für das Obergericht keine triftigen Gründe gab, von dieser Meinung abzuweichen. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, erschöpft sich in einer appellatorischen Kritik insofern, als er schlicht seine eigene Auffassung derjenigen des Obergerichts gegenüberstellt und diese .
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nicht einmal weiter belegt (etwa dass die Lehre nicht von ihm abgebrochen worden sei und dass er eine normale Beziehung zum anderen Geschlecht habe aufbauen können). Dem Bericht von Dr. Entzer musste das Obergericht nicht die vom Beschwerdeführer gewünschte Bedeutung beimessen, weil dem behandelnden Therapeuten die für eine Begutachtung erforderliche Neutralität fehlt (vgl. BGE 128 IV 241 E. 3.2). Schliesslich durfte das Obergericht, ohne in Willkür zu verfallen, auf die mündlichen Ausführungen des Gutachters abstellen. Dieser hatte den Beschwerdeführer vor einem Jahr sorgfältig und eingehend begutachtet. Ihm war die Persönlichkeitsstruktur deshalb bekannt. Die Beschwerde ist unbegründet. .
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2. Der Beschwerdeführer begründet den Vorwurf einer willkürlichen Strafzumessung nicht. In diesem Punkt ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit b OG). Soweit er damit eine Frage des Bundesrechts aufwirft (Art. 63 StGB), kann darauf nicht eingetreten werden, weil diese Rüge mit Nichtigkeitsbeschwerde vorgetragen werden müsste (Art. 269 Abs. 1 BStP). .
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Nichtigkeitsbeschwerde 3.
Der Beschwerdeführer ficht den Schuldspruch wegen Raubes an. Wie die Vorinstanz feststellt, hat der Beschwerdeführer nicht als erstes die Handtasche ergriffen, sondern die Frau von hinten gepackt und zu Boden gedrückt. Es fand ein zwar kurzes, aber recht heftiges Handgemenge statt. Vorherrschendes Moment war nicht die Überraschung des Opfers, obwohl diese eine gewisse Rolle spielte und beabsichtigt war, sondern die Ausübung physischer Gewalt. Der Beschwerdeführer übte von Beginn an gegen das Opfer selber und direkt körperlichen Zwang aus, indem er das schreiende Opfer heftig packte und mit Kraft zu Boden drückte. Dieses schätzte den Angreifer nach anfänglichem Wehren als körperlich überlegen ein, stellte deshalb die Gegenwehr ein und musste sich die Handtasche wegreissen lassen. In subjektiver Hinsicht stellt die Vorinstanz fest, dass der Beschwerdeführer das Opfer überfallen und ihm die Handtasche wegreissen wollte, weil er kein Geld mehr hatte (angefochtenes Urteil S. 46, 48 f.). Den Tatbestand des Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB .
erfüllt, wer mit Gewalt gegen eine Person einen Diebstahl begeht. Unter Gewalt ist die unmittelbare physische Einwirkung auf den Körper des Opfers zu verstehen (vgl. BGE 81 IV 224; 107 IV 107 E. 3b und c). Im Unterschied zu Art. 139 Ziff. 1 aStGB muss die Nötigungshandlung den Betroffenen nicht widerstandsunfähig machen. Den Tatbestand von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt bereits, wer das Opfer durch Gewalt veranlasst, die Wegnahme einer Sache zu dulden (BGE 6S.102/1997 vom 18. April 1997 E. 1c; Günter Stratenwerth / Guido Jenny, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, 6. Auflage, Bern 2003, § 13 N. 117). Massgeblich erscheint die Intensität der Gewalt, weil es sich bei Art. 140 StGB um eine qualifizierte Nötigung handelt (Marcel Alexander Niggli / Christof Riedo, Strafgesetzbuch II, Basler Kommentar, Art. 140 N. 19). Entscheidend ist die vorinstanzliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer gegen das Opfer selber direkten körperlichen Zwang ausübte. Er musste zuerst den Widerstand des Opfers brechen. Damit ist kein Entreissdiebstahl anzunehmen, der vorläge, wenn das Opfer infolge der Überraschung keine Gegenwehr zu entwickeln vermocht hätte (Niggli / Riedo, a.a.O., Art. 140 N. 21). Das Überraschungsmoment spielte hier eine untergeordnete Rolle. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Gewaltanwendung habe nur eine «sehr geringe Intensität» aufgewiesen, richtet er sich in unzulässiger Weise gegen die vorinstanzlichen Feststellungen (Art. 273 Abs. 1 lit. B BStP). In subjektiver Hinsicht ist entgegen seiner Auffassung keine Verletzungsabsicht erforderlich. Vielmehr ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, ein Vorsatz erforderlich, der sich insbesondere auf die Ausführung der Nötigungshandlung gegenüber dem Opfer zum Zwecke eines Diebstahls sowie auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale des Diebstahls selbst beziehen muss. Die Beschwerde ist unbegründet. .
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Kosten 4. Die Beschwerden sind abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Kosten vor Bundesgericht (Art. 156 Abs. 1 StGB; Art. 278 Abs. 1 BStP). Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden keine Entschädigungen ausgerichtet. Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende .
Wirkung gegenstandslos geworden. Demnach erkennt das Bundesgericht: 1. Die staatsrechtliche Beschwerde und die Nichtigkeitsbeschwerde werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 4000.– wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. Lausanne, 25. April 2006 Im Namen des Kassationshofes des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
BGer 6S.74/2006 Urteil vom 3. Juli 2006 Kassationshof Besetzung Bundesrichter Schneider, Präsident, Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen. Gerichtsschreiber Näf. Parteien X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Hiestand, gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich. Gegenstand Betrug (Art. 146 StGB); Urkundenfälschung (Art. 251 StGB); Strafzumessung, retrospektive Konkurrenz, Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 14. November 2005. .
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Sachverhalt: A. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 14. November 2005 im Berufungsverfahren schuldig des mehrfachen Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) und der mehrfachen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) sowie ferner der falschen Anschuldigung, der groben Verletzung von Verkehrsregeln, des mehrfachen Fahrens in angetrunkenem Zustand und .
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der Vereitelung einer Blutprobe. Es verurteilte ihn zu 2 Jahren und 11 Monaten und 16 Tagen Zuchthaus, unter Anrechnung von 54 Tagen Untersuchungshaft, und drohte ihm bei erneuter Delinquenz Sicherungsverwahrung gemäss Art. 42 Ziff. 1 StGB an. B. X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. C.
Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet.
D. Mit Präsidialverfügung vom 10. Mai 2006 Nichtigkeitsbeschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
wurde
der
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Zum Zwecke der Erlangung eines Hypothekarkredits für den Erwerb von zwei Eigentumswohnungen in Berlin reichte der Beschwerdeführer durch einen gewissen A.________ bei der Deutschen Bank, Kredit-Services Nord, Hamburg, verschiedene Unterlagen ein, die allesamt, teilweise vom Beschwerdeführer selbst, teilweise in dessen Auftrag von einem gewissen B.________, gefälscht worden waren, so unter anderem Lohnausweise und Lohnabrechnungen des (angeblichen) früheren und des (angeblichen) neuen Arbeitgebers, Kontoauszüge zweier Banken sowie die Bestätigung einer Versicherungsgesellschaft betreffend Vorsorgeansprüche. Gestützt auf diese Unterlagen, welche den in Wahrheit überschuldeten Beschwerdeführer als zahlungsfähig und kreditwürdig erscheinen liessen, gewährte ihm die Deutsche Bank mit Vertrag vom 23. Juli 2001 einen Hypothekarkredit von 187 388.47, womit die beiden Eigentumswohnungen finanziert wurden. In der Folge zahlte der Beschwerdeführer weder Zinsen noch Amortisationen. Unter anderem wegen dieses Sachverhalts (Anklagepunkt HD) sprach die Vorinstanz ihn in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils des Betrugs schuldig. .
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2. Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB wird wegen Betrugs mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. 2.1 2.1.1 Den Tatbestand erfüllt nur die arglistige Täuschung. Wer sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen bzw. den Irrtum durch ein Minimum zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können, wird strafrechtlich nicht geschützt. Nach der Rechtsprechung ist Arglist unter anderem gegeben, wenn der Täter zur Täuschung eines andern ein ganzes Gebäude von raffiniert aufeinander abgestimmten Lügen errichtet oder wenn er sich besonderer Machenschaften bedient, d.h. den andern durch intensive, planmässige und systematische Vorkehren, namentlich durch Verwendung von rechtswidrig erlangten oder gefälschten Urkunden und Belegen, täuscht (BGE 128 IV 18 E. 3a; 122 IV 197 E. 3d, je mit Hinweisen). .
2.1.2 Nach der neueren Rechtsprechung ist das Kriterium der Überprüfbarkeit nicht nur bei einfachen falschen Angaben, sondern auch bei Lügengebäuden und besonderen Machenschaften unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung von Bedeutung. Danach ist bei der Prüfung der Arglist nicht aufgrund einer rein objektiven Betrachtungsweise darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich vorsichtiger und erfahrener Dritter auf die Täuschung reagiert hätte. Vielmehr ist die jeweilige Lage des Betroffenen im Einzelfall zu berücksichtigen, beispielsweise die besondere Fachkenntnis und Geschäftserfahrung des Getäuschten. Auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung ist aber für die Erfüllung des Betrugstatbestands nicht erforderlich, dass das Opfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle denkbaren Vorsichtsmassnahmen trifft. Entscheidend ist nicht, ob der Betroffene alles vorgekehrt hat, um den Irrtum zu vermeiden. Arglist scheidet lediglich aus, wenn das Opfer die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen
nicht beachtet hat. Entsprechend entfällt der strafrechtliche Schutz nicht bei jeder Fahrlässigkeit des Opfers, sondern nur bei Leichtfertigkeit (BGE 128 IV 18 E. 3a; 126 IV 165 E. 2a, je mit Hinweisen; Ursula Cassani, Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, ZStrR 117/1999 S. 152 ff., 163). .
2.2 Die Vorinstanz hat unter Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung Arglist im vorliegenden Fall bejaht. Mit sehr verschiedenen, einander bestätigenden und ineinandergreifenden gefälschten oder verfälschten Urkunden, die zudem vermeintlich von verschiedenen, unabhängigen Ausstellern stammten, habe der Beschwerdeführer ein abgerundetes Bild seiner angeblich guten Finanzlage aufgezeigt. Dieses Geflecht von gefälschten Urkunden sei nicht bloss als eine Aneinanderreihung von mehreren einfachen Lügen anzusehen. Im Geschäftsverkehr müssten sich die Geschäftspartner auf unverdächtige Urkunden verlassen können. Hinzu komme, dass es sich vorliegend um einen Hypothekarkredit handle, der mit Sicherheit weniger genaue Nachprüfungen bedinge als ein ungesicherter Kredit, welcher allein aufgrund der finanziellen Verhältnisse des Kreditnehmers gewährt werde. Unter den gegebenen Umständen sei für die Kredit gebende Bank eine Nachfrage beim angeblichen Arbeitgeber des Beschwerdeführers obsolet gewesen (angefochtenes Urteil S. 14). Ergänzend verweist die Vorinstanz auf die Erwägungen der ersten Instanz. Darin wird der Einwand des Beschwerdeführers, dass die Angaben leicht überprüfbar gewesen wären, verworfen. Dass eine Bank bei Vorliegen einer ganzen Palette von verschiedenartigen Dokumenten noch Abklärungen vornehmen soll, überspanne die Anforderungen selbst an ein vorsichtiges Betrugsopfer bei weitem (erstinstanzliches Urteil S. 68). .
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2.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, vorliegend sei Arglist entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen nicht gegeben. Die Deutsche Bank verfüge als Grossbank über besondere Fachkenntnisse und Erfahrungen im Immobiliengeschäft bzw. bei der Kreditvergabe. Er sei bis anhin kein Kunde dieser Bank gewesen, weshalb kein Vertrauensverhältnis bestanden habe, und zudem als Schweizer aus der Sicht der Kreditgeberin ein Ausländer. Er habe an den Kauf der beiden Eigentumswohnungen keinen Cent beigesteuert, und
der Hypothekarkredit von insgesamt 187 338.47 sei auch für die Deutsche Bank keine Bagatelle. Unter diesen Umständen beschränke sich das Mass der Sorgfalt der Kreditgeberin nicht einfach darauf, die ihr eingereichten Unterlagen, die auf den ersten Blick unverdächtig erschienen, durchzulesen. Vielmehr gehöre es zur minimalen Sorgfalt bei der Kreditvergabe, die eingereichten Dokumente genau anzusehen. Dabei hätte den zuständigen Mitarbeitern der Bank ohne weiteres auffallen müssen, dass mit den beiden eingereichten Kontoauszügen etwas nicht stimmen könne, da diese auffallend kleine Kontonummern aufwiesen, was damit zu erklären sei, dass bei der Erstellung der Kopien ein Teil der Kontonummer abgedeckt worden sei. Zur minimalen Sorgfalt der Bank gehöre es auch, den auf den eingereichten Lohnausweisen bzw. Lohnabrechnungen angegebenen Arbeitgeber des Kreditgesuchstellers zu verifizieren. Eine einfache Nachfrage beispielsweise über die Suchfunktion im Handelsregister hätte ergeben, dass die auf den Dokumenten angegebenen beiden Arbeitgeber als Rechtspersonen gar nicht existierten. Zudem hätte die Bank, die über Filialen in der Schweiz verfüge, bei minimaler Sorgfalt wissen müssen bzw. ohne grossen Aufwand in Erfahrung bringen können, dass entgegen den Andeutungen in der eingereichten Bestätigung der Versicherungsgesellschaft betreffend Vorsorgeansprüche des Beschwerdeführers der Rückkaufwert (von angeblich Fr. 237 170.–) nicht frei verfügbar und überdies eine Verpfändung nur bei Selbstnutzung des Wohneigentums möglich sei. Ausserdem räume die Vorinstanz selber ein, dass auch bei Gewährung eines Hypothekarkredits eine Nachprüfung zu erfolgen habe, wenn auch eine weniger genaue. Über Form und Umfang dieser Nachprüfung lasse sich dem angefochtenen Entscheid jedoch nichts entnehmen. Die fragliche Erwägung stehe im Übrigen im Widerspruch zu den vorinstanzlichen Erwägungen zur Kausalität. Darin werde ausgeführt, dass die Bank in der Regel kein Interesse daran habe, eine Liegenschaft übernehmen zu müssen, und ihr Geschäft in der Kreditgewährung und der Einnahme von Kreditzinsen bestehe, weshalb die Finanzlage des Kreditnehmers bzw. dessen Solvenz (auch bei einem Hypothekarkredit) äusserst wichtig sei. Abschliessend weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass die – mit Ausnahme der Bestätigung der Versicherungsgesellschaft lediglich in Kopie eingereichten – Dokumete .
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insbesondere betreffend den angeblichen Lohn des Beschwerdeführers in zeitlicher Hinsicht nicht sehr aussagekräftig seien und auch aus diesem Grunde eine Überprüfung geboten gewesen wäre. 2.4 Der Beschwerdeführer liess der Bank zur Erlangung eines Hypothekarkredits in der Höhe von rund 237 000 eine ganze Reihe von Dokumenten betreffend seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorlegen, nämlich unter anderen – einen Lohnausweis des Beschwerdeführers für die Steuererklärung der Firma C.________ AG vom 30. Dezember 1999 mit einem Nettolohn II in der Höhe von Fr. 171 589.– für die Beschäftigungsdauer vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 1999; – einen Lohnausweis des Beschwerdeführers für die Steuererklärung der Firma C.________ AG vom 29. Dezember 2000 mit einem Nettolohn II in der Höhe von Fr. 175 578.– für die Beschäftigungsdauer vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000; – eine Lohnabrechnung des Beschwerdeführers vom Januar 2001 der Firma C.________ AG über einen Nettolohn von Fr. 13 508.90 zuzüglich Autound Representationsspesen in der Höhe von Fr. 950.–; – zwei Lohnabrechnungen des Beschwerdeführers der Firma D.________ für die Monate Mai und Juni 2001 über einen Nettolohn II in der Höhe von Fr. 11 097.– respektive Fr. 13 142.–. Im Weiteren liess der Beschwerdeführer der Bank unter anderen folgende Dokumente zukommen: – einen Kontoauszug in der Höhe von Fr. 17 817.80 der St. Galler Kantonalbank lautend auf den Beschwerdeführer; – einen Kontoauszug in der Höhe von Fr. 18 451.25 der UBS AG lautend auf den Beschwerdeführer; – zwei Kontenbescheinigungen der UBS AG je lautend auf den Beschwerdeführer mit einem Totalsaldo von Fr. 15 157.20; – eine Bestätigung und Kapitalnachweis einer Versicherungsgesellschaft auf den Namen des Beschwerdeführers, wonach dieser über unverpfändete und nicht durch Dritte belastete Vorsorgepolicen (Sparversicherungen nach Säule 3a) bei der Versicherungsgesellschaft verfüge, deren .
Rückkaufwert Fr. 237 120.– betrage. 2.4.1 Die vorstehend genannten Dokumente sind bestimmt und geeignet zu beweisen, dass die daraus ersichtlichen Aussteller die darin genannten Erklärungen abgegeben haben. Sie sind daher Urkunden im strafrechtlichen Sinn von Art. 110 Ziff. 5 StGB. Sie sind unecht und somit gefälscht, da die aus ihnen ersichtlichen Aussteller nicht mit den wirklichen Ausstellern identisch sind. Die in den Dokumenten enthaltenen Erklärungen sind zudem inhaltlich unwahr. Ob die Dokumente auch bestimmt und geeignet sind, die Wahrheit der darin enthaltenen Erklärungen zu beweisen, ob ihnen mithin insoweit aufgrund von objektiven Kriterien erhöhte Überzeugungskraft zukommt (siehe dazu BGE 126 IV 65 E. 2a; 125 IV 17 E. 2a / aa, 273 E. 3a / aa, je mit Hinweisen, betreffend Falschbeurkundung), kann hier dahingestellt bleiben. Auch bei Verneinung dieser Frage ist aus nachstehenden Gründen Arglist im Sinne des Betrugstatbestands gegeben. .
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2.4.2 Der Beschwerdeführer hat zur Täuschung der Bank über seine finanziellen Verhältnisse eine Vielzahl von Dokumenten eingereicht, die als unechte Urkunden im strafrechtlichen Sinn zu qualifizieren und zudem inhaltlich unwahr sind. Ein solches Verhalten ist als besondere Machenschaft im Sinne der Rechtsprechung und daher als arglistige Täuschung zu qualifizieren. Auch wenn nach der neueren Rechtsprechung das Kriterium der Überprüfbarkeit auch bei Lügengebäuden und besonderen Machenschaften von Bedeutung ist, bleibt es grundsätzlich dabei, dass das Merkmal der Arglist erfüllt ist, wenn der Täter seine falschen Angaben mit gefälschten Urkunden im Sinne von Art. 251 StGB stützt, da im geschäftlichen Verkehr grundsätzlich auf die Echtheit von Urkunden vertraut werden darf (siehe BGE 6P.25/2002 vom 10. Juni 2002, E. 8d). Anders kann es sich verhalten, wenn sich aus den vorgelegten Urkunden selbst ernsthafte Anhaltspunkte für deren Unechtheit ergeben. Für die Kreditgewährung waren im vorliegenden Fall insbesondere die Lohnausweise und Lohnabrechnungen wesentlich. Der Beschwerdeführer behauptet selber nicht, dass diese Dokumente irgendwelche Anhaltspunkte enthalten, die Zweifel an ihrer Echtheit begründen. Die Bank verhielt sich nicht leichtfertig, wenn sie davon ausging, dass diese Dokumente echt, also .
von den darin genannten Arbeitgebern ausgestellt worden seien, und gestützt hierauf annahm, dass sie auch inhaltlich wahr seien. Dass nach der Darstellung des Beschwerdeführers eine Überprüfung dieser Dokumente ohne grossen Aufwand möglich gewesen wäre und ergeben hätte, dass die genannten Arbeitgeber als Rechtspersonen gar nicht existierten, ist unter den gegebenen Umständen unerheblich. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich vom Fall einer Bank, welche einen Kleinkredit allein gestützt auf die eigenen Angaben des Gesuchstellers im Kreditantragsformular gewährte und weder Unterlagen verlangte noch Rückfragen beim Arbeitgeber vornahm (siehe BGE 107 IV 169 ff., 172, mit Hinweis auf ein nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juni 1981). Die weiteren eingereichten Dokumente, unter anderen die Kontoauszüge zweier Banken und die Bestätigung einer Versicherungsgesellschaft betreffend Vorsorgeansprüche, haben im Gesamtzusammenhang im Vergleich zu den Lohnausweisen eine eher untergeordnete Bedeutung. Schon aus diesem Grunde kann kein leichtfertiges Verhalten der Bank darin gesehen werden, dass sie die nach der Meinung des Beschwerdeführers in diesen Dokumenten enthaltenen Auffälligkeiten nicht zum Anlass einer näheren Prüfung nahm. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern die nach Auffassung des Beschwerdeführers auffallend niedrige Kontonummer auf den in Kopie eingereichten Kontoauszügen bei dem unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung gebotenen Mindestmass an Aufmerksamkeit Anlass zu Zweifeln an der Echtheit und Wahrheit der Kontoauszüge begründen sollte. Die Bank verhielt sich schliesslich im Gesamtzusammenhang und angesichts der Vielzahl der eingereichten Dokumente auch nicht leichtfertig, indem sie eine Äusserung in der (gefälschten) Bestätigung der Versicherungsgesellschaft, wonach der Beschwerdeführer im Umfang des Rückkaufwerts der Sparversicherung nach Säule 3a über «freies Kapital» verfüge, nicht zum Anlass nahm zu prüfen, ob und inwiefern ein solcher Rückkaufwert nach der schweizerischen Gesetzgebung überhaupt «freies Kapital» sei, über welches der Berechtigte quasi jederzeit uneingeschränkt verfügen könne. .
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2.5 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens sei nicht erfüllt. Ob die Bank tatsächlich geschädigt worden sei, stehe letztlich erst nach durchgeführter Zwangsvollstreckung fest. Da die Forderungen der Bank grundpfandgesichert seien, liege auch weder ein vorübergehender Schaden noch eine erhebliche Vermögensgefährdung vor. Der Einwand ist unbegründet. Der Beschwerdeführer war bereits bei Abschluss des Vertrags angesichts seiner schlechten finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage, die vereinbarten Zinsen und Amortisationen fristgerecht zu zahlen, womit die Forderungen der Bank von Anbeginn erheblich gefährdet waren. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer denn auch die Zinsen und Amortisationen nicht bezahlt. Damit ist die Bank geschädigt. Dass ihre Forderungen grundpfandgesichert sind und vielleicht irgendwann doch noch vollumfänglich erfüllt werden, ist unerheblich. 3. Der Beschwerdeführer ersuchte am 22. Januar 2002 beim Betreibungsamt Zürich 3 um eine auf «… (E.________)…» lautende Auskunft aus dem Betreibungsregister. Das Betreibungsamt erteilte am 22. Januar 2002 dem Gesuchsteller die schriftliche Auskunft (kant. Akten Ordner 13 ND 9/3/1). Daraus ergibt sich, dass gegen «… (E.________)…» in den vergangenen beiden Jahren 2000 und 2001 sowie im laufenden Jahr 2002 keine Betreibungen eingeleitet wurden und dass keine offenen Verlustscheine aus den letzten 5 Jahren bestehen. In der Rubrik «Bemerkungen» wird Folgendes festgehalten: .
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«Unter dem nachstehenden Vorbehalt bescheinigen wir, dass auf den Namen der obgenannten Person in den vergangenen 2 Jahren und im laufenden Jahr keine Betreibungen angehoben und in den letzten 5 Jahren hierorts keine Verlustscheine ausgestellt wurden. Gültig ab 15.1.02.»
In der Rubrik «Vorbehalt» wird unter anderem Folgendes ausgeführt: «Unsere Erhebungen beschränken sich auf die oben aufgeführten, vom Gesuchsteller genannten Namen, Vornamen und Adresse.(n). Prüfen konnten wir insbesondere nicht, ob diese Person unter einer abweichenden Schreibweise oder unter einem anderen Namen registriert ist, wie lange sie in unserem Betreibungskreis wohnt.(e) sowie ob sie einen gesetzlichen Vertreter hat und Betreibungen gegen sie allenfalls auch an dessen Wohnort registriert sind.»
Der Beschwerdeführer radierte die Bemerkung «Gültig ab 15.1.02» mit Tippex (kant. Akten Ordner 13 ND 9/4/3) und stellte von der dergestalt .
veränderten Auskunft aus dem Betreibungsregister mehrere Fotokopien her (kant. Akten Ordner 13 ND 9/3/2). Das Original, das mit Tippex manipulierte Exemplar und die Fotokopien dieses Exemplars wurden anlässlich der Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer sichergestellt. Der Beschwerdeführer hatte damals noch den Familiennamen «… (E.________)…» seiner damaligen Ehefrau getragen und sich am 15. Januar 2002 an der genannten Adresse angemeldet. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer unter anderem wegen dieser Abänderung der Auskunft aus dem Betreibungsregister (Anklagepunkt ND 9) der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB schuldig gesprochen. .
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4. 4.1 Die mit Stempel des Betreibungsamtes Zürich 3 und Unterschrift versehene Auskunft aus dem Betreibungsregister ist bestimmt und geeignet zu beweisen, dass der daraus ersichtliche Aussteller die darin enthaltenen Erklärungen abgegeben hat. Sie ist überdies bestimmt und geeignet, die Wahrheit der darin enthaltenen Erklärungen zu beweisen, da ihr insoweit als öffentliche Urkunde (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2 StGB) erhöhte Überzeugungskraft zukommt (vgl. Art. 9 ZGB). Der Beschwerdeführer hat den in der Rubrik «Bemerkungen» der Originalauskunft enthaltenen Satz «Gültig ab 15.1.02» radiert. Damit hat er eigenmächtig den Inhalt der vom Betreibungsamt ausgestellten Urkunde abgeändert, wodurch der Anschein entstanden ist, dass das Betreibungsamt diese (abgeänderte) Erklärung abgegeben habe. Der Beschwerdeführer hat mithin eine Urkunde verfälscht und dadurch eine unechte Urkunde hergestellt, weil der aus ihr ersichtliche Aussteller nicht (mehr) mit dem wirklichen Aussteller identisch ist, und er hat somit eine Urkundenfälschung im engeren Sinn begangen (siehe zum Ganzen Günter Stratenwerth, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil II, 5. Aufl. 2000, § 36 N 13 f.; Markus Boog, Basler Kommentar, StGB II, Art. 251 N 25 ff.; BGE 6S.781/1998 vom 22. Januar 1999). .
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4.2 Der Beschwerdeführer wendet ein, das von ihm veränderte Dokument sei keine Urkunde im strafrechtlichen Sinn. Es sei nicht zum Beweis bestimmt
und geeignet, sondern als Beweismittel überhaupt untauglich, weil das vorbehaltene Gültigkeitsdatum – «Gültig ab 15.1.02» – fehle. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jemand, der einen Betreibungsauszug verlange, auch Kenntnis über die Bedeutung der Bemerkung «unter nachstehendem Vorbehalt» habe. Die Formulierung der Bemerkungen in den Auskünften sei standardisiert, und mit dem Vorbehalt sei stets die zeitliche Limitierung der Auskunft – bezogen auf die Wohnsitznahme hier gültig ab 15.1.02 – gemeint. Nur wenn jemand länger als zwei Jahre (bei der Betreibung auf Pfändung) beziehungsweise länger als fünf Jahre (betreffend bestehende Konkursverlustscheine) seinen Wohnsitz am Betreibungsort habe, fehle auf dem Betreibungsregisterauszug die Bemerkung «unter nachstehendem Vorbehalt» und werde die Auskunft vorbehaltlos erteilt. Der Beschwerdeführer möchte mit diesen Einwänden offenbar zum Ausdruck bringen, dass das von ihm abgeänderte Dokument in Anbetracht des Fehlens des Vermerks «Gültig ab 15.1.02» gleichsam sinnlos und damit überhaupt nicht mehr beweistauglich und daher keine Urkunde im strafrechtlichen Sinne sei. Diese Auffassung geht fehl. Der unbefangene Durchschnittsleser kann die vom Beschwerdeführer abgeänderte Fassung der Auskunft aus dem Betreibungsregister vom 22. Januar 2002 in dem Sinne verstehen, dass gegen die darin genannte Person vom Betreibungsamt Zürich 3 in den Jahren 2000 und 2001 sowie im laufenden Jahr 2002 keine Betreibungen angehoben wurden und dass die fragliche Person in diesem Zeitraum – gerade weil ein Vermerk «Gültig ab …» fehlt – in Zürich, Kreis 3, Wohnsitz hatte. Auch wenn man aber annehmen wollte, dass der unbefangene Durchschnittsleser das Dokument in der vom Beschwerdeführer abgeänderten Fassung infolge Fehlens eines Vermerks «Gültig ab …» als mangelhaft bzw. zweifelhaft erachtet, wäre es gleichwohl eine Urkunde im strafrechtlichen Sinn. Die Qualität der Fälschung berührt den Urkundencharakter nicht. Selbst eine plumpe, leicht erkennbare Fälschung einer Urkunde ist eine Urkunde (BGE 6S.22/2003 vom 8. September 2003, E. 1.4.3; Günter Stratenwerth, a.a.O., § 35 N 14; Markus Boog, a.a.O., Art. 251 N 7). .
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5. 5.1 Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer mit 2 Jahren, 11 Monaten und
16 Tagen Zuchthaus bestraft, unter Anrechnung von 54 Tagen Untersuchungshaft. Dieses auffällige Strafmass erklärt sich damit, dass die Strafe teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Rheinfelden vom 26. September 2001 ausgefällt worden ist, was sich allerdings nicht aus dem Dispositiv, aber aus den Urteilserwägungen ergibt (siehe angefochtenes Urteil S. 56). Durch den Entscheid des Bezirkgsgerichts Rheinfelden vom 26. September 2001 (eröffnet am 22. November 2001) war der Beschwerdeführer wegen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs mit 14 Tagen Haft und 1000 Franken Busse bestraft worden (angefochtenes Urteil S. 54). Die Vorinstanz erachtete für alle Straftaten eine Gesamtstrafe von 3 Jahren Zuchthaus als angemessen und fällte daher unter Abzug der 14-tägigen Haftstrafe eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren, 11 Monaten und 16 Tagen aus (angefochtenes Urteil S. 56). Der Beschwerdeführer macht geltend, die Erwägungen im angefochtenen Entscheid genügten den Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung bei teilweiser retrospektiver Konkurrenz nicht. .
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5.2 5.2.1 Hat der Richter eine mit Freiheitsstrafe bedrohte Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, so bestimmt der Richter die Strafe so, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären (Art. 68 Ziff. 2 StGB). Hat der Richter Straftaten zu beurteilen, die der Täter teils vor und teils nach einer früheren Verurteilung begangen hat, so ist grundsätzlich eine Gesamtstrafe auszufällen. Bei deren Bildung hat der Richter nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wie folgt vorzugehen. Wenn die vor dem ersten Entscheid verübte Tat schwerer wiegt, so ist hiefür (gemäss Art. 68 Ziff. 2 StGB) eine – hypothetische – Zusatzstrafe zum ersten Urteil auszufällen und deren Dauer wegen der nach dem ersten Urteil begangenen Tat (nach Art. 68 Ziff. 1 StGB) angemessen zu erhöhen. Wenn hingegen die nach dem ersten Urteil verübte Tat schwerer wiegt, so ist von der für diese Tat verwirkten Strafe auszugehen und deren Dauer wegen der vor dem ersten Urteil begangenen Tat (gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB) angemessen zu erhöhen, und zwar unter .
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Berücksichtigung des Umstandes, dass für diese frühere Tat (gemäss Art. 68 Ziff. 2 StGB) eine – hypothetische – Zusatzstrafe zum ersten Urteil auszufällen ist (siehe zum Ganzen BGE 69 IV 54 E. 4 S. 59 ff.; 115 IV 17 E. 5b / bb S. 25; 116 IV 14 E. 2b S. 17). .
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5.2.2 Die Vorinstanz ist nicht nach diesen Grundsätzen verfahren. Sie hat vielmehr geprüft, welche Strafe sie für sämtliche Taten, die der Beschwerdeführer vor und nach seiner Verurteilung durch den Entcheid des Bezirksgerichts Rheinfelden vom 26. September 2001 begangen hat, sowie für die Gegenstand dieses Entscheids bildende Tat ausgesprochen hätte, und sie hat diese Strafe auf drei Jahre Zuchthaus festgelegt. Davon hat sie die 14tägige Haftstrafe gemäss dem Entscheid des Bezirksgerichts Rheinfelden in Abzug gebracht (siehe angefochtenes Urteil S. 56). Dieses Vorgehen entspricht zwar nicht den von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für die Strafzumessung bei teilweiser retrospektiver Konkurrenz. Gleichwohl ist die Beschwerde in diesem Punkt aus nachstehenden Gründen abzuweisen. .
5.2.3 Die 14-tägige Haftstrafe gemäss dem Entscheid des Bezirksgerichts Rheinfelden wegen Führens einen Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs ist offensichtlich eine Bagatelle im Vergleich zu den Strafen, die einerseits für die vor und andererseits für die nach diesem Entscheid begangenen Taten in Betracht fallen. Der Entscheid des Bezirksgerichts Rheinfelden ist sowohl in Bezug auf die darin beurteilte Tat als auch hinsichtlich der darin ausgefällten Strafe im Gesamtzusammenhang von vergleichsweise geringer Bedeutung. Zudem hat der Beschwerdeführer sowohl vor als auch nach diesem Entscheid mehrere Straftaten begangen und ist ohnehin nicht einfach abzuschätzen, welche Taten schwerer wiegen. Inwiefern unter diesen Umständen das Vorgehen der Vorinstanz im konkreten Fall zu einer für den Beschwerdeführer härteren und damit im Ergebnis bundesrechtswidrigen Strafe geführt hat, wird in der Beschwerde nicht einmal ansatzweise dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. 5.3 Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die von der Vorinstanz ausgefällte Strafe sei ohnehin viel zu hoch. Zur Begründung macht er im
Wesentlichen geltend, der Deliktsbetrag beim Betrug zum Nachteil der Deutschen Bank sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht als ganz erheblich einzustufen, da die Darlehensforderung der Bank grundpfandgesichert sei. Bei der Strafzumessung für die Urkundenfälschungen im Zusammenhang mit diesem Betrug sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, dass der Unrechtsgehalt dieser Urkundenfälschungen bereits in einem erheblichen Ausmass vom Betrugstatbestand erfasst werde, da das Vorliegen der Arglist gerade mit diesen Urkundenfälschungen begründet worden sei. Wenn die Vorstrafen des Beschwerdeführers straferhöhend berücksichtigt worden seien, müsse dessen schwierige Jugendzeit gleichermassen strafmindernd angerechnet werden, zumal die früheren Vorstrafen Ausfluss der schwierigen Jugendzeit gewesen seien. Mit diesen Einwänden ist nicht dargetan, inwiefern die Vorinstanz bei der Gewichtung der wesentlichen Strafzumessungsfaktoren das ihr zustehende Ermessen missbraucht oder überschritten hat und inwiefern die ausgefällte Strafe unhaltbar hoch ist. In Anbetracht der Vielzahl und der Vielfalt der beurteilten Straftaten, der Vielzahl der teilweise einschlägigen Vorstrafen, der bei den zahlreichen Verkehrsdelikten, unter anderen mehrfaches Fahren in angetrunkenem Zustand, wie auch bei den Vermögens- und Fälschungsdelikten bekundeten Einsichtslosigkeit und kriminellen Energie des Beschwerdeführers hält sich die ausgefällte Strafe im Rahmen des weiten sachrichterlichen Ermessens. Die Strafe ist aufgrund der ausführlichen vorinstanzlichen Erwägungen (angefochtenes Urteil S. 45 – 56), auf die hier im Übrigen verwiesen werden kann, nachvollziehbar. .
6. Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Die Nichtigkeitsbeschwerde war insoweit nicht von vornherein aussichtslos, als sie sich gegen die vorinstanzliche Strafzumessung bei teilweiser retrospektiver Konkurrenz richtet. Das Gesuch ist daher teilweise gutzuheissen. Somit hat der Beschwerdeführer eine leicht reduzierte Gerichtsgebühr zu zahlen und ist seinem Vertreter, Rechtsanwalt Dr. Thomas Hiestand, Zürich, eine stark reduzierte Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten.
Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird teilweise gutgeheissen. 3.
Der Beschwerdeführer hat eine Gerichtsgebühr von Fr. 1500.– zu zahlen.
4. Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Thomas Hiestand, Zürich, wird eine Entschädigung von Fr. 500.– aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 5. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. Lausanne, 3. Juli 2006 Im Namen des Kassationshofes des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
BGer 6S.167/2006_6S.219/2006 Urteil vom 1. Februar 2007 Kassationshof Besetzung Bundesrichter Schneider, Präsident, Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, Gerichtsschreiber Thommen. Parteien 6S.167/2006 Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft, 4410 Liestal, Beschwerdeführer, gegen X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Ivo Trüeb, und 6S.219/2006 X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Ivo Trüeb, gegen Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft, Rheinstrasse 12, Postfach, 4410 Liestal, Beschwerdegegnerin Gegenstand
Betrug etc. (Art. 146 StGB), Nichtigkeitsbeschwerden (6S.219/2006 und 6S.167/2006) gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 6. Dezember 2005. .
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Sachverhalt: A. X.________, alias Xx.________, versprach dem in Lupsingen wohnhaften A.________ im Spätsommer 1997 die Gewährung eines Kredits über 3.5 Mio USD unter der Bedingung, dass letzterer 10% eigene Mittel einbringe. Anlässlich eines Treffens in Brüssel eröffnete A.________ auf Anweisung von X.________ ein Konto bei der ‹B.________ Bank›. Auf dieses Konto überwies A.________ in der Folge von seinem Konto bei der C.________ Bank 500 000.– USD (723 250.– CHF) als ‹Eigenkapitalnachweis›. Zur Abwicklung des Kreditgeschäfts musste A.________ ein Konto bei der D.________ Bank eröffnen, auf welches das versprochene Darlehen überwiesen werden sollte. Anhand einer gefälschten Überweisungsbestätigung und eines vorgetäuschten Anrufs bei der D.________ Bank machte X.________ A.________ glauben, dass der nunmehr auf 7.5 Mio USD erhöhte Kredit unwiderruflich zu Gunsten A.________s überwiesen worden sei. Daraufhin hob A.________ die als Eigenkapitalnachweis bei der ‹B.________ Bank› deponierten 500 000.– USD ab und übergab sie X.________. Kurz darauf wurde A.________ mitgeteilt, dass Xx.________ bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei und die Geschäfte von dessen Vater, EXx.________, weitergeführt würden. Im Herbst 1997 stellte X.________, nunmehr alias Xxx.________, dem Hotelinvestor F.________ einen Kredit über 30 Mio FFR in Aussicht. Der ‹Eigenkapitalnachweis› von 4.5 Mio FFR sollte auf einem von F.________ zu eröffnenden Konto deponiert werden. Nachdem letzterer vergeblich versuchte, ein Konto in Baden-Baden zu eröffnen, wandte sich X.________ als EXx.________ erneut an A.________, der als langjähriger Kunde der C.________ Bank gute Beziehungen zu deren Vizedirektor G.________ hatte. A.________ gegenüber gab er vor, die bevorstehende Kontoeröffnung durch F.________ sei notwendig, um doch noch die Auszahlung des ursprünglichen .
Kredits zu ermöglichen. A.________ informierte daraufhin Direktor G.________ über die vermeintlich bevorstehende Darlehensauszahlung und kündigte ihm eine Kontoeröffnung durch F.________ an. Auf Veranlassung von X.________ erarbeiteten G.________ und A.________ einen Mustertext eines Zahlungsauftrags im Hinblick auf eine Barauszahlung an A.________. Das Konto wurde durch F.________ eröffnet. Die Überweisung der 4.5 Mio FFR erfolgte am 18. Dezember 1997. Mittels einer per Fax der C.________ Bank zugestellten und der Vorlage nachgebildeten Zahlungsanweisung, welche die gefälschten Unterschriften von F.________ und von dessen kollektiv zeichnungsberechtigten Anwalt H.________ enthielt, erwirkte X.________ die Barauszahlung des gesamten Betrags in Schweizer Franken an A.________. Dieser übergab die CHF 1 082 700.– einem Mitarbeiter von X.________ in Zürich. B. Mit Abwesenheitsurteil vom 25. November 2003 sprach das Strafgericht Basel-Landschaft X.________ des Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) und der Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) schuldig und bestrafte ihn mit 3 Jahren Gefängnis. Vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs sowie des Betrugs zulasten der C.________ Bank sprach es ihn frei. Auf Appellation hin bestätigte das Kantonsgericht Basel-Landschaft das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich. Ein gegen A.________ eröffnetes Verfahren wurde durch das Besondere Untersuchungsrichteramt eingestellt. .
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C. Gegen das kantonsgerichtliche Urteil erheben sowohl das Besondere Untersuchungsrichteramt Basel-Landschaft (6S.167/2006) als auch X.________ (6S.219/2006) eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Das Untersuchungsrichteramt beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Freisprüche. X.________ verlangt die Aufhebung des Urteils und die Rückweisung zur Einstellung. .
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D. In seinen Gegenbemerkungen schliesst das Kantonsgericht BaselLandschaft auf Abweisung der Beschwerden unter Hinweis auf seine Urteilsbegründung. Sowohl das Untersuchungsrichteramt als auch X.________ verzichten auf Stellungnahmen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das angefochtene Urteil ist vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007 ergangen. Auf das Rechtsmittel dagegen ist noch das bisherige Verfahrensrecht anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG, e contrario), hier somit dasjenige der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 ff. BStP. Am 1. Januar 2007 ist auch der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs in Kraft getreten. Die neuen Bestimmungen sind hier aber noch nicht von Bedeutung, da das Bundesgericht im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nur prüft, ob das kantonale Gericht das eidgenössische Recht richtig angewendet habe (Art. 269 Abs. 1 BStP), mithin das Recht, welches im Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Urteils noch gegolten hat (BGE 129 IV 49 E. 5.3 S. 51 f., mit Hinweisen). .
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I.
Nichtigkeitsbeschwerde des Besonderen Untersuchungsrichteramts Basel-Landschaft (6S.167/2006) .
2. 2.1 Die Nichtigkeitsbeschwerde steht unter anderem dem öffentlichen Ankläger des Kantons zu (Art. 270 lit. c BStP). Wem in einem bestimmten Fall die Funktion des öffentlichen Anklägers zukommt, sagt das kantonale Prozessrecht. Nach § 8 Abs. 4 StPO / BL hat das Besondere Untersuchungsrichteramt innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs dieselben Rechte und Pflichten wie die Statthalterämter und die Staatsanwaltschaft. Eine Aufsichts- oder Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft ist in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen. Der Beschwerdeführer ist somit in den ihm definitiv überlassenen Fällen öffentlicher Ankläger des Kantons und somit nach Art. 270 lit. c BStP grundsätzlich beschwerdelegitimiert (BGE 128 IV 237 E. 1). .
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2.2 Das erst- und das vorinstanzliche Urteil ergingen in Abwesenheit des
Beschwerdegegners. Für den Beschwerdeführer ist das Abwesenheitsurteil letztinstanzlich (i. S.v. Art. 268 BStP), zumal er als Anklagebehörde kein Wiederaufnahmerecht hat (§ 199 StPO / BL; BGE 121 IV 340; 106 IV 227 E. 2; 80 IV 137 je m.H.; s.a. unten Erw. 4.1). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist er somit zur Beschwerde berechtigt. .
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3. 3.1 Das Untersuchungsrichteramt rügt eine Verletzung von Art. 146 StGB. Zu Unrecht und in Abweichung von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Entscheid 6S.22/2003 vom 8. September 2003) habe die Vorinstanz Arglist verneint und eine Opfermitverantwortung der geschädigten C.________ Bank angenommen.
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3.2 Gemäss der Vorinstanz handle es sich bei der Geschädigten um eine Bank. Bereits bei der Kontoeröffnung hätten sich Ungereimtheiten ergeben. Das ‹Formular A› sei falsch ausgefüllt gewesen. Entgegen eigenen Vorgaben habe G.________ die Zustellung der Zahlungsanweisung per Fax akzeptiert. Infolge der verschiedenen Ungereimtheiten hätte die Echtheit der Zahlungsanweisung etwa mittels eines Kontrollanrufs verifiziert werden sollen. Ferner bestünden bei der Saldierung eines Kontos erhöhte Sorgfaltspflichten. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass G.________ im Zusammenhang mit der Entgegennahme und Ausführung der Zahlungsanweisung elementare Sorgfaltspflichten verletzt und damit leichtfertig gehandelt habe. Mangels Arglist liege kein Betrug durch den Beschwerdegegner vor. 3.3 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft (Art. 146 Abs. 1 StGB). Nach der Rechtsprechung ist die Täuschung arglistig, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient. Diesen Sachverhalt erfüllt .
insbesondere das Vorlegen rechtswidrig erlangter oder gefälschter Urkunden und Belege (BGE 122 IV 197 E. 3d). Arglist ist nur gegeben, wenn die Überprüfung der falschen Angaben oder der betrügerischen Machenschaften nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist sowie wenn der Täter den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieser die Überprüfung der Angaben auf Grund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde (BGE 126 IV 165 E. 2; 125 IV 124 E. 3; 122 IV 246 E. 3a, je m.H.). Mit dem Tatbestandsmerkmal der Arglist verleiht das Gesetz dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung wesentliche Bedeutung. Wer sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen bzw. den Irrtum durch ein Mindestmass an zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können, wird strafrechtlich nicht geschützt. Abzustellen ist auf die konkrete Schutzbedürftigkeit des Opfers. Besondere Fachkenntnis und Geschäftserfahrung des Opfers sind in Rechnung zu stellen. So etwa diejenige von Banken im Rahmen von Kreditvergaben (BGE 119 IV 284 E. 6c). Auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung ist für die Erfüllung des Tatbestands indes nicht erforderlich, dass das Opfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle denkbaren Vorsichtsmassnahmen trifft. Arglist scheidet lediglich aus, wenn das Opfer die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet hat. Entsprechend entfällt der strafrechtliche Schutz nicht bei jeder Fahrlässigkeit des Opfers, sondern nur bei Leichtfertigkeit (BGE 126 IV 165 E. 2a; 122 IV 197 E. 3d, 246 E. 3a; 119 IV 28 E. 3). .
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3.4 Umstritten ist, ob der C.________ Bank durch das Verhalten ihres Vizedirektors eine tatbestandsausschliessende Eigenverantwortung am Betrug zuzurechnen ist. Auch wenn Banken zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen und aufgrund des Fachwissens ihrer Organe ein erhöhter Sorgfaltsmassstab angesetzt werden kann, bleibt die zur Straflosigkeit des Täters führende Eigenverantwortung des Opfers dennoch die Ausnahme. Nach allgemeinen Zurechnungsregeln schliesst das Selbstverschulden des Opfers den Tatbestand nur aus, wenn die vom Opfer zu vertretende Leichtfertigkeit das Verhalten des Täters in den Hintergrund rückt (BGE 124 IV 34 E. 2a; 122 IV 17 E. 2c; .
kritisch zur Alleinverantwortung des Opfers auch Gunter Arzt, Basler Kommentar StGB II, Art. 146 Rz. 59). Diese anhand von Fahrlässigkeitsdelikten entwickelten Regeln zur Opferverantwortung gelten umso mehr, wenn der Täter vorsätzlich handelt. Die Vorinstanz erkennt zunächst richtig, dass das Verhalten des Bankvizedirektors dem Vorgehen des Beschwerdegegners gegenüber zu stellen ist. In den folgenden Ausführungen gewichtet sie jedoch einseitig die von G.________ zu vertretenden Nachlässigkeiten. Dass diesen Verfehlungen treffen, reicht für einen Tatbestandsausschluss nicht aus. Das Strafrecht kennt insoweit keine Schuldkompensation. Vielmehr müsste die der Bank anzurechnende Leichtfertigkeit ihres Vizedirektors ein Ausmass annehmen, welches die Betrugsmachenschaften des Täters völlig in den Hintergrund treten lassen. Dies trifft vorliegend offenkundig nicht zu. Der Beschwerdegegner hat unter Aliasnamen operierend, sich als verschiedene Personen ausgebend und / oder Komplizen einschaltend, ein betrügerisches Kreditbeteiligungssystem erfunden, welches er mit letzter Konsequenz durchzog. In Bezug auf den Betrug zulasten A.________s ging das Strafgericht zu Recht von einem «riesigen, intensiven, systematischen und raffinierten Theater» aus (Strafgerichtsurteil S. 28). Diese Einschätzung lässt sich auch auf den Betrug zulasten der C.________ Bank übertragen. Hinzu kommt, dass er seine Betrugsmachenschaften mittels gefälschter Urkunden betrieb, was sich zusätzlich zu seinen Lasten auswirkt (vgl. Bundesgerichtsentscheid 6S.22/2003 vom 8. September 2003, E. 1.1.3). Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach das von der Bank zu vertretende Mitverschulden im Ergebnis die Betrugsmachenschaften des Beschwerdegegners entscheidend überwiegen soll, verletzt nach dem Gesagten Bundesrecht. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen, der Freispruch vom Betrug im Fall 2 (gemäss Anklageschrift vom 12. August 2003) aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der vorstehenden Erwägungen zurückzuweisen. Dabei wird auch die Frage der Gewerbsmässigkeit neu zu beurteilen sein. .
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II. 4.
Nichtigkeitsbeschwerde von X.________ (6S.219/2006) .
4.1 Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nur zulässig gegen Urteile, die nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechts angefochten werden können (Art. 268 Ziff. 1 BStP). Alle kantonalen Rechtsmittel, die eine freie Überprüfung des Bundesrechts ermöglichen, sind zu erschöpfen. Wer im Abwesenheitsverfahren verurteilt wurde, kann eine Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht nicht erheben, wenn er nicht vorher ein zulässiges Wiederaufnahmebegehren gestellt und eine Verurteilung im gewöhnlichen Verfahren verlangt hat. Wenn der Verurteilte dieses Gesuch nicht oder nicht rechtzeitig stellt, erschöpft er den kantonalen Instanzenzug nicht. Das Kontumazialurteil ist in diesem Falle mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbar. Das Abwesenheitsurteil ist nur letztinstanzlich, wenn das kantonale Recht die Durchführung des ordentlichen Verfahrens vom Nachweis abhängig macht, dass der Verurteilte unverschuldet der ersten Gerichtsverhandlung ferngeblieben ist und wenn er diesen Nachweis nicht erbringen kann (BGE 121 IV 340; 106 IV 227 E. 2; 80 IV 137 je m.H.). .
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4.2 Vorliegend schrieb die Vorinstanz die Appellation infolge Verzichts ab und bestätigte das Abwesenheitsurteil des Strafgerichts. Der Beschwerdeführer beurteilt ein Wiederaufnahmegesuch als aussichtslos, weil bereits die erste Instanz sein Fernbleiben als unentschuldigt bewertet habe. Ob der Beschwerdeführer den Nachweis unverschuldeten Fernbleibens erbringen kann, ist vorliegend ungewiss. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb grundsätzlich zulässig. Indessen bezieht sich die Rüge, Staatsvertragsrecht sei aufgrund der Durchführung des Abwesenheitsverfahrens und mangels gehöriger Vorladung verletzt, auf Fragen, welche gerade Gegenstand der Zulässigkeit eines Wiederaufnahmebegehrens sein werden. Damit liegt diesbezüglich kein Endentscheid vor. Anders verhält es sich mit der bestrittenen Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte. Auf diese Frage könnte nur zurückgekommen werden, wenn dem Wiederaufnahmebegehren stattgegeben würde. Die Rüge ist deshalb zu behandeln. 5. Der Beschwerdeführer bestreitet die örtliche Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung des Betrugs zulasten A.________s .
(Betrugsfall I). Das ganze Tatvorgehen habe sich im Ausland abgespielt, und auch die Entreicherung A.________s sei im Ausland eingetreten. Indem die Vorinstanz ihre Zuständigkeit bejahte, sei Art. 7 StGB verletzt worden. 5.1 Ein Verbrechen oder Vergehen gilt als da verübt, wo der Täter es ausführt, und da, wo der Erfolg eingetreten ist (Art. 7 Abs. 1 StGB). Nach dem Ubiquitätsprinzip begründen sowohl Handlungs- als auch Erfolgsort einen Begehungsort. Als Handlung gelten alle objektiv tatbestandsmässigen (Teil-)akte einer strafbaren Handlung (vgl. Peter Popp, Basler Kommentar StGB I, Art. 7 N. 4). Auch bloss teilweise in der Schweiz begangene Tathandlungen begründen die hiesige Gerichtsbarkeit (BGE 111 IV 1, E. 2a). Die Handlung beginnt, wenn der Täter die Schwelle zwischen Vorbereitung und Versuch überschreitet (BGE 104 IV 175 E. 3a). .
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5.2 Die Vorinstanz geht davon aus, dass das bei der «B.________ Bank» eröffnete und eigens für die Transaktionen eingerichtete Konto von Anfang an nur als Durchlaufkonto gedacht war. Die eigentliche Vermögensminderung sei somit auf dem Konto des in Lupsigen / BL wohnhaften Geschädigten bei der C.________ Bank in Liestal eingetreten. Ob sich ein Erfolgsort in dieser indirekten Form begründen lässt, ist fraglich, kann indes offen bleiben, weil der Betrug jedenfalls durch Handlungen in der Schweiz eingeleitet wurde, die der Beschwerdeführer beherrschte. Zwar wurde der Transfer vom Geschädigten vorgenommen, dies jedoch in der vom Beschwerdeführer provozierten irrtümlichen Annahme, dass die Auslandüberweisung für die Kreditabwicklung unabdingbar sei. Die Belastung des schweizerischen Bankkontos erscheint so als notwendige Teilhandlung des Betrugs, die dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Irrtumsherrschaft zuzurechnen ist (vgl. Guido Jenny, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1998, ZBJV 135/1999 S. 623 f.). Wohl bewirkte die Veranlassung des Transfers noch nicht die Schädigung, das Stadium der Vorbereitungshandlungen war damit aber eindeutig überschritten. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers ist die schweizerische Gerichtsbarkeit damit gegeben und seine Rüge abzuweisen. .
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III.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
6. Die Beschwerde des Besonderen Untersuchungsrichteramts wird gutgeheissen. In diesem Verfahren werden keine Kosten erhoben (Art. 278 Abs. 2 BStP). Die Beschwerde von X.________ wird – soweit darauf einzutreten ist – abgewiesen, wofür er kostenpflichtig wird (Art. 278 Abs. 1 BStP). .
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Demnach erkennt das Bundesgericht: 1. Die Beschwerde des Besonderen Untersuchungsrichteramts des Kantons Basel-Landschaft (6S.167/2006) wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 6. Dezember 2005 im Sinne der Erwägungen aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. .
2. Die Beschwerde von X.________ (6S.219/2006) wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. .
3. Im Beschwerdeverfahren des Besonderen Untersuchungsrichteramts (6S.167/2006) werden keine Kosten erhoben. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2000.– im Beschwerdeverfahren 6S.219/2006 wird X.________ auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Besonderen Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. Lausanne, 1. Februar 2007 Im Namen des Kassationshofes des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
BGer 6B_4/2008 Urteil vom 1. Juli 2008 Strafrechtliche Abteilung Besetzung Bundesrichter Schneider, Präsident, Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, Gerichtsschreiber Stohner. Parteien X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Arthur Daniel Ruckstuhl, gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8510 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin. Gegenstand Gesuch um Berichtigung des Urteils des Bundesgerichts 6B_4/2008 vom 13. Juni 2008. Sachverhalt: A. Mit Urteil 6B_4/2008 vom 13. Juni 2008 hiess das Bundesgericht eine Beschwerde in Strafsachen von X.________ teilweise gut. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 15. November 2007 wurde aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde. X.________ wurden Gerichtskosten von Fr. 2000.–
auferlegt, und der Kanton Thurgau wurde verpflichtet, X.________ für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1500.– zu entschädigen. B. Mit Eingabe vom 19. Juni 2008 ersucht X.________ um Berichtigung des bundesgerichtlichen Urteils. C.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen: 1. Nach Art. 129 Abs. 1 BGG nimmt das Bundesgericht die Erläuterung oder Berichtigung eines von ihm gefällten Urteils vor, wenn dessen Dispositiv unklar, unvollständig oder zweideutig ist, wenn seine Bestimmungen untereinander oder mit den Erwägungen im Widerspruch stehen, oder wenn es Redaktions- oder Rechnungsfehler enthält. 2. 2.1 Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass ihm in Erwägung 6 des Urteils 6B_4/2008 vom 13. Juni 2008 eine vom Kanton Thurgau zu entrichtende Entschädigung von Fr. 2000.– zugesprochen wurde, der Kanton Thurgau in Ziffer 3 des Urteilsdispositivs jedoch lediglich zur Bezahlung einer Entschädigung von Fr. 1500.– verpflichtet wurde. Er beantragt, «den versehentlichen Übertrag aus den Erwägungen in das Dispositiv zu berichtigen». 2.2 Die Begründung und das Dispositiv des Urteils 6B_4/2008 vom 13. Juni 2008 stehen somit in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander. Korrekt ist das Urteilsdispositiv, denn praxisgemäss werden einem Beschwerdeführer bei hälftigem Obsiegen Gerichtskosten von Fr. 2000.– auferlegt und eine Entschädigung von Fr. 1500.– zugesprochen. Dementsprechend ist in Erwägung 6 des Urteils 6B_4/2008 vom 13. Juni 2008 der Betrag «Fr. 2000.–» durch den Betrag «Fr. 1500.–» zu ersetzen. 2.3 Da sich die Begründung und das Dispositiv des Urteils 6B_4/2008 vom
13. Juni 2008 widersprechen, ist das Gesuch um Urteilsberichtigung im Ergebnis gutzuheissen, obwohl der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf Änderung des Urteilsdispositivs nicht durchdringt. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. Aufgrund der besonderen Umstände erscheint es sachgerecht, den Beschwerdeführer mit Fr. 500.– aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen. Demnach erkennt das Bundesgericht: 1. Das Gesuch um Berichtigung des bundesgerichtlichen Urteils 6B_4/2008 vom 13. Juni 2008 wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen. 2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3. Dem Beschwerdeführer wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 500.– ausgerichtet. 4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. Lausanne, 1. Juli 2008 Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Endnoten
Fall 1 Rheinfall
Fall 2 Schwimmhalle
Fall 3 Schulreise
Fall 4 Hannibal the Cannibal
Fall 5 Fasnächtliche Zollbeamte
Fall 6 Bree
Fall 7 Grüner Pullover
Fall 8 Krümelmonster
Fall 9 Leasing
Fall 10 Zapfhahn
Fall 11 Luzern
Fall 12 Basler Diamantenfieber
Fall 13 Afrikanische Antilopen
Fall 14 Häschenfall
Fall 15 Fernsehquiz
Fall 16 Phishing
Fall 17 Retrozessionen
Fall 18 Hotel Napf-Palace
Fall 19 Olivenöl
Fall 20 Russischer Salat
Fall 21 Die gläserne Patientin
1 Dazu bereits Hassemer 1990, 116 ff. 2 Vgl. die Schemen für den Tatbestandsaufbau des «vorsätzlichen Handlungsdelikts», des «vorsätzlichen Unterlassungsdelikts», des «fahrlässigen Handlungsdelikts» und des «fahrlässigen Unterlassungsdelikts» im Anhang S. 279 ff.
Fall 1 Rheinfall 1 Vgl. BaZ vom 10. Oktober 2007, 1, 13. A. Aussetzung gemäss Art. 127 StGB?
2 Vgl. Pieth 2014, 49. 3 Stratenwerth 2011, 481, 505 f. B. Fahrlässige Tötung gemäss Art. 117 StGB?
4 Vgl. die einzelnen Elemente der objektiven Zurechenbarkeit bei Seelmann 2012, 41 ff.; Stratenwerth 2011, 162 ff. 5 Zum Aufbau des Fahrlässigkeitsdelikts vgl. Pieth 2014, 25 f. sowie unten Anhang, S. 282. 6 BSK-Maeder 2013, Art. 127, Rn. 37; vgl. auch Donatsch 2013, 68 f.; Pieth 2014, 5. A. Unterlassung der Nothilfe gemäss Art. 128 Abs. 1 Variante 2 StGB?
7 Vgl. Pieth 2014, 50.
Fall 2 Schwimmhalle 1 BGE 115 IV 199. 2 BGE 107 IV 175. 3 BGE 96 IV 155 .(Bührle), 122 IV 103 .(Von Roll), 121 IV 10 (Hebebühne). 4 Art. 102 StGB: Botschaft BBl 1999 II 1979 .(2136 ff.) SR 98.038. 5 Dazu speziell Bertossa 2003; Pieth 2005.
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A. Hat der Geschäftsleiter den Tatbestand der fahrlässigen Tötung gemäss Art. 117 StGB erfüllt?
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BGE 107 IV 175. So nochmals betont in BGE 105 IV 172 .(176). Vgl. die Details in BGE 96 IV 155; dazu auch Krauss 1989, 42 ff. BGE 122 IV 103 .(126 f.). Vgl. dazu auch Koller 1996, 409 ff.; Kummer 1997, 616 ff.; Schubarth 2009, 24 ff. 11 Zu den anderen Gesichtspunkten der objektiven Zurechenbarkeit vgl. Seelmann 2012, 41 ff.; Stratenwerth 2011, 161 ff. 12 BGE 115 II 440. 13 Vgl. die Hinweise bei Pieth 2014, 25 und PK-Trechsel. /. Jean-Richard 2013, zu Art. 12. A. Haftet die Walther AG strafrechtlich für die Tötung der Schwimmer gemäss Art. 117 i.V.m. Art. 102 Abs. 1 StGB?
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Geiger 2006, 23. BBl 1999 II 1979 .(2136 ff.) SR 98.038. Geiger 2006, 24 f. So die von Heine 2008, 307 und von Schubarth 2009, 30 u.V.a. Stratenwerth 2004, 193 geäusserte Kritik bezüglich des Vorsatzdeliktes; vgl. dazu auch Pieth 2003, 361. Burgstaller 1974, 32 f., 184 ff.; Stratenwerth 2011, 494 f. Pieth 2003, 359 f. m.w. V. Heine 2003, 43; Pieth 2003, 361 f.; Roth 2003, 18. Vgl. Pieth 2003, 355 u.V.a. den VE 1991. Etwa Pieth 2004, 604. Geiger 2006, 96; Macaluso 2004, 143 ff.
A. Verfahrensstellung der Organe
24 Pieth 2005, 611. 25 Pieth 2009, 205. B. Verfahrensstellung der übrigen Mitarbeiter im Verfahren gegen das Unternehmen
26 Pieth 2009, 206. 27 Art. 163 Abs. 2 StPO; Pieth 2009, 155.
Fall 3 Schulreise C. Zusammenfassung
1 Vgl. zur nach wie vor aktuellen Diskussion: «20 Minuten» vom 31.1. 2014: «Lehrer trauen sich nicht mehr auf Schulausflüge». A. Fahrlässige Tötung gemäss Art. 117 StGB?
2 BGE 121 IV 109 .(120); 121 IV 10 .(14); 120 IV 265 .(271); zum sog. «Subsidiaritätsprinzip» vgl. auch Seelmann 2012, 104. 3 «Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit»: Stratenwerth 2011, 474. 4 Vgl. auch BGE 122 IV 303 .(308 ff.). 5 Vgl. Seelmann 2012, 104; Stratenwerth 2011, 474 ff. 6 Seelmann 2012, 108; Stratenwerth 2011, 474. 7 Stratenwerth 2011, 476. 8 Vgl. die Hinweise bei Stratenwerth 2011, 475. 9 BGE 122 IV 303 .(307 f., E. 3a). 10 Ebenda.
Fall 4 Hannibal the Cannibal A. Schwere Körperverletzung gemäss Art. 122 Abs. 2 StGB?
1 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 77 f.; PK-Trechsel. /. Fingerhuth 2013, Art. 122, Rn. 5; Corboz I 2010, Art. 122, Rn. 9; Hurtado Pozo 2009, N. 530; Donatsch 2013, 48; Schubarth 1982, Art. 122, Rn. 12. 2 Dazu BGE 129 IV 1 bezüglich blosser Verletzung des Penis bei einem Sexspiel, die vom Bundesgericht als einfache Körperverletzung gewertet wurde. 3 Könnte auch im Anschluss an den objektiven Tatbestand geprüft werden, vgl. Seelmann 2012, 48 ff. 4 Stratenwerth 2011, 230 ff.; vgl. auch Pieth 2014, 36 f. 5 Seelmann 2012, 49 f. 6 BGE 131 IV 1 .(5 f.); 134 IV 149 .(152). 7 So etwa bei Geschlechtsumwandlungen, denen aber eingehende medizinische Abklärungen sowie eine ordentliche und vollständige Aufklärung vorangehen müssen. Allgemein zur Aufklärung: BSKRoth. /. Berkemeier 2013, Vor Art. 122, Rn. 21. 8 Dazu Stratenwerth 2011, 230 f. 9 BGE 114 IV 100. A. Vorsätzliche Tötung gemäss Art. 111 StGB?
10 Aufbauhinweis: Da in diesem Fall sowohl Privilegierungs- als auch Qualifizierungsgründe vorliegen könnten .(spezielle Konstellation), ist es sinnvoll, mit dem Grundtatbestand zu beginnen. B. Tötung auf Verlangen gemäss Art. 114 StGB?
11 BSK-Schwarzenegger 2013, Art. 114, Rn. 4 ff.; Donatsch 2013, 18 f.; Pieth 2014, 20; Stra-tenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 39 f. 12 Auch vom BGH verneint: BGH 2 StR 310/04, Rn. 43 vom 22. April 2005. A.A. aber bei guter Argumentation unter Einbezug aller Pround Contra-Argumente vertretbar. Dann müssten allerdings spätestens die achtenswerten Beweggründe .(d.h. ethisch hochstehende oder wenigstens eine nachvollziehbare Werthaltung des Täters, die sich in Erbarmen oder Mitleid äussert) im subjektiven Tatbestand verneint werden. C. Mord gemäss Art. 112 StGB?
13 BSK-Schwarzenegger 2013, Art. 112, Rn. 12 ff.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 29 ff.; Donatsch 2013, 13 f., 8; Pieth 2014, 15 ff.; Vest 2001, 726 ff. 14 Walder 1979, 148 f. 15 So explizit: BSK-Schwarzenegger 2013, Art. 112, Rn. 8, auch BGH 2 StR 310/04, Rn. 19 ff. vom 22. April 2005; A.A. bei guter Argumentation vertretbar. A. Störung des Totenfriedens gemäss Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3 StGB?
16 BSK-Fiolka 2013, Art. 262, Rn. 26 ff. 17 BSK-Fiolka 2013, Art. 262, Rn. 39; BGH 2 StR 310/4, Rn. 36 vom 22. April 2005. A. Gewaltdarstellungen gemäss Art. 135 Abs. 1 StGB?
18 Zu den Definitionen siehe BSK-Hagenstein 2013, Art. 135, Rn. 22, 24, 28 ff.; Donatsch 2013, 86; Pieth 2014, 53; PK-Trechsel. /. Fingerhuth 2013, Art. 135, Rn. 7; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 112 ff. A. Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord gemäss Art. 115 StGB?
19 Aufbauhinweis: Art. 115 StGB schliesst als Privilegierungstatbestand die Anwendung des Grundtatbestandes .(Art. 111 StGB) aus, er wird daher direkt geprüft. 20 BSK-Schwarzenegger 2013, Art. 115, Rn. 9. 21 BSK-Schwarzenegger 2013, Art. 115, Rn. 14; Donatsch 2013, 23 f.; Pieth 2014, 20 f.; PK-Trechsel. /. Fingerhuth 2013, Art. 135, Rn. 7; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 46. 22 BSK-Fiolka 2013, Art. 262, Rn. 40; Schubarth. /. Vest 2007, Art. 262, Rn. 54. 23 BSK-Fiolka 2013, Art. 262, Rn. 40; Schubarth. /. Vest 2007, Art. 262, Rn. 54.
Fall 5 Fasnächtliche Zollbeamte 1 Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass A und B alles gemeinsam machen. Es wird in der Ausführungsphase nicht nach Tatbeiträgen unterschieden .(einzig in der Vorbereitungsphase: A hat die Idee, die Tat zu begehen während B die Kostüme liefert). Es handelt sich um einen der Fälle, in denen man die Mittäter zusammen prüft. A. Amtsanmassung gemäss Art. 287 StGB in Mittäterschaft?
2 BSK-Heimgartner 2013, Art. 287, Rn. 4. 3 Donatsch. /. Wohlers 2011, 397; BSK-Heimgartner 2013, Art. 287, Rn. 3; Pieth 2014, 282; PK-Trechsel. /. Vest 2013, Art. 287, Rn. 3; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 368. 4 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 368; BGE 128 IV 164 .(167). 5 Entscheid des Bundesgerichts vom 19.6.1995, Pra 1996, Nr. 174, 642. 6 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 369. A. Betrug gemäss Art. 146 StGB in Mittäterschaft?
7 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 379. 8 BGE 107 IV 169 .(170 f.); dazu Pieth 2014, 160 f. 9 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Pieth 2014, 161; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385. 10 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385 f. 11 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 392 f. Auch in Deutschland vorherrschende Meinung: BGHSt 18, 221 .(223) zum Urteil BGH 2 StR 591/62 vom 16. Januar 1963; vgl. Pieth 2014, 162. 12 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 132 f. 13 A.A. vertretbar. Dann müssten die restlichen objektiven Tatbestandselemente, der Vermögensschaden und der Motivationszusammenhang sowie der subjektive Tatbestand geprüft und bejaht werden. B. Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB in Mittäterschaft?
14 BGE 120 IV 17 .(19); BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 181, Rn. 25. 15 BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 180, Rn. 18; ders., Art. 181, Rn. 30. 16 BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 181, Rn. 38.
17 BSK-Weissenberger 2013, Art. 156, Rn. 22. 18 BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 181, Rn. 8 f. 19 Siehe auch BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 132. C. Raub gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft?
20 BGE 133 IV 207 .(211); Corboz I 2010, Art. 140, Rn. 5; Donatsch 2013, 170 f.; BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 140, Rn. 20; Pieth 2014, 142; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 140, Rn. 42; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 338. A. Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft?
21 BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 183, Rn. 36; vgl. auch Hinw. bei Pieth 2014, 59 f. 22 Aufzählung bei BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 183, Rn. 37. 23 BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 183, Rn. 41 f.; PK-Trechsel. /. Fingerhuth 2013, Art. 183, Rn. 7 m.w. H. 24 BGE 89 IV 85 .(87); Autofahrt von 30 Minuten: BGE 99 IV 220 . (221). 25 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 136; BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 183, Rn. 44; differenzierend Pieth 2014, 59 f. 26 Das Element unrechtmässig kann sowohl im objektiven Tatbestand . (BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 183, Rn. 53) als auch in der Rechtswidrigkeit .(Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 138) geprüft werden. 27 BGE 128 IV 73. B. Versuchte Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 i. V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB in Mittäterschaft?
28 Aufbauhinweis: Weil die Diskussion, ob vorliegende Konstellation als Betrug oder als Erpres-sung zu qualifizieren ist, bereits oben bei X geführt wurde, kann hier, weil es sich um dieselbe Konstellation handelt, direkt über Art. 156 StGB eingestiegen werden. 29 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 217.
Fall 6 Bree 1 Sowohl die Aneignungstatbestände wie der Tatbestand der Sachentziehung schützen die Verfügungsmacht über Sachen. Die Aneignungsdelikte richten sich insbesondere gegen Eigentumsanmassungen, vgl. BSK-Niggli 2013, Art. 137, Rn. 16 ff. 2 Müller 1995, 5. A. Unrechtmässige Aneignung gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB?
3 BSK-Niggli 2013, Art. 137, Rn. 26; Pieth 2014, 128 f.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 292. 4 BSK-Niggli 2013, Art. 137, Rn. 44; Pieth 2014, 132; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Vor Art. 137, Rn. 6 und Art. 137, Rn. 5; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 298 f. 5 BSK-Niggli 2013, Art. 137, Rn. 32. 6 Donatsch 2013, 115. 7 Pieth 2014, 130, 145; Rehberg. /. Eckert. /. Flachsmann 2008, Tafeln 27– 33; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 293. C. Sachentziehung gemäss Art. 141 StGB?
8 Art. 141 StGB und BGE 115 IV 207. 9 BSK-Weissenberger 2013, Art. 141, Rn. 3; Pieth 2014, 145; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 349 f. 10 BGE 115 IV 207 .(210); 77 IV 160 .(161 f.); 72 IV 59 .(60 f.). 11 Donatsch 2013, 184. 12 Müller 1995, 6; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 351; BSKWeissenberger 2013, Art. 141, Rn. 15. 13 Donatsch 2013, 185; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 352; BSKWeissenberger 2013, Art. 141, Rn. 25. 14 Donatsch 2013, 185. 15 BGE 96 IV 21. 16 PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 141, Rn. 6. 17 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 265; BSK-Weissenberger 2013, Art. 141, Rn. 37. A. Sachbeschädigung gemäss Art. 144 StGB?
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Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 294 und 368; BSKWeissenberger 2013, Art. 144, Rn. 81. B. Unrechtmässige Aneignung infolge Sachentwertung .(Art. 137 Ziff. 1 StGB)?
19 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 294 f. 20 BSK-Niggli 2013, Art. 137, Rn. 40 f. 21 Donatsch 2013, 115; vgl. auch Pieth 2014, 131 f. A. Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB?
22 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 319 und 328. 23 BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 139, Rn. 75; Pieth 2014, 130 f. B. Unrechtmässige Aneignung gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB?
24 BSK-Niggli 2013, Art. 137, Rn. 26; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 293. 25 BSK-Niggli 2013, Art. 137, Rn. 44; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 298 f. 26 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 328. 27 BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 139, Rn. 70.
Fall 7 Grüner Pullover A. Diebstahl gemäss Art. 139 StGB?
1 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 325; vgl. BGE 103 IV 83 (84 f.) im Gegensatz noch zu BGE 100 IV 155 .(159 f.). 2 BGE 103 IV 83 .(85). 3 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 325 f.
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B. Betrug gemäss Art. 146 StGB?
4 Kohlbacher 1991, 203. 5 Pieth 2014, 160 f. 6 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Pieth 2014, 161; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385. 7 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385 f. 8 Vgl. den analogen Fall beim Ladendiebstahl: Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 328. 9 Zur Stoffgleichheit vgl. Pieth 2014, 168. C. Geringfügiges Vermögensdelikt gemäss Art. 172ter StGB?
10 BGE 123 IV 155 .(156); 123 IV 113 .(119); 121 IV 261 .(268); vgl. auch Pieth 2014, 190; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 551. D. Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB?
11 Donatsch. /. Wohlers 2011, 144; Kohlbacher 1991, 149; Pieth 2014, 217; PK-Trechsel. /. Erni 2013, Vor Art. 251, Rn. 15; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 137 ff. 12 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 135 f. 13 Kohlbacher 1991, 156, 204. 14 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 137. 15 BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 170; Donatsch. /. Wohlers 2011, 144; Pieth 2014, 217. 16 Für kantonale Gerichtsentscheide: Kohlbacher 1991, 155 f.; für die zurückhaltende deutsche Praxis: dies., 204. 17 So aber Kohlbacher 1991, 204. 18 BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 170; Donatsch. /. Wohlers 2011, 144, 155; Pieth 2014, 220; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 155 f.
E. Ein «besonders leichter Fall» gemäss Art. 251 Ziff. 2 StGB?
19 BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 216. 20 BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 222 u.V.a. Schubarth. /. Albrecht 1990, 161. 21 Kohlbacher 1991, 204; vgl. auch Pieth 2014, 168, 224. A. Versuchte Erpressung gemäss Art. 156 i.V. m. Art. 22 StGB?
22 BSK-Weissenberger 2013, Art. 156, Rn. 14; Pieth 2014, 176; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 453 f. 23 Vgl. alt Art. 156 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. 24 BSK-Weissenberger 2013, Art. 156, Rn. 21; Pieth 2014, 58 f., 178. 25 Rechtswidrig ist die Drohung mit einer Anzeige lediglich, wenn die erhobenen Ansprüche nicht bestehen, rechtlich nicht durchsetzbar oder übersetzt sind oder in keinem sachlichen Zusammenhang zum konkreten Geschehen stehen .(BGer 6S.8/2006 vom 12. 6. 2006, E. 4.3). 26 Die klassische Formel des Bundesgerichts bei Seelmann 2012, 123; Stratenwerth 2011, 340. A. Veruntreuung gemäss Art. 138 StGB?
27 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 307 f. B. Betrug durch Unterlassen gemäss Art. 146 StGB?
28 Seelmann 2012, 109 ff.; Stratenwerth 2011, 464 f. C. Begünstigung gemäss Art. 305 StGB?
29 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 401 f. D. Bestechlichkeit im Privatbereich gemäss Art. 4a UWG?
30 Vgl. Botschaft 2004, 7000 ff.; AS 2006, 2372.
Fall 8 Krümelmonster 1 Siehe m. w. V. Wikipedia unter «Diebstahl des goldenen Leibnitzkeks» und unter ‹www.spiegel.de. /. panorama. /. gestohlener-leibniz-keksbahlsen-erpresserbrief-vom-kruemelmonster-a-880339.html›, entdeckt von Wiss. Mitarbeiterin Anna Kaiser, Uni Bremen. Ich danke zudem meinem Mitarbeiter Dr. Mohamad El-Ghazi, Uni Bremen und Advokatin Regula Echle, Uni Basel für ihre Anmerkungen. 2 Siehe aus Deutschland BGH 1 StR 146/76; aus Österreich ist vor allem die Geschichte des Diebstahls der «Saliera» bekannt, dazu und mit weiteren Fallgeschichten Venier 2004, 73 ff. A. Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB
3 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 295. 4 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 293 ff.; Pieth 2014, 130 f.; BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 137, Rn. 26 ff. und Rn. 39 ff. 5 Pieth 2014, 139 f. 6 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 328. 7 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 293; Pieth 2014, 130 f.; besonders deutlich BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 137, Rn. 26: «Wer eine Sache behändigt, um […] den Berechtigten damit zu erpressen, handelt nicht mit dem Willen zu dauernder Enteignung». 8 Im Kunsterpressungsfall BGH 1 StR 146/76 wird das Problem des Dauerelements bei der Aneignungsabsicht .(nach Diktion des deutschen Diebstahltatbestandes, § 242 dStGB: Zueignungsabsicht) gar nicht aufgeworfen: Es wird ohne Weiteres davon ausgegangen, dass sie vorliegt. 9 Ebenso BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 137, Rn. 26, in Bezug auf diesen Vergleichsfall, weil hier der Täter – anders als K – die Sache «als seine eigene ‹zurückverkauft’«. 10 Dass er kranke Kinder und damit jemand anderen als sich selbst bereichern will, ist erst das Endziel der nachfolgenden Handlungen. Das ist im hier interessierenden Zusammenhang mit Art. 139 StGB irrelevant. Zudem wäre auch die Absicht, jemand anderen zu bereichern, erfasst. B. Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB
11 Pieth 2014, 177. 12 So argumentiert Venier 2004, 73 f., allerdings nur für den deutlich engeren österreichischen Erpressungstatbestand .(§ 144 öStGB), der eine «Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen» verlangt. 13 In diesem Sinn BGH 1 StR 146/76. 14 In diesem Sinn auch Venier 2004, 74 ff. 15 Oben A.I.2.b). C. Nötigung gemäss Art. 181 StGB
16 Nötigung ist nur zu prüfen, wenn, wie hier vorgeschlagen, Erpressung mangels Vermögensschaden verneint wird. 17 Oben B.I.1.a). 18 PK-Trechsel. /. Fingerhuth 2013, Art. 181, Rn. 10. 19 In diesem Sinn auch Advokatin Regula Echle, die die Verteidigung des inzwischen überführten K übernehmen wird. 20 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 527.
Fall 9 Leasing A. Betrug nach Art. 146 Abs. 1 StGB
1 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 379. 2 BGE 107 IV 169 .(170 f.). 3 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Pieth 2014, 161; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385. 4 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Pieth 2014, 161; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385 f. 5 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 124 ff. 6 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 390. 7 BGE 96 IV 185 .(191). 8 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 399 ff.; BGE 117 IV 139 . (148); 122 IV 179 .(183). 9 Pieth 2014, 168. 10 BGE 134 IV 210 .(213); Wohlers 2009, 115 ff. B. Arglistige Vermögensschädigung gemäss Art. 151 StGB
11 BSK-Arzt 2013, Art. 151, Rn. 1. A. Betrug nach Art. 146 Abs. 1 StGB
12 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 124 ff. 13 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 390. B. Veruntreuung nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
14 Unter vielen: BGE 120 IV 117 .(119). 15 BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 138, Rn. 45 f. 16 BGE 118 IV 148 .(151). A. Irreführung der Rechtspflege gemäss Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
17 BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 304, Rn. 7 und 13. A. Versuchter Betrug gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB i. V. m. Art. 22 Abs. 1 StGB
18 Ständige Rechtsprechung seit BGE 71 IV 205 .(211); 119 IV 224 (227). 19 BGE 75 IV 175. 20 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 217. 21
.
Vgl. Fall 18 .(«Hotel Napf-Palace»), S. 238 f. sowie die krit. Überlegungen bei Pieth 2014, 203 f. 22 Andere Ansicht vertretbar.
Fall 10 Zapfhahn A. Diebstahl nach Art. 139 Ziff. 1 StGB .(i. V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB)
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BGE 121 IV 261 .(268). BSK-ZGB II-Schwander 2011, Art. 727, Rn. 5. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 319 ff. BSK-Seelmann 2013, Vor Art. 14, Rn. 18. PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 139, Rn. 7. BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 139, Rn. 55.
B. Unrechtmässige Aneignung nach Art. 137 Ziff. 1 StGB
7 Andere Ansicht vertretbar. 8 BGH vom 10.1.2012 – 4 StR 632/11, Besprechung unter ‹www.rubrr.de›. C. Betrug gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB
9 Die Prüfung des Betrugs entfällt, wenn, wie vorliegend, die Strafbarkeit wegen unrechtmässiger Aneignung bejaht wird. Da in der Literatur .(z. B. BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Vor Art. 137, Rn. 43) im Zusammenhang mit Tankstellenfällen jedoch auch immer wieder der Tatbestand des Betrugs genannt wird, soll dieser nachfolgend aufgezeigt werden. 10 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 379. 11 BGE 107 IV 169 .(170 f.). 12 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385. 13 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f. 14 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 124 ff. 15 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 390. 16 BGE 96 IV 185 .(191). 17 Zur Lagertheorie: BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 137 ff.; BGE 126 IV 113 .(117). 18 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 84 ff. 19 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 399 f.; BGE 117 IV 139 .(148); 122 IV 179 .(183). D. Erschleichen einer Leistung gemäss Art. 150 StGB
20 BSK-Weissenberger 2013, Art. 150, Rn. 4 ff.
Fall 11 Luzern 1 BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 140, Rn. 24; Donatsch 2013, 171; Pieth 2014, 142 f.; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 140, Rn. 3; Weissenberger 1997, 499. 2 Position des Obergerichts, wiedergegeben in BGE 133 IV 207 .(209). 3 Weissenberger 1997, 499. A. Raub gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB?
4 Schürmann 1986, 59 f. 5 BGE 133 IV 207 .(211); 107 IV 107 .(109); 81 IV 224 .(226); BSKNiggli. /. Riedo 2013, Art. 140, Rn. 20, 27 .(generell zum Entreissdiebstahl); Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 338 m.V. 6 BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 140, Rn. 24. 7 Weissenberger 1997, 498; Pieth 2014, 143; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 342. 8 BGE 133 IV 207 .(211). 9 BGE 133 IV 207 .(211). 10 Z.B. Donatsch 2013, 160, 171. 11 BGE 81 IV 224; Gerber 1974, 121, 123. 12 BJM 1970, 85 ff. 13 So das Bundesgericht im Urteil vom 25. April 2006, 6S.63/2006. 14 So das Bundesgericht im Urteil vom 6. Juni 2003, 6S.109/2003. 15 RBOG 1980, 72 .(Kriminalkammer Thurgau). 16 BGE 133 IV 207 .(209). 17 Donatsch 2013, 160, 171. 18 Vgl. die Zusammenfassung der Rechtsprechung bei Weissenberger 1997, 498 f.; nun auch BGE 133 IV 207 .(212). 19 BGE 107 IV 107; BGer 6S.63/2006. 20 PKG, 1985, 56 f. .(Kantonsgericht Graubünden). 21 Obwohl nicht Tatbestandsmerkmal: Bundesgericht im Urteil vom 6. Juni 2003, 6S.109/2003. 22 Vgl. so ähnlich die Paraphrase der Begründung des Obergerichts durch das Bundesgericht in BGE 133 IV 207 .(213). 23 BGE 133 IV 207 .(214). 24 Siehe oben Fn. 18.
Fall 12 Basler Diamantenfieber A. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB?
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Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 319 ff. BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 139, Rn. 64. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 327 f. Donatsch 2013, 161. BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 139, Rn. 65. BGE 110 IV 12. BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 139, Rn. 78; Art. 140, Rn. 49; Pieth 2014, 143; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 140, Rn. 12; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 343; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 140, Rn. 7. Zum Gewaltbegriff: BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 140, Rn. 19 ff.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 338 ff. Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 140, Rn. 8. Allerdings ist, wenn der Täter nur die Fluchtsicherung bezweckt, Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB nicht anwendbar, sondern Art. 181 StGB und Art. 139 StGB. Zusammenfassung der Argumente und Verweis auf weiterführende Literatur: BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 140, Rn. 175 f.
B. Einfache Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB?
12 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 64 ff.; vgl. auch Pieth 2014, 35 f. m.w. H. C. Hausfriedensbruch gemäss Art. 186 StGB?
13 BGE 108 IV 33 .(39). 14 Zur ganzen Diskussion: BSK-Delnon. /. Rüdy 2013, Art. 186, Rn. 28; Pieth 2014, 112 f.; Stra-tenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 156. D. Weitere Tatbestände?
15 Es bietet sich an, die Konkurrenzen bereits an dieser Stelle zu prüfen. Dies ist bezüglich der Beteiligung der anderen praktikabler. Es sind die Delikte zu prüfen, nach denen sich A strafbar gemacht hat. A. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft?
16 A.A. bei guter Begründung vertretbar.
17 BGE 120 IV 265 .(271 f.). A. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft?
18 A.A. ebenfalls vertretbar. B. Gehilfenschaft zum räuberischen Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 StGB?
19 BGE 120 IV 265 .(272). A. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft?
20 BGE 120 IV 265 .(271 f.). 21 BGE 108 IV 88 .(92). 22 Seelmann 2012, 149. B. Räuberischer Diebstahl gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in mittelbarer Täterschaft?
23 Stratenwerth 2011, 375 f.; Seelmann 2012, 143.
Fall 13 Afrikanische Antilopen A. Hat Rüdisüli den Tatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 StGB begangen?
1 BGE 122 IV 197; 119 IV 28; BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 64 ff.; Pieth 2014, 160; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 146, Rn. 8; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 146, Rn. 6. 2 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 69 ff.; Donatsch 2013, 227 ff.; Pieth 2014, 161; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 146, Rn. 10 ff.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 384 f. 3 Pieth 2014, 162 f.; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 146, Rn. 8 f. 4 Pieth 2014, 163. 5 Bereits BGE 72 IV 126; vgl. aber auch 117 IV 139; 111 IV 55; 100 IV 273. 6 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 149 f.; Boog 1991, 185; Pieth 2014, 164; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 403. 7 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 166 ff.; Pieth 2014, 165; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 404. 8 Pieth 2014, 164 f. B. Hat Rüdisüli den Tatbestand der Falschbeurkundung gemäss Art. 251 StGB erfüllt?
9 BSK-Boog 2013, Art. 110 Abs. 4, Rn. 61 ff.; Donatsch. /. Wohlers 2011, 144; Kohlbacher 1991, 134 ff.; Pieth 2014, 217; PK-Trechsel. /. Aerni 2013, Vor Art. 251, Rn. 15; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 137 ff. 10 Vgl. bereits oben Fall 7 .(«Grüner Pullover»), S. 89. 11 BSK-Boog 2013, Art. 110 Abs. 4, Rn. 80 ff.; ders., Art. 251, Rn. 168; Pieth 2014, 217. 12 Kohlbacher 1991, 146 ff.; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 134; PKTrechsel. /. Aerni 2013, Vor Art. 251, Rn. 15. 13 Kohlbacher 1991, 156, 204. 14 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 136; PK-Trechsel. /. Aerni 2013, Vor Art. 251, Rn. 15 .(nur Absichtszeichen kommen in Frage). 15 BGE 116 IV 319; dazu BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 170; Donatsch. /. Wohlers 2011, 144; Pieth 2014, 217; s.o. Fall 7 .(«Grüner Pullover»), S. 89. 16
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BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 67 und 73 ff. .(zu Echtheit und Wahrheit). BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 64 ff. BGE 119 IV 289 .(295); ebenso 119 IV 54; vgl. BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 68 ff.; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 165 ff.; PKTrechsel. /. Aerni 2013, Art. 251, Rn. 9. Zur garantenähnlichen Stellung: BSK-Boog 2013, Art. 251, Rn. 101 ff. BGE 119 IV 289 .(296).
C. Hat sich Rüdisüli der Warenfälschung gemäss Art. 155 StGB schuldig gemacht?
21 BSK-Weissenberger 2013, Art. 155, Rn. 5; Pieth 2014, 174 f.; PKTrechsel. /. Crameri 2013, Art. 155, Rn. 1. 22 BGE 98 IV 188 .(191); vgl. dazu PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 155, Rn. 5; BSK-Weissenberger 2013, Art. 155, Rn. 3. 23 BGE 119 IV 129 .(132); dazu PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 146, Rn. 33; BSK-Weissenberger 2013, Art. 155, Rn. 53. A. Hat sich Bayer der Gehilfenschaft zur Warenfälschung gemäss Art. 155 i. V.m. Art. 25 StGB strafbar gemacht?
24 Vgl. auch BGE 119 IV 289 .(292). 25 BGE 119 IV 289 .(292 f.) verweist auf Roxin im Leipziger Kommentar sowie auf Jakobs und Frisch; vgl. auch Stratenwerth 2011, 420 f. 26 Donatsch. /. Wohlers 2011, 481 f.; Lee 2006, 101 ff., 213 ff.; BSK-Pieth 2013, Art. 305bis, Rn. 53 ff.; ders. 2014, 307; PK-Trechsel. /. AffolterEijsten 2013, Art. 305bis, Rn. 19. 27 Wehrle 1986, 54 ff. 28 BGE 119 IV 289 .(294) m.V.a. BGE 114 IV 112 .(114 f.). 29 Für eine einschränkende Interpretation tritt ein: Stratenwerth 2011, 420 f. m.w. H.
Fall 14 Häschenfall A. Erpressung gemäss Art. 156 StGB?
1 Donatsch 2013, 290; BSK-Weissenberger 2013, Art. 156, Rn. 10 ff.; Pieth 2014, 177 f.; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 156, Rn. 4. B. Betrug gemäss Art. 146 StGB?
2 BGE 120 IV 186 .(188); dazu BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 64; Pieth 2014, 160 f.; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 146, Rn. 8; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 146, Rn. 62. 3 BGE 119 IV 28 .(36). 4 BGE 120 IV 186 .(188); dazu Donatsch 2013, 227 f.; Pieth 2014, 161; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 146, Rn. 7 ff.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 384 ff. 5 BGE 72 IV 126 .(128). 6 Cassani 1999, 163. 7 Zur Opferselbstverantwortung: BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 59; Cassani 1999, 165 f.; Pieth 2014, 160. 8 Anders Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 396, die den . (arglistigen) Spenden- und Bettelbe-trug generell als strafbar ansehen. 9 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 175. 10 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 175; vgl. zum Ganzen auch Pieth 2014, 165 ff. 11 BGE 106 IV 26; dazu Boog 1991, 142 ff., 150 f. 12 Fuchs. /. Reindl-Krauskopf 2009, 156.
Fall 15 Fernsehquiz A. Betrug gemäss Art. 146 StGB?
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Schubarth 2006, 224 f. Vgl. die detaillierten Erwägungen in BGE 126 IV 165 .(168, 172). Cassani 1999, 153. Art. 313–1 StGB Frankreich. BGE 120 IV 186 .(188); vgl. Pieth 2014, 160 f. m. w.H. BGE 72 IV 126 .(128). BGE 120 IV 186 .(188); vgl. Pieth 2014, 161 m.w.H. BGE 126 IV 165 .(171). BGE 126 IV 165 .(168 und 171 ff.). Cassani 1999, 168 ff. BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 59; vgl. auch etwa BGE 107 IV 169. BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 119, 121 f. BGE 126 IV 165 .(172); vgl. zur aktuellen Praxis: BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 4, 58, 68, 76 und 119 ff.; Pieth 2014, 160; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 146, Rn. 13a. BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 124 ff. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 390. Schubarth 2006, 225. In der Lehre wird eine «gewisse Verfügungsmacht» .(Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 393) oder ein «Näheverhältnis» .(BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 138) verlangt. Schubarth 2006, 225; generell zum Prozessbetrug vergleiche BSKArzt 2013, Art. 146, Rn. 140; Pieth 2014, 162; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 395. BGE 126 IV 165 .(169, 174 f.). Schubarth 2006, 226. BGE 126 IV 165 .(175); BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 182. Schubarth 2006, 226. Schmidt 2005, 16. BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 184; Schubarth 2006, 226. Schmidt 2005, 17 f. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 396.
27 Insofern zu schlicht Schubarth 2006, 226; vgl. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 396. 28 Pieth 2014, 163, Anm. 971. 29 Zerbes 2001, 11; in diesem Sinne ist wohl auch Schmidt .(2005, 16) zu verstehen. 30 Schmidt 2005, 16. 31 Schubarth 2006, 226. 32 Zur Theorie der Stoffgleichheit: BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 191; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 408. 33 Schubarth 2006, 227. 34 Vgl. auch Schmidt 2005, 18.
Fall 16 Phishing A. Unbefugte Datenbeschaffung gemäss Art. 143 StGB?
1 Ammann 2006, 197; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 358 f. 2 Gisin 2007, 6. 3 BSK-Weissenberger 2013, Art. 143, Rn. 14; Donatsch 2013, 195 f.; Pieth 2014, 155; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 143, Rn. 5; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 360. 4 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 362 f. 5 BSK-Weissenberger 2013, Art. 143, Rn. 24 u.V.a. Schmid 1995; vieles ist allerdings noch unklar: So hat das Bundesgericht offen gelassen, ob die Wegnahme einer CD-ROM unter Art. 143 StGB fällt .(BGE 128 IV 11). 6 Vgl. Ammann 2006, 197; gleicher Ansicht Donatsch et al. 2008, 137; Gisin 2007, 7 f.; Oswald 2006, 7; Pieth 2014, 156. 7 Anders in Österreich, wo der Paralleltatbestand § 126 c) StGB . (Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten) explizit die illegale Beschaffung von Zugangsdaten beinhaltet, ohne auf besondere Techniken der Beschaffung abzustellen; vgl. ReindlKrauskopf 2009, 86. B. Unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem gemäss Art. 143bis Abs. 1 StGB?
8 Ammann 2006, 198; Gisin 2007, 8 f.; BSK-Weissenberger 2013, Art. 143bis, Rn. 17 ff. 9 BSK-Weissenberger 2013, Art. 143, Rn. 14; Donatsch 2013, 200; Pieth 2014, 152; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 143bis, Rn. 6 f.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 365. C. Unbefugtes Beschaffen von Personendaten gemäss Art. 179novies StGB?
10 Vgl. Ammann 2006, 200 f.; Gisin 2007, 13 f.; BSK-von Ins. /. Wyder 2013, Art. 179novies, Rn. 12. D. Betrug gemäss Art. 146 StGB?
11 Arzt 2000, 114 ff.; Cassani 1999, 152 ff.; BGE 128 IV 18 und BGer 6S.74/2006; 6S.167/2006. 12
BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 156 .(fehlende Unmittelbarkeit des Schadens) u.V.a. Ammann 2006, 199; vgl. auch Donatsch et al. 2008, 140. 13 BGE 127 IV 68 .(75 f.). E. Versuchter «Datenbetrug» gemäss Art. 147 i. V.m. Art. 22 StGB?
14 Vgl. die Wiedergabe der Rechtsprechung bei Stratenwerth 2011, 340. 15 Vgl. auch Ammann 2006, 199; Gisin 2007, 12. F. Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB?
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BSK-Boog 2013, Art. 110 Abs. 4, Rn. 86 ff. Jenny. /. Stratenwerth 1991, 197 ff. BGE 113 IV 77 .(80). Sinngemäss Jenny. /. Stratenwerth 1991, 199. Oswald 2006, 6. BGE 123 IV 61 .(64); Ammann 2006, 201; BSK-Boog 2013, Art. 110 Abs. 4, Rn. 30; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 131. Jenny. /. Stratenwerth 1991, 199. Krit. Pieth 2014, 218 f. BGE 116 IV 343. Ammann 2006, 202; Gisin 2007, 15 und Donatsch et al. 2008, 143; a.A. aber Oswald 2006, 6 .(mangels Beweiskraft). Vgl. Art. 14 Abs. 2bis OR und das Bundesgesetz über die elektronische Signatur .(ZertES, SR 943.03); dazu Aenis. /. Mühlemann 2013, 166 f. Jenny. /. Stratenwerth 1991, 203. Ammann 2006, 201 u.V.a. BGE 116 IV 343 .(349); vgl. auch Kunz 1996, 201. Ammann ebda. sowie Gisin 2007, 15 f.; krit. Pieth 2014, 218. Stratenwerth. /. Bommer 2013, 153; vgl. auch Pieth 2014, 219 f. Gisin 2007, 17 f.; a.A. aber Ammann 2006, 202.
A. Betrug gemäss Art. 146 StGB?
32 Gisin 2007, 11, u.V.a. Schmid 1995. 33 Ammann 2006, 199; Gisin 2007, 10 f.; unklar Oswald 2006, 9; allgemein vgl. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 392. B. Betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage gemäss Art. 147 Abs. 1 StGB?
34 Ammann 2006, 203; BSK-Fiolka 2013, Art. 147, Rn. 11 f., 15 f.; Pieth 2014, 169 f.; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 147, Rn. 6. 35 PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 147, Rn. 6; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 415 f. 36 Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes .(Strafbare Handlungen gegen das Vermögen und Urkundenfälschung) sowie betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Landesversorgung, BBl 1991 II 969 .(1022); BSK-Fiolka 2013, Art. 147, Rn. 36; Pieth 2014, 171; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 415 f. 37 Vgl. Ammann 2006, 200. 38 Vgl. auch Ammann 2006, 200; Gisin 2007, 13; Donatsch et al. 2008, 140 f.; für Österreich .(§ 148a StGB) Reindl-Krauskopf 2009, 85. C. Qualifizierter Fall gemäss Art. 147 Abs. 2 StGB?
39 BGE 124 IV 59; 123 IV 113; 119 IV 129; 116 IV 319; dazu Pieth 2014, 140; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 146, Rn. 32 ff.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 412. 40 Oswald 2006, 10.
Fall 17 Retrozessionen 1 Bernasconi 2001, 261; Donatsch 1996, 214; Popp 1993, 283 ff.; Schubarth 2012, 2 f.; Schwob 2012, 132 ff. A. Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB?
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Unter vielen: BGE 120 IV 117 .(119). BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 138, Rn. 45 f. Zum Ganzen: Kuhn 2006, 1053 f. Borer-Benz 2006, 169. BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 138, Rn. 89; Donatsch 2013, 129 ff. BGE 132 III 460 .(464); De Capitani 1998, 26. Arzt 1995, 137 f.; BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 138, Rn. 96 f.; Corboz I 2010, Art. 138, Rn. 21; Donatsch 2013, 149; Jenny 1988, 400 ff.; Pieth 2014, 135; PK-Trechsel. /. Crameri 2013, Art. 138, Rn. 11; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 315; a. A. Schaub 1978, 80 ff. BGE 133 IV 21; 119 IV 127; 117 IV 429; 109 IV 27. Vgl. oben Fn. 8. BSK-Niggli. /. Riedo 2013, Art. 138, Rn. 211. A.A. vertretbar .(insbesondere weil das Bundesgericht sie vertritt). Dann müsste im objektiven Tatbestand noch die Tathandlung .(das unrechtmässige Verwenden in eigenem Nutzen) sowie der subjektive Tatbestand geprüft werden.
B. Ungetreue Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB?
13 BSK-Niggli 2013, Art. 158, Rn. 12; Pieth 2014, 183. 14 Auch wenn dieser Begriff seit der Revision nicht mehr ausdrücklich im Gesetz steht. Dazu Urbach 2002, 32 f. 15 So bezüglich Art. 159 aStGB: BGer 6S.604/1999 vom 2.3.2000, E. 2.c. 16 BGE 95 IV 65 .(66); 118 IV 244 .(246 f.). 17 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 467; Donatsch 1996, 204 f.; Bernasconi 2001, 257 f. 18 BGE 102 IV 90 .(93). 19 BGE 105 IV 307 .(312).
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Donatsch 2013, 306 f.; BSK-Niggli 2013, Art. 158, Rn. 125. Schubarth 2007, 170; Schwob 2012, 132 ff. Dazu Reimann. /. Kuhn 2006, 688; Schären 2008, 1205. Schären 2008, 1205. Pieth 2014, 184 f. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 399 ff.; BGE 117 IV 139 . (148); 122 IV 179 .(183). 26 BSK-Niggli 2013, Art. 158, Rn. 129. 27 Es steht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nach wie vor offen, ob das Zurückbehalten von Retrozessionen einen strafrechtlichen Tatbestand erfüllt. In BGer 1P.843/2005 vom 19. 12.2006 trat das Bundesgericht nicht auf die Beschwerde ein. Es ist jedoch ersichtlich, dass die Vorinstanz den Angeklagten aufgrund von Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB verurteilte, weil er es einzig auf Zurückbehalten von möglichst hohen Retrozessionen angelegt hatte. C. Qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB?
28 Aufbauhinweis: Die Qualifikation könnte auch bereits im subjektiven Tatbestand des Grundtatbestands geprüft werden, da es sich bei der Bereicherungsabsicht lediglich um ein zusätzliches subjektives Tatbestandselement handelt. 29 Pieth 2014, 185. 30 Eine a. A. ist vertretbar. D. Betrug gemäss Art. 146 StGB?
31 Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 379. 32 BGE 107 IV 169 .(170 f.); Pieth 2014, 160 f. 33 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Pieth 2014, 161; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385. 34 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 63; Donatsch 2013, 227 f.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 385 f. 35 Schubarth 2007, 171. 36 Reimann. /. Kuhn 2006, 688; Schären 2008, 1205. 37 A.A. aufgrund der auch vor 2006 geltenden Gesetzeslage .(Art. 400 OR) sehr wohl vertretbar. 38 Schubarth 2007, 171.
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BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 124 ff. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 390 f. BGE 96 IV 185 .(191). BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 130. Pieth 2014, 163 ff.; Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 399 ff.; BGE 117 IV 139 .(148); 122 IV 179 .(183 f.). 44 BSK-Niggli 2013, Art. 158, Rn. 129. 45 Wenn man auch die Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB bejaht hatte, kommt man zum Ergebnis, dass diese Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB vorgeht.
Fall 18 Hotel Napf-Palace A. Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB?
1 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 50. 2 BSK-Roelli. /. Fleischanderl 2013, Art. 221, Rn. 7 f.; Corboz II 2010, Art. 221, Rn. 10; Do-natsch. /. Wohlers 2011, 35 f.; Pieth 2014, 202; PK-Trechsel. /. Fingerhuth 2013, Art. 221, Rn. 2; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 48 f. 3 BSK-Roelli. /. Fleischanderl 2013, Art. 221, Rn. 13; Donatsch. /. Wohlers 2011, 32, 36; Jenny 1999, 625 f.; Pieth 2014, 202; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 47, 52. 4 BGE 85 IV 130 .(132). 5 BGE 123 IV 128 .(131); 124 IV 97 .(100). 6 Kann auch in der Rechtswidrigkeit geprüft werden. 7 Die Einwilligung in nicht höchstpersönliche Rechtsgüter wird auch Einverständnis genannt. Siehe Seelmann 2012, 48 f. 8 Eine andere Ansicht ist bei guter Argumentation vertretbar. 9 Schwander 1964, 438; Brunner 1986, 53; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 50 ff. 10 BGE 85 IV 224 .(228); 105 IV 39 .(40); 107 IV 182 .(184). 11 Pieth 2014, 202; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 51. 12 BGE 105 IV 39 .(40); 107 IV 182 .(184). 13 Brunner 1986, 53. 14 BSK-Roelli. /. Fleischhanderl 2013, Art. 221, Rn. 12. 15 BSK-Roelli. /. Fleischanderl 2013, Art. 221, Rn. 11; PK-Trechsel. /. Fingerhuth 2013, Art. 221, Rn. 3. 16 A.A. vertretbar, wenn davon ausgegangen wird, dass er um Gepäck der Gäste weiss und dessen Zerstörung in Kauf nimmt. B. Qualifizierte Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 2 StGB?
17 BGE 123 IV 128 .(130). 18 BSK-Roelli. /. Fleischanderl 2013, Art. 221, Rn. 17; krit. Pieth 2014, 203; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 54. 19 Eine andere Ansicht ist vertretbar 20 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 52; Brunner 1986, 64 f. C. Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB?
21 Die Beschädigung des Rucksacks wird hier nicht mehr geprüft, da schon die Brandstiftung mangels Vorsatz scheiterte und somit auch bei der Sachbeschädigung der Vorsatz fehlt. 22 BSK-Weissenberger 2013, Art. 144, Rn. 11. D. Einfache Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB?
23 Eine Prüfung der fahrlässigen Körperverletzung erübrigt sich, da sie ebenfalls an der objektiven Zurechnung scheitern würde. E. Gefährdung des Lebens gemäss Art. 129 StGB?
24 BSK-Aebersold 2013, Art. 129, Rn. 11; Pieth 2014, 46; krit. Stratenwerth. /. Jenny. /. Bommer 2010, 83 f. 25 BGE 94 IV 60 .(62); ebenso BGE 123 IV 128 .(130). A. Anstiftung zur Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 i. V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB?
26 Eine andere Ansicht ist bei guter Begründung durchaus vertretbar. B. Fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst gemäss Art. 222 StGB?
27 Es wird hier nur die natürliche Kausalität geprüft. Die adäquate Kausalität würde als Unterpunkt der objektiven Zurechnung nur angesprochen, wenn ein Problem vorläge. Anderer Aufbau möglich, siehe Anhang S. 282. 28 BGE 116 IV 306 .(310). 29 BGE 106 IV 80 .(81); 121 IV 10 .(14 f.). 30 Roxin 2006, 1071; Roxin 1989, 190. 31 BGE 105 IV 330. 32 Wehrle 1986 mit Hinweisen, 54 ff. 33 Roxin 2006, 1072 ff.; Roxin 1989, 179 f.; vgl. auch Pieth 2014, 204 f. A. Brandstiftung durch Unterlassen gemäss Art. 221 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 StGB?
34 BSK-Seelmann 2013, Art. 11, Rn. 49 ff.; Stratenwerth 2011, 467 f. 35 BSK-Seelmann 2013, Art. 11, Rn. 50. 36 So auch BGE 105 IV 330 .(333). Andere Ansicht mit entsprechender Begründung vertretbar. A. Versuchter Betrug gemäss Art. 146 i. V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB?
37 Ständige Rechtsprechung seit BGE 71 IV 205 .(221); 119 IV 224 (227). 38 Stratenwerth 2011, 343; Brunner 1986, passim.
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39 BGE 75 IV 175 .(178). 40 BSK-Arzt 2013, Art. 146, Rn. 217; krit. Pieth 2014, 204. 41 Pieth 2014, 204.
Fall 19 Olivenöl A. Haben sich Madeleine und Esther der Finanzierung des Terrorismus gemäss Art. 260quinquies StGB schuldig gemacht?
1 Botschaft betreffend die Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus und zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge sowie die Änderung des StGB und die Anpassung weiterer Bundesgesetze vom 26. Juni 2002 .(BBl 5390 [5442]); Donatsch. /. Wohlers 2011, 215; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 245. 2 Arzt 2007, Art. 260quinquies, Rn. 17. 3 United Nations International Convention for the Suppression of the Financing of Terrorism, UN Doc. A. /. RES. /. 54/109, 9 December 1999; EU: First Directive on Prevention of the Use of the Financial System for the Purpose of Money Laundering .(OJ L166) of 28 June 1991, 77–83; Second Directive on Prevention of the Use of the Financial System for the Purpose of Money Laundering .(OJ L344) of 28 December 2001, 76 – 82; Third Directive on Prevention of the Use of the Financial System for the Purpose of Money Laundering or Terrorist Financing .(Ref. IP. /. 05/682) of 26 May 2005; dazu Pieth 2006, 1074 ff. 4 Cassani 2003, 297 f. 5 Forster 2005, 218 f. 6 Ebenda, 221. 7 Vgl. BGE 131 II 235 .(244) und Forster 2005, 218 f. 8 Vgl. insbesondere die Auseinandersetzung um den Kosovo in BGE 130 II 337 und 131 II 235 .(245). 9 Forster 2005, 221. 10 BGE 131 II 235 .(247), zur Nachfolgeorganisation der UCK .(ANA) im Kosovo. 11 BGE 133 IV 76 .(85) betreffend Mitglieder der PKK. 12 Cassani 2003, 302 u.V.a. Art. 6 und Art. 13 UN 1999. 13 Vgl. etwa BGE 133 IV 76 .(85). 14 Pieth. /. Eymann 2009, 171 ff. 15 US Department of State, Foreign Terrorist Organisations .(FTOs) factsheet.
16 EU-Verordnung 2580/2001; 2007/445. /. EG, Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. Juni 2007. 17 Vgl. Reuters AllertNet: «Hamas-related» charities blacklisted by the US, 20. August 2007. 18 BGE 133 IV 76 .(85) u.V.a. das Zusatzprotokoll zum Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte. 19 Cassani 2003, 304; vgl. auch Pieth 2014, 252 f. und Vest 2007, Art. 260quinquies, Rn. 14. 20 Donatsch. /. Wohlers 2011, 216 u.V.a. Forster 2003, 444. 21 Botschaft 2002 .(Fn. 1), 5442; von Art. 260sexies StGB ist in der Botschaft noch die Rede, weil ursprünglich ein nunmehr vom Parlament gestrichener Terrorismustatbestand vorgesehen war. C. Unterstützung einer kriminellen Organisation durch finanzielle Mittel im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB?
22 Forster 2005, 232; ders. 2003, 435. 23 Pieth 1995, 234 f.; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 235. 24 BGE 132 IV 132 .(137); dazu BSK-Engler 2013, Art. 260ter, Rn. 6; Pieth 2014, 245 f.; PK-Trechsel. /. Vest 2013, Art. 260ter, Rn. 4; Vest 2007, Art. 260ter, Rn. 12. 25 Donatsch. /. Wohlers 2011, 206. 26 Donatsch. /. Wohlers 2011, 206; Pieth 1995, 235; ders. 2014, 246. 27 BGE 132 IV 132; Vest 2007, Art. 260ter, Rn. 39; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 237. 28 Stratenwerth. /. Bommer 2013, 238. 29 BGE 119 IV 289 .(293) u.V.a. Roxin. 30 BGE 119 IV 289 .(294) .(Antilopenfleischfall). 31 Arzt 2007, Art. 260quinquies, Rn. 55; Pieth 2014, 255. D. Das Verhältnis von Art. 260ter StGB und Art. 260quinquies StGB: Subsidiarität oder Spezialität?
32 So auch Forster 2003, 439 f.; vgl. auch die Meinung des Autors dieses Buches anlässlich eines Hearings des Bundesamtes für Justiz von 2002. 33 Botschaft 2002 .(Fn. 1), 5432, 5442 .(«Auffangtatbestand»). 34
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Cassani 2003, 304 f.; Donatsch. /. Wohlers 2011, 218; BSK-Fiolka 2013, Art. 260quinquies StGB, Rn. 69; Forster 2003, 446 f.; Jositsch 2005, 461; PK-Trechsel. /. Vest 2013, Art. 260quinquies, Rn. 8. Arzt 2007, Art. 260quinquies, Rn. 55. Vgl. auch Vest 2005, 57 f. Pieth 2014, 255. Art. 3 GwG. Wolfsberg AML Principles on Private Banking, Revised Version May 2012, ‹www.wolfsberg-principles.com›. Art. 6 GwG. Art. 9 GwG. 9 Special Recommendations .(SR) on Terrorist Financing .(TF), 22 October 2004, neu integriert in: FATF Recommendations 2012, ‹www.fatf-gafi.org›.
A. Geldwäscherei gemäss Art. 305bis StGB?
43 Arzt 2007, Art. 260quinquies, Rn. 75. 44 Vgl. Cassani 2003, 305 und ihre Auseinandersetzung mit Kersten, in: Pieth 2002, 49 ff. 45 BGer 1A.194/2002 vom 15. November 2002; Forster 2003, 437 f. 46 Vgl. BGer 1A.194/2002; dazu Frank 2010; vorsichtiger aber BGE 138 IV 1 .(8). 47 Vgl. etwa § 165 Abs. 5 StGB Österreich. D. Unterstützung einer kriminellen Organisation gemäss Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB?
48 49 50 51
Stratenwerth 2011, 189 f. Vgl. Ackermann 2013, 439 ff.; BSK-Pieth 2013, Art. 305bis, Rn. 57 f. BGE 136 IV 188. Nachweise bei BSK-Pieth 2013, Art. 305bis, Rn. 57 f.; ders. 2014, 307 f.; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 412; vgl. insbesondere Cavallo. /. Donatsch 2011, 524. 52 Siehe oben Strafbarkeit der Madeleine und Esther, D. .(S. 249 ff.). 53 Guidance on a Risk Based Approach for Managing Money Laundering Risks; Wolfsberg Statement, March 2006, ‹www.wolfsberg-principles.com›.
Fall 20 Russischer Salat 1 Vgl. aber Cassani 1992, 10 ff. 2 Während Abs. 1 im Jahr 2000, in Umsetzung der OECD-Konvention von 1997 geschaffen worden ist und v.a. die Wettbewerbsgleichheit unter Exporteuren herstellen möchte, wurde Abs. 22005 in Umsetzung der Europaratskonvention von 1999 hinzugefügt. Dieser Absatz ist problematisch, weil er einen Übergriff auf fremde Souveränitätsrechte riskiert und zudem oft durch fremde Immunitäten blockiert sein wird; vgl. BSK-Pieth 2013, Art. 322septies, Rn. 1 ff. A. Bestechung fremder Amtsträger gemäss Art. 322septies Abs. 1 StGB?
3 BSK-Pieth 2013, Art. 322septies, Rn. 12; Pieth 2014, 331; Pieth 2013, 703 f.; Zerbes 2014, 74 f. 4 Das Schweizer Recht sieht aber in Art. 322octies StGB eine explizite Ausnahme von der Strafbarkeit vor für «dienstliche erlaubte […] Vorteile». 5 BSK-Pieth 2013, Art. 322septies, Rn. 3 und Rn. 7; Pieth 2014, 330; Zerbes 2014, 171 ff. 6 Pieth 2014, 332. A. Wirtschaftlicher Nachrichtendienst gemäss Art. 273 Abs. 2 StGB?
7 Problematisch: Donatsch. /. Wohlers 2011, 348 f.; BSK-Husmann 2013, Art. 273, Rn. 16 ff. 8 BSK-Husmann 2013, Art. 273, Rn. 29 ff. u.V.a. entsprechende «Richtlinien der Bundesanwaltschaft»; vgl. zum Problem im Übrigen Pieth 2014, 274 f. B. Verbotene Handlungen für einen fremden Staat gemäss Art. 271 StGB?
9 BSK-Husmann 2013, Art. 271, Rn. 20 f.; Pieth 2014, 276 f. 10 Zur Praxis in solchen Fällen vgl. etwa Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich 22.3. 2005, ZR 2005, 231 ff. 11 BSK-Husmann 2013, Art. 271, Rn. 25; Pieth 2014, 276 f. 12 BSK-Husmann 2013, Art. 271, Rn. 15 ff.
Fall 21 Die gläserne Patientin 1 Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung .(Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV, SR 832.112.31). A. Verletzung des Berufsgeheimnisses gemäss Art. 321 StGB?
2 BSK-Oberholzer 2013, Art. 321, Rn. 9; Donatsch. /. Wohlers 2011, 564 f.; Pieth 2014, 121; PK-Trechsel. /. Vest 2013, Art. 321, Rn. 9; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 458; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 321, Rn. 2. 3 Zu weiteren Details zum Geheimnisbegriff: Donatsch. /. Wohlers 2011, 566 f.; BSK-Oberholzer 2013, Art. 321, Rn. 14 f.; PK-Trechsel. /. Vest 2013, Art. 321, Rn. 20; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 461; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 321, Rn. 4; Tag 2004, 8 f. 4 Pieth 2014, 122; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 321, Rn. 4. 5 Zur konkludenten Einwilligung etwa Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 321, Rn. 4. 6 BSK-Oberholzer 2013, Art. 320, Rn. 7. A. Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäss Art. 320 StGB?
7 BGE 135 IV 198; BSK-Oberholzer 2013, Art. 320, Rn. 6; Pieth 2014, 120; Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 110, Rn. 4. 8 Vgl. Kuhn 2001, 1267 u.V.a. Art. 117 BV. 9 Kuhn 2001, 1267. 10 BSK-Oberholzer 2013, Art. 320, Rn. 6. 11 Stratenwerth. /. Wohlers 2013, Art. 110, Rn. 4. 12 Vgl. Art. 57 KVG. 13 Kuhn 2001, 1270 u.V.a. Art. 32, Art. 56 Abs. 1 KVG und Art. 84 KVG; Meier 2004, 1155 f. 14 Vgl. Art. 36 Abs. 4 KVG und Art. 42 Abs. 5 KVG. 15 Vgl. detailliert Tag 2004, 6 f. 16 Materieller im Gegensatz zum formellen Geheimnisbegriff: BSKOberholzer 2013, Art. 320, Rn. 8; Pieth 2014, 120; PK-Trechsel. /. Vest 2013, Art. 320, Rn. 3; Stratenwerth. /. Bommer 2013, 454. 17 Vgl. Art. 84 KVG und Art. 3 lit. c und d DSG. 18
19 20
21 22
Vgl. die Statements von «Helsana» bei Kuhn 2001, 1271 oder von «CSS» in Tagesanzeiger vom 19. 3. 2007, 1 und 3. Meier 2004, 1164. Vgl. etwa Daniel Wiedmer, Chef der Krankenkassen – Aufsicht im Bundesamt für Gesundheit – gemäss Tagesanzeiger vom 19. 3. 2007, 3. Vgl. Art. 3a Abs. 2 KLV. So aber Urs Märki, Leitender Vertrauensarzt der CSS im Tagesanzeiger vom 19.3.2007, 3.
A. Verletzung der Amtspflicht durch Unterlassen gemäss Art. 320 i.V. m. Art. 11 StGB?
23 Kuhn 2001, 1267 und oben «Strafbarkeit des Vertrauensarztes» A.I.1.a). 24 BSK-Oberholzer 2013, Art. 320, Rn. 6. B. Strafbarkeit des Krankenkassenverwalters als Gehilfe des Vertrauensarztes gemäss Art. 320 i. V.m. Art. 11 und Art. 25 StGB?
25 BSK-Forster 2013, Art. 25, Rn. 8 ff. 26 BGE 117 IV 186. 27 Im Detail divergiert der Aufbau je nach Autor etwas, allerdings werden insgesamt die gleichen Gesichtspunkte geprüft: Vgl. Seelmann, K., Strafrecht. Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Basel 2012, 41 ff.; Stratenwerth, G., Schweizerisches Strafrecht. Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl., Bern 2011, 161 ff. 28 Vgl. Anhang zum vorsätzlichen Handlungsdelikt, oben S. 279.
STICHWORTVERZEICHNIS A
B J
R
C K
S
D L
T
E M
U
F N
V
G O
W
H P
X
I Q
Y
Z
A Amtsanmassung 5 Amtsgeheimnis 7 Amtshandlungen 5 Aneignung 6, 9, 12 Aneignungswille 6, 8 Anmassen 5 Anstiftung 18 Anvertraut 7, 9 Apprehensionstheorie 12 Arglist 7, 14, 15 Arglistige Täuschung 5, 7, 9, 10, 13, 14, 17 Arglistige Vermögensentschädigung 9 Arzt 21 Aufmerksamkeitspflicht 19 Aussetzung 1
B Bank 19 Beamtenbegriff 21 Begünstigung 7 Bereicherungsabsicht 7, 12 Berufsgeheimnis 21 Besonders leichter Fall 7 Bestechung 7, 20 Betrug 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17 Betrug (versuchter) 9, 18 .
Betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage 16 Beutesicherung 12 Beweiszeichen 7, 13 Bewilligung 20 Brandstiftung 18
C Computerbetrug 16
D Datenbetrug 16 Datendiebstahl 16 Diebstahl 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12 Doping 15
E E-Banking 16 Eigenverantwortung 18 Einfache Körperverletzung 12, 18 Einverständnis 5, 18 Einwilligung 4, 18 Entreissdiebstahl 11 Erlaubtes Risiko 13, 18, 19 Ermessenshandlung 11 Ernsthaftes und eindringliches Verlangen 4 Ernstliche Nachteile 8 Erpressung 5, 7, 8, 14 Erschleichen einer Leistung 10
F Facilitation payment 20 Fahrlässige Tötung 1, 2, 3 Fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst 18 Fahrlässigkeit 1, 2, 3, 7, 18 Fälschen (Urkunde) 7, 13, 16 .
Festnahme 5 Feuersbrunst 18 Finanzierung des Terrorismus 19 Freiheitsberaubung 5 Furtum usus 6
G Garantenpflicht 1, 2, 3, 7, 18 Gebrauchsentwendung 6 Gefährdung des Lebens 18 Geheimnisbegriff 20, 21 Geheimnisherr 21 Gehilfenschaft 12, 13 Geldwäscherei 19 Gemeingefahr 18 Geringfügiges Vermögensdelikt 7, 10 Geschäftsführer 17, 21 Geschäftsherrenhaftung 2 Gewahrsam 5, 10, 12 Gewalt 11 Gewaltdarstellungen 4 Gewerbsmässigkeit 13, 16 Grausame Gewaltdarstellungen 4
H Hacking 16 Haftung des Unternehmens 2 Hausfriedensbruch 12 Hypothetische Kausalität 2
I Identifikationspflicht 19 Interne Untersuchung 20 Irreführung der Rechtspflege 9 Irrtum 5, 7, 9, 17
K Körperverletzung 2, 4, 12, 18 Kriminelle Organisation 19
M Meldepflicht 19 Mittäterschaft 5, 12, 15 Mittelbare Täterschaft 12 Mord 4 Motivationszusammenhang 7, 10, 14, 15, 17
N Nicht gebührender Vorteil 20 Nötigung 8, 11, 12 Nötigung (Erpressung) 7 .
Nötigungshandlung 12 Nötigungsmittel 12
O Organisationsversagen 2
P Pathologischer Zustand 12 Patient 21 Perpetuierungsfunktion 16 Pflichtwidrigkeit 20 Phishing 15
R Raub 11, 12 Räuberischer Diebstahl 11, 12 Rechtfertigung 1 Regressverbot 18 Repräsentationstheorie 18
S Sachbeschädigung 6, 18 Sachentziehung 6 Schaden 17 Schaden eines anderen 18 Schaden\ unterbliebene Vermögensvermehrung 17 Schädigungsabsicht 7, 16 Schwere Körperverletzung 4 Selbstsüchtige Beweggründe 4 Skrupellosigkeit 4 Sorgfaltspflichtverletzung 1, 2, 3, 18 Spendenbetrug 14 Spezialität 19 Störung des Totenfriedens 4 Subsidiarität 19
T Täuschung 7, 15 Terroristische Organisation 19 Tötung auf Verlangen 4 Treuepflicht 17 Treugeber 17 Treuhänder 17
U Unbefugte Datenbeschaffung 16 Unbefugtes Beschaffen von Personendaten 16 Unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem 16 Ungetreue Geschäftsbesorgung 17 Unmittelbare Lebensgefahr 18 Unrechtmässige Aneignung 6, 10 Unrechtmässige Bereicherungsabsicht 9, 17 Unterlassen 1, 2, 7, 13, 18 Unterlassen der Nothilfe 1, 2 Unternehmensstrafverfahren 2 Unterstützung einer kriminellen Organisation 19 Unterstützung einer terroristischen Organisation 19 Urkunde 7, 13, 16 Urkundenfälschung 7, 13, 16
V Verbotene Handlungen für einen fremden Staat 20 Verfälschen (Urkunde) 7, 16 .
Verfügungsmacht 17 Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord 4 Vermögensschaden 7, 9, 10, 13, 14, 15, 17 Vermögensverfügung 5, 9, 10, 14, 15, 17 Vermögensverschiebung 7 Vermögenswerte 17 Versuch 7, 8, 9, 18 Vertrauensarzt 21 Vertrauensgrundsatz 18 Veruntreuung 7, 9, 17 Vorsätzliche Tötung 4 Vorteilsabsicht 7, 16
W Warenfälschung 13 Wegnahme 5, 7, 10, 12 Wichtiges Organ 4 Wirtschaftlicher Nachrichtendienst 20
Z Zumutbarkeit 1
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