Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie [9. bis 11. Auflage. Reprint 2020] 9783112348727, 9783112348710


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German Pages 136 [143] Year 1920

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Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie [9. bis 11. Auflage. Reprint 2020]
 9783112348727, 9783112348710

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EXPERIMENTELLE EINFÜHRUNG IN DIE

UNORGANISCHE CHEMIE VON

HEINRICH

BILTZ

MIT FÜNFZEHN FIGUREN

N E U N T E BIS E L F T E

AUFLAGE

BERLIN üift) LEIPZIG 1920 VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO. V O R H A L S Q. J. SÖSCHEN'SCHE V E R L A G r f H A N D L U N G :: J. O U T T E N T A O , V E R L A G S BUCHHANDLUNQ :: O E O R G R E I M E R K A R L J. T R Ü B N K R VEIT t COMP.

Dei Vwfassar behält sich das Recht der Dbernetzung vor

Druck roa Meteger á Wittig in Leipzig

Vorwort Die erste Auflage dieses Buches wurde im Jahre 1898 für den Gebrauch im Kieler chemischen Universitiltslaboratorium verfaßt. Da sie sich auch außerhalb Kiels Freunde erwarb, wurde sie bald darauf durch den Buchhandel allgemein zugänglich gemacht und bürgerte sich in einigen chemischen Unterrichts instituten ein. Sie stellte meines Wissens den ersten Versuch dar, eine gedruckte Anleitung f ü r den chemischen Anfangsunterricht im Laboratorium zu geben, die die* Grundlehren der neueren unorganischen und physikalischen Chemie berücksichtigt; daneben sollte sie ein reiches Wissen vom Verhalten der analytisch wichtigen, unorganischen Stoffe vermitteln. Die Erklärungen det Umsetzungen waren stets gegeben, teils durch die üblichen Formelgleichungen, teils im Texte selbst, teils in zusammenhängenden theoretischen Abschnitten, die gelegentlich eingefügt waren. In Kiel und neuerdings in Breslau wurde und wird zur Durcharbeitung der experimentellen Einführung kaum mehr als ein halbes Semester bei halbtägiger Arbeitszeit im Laboratorium verwendet; die Studierenden legen die erworbenen Kenntnisse alsdann in einer zwanglosen Prüfung, die vom Abteilungsvorsteher persönlich abgehalten wird, dar, ehe sie zur qualitativen Analyse übergehen. Die folgenden Auflagen sind entsprechend dem fortgeschrittenen Eindringen der Lösungstheorie in den Unterricht erweitert worden, ohne daß sie an Umfang erheblich zugenommen hätten. Von der allgemeinen Verwendung der Ionengleichungen ist Abstand genommen worden, da die Beherrschung der "alten Formelgleichungen, die nur durch tüchtige Übung erworben werden kann, für die Gesamtausbildung des Chemikers zu wichtig erscheint, als daß sie auf eine spätere Zeit der Ausbildung verschoben werden dürfte. Anregung zur Übung im Aufstellen von Ionengleichungen bietet das Buch selbst gelegentlich.

IV

Vorwort

mehr noch die Vorlesung und der Laboratoriums Unterricht. Auch für diese Auflage gilt, daß sie erfolgreich nur benutzt werden kann, wenn in einer nebenhergehenden Vorlesung die theoretischen Fragen systematisch und eingehend behandelt werden. Auf Sorgfalt in der Namengebung ist großes Gewicht gelegt, was auch in Anfänger-Lehrbüchern leider vielfach versäumt wird. In der vorliegenden Auflage ist die „gelehrte' - Rechtschreibung der naturwissenschaftlichen und technischen Fremdwörter von Dr. II. Jansen (Berlin-Schöneberg 1907) verwendet worden. Im Jahre 1909 erschien eine Übersetzung des Buches in englischer Sprache von W. T. H a l l und J . W . P h e l a n in Boston (Verlag: J o h n W i l e y & sons, New York). Bim- Umarbeitung ins Türkische besorgte Herr Prof. Fr. A r n d t 1917.

Heinrich Blitz

Inhalt Saite

Einleitung Filter und Filtrieren Bearbeitung des Glase* Gebrauch des Lötrohren Kork bohren S ä u r e n (theoretischer Abschnitt) Chlorwasserstoffsäure und Chlor Chemische Umsetzungen (theoretischer Abschnitt) Schwefelsäure Konzentration der Lösungen; Normallösungen (theoretischer Abschnitt) Salpetersäure Kohlensäure Schwefelwasserstoffsäure Sulfide (theoretischer Abschnitt! ' Phosphornäure B a s e n (theoretischer Abschnitt) 1. Alkalimetalle Natrium Namen unorganischer Stoffe (theoretischer Abschnitt) . . . . Kalium Ammonium •2. Erdalkalimetalle Calcium Umkehrbare Reaktionen — Gleichgewichtszustand (theoretischer Abschnitt) Strontium Barium Grad der Löslichkeit (theoretischer Abschnitt) Theorie der wäßrigen Lösungen (theoretischer Abschnitt) . . Thporie des Auflösens und Fällens (theoretischer Abschnitt) i>. Magnesiumgruppe Magnesium Zink ^ Cadmiuin 4. Eisengrnppe Aluminium Metalloxydalkali Verbindungen (theoretischer Abschnitt) . . . Hydrolyse (theoretischer Abschnitt) Eisen

1 3 * 1 10 11 14 15 18 19 •21 23 25 28 29 30 30 34 36 38 41 41 44 45 45 47 48 53 55 55 57 59 61 61 64 65 66

Inhalt

VI

Seite

5.

6.

7.

8.

Eiseneyanverbindungen 70 Doppelsalze und komplexe Stoffe (theoretischer Abschnitt) . . 72 Kobalt 75 Nickel 78 Chromgruppe 79 Chrom 80 Molybdän 84 Uran 85 Mangan 86 Oxydation (theoretischer Abschnitt) 89 Reduktion (theoretischer Abschnitt) 91 Kupfergruppe 92 Kupfer 93 Elektro affinitiit (theoretischer Abschnitt) 95 Quecksilber 96 Mercurichlorid und Mercurioviinid 99 Silber " 101 Zinngruppe 103 Zinn 104 Kolloidale Lösungen ¡theoretischer Abschnitt) 106 Blei 108 Arsengvuppe 110 Arsen 110 Antimon 11R Wismut 119

Zweiter Teil der Säuren 1. Bromwasserstoffsäure, Jodwasserstoffsäure 2. Cy an wasserstoffsäure 3. Fluorwasserstoffsäure, Kieselfluorwasserstoffsäure 4. Chlorsäure 5. Jodsäure 6. Unterchlorige Säure 7. Kieselsäure 8. Salpetrige Säure 9. Borsäure 10. Schweflige Säure 11. Thioschwefelsäure

120 120 121 122 124 125 125 126 126 128 128 130

Einleitung Zum flotten Arbeiten im chemischen Laboratorium sind einige Hilfsmittel nötig, die der Praktikant sich auf seinem Arbeitsplatze zu halten hat: nämlich eine Schere zum Schneiden von Filtrierpapier, eine dreikantige Feile zum Glasschneiden, eine Rundfeile zum Glätten und Erweitern von Löchern in Korken; die Rundfeile sei an ihrer stärksten Stelle noch nicht ganz bleistiftdick; ferner Pinzette, Lötrohr, Probierglasklemme 1 ), mit der warme Probiergläser gefaßt werden, und einige einseitig geschlossene Glasröhrchen, deren Anfertigung auf Seite 5 bis 6 beschrieben ist. Dazu kommen Probiergläser mit Gestell, Trichter, Kölbchen, einige dünne Glasstäbe mit rund geschmolzenen Enden, kleine Bechergläschen, eine Spritzflasche, Porzellantiegel und Abdampfschalen, schließlich ein eiserner Dreifuß oder ein Stativ mit verschiebbarem Ringe nebst Drahtnetz als Kochgestell, ein Filtriergestell und ein Gasbrenner. Bequem ist in vielen Fällen ein Spatel aus Glas, Porzellan, R e i n n i c k e l oder Horn; v e r n i c k e l t e I n s t r u mente sind im chemischen L a b o r a t o r i u m nicht b r a u c h b a r . Als Ersatz für Platindraht können die von E. W e d e k i n d — Ber. d. Dtsch. ehem. Ges. 45, 3 8 2 ( 1 9 1 2 ) — eingeführten sogen. „ M a g n e s i a s t ä b c h e n " , die übrigens im wesentlichen aus Ton bestehen, verwendet werden; Phosphorsalzperlen haften an ihnen gut. Als Ersatz f ü r Platinblech haben sich Rinnen aus dem gleichen Materiale bestens bewährt. F ü r die seltenen Fälle, für die ein Platindraht unentbehrlich ist, leiht man einen solchen vom Assistenten. Alle Glassachen seien stets sauber. Bechergläser werden gereinigt, ausgetrocknet und — die Öffnung nach unten — auf Filtrierpapier, mit dem der Schrank zum Teile ausgelegt ist, aufbewahrt. Die gereinigten und getrockneten Kölbchen bewahrt man nach Verschluß mit einem Korke oder mit etwas Filtrierpapier, das über den Rand geknifft wird, gegen Staub gesichert auf. D i e P r o b i e r g l ä s e r werden s t e t s s o f o r t nach den V e r s u c h e n g e r e i n i g t . Dazu reicht meist Wasser und eine Gänsefeder aus; zur Entfernung fest haftender Niederschläge nimmt man eventuell einige Tropfen roher, konzentrierter Chlorwasserstoffsäure zu Hilfe. Diese Reinigung gelingt fast immer leicht und schnell, wenn sie b a l d vorgenommen wird, ist aber oft recht mühsam und zeitraubend, wenn sie bis zum nächsten *) Statt ihrer kann ein Stück Papier von etwa Oktavgröße verwendet werden, das durch einige Längskniffe zu einem Streifen zusammengefaltet ist. Biltz, Einführung. 9.—11. Aufl. 1

2

Einleitung

Tage verschoben wird. Man spült mit destilliertem Wasser nach. Zum Abtropfen stellt man die Probiergläser verkehrt auf die Zapfen, die zu diesem Zwecke an der Hinterseite des Gestells angebracht sind; oder man setzt sie, ebenfalls in verkehrter Stellung, in die Offnungen des Probierglasgestells hinein. Man halte sich stets einige t r o c k n e Probiergläser vorrätig, weil solche zu manchen Versuchen nötig sind. Durch Befolgen dieser Vorschriften kann man sich viel Zeitverlust und Mißerfolge ersparen. Es ist dringend nötig, daß man si CaC0 8 . Beide Gleichungen kann man unter Verwendung eines Doppelpfeiles vereinen zu der Gleichung:

CaC03

CaO + C0 2 ,

Strontium — Barium

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wodurch ausgedrückt werden soll, daß die Ulmsetzung je nach den herrschenden Bedingungen entweder von links nach recht» oder von rechts nach links verlaufen kann. In unserem Beispiele erfolgt d i e Spaltung bei hoher Temperatur und die Wiedervereinigung bei niederer T e m p e r a t u r . Wird eins der Spaltungsstücke, z. B. Kohlendioxyd, dauernd e n t f e r n t , z. B. durch Überleiten eines Luftstromes, so kann die Spaltung auch bei m i t t l e r e r Temperatur völlig zu Ende gehen. Wenn aber keins der Spaltungsstück® entfernt wird, so arbeiten sich Spaltung und Wiedervereinigung entgegen, und es stellt sich ein „ G l e i c h g e w i c h t s z u s t a n d " ein, in dem die drei Stoffe (CaCO,, CaO, 0 0 8 ) in bestimmten Konzentrationen vorhanden sind. Jeder T e m p e r a t u r entspricht ein bestimmter Gleichgewichtszustand, der unabhängig von der Dauer des Versuches ist: je höher die Temperatur ist, desto mehr verschiebt sich das Gleichgewicht nach rechts; je niedriger sie ist, desto weiter nach links liegt es. Man nennt solche Umsetzungen, die je mach den Bedingungen in der einen oder in der entgegengesetzten Richtung verlaufen, und bei denen sich Gleichgewichtszustände einstellen können, „ u m k e h r b a r e R e a k t i o n e n " . Sie sind sehr zahlreich. Für die unorganische Chemie ihaben die Spaltungen eines Stoffes in wäßriger Lösung in seine Ionen und derein Wiedervereinigung ein ganz besonderes Interesse. Weitere Beispiele sind die thermische Dissoziation de« Ammoniumchlorids und die Bildung von Ammoniumhydroxyd Seite 38. Viele solcher Gleichgewichtszustände werden durch das Massenwirkungsgesetz geregelt, von dem' später gehandelt werden wird.

Strontium Eine Probe eines Strontiumsalzes werde an einem Magnesiastäbchen in der entleuchteten Bunsenbrennerflamme erhitzt: die Flamme färbt sich — namentlich wenn die Probe mit (Thlorwasserstoffsäure befeuchtet und nochmals in die Flamme gebracht wird — intensiv rot; durch ein tiefblaues Glas oder das Indigoprisma sieht sie rotviolett aus. Den Reagenzien: Ammoniak, Natriumhydroxyd, Ammoniumcarbonat, N&triumphosphat, Ammoniumoxalat, Schwofelsäure gegenüber verhält sich die Lösung eines Strontiumsalzes wie die Caleiumsalzlösung. Zu einer Strontiumsalzlösung werde der gleiche bis doppelte Raumteil Calciumsulfatlösung gesetzt: es entsteht — gewöhnlich erst nach einiger Zeit — ein weißer Niederschlag von Strontiumsulfat, das schwerer löslich als Calciumsulfat ist. Auch Strontiumsulfat ist noch •twas in Wasser löslich.

Barium Bariumsalze verhalten sich den Reagenzien: Ammoniak, Natriumhydroxyd, Ammoniumcarbonat, Natriumphosphat, Ammoniumoxalat gegenüber wie CalciumHalze. Bariumhydroxyd ist in Wasser viel leichter löslich als Calciumhydroxyd; aus- kochendem Wasser läßt sich Bariumhydroxyd bequem kristallisieren. Bariumnitrat und Strontiumnitrat sind in Alkohol unlöslich, während Calciumnitrat in Alkohol löslich ist; man benutzt dies verschiedene Verhalten in der qualitativen Analyse zur Trennung.

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Barium

Eine Probe Bariumsalz färbt die Flamme grün; die Grünfärbung ist besonders schön, wenn die am Magnesiastäbchen geglühte Stoffprobe nach dem Erkalten mit ekern Tropfen konzentrierter Chlorwasserstoffsäure befeuchtet und nochmals in die Flamme gebracht wird. Etwas Bariumchloridlösung gibt sowohl mit S t r o n t i u m s u l f a t als auch mit C a l c i u m s u l f a t l ö s u n g sofort einen Niederschlag von Bariumsulfat. Das Sulfat des Bariums ist das am schwersten lösliche der Erdalkalimetallsulfate. Fällt man Barium k a l t als Sulfat aus, so ist der Niederschlag meist so feinkörnig, daß er durchs Filter hindurchläuft. Dagegen ist der heiß bereitete Niederschlag, namentlich wenn man ihn mit der Flüssigkeit noch einige Zeit nach der Fällung hat warm stehen lassen, so grobkörnig, daß er auf dem Filter zurückbleibt. Man stelle einen Versuch in der Weise an, daß man etwas Bariumchloridlösung in einem Becherglase mit Wasser verdünnt mit etwas Chlorwasserstoffsäure ansäuert und die siedende Mischung mit etwas verdünnter Schwefelsäure, die in einem Probierglase zum Kochen erhitzt ist, fällt. Nach kurzem Stehen setze man noch einige Tropfen Schwefelsäure hinzu, um festzustellen, ob alles Barium ausgefällt ist, oder ob noch etwas davon in der Lösung enthalten ist. Ist alles ausgefällt, so kann man nach weiterem, kurzen Stehen in der Wärme, während dessen sich die über dem Niederschlage befindliche Flüssigkeit vollständig klärt, filtrieren. Das abfiltrierte Bariumsulfat werde ausgewaschen und zum übernächsten Versuche benutzt. Um Barium mit Schwefelsäure oder Schwefelsäure mit BariumsaMösung •m fällen, verfahre man in der Analyse stets in dieser Weise.

Eine Probe Bariumchlorid lösung werde in einem Kölbchen mit Natriumcarbonatlösung völlig ausgefällt; zur Mischung gebe man einige Kristalle Natriumsulfat und koche etwa 10 Minuten. Man filtriere und wasche Niederschlag nebst Filter mit Wasser gründlich aus. Der Niederschlag löst sich jetzt nicht mehr in verdünnter Chlorwasserstoffsäure, da er in Bariumsulfat übergegangen ist (vgl. S. 43). Manchmal ist die Umsetzung unvollständig: der Niederschlag enthält dann neben Bariumsulfat noch Bariumearbonat, welch letzteres sich in Chlorwasserstoffsäure unter Aufschäumen löst. BaC0 3 + Na 2 S0 4 = BaS0 4 + Na 2 C0 3 Um Bariumsulfat, das sich in keinem Lösungsmittel auflösen läßt, in einen auflösbaren Stoff überzuführen, muß man es „ a u f s c h l i e ß e n " . Zu diesem Zwecke führt man es mittels eines Schmelzprozesses in das Carbonat über. Man mische eine kleine Probe Bariumsulfat mit etwa der doppelten Menge eines Gemisches von gleich viel trocknem Natriumcarbonat und Kaliumcarbonat und schmelze einige Minuten auf einer Magnesiarinne oder besser auf einem Platinbleche, dessen Ränder hochgebogen sind, so daß eine kleine Wanne entsteht. Man lasse die

Grad der Löslichkeit

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Schmelze erkalten und löse sie, soweit sie überhaupt löslich ist, in wenig heißem Wasser auf; es hinterbleibt ein weißes Pulver, das man abfiltriert und s o r g f ä l t i g mit d e s t i l l i e r t e m Wasser auswäscht, bis einige der zuletzt durchgeflossenen Tropfen des Waschwassers mit einem Tropfen Bariumchloridlösung keine Trübung mehr geben, also alle Schwefelsäure aus Filter und Niederschlag entfernt ist. Der gut ausgewaschene Niederschlag löst sich jetzt -vollkommen in verdünnter Chlorwasserstoffsäure unter Entwicklung von Kohlendioxyd auf. Das Bariumsulfat ist also durch den Schmelzprozeß mit den Alkalicarbonaten in Bariumcarbonat übergeführt worden. BaS0 4 + Na2C03 = BaC03 + Na 2 S0 4 Hieraus ergibt sich, daß nicht eine besondere Verwaudtschaftskraft oder Affinität Barium und Schwefelsäure zusammenführt; denn diese müßte bei dem Versuche mit der wäßrigen Lösung und bei dem Schmelzversuche in gleicher Weise wirken. Daß sich in dem einen Falle Bariumsulfat, in dem anderen Bariumcarbonat bildet, liegt einfach daran, daß im ersten Falle das Bariumsulfat, im letzteren aber das Bariumcarbonat schwerer löslich ist. E s b e s t e h t i n d e r Chemie ein allgemeines Bestreben zur B i l d u n g je der schwerstlöslichen Stoffe.

Eine Probe Bariumchloridlösung gibt nach Zusatz einiger Tropfen Essigsäure mit gelber Kalium Chromat lösung einen gelben Niederschlag von Barium Chromat; Calcium- und Strontiumsalze werden aus essigsäurehaltiger Lösung durch Kaliumchromat lösung nicht gefällt. (Wichtige Trennungsmethode). BaClg + K 3 Cr0 4 = BaCrO, + 2 KCl

Grad der Liisliclikeit Im Anschlüsse an die Erdalkalimetallsalze empfiehlt sich ein vergleichendes Studium der „ L ö s l i c h k e i t e n " von entsprechenden Verbindungen dieser drei Metalle. Leicht löslich sind die Chloride und Nitrate, am leichtesten vom Calcium, weniger vom Strontium, noch weniger vom Barium. Schwer bis sehr schwer löslich sind die Sulfate, und zwar nimmt die Löslichkeit, wie wir gesehen haben, ebenfalls vom Calciumsulfate zum Bariumsulfate ab. Sehr schwer löslich sind die Carbonate; sie können ebenso wie beim Barium das Sulfat, zur quantitativen Abscheidung der Metalle aus Lösungen benutzt werden. Daß aber auch sie nicht ganz unlöslich sind, zeigt die Umsetzung von ausgeschiedenem, festem Bariumcarbonat beim Kochen mit Natriumsulfatlösung, wobei das Bariumcarbonat in Bariumsulfat übergeht. Sie erklärt sich daraus, daß ein, wenn auch sehr geringer Teil des Carbonats in Lösung vorhanden ist; dieser setzt sich zum Teile mit Natriumsulfat zu Bariumsulfat um, das sich nun, da es unter den Bedingungen des Versuches schwerer löslich ist als das Carbonat, ausscheidet; dafür gehen neue Mengen Bariumcarbonat in Lösung, setzen sich um, und so fort, bis in einer bestimmten Spanne Zeit alles Bariumcarbonat einmal gelöst gewesen ist und sich dabei in Sulfat umgesetzt hat. Zur Durchführung der Umsetzung genügt also nicht ein kurzes Erhitzen, sondern ist ein längeres Kochen nötig; bei kleinen Mengen genügen einige Minuten. Die gleiche Umsetzung geht bei Calcium- und Strontiumcarbonat (vgl. S. 43) nicht vor sich, weil das Calciumund Strontiumsulfat erheblich leichter löslich als die Carbonate sind, die sich

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Theorie der wäßrigeil Lösungen

zuerst bildenden kleinen Mengen Sulfat sich also nicht ausscheiden, und die Umsetzung deshalb im ersten Stadium stehen bleibt. Eingehender, als das hier möglich ist, sind die Verhältnisse dieser interessanten Umsetzung in dem in der Einleitung an erster Stelle erwähnten Buche von W. O s t w a l d dargelegt. Aus diesem Beispiele ersieht man, daß selbst die am schwersten löslichen Stoffe, und zu diesen gehört Bariumsulfat und Bariumcarbonat, in gewissem G r a d e i n Wasser löslich sind. G a n z u n l ö s l i c h e S t o f f e g i b t es n i c h t ; wohl aber ist bei einer Reihe von Stoffen der Grad der Löslichkeit ein so geringer, daß sie für p r a k t i s c h e Zwecke als unlöslich gelten können; z. B. braucht 1 g Bariumsulfat bei 25° zur Lösung über 430 1 reines Wasser; in schwefelsäurehaltigem Wasser ist die Löslichkeit des Bariumsulfats noch bedeutend geringer; viele Stoffe, wie z. B. zahlreiche Metalle, sind noch viel weniger, aber immerhin doch nachweisbar in Wasser löslich. Eine Folgerung davon ist, daß a b s o l u t e Trennungen durch Fällung unmöglich sind. Wenn wir mit den besten analytischen Hilfsmitteln einen Stoff aus einer Lösung ausgefällt haben, bleibt stets noch ein, wenn auch sehr geringer Teil davon in Lösung zurück. Für die qualitative und noch in höherem Maße für die quantitative Analyse sind zu Trennungen nur diejenigen Fällungsumsetzungen brauchbar, bei denen der zurückbleibende Anteil möglichst klein ist.

Theorie der wäßrigen Lösungen Die unverdünnten S ä u r e n , B a s e n und Salze bestehen im allgemeinen aus solchen Molekeln, als durch ihre Formeln ausgedrückt wird. Beim Auflösen in Wasser geht aber in mehr oder weniger starkem Maße ein Spaltungsprozeß vor sich. Eine verdünnte, wäßrige Lösung von Chlorwasserstoffsäure enthält z. B. nicht mehr die Molekeln HCl, sondern sie enthält die neuen Molekeln H und Cl; diese Teilmolekeln sind von den Atomen Wasserstoff und Chlor völlig verschieden, und zwar besonders dadurch, daß sie mit beträchtlichen Mengen Elektrizität geladen sind: das Wasserstoffatom mit positiver, das Chloratom mit der gleichen Menge negativer Elektrizität. Diese elektrisch geladenen Spaltungsstücke werden mit dem Namen „ I o n e n " bezeichnet; den Spaltungsprozeß selbst nennt man „ e l e k t r o l y t i s c h e S p a l t u n g " oder „ I o n i s a t i o n " . Führt man in geeigneter Weise Elektrizität zu einer Lösung eines elektrolytisch gespaltenen Stoffes, so nehmen die Ionen je die entgegengesetzte Elektrizität auf, als mit der sie selbst geladen sind, und gehen in die elektrisch neutralen Atome oder Atomgruppen über, die sich dann ausscheiden oder sich chemisch weiter umsetzen ; bei Verwendung von Chlorwasserstoffsäure würde elektrisch nicht geladenes Chlorgas und Wasserstoffgas entweichen. Ionen: Durch die elektrolytische Dissoziation zerfallen die S ä u r e n in positiv geladene Wasserstoffionen und negativ geladene Säurerestionen oder „ A n i o n e n " (z. B. H" und Cl'; H \ H" und S O / ' oder H" und H S 0 4 ' ; H" und HJP0 4 'J; die B a s e n zerfallen in die negativ geladenen Hydroxylionen und die positiv geladenen Baserestionen oder „ K a t i o n e n " (z. B. OH' und Na"; OH', OH' und Ca"); Säuren können demnach definiert werden als Stoffe, die in wäßriger Lösung Wasserstoff ionen abspalten, Basen als Stoffe, die in wäßriger Lösung Hydroxylionen abspalten; die Salze schließlich zerfallen in positive Baserest ionen (Kationen) und negative Säurerest ionen (Anionen); (z. B. Na' und Cl'; NH 4 ' und NO,'). Ein positives Elektrizitätsquantum ist mit einem Punkte angedeutet, z. B. IT", ein negatives Elektrizitätsquantum mit einem Striche, z. B. OH'. Ionen, die zwei oder mehr Elektrizitätsquanten aufgenommen haben, werden mit zwei oder mehr Punkten oder Strichen versehen. Alle p o s i t i v e n E l e k t r i z i t ä t s q u a n t e n m ü s s e n wir u n t e r e i n a n d e r als g l e i c h a u f f a s s e n u n d als g l e i c h w e r t i g den n e g a t i v e n E l i k t r i z i t ä t s q u a n t e n , die i h r e r s e i t s alle

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Theorie der wäßrigen Lösungen

u n t e r e i n a n d e r g l e i c h s i n d . Denn bei der Bildung von Ionen eines Salzes, einer Säure oder Base entsteht stets gleichviel negative a n d positive Elekt r i z i t ä t : die Lösung ist in ihrem elektrischen Verhalten nach außen hin „elektroneutral". Viele Ionen enthalten Wasser, das mehr oder weniger fest angelagert ist; über die Menge des angelagerten Wassers wissen wir wenig. D i s s o z i a t i o n s g r a d : Die elektrolytische Spaltung erstreckt sich in den Lösungen nicht auf alle Molekeln, sondern je nach dem chemischen Charakter des Stoffes und den äußeren Bedingungen auf einen bald größeren bald kleineren Anteil. Der Bruchteil des Stoffes, der gespalten ist, wird als „ D i s s o z i a t i o n s g r a d " bezeichnet. Wenn in einer bestimmten Lösung der Dissoziationsgrad des gelösten Stoffes 0 - 8 ist, so heißt das, daß acht Zehntel des gelösten Stoffes der elektrolytischen Dissoziation anheimgefallen sind. M o l e k e l g e w i c l l f : Diese voll S v a n t e A r r h e n i u s in der zweiten Hälfte der achtziger J a h r e des verflossenen Jahrhunderts zuerst ausgesprochene Lehre erfuhr in den ersten J a h r e n ihres Bestehens gewaltigen Widerspruch und Zweifel. Ea werden durch sie aber so viele chemische und physikalische Erscheinungen, die bis dahin nicht verständlich waren, in einfacher Weise erklärt, daß wir die Theorie als wohlgestützt ansehen müssen. Eine der wichtigsten Stützen ist die, d a ß in der Tat die M o l e k e l g e w i c h t e d e r in Wasser gelösten Stoffe, die sich direkt bestimmen lassen, der Zerlegung entsprechend kleiner gefunden werden, als der ungeteilten Formel zukommt. Bei Natriumchlorid findet man z. B. das Molekelgewicht 2 9 - 2 , also die Hälfte des der Formel NaCl = 5 8 - 5 entsprechenden Wertes, weil jede Molekel Natriumchlorid in zwei Molekeln (Ionen) zerfallen ist. I m folgenden seien einige Anwendungen der modernen Lösungstheorie besprochen. N ä h e r e s m u ß V o r l e s u n g u n d S e l b s t s t u d i u m e r g e b e n . Z e n t r a l i s a t i o n : Der Vorgang der N e u t r a l i s a t i o n einer Säure mit einer Base in wäßriger Lösung besteht nach der Dissoziationstheorio in folgendem: Wenn die Säure (z. B. H", 01') zur Base (z. B. Na", OH') gegeben wird, vereinigen sich die Wasserstoffionen mit den Hydroxylionen zu dem elektrolytisch nur minimal dissoziierten Wasser, und die Säurerestionen bleil en mit den Baserestionen in Lösung. Also: H" + Cl' + Na' + OH' = H 2 0 + Cl' + Na" Der einzige Stoff, der sich bei dem Neutralisationsvorgange wirklich bildet, ist das Wasser, wie man besonders deutlich sieht, wenn man auf beiden Seiten der Gleichung die gleichen Summanden streicht; es bleibt dann H" + OH' = H 2 0 N e u t r a l i s a t i o n s w ä r m e : Diese Erklärung des Neutralisationsvorganges, die der älteren Anschauung absolut entgegengesetzt ist, wird durch das t h e r m o c h e m i s c h e V e r h a l t e n unterstützt. Wie schon einmal bemerkt wurde, sind alle chemischen Umsetzungen mit thermischen Änderungen verknüpft. Ea war achon vor Jahrzehnten die damals nicht verständliche Gesetzmäßigkeit erkannt worden, daß bei der Neutralisation äquivalenter Mengen beliebiger, s t a r k e r Säuren mit äquivalenten Mengen beliebiger, s t a r k e r Basen in wäßriger Losung jedesmal die gleiche Wärmemenge in Freiheit gesetzt wird. Der Grund für diese Erscheinung ist, wie wir jetzt leicht erkennen, der, daß bei allen Neutralisationen der chemische Vorgang der gleiche ist, nämlich Bildung von Wasser aus den Ionen H ' und O H ' ; die frei werdende W ä r m e ist die Bildungswärme des Wassers aus den Ionen H ' und OH'. B i l t z , Einführung. 9.—11. Aufl.

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Theorie der wäßrigen Lösungen

L e i t e r z w e i t e r K l a s s e : Eine übrigens schon alte Anschauung ist die, daß die I o n e n für einen durch eine Lösung gehenden elektrischen Strom die T r ä g e r d e r E l e k t r i z i t ä t sind. Nur solche Flüssigkeiten leiten, die Ionen enthalten. Wasser ist nur minimal elektrolytisch dissoziiert; also leitet es den elektrischen Strom so gut wie gar nicht; 1 g Wasserstoff ist als Ion in etwa 4 l / 8 Millionen Litern Wasser enthalten. Gute Leiter sind dagegen die wäßrigen Lösungen der Salze, Säuren und Basen, also aller der Stoffe, die wir als elektrolytisch dissoziiert kennen gelernt haben. Wir fassen diese drei Stoffklassen unter dem Namen „ E l e k t r o l y t e " zusammen. Ein gelöster Elektrolyt leitet um so besser, je reichlicher er in Ionen zerfallen ist; auf Grund dieser Überlegung erkennt man, daß man auf rein physikalischem Wege (durch Leitfähigkeitsbestimmungen) den Grad der elektrolytischen Dissoziation messen kann. Der Versuch hat ergeben, daß die auf diesem Wege ermittelten Werte für den Dissoziationsgrad eines gelösten Stoffes m i t den nach anderen Methoden erhaltenen Werten (z. B. den aus Molekelgewichts bestimmungen abgeleiteten) übereinstimmen.

stäirke der Säuren und Basen: Wie das obige Beispiel des Neutrali-

sationsvorganges zeigt, beruht die R e a k t i o n s f ä h i g k e i t d e r S ä u r e n a u f dem Vorhandensein von Wasserstoffionen. Die Stärke der Säuren ist ganz allgemein abhängig von dem Gehalte an Wasserstoff ionen, die in der Lösung vorhanden sind. J e stärker dissoziiert eine Säure ist, je größer also die Zahl der Wasserstoffionen unter sonst gleichen Umständen ist, desto stärker wirkt die Säure. Auch hier haben die physikalischen Untersuchungen zu demselben Resultate geführt, wie die chemischen Untersuchungen: so sind die in wäßriger Lösung fast völlig elektrolytisch gespaltenen Halogenwasserstoffsäuren und die Salpetersäure auch rein chemisch sehr starke Säuren. Nur wenig schwächer ist die Schwefelsäure. Essigsäure ist eine schwache, Kohlensäure, Schwefelwasserstoffsäure, Cyanwasserstoffsäure sind* sehr schwache Säuren; erstere ist wenig, letztere sind außerordentlich wenig elektrolytisch dissoziiert. Ebenso wechselnd verhält es sich mit den B a s e n . Die stärksten Basen sind diejenigen, die am meisten Hydroxylionen abgeben, wie Kaliumhydroxyd, Natriumhydroxyd; wenig ionisiert ist die mäßig starke Base Ammoniumhydroxyd, noch weniger sind die schwachen Basen ionisiert. Die S a l z e sind dagegen im allgemeinen weitgehend ionisiert, namentlich diejenigen, die einwertige Ionen liefern, während die Salze, die in zwei- und mehrwertige Ionen zerfallen, weniger, aber doch meist noch so stark dissoziiert sind, daß keine analytischen" Unregelmäßigkeiten (vgl. nächste Seite) auftreten. Wenig ionisiert sind einige Halogensalze, so die des Zinks, Cadmiums und namentlich des zweiwertigen Quecksilbers, was später im Anschlüsse an das Quecksilber studiert werden möge. In einer wäßrigen Lösung von Kohlensäure sind Molekeln H 2 C0 3 enthalten, daneben in sehr geringer Menge die Ionen H", H" und CO/', ferner als Produkte einer unvollständigen Dissoziation H ' und HCO s '; und schließlich ist ein nicht unbeträchtlicher Bruchteil Kohlendioxyd C0 2 rein physikalisch gelöst vorhanden. In einer wäßrigen Ammoniaklösung sind N H , O H Molekeln gelöst, daneben in geringer Konzentration die Ionen NH 4 - und O H ' und schließlich reichlich die Molekeln NH S . Farbe der L ö s u n g e n : Von den physikalischen Eigenschaften der Lösungen sei zuletzt noch die augenfälligste, die F a r b e , erwähnt. Die Farbe einer Lösung ist von der Farbe der vorhandenen Ionen und der gelösten Molekeln abhängig. So sind alle Cuprisalzlösungen mit farblosen, starken Säureionen und gleichem Kupfergehalte gleich gefärbt, vorausgesetzt, daß sie genügend verdünnt sind; ebenso je alle Kobaltosalz-, alle Nickelosolzlösungen usw.; alle Chromate mit farblosem Kation geben gelb, alle Pyroehromate rot gefärbte

Theorie der wäßrigen Lösungen

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Lösungen. Verschwinden die färbenden Ionen, so tritt Entfärbung ein, z. B. bei der Reduktion von Cuprisalz zu Cuprosalz. Umsetzung in wäßriger Lösuug: Die c h e m i s c h e n U m s e t z u n g e n der L ö s u n g e n sind im a l l g e m e i n e n U m s e t z u n g e n der Ionon. In wäßriger Lösung reagieren demnach alle die Stoffe gleich, die ein gleiches Ion besitzen. So wird das Barium aller Bariumsalzlösungen mit Schwefelsäure gefällt; alle Lösungen, die Chlor als Ion enthalten, geben mit Silbernitrat in angesäuerter Lösung einen Niederschlag von Silberchlorid. Dagegen fällt Silbernitrat aus einer Lösung von Kaliumchlorat KCIO, kein Silbcrchlorid, weil in einer Kaliumchloratlösung keine Chlor ionen, sondern die Chlorsäureionen C10 s ' enthalten sind. Silbernitrat ist also kein Reagens auf Chlor schlechthin, sondern nur ein Reagens auf Chlorionen. Hierin liegt im wesentlichen die Erklärung der sogenannten anomalen Reaktionen der unorganischen Chemie. Eine wichtige Frage ist die: welche Ionen mehrerer Elektrolyt^ vereinigen sich beim Mischcn ihrer Lösungen zu ungespaltenen Molekeln, und welche Ionen bleiben? oder in anderen Worten: welche der möglichen Umsetzungen geht vor sieh? Die Antwort r u h t in dem Satze, d a ß s t e t s d i e m ö g l i c h s t w e n i g d i s s o z i i e r t e n S t o f f e s i c h zu b i l d e n b e s t r e b t s i n d . So bildet sich sofort beim Mischen von Säure- und Baselösung Wasser aus den Wasserstoff- und Hydroxylionen, weil Wasser von allen Stoffen, die entstehen könnten, am wenigsten dissoziiert ist. Beim Zusätze von Chlorwasserstoffsäure zu Natriumacetatlösung bleiben wesentlich Natrium- und Chlorionen in der Lösung, während die Essigsäure anionen mit Wasserstoffionen der Chlorwasserstoffsäure zu nicht dissoziierter Essigsäure zusammentreten usw. D i e s e r S a t z g i l t a b e r n u r f ü r d e n F a l l , d a ß sich w e d e r ein Gas noch ein N i e d e r s c h l a g a u s d e r L ö s u n g a u s s c h e i d e t ; wenn das der Fall ist. so liegen die Verhältnisse, wie wir gleich sehen werden, verwickelter. Ä n d e r u n g e n d e s D i s s o z i a t i o u s g r a d e s : Der Dissoziationsgrad eines Elektrolyten ist nicht konstant, sondern er ist von den äußeren Verhältnissen abhängig. J e v e r d ü n n t e r eine Lösung ist, desto weitor goht die D i s s o z i a t i o n ; je k o n z e n t r i e r t e r sie i s t , d e s t o g e r i n g e r i s t d e r Dissoziationsgrad. Hiervon kann man sich leicht durch folgenden Veisuch überzeugen, zu dem ein Salz, das im dissoziierten Zustande eine andere Farbe besitzt als im nicht dissoziierten Zustande, verwendet werden soll. Man stelle ein wenig einer konzentrierten Lösung von Cuprichlorid her. Da die Cupriionen blau, die Cuprichloridmolekeln aber gelbbraun färben, da ferner in einer konzentrierten Cuprichloridlösung das Salz nur zum Teile dissoziiert ist, so wird die Lösung eine Mischfarbe von blau und gelb, also grün besitzen. Wird diese Lösung nun allmählich mit Wasser verdünnt, so wird sie blaustichiger; bei starker Verdünnung geht der F a r b t o n in ein reines Blau über — entsprechend einer vollständigen Dissoziation des gelösten Cuprichlorids. Noch auffälliger ist der Farbumschlag bei Verwendung des schwarzbraunen Cupribromids. Etwas weniger deutlich zeigt sieh das gleiche bei einer Kobaltochloridlösung, die sehi' konzentriert — namentlich in der Wärme — blaurot, verdünnt aber gelbstichig rot erscheint. Der Dissoziationsgrad eines schwachen E l e k t r o l y t e n sinkt, wenn in d e r L ö s u n g die e i n e d e r I o n e n a r t e n k ü n s t l i c h v e r m e h r t w i r d , z. B. dadurch, daß man zu einer Salzlösung etwas freie Säure oder Base des Salzes hinzufügt. Recht augenfällig ist dieser Einfluß bei der eben benutzten Cuprichloridlösung; wird nämlich zu der grünen, konzentrierten Cuprichloridlösung etwas konzentrierte Chlorwasserstoffsäure gesetzt, so wird das Grün gelbstichiger und geht bei starkem Chlorwasserstoffzusatze in ein reines Gelbbraun über; denn es ist durch den Zusatz von Chlorwasserstoff die Kon4*

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Theorie der wäßrigen Lösungen

zentration der Chlorionen in der Lösung erhöht worden. M a n s t e l l e d e n Versuch an. Ein weiteres Beispiel für dieses Gesetz ist die früher festgestellte Tatsache, daß die Basizität einer Ammoniaklösung durch Zusatz von Ammoniumsalzen herabgedrückt wird. Durch die starke Vermehrung der Ammoniumionen, die das im Vergleiche zum mäßig dissoziierten Ammoniumhydroxyde s t a r k dissoziierte Ammoniumchlorid hervorbringt, wird die elektrolytische Spaltung des Ammoniumhydroxyds beträchtlich herabgedrückt: die Konzentration der Hydroxylionen nimmt a b ; die Wirkung der Base schwächt sich dadurch so weit, daß sie nicht mehr Magnesium-, Zink-, Ferro- und einige andere Metallsalzc zu fällen imstande ist. Zahlreiche Eigentümlichkeiten, die bei essigsauren I,ösungen zu beobachten sind (vgl. die Umsetzungen der salpetrigen Säure), ferner die geringere Löslichkeit von Chlorwasserstoffgas in Chloridlösungen oder in verdünnten Säuren reinem Wasser gegenüber beruhen im letzten Grunde auf diesem Gesetze. M a s s e n w i r k n n g ' s g e s e t z : Das eben besprochene Gesetz ist ein Einzelfall des „ M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z e s " , eines der wichtigsten Gesetze der Chemie, das hier nur kurz und auch nicht in seinem ganzen Umfange angedeutet sein möge. Das Massenwirkungsgesetz beruht auf der Erkenntnis, daß jeder Stoff proportional seiner Konzentration zur Wirkung kommt. Ein besonders einfacher Fall ist die Dissoziation eines Stoffes in zwei Spaltungsstücke; es besteht dann zwischen dem Stoffe und seinen Spaltungsstücken ein G l e i c h g e w i c h t . Wenn man die molare Konzentration vom nicht gespaltenen Anteile eines Stoffes mit c, die seiner Spaltungsstücke mit a und b und eine Konstante mit K bezeichnet, so wird das Gleichgewicht durch folgende Gleichung festgelegt: a •b = K •c Beispiele für diesen Fall bilden alle binären Elektrolyte. Die Konstante K , die hier als „ D i s s o z i a t i o n s k o n s t a n t e " bezeichnet wird, ist bei allen stark ionisierten Stoffen groß, bei den nur wenig ionisierten Stoffen klein; ein Blick auf die Gleichung macht das verständlich. Die Dissoziationskonstante ist von der Natur des Stoffes und von der Temperatur abhängig, dagegen unabhängig vom Grade der Verdünnung — im Gegensatze zum Dissoziationsgrade vgl. oben. Der Einfluß eines gleichionigen Zusatzes zu der Lösung eines schwachen Elektrolyten läßt sich auf Grund des eben Auseinandergesetzten verstehen. Bei einem schwachen Elektrolyten sind die Ionen in geringer Konzentration vorhanden: a und b sind also klein; die Konzentration des nicht gespaltenen Anteiles c ist groß; und die Konstante K ist nach dem Obigen klein. Jetzt werde ein zweiter und zwar starker Elektrolyt zugesetzt, der ein gleiches Ion wie das von der Konzentration a reichlich in die Lösung bringt. Dadurch findet eine Verschiebung des Gleichgewichts s t a t t : die Konzentration des den beiden Elektrolyten gemeinsamen Ions o ist jetzt groß; c kann nur wenig zunehmen, d a es schon fast die Gesamtmasse des Elektrolyten ausmacht; K ist konstant. Also kann die Zunahme von a nur durch eine Verkleinerung von b ausgeglichen werden, wobei selbstverständlich c ein wenig wächst und a ein wenig abnimmt. Eine Abnahme von b besagt aber, daß die Ionisation des schwachen Elektrolyten zurückgeht. U m s e t z a n g s g ' l e i c l i l i n g e n : Die elektrolytische Dissoziationslehre h a t zu einer neuen Schreibweise der chemischen Umsetzungen geführt, die den wirklichen Verhältnissen der Lösung besser Rechnung trägt als die bisher von uns benutzte Schreibweise, welche die bei einem Einzelversuche angewandten Ausgangsstoffe und die entstehenden Endstoffe in Formein zu einer Gleichung zusammenfaßte. Die Umsetzung zwischen Chlorwasserstoff und Silbernitrat zu Silberchlorid und Salpetersäure haben wir bisher folgendermaßen formuliert: 1. HCl + AgNO, = AgCl + HNO,

Theorie des Auflösens und Fällens

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Dadurch, d a ß wir die in der Lösung ais Ionen vorhandenen Stoffe als Ionen schreiben, erhält diese Gleichung folgendes Aussehen: 2. H" + Cl' + Ag' + N O , ' = AgCl,+ H" + N O , ' In dieser Gleichung kommen H' und N O , ' auf beiden Seiten vor; sie können also fortgelassen werden. Dadurch wird die Gleichung auf folgende einfachere Form gebracht: 3.

Cl' + A r = AgCl

Sie besagt j e t z t : wenn in einer Lösung gleichzeitig Chlorionen und Silberionen vorhanden sind, so bleiben sie nicht als solche bestehen, sondern sie vereinigen sich zu Silberchlorid. Diese neue Ionengleichung ist aber nicht nur einfacher, sondern a u c h viel allgemeiner. Sie besagt, daß nicht nur Chlorwasserstoff, sondern d a ß irgendein beliebiges Chlorid (NaCl, KCl, CaCl2) — vorausgesetzt, daß es beim Auflösen in Wasser Chlorionen bildet — mit irgendeinem beliebigen Silbersalze (AgNO a , AgjSO,), dessen wäßrige Lösung Silberionen enthält, sich unter Silberchlorid bildung umsetzt. Für den Lernenden ist es am zweckmäßigsten, von jeder Umsetzung, so wie es in diesem Buche.getan ist, zunächst die Reagenzien Umsetzungsgleichung autzustellen, die der einzelnen v o n i h m p r a k t i s c h a u s g e f ü h r t e n U m s e t z u n g entspricht; und dann erst aus dieser die allgemeiner geltende Ionengleichung herauszuschälen, wie es am Beispiele der Silberchloridfällung eben geschehen ist. Erst der Geübte ist imstande, lonengleichungen ohne weiteres richtig anzusetzen.

Theorie des Auflösen» und Fäliens Nach der Molekeltheorie besteht das Auflösen eines Stoffes in einem anderen Stoffe darin, daß sich seine Molekeln voneinander trennen und zwischen die Molekeln des anderen Stoffes schieben; die Trennung der Molekeln beim Auflösen ist ihrer Trennung beim Verdampfen analog. Manche Stoffe lösen sich in bestimmten, anderen Stoffen in unbegrenzter Menge auf; so Alkohol in Wasser („völlige Mischbarkeit"). Die Mehrzahl der Stoffe löst sich aber nur bis zu einer bestimmten Maximalkonzentration auf. Eine Lösung, die i n B e r ü h r u n g m i t e i n e m Ü b e r s c h u s s e d e s i n L ö s u n g b e f i n d l i c h e n S t o f f e s nichts mehr von ihm aufnimmt, heißt ,,gesättigt"; verdünntere Lösungen als die gesättigte Lösung heißen „ungesättigt"; konzentriertere, die man unter gewissen Bedingungen auch herstellen kann, heißen „übersättigt". Ungesättigte und übersättigte Lösungen sind in Gegenwart eines Überschusses vom gelösten Stoffe nicht beständig: erstere nehmen von ihm auf, letztere geben an ihn ab, bis sich das der gesättigten Lösung entsprechende Gleichgewicht zwischen ungelöstem Stoffe und Lösung hergestellt hat. Unter „ L ö s l i c h k e i t e i n e s S t o f f e s " versteht man die Anzahl Gramme des Stoffes, die mit 100 g Lösungsmittel eine gesättigte Lösung geben. In den meisten Fällen steigt die Löslichkeit mit der Temperatur. Komplizierter sind die Verhältnisse, wenn der gelöste Stoff in der Lösung in Ionen zerfällt. Es besteht dann einmal ein Gleichgewicht zwischen dem ungelösten Stoffe und seinem gelösten, a b e r n i c h t i o n i s i e r t e n Anteile, und weiterhin ein zweites Gleichgewicht zwischen diesem und seinen Ionen; das zweite Gleichgewicht wird durch das Massenwirkungsgesetz beherrscht. Nehmen wir als einfachsten Fall einen binären Elektrolyten und bezeichnen die Konzentration, in welcher der u n g e s p a l t e n e , gelöste Elektrolyt in der gesättigten Lösung enthalten ist, mit e, so gilt a-b =. K c

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Theorie des Auflösens und Fällens

Nach dem oben Gesagten ist die Löslichkeit eines Stoffes bei gleicher Temperatur konstant; also ist auch c konstant. Da K ebenfalls konstant ist, muß auch die linke Seite der Gleichung, d. h. das Produkt a • b konstant sein. Das besagt: i n e i n e r g e s ä t t i g t e n L ö s u n g e i n e s i o n i s i e r b a r e n S t o f f e s ist das P r o d u k t der I o n e n k o n z e n t r a t i o n e n k o n s t a n t . Man nennt dieses Produkt das , , L ö s l i c h k e i t s p r o d u k t " . Eine Lösung ist für einen Elektrolyten gesättigt, wenn in ihr so viel Ionen des zu lösenden Stoffes vorhanden sind, daß das Produkt dieser Ionenkonzentrationen gleich dem Lösliehkeitsprodukte ist; sie ist ungesättigt, wenn das Löslichkeitsprodukt durch das Produkt der Ionenkonzentrationen nicht erreicht wird; sie ist übersättigt, wenn es dadurch überschritten ist. Wenn eine lonenart im Überschusse vorhanden ist, so wird das Löslichkeitsprodukt schon erreicht, wenn von der anderen lonenart e i n e g e r i n g e r e M a s s e vorhanden ist; wesentlich ist nur das P r o d u k t beider Konzentrationen. So erklärt sich der Erfahrungesatz, daß ein Elektrolyt in einer Lösung, die eines seiner Ionen schon enthält, weniger löslich ist als in reinem Wasser: Bariumsulfat ist in einer S 0 4 " enthaltenden Lösung und ebenso in einer B a " enthaltenden Lösung weniger löslich, als in reinem Wasser oder in sonstigen Lösungen, die weder B a " noch S 0 4 " enthalten. Daraus ergibt sieh der durch die Erfahrung längst festgestellte Satz, daß man bei Fällungen einen kleinen Überschuß des Fällungsmittels anzuwenden habe. Ausführlicher und an einem Beispiele durchgerechnet findet sich diese Lehre in W. O s t w a l d s Grundlinien der anorganischen Chemie beim Abschnitte Kaliumion (I. Auflage Seite 447bis 451).

Man stelle folgenden Versuch an, der die Herabsetzung der Löslichkeit von Kaliumchlorat auf Zusatz gleichioniger Stoffe zeigt: Man bereite eine bei Zimmertemperatur gesättigte Kaliumchlorat lüsung, indem man eine Probe Kaliumchlorat in heißem Wasser löst und die Lösung unter Umschwenken unter dem Strahle der Wasserleitung auf etwa Zimmertemperatur abkühlen läßt, wobei ein Teil des gelösten Kaliumchlorats auskristallisieren muß. Nach einer Stunde filtriert man ab und versetzt vier Proben der Lösung je mit einigen Tropfen einer der Lösungen von Kaliumchlorid, Kaliumnitrat, Natrium chlor at, Natriumchlorid. Die ersten drei Gemische trüben sich in etwa einer Minute, schneller beim Umschütteln und lassen Kaliumchlorat auskristallisieren. Die vierte Probe, zu der kein gleichioniger Zusatz (NaCl) gekommen ist, bleibt klar. F ä l l u n g e n : Die Theorie der Fällungen ergibt sich aus dem eben Dargelegten: eine F ä l l u n g erfolgt, wenn in einer Lösung Ionen in so großer Konzentration vorhanden sind, daß das Produkt ihrer Konzentrationen (das „Konzentrjtionsprodukt") größer ist als das Löslichkeitsprodukt eines Stoffes, der sich aus ihnen bilden kann. Es erfolgt — event. nach einem Stadium der Übersättigung — die Ausscheidung eines Niederschlages. Als Beispiel seien die Fällungen von Manganosulfid, von Zinksulfid und von Cuprisulfid behandelt: M a n g a n bildet ein Sulfid MnS, das in Wasser sehr wenig löslich ist; immerhin geht etwas in Lösung und zerfällt, da die Lösung sehr verdünnt ist, fast völlig in die Ionen Mn" und S " ; das Produkt der Konzentrationen dieser Ionen in gesättigter Lösung ist das Löslichkeitsprodukt des Manganosulfids. Wenn nun in eine Manganosalzlösung Schwefelwasserstoff geleitet wird, der als sehr schwache Säure außerordentlich wenig dissoziiert ist, so reicht die sehr geringe Konzentration der S"-Ionen nicht aus, mit der Konzentration der reichlich vorhandenen Manganoionen Mn" ein Konzentrationsprodukt zu geben, das

Magnesium

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größer ist als das Löslichkeitsprodukt des Manganosulfids. Also entsteht kein Niederschlag. Wird aber s t a t t des Schwefelwasserstoffs Ammoniumsulfid zur Manganosalzlösung gesetzt, dessen Lösung reichlich S"-Ionen enthält, so reicht jetzt die vorhandene Schwefelionen-Konzentration aus: das Konzentrationsprodukt der Mangäno- und Schwefelionen ist größer als das Löslichkeitsprodukt; und Manganosulfid fällt aus. Beim Z i n k s u l f i d ist das Löslichkeitsprodukt etwas geringer. Deshalb wird in einer n e u t r a l e n Zinksalzlösung schon mit den Schwefelionen des Schwefelwasserstoffs das Löslichkeitsprodukt des Zinksulfids eben überschritten: es fällt etwas Zinksulfid aus. Dabei wird die Säure des Zinksalzes frei, und ihre Wasserstoff ionen vermindern nach dem Massenwirkungsgesetze die elektrolytische Dissoziation des Schwefelwasserstoffs. Nun reicht die Konzentration der Scliwefelionen nicht mehr aus, trotz n i r h l i c h noch vorhmdener Zinkionen das Löslichkeitsprodukt des Zinksulfids zu überschreiten: der Rest Zink fällt aus der Lösung also nicht aus: die Fällung bleibt unvollständig. So wie eben beschrieben ist der Vorgang aber nur, wenn die Säure des Zinksalzes stark ist, also reichlich Wasserstoffionen liefert, die imstande sind, die Dissoziation des Schwefelwasserstoffs merklich herabzudrücken. Wenn die Säure des Zinksalzes aber schwach, also wenig dissoziiert ist, so liefert sie zu wenig Wasserstoff ionen, um merklich auf den Dissoziationsgrad des Schwefelwasserstoffs einwirken zu können. So erklärt es sieh, daß Zink aus der Lösung des Zinkacetats und des Zinkthiocyanats mit Schwefelwasserstoff völlig ausfällt. Das Löslichkeitsprodukt des C u p r i s u l f i d s CuS ist noch geringer als das des Zinksulfids. Selbst wenn starke Säuren vorhanden sind oder während der Umsetzung des Cuprisalzes mit Schwefelwasserstoff frei werden, ist dr.s Konzentrationsprodukt der Cupri ionen und Schwefelionen größer als das Löslichkeitsprodukt des Cuprisulfids: es fällt also Cuprisulfid auch aus einer mit starken Säuren angesäuerten Cupriealzlösung beim Einleiten von Schwefelwasserstoff aus.

3. Magnesiumgruppe Als Metalle der Magnesiumgruppe seien das B e r y l l i u m Be, M a g n e s i u m Mg, Z i n k Zn, C a d m i u m Cd zusammengefaßt. Es sind an der L u f t wohlbeständige Stoffe, die sich nur oberflächlich mit einem dünnen Häutchen Oxyd bedecken, welches das darunter liegende Metall vor weiterer Oxydation schützt. Im glühenden Zustande verbinden sie sich leichter mit Sauerstoff; erhitztes Magnesium verbrennt ohne weitere Wärmezufuhr. Sie sind zweiwertig. Die Oxyde und Carbonate sind in Wasser sehr wenig löslich; die Chloride, Nitrate, Sulfate sind leicht löslich. Von den Sulfiden ist Cadmiumsulfid am beständigsten, da es erst von kochender verdünnter Schwefelsäure zerlegt und gelöst wird; weniger beständig ist das Zinksulfid, das sich schon in kalter verdünnter Schwefelsäure löst. Magnesiumsulfid und das noch nicht rein gewonnene Berylliumsulfid werden schon durch Wasser zerlegt; sie können nur auf trocknem Wege dargestellt werden.

Magnesium Ein Stück Magnesiumband von Fingerlänge werde an einem Ende mit einer Pinzette gefaßt und am anderen in eine Flamme gehalten; es entzündet sich und verbrennt ohne weitere Wärmezufuhr mit blendend hellem, weißem Lichte und unter Bildung eines weißen Rauches zu

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Magnesium

Magnesiumoxyd. Man bringe den Verbrennungsrückstand in eine Porzellanschale. Eine Probe des Rückstandes werde mit einem Tropfen Wasser auf rotes Lackmuspapier gebracht; dieses bläut sich nach einiger Zeit, da das Magnesiumoxyd langsam Wasser anlagert, und das gebildete Magnesiumhydroxyd in Wasser nicht ganz unlöslich ist. Der Rest des Magnesiumoxyd-Rückstandes werden in einigen Tropfen Chlorwasserstoffsäure (möglichst wenig!) gelöst, die Lösung mit etwas Wasser verdünnt und von geringen, ungelöst gebliebenen Teilchen abfiltriert. Diese bestehen wesentlich aus Siliciumdioxyd, das sich bei der Verbrennung aus etwas im Magnesium enthaltenen Silicium gebildet hat. Die Magnesiumchloridlösung werde zu folgenden Fällungen benutzt. N a t r i u m h y d r o x y d : gibt einen weißen flockigen Niederschlag von Magnesiumhydroxyd. M g C l a + 2NaOH = Mg(OH)2 + 2NaCl A m m o n i a k : weißes Magnesiumhydroxyd; die Fällung ist, wie schon beim Ammonium besprochen wurde, nicht vollständig; der Niederschlag löst sich auf Zusatz von Ammoniumchlorid wieder auf. Wenn zum Auflösen des Magnesiumoxyds zuviel Chlorwasserstoffsäure verwendet wurde, entsteht deshalb überhaupt kein Niederschlag. Der Versuch ist dann mit etwas säurefreier Magnesiumsalzlösung des Reagensgestells zu wiederholen. MgCl2 + 2NH 4 OH = Mg(OH)2 + 2NH 4 Cl (Ohne Ammoniumsalze) Mg(OH)2 + 2NH4C1 -- MgCl2 + 2 NH 4 OH (Mit Ammoniumsalzen) Beide Gleichungen sind identisch, nur ist rechts und links vertauscht. Die Umsetzung verläuft also je nach den äußeren Umständen von links nach rechts oder umgekehrt. Solche „ u m k e h r b a r e U m s e t z u n g e n " bezeichnet man in Gleichungen durch einen Doppelpfeil (vgl. Seite 44), also: MgCl, + 2NH„OH

Mg(OH)3 + 2NH 4 C1

N a t r i u m e a r b o n a t : M i t zunächst weißes Magnesiumcarbonat aus, das aber sofort einen Teil der Kohlensäure unter Hydrolyse abgibt und in basisches Salz von wechselnder Zusammensetzung übergeht: „Weiße Magnesia". 'Die Fällung ist in der Kälte unvollständig und wird erst beim Erhitzen vollständig, weil zu, nächst ein Teil des Magnesiums als Hydrocarbonat Mg(HC03)2 gelöst bleibt. In Gegenwart von Ammoniumsalzen entsteht kein Niederschlag; auch löst sich der schon entstandene Niederschlag auf Zusatz von Ammoniumchloridlösung wieder auf. Der Grund hierfür ist dem bei der Ammoniakfällung besprochenen völlig analog. Das neutrale Magnesiumcarbonat MgC0 3 läßt sich kristallwasserhaltig durch Stehenlassen des basischen Carbonats mit kohlen-

Zink säurehaltigem Wasser darstellen; kristallwasserfrei als „Magnesit".

57 in der Natur findet es sich

N a t r i u m p h o s p h a t : Zu einer Probe Magnesiumsalzlösung gebe man etwas Ammoniumehlorid, um ein Ausfallen von Magnesiumhydroxyd zu verhindern, und mache mit Ammoniak alkalisch; oder man säure die Magnesiumsalzlösung mit Chlorwasserstoffsäure an und setze Ammoniak im Überschusse hinzu; alsdann versetze man mit etwas Natriumphosphatlösung: es fällt Ammoniummagnesiumphosphat aus. MgCl, + NH 3 + N a 2 H P 0 4 = 2 NaCl +

Mg(NHJP04

Aus verdünnten Lösungen fällt der Niederschlag erst nach einiger Zeit. Man befördert sein Entstehen dadurch, daß man die Flüssigkeit umrührt und mit dem Glasstabe dabei an den Wänden des Glases kratzt; auch ist ein kleiner Ammoniaküberschuß nötig. Ammoniummagnesiumphosphat ist das a m s c h w e r s t e n l ö s l i c h e S a l z d e s M a g n e s i u l n s , ferner ein Salz, dessen Ausf4llung nicht durch Gegenwart von Ammoniak oder Ammonium.sülzen gestört, vielmehr befördert wird; deshalb wird es zur Ausscheidung des Magnesiums in der qualitativen und quantitativen Analyse benutzt. Ammoniummagnesiumphospliat geht beim Glühen in Magnesiumpyropbosphat über. 2Mg(NH 4 )P0 4 = M g a P 2 0 7 + 2 N H 3 + H a O

Zink Ein Stückchen Zink werde auf Kohleunterlage mit der oxydierenden Stichflamme des Lötrohrs unter kräftigem Blasen stark erhitzt. Es schmilzt und verbrennt mit bläulich weißer, fahler Flamme; dabei steigt ein weißer Rauch auf, der sich zum Teile auf der Kohle in der Nähe des Metalls als weißer „Beschlag" niedersetzt. Der Beschlag zeigt, solange er heiß ist, eine gelbe Farbe. Ein Stückchen r e i n e s Stangenzink werde mit einigen Kubikzentimetern r e i n e r verdünnter Schwefelsäure Übergossen, und einige Tropfen r e i n e r konzentrierter Schwefelsäure zugesetzt. E s tritt unter diesen Umständen nur eine minimale Wasserstoffentwicklung auf, selbst wenn man die Mischung erwärmt. Die Umsetzung wird aber lebhaft, sobald man das Zinkstück mit einem Platindrahte berührt; man beobachte hierbei, daß die Wasserstoffentwicklung nicht vom Zink, sondern vom Platindrahte ausgeht. Sobald sich Zink und Platin nicht mehr berühren, hört die Gasentwicklung auf.

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Zink

Die gleichen Erscheinungen beobachtet man beim Auflösen von reinem Oadmium in reiner, verdünnter Schwefelsäure. Verwendet man unreine Materialien, so enthält das Metall fremde Metall partikelchen —, oder es schlagen sich aus der unreinen Säure solche auf ihm nieder —, die die Stelle des Platindrahtes ausfüllen. Solche inhomogene Stellen schafft man künstlich durch Zusatz eines Tropfens Kupfcr-ulfat- oder Silbernitratlösung zu dem Metall-Säuregemische: Kupferoder Silberteilchen schlagen sich sofort auf dem Zink nieder und ermöglichen eine lebhafte Auflösung des Zinks.

Mau fahre mit etwas Zinksalzlösung die folgenden Fällungen aus. N a t r i u m h y d r o x y d : weißes, flockig-gelatinöses Zinkhydroxyd, vorausgesetzt, daß nicht zuviel Natriumhydroxydlösuug genommen "wird. ZnCl2 + 2 NaOH = Zn(OH)2 + 2NaCl Ein Überschuß aB Natriumhydroxyd löst das Zinkhydroxyd /.u Mononatriumzinkat. Zinkhydroxyd verhält sich Natriumhydroxyd gegenüber als einbasische, bei großer Natriumhydroxyd-Konzentration auch als zweibasische Säure. Zn(OH), + NaOH = H 2 0 + Zn(OH)ONa Zn(OHl, + 2 NaOH = 2 H 2 0 + Zn(ONa)2 Wird in Natriumhydroxyd lösung so viel Zinkhydroxyd eingetragen, als sich löst, filtriert, die Natriumzinkatlösung mit Wasser verdünnt und zum Kochen erhitzt, so fällt Zinkhydroxyd daraus zum Teile wieder aus. Wird Natriumzinkat lösung mit Natriumchlorid lösung verdünnt, so fällt Zinkhydroxyd sofort, und nach einiger Zeit fast quantitativ aus. Aus beiden Beobachtungen folgt, daß Natriumzinkat stark zu hydrolytischer Spaltung neigt (vgl. Seite 65). In der Tat ist das gelöste Natriumzinkat großenteils hydrolytisch gespalten, wobei das Zinkhydroxyd kolloidal gelöst ist (vgl. den Ab. schnitt über kolloidale Lösungen); schon äußerlich zeigt sich das an der Opaleszenz der Natriumzinkatlösung.

Ahnliche Verbindungen bilden die Hydroxyde von Aluminium, Chrom, Blei, Zinn (vgl. den Abschnitt: Metalloxydalkaliverbindungen Seite 64). Eine Probe des erhaltenen Zinkhydroxyds werde auf der Magnesia rinne geglüht; der weiße Giührückstand werde mit einem Tröpfchen sehr verdünnter Kobaltnitratlösung befeuchtet und nochmals geglüht. Er erscheint jetzt grün gefärbt ( „ R i n m a n s Grün"). A m m o n i a k : durch wenig Ammoniaklösung wird Zinkhydroxyd ausgefällt; ein Überschuß von Ammoniaklösung löst den Niederschlag leicht zu komplexem Zinkammoniaksalze, z. B. [Zn(NH3)6]Cl2. Ausgefälltes und ausgewaschenes, reines Zinkhydroxyd löst sich ebenfalls in Ammoniaklösung auf, und zwar als Zinkammoniak hydroxyd [Zn(NH,)6](OH)2

Cadmium

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Die Gegenwart von Ainmoniumsalzen starker Säuren in der Zinksalzlösung verhindert die Abscheidung von Zinkhydroxvd beim Zusätze von Ammoniak (vgl. Seite 40 und 52 oben). N a t r i u m c a r b o n a t : fällt unter einer je nach den äußeren Bedingungen bald stärkeren, bald schwächeren Kohlendioxyd eritwicklung basisches Zinkcarbonat von wechselnder Zusammensetzung aus. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f : Wenn in eine schwach mit Chlorwasserstoffsäure angesäuerte Zinksalzlösung Schwefelwasserstoffgas eingeleitet wird (Stinkraum!), so fällt nichts aus. Man gebe zu der LösuDg jetzt reichlich Natriumacetatlösung hinzu und leite nochmals Schwefelwasserstoffgas hindurch: jetzt fällt weißes Zinksulfid (vgl. die Erklärung auf Seite 54 bis 55). Wichtige Erkennungsprobe. ZnCl2 + 2Na(C 3 H,0 2 ) + Ii 2 S = ZnS + 2NaCl + 2H(C a H 3 0,) A i n m o n i u m s u l f i d : fällt weißes Zinksulfid: eiü Zusatz von Arnmoniunaehlorid befördert die Abscheidung. • ZnClj + (NH4)2S = ZnS + 2NH4C1

Cadmiuni Man erhitze ein Stückchen Cadmium auf Kohle mit der LötrohrHannne; es schmilzt und verbrennt zu gelbbraunem Cadmiumoxyd, das sich zum Teile auf der Kohle als Beschlag niederschlägt, zum Teile als Rauch entweicht. Ein Stück Cadmium von Erbsengröße werde in etwas verdünnter Schwefelsäure, der einige Tropfen konzentrierter Schwefelsäure zugesetzt sind, unter Berührung mit Platin gelöst. Mit dieser Lösung oder mit einer Cadmiumsalzlösung des Laboratoriums werden folgende Versuche ausgeführt. N a t r i u m h y d r o x y d : fällt weißes Cadmiumhydroxyd, das im Uberschusse von jSatriumhydroxydlösung u n l ö s l i c h ist. CdS0 4 + 2NaOH = Cd(OH)2 + Na 2 S0 4 A m m o n i a k : fällt Cadmiumhydroxyd, das auf weiteren Zusatz von Ammoniaklösung sich zu einem komplexen Cadmium ammoniaksalze löst, in unserem Falle zu Tetrammincadmiumsulfat [Cd(NH3)4]S04 (vgl. Seite 40). Ausgewaschenes, reines Cadmiumhydroxyd löst sich nur sehr wenig in Ammoniaklösung, wohl aber in Ammoniumsalzlösungen, auch in solchen schwacher Säuren. Cadmium ammoniakhydroxyd ist in wäßriger Lösung also viel weniger löslich als die Cadmium ammoniaksalze.

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Cadmium

N a t r i u m c a r b o n a t : fällt weißes, im Überschusse des Fällungsmittels unlösliches Cadmiumcarbonat. CdS0 4 + Na 2 C0 3 = CdC03 + Na 2 S0 4 Schwefelwasserstoff Cadmiumsulfid.

oder

Ammoniumsulfid:

fällen

gelbes

CdSÖ4 + H 2 S' = CdS + H 2 S0 4 Cadmiumsulfid ist bei Zimmertemperatur in verdünnten Säuren unlöslich, wird aber von konzentrierter Chlorwasserstoffsäure oder von kochender 20°/ n iger Schwefelsäure gelöst und zerlegt. Man stelle diesen Versuch an. Cadmium fällt — im Gegensatze zu allen bisher besprochenen Metallen — aus schwach saurer Lösung mit Schwefelwasserstoff als Sulfid aus, kann also dadurch von ihnen getrennt werden. Anderseits ist das Cadmiumsulfid von allen mit Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung ausfallenden Metallsulfiden (HgS, Ag2S, CuS, PbS, Bi2S3, AS2S?, Sb2S3, SnS) das löslichste und deshalb unbeständigste; es wird, wie eben festgestellt wurde, schon durch warme, verdünnte Schwefelsäure gelöst, was bei den anderen Sulfiden nicht möglich ist. K a l i u m c y a n i d : Ein wenig frisch bereitete Kaliumcyanidlösung fällt aus nicht zu verdünnter Cadmiumsalzlösung weißes CadmiumCyanid.

CdS04 + 2KCN = Cd(CN)2 - f K 2 S0 4 Auf weiteren Zusatz von Kaliumcyanidlösung löst sich das Cadmiumcyanid zum Kaliumsalze der komplexen Cadmium cyanwasserstoffsäure Ka[Cd(CN)4]. Cd(CN)2 + 2 KCN = K2[Cd(CN)4] Aus dieser Lösung fällt Natriumhydroxydlösung kein Cadmiumhydroxyd: ein Zeichen dafür, daß ein komplexes Salz vorliegt (vgl. Seite 72); wird jedoch Ammoniumsulfid zugesetzt, so fällt Cadmiumsulfid CdS aus. Durch Zusatz von Chlorwasserstoffsäure zur nicht zu verdünnten Kalium cadmiumcyanidlösung scheidet sich freie Cadmiurncyanwasserstoffsäure aus, die aber s o f o r t in Cyanwasserstoff und Cadmiumcyanid zerfällt, welches letztere sich in weißen Flocken absetzt. K2[Cd(CN)4] + 2 HCl = ¡H2[Cd(CN)4]} + 2 KCl {H2[Cd(CN)4]j = 2HCN + Cd(CN)2 Man v e r s ä u m e n i c h t , n a c h j e d e m A r b e i t e n m i t dem h ö c h s t g i f t i g e n K a l i u m c y a n i d s i c h die H ä n d e g r ü n d l i c h zu waschen.

Eisengruppe — Aluminiuni

61

4. Eisengruppe Von den Metallen der Eisengruppe sind E i s e n F e und K o b a l t Co vorwiegend zwei- und dreiwertig; A l u m i n i u m AI ist nur dreiwertig, N i c k e l Ni nur zweiwertig. Das Eisen steht dem Aluminium insofern näher, als die zweiwertige Form leicht in die dreiwertige übergeführt werden kann; beim Kobalt ist die zweiwertige Form weitaus die beständigere. Als Beispiel für die Zusammensetzung der Verbindungen der Eisenreihe seien die Formeln der wichtigsten Eisen Verbindungen angegeben. Oxydulreihe

Oxydreihe

(Eisenoxydul) } Ferrohvdroxyd Fe(OH) Ferrochlorid FeCl 2 Ferrocarbonat FeCO, Ferrosulfat F e S 0 4 Ferrosulfid FeS

(Eisenoxvd)

}

Fei

°»

Ferrichlorid FeCl 3 Ferrisulfat Fe 2 (S0 4 ) 3 Ferrisulfid Fe 2 8 3

Die Oxyde, Hydroxyde, Carbonate sind in Wasser unlöslich; die Chloride, Nitrate, Sulfate sind wasserlöslich. Aluminiumsulfid ist das unbeständigste Sulfid der Eisengruppe; es zerlegt sich schon mit Wasser unter Hydrolyse in Aluminiumoxydhydrat und Schwefelwasserstoff; es ist also auf nassem Wege nicht darstellbar. Ferrosulfid ist in verdünnten Säuren löslich, wird also aus saurer (auch essigsaurer) Lösung durch Schwefelwasserstoff nicht gefällt. Nickel und Kobalt lassen sich nicht aus saurer Lösung durch Schwefelwasserstoff als Sulfide ausfällen. Man erhält die Sulfide durch Ausfällen der neutralen Metallsalzlösungen mit Ammoniumsulfid; die einmal ausgefällten Sulfide lassen sich aber jetzt nicht mehr in ver-' dünnten Säuren auflösen. Der Grund f ü r diese auffallende Erscheinung ist darin zu suchen, daß die zunächst ausgefällten Sulfide, die jedenfalls säurelöslich sind, sehr schnell in eine andere, beständigere Modifikation übergehen, in der sie nicht mehr säurelöslich sind. Es ist dies ein Beispiel für die oft zu beobachtende Erscheinung, daß frisch gebildete Niederschläge zunächst in einer leichter löslichen und deshalb weniger beständigen Form entstehen, die erst mit der Zeit — schneller beim Erwärmen — in eine schwerer lösliche Form übergehen ( „ A l t e r n " ) . Die Hydroxyde dieser Gruppe sind schwaphe Basen; sie ziehen kein Kohlendioxyd a u s ' d e r Luft an. Die mit starken Säuren gebildeten Salze röten blaues Lackmuspapier. Die Trihydroxyde der meisten dreiwertigen Metalle sind mit Sicherheit bisher nicht dargestellt worden. Die mit Natriumhydroxyd oder Ammoniak aus ihren Salzlösungen sich ausscheidenden Fällungen enthalten mehr Wasser —- allerdings locker gebunden — als der Hydroxydformel entspricht. Beim Trocknen geht das Wasser langsam und s t e t i g fort, ohne daß eine normale Hydroxydverbindung entstände; als einzig faßbares E n d p r o d u k t der Entwässerung erhält man das Metalloxyd. Es erscheint deshalb zweckmäßig, die Fällungen als „ M e t a l l o x y d h y d r a t e " zu bezeichnen. I m f o l g e n d e n i s t d a s d e m O x y d a n g e l a g e r t e H y d r a t w a s s e r in den F o r m e l g l e i c h u n g e n n i c h t a u f g e n o m m e n .

Aluminium Silberweißes, luftbeständiges Metall, oberflächlich durch eine äußerst dünne Schicht von Oxyd weißlich. Gewöhnlich ist es durch bis 1 % Silicium and Spuren anderer Metalle verunreinigt. I

62

Aluminium

Ein kleines Stückchen Aluminium werde mit der Lötrohrflamme auf Kohleunterlage geschmolzen. Es schmilzt bei 6 5 8 ° . Das geschmolzene Metall umkleidet sich mit einer dicken, grauen Oxydschicht, die es vor weiterer Oxydation schützt. Ein Stück Aluminium werde im Probierglase mit verdünnter Chlorwasserstoffsäure, der ein wenig konzentrierte Chlorwasserstoffsäure zugesetzt ist, gelöst. Es löst sich unter Wasserstoffentwicklung. Durch Eindampfen dieser Lösung läßt sich wasserfreies Aluminiumehlorid nicht darstellen, da das Chlorid dabei unter Hydrolyse in basisches Aluminiumchlorid übergeht, — derselbe Prozeß, den wir beim Calciumchlorid kennen gelernt haben, der aber beim Aluminiumehlorid viel eher eintritt und viel weiter geht. Wasserfreies Aluminiumehlorid wird durch Überleiten von trocknem Chlor oder trocknem Chlorwasserstoffgase über erhitztes Aluminium dargestellt. Die durch Filtration gereinigte Aluminiumchloridlösung werde zu folgenden Versuchen benutzt. N a t r i u m h y d r o x y d : Man gebe zu etwas Aluminiumchloridlösung einige Tropfen Natriumhydroxydlösung; es fällt Aluminiumoxydhydrat als gelatinös-flockige Masse aus. Die Gegenwart hydroxylhaltiger organischer Stoffe, wie Weinsäure, Zucker, verhindert das Zustandekommen dieser Fällung (vgl. den Abschnitt über komplexe Salze und Doppelsalze Seite 74). 2A1C13 + 6NaOH = A1 2 0 8 + 3 H 2 0 + 6NaCl Auf weiteren Zusatz von Natriumhydroxydlösung löst sich das Aluminiumoxydhydrat als Natriumaluminat Al(OH)2ONa auf. Aus dieser Lösung kann durch Kohlendioxyd Aluminiumoxydhydrat wieder ausgefällt werden. Ebenso fällt ein reichlicher Ammoniumchloridzusatz das Aluminiumoxydhydrat wieder aus; zu dieser Fällung ist wenigstens so viel Ammoniumchlorid zu verwenden, als daß sein Chlorgehalt zur Sättigung des vorhandenen Natriums ausreicht. Oder man verfährt so, daß man die Aluminatlösung durch Chlorwasserstöffsäure ansäuert, und dann das Aluminium mit der zur Ausfüllung gerade nötigen Masse Ammoniak ausfällt. Das zweite Verfahren ist vorzuziehen. Beim Erhitzen geht Aluminium oxydhydrat in Aluminiumoxyd A1 2 0 8 über. Geglühtes Aluminiumoxyd löst sich weder in Säuren noch in Laugen. Um es „ a u f z u s c h l i e ß e n " , schmilzt man es mit Kaliumhydrosulfat K H S 0 4 zusammen, welches bei höherer Temperatur in Wasser und Kaliumpyrosulfat K 2 S 2 0 7 übergeht; letzteres zerlegt sich bei schwacher Glühhitze in Kaliumsulfat und Schwefelsäureanhydrid. Bei dieser hohen Temperatur wirkt nun das Schwefelsäureanhydrid lösend auf Aluminiumoxyd ein. Ebenso wie Aluminiumoxyd wird geglühtes Eisenoxyd Fe 2 O s und geglühtes Chromoxyd Cr 2 0 3 aufgeschlossen. Die Aufschließungen mit Kaliumhydrosulfat werden zweckmäßig in der Weise ausgeführt, daß zunächst das Kaliumhydrosulfat bei mäßiger Temperatur im Tiegel bis zum ruhigen Flusse geschmolzen und dadurch in Kaliumpyrosulfat

Aluminium

63

übergeführt wird; dann läßt man die Schmelze erstarren und bringt den aufzuschließenden Stoff darauf. Nun wird wieder erhitzt, und bei l a n g s a m ges t e i g e r t e r Temperatur die Umsetzung durchgeführt.

Die oben erhaltene Aluminiumoxydhydratfällung werde abfiltriert, etwas mit Wasser ausgewaschen und durch Aufstreichen auf eine mehrfache Schicht Filtrierpapier einigermaßen getrocknet. Dann werde sie auf der Magnesiarinne oder einem Stücke Holzkohle geglüht; der weiße Glührückstand werde mit etwas s e h r verdünnter Kobaltsalzlösung befeuchtet und nochmals geglüht. Er ist jetzt blau gefärbt ( „ T h e n a r d s Blau"). A m m o n i a k : Zu einer Probe Aluminiumchloridlösung werde etwas Ammoniaklösung gesetzt: es fällt Aluminiumoxydhydrat aus. Dieses löst sich in überschüssiger Ammoniaklösung in geringer Menge. Man gebe einige Tropfen Aluminiumchloridlösung in etwa 3 cm3 verdünnte Ammoniaklösung, schüttle etwa eine Minute tüchtig und filtriere. Das klare Filtrat werde bis zum Verjagen des Ammoniaks — eventuell unter Zugabe von etwas Wasser — gekocht: es trübt sich durch Ausscheidung von Aluminiumoxydhydrat, das in kolloidaler Form in Lösung gehalten war. Gegenwart von viel Ammoniumchlorid wirkt fällend auf die kolloidale Lösung (vgl. Abschnitt: Kolloidale Lösungen). Dies Verhalten des Aluminiums zu kennen, ist für die Ausführung quantitativer Bestimmungen nötig. N a t r i u m c a r b o n a t : Eine Probe Aluminiumchloridlösung werde mit etwas Natriumcarbonatlösung versetzt, es fallt unter Kohlendioxydentwicklung AluminiumoxydhjMrat aus (Hydrolyse). 2A1C13 + 3 Na 3 C0 3 = A1203 + 3C0 2 + 6NaCl B a r i u m c a r b o n a t : Eine Probe Aluminiumchloridlösung werde mit überschüssigem Bariumcarbonatbrei geschüttelt. Dabei fällt alles Aluminium als Oxydhydrat aus (Hydtolyse). Man filtriere; aus dem Filtrate darf, nach vorhergehendem Ansäuern mit einigen Tropfen Chlorwasserstoffsäure und Aufkochen, nach Zugabe von Ammoniak kein Aluminiumoxydhydrat mehr fallen. N a t r i u m a c e t a t : Man neutralisiere eine Probe Aluminiumchloridlösung annähernd mit Natriumcarbonatlösung; sollte dabei etwas Aluminiumoxydhydrat ausfallen, so bringe man es durch Zusatz von einigen Tropfen Chlorwasserstoffsäure wieder in Lösung. Man füge etwa den gleichen Baumteil Natriumacetatlösung hinzu, ferner noch etwas Wasser und erhitze die Mischung zum Kochen. Es fällt das Aluminium als Oxydhydrat oder als basisches Aluminiumacetat aus. A1C13 + 3Na(C2H3Oa) = 3NaCl + A l ^ H ^ 2A1(C2H302)3 + 3 H 2 0 = Al ä O s + 6H(C 3 H 3 0 2 j

Metalloxydalkaliverbindungen

64

W e n n der Niederschlag h e i ß

abfiltriert wird, bleibt alles

A l u m i n i u m als O x y d h y d r a t oder als basisches A c e t a t auf dem Filter.

Diese Z e r l e g u n g des A l u m i n i u m a c e t a t s m i t kochendem

W a s s e r ist ein Beispiel einer vollständig verlaufenden Hydrolyse. L ä ß t m a n die Mischung wieder abkühlen, so löst sich das Aluminiumoxydliydrat

zum Teile

wieder

auf.

I n gleichem Sinne

w ü r d e ein reichlicher Zusatz freier E s s i g s ä u r e (wie er wenn m a n N a t r i u m a c e t a t zu einer s t a r k

entsteht,

chlorwasserstoffsiuren

L ö s u n g gibt) w i r k e n : es würde n i c h t alles A l u m i n i u m ausfallen. Die beiden letzten F ä l l u n g e n ( „ B a r i u m c a r b o n a t m e t h o d e " und „ N a t r i u m a c e t a t m e t h o d e " )

werden in der Analyse zur

T r e n n u n g der dreiwertigen Metalle A l u m i n i u m , von

den

zweiwertigen

letztere werden nicht Ammoniumsulfid:

Metallen

Zink

und

Eisen,

Mangan

Chrom benutzt;

gefällt.

Eine Probe Alaminiumchloridlösung

werde an-

nähernd m i t A m m o n i a k neutralisiert und mit Ammoniumsulfid v e r s e t z t ; es fällt q u a n t i t a t i v A l u m i n i u m o x y d h y d r a t 2A1C1 3 +

3(NH4)2S +

3 H s O = A1203 +

3H2S +

aus.

6NH/J1

Metalloxydalkaliverbindungen Beim Zink und Aluminium ist die Erscheinung zutage getreten, daß sieh die Hydroxyde dieser Metalle in Natriumhydroxydlösung, statt derer auch Kaliumhydroxydlösung verwendet werden kann, auflösen. Dabei bilden sich Verbindungen, in denen die Wasserstoffatome der basischen Hydroxylgruppen mehr oder weniger durch Alkalimetall ersetzt sind, — also Verbindungen, in denen d a s ' s c h w a c h basische H y d r o x y d dem stark basischen Alkalim e t a l l e g e g e n ü b e r die R o l l e e i n e r S ä u r e s p i e l t . Man bezeichnete diese Verbindungen als „Metalloxyd alkaliverbindungen", z. B . Zn(ONa) 2 Zinkoxydnatron; A](OH) 2 (OK) Aluminiumoxydkali, eine Bezeichnung, der die Anschauung zugrunde lag, die Körper wären Additionsprodukte von Zinkoxyd ZnO + Natron Na a O usw. Besser faßt man diese Stoffe als salzartige Substitutionsprodukte auf und bezeichnet sie durch die Endsilbe „ a t " , bzw. „ i t " , falls der at-Name schon für Derivate einer höheren Oxydationsstufe des Metalls vergeben ist; also Natriumzinkat

OH

Natriumplumbit

OH

Natriumaluminat A l i R ? ^ ONa

Natriumstannit S n 9 ? J a ONa

Natriumchromit C T Q ^ ' 2

Natriumstannat O: Sn

Noch stärker ausgesprochen ist die Säurenatur des Hydroxyds in den Antimonitcn und Antimonaten, den Arseniten und Arsenaten, den Chromaten, Molybdaten, Wolframaten, Uranaten usw., die von a l t e r j her als Salze der entsprechenden Metallsäuren aufgefaßt werden. E s ist leicht zu erkennen, daß hier ein ganz allmählicher Übergang von den starken Säuren über die schwachen Säuren, die als. Säure und Base wirkenden Metallhydroxyde, die schwachen Basen zu den starken Basen besteht. Ammoniumhydroxyd ist eine zu schwache Base, als daß es mit den genannten Metallen entsprechende Verbindungen einginge.

Hydrolyse

65

Den Metalloxydalkaliverbindungen steht eine Reihe von Verbindungen nahe, die ihrer Zusammensetzung nach durch Zusammenlagerung zweier Metalloxyde, meist des Oxyds eines zweiwertigen und eines dreiwertigen Metalls, entstanden sind; so der Chromeisenstein Cr2Oa + FeO, ferner das Kobaltoxyduloxyd Coj0 3 + CoO und die Mennige PbO, + 2PbO. Diese Verbindungen, zu denen die als Mineralien wichtigen Spinelle gehören, sind wohl folgendermaßen zu formulieren: , , ^ O'Al : O 8H)2N03 + 2 Ö N 0 3 Enthält die Wismutsalzlösung viel freie Säure, so erfolgt ein Niederschlag erst nach Zusatz von sehr viel Wasser und nach längerem Stehen. Durch Zusatz von Weinsäure kann das Entstehen dieses Niederschlages — anders als beim Antimon — nicht verhindert werden. Ein Zusatz von wenig Natriumchlorid erleichtert die Niederschlagsbildung sehr. Außer dem genannten Salze Bi(0H) 2 N0 3 gibt es zahlreiche andere basische Wismutnitrate, die sich bei Änderung der Darstellungsvorschrift in bezug auf Temperatur und Konzentration bilden. N a t r i u m h y d r o x y d : fällt Wismutoxydhydrat, das sich im Überschusse von Natriumhydroxydlösung n i c h t löst. Wird Wasserstoffsuperoxydlösung oder Bromwasser zu der Mischung gegeben, so färbt sich der Niederschlag hellbraun, indem sich ein Hydroxyd des fünfwertigen Wismuts HBi0 3 bildet. Bi(N03)3 + 3NaOH = Bi(OH)3 + 3NaNO a S c h w e f e l w a s s e r s t o f f : fällt schwarzes Wisrauttrisulfid. 2Bi(N0 3 ) 3 + 3H 2 S = Bi 2 S 3 + 6 H N 0 3 N a t r i u m s t a n n i t l ö s u n g : Wird zu einer Wismutnitratlösung Stannochloridlösung und Natriumhydroxydlösung gesetzt, so fällt schwarzes metallisches Wismut aus. Bi 2 0 3 -f 3Na 2 Sn0 2 = 2Bi + 8Na 2 Sn0 3 K a l i u m j o d i d : fällt schwarzrotes Wismuttrijodid BiJ„: ein Überschuß an Kaliumjodidlösung löst das Wismuttrijodid zum komplexen Kalium wismutjodid K[BiJ 4 ].

120

Bromwasserstoffsäure, Jodwaaserstoffsäure

Zweiter Teil der Säuren Im folgenden seien einige Säureh behandelt, deren Kenntnis für das bisher Besprochene von geringerer Bedeutung ist.

1. Bromwasserstoffsäure HBr und Jodwasserstoffsäure HJ Brom- und Jodwasserstoff sind farblose Gase, die sich dem Chlorwasserstoff sehr ähnlich verhalten. Alle drei bilden zusammen eine Gruppe. Der Siedepunkt der wasserfreien Säuren steigt mit dem Molekelgewichte; er liegt für Chlorwasserstoff bei - 83 für Bromwasserstoff bei - 09 für Jodwasserstoff bei - 3 6 ° . In gleichem Sinne steigt die Löslichkeit in W a s s e r : eine konzentrierte, wäßrige Chlorwasserstoffsäure enthält etwa 40°/ 0 HCl, eine konzentrierte Bromwasserstoffsäure etwa 5 0 % H B r , eine konzentrierte Jodwasserstofflösung über 8 0 % H J . Mit steigendem Molekelgewichte steigt die Zersetzlichkeit: während Chlorwasserstoff in Lösung bei Zimmertemperatur kein freies Chlor enthält und im Gaszustande erst bei Temperaturen von 1 4 0 0 " an zu dissoziieren beginnt, ist wäßrige Bromwasserstoffsäure gelblich, wäßrige Jodwasserstoffsäure stark braun gefärbt, wenn sie auch nur kurze Zeit unter Luftzutritt aufbewahrt worden sind. Diese Zersetzung ist namentlich im Lichte stark.

In drei Probiergläsern werden 1) ein Tropfen Chlorwasserstoff-, 2) Brom Wasserstoff-, 3) Jodwasserstoff lösung oder deren Kaliumsalzlösungen mit Wasser etwas verdünnt und mit je einigen Tropfen S i l b e r nitratlösung gefällt: Silberchlorid fällt weiß, Silberbromid schwach gelbstichig, Silberjodid hellgelb. Silberchlorid löst sich auf Zusatz, von Ammoniaklösung leicht,» Silberbromid nur zum kleinen Teile, Silberjodid gar nicht. Man filtriere die letzten zwei Lösungen und säuere alle drei Lösungen mit Salpetersäure an; im ersten Glase fällt alles Silberchlorid wieder aus; aus der zweiten Lösung fällt die geringe 'Menge gelösten Silberbromids; aus der dritten fällt nichts. Zu etwas Kaliumbromidlösung gebe man 1 cm 3 Chloroform und 1 bis 2 Tropfen C h l o r w a s s e r ; die Lösung färbt sich durch ausgeschiedenes Brom braun; beim Umschütteln löst sich das Brom im Chloroform und färbt dieses. Ein geringer Überschuß von Chlorwasser ändert nichts daran: die braune Bromfarbe der Chloroformschicht bleibt. KBr + C1 = KCl + Br Man stelle denselben Versuch mit Kaliumjodidlösung an; dis Chloroformschicht färbt sich jetzt violett. Auf weiteren Zusatz von Chlorwasser verschwindet die Violettfärbung, weil das zunächst ausgeschiedene Jod durch Chlorwasser zu Jodsäure oxydiert wird. KJ -f C1 = KCl -f J J 4. 5C1 + 3HjO = HJO, -f 5 HCl

Cyanwasserstoffsäure

121

Hierauf beruht eine elegante Methode, Brom und Jod in der Analyse nebeneinander nachzuweisen. Man versetze eine verdünnte Lösung, die wenig Kaliumjodid und Kaliumbromid enthält, zunächst mit einem Tropfen Chlorwasser und etwas Chloroform. Beim Umschiitteln nimmt die Chloroformschicht die violette Jodfarbe an, während alles Brom noch gebunden bleibt, da es schwerer als Jod aus seinen Salzen freigemacht wird. Alsdann gebe man mehr Chlorwasser hinzu, bis beim Umschütteln die violette Jodfarbe verschwunden ist; es zeigt sich, daß sich nunmehr freies Brom abgeschieden und die ChloroformSchicht braun gefärbt hat (vgl. Elektro affinität Seite 95). Durch gelinde Oxydationsmittel wie salpetrige Säure H N 0 3 wird nur Jod, nicht aber Brom freigemacht. Man gebe zu etwas Kaliumjodidlösung einige Tropfen rauchender — also salpetrigsäurehaltiger — Salpetersäure. Es scheidet sich Jod aus. HJ + H N 0 2 = NO + H , 0 -¡-J.

2. Cyanwasserstoffsäure HCN Die Cyanwasserstoffsäure oder ..Blausäure" schließt sich in ihrem chemischen Verhalten vollkommen der Chlor-, Brom- und Jodwasserstoffsäure an und würde der letzteren in vielen Beziehungen anzureihen sein; nur ist sie eine sehr schwache Säure. Wasserfreie Cyanwasserstoffsäure siedet bei 26°; in Wasser löst sie sich in jedem Verhältnisse. Cyanwasserstoffsäure und ihre Salze, soweit sie Cyanionen in wäßriger Lösung abgeben, sind sely giftig. Das Cyanion hat eine außerordentliche Neigung, komplexe Verbindungen einzugehen; diese sowie die nicht dissoziierten Cyanide sind kaum giftig. Man w a s c h e n a c h jedem Arbeiten mit Cyaniden die Händo!

Man löse etwas Kaliumcyanid in Wasser auf und benutze die Lösung zu den folgenden Versuchen; die Kaliumcyanidlösung muß frisch bereitet werden, da sie sich beim Aufbewahren zersetzt. Einen Tropfen Kaliumcyanidlösung verdünne man mit etwas Wasser, säuere mit wenig Salpetersäure an und gebe zwei Tropfen S i l b e r n i t r a t l ö s u n g hinzu; es fällt Silbercyanid aus, das fast dieselben Eigenschaften wie Silberchlorid besitzt. Wie dieses löst es sich auf Zusatz von Ammoniaklösung. KCN + AgN0 3 = AgCN + KN0 3 Man versetze einige Tropfen Silbernitratlösung tropfenweise mit Kaliumcyanidlösung. Das zuerst ausfallende Silbercyanid löst sich im Uberschusse von Kaliumcyanidlösung zum Kaliumsalze der komplexen Silbercyanwasserstoffsäure, AgCN + KCN = K[Ag(CN}2] Auf Zusatz von Salpetersäure bildet sich freie Silbercyanwasserstoffsäure, die aber sofort in Cyanwasserstoff und Silbercyanid zerfällt: Silbercyanid scheidet sich in Flocken ab.

122

Cyanwasserstoffsäure— Fluorwasserstoffsäure, Kieselfluorwasserstoffsäure

Man gebe zu einem Tropfen Kaliumcyanidlösung einige Tropfen Ferrosulfatlösung und etwas Natriumhydroxydlösung und erwärme die Mischung eine Minute lang bis fast zum Kochen. Dann kühle man ab und säuere mit Chlorwasserstoffsäure an, worauf ein dicker, flockiger, dunkelblauer Niederschlag von Ferriferrocyanid („Berlinerblau"). entsteht. Bei Verwendung sehr geringer Mengen von Cyanwasserstoff färbt sich die Lösung beim Ansäuern zunächst grün, und erst nach einiger Zeit scheidet sich ein deutlicher, blauer Niederschlag ab. Die Erklärung dieser Umsetzung besteht darin, daß sich zunächst Kaliumferrocyanid bildet; beim Ansäuern setzt sich dieses mit Ferrichlorid, das durch Oxydation stets in ausreichender Menge entsteht, zu Ferriferrocyanid um. FftSU, -f (5KCN = K 4 [Fe(CN) 6 ] + K 2 S0 4 4 FeCij -i- 3K 4 [Fe(CN) e ] - FeJFe(CN)J 3 + 12 KCl Zu einem Tropfen Kaliumcyanidlösung setze man ein wenig Wasser, einen Tropfen (nicht mehr) Kupfersulfatlösung und etwas Schwefeldioxydlösung. Es scheidet sich weißes Cuprocyanid flockig aus, das sich beim Umschütteln etwa wie Silberchlorid zusammenballt. 2ÖuSO, + 2KCN + S0 2 + 2 H 2 0 = 2CuCN + K 2 S0 4 + 2H 2 S0 4 Man mische einen Tropfen Kaliumcyanidlösung mit einem Tropfen g e l b e n A m m o n i u m s u l f i d s und dampfe in einer Abdampfschale auf dem W a s s e r b a d e zur Trockne. Den Rückstand befeuchte man mit einigen Tropfen Chlorwasserstoffsäure und gebe eine Spur Ferrichloridlösung hinzu; die Lösung färbt sich dunkelrot durch Bildung von Ferrithiocyanat. KCN + S = KSCN FeClj + 3 KSCN = Fe(SCN)3 + 3 KCl llaii unterscheide: Cyan N ; C — C - M Cy ansäure H C N O

Cyanwasserstoff H C N Thiocyansäure H C N S

3. Fluorwasserstoffsäure HF und Eieselfluorwasserstoffsäure H2SiFa Fluorwasserstoff ist eine farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit ( S p 19°), J i « in Wasser sehr leicht löslich ist. E r ist auf erordentlich angreifend, so daß b«im Arbeiten mit ihm große Vorsicht nötig ist. Glas wird durch den Dampf wie durch seine wäßrige Lösung stark angegriffen bzw. aufgelöst. In ihren Eigenschaften steht die Fluorwasserstoffsäure den bereits behandelten Halogenwasseratoffsäuren ferner, als man nach der Verwandtschaft der Elemente •ermuten sollte. I m Gegensätze zu jenen besteht sie aus Doppelmolekeln H s F t ,

Fluorwasserstoffsäure und Kie6elfluorwas66ratoffsäure

123

die erst bei höherer Temperatur in die einfachen Molekeln zerfallen. Trotz des geringen Atomgewichtes des Fluors löst sie sich in Wasser viel reichlicher als Chlorwasserstoff, fällt also aus der Löslichkeitsreihe der Halogenwasserstoffsäuren heraus; die käufliche Fluorwasserstoffsäure enthält 40 bis 5 0 % Fluorwasserstoff. Ihr Silbersalz ist wasserlöslich; ihr Aluminiumsalz und Calciumsalz sind unlöslich. Durch Anlagerung zweier Molekeln Fluorwasserstoffsäure an eine Molekel Siliciumfluorid bildet sich die komplese Kieselfluorwasserstoffsäure oder Siliciumflaorwasserstoffsäure H 2 fSiF 6 ].

Man bringe in einem trocknen Probierglase ein erbsengroßes Stück Paraffin zum Schmelzen und verteile es durch Drehen des erwärmten Glases um seine horizontal gehaltene Achse über seine ganze Innenseite. Nach dem Erkalten des Paraffins kratze man mit einem Drahte einige Stellen der Glaswandung blank. Nun gebe man eine Messerspitze Calciumfluoridpulver und einige Tropfen konzentrierter Schwefelsäure in das Glas und erwärme den Boden ganz schwach, bis eben Aufschäumen beginnt. Nach zehn Minuten spüle man den Inhalt des Rohres mit Wasser unter Mithilfe einer Feder aus, koche das Rohr zweimal mit je 2 bis 3 cm 3 Alkohol aus und spüle es dann zweimal mit je 2 bis 3 cm 3 Äther. Nun blase man mit dem Gebläse-Schlauche, an den man zweckmäßig ein Stück Glasrohr ansetzt, etwas Luft durch das warme Probierglas, wodurch es völlig getrocknet wird. Man erkennt jetzt an den angekratzten Stellen die Ätzfiguren und fühlt sie mit einem zugespitzten Drahte deutlich als Vertiefungen. CaFa + H 2 S0 4 = CaSO, + 2 HF. Wäßrige Fluorwasserstoffsäure löst beim Erwärmen Kieselsäure, namentlich wenn etwas Schwefelsäure zugegen ist. Dabei bildet sich Siliciumfluorid, das sich mit überschüssiger Fluorwasserstoffsäure sofort zur komplexen, wasserlöslichen Kieselfluorwasserstofisäure H 2 [SiF c l vereinigt. |SiO, + 4 HF = 2 H 2 0 -f SiF.l \SiF 4 + 2 HF = H,[SiF 8 ] }

Wenn aber bei der Einwirkung von Fluorwasserstoff auf Kieselsäure Wasser fehlt, so bildet sich nur Siliciumfluorid, das aus der Mischung als farbloses Gas entweicht. Man benutzt dies Verhalten, um Silikate aufzuschließen, d. h. sie unter Verjagung der Kieselsäure in Gestalt von Siliciumfluorid in andere, wasserlösliche Salze überzuführen. Man erwärme in einem t r o c k n e n Probierglase etwas Calciumfluorid, Sand und konzentrierte Schwefelsäure, wobei sich Siliciumfluorid als farbloses, rauchendes Gas entwickelt. Nun bringe man, ohne an die Wände des Rohres anzustoßen, einen Glasstab mit unten anhängendem Wassertropfen in die Siliciumfluorid dämpfe (vgl. Figur 11 Seite 22). Sofort beschlägt sich der Wassertropfen mit einer dicke» Kieselsäureschicht und reagiert dann auf Lackmuspapier stark sauer. Er enthält Kieselfluorwasserstoffsäure gelöst, deren Bildung sich so erklärt, daß ein Teil des Silieiumfluorids sich mit Wasser zu Kieselsäure und Fluorwasserstoff hydrolysiert (vgl. Seite 66), und dieser

124

Chlorsäure

letztere sich mit dem Reste Siliciumfluorid zu Kieselfluorwasserstoflsäur« verbindet, die im Wassertropfen gelöst bleibt. Erste Stufe: Si0 2 + 4 H F =L 2 H , 0 + SiP 4 (im Probierglaso)

(II2SO4)

Zweite Stufe:

I S ^ + 2H.0 - S i O , + 4HF

(an, Glasstabe)

|

2 R F

+

g ^

=

H2[SiF6]

Diese Umsetzung stellt man zum Nachweise von Fluor, oder auch von Kieselsäure (Platintiegel), in der qualitativen Analyse an. Eine wäßrige Kieselfluorwasserstoff-Lösung fällt aus B a r i u m chloridlösung weißes Bariumsilikofluorid, das in Wasser sehr schwer löslich ist. H 2 [SiF 6 ] + BaCl3 = Ba[SiF g ] + 2 HCl

4. Chlorsäure HCIO, Reine Chlorsäure ist noch nicht dargestellt worden; dagegen ist ihre wäßrige Lösung bekannt. Chlorsäure und Chlorate zersetzen sich beim Erwärmen unter Sauerstoffabgabe; mit konzentrierter Schwefelsäure setzen sie sich zu Über«hlorsäure HCIO.,, Chlordioxyd C102 und Wasser um.

Eine Federmesserspitze ( n i c h t m e h r ) von Kaliumchlorat werde auf Holzkohle mit der Lötrohrflamme unter dem Abzüge oder im Stinkraume. erhitzt. Es erfolgt lebhafte Verpaffung unter Feuererscheinung. Eine kleine Probe Kaliumchlorat werde mit konzentrierter Chlorwasserstoffsäure in einem Probierglase schwach erwärmt. Es entweicht Chlorgas. Wenn es sich in der toxikologischen Analyse um den Nachweis von Metallen in organischen Stoffen (Speisen usw.) handelt, werden die organischen Stoffe durch diese Mischung oxydiert und entfernt. Eine Federmesserspitze Kaliumchlorat werde in einem trocknen Probierglase mit 2 bis 8 Tropfen konzentrierter Schwefelsäure Übergossen. Man klammere das Probierglas in schräger Lage in ein Stativ ein. Es entwickelt sich' langsam gelbgrünes Chlordioxyd, das beim Erwärmen des o b e r e n T e i l e s des Probierglases mit schwacher Detonation verpufft. Man hüte sich, das Gemisch von Kaliumchlorat und Schwefelsäure selbst zu erwärmen, weil dabei heftige Explosionen eintreten können (Abzug!). 3 HC103 = H 3 0 + 2C10 3 + HC104 Kaliumchloratlösung gibt — vorausgesetzt, daß sie frei von Kaliumchlorid ist — mit S i l b e r n i t r a t l ö s u n g keinen Niederschlag (vgl. S. 51). Auf Zusatz von einigen Zinkstückchen und etwas verdünnter Schwefelsäure fällt Silberchlorid aus, weil jetzt die Chlorsäure zu Chlorwasserstoffsäure reduziert wird; man verdünne stark mit Wasser, da auch Silbersulfat wenig löslich ist.

Jodsäure — Unterchlorige Säure

125

Die gleiche Reduktion von Chlorsäure kann man mit salpetriger Säure erreichen. Man säuert die stark verdünnte Kaliumchloratlösung mit Salpetersäure an und gibt etwas Natrium nitritlösung hinzu. Nach etwa 5 Minuten wird mit Silbernitratlösung versetzt und aufgekocht: es scheidet sich Silberchlorid in der bekannten Zusammenballung ab.

5. Jodsäure HJ0 3 Jodsäure bildet farblose Kristalle. Freie Jodsäure setzt sich in Lösung mit Jodwasserstoffsäure (oder Jodate und Jodide auf Zusatz von Säure) zu Wasser und Jod um.

Ein Tropfen Kaliumjodidlösung werde mit so viel Chlorwasser tropfenweise versetzt, bis eben die braune Farbe des zuerst ausgeschiedenen Jods verschwindet. Nun werde die Lösung zur Entfernung des überschüssigen Chlors einen Augenblick aufgekocht, und dann die gebildeten Säuren mit Natriumhydroxydlösung neutralisiert, wobei der Endpunkt durch ein in der Lösung schwimmendes Stück Lackmuspapier erkannt wird. Alsdann gebe man zu der so entstandenen Jodatlösung etwas Kaliumjodidlösung: die Lösung bleibt farblos. Säuert man sie jetzt mit verdünnter Chlorwasserstoffsäure an, so färbt sie sich braun, und es scheidet sich reichlich Jod aus. HJ + 6C1 + 3 H a 0 = H J 0 3 + 6 HCl H J 0 3 + 5 H J = 8 H 2 0 -I- 6 J

6. Uliterchlorige Säure HC10 Bei Einwirkung von Chlor auf kalte Natriumhydroxydlösung entsteht ein Gemisch von Natriumchlorid und Natriumhypoohlorit, NaCIO; wird Calciumhydroxyd genommen, so bildet sich das Doppolsalz beider Säuren, Ca(OCl)Cl, der ,,Chlorkalk". Hypochlorite wirken oxydierend und bleichend. 2NaOH + 2C1 = H a O + NaCl + NaOCl

Ein halbes Probierglas Chlorwasser werde nach Zugabe einiger Tropfen Natriumhydroxydlösung geschüttelt, wobei der Geruch nach Chlor verschwindet. Ein wenig dieser Lösung entfärbt einen Tropfen i ndigolösung. Ein zweiter Teil gibt mit etwas A n i l i n w a s s e r (Wasser, das mit einem Tropfen Anilin geschüttelt ist) eine tief violette Lösung. Der Rest werde mit Schwefelsäure angesäuert, worauf der Geruch nach Chlor wieder zu erkennen ist. HCl + HC10 == H 2 0 + 2 C 1 Man schüttle. Chlorkalk mit Wasser und stelle mit dem Filtrate die gleichen Versuche an. Brom und Jod lösen sich in Natriumhydroxydlösung in entsprechender Weise unter Bildung von N a t r i u m h y p o b r o m i t und N a t r i u m h y p o j o d i t ; letzteres setzt sich bald zu Natriumjodat um. 3NaOJ ^ 2Na.J + N a J 0 3

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Kieselsäure — Salpetrige Säure

7. Kieselsaure Das Anhydrid der Kieselsäure SiO, (Siiiciumdioxyd) kommt in der Natur als Quarz vor; zahlreiche Mineralien sind als Kicselsäuresalze („Silikate)" aufzufassen. Aus Alkalisilikatlösungen fällt auf Zusatz von Säuren Kieselsäure zum Teile aus, zum anderen Teile bleibt sie wegen ihrer Neigung, in kolloidaler Form zu bestehen, gelöst; beim Versetzen stark verdünnter Alkalisilikatlösungen mit Säure bleibt sie ganz gelöst. Die gelöste Kieselsäure wird erst durch mehrfaches Abdampfen der mit Chlorwasserstoffsäure versetzten Lösung in die unlösliche Form übergeführt. Die Silikate sind mit Ausnahme der Alkalisilikate in Wasser unlöslich; Glas ist ein Doppelsilikat: es besteht aus Alkalisilikaten und Calcium- oder Bleisilikat. In der Phosphorsalzperle geben Silikate, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ein „Kieselsäureskelett", d. h. man sieht in der geschmolzenen Perle das hineingebrachte Stückchen ungelöst, aber entfärbt herumschwimmen.

Man löse ein Stückchen „Wasserglas", d, h. ein Gemisch von Nat.riumpyrosilikaten, z. B. N;i 3 Si 4 0 9 , in etwas Wasser unter Erwärmen auf. Bei Zusatz von konzentrierter Chlorwasserstoffsäure fällt gallertartige Kieselsäure aus. Diese frisch ausgefällte Kieselsäure löst sich in Natriumhydroxydlösung namentlich beim Erwärmen leicht auf. Man bringe ein Splitterchen Wasserglas oder ein Sandkorn in eine wasserklare, am Platindrahte geschmolzene Phosphorsal/.perle und erhitze weiter; Kieselsäureskelett. Man löse ein Splitterchen Wasserglas in Wasser auf, säuere mit Salpetersäure an und versetze die klare Lösung mit A m m o n i u m molybdatlösung. Die Lösung färbt sich gelb unter Bildung von komplexer Molybdänkieselsäure. Dies ist die empfindlichste Probe auf g e l ö s t e Kieselsäure. Man weise mit ihr Kieselsäure im Wasserleitungswasser nach und prüfe das destillierte Wasser des Laboratoriums. In festen Stoffen weist man Kieselsäure mittels des Kieselsäureskeletts oder durch Überführung in Siliciumfluorid (Seite 124) nach.

8. Salpetrige Säure HNOa Salpetrige Säure ist rein nicht dargestellt; auch ihre wäßrige Lösung kennt man mjt Sicherheit noch nicht rein. Dagegen sind einige Salze („Nitrite") gut beständig. Die salpetrige Säure ist insofern ein eigentümlicher Stoff, als sie je nach den Umständen oxydierend oder reduzierend wirken kann. HNO, + H = H , 0 + NO HNOj 4- 0 = HNO,

Man verdünne einen Tropfen Natriumnitritlösung mit einigen Kubikzentimetern Wasser, füge zwei Tropfen K a l i u m j o d i d l ö s u n g und einige Tropfen Chlorwasserstoff- oder Essigsäure hinzu. Es scheidet sich Jod aus und färbt die Lösung braun. Empfindlicher ist die Probe, wenn man zu der Nitritlösung einige Tropfen Stärkekleisterlösung hinzugesetzt hat, wobei die Lösung sich unter Bildung von Jodstärke tiefblau färbt. Man verwendet diese Umsetzung, die in

Salpetrige Säur«

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größten Verdünnungen am besten gelingt, unter anderem zur Prüfung von Trinkwasser auf einen Gehalt an Nitriten. Die nötige Stärkelösung' stellt man sich dadurch her, daß man ein kleines Körnchen Stärke in einem Probierglase mit zwei Kubikzentimetern Wasser tüchtig durchschüttelt und die milchige Mischung unter Schütteln aufkocht. Oxyd a t i o n s w i r k u n g der s a l p e t r i g e n Säure. HN0 2 + HJ = H s O + NO + .T Man wiederhole den Versuch mit Essigsäure, der man reichlich Natriumacetatlösung beigemischt hat. Jetzt wird kein Jod ausgeschieden, weil nach Sem Massenwirkungsgesetze die Dissoziation der Essigsäure durch die reichlich vorhandenen Acetatanionen zurückgedrängt, die an und für sich schon schwache Essigsäure also noch weiter abgeschwächt ist. Einige Tropfen Natriumnitritlösung werden mit etwas verdünnter K a l i u m p e r m a n g a n a t l ö s u n g versetzt und mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert. Es tritt Entfärbung ein; R e d u k t i o n s w i r k u n g d e r s a l p e t r i g e n Säure,

{

1 cm 3 Natriumnitritlösung werde mit 1 cm 3 A m m o n i u m c h l o r i d lösung aufgekocht: es entweicht ein farbloses Gas, das weder brennt noch das Brennen eines hineingehaltenen Streichholzes ermöglicht; es ist Stickstoff. NaN0 2 + NH^Cl = 2H a O + 2N + NaCl Ein Tropfen Natriumnitritlösung werde in einem Becherglase mit 40 bis 50 cm 3 Wasser verdünnt und mit etwas M e t a - P h e n y l e n d i a m i n ehlorhydrat und einigen Tropfen Chlorwasserstoffsäure versetzt. Die Lösung färbt sich unter Bildung eines organischen Farbstoffs „Bismarck"braun" gelbbraun. In ein Becherglas mit etwa 100 cm 3 Wasser werden etwa zwei Tropfen Natriumnitritlösung gegeben; dazu wird ein Kubikzentimeter einer sehr verdünnten Lösung vom Natriumsalze der S u l f a n i l s ä u r e , etwa ebensoviel verdünnte Schwefelsäure und ebensoviel sehr verdünnte « - N a p h t h y l a m i n s a l z l ö s u n g gesetzt. Es tritt sofort oder, wenn die Lösung sehr wenig Nitrit enthält, nach einigen Minuten eine schöne Rotfärbting ein, die durch einen Azofarbstoff erzeugt ist. Dies ist eine c h a r a k t e r i s t i s c h e und zugleich die empfindlichste Probe auf salpetrige Säure; sie wird z. B. bei der Wasseruntersuchung auf Nitrite verwendet. Eine Probe Natriumnitritlösung versetze man reichlich mit konzentrierter H a r n s t o f f l ö s u n g , säuere mit verdünnter Schwefelsäure an und lasse einige Minuten stehen. Dabei setzt sich die salpetrige Säure mit Harnstoff zu Wasser, Kohlendioxyd und Stickstoff um. CO(NH2)2 + 2 HNO, = 4N + 3 H 2 0 + CO, Harnstoff

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Borsäure — Schweflige Säure

Die Lösung gibt nun keine Reaktion mit Kaliumjodidlösung mehr. Dies Verfahren wird in der Analyse zur Entfernung der salpetrigen Säure benutzt.

9. Borsäure HsB03 Borsäure besteht aus farblosen Kristallblättchen, die in kaltem Wasaer wenig löslich sind. Die Salze leiten sich von der wasserärmeren Tetraborsäure oder Pyroborsäure H 2 B 4 0 7 ab. Das Natriumpyroborat („Borax") bildet beim Schmelzen ein Glas, das ähnlich dem Natriummetaphosphate Metalloxyde unter Bildung gefärbter Perlen auflöst. Na 2 B 4 0 7 + 2CuO = Na 2 Cu 2 B 4 0 9 Borax Cuprioxydanlagerungsprodukt

Man löse etwas Borax in heißem Wasser auf und säuere die filtrierte Lösung mit verdünnter Schwefelsäure an. Beim Abkühlen kristallisiert Borsäure in kleinen Blättchen reichlich aus. Man filtriere sie ab und wasche sie mit kaltem, destilliertem Wasser aus. Na 2 B 4 0, + H 2 S0 4 + 5 H 2 0 = 4 H 3 B 0 3 + Na 2 S0 4 Eine kleine Probe dieser Borsäure werde mit warmem Wasser aufgelöst; mit der Lösung — oder auch mit einer durch etwas Chlorwasserstoffsäure angesäuerten Boraxlösung — werde ein Stückchen O u r c u m a p a p i e r befeuchtet; es färbt sich braun und b l e i b t braun auch beim Trocknen im Wasserdampf-Trockenschranke. Ein Körnchen Borax werde im Probierglase mit etwas A l k o h o l , oder besser Methylalkohol und etwa doppelt soviel konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Die beim Aufkochen der Mischung entweichenden Dämpfe, die Borsäureäthylester oder Borsäuremethylester enthalten, brennen mit grüner Flamme, die namentlich bei niedrig brennender Flamme besonders deutlich grün leuchtet. Borsäureäthylester ist eine farblose, bei 120° siedende Flüssigkeit. Beim Versuche halte man das Probierglas mit dem Probierglashalter. H 3 B0 3

+

3C 2 H 5 0H = 3 H 2 0 + ( C 2 H 5 ) 3 B Ü s (H2SO4)

Man fertige einige B o r a x p e r l e n mit Cuprioxyd, Kobaltoxyd usw.au.

10. Schweflige Säure H2SOs Schweflige Säure H 2 S 0 3 ist nur in wäßriger Lösung bekannt; beim Versuche, sie wasserfrei zu gewinnen, zerfällt sie in Wasser und ihr Anhydrid S0 2 . Sie ist ein starkes Reduktionsmittel wegen ihrer Neigung, in Schwefelsäure überzugehen, und wird als solches in der Chemie viel verwendet. Schwefeldioxyd

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Schweflige Säure

entsteht beim Verbrennen von Schwefel und von Kiesen und ist das Ausgangsmaterial der Schwefelsäurefabrikation; es läßt sich zu einer farblosen, leicht beweglichen Flüssigkeit verdichten, die bei - 10" siedet. Die konzentrierte, wäßrige Lösung ist etwa 9 Salze der Bchwefligen Säure werden Sulfite genannt, ein Name, der seines Gleichklanges mit Sulfid wegen nicht glücklich gewählt ist.

Man verbrenne auf einem Porzellan-Tiegeldeckel ein kleines Stückchen Schwefel unter dem Abzüge; während es mit blauer Flamme brennt, entweicht das gebildete Schwefeldioxyd als farbloses Gas von charakteristischem Gerüche. Die Darstellung des Schwefeldioxyds aus Schwefelsäure ist bei dieser behandelt worden. Man benutze zu den folgenden Versuchen eine wäßrige Lösung von schwefliger Säure. Man versetze eine Probe davon mit B a r i u m ohloridlösung und etwas Chlorwasserstoffsäure. um festzustellen, ob sie frei von Schwefelsäure ist. Ist dies der Fall, so koche man eine neue Probe mit etwas Salpetersäure auf und weise jetzt die gebildete Schwefelsäure mittels Bariumcbloridlösung nach. H2SO3 + 0 = H,SO 4 Man erwärme etwas F e r r i c h l o r i d l ö s u n g mit Schwefligsäurelösung; sie entfärbt sich und läßt auf Zusatz von Natriumhydroxydlösuug grünweißes Ferrohydroxyd fallen. H 3 SO, - l 2FeClj + H , 0 = H4S0.4

2HCl -f 2FeCl 2

Eine Probe M e r c u r i c h l o r i d l ö s u n g werde reichlich mit Schwefligsäurelösung versetzt. Beim Erwärmen tritt Trübung ein, und nach einiger Zeit fällt Mercurochlorid ans. 2Hg012 -i~ H 2 S0 3 -f I1 2 0 = 2HgCl -f H 2 S0 4 f 2HC1 Eine Probe Jodlösung (eine Auflösung von Jod in Kaliumjodidlösung) wird durch Zusatz von Schwefligsäurelösung entfärbt. 2 J + H 2 S0 3 + H 2 0 = H 2 S0 4 + 2 HJ Sehr fein gepulvertes M i g a n d i o x v d wird durch Erwärmen mit Schwefligsäurelösung in kurzer Zeit gelöst. Aus dem Filtrate fällen Ammoniaklösung und Ammoniumsulfid Manganosulfid; das'.Mangan ist als Salz der Dithionsäure in Lösung gegangen. 2H 2 S0 3 + MnOa = 2 H 2 0 + MnS2Oe vielleicht:

S0

2— • >Mn so2-o^

Man verwendet diese Umsetzung, um die Haut, die beim Berühren von Kaliumpermanganat unter Abscheidung von Mangandioxyd MnO: braun gefärbt wird, zu reinigen: man spült die Hände einfach mit etwas Schwefligsäurelösung und dann mit Wasser ab. Biltz, ElnfShrung. 9.—11. Aufl.

9

130

Thioec.hwefelsäure

Ein Kriställchen festes Natriumsulfit Na2SO, oder Natnumhydrcosulfit NaHS0 3 werde mit etwas Chlor wasserstoffsfiure schwach erwärmtt; e« entweicht Schwefeldioxyd. Eine kleine Probe Natriumsulfitlösung werde mit einem Stückchem Zink und wenigen Tropfen konzentrierter OhlorwasserstofFsäure versetzt; unter reichlicher Schwefelwasserstoffentwicklung scheidet sic;h Schwefel ab. Unterschied gegen Sulfate. HjSOJ + 6 H = 3H s O + H 2 S HjS0 3 + 2H 3 S = 3H a O + 3S •

11. T h i o s c h w e f e l s ä u r e H2S308 Die rein nioht darstellbare Thioschwefelsäure ist in Salzen bekannt. Siie ist als Schwefelsäure aufzufassen, deren eines Hydroxylsauerstoffatom durch eim Schwefelatom ersetzt ist, also als HO.SO,.SH. Das Natriumsalz (Natriumthiosulfaft, „unterschwefligsaures Natrium") kristallisiert mit 5 Molekeln Kristallwasser im großen, farblosen Kristallen. Versuoht man, aus einer Lösung dieses Salzes d i e Thioschwefelsäure durch Zusatz starker Säuren frei zu machen, so zerfällt diie eben entstandene; freie Saure in Schwefel, Schwefeldioxyd und Wasser; in sehir •erdünnter Lösung oder in Gegenwart von schwefliger Saure tritt die Zersetzung erst nach einiger Zeit ein.

Man versetze etwas stark verdünnte Natriumthiosulfatlösung mitt, etwas verdünnter Schwefelsäure; aus der zuerst klaren Mischung entweicht bald Schwefeldioxyd, das am Gerüche leicht zu erkennen ist, während sich die Flüssigkeit unter Ausscheidung feinst verteilten Schwefels trübt. H 2 SjO s = HjO + SO, + S Verwendet man zu diesem Versuche eine konzentrierte Natriumthiosulfatlösung, so tritt die Zersetzung der Thioschwefelsäure sofort ein. Eine Probe Natriumthiosulfatlösung werde mit Jodlösung versetzt; die Farbe der Jodlösung verschwindet sofort, während sich Natriumjodid und tetrathionsaures Natrium bilden. Diese Umsetzung wird zur titrimetrischen Bestimmung von Jod benutzt. 2Na 2 S 2 0 3 -f 2 J = 2NaJ +

Na^ö,

Durch B r o m oder Chlor wird Natriumthiosulfat unter Abscheidung von Schwefel zu Sulfat oxydiert; durch einen Überschuß an Halogen kann der Schwefel ebenfalls zu Schwefelsäure oxydiert werden. NajSjOg + H 2 0 - f 2C1 = 2NaCl + H 2 S 0 4 - f S S + 4 H 2 0 + 6C1 = 6 HCl + H 2 S0 4 Hierauf beruht die Verwendung von Natriumthiosulfat zum Entfernen freien Chlors („Antichlor").

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