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English Pages 205 [210] Year 2005
Juristische ExamensKlausuren
Uwe Hellmann (Hrsg.)
Falls ammlung zum Strafprozess recht Unter Mitarbeit von K. Bansmann, K. Beckemper, J. Deutscher K. Ellbogen, P. Golovnenkov, H. Hentschke D. Stage
Zweite Auflage
^
Sprin ger
Herausgeber Professor Dr. Uwe Hellmann Universitat Potsdam Lehrstuhl fiir Strafrecht, insbesondere Wirtschaftsstrafrecht August-Bebel-StraCe 89 14482 Potsdam [email protected] www.uni-potsdam.de/u/ls_hellmann/index.htm Mitarbeiter Katharina Bansmann Chlodwigstrafie 6 12105 Berlin [email protected]
Pavel Golovnenkov Biebricher Strafie 9 12053 Berlin [email protected]
Dr. Katharina Beckemper Berhner Strafie 104 10713 Berlin [email protected]
Dr. Helmar Hentschke Warnitzer Strafie 21 12105 Berlin [email protected]
Dr. lorg Deutscher Spanische AUee 59 14129 Berlin [email protected]
Diana Stage Neuendorfer Strafie 14 14480 Potsdam [email protected]
Dr. Klaus EUbogen Max-VoUmer-Strafie 16 14473 Potsdam [email protected] ISSN 0944-3762 ISBN-10 3-540-28338-2 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-28338-6 Springer Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Pubhkation in der Deutschen Nationalbibhografie; detailherte bibhografische Daten sind im Internet iiber abruft)ar. Dieses Werk ist urheberrechthch geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfahigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehahen. Eine Vervielfahigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001, 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 11540809
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Vorwort zur 2. Auflage
Die vorliegende Fallsammlung enthalt zwei Hausarbeits- und vierzehn Klausurlosungen strafverfahrensrechtlich relevanter Sachverhalte. Das Buch soil zum einen die exemplarische Wiederholung und Vertiefung des in der Stral^rozessrechtsvorlesung erworbenen Wissens ermoglichen, zum anderen aber auch Anschauungsmaterial fiir die Anfertigung von Hausarbeiten und Klausuren liefem. Bei den Losungen handelt es sich um Bearbeitungen, die in ahnlicher Weise von einem iiberdurchschnittlichen Studenten erwartet werden konnen. Die Aufgaben haben das Niveau einer Ubung im Stra^rozessrecht. Fiir die Anfertigung der Hausarbeitslosungen wurden drei Wochen zur Verfiigung stehen, fiir die Bearbeitung der Klausuren drei Zeitstunden. Aufgrund der Beteiligung mehrerer Autoren - allesamt ehemalige oder derzeitige Mitarbeiter an meinem Lehrstuhl - weisen die Bearbeitungen Unterschiede im sprachlichen Stil und in der Art der Darstellung auf. Diese Unterschiede sind beabsichtigt, um den Eindruck zu vermeiden, es gabe nur einen einzigen vertretbaren Weg. Um den Charakter einer Klausurlosung zu erhalten, wurde auf Nachweise in FuBnoten verzichtet. Ausgewahlte Rechtsprechungs- und Literaturfundstellen, weiterfuhrende Hinweise, aber auch vertretbare Altemativlosungen sind in ,Jiinweise zur Losung" aufgenommen worden, die am Ende der jeweiligen Bearbeitung stehen. Die Verweise auf die 2. Auflage meines ebenfalls im Springer-Verlag erschienenen Lehrbuchs „Straj^rozessrecht" stellen die Verkniipfung zu einer systematischen Darstellung dieser Rechtsmaterie her, um eine gezielte Vorbereitung auf die Losung des einzelnen Falles zu erleichtem. Selbstverstandlich kann dazu auch jedes andere Lehrbuch verwendet werden. Meiner Assistentin Dr. Katharina Beckemper schulde ich besonderen Dank, weil sie mir einen groBen Teil meiner Herausgeberpflichten abgenommen hat. Frau Susanne Claus danke ich fur die Sorgfalt beim Korrekturlesen und die Uberarbeitung des Sachverzeichnisses.
Potsdam, im Juli 2005
Uwe Hellmann
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der abgektirzt zitierten Literatur Abkurzungsverzeichnis
XI XV
Hausarbeiten Hausarbeit Nr. 1: Der Kunstsammler** (K. EUbogen) Uberlange Haftdauer - Revision - fehlgeschlagene Urteilsahsprache - befangener Staatsanwalt
Hausarbeit Nr. 2: Ermittlungen in der Kleinstadt*** (K. Beckemper) Private Ermittlungen - Verwertbarkeit privat aufgenommener Fotografien und Tonbandaufnahmen Grenzen der informatorischen Befragung - Beginn der Beschuldigteneigenschaft - Verweigerung der Verteidigerkonsultation
23
Klausuren Ermittlungsverfahren
Klausur N r . l :
Der Choleriker* (K. EUbogen) Durchsuchung und Beschlagnahme - Zufallsfund Beweisverwertungsverbote - Tagebilcher - Verteidigerrechte
49
Klausur Nr. 2:
Schwedische Gardinen** (K. Bansmann) Voraussetzungen der Untersuchungshaft - Haftgriinde: Fluchtgefahr; Schwere der Tat - Verhdltnismdfiigkeit der Untersuchungshaft
59
VIII
Inhaltsverzeichnis
Klausur Nr. 3:
Big Brother: Uberwachung total** (P. Golovnenkov) Rechtsschutz gegen richterliche und nichtrichterliche Mafinahmen - Bewegungsbilderstellung bei der Telekommunikationsilberwachung - Fotoaufnahmen ohne Kenntnis des Betroffenen -Vernichtung des Fotomaterials nach Abschluss der Ermittlungen
71
Klausur Nr. 4:
Der unerkannte Juwelendieb** (U. Hellmann) . Jedermann-Festnahme - Durchsuchung - korperliche Untersuchung - DNA-Analyse
83
Klausur Nr. 5:
„My home is my castle"* (D. Stage) Aufierdienstliche Kenntniserlangung - „grofier und kleiner Lauschangriff'' - Einsatz sonstiger technischer Mittel zur Observation
95
Klausur Nr. 6:
Das geschichtskundige Gericht** (P. Golovnenkov) Sitzungspolizeiliche Mafinahmen - Offenkundigkeitsgrundsatz - Zeugnisverweigerungsrecht bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft und nach dem Tod des Angehorigen
105
Klausur Nr. 7:
Vernehmung per TV* (H. Hentschke) Aussage trotz Aussageverweigerungsrecht - Beweisverwertungsverbot - Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung - Videovernehmung eines Offers
117
Klausur Nr. 8:
Der zweite Mann beim Uberfall*** (U. Hellmann) 125 Strafklageverbrauch - prozessualer Tatbegriff - verbotene Methode bei Zeugenvernehmung - Mitbeschuldigtenbegriff - Beweisantrag - Beweisermittlungsantrag
Hauptverfahren
Inhaltsverzeichnis
IX
Aus Mangel an Beweisen* (K. Beckemper) Raumgesprdch - Sperrerkldrung, Priifpflicht des Gerichts - Zeuge vom Horensagen - Grundsatz derfreien Beweiswurdigung - Vorhalt des Vernehmungsprotokolls
137
Rechtsmittelverfahren
Klausur Nr. 9:
KlausurNr. 10: Der gewalttatige (Noch-)Ehemann*** (H. Hentschke) Revision -fehlende Pflichtverteidigerladung -fehlende Belehrung uber Untersuchungsverweigerungsrecht - Rugeprdklusion - fehlende Belehrung iiber Auskunftsverweigerungsrecht - Sachrilge
Ul
Klausur Nr. 11: Demonstration mit schlimmen Folgen** (J. Deutscher) Revision - Besorgnis der Befangenheit - Beschrdnkung der Offentlichkeit durch Zugangskontrolle - Ablehnung eines Beweisantrags - SachrUge
159
KlausurNr. 12: Schlaflos in Bernau** (K. Bansmann) Revision - Gerichtsbesetzung - Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls - Aktenkenntnis des Schoffen - Heilung von Verfahrensverstofien - Verbot der Protokollverlesung - Beweiserhebungsverbot
171
Klausur Nr. 13: Der nachtragende Arbeitnehmer* (J. Deutscher) Revision -fehlerhafte Gerichtsbesetzung -fehlerhafte Beweiswurdigung - Hauptverhandlung in Abwesenheit des Wahlverteidigers - Sachrilge - Revisionserstreckung auf Mitangeklagte
181
X
Inhaltsverzeichnis
Strafbefehlsverfahren
KlausurNr. 14: Freiheitsstrafe per Strafbefehl?* (U. Hellmann) .. 191 Voraussetzungen des Strajbefehls - Einspruchsverfahren - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Berufung - Revision
Sachverzeichnis
201
Die Hausarbeiten und Klausuren haben das Niveau einer Strafprozessrechtsiibung. Fur die Klausuren ist eine Bearbeitungszeit von drei Stunden vorgesehen, fur die Hausarbeiten eine Bearbeitungszeit von drei Wochen. *** ** *
sehr hohes Niveau hohes Niveau mittleres Niveau
Verzeichnis der abgekiirzt zitierten Literatur
AKStPO
Reihe Altemativkommentare, Kommentar zur Stra^rozessordnimg, 1988-1996
Amelung
Amelung, Knut, Informationsbeherrschungsrechte im Stra^rozess, 1990
Beulke^
Beulke, Werner, 8. Aufl. 2005
Eisenberg"^
Eisenberg, Ulrich, Beweisrecht der StPO, Spezialkommentar, 4. Aufl. 2002
Hellmann^
Hellmann, Uwe, 2. Aufl, 2005
HKStPO^
Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2001
KKStPO^
Karlsruher Kommentar zur StraQ)rozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, 5. Aufl. 2003
KMR
Kommentar zur Strafyrozessordnung, Loseblatt, Stand 2004
Krey,BT-l^^
Krey, Volker, Strafrecht, Besonderer Teil, Band 1,13. Aufl. 2005
Krey/Hellmann, BT-II^^
Krey, Volker/Hellmann, Uwe, Strafrecht, Besonderer Teil, Band 2, 14. Aufl. 2005
Kiihne^
Kuhne, Hans-Heiner, echt, 6. Aufl. 2003
Lackner/Kiihl^^
Lackner, Karl/Kuhl, Kristian, Strafgesetzbuch mit Erlauterungen, 25. Aufl. 2004
Stra^rozessrecht,
Stra^rozessrecht,
Strafprozess-
Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 11. Aufl. 1992 ff.
XII
Verzeichnis der abgekurzt zitierten Literatur Lowe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung iind das Gerichtsverfassungsgesetz, GroBkommentar, 25. Aufl. 1997 ff.
Maurach/Schroeder/Maiwald
Maurach, Reinhart, Schroeder, Friedrich-Christian, Maiwald, Manfred, Strafrecht, Besonderer Teil, Band 1, 9. Aufl. 2003
Meurer
Meurer, Dieter, Strafyrozessrecht, 3. Aufl. 1991
Meyer-GoBner^^
Meyer-Gojiner, Lutz, Stra^rozessordnung, Kommentar, 48. Aufl. 2005
Pfeiffer^
Pfeiffer, Gerd, Strafprozessordnung, Kommentar, 5. Aufl. 2005
Prittwitz
Prittwitz, Cornelius, Der Mitbeschuldigte im Stra^rozeB, 1984
Rantf
Ranft, Otfried, Stra^rozessrecht, Systematische Lehrdarstellung fiir Studium und Praxis, 3. Aufl. 2005
Roxin25
Roxin, Claus, Strafverfahrensrecht, Bin Studienbuch, 25. Aufl. 1999
Roxin^
Roxin, Claus, Strafrecht AUgemeiner Teil, Band 1,3. Aufl. 1997
Ruping^
Ruping, Hinrich, Das Strafverfahren, 3. Aufl. 1997
Schliichter, Lehrbuch^
Schliichter, Ellen, Das Strafverfahren, 2. Aufl. 1984
Schonke/Schroder^^
Schonke, Adolf/Schroder, Horst, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Aufl. 2001
Schroeder/Meindl'*
Schroeder, Friedrich-Christian/ Meindl, Wolfhard, Stra^rozessrecht, Falle und Losungen nach hochstrichterlichen Entscheidungen, 4. Aufl. 2004
SKStGB
Systematischer Strafgesetzbuch, 2004
Kommentar Loseblatt,
zum Stand
Verzeichnis der abgekurzt zitierten Literatur
XIII
SKStPO
Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Loseblatt, Stand 2004
Trondle/Fischer^^
Trondle, Herbert/Fischer, Thomas, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 52. Aufl. 2004
Wessels/Hettinger, BT 1^^
Wessels, Johannes/Hettinger, Michael, Strafrecht, Besonderer Teil 1, 28. Aufl. 2004
Abkiirzungsverzeichnis
a.A.
andere Ansicht
AG
Amtsgericht
Alt.
Alternative
Anm.
Anmerkung
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BOH
Bundesgerichtshof
BGHSt
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen
BtMG
Betaubungsmittelgesetz
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BZRG
Bundeszentralregistergesetz
EMRK
Europaische Konvention zum Schutze der Menschenrec und Grundfreiheiten
GA
Goltdammer's Archiv fiir Strafrecht
gem.
gemaB
GG
Grundgesetz
GVG
Gerichtsverfassungsgesetz
h.M.
herrschende Meinung
i.S.d.
im Sinne des
i.V.m.
in Verbindung mit
Jura
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
KG
Kammergericht
LG
Landgericht
lit.
Buchstabe
LKA
Landeskriminalamt
XVI
Abkiirzungsverzeichnis
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NStZ
Neue Zeitschrift fur Strafrecht
OLG
Oberlandesgericht
RG
Reichsgericht
Rn.
Randnummer
s.o.
siehe oben
sog.
sogenannte
StOB
Strafgesetzbuch
StPO
StraQ)rozessordnung
stv
Strafverteidiger
VE
Verdeckter Ermittler
wistra
Zeitschrift fur Wirtschafts- und Steuerstrafrecht
WaffO
Waffengesetz
Z.B.
zum Beispiel
ZRP
Zeitschrift fur Rechtspohtik
Hausarbeit Nr. 1**
Der Kunstsammler Uberlange Haftdauer - Revision - fehlgeschlagene Urteilsabsprache befangener Staatsanwalt Am 13.5.2004 wurde Eberhardt Rabe (R), ein stadtbekannter Kunstsammler, in seinem Haus in Potsdam tiberfallen. R hatte wegen einer bevorstehenden Auktion eine groBere Summe Bargeld im Haus. Der Tater zwang ihn mit vorgehaltener Waffe, den Tresor zu offnen und das gesamte Geld, etwa 3000000 Euro, herauszugeben. Trotz einer sehr genauen Beschreibung, die R von dem unmaskierten Tater gegeben hatte, konnte dieser zunachst nicht ermittelt werden. Als der zustandige Staatsanwalt Speer (S) das Verfahren schon einstellen woUte, kam ihm ein Zufall zu Hilfe. Das bei dem Uberfall entwendete Geld war druckfrisch aus der Bundesdruckerei an die Bank des R ausgeliefert worden. Die Seriennummem waren, wie in diesen Fallen ublich, von der Bank notiert worden. Die PoUzei hatte diese Nummem an alle Kreditinstitute mit der Aufforderung weitergegeben, ihr vom Verbleib dieser Geldscheine Mitteilung zu machen. Im August 2004 tauchten in Potsdamer Sparkassenfilialen Geldscheine aus dem Uberfall auf, mit denen in verschiedenen Geschaften, u.a. einer Tankstelle, bezahlt worden war. Der Tankstellenpachter Jochen Wollmann (W) erkannte auf dem ihm vorgelegten Phantombild seinen Stammkunden Christian Tauber (T) wieder. Da dieser iiblicherweise mit seiner Kreditkarte bezahlte, konnte W sich genau daran erinnem, dass T die letzten Male mit druckfrischen 50,- und 100,- Euro-Scheinen bezahlt hatte. Nachdem auch R bei einer Wahllichtbildvorlage T als Tater wiedererkannt hatte, ordnete S am 16.8.2004 dessen sofortige vorlaufige Festnahme sowie eine Durchsuchung der von ihm und seiner Ehefrau genutzten Wohnung an. Die Polizei traf T in seiner Wohnung an. Bei der anschlieBenden Durchsuchung stellte sie Geldscheine im Wert von ca. 10000,- Euro, die aus der Beute stammten, sowie eine geladene Pistole der Marke „Smith & Wesson" sicher. Die Polizei fand zudem ein bereits bezahltes Ticket fur einen Plug auf die Malediven, das auf den Namen des T ausgestellt war. T wurde festgenommen und noch am gleichen Tag von S vemommen. Nach ordnungsgemaCer Belehrung gab er an, das Geld von einem ihm unbekannten wohlhabenden alteren Herm erhalten zu haben, dem er vor kurzem einen wertvoUen Diamantring auf einem Kunst- und Antiquitatenmarkt verkauft habe. Den 13.5.2004 hatte er mit seiner Schwester und seiner Ehefrau verbracht, was diese jederzeit bezeugen konnten. Eine Zeugenvemehmung der beiden lehnte S jedoch ab, da er T fur den Tater hielt und der Meinung war, dass die Ehefrau und die Schwester ohnehin die Unwahrheit sagen wiirden, um
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Der Kunstsammler
ihren Ehemann bzw. Bruder zu schiitzen. S beantragte stattdessen am nachsten Tag beim Amtsgericht Potsdam einen Haftbefehl, den Ermittlungsrichter Ermisch (E) am 17.8.2004 antragsgemaB erlieB. Am 20.12.2004 lieB die 2. Strafkammer des Landgerichts Potsdam die Anklage gegen T zur Hauptverhandlung zu und eroffnete das Hauptverfahren. Wegen einer unvorhergesehenen und unvermeidbaren Arbeitsuberlastung der Kammer sei eine Terminierung jedoch erst im April 2005 moglich, da zu diesem Zeitpunkt eine Hilfsstrafkammer ihre Tatigkeit aufnehmen werde. Da es sich um eine Haftsache handele, wurde das Verfahren gegen T dann aber vorrangig betrieben werden. Am 17.2.2005 legte die Strafkammer unter Vermittlung der Staatsanwaltschaft die Akten gem. § 121 StPO dem Oberlandesgericht Brandenburg zur Entscheidung vor. 1. Prufen Sie in einem Gutachten, ob das OLG die Haftfortdauer anordnen wird. Der erste Hauptverhandlungstermin gegen T wurde auf den 1.4.2005 angesetzt. Da der Kammervorsitzende meinte, dass die Hauptverhandlung gegen T, der die Tat noch immer leugne te, eine umfangreiche Beweisaufhahme erfordem wiirde, bat er am 30.3.2005 T, dessen Verteidiger Gerhard Vogel (V) und S zu einem Gesprach mit den Mitgliedem der Strafkammer einschlieBlich der Schoffen. In diesem Gesprach wurde ein Einvemehmen dariiber erzielt, dass T im Falle einer gestandigen Einlassung zu einer Freiheitsstrafe von hochstens 5 Jahren und 3 Monaten verurteilt werden wurde. Die Verfolgung des Hausfriedensbruchs soUte nach § 154a II StPO ausgeschieden werden. Am ersten Verhandlungstag wurde die Absprache protokolliert, und T gestand ein, R uberfallen zu haben. Wahrend der anschlieBenden Beweisaufnahme wurden R und W vemommen, die T wiedererkannten. Der Gutachter des LKA Golz (G) bekundete, dass bei einer Beschussprobe der bei T sichergestellten Waffe eine Ladehemmung aufgetreten sei, welche erst nach griindlicher Reinigung beseitigt werden konnte. S beantragte sodann die Vemehmung des Untersuchungshaftlings Robert Ulm (U), der einige Zeit in einer Zelle mit T inhaftiert gewesen war. U konne Angaben uber weitere Hintergriinde der Tat machen. V beantragte die Ablehnung des Beweisantrags, da dieser der Vereinbarung vom 30.3.2005 widersprache. AuBerdem beantragte er die AusschlieBung des S, da dieser nur gegen T ermittelt habe und nicht auch entlastenden Gesichtspunkten nachgegangen sei. Das Gericht lehnte den Antrag gegen S als unzulassig ab und beschloss, U zu vemehmen. Dieser gab an, T habe ihm von sich aus eines Abends mitgeteilt, dass er R habe erschieBen woUen, da dieser ihn unmaskiert gesehen habe. Seine Waffe habe jedoch beim Abdrucken eine Ladehemmung gehabt. Er sei dann in Panik mit dem Geld, das er spater an sicherer Stelle deponiert habe, geflohen. Auf Nachfrage des V gab U an, dass S ihm fur den Fall einer Aussage Vergiinstigungen zugesagt habe. Nach einem Hinweis gem. § 265 I StPO verurteilte die Strafkammer T wegen versuchten Mordes in Tatmehrheit mit versuchter schwerer rauberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren. Das Teilgestandnis des T wurde im Urteil zu dessen Gunsten verwertet.
Klaus Ellbogen
2. Prufen sie in einem Gutachten, ob eine form- und fristgerecht eingelegte Revision des T, welche die Verletzung formellen und materiellen Rechts rugt, Aussicht auf Erfolg hatte. Bearbeitungshinweis: Das Gutachten soil im Rahmen einer auf das Wesentliche konzentrierten Losung einen Umfang von 25 Seiten (VA zeihg, V3 Rand) nicht uberschreiten. Lehrbuch: Rn. 251 ff; 254; 894 ff.; 693 ff.; 102 ff.
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Der Kunstsammler
Gliederung Frage 1: Anordnung der Haftfortdauer
Seite 08
I.
Zustandigkeit des OLG
Seite 08
II.
Folgen der Fristversaumung
Seite 08
III. Voraussetzungen des Haftbefehls
Seite 08
1. Dringender Tatverdacht
Seite 09
a) Tatsachliche Wiirdigung
Seite 09
b) Rechtliche Wiirdigung
Seite 09
2. Haftgrund
Seite 11
3. VerhaltnismaBigkeit
Seite 12
IV. Voraussetzungen der Haftfortdauer gem. § 1211 StPO
Seite 12
V.
Seite 13
Ergebnis
Frage 2: Erfolgsaussichten einer Revision des T
Seite 13
I.
Zulassigkeit
Seite 13
II.
Begnindetheit
Seite 14
1. Absolute Revisionsgrunde
Seite 14
2. Relative Revisionsgrunde
Seite 14
a) Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts
Seite 14
b) Treffen einer Absprache
Seite 15
c) Nichteinhaltung der Absprache
Seite 17
d) Verwertung des Teilgestandnisses des T
Seite 17
e) Verwertung der Aussage des U
Seite 17
f) Weitere relative Revisionsgrunde
Seite 19
3. Sachruge
Seite 19
a) §§211,22StGB
Seite 19
b) § 255 StGB
Seite 20
c) §§ 250II Nr. 1, 22 StGB
Seite 21
d) Konkurrenzen
Seite 21
e) Ergebnis
Seite 21
III. Gesamtergebnis
Seite 21
Klaus Ellbogen
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Die verdeckte Ermittlungstatigkeit der Strafverfolgungsbehorden durch die Zusammenarbeit mit V-Personen und Informanten, Berlin 2004
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Strafrecht, AUgemeiner Teil, Berlin 1998
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Lebensgefahrdende Drohung als Gewalt in § 251 StGB?,JZ 1970, 521 ff.
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Der praktische Fall - Stra^rozessrecht: Haftbefehle in Sachen G und K, JuS 1999, 264 ff.
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Die wichtigsten Anderungen des Besonderen Teils des StGB durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts, Jura 1998, 169 ff.,
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StraQ)rozessordnung, 2003
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Grundzuge des Strafverfahrensrechts, 1985, 511 ff.
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Reden ist Silber, Schweigen ist Gold - Zur „Mit-Hor-Fallen" - Entscheidung des Gro13en Strafsenats - BGH (GS), NStZ 1996, 502, JuS 1997, 696 ff.
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Lackner, Karl/Kiihl, Kristian
Strafgesetzbuch, 25. Aufl., Miinchen 2004
Leipziger Kommentar
Strafgesetzbuch GroBkommentar, 11. Aufl., Berlin 1994
Lowe-Rosenberg
Stra^rozessordnung, GroBkommentar, 25. Aufl., Berlin 1997
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Straftatverdeckung mit bedingtem Totungsvorsatz als Mordversuch - BGHSt 41, 359, JuS 1997, 788 ff.
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Stra^rozessordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und erganzende Bestimmungen, 48. Aufl. 2005
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Absprachen im StraQ)rozess, StV 1990, 34 ff.
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StraQ)rozess, 4. Aufl., Heidelberg 1985
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Zur AusschlieBung und Ablehnung des Staatsanwalts im geltenden Recht, Festschrift fur Kurt Rebmann, Munchen 1989, S. 359 ff.
Puppe, Ingeborg
Zur Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Versuch beim Rucktritt, NStZ 1986, 14 ff.
Ranft, Otfried
Strafprozessrecht, 3. Aufl., Stuttgart 2005
Roxin, Claus
Anmerkung, JR 1986, 424 ff.
Ders.
StrafVerfahrensrecht, 1998
Riiping, Hinrich
Das Strafverfahren, 3. Aufl., Miinchen 1997
25. Aufl., Munchen
Schliichter, Ellen; Radbruch, Jochen Anmerkung, NStZ 1995, 354 f. Schmidt-Hieber, Werner
Der stra^rozessuale „Vergleich" illegale Kungelei?, StV 1986, 355 ff.
Seebode, Manfred
Anmerkung, JR 1988,427 ff.
Seier, Jurgen
Problemfalle des § 123 StGB, JA 1978, 622 ff
eine
Klaus EUbogen Seitz, Hehnut
Anmerkung, NStZ 1995, 519 f.
Siolek, Wolfgang
Verstandigimg im Strafverfahren - eine verfassungswidrige Praxis!, DRiZ 1989, 321 ff.
Systematischer Kommentar
Zum Strafgesetzbuch, Neuwied - Stand der 39. ErganzungsUeferung
Systematischer Kommentar
Zur Stra^rozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Neuwied - Stand der 40. ErganzungsUeferung
Tolksdorf, Klaus
Mitwirkungsverbot fur den Staatsanwalt, Berlin 1989
Trondle, Herbert/ Fischer, Thomas
Strafgesetzbuch und Aufl., Miinchen 2004
Wessel, Johannes/ Hettinger, Michael
Strafrecht, Besonderer Teil 1, Straftaten gegen Personlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 28. Aufl., Heidelberg 2004
Wessels, Johannes/ Hillenkamp, Thomas
Strafrecht, Besonderer Teil 2, Straftaten gegen Vermogenswerte, 27. Aufl., Heidelberg 2004
Widmaier, Gunter
Der strafprozessuale Vergleich, StV 1986, 357 ff
Wolter, Jurgen
Gewaltanwendung und Gewalttatigkeit, 2. Teil, NStZ 1985, 245 ff.
befangenen
Nebengesetze,
52.
Der Kunstsammler
Losung
Frage 1: Anordnung der Haftfortdauer Das OLG wird den Haftbefehl gegen T aufrechterhalten, wenn es zustandig ist und die Voraussetzungen des Haftbefehls sowie der Haftfortdauer vorliegen.
/. Zustdndigkeit des OLG Gem. §§1221, 1211 StPO hat das zustandige Gericht nach sechsmonatiger Untersuchungshaft die Verfahrensakten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem OLG zur Entscheidung iiber die Haftfortdauer vorzulegen. T wurde am 16.8.2004 vorlaufig festgenommen und befmdet sich auf Grund eines Haftbefehls vom 17.8. seit diesem Tag in Untersuchungshaft. Die Berechnung der Sechs-Monats-Frist erfolgt nicht nach § 43 StPO, da der erste Tag der Freiheitsentziehung schon mitgezahlt werden muss. Es gelten vielmehr die §§ 187 II, 188 II 2. Alt. BGB. Die Dauer der vorlaufigen Festnahme bleibt hierbei unberlicksichtigt . Die sechs Monate waren daher am 16.2.2005 24.00 Uhr verstrichen. Das OLG ist daher zustandig.
//. Folgen der Fristversdumung Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass die Vorlagefrist um einen Tag uberschritten wurde. Nach einer Ansicht fiihrt die Fristiiberschreitung zu einer automatischen Haftlimitierung, sodass der Haftbefehl aufzuheben oder zumindest auszusetzen sei . Nach einer anderen Ansicht fiihrt die Uberschreitung zu keinem derartigen Automatismus, das OLG musse vielmehr trotz der Fristversaumung eine materielle Priifiong vomehmen . Dieser Auffassung ist zu folgen. Weder aus Art. 5 III 2 MRK noch aus den Gesetzesmateriahen folgt, dass der Untersuchungshaftling bei Uberschreitung der Sechs-Monats-Frist auf freien FuB zu setzen sei. Ziel der Vorschrift ist es, eine Beschleunigung des Verfahrens herbeizufiihren. In Fallen einer zumindest nur kurzzeitigen und nicht willkiirlichen Fristversaumung muss daher eine materielle Priifimg vorgenommen werden, um die Effektivitat der Strafverfolgung zu gewahrleisten . Die Fristversaumung bleibt hier daher folgenlos.
///. Voraussetzungen des Haftbefehls Fraglich ist, ob die Voraussetzungen des Haftbefehls noch vorliegen. Ist der Haftbefehl gem. § 120 StPO aufzuheben oder auBer VoUzug zu setzen, eriibrigt sich eine weitergehende Prufiing der §§ 121, 122 StPO. § 112 I bestimmt als Voraussetzungen des Haftbefehls einen dringenden Tatverdacht, einen Haftgrund sowie die VerhaltnismaBigkeit des Zwangsmittels. ^ ^ ^ ^
OLG Braunschweig, NJW 1966, 116; Lemke in HKStPO^ § 121, Rn. 4. Peters, § 47 A VII (S. 429); Riiping, Rn. 238. BVerfOE 42, 1, 9f; OLG Karlsruhe, NStZ 1997, 452. Boujong in KKStPG^ § 121, Rn. 30; Kleinknecht, MDR 1965, 781, 787.
Klaus Ellbogen
/. Dringender Tatverdacht Ein dringender Tatverdacht ist gegeben, wenn die groBe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte Tater oder Teilnehmer einer Straftat ist . Der Tatverdacht muss sich auf eine prozessual verfolgbare, rechtswidrig und schuldhaft begangene Tat beziehen . Zur Bestimmung des Tatverdachts ist der ermittelte Sachverhalt unter einen oder mehrere Tatbestande zu subsumieren. Hinsichtlich der Rechtsfragen darf keine Wahrscheinlichkeitsprtifung vorgenommen werden, diese mussen entschieden werden .
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a) Tatsdchliche Wurdigung Der ermittelte Sachverhalt musste Anhaltspunkte fur ein strafbares Verhalten des T ergeben. Als wahrscheinlich ist es hier anzusehen, dass T in das Haus des R eingedrungen ist und das Geld unter Vorhalten einer Schusswaffe an sich gebracht hat. Hierfur spricht, dass er mit dem Geld aus der Beute u.a. bei W bezahlte und ein Teil des Geldes in seiner Wohnung sichergestellt wurde. Gegen seine Einlassung, er habe das Geld als Kaufpreis fur einen Diamantring erhalten, spricht, dass das Opfer R ihn bei der Wahllichtbildvorlage wiedererkannte und er den Kaufer nicht benennen konnte. Dass die Ehefrau und die Schwester des T nicht als Alibizeugen vemommen wurden, andert an dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nichts. Nach der Identifikation des T durch R und dem aufgefundenen Beuteteil ist ein Alibi wenig wahrscheinlich. Aus diesen Umstanden folgt mit groBer Wahrscheinlichkeit, dass T am 13.5.2004 in das Haus des R eingedrungen ist und von diesem 3000000 Euro erbeutet hat.
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b) Rechtliche Wurdigung (1) Rduberische Erpressung Durch diese Handlung konnte H einer rauberischen Erpressung gem. § 255 StGB dringend verdachtig sein.
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(a) Objektiver Tatbestand Als Notigungsmittel kommt das Vorhalten der Schusswaffe in Betracht. Fraglich ist, ob T hiermit Gewalt anwendete oder ob er mit einem empfmdlichen Ubel drohte. Gewalt ist der korperlich wirkende Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch eine physische Einwirkung sonstiger Art, die nach ihrer Zielrichtung, Intensitat und Wirkungsweise dazu bestimmt und geeignet ist, die Freiheit der WillensentschlieBung oder Willensbetatigung einzuschranken . Eine Drohung ist demgegeniiber das Inaussichtstellen eines klinftigen Ubels, auf dessen Eintritt der Tater Einfluss zu haben vorgibt . 5
^ ^ ^ ^
Meyer-Gofine/^, § 112, Rn. 5; Roxirp-\ § 30, Rn. 6. Boujong in KKStPO^ § 112, Rn. 4; Lemke in HKStPO^ § 112, Rn. 4. Boujong in KKStPO^ § 112, Rn. 5; Paeffgen in SKStPO, § 112, Rn. 6. BGHSt 41, 182; WQSSQls/Hettmger^\ Rn. 383. LsLcknQr/KiihF, § 240, Rn. 12; Trondle/FischQY^^, § 240, Rn. 31.
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Die Rechtsprechung bejaht wegen der korperlichen Auswirkungen in dieser Situation Gewalt . Andererseits geht aber die fiir das Opfer motivierende Wirkung nicht von diesen korperlichen Wirkimgen aus, sondem von der Befurchtung, die Drohung wtirde verwirklicht werden. Daher ist es tiberzeugender, hier eine Drohung anzunehmen . Indem T mit einer Schusswaffe auf R zielte, drohte er mit einer gegenwartigen Gefahr fur Leib oder Leben i.S.d. § 255 StGB. Durch diese Drohung wurde R zu einer Handlung, namUch der Herausgabe des Geldes genotigt. FragUch ist, welche Qualitat die abgenotigte Handlung im Rahmen des § 253 StGB haben muss. Nach der im Schrifttum vorherrschenden Meinung muss das abgenotigte Verhalten auf eine Vermogensverfugung gerichtet sein . Diese liegt vor, wenn der Tater auf Grund einer ihm verbliebenden Handlungsaltemativitat eine Handlung vomimmt, welche sich unmittelbar vermogensmindemd auswirkt . Nach einer anderen Ansicht geniigt schon jedwede Duldung durch das Opfer, das einen Vermogensnachteil bewirkt . R hatte hier durch ein Nichtoffnen des Safes den Verlust des Geldes verhindem konnen. Nach der h.L. liegt daher eine Vermogensverfugung vor. Da die Handlung des R sogar eine Vermogensverfugung darstellt, ist eine Streitentscheidung entbehrlich. Durch die Herausgabe des Geldes war die Vermogenslage des R nach der Tat ungiinstiger als vorher. Somit liegt ein Vermogensnachteil vor.
(b) Subjektiver Tatbestand 12
T handelte vorsatzlich und mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung.
(c) Rechtswidrigkeit undSchuld 13
Die Tat war rechtswidrig und verwerflich i.S.v. § 253 II StGB. T handelte zudem schuldhaft.
(d) Ergebnis 14
T ist einer rauberischen Erpressung dringend verdachtig.
(2) Schwere rduberische Erpressung 15
Gem. § 255 StGB wird der Tater gleich einem Rauber bestraft, sodass auch der Qualifikationstatbestand des § 250 StGB zu prufen ist. Nach dem bisher bekannten Tatverlauf ist davon auszugehen, dass T eine funktionstiichtige Schusswaffe bei sich fuhrte, sodass § 250 I Nr. la StGB erfuUt ist. Gem. § 250 II Nr. 1 StGB wird die Tat weiter qualifiziert, wenn der Tater die Waffe verwendet hat. Das Merkmal der Verwendung ist u.a. erfuUt, wenn die Waffe zur Drohung mit Gewalt benutzt wird . T hat demnach die Waffe verwendet. Er ist der Begehung einer BGHSt 23, 127 f; BayObLG, JR 1994, 112. Geilen, JZ 1970, 521, 524; Walter, NStZ 1985, 245, 246 f Lsicknev/KuhF, § 253, Rn. 3; Wesscls/Hillenkamp^^ Rn. 711. Lackncr/KuhF, § 253, Rn. 3; WessQ\s/Hillenkamp^\ Rn. 713. BGHSt 14, 386, 390; Gunther'm SKStGB, § 253, Rn. 16. ^^ BOH, StV 1998, 487; Hornle, Jura 1998, 169, 174.
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schweren rauberischen Erpressung gem. §§ 255, 250II Nr. 1 StGB dringend verdachtig.
(3) Hausfriedensbruch T ist widerrechtlich in das Haus des R eingedrungen und daher eines Hausfriedensbruches gem. § 123 I StGB dringend verdachtig.
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2. Haftgrund Als Haftgrund kommt Fluchtgefahr gem. § 112 II Nr. 2 StPO in Betracht. Diese liegt vor, wenn es nach Wurdigung der Umstande des Einzelfalles wahrscheinlicher ist, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfiigung halten wird . Fluchtgefahr darf nur aus bestimmten Tatsachen hergeleitet werden, sodass bloBe Vermutungen und MutmaBungen nicht genugen^^. Bei der Beurteilung muss eine Gesamtwiirdigung aller Umstande die fiir oder gegen eine mogliche Flucht sprechen, vorgenommen werden. Die zu erwartende (hohe) Strafe kann hierbei Indiz sein, welches aber durch weitere einzelfallbezogene Anhaltspunkte belegt sein muss . Fiir das Bestehen einer Fluchtgefahr spricht hier die Hohe der zu erwartenden Strafe, die nicht unter fiinf Jahren liegen wird. Aus dem Umstand, dass T sich ein Flugticket ins Ausland gekauft und bei ihm eine groBere Summe Bargeld gefunden wurde, ist zu schlieBen, dass er schon konkrete Fluchtvorbereitungen getroffen hat. Beriicksichtigt werden muss auch, dass T hochstwahrscheinlich den iiberwiegenden Teil der Beute an sicherer Stelle deponiert hat und es sich hierbei der Hohe nach um einen Betrag handelt, der einen dauerhaften Auslandsaufenthalt ermoglichen wurde. Dass T bis zu seiner Verhaftung etwa drei Monate lang nicht geflohen ist, spricht nicht gegen eine Fluchtgefahr. Bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme wusste er nichts von den Ermittlungen gegen sich und hatte daher keinen Grund zu fliehen. Gegen eine Fluchtgefahr kann angefahrt werden, dass T verheiratet ist und auf Grund seines sozialen Umfeldes sich dem Strafverfahren moglicherweise zur Verfiigung halten wird. Bei Abwagung dieser Umstande ist es aber wahrscheinlicher, dass sich T dem Strafverfahren entziehen wird. Fluchtgefahr liegt daher vor. Weiterhin konnte Verdunkelungsgefahr gem. § 112 II Nr. 3 StPO vorliegen. Hierfiir miisste das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begrtinden, dass er durch bestimmte Handlungen auf sachliche und personliche Beweismittel einwirken und die Ermittlung der Wahrheit erschweren wird . T hat wahrscheinlich den groBten Teil der Beute schon unmittelbar nach der Tat versteckt. Dieses kann durch die Anordnung der U-Haft nicht mehr verhindert werden. Sons-
^^ Meyer-Gofine/\ § 112, Rn. 17; Roxin^\ § 30, Rn. 9; strenger Paeffgen in SKStPO, § 112, Rn. 24 (hohe Wahrscheinlichkeit). ^^ Boujong in KKStPO^ § 112, Rn. 9, 15; Meyer-Gofine/^, § 112, Rn. 22. ^^ Paeffgen in SKStPO, § 112, Rn. 25. ^^ OLG Koln, StV 1997, 27; Meyer-Gofine/\ § 112, Rn. 26.
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tige Anzeichen fur eine Beweismittelmanipulation des T liegen nicht vor, sodass § 112 II Nr. 3 StPO ausscheidet.
3. Verhdltnismdfiigkeit 20
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Gem. § Will StPO muss die Anordnung der U-Haft auch verhaltnismaBig sein. In § 112 12 StPO wird ausdriicklich nur die VerhaltnismaBigkeit i.e.S. erwahnt (auch Proportionalitat oder Angemessenheit). Die U-Haft muss aber auch geeignet und erforderlich sein, ihren Zweck, namlich die Verfahrenssicherung oder den Schutz der AUgemeinheit zu erreichen . Die Anordnung der U-Haft ist jedenfalls geeignet, eine mogliche Flucht des T zu verhindem und damit die Verfahrensdurchftihrung abzusichem. Die Erforderlichkeit ist gegeben, wenn kein gleich geeignetes Mittel zur Verfugung steht, welches den Beschuldigten weniger belastet. In Haftsachen kommt meist die Ablieferung der Personaldokumente oder eine Kaution in Betracht . Auf Grund der geschilderten Umstande des Falles erscheinen diese MogUchkeiten hier aber nicht gleich geeignet, eine Fluchtgefahr auszuraumen. Im Rahmen der VerhaltnismaBigkeit i.e.S. muss schlieBlich abgewogen werden, ob das Interesse des Staates an der Strafverfolgung dem Interesse des T, in Freiheit zu verbleiben, vorgeht. Bei der schweren rauberischen Erpressung handelt es sich ein schwerwiegendes Vermogensdelikt. Durch die hohe Strafdrohung hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass die Rechtsgemeinschaft vor solchen Straftaten besonders geschutzt werden muss. Das Interesse des T vorerst in Freiheit zu verbleiben, muss demgegeniiber zuriicktreten. Die U-Haft ist daher angemessen. Die Voraussetzungen des Haftbefehls liegen noch vor, daher kommt eine Entscheidung gem. §§116 oder 120 StPO nicht in Betracht.
IV. Voraussetzungen der Haftfortdauer gem. § 1211 StPO 23
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§ 121 StPO begrenzt den Vollzug der U-Haft wegen derselben Tat grundsatzlich auf sechs Monate und gestattet Ausnahmen nur in drei Fallen. Diese Restriktion verwirklicht das Beschleunigungsgebot in Haftsachen, welches auch aus Art. 5 III 1 MRK folgt. Die Tatbestandsmerkmale sind daher eng auszulegen^^. Der Grund fiir die Haftfortdauer ist hier eine Arbeitsuberlastung des zustandigen Spruchkorpers. Hierin konnte ein „anderer wichtiger Grund" i.S.d. § 121 13. Alt. StPO Uegen. Die Anordnung der Haftfortdauer nach § 121 13. Alt. StPO kommt nur in Betracht, wenn die Strafverfolgungsbehorden und Gerichte alle zumutbaren MaBnahmen ergriffen haben, um so schnell wie moglich ein Urteil herbeizufuhren. Notfalls mussen auch Richter, die sonst mit Zivilsachen befasst sind, fur Haftsachen eingesetzt werden. Auf eine Abwagung zwischen den Interessen der verletzten Rechtsgemeinschaft und des Beschuldigten kommt es nicht an . Eine nicht 20
BVerfGE 20, 45, 49; Paeffgen in SKStPO, § 112, Rn. 11. Hellmann, JuS 1999, 264, 268. 22 BVerfGE 20, 45, 50; BVerfG , NJW 1991, 2821; OLG Frankfort, StV 1982, 584. ^^ Hilger in LR^^ § 121, 6; Meyer-Gofine/^, § 121, Rn. 20. 21
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nur kurzfristige Uberlastung des zustandigen Spruchkorpers infolge einer Haufimg anhangiger Verfahren stellt keinen wichtigen Grund dar . Der Staat hat vielmehr in ErfuUung der ihm obliegenden Justizgewahrungspflicht fur eine ausreichende personelle Ausstattung der Gerichte, die mit Haftsachen befasst sind, zu sorgen und so einen zugigen Verfahrensablauf sicher zu stellen . Zwischen Eroffnungsbeschluss und erstem Hauptverhandlungstermin darf daher kein zu groCer zeitlicher Abstand liegen. Welche Zeit noch angemessen ist, muss am Einzelfall bestimmt werden, wobei die Anforderungen umso strenger werden, je langer die UHaft bereits angedauert hat. Zum Teil wurde ein Abstand von zwei Monaten als Hochstgrenze angesehen , in anderen Entscheidungen wurden dagegen fiinf bis sechs Monate als Hochstgrenze angenommen . Der Grund fur die Bestimmung des ersten Hauptverhandlungstermins gegen T erst vier Monate nach dem Eroffhungsbeschluss war eine Arbeitsiiberlastung des an sich zustandigen Spruchkorpers. Es steht fest, dass eine Hilfsstrafkammer eingerichtet werden wird, in deren Zustandigkeit das Verfahren gehoren wird. Die Arbeitsiiberlastung ist daher nur kurzfristiger Natur. Eine solche kurzfristige Uberlastung des zustandigen Spruchkorpers kann die Haftfortdauer rechtfertigen, wenn sie weder voraussehbar noch vermeidbar war . Diese Voraussetzungen liegen hier vor, und die Stellungnahme der Strafkammer zeigt auch, dass sie sich der besonderen Bedeutung der Haftsache bewusst ist und das Verfahren darum beschleunigen wird. Damit liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 121 StPO vor.
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V. Ergebnis Das OLG wird die Fortdauer der U-Haft anordnen.
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Frage 2: Erfolgsaussichten einer Revision des T Die Revision des T hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulassig und begrundet ist.
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/. Zuldssigkeit Gem. § 333 StPO ist die Revision des T gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts statthaft. Da er verurteilt wurde, liegt auch eine Beschwer vor. Von der Einhaltung der Revisionseinlegungs- und -begriindungsfristen gem. §§ 341 I, 345 I StPO sowie der Einhaltung der Formalien, speziell § 344 II StPO, ist auszugehen. Die Revision ist zulassig.
BGHSt 38, 43 f; OLG Diisseldorf, NJW 1991, 2303, 2304; Boujong in KKStPG^ § 121, Rn. 18. BGHSt 38,43, 46. OLG Hamm, NJW 1968, 1203 f OLG Diisseldorf, StV 1982, 531 f.; OLG Diisseldorf, NJW 1993, 1088. OLG Diisseldorf, NJW 1991, 2303.
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//. Begriindetheit 29
Die Revision ist gem. § 337 I StPO begriindet, wenn das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht. Bei der Prufung ist zwischen der Verletzung formellen Rechts, welche mit der Verfahrensruge geltend gemacht wird, und der materiellen Rechts, die mit der Sachriige beanstandet wird, zu unterscheiden. Hinsichtlich der Verfahrensfehler wird zwischen absoluten und relativen Revisionsgriinden unterschieden. Fur die absoluten Revisionsgriinde stellt das Gesetz eine unwiderlegliche Vermutung dafur auf, dass das Urteil auf diesem VerstoB beruht. Eine Beru29
hensprufung ist mithin entbehrlich .
/. Absolute Revisionsgriinde 30
T hat den nicht erfolgten Ausschluss des S wegen Befangenheit gerugt. In Betracht kommt insoweit als Revisionsgrund allenfalls § 338 Nr. 3 StPO. Die in den §§ 22 31 StPO geregelten Ausschluss- bzw. Ablehnungsgriinde gelten ihrem Wortlaut nach nicht ftir Staatsanwalte. Eine analoge Anwendung der Vorschriften auf Beamte der Staatsanwaltschaft ist nicht moglich , da es an einer planwidrigen Regelungslucke fehlt . § § 1 4 1 - 1 5 1 GVG bieten die Moglichkeit der Ersetzung eines sachbearbeitenden Staatsanwaltes. Bei diesen Normen handelt es sich jedoch um innerorganisatorische Regelungen, welche die §§ 22 fif. StPO nicht beriihren und deren Verletzung keinen Revisionsgrund darstellen . In der Zuruckweisung des Antrags auf Ablehnung des S lag zumindest kein absoluter Revisionsgrund.
2. Relative Revisionsgriinde a) Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts 31
Die Mitwirkung eines befangenen Staatsanwaltes konnte aber das u.a. in Art. 6 I MRK normierte Gebot des fairen Verfahrens verletzen. Ob dies tatsachlich einen VerstoB begriinden kann, ist hochstrichterlich noch nicht abschUeBend geklart . Beriicksichtigt werden muss jedenfalls, dass wegen der unterschiedlichen Stellung der Staatsanwaltschaft gegeniiber dem Gericht die Befangenheitsgriinde nicht ohne weiteres iibertragbar sind , zumal der Staatsanwalt gem. § 170 I StPO die Anklage nur erheben darf, wenn er einen hinreichenden Tatverdacht fur gegeben erachtet. Nur einen Anhaltspunkt kann hierbei § 160 II StPO geben, der die Staatsanwaltschaft zur Unparteilichkeit verpflichtet und ihr aufgibt, auch entlastende Umstande zu ermitteln. Die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Staatsanwalt ausschlieBlich einseitig
^^ ^^ ^^ ^^ ^^ ^^
5^wfe^Rn. 566. BVerfGE 25, 336, 345; BGH, NJW 1980, 845; BGH, NJW 1984, 1907, 1908. LG Monchengladbach, JR 1987, 303, 304. Meyer-Gofine/\ vor § 22, Rn. 3; Tolksdorf, S. 29. Jeweils offengelassen in: BGH, NW 1980, 845; BGH, NJW 1984, 1907, 1908. Krey, JA 1985, 511,517; Pfeiffer, Festschrift ftir Kurt Rebmann, S. 359, 373.
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ermittelt, und sich der Verdacht aufdrangt, dass er zu einer objektiven Wurdigung der Ermittlungsergebnisse nicht mehr bereit ist . S nahm gegenuber T dringenden Tatverdacht an, wobei er sich auf nachvoUziehbare Griinde stiitzen konnte. Er hat zwar die von T genannten Zeuginnen nicht vemommen, aber auch keine Beweismittel unterdruckt oder manipuliert. Die Entscheidung des S war bei Wurdigung der Umstande vertretbar. Die Besorgnis der Befangenheit bestand daher nicht. Zudem ist zu beriicksichtigen, dass der vorgetragene VerstoB sich im Ermittlungsverfahren zugetragen haben soil. Dies musste sich im Hauptverfahren fortgesetzt haben. Das Gericht ist gem. § 244 II StPO aber zur eigenstandigen Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Die Befangenheit des Staatsanwalts im Vorverfahren kann daher nur ausnahmsweise eine Revision begriinden, etwa wenn Beweismittel unterdruckt oder unbrauchbar gemacht wurden. Dies war hier nicht der Fall. Der nicht erfolgte Ausschluss des S stellt somit keinen relativen Revisionsgrund dar.
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b) Treffen einer Absprache Fraglich ist, ob allein die Tatsache, dass im Verfahren eine Absprache getroffen wurde, die Revision begriinden kann. Absprachen als solche sind in der Stra:^rozessordnung nicht geregelt. § 153a StPO und andere Regelungen zeigen aber, dass eine Verstandigung zwischen den Verfahrensbeteiligten uber das Ergebnis und die Erledigung des Strafverfahrens dem deutschen Stra^rozess nicht voUig fremd ist . Gleichwohl halt ein groBer Teil der Literatur Absprachen fiir unzulassig bzw. bedenklich , sodass nach dieser Ansicht die Revision allein wegen des Treffens einer Absprache begrundet ware. Die hochstrichterliche Rechtsprechung hingegen halt diese grundsatzlich fur zulassig , hat die Anforderungen an Absprachen aber einschrankend prazisiert. Diese sind nur zulassig, wenn durch sie das zentrale Anliegen des Strafyrozesses, namlich die Ermittlung des wahren Sachverhaltes, als Grundlage fur die Verwirklichung des materiellen Schuldprinzips, nicht verletzt wird. Daraus folgt, dass auch bei Ablegung eines Gestandnisses grundsatzlich der zugrunde liegende Sachverhalt aufgeklart werden muss. Den Prozessbeteiligten ist es verwehrt, sich auf einen Vergleich im Gewande eines Urteils, auf einen Handel mit der Gerechtigkeit einzulassen . Die freie Verfugung des Gerichts und der Prozessbeteiligten Uber den staatlichen Strafanspruch, die Einhaltung der Verfahrensgrundsatze, die rechtliche Subsumtion und die Grundsatze der Strafbemessung sind unzulassig . Absprachen sind auBerhalb der Hauptverhandlung zulassig, wenn alle Verfahrensbeteiligten daran teilnehmen und das Ergebnis in der Hauptverhandlung protokol^^ J5ew/yte^ Rn. 93. ^^ BOH, NJW 1998, 86,87. ^^ Ablehnend z.B. Pfeiffer in KKStPO^ Einl., Rn. 29 h; Siolek, DRiZ 1989, 321, 326; Bedenken haben z.B. Beulke^, Rn. 394; Kiihne^, Rn. 748. ^^ BGHSt 43, 195; zustimmend z.B.: Dahs, NStZ 1988, 153 fif.; Schmidt-Hieber, StV 1986, 355 ff; Widmaier, StV 1986, 357 ff. ^^ BVerfG , NJW 1987, 2662, 2663; siehe auch Kuhne\ Rn. 748. ^^ Kintzi, JR 1990, 309, 314; Meyer-Gofine/\ Einl., Rn. 119 b.
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liert wird. Das Gericht darf eine - schuldangemessene - Strafobergrenze angeben, jedoch keine schon im Voraus exakt bestimmte Strafe. Es darf nicht zu einer sachwidrigen Verkntipfung von „Leistung" und „Gegenleistung" kommen . Will das Gericht von einer Absprache abweichen, muss es gemaB § 265 StPO hierauf hinweisen. Bei einer Urteilsabsprache darf das Gericht zudem nicht an einer Erorterung eines Rechtsmittelverzichts mit-, noch auf einen solchen hinwirken . Hier hat das Gericht diese Bedingungen eingehalten, sodass nach dieser Ansicht die Absprache zulassigerweise durchgefuhrt wurde. Eine Streitentscheidung ist daher notwendig. Die Gegner von Absprachen fuhren als ein Argument an, dass Verstandigungen im Stra^rozess eine Verletzung des Richtervorbehalts aus Art. 92 GG bedeuten, da das Urteil regelmaBig nicht mehr auf der gesetzlich vorgesehenen richterlichen Kognition und Uberzeugungsbildung beruhe . Des Weiteren liege hierin auch ein VerstoB gegen die Unschuldsvermutung und das Nemo-tenetur-Prinzip sei bedroht, weil die Beteiligten von der Schuld des Angeklagten ausgingen und dieser gleichzeitig unter Druck gerate, sich selbst zu belasten . Die Verstandigungen wurden zu einer Verletzimg des Gleichheitssatzes fuhren, welcher verlangt, dass der Strafanspruch einheitlich durchgesetzt wird . SchlieBlich gaben Absprachen auch zu der Befiirchtung Anlass, dass „die Machtigen und Reichen" bevorzugt werden und somit deren Praktizierung der Idee der Gerechtigkeit widersprache . Diese Argumente konnen jedoch nicht tiberzeugen. Zutreffend ist zwar, dass bei informellen Kontakten zwischen den Verfahrensbeteiligten die Gefahr besteht, dass gegen die Grundsatze des fairen Verfahrens verstoBen wird. Dies ware z.B. der Fall, wenn nicht alle Prozessbeteiligten hinzugezogen oder informiert werden. Solch ein Vorgehen des Gerichts oder eines einzelnen Richters kann sogar zu einer erfolgreichen Richterablehnung fuhren . Bei Einhaltung der Verfahrensgrundsatze stellt die Verstandigung aber ein Mittel dar, welches die Durchfuhrung von Verfahren beschleunigen kann. Dies muss nicht dazu fuhren, dass der Gerechtigkeit zuwiderlaufende Urteile gefallt werden. Die hochstrichterlichen Vorgaben zwingen die Gerichte vielmehr, die Grundsatze der Schuldbemessung weiterhin zu beachten und den Sachverhalt trotz eines Gestandnisses des Taters aufzuklaren, um eine gesicherte Grundlage fur die Strafzumessung zu erhalten. Durch das Zustimmungserfordemis aller Beteiligten wird sichergestellt, dass ein der Gerechtigkeit entsprechendes StrafmaB gefunden wird . Die Absprache war daher grundsatzlich zulassig und die Tatsache an sich, dass eine solche stattgefunden hat, kann die Revision nicht begrunden.
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BGHSt40,287,290. BOH, NJW 2005, 1440. 43 Niemoller, StV 1990, 34, 37; Siolek, DRiZ 1989, 321, 326. Beulke^, Rn. 395; Hassemer, JuS 1989, 890, 892. ^^ Ranft\KnA2A'}>. ^^ Pfeiffer in KKStPO^ Einl., Rn. 29 e f 47 BGHSt 37, 99, 103 ff; BGHSt 37, 298, 303; BOH, StV 1986, 369. 48 Cramer, Festschrift fiir Kurt Rebmann, S. 145, 148. 42
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c) Nichteinhaltung der Absprache Fraglich ist aber, wie es sich auswirkt, dass das Gericht die getroffene Absprache nicht eingehalten hat. Hierin konnte ein VerstoB gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens hegen. Wie bereits dargestellt, wird das Gericht durch eine Absprache nicht an einer umfassenden Sachverhaltsaufklarung gehindert. Ergeben sich auf Grund der Beweisaufnahme neue, bei der Absprache unbekannte Tatsachen, die fur die Schuld- und Straffrage relevant sind, muss das Gericht von der Absprache abweichen. Es hat die Beteiligten aber gem. § 265 StPO hierauf hinzuweisen"*^. Hier ergab sich durch die neuen Beweismittel, dass T einen versuchten Mord begangen hatte. Bei der Absprache waren die Beteiligten also von einer falschen tatsachlichen und rechthchen Bewertung ausgegangen. Die Absprache durfte daher nicht eingehalten werden. Es wurde ein Hinweis gemaB § 265 StPO gegeben, sodass die Beteiligten, insbesondere der Angeklagte und sein Verteidiger, sich auf die veranderte rechtliche Wiirdigung einstellen konnten. Ein VerstoB gegen das Prinzip des fairen Verfahrens liegt somit nicht vor. Die Nichteinhaltung der Absprache stellt keinen relativen Revisionsgrund dar.
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d) Verwertung des Teilgestdndnisses des T Fraglich ist, ob das Teilgestandnis des T verwertet werden durfte oder ob hierin ein VerstoB gegen das Prinzip des fairen Verfahrens liegt. Die Verstandigung schafft fur den Angeklagten grundsatzlich einen Vertrauenstatbestand, da er durch die Ablegung z.B. eines Gestandnisses seine Verteidigungsmoglichkeiten erheblich einschrankt. Hier gestand T aber nicht, wie in der Absprache zugesichert, die Tat ein, sondem nur einen Teil derselben. Er versuchte hierdurch, das Gericht uber den wahren Umfang seiner Tat zu tauschen. Der von ihm eingeraumte Tatvorwurf bezog sich zudem auf den Teil der Tat, von dem er ausgehen konnte, dass er dessen ohnehin iiberfuhrt werden wurde. Bei ihm bildete sich daher kein schiitzenswertes Vertrauen, auf welches mit einer Nichtverwertung seines Teilgestandnisses hatte Rucksicht genommen werden mtissen. Zudem wirkt sich das Teilgestandnis strafmildemd fiir T aus , sodass in der Verwertung kein VerstoB gegen das Prinzip des fairen Verfahrens und kein relativer Revisionsgrund liegt.
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e) Verwertung der Aussage des U (1) Die Befragung des T durch U Die Verwertung der Aussage des U konnte gegen die §§ 163a, 136a StPO verstoBen. U hat mit T wahrend der Untersuchungshaft Gesprache gefuhrt und hierbei Wissen erlangt. Er konnte in der Hauptverhandlung somit iiber eigene Wahmehmungen berichten und kam grundsatzlich als Zeuge in Betracht. Aus der Tatsache, dass sich beide im Gefangnis befanden, als die Gesprache gefuhrt wurden, konnte die Anwendbarkeit der Vorschriften uber eine Vemehmung gem. §§ 163 a, 136a ^^ BOH, NJW 1992, 519 f; BGH, NStZ 1996,448; BOH, NJW 1989, 2270. ^^ SieheBGHSt42, 191, 195.
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StPO folgen. T ware in diesem Fall nicht belehrt bzw, getauscht worden, sodass seine Aussagen gegentiber U unverwertbar sein konnten. Dies setzt voraus, dass eine Vemehmung stattgefunden hat. Nach dem formlichen Vemehmungsbegriff liegt eine solche vor, wenn ein zur Strafverfolgung berufener Beamter dem Beschuldigten in amtlicher Funktion gegentiber tritt und von ihm in dieser Funktion eine Aussage erlangt . Nach dem funktionalen Vernehmungsbegrifr liegt eine Vemehmung vor, wenn die AuBerung entweder direkt Oder indirekt von einem Strafverfolgungsorgan herbeigefuhrt wurde. U wurde nicht in die Zelle des T verlegt, damit er diesen aushorche. Es lag daher keine bewusste Beeinflussung durch StrafVerfolgungsorgane vor, die zu der Aussage des T gefuhrt hat. Nach beiden Ansichten liegt daher keine Vemehmung vor. Zudem besteht nach zutreffender Ansicht der Sinn der u.a. aus § 163a StPO folgenden Belehnmgspflicht darin, den Beschuldigten vor der irrtumlichen Annahme zu bewahren, er musse einem amtlichen Auskunftsverlangen nachkommen . Tritt eine Privatperson mit dem Beschuldigten in Kontakt, so weiB er, dass er nicht zu einer AuBerung verpflichtet ist. Durch bloBes Schweigen kann er eine Selbstbelastung verhindem. Redet er gleichwohl, handelt er bewusst auf eigene Gefahr . T hat sich aus eigenem Antrieb heraus veranlasst gesehen, dem U den Tathergang zu schildem. Die Stra^rozessordnung steht der Verwertung dieser Aussage nicht entgegen. Aus dem Umstand, dass T zur Zeit seiner AuBerung in U-Haft war, folgt kein anderes Ergebnis. Die Tatsache allein, dass ein Beschuldigter wahrend der Freiheitsentziehung AuBerungen macht, bedeutet noch nicht, dass die Haftsituation ursachlich fur die Aussage war. Hinzukommen muss vielmehr, dass dieses Zwangsmittel gezielt zur Herbeifiihrung einer Aussage eingesetzt wurde . Daran fehlte es hier. Die Verwertung verstieB daher nicht gegen § 136a StPO.
(2) Unzuldssige Beeinflussung des U 41
Die Verwertung der Aussage des U konnte gegen §§69 III, 136a I StPO verstoBen, wenn S dem U fiir seine Aussage vor Gericht unzulassige Vergunstigungen zugesagt hat. In den Vergunstigungen konnte das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils liegen. Der Begriff des Vorteils in § 136a StPO wird aber insoweit einschrankend ausgelegt, als dass hierunter nur solche Vergunstigungen fallen, die geeignet sind, das Aussageverhalten eines Zeugen zu beeinflussen . Zulassig ist es, dem Beschuldigten Vorteile zu versprechen, die sich aus der Andemng der Verfahrenslage auf Gmnd seiner Aussage ergeben . So bestehen keine Bedenken dagegen, dass z.B. das Versprechen abgegeben wird, von der Moglichkeit einer Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO Gebrauch zu machen. Hier ist davon auszugehen, dass S dem U solcherart zulassige Vergunstigungen zugesi51
BGHSt 42, 139, 145; Ellbogen, Die verdeckte Ermittlungstatigkeit, S. 87. Dencker, StV 1994, 667, 674 f; Seebode, JR 1988, 427 f 53 BGHSt 42, 139, 147; Schlilchter/Radbruch, NStZ 1995, 354 f 54 BGHSt 39, 335, 347; BGH, NJW 1989, 843, 844 f; Seitz, NStZ 1995, 519. 55 BGH,NStZ 1995, 605, 606. ^^ BGHSt 5, 290; Lemke in HKStPO^ § 136a, Rn. 39. ^^ Boujong in KKStPO^ § 136a, Rn. 33; Meyer^Gofine/^, § 136a, Rn. 23. 52
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chert hatte, um ihn zu einer wahrheitsgemaBen Aussage zu bewegen. Der U durfte daher vemommen werden. Seine Aussage ist verwertbar.
f) Wettere relative Revisionsgriinde Moglicherweise sind im Ermittlungsverfahren Verfahrensfehler aufgetreten die revisibel sind. Der VerstoB wirkt jedoch nur fort, wenn er zu einem Beweisverwertungsverbot gefiihrt hat. Sonstige Gesetzesverletzungen, die diese Wirkungen nicht batten, sind unerheblich, da das Urteil nicht auf ihnen beruhen kann. S konnte bei der Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des T zu Unrecht Gefahr in Verzug angenommen haben. Gefahr im Verzug ist - entgegen der fruher vorherrschenden Auffassung - ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher dem Beamten keinen Ermessensspielraum
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eroffnet, sondem der voUen gerichtlichen KontroUe unterliegt . Sie liegt vor, wenn zu befiirchten ist, dass ein Abwarten der richterlichen Entscheidung den Verlust des Beweismittels zur Folge haben wurde . Hier lebte neben T noch dessen Ehefrau in der Wohnung. Nach dessen Festnahme bestand die Moglichkeit, dass diese Beweismittel verschwinden lasst. Es lag daher Gefahr in Verzug vor. Weitere relative Revisionsgriinde sind daher nicht ersichtlich.
3. Sachruge Fraglich ist, ob die Normen des Strafgesetzbuches richtig angewandt wurden.
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a) §§ 211, 22 StGB T konnte sich wegen versuchten Mordes strafbar gemacht haben.
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(1) Vorpriifung Die Tat wurde nicht voUendet, und Mord ist gem. § 12 I StGB ein Verbrechen, dessen Versuch gem. § 23 I StGB stets strafbar ist.
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(2) Tatentschluss T war zur Totung des R entschlossen. Fraghch ist, ob er hierbei ein Mordmerkmal verwirklichen wollte. Er konnte aus Habgier gehandelt haben. Habgier liegt in einem noch uber das ubliche hinaus gesteigerte abstoBende Gewinnstreben um jeden Preis, das in seiner Hemmungslosigkeit und Riicksichtslosigkeit das ertragliche MaB weit ubersteigt . T wollte R aber nicht toten, um in den Besitz des Geldes zu kommen, sondem um ein spateres Wiedererkennen zu verhindem. Habgier scheidet daher aus. Er konnte mit Verdeckungsabsicht gehandelt haben. Die Totung muss das Mittel der Verdeckung, und der vom Tater in Gang gesetzte Ursachenverlauf dazu bestimmt sein, die vorangegangene Straftat oder seine Taterschaft nicht offenbar ^^ BVerfG, NStZ 2003, 319; Beulke^, Rn. 258. ^^ BVerfGE 51, 97, 111; BOH, JZ 1962, 609; Krehl in HKStPO^ § 165, 2. ^^ BOH, NJW 1995, 2365, 2366; BGHSt 29, 318.
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werden zu lassen . R soUte sterben, um zu verhindem, dass er T identifiziert und als Tater wiedererkennt. T versuchte daher, den R zur Verdeckung seiner eigenen Tatbegehung zu toten.
(3) Unmittelbares Ansetzen 49
T miisste unmittelbar zur Tat angesetzt haben. Nach seiner Vorstellung von der Tat hat er mit dem Betatigen der Schusswaffe alles Erforderhche fiir die Tatbestandsverwirklichung getan. Er hat daher unmittelbar angesetzt.
(4) Rechtswidrigkeit undSchuld 50
Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgriinde sind nicht ersichtlich.
(5) Rucktritt 51
Zugunsten des T konnte das Rucktrittsprivileg des § 24 StGB eingreifen. Ein Rucktritt in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn der Versuch subjektiv fehlgeschlagen ist, da nur eine fortsetzbare Tat aufgegeben werden kann . Nach der herrschenden Gesamtbetrachtungslehre liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, wenn der Tater noch die Moghchkeit sieht, durch weitere gleichwertige Handlungen den Angriff zu wiederholen, z.B. nach einem Fehlschuss weitere Schiisse abzugeben . Nach diesen Kriterien ist der Versuch des T subjektiv fehlgeschlagen, da seine Waffe versagte und er auf Grund seiner Panik keine weiteren Moglichkeiten zur Tatfortsetzung mehr sah und in Erwagung zog. Ein Riicktritt scheidet somit aus.
(6) Ergebnis 52
T hat sich wegen versuchten Mordes strafbar gemacht.
b)§ 255 StGB 53
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T konnte wegen rauberischer Erpressung strafbar sein. Wie oben gepruft, hat T den objektiven Tatbestand von § 255 StGB verwirklicht. Naher muss nur auf den Umstand eingegangen werden, dass T glaubte, eine funktionstuchtige Waffe als Mittel der Drohung in Handen zu halten. Ob der Tater die Drohung tatsachlich wahr machen kann oder will, ist fiir den Tatbestand aber unerheblich . Dies gilt auch, wenn der Tater nur irrig glaubt, die Drohung verwirklichen zu konnen . Dass die Waffe tatsachlich funktionsunfahig war, hatte auf die Drohung folglich keinen Einfluss, da sowohl T als auch R glaubten, die Drohung konne verwirklicht werden. Eine Drohung mit gegenwartiger Gefahr lag daher vor. Die weiteren Voraussetzungen des § 255 StGB liegen vor. T ist wegen rauberischer Erpressung strafbar. 61
BGHSt 41, 358, 360; Mitsch, JuS 1997, 788, 793 f Freund, Strafrecht AT, § 9, Rn. 22. 63 Puppe, NStZ 1986, 14; Roxin, JR 1986, 424, 426. 64 BGHSt 23, 294, 295; Kiiper, NJW 1970, 2253. ^^ BOH, NJW 1957, 596, 598; 7roW/e/Fischer", § 240, Rn. 31. 62
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c) §§ 255y 250II Nr. 1, 22 StGB T konnte eine versuchte schwere rauberische Erpressimg begangen haben.
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(1) Vorpriifung Die Schusswaffe des T war auf Grund der Ladehemmung funktionsunfahig. § 250 II Nr. 1 StGB setzt jedoch voraus, dass ein objektiv gefahrlicher Gegenstand zur Tat verwendet wurde . Es ist daher keine Vollendung eingetreten. § 250 II StGB ist gem. § 12 I StGB ein Verbrechen, dessen Versuch gem. § 23 I StGB stets strafbar ist.
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(2) Tatentschluss T miisste entschlossen gewesen sein, die Tat unter Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefahrlichen Werkzeuges zu begehen. Er glaubte, dass die geladene „Sniith & Wesson" funktionstuchtig sei. Er wollte diese Waffe zur Unterstutzung seiner Drohung gegeniiber R verwenden und war daher zur Tat entschlossen.
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(3) Unmittelbares Ansetzen Durch das Vorhalten der Waffe hat T mit der Tathandlung, namlich das Verwenden, schon begonnen und damit unmittelbar zur Tat angesetzt.
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(4) Rechtswidrigkeit undSchuld Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor.
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d) Konkurrenzen § 255 StGB wird von den §§ 250, 22 StGB im Wege der Spezialitat verdrangt. Der versuchte Mord steht hierzu in Realkonkurrenz gem. § 53 StGB.
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e) Ergebnis Die Sachriige des T hat keinen Erfolg.
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///. Gesamtergebnis Die Revision des T hat keine Aussicht auf Erfolg.
^^ BOH, NJW 1998, 2916; siehe auch TrdW/e/Fischer^^ § 250, Rn. 7.
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Hinweise zur Losung: 63
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Bei Frage 1 stellt die Fristuberschreitung eine erste Hiirde im Bereich der Zustandigkeit des OLG dar. Anhand der einschlagigen hochstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfGE 42, 1, 9) kann dieses Problem aber gelost werden. In der weiteren Prufung kommt es darauf an, nur die Kenntnisse zu Grunde zu legen, die zur Zeit der Entscheidung bekannt sind. Beim Tatverdacht ist daher nur auf §§ 255, 250 StGB einzugehen, wobei deren Prufung keine Schwierigkeiten bereiten diirfte. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 121 I StPO soUte die hierzu bestehende Rechtsprechung bekannt sein (BGHSt 38, 43, 46). Vertretbar ist es, die Voraussetzungen des § 1211 StPO abzulehnen. Bei der Beantwortung der Frage 2 besteht das erste Problem darin, alle in Betracht kommenden Revisionsgriinde zu erkennen und richtig zuzuordnen. Der befangene Staatsanwalt beschaftigt hin und wieder die Gerichte (z.B.: LG Monchengladbach JR 1987, 303). Hier ist juristische Phantasie gefragt, um MaBstabe fur die Befangenheit zu erarbeiten. Im anschlieBenden Komplex der Absprachen ist zu beachten, dass die Rechtsprechung in jiingster Zeit die Anforderungen an deren Zulassigkeit verscharfl hat. Die dabei aufgestellten Anforderungen miissen beherrscht werden (BGHSt 43, 195; BGH, NJW 2005, 1440 fif.). Die Verwertung eines Teilgestandnisses nach einer fehlgeschlagenen Verstandigung wurde in BGHSt 42, 191, 194 f. angesprochen. Nach Auffassung des Gerichts kann ein Gestandnis, selbst wenn es zum Nachteil des Angeklagten unverwertbar ist, zu seinen Gunsten verwertet werden. Bei der Vemehmung des Zeugen U muss erkannt werden, dass keine vemehmungsahnliche Situation vorlag und darum die Aussage verwertbar ist. Die Priifung der Sachriige hat unter dem nunmehr bekannten Sachverhalt zu erfolgen, sodass vor allem auf den Mordversuch einzugehen ist.
Hausarbeit Nr. 2*"^*
Ermittlungen in der Kleinstadt Private Ermittlungen -- Verwertbarkeit privat aufgenommener Fotografien und Tonbandaufnahmen - Grenzen der informatorischen Befragung - Beginn der Beschuldigteneigenschaft - Verweigerung der Verteidigerkonsultation Die Bevolkerung der an der Havel gelegenen Kleinstadt A beobachtete seit einiger Zeit ein vermehrtes Fischsterben. Umweltschiitzer vermuteten, dass die Firma Schiller GmbH das bei der Produktion von Fettsauren anfallende Glycerinwasser nicht wie vorgeschrieben in einem Tank lagerte und dort eine Fettspaltung vornahm, sondem in die Havel einleitete. Da die Schiller GmbH der groBte Arbeitgeber am Ort war, blieben die StrafVerfolgungsbehorden jedoch untatig. Die nur regional kandidierende Umweltpartei „Grunes Rathaus" sah nicht nur Handlungsbedarf, sondem auBerdem auch eine gute Gelegenheit, den Wahlem ihre Tatkraft unter Beweis zu stellen. Deshalb wurde auf einer der Vorstandssitzungen daruber beraten, wie man die Gewasserverunreinigung beweisen konnte. Der Stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Viersen (V) bot an, seine Freundin Peggy Conrad (C), die bei der Schiller GmbH als Chefsekretarin arbeitete, um Hilfe zu bitten. Diese sollte versuchen, Beweise fiir die unbefugte Einleitung des Glycerinwassers zu beschaffen. C hatte zwar einige Bedenken, gegen ihren Arbeitgeber vorzugehen, lieB sich aber letztendlich davon uberzeugen, dass der Umweltschutz wichtiger sei als Loyalitat zum Arbeitgeber. C hielt daraufhin die Augen offen, konnte aber leider nichts herausfmden. Insbesondere wusste sie nicht, wer an der vermutlichen Entleerung des Sammelfasses beteiligt war. Da man Informationen benotigte, an die man die Erkundigungen ankntipfen konnte, schlug V der C vor, ihren Chef, den Geschaftsfuhrer Ludwig Graf (G), zum Essen einzuladen. Vielleicht konne man so etwas herausbekommen. G war hocherfreut, einen Abend mit der attraktiven C zu verbringen, und nahm die Einladung dankend an. Bei dem Abendessen bemtihte C sich, das Weinglas des G immer unauffallig nachzufiillen. Nachdem die dritte Flasche Wein geleert war, fragte C den offensichtlich betmnkenen G vorsichtig tiber die Fettspaltungsanlage in dem Sammeltank aus. G erzahlte ihr schon heftig angeheitert, die Emeuerung der alten Anlage sei viel zu kostspielig, aber er sei nicht nur ein cleverer Geschaftsmann, sondem habe auch einen tatkraftigen Mann in der Nachtschicht, der sich um die Probleme der Firma kiimmerte. C horte daraufhin jedes Telefonat, das G mit einem Schichtarbeiter der Nachtschicht fiihrte, an ihrem Apparat im Sekretariat mit. Eines Tages hatte C Gliick. G besprach mit dem Schichtarbeiter Norbert Naumann (N), dieser soUe in der fol-
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genden Nachtschicht das Sammelfass fiir das Glycerinwasser auf die gewohnte Art leeren. Geistesgegenwartig hielt C das Diktiergerat an den Horer, und es gelang ihr, das Gesprach mit seinem wesentlichen Inhalt aufzuzeichnen. Der uber das Gesprach informierte V postierte sich in der Nacht am anderen Ufer der Havel und schaffte es dabei, die Entleerung des Passes durch N zu fotografieren. Staatsanwalt S horte durch einen in der Partei „Grunes Rathaus" tatigen Freund, dass der Vorstand „da was plane". Auch S hatte den Zustand der Havel mit Sorge betrachtet und insgeheim die Schiller GmbH daftir verantwortlich gemacht. Seiner Ansicht nach musste man jedoch gegen den groBten Arbeitgeber vorsichtig vorgehen. Da die Anhaltspunkte noch voUig vage waren, woUte er noch kein Ermittlungsverfahren einleiten. Deshalb schickte er die Polizeibeamten Amdt (A) in die Schiller GmbH, damit er dort informell vorermittelte. A befragte G informatorisch liber den Zustand der Fettspaltungsanlage. G erwiderte ganz erschrocken „Jetzt wird's gefahrlich. Ich sage keinen Ton". Die Polizeibeamtin Becker (B) sollte derweil die Ehefrau des G Edith Graf (E) rein informatorisch daruber befragen, ob G etwas uber Probleme bei der Entsorgung des Glycerinwassers habe verlauten lassen. E war sehr erschrocken und verteidigte ihren Mann, er habe immer nur das Beste fur seine Angestellten gewoUt. Auf Grund dieser Reaktionen leitete S nun doch ein Ermittlungsverfahren ein. In der folgenden Vemehmung durch A wurde G ordnungsgemaB iiber seine Rechte als Beschuldigter informiert. Als G die Hinzuziehung seines Verteidigers wiinschte, wurde A richtig wiitend. Er flihr G an, er habe nun endgiiltig die Nase voU von diesen ewigen Sonderbehandlungen. Ob mit oder ohne Verteidiger, jetzt werde Tacheles geredet. G sagte daraufhin ohne Verteidiger aus und belastete sich schwer. 1. In der Hauptverhandlung gegen G wegen Gewasserverunreinigung (§ 324 StGB) mochte das Schoffengericht C iiber die Aussagen horen, die G ihr gegenuber betrunken gemacht hat. 1st die Vemehmung der C erlaubt? 2. Weiter soUen die Fotos und die Tonbandaufnahme in die Hauptverhandlung eingefuhrt werden. Wie kann dies geschehen und bestehen dagegen Bedenken? 3. E beruft sich in der Hauptverhandlung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Kann die Beamtin B iiber die Aussage der E vemommen werden? 4. A soil uber die AuBerungen des G in der informatorischen Befragung vemommen werden. 1st dies moglich? 5. Diirfen die AuBerungen des G in der Vemehmung verwertet werden? Lehrbuch: Rn. 527 ff.; 729; 753; 760; 427 ff.
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Gliederung Frage 1: Vemehmung einer privaten Verhorsperson 1. Vemehmung des mittelbaren Zeugen 2. Verbot der Verabreichung von Mitteln gem. § 136a StPO 3. Verwertung privater Ermittlungsergebnisse 4. Ergebnis
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Frage 2: Einfiihrung der Fotografien und Tonbander 1. Art und Weise der Einfiihrung in die Hauptverhandlung a) Fotos als Augenscheinsbeweis b) Einfuhmng des Tonbandes 2. RechtmaBigkeit der Einfiihrung in die Hauptverhandlung a) Verwendung der Fotos aa) Eingriff in das AUgemeine Personlichkeitsrecht durch die Verwertung bb) Rechtfertigung durch Abwagung b) Verwendung der Tonbandaufiiahme aa) Rechtswidrigkeit der Tonbandaufiiahme bb) Beweisverwertungsverbot (1) GesetzesverstoBe durch das Abspielen des Tonbandes (2) Rechtfertigung durch Interessenabwagung 3. Ergebnis
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Frage 3: Zulassigkeit der Vemehmung der B 1. Anwendungsbereich des § 252 StPO 2. Sog. informatorische Befragung als Vemehmung i.S.d. § 252 StPO
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Frage 4: Zulassigkeit der Vemehmung der A 1. Zulassigkeit der sog. informatorischen Befragung 2. Beginn der Beschuldigteneigenschaft 3. Unverwertbarkeit einer Beschuldigtenvemehmung bei unterlassener Belehmng
Seite 41 Seite 41 Seite 43
Frage 5: Zulassigkeit der Verwertung der AuBemngen des G in der Vemehmung 1. Verwertungsverbot bei rechtswidriger Verhindemng der Verteidigerkonsultation 2. Rechtswidrige Verhindemng der Verteidigerkonsultation 3. Ergebnis
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Ermittlungen in der Kleinstadt
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Losung Frage 1: Vemehmung einer privaten Verhorsperson 66
Die Vemehmung der C ist erlaubt, wenn es sich dabei um ein zulassiges Beweismittel handelt und ihr kein Beweisverbot entgegensteht.
1. Vemehmung des mittelbaren Zeugen 67
Die Vemehmung der C konnte schon daran scheitem, dass sie nur uber die AuCemngen eines Dritten - hier des Angeklagten - Auskunft gibt, der iiber seine Einlassungen selbst befragt werden konnte. Die Befragung der C konnte deshalb gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoBen. Gmndsatzlich darf aber auch ein Zeuge daniber vemommen werden, was der Angeklagte ihm gegenilber geauBert hat\ Der Zeuge ist dann ein unmittelbares Beweismittel beziiglich der von ihm wahrgenommenen fruheren Aussagen des Beschuldigten. Ein VerstoB gegen den Unmittelbarkeitsgmndsatz liegt in der Vemehmung der C damit nicht.
2. Verbot der Verabreichung von Mitteln gem. § 136a StPO 68
Problematisch ist aber, dass C den G zu einem gesteigerten Alkoholkonsum angeregt und ihn befragt hat, nachdem G bereits merklich angeheitert war. Die Befragung des Beschuldigten nach der Verabreichung von berauschenden Mitteln, also auch von Alkohol, ist den Strafverfolgungsbehorden gem. § 136a StPO verboten. Das Verbot gilt jedoch nicht generell, weil Alkohol in geringen Mengen keine Auswirkungen auf den psychischen Zustand hat^. Die Verabreichung von Alkohol ist deshalb nicht ausnahmslos unzulassig^. Das Vemehmungsverbot gilt nach h.M."^ vielmehr nur, wenn der Beschuldigte so erheblich unter Alkoholeinfluss steht, dass seine Verhandlungsfahigkeit ausgeschlossen ist. Nach anderer Ansicht reicht bereits eine Beeintrachtigung durch die AlkohoUsiemng, die unterhalb der Schwelle der Verhandlungsfahigkeit anzusiedeln ist^. Welcher Alkoholisiemngsgrad zu einem Vemehmungsverbot fahrt, kann nicht abstrakt bestimmt werden, sondem ist Tatfrage^, wobei insbesondere die Trinkgewohnheiten des Beschuldigten beriicksichtigt werden miissen. Inwieweit die Befragung des G auf Gmnd seiner Berauschung unter das Verbot des § 136a StPO fallt, muss aber nur geklart werden, wenn die Befragung durch C tiberhaupt an dem MaBstab des § 136a StPO zu messen ist. Nach ganz h.M.^ richtet sich die Beweisvorschrift nur an den Staat. ^ BGHSt 17, 382; BOH, StV 1988, 91 m. Anm. Ventzke\ De//e^ NStZ 2003, 1 ff.; Pfeiffer, Vor §§ 48-71 Rdnr. 4. ^ Hanack, in: LR, § 136a Rdnr. 25. ^ Boujong, in: KK, § 136a Rdnr. 16; Lemke, in: HKStPO, § 136a Rdnr. 22; Rogall, in: SKStPO, § 136a Rdnr. 39. ^ Boujong, in: KK, § 136a Rdnr. 16; Lemke, in: HKStPO, § 136a Rdnr. 22. ^ Hanack, in: LR, § 136a Rdnr. 28 ^ Rogall, in: SKStPO, § 136a Rdnr. 40. ^ Beulke, Strafprozessrecht, Rdnr. 478; Boujong, in: KK, §136a Rdnr. 3.
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Deshalb sind Private durch § 136a StPO nicht daran gehindert, den Beschuldigten auch mit den genannten imzulassigen Vemehmungsmethoden zu befragen. Davon zu trennen ist lediglich die Frage nach der Verwertbarkeit der auf diese Weise erlangten Aussagen. Eine vereinzelt in der Literatur^ vertretene Auffassung halt dagegen auch Privatpersonen fur Normadressaten des § 136a StPO. Dem ist jedoch zu widersprechen, weil die StPO nur Regeln enthalt, welche die Strafverfolgungsorgane einhalten mussen, wahrend sich die Verantwortlichkeit privater Personen ausschlieBlich nach dem materiellen Recht richtet^.
3. Verwertung privater Ermittlungsergebnisse Damit ist aber zunachst lediglich festgestellt, dass die Befragung des G nicht gegen § 136a StPO verstoBt und somit nicht automatisch das Verwertungsverbot des § 136a III 2 StPO eingreift. Zweifelhaft ist auch auf der Basis der h.M., nach der sich die Beweisvorschriften nur an die Strafverfolgungsbehorden richten, inwieweit die von Privatpersonen ermittelten Informationen im Prozess verwertet werden durfen. a) Die iiberwiegende Ansicht lost die Verwertungsfrage von Beweisen, die durch private Personen ermittelt wurden, durch eine Abwagung^^. Nach der h.M. hat also ein VerstoB gegen die in § 136a StPO niedergelegten Grundsatze nicht automatisch ein Beweisverwertungsverbot zur Folge. Das Gericht habe bei der Bewertung solcher Beweismittel nur besondere Vorsicht walten zu lassen^\ Innerhalb der h.M. ist die Abwagungsregel, nach der ein Verwertungsverbot dann zu bejahen ist, wenn der Akt der Beweiserlangung durch Private extrem menschenrechtswidrig ist, weitgehend^^ anerkannt. Damit sind vor allem die Falle bezeichnet, in denen ein Privatmann ein Gestandnis durch qualvoUes Martem erreicht. Da diese Konstellationen wohl kaum eine groBe Praxisrelevanz aufweisen und ein so erlangtes Gestandnis als Beweismittel wenig geeignet ist^^, wird in der Literatur^^ allerdings Kritik an dieser Abwagungsregel geauBert. AuBerhalb dieser klaren Fallgestaltungen sei es namlich auBerst schwierig, menschenrechtswidrige oder entwurdigende Methoden zu bestimmen. Deshalb werde das Problem nicht gelost, sondem die Diskussion um ein Verwertungsverbot nur auf die Frage nach der Menschenwiirdeverletzung verlagert^^. Dem ist zwar insoweit zuzustimmen, als dass eine menschenrechtswidrige Behandlung abstrakt nur schwer zu beschreiben ist. Was unter einer entwiirdigenden Veranlassung zu einer Selbstbelastung zu Gossel, Strafverfahrensrecht, § 23 B II c. Rogall, in: SKStPO, § 136a Rdnr. 10. Beulke, Strafprozessrecht, Rdnr. 479; Hellmann, Stra^rozessrecht, Rdnr. 530; MeyerGofiner, § 136a Rdnr. 3. Hanack, in: LR, § 136a Rdnr. 11, Fn. 20; Rogall, in: SKStPO, § 136a Rdnr. 14. Bockemiihl, Private Ermittlungen, S. 124 ff.; Hellmann, Strafprozessrecht, Rdnr. 530; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rdnr. 43; Wolter, in: SKStPO, Vor § 151 Rdnr. 116. Senge, in: KK, Vor § 48 Rdnr. 53. Dencker, Verwertungsverbote, S. 99; Kuhne, in: AKStPO, § 136a Rdnr. 13; Riiping, Rechtliches Gehor, S. 139. Dencker, Verwertungsverbote, S. 99; Rogall, in: SKStPO, § 136a Rdnr. 15; Senge, in: KK, Vor § 48 Rdnr. 52.
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verstehen ist, bedarf hier aber keiner naheren Betrachtung. Die Befragung eines Menschen, der eine zwar nicht genau feststellbare Menge Alkohol, aber hochstens drei Flaschen Wein getrunken hat, ist auf keinen Fall ein krasser Eingriff in die Menschenwiirde. Alkohol kann die WillensentschlieBung zwar beeintrachtigen, macht den Betrunkenen aber nicht zum Objekt, wenn er den Alkohol freiwillig zu sich genommen hat. Zum Teil wird in der Literatur^^ ein Verwertungsverbot offensichtlich schon unter geringeren Voraussetzungen angenommen, indem nicht auf die Menschenwurde, sondem auf eine erhebliche Verletzung des Personlichkeitsrechts abgestellt wird. Auch diese Modifizierung der h.M. kommt jedoch nicht zur Unverwertbarkeit der AuBerungen des G. Eine Verletzung des Personlichkeitsrechts durch die Einschrankung der EntschlieBungsfreiheit soil namlich nur dann ein Verwertungsverbot nach sich ziehen, wenn sie „nachhaltig'' war^'^. Was konkret darunter zu verstehen ist, wird dabei freilich offen gelassen. Eine nachhaltige Verletzung diirfte aber durch den Alkoholeinfluss wohl nicht gegeben sein, sodass diese Auffassung in casu nicht zu einem abweichenden Ergebnis fuhrt. b) Vereinzelt^^ wird jedoch stets ein Verwertungsverbot angenommen, wenn die private Beweiserlangung gegen § 136a StPO verstoBen wurde, falls die Strafverfolgungsbehorden auf die gleiche Art den Beweis ermittelt hatten. Als Begriindung wird insbesondere auf die Gefahr verwiesen, die darin bestehe, dass die Strafv^erfolgungsbehorden sich Privater bedienen, um den Beschuldigten zu einer Aussage zu bewegen. AuBerdem habe der Staat auch eine Schutzpflicht gegeniiber Angriffen Dritter. Diese Auffassung wiirde demnach dann zu anderen Ergebnissen kommen, wenn die Befragung des G durch die C gegen § 136a StPO verstoBen hatte. c) Inwieweit der Konsum von hochstens 3 Flaschen Wein die Willensfreiheit des G ausgeschlossen hat, kann aber offen bleiben, weil die letztgenannte Auffassung abzulehnen ist. Es ist zwar zuzugeben, dass der Staat eine Schutzpflicht gegen Angriffe Dritter hat. Uneingeschrankt kann das aber nur gelten, wenn es sich um einen Angriff auf die Menschenwurde handelt. Auch das Argument, es bestiinde die Gefahr, dass sich der Staat Dritter bedient, um die Schutzvorschriften der StPO zu umgehen, kann nicht iiberzeugen. Werden Private von den Strafverfolgungsbehorden mit der Erlangung eines Beweises beauftragt, gelten namlich andere Grundsatze. Es handelt sich in diesem Fall nicht mehr um private Ermittlungen, sodass § 136a StPO nach ganz h.M.^^ anwendbar ist.
4. Ergebnis 73
Nach den beiden erstgenannten Auffassungen steht einer Vemehmung der C uber die AuBerungen, die G ihr gegeniiber gemacht hat, damit nichts im Wege.
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Rogall in: SKStPO, § 136a Rdnr. 15. Rogall, in: SKStPO, § 136a Rdnr. 15. Jahn, JuS 2000,44\; Sydow, Beweisverbote, S. 116. BGHSt 44, 129, 134; Boujong, in: KK, § 136a Rdnr. 4; Meyer-Gofiner, § 136a Rdnr. 3; Lemke, in: HKStPO, § 136a Rdnr. 4; Walder, Vemehmung, S. 166 f; einschrankend, im Ergebnis aber ahnlich: Rogall, in: SKStPO, § 136a Rdnr. 16.
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2. Frage: Einfiihrung der Fotografien und Tonbander Die Fotos mid die Tonbandaufnahmen konnen in die Hauptverhandlung eingefuhrt werden, wenn es sich um zulassige Beweismittel handelt und keine Beweisverbote entgegenstehen.
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1. Art und Weise der Einfiihrung in die Hauptverhandlung Die konkrete Einfiihrung in die Hauptverhandlung richtet sich nach der Art des Beweismittels.
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a) Fotos als Augenscheinsbeweis Bei den Fotos handelt es sich um Augenscheinsobjekte. Unter einem Augenscheinsbeweis ist jede nicht als Zeugen-, Sachverstandigen- oder Urkundsbeweis besonders geregelte Beweisaufiiahme durch sirmUche Wahmehmung zu verstehen^^. Fotos sind keine Schriftstucke, deren gedanklicher Inhalt durch Lesen erschlossen werden kann, sie fallen somit nicht unter den Begriff des Urkundsbeweises. Es handelt sich demnach um einen Augenscheinsbeweis.
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b) Einfiihrung des Tonbandes Umstritten ist jedoch, wie Tonbandaufiiahmen in den Prozess eingefiihrt werden konnen. In Betracht kommt ein Abspielen der Tonbandaufzeichnung oder ein Verlesen der von ihr angefertigten Niederschrift. Das Abspielen wiirde einen Augenscheinsbeweis darstellen, wahrend das Verlesen eine sinnliche Wahmehmung des Gedankeninhalts durch Lesen, somit ein Urkundsbeweis ist. aa) Nach Ansicht des BGH^^ liegt es im Ermessen des Richters, welchen Weg er wahlt. Die Niederschrift sei zwar aus einem anderen Beweismittel gewonnen, somit nicht das tatnachste Beweismittel. Es bestehe aber keine Verpflichtung, das tatnachste Beweismittel zu verwenden^^. Die Einfiihrung einer Tonbandaufiiahme durch Urkundsbeweis verstieBe auch nicht gegen § 250 StPO, da Gegenstand der Beweisaufiiahme nicht die Wahmehmungen einer Person sei, sondem die Gesprache selbst, die auf dem Tontrager aufgezeichnet sind. Die Verlesung der Niederschrift ist nach dieser Ansicht auch nicht durch die Moglichkeit der Vemehmung der Person, welche die Niederschrift angefertigt hat, ausgeschlossen, da die niederschreibende Person keine eigenen Wahmehmungen gemacht, sondem lediglich eine technische Hilfstatigkeit vorgenommen habe^^. bb) Nach h.M.^^ mussen Tonbandaufiiahmen dagegen in der Hauptverhandlung abgespielt werden, weil es sich um Augenscheinsobjekte handele. Der Unmittelbarkeitsgmndsatz gelte zwar fiir Augenscheinsobjekte nicht. Daraus ft)lge aber lediglich, dass die Wahmehmung des Richters durch die Wahmehmung einer spa20 21 22 23 24
Hellmann, Stra^rozessrecht, Rdnr. 753. BGHSt27, 135, 136. BGHSt 27, 135, 137; zust. Diemer, in: KK, § 249 Rdnr. 25; Golla, JuS 1984, 128, 129. BGHSt27, 135, 137; zust. Golla, JuS 1984, 128, 129; Gollwitzer, JZ 1978, 119, 120. BGHSt 14, 339, 341; Beulke, Strafprozessrecht, Rdnr. 204; Hellmann, Strafprozessrecht, Rdnr. 760; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 28 Rdnr. 9.
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ter zu vemehmenden Person ersetzt werden kann. Eine Ersetzimg der Wahmehmung der Tonbandaufnahme durch die Niederschrift sei damit aber nicht gestattet. cc) Fur die h.M. spricht, dass nicht notwendigerweise das Gericht die Wahrnehmung des Augenscheins vomehmen muss, sondem die Wahmehmung einer anderen Person ausreicht. Diese Person muss aber zwingend vemommen werden, wahrend die Verlesung einer Urkunde iiber den Augenscheinsbeweis nicht zulassig ist. Das ergibt sich daraus, dass diese ProtokoUe in § 249 I 2 StPO nicht genannt sind^^. Aus dieser Wertung folgt aber, dass eine Niederschrift iiber Wahmehmungen die Einfuhrung des Augenscheinsbeweises in den Prozess nicht ersetzen kann. Dieses Ergebnis muss damit auch fur Tonbandaufiiahmen gelten. Das Gericht muss die von C angefertigte Tonbandaufnahme somit in der Hauptverhandlung abspielen, wenn dem keine Bedenken entgegenstehen.
2. Rechtmafiigkeit der Einfuhrung in die Hauptverhandlung 81
Der Einfuhrung der Fotos und des Tonbandes in die Hauptverhandlung konnte allerdings entgegenstehen, dass es sich dabei um Ergebnisse privater Beweisermittlung handelt, die unter Verwendung technischer Hilfsmittel gewonnen wurden.
a) Verwendung der Fotos 82
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Beweismittel herangezogen werden darf, wird in der Kegel zwischen der Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung und dem Verbot der Beweisverwertung unterschieden. Beweiserhebung bedeutet dabei nicht das Beschaffen des Beweises, sondem die Erhebung des Beweises im Strafverfahren. Unter der Verwertung des Beweismittels ist lediglich die Beriicksichtigung der Beweisergebnisse im Urteil zu verstehen^^. Demnach ist nicht die Aufnahme der Fotos die Beweiserhebung, sondem das Zeigen der Fotos in der Hauptverhandlung^^. Daraus folgt, dass es auf die (Zivil-)Rechtswidrigkeit der Aufnahme der Fotos, die sich aus dem Eingriff in das zivilrechtUch geschiitzte AUgemeine Personlichkeitsrecht ergibt, nicht ankommt. Die rechtswidrige Erlangung eines Beweismittels schlieBt die Benutzung im Strafverfahren namlich gmndsatzlich nicht aus^^. In casu konnte aber auch die Erhebung des Beweises rechtswidrig sein.
aa) Eingriff in das Allgemeine Personlichkeitsrecht durch die Verwertung 83
Die Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung konnte sich hier aus einer Verletzung des Allgemeinen Personhchkeitsrechts i.S.d. Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG ergeben. Dieses Recht soil dem Einzelnen einen Bereich gewahrleisten, in dem er sich 25 26 27 28
Meier, in: AKStPO, § 249 Rdnr. 22. So wohl diuoh. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rdnr. 18. So auch fur Tonbander: Gropp, StV 1989, 216, 217. BGHSt 27, 355, 357; 36, 167, 172; Dencker, Verwertungsverbote, S. 99; Senge, in: KK, Vor § 48 Rdnr. 52.
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keinerlei offentlicher KontroUe unterziehen muss und den er selbst gestalten kann^^. Dieser Bereich ist jedoch durch die Aufnahme bereits irreparabel verletzt. Das AUgemeine PersonHchkeitsrecht enthalt dariiber hinaus aber auch eine dynamische Komponente, das sog. Recht auf Selbstdarstellung^^. Danach hat jeder selbst die Entscheidung dariiber, was er anderen von sich zeigen mochte. Die Entscheidung, ob Fotos im Prozess gezeigt und damit der OffentHchkeit zuganglich gemacht werden dtirfen, obHegt demnach dem auf dem Foto Abgebildeten. Die dynamische Komponente des AUgemeinen Personhchkeitsrechts wird also durch die Einfuhrung der heimlichen Fotos in den Prozess verletzt, weil es nicht die Entscheidung des N war, die Aufnahmen zu zeigen.
bb) Rechtfertigung durch Abwagung Die Beweiserhebung ist aber rechtmaBig, wenn der Eingriff in das AUgemeine PersonHchkeitsrecht gerechtfertigt ist. Nach verfassungsrechtlichen Vorgaben ist eine Rechtfertigung eines Eingriffs in das AUgemeine PersonHchkeitsrecht davon abhangig, ob die Verwertung der Fotos verhaltnismaBig ist^\ Es muss also eine Abwagung zwischen dem offentlichen Interesse an der Wahrheitsermittlung und der Strafverfolgung und den schutzwiirdigen Interessen des Betroffenen vorgenommen werden^^. Innerhalb der notwendigen Abwagung sind die vom BVerfG^^ entwickelten Richtlinien, die als Dreistufentheorie bekannt geworden sind und die eine grobe Abwagungsregel vorgeben, entscheidend. Nach der Dreistufentheorie muss zwischen Eingriffen in den von Art. 2 I GG und Art. 1 I GG geschiitzten unantastbaren Kembereich privater Lebensgestaltung („Intimsphare") und solchen in die Privatsphare unterschieden werden. Wahrend ein Eingriff in die Intimsphare nicht gerechtfertigt werden kann, sind solche in die Privatsphare dann gerechtfertigt, wenn das Interesse der AUgemeinheit an der Strafverfolgung schwerer wiegt. Keiner Rechtfertigung bediirfen Eingriffe in die sogenannte Offentlichkeitssphare. Ein Eingriff liegt bei der heimlichen Bild- oder Tonaufhahme aus dieser Sphare nicht vor, weil es sich um einen Bereich der Lebensgestaltung, die ohne privaten Charakter ist, handelt. Das Zeigen der Fotos in der Hauptverhandlung ware demnach dann ohne Rechtfertigung zulassig, wenn es sich um Aufnahmen aus der Offentlichkeitssphare handelt. In Teilen der Literatur^"^ wird behauptet, durch die Benutzung technischer Hilfsmittel werde grundsatzlich in die Privatsphare des Betroffenen eingegriffen. Dem ist aber nicht grundsatzlich zuzustimmen. So greift eine heimliche Bildaufiiahme einer Person, die sich in der OffentHchkeit bewegt, nicht in die Privatsphare ein. Es kommt also nicht auf die Verwendung technischer Hilfsmittel an, sondem auf die Sphare, in der sich der Betroffene befindet.
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^^ V. Munch/Kunig, Art. 2 GG Rdnr. 32; Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG Rdnr. 69. ^^ V. Munch/Kunig, Art. 2 GG Rdnr. 34; Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG Rdnr. 71; Wolfl, Bildaufnahmen, S. 60 ff; ders., StraFO 1999, 74, 76. ^^ Joerden, Jura 1990, 633, 643. ^^ Beulke, Stra^rozessrecht, Rdnr. 474. ^^ BVerfGE 34, 238. ^^ Perschke, Ermittlungsmethoden, S. 119.
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Hier wurde N zwar nicht auf offener StraBe fotografiert, sondem auf einem privaten Gelande. Es handelte sich jedoch nicht um einen abgeschirmten privaten Bereich, wie z.B. ein Garten, sondem um ein vielen zugangliches Gebiet. Die auf dem Foto abgebildete Tatigkeit gehort aber dem Privatbereich des N an. Zwar hat er den Auflrag zum Entleeren des Passes von seinem Chef bekommen. Da es sich aber nicht um eine normale Arbeitnehmertatigkeit, sondem um ein verbotenes Tun handelt, gehort diese Tatigkeit nicht der Offentlichkeitssphare, sondem der Privatsphare an. Das Geheimhaltungsinteresse des N zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er die Passer in der Nacht entleert. Durch das Zeigen der Potos in den Prozess liegt damit ein Eingriff in die dynamische Komponente des AUgemeinen Personlichkeitsrechts vor, der einer Rechtfertigung durch Abwagung bedarf. Hier ist zugunsten der Strafrechtspflege zu beachten, dass es sich um kein Delikt der Bagatellkriminalitat handelt. Weiterhin erscheint auch der Eingriff in das AUgemeine Personlichkeitsrecht nur wenig gravierend. Dabei kommt der Tatsache, dass N sich nicht auf einem abgeschirmten Privatgelande aufgehalten hat, besonderes Gewicht zu. Praglich ist allerdings, wie es sich auswirkt, dass der Eingriff in das Personhchkeitsrecht nicht den Beschuldigten selbst, sondem einen Dritten betrifft. In der Abwagung ist diese Drittbetroffenheit jedoch eher zugunsten der Strafrechtspflege zu berucksichtigen, weil der Eingriff nicht dazu fiihrt, den Betroffenen selbst einer Straftat zu Uberfuhren. Die Inaugenscheinnahme ist demnach gerechtfertigt und die Beweiserhebung - und daraus folgend auch die Beweisverwertung - zulassig.
b) Verwendung der Tonbandaufnahme 87
Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Abspielens der Tonbandaufiiahmen konnte zu einem anderen Ergebnis fuhren, weil sich die Rechtswidrigkeit des Abspielens nicht nur aus einer Verletzung des AUgemeinen Personlichkeitsrechts ergeben, sondem die Einfuhmng in die Hauptverhandlung daniber hinaus strafrechtswidrig gem. § 201 I Nr. 2 StGB sein konnte. Da der Tatbestand des § 201 I Nr. 1 StGB voraussetzt, dass die Aufiiahme gegen § 201 I Nr. 1 StGB verstoBt, ist hier vorrangig die Rechtswidrigkeit der Aufiiahme des Tonbandes durch C zu prufen.
aa) Rechtswidrigkeit der Tonbandaufnahme 88
(1) Teile der Literatur^^ folgem die Rechtswidrigkeit der heimlichen Tonbandaufnahme bereits aus §§ 100a, 100b StPO. Da mit diesen Normen eine spezielle Regelung bestehe, sei privaten Personen das heimliche Abhoren untersagt. Nach dieser Auffassung entfalten die §§ 100a, 100b StGB eine Sperrwirkung, sodass der Einsatz technischer Mittel den Strafverfolgungsbehorden vorbehalten und den Privaten deshalb verboten sei. Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass die angenommene Sperrwirkung der §§ 100a, 100b StPO eine bloBe Behauptung
^^ Bockemiihl, Private Ermittlungen, S. 86; Lenckner, in: Schonke/Schroder, § 201 Rdnr. 31a.
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sei^^. Die StPO richte sich an nur die StrafVerfolgungsbehorden, und der Gesetzgeber habe mit der Schaffting der §§ 100a, 100b StPO dem Erfordemis des Vorbehalts des Gesetzes nachkommen wollen, weil sich die in diesen Vorschriften geregelten Ermittlungsmethoden nicht auf die Generalklauseln stiitzen lassen. Da Private aber keine Befugnisnorm benotigen, konnen §§ 100a, 100b StPO auch keine Praklusionswirkung ihnen gegeniiber entfalten. Die Rechtswidrigkeit und daraus folgende Unverwertbarkeit der Tonbandaufnahme ergibt sich also nicht aus §§ 100a, 100b StPO. (2) Das heimliche Aufzeichnen des nicht offentlich gesprochenen Wortes mittels technischer Aufzeichnungen verstoBt aber gegen § 201 I Nr. 1 StGB, es sei denn, die Handlung ist gerechtfertigt. (a) Die Aufnahme ware in casu durch § 34 StGB gerechtfertigt, wenn sie zur Abwehr einer gegenwartigen Gefahr diente. In Betracht kommt die Abwendung einer Gefahr far die Umwelt, die durch die UberfUhrung des G verhindert werden soUte. Die Anwendung des § 34 StGB scheitert aber schon daran, dass C nicht zur Abwendung dieser Gefahr gehandelt hat, weil die unmittelbar bevorstehende Einleitung des Glycerinwassers gerade nicht verhindert werden soUte. (b) In Betracht kommt aber eine Rechtfertigung durch § 34 StGB aus einem anderen Grund^^. C hat hier zwar nicht gehandelt, um eine gegenwartige Gefahr abzuwenden. Sie woUte aber den G wegen Gewasserverunreinigung iiberfuhren und hatte ein Interesse an der Beweiserlangung. Eine Rechtfertigung aus § 34 StGB hangt davon ab, ob das Interesse an der Beweiserlangung oder -sicherung im konkreten Fall unter Beriicksichtigung der Interessen des Betroffenen diese uberwiegt. Innerhalb der Abwagung ist von besonderer Bedeutung, wie schwer die Rechtsverletzung im Verhaltnis zur abzuwehrenden Rechtsverletzung ist. Das Ergebnis dieser Abwagung kann hier letztlich offen bleiben, weil weitere Voraussetzung fiir eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB ist, dass die Interessen der Strafverfolgung nicht anders verwirklicht werden konnen. An diesem Erfordemis fehlt es aber gerade. Die C hatte bereits die Aussage des G, die eine Uberfiihrung bereits moglich gemacht hatte. Zumindest hatte die Staatsanwaltschaft auf Grund dieser Aussage weitere Ermittlungen anstellen konnen. Eine Rechtfertigung durch § 34 StGB scheidet also aus.
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bb) Beweiserhebungsverbot Da nach h.M. die Rechtswidrigkeit einer Beweisermittlung nicht zwingend zu einem Beweiserhebungsverbot fiihrt, ist damit aber nicht gesagt, dass die Aufnahme nicht in die Hauptverhandlung eingefiihrt werden darf. Die Einfiihrung in den Prozess konnte aber ebenfalls rechtswidrig sein.
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Hellmann, Strafprozessrecht, Rdnr. 529 f. So in ahnhchen Fallen: Joerden, Jura 1990, 633, 643; KG, JR 1981, 254, das allerdings auf eine notwehrahnliche Lage abstellt.
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(1) Gesetzesverstofie durch das Abspielen des Tonbandes 93
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(a) Da die Aufhahme unter VerstoB gegen § 201 I Nr. 1 StGB hergestellt worden ist, ist sie unbefugt hergestellt worden. Das Abspielen in der Hauptverhandlung verstoBt damit gegen § 2011 Nr. 2 StGB. Die Einfuhrung der Tonbandaufnahme in den Prozess ist folglich nicht nur rechtswidrig, sondem sogar strafrechtswidrig^^. (b) Die grundsatzliche Entscheidungsfreiheit eines Menschen dariiber, welchem Kreis von Personen seine Worte durch Abspielen einer Aufnahme zuganglich werden dixrfen, wird durch das Allgemeine Personlichkeitsrecht geschtitzt^^. Die dynamische Komponente, namlich das Recht zur Selbstdarstellung, wird durch das Abspielen einer Tonbandaufiiahme verletzt, weil der Inhalt des Tonbandes einer groBeren Zahl von Personen bekannt wird. Das Abspielen eines Tonbandes in der Offentlichkeit - und damit auch in der Hauptverhandlung - stellt einen Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen dar"^^.
(2) Rechtfertigung durch Interessenabwdgung 95
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(a) Es besteht zwar kein allgemeiner Grundsatz, nach dem eine rechtswidrige Beweiserhebung im Strafprozess nicht erfolgen darf oder zumindest zu einem Beweisverwertungsverbot fiihrt. So hindert etwa nach h.M."^^ die Strafbarkeit eines Geheimnistragers nach § 203 I StGB das Gericht nicht an der Verwertung der Aussage. Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn sich das Gericht selbst durch die Beweiserhebung strafbar macht bzw. in das Allgemeine Personlichkeitsrecht eingreift. Die Tonbandaufiiahmen diirfen folglich nur eingefuhrt werden, wenn die Beweiserhebung rechtmaBig ist, weil sie gerechtfertigt ist. (b) In der neueren Literatur"^^ fmdet sich indes ein Ansatz, nach dem eine Rechtfertigung grundsatzhch nur moglich ist, wenn es sich um eine Katalogtat des § 100a StPO handelt. Begriindet wird diese Einschrankung mit dem Argument, eine Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffes bediirfe einer gesetzlichen Grundlage, die in §§ 100a ff. StPO zu sehen sei, weil diese Vorschriften die Vorstellungen des Gesetzgebers, was rechtsstaatlichen Grundsatzen entspreche, enthielten. Da die Gewasserverunreinigung keine Katalogtat des § 100a StPO darstellt, kommt diese Auffassung zur Rechtswidrigkeit der Einfuhrung des Tonbandes in den Prozess. Eine Auseinandersetzung mit dieser Auffassung kann unterbleiben, wenn auch die Ansicht, welche die grundsatzliche Moglichkeit der Rechtfertigung bejaht, hier zur Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung gelangt. (c) Ob eine Rechtfertigung der Einfuhrung einer unbefugt aufgenommenen Tonbandaufnahme in den Prozess moglich ist, ist in der Rechtsprechung strittig. 38 39
Beckemper/Wegner, JA2003, 510. BVerfGE 34, 238, 246 f.; 54, 148, 155; BOH, JZ 1982, 199, 200; in diesem Sinne auch BVerfGE 65, 1 (Volkszahlungsurteil). Joerden, Jura 1990, 633, 643. BGHSt 9, 59, 61; 15, 200, 202; Hellmann, Strafprozessrecht, Teil IV § 3 Rdnr. 29; Meyer-Gofiner, § 53 Rdnr. 6; a.A. Beulke, Strafprozessrecht, Rdnr. 462; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 26 Rdnr. 22. Wolfl, Bildaufnahmen, S. 93 ff.; ders., StraFo 1999, 74, 77.
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Zumeist wird der StrafrechtsverstoB gar nicht erwahnt, sondem lediglich eine Rechtfertigung des Eingriffs in das Allgemeine Personlichkeitsrecht durch das Prinzip der Interessensabwagung gepruft"^^. Das KG"^"^ lehnt dagegen die Rechtfertigung einer Beweiserhebimg, welche die Voraussetzungen des § 201 I Nr. 2 StGB erfiillt, ab. Die Literatur"^^ steht - in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG - auf dem Standpunkt, heimliche Aufhahmen durch einen Dritten dtirften verwertet werden, wenn iiberwiegende Interessen der AUgemeinheit dies zwingend gebieten und das Interesse des Sprechenden zuriicktreten muss. Dabei wird z.T."^^ behauptet, auf die materiell-strafrechtliche Lage kame es gar nicht an, da in das Personlichkeitsrecht eingegriffen werde, wahrend andere"^^ das Beweisverbot nur aus § 201 StGB, welcher das verfassungsmaBige Recht am gesprochen Wort konkretisieren soil, folgem. Die Frage nach dem Verhaltnis des Personlichkeitsrechts zu § 201 StGB kann aber offen bleiben, da die Rechtfertigung eines StrafrechtsverstoBes und einen Eingriff in Grundrechte gleichen Kriterien unterliegt. Fiir eine Rechtfertigung des gem. § 201 I Nr. 2 StGB tatbestandsmaBigen Verhaltens kommt namlich lediglich Notstand in Betracht"^^. Eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB ist aber nur dann gegeben, wenn die Interessenabwagung zu dem Ergebnis fahrt, dass das geschiitzte Interesse das beeintrachtigte wesentlich iiberwiegt"^^. § 34 StGB ist damit nichts anderes als die Verkorperung eines allgemeinen rechtfertigenden Interessenabwagungsprinzips^^, das auch herangezogen wird, um den Eingriff in das Allgemeine Personlichkeitsrecht zu rechtfertigen^V Da § 34 StGB nicht vorgibt, wie die Bewertung der widerstreitenden Interessen im Einzelnen vorzunehmen ist^^, muss bei der Abwagung die Gewichtung der Interessen im Einzelfall festgelegt werden. Dazu sind die vom BVerfG entwickelten Grundsatze zur Rechtfertigung eines Eingriffs in das Allgemeine Personlichkeitsrecht heranzuziehen. (d) Das Interesse der funktionierenden Strafrechtspflege ware nach der Dreistufentheorie dann hoher als das Geheimhaltungsinteresse des G zu bewerten, wenn das Gesprach des G weder in den Intim- noch in den Privatbereich fallt. Zur Offentlichkeitssphare gehoren z.B. Geschaftsgesprache. Aus der Tatsache, dass die Unterhaltung in den Geschaftsraumen des G stattfand, kann jedoch nicht geschlossen werden, es handele sich um ein Geschaftsgesprach. Auch aus Dienstraumen
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^^ BVerfG 34, 238, 250; BGHSt 36, 167, 173; BayObLG, NJW 1990, 197; BayObLQ NStZ 1994, 503. ^^ KG, JR 1981, 254; vgl. auch OLG Hamm, 5 Ss 481/87, zit. in Wolf, Bildaufnahmen, S. 32. ^^ Boujong, in: KK, § 136a Rdnr. 25; Meyer-Gofiner, § 163 Rdnr. 46; Pfeiffer, § 163 Rdnr. 7. ^^ Rogall in SKStPO, § 136a Rdnr. 58. ^'^ Kuhne, Strafprozessrecht, Rdnr. 885, ^^ Gw;?/7,StV 1989, 216, 222. ^^ Vgl. nur Trondle/Fischer, § 34 Rdnr. 8. ^^ Gropp, StV 1989, 216, 222. ^^ Joerden, Jura 1990, 633, 643. ^^ Gropp, StV 1989, 216, 222; Lenckner/Perron, in: Schonke/Schroder, § 34 Rdnr. 43 f
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heraus konnen durchaus private Unterhaltungen gefuhrt werden^^. Das Gesprach zwischen G und N hatte zwar keinen ausschlieBlich privaten Charakter, sondem sie besprachen einen scheinbar geschaftlichen Vorgang. Da die unerlaubte Entsorgung des Glycerinwassers jedoch kein gewohnlicher Geschaftsvorgang war, sondem die Besprechung der Entsorgung privaten Charakter hat, liegt hier ein den Privatbereich betreffendes Gesprach vor. Die Moglichkeit einer Rechtfertigung durch Abwagung hangt also davon ab, ob das von C aufgezeichnete Gesprach der Privatsphare zuzurechnen ist. Die Abgrenzung von Kembereich und Privatsphare ist abstrakt nicht moglich, sondem kann nur unter Beriicksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falles vorgenommen werden^"^. Ein Indiz ist zunachst einmal der Umstand, dass das Gesprach in den Geschaftsraumen der Schiller GmbH gefuhrt wurde. So spricht eine Unterhaltung in der eigenen Wohnung eher fur die Vermutung, der Inhalt des Gesprachs betreffe den Kembereich als dies bei einem Gesprach in Geschaftsraumen der Fall ist. AuBerdem wird als Abgrenzungskriterium angesehen, ob sich der Betroffene aus dem unmittelbaren Schutzbereich heraus begeben hat, indem er sich brieflich geauBert oder telefoniert hat^^. Nach diesen Kriterien handelt es sich bei dem Gesprach des G um eine AuBemng in der Privatsphare, sodass eine Rechtfertigung grundsatzlich moglich ist. In die Abwagung sind aber auch die Auswirkungen der Nichtverwertbarkeit des Beweismittels auf das Interesse an der Wahrheitsermittlung und der Strafverfolgung einzubeziehen. Dies ist hier insbesondere deshalb notwendig, weil das Abspielen des Tonbandes strafrechtswidrig ist, und eine Rechtfertigung deshalb nur in Betracht kommt, wenn die Wertungen, die § 34 StGB vorgibt, Beachtung fmden^^. Hier ist insbesondere zu berucksichtigen, dass es zu einer Uberfuhrung des G des Beweismittels gar nicht bedarf. Dem Gericht stehen weitere Beweismittel zur Verfugung, wie etwa die Fotos oder die Aussage der C. Der Verzicht auf die Einfuhmng der Tonbandauftiahme beeintrachtigt das Interesse an der Erforschung der Wahrheit also nicht schwer. Die Einfuhmng des Tonbandes in die Hauptverhandlung ist damit rechtswidrig.
3. Ergebnis 100
Das Gericht darf die Fotos als Augenscheinsbeweis in die Hauptverhandlung einfiihren, nicht dagegen die Tonbandaufiiahmen, weil sie einem Beweiserhebungsverbot unterhegen.
3. Frage: Zulassigkeit der Vernehmung der B 101
Die Vemehmung der B konnte gegen § 252 StPO verstoBen, der die Verlesung einer fruheren Aussage verbietet, falls der Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigemngsrecht Gebrauch macht.
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So wohl diuch Joerden, Jura 1990, 633, 644. BVerfG 34, 238. Otto, in: Festschrift fiir Kleinknecht, S. 326, 329. Joerden, Jura 1990, 633, 644.
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1. Anwendungsbereich des § 252 StPO Da der Wortlaut der Vorschrift nur von der verbotenen Verlesung spricht, scheint eine Vemehmung der Verhorsperson ohne weiteres zulassig zu sein. Es ist aber feststehende Rechtsprechung^^ und einhellige Meinung in der Literatur^^, dass § 252 StPO nicht nur ein Verlesungs-, sondem ein allgemeines Verwertungsverbot enthalt. Eine Aussage, die eine zeugnisverweigerungsberechtigte Person in einer nichtrichterlichen Vemehmung gemacht hat, darf demnach nicht in die Hauptverhandlung durch die Vemehmung der Verhorsperson eingefuhrt werden.
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2. Sog. Informatorische Befragung als Vemehmung LS. des § 252 StPO Fraglich ist aber, ob auch Aussagen, die im Rahmen sog. informatorischer Befragungen gemacht wurden, unter den Anwendungsbereich des § 252 StPO fallen. Nach Ansicht der Rechtsprechung^^ ist ein Zeuge auch dann i.S.d. § 252 StPO vemommen worden, wenn die Polizei ihn formlos befragt. Dieses weite Verstandnis ist in der Literatur^^ auf allgemeine Zustimmung gestoBen. Die Schutzbediirftigkeit des Zeugen gebiete die Gleichsetzung der informatorischen Befragung mit der formlichen Vemehmung, da der Befragte gerade zu Beginn der Ermittlungen oftmals noch keinen Uberblick iiber die Tragweite seiner AuBemngen habe, was insbesondere dann gelte, wenn er scheinbar noch gar nicht vemommen werde^^ Da die Konfliktlage des Zeugen unabhangig von der Befragungsform vermieden werden muss, fallen also auch die Aussagen, die er in einer sog. informatorischen Befragung gemacht hat, unter § 252 StPO. Die Vemehmung der B ist damit nicht zulassig.
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Frage 4: Zulassigkeit der Vemehmung der A Nach ganz h.M.^^ sind dagegen die Ergebnisse einer zulassigen informatorischen Befragung des Beschuldigten in der Hauptverhandlung verwertbar. Ein Verwertungsverbot greife jedoch ein, wenn es sich um eine Vemehmung, bei der die Belehrungsvorschrift des § 136 Abs. 1 StPO umgangen worden sind, gehandelt hat^^. Die Moglichkeit, die von G gegenilber A gemachte Aussage in die Haupt57 58
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BGHSt 2, 99; 7, 194; 29, 230, 232; 32, 25, 29. Diemer, in: KK, § 252, Rdnr. 1; Julius, in: HKStPO, §252 Rdnr. 8; Meyer-Gofiner, § 252 Rdnr. 12; Kiihne, Strafprozessrecht, Rdnr. 943; a.A. im Ergebnis aber zustimmend: Paulus, in: KMR, § 252 Rdnr. 20. BGHSt 29, 230; BayObLQ NJW 1963, 1132 = StV 1983, 142; OLG Stuttgart, VRS 63 (1982), 52. Geppert, in: Festschrift fiir Oehler, S. 323; Gerling, Informatorische Befragung, S. 90; Gundlach, NJW 1980, 2142; Rengier, Jura 1981, 299, 301; Schluchter, Strafverfahrensrecht, Rdnr. 501. Geppert, in: Festschrift fur Oehler, S. 323, 333. BGH, NStZ 1983, 86; BayObLG VRS 58 (1980), 58; Geppert, in: Festschrift fur Oehler, S. 323, 339; Meyer-Gofiner, § 136 Rdnr. 79; Rogall, in: SKStPO, Vor § 133 Rdnr. 47. Rogall, in: SKStPO, Vor § 133 Rdnr. 50.
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verhandlung einzufuhren, hangt also davon ab, ob es sich um eine zulassige informatorische Befragimg gehandelt hat.
1. Zulassigkeit der sag. informatorischen Befragung 105
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Uber die grundsatzliche Zulassigkeit belehrungsfreier Befragungen besteht in Rechtsprechung^"^ und Literatur^^ Einigkeit. Es soil sich dabei um eine StandardmaBnahme im Bereich der sog. Vorermittlungen handeln, die zur Klarung eines noch vagen Verdachts dienen. Umstritten sind aber die Grenzen der Zulassigkeit sog. informatorischen Befragungen. a) Eine informatorische Befragung einer bereits beschuldigten Person, ohne sie uber ihr Schweigerecht zu belehren, ist nach der Rechtsprechung^^ nicht zulassig. Nach Aufifassung des BGH^^ ist aber eine solche Befragung „nicht unzulassig", wenn die befragte Person zwar „Verdachtiger", aber noch nicht Beschuldigter war. Danach ware das Vorgehen der A zulassig gewesen, wenn G „nur" Verdachtiger war. Der Verdacht gegen den G bestand zwar dem Grunde nach, er war aber nach Auffassung der Strafverfolgungsbehorden so vage, dass kein hinreichender Anlass zur Einleitung eines formlichen Ermittlungsverfahrens bestand. Ware die Auffassung des Staatsanwalts S richtig, dass G hier zwar schon verdachtig, aber noch nicht Beschuldigter war, lage auf der Grundlage der Ansicht des BGH in casu eine zulassige informatorische Befragung vor. b) In der Literatur^^ werden die Grenzen Befragung dagegen enger gezogen. Eine rein informatorische Befragung ist dann nicht mehr zulassig, wenn der Polizeibeamte einen konkreten Verdacht gegen die befragte Person habe. Wenn das Stadium des Herumfragens beendet sei, musse der Befragte als Zeuge oder gegebenenfalls als Beschuldigter vemommen werden. Eine Phase des Herumfragens gibt es nach Auffassung eines Teils der Literatur^^ in den Verfahren, die durch eine Anzeige in Gang gebracht worden sind, nicht, sodass in solchen Fallen eine informatorische Befragung grundsatzlich unzulassig ware. Eine Auseinandersetzung mit den Grenzen der Zulassigkeit der informatorischen Befragung wurde sich aber ertibrigen, wenn G bereits Beschuldigter gewesen ware, weil eine Befragung ohne Belehrung dann auch nach der weiten Auffassung des BGH nicht zulassig ist.
BGHSt 38, 227; BGH, NStZ 1983, 86; BayObLQ NStZ-RR 2003, 343. Boujong, in: KK, § 136 Rdnr. 4; Meyer-Gofiner, § 163 Rdnr. 9; Pfeiffer, § 163a Rdnr. 1; Rogall, in: SKStPO, Vor § 133 Rdnr. 42; Wache, in: KK, § 163 Rdnr. 8. AG Gelnshausen, StV 1990, 206; AG Miinchen, StV 1990, 104. BGH, NStZ 1983, 86; BGHSt 38, 227; zust Boujong, in: KK, § 136 Rdnr. 4, der allerdings darauf hinweist, dass die Belehrungsvorschriften des § 136 Abs. 1 nicht umgangen werden diirften. Achenbach, in: AKStPO, § 163a Rdnr. 23; Geppert, in: Festschrift fur Oehler, S. 323. V. Heydebreck, Beschuldigteneigenschaft, S. 58.
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2. Beginn der Beschuldigteneigenschaft Wie die Beschuldigteneigenschaft begriindet wird, ist nach wie vor umstritten. a) Von Teilen der Literatur^^ wird das VorUegen von zureichenden tatsachhchen Anhaltspunkten fiir ausreichend gehalten. Die Beschuldigteneigenschaft richtet sich danach ausschlieBlich nach der Starke des Tatverdachts. In casu halt S personlich die Anhaltspunkte zwar fur voUig vage. Objektiv gesehen ist eine Taterschaft des G angesichts der zunehmenden Verschmutzung der Havel und der Tatigkeit der Okopartei aber eher wahrscheinlich. Diese Auffassung kame also zu einer Bejahung der Beschuldigteneigenschaft des G b) Dagegen wird allerdings vorgebracht, niemand werde automatisch zum Beschuldigten^V Die Beschuldigteneigenschaft sei vielmehr ein Produkt eines Zuschreibungsprozesses, was einen Willensakt der Strafverfolgungsbehorden notwendig mache^^. Um die Zuschreibung der BeschuldigtenroUe nicht vollig in die Hande der Polizeibeamten zu legen, ist aber anerkannt, dass eine willkixrliche Vorenthaltung der Beschuldigteneigenschaft an der Prozessrolle nichts andert. Nach dieser Ansicht ist G noch nicht Beschuldigter, weil die Polizeibeamten ihn nicht als Beschuldigten vemehmen. Daran konnte sich nach dem WillkiirHchkeitskriterium nur etwas andem, wenn eine weitere Vorenthaltung der Beschuldigteneigenschaft willktirlich war. Zwar sprechen die Umstande objektiv fur eine Taterschaft des G Es war aber nicht auszuschlieCen, dass sich der Verdacht nicht erharten wiirde. Willkurlich war die fehlende Belehrung auch deshalb nicht, weil die Beamten von der Schuld des G noch nicht tiberzeugt waren. G war nach dieser Ansicht demnach noch nicht Beschuldigter. c) Nach einer weiteren Auffassung^^ ist jede MaBnahme, die erkennbar darauf abzielt, den Adressaten der MaBnahme einer Straftat zu iiberfiihren, als ausreichendes Kriterium fur die Begriindung der Beschuldigteneigenschaft anzusehen. Ob eine Befragung erkennbar darauf abzielt, einen Tatverdacht weiter zu klaren, ergibt sich aus dem Inhalt der Fragen und der Gesamtumstande. Nach dieser Ansicht, die den Rechtsgedanken des § 397 AO heranzieht, hangt die Beschuldigteneigenschaft des G davon ab, ob die ihm gestellten Fragen zum Ziel hatten, ihn einer Straftat zu iiberfuhren. Den Inhalt der Befi'agung gibt der Sachverhalt nicht wieder, aber aus der Antwort des G kann geschlossen werden, dass A ihm konkrete Fragen zu einer eventuellen Strafl^arkeit gestellt hat. G hat die Situation als gefahrlich eingestuft; das kann nur so verstanden werden, dass die Fragen darauf gerich-
V. Heydebreck S. 72 ff.; Kohlhaas, NJW 1965, 1254, 1255; ahnlich: Gundlach, Vemehmung des Beschuldigten, S. 14. Artzt, Kriminalistik 1970 379, 381; Geppert, Jura 1991, 80, 83; Riefi, JA 1980, 293, 298. BGHSt 10, 8, 10; 17, 128, 130; 37, 48, 51; BayObLG, StV 1995, 237; LG Stuttgart, NStZ 1985, 568, 569; Dingeldey, JA 1984, 407, 410; Geppert, Jura 1991, 80, 83; Lemke, in: HKStPO, § 136 Rdnr. 5; Ranft, Strafprozessrecht, Rdnr. 299. BGHSt 38, 214; BGH, StV 1985, 397, 398; BGH, NJW 1992, 1463, 1466; BGH, NJW 1997, \59\\ Achenbach, in: AKStPO, § 163a Rdnr. 20; Beulke, StraQ)rozessrecht, Rdnr. 112; Hellmann, Strafprozessrecht, Rdnr. 427 ff.; Rogall, Der Beschuldigte, S. 27 ff
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tet waren, ihn wegen der Gewasserverunreinigimg zu iiberfuhren. Nach dieser Auffassung war G damit zum Zeitpunkt der Befragimg bereits Beschuldigter. d) Die Auffassung, nach der die Beschuldigteneigenschaft von einem Willensakt der StrafVerfolgungsorgane abhangt, kann nicht tiberzeugen. Gerade der vorliegende Fall verdeutlicht, dass dem tatsachlich schon Beschuldigten diese ProzessroUe auf diese Weise unangemessen lange vorenthalten werden kann, indem die Strafv^erfolgungsbehorden den Willensakt nicht vomehmen. Diese Auffassung legt es dem Vemehmenden damit ungerechtfertigterweise in die Hand, iiber die RoUe des Befragten zu entscheiden. Zwar scheint diese Gefahr einer bewussten Vorenthaltung der Beschuldigteneigenschaft und damit die Verzogerung der Belehrung durch das Willkiirlichkeitskriterium in ertraglichen Grenzen gehalten zu werden. Es reicht jedoch nicht aus, den Beurteilungsspielraum der Beamten angemessen zu begrenzen. Eine Verdichtung des Tatverdachts in dem MaBe, dass eine weitere belehrungsfreie Befragung als willkiirlich erscheint, wird namlich nur in ganz seltenen Ausnahmefallen bejaht. Zuzustimmen ist damit der Ansicht, die auf eine Kombination objektiver und subjektiver Kriterien abstellen, weil es nicht darauf ankommen kann, ob ein Beamter gegen jemanden wegen einer Straftat ermitteln will, sondem ob er tatsachlich ermittelt. Diese Ansicht vermeidet durch die Kombination objektiver und subjektiver Merkmale die Schwachen der zuvor genannten Auffassungen^"^, weshalb ihr zuzustimmen ist. Damit ist G im Zeitpunkt der Befragung bereits Beschuldigter.
5. Unverwertbarkeit einer Beschuldigtenvernehmung bei unterlassener Belehrung 113
Wie bereits dargelegt wurde, kann ein Beschuldigter nach alien Ansichten nicht informatorisch befi'agt werden. Das hat zur Folge, dass G uber seine Rechte hatte belehrt werden miissen. Nach heute gefestigter Rechtsprechung^^ und allgemeiner Meinung in der Literatur^^ zieht eine Verletzung der Pflicht, den Beschuldigten auf sein Schweigerecht hinzuweisen, ein Verwertungsverbot der auf diese Weise erlangten Aussagen nach sich. A darf demnach nicht uber die AuBerungen, die G in der vermeintlichen informatorischen Befragung gemacht hat, vemommen werden.
Frage 5: Zulassigkeit der Verwertung der AuBerungen des G in der Vernehmung 114
Der Verwertung der AuBerungen, die G in der Vemehmung gemacht hat, konnte das Verhalten des A, durch das er G zum Verzicht auf die Ausiibung des Verteidigerkonsultationsrechts bewegt hat, entgegenstehen.
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//e//wa««,Strafprozessrecht, Rdnr. 67. BGHSt 38, 214, 220 ff.; OLG Celle, NStZ 1991, 403, 404; OLG Celle, NJW 1993, 454; OLG Oldenburg, NStZ 1995,412. Beulke, Stra§)rozessrecht, Rdnr. 117; Boujong, in: KK, § 136 Rdnr. 26 ff.; Hellmann, Strafprozessrecht, Rdnr. 451; Meyer-Gofiner, § 136 Rdnr. 20; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 25 Rdnr. 24.
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7. Verwertungsverbot bei rechtswidriger Verhinderung der Verteidigerkonsultation Das Verbot, die Konsultation mit dem Verteidiger zu verhindem, ist in Rechtsprechung^^ und Literatur^^ einhellig anerkannt. Nach allgemeiner Auffassung folgt aus einer Verletzung dieses Verbots die Unverwertbarkeit der AuBerungen in der Vemehmung, weil der Beschuldigte in seiner Rechtsstellung schwer betroffen werde, wenn die Hinzuziehung eines Verteidigers wirksam unterlaufen wird. Deshalb wird wie bei der Verletzung der Belehrungsvorschrift nicht nach Umstanden und Gewichtigkeit der einzelnen Falle unterschieden, sondem die Verweigerung der Konsultation fuhrt grundsatzlich zu einem Verwertungsverbot, ohne dass es auf die konkrete Art und Weise der Beeintrachtigung ankommt^^.
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2. Rechtswidrige Verhinderung der Verteidigerkonsultation Fraglich ist aber, in welchen Fallen eine rechtswidrige Verhinderung der Verteidigerkonsultation angenommen werden kann. In Teilen der Literatur^^ wird vertreten, jede Einwirkung auf den Beschuldigten sei verboten. Ob aber auch in sachlichen Bemerkungen der Vemehmungsbeamten bereits eine rechtswidrige Verhinderung gesehen werden muss, ist zumindest zweifelhaft^V Der 4. Senat des BGH^^ bejaht eine Verhinderung der Verteidigerkonsultation, wenn der Beschuldigte den Eindruck haben musste, er werde sein Recht nicht durchsetzen konnen. In einer vorangegangenen Entscheidung verlangt der 3. Senat^^ allerdings einen VerstoB gegen § 136a StPO. Solange die Entscheidungsfreiheit des Beschuldigten durch die Einwirkungen nicht erheblich beeintrachtigt worden sei, habe der Beschuldigte freiwillig auf die Ausiibung seines Verteidigerbeistandsrechts verzichtet. In der Literatur finden sich keine naheren Konkretisierungen, was unter einer Verhinderung der Verteidigerkonsultation im Einzelnen zu verstehen ist. Da das Urteil des 4. Senats aber auf allgemeine Zustimmung^"^ gestoBen ist, kann davon ausgegangen werden, dass auch die nahere Konkretisierung des 4. Senats anerkannt ist. Die Verteidigerkonsultation ist demnach dann prozessordnungswidrig verhindert worden, wenn in dem Beschuldigten der Eindruck entstehen musste, er werde dieses Recht nicht durchsetzen konnen. Die AuBerung des A, jetzt werde Tacheles geredet, konnte G nur so verstehen, dass die Vemehmung fortgesetzt werde, bis er die Wahrheit gesagt habe. Fur G drangte sich deshalb der Schluss auf, der Versuch, einen Verteidiger hinzuzuziehen, sei vergeblich. Wenn die Ver^^ BOH, NJW 1992, 2903, 2905; BGHSt 38, 372; BOH, wistra 1999, 29. ^^ Beulke, Strafprozessrecht, Rdnr. 156; Boujong, in: KK, § 136 Rdnr. 14; Hellmann, Strafprozessrecht, Rdnr. 452; Meyer-Gofiner, § 136 Rdnr. 10; Ranft, Strafprozessrecht, Rdnr. 333; Rogall, in: SKStPO, § 136 Rdnr. 37; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rdnr. 29; Strate/Ventzke, StV 1986, 30. "^^ Nur scheinbar einschrankend BGHSt 42, 170, 172. ^^ Strate/Ventzke, StV 1986, 30. ^^ HanacK in: LR, § 136 Rdnr. 69. ^^ BGHSt 38, 372. ^^ BGH, NJW 1993, 2903. ^^ Z.B. Gold, JA 1995, 411, 414; Lesch, JA 1995, 157, 162.
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nehmung erst abgebrochen wird, wenn G gestanden hat, verhert der Verteidigerbeistand jeden Sinn. A hat G also in den Glauben versetzt, die Ausiibung des Verteidigerrechts sei zwecklos. Die Annahme, A habe die Durchsetzung des Rechts des G verhindert, wird durch die erste Bemerkung des A gestiitzt. Diese Bemerkung, „er habe die Sonderbehandlungen satt", ist so zu interpretieren, als sei das Recht auf einen Verteidiger die gemeinte Sonderbehandlung. G muss also den Eindruck gehabt haben, das Recht auf einen Verteidiger stehe ihm als „Sonderbehandlung" nicht zu, und A sei nicht gewillt, ihm die Moglichkeit einer Konsultation zu gewahren.
3. Ergebnis Die Verteidigerkonsultation ist verhindert worden, sodass die in der Vemehmung erlangten AuBerungen nicht verwertbar sind.
Hinweise zur Losung: 118
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Viele der hier angesprochenen Probleme sind im Einzelnen ungeklart bzw. befmden sich in Rechtsprechung und Literatur noch in der Diskussion. Eine Argumentation nach dem Muster „Meinung A, Meinung B, Stellungnahme" ist hier also nicht moglich. Zu einer tiberzeugenden Losung gelangt in diesem Fall nur, wer die Probleme erkannt und sich eigene Gedanken gemacht hat. Die hier vorgestellte Musterlosung ist deshalb auch lediglich als Vorschlag zu verstehen, welche die Ansicht der Autorin widerspiegelt. Das in Frage 1 behandelte Problem der Verwertbarkeit privater Ermittlungen ist in der wissenschaftlichen Diskussion noch nicht abschlieBend geklart. Die von der h.M. vertretene Abwagungsregel, nach der eine Verwertbarkeit dann ausgeschlossen ist, wenn der Akt der Beweisermittlung extrem menschenrechtswidrig war, lost die Probleme letztlich nicht, weil nicht die Falle der Herbeifiihrung von Gestandnissen unter Anwendung folterahnlicher Methoden die Praxis dominieren. Die in der Literatur entwickelten Altemativlosungen vermogen aber auf Grund ihrer unklaren Aussagen ebensowenig zu iiberzeugen. Die Auffassung, die eine analoge Anwendung des § 136a StPO befurwortet, bietet zwar eine klare Abgrenzung, kann jedoch m.E. nicht iiberzeugen. Wenn der Bearbeiter dieser Auffassung zustimmt, muss er sich damit auseinandersetzen, ob die verabreichte Alkoholmenge geeignet war, die Folgen des § 136a StPO auszulosen, was wohl abzulehnen ist. Bei der Beantwortung der Frage 2 muss sich der Bearbeiter zunachst damit auseinandersetzen, wie Tonbander in die Hauptverhandlung eingefuhrt werden. Dabei ist eine andere Losung als die hier dargestellte gut vertretbar. Inwieweit private Beweisergebnisse, die durch technische Hilfsmittel erlangt worden sind, verwertet werden konnen, ist schwieriger zu beantworten. In der Rechtsprechung hat sich noch keine einheitliche Linie herausgebildet. Wahrend zum Teil ein VerstoB gegen § 201 I Nr. 2 StGB gepruft wird, steht in anderen Entscheidungen der Eingriff in das AUgemeine Personlichkeitsrecht im Mittelpunkt. Im Ergebnis lauft
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es aber immer auf eine Abwagung nach den Grundsatzen der Rechtsprechung des BVerfG hinaus. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich hier, weil eine Losung nur iiber die RechtmaBigkeit der Aufiiahme und der Einfuhrung der Aufnahme in den Prozess zu erreichen ist. Da es sich nicht um eine Frage der Beweisverwertungsverbote im engeren Sinn handelt, ist die Aufgabe durch eine Heranziehung der einzelnen Theorien zu den Beweisverwertungsverboten nicht zu losen. Die der Frage 3 zugrundeliegende Konstruktion entspricht in etwa dem in BGHSt 29, 230 entschiedenen Fall. Diese Entscheidung gehort zu den „Klassikem" im Bereich der StPO, deshalb ist die Lekture dringend anzuraten. Die Frage 4 ist dagegen schwieriger zu beantworten. Die einzelnen Stellungnahmen zu den sog. informatorischen Befragungen unterscheiden sich zumeist nur im Detail. Hier ist eine Losung gewahlt worden, nach der G schon nicht mehr informatorisch befragt werden konnte, weil er bereits Beschuldigter war. Leider ist diese enge Auffassung vom Beschuldigtenbegriff nicht allgemein anerkannt. Wer die Ansicht vertritt, G sei noch nicht Beschuldigter gewesen, muss sich mit den Grenzen der zulassigen informatorischen Befragung befassen. M.E. war eine rein informatorische Befragung hier nicht mehr zulassig, weil G bereits konkret verdachtig war. Die - problematische - Rechtsprechung wiirde eine solche Befragung aber wohl auch noch in diesem Fall zulassen. Gerade Fallgestaltungen wie die hier vorliegende verdeutlichen das eigentliche Anliegen der sog. Vorermittlungen und der bei ihnen anerkannten informatorischen Befragungen. Es besteht darin, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens trotz konkreter Anhaltspunkte einer Straftat moglichst lange hinauszuschieben, um den Verdachtigten zu einer belastenden Aussage zu bewegen. In casu ist das Ergebnis aber letztlich offen, sodass es lediglich auf eine iiberzeugende Argumentation ankommt. Das im Rahmen der Frage 5 zu losende Problem ist der Entscheidung BGHSt 38, 372 nachgebildet. In welchen konkreten Fallen eine rechtswidrige Verweigerung der Verteidigerkonsultation anzunehmen ist, bedarf noch der weiteren Klarung. Die Frage ist aber mit der Kenntnis der BGH-Entscheidung zu losen. Eine Prazisierung der ICriterien des BGH kann in einer Hausarbeit nicht erwartet werden, sondem nur eine iiberzeugende Anwendung der aufgestellten Grundsatze. Wegen der engen Anlehnung des Sachverhalts an die zugrundeliegende BGHEntscheidung ist eine rechtswidrige Verweigerung relativ problemlos anzunehmen.
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Klausur Nr. 1*
Der Choleriker Durchsuchung und Beschlagnahme - Zufallsfund - Beweisverwertungsverbote - Tagebiicher - Verteidigerrechte Am 4. April 2005 wurde der Miteigentumer der Stahlwerke K & B, Peter Bremer (B), tot in seinem privaten Arbeitszimmer aufgefunden. Nach einer ersten Rekonstruktion der Tat musste B den Tater in die Wohnung gelassen haben und von diesem hinterriicks erschossen worden sein. Anzeichen fur Gegenwehr wurden nicht gefunden. Die Polizei erhielt am 6. April einen anonymen Hinweis, dass der cholerisch veranlagte Prokurist Horst Thorwald (T) in letzter Zeit haufig mit B in Streit ixber die Geschaftsfiihrung gelegen und B ihm mit Entlassung gedroht habe. T, der daraufhin routinemaBig befragt wurde, bestritt die Tat energisch. Ein Alibi konnte er jedoch nicht angeben. Kriminalhauptkommissar GroB (G) bat ihn daraufhin, sich bis zum Abschluss der Ermittlungen in der Stadt zur Verfugung zu halten. Nach einem Hinweis aus der Firma musste G feststellen, dass T vermutlich zwischen dem 8. und 10. April das Bundesgebiet verlassen hatte. Er bat daraufhin Staatsanwalt Speer (S) eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung fiir die Wohnung des T zu erwirken, da er hoffte, bei einer Durchsuchung die Tatwaffe und Hinweise auf den Aufenthaltsort des T zu fmden. 1. Wird der Ermittlungsrichter (E) des zustandigen Amtsgerichts nach einem entsprechenden Antrag von S eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung erlassen? Am 12. April erfolgte die Durchsuchung der Wohnung des T. Hierbei wurde eine Schusswaffe gefunden, bei der es sich um die Tatwaffe handelte. Weiterhin wurden Briefe an die Verlobte und den Rechtsanwalt des T entdeckt, die dieser nicht mehr zur Post bringen konnte. In diesen Briefen schilderte T die Tat und bat um Ratschlage fiir sein kunftiges Handeln. AuBerdem wurden Aufzeichnungen gefunden, in welchen T versucht hatte, in Form eines Selbstgespraches mit dem Totungsverbrechen an B fertig zu werden. Zudem wurden Unterlagen sichergestellt, welche belegen, dass T seit Jahren den fiir die AuBenprufung zustandigen Finanzbeamten Finck (F) „schmiert", um eingehende Buchpriifungen zu verhindem, welche Umsatzsteuerhinterziehungen der Stahlwerke aufdecken wurden.
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2. Durfen die beschlagnahmten Gegenstande in einem Strafverfahren gegen T verwendet werden? 3. Ware die Verwertung der sichergestellten Unterlagen in einem Verfahren gegen F zulassig? Nachdem T international zur Fahndung ausgeschrieben worden war, kam in der Femsehsendung „Passiert" ein Bericht iiber den Fall. Der Sendung lagen Informationen zugrunde, die der Polizei bislang unbekannt waren. G mochte deshalb die Redaktionsraume durchsuchen lassen, um das selbstrecherchierte Material des Redakteurs Jordan (J) zu beschlagnahmen. 4. Wird E nach einem entsprechenden Antrag von S eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung fur die Redaktionsraume des J erlassen? Lehrbuch: Rn. 404 ff.; 410 ff.; 380 ff.; 413 f.; 786 ff.; 782 ff.; 126; 398; 485 ff.
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Losung Frage 1: Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung Ermittlungsrichter E wird die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung erlassen, wenn er zustandig ist und die sachUchen Voraussetzungen der beantragten MaBnahme vorUegen.
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/. Zustdndigkeit des E Gem. §§ 162 I, 105 I StPO ist der Richter des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die zu durchsuchende Wohnung belegen ist, sachlich und orthch fur die Anordnung zustandig. E ist daher zustandig.
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//. Antrag der Staatsanwaltschaft Der nach § 162 I StPO erforderliche Antrag der Staatsanwaltschaft liegt vor.
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///. Sachliche Voraussetzungen Wie bei jeder strafprozessualen ZwangsmaBnahme im Ermittlungsverfahren, miissen ein Tatverdacht, die speziellen Voraussetzungen des Zwangsmittels sowie die VerhaltnismaBigkeit gegeben sein.
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/. Tatverdacht Der fur § 102 I StPO erforderliche Anfangsverdacht ist gegeben, wenn auf Grund tatsachlicher Anhaltspunkte die Moglichkeit besteht, dass eine Straftat begangen oder versucht wurde. Spatestens mit der Anordnung einer UntersuchungsmaBnahme wird die Person, welche dieser unterworfen werden soil, zum Verdachtigen.
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a) Tatsdchliches Moment Die vor kurzem ausgesprochene Drohung des B, den T zu entlassen, stellt ein mogliches Tatmotiv dar. Da Spuren fur ein gewaltsames Eindringen fehlen, spricht vieles dafiir, dass das Opfer den Tater in die Wohnung gelassen hat, weil es ihn moglicherweise kannte. So konnte B den T in die Wohnung gebeten haben, um Unstimmigkeiten zu klaren. Die cholerische Veranlagung des T lasst es moglich erscheinen, dass es wahrend des Gespraches zu einem spontanen Gewaltausbruch gekommen ist. Der Umstand, dass T die Stadt trotz einer gegenteiligen Aufforderung verlassen hat, kann als Schuldeingestandnis und Flucht gewertet werden. Diese Indizien machen in tatsachlicher Hinsicht eine Taterschaft des T wahrscheinlich.
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b) Rechtliches Moment Die Umstande deuten auf ein vorsatzliches Totungsverbrechen gem. § 212 I StGB hin. T konnte auch ein Mordmerkmal verwirklicht haben. In Betracht kommt
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Heimtucke. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur definiert diese als das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtimg. Arglosigkeit liegt vor, wenn das Opfer sich keines Angriffs versieht. Dies bedeutet, dass das Opfer bei Beginn der Angriffshandlung einen tatsachlichen Angriff nicht erwartet und dadurch in seiner Abwehrbereitschaft und Abwehrfahigkeit eingeschrankt ist. Eine Totung in dem Moment, indem das Opfer dem Tater ahnungslos den Rucken zukehrt, ist der klassische Fall fur die „tuckische" Begehung der Tat, da der Tater sein Opfer so in hilfioser Lage iiberrascht, dass es dem Anschlag auf sein Leben nicht begegnen kann. Hier fehlen Anzeichen von Gegenwehr und das Opfer ist hinterrucks erschossen worden. Es ist daher wahrscheinlich, dass B ohne vorherigen Streit oder tatliche Auseinandersetzung getotet wurde. Heimtucke liegt demnach vor. Die herrschende Lehre verlangt zusatzlich das Vorliegen eines besonders verwerflichen Vertrauensbruches. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht ein besonderes Vertrauensverhaltnis, welches durch die Tat verletzt worden ware, sodass diese Voraussetzung gegeben ist. Es besteht somit ein Anfangsverdacht nach § 211 StGB gegentiber T.
2. Spezielle Voraussetzungen des § 102 StPO 132
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Nach § 102 StPO kann eine Durchsuchung u.a. dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass diese zur Auffindung von Beweismitteln fahren wird. Die Vermutung muss auf tatsachlichen Anhaltspunkten oder auf kriminalistischer Erfahrung beruhen. Weiterhin muss die Durchsuchung der Auffmdung von Beweismitteln dienen, die keinem Beschlagnahmeverbot unterliegen. Es ist eine kriminalistische Erfahrung, dass Tater, die nicht professionell tatig sind, Beweismittel, wie z.B. die Tatwaffe, in ihrer Wohnung verstecken und Hinweise auf Fluchtorte hinterlassen, ohne dass ihnen dies bewusst ist. Die aufzufmdenden Beweismittel mtissten der Beschlagnahme unterliegen. Beweismittel i.S.d. § 94 StPO sind alle bewegUchen oder unbewegHchen Sachen, die mittelbar oder unmittelbar fur die Tat oder die Umstande ihrer Begehung Beweis erbringen. Die Tatwaffe besitzt diese Beweisbedeutung. Beschlagnahmeverbote liegen nicht vor, sodass einer Durchsuchung mit dem Ziel der Auffmdung der Tatwaffe die §§94 ff. StPO nicht entgegenstehen.
3. Verhdltnismdjiigkeit 135
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Grundrechtsrelevante Eingriffe im Ermittlungsverfahren mussen verhaltnismaBig sein. Dies gilt besonders bei Durchsuchungen, da diese regelmaBig eine schwerwiegende Beeintrachtigung der Grundrechte aus Art. 2 und 13 GG darstellen. Die MaBnahme hat daher in einem angemessenen Verhaltnis zur Schwere der Straftat und der Starke des bestehenden Tatverdachts zu stehen. Die Durchsuchung der Wohnung des T musste geeignet sein, die genannten Beweismittel fur das Strafverfahren sicherzustellen. Eine Eignung liegt vor, wenn die MaBnahme nicht ungeeignet ist, den gewiinschten Erfolg herbeizufuhren. Dies ist bei einer Durchsuchung der Fall. Die MaBnahme muss auch erforderhch sein. Dies ist sie, wenn kein gleich geeignetes Mittel ersichtlich ist, welches T weniger belasten wtirde. Ein solches Mittel ist hier nicht gegeben. Weiterhin musste die
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Durchsuchung angemessen, d.h. verhaltnismaBig im engeren Sinne sein. Hier geht es um die Aufklarung eines Mordes, eines der schwersten Delikte iiberhaupt. In diesem Fall geht das Aufklarungsinteresse des Staates dem Grundrecht des T auf Unverletzlichkeit seiner Wohnung vor. Die Durchsuchung ist daher verhaltnismaBig.
IV. Ergebnis E wird die beantragte Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung erlassen.
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Frage 2: Verwertung der Gegenstande im Verfahren gegen T Die beschlagnahmten Gegenstande diirfen in einem Strafverfahren gegen T als Beweismittel verwendet werden, wenn sie keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Ein Beweisverwertungsverbot kann aus einem Beweiserhebungsverbot folgen oder sich unmittelbar aus der Verfassung ergeben. Es ist daher zu priifen, ob Beweiserhebungsverbote, wie z.B. § 97 I StPO oder verfassungsunmittelbare Erhebungsverbote vorhegen und diese zu einem Verwertungsverbot fiihren.
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1. Die Tatwaffe Wie bereits im Zusammenhang mit der Durchsuchungsanordnung gepriift, liegen beziiglich der Tatwaffe die Voraussetzungen der Beschlagnahme vor, und es sind keine Beweiserhebungsverbote ersichtlich. Die Tatwaffe ist daher verwertbar.
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2. Der Brief des T an seine Verlobte Wegen der darin enthaltenen Schilderung des Tathergangs besitzt der Brief Beweisbedeutung und ist Beweismittel i.S.d. § 94 I StPO. Es konnte jedoch ein Beschlagnahmeverbot gegeben sein. Nach § 97 I Nr. 1 StPO unterliegen schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den nach §§ 52, 53 INr. 1 bis 3b StPO zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten nicht der Beschlagnahme. Die Verlobte des Beschuldigten kann gem. § 52 I Nr. 1 StPO das Zeugnis verweigem, sodass § 97 I StPO erfiillt ist. Gem. § 97 II S. 1 StPO gilt dieses Beschlagnahme verbot jedoch nur, wenn sich der Brief im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befmdet. Dies ist hier nicht der Fall. Sonstige der Verwertung entgegenstehende Umstande sind nicht ersichtlich. Der Brief an die Verlobte ist daher verwertbar.
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5. Der Brief an den Rechtsanwalt Der Brief an den Rechtsanwalt ist ebenfalls Beweismittel i.S.d. § 94 I StPO. Da der Rechtsanwalt des Beschuldigten gem. § 53 I Nr. 3 StPO zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, liegt § 97 I StPO vor. Da sich der Brief aber nicht im Gewahrsam des Rechtsanwaltes befand, ist an sich die Ausnahmevorschrift des § 97 II S. 1 StPO erfallt. Fraglich ist jedoch, ob sich aus § 148 I StPO etwas anderes ergibt. § 148 StPO schiitzt den schriftlichen und miindlichen Verkehr des Beschuldigten
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mit seinem Verteidiger. Diese Vorschrift ist zeitlich nach § 97 II S. 1 StPO in Kraft getreten und erganzt diese Norm. SchriftHche Mitteilungen des Beschuldigten an seinen Rechtsanwalt sind daher auch dann von der Beschlagnahme ausgeschlossen, wenn sie noch nicht abgesandt sind oder sich auf dem Postweg befmden. Ausnahmen gelten nur dann, wenn gegen den Rechtsanwalt der Verdacht der Teilnahme oder der Begunstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei besteht (§ 97 II S. 3 StPO). Da hierfar keine Anhaltspunkte vorliegen, hatte der Brief nicht beschlagnahmt werden durfen. Fraglich ist, ob aus diesem Beweiserhebungsverbot ein Beweisverwertungsverbot folgt. Ausdrlickliche gesetzliche Beweisverwertungsverbote wie in § 136a III 2 StPO oder § 511BZRG sind die Ausnahme. Es besteht daher Einigkeit dariiber, dass nicht jeder Verfahrensfehler zur Unverwertbarkeit des Beweismittels fiihrt. Die friihere Rechtsprechung griff bei dieser Frage auf die Rechtskreistheorie zuriick. Danach fiihrt die Verletzung eines Beweiserhebungsverbotes dann zu einem Verwertungsverbot, wenn der Rechtskreis des Beschuldigten wesentlich beriihrt ist. In der Literatur und neueren Rechtsprechung hat sich jedoch die Uberzeugung durchgesetzt, dass die Frage eines Beweisverwertungsverbotes am Einzelfall geklart werden muss und hierbei eine Abwagung zwischen den geschiitzten Interessen des Beschuldigten und den Strafverfolgungsinteressen des Staates zu erfolgen hat. Kriterien hierbei sind die Schwere des Tatvorwurfs und des VerfahrensverstoBes, die Bedeutung des Beweismittels, der Schutzzweck des Beweiserhebungsverbotes und die Moglichkeit der legalen Gewinnung des Beweismittels. Hier geht es zwar um die Aufklarung eines Mordes, aber andererseits stellt das Recht auf ungehinderte Verteidigerkonsultation einen Eckpfeiler des fairen Verfahrens dar. Die Rechtskreistheorie wurde daher zu einer Unverwertbarkeit gelangen. Nach Ansicht der Literatur und neueren Rechtsprechung ist der VerstoB gegen dieses Recht so schwerwiegend, dass hierauf ein Verwertungsverbot folgen muss. Der Brief des T an seinen Rechtsanwalt ist daher nach beiden Auffassungen nicht verwertbar.
4. Die Aufzeichnungen 144
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Die Aufzeichnungen besitzen Beweisbedeutung, da sich T in ihnen mit der Straftat auseinandersetzt. Das Beschlagnahmeverbot des § 97 I StPO gilt nicht hinsichtUch schriftlicher Notizen des Beschuldigten. Es konnte jedoch ein verfassungsunmittelbares Beschlagnahmeverbot vorliegen. Ein solches kann sich aus dem in Art. 2 I i.V.m. Art. 11GG verbiirgten allgemeinen Personlichkeitsrecht herleiten. Es konnte sich um tagebuchartige Aufzeichnungen handeln. BloBe Niederschriften uber verubte Taten und deren Opfer fallen nicht unter diesen Begriff. In den Schriftstucken muss sich der Tater vielmehr mit sich und seinen Taten auseinandersetzen. Zweck des Aufschreibens konnen die allmahliche Erlangung eigener Vollkommenheit oder die Losung innerer Spannungen sein. Da T in Form von Selbstgesprachen versuchte, mit der Tat fertig zu werden, liegen tagebuchartige Aufzeichnungen vor. Umstritten ist, ob und wann diese dem unantastbaren Kembereich privater Lebensgestaltung unterfallen und damit der offentlichen Gewalt schlechthin entzogen sind. Eine Auffassung lehnt die Zuordnung in den Kembe-
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reich regelmaBig ab, da eine schriftliche Fixierung durch die Aufzeichnungen vorUege, und ordnet Tagebiicher der Privatsphare zu, in die aus Grunden des uberwiegenden Allgemeininteresses eingegriffen werden darf. Eine andere Ansicht stellt bei dieser Frage darauf ab, ob die Aufzeichnungen hochstpersonUchen Charakter haben und die Art und Weise der Aufbewahrung darauf schUeBen lasse, dass der Verfasser seine schriftUch fixierten Gedanken geheimhalten wollte. Lagen diese Voraussetzungen vor, so seien sie dem unantastbaren Kembereich zuzuordnen. Diese Ansicht wtirde hier zu einer Unverwertbarkeit der Aufzeichnungen kommen. Der ersten Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die These, der Kembereich scheide aus, weil der Tater seine Gedanken schriftlich fixiert und damit die Gefahr geschaffen hat, dass Dritte hierauf Zugriff nehmen konnen, iiberzeugt nicht. Dieses Kriterium stellt letztlich nur eine Of&iungsklausel dar, die verhindert, dass ein abgrenzbarer Kembereich erhalten bleibt, der auch in Fallen schwerster Kriminalitat zu einem Beweismittelverlust fiihren kann. Schrankt man den Kembereich des Personlichkeitsrechts derart ein, bietet er nur Schutz vor einer „Gehimwasche". In der hochstrichterlichen Rechtsprechung wurde bislang in keinem Fall angenommen, dass Tagebiicher dem unantastbaren Kembereich angehoren, stattdessen wurde eine Abwagung vorgenommen, die in Fallen der Schwerstkriminalitat stets zu einer Verwertbarkeit fuhrt. Dies wird dem allgemeinen Personlichkeitsrecht aus Art. 2 I, 1 I GG aber nicht gerecht. Soil der Einzehie nicht zum bloBen Objekt zweckmaBiger Entscheidungen werden, muss ihm ein Kembereich seiner Personlichkeit verbleiben, in den auch aus uberragenden Grunden des AUgemeinwohls nicht eingegriffen werden darf. Die Aufzeichnungen gehoren daher - trotz ihrer schriftlichen Fixiemng - dem unantastbaren Kembereich an. Sie durften nicht beschlagnahmt werden und sind im Verfahren gegen T unverwertbar.
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5. Die weiteren Unterlagen Die Unterlagen, welche eine Vorteilsgewahmng bzw. Bestechung des F belegen, stehen in keinem Zusammenhang mit dem Tatvorwurf gem. § 211 StGB gegeniiber T. Nach § 108 I StPO durfen solche sog. Zufallsfunde einstweilen in Beschlag genommen werden. Eine Unverwertbarkeit dieser Beweismittel tritt ein, wenn die Strafv^erfolgungsbehorde gezielt nach solchen Zufallsfunden sucht. Da dies hier nicht der Fall war, steht § 108 I StPO einer Verwertung nicht entgegen. Auf Grund des durch den Zufallsfund begriindeten neuen Tatverdachts muss in angemessener Zeit ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, welches mit dem schon bestehenden verbunden werden kann. Innerhalb des neuen Verfahrens ist dann zu entscheiden, ob der vorlaufig in Beschlag genommene Gegenstand als Beweismittel zu beschlagnahmen ist. Die Staatsanwaltschaft ist fiir diese Entscheidung nicht zustandig, da nach der schon erfolgten vorlaufigen Beschlagnahme keine Gefahr im Verzug vorliegt. In dem neuen Verfahren ist ebenfalls eine eventuelle Beschlagnahmefreiheit nach § 97 StPO zu prufen. Eine solche Uegt hier jedoch nicht vor. In einem weiteren Ermittlungsverfahren gegen T wegen des
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Verdachts nach §§ 333 bzw. 334 StGB konnen die Unterlagen daher verwertet werden.
Frage 3: Verwertbarkeit der Unterlagen gegenuber F 150 151
Die sichergestellten Unterlagen konnen in einem Verfahren gegen F verwendet werden, wenn sie keinem Beweisverwertungsverbot unterhegen. § 108 I StPO steht einer Verwertung nicht entgegen, es werden nur dort Grenzen gezogen, wo die Strafverfolgimgsbehorden - was hier nicht der Fall war gezielt nach Zufallsfunden forschen. Des Weiteren liegt auch § 97 I StPO nicht vor. Ein verfassungsunmittelbares Beschlagnahmeverbot ist nicht ersichtlich, sodass eine Verwendung der Unterlagen in einem Verfahren gegen F zulassig ist.
Frage 4: Eriass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung fur die Redaktionsraume 152
E wird die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung erlassen, wenn er zustandig ist und die Voraussetzungen der MaBnahme vorliegen.
/. Zustandigkeit 153
Gem. §§ 162 I, 105 I, 98 I S. 2 StPO ist flir Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen im Anwendungsbereich von § 97 V StPO nur der Richter des Amtsgerichts zustandig, in dessen Gebiet sich die Redaktionsraume befmden. E ist demnach zustandig.
//. Antrag der Staatsanwaltschaft 154
Der nach § 162 I StPO erforderliche Antrag der Staatsanwaltschaft liegt vor.
///. Voraussetzungen derAnordnung nach §103 StPO 1. Tatverdacht 155
Wie oben festgestellt wurde, liegt gegenuber T ein Tatverdacht gem. § 211 StGB vor. Dieser wurde durch die schon beschlagnahmten verwertbaren Beweismittel bekraftigt.
2. Spezielle Voraussetzungen des §103 StPO 156
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Die Durchsuchung muss dem Auftinden bestimmter Beweismittel dienen. Es mtissen zudem Tatsachen vorliegen, aus denen zu schlieBen ist, dass diese sich in den zu durchsuchenden Raumen befmden. Die Anforderungen sind hierbei strenger als bei § 102 StPO, da ein Nichtverdachtiger der ZwangsmaBnahme unterworfen wird. Aufgeftinden werden soil das selbstrecherchierte Material des Redakteurs J. Dieses kann im Strafverfahren gegen T Beweis erbringen. Auf Grund des Fern-
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sehbeitrages ist bekannt, dass sich dieses Material in den Redaktionsraumen befindet. Die Durchsuchung darf aber nur der Auffindung von Beweismitteln dienen, die keinem Beschlagnahmeverbot unterliegen. Hier konnte § 97 V StPO erfiillt sein. Danach ist die Beschlagnahme von Schriftstucken, Ton-, Bild- und Datentragem, Abbildungen und anderen Darstellungen unzulassig, wenn sich diese im Gewahrsam von Personen, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 I S. 1 Nr. 5 bezieht, befinden. § 97 V StPO wird also von der Reichweite dieses Zeugnisverweigerungsrechtes begrenzt. Es umfasst alle Personen, die u.a. bei der Vorbereitung, Herstellung und Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen Oder Filmberichten berufsmaBig mitwirken. J gehort als Redakteur einer Femsehsendung zum Personenkreis des § 53 I S. 1 Nr. 5 StPO. Das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt sich auf die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewahrsmann von Beitragen und Unterlagen sowie auf die dem Joumalisten im Hinblick auf seine Tatigkeit gemachten Mitteilungen soweit es sich um Beitrage, Unterlagen und Mitteilungen fur den redaktionellen Teil handelt. Daruber hinaus bezieht sich nach § 53 I S. 2 StPO das Zeugnisverweigerungsrecht auf selbst erarbeitete Materiahen des Zeugnisverweigerungsberechtigten. § 53 II S. 2 StPO schrankt dies jedoch wieder ein, wenn die selbst erarbeiteten Materialien - wie hier - zur Aufklarung eines Verbrechens beitragen soUen, es sei denn durch die Offenbarung dieser Informationen wiirde u.a. die Identitat eines Informanten enttamt werden. Ob hier uberhaupt ein Informant beteiligt war, ist nicht ersichtlich. Daher unterhegt das Material keinem Beschlagnahmeverbot.
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3. Verhdltnismdjiigkeit Die MaBnahme muss verhaltnismaBig sein. Sie ist geeignet, die Unterlagen fur das Strafverfahren nutzbar zu machen. Fraglich ist, ob sie auch erforderlich ist. Als milderes Mittel kommt die Aufforderung in Betracht, die Unterlagen freiwillig herauszugeben. Jedoch besteht die Gefahr, dass J die Unterlagen nicht voUstandig an die Strafverfolgungsbehorden weiterleiten wird. Eine solche Aufforderung stellt somit keine gleich geeignete MaBnahme dar. Die Beschlagnahme der Unterlagen ist auch verhaltnismaBig im engeren Sinne, da es um die Aufklarung eines Mordes geht.
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IV. Ergebnis E wird die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung erlassen.
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Hinweise zur Losung: Die Beantwortung der Frage 1 wirft keine Probleme auf. Wichtig ist nur ein strukturierter und vollstandiger Aufbau, der die Verzahnung von materiellem Strafrecht und Prozessrecht verdeutlicht. Bei Frage 2 muss als Ausgangspunkt der Zusammenhang zwischen Beweiserhebungsverbot und Beweisverwertungsverbot erkannt werden (siehe hierzu z.B.
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Beulke, Stra^rozessrecht^, Rn. 454 ff.). Das Zusammenspiel von § 97 StPO und § 148 StPO bei Korrespondenz des Beschuldigten mit seinem Rechtsanwalt soUte bekannt sein (z.B.: Werle JuS 1993, 935 ff.). Die Konsequenz, dass aus dem Beweiserhebungsverbot auch ein Verwertungsverbot folgt, bedarf dann gesonderter Begriindung. Neben den genannten Theorien gibt es in der Literatur auch Ansichten, die eine generelle Linie befurworten. So soil ein VerstoB gegen Informationsbeherrschungsrechte (Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Stra^rozess, Berlin, 1990) oder die Verletzung des Schutzzwecks der Verfahrensvorschrift (Beulke, Stral^rozessrecht^, Rn. 458) zu einem Verwertungsverbot fuhren. Diese Theorien wurden hier ebenfalls zu einer Unverwertbarkeit kommen. AnspruchsvoUer ist die Problematik der Verwertbarkeit von tagebuchartigen Aufzeichnungen. Die grundlegenden Entscheidungen der hochstrichterlichen Rechtsprechung sind Standardwissen (BVerfGE 80, 367, 376; BGHSt 34, 397 ff.). Wahrend die h.M. Art. 2 I, 1 I GG als betroffene Grundrechte heranzieht, halt Amelung (u.a. NJW 1990, 1753 ff.) Art. 4 GG far anwendbar. Dieser Ansatz konnte sich bislang nicht durchsetzen und vermag auch nicht zu iiberzeugen. Durch die Verwertung eines Tagebuches wird j a nicht die Gewissensentscheidung, Tagebuch zu fuhren bzw. Gewissensentscheidungen durch das Fuhren von Tagebiichem herbeizufuhren, beeintrachtigt oder unmoglich gemacht. Die Verwertung greift vielmehr erst in einem spateren Zeitpunkt ein. Zutreffend ist daher der Ausgangspunkt der h.M., das allgemeine Personhchkeitsrecht zur Interessenabwagung heranzuziehen. Wenig iiberzeugend ist es aber, eine Einordnung von Aufzeichnungen in den unantastbaren Kembereich deshalb abzulehnen, weil der Schreiber sich ihrer entauBert habe (so BVerfGE 80, 367, 376). In der genannten Entscheidung des BVerfG konnte auf Grund einer 4:4 Entscheidung kein GrundrechtsverstoB festgestellt werden. Die Begrundung der abweichenden Meinung ist lesenswert (BVerfGE 80, 367, 380; siehe auch Ellbogen, NStZ 2001, 460 ff.). Im vorHegenden Fall konnte mit der wohl h.M. auch eine Verwertbarkeit der Aufzeichnungen angenommen werden, da im Rahmen einer dann vorzunehmenden Abwagung die Bedurfnisse einer wirksamen StrafVerfolgung das allgemeine Personlichkeitsrecht des T wesentlich tiberwiegen. Hinsichtlich § 108 StPO soUte die Unverwertbarkeit von Zufallsfiinden bekannt sein, wenn nach diesen gezielt gesucht wird (LG Berlin, StV 1987, 97). Frage 3 ist eine reine Verstandnisfrage. Es muss erkannt werden, dass Zufallsfunde sowohl gegenuber dem Tater als auch gegenuber Dritten verwertbar sind. Bei Frage 4 kommt es auf die richtige Darstellung des Verhaltnisses von § 97 V StPO zu § 53 I S. 1 Nr. 5, S. 2, II StPO an. Die 2002 in § 53 I S. 2 StPO eingefuhrte Erweiterung des Zeugnisverweigerungsrechts auf selbstrecherchiertes journaUstisches Material (kritisch hierzu z.B. Kunert, NStZ 2002, 169, 171 f.) wird durch § 53 II StPO fur Verbrechen und bestimmte Vergehen wieder eingeschrankt. Dieses Wechselspiel von Ausnahme und Gegenausnahme musste erkannt werden.
Klausur Nr. 2**
Schwedische Gardinen Voraussetzungen der Untersuchungshaft - Haftgriinde: Fluchtgefahr; Schwere der Tat - VerhaltnismaBigkeit der Untersuchungshaft Am 10, November 2004 wurde die Kriminalpolizei von dem Nachtportier des Stadttheaters der Stadt H alarmiert, da es hinter der Buhne zu einer SchieBerei gekommen sei. Am Tatort erfuhren die Kriminalbeamten, dass zur Zeit das Musical „cats and dogs" aufgeMirt werde. Wahrend der Proben sei es zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen zwischen dem Startanzer Enrico Palazzo (P) und seinem Kollegen John Ravolta (R) gekommen. R sei seit langer Zeit die zweite Besetzung fiir P, was R stets als eine Herabwiirdigung seines Konnens empfunden habe. P seinerseits lasse sich keine Gelegenheit entgehen, den anderen zum Gespott des Ensembles zu machen. Am heutigen Tage sei R nun bei den Proben gestiirzt, woraufhin P ihn als fuBkranke Ente bezeichnet habe. R sei daraufhin wutentbrannt in seine Garderobe geeilt und kurze Zeit spater mit einem Revolver zuriickgekehrt. Er habe dann auf P angelegt, wobei er die Mundung des Revolvers auf dessen Knie richtete, und gerufen: „Du wirst bald wissen, wie sich eine fliBkranke Ente fuhlt, mit einem versteiflen Knie kann man nicht tanzen!" AnschlieBend habe er abgedriickt. Dieser Sachverhalt wurde von mehreren Tatzeugen im Rahmen ihrer polizeilichen Vemehmungen bestatigt. P war umgehend in ein Krankenhaus eingeliefert worden, die Kugel hatte glticklicherweise nicht das Knie getroffen, sondem lediglich die Wade des Tanzers oberflachlich verletzt. R wurde noch am Tattag in seiner Stammkneipe vorlaufig festgenommen und in Polizeigewahrsam genommen, um am nachsten Tag dem Haftrichter vorgefuhrt zu werden. R machte im Rahmen seiner Beschuldigtenvemehmung zwar Angaben zur Person, unter anderem, dass er italienischer Staatsangehoriger sei, sein fester Wohnsitz jedoch seit nunmehr fiinf Jahren in H liege, zum Tatvorwurf wollte er sich jedoch nicht auBem. Die fiir den Fall zustandige Staatsanwaltin Silke Sauerlich (S) beantragte am 11. November 2004 bei dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts H, Dr. Jonas Ernst (E), den Erlass eines Haftbefehls gegen R. Ebenfalls am 11. November 2004 wurde dem Ermittlungsrichter der Obdachlose Hans Oskar (O) aus der Gefangenensammelstelle vorgefuhrt. Dieser hatte sich durch eine Hintertiir in die Lange-Nacht-Vorstellung des Aldiane-Kino-
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Centers in H eingeschlichen, um dort ohne Bezahlung einige Stunden im Warmen verbringen und seiner Leidenschaft fur Action-Filme fronen zu konnen. Dabei war er von einem Angestellten des Kinos ertappt worden, der Betreiber des Kinos hat gegen O wegen aller in Betracht kommenden Delikte umgehend schriftlich Strafantrag gestellt. Der Bundeszentralregisterauszug des O enthalt keine Eintragungen. Da O wohnungslos und akut alkoholkrank ist, beantragte S den Erlass eines Haftbefehls gegen O. Wird der Ermittlungsrichter die Haftbefehle gegen R und O antragsgemaB erlassen? Lehrbuch: Rn. 217 ff; 221 ff.; 233 f.
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Losung E wird die Haftbefehle erlassen, wenn er zustandig ist und die Voraussetzungen fur die Anordnung der Untersuchungshaft vorliegen.
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Haftbefehl gegen R /. Zustdndigkeit des E Die Untersuchungshaft wird gem. § 114 I StPO durch einen schriftlichen Haftbefehl des Richters angeordnet (vgl. Art. 104 II 1, III 2 GG). Die ortliche, sachliche und ftinktionelle Zustandigkeit ftir richterliche Untersuchungshandlungen im Ermittlungsverfahren folgt grundsatzlich aus §§ 162 I, II, 169 StPO, 21 e I 1 GVG. Fiir den Erlass eines Haftbefehls enthalten §§ 125, 128 StPO Sonderregelungen der ortlichen und sachlichen Zustandigkeit.
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1. Ortliche und sachliche Zustdndigkeit R wurde von der PoUzei in H vorlaufig festgenommen, sodass er gem. § 128 I 1 StPO einem Richter des Amtsgerichts H vorzufuhren ist, der gem. § 128 II 2 StPO auch fiir den Erlass des Haftbefehls ortlich und sachlich zustandig ist. Da § 128 StPO die allgemeine Zustandigkeitsregelung nicht ausschlieBt, ergibt sich im Ubrigen die Zustandigkeit des E auch aus § 125 I StPO. Bei dem AG H ist sowohl der Gerichtsstand des Tatortes, § 7 StPO, begrundet, als auch der Gerichtsstand des Ergreifimgsortes, § 9 StPO.
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2. Funktionelle Zustdndigkeit Funktionell zustandig fiir den Erlass des Haftbefehls oder andere richterliche Untersuchungshandlungen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ist der Ermittlungsrichter. §§ 125, 128, 162 StPO verwenden diesen Begriff zwar nicht, aus § 21 e I 1 GVG folgt aber, dass die Aufgaben des Richters am Amtsgericht wahrend des Ermittlungsverfahrens von besonderen, durch Geschaftsverteilungsplan bestellten Ermittlungsrichtem wahrgenommen werden.
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//. Antrag der Staatsanwaltschaft Im Ermittlungsverfahren nimmt der Ermittlungsrichter Untersuchungshandlungen grundsatzlich nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft vor, § 162 I 1 StPO. Das gilt auch fiir den Erlass eines Haftbefehls, § 125 I StPO. Die genannten Vorschriften resultieren aus der Stellung der Staatsanwaltschaft als „Herrin des Vorverfahrens". Vorliegend ist der Erlass des Haftbefehls durch die Staatsanwaltin S initiiert worden.
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///• Voraussetzungen der Untersuchungshaft 175
Der Erlass eines Haftbefehls setzt gem. § 112 I StPO voraus, dass dringender Tatverdacht sowie ein Haftgrund vorliegen und die Anordnung der Untersuchungshaft verhaltnismaBig ist.
/. Dringender Tatverdacht 176
Dringender Tatverdacht besteht, wenn die Wahrscheinlichkeit groB ist, dass der Beschuldigte Tater oder Teilnehmer einer Straftat ist. Dabei muss es sich um eine rechtswidrig und schuldhaft begangene, verfolgbare Tat handeln. Dabei verlangt dringender Tatverdacht nicht die Prognose, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist, vielmehr ist dringender Tatverdacht bereits dann gegeben, wenn nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen auf Grund der vorhandenen gerichtsverwertbaren Beweismittel die UberfLihrung des Beschuldigten mit groBer Wahrscheinlichkeit gelingen wird. Es ist also zunachst zu pnifen, ob der Beschuldigte den ihm zur Last gelegten Sachverhalt mit groBer Wahrscheinlichkeit verwirklicht hat und der festgestellte Sachverhalt unter einen oder mehrere Straftatbestande zu subsumieren ist. Bei der rechtlichen Wiirdigung gentigt keine wie auch immer geartete Wahrscheinlichkeit fiir eine bestimmte Rechtsauffassung, sondem der Ermittlungsrichter hat die auftretenden Rechtsfragen zu entscheiden.
a) Tatsdchliches Moment 111
Es miisste im vorliegenden Fall also zunachst eine groBe Wahrscheinlichkeit dafur bestehen, dass R dem P in dem Bestreben, dessen Knie dauerhaft versteifen zu lassen, die Schusswunde zugefiigt hat. Nach dem jetzigen Ermittlungsstand kann dieser Sachverhalt von mehreren Tatzeugen bestatigt werden. An einer groBen Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Sachverhaltsverwirklichung durch R bestehen keine Zweifel.
b) Rechtliche Beurteilung 178
R miisste durch das ihm vorgeworfene Verhalten rechtswidrig und schuldhaft einen oder mehrere Tatbestande verwirklicht haben, weiterhin diirfen keine Verfahrenshindemisse vorliegen.
aa) §§ 226II 22 StGB 179
R konnte einer versuchten schweren Korperverletzung gem. §§ 223, 226 II, 22 StGB dringend verdachtig sein.
(1) Nichtvollendung und Versuchsstrafbarkeit 180
Die schwere Folge des § 226 I Nr. 2 StGB, Unbrauchbarkeit eines wichtigen Korpergliedes, ist nicht eingetreten. Der Versuch einer absichtlich oder wissentlichen schweren Korperverletzung ist strafbar, §§ 22, 23 I StGB.
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(2) Tatentschluss R miisste den Tatentschluss zur Begehung einer absichthchen oder wissenthchen schweren Korperverletzung gebildet haben. R war entschlossen, bei P einen pathologischen Zustand hervorzurufen, er hatte also den Vorsatz, P i.S.d. § 223 StGB an der Gesundheit zu schadigen. Weiterhin miisste der R Tatentschluss zumindest in Form direkten Vorsatzes in Hinblick auf die Verwirklichung des Erschwerungsgrundes gebildet haben. Das Bein ist ein KorpergUed i.S.d. § 226 I StGB, da es einen nach auBen tretenden Korperteil darstellt, welcher mit dem Korper verbunden ist und fur den Gesamtorganismus eine besondere Funktion erfuUt. Das Knie als Gelenk zwischen Ober- und Unterschenkel gewahrleistet dabei die Funktionstuchtigkeit des Beines fiir den menschlichen Fortbewegungsablauf. Die Versteifung des Knies fuhrt zu einer dauerhaften Gebrauchsunfahigkeit des Beines. R hat mit seinem Verhalten die dauerhafte Versteifung des Beines des P erstrebt. Aus seiner AuCerung, P werde bald erfahren, wie es sich mit einem steifen Knie tanzt, lasst sich entnehmen, dass es ihm bei seiner Tat gerade auf den Eintritt der schweren Folge ankam, dies also die Motivation seines Handelns darstellte. Er hatte folghch Tatentschluss in Form der Absicht hinsichtlich des Erschwerungsgrundes gefasst.
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(3) Unmittelbares Ansetzen Durch den Schuss in Richtung des Knies des P hat R nach seiner Vorstellung von der Tat zweifelsohne die Grenze zur Versuchsstrafbarkeit tiberschritten, da er die Tathandlung bereits vorgenommen hat. R hat so i.S.d. § 22 StGB zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt, sodass auch der objektive Versuchstatbestand erfuUt ist.
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(4) Rechtswidrigkeit Rechtfertigungsgrunde sind nicht ersichtlich; keinesfalls vermogen die vorangegangenen Beleidigungen eine Rechtfertigung des Handelns des R zu begriinden.
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(5) Schuld An der Schuldfahigkeit des R im Tatzeitpunkt bestehen keine Zweifel.
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(6) Verfahrenshindernisse Anhaltspunkte fiir das Vorliegen von Verfahrenshindemissen sind nicht gegeben.
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bb)§ 224 StGB Weiterhin ist R einer gefahrlichen Korperverletzung gem. § 224 StGB (Waffe) dringend verdachtig.
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cc) Konkurrenzen 190
Die vollendete gefahrliche Korperverletzung steht mit der versuchten beabsichtigten schweren Korperverletzung in Tateinheit (Klarstellungsfunktion). c) Ergebnis
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Mithin ist R einer versuchten schweren Korperverletzung gem. §§ 226 II, 22 StGB und einer gefahrlichen Korperverletzung gem. § 224 StGB dringend verdachtig.
2. Haftgrund a) Fluchtgefahr 192
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In Betracht kommt Fluchtgefahr, § 112 II Nr. 2 StPO. Fluchtgefahr liegt vor, wenn bei Wiirdigung der konkreten Umstande des Einzelfalls auf Grund bestimmter Tatsachen eine hohere Wahrscheinlichkeit dafiir spricht, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen wird, als fur die Erwartung, dass er sich dem Verfahren zur Verfiigung stellen wird. Es ist also eine Prognose anzustellen, die aus bestimmten Tatsachen abgeleitet und auf das Verfahren bezogen wird, in dem Untersuchungshaft angeordnet werden soil. Fluchtgefahr besteht nicht erst, wenn der Beschuldigte konkrete Fluchtvorbereitungen trifift, sondem schon, wenn die Beurteilung der gesamten Umstande, also der Lebensverhaltnisse und der Personlichkeit des Taters, der ihm vorgeworfenen Tat und sein vor und nach der Tat gezeigtes Verhalten die Annahme der Fluchtgefahr begrimden. Hinsichtlich der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat wird in der Regel auf die Frage abgestellt, ob die konkrete Straferwartung einen Fluchtanreiz bietet. Dabei wird von dem vermeintlichen Erfahrungssatz ausgegangen, dass ein Beschuldigter sich um so eher dem Strafverfahren entzieht, je hoher die zu erwartende Strafe ist. Allein von der Straferwartung auf Fluchtgefahr zu schlieBen, ist jedoch unzulassig, da ansonsten der Katalog der Straftaten des § 112 III StPO um samtliche Straftatbestande mit hoher Strafandrohung erweitert wurde. Die zu erwartende (hohe) Strafe kann jedoch im Zusammenspiel mit weiteren Umstanden das Vorliegen von Fluchtgefahr indizieren. Die von R zu erwartende Strafe richtet sich nach dem Strafrahmen des § 226 II StGB. Dieser sieht Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren vor. Da die Tat jedoch lediglich versucht wurde, kann das Gericht die Strafe gem. der §§23 II, 49 I StGB mildem. Die Entscheidung, ob der niedrigere Strafrahmen Anwendung fmdet, richtet sich nach den allgemeinen Strafzumessungsregebi (§ 46 StGB). Fur R spricht, dass er nicht vorbestraft ist und die Auswirkungen der Tat gering sind, weiterhin, dass es sich um eine durch heftige Erregung ausgeloste Situationstat handelt. Strafzumessungstatsachen i.S.d. § 46 StGB zu Lasten des R sind nicht ersichtlich. Demnach wiirde vermutlich der mildere Strafrahmen zur Anwendung kommen. Gem. § 49 I Nr. 3 StGB lage die Mindeststrafe dann bei nur noch sechs Monaten Freiheitsstrafe. Weiterhin kommt eine Strafaussetzung zur Bewahrung in
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Betracht. Daher hat R nach allgemeiner Auffassimg jedenfalls keine Fluchtanreiz bietende Strafe zu erwarten. Fur Fluchtgefahr konnte allenfalls die Tatsache sprechen, dass R italienischer Staatsburger ist. Sowohl Auslandsbeziehungen als auch die Auslandereigenschaft gelten fur die Frage, ob Fluchtgefahr besteht, als relevant. Es ist jedoch zu beriicksichtigen, dass R seinen festen Wohnsitz im Inland hat und weiterhin im Inland liber berufliche Bindungen verfiigt. Diese Tatsachen sprechen gegen eine Fluchtgefahr. Wagt man all diese Umstande ab, so ergibt sich, dass es sich zwar nicht ausschlieBen lasst, dass sich der R durch eine Ruckkehr in seine Heimat dem Strafv^erfahren entziehen wird, eine hohere Wahrscheinlichkeit far diesen Verlauf lasst sich jedoch nicht begriinden. Fluchtgefahr scheidet daher als Haftgrund aus.
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b) Verdunkelungsgefahr Anzeichen far den Haftgrund der Verdunklungsgefahr sind nicht ersichtlich.
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c) Schwere der Tat In Betracht kommt hier aber der Haftgrund Schwere der Tat gem. § 112 III StPO. Bei bestimmten, besonders schwerwiegenden Taten, kann nach dem Wortlaut der Vorschrift Untersuchungshaft auch dann angeordnet werden konnen, wenn ein Haftgrund nicht vorliegt. Die schwere Korperverletzung fallt in den Katalog der in § 112 III StPO aufgefahrten Delikte. Dass die Tat nur versucht wurde, steht der Anwendbarkeit des § 112 III StPO nicht entgegen. Bei wortHchem Verstandnis der Vorschrift wurde § 112 III StPO jedoch gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoBen. Zweck der Untersuchungshaft kann grundsatzlich nur die Sicherung des Strafv^erfahrens und der spateren StrafvoUstreckung sein. Dies ergibt sich zum einen aus der Unschuldsvermutung des Art. 6 II EMRK, die es ausschlieBt, auch bei noch so dringendem Tatverdacht gegen den unverurteilten Beschuldigten im Vorgriff auf die Strafe MaBregeln zu verhangen (Verbot der Verdachtsstrafe), und zum anderen aus dem VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz. Daher hat das BVerfG § 112 III StPO dahingehend verfassungskonform ausgelegt, dass auch bei dringendem Tatverdacht der Katalogtaten des Absatz 3 die Haftgrunde der Flucht- oder Verdunkelungsgefahr vorliegen miissen, jedoch sind die Anforderungen an deren Feststellung geringer als bei § 112 II StPO. Erforderlich ist nicht das Vorliegen des Haftgrundes im technischen Sinne, ausreichend sei vielmehr das Vorliegen von Umstanden, welche die Gefahr begrunden, dass ohne die Festnahme des Taters die Aufklarung und Ahndung der Tat verhindert oder erschwert werden konnte. Im Gegensatz zu § 112 II StPO muss diese Gefahr aber nicht mit konkreten Tatsachen zu belegen sein, sondem es geniigt, dass sie nach den Umstanden des Einzelfalls nicht auszuschlieBen sind. Bei den Katalogtaten besteht also eine Vermutung fur das Vorliegen eines Haftgrundes, die Vermutung kann aber durch die Umstande des Einzelfalls entkraftet werden. Ob sich das Vorliegen von Flucht- oder Verdunkelungsgefahr nicht ausschlieBen lasst, muss dabei im Einzelfall gepriift und dargelegt werden.
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Nach den Umstanden spricht vorliegend wenig gegen das Vorliegen von Fluchtgefahr. R hat sich dem StrafVerfahren weder freiwillig gestellt, noch ist er, trotz der erdruckenden Beweislage, gestandig. Zwar lebt und arbeitet R seit einigen Jahren in Deutschland. Trotzdem ware es dem R ohne weiteres moglich, in sein Heimatland zuriickzukehren und dort unterzutauchen, da er aller Wahrscheinlichkeit nach in seiner Heimat noch tiber soziale Kontakte verfugt und ihm auch keine Sprachbarriere im Wege steht. Demnach liegen zwar keine konkreten Tatsachen fur die Annahme vor, R werde sich dem Strafverfahren entziehen, andererseits lasst sich dies aber auch nicht ausschheBen. Die Voraussetzungen des § 112 III StPO far die Anordnung der Untersuchungshaft liegen damit vor.
3. Verhdltnismdfiigkeit 205
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Die Anordnung der Untersuchungshaft setzt gem. § Will StPO deren VerhaltnismaBigkeit, also Eignung, Erforderlichkeit und Proportionalitat bzw. Angemessenheit, voraus. Die Untersuchungshaft muss geeignet und erforderlich sein, ihren Zweck, namlich die Verfahrenssicherung, zu erreichen. Die Eignung der Untersuchungshaft zur Verhinderung der Flucht des R und damit zur Sicherung des Verfahrens ist nicht zweifelhaft. Die Untersuchungshaft darf, mangels Erforderlichkeit, nicht angeordnet werden, wenn sich der Beschuldigte freiwilligen Beschrankungen unterwirft, die den Haftgrund ausraumen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Anordnung der Untersuchungshaft ist verhaltnismaBig im engeren Sinne, wenn die Schwere des Eingriffs in die Lebenssphare des Beschuldigten nicht auBer Verhaltnis zu der Bedeutung der Strafsache, insbesondere zu der Rechtsfolgenerwartung, steht. R hat in jedem Fall eine Freiheitsstrafe zu erwarten, die Strafe konnte allerdings zur Bewahrung ausgesetzt werden. Wie sich aus § 113 StPO ergibt, ist die Anordnung von Untersuchungshaft auch bei Taten zulassig, die mit Freiheitsstrafe unter sechs Monaten und mit Geldstrafe bedroht sind. Weiterhin steht die Anordnung von Untersuchungshaft bei einer versuchten schweren Korperverletzung jedenfalls nicht auBer Verhaltnis zur Bedeutung der Sache.
IV. Ergebnis 209
E wird nach alldem Haftbefehl gegen R erlassen.
Haftbefehl gegen O /. Zustandigkeit 210
Hinsichtlich der sachlichen und funktionellen Zustandigkeit gilt das oben unter I 1.; 3.) gesagte.
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Die ortUche Zustandigkeit ist ebenfalls gegeben, da bei dem AG H der Gerichtsstand des Tatorts (§ 7 StPO) begrundet ist und sich O im Gerichtsbezirk des AG H aufhielt, wofur auch ein nur kurzfristiger Aufenthalt geniigt (§ 8 StPO).
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//. Voraussetzungen der Untersuchungshaft 1. Dringender Tatverdacht O wird zur Last gelegt, er habe sich durch die Hintertur in eine Kinovorfiihrung eingeschUchen, ohne den entsprechenden Eintrittspreis zu bezahlen. Dieser Sachverhalt kann von einem Angestellten des Kinocenters bezeugt werden. Durch sein Verhalten hat O sich Zutritt zu einer Veranstaltung erschlichen und damit den objektiven Tatbestand des Erschleichens von Leistungen gem. § 265 a StGB verwirkhcht. Hierbei handelte O vorsatzHch, da ihm die Entgelthchkeit der Leistung bekannt war, und er die Entrichtung des Eintrittsgeldes bewusst umgangen hat. An der Rechtswidrigkeit seines Handelns bestehen keine Zweifel, mangels entgegenstehender Erkenntnisse ist zum jetzigen Zeitpunkt von einer schuldhaften Verwirklichung des Tatbestandes durch O auszugehen. Da der Wert der von O erschlichenen Leistung geringwertig im Sinne des § 248 a StGB war, ist gem. § 265 a III StGB Voraussetzung fur die Verfolgung der Tat die Stellung eines Strafantrages durch den Verletzten. Der Betreiber des Kinos hat als Verletzter im Sinne des § 77 StGB form- und fristgerecht Strafantrag gestellt. Es besteht folglich eine groBe Wahrscheinlichkeit, dass der O als Tater einer Leistungserschleichung tiberfiihrt werden kann.
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2. Haftgrund Weitere Voraussetzung fiir die Anordnung der Untersuchungshaft gegen O ist das Vorliegen eines Haftgrundes. Es konnte der Haftgrund der Fluchtgefahr vorliegen. Der Beschuldigte entzieht sich dem Strafverfahren durch jedes Verhalten, welches den Fortgang des Verfahrens dauemd oder wenigstens vortibergehend dadurch verhindert, dass er fiir Ladungen und VoUstreckungshandlungen nicht zur Verfugung steht. O ist ohne festen Wohnsitz und verfiigt iiber keine beruflichen Bindungen, weshalb er auch iiber keine ladungsfahige Anschrift verfiigt. Weiterhin besteht auf Grund der akuten Alkoholerkrankung des O die Gefahr, dass er sich dem Strafverfahren durch die Herbeifuhrung dauemder Verhandlungsunfahigkeit entzieht. Die gesamten Lebensverhaltnisse des O lassen darauf schlieBen, dass vorliegend die Wahrscheinlichkeit uberwiegt, O werde sich dem Strafverfahren entziehen.
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5. Verhdltnismdjiigkeit Die Untersuchungshaft ist geeignet und erforderlich, die Durchfiihrung des Strafverfahrens gegen O zu sichem. Die Freiheitsentziehung durch die Untersuchungshaft konnte aber unproportional gem. § 112 I 2 StPO sein, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu
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erwartenden Strafe auBer Verhaltnis steht. Hierbei sind die konkreten Folgen des Freiheitsentzugs fur den Beschuldigten zu beriicksichtigen. Im Falle des O wurde die berufliche und wirtschaftliche Existenz des Beschuldigten durch die Anordnung der Untersuchungshaft nicht beruhrt, sodass die Intensitat des Hafteingriffs zumindest insoweit fur den O nicht besonders schwerwiegend ware. Fur die Bedeutung der Sache sind die gesetzliche Strafdrohung, die Art des verletzten Rechtsgutes und die sozialschadlichen Auswirkungen der Tat maCgebend. Umstande aus der Person des Taters kommen hier nur in Betracht, sofem sie tatbezogen sind, im vorliegenden Fall also die kriminelle Belastung des Beschuldigten und die Schadenssumme. Der Strafrahmen des § 265 a StGB sieht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor, sodass § 265 a StGB nicht zur kleinen Kriminalitat gehort, fiir die § 113 StPO die Anordnung von Untersuchungshaft einschrankt. Jedoch sind die sozialschadlichen Folgen der Tat hier eher gering, da das Erschleichen des Zutritts zu einer Veranstaltung kein besonders haufig begangenes Delikt darstellt. Zudem ist der Schaden gering, und O ist Ersttater. Als MaBstab fur die Beurteilung der Frage, ob die Bedeutung der Sache die Anordnung von Untersuchungshaft erlaubt, bietet sich der Begriff des offentUchen Interesses an der Strafverfolgung in §§ 248 a StGB, 153 StPO an, da sich dessen Bestimmung im Wesentlichen an den gleichen Gesichtspunkten orientiert. Da es sich bei O um einen Ersttater handelt und die Schadenssumme gering ist, wurde aller Wahrscheinlichkeit nach das besondere offentliche Interesse an der Strafverfolgung im vorliegenden Fall vemeint werden, daher ist die Bedeutung der Sache ebenfalls als gering anzusehen. Hinzu kommt, dass die Anordnung von Untersuchungshaft hier auBer Verhaltnis zu der zu erwartenden Strafe steht. Es ist fiir den konkreten Fall eine Rechtsfolgenprognose anzustellen, dabei sind die allgemeinen Strafzumessungserwagungen des § 46 StGB heranzuziehen. Da P nicht vorbestraft ist und die Folgen der Tat gering sind, wird P fiir den Fall, dass das Verfahren nicht bereits gem. §§ 153, 153 a StPO eingestellt wird, maximal mit einer Geldstrafe von 30 Tagessatzen zu rechnen haben. Zum Teil wird die Anordnung der Untersuchungshaft generell als unverhaltnismaBig angesehen, wenn nur eine Geldstrafe zu erwarten ist. Dies widerspricht jedoch § 113 StPO, der die Anordnung von Untersuchungshaft in diesen Fallen lediglich an besondere Voraussetzungen kniipft. Im Fall des O ware die Anordnung der Untersuchungshaft jedenfalls unproportional, wenn die erlittene Untersuchungshaft die Dauer der zu erwartenden Strafe ubersteigen wiirde. O hat mit hochstens 30 Tagessatzen zu rechnen, die Untersuchungshaft wiirde diese Dauer auf Grund der derzeitigen Terminsstande bei den Gerichten jedoch aller Wahrscheinhchkeit nach uberschreiten. Erreicht oder uberschreitet die erlittene Untersuchungshaft die Dauer der zu erwartenden Strafe, so ist der Haftbefehl gem. § 120 I 1 StPO aufzuheben. Wenn aber schon bei Stellung des Haftbefehlantrags ersichtlich ist, dass der Haftbefehl
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noch vor der Verurteilung aufgehoben werden muss, der Haftbefehl den Zweck der Verfahrenssicherung also nicht erfuUen kann, so gebietet der Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit, die Untersuchungshaft gar nicht erst anzuordnen. In einem solchen Fall wurde sie namUch auf einen gesetzwidrigen Vorwegvollzug der Strafe gerichtet sein. Die Anordnung der Untersuchungshaft gegen O ware nach alledem unverhaltnismaBig.
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///. Ergebnis E wird keinen Haftbefehl gegen O erlassen.
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Hinweise zur Losung: Die Fallfrage erfordert die Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der Untersuchungshaft. Da vorliegend bereits der Erlass des Haftbefehls durch die Staatsanwaltschaft beantragt ist, muss zunachst die Zustandigkeit des angerufenen Ermittlungsrichters festgestellt werden. Bei der Prufiing der materiellen Voraussetzungen der Untersuchungshaft miissen insbesondere die Anforderungen an das Vorliegen eines dringenden Tatverdachtes klar defmiert und von anderen Verdachtsstufen abgegrenzt werden. Die Untersuchungshaft ist ein typisches Klausurthema aus dem Bereich der grundrechtsbeeintrachtigenden MaBnahmen im Ermittlungsverfahren, weshalb dem Bearbeiter auch die Voraussetzungen der nunmehr zu priifenden Haftgriinde bekannt sein soUten. Die Untersuchung der Fluchtgefahr darf sich nicht darauf beschranken, die konkrete Straferwartung als Fluchtanreiz zu betrachten (Dahs, NJW 1959, 511; KG NJW 1965, 1390; OLG Hamm StraFo 2004, 134). Es sind zudem auch die gegen die Fluchtgefahr sprechende Argumente in die Abwagung einzustellen. Insbesondere der Haftgrund „Schwere der Tat" stellt ein Standardproblem dar, sodass das Erfordemis der verfassungskonformen Auslegung dieses Haftgrundes (BVerfGE 19, 342, 350) und deren Umsetzung (Deckers, in: AKStPO, § 112 Rdnr. 29) bekannt sein mussen. Fiir die Beantwortung der zweiten Teilfrage ist vor allem die VerhaltnismaBigkeit der Untersuchungshaft von Bedeutung. Die Untersuchungshaft stellt die den Beschuldigten am starksten beeintrachtigende straQ)rozessuale ErmittlungsmaBnahme dar. Deshalb sind die nachteiligen Folgen der Haft for den Beschuldigten bei der Abwagung seiner Interessen mit dem Interesse der AUgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung, insbesondere an der Sicherung des Strafv^erfahrens, besonders sorgfaltig zu wiirdigen (BVerfG NJW 1991, 2821). Im vorUegenden Fall ist insbesondere die Problematik der Zulassigkeit der Untersuchungshaft in Fallen der Bagatellkriminahtat (siehe dazu Wagner, NJW 1978, 2002 ff.) zu erortem.
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Klausur Nr. 3**
Big Brother: tFberwachung total Rechtsschutz gegen richterliche und nichtrichterliche MaDnahmen Bewegungsbilderstellung bei der Telekommunikationsiiberwachung Fotoaufnahmen ohne Kenntnis des Betroffenen - Vernichtung des Fotomaterials nach Abschluss der Ermittlungen Die Sparkasse Berlin-Mitte war Anfang des Jahres von zwei maskierten Mannem uberfallen worden. Auf Grund eines detaillierten anonymen Hinweises und weil der Uberfall dessen „Handschrift" trug, verdachtigte die Polizei den gerade aus der Haft entlassenen Bodo Biedermaier (B). Mangels anderer erfolgversprechender ErmittlungsmaBnahmen beantragte Staatsanwalt Siegfried Schlau (S) die Telekommunikationsiiberwachung bei dem Ermittlungsrichter Dr. Reinhart Renner (R), weil er sich Informationen iiber die Tat und die Ermittlung des bis dahin unbekannten Aufenthaltsortes des B durch das Abhoren des Mobilfunkanschlusses des B erhoffte. R ordnete die inhaltliche und technische Uberwachung fiir den Zeitraum vom 15. bis 25. Marz an. B fiihrte zwar keine Gesprache, die Hinweise auf die Tat gegeben hatten. Es war der Polizei aber moglich, auf Grund der Mitteilungen des Betreibers der Femmeldeanlage, der die vom Handy des B ausgesendeten Funksignale anpeilte, den Aufenthaltsort des B kontinuierlich festzustellen. Jedes Mobiltelefon sendet im betriebsbereiten Zustand (sog. „Stand-by"-Betrieb), auch wenn von ihm nicht telefoniert wird, in bestimmten Abstanden Signale zum nachsten Funkmasten. Auf diese Weise erfuhren die Polizeibeamten KOK Felix Fritz (F) und KK Michael Miiller (M), die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind, dass B am 22. Marz sich in Richtung der iiberfallenen Bank bewegte. Sie folgten ihm und machten wahrend der Beobachtung Fotos von ihm in seinem Auto. Am nachsten Tag zeigten F und M diese Fotos einigen Ladenbesitzem in der Nahe der Sparkasse und fragten, ob sich dieser Mann hier haufiger aufgehalten hatte. Niemand erkannte B jedoch wieder. Das Ermittlungsverfahren gegen B wurde deshalb nach einigen Wochen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. B beauftragte den Rechtsanwalt Georg Grote (G) mit der Einsichtnahme in die Ermittlungsakten. Als B von der Uberwachung erfuhr, war er uber die Methoden des Staates entsetzt. Deshalb bittet er G um Rechtsauskunft dariiber, wie er sich nachtraglich dagegen wehren kann. 1. B halt die Bewegungsbilderstellung durch Anpeilen der Funksignale seines Mobiltelefons, ohne dass er Gesprache gefiihrt hat, fiXr unzulassig, da es sich dabei
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schwerlich um eine Telekommunikation handeln konne. Welchen gerichtlichen Rechtsbehelf kann B erheben und wiirde er erfolgreich sein? 2. Femer ist B der Ansicht, Polizeibeamte diirften nicht aus eigenem Entschluss Fotos von unbescholtenen Burgem machen. Zumindest sei aber das Fotografieren in das Auto hinein rechtswidrig, da es sich um einen mit der Wohnung vergleichbaren Raum handele. Eine Verletzung seiner Wurde lage jedenfalls im Herumzeigen der Fotos. Welche Rechtsschutzmoglichkeiten hat B und wurde ein Rechtsbehelf Erfolg haben? 3. Da B einschlagig vorbestraft ist, beflirchtet er - wie es sich fur ihn in diesem Fall gezeigt hat - bei jedem Uberfall verdachtigt zu werden. Deshalb mochte er, dass die Fotos vemichtet werden. Hat B einen Anspruch auf Vemichtung der Fotos? Lehrbuch: Rn. 125; 143 ff; 213; 214 ff.; 306; 329 ff.; 336 ff.; 341f.; 350 ff; 781 ff; 787 f.; 792; 860 ff.; 865
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Losung Frage 1: Richterliche Kontrolle der Bewegungsbilderstellung durch Anpeilen der Funksignale des Mobiltelefons G wird dem B zur Uberprufung der MaBnahme raten, wenn ein gerichtlicher Rechtsbehelf zur nachtraglichen Uberprufung der Bewegungsbilderstellung gegeben ist und die MaBnahme rechtswidrig war.
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/. Zuldssigkeit der richterlichen Kontrolle 1. Statthafter Rechtsbehelf Grundsatzlich ist die Beschwerde gem. § 304 I StPO das statthafte Rechtsmittel gegen Beschlusse und Verfugungen des Ermittlungsrichters. B will sich jedoch nicht gegen die Anordnung der Telekommunikationsuberwachung (das „0b" der MaBnahme), sondem gegen die Bewegungsbilderstellung durch Anpeilen der Funksignale seines Mobiltelefons, also gegen Art und Weise der Durchfiihrung der richterlichen Anordnung durch die Polizei (das „Wie" der MaBnahme) zur Wehr setzen. Die Beschwerde ist deshalb nicht der einschlagige Rechtsbehelf. Welcher Rechtsbehelf zur Anfechtung der Art und Weise der Durchfiihrung einer vom Richter angeordneten und von der Polizei vollzogenen MaBnahme zur Verfiigung steht, ist strittig. Die altere Rechtsprechung und ein Teil der Literatur befurworten den Rechtsweg nach §§23 ff. EGGVG zum Oberlandesgericht. Die heute h.M. wendet dagegen § 98 II 2 StPO analog an, und zwar auch im Falle der nachtraglichen Uberprufung der VoUzugsmodalitaten einer bereits erledigten richterlich angeordneten ErmittlungsmaBnahme. Gegen eine Anwendung der §§23 ff. EGGVG spricht zum einen, dass der Rechtsweg zum OLG einen Fremdkorper im System der Rechtsschutzmoglichkeiten der StPO darstellt, der dem wirksamen und damit vor allem einheitlichen Rechtschutz entgegensteht. Gegen richterliche und nichtrichterliche ErmittlungsmaBnahmen sowie deren Vollzug sind grundsatzlich die Beschwerde gem. § 304 StPO und der Antrag auf richterliche Entscheidung gem. § 98 II 2 StPO gegeben. Bedenken ergeben sich zum anderen daraus, dass das OLG nicht das „sachverhaltsnachste" Gericht ist. Z.B. § lOOd X StPO zeigt jedoch, dass - jedenfalls bei einer MaBnahme nach § 100c StPO - auch nach der Erledigung der MaBnahme das fur die Anordnung zustandige Gericht zur Uberprufung der RechtmaBigkeit der Anordnung und der Art und Weise berufen ist. Dariiber hinaus ist die Grenze zwischen dem „0b" und dem „Wie" der MaBnahme oft flieBend, sodass es sachgerecht erscheint, die Kontrolle der Art und Weise des Vollzuges dem Richter, der die MaBnahme angeordnet hat, in analoger Anwendung des § 98 II 2 StPO zu iibertragen. § 98 II 2 StPO gilt ausdrucklich zwar nur fur die Beschlagnahme, eine fur die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift erforderliche Regelungslucke besteht aber, da die StPO keine Regelung der Uberprufung der VoUzugsmodalitaten einer richterlich angeordneten Telekommunikationsiiberwachung enthalt. Bei der Bewegungsbilderstellung im Rahmen der richterlich angeordneten Telekom-
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munikationsiiberwachung handelt es sich zudem um den Vollzug einer grundrechtsrelevanten ErmittlungsmaBnahme durch die Polizei, sodass auch die Vergleichbarkeit der Sachverhalte vorliegt.
2. Rechtsschutzbediirfnis des B 242
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Das erforderliche Rechtsschutzbediirfnis konnte fehlen, weil die richterlich angeordnete MaBnahme der Telekommunikationsiiberwachung durch den Vollzug bereits vollstandig erledigt war. Die frliher h.M. hielt erledigte richterliche MaBnahmen wegen prozessualer Uberholung grundsatzlich fiir unanfechtbar. Nunmehr wird die Anfechtung einer bereits voUzogenen richterlich angeordneten MaBnahme jedenfalls dann zugelassen, wenn diese in tiefgreifender Weise in die Grundrechte des Betroffenen eingreift. Wann ein in diesem Sinne tiefgreifender Eingriff vorliegt, ist allerdings bislang nicht geklart. Die Rechtsprechung stellt vorrangig darauf ab, ob der Gesetzgeber die Anordnung vorbeugend dem Richter vorbehalten hat, erkennt aber an, dass auch in den anderen Fallgruppen eine nachtragliche Uberprufung geboten sein kann. Die Literatur macht dagegen das konkrete AusmaB der mit dem Grundrechtseingriff verbundenen Belastungen zum MaBstab. Da zum einen fiir die Anordnung der Telekommunikationsiiberwachung ein Richtervorbehalt besteht, diese MaBnahme zum anderen aber auch das durch Art. 10 I GG verbriefte Femmeldegeheimnis und das aus dem allgemeinen Personlichkeitsrecht des B nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung schwerwiegend beeintrachtigt, liegt nach beiden Auffassungen ein tiefgreifender Eingriff vor. Die MaBnahme war zudem bereits abgeschlossen, bevor B sie mit den dafur vorgesehen Rechtsmitteln angreifen konnte.
3. Ergebnis 245
Der Antrag auf richterliche Entscheidung gem. § 98 II 2 StPO analog ist deshalb zulassig.
//. Begriindetheit 246
Der Antrag ware begriindet, wenn die angefochtene MaBnahme rechtswidrig war und B dadurch in seinen Rechten verletzt wurde.
1. Anordnung der Telekommunikationsiiberwachung 247
Gegen die formelle und materielle VerfassungsmaBigkeit der §§ 100a S. 1 Nr. 2, 100b und §§ lOOg, lOOh StPO bestehen keine Bedenken. B war auf Grund bestimmter Tatsachen verdachtig, eine Katalogtat nach § 100a S. 1 Nr. 2 StPO begangen zu haben, und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise erschien aussichtslos, sodass die Voraussetzungen der inhaltlichen Telekommunikationsiiberwachung vorliegen. Auch die Auskunft iiber die Telekommunikationsverbindungsdaten (technische Telekommunikationsiiberwachung) nach §§ lOOg, lOOh StPO durfte angeordnet werden, da B als Tater einer Straftat von erheblicher Be-
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deutung (einer Katalogtat nach § 100a S. 1 Nr. 2 StPO) in Betracht kam und die Auskunft fur die Untersuchung erforderlich war.
2. Rechtmdjiigkeit der Vollzugsmafinahme Fraglich ist allerdings, ob die konkrete MaBnahme von der Anordnung des R gedeckt war. Die inhaltliche und technische Telekommunikationsuberwachung ist anscheinend in §§ 100a, 100b und §§ lOOg, lOOh StPO umfassend geregelt. Dennoch ist strittig, ob die Standortkennung eines Mobilfunkendgerates im „Stand-by"-Betrieb zulassig ist. Eine Auffassung lasst den Zugriff auf die Verbindungsdaten unabhangig von dem Zustandekommen einer Verbindung, also auch im „Stand-by"Betrieb, im Rahmen der §§ 100a, 100b StPO zu, da zur Uberwachung der Telekommunikation auch die Aufzeichnung der Standortkennung gehore. Die Gegenmeinung halt diese MaBnahme mangels Eingriffsermachtigung fur unzulassig. §§ 100a, 100b sowie §§ lOOg, lOOh StPO ermogHchten den Zugriff auf Verbindungsdaten nicht generell und umfassend, sondem allein zum Zweck der Uberwachung der Telekommunikation. Durch die Einfuhrung der §§ lOOg, lOOh StPO ist die erstgenannte Auffassung jedoch iiberholt, da das Gesetz die Uberwachung des Inhalts der Telekommunikation in §§ 100a, 100b StPO und die Uberwachung der technischen Telekommunikationsverbindungsdaten nach §§ lOOg, lOOh StPO klar von einander abgrenzt und somit die Auskunft uber alle mit der Telekommunikation zusammenhangenden technischen Daten aus dem Anwendungsbereich der §§ 100a, 100b ausnimmt. Demnach ist fiir die Ubermittlung von technischen Daten, aus denen auch die Standortkennung ersichtlich ist, die Auskunftsanordnung nach §§ lOOg, lOOh StPO die einzig in Betracht kommende Ermachtigungsgrundlage. § lOOg III Nr. 1 StPO lasst den Zugriff auf die Telekommunikationsverbindungsdaten nur „im Falle einer Verbindung" und im Zusammenhang mit dem „anrufenden und angerufenen Anschluss" zu. Die Vorschrift gestattet den Zugriff ausschheBlich auf die echten Verbindungsdaten, also solche, die bei dem Zustandekommen oder dem Versuch der Herstellung einer Verbindung anfallen. Der Zugriff auf die „Stand-by"-Daten war mangels eines bewusst ausgelosten tatsachUchen Kommunikationsvorgangs unzulassig, sodass die Anordnung des R die Feststellung des Standortes des Mobiltelefons des B nicht umfasst. Da die Erstellung des Bewegungsbildes des B anhand der ubermittelten technischen Daten des in „Stand-by"-Betrieb geschalteten Mobiltelefons rechtswidrig war und B durch diese MaBnahme in seinen Rechten verletzt wurde, ist sein Antrag auf richterliche Entscheidung i.S.v. § 98 II2 StPO analog begriindet.
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///. Ergebnis Ein Antrag des B auf richterliche Entscheidung analog § 98 II 2 StPO ist somit zulassig und begrundet.
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Frage 2: Gerichtliche Uberpriifung der Zulassigkeit der Fotoaufnahmen und deren Verwertung ohne Kenntnis des B 254
B wird mit seinem Anliegen vor Gericht Erfolg haben, weim ein nachtraglicher Rechtsbehelf gegen die MaBnahmen von F und M zulassig und begrundet ist.
/. Zulassigkeit des Rechtsbehelfs des B 1. Statthafter Rechtsbehelf 255
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Die UberprufUng der RechtmaBigkeit von Lichtbildaufiiahmen nach § lOOf I Nr. 1 StPO und der beschrankten Veroffentlichung dieser Aufnahmen, d.h. die Gestattung der Einsichtnahme durch mogliche Zeugen (vgl. §§ 160, 163 StPO) kann ebenfalls gem. § 98 II 2 StPO analog durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrt werden. Zwar wird zum Teil auch hier der Rechtsweg zum OLG nach MaBgabe der §§ 23 ff. EGGVG befurwortet, der grundsatzlich denkbar ware, weil die Polizei bei Ermittlungshandlungen, die sie als „verlangerter Arm der Staatsanwaltschaft" in deren Auftrag (vgl. § 161 StPO) oder im Wege des ersten Zugriffs (vgl. § 163 I StPO) aus eigener Initiative vomimmt, nach der sog. „funktionalen" Betrachtungsweise als Justizbehorde i.S.v. § 23 I 1 EGGVG tatig wird. Aus den oben genannten Griinden ist § 98 II2 StPO aber entsprechend anwendbar. Diese Rechtsschutzmoglichkeit steht B trotz der voUstandigen Erledigung der MaBnahme zur Verfugung, wenn er ein berechtigtes Interesse an der nachtraglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der nicht von einem Richter angeordneten MaBnahme hat. Das ist bei tiefgreifenden Grundrechtseingriffen insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschrankt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Die MaBnahmen von F und M stellen auf Grund der konkreten Uberwachungsbelastungen einen tiefgreifenden Eingriff in das allgemeine Personlichkeitsrecht des B aus Art. 2 I i.V.m Art. 1 I GG dar und waren bereits erledigt, bevor B von diesen Kenntnis erlangt hatte. Somit ist der Antrag auf richterliche Entscheidung gem. § 98 II 2 StPO analog grundsatzlich der statthafte Rechtsbehelf zur Uberpriifung der RechtmaBigkeit der Fotoaufnahmen. Etwas anderes koimte jedoch gelten, weil B nicht nur die Anfertigung der Fotografien selbst angreifen will, sondem daruber hinaus eine richterliche Cberprufiing der Art und Weise des inzwischen abgeschlossenen VoUzugs der Fotoaufnahmen - also des Fotografierens in das Auto hinein - beantragt. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, das OLG sei im Verfahren nach § 28 I 4 EGGVG zur nachtraglichen RechtmaBigkeitskontroUe berufen. Die Gegenauffassung wendet dagegen auch bei der Uberpriifung der VoUzugsmodalitaten § 98 II 2 StPO analog an. Der Einwand, der fur die regulare Anordnung der MaBnahme zustandige Richter konne die Grenzen und Modalitaten des Vollzuges einer nicht richterlich angeordneten MaBnahme in entsprechender Anwendung des § 98 II 2 StPO nur solange regehi, als sie noch nicht voUstandig abgeschlossen sei, kann nicht uberzeugen.
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Die Aufhebungsbefugnis in diesem Verfahren schlieBt auch die Befugnis des zur Anordnung berufenen Richters als sachverhaltsnachstes Gericht zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des VoUzugs der MaCnahme ein. Deshalb ist der Antrag auf richterliche Entscheidung gem. § 98 II 2 StPO analog auch der zur Uberprufimg der VoUzugsmodalitaten statthafte Rechtsbehelf.
2. Ergebnis Der Antrag auf richterliche Entscheidung gem. § 98 II 2 StPO analog ist einheitlich zur richterlichen Uberpriifung aller angefochtenen MaBnahmen der F und M zulassig.
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//. Begrilndetheit Der Antrag des B ware begriindet, wenn die von F und M durchgefiihrten MaBnahmen rechtswidrig waren und B dadurch in seinen Rechten verletzt wurde.
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1. Rechtmdjiigkeit der Fotoaufnahmen Unabhangig von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § lOOf StPO konnte sich hier die Rechtswidrigkeit der Fotoaufiiahmen daraus ergeben, dass die Polizeibeamten B nur deshalb fotografieren konnten, weil sie auf rechtswidrige Weise seinen Aufenthaltsort ermittelt hatten. Die Problematik ahnelt der Femwirkung eines Beweisverwertungverbotes. Nach der dazu ganz herrschenden Meinung scheidet eine solche Femwirkung aus, entweder weil sie generell abgelehnt oder jedenfalls nur fur besonders schwerwiegende VerstoBe anerkannt wird. Um einen solchen handelt es sich hier nicht. Die Herstellung von Lichtbildem ohne Kenntnis des Betroffenen ist gem. § lOOf I Nr. 1 StPO grundsatzlich zur Verfolgung aller Straftaten zulassig, nicht nur - wie die MaBnahmen nach § 100c StPO - bei dem Verdacht wegen einer bestimmten Katalogtat. B war der Beteiligung an dem Uberfall auf die Sparkasse Berlin-Mitte, also eines Raubes oder einer rauberischen Erpressung verdachtig. Die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise ware zudem weniger erfolgversprechend, sodass F und M die Fotoaufnahmen gem. § lOOf I Nr. 1 StPO grundsatzlich anfertigen durften. Die MaBnahme konnte jedoch das allgemeine Personlichkeitsrecht des B aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG verletzt haben. Zu den Bedingungen der Personlichkeitsentfaltung gehort es, dass der Einzehie einen Raum besitzt, in dem er unbeobachtet sich selbst uberlassen ist und mit den Personen seines besonderen Vertrauens ohne Riicksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht von staatlichen Sanktionen verkehren kann. Die Herstellung von Fotoaufnahmen griff zwar in diesen Schutzbereich, aber nicht in den unantastbaren Kembereich, die „Intimsphare" ein. B bewegte sich zum Zeitpunkt der Fotoaufnahmen in der Ofifentlichkeit, sodass auch eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung in Betracht kommt. Das allgemeine Personlichkeitsrecht wird in einem solchen Fall nicht absolut geschtitzt, sondem es findet seine Schranken nach h.M im schlichten Gesetzesvorbehalt des Art. 2 I GG. § lOOf I Nr. 1 StPO enthalt eine Einschrankungsmoglichkeit des allgemeinen Personlichkeitsrechts des B. Die Anfertigung der
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Fotografien war zudem zur Aufklarung der Tat geeignet und erforderlich und in Anbetracht der Schwere der Tat trotz der nicht sehr gravierenden Verdachtsmomente auch angemessen, somit verhaltnismaBig. Die Vollzugsmodalitaten der Mafinahme - also das Fotografieren in das Auto des B hinein - konnten allerdings das Grundrecht des B aus Art. 13 1 GG verletzen. Das ware jedoch nur der Fall, wenn darin ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrecht zu sehen ware, der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt war. Der Schutzbereich des Art. 13 I GG erfasst die Unverletzlichkeit der Wohnung. Die MaUnahme hatte diesen nur tangiert, wenn das Auto des B einen der Wohnung i.S.d. Art. 13 1 GG vergleichbaren Raum darstellt. Wohnung ist jeder Raum, den der Einzelne der allgemeinen Zuganglichkeit entzieht und zum Ort seines Lebens und Wirkens bestimmt. Der Schutzbereich des Art 131 GG erstreckt sich zwar grundsatzlich auch auf Raume, die nur voriibergehend Wohnzwecken dienen - wie dies z.B. bei Wohnmobilen der Fall ist. Ein „normaler" PKW kann aber in aller Regel nicht unter den Begriff der „Wohnung" subsumiert werden, da es ihm sogar an einer zumindest vorubergehenden Bestimmung zur Wohnzwecken fehlt. Der Sachverhalt enthalt keine Angaben, die den Schluss zulassen wurden, dass B sein Auto zu seinem Lebensmittelpunkt bestimmt hatte. Somit handelt es sich bei dem Auto des B nicht um einen der Wohnung i.S.d. Art 13 I GG vergleichbaren Raum. Demnach fehlt es hier bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts. Der Antrag auf richterliche Entscheidung ware deshalb unbegrundet.
2. Rechtmdjiigkeit der Vorlage der Aufnahmen 265
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Fraglich ist, ob die Verwendung der Fotos, also die Vorlage bei potenziellen Zeugen, das allgemeine Personlichkeitsrecht des B aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG einschrankt und - soUte dies der Fall sein - eine tragfahige Rechtsgrundlage dafiir vorhanden ist. Das Grundgesetz gewahrt dem einzelnen Burger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, auf den die offentliche Gewalt nicht einwirken darf. Art. 2 I GG verbiirgt dieses Recht auf freie Entfaltung der Personlichkeit. Bei der Bestimmung des Inhalts und der Reichweite dieses Grundrechts ist die Grundnorm des Art. 1 I GG zu beachten, wonach die Wurde des Menschen unantastbar ist und von der staatlichen Gewalt beachtet und geschiitzt werden muss. Indem F und M die Lichtbilder, die B in der Nahe der iiberfallenen Bank zeigten, im Zusammenhang mit dieser Straftat potentiellen Zeugen, also einer beschrankten Offentlichkeit zuganglich machten, griffen sie in den Schutzbereich des allgemeinen Personlichkeitsrechts gem. Art. 2 I i.V.m. Art. 11 GG ein. Eine spezielle Ermachtigungsnorm fur diesen Eingriff enthalt das Strafprozessrecht nicht, sodass nur die polizeiliche Befiignisgeneralklausel des § 163 I StPO der Mafinahme eine Rechtsgrundlage verschaffen konnte. Diese Generalklausel erlaubt allerdings nicht jede grundrechtsrelevante Ermittlungstatigkeit. Je wesentlicher die Grundrechtsbeeintrachtigung ist, desto praziser muss der Gesetzgeber die Eingriffsgrundlage ausgestalten. Das „Herumfragen" oder die Vorlage von Lichtbildem verdachtiger Personen beeintrachtigt deren Grundrechte nicht so
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wesentlich, dass dazu eine spezielle Eingriffsermachtigung erforderlich ware. Das Zeigen der Fotos fmdet somit in § 163 I StPO eine tragfahige Grundlage. F und M miissten aber auch den Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit beachtet haben. Die MaBnahme war jedenfalls geeignet und erforderlich zur Erreichung des verfolgten Zwecks. Dariiber hinaus durfte sie das betroffene Grundrecht nicht unangemessen beeintrachtigen. Die Vorlage der Fotos hatte das Grundrecht aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG unangemessen eingeschrankt, wenn das Ergebnis der Interessenabwagung ein nachteiliges Missverhaltnis aufweist. Hierbei ist zwischen dem offentlichen Interesse an einer schnellen und wirksamen Strafverfolgung einerseits und dem schutzwurdigen Interesse des B an Wahrung seiner Privatsphare andererseits abzuwagen. Zum Zeitpunkt der beschrankten Veroffentlichung der Lichtbilder von B lag gegen ihn ein auf Tatsachen gegrundeter Verdacht wegen der Beteiligung an dem Uberfall auf die Sparkasse Berlin-Mitte vor. Bei den einschlagigen Tatbestanden (§§ 249, 255 StGB) handelt es sich um Verbrechen im technischen Sinne, also schwere Straftaten. Die Polizeibeamten wahlten zudem einen moglichst schonenden Weg der Sachverhaltsaufklarung, indem sie die Fotoaufnahmen nicht etwa durch die Veroffentlichung im Femsehen oder in der Presse der Offentlichkeit uneingeschrankt zuganglich machten. B wurde somit nicht in dem Kreis der an seiner Person interessierenden Mitbiirger, namlich Nachbam, ArbeitskoUegen oder Bekannten und Verwandten in Verruf gebracht. F und M zeigten die Fotoaufnahmen lediglich potenziellen Zeugen, die B vermutlich gar nicht kannten. Unter Beriicksichtigung des erheblichen Gewichts der Straftat und der eher geringfugigen Beeintrachtigung des Personlichkeitsrechts des B ixberwiegt das offentliche Interesse an der schnellen und wirksamen Strafverfolgung. Demnach war die Vorlage der Fotos auch angemessen.
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///. Ergebnis Da der Antrag des B auf richterliche Entscheidung i.S.v. § 98 II 2 StPO analog zwar zulassig, aber unbegrundet ware, wurde er damit keinen Erfolg haben.
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Frage 3: Anspruch auf Vernichtung des Fotomaterials nach Abschluss der Ermittlungen B hatte einen Anspruch auf Vemichtung des von F und M hergestellten Fotomaterials nach Abschluss der Ermittlungen, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Vomahme dieser Handlung besteht.
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/. Anspruchsgrundlage Eine ausdnickhche Regelung existiert nicht. § lOOf II 3 i.V.m. § 100b VI StPO enthalt lediglich die Verpflichtung zur unverzuglichen Vemichtung der durch die AbhormaBnahmen nach § lOOf II StPO erlangten Unterlagen unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, wenn diese Unterlagen zur Strafverfolgung nicht mehr benotigt werden. Diese Vorschrift betrifft jedoch gerade nicht das gem. § lOOf I Nr. 1 StPO gewonnene Beweismaterial, und sie ist mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte auch nicht analogiefahig.
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Den Verbleib des nach § lOOf I Nr. 2, II StPO gewonnenen Beweismaterials regelt § 101 IV StPO. Bin Anspruch auf Vemichtung der Fotos ergibt sich daraus aber nicht, weil die Vorschrift zum einen ohnehin nicht Bxr die nach § lOOf I Nr. 1 StPO aufgenommenen Lichtbilder gilt und zum anderen die Vemichtung nicht vorschreibt. In Betracht kame allenfalls die Anwendung der Gmndsatze, die zur weiteren Verwendung der durch eine erkennungsdienstliche Behandlung gem. § 81b StPO gewonnenen Unterlagen entwickelt worden sind, Diese Unterlagen werden aus praventiv-polizeilichen Grunden gmndsatzlich in den Strafakten aufbewahrt, wenn auf Grund der Personlichkeit des Beschuldigten und der Art der ihm zur Last gelegten Tat nach der kriminalistischen Erfahmng damit zu rechnen ist, dass er kunftig weitere Straftaten begehen wird und die Unterlagen der Aufklamng in einem zukunftigen Ermittlungsverfahren forderlich sein konnen. Nur wenn das Strafv^erfahren die Unschuld des Beschuldigten erweist oder aus den anderen Grunden ausgeschlossen werden kann, dass er in Zukunft strafrechtlich in Erscheinung treten wird, die Unterlagen zur Aufklamng zukunftiger Straftaten nicht beitragen konnen, sind diese zu vemichten. Ob diese Gmndsatze auf das nach § lOOf I Nr. 1 StPO gewonnene Fotomaterial iibertragen werden konnen, kann in casu offen bleiben, da B einschlagig vorbestraft und seine Unschuld in diesem Verfahren keineswegs erwiesen ist, ein Anspmch auf Vemichtung der Fotos somit nicht bestunde.
//. Ergebnis 274
B kann somit die Vemichtung der nach § lOOf I Nr. 1 StPO aufgenommenen Lichtbilder nach AbschluB des Ermittlungsverfahrens nicht verlangen.
Hinweise zur Losung: 275
Das Hauptproblem bei der Beantwortung der Frage 1 liegt in der zutreffenden Feststellung des statthaften Rechtsbehelfs gegen die VoUzugsmodalitaten einer erledigten richterlich angeordneten ErmittlungsmaBnahme. Einige Oberlandesgerichte (Karlsmhe, NStZ 1992, 97; Koblenz, StV 1994, 284; NStZ-RR 1999, 50) bejahen den Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG. Der BGH (St 44, 265 ff.) befiirwortet dagegen - unter Aufgabe seiner fruheren Rechtsprechung - die analoge Anwendung des § 98 II 2 StPO - jedenfalls - fur die richterliche Uberprufung der Art und Weise der Durchfuhrung einer nichtrichterlich angeordneten MaBnahme (vgl. auch BGHSt. 45, 183, 186 mit Anm. Amelung, JR 2000, 479; Martin, JuS 2000, 196; BGH NJW 2000, 84) Das BVerfG (E 96, 44 ff.) hat die uniibersichtHche Spaltung der Rechtsmittel gegen ZwangsmaBnahmen im Ermittlungsverfahren sowie deren uneinheitliche Handhabung durch die Fachgerichte ausdrucklich gerugt. Die h.M. (OLG Stuttgart, StV 1999, 298; OLG Hamburg, StV 1999, 301; Bachmann, NJW 1999, 2414, 2415; Beulke\ Rn. 322, 325 ff.; Eisele, StV 1999, 298; Fezer, NStZ 1999, 151; Laser, NStZ 2001, 120, 124; Muller-Christmann, JuS
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2000, 167) wendet § 98 II 2 StPO im Ubrigen ohnehin auch auf richterliche ErmittlungsmaBnahmen an. Bei der Beurteilung des Rechtsschutzbedurfiiisses im Falle der Erledigung der angefochtenen MaBnahme hat sich in der Rspr. ein Wandel voUzogen. Die fruher h.M. (BVerfGE 49, 329, 340 ff.; BGHSt 28, 57, 58; 28, 160, 161; 37, 79, 84; BGH NJW 1995, 3397; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 364; OLG Karlsruhe, NJW 1988, 983) hielt erledigte richterliche MaBnahmen wegen prozessualer Uberholung grundsatzlich fur unanfechtbar. Nunmehr folgem das BVerfG (BVerfGE 96, 27, 41 f,; BVerfG NJW 1997, 2163, 2164 f; 1998, 2131; StV 2002, 348; StV2005, 351, 352) und im Anschluss daran auch der BGH (BGH StV 1998, 579; NJW 1999, 730, 731 f.) aus dem Erfordemis eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) die Berechtigung des Betroffenen, tiefgreifende Grundrechtseingriffe gerichtlich iiberpriifen zu lassen, wenn die von der Prozessordnung gegebene Instanz nach dem typischen Verfahrensablauf nicht iiber die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt entscheiden kann. Konsequent erscheint es, in diesen Fallkonstellationen auf das konkrete AusmaB der mit dem Grundrechtseingriff verbundenen Belastungen abzustellen (vgl. nur Beulke^, Rn. 327). Die Beurteilung der Zulassigkeit der Bewegungsbilderstellung im Rahmen der Telekommunikationsuberwachung gehort inzwischen zu den „strafprozessualen Standardproblemen". Die wohl h.M. (BGH [ER], StV 2001, 214; LG Dortmund, NStZ 1998, 577; LG Ravensburg, NStZ-RR 1999, 84; LG Aachen StV 1999, 590; Nack, in KKStPO, § 100a, Rn. 13) lasst die Erstellung von Bev^egungsbildem anhand unechter Verbindungsdaten im Rahmen der §§ 100a, 100b zu, wogegen die Gegenmeinung (Bernsmann, NStZ 2002, 103; Demko, NStZ 2004, 57, 59; Koenig/Koch/Braun, K&R 2002, 293; Wohlers/Demko, NStZ 2003, 241, 247) diese ErmittlungsmaBnahme mangels entsprechender Eingriffsermachtigung ablehnt. Beide Auffassungen sind selbstverstandlich in einer Klausur gut vertretbar. Zur Beantwortung der Frage 2 konnte im Wesentlichen auf die Ausfuhrungen zur Bestimmung des Rechtswegs gegen den Vollzug einer richterlich angeordneten ErmittlungsmaBnahme verv^iesen werden. Unterschiede bestehen zwar darin, dass es sich um die Uberprufung einer nichtrichterlichen MaBnahme und deren Vollzug handelt, es liegt aber nahe, einen einheitlichen Rechtsweg anzunehmen (vgl. BVerfGE 96, 44 ff.), also auch hier die Anwendbarkeit der §§ 23 ff. EGGVG abzulehnen. Hinsichtlich des Bestehens des Rechtschutzbedurfnisses gilt das oben Gesagte. Der Streit, ob § 163 StPO lediglich eine Aufgabennorm ist oder der Polizei auch Beflignisse im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verleiht, wurde durch die Einfuhrung der polizeilichen Befugnisgeneralklausel in § 163 I 2 StPO iiberholt und soil in einer Klausur w^egen eindeutiger Gesetzeslage nicht mehr dargestellt w^erden. Die Frage 3 nach der Vemichtung des in zulassiger Weise nach § lOOf I Nr. 1 StPO hergestellten Fotomaterials wird - sow^eit ersichtlich - in der Literatur nicht behandelt. Die Parallele zur Verwertung der im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung gem. § 81b StPO angefallenen Unterlagen bietet sich v^egen der Ahnlichkeit der Konstellationen allerdings an.
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Klausur Nr. 4**
Der unerkannte Juwelendieb Jedermann-Festnahme - Durchsuchung - korperliche Untersuchung DNA-Analyse Werner Folland (F) horte gegen 1.30 Uhr einen lauten Knall. Als er aus dem Fenster spahte, sah er im Schein der StraBenlateme, dass jemand durch die eingeschlagene Scheibe des auf der gegeniiberliegenden StraBenseite gelegenen Juweliergeschaftes in die Auslage griff und Gegenstande in einer Plastiktute verstaute. F zog sich schnell ein Hemd und eine Hose uber und lief aus dem zweiten Stock auf die StraBe. Dort angekommen, erblickte er einen Mann, der - eine Plastiktute in der Hand haltend - vor dem Schaufenster des Juweliers stand. F meinte, den Tater vor sich zu haben, und rief der Person zu, sie soUe stehen bleiben. Der Mann Uef jedoch - sichtlich erschrocken - davon. F nahm die Verfolgung auf, holte ihn etwa einhundert Meter weiter ein und hielt ihn mit einem schmerzhaften Griff am Arm fest. Der Mann versetzte F daraufhin einen wuchtigen Faustschlag gegen die Brust, um sich zu befreien. F lieB ihn aber nicht los, sondem drehte ihm den Arm auf den Riicken und hielt ihn fest, bis einige Minuten spater ein Streifenwagen am Tatort eintraf, da durch das Einschlagen der Scheibe die Alarmanlage des Juweliergeschaftes ausgelost worden war. Die Polizeibeamten durchsuchten die Kleidung und die Plastiktute der von F festgenommenen Person. Es handelte sich um den turkischen Staatsbiirger Nazif Tunca (T). T gab an, auf dem Weg zur Friihschicht an dem Juweliergeschaft vorbeigekommen und stehen geblieben zu sein, um sich den Schaden anzuschauen. Als Grund fiir seine Flucht gab er Furcht vor dem herannahenden F an. Erst vor zwei Wochen sei er nachts uberfallen und zusammengeschlagen worden. Die Polizeibeamten durchsuchten die Kleidung des T und die Plastiktute. Gegenstande aus dem Juweliergeschaft fanden sie dabei nicht. Die Plastiktute enthielt lediglich die Verpflegung des T fur den Arbeitstag. Die Beamten lieBen T gehen, nachdem sie seine Personalien notiert hatten. 1. Beurteilen Sie die Straft^arkeit von F und T wegen der Auseinandersetzung. 2. Durften die Polizeibeamten T durchsuchen? Am Tatort fand die Kriminalpolizei Blutspuren, die offensichtlich von dem Tater stammten, der sich an den Scherben der Scheibe verletzt zu haben schien. Maria Zacharias (Z), eine andere Anwohnerin, bestatigte im Ubrigen die Darstellung des T. Sie hatte eine Person bei dem Diebstahl beobachtet. Nachdem der Tater schnell die mitgeftihrte Tute „vollgestopft" habe, sei er zu einem in der Nahe mit laufen-
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dem Motor abgestellten Porsche gelaufen und sei davon gefahren. Erst dann sei T um die Ecke gekommen. Der Porsche habe ein Potsdamer Kennzeichen gehabt. Die iibrigen Buchstaben und Ziffem habe sie jedoch nicht lesen konnen. Staatsanwalt Schober (S) forderte die Halter aller in Potsdam zugelassenen Sportwagen der Marke Porsche auf, eine Speichelprobe fur eine DNA-Analyse abzugeben. Auch Walter Poche (P) wurde angeschrieben. Er lehnte es ab, sich eine Speichelprobe abnehmen zu lassen, weil es far unerhort hielt, mit einer solchen Tat in Verbindung gebracht zu werden. 3. Was kann S tun, um durch eine DNA-Analyse feststellen zu lassen, ob P als Tater des Einbruchs in Betracht kommt oder ausscheidet? Lehrbuch: Rn. 259 ff.; 283 ff.; 294 ff.
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Losung Frage 1: Die Strafbarkeit von F und T wegen der Auseinandersetzung /. Strafbarkeit des F l.§239IStGB F konnte sich wegen Freiheitsberaubung gem. § 239 I StGB strafbar gemacht haben, indem er T fur mehrere Minuten bis zum Eintreffen der PoUzei festhielt.
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a) Tatbestand aa) Objektiver Tatbestand F hinderte T durch Gewalt fur einige Minuten daran, seinen (des T) Aufenthaltsort zu verlassen. Er beraubte T somit auf andere Weise - als durch Einsperren - seiner Freiheit. Eine Freiheitsberaubung, die einige Minuten dauert, uberschreitet die UnerhebUchkeitsschwelle, zumal das Mittel, namhch die Gewaltanwendung von einigem Gewicht war.
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bb) Subjektiver Tatbestand F handelte mit dem Ziel, T die Ausiibung seiner personlichen Fortbewegungsfreiheit unmoglich zu machen, mithin absichtlich.
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b) Rechtswidrigkeit aa) Notwehr, § 32 StGB T fiihrte keine aus dem Juwehergeschaft entwendeten Gegenstande bei sich. Notwehr in Form der Nothilfe scheidet somit mangels - gegenwartigen - Angriffs aus. Das gilt im Ubrigen unabhangig davon, ob T die Scheibe zum Zweck eines Diebstahls eingeschlagen oder er die Gelegenheit zur Wegnahme fremder Sachen nutzen wollte.
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bb) Festnahmerecht, §12711 StPO F konnte aber durch das Recht zur anwesenheitssichemden Flagranzfestnahme nach § 127 I 1 StPO gerechtfertigt sein. Dann miisste er T auf frischer Tat betroffen bzw. verfolgt haben. Strittig ist, wie der Begriff der Tat zu verstehen ist. Nach einer am Wortlaut des § 127 I 1 StPO orientierten - materiell-strafrechtlichen - Auffassung setzt das Jedermann-Festnahmerecht eine tatsachlich begangene Straftat voraus; nicht erkennbare Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgriinde sollen es allerdings unberiihrt lassen. Ob T eine Straftat begangen hatte, konnte jedoch nicht festgestellt werden. Die Umstande sprechen sogar dafur, dass die Darstellung des T, er sei zufallig an dem Juwehergeschaft vorbeigekommen und habe sich nur den Schaden ansehen woUen, zutrifft. T hatte somit schon kei-
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nen Straftatbestand erfuUt, sodass bei Anwendung dieser Sicht § 127 I 1 StPO in casu ausscheidet. Die an den Grundsatzen des Strafprozessrechts ausgerichtete Gegenmeinimg lasst einen - dringenden - Tatverdacht genugen. Ein solcher liegt vor, wenn der Festgenommene mit groBer WahrscheinUchkeit eine Straftat begangen hat. Es geniigt also nicht, dass nur der Festnehmende diesen Verdacht hegt, sondem die von ihm wahmehmbaren Umstande mussen die Tatbegehimg durch den Festgenommenen nahe liegend erscheinen lassen. Aus der Sicht des F deutete alles darauf hin, dass T einen Einbruchsdiebstahl begangen hatte. F hatte unmittelbar nach der Zerstorung der Scheibe den mutmaBlichen Dieb beobachtet, der eine Plastiktute bei sich trug. F konnte den Tater zwar nicht ununterbrochen beobachten, da er kurz nach dem Einschlagen der Scheibe den T am Tatort antraf, sprach dies aber dafur, dass es sich bei T um den Tater handelte. Es erschien imwahrscheinlich, dass in der Zwischenzeit der Tater verschwunden, dafur aber ein Unbeteiligter gekommen war, der ebenfalls eine solche Tute mitfiihrte. Als weiteres Indiz kam die spontane Flucht des T hinzu, die in dieser Situation kaum anders zu erklaren war, als dass der iiberraschte Tater entkommen wollte. Somit sprach eine hohe WahrscheinUchkeit dafur, dass T den Einbruchsdiebstahl begangen hatte. Nach dieser Auffassung ware der Anwendungsbereich des § 127 I 1 StPO also eroffnet. Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen fuhren, ist eine Streitentscheidung erforderlich. Die erstgenannte Auffassung scheint den Wortlaut der Vorschrift fur sich in Anspruch nehmen zu konnen. Zudem erfordem auch andere Rechtfertigungsgrunde das objektive Vorliegen der rechtfertigenden Umstande und begntigen sich nicht mit einem Verdacht. So muss z.B. bei der Notwehr gem. § 32 StGB der Angriff tatsachUch gegeben sein. Diese Betrachtung lasst jedoch den strafverfahrensrechtlichen Charakter des Festnahmerechts auBer Betracht. Die ZwangsmaBnahmen des StraQ)rozessrechts setzen grundsatzlich nur einen Tatverdacht, also die bloBe Moglichkeit, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde, voraus. Bisweilen fordert das Gesetz einen hoheren Verdachtsgrad, wenn es sich um besonders belastende Eingriffe in die Rechtsgiiter des Betroffenen handelt; so liegt es z.B. bei der Untersuchungshaft, die nach § 112 I 1 StPO nur bei einem dringenden Tatverdacht angeordnet werden darf. Eine tatsachlich begangene Tat wird ansonsten dagegen nicht gefordert. Das ist notwendigerweise so, weil zu Beginn des Ermittlungsverfahrens noch gar nicht feststehen kann, ob der mutmaBliche Tater die Tat, derer er verdachtig ist, tatsachlich begangen hat. Die Zulassigkeit der ErmittlungsmaBnahmen muss aber schon im Zeitpunkt ihrer Vomahme zu beurteilen sein, nicht erst nach rechtskrafligem Abschluss des Strafverfahrens geraume Zeit spater, zumal das Legalitatsprinzip die Strafverfolgungsorgane zum Eingreifen verpflichtet, wenn ein Tatverdacht auftaucht (§§ 152 II, 160 I, 163 I StPO), und sie sich gem. §§ 258, 13 StGB wegen StrafVereitelung durch Unterlassen strafbar machen konnen, falls sie durch eine Verletzung der Verfolgungspflicht die Bestrafung des Taters verhindem oder verzogem. Deshalb konnen nach einhelliger Auffassung Polizeibeamte eine anwesenheitssichemde Flagranzfestnahme auf § 127 I 1 StPO schon bei Vorliegen eines Tatverdachts stiitzen. Dies belegt im Ubrigen, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht - jedenfalls nicht zwingend - fur
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die materiell-strafrechtliche Sichtweise spricht. Zwar unterliegen Privatpersonen nicht dem Legalitatsprinzip. Daraus folgt aber nicht, dass eine Rechtfertigung - im Gegensatz zu Strafverfolgungsorganen - nur anzunehmen ist, wenn die Tat auch wirklich begangen wurde. Zwar scheidet die Strafbarkeit einer Privatperson wegen StrafVereiteliing mangels Verfolgungspflicht aus. Indem § 127 I 1 StPO Privaten das Festnahmerecht zubilligt, bedient es sich aber des Burgers quasi als Strafverfolgungsorgan zur Sicherung des Strafverfahrens. Deshalb diirfen an die Rechtfertigung der Festnahmehandlung einer Privatperson keine strengeren Anforderungen gestellt werden, als dies bei einem Amtstrager der Fall ist. Der Anwendungsbereich des § 127 11 StPO ist somit eroffiiet. F traf T am Tatort an und stellte ihn nach einer kurzen Verfolgung, sodass der raum-zeitliche Zusammenhang von Tat und Festnahme gegeben ist. T lief weg, als F ihn aufforderte stehen zu bleiben, sodass der Festnahmegrund Fluchtverdacht vorlag. § 127 I 1 StPO gestattet jedenfalls die mit einer Festnahme verbundene Beeintrachtigung der Fortbewegungsfreiheit, sodass F mit dem Festhalten ein zulassiges Mittel anwendete. Er handelte zudem mit dem Willen, die Strafverfolgung des T zu sichem. Das subjektive Rechtfertigungselement ist somit ebenfalls gegeben. Die Freiheitsberaubung ist folglich gerechtfertigt.
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2. §223 StGB Durch die Zufugung der mit dem Festhalten verbundenen Schmerzen behandelte F den T in ubler unangemessener Weise und beeintrachtigte dessen korperliches Wohlbefmden in nicht unerheblicher Weise. Das Festnahmerecht des § 127 I 1 StPO erlaubt grundsatzlich auch die Anwendung von MaBnahmen, die eine Korperverletzung zur Folge haben. Wie bei alien stra^rozessualen Ermittlungshandlungen ist jedoch das VerhaltnismaBigkeitsprinzip zu beriicksichtigen. Die Flucht des T konnte F nur dadurch verhindem, dass er ihn festhielt und ihm zur Verhinderung weiteren Widerstandes den Arm auf den Rucken drehte. Diese Mittel waren also geeignet und erforderlich, die Flucht des T zu verhindem. Bei dem Einbruchsdiebstahl handelt es sich um eine Straftat von einigem Gewicht, sodass die mit dem Festhalten verbundene korperliche Misshandlung auch verhaltnismaBig im engeren Sinne war, zumal F dem T lediglich vorubergehende Schmerzen zufagte, dessen korperliche Unversehrtheit aber nicht verletzte. Deshalb ist auch die Korperverletzung gerechtfertigt.
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5. Ergebnis F hat sich nicht strafbar gemacht.
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//. Strafbarkeit des T L§ 2231 StGB T konnte sich wegen Korperverletzung gem. § 223 I StGB strafbar gemacht haben, indem er F einen wuchtigen Faustschlag gegen die Brust versetzte.
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a) Tatbestand aa) Objektiver Tatbestand 298
Der mit Wucht gegen die Brust gefuhrte Faustschlag verursachte bei F Schmerzen, sodass darin eine korperhche Misshandlung zu sehen ist.
bb) Subjektiver Tatbestand 299
T sah die Korperverletzung des F als sichere Folge seines Verhaltens voraus, handelte also mit dolus directus 2. Grades.
b) Rechtswidrigkeit 300
Ein Rechtfertigung durch Notwehr gem. § 32 StGB kame nur in Betracht, wenn F einen gegenwartigen rechtswidrigen Angriff auf ein geschtitztes Interesse des T untemommen hatte. Die Beeintrachtigungen der Fortbewegungsfreiheit und des korperlichen Wohlbefmdens waren aber - wie oben festgestellt wurde - gerechtfertigt. Der Angriff des F war somit nicht rechtswidrig, sodass § 32 StGB ausscheidet. Andere Rechtfertigungsgriinde sind nicht ersichtlich.
c) Schuld 301
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Es kormte aber ein Erlaubnistatbestandsirrtum vorliegen. Um einen solchen Irrtum handelt es sich, wenn der Tater sich tatsachliche Umstande vorstellt, die - wenn sie der Realitat entsprachen - sein Verhalten rechtfertigen wurden. Das Festhalten mittels des schmerzhaften Griffs an den Arm war sogar objektiv ein gegenwartiger Angriff auf die Fortbewegungsfreiheit und das korperliche Wohlbefinden des T. Dieser brachte die Aufforderung des F stehen zu bleiben und die anschliefiende Verfolgung nicht mit dem Einbruchsdiebstahl in Verbindung, sondem er glaubte, dass F ihn iiberfallen und misshandeln woUte. Nach seiner Vorstellung war der Angriff folglich auch rechtswidrig. Auf der Grundlage der - falschen - Tatsachensicht des T stand ihm kein anderes gleichermaBen wirksames, aber weniger einschneidendes Mittel zur Verfugung, um den Angriff abzuwehren. Die Verteidigung war somit erforderlich, auch wenn sich deren Unwirksamkeit zeigte. T handelte zudem mit Verteidigungswillen. Bei Zugrundelegung der Vorstellung des T war der Faustschlag von § 32 StGB gedeckt. Umstritten ist, welche Rechtsfolgen das Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums hat. Die strenge Schuldtheorie behandelt ihn als Verbotsirrtum gem. § 17 StGB mit der Folge, dass der Erlaubnistatbestandsirrtum die Schuld nur entfallen lasst, wenn er unvermeidbar war. Uber die fur die Vermeidbarkeit maBgeblichen Kriterien ist noch keine Einigung erzielt worden. Zum Teil wird die Vermeidbarkeit vemeint, wenn der Tater keinen Anlass hatte, sich zu informieren, bzw. wenn er auch bei sorgfaltiger Priifung oder Erkundigung in dem Irrtum befangen geblieben ware. Der Schluss, dass F den T zum Stehenbleiben aufforderte, weil er ihn mit der ein-
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geschlagenen Scheibe in Verbindung brachte, drangte sich auf. Hatte T die Gesamtumstande gewiirdigt, so hatte er dies erkennen konnen. Der Irrtum war nach dieser Auffassung somit vermeidbar. Zu demselben Ergebnis gelangt auch die engere Meinung, die an die Vermeidbarkeit noch strengere MaBstabe anlegt als an die vorwerfbare Sorgfaltspflichtverletzung bei der Fahrlassigkeit. T hatte bei Einsatz aller seiner Erkenntniskrafte und sittHchen Wertvorstellungen die Einsicht gewinnen konnen, dass F das Festnahmerecht ausiiben woUte. T hatte somit schuldhaft eine vorsatzHche Korperverletzung begangen. Die ganz h.M. lehnt dagegen bei Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums die Strafbarkeit wegen vorsatzlicher Tatbegehung ab. Dieses Ergebnis wird entweder durch eine analoge Anwendung des § 16 StGB erzielt oder dadurch, dass auf die Rechtsfolgen des Tatumstandsirrtums, namlich Ausschluss der Vorsatzstrafbarkeit, verwiesen wird. Die Strafbarkeit aus § 223 StGB scheidet im Ergebnis nach dieser Auffassung jedenfalls aus. Ftir die strenge Schuldtheorie spricht, dass § 16 StGB nach seinem Wortlaut nur fur den Tatumstandsirrtum gilt und mit § 17 StGB eine Regelung vorhanden ist, die auch auf den Erlaubnistatbestandsirrtum angewendet werden konnte, weil der in einem solchen Irrtum befangene Tater sein Verhalten nicht als Unrecht erkennt. Sie iibersieht jedoch den besonderen Charakter des Erlaubnistatbestandsirrtums. Er gleicht dem Tatumstandsirrtum darin, dass der Tater sich an sich rechtstreu verhalten will und er dies nur deshalb nicht tut, weil er eine unzutreffende Sicht der tatsachlichen Umstande hat. Das Fehlen der Unrechtseinsicht beruht gerade nicht - wie § 17 StGB es voraussetzt - auf der Unkenntnis des Verbots oder einer falschen rechtlichen Bewertung seines Verhaltens. T ist somit nicht wegen vorsatzlicher Korperverletzung strafbar.
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2. §229 StGB § 16 I 2 StGB lasst die Strafbarkeit wegen fahrlassiger Tatbegehung unberiihrt, sodass T eine fahrlassige Korperverletzung gem. § 229 StGB begangen haben konnte.
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a) Tatbestandsmdjiigkeit T misshandelte F korperhch. Er handelte zwar mit Korperverletzungsvorsatz, wegen des Erlaubnistatbestandsirrtums kann ihm der Vorsatz aber - wie festgestellt - nicht angelastet werden. Die Fahrlassigkeit ist deshalb auf den Irrtum zu beziehen. T hatte objektiv sorgfaltswidrig gehandelt, wenn ein besonnener Mensch in seiner Situation aus den tatsachlichen Umstanden den zutreffenden Schluss gezogen hatte, dass F tatig wurde, um T wegen des Einbruchsdiebstahls festzunehmen. Oben wurde bereits dargestellt, dass sich dieser Schluss auf Grund der den T belastenden Umstande aufdrangte. T handelte also objektiv sorgfaltswidrig.
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b) Rechtswidrigkeit Rechtfertigungsgriinde sind nicht ersichtlich.
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c) Schuld 313
Fraglich ist, ob T subjektiv sorgfaltswidrig handelte. Anhaltspunkte dafiir, dass T die intellektuellen Fahigkeiten gefehlt batten, die objektiv erforderliche Sorgfalt aufzubringen, enthalt der Sachverhalt nicht. Zu berucksichtigen ist aber auch das personliche Erfahrungswissen. T war wenige Wochen zuvor Opfer eines nachtlichen korperlichen Angriffs geworden. Wegen der nachhaltigen psychischen Folgen eines solchen Geschehens ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass T nicht in der Lage war, die Sachlage besonnen einzuschatzen, als F auf ihn zugelaufen kam. T ist deshalb eine subjektive Sorgfaltswidrigkeit nicht vorzuwerfen.
5. Ergebnis 314
T hat sich nicht strafbar gemacht.
Frage 2: Zulassigkeit der Durchsuchung des T 315
Die Durchsuchung des T durch die Polizeibeamten war zulassig, wenn sie zur Anordnung bzw. Durchfuhrung dieser MaBnahme befugt waren und deren materielle Voraussetzungen vorlagen.
/. Anordnungsbefugnis 316
Bei der Durchsuchung der Kleidung des T und der Plastiktute handelte es sich um eine korperliche Durchsuchung des Verdachtigen nach § 102 StPO. Gem. § 105 11 StPO durften die Polizeibeamten, die durch Landesrecht zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft i.S.d. § 152 I GVG bestimmt worden sind, diese MaBnahme anordnen, wenn Gefahr im Verzug war. Das ware der Fall gewesen, wenn die Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung hatte gefahrden konnen. Es war zu befiirchten, dass sich T - hatte er Diebesgut bei sich gefuhrt - der Beute wahrend der zur Einschaltung des Richters notwendigen Zeit entledigt hatte. Es war somit Gefahr im Verzug.
//. Voraussetzungen der Durchsuchung 317 318
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T mtisste als Tater des Einbruchsdiebstahls verdachtig gewesen sein. Oben wurde bereits festgestellt, dass ein Tatverdacht gegen T bestand. Die korperliche Durchsuchung ist zulassig zum Auffmden von Beweismitteln. Auf Grund der Aussage des F lag die Annahme nahe, dass T Diebesgut in der Plastiktute und moglicherweise auch in seiner Kleidung verborgen hatte. Die Durchsuchung war geeignet und erforderlich, um die vermuteten Beweismittel aufzufmden. Die mit der MaBnahme verbundenen Beeintrachtigungen des T waren angesichts des gravierenden Tatvorwurfs und der belastenden Umstande zudem verhaltnismaBig im engeren Sinne.
///. Ergebnis 320
Die Durchsuchung des T war zulassig.
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Frage 3: MaBnahmen zur Durchfiihrung einer DNA-Analyse Um Feststellungen zur Taterschaft des P im Wege einer DNA-Analyse treffen zu konnen, miissen die Gewinnung der Speichelprobe und deren molekulargenetische Untersuchung zulassig sein.
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/. Zuldssigkeit der Gewinnung des Zellmaterials Die DNA-Analyse ist gem. § Sle I 1 StPO zulassig an Material, das durch eine korperliche Untersuchung nach § 81a I StPO erlangt wurde.
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1. Anordnungsbefugnis Die Befugnis zur Anordnung einer korperlichen Untersuchung, durch die - z.B. mittels eines Abstrichs - eine Speichelprobe des P gewonnen werden konnte, liegt gem. § 81a II StPO bei dem Richter. Gemeint ist damit der Ermittlungsrichter i.S.d. § 162 StPO. Ein Beweismittelverlust durch die Einschaltung des Richters ist nicht zu befurchten, sodass eine Notkompetenz des S ausscheidet. Er muss die Anordnung der Untersuchung somit bei dem Ermittlungsrichter beantragen.
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2. Voraussetzungen der korperlichen Untersuchung P miisste Beschuldigter sein. Gegen ihn liegen zwar nur geringfugige Verdachtsmomente vor, namlich Halter eines Pkw des Typs zu sein, mit dem der Tater den Tatort verlassen hatte. Das andert aber nichts daran, dass bei ihm - wie im Ubrigen bei alien anderen mannlichen Haltem eines Porsche mit Potsdamer Kennzeichen - die Moglichkeit besteht, den Einbruchsdiebstahl begangen zu haben. P ist also Beschuldigter. Durch die molekulargenetische Untersuchung seines Zellmaterials kann ein Indiz fur seine Taterschaft ermittelt oder seine Taterschaft ausgeschlossen werden, sodass die Speichelprobe, die im Wege der korperlichen Untersuchung erlangt werden soil, fur das Verfahren von Bedeutung ist. Die Anordnung der korperlichen Untersuchung ware somit zulassig. Im Falle der Weigerung konnte P die Speichelprobe unter Anwendung unmittelbaren Zwanges abgenommen werden.
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//. Zuldssigkeit der DNA-Analyse 1. Anordnungsbefugnis Die Befugnis zur Anordnung der DNA-Analyse sowie zur Bestimmung des Sachverstandigen liegt gem. § 8 If StPO ausschlieBlich beim Ermittlungsrichter.
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2. Voraussetzungen der Mafinahme Die molekulargenetische Untersuchung darf gem. § 81e I 1 StPO angeordnet werden, um festzustellen, ob die am Tatort aufgefimdene Blutspur von dem Beschuldigten P stammt.
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///. Ergebnis 328
S muss somit Anordnungen des Ermittlungsrichters zur korperlichen Untersuchung des P und zur Durchfuhrung der DNA-Analyse erwirken. Der Ermittlungsrichter wird den Antragen entsprechen.
Hinweise zur Losung: 329
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Ftir die Beantwortung der Frage 1 ist der Streit iiber die Voraussetzungen des § 127 I 1 StPO relevant. Es handelt sich um ein Standardproblem, sodass die Standpunkte und die wesentlichen Argumente der „materiell-rechtlichen Theorie" (z.B. KG, VRS 45, 35, 37; OLG Hamm, NJW 1972, 1826; NJW 1977, 590; Beulki, Rn. 235; Meyer-Gofine/^, § 127 Rn. 4; Lenckner, in: Schonke/Schroder^^ Vor § 32 Rn. 82) und der „strafyrozessrechthchen Auffassung" (z.B. BGH[Z], NJW 1981, 745; BayObLG, MDR 1986, 956; OLG Zweibrucken, NJW 1981, 2016; Boujong, in: KKStPO^ § 127 Rn. 9; Borchert, JA 1982, 338, 341 ff.; Roxm^\ § 31 Rn. 4) bekannt sein miissen. Die Losung folgt der stra^rozessualen Auffassung. Es ist selbstverstandlich gut vertretbar, mit der Gegenmeinung das Festnahmerecht eines Privaten nur bei Vorliegen einer tatsachlich begangenen Straftat zu bejahen. Auf die Ergebnisse wirkt sich dieser abweichende Ausgangspunkt in unserem Fall nicht einmal aus, der Losungsweg unterscheidet sich jedoch erheblich von dem hier beschrittenen. F ware zwar nicht gerechtfertigt. Da er aber glaubte, T habe den Einbruchsdiebstahl begangen, ware bei ihm ein Erlaubnistatbestandsirrtum anzunehmen, weil auf der Grundlage seiner Vorstellung die Voraussetzungen des Festnahmerechts gegeben waren. Bei Anwendung der h.M. schiede die Vorsatzstrafbarkeit (§§ 239, 223 StGB) aus. Der Irrtum war nicht sorgfaltswidrig, sodass F zudem nicht wegen fahrlassiger Korperverletzung strafbar ware. Die Priifung der Strafbarkeit des T gestaltet sich dann recht kompliziert. T ware keineswegs durch Notwehr gerechtfertigt - wie es auf den ersten Blick erscheinen mag -, obwohl F kein Festnahmerecht hatte. § 32 StGB kann mit der Begriindung abgelehnt werden, der Angriff des F sei schon nicht rechtswidrig gewesen, weil F sich in einem objektiv nicht pflichtwidrigen Erlaubnistatbestandsirrtum befand (vgl. Lenckner, in: Schonke/Schroder^^, §32 Rn. 21). Zumindest ware das Notwehrrecht gegeniiber dem auf Grund des Irrtums schuldlos handelnden F aber eingeschrankt (zur Notwehreinschrankung bei fehlender Schuld des Angreifers z.B. BayObLG, NJW 1991, 2031 f.; Roxin, AT-I^ § 15 Rn. 57 ff.; nur vereinzelt [Spendel, in: LK^\ § 32 Rn. 309] wird jede Notwehreinschrankung abgelehnt). Da T diese Umstande nicht erkannte, auf der Grundlage seiner Vorstellung also die Voraussetzungen des § 32 StGB vorlagen, scheitert seine Strafbarkeit - wie in der Losung oben - wegen des Erlaubnistatbestandsirrtums. Die Antworten auf die Fragen 2 und 3 lassen sich unmittelbar aus dem Gesetz herleiten, vorausgesetzt das Verhalten der Polizeibeamten wird zutreffend als korperliche Durchsuchung gem. § 102 StPO qualifiziert, die Beschaffung der Speichelprobe als korperUche Untersuchung i.S.d. § 81a StPO. Der Streit um die
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maBgeblichen Kriterien fur die Unterscheidung dieser MaBnahmen ist in casu nicht relevant. Die Durchsuchung der Kleidung imd der Plastiktiite des T ist sowohl nach h.M. (Beulke\ Rn. 241; Ranft\ Rn. 714; Roxin^^ § 33 Rn. 6), die auf den Zweck der MaBnahme abstellt (Durchsuchung bei Suche nach Beweismitteln am Korper bzw. in den naturlichen Korperoffhungen; Untersuchung, wenn die Beschaffenheit des Korpers festgestellt wird), als auch nach der Gegenmeinung (Riiping^, Rn. 261; Wassermann, in: AKStPO, § 81a Rn. 2), die nach dem Mittel unterscheidet (Durchsuchung bei Suche in oder unter der Kleidung; Untersuchung bei Inaugenscheinnahme des unbekleideten Korpers oder der Korperoffhungen), nach § 102 StPO zu beurteilen. Die Erlangung einer Speichelprobe erfolgt im Wege einer korperlichen Untersuchung nach § 81a StPO. Es geht hier gerade nicht um die Zulassigkeit von DNA-Massentest, bei denen eine Vielzahl von Personen, die bestimmte Merkmale aufweisen, z.B. Halter eines bestimmten Fahrzeugstyps zu sein, untersucht werden, weil P wegen der - wenn auch noch vagen Anhaltspunkte fur die Taterschaft - Beschuldigter ist.
Klausur Nr. 5*
„My home is my castle"? Aufierdienstliche Kenntniserlangung - „groBer und kleiner Lauschangriff - Einsatz sonstiger technischer Mittel zur Observation Michael Anders (A) ist Mitglied der „Para-o-Deus-Gruppe", die einen streng religiosen Staat propagiert und auch bereit ist, dieses Ziel mit terroristischen Mittebi zu erreichen. Bei dem letzten Anschlag der Gruppe waren mehr als zwolf Menschen gestorben. A gab trotz sehr guter Leistungen sein Physik-Studium auf, um sich dem „System" zu entziehen. Er eroffnete ein kleines Reisebiiro in Potsdam, das als Kontaktstelle der Gruppe diente. Am 13.07.2004 woUte die Kriminalkommissarin Katja Kriiger (K) eine private Reise im Reisebiiro des A buchen. Dort unterhielten sich gerade der A und eine andere mannliche Person, die abrupt das Gesprach abbrachen als sie den Raum betrat. K vemahm noch die Worte „Sprengstoffbombe" und „Para-o-DeusGruppe". Sie wunderte sich auch iiber die schlechte Beratung, sodass sie vermutete, es „stimme etwas nicht". Jedoch ging K ihrem Verdacht nicht weiter nach, da sie frei hatte und sich nicht den Tag verderben woUte. 1. War K zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet? Nachdem auf Grund der Anzeige eines Nachbam des A, der verdachtige Zusammenkunfte in der Wohnung des A beobachtet hatte, von dem zustandigen Staatsanwalt Stefan Sommerfeld (S) ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, erinnerte sich K wieder an den Vorfall und teilte S ihre Wahmehmungen in dem Reiseburo mit. Die weiteren Ermittlungen erwiesen sich jedoch als schwierig und erbrachten keinen Erfolg. Die Beobachtungen ergaben lediglich, dass sich die Gruppe nicht nur im Reiseburo, sondem auch in der Wohnung des A versammelte. Deshalb woUte S jeweils eine Wanze in der Kiiche des A und im Reiseburo installieren lassen. Er erhoffte sich Informationen iiber die vergangenen und zukunftigen Taten durch das Abhoren. 2. Bei wem muss S den Antrag auf Einsatz der technischen Mittel zur akustischen Uberwachung stellen? 3. Sind die MaBnahmen zulassig? Nachdem S die Anordnungen der akustischen Uberwachung erwirkt hatte, beauftragte er KOK Willems (W) mit dem Anbringen der „Wanzen". W drang heimlich
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in die Wohnung des A ein und brachte das Gerat an einer unauffalligen Stelle in der Kiiche an. Die „Wanze" im Reiseburo platzierte er heimlich wahrend eines Besuchs des Geschaftsraums, bei dem er sich als Kunde ausgab. 4. War das Vorgehen des W rechtmaUig? Bei der Uberwachung der Kuche des A vemahm der Dienst habende Polizeibeamte Peter Pauli (P) am Abend ein Gesprach zwischen A und seinem Bekannten Ben Berkowsky (B). Dabei ging es um einen zuktinftigen Sprengstoffanschlag. Als A und B auf die Einzelheiten des Anschlages zu sprechen kamen, verlieBen sie jedoch die Kiiche und begaben sich auf den Balkon. P teilte seinem KoUegen W, der die Wohnung des A beobachtete, diese Entwicklung telefonisch mit. W verfolgte daraufhin das Gesprach auf dem Balkon mit einem Richtmikrofon, dass er in seinem Fahrzeug mitfuhrte, und zeichnete das Gesprach auf. Dabei erflihr W, dass A am nachsten Morgen zu den angelegten Erddepots fahren woUte, um die vorhandene Menge des Schwarzpulvers in den Depots zu uberprufen und gegebenenfalls groBere Mengen Chinaboller zu erwerben, um diesen das Schwarzpulver zu entnehmen. Da A und B sich nicht iiber die Lage der Erddepots austauschten, sah W nur die Moglichkeit, noch am Abend einen Empfanger mit einem Global Positioning System (GPS) in dem Fahrzeug des A zu installieren. Dafiir wurde der PKW heimlich geoffnet und kurzzeitig in eine Werkstatt verbracht. A flihr am nachsten Morgen zu den Erddepots. Der eingebaute Empfanger zeichnete die damit verbundenen Bewegungen und Standzeiten des Fahrzeuges auf. Die gespeicherten Daten wurden sodann an W iibermittelt. Am Nachmittag trafen sich A und B im Reiseburo des A, um weitere Einzelheiten zu besprechen. Dabei auBerte A den Verdacht bei der Fahrt zu den Erddepots tiberwacht worden zu sein. Am Abend miisse er einmal sein Auto untersuchen. Als W dies erfuhr, lieB er den GPS-Empfanger sofort ausbauen, damit A die Abhoraktion am Abend bei der Untersuchung nicht entdecken und dann die Flucht ergreifen wiirde. 5. Waren die MaBnahmen des W zulassig? Hinweis fiir die Bearbeitung: Das Global Positioning System (GPS) ist ein satellitengestiitztes funkgesteuertes Ortungssystem. Die Position eines Objektes, das iiber einen GPS-Empfanger verfiigt, kann mit einer Abweichung von 10 bis 50 Meter genau bestimmt werden. Lehrbuch: Rn. 51 ff., 349 ff.
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Losung Frage 1: Pflicht zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens bei aufierdienstlicher Kenntniserlangung Staatsanwalte sind gemaB §§ 152 II, 160 I StPO und Polizeibeamte gemaB § 163 I 1 StPO jedenfalls dann uneingeschrankt zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens verpflichtet, wenn sie dienstlich von einer Straftat erfahren. K erhielt aber auBerhalb ihres Dienstes von verdachtsbegrundenden Umstanden Kenntnis. Strittig ist, ob und in welchem Umfang das Legalitatsprinzip zur Einleitung eines Strafverfahrens bei privater Kenntniserlangung verpflichtet. Nach einer Ansicht besteht keine generelle Erforschungspflicht bei auBerdiensthch erlangter Kenntnis von Straftaten, weil Staatsanwalte und Polizisten sonst in unzumutbarer Weise in ihrem Recht auf eine freie Privatsphare beeintrachtigt wurden. Danach hatte K kein Ermittlungsverfahren einleiten mussen. Diese Ansicht fiihrt jedoch zu Liicken bei der Strafv^erfolgung, die mit dem Legalitatsprinzip schwer zu vereinbaren sind. Deshalb wird vorgeschlagen, eine Ermittlungspflicht bei solchen Taten zu bejahen, bei denen die Abwagung der konkreten Umstande ergibt, dass sie nach Art und Umfang die Belange der Offentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem MaBe beruhren. Die Beschrankung der Ermittlungspflicht bei privater Kenntniserlangung auf schwere Straftaten verdient grundsatzlich Zustimmung. Sie bedarf allerdings der Prazisierung. Zum Teil wird vorgeschlagen, den Katalog des § 138 StGB heranzuziehen. Es fehlt jedoch eine Begriindung dafur, weshalb gerade diese Tatbestande, nicht dagegen andere von vergleichbarem Schweregrad, den Staatsanwalt bzw. Polizeibeamten zur Aufnahme der Ermittlungen verpflichten soUen. Zutreffend erscheint daher, eine Verfolgungspflicht bei Vorliegen des Verdachts eines Verbrechens im technischen Sinne (§ 12 I StGB) anzunehmen. Damit wird die Wertung des Gesetzgebers beachtet, dass es sich bei dem von ihm als Verbrechen eingestuften Tatbestand um ein Delikt von besonderem Gewicht handelt. Die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a I Nr.l Alt. 2, II Nr. 2, Alt. 2 StGB, Mord gem. § 211 I StGB und Herbeifuhren einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge nach § 308 I, III StGB sind Verbrechen i.S.d. § 12 I StGB. K war deshalb zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens verpflichtet.
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Frage 2: Befugnis zur Anordnung der akustischen Uberwachung /. Uberwachung der Kiiche des A Die Kiiche gehort zur Wohnung des A. Die Anordnungsbefugnis zur akustischen Wohnraumiiberwachung liegt gem. § lOOd I 1 StPO bei der nach § 74a IV GVG zustandigen Kammer des Landgerichts. Da keine Gefahr im Verzug vorliegt, scheidet eine Notkompetenz des Vorsitzenden der Kammer nach § lOOd I 2 StPO aus. S muss die Anordnung der akustischen Wohnraumuberwachung somit bei der zustandigen Kammer des Landgerichts Potsdam beantragen.
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//. Uberwachung des Reisebiiros 338
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Das Reiseburo ist ein Geschaftsraum. Dem Wohnungsbegriff unterfallt es nicht, weil es fiir den Kundenverkehr offen und damit allgemein zuganglich ist. Fur diese Sicht spricht auch § 100c IV 2 StPO, wonach Gesprache in Betriebs- und Geschaftsraumen in der Regeln nicht dem Kembereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Die Anordnung der akustischen Uberwachung auBerhalb der Wohnung ist grundsatzlich dem (Ermittlungs-)Richter (§ 162 StPO) vorbehalten; nur bei Gefahr im Verzug durfen die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen die Uberwachung anordnen (§ lOOf II2 StPO). Mangels Gefahr im Verzug muss S die Anordnung der akustischen Uberwachung demnach beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Potsdam beantragen.
Frage 3: Zulassigkeit der akustischen Uberwachung /. Wohnung des A 341
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§ 100c I StPO erlaubt das Abhoren und Aufzeichnen des nichtoffentlich gesprochenen Wortes mit technischen Mitteln in einer Wohnung, ohne dass der Betroffene Kenntnis hiervon hat. Nach § 100c I Nr. 1 StPO miissen bestimmte Tatsachen den Verdacht begrunden, dass jemand eine in § 100c II StPO genannte Katalogtat begangen oder zu begehen versucht hat. Zu den Katalogtaten gehoren auch die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a I, Alt. 2, II Nr. 2, Alt. 2 StGB (§ 100c II Nr. lb StPO) und der Mord nach § 211 StGB (§ 100c II Nr. Id StPO). Hier besteht auf Grund der Wahmehmungen der K der Verdacht, dass A an solchen Delikten beteiligt war. Die Tat muss gemaB § 100c I Nr. 2 StPO auch im Einzelfall besonders schwer wiegen, z.B. weil sie den Rechtsfrieden im erheblichen MaBe gefahrdet. Bei einem Sprengstoffanschlag mit zahkeichen Opfem ist dies der Fall. § 100c I Nr. 3 StPO setzt zudem voraus, dass auf Grund tatsachlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Uberwachung AuBerungen des Beschuldigten erfasst werden, die fiir die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten von Bedeutung sind. Auf Grund der Anzeige eines Nachbam des A ist anzunehmen, dass sich Mitglieder der Gruppe in der Wohnung des A versammeln. Deshalb liegt es nahe, dass sich A zu Umstanden auBem wird, die zur Aufklarung des Sachverhalts beitragen konnen. Die Erforschung des Sachverhalts muss auBerdem auf andere Weise unverhaltnismaBig erschwert oder aussichtslos sein (§ 100c I Nr. 4 StPO). Andere ErmittlungsmaBnahmen haben hier versagt, sodass der Tatverdacht mit anderen Mitteln nicht erhartet werden konnte. Somit sind die Voraussetzungen des § 100 c I StPO gegeben. Das Abhoren und Aufzeichnen von Gesprachen in der Kuche des A ist somit zulassig.
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//. Reisebiiro Die Voraussetzungen fiir die akustische Uberwachung auBerhalb der Wohnung regelt § lOOf II 1 StPO. Danach darf das nichtoffentlich gesprochene Wort ohne Wissen des Betroffenen mit technischen Mitteln abgehort und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begrtinden, dass jemand eine Katalogtat nach § 100a StPO begangen hat. Sowohl die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a I Nr. 1, Alt. 2, II Nr. 2, Alt. 2 StGB als auch Mord gem. § 211 I StGB und Herbeifuhren einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge nach § 308 I, III StGB sind Katalogtaten (§ 100a 11 Nm. Ic, 2 StPO). AuBerdem muss die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein. Dies ist hier der Fall, weil die Ermittlungen erfolglos geblieben waren und andere Erfolg versprechende ErmittlungsmaBnahmen nicht ersichtlich sind. Das Abhoren und Aufzeichnen von Gesprachen im Buro ist nach § 100 f II 1 StPO folghch zulassig.
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Frage 4: Anbringen der „Waiizen" Fraglich ist, welche MaBnahmen zur Vorbereitung der akustischen LFberwachung zulassig sind. AusdruckUch auBem sich §§ 100c, d, f StPO dazu nicht. Das Betreten der Wohnung zur Installierung der „Wanze" ist aber eine vorbereitende und notwendige Voraussetzung fur das Abhoren. Demnach setzt § 100c I StPO die Zulassigkeit solcher MaBnahmen stillschweigend voraus. W durfte also die Wohnung des A heimlich offnen und betreten, um das Gerat anzubringen. Die Zulassigkeit des Anbringens der „Wanze" im Reisebiiro des A ist unproblematisch, weil das Reiseburo ein allgemein zuganglicher Geschaftsraum ist. Da das Biiro zudem wahrend der Offnungszeiten betreten wurde, ist das Anbringen der Wanze rechtmaBig.
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Frage 5: Zulassigkeit des Einsatzes der technischen Mittel /. Richtmikrofon Das Abhoren und Aufzeichnen des Gespraches zwischen A und B auf dem Balkon des A mit Hilfe des Richtmikrofons ware zulassig, wenn W zur Anordnung bzw. Durchfiihrung der MaBnahme befiigt war und die materiellen Voraussetzungen des § lOOfllStPOvorlagen.
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1. Anordnungsbefugnis Der Balkon konnte aber zur Wohnung des A gehoren. Dann lage - wie dargelegt die Anordnungsbefugnis bei der nach § 74a IV GVG zustandigen Strafkammer des LG Potsdam bzw. die Notkompetenz bei dem Kammervorsitzenden.
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Ein Balkon einer Wohnung wird von den Bewohnem als Teil der Wohnung empfunden und auch so genutzt. Durch die unmittelbare raumliche Nahe zum Wohnbereich stellt er quasi eine Verlangerung der Wohnung dar, Er konnte somit als eine Statte des privaten Lebens und Wirkens und damit als Wohnung i.S. des § 100c 11 StPO verstanden werden. Es trifft zwar zu, dass der Balkon zum Wohnbereich gehort. Er ist aber nicht Teil des Innen-, sondem des AuBenwohnbereiches. Im Gegensatz zum Innenwohnbereich ist er nach auBen nicht akustisch abgeschirmt. Die Privatsphare wird somit auf einem Balkon nur unzureichend geschiitzt. Dessen ist sich der Bewohner auch bewusst und wird deshalb Gesprache, deren Inhalt nicht nach auBen dringen soil, nicht ohne weiteres auf dem Balkon fiihren. Folglich liegt der Balkon auBerhalb der Wohnung, sodass § lOOf StPO einschlagig ist. Nach § lOOf II 2 StPO darf das Abhoren und Aufzeichnen des auBerhalb von Wohnungen gesprochenen nichtoffentlich gesprochenen Wortes nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) angeordnet werden. Gefahr im Verzug besteht, wenn die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der MaBnahme gefahrdet wird. Fiir die Ermittlungen waren die Einzelheiten des geplanten Anschlages von entscheidender Bedeutung. Das Gesprach musste sofort mitgehort werden, sodass sogar die telefonische Einschaltung des zustandigen Ermittlungsrichters zum Verlust des Beweismittels gefuhrt hatte. Damit lag Gefahr im Verzug vor, sodass W als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft zum Einsatz des Richtmikrofons befugt war.
2. Zuldssigkeit der Mafinahme 362
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§ lOOf II1 StPO regelt die Voraussetzungen des Abhorens und Aufzeichnens des nichtoffentlich gesprochenen Wortes mit technischen Mitteln ohne Wissen des Betroffenen auBerhalb von Wohnungen. Ein Tatverdacht wegen einer Katalogtat des § 100a StPO auf Grund bestimmter Tatsachen lag vor. Die Erforschung des Sachverhalts war zudem auf andere Weise aussichtslos, weil der entscheidende Inhalt des Gespraches ohne Richtmikrofon nicht zu erfahren gewesen ware. Dass B von der MaBnahme unvermeidbar betroffen wurde, steht gemaB § lOOf IV StPO der Anordnung nicht entgegen.
5. Ergebnis 364
Der Einsatz des Richtmikrofons war rechtmaBig.
//. GPS-Einsatz 365
Das Verfolgen und Aufzeichnen der Bewegungen und Standzeiten des Kraftfahrzeuges des A sowie der Ein- und Ausbau des GPS-Empfangers waren zulassig, wenn S zur Anordnung befugt, die materiellen Voraussetzungen des GPS-Ein-
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satzes gem. § lOOf I Nr. 2 StPO vorlagen imd die MaBnahmen zum Ein- und Ausbauen des Cerates zulassig waren.
1. Anordnungsbefugnis Eine ausdriickliche Regelung der Kompetenz zur Anordnung sonstiger technischer Mittel zur Observation existiert nicht. § lOOd I StPO gilt nur fur das Abhoren und Aufzeichnen des nichtoffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen, auch die Anordnungsbefugnis des § lOOf II 2 StPO bezieht sich nicht auf die sonstigen MaBnahmen. Deshalb ist die Staatsanwaltschaft auf Grund ihrer allgemeinen Verfahrensherrschaft gem. § 161 I 1 StPO zur Anordnung befugt. S durfte den GPSEinsatz vomehmen lassen.
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2. Voraussetzungen des GPS-Einsatzes Die Zulassigkeit des Einsatzes des GPS richtet sich nach § lOOf I Nr. 2 StPO, wenn es ein sonstiges besonderes fiir Observationszwecke bestimmtes technisches Mittel zur Erforschung des Sachverhalts oder der Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten ist. Das wird zum Teil mit dem Argument bestritten, dass das GPS kein fur Observationszwecke, sondem zur Navigation bestimmtes Mittel sei. AUerdings ist das Merkmal „fur Observationswecke bestimmte technische Mittel" weit auszulegen. Ausreichend ist, dass dieses System die Ortung von Objekten auf technischer Grundlage ermoglicht. Demnach wird auch das GPS vom Wortlaut dieser Vorschrift erfasst. Der Einsatz des GPS erfolgte auch auBerhalb der Wohnung. § lOOf I Nr. 2 StPO setzt - anders als § 100c I 1 StPO bzw. § lOOf II 1 StPO keine Katalogtat, sondem eine Straftat von erheblicher Bedeutung voraus. Gegenstand der Untersuchung war die Beteiligung des A an einer terroristischer Vereinigung gem. § 129a I Nr. 1, Alt. 2, II Nr. 2, Alt. 2 StGB, Mord gem. § 211 I StGB und Herbeifuhren einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge nach § 308 I, III StGB, also Straftaten von erheblicher Bedeutung. Es ist davon auszugehen, dass A die Erddepots in einem Gelande angelegt hatte, in dem eine unauffallige Verfolgung und Beobachtung nicht moglich gewesen ware. Der GPS-Einsatz war das einzige Mittel, um die Lage der Erddepots festzustellen. Somit war die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise auch weniger Erfolg versprechend. Zudem wurde das GPS zur Erforschung des Sachverhalts, der Lage der Erddepots mit dem Schwarzpulver, verwendet. Der Einsatz des GPS war daher gemaB § lOOf I Nr. 2 StPO zulassig.
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3. Einbau des GPS-Empfdngers § lOOf I Nr. 2 StPO ist nicht zu entnehmen, ob und welche MaBnahmen zum Einbau des Empfangers in das Fahrzeug zulassig sind.
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a) Offnen des Kraftfahrzeuges 375
Der Vorschrift ist allerdings eine Annexkompetenz zur Vomahme geringfugiger Eingriffe in den Rechtskreis des Betroffenen zu entnehmen. Das Offnen des PKW war unerlasslich, um den Empfanger mit GPS im Auto installieren zu konnen. Es war deshalb zur Durchflihrung der MaBnahme notwendig und typisch. Zudem beeintrachtigt das Offnen des Fahrzeugs das Eigentumsrecht des A nur geringfiigig. Das Offnen des Kraftfahrzeuges war folglich zulassig.
b) Verbringen des Kraftfahrzeuges in die Werkstatt 376 377
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Fraglich ist jedoch, ob auch das kurzzeitige Verbringen des Autos in die Werkstatt von der Annexkompetenz aus § lOOf I Nr. 2 StPO gedeckt ist. Das ware zu vemeinen, wenn auch nur das kurzzeitige Entziehen des PKW durch Verbringen in die Werkstatt einen massiven Grundrechtseingriff in Art. 14 GG darstellen wurde, der mit dem Vollzug der geschriebenen Norm nicht zwangslaufig verbunden ist. Dagegen spricht aber, dass zum Einbau des GPS-Empfangers handwerkliche MaBnahmen erforderlich sind, die in der Kegel nicht sachgerecht am Abstellplatz des Fahrzeuges, sondem nur in einer Werkstatt durchgefuhrt werden konnen. Damit ist das kurzzeitige Verbringen in die Werkstatt sowohl notwendig als auch typisch, also zwangslaufig mit der MaBnahme verbunden. Dennoch ist fraglich, ob ein solch massiver Grundrechtseingriff vorliegt, dass er mit Blick auf die GPS-Uberwachung nicht hingenommen werden kann. Das Verbringen des PKW in die Werkstatt war zur Durchfuhrung der GPS-Uberwachung geeignet und erforderlich, da S keine anderen Mittel zur Verfugung standen. Die Eigentumsentziehung zum Einbau des GPS- Empfangers nahm daruber hinaus allenfalls einige Stunden in Anspruch. Uberdies erfolgte sie zu einem Zeitpunkt, in dem mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht damit zu rechnen war, dass A das Fahrzeug nutzen wollte. Durch das Verbringen des Autos in die Werkstatt wird in der Kegel allein die abstrakte Nutzungsmoglichkeit beeintrachtigt. Folghch liegt in dem kurzzeitigen Verbringen des Kfz in die Werkstatt kein massiver Grundrechtseingriff vor. § lOOf I Nr. 2 StPO gestattete somit im Wege der Annexkompetenz das Verbringen des Autos des A in die Werkstatt.
4. Ausbau des GPS-Empfangers 381 382
§ lOOf I Nr. 2 StPO enthalt auch keine ausdruckliche Kegelung daruber, ob der heimliche Ausbau des GPS-Empfangers zulassig ist. Da aber sowohl das Offnen des PKW als auch der Einbau des GPS-Empfangers mit den damit verbundenen BegleitmaBnahmen im Wege der Annexkompetenz zu § lOOf Nr. 2 StPO gestattet sind, durfen die fiir den sachgerechten Ausbau erforderlichen MaBnahmen gleichsam als actus contrarius zum Einbau vorgenommen werden, zumal die StrafVerfolgungsbehorden in Fallen drohender Aufdeckung der ObservationsmaBnahme mit dem Ausbau des GPS- Empfangers nicht bis zur Bekanntgabe der MaBnahme an den Betroffenen warten miissen, sondem
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sofort handeln diirfen, und zwar heimlich. Diese Befugnis ergibt sich aus dem systematischen Zusammenspiel von § lOOf I Nr. 2 StPO und § 101 StPO sowie aus deren Teleologie. Folglich war der heimliche Ausbau des GPS-Empfangers zulassig.
5. Ergebnis Das Verfolgen und Aufzeichnen der Bewegungen und Standzeiten des Kraftfahrzeuges des A sowie der Ein- und Ausbau des GPS-Empfangers waren zulassig.
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Hinweise zur Losung: Die Frage 1 betrifft ein Standardproblem der StPO, namlich ob und in welchen Fallen die dem Legalitatsprinzip verpflichteten Beamten bei auBerdienstlich erlangter Kenntnis das Strafverfahren einleiten miissen. Ein Teil der Literatur lehnt die Ermittlungspflicht bei jeder privaten Kenntniserlangung generell ab (Hoyer, in: SKStGB, § 258a Rn. 6; Laubenthal, JuS 1993, 907, 911 f.; Mitsch, NStZ 1993, 384, 385). Nach Auffassung des BGH (St 5, 225, 229; 12, 277, 281) und eines anderen Teils der Literatur (Beulke^, Rn. 91; Lackner/KuhP, § 258a Rn. 4; Trondle/Fischer^^, § 258a Rn. 4). besteht eine Ermittlungspflicht nur bei solchen Taten, bei denen die Abwagung der konkreten Umstande ergibt, dass sie „nach Art und Umfang die Belange der Offentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem MaBe beriihren". Zur Prazisierung dieser Ansicht wird in der Literatur vorgeschlagen, entweder den Katalog des § 138 StGB heranzuziehen (Geppert, Jura 1982, 139, 148; Roxin, § 37 Rn. 3; Schlilchter, Rn. 69; Schoch, in: AKStPO, § 160 Rn. 11) Oder generell bei Verbrechen im Sinne des § 12 I StGB eine Verfolgungspflicht anzunehmen (Hellmann^, Rn. 52; Krey, Strafv^erfahrensrecht Bd. II, 1990, Rn. 209 f.). Jede dieser Ansichten ist selbstverstandlich mit entsprechender Argumentation vertretbar. Die Entscheidung fur oder gegen eine Ansicht hat im Ubrigen keine Auswirkungen auf die weitere Losung. Die Antworten auf die Fragen 2 und 3 lassen sich unmittelbar aus dem Gesetzestext herleiten. Es war dabei eine Unterscheidung zwischen groBen (Ktiche) und kleinen (Reiseburo) Lauschangriff vorzunehmen. Zur Beantwortung der Frage 4 ist auf den allgemeinen Grundsatz zurtickzugreifen, dass die zulassigen Handlungen zur Durchfuhrung stra^rozessualer ZwangsmaBnahmen sich aus der Ermachtigungsnorm ergeben. Nach fast einhelliger Meinung ist deshalb das heimliche Betreten der Wohnung zur Anbringung der Wanze gestattet (vgl. Meyer-Gofine/^, § 100c Rn. 8, 12). Die nur vereinzelt vertretene Gegenmeinung (Heger, JR 1998, 162, 165) muss in einer Klausur nicht erwahnt werden. Bei der Beantwortung der Frage 5 war zwischen dem Einsatz des Richtmikrofons zum Abhoren des Gespraches auf dem Balkon und dem GPS-Einsatz zu differenzieren. Im ersten Teil war eine Entscheidung zwischen groBem und kleinem Lauschangriff erforderlich. Hierfur ist entscheidend, ob der Balkon eine Wohnung i.S. des § 100c I StPO ist (siehe BGH, NJW 1997, 2189 f bei Vorgarten von Woh-
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„My home is my castle"?
niingen) oder auBerhalb der Wohnung i.S. des § lOOf II 1 StPO liegt (so Berkemann, in AK-GQ 3. Aufl. 2001, Art. 13 Rn. 130, 159; Hermes, in Dreier, GO, 2. Aufl. 2004, Art. 13 Rn. 62). Vertretbar ware es, der erst genannten Auffassung zu folgen. Die Pnifung hatte dann aber auf Grund der fehlenden Anordnungsbefugnis der Staatsanwaltschaft (vgl. § lOOd I StPO) schon an dieser Stelle beendet werden mtissen. Im zweiten Teil war zunachst zu priifen, ob die GPS-Technik ein technisches Mittel i.S. des § lOOf I Nr. 2 StPO ist. Entgegen der h.M. (BVerfG, NStZ 2005, 388 f; BGHSt 46, 266, 271 f.; Meyer-GoJ3ne/\ § 100c Rn. 2) bestreitet ein Teil der Lit. (Bernsmann, StV 2001, 382, 385; Comes, StV 1998, 569 ff.) dies u.a. mit dem Argument, das GPS sei kein fur Observationszwecke, sondem zur Navigation bestimmtes Mittel. Umstritten ist auBerdem, ob das kurzzeitige Verbringen des Autos zum Einbau des GPS-Empfangers von § lOOf I Nr.2 StPO gedeckt ist (dafur BGHSt 46, 266, 273f.; Nack, in: KKStPO; § 100c Rn. 14; Schneider, NStZ 1999, 388, 389 ff., der es ebenfalls fiir den Ausbau der Einrichtung bejaht; ablehnend BGH (ER) JR 1998, 162, 163; Meyer-Goflne/\ § 100c Rn.8; Ranft\ Rn. 878 Fn. 392). Mit entsprechender Argumentation kann jede dieser Ansichten vertreten werden.
Klausur Nn 6**
Das geschichtskundige Gericht Sitzungspolizeiliche MalJnahmen - Offenkundigkeitsgrundsatz Zeugnisverweigerungsrecht bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft und nach dem Tod des Angehorigen Der Veranstalter Kurt Aberbach (A), der Mitglied einer rechten Partei ist, plante und organisierte seit einiger Zeit eine Reihe von Vortragsveranstaltungen, welche sich mit der Geschichte Deutschlands befassen. Im Herbst 2004 fand eine Vortragsveranstaltung mit dem Historiker Alfred Braun (B) statt. In dem Vortrag erorterte B die Ergebnisse seiner Nachforschungen, die er iiber die Existenz von Gaskammem und die GroBe von Krematorien in den ehemaligen Konzentrationslagem von Auschwitz, Birkenau und Majdanek angestellt hatte. B hatte zunachst dargelegt, welche Untersuchungen er in den ehemaligen Konzentrationslagem durchgefiihrt habe. Dabei sei er zu dem Ergebnis gelangt, dass dort lediglich Desinfiktionsanlagen, jedoch keine Gaskammem vorhanden gewesen seien und dass es demzufolge auch keine Massenvemichtungen habe geben konnen. Die vorhandenen Krematorien seien nicht annahemd in der Lage gewesen, eine groBe Anzahl von Leichen in kurzer Zeit zu verbrennen. A vertrieb die in dieser Veranstaltung aufgenommenen Videoaufnahmen im Intemet und hieB den Inhalt des Vortrages in einem Nachwort ausdriicklich gut. A und B wurden vor dem Schoffengericht in Potsdam wegen tateinheitlich begangener Volksverhetzung, iibler Nachrede, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Aufstachelung zum Rassenhass angeklagt. B fuhlte sich durch die vorgebrachten Vorwurfe zutiefst verletzt und verkannt. Da er sein Lebenswerk als gescheitert erachtete, beging er nach dem ersten Hauptverhandlungstag Selbstmord. Die Verhandlung sorgte deshalb in der Offentlichkeit fur massives Aufsehen. Am zweiten Verhandlungstag war der Medienandrang besonders groB, sodass es zu erheblichen Ausschreitungen und Storungen in der Sitzung kam, wobei die Prozessbeteiligten, damnter auch A, angesichts der Anzahl von Femsehkameras und Reporter vollig eingeschuchtert und verwirrt waren. Daraufhin ordnete der Vorsitzende Richter Dr. Wolfgang Renner (R) an, dass Femsehaufhahmen mit sofortiger Wirkung erheblichen Einschrankungen unterlagen. Er lieB an jedem weiteren Verhandlungstag ein Kamerateam seiner Wahl (abwechsehid das einer offentlich-rechtlichen und einer privaten Femsehanstalt) zu Aufnahmen im Sitzungssaal und im Gerichtsgebaude fur ca. 5 Minuten vor Verhandlungsbeginn zu; im iJbrigen waren Femsehaufnahmen wahrend der ganzen Sitzungsdauer untersagt. Das Interesse der Offentlichkeit war auch deshalb so groB, weil der Verteidiger des A Wemer Vogel (V) vor Verhandlungsbeginn bereits angekiindigt hatte, er
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werde Beweis dafur erbringen, dass es eine Massenvemichtung in den von B untersuchten Lagem tatsachlich nicht gegeben habe. V stellte in der Hauptverhandlung den Antrag auf Einholung eines Sachverstandigengutachtens iiber die Kapazitat der Krematorien und die Existenz von Gaskammem in den genannten Lagem. Das Gericht lehnte diesen Beweisantrag wegen Offenkundigkeit ab. Wenig erfolgreich fiir die Verteidigung war auch die Vemehmung der Lebensgefahrtin des B Gertrude Ernst (E), mit der B seit 10 Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschafl zusammengelebt hatte. E teilte zwar die Ansichten des B nicht, als treue Lebensgefahrtin begleitete sie ihn jedoch stets bei seiner Tatigkeit. So war sie auch bei der Vortragsveranstaltung im Herbst 2004 anwesend. E wurde als Zeugin geladen, verweigerte jedoch die Aussage. 1. War die Beschrankung der Femsehaufnahmen zulassig? 2. Nehmen Sie zur Ablehnung des Antrages auf Vemehmung eines Sachverstandigen Stellung. 3. Durfte E in der Hauptverhandlung die Aussage verweigem? Hinweis: SoUten Sie bei der Beantwortung der Frage 3 zur grundsatzlichen Ablehnung des Zeugnisverweigemngsrechts der E gelangen, ist es in einem Hilfsgutachten dazu Stellung zu nehmen, ob E ein solches zugestanden hatte, wenn sie Ehefrau des B gewesen ware. Lehrbuch: Rn. 440; 645 ff.; 648 ff; 718 ff.; 726 f.; 741 ff.; 776.
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Losung Frage 1: Zulassigkeit der Beschrankung von Fernsehaufnahmen Die Anordnimg ware zulassig gewesen, wenn R dazu gem. § 176 GVG rechtlich befiigt war und sie das Grundrecht aus Art. 5 I 2, 2. Fall GG nicht in unzulassiger Weise einschrankte.
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/. Anordnungsbefugnis Eine rechtliche Befugnis des R zur Anordnung der Beschrankung von Femsehaufnahmen ergabe sich aus § 176 GVG, wenn es sich um eine MaBnahme zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung handelte. § 169 S. 2 GVG untersagt lediglich Ton-, Film- und Fernsehaufnahmen wahrend der eigentlichen Hauptverhandlung. Grundsatzlich erlaubt sind solche Aufnahmen dagegen vor und nach der Verhandlung sowie in den Sitzungspausen. Die zeitliche und organisatorische Beschrankung von Femsehaufiiahmen vor dem Verhandlungsbeginn konnte jedoch als sitzungspolizeihche MaBnahme i.S.d. § 176 GVG anzusehen sein. Zur Sitzung gehoren im Unterschied zur Verhandlung, auf die sich § 169 S. 2 GVG bezieht, auch die Zeiten unmittelbar vor Beginn und nach Schluss der Verhandlung sowie die Verhandlungspausen. Fernsehaufnahmen in diesen Zeitspannen unterfallen demnach der sog. sitzungspolizeilichen Gewalt des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, sodass R zur Aufrechterhaltung der Ordnung im auBeren Ablauf der Verhandlung - vorbehaltlich der Kompatibilitat der Anordnung mit dem Grundgesetz - die Beschrankungen der Berichterstattung anordnen durfte.
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//. Grundrechtskompatibilitat Die Anordnung der zeitlichen und organisatorischen Beschrankung von Femsehaufhahmen wiirde jedoch Art. 5 I 2, 2. Fall GG verletzen, wenn sie einen Eingrifif in den Schutzbereich dieses Grundrechts darstellt, der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist.
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1. Eingriffin den Schutzbereich des Art 512y2. Fall GG Der Schutzbereich dieses Grundrechts umfasst die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk. Rundfunk ist jede an die AUgemeinheit gerichtete Ubermittlung von Gedankeninhalten durch physikalische, insbesondere elektromagnetische Wellen. Dazu gehort die Berichterstattung durch Hor- und Femsehrundfunk. Wie die ebenfalls durch Art. 5 12 GG geschutzte Pressefreiheit gewahrleistet die Rundfunkfreiheit den Zugang zu Informationen und deren publizistische Verwertung. Indem R ein grundsatzliches Verbot von Femsehaufiiahmen anordnete und lediglich eine funfminutige Femsehaufzeichnung durch ein bestimmtes Femsehteam vor dem Verhandlungsbeginn zulieB, konnte er insoweit in den Schutzbereich des Art. 5 12, 2. Fall GG eingegriffen haben.
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Fraglich ist, ob der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit enger zu ziehen ist, weil sich die Femsehberichterstattung durch die Verwendung der dazu erforderlichen technischen Vorkehrungen von der Presseberichterstattung unterscheidet. Die Presse ist in ihrer Berichterstattung darauf beschrankt, ein bestimmtes Ereignis in Wort und Bild zu schildem, wahrend der Rundfimk auch die Moglichkeit hat, das entsprechende Ereignis seinen Zuhorem und Zuschauem akustisch und optisch in voller Lange oder in Ausschnitten zeitgleich oder zeitversetzt zu ubertragen. Die Femsehberichterstattung bringt deshalb groBere Gefahren fur eine geordnete und ordnungsgemaBe Rechtspflege sowie das allgemeine Personlichkeitsrecht der Prozessbeteihgten mit sich. Dariiber hinaus verursachen die fur Femsehaufnahmen erforderlichen technischen Vorkehrungen Storungen, welche sich besonders empfmdlich bei Gerichtsverhandlungen auswirken. Deshalb unterliegen die Rundfunkberichterstattungen iiber gerichtliche Verfahren weitergehenden Beschrankungen, als sie fur die Pressefreiheit gelten. Dadurch wird jedoch nicht bereits der allgemeine Schutzumfang der Rundfunkfreiheit als solcher eingeschrankt, denn dieser ist grundsatzlich in gleicher Weise wie bei der Pressefreiheit zu bemessen. Daher konnen die geschilderten Gefahren lediglich Beschrankungen des Grundrechts, nicht aber eine Verengung seines Schutzumfangs rechtfertigen. Somit stellt die sitzungspolizeiliche MaBnahme des R einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 12, 2. Fall GG dar.
2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 396
Dieser Eingriff ware jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er den Anforderungen genugt, welche das Grundgesetz an Eingriffe dieser Art stellt.
a) Moglichkeit der Grundrechtseinschrdnkung 397
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Die Rundfunkfreiheit wird nicht vorbehaltlos gewahrleistet, sondem sie fmdet gem. Art. 5 II GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (qualifizierter Gesetzesvorbehalt). Damnter sind alle Gesetze zu verstehen, die sich nicht speziell gegen die Medien oder gegen eine bestimmte Meinung richten, sondem ohne Riicksicht auf bestimmte Informationen oder Meinungen der Wahmng eines Rechtsguts dienen, welches dem Gmndrechtsschutz der Medien nicht nachsteht. Auf § 176 GVG gestutzte sitzungspolizeiliche MaBnahmen betreffen jedermann und richten sich nicht speziell gegen die Presse und den Rundfiink, sondem dienen dem Schutz einer geordneten Rechtspflege, die nach dem Willen des Gesetzgebers den Prozess der Rechts- und Wahrheitsfmdung sowie das allgemeine Personlichkeitsrecht der Prozessbeteihgten umfasst. Dabei handelt es sich um vorrangige Gemeinschaftsguter, die das publizistische Informations- und Verbreitungsinteresse begrenzen. Somit ist § 176 GVG ein allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 II GG.
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b) Grundrechtskonformitdt des Eingriffsaktes Die grundsatzlich zulassige Beschrankung der Femsehbenchterstattung miisste aber auch im konkreten Fall grundrechtskonform gewesen sein. Problematisch ist hier allein, ob der Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit eingehalten wurde. Dies ist dann der Fall, wenn die Anordnung des R geeignet und erforderlich zur Erreichung des angestrebten Zwecks war. Dariiber hinaus durfte diese Mafinahme das betreffende Grundrecht nicht unangemessen beeintrachtigen.
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aa) Geeignetheit Geeignet war die MaBnahme des R, wenn diese ein taugliches Mittel darstellte, um den Zweck zu erreichen (Grundsatz der Zwecktauglichkeit). Zweck des § 176 GVG ist die Aufrechterhaltung der Ordnung im gerichtlichen Verfahren. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung im gerichtlichen Verfahren i.S.d. § 176 GVG gehoren auBer dem storungsfreien auBeren Ablauf der Sitzung auch die ungehinderte Entscheidungsfindung samt alien dazu erforderlichen Beitragen und Interaktionen der Prozessbeteihgten sowie der Schutz des allgemeinen Personlichkeitsrechts der Beteiligten. Zwar waren von den Femsehaufaahmen auBerhalb der Verhandlung keine Beeintrachtigungen der richterlichen Entscheidungsfindung und der dazu erforderlichen Beitrage der iibrigen Prozessbeteihgten zu befurchten. Doch kam es durch die uneingeschrankten Femsehaufhahmen einerseits zu erheblichen Storungen des auBeren Ablaufs der Sitzung und andererseits zu Beeintrachtigungen des Personhchkeitsrechts der Beteiligten, namentlich des A. Die Anordnung des R war ein taugliches Mittel zur Verhinderung dieser MaBnahmen und somit geeignet, den Normzweck des § 176 GVG zu erreichen.
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bb) Erforderlichkeit Erforderlich war die MaBnahme, wenn R kein milderes Mittel zur Verfagung stand, das in gleicher Weise den bezweckten Erfolg zu erreichen vermochte (Grundsatz des Interventionsminimums).
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(1) Zeitliche Beschrankung Der Schutz des Personlichkeitsrechts des A erforderte kein voUiges Aufzeichnungsverbot, da er sich wegen der Bedeutung seiner Taten und des damit unmittelbar verbundenen auBerordentlichen Offentlichkeits- und Informationsinteresses in hoherem MaBe als andere der offentlichen Berichterstattung und Kommentierung stellen musste. Eine iiber das gebotene MaB hinausgehende Beeintrachtigung der Personlichkeitsrechte des A und der iibrigen Prozessbeteihgten musste aber nicht geduldet werden. Deshalb erscheint die von R verfugte zeitliche Beschrankung der Femsehaufnahmen als mildestes Mittel zur Erreichung des insoweit bestimmten Zwecks des § 176 GVG.
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(2) Organisatorische Beschrankung 404
Fraglich ist allerdings, ob auch die organisatorische Beschrankung zur Aufrechterhaltung der auBeren Ordnung des Verfahrens erforderlich war. R konnte ein milderes, aber genauso wirksames Mittel zur Verfugung gestanden haben. In Betracht kam namlich die Vereinbarung einer sog. Pool-Losung, d.h. die Zulassung eines von den interessierten Femsehanstalten eingesetzten Kamerateams, das sich verpflichtet, den anderen Interessenten die Aufnahmen zuganglich zu machen. Mit der Anordnung dieses Mittels hatte R der Gefahr einer Storung des auBeren Ablaufs des Verfahrens durch mehrere gleichzeitig anwesende Femsehvertreter sowie der Gefahr der Missachtung des Emstes des Strafverfahrens und der Wiirde des Angeklagten ebenso wirksam begegnen konnen. Dadurch ware zwar der Eindruck einer willkurhchen Entscheidung des R fur eine bestimmte Femsehanstalt vermieden worden, es ware aber ebenfalls nur ein Team zugelassen worden, sodass es sich nicht um eine Frage des milderen Mittels handelt, sondem allenfalls um eine solche der VerhaltnismaBigkeit im engeren Sinne. Somit war die Anordnung des R zur Aufrechterhaltung der Ordnung auch erforderlich.
cc) Angemessenheit 405
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Die Anordnung hatte jedoch das Grundrecht aus Art. 5 I 2, 2. Fall GG unangemessen eingeschrankt, wenn das Ergebnis der Interessenabwagung ein nachteiliges Missverhaltnis aufweist (Grundsatz der Proportionalitat). Dem Informationsinteresse der Offentlichkeit an dem gegen den Veranstalter und einen Historiker gerichteten Straf^erfahren wegen der Behandlung eines geschichtlichen Ereignisses, dessen Auswirkungen auch gegenwartig eine uberragende historische und politische Bedeutung haben, kommt dabei erhebliches Gewicht zu. Es bestand somit ein anerkennenswertes Interesse, mit den Mittehi der modemen Kommunikationstechnik der Offentlichkeit einen optischen Eindruck von diesem Verfahren zu vermitteln. Die durch § 176 GVG geschiitzten Interessen - Gewahrleistung des ordnungsgemaBen auBeren Ablaufs der Sitzung und die Personlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten - treten dahinter jedoch nicht generell zuruck. Die zeitliche Beschrankung auf Aufnahmen von fiinfminiitiger Dauer vor Verhandlungsbeginn an jedem Verhandlungstag gewahrleistet einerseits die Ordnung der Sitzung, sie befriedigt andererseits aber auch das offentliche Interesse an der Berichterstattung, sodass die MaBnahme insofern angemessen erscheint. Die Zulassung nur eines Femsehteams nach Wahl des R, ohne dass eine Vereinbarung getroffen wurde, die alien Interessenten einen kostenlosen Zugang zu den aufgezeichneten Materialien eroffnet hatte, flihrt jedoch zu einer willkUrlichen Bevorzugung einzelner Femsehanstalten. Eine Vereinbarung, die sichergestellt hatte, dass alien Femsehanstalten das aufgenommene Material zuganglich war, hatte keine zusatzlichen Gefahren fur die von § 176 GVG geschiitzten Rechtsgiiter begrundet. Die Anordnung des R schrankte somit die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2, 2 Fall GG unangemessen ein.
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///. Ergebnis Die Beschrankung der Femsehaufnahmen war in dieser Gestalt nicht zulassig.
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Frage 2 : Ablehnung des Antrages auf Vernehmung eines Sachverstandigen Das Gericht durfte gem. § 244 III 2, 1. Fall StPO den Antrag des V auf Vemehmung eines Sachverstandigen ablehnen, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache offenkundig war.
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/. Beweisantrag Der von V gestellte Antrag war darauf gerichtet, im Strafverfahren gegen A durch einen nach §§72 ff. StPO grundsatzlich zulassigen Sachverstandigenbeweis die Ausriistung und Geschehnisse in den von B untersuchten Konzentrationslagem aufzuklaren. Es handelte sich somit um einen Beweisantrag i.S.d. § 244 III 2 StPO.
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//. Offenkundigkeit Das Gericht durfte die Beweiserhebung ablehnen, wenn sie wegen Offenkundigkeit iiberflussig war. Offenkundig i.S.d. § 244 III 2, 1. Fall StPO sind allgemeinoder gerichtskundige Tatsachen. AUgemeinkundig sind entscheidungserhebliche Tatsachen und Erfahrungssatze, wenn sie allgemein bekannt sind oder wenn sich jedermann ohne Fachkenntnisse zuverlassig dariiber informieren kann. Solche Tatsachen bediirfen keines Beweises und mtissen in der Hauptverhandlung nur erortert werden, wenn die Kenntnis nicht selbstverstandlich ist. Die Massenvernichtung in den Konzentrationslagem des Dritten Reiches ist eine solche allgemeinkundige Tatsache, deren Kenntnis fiir jedermann auch ohne besondere Fachkenntnisse selbstverstandlich ist. Dem Beweisantrag des V, der darauf gerichtet war, die Richtigkeit der als allgemeinkundig behandelten Tatsache in Frage zu stellen, hatte das Gericht nur nachgehen miissen, wenn die Begriindung des Antrags Anlass zu vemiinftigen Zweifeln gegeben hatte. Die historische Tatsache der Massenvemichtung im Dritten Reich kann jedoch vemtinftigerweise nicht bezweifelt werden. Das Gericht durfte seine Entscheidung deshalb darauf stutzen, ohne dariiber Beweis zu erheben. Dem steht auch nicht entgegen, dass Gegenstand der Beweiserhebung die Untersuchung der technischen Ausrustung in den Konzentrationslagem war, denn der Antrag des V zielte letztlich auf die Widerlegung der allgemein- und somit offenkundigen Tatsache der Massenvemichtung ab.
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///. Ergebnis Das Gericht hat den Antrag des V auf Vemehmung eines Sachverstandigen gem. § 244 III 2, 1. Fall StPO zu Recht wegen Offenkundigkeit abgelehnt.
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Frage 3: Aussageverweigerung der E 413
E durfte das Zeugnis verweigem, wenn sie als Lebenspartnerin des B gem. § 52 I StPO tiberhaupt ein Zeugnisverweigerungsrecht hatte und dieses auch nach dem Tod des B noch fortbestand.
/. Zeugeneigenschaft der E 414
E sollte iiber ihre Wahmehmungen, die sie wahrend der Vortragsveranstaltung im Herbst 2004 gemacht hatte, also als Zeugin, aussagen.
//. Zeugnisverweigerungsrecht bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft 415
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Eine direkte Anwendung des § 52 I StPO scheidet aus, da die Vorschrift den Partnem einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Zeugnisverweigemngsrecht nicht ausdrucklich zugesteht. Das Zeugnisverweigemngsrecht des „Lebenspartners" nach § 52 I Nr. 2a StPO ist hier nicht einschlagig, weil die Vorschrift nur eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften erfasst. Ob eine analoge Anwendung des § 52 I StPO auf nichteheliche Lebensgemeinschaften in Betracht kommt, ist umstritten. Die uberwiegende Meinung versagt den Partnem nichtehelicher Lebensgemeinschaften unter Bemfung auf den Wortlaut des Gesetzes das Zeugnisverweigemngsrecht. E hatte danach sogar zu Lebzeiten des B kein Zeugnisverweigemngsrecht i.S.d. § 52 I StPO gehabt. Die Gegenauffassung wendet § 52 I StPO jedoch in diesen Fallen analog an, sodass E jedenfalls bis zum Tod des B ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 52 I StPO analog zustand. Da die Auffassungen zu unterschiedlichen Ergebnissen fuhren, ist eine Streitentscheidung erforderlich. Ftir das Vorhanden einer nachtraglichen, durch Analogic auszufuUenden Regelungsliicke spricht, dass durch die erhebliche Zunahme und die soziale und teilweise rechtliche Anerkennung der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ein Regelungssachverhalt entstanden ist, den der Gesetzgeber so bei der Schaffung der Zeugnisverweigemngsrechte nicht hat berticksichtigen konnen. Somit war die Nichtregelung dieser Materie zum Zeitpunkt der Schaffung von Zeugnisverweigemngsrechte von dem Gesetzgeber nicht gewoUt. Diese Regelungslucke konnte durch Analogic geschlossen werden, wenn die Konfliktlage des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bei der Zeugenvemehmung der eines Angehorigen entspricht. § 52 I StPO will zum einem den Zeugen vor der Versuchung der Falschaussage schutzen und zum anderem das familiare Verhaltnis und den Familienfrieden wahren. Diese Ausrichtung des § 52 StPO, namlich die innere Zwangslage zwischen Wahrheitspflicht und Angehorigenschonung durch eine Weigemngsmoglichkeit zu losen, um die Beziehung der Angehorigen nicht durch Aussagezwang zu belasten und die Wahrheitssuche nicht zu gefahrden, trifft auf die Situation einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht weniger als auf die Ehe oder das Verlobnis zu, denn die Konfliktlage des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bei der Zeugenvemehmung unterscheidet sich nicht von der, in welcher sich der Ehegatte oder der Verlobte befmdet, sodass die Vergleich-
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barkeit der Sachverhalte gegeben ist. Dem kann das Argument, der Begriff der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei unbestimmt, nicht tiberzeugend entgegengehalten werden, da dieser inzwischen durch die Rechtsprechung klar definiert und dem Beweis zuganglich ist. Darunter ist eine Lebensgemeinschaft zu verstehen, welche auf Dauer angelegt ist, daneben keine v^eitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasst und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner fiireinander begriinden, also uber Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Besondere Missbrauchsmoglichkeiten eroffnet die Anerkennung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Rahmen des § 52 I StPO nicht. Die Situation unterscheidet sich nicht v^esentlich von der Ehe oder dem Verlobnis. Es ist jedenfalls leichter, eine Verlobung zu behaupten als glaubhaft eine langjahrige Lebensgemeinschaft vorzuspiegeln. Da das Zeugnisverweigerungsrecht eines Ehegatten unbestritten auch nach der Scheidung, Nichtigkeitserklarung oder Auflosung der Ehe und sogar bei Scheinehen besteht, v^are es unbilhg, es Partnem einer intakten nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu versagen. Die besseren Argumente sprechen somit fur die analoge Anwendung des § 52 I StPO auf die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sodass E jedenfalls zu Lebzeiten des B zeugnisverweigerungsberechtigt war.
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///. Fortbestehen des Zeugnisverweigerungsrechts nach dem Ableben des B Das Zeugnisverweigerungsrecht konnte jedoch mit dem Tod des B entfallen sein. Nach einer Auffassung besteht das Zeugnisverweigerungsrecht nach dem Tod des Angehorigen in voUem Umfang fort. E hatte danach in dem Verfahren gegen den Mitangeklagten A das Zeugnis verweigem dtirfen. Es trifft zwar zu, dass der Angehorige das Zeugnis gnmdsatzlich in voUem Umfang verweigem darf, wenn sich das Verfahren gegen mehrere Angeklagte richtet und der Sachverhalt, zu dem der Zeuge aussagen soil, auch seinen Angehorigen betrifft. Die Anerkennung eines umfassenden Zeugnisverweigerungsrechts ist erforderlich, weil der Zeuge in derselben Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte nur einheitlich aussagen kann, sodass sich seine Zeugnisverweigerung notwendigerweise einheitlich fur und gegen alle Angeklagten auswirkt. Die reflexartigen Wirkungen, die sich daraus ergeben konnen, dass aus ZweckmaBigkeitsgrlinden gegen mehrere Angeklagte gleichzeitig verhandelt wird, durfen aber nicht iiber das gebotene MaB ausgedehnt werden. Dies ist insbesondere dann zu beriicksichtigen, wenn das Verfahren gegen den Angehorigen des Zeugen rechtskraftig abgeschlossen ist oder wenn dieser aus dem gemeinsamen Verfahren ausscheidet. Die Beziehung zwischen dem Zeugen und dem friiheren Mitbeschuldigten bzw. Mitangeklagten ist dann so schwach geworden, dass sie den Eingriff, den die Zeugnisverweigerung in das gegen den Mitangeklagten gerichtete Verfahren bewirkt, nicht mehr rechtfertigt, zumal im Falle der Wiederaufiiahme des Verfahrens gegen den Angehorigen regelmaBig ein Verwertungsverbot besteht. Diese Griinde treffen erst recht zu, wenn der Angehorige verstorben ist. Zum einen besteht keine Verbindung mehr zwischen dem Mitangeklagten und dem Zeugen, und zum ande-
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ren scheidet eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu Lasten des Angehorigen aus. Deshalb verdient die Auffassung Zustimmung, die das Erloschen des Zeugnisverweigenmgsrechts gem. § 52 I StPO im Fall des Todes des Angehorigen annimmt. Das zimachst gem. § 52 I StPO analog gegebene Zeugnisverweigerungsrecht der E endete folglich mit dem Tod des B.
IV. Ergebnis 421
E durfte in der Hauptverhandlung gegen A das Zeugnis nicht verweigem.
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Die der Frage 1 zugrunde liegende Konstellation entspricht dem der Entscheidung BVerfGE 91, 125 ff. zugrunde liegenden Sachverhalt. Zur Beurteilung der Beschrankung der Medienoffentlichkeit bei Gerichtsverhandliingen ist es erforderlich, den richtigen „Einstieg" zu fmden, also die Verfugung des Vorsitzenden zutreffend zu qualifizieren. Dabei stand nicht etwa die Frage zur Diskussion, ob Femsehaufnahmen aus der Hauptverhandlung selbst zulassig sind. § 169 S. 2 GVG steht dem - selbst bei einem entsprechenden Offentlichkeitsinteresse und unter Berufung auf die Rundfunkfreiheit - entgegen. Es musste erkannt werden, dass es sich um eine sitzungspolizeiliche MaBnahme des Vorsitzenden zur Aufrechterhaltung der Ordnung, namhch des auBeren Ablaufs der Sitzung, i.S.d. § 176 GVG handelt. Im Rahmen der erforderlichen Grundrechtsprufung liegt der Schwerpunkt bei der Erorterung des VerhaltnismaBigkeitsgrundsatzes. Obwohl die vom BVerfG (BVerfGE 91, 125, 134 ff.; BVerfG NJW 2000, 2890, 2891; NJW 2001, 1633, 1637; NJW 2002, 2021; NJW 2003, 2523) als verhaltnismaBig anerkannte „PoolLosung" nicht auf einheUige Zustimmung gestoBen ist (ablehnend Ranft, Jura 1995, 573, 580; zustimmend Beulke\ Rn. 379; Giindisch/Dany, NJW 1999, 256, 260; Huff, NJW 2001, 1622, 1623; Scholz, NStZ 1995, 42 f.), bildet sie den anzulegenden VerhaltnismaBigkeitsmaBstab. Die Frage, wie zu entscheiden ware, wenn die Femsehanstalten - vorausgesetzt der Vorsitzende hatte die „Pool-L6sung" gewahlt - sich nicht iiber die Zurverfugungstellung des Materials hatten einigen konnen, bedurfte keiner Erorterung, da die bloBe Moglichkeit des Scheitems einer Vereinbarung nicht die Annahme begriindet, es handele sich um ein unangemessenes Mittel. Die Beantwortung der Frage 2 erfordert lediglich die zutreffende Feststellung der fiir die Ablehnung des Beweisantrages einschlagigen Norm. Bei Kenntnis der Definition des Begriffes der Offenkundigkeit (vgl. etwa Meyer-Gofine/^, § 244 Rn. 50 ff.) bereitet es keine besonderen Schwierigkeiten, die Massenvemichtung in Konzentrationslagem des Dritten Reichs als allgemeinkundige Tatsache zu qualifizieren (St. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 90, 241, 249; BGHSt. 40, 97, 99; BGH NStZ 2001, 305, 307; BGH NJW 2002, 2115 mit Anm. Stegbauer, JR 2003, 72). Die Frage 3 erfordert zunachst die Auseinandersetzung mit dem heftig umstrittenen Problem des Zeugnisverweigerungsrechts der Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Die noch immer h.M. {Meyer-Gofine/^, § 52, Rn. 5; Dahs in
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Lowe-Rosenberg^^ § 52 Rn. 6; Pfeiffer^ § 52 Rn2; Pelchen, Pfeiffer-FS, 1988, S. 293 ff.) lehnt die entsprechende Anwendung des § 52 I StPO auf diese Art der Partnerschaft grundsatzlich ab. Es ist deshalb selbstverstandlich nicht zwingend, der Gegenauffassung (Beulke^, Rn. 191; Hillenkamp, JuS 1997, 821, 830; ausfuhrlich begrundet bei Skwirblies, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und Angehorigenbegriff, 1990, 182 ff.; zum Begriff der nichtehehchen Lebensgemeinschaft vgl. BVerfG, NJW 1993, 643, 645) zu folgen. Wurde ein Zeugnisverweigerungsrecht der E mit der h.M. schon grundsatzlich abgelehnt, so war der Bearbeitungshinweis zu beachten, sodass auch die weitere Frage beantwortet werden musste, ob das Zeugnisverweigerungsrecht nach dem Tod des B fortbestand. Es handelt sich dabei um ein „Standardproblem", das die Gerichte des Ofteren beschaftigt. Der BGH hat inzwischen seine fruhere Rechtsprechung aufgegeben (vgl. BGHSt 38, 96 ff; BGH, NJW 1992, 1118 f; BGH, NJW 1993, 2326; zur Entwicklung siehe auch Widmaier, NStZ 1992, 196 ff.). Nach der fruherer Rechtsprechung (seit RGSt 1, 207; ebenso noch BGHSt 34, 215, 216 m.w.N.) blieb das Zeugnisverweigerungsrechtsrecht bestehen, wenn der Angehorige zur Zeit der Zeugenvemehmung verstorben oder das gegen ihn gerichtete Verfahren rechtskraftig abgeschlossen war. Nunmehr steht der BGH auf dem Standpunkt, dass das Zeugnisverweigerungsrecht erlischt, wenn der Angehorige rechtskraftig verurteilt oder freigesprochen worden oder verstorben ist (zustimmend Spelthahn, Das Zeugnisverweigerungsrecht von Angehorigen eines Mitbeschuldigten, 1997, S. 104; ablehnend Beulke^, Rn. 192; Dahs in LoweRosenberg^^ § 52 Rn. 19; Eisenberg\ Rn. 1251; Rogall, in SKStPO, Vor § 133 Rn. 189).
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Klausur Nr. 7*
Vernehmung per TV Aussage trotz Aussageverweigerungsrechts - Beweisverwertungsverbot - Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung Videovernehmung eines Opfers Vom 17.01. bis zum 21.01.2005 fand vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Potsdam der Prozess gegen den Angeklagten Jurgen Bartel (B) statt. Ihm wurde vorgeworfen, am 15.10.2004 seine Freundin Christine Miiller (M) vergewaltigt zu haben. Darliber hinaus lautete der Vorwurf auf versuchten Mord, begangen an der 14-jahrigen Tochter der M, Andrea (A), die B bei der Vergewaltigung uberraschte. Im Rahmen der Beweisaufnahme vemahm der Vorsitzende Richter Harald Rohner (R), zunachst den Arzt der Unfallrettungsstelle eines Potsdamer Krankenhauses Dr. Gregor Kamphaus (K), der M nach ihrer Einlieferung in das Krankenhaus behandelt und die Verletzungen festgestellt hatte. K beschrieb im Einzelnen die Verletzungen der M, obwohl ihm bewusst war, dass diese ihn nicht von der Schweigepflicht entbunden hatte. AnschlieBend war die Vernehmung der M zu den Geschehnissen vorgesehen. R erkannte, dass M unter dem Eindruck des Geschehenen in Anwesenheit von B nicht wahrheitsgemaB aussagen werde. Daraufhin wurde B durch einen Beschluss des Gerichts von der Hauptverhandlung fur die Zeit der Vernehmung der M ausgeschlossen. Als M mit ihrer Aussage begann, wurde deutlich, dass brauchbare Ausfuhrungen zu den Details der Tat und dem personlichen Bereich nicht zu erwarten waren. Das Gericht beschloss daher mit Riicksicht auf das Schamgeftihl der M den Ausschluss der Offentlichkeit wahrend der Vernehmung. Nach der Vernehmung der M wurden der Angeklagte in den Sitzungssaal zuruckgebracht und die Offentlichkeit wieder zugelassen. R informierte B iiber die wesentlichen Punkte der Vernehmung, wobei er aber den Beschluss des Gerichts iiber den Ausschluss der Offentlichkeit nicht erwahnte. Der Ausschluss der Offentlichkeit wurde B auch nicht von seinem Verteidiger mitgeteilt. Im weiteren Verlauf der Verhandlung soUte A vemommen werden. Das Gericht war der Auffassung, dass die Gegenwart der Verfahrensbeteiligten zu schwerwiegenden Belastungen des 14-jahrigen Madchens fiihren wiirde. Deshalb erging der Beschluss, die Vernehmung der A nicht im Gerichtssaal vorzunehmen, sondem sie in dem Biiro des R zu befragen und die Vernehmung mittels Videoprojektion in den Gerichtssaal zu iibertragen. R befand sich bei A in seinem Biiro und befragte sie dort. Wahrend der Vernehmung nahm der beisitzende Richter Bemfried Hummel (H) die Sitzungsleitung wahr und iibermittelte dem R telefonisch Antrage und
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Beanstandungen der Verfahrensbeteiligten. Die Videoaufnahmen wurden nicht mitgeschnitten, sondem lediglich auf eine Leinwand im Gerichtssaal iibertragen. Allen Verfahrensbeteiligten war dadurch eine akustische und visuelle Wahmehmung der Vemehmung durch den Vorsitzenden moglich. In einer Verhandlungspause vor dem Pladoyer der Verteidigung und der Gewahrung des letzten Wortes for B fiel R auf, dass er die Unterrichtung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit unterlassen hatte. Er teilte dem Angeklagten nunmehr den Beschluss iiber den Ausschluss der Offentlichkeit wahrend seiner Abwesenheit mit. Die Aussage des K trug dazu bei, dass B wegen versuchten Mordes in Tatmehrheit mit Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt wurde. 1. Durfte die Aussage des K verwertet werden ? 2. Durfte B von der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden und wenn ja, ist ein Verfahrensfehler im Hinblick auf die Mitteilung uber den Ausschluss der Offentlichkeit festzustellen? 3. War die Form der Vemehmung der A zulassig ? Lehrbuch: Rn. 729; 737 ff.
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Losung Frage 1: Verwertung der Aussage des K Die Aussage des K dtirfte verwertet werden, wenn es sich um ein taugliches Beweismittel handelt und kein Beweisverwertungsverbot entgegensteht.
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/. Zeugeneigenschaft des K K ist gem. § 85 StPO wegen der fehlenden Beauftragung als sachverstandiger Zeuge anzusehen.
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//. Beweisverwertungsverbot K ist durch M nicht von seiner arztlichen Schweigepflicht entbunden worden. Deshalb hat er sich mit seiner Aussage in der Hauptverhandlung wegen Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Fraghch ist deshalb, ob die Aussage des K bei der Entscheidungsfindung verwertet werden durfte. Bei Berufsgeheimnistragem, die ohne Entbindung von ihrer Schweigepflicht aussagen und von ihrem Aussageverweigerungsrecht gem. § 53 I StPO keinen Gebrauch machen, wird die Frage nach der Verwertbarkeit ihrer Aussage nicht einheitlich beantwortet. Eine Auffassung geht von einer Unverwertbarkeit der Aussage aus. Die materielle Strafrechtswidrigkeit der Aussage musse deren Unverwertbarkeit zur Folge haben, denn nur so sei das von § 53 I StPO geschiitzte Vertrauensverhaltnis herstellbar. SchlieBlich konne sich der Betroffene darauf verlassen, dass ein „wortbriichiger" Gesprachspartner kein Gehor vor staatlichen Gerichten fmde. Demzufolge hatte die Aussage des K nicht verwertet werden diirfen. Nach der Gegenmeinung hindert die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Aussagenden fur die Aussage deren stra^rozessuale Verwertung nicht. Danach ware die Aussage des K zulassigerweise verwertet worden. Nach einer vermittelnden Auffassung ist die Aussage zwar grundsatzlich verwertbar, jedoch kann sich im Einzelfall ein Verwertungsverbot wegen eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffes ergeben. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn das Geheimnis, welches offenbart wird, der Privatsphare zuzuordnen ist, in die nur eingegriffen werden darf, wenn unabweisbare Bediirfnisse einer wirksamen Straf- und Verbrechensverfolgung dies rechtfertigen. Die Verwertung eines an sich durch § 53 I StPO geschtitzten Geheimnisses konne namlich in ahnlicher Weise in die Privatsphare wie die Verwertung von Tagebuchaufzeichnungen eingreifen, weshalb sich eine Heranziehung der dortigen MaBstabe anbiete. K offenbarte hier nicht solche Geheimnisse, die denen in Tagebuchaufzeichnungen vergleichbar waren. Daher ware nach dieser Sichtweise die Verwertung der Aussage des K nicht zu beanstanden. Die dargestellten Ansichten kommen in casu nicht zum selben Ergebnis, sodass eine Streitentscheidung unentbehrlich erscheint. Ftir die erste Auffassung spricht zwar, dass infolge der Aussage des Berufsgeheimnistragers ohne Schweigepflichtentbindung das Vertrauensverhaltnis zwi-
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schen ihm und dem Anvertrauenden gestort ist. Allerdings fallt die Stoning des Vertrauensverhaltnisses in den Verantwortungsbereich des Berufsgeheimnistragers. Ihm obliegt es, die anvertrauten Informationen fur sich zu behalten. Deshalb ergibt sich aus § 53 I StPO auch keine Pflicht zur Aussageverweigerung, sondem ledighch ein Recht dazu. Die mit der Aussage verbundene Strafbarkeit nach § 203 I Nr. 1 StGB beriihrt einzig und allein die Risikosphare des Aussagenden. Auf Grund dessen ist die erste Auffassung abzulehnen und zutreffend von einer Verwertbarkeit der Aussage des K auszugehen. Wegen der gleichen Ergebnisse der anderen beiden Auffassungen, ist eine Entscheidung zwischen ihnen nicht erforderlich.
Frage 2: Zulassigkeit des Ausschlusses des B und Ordnungsmafiigkeit des Verfahrens 436
Der Ausschluss der Offentlichkeit und das Unterbleiben der Mitteilung nach Ruckkehr des B konnten gegen § 247 StPO verstoBen.
/. Beschluss fiber den Offentlichkeitsausschluss in Abwesenheit desB 437
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Es war zu befiirchten, dass eine wahrheitsgemaBe Aussage der M in Gegenwart des B nicht zu erlangen sein wiirde. Deshalb durfte B gem. § 247 Satz 1 StPO aus dem Sitzungssaal fur die Dauer der Vemehmung der M entfemt werden. Fraglich ist aber, ob B auch wahrend der Verhandlung uber den Ausschluss der Offentlichkeit gem. § 171b GVG, der fur sich genommen zulassig war, von der Verhandlung ausgeschlossen werden durfte. Dies hangt davon ab, welche Bedeutung dem Begriff „Vemehmung" in § 247 Satz 1 StPO zukommt. Ob die Verhandlung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit zur Vemehmung i.S.d. § 247 Satz 1 StPO gehort, wird unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung konne die Verhandlung uber den Ausschluss der Offentlichkeit nicht als Vemehmung angesehen werden. Die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung diene der effektiven Wahmehmung seiner Verteidigungsrechte. Deshalb verlange der Begriff der Vemehmung eine restriktive Auslegung. Dies gelte insbesondere fiir die Verhandlung tiber den Ausschluss der Offentlichkeit, die wegen der rechtsstaatlichen Garantiefunktion des Offentlichkeitsprinzips eine Anwesenheit des Angeklagten erfordere. Deshalb werde die Verhandlung tiber den Ausschluss der Offentlichkeit nicht vom Begriff der Vernehmung i.S.d. § 247 StPO erfasst. Nach dieser Auffassung hatte B - unabhangig von der Anwesenheit des Verteidigers - an der Verhandlung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit teilnehmen miissen. Die Gegenauffassung sieht von der Anordnung, nach der sich der Angeklagte aus dem Sitzungssaal zu entfemen hat, auch solche Verfahrensvorgange umfasst, die mit der Vemehmung des Zeugen in enger Verbindung stehen. Dazu gehore auch die Verhandlung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit. Danach war die Entfemung des B aus dem Sitzungszimmer wahrend der Verhandlung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit zulassig.
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Die unterschiedlichen Ergebnisse der Ansichten im vorliegenden Fall erfordem eine Streitentscheidung. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Offentlichkeitsgrundsatz eine rechtsstaatliche Garantiefiinktion besitzt und der Angeklagte ein Interesse daran hat, bei den Verhandlungen tiber den Ausschluss der Offentlichkeit anwesend zu sein. AUerdings ist es gerade in Verfahren, deren Gegenstand Sexualdelikte sind, naheliegend, die Offentlichkeit wahrend der Vemehmung des Opfers auszuschlieBen. Zwischen der Vemehmung des Opfers, der Entfemung des Angeklagten und dem Ausschluss der Offentlichkeit besteht ein enger und unmittelbarer Zusammenhang. Letzterer rechtfertigt es, die Verhandlungen iiber den Ausschluss der Offentlichkeit als „Vemehmung" i.S.d. § 247 StPO anzusehen. Folglich war es zulassig, B auch wahrend der Verhandlung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit nicht im Sitzungssaal zu belassen.
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//. Nichtmitteilung des Ausschlusses der Offentlichkeit nach RUckkehr des B Es konnte jedoch ein VerstoB gegen die Unterrichtungspflicht des § 247 S. 4 StPO vorliegen. Danach muss der Angeklagte nach seiner Ruckkehr in den Sitzungssaal iiber den wesentlichen Inhalt der Aussage des Zeugen und der sonstigen Verhandlung unterrichtet werden. Fraglich ist, ob die verspatete Mitteilung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit noch der Unterrichtungspflicht gem. § 247 S. 4 StPO genugen konnte. Dies setzt zunachst voraus, dass der Ausschluss der Offentlichkeit iiberhaupt dem Angeklagten mitzuteilen ist. Ob im Hinblick darauf eine Unterrichtungspflicht besteht, ist wiedemm umstritten. Zum einen wird angenommen, dass sich die Unterrichtungspflicht des § 247 S. 4 StPO nicht auf die Mitteilung der Verhandlung und Entscheidung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit erstrecke. Diese Mitteilung gehore nicht zum wesentlichen Inhalt der sonstigen Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten. Dementsprechend kame es auf die Rechtzeitigkeit der nachgeholten Mitteilung uber die Verhandlung und Entscheidung im Hinblick auf den Ausschluss der Offentlichkeit nicht an, weil es ihrer nicht bedurft hatte. Zum anderen wird die Ansicht vertreten, dass die Unterrichtungspflicht gem. § 247 S. 4 StPO auch die Mitteilung der Verhandlung und Entscheidung iiber den Ausschluss der Offentlichkeit umfasse. Danach kame es hier darauf an, ob die zunachst unterlassene Unterrichtung des Ausschlusses der Offentlichkeit noch durch die spatere Mitteilung geheilt werden konnte. Gegen eine Pflicht zur Information des Angeklagten iiber den Ausschluss der Offentlichkeit spricht, dass dieser Verhandlungsteil nicht Gegenstand der Aussage des Zeugen ist. Eine sachgerechte Verteidigung des Angeklagten erfordert jedoch, dass er Kenntnis vom Ausschluss der Offentlichkeit erlangt. Zu den Verteidigungsrechten des Angeklagten gehort es, auf die Beweiswurdigung des Gerichts selbst Einfluss zu nehmen. Dazu miissen ihm alle Umstande bekannt sein, die das Gericht bei der Beweiswurdigung beriicksichtigt. Ob eine Zeugenaussage offentlich Oder nicht offentlich erfolgte, kann fur ihre Glaubhaftigkeit von Bedeutung sein und damit die Beweiswiirdigung des Gerichts beeinflussen. Deshalb erscheint es
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denkbar, dass der Angeklagte die Zeugenaussage anders wiirdigen und somit das Gericht entsprechend beeinflussen wiirde. Daher war B vom Ausschluss der OffentHchkeit gem. § 247 S. 4 StPO zu unterrichten. Eine solche Mitteilung ist unmittelbar nach seiner Rtickkehr in den Sitzungssaal weder durch das Gericht noch durch seinen Verteidiger erfolgt. Fraglich ist, ob die spatere Unterrichtung des B diesen VerfahrensverstoB heilen konnte. Der Angeklagte konnte diesen Umstand mit seinem Verteidiger vor dessen Pladoyer besprechen und bei seinem eigenen letzten Wort berucksichtigen. Ihm blieb daher die Gelegenheit, die Beweiswurdigung des Gerichts selbst zu beeinflussen. Durch die Mitteilung vor dem Pladoyer der Verteidigung waren Sinn und Zweck des § 247 S. 4 StPO somit noch gewahrt. Eine Heilung durch die spatere Bekanntgabe des Ausschlusses der OffentHchkeit ist deshalb anzunehmen. Demzufolge liegt insgesamt kein VerfahrensverstoB vor.
Frage 3: Zulassigkeit der Videovemehmung 449
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Die vorgenommene sachlich gerechtfertigte Videovemehmung konnte gegen stra^rozessuale Grundsatze und Vorschriften verstoBen. Sie kann nicht auf § 247a StPO gestutzt werden, obwohl der Wortlaut dieser Vorschrift die hier gewahlte Variante der Videovemehmung als moglich erscheinen lasst, Jedoch ist diese Art der Vemehmung nach Auffassung des Gesetzgebers nicht mit § 247a StPO vereinbar, weil nach dieser Vorschrift nur solche Videovemehmungen zulassig sind, bei denen der Vorsitzende im Sitzungssaal verbleibt und von dort aus die Vemehmung des sich in einem anderen Zimmer befindlichen Zeugen fiihrt (sog. Englisches Modell). Fraglich ist daher, ob der Vorsitzende sich aus dem Sitzungssaal entfemen durfte, um die Vemehmung des Kindes vorzunehmen (sog. Mainzer Modell), oder ob damit gegen stra^rozessuale Grundsatze verstoBen wurde. Dies ist strittig. Nach einer Ansicht ist diese Art der Videovemehmung mit dem Unmittelbarkeitsprinzip, dem Mtindlichkeitsprinzip und dem durch § 238 Abs. 1 StPO bestimmten Grundsatz der Verhandlungsleitung durch den Vorsitzenden vereinbar. Demzufolge hatte das Gericht mit der hier vorgenommenen Videovemehmung nicht gegen strafyrozessuale Gmndsatze verstoBen. Die Gegenauffassung sieht diese Grundsatze und die Anwesenheitspflicht der Verfahrensbeteiligten bei einer Videovemehmung nach dem sog. Mainzer Modell nicht als gewahrt an, sodass die hier gewahlte Methode der Videovemehmung nicht zulassig gewesen ware. Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist eine Streitentscheidung erforderlich. Der vom Schwurgericht gewahlten Methode der Videovemehmung begegnen Bedenken, die aus dem in § 261 StPO niedergelegten Unmittelbarkeitsprinzip resultieren. Es trifft zwar zu, dass die Videovemehmung nach dem Mainzer Modell mit der materiellen Seite des Unmittelbarkeitsprinzips vereinbar ist, weil damit das sachnachste unmittelbare Beweismittel verwertet wird. Das Unmittelbarkeitsprinzip besitzt aber auch eine formelle Seite. Danach soil sich der Gesamt-
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eindruck des erkennenden Gerichts aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ergeben. Dabei mag es richtig sein, dass die anderen Mitglieder des RichterkoUegiums, die sich im Sitzungssaal befinden, auf Grund der mittlerweile gegebenen technischen Moglichkeiten eine gute Wahmehmung des Geschehens im Vemehmimgszimmer haben. Doch muss beriicksichtigt werden, dass ein Mitglied des Spruchkorpers - namlich der Vorsitzende selbst - von den Geschehnissen im Sitzungssaal voUig abgeschnitten ist. Ihm ist es verwehrt, sich von den Reaktionen der anderen Verfahrensbeteiligten auf die Aussagen des Zeugen ein Bild zu machen. Die Wahmehmung dieser Reaktionen gehort aber auch zum Inbegriff der Hauptverhandlung. Eine gespaltene Hauptverhandlung, wie sie diese Art der Vemehmung bewirkt, kann unter Berucksichtigung des formellen Aspekts des Unmittelbarkeitsprinzips nicht hingenommen werden. Femer verstoBt die hier gewahlte Vemehmungsmethode gegen das Miindlichkeitsprinzip. Sicherlich ist das im Vemehmungszimmer gesprochene Wort im Sitzungssaal horbar und unter diesem Aspekt das Miindlichkeitsprinzip nicht verletzt. Das Mundlichkeitsprinzip hat jedoch eine dialektische Komponente, die es erforderlich erscheinen lasst, durch schnelles Intervenieren all das, was auf Gmnd unzulassiger Befragung die ordnungsgemaBe Wahrheitsfmdung beeintrachtigen kann, zu monieren. Es bestand zwar eine Telefonleitung in das Vemehmungszimmer, allerdings sind infolge der Zwischenschaltung von Beisitzer und Vorsitzendem die vorgenannten Gefahren insbesondere bei „streitigen" Beweisaufnahmen nicht von vomherein auszuschlieBen. Dariiber hinaus ist § 238 I StPO verletzt. Danach muss der Vorsitzende im Sitzungssaal die Verhandlungsleitung sowie die Sitzungsgewalt wahmehmen. Der Einwand, der Vorsitzende ube auch im Vemehmungszimmer die Verhandlungsleitung via Telefon aus, greift nicht durch. Die Verhandlungsleitung und die Ausubung der Sitzungsgewalt verlangt eine korperliche Anwesenheit im Sitzungssaal, die bei der gewahlten Vemehmungsmethode nicht gewahrleistet ist. Dass die StraQ)rozessordnung eine korperliche Anwesenheit zur Verhandlungsleitung fordert, belegt § 226 StPO. Diese Vorschrift beinhaltet den Gmndsatz der Verhandlungseinheit und verlangt „die ununterbrochene Anwesenheit der zur Urteilsfmdung bemfenen Personen" sowie notwendiger Verfahrensbeteiligter. Damit muss der Vorsitzende ununterbrochen in der Hauptverhandlung anwesend sein. Dies ist bei der hier gewahlten Vemehmungsmethode nicht gewahrleistet, sodass neben § 238 I StPO auch § 226 StPO nicht beachtet wurde. Mithin war die Methode der Vemehmung des 14-jahrigen Madchens nicht mit den Regelungen und Gmndsatzen der Stra^rozessordnung vereinbar und daher unzulassig.
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Bei Frage 1 musste das Verhaltnis von materiellem Strafrecht zum Strafprozessrecht betrachtet werden. Die herrschende Auffassung geht davon aus, dass die materielle Strafrechtswidrigkeit einer Aussage nicht zwangslaufig zu deren Unverwertbarkeit im Stra^rozess fiihrt (z.B. BGHSt 9, 59, 61; BGHSt 15, 200, 202; BGHSt 18, 146, 147; a.A. Beulke\ Rn. 462; Ranf^, Rn. 551). Nur in Ausnahmesituationen lasst sich eine Unverwertbarkeit annehmen (Hellmann^, Rn. 729). Unabhangig davon ist eine Unverwertbarkeit der Aussage eines Aussageverweigerungsberechtigten wegen Verletzung des § 53 I StPO jedoch dann gegeben, wenn das Gericht den Hinweis unterlasst, dass die Entbindung von der Schweigepflicht zwischenzeitlich durch das untersuchte Opfer widerrufen worden ist (zu dieser Konstellation BGH, NStZ 1996, 348) Die zur Beantwortung der Frage 2 erforderlichen Kenntnisse gehoren nicht zum Standardwissen. Mit etwas Auslegungsgeschick ist jedoch eine Antwort moglich. Die praktische Bedeutung des Ausschlusses des Angeklagten sowie der Offentlichkeit ist besonders bei Zeugen, die Sexualdelikten zum Opfer gefallen sind, erheblich. Der Streit, ob die Verhandlung uber den Ausschluss der Offentlichkeit als Vemehmung im Sinne des § 247 StPO anzusehen ist, kann mit guten Griinden auch anders entschieden werden (siehe dazu Stein, StV 1995, 251 ff, gegen BGH, StV 1995, 250). Aus klausurtaktischer Sicht lag es allerdings naher, dem BGH zu folgen, um sich der Frage nach dem Gegenstand der Unterrichtungspflicht und der Moglichkeit der Heilung der zunachst unterlassenen Mitteilung widmen zu konnen. Frage 3 beschaftigt sich mit der Problematik der Videovemehmung und deren Vereinbarkeit mit den strafyrozessualen Grundsatzen. Fiir die Beantwortung der Frage war die Kenntnis erforderlich, dass der Gesetzgeber sich in § 247a StPO fur das sog. Englische Modell entschieden hat, bei dem der Vorsitzende wahrend der Vemehmung im Sitzungssaal verbleibt. Bis zur Einfiigung des § 247a in die StPO durch das Zeugenschutzgesetz vom 30.04.1998 (BGBl. I, S. 820) wurde bisweilen nach dem sogenannten Mainzer Modell (LG Mainz, NJW 1996, 208) verfahren, das von der h.M. (Geppert, Jura 1996, 550, 552 ff., Laubenthal JZ 1996, 335, 343) jedoch abgelehnt wurde (fiir die Zulassigkeit Wegner, ZRP 1995, 406 ff.). Der Gesetzgeber hat sich deshalb zu Recht fiir das sog. Englische Modell entschieden. Soweit die Problematik der Videovemehmung dem Bearbeiter nicht naher bekannt war, bedurfte es zur Beantwortung der Frage 3 vertiefter Kenntnisse der strafyrozessualen Grundsatze.
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Der zweite Mann beim Uberfall Strafklageverbrauch - prozessualer Tatbegriff - verbotene Methode bei Zeugenvernehmung - Mitbeschuldigtenbegriff - Beweisantrag Beweisermittlungsantrag Die 2. Strafkammer des Landgerichts Neuruppin verurteilte Walter Boll (B) am 13. April 2004 wegen einer mittaterschaftlich begangenen rauberischen Erpressung unter Verwendung einer Waffe (§§ 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von funf Jahren und neun Monaten. Der bis dahin unbekannte Mittater, der - wie B - mit einem Strumpf maskiert gewesen war, hatte am 7. Oktober 2003 in einer Filiale der Kreissparkasse eine Kundin mit einer Pistole bedroht und die Angestellte Carla Krumme (K) zur Ubergabe von 20 000 € an B veranlasst. Das Urteil gegen B, der den Namen seines Mittaters nicht preisgegeben hatte, wurde rechtskraftig. Im Mai 2004 behauptete ein anonymer Anrufer bei der Kriminalpolizei, der einschlagig vorbestrafte - Gerhardt Amdt (A) sei der „zweite Mann" bei dem Uberfall auf die Sparkassenfiliale gewesen. Bei einem Stimmenvergleich meinte K, die Stimme des A als die des Taters zu erkennen. Die Anfrage beim Bundeszentralregister ergab, dass A durch rechtskraftigen Strafbefehl vom 14. Dezember 2003 wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe (§ 52 I Nr. 1 WaffG) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, die zur Bewahrung ausgesetzt wurde, verurteilt worden war. A bestritt jedoch seine Beteiligung an dem Uberfall. Die Staatsanwaltschaft klagte A wegen schwerer rauberischer Erpressung vor dem Landgericht Neuruppin an. Zu Beginn der Hauptverhandlung am 23. November 2004 beantragte sein Verteidiger Dr. Veith (V) die Einstellung des Verfahrens wegen Strafklageverbrauchs. Zwar habe sein Mandant den Uberfall nicht begangen. Aber selbst wenn die Strafkammer zu der gegenteiligen Annahme kommen soUte, diirfe A wegen der Tat nicht verfolgt werden, da dann davon auszugehen sei, dass es sich bei der Tatwaffe um die bei A gefundene Pistole handele, deren Besitz A in dem Strafbefehl vorgeworfen worden war. Die Strafkammer wies diesen Antrag jedoch zuriick. In der Beweisaufiiahme verweigerte der als Zeuge geladene B die Aussage. Die Kammer ordnete daraufhin an, ihn fur einen Tag in Erzwingungshaft zu nehmen. Sodann soUte K vemommen werden. Sie wollte jedoch nicht aussagen, da sie um das Leben ihres Kindes furchten musse. Zum Beweis legte sie einen anonymen Brief vor, in dem ihr angekiindigt wurde, ihrem Sohn werde „etwas zustoBen", falls sie A vor Gericht belasten sollte. Nach der Aufforderung durch den
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Vorsitzenden, dennoch auszusagen, anderenfalls werde die Kammer ihr die durch ihre Weigerung entstehenden Kosten auferlegen und eventuell auch noch Beugehaft anordnen, bekundete K, dass sie die Stimme des A „mit einer Wahrscheinhchkeit von 95%" als die des Mittaters erkenne. Im Folgenden beantragte V die Vemehmung der Kellnerin Beate Rost (R). R werde bekunden, dass A nicht - wie in der Anklageschrift behauptet - nach der Tat mit B in der Gaststatte „Waldeslust" gewesen sei und dort „mit Geld um sich geworfen" habe. Die Strafkammer lehnte diesen Antrag ab. Sie verurteilte A zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten. 1. Hatte die Strafkammer das Verfahren gegen A wegen Strafklageverbrauchs einstellen mtissen? 2. Durfte das Gericht die Aussage der K bei der Urteilsfindung verwerten? 3.1st die Anordnung der Erzwingungshaft gegen B zu beanstanden? 4. Nehmen Sie zur Ablehnung des Antrags des V auf Vemehmung der R Stellung. Lehrbuch: Rn. 832 ff.; 814 ff.; 457-484; 710-734; 762-768.
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Losung Frage 1: Einstellung des Verfahrens wegen Strafklageverbrauchs Die Strafkammer hatte das Verfahren gem. § 260 III StPO einstellen mussen, wenn die Strafklage durch den rechtskraftigen Strafbefehl wegen des unerlaubten Waffenbesitzes verbraucht war.
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/. Einstellungsurteil nach § 260 III StPO § 260 III StPO schreibt die Einstellung des Verfahrens im Urteil vor, wenn das Verfahrenshindemis in der Hauptverhandlung festgestellt wird. V stellte seinen Antrag „zu Beginn der Hauptverhandlung", also offensichtlich nach dem Aufruf der Sache, mit dem gem. § 243 I 1 StPO die Hauptverhandlung anfangt. Griinde, die es geboten erscheinen lassen, statt eines Einstellungs- ein freisprechendes Urteil zu erlassen, z.B. weil bereits feststeht, dass B keine Straftat nachzuweisen ist, sind nicht ersichtlich. Es hatte deshalb ein Einstellungsurteil ergehen mtissen, falls die Strafklage durch den Strafbefehl verbraucht war.
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//. Strafklageverbrauch Der Grundsatz „ne bis in idem", der gem. Art. 103 III GG in der Sache den Rang eines verfahrensrechtlichen Grundrechts besitzt, stunde einer Fortsetzung des Verfahrens und einer Verurteilung wegen schwerer rauberischer Erpressung entgegen, wenn der rechtskraftige Strafbefehl wegen des Waffendelikts „dieselbe Tat" betreffen wurde. Ob A die ihm vorgeworfene Tat am 7. 10. 2003 tatsachlich begangen hat, steht allerdings ebensowenig fest wie der Umstand, dass es sich bei der von A - mutmaBlich - verwendeten Pistole um die Waffe handelte, wegen deren Besitzes er zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt wurde. Die Frage, ob A diese Waffe bei dem Uberfall benutzt hatte, bediirfte jedoch dann nicht der Klarung, wenn der Strafbefehl die Strafklage ohnehin nicht verbraucht hatte. Zu klaren ist daher, ob das Dauerdelikt des unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe" gem. § 52 I Nr. 1 WaffG und die Verwendung dieser Waffe zu einer Straftat, z. B. einer rauberischen Erpressung, als dieselbe Tat i.S.d. Art. 103 III GG anzusehen sind. Nach h.M. handelt es sich bei der Tat im prozessualen Sinne um einen vorrechtlichen Begriff, der den geschichtlichen Vorgang umfasst, innerhalb dessen der Tater eine Straftat begangen haben soil. Zu dieser Tat gehort das gesamte Verhalten des Angeklagten, das mit diesem geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang darstellt, sodass eine getrennte Aburteilung als unnaturliche Aufspaltung erscheinen wurde. Das tateinheitliche oder tatmehrheitliche Zusammentreffen i.S.d. §§ 52, 53 StGB stellt dabei nur ein Indiz fur das Vorliegen einer oder mehrerer prozessualer Taten dar. Das materiellrechtliche Konkurrenzverhaltnis des unerlaubten Waffenbesitzes zu der Straftat, die unter Verwendung der Waffe begangen wurde, ist streitig. Uberwiegend wird Tatmehrheit angenommen. Das wiirde als Indiz fur mehrere stra^rozessuale Taten
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sprechen. Aber auch die von der Gegenmeinung propagierte Annahme von Tateinheit schlieBt das Vorliegen mehrerer Taten im prozessualen Sinn nicht zwingend aus. Entscheidend ist letztlich, ob sich die Verwendung der Waffe zur Begehung einer bestimmten Tat von dem bloBen Waffenbesitz so deutUch abgrenzen lasst, dass dadurch verschiedene geschichtliche Vorgange bezeichnet werden. Der unerlaubte Waffenbesitz umfasst als DauerdeUkt den gesamten Zeitraum, in dem der Tater die tatsachhche Gewalt uber die Waffe ausiibt. Dafiir ist das Beisichfiihren oder die Benutzimg nicht erforderhch. Wird der unerlaubte Waffenbesitz durch ein Ereignis beschrieben, das nicht in Kontinuitat zu einem anderen Verhalten steht, bei dem der Angeklagte die Waffe zur Begehung einer Straftat, z.B. eines Totungs- oder Notigungsdelikts, benutzt hat, so unterscheidet sich der Vorfall der Verwendung von der bloBen Ausubung der tatsachlichen Gewalt iiber die Waffe so deutlich, dass die Aburteilung in mehreren Verfahren nicht als unnaturliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes erscheint. Zwar ist nicht bekannt, an welches Vorkommnis der Strafbefehl den Vorwurf des unerlaubten Waffenbesitzes kniipfte. Es muss sich aber notwendigerweise um einen anderen Vorgang als die Verwendung bei dem Uberfall handeln, denn im Zeitpunkt seines Ergehens war die Beteiligung des A daran noch gar nicht bekannt. Die Verwendung der Waffe in der Bankfiliale steht somit in keinem Zusammenhang mit dem Vorfall, der die Grundlage des Strafbefehls bildet. Die Anwendung der h.M. fiihrt somit zu dem Ergebnis, dass die rechtskraftige Aburteilung des Waffendelikts einer Verfolgung wegen der rauberischen Erpressung nicht entgegensteht. Die Gegenmeinung berucksichtigt bei der Bestimmung der prozessualen Tat auch normative Merkmale, insbesondere die Angriffsrichtung des Taterverhaltens. Gibt der neu bekanntgewordene Umstand dem Geschehen ein voUig anderes rechtliches Geprage, so soil es sich um eine andere prozessuale Tat handeln. Die Verwendung der Waffe zur Begehung eines Totungs-, Raub- oder Erpressungsdelikts stellt eine Art der Benutzung der Waffe dar, die iiber das Unrecht des nach dem Waffengesetz verbotenen Handehis, namlich der bloBen Ausubung der tatsachlichen Gewalt, erhebhch hinausgeht. Sie gibt deshalb der Tat ein voUig anderes rechtliches Geprage, sodass auch nach dieser Auffassung verschiedene prozessuale Taten gegeben sind. Da beide Auffassungen in casu zu demselben Ergebnis gelangen, ist eine Streitentscheidung nicht erforderlich.
///. Ergebnis 473
Die Strafkammer durfte das Verfahren somit nicht einstellen.
Frage 2: Verwertbarkeit der Zeugenaussage der K 474
Das Gericht durfte die Aussage der K verwerten, wenn es sich dabei um ein taugliches Beweismittel handelt und kein Beweisverwertungsverbot entgegensteht.
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/. Zeugeneigenschaft der K K sollte iiber ihre Wahmehmungen, die sie bei dem Uberfall auf die SparkassenfiHale gemacht hatte, also als Zeugin, aussagen. Der Zeuge ist ein taugliches Beweismittel im Strengbeweisverfahren zur Ermittlung der Umstande, die fur die Schuld des Angeklagten und die Strafzumessung von Bedeutung sind. K war somit grundsatzlich ein taugliches Beweismittel.
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//. Beweisverwertungsverbot Der Verwertung ihrer Aussage konnte aber das Verbot des § 136a III StPO entgegenstehen, dessen entsprechende Geltung § 69 III StPO fur Zeugenaussagen, die unter Anwendung einer verbotenen Vemehmungsmethode gewonnen wurden, anordnet. Die Ankiindigung des Vorsitzenden, K die durch ihre Weigerung entstehenden Kosten aufzuerlegen und eventuell Beugehaft anzuordnen, konnte namlich als Drohung mit einer nach den Vorschriften des Strafverfahrensrechts unzulassigen MaBnahme anzusehen sein. a) Die Auferlegung der Kosten und die Anordnung von Ordnungsmitteln lasst § 70 I StPO nur zu, wenn der Zeuge die Aussage rechtsgrundlos verweigert. K konnte die Aussage jedoch zulassigerweise verweigert haben, weil Leib und Leben ihres Sohnes in Gefahr waren, falls sie A in der Hauptverhandlung belasten sollte. Es ist anerkannt, dass ein Zeuge die Aussage verweigem darf, wenn emsthaft zu befiirchten ist, dass er durch eine wahrheitsgemaBe Aussage in eine Notlage i.S.d. § 34 StGB gerat, und das Gericht keine ausreichenden Schutzmoglichkeiten sieht. Das muss auch gelten, wenn einem nahen Angehorigen des Zeugen erhebliche Gefahren fur den Fall einer Aussage drohen. In dem Brief kiindigt eine unbekannte Person an, dem Sohn der K werde ftir den Fall ihrer Aussage „etwas zustoBen". Zwar wird nicht mitgeteilt, welche konkreten Folgen der Sohn der K zu erwarten habe. Die Mitteilung ist aber so zu verstehen, dass dem Kind ein korperlicher Ubergriff droht. Obwohl dem staatlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung erhebliches Gewicht zukommt, tiberwiegen die Individualinteressen des Kindes wesentlich, zumal nicht auszuschlieBen ist, dass sogar ein Angriff auf sein Leben stattfmden konnte. Ausreichende MaBnahmen zum Schutz des Sohnes der K stehen nicht zur Verfiigung, sodass sie die Aussage verweigem durfte. Die angekiindigten Ungehorsamsfolgen waren deshalb unzulassig gewesen. b) Fraglich ist, ob daraus ein Verwertungsverbot folgt. Der Wortlaut der §§ 136a III 2, 69 III StPO scheint insofem eindeutig zu sein, und auch die h.M. nimmt ein Verbot der Verwertung einer mit unzulassigen Mitteln erzwungenen Aussage eines Zeugen oder Mitbeschuldigten im Verfahren gegen den Angeklagten an. Es ist jedoch zweifelhaft, ob sich diese Sicht mit dem Zweck des § 136a StPO im Einklang befindet, der darin besteht, den Vemommenen davor zu schiitzen, dass die Strafverfolgungsorgane ihn zum bloBen Objekt der Verbrechensbekampfung machen, indem sie seinen freien Willen, zu entscheiden, ob er an der Aufklarung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens mitwirken oder schweigen will, mit unzulassigen Mitteln beugen. Bei der durch § 69 III StPO angeordneten entsprechenden Anwendung des § 136a III 2 StPO auf den Zeugen darf dieser
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Zweck nicht unberucksichtigt bleiben. Er gebietet die Annahme eines generellen Verwertungsverbots jedenfalls fur Aussagen, durch die sich der Zeuge in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren selbst belastet. Die entsprechende Anwendung des § 136a III 2 StPO Uegt zudem nahe, wenn eine nach §§ 52, 53 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigte Person mit unzulassigen Mitteln zur Aussage veranlasst wird, da der Zeuge auch in diesen Fallen die freie Entscheidung besitzt, ob er aussagen oder - zugunsten des Beschuldigten - schweigen will. In unserem Fall liegt es aber anders. K war grundsatzlich zur Aussage verpflichtet, und das Aussageverweigerungsrecht wird ihr nur deshalb zugebilligt, weil ein Dritter - auf Veranlassung des A oder jedenfalls in seinem Interesse - ihren Sohn mit Gefahren fur Leib und Leben bedroht. Die Annahme eines generellen Verwertungsverbots im Verfahren gegen A wiirde die Funktion der §§ 136a, 69 III StPO deshalb geradezu in ihr Gegenteil verkehren. c) Immerhin hat das Gericht aber durch die Ankundigung unzulassiger Beugemittel einen VerfahrensverstoB begangen, sodass ein Beweisverwertungsverbot aus den allgemeinen Regeln folgen konnte. Nach iiberwiegender Meinung ist eine Abwagung zwischen den geschutzten Interessen des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates im Einzelfall vorzunehmen. Bei dieser Abwagung finden die Kriterien Berucksichtigung, die nach anderen Auffassungen bereits fur sich genommen zur Beurteilung eines Verwertungsverbotes herangezogen werden. Fur ein Verwertungsverbot spricht die Schwere des VerfahrensverstoBes, dagegen aber die Schwere des gegen A bestehenden Tatvorwurfs, die Bedeutung des Beweismittels fur die Entscheidungsfindung und der Schutzzweck des Beweiserhebungsverbots. Ein schutzwtirdiges Interesse des A an der Unverwertbarkeit der Aussage der K ist nicht zu erkennen. Entweder wurde K auf seine Veranlassung hin unter Druck gesetzt, oder ein Dritter wurde von sich aus tatig, um das Strafverfahren gegen A zu behindem. Die Abwagung dieser Umstande ergibt ein deutliches Ubergewicht des Strafverfolgungsinteresses, zumal die Annahme eines Beweisverwertungsverbots dazu fiihren wurde, dass die Bedrohung der K bzw. ihres Sohnes letztlich doch ihr Ziel erreicht.
///. Ergebnis 480
Die Strafkammer durfte die Aussage der K verwerten.
Frage 3: Rechtmafiigkeit der Anordnung der Erzwingungshaft 481
Die Anordnung der Erzwingungshaft gegen B ware rechtmaBig, wenn die Voraussetzungen des § 70 StPO vorlagen.
/. Zuldssigkeit der Anordnung 482
Uber freiheitsentziehende MaBnahmen hat gem. Art. 104 II 1 GG grundsatzlich der Richter zu entscheiden. Da die Strafkammer die Beugehaft festgesetzt hat, ist diese Voraussetzung erfuUt. § 70 StPO bestimmt zwar nicht ausdriicklich, welcher Richter die Entscheidung trifift, aus § 70 III StPO folgt aber, dass der Richter, vor dem der Zeuge auszusagen hat, zustandig ist. Es ist davon auszugehen, dass die
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ubrigen Anordnungsvoraussetzungen, Hinweis des Zeugen auf die Rechtsgmndlosigkeit der Zeugnisverweigerung und deren Folgen sowie Anhorung der Beteiligten, eingehalten wurden.
//. Rechtsgrundlosigkeit der Aussageverweigerung 1. Zeugeneigenschaft des B Die Erzwingung der Aussage ware nur zulassig, wenn B als Zeuge hatte aussagen miissen. Er soUte zwar uber Tatsachen, die er personlich wahrgenommen hatte, vemommen werden. Insofem erfuUt er die Voraussetzungen eines Zeugen. Moglicherweise handelte es sich aber um eine Beschuldigtenvemehmung, da B wegen des Vorfalls, der A zur Last gelegt wurde, selbst verfolgt und verurteilt worden war. Mit der Beschuldigteneigenschaft ware die Zeugenstellung unvereinbar. Die h.M. vertritt einen formellen Beschuldigtenbegriff. Beschuldigter ist danach, wer in demselben formlichen Verfahren verfolgt wird. Nur wenn das Verfahren gegen einen Mitbeschuldigten willkiirUch abgetrennt wurde, z.B. um ihn als Zeugen zu gewinnen und dadurch sein Aussageverweigerungsrecht zu unterlaufen, soil die Vemehmung als Zeuge in dem Verfahren gegen fruhere Mitbeschuldigte unzulassig sein. Da die Hauptverhandlung nur gegen A gerichtet und die Aburteilung des B in einem gesonderten Strafverfahren nicht willktirlich war, sondem darauf beruhte, dass der Mittater damals noch nicht ermittelt worden war, ware B nach dieser Auffassung Zeuge. Die Gegenmeinung propagiert einen materiellen Beschuldigtenbegriff. Danach sind alle Personen, denen ein strafrechtlicher Vorwurf wegen derselben Tat im prozessualen Sinn zu machen ist, als Beschuldigte anzusehen, und zwar unabhangig davon, ob die Vorwiirfe in demselben oder in verschiedenen formlichen Verfahren verfolgt werden bzw. wurden. B ware danach Mitbeschuldigter, sodass eine Zeugenvemehmung und die Verhangung von Beugemitteln unzulassig waren. Eine vermittelnde Auffassung stellt darauf ab, ob die zu vemehmende Person irgendwann in demselben Verfahren wie der Beschuldigte verfolgt wurde. Die auf diese Weise begriindete Beschuldigtenstellung bleibe grundsatzlich erhalten. Sie ende allerdings, wenn das Verfahren gegen den friiheren Mitbeschuldigten abgeschlossen ist, z.B. durch Aburteilung. B ware danach ebenfalls Zeuge in der gegen A gerichteten Hauptverhandlung, weil er bereits rechtskraftig verurteilt worden war. Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist eine Entscheidung erforderlich. Fur die Annahme eines materiellen Beschuldigtenbegriffs spricht, dass diese Sicht die Mitbeschuldigten vor jeglichen Manipulationen ihrer Rechtsstellung durch Verfahrenstrennungen oder -verbindungen bewahrt. Ein genereller Ausschluss der Zeugenstellung ist jedoch nur erforderlich, wenn der Beschuldigte, gegen den das formliche Strafverfahren gefuhrt wird, geschiitzt werden soil. Der Mitbeschuldigte, der als Zeuge vemommen wird, kann sich namlich auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO bemfen, wenn er sich selbst durch seine Aussage belasten wiirde. Den formlich Beschuldigten bewahrt aber auch die h.M. - wie dargelegt - vor einer willkurlichen Manipulation der
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Stellung des - materiell - Mitbeschuldigten, um ihn als Zeugen zu „gewinnen". Eines dariiber hinausgehenden Schutzes bedarf der Beschuldigte des aktuellen Verfahrens nicht. Gab oder gibt es sachliche Grunde dafur, dass der friihere Mitbeschuldigte gesondert verfolgt wird, so spricht nichts dagegen, ihn als Zeugen zu vemehmen. Das Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten schiitzt nur seine eigene prozessuale Rechtsstellung, nicht dagegen die anderer Tatbeteiligter. Zwar darf bei einer gemeinsamen StrafVerfolgung mehrerer Mitbeschuldigter jeder die Aussage voUstandig verweigem, also auch hinsichtlich solcher Umstande, die ihn - moglicherweise - nicht belasten. Die Zubilligung eines umfassenden Aussageverweigerungsrechts bezweckt aber nicht den Schutz Dritter, sondem des Beschuldigten selbst, da eine Selbstbelastung im Fall der Aussage nie voUig auszuschlieBen ist. B war somit Zeuge in der gegen A gerichteten Hauptverhandlung.
2. Zeugnisverweigerungsrecht 488
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B konnte aber das Zeugnisverweigerungsrecht des § 55 StPO zustehen. Das setzt allerdings voraus, dass ihm die Gefahr einer Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit drohte. Das Strafverfahren gegen B war jedoch bereits rechtskraftig abgeschlossen. Selbst wenn er neue selbstbelastende Umstande offenbaren wurde, scheidet eine Wiederaufiiahme zu seinen Ungunsten gem. § 362 StPO aus, sodass keine Selbstbelastungsgefahr besteht. Die Zeugnisverweigerung erfolgte deshalb ohne Rechtsgrund.
///. Verhdltnismdfiigkeit 490
Die Anordnung der Beugehaft war geeignet und erforderlich zur Herbeifuhrung der Aussage und in Anbetracht der Bedeutung der Aussage zudem verhaltnismaBig im engeren Sinn.
IV. Ergebnis 491
Die Anordnung der Erzwingungshaft gegen B ist somit nicht zu beanstanden.
Frage 4: Ablehnung der Vernehmung der R 492
Die Strafkammer musste dem Antrag des V nachkommen, wenn es sich um einen Beweisantrag handelte, den das Gericht nicht ablehnen durfte, oder die Aufklarungspflicht die Vernehmung der R geboten hatte.
/. Beweisantrag 493 494 495
Das Begehren des V ware ein Beweisantrag, wenn es sowohl hinsichtlich des Beweismittels als auch hinsichtlich der Beweistatsache individualisiert war. V benennt R als Zeugin, der Antrag bezeichnet also ein konkretes Beweismittel. Fraglich ist, ob V auch eine bestimmte Beweistatsache anfuhrt. Auf den ersten Blick scheint dies der Fall zu sein, weil V in dem Antrag Umstande benennt, namlich die Anwesenheit des A in der Gaststatte und sein Verhalten dort. V behauptet aber nicht das Vorliegen dieser Tatsachen, sondem gerade deren Fehlen. Dazu
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hatte R aber keine Stellung nehmen konnen. Sie war allenfalls in der Lage darzulegen, welche Wahmehmungen sie zu der entsprechenden Zeit hatte machen konnen. Die Abwesenheit des A konnte sie nicht wahmehmen, sondem allenfalls Umstande, aus denen das Gericht diese Folgerung ziehen soUte. R hatte z.B. moglicherweise bekunden konnen, dass sie sich zu der genannten Zeit ununterbrochen in der Gaststatte aufgehalten hatte, dass sie die einzige Bedienung war, A also Bestellungen bei ihr hatte aufgeben miissen, dass die Gaststatte iibersichtlich ist und ihr die Anwesenheit des A deshalb nicht entgangen ware. Die erforderliche Bestimmtheit hinsichtlich der Beweistatsache ware deshalb nur gegeben, wenn V solche oder ahnliche Umstande, deren Wahmehmung R bekunden soUte, behauptet hatte. Mangels Individualisierung der Beweistatsache handelte es sich somit nicht um einen Beweisantrag. Auf das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes kommt es infolgedessen nicht an.
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//. Beweisermittlungsantrag V stellte somit einen Beweisermittlungsantrag, er regte also nur eine weitere Sachverhaltsaufklarung durch das Gericht an. Dieser Beweisanregung musste die Strafkammer nur im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht gem. § 244 II StPO nachkommen, d.h. dann, wenn die Vemehmung der R fur das Urteil gegen A von Bedeutung war. Diese Entscheidung hat das Gericht nach pflichtgemaBem Ermessen zu treffen. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, dass die Anwesenheit des A in der Gaststatte und sein Verhalten dort iiberhaupt Gegenstand der Hauptverhandlung war. Dieser Umstand hatte nur durch entsprechende Zeugenaussagen in die Verhandlung eingefiihrt werden konnen. Das war aber offensichtlich nicht geschehen, denn sonst hatte V seinen Antrag anders formuliert, namlich indem er die Vemehmung der R als Gegenbeweis benutzt hatte, um eine anders lautende Bekundung eines Zeugen zu erschuttem. Ohne Bedeutung ist es, dass eine solche Behauptung in der Anklageschrift enthalten war. Aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz (§§261, 264 I StPO) folgt, dass der Inhalt der Anklageschrift - wie auch der iibrige Akteninhalt - nur zur Grundlage des Urteils gemacht werden darf, wenn die Tatsachen im Strengbeweisverfahren in die Hauptverhandlung eingefiihrt wurden. Das Gericht hat der Anwesenheit des A in der Gaststatte also keine Beachtung geschenkt, es hat insbesondere darin keine den A belastende Tatsache gesehen. Deshalb ware es fiir die Entscheidung auch ohne Belang, wenn R Umstande hatte bekunden konnen, aus denen zu schlieBen ware, dass A zu der angegebenen Zeit nicht in der Gaststatte war und folglich dort auch nicht „mit Geld um sich geworfen hatte". Es hatte in keiner Weise gegen die Tatbegehung durch A gesprochen, wenn er nicht in der Gaststatte gewesen ware. Die Strafkammer musste diesen Umstand somit nicht aufklaren.
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///. Ergebnis Das Gericht musste dem Antrag des V nicht nachkommen, sodass die Ablehnung zu Recht erfolgte.
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Hinweise zur Losung: 501
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Die der Frage 1 zugrunde liegende Konstellation ist dem Fall BGHSt 36, 151 ff. (Lektlire dringend empfohlen) nachgebildet; es handelt sich um ein „Standardproblem", das die Gerichte des Ofteren beschaftigt hat (s. auch BGH, wistra 1997, 228 f; OLG Hamm, NStZ 1986, 278 f.). Obwohl sich der materiell-rechtliche und der strafyrozessuale Tatbegriff unterscheiden, bereitet die Feststellung des Strafklageverbrauchs wegen einer rechtskraftigen Aburteilung der Tat im prozessualen Sinn (§ 264 I StPO) zumeist keine besonderen Schwierigkeiten, da in der Regel die Bestimmung des materiell-rechtlichen Konkurrenzverhaltnisses der Delikte (Tateinheit, § 52 StGB, oder Tatmehrheit, § 53 StGB) mit der verfahrensrechtlichen Beurteilung, ob es sich um dieselbe Tat oder mehrere Taten handelt, im Ergebnis iibereinstimmt. Abweichungen konnen sich allerdings insbesondere bei Organisationsdelikten, §§ 129, 129a StGB (dazu BVerfGE 56, 22, 29; BGHSt 29, 288, 293 f) sowie Dauerstraftaten (vertiefend Erb, GA 1994, 265 ff) und den Delikten, die der Tater in Erfiillung der Ziele der Vereinigung bzw. wahrend des Dauerdelikts begangen hat, ergeben. Selbst bei Annahme von Tateinheit konnen verschiedene prozessuale Taten vorliegen, weil der konkrete geschichtliche Vorgang, welcher der Aburteilung des Organisations- oder Dauerdelikts einerseits und des mit diesem rechtlich verbundenen Delikts andererseits zugrunde liegt, nicht notwendig identisch sein muss. Die Beantwortung der Frage 2 erfordert einige juristische „Phantasie", da diese Konstellation in Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich - nicht erortert wird. Lediglich der Ausgangspunkt der Uberlegungen ist gesichert, namlich dass der Zeuge die Aussage nicht rechtsgrundlos verweigert, wenn er oder eine andere Personen im Falle einer wahrheitsgemaBen Aussage Gefahren far Leib oder Leben, deren Realisierung das Gericht nicht durch SchutzmaBnahmen verhindem kann, ausgesetzt ware {Dahs in Lowe-Rosenberg^^, § 70 Rn. 5; MeyerGoJine/\ § 70 Rn. 6; Krey, Meyer-Gedachtnisschrift, 1990, S. 239, 258 ff). Da die Festsetzung von Ungehorsamsfolgen nach § 70 StPO deshalb ausscheidet, und es sich bei der Ankundigung um eine Drohung mit einer nach dem Strafverfahrensrecht unzulassigen MaCnahme i.S.d. § 136a I 2 StPO handelt, ware die Annahme eines generellen Verwertungsverbots nach §§ 136a III 2, 69 III StPO ohne weitere Begrundung nicht zu beanstanden, zumal Rechtsprechung und Literatur die Geltung des § 136a III 2 StPO fur Zeugen (Grmwald, JZ 1966, 489, 490; Lemke in HKStPO^ § 136a Rn. 53, Meyer-Gofine/\ § 136a Rn. 33; Rogall, JZ 1996, 944, 950) und Mitbeschuldigte (BGH bei Dallinger, MDR 1971, 18) ohne Einschrankungen befurworten. Die besondere Problematik unseres Falles wird allerdings auch nicht diskutiert. Die in der Losung entwickelte Argumentation entspricht ausschlieClich der Auffassung des Verf und zeigt einen Weg auf, der verhindert, dass der Angeklagte von dem zu seinen Gunsten erfolgten Notigungsversuch profitiert. Die Frage 3 betrifft emeut ein „Standardproblem". Der Meinungsstreit iiber den Mitbeschuldigtenbegriff, also die h.M., die einen formellen Mitbeschuldigtenbegriff vertritt (BGH, NJW 1985, 76; Geppert, Jura 1991, 80, 85 f; Meurer, S. 63;
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Rogall in SKStPO, Vor § 133 Rn. 55), die Gegenauffassung, die eine materielle Betrachtung befiirwortet {Peters, § 42 II 2; Prittwitz, Der Mitbeschuldigte im StraQ)rozess, 1984, S. 139 ff.; Roxin^^, § 26 Rn. 5), sowie die vermittelnde Meinung {Beulke^, Rn. 185; Lesch, JA 1995, 157) sollte bekannt sein. Die Frage 4 erfordert die verstandige Anwendung der Anforderungen an einen Beweisantrag. Es ist nicht ganz leicht zu durchschauen, dass es sich mangels Individualisierung der Beweistatsache nicht um einen Beweisantrag handelt.
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Klausur Nr. 9*
Aus Mangel an Beweisen Raumgesprach - Sperrerklarung, Priifpflicht des Gerichts - Zeuge vom Horensagen - Grundsatz der freien Beweiswiirdigung - Vorhalt des VernehmungsprotokoUs Gerhard Bauer (B) war vor dem Landgericht Neuruppin wegen gewerbsmaBigen Rauschgifthandels (§§29 I 1, III BtMG) angeklagt. Die Strafkammer sprach ihn frei, weil sie sich nicht von seiner Schuld iiberzeugen konnte. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft in der Revision mit der Verfahrensruge, die sie damit begriindet, das Gericht habe zu Unrecht verschiedene Beweisantrage der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft hatte im Prozess den Antrag auf Abspielen eines Tonbandes, das eine Unterhaltung des B mit seinem Sohn Sebastian Bauer (S) wiedergibt, gestellt. In diesem Gesprach hatte B den S iiber den erfolgreichen Verkauf von einem Kilogramm Heroin unterrichtet. Zu der Aufzeichnung war es gekommen, weil B versucht hatte, mit seinem Mobiltelefon Jeanette Kunze (K) anzurufen. Da K den Anruf nicht entgegen nahm, hatte sich ihr Anrufljeantworter eingeschaltet. B woUte ihr keine Nachricht hinterlassen und hatte deshalb die Tastaturklappe seines Mobiltelefons geschlossen in dem Glauben, dass dadurch die Verbindung beendet wird. Zur Unterbrechung der Verbindung ware es jedoch erforderlich gewesen, die „End"-Taste zu driicken. So blieb das Mobiltelefon des B mit dem Anschluss der K verbunden und das nachfolgende Gesprach mit S wurde aufgenommen, bis sich der Anrufbeantworter nach sieben Minuten automatisch abschaltete. Da der Mobiltelefonanschluss des B auf Grund einer richterlichen Anordnung tiberwacht wurde, hatte die Polizei dieses Gesprach aufzeichnen konnen. Das Gericht lehnte den Beweisantrag auf Abspielen des Tonbandes ab, weil es sich seiner Ansicht nach um einen unzulassigen Beweis handele. Weiter hatte die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Vemehmung eines Beamten des LKA, den Verdeckten Ermittler (VE), gestellt. Dem in der Rauschgiftszene tatigen VE war es gelungen, Kontakt zu B aufzunehmen und dessen Vertrauen zu gewinnen. VE hatte mit B den Kauf einer groBeren Menge Heroin besprochen. Zu der Abwicklung des Geschafts kam es aber auf Grund der Verhaftung des B nicht mehr. Da der VE auch weiterhin bei der Aufklarung von Straftaten tatig sein soUte, hatte der Innenminister eine Sperrerklarung (§§ 110b III, 96 StPO) abgegeben. Auf Grund dieser Sperrerklarung hielt das Gericht den VE far unerreichbar und lehnte den Beweisantrag ab. Das Gericht hat nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auBerdem die Aussage des Vemehmungsbeamten Richard Plagemann (P) nicht richtig gewiirdigt. B, der sich
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in der Hauptverhandlung auf sein Schweigerecht berief, hatte sich in der polizeilichen Vemehmung geauBert und schwer belastet. P wurde deshalb uber die Aussagen des B vemommen. P sagte jedoch aus, sich an den Inhalt der AuBerungen des B nicht mehr erinnem zu konnen. Der Richter las ihm daraufhin die den B belastenden Passagen aus dem von P angefertigten VemehmungsprotokoU vor. P erinnerte sich zwar immer noch nicht an die Vemehmung des B, erwiderte aber, wenn er - P - das so protokoUiert habe, dann habe B das auch so gesagt. Die Staatsanwaltschaft ist der Meinung, der Inhalt des Protokolls sei in die Hauptverhandlung eingefiihrt worden und hatte bei der Urteilsfmdung beriicksichtigt werden miissen. AuBerdem hat das Gericht den Beweisantrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, den Dienstvorgesetzten des V, Andreas Discher (D), als Zeugen zu horen. P hatte D unmittelbar nach der Vemehmung des B iiber die Ergebnisse berichtet. Die Strafkammer hielt die Vemehmung des D fur unzulassig, weil D sein Wissen nur mittelbar begriindet habe und deshalb kein geeigneter Zeuge sei. Wird die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision Erfolg haben? Lehrbuch: Rn. 331 ff.; 662; 672 ff.; 676 ff.; 799 ff.
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Losung Die Revision hat Erfolg, wenn sie zulassig und begrimdet ist.
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/. Zuldssigkeit 1. Verfahrensvoraussetzungen Gegen das Urteil der Strafkammer ist nach § 333 StPO die Revision statthaft, iiber die gem. §§ 130, 135 I GVG ein Strafsenat des BGH entscheidet. Die Staatsanwaltschaft muss die Revision eine Woche nach Verkiindung des Urteils bei dem Landgericht schrifthch einlegen (§ 341 StPO) und innerhalb eines weiteren Monats begriinden (§§ 344, 345 StPO). Mangels entgegenstehender Angaben ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen gegeben sind.
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2. Sachvoraussetzungen Eine statthafte Revision ist nur zulassig, wenn der Rechtsmittelfuhrer legitimiert und beschwert ist, d.h. in seinen rechtlich anerkannten Interessen verletzt sein kann. Die Aktivlegimitation der Staatsanwaltschaft ergibt sich aus § 296 I StPO. Beschwert ist die Staatsanwaltschaft als unparteiische, zur Wahrheit verpflichtete Behorde immer dann, wenn das Urteil unrichtig ist. Im Rahmen der Zulassigkeitspriifung ist die Unrichtigkeit des Urteils nicht abschlieBend festzustellen. Es reicht vielmehr, dass die Behauptungen der Staatsanwaltschaft schliissig sind und eine Rechtsverletzung moglich erscheint. Dabei wird unterstellt, die Angaben des Beschwerdefuhrers seien zutreffend. Setzt man voraus, die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwiirfe treffen zu, dann verstoBt die Beweisaufnahme gegen den Aufklarungsgrundsatz, weil nicht alle erreichbaren Beweismittel ausgeschopft worden sind und die Entscheidung auf unvoUstandiges Beweismaterial gestutzt worden ist. Das Urteil ware demnach unrichtig und die Staatsanwaltschaft beschwert.
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3. Ergebnis Die Revision ist zulassig.
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//. Begriindetheit Die Revision ist begriindet, wenn das Gericht durch das Unterlassen der beantragten Beweisaufnahme gegen das Aufklarungsgebot (§ 244 II StPO) verstoBen hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht, § 337 StPO.
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1. Ablehnung des Antrags auf Verwertung des Gesprdchs zwischen B und S Ein Beweisantrag darf nur unter bestimmten Bedingungen abgelehnt werden, wahrend ein Beweisermittlungsantrag einer formlichen Ablehnung nicht bedarf. Um einen Beweisantrag handelt es sich, wenn der Antragsteller eine Tatsache behauptet und ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet. Hier hat die Staatsanwalt-
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schaft das Beweismittel konkret benannt und die Tatsachen angegeben, die das Tonband beweisen soil. Damit handelt es sich um einen Beweisantrag, der formlich abgelehnt werden muss. Die Voraussetzungen, unter denen die Ablehnung zulassig ist, sind in § 244 III StPO genannt. Das Gericht beruft sich hier auf die Unzulassigkeit der Beweisaufnahme, weil seiner Meinung nach die Verwertmig des Gesprachs zwischen B und S ausgeschlossen ist. Die Ablehnung des Beweisantrages ixber die Verwertung verstieBe gegen das Aufklarungsgebot, wenn das Gericht zur beantragten Heranziehung des Beweismittels verpflichtet gewesen ware.
a) Willentliche Telekommunikation als Voraussetzung des § 100a StPO 513
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Die Verwertbarkeit konnte sich aus § 100a StPO ergeben, da die Uberwachung der Telekommunikation ordnungsgemaC angeordnet wurde. Voraussetzung ware allerdings, dass es sich bei dem aufgenommenen Gesprach um Telekommunikation handeln wurde. Durch die Uberwachung der Telekommunikation werden nicht nur die am Telefon gefuhrten Gesprache abgehort, sondem auch andere Daten mitgeteilt, z.B. die Anzahl der gefuhrten Gesprache, die gewahlten Verbindungen und dergleichen. Es handelt sich also um eine Uberwachung des Telefonanschlusses an sich. Daher konnte auch die Aufzeichnung der Gesprache, die gar nicht mittels des Telefons gefuhrt, aber auf Grund der Uberwachung des Anschlusses aufgezeichnet werden, in den Anwendungsbereich des § 100a StPO fallen. Fiir dieses Ergebnis spricht jedenfalls § 3 Nr. 22 TKG, dessen Telekommunikationsbegriff den gesamten technischen Vorgang des Aussendens, Ubermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen umfasst. Unter diese Definition fallen namlich auch Datenubermittlungen, die der Nutzer nicht wissentlich vomimmt. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass der Telekommunikationsbegriff des TKG anderen Zwecken dient als der des § 100a StPO. Diese Regelung ermoglicht einen Eingriff in das AUgemeine Personlichkeitsrecht des Betroffenen. Da Grundrechte nicht weiter eingeschrankt werden diirfen als unbedingt notwendig, ist es unzulassig, den Anwendungsbereich grundrechtseinschrankender Normen durch den Verweis auf Vorschriften, die einen anderen Regelungsgehalt haben, auszuweiten. Deshalb ist unter Telekommunikation in der StPO - anders als im TKG nur ein Vorgang zu verstehen, der von dem Betroffenen wissentlich in Gang gebracht worden ist. Eine Unterhaltung, die im hauslichen Bereich nur zufallig im Zusammenhang mit einem nicht beendeten Telefongesprach abgehort werden kann, ist von der zulassigen Uberwachung der Telekommunikation nicht umfasst, weil der Anschluss hier von dem Betroffenen nicht als Medium zur Kontaktaufhahme verwendet wird, sondem von den Strafverfolgungsbehorden als Mittel zum Eindringen in den hauslichen Bereich. Unter § 100a StPO fallen deshalb nur Gesprache, die wissentliche Telekommunikation darstellen.
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b) Rechtfertigung aus dem Grundsatz der Interessensabwdgung Eine Verwertbarkeit lasst sich also nur nach allgemeinen Grundsatzen beurteilen. Die Aufzeichnung und das Abspielen des gesprochenen Wortes stellen einen Eingriff in das allgemeine Personlichkeitsrecht dar. Dieser Eingriff kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn hoherrangige Interessen ein Abspielen des heimlich aufgenommenen Gesprachs erfordem. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Beeintrachtigung des allgemeinen Personlichkeitsrechts auf Grund einer Abwagung der widerstreitenden Interessen aber nur gerechtfertigt, wenn der Eingriff die Privatsphare betrifft. Dagegen ist ein Eingriff in den unantastbaren Bereich der privaten Lebensgestaltung („Intimsphare") selbst dann nicht zu rechtfertigen, wenn die Interessen der Strafv^erfolgung gewichtig sind. Eine Unterhaltung zwischen Familienmitgliedem in der gemeinsamen Wohnung ist Teil des unantastbaren Bereichs der privaten Lebensgestaltung. Gefuhle, Angste und Geheimnisse werden vor allem in der eigenen Wohnung, die zu dem vertrautesten Bereich des Menschen gehort, ausgedriickt. Die Unterhaltung des G mit seinem Sohn gehorte also zu dem unantastbaren Bereich der privaten Lebensgestaltung, sodass eine Rechtfertigung wegen der Interessen der Strafverfolgung trotz des gewichtigen Tatvorwurfes nicht moglich ist.
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c) Rechtsgedanke des § 108 StPO Die Verwertbarkeit konnte sich aber unter Umstanden aus dem Rechtsgedanken des § 108 StPO ergeben. Danach ist die Verwertbarkeit von Zufallsfunden grundsatzlich erlaubt. Es handelt sich bei einem Raumgesprach aber nicht um einen Zufallsfund, der gelegentlich der Uberwachung entdeckt wurde. Die Uberwachung der Telekommunikation war vielmehr durch das vermeintliche Unterbrechen der Verbindung bereits beendet.
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d) Ergebnis Die Verwertung des Gesprachs ist unzulassig. Die Ablehnung des Beweisantrages wegen der Unzulassigkeit des Beweismittels gem. § 244 III 1 StPO war somit rechtmaBig.
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2. Ablehnung des Antrags aufBefragung des VE a) Verletzung des Gesetzes Die Staatsanwaltschaft hat den Antrag auf Erhebung des Beweises in zweifacher Hinsicht individualisiert, namlich hinsichtlich des Beweismittels - Vemehmung des Verdeckten Ermittlers - und der Beweistatsache - Inhalt der Gesprache des G mit VE. Es handelt sich also um einen Beweisantrag auf Vemehmung eines Zeugen, den das Gericht gem. § 244 II 2 StPO wegen Unerreichbarkeit ablehnen darf. Da ein von der obersten Dienstbehorde gesperrter Verdeckter Ermittler ein aus Rechtsgrunden unerreichbarer Zeuge ist, konnte das Gericht die Ablehnung des Beweisantrages scheinbar unproblematisch auf diese Vorschrift stiitzen, ohne dass die Ablehnung ein Verstofi gegen den Aufklarungsgrundsatz bedeuten wiirde.
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Aus Mangel an Beweisen
Fraglich ist aber, welche Anforderungen an die Sperrerklarung zu stellen sind, damit ein Verdeckter Ermittler als unerreichbarer Zeuge gelten muss. Grundsatzlich ist es Aufgabe der Behorde, die materiellen Voraussetzungen fur die Sperrerklarung zu prufen und bei der Entscheidung neben den Interessen der Geheimhaltung auch die Verpflichtung des Gerichts zur Wahrheitserforschung zu berlicksichtigen. Da das Gericht in eigener Verantwortung zu entscheiden hat, darf es die Entscheidung der Behorde nicht einfach hinnehmen oder auf die behordlichen Prufungspflichten verweisen, sondem es muss selbst die von der Behorde fur die Sperrerklarung vorgebrachten Griinde uberprufen. Ist die Begriindung fiir die Sperrerklarung nach Ansicht des Gerichts nicht tragfahig, so muss es Gegenvorstellung erheben. Erst wenn die Gegenvorstellung erfolglos bleibt, kann der Zeuge als unerreichbar qualifiziert werden. Von einer solchen Uberprufung der Griinde hat das Gericht hier abgesehen. Die Hinnahme der Sperrerklarung konnte schon fur sich alleine eine Verletzung der Aufklarungspflicht bedeuten. Unterstellt man, dass die Begriindung der Behorde die Sperrerklarung in tatsachlicher und rechtlicher Hinsicht belegt hat, so entfallt dadurch nicht der Vorwurf der Verletzung der Aufklarungspflicht. Das Gericht muss sich in Erfiillung seiner Aufklarungspflicht weiter darum bemuhen, andere Moglichkeiten zur Beweisermittlung zu finden, die sicherstellen, dass die Identitat der gesperrten Person gewahrt bleibt. Das Gericht hat hier keinerlei Vorschlage - wie z.B. die Vemehmung unter Ausschluss der Offentlichkeit, § 172 Nr. la GVG - unterbreitet. Es hat auch nicht - als letzte vorhandene Moglichkeit die Vemehmung durch einen beauflragten oder ersuchten Richter vorgeschlagen. Erst wenn diese Moglichkeiten des Gerichts, die Vemehmung des gesperrten Zeugen zu erreichen, erschopft sind, ist der Zeuge - unabhangig von der RechtmaBigkeit der Sperrerklamng - unerreichbar. Indem das Gericht diese Bemuhungen unterlassen hat und damit seiner Verpflichtung zur Aufklamng des Sachverhalts nicht nachgekommen ist, hat es den Verdeckten Ermittler nach den oben genannten Gmndsatzen vorschnell als unerreichbar bezeichnet. Der Beweisantrag hatte folglich nicht mit der Begriindung der Unerreichbarkeit des Zeugen abgelehnt werden diirfen. Das Gericht hat damit gegen den Aufklamngsgmndsatz verstoBen.
b) Beruhen des Urteils auf der Gesetzesverletzung 524
Weiter muss diese Verletzung des Gesetzes fur das Urteil kausal sein, wobei ein ursachlicher Zusammenhang bereits anzunehmen ist, wenn das Urteil ohne die Gesetzesverletzung moglicherweise anders ausgefallen ware. Der erforderliche Zusammenhang entfallt aber dann, wenn aus den Urteilsgriinden ersichtlich ist, dass der Tatrichter ohne die Gesetzesverletzung zum gleichen Ergebnis gekommen ware. B ist vom Gericht freigesprochen worden, weil seine Schuld nicht nachgewiesen werden konnte. Es ist wahrscheinlich, zumindest aber nicht auszuschlieBen, dass die Aussage des Verdeckten Ermittlers einen Beweis fiir die Schuld des B geliefert hatte und B nicht freigesprochen worden ware. Der erforderhche Zusammenhang zwischen dem Urteil und der Gesetzesverletzung ist damit gegeben.
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c) Ergebnis Die fehlerhafte Ablehnung des Beweisantrages gem. § 244 III 2 StPO stellt damit einen Revisionsgrund i.S.d. § 337 StPO dar.
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5. Ablehnung des Antrags auf Vemehmung des D Bei dem Antrag, den D zu vemehmen, handelt es sich um einen Beweisantrag, da sowohl Beweismittel als auch Beweistatsache konkret benannt sind. Die Ablehnung des Beweisantrages, den D zu vemehmen, erfolgte gem. § 244 III 2 StPO zu Recht, wenn die Vemehmung unzulassig war.
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a) Verstofi gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz Die Unzulassigkeit konnte sich aus einem VerstoB gegen den in § 250 StPO niedergelegten Gmndsatz der personlichen Vemehmung ergeben. § 250 StPO bringt das Unmittelbarkeitsprinzip in Bezug auf die personlichen Beweismittel zum Ausdmck. Diese Maxime („materielle Unmittelbarkeit") besagt jedoch nicht, dass die Vemehmung von sog. Zeugen vom Horensagen gmndsatzlich unzulassig ist. Nach ganz h.M. ergibt sich dies aus dem Wortlaut der Vorschrifl selbst. § 250 I 2 StPO kann danach als Erlautemng des Satzes 1 verstanden werden. Der Gmndsatz der Unmittelbarkeit wie er in § 250 StPO Ausdmck gefunden hat, verbietet also nur, dass die Vemehmung einer Person durch die Verlesung des ProtokoUs ersetzt wird. Bin VerstoB gegen den Unmittelbarkeitsgmndsatz liegt im Ubrigen schon deshalb nicht vor, weil auch der sog. mittelbare Zeuge iiber eigene Wahmehmungen Zeugnis ablegt. Der Zeuge vom Horensagen gibt namhch dariiber Auskunft, was er von einem Dritten erfahren hat. Der mittelbare Zeuge ist also nur insofem mittelbar, als er nicht bei dem Geschehen dabei war, sondem nur vermitteltes Wissen weitergeben kann. D hatte berichtet, was V ihm gegeniiber geauBert hatte, hatte also nichts iiber die Vemehmung als solche ausgesagt, sondem iiber das, was V direkt nach der Vemehmung daruber mitgeteilt hatte. Bin VerstoB gegen den Unmittelbarkeitsgmndsatz lage in der Vemehmung des D also nicht, sodass der Beweisantrag nicht mit dieser Begriindung abgelehnt werden durfte.
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b) Verstofi gegen den Aufkldrungsgrundsatz Die Vemehmung eines mittelbaren Zeugen konnte aber gegen § 244 II StPO verstoBen. Bin VerstoB gegen die Aufklamngspflicht kann nur dann angenommen werden, wenn das Gericht statt eines Zeugen, der das Geschehen unmittelbar beobachtet hat, den tatfemeren Zeugen vom Horensagen vemimmt. Bin VerstoB gegen die Aufklamngspflicht konnte in casu dann bejaht werden, wenn das Gericht statt des V allein den D verhort hatte. Das Gericht hat aber auf die Vemehmung des unmittelbaren Zeugen nicht verzichtet. Bine Vemehmung des D ware also ein zusatzliches Beweismittel, nicht die Ersetzung des unmittelbaren durch den mittelbaren Zeugen. Ein VerstoB gegen den Aufklamngsgmndsatz liegt demnach nicht vor.
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Aus Mangel an Beweisen
Die Vemehmung des D ware also nicht imzulassig gewesen, sodass der vom Gericht angefuhrte Ablehnungsgrund nicht zutreffend ist. Die mizulassige Ablehnung des Beweisantrages verletzt damit das Gesetz.
c) Beruhen des Urteils auf der Gesetzesverletzung 530
Auf der Verletzung des Gesetzes beruht das Urteil des Gerichts. Es ist nicht auszuschlieBen, dass die Aussage des D die Uberzeugung des Gerichts hatte beeinflussen konnen und es nicht zu einem Freispruch des B gekommen ware.
d) Ergebnis 531
Die fehlerhafte Ablehnung des Beweisantrages stellt somit einen Revisionsgrund i.S.d. § 337 StPO dar.
4. Nichtverwertung des polizeilichen Vernehmungsprotokolls a) Grundsatz derfreien Beweiswurdigung 532
Die Staatsanwaltschaft macht zudem einen VerstoB gegen den Grundsatz der freien Beweiswurdigung (§ 261 StPO) geltend, weil das Gericht die Aussage des P nicht richtig gewertet habe. Ein VerstoB gegen diesen Grundsatz liegt unter anderem dann vor, wenn der Tatrichter bei der Uberzeugungsbildung nicht alles verwertet, was Gegenstand der Verhandlung war. Das Gericht hat unter Umstanden seine Entscheidung nicht auf alle relevanten Beweismittel erstreckt, weil der Inhalt des Protokolls bei der Entscheidung keine RoUe gespielt hat. Der Inhalt des ProtokoUs lasst namlich die Schuld des B vermuten. Ein freisprechendes Urteil musste also zumindest die Grunde darlegen, aus denen sich die Unschuld des B ergibt. Das Gericht hatte diese Anforderungen aber nur verfehlt, wenn der Inhalt des Protokolls ordnungsgemaB in die Hauptverhandlung eingefuhrt wurde und es ihn deshalb bei der Beweiswurdigung hatte berucksichtigen miissen.
b) Vorhalt des Vernehmungsprotokolls 533
Nach ganz h.M. darf die Verhorsperson iiber die Aussagen vemommen werden, die der Beschuldigte in einer vorangegangenen Befragung abgegeben hat. Die Rechtsprechung und die wohl h.M. in der Literatur halten dariiber hinaus auch den Vorhalt aus dem Vemehmungsprotokoll gegeniiber der Verhorsperson far zulassig. Dagegen wird in Teilen der Literatur allerdings eingewandt, durch den Vorhalt werde die Grenze zwischen zulassigem Zeugen- und unzulassigem Urkundenbeweis verwischt. Der Vemehmungsbeamte werde in den meisten Fallen die Angaben in dem Protokoll bestatigen, da er ansonsten Fehler eingestehe. Eine Streitentscheidung ist aber nicht notwendig, weil auch nach Ansicht der h.M. Beweisgrundlage nicht das Vemehmungsprotokoll, sondem die Zeugenaussage des Polizeibeamten sein soil. In den Prozess eingefiihrt ist deshalb nur das, woran sich der Vemehmende auf Gmnd des Vorhaltes tatsachlich erinnert. V hat sich hier an nichts erinnert, sondem nur Angaben iiber seine ublicherweise korrekte Art der ProtokoUierung gemacht. Dadurch ist der Inhalt des Protokolls nicht in die Haupt-
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verhandlung eingefuhrt worden, weil die Zeugenaussage des V nichts davon enthalt. Das Gericht durfte demnach den Inhalt des ProtokoUs bei der Beweiswurdigung nicht berucksichtigen und ein VerstoB gegen den Grundsatz der freien Beweiswiirdigimg liegt nicht vor.
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///. Ergebnis Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Revision Erfolg haben, weil das Gericht die Beweisantrage auf Vemehmung des D und VE zu Unrecht abgelehnt hat.
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Hinweise zur Losung: Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich um eine eher leichte Klausur, die weniger eigene Argumentation, sondem eher die Kenntnis einiger Standardprobleme erfordert. Das erste unter II 1 behandelte Problem ist der Entscheidung BGH, NJW 2003, 2034 nachgebildet. Der Senat schlieBt sich darin der Ansicht an, der Begriff der Telekommunikation erfasse auch Gesprache, die ohne den Willen des Nutzers iibermittelt werden. Damit widerspricht er einer jfriiheren Entscheidung (BGHSt 31, 296), in der sich der BGH gegen die Verwertbarkeit sog. Raumgesprache ausgesprochen hatte. Der zum Zeitpunkt dieser Entscheidung geltende § 100a StPO enthielt aber nicht den Begriff der Telekommunikation, sondem den des Femmeldeverkehrs, dem nach Ansicht des BGH Gesprache, die ohne die Inanspruchnahme des Telefonanschlusses gefiihrt werden, nicht zu subsumieren waren. Diese Auffassung ist - soweit ersichtlich - in der Literatur auf ungeteilte Zustimmung gestoBen {Geerds, NStZ 1983, 518; Nack in KKStPO^ Vor § 94 Rn. 4; Pfeijfer\ § 100a Rn. 2). Die neue Entscheidung, die dies fur den Telekommunikationsbegriff anders sieht, wird mit den in der FalUosung angesprochenen Argumenten zu Recht scharf kritisiert {Fezer, NStZ 2003, 625 ff.; Wefilau, StV 2003,483, 484). Die zweite angesprochene Fallkonstellation ist von der Rechtsprechung mehrmals entschieden worden (BGHSt 32, 115; 36, 159). Die Verpflichtung des Gerichts, die Begriindung der Sperrerklarung zu iiberpriifen und gegebenenfalls einen Weg zu fmden, den gesperrten Zeugen vemehmen zu konnen, ist dabei bestatigt worden. Da das Gericht in casu dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, ist es kaum moglich, hier zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Auch die Zulassigkeit der Vemehmung eines Zeugen vom Horensagen ist in Rechtsprechung (BGHSt 17, 382, BGH, StV 1988, 91) und Literatur (Beulki, Rn. 422; Julius in HKStPO^ § 244 Rn. 9) anerkannt. Die Aussage eines mittelbaren Zeugen muss aber unter Berucksichtigung der Unsicherheit dieses Beweismittels gewtirdigt werden (BGHSt 34, 15, 18). Zum Teil wird allerdings behauptet, der Zeuge vom Horensagen diirfe dann nicht vemommen werden, wenn es einen unmittelbaren Zeugen gebe (Seebode, JZ 1980, 506). Die Frage nach der Zulassigkeit des Vorhalts des VemehmungsprotokoUs und der Verwertbarkeit der auf diese Weise erlangten Aussage des Vemehmungsbeam-
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tens ist von groCer Praxisrelevanz, da sich Polizeibeamte haufig nicht daran erinnem, was der Vemommene ausgesagt hat. Die Versuchung ist groB, den Inhalt des VemehmungsprotokoUs in die Entscheidungsfmdung einflieBen zu lassen. Bei einem bloBen Vorhalt aus den Akten wird der Inhalt jedoch nicht in die Verhandlung eingefuhrt. Die h.M. {Fezer, JuS 1977, 520, 523; Pfeiffer\ § 254 Rn. 1; einschr. Roxir?^, § 44 Rn. 18) lasst einen Vorhalt aus dem Vemehmungsprotokoll gegentiber der Verhorsperson zwar zu; es reiche aber nicht aus, wenn der Vemehmungsbeamte quasi eine Garantie fiir den Inhalt des ProtokoUs ausspricht. Zum Teil wird dagegen bereits die Zulassigkeit des Vorhalts gegenuber Vernehmungspersonen vemeint (Hanack, Schmidt-Leichner Festschrift, S. 95; Julius in HKStPO^ § 254 Rn. 11; Riegner, NJW 1961, 63). Durch den Vorhalt werde die Grenze zwischen zulassigem Zeugenbeweis und unzulassigem Urkundenbeweis verwischt. Der Vemehmungsbeamte werde in den meisten Fallen die Angaben in dem ProtokoU bestatigen, da er ansonsten eigene Fehler eingestehe. Der Vorhalt aus dem Vemehmungsprotokoll, der dem Reichsgericht (RGSt 8, 122, 123; 35, 8) noch als „unzulassige Reproduktion des Inhalts des ProtokoUs" erschien, ist heute entgegen der in Teilen der Literatur geauBerten Kritik allerdings vom BGH anerkannte Praxis (BGHSt 1,4, 8; 14, 310, 312; 22, 170, 172).
Klausur Nr. 10***
Der gewalttatige (Noch-)Ehemann Revision - fehlende Pflichtverteidigerladung - fehlende Belehrung liber Untersuchungsverweigerungsrecht - Rugepraklusion - fehlende Belehrung iiber Auskunftsverweigerungsrecht - Sachriige Gegen Herbert Schulz (H) fand vor einer groBen Strafkammer des Landgerichts Potsdam die Hauptverhandlung wegen schweren rauberischen Diebstahls statt. Die Anklageschrift legte ihm zur Last, in die - ehemals gemeinsame - Ehewohnung, die inzwischen von seiner Frau Ema Schulz (E), die vor einigen Monaten Scheidungsklage erhoben hatte, allein bewohnt wurde, eingedrungen zu sein und eine der E gehorende wertvoUe Halskette entwendet zu haben. Als H die Kette bereits eingesteckt hatte, sei E uberraschend nach Hause gekommen. Bevor sie den Angeklagten entdeckte, habe H ein Verlangerungskabel ergriffen, es ihr von hinten um den Hals gelegt und sie bis zur Bewusstlosigkeit gewurgt. Er habe dabei nicht daran gedacht, E toten zu konnen. Als E bewusstlos zusammengebrochen war, habe H jedoch geglaubt, E sei nicht mehr am Leben. Er habe daraufhin die Wohnung unter Mitnahme der Kette verlassen. Bereits im Ermittlungsverfahren hatte H den SOjahrigen Verteidiger Manuel Vogel (V) mit der Wahmehmung seiner Interessen beauftragt. Da V ein halbes Jahr zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte und der Kammervorsitzende Wilfried Remberg (R) deshalb befurchtete, dass V moglicherweise aus Krankheitsgrunden in der Hauptverhandlung ausfallen konnte, bestellte er Stefan Thomasius (T) als Pflichtverteidiger. Zur Hauptverhandlung wurde jedoch nur V geladen; die Ladung des T unterblieb versehentlich. In der Beweisaufiiahme wurde zunachst E vemommen. Sie konnte nicht sagen, wer sie angegriffen hatte. Sodann horte das Gericht die Nachbarin Yvonne Nagold (N). Sie bekundete, merkwixrdige Gerausche aus der Wohnung der E bemerkt und einen Mann, der in GroBe und Statur dem H ahnelte, aus der Wohnung kommen sehen zu haben. Wegen der Dunkelheit auf dem Flur habe sie H aber nicht zweifelsfrei erkennen konnen. AnschlieBend wurde Rene Wiegand (W), ein anderer Nachbar der E, uber das Verhaltnis des Angeklagten zu seiner Frau und die Vorkommnisse in der Wohnung am Tattage vemommen. Im Verlaufe der Befragung verlor W die Nerven und gestand spontan ein, von H, dem er noch einen Gefallen schuldete, in dessen Plan eingeweiht worden zu sein und ihn absprachegemaB angerufen zu haben, als E die Wohnung verlassen habe. Uber ein Auskunftsverweigerungsrecht war W zuvor nicht belehrt worden, weil die selbstbelastende Aussage far die Strafkammer voUig uberraschend kam. H und V nahmen die Vernehmung des W widerspruchslos hin.
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Sodann wurde der Gutachter Karel Gehrke (G) gehort. Er bekundete, dass Wollfasem, die unter den Fingemageln der E gefunden worden waren, mit dem Material eines bei H sichergestellten Pullovers ixbereinstimmten. Im Weiteren stellte sich heraus, dass der ermittelnde Beamte der Kriminalpolizei Richard Palm (P), der als erster am Tatort erschienen war, die Faserspuren bei der Untersuchung der noch unter Schock stehenden E erlangt hatte. Uber ein Untersuchungsverweigerungsrecht hatte er E zuvor nicht belehrt, obwohl N ihm mitgeteilt hatte, dass es sich bei der aus der Wohnung geflohenen Person um den Ehemann der E gehandelt haben konnte. Der Pullover war in dem Wochenendhaus der Mutter des H gefunden worden. H hatte das Versteck offenbart, nachdem ihn die Staatsanwaltin Susanne Sorge (S) bereits 27 Stunden vemommen hatte. H gab an, er sei vollig iibermiidet und von der hartnackigen Befragung durch S zermiirbt gewesen, sodass er dem Druck nicht mehr habe standhalten konnen. H wurde am 15.12.2004 wegen schweren rauberischen Diebstahls gemaB §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. V legte am 21.12.2004 schriftUch bei der Strafkammer Revision gegen das Urteil ein. Zwei Tage spater erfuhr er zufaUig von der Beiordnung des T als Pflichtverteidiger. Am 13.01.2005 begrundete er die Revision. Er riigt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. T habe zur Hauptverhandlung geladen werden miissen. Die Verwertung der Bekundungen des G sei fehlerhaft, da P die E nicht uber ihr Untersuchungsverweigerungsrecht belehrt hatte, sodass die Faserspuren auf unzulassige Weise gewonnen worden seien und auch der Pullover nicht als Beweismittel hatte verwendet werden durfen. Das Gericht habe dariiber hinaus das Urteil nicht auf die Aussage des W stiitzen diirfen, da dieser nicht ordnungsgemaB belehrt worden sei. Wird die Revision Erfolg haben? Lehrbuch: Rn. 290 f.; 484; 516; 781 ff., 792; 894 ff.
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Losung Die Revision des H hat Erfolg, wenn sie zulassig und begriindet ist.
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A. Zuldssigkeit der Revision L Statthaftigkeit Gegen Urteile der Strafkammem ist gem. § 333 StPO die Revision statthaft.
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//. Rechtsmittelberechtigung H hat als Beschuldigter bzw. Angeklagter gem. § 296 StPO das Recht zur Einlegung von Rechtsmitteln. Die Beantragung der Revision durch V, den Verteidiger des H, war gem. § 297 StPO zulassig.
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///. Form und Frist der Einlegungy Begriindung Die Revision ist fristgemaB bei dem zustandigen iudex a quo, dem Landgericht Potsdam eingelegt worden (§ 341 I StPO). Daruber hinaus wurde die Revision in der von §§ 344 I, 345 II StPO vorgeschriebenen Form begriindet und die Monatsfrist fur die Revisionsbegriindung gem. § 345 I StPO eingehalten. Die Tatsachen fur die Verfahrensriigen sind entsprechend den Anforderungen des § 344 II2 StPO vorgetragen worden. Die Ruge der Verletzung sachlichen Rechts geniigt ebenfalls den Anforderungen, weil § 344 II 2 StPO nur an die Begriindung der Verletzung von Verfahrensrecht erhohte Anforderungen stellt.
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IV. Beschwer H ist durch die Verurteilung zu einer mehrjahrigen Freiheitsstrafe beschwert.
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V. Ergebnis der Zuldssigkeitspriifung Die Revision des H ist zulassig.
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B. Begriindetheit der Revision Die Revision des H ist gem. §§ 337, 338 StPO begriindet, wenn das Urteil der Strafkammer auf einer Gesetzesverletzung beruht.
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/. Absolute Revisionsgriinde Die unterbliebene Ladung des T konnte einen absoluten Revisionsgnmd gem. § 338 Nr. 8 StPO darstellen. Das setzt voraus, dass die Verteidigung in einem fur die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluss des Gerichts beschrankt worden ist. Hier ist jedoch lediglich die Ladung des Pflichtverteidigers T unterblieben. Dem lag also kein Gerichtsbeschluss zu Grunde, der in der Hauptverhandlung ergangen ist. Mithin entfallt der Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO.
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//. Relative Revisionsgriinde 1. Unterbliebene Ladung des T 552
V rugt das Unterbleiben der Ladung des T zur Hauptverhandlung. Fraglich ist, ob dies einen VerfahrensverstoB darstellt, auf den die Revision gemaB § 337 StPO gestutzt werden kann.
a) Erforderlichkeit der Ladung 553
GemaB § 218 Satz 1 StPO ist der bestellte Verteidiger zu laden. R hatte T als „Sicherungsverteidiger" beigeordnet. T war nicht entpflichtet worden und hatte auch nicht auf seine Pflichtverteidigerstellung verzichtet, sodass er zur Hauptverhandlung hatte geladen werden mussen.
b) Verzicht auf die Ladung 554
Das Unterbleiben der Ladung des T ware aber unbeachtlich, wenn er oder H auf eine Ladung verzichtet hatte. Ein Verzicht des T liegt nicht vor, weil er von der Hauptverhandlung keine Kenntnis hatte. Der Angeklagte kann auf die Ladung auch konkludent verzichten. Das setzt aber die Kenntnis voraus, dass der Pflichtverteidiger nicht geladen worden ist, und er die Aussetzung der Hauptverhandlung wegen der unterbliebenen Ladung verlangen kann. Dies ist hier nicht ersichtlich, deshalb liegt kein Verzicht vor.
c) Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler 555
Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Hauptverhandlung in Anwesenheit des T giinstiger verlaufen ware. Das Beruhen kommt auch dann in Betracht, wenn der Angeklagte mehrere Verteidiger hat und sich der VerfahrensverstoB nur auf einen bezieht. Insbesondere Verfahrensantrage werden von jedem einzelnen Verteidiger gestellt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass T sein Antragsrecht ausgetibt hatte und das Urteil deshalb auf dem VerfahrensverstoB beruht. Der relative Revisionsgrund des § 337 StPO ist daher gegeben.
2. Verwertung der A ussage des W 556
Weiterhin riigt V, dass die Aussage des W bei der Urteilsfindung verwertet wurde, obwohl W nicht iiber sein Aussageverweigerungsrecht gem. § 55 II StPO belehrt worden ist. Fraglich ist, ob die Aussage des W dennoch hatte verwertet werden durfen.
a) RUgeprdklusion durch widerspruchsloses Hinnehmen der Aussage des W? 557
Die Berufung auf diesen Umstand konnte jedoch ausgeschlossen sein, weil sowohl V als auch H in Kenntnis der fehlenden Belehrung iiber das Aussageverweigerungsrecht gem. § 55 II StPO die Aussage des W in der Hauptverhandlung ohne
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Ausubung ihres Beanstandungsrechts gem. § 238 II StPO hinnahmen. Das Beanstandimgsrecht hatte ausgeiibt werden konnen, weil die Vemehmung des W auf eine Anordnung des R zuruckging. Ob die fehlende Ausubung des Beanstandungsrechts zu einer Riigepraklusion in der Revisionsinstanz fiihrt, ist strittig. Nach einer Auffassung soil bei Nichtbeanstandung einer richterlichen Anordnung der betreffende Verfahrensfehler in der Revisionsinstanz nicht mehr geltend gemacht werden konnen. Danach schiede hier eine Geltendmachung des VerstoBes gegen die Belehrungspflicht aus. Nach der Gegenauffassung fuhrt die fehlende Ausiibung des Beanstandungsrechts nicht zu einer Riigepraklusion in der Revisionsinstanz. Demzufolge konnte auch die fehlende Belehrung iiber das Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 II StPO noch gerugt werden. Angesichts der unterschiedlichen Ergebnisse der Meinungen ist der Streit zu entscheiden. Der erstgenannten Ansicht ist zuzugestehen, dass es befremdlich wirkt, eine bewusst fur die Revisionsinstanz „aufgesparte" Revisionsruge anzuerkennen. Jedoch wiirde es zu weit flihren, in der Nichtausiibung des Beanstandungsrechts quasi einen Rechtsmittelverzicht zu sehen. Daruber hinaus miisste sich der Angeklagte ein eventuelles Verschulden seines Verteidigers, der das Beanstandungsrecht nicht ausubt, zurechnen lassen. Dies ist nicht geboten. Femer findet sich keine gesetzliche Grundlage in der StPO, auf die eine derartige Riigepraklusion gestiitzt werden konnte. Entscheidend ist weiterhin, dass mit Annahme einer Riigepraklusion dem Angeklagten faktisch die Aufsicht iiber das ordnungsgemaBe Verfahren auferlegt wurde, obwohl es Aufgabe des Gerichts ist, fur den ordnungsgemaBen Ablauf des Verfahrens zu sorgen. Daher ist nicht von einer Riigepraklusion auszugehen.
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b) Beweisverwertungsverbot beifehlender Belehrung iiber das A ussageverweigerungsrecht? Fraglich ist allerdings, ob die fehlende Belehrung gem. § 55 II StPO zur Unverwertbarkeit der Aussage des W fiihrt und die Verwertung einen relativen Revisionsgrund darstellt. Nach der Rechtskreistheorie ist der Rechtskreis des Angeklagten durch die fehlende Belehrung iiber das Auskunftsverweigerungsrecht nicht beriihrt, weil nur der Zeuge vor der Selbstbelastung geschiitzt werden soil. Die Schutzzwecklehre stellt fur das Bestehen eines Beweisverwertungsverbots maBgeblich auf den Schutzzweck der verletzten Verfahrensvorschrift ab. Innerhalb der Schutzzwecklehre wird die Verwertbarkeit der Aussage eines Zeugen bei einem Fehlen der Belehrung iiber das Aussageverweigerungsrecht gem. § 55 II StPO jedoch unterschiedlich beurteilt. So nimmt ein Teil der Literatur eine Unverwertbarkeit der Aussage des Zeugen wegen der fehlenden Belehrung iiber das Auskunftsverweigerungsrecht an. Es bestiinde die Gefahr einer unwahren Aussage des Zeugen in Anbetracht einer eventuellen Selbstbelastung. Dem miisse entgegengewirkt werden. Die Aussage des W ware danach nicht verwertbar. Nach anderer Auffassung fuhrt die fehlende Belehrung iiber das Auskunftsverweigerungs-
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recht nicht zur Unverwertbarkeit der Aussage des Zeugen, womit auch die Aussage des W nach dieser Ansicht verwertbar gewesen ist. Eine dritte Auffassung wagt bei der Beurteilung des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots zwischen den Interessen des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates ab. Im Einzelnen werden als Kriterien fur diese Abwagung die Schwere des Tatvorwurfs und des VerfahrensverstoBes, die Bedeutung des Beweismittels, der Schutzzweck des Beweiserhebungsverbots und die Moglichkeit einer legalen Gewinnung des Beweismittels genannt. Bei der fehlenden Belehrung tiber das Auskunftsverweigerungsrecht werden sich die Strafverfolgungsinteressen des Staates durchsetzen, weil § 55 II StPO ausschlieBlich den Schutz des Zeugen vor der Selbstbelastung bezweckt und daher der VerfahrensverstoB nicht als so schwerwiegend eingestuft werden kann, dass er ein Beweisverwertungsverbot im Verfahren gegen den Angeklagten begrunden kann. Die Aussage des W ware demnach verwertbar. Zutreffend ist es, von der Verwertbarkeit der Aussage des Zeugen auszugehen, obwohl dieser nicht iiber das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts gem. § 55 II StPO belehrt worden ist. Die gegenteilige Annahme iiberzeugt nicht. Zwar besteht sicherlich die Gefahr einer unwahren Aussage. Jedoch ist die Bewertung der Aussage nach ihrer Glaubwurdigkeit eine Frage der richterlichen Beweiswlirdigung und keine Funktion eines Beweisverwertungsverbots. Daruber hinaus bezweckt § 55 II StPO ausschlieBlich den Schutz des Zeugen vor der Selbstbelastung. Daher unterliegt die Aussage des W keinem Verwertungsverbot im Verfahren gegen H. Die Rtige der unzulassigen Verwertung der Aussage des W greift somit nicht durch.
5. Verwertung des Gutachtens des G 567
Jedoch konnte das Gutachten des G unverwertbar sein.
a) Keine Rugeprdklusion 568
Die Nichtausiibung des Beanstandungsrechts gem. § 238 II StPO bei den Ausfiihrungen des G bewirkt ebenso wenig wie bei der Aussage des W eine Rtigepraklusion fiir die Revisionsinstanz.
b) Unverwertbarkeit wegen fehlender Belehrung iiber das Untersuch ungsverweigerungsrecht? 569
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Die Unverwertbarkeit des Gutachtens konnte sich aus der Verletzung des § 81c III 2, 2. HS i.Vm. § 52 III StPO ergeben. Die bei E durch die Untersuchung aufgefundenen Faserspuren dienten infolge des Vergleichs mit dem aufgefundenen Pullover als Grundlage des Gutachtens des G. Die Vomahme der korperlichen Untersuchung der E durch P war als solche zulassig, weil P als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft die Untersuchung gem. § 81c V StPO i.Vm. § 152 GVG anordnen durfte; aus den Umstanden ging die Eilbediirftigkeit der MaBnahme hervor. Jedoch musste P die E gem. § 81c III 2, 2. HS i.Vm. § 52 III StPO belehren, weil ihr als Angehorige gem. § 52 I Nr. 2
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StPO ein Untersuchungsverweigerungsrecht gemaB § 81 c III 1 StPO zustand. Dass E und H in Scheidung lebten, hat keinen Einfluss auf das Bestehen des Untersuchungsverweigerungsrechts, wie § 52 I Nr. 2 StPO belegt. P hatte E jedoch nicht belehrt. Fraglich ist, wie sich der VerstoB gegen diese Verfahrensvorschrift auswirkt. Das Gutachten des G konnte einem Beweisverwertungsverbot imterliegen, weil das Gutachten auch auf den an E gefundenen Faserspuren beruht. Eine gesetzhche Regelung iiber die Folgen einer Verletzung der Belehrungspflicht existiert nicht, sodass sich ein Beweisverwertungsverbot nur aus den allgemeinen Grundsatzen ergeben konnte. Unter welchen Voraussetzungen ein VerstoB gegen ein Beweiserhebungsverbot ein Verwertungsverbot zur Folge hat, ist umstritten. Das Untersuchungsverweigerungsrecht bezweckt - wie das Zeugnisverweigerungsrecht - den Schutz der Familie, indem es die untersuchungs- bzw. zeugnisverweigerungsberechtigte Person davor bewahrt, zur Uberfiihrung eines angeklagten Angehorigen beitragen zu miissen. Damit ware bei Anwendung der Rechtskreistheorie wegen Beriihrens des Rechtskreises des Angeklagten ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen. Die Verwertung der Faserspuren als solche ware danach unzulassig. Die Regelungen iiber das Untersuchungsverweigerungsrecht sollen auch den Angeklagten davor schutzen, von den eigenen Angehorigen, zu denen er naturgemaB in einem besonderen Naheverhaltnis steht, belastet zu werden. Deshalb hatten die Faserspuren auf der Grundlage der Schutzzwecklehre ebenfalls nicht verwertet werden dtirfen. Entsprechend der Abwagungslehre ist angesichts des Bestehens von Untersuchungs- und Zeugnisverweigerungsrechten den Interessen des Beschuldigten gegenuber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates der Vorzug zu geben. SchlieBlich hat auch der Staat das familiare Naheverhaltnis zu respektieren, weshalb in solchen Bereichen keine VerfahrensverstoBe geduldet werden konnen. Auch nach dieser Auffassung scheidet eine Verwertung der Faserspuren somit aus. Ein Verwertungsverbot wiirde nur dann entfallen, wenn E das Bestehen des Untersuchungsverweigerungsrechts kannte. Davon kann indes mangels Hinweisen nicht ausgegangen werden. Die angefuhrten Ansichten kommen in casu zu demselben Ergebnis, sodass sich eine Streitentscheidung eriibrigt. Mithin ist festzustellen, dass die fehlende Belehrung uber das Untersuchungsverweigerungsrecht gem. § 81c III 2 2. HS i.Vm. § 52 III StPO zu einem Verwertungsverbot im Hinblick auf die Faserspuren fahrt. Die aufgefundenen Faserspuren erbringen jedoch nicht unmittelbar den Beweis fiir die Taterschaft des H, sondem erst durch den Vergleich mit dem Material des Pullovers, den G in seinem Gutachten vomahm. Daher ist fraglich, ob das Verbot der Verwertung der Faserspuren auch dazu fiihrt, dass das Gutachten einem Verwertungsverbot unterliegt. Ob Beweisverwertungsverbote derartige Femwirkungen ausstrahlen, ist strittig.
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Die h.M. lehnt Femwirkungen von Beweisverwertungsverboten generell ab. Demzufolge ware das Gutachten des G verwertbar gewesen. Die Gegenauffassung nimmt unter Bemflmg auf die "fruit of the poisonous tree-doctrin", eine Rechtsfigur des US-amerikanischen StraQ)rozessrechts, immer eine Femwirkung eines Beweisverwertungsverbotes an. Der Staat diirfe nicht von den "Fruchten des vergifteten Baumes" profitieren. Danach hatte das Gutachten des G nicht verwertet werden durfen. Differenzierend auBert sich eine dritte Auffassung. Nach ihr sind Femwirkungen nur dann zu bejahen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Staat ohne den Verfahrensfehler die Beweismittel nicht erlangt hatte. Dariiber hinaus musse der VerfahrensverstoB, der zu einem Beweisverwertungsverbot gefuhrt hat, in schwerwiegender Weise in die stra^rozessualen Schutzrechte oder Grundrechte des Beschuldigten eingreifen, um Femwirkungen entstehen zu lassen. Die fehlende Belehmng der Ehefrau iiber das Untersuchungsverweigemngsrecht stellt keine derart schwerwiegende Beeintrachtigung der stra^rozessualen Schutzrechte und Gmndrechte des Beschuldigten dar, sodass eine Femwirkung nach dieser Auffassung ausscheidet und das Gutachten des G verwertbar ist. Wegen der divergierenden Ergebnisse ist eine Streitentscheidung erforderhch. Die Extrempositionen fiihren zu unbiUigen Ergebnissen. Wiirden Beweisverwertungsverbote generell Femwirkungen erzeugen, konnte dies u.U. zu einer Blockade des gesamten weiteren Strafverfahrens fahren, weil sich oft kaum klaren lasst, ob das unzulassig erlangte Beweismittel fiir die Ermittlung der ubrigen Beweismittel ursachlich war. Femwirkungen generell abzulehnen, hieBe, dem Beschuldigten ganzlich den Schutz zu versagen und Umgehungsmoglichkeiten bei Beweisverwertungsverboten zuzulassen. Zutreffend erscheint deshalb eine differenzierende Sicht, die dem Beschuldigten je nach Sachlage einen angemessenen Schutz einraumt. Damit war das Gutachten des G insoweit verwertbar, sodass kein revisibler VerfahrensverstoB vorliegt.
c) Unverwertbarkeit auf Grund von Femwirkungen des Beweisverwertungsverbots gem. § 136a IllStPO 584
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Der Verwertung des Gutachtens des G konnte jedoch entgegenstehen, dass der Pullover, der neben den Faserspuren als Vergleichsgrundlage diente, auf unzulassige Weise erlangt wurde. Die Sicherstellung des Pullovers als Beweismittel gem. § 94 StPO wurde ausschlieBlich durch die Aussage des H ermoglicht, die infolge der Ermiidung zustande kam. Die lange Vemehmung von 27 Stunden, ohne dass dem Beschuldigten eine Ruhephase eingeraumt wurde, ist gem. § 136a StPO untersagt. Mithin war die Aussage des H selbst gem. § 136a III StPO wegen der verbotenen Vemehmungsmethode nicht verwertbar. Fraglich ist allerdings, ob der Pullover, der infolge dieser unzulassigen Vernehmung erlangt wurde, im Gutachten als Vergleichsgmndlage verwertet werden durfte. Es kommt also emeut darauf an, ob dem Beweisverwertungsverbot des § 136a III StPO eine Femwirkung beigemessen werden kann.
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Nach zutreffender differenzierender Sichtweise sind Femwirkungen des § 136a III StPO zum einen dann zu bejahen, wenn es sich um krasse VerstoCe gegen § 136a StPO (MaBstab ist § 343 StGB) handelt, und zum anderen wenn bei weniger gravierenden Beeintrachtigungen - wie Ermiidung - ausgeschlossen werden kann, dass die StrafVerfolgungsorgane die weiteren Beweismittel ohne die Aussage des Angeklagten ermittelt hatten. Danach ist in casu eine Femwirkung anzunehmen, da der Pullover kaum ohne die Aussage des H erlangt worden ware. Das Urteil beruht auch auf der unzulassigen Verwertung des Gutachtens des Q sodass die Verwertung einen relativen Revisionsgrund gem. § 337 StPO begrundet.
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4. Sachriige Die Verurteilung wegen schweren rauberischen Diebstahls konnte auf der Verletzung des materiellen Rechts beruhen.
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a) Anwendung des § 252 StGB aa) Tatbestand (1) Objektiver Tatbestand H hatte mit dem Einstecken den Gewahrsam der E an der Kette in Zueignungsabsicht gebrochen und eigenen begriindet, somit einen Diebstahl begangen und Personengewalt angewendet. Fraglich ist, ob er von E auf frischer Tat betroffen wurde. Zum Teil wird behauptet, dass der Tater nur dann auf frischer Tat betroffen wird, wenn das Opfer ihn wahmimmt, § 252 also nicht eingreife, wenn er der Entdeckung der „Tat" zuvorkommt. Da E den H noch nicht bemerkt hatte, scheidet § 252 nach dieser Auffassung aus. Die h.M. wendet den Tatbestand dagegen auch an, wenn der Tater - wie hier durch schnelles Tatigwerden dem Bemerktwerden zuvorkommt. Die h.M. ist vorzugswurdig. Nach der ratio legis des § 252 StGB soil die Verteidigung der Diebesbeute mit den genannten Notigungsmitteln ponalisiert werden. Femer lasst es der Wortlaut des § 252 StGB noch zu, das Zuvorkommen der Entdeckung vom Merkmal „auf frischer Tat betroffen" zu erfassen, zumal schon die korperliche Anwesenheit des Opfers den Tater zur Anwendung der Notigungsmittel bewegen kann.
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(2) Subjektiver Tatbestand H hat vorsatzlich und in der Absicht, sich den Besitz an der gestohlenen Sache zu erhalten, gehandelt.
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bb) Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtfertigungs- oder SchuldausschlieBungsgriinde sind nicht ersichtlich.
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b) Anwendung des § 250II Nr. 1 StGB 594
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Der objektive Tatbestand des § 252 StGB liegt vor. § 250 II Nr. 1 StGB ist auf den rauberischen Diebstahl anwendbar. H hat durch den Einsatz des Kabels ein gefahrliches Werkzeug im Sinne des § 250 II Nr. 1 StGB verwendet. Ob auch § 250 II Nr. 3b StGB vorliegt, lasst sich nach den Sachverhaltsangaben nicht entscheiden. Im Ubrigen ware H durch die Nichtanwendung dieses Qualifikationsmerkmals nicht beschwert. H handelte - auch hinsichtlich des Qualifikationsmerkmals - vorsatzlich und mit Besitzerhaltungsabsicht. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor.
c) Ergebnis 597
H hat sich somit wegen schweren rauberischen Diebstahls gem. §§ 252, 250 II Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Die Sachriige des V ist erfolglos.
C. Gesamtergebnis 598
Die Revision des H ist zulassig und begriindet, da das Urteil auf drei Verfahrensfehlem beruht, namlich auf dem Unterbleiben der Ladung des T, auf der fehlerhaften Gerichtsbesetzung und auf der unzulassigen Verwertung des Gutachtens.
Hinweise zur Losung: 599 600
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Die Zulassigkeit ist unproblematisch, sodass die Ausfuhrungen knapp ausfallen mussen. Die Priifimg des absoluten Revisionsgrundes gem. § 338 Nr. StPO konnte kurz gehalten werden, da der erforderliche Gerichtsbeschluss fiir die Beschrankung der Verteidigung fehlte. Deshalb war die Frage der Einordnung als absoluter Revisionsgrund {Hanack in LR^^ § 338 StPO Rn. 125; Gillmeister, NStZ 1995, 44) Oder relativer Revisionsgrund (BGHSt 30, 131, 135) nicht zu erortem. Die Priifungsreihenfolge der sonstigen Verfahrensriigen, die relative Revisionsgriinde betreffen, ist beliebig. Ein Verzicht auf die Ladung des Pflichtverteidigers setzt entweder eine ausdriickliche Erklarung des Angeklagten (OLG Brandenburg, StV 1996, 368 L) oder dessen Kenntnis von dem Unterbleiben der Ladung und der Moglichkeit, die Aussetzung des Verfahrens zu beantragen (BGHSt 36, 259, 261), voraus. Auf eine mogliche „Rugepraklusion" war hier im Ubrigen nicht einzugehen, da V von der Pflichtverteidigerbestellung nichts wusste. Dieses Problem war jedoch im Zusammenhang mit der Verwertung der Aussage des W zu erortem, weil dessen Aussage widerspruchslos in der Hauptverhandlung hingenommen worden war (dafur z.B. BGHSt 1, 322, 325; dagegen zutreffend z.B. Beulke\ Rn. 375). Die Frage der Verwertbarkeit einer Aussage, die ein Zeuge ohne die gem. § 55 II StPO erforderliche Belehrung gemacht hat, gehort zu den strafprozessualen Standardproblemen (zur Herleitung eines Beweisverwertungsverbotes siehe
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BGHSt 11, 213, 215, „Rechtskreistheorie"; Beulke\ Rn. 458, „Schutzzwecklehre"; Roxin^\ § 24 Rn. 23, „Abwagungslehre"). Die Beurteilung der Verwertbarkeit des Gutachtens ist recht anspmchsvoU. Es ist nicht leicht zu erkennen, dass es dabei letztlich um die Femwirkung von Beweisverwertungsverboten geht, weil die Faserspuren und der Pullover nicht unmittelbar in die Hauptverhandlung eingefuhrt wurden, sondem die Grundlage flir das Gutachten des Sachverstandigen bilden. Die Verwertbarkeit der Faserspuren lasst sich unterschiedlich beurteilen. Zutreffend ist es zwar, wegen der unterbliebenen Belehrung uber das Untersuchungsverweigerungsrecht (dazu vertiefend BGH, NJW 1995, 1501 ff.) ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen. Eine Femwirkung dieses Beweisverwertungsverbots ist aber nach richtiger Auffassung abzulehnen {Hanack in LR^^, § 136a StPO Rn. 67). Die Annahme einer Femwirkung im Hinblick auf die Heranziehung des Pullovers als Vergleichsgmndlage im Gutachten ist zwar ebenfalls nicht zwingend. Aber eine solche ist bei Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots gemaB § 136a III StPO richtigerweise anzuerkennen. Bei der Prufung der Unverwertbarkeit des Gutachtens konnte mit der Untersuchung der Femwirkung der Verletzung des § 136a III StPO begonnen werden. Dann war jedoch auf die Konsequenzen des VerstoBes gegen die Belehmngspflicht nicht mehr einzugehen. Aus klausurtaktischer Sicht liegt die hier gewahlte Priifungsreihenfolge deshalb naher. Im Rahmen der Sachriige war die Frage naher zu behandeln, ob ein Zuvorkommen das Tatbestandsmerkmal „auf frischer Tat betroffen" bei § 252 StGB erfuUt. Nach zutreffender Auffassung (BGHSt 26, 95, 96) ist dies anzunehmen. Wer jedoch § 252 StGB mangels Betreffens auf frischer Tat ablehnt {Mitsch, BT 2/1 § 4 Rn. 32), muss §§ 224 I Nr. 2, 223 I StGB prufen und dariiber hinaus §§ 255, 250 II Nr. 1 StGB ansprechen, der unter Zugmndelegung der Ansicht des BGH (keine Vermogensverfugung erforderhch; BGHSt 25, 224, 228) zu bejahen gewesen ware. Die Sachriige ware aber auch bei dieser Sicht erfolglos, weil die Vemrteilung gem. §§ 255, 250 II Nr. 1 StGB nur zu einer Schuldspmchanderung frihren wiirde. Bei Anwendung der h.L., die fur die rauberische Erpressung eine Vermogensverfugung fordert, schiede § 255 StGB dagegen aus.
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KlausurNr.il**
Demonstration mit schlimmen Folgen Revision - Besorgnis der Befangenheit - Beschrankung der Offentlichkeit durch Zugangskontrolle - Ablehnung eines Beweisantrags Sachriige Holger Amdt (A) und Dieter Bauer (B) sind Mitglieder einer linksgerichteten politischen Vereinigung, auf deren Veranstaltungen es in der Vergangenheit des Ofleren zu Gewalttatigkeiten gekommen war. Am 23. November 2004 fiihrte die Vereinigung in Potsdam eine Demonstration durch. Bei der Schlusskundgebung eskalierte die Situation, und es entstand eine tatliche Auseinandersetzung zwischen Mitgliedem der Vereinigung und einer Gruppe rechtsgerichteter Gegendemonstranten. Im Verlauf der Auseinandersetzung, an der etwa zehn Personen teilnahmen, wurde Paul Ostermeyer (O) von Mecky Tischler (T) durch einen Messerstich so ungliicklich am rechten Auge verletzt, dass er sein Sehvermogen auf diesem Auge verlor. Auch A und B nahmen zeitweilig an der Auseinandersetzung teil. A hatte sich jedoch bereits zuriickgezogen, als O verletzt wurde. A und B mussten sich vor dem Amtsgericht Potsdam wegen Beteiligung an einer Schlagerei verantworten. Strafrichter Horst Riemann (R) verurteilte beide am 24. Marz 2005 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Die Zustellung des Urteils erfolgte am 29. Marz 2005. A beauftragte seinen Verteidiger Werner Vogt (V) mit der Wahmehmung seiner Interessen. V legte am 30. Marz 2005 unter Vorlage seiner Verteidigervollmacht bei dem Amtsgericht Potsdam „Sprungrevision" ein. Am 19. April 2005 begrundete V die Revision. Er rugte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. V machte geltend, dass R nicht vorurteilsfrei gewesen sei. R sei ein bekannter Gegner der politischen Anschauung der Vereinigung, der A und B angehoren. Er habe sich bereits des Ofteren in der Offentlichkeit zu der Vereinigung geauBert und gefordert, sie gehore aufgelost. V hatte schon in der Verhandlung gegen R einen Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt, der jedoch abgelehnt worden war. In seiner Revisionsbegrundungsschrift zitierte V den Wortlaut seines Antrags und des Ablehnungsbeschlusses. Weiterhin riigte V einen VerstoB gegen den Offentlichkeitsgrundsatz. R hatte in der Erwartung, dass viele Gesinnungsgenossen der Angeklagten an der Verhandlung teilnehmen und diese massiv storen wurden, eine KontroUe angeordnet. Die Besucher mussten ihren Personalausweis am Eingang zum Sitzungssaal abgeben, und ihre Personalien wurden von einem Justizwachtmeister in eine Liste aufgenommen. Dariiber hinaus beanstandete V die rechtliche Wurdigung des Verhaltens des A.
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Demonstration mit schlimmen Folgen
1. Wird die Revision des A Erfolg haben? Auch B legte gegen das Urteil fristgemaB Revision ein. Diese begriindete er am 11. April 2005 zur Niederschrift in der Geschaftsstelle des Amtsgerichts Potsdam mit der Verletzung formellen Rechts. B hatte namlich in der Hauptverhandlung die zeugenschaftliche Vemehmung des Dieter Zacharias (Z) beantragt, der bekunden soUte, dass B in nicht vorwerfbarer Weise in die Schlagerei hineingezogen worden sei. B war nur deswegen in das Geschehen hineingeraten, weil er sich des Angriffs eines Gegners erwehren musste, der unversehens iiber ihn hergefallen war, hatte aber sonst keine Schlage ausgeteilt. R hatte den Beweisantrag mit der Begriindung abgelehnt, er sei auf Grund der tibrigen Beweismittel bereits von der Schuld des B iiberzeugt und konne deshalb auf die Vemehmung des Z verzichten. 2. Wird die Revision des B erfolgreich sein? Lehrbuch: Rn. 595-599; 645-651; 763-768; 775-777; 898-904; 914; 918-920.
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Losung Frage 1: Erfolgsaussichten der Revision des A Die Revision des A ist erfolgreich, wenn sie zulassig und begriindet ist.
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/. Zuldssigkeit L Statthaftigkeit der Revision Die Statthaftigkeit der Sprungrevision des A ist nach § 335 StPO gegeben, da gem. § 312 StPO die Berufung zulassig ist.
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2. Form und Fristen Da A die Revision durch seinen Verteidiger V bei dem Amtsgericht Potsdam am 30. Marz 2005, also sechs Tage nach Urteilsverkundung einlegte, sind die Voraussetzungen des § 3411 StPO unproblematisch erfuUt. Die Revision begrtindete V am 19. April 2005, sodass er auch die Monatsfrist des § 345 I 1 StPO einhielt. Nach § 345 II StPO muss die Begrundung in einer vom Verteidiger unterzeichneten Schrift oder zu ProtokoU der Geschaftsstelle erklart werden. Das ist hier geschehen. Gem. § 344 II StPO muss aus der Revisionsbegrundung hervorgehen, ob das Urteil wegen der Verletzung formellen oder materiellen Rechts angefochten wird. Wird die Verletzung formellen Rechts geltend gemacht, muss in der Begriindungsschrift gem. § 344 II 2 StPO weiterhin die Angabe der Tatsachen erfolgen, die den Mangel enthalten. Diesen Erfordemissen geniigt die Revisionsbegrundung des V. Die Revision ist damit form- und fristgerecht erfolgt.
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3. Beschwer des RechtsmittelfUhrers A ist durch seine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe beschwert, sodass ein Rechtsschutzbediirfnis des A unproblematisch zu bejahen ist.
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4. Rechtsmittelberechtigung des A A stand gem. § 296 I StPO das Rechtsmittel der Revision zu.
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5. Ergebnis Die Revision des A ist zulassig.
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//. Begriindetheit Die Revision ist gem. § 337 StPO begrundet, wenn das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht. Zu unterscheiden sind Verletzungen formellen Rechts, die mit der Verfahrensriige geltend gemacht werden, und Verletzungen materiellen Rechts, die mit der Sachruge angefochten werden.
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1. Verfahrensriigen a) Befangenheit des R 616
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A rugt die Befangenheit des erkennenden Richters R. Es ware der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO gegeben, wenn R in der Hauptverhandlung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden war. V hatte in der Verhandlung einen Ablehnungsantrag gestellt, sodass die erste Voraussetzung erfiillt ist. Das Ablehnungsgesuch des A musste zu Unrecht verworfen worden sein. Die Verwerfung ist dann zu Unrecht erfolgt, wenn das Ablehnungsgesuch zulassig und begriindet war. Das Ablehnungsrecht stand nach § 24 III StPO dem A zu, der es durch seinen Verteidiger V geltend machen konnte. Mangels gegenteiliger Sachverhaltsangaben ist davon auszugehen, dass das Ablehnungsgesuch des A auch im Ubrigen die Zulassigkeitsvoraussetzungen erfiillte. Insbesondere ist zu unterstellen, dass der Antrag gem. § 25 I StPO rechtzeitig gestellt wurde, namlich vor Beginn der Vemehmung des ersten Angeklagten, also des A oder des B, uber seine personlichen Verhaltnisse. Begriindet war das Ablehnungsgesuch des A nach MaBgabe des § 24 II StPO dann, wenn ein Grund vorlag, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des R zu rechtfertigen. Hierbei ist ein individuell-objektiver MaBstab anzulegen. MaBgeblich ist der Standpunkt eines vemunftigen Angeklagten, der auf Grund des ihm bekannten Sachverhalts bei verstandiger Wurdigung der Sache Grund zu der Annahme hat, der Richter sei befangen. Befangenheit ist die innere Haltung eines Richters, die seine erforderliche Neutralitat, Distanz und Unparteilichkeit gegeniiber den Verfahrensbeteiligten storend beeinflussen kann. Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vemunftiger Wiirdigung aller Umstande Anlass besitzt, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Der Ablehnungsgrund ist gem. § 26 II StPO glaubhaft zu machen. Daher geniigt es, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die Wahrscheinlichkeit ihrer Richtigkeit in einem hinreichenden MaBe dargetan wird. Die Besorgnis der Befangenheit konnte sich hier aus der politischen Einstellung und den vorprozessualen AuBerungen des R ergeben. R ist stadtbekannter Gegner der politischen Vereinigung, der A zugehorig ist. Allerdings rechtfertigt die Zugehorigkeit zu einer bestimmten Partei oder Weltanschauung allein nicht die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. Von unterschiedUchen politischen Ansichten des Angeklagten und des Richters geht grundsatzlich keine Gefahr fur die notwendige Neutralitat und Unvoreingenommenheit des Richters aus. Vielmehr kann ein Richter auch in solchen Konstellationen in der Lage sein, ein objektives Urteil zu fallen. R darf also anderer politischer Auffassung als A sein, ohne als befangen zu gelten. Allerdings konnte das Verhalten des R vor der Hauptverhandlung die Ablehnung wegen Befangenheit begrunden. R gehort nicht nur einer anderen politischen Anschauung als A an, sondem gilt als Gegner der linken Vereinigung. Des Weiteren hat er sich in der Vergangenheit mehrmals dahingehend geauBert, dass die Vereinigung aufgelost gehore. Die Tatsache, dass R sich in diesen politischen Anschauungsfragen initiativ und aktiv
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zeigte, deutet auf eine fehlende Distanz zu der Beurteilung der linken Vereinigung und ihrer Angehorigen, zu denen auch A zahlt, hin. Es kann angenommen werden, dass R den Tatigkeiten der Vereinigung nicht unvoreingenommen gegeniibersteht. Daher steht zu befurchten, dass R auch die im Zusammenhang mit einer Demonstration der Vereinigung strafrechtlich zu beurteilenden Vorgange nicht mehr unvoreingenommen und neutral beurteilen konnte. Es kommt auch gerade nicht darauf an, ob R tatsachlich befangen war. Die vorprozessualen AuBerungen des R uber diese Vereinigung sind daher geeignet, in den Augen eines vemiinftigen Angeklagten Misstrauen bezuglich der Unparteilichkeit des R zu wecken. Insoweit hat A einen Ablehnungsgrund gem. § 26 II StPO glaubhaft gemacht. Das Ablehnungsgesuch des A war somit gem. § 24 II StPO begriindet. Die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs wegen Besorgnis der Befangenheit erfolgte zu Unrecht. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO ist gegeben und die diesbezugliche Verfahrensriige des A erfolgreich.
b) Beschrdnkung der Offentlichkeit Femer rligt A einen VerstoB gegen den Offentlichkeitsgrundsatz mit der Begriindung, dass die KontroUmaBnahmen gegeniiber den Zuschauem die Offentlichkeit beschrankt habe. Die Verletzung von Vorschriften iiber die Offentlichkeit des Verfahrens stellt nach § 338 Nr. 6 StPO ebenfalls einen absoluten Revisionsgrund dar. Die Hauptverhandlung fmdet gem. § 169 S. 1 GVG offenthch statt. Grundsatzlich muss alien am Verfahren nicht beteiligten Personen die Moglichkeit gegeben werden, wahrend der Verhandlung anwesend zu sein. Das war moglicherweise nicht gewahrleistet, denn die Tatsache, dass die Personalien der Zuschauer festgehalten wurden, konnte Personen, die der Verhandlung eigenthch beiwohnen woUten, dazu veranlasst haben, der Verhandlung femzubleiben. Personen, die keinen Personalausweis bei sich fuhrten, war die Moglichkeit, der Verhandlung zuschauen zu konnen, ebenfalls verwehrt. Tatsachlich wird zum Teil in einer AusweiskontroUe eine unzulassige Beschrankung der Offentlichkeit gesehen, weil darin eine Einschuchterung der Zuschauer liege. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Einschrankungen der Teilnahme als Zuschauer zulassig sind, sofem MaBnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit der Hauptverhandlung dies erfordem. Grundsatzlich hat der Richter gem. §§ 176 ff. GVG die Sitzungsgewalt und kann auf Storungen reagieren. R hat etwaige Storungen durch die Zuschauer jedoch nicht abgewartet, sondem bereits im Vorfeld der Verhandlung zur MaBnahme der PersonalienkontroUe gegriffen. Zudem hat er nicht zwischen unverdachtigen und verdachtigen Personen differenziert, sondem jeden Zuschauer einer KontroUe unterworfen. Allerdings war die Sicherheit der Verhandlung auf andere Weise kaum zu gewahrleisten, da durchaus zu befiirchten war, dass die Verhandlung nicht sicher und ungestort durchgefiihrt werden konnte. Der ungestorte Ablauf einer Verhandlung erweist sich als ebenso wesentlich wie die durch den Offentlichkeitsgmndsatz gewahrleistete KontroUe des Verfahrensgangs durch die AUgemeinheit. Besteht also ein begriindeter Anlass, an einem ungestorten Verhandlungsablauf zu zweifebi, liegt es im Ermessen des Richters, auch PraventivmaBnahmen zu ergreifen. Dabei darf die
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Offentlichkeit nicht voUig ausgeschlossen werden. Die von R veranlassten Beschrankungen konnten sich demnach als verhaltnismaBig erweisen. Bei dieser Ausweiskontrolle wurden die Zuschauer namlich nicht grundsatzlich am Zugang zur Verhandlung gehindert, sondem es wurde jeder unterschiedslos eingelassen, wenn er sich nur ausweisen konnte. Eine gesetzwidrige Einschrankung der Zulassung der Offentlichkeit ist darin nicht zu erkennen, denn die Moglichkeit der Anwesenheit bleibt dabei bestehen. Es ist namlich keineswegs erforderlich, dass jedermann immer und unter alien Umstanden uneingeschrankten Zutritt zu einer Hauptverhandlung haben muss. Gemessen an der Sicherheit des Ablaufs der Verhandlung stellen die KontroUmaBnahmen keinen unangemessenen Eingriff dar. Insbesondere greift der Einwand der unzulassigen Einschtichterung der Zuschauer nicht durch, zumal eine solche bei Zuschauem, die gar nicht storen woUen, von vomherein nicht in Betracht kommt. Die MaBnahmen der PersonenkontroUe erweisen sich daher als sachgerecht und verhaltnismaBig. Eine Verletzung der Vorschriften tiber die Offentlichkeit des Verfahrens ist nicht festzustellen. Der Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO liegt nicht vor. Die Verfahrensrlige des A ist insoweit unbegriindet.
2. Sachriige 621
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A beanstandet dariiber hinaus mit der Sachriige die Verletzung materiellen Rechts auf Grund fehlerhafter rechtlicher Wiirdigung seines Verhaltens bei der Demonstration. Das konnte einen relativen Revisionsgrund darstellen. In Betracht kommt eine fehlerhafte Anwendung des § 231 StGB. Fraglich ist, ob sich A nach dieser Vorschrift strafbar gemacht hat, obwohl er das Geschehen zu dem Zeitpunkt des Messerstiches bereits verlassen hatte. Zur Erfallung des objektiven Tatbestandes ist erforderlich, dass sich A an einer Schlagerei beteiligt hat. Eine Schlagerei ist ein in gegenseitige Tatlichkeiten ausartender Streit, an dem mindestens drei Personen aktiv mitwirken. Hier nahmen insgesamt zehn Personen an der tatlichen Auseinandersetzung teil, sodass diese Voraussetzung erfallt ist. Beteiligt ist derjenige, der am Tatort anwesend ist und durch physische oder psychische Mitwirkung in feindseliger Weise an den Tatlichkeiten teilnimmt. Nach dem Sachverhalt trifft das auf A ohne weiteres zu. A ist in die Schlagerei auch nicht hineingezogen worden, ohne dass ihm dies vorzuwerfen war. Die Voraussetzungen des § 231 II StGB sind daher ebenfalls erfuUt. Er handelte zudem vorsatzlich. Weiterhin ist die objektive Bedingung der Strafbarkeit, namlich die Verursachung einer schweren Korperverletzung im Sinne des § 226 StGB eingetreten, da O sein Sehvermogen auf dem rechten Auge verlor. Fraglich ist aber, ob A der Eintritt der schweren Korperverletzung iiberhaupt zugerechnet werden kann, denn er hatte den Ort des Geschehens zum Zeitpunkt des Messerstiches bereits verlassen. Die Beantwortung dieser Frage ist streitig. Nach einer Literaturansicht setzt die Strafbarkeit aus § 231 StGB die Beteiligung wahrend des Verursachungszeitpunktes voraus. Danach hatte A nicht nach § 231 StGB bestraft werden konnen. Begrundet wird diese Ansicht damit, dass § 231 StGB ein abstraktes Gefahrdungsdelikt sei und eine Bestrafung nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur erfolgen konne, wenn die Gefahrlichkeit zum Zeitpunkt der Verursachung der
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schweren Korperverletzung noch existent war. Dagegen geht die iiberwiegende Ansicht davon aus, dass ein an der Schlagerei BeteiUgter auch dann aus § 231 StGB zu bestrafen ist, wenn er seine Beteiligung zu einem Zeitpunkt aufgibt, in dem die schwere Folge von den anderen Beteiligten noch nicht verursacht worden ist. Fiir diese Auffassung spricht, dass das vom Tater herbeigefiihrte Gefahrlichkeitsmoment auch nach Beendigung des Tatbeitrages noch fortwirkt. Daher sei es gerechtfertigt, den Tater auch dann zu bestrafen, wenn er zum Zeitpunkt der Verursachung der schweren Korperverletzung nicht mehr an der Schlagerei beteiligt war. Diese Argumentation ist iiberzeugend, da der Tater den Fortgang und die Entwicklung der Auseinandersetzung durch seinen Tatbeitrag mitgepragt und mitgetragen hat. Die Auswirkungen seiner Beteiligung entfallen durch sein Ausscheiden nicht ohne weiteres. Zudem zielt der Zweck der Vorschrift gerade darauf ab, sonst auftretende Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Eine direkte und unmittelbare Verursachung der schweren Folge durch den einzelnen Tatbeitrag ist fur die Anwendung des § 231 StGB gerade nicht erforderlich. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung kann es A nicht entlasten, dass er die Beteiligung an der Schlagerei zum Zeitpunkt des Messerstiches bereits beendet hatte. Das Gericht hat § 231 StGB somit zu Recht angewendet. Die Sachriige des A ist unbegriindet.
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///. Ergebnis Die Sprungrevision des A hat Erfolg, weil sie zulassig und bezuglich der Verfahrensruge nach § 338 Nr. 3 StPO auch begrundet ist. Gem. § 354 II StPO wird das OLG als Revisionsgericht das Urteil des Amtsgerichts aufheben und die Sache an eine andere Abteilung des Gerichts zuriickverweisen.
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Frage 2: Erfolgsaussichten der Revision des B Die Revision des B ist erfolgreich, wenn sie zulassig und begrundet ist.
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/. Zuldssigkeit 1. Statthaftigkeit der Revision Nach § 335 StPO ist die Sprungrevision gegen Urteile statthaft, gegen die Bernfling zulassig ware. Da gegen Urteile des Strafrichters gem. § 312 StPO die Berufung zulassig ist, ist die Sprungrevision des B somit statthaft.
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2. Form und Fristen Laut Sachverhalt hat B seine Revision beim Amtsgericht Potsdam fristgemaB eingelegt. Auch die Revisionsbegrlindung erfolgte am 11. April 2005 fristgerecht, da die Frist gemaB § 43 I, II StPO erst am 2. Mai 2005 ablief. B hat die Revision nicht durch einen Rechtsanwalt schriftlich begrtindet, sondem zu ProtokoU der Geschaftsstelle erklart. Dies ist nach § 345 II StPO moglich. Da er die Revision
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Demonstration mit schlimmen Folgen
mit der Verletzung formellen Rechts begriindete, ist zudem das Formerfordemis des § 344 II StPO erfullt. Auch vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ist auszugehen.
5. Beschwer des Rechtsmittelfuhrers 629
Da B durch seine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe beschwert ist, muss ein Rechtsschutzbedurfiiis des B bejaht werden.
4. Rechtsmittelberechtigung des B 630
B stand als Beschuldigtem gem. § 296 I StPO das Rechtsmittel der Revision zu.
5. Ergebnis 631
Die Revision des B ist zulassig.
//. Begriindetheit 632
Die Revision des B ist begrundet, wenn das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht. B hat hier nur eine Verfahrensriige erhoben. Er beanstandet die Verletzung formellen Rechts und macht geltend, dass das Gericht den Beweisantrag auf Vernehmung des Z als Zeugen unrechtmaBigerweise abgelehnt hat. Ein absoluter Revisionsgrund (§ 338 StPO) ist nicht gegeben, in Betracht kommt aber ein relativer Revisionsgrund nach § 337 StPO.
1. Zuldssigkeit der Ablehnung des Beweisantrags 633
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Moglicherweise liegt ein VerstoB gegen § 244 III StPO vor. Dann musste R einen Beweisantrag des B zu Unrecht abgelehnt haben. Voraussetzung dafur ist, dass es sich bei dem Antrag des B uberhaupt um einen Beweisantrag und nicht etwa um einen Beweisermittlungsantrag gehandelt hat. Ein Beweisantrag ist ein Begehren an das Gericht, ein bestimmtes Beweismittel zum Beweis einer bestimmten Tatsache herbeizuschaffen. Dabei muss der Antrag sowohl hinsichtlich des Beweismittels als auch der Beweistatsache individualisiert sein. Fehlt es hinsichtlich eines dieser Bestandteile an der Bestimmtheit, liegt ein Beweisermittlungsantrag vor. B hat in der Hauptverhandlung einen Antrag gestellt, der auf die Vemehmung einer bestimmt genannten Person, namlich des Z, und unter Angaben der bestimmten zu beweisenden Tatsache, dass B einen Angriff abgewehrt habe und somit in nicht vorwerfbarer Weise in die Schlagerei verwickelt worden zu sein, gerichtet war. Damit liegt hinsichtHch des Beweismittels und der Beweistatsache eine hinreichende Bestimmtheit vor, sodass der Antrag des B als Beweisantrag zu behandeln ist. Ein Beweisantrag auf Vemehmung eines im Inland befindlichen Zeugen darf nur unter den Voraussetzungen des § 244 III StPO abgelehnt werden. Die Vorschrift nennt mehrere Ablehnungsgrunde, von denen jedoch nur § 244 III 2 Alt. 3 StPO in Betracht kommt. Danach durfte R den Beweisantrag ablehnen, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soUte, schon erwiesen war. Die Vemehmung des Z soUte den Beweis erbringen, dass B in nicht vorwerfbarer Weise in die Schlagerei
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hineingezogen worden ist. Dieser Sachverhalt war jedoch gerade nicht erwiesen. R lehnte den Antrag vielmehr ab, weil er nicht diesen Sachverhalt, sondem das Gegenteil der Beweistatsache fiir erwiesen gehalten hat. Dieser Fall wird von § 244 III 2 Alt. 3 StPO aber nicht erfasst. Es handelt sich um einen sog. VerstoB gegen das Verbot der Beweisantizipation, wonach die Vorwegnahme des Ergebnisses einer beantragten Beweisaufnahme zum Nachteil des Antragstellers untersagt ist. Eine gesetzliche Ausnahme fmdet sich nur in der Regelung des § 244 IV 2 StPO, nach der ein weiterer Sachverstandiger nicht gehort werden muss, wenn ein anderer bereits das Gegenteil der behaupteten Tatsache festgestellt hat. Diese Vorschrift findet aber nur auf die Vemehmung von Sachverstandigen Anwendung. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass sie fur die Vemehmung von Zeugen nicht gilt. Hier bleibt es bei der Regelung des § 244 III 2 Alt. 3 StPO, wonach lediglich die behauptete Tatsache als erwiesen gelten kann. Da die Voraussetzungen des § 244 III 2 Alt. 3 StPO nicht vorliegen, hat R den Beweisantrag des B zu Unrecht abgelehnt.
2. Beruhen des Urteils auf der Gesetzesverletzung Nach § 337 StPO hangt die Begrundetheit der Revision davon ab, ob das Urteil auf der Gesetzesverletzung beruht. Das bedeutet, dass die Gesetzesverletzung ursachlich fur den Inhalt des Urteils sein muss. Die bloBe Moglichkeit, dass das Ergebnis der Beweiswurdigung und damit das Urteil anders ausgefallen ware, reicht fur die Annahme des Beruhens aus. Ein voUer Nachweis der Kausalitat ist nicht notwendig. Es ist daher zu prufen, ob das Gericht moglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen ware, wenn die Verletzung des § 244 III 2 StPO nicht vorgelegen hatte. Hatte R den Beweisantrag des B nicht abgelehnt und statt dessen Z als Zeugen vemommen, hatte dieser bekunden konnen, dass B nur deswegen in die Schlagerei hineingeriet, weil er sich des Angriffs eines anderen Schlagereibeteiligten erwehren musste. Unter Zugrundelegung des Geschehens, wie es sich nach der Aussage des Z moglicherweise dargestellt hatte, ware B - der iiber die Abwehr des Angriffes hinaus keine Schlage austeilte - gem. § 32 StGB gerechtfertigt gewesen. Gem. § 231 II StGB geht aber derjenige straffrei aus, der zu keinem Zeitpunkt in vorwerfbarer Weise an der Schlagerei beteiligt war. Hierbei handelt es sich um eine Tatbestandseinschrankung, die auf Rechtfertigungsund Entschuldigungsgrlinde verweist. Ein Tater, der sich auf Notwehr gem. § 32 StGB berufen kann, ist in nicht vorwerfbarer Weise an der Schlagerei beteiUgt, sodass bereits der Tatbestand des § 231 StGB ausscheidet. Eine Strafbarkeit nach § 231 StGB ware demnach zu vemeinen gewesen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass R dem Zeugen Z geglaubt hatte. Dann hatte er B freisprechen miissen. Die Moglichkeit, dass R bei Vemehmung des Z zu diesem Ergebnis gelangt ware, reicht aus, um das Merkmal des Beruhens zu bejahen. Ein relativer Revisionsgrund nach § 337 StPO ist daher gegeben.
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///. Ergebnis Die Sprungrevision des B hat somit Erfolg, weil sie zulassig und begriindet ist.
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Hinweise zur Losung: 637
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Im Rahmen der Frage 1 ging es zunachst um die Besorgnis der Befangenheit eines Richters des erkennenden Gerichts. Die Riige der unrechtmaBigen Verwerfung eines Antrags auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, die auf § 338 Nr. 3 StPO gesttitzt wird, ist ihrer Natur nach eine sofortige Beschwerde nach § 28 II StPO. Gem. § 28 II 2 StPO kann die Ablehnung eines Befangenheitsantrages gegen einen erkennenden Richter, also eines Richters, der auch am Urteil mitgewirkt hat, aber nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden. Das Gesetz andert hier aus ZweckmaCigkeitsgrimden den Instanzenzug (BGHSt 27, 96, 98; Meyer-Gofine/^, § 28 Rn. 8 und § 338 Rn. 25). Die Riige ist Teil der Revision, sodass die zusatzliche Einlegung einer sofortigen Beschwerde nicht notwendig ist. Voraussetzung der revisionsrechtlichen Verfahrensriige ist aber die Anfechtbarkeit der das Ablehnungsgesuch zurtickweisenden Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde {Kuckein in KKStPO^ § 338 Rn. 59; Meyer-GoJSner^\ § 28 Rn. 8 und § 338 Rn. 26). Zu beachten ist, dass fur die Beschwerde die Fristen und Formen, die fur das Rechtsmittel gegen das Urteil gelten, einzuhalten sind (BGHSt 21, 334, 340; Temming in HKStPO^ § 344 Rn. 13). Das sind hier die §§ 341, 344, 345 StPO. Der BeschwerdefLihrer muss in der Revisionsbegriindungsschrift den Inhalt des Ablehnungsantrags und des ablehnenden Gerichtsbeschlusses mitteilen (BGHSt 21, 334, 340; Kuckein in KKStPO^ § 344 Rn. 47; a.A. Temming in HKStPO^, § 344 Rn. 13, wonach Inhalt und Begriindung der abschlagigen Entscheidung nicht mitgeteilt werden miissen). Besondere politische Weltanschauungen des Richters, die von denjenigen des Angeklagten abweichen, begninden die Besorgnis der Befangenheit grundsatzlich nicht, auch nicht bei Straftaten mit politischem Hintergrund oder bei politischen Aktivitaten des Richters auBerhalb des Verfahrens, die sich allein aus der Teilnahme am politischen Leben erklaren (Lemke in HKStPO^, § 24 Rn. 15; MeyerGofine/\ § 24 Rn. 9), es sei denn, zwischen ihnen und der Strafsache besteht ein besonderer Zusammenhang. Die Besorgnis der Befangenheit ist auch anzunehmen, wenn der Richter die politische Zuriickhaltung deutlich verlassen hat. Es kommt ja gerade nicht darauf an, ob er tatsachlich befangen war (BVerfGE 20, 9, 14; BGHSt 24, 336, 338). Dieser innere Zustand ist im Regelfall eines Beweises nicht zuganglich, sodass bereits ein Umstand, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu begninden, dessen Ablehnung rechtfertigt {Lemke in HKStPO^ § 24 Rn. 18). Nach dem Grundsatz der Offentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (§ 169 Satz 1 GVG) kann jedermann ohne Ansehung seiner Zugehorigkeit zu bestimmten Bevolkerungsgruppen und ohne Ansehung bestimmter personlichen Eigenschaften einer Gerichtsverhandlung beiwohnen (BGHSt 27, 13, 14; 28, 341, 343 ff.; Diemer in KKStPO^ § 169 GVG Rn. 6). Zulassig sind nach Ansicht des BGH (St 27, 13, 15 f) und der Literatur (Hanack in Lowe/Rosenberg^^ § 338 Rn. 110; Kuckein in KKStPO^ § 338 Rn. 88; Pfeiffer\ § 338 Rn. 23; Temming in HKStPO^ § 338 Rn. 30) jedoch aus Sicherheitsgriinden veranlasste Identitatskontrollen, die den Zugang zu einer Verhandlung nur unwesentlich erschweren und dabei eine
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Auswahl der Zuschauer nach bestimmten personlichen Merkmalen vermeiden. Es ist zulassig, nur solchen Personen den Besuch der Verhandlung zu gestatten, die sich ausweisen konnen, wenn die Sicherheit nicht ohne weiteres gewahrleistet ist und mit Storungen zu rechnen ist {Kissel/Maye/, GVG, § 169 Rn. 39; BGHSt 27, 13, 16). Zulassig sind insbesondere auch eine Registrierung der Besucher und die Einbehaltung des Ausweises fur die Verweildauer im Sitzungssaal (Kissel/Maye/, GVG, § 169 Rn. 40; OLG Karlsruhe, NJW 1975, 2080). Die Beurteilung der Ablehnung eines Beweisantrages stellt ein typisches Problem einer Revisionsklausur dar. Ein Beweisantrag (allgemein zum Beweisantrag Gollwitzer in Lowe-Rosenberg^^ § 244 Rn. 93 ff.; Herdegen in KKStPO^ § 244 Rn. 42 ff.), der auf die Herbeischaffung eines Beweismittels gerichtet ist, darf nur unter den engen Voraussetzungen des § 244 III-V StPO abgelehnt werden. Ansonsten ist das Gericht verpflichtet, einem Beweisantrag nachzugehen. Im Zusammenhang mit den Fragen 1 und 2 waren materiell-rechtliche Standardprobleme des § 231 StGB zu erortem. Bei Frage 1 ging es darum, ob sich auch derjenige nach §231 StGB strafbar macht, der seine Beteiligung an der Schlagerei vor Eintritt der schweren Folge aufgegeben hat. Die h.M. bejaht dies (BGHSt 14, 132, 134 f.; LsicknQr/KuhF, § 231 Rn. 5; Hohmann in MuKoStGB, § 231 Rn. 24). Da allein die Kausalitat der Schlagerei - als Gesamtgeschehen begriffen - maBgeblich ist, spielt es fur die Strafbarkeit keine Rolle, ob der Tater zum Zeitpunkt des Eintritts der schwerwiegenden Folge schon oder noch an der Schlagerei teilnimmt {Hohmann in MuKoStGB, § 231 Rn. 24). Nach der Gegenansicht ist eine Beteiligung wahrend des Verursachungszeitpunktes erforderlich (^^ey^^BTI,Rn.297). Der Fall zeigt bei Frage 2, dass eine materiell-rechtliche Problemstellung aus dem Bereich des StGB nicht nur Gegenstand einer Sachriige sein kann, sondem auch im Rahmen einer Verfahrensriige, namlich bei der Beruhensfrage, eine Rolle spielen kann. Die dogmatische Einordnung des § 231 II StGB ist umstritten. Zutreffender Auffassung nach schrankt die Regelung bereits den Tatbestand des §231 I StGB ein, sodass Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgrunde bereits tatbestandsausschlieBend wirken, soweit es das Einbeziehen in die Schlagerei betrifft {Hohmann in MuKoStGB, § 231 Rn. 19; BGHSt 31,124, 127).
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Klausur Nr. 12**
Schlaflos in Bernau Revision - Gerichtsbesetzung - Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls - Aktenkenntnis des Schoffen - Heilung von VerfahrensverstolJen - Verbot der ProtokoIIverlesung - Beweiserhebungsverbot Gegen Karl-Heinz Klotz (K) fand am 17. Mai 2005 vor dem Schoffengericht des Amtsgerichts Bernau die Hauptverhandlimg wegen Untreue in sechs Fallen statt. Die Anklageschrift legte ihm zur Last, im Zeitraum Juni 2004 bis Februar 2005 als TestamentsvoUstrecker den umfangreichen Nachlass der verstorbenen Dagmar Erhardt (E) an Dritte verauBert und den Erlos bei eigenmachtigen Spekulationen verloren zu haben. Dabei sei ihm bewusst gewesen, dass er im Falle des Fehlgehens der sechs Optionsgeschafte den Verlust nicht aus seinem eigenen Vermogen wiirde ersetzen konnen. In der Hauptverhandlung war die Schoffm Sabine Schlau (S) wahrend der Vernehmung des K, der sich in der Hauptverhandlung zur Sache geauBert und die Taten bestritten hatte, eingeschlafen. Nachdem S von dem Vorsitzenden unsanft geweckt worden war, erklarte sie auf Nachfrage der Verteidigerin Dr. Veronica Velix (V), sie habe zwar einen Teil der Einlassung des Angeklagten zur Sache nicht zur Kenntnis nehmen konnen, dies sei jedoch unschadhch, da sie bereits vor dem Aufruf der Sache im Beratungszimmer in die Akten Einsicht genommen und die Anklageschrift, insbesondere den Abschnitt iiber das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen, studiert habe. Die Vemehmung des K wurde im Folgenden voUstandig wiederholt, diese Wiederholung wurde jedoch nicht im HauptverhandlungsprotokoU vermerkt. Im Rahmen der Beweisaufnahme soUte Zacharias Klotz (Z), der Sohn des K, als Zeuge vemommen werden. Z machte jedoch von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemaB § 52 StPO Gebrauch. Daraufhin wurde der Zivilrichter Walter Richter (R) vemommen, vor dem Z in dem vorangegangenen Ehescheidungsprozess der Eheleute Klotz nach ordnungsgemaBer Belehrung uber sein Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt hatte. R bekundete, Z habe damals ausgesagt, wesentlicher Grund fur das Scheitem der Ehe sei das unlautere Geschaftsgebaren des K gewesen. Als Beispiel hierfiir habe Z damals die eigenmachtigen Spekulationen des K zu Lasten der Erbengemeinschaft angefiihrt. Das Gericht verurteilte K zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, dabei stiitzte es seine Entscheidung maBgeblich auf die Aussage des R. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2005 legte V fiir ihren Mandanten Revision bei dem Schoffengericht ein.
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Das schriftliche Urteil wurde am 15. Juni 2005 zugestellt. In der Revisionsbegriindungsschrift vom 30. Juni 2005 riigt V die Verletzung formellen Rechts: Das Gericht sei nicht vorschriftsmaBig besetzt gewesen, da S wahrend der Hauptverhandlung eingeschlafen sei. Zu einer Wiederholung der Vemehmung des K sei es ausweislich des Vemehmungsprotokolls nicht gekommen. Weiterhin rligt V die Akteneinsicht der S. Das Urteil sei zudem aufzuheben, weil die Aussage des Z nicht durch Vemehmung des R in die Hauptverhandlung hatte eingefuhrt werden diirfen. Hat die Revision Aussicht auf Erfolg? Lehrbuch: Rn. 894 ff.; 910; 638; 803; 669.
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Losung Die Revision des K hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulassig und begriindet ist.
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/. Zuldssigkeit 1. Statthaftigkeit Gem. § 335 StPO konnen Urteile des Amtsgerichts statt mit der Berufung mit der (Sprung-)Revision angefochten werden, die Revision gegen das Urteil des Schoffengerichts ist also statthaft.
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2. Form und Frist Weitere Zulassigkeitsvoraussetzung ist die form- und fristgerechte Einlegung der Revision gem. § 341 StPO. Vorliegend hat der Revident diesen Erfordemissen gentigt, indem er die Revision schriftlich binnen der Wochenfrist nach Verkiindung des Urteils am 17. Mai eingelegt hat. Daruber hinaus muss die Revision binnen eines Monats nach Ablauf der Einlegungsfrist begriindet werden, die Monatsfrist beginnt jedoch friihestens mit Zustellung des voUstandigen Urteils (§ 345 I StPO). Hier wurde die Begrundungsfrist also erst durch die Urteilszustellung am 15. Juni 2005 in Lauf gesetzt, die Begriindungsschrift vom 30. Juni 2005 ist folglich fristgerecht angebracht worden. Die Begriindungsschrift entspricht weiterhin dem Formerfordemis des § 345 II StPO, wonach der Angeklagte diese nur durch Anwaltsschrift oder zu ProtokoU der Geschaftsstelle abgeben darf.
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5. Beschwer Zulassigkeitsvoraussetzung fur jedes Rechtsmittel ist das Vorliegen einer Beschwer. Der Angeklagte ist immer dann beschwert, wenn die gerichtliche Entscheidung zu seinem Nachteil ergangen ist. K ist verurteilt worden, also beschwert.
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4. Rechtsmittelberechtigung K ist als Angeklagter gem. § 296 StPO rechtsmittelberechtigt.
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//. Begriindetheit Die Revision ist begriindet, wenn das Revisionsgericht eine Verletzung des formellen oder materiellen Strafrechts feststellt und das Urteil auf diesem VerstoB beruht (§ 337 StPO). § 338 StPO enthalt einen Katalog von VerfahrensverstoBen, die zwingend zu einer Aufhebung des Urteils fiihren. Bei diesen sogenannten absoluten Revisionsgriinden wird das Beruhen des Urteils auf dem VerfahrensverstoB unwiderleglich vermutet. K riigt die Verletzung formellen Rechts.
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1. Fehlerhafte Gerichtsbesetzung 654
Ein VerstoB gegen formelles Recht konnte darin liegen, dass S wahrend der Hauptverhandlung eingeschlafen war.
a) Verletzung des § 338 Nr. 1 StPO 655
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Gem. § 338 Nr. 1 StPO stellt die vorschriflswidrige Besetzimg des Gerichts einen absoluten Revisionsgrund dar. Die Rugepraklusion des § 222a StPO gilt nicht, da hier ein Urteil des Amtsgerichts angefochten wird. Die Vorschrift sichert das Recht auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 GG, welches bereits durch Mangel in der Person eines Richters oder Schoffen verletzt sein kann. Ein solcher Mangel liegt unter anderem dann vor, wenn ein Richter iiber einen erheblichen Zeitraum derart unaufmerksam ist, dass er einen wesentlichen Teil der Verhandlung nicht wahmimmt und so seine Fahigkeit beeintrachtigt, die Verhandlung in alien wichtigen Teilen zuverlassig in sich aufzunehmen und richtig zu wurdigen. Die Einlassung des Angeklagten zur Sache ist ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, dem der Richter seine Aufmerksamkeit widmen muss, um den Sachverhalt zutreffend wurdigen zu konnen. Somit ist hier ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung betroffen. Eine kurze Unaufmerksamkeit und sogar ein kurzes Einnicken vermag jedoch noch keinen Mangel in der Person des Richters zu begrunden. S war jedoch so fest eingeschlafen, dass sie einen Teil der Einlassung des K versaumt hat. Sie war somit tiber einen erheblichen Zeitraum nicht in der Lage, die Hauptverhandlung in alien wichtigen Teilen in sich aufzunehmen. In der Person der S ist folghch ein Mangel im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO gegeben. Gem. § 226 StPO hat die Hauptverhandlung in ununterbrochener Gegenwart aller Personen zu erfolgen, die zur Urteilsfindung berufen sind. Der Schoffe gehort zu diesem Personenkreis. Als abwesend ist hierbei auch derjenige anzusehen, der durch Schlaf oder vollig Unaufinerksamkeit zumindest geistig abwesend ist. Die Abwesenheit einer Person, deren Anwesenheit in der Hauptverhandlung das Gesetz vorschreibt, stellt einen absoluten Revisionsgrund dar (§338 Nr. 5 StPO). Soweit jedoch ein Richter bzw. Schoffe wahrend der Hauptverhandlung abwesend ist, stellt dies regelmaBig auch eine vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO dar. Insoweit ist die Regelung des § 338 Nr. 1 StPO lex specialis.
b) Heilung der Verfahrensverletzung 662 663
Fraglich ist jedoch, ob dieser VerfahrensverstoB durch die Wiederholung der Vernehmung des K unbeachtlich wurde. Der Tatrichter ist nicht nur berechtigt, sondem verpflichtet, VerfahrensverstoBe zu heilen. Dies kann durch Wiederholung des fehlerhaften Verfahrensvorgangs in einwandfreier Form vor der Urteilsverkundung erfolgen. Tatsachlich ist der fehlerhafte Vorgang durch die emeute Vemehmung des K in einwandfreier Form
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wiederholt worden. Der Heilimg konnte jedoch die negative Beweiskraft des ProtokoUs entgegenstehen, da die Wiederholung nicht in das HauptverhandlungsprotokoU aufgenommen worden ist. Gem. § 273 I StPO muss das ProtokoU den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im Wesentlichen wiedergeben und die Beobachtung aller Formlichkeiten, die fur die GesetzmaBigkeit des Verfahrensgangs von Bedeutung sind, ersichtlich machen. Die Wiederholung eines wesentlichen Verfahrensteils zur Heilung eines VerfahrensverstoBes stellt eine solche Formlichkeit dar. Der ProtokoUierung kommt gem. § 274 StPO grundlegende Bedeutung zu, da die Beobachtung der vorgeschriebenen Formlichkeiten (in der Revisionsinstanz) nur durch das ProtokoU bewiesen werden kann. Gegen den Inhalt des ProtokoUs lasst sich nicht der Nachweis der Unrichtigkeit fuhren. Ob die Formlichkeit in Wirklichkeit beachtet worden ist, ist somit unerheblich. Soweit der Revident also die Nichtbeachtung einer vorgeschriebenen Formlichkeit rugt und diese im ProtokoU nicht vermerkt ist, gilt der VerstoB als bewiesen. Grundsatzlich besteht zwar die Moglichkeit, das ProtokoU nachtraglich zu berichtigen, wenn die in § 271 StPO vorgesehenen Urkundspersonen die gesondert anzufugende Berichtigungserklarung gemeinsam unterzeichnen. Eine ProtokoUberichtigung ist jedoch nicht mehr zulassig, wenn die Revisionsbegriindung bereits bei Gericht eingegangen ist. Der bereits begriindeten Revision darf nicht nachtraglich durch die ProtokoUberichtigung der Boden entzogen werden. Dies wird unter anderem mit dem Umstand begriindet, dass die Erinnerung der Urkundspersonen mittlerweile nachgelassen haben kann und die Gefahr besteht, dass sich unbewusst und ungewoUt die Annahme einstellt, der geriigte VerfahrensverstoB sei, weil in so vielen anderen Verhandlung nicht unterlaufen, auch dieses Mai nicht begangen worden. Folglich ist der Verfahrensmangel ausweislich des ProtokoUs nicht geheilt worden und damit der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO gegeben. Die Rtige ist somit erfolgreich.
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2. Aktenkenntnis der Laienrichter Die von K geriigte Einsichtnahme der Ermittlungsakten durch S konnte einen VerstoB gegen Verfahrensrecht darstellen.
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a) Besorgnis der Befangenheit Soweit die Kenntnis der Ermittlungsakte in der Person der S die Besorgnis der Befangenheit auslosen konnte, ist festzustellen, dass mangels unverziiglicher Ablehnung der S gem. §§ 24, 31 StPO das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 3 StPO ausgeschlossen ist.
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b) Verletzung des § 261 StPO 670
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Jedoch konnte die Einsichtnahme des wesentHchen Ergebnisses der Ermittlungen durch die S einen VerstoB gegen § 261 StPO imd somit gegen die Grundsatze der Unmittelbarkeit und Miindlichkeit darstellen. Gem. § 261 StPO miissen die fiir das Urteil maBgeblichen Feststellungen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen werden. Nach dem Grundsatz der Mundlichkeit darf nur der in der Hauptverhandlung mundlich vorgetragene und erorterte Prozessstoff dem Urteil zugrunde gelegt werden. Nur der in diesem Sinne mundlich eingefuhrte Prozessstoff wird damit zum Inbegriff der Verhandlung. Eine Verletzung dieser Grundsatze kommt somit grundsatzlich dann in Betracht, wenn eine der zur Urteilsfmdung berufenen Personen ihre Uberzeugungsbildung auf Tatsachen stutzt, die nicht von ihr selbst in der Hauptverhandlung festgestellt worden sind. Hier konnte die S ihre Uberzeugungsbildung nicht allein aus der Hauptverhandlung, sondem auch aus dem Inhalt der Anklageschrift gewonnen haben, indem sie sich durch die im Ermittlungsergebnis niedergelegte Beurteilung hat beeinflussen lassen. Wahrend eine solche Gefahr der Beeinflussung durch Kenntnis der Ermittlungsakten bei Berufsrichtem, die zwangslaufig zur Vorbereitung der Hauptverhandlung die Ermittlungsakten studieren miissen, allgemein abgelehnt wird, gait dies nach friiherer Rechtsprechung fur den Laienrichter jedoch nicht. Diese unterschiedliche Behandlung von Berufs- und Laienrichtem wurde mit dem Argument begriindet, dass der Berufsrichter im Gegensatz zum Schoffen durch seine juristische Ausbildung zu unbeirrter Objektivitat fahig sei. Diese Ungleichbehandlung von Berufs- und Laienrichtem, die keine Stiitze im Gesetz fmdet, ist nach der neueren Rechtsprechung jedoch nur in besonderen Ausnahmefallen zulassig. Allein der Umstand, dass Laienrichter bei Beginn der Beweisaufnahme regelmaBig keine Kenntnis vom Akteninhalt haben, rechtfertigt die friiher vertretene Sichtweise nicht. Nach § 30 I GVG uben die Schoffen ihr Richteramt grundsatzlich im gleichen Umfang und in gleicher Verantwortung wie die Berufsrichter aus. Dieser gesetzlich gebotenen Gleichstellung widerspricht es, den Laienrichter von jeglicher unmittelbarer Kenntnisnahme der Akten auszuschlieBen. Der Schoffe konnte durch diese Verfahrensweise zum bloBen „Statisten" der Hauptverhandlung degradiert werden. Im Ubrigen sind Schoffen auch sonstigen Einflussnahmen, wie z. B. wertende Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten Oder tendenziose Berichterstattung in den Medien, ausgesetzt, von denen sie sich bei ihrer Uberzeugungsbildung ebenfalls freimachen mussen. Zudem wird erwartet, dass der Schoffe nach erfolgter Beweiserhebung bei nachtraglichem Zutagetreten eines Beweisverwertungsverbots die betroffenen Feststellungen aus seiner Urteilsfmdung ausschlieBt. Eine entsprechende Kritikfahigkeit ist dem Schoffen dann folgerichtig auch gegenuber dem Akteninhalt zuzubilligen. Fur dieses Ergebnis spricht weiterhin, dass der Gesetzgeber durch das erweiterte Selbstleseverfahren nach § 249 II StPO die Kenntnisnahme von Urkunden nicht nur gestattet, sondem sogar ausdriicklich vorschreibt.
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AUein die Tatsache, dass S vor der Urteilsfallung das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zur Kenntnis genommen hat, stellt mithin noch keinen revisiblen VerstoB gegen das Verfahrensrecht dar. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass S einen Teil der Einlassung des K in der Hauptverhandlung nicht zur Kenntnis genommen hat (s. o.). Deshalb konnte S ihre Uberzeugungsbildung mangels Kenntnisnahme gar nicht auf den Inbegriff der Hauptverhandlung stiitzen. Es besteht also eine groBe Wahrscheinlichkeit der Beeinflussung der S durch den Akteninhalt. Da zumindest nicht auszuschlieBen ist, dass das Urteil auf diesem VerstoB gegen die Grundsatze der Unmittelbarkeit und Mundlichkeit beruht, ist auch diese Riige des K erfolgreich.
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3. Vemehmung des R a) Verletzung des § 250 StPO Die Aussage des Z vor dem Zivilgericht wurde durch die Vemehmung der Verhorsperson, namlich des R, in die Hauptverhandlung eingefiihrt. R ist also hinsichtlich der von Z geschilderten Vemntreuung Zeuge vom Horensagen. Fraglich ist, ob dieser Vemehmung § 250 StPO entgegensteht, welcher bestimmt, dass dann, wenn der Beweis einer Tatsache auf der Wahmehmung einer Person bemht, diese Person zu vemehmen ist, und seine Vemehmung nicht durch die Verlesung eines ProtokoUs uber seine fmhere Vemehmung ersetzt werden darf. Die Vemehmung eines Zeugen vom Horensagen stellt jedoch grundsatzlich keinen VerstoB gegen das Unmittelbarkeitsprinzip im Sinne des § 250 StPO dar, da die Vorschrift lediglich die Ersetzung des Personalbeweises durch einen Urkundenbeweis, nicht jedoch durch anderen Personalbeweis verbietet. § 250 StPO steht der Vemehmung des R also nicht entgegen.
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b) Unzulassige Umgehung des Verlesungsverbotes des § 252 StPO Die von K geriigte Vemehmung des Zivilrichters Z konnte jedoch einen VerstoB gegen § 252 StPO darstellen, der dem Wortlaut nach ein Verlesungsverbot fur Aussagen von Zeugen begriindet, die erst in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigemngsrecht Gebrauch machen. Gem. § 52 I Nr. 3 StPO gehort Z als Sohn des K zum Kreis der zeugnisverweigemngsberechtigten Personen. Folglich durfte das ProtokoU seiner vor dem Zivilgericht getatigten Aussage gem. § 252 StPO nicht im Wege der Verlesung in die Hauptverhandlung eingefiihrt werden. Eine ProtokoUverlesung im Sinne des § 252 StPO hat hier zwar nicht stattgefiinden. Der Einfiihrung der Aussage des Z in die Hauptverhandlung durch Vemehmung des R konnte § 252 StPO jedoch gleichwohl entgegenstehen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist zwar nur die Verlesung des VemehmungsprotokoUs unzulassig. Ware jedoch die Vemehmung desjenigen, vor dem die unverlesbare Aussage gemacht wurde, gestattet, so konnte § 252 StPO haufig umgangen werden. Es erscheint fi-aglich, ob dies dem Sinn und Zweck des Zeugnisverweigerungsrechts und dem daran ankniipfenden Verlesungsverbot entspricht. § 52 StPO tragt der Zwangslage des Zeugen Rechnung, der einerseits zur
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Wahrheit verpflichtet ist, andererseits aber befurchten muss, einem Angehorigen durch seine Aussage zu schaden. Hinter diese Konfliktsituation hat das Interesse an einer effektiven Strafverfolgimg zuriickzutreten. § 252 StPO erganzt somit die §§ 52 ff. StPO. Strittig ist jedoch, ob der Vorschrift ein umfassendes Beweiserhebungsverbot zu entnehmen ist. Teilweise wird vertreten, dass die friihere Aussage nach der Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht mehr zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden diirfe, auch nicht uber den „Umweg" der Vemehmung des Zeugen vom Horensagen. Demnach hatte R nicht vemommen werden durfen. Die Rechtsprechung hingegen unterscheidet zwischen richterlichen und nichtrichterlichen „Verhorspersonen". Die schutzwUrdigen Belange des weigerungsberechtigten Zeugen mussten dem Grundsatz der umfassenden Wahrheitserforschung nur dann weichen, wenn es sich um eine Aussage handele, die der Zeuge bei einer richterlichen Vemehmung nach Belehrung uber sein Zeugnisverweigemngsrecht gemacht habe. In diesem Fall bestehe kein Anlass, den Zeugen vor Folgen zu bewahren, die ihm das Gesetz zwar durch Zubilligung des Zeugnisverweigerungsrechts ersparen will, die er aber durch freiwillige EntschlieBung in Kenntnis der Tragweite seines Verhaltens und im Bewusstsein seiner Bedeutung auf sich genommen habe. Das Gesetz bringe zudem der richterlichen Vemehmung grundsatzlich ein hoheres Vertrauen entgegen (arg. § 254 StPO). Weiterhin habe ein Richter im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eine neutralere RoUe inne als die Strafverfolgungsbehorden. Dabei sei es unbeachtlich, ob der Zeuge die Aussage in dem anhangigen oder einem friiheren Strafverfahren oder in einem anderen Verfahren gemacht hat. Ob es zutreffend ist, allein aus der Zulassigkeit der Verlesung eines richterlichen Gestandnisses (§ 254 StPO) den Riickschluss zu ziehen, dass der richterlichen Vemehmung ein hoheres Vertrauen entgegenzubringen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Gegen die Unterscheidung zwischen nicht-richterlichen und richterlichen Vemehmungen spricht namlich schon, dass diese nach der Einfiihmng der Belehmngspfiicht iiber das Zeugnisverweigemngsrecht fiir Vemehmungen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft gem. §§ 163aV, 161aI2 StPO unhaltbar geworden ist. Da der Zeuge auch vor den Strafverfolgungsbehorden seine Aussage in Kenntnis seines Zeugnisverweigemngsrechts macht, erscheint es nicht plausibel, hinsichtlich der Verwertbarkeit einer solchen Aussage zwischen richterlichen und nicht-richterlichen Vemehmungen zu unterscheiden. Weiterhin sind die Strafverfolgungsbehorden per Gesetz zur Objektivitat und damit zur Neutralitat verpflichtet, sodass der Richter keine neutralere Rolle im Strafverfahren innehat. § 252 StPO will dem Zeugen die Entscheidung dariiber belassen, ob er seinen Angehorigen belastet oder nicht. Es erscheint daher einzig folgerichtig, insoweit jede Verwertung fruherer Aussagen als unzulassig anzusehen, da nur so die Umgehung des § 252 StPO ausgeschlossen werden kann. Demnach entfaltet § 252 StPO ein umfassendes Beweiserhebungsverbot, die Aussage des Z vor dem Zivilgericht hatte nicht durch die Vemehmung des R in die Hauptverhandlung eingefuhrt werden durfen.
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Fraglich ist weiterhin, ob aus dem festgestellten Beweiserhebungsverbot ein Beweisverwertungsverbot folgt. Ob diese Feststellung im Wege der Abwagung zwischen den geschtitzten Interessen des Beschuldigten und dem Strafverfolgimgsinteresse des Staates im Einzelfall oder vermittels der von der Rechtsprechung vertretenen Rechtskreistheorie zu erfolgen hat, kann dahingestellt bleiben, da beide Theorien hier zu einer Unverwertbarkeit der Aussage des R gelangen. Die unterlassene Belehrung des Zeugen uber sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO fiihrt nach einhelliger Auffassung zu einer Unverwertbarkeit der Aussage. Wie oben bereits festgestellt wurde, erganzt § 252 StPO die §§52 ff. StPO, folglich muss auch der VerstoB gegen § 252 StPO zu einem Beweisverwertungsverbot fuhren, um diese Erganzungsfunktion gewahrleisten zu konnen. Da zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf der somit gem. § 252 StPO unzulassigen Verwertung der Aussage beruht, ist auch diese Riige des K erfolgreich.
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///. Ergebnis Die Revision ist mithin auch begrundet. Daher wird das Revisionsgericht das Urteil des Schoffengerichts mit den getroffenen Feststellungen aufheben und die Sache zur emeuten Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zuriickverweisen.
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Hinweise zur Losung: Die Priifung der Zulassigkeit der Revision birgt keine besonderen Schwierigkeiten, die Voraussetzungen ergeben sich aus dem Gesetzestext. Die Frage, ob ein schlafender Schoffe die Gerichtsbesetzung fehlerhaft macht und damit den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO begrundet (BGHSt 14, 15), stellt ein beliebtes Klausurthema dar, dessen Behandlung bekannt sein sollte. Insbesondere soUte bei der Bearbeitung herausgestellt werden, dass bereits Mangel in der Person eines Richters oder Schoffen die Besetzung des Gerichtes beeintrachtigen konnen, wobei im vorhegenden Fall zu der insoweit unschadlichen kurzen Unaufmerksamkeit des Richters bzw. Schoffen (BGHSt 11, 74) abgegrenzt werden muss. Die negative Beweiskraft des HauptverhandlungsprotokoUs i.S.d. § 274 StPO stellt ein weiteres Standardproblem des Revisionsrechts dar. Nur das SitzungsprotokoU kann im Revisionsverfahren Beweis iiber die Beachtung bzw. Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften erbringen {Meyer-Gofine/^, § 274 Rn. 14). Die Kenntnis des Umfangs und der Auswirkung der Beweiskraft ist deshalb erforderlich. Zu den wesentlichen Formlichkeiten, die gem. § 274 StPO nur durch das HauptverhandlungsprotokoU bewiesen werden konnen, gehort auch die Wiederholung eines Teils der Beweisaufnahme zur Heilung eines Verfahrensmangels (OLG K6ln,NStZ 1987, 244). Bei der Untersuchung der Frage, ob die Aktenkenntnis des Schoffen einen VerstoB gegen die Grundsatze der Unmittelbarkeit und Miindlichkeit darstellt, ist zu
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der fruher von der Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Behandlung von Berufs- und Laienrichtem (BGHSt 13, 73) Stellung zu nehmen. Es sollte bekannt sein, dass die Rechtsprechung ihre Auffassung inzwischen revidiert hat und nur noch in Ausnahmefallen Unterschiede macht (BOH, NStZ 1987, 181; BGHSt 43, 36). Letztlich ist zu der Frage Stellung zu nehmen, ob § 252 StPO ein umfassendes Beweisverbot begrundet (zum Streitstand siehe z.B. Geppert, Jura 1988, 308; Roxir^^, § 44, Rn. 21). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Frage der Zulassigkeit der von der Rechtsprechung vertretenen Differenzierung zwischen richterlichen und nicht-richterUchen Verhorspersonen (BGHSt 2, 99; BGHSt 21, 218; BGHSt 45, 342; BGHSt 46, 189). Der Sachverhalt ist an die Entscheidung BGH, NJW 1962, 1875 angelehnt. Mit der h.M. kann der Bearbeiter durchaus auch eine Verwertbarkeit der Aussage des R bejahen.
Klausur Nr. 13*
Der nachtragende Arbeitnehmer Revision - fehlerhafte Gerichtsbesetzung - fehlerhafte Beweiswiirdigung - Hauptverhandlung in Abwesenheit des Wahlverteidigers Sachriige - Revisionserstreckung auf Mitangeklagte Werner Anders (A) wurde vom Richter am Amtsgericht Potsdam Dr. Vennhoff (V) am 4. April 2005 wegen Korperverletzung (§ 223 I StGB) in Tateinheit mit tatlicher Beleidigung (§ 185 StGB) und Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessatzen a 35 € verurteilt. Gegen den Mitangeklagten Bernhard Bolt (B) verhangte V wegen Beihilfe zur Korperverletzung und tatlichen Beleidigung (§§ 223 I, 185, 27 StGB) in Tateinheit mit Hausfriedensbruch eine Geldstrafe von 30 Tagessatzen a 30 €. In den Urteilsgrunden stellte das Gericht fest, dass sich A und B in das Biiro des Horst Carl (C), des fruheren Arbeitgebers des A, begeben hatten, um ihn wegen der fristlosen Kundigung des A zur Rede zu stellen. Als C sich weigerte, dazu Stellung zu nehmen, und A und B des Raumes verwies, spuckte A dem C in das Gesicht, wodurch dieser ein starkes Ekelgefiihl empfand. B billigte das Vorgehen seines Freundes A. Am 6. April 2005 legte Wahlverteidiger Rudolf (R) far seinen Mandanten A Revision ein. Die Zustellung des Urteils erfolgte am 14. April 2005. Am 9. Mai 2005 begrundete R die Revision. Er rugte die Verletzung formellen und materiellen Rechts und trug zur Begrundung Folgendes vor: Nach dem Geschaftsverteilungsplan des Amtsgerichts Potsdam war V nur bis zum 31. Marz 2005 Strafrichter. Seit dem 1. April 2005 ist er Zivilrichter. Der Beginn der Hauptverhandlung fand in Abwesenheit des R statt. Auf dem Weg in die Hauptverhandlung geriet dieser in einen Verkehrsstau und rief bei Gericht an, dass er ungefahr eine viertel Stunde spater komme. Dies teilte V dem A mit, der daraufhin erklarte, auf R warten zu woUen. Dennoch erof&iete V piinktlich die Hauptverhandlung, weil er der Meinung war, dass die Anwesenheit des R nicht erforderlich sei. Etwa 15 Minuten nach Verhandlungsbeginn erreichte R den Sitzungssaal. Zu diesem Zeitpunkt war die Vemehmung des A zur Sache bereits abgeschlossen. Die Feststellungen im Urteil, A habe C in das Gesicht gespuckt, sei unrichtig. Das Gericht habe den Grundsatz der freien Beweiswtxrdigung (§ 261 StPO) verletzt. Entgegen der uneidlichen Aussage des C, der behauptet hatte, A habe ihn angespuckt, konnte die eidlich vemommene Sekretarin des C Gundula Dorffler (D) nur bekunden, dass sie durch die halb geoffnete Ttir eine „Rangelei" zwischen A und C wahrgenommen habe. Diese Darstellung entspreche den Einlassungen von A und B.
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R machte zudem geltend, das Gericht habe § 223 StGB nicht anwenden diirfen, weil das Anspucken eines Menschen nicht den Tatbestand der Korperverletzung erfulle. 1. Hat die Revision Aussicht auf Erfolg? 2. Wiirde es sich auf die Verurteilung des B auswirken, wenn das Revisionsgericht zu dem Ergebnis kame, dass § 223 I StGB nicht vorhegt? B hat kein Rechtsmittel gegen das Urteil des V eingelegt. Lehrbuch: Rn. 9; 799-801; 898-904; 907-910; 916-920; 932-934.
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Losung Frage 1: Erfolgsaussichten der Revision des A Die Revision des A ist erfolgreich, wenn sie zulassig und begrundet ist.
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/. Zuldssigkeit L Statthaftigkeit der Revision Da gegen das Urteil des V gem. § 312 StPO die Berufling zulassig ware, ist die Statthaftigkeit der Sprungrevision des A nach § 335 StPO gegeben.
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2. Form und Fristen Da A die Revision gegen das Urteil vom 4. April 2005 durch seinen Verteidiger R bei dem Amtsgericht Potsdam am 6. April 2005 einlegte, sind die Voraussetzungen des § 3411 StPO unproblematisch erfiillt. Die Revision begriindete R am 9. Mai 2005, sodass er auch die Monatsfrist des § 345 I 2 StPO einhielt. Nach § 345 II StPO muss die Begrundung in einer von einem Verteidiger unterzeichneten Schrift oder zu ProtokoU der Geschaftsstelle erfolgen. Das ist hier geschehen. Gem. § 344 II StPO muss aus der Revisionsbegrixndung hervorgehen, ob das Urteil wegen der Verletzung formellen oder materiellen Rechts angefochten wird. Wird die Verletzung formellen Rechts geltend gemacht, muss in der Begriindungsschrift gem. § 344 II 2 StPO weiterhin die Angabe der Tatsachen erfolgen, die den Mangel enthalten. Diesen Erfordemissen geniigt die Revisionsbegnindung des V, da er ausdrucklich die Verletzung formellen und materiellen Rechts riigte und die Tatsachen beziiglich des Geschaftsverteilungsplans, seiner Verspatung und der Beweiswurdigung angab. A hat die Revision damit form- und fristgerecht eingelegt.
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3. Beschwer des RechtsmittelfUhrers A ist durch seine Verurteilung zu einer Geldstrafe beschwert, sodass ein RechtsschutzbedurJ&iis vorliegt.
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4. Rechtsmittelberechtigung des A A stand gem. § 296 I StPO das Rechtsmittel der Revision zu.
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5. Ergebnis Die Revision des A ist zulassig.
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//. Begriindetheit Die Revision ist gemaB § 337 StPO begrundet, wenn das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht. A erhebt mehrere Verfahrensrugen, mit denen er die Verlet-
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zimg formellen Rechts geltend macht, und die Sachmge, die sich auf die Verletzung materiellen Rechts stutzt.
1. Verfahrensriigen a) Die Teilnahme des V an der Verhandlung 705
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In Betracht kommt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO, sofem das erkennende Gericht wegen der Teilnahme des V an der Hauptverhandlung nicht vorschriftsmaBig besetzt war. § 338 Nr. 1 StPO sichert das Recht auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 10112 GG verfahrensrechtlich ab. Die Mitwirkung des V an der Hauptverhandlung entsprach nicht dem Geschaftsverteilungsplan des Amtsgerichts. Erfolgreich gerugt werden kann eine fehlerhafte Besetzung aber nur dann, wenn sie objektiv willkiirlich ist. Bejaht wird das bei einer unvertretbaren Gesetzesanwendung, nicht dagegen bei einem bloBen Verfahrensirrtum. Deshalb fuhrt die Nichteinhaltung des Geschaftsverteilungsplans, der keine Rechtsnorm, sondem ein Organisationsakt ist, nur dann zur Annahme vorschriftswidriger Gerichtsbesetzung, wenn der Geschaftsverteilungsplan als solcher unrechtmaBig ist Oder von ihm in missbrauchlicher Weise abgewichen wird. Insbesondere bei offensichtlicher oder grob fehlerhafter Abweichung kann das der Fall sein. Da V nach dem Geschaftsverteilungsplan die Strafgerichtsbarkeit voUstandig verlassen hat, war klar, dass er keinerlei Zustandigkeiten im Bereich der Strafgerichtsbarkeit mehr besaB. Eine offensichtliche und grob fehlerhafte Abweichung vom Geschaftsverteilungsplan ist daher zu bejahen. Das erkennende Gericht war somit nicht vorschriftsmaBig besetzt, sodass die Voraussetzungen des § 338 Nr. 1 StPO erftillt sind. Der Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung ist hier auch nicht nach § 222b StPO ausgeschlossen, denn die Rtigepraklusion nach § 222b StPO fmdet auf Verfahren vor den Amtsgerichten keine Anwendung, wie sich aus § 222a StPO ergibt. Die Besetzungsriige des A ist somit erfolgreich.
b) Die Eroffnung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des R aa) § 338 Nr. 5 StPO 701
Die Tatsache, dass V die Verhandlung eroffnete, ohne das Eintreffen des R abzuwarten, konnte den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO erfiillen. Dann miisste die Hauptverhandlung in Abwesenheit einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgeftinden haben. Die Abwesenheit des Wahlverteidigers stellt aber nur dann einen Aufliebungsgrund dar, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO vorliegt. Eine notwendige Verteidigung nach MaBgabe des § 140 I StPO war nicht gegeben, jedoch kam moglicherweise eine hier unterbliebene - Bestellung nach § 140 II StPO in Betracht, sofem die Mitwirkung eines Verteidigers wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erschien oder sich A ersichtlich nicht selbst verteidigen konnte. Da die dem A vorgeworfenen Delikte, Korperverletzung, Beleidigung und Hausfriedensbmch, eher Bagatellstraftaten darstellen, handelt es
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sich nicht um eine schwerwiegende Tat. Wegen des uberschaubaren Lebenssachverhalts und der Einschlagigkeit relativ improblematischer Tatbestande liegt zudem kein sachlich oder rechtlich schwierig gelagerter Fall vor. Anhaltspunkte, dass A sich nicht selbst verteidigen konnte, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Fall notwendiger Verteidigung, bei der das Gesetz in § 145 StPO die Anwesenheit in der Hauptverhandlung vorschreibt, war daher nicht gegeben. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO ist nicht erfuUt.
bb) § 338 Nr. 8 StPO In Betracht kommt aber der Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO. Dann miisste die Verteidigung in einem fur die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluss des Gerichts unzulassig beschrankt worden sein. Die Beschrankung muss durch einen in der Hauptverhandlung ergangenen Gerichtsbeschluss erfolgen. Dieser liegt in der Entscheidung des V, mit der Verhandlung in Abwesenheit des R fortzufahren. Da die Hauptverhandlung gem. § 243 I 1 StPO mit dem Aufruf der Sache beginnt, erging dieser Beschluss in der Hauptverhandlung. Fraglich ist aber, ob das Nichtabwarten des Eintreffens des R als unzulassige Beschrankung der Verteidigung zu werten ist. Gem. § 228 II StPO gibt die Verhinderung des Wahlverteidigers dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. Grundsatzlich ist es daher nicht zu beanstanden, wenn das Gericht trotz Kenntnis von der Wahlverteidigung in Abwesenheit des Verteidigers mit der Verhandlung beginnt. Dies gilt vor allem dann, wenn dem Gericht keine Hinderungsgriinde bekannt sind. § 228 II StPO fmdet jedoch keine Anwendung, wenn die Verhandlung ohne den Verteidiger mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens unvereinbar ware. Aus dem Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren erwachst eine prozessuale Fiirsorgepflicht des Gerichts mit dem Inhalt, bei bloBer Verspatung des Verteidigers eine angemessene Zeit zu warten. Bei der Frage, ob und wie lange auf das Eintreffen des Verteidigers gewartet werden muss, sind die Ziele der Durchfiihrbarkeit und Beschleunigung des Strafverfahrens mit dem Interesse des Angeklagten am Beistand des von ihm gewahlten Verteidigers abzuwagen. Abwagungskriterien sind die Bedeutung der Sache, die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, der Stand des Verfahrens, der Anlass und die voraussichtliche Dauer der Verhinderung sowie die Fahigkeit des Angeklagten, sich selbst zu verteidigen. Bei dem Vorwurf strafbarer Handlungen kann im Gegensatz zum Vorwurf von Ordnungswidrigkeiten grundsatzlich von einer bedeutsamen Sache ausgegangen werden. Zu berucksichtigen ist zudem, dass A gleich mehrere Straftaten angelastet wurden. Auch die Beurteilung, ob der Tatbestand der Korperverletzung erflillt ist, barg einige Schwierigkeiten. Fiir die Pflicht zur Einhaltung einer Wartezeit sprach auch, dass R seine Verspatung noch vor Beginn der Hauptverhandlung mitteilte und es sich lediglich um eine sehr kurzzeitige und zudem unverschuldete Verspatung handelte. AuBerdem wurde die Verspatung erst kurzfristig bekannt und kam ftir A somit so iiberraschend, dass er sich nicht auf eine zumindest teilweise Verhandlung ohne seinen Verteidiger vorbereiten konnte. Demgegenuber waren die Ziele der Durchfiihrbarkeit und Beschleunigung des Strafverfahrens bei Einhaltung
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einer angemessenen Wartefrist nicht beeintrachtigt gewesen, da von R lediglich eine kurzfristige Terminsverschiebung beantragt wurde. Nach Abwagung der Interessen hatte V also mit der Fortfiihnmg der Hauptverhandlung warten miissen. RegelmaBig wird bei verspatetem Eintreffen des Wahlverteidigers eine Wartezeit von 15 Minuten fur angemessen gehalten, jedenfalls wenn die Verspatung angekiindigt ist. Bei Einhaltimg dieser Wartezeit ware die Verhandlung voUstandig in Anwesenheit des R durchgefuhrt worden. Unter den gegebenen Umstanden hat das Gericht den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt und gegen seine prozessuale Fiirsorgepflicht verstoBen, indem es das Eintreffen des R nicht abwartete. Die Grundsatze des fairen Verfahrens und der prozessualen Fiirsorgepflicht des Gerichts haben zwar keine gesetzliche Regelung erfahren, dennoch sind VerstoBe gegen diese Grundsatze als unzulassige Beschrankung der Verteidigung i.S.d. § 338 Nr. 8 StPO anzusehen, da die Vorschrift als Auffangtatbestand fur alle Falle unzulassiger Verteidigungsbeschrankungen gilt. Die unzulassige Beschrankung der Verteidigung muss allerdings einen fiir die Entscheidung wesentlichen Punkt betreffen. Hiermit ist das Beruhen des Urteils auf dem VerfahrensverstoB gemeint. Die Gesetzesverletzung muss ursachlich fiir den Inhalt des Urteils sein. Es geniigt die bloBe Moglichkeit, dass das Urteil ohne die Gesetzesverletzung anders ausgefallen ware. Zu den wesentlichen Teilen der Hauptverhandlung zahlen die Verlesung des Anklagesatzes sowie die Vemehmung des A uber seine personlichen Verhaltnisse und zur Sache. Diese waren bereits abgeschlossen, als R eintraf. Weil entsprechende Angaben eines Angeklagten gem. § 46 II StGB in die Strafzumessung einflieBen und somit eine wichtige Grundlage fiir die Urteilsfmdung darstellen konnen, handelt es sich um fur die Entscheidung wesentliche Punkte. Der Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO ist damit gegeben.
c) Wurdigung der Zeugenaussagen von C undD 712
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Bei der Ruge fehlerhafter Beweiswurdigung handelt es sich um die Geltendmachung eines relativen Revisionsgrundes im Sinne des § 337 StPO. Gem. § 261 StPO entscheidet das Gericht tiber das Ergebnis der Beweisaufiiahme nach seiner freien, aus dem Inbegrifif der Verhandlung gewonnenen Uberzeugung. Der Tatrichter muss eine subjektive personliche Gewissheit von den entscheidungsrelevanten Tatsachen erlangen. Seine Beweiswurdigung unterliegt der revisionsrechtlichen Uberprufimg nur insoweit, als sie auf rechtlichen Fehlem beruht. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswurdigung, wenn sie in sich widerspriichlich, liickenhaft oder unklar ist bzw. gegen allgemeingiiltige Denkgesetze und Erfahrungssatze verstoBt. Moglicherweise hatte V in Beachtung dieser Grundsatze der Aussage der D den Vorzug vor der des C geben mussen, weil D ihre Aussage beeidete. Eine solche Beweisregel existiert jedoch nicht. Zwar soil durch die Beeidigung einer Aussage ihr Wahrheitsgehalt gefordert werden. Demnach kann einer beeideten Zeugenaussage eine hohere Beweiskraft zukommen als einer unbeeideten. Das ist allerdings nicht zwingend. Vielmehr kann das Gericht einer unbeeideten Aussage ebenso glauben wie einer beeideten, wenn es von der Richtigkeit der unbeeideten
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Aussage iiberzeugt ist. Fiir das Gericht bestand keine Veranlassung fur die Annahme, dass C unglaubwlirdig war und A zu Unrecht belastete. Die Beweiswtirdigung des V ware allerdings fehlerhaft, wenn die Aussagen von C und D in sich widerspriichlich sind, das Gericht jedoch auch der Aussage der D Glauben schenken musste. Die von D wahrgenommene Rangelei zwischen A und C lasst sich aber mit der Aussage des C, der ein Anspucken in das Gesicht bekundet hat, vereinbaren. Die Tatsache, dass D das Anspucken nicht gesehen hat, bedeutet namlich nicht, dass ein solches nicht stattgefunden haben kann. Vielmehr ist zu beriicksichtigen, dass sich D wahrend des Vorfalls in einem Nebenzimmer befand und das Geschehen nur eingeschrankt beobachten konnte und somit auch das Anspucken moglicherweise nicht gesehen hat. Die von ihr bekundete Rangelei lasst die Aussage des C, A habe ihn angespuckt, sogar noch plausibler erscheinen, denn aus einer Rangelei heraus kann es typischerweise zu derartigen Handlungen kommen. Jedenfalls ist die Moglichkeit, dass A den C angespuckt hat, auch unter Beriicksichtigung der Aussage der D keinesfalls ausgeschlossen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass V seinem Urteil die uneidliche Aussage des C zugrunde gelegt hat und von einem Spucken des A in das Gesicht des C ausgegangen ist. Diese Wiirdigung halt sich im Rahmen der freien Beweiswtirdigung nach § 261 StPO. Ein Revisionsgrund im Sinne des § 337 StPO ist daher nicht gegeben.
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2. Sachriige Das Urteil konnte auf einer fehlerhaften Anwendung des § 223 I StGB beruhen. Problematisch ist namlich, ob das Spucken in das Gesicht den Tatbestand des § 223 I StGB erfiillt. Mangels Herbeifuhrung eines pathologischen Zustandes scheidet eine Gesundheitsschadigung ersichtlich aus, sodass allenfalls an eine korperliche Misshandlung zu denken ist. Hierunter versteht man eine tible unangemessene Behandlung, die das korperliche Wohlbefmden nicht nur unerheblich beeintrachtigt. Das Spucken in das Gesicht stellt eine uble und unangemessene Behandlung dar. Fraglich ist aber, ob auf Grund des eintretenden Ekelgefiihls das korperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeintrachtigt war. Zum Teil wird das bei Einwirkungen bejaht, die objektiv zwar als unerheblich erscheinen, aber von einer Gesinnung getragen sind, die den Vorgang als tible, unangemessene Behandlung charakterisieren. Demnach konnte das Anspucken das Merkmal der korperlichen Misshandlung erfuUen, weil A dadurch bewusst den Ehranspruch des C verletzen woUte. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass eine solche Auslegung das Merkmal der Unerheblichkeit umgeht und zudem die Grenzen zwischen Beleidigung und Korperverletzung verwischt. AuBerdem stellt das Ekelgefiihl lediglich ein korperliches Unbehagen dar, welches nur kurz andauerte und mit dem Abwischen des Speichels beendet war. Im Ubrigen fehlt es auch an einer korperlichen Einwirkung, da das Ekelgefuhl allenfalls eine seelische Beeintrachtigung darstellt. Eine erhebliche Beeintrachtigung des korperlichen Wohlbefindens ist daher abzulehnen, sodass eine korperliche Misshandlung ausscheidet. Im Ergebnis hat A den Tatbestand des § 223 I StGB nicht verwirklicht.
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Hat das Gericht materielles Recht fehlerhaft angewendet, ergibt sich das Beruhen in der Regel - so auch hier - ohne weiteres aus dem Mangel. Die Sachriige des A ist damit erfolgreich.
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Die Sprungrevision des A ist sowohl mit der Verfahrensruge als auch mit der Sachruge erfolgreich. Gem. § 354 II StPO erfolgt eine Aufhebung und Zuriickverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Potsdam.
Frage 2: Auswirkung auf die Verurteilung des B 720
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Ob sich die auf die fehlerhafte Anwendung des § 223 I StGB gestiitzte Revision des A auf die Verurteilung des B, der selbst keine Revision eingelegt hatte, auswirkt, ist nach § 357 StPO zu beurteilen. Danach erstreckt sich die erfolgreiche Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils auf B, wenn die Aufhebung des Urteils gegen A wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes erfolgt ist. Das Urteil gegen A ist wegen der fehlerhaften Anwendung des § 223 I StGB und damit wegen einer Verletzung des Strafgesetzes aufzuheben. Voraussetzung ist weiterhin, dass diese rechtlichen Erwagungen auch zur Aufhebung der Verurteilung desjenigen, der keine Revision eingelegt hat, gefuhrt hatten, falls er Revision eingelegt hatte. Der Nichtrevident muss grundsatzlich von ein und derselben Rechtsverletzung betroffen sein. B wurde u.a. wegen Beihilfe zu einer Korperverletzung (§§ 223 I, 27 StGB) verurteilt. Das Tatgericht hat aber bei der Verurteilung des A § 223 I StGB zu Unrecht angewendet. Mangels Haupttat hat sich B daher nicht nach §§ 223 I, 27 StGB strafbar gemacht, sondem nur nach §§185, 27 StGB in Tateinheit mit § 123 StGB. Das Urteil gegen B ware somit ebenfalls aufgehoben worden, falls er Revision eingelegt hatte. Die von A eingelegte und erfolgreiche Revision erstreckt sich daher gem. § 357 StPO auch auf B. Das Revisionsgericht wird das Urteil gegen B aufheben und die Sache zur emeuten Entscheidung an einen anderen Strafrichter (§§ 357, 354II StPO) des Amtsgerichts Potsdam zuruckverweisen.
Hinweise zur Losung: Im Rahmen der Frage 1 waren mehrere typische revisionsrechtliche Fragen zu erortem. Bei der Nichteinhaltung des Geschaftsverteilungsplanes handelt es sich um ein Standardproblem im Zusammenhang mit der Frage der vorschriftswidrigen Gerichtsbesetzung i.S.d. § 338 Nr. 1 StPO. Das Prinzip des gesetzlichen Richters genieBt nach Art. 10112 GG Verfassungsrang. Jedoch begriindet nur eine objektiv willklirliche Missachtung des Geschaftsverteilungsplans einen VerstoB gegen Art. 101 I 2 GG. Darunter fallen solche MaBnahmen, die auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen MaBstaben voUig entfemenden Erwagungen beruhen und unter keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheinen (BVerfGE 19, 38, 43; BGHSt 26, 206, 211; Meyer-Gofine/^, § 16 G\G Rn. 6). Dies gilt auch far Urteile der
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Amtsgerichte, da § 22d GVG die Revision nicht einschrankt {Hanack in LR^^, § 338 Rn. 23; Siolek in LR^^ § 22d GVG Rn. 1 und Rn. 6). Nicht leicht zu beantworten war die Frage, ob das Gericht bei angekundigter Verspatung des Wahlverteidigers eine angemessene Zeit warten muss, bevor es die Hauptverhandlung durchfuhrt. Ausgangspunkt der LFberlegungen ist die Anwendbarkeit des § 228 II StPO. In der Literatur ist anerkannt, dass die Verspatung von der in § 228 II StPO geregelten Verhinderung zu unterscheiden ist {MeyerGofine/\ § 228 Rn. 11; Tolksdorf'm KKStPO^ § 228 Rn. 10). Die oben genannten Abwagungskriterien, die bei der Entscheidung, ob auf einen verspateten Wahlverteidiger zu warten ist oder nicht, eine Rolle spielen, lassen sich in Literatur (vgl. Gollwitzer in LR^^ § 228, Rn. 22; Meyer-Gofine/\ § 228 Rn. 11; Tolksdorf in KKStPO^ § 228 Rn. 10) und Rechtsprechung (HansOLG Hamburg, MDR 1981, 165; BayObLG, NJW 1995, 3134; OLG Dusseldorf, StV 1995, 454 f.; OLG Hamm, NStZ-RR 1997, 179, 180) nachweisen. In der Regel wird eine Wartezeit von 15 Minuten fur angemessen gehalten (HansOLG Hamburg; OLG Dusseldorf; OLG Hamm; jeweils aaO; Meyer-GoJine/\ § 228 Rn. 11; Tolksdorf in KKStPO^ § 228 Rn. 10), die aber auch langer bemessen werden kann, z.B. wenn es sich um einen auswartigen Verteidiger handelt oder wenn das Gericht weiB, dass der Verteidiger bereits auf dem Weg ist (OLG Diisseldorf, aaO.). SchlieChch bleibt anzumerken, dass der in diesem Zusammenhang zu erortemde Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO zwar formal als absoluter Revisionsgrund ausgestaltet ist, in der Sache aber einen relativen Revisionsgrund darstellt, da das Merkmal „in einem fur die Entscheidung wesentlichen Punkt" dem Beruhen des Urteils auf dem VerfahrensverstoB entspricht (BGHSt 30, 131, 135; Meyer-Gofine/^, §338 Rn. 58; Kuckein in KKStPO^ § 338 Rn. 99; a.A. Hanack in LR^^ § 338 Rn. 125). Auch Fragen der Beweiswurdigung sind nicht nur in der Praxis haufig revisionsrelevant, sondem ebenso ein beliebtes Klausurthema. Ausgangspunkt der LFberlegungen ist immer §261 StPO. Der Tatrichter darf jedes Beweismittel frei wiirdigen und ist nicht an bestimmte Beweisregeln und sonstige Richtlinien gebunden (BGHSt 39, 291, 295; Schoreit in KKStPO^ § 261 Rn. 28; Pfeijfer\ § 261 Rn. 7). Willkiirlich darf er aber keinesfalls vorgehen. Beachten muss er gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrungssatze des taglichen Lebens und die Regeln der Logik (BGHSt 17, 382, 385; BGH, NStZ 1982, 478; Schoreit in KKStPO^ § 261 Rn. 45 ff.; Pfeijfer\ § 261 Rn. 13; Stuckenberg in KMR, § 261, Rn. 16 ff.). Der Richter muss eine personliche Gewissheit von den entscheidungserheblichen Tatsachen gewinnen. Die subjektive Uberzeugung muss jedoch auf einer tragfahigen Tatsachengrundlage und auf einer von einem Dritten nachvoUziehbaren Itickenlosen Argumentation beruhen (BGH, NStZ 1982, 478; Schoreit in KKStPO^ § 261, Rn. 45). AUerdings miissen die richterlichen Schlussfolgerungen nicht zwingend oder mit an Sicherheit grenzend wahrscheinlich sein, sondem es reicht grundsatzlich aus, wenn sie moglich sind und der Richter von ihrer Richtigkeit iiberzeugt ist. Im Zusammenhang mit der Sachriige war die Frage zu behandeln, ob das Anspucken eines Menschen, eine korperliche Misshandlung darstellt. Dies wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert. Problematisch ist, ob Beein-
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trachtigimgen des korperlichen Wohlbefmdens psychischer Art ausreichen konnen, die unterhalb der korperlichen Schmerzreaktion liegen (Joecks in MuKoStGB, § 223 Rn. 16). Das KG (GA 58, 184) und ein Teil der Literatur (Eser in Schonke/ Schroder^^, § 223, Rn. 4) nehmen die TatbestandsmaBigkeit des Anspuckens an, jedenfalls wenn neben der Erschiitterung des seelischen Gleichgewichts „zugleich eine Reizung der die sinnliche Eindrucke vermittelnden Empfindungsnerven des Zentralnervensystems eintritt" (Joecks in MuKoStGB, § 223 Rn. 16). Die Gegenansicht vemeint die TatbestandsmaBigkeit mit unterschiedlichen Begriindungen. Teilweise wird die Erheblichkeit der Beeintrachtigung abgelehnt (OLG Zweibrucken, NStZ 1990, 541), teilweise der erforderUche Korperhchkeitsbezug (Lilie in LK^\ § 223 Rn. 8; LsLcknQr/KiihF, § 223 Rn. 4; TiondlQ/Fische/^, § 223 Rn. 4). Zur Beantwortung der Frage 2 musste nur die Vorschrift des § 357 StPO aufgespurt werden. Die Antwort lieB sich dann durch einfache Gesetzesanwendung fmden.
Klausur Nr. 14*
Freiheitsstrafe per Strafbefehl? Voraussetzungen des Strafbefehls - Einspruchsverfahren - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Berufung - Revision Staatsanwalt Feldmann (F) beantragte bei dem Strafrichter Sondershausen (S) den Erlass eines Strafbefehls gegen Frank Osmers (O). Dem Antrag lagen die folgenden polizeilichen Ermittlungsergebnisse zugrunde: O stellte am 29. Januar 2005 gegen 2.15 Uhr fest, dass das Schloss an der Fahrertur seines Pkws aufgestochen worden war. Der Tater hatte anscheinend versucht, das Autoradio aus der Halterung zu reiBen, es aber nicht entwendet, weil er offenbar gestort worden war. O wusste, dass seine Teilkaskoversicherung den Schaden am Wagen nicht ersetzen wurde, wenn nichts gestohlen wurde, weil der Aufbruch als nicht versicherter Vandalismus gait. Gegenuber der herbeigerufenen Polizei behauptete O deshalb, der Tater habe eine wertvoUe Sonnenbrille und einige CDs entwendet, was die Beamten auch glaubten. Da O spater Gewissensbisse plagten, schickte er die bereits von ihm formulierte Diebstahlsanzeige nicht an seine Versicherung ab, sondem zerriss das Schreiben. Zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen O war es gekommen, weil O seinem ArbeitskoUegen Amdt (A) von dem Vorfall erzahlt und die Meinung vertreten hatte, die Versicherungsleistung sei nur recht und billig, weil er schlieBlich uber Jahre die Pramien „umsonst" entrichtet habe. A sah das anders und hatte O angezeigt. Auf Befragen hatte O das Geschehen zerknirscht eingeraumt. F hielt auf Grund dieses Sachverhaltes das Vortauschen einer Straftat in Tateinheit mit versuchtem Betrug zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft fur gegeben. Da O, der keinen Verteidiger hatte, mehrfach - auch einschlagig - vorbestraft ist, forderte F in seinem Strafbefehlsantrag die Verhangung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die fur zwei Jahre zur Bewahrung ausgesetzt werden soUte. 1. Wird S den Strafbefehl erlassen? S erlieB den beantragten Strafbefehl, der O am 16. Marz 2005 zugestellt wurde. O legte dagegen Einspruch ein, der bei dem Gericht am 29. Marz 2005 einging. S bestimmte daraufhin Termin zur mundlichen Hauptverhandlung am 24. Mai 2005 und verfiigte, O mit der vorgeschriebenen Belehrung zu laden. Die formliche Zustellung der Ladung erfolgte am 19. April 2005. Der Postbote Ralf Peters (P) traf den O an diesem Tage nicht in seiner Wohnung an. Der Briefkasten im Hausflur quoU von Zeitungen und Werbung iiber. P stellte die Ladung deshalb der im
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selben Hause wohnenden Nachbarin des O, Heike Kremers (K) zu, die er im Hausflur traf. K gab an, sich des Ofteren um die Post des O zu kummem, wenn dieser bei seiner Freundin iibemachtete, und versprach, das Schriftstiick zu iiberreichen. Die Postzustellungsurkunde ging mit einem entsprechenden Vermerk zu den Gerichtsakten zuruck. K vergaB, O die Ladung zu ubergeben, da sie am nachsten Tag in den Urlaub fuhr. O bheb infolgedessen in der Hauptverhandlung am 23. Mai 2005 aus. S verwarf daraufhin den Einspruch des O durch Urteil. 2. Durfte S den Einspruch des O verwerfen? 3. Welche prozessualen Moglichkeiten, die Verwerfiing des Einspruchs anzufechten, stehen O zur Verfugung?
§ 178 ZPO Ersatzzustellung in der Wohnung, in Geschaftsraumen und Einrichtungen (1) Wird die Person, der zugestellt werden soil, in ihrer Wohnung, in dem Geschaftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstiick zugestellt werden 1. in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehorigen, einer in der Familie beschaftigten Person oder einem erwachsenen standigen Mitbewohner, 2. in Geschaftsraumen einer dort beschaftigten Person, 3. in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermachtigten Vertreter. (2) Die Zustellung an eine der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soil, beteiligt ist. Lehrbuch: Rn. 13; 850; 894 ff.; 1006-1018.
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Losung Frage 1: Erlass des Strafbefehls S wird den Strafbefehl gem. §§ 407, 408 II 1, IIIl StPO erlassen, wenn er zustandig und die Ahndung der Tat im Strafbefehlsverfahren zulassig ist, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt und dem Erlass des Strafbefehls keine Bedenken entgegenstehen.
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/. Zustdndigkeit des S Die von F beantragte Freiheitsstrafe von sechs Monaten liegt innerhalb der Strafgewalt des Strafrichters, § 25 Nr. 2 GVG. Per Strafbefehl diirfte gem. § 407 II Nr. 3 StPO zudem eine Freiheitsstrafe von hochstens einem Jahr verhangt werden, sodass das zulassige HochstmaB des § 25 Nr. 2 GVG nicht iiberschritten werden kann. S ist somit sachlich zustandig. Von der ortlichen Zustandigkeit ist mangels entgegenstehender Angaben auszugehen.
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//. Zulassigkeit des Strafbefehlsverfahrens 1. Antrag der Staatsanwaltschaft F hat den gem. § 407 I StPO erforderlichen schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft, der auch auf eine bestimmte Rechtsfolge gerichtet ist, gestellt. AuBerdem muss es sich bei der vorgeworfenen Tat um ein Vergehen handeln. F legt O das Vortauschen einer Straftat gem. § 145d I Nr. 1 StGB sowie versuchten Betrug gem. §§ 263 I, II, 22 StGB zur Last. Beide Delikte sind Vergehen i.S.d. § 12 I i.V.m. II StGB.
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2. Eignung zur Aburteilung im Strafbefehlsverfahren Gem. § 407 I 2 StPO stellt die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, wenn sie eine Hauptverhandlung nicht fur erforderlich erachtet, das Verfahren sich also fiir das schriftliche Strafbefehlsverfahren eignet. Es handelt sich hier um einen rechtlich und tatsachhch einfach gelagerten Sachverhalt mit klarer Beweislage, sodass eine Hauptverhandlung zur Aufklarung des Geschehens nicht stattfmden muss.
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3. Zulassige Rechtsfolge Bedenken gegen die Zulassigkeit des Strafbefehlsverfahrens ergeben sich wegen der von F beantragten Strafe. Es diirfen in diesem Verfahren namlich nur die in § 407 II StPO vorgesehenen Rechtsfolgen festgesetzt werden. Die Verhangung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren VoUstreckung zur Bewahrung ausgesetzt werden soil, ist zwar grundsatzlich moglich, gem. § 407 II 2 StPO gilt das aber nur, wenn der Angeschuldigte einen Verteidiger hat. O hatte aber keinen
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Verteidiger, sodass S den Strafbefehl nicht mit der von F beantragten Rechtsfolge erlassen darf. Dieser Umstand fuhrt jedoch nicht notwendig zur Ablehnung des Strafbefehlsantrages wegen Unzulassigkeit des Strafbefehlsverfahrens. Erwagt S dem Antrag des F zu entsprechen, dann muss er dem O gem. § 408b S. 1 StPO einen Verteidiger bestellen. Er wird dies aber nur tun, wenn er einen hinreichenden Tatverdacht annimmt und die Rechtsfolgen fiir schuldangemessen halt.
///. Hinreichender Tatverdacht 735
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O miisste gem. § 408 I 1 StPO der ihm vorgeworfenen Tat hinreichend verdachtig sein. Das ware der Fall, wenn es nach der Aktenlage wahrscheinlich erscheint, dass O die ihm zur Last gelegten Handlungen begangen und er sich dadurch strafbar gemacht hat. Auf Grund der Ermittlungsergebnisse (Feststellungen der Polizei; Gestandnis des O) besteht in tatsachlicher Hinsicht der hinreichende Verdacht, dass er die ihm angelasteten Umstande verwirklichte. Fraglich ist aber, ob er sich durch dieses Verhalten strafbar gemacht hat.
l.§145dINr.lStGB Objektiver Tatbestand 131 738
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Die von O herbeigerufenen Polizeibeamten waren gem. § 158 I StPO eine zur Entgegennahme von Anzeigen zustandige Stelle. O miisste den Polizeibeamten vorgetauscht haben, dass eine rechtswidrige Tat begangen worden war. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hatte ein unbekannter Tater das Auto des O aufgebrochen und versucht, das Radio aus der Halterung zu reiBen. Offensichtlich soUte es also gestohlen werden. Demnach lag eine tatsachlich begangene rechtswidrige Tat vor, namlich eine Sachbeschadigung (§ 303 I StGB) und ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242, 243 I 2 Nr. 1, 22 StGB). Angezeigt hatte O aber neben der Sachbeschadigung einen voUendeten Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242, 243 I 2 Nr. 1 StGB). O stellte die Tat also gewichtiger dar, als sie tatsachlich war. Problematisch ist, ob § 145d I Nr. 1 StGB eine solche Ubertreibung erfasst. Zur Beantwortung dieser Frage ist der Schutzzweck der Norm zu beriicksichtigen. Der Tatbestand soil die Strafrechtspflege bzw. die Strafverfolgungsorgane vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme ihrer Apparate und Mittel bewahren. Ob dieses Schutzgut durch das tauschende Verhalten des O tatsachlich beeintrachtigt wurde, erscheint zweifeUiaft. Die Strafverfolgungsbehorden mussten namlich auch bei einem tatsachlich im Versuchsstadium steckengebhebenen Diebstahl tatig werden. Im Falle von bloBen Ubertreibungen und Aufbauschungen einer tatsachlich geschehenen Tat ist das geschiitzte Rechtsgut deshalb nur betroffen, wenn dadurch der Ermittlungsaufwand der Behorde wesentlich erhoht wird oder die vorgetauschte Tat wesentlich gewichtiger ist als die begangene und das Geschehen auf Grund der iibertriebenen Schilderung ein vollig anderes Geprage erhalt. Das Aufbauschen eines versuchten zum voUendeten Diebstahl erfuUt jedoch keine
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dieser Voraussetzungen. Der objektive Tatbestand des § 145d I Nr. 1 StGB erfasst das Verhalten des O daher nicht, sodass ein hinreichender Tatverdacht insofem ausscheidet.
2. §§ 2631, II 22 StGB O konnte aber eines versuchten Betruges hinreichend verdachtig sein.
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a) Versuchsstrafbarkeit § 263 II StGB stellt den versuchten Betrug unter Strafe.
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b) Tatentschluss O plante, seiner Versicherung vorzuspiegeln, seine SonnenbriUe und einige CDs seien gestohlen worden. Sein Vorsatz war deshalb auf eine Tauschung des Sachbearbeiters gerichtet, um diesen zu einer irrtumbedingten Verfugung tiber das Vermogen der Versicherungsgesellschaft zu bewegen. Schadigungsvorsatz ist ebenfalls zu bejahen, weil die Versicherung nach den Statuten den vorliegenden Schaden nicht ersetzen musste. Daher bezog sich der Vorsatz des O auf einen Vermogensschaden der Versicherung. Gleichzeitig strebte er die Erlangung eines rechtswidrigen und stoffgleichen Vermogensvorteils an.
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c) Unmittelbares Ansetzen Fraglich ist aber, ob O nach seiner Vorstellung zur Tat unmittelbar angesetzt hatte. O wollte einen Betrug zum Nachteil seiner Versicherung mittels Tauschung des zustandigen Sachbearbeiters begehen. Getauscht hatte er jedoch nur die Polizeibeamten. Die Polizei zeigt einen Diebstahl nicht von Amts wegen an, zumal ihr in der Kegel die Versicherungsgesellschaft des Opfers nicht bekannt sein wird. Die Diebstahlsanzeige gegeniiber der Versicherung muss durch den Versicherungsnehmer erfolgen. O hatte zwar bereits ein entsprechendes Schreiben gefertigt, es aber nicht an die Versicherung abgeschickt, sondem zerrissen. Moglicherweise handelte es bei der Tauschung der Polizeibeamten und der Anfertigung des Schreibens lediglich um straflose Vorbereitungshandlungen. Das strafbare Versuchsstadium ist erst erreicht, wenn der Tater subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los" Uberschreitet und objektiv so zur tatbestandsmaBigen Handlung ansetzt, dass sein Verhalten unmittelbar, d.h. ohne wesentliche Zwischenschritte, in die Tatbestandsverwirklichung einmiinden kann und - nach seiner Vorstellung von der Tat - bereits eine konkrete Gefahrdung des Rechtsguts eingetreten ist. Nach dieser Definition scheidet ein unmittelbares Ansetzen des O durch die Tauschung der Polizeibeamten iiber die Entwendung der Gegenstande aus. Diese unrichtigen Angaben sind der Tauschung der Versicherung zwar dienlich, da diese ohne Diebstahlsanzeige und Angabe der Tagebuch-Nummer des Vorfalls nicht zahlen wird. Die Liige gegeniiber den Polizeibeamten hat aber noch keinen unmittelbaren Bezug zu der Tauschungshandlung gegeniiber der Versicherung, die von O selbst vorzunehmen ist. Auch das von O bereits angefertigte Schreiben stellte
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noch keine geeignete Handlung dar, die unmittelbar in die TatbestandserfuUung einmunden soUte. Wesentlich fur den Eintritt in die Tatbestandsverwirklichung ware noch das Abschicken des Schreibens, damit dieses in den Machtbereich der Versicherung gelangen kann. Erst dann hatte der Sachbearbeiter von dem Vorfall, wie O ihn zu schildem beabsichtigte, Kenntnis nehmen konnen. Als wesentlicher Zwischenschritt war also das Abschicken des Schreibens erforderlich. Erst dadurch ware nach dem Tatplan des O das Vermogen der Versicherung konkret gefahrdet worden. O zerriss die Diebstahlsmeldung jedoch, sodass er mit der Anfertigung des Schreibens die Grenze zur Versuchsstrafbarkeit noch nicht uberschritten hatte.
///. Ergebnis 746
Da kein hinreichender Tatverdacht gegen O besteht, muss S gem. § 408 II 1 StPO den Erlass des Strafbefehls ablehnen.
Frage 2: Verwerfen des Einspruchs 747
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Ob S den Einspruch des O verwerfen durfte, richtet sich nach §§ 412 S. 1, 329 I StPO. Danach hat der Richter ohne Verhandlung zur Sache den Einspruch zu verwerfen, wenn der Angeklagte bei Beginn der Hauptverhandlung nicht erschienen und das Ausbleiben nicht gentigend entschuldigt ist. Voraussetzungen der Einspruchsverwerfung wegen Ausbleibens des Angeklagten sind ein zulassiger Einspruch gegen den Strafbefehl, das Vorliegen eines wirksamen Strafbefehls, die wirksame Zustellung des Strafbefehls und die ordnungsgemaBe Ladung des Angeklagten.
/. Zulassiger Einspruch gegen den Strafbefehl 749
Die Verwerfung des Einspruchs als unzulassig nach § 411 I 1 StPO hatte Vorrang vor § 412 S. 1 StPO. O hat jedoch in zulassiger Weise Einspruch eingelegt. Der am 29. Marz 2005 eingegangene Einspruch ging dem Gericht innerhalb der zweiwochigen Frist des § 410 11 StPO zu, sodass er nicht verspatet war.
//. Wirksamkeit des Strafbefehls und der Zustellung 750
Der von S erlassene Strafbefehl war zumindest wirksam, wenn auch rechtsfehlerhaft, und wurde O auch wirksam zugestellt.
///. Ordnungsgemdfie Ladung des O 751
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Fraglich ist dagegen, ob O ordnungsgemaB geladen wurde. Nur wenn es sich bei der Zustellung um eine ordnungsgemaBe Ladung handeln wurde, ware O bei Beginn der Hauptverhandlung i.S.d. § 412 S. 1 StPO ausgebUeben. Die Anforderungen der §§214 ff StPO, insbesondere Einhaltung der einwochigen Ladungsfrist (§217 I StPO) sind erfullt. Die Ladung miisste zudem den Anforderungen des § 37 I StPO i.V.m. § 178 ZPO geniigen. K ist aber keine der in
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§ 178 I genannten Personen, sodass eine Zustellung an sie nicht hatte vorgenommen werden durfen. Die Ladung wurde O somit nicht ordnungsgemaB zugestellt. Das Fehlen dieser Voraussetzung hatte S erkennen konnen, da die Postzustellungsurkunde mit dem entsprechenden Vermerk wieder zu den Gerichtsakten gelangte. Der Zustellungsmangel wurde auch nicht nach § 189 ZPO geheilt, da K vergaB, O die Ladung zu geben. Mangels ordnungsgemaBer Ladung bheb O deshalb nicht i.S.d. § 412 S. 1 StPO aus.
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IV. Ergebnis S durfte den Einspruch des O daher nicht verwerfen.
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Frage 3: Anfechtungsmoglichkeiten In Betracht kommen zwei Moglichkeiten, das Verwerfungsurteil anzufechten, namlich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und ein regulares Rechtsmittel, und zwar Berufung oder Sprungrevision.
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/. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Die Moglichkeit eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte sich aus §§ 412 S. 1, 329 III, 44,45 StPO ergeben. Voraussetzung hierfur ist, dass O ohne Verschulden an der Teilnahme der auf seinen Einspruch gegen den Strafbefehl hin anberaumten Hauptverhandlung verhindert war. § 44 S. 1 StPO gilt an sich nur fiir die unverschuldete Nichteinhaltung von Fristen. Aus dem Verweis der §§ 412 S. 1, 329 III StPO folgt allerdings, dass die Wiedereinsetzung auch beantragt werden kann, wenn der Angeklagte unverschuldet den Hauptverhandlungstermin versaumt hat. Problematisch ist in unserem Fall, dass an sich bereits die Ausgangsvoraussetzungen des § 412 S. 1 StPO nicht gegeben sind, denn mangels ordnungsgemaBer Ladung gait O als nicht ausgeblieben und war somit auch nicht saumig. Wer aber nicht saumig gewesen ist, bedarf eigentlich nicht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Im Ubrigen setzt § 44 StPO nach seinem Wortlaut voraus, dass der Betroffene die Frist bzw. den Termin einhalten wollte, ihm das aber aus Griinden, die er nicht zu vertreten hat, nicht moglich war. O kannte den Hauptverhandlungstermin jedoch nicht. Bei einem worthchen Verstandnis der §§ 412 S. 1, 329 III, 44 S. 1 StPO scheidet die Moglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand somit aus, wenn der Betroffene nicht ordnungsgemaB geladen wurde, er deshalb nicht saumig war und die Frage des Verschuldens irrelevant ist. In Betracht kommt jedoch eine analoge Anwendung der §§ 412 S. 1, 329 III, 44 S. 1 StPO. Fiir eine Analogic spricht zum einen, dass die Situation des nicht ordnungsgemaB geladenen Angeklagten insofem der des unverschuldet Saumigen gleicht, als ihm - wie jenem - die Nichteinhaltung des Termins nicht vorgeworfen werden kann, wenn der Richter das Fehlen oder die Unwirksamkeit der Ladung ubersehen und deshalb den Rechtsbehelf verworfen hat. Eine andere Sicht wurde
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dazu fuhren, dass derjenige, der mangels ordnungsgemaBer Ladung nicht einmal Kenntnis von dem Termin hatte, schlechter gestellt wiirde als der Saumige. Zum anderen sind Praktikabilitatsgrunde zu beriicksichtigen. Es entspricht der Prozesswirtschaftlichkeit, den Strafrichter uber den Wiedereinsetzungsantrag entscheiden zu lassen. Er ist ohnehin zur Entscheidung in der Sache selbst berufen, nicht dagegen die hohere Instanz, also das Berufungs- oder Revisionsgericht. Diese sachlichen Griinde wiegen schwerer als der Wortlaut der Vorschriften, sodass O die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in analoger Anwendung der §§ 412 S. 1, 329 III, 44 S. 1, 45 StPO beantragen kann. Dieser Antrag ist gem. §§ 412 S. 1, 329 III StPO binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils zu stellen, und zwar gem. § 45 I StPO bei dem Gericht, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen ware. Das ware also S, der gemaB § 46 I StPO uber den Antrag entscheidet.
//. Berufung 763
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Die Verwerfimg des Einspruchs erfolgte nach der Hauptverhandlung und damit im Urteil, sodass auch die Einlegung der Berufung gem. § 312 StPO in Betracht kommt. § 315 I StPO bestimmt ausdriicklich, dass die Berufung nicht durch die gleichzeitig gegebene Moglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, ausgeschlossen ist. Die Form- und Fristerfordemisse ergeben sich aus § 314 StPO. Da das Urteil in Abwesenheit ergangen ist, muss O die Berufung binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils an ihn bei dem Amtsgericht einlegen (§ 314 II StPO). Die Berufung kann O darauf stutzen, dass es an einer ordnungsgemaBen Ladung und damit an einer wesentlichen Voraussetzung fiir die Verwerfung des Einspruchs fehlte. Ein Verwerfungsurteil hatte nicht ergehen diirfen. O steht daher auch die Moglichkeit zur Verfugung, Berufung einzulegen.
///. Revision 161
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Statt der Berufung konnte O auch die Sprungrevision gem. § 335 I StPO wahlen. Die Revision muss - wie die Berufung - binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils eingelegt (§ 341 II StPO) und spatestens binnen eines Monats nach Ablauf der Einlegungsfrist nach MaBgabe der §§ 344, 345 StPO begriindet werden. Gem. § 342 II StPO kann der Angeklagte die Revision vorsorglich fur den Fall einlegen, dass sein Wiedereinsetzungsantrag verworfen wird. Die Frist- und Formerfordemisse der §§341, 344, 345 StPO sind jedoch zu beachten.
Hinweise zur Losung: 769
Die fur die Beantwortung der Frage 1 relevanten straQ)rozessualen Gesichtspunkte ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Auch die materiell-rechtliche Priifungen des Vortauschens einer Straftat und des versuchten Betrugs sind unproblematisch. § 145d I Nr. 1 StGB scheidet in der Regel aus, wenn der den Gegenstand einer Strafanzeige bildende historische Vorgang eine rechtswidrige Tat enthalt.
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welche die Strafverfolgungsorgane ohnehin aufklaren mtissen. Die bloBe Ubertreibimg der Tatfolgen beriihrt zumeist den Schutzzweck der Vorschrift nicht, da der Verfolgungsapparat nicht ungerechtfertigt in Anspruch genommen und die StrafVerfolgungsintensitat nicht geschwacht wird (BayObLG , NJW 1988, 83). Ein versuchter Betrug liegt ebenfalls nicht vor. Bei dem bloBen Abfassen eines Briefes, der die unwahren Tatsachen enthalt, handelt es sich um eine straflose Vorbereitungshandlung. Da die Tathandlung in der Tauschung des zustandigen Sachbearbeiters der Versicherung besteht, iiberschreitet der Tater die Grenze zum strafbaren Versuch erst, wenn nach dem Tatplan das Verhalten geeignet ist, unmittelbar in die Tatbestandshandlung einzumiinden. Das ware hier erst der Fall, wenn der Tater die Schadensmeldung einem Dritten - der Post - zur Weiterleitung iibergeben hatte (zu einem ahnlich gelagerten Fall s. BayObLG , NJW 1988, 1401 f.). Bei der Frage 2 muss erkannt werden, dass zu den Voraussetzungen der Einspruchsverwerfung - neben dem Vorliegen eines zulassigen Einspruchs und einer wirksamen Zustellung des Strafbefehls - eine ordnungsgemaBe Ladung erforderlich ist. Die Angabe des einschlagigen § 178 ZPO weist allerdings auf diese Voraussetzung deutlich hin. Das Fehlen einer ordnungsgemaBen Ladung besitzt zudem fur die Beantwortung der Frage 3 Relevanz, denn daraus folgt, dass § 412 S. 1 StPO nicht ohne weiteres anwendbar ist, weil O auf Grund dieses Mangels nicht entschuldigt ist, sondem er schon nicht ausgeblieben ist. Die Kenntnis des Streits um die analoge Anwendung der §§ 412 S. 1, 329 III, 44 S. 1 StPO (dafur die ganz h.M., z.B. BGH, NJW 1987, 1776, 1777; OLG Celle, JR 1979, 121, 122; Meyer-GoJine/\ § 329 Rn. 41; Roxin^\ § 52 Rn. 28; dagegen Meyer, JR 1979, 122; NStZ 1982, 523; NStZ 1986, 279) ist zwar nicht vorauszusetzen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss aber jedenfalls angesprochen werden, und die Problematik liegt dann bei naherer Betrachtung der Vorschriften auf der Hand. Wiederum unmittelbar aus dem Gesetz (§§315, 342 II StPO) folgt, dass daneben die regularen Rechtsmittel - Berufung und Revision - anwendbar sind.
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Sachverzeichnis
Die Zahlenangaben beziehen sich auf Randnummem des Buches.
Ablehnung eines Beweisantrags 408 ff., 492 ff. Abwagungslehre 142, 565
Begriindetheit der Revision 29 f., 511ff,615ff.,632ff.,652ff., 704 ff
Abwesenheit - des Angeklagten 436 ff. - der zur Urteilsfmdung berufenen Personen 656 ff - des Verteidigers 707 ff
Belehrung - iiber Untersuchungsverweigerungsrecht 569 ff. - uber Schweigerecht 113 - iiber Verteidigerkonsultationsrecht 115 ff.
Absprache - fehlgeschlagene 37 - Zulassigkeitsvoraussetzungen 33 ff.
Berichterstattung - Einschrankung der 399 ff. - Freiheit der 390 ff.
Aktenkenntnis der Schoffen 668 ff Angeklagter - Ausschluss von der Hauptverhandlung 436 ff. Aufklarungspflicht 528 f Augenscheinsbeweis 76 Auskunflsverweigerungsrecht - fehlende Belehrung iiber das 562 ff Aussageverweigerungsrecht 413ff,427ff. Ausschluss des Angeklagten 436 ff AuBerdienstliche Kenntniserlangung 332 ff. Befangenheit -desRichters616ff, 669 - des Staatsanwalts 30
Berufung 763 ff Beruhen - des Urteils auf der Gesetzesverletzung 524, 530, 635, 687 Beschlagnahme - Beschlagnahmeverbote 139 ff - joumalistisches Material 158 f. - Voraussetzungen 125 ff., 152 ff. -Zufallsfundel50f. Beschlagnahmeverbote 139 ff Beschrankung der Offentlichkeit 438, 619 f. Beschuldigteneigenschaft -Beginnl09ff. Beschwer 509, 547, 612, 629, 650, 701 Besorgnis der Befangenheit 616 ff, 669 Beugehaft481ff.
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Sachverzeichnis
Beweisantrag 493 ff. - Ablehnungsgriinde 408 ff, 512ff,633f. Beweiserhebungsverbot - private Ermittlungen 69 ff. - Umgehung des Verbots der ProtokoUverlesung 533, 676 ff Beweisermittlungsantrag 497 ff. Beweiskraft des HauptverhandlungsprotokoUs 663 ff. Beweisverwertungsverbot - fehlende Belehrung iiber das Aussageverweigemngsrecht 562 ff - fehlende Belehrung iiber das Untersuchungsverweigerungsrecht 569 ff. - Femwirkung 578 ff -Fotos82ff. - private Ermittlungen 69 ff., 40, 81 ff. - Tagebiicher 144 ff. - Tonbandaufnahmen 87 ff. - VerstoB gegen die Schweigepflicht429ff - Voraussetzungen 478
ErmittlungsmaBnahmen - Fotoaufnahmen ohne Kenntnis des Betroffenen 260 ff - Lauschangriff 337 ff, 341 ff. - Technische Mittel 350 ff. - Telekommunikationsuberwachung 247 ff - Vorlage von Fotoaufnahmen 265 ff Ermittlungsrichter - Zustandigkeit 126, 153, 170 ff., 210 f., 323, 326 Ermittlungsverfahren - Befugnisse der Polizei 267 f. Erzwingungshaft 481 ff. Femwirkung eines Beweisverwertungsverbots 578 ff Femsehaufnahmen 390 ff. Festnahmerecht 286 ff. Fluchtgefahr 17 f., 192 ff., 218
Beweiswurdigung - freie 532 - Verbot der Beweisantizipation 712 ff
Fotografien - privat aufgenommene 74 ff. - ohne Kenntnis des Betroffenen 260 ff - Vemichtung nach Abschluss der Ermittlungen 270 ff. - Verwertbarkeit 74 ff. -Vorlage 265 ff.
DNA-Analyse321ff
Freie Beweiswurdigung 532
Durchsuchung - korperliche 324 f - Redaktionsraume 152 ff. - Voraussetzungen 125 ff., 152 ff., 315 ff -Zufallsfundel50f. Einspruch gegen den Strafbefehl 747 ff Einstellungsurteil 465
Gerichtsbesetzung - fehlerhafte 654 ff. GPS-Einsatz 365 ff Haftbefehl siehe Untersuchungshaft Haftdauer, uberlange 23 ff. Haftfortdauer - Entscheidung uber 2 ff. - Voraussetzungen 23 ff.
Sachverzeichnis Haftgrunde - Fluchtgefahr 17 f., 192 ff., 218 -SchwerederTatl99ff. Haftrichterl70ff.,210f. Hauptverhandlungsprotokoll - Berichtigung 666 - Beweiskraft 663 ff. Heilung von Verfahrensmangeln 662 ff Informatorische Befragung 103, 105 ff Ladung des Angeklagten 751 ff. Lauschangriff -groBer337,341ff. -kleiner338f.,347f. Mitbeschuldigtenbegriff 483 ff. Milndlichkeitsgrundsatz 451, 670 ff Offenkundigkeitsgnmdsatz 410 f. Offentlichkeit - Ausschluss der 438 - Beschrankung der 438, 619 f Private Ermittlungen 69 ff., 40, 81 ff.
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Revision - Begrundetheit 29 f, 511 ff., 615ff,632ff.,652ff,704ff. ,- Beschwer 509, 547, 612, 629, 650, 701 - Erstreckung auf Mitangeklagte 720 f. - Form und Frist 28, 508, 546, 609 ff, 628, 646 ff., 697 ff. - Rechtsmittelberechtigung 545, 613,630,651,702 - Revisionsgrunde 30 ff., 550 ff., 616ff,652ff.,705ff. - Statthaftigkeit 28, 507, 544, 608, 627, 645, 696 - Zulassigkeit 28, 507 ff., 544 ff., 608 ff., 627 ff., 645 ff., 696 ff. Revisionserstreckung auf Mitangeklagte 720 f. Revisionsriige - absolute 549 ff., 616 ff., 705 ff - relative 31 ff, 512 ff., 552 ff., 712 ff. - Sachruge 44 ff., 588 ff., 621 ff., 716 f. - Verfahrensruge 616 ff., 705 ff
Prozessualer Tatbegriff 468
Richterliche KontroUe - richterlich angeordneter MaBnahmen 239 ff. - nichtrichterlich angeordneter MaBnahmen 254 ff. - der Vollzugsmodalitaten 248 ff., 260 ff
Raumgesprach 512 ff.
Richtmikrofon 354 ff.
Rechtskreistheorie 142, 563 Rechtsmittelberechtigung 545, 613,630,651,702
Riigepraklusion 557 ff, 568
ProtokoUverlesung -Verbotder533,676ff. - Umgehungsverbot 533, 676 ff.
Rechtsschutz gegen richterliche und nichtrichterliche MaBnahmen 238 ff Rechtsschutzbediirfnis 242 ff
Sachruge 44 ff., 588 ff., 621 ff, 716 f. Sachverstandiger 408 ff. Sachverstandiger Zeuge 428 Schoffen - Aktenkenntnis 668 ff
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Sachverzeichnis
Schutzzwecklehre 564 SchwerederTat 199ff. Sicherungsverteidiger 550 ff. Sitzungsgewalt 619 f Sitzungspolizeiliche MaBnahme 391 f Sperrerklarung - Pni^flicht des Gerichts 521 ff. Sprungrevision 608, 627, 696 Staatsanwalt - auBerdienstliche Kenntniserlangung 332 ff. - befangener 30 Strafbefehl - Einspruchsverfahren 747 ff. - Voraussetzimgen 728 ff. Strafklageverbrauch 464 ff. Strafv^erfolgungsinteresse 565 Tagebixcher - Verwertungsverbot 144 ff. Tatbegriff - prozessualer 468 Tatverdacht - als Voraussetzung einer ErmittlimgsmaBnahme 129 ff., 176 ff. - als Voraussetzung eines Strafbefehls 735 f - dringender 6, 176, 212 ff., 288 Technische Mittel - GPS 354 ff. - Richtmikrofone 354 ff - Wanzen 350 ff.
Unmittelbarkeitsgrundsatz 67, 451, 527, 670 ff. Unterrichtungspflicht - nach Ausschluss des Angeklagten von der Zeugenvemehmung 443 ff Untersuchung, korperliche 324 f. Untersuchungshaft - dringender Tatverdacht 6, 176, 212 ff., 288 -Haftgrunde 17 f., 192 ff., 218, 199 ff - VerhaltnismaBigkeit 20 ff., 205ff.,219ff. - Zustandigkeit des Richters 170ff,210f. Untersuchungsverweigerungsrecht 569 ff Urteilsabsprache siehe Absprache Verbote Vemehmungsmethode 41, 68, 584 ff. Verdunkelungsgefahr 19 VerfahrensverstoB -Heilung662ff. VerhaltnismaBigkeit 20 ff., 135 ff, 160 ff, 205 ff., 210 f., 319,490 Verlesungsverbot - unzulassige Umgehung 533, 676 ff Vemehmung der Verhorsperson 676 ff Vemehmungsbegriff 40
Telekommunikationsuberwachung 247 ff
Vemehmungsmethoden -verbotene41,68, 584ff.
Tonbandaufnahmen - Einfuhrung in die Hauptverhandlung 75 ff. - Verwertbarkeit 87 ff
VemehmungsprotokoU -Vorhalt533
Sachverzeichnis Verteidiger - Hauptverhandlung in Abwesen heit 707 ff. - Verkehr mit dem 141 ff. - Verweigerung der Konsultation 115 Verteidigung - Beschrankimg der 708 ff. Verwertungsverbot siehe Beweisverwertungsverbot Videovemehmung - „Mainzer Modell" 450 ff. Vorermittlungen 105 Vorhalt des VemehmungsprotokoUs 533 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 756 ff. Wohnraumiiberwachung, akustische 337,341ff.,350ff. Zeuge - sachverstandiger 428 - vom Horensagen 67, 527, 676 Zeugnisverweigerungsrecht - bei nichtehehcher Lebensgemeinschaft 415 ff. - nach dem Tod des Angehorigen 419 f. - nach Rechtskraft 488 Zufallsfimde 150 f. ZugangskontroUen 619 f. Zulassigkeit der Revision 28, 507 ff., 544 ff., 608 ff., 627 ff., 645 ff, 696 ff. Zustellungsmangel 751 ff.
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