Exemplarisches Heldentum: Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart 9783486596373, 9783486579857

Die Schlacht an den Thermopylen ist eine der wenigen antiken Schlachten, die heute noch in einer breiteren Öffentlichkei

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German Pages 424 [440] Year 2006

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Foreword
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Einleitung
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Exemplarisches Heldentum: Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart
 9783486596373, 9783486579857

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Albertz · Exemplarisches Heldentum

Ordnungssysteme Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit

Herausgegeben von Dietrich Beyrau, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael Band 17

R. Oldenbourg Verlag München 2006

Anuschka Albertz

Exemplarisches Heldentum Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart

R. Oldenbourg Verlag München 2006

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2006 R. Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Umschlagbild: Roman Clemens: Spiel aus Form, Farbe, Licht und Ton (1929) © Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 13: 978-3-486-57985-7 ISBN 10: 3-486-57985-1

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Die Schlacht an den Thermopylen in der Antike 1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland. Die Darstellung in Herodots Historien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Herodot und der Xerxesfeldzug 480/479 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Zwischen Rückzugsdeckung und Befehlsgehorsam: Die Forschung zur Schlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Vor Ort. Die Topographie der Thermopylen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. „Let the simple read Herodotus and be content“. Der Verlauf der Schlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5. Die exemplarische Strukturierung der Vergangenheit. Deutungsspielräume und Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.

Zwischen Athen und Rom: Die Schlacht an den Thermopylen bei den attischen Rednern und bei Diodor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Das rhetorische Exempel. Die Schlacht bei den attischen Rednern des 4. Jahrhunderts v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Freiheitskampf. Die Darstellung in Diodors Bibliothek . . . . . . . . . .

3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Ein republikanisches exemplum. M. Tullius Ciceros Tusculanae disputationes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Im Dickicht der Legenden. Plutarchs De malignitate Herodoti und die Apophthegmata Laconica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Zwischen römischer Kaiserzeit und Neuzeit: Die lange Zeit des Bedeutungsverlustes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen Revolution und Restauration (1789–1830) 1. Zum Sterben schön. Jacques-Louis Davids Le´onidas aux Thermopyles 1.1. Die Restitution des Exemplarischen im Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Visuelles Exempel und Betrachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution 2.1. Zwischen Tugendrepublik und Freiheitskampf: Spartarezeption und die Schlacht an den Thermopylen im Frankreich des 18. Jahrhunderts 2.2. Vivre libre ou mourir! Die Semantik der Revolution . . . . . . . . . . . 2.3. Säkulare Unsterblichkeit. Der Beginn des neuzeitlichen politischen Totenkultes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28 33 40 44 50 67 67 81 93 93 104 110

124 124 138 145 145 159 167

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Inhalt

3. Comme Le´onidas? Antikes und zeitgenössisches Heldentum um 1800 3.1. Auf dem Feld der Ehre. Leonidas und Cambronne in Waterloo . . . 3.2. Antike und zeitgenössische Heldenkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.

Europa betrachtet Leonidas’ Erben. Die Schlacht an den Thermopylen zur Zeit des Griechischen Unabhängigkeitskrieges (1821–1830) . . . 4.1. Philhellenen auf Heldensuche im modernen Griechenland . . . . . . . 4.2. Die Schlacht zwischen Liberalen und Ultraroyalisten im Frankreich der Restauration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179 179 192 199 199 212

III. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen Reichsgründung und Zweitem Weltkrieg (1870/71–1945) 1. Kanonisierung als Bildungswissen. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen Schule, Wissenschaft und Militär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1.1. Von der Schulbank bis zum Grab. Die deutschen Schulbücher 1870–1950 226 1.2. Wer orientiert sich an wem? Die Schlacht zwischen Wissenschaft, Schule und Militär in der Kaiserzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen . . . . 261 2.1. Zwischen Zucht und Männerbund: Spartarezeption und die Schlacht an den Thermopylen im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2.2. Pflichterfüllung. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult 277 3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Die Thermopylen in Stalingrad. Hermann Görings Rede zum zehnten Jahrestag der ,Machtergreifung‘ am 30.1.1943 . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Heldentypen. Antikes und zeitgenössisches Heldentum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Alter und Körper. Das Spezifische der antiken Heldenexempel . . . 4.

293 293 308 320

Ausblick. Zwischen Rettung des Abendlandes und Vergessen: Die Schlacht an den Thermopylen nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . .

330

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort Die Schlacht an den Thermopylen gehörte lange Zeit zum Standardprogramm der Schulbildung und ist auch heute noch eine der wenigen antiken Schlachten, die in einer breiteren Öffentlichkeit erinnert werden. Was macht diese Schlacht so faszinierend, dass ihr zu verschiedenen Zeiten immer wieder neue Aktualität zugeschrieben wurde? Heldentum, militärisches Selbstopfer und männliche Ehre haben im Zeitalter der Selbstverwirklichung ihre kulturprägende Kraft in der westlichen Welt verloren. Und doch stehen wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor dem Phänomen, dass die Idee des Selbstopfers für Ziele, die das Individuum übersteigen, der Motor für Terror und Gewalt ist. Dieses Buch ist aus einer Dissertation hervorgegangen, die 2004 an der Universität Trier im Fachbereich III, Neuere und Neueste Geschichte, eingereicht wurde. Erster Berichterstatter war Lutz Raphael, zweiter Berichterstatter Heinz Heinen, der den althistorischen Teil der Arbeit betreute. Da es in der heutigen Wissenschaftslandschaft keineswegs üblich ist, die Disziplingrenzen innerhalb der Geschichtswissenschaft zu überschreiten, bin ich meinen beiden Doktorvätern außerordentlich dankbar, dass sie mein Projekt zu jeder Zeit uneingeschränkt unterstützten. Ich habe es immer als eine besondere Freiheit empfunden, diese Arbeit, die ich an sie herangetragen hatte, verwirklichen zu können. Von konzeptionellen Fragen über die leidige Finanzierung bis zu Komplikationen bei Archivaufenthalten – stets habe ich ihre kompetente und unkomplizierte Hilfe erfahren. Im Rigorosum, das am 25. November 2004 stattfand, übernahm Andreas Gestrich dankenswerterweise die Aufgabe des Zweitprüfers. Mit Karl-Joachim Hölkeskamp hatte ich noch einen dritten Doktorvater, der mir bei der Arbeit mit freundlicher Unterstützung und kritischem Blick zur Seite stand. Ihm verdanke ich die Aufnahme in das Graduiertenkolleg „Vormoderne Konzepte von Zeit und Vergangenheit“ an der Universität zu Köln. Von diesem diskussionsfreudigen Forum hat meine Arbeit in jeder Hinsicht profitiert. Zu Dank verpflichtet bin ich auch Stefan Rebenich, der mir aus seiner eigenen Forschungsarbeit vorab wichtige Ergebnisse zur Verfügung stellte und die Begeisterung für dieses Thema mit mir teilt. Wertvolle Hinweise verdanke ich zudem Thomas W. Gaehtgens, Josef Wiesehöfer, Manuel Baumbach und Rene´ Schilling. Wer sich in die Untiefen der Schlachtenrezeption begibt, braucht viele treue Mitstreiter, die ich sowohl im Arbeitskreis Neuere und Neueste Geschichte in Trier als auch im Graduiertenkolleg in Köln fand. Ich danke meinen Trierer Kollegen, insbesondere Johannes Platz, Olaf Blaschke, Inga Brandes, Detlev Humann, Gabriele Lingelbach, Ruth Rosenberger und Morten Reitmayer, die über die Jahre mit mir meine Thesen diskutierten und mich in Zeiten des Zweifels aufmunterten. Ihrer aufmerksamen Lektüre verdanke ich darüber hinaus eine ganze Reihe von Quellen, da sie bei ihren eigenen Forschungsarbeiten an den erstaunlichsten Stellen auf die Schlacht an den Thermopylen stießen. Manuel Troester sorgte dafür, dass ich den Überblick über die althistorische Forschung nicht verlor.

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Vorwort

Vielfältige Anregungen erhielt ich auch von meinen Kollegen im Graduiertenkolleg. Vor allem Frank Bezner verdanke ich die konzeptionelle Schärfung und theoretische Durchdringung des Promotionsthemas. Von Andreas Hammer und Ina Hegenbarth lernte ich nicht nur einiges über Altgermanistik und Ägyptologie, sondern auch viel über den Mythos und die disziplinäre Begrenztheit von Begriffen und theoretischen Ansätzen. Als disziplinäre Grenzgängerin fand ich immer ein offenes Ohr bei den Kunsthistorikern der Universität Trier. So hatte ich die Gelegenheit, meine Arbeit im Kolloquium von Bernd Nicolai vorzustellen. Jan Werquet half mir stets, mich in der Welt der Bilder zurechtzufinden und meine Gedanken zu ordnen. Andreas Waschbüsch besichtigte mit mir unzählige Kriegerdenkmäler und half, die Abbildungen zusammenzustellen. Oliver Schneider brachte die Bilder dankenswerterweise in eine präsentable Form. Besonders zu Dank verpflichtet bin ich Ulrich Kittstein, der das gesamte Manuskript korrekturlas und mit seinem scharfen Blick nicht nur sprachliche, sondern auch inhaltliche Ungereimtheiten aufdeckte. Ludivine Beauvais überprüfte die französischen Zitate. Die DFG förderte dieses Projekt mit einem Stipendium und stellte überdies einen großzügigen Druckkostenzuschuss zur Verfügung. Sehr dankbar bin ich auch dem Freundeskreis der Universität Trier und der Bitburger Brauerei für den Förderpreis, der einen weiteren Teil der Drucklegung finanzierte. Bei Dietrich Beyrau, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael bedanke ich mich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit“. Michael Trauth beriet mich nicht nur immer wieder in Computerfragen, sondern brachte darüber hinaus den Text in eine druckfertige Form. Gewidmet ist dieses Buch meinen Eltern, Heike und Rainer Albertz, als Dank für ihre zu jeder Zeit verständnisvolle Unterstützung und für alles, was sie mir mit auf den Weg gegeben haben. Köln, März 2006

Anuschka Albertz

Einleitung Im Spätsommer 480 v. Chr. traf am Engpass der Thermopylen in Mittelgriechenland ein riesiges Heeresaufgebot des persischen Königs Xerxes auf ein kleines Heer aus verbündeten griechischen Poleis, das unter dem Oberbefehl des Spartanerkönigs Leonidas stand. Nach dreitägigem Kampf gelang es Xerxes durch Verrat, die griechische Defensivstellung mit seiner Elitetruppe zu umgehen. Im Engpass verblieben bis zuletzt Leonidas, seine 300 Spartiaten und 1100 Thespier und Thebaner, die, bis auf die Thebaner, allesamt im Kampf getötet wurden. Für das persische Heer war der Weg nach Attika frei. In der Seeschlacht bei Salamis und auf dem Land bei Plataiai gelang es den Griechen schließlich, die persische Armee zu besiegen. Die Schlacht an den Thermopylen ist eine der wenigen antiken Schlachten, die heute überhaupt noch in einer breiteren Öffentlichkeit außerhalb der universitären Geschichtswissenschaft präsent sind. So ist ihr Hauptprotagonist als belgische Pralinensorte verewigt,1 und das Grabepigramm auf die gefallenen Spartiaten geistert in der meist unvollständig zitierten Nachdichtung von Friedrich Schiller durch das deutsche Feuilleton.2 Aber auch im Hollywood-Film The Last Samurai aus dem Jahr 2003 erzählt der amerikanische Bürgerkriegsveteran Captain Algren, alias Tom Cruise, dem Samurai Katsumoto, gespielt von Ken Watanabe, vor der letzten Schlacht der Schwertkämpfer gegen die neu aufgestellte japanische Infanterie unvermittelt von der Schlacht an den Thermopylen.3 Die Schlacht aus der griechischen Antike wird als Kampf bis zum Tod mit dem Untergang der japanischen Kriegerkaste in Verbindung gebracht, die sich aufgrund ihres militärischen Ehrenkodex’ weigerte, Schusswaffen zu gebrauchen. Mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit wird im Film die antike Schlacht in einem historisch wie kulturell ganz andersartigen Kontext aufgerufen. Diese verstreuten, mehr oder weniger trivialen Reminiszenzen an die Schlacht an den Thermopylen verweisen auf ihre lange Rezeptionsgeschichte. Bereits im ersten schriftlichen Bericht, den der griechische Historiker Herodot von Halikarnassos in seiner Schilderung der Perserkriege rund 50 Jahre nach dem Ereignis gab, erhält der Kampf im Engpass eine weit über das Militärisch-Strategische hinausgehende Bedeutung. In seiner Darstellung liefert Herodot neben dem Ablauf des Geschehens auch Erklärungen, Deutungen und Wertungen, in denen das Handeln des Leonidas und seiner Spartiaten mit Opferbereitschaft, Gesetzesgehorsam, Disziplin und Ehre verbunden wird. Als Niederlage zieht das Ereignis eine ganz eigene Form von Sinnstiftungen nach sich.4 Interessant wird gerade diese Schlacht 1)

Die Firma heißt nach ihrem Gründer Leonidas Kesdekidis, knüpft aber mit ihrem Firmenlogo, dem Kopf eines griechischen Kriegers, an die antike Schlacht an. 2 ) Vgl. FAZ vom 28. 3. 1998, S. 33; FAZ vom 7. 3. 2000. Vollständig lautet es: „Wanderer, kommst Du nach Sparta, verkündige dorten, Du habest / Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl“. 3 ) Vgl. The Last Samurai (USA 2003); Regie: Edward Zick. Die Schlacht fand 1877 statt. 4 ) Vgl. Schivelbusch, Kultur; Carl/Kortüm/Langewiesche/Lenger, Kriegsniederlagen.

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Einleitung

durch die Verknüpfung des dramatischen Geschehens, der exponierten Stellung gegen die Übermacht, des Verrats, des Kampfes bis zum Tod, mit übergeordneten Erklärungsmustern, der Verteidigung der Freiheit, der Unterwerfung unter die Gesetze des Gemeinwesens sowie der Garantie des Nachruhms. Bereits in der Antike wurde das Ereignis nicht nur in der Historiographie, sondern auch in völlig anderen Kontexten aufgegriffen, in denen aus dem Ausharren der Spartiaten eine Verhaltensnorm abgeleitet und diese als Orientierungsmuster oder auch als konkretes Handlungsmodell empfohlen wurde. Ein pragmatisches Interesse richtete sich erneut im Zeitalter der Nationalkriege und modernen Wehrpflichtigenarmeen auf diese antike Schlacht. Im Fall der Schlacht an den Thermopylen ,löste‘ sich der ,vormoderne‘ Topos der historia als magistra vitae im Zuge der fundamentalen Historisierung des europäischen Selbstverständnisses keineswegs ,auf‘.5 Das antike Exempel erlangte in dieser Zeit in verschiedenen Bereichen des kulturellen Lebens überhaupt erst wieder Bedeutung und forderte seine – tödliche – Handlungsrelevanz vehementer ein als jemals zuvor. Die Schlacht an den Thermopylen wird nicht allein in den Gattungen rezipiert, in denen vorwiegend historische Erinnerung bewahrt wird, wie in der Historiographie, in der wissenschaftlichen Forschung und in Schulgeschichtsbüchern, sondern auch in politischen Reden und in der Publizistik, in der schöngeistigen Literatur und bildenden Kunst, in militärischer Fachliteratur und auf Kriegerdenkmälern, in autobiographischen Zeugnissen, im Film, im Comic und sogar im Landschaftsgarten. Räumlich reicht diese Rezeption von Texas bis zur Ukraine und von Dänemark bis nach Italien,6 wobei die Schwerpunkte in Frankreich, England, Deutschland, Nordamerika und – natürlich – in Griechenland liegen. Das Anliegen dieser Arbeit ist, das Phänomen der anhaltenden Präsenz und die Faszination, die von der antiken Schlacht ausgeht, zu erklären. Bisher ist kein Versuch unternommen worden, ihre Rezeption in einer epochen- und länderübergreifenden Perspektive zu rekonstruieren. Die Arbeit folgt einem historischen Ansatz und daher der Überzeugung, dass alle Rezeptionsvorgänge historisch bedingt sind. Damit setzt sie sich von Erklärungsmustern ab, dass die Schlacht „bei der Nachwelt eine Art Eigenleben“ 7 gewann oder dass sich die antiken Traditionen automatisch tradieren.8 Das Ereignis selbst trägt nicht seine spätere Rezeptionsgeschichte in sich, die vielmehr durch spezifische Interessen motiviert und an konkrete, historisch wandelbare Kontexte gebunden ist. Hinter den Interessen stehen Akteure und Institutionen, die ihrerseits Teil einer bestimmten sozialen und kulturellen Welt sind. Auch wenn der Bericht Herodots und die anderen antiken Quellen die Pfade vorgeben, auf denen sich die spätere Rezeption bewegt, sind es dennoch nicht die ,Texte‘, die darüber entscheiden, wann, wo und warum der antiken Schlacht Aktualität zugeschrieben wurde.9 Vgl. Koselleck, Historia, S. 38–66; ders., Geschichte, S. 647–717; Keßler, Historia, S. 11–33. Vgl. Jenkins, Thermopylae, S. 298–304; Bohdaniuk, Thermopylae; Branner, Thermopylae; Moreno, Leonida. 7 ) Welwei, Leonidas, S. 57. 8 ) Vgl. Jauss, Theorie, S. 5–39, der seine Rezeptionsästhetik u. a. in Abgrenzung zur substanzialistischen Vorstellung vom „Nachleben der Antike“ formuliert. 5)

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Einleitung

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Da die ersten entscheidenden Rezeptionsvorgänge für die Schlacht an den Thermopylen bereits in der Antike stattfanden, übertritt diese Arbeit die Fächergrenzen innerhalb der Geschichtswissenschaft, was eine andere Perspektive auf die Forschungsliteratur eröffnet. So ist Antikenrezeption vorwiegend eine Domäne der Altertumswissenschaftler, in der seit einigen Jahren intensiv geforscht wird.10 Außer zu einer verwirrenden thematischen und methodischen Vielfalt, die sich im vorherrschenden Medium des Sammelbandes ausdrückt,11 neigt diese Forschungsrichtung tendenziell dazu, die Rezeption von Antike für selbstverständlich zu halten. Dies ist in Zeiten, in denen die Existenz von Fächern von ihrer gesellschaftlichen ,Relevanz‘ abhängt, begreiflich, beruht aber bisweilen auch auf der unausgesprochenen Vorstellung, das jeder Mensch qua Menschsein einen unmittelbaren Zugang zur griechisch-römischen Antike und ihrer Wertewelt habe. Betrachtet man die neuhistorische Forschung, die militärische Helden und Schlachten im Rahmen der Gesellschaftsgeschichte untersucht, entsteht dagegen der Eindruck, in der Neuzeit seien überhaupt keine antiken Heldenfiguren rezipiert worden.12 Eine Ausnahme stellt die Forschung zu Heldenkonstruktionen zur Zeit der Französischen Revolution dar, für die die antiken Heldenexempel nicht zu übersehen sind,13 außerdem die Arbeiten zu den nationalen antiken Helden wie z. B. Hermann dem Cherusker.14 Ein Grund für dieses Desinteresse an den Helden und Schlachten aus der griechisch-römischen Antike ist, dass Heroismus und Heldenfiguren meist im Hinblick auf Nationsbildung und nationale Identitätskonstruktionen untersucht werden. Dies liegt durchaus nahe, da mit den diversen Heldenfiguren häufig das Modell vom ,Opfertod für das Vaterland‘ kulturell abgesichert wird. Darüber hinaus wurden für Nationalhelden Denkmäler errichtet, regelmäßige Gedenkveranstaltungen abgehalten und eine breite Publizistik entfaltet, d. h. Quellen produziert, die den neuhistorischen Ansprüchen an Systematik und Repräsentativität genügen. Eine neuzeitliche Rezeption der 9 ) Vgl. Baumbach, Wanderer, S. 1–22, der in klassisch poststrukturalistischer Argumentation zu zeigen versucht, dass der Text des Epigramms seine eigene Rezeption steuert. 10 ) Vgl. Hardwick, Reception. Sichtbar wird die Etablierung der Antikenrezeption als eigener Forschungsbereich der Altertumswissenschaften an den fünf rezeptions- und wissenschaftsgeschichtlichen Bänden des Neuen Pauly. Hrsg. von Manfred Landfester in Verbindung mit Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Bd. 13–15/3. Stuttgart-Weimar 1999ff. 11 ) Vgl. Baumbach, Tradita; Biddiss / Wyke, Uses; Caucanas / Cazals / Payen, Retrouver; Lohse, Aktualisierung; Näf, Antike; Seidensticker/ Vöhler, Urgeschichte; Schuller, Antike; Haagsma/ Boer/Moormann, Classical Greece. 12 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden; ders., Konstruktion, S. 121–144; ders., Wehrmacht, S. 550– 572; Hagemann, Muth; dies. Nation, S. 562–591; Frevert, Soldaten, S. 69–87; Dawson, Soldier; Schivelbusch, Kultur; Behrenbeck, Kult; Baird, Die; Krumeich, Jeanne d’Arc; ders., Schlachtenmythen. Zur weitergehenden Diskussion der Ansätze von Schilling und Behrenbeck s. u. und Kap. III.3.2. Topolski, Helden, S. 19, rechnet bei seinem Kategorisierungsversuch unter die von mehreren Nationen anerkannten Heldenfiguren nur humanitäre bzw. katholische HeldInnen wie Mutter Theresa. 13 ) Vgl. Papenheim, Helden, S. 241–244; Vovelle, Heldenverehrung, S. 89–116; Monnier, Vertu, S. 113–125. 14 ) Vgl. Dörner, Mythos; Tacke, Denkmal; Flacke, Mythen (1998); dies. Mythen (2004).

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Einleitung

Schlacht an den Thermopylen dürfte es unter diesen Prämissen gar nicht geben, denn ihr fehlt die soziale Praxis des rituellen Gedenkens, sie wird verstreut rezipiert und kann, obwohl sie als Modell für den militärischen ,Opfertod‘ verwendet wird, nur im modernen Griechenland direkt zur nationalen Identität beitragen. Die Untersuchung der Rezeptionsgeschichte dieser antiken Schlacht muss sich konzeptionell ihren eigenen Weg zwischen systematischer Über- und Unterschätzung bahnen. Dabei kann für die Erschließung von Quellen, für die Periodisierung und für Einzelergebnisse zum Teil auf die Forschung zur Spartarezeption zurückgegriffen werden. Lange vor dem momentanen Interesse an Rezeptionsphänomenen haben Franc¸ois Ollier, Euge`ne N. Tigerstedt und Elisabeth Rawson die Rezeption dieser antiken Polis in verschiedenen Zeiten untersucht; neuere Arbeiten schließen an sie an.15 Dies hängt mit der antiken Quellenlage zu Sparta zusammen, die fast jede Geschichte Spartas zu einer Rezeptionsgeschichte macht. Die Geschichte dieser Stadt ist weitgehend von Nicht-Spartanern geschrieben worden, die von einer Außenperspektive zwischen Bewunderung und Schrecken auf die eigentümliche Staatsordnung mit ihrem militärischen Erziehungssystem blickten. Das Dickicht an fremden, überwiegend athenischen Projektionen umgibt die Polis so dicht, dass Sparta, wie Pierre Roussel treffend bemerkte, „n’est plus qu’une ombre ou l’ombre d’une ombre“.16 Auch zur Schlacht an den Thermopylen existieren – vielleicht bis auf das Epigramm – keine spartanischen Äußerungen. So schlägt sich auch die Spezialliteratur zu diesem Ereignis mit der antiken Legendenbildung herum.17 Als ein eigenständiger Bereich kann die wissenschaftsgeschichtliche Forschung zu Sparta gelten, der Volker Losemann und Karl Christ wichtige Impulse gegeben haben.18 Auf dieser Basis hat Stefan Rebenich die deutsche Spartaforschung des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Hinblick auf die Schlacht an den Thermopylen untersucht.19 Auf ihren Materialsammlungen und Ergebnissen beruhen größtenteils meine Aussagen zur Rezeption der antiken Schlacht in der Wissenschaft. Gesonderte Aufmerksamkeit hat von philologischer Seite auch die Rezeptionsgeschichte des berühmten Epigramms gefunden.20 Ausgangspunkt dieser Studien ist immer die Nachdichtung Schillers, was, wie auch die auffällige Dominanz der deutschen Forschung in der Wissenschaftsgeschichte, mit der außergewöhnlichen Rezeptionsgeschichte Spartas und der Schlacht an den Thermopylen in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammenhängt. 15 ) Vgl. Ollier, Mirage (1933/43); Tigerstedt, Legend (1965ff.); Rawson, Tradition (1969); Powell/ Hodkinson, Shadow (1994); diess., Sparta (2003); Losemann, Sparta (2003), S. 153– 172, mit der neuesten Literatur. 16 ) Roussel, Sparte, Introduction. Die neueren Arbeiten zur spartanischen Geschichte reflektieren alle dieses Problem; vgl. Baltrusch, Sparta; Cartledge, Reflections; ders., Spartans; Thommen, Sparta; Whitby, Sparta; Welwei, Sparta (2005). 17 ) S. Kap. I.1.2. 18 ) Vgl. Losemann, Antike (1977); Christ, Spartaforschung (1986), aktualisierte Fassung (1996); ders., Hellas (1999). Vgl. auch Rebenich, Berve (2001), S. 457– 496. 19 ) Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 323–349. 20 ) Vgl. Oppermann, Thermopyleninschrift (1953), S. 121–127; Gelzer, Wanderer (1997), S. 409– 428; Baumbach, Wanderer (2000), S. 1–22; und Watt, Wanderer (1985), S. 372–383, der speziell die Epigramm-Rezeption in der deutschen Nachkriegsliteratur untersucht.

Einleitung

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Speziell die Rezeption der antiken Schlacht in der politischen Kultur Englands zwischen der Walpole-Ära und dem Philhellenismus behandelt neuerdings Ian Macgregor Morris in einem Aufsatz, der aus seiner Dissertation hervorgegangen ist.21 Aus diesem Grund bot es sich bereits an, den Schwerpunkt in diesem Zeitraum auf ein anderes Land zu legen. In der rezeptions- wie wissenschaftsgeschichtlichen Forschung zu Sparta wird die Schlacht an den Thermopylen als ein kleines Element der allgemeinen Spartarezeption behandelt. Auf der Grundlage der Arbeiten von Tigerstedt, Rawson und Losemann kann man grob zwei sich vielfältig überschneidende Bereiche ausmachen, auf die sich die Aufmerksamkeit über die Jahrhunderte hinweg immer wieder richtete.22 Der eine Bereich ist die Staatsordnung Spartas, die mit ihren spezifischen Institutionen, dem Doppelkönigtum, dem Ältestenrat (Gerusia), der Volksversammlung (Apella), der Exekutive der fünf Ephoren, der Staatserziehung (Agoge´) sowie der Helotie, bereits in der Antike als etwas Besonderes galt. Auch spätere Zeiten zollten immer aufs Neue der ,Eunomia‘, der ,Mischverfassung‘ und ihrer Stabilität sowie der Person des Gesetzgebers Lykurg Respekt. Mit dieser staatstheoretischen Rezeption verbunden ist das Interesse am Erziehungssystem, das die Vollbürgerschicht der Spartiaten durchlaufen musste, sowie an den Merkwürdigkeiten der Staatsordnung: der Kindsaussetzung, der Heiratspflicht und der Kasernierung der Männer. Der zweite Bereich betrifft die spartanischen Tugenden. So fanden das militärische Heldentum, die Todesverachtung, der Gesetzesgehorsam, die Verachtung des Luxus und nicht zuletzt die prägnanten ,lakonischen‘ Aussprüche immer neue Bewunderer. Gesonderte Beachtung erregten zudem die spartanischen Frauen. Die Schlacht an den Thermopylen wird in ihrer Rezeptionsgeschichte mit beiden Bereichen verknüpft, geht aber, wie in der Arbeit gezeigt werden soll, nicht in der allgemeinen Spartarezeption auf. Der Versuch, die vielfältigen Verwendungen der Schlacht auf ein geschlossenes Spartabild zurückzuführen, gelingt nur selten und am besten für die wissenschaftlichen Werke. Anders formuliert, neigen Historiker aufgrund ihrer Fachsozialisation dazu, verstreute Reminiszenzen an eine historische Vergangenheit auf kohärente Geschichtsbilder zurückführen zu wollen. Angesichts der eingangs zitierten Beispiele möchte man aber bezweifeln, ob sie auf mehr rekurrieren als auf eine vage Gleichsetzung von Spartanern und Heldentum. Die Arbeit verfolgt eine doppelte Zielsetzung: Erstens soll die Rezeptionsgeschichte rekonstruiert werden, indem gefragt wird, warum die Schlacht in bestimmten Zeiten ein gesteigertes Interesse erregt und wie sich ihre Verwendung im Rahmen der jeweiligen Kontexte und Denkhorizonte verändert hat. Zweitens wird untersucht, wie das Exempel an sich als eine ,vormoderne‘ Konzeption von Vergangenheit im Horizont veränderter epistemischer Milieus funktioniert. Der Ansatz, die Rezeption der Schlacht ausschließlich in ihren zeithistorischen Kontexten nachzuvollziehen, birgt das Problem in sich, einen durch die Jahrhunderte 21 ) Vgl. Macgregor Morris, Thermopylae, S. 211–230; die unveröffentlichte Dissertation, ders., Leonidas, liegt mir nicht vor. 22 ) Vgl. Tigerstedt, Legend; Rawson, Tradition; Losemann, Sparta, S. 153–172.

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laufenden ,roten Faden‘ zu finden. Die Rezeptionsgeschichte dieser Schlacht lässt sich nicht als Rezeption des Herodot-Berichts schreiben, was in erster Linie an den antiken Rezeptionsvorgängen, in zweiter an der Überlieferungsgeschichte des Herodot-Textes liegt.23 Sie lässt sich auch nicht als die Geschichte einer oder mehrerer Institutionen konzipieren, an die die Kenntnis der Schlacht kontinuierlich geknüpft gewesen wäre wie etwa der Kanon der christlichen antiken Texte an die Kirche. Selbst als Geschichte der Kanonisierung relevanten Bildungswissens kann die Spezifik der Rezeption dieser Schlacht nur am Rande erfasst werden. Das Ereignis wird in vielen verschiedenen Medien in sehr unterschiedlichen Kontexten rezipiert, und gerade in der Vielfalt und breiten Streuung liegt die Bedeutung dieses Phänomens. Da sich der Fokus dieser Arbeit auf das pragmatische Interesse an Vergangenheit richtet, schränkt sie die Quellen nicht auf die Fach- und Höhenkammliteratur ein, die bevorzugt von der Forschung zur Antikenrezeption ausgewertet wird. Damit durchkreuzt sie auf den Spuren der antiken Schlacht viele Bereiche, die teilweise eigene Forschungsgebiete oder auch Fächer darstellen: die Historiographie-, Rhetorik-, Wissenschafts- und Bildungsgeschichte, die Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, die Begriffsgeschichte, die Militärgeschichte sowie die Kunstund Literaturgeschichte. In der Analyse der konkreten Kontexte vervielfachen sich die Forschungsfelder nochmals, weshalb von einigen Forschungsdiskussionen nicht mehr als die Spitze eines Eisberges wahrgenommen werden konnte.24 Das konzeptionelle Rückgrat der Arbeit, das den langen Untersuchungszeitraum zusammenhält und die Einzelanalysen strukturiert, ist das historische Exempel. Das paradeigma bzw. exemplum ist ein Begriff der antiken Rhetorik und wird innerhalb der Argumentationslehre als technisches, d. h. rhetorisches Beweismittel systematisiert.25 Es lässt sich als ein historischer Ereigniszusammenhang definieren, der ad hoc aus seinem ursprünglichen Kontext isoliert wird, um in „pragmatischer, strategischer oder theoretischer Absicht zur Veranschaulichung, Bestätigung, Problemdarlegung und Problemlösung, zur Reflexion und Orientierung“ 26 beizutragen. Das Exempel wird also von außen in einen neuen Kontext geholt und mit ihm durch Ähnlichkeitsrelation verbunden.27 In der Rhetoriktheorie wird es als Induktionsbeweis kategorisiert.28 Aus dem Einzelbeispiel, einem Geschehen, einer Person oder einer Tat, wird eine allgemeine Regel bzw. ein allgemeines Handlungsmodell abgeleitet. Allerdings sollen in der Redepraxis die Adressaten meistens die allgemeine Aussage auf den in der Rede verhandelten 23 )

S. Kap. I.3.3. Die Literatur wird in den jeweiligen Kapiteln diskutiert. 25 ) Vgl. Arist. rhet. 1.2; 2.20; Quint. inst. 5.11. Bei beiden bezeichnet das paradeigma bzw. exemplum sowohl den Oberbegriff als auch speziell das historische Exempel, das von den erfundenen historischen Beispielen sowie von den Fabeln und Parabeln unterschieden wird. In meiner Arbeit meint ,Exempel‘ immer das historische Exempel. Vgl. allgemein Klein, Exemplum, S. 60–70; ders., Beispiel, S. 1430–1435; ders, Beweis, S. 1528–1548; Lumpe, Exemplum, S. 1229–1257; Moos, Geschichte, S. IX –143; Daxelmüller, Exemplum, S. 627– 649. In der Literatur werden auch die Unterschiede in der antiken Theoriebildung diskutiert. 26 ) Moos, Geschichte, S. XI . Vgl. auch Klein, Exemplum, S. 61. 27 ) Vgl. Quint. inst. 5.11.5–13. 28 ) Vgl. Arist. rhet. 1. 2. 1356b. 24 )

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Fall beziehen, so dass genaugenommen im Exempel Induktion und Deduktion miteinander verknüpft sind.29 Das Allgemeine muss dabei nicht ausgesprochen, sondern kann durch die Argumentation mit historischer Vergangenheit implizit generiert werden. Gegenüber den verschiedenen fiktionalen Beispielen gesteht die Rhetorik dem historischen Exempel die größere Beweiskraft zu.30 Die Beweiskraft des Faktischen ist dafür entscheidend, dass die allgemeine Aussage des Exempels akzeptiert wird und somit wirken kann. Die Frage, wie man gesicherte Erkenntnis über historische Wirklichkeit gewinnen kann, stellte für die antike Rhetorik kein Problem dar und wurde daher nicht reflektiert. Wie die historia waren auch die historischen Exempel in ihrer Wahrheit nicht grundsätzlich angefochten,31 eine Sicherheit, die erst im Zeitalter der Quellenkritik verloren ging. Durch die pragmatische Zweckbindung erhält das vergangene Ereignis als Exempel eine eigene Qualität, in der es sich von den Darstellungsformen unterscheidet, in denen die Vergangenheit in erster Linie zum Zweck der Erinnerung berichtet wird. Da im Induktionsbeweis das historische Exempel gleichzeitig als Einzelfall und allgemeines Modell fungiert, bewegt sich das Ereignis hier zwischen Historizität und Ahistorizität bzw. zwischen Zeitlichkeit und Überzeitlichkeit. Um in einer Argumentation als Beweis eingesetzt werden zu können, muss das Exempel auf eine Deutung festgelegt sein. Historische Ereignisse können als komplexe Handlungssequenzen verschiedener Akteure definiert werden, die in konkreten politischen Situationen innerhalb von bestimmten soziokulturellen Strukturen ablaufen.32 Als Exempel wird das Ereignis weitgehend seiner Spezifik entkleidet, die Komplexität und – im Fall der Schlacht an den Thermopylen – die Deutungsspielräume werden reduziert, bis eine einfache Handlung mit wenigen Akteuren und einer klaren Aussage übrigbleibt. Aus einer neuzeitlichen, wissenschaftlichen Perspektive bedeutet daher die „Reduzierung der Geschichte auf ,exempla‘ die Zerstörung von Geschichte“.33 Für eine rhetorische Argumentation muss nicht nur vorausgesetzt werden können, dass sich das historische Ereignis im Bildungswissen der Adressaten befindet, sondern auch dass es von ihnen mit einer bestimmten Deutung verbunden wird. Das Exempel entzieht sich in seiner Wirkung somit der Kontrolle des Redners und ist vom Kontext abhängig.34 Die Bedeutung muss dem historischen Exempel von außen zugeschrieben werden und ist daher Ergebnis eines Vorgangs, der in der Gesellschaft stattfindet. Auch in der antiken Rhetoriktheorie wurde gesehen, dass die Wirkung des Exempels von Vorwissen und Bildungsgrad der Rezipienten abhängt.35 Hier bietet sich ein Ansatz, den rhetorischen Exempelbegriff für eine historische Analyse zu erweitern. Die zentrale theoretische Dynamik des historischen Exempels ist die Dialektik zwischen Zeitlichkeit und Überzeitlichkeit, Historizität und Ahistorizität sowie 29 )

Vgl. Klein, Beispiel, S. 1433. S. Kap. I.2.1. Vgl. Quint. inst. 5.11.17–19. 31 ) Vgl. Rhet. Her. 1.8.13. Vgl. Moos, Geschichte, S. 66. 32 ) Vgl. Suter/ Hettling, Struktur, S. 7–32. 33 ) Mehl, Geschichtsschreibung, S. 168. 34 ) Vgl. Haug, Exemplasammlungen, S. 264–270. 35 ) Vgl. Quint. inst. 5.11.17–19; 8.3.73. 30 )

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potenzieller Deutungsoffenheit und Deutungsfestlegung. Zwischen diesen Polen spannen sich die Einzelanalysen dieser Arbeit auf. Allerdings sind die historischen Exempel mehr als funktional bestimmte rhetorische Beweismittel. Sie sind ein Denkmodell von Vergangenheit und stehen für ein „durchaus praktisches Interesse an Geschichte“.36 In den historischen Exempeln sind Orientierungs-, Verhaltens- und Handlungsmuster wiedergegeben, an denen Menschen in Entscheidungssituationen ihr Handeln ausrichten sollen. Historische Exempel sind die Träger und der Inbegriff des Topos der historia als magistra vitae und beruhen auf der Prämisse, dass das menschliche Handeln in bestimmten Situationen immer gleich bleibt. Da den Exempeln ein Denken in unmittelbaren Analogien zugrunde liegt, gehören sie zu den ,vormodernen‘ Konzepten von Vergangenheit. Als am Ende des 18. Jahrhunderts ,Erfahrungsraum‘ und ,Erwartungshorizont‘ auseinandertraten und sich das menschliche Handeln vergangener Zeiten nicht mehr als sichere Anleitung für die Zukunft nutzen ließ,37 war den historischen Exempeln ihre Grundlage entzogen. So sieht es zumindest die Theorie vor. Als Geschichtsmodell und insbesondere als Kern des antiken römischen Geschichtsdenkens lassen sich die exempla als „in der Zeit verwirklichte und episodisch tradierte Modelle idealen Verhaltens“ 38 definieren, die normativ und für das eigene Handeln in hohem Maß verbindlich sind. Daran wird deutlich, wie eng die antike Bestimmung als rhetorisches Beweismittel und eine moderne wissenschaftliche Definition des Geschichtsmodells zusammenhängen, was daran liegt, dass die rhetorische Argumentationslehre ausgesprochen praxisbezogen ist. Bei beiden Definitionen ist aus unterschiedlichen Blickwinkeln dasselbe gemeint: eine Form, Vergangenheit zu denken, die durch ihre pragmatische Zweckgebundenheit eine eigene Qualität erhält und zudem stark kontextabhängig ist. Historische Exempel sind keine Gattung, auch wenn im Mittelalter Exemplum zur Gattungsbezeichnung wird,39 sondern finden in allen möglichen Medien Ausdruck.40 Dabei können sie in einer kleinen Geschichte erzählt oder nur als commemoratio anspielend erwähnt werden.41 Die Verbindung zwischen dem exemplarischen Geschichtsdenken und der Rhetorik blieb trotz verschiedener Modifikationen in Mittelalter und früher Neuzeit grundsätzlich erhalten, zumal die antiken Lehrwerke maßgeblich blieben.42 Im späten 18. Jahrhundert ,löste‘ sich nicht nur das exemplarische Hölkeskamp, Exempla, S. 309. Vgl. Koselleck, Erfahrungsraum, S. 349–375. 38 ) Gotter/ Luraghi/ Walter, Einleitung, S. 25, mit weiterer Literatur. Vgl. Hölkeskamp, Exempla, S. 301–338; Blösel, Mos, S. 25–37; Stemmler, Auctoritas, S. 141–205; Oppermann, Funktion, S. 10–19. Da die exempla in der historischen Traditionsbildung der römischen Republik einen ganz eigenen Stellenwert hatten, verwende ich für sie den lateinischen Begriff, um sie von dem von mir konzeptionell erweiterten Exempelbegriff abzusetzen. 39 ) Sie bezeichnet speziell die volksnahen homiletischen Exempel, auch Predigtmärlein genannt; vgl. Bremond/ Le Goff/ Schmitt, L’exemplum; Moos, Geschichte, S. XXII–XXVI , 39– 48; Daxelmüller, Exemplum, S. 627–631. Zu den historischen Exempeln in der Predigt vgl. Menzel, Predigt. 40 ) Vgl. Moos, Geschichte, S. 39. 41 ) Vgl. Moos, Geschichte, S. XI . 36 )

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Geschichtsdenken unter dem Druck der dynamisierten Geschichte ,auf‘, sondern verlor auch die Rhetorik endgültig ihren Jahrhunderte währenden Kampf gegen die Philosophie. Ursprünglich die Grundlage aller höheren Bildung, überstand die Rhetorik die Verwissenschaftlichung und Ausdifferenzierung der Fächer nicht.43 Um 1800 scheint das historische Exempel schlagartig zu verschwinden. Betrachtet man die historische Forschung zu Vergangenheitskonstruktionen, so erhebt sich der Verdacht, dass es anschließend als politischer Mythos wieder auftaucht.44 Diese Arbeit steuert mit dem Begriff des Exempels insofern gegen einen Trend, als Rezeptionsphänomene historischer Ereignisse wie der Schlacht an den Thermopylen gegenwärtig in der Geschichtswissenschaft als Mythos bezeichnet werden.45 Der Mythos hat in der neueren Forschung auch Sparta und die Schlacht an den Thermopylen erreicht.46 Was allerdings mit Mythos im Einzelnen gemeint ist, differiert,47 wie generell die vorrangige Eigenschaft dieses Begriffs sein schillerndes Bedeutungsspektrum zu sein scheint. Im Großen und Ganzen bezeichnet Mythos in der Spartaforschung das Problem, die idealisierende Perspektive der antiken Quellen zu durchbrechen und ihr eine historische Realität entgegenzusetzen. Beim Antagonismus von Mythos und Realität, der die Untertitel vieler historischer Arbeiten bevölkert, steht der Mythos für die unwahren, irrationalen, überformten Vergangenheitsdeutungen, während die Realität durch die methodisch abgesicherte, überprüfbare Erkenntnis der Berufshistoriker hergestellt wird.48 Auch wenn das Verhältnis zwischen Mythos und Historie unendlich komplexer ist, gründet sich die Historiographie mit Herodot prinzipiell auf einen Absetzungsakt gegenüber dem Mythos.49 Auf einer anderen Ebene braucht auch die der aufklärerischen Wissenschaftstradition verpflichtete Geschichtswissenschaft die Distinktion von den nicht-wissenschaftlichen Geschichtsdeutungen. Dem Begriff des Mythos ist also die ideologische Konstitution des Faches Geschichte inhärent, was seine Konzeptionalisierung als analytisches Instrument nicht einfacher macht. Auf den ersten Blick scheinen Mythen von historischen Exempeln leicht zu unterscheiden, wenn man an die Mythen der Völker vom Ursprung und Ende der Welt denkt. Auf den zweiten Blick sind sie allerdings kaum voneinander abgrenzbar. Zum einen bezeichnet Mythos im Sprachgebrauch der Historiker sehr weit 42 ) Vgl. Walde, Rhetorik, S. 958–978; Klein, Exemplum, S. 64–69; Lumpe, Exemplum, S. 1242–1257; Daxelmüller, Exemplum, S. 632–634. 43 ) Vgl. Most, Rhetorik, S. 62–79; Ptassek, Rationalität, S. 133–161. 44 ) Vgl. z. B. Dörner, Mythos; Münkler, Mythos; Wülfing, Mythen; Flacke, Mythen (1998); dies., Mythen (2004); Speth, Nation. 45 ) Vgl. Krumeich/Brandt, Schlachtenmythen; Flashar, Marathon, S. 63–85; Hölkeskamp, Marathon, S. 329–353; Gehrke, Mythos (1994), S. 239–264; ders. Mythos (2000), S. 1–24; ders., Geschichtsbilder; ders., Marathon, S. 19–32; Dörner, Mythos; Flacke, Mythen (1998); dies., Mythen (2004); Speth, Nation; Dithmar, Langemarck-Mythos; Behrenbeck, Kult; Tagsold, Flex, S. 375–389; Zimmering, Mythen. 46 ) Vgl. Thommen, Politeia; ders., Sparta; Dreher, Athen; Szemler/Cherf/ Kraft, Thermopylai. Gegen diese Mode wendet sich Baltrusch, Mythos, S. 1–24. 47 ) S. Kap. I.1.5. 48 ) Vgl. Graus, Ohnmacht, S. 49–63; Weber, Historiographie, S. 65–87. 49 ) S. Kap. I.1.1.

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gefasst alle Vergangenheitskonstruktionen, die nicht den Regeln wissenschaftlicher Rationalität folgen.50 Zum anderen sind die Grundmythen kaum von den Kunst- oder Geschichtsmythen 51 zu trennen, wenn diese von ihrer Funktion im Symbolsystem einer Gesellschaft her beschrieben werden. So definiert Jan Assmann: „Mythos ist eine Geschichte, die man sich erzählt, um sich über sich selbst und die Welt zu orientieren, eine Wahrheit höherer Ordnung, die nicht nur einfach stimmt, sondern darüber hinaus auch noch normative Ansprüche stellt und formative Kraft besitzt.“ 52

Diese Definition, die Assmann für die Grundmythen der antiken Hochkulturen Ägypten, Israel und Griechenland vorschlägt, wird auch in der Forschung zu neuzeitlichen, nationalen Geschichtsmythen benutzt.53 Sie gilt überdies auch für den pragmatischen Umgang mit historischen Ereignissen in der griechisch-römischen Antike, wie beispielsweise für die Rezeption der Perserkriege im antiken Griechenland.54 Um den Dualismus von Mythos und Historie aufzubrechen, ist in der althistorischen Forschung der Begriff der intentionalen Geschichte vorgeschlagen worden, der die mythische und die historische Vergangenheit gleichermaßen umfasst.55 Dieser Ansatz ermöglicht es, den Blick auf die vielfältigen Funktionen von Vergangenheit im politischen Feld zu richten, ohne sich auf die Diskussion über den Realitätsgehalt des Mythos einlassen zu müssen. Der Fokus und das konzeptionelle Pendant der intentionalen Geschichte ist die Identität, wie auch die Orientierungsfunktion des Mythos immer auf größere Handlungsgemeinschaften bezogen wird. Das Verwirrspiel lässt sich noch weiter treiben, vergleicht man die Eigenschaften des historischen Exempels mit dem theoretisch gut fundierten Ansatz des politischen Mythos, der für die nationalen Geschichtsmythen des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt worden ist.56 Den politischen Mythos kennzeichnen nach Andreas Dörner eine Reihe struktureller und funktionaler Merkmale sowie die Abhängigkeit von der medialen Vermittlung.57 Strukturell ist der Mythos eine symbolische Narration, bei der ein anschaulicher Signifikant für komplexe und über diesen hinausweisende Signifikate steht, was auch für das Exempel gilt. Die mythische Narration kann voll entfaltet oder auf ein Symbol reduziert sein, das die gesamte Sinnstruktur aufruft, was ebenfalls dem Exempel entspricht. Der Mythos kann schlagartig ein Bild transportieren, das einen affirmativen Zugang zu einem ganzen Bündel an Werten, Wünschen und Zielen eröffnet. Auch das Exempel hat einen ikonischen Charakter mit einer affektiven Wirksamkeit.58 Ein politischer 50 ) Vgl. z. B. Krumeich, Schlachtenmythen, S. 1f.: „,Mythos‘ bezeichnet eine Erzählung von Helden oder außerordentlichen Geschehnissen nicht nur aus vorgeschichtlicher Zeit.“ 51 ) Vgl. Blumenberg, Mythos, S. 192–238; Graus, Ohnmacht, S. 49–63. 52 ) Assmann, Gedächtnis, S. 76. 53 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 25 Anm. 31; Zimmering, Mythen, S. 24. 54 ) Vgl. Gehrke, Mythos (1994), S. 239–264; ders., Marathon, S. 19–32; Flashar, Marathon, S. 63–85; Hölkeskamp, Marathon, S. 329–353. 55 ) Vgl. Gehrke, Mythos (1994), S. 239–264; ders. Mythos (2000), S. 1–24. 56 ) Vgl. Dörner, Mythos, S. 19–97; Speth, Nation, S. 11–146; Zimmering, Mythen, S. 17–36. 57 ) Vgl. im Folgenden Dörner, Mythos, S. 68–97. 58 ) Vgl. Daxelmüller, Exemplum, S. 635.

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Mythos hat die Funktion, in einer Gesellschaft Sinn zu produzieren, indem er Komplexität reduziert, Kontingenz verleugnet und Loyalitäten herstellt; er liefert Bewertungsmuster für die Wirklichkeitswahrnehmung und konkrete Handlungsanweisungen. Hierin rückt er in die Nähe der genuin pragmatischen Funktion des Exempels und zeigt dieselbe Kontextabhängigkeit. Beim Mythos wie beim Exempel müssen die inhaltliche Kenntnis sowie die Deutung in der Gesellschaft breit verankert sein, damit sie überhaupt sinngenerierend wirken können. Politische Mythen können nicht nur zu Legitimationszwecken eingesetzt werden, sondern auch, womit sich gerade die frühe Theoriebildung zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigte, politische Systeme delegitimieren und entzivilisieren.59 Überdies werden durch politische Mythen politische, soziale, kulturelle und geschlechtsspezifische Unterschiede innerhalb eines Kollektivs kommunikativ aufgehoben und gleichzeitig eine Abgrenzung nach außen formuliert. Diese beiden Funktionen kann das Exempel grundsätzlich ebenfalls haben, obwohl an dieser Stelle Einschränkungen zu machen sind. Mit politischem Mythos und historischem Exempel scheinen dieselben Phänomene unterschiedliche Namen zu haben, zumal die Geburtsstunde des politischen Mythos just zu dem Zeitpunkt angesetzt wird, als das Exempel in der Versenkung verschwindet.60 Obwohl beide Begriffe exemplarische Geschichtsmodelle bezeichnen, zwischen denen keine saubere Trennlinie zu ziehen ist, kommen sie dennoch aus unterschiedlichen Denktraditionen und nehmen jeweils andere Aspekte in den Blick. Das historische Exempel ist, wie gezeigt, ein Begriff der antiken Rhetorik, der in Bezug auf die Praxis definiert ist. Der politische Mythos ist dagegen ein moderner analytischer Begriff, der in erster Linie in der Politik- und Literaturwissenschaft in den frühen 1990er Jahren entwickelt worden ist.61 Er speist sich aus zwei Linien: Zum einen aus der Theoriebildung zur politischen Funktion von Mythen, die um die Wende zum 20. Jahrhundert begann, häufig aus dem Lager der Demokratiefeinde stammte und in der politischen Praxis der 1920/30er Jahre in Italien und Deutschland an Relevanz gewann.62 Die andere Linie bilden die philosophischen Reflexionen zum Mythos, vor allem von Ernst Cassirer, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Roland Barthes und Hans Blumenberg, wobei es einigen Aufwand erfordert, die politisch-pragmatische mit der philosophisch-reflexiven Richtung zu vereinen und von den politischen und kulturellen Auseinandersetzungen ihrer Zeit zu reinigen.63 Der Mythosbegriff schleppt selbst in seiner Engführung auf eine politische Funktion viel geistesgeschichtlichen Ballast mit. 59 ) Vgl. Sorel, Gewalt (1906), der insbesondere die amerikanische und deutsche Reflexion zur politischen Funktion von Mythen angeregt hat; vgl. Dörner, Mythos, S. 30– 44. 60 ) Vgl. Dörner, Mythos, S. 98–110. 61 ) Vgl. Dörner, Mythos; Münkler, Mythos, S. 107–143; Wülfing/ Link, Mythen; Wülfing, Mythen; Überblick bis 1996 bei Völker-Rasor, Mythos, S. 9–32. 62 ) Vgl. Dörner, Mythos, S. 39– 42. 63 ) Cassirer wandte sich 1945 in seiner letzten Schrift Mythus des Staates. Philosophische Grundlagen politischen Verhaltens gegen den exzessiven Mythenmissbrauch in der Politik. Vgl. Dörner, Mythos, S. 19– 44; Speth, Nation, S. 27–111; Zimmering, Mythen, S. 17–36.

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Der Impuls für die Theoriebildung zum politischen Mythos kam aus der neueren Nationalismusforschung der 1980er Jahre64 und ein kurzer Blick auf die Forschung zeigt, dass der Mythos in der Neuesten Geschichte untrennbar mit der Nation verbunden ist.65 Die als Mythen bezeichneten Vergangenheitskonstruktionen werden immer im Hinblick auf eine Nation, ein Volk oder eine Volksgruppe untersucht, weshalb die korrespondierende Kategorie des politischen Mythos, wie für die intentionale Geschichte, die Identität ist. Bei den Definitionen von Mythos steht daher immer die orientierende Funktion für Kollektive an erster Stelle, während die pragmatische Absicht, die das Exempel zentral bestimmt, erst in einem weiteren Schritt abgeleitet wird.66 Die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen kann aber durch eine Ausrichtung auf ,Identität‘ nicht erklärt werden, wie in der Arbeit gezeigt werden soll. Der Begriff des Exempels ermöglicht es, das pragmatische Interesse an einem historischen Ereignis zu analysieren, ohne es von vornherein auf ,Identitäten‘ zu fokussieren. Die Entscheidung, das Exempel zum analytischen Begriff zu machen, ist in erster Linie durch den Untersuchungsgegenstand motiviert. Das pragmatische Interesse an der Schlacht an den Thermopylen zeigt sich in der Antike erstmals verstärkt in Reden, in denen die Schlacht in klassischer Definition als historisches Exempel verwendet wird. Über die antiken Autoren wird die Schlacht auch in späteren Zeiten häufig bereits als Exempel rezipiert. Darüber hinaus begleitet meine Wahl eine gewisse Skepsis gegenüber dem Mythos als analytischem Instrument für historische Arbeiten, die sich über die notorische begriffliche Unschärfe hinaus aus zwei weiteren Beobachtungen ergibt. Erstens muss man sich darüber im Klaren sein, dass der politische Mythos bereits eine erhebliche Einschränkung des Mythosbegriffs darstellt, die jenseits der Geschichtswissenschaft kaum zu kommunizieren ist. Wenn man Mythen als primär religiöse Symbolsysteme versteht, kann man durchaus anzweifeln, dass sie sich in irgendeiner Weise mit der Nation verbinden lassen. Zudem sind Mythen auch Narrationen mit einer impliziten ,mythischen‘ Denk- und Sprechweise, während Historizität bzw. Faktizität, so gebrochen sie in Geschichtsmythen auch sein mögen, explizit sind.67 Zweitens transportiert der Mythos mitunter verdeckte Qualitäten, die, selbst wenn sie reflektiert werden, die Interpretation einholen können. Gerade in historischen Arbeiten wird der Begriff des Mythos gerne dazu benutzt, ad hoc eine Dimension des Numinosen, Auratischen, objektiv Nicht-Fassbaren aufzurufen, was die Gefahr in sich birgt, dass der Mythos sich verselbstständigt und seine Wirkung überschätzt wird.68 Zudem stellt der Mythos bereits begrifflich 64 )

Vgl. Anderson, Erfindung (1983); Hobsbawm, Nationen (1990). Vgl. Graus, Ohnmacht, S. 53–55; s. o. 66 ) Vgl. Assmann, Gedächtnis, S. 76, Zit. s. o. Dörner, Mythos, S. 76, definiert Mythen als „narrative Symbolgebilde mit einem kollektiven, auf das grundlegende Ordnungsproblem sozialer Verbände bezogenen Wirkungspotential“; Speth, Nation, S. 12, als „Narrationen, die sich auf ein Handlungskollektiv beziehen und zu dessen Selbstbeschreibung dienen, d. h. kollektive Identität thematisieren.“ 67 ) Vgl. Hammer, Tradierung. 68 ) Ein Beispiel dafür ist Behrenbeck, Kult, die den „nationalsozialistischen Heldenmythos“ 65 )

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eine Einheit her, wo häufig Vielgestaltigkeit ist, und neigt dazu, allgemeine Gültigkeit zu beanspruchen und darüber hinwegzutäuschen, dass er eventuell nur in bestimmter Hinsicht oder in Teilen einer Gesellschaft gilt. Der Begriff des historischen Exempels muss für einen geschichtswissenschaftlichen Ansatz auf der Basis der bisherigen Definition in einigen Punkten ergänzt werden. Zunächst verweist die Kontextabhängigkeit des Exempels darauf, dass die Bedeutungskonstitution in kollektiven, gesellschaftlichen Bildungs- und Kommunikationsvorgängen stattfindet. In verschiedenen Teilen einer Gesellschaft wird die Deutung der Schlacht an den Thermopylen produziert, verbreitet, bestätigt oder verändert und ihre Relevanz für die Gegenwart festgelegt. Ausgehend vom Exempel als einem konkreten Orientierungs- und Handlungsmodell werden im Folgenden für die quellenreichen Zeiten drei große Bereiche betrachtet: erstens das Gebiet der Bildung und Wissensvermittlung, das die Grundlage dafür darstellt, dass die antike Schlacht ad hoc aktualisiert werden kann; zweitens die weite Sphäre der Kultur, in der sich das Interesse an dem antiken Ereignis manifestiert, das über die Bewahrung der historischen Erinnerung hinausgeht; drittens der Bereich der Praxis, für den das Handlungsmodell des Exempels übernommen werden soll. Für die Schlacht an den Thermopylen umfasst dieser Bereich das Militär und den politischen Totenkult. Diesen drei Bereichen lassen sich grob die Quellen zuordnen: Es gibt Quellen, bei denen die Wissensvermittlung im Vordergrund steht, Quellen, in denen die Schlacht mit künstlerischem Anspruch bearbeitet ist, und die exemplarischen Vergleiche, in denen die Thermopylenkämpfer oder die Schlacht selbst mit zeitgenössischen Personen bzw. militärischen Ereignissen parallelisiert werden. Allerdings lässt sich diese Trennung bei genauerem Hinsehen kaum aufrecht erhalten. Schulbücher vermitteln die Schlacht auch als Orientierungsmodell, Comics liefern ebenfalls historische Fakten und exemplarische Vergleiche erheben manchmal einen ästhetischen Anspruch. Gefragt wird hier, ob und wie sich in den verschiedenen Bereichen einer Gesellschaft die Deutung der antiken Schlacht so verfestigt, dass mit ihrer bloßen Nennung eine bestimmte Bedeutungs- und Sinndimension aufgerufen werden kann. Nur in solchen Phasen verdichteter Rezeption kann man sich der vom Exempel eingeforderten pragmatischen Relevanz annähern. Generell lässt sich von vornherein festhalten, dass das historische Exempel zwar eine deutungskulturelle Verankerung braucht, aber durch seine Historizität, von der seine Überzeugungskraft abhängt, nie ganz deutungsoffen ist.69 Erst wenn kein – auch noch so rudimentäres – Faktenwissen mehr vorausgesetzt werden kann, werden exemplarische Vergleiche beliebig. Speziell für die neuzeitlichen Teile der Arbeit ist von Bedeutung, dass das historische Exempel jenseits der Demarkationslinie um 1800 unter den Druck der zum omnipotenten Erklärungsmodell für die nationalsozialistische Herrschaft aufbaut; vgl. auch Schilling, Rez. zu Behrenbeck, S. 183–185. Entlarvend ist z. B. die Formulierung, dass sich mit Hitlers Selbstmord „der Bann und Zwang des Mythos (löste)“, ebda. S. 599, als seien die Deutschen in der NS -Zeit lediglich verzaubert gewesen. 69 ) Dadurch unterscheidet es sich grundsätzlich von den anderen Exempelarten, für die sich v. a. die Literaturwissenschaften interessieren; vgl. Haug/Wachinger, Exempel.

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verzeitlichten Geschichte gerät und damit seinen autoritativen Eigenwert verliert. Jederzeit kann nunmehr die Singularität des Ereignisses betont und seine überzeitliche Gültigkeit bestritten werden. Daher muss sich die Aufmerksamkeit für diese Zeit verstärkt auf die Autoritäten, Strategien und Mechanismen richten, die das Exemplarische des Orientierungs- und Handlungsmodells herstellen. Dies können ,Experten‘ für die Schlacht an den Thermopylen sein, Altertumswissenschaftler, Lehrer und Militärs, aber auch Institutionen wie die Schule und der politische Totenkult oder ästhetische Strategien und Vergleichspraktiken. Allerdings zeigt sich, dass dieser Notwendigkeit, das Exempel als solches zu legitimieren, seine erstaunliche Unangefochtenheit gegenübersteht. Erst in der Zeit der neuzeitlich-bewegten Geschichte kommt somit für das Exempel die Dialektik von Historizität und Ahistorizität voll zum Tragen, die sich an einer Reihe von Konflikten und Wechselwirkungen beobachten lässt. Ein weiterer wichtiger Punkt, den bereits die antike Rhetorik thematisiert, ist die Abhängigkeit des historischen Exempels von der Vorbildung und damit von der Soziallage der Rezipienten. In den nachantiken Epochen gilt die Kenntnis insbesondere der griechischen Antike nahezu immer als ein Zeichen von Bildung und ist daher der Oberschicht zuzurechnen. Selbst in Zeiten der Bildungsexpansion ist das Wissen über antike Geschichte elitärer als das über die nationale Geschichte.70 Der soziale Charakter der Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen kann wegen der komplizierten Quellenlage zwar nicht systematisch untersucht werden, wird aber immer im Blick behalten und nach Möglichkeit herausgearbeitet. Die sozialen In- und Exklusionsmechanismen durch Antikenrezeption müssen deshalb so aufmerksam beobachtet werden, weil die Quellen, insbesondere seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, häufig dem humanistischen Postulat folgen, dass der griechische und römische Mensch die vollkommene Realisierung der ,menschlichen Natur‘ sei und deswegen jeder Mensch einen direkten Zugang zur Antike besitze.71 Trotz dieser egalitären Doktrin trägt antikes Bildungswissen dazu bei, gesellschaftliche Machtstrukturen und Herrschaftsmechanismen zu konstituieren und zu bestätigen. Die Reichweite speziell des Exempels der Schlacht an den Thermopylen muss zudem in Bezug auf ein weiteres Strukturprinzip der Gesellschaft eingegrenzt werden: Das Heldentum der Thermopylenkämpfer ist Männersache. Nicht allein das historische Ereignis war eine rein männliche Angelegenheit, sondern auch seine Rezipienten sind durch die Jahrhunderte bis auf wenige Ausnahmen männlich. Die Verbindung von Kampf, Tod, Männlichkeit, Heldentum und Ehre ist bereits im Bericht Herodots vollständig entfaltet. Das Ausharren in aussichtsloser Situation und der Kampf bis zum Untergang üben in erster Linie auf Männer eine Faszination aus. Es handelt sich dabei um Haltungen, die in den Tiefen der kulturellen Repräsentationssysteme immer noch mit männlicher Ehre verbunden sind.72 Als Orientierungs- und Handlungsmodell fordert das Exempel von den 70 )

S. Kap. III.1.1. Vgl. Bourdieu, Elemente, S. 159–201; ders., Regeln, S. 449–511. 72 ) Vgl. Bourdieu, Herrschaft, S. 153–217, bes. S. 190–196. Man gewinnt den Eindruck,

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männlichen Rezipienten nicht nur, das Heldentum der Thermopylenkämpfer als Norm anzuerkennen und ihm nachzufolgen, sondern stellt im Gegenzug auch Ehre und Unsterblichkeit in Aussicht. Obwohl sich die Art und Weise, im Krieg zu sterben, seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. deutlich verändert hat, kann auch im 21. Jahrhundert immer noch durch den Vergleich mit der antiken Schlacht eine spezifische Form archaisch-männlicher militärischer Ehre aufgerufen werden, wie das eingangs zitierte Filmbeispiel zeigt. Das Thermopylen-Exempel gehört folglich in bestimmten Zeiten zu denjenigen symbolischen Formen, durch die in einer Gesellschaft festgelegt wird, welches Verhalten für Männer im Kampf ehrenhaft ist. Die männliche Ehre ist, obwohl in hohem Maß handlungsleitend, letztlich eine willkürliche Setzung, die historisch und kulturell differiert und einer permanenten Formierungs- und Bildungsarbeit bedarf.73 In dieser Untersuchung richtet sich daher das Augenmerk auf die Erkennungs- und Anerkennungsakte, in denen männliche Ehre produziert und reproduziert wird. Die Anerkennung kann nur von Männern gezollt werden, so wie bei den ,ernsten Spielen‘, in denen männliche Ehre akkumuliert wird, Frauen nicht beteiligt sind.74 Frauen fällt bei der gesellschaftlichen Konstruktion militärischen Heldentums weitgehend eine Beobachterrolle zu, weshalb die Distanz zu meinem Untersuchungsgegenstand nicht allein durch die wissenschaftliche Perspektive, sondern auch durch den weiblichen Blick begründet ist. Die historische Forschung zum männlichen Heroismus betont dessen Relationalität zu Entwürfen von Weiblichkeit.75 Neben den Spartiaten gab es die Spartiatinnen, deren Wahrnehmung bereits in der Antike von ebenso vielen Projektionen überlagert war wie die des männlichen Heldentums.76 Die spartanische Frau zeichnet sich nach dem Bild, das die Lacaenarum Apophthegmata von ihr entwerfen, vor allem dadurch aus, dass sie den Kriegstod als Krönung eines Männerlebens vorbehaltlos akzeptiert. Bei der Schlacht an den Thermopylen waren nach der Überlieferung keine Frauen anwesend und die für die Dramen, Romane und anderen Narrationen erfundenen Frauenfiguren folgen fast immer dem antiken Topos der spartanischen Mutter und Ehefrau, der sich allerdings über die Jahrhunderte wandelt. Da die spartanischen Frauen über andere Quellen rezipiert werden als die Schlacht an den Thermopylen und eine durchaus eigenständige Rezeptionsgeschichte mit spezifischen Popularitätskurven haben, hätte ihre systematische Untersuchung den Rahmen der Arbeit gesprengt. Nichtsdestoweniger Bourdieu analysiere in weiten Teiles dieses Aufsatzes die Schlacht an den Thermopylen, was aber nicht der Fall ist. 73 ) Vgl. Vogt/Zingerle, Ehre; Bourdieu, Herrschaft, S. 170–216, nennt diese durch Sozialisationsarbeit festgelegte Grenze nomos und knüpft damit unfreiwillig eine Verbindung zum Spartiaten-Epigramm (s. Kap. I.1.5). 74 ) Vgl. Bourdieu, Herrschaft, S. 153–217; Frevert, Ehrenmänner; dies., Mann. 75 ) Vgl. Frevert, Männergeschichte, S. 31– 43; dies., Soldaten, S. 69–87; Hagemann, Nation, S. 562–591; dies. Muth; Schilling, Kriegshelden; ders., Konstruktion, S. 121–144. Die Entstehung und Durchsetzung eines neuen Typs soldatischer Männlichkeit um 1800 ging mit der Etablierung des bürgerlichen, polaren Geschlechtscharaktermodells einher, in dem die Geschlechterdifferenz anthropologisiert wurde. 76 ) Vgl. Plut. Lacaen. Apophth. Vgl. Pomeroy, Woman.

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wird das Frauenbild an Punkten, an denen es sich auffällig verändert, in die Analyse mit einbezogen. Dasselbe gilt auch für den Gegner an den Thermopylen, die Perser, die mitunter mit weiblich konnotierten Eigenschaften belegt werden. Diese Verschränkung von Geschlecht und Ethnizität, die überdies mit den unterschiedlichen Orientbildern in der westeuropäischen Geschichte zusammenhängt, kann nur am Rande gestreift werden. Generell sei angemerkt, dass sich männliches Heldentum nicht allein durch die Relation zur Weiblichkeit definiert, sondern auch in Abgrenzung zu anderen Formen von Männlichkeit.77 Insbesondere in den exemplarischen Vergleichen, in denen militärische Ehre produziert bzw. reproduziert wird, funktioniert das Thermopylen-Exempel ganz ohne Frauen und selbst ohne einen spezifizierten Gegner. Auf der Basis des bisher Gesagten lassen sich die zentralen Fragen der Arbeit nochmals bündeln: Zunächst werden die spezifischen Rezeptionskonjunkturen der antiken Schlacht untersucht, woran sich die Frage nach den Gründen für diese Phasen gesteigerten Interesses anschließt. Dazu wird zum einen die Art und Weise der Darstellung mit ihren Intentionen, Wertungen und Deutungen erörtert, zum anderen das aktuelle Sinn- und Konnotationspotential herausgearbeitet. In einem weiteren Schritt werden die Kontexte betrachtet: Was wurde in konkreten Situationen unter Bezugnahme auf die antike Schlacht verhandelt? Worin wurde die Relevanz für die Gegenwart gesehen? Wer verfolgte mit dem Exempel der Schlacht welche Interessen? Hiermit verbunden sind die Fragen nach der Deutungsfestlegung, der Konstruktion männlichen Heldentums, der Handlungsrelevanz sowie den sozialen und geschlechtsspezifischen In- bzw. Exklusionsmechanismen des Exempels. Dazu gehören überdies die Fragen, an welche gesellschaftlichen Deutungsmuster78 die antike Schlacht angeschlossen und mit welchen Körperkonzepten das exemplarische Heldentum verknüpft wird. Die Arbeit soll sich auf diese Weise dem Rezeptionsphänomen in seiner ganzen Komplexität annähern. Da historische Exempel, wie alle kulturellen Produkte, nicht mehr dieselben sind, wenn sie in ein anderes kulturelles Bezugssystem übernommen werden,79 muss danach gefragt werden, wie sich die Rezeptionsbedingungen und die Deutungen im Lauf der Zeit verändern und ob es in der Rezeptionsgeschichte der Schlacht zu Ausprägungen kommt, die für ein Land oder einen anderen bestimmten Kontext spezifisch sind. Eng verbunden sind damit allgemeinere Fragen zur Konstruktion von Vergangenheit als einem ,symbolischen Diskurs‘ in einer Kultur. Wie funktioniert die theoretische Zentraldynamik des Exempels in der Praxis? Was geschieht beim exemplarischen Vergleich? Wie verändert sich das Exempel unter dem Druck der verzeitlichten Geschichte? Alle diese Fragen lassen sich nicht gleichermaßen für sämtliche Teile der Arbeit beantworten, sondern sind von der Quellenlage abhängig. Für die Antike hat 77 )

Vgl. Connell, Mann; Bourdieu, Herrschaft, S. 153–217. Zur Definition von Deutungsmuster vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 22f. 79 ) Vgl. Flaig, Akkulturation, S. 81–112. 78 )

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bereits die Überlieferung eine Vorauswahl der Quellen getroffen. In dieser Arbeit stehen diejenigen Quellen im Vordergrund, die auch für die weitere Rezeption der Schlacht bedeutsam wurden. Dies sind zum einen die wichtigsten historiographischen Texte, die Darstellung der Schlacht bei Herodot, Diodor und Plutarch (Kap. I.1; 2.2; 3.2) sowie bei Pompeius Trogus und Orosius (Kap. I.2.2; 3.3). Von diesen Texten ausgehend werden die älteren Traditionen herausgearbeitet, die in sie eingegangen sind. Zum anderen werden Texte interpretiert, in denen die Schlacht als Exempel rezipiert wird, so eine Reihe von athenischen Reden aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., Cicero, Valerius Maximus und einige weitere Autoren aus der römischen Kaiserzeit (Kap. I.2.1; 3.1; 3.3). Die weitere Quellenerschließung folgte dem Prinzip der ,Schatzsuche‘, bei der weite Landstriche bibliographierend grob durchkämmt, vielversprechende Orte allerdings systematisch durchsucht wurden. Zudem ermöglichten es die diversen Vorarbeiten der Spartaforschung, aber auch der David-, Philhellenismus- und Stalingrad-Forschung,80 bestimmte Phasen verdichteter Rezeption auszumachen. Planmäßig wurden für das 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Militärund Frontzeitungen sowie Fachorgane für die höhere Schule gesichtet, Schulbücher ausgewertet und die Veröffentlichungen des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK ) durchgesehen. Zu einzelnen Bildern und Dramen wurden Kritiken gesammelt, und für bestimmte Ereignisse wurde in die Tiefe gebohrt, teilweise bis auf die Ebene persönlicher Erinnerungen. Viele Funde sind auch dem Zufall oder der aufmerksamen Lektüre meiner Kollegen zu verdanken, die vielerorts auf die Schlacht an den Thermopylen stießen. Insgesamt ist ein Quellenkorpus entstanden, das in Umfang, Dichte und Varianz deutlich über das hinausgeht, was in der Regel die Grundlage für eine Betrachtung von Phänomenen der Antikenrezeption bildet. Die komplizierte Quellenlage stellt besondere Anforderungen an die Interpretation. Zunächst können überhaupt nur deshalb so unterschiedliche Quellengattungen herangezogen werden, weil die Untersuchung auf diese eine Schlacht beschränkt bleibt und größere Ausflüge in die allgemeine Spartarezeption oder die Rezeptionsgeschichte anderer antiker Schlachten vermieden werden. Weiterhin werden die einzelnen Quellen, anders als bei neuhistorischen Arbeiten zu Rezeptionsphänomenen üblich, nicht sofort zu einem ,Diskurs‘ abstrahiert, sondern die spezifischen internen, medialen Logiken einbezogen. Erst wenn sich eine bestimmte Deutung der Schlacht in einer Zeit in unterschiedlichen Quellen immer wieder findet, wird sie generalisiert. Um den hermeneutischen Zirkeln der Bildbzw. Literaturanalyse zu entgehen, wird, wenn möglich, die zeitgenössische Wahrnehmung eines Rezeptionszeugnisses rekonstruiert. Durch diese methodische Vorgehensweise, die auch der Einzelquelle Raum gibt, unterscheiden sich die neuzeitlichen Teile der Arbeit nicht so stark vom antiken Teil, auch wenn die Kontexte in ganz anderem Umfang erschlossen werden können. Bei der Quellenauswahl sind Schwerpunkte gebildet und eine Einschränkung gemacht worden: Fast jedes Land hatte in seiner Geschichte eine ,Schlacht an den 80 )

Die Literatur wird in den Kap. II.1, II.4 und III.3.1 diskutiert.

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Thermopylen‘.81 Durch den Bezug auf die antike Schlacht wird in der Regel versucht, eine katastrophale Niederlage mit überzeitlicher Bedeutung zu versehen. Diese Vergleiche sind nicht immer zeitgenössisch, sondern erst – manchmal lange – im Nachhinein vorgenommen worden. In der Arbeit werden aber nur Vergleiche untersucht, in denen eine aktuelle Niederlage mit der antiken Schlacht parallelisiert wird. Vom Quellenbefund hängen die Periodisierung und die Auswahl der schwerpunktmäßig untersuchten Zeiten und Länder ab, für die dann wiederum genauer Quellen erschlossen wurden. Man darf sich die Rezeptionsgeschichte dieser Schlacht nicht als einen gleichmäßig ablaufenden, sich stetig verjüngenden Prozess vorstellen.82 Im Gegenteil wechseln sich Phasen einer verdichteten Rezeption mit solchen verstreuter Reminiszenzen und mit Zeiten des Vergessens ab. Die Rezeptionsgeschichte kennzeichnen Sprünge, Rückgriffe, Wechselwirkungen und Kontingenzen, so dass es neben den Hauptwegen auch viele verschlungene Seitenpfade gibt. Eine besonders große Lücke klafft für die Rezeption der Schlacht in West- und Mitteleuropa zwischen der Spätantike und dem 18. Jahrhundert. Zwar ging das Wissen niemals vollständig verloren, aber es scheint über Jahrhunderte kein spezifisches Interesse an dieser Schlacht gegeben zu haben. Dieser Gesamteindruck ließe sich sicherlich durch weitere Nachforschungen differenzieren. Allerdings ist fraglich, ob der damit verbundene Aufwand in einem Verhältnis zum zu erwartenden Ertrag stünde. Generell wechseln sich in der Arbeit vertiefte Analysen mit größeren, manchmal skizzenhaften Überblicken ab. Eine erste Phase, in der die Schlacht an den Thermopylen verstärkt rezipiert wurde, fällt in die Zeit vom ersten Drittel des 18. bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts.83 Für diesen Zeitraum liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf Frankreich, wo die Schlacht zwischen Revolution und Restauration umfassend aktualisiert und politisiert wurde (Teil II ). Zum einen werden Bereiche und Themen betrachtet, die für die französische Rezeption der Schlacht spezifisch sind (Kap. II.1; 2.1; 2.2; 4.2), zum anderen solche, die allgemein typisch für die Zeit sind, wie der Beginn des politischen Totenkults und die Konstitution des nationalen Kriegshelden (Kap. II.2.3; 3). Als Vergleich wird verhältnismäßig ausführlich die deutsche, punktuell auch die englische und amerikanische Rezeption hinzugezogen. In dieser Phase des Nationsbildungsprozesses findet sich die antike Schlacht in der Deutungskultur vieler europäischer Länder sowie in Nordamerika, was z. B. sichtbar wird, 81 ) So für Frankreich Waterloo, s. Kap. II.3.1; für Deutschland der Erste Weltkrieg, s. Kap. III.2.2, und Stalingrad, s. Kapitel III.3.1; für Österreich Malborghetto, s. Kap. II.3.1; für Griechenland Missolonghi, s. Kap. II.4.1, und zusammen mit England die Thermopylen 1941, s. Kap. III.3.2. Vgl. weiterhin für Amerika: Peterson/Hanson, Thermopylae; Wylie, Thermopylae; Jenkins, Thermopylae; Tucker, Bridge; für England: Bencke, Thermopylae; Cobb, Thermopylae; Cotham, Sabine Pass; für Frankreich: Mace´, Passage; für Deutschland: Rousseau, Beurtheilung; für Österreich: Wörndle, Thermopylen; für die Schweiz: Pixe´re´court, Thermopyles; für die Ukraine: Bohdaniuk, Thermopylae. 82 ) Vgl. Dreher, Athen, S. 78, der behauptet, die Schlacht sei „im Lauf der Geschichte umso mehr verklärt worden, je öfter sie als Vorbild von Freiheitskämpfern in Anspruch genommen wurde“. 83 ) Diese Periodisierung bestätigt Macgregor Morris, Leonidas.

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wenn diese Länder den griechischen Aufstand gegen das Osmanische Reich beobachten (Kap. II.4.1). Das Bild dieser ,internationalsten‘ Zeit in der Rezeptionsgeschichte der Schlacht ließe sich noch weiter abrunden: Vor allem die jungen Vereinigten Staaten, die über den Buchmarkt noch eng mit der europäischen Antikenrezeption verbunden sind,84 böten weitere Forschungsaufgaben. Die zweite Phase einer verdichteten Rezeption liegt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hier konzentriert sich die Arbeit auf Deutschland (Teil III ) und zwar ausschließlicher als im zweiten Teil auf Frankreich, was bereits ein Merkmal der Thermopylen-Rezeption in dieser Zeit ist. Nur der Ausblick auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bezieht sich wieder umfassender auf die internationale Entwicklung (Kap. III.4). Die beiden neuzeitlichen Teile sind nicht ganz parallel aufgebaut, auch wenn im dritten Teil mehrere Aspekte wieder aufgegriffen werden, so das Verhältnis zur Spartarezeption, der politische Totenkult und die Relation zu anderen Heldenkonstruktionen (Kap. III.2; 3.2; 3.3). Die Differenzen im Aufbau ergeben sich aus der Spezifik der jeweiligen Phase der ThermopylenRezeption (Kap. III.1; 3.1). Für das 20. Jahrhundert wird die Rezeption der Schlacht in Griechenland selbst nicht systematisch untersucht. Nach der Niederlage gegen die Türken 1922, endgültig aber nach dem Zweiten Weltkrieg hat Griechenland die klassische Antike als eigene Vergangenheit und die Schlacht an den Thermopylen als „one of the most glorious moments in Greek history“ 85 anerkannt. Die Phasen herauszuarbeiten, in denen die antike Schlacht, auch im Zusammenhang mit der Entstehung des Massentourismus, in das nationale Erbe integriert wurde, hätte den Rahmen der Arbeit vollends gesprengt. Diese Arbeit kann nicht den Anspruch erheben, das weitverzweigte Wegesystem, das die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen bildet, als Ganzes zu rekonstruieren. Sie zeichnet einige Hauptwege und eine Reihe von Seitenpfaden nach und überlässt den Rest dem Entdeckergeist anderer.

84 )

85 )

Vgl. Buschendorf, States, S. 833–875. Faltblatt des Ministry of Culture, Thermopylai, o. S.

I. Die Schlacht an den Thermopylen in der Antike 1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland. Die Darstellung in Herodots Historien 1.1. Herodot und der Xerxesfeldzug 480/479 v. Chr. Als Herodot von Halikarnassos zwischen 430 und 425 v. Chr. seine Historien veröffentlichte, führten die beiden mächtigsten griechischen Poleis, Athen und Sparta, gegeneinander Krieg.1 In der Vergangenheit, von der Herodot schreibt, hatten diese beiden Stadtstaaten eine Koalition griechischer Poleis angeführt, die sich der Invasion des persischen Großkönigs Xerxes I . (reg. 485– 465 v. Chr.) entgegenstellte und sie erfolgreich abwehrte. Wie schon der Sieg bei Marathon zehn Jahre zuvor, war der Erfolg gegen das riesige Achämenidenreich mit seinen schier unerschöpflichen Ressourcen an Menschen und Material eine Überraschung. Er leitete eine Phase der griechischen Geschichte ein, die von rasanten politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen geprägt war. Die Dynamik ging dabei von Athen aus, das die Demokratisierung vorantrieb, die von den Persern zerstörte Akropolis wieder aufbaute und mit dem so genannten Ersten DelischAttischen Seebund seine hegemonialen Ambitionen auslebte. Sparta, das vor den Perserkriegen als Kopf des Peloponnesischen Bundes die Vormachtstellung im griechischen Mutterland innehatte, bleibt in der Überlieferung im Schatten dieser Veränderungen. Im Jahr 464 v. Chr. erschütterte ein Erdbeben, dem ein Aufstand der Heloten folgte, das spartanische Gemeinwesen.2 Die Machtpolitik Athens mündete 431 v. Chr. im Peloponnesischen Krieg. Die Pentekontaetie, die „50 Jahre“ zwischen den beiden Kriegen, war für das kleinräumige griechische Mutterland eine Umbruchszeit, in der alte Denk- und Wahrnehmungsmuster mit immer neuen Erfahrungen konfrontiert wurden. In diesen Zusammenhang gehört Herodots Projekt, die Vergangenheit schriftlich zu fixieren, das in seiner Konzeption und seinem Umfang eine Neuerung darstellt. Die Zeitzeugen des Xerxesfeldzuges starben allmählich aus; Themistokles, der spiritus rector des Seesieges bei Salamis, war in persischen Diensten verstorben, Pausanias, der Oberbefehlshaber in der entscheidenden Schlacht von Plataiai, von Sparta verurteilt und hingerichtet worden.3 1)

Vgl. zur Entstehung und Konzeption von Herodots Werk allgemein: Evans, Herodotus; Meister, Geschichtsschreibung, S. 25– 41; Cobet, Herodot, S. 226–233; Strasburger, Geschichtsforscher, S. 835–919. Apollodor (FGrH 244 F 7) behauptet, Herodot sei zu Beginn des Peloponnesischen Krieges 53 Jahre alt gewesen, woraus sich das Geburtsjahr 484 v. Chr. ermitteln lässt; das Todesjahr wird 424 v. Chr. angesetzt. Herodots Familie war karischer Abstammung; er wanderte nach ausgedehnten Reisen und einem längeren Aufenthalt in Athen schließlich in die um 443 v. Chr. gegründete Kolonie Thurioi aus, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. 2 ) Das zweite überlieferte Datum ist 469/8 v. Chr.; Diskussion bei Luraghi, Erdbebenaufstand, S. 280–290. 3 ) 459 bzw. 476/5 v. Chr.; vgl. zum Kontext: Evans, Herodotus, S. 90–92.

1.1. Herodot und der Xerxesfeldzug 480/479 v. Chr.

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Herodot schildert die Feldzüge von Dareios und Xerxes nach Griechenland in den Büchern 5–9, wobei der Xerxesfeldzug mit den Büchern 7–9 ein Drittel seines Werkes einnimmt. Es ist nicht nur die einzige zusammenhängend überlieferte, sondern über weite Strecken überhaupt die alleinige Quelle für die Perserkriegszeit. Eine persische Tradition fehlt völlig, und das griechische archäologische und inschriftliche Material sowie die zeitgenössischen literarischen Quellen bieten lediglich zu einzelnen Aspekten Ergänzungen und andere Perspektiven.4 Seinen programmatischen Äußerungen in seinem Proömium zufolge beabsichtigt Herodot, einerseits die Ursache für den Xerxesfeldzug zu ergründen und andererseits die Erinnerung an die Heldentaten dauerhaft zu bewahren. Herodots Werk steht am Übergang von einer oralen zu einer literarischen Kultur.5 Die von ihm verarbeiteten Quellen lassen noch die Merkmale oraler Traditionen erkennen. Herodot fügte unzählige lokale Traditionen aus den griechischen Poleis und dem achämenidischen Vielvölkerstaat in Pionierarbeit in einen großen historischen Zusammenhang. Dabei versuchte er, durch eigene Erkundungen, durch Autopsie der Orte und eigene Urteilsbildung die verschiedenen, häufig stark intentionalen Erzählungen über die Vergangenheit gegeneinander abzuwägen.6 Mitunter gibt er mehrere Versionen wieder und entscheidet sich für die seines Erachtens wahrscheinlichste. So wie Herodot im Proömium hervorhebt, Menschengeschichte zu schreiben, setzt er sich im Anfang seines Werkes ausdrücklich von der als Vor- und Frühgeschichte verstandenen mythischen Zeit ab (1.5.3). Trotz dieses Setzungsaktes gibt es bei ihm keine scharfe Trennlinie zwischen Historie und Mythos, und immer wieder greifen historischer und mythischer Raum ineinander.7 Für die Frage nach der Ursache des Krieges zwischen Griechen und Persern holt Herodot weit aus. Seine kulturgeschichtlichen Beobachtungen über einen großen Zeitraum hinweg und in sehr weiter geographischer Ausdehnung sind in dieser umfassenden Art in der Historiographiegeschichte selten wieder erreicht worden. Den Grund für den Krieg sieht Herodot in der Expansion des Achämenidenreiches, das sich als Erbe der Lyderkönige, die als erste die griechischen Städte Kleinasiens unterwarfen (Buch 1), immer weiter in alle Himmelsrichtungen ausdehnte (Buch 2– 4), bis es schließlich das griechische Mutterland angriff (Buch 5–9). Mit der Befreiung der ionischen Poleis nach dem Sieg von Mykale 479 v. Chr. endet das Werk. In den Historien ist nicht nur das Geschehen um die kleinasiatischen Könige, Kroisos, Kyros, Kambyses, Dareios und Xerxes herum aufgebaut, sondern Herodot, der selbst aus Kleinasien stammte, beschreibt so ausführlich die Geschichte, die Sitten und Bräuche des achämenidischen Vielvölkerstaates, dass er Plutarch als philoba´rbaros galt (Plut. mal. Her. 12 [857 A]). Trotz dieser Fülle an differenzierten Beobachtungen und einer relativistischen Grundhaltung ist Herodots Perspektive ethnozentrisch, was besonders in den Perserkriegsbüchern hervortritt. 4)

Vgl. Kierdorf, Perserkriege, S. 48–82; Lazenby, Defence, S. 5–7. Vgl. Cobet, Herodot, S. 226–233. Herodot soll 445/4 v. Chr. in Athen öffentlich aus seinem Werk vorgelesen haben, was Cobet für unwahrscheinlich hält, da der Text zum Vorlesen zu komplex ist. 6 ) Vgl. Hdt. 2.29; 2.99; 7.152.3; vgl. Bakker, Making, S. 3–32. 7 ) Vgl. Vandiver, Heroes, S. 1–11; Boedeker, Heritage, S. 109–116. 5)

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

Generell überträgt Herodot griechische Ideen auf die orientalischen Protagonisten, was durchaus Verfremdungseffekte zur Folge hat.8 Die Griechen, definiert durch die Blutsverwandtschaft, die Sprache, die gemeinsamen Kulte und Sitten sowie durch die von Herodot selbst aufgezeichnete gemeinsame Vergangenheit, werden von den Nicht-Griechen, den ,Barbaren‘, abgesetzt.9 Griechentum ist mit politischer Freiheit, Gesetz, Recht, Ordnung im weitesten Sinne verbunden, denen auf der Seite der ,Barbaren‘ die despotische Monarchie, Willkür, Unterdrückung und potenzielle Unordnung entgegengesetzt sind. Auch wenn Herodot die Antithese von Griechen und ,Barbaren‘ immer wieder differenziert, so sind die ,Barbaren‘ doch grundsätzlich durch ein von Natur aus sklavisches ,Wesen‘ gekennzeichnet. Der ethnozentrische Blick konstituiert eine Alterität der Kriegsgegner, bei der die militärische Niederlage des materiell überlegenen Gegners aus seinem ,Wesen‘ begründet wird. Der Konflikt ist dadurch substanziell aufgeladen. Bei Herodot ist damit bereits ein Grundmuster für die weitere Rezeption der Perserkriege angelegt, die die Antithese von Griechen und ,Barbaren‘ meist noch weitaus deutlicher zuspitzte.10 Auf griechischer Seite gehört Herodots Sympathie den Poleis, die die Abwehr der Invasion in erster Linie getragen haben, Athen und Sparta, wobei letzteres in der Forschung umstritten ist.11 Sein intellektuelles Milieu ist Athen und er hebt die athenischen Verdienste vor allem beim Xerxesfeldzug hervor (7.139). Allerdings bewahrt er durchaus eine unabhängige Position.12 Als ,fremd‘ beschreibt Herodot das spartanische Doppelkönigtum, indem er es in die Nähe der kleinasiatischen Monarchie rückt.13 Auch in den Gesprächen zwischen Xerxes und Demaratos, dem exilierten spartanischen König aus dem Haus der Eurypontiden14, konstruiert Herodot eine Außenperspektive auf die Spartaner, was am Bericht von der Schlacht an den Thermopylen deutlich werden wird. Dennoch lässt er keinen Zweifel an der grundsätzlichen Verteidigungsbereitschaft und dem heroischen Opfermut der Spartiaten.15 Der Feldzug von Xerxes nach Griechenland erreichte bereits im Ausmaß der Vorbereitungen ganz andere Dimensionen als die Kampagne des Dareios, die 490 8)

Vgl. z. B. Hdt. 3.80–82. Vgl. Hdt. 5.49.2; 5.97.1–2; 8.144. Vgl. Cartledge, Griechen, S. 36–60; Raaflaub, Freiheit, S. 71–147; Bichler, Welt, S. 263–359; Bichler/ Rollinger, Herodot, S. 60–85. 10 ) Vgl. Wiesehöfer, Perserkriege, S. 209–232. 11 ) Zuletzt: Millender, Herodotus, S. 1–61; der Vorwurf, dass Herodot pro-athenisch schreibt, findet sich schon bei Plut. mal. Her. 29 [864 A-B]. Dagegen: Le´vy, Sparte, S. 123– 143; Meister, Geschichtsschreibung, S. 37f.; Strasburger, Geschichtsforscher, S. 393– 406. 12 ) Z. B. hält er die athenische Hegemonie im Seebund für ein Unglück (Hdt. 6.98). 13 ) Vgl. Millender, Herodotus, S. 1–61. 14 ) Demaratos (reg. ?– 491 v. Chr.) war nach einem misslungenen Feldzug nach Attika 506 v. Chr. von dem König aus dem Agiaden-Haus, Kleomenes I ., aus dem Amt verdrängt worden und an den persischen Hof geflohen (Hdt. 6.61–70). 15 ) Herodots Kommentar, den Spartanern wäre ohne die Athener nichts anderes übrig geblieben, als alleine Heldentaten zu vollbringen und zu sterben (Hdt. 7.139), lässt sich auch dahingehend interpretieren, dass die Spartaner in jedem Fall gekämpft hätten. Die Vorstellung, dass sie immer bis zum Tod kämpfen, ist vor dem Hintergrund der Schlacht an den Thermopylen zu sehen; s. Kap. I.1.5. 9)

1.1. Herodot und der Xerxesfeldzug 480/479 v. Chr.

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v. Chr. bei Marathon gescheitert war. Dieses Mal war es ein, für griechische Verhältnisse, gigantisches Heer, zusammengesetzt aus den verschiedenen Völkerschaften des Achämenidenreiches, die Herodot bei der Heereszählung in Doriskos in Thrakien seinen Lesern vor Augen führt (7.59–100). Dieses Heer wälzte sich, begleitet von einer ebenso überwältigenden Flotte, über den Hellespont auf Griechenland zu.16 Auf griechischer Seite stand ein Waffenbündnis zum Widerstand entschlossener Poleis, das sich spät, als die persische Aufrüstung nicht mehr anders zu deuten war, zusammengefunden hatte. Dieses Verteidigungsbündnis bezeichnet Herodot auch schlicht als „die Hellenen“, obwohl viele nord- und mittelgriechische Poleis sich Xerxes unterworfen und seinen Boten, wie gefordert, Erde und Wasser gegeben hatten. Nach Athen und Sparta hatte Xerxes erst gar keine Herolde entsandt. Angst verbreiteten in Griechenland auch die Orakelsprüche aus Delphi, das hier in seiner panhellenisch einigenden Funktion ausfiel.17 Kern und vermutlich auch Vorbild des hellenischen Zusammenschlusses war das Peloponnesische Bündnissystem. Deshalb erhielt Sparta den Oberbefehl über die Landstreitkräfte. Aber auch die Flotte, von der Athen das Hauptkontingent stellte, wurde auf Druck der peloponnesischen Bundesgenossen (8.2–3) am Artemision und bei Salamis von dem Spartiaten Eurybiades, bei Mykale vom König Leotychides befehligt. Herodot lässt deutlich die internen Konflikte des hellenischen Waffenbündnisses erkennen: Den Peloponnesiern war vorrangig daran gelegen, die Peloponnes zu schützen und eine Mauer quer über den Isthmos zu errichten.18 Dies hätte die Preisgabe Attikas bedeutet. Sparta hatte einerseits die Interessen seiner peloponnesischen Bündner, andererseits diejenigen des neuen Waffenbündnisses zu wahren und lavierte deshalb bei den Entscheidungen. Dies nährte bei den Athenern den Vorwurf, die Spartaner seien unzuverlässige Bündnispartner.19 Xerxes hatte nach dem Tod seines Vaters Dareios den Plan wieder aufgenommen, in einer Strafexpedition nach Griechenland die Niederlage von Marathon zu vergelten und ganz Hellas zu unterwerfen (7.138). Herodot entwirft den Großkönig durchaus ambivalent: Einerseits bricht Xerxes bei der Heerschau in Abydos in Tränen aus, weil ihm beim Anblick seiner Soldaten plötzlich die Kürze des menschlichen Lebens bewusst wird (7.44–52). Andererseits erscheint er als ein grausamer, in seine Hybris verrannter Despot, der den Erfolg seines Unternehmens nicht angezweifelt wissen will, göttliche Vorzeichen missachtet und das Meer auspeitschen und verhöhnen lässt, als die ersten Pontonbrücken, die den Hellespont überspannen, im Sturm reißen.20 Für die Griechen war dies Gotteslästerung. Im Frühjahr 480 v. Chr. setzte Xerxes mit seinem Heer auf den europäischen Kontinent über und zog durch Thrakien und Makedonien bis nach Therme (Thessaloniki). Dort wartete bereits die Flotte. Auf seinem Weg – so das eindrucksvolle 16 ) Vgl. 7.106–127; 7.171–200. Die absolute Zahl von insgesamt über fünf Millionen Mann (Hdt. 7.186) ist nach antiker Praxis erheblich übertrieben. 17 ) Vgl. Hdt. 7.140; 7.148–152; 7.169. 18 ) Vgl. Hdt. 8.56–64; 8.71–72. 19 ) Vgl. bes. Hdt. 9.7–11. 20 ) Vgl. Hdt. 7.38–39; 7.57; 7.34–35. Zu den Darstellungstopoi der orientalischen Despotie gehört auch die sexuelle Gewalt; vgl. Hdt. 9.108–113.

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

Bild Herodots – trank das Heer ganze Flüsse aus.21 Zeitgleich besetzten die griechischen Verbündeten das Tempe-Tal am Olymp, einen der Zugänge von Makedonien nach Thessalien. Die Führung über die 10 000 Hopliten hatten der Spartiat Euainetos und Themistokles. Die Stellung erwies sich allerdings von vornherein als unhaltbar. Die Hopliten wurden abgezogen, Thessalien zu einem treuen Verbündeten des Xerxes. Dieser zog weiter in die Malis, wo er bei der Stadt Trachis sein Lager aufschlug. Die auf dem Isthmos versammelten Griechen beschlossen, den Zugang nach Griechenland nunmehr durch eine Verteidigungslinie an den Thermopylen und am Kap Artemision an der Nordküste Euboias zu sperren. Im Strandpass stand das Heer unter dem Oberbefehl des Leonidas, dem spartanischen König aus dem Haus der Agiaden, während Flotte den Euripos bewachte und die Flanke der Truppe am Strandpass schützte. Beide Kontingente standen durch Nachrichtenboote miteinander in Kontakt (8.21). Während die Verteidigungsstellung an den Thermopylen von Xerxes und seinem Heer umgangen und durchbrochen wurde, endeten die Kämpfe zur See unentschieden.22 Der Verlauf der Manöver ist etwas undurchsichtig: Die Griechen verlegten nach dem ersten Geplänkel ihren Ankerplatz vom Artemision nach Chalkis und hatten das Glück, dass in einem dreitägigen Sturm die persische Flotte, die am Kap Sepias vor Magnesia ankerte, stark mitgenommen und ein Detachement von 200 Schiffen, das den Euripos von Süden sperren sollte, in einem weiteren Unwetter zerstört wurde. Nach dem Sturm ankerten die Griechen wieder am Artemision, die Perser bei Aphetai im Golf von Magnesia. Von diesen Plätzen lief man zu zwei Gefechten aus, von denen das zweite gleichzeitig mit der Entscheidung an den Thermopylen stattfand. Auf die Nachricht von der Niederlage im Pass zog sich die griechische Flotte nach Salamis zurück. Der Weg nach Attika war für die Perser frei. Athen wurde mit Hilfe der Flotte evakuiert; auch die Plataier räumten ihre Stadt (8.23–55). Nachdem die Mannschaften der persischen Flotte das Schlachtfeld an den Thermopylen besichtigt hatten, gingen die Schiffe als nächstes im athenischen Hafen Phaleron vor Anker. Das Landheer war unterdessen durch die Doris gezogen und hatte die Städte der Phokis niedergebrannt. Ein kleinerer Teil des Heeres zog daraufhin nach Delphi, dessen Heiligtum auf ,wunderbare‘ Weise verschont blieb. Xerxes durchquerte mit dem Gros seiner Truppen Boiotien, wo er lediglich Plataiai und Thespiai zerstören ließ, erreichte Attika, ließ es verheeren, Athen erstürmen, plündern und die Akropolis in Brand setzen. Nur die List des Themistokles hielt Eurybiades davon ab, die im Sund von Salamis versammelte Flotte, die auf das maximale Aufgebot verstärkt worden war, abzuziehen, um die peloponnesischen Bundesgenossen, die eine Mauer auf dem Isthmos errichteten, bei der Verteidigung der Peloponnes zu unterstützen (8.56–96). Nachts hatte die persische Seemacht das Inselchen Psyttaleia mit Landungstruppen besetzt und begonnen, die griechische Flotte zu umzingeln, die sich 21 )

Vgl. Hdt. 7.43; 7.58; 7.108; 7.127. Vgl. Hdt. 7.178–195; 8.1–23. Die Griechen betrachteten Artemision allerdings im Nachhinein als Sieg; vgl. Pind. Frg. 77 bei Plut. Them. 8; Aristoph. Lys. 1250ff. S. Kap. I.2.1. 22 )

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am folgenden Morgen der Schlacht stellen musste und diese gewann. Nach der Niederlage bei Salamis sandte Xerxes seine verbleibende Flotte zum Hellespont; er selbst kehrte mit einem Großteil seines Heeres nach Kleinasien zurück. Mardonios überwinterte mit den besten Truppenteilen in Thessalien und verwüstete im Frühjahr erneut Attika. Athen wurde nun vollends niedergebrannt (9.1–18). Die Entscheidungsschlacht bei Plataiai bleibt in ihrem eigenartigen Verlauf in vielem unklar. Der griechische Sieg war nahezu ausschließlich ein Verdienst der Spartiaten, die zusammen mit den Tegeaten den Angriff der persischen Elitetruppen abwehrten.23 Der Auszug ihres wohl maximalen Aufgebots von 5000 Vollbürgern und ebenso vielen Perioiken hatte bewirkt, dass Mardonios sich ins perserfreundliche Boiotien zurückgezogen hatte, wo auch die Reiterei besser eingesetzt werden konnte. Den Oberbefehl über die insgesamt etwa 30 000 griechischen Hopliten führte Pausanias, der Vormund des Sohnes des Leonidas. Mardonios fiel, und das persische Heer löste sich auf. Auf dem Schlachtfeld von Plataiai wurden die Gefallenen getrennt nach Poleis beerdigt und ein Altar für Zeus Eleutherios bzw. Soter geweiht. Angeblich am gleichen Tag, an dem die Schlacht von Plataiai stattfand, stürmten auf der ionischen Halbinsel Mykale Landungstruppen der griechischen Flotte ein Bollwerk, das aus den an Land gezogenen persischen Schiffen errichtet worden war (9.99–106). Ionische und samische Gesandte hatten um Intervention in Kleinasien ersucht. Während Sparta kein Interesse an einer dauerhaften Präsenz in der östlichen Ägäis hatte, engagierten sich die Athener weiter zugunsten der ionischen Städte.

1.2. Zwischen Rückzugsdeckung und Befehlsgehorsam: Die Forschung zur Schlacht Eine auffällige Gemeinsamkeit aller Schlachten des Xerxesfeldzuges ist, dass sie anhand der Darstellung Herodots in ihrem exakten Verlauf nicht mehr genau nachzuvollziehen sind. Dies wurde Herodot von der althistorischen Forschung, die sich um die militärstrategische Rekonstruktion der Kämpfe bemühte, immer wieder vorgehalten.24 Grundsätzlich sollte man in Rechnung stellen, dass Herodot nach eigener Aussage von „Taten, groß und des Staunens wert“ berichten, nicht aber das auf politische und militärische Zusammenhänge gerichtete Erkenntnisinteresse späterer Forschergenerationen befriedigen wollte. Synchron ablaufende Kampfhandlungen sind generell kaum aus Aussagen von Zeitzeugen zu rekonstruieren25, und im Fall der Schlacht an den Thermopylen fand Herodot eine vermutlich bereits stark überformte Erinnerung vor. Da zu den Vorgängen im Engpass keine 23 )

Vgl. Hdt. 9.19–98. Vgl. auch Aischyl. Pers. 816f. Vgl. Bury, Thermopylae, S. 87; Busolt, Griech. Geschichte, S. 87; Bengtson, Griech. Geschichte, S. 153; Burn, Persia, S. 4f.; Szemler/Cherf / Kraft, Thermopylai, S. 52, 61; abwägender: Cherf, Thermopylai, S. 356. 25 ) Vgl. z. B. die differierenden Aussagen der Athener und Aigineten zum Schlachtbeginn von Salamis (Hdt. 8.84). 24 )

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griechische oder gar persische Parallelüberlieferung existiert, ist es kaum verwunderlich, dass es bis heute in der historischen Forschung keine allgemein akzeptierte Rekonstruktion des Schlachtverlaufs gibt. Herodots Darstellung der Schlacht an den Thermopylen weist an einigen Stellen Inkonsistenzen auf, die zentrale Punkte des Ablaufs der Schlacht und ihrer Bewertung betreffen.26 So werden weder das militärische Ziel der Defensivstellung Thermopylen-Artemision noch die Gründe für die rasche Niederlage des Landheeres ganz klar. Der Verrat des Umgehungspfades durch das Gebirge und das Versagen des dort stationierten phokischen Kontingents wurden als Ursache für die Niederlage von Wissenschaftlern, die militärstrategisch-topographisch argumentieren, wiederholt angezweifelt, da die Eignung von Gebirgspässen als Verteidigungsstellung generell überschätzt wird.27 Des Weiteren werfen die Motive von Leonidas, mit einem kleinen Kontingent im Engpass zu bleiben, obwohl ein Rückzug noch möglich war, Fragen auf. Zwar liefert Herodot durchaus Erklärungen; das von ihm an entscheidender Stelle eingesetzte Orakel, das den Tod des Leonidas für die Errettung Spartas fordert, wurde allerdings von der historischen Quellenkritik als vaticinium post eventum erkannt und fällt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als Motivationsgrund weg. Zudem erklärt das Orakel das Ausharren der 300 Spartiaten nur schlecht, das der Thespier, die mit 700 Mann ihr gesamtes Hoplitenaufgebot verloren, und der Thebaner gar nicht. Auch das Grabepigramm für die Spartiaten, das aufgrund seiner Authentizität für die Deutung des Geschehens in der Forschung eine große Rolle spielt, sagt nichts über die Kontingente der anderen beiden Poleis. Je nachdem wie die Einzelelemente von Herodots Schlachtbericht gewichtet und beurteilt werden, gelangt die Geschichtswissenschaft seit rund 150 Jahren zu differierenden Rekonstruktionen, denen immer widersprochen werden kann, da die Spielräume bei der Interpretation der Hauptquelle bleiben. Für die Motive, warum Leonidas mit einem kleinen Kontingent aushielt und bis zur völligen Vernichtung kämpfte, gibt es in der Forschung zwei große Erklärungsansätze, die allerdings in der Argumentation mitunter erheblich voneinander abweichen.28 Der Großteil der Wissenschaftler sieht einen militärisch-strategischen Grund, der Leonidas veranlasste, den Engpass nach der Umgehung durch die Perser zu halten.29 26 ) Dazu kommen kleinere Ungereimtheiten, wie die Rolle der Thebaner, derentwegen Plut. mal. Her. 31, 33 [864C-865F, 866D-867B] Herodot angreift; s. Kap I.3.2. 27 ) Vgl. Delbrück, Perserkriege, S. 86–90; ders., Kriegskunst, S. 74–82; Beloch, Griech. Geschichte, S. 95; Munro, Observations, S. 294–332; Szemler/Cherf, Nochmals, S. 349. 28 ) Zu einer ausführlicheren Diskussion der Positionen vgl. Kehne, Leonidas, S. 31– 41. 29 ) Vgl. Köchly/Rüstow, Kriegswesen, S. 57–61; Duncker, Geschichte, S. 245–261; Bury, Thermopylae, S. 83–104; Grundy, Wars, S. 257–317; Munro, Observations, S. 312–319; Macan, Herodotus, S. 300–343; Meyer, Altertum, S. 352–361; Beloch, Griech. Geschichte, S. 91–105; Prentice, Thermopylae, S. 5–18; Lenschau, Leonidas, S. 2015–2034; Kromayer/ Veith, Schlachtfelder, S. 57–63; Miltner, Leonida, S. 228–241; Roussel, Sparte, S. 89–94; Dascalakis, Thermopyles; ders., Raisons, S. 57–82; Hignett, Invasion, S. 371–378; Evans, Problem, S. 231–237; ders., Thermopylae, S. 389– 406; Hope Simpson, Decision, S. 1–11; Bengtson, Griech. Geschichte, S. 169–174; Burn, Persia, S. 417f.; Hammond, CAH 4, S. 546–557; Lazenby, Defence, S. 145f.; Green, Wars, S. 140; Hammond, Thermopylae,

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Der andere Teil erkennt keine militärische Notwendigkeit für das Ausharren im Engpass, was allerdings nicht heißt, dass der Tod der Thermopylenkämpfer als sinnlos angesehen wird.30 Beide Deutungsansätze finden sich bereits in den ersten quellenkritischen Griechischen Geschichten des 19. Jahrhunderts und sie scheinen weder von nationalen Traditionen noch von Paradigmenwechseln oder von althistorischen ,Schulen‘ abhängig zu sein.31 Innerhalb der ersten Gruppe wird am häufigsten die These vertreten, die ansatzweise auch schon vor dem Entstehen der modernen Geschichtswissenschaft existierte, dass Leonidas im Engpass blieb, um dem Gros des Heeres, das vor allem aus Peloponnesiern bestand, den Rückzug zu decken. Ein Rückzug war bei einer Hoplitenarmee mitunter sehr verlustreich, zumal wenn der Gegner über Kavallerie verfügte.32 Nicht mehr klären lassen wird sich, ob die abgezogenen Truppenteile in Panik geflohen33 oder von Leonidas entlassen worden sind, der in seiner Doppelfunktion als Heerführer des Peloponnesischen Bundes und des neuen Kampfbündnisses zwischen den Interessen der Peloponnesier und denen der Boiotier stand, von denen die einen eher den Isthmos verteidigen wollten, die anderen aber existentiell betroffen waren.34 Einer anderen Überlegung zufolge hat Leonidas die peloponnesischen Kontingente entsandt, um die persische Umgehungstruppe abzufangen; sie hätten bei dieser Unternehmung versagt und im Nachhinein erzählt, sie seien fortgeschickt worden.35 Diese Deutung basiert vollständig auf einem argumentum ex silentio. Wiederum einen anderen Akzent setzt die Forschungsmeinung, dass Leonidas den Engpass hielt, um der Flotte den Rückzug durch den Euripos zu sichern, der durch die persische Reiterei hätte gesperrt werden können.36 Diese These schließt an die Ansicht an, der Primat der Doppelstellung Thermopylen-Artemision habe bei der Seekriegsführung gelegen. Der zweite große Ansatz, der keinen militärischen Sinn im Ausharren in aussichtsloser Situation sieht, erklärt die Entscheidung des Leonidas in der Regel durch innerspartanische Konflikte. Eine Richtung interpretiert das Handeln des Spartanerkönigs im Zusammenhang mit den machtpolitischen Auseinandersetzungen S. 1–20; Szemler/Cherf/ Kraft, Thermopylai, S. 59–77; Cherf, Thermopylai, S. 255–362; Welwei, Sparta (2004), S. 132–150. 30 ) Vgl. Curtius, Griech. Geschichte, S. 63–69; Busolt, Griech. Geschichte, S. 674–688; Pöhlmann, Grundriss, S. 109; Heinze, Kriegsgräber, S. 6f.; Wilcken, Griech. Geschichte (1973), S. 140 f.; Berve, Sparta (1931), S. 211f. u. Anm. 17; ders., Sparta (1937), S. 104–108; Schaefer, Thermopylen, S. 153–166; Philipp, Gesetz, S. 1– 45; Grant, Stand, S. 14–27; Kehne, Leonidas, S. 36 f. u. Anm. 66, 44f. 31 ) Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 323–349. 32 ) Vgl. Delbrück, Kriegskunst, S. 79; Evans, Problem, S. 235f.; Evans, Thermopylae, S. 395. 33 ) Vgl. Beloch, Griech. Geschichte, S. 102f.; Dascalakis, Thermopyles, S. 51–62; Hignett, Invasion, S. 372f.; Kehne, Leonidas, S. 30. 34 ) Vgl. Prentice, Thermopylae, S. 16; Evans, Problem, S. 236 f.; Hope Simpson, Decision, S. 5; Szemler / Cherf/ Kraft, Thermopylai, S. 76. 35 ) Vgl. Bury, Thermopylae, S. 102–104; Grundy, War, S. 306–310; How/ Wells, Commentary, S. 228. 36 ) Vgl. Miltner, Leonida, S. 228–241; Bengtson, Griech. Geschichte, S. 173; Green, Wars, S. 140.

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zwischen Königtum und Ephorat.37 Die Ephoren hatten im Verlauf des 6. Jahrhunderts v. Chr. die feldherrlichen Kompetenzen der Könige beschränkt und mitunter tief in deren Privatleben eingegriffen.38 Sie gaben, wie das Spartiaten-Epigramm von den Vertretern dieser Richtung gedeutet wird, die „Befehle“, den Engpass bis zum Letzten zu halten, denen sich Leonidas nicht entziehen konnte oder wollte. Der König bestätigte durch seinen Tod die Exekutivmacht der Ephoren und damit die spartanische Staatsordnung. Eine Variante zu dieser These sieht im Entschluss des Spartanerkönigs eine oppositionelle Handlung gegen die zögerliche IsthmosPolitik des Ephorats.39 Dabei bleibt unklar, wer die positive Tradition über den widerspenstigen König begründet haben soll. Hervorgehoben werden muss, dass bei dem Ansatz, der die Motive, im Engpass zu bleiben, auf den Befehlsgehorsam des Leonidas und seiner Spartiaten zurückführt, das Aushalten der Thespier und Thebaner schwer zu erklären ist.40 In seinem Spartabuch von 1937 treibt Helmut Berve genau die dieser Deutung immanente Logik konsequent auf die Spitze: Und bei aller Bewunderung, die dem Heldentum der Thespier gebührt, der einzige Ruhm der Spartiaten besteht doch zu Recht. Denn nicht darin, daß sie gleich den Thespiern den väterlichen Boden verteidigend fielen [. . .], lag ihr Heldentum, sondern darin, daß sie, fern der Heimat, an einer Stelle, wohin der Befehl sie gestellt hatte, aushielten aus keinem anderen Grunde, als weil es so Befehl war.41

Ohne das Epigramm an konkrete Befehle zu binden oder die Entscheidung des Leonidas innenpolitisch zu erklären, betonen viele Forscher die Bedeutung des spartanischen Ehrenkodex’ für die Vorgänge in den Thermopylen.42 Dieser Erklärungsansatz hängt in erster Linie an der Interpretation des Grabepigramms auf die Spartiaten und schließt eine Kombination mit militärischen Begründungsversuchen nicht aus. Ein weiterer zentraler Streitpunkt der Forschung ist der Charakter der Defensivstellung Thermopylen-Artemision. Die Beurteilung der Schlacht an den Thermopylen als Haupt- bzw. Verzögerungskampf oder als ein von vornherein ,verlorener Posten‘ spielt in die unterschiedlichen Thesen zur Motivation des Leonidas, bis zum Tod zu kämpfen, hinein. Dabei hängt weder die Beurteilung der Defensivstellung als militärisch notwendig automatisch mit der These von der 37 ) Vgl. Schaefer, Thermopylen, S. 153–166; Philipp, Gesetz, S. 1– 45; Kehne, Leonidas, S. 36f. u. Anm. 66, 44f. 38 ) Vgl. Hdt. 5.75; 9.76; die Könige zogen nicht mehr gemeinsam ins Feld, was zunächst eigentlich mehr Entscheidungsfreiheit brachte, und wurden auf Feldzügen von zwei Ephoren begleitet, was, wie der monatliche Eideswechsel, vgl. Xen. Lac. pol. 15.7, eine Kontrolle der Könige bedeutete. Vgl. Schaefer, Thermopylen, S. 161–163; Philipp, Gesetz, S. 36–38; Grant, Stand, S. 20–24. Trotz ihrer Amtsvollmachten wechselten die Ephoren jährlich, während das Königtum auf Lebenszeit und erblich war und damit per se eine gesellschaftliche Macht darstellte; vgl. Link, Kosmos, S. 68–70; Thommen, Politeia, S. 105f.; Welwei, Kontinuität, S. 151–155; ders., Sparta (2004), S. 122–131. 39 ) Vgl. Grant, Stand, S. 14–27. 40 ) Vgl. Hignett, Invasion, S. 371; Kehne, Leonidas, S. 41. 41 ) Berve, Sparta (1937), S. 106. Ähnlich bereits 1931 in ders., Griech. Geschichte, S. 248f. Berve sieht allerdings keinen Konflikt zwischen Königtum und Ephorat. Zu Ansatz und Methode von Berves Spartabuch s. Kap. III.2.1. 42 ) Zuletzt: Kehne, Leonidas, S. 43– 45, allerdings recht spekulativ.

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Rückzugsdeckung zusammen, noch ist die Charakterisierung der Stellung als ,verlorener Posten‘ an die innerspartanische Deutung gebunden.43 Die fast vollständig aufgebotene Flotte und die Kennzeichnung des kleinen Landkontingents als „Vorhut“ (7.203.1, 206.2), der das Hauptheer folgen sollte, sprechen für die Absicht, eine Entscheidung herbeizuführen.44 Damit stellt sich die Frage, warum Sparta nicht sofort ein größeres Heer ausschickte, was wiederum mit der heutigen Beurteilung der Karneien und der Olympischen Spiele zusammenhängt, die Herodot als Hinderungsgründe anführt. Ein Teil der Wissenschaftler deutet das kleine Kontingent des Leonidas als Anzeichen dafür, dass das persische Heer lediglich so lange aufgehalten werden sollte, bis die griechische Flotte am Kap Artemision eine Entscheidung herbeigeführt45 oder zumindest Kampferfahrung gesammelt hatte, da sie zum ersten Mal eingesetzt wurde.46 Vielleicht hätte Xerxes auch sein großes Heer, das kaum lange an einem Ort verpflegt werden konnte, nach kurzer Zeit nach Thessalien zurückziehen müssen, zumal sich die Feldzugssaison bereits ihrem Ende zuneigte.47 Andererseits ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Defensivstellung an den Thermopylen keineswegs so uneinnehmbar war, wie Herodot es darstellt, da es immer andere Pfade durch ein Gebirge gibt, und seine Bemerkung, Leonidas habe erst an den Thermopylen von dem Umgehungspfad erfahren (7.175), fördert den Eindruck vom Improvisationscharakter der griechischen Verteidigung. Dennoch gehen diese Ansätze in der Regel davon aus, dass Sparta die neue Kriegskoalition und ihren Plan, sich dem persischen Heer vor seinem Eindringen in Mittelgriechenland zu stellen, unterstützte. Genau dies bezweifelt die Gegenmeinung, die hinter den religiösen Festen einen Vorwand der spartanischen Regierung vermutet, die immer geplant habe, das gesamte Heer erst für die Verteidigung des Isthmos zu mobilisieren. Leonidas und seine Spartiaten seien von Sparta auf einen ,verlorenen Posten‘ gestellt worden.48 Allerdings waren ein König und 300 Vollbürger ein schwerer Verlust für die Polis.49 Nachdem seit den 1960er Jahren alles zur Schlacht an den Thermopylen gesagt zu sein schien, geht die Forschungskontroverse um die militärstrategische Bewertung seit dem Erscheinen des Buches von George J. Szemler, William J. Cherf und John C. Kraft Thermopylai. Myth and Reality in 480 B. C. im Jahr 1996 in eine neue Runde. Die Autoren setzen bei der bis dato als verhältnismäßig gesichert geltenden Topographie des antiken Schlachtortes an und fügen dem Spiel eine Dies behauptet Kehne, Leonidas, S. 32; dagegen: Pöhlmann, Grundriss, S. 109; Berve, Sparta (1937), S. 104–107; Duncker, Geschichte, S. 154f.; Schaefer, Thermopylen, S. 157–163. 44 ) Vgl. Beloch, Griech. Geschichte, S. 172; Miltner, Leonida, S. 229; Hope Simpson, Decision, S. 4; Lazenby, Defence, S. 136; Welwei, Sparta (2004), S. 140. 45 ) Vgl. Meyer, Altertum, S. 356–568; Pöhlmann, Grundriss, S. 109; Delbrück, Kriegskunst, S. 79; Prentice, Thermopylae, S. 16f.; Bengtson, Griech. Geschichte S. 172; Hignett, Invasion, S. 113–127, 371–378; Hammond, CAH 4, S. 552; Kehne, Leonidas, S. 33. 46 ) Vgl. Last, Thermopylae, S. 64–66; Evans, Thermopylae, S. 390f., 395, 404. 47 ) Vgl. Evans, Thermopylae, S. 400– 402. 48 ) Vgl. Curtius, Griech. Geschichte, S. 66; Duncker, Geschichte, S. 254; Busolt, Griech. Geschichte, S. 676f.; Munro, Observations, S. 212; Dascalakis, Thermopyles, S. 29–50; Green, Wars, S. 98–105, 111f.; Kehne, Leonidas, S. 37. 49 ) Vgl. Beloch, Griech. Geschichte, S. 91–95; Welwei, Sparta (2004), S. 140. 43 )

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weitere Unbekannte hinzu (s. Kap. I.1.3). Ihrer These zufolge gab es 480 v. Chr. nur eine mögliche Straße, auf der das persische Riesenheer samt Tross nach Mittelgriechenland gelangen konnte, nämlich diejenige durch den weiter westlich gelegenen Dhema-Pass. Auf dieser Straße, die seit mykenischer Zeit nachzuweisen ist, sei Xerxes durch die Doris und Phokis nach Delphi, Boiotien und Attika gezogen, was der Darstellung Herodots nicht widerspricht (8.31–35); durch die Thermopylen habe dagegen keine für Wagen passierbare Straße, sondern lediglich ein Pfad geführt.50 Die Autoren untermauern diese These einerseits mit den Ergebnissen einer archäologisch-topographischen Untersuchung des Straßensystems in der Doris und Phokis, andererseits mit geologischen Kernbohrungen im Malischen Golf.51 Da damit der zentrale Punkt der griechischen Verteidigung bzw. des persischen Angriffs der Dhema-Pass gewesen sein muss, werden die Thermopylen zum Nebenkriegsschauplatz. Dieser sei von Herodot nur deshalb so ausschließlich ins Zentrum der Darstellung gerückt worden, weil es, als er das Material für seine Historien sammelte, bereits eine ausgeformte Legende vom heroischen Untergang des Leonidas und seines Kontingentes und eine ,Gedenkstätte‘ an Ort und Stelle gegeben habe. Aus diesem Grund erzähle er nichts von der Verteidigung des Dhema-Passes durch die Phoker, vielleicht zusammen mit Trachiniern. Die Neubewertung der Topographie wird zunehmend akzeptiert,52 obwohl die Rekonstruktion der Schlacht vor diesem Hintergrund noch nicht ganz durchformuliert ist.53 Die zentralen Fragen, warum die Perser soviel Mühe und Soldaten für den Angriff auf einen strategisch zweitrangigen Punkt verwendet haben und warum an diesem ausgerechnet der griechische Oberbefehlshaber stationiert war, sind noch nicht ausreichend geklärt. Darüber hinaus bleibt ein methodisches Unbehagen, da die Autoren unter Berufung auf „geological evidence“ größtenteils ex silentio argumentieren.54 Auch mit diesem neuen Ansatz werden die Ungereimtheiten bei der Rekonstruktion des Schlachtverlaufs voraussichtlich bestehen bleiben. Bereits 1963 forderte Charles Hignett, die Schlacht an den Thermopylen als ein „unsolved riddle“55 zu belassen. Dennoch steht hinter all diesen differierenden Ansätzen die Absicht, Vgl. Szemler/Cherf/ Kraft, Thermopylai, S. 43–77; Cherf, Thermopylai, S. 355–361. Vgl. Szemler/Cherf/ Kraft, Thermopylai, S. 3–19. 52 ) Vgl. Diskussion zu Cherf, Thermopylai, S. 362–364. 53 ) Wenig konzise ist die Rekonstruktion bei Szemler / Cherf/ Kraft, Thermopylai, S. 59–77; besser bei Cherf, Thermopylai, S. 355–361, mit Diskussion S. 362–364. In dieser legt Cherf seine These dar; nachdem die Verteidigung des Dhema-Passes durch das Überlaufen von Teilen der Truppe misslungen sei, habe sich Leonidas am anderen Ende der Front in den Engpass zurückziehen müssen. Die Perser hätten ein Interesse gehabt, auch diesen Pass zu räumen, da er die Nachhut ihrer Armee bedrohte. Sie hätten den Pass umgangen, und Leonidas habe die anderen griechischen Kontingente entlassen und ihren Rückzug gedeckt. 54 ) Bei Szemler/Cherf, Nochmals, S. 345–365, wird die Topographie des Thermopylenpasses, die sich, wie die Autoren selbst untersucht haben, stark verändert hat, zu einer ,objektiven‘ Tatsache, über die von den englischen Verteidigungsstellungen während des deutschen Griechenlandfeldzugs 1941 auf griechische Verteidigungsstellung 480 v. Chr. geschlossen werden kann. 55 ) Hignett, Invasion, S. 378. 50 )

51 )

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die Vorgänge im Engpass zu erklären. Allein die Frage nach einem Grund für den Kampf bis zum Tod versucht, das Handeln des Leonidas und seiner Spartiaten aus dem Dunstkreis von Irrationalität und Selbstverständlichkeit zu befreien, in dem es sich jahrhundertelang bewegte. Dieser aufklärerische Impetus der Wissenschaft, den z. B. nicht ganz zufällig Hans Schaefer in seinem kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Aufsatz stark betont, hat dazu geführt, dass der ,Sinn‘ der Schlacht an den Thermopylen hinterfragt worden ist und jederzeit hinterfragt werden kann.56 Allerdings hat die wissenschaftliche ,Entmythisierung‘ der Schlacht ihre natürliche Grenze an den antiken Darstellungen, dem, was sie berichten, ihren Erzählabsichten und Wertungen sowie ihren Kontingenzen; es sei denn, man sucht wie Szemler, Cherf und Kraft die „Reality“ jenseits des Textes. Trotz ihres grundsätzlich kritischen Potentials produzierte auch die wissenschaftliche Forschung zur Schlacht an den Thermopylen immer wieder selbst exemplarische Deutungen, die sich in einem komplexen Wechselverhältnis zur außerwissenschaftlichen Rezeption des antiken Ereignisses befinden und im Folgenden immer wieder thematisiert werden sollen57. Wenn Michael B. Poliakoff in einer Diskussion zu Cherfs Thesen fatalistisch meinte „Maybe we can still save the myth of Thermopylae“ 58, lohnt es sich, Herodots Darstellung der Schlacht an den Thermopylen als Hauptquelle des so genannten ,Mythos‘ genauer zu betrachten. Dabei soll seine Erzählstrategie mit ihren Handlungszusammenhängen, ihren Intentionen, ihren Brüchen und Ambivalenzen nachvollzogen werden, um zu zeigen, wo sich bestimmte Deutungsspielräume eröffnen. Überdies soll versucht werden, die einzelnen Elemente der Legendenbildung herauszuarbeiten sowie auf verschiedenen Ebenen ihre Kontexte zu bestimmen. Es wird sich zeigen, dass sich Herodots Bericht von der Schlacht an den Thermopylen nicht so einfach in die antagonistischen Kategorien ,Mythos‘ und ,Realität‘ einordnen lässt, sondern dass dem Text im Gegenteil ein komplexer Rezeptionsvorgang einer realen, geschichtlichen Welt zugrunde liegt.59

Vgl. Schaefer, Thermopylen, S. 153. Etwas befremdlich dagegen Kehne, Leonidas, S. 44: „Vielleicht ist nur aufgrund mangelnder oder – infolge einer begrüßenswerten antimilitaristischen Haltung – bewußt gescheuter Einsicht in die Wesenselemente spartanischen Kriegertums [...] so viel über die Motive dieses spartanischen Feldherrn gerätselt worden.“ Weder der Generation von Munro, Grundy, Meyer, Busolt und Delbrück noch derjenigen von Berve, Bengtson, Schaefer und Hammond kann man Antimilitarismus unterstellen. 57 ) S. Kap. III.1.2; III.2.1. 58 ) Diskussion zu Cherf, Thermopylai, S. 364. 59 ) Vgl. Cobet, Herodot, S. 233 Anm. 27. 56 )

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

1.3. Vor Ort. Die Topographie der Thermopylen Ein deutsches Geschichtsbuch für Mittelschulen aus der Weimarer Republik stellt bei der Behandlung der Schlacht an den Thermopylen den Schülern die Aufgabe: „Entwirf im Sandkasten die Örtlichkeit des Kampfes!“ 60 Diese Aufgabe ist selbst für Altertumswissenschaftler nicht einfach zu lösen, denn der Küstenverlauf am Malischen Golf hat sich durch die Anschwemmungen des Spercheios seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. erheblich verändert, und die genaue Topographie des Passes zwischen der Gebirgskette von Oite und Kallidromos und dem Meer ist in der Forschung umstritten (s. Abb. 7).61 In Herodots Bericht steht die Beschreibung der Topographie zwischen dem Entschluss, die Thermopylen zu verteidigen, und dem Aufbruch dorthin (7.175– 177). Er beschreibt die Örtlichkeiten von Osten, aus der Richtung also, aus der sich die griechischen Kontingente unter der Führung des Leonidas dem Engpass nähern.62 Herodot nimmt hier bereits den Ausgang der Schlacht vorweg, indem er betont, der Umgehungspfad, der zur Katastrophe führte, sei den Griechen erst vor Ort bekannt geworden. Von Westen her schildert er die Merkmale des Schlachtortes, als er berichtet, wie Xerxes aus Thessalien in die Malis heranrückt (7.196– 200), den Verlauf des Umgehungspfades, als Hydarnes und die Unsterblichen aufbrechen (7.216). Die topographische Beschreibung ist also mit den Bewegungen der historischen Akteure verbunden, und die Landschaft zwischen Gebirge und Meer wird dadurch den Lesern sukzessive erschlossen. Dieses Landschaftsbild wird mit dem Altar für Herakles an den heißen Quellen (7.176.3), dessen Nachfahre Leonidas an den Thermopylen, den „Heißtoren“, kämpfen und sterben wird, zu einer ,heroischen‘ Landschaft, in die Taten aus mythischer Vorzeit bereits eingelagert sind. Auch die Namen der Felsen Melampygos („Schwarzhintern“) und Kerkopen-Sitze, bei denen der Umgehungspfad beginnt, spielen auf Abenteuer des Herakles an (7.216).63 Im Pass lagen zudem der Sitz der pylaiischen Amphiktyonen, das Demeter-Heiligtum und der Tempel des Amphiktyon (7.200.3). Selbst die Skeptiker gegenüber der historischen Überlieferung geben zu, dass Herodots Beschreibung des Passes recht genau ist und er den Schlachtort von Westen kommend selbst besichtigt hat.64 An drei Stellen reichte im 5. Jahrhundert v. Chr. das Meer dicht an die Nordseite des Kallidromos-Gebirges heran, von denen Herodot die mittlere als Thermopylen bezeichnet (s. Abb. 8). Die östliche war 60 )

Wehrhan, Geschichte (US /Mittel) 2.1924, S. 40. Vgl. Kap. III.1.1. Die Frontlinie verläuft zwischen Szemler, Cherf und Kraft einerseits und Pritchett, Meyer und Müller andererseits. 62 ) Herodot geht allerdings fälschlicherweise von einer nord-südlichen Ausrichtung des Engpasses aus (7.176.3). 63 ) Vgl. Vandiver, Heroes, S. 185; How/Wells, Commentary, S. 208, 226. Die ganze Gegend ist mit Episoden aus dem Leben und mit dem Tod des Herakles verbunden; vgl. 7.193.2, 7.198.2 sowie Soph. Trach. 64 ) Vgl. Hdt. 7.198.2. Vgl. Szemler/Cherf, Nochmals, S. 358; Szemler/Cherf/Kraft, Thermopylai, S. 43– 45, die hier allerdings betonen, dass Herodots Beschreibung von Westen her genauer ist als von Osten, weshalb bereits Grundy, Wars, S. 291, vermutete, Herodot habe das östliche Ende des Passes nicht oder nicht genau besichtigt. 61 )

1.3. Die Topographie der Thermopylen

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bei der Stadt Alpenoi, von der aus die Griechen fouragiert wurden, die westliche beim Bach Phoinix nahe Anthele; diese beiden Stellen waren jeweils ca. 3 km vom Mitteltor entfernt und enger als dieses, nach Herodot nicht breiter als ein Wagenweg. Ein Teil der Forschung nimmt an, dass der antike Weg, von dem allerdings bei den griechischen Ausgrabungen 1939 nichts gefunden wurde65, dicht am Gebirge über den heute 65,1 m hohen Hügel I und über den Sattel des 33,1 m hohen Hügel II verlief (s. Abb. 9).66 Dies bestreiten Szemler, Cherf und Kraft, die der Meinung sind, dass es keinen befahrbaren Weg an dieser Stelle gab.67 Ihre geologischen Untersuchungen haben ergeben, dass zum einen das Meer im 5. Jahrhundert v. Chr. dichter als bisher angenommen an die beiden Hügel grenzte (s. Abb. 7), die zum anderen heute beide von einer 18 bis 20 m dicken Sedimentschicht aus erodiertem Gestein und Kalktuff, der sich von den heißen Quellen abgelagert hat, umgeben sind.68 Daraus schließen die Autoren, dass Hügel I und vor allem Hügel II keineswegs gemäßigt ansteigende „Hügel“ waren, sondern steile und schroffe Felsmassive, die wie Sporne ins Meer vorgeschoben waren. Über diese felsigen Hindernisse habe lediglich ein Pfad führen können. Der „Hügel“ II gilt allgemein als der Ort des letzten Kampfes der Spartiaten und Thespier (7.225.2–3), da dort Pfeilspitzen aus dem 5. Jahrhundert gefunden wurden, wenn auch kein Hinweis auf das von Herodot erwähnte Löwendenkmal für Leonidas.69 Warum Herodot diesen „nearly vertical rock outcrop“ 70 „Kolonos“ (kolvnoÂw), also „Hügel“, nennt, bleibt unklar. Die auf dem Hügel I entdeckten Mauerreste wurden von Spyridon N. Marinatos als die von den Phokern zur Abwehr der Thessaler errichtete Mauer identifiziert, die von den Thermopylenverteidigern wieder instand gesetzt wurde (7.176.4–5). Allerdings verläuft sie in west-östlicher Richtung, d. h. längs zum Pass, so dass sich die Frage stellt, wen oder was sie abgewehrt haben soll.71 Das 65 ) Vgl. Marinatos, Forschungen, S. 333–341. Die Ausgrabungen finanzierte die Amerikanerin Elisabeth Hamlin Hunt; vgl. Marinatos, Thermopylae, S. 3f.; bei den Kämpfen im April 1941 gab es Beschädigungen; vgl. Meyer, Thermopylen (1956), S. 103. 66 ) Vgl. Pritchett, Studies, S. 176–210 u. Fig. 7; Müller, Bildkommentar, S. 380f.; Meyer, Thermopylen (1979), S. 743f.; Meyer/ Rocchi, Thermopylai, S. 427f.; hier finden sich die Höhenangaben 56 m für Hügel I und 25 m für Hügel II ; die oben zitierten stammen von Cherf, s. Abb. 7. 67 ) Vgl. Szemler/Cherf/ Kraft, Thermopylai, S. 45– 49. Eine Küstenstraße ist epigraphisch erst für die Zeit Philipps II . von Makedonien nachgewiesen. 68 ) Vgl. Szemler/ Cherf/Kraft, Thermopylai, S. 9–19; Cherf, Thermopylai, S. 356–359. Die geologischen Kernbohrungen sind stratigraphisch und mit der C14-Methode ausgewertet worden und lassen sich nicht so einfach nachprüfen. Die Autoren weisen selbst auf die geologische „instability“ des Ufergeländes hin, vgl. Szemler/Cherf, Nochmals, S. 345f., und auf das Problem, dass der Radiokarbongehalt in der Atmosphäre über die Jahrtausende nicht konstant geblieben und auch kurzfristigen Schwankungen unterworfen ist; vgl. Szemler/ Cherf/Kraft, Thermopylai, S. 14 Anm. 20; S. 15 Anm. 21. Es sei daran erinnert, dass das C14 stochastisch zerfällt und der gesuchte Wert nur mit der Wahrscheinlichkeit von 63,3% ± s (Standardabweichung) um den Messwert herum liegt. Dennoch lässt sich diese These nicht einfach ignorieren wie von Meyer/ Rocchi, Thermopylai, S. 427– 431. 69 ) Vgl. Marinatos, Forschungen, S. 337–339; ders., Thermopylae, S. 64f. Abb. 21. 70 ) Cherf, Thermopylai, S. 358.

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

griechische Lager befand sich vermutlich in der Senke zwischen Hügel I und Hügel II , wo es Quellwasser gibt. Der Verlauf des Umgehungspfades, den Herodot wie das Bergland, durch das er sich zieht, Anopaia nennt und der bei der Schlucht, die sich der Fluss Asopos gegraben hat, beginnt (7.216), wird sich voraussichtlich nie sicher rekonstruieren lassen.72 Der Pass war in der Geschichte noch wiederholt Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen.73 Meistens gelang es den von Westen kommenden Angreifern, die Verteidigungsstellung zu durchbrechen, zuletzt 1941 der deutschen Wehrmacht gegen eine griechisch-englische Koalition (s. Kap. III.3.2). Um die Mitte des 18. Jahrhunderts begann die Rezeption des authentischen Ortes der antiken Schlacht. Das griechische Mutterland, das viele Jahrhunderte im Schatten der europäischen Geschichte gelegen hatte, wurde nun vermehrt von europäischen Altertumsforschern und Antikenliebhabern bereist.74 Voraussetzung dafür war, dass das Osmanische Reich, zu dem Griechenland gehörte, sich nach Westen geöffnet hatte und in vielen europäischen Ländern zu dieser Zeit eine neue Phase der Antikenbegeisterung einsetzte, wobei sich das Interesse vor allem auf die griechische Antike der klassischen Zeit richtete. Insbesondere Engländer der vornehmen Gesellschaft wichen für ihre Grande Tour nach Griechenland aus, als um 1800 Italien zum Schauplatz der Revolutions- und napoleonischen Kriege wurde. Ihr Blick auf die Küstenlandschaft der Thermopylen, die sich in eine morastige, malariaverseuchte Ebene verwandelt hatte, war von der Idee der sublimity gelenkt und fand in der Schönheit, seltener auch in der Hässlichkeit des Ortes das Heroische der antiken Schlacht wieder.75 Diesem neuen Interesse für den authentischen Ort war vorausgegangen, dass die Schlacht an den Thermopylen in vielen westeuropäischen Ländern mit neuer Bedeutung aufgeladen worden war und sich im Zuge der Historisierung des europäischen Selbstverständnisses die Aufmerksamkeit auf alles historisch Authentische richtete.76 Ein Stahlstich aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts illustriert diese romantische Sichtweise des Schlachtortes (s. Abb. 10). Die philhellenische Begeisterung für den authentischen Ort trieb 71 )

Vgl. Marinatos, Forschungen, S. 336f.; ders., Thermopylae, S. 56–59 Abb. S. 15–17; Meyer, Thermopylen (1956), S. 102–105 Taf. 60; Müller, Bildkommentar, S. 376f. Abb. 9, 10; Meyer/Rocchi, Thermopylai, S. 428; dagegen: Szemler/Cherf/Kraft, Thermopylai, S. 49–54. 72 ) Dies liegt daran, dass ziemlich viele Wege durch das Kallidromos-Gebirge führen; vgl. Pritchett, Light, S. 203–213, Taf. 45f.; ders., Essays, S. 248–255; Szemler/Cherf / Kraft, Thermopylai, S. 105–112. 73 ) 279 v. Chr. scheiterten die Griechen unter aitolischer Führung gegen die Gallier unter Brennus; 191 v. Chr. Antiochos III . gegen die Römer unter M’. Acilius Glabrio; 395 zogen die Westgoten durch den Pass und 558/9 gelang den Slawen der Durchbruch; vgl. Stählin, Thermopylen, S. 2419–2422; Meyer/Rocchi, Thermopylai, S. 429 f.; Pritchett, Essays, S. 243–293; Kislinger, Angriff, S. 49–59. Im 10. Jh. eroberten die Bulgaren den Pass und 1205 die Kreuzritter; vgl. Weithmann, Griechenland, S. 34. 74 ) Vgl. Weithmann, Griechenland, S. 131–134; Macgregor Morris, Thermopylae, S. 214– 220. 75 ) Vgl. Macgregor Morris, Thermopylae, S. 214–228 mit Abb. 1, 2, 4; Ministry of Culture, Thermopylai, Abb. o. Nr. 76 ) Die Topographie wurde in dieser Zeit auch vermehrt kartographisch erfasst; vgl. Janni, Thermopili, S. 120f.; Ministry of Culture, Thermopylai, Abb. o. Nr.

1.3. Die Topographie der Thermopylen

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auch absurde Blüten. So ließ sich Exilgrieche Basil Patras Zula von 1837 bis 1844 einen Thermopylae Battle Garden im Pfarrgarten der Morovian Church in Kilwarlin in Irland anlegen.77 Die Phantasie der reisenden Altertumsliebhaber, Künstler und später auch Altertumswissenschaftler entzündete sich an den antiken Berichten von den Thermopylen als Ort der Erinnerung, zu dem auch das berühmte Epigramm gehörte. Alle suchten nach den Resten vom Löwendenkmal für Leonidas und nach den Gräbern der Thermopylenverteidiger, auch Heinrich Schliemann, der diese allerdings genauso wenig fand wie die Ausgrabung 1939.78 Früh gab es bereits Entwürfe, den Thermopylenkämpfern ein neues Denkmal an alter Stelle zu setzen. So entwarf der bayerische Architekt Carl Freiherr Haller von Hallerstein, Mitentdecker der Ägineten, der 1817 die Thermopylen besuchte, ein Denkmal für die Spartaner, das formal vom Schatzhaus des Atreus in Mykene abgeleitet ist (s. Abb. 11). Haller war bereits krank und notierte 22 Tage vor seinem Tod in sein Tagebuch: Das Andenken an jene braven Helden fürs Vaterland hat mich noch keinen Augenblick bey meinem Vorüberzug der Thermopylen verlassen und tief bewegt. Ich möchte würdig sein können, das Monument zu restaurieren, das ihnen einst dankbar die Amphictionaren setzten und Simonides mit der bündigen, rührenden Inschrift bereicherte: Wanderer sage zu Lacedämon, daß wir den Tod fürs Vaterland starben, seinen heiligen Gesetzen gehorchend. – Wanderer sage in Deutschland, daß ich hier ruhe, weil ich nach Vervollkommnung rang.79

Den Gestus einer Besetzung und eine offiziellere Qualität als der sehr persönliche Denkmalsentwurf Hallers hat Wilhelm Kreis’ Entwurf eines Ehrenmales an den Thermopylen, der nach dem deutschen Sieg an diesem Ort 1941 entstand (s. Abb. 12). Der Architekt war im Frühjahr des Jahres von Adolf Hitler zum Generalbaurat für die Gestaltung der deutschen Kriegerfriedhöfe ernannt worden.80 Der Entwurf gehört zu einer Serie von „Totenburgen“, die die Schlachtfelder in den von der deutschen Wehrmacht überfallenen europäischen Ländern zieren sollten, allerdings allesamt nicht ausgeführt wurden. In der Zeichnung blickt man vom Meer aus, d. h. von Norden, auf das Kallidromos-Gebirge.81 Im Vordergrund verläuft die Straße von Lamia. Auf einer Bergkuppe sieht man, sehr klein, das Denkmal mit einem wohl quadratischen Grundriss. Auf einem geböschten Sockel erhebt sich vermutlich eine Pfeilerkolonnade. Auf einer hohen Stele steht, nach dem Speer zu urteilen, eine Hoplitenstatue. Das Denkmal erinnert an monumentale antike Altarbauten. Mehr als um einen präzisen Denkmalsentwurf geht es bei dieser Zeichnung darum, den historisch bedeutsamen Ort architektonisch zu besetzen. Die Thermopylen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend für den Massentourismus erschlossen,82 und 1955 wurde ein von in Amerika lebenden 77 )

Vgl. Curl, Battle, S. 65–69. Vgl. Schliemann, Kampfplatz, S. 157f. Vgl. Marinatos, Forschungen, S. 340. 79 ) Zit. nach Bankel, Haller, S. 186f. 80 ) Vgl. Brands, Kreis, S. 138–142; Mai, Ehrenmäler, S. 157–167. 81 ) Es existieren noch zwei weitere Zeichnungen mit dieser Ansicht, die eine mit, die andere ohne Denkmal, die die Beschriftung „Die Thermopylen von Norden Straße von Lamia“ tragen. Vgl. Kölner Stadtarchiv, Wilhelm Kreis, Mappe Ehrenmäler, Nr. 25 und Nr. 26. 82 ) Vgl. das vom Ministerium für Kultur herausgegebene Faltblatt Thermopylai. 78 )

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

Griechen finanziertes Denkmal eingeweiht (s. Abb. 13).83 Das Denkmal befindet sich nördlich der Straße (s. Abb. 7; 9); es besteht aus einem langen Mauerstück mit einem Schlachtszenen-Relief, das von zwei liegenden, nackten Männerfiguren flankiert ist. Auf dem Sockel in der Mitte steht eine Hoplitenstatue mit erhobenem Speer in unhistorischer, aber heroischer Nacktheit. Die Inschrift MOLVN LABE („Komm und hol sie“) stammt aus den Apophthegmata Laconica 84 und macht das Denkmal zu einem rein spartanischen. Inzwischen gibt es auch ein Denkmal für die 700 Thespier. Eine Gedenkplatte mit dem Spartiaten-Epigramm auf dem Hügel II vervollständigt die Gedenkstätte.

1.4. „Let the simple read Herodotus and be content.“ 85 Der Verlauf der Schlacht Herodots Darstellung der ersten Kampfhandlung zu Land zeugt von einer verhältnismäßig großen kompositionellen Geschlossenheit. Im Vergleich zu den anderen Schlachten des Xerxesfeldzugs entsteht ein klares und plastisches Bild der Vorgänge. Die beiden Heere standen sich nun zum ersten Mal unmittelbar gegenüber: das persische, dessen Weg aus Thessalien in die Malis Herodot rückblickend beschreibt, bei Trachis (7.196–200; s. Abb. 8), das hellenische im Engpass (7.201– 206). Herodot nennt die Größe, die Zusammensetzung und die Befehlsstruktur des griechischen Heeres und erzählt in Rückblenden dessen Auszug. Das Heer der Schwerbewaffneten bestand aus 300 Spartiaten, 2800 peloponnesischen Bündnern, 700 Thespiern, 400 Thebanern und dem gesamten Heerbann der opuntischen Lokrer.86 Das Kontingent jeder Polis hatte einen eigenen Befehlshaber; der Oberbefehl lag bei dem spartanischen König aus dem Haus der Agiaden, Leonidas, den Herodot durch die Wiedergabe seines Stammbaums als Nachfahre des Herakles auszeichnet.87 Von den anderen Feldherren werden nur zwei namentlich erwähnt: Demophilos, der Befehlshaber der Thespier (7.222), und Leontiades, der Anführer der Thebaner (7.205.2, 233.1). Es handelt sich um die beiden Kontingente, die mit den Spartiaten bis zuletzt im Engpass bleiben. Vgl. Illustrated London News Nr. 6064 vom 9. 7. 1955; vgl. Meyer, Thermopylen (1956), S. 106; Cartledge, Spartans, S. 225f. Die 300 Stifter nennen sich The Knights of Thermopylae. 84 ) Plut. Apophth. Lac. 225 C/D Nr. 11. 85 ) Munro, CAH 4, S. 235. 86 ) Die Zahl der Peloponnesier (3100) stimmt nicht mit den in der Inschrift (7.228.1) genannten 4000 überein, was die Forschung vor Rätsel stellt. Bury, Thermopylae, S. 102–104; Hammond, CAH 4, S. 549 und Anm. 49; Burn, Persia, S. 378 f. und Anm. 2; Green, Wars, S. 111, 140; Kehne, Leonidas, S. 28f. und Anm. 26, ergänzen die fehlenden 900 unter Berufung auf Hdt. 7.229.1 und 8.25 als Heloten. Hignett, Invasion, S. 116, Lazenby, Defence, S. 134f. als Eleer. Busolt, Griech. Geschichte, S. 674f. und Anm. 2; Meyer, Altertum, S. 357 Anm. 2; Munro, CAH 4, S. 307; How/Wells, Commentary, S. 222; Dascalakis, Thermopyles, S. 1–28; Hammond, Thermopylae, S. 7; Flower, Simonides, S. 367f., Welwei, Leonidas, S. 57, folgen Diod. 11.4 (s. Kap. I.2.2). 87 ) Vgl. Hdt. 7.204; 7.208.1. Vgl. auch Hdt. 8.131; 8.139. 83 )

1.4. Der Verlauf der Schlacht

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Dieses Heer bezeichnet Herodot als Vorhut (7.203.1). Er gibt in indirekter Rede die Argumente wieder, mit denen die Boten, die der Rat der Symmachoi auf dem Isthmos ausgesandt hatte, die Poleis zur Verteidigung des Passes überzeugt haben sollen: Der Rest der Bundesgenossen sei täglich zu erwarten, zur See sorgten die Athener und Aigineten für die Deckung der Flanke, außerdem gehe es – eines der herodoteischen Leitmotive – gegen einen Sterblichen, dessen Sturz von der Höhe seiner Hybris zu erwarten sei. Als Grund dafür, dass die Poleis lediglich Vorausabteilungen entsandten, nennt Herodot für die Spartiaten das anstehende Fest der Karneien, für die übrigen Verbündeten die Olympischen Spiele.88 Darüber hinaus habe man, so das militärstrategische Argument, ohnehin keine schnelle Entscheidung erwartet (7.206). Auch dass nach dem Eintreffen des Perserheeres Boten in die Poleis geschickt wurden mit der Bitte, das Heer zu unterstützen, vermittelt den Eindruck, die Verteidiger seien zu wenige (oÆliÂgvn 7.207) gewesen. Dies ist insofern bemerkenswert, als nach Herodots Darstellung der Kampfhandlungen nicht die geringe Zahl der Griechen der Grund für die katastrophale Niederlage war, sondern nur der Verrat des Umgehungspfades. Herodot scheint eine Ansicht vorgefunden zu haben, nach der das griechische Heer zu klein war, um den Pass zu verteidigen. Hier setzen auch die Forschungsmeinungen an, die die Stellung als ,verlorenen Posten‘ deuten. Wichtig für die weitere Rezeptionsgeschichte ist das Bild einer zahlenmäßig kleinen Truppe in gefährlich exponierter Stellung. Gesondert beschreibt Herodot den Auszug der Spartiaten zu den Thermopylen (7.205.2–206.1). Leonidas wählte die ihm zustehende Ehrengarde von 300 Spartiaten aus und übernahm auf dem Weg zum Engpass das thebanische Kontingent, das nach Herodot des Medismos verdächtigt wurde. Sein Kommentar, es seien nur Spartiaten mit männlichen Nachkommen ausgewählt worden, bestätigt wiederum den Eindruck, die Verteidigung des Passes sei „a sort of kamikaze exercise“ 89 gewesen. Zumindest erscheint ein tödlicher Ausgang einkalkuliert. In der späteren Überlieferung finden sich weitere Geschichten um den Auszug der Spartiaten, die alle das tödliche Ende der Unternehmung vorwegnehmen (s. Kap. I.2.2; I.3.2). Über die Zahl 300 sind die Spartiaten mit einer militärischen Auseinandersetzung aus Spartas Frühzeit verbunden, von der Herodot ebenfalls berichtet, dem so genannten „Wettkampf der Sieger“ (1.82). In diesem kämpften 300 Spartiaten gegen 300 Argeier um die Landschaft Thyreatis, und der einzige überlebende Spartiat soll sich umgebracht haben, weil er sich schämte, als einziger nach Sparta zurückzukehren.90 Die Schande, als Spartiat überlebt zu haben, wird auch im Zusammenhang mit der Schlacht an den Thermopylen wieder thematisiert (7.229–232). 88 ) Für die Datierung der Olympischen Spiele 480 v. Chr. wird in der Forschung ein Zeitraum von Mitte/Ende Juli bis Mitte/ Ende September diskutiert; die meiste Zustimmung erhält das Datum 19./20. August; Diskussion bei Kehne, Leonidas, S. 27 Anm. 23. Die religiösen Verpflichtungen sind häufig als Ausrede interpretiert worden, zumal die Besatzung der Trieren am Artemision davon nicht betroffen gewesen zu sein scheint. 89 ) Cartledge, Spartans, S. 111. 90 ) Aufgrund der Ähnlichkeit hält Beloch, Griech. Geschichte, S. 97f., die Zahl der Spartiaten an den Thermopylen für eine Dublette. Vgl. auch Dillery, Past, S. 217–154; Loraux, Mort, S. 118. Ansonsten finden sich 300 Spartiaten als Ehrengeleit für Themistokles für seine Verdienste in Salamis (8.124.3) und als Truppe, die zusammen mit Arimnestos gegen die

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

Leonidas war mit seinen Spartiaten von Sparta entsandt worden, um die anderen Poleis zum aktiven Widerstand zu bewegen und zu verhindern, dass noch weitere Städte zu den Persern überliefen. Wie notwendig dies war, zeigt der Vorschlag der Peloponnesier beim Anblick des feindlichen Heeres, sich zurückzuziehen, um den Isthmos zu verteidigen, was Leonidas auf Drängen der Phoker und Lokrer verhinderte, die von der Aufgabe der Stellung unmittelbar betroffen gewesen wären (7.207). Nach der Ankunft der Griechen im Pass wird von der persischen Seite aus Sichtkontakt aufgenommen, und zwar durch einen berittenen Späher. Dieser sah die Spartiaten vor der Phoker-Mauer Wache halten und zu seinem großen Erstaunen dabei turnen und sich die Haare kämmen, die sie seit dem „Wettkampf der Sieger“ im Gegensatz zu den übrigen Griechen lang trugen (7.208; 1.82.8). Dies sei, erklärt Demaratos dem ebenfalls verblüfften Xerxes, ihr Brauch, wenn ihnen ein Kampf auf Leben und Tod bevorstehe.91 Herodot konstruiert in der Szene einen ethnologischen Blick von Außen auf eine Eigenheit der Spartiaten, die er den exilierten Spartanerkönig erklären lässt.92 Die Spartiaten werden in den Worten des Demaratos in mehrfacher Hinsicht als etwas Besonderes hervorgehoben: Sie pflegen nicht nur erklärungsbedürftige Sitten, sondern sie sind für Xerxes der entscheidende Gegner auf seinem Weg zur Weltherrschaft, da sie das beste Königtum unter den Hellenen haben – wobei die Konkurrenz nicht so groß war – und zudem die tapfersten Männer sind (7.209.4). Den anschaulichen Beweis für die kampftechnische Überlegenheit der Griechen lieferte der erste Angriff der Perser, nachdem Xerxes vier Tage lang vergeblich darauf gewartet hatte, dass die Feinde fliehen würden. Das medische und das kissische Kontingent des Perserheeres scheiterten ebenso an den Verteidigern des Passes wie die Elitetruppe der Unsterblichen unter Hydarnes. Auch ein zweiter Angriff am folgenden Tag verlief für den Großkönig nicht erfolgreicher (7.210– 212). Xerxes soll, so erzählt Herodot, dreimal aus Furcht für sein Heer von seinem Thronsitz aufgesprungen sein, von dem er das Kampfgeschehen beobachtete. Es wird deutlich, dass ein Unterschied bei der einzigen direkten Konfrontation zweier Könige während des Xerxesfeldzugs darin besteht, dass der persische Oberbefehlshaber zusah, der spartanische aber mitkämpfte. Der Großkönig erkannte am Scheitern seiner Soldaten, kommentiert Herodot, „dass sie viele Menschen waren, aber wenige Männer“ (oÏti polloiÁ meÁn aÍnurvpoi eiËen, oÆliÂgoi deÁ aÍndrew 7.210.2)93. Nicht die pure Masse der Soldaten wird als ausschlaggebend für einen erfolgreichen Kampf angesehen, sondern ihr ,Wert‘. Mannsein zeigt sich in der Bewährung im Kampf. Die Männlichkeit der Griechen, die Herodot in dieser Darstellung des Kampfgeschehens herausstellt, hat grundsätzlich eine ethisch-moralische Messenier fiel, ein zeitlicher Vorgriff Herodots auf den Helotenaufstand während des Erdbebens 464 v. Chr. (9.64). 91 ) Das Kämmen der Haare vor einem Kampf wird allgemein mit magischen Vorstellungen (vgl. Clauss, Sparta, S. 155; Müller, Tod, S. 324) oder mit den Bräuchen der Kriegervölker der Masai und Zulu verbunden, vgl. Green, Wars, S. 126. 92 ) Vgl. Millender, Herodotus, S. 3f. 93 ) Deutsche Zitate nach Herodot Ausg. Marg; griechische nach Herodot Ausg. Hude.

1.4. Der Verlauf der Schlacht

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Qualität. Herodot nennt hier allerdings strategisch-waffentechnische Gründe für die Überlegenheit der Griechen: Auf engem Raum konnte das persische Heer seine Masse nicht einsetzen und die Griechen hätten mit den längeren Speeren die geeigneteren Nahkampfwaffen gehabt. Die griechischen Kontingente kämpften jeweils für sich und lösten sich untereinander ab. Hervorgehoben wird von Herodot die professionelle Kampftechnik der Spartiaten, die sich scheinbar zur Flucht wandten und die wild nachstürzenden ,Barbaren‘ dann in schnellen Kehrtwendungen niedermachten (7.211.3). In diesem Manöver werden die Gegensätze in der Kampftechnik sichtbar: Hier das gemeinsame Agieren in der Phalanx, das ein hohes Maß an Disziplin erforderte, dort ein ungeordneter, reflexartig handelnder Heerhaufen, der, wenn es hart auf hart ging, von seinen Befehlshabern mit Peitschen in den Kampf getrieben werden musste (7.223.3). An diesen zwei Tagen kämpften alle griechischen Kontingente bis auf die 1000 Phoker, die auf eigenen Wunsch von Leonidas zur Bewachung des Gebirgspfades abgestellt worden waren. Mit ihnen leitet Herodot zur Geschichte des Verrats über (7.212.2–214). Der Malier Epialtes, in älteren Textversionen auch Ephialtes, verriet aus Geldgier den Pfad, der durchs Gebirge um die Thermopylen herumführte, an Xerxes.94 Dies brachte nach Herodot die entscheidende militärische Wende. Während Hydarnes und seine Unsterblichen nachts von Epialtes durch das Gebirge geführt wurden (7.215–218), berieten die Griechen im Pass über einen möglichen Rückzug (7.219–221). Nachdem ihnen bereits beim allabendlichen Opfer der Seher Megistias für den nächsten Morgen den Tod vorausgesagt hatte, meldeten im Laufe der Nacht Überläufer, dass sie umgangen würden, was die eigenen Späher, die in der Morgendämmerung vom Gebirge herabkamen, bestätigten. Die phokischen Hopliten hatten den Aufstieg der Perser nicht bemerkt und waren, vom feindlichen Pfeilhagel überrascht, kampflos geflohen. Ein Großteil der griechischen Kontingente zog bis zum Morgen ab, wofür Herodot zwei Erklärungen wiedergibt: Nach der ersten Version herrschte unter den Hellenen Uneinigkeit darüber, ob man die Stellung halten solle, und der eine Teil zog einfach ab, was wohl heißt, er desertierte, der andere blieb mit Leonidas im Engpass (7.219.2).95 Herodot bevorzugt allerdings die zweite Variante, wonach Leonidas die Kontingente der anderen Poleis nach Hause geschickt habe, um sie zu verschonen und weil er merkte, dass sie nicht bereit waren, zu kämpfen (7.220).96 In indirekter Rede gibt Herodot die (vermeintliche) Begründung des Königs wieder, im Engpass zu bleiben: 94 ) Herodot kennt zwei verschiedene Versionen vom Ende des Verräters (7.213.2–214). Er verspricht für später einen genaueren Bericht, den er aber nicht gibt, weshalb sich an diese Stelle die Diskussion um die Abgeschlossenheit seines Werkes knüpft. 95 ) Die Formulierung, sie seien „ohne alle Ordnung“ (7.220.4) auseinander gegangen, lässt sich als Desertion oder Flucht deuten. Der Desertionsvorwurf kann allerdings auch aus einer anti-peloponnesischen Quelle stammen, da die Tegeaten bei der Aufstellung vor Plataiai von den Spartanern einen Ehrenplatz forderten und auch erhielten, wenn auch einen anderen als den geforderten (9.26–28). 96 ) Diese Version wird von einem großen Teil der Forschung für eine Legende gehalten; vgl. zuletzt Kehne, Leonidas, S. 31 Anm. 41.

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

Ihm aber und den anwesenden Spartiaten stehe es nicht an, den Posten zu verlassen, den zu halten sie eigens gekommen waren. (7.220.1) ayÆtv Äì deÁ kaiÁ SpartihteÂvn toiÄsi pareoyÄsi oyÆk eÍxein eyÆprepeÂvw eÆklipeiÄn thÁn taÂjin eÆw thÁn hËluon fylaÂjontew aÆrxhÂn.

Weiterhin heißt es: Ihm selbst werde, wenn er bleibe, dauernder „Ruhm“ (kleÂow) zuteil werden, und Spartas „Wohlfahrt“ (eyÆdaimoniÂh) bleibe bestehen (7.220.2). Dies belegt Herodot mit dem Zitat von sieben Hexametern eines Orakelspruchs, den die Spartiaten vor dem Krieg in Delphi eingeholt hatten (7.220.3– 4).97 Das Orakel besagte, dass entweder Sparta durch die Perser vernichtet oder einer seiner Könige sterben werde.98 Diese Weissagung und der Wunsch, den „Ruhm“ (kleÂow) für die Spartiaten zu monopolisieren, hätten Leonidas veranlasst, die Verbündeten wegzuschicken (7.220.4). Herodot bietet für die zweite Version also eine ganze Ansammlung von Handlungsmotiven des Leonidas, die nicht ganz widerspruchsfrei ist. Einen zusätzlichen Beweis für die zweite Version sieht Herodot darin, dass Leonidas den Akarnanen Megistias fortsandte, der seinerseits seinen Sohn wegschickte, selbst aber blieb und fiel (7.221). Mit den 300 Spartiaten blieben die 700 Thespier und die 400 Thebaner im Pass. Die Thespier weigerten sich, zu gehen. Die Thebaner aber hielt Leonidas nach Herodot als Geiseln zurück, was Plutarch als boiotischer Lokalpatriot mit guten Argumenten für unwahrscheinlich erklärte (s. Kap. I.3.2). Der dritte und letzte Angriff des Perserheeres erfolgte am Vormittag des nächsten Tages (7.223–225). Die verbliebenen Griechen gingen aus dem Engpass weiter in die Ebene vor. Herodot entwirft ein wuchtiges Szenario des vernichtenden Kampfes: Auf der einen Seite metzelten die Griechen schonungslos und wie rasend, da ihnen der Tod sicher war, auf der anderen Seite wurden die Soldaten des Großkönigs mit Gewalt in den Kampf getrieben, stürzten ins Meer und trampelten sich gegenseitig zu Tode. Im Kampfgetümmel starb Leonidas „als ein Mann von höchster Tapferkeit“ (aÆnhÁr genoÂmenow aÍristow 7.224.1). Um seine Leiche entstand – ähnlich wie um die Leiche des Patroklos99 – ein heißer Kampf, den die Griechen durch ihre Tapferkeit gewannen (7.225.1). Es fallen auch zwei Brüder des Xerxes und weitere Spartiaten, deren Namen Herodot ermittelt hat, aber nicht nennt, wie er auch betont, die Namen aller 300 Spartiaten zu kennen (7.224). Als der Umgehungstrupp unter Hydarnes und Epialtes in ihrem Rücken erschien, zogen sich die Griechen auf den Hügel im Pass zurück, wobei sich die Thebaner, wie Herodot später erzählt, ergaben (7.233). Die anderen Griechen kämpften, bis ihre Waffen zerbrochen waren, wehrten sich dann mit Händen und Zähnen und wurden, von allen Seiten eingeschlossen, durch die feindlichen Geschosse ausnahmslos getötet. Im Folgenden würdigt Herodot die herausragende Tapferkeit Einzelner (7.226– 227): Als Allerbester wird der Spartiate Dienekes herausgehoben, der auf die 97 )

Die Umstände der Orakelanfrage werden in Hdt. 7.239 nachgeliefert. In dem Vers „Denn dem Feind wird nicht widerstehen der Mut von Stieren, von Löwen“ (oyÆ gaÁr toÁn tayÂrvn sxhÂsei meÂnow oyÆdeÁ leoÂntvÂn aÆntibiÂhn 7.220.4) spielen die Löwen vielleicht auf Leonidas an; vgl. Kirchberg, Orakel, S. 99. 99 ) Vgl. Hom. Il. 17.274ff. Vgl. Clarke, Spartan Ate, S. 65–67; Le ´ vy, Sparte, S. 130; Boedeker, Heritage, S. 108. 98 )

1.4. Der Verlauf der Schlacht

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Unkenrufe eines Trachiniers, die Perser seien so zahlreich, dass die von ihnen abgeschossenen Pfeile die Sonne verdunkelten, antwortete, das sei ja wunderbar, so könnten sie im Schatten kämpfen. Nach ihm gebühre der Preis der Tapferkeit den Spartiatenbrüdern Alpheos und Maron sowie dem Thespier Dithyrambos. In die Anekdoten aus der Schlacht, die Herodot wohl aus Erzählungen kannte (leÂgetai 7.229.1), sind (mit Tempuswechsel ins Präsens) seine eigenen Beobachtungen an den Thermopylen eingeschoben (7.228).100 Er zitiert drei Inschriften, die an den Gräbern der Thermopylenkämpfer aufgestellt waren: zuerst die Inschrift für alle im Pass kämpfenden Peloponnesier, dann das Epigramm für die Spartiaten: v Ë jeiÄn', aÆggeÂllein LakedaimoniÂoiw oÏti th Äìde keiÂmeua toiÄw keiÂnvn rëhÂmasi peiuoÂmenoi. (7.228.2)

Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest uns hier liegen gesehn, wie ihr Gebot es befahl.101

Als drittes folgt das Epigramm für den Seher Megistias, das Simonides von Keos für seinen Gastfreund verfasste. Die anderen Grabdenkmäler und Inschriften hatten nach Herodot dagegen die Amphiktyonen errichten lassen, was in der Forschung teilweise so gedeutet wird, dass sie von ihnen finanziert wurden.102 Die drei Gedenk- bzw. Grabinschriften sind die einzigen ihrer Art, die Herodot in seinem Werk zitiert. Dadurch und durch ihre Anordnung als Dreiergruppe erhalten sie einen besonderen Stellenwert.103 Es folgen die Anekdoten über die Spartiaten Eurytos und Aristodemos und über Pantites, von denen noch die Rede sein wird (7.229–232), sowie über das Schicksal der Thebaner, die von Xerxes gebrandmarkt wurden, nachdem sie sich ergeben hatten (7.233). Die Reaktion auf den Kampf um den Engpass im persischen Lager schildert Herodot wiederum in der Form eines Gesprächs zwischen Xerxes, Demaratos und dem Flottenoberbefehlshaber Achaimenes, in dem es um die weitere Strategie geht und an dessen Ende der Großkönig die Schändung der Leiche des Leonidas befiehlt (7.234–238).

100 )

Die Autopsie wird einzig bestritten von Erbse, Simonides, S. 213–226. Marg verwendet die Nachdichtung Schillers, ersetzt aber „das Gesetz“ durch „ihr Gebot“; rëhÂmasi peiuoÂmenoi ist genauer mit „den Gesetzen (Satzungen, Befehlen) gehorchend“ wiederzugeben, s. u. Zu den verschiedenen Epigramm-Übersetzungen s. Kap. II.2.3; III.1.1. 102 ) Vgl. Lazenby, Defence, S. 148; Erbse, Simonides, S. 214f. 103 ) Vgl. Volkmann, Inschriften, S. 56. 101 )

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

1.5. Die exemplarische Strukturierung der Vergangenheit. Deutungsspielräume und Kontexte Insbesondere die neuere Forschung bezeichnet Herodots Schlachtbericht häufig als „the myth“ 104 bzw. als „Thermopylen-Mythos“. Die Niederlage habe bereits zu Herodots Zeiten die Züge „einer schon kanonisch gewordenen Legende“ getragen,105 die Auswirkungen auf die Darstellung Herodots gehabt und „deutlich“ seine Charakterisierung der Spartaner geprägt habe.106 Dazu gehört der „von der Realität kaum beeindruckbare Mythos, daß ein Spartiate nur siegreich oder tot aus dem Feld zurückkehrt“, der von Sparta, das den Nimbus seiner Unbesiegbarkeit auf diese Schlacht gebaut habe, nach Kräften gefördert worden sei.107 Weiterhin transportiere der „Mythos des Leonidas“ die Vorstellung, dass führende Persönlichkeiten in den spartanischen Staat eingebunden seien.108 Dies verdeutlicht, dass der Begriff des Mythos, der in der Forschung inzwischen den der Legende abgelöst hat, für mehrere Dinge benutzt wird: In der Diskussion um die Thesen von Szemler, Cherf und Kraft bezeichnet ,Mythos‘ einerseits faktisch alles von Herodot Vorgefundene sowie den Herodot-Text selbst. Andererseits wird ,Mythos‘ für eine spezifisch spartanische Interpretation der Vorgänge an den Thermopylen benutzt, wobei die Schlacht an sich, Leonidas oder auch das Prinzip von Sieg oder Untergang gemeint sein können. Diese begrifflich ungenaue Verwendung von ,Mythos‘ bzw. ,Legende‘ zeigt, dass die Begriffe zumindest im Singular für die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen bei Herodot nicht sinnvoll zu verwenden sind. Denn ,der Mythos‘ stellt begrifflich eine Kohärenz seiner Ausführungen her, die diese gerade nicht aufweisen: Herodot erzählt sowohl, dass die griechischen Verteidiger (zu) wenige waren, als auch, dass sie ,nur‘ durch Verrat unterlagen. Er gibt zwei Versionen zum Abzug der Bundesgenossen wieder. Ambivalent sind auch seine Begründungen für die Entscheidung des Leonidas, im Engpass zu bleiben: Der König blieb einerseits, weil ein Orakel seinen Tod vorausgesagt hatte, und andererseits, weil er und die Spartiaten ihren Posten nicht verlassen durften. Darüber hinaus braucht ein politischer Mythos bzw. eine kanonisierte Legende einen ,Sitz im Leben‘, eine Gruppe in einer Gesellschaft, die die Vergangenheit mit einer bestimmten Intention erzählt und sich mit ihrer Deutung durchsetzen kann. Obwohl Herodot Leonidas und die Spartiaten bei den Vorgängen an den Thermopylen stark hervorhebt und man davon ausgehen kann, dass er sich mit der heroischen Interpretation ihres Todes in Übereinstimmung mit der oder den spartanischen Deutungen befand,109 ist der spartanische Kontext nicht 104 )

Diskussion zu Cherf, Thermopylai, S. 364; vgl. Szemler/Cherf/ Kraft, Thermopylai. Schaefer, Thermopylen, S. 158; vgl. Philipp, Gesetze, S. 3f., 29; Gelzer, Wanderer, S. 410; Kehne, Leonidas, S. 43; Burn, Persia, S. 412; Welwei, Sparta (2004), S. 145. 106 ) Vgl. Thommen, Politeia, S. 118. 107 ) Dreher, Athen, S. 78; wobei unklar bleibt, wie der Nimbus der Unbesiegbarkeit aus einer Niederlage abgeleitet werden kann. 108 ) Thommen, Politeia, S. 113. 109 ) Vgl. Le ´ vy, Sparte, S. 128–131; Evans, Herodotus, S. 124–126; Welwei, Sparta (2004), S. 147f. 105 )

1.5. Die exemplarische Strukturierung der Vergangenheit

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richtig zu greifen. Im Gegensatz z. B. zur Schlacht von Marathon, für die man nachweisen kann, dass das Gedenken an sie ab den 460er Jahren durch Kimon, den Sohn des Miltiades, neu geformt wurde und dass sie ab der Mitte des Jahrhunderts mit dem hegemonialen Anspruch Athens, immer schon Vorkämpferin der Hellenen gewesen zu sein, verbunden wurde,110 bleibt die intentionale Ausrichtung ,des Thermopylen-Mythos‘ diffus. Denn die Erinnerung an die Schlacht an den Thermopylen in Sparta ist im Zeitraum zwischen der Schlacht und der Abfassung von Herodots Historien außer in zwei Ausnahmefällen nicht greifbar. Die eine Ausnahme ist das Enkomion von Simonides von Keos, ein Loblied auf die Gefallenen der Schlacht, von dem Diodor (11.11.6) ein Stück zitiert und das die Forschung relativ einhellig auf einen spartanischen Kontext zurückführt, über den sich allerdings nichts Gesichertes sagen lässt (s. Kap. I.2.2). Die zweite Ausnahme ist eine Nachricht von Pausanias, d. h. aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., der behauptet, die Gebeine des Leonidas seien vierzig Jahre nach der Schlacht nach Sparta überführt worden (Paus. 3.14.1).111 Die Nachricht wird zwar in der Forschung allgemein akzeptiert, ist aber nicht unproblematisch, zumal Herodot nichts davon berichtet, obwohl er ausführlich die ,barbarischen‘ Bräuche der Lakedaimonier bei ihren aufwändigen Königsbeisetzungen beschreibt, zu denen auch gehört, dass sie an Stelle eines im Krieg gebliebenen Königs ein eı´dolon beisetzen (6.58).112 Auch die anderen spärlichen Informationen über die Erinnerung an die Perserkriege in Sparta lassen nur den Schluss zu, dass an sie erinnert wurde, aber nicht wie.113 Wenn in Sparta im 5. Jahrhundert v. Chr. überhaupt eine „consensual tradition“ 114 über die Schlacht an den Thermopylen existierte, so ist sie der Darstellung Herodots nicht zu entnehmen. Die Deutungen der ,spartanischsten‘ aller spartanischen Schlachten, die Herodot wiedergibt, sind nicht auf einen Kontext zurückzuführen, weshalb die Forschungsmeinungen, ,der Mythos‘ sei spartanisch respektive panhellenisch ausgerichtet, je nach Blickwinkel, wie noch gezeigt werden wird, beide zutreffen.115 Vgl. Hölkeskamp, Marathon, S. 329–353; Gehrke, Marathon, S. 19–32. Der Bau des sog. Leonidaion stammt aus dem 3. Jh. v. Chr.; vgl. Stibbe, Topographie, S. 98f. 112 ) Da ein Pausanias die Translation vorgenommen haben soll, 440 v. Chr. aber niemand mit diesem Namen regierte, werden einerseits die Konjektur 4 Jahre und Pausanias, der Sieger von Plataiai, vorgeschlagen, der ca. 467 v. Chr. von der politischen Bühne verschwand; vgl. Podlecki, Simonides, S. 275. Andererseits werden 80 Jahre ergänzt, so dass Pausanias, Sohn des Pleistoanax (reg. 408–394 v. Chr.), gemeint sein könnte; vgl. Paus. Ausg. Meyer, S. 586 Anm. 5. Vgl. auch Schaefer, Eidolon, S. 323–336; Millender, Herodotus, S. 4–11. 113 ) Vgl. Thommen, Vergangenheit, S. 50–52. Vitr. 1.1.6 und Paus. 3.11.3 berichten von einer Persischen Stoa auf der Agora, die bisher nicht identifiziert werden konnte; vgl. Waywill, Sparta, S. 178. Außerdem berichtet Pausanias von einem Heiligtum für Alpheos und Maron (3.12.9), von Gräbern für Pausanias (3.14.1) und Eurybiades (3.16.6) sowie einer Tafel mit den Namen der 300 (3.14.1). Dies beweist, dass man sich im 2. Jh. n. Chr. noch an die Perserkriege erinnerte, aber nicht, dass es während der Pentekontaetie eine neue Traditionsbildung in Sparta gab, die über den politischen Totenkult hinausging. 114 ) Evans, Herodotus, S. 125. 115 ) Spartanisch: vgl. Thommen, Politeia, S. 113, 118; Dreher, Athen, S. 78; panhellenisch: vgl. Schaefer, Thermopylen, S. 158, 165; Philipp, Gesetz, S. 29; Kehne, Leonidas, S. 21. 110 )

111 )

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

Als Herodot von ungefähr 450 bis 430 v. Chr. das Material für seine Historien sammelte, dürfte er unterschiedliche Geschichten zum katastrophalen Scheitern der griechischen Verteidigung an den Thermopylen gehört haben. Alle Geschichten waren, wie anzunehmen ist, davon geprägt, dass sie diesen Misserfolg in irgendeiner Form erklären wollten, d. h. sie waren intentional strukturiert. Was Herodots Beitrag war, als er die oralen Traditionen zu einer geschlossenen Darstellung komponierte und motivisch in sein Werk einband, lässt sich genausowenig sicher bestimmen, wie sich die von ihm verwendeten Geschichten im Hinblick auf ihre lebensweltlichen Kontexte aufschlüsseln lassen.116 Zwei Voraussetzungen lassen sich für den Bericht Herodots sicher feststellen: Erstens gab es an den Gräbern der Thermopylenkämpfer eine ,Gedenkstätte‘, zu der der steinerne Löwe für Leonidas und die von Herodot zitierten Inschriften gehörten. Strabon berichtet von fünf Stelen am Polyandrion der Thermopylen und zitiert die Inschrift der Lokrer.117 Es ist anzunehmen, dass an den Denkmälern ein rituelles Kriegergedenken stattfand. Wahrscheinlich ist ebenfalls, dass in Sparta und in den anderen beteiligten Poleis der Toten der Schlacht gedacht wurde. Irgendwie muss Herodot auch die Namen der 300 Spartiaten in Erfahrung gebracht haben, vermutlich durch eine Stele, die in Sparta oder an den Thermopylen aufgestellt war.118 Zweitens hatten die Griechen den Krieg gewonnen. Der Sieg von Plataiai war in erster Linie von Sparta erkämpft worden; hier hatte die spartanische Phalanx bewiesen, dass sie nicht nur bis zum letzten Mann kämpfen, sondern auch siegen konnte. Die von Herodot im Zusammenhang mit der Schlacht an den Thermopylen für die Spartiaten thematisierte Alternative von Sieg oder Untergang erhielt erst mit Plataiai ihre volle Bestätigung. Der Sieg von Plataiai wird von Herodot durch ein weiteres Orakel mit der Niederlage an den Thermopylen verknüpft (8.114). Als Mardonios nach der Seeschlacht von Salamis in Thessalien sein Heer zusammenstellte, erhielten die Spartaner ein Orakel aus Delphi, dass sie von Xerxes Buße für den Tod des Leonidas fordern sollten. Als ein Herold deswegen bei Xerxes, der ebenfalls noch in Thessalien weilte, vorstellig wurde, verwies dieser lachend auf Mardonios, mit dessen Tod in der Schlacht von Plataiai das Orakel später tatsächlich in Erfüllung ging (9.63–64). Ein Aiginete schlug Pausanias vor, die Leiche des Mardonios als Rache für die Verstümmelung des toten Leonidas ebenfalls zu schänden, was der Feldherr aber mit der Begründung ablehnte, Leonidas und die toten Thermopylenkämpfer hätten schon ausreichend Genugtuung erfahren (9.79.2). Das Orakel ist als Vorgriff auf den Ausgang von Plataiai ein vaticinium ex eventu, und die Gespräche sind wahrscheinlich in dieser Form von Herodot erfunden worden.119 Die Tatsache, dass dieses Orakel irgendwo in Griechenland kursierte, 116 )

Vgl. Cobet, Herodot, S. 226–233. Vgl. Strab. 9.4.2. Vgl. Gelzer, Wanderer, S. 114–118, der allerdings annimmt, die von Strabon erwähnten Denkmäler habe es z. Z. Herodots noch nicht gegeben und man habe bereits vergessen, wer die Gräber angelegt habe. 118 ) Vgl. Paus. 3.14.1. Für eine Stele an den Thermopylen argumentiert Wilamowitz, Sappho, S. 201. Hignett, Invasion, S. 138 Anm. 3, schließt auf eine orale Tradition. Vgl. allgemein auch Kehne, Leonidas, S. 41 f. 119 ) Vgl. Parke /Wormell, Oracle 2, S. 44f. Nr. 101. 117 )

1.5. Die exemplarische Strukturierung der Vergangenheit

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zeigt, dass der Sieg von Plataiai und der Tod des Mardonios als Vergeltung für die Niederlage an den Thermopylen und den Tod des Leonidas gesehen wurden. Herodots Darstellung verklammert die Niederlage mit dem entscheidenden Sieg und verleiht somit dem Sterben der Thermopylenkämpfer einen Sinn. Für die weitere Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen ist es von zentraler Bedeutung, dass der Krieg für die Griechen siegreich endete. Nur vor diesem Hintergrund konnte es zu der erstmals bei Diodor überlieferten Deutung kommen, der heroische Tod des Leonidas und seiner Getreuen habe erst den Widerstandsgeist der Griechen geweckt, durch den sie schließlich siegten. Ob der Tod des Leonidas und seiner Spartiaten auch ohne den späteren Sieg zu einer Art spartanischer „Opferlegende“ verdichtet worden wäre, wie Peter Kehne behauptet, muss im Bereich des Spekulativen bleiben.120 Generell ist in Betracht zu ziehen, dass Griechenland eine Kultur besaß, in der der Sieg in einer agonalen Auseinandersetzung, auch in einer militärischen, ein hohes gesellschaftliches Prestige mit sich brachte. Auch wenn der von Jacob Burckhardt entdeckte und vor allem in der älteren deutschen Forschung oft betonte ,agonale Geist‘ des griechischen Menschen zu substanzialistisch gedacht war,121 so hat die neuere Forschung zum griechischen Adel der archaischen und klassischen Zeit doch ergeben, dass zu den statuskonstituierenden Merkmalen dieser Elite unter anderem die Bewährung im Krieg und in Wettkämpfen gehörte.122 Diese Wettbewerbsethik der Oberschicht prägte die kulturellen Leitbilder, und das klassische Griechenland war keine Kultur, in der Scheitern und Leiden per se als ehrenvoll angesehen wurden, wie z. B. in der Kriegerkaste der Samurai in Japan123 oder in der Konzeption des christlichen Märtyrers. Es muss zumindest gefragt werden, ob militärische Niederlagen im klassischen Griechenland nicht einen besonderen Erklärungsdruck erzeugten.124 Herodot nennt, wie gezeigt, auffällig viele Gründe dafür, warum die Griechen besiegt wurden und Leonidas mit wenigen Männern im Engpass blieb. Diese Gründe, die Herodot als Handlungsmotivation der Spartaner anführt, sind das zentrale Element, das die Schlacht an den Thermopylen bei ihm und vor allem in der weiteren Rezeption zu einer spezifisch spartanischen macht. Für die Handlungsmotivationen sind zwei Stellen im Schlachtbericht wichtig: zum einen die zweite Version vom Abzug der Bundesgenossen, nach der diese von Leonidas weggeschickt wurden (7.220), zum anderen das Grabepigramm der Spartiaten, das zwar bei Herodot nur indirekt eine Begründung dafür liefert, dass die Spartiaten bis zum Tod kämpften, das aber in der Rezeptionsgeschichte und in der Forschung die anderen Handlungsmotive mitunter verdrängt hat. Für die Thespier und Thebaner erfährt man aus Herodots Bericht keine Gründe für ihr Verbleiben im Engpass. Da ihre Handlungsmotive im Dunkeln bleiben, werden sie vor allem in der 120 )

Vgl. Kehne, Leonidas, S. 41. Vgl. Christ, Curtius, S. 239f.; Berve, Geist, S. 1–20. 122 ) Vgl. Stein-Hölkeskamp, Adel, S. 107–109. 123 ) Vgl. Morris, Samurai. 124 ) Vgl. zur abwägenden Bewertung des Schlachtentodes bei Homer: Clarke, Spartan Ate, S. 72f.; Müller, Tod, S. 318. 121 )

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

Rezeption der Schlacht als Exempel, aber durchaus auch in der Forschung zu Nichthandelnden, die nicht weiter beachtet werden.125 Herodot nennt drei Motive für Leonidas, im Engpass zu bleiben (7.220): Erstens dürften Leonidas und die Spartiaten den Posten nicht verlassen, zu dessen Verteidigung sie gekommen seien. Diese Begründung ist, wie im Zusammenhang mit dem Epigramm diskutiert werden soll, irritierend, aber in der neuzeitlichen Rezeption der Schlacht zentral. Zweitens habe Leonidas das Orakel zu erfüllen gehabt, nach dem nur der Tod eines Königs Sparta vor der Invasion retten könne. Drittens habe Leonidas im Hinblick auf seinen Nachruhm gehandelt; dazu kommt Herodots Kommentar, der König habe die Bundesgenossen weggeschickt, um den Ruhm den Spartiaten vorzubehalten. An beiden Stellen steht das homerische kle´os, das Herodot in seinem Werk nur selten und immer mit der Betonung des Kriegsruhmes benutzt.126 Zunächst aber zum Orakel: Da dieses die später eingetroffenen Ereignisse allzu klar voraussagt, gilt es in der Forschung mit wenigen Ausnahmen als vaticinium ex eventu, das als spartanische Apologie gegen den Vorwurf, einen König auf ,verlorenem Posten‘ geopfert zu haben, oder als göttlich motivierte Erklärung für dessen unerwarteten Tod von Sparta bzw. von Delphi lanciert worden sei.127 Das Orakel kann erst nach den Siegen bei Salamis und Plataiai in Umlauf gesetzt worden sein, als sicher war, dass die Peloponnes nicht mehr angegriffen werden konnte. Als nachträglicher Zusatz wird das Orakel von der Forschung in der Regel aus der Interpretation der Schlacht ausgeschlossen. Steht allerdings nicht die Rekonstruktion der Vorgänge im Vordergrund, fällt auf, dass Herodot den Tod des Leonidas als göttlich motiviertes Selbstopfer vom Tod der übrigen Spartiaten abhebt, deren Handlungsmotivation weniger klar ist.128 Herodot misst in seinem Werk generell den Zeichen göttlicher Offenbarung, darunter auch den Orakeln als dem Wort gewordenen göttlichen Willen, große Bedeutung bei. Er hält Orakel grundsätzlich für authentisch (8.77), es sei denn, er bezeichnet einzelne Sprüche ausdrücklich als gefälscht (6.66). Diese Stellungnahmen lassen zwar vermuten, dass zu Herodots Zeiten die Autorität Delphis nicht unangefochten war, dennoch verweisen die Orakel in Herodots Historien auf den göttlichen Schicksalsplan, der dem Geschehen zugrunde liegt. Das Orakel im Bericht von der Schlacht an den Thermopylen motiviert die Handlung eines der historischen Subjekte und stellt dadurch eine Kausalität her. Dies ist eine für Herodots Werk sehr typische Form, Handlungskausalitäten durch Gespräche, Träume 125 )

Vgl. z. B. bei Clarke, Spartan Ate, S. 63–84. Vgl. Proömium; 5.77.1; 9.48.3; 9.78.3. 127 ) Vgl. Bury, Thermopylae, S. 99; Busolt, Griech. Geschichte, S. 676 Anm. 2; Munro, Oberservations, S. 316; Beloch, Griech. Geschichte, S. 107; Schaefer, Thermopylen, S. 164; Parke /Wormell, Oracle 2, S. 44 Nr. 100; Daskalakis, Thermopyles, S. 64–67; Philipp, Gesetz, S. 5; Evans, Problem, S. 231f.; Bengtson, Griech. Geschichte, S. 172 Anm. 2; Tigerstedt, Legend 1, S. 98; Burn, Persia, S. 407, 421; Lazenby, Defence, S. 144. Für die Forschungsdiskussion vgl. auch Kehne, Leonidas, S. 36f. Für authentisch gehalten wird das Orakel von Green, Wars, S. 67f., 142; Hammond, Thermopylae, S. 5f.; Clarke, Spartan Ate, S. 69–72; Kehne, Leonidas, S. 37 Anm. 66; Welwei, Sparta (2004), S. 133. 128 ) Vgl. Loraux, Mort, S. 114–119; Le ´ vy, Sparte, S. 130; Clarke, Spartan Ate, S. 65–77. 126 )

1.5. Die exemplarische Strukturierung der Vergangenheit

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oder Vorzeichen zu konstruieren, die den erzählten Ereignissen ihre Dynamik geben.129 Da Orakel für Herodot die Koordinaten für das menschliche Handeln im göttlichen Schicksalsplan markieren, ermöglichen sie es, das Verhalten eines Menschen zu werten.130 In seiner Darstellung der Schlacht zitiert Herodot das Orakel im entscheidenden Moment, in dem sich alles auf das menschliche Handeln zu konzentrieren scheint. Die Haltung, mit der Leonidas seinem Schicksal begegnet, zeichnet ihn aus. Er akzeptiert bereitwillig, für die Rettung Spartas zu sterben, aber er kämpft wehrhaft bis zum Letzten und nutzt damit den Handlungsspielraum, der sich ihm noch bietet, vollständig aus. Trotz Prädestination bleibt ein Raum für selbstbestimmtes Handeln erhalten.131 Die Akzeptanz des eigenen Todes erscheint nicht als passive Opferhaltung, nicht als devotio, die vorwiegend römische Praxis, bei der sich der Feldherr vor einer Schlacht den Göttern opfert und dann im Kampf den Tod sucht.132 Allerdings wird Leonidas in der weiteren Rezeption mit Exempeln der devotio parallelisiert (s. Kap. I.3.1). Bei Herodot erfüllt Leonidas den göttlichen Schicksalsplan nicht einfach dadurch, dass er sich umbringen lässt, sondern indem er aktiv kämpft. Das Bild vom aktiven Helden, der mitten im Kampfgetümmel fällt, wird auch von einem Widerspruch in Herodots Darstellung erzeugt, denn nach dem Orakel hätte es genügt, wenn Leonidas sich alleine opferte. Das religiös motivierte Selbstopfer des Königs und der verzweifelte Kampf eines ganzen Kontingents bis zum Tod stehen argumentationslogisch nebeneinander. So wie Leonidas dadurch mit der Vorstellung eines aktiven Heldentums verbunden ist, wird der Gedanke des Selbstopfers in der Rezeptionsgeschichte häufig auf alle Spartiaten ausgedehnt. Durch die im Orakel formulierte Alternative zwischen dem Tod des Königs und dem Untergang der Polis Sparta ist das Selbstopfer auf Sparta und seine eudaimonı´a bezogen. Es ist nicht wie in der späteren Rezeption ganz Griechenland und seine Freiheit, für die der König stirbt. Wahrscheinlich stammt diese Deutung der Vorgänge aus Sparta, vielleicht aus den Königshäusern, die eine Sammlung von Orakelsprüchen besaßen.133 Allerdings liegt dem durch ein Orakel motivierten Selbstopfer des Leonidas für Sparta ein Erzählmuster zugrunde, das es auch anderswo in Griechenland gab: Um die Stadt aus einer großen Gefahr zu retten, muss sich ein Mitglied des königlichen Hauses freiwillig opfern.134 So starb der legendenhafte athenische König Kodros für seine Stadt, als sie von Peloponnesiern bedroht wurde, die ein Orakel erhalten hatten, dass sie die Stadt nur einnehmen würden, wenn der König am 129 )

Vgl. Cobet, Herodot, S. 231. Das Negativbeispiel ist Kroisos, dessen mit dem delphischen Orakel schicksalhaft verbundenes Leben dem Werk paradigmatisch vorangestellt ist (Hdt. 1.26–29). Vgl. Kirchberg, Orakel, S. 90–96; Egermann, Herodot, S. 249–255. Auch im Epigramm für den Seher Megistias lässt das Wissen um seinen Tod ihn in seinem Entschluss, zu bleiben, umso größer erscheinen (Hdt. 7.228.3); vgl. Erbse, Simonides, S. 217. 131 ) Vgl. Evans, Herodotus, S. 37. 132 ) Gegen Hignett, Invasion, S. 125, 371; Green, Wars, S. 139–142. 133 ) Vgl. Hdt. 6.57.2; vgl. Evans, Herodotus, S. 124; Clarke, Spartan Ate, S. 71f. 134 ) Vgl. Clarke, Spartan Ate, S. 69f., mit weiteren Beispielen. 130 )

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

Leben bliebe.135 Obwohl sich Kodros nach der gängigeren Version alleine opferte, werden Kodros und Leonidas bei Cicero als Exempel parallelisiert (Cic. Tusc. 1.116). Das göttlich inspirierte Selbstopfer des Leonidas in der Darstellung Herodots ließ sich panhellenisch lesen. Das Orakel ist einer der Dreh- und Angelpunkte für die weitere Rezeption der Schlacht an den Thermopylen. In der Darstellung Herodots nimmt es eine herausragende Stellung ein, da es die Entscheidung des Spartanerkönigs, im Engpass zu bleiben, gleichzeitig motiviert und wertet. Dieser ,höhere‘, ,irrationale‘ Grund für den Kampf bis zum Tod wird in der Folgezeit auf verschiedene Art und Weise ,rationalisiert‘. Meistens fällt dabei das Orakel weg. An seine Stelle rücken andere Erklärungen als Begründung der Handlungsmotivation. Diese behalten allerdings häufig den Opfergedanken und die ,höhere‘ Motivation in transformierter Form bei. Insgesamt fällt auf, dass Leonidas bei Herodot so frei von Makeln und von Geschichten aus seinem Leben erscheint, dass er fast keine individuellen Züge trägt.136 Herodot lässt ihn nirgendwo in wörtlicher Rede sprechen. Über seine Biographie erfährt man wenig: Er war mit Gorgo, der Tochter seines Vorgängers Kleomenes, verheiratet, als jüngster von drei Brüdern unerwartet auf den Thron gekommen (7.205) und hinterließ einen unmündigen Sohn, Pleistarchos.137 Da der Persönlichkeit des Leonidas die Komplexität fehlt, bekommt sein Verhalten an den Thermopylen eine überindividuelle, exemplarische Dimension. Dazu kommen die Bezüge zum panhellenischen Heros Herakles, die durch die Abstammung des Spartanerkönigs und die topographischen Verweise dem Bericht von der Schlacht unterlegt sind.138 Dieser Anspruch auf Allgemeingültigkeit wird auf einer weiteren literarischen Ebene formuliert: Leonidas handelt bei Herodot in Erwartung seines Ruhmes (kle´os), den er auch den Spartiaten vor allen anderen sichern will (7.220.3– 4). Dies klingt berechnend, wenn nicht gar nach einer Kritik Herodots, zu dessen Zeit sich der Ruhm der Thermopylenkämpfer allerdings wohl tatsächlich bereits auf Leonidas und die 300 konzentrierte. Das auf die Epen Homers zurückweisende Wort kle´os stellt einen Bezug zu den homerischen Kriegshelden her und verweist damit, wie alle Reminiszenzen an Homer, auf einen panhellenischen Kontext. Die homerischen Helden waren auch im 5. Jahrhundert v. Chr. noch Modelle für militärisches Heldentum.139 Mit der im Proömium erklärten Absicht, den Ruhm (akleaˆ) großer Taten vor dem Vergessen bewahren zu wollen, stellt Herodot sich in die Nachfolge Homers.140 135 ) Es gibt eine Version, nach der Kodros im Kampf fiel (Cic. nat. 3.49; fin. 5.62; Kodrosschale um 420 v. Chr. in Bologna), und die verbreitetere, nach der er als Bettler verkleidet im Lager der Feinde Streit anzettelte und erschlagen wurde (Hellanikos FGrH 3 F 145; Pherekydes FGrH 4 F 125; Lyk. Leokr. 83–87). 136 ) Vgl. Baltrusch, Leonidas, S. 310–314; Millender, Herodotus, S. 21. Der Erfolg des Themistokles beruhte auf List (v. a. Hdt. 8.75–82), der Ruhm des Pausanias wird bereits vorher durch den Verweis auf seine Macht- und Geldgier eingeschränkt (Hdt. 5.32). 137 ) Stammbaum der Agiaden bei Cartledge, Spartans, S. 118. 138 ) Vgl. Vandiver, Heroes, S. 184–189. 139 ) Vgl. Clarke, Spartan Ate, S. 65. 140 ) Vgl. Rösler, Histories, S. 79–94; Boedeker, Heritage, S. 98 f.

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Leonidas handelt in Herodots Bericht in der Gewissheit, dass seine Tat innerhalb Griechenlands als herausragend erkannt und anerkannt sowie in der Erinnerung bewahrt werden wird. Er handelt in der Erwartung seiner Rezeption. Diese Gewissheit kann der Spartanerkönig in der Darstellung Herodots bereits deshalb haben, weil Herodot selbst der Bewahrer des Ruhmes ist. Das individuelle Streben nach Ruhm und der Wunsch, diesen zu monopolisieren, gilt ebenfalls als homerisch; nichtsdestotrotz hatte der Begriff seit den Zeiten Homers eine Bedeutungsverschiebung erfahren. So stellte Tyrtaios bereits im späten 7. Jahrhundert v. Chr. kle´os in Beziehung zur Polis, die nunmehr die Handlungsgemeinschaft ist, die den Ruhm bestimmten Kriegstaten zuschreibt.141 Herodots Darstellung des Leonidas bewegt sich auf mehreren Ebenen zwischen dem Aufrufen von adligen Qualitäten und der Einbindung in die Polis. Das prägnante Grabepigramm auf die 300 Spartiaten an den Thermopylen scheint einen weiteren bzw. den eigentlichen Grund dafür zu benennen, warum Leonidas und die Spartiaten im Engpass aushielten und bis zum Tod kämpften. Da seine Authentizität durch Herodots Autopsie als garantiert gilt, ist das Epigramm von der Geschichtswissenschaft gegenüber den anderen Gründen, die Herodot anführt, für die Interpretation des Schlachtverlaufs stark aufgewertet worden. Allerdings wurden dadurch die Handlungsmotive der Spartiaten, wie deutlich werden wird, nicht unbedingt klarer. Bereits in der Antike beginnt eine eigene Rezeptionsgeschichte des Epigramms, in der es als Erklärungsformel für die gesamte Schlacht dient.142 Ebenfalls in der Antike wurde dieses Distichon dem bedeutendsten Epigrammdichter des 5. Jahrhunderts v. Chr., Simonides von Keos, zugeschrieben.143 Das Grabepigramm gehört zu dem im 5. Jahrhundert v. Chr. häufigen Typus des ,sprechenden Monuments‘, in dem die Vorübergehenden dazu angehalten werden, stehen zu bleiben und der Toten zu gedenken.144 Das Besondere an dem Spartiaten-Epigramm ist, dass die Toten der Schlacht den Vorübergehenden auffordern, eine Botenfunktion zu übernehmen und den Lakedaimoniern die Meldung zu überbringen, dass sie hier liegen. Das Epigramm suggeriert, dass niemand mehr von der Schlacht berichten kann, da alle gefallen sind. Die Angesprochenen werden in die Zeit unmittelbar nach der Schlacht zurückversetzt, während der Appell, die Botschaft nach Sparta zu bringen, in die Zukunft verweist. Durch den imaginären Nachrichtenüberbringer sind die Thermopylen und Sparta verbunden und gleichzeitig die Polis mit einer Gruppe ihrer Bürger, die bei der Landesverteidigung gefallen ist. In diesem vorgestellten Handlungsraum wird die Überbringung der Nachricht in alle Zukunft perpetuiert. Mit dieser Rezeptionsaufforderung versucht das Distichon in einer für diese Zeit wohl einmaligen Art und Weise, Vgl. Tyrt. Frg. 9 [=West 12]; vgl. Meier, Aristokraten, S. 272–290, bes. S. 285 Anm. 218. Vgl. Kap. I.2.1; I.3.1. Vgl. Baumbach, Wanderer, S. 1–22; Gelzer, Wanderer, S. 409– 428; Nickel, Leonidas-Komplex, S. 15–26; Oppermann, Thermopyleninschrift, S. 121–127. 143 ) Vgl. Cic. Tusc. 1.101; Anth. Pal. 7.249. Vgl. Gottlieb, Überlieferung, S. 52–54; Tigerstedt, Legend 1, S. 404 Anm. 819; Erbse, Simonides, S. 213–218; Baumbach, Wanderer, S. 7 Anm. 19. 144 ) Vgl. Degani, Epigramm, S. 1108; Baumbach, Wanderer, S. 7; Erbse, Simonides, S. 216, hält die Ansprache für eine Erfindung von Simonides. 141 )

142 )

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seine eigene Rezeption zu bestimmen, die sich in der imaginären Handlung vom Ort und der materiellen Präsenz der Inschrift entfernt.145 Auf inhaltlicher Ebene ist das Grabepigramm eine der prägnantesten Formulierungen des politischen Totenkultes, in dem eine politische Gemeinschaft das Andenken von Bürgern sichert, die ihr Leben für sie gegeben haben.146 Problematischer ist der Inhalt der zu erstattenden Meldung: Die Spartiaten sind tot, weil sie den rhe´masi gehorchten. Die Deutung der Handlungsmotivation hängt von der Interpretation von rhe´mata ab, in der Grundbedeutung „die gesprochenen Worte“. Vorwiegend in der deutschsprachigen Forschung gibt es eine Tradition, die rhe´masi als „Befehle“ übersetzt und den Tod des Leonidas und der Spartiaten auf Befehlsgehorsam zurückführt.147 Konsequenterweise muss man bei dieser Deutung nach den Befehlsgebern fragen. Einige Wissenschaftler sehen in ihnen die Ephoren, die sich im Epigramm selbst attestieren, dass sich der König ihren Befehlen unterworfen hat.148 In der neueren Forschung, in der ein Machtkampf zwischen Ephorat und Königtum als unwahrscheinlich gilt, bleibt unbeantwortet, wer die Befehle gegeben haben soll.149 Abgesehen davon, dass militärische Befehle im Feld in der Regel der Oberbefehlshaber gibt, ist auch unklar, was der Inhalt der Befehle gewesen sein soll. Wenn der Befehl, von wem auch immer, lautete, dass die Spartiaten unter keinen Umständen den Posten verlassen dürften (7.220.1), lässt sich der Plural rhe´mata schlecht erklären.150 Die andere Richtung versteht rhe´masi als „Gesetze“, „lois“, „de´crets“, „precepts“.151 Etymologisch besteht eine Verwandtschaft zwischen rhe´mata und rhe´trai, den „Satzungen“, die in Sparta auf Orakelsprüche aus Delphi zurückgeführt wurden.152 Die spartanische Gesetzessammlung hieß aus diesem Grund Rhetra.153 Dass in der Antike eine Verbindung zwischen den rhe´masi des Epigramms und den – wie auch immer genau verstandenen – „Gesetzen“ Spartas nahe lag, zeigt die Rezeptionsgeschichte des Epigramms. Am Anfang dieser Deutungstradition steht Herodot selbst, dem die Vertreter der Lesart von rhe´masi als „Befehle“ eine Fehlinterpretation unterstellen müssen.154 Eine Erklärung für das Verhalten der Spartiaten an den Thermopylen bietet Herodot in dem Gespräch zwischen Xerxes und Demaratos, in dem es grundsätzlich um die Unterschiede zwischen ,den 145 ) Vgl. Baumbach, Wanderer, S. 6–9, nennt dies etwas unschön „Entlapidarisierung“; dagegen sieht Gelzer, Wanderer, S. 410, keine Besonderheit in Form und Inhalt. 146 ) Vgl. Koselleck, Kriegerdenkmale, S. 255–276. 147 ) Vgl. Heinze, Kriegsgräber, S. 6; Lenschau, Leonidas, S. 2017; Berve, Sparta (1931), S. 211f. und Anm. 17; Schaefer, Thermopylen, S. 163f.; Philipp, Gesetz, S. 41– 45; Kehne, Leonidas, S. 42; Gelzer, Wanderer, S. 416; Thommen, Sparta, S. 5f. 148 ) Vgl. Lenschau, Leonidas, S. 2017; Schaefer, Thermopylen, S. 163f.; Philipp, Gesetz, S. 41– 45; Kehne, Leonidas, S. 42; Gelzer, Wanderer, S. 416. 149 ) Vgl. Thommen, Sparta, S. 6, 77–80. 150 ) Unter der Hand wird der Plural in der Interpretation zum Singular bei Lenschau, Leonidas, S. 2017; Gelzer, Wanderer, S. 416. 151 ) In der Reihenfolge: Loraux, Mort, S. 109 mit Anm. 32; Le ´ vy, Sparte, S. 131; Clarke, Spartan Ate, S. 77. 152 ) Vgl. Tyrt. Frg. 3a, 3b [= West 4]; vgl. Meier, Aristokraten, S. 243–253. 153 ) Vgl. Hdt. 1.65; die sog. Große Rhetra überliefert Plut. Lyk. 6. 154 ) Vgl. Gelzer, Wanderer, S. 410; Thommen, Sparta, S. 5f.

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Griechen‘ und ,den Barbaren‘ geht (7.101–104).155 In der in diesen Gesprächen konstruierten Außenperspektive erklärt der Spartanerkönig als Experte dem persischen Großkönig den Gesetzesgehorsam der Griechen im Gegensatz zur despotischen Monarchie am Beispiel der Lakedaimonier (7.104): Diese seien im Einzelkampf nicht besser als andere, im gemeinsamen Kampf dagegen die besten. Sie seien frei, aber nicht in jeder Hinsicht, denn über ihnen stehe der despo´tes no´mos (despoÂthw noÂmow 7.104.4), dem sie stets gehorchten. Dieser befehle, nicht zu fliehen aus der Schlacht, vor keiner Übermacht [. . .], sondern in Reih’ und Glied auszuharren und zu siegen oder unterzugehen (7.104.5) oyÆk eÆv Ä n feyÂgein oyÆdeÁn plh Ä uow aÆnurvÂpvn eÆk maÂxhw, aÆllaÁ meÂnontaw eÆn th Äì taÂji eÆpikrateÂein hà aÆpoÂllysuai

Der despo´tes no´mos, den Herodot effektvoll gegen die orientalische Despotie setzt, meint hier konkret eine Verhaltensregel für den Kampf in der Phalanx, die besagt, dass, wenn die Entscheidung für den Kampf gefallen ist, die Kampfformation unter keinen Umständen verlassen werden darf. Der Begriff no´mos bezeichnet eine Verhaltensnorm, die internalisiert sein muss, um in der Schlacht umgesetzt werden zu können. Damit ist ein umfassenderes Ordnungs- und Wertsystem gemeint als die Gesetze, die unmittelbar den Stadtstaat und seine politischen Institutionen betreffen.156 Das semantische Feld für die Gesetzesbegriffe war im Griechenland des 5. Jahrhunderts v. Chr. reich an Bedeutungsvarianten, und auch rhe´trai bezeichnete nicht nur wie in Sparta ungeschriebene Gesetze, sondern findet sich ebenso in Inschriften von Gesetzestexten als Bezeichnung für schriftlich fixierte Gesetze.157 Es ist unklar, ob Herodot an der Demaratos-Stelle eine spartanische Deutungsversion wiedergibt,158 oder ob er vielmehr die rhe´mata des Epigramms in den für eine allgemeine Vorstellung von ,Ordnung‘ gebräuchlichen Begriff no´mos übersetzt hat. Das rhe´masi peitho´menoi des Epigramms scheint auf das spezifische Wertesystem der Spartiaten zu verweisen, oder in der Lesart als „Befehle“ zumindest auf die spartanische Kommandostruktur. Allerdings ist der spartanische Kontext wiederum gebrochen, da nach Herodot nicht die Polis Sparta, sondern die Amphiktyonen die Inschrift gesetzt haben (7.228.4). Die Amphiktyonie von Anthele und Delphi, in deren Gebiet die Gefallenen bestattet waren, setzte sich aus zwölf Stämmen zusammen, die jeweils zwei Abgeordnete in den Rat entsandten; so die Dorer einen aus der Doris und einen von der Peloponnes.159 Über die Politik der 155 )

Vgl. Cartledge, Griechen, S. 59f. Vgl. Hölkeskamp, Nomos, S. 117–123. Herodot deutet das Epigramm folglich nicht „im Zusammenhang mit dem den Spartanern zugeeigneten bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem staatlichen Gesetz“; Thommen, Sparta, S. 6. 157 ) Vgl. Hölkeskamp, Nomos, S. 115–146; bei der Bezeichnung als Rhetra liegt der Aspekt auf dem Prozess des Zustandekommens. Zur Mündlichkeit der spartanischen Gesetze gibt es auch ein Apophthegma; vgl. Plut. Apophth. Lac. 221 B/C Nr. 1. 158 ) Vgl. Loraux, Mort, S. 109; Tigerstedt, Legend 1, S. 96–98. 159 ) Die Amphiktyonie umfasste Thessaler, Boioter, Dorer, Ioner, Perrhaiber und Doloper, Magnesier, Lokrer, Ainianer, phthiotische Achaier, Alier, Phoker und Delpher; vgl. Rhodes, Amphiktyonia, S. 612. 156 )

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Amphiktyonie zu dieser Zeit ist wenig bekannt; Plutarch berichtet, die Spartaner hätten nach dem Sieg über die Perser verlangt, diejenigen auszuschließen, die mit dem Feind paktiert hätten, was bis auf die Ioner und Dorer fast alle gewesen wären.160 Es ist zwar kaum denkbar, dass das Epigramm für die Spartiaten ohne Zustimmung Spartas gesetzt worden ist, doch waren andererseits bei der Inschriftensetzung mehr Akteure beteiligt als nur die Spartaner. Die Verhaltensweise, die das Epigramm für die Spartiaten formuliert, kann zu zwei – teilweise ineinandergreifenden – Aspekten in Beziehung gesetzt werden. Zum einen stellt sich die Frage, ob „den Gesetzen gehorchend“ impliziert, dass den Spartiaten ein militärischer Rückzug verboten war, zum anderen, ob die „Gesetze“ auf eine spezifisch spartanische militärische Disziplin verweisen. Die Frage, ob es Leonidas und den 300 grundsätzlich erlaubt war, wie die anderen Bundesgenossen aus dem Engpass abzuziehen, wird in der Rezeptionsgeschichte eher verneint, in der wissenschaftlichen Forschung allerdings in der Regel bejaht.161 Die Position, die meint, die spartanischen „Satzungen“ bzw. der spartanische Ehrenkodex hätten einen Rückzug verboten, kann sich auf die erste Handlungsmotivation stützen, die Herodot für Leonidas angibt, wonach es ihm und den Spartiaten nicht zustehe, einen Posten zu verlassen (7.220.1). Direkt davon abhängig ist die Rede eines persischen Herolds, mit dem Mardonios vor der Schlacht von Plataiai die Spartiaten dazu bringen will, den Kampf zu eröffnen (9.48). Der Bote gibt die Verhaltensmuster wieder, die für den Kampf der spartanischen Phalanx als wichtig erachtet werden: Spartiaten würden weder aus der Schlacht fliehen noch ihren Posten verlassen, sondern kämpfen, bis sie gesiegt hätten oder untergegangen seien. Dagegen kann geltend gemacht werden, dass die Verteidigung des TempePasses, die der spartanische Polemarch Euainetos und Themistokles befehligten, kampflos aufgegeben wurde, ohne dass Herodot darüber ein weiteres Wort verliert (7.173). Auch Pausanias unternimmt vor der Schlacht von Plataiai einen taktischen Rückzug (9.50–57). Dabei weigerte sich allerdings Amompharetos, der „Untadelige“, Befehlshaber der Abteilung aus Pitane, abzuziehen, weil er dies als Schande für Sparta empfand (9.53.2). Pausanias zog trotzdem ab, womit Amompharetos nicht gerechnet hatte, der sich nun beeilte, das spartanische Hauptkontingent einzuholen. Dieses hatte Pausanias in einigem Abstand warten lassen, um der Abteilung aus Pitane, wenn Amompharetos bei seiner Weigerung blieb, zu Hilfe zu kommen. Als Grund für die Weigerung des Unterbefehlshabers gibt Herodot an, dieser sei bei der Feldherrnbesprechung nicht dabei gewesen und habe daher die militärische Notwendigkeit für den Rückzug nicht gekannt. In diesem merkwürdigen Manöver steht eine pragmatische Einstellung zum Rückzug der Vorstellung gegenüber, dass ,grundlose‘ Rückzüge ehrlos seien.162 Weiterhin erscheint die Bestrafung einer Befehlsverweigerung weniger wichtig als der Zusammenhalt des Heeres. Die Aussagen darüber, ob den Spartanern ein militärischer Rückzug Vgl. Plut. Them. 20.3; zum Medismos: Hdt. 7.132. Vgl. Gelzer, Wanderer, S. 412, 415, 417. Vgl. z. B. Munro, Observations, S. 317; Dascalakis, Thermopyles, S. 67–72; Evans, Problem, S. 232; Grant, Stand, S. 19; Clauss, Sparta, S. 38; Lazenby, Defence, S. 145; Welwei, Sparta (2004), S. 145. 162 ) Vgl. Loraux, Mort, S. 112f. 160 )

161 )

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erlaubt war, sind bei Herodot nicht einheitlich. Es hat den Anschein, dass die Frage des Rückzugs von Sparta pragmatisch gehandhabt wurde, während die Flucht aus der Schlachtreihe verboten war. Dennoch gab es zur Zeit Herodots die Vorstellung, dass Spartaner immer auf ihren Posten blieben und bis zum Ende kämpften, was wahrscheinlich aus dem Tod des Leonidas und seiner Spartiaten an den Thermopylen abgeleitet wurde. Dabei ist unklar, ob dies ,der Mythos‘ war, den Sparta zu propagandistischen Zwecken gepflegt haben soll, oder nicht vielmehr eine Projektion aus einer Außenperspektive. So berichtet Thukydides, es sei die allergrößte Überraschung für die Hellenen im ganzen Peloponnesischen Krieg gewesen, als ein spartanisches Kontingent auf der Insel Sphakteria 425 v. Chr. nicht bis zum Tod kämpfte, sondern kapitulierte und in athenische Gefangenschaft ging (Thuk. 4.40). Dieser Vorfall ereignete sich etwa zu der Zeit, als Herodots Historien erschienen. Das Kontingent von „acht weniger“ als 300 Lakedaimoniern, darunter 120 Vollbürger, war nach verlustreichen Kämpfen von Athenern und Messeniern aus Naupaktos umzingelt worden, was Thukydides mit der Schlacht an den Thermopylen vergleicht (Thuk. 4.36). Dieser vordergründig auf die strategische Situation bezogene Vergleich ruft dennoch das Verhalten der Thermopylenkämpfer in ähnlicher Situation mit auf, denn Thukydides thematisiert mehrfach die Frage von ehrenhaftem und unehrenhaftem militärischen Verhalten.163 Während die Athener erwarteten, dass es für Spartiaten ehrenvoller sei, zu fallen als zu kapitulieren, scheint die Kapitulation für die Spartaner kein unüberwindliches Hindernis gewesen zu sein.164 Im Zeitraum zwischen der Schlacht an den Thermopylen und Sphakteria kann sich die Definition von ehrenhaftem und unehrenhaftem Verhalten im Feld zwar verändert haben,165 allerdings wandeln sich die symbolischen Strukturen einer Gesellschaft eher langfristig. In Athen scheint man jedoch im letzten Drittel des 5. Jahrhunderts v. Chr. die Vorstellung gehabt zu haben, dass Spartiaten grundsätzlich bis zum Tod kämpften. Wenn man davon ausgeht, dass Spartiaten sich zurückziehen durften, gibt das Epigramm keinen direkten Grund dafür an, warum die Spartiaten im Engpass blieben, wohl aber dafür, warum sie nach begonnenem Kampf nicht kapitulierten. Der zweite Kontext für das Grabepigramm betrifft den Bereich der militärischen Disziplin. Während aus Herodots Historien nicht eindeutig hervorgeht, ob der militärische Ehrenkodex den Spartiaten Rückzug und Kapitulation verbot, erfährt man für keine andere Polis so viel über den Phalanxkampf, die Kampftechnik und die Ehrung bzw. Sanktionierung von bestimmten Verhaltensweisen. Die Spartiaten werden von Herodot, gerade im Bericht von der Schlacht an den Thermopylen, als die Professionellen in der Kriegsführung von den anderen Griechen, die auch wie „Männer“ (7.210.2) kämpften, abgehoben.166 Selbst wenn die Beschreibung des spartanischen Kampfverhaltens von Projektionen überlagert 163 )

Gegen Kehne, Leonidas, S. 46. Vgl. Ducat, Socie´te´, S. 38 f.; Loraux, Mort, S. 105, 112. 165 ) In der Forschung, die den ,Opfertod‘ an den Thermopylen als Kulminationspunkt der spartanischen Geschichte sieht, wie Berve, Sparta (1937), gilt Sphakteria als Zeichen des Niedergangs. 166 ) Vgl. Loraux, Mort, S. 113; Hanson, War, S. 38. 164 )

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war, so erscheint der spartanische militärische Ehrenkodex doch als Thema, in dem eine Differenz zu den übrigen Griechen begründet liegt, und es ist kaum vorstellbar, dass dies bar jeden Realitätsbezuges gewesen sein soll. Den Strukturen der spartanischen Gesellschaft, die festlegten, welches Verhalten im Feld ehrenvoll war und welches schändlich, kann man sich nur annähern. So gibt Herodot, unmittelbar nachdem er die Inschriften an den Thermopylen zitiert hat, die Anekdote von den Spartiaten Eurytos und Aristodemos wieder (7.229–231). Beide seien wegen einer Augenkrankheit vor dem letzten Kampf nicht beim Heer gewesen. Eurytos entschied sich zu kämpfen und fiel, Aristodemos aber kehrte nach Sparta zurück und wurde als Ehrloser sozial geächtet. Herodot kennt eine weitere Geschichte über Pantites, der als Bote entsandt war, aber dennoch in Unehre fiel und sich deswegen erhängte (7.232). Die soziale Ächtung bei ,Versagen‘ vor dem Feind ist für Sparta bereits für die Frühzeit des Phalanxkampfes belegt, nämlich in den fragmentarisch überlieferten Kampfparänesen des Tyrtaios, der um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. lebte.167 In diesen wird sowohl allgemein die mangelnde Verteidigungsbereitschaft als auch die Flucht aus der Schlachtreihe im Kampf verurteilt, denen das Ideal der Standfestigkeit entgegengesetzt wird.168 Zur atimı´a führte auch der Verlust des Schildes.169 Etwas überraschend kommentiert Herodot die Anekdote von Eurytos und Aristodemos damit, dass sie, wenn sie beide gleich gehandelt hätten, keine Sanktionen zu befürchten gehabt hätten (7.229.2). Wie in dem merkwürdigen Manöver der Amompharetos-Episode scheint hier in Bezug auf die spartanische Phalanx die Vorstellung von gleichem Handeln und Geschlossenheit durch. Die neuere Forschung sieht in der Bezeichnung der Spartiaten als ho´moioi eine „Ideologie“, da die Spartiatenkaste durchaus ökonomisch und nach gesellschaftlichem Ansehen differenziert war.170 Betrachtet man allerdings die Grundstrukturen des Phalanxkampfes, wie ihn alle Griechen fochten, so muss es korrespondierend Leitbilder von Gleichheit gegeben haben, die in der spartanischen Gesellschaft anders verankert waren als beispielsweise in Athen.171 Phalanxkampf hieß kurze, brutale Zusammenstöße von schwerbewaffneten Infanteristen in Schlachtreihe, deren Ziel es war, eine schnelle Entscheidung herbeizuführen. Zu dieser Ausrichtung auf Entscheidungsschlachten gehört das Prinzip, das die Extreme benennt, nämlich Sieg oder Tod. Auch wenn die Spartiaten zu Herodots Zeiten als diejenigen galten, die diesem idealtypischen Prinzip am nächsten kamen, kann es den anderen Griechen nicht fremd gewesen sein. Anders als bei Gefechten mit Schusswaffen, die über größere Distanzen geführt werden, war im Kampf mit 167 ) Vgl. Tyrt. Frg. 6, 7 [=West 10], 8 [=West 11]. Vgl. Bowie, Tyrtaios, S. 957; Müller, Tod, S. 322–330. Es ist umstritten, ob die Phalanxtaktik für die Dichtung von Tyrtaios vorauszusetzen ist; vgl. z. B. Thommen, Sparta, S. 43– 45, dagegen Meier, Aristokraten, S. 229–235. 168 ) Vgl. Meier, Aristokraten, S. 292–302; Thommen, Sparta, S. 44, sieht eine große Differenz zwischen Tyrtaios und „dem Ideal des 5. Jahrhunderts, das anhand von Leonidas’ Tod die bedingungslose Standfestigkeit propagierte“, begründet seine These aber nicht. 169 ) Vgl. Plut. Apophth. Lac. 220 A Nr. 2; Plut. Lacaen. Apophth. 241 F Nr. 16., 17. Vgl. Müller, Tod, S. 321, 332–334; Ducat, Socie´te´, S. 38; Loraux, Mort, S. 111. 170 ) Vgl. Xen. Lak. Pol. 10.7; 13.1; S. 121 Anm. 6; Thommen, Politeia, S. 135–137; Dreher, Athen, S. 39, 114; Welwei, Kontinuität, S. 150f. 171 ) Vgl. im Folgenden: Hanson, War, 3ff.; Keegan, Kultur, S. 351–364.

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Handwaffen Mann gegen Mann Töten und Getötetwerden kein Zufall, und die Todesfurcht ist ein wichtiges Thema in den frühgriechischen Kampfparänesen.172 Brach die Schlachtreihe, folgte unmittelbar darauf die Niederlage, weshalb die Flucht allgemein geächtet war, in Sparta allerdings besonders drastisch. Die dichte Schlachtreihe war auch das Moment der Kohäsion, dass die Soldaten trotz der sehr konkreten Todesgefahr im Kampfgeschehen aushalten ließ. Im Vergleich zu anderen Armeen kam den Befehlshabern für das Durchhaltevermögen der Phalanx nur eine nachgeordnete Bedeutung zu (s. Kap. II.3.1). Die athenischen Polemarchen wurden gewählt, die spartanischen wahrscheinlich ernannt. An den Thermopylen kämpfte der spartanische Oberbefehlshaber mit; der persische Oberbefehlshaber saß dagegen auf einem Beobachtungsposten. Leonidas konnte somit zwar den direkt Umstehenden ein Vorbild geben, hatte aber weder einen Überblick über das Kampfgeschehen noch über komplizierte Manöver wie die von Herodot erwähnten Scheinfluchten. Leonidas fällt, ohne dass danach Panik ausbricht oder der Kampf eingestellt wird. Die militärische Disziplin der spartanischen Phalanx muss weitgehend ohne Einwirkung der Befehlshaber funktioniert haben, was auf einen hohen Grad der Internalisierung verweist. In der hohen Disziplin unterschied sich die spartanische Phalanx von den anderen Griechen. Dennoch ist diese Differenz nur qualitativ, nicht aber grundsätzlich.173 Internalisierte Disziplin setzt eine lange und umfassende militärische Sozialisation voraus.174 In der Antike galt Sparta als Militärstaat. Das gesamte Gemeinwesen, angefangen beim staatlichen Erziehungssystem, der Agoge´, das alle männlichen Spartiaten vom siebten bis zum zwanzigsten Lebensjahr durchlaufen mussten, bis hin zur Organisation der erwachsenen Männer in „Mahlgemeinschaften“ bzw. „Zeltgemeinschaften“ (Syssitien, Syskenien, Phiditien), war auf ein professionelles Kriegertum hin ausgerichtet.175 Die Spartiaten betrieben das Kriegshandwerk als Vollbeschäftigung, und ihre gesellschaftlichen Institutionen waren darauf angelegt, die Effizienz der Hoplitentaktik zu steigern. Die Agoge´, die in der Antike zur Gesetzgebung Lykurgs gezählt und deren Ursprung von der Forschung lange Zeit auf die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. datiert wurde, soll nach neueren Thesen erst nach den Perserkriegen, genauer nach dem Erdbeben von 464 v. Chr. und dem anschließenden Helotenaufstand eingeführt worden sein.176 Das zentrale Argument dafür ist, dass Herodot nichts von diesem Erziehungssystem 172 ) Vgl. Tyrt. Frg. 8 [= West 11]; oder bei dem etwas älteren Kallinos von Ephesos; vgl. Müller, Tod, S. 319, 322f. 173 ) Gegen Clarke, Spartan Ate, S. 65–77, der nachzuweisen versucht, dass Herodot indirekt Kritik an dem „sinnlosen“ Tod der 300 übt, und eine große Differenz zu den übrigen Griechen annimmt. Problematisch an der Beweisführung ist, dass direkt von der Sprache Homers auf diejenige Herodots und von den Begriffen auf die Wirklichkeit geschlossen wird. 174 ) Vgl. Bröckling, Disziplin, S. 9–29. 175 ) Vgl. Xen. Lak. Pol. 2–5; Plut. Lyk. 10, 12, 16–25; und indirekt Thuk 2.39. Vgl. Cartledge, Hopliten, S. 387– 425; ders., Spartans, S. 47–51; Finley, Sparta, S. 327–350; Clauss, Sparta, S. 142–178; Link, Kosmos. 176 ) Vgl. Thommen, Politeia, S. 115–146; ders. Sparta, S. 126–132; Le ´ vy, Sparte, S. 131–134. Dreher, Athen, S. 93, spricht vorsichtiger von Aufwertung; Welwei, Sparta (2001), S. 791, bleibt bei der Datierung ins 6. Jh. v. Chr.

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

berichtet.177 Allerdings ist es ein grundsätzliches methodisches Problem, ob man aus der Tatsache, dass Herodot etwas nicht erwähnt, automatisch darauf schließen kann, dass dieses Phänomen nicht existierte. Die Art und Weise, wie er den spartanischen Phalanxkampf hervorhebt und wiederholt thematisiert, sowie das Grabepigramm der Spartiaten sprechen dafür, dass es zur Zeit der Perserkriege bereits eine besondere militärische Sozialisation in Sparta gab. Das rhe´masi peitho´menoi des Epigramms lässt sich demnach als internalisierte Disziplin deuten.178 Die Wendung besagt, dass die Spartiaten kämpften und fielen, indem sie sich den Regeln, den Maximen ihres Spartiatentums unterwarfen. Das Gemeinwesen, dem sie entstammten, bestätigte sich mit dem Epigramm, dass es sich in dieser militärischen Extremsituation als leistungsfähig erwiesen hatte. Neben den militärischen Heldentaten einzelner, die sich am alten Adelsethos orientierten, zeigt sich hier das mit der Phalanxtaktik korrespondierende Leitbild kollektiven Heldentums.179 Mit der Inschriftensetzung bekräftigte Sparta bzw. die Amphiktyonen dauerhaft und öffentlich sichtbar, dass die Spartiaten den „Satzungen“ konform, d. h. ,richtig‘ gehandelt hatten. Die Inschrift formuliert den Kampf bis zum Tod als Verhaltensideal, das durch die Toten im Grab als ,gültig‘ bestätigt wird.180 Das Grabepigramm changiert nicht nur im Zusammenhang mit seiner Setzung zwischen einem spartanischen und einem amphiktyonisch-gemeingriechischen Kontext. Seiner Funktion nach ist es ein Kriegerdenkmal, mit dem sich ein Gemeinwesen an eine Gruppe seiner Bürger erinnert, die im Krieg für das Kollektiv gestorben sind. Diese soziale Praxis des Kriegergedenkens ist überhaupt nicht spezifisch spartanisch, sondern ein Strukturmerkmal der klassischen griechischen Polis.181 Am Anfang seiner Historien lässt Herodot den lydischen König Kroisos seinen athenischen Gastfreund Solon fragen, wer der glücklichste aller Menschen sei (1.30). Solon nennt zur Verblüffung des Königs Tellos aus Athen. Tellos habe in einer wohlgeordneten Stadt gelebt, seine Kinder und Enkel heranwachsen sehen und sei schließlich im siegreichen Kampf gegen Eleusis gefallen, wofür er ein Staatsbegräbnis erhielt und geehrt wurde. Auch wenn die Schlacht an den Thermopylen eine Niederlage war, erfüllen die 300 Spartiaten doch die Kriterien 177 ) Weiterhin wird das für den Wandel um 550 v. Chr. angeführte Abflauen der Kunstproduktion und der Olympiasiege als zu dürftig abgelehnt, obwohl die Indizien für eine Zäsur im 5. Jh. v. Chr. nicht zahlreicher sind; vgl. Libero, Rez. zu Thommen, S. 69f. Die Herabdatierung der Eigenheiten des spartanischen Staatswesens steht im Zusammenhang mit einer Richtung der Spartaforschung, die den – manchmal überbetonten – spartanischen „Sonderweg“ in der griechischen Polisentwicklung bestreitet. Da als ein konstitutives Merkmal des spartanischen Staatswesens gilt, dass die Spartiaten ihre Herrschaft über die von ihnen gewaltsam helotisierte Bevölkerung Lakoniens und Messeniens sichern mussten, läuft das Bestreiten des „Sonderwegs“ auch auf eine Relativierung der Helotie hinaus; vgl. Dreher, Athen, S. 133f.; Thommen, Sparta, S. 112–114. Dagegen: Baltrusch, Mythos, S. 2f., 22f.; vermittelnd: Welwei, Kontinuität, S. 150–157. 178 ) Vgl. Müller, Tod, S. 327; Loraux, Mort, S. 109. 179 ) Vgl. Le ´ vy, Sparte, S. 130 f. Für Athen vgl. Müller, Tod, S. 327. 180 ) Die Frage ist, ob es für das „nomologische Wissen“ über Recht und Unrecht, richtig und falsch etc. (vgl. Hölkeskamp, Nomos, S. 129–133) nicht ebenso öffentlicher Setzungen bedurfte wie für die Gesetze. 181 ) Vgl. Loraux, Invention; Müller, Tod, S. 317–340.

1.5. Die exemplarische Strukturierung der Vergangenheit

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für die glücklichsten Menschen. Unabhängig davon, ob Herodot in diesem Dialog genuin solonische Gedanken oder eine eigene Interpretation solonischer Elegien wiedergibt, wird die Verbindung zwischen der Verteidigungsbereitschaft des Einzelnen und der Sicherung seines Andenkens durch die Polis in der frühgriechischen Lyrik auffällig häufig thematisiert.182 Speziell für den spartanischen Kontext findet sich eine Charakterisierung des politischen Totenkultes bei Tyrtaios Frg. 9 [=West 12]: Das Gedenken des Sängers (V 1) gilt dem Mann, der unerschütterlich in der Schlachtreihe ausharrt (V 10–22). Fällt er, so wird sein Tod von der gesamten Polis betrauert, die ihm und seiner Familie fortdauernde Ehre erweist, wodurch er unsterblich wird (V 23–34). Überlebt er die siegreiche Schlacht, so wird er bis an sein Lebensende von den Bürgern der Polis geehrt (V 35– 42). Idealtypisch wird hier formuliert, dass militärische Ehre im Krieg einzig für die Polis errungen und allein von ihr zuerkannt werden kann. Das Einzelheldentum nach homerischem Modell wird ausdrücklich abgelehnt (V 2–9). Der politische Totenkult, wie ihn Tyrtaios besingt, ist nicht religiös begründet, sondern folgt dem Prinzip des Tausches. Den Einsatz ihres Lebens lohnt die Polis den Bürgern mit ihrer weltlichen Unsterblichkeit. In der Gewissheit, dass seiner ruhmvoll gedacht werden wird, kann Leonidas sich bei Herodot dafür entscheiden, im Engpass zu bleiben. Die Gesänge des Tyrtaios wurden in Sparta vermutlich bei Symposien, später bei den Syssitien vorgetragen und zirkulierten spätestens im 4. Jahrhundert v. Chr. auch in Athen.183 Die soziale Praxis des politischen Totenkultes war in den Poleis des 5. Jahrhunderts v. Chr. ein wichtiges Element der Identitätspolitik. Da im politischen Totenkult Bürgerstatus, Phalanxtaktik und die kleinräumige politische Einheit miteinander verflochten waren, ist er ein gemeinsames Strukturelement der Polis. Auf dieser Ebene lässt sich das ,Spartanische‘ in Herodots Darstellung der Schlacht an den Thermopylen, das Orakel und das Grabepigramm, panhellenisch lesen. Obwohl allen Poleis gemeinsam, entfaltete der politische Totenkult eine extrem zentrifugale Dynamik, denn so wie Tellos von Athen im Kampf gegen Eleusis fiel, führten die Griechen meistens gegeneinander Krieg.184 Zwar lag im Gedenken an die Toten der Perserkriege das Potential, eine gemeinsame griechische Vergangenheit zu begründen, und zumindest für die Gefallenen von Plataiai gab es alle vier Jahre ein gemeinsames Kriegergedenken der an der Schlacht beteiligten Poleis.185 Auch für die Thermopylenkämpfer ist ein rituelles Totengedenken an den Thermopylen zumindest wahrscheinlich, zumal die Gräber im Bereich einer Kultgemeinschaft lagen.186 Marathon und Salamis aber wurden im Verlauf des 182 )

Vgl. Müller, Tod, S. 318–330; Meier, Aristokraten, S. 272–324; ders., Tyrtaios. Vgl. Bowie, Tyrtaios, S. 957; die Fragmente von Tyrtaios sind teilweise in athenischem Kontext überliefert; vgl. Müller, Tod, S. 328, 330. 184 ) Ein weiteres Beispiel ist die Totenrede des Perikles auf die athenischen Gefallenen des ersten Kriegsjahres des Peloponnesischen Krieges (Thuk. 2.35– 46). 185 ) Vgl. Plut. Arist. 21. Die Plataier feierten jedes Jahr (Thuk. 2.71; 3.58); vgl. Chaniotis, Gedenktage, S. 124; Hölkeskamp, Marathon, S. 335f. Der Kult des Zeus Eleutherios bzw. Soter erhielt wahrscheinlich erst in der 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr. seine panhellenische Bedeutung; vgl. Raaflaub, Freiheit, S. 126f. 186 ) Allerdings gibt es keinen eindeutigen Beweis dafür; vgl. Clarke, Spartan Ate, S. 64 f., 77f. Anm. 6. 183 )

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1. Die Schlacht an den Thermopylen in Griechenland

5. Jahrhunderts v. Chr. in eine spezifisch athenische Deutung der Vergangenheit einbezogen und mit dem hegemonialen Anspruch Athens verknüpft.187 Gegen die Machtpolitik und den Konfrontationskurs Athens im Vorfeld des Peloponnesischen Krieges war das gemeinsame Gedenken an die Toten des vereinten Abwehrkrieges wirkungslos, weshalb für das 5. Jahrhundert v. Chr. in Bezug auf die Perserkriegsschlachten kaum von einer panhellenischen oder gar ,nationalen‘ Identitätsstiftung gesprochen werden kann.188 Das Medium, das die Abwehr der persischen Invasion dauerhaft als eine gemeinsame Vergangenheit der Griechen formte und bewahrte, waren Herodots Historien. Der Bezugspunkt war das ,Heroische Zeitalter‘ der homerischen Epen, diejenige integrative Vergangenheit, durch die unter anderem ,Griechisch-Sein‘ definiert wurde.189 In Herodots Geschichtswerk ist die Erinnerung an die Toten der Niederlage im Engpass, die in den Heimatpoleis und am Schlachtort gepflegt wurde, in einen panhellenischen Kontext übertragen. Durch die schriftliche Fixierung wurden die oralen Traditionen über diese Schlacht ihren spezifischen Überlieferungsmechanismen und lebensweltlichen Kontexten entzogen.190 Herodot hat verschiedene erklärende, bereits exemplarisch deutende Elemente von Erzählungen über die Niederlage in seiner Darstellung zusammengeführt und versucht, über die einzelnen, konkreten Rezeptionssituationen wie z. B. das Kriegergedenken hinaus, die allgemeine griechische Erinnerung an diese Schlacht zu bestimmen. Zwar bestanden die verschiedenen oralen oder auch schriftlichen Traditionen mit Sicherheit weiter,191 dennoch dominierte Herodots Darstellung bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. die Erinnerung an die Schlacht. Die Niederlage an den Thermopylen erhält ihre weit über das Militärisch-Strategische hinausgehende Bedeutung durch Herodot. Seine Beschreibung der Schlacht basiert einerseits auf mehr oder weniger statischen, eindrucksvollen Bildern:192 der Engpass, die kleine griechische Truppe, die heranstürmenden feindlichen Horden, der Kampf der eigentlich unbezwingbaren Spartiaten, der Verrat, die Entscheidung des Leonidas zu bleiben, der letzte Kampf. Andererseits werden die tieferen Handlungszusammenhänge durch Herodots archaisch-religiöse Gedankenwelt hergestellt. Als dieses Denken durch die rationalisierende Weltsicht der Sophistik in Frage gestellt wurde, blieben die Bilder, und sie erweisen sich über die Jahrhunderte als universal anschlussfähig.

187 ) Vgl. Hölkeskamp, Marathon, S. 340–349; Gehrke, Marathon, S. 20–24; Flashar, Marathon, S. 69–74; Herzig, Salamis, S. 19–21; s. Kap. I.2.1. 188 ) Vgl. Kehne, Leonidas, S. 21ff., der für Leonidas „nationales Heldentum“ geltend machen will, ohne dass klar wird, ab wann. Der für das antike Griechenland ohnehin problematische Nationsbegriff wird auf die vorpolitische Bedeutungsschicht zurückgeführt, die allerdings in der deutschen Sprache bereits im 19. Jh. vom Volksbegriff abgelöst wurde; vgl. Koselleck, Volk, S. 325– 430. 189 ) Vgl. Vandiver, Heroes, S. 19–24; Hornblower, Introduction, S. 54–72; Assmann, Gedächtnis, S. 272–301. 190 ) Vgl. Cobet, Herodot, S. 227f. 191 ) Ein Hinweis auf eine diffundierende Rezeption ist Aristoph. Lys. 1255–1261; vgl. Philipp, Gesetz, S. 3; Kehne, Leonidas, S. 46. 192 ) Vgl. Immerwahr, Tat, S. 499; Cobet, Herodot, S. 231.

2.1. Die Schlacht bei den attischen Rednern des 4. Jhs. v. Chr.

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2. Zwischen Athen und Rom: Die Schlacht an den Thermopylen bei den attischen Rednern und bei Diodor 2.1. Das rhetorische Exempel. Die Schlacht bei den attischen Rednern des 4. Jahrhunderts v. Chr. Im 4. Jahrhundert v. Chr. erfährt die Schlacht an den Thermopylen gegenüber dem Bericht Herodots zentrale Bedeutungsverschiebungen und ist erstmals gehäuft außerhalb der Historiographie greifbar. Damit wird der Schlacht eine Funktion zugeschrieben, die über die Erinnerung an das Ereignis hinausgeht. Die Schlacht findet sich als historisches Exempel in einer Reihe von athenischen Reden, die zu sehr unterschiedlichen Anlässen geschrieben wurden.1 Die früheste dieser Reden, die erhalten ist, der Epitaphios des Lysias, stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 391 v. Chr.,2 die späteste, Lykurgs Anklagerede Gegen Leokrates, datiert von 331/0 v. Chr. Während dieses Zeitraums änderten sich die politischen Konstellationen grundlegend: So stand anfangs Griechenland unter der Vorherrschaft Spartas, das den Peloponnesischen Krieg gewonnen hatte, und Athen versuchte, sich im Korinthischen Krieg (395–386 v. Chr.) der spartanischen Hegemonie zu entledigen. Am Ende des Zeitraums stand Athen unter makedonischer Oberhoheit, und Sparta war in politische Bedeutungslosigkeit versunken. Vor diesem bewegten politischen Hintergrund erhellen die Reden schlaglichtartig die athenische Rezeption der Schlacht an den Thermopylen im 4. Jahrhundert v. Chr.; über eine Rezeption anderswo in Griechenland lässt sich nichts sagen. Die Reden gehören in unterschiedliche Kontexte: Der Epitaphios des Lysias ist eine der überlieferten Grabreden, die als feierlicher Abschluss beim athenischen Staatsbegräbnis gehalten wurden, bei dem die toten Soldaten am Ende eines jeden Kriegsjahres auf dem Kerameikos beigesetzt wurden. Der Panegyrikos des Isokrates aus dem Jahr 380 v. Chr. und der Panathenaikos, seine letzte Rede von 339 v. Chr., gehören beide zur Gattung der Festreden. Allerdings sind sie, wie alle Reden des Isokrates, nicht als Vorträge zu einem konkreten Anlass geschrieben, sondern als Stellungnahmen mit allgemein politischem Anspruch, die zum Vorlesen bzw. Lesen gedacht waren.3 In der Rede des Archidamos von 366 v. Chr. fingiert Isokrates einen Appell des spartanischen Thronprätendenten, weiter um das von Theben befreite Messenien zu kämpfen. In der Rede an Philipp II . von Makedonien richtet sich Isokrates in einer mahnenden Lobrede an den König, der nach dem Philokratesfrieden von 346 v. Chr. seine Machtposition in Griechenland gefestigt hatte. Lykurgs Rede Gegen Leokrates, in der er diesen wegen Hochverrats (Eisangelie) anklagt, Vgl. Lys. 2.31; Isokr. 4.92, 5.148, 6.100, 12.187; Lyk. Leokr. 108 f. und Xen. Hell. 6.5.43. 2 ) Vgl. Prinz, Epitaphios, S. 232. 3 ) Isokrates trug seine Reden wegen mangelnder Stimmkraft nicht selbst vor; vgl. Usener, Isokrates, S. 13–137.

1)

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2. Zwischen Athen und Rom

gehört in die Praxis der athenischen Rechtsprechung. Im Folgenden soll betrachtet werden, wie, wo und mit welcher Absicht die Schlacht an den Thermopylen in den einzelnen Reden rezipiert wird. Im Epitaphios des Lysias wird die Niederlage an den Thermopylen im Tatenkatalog erwähnt, in dem Athens Großtaten der Vergangenheit aneinandergereiht sind (2.4– 47).4 Der Tatenkatalog gehört zu den festen Bestandteilen des Epitaphios Logos, findet sich aber durchaus auch außerhalb der Totenfeiern in politischen Argumentationen, so z. B. im Panegyrikos des Isokrates (4.51–99).5 An die Taten der Vergangenheit wird der aktuelle Krieg angeschlossen, dessen Tote mit der Rede geehrt werden; bei Lysias handelt es sich um eine nicht näher zu spezifizierende Episode des Korinthischen Krieges, in dem Athen im Bund mit Theben die spartanische Vorherrschaft abschütteln und seine alte Machtsphäre in der Ägäis wiedererlangen wollte. Es ist unsicher, ob Lysias die Rede selbst gehalten hat, denn er war Metoike, und in der Regel wurde diese ehrenvolle Aufgabe Vollbürgern und häufig führenden Politikern übertragen.6 Lysias beginnt den Tatenkatalog wie üblich mit dem Kampf der Athener gegen die Amazonen. Es folgen die athenische Unterstützung für den Argiver Adrastos, den Anführer der ,Sieben gegen Theben‘, als er die Leiche des Polyneikes aus den Händen der Thebaner befreite, die Aufnahme der von Eurystheus vertriebenen Herakliden in Athen, die athenische Autochthonie und Verfassung und die Perserkriege (2.20– 47). Anschließend werden Ereignisse aus der jüngeren athenischen Geschichte erzählt (2.48–68), wobei die Niederlage im Peloponnesischen Krieg bei Aigospotamoi 405 v. Chr. lediglich gestreift wird.7 Die Darstellung der Perserkriege folgt einem athenzentrierten Blick auf die Vergangenheit: Bei Marathon und Salamis kämpften und siegten die Athener alleine, und auch die undurchsichtigen Manöver vor Artemision sind zum athenischen Sieg geworden.8 An den Thermopylen hätten die Spartaner es nicht an Gesinnung (taiÄw cyxaiÄw 2.31) fehlen lassen, sondern seien zu wenige gewesen und hätten sich zudem in der Zuverlässigkeit ihrer Verbündeten getäuscht. Daher seien sie nicht besiegt worden, als sie auf ihrem Posten starben.9 Die Niederlage wird mit der zu geringen Zahl der Verteidiger und mit 4 ) Vgl. Kartes, Epitaphios; Prinz, Epitaphios, S. 231–252; Loraux, Invention, S. 91–94, S. 194–200 und passim; Müller, Platon, S. 140–156. 5 ) Vgl. Kierdorf, Perserkriege, S. 84–110. Als Argument in politischen Kontexten bei Hdt. 9.27; Thuk. 1.73–78; Plut. Sull. 13.5. Zur Nähe des Panegyrikos zum Epitaphios des Lysias vgl. Buchner, Panegyrikos, S. 30 passim; Kleinow, Überwindung, S. 42 passim. 6 ) Vgl. Kartes, Epitaphios, S. 126–144; Prinz, Epitaphios, S. 232–234. Lysias wurde wahrscheinlich 445 v. Chr. in Athen geboren, das Todesdatum ist unsicher, die letzten Reden stammen aus den 380er Jahren. Als junger Mann lebte er in Thurioi, kehrte 412 v. Chr. nach Athen zurück und arbeitete als Redelehrer und Logograph. Als Demokraten und Metoiken fielen die Angehörigen der Familie den sog. Dreißig Tyrannen zum Opfer, Lysias’ Bruder wurde ermordet, das Familienvermögen beschlagnahmt. Nach der Restauration der Demokratie sollte Lysias das Bürgerrecht erhalten, was an einem Formfehler scheiterte. 7 ) Die Rede schließt mit dem Trost für die Hinterbliebenen (2.69–81). 8 ) Zur Rezeption der Schlacht von Marathon im 4. Jh. v. Chr. vgl. Flashar, Marathon, S. 69–72; Gehrke, Marathon S. 24f.; Hölkeskamp, Marathon, S. 349. 9 ) Vgl. Kartes, Epitaphios, S. 65f.; Tigerstedt, Legend 1, S. 202f.; Loraux, Invention, S. 141. Zit. nach Lysias Ausg. Lamb.

2.1. Die Schlacht bei den attischen Rednern des 4. Jhs. v. Chr.

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den unzuverlässigen Bundesgenossen begründet, Argumente, die sich auch in der Darstellung Herodots finden. Isokrates deutet im Panegyrikos die Niederlage der Spartaner, die ebenfalls im Tatenkatalog erwähnt wird, auf ähnliche Weise; als die 1000 Lakedaimonier starben, wurden nur ihre Körper, nicht aber ihre Gesinnung (taiÄw cyxaiÄw 4.92) vernichtet.10 Das Schicksal sei ihnen im Gegensatz zu den Athenern am Kap Artemision nicht gewogen gewesen. Isokrates nennt eine andere Zahl für die Lakedaimonier wie Herodot und trennt den Körper von der Psyche sowie den Ausgang der Schlacht von der grundsätzlichen Einstellung der Thermopylenkämpfer, um die Niederlage in einen Sieg umzudeuten. Auffällig ist bei der Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in diesen und in den anderen Reden, dass immer die Lakedaimonier oder Spartiaten als Gruppe erwähnt werden, niemals aber Leonidas. Die Schlacht bei Plataiai referiert Lysias nur kurz. Der Sieg wird als gemeinschaftliche Leistung der Lakedaimonier, Tegeaten, Athener und Plataier dargestellt und damit zu Ungunsten der Spartiaten neu bewertet. Die Schlacht bei Mykale fehlt. Insgesamt bezeichnet Lysias die Perserkriege als Kampf für die Ä n ëEllhÂnvn eÆleyueriÂaw 2.34, 42).11 Dement„Freiheit der Griechen“ (thÄw tv sprechend habe die Absicht der ,Barbaren‘ darin bestanden, „Europa zu versklaven“ (thÁn EyÆrvÂphn doylvÂsesuai 2.21).12 Die Perserkriege werden als die panhellenischen Kriege schlechthin gedeutet.13 Die ,Griechen‘ werden ohne jedwede Differenzierung in Abgrenzung zu den ,Barbaren‘ definiert, wobei den ,Griechen‘ die Freiheit und den ,Barbaren‘ die Sklaverei zugeordnet ist. Dieses panhellenische Deutungsmuster, das bei der Darstellung der Perserkriege dominiert, verschleiert, dass es im Epitaphios in erster Linie darum geht, aus der mehr oder weniger alten Geschichte, der Autochthonie und der Verfassung die natürliche Vorherrschaft Athens vor allen anderen Griechen zu begründen. Die Grabrede gehört als Teil des offiziellen Kriegergedenkens in den Kernbereich athenischer Identitätspolitik, da sie den Begründungszusammenhang herstellt, warum es sich für die athenischen Bürger auszahlt, für die Polis ihr Leben einzusetzen. So sind zwar die Perserkriege auch dadurch als panhellenisch gekennzeichnet, dass die Spartaner für ihre Tat an den Thermopylen gewürdigt und der Sieg von Plataiai als gemeinsames Verdienst mehrerer Poleis herausgestellt wird. Aber tendenziell fallen damit den Athenern alle Siege zu, während die Spartaner für ihre Niederlage gelobt, für ihren entscheidenden Beitrag zum Sieg bei Plataiai dagegen nicht hervorgehoben werden. Im Panegyrikos des Isokrates wird die Schlacht bei Plataiai überhaupt nicht mehr erwähnt; der entscheidende Sieg über Xerxes wird von den Athenern bei Salamis errungen (4.97–99).14 In dieser athen-zentrierten Rezeption der Perserkriege im 4. Jahrhundert v. Chr., die sich in der Überlieferung durchsetzte, ist wahrscheinlich der Grund dafür zu sehen, dass ausgerechnet der 10 ) Zit. griechisch nach Isokrates Ausg. Norlin, deutsch nach Isokrates Ausg. Ley-Hutton/ Brodersen. 11 ) Vgl. auch Lys. 2.44; 2.47. 12 ) Vgl. auch Lys. 2.46. 13 ) Vgl. Kartes, Epitaphios, S. 98–114. 14 ) Vgl. Buchner, Panegyrikos, S. 104.

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2. Zwischen Athen und Rom

entscheidende Landsieg bei Plataiai in der späteren Rezeption aus dem Kanon der Perserkriegsschlachten herausgefallen ist. Die Argumentation, mit der aus den mythischen und historischen Exempeln des Tatenkatalogs der hegemoniale Anspruch Athens abgeleitet wurde, ist hinlänglich bekannt.15 Der Tatenkatalog der Grabrede gehörte wahrscheinlich in den Kontext des Ersten Attischen Seebundes, als die Herrschaftsausdehnung Athens unter Rückgriff auf die Vergangenheit neu begründet und legitimiert wurde. Zur Zeit des Epitaphios von Lysias war Athens alte Macht und Herrlichkeit zwar dahin, aber die Argumentation, dass Athen die natürliche Vormachtstellung gebühre, wurde weiterhin als Anspruch formuliert. Als negatives Kontrastbild diente die aktuelle spartanische Hegemonie, die im Gegensatz zur früheren athenischen nicht von Freiheitsliebe und Gerechtigkeitssinn, sondern von purem Egoismus geleitet sei. So seien die zu ehrenden Toten im Kampf für die Freiheit der lakedaimonischen Bundesgenossen gefallen, die sich unter der spartanischen Hegemonie im Zustand der Sklaverei befänden (2.68). Von diesem negativ gezeichneten Spartabild, das sich aus dem Anlass der Rede ergibt, ist die Schlacht an den Thermopylen deutlich abgehoben. Die ungebrochen positive Darstellung trennt die Spartaner an den Thermopylen vom konkreten, zeitgenössischen Sparta.16 Damit eröffnet sich für die Darstellung der Schlacht bei Lysias eine weitere Deutungsebene. Da die Niederlage vom aktuellen politischen Kontext abgelöst erscheint, lässt sie sich nicht nur im Hinblick auf den spartanisch-athenischen Dualismus, sondern auch allgemein lesen: Die arete´, die richtige moralische Haltung, ist vom erfolgreichen Ausgang einer Schlacht zu trennen. Im Begründungszusammenhang athenischer Hegemonie lässt sich diese Aussage ohne Weiteres auf athenische Niederlagen übertragen, z. B. auf die bei Aigospotamoi.17 Die Deutung der Perserkriege als panhellenische Kriege schlechthin erscheint im Panegyrikos des Isokrates, in dem die Schlacht an den Thermopylen wie bei Lysias im Tatenkatalog zitiert wird, in einem anderen Zusammenhang. Isokrates war während seines langen Lebens einer der prägenden Intellektuellen in Athen und aus seiner Rhetorik-Schule gingen viele bedeutende Politiker und Gelehrte hervor.18 Er gehörte der Generation an, die in ihrer Jugend den Zusammenbruch Athens im Peloponnesischen Krieg erlebt hatte, wobei das Vermögen seiner Familie verloren ging. Die Art und Weise, wie Isokrates Vergangenheit konzeptualisiert, ist von diesem Bruch in der Geschichte Athens geprägt. Im Panegyrikos wirbt Isokrates für einen Präventivkrieg gegen das Achämenidenreich, den alle 15 ) Vgl. Kartes, Epitaphios, S. 37–92; Prinz, Epitaphios, S. 234–245; Hölkeskamp, Marathon, S. 346–349; Raaflaub, Freiheit, S. 215–257; Kierdorf, Perserkriege, S. 84–95. 16 ) Vgl. Kartes, Epitaphios, S. 104. 17 ) Vgl. Prinz, Epitaphios, S. 239. 18 ) Isokrates lebte von 436–338 v. Chr., die meiste Zeit in seiner Heimatstadt Athen. Er war der Sohn eines wohlhabenden Flötenfabrikanten und erhielt eine gründliche Ausbildung u. a. bei Gorgias von Leontinoi. Nach dem Peloponnesischen Krieg arbeitete er zunächst als Logograph, bis er 390 v. Chr. eine Rhetorik-Schule eröffnete, in der u. a. Lykurg, Theopomp, Timotheos, Isaios und Theodektes lernten. Seine Beurteilung in der Forschung war lange Zeit vernichtend, ist in den letzten Jahren allerdings revidiert worden; vgl. Walter, Forschungen, S. 258–264; Orth, Perspektiven, S. 1–6.

2.1. Die Schlacht bei den attischen Rednern des 4. Jhs. v. Chr.

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Griechen gemeinsam unter der Führung von Athen und Sparta (4.17–18) führen sollen. Die Rede, die Isokrates nach langer Abfassungszeit 380 v. Chr. vollendete (4.14), ist nicht für einen aktuellen Anlass geschrieben, sondern eine allgemeine politische Programmschrift in der Form einer panhellenischen Festrede,19 die nicht die politischen Realitäten abwägt, sondern mit dem ganzen Arsenal an Barbarenstereotypen gegen das Achämenidenreich hetzt. Auch wenn es keine konkreten, an einem Ort versammelten Adressaten für die Rede gab, da sie von vornherein für die Publikation konzipiert war, zielt sie durchaus auf politisches Handeln ab.20 Der Panegyrikos zerfällt argumentativ in zwei Teile: Im ersten, epideiktischen Teil (4.20–128) entwirft Isokrates im Tatenkatalog eine ähnlich auf Athen konzentrierte Vergangenheit wie Lysias im Epitaphios und leitet daraus ebenfalls athenische Hegemonieansprüche ab. Dies geschieht in Abgrenzung zu Sparta. Im zweiten, symbuleutischen Teil (4.129–186) ruft Isokrates dazu auf, dass Athen und Sparta gemeinsam einen neuen Krieg gegen die Perser anführen sollen. Diese inhaltliche Spannung lässt sich nicht ganz auflösen. Denn Athen befand sich zu dem Zeitpunkt, als die Rede erschien, keineswegs in der politischen Position, hegemoniale Ansprüche stellen zu können, da der ,Königsfriede‘, mit dem auf Initiative des persischen Großkönigs der Korinthische Krieg 386 v. Chr. beendet worden war, Spartas – wenn auch geschwächte – Machtposition im griechischen Mutterland bestätigt hatte.21 Trotz dieses Widerspruchs zwischen den beiden Teilen der Rede werden die Perserkriege im Tatenkatalog zum direkten Vorbild für einen neuen Kampf um die „allgemeine Rettung“ (thÄw koinhÄw svthriÂaw 4.85) des „gemeinsamen Vaterlandes“ (koinhÁn deÁ patriÂda thÁn ëEllaÂda 4.81) unter athenisch-spartanischer Führung. Isokrates und auch Lysias sahen einen Bruch zwischen der glorreichen Perserkriegszeit und der eigenen Gegenwart, die gegenüber der Vergangenheit als defizitär wahrgenommen wurde. Den Einschnitt markierte für sie Athens Niederlage im Peloponnesischen Krieg, in deren Folge der Erste Seebund aufgelöst worden war, jene Basis athenischer Machtentfaltung, deren Existenz unmittelbar aus den Perserkriegen abgeleitet wurde. Da die athenische Deutung der Perserkriege mit der Legitimierung athenischer Hegemonie im Seebund eng verknüpft war, veränderte sie sich nach der Auflösung des Seebundes qualitativ. Es verfestigten sich nicht nur die Deutungstopoi vom Freiheitskampf und von den Athenern als ,Vorkämpfern‘ der Griechen, sondern die Rezeption der Perserkriege war nunmehr mit dem Verlust alter Größe verbunden. Eine Revitalisierung der Perserkriege in einem neuen Perserkrieg, wie sie Isokrates im Panegyrikos vorschlug, verhieß eine Möglichkeit, die alte Macht wiederzugewinnen. Obwohl Isokrates’ Programm vermutlich eher als Idealismus galt, verschwand im 4. Jahrhundert v. Chr. das Ziel, die vergangene Größe Athens wiederherzustellen, niemals ganz aus der politischen Praxis.22 19 ) In der älteren Literatur und auch noch in der Isokrates Ausg. Ley-Hutton/Brodersen, S. 5, gilt der Panegyrikos als Programmschrift für den Zweiten Attischen Seebund, was bereits Buchner, Panegyrikos, S. 140f., widerlegt hat. 20 ) Vgl. Bleicken, Demokratie, S. 388f.; Walde, Rhetorik, S. 963. 21 ) Vgl. Walter, Isokrates, S. 78–94; Weißenberger, Isokrates, S. 95–110; Tigerstedt, Legend 1, S. 182–185. 22 ) Vgl. Dreher, Athen, S. 139–170.

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2. Zwischen Athen und Rom

Neben der Freiheitstopik verfestigte sich für die Deutung der Perserkriege auch die antithetische Konstruktion von ,Griechen‘ und ,Barbaren‘. Zwar brauchen Feindbilder grundsätzlich keinen Bezug zur Realität, zumal ,Barbarentum‘ im Verbund mit ,Sklaverei‘ das Antonym zum innenpolitisch und innergriechisch so zentralen Freiheitsbegriff bildete.23 Allerdings hatten sich seit dem Peloponnesischen Krieg die politischen Konstellationen dahingehend verändert, dass das Achämenidenreich in der Form von Subsidien häufiger in die innergriechischen Konflikte eingriff als im Jahrhundert zuvor. Im Korinthischen Krieg hatte Persien abwechselnd die beiden griechischen Kriegsparteien finanziell unterstützt und schließlich, da es den Griechen nicht gelang, den Krieg zu beenden, die Friedensbedingungen im „Königsfrieden“ diktiert. Andererseits dienten seit dem Peloponnesischen Krieg zahlreiche Griechen als Söldner im persischen Militär. Der Sieg eines griechischen Söldnerheeres, das den Usurpationsversuch des jüngeren Kyros unterstützte, über das persische Heer bei Kunaxa und der anschließende Rückzug durch ganz Kleinasien ohne größere Verluste (401/400 v. Chr.) hatten überdies gezeigt, dass das politisch so mächtige Perserreich militärisch zu schlagen war. Die Sphären des griechischen Mutterlandes und des Perserreiches griffen stärker ineinander als in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr., und die griechische Barbarentopik wurde zusätzlich von neuen antipersischen Ressentiments unterfüttert. Da Isokrates im Panegyrikos die Perserkriege der Vergangenheit als Argument für einen gemeinsamen neuen Krieg gegen Persien benutzt, ist seine Deutung der Perserkriege deutlich panhellenischer als diejenige im Epitaphios des Lysias. Das aktuelle politische Interesse wirkt auf die Interpretation der vergangenen Ereignisse zurück: Die griechischen Verteidiger von damals werden homogener, als sie je waren; Ziel und Ergebnis des Kampfes werden in Stereotypen gefasst, die gleichzeitig aktuelle politische Schlagworte sind. Die verfestigte Deutung der Perserkriege als Freiheitskampf, in dem „die Griechen“ „das Vaterland“ gegen den ,barbarischen‘ Gegner aus dem Osten verteidigten, gilt für alle Perserkriegsschlachten gleichermaßen. Betrachtet man die Schlachten im Einzelnen, so wird deutlich, dass auch bei Isokrates das panhellenische Deutungsmuster eine ,athenische Schlagseite‘ hatte.24 Während im Panegyrikos des Isokrates und bei Lysias die Schlacht an den Thermopylen in ihrem historischen Kontext der Perserkriege steht, wird sie im Archidamos und im Panathenaikos des Isokrates sowie bei Lykurg unabhängig von diesem Kontext rezipiert. Nicht die Perserkriege insgesamt, sondern die Schlacht selbst wird als historisches Argument für sehr unterschiedliche Argumentationsziele eingesetzt. In der Rede des Archidamos, die Isokrates 366 v. Chr. in der spartafreundlichsten Stimmung seines Lebens schrieb, lässt er den Thronfolger des Eurypontiden-Hauses (reg. 361–338 v. Chr.) die Schlacht an den 23 )

Vgl. Raaflaub, Freiheit, S. 108–257. Generell ist im Werk des Isokrates das ethische Wertesystem, zu dem auch die Vorstellung von Ruhm und Ehre gehören, an die Polis und damit an Athen gebunden, vgl. Alexiou, Ruhm, S. 16–54, wie überhaupt seine pragmatische Erkenntnislehre auf den demokratischen, bürgerstaatlichen Alltag bezogen bleibt; vgl. Walter, Sense, S. 435– 440. 24 )

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Thermopylen unter den vorbildhaften Taten der Vorfahren anführen (6.100). In Erinnerung an die 1000 Thermopylenkämpfer, die angesichts einer Übermacht weder flohen noch eine Niederlage erlitten, sollten die Spartaner weiter um Messenien kämpfen. Die von Isokrates suggerierte Szenerie hat einen völlig neuen politischen Hintergrund.25 Im Juli 371 v. Chr. war ein peloponnesisches Heer bei Leuktra in Boiotien von einer thebanischen Armee unter Epameinondas vernichtend geschlagen worden. Von 700 Spartiaten fielen 400 sowie der König aus dem Haus der Agiaden, Kleombrotos. Der militärischen Niederlage folgte in den nächsten Jahren der politische Machtverlust, denn mit der Unterstützung Thebens befreite sich Messenien nach fast drei Jahrhunderten von der spartanischen Herrschaft. Ein thebanisches Heer griff Lakonien an – erstmals in der Geschichte Spartas, und die peloponnesischen Bundesgenossen fielen von Sparta ab. Die militärische Lage Spartas war dramatisch, und Theben forderte einen Friedensvertrag, in dem Sparta die Unabhängigkeit Messeniens hätte anerkennen müssen, was den Verlust eines Drittels des spartanischen Staatsgebiets bedeutet hätte. Sparta unterzeichnete weder diesen Vertrag noch den allgemeinen Frieden nach der Schlacht von Mantineia 362 v. Chr., und in dieser Hinsicht hat Isokrates die politische Grundhaltung Spartas in seiner Rede des Archidamos wohl recht gut getroffen. Dennoch ist die Argumentation der Rede, angesichts der Taten der Vorfahren den Krieg fortzuführen, der athenische Entwurf einer spartanischen Vergangenheit. Die kurze Darstellung der Schlacht an den Thermopylen folgt der geläufigen athenischen Deutung: Es waren 1000 Mann, die Niederlage war ein moralischer Sieg, und Leonidas wird nicht erwähnt.26 Nach der Schlacht bei Mantineia wurde die Autonomie Messeniens anerkannt. Sparta schied für immer aus der Reihe der Großmächte aus und blieb fortan in seinem Aktionsradius auf die Peloponnes beschränkt.27 Obwohl Isokrates in der Rede an Philipp II . von Makedonien und im Panathenaikos völlig verschiedene Themen behandelt, verbindet er in beiden Reden die Schlacht an den Thermopylen mit derselben Grundaussage, die sich etwas von 25 )

Vgl. Blass, Beredsamkeit 2, S. 288–292; Tigerstedt, Legend 1, S. 197–200. Im selben historischen Kontext nach der Schlacht von Leuktra wird die Schlacht an den Thermopylen von Xenophon (Hell. 6.5.43) rezipiert, und zwar ebenfalls in einer Rede, die der Phleiasier Prokles vor der athenischen Volksversammlung hielt. Prokles spricht sich für die Unterstützung der Spartaner gegen die Thebaner aus, indem er an athenisch-spartanische Waffenbrüderschaft gegen Xerxes erinnert. An den Thermopylen hätten die Spartaner bewiesen, dass sie bereit gewesen seien, für Griechenland zu sterben. Unausgesprochen bleibt, dass Theben nicht der zuverlässigste Koalitionspartner gegen Xerxes war. 27 ) Bei Leuktra und Mantineia rächte sich, dass Sparta sich den militärischen Innovationen des 4. Jhs. v. Chr., dem Einsatz von Peltasten und Reitern, verschlossen hatte, da Phalanxkampf, militärisches Ethos, politisches System und die machtpolitische Basis des spartanischen Staates besonders eng verflochten waren; vgl. Schulz, Revolution, S. 290–293. Symptomatisch dafür ist ein für ebenjenen Archidamos überliefertes Apophthegma, in dem er angesichts der neuen Katapulte aus Syrakus entsetzt ausrief, dass die männliche arete´ nun nichts mehr gelte; vgl. Plut. Apophth. Lac. 219 A Nr. 8. Den Grund für den Niedergang Spartas sah bereits Aristoteles im Mangel an Vollbürgern, deren Zahl sich aufgrund der Besitz- und Kapitalkonzentration immer weiter verringert hatte; vgl. Cartledge, Spartans, S. 228–240. 26 )

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seiner früheren Charakterisierung dieses Ereignisses unterscheidet.28 In der nach 346 v. Chr. geschriebenen Rede an Philipp trägt er sein panhellenisches Programm, die Einheit Griechenlands durch einen neuen Krieg gegen die Perser herzustellen, an den Mann heran, der sich nunmehr auf der politischen Bühne des griechischen Mutterlandes etabliert hatte.29 Isokrates entwirft das Bild des Königs als eines Friedensstifters und ,guten Bürgers‘, der den Dienst am Gemeinwohl vor das persönliche Machtstreben stellen soll.30 Innerhalb des panhellenischen Diskurses werden die Perserkriegsschlachten von Isokrates als Beispiele für uneigennütziges Handeln für ganz Griechenland verwendet. So bewundere man die Lakedaimonier mehr wegen ihrer Niederlage an den Thermopylen als wegen ihrer Siege, denn die Niederlage halte man für ein Zeichen von Tapferkeit, die Siege dagegen für ein Zeichen von Machtstreben (5.148). Deutlicher noch wird Isokrates im Panathenaikos, seiner letzten Rede, die er im Alter von 97 Jahren 339 v. Chr. vollendete.31 Die Niederlage der Spartiaten an den Thermopylen sei mehr zu rühmen als die Siege, die Sparta in ungerechten Kriegen errungen habe (12.187). Denn generell seien Niederlagen, die nicht durch Feigheit verursacht würden, besser als Siege, die nicht durch wahre arete´ zustande kämen (12.183–186). Im Panathenaikos, der durch den Titel vorgibt, eine Festrede für die Panathenaien zu sein, breitet Isokrates seinen Patriotismus über viele Seiten aus. Seine spartafreundliche Stimmung war bei der Abfassung der Rede definitiv vergangen, und Sparta fungiert lediglich als negative Kontrastfolie, um die Polis Athen samt ihrer Geschichte zu verherrlichen.32 So sind den ungerechten Kriegen der Spartaner (12.177–188a) die gerechten Kriege der Athener (12.188b– 198) gegenübergestellt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Spartaner bei Isokrates nur ungerechte Kriege führten, mit einer Ausnahme – der Schlacht an den Thermopylen.33 Was bisher nur implizit aus der Abwertung der Schlacht von Plataiai geschlossen werden konnte, spricht Isokrates an dieser Stelle aus. Im Unterschied zu seinen vorherigen Äußerungen deutet Isokrates die Schlacht an den Thermopylen nicht explizit in einen Sieg um, weshalb das Scheitern an sich zur tugendhaften Tat wird. Mit dem politisch bedeutungslosen realen Sparta hat das Spartabild des Panathenaikos nichts mehr zu tun. Die späteste Rede des 4. Jahrhunderts v. Chr., in der die Schlacht an den Thermopylen rezipiert wird, gehört in die Gerichtspraxis der athenischen Demokratie. Damit zielte Lykurg in seiner Anklagerede Gegen Leokrates von 331/0 v. Chr. sehr viel direkter auf das Handeln seiner Adressaten ab als Isokrates und 28 )

Vgl. Jost, Beispiel, S. 131. Vgl. Weißenberger, Isokrates, S. 95–110; Blass, Beredsamkeit 2, S. 314–317. 30 ) Vgl. Alexiou, Ruhm, S. 118–131. 31 ) Vgl. Isokrates Ausg. Roth, S. 203–211; Tigerstedt, Legend 1, S. 187–197. 32 ) Dabei ist die genaue Intention wegen des merkwürdigen Aufbaus der Rede unklar; vgl. Isokrates Ausg. Roth, S. 9–18. 33 ) Als von Besitz- und Machtgier geleitet gilt Isokrates vor allem die Unterwerfung der Perioiken, die er teilweise mit den Heloten gleichsetzt. Die Heloten dagegen erwähnt er nicht, wie er auch in der Rede des Archidamos kein Problem damit hat, Messenien das Recht auf Autonomie abzusprechen. 29 )

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Lysias in ihren Reden. Er wollte die Richter des Geschworenengerichts dazu bewegen, Leokrates wegen Hochverrats zum Tode zu verurteilen. Die Schlacht an den Thermopylen wird hier zusammen mit anderen historischen Beispielen dazu genutzt, eine Argumentation pragmatisch durchzusetzen, die ihrerseits nicht die historische Vergangenheit zum Thema hat. Beinahe wäre Lykurg damit erfolgreich gewesen; mit Stimmengleichheit wurde Leokrates denkbar knapp freigesprochen.34 Die Rede Lykurgs ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Erstens kann man beobachten, dass die Forschung, die sich mit der Umdeutung und Funktionalisierung der Perserkriegsvergangenheit, dem Kriegerethos oder der Vorstellung vom ,Tod fürs Vaterland‘ befasst, immer irgendwann auf diese Rede zurückgreift, ohne dies freilich zu thematisieren. Denn Lykurg zitiert im Mittelteil (75–110) nicht nur das Thermopylen- und das Marathon-Epigramm,35 sondern auch den Eid von Plataiai und den athenischen Ephebeneid. Er erzählt vom legendären athenischen König Kodros, zitiert ein Stück aus Euripides’ Tragödie Erechtheus, deren Held seine Tochter für die Rettung Athens opferte, er gibt die Stelle aus der Ilias (15.494) wieder, in der Hektor den Tod in der Schlacht für Familie, Haus und Hof rechtfertigt, und er zitiert die Kampfparänese(n) von Tyrtaios, heute Frg. 6/7 [=West 10]. Diese dicht gereihten Beispiele kreisen alle um das Thema, dass Bürger bereit sein müssen, für ihre Polis zu sterben, wenn diese in Gefahr ist.36 Lykurgs Anklagerede gehört in eine umfassende Kampagne der pa´trios politeı´a, die vor allem mit seiner Person verbunden ist.37 Lykurg war der führende Politiker Athens nach der vernichtenden Niederlage bei Chaironeia 338 v. Chr., mit der Athen seine außenpolitische Selbstständigkeit an Philipp II . von Makedonien verlor. Im neu geschaffenen Amt des Leiters der Staatsfinanzen konsolidierte und steigerte er ab 336 v. Chr. die Staatseinkünfte und lenkte nach der vierjährigen Amtszeit weiter indirekt oder in anderen Ämtern die athenische Innenpolitik.38 Seit der Zeit des Perikles hatte es keine so große Machtkonzentration in den Händen eines Mannes gegeben. Generell ist die Politik der fünfzehn Friedensjahre zwischen Chaironeia und dem Krieg nach dem Tod des Alexanders 323 v. Chr. von einer pragmatischen Ausrichtung gekennzeichnet, die allerdings das Fernziel, Athens Autonomie und Freiheit wiederzuerlangen, nie aus den Augen verlor. Lykurgs politisches Programm umfasste verschiedene infrastrukturelle, militärische Vgl. Aischin. 3.252. „Als Vorkämpfer der Hellenen haben die Athener bei Marathon die Macht der goldtragenden Meder niedergestreckt“ (Lyk. Leokr. 109). Zit. nach Hölkeskamp, Marathon, S. 345f. 36 ) Es handelt sich also um diejenigen Quellen, in deren Horizont bis heute die Schlacht an den Thermopylen in der Darstellung Herodots interpretiert wird bzw. werden muss; vgl. z. B. Clarke, Spartan Ate, S. 63–84; s. Kap. I.1.5. 37 ) Vgl. Habicht, Athen, S. 19– 46; Wirth, Lykurg, S. 191–204; ders., Hypereides, S. 30–53; Funke, Athen, S. 119–121. 38 ) Lykurg lebte von ca. 390 bis 324 v. Chr., er stammte aus einer wohlhabenden athenischen Familie und erhielt seine Ausbildung in den Schulen von Isokrates und Platon. Vor 336 v. Chr. tritt er weder als Politiker noch als Redner in Erscheinung. Er gehörte zur gleichen Generation wie Demosthenes, Hypereides und Demades; vgl. Habicht, Athen, S. 19–33; Wirth, Lykurg, S. 207–211.

34 )

35 )

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2. Zwischen Athen und Rom

und kulturpolitische Reformen.39 Besonders die kulturpolitischen Maßnahmen, mit denen Lykurg auf eine ethische Erneuerung der Athener abzielte, zeichneten sich dadurch aus, dass mit ihnen die ,große‘ Vergangenheit des 5. Jahrhunderts v. Chr. in neuem Ausmaß kanonisiert wurde.40 In dieser Zeit der Neuorientierung kam es auch zu einer Prozesswelle, in der sowohl die athenischen Gegner als auch Anhänger der Makedonen vor Gericht standen.41 Lykurg selbst führte eine Reihe von Prozessen gegen Staatsschuldner, Kriegsgewinnler und Defätisten, von denen einzig die Anklage gegen Leokrates überliefert ist. Leokrates war ein athenischer Bürger und Geschäftsmann, der sich unmittelbar nach der Niederlage von Chaironeia, als noch nicht klar war, wie die Sieger Athen behandeln würden, mit seiner Familie und seinem Vermögen nach Rhodos abgesetzt hatte. Später war er nach Megara gegangen, bis er nach insgesamt sechs Jahren glaubte, gefahrlos nach Athen zurückkehren zu können. Lykurg erhob daraufhin Anklage auf der Grundlage eines Gesetzes, das den Versuch, sich der Landesverteidigung zu entziehen, als Hochverrat qualifizierte. Dieses Gesetz hatte die Ekklesia aufgrund der Flucht des Leokrates beschlossen. Leokrates wurde also wegen eines Deliktes angeklagt, das – und dies ist die zweite Besonderheit der Rede – zum Zeitpunkt seiner Tat noch nicht strafbar gewesen war.42 Lykurg wollte ein Exempel statuieren und versuchte, die Richter zu überzeugen, nicht allein auf der Basis von Gesetzen zu entscheiden, sondern mit einer Verurteilung des Leokrates selbst zu Gesetzgebern zu werden (9). Diese Absicht lief der forensischen Praxis zuwider, insofern in der positivistischen Rechtsordnung Athens die Jurisdiktion – anders als in Rom und in späteren Rechtssystemen – keine rechtsbildende Kraft besaß.43 Der Gesetzespositivismus hing an dem System der Laienrichter, die in ihrem Urteil ohne weitere Diskussion der Beweisführung der einen oder der anderen der prozessführenden Parteien folgten. Außerdem war nach der Wiedererrichtung der Demokratie 403 v. Chr. nicht nur das Gesetzgebungsverfahren formalisiert, sondern die ungeschriebenen no´moi, die Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche, für die Urteilsfindung ausdrücklich disqualifiziert worden.44 Aber gerade auf die nichtschriftlichen no´moi als subsidiäre Rechtsquelle plädiert Lykurg im Mittelteil seiner Rede (75–110), wenn er sagt, die Richter sollten die Exempel (paradeı´gmata) aus 39 ) Dazu gehörten der Ausbau der Befestigungs- und Hafenanlagen, diverse Bauprojekte in der Stadt, die Neuregelung der militärischen Ausbildung (Ephebie), die Aufrüstung der athenischen Flotte auf die größte Stärke in der Geschichte Athens und die Förderung des Kultes der Demokratia. 40 ) So wurden z. B. Staatsexemplare der Dramen von Aischylos, Sophokles und Euripides hergestellt, um die Texte vor Interpolationen zu schützen, und eine Statue von Sokrates öffentlich aufgestellt. 41 ) Der Prozess gegen Leokrates liegt zeitlich vor den Prozessen gegen Ktesiphon 330 v. Chr., bei denen Demosthenes seine berühmte Kranz-Rede hielt; vgl. Habicht, Athen, S. 39. 42 ) Vgl. Habicht, Athen, S. 38 f.; Blass, Beredsamkeit 3/2, S. 112f. 43 ) Vgl. im Folgenden Bleicken, Demokratie, S. 183–190, 203–228. 44 ) Mit dem Nomothesie-Verfahren wurde der Unterschied zwischen pse ´ phisma als dem Beschluss für eine besondere Situation und no´mos als Beschluss auf Dauer institutionalisiert. Dennoch blieb im Begriff no´mos immer auch die allgemein-moralische, umfassende Bedeutungsschicht präsent; vgl. Gehrke, Nomosbegriff, S. 33–35.

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der historischen Vergangenheit für ihre Urteilsfindung nutzen (83). Im letzten Teil (111–134) argumentiert Lykurg allerdings rechtspositivistisch mit psephı´smata zu ähnlichen Fällen. Lykurgs Abwertung des geschriebenen Gesetzes ist unter den überlieferten Gerichtsreden singulär, hat aber eine interessante Parallele in der zeitgleichen Theoriebildung zur Rhetorik, d. h. in der Rhetorik des Aristoteles.45 Lykurgs Rede und die rhetorische Lehrschrift stehen in keinerlei direktem Abhängigkeitsverhältnis zueinander,46 sondern kommen vielmehr von unterschiedlichen Ausgangspunkten zu einer ähnlichen Haltung gegenüber dem geschriebenen Gesetz. Aristoteles spielt für die Gerichtsrede den Fall durch, dass das geschriebene Gesetz gegen die eigene Prozesspartei steht.47 So führt er die Argumentation vor, wie die Autorität des geschriebenen Gesetzes zu untergraben sei: Man solle sich auf das „Angemessene“ (toÁ meÁn eÆpieikeÁw) und das „allgemeine“ Gesetz (oë koinoÂw) berufen, das sich als Produkt der Natur (kataÁ fyÂsin gaÂr eÆstin 1.15.1375a31/2) niemals ändere.48 Aristoteles denkt das „allgemeine“, von allen anerkannte Gesetz als Antithese zum „besonderen“, geschriebenen (1.10.1368b6–9) und hält das allgemeine Gesetz für moralisch überlegen.49 Diese antithetische Auffassung von geschriebenem und ungeschriebenem Gesetz ist weit von der Rechtspraxis entfernt, in der in der Regel beide Formen als komplementär und ineinandergreifend verstanden wurden. Zudem ergibt sich die Abqualifizierung des geschriebenen Gesetzes durch Aristoteles auch aus der Systematisierung der rhetorischen Mittel. Er zählt die Gesetze zusammen mit Zeugenaussagen, Verträgen, Eiden und Folteraussagen zu den „untechnischen Beweismitteln“ (aÍtexnoi piÂsteiw) in der rhetorischen Beweisführung,50 womit sie formal alle denselben Status erhalten. Allerdings waren die Gesetze in der Praxis in ihrer Bedeutung für die Demokratie, für die Vorstellung von Herrschaft und Freiheit und nicht zuletzt in ihrer institutionellen Absicherung weit über die anderen genannten Beweismittel erhoben. Aristoteles behandelt die Frage, wie geschriebene Gesetze zu unterlaufen seien, als rhetorisches Problem. In der Rechtspraxis war dies aber ein moralisches Problem. So verdeckt das Anliegen Lykurgs, einen – in seiner Sicht – Vaterlandsverräter zu verurteilen, dass er mit der Abwertung der schriftlichen Gesetze eine demokratische Institution an den Rand einer Willkürentscheidung brachte. Es zeugt vom gesunden Rechtsempfinden der Laienrichter, dass sie Lykurg mit ihrem Urteil nicht folgten, obwohl er ihr schändliches Versagen vor Athens ,großer‘ Vergangenheit heraufbeschwor, wenn sie Leokrates freisprechen würden (110). Die Paradeigmata der Vaterlandsliebe und Opferbereitschaft, die Lykurg im Mittelteil seiner Rede anführt, dienen durchweg dazu, das Verhalten des Angeklagten 45 )

Ähnlich auch in der Rhetorica ad Alexandrum aus dem 4. Jh. v. Chr., die Anaximenes von Lampsakos zugeschrieben wird; vgl. im Folgenden Carey, Nomos, S. 33– 40. 46 ) Aristoteles befand sich seit 335 v. Chr. wieder in Athen, wo er das Lykeion eröffnet hatte. Die Rhetorik gehört zu den Lehrschriften, die außerhalb des Schülerkreises unbekannt waren. 47 ) Vgl. Aristot. rhet. 1.15.1375a27–1375b15. 48 ) Zit. deutsch nach Aristoteles Ausg. Krapinger, griechisch nach Aristoteles Ausg. Ross. 49 ) Vgl. Aristot. rhet. 1.15.1375a33–1375b8. 50 ) Vgl. Aristot. rhet. 1.2.1355b35ff.; 1.15.1375a23ff.

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2. Zwischen Athen und Rom

als besonders verwerflich herauszustellen. In den Gerichtsreden gibt es häufig Passagen, in denen der Beklagte vor dem Hintergrund geltender ethischer Verhaltensnormen ab- oder auch aufgewertet wird, um ihn den Richtern unsympathisch bzw. sympathisch zu machen.51 Unter den verschiedenen Exempeln erwähnt Lykurg die Schlacht an den Thermopylen, die vom athenischen Sieg in Marathon umrahmt ist (109). Die spartanische Niederlage wird in die Großtaten der athenischen Ahnen eingereiht, deren Ruhm Leokrates mit seinem Verhalten befleckt haben soll (110).52 Die Darstellung folgt der üblichen athenischen Deutung des 4. Jahrhunderts v. Chr.:53 Die Lakedaimonier hätten an den Thermopylen ihre Mannhaftigkeit (andreı´a) bewiesen, seien aber vom Schicksal nicht begünstigt worden. Zeugnis ihrer arete´ sei für alle Griechen ihre Grabinschrift. Lykurg zitiert das Epigramm, dessen Wortlaut im Vergleich zu der von Herodot wiedergegebenen Version verändert ist: v Ë jeiÄn', aÍggeilon LakedaimoniÂoiw oÏti th Äìde keiÂmeua toiÄw keiÂnvn peiuoÂmenoi nomiÂmoiw

In dieser Form wird das Epigramm gleichfalls von Diodor in seiner Bibliothek zitiert (11.33.2; s. Kap. I.2.2) und auch bei den anderen überlieferten Zitaten ist das Epigramm nicht mit der Herodot-Version abgeglichen.54 Die interessanteste Veränderung gegenüber dem Original ist die Ersetzung von rhe´masi durch nomı´mois, die „Gesetze“, „Bräuche“, eine Deutungsmöglichkeit, die bereits bei Herodot angelegt ist (s. Kap. I.1.5) und sich nunmehr in sprachlicher Form niedergeschlagen hat. In diesem Punkt ist die Aussage des Epigramms geklärt worden: Die Spartiaten sind den „Gesetzen“ gehorsam gestorben. Was allerdings unter diesen „Gesetzen“ zu verstehen ist, wird nach wie vor inhaltlich nicht genau bestimmt. Der Grund, warum Lykurg, um den Vaterlandsverrat eines Atheners zu beweisen, eine spartanische Schlacht anführt, ist in erster Linie in dem peitho´menoi nomı´mois, im den „Gesetzen gehorsam“ zu sehen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Schlacht so weit aus ihrem historischen Kontext gelöst war, dass sie nicht nur spezifisch spartanisch, sondern auch allgemeingültig verstanden werden konnte. Die nomı´moi, in deren Befolgung die Spartiaten starben, Leokrates aber nicht, meinen an dieser Stelle in erster Linie die allgemeinen Gesetze. Allerdings lässt Lykurg unter den athenischen psephı´smata auch ein spartanisches Gesetz (NOMOS LAKEDAIMONIVN 129) verlesen, das Feigheit vor dem Feind mit dem Tode bestraft. Es ist völlig unklar, woher Lykurg dieses Gesetz hatte, und rechtskräftig war es in Athen auch nicht. Lykurg führt dieses spartanische Gesetz an, damit die Richter es zum Vorbild für ihr Urteil nehmen. Er verweist darauf, dass Sparta besonders gute Gesetze habe, was ein Topos der idealisierenden 51 )

Vgl. Bleicken, Demokratie, S. 223. Auch Tyrtaios wird zum gebürtigen Athener und somit in die athenische Vergangenheit integriert; vgl. Lyk. Leokr. 105. 53 ) Dies gilt auch für die Darstellung der anderen Perserkriegsschlachten; vgl. Lyk. Leokr. 68–74, 80–82, 104, 108–110. 54 ) Bei Strab. 9.4.16 steht v Ëì jeÂn, aÆnaÂggeilon und nomiÂmoiw; in Anth. Pal. 7.249 aÍggeilon und rëhÂmasi; nur in der Suda s. v. LevniÂdhw L 272 aÍggele und rëhÂmasi; vgl. Gelzer, Wanderer, S. 418– 421. 52 )

2.1. Die Schlacht bei den attischen Rednern des 4. Jhs. v. Chr.

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staatstheoretischen Spartarezeption des 4. Jahrhunderts v. Chr. ist.55 Auf das Grabepigramm der Thermopylen bezogen scheint dieses Gesetz genau den Grund zu liefern, warum die Spartiaten im Engpass aushielten. Das peitho´menoi nomı´mois des Epigramms changiert in der Rede zwischen der Erfüllung einer allgemeinen Verhaltensmaxime und der eines geschriebenen, staatlichen Gesetzes. Da die Anklage von Leokrates eine fragwürdige Gesetzesgrundlage hatte, bedeutet die Aneinanderreihung der historischen bzw. mythischen Exempel mehr als den Versuch, das Verhalten des Angeklagten in einem besonders schlechten Licht erscheinen zu lassen. Die Exempel variieren zusammengenommen die Aussage, dass Bürger für ihre Polis zu sterben bereit waren. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Männer – und mit Erechtheus’ Tochter auch eine Frau – sich immer schon und überall für ihre Polis geopfert haben. Dieses Verhalten erscheint als der menschlichen Geschichte immanent und quasi als naturgegeben. Als Exempel sind die Ereignisse bereits aus ihren historischen Kontexten gelöst und transportieren Verhaltensnormen, die als überzeitlich und immergültig gedacht sind. In der Beweisführung von Lykurgs Rede bestätigen die Exempel gemeinsam die überzeitliche Gültigkeit der von ihnen vermittelten Verhaltensnorm, die damit zum allgemeinen Gesetz wird. Das peitho´menoi nomı´mois des Epigramms expliziert die Unterwerfung unter die allgemeinen Gesetze, nach denen auch die anderen exemplarischen Personen gehandelt haben. Durch Lykurgs Beweisführung mit Exempeln rücken die allgemeinen Gesetze in die Nähe der Natur, ohne dass sie wie bei Aristoteles per definitionem ein Produkt der Natur sind. Die allgemeinen Gesetze sind vielmehr das Produkt einer handlungsorientierten Verwendung von historischer Vergangenheit in einer konkreten Redesituation. Die Richter werden dazu angehalten, aus der Schlacht an den Thermopylen und den anderen Exempeln induktiv eine allgemeingültige Verhaltensnorm zu bilden, von der sie deduktiv auf den Einzelfall Leokrates schließen sollen, dessen Vergehen der Beweisgegenstand der Rede ist. Abschließend sei angemerkt, dass der Verhaltensnorm, an der Lykurg die Untat des Leokrates misst, weiterhin die Vorstellung vom Bürger als Hoplit zugrunde liegt. Gleichzeitig eroberte Alexander mit einem Heer aus flexiblen taktischen Einheiten und einer großen Reiterei das Achämenidenreich.56 Die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen durch die athenischen Redner des 4. Jahrhunderts v. Chr. hat entscheidende Auswirkungen für die weitere Rezeptionsgeschichte dieses Ereignisses, ohne dass die Reden dafür eine zentrale Quelle gewesen wären. Zunächst erscheint die Schlacht in den Reden auf eine Deutung festgelegt, die im ganzen Jahrhundert kaum variiert: Die Spartiaten seien für die Freiheit Griechenlands gestorben, sie hätten tapfer und mannhaft auf ihrem Posten ausgehalten und seien lediglich vom Schicksal nicht begünstigt worden, weshalb ihre Niederlage als moralischer Sieg zu sehen sei. Das Epigramm wurde als Maxime des Gesetzesgehorsams verstanden, wobei sich neben der Deutung der „Gesetze“ als allgemeine, ungeschriebene Gesetze auch Anzeichen finden, dass 55 )

56 )

Vgl. Rawson, Tradition, S. 33–80; Losemann, Sparta, S. 154. Vgl. Schulz, Revolution, S. 304–310.

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2. Zwischen Athen und Rom

sie mit geschriebenen Gesetzen verbunden wurden.57 In Lykurgs Rede repräsentiert das Epigramm zum ersten Mal in den überlieferten Rezeptionszeugnissen die ganze Schlacht. In ihm scheint das Exemplarische der Schlacht auf den Punkt gebracht. Der Gehorsam gegenüber den in ihrer Bedeutung weiterhin fluktuierenden „Gesetzen“ wird neben der grundsätzlichen Freiheitsliebe das Hauptmotiv dafür, dass die Spartiaten im Engpass starben. Die Schlacht an den Thermopylen wird in der athen-zentrierten Perspektive auf die Geschichte zu der spartanischen Schlacht der Perserkriege. Der spartanische Anteil am Sieg von Plataiai wird in diesen Reden minimiert, wie überhaupt alle spartanischen Siege den Beiklang von illegitimem Machtstreben bekommen. Bemerkenswerterweise demokratisieren die athenischen Redner die spartanische Niederlage zudem dadurch, dass sie den königlichen Befehlshaber unerwähnt lassen. Leonidas tritt als Einzelheld vollständig hinter dem kollektiven Heldentum der Spartiaten zurück. Die Schlacht ist in den Reden mit dem politischen Programm des Panhellenismus und der innen- wie außenpolitisch eingesetzten Freiheitstopik Athens verbunden. Da nicht nur die dominanten Deutungstopoi aus dem athenischen Kontext stammen, sondern überhaupt nur die athenische Rezeption überliefert ist, kann man für die Rezeptionsgeschichte sagen, dass die Schlacht an den Thermopylen im Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr. zur spartanischsten aller spartanischen Schlachten wurde. Auffälligerweise bewerten die Redner die spartanische Niederlage durchweg positiv, ungeachtet der wechselnden Einschätzungen Spartas bzw., nach dessen Machtverfall, des Spartabildes. Hier lässt sich bereits eine Tendenz beobachten, die die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen grundsätzlich kennzeichnet: Ihre Rezeption geht nicht in der allgemeinen Spartarezeption auf, sondern verläuft häufig durchaus unterschiedlich.58 Die Deutungen erscheinen gegenüber Herodots Darstellung auch deshalb reduziert, weil die Schlacht an den Thermopylen als rhetorisches Exempel verwendet wurde. Wenn historische Ereignisse in der Argumentation einer Rede dazu eingesetzt werden, die Adressaten zu überzeugen und zu einer bestimmten Handlung zu bewegen, muss das Ereignis nicht nur als bekannt vorausgesetzt, sondern auch seine exemplarische Aussage eindeutig verstanden werden können. Die Schlacht an den Thermopylen kann als Exempel, wie gezeigt, vollständig entkontextualisiert verwendet werden. Dabei wird das historische Exempel eingesetzt, um die praktische Durchsetzung ganz anderer Argumentationen zu unterstützen. Im Rahmen dieser Argumentation stellt es einen Einzelfall dar, von dem induktiv auf das Allgemeine geschlossen wird, das als Norm wiederum deduktiv auf den Argumentationsgegenstand bezogen wird. Durch diese Beweislogik erhält die als Exempel verwendete historische Vergangenheit eine ganz eigene Qualität: Historizität und Enthistorisierung, Einzigartigkeit und Allgemeingültigkeit sowie Zeitlichkeit und Überzeitlichkeit sind im historischen Exempel dialektisch verschränkt. 57 ) Thommen, Sparta, S. 6, behauptet, dass bereits bei Herodot das Epigramm zu einer „allgemeinen Maxime bedingungsloser Staats- und Gesetzestreue stilisiert“ worden war, was sich so aber erst für die Rezeption des Epigramms durch Lykurg (Leokr. 109) sagen lässt. 58 ) S. Kap. I.3.3; II.2.1; III.2.1.

2.2. Die Darstellung in Diodors Bibliothek

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2.2. Freiheitskampf. Die Darstellung in Diodors Bibliothek Die Veränderungen bei der Deutung der Schlacht an den Thermopylen gegenüber dem Bericht Herodots lassen sich im Einzelnen an Diodors Darstellung im 11. Buch seiner Bibliothek beobachten. Der Text Diodors vermittelt zudem zwischen der Gedankenwelt Athens im 4. Jahrhundert v. Chr. und dem spätrepublikanischen Rom. Diodor verfasste seine vierzigbändige Weltgeschichte in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr.59 Für sein Werk verwendete er ältere historische Standardwerke,60 so für das klassische Griechenland Ephoros von Kyme, der ca. 400– 330 v. Chr. lebte.61 Ephoros galt in der Antike als Begründer der Universalgeschichtsschreibung und verfasste um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. sein dreißigbändiges Werk, das bis auf wenige Fragmente nur durch Diodor überliefert ist.62 Ebenfalls bereits in der Antike wurde er für einen Schüler des Isokrates gehalten, was zwar von der Forschung immer wieder angezweifelt wird, aber gleichwohl glaubhaft ist.63 Mit seinem rhetorischen Stil, Geschichte zu schreiben, sowie mit der Verwendung bestimmter Deutungstopoi gehört Ephoros in die von der Rhetorik geprägte intellektuelle Welt Athens.64 Die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen bei Diodor (11.4–11) weist gegenüber dem Bericht Herodots einige Besonderheiten auf; so die ausschweifende Eulogie auf die Thermopylenkämpfer (11.11), in der ihre Tat zur Nachahmung empfohlen wird. Dieser Appell, historische Personen zum Vorbild für das eigene Handeln zu nehmen, fügt sich in das Grundkonzept von Diodors Werk ein, die Vergangenheit zum moralischen Nutzen der Leser aufzubereiten.65 59 ) Das Werk reicht von der Entstehung der Welt bis zum Beginn des Gallischen Krieges 60/59 v. Chr. bzw. zur Eroberung Britanniens 54 v. Chr. Vollständig überliefert sind neben den Büchern 1–5 die Bücher 11–20, die einzige heute erhaltene zusammenhängende Quelle für die Jahre 480–302 v. Chr. Diodor erzählt immer die Begebenheiten eines Jahres für Kleinasien, Griechenland und Sizilien, wobei die chronologische Synchronisierung nicht immer gelingt; vgl. Diodoros Ausg. Veh/Will, S. 4–6. Über die Biographie Diodors ist nicht viel bekannt. Er stammte aus Agyrion auf Sizilien, hielt sich zwischen 60 und 57 v. Chr. in Ägypten auf und lebte längere Zeit in Rom. Die letzte Notiz stammt vermutlich von 36 v. Chr.; vgl. Meister, Geschichtsschreibung, S. 171–181; Sacks, Diodorus (1990), S. 161f.; Alonso-Nu´n˜ez, History, S. 87–92. 60 ) Dafür wurde er in der Forschung als unselbstständiger Kompilator geschmäht, so noch von Lendle, Geschichtsschreibung, S. 242–244. Dieses Bild ist in den letzten Jahrzehnten revidiert worden, da Diodor an den Stellen, für die das von ihm benutzte Werk ausnahmsweise überliefert ist, seine Vorlage durchaus nicht einfach abschreibt, sondern in die Gesamtkonzeption seines Werkes einbindet; vgl. Sacks, Diodorus (1990), S. 9–54, 83–159; ders., Diodorus (1994), S. 213–232. 61 ) Vgl. Meister, Geschichtsschreibung, S. 85–90; Alonso-Nu ´ n˜ez, History, S. 37– 41; Tigerstedt, Legend 1, S. 206–222. Er ist die Hauptquelle für die Bücher 11–15. 62 ) Vgl. Pol. 5.33.2; FGrHist Nr. 70. Das Werk umfasste den Zeitraum von der Rückkehr der Herakliden bis zu Ephoros’ Lebenszeit. Das letzte Buch stammte von seinem Sohn Demophilos. 63 ) Vgl. Cic. de or. 2.94. Angezweifelt von: Flower, Simonides, S. 365. 64 ) Vgl. Sacks, Diodorus (1990), S. 25f.; Meister, Geschichtsschreibung, S. 85f.; Tigerstedt, Legend 1, S. 208f. 65 ) Vgl. im Folgenden: Sacks, Diodorus (1990), S. 23–36.

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2. Zwischen Athen und Rom

Die Exemplifizierung historischer Persönlichkeiten und ihrer Taten geht zwar auf Ephoros und die Nähe seiner Geschichtsschreibung zur Rhetorik zurück, findet sich aber auch in den Partien von Diodors Werk, die nicht auf Ephoros beruhen. Das Konzept, die Vergangenheit exemplarisch darzustellen, war damit im spätrepublikanischen Rom noch genauso aktuell wie im Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr., obwohl die kulturellen Kontexte und die Rezipienten differierten. Ein weiterer Unterschied zu Herodot liegt darin, dass bereits Ephoros generell das Göttliche aus den historischen Kausalzusammenhängen eliminierte und rationalisierend durch das ,Schicksal‘ ersetzte. Mitunter entstehen dadurch neue Kausalzusammenhänge. Des Weiteren weicht Diodors Schlachtbericht in einigen Punkten von der Darstellung Herodots ab, womit der unbeantwortbaren Frage, in welchem Umfang Diodor Ephoros wiedergibt, noch diejenige hinzugefügt wird, welche Quellen Ephoros seinerseits verwendet hat.66 Die Forschung nimmt an, dass Ephoros für die Perserkriegszeit im Großen und Ganzen von Herodot abhängig ist, der bei Diodor explizit als Historiker des „Medischen Krieges“ erwähnt wird (11.37.6), und erklärt die Unterschiede bei der Darstellung der Schlacht an den Thermopylen durch zusätzliche lokale Traditionen bzw. volkstümliche Ausschmückungen.67 Allerdings eröffnet die Tatsache, dass die differierende Version vom letzten Kampf auch von Pompeius Trogus, dessen Weltgeschichte im Auszug des M. Iunianus Iustinus erhalten ist (2.11), und von Plutarch in De malignitate Herodoti (32 [mor. 666 A-C]) übernommen wurde, immer wieder Raum für Spekulationen, dass Ephoros vielleicht eine von Herodot unabhängige Quelle aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. benutzt habe.68 Allgemein lässt sich sagen, dass Ephoros’ Darstellung der Schlacht an den Thermopylen im 1. Jahrhundert v. Chr. gleichberechtigt neben derjenigen Herodots stand und sie in der Kaiserzeit verdrängte. Pompeius Trogus, der seine Historiae Philippicae in augusteischer Zeit verfasste,69 wurde in der späteren Kaiserzeit epitomiert und zur Hauptquelle für die spätantike Weltgeschichte des Paulus Orosius, die ihrerseits eine weitreichende Rezeption 66 ) Ephoros galt als Schreibtischgelehrter (Pol. 12.25f.), der als erster Historiker kaum Primärforschung betrieb, sondern auf bereits vorhandene Geschichtsschreibung zurückgriff. 67 ) Vgl. Gottlieb, Überlieferung, S. 75; Tigerstedt, Legend 1, S. 215; Meyer, Altertum, S. 357. 68 ) Vgl. Hammond, Thermopylae, S. 1–20, der eine Quelle X rekonstruiert, die zwischen 460 und 445 v. Chr. einen gut informierten Bericht über die Strategie, das Kommandosystem sowie die inneren Angelegenheiten Spartas gegeben habe. Entscheidend für die Rettung Griechenlands sei für X im Gegensatz zum athenerfreundlichen Herodot der Heroismus der Spartaner. Flower, Simonides, S. 365–379, behauptet, dass Ephoros’ Quelle ein (von ihm angenommenes) Thermopylen-Gedicht von Simonides von Keos gewesen sei, aus dem ein Stück zitiert wird (11.11.6). Dieses stelle wie die fragmentarisch erhaltene Plataiai-Elegie alle beteiligten Poleis ausgeglichener dar als der Athenerfreund Herodot. Allgemein problematisch an beiden Thesen ist, dass Herodots proathenische Stellungnahmen überbetont werden und Diodor wieder völlig hinter Ephoros zurücktritt; zu den einzelnen Punkten s. u. 69 ) Vgl. Alonso-Nu ´ n˜ez, History, S. 105–110; Tigerstedt, Legend 2, S. 134. Die Lebensdaten von Pompeius Trogus sind nicht bekannt. Er stammte aus einer gallischen Familie, bereits sein Großvater hatte das Bürgerrecht erhalten. Die Historiae Philippicae umfasste ursprünglich 44 Bücher und behandelte die Abfolge der Weltreiche Assyrien, Medien, Persien, Makedonien und Rom. Wann Iustin die Epitomae verfasste, ist umstritten, die Vorschläge reichen vom 2. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr.

2.2. Die Darstellung in Diodors Bibliothek

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erfuhr. Im 2. Jahrhundert n. Chr. zog Plutarch die Version von Ephoros ausdrücklich dem Bericht Herodots vor (s. Kap. I.3.2). Der Einfluss, den Diodors Darstellung der Schlacht an den Thermopylen ausübte, ist nicht zu unterschätzen;70 in der neuzeitlichen Rezeptionsgeschichte war dieser Bericht bis zu seiner Abwertung durch die Quellenkritik des 19. Jahrhunderts genauso präsent wie derjenige Herodots. Aber auch danach schleichen sich die Deutungen Diodors gelegentlich in die wissenschaftlichen Urteile über die historische Bedeutung der Schlacht ein, z. B. dass Leonidas ein Zeichen für den Freiheitskampf habe setzen wollen und der Tod der Verteidiger die anderen Griechen erst zum Kampf angestachelt habe.71 In Diodors Darstellung des Xerxesfeldzuges wird der griechischen Niederlage an den Thermopylen die umfangreichste unter allen Schlachtbeschreibungen zuteil (11.4–11).72 Die zeitgleiche Seeschlacht am Kap Artemision, deren Schilderung Herodot um die der Schlacht an den Thermopylen anordnet, gerät nicht nur kompositionell in den Hintergrund, sondern findet überhaupt erst nach der Niederlage im Engpass statt. Bei Pompeius Trogus fehlt sie vollständig.73 Diese Neugewichtung bei Diodor wird zusätzlich durch die Eulogie (11.11) verstärkt, in der die Bedeutung der Schlacht explizit hervorgehoben wird, was innerhalb der Darstellung der Perserkriegsschlachten singulär ist. Diese Eulogie gipfelt im Zitat des Enkomions von Simonides auf die Thermopylenkämpfer (11.11.6). Der neue Topos, unter dem die Vorgänge an den Thermopylen subsumiert werden, ist der Kampf für die „allgemeine Freiheit“ (thÄw koinhÄw eÆleyueriÂaw 11.3.3).74 Sie ist der Grund, warum die Griechen sich zu einer gemeinsamen Verteidigung gegen die Perser entschließen, und warum Leonidas mit seinen Leuten schließlich fällt. Ausdrücklich werden diejenigen griechischen Poleis, die die „allgemeine Freiheit“ verraten hätten, indem sie sich Xerxes unterwarfen, als abschreckende Beispiele für die Zukunft hingestellt (11.3.1). Die Griechen auf dem Isthmos entscheiden sich bei Diodor wie bei Herodot wegen der strategischen Vorteile für die kombinierte Verteidigungsstellung an den Thermopylen und am Artemision. Allerdings wird die Topographie nicht näher beschrieben, und die wenigen Ortsangaben sind unpräzise, weshalb der Schlachtort merkwürdig beliebig erscheint und die militärisch-strategischen Zusammenhänge noch weniger klar werden als bei Herodot.75 Die Schilderung des Auszugs des griechischen Heeres unterscheidet sich in zwei Punkten deutlich vom Bericht Herodots. Erstens divergieren die Angaben zur 70 )

Vgl. Tigerstedt, Legend 1, S. 216–218. Zuletzt vgl. Kehne, Leonidas, S. 34f. 72 ) Vgl. Diod. 11.1–37; davon 11.4–11: Thermopylen; 11.12–13: Artemision; 11.15–19: Salamis; 11.29–33: Plataiai. 73 ) Vgl. Pomp. Trog. 2.11–14. 74 ) Vgl. Diod. 11.3.2; 3.5; 4.4; 5.5; 6.2; 7.1; 11.5. Zit. deutsch nach Diodoros Ausg. Veh/ Will, griechisch nach Diodorus Ausg. Oldfather. 75 ) Die Thermopylen werden als „Pässe“ bezeichnet (Diod. 11.4.1) und die Griechen formieren sich für den ersten Angriff an der „engsten Stelle“ des Passes (Diod. 11.6.4), von denen es allerdings zwei gibt; s. Kap. I.1.3. 71 )

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Größe und zur Zusammensetzung des Heeres. Leonidas marschiert mit 1000 Lakedaimoniern, davon 300 Spartiaten, und 3000 anderen Peloponnesiern zu den Thermopylen (11.4.5–7), womit exakt die Zahl der 4000 Peloponnesier von der Inschrift erreicht ist, die nach der Schlacht von Plataiai zitiert wird (11.33.2). Die Zahl der 1000 Lakedaimonier, die auch von Isokrates erwähnt wird, scheint aus einer von Herodot unabhängigen Quelle zu stammen.76 Allerdings lassen sich damit die Differenzen bei Herodots Zahlenangaben nicht erklären.77 Vor Ort schließen sich jeweils 1000 Loker und Phoker an; ebenso stellen die Malier, die sich laut Herodot Xerxes unterworfen hatten (Hdt. 7.132.1), 1000 Hopliten.78 Die Thebaner, deren Polis über das Bündnis mit Xerxes gespalten ist, stellen 400 Männer (11.4.7). Diese Aussage weicht von Herodots Bericht ab, in dem die Thebaner allesamt dem Medismos verfallen sind, und stammt wohl aus einer lokalen boiotischen Tradition.79 Die Thespier fehlen in der Aufzählung, sind allerdings beim letzten Kampf mit 200 Mann dabei (11.9.2). Zweitens findet vor dem Auszug des lakedaimonischen Kontingents ein Gespräch zwischen Leonidas und den Ephoren statt (11.4.3– 4). Diese halten das Aufgebot für zu klein und fordern den König auf, mehr Männer mitzunehmen. Leonidas antwortet bedeutungsvoll, sie seien vielleicht zu wenige, um den Pass zu halten, aber genug für die Tat, derentwegen sie in Wirklichkeit auszögen. Auf Nachfrage der Ephoren erklärt der Spartanerkönig, dass sie für die „allgemeine Freiheit“ sterben würden. Der Tod von wenigen werde Sparta großen Ruhm einbringen, wohingegen Sparta ausgelöscht würde, wenn der ganze Heerbann ausrücke, da niemand fliehen würde, um sein Leben zu retten. Während bei Herodot die Gefährlichkeit der Mission dadurch angedeutet wird, dass Leonidas nur Männer mit männlichen Erben mitnimmt, wird sie bei Diodor zum Thema einer Verhandlung auf oberster politischer Ebene. Der König weiß bereits um den Tod an den Thermopylen, wobei man nicht erfährt, woher. Auffällig ist die Nähe zum Orakel des herodoteischen Berichts (7.220.4). Während allerdings das Orakel die Wahl zwischen dem Tod des Leonidas und dem Untergang Spartas lässt, setzt bei Diodor Leonidas den Tod weniger gegen den Tod aller. Zudem soll dieses Opfer nicht nur für die Rettung Spartas, sondern auch für die „allgemeine Freiheit“ der Griechen gebracht werden. Die Bezugsgröße für den vorausgesehenen Opfertod ist nunmehr also ganz Griechenland. Da das Orakel – wie überhaupt alle göttlichen Zeichen und mythischen Bezüge80 – in der Darstellung Diodors fehlt, ist es 76 )

Vgl. Isokr. 4.90, 6.100; Pomp. Trog. 2.11; vgl. Gottlieb, Überlieferung, S. 78–80. Wenn die 300 Spartiaten bei den 1000 Lakedaimoniern mitgerechnet sind, ergeben diese zusammen mit den von Herodot aufgelisteten 2800 Peloponnesiern 3800, wenn sie nicht eingerechnet sind, was der Text auch zulässt, 4100. Mit ebenso guten Gründen wie Hammond, Thermopylae, S. 7, und Flower, Simonides, S. 367f., die glatten Zahlenangaben von Diodor als Beweis für eine weitere Quelle des 5. Jhs. v. Chr. sehen, kann man für die lectio difficilior und damit für Herodots Zahlenangaben plädieren. 78 ) Ob daraus auf eine unabhängige Überlieferung geschlossen werden kann, ist nicht zu entscheiden; vgl. Gottlieb, Überlieferung, S. 77 Anm. 7. 79 ) Vgl. Gottlieb, Überlieferung, S. 77f.; Hammond, Thermopylae, S. 4. S. Kap. I.3.2. 80 ) Weder die Karneien und die Olympischen Spiele noch der Seher Megistias und sein Epigramm noch die Amphiktyonie noch die Anspielungen auf Herakles kommen bei Diodor vor. 77 )

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wahrscheinlich, dass der Dialog zwischen Leonidas und den Ephoren nicht aus einer völlig anderen Tradition stammt, sondern das Orakel ersetzt hat.81 Der im Orakel offenbarte Schicksalsplan ist in der Dialogszene rationalisiert und auf einen rein menschlichen Bereich konzentriert. Anstelle der Handlungsmotivation, das Orakel zu erfüllen, tritt der Kampf für die Freiheit, der ebenfalls einer ,höheren‘ Wertesphäre entstammt. Zudem ist die bereits bei Herodot erkennbare Version, die Thermopylenkämpfer seien ,zu wenige‘ gewesen, betont. Im Dialog erscheint die Stellung im Engpass von vornherein als ,verlorener Posten‘. Die Gesprächsszene um die zu geringe Größe des spartanischen Kontingents gibt es mit kleineren Abweichungen auch in vier Apophthegmata in der Sammlung Plutarchs, die in zwei Paaren angeordnet sind.82 Zwar kann man bei den Apophthegmata in der Regel nicht sagen, in welcher Zeit sie entstanden sind, da es sich aber gleich um vier Sprüche handelt, die sich teilweise inhaltlich überschneiden, lässt sich zumindest festhalten, dass diese Dialogszene im 2. Jahrhundert n.Chr. zu den prominenten Geschichten gehörte, die über die Schlacht erzählt wurden. Das Orakel fällt in der weiteren Rezeption der Schlacht an den Thermopylen allerdings nicht vollständig weg. So wird es von Pompeius Trogus an derselben Stelle wie in Herodots Schlachtbericht erwähnt, als die Bundesgenossen abziehen (2.11).83 Hieran schließt ein Rückblick auf das Gespräch beim Auszug des spartanischen Heeres an, bei dem Leonidas seinen Soldaten verkündet, dass sie zum Sterben bereit sein müssen. Orakel und Gespräch ließen sich folglich durchaus verbinden. Festzuhalten ist, dass es in der Rezeption der Schlacht nach Herodot einen Trend zur Entgöttlichung des Ereignisablaufs gab und der Anteil von Dialogen und wörtlicher Rede, d. h. von ,lebendiger‘ Erzählung, stieg, während die Handlungsmotive vereinheitlicht wurden. Nachdem die Griechen den Pass besetzt haben, wird der erste Kontakt wie bei Herodot durch einen persischen Boten aufgenommen, der allerdings nicht nur als Späher entsandt ist, sondern die Kapitulationsaufforderung überbringt und im Gegenzug besseres Land in Aussicht stellt. Leonidas lehnt ab; die Griechen kämpften für ihre Freiheit und erwürben ihren Boden traditionell nicht durch Feigheit, sondern durch Tapferkeit. Demaratos, der bei Diodor nur an dieser Stelle in Erscheinung tritt, versichert dem Großkönig, dass die Griechen, die er selbst wegen ihrer Tapferkeit gegen abtrünnige ,Barbaren‘ einsetze, für ihre eigene Freiheit noch tapferer kämpfen würden (11.6.1–2). Dies kann vor dem Hintergrund der Tatsache gelesen werden, dass im 4. Jahrhundert v. Chr. zahlreiche griechische Söldner in 81 ) Vgl. bereits Busolt, Griech. Geschichte, S. 676 Anm. 2; Gottlieb, Überlieferung, S. 17 Anm. 2; Tigerstedt, Legend 1, S. 502 Anm. 974. Hammond, Thermopylae, S. 5 f., hält dagegen die Unterredung für authentisch und nimmt an, sie sei nach der Niederlage von den Ephoren in Umlauf gesetzt worden. Allerdings ist unvorstellbar, dass die Ephoren, gerade wenn das Orakel „of public knowledge“ war, wie Hammond es ausführt, eine Erklärung des Leonidas über sein kleines Aufgebot brauchten. 82 ) Vgl. Plut. Apophth. Lac. 225 A Nr. 3 und 4; 225 B/C Nr. 8 und 9. 83 ) Da Pomp. Trog. 2.10 auch die Episode erzählt, in der Demaratos die Spartaner vor dem Xerxesfeldzug auf einem geheimen Wachstäfelchen warnt (Hdt. 7.239), hat er vermutlich neben Ephoros auch Herodot benutzt.

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persischen Diensten standen.84 Indem Demaratos auf diesen einen Auftritt reduziert wird, entfällt die erklärende Perspektive auf die spezifisch spartanischen Verhaltensweisen, die Herodot in seiner Person konstruiert. Nicht mehr spartanisches, sondern allgemein griechisches Kampfverhalten wird von dem exilierten Spartanerkönig erläutert. Die beiden Kampftage, insbesondere der zweite, werden bei Diodor wesentlich ausführlicher geschildert als bei Herodot, ohne dass der Bericht allerdings entscheidende zusätzliche Informationen bietet (11.6.3– 4; 11.7; 11.8.1–3). Beim ersten Angriff führt Xerxes zusätzlich die Verwandten der bei Marathon Gefallenen ins Feld, in der Hoffnung, sie würden auf Rache sinnen.85 Die griechische Überlegenheit wird wiederum auf die Tapferkeit und die besseren Nahkampfwaffen zurückgeführt.86 Generell sind die Beschreibungen des Nahkampfes und des Wetteifers unter den Griechen viel spektakulärer als bei Herodot. Der Verrat des Pfades durch einen namenlosen Trachinier steht im Vergleich zu Herodots Bericht, der diesen Vorgang früh als Ursache für die Katastrophe nennt, völlig im Hintergrund (11.8.4–5). Die Umgehung ist für den weiteren Verlauf der Ereignisse von nachgeordneter Bedeutung (11.10). Nachricht von der Umgehung erhält Leonidas von einem gewissen Tyrrhastiades aus Kyme, ein Detail, das auf den Lokalpatriotismus des Ephoros zurückgeführt wird.87 Nachdem die Umgehung des Passes bekannt geworden ist, beraten die Griechen bereits um Mitternacht über einen Rückzug (11.9.1–2). Diodor gibt nur eine Version wieder: Leonidas befiehlt den Abzug der Bundesgenossen, um sie, so ein neues militärisches Argument, für die künftigen Kämpfe zu schonen. Er selbst dagegen wolle aus „Ehrgeiz“ (filotimoyÂmenow 11.9.1) sich und den Spartiaten den „großen Ruhm“ (doÂjan . . . megaÂlhn 11.9.1) sichern. Als „Führer Griechenlands“ (hëgoymeÂnoyw thÄw ëEllaÂdow 11.9.1) müssten sie bereitwillig den „Tod für Griechenland“ (toÁn yëpeÁr thÄw ëEllaÂdow uaÂnaton 11.9.2) sterben. Wie in der Darstellung Herodots ist eines der Motive, im Engpass zu bleiben, die Absicht, den Ruhm für die Spartiaten zu monopolisieren. Neu ist hingegen die Begründung, die Spartaner wollten ihren Führungsanspruch durch ihre Bereitschaft, für Griechenland zu sterben, untermauern. Im Pass verbleiben 500 Hopliten, nämlich die 300 Spartiaten und 200 Thespier.88 Während bei Herodot 1400 Hopliten zum letzten Kampf antreten, ist hier die Zahl auf Kosten der Thespier und Thebaner reduziert. Die größte Abweichung von Herodots Schlachtbericht ist der nun folgende nächtliche Überfall auf das persische Lager (11.9.3– 4; 11.10). Diese Episode findet sich ebenfalls bei Pompeius Trogus (2.11) und Plutarch (mal. Her. 32), wird 84 )

Vgl. Hammond, Thermopylae, S. 4; Davies, Griechenland, S. 218f. Vgl. auch Pomp. Trog. 2.11. 86 ) Die Beschreibung der Waffen lässt nicht unbedingt auf eine nichtherodoteische Quelle schließen, vgl. Hammond, Thermopylae, S. 7, 13, da die Waffen des 5. Jhs. v. Chr. durch ausgestellte Tropaia allgemein bekannt waren; vgl. z. B. Paus. 1.15. 87 ) Vgl. Diodoros Ausg. Veh/Will, S. 307; Tigerstedt, Legend 1, S. 217; Gottlieb, Überlieferung, S. 82. Die Nachricht wird für authentisch gehalten von Burn, Persia, S. 416; Green, Wars, S. 139. 88 ) Bei Pomp. Trog. 2.11 sind es 600. 85 )

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von der Forschung mitunter der Version Herodots vorgezogen89 und spielt auch in der außerwissenschaftlichen Rezeption eine große Rolle, insbesondere bei den dramatischen Bearbeitungen des Stoffes.90 Zum Überfall auf das feindliche Lager gehört ein weiteres berühmtes Apophthegma, nach dem Leonidas seinen Soldaten befiehlt zu frühstücken; Abendessen gebe es dagegen im Hades (11.9.4).91 Die Spartiaten und Thespier marodieren und morden im nächtlichen Lager des Feindes und stürzen die aus dem Schlaf aufgeschreckten Perser in heillose Verwirrung (11.10). Beinahe hätten die Griechen sogar Xerxes selbst ergriffen; nur zufällig hatte dieser gerade sein Zelt verlassen. Bei Tagesanbruch erkennen die Perser die geringe Zahl ihrer Gegner und töten sie durch Pfeilschüsse und Lanzenwürfe aus der Ferne, da sie zu feige seien, den Kampf Mann gegen Mann zu wagen. Im Überfall auf das feindliche Lager werden die Griechen zu Angreifern in militärisch aussichtsloser Lage. Da ihre Truppe nur noch etwas mehr als ein Drittel so groß ist wie bei Herodot, wird ihre Leistung immens gesteigert. Abgesehen vom archäologischen Befund (s. Kap. I.1.3) spricht diese deutliche Übertreibung dafür, dass die Episode ein nachherodoteischer Zusatz ist, der vielleicht bereits als eigenständige Erzählung bestand und zu einer wirkungsvollen Szene ausgeschmückt wurde.92 Die Panegyrik auf die Thermopylenkämpfer, die der Beschreibung der Schlacht folgt (11.11), steht an der Stelle, wo Herodot die bemerkenswerten Taten einzelner Kampfteilnehmer aufzählt. Während bei ihm dadurch in erster Linie individueller Nachruhm begründet werden soll, würdigt Diodor die Toten der Schlacht als Gruppe, ohne Spartiaten und Thespier zu unterscheiden, oder Leonidas herauszuheben. In den Aristien stellt Herodot seinen Lesern vorbildhafte Taten vor, dagegen werden bei Diodor die Nachgeborenen direkt aufgefordert, der „Tapferkeit“ (thÁn aÆrethÁn 11.11.2) nachzueifern.93 In seiner rhetorischen Form kann dieses Kapitel seine Nähe zum Epitaphios logos nicht verleugnen (s. Kap. I.2.1). Die vorbildhafte Leistung der Thermopylenkämpfer besteht darin, dass sie den von „Griechenland“ angewiesenen Posten nicht verließen, sondern vielmehr entschlossen ihr Leben für die allgemeine Rettung der Griechen opferten und lieber einen Tod in Ehren als ein Leben in Schande wählten. (11.11.1) Ä ltoÁn eëaytv Ä n deÁ biÂon prouyÂmvw eÆpeÂdvkan eiÆw thÁn koinhÁn tv Ä n ëEllhÂnvn svthriÂan, kai ma lon eiÏlonto teleyta Ä n kalv Ä w hà zh Ä n aiÆsxrv Ä w.

In dem Posten, der nicht verlassen wird, klingt noch einer von Herodots Gründen für den Verbleib des Leonidas im Engpass nach (Hdt. 7.220.1). Aber jetzt ist „Griechenland“ zum absoluten Bezugspunkt für die Tat geworden, und auch die antithetischen Wertbegriffe von Ehre und Schande sind nicht mehr dem spartanischen Ehrenkodex zugeordnet, sondern allgemein gehalten. Die Schlacht an den Vgl. Flower, Simonides, S. 372–379; zur Diskussion auch Diodore Ausg. Haillet, S. 126f. Vgl. Kap. II.2.1; II.4.2. 91 ) Vgl. Cic. Tusc. 1.101; Val. Max. 3.3; Plut. Apophth. Lac. 225 E Nr. 13. 92 ) Vgl. Gottlieb, Überlieferung, S. 82 f.; Tigerstedt, Legend 1, S. 217; Hammond, Thermopylae, S. 8. 93 ) Sacks, Diodorus (1990), S. 32f., hält die Aufforderung zur Nachahmung für einen Zusatz von Diodor, was nicht unbedingt stimmen muss, aber durchaus zu Diodors Geschichtsauffassung passen würde.

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2. Zwischen Athen und Rom

Thermopylen wird explizit zum ,Opfertod‘ erhoben. Im Folgenden kreist die Lobrede um die arete´ der Gefallenen, ihre Einzigartigkeit und um das Phänomen, dass sie als Tote einer Niederlage berühmter sind als viele Sieger. Die Niederlage wird auf mehreren Ebenen zum Sieg umgedeutet. Erstens durch die Trennung von Körper und Seele: Die Thermopylenkämpfer seien nur körperlich unterlegen, nicht aber psychisch (11.11.2), die Deutung, die sich auch im Panegyrikos des Isokrates findet (s. Kap. I.2.1). Zweitens wird die Niederlage durch die Betonung des freien Willens gegenüber dem Schicksal aufgehoben, das den Ausgang der Schlacht bestimmt habe. Die wahre Absicht, die die Thermopylenkämpfer mit ihrem Aushalten verfolgt hätten, sei gewesen, sich dem Agon der Helden zu stellen und dort um den Siegespreis zu ringen (11.11.3). Drittens hätten sie mit ihrer Tat die ,Barbaren‘ erschreckt und die übrigen Griechen angespornt, weshalb man sie als die Begründer der „allgemeinen griechischen Freiheit“ ansehen könne (11.11.5). Abschließend wird betont, dass die Gefallenen allein wegen ihrer einzigartigen Tapferkeit unsterblich wurden; der Anteil der Geschichtsschreibung und Dichtung an ihrer Unsterblichkeit wird – in falscher Bescheidenheit – gering angesetzt.94 Als Beispiel für die Dichtung zitiert Diodor ein Loblied (Enkomion) von Simonides: Der bei Thermopylai Gefallenen Schicksal ist ruhmvoll, untadelig ihr Todeslos, ihr Grab ein Altar, statt Trauerklage ewiges Gedenken, ihr Geschick ein Lobgesang. Solch Leichentuch wird weder Moder noch die allbezwingende Zeit vergehen lassen. Diese heilige Stätte wackerer Männer hat Griechenlands Ruhm zum Wohngefährten erwählt. Und Zeugnis legt ab dafür Leonidas, Spartas König, der die Krone seiner Tugend und ewigen Ruhm hinterlassen hat. (11.11.6) tv Ä n eÆn UermopyÂlaiw uanoÂntvn eyÆklehÁw meÁn aë tyÂxa, kaloÁw d' oë poÂtmow, Ä stiw, oë d' oiËtow eÍpainow. bvmoÁw d' oë taÂfow, proÁ goÂvn95 deÁ mna eÆntaÂfion deÁ toioyÄton oyÍt' eyÆrvÁw oyÍu' oë pandamaÂtvr aÆmayrvÂsei xroÂnow. aÆndrv Ä n d' aÆgauv Ä n oÏde shkoÁw oiÆkeÂtan eyÆdojiÂan ëEllaÂdow eiÏleto´ martyreiÄ deÁ kaiÁ LevniÂdaw oë SpaÂrtaw basileyÂw, aÆreta Ä w meÂgan leloipvÁw koÂsmon aÆeÂnaon te kleÂow.

Dieses Gedicht von Simonides ist nur bei Diodor überliefert. Es handelt sich um einen Ausschnitt, möglicherweise um den Anfang des Textes.96 Wie in der rhetorischen Praxis durchaus üblich, ist es als Zeugnis für eine bereits lang andauernde Verehrung der Thermopylenkämpfer eingefügt und weist ins 5. Jahrhundert v. Chr. zurück. Während die Funktion dieses Zitats in Diodors Darstellung die Forschung nicht interessiert, wird über den ursprünglichen Kontext lebhaft diskutiert, wobei Michael Clarkes Äußerung gilt: „Nothing is known for certain about the Vgl. Isokr. 6.101. In Diodore Ausg. Haillet, S. 19, steht progoÂnvn statt proÁ goÂvn, „voue´ a` la me´moire des anceˆtres“. 96 ) Vgl. Kierdorf, Perserkriege, S. 26. 94 )

95 )

2.2. Die Darstellung in Diodors Bibliothek

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context of these lines.“ 97 Die zentrale Frage, die im Zusammenhang mit dem Simonides-Gedicht erörtert wird, ist, ob es Bestandteil eines Heroenkultes für Leonidas und die 300 Spartiaten war. Seit Cecil Maurice Bowras Beobachtung, dass das Gedicht nicht zu einem Totenkult an den Thermopylen gehört haben kann, da ansonsten „hier“ (eÆnuaÂde) stehen würde, akzeptiert die Forschung in der Regel, dass es für einen spartanischen Kontext geschrieben wurde.98 Die eine Richtung versteht „Altar“ (bvmoÁw) und „heilige Stätte“ bzw. „Heiligtum“ (shkoÁw) wörtlich und schließt unter Verweis auf Pausanias (3.14.1) auf einen Heroenkult für die Thermopylenkämpfer.99 Allerdings berichtet Pausanias nur von Heiligtümern für Leonidas und Alpheos und Maron, und dass diese im 2. Jahrhundert n. Chr. bestanden, beweist nicht, dass die Thermopylenkämpfer im 5. Jahrhundert v. Chr. heroisiert worden sind. Die andere Richtung in der Forschung bestreitet daher, dass den 300 Spartiaten als Gruppe kultische Ehren zuteil geworden seien, zumal sie mit der Ä n d' aÆgauv Ä n) angesprochen werden. üblichen Bezeichnung für Kriegstote (aÆndrv Zudem waren griechische Heroenkulte in der Regel an die Gräber der heroisierten Toten gebunden.100 Allein für Leonidas scheint eine Heroisierung plausibel, zumal Xenophon berichtet, dass die Spartaner ihre toten Könige wie Heroen verehrt hätten.101 Auch wenn das Enkomion nicht auf eine Heroisierung der Spartiaten in der Praxis verweist, so vermittelt es die Vorstellung, dass sie mit ihrer Tat den Heroen in nichts nachstehen.102 Indem Diodor seine Lobrede auf die Thermopylenkämpfer mit dem Gedicht enden lässt, werden Simonides’ Zeilen ihrerseits zum Maßstab, wie die Unsterblichkeit toter Soldaten zu begründen ist. Es bleibt noch das Grabepigramm auf die Spartiaten, das nicht im Zusammenhang mit der Niederlage an den Thermopylen, sondern erst nach der Schlacht von Plataiai als eine von mehreren Inschriften zitiert wird (11.33.2). Diodor zitiert es in der Form wie Lykurg in seiner Anklagerede gegen Leokrates 331/0 v. Chr. (s. Kap. I.2.1). Inhaltlich unscharf bleibt auch bei ihm, was die „Gesetze“ meinen, denen die Spartiaten gehorchten. In der Eulogie wird an einer Stelle das dominierende panhellenische Deutungsmuster durchbrochen, wenn es heißt, die Thermopylenkämpfer hätten lieber „die Gesetze ihrer Polis“ (toyÁw thÄw poÂlevw noÂmoyw 11.11.4) als ihr Leben bewahren wollen. Damit ist das Epigramm in den Kontext der Polis und ihrer no´moi gestellt, d. h. nicht als eine ethische Verhaltensnorm im weitesten Sinne 97 ) Clarke, Spartan Ate, S. 77. Vgl. Bowra, Simonides, S. 277–281; ders., Poetry, S. 346– 349; Podlecki, Simonides, S. 257–275; Kierdorf, Perserkriege, S. 24–29; Diodore Ausg. Haillet, S. 127f. Obwohl der Kontext so unsicher ist, wird das Enkomion von Flower, Simonides, S. 369f., und Clarke, Spartan Ate, S. 64f., zum Ausgangspunkt ihrer Argumentationen genommen. 98 ) Vgl. Bowra, Simonides, S. 279. Flower, Simonides, S. 369, hält dagegen für möglich, dass das Gedicht an den Thermopylen gesungen wurde. 99 ) Vgl. Bowra, Simonides, S. 277–281; Diodore Aus. Haillet, S. 127f. 100 ) Vgl. Podlecki, Simonides, S. 257–275; Kierdorf, Perserkriege, S. 24–29; Flashar, Marathon, S. 29 Anm. 81; Clarke, Spartan Ate, S. 64f. 101 ) Vgl. Xen. Lac. Pol. 15.9. 102 ) Es gibt eine strukturelle Nähe zwischen Heroenkult und politischem Totenkult in Griechenland, zumal beides wichtige Elemente der Identitätspolitik von Poleis und anderer Handlungsgemeinschaften waren; vgl. Chaniotis, Gedenktage, S. 123–142.

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2. Zwischen Athen und Rom

verstanden. Im Epigramm sind die „Gesetze“ zwar auf Sparta bezogen, doch die allgemeine Formulierung „die Gesetze ihrer Polis“ erscheint nur vordergründig spezifisch spartanisch. Da die Eulogie die Spartiaten und die Thespier nicht trennt, sind streng genommen auch die Thespier gemeint. Das Spartiaten-Epigramm ist in der veränderten Form auch bei Diodor vor allem vor einem athenischen Hintergrund und dort im Zusammenhang mit der institutionellen und dogmatischen Entwicklung des Gesetzesbegriffs zu sehen. Die Darstellung des Schlachtverlaufs bei Diodor unterscheidet sich an einigen wichtigen Punkten vom Bericht Herodots: Erstens gibt es einen Trend zur Verallgemeinerung, der z. B. daraus ersichtlich wird, dass die topographische Situation unklar bleibt, die Schlacht also im Grunde an irgendeinem beliebigen Pass stattgefunden haben kann. Zudem fallen viele Details und Differenzierungen weg, die sich bei Herodot finden. So erfährt man kaum Namen der anderen griechischen und persischen Kampfteilnehmer, und auch die Eigenheiten der Spartiaten, wie ihr langes Haar und ihre besondere Art des Phalanxkampfes, werden nicht erwähnt. Zweitens wird das Kampfgeschehen dramatisiert, während der strategische Ablauf der Schlacht noch weiter in den Hintergrund rückt. Der Hang zur Spektakulisierung des Kampfgeschehens zeigt sich besonders in der Episode vom nächtlichen Überfall auf das persische Lager. Drittens sind die göttlichen Einflussnahmen auf die Handlungszusammenhänge beseitigt worden. Handlungskausalität und Dynamik des Ereignisablaufes werden durch das vordergründig rationale Handlungsmotiv des militärischen Opfers für die „allgemeine Freiheit“ hergestellt. Der göttliche Ratschluss des Orakels erscheint transformiert in das säkulare Opfer für eine Idee, die einer ,höheren‘ Wertsphäre entstammt. Überdies gilt dieses Handlungsmotiv nicht nur für Leonidas, sondern auch für alle Spartiaten und die anderen griechischen Kampfteilnehmer. Viertens werden mit der Deutung der Schlacht an den Thermopylen als Freiheitskampf alle Lücken aufgefüllt, die der Handlungsverlauf bei Herodot hat. Gegenüber der Darstellung Herodots ist es zu einer Vereinheitlichung und damit vordergründigen Klärung der Begründungen und Handlungsmotivationen gekommen. Die Frage, ob die Verteidiger ,zu wenige‘ waren oder ,nur‘ durch den Verrat untergingen, ist bei Diodor zugunsten der Deutung als ,verlorener Posten‘ entschieden. Von den zwei Versionen, die Herodot zum Abzug der Bundesgenossen gibt, ist nur noch eine übrig geblieben; die vielen, teils widersprüchlichen Gründe, die Herodot für den Verbleib im Engpass nennt, sind auf das Opfer für die „allgemeine Freiheit“ und die Absicht, den Ruhm auf die Spartiaten zu konzentrieren, reduziert. Die Vereinheitlichung der Motivationen ist einer der Gründe, warum die Interpretation der Schlacht an den Thermopylen als Freiheitskampf für die weitere Rezeption irreversibel ist. Die allgegenwärtige Freiheitstopik bei Diodor respektive Ephoros verweist auf den athenischen Kontext des 4. Jahrhunderts v. Chr. (s. Kap. I.2.1).103 Ebenfalls überall präsent ist der panhellenische Bezugsrahmen, während er in Herodots Bericht noch eher indirekt, wie z. B. über die Homer-Anklänge, hergestellt wird. Dieser panhellenische Bezugsrahmen, der über die einzelne Polis hinausgeht, ist 103 )

Vgl. Raaflaub, Freiheit, S. 215–312.

2.2. Die Darstellung in Diodors Bibliothek

91

für die weitere Rezeption insofern wichtig, als sich die Schlacht an den Thermopylen nunmehr direkter auf andere politische Handlungsgemeinschaften und später vor allem auf die nationalstaatliche Vorstellung vom ,Opfertod fürs Vaterland‘ übertragen ließ. Allerdings bedeutet dies nicht unbedingt, dass die Thermopylenkämpfer ein gemeingriechisches Exempel für Opferbereitschaft waren, da uns nur der athenische Entwurf einer panhellenischen Vergangenheit erhalten geblieben ist. In die Gedankenwelt der athenischen Rhetorik im 4. Jahrhundert v. Chr. gehört auch die neue Begrifflichkeit für „Ruhm“. Philotimı´a und do´xa sind weiterhin in Bezug auf die Polis definiert, so dass auch die philotimı´a, der „Ehrgeiz“ des Einzelnen, den Rahmen der Polis nicht sprengt.104 Auch durch das Spartiaten-Epigramm wird das Panhellenische wieder in der Ordnung der Stadtstaaten eingefangen. Militärisches Handeln sowie die Anerkennung herausragender militärischer Taten liegen bei der Darstellung der Schlacht an den Thermopylen trotz des panhellenischen Kriegsziels unverändert im Bereich der Poleis. Dies kann man vor dem Hintergrund lesen, dass das griechische Kriegswesen sich im 4. Jahrhundert v. Chr. tiefgreifend wandelte.105 Die Zeit der reinen Phalanxkämpfe war damals vorbei. Sukzessive setzte sich eine flexiblere Kampftaktik durch, bei der die Hopliten durch Reiter und Leichtbewaffnete ergänzt wurden, die nicht Mann gegen Mann kämpften, sondern Fernwaffen benutzten, was in Diodors Darstellung der Schlacht an den Thermopylen ausdrücklich mit Feigheit verbunden wird. Tapferkeit und Männlichkeit bleiben im Schlachtbericht ausschließlich mit dem Phalanxkampf verknüpft. Eine weitere Veränderung im Kriegswesen stellten die Söldnerführer dar, Berufsmilitärs, deren philotimı´a nicht auf die Polis, sondern auf ein jederzeit einsatzfähiges stehendes Heer gerichtet war. Die meisten Poleis zögerten, sich dem militärischen Wandel zu öffnen, da das Hoplitendasein mit dem Bürgerstatus und damit mit dem politischen System der Polis verbunden war. Das militärische Ethos der Bürger, das der Anpassung an die neuen Entwicklungen im Weg stand, wurde unter anderem in Erzählungen von historischen Schlachten, wie der Schlacht an den Thermopylen, gefeiert, bestätigt und lebendig gehalten. Insgesamt vermittelt die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen bei Diodor auf sehr viel direkterem Weg als bei Herodot die Aussage „Ihr habt doch gesiegt!“. Dem ,moralischen‘ Sieg wird darüber hinaus zugesprochen, dass er die Griechen erst zum Verteidigungskampf motiviert und damit den späteren militärischen Sieg entscheidend vorbereitet habe. Dass ein Text, der noch deutlich den athenischen Kontext des 4. Jahrhunderts v. Chr. erkennen lässt, auch im spätrepublikanischen Rom seine Attraktivität bewahrte, liegt in erster Linie an der Art und Weise, wie die Vergangenheit dargestellt ist. Es ist zwar anzunehmen, dass die Freiheitskampfthematik für die Griechisch lesende römische Oberschicht der Bürgerkriegszeit Identifikationsmöglichkeiten bot.106 Entscheidend aber ist, dass sowohl die Geschichtsschreibung in Athen im Vgl. Alexiou, Ruhm, S. 113. Vgl. Schulz, Revolution, S. 281–310. 106 ) Vgl. Raaflaub, Freiheit, S. 327–339. Der römische Freiheitsbegriff war allerdings ausgesprochen aristokratisch und eher innenpolitisch geprägt. 104 )

105 )

92

2. Zwischen Athen und Rom

4. als auch diejenige in Rom im 1. Jahrhundert v. Chr. durch eine Nähe zur Rhetorik gekennzeichnet war, oder genauer: durch eine funktionalistische Verwendung von Vergangenheit in rhetorischen Exempeln. In beiden Staaten kam der öffentlichen Rede in zentralen Bereichen der Gesellschaft eine große Bedeutung zu, und zudem wurde Vergangenheit in Teilen der politischen Kultur bzw. von bestimmten sozialen Gruppen in der Form von Exempeln erinnert.107 Bei Diodor ist bereits die Erzählung des Ereignisses von der Absicht geprägt, das Verhalten der historischen Akteure als richtig und falsch, tapfer und feige zu werten. In der Eulogie wird dann die Tat der Thermopylenkämpfer mit moralisch-pädagogischer Absicht zum Exempel erhoben. Dennoch besteht ein Unterschied zwischen der Exemplifizierung historischer Akteure und ihrer Taten in der Geschichtsschreibung und der Verwendung historischer Exempel in der Rhetorik: Während bei Diodor das Exemplarische der Schlacht aus dem Geschehenszusammenhang abgeleitet wird, ist dieses Wissen beim rhetorisches Exempel vorausgesetzt. Die Geschichtsschreibung stellte das historische Wissen für die Argumentation mit historischen Exempeln in der Rhetorik bereit. Umgekehrt beeinflussten die Redepraxis und ihr Umgang mit Vergangenheit die Historiographie. Zwischen Geschichtsschreibung und Rhetorik wurde somit das Exemplarische dieses Ereignisses fortlaufend bestätigt und festgeschrieben.

107 )

Vgl. Mehl, Geschichtsschreibung, 24–26. S. Kap. I.3.1.

3.1. M. Tullius Ciceros Tusculanae disputationes

93

3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom 3.1. Ein republikanisches exemplum. M. Tullius Ciceros Tusculanae disputationes Die Schlacht an den Thermopylen gehörte in eine römische Darstellung der Weltgeschichte, wie sie Diodor in der späten römischen Republik und Pompeius Trogus in der frühen Kaiserzeit schrieben. Allerdings ist keineswegs so selbstverständlich, dass die spartanische Niederlage in der römischen Republik jenseits der Universalgeschichte auch innerhalb der römischen Geschichte rezipiert wurde. Diodor und Pompeius Trogus stammten, wie die meisten Universalhistoriker der römischen Zeit, aus den Provinzen des Reiches. Die Geschichte Roms aber wurde in der Republik in erster Linie von Römern geschrieben, die entweder aus der politisch führenden Schicht der Nobilität stammten oder mit dieser eng verbunden waren.1 So verfasste M. Porcius Cato, der zwar ein homo novus war, d. h. nicht auf politisch erfolgreiche Ahnen verweisen konnte, aber alle politischen Ämter bis zum Censor durchlaufen hatte, zwischen 170 und 149 v. Chr. eine Geschichte Roms mit dem Titel Origines und bestritt darin die Außergewöhnlichkeit der Schlacht an den Thermopylen (Frg. 4.7a).2 Cato berichtet von einem namenlosen Militärtribun aus dem Ersten Punischen Krieg, der sich mit 400 Mann dem überlegenen karthagischen Heer entgegenstellte, um das römische Hauptheer zu retten. Alle fielen, nur der Tribun wurde durch göttliche Intervention gerettet. Cato mokiert sich darüber, dass Leonidas in Griechenland für eine solche Tat übermäßig geehrt worden sei und man seiner in Bildnissen, Inschriften und Geschichtswerken gedenke, während der namenlose Tribun nur wenig Lob erhalten habe.3 Cato beabsichtigt zu zeigen, dass Römer nicht nur zu ebenso kühnen und tapferen militärischen Leistungen fähig sind wie die berühmtesten Helden Griechenlands, sondern im Grunde viel tapferer sind; denn es war ein namenloser Tribun, der jene Tat vollbrachte, ohne dafür besondere Aufmerksamkeit zu bekommen. Die außergewöhnliche Tapferkeit erscheint als selbstverständlich und kann von jedem beliebigen Tribunen des populus Romanus jederzeit wiederholt werden. Typisch für den Blick der politischen Führungsschicht auf die römische Vergangenheit ist, Vgl. Gotter/Luraghi/Walter, Einleitung, S. 9–38; Mehl, Geschichtsschreibung, S. 35–106. Vgl. FRH S. 200–203. Cato lebte von 234–149 v. Chr. In den sieben nur fragmentarisch erhaltenen Büchern der Origines schilderte er die Urgeschichte Roms und der italischen Völker (Bücher 1–3), hielt die Zeit zwischen der Gründung der Republik und dem 1. Punischen Krieg sehr knapp und berichtete dann ausführlicher die Punischen Kriege (Bücher 4–5) sowie die Zeitgeschichte (Bücher 6–7); vgl. FRH S. 148–154; Blösel, Mos, S. 53–59; Gotter, Vergangenheit, S. 115–134. 3 ) „Leonides Laco, quidem simile apud Thermopylas fecit, propter eius virtutes omnis Graecia gloriam atque gratiam praecipuam claritudinis inclitissimae decoravere monumentis: signis, statuis, elogiis, historiis aliisque rebus gratissimum id eius factum habuere“ (Cato FRH 3, Frg. 4.7a.19).

1)

2)

94

3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

dass die eigene militärische Leistung betont wird und dies in der Form eines Exempels geschieht. Römische exempla sind res gestae, in denen Männer – und seltener auch Frauen – die bedrohte res publica durch ihre Taten vor Schaden bewahrt haben.4 Untypisch ist dagegen, dass der Mann, dessen Verhalten zur Norm erhoben wird und der Q. Caedicius hieß, von Cato anonymisiert wird.5 Denn in der Memorialkultur und der historischen Traditionsbildung der römischen Republik waren die exempla der Vergangenheit mit den gentes, den Familien der politisch privilegierten Klasse der Nobilität, verbunden.6 Die Leistungen, welche die eigenen Vorfahren (maiores) für die Republik erbracht hatten, wurden einerseits innerhalb einer jeden gens erinnert, die daraus ihren Anspruch ableitete, an der politischen Macht beteiligt zu werden. Für diese Familienerinnerung existierten verschiedene Formen und Medien der Vergegenwärtigung, von denen eines der öffentlichkeitswirksamsten der Leichenzug, die pompa funebris, war.7 Andererseits verkörperte das Kollektiv der maiores, die sich besonders für die Republik eingesetzt hatten, die Erfolgsgeschichte der Republik schlechthin. Ihre exempla bildeten einen Kanon an Verhaltens- und Handlungsmustern, die für alle Mitglieder der gentes in hohem Maß verbindlich waren. In einem Kodex von Werten, Normen und Praktiken, dem mos maiorum, der aus den exempla abgeleitet wurde, überschnitt sich das gentilizische Ethos mit dem Standesethos der gesamten Nobilität. Anders als in Griechenland waren somit historische Exempel in der römischen Republik sehr eng mit dem Selbstverständnis, dem Ethos und dem Habitus einer bestimmten sozialen Gruppe verbunden, die durch eine exemplarisch verstandenen Vergangenheit ihre politischen Ansprüche rechtfertigte. Indem Cato die Namen der maiores nicht nennt, macht er ihr exemplarisches Handeln zu Taten des ganzen populus Romanus. Als homo novus hatte Cato keine maiores und betont daher, dass allein die eigene Leistung für die Republik und nicht das ererbte symbolische Kapital die Bemessungsgrundlage für die Erinnerungswürdigkeit eines Mannes sein sollte. Auch Cicero, der ebenfalls ein homo novus war, verstand den mos maiorum in erster Linie als Leistungsethos und nicht als Familienprivileg.8 Catos Abwertung des Exempels der Schlacht an den Thermopylen ist die früheste erhaltene Erwähnung dieses Ereignisses in der lateinischen Literatur.9 Sie erhellt schlaglichtartig Catos gespaltenes Verhältnis zur griechischen Kultur.10 Er Vgl. Hölkeskamp, Exempla, S. 312–320. Den Namen überliefert mit dem Fragment Gell. 3.7.1–19. Die Schlacht fand 258 v. Chr. bei Kamarina auf Sizilien statt. Auch Flor. 180 und Amp. 10.5 vergleichen diese Episode mit der Schlacht an den Thermopylen, berichten aber, der Tribun habe Calpurnius Flamma geheißen. 6 ) Vgl. Hölkeskamp, Exempla, S. 301–338; Blösel, Mos, S. 25–97; Stemmler, Auctoritas, S. 141–205; Braun, Stabilität, S. 121–192. 7 ) Vgl. Pol. 6.53–54; vgl. Flaig, Pompa, S. 115–148. 8 ) Vgl. Blösel, Mos, S. 54–85. 9 ) Die Schlacht an den Thermopylen findet sich als nicht datierbares Erzählmotiv in der Episode der 306 Fabier, die um 479 v. Chr. im Kampf gegen das Volk von Veii gefallen sein sollen; vgl. Liv. 2.49–50. Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 112; Gotter/ Luraghi/ Walter, Einleitung, S. 23. 10 ) Vgl. Jehne, Cato, S. 115–134; FRH S. 148–154; Tigerstedt, Legend 2, S. 107. 4)

5)

3.1. M. Tullius Ciceros Tusculanae disputationes

95

hielt die Ehrungen für Leonidas in Griechenland für übertrieben, erwähnt aber den Spartanerkönig und setzt voraus, dass auch seine Leser die Schlacht an den Thermopylen kennen, da er sie nicht weiter erläutert. Cato kannte sogar den Schlachtort sehr gut; 191 v. Chr. leitete er als Legat erfolgreich die Umgehung des Passes, den Antiochos III . besetzt hielt. Die Rezeption eines Exempels aus der griechischen Geschichte in Verbindung mit Exempeln aus der römischen Vergangenheit war in der Republik nicht unproblematisch, weil die eigene Vergangenheit ein zentrales Element war, mit dem die soziale Klasse der Nobilität ihre Kohäsion herstellte und sich als Elite des Staates reproduzierte. Da in der neueren Forschung die exempla in der Regel im Hinblick auf den mos maiorum und die ,Identität‘ der Nobilität untersucht werden,11 sind die griechischen Exempla, die insbesondere Cicero in seinen philosophischen Werken in großer Zahl verwendet hat, aus dem Blick geraten. Folgt man Michael Stemmler, dann haben die römischen exempla eine andere, ,symbolische‘, fast ,mythische‘ Qualität und generieren über den mos maiorum die „sozio-kulturelle Identität“, die „nicht zugunsten eines multikulturellen, quasi anthropologischen Wissensfundus aufgeweicht werden“ dürfe.12 Zwar betont Cicero vor allem in seinen Reden häufiger die Vorbildfunktion, die die eigenen Ahnen für die von ihm angesprochene Person haben sollen,13 oder hebt hervor, dass Römer sich besonders oft für das Gemeinwesen eingesetzt hätten,14 aber er wertet die Exempel der griechischen Vergangenheit nicht pauschal ab.15 So hat Irene Oppermann gezeigt, dass Cicero in seinen Briefen gleichermaßen römische wie griechische Exempel zitiert, die er weniger nach ihrer Herkunft ausgewählt hat als danach, ob sie zu dem passten, was er sagen wollte.16 Auch Ciceros Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in seinem philosophischen Spätwerk Tusculanae disputationes (1.101) deutet darauf hin, dass die römischen und griechischen exempla doch flexibler verwendet wurden, als in ihrer Fokussierung auf ,Identität‘ sichtbar wird. Gerade für die späte Republik, in der sich die Nobilität in einem Bürgerkrieg Vgl. Stemmler, Auctoritas, S. 141–205; Blösel, Mos, S. 25–97. Stemmler, Auctoritas, S. 180. Die Unterscheidung, die Stemmler, ebda., S. 150–167, zwischen logisch-funktionalen Exempeln, die er aus der griechischen Rhetoriktheorie ableitet, und den symbolischen, nicht-rationalen Exempeln trifft, die er in der römischen Rhetoriktheorie und in der Redepraxis zu finden glaubt, kann keine absolute Gültigkeit beanspruchen. Erstens kann aus Differenzen in der Theoriebildung nicht direkt auf eine andere Qualität der Exempel an sich geschlossen werden, zumal Aristoteles’ Systematisierung der Beweismittel von der Redepraxis ein Stück entfernt ist. Ob die Verwendung von Exempeln in der griechischen und römischen Redepraxis sich so fundamental unterscheidet, bleibt ungeklärt. Zweitens benennt Stemmler mit seinen Definitionen des ,logischen‘ Exempels, mit dem argumentiert und belegt wird, und des ,symbolischen‘ Exempels, mit dem affektiv überzeugt wird, das Exempel einmal als technisches Beweismittel und einmal in seiner (angenommenen) Wirkung, was sich aber nicht ausschließt. 13 ) Vgl. z. B. Cic. Sest. 130; Mur. 66; Verr. 2.4.73; Balb. 51; Phil. 2.14, 26–27; 13.15; 14.35. Vgl. Schoenberger, Beispiele, S. 13–33. 14 ) Vgl. z. B. Cic. Sest. 141–143; fin. 2.62; 5.64. Vgl. auch Quint. 12.2.30. 15 ) So Stemmler, Auctoritas, S. 179f.; Blösel, Mos, S. 70; Schoenberger, Beispiele, S. 33– 41. 16 ) Vgl. Oppermann, Funktion, S. 20–23, 292–301. Cicero verwendet in den überlieferten Briefen sogar etwas mehr griechische als römische Exempel. 11 )

12 )

96

3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

zerfleischte und einzelne Männer ihren Ehrgeiz nicht mehr auf den Erhalt der Republik richteten, kann generell angezweifelt werden, dass die exempla des mos maiorum noch Kohäsion bewirkten.17 Für die weitere Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen ist von großer Bedeutung, dass Cicero sie rezipiert hat. Obwohl er die Schlacht im Vergleich zu anderen Exempeln aus der griechischen Geschichte selten erwähnt,18 wird sie als Exempel zum relevanten Orientierungswissen für den römischen Kulturkontext und bekommt damit eine aktuelle Bedeutung zugeschrieben, die sie innerhalb einer Darstellung von Weltgeschichte nicht hatte. Zudem übersetzt Cicero in den Tusculanen das Grabepigramm auf die Spartiaten ins Lateinische; auf dieser einzigen überlieferten lateinischen Version beruhen die meisten späteren volkssprachlichen Übertragungen. Darüber hinaus gehörten die philosophischen Werke Ciceros, darunter auch die Tusculanen, von der Spätantike bis in die Neuzeit zu den antiken philosophischen Schriften, die am meisten rezipiert wurden.19 Cicero schrieb die fünf Bücher seiner Tusculanae disputationes in der zweiten Hälfte des Jahres 45 v. Chr.20 Sie gehören zu seinem Unternehmen, den Römern eine umfassende Einführung in die griechische, insbesondere hellenistische Philosophie in lateinischer Sprache zu geben, und behandeln die wichtigsten Lehrsätze für eine glückliche Lebensführung.21 Die Tusculanen ergänzen damit Ciceros philosophisches Grundlagenwerk De finibus bonorum et malorum und sind, wie die meisten seiner philosophischen Werke, M. Iunius Brutus gewidmet, der an den Iden des März 44 v. Chr. C. Iulius Caesar ermordete. Der fiktive Hintergrund der Tusculanen ist ein Gespräch, das Cicero mit Freunden auf seinem Landgut in Tusculum in den Albaner Bergen führt. Cicero selbst agiert in den Dialogen als dominierender ,Lehrer‘, während seine Gesprächspartner, die nicht namentlich genannt werden, lediglich die Thesen liefern. Cicero beweist anschließend ausführlich die jeweilige Antithese.22 Im ersten Buch der Tusculanen wird die These, dass der Tod ein Übel sei, indirekt mit der Überlegung widerlegt, was der Tod überhaupt sei.23 Cicero führt zwei Alternativen aus: Wenn 17 ) Vgl. Hölkeskamp, S. 327f.; Gehrke, Mos, S. 620. Dagegen nehmen Stemmler, Auctoritas, S. 141–205, und Braun, Stabilität, S. 121–129, eine stabilisierende Funktion der Vergangenheitskonstruktionen auch für die späte Republik an. 18 ) Vgl. Cic. fin. 2.62; 2.97; Tusc. 1.101; 1.116. 19 ) Vgl. Mazal, Überlieferung 3, S. 542–629. 20 ) Über Ciceros Leben (106– 43 v. Chr.) ist durch die Fülle seiner erhaltenen Werke mehr bekannt als über jede andere antike Person; vgl. Fuhrmann, Cicero, bes. S. 204–291. Im Mai 44 v. Chr. lagen die Tusculanen Ciceros Freund und Verleger Atticus vor; da Cicero darin nirgends auf die Ermordung Caesars am 15.3.44 v. Chr. Bezug nimmt, waren sie wohl zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Gleichzeitig arbeitete Cicero an De natura deorum; vgl. Gawlick/Görler, Cicero, S. 1041. 21 ) Vgl. Cic. div. 2.1–3; auch Tusc. 1.1–8; vgl. Zimmermann, Cicero, S. 240–248. An dieses Projekt knüpft sich die Diskussion um die Originalität von Ciceros philosophischem Denken, das in den letzten Jahren positiver bewertet wird; vgl. Gawlick/ Görler, Cicero, S. 1026–1028. Beeinflusst war Cicero durch akademische und stoische Lehren, v. a. durch Philon von Larissa, Antiochos von Askalon und Diodotos. Zu den philosophischen Quellen von Tusc. 1: vgl. Gierstorfer, Cicero. 22 ) Zu seiner dialektischen Methode vgl. Gawlick/Görler, Cicero, S. 1021–1025.

3.1. M. Tullius Ciceros Tusculanae disputationes

97

mit dem Tod die Seele zum kosmischen Ursprungsort zurückkehre, dann sei er ein Gut (1.26–81). Wenn mit dem Tod allerdings auch die Seele sterbe, dann könne der Tod kein Übel sein, weil es keine Empfindung mehr gebe und der Tod folglich nicht als Verlust empfunden werden könne (1.82–111).24 In der Tradition der akademischen Erkenntniskritik sucht Cicero lediglich die Annäherung an die Wahrheit (1.8; 2.9) und gelangt zu dem Schluss, dass unabhängig von der Natur der Seele der Tod kein Übel sei (1.117–119). Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen steht innerhalb der Argumentation, dass die Seele sterblich sei. Cicero benutzt im ganzen Werk Exempel der römischen und griechischen Vergangenheit, um seine philosophischen Ableitungen zu belegen oder zu illustrieren. Die griechischen Exempel fand er wohl teilweise in seinen Vorlagen.25 In der Kombination mit den römischen Exempeln, die in der Republik kulturell breit verankert und immanent politisch waren, bilden sie einen Subtext zur philosophischen Gedankenführung, der handlungsbezogen und teilweise sehr konkret politisch ist.26 Ausgehend von der These, dass mit dem Tod jegliche Empfindung ende, führt Cicero zunächst aus, dass der Verlust der irdischen Güter durch den Tod kein Unglück bedeute. Als Beispiele dafür, dass ein frühzeitiger Tod besser sei, als den Verlust glücklicher Verhältnisse mitzuerleben, nennt Cicero C. Metellus, Priamos und Pompeius (1.82–86). Letzterer war nach seiner Niederlage gegen Caesar bei Pharsalos 48 v. Chr. ermordet worden. Der Tod, fährt Cicero fort, bringe auch kein Entbehren mit sich, da Tote keine Empfindungen hätten, also auch nichts vermissen könnten (1.87–89). Hierfür zählt er die Heerführer der frühen und mittleren Republik auf, die für Rom gefallen sind: Brutus, den Gründer der Republik, die Decii, die Scipionen, Aemilius Paullus, Geminus, Marcellus, Albinus sowie Gracchus (1.89).27 Cicero erklärt, dass es ebenfalls nichts Schlechtes sei, als Toter keine Empfindungen zu haben (1.90–92). Mit dem völligen Ende einer Existenz höre auch die Sorge um den Staat auf, und der aktuelle Bürgerkrieg würde Camillus, den Retter Roms vor den Galliern 396 v. Chr., nicht mehr stören. Daraus sei allerdings nicht abzuleiten, dass man nicht über seine eigene Lebenszeit hinaus für 23 ) Buch 2 behandelt die Frage, ob der Schmerz ein Übel sei; Buch 3, ob ein Weiser von Kummer betroffen sei; Buch 4, ob ein Weiser frei von Affekten sei; Buch 5, ob Tugend für eine glückliche Lebensführung genüge. 24 ) Cicero bevorzugte wohl die erste Version; vgl. Gawlick/ Görler, Cicero, S. 1042. 25 ) Vgl. Oppermann, Funktion, S. 21. 26 ) Vgl. Strasburger, Spätwerk, S. 1– 4; Brinton, Use, S. 169–184. 27 ) L. Iunius Brutus vertrieb 510 v. Chr. den letzten König Tarquinius Superbus und fiel in einer Schlacht gegen die Etrusker im Zweikampf mit Aruns Tarquinius. P. Decius Mus sicherte 340 v. Chr. durch seine devotio den römischen Sieg gegen die Latiner; sein Sohn P. Decius Mus opferte sich 295 v. Chr. gegen die Gallier freiwillig auf; ob dessen Sohn gleichen Namens sich 279 v. Chr. gegen Pyrrhos ebenfalls aufopferte, ist der Überlieferung nicht eindeutig zu entnehmen. Die anderen exempla stammen aus dem 2. Punischen Krieg: P. und Cn. Cornelius Scipio fielen 211 v. Chr. gegen Hasdrubal in Spanien; L. Aemilius Paullus und Cn. Servilius Geminus starben 216 v. Chr. bei der Niederlage von Cannae; M. Claudius Marcellus fiel 208 v. Chr. bei Venusia; L. Postumius Albinus 215 v. Chr. bei Litana; Ti. Sempronius Gracchus starb 212 v. Chr. in einem Hinterhalt.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

den Staat Sorge tragen müsse, da die „caritas patriae“ (1.90) sich nicht nach der menschlichen Empfindungsfähigkeit, sondern nach dem Wohlergehen des Staates richte. Anschließend argumentiert Cicero, dass es kein Unglück sei, frühzeitig zu sterben (1.93–103), da es keinen von Natur aus festgelegten Zeitpunkt für den Tod gebe (1.93–95).28 Er führt aus, dass die Haltung, mit welcher der Mensch dem Tod begegne, ihn auszeichne. Als Beispiele erzählt er die Schicksale von Theramenes, einem der 30 Tyrannen in Athen, und Sokrates, die beide ohne zu zögern den Schierlingsbecher tranken (1.96–99). Weiterhin betont Cicero, dass bei den Spartanern diese besondere Haltung gegenüber dem Tod kollektiv ausgeprägt sei (1.100–102). Sein erstes Beispiel ist ein namenloser Spartaner, der auf dem Weg zu seiner Hinrichtung gefragt wurde, ob er deswegen die „leges Lycurgi“ (1.100) verachte. Er antwortete, er sei ihnen zu Dank verpflichtet, da er so seine Strafe ableisten könne, ohne sich Geld zu leihen,29 was Cicero mit dem Ausruf „o virum Sparta dignum“ kommentiert. Cicero erklärt, er könne für diese Gesinnung unzählige römische Staatsmänner und Heerführer anführen, verweist aber auf Catos Origines, zumal er die kanonischen exempla teilweise bereits wenige Verse zuvor zitiert hat. Die gleiche Gesinnung („pari animo“ 1.101) hätten auch die Lakedaimonier an den Thermopylen gezeigt, auf die Simonides dichtete: Dic, hospes, Spartae nos te hic vidisse iacentis, Dum sanctis patriae legibus obsequimur.

Dem Zitat schließt Cicero den Spruch des Leonidas an, dass es das Abendessen in der Unterwelt gebe, sowie das Apophthegma von den persischen Pfeilen, die die Sonne verdunkeln würden.30 Zwischen den beiden Sprüchen kommentiert Cicero: „Dieses Volk war tapfer, solange die Gesetze des Lykurg Bestand hatten“ („fuit haec gens fortis, dum Lycurgi leges vigebant“ 1.101). Als typische Haltung einer Spartanerin zitiert er den Ausspruch, sie habe ihren Sohn geboren, damit er ohne zu zögern für das Vaterland sterbe (1.102).31 Cicero schließt mit der Bemerkung, dass die Spartaner tapfer und hart seien, da sie von Staats wegen dazu erzogen würden. Als letztes Beispiel nennt er ein Exempel aus hellenistischer Zeit, Theodoros aus Kyrene, der eine außergewöhnliche Todesverachtung gezeigt habe, obwohl die Kyrenäer als weichlich galten. Cicero argumentiert sodann, dass es sinnlos sei, sich um die Bestattung der Leichname zu sorgen, da diese ja nichts mehr empfänden (1.102–109), und schließt mit der These ab, dass ein mit Tüchtigkeit verbrachtes Leben dem Tod gegenüber gleichmütig mache (1.109–111). Und obschon die Toten den Ruhm, der auf ein solches Leben folge, nicht mehr spürten, überdauere dieser sie, wozu Cicero Lykurg, Solon, Themistokles, Epameinondas, Curius, Fabricius, Calatinus, die Scipionen, Fabius Maximus, Marcellus, Aemilius Paullus, Cato und Laelius 28 )

Das Beispiel dafür ist Troilos, der jung verstorbene Sohn des Priamos. Bei Plut. Apophth. Lac. 221 F ist der Ausspruch Thektamenes zugeschrieben. Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 148f. 30 ) Während bei Herodot (7.226) Dienekes einem Trachinier antwortet, dann würden sie wenigstens im Schatten kämpfen, antwortet bei Cicero ein namenloser Spartiat einem Perser. 31 ) Vgl. Plut. Lacaen. Apophth. 241 C Nr. 8. 29 )

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anführt.32 Der Tüchtige, so Cicero, werde sich auf dem Höhepunkt seines Lebens den Tod wünschen, was er mit einem weiteren spartanischen Apophthegma illustriert.33 Im Epilog zählt Cicero Beispiele dafür auf, dass die Götter manchen Menschen den Tod als Gut gewährt hätten (1.113–116).34 Dazu gehören auch diejenigen, die sich fürs Vaterland aufgeopfert haben („clarae vero mortes pro patria oppetitae“ 1.116), so die Töchter des Erechtheus, der athenische König Kodros, der thebanische Königssohn Menoikos, Iphigenie, die athenischen Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton, Leonidas und Epameinondas. Römer, die für ihr Land gestorben seien, könne er nicht aufzählen, behauptet Cicero, es seien zu viele. Für die Exempel der Spartaner hat Cicero wahrscheinlich eine Sammlung von Apophthegmata Laconica benutzt.35 Das Epigramm hat er nach der von Diodor bzw. Lykurg überlieferten Variante übersetzt, in der das rhe´masi der HerodotVersion durch nomı´mois ersetzt wurde.36 Die wichtigste Veränderung betrifft wiederum den Pentameter; Cicero übersetzt: „Dum sanctis patriae legibus obsequimur“.37 Aus dem gesamten Abschnitt wird ersichtlich, dass Cicero mit den „heiligen Gesetzen des Vaterlandes“ die Gesetze Lykurgs meinte. Die Spartiaten starben folglich an den Thermopylen im Gehorsam gegenüber den staatlichen Gesetzen. Bei Cicero sind damit die „Gesetze“ des Epigramms, die in der griechischen Rezeption immer zwischen staatlichen Gesetzen und Verhaltensmaximen oszillieren, eindeutig auf die Gesetze des Staates festgelegt. Da Cicero zudem über die Schlacht an den Thermopylen nicht viel mehr sagt, als dass dabei Lakedaimonier starben, liefert das Epigramm den alleinigen Grund für ihren Tod. Ciceros Kommentar, die Spartiaten seien tapfer gewesen, solange die Gesetze Lykurgs gegolten hätten, impliziert, dass ihre Tapferkeit endete, als die Gesetze Lykurgs und die „disciplina rei publicae“ (1.102) missachtet wurden. Die kollektive Todesverachtung, zu der die Spartiaten – und Spartiatinnen – fähig waren, hing am Bestand des spartanischen Gemeinwesens. Cicero eröffnet mit den Spartaner-Exempeln eine Nebenlinie zu seiner philosophischen Beweisführung, dass der Tod kein Übel sei. Er legt en passant dar, dass eine kollektiv ausgeprägte ethische Haltung, die sich in der Bereitschaft zeigt, für das eigene Gemeinwesen zu sterben, mit der 32 ) M’. Curius Dentatus, dessen politische Karriere ins erste Drittel des 3. Jhs. v. Chr. fällt, galt als Beispiel für mäßigen Lebenswandel und Unbestechlichkeit; sein Zeitgenosse C. Fabricius Luscinus für Rechtschaffenheit. A. Atilius Calatinus (auch: Caiatinus), Konsul von 258 und 254 v. Chr., erwarb seine militärischen Ehren im 1. Punischen Krieg. Q. Fabius Maximus Verrucosus gen. Cunctator war einer der führenden Politiker des 2. Punischen Krieges und ein Beispiel für sapientia, prudentia und constantia. Cato, Staatsmann und Schriftsteller, und C. Laelius, Philosoph im Umkreis des jüngeren Scipio, sind ebenfalls zu Beispielen altrömischer Tugend geworden. 33 ) Vgl. Plut. Pelop. 34. 34 ) Er nennt Kleobis und Biton, Trophonius und Agamedes, Midas und den Silen, Elysios aus Terina (1.113–115). 35 ) Vgl. auch Cic. Tusc. 5.40, 5.98. Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 148. 36 ) S. Kap. I.2.1. Vgl. Gelzer, Wanderer, S. 421. 37 ) Weiterhin ersetzt Cicero den Volksnamen (Lakedaı´moniois) durch den Ortsnamen (Spartae) und betont die Augenzeugenschaft des Rezipienten (nos te hic vidisse iacentis); vgl. Baumbach, Wanderer, S. 9–12; Gelzer, Wanderer, S. 427; Oppermann, Thermopyleninschrift, S. 122.

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Ordnung dieses Gemeinwesens zusammenhängt. Dieses Gemeinwesen denkt Cicero als res publica. Gleichzeitig gehören patria und leges zur politischen Sprache Roms und waren affektiv dicht besetzt. Besonders die patria war diejenige Bezugsgröße, nach der ein Römer sein ganzes Handeln ausrichtete bzw. ausrichten sollte. So erklärt Cicero, dass das Wissen um die Sterblichkeit der Seele zwar gleichgültig gegenüber dem eigenen Tod mache, die patria nimmt er allerdings ausdrücklich davon aus. Sie steht weit über dem Leben des Einzelnen. Patria hat keine Entsprechung in den griechischen Versionen des Epigramms. Cicero expliziert die im Epigramm implizierte Vorstellung vom Tod für die eigene Polis und überträgt sie in die römische Vorstellung vom Tod für das Vaterland. Mit den sanctae leges werden nicht nur staatliche Gesetze aufgerufen, sondern grundlegende staatliche Gesetze, die göttlich sanktioniert sind. Mit leges ohne weitere Spezifizierung wurden in Rom in der Regel die Zwölftafel-Gesetze assoziiert, durch welche die Republik ihre allgemeine Normierung erhalten hatte.38 Die res publica basierte auf der gemeinsamen Anerkennung und Nutzung der Rechtsordnung, die von den Göttern bestätigt war.39 Mit der Übersetzung des Epigramms versetzte Cicero die Spartiaten in eine römische Wertewelt. Sie starben an den Thermopylen im Gehorsam gegenüber patria, leges und res publica. Cicero setzt zudem die Todesverachtung der Spartiaten an den Thermopylen mit den exempla der maiores gleich („pari animo“ 1.101), wodurch er den mos maiorum aufruft. Da die maiores als die Baumeister der Republik galten, gehört der mos gleichfalls zu den Fundamenten der res publica.40 Cicero rückt hier durch die Verbindung der römischen Exempel mit dem spartanischen Gesetzesgehorsam den mos maiorum in eine staatsrechtliche Sphäre, was er an anderer Stelle auch ausdrücklich tut.41 In der Gleichsetzung mit den maiores erhalten die Spartaner die Tugenden der fortitudo und pietas gegenüber dem Vaterland. Insbesondere Leonidas wird mit den devotiones der Decii in Verbindung gebracht. Direkter als in den Tusculanen setzt Cicero den Spartanerkönig in De finibus bonorum et malorum mit den Decii in Beziehung (fin. 2.61–62). Dem militärischen Selbstopfer der devotio liegt allerdings ein anderes Ritual zugrunde als einem Orakel. Der Feldherr weiht sich mit bedecktem Haupt den Göttern, um im Gegenzug den Feind zu verfluchen. In der Schlacht sucht er den Tod; wird dieser von den Göttern angenommen, verhelfen sie dem römischen Heer zum Sieg.42 In der Rezeptionsgeschichte wird Leonidas häufiger zusammen mit den Decii erwähnt, und auch in der modernen Forschung hält sich die Interpretation seines Todes als devotio. In De finibus behauptet Cicero außerdem, dass es bei den Griechen neben Leonidas und Epameinondas nur drei bis vier weitere Feldherren gegeben habe, die 38 )

Vgl. Schiemann, Lex, S. 113. Vgl. z. B. Cic. nat. 3.5; Balb. 12. Vgl. König, Staat 1, S. 151–163. 40 ) Vgl. Blösel, Mos, S. 25, mit Forschungsdiskussion zum Verhältnis von mos maiorum und leges; Hölkeskamp, Exempla, S. 316f. 41 ) Vgl. z. B. Cic. Sest. 16, 73, 98; Phil. 13.14; de orat. 1.39; Tusc. 4.1. Vgl. Blösel, Mos, S. 74 f. 42 ) Vgl. Rüpke, Religion, S. 117f. 39 )

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sich für ihr Vaterland opferten, während die römischen Beispiele zahllos seien. Der Tod fürs Vaterland erscheint als eine römische Angelegenheit; um so bemerkenswerter ist, dass Cicero in den Tusculanen zu diesem Thema spartanische Exempel anführt. Insbesondere scheint ihm an dem im Epigramm formulierten Zusammenhang von militärischer Opferbereitschaft und Gesetzesgehorsam gelegen zu haben. Jenseits dieser Parallelisierung römischer und spartanischer Heldentaten, wie Cicero sie vornimmt, gab es in der römischen Republik auch strukturelle Vergleiche zwischen Rom und Sparta. Polybios stellte in seinen Historien die ,Mischverfassungen‘ beider Staaten gegenüber, um zu dem Schluss zu gelangen, dass das römische Staatswesen überlegen sei (6.43–56). Cato konstruierte in seinen Origines dagegen eine genealogische Abstammung: Sabo, der Stammvater der Sabiner, von denen die Römer ihre harten Sitten übernahmen, sei ein Lakedaimonier gewesen.43 Cicero hat beide Werke gekannt und konnte auch davon ausgehen, dass seine Leser sie kannten. Ohne dass er in den Tusculanen Sparta systematisch zu Rom in Beziehung bringen musste, konnte er damit rechnen, dass seine Rezipienten Sparta in eine – sei es auch oberflächliche – Relation zur römischen Republik setzen konnten.44 Es drängt sich auf, Ciceros Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in den Tusculanen vor einem zeitpolitischen Hintergrund zu lesen.45 Nach Caesars Sieg über Pompeius 48 v. Chr. war auch Cicero klar geworden, dass Caesar keineswegs an die Wiederherstellung der Republik dachte. Das Ende der alten res publica, der Cicero sein Leben gewidmet hatte, war erreicht. Nach der Niederlage des Pompeius hatte Cicero ein Jahr auf die Begnadigung durch Caesar warten müssen und sich anschließend aus der aktiven Politik zurückgezogen. Zum otium verdammt, schrieb er in schneller Folge seine philosophischen Hauptwerke. Die Niederschrift der Tusculanen fällt in die Zeit, da Caesar vom spanischen Feldzug zurückkehrte, in dem er das letzte Heer geschlagen hatte, das seiner Alleinherrschaft entgegenstand und das die Söhne des Pompeius befehligt hatten. Im September 45 v. Chr. feierte er einen Triumph, was bei einem Sieg über römische Bürger nicht üblich war. Bereits im Jahr zuvor hatte Caesar sich die Diktatur für zehn Jahre verleihen lassen, die ihm Ende 45 auf Lebenszeit verlängert wurde. Caesar schaffte die res publica nicht ab, er untergrub ihre Institutionen.46 Für Cicero und den republikanisch gesinnten Teil der Nobilität wurde er damit unweigerlich zum Tyrannen. Die Tyrannenthematik zieht sich wie ein roter Faden durch die exempla der Tusculanen. Am deutlichsten wird dies beim exemplum des L. Iunius Brutus, dem Ahnherrn der 43 )

Vgl. Cato FRH 3, Frg. 2.22. Vgl. zur römischen Spartarezeption Rawson, Tradition, S. 99–106; Tigerstedt, Legend 2, S. 144–160. 45 ) Vgl. Strasburger, Spätwerk, S. 43–59. Gleichwohl haben die Tusculanen auch einen sehr privaten Hintergrund; Cicero trauerte um seine Mitte Februar 45 v. Chr. gestorbene Tochter Tullia. 46 ) Er ließ z. B. für den am 31.12.45 v. Chr. verstorbenen Konsul C. Caninius Rebilus einen Konsul für die verbleibenden Stunden des Jahres nachwählen, was eine Farce war; vgl. Bleicken, Röm. Republik, S. 89f., 209–215; Braun, Stabilität, S. 128f. 44 )

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gens der Iunii Bruti, der den letzten römischen König vertrieb und die Republik gründete. Cicero spricht mehrmals die gentile Verbindung zwischen ihm und dem Adressaten seiner Widmung, M. Iunius Brutus, an (Tusc. 1.89; 4.2; 4.50), und verpflichtete diesen damit im römischen Geschichtsdenken zur Nachfolge. Brutus bediente sich in seiner Selbstinszenierung gleichfalls des exemplum seines Vorfahren.47 So verteidigte sich Cicero nach der Ermordung Caesars mit dem Argument, dass er Brutus und Cassius keineswegs zu dieser Tat angestachelt habe, da beide den exempla ihrer eigenen Ahnen gefolgt seien (Phil. 2.26–27). Cicero variiert in den Tusculanen die Tyrannenthematik auch im exemplum von Caesars politischem Hauptgegner Pompeius, den er mehrfach wohlwollend erwähnt (1.12; 1.86; 3.66), oder im Beispiel der athenischen Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton (1.116). Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen erhält vor diesem zeitpolitischen Hintergrund eine Bedeutung, die über die Funktion hinausgeht, einen philosophischen Lehrsatz zu veranschaulichen. Die Spartiaten stehen nicht nur für eine besonders glückliche Art zu sterben, sondern sie unterwarfen sich dabei auch bedingungslos den Gesetzen ihres Staates. Dieser Zusammenhang zwischen militärischer Opferbereitschaft und staatlichen Gesetzen endete, als die Gesetze Lykurgs nicht mehr galten. Dies impliziert, dass die Missachtung der leges dazu führte, dass das kollektiv ausgeprägte Ethos der Spartiaten verloren ging. Durch den Analogieschluss zu den exempla römischer Opferbereitschaft eröffnet Cicero den Vergleichsraum: Da leges und mos der res publica aktuell von Caesar missachtet werden, ist auch die kollektive Bereitschaft der Römer gefährdet, für Rom zu sterben, was wiederum die Existenz der patria bedroht. Cicero stellt einen suggestiven Zusammenhang zwischen Spartas untergegangener Gesetzesherrschaft und Roms bedrohter Republik her. Sparta wird zum warnenden Beispiel für das gegenwärtige Rom. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen vermittelt bei Cicero nicht nur den Gesetzesgehorsam der Spartiaten, sondern auch die aus dem mos maiorum abgeleitete Leitidee, dass sich römische Bürger und insbesondere die Nobilität für die res publica aufzuopfern haben. Die spartanische Schlacht ist damit zu einem spezifisch republikanischen exemplum geworden. Im ersten Buch der Tusculanen kombiniert Cicero griechische und römische Beispiele sowohl der individuellen als auch der kollektiven Todesverachtung, was zu dem von ihm wohl auch intendierten Effekt führt, dass sich die Exempel gegenseitig in ihrer Gültigkeit bestätigen.48 Die normative Haltung, die die Taten und Worte der historischen Persönlichkeiten widerspiegeln, ist weder spezifisch römisch noch spezifisch griechisch, sondern allgemeingültig und kann unter bestimmten Umständen von jedem Menschen erreicht werden.49 Die exempla sind hier nicht nur darauf ausgerichtet, sich des Römerseins zu versichern, sondern auch darauf, die eigenen Werte an einer allgemeinen Verhaltensmaxime zu messen. 47 ) Er ließ 54 v. Chr. einen Denar mit dem Kopf der Libertas und dem Kopf des ersten Brutus prägen; vgl. Hölkeskamp, Exempla, S. 311. 48 ) Gegen Stemmler, Auctoritas, S. 180. 49 ) Vgl. zur Tendenz der Ethisierung des mos: Gehrke, Mos, S. 620; Blösel, Mos, S. 84.

3.1. M. Tullius Ciceros Tusculanae disputationes

103

Dabei unterscheidet Cicero zwischen der individuellen Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod, die von Philosophen verkörpert wird und dem philosophisch Gebildeten als Vorbild dienen soll, und der kollektiven Todesverachtung der Heerführer und Soldaten, deren Voraussetzung ein wohlgeordnetes Staatswesen ist. Dem entspricht auf konzeptioneller Ebene, dass Cicero die Aufgabe der philosophischen Bildung sowohl darin sah, den Einzelnen in Lebensfragen zu unterstützen, als auch darin, der heranwachsenden Elite des Staates insgesamt diejenigen sittlichen Werte zu vermitteln, die die res publica retten könnten.50 Die in den römischen Kulturkontext übertragene griechische Philosophie wurde für Cicero, während die alte res publica unterging, zu einer Instanz, die menschliche und politische Wertmaßstäbe beurteilte und aufstellte. Bereits im Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr. aus ihrem historischen Kontext gelöst, erscheint die Schlacht an den Thermopylen bei Cicero in einem weiteren, neuen Kontext: der Philosophie. Da das Exempel dazu verwendet wird, eine moralisch richtige Haltung zu illustrieren, wird umgekehrt für die Deutung der Schlacht die Tendenz verstärkt, das konkret Militärische zugunsten von Gehorsam, internalisierter Disziplin und einer allgemeinen ethischen Haltung weiter abzuwerten. Hierbei tritt die Tatsache zurück, dass sich Leonidas mit seinen Männern einer feindlichen Invasion entgegenstellte, um die Freiheit Griechenlands zu verteidigen. Ciceros Übersetzung des Epigramms befördert dessen eigenständige Rezeptionsgeschichte, die sich seit Lykurgs Rede und der Zusammenstellung von Epigramm-Anthologien in hellenistischer Zeit abzeichnete.51 Cicero versteht die „heiligen Gesetze des Vaterlandes“ als die staatlichen Gesetze Spartas und legt sich damit auf eine bestimmte Deutungsdimension der griechischen Versionen fest. In der Rezeptionsgeschichte gibt es ausgehend vom antiken Verständnis der „Gesetze“ zwei große Linien der Deutung: Die eine interpretiert im Anschluss an Cicero die „Gesetze“ als die Verfassung Spartas und bezieht sie auf eine staatliche, schriftliche Konstitution. Diese Deutung findet sich vorwiegend in Frankreich seit dem 18. Jahrhundert (s. Kap II.2.2). Die andere Linie versteht die „Gesetze“ eher in der Tradition der fluktuierenden griechischen Bedeutung des Epigramms als Verhaltensmaxime bzw. kategorischen Imperativ. Diese Deutung erlangte besonders im Deutschland des 20. Jahrhunderts große Bedeutung (s. Kap II.2.3; III.2.2; III.3.1).

50 )

Vgl. Strasburger, Spätwerk, S. 45f., 65f.; Zimmermann, Cicero, S. 247. Vgl. Anth. Gr. 7.249; vgl. auch ebda. 7.243, 301, 336, 337. Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 86. 51 )

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3.2. Im Dickicht der Legenden. Plutarchs De malignitate Herodoti und die Apophthegmata Laconica Kaum ein anderer antiker Autor hat die Rezeptionsgeschichte der Polis Sparta so geprägt wie Plutarch, der Intellektuelle und Schriftsteller aus der boiotischen Kleinstadt Chaironeia, der von ca. 50 bis ca. 120 n. Chr. lebte.52 Von seinen Parallelbiographien, in denen er jeweils einen griechischen und einen römischen Staatsmann der Vergangenheit einander gegenüberstellt, bestimmte besonders die Biographie des legendären spartanischen Gesetzgebers Lykurg die Rezeption des spartanischen Staates vom 15. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts.53 Aber auch die anderen Biographien von Spartanern, insbesondere diejenige über die Reformkönige des 3. Jahrhunderts v. Chr., Agis IV . und Kleomenes III ., sowie die unter Plutarchs Namen überlieferte Sammlung lakonischer Sprüche wurden vor allem im 17. und 18. Jahrhundert in der Schulbildung, der Literatur und der bildenden Kunst stark rezipiert.54 Das Interesse der europäischen Gebildeten an Plutarchs Biographien mit ihrer moralphilosophischen Intention war viele Jahrhunderte lang so groß, dass die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen in der Neuzeit völlig anders aussähe, wenn Plutarch die geplante Leonidas-Biographie geschrieben hätte bzw. diese erhalten geblieben wäre.55 Plutarch äußert sich zur Schlacht an den Thermopylen in seiner Schrift Über die Boshaftigkeit Herodots (PERI THS HRODOTOY KAKOHUEIAS 31–33 [864 C-867 B]), die innerhalb des Korpus der Moralia überliefert ist.56 Obgleich der Einfluss von Plutarchs Darstellung der Schlacht bis in die Encyclope´die von Diderot und d’Alembert reicht, findet sie, wie die Schrift insgesamt, heute vergleichsweise wenig Interesse in der Forschung.57 Plutarchs Attacke gegen den zu seiner Zeit längst als pater historiae (Cic. leg. 1.1.5) kanonisierten Herodot ist deswegen bemerkenswert, weil sich in der direkten Auseinandersetzung mit der Hauptquelle für die Schlacht an den Thermopylen zeigt, wie weit die Legendenbildung in der römischen Kaiserzeit 52 ) Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 226–264; Ziegler, Plutarch, S. 20–31. Zur Biographie im Folgenden: Ziegler, Plutarchos, S. 636–962; Russell, Plutarch, S. 1–17; Sirinelli, Plutarque, S. 260– 404. 53 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 130–300; Losemann, Sparta, S. 154–159; s. Kap. II.2.1. 54 ) Vgl. Quantin, Traduire, S. 243–259; Ziegler, Plutarch, S. 25–31; Burke, Popularity, S. 142f.; Mazal, Überlieferung 1, S. 240–243; Sirinelli, Plutarque, S. 443– 474. Der Schwerpunkt der Rezeption lag in Frankreich, wo die Übersetzung von Jacques Amyot (Biographien 1559, Moralia 1572) zu einem Klassiker der französischen Literatur wurde. Die Parallelbiographie zu Lykurg ist Numa, die zu Agis und Kleomenes sind die Gracchen. Weitere Spartaner-Biographien sind die von Lysander und Agesilaos, die als Pendants zu Sulla und Pompeius wie diese kritisch dargestellt werden. 55 ) Vgl. Plut. mal. Her. 32 [866B]. 56 ) Die Moralia umfassen 78 überwiegend philosophische Schriften und wurden im späten 13. Jh. von Maximos Planudes zusammengestellt; vgl. Mazal, Überlieferung 1, S. 241. Zitiert wird nach Plut. mal. Her. Ausg. Bowen; in runden Klammern steht die Kapiteleinteilung von Bowen, in eckigen die Zählung der Moralia. 57 ) Vgl. Buck, Boiotians, S. 54–60; Legrand, Malignite ´ , S. 535–547; Homeyer, Malignitate, S. 181–187; Hershbell, Plutarch, S. 143–163; Ramo´n Palerm, Lengua, S. 415– 423; ders., Malignitate, S. 387–398.

3.2. Plutarchs De malignitate Herodoti und die Apophthegmata Laconica

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fortgeschritten war. Zudem finden sich die Sprüche zur Schlacht an den Thermopylen, die in Plutarchs Apophthegmata Laconica überliefert sind,58 trotz kritischer Geschichtswissenschaft bis ins 20. Jahrhundert in Schulgeschichtsbüchern sowie auf dem neuen Denkmal an den Thermopylen. Plutarch unterscheidet sich insofern von anderen Kritikern Herodots, die es im 2. Jahrhundert häufiger gab, als er nicht nur die Glaubwürdigkeit des Historikers anzweifelt, sondern ihm kakoe´theia, „Boshaftigkeit“, also einen Charakterfehler, vorwirft.59 Damit stellt Plutarch Herodots Werk innerhalb der überlieferten antiken Literatur am umfassendsten in Frage.60 In der ausführlichen Einleitung legt Plutarch seine Intention dar (1–10). In seinen weiteren Ausführungen folgt er im Großen und Ganzen der Einteilung der Historien in neun Bücher (11– 42) und schließt mit einer grundsätzlichen Beurteilung Herodots.61 Plutarch gibt als ersten Beweggrund für seine Schrift an, dass er seine Vorfahren, die Boioter und Korinther, vor Herodots kakoe´theia in Schutz nehmen und für Wahrheit sorgen müsse (1 [854 F]). Plutarch hat seine Geburtsstadt Chaironeia bis auf seine Studienzeit in Athen und einige Reisen nie verlassen und sich mit der Übernahme von Ämtern für die kommunalen Belange der Stadt engagiert.62 Sein Lokalpatriotismus war ein wichtiges Motiv für seinen Angriff auf Herodot. So verwendet er von den drei Kapiteln, die er über die Schlacht an den Thermopylen schreibt (31–33), allein zwei darauf, die Thebaner zu rehabilitieren (31; 33 [864 C-865 F, 866 D-867 B]). Plutarch legt dar, dass Leonidas wohl kaum in der gefährlichen militärischen Lage, da die Umzingelung drohte, die Thebaner als Geiseln zurückbehalten hätte, während er die anderen kampfunwilligen Griechen nach Hause schickte. Denn es sei unwahrscheinlich, dass die 300 Spartiaten im existenziellen letzten Kampf auch noch 400 Thebaner bewacht hätten. Plutarch argumentiert an dieser Stelle sorgfältig, indem er Sätze aus Herodots Werk zitiert und sie mit Argumenten der historischen Plausibilität widerlegt. Zudem beruft er sich auf zwei Historiker, Aristophanes von Boiotien und Nikander von Kolophon, um Herodot dahingehend zu korrigieren, dass der thebanische Befehlshaber an den Thermopylen nicht Leontiades, sondern Anaxander geheißen habe. Plutarch gelingt es einzig und allein an dieser Stelle in seiner Schrift, Herodot überzeugend eines Widerspruchs zu überführen.63 Allerdings sind für Plutarch Herodots ungerechte Behandlung der Thebaner und seine mangelnde Wahrheitsliebe nur ein Ausdruck seiner kakoe´theia.64 Denn Vgl. Apophth. Lac. 224 F-225 E Nr. 1–15. Schon Cicero (leg. 1.1.5) sprach von den „innumerabiles fabulae“ des pater historiae. Die Kritik des 2. Jhs. von Favorinus (Dion Chrys. or. 37.7, 18), Aelius Harpokratio, Valerius Pollio und Lukian ging mit einer neuen Wertschätzung von Thukydides einher; vgl. Homeyer, Malignitate, S. 185f.; Hershbell, Plutarch, S. 161f.; Bichler/ Rollinger, Herodot, S. 114–119. 60 ) Die Abfassung der Schrift fällt wie die der Parallelbiographien in die Jahre nach 96; vgl. Plut. mal. Her. Ausg. Bowen, S. 2; Teodorsson, Historiography, S. 439, 446 f.; Jones, Chronology, S. 66–73. 61 ) Nur das 4. Buch wird nicht behandelt. 62 ) Vgl. z. B. Plut. Dem. 2. 63 ) Vgl. Hershbell, Plutarch, S. 159f. 64 ) Vgl. Legrand, Malignite ´ , S. 535; Homeyer, Malignitate, S. 185; Tigerstedt, Legend 2, 58 )

59 )

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3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

Herodot, so Plutarch, neige generell zu übler Nachrede, weide sich an Fehlern seiner historischen Akteure, füge Geschichten ein, die ein schlechtes Licht auf sie werfen, lasse dafür aber das Gute weg (2–10 [855 B-856 D]). Das Gefährlichste an Herodot sieht Plutarch darin, dass sich sein wahres Ethos unter einem eleganten Stil verberge, in dem seine Verleumdungen lauerten, wie, so das am Ende der Schrift benutzte Bild, ein Käfer in einer Rose. Plutarch schließt sein Pamphlet mit der Warnung an den Leser, sich nicht auf der Grundlage von Herodots Werk ein falsches Bild von den tapfersten und größten griechischen Poleis und Helden zu machen (43 [874 B/C]). Diese in Einleitung und Schluss aufgeführten Kriterien der Boshaftigkeit ergänzt Plutarch damit, dass Herodot ein philoba´rbaros sei, der generell über die ,Barbaren‘ zu positiv berichte (12 [857 A]). Zudem sei er bestechlich gewesen und habe seine Sympathien danach verteilt, wer ihn bezahlt habe.65 Deutlich wird, dass Plutarch zum einen von den Historien direkt auf Herodots Charakter schließt66 und zum anderen vor allem die Art und Weise kritisiert, wie Herodot seine Akteure darstellt. Herodots Historien scheinen mit Plutarchs Vorstellung, wie historische Persönlichkeiten zu präsentieren seien, nicht vereinbar gewesen zu sein. An Plutarchs weiteren Ausführungen zur Schlacht an den Thermopylen lässt sich an einem einzelnen Fall zeigen, wo seine Auffassung von Geschichte mit derjenigen Herodots kollidierte (32 [866 A-D]). Da allerdings Plutarchs Äußerungen darüber, was für ihn Geschichte ist, sowie über seine historischen Methoden sehr vielfältig sind,67 kann daraus keine generelle Aussage abgeleitet werden. Plutarchs zentraler Vorwurf ist, dass Herodot die heroische Tat des Leonidas in zu düsteren Farben male. Dies überrascht insofern, als ausgerechnet Leonidas bei Herodot so uneingeschränkt positiv dargestellt wird wie kein anderer griechischer Feldherr der Perserkriege. Gerade in Herodots Bericht von der Schlacht an den Thermopylen scheint keines der von Plutarch entwickelten Kriterien der kakoe´theia zuzutreffen. Plutarch beginnt wiederum mit der Kritik mangelnder Wahrheitsliebe, da der letzte Kampf nicht auf dem Hügel im Engpass stattgefunden habe. Er schließt sich der bei Diodor überlieferten Version an, wonach die Thermopylenkämpfer das persische Lager überfielen. Für weitere Taten der Spartiaten verweist Plutarch auf seine Biographie des Leonidas, erzählt aber dennoch einige. Vor dem Auszug zu den Thermopylen hätten Leonidas und die Spartiaten bereits ihre eigenen Leichenspiele gefeiert. Plutarch zitiert drei Apophthegmata, davon zwei zum Aufbruch des spartanischen Heeres: Leonidas habe auf die Frage, ob er nicht zu wenige Männer mitnehme, geantwortet, es seien genug zum Sterben. Weiterhin habe er auf die Bitte seiner Frau, ihr etwas zum Abschied zu sagen, geäußert, sie solle Helden heiraten und Helden gebären. Der Auszug des Leonidas und seiner Spartiaten aus Sparta und die Vorstellung, dass ihr Untergang bereits S. 252f. Teodorsson, Historiography, S. 440, 447, folgt, wie ein Teil der älteren Forschung, der These, dass alleine Plutarchs Lokalpatriotismus der Anlass für die Schrift war. 65 ) In Athen soll er 10 Talente erhalten haben (Plut. mal. Her. 26 [862 A]), während er von Theben nichts bekam (31 [864 C/D]). 66 ) Vgl. Homeyer, Malignitate, S. 184. 67 ) Vgl. Hersbell, Concept, S. 225–243.

3.2. Plutarchs De malignitate Herodoti und die Apophthegmata Laconica

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von vornherein feststand, sind noch weiter ausgeschmückt worden als in der Darstellung Diodors. Das dritte Apophthegma gehört zeitlich unmittelbar vor den letzten Kampf. Leonidas schickt zwei Spartiaten, die er retten will, mit einem Brief nach Sparta. Diese weigern sich zu gehen, da sie mit den anderen sterben wollen. Abschließend präzisiert Plutarch seinen Vorwurf gegen Herodot und greift eines seiner Kriterien für kakoe´theia auf: Bei jedem anderen Autor würde er kein Wort darüber verlieren, wenn dieser versäume, von eben jenen heroischen Taten zu berichten. Herodot aber erzähle so viel Unsinn, wie die Anekdoten über Amasis und den Meisterdieb, die beide aus dem Ägypten-Logos stammen (Hdt. 2.162; 121). Deshalb könne er die edlen Taten und Aussprüche nicht übersehen haben, sondern habe sie absichtlich weggelassen. Plutarch konnte oder wollte sich nicht vorstellen, dass die von ihm vermissten ,Taten‘ und Apophthegmata erst nach Herodots Historien entstanden sein könnten. Alle zur Schlacht an den Thermopylen überlieferten Taten und Sprüche scheinen für ihn auf einer Zeitstufe zu liegen, und obwohl er im Fall der Thebaner vorführt, dass er historische Plausibilitäten durchaus abwägen kann, akzeptiert er unhinterfragt Leichenspiele und Apophthegmata, die den Ausgang der Schlacht schon vorwegnehmen. Selbst in der direkten und sorgfältigen Auseinandersetzung mit Herodots Text ist das exemplarische Heldentum des Leonidas und seiner Spartiaten für Plutarch zum undurchdringlichen Dickicht geworden.68 Die drei zitierten Apophthegmata finden sich auch in den unter Plutarchs Namen überlieferten Apophthegmata Laconica.69 Allerdings stimmt nur der Spruch, Gorgo solle Helden heiraten und Helden gebären, wörtlich überein. Die beiden anderen Apophthegmata weisen kleinere Abweichungen auf, wobei nicht festzustellen ist, ob die Varianten bereits bestanden oder erst von Plutarch stammen.70 Die fünfzehn Apophthegmata zur Schlacht an den Thermopylen, die Plutarch unter dem Namen des Leonidas versammelt, sind in ihrer Authentizität so zweifelhaft wie alle spartanischen Sprüche. Zwar ist es vorstellbar, dass ein Teil der Apophthegmata aus Sparta stammte und dort zur oralen Tradition gehörte, die ihren ,Sitz im Leben‘ in den Mahlgemeinschaften der Spartiaten hatte.71 Aber gerade bei den berühmten Persönlichkeiten Spartas wurden wohl auch bereits im übrigen Griechenland Sprüche dazuerfunden, die dem entsprachen, wie man sich Spartaner vorstellte.72 Die Sprüche des Leonidas zur Schlacht an den Thermopylen schmücken sowohl den Auszug des spartanischen Heeres als auch alle weiteren Phasen des 68 )

Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 253. Vgl. Apophth. Lac. 225 A Nr. 3 bzw. 225 C Nr. 9; 225 A Nr. 2; 225 E Nr. 15. Die Sprüche der Sammlung sind vorwiegend Spartanern aus der klassischen Zeit zugeordnet, während sie keinen Spruch mehr aus der Zeit von Agis IV . und Kleomenes III . enthält. Ob damit Plutarchs Sammlung wirklich auf eine Sammlung des 3. Jahrhunderts v. Chr. zurückzuführen ist, vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 24–27; Rawson, Tradition, S. 88, oder die Auswahl nicht vielmehr mit dem gesteigerten Interesse der Zweiten Sophistik an der griechischen Klassik zusammenhängt, wird sich kaum mehr klären lassen. 70 ) Neben sprachlichen Abweichungen sind es in Apophth. Lac. 225 E Nr. 15 drei junge Männer, die Leonidas nach Sparta zurückschicken will. 71 ) Vgl. Evans, Herodotus, S. 125; Tigerstedt, Legend 2, S. 18, 27–29. 72 ) Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 18–23. 69 )

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3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

Schlachtverlaufs weiter aus. Die Apophthegmata sind in der Antike unterschiedlich häufig rezipiert worden. Am prominentesten waren der Spruch von den Pfeilen, die die Sonne verdunkeln, den Herodot noch dem Dienekes zuschreibt,73 und der Befehl, jetzt zu frühstücken, das Abendessen gebe es im Hades.74 Diese Apophthegmata werden neben denjenigen, die Plutarch in De malignitate Herodoti zitiert, auch in der Neuzeit am breitesten rezipiert. Dazu werden in der Neuzeit noch zwei weitere Sprüche populär, die einzig in den Apophthegmata Laconica überliefert sind. Zum einen soll Leonidas auf die furchtsame Feststellung, dass der Feind nah sei, geantwortet haben, dass sie ihm ebenfalls nah seien75. Zum anderen soll der Spartanerkönig auf eine schriftliche Aufforderung des Xerxes, die Waffen abzuliefern, geschrieben haben: „Komm und hol sie“.76 In De malignitate Herodoti läuft Plutarchs Vorstellung, wie das Heldentum des Leonidas und seiner Spartiaten angemessen darzustellen sei, auf eine Ansammlung von pittoresken Szenen und markigen Sprüchen hinaus. Sowohl die von ihm bediente Malereimetapher für die literarische Darstellung historischer Personen als auch die Wertschätzung von Anekdoten lassen sich mit seinen programmatischen Äußerungen in seinen Parallelbiographien verbinden, auch wenn diese sich in erster Linie auf die Personen beziehen, die er in der jeweiligen Biographie darstellt.77 Plutarch ging in peripatetischer Tradition von der grundsätzlichen Lehrbarkeit der Tugend aus und verfolgte mit seinen Biographien erzieherische Absichten. Gemäß der Konzeption, dass die Tugend eines Menschen sich aus der natürlichen Veranlagung und dem erlernbaren, vernunftgeleiteten Handeln zusammensetze, sah Plutarch in den Taten der großen Männer aus der Vergangenheit Handlungsvorbilder, an denen man sich erbauen und messen und denen man nacheifern sollte. Diese ethische Bildung an historischen Persönlichkeiten betrifft den Autor wie den Leser der Biographien gleichermaßen: Vor dem Spiegel der Geschichte, schreibt Plutarch am Anfang seiner Biographie über Aemilius Paullus, habe er selbst sein eigenes Leben zu formen versucht (Aem. 1). Wichtig für Plutarchs ethisch-erzieherische Konzeption der Geschichtsdarstellung sind unter anderem Anekdoten und Aussprüche, die er als unmittelbare Ausdrücke des Charakters seiner Protagonisten versteht (Alex. 1). Plutarch erzählt zum Leben seiner historischen Persönlichkeiten häufig zahlreiche Anekdoten, mit denen er pointiert die Facetten ihres Charakters beleuchtet, weshalb Herbert J. Rose betont, Plutarch habe „such love of a good story, combined with power to tell it effectively, as had hardly been found since Herodotus.“ 78 Obwohl Plutarch darüber sehr entsetzt gewesen wäre, trifft dieses Urteil – wenngleich an dieser Stelle unbeabsichtigt – den 73 ) Vgl. Plut. Apophth. Lac. 225 B Nr. 6; Hdt. 7.226; Cic. Tusc. 1.101; Val. Max. 3.7 ext. 8; Frontin. 4.5.13; Stob. 7.46. 74 ) Vgl. Plut. Apophth. Lac. 225 D Nr. 13; Diod. 11.9.4; Cic. Tusc. 1.101; Sen. suas. 2.11; Sen. epist. 82.21; Val. Max. 3.2 ext. 3; Oros. 2.11.9. 75 ) Vgl. Plut. Apophth. Lac. 225 B Nr. 7. 76 ) Vgl. Plut. Apophth. Lac. 225 C/D Nr. 11. 77 ) Vgl. Plut. Per. 1–2; Alex. 1. Vgl. im Folgenden Duff, Lives, S. 13–51; Homeyer, Malignitate, S. 182–185. 78 ) Rose, Literature, S. 409.

3.2. Plutarchs De malignitate Herodoti und die Apophthegmata Laconica

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neuralgischen Punkt seiner Aufregung über Herodot. In der anekdotenreichen, kaleidoskopischen Art und Weise, Vergangenheit zu erzählen, war Plutarch Herodot nicht so unähnlich, in seiner Vorstellung, dass sich in Anekdoten das Ethos einer Person spiegele, aber durchaus. So verweist Plutarch bei seinem Vorwurf, Herodot habe die edlen Taten und Worte des Leonidas und seiner Spartiaten aus Boshaftigkeit weggelassen, auf zwei besonders skurrile Geschichten aus dem Ägypten-Logos.79 Da für Plutarch Anekdoten nicht nur ein unmittelbarer Wesensausdruck der historischen Personen sind, von denen sie handeln, sondern auch auf das Ethos des Historikers schließen lassen, der sie auswählt, kann Herodot für ihn nur amoralisch sein.80 Plutarch verfolgt mit der Absicht, durch seine Biographien zu überzeugen und das Handeln seiner Leser zu beeinflussen, eine exemplarische Geschichtskonzeption. Er steht damit sowohl in der Tradition der antiken Biographik, die eine Verbindung zum panegyrischen Genre der Rhetorik hat, als auch in der Nähe der exemplarischen Geschichtsschreibung etwa eines Diodor.81 Plutarch ist der Ansicht, dass Herodot die Exemplarität des Heldentums des Leonidas und seiner Spartiaten nicht genügend herausstellt. Er selbst skizziert die Schlacht an den Thermopylen als ein effektvoll in Szene gesetztes, vollständig statisches Tableau. Im Vergleich zu der noch recht pragmatischen Verwendung des Exempels bei Cicero tendiert seine Rezeption bei Plutarch stärker zum allgemein Moralischen und ästhetisch Stilisierten. In Plutarchs De malignitate Herodoti wird ersichtlich, wie wirkmächtig die Tradition der Schlacht an den Thermopylen als Exempel in der römischen Kaiserzeit war. Ihre Exemplarität ist für Plutarch nicht hinterfragbar. Die Schlacht erscheint als ein enthistorisiertes Schema, in das nach Belieben Anekdoten, Sprüche und Details eingefügt werden können, solange sie der exemplarischen Aussage nicht widersprechen, wonach dieses Ereignis eine besonders vorbildliche Art zu sterben repräsentiert. Unverbunden steht der exemplarische Heroismus, der durch die Apophtegmata ganz auf Leonidas und die Spartiaten konzentriert wird, neben Plutarchs Bemühungen, die Thebaner zu ihrem historischen Recht kommen zu lassen. Die Idealisierung und Enthistorisierung, die die Schlacht an den Thermopylen wie auch die Perserkriege insgesamt in der Rhetorik des 4. Jahrhunderts v. Chr. durchgemacht hatte, erwiesen sich noch im 2. Jahrhundert n. Chr. als unumkehrbar. Die Schlachten der Perserkriege waren als glorreiche griechische Vergangenheit vollständig überhöht, und Plutarchs Vorwurf, Herodot sei ein „Barbarenfreund“ gewesen, wirft ein bezeichnendes Licht auf den lokalen und allgemeinen Patriotismus im römischen Kaiserreich. 79 ) Amasis soll auf die Frage eines Boten, was er dem Apries übermitteln solle, gefurzt und gesagt haben, dies solle er ihm mitteilen (2.162). In der Geschichte vom Meisterdieb, der das Schatzhaus des Rhampsinitos plündert, werden Leichen gefleddert, was Herodot allerdings selbst nicht glaubt (2.121). 80 ) Vgl. Beck, Anecdote, S. 15–32. 81 ) Plutarch setzt sich in Alex. 1 ostentativ von der Geschichtsschreibung ab, woran sich die Diskussion knüpft, ob er Biograph oder Historiker sei; vgl. Duff, Lives, S. 14–22; Hersbell, Concept, S. 225–243.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

In Sparta war die eigene große Vergangenheit inzwischen musealisiert worden. Die öffentliche Auspeitschung der Epheben vor dem Heiligtum der Artemis Orthia war eine Touristenattraktion, die Plutarch selbst gesehen hat und für die zu Beginn des 3. Jahrhunderts ein Amphitheater erbaut wurde.82 Pausanias berichtet im 2. Jahrhundert davon, dass am Grab des Leonidas jährlich eine Feier stattfand, bei der Reden gehalten und ein Wettkampf veranstaltet wurden, an dem nur Spartiaten teilnehmen durften (Paus. 3.14.1). Über 600 Jahre nach der Schlacht gab es somit noch ein rituelles Totengedenken.

3.3. Zwischen römischer Kaiserzeit und Neuzeit: Die lange Zeit des Bedeutungsverlustes Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ist in West- und Mitteleuropa maßgeblich von der Rezeption in Rom und vor allem in der römischen Kaiserzeit bestimmt. Diese lange Phase, die von der römischen Kaiserzeit bis ins 18. Jahrhundert dauerte, war für die Schlacht im Großen und Ganzen eine Verlustgeschichte. Obwohl das Wissen um sie niemals vollständig verloren ging, wurde ihr nur selten eine Orientierungsfunktion für die jeweilige Gegenwart zugesprochen. Der Verlust lässt sich auf zwei Ebenen beschreiben. Erstens gingen Informationen verloren, da mit den Werken von Herodot, Diodor und Plutarch nach dem Untergang des weströmischen Reiches die ausführlichsten Darstellungen der Schlacht an den Thermopylen im Westen nicht mehr tradiert wurden. Bewahrt wurden diese Werke, wie die der meisten paganen griechischen Autoren der Antike, in Byzanz.83 In West- und Mitteleuropa blieb die Kenntnis der Schlacht ausschließlich durch lateinische Autoren erhalten. Neben Ciceros Tusculanen und Iustins Auszug aus Pompeius Trogus wurde sie insbesondere von zwei kaiserzeitlichen Autoren bewahrt, die ihrerseits in sehr unterschiedliche Kontexte gehören. So findet sich das Exempel der Schlacht in der Exemplasammlung Facta et dicta memorabilia (3.2 ext. 3), die Valerius Maximus etwa zwischen 27 und 31 für den Gebrauch in der rhetorischen Praxis zusammenstellte.84 Außerdem widmete der spanische Geistliche Paulus (?) Orosius in seiner christlichen Neudeutung der Weltgeschichte Historiae adversum paganos, die er von 416 bis 418 verfasste, der Schlacht einen Abschnitt innerhalb seiner Darstellung der Perserkriege (2.9).85 Die enorme Wirkungsgeschichte dieser beiden Werke, 82 ) Plutarch Lyk. 18 merkt an, er habe viele Knaben unter den Geißelhieben sterben sehen. Auch Cicero Tusc. 2.34 hat den öffentlichen Auspeitschungen beigewohnt. Die Agoge´ war damals längst völlig funktionslos, weil es kein spartanisches Heer mehr gab; vgl. Tigerstedt, Legend 2, 162–168. 83 ) Vgl. Gastgeber, Überlieferung, S. 713–719; Ehrhardt, Herodot, S. 857f.; Bichler/Rollinger, Herodot, S. 120f.; Mazal, Überlieferung 1, S. 220–223, 236–238. 84 ) Valerius Maximus, über den wenig bekannt ist, stammte nicht aus der kaiserkritischen Senatorenschicht, die in der Kaiserzeit nach wie vor die Historiographie dominierte. Seine Exemplasammlung ist dem Kaiser Tiberius gewidmet; vgl. Mehl, Geschichtsschreibung, S. 112–114. 85 ) Orosius, dessen Lebensdaten unbekannt sind, stammte aus Bracara in Portugal und weilte

3.3. Zwischen römischer Kaiserzeit und Neuzeit

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die sich in der Zahl der mittelalterlichen Handschriften und frühneuzeitlichen Editionen spiegelt, übertrifft noch die Bedeutung, die sie in ihrer jeweiligen Zeit hatten, und endete erst mit dem an Authentizität orientierten, geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisinteresse im späten 18. Jahrhundert.86 Da die Neigung, die Schlacht an den Thermopylen neu zu interpretieren, bis zum 18. Jahrhundert nicht besonders ausgeprägt war, wurden durch die Rezeption von Valerius Maximus und Orosius deren Deutungen lange Zeit konserviert, die sich, wie gezeigt werden soll, stark voneinander unterscheiden. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts gelangten wieder verstärkt die Werke griechischer Autoren der Antike über die Humanistenkreise Italiens nach West- und Mitteleuropa, darunter Herodot, Diodor und Plutarch. Den Hintergrund für die Wiederentdeckung der Masse griechischer Autoren bildete ein neues Interesse an der griechisch-römischen Antike, das sich gleichermaßen auf die schriftlichen wie auf die materiellen antiken Hinterlassenschaften erstreckte und stark von der Inszenierung eines kulturellen ,Bruchs‘ mit der jüngeren Vergangenheit geprägt war, die nun als ,Mittelalter‘ bezeichnet wurde. Träger dieses neuen Bildungsprogramms waren in der Regel keine Geistlichen, sondern Laien, die sich neue Bildungsinstitutionen schufen, welche meistens in Zentren weltlicher Herrschaft angesiedelt wurden.87 Da die Wiederentdeckung der griechischen Autoren zeitlich mit der Verbreitung des Buchdrucks zusammenfiel, wurden im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts viele griechische Werke ins Lateinische übersetzt und gedruckt; so auch Herodots Historien, die 1474 in Lorenzo Vallas Übersetzung von Jacobus Rubeus in Venedig verlegt wurden, nachdem sie zuvor knapp zwanzig Jahre lang als Manuskript in den Humanistenkreisen zirkuliert hatten.88 Obwohl die Wiederverfügbarkeit der Haupttexte zur Schlacht an den Thermopylen und die Verbreiterung der Wissensbasis durch den Buchdruck eine Zäsur in der Rezeptionsgeschichte der Schlacht darstellen, wurde sie weiterhin wenig außerhalb der antiken Historiographie und der Darstellungen von Universalgeschichte rezipiert.89 Dies ist insofern bemerkenswert, als Sparta nun wieder in politische Reflexionen einbezogen wurde, in deren Rahmen die antike Polis mit ihrer ungewöhnlichen politischen Ordnung bereits in der römischen 414 bei Augustinus in Africa. Er war in die innerchristlichen Streitigkeiten zwischen Pelagianern, Anhängern von Origines und Priscillianern verwickelt. 86 ) Von Valerius Maximus sind über 800 Handschriften erhalten; die Editio princeps stammt aus dem Jahr 1470; bis 1700 kommen 198 Editionen dazu; vgl. Mazal, Überlieferung 3, S. 702–710; Weileder, Maximus, S. 9; Burke, Popularity, S. 136. Von Orosius existieren 245 Handschriften und 25 Drucke bis zum 17. Jh.; die Editio princeps ist von 1471; vgl. Goetz, Geschichtstheologie, S. 11, 148–165; Mazal, Überlieferung 4, S. 985f. 87 ) Vgl. Tichy, Italien, S. 675–691. 88 ) Valla war 1457 verstorben; er fertigte die Übersetzung im Auftrag von Papst Nikolaus V . an; vgl. Mazal, Überlieferung 1, S. 222; Bichler/Rollinger, Herodot, S. 122f. 1475 folgte eine revidierte Fassung von Vallas Übersetzung, 1494 eine weitere; die Editio princeps erschien 1502 in Venedig. Diodors Bibliothek wurde von Gianfrancesco Poggio Bracciolini übersetzt und erschien 1472. Von dieser Fassung erschienen bis zum Ende des 15. Jhs. noch drei weitere Ausgaben; die Editio princeps wurde allerdings erst 1539 in Basel gedruckt; vgl. Mazal, Überlieferung 1, S. 237. 89 ) Vgl. im Folgenden: Rawson, Tradition, S. 130–219; Losemann, Sparta, S. 155f.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

Kaiserzeit nicht mehr verwendet worden war.90 Eine staatstheoretische Spartarezeption fand zunächst im 14. und 15. Jahrhundert in Italien statt, wo vor allem das stabile oligarchische System Venedigs mit der antiken Polis verglichen wurde. Im 16. Jahrhundert wurde Sparta europaweit in den Diskussionen um die Beschränkung der Monarchie und die Stabilität von Staatsordnungen herangezogen, eine Rezeption, die im revolutionären England des 17. Jahrhunderts und im Frankreich des 18. Jahrhunderts mit neuer Intensität und politischer Schärfe wieder aufgenommen wurde.91 Die Schlacht an den Thermopylen blieb im Schatten dieser Entwicklung, die in erster Linie auf der idealisierenden Spartarezeption des 4. Jahrhunderts v. Chr. bei Platon, Xenophon und Aristoteles sowie auf Plutarchs Lykurg-Biographie beruhte, also auf Quellen, in denen die Schlacht an den Thermopylen nicht erwähnt wird. Eine zweite Ebene, auf der sich ein Verlust in der Rezeptionsgeschichte der Schlacht feststellen lässt, ist folglich diejenige der Bedeutung. Die spartanische Schlacht scheint wenig Identifikationsmöglichkeiten geboten zu haben und kein Orientierungsmodell gewesen zu sein, das in unmittelbaren Bezug zur Praxis gesetzt wurde. Dieser Bedeutungsverlust der Schlacht an den Thermopylen hörte nicht mit der Wiederverfügbarkeit der Hauptquellen auf, sondern hielt darüber hinaus an und hat mehrere Gründe, von denen einige charakterisiert werden können, ohne dass sich damit eine konkrete Rezeption oder Nicht-Rezeption der Schlacht vollständig erklären ließe. Da es eine undankbare Aufgabe ist, eine Rezeption zu untersuchen, die kaum stattgefunden hat, müssen die Aussagen eher allgemein bleiben. Ein Faktor, der die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit beeinflusste, ist, dass das Ereignis aus der antiken Geschichte Griechenlands stammt. Im Gegensatz zu den Klassizismen der europäischen Länder des 18. Jahrhunderts galt die Aufmerksamkeit aller früheren nachantiken Klassizismen fast ausschließlich der römischen Antike, in deren Tradition sich das lateinisch geprägte Mittelalter nach der Lehre der translatio imperii sah. In dem Modell, das die Menschheitsgeschichte nach der Abfolge von Weltreichen strukturierte, rechnete man die Gegenwart zum letzten Weltreich, dem römischen, das bis zum Jüngsten Gericht andauern sollte. Noch um 1500 dominierte die römische Geschichte die Darstellungen von Universalgeschichte.92 Ein Zeichen dafür, dass auch nach dem Zuwachs der Kenntnisse über griechische Geschichte im 15. Jahrhundert die römische Geschichte sehr viel wichtiger blieb, ist die Zahl der Ausgaben antiker Historiker von 1450 bis 1700: Der am seltensten verlegte lateinische Historiker weist immer noch doppelt so viele Ausgaben auf, wie der am häufigsten gedruckte griechische Historiker.93 Die ersten neuzeitlichen Darstellungen der gesamten ,Griechischen Geschichte‘ entstanden erst im 18. Jahrhundert.94 90 )

Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 195f. Vgl. zu England: Macgregor Morris, Leonidas; zu Frankreich: Kap. II.2.1. 92 ) Vgl. Walther, Geschichtswissenschaft, S. 198f. 93 ) Vgl. Burke, Popularity, S. 136. Es handelt sich um Florus’ Epitomae und die Jüdischen Altertümer des Flavius Josephus. 94 ) Von Charles Rollin, William Mitford und John Gillies; vgl. Davies, Geschichtswissenschaft, S. 189. 91 )

3.3. Zwischen römischer Kaiserzeit und Neuzeit

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Hauptquelle für die griechische Geschichte blieben auch nach der Wiederverfügbarkeit der antiken griechischen Historiker Valerius Maximus und Iustins Epitomae des Pompeius Trogus; neu hinzu kam Plutarch.95 Herodots Historien waren dagegen vorwiegend auf ein gelehrtes Publikum beschränkt, wofür die vergleichsweise geringe Zahl an volkssprachlichen Ausgaben spricht.96 Zudem schwankte die Rezeption Herodots seit seiner Wiederentdeckung zwischen Anerkennung und Ablehnung, da neben dem Text des pater historiae auch die antike Herodot-Kritik, vor allem Plutarchs De malignitate Herodoti, wiederentdeckt worden war. Zu einer Aufwertung Herodots führten im 16. Jahrhundert die Entdeckungsreisen und Berichte über die Sitten und die Geschichte fremder Völker, die von den Gelehrten als Zeugen für die Glaubwürdigkeit des Historikers angeführt wurden. Gleichzeitig wurde durch die Reformation Herodots Darstellung der orientalischen Geschichte zur wichtigen Ergänzung der Bibel.97 Gemeinsam ist diesen beiden Formen aktuellen Interesses, dass sie sich auf die ersten Bücher der Historien konzentrierten und nicht auf die Perserkriegsbücher. Dieses Phänomen kennzeichnet bereits die Herodot-Rezeption der römischen Kaiserzeit, in der für die Perserkriege vorwiegend die rhetorische Tradition rezipiert wurde,98 und dauerte im gelehrten Unterricht Deutschlands bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts fort, da erst im Zeitalter der nationalen Leidenschaften die Perserkriegsbücher gegenüber den ersten Büchern der Historien im Lektüreplan überhand nahmen.99 Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen blieb bis ins 18. Jahrhundert weitgehend von der Tradition der Schlacht als rhetorisches Exempel bestimmt. Obwohl gerade die Form des Exempels die Aktualisierung eines historischen Ereignisses in immer neuen Kontexten ermöglicht, trug sie in diesem Zeitraum paradoxerweise auch zum Bedeutungsverlust bei. Dies liegt zunächst an der Reduktion der Informationen. So erfährt man bei Valerius Maximus (3.2 ext. 3), der wichtigsten Quelle für die Schlacht an den Thermopylen in Mittelalter und früher Neuzeit, weder wann die Schlacht stattfand, noch wo die Thermopylen liegen, noch dass es sich dabei um einen Engpass handelt. Valerius Maximus schreibt, dass Leonidas, ein berühmter Spartaner, mit 300 Landsleuten an den Thermopylen ganz Asien aufgehalten und den Tyrannen Xerxes zur Verzweiflung gebracht habe, bis er durch den Verrat eines Ortsansässigen den Vorteil seiner Stellung verlor. Er habe es vorgezogen, kämpfend zu sterben, statt den Posten zu verlassen, der ihm von seinem Vaterland angewiesen worden war. So habe er seinen Kameraden befohlen, zu frühstücken, Abendessen gebe es dagegen in der Unterwelt. Die Lakedaimonier hätten ihm furchtlos gehorcht, als ob ihnen der Sieg versprochen worden sei. An anderer Stelle zitiert Valerius Maximus das Apophthegma von den persischen Pfeilen, die die Sonne verdunkeln, ohne es mit der 95 )

Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 185. S. Kap. I.3.2. Von 1450 bis 1700 gab es 44 Herodot-Ausgaben, davon 13 volkssprachliche; bei den Plutarch-Ausgaben beträgt das Verhältnis 27 griechische bzw. lateinische zu 35 volkssprachlichen; vgl. Burke, Popularity, S. 138. 97 ) Vgl. Momigliano, Stellung, S. 137–155. 98 ) Vgl. Ehrhardt, Herodot, S. 855, 858–861. 99 ) Vgl. Kipf, Herodot, S. 7–32, 353. 96 )

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3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

Schlacht in Zusammenhang zu bringen (3.7 ext. 8). Obgleich Valerius Maximus das Exempel der Schlacht zu einer längeren Anekdote ausgestaltet hat, so dass man keine Vorkenntnisse braucht, um ihre Bedeutung zu verstehen, erscheint die Niederlage zeit- und ortlos und insgesamt in ihrer Spezifik reduziert. Diese historische Beliebigkeit wird dadurch noch befördert, dass das Exempel zwischen den exempla externa vom Kampf des Darius gegen die Mager und von Othryades und dem „Wettkampf der 300“ steht, die historisch überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Weil die Schlacht bei Valerius Maximus völlig aus dem historischen Kontext gelöst und gleichzeitig zu einer in sich geschlossenen Geschichte ausgestaltet ist, erscheint sie verstärkt enthistorisiert und literarisiert. Damit ist zwar nicht die Faktizität des Exempels als gewesenes und somit ,wahres‘ Geschehen in Frage gestellt, aber es verliert an Substanz. Ein Schub der Rhetorisierung ist für die Schlacht an den Thermopylen in der frühen Kaiserzeit zu beobachten.100 In der Gattung der Exemplasammlung hat sie eine neue Qualität erhalten, da die historischen Exempel hier selbst zum literarisch gestalteten Sammelgegenstand geworden sind.101 Damit werden sie nicht mehr wie in der rhetorischen Praxis als Beweismittel innerhalb einer thematisch ganz anders ausgerichteten Argumentation verwendet, sondern sind der alleinige Darstellungsgegenstand, der unterhalten, bilden und moralisch beeindrucken soll. Valerius Maximus hat zudem die Exempel mehr oder weniger systematisch unter bestimmten Tugenden kategorisiert, wobei Leonidas gemeinsam mit vierundzwanzig römisch-republikanischen Helden und acht weiteren exempla externa die Tugend der fortitudo illustriert.102 Leonidas wird als Träger dieser Eigenschaft zum virtutis exemplum.103 Aufgrund dieser spezifisch römischen Konzeption exemplarischen Heldentums steht Leonidas bei Valerius Maximus im Vordergrund, während das kollektive Heldentum der 300 Spartiaten, das für Cicero noch wichtig war, in den Hintergrund rückt.104 Wie in Ciceros Tusculanen zeigt sich das Heldentum des Leonidas in der Opferbereitschaft für die patria, die für Valerius Maximus wiederum überwiegend eine römische Tugend ist. Die Schlacht an den Thermopylen fand Eingang in weitere Exemplasammlungen der Kaiserzeit, so in die Strategemata des Sex. Iulius Frontinus aus dem späten 1. Jahrhundert.105 Frontin legt den Akzent eher auf die militärisch interessanten 100 )

Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 168–226. Vgl. Hölkeskamp, Exempla, S. 314. Die Sammlung von Valerius Maximus ist die älteste überlieferte, hat allerdings Vorgänger, auch wenn die Abhängigkeit von Pomponius Rufus und Hyginus hypothetisch bleiben muss; vgl. Weileder, Maximus, S. 10–12; Lumpe, Exemplum S. 1238f. 102 ) Der Aufbau der Exemplasammlung ist in der Forschung umstritten; vgl. Römer, Exemplasammlung, S. 99–107; Thurn, Exemplasammlung, S. 79–99. Das 3. Buch wird allerdings übereinstimmend der fortitudo zugerechnet. 103 ) Vgl. Moos, Geschichte, S. 70–72; Mehl, Geschichtsschreibung S. 167f. 104 ) Bereits in der rhetorischen Theoriebildung der republikanischen Zeit, in der Rhet. Her. 4.62, wird das Exempel als Tat oder Ausspruch einer auctoritas definiert; vgl. Lumpe, Exemplum, S. 1230; Stemmler, Auctoritas, S. 151. Diese Konzentration auf den Einzelhelden findet sich für die Schlacht an den Thermopylen allerdings erst bei Valerius Maximus. 105 ) Vgl. Frontin. 2.2.13, 4.2.9, 4.5.13. Frontin verfasste die Strategemata zwischen ca. 84 und 96. Vgl. auch Polyain. 1.32.1–3, 7.15.1–5. 101 )

3.3. Zwischen römischer Kaiserzeit und Neuzeit

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Aspekte der Schlacht, den strategischen Vorteil des Passes und die Disziplin der Spartaner, und nicht auf den Opfertod fürs Vaterland. Seine Schrift fand im 16. und 17. Jahrhundert eine gesteigerte Aufmerksamkeit, schwerpunktmäßig in den Niederlanden, als generell die römischen Militärschriftsteller im Bereich des Militärs verstärkt rezipiert wurden.106 Obwohl die Schlacht an den Thermopylen in dieser militärstrategischen Rezeption keine herausragende Rolle spielte, wurde der Aspekt der Disziplin in der späteren Thermopylen-Rezeption zur Zeit der Nationalkriege wichtig, ohne dass er allerdings auf Frontin zurückgeführt werden könnte. Die Exemplasammlungen von Valerius Maximus und Frontin gehören in eine Epoche, in der sich das Feld der Rhetorik gegenüber den Zeiten Ciceros grundlegend gewandelt hatte. Die Rhetorik etablierte sich in der Kaiserzeit endgültig als erste Bildungsinstanz, und der Grad der Institutionalisierung lässt sich daran ablesen, dass Kaiser Vespasian zwei staatliche Lehrstühle für Rhetorik einrichtete.107 Gleichzeitig verlor vor allem die politische Rede an Relevanz, da die politischen Entscheidungen nicht mehr in den Gremien nach Diskussion und Konsensfindung gefällt wurden. Die Rhetorik blieb in der Gerichtspraxis und in der Außenpolitik wichtig, nahm allerdings insgesamt einen stärker selbstreferenziellen Charakter an, der sich auch auf die Verwendung der historischen Exempel auswirkte. Zudem war die Konstituierung neuer römischer exempla in der augusteischen Zeit abgebrochen, was ein Zeichen dafür ist, dass der spezifisch republikanische Zusammenhang zwischen historischen exempla und dem mos maiorum als Standesethos der Senatsnobilität verlorengegangen war.108 Sichtbar wird der gewandelte Umgang mit historischen Ereignissen in der Rhetorik an den Suasoriae, die L. Annaeus Seneca der Ältere, der Vater des Philosophen, in seinen letzten Lebensjahren verfasste.109 Die Suasoriae sind eine Sammlung von Ausführungen namhafter Redner zu fingierten Situationen, die eine Entscheidung erfordern. Die zweite Suasoria gilt der Frage, ob die Spartiaten sich nach der Flucht der 300 (!) Bundesgenossen ebenfalls zurückziehen sollten. Die zehn Redner, von denen acht für den Verbleib im Pass sprechen und zwei für den Rückzug, befinden sich somit in der Rolle der Spartiaten. In dieser historisch völlig absurden Situation tauschen sie kunstvoll arrangierte Sparta-Topoi aus, ohne dabei eine ernsthafte persuasive Absicht zu verfolgen. Seneca blendet also eine formale rhetorische Schulübung in den historischen Kontext der Schlacht ein, worunter die Historizität des Ereignisses leidet. Die Schlacht an den Thermopylen 106 ) Vgl. Röck, Schlachtordnungen, S. 165–186; Bröckling, Disziplin, S. 31–56; Loreto, Krieg, S. 1111–1114; Sguaitamatti, Schlachtorte, S. 1074–1076; s. Kap. II.3.1. 107 ) Vgl. Walde, Rhetorik, S. 969f.; Weißenberger, Rhetorik, S. 985f. Der erste staatlich besoldete Professor für lateinische Rhetorik wurde M. Fabius Quintilianus, der in seinem Hauptwerk, der Institutio oratoria in zwölf Büchern, die umfassendste Systematisierung der Rhetorik in der Antike vorlegte. 108 ) Vgl. Blösel, Mos, S. 85–91. In der Sammlung des Valerius Maximus gibt es vor allem römisch-republikanische und kaum zeitgenössische Exempel; vgl. Weileder, Maximus, S. 30. 109 ) Vgl. Sen. suas. 2. Seneca d. Ä. lebte wahrscheinlich von 55 v. Chr. bis 39/40 n. Chr.; Tigerstedt, Legend 2, S. 175–177.

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erscheint als bloßer Stoff, an dem rhetorische Fertigkeiten geübt werden, und verliert damit in der Rhetorik an verbindlicher Orientierung und pragmatischer Relevanz. Das Wissen darüber, was an den Thermopylen geschehen war, ging in der Kaiserzeit durchaus auch ganz verloren. So glaubt L. Annaeus Florus, der Epitomator des Titus Livius aus dem 2. Jahrhundert, dass Leonidas die Schlacht überlebt habe, und verwechselt ihn zudem mit Othryades aus dem „Wettkampf der 300“, der mit seinem Blut „Ich habe gesiegt“ auf seinen Schild geschrieben haben soll (1.18).110 Dieser Kenntnisverlust ist ein weiteres Zeichen dafür, dass das Exempel der Schlacht an den Thermopylen in der Kaiserzeit an Bedeutung verlor, da beim exemplarischen Vergleich das Exempel klarer sein muss als das Erklärte. Insgesamt gesehen wurde die Schlacht an den Thermopylen allerdings im 1. und 2. Jahrhundert häufiger rezipiert als in der römischen Republik. So findet sich das Exempel mehrfach in philosophischen Werken, wo es meistens als ethische Norm figuriert.111 Auch die populären Kompendien historischen Wissens wie die Varia historia des Claudius Aelianus aus der Zeit Hadrians und der Liber memoralis von Lucius Ampelius aus der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert erwähnen die Schlacht.112 Das wichtigste Merkmal dieser Rezeption in der römischen Kaiserzeit ist, dass die Schlacht neben der pragmatischen Relevanz ihren politischen Charakter verloren hat. Der Zusammenhang zwischen Staat und Bürger, Gesetzesherrschaft und Einsatz des Lebens für die Gemeinschaft, den noch Cicero in den Tusculanen anhand des Exempels verhandelt, ist in der kaiserzeitlichen Thermopylen-Rezeption nicht mehr von Bedeutung. Ein Zeichen dafür ist, dass in der Kaiserzeit das Grabepigramm auf die Spartiaten nicht mehr rezipiert wurde.113 Ende des 10. Jahrhunderts wurde das Epigramm in Byzanz unter dem Artikel LevniÂdhw (L 272) nochmals in das lexikalische Werk Suda aufgenommen. Danach fand es bis ins 18. Jahrhundert kein gesteigertes Interesse mehr.114 Trotz des zu konstatierenden Bedeutungsverlustes behielt die Schlacht als Exempel grundsätzlich bis in die Spätantike ihren vorbildhaften Charakter.115 Leonidas bot nach wie vor ein besonders gelungenes Modell, für die patria, die allerdings unspezifisch geworden war, zu sterben. Generell ging dieses exemplarische Geschichtsdenken mit einer Idealisierung der ,großen‘ und inzwischen sehr fernen Vergangenheit einher. Vor dem Hintergrund dieses idealisierten Blicks auf die Vergangenheit, den die gebildeten Kreise Roms pflegten, deutete Orosius in 110 ) Florus vergleicht an dieser Stelle, wie Cato in den Origines (Frg. 4.7a), Leonidas mit dem römischen Militärtribun aus dem 1. Punischen Krieg; s. Kap. I.3.1. Leonidas und Othryades werden von Sen. suas. 2.2, 2.16 parallelisiert und stehen bei Val. Max. 3.2. ext. 3 und 4 direkt hintereinander. Vgl. auch die abstruse Darstellung der Schlacht bei Polyain. 1.32.1–3, 7.15.1–5. 111 ) Vgl. Dion Chrys. or. 31.18, 77/78.40; Epikt. 2.20.26, 3.23.38; und mit etwas anderer Akzentsetzung: Sen. ep. 82.20–22; benef. 6.31. Vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 197–206. 112 ) Vgl. Ail. var. 3.25; Ampel. 14.6, 20.5; vgl. Tigerstedt, Legend 2, S. 185–188. 113 ) Mit Ausnahme von Strab. 9.4.16, der den Schlachtort beschreibt. 114 ) Vgl. auch Rawson, Tradition, S. 203 Anm. 4. 115 ) Val. Max. blieb weiterhin beliebt und wurde von Iulius Paris im 4. Jh. und Ianuarius Nepotianus zwischen dem 4. und 6. Jh. epitomiert; vgl. Mazal, Überlieferung 3, S. 702.

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seiner Historiae adversum paganos 418 die Weltgeschichte unter christlichen Vorzeichen neu.116 Der konkrete Anlass für dieses Werk war die Eroberung Roms durch die Goten unter Alarich 410, die von heidnischer Seite als eine Folge der Christianisierung und der Vernachlässigung der heidnischen Götter gedeutet wurde. Orosius wurde von Augustinus damit beauftragt, als Ergänzung zu dessen Werk De civitate Dei eine christliche Universalgeschichte zu schreiben und auf diese Weise die Deutung der menschlichen Geschichte christlich zu besetzen. Das Werk ist nach der Abfolge von vier Weltreichen aufgebaut: Auf Babylon im Osten folgten Makedonien im Norden und Karthago im Süden, bis schließlich im Westen Rom als das wichtigste und letzte Weltreich entstand. Nur in diesem Weltreich war es möglich, dass Gottes Sohn auf die Erde kam und das Christentum sich ausbreiten konnte. Orosius sieht die pagane Geschichte insgesamt als Unglücksgeschichte an, die sich erst mit der Verbreitung des Christentums zum Besseren gewendet habe. So sei die Gegenwart vergleichsweise glücklich und der Goteneinfall milde verlaufen. Indem Orosius die Geschichte als göttlichen Heilsplan interpretiert, der sich sukzessive verwirklicht und dessen Ziel das von ihm in nicht allzu ferner Zukunft erwartete Jüngste Gericht ist, kehrt er die heidnische Perspektive um, die Vergangenheit als Ideal und die Gegenwart als Verfall zu sehen. Die Perserkriege (2.8–11) fallen in eine Zeit, die, da sie von Christi Geburt weit entfernt war, von Orosius als besonders blutig geschildert wird. Orosius hat für seine Darstellung der Perserkriege und damit auch der Schlacht an den Thermopylen Iustins Auszug von Pompeius Trogus (2.10–14) benutzt und sich eng an die Vorlage gehalten.117 Da die Vorlage des paganen Historiographen auch die Intention der Erzählung vorgibt, nämlich dass der Kampf des Leonidas heldenhaft war, steht die Darstellung dieses Einzelereignisses in einer Spannung zur Gesamtdeutung des Geschichtsverlaufes. Für die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen übernimmt Orosius von Pompeius Trogus nicht nur den Ablauf des Kampfes, sondern auch die Deutungen (2.9). So ermahnt auch bei Orosius Leonidas die Spartiaten, nachdem er die Bundesgenossen weggeschickt hat, im Hinblick auf ihren Ruhm zu handeln, obwohl es innerhalb eines christlichen Weltbildes problematisch erscheint, den Ruhm innerweltlich zu begründen (2.9.7). Die Spartiaten gehen beim Überfall auf das Perserlager als Sieger und damit ehrenvoller unter (2.9.7–10). Das Heldentum des Leonidas und seiner Männer bleibt mit aktivem Kampf und der Umdeutung der Niederlage zum Sieg verbunden. Auf der anderen Seite verkürzt Orosius seine Vorlage nicht nur, sondern weicht auch an einigen Punkten von ihr ab, die deshalb auffallen, weil er sich ansonsten eng an sie hält.118 So lässt er Leonidas das Fortsenden der Verbündeten damit begründen, er habe sie für bessere Zeiten schonen wollen (2.9.6), während Pompeius Trogus schreibt, er habe sie für bessere Zeiten 116 ) Vgl. im Folgenden: Goetz, Geschichtstheologie, S. 11–147; Mehl, Geschichtsschreibung, S. 192–198. 117 ) Vgl. Lippold, Geschichte, S. 437– 455. Zu Pomp. Trog. s. Kap. I.2.2. 118 ) Er kommentiert die Größe des persischen Aufgebots damit, dass es in seiner Zeit gar nicht mehr möglich sei, ein so großes Heer aufzustellen und spart das Orakel als heidnische Prophezeiung aus.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

des Vaterlandes schonen wollen. Vor allem aber hebt Orosius die Grausamkeit der Kämpfe hervor. Das Ende der Spartiaten im persischen Lager beschreibt Pompeius Trogus bereits durchaus effektvoll: Schließlich fielen sie, nicht besiegt, sondern des Siegens müde, zwischen ungeheueren Leichenhaufen erschlagener Feinde. (2.11)119 Ad postremum non victi, sed vincendo fatigati inter ingentes stratorum hostium catervas occiderunt.

Orosius dagegen entwirft ein noch drastischeres Bild: Sobald nun jeder von ihnen, da die Glieder erlahmten, sich an der Rache für seinen Tod gesättigt zu haben schien, fiel er schlaff nieder und starb mitten unter den Leichen, die zu Haufen im Wege lagen, auf dem von dickem, halbgeronnenem Blut zuckenden Feld. (2.9.10)120 ad postremum uincendo fatigati, ubi quisque eorum deficientibus membris uisus est sibi mortis suae ultione satiatus, ibi inter impedimenta cadauerum campumque crasso et semigelato sanguine palpitantem lassus, lapsus et mortuus est.

Angesichts dieser Worte trieft seine Bemerkung, dies seien nun die sehnsuchtsvollen Tage uneingeschränkter Heiterkeit gewesen, vor Ironie (2.11.8). Mit diesem Kommentar leitet Orosius seine abschließende Beurteilung der Perserkriege ein, die keine Parallele bei Pompeius Trogus hat (2.11.8–12). In kürzester Zeit hätten drei persische Könige in drei Kriegen 1 900 000 Männer vernichtet, wobei Orosius großzügig die Heeresgrößen mit den Gefallenenzahlen gleichsetzt.121 Auch die Griechen hätten diesen Krieg nur unter gewaltigen Verlusten gewinnen können. Leonidas habe den Verbündeten geraten, sich für bessere Zeiten aufzubewahren, womit Orosius wieder das Argument aufnimmt, das er gegenüber der Darstellung des Pompeius Trogus leicht verändert hat. Orosius schließt den Abschnitt mit folgender Überlegung: Wenn Leonidas versprochen habe, die Zukunft werde besser, die Heiden heutzutage aber behaupteten, die Vergangenheit sei besser gewesen, und beide somit die Gegenwart verwünschten, könne man daraus nur schlussfolgern, dass die Gegenwart entweder immer oder aber niemals gut gewesen sei. Orosius deutet die Perserkriege als blutige Katastrophe in der griechischen Geschichte und bricht damit mit der idealisierenden Sichtweise, die im 4. Jahrhundert v. Chr. herausgebildet worden war. Bemerkenswerterweise bleibt er mit seiner Darstellung der einzelnen Schlachten sowie mit den Deutungen genau dieser Tradition verhaftet. Er stellt das exemplarische Heldentum des Leonidas und seiner Spartiaten nicht in Frage, sondern verschiebt nur den Akzent. Die Vorbildlichkeit des Leonidas sieht Orosius darin, dass er die Verbündeten wegschickte, um sie für die Zukunft zu retten. In dieser Handlung des Spartanerkönigs offenbart sich die divina providentia, die göttliche Lenkung des Menschen in der Welt.122 Nach der Vorstellung von Orosius offenbart sich Gott in der Geschichte ex parte, und nur Christen haben die Erkenntnisfähigkeit, im rätselhaften Geschichtsablauf dann und wann das göttliche Wirken zu erkennen.123 Gleichzeitig nimmt Orosius das 119 )

Zit. deutsch nach Pompeius Trogus Ausg. Seel, lateinisch nach Ausg. Seel (Teubner). Zit. deutsch nach Orosius Ausg. Lippold, lateinisch nach Orose Ausg. Arnaud-Lindet. 121 ) Vgl. Orose Ausg. Arnaud-Lindet, S. 210 Anm. 6; Lippold, Geschichte, S. 444. 122 ) Vgl. zur Geschichtstheologie Goetz, Geschichtstheologie, S. 45–70. 123 ) So war es nach Orosius (2.11.5) Gottes Entscheidung, dass die Griechen in Mykale so120 )

3.3. Zwischen römischer Kaiserzeit und Neuzeit

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Handeln des Leonidas als Beweis dafür, dass die Perserkriege von den Zeitgenossen nicht als eine ideale Zeit angesehen worden seien, und daher die Wahrnehmung der eigenen Gegenwart relativiert werden müsse. Durch die teleologische Ausrichtung seiner Geschichtsdeutung kann Orosius die seit langem etablierte Vorstellung einer exemplarischen Vergangenheit als Ganzes durchbrechen, ohne sich dabei in der Darstellung der Einzelereignisse vom exemplarischen Deutungsmuster zu distanzieren. In seinem Werk zeigt sich bereits die Art und Weise, Geschichte zu konstruieren, die im Mittelalter sehr typisch wird. Der Geschichtsablauf als Ganzes wird auf eine Endzeit hin ausgerichtet und damit prozesshaft gedacht, während das menschliche Leben und Handeln im Kreislauf der Generationen verstanden wird, in der die historia magistra vitae bleibt.124 Die Historiae adversum paganos befanden sich im Mittelalter in fast jeder Bibliothek West- und Mitteleuropas, in der historische Studien betrieben wurden, und waren auch in der frühen Neuzeit ein vielrezipiertes Werk.125 Überdies hatten sie einen erheblichen Einfluss auf die mittelalterliche Weltchronistik. Orosius lieferte nicht nur Deutungsansätze, die die Weltchronistik übernahm, den Providentialismus, die Translationslehre und die Verknüpfung von Römischem Reich, Kaisertum und Christentum, sondern war auch die Hauptquelle für die vorrömische Geschichte.126 Mit den Fakten übernahmen die mittelalterlichen Historiographen auch seine Deutung der heidnischen Antike als einer besonders blutigen, unglücklichen Zeit. Die griechische Geschichte spielt innerhalb der mittelalterlichen Weltchronistik nur eine untergeordnete Rolle. Die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen wird gegenüber Orosius tendenziell weiter verkürzt, und der abschließende Kommentar zu den Perserkriegen, mit dem Orosius dem Heldentum des Leonidas einen neuen Akzent verleiht, fällt weg und hat in der Rezeptionsgeschichte keinen weiteren Niederschlag gefunden. Ohne dass eine generalisierende Aussage getroffen werden kann, scheint es zumindest, dass Leonidas und seine Spartiaten mit der Vorstellung von wehrhaftem, aktivem Heldentum verbunden blieben und nicht mit der leidensfähigen, passiven Haltung von Märtyrern parallelisiert wurden. Das Apophthegma vom Abendessen in der Unterwelt ist sowohl bei Orosius als auch bei Valerius Maximus überliefert und wurde daher im Mittelalter und in der frühen Neuzeit zum prominentesten Spruch der Schlacht bei den Thermopylen.127 Neben dieser Rezeption der Schlacht an den Thermopylen über das Geschichtswerk des Orosius setzte sich auch die zweite Linie der kaiserzeitlichen Thermopylen-Rezeption, die Verwendung des Ereignisses als rhetorisches Exempel, in fort um den Sieg in Plataiai wussten; Pompeius Trogus führt dies auf die Schnelligkeit des Gerüchts zurück (2.14). 124 ) Vgl. Koselleck, Erfahrungsraum, S. 361–363. 125 ) Vgl. im Folgenden: Goetz, Geschichtstheologie, S. 148–165. Die Höhepunkte der Handschriftenproduktion liegen im 12. und 15. Jh. 126 ) Die Weltreichslehre wurde dagegen von Hieronymus übernommen; vgl. Alonso-Nu ´ n˜ez, Geschichtsmodelle, S. 167–169. 127 ) Vgl. z. B. Frechulf von Lisieux, Chronica 4.6; Otto von Freising, Chronica 2.17; Rodrigo Jime´nez de Rada, Breviarium 7.47. Das Apophthegma überliefern zudem Mythographi Vaticani I u. II . 2; Sedilius Scotus, Collectaneum 22.26.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

Mittelalter und früher Neuzeit fort. Von grundsätzlicher Bedeutung ist dabei, dass das Feld der Rhetorik sich in der christlichen Spätantike nochmals fundamental änderte, als die Predigt zur dominierenden Redegattung wurde.128 Da der Predigt eine andere Kommunikationssituation zugrunde liegt als der politischen oder forensischen Rede, weil bereits Gläubigen Glaubensinhalte vermittelt werden, verlor die Beweis- und Argumentationslehre ihre zentrale Stellung innerhalb der Rhetorik. Die rhetorischen Beweismittel wie das historische Exempel büßten damit insgesamt bis zu einem gewissen Grad ihre persuasive Funktion ein, da die Gläubigen in der Predigt nicht überredet, sondern in ihrem Glauben bestärkt werden sollten. In der Predigt wurden die historischen Exempel in erster Linie als Schmuck eingesetzt. Sie dienten dazu, abstrakte Inhalte zu veranschaulichen und hervorzuheben, ausschlaggebend für die Aussage aber war die Autorität der Heiligen Schrift. Zudem konnten die paganen historischen Exempel in der Predigt fast nur für den Schluss a minore ad maius verwendet werden, d. h. die Argumentation folgte dem Schema, wenn selbst ein Heide sich in einer bestimmten Situation moralisch richtig verhalten habe, dann müsse dies erst recht für einen Christen gelten.129 Leonidas wurde, soweit es sich beurteilen lässt, sehr selten als Predigtexempel verwendet.130 Auch hier gilt, dass es für die Werte der Tapferkeit und Opferbereitschaft, für die Leonidas steht, zahlreiche römische Beispiele gab, die durch die lateinische Literatur bekannter und leichter zugänglich waren. In der frühen Neuzeit vervielfachten sich die Praxisfelder der Rhetorik, insbesondere in kleinräumigen politischen Gemeinwesen wie den italienischen Stadtstaaten. Ein Zeichen für ein neues Interesse an den paganen antiken Exempeln ist die Zahl der Handschriften der Facta et dicta memorabilia des Valerius Maximus, die im 14. und dann nochmals im 15. Jahrhundert stark zunahm.131 Obwohl die historischen Exempel bis ins 18. Jahrhundert ihren Beweischarakter in der rhetorischen Argumentation nicht in dem Maß wiedererlangten, wie sie ihn in der griechisch-römischen Antike besessen hatten, wurden sie innerhalb des humanistischen Bildungsinteresses nunmehr in neuen medialen Formen rezipiert. Ein besonders prächtiges Beispiel dafür ist die Ausmalung der Sala di Udienza im Collegio del Cambio in Perugia von Pietro di Cristoforo Vannucci, genannt Perugino, aus den Jahren 1496 bis 1500.132 An der Südseite dieses Geschäftsraumes der Geldwechslerzunft von Perugia befinden sich Fresken, die in zwei Lünetten jeweils sechs Uomini famosi zeigen, unter ihnen auch Leonidas (Abb. 1). Über jeweils drei Männern, die nebeneinander in einer weiten Landschaft stehen, sitzen Frauengestalten auf Wolken, die durch ihre Attribute als die Kardinaltugenden Prudentia, Justitia, Fortitudo und Temperantia gekennzeichnet sind. Neben ihnen halten jeweils 128 ) Vgl. Walde, Rhetorik, S. 974f.; Klein, Exemplum, S. 64–68; ders., Beweis, S. 1540– 1543; ders., Beispiel, S. 1433f.; Lumpe, Exemplum, S. 1242–1255. 129 ) Vgl. zu den verschiedenen Funktionen historischer Exempel in Predigten des 13. und 14. Jhs. Menzel, Predigt. 130 ) Vgl. Menzel, Predigt, S. 153f.; Lumpe, Exemplum, S. 1248–1250. 131 ) Vgl. Mazal, Überlieferung 3, S. 703; Weileder, Maximus, S. 9 f. 132 ) Vgl. im Folgenden Roettgen, Wandmalerei, S. 254–264. Perugino lebte von ca. 1445 bis 1523 und war einer der gefragtesten Maler seiner Zeit. In seiner Werkstatt lernte Raffael.

3.3. Zwischen römischer Kaiserzeit und Neuzeit

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zwei Putten eine Tafel mit einem Distichon, das die Tugenden näher erläutert. Alle Männergestalten werden durch eine Beischrift unter ihren Füßen identifiziert. Leonidas ist zwischen Lucius Sicinius (d. i. L. Siccius Dentatus) und Horatius Cocles unter der Personifikation der Fortitudo auf der linken Bildhälfte der vom Betrachterstandpunkt aus rechten Lünette dargestellt. Die drei Helden tragen antikisierende Rüstungen und Waffen, die so unhistorisch wie phantasievoll sind. Die jugendliche Figur des Leonidas ist in einen goldgelben Brustpanzer mit rotgrauem Waffenrock gekleidet, den ein graues Tuch umflattert, und hat einen Helm auf, dessen Helmbusch aus Ranken und Papageienflügeln zusammengesetzt zu sein scheint. Der Spartanerkönig zieht mit einer geschmeidigen Bewegung das Schwert aus der Scheide (oder steckt es hinein) und ist völlig in diese Geste versunken, so wie auch die anderen Männerfiguren in sich verharren. Obwohl die Figuren im Bildfeld eng zusammenstehen, sind sie dadurch voneinander isoliert und nehmen zudem keinerlei Kontakt zum Betrachter auf. Einerseits sind somit die antiken Helden deutlich als Einzelpersonen dargestellt, während sie andererseits auf dem vordersten Plan einer gemeinsamen Landschaft stehen und außerdem alle auf ähnliche Weise kostümiert sind. Auf diese Weise ist die historische Differenz zwischen den einzelnen antiken Helden völlig aufgehoben; sie sind lediglich im weitesten Sinne als ,antik‘ wahrzunehmen, wohingegen auf das historisch Spezifische der Figuren allein der Schriftzug des Namens verweist. Mit den Personifikationen der Tugenden befinden sich zudem Figuren, die einem anderen Realitätsgrad angehören, im selben Bildraum. Das Fresko der Sala di Udienza greift nicht nur für die Auswahl der historischen Exempel auf die Exemplasammlung des Valerius Maximus zurück, sondern setzt auch das Anordnungsprinzip des Werkes bildkünstlerisch um.133 Wie bei den Facta et dicta memorabilia sind unter der Tugend der fortitudo die exempla dieser Eigenschaft vereint.134 Anders als im Text und bei anderen bildkünstlerischen Umsetzungen von Valerius Maximus aus dieser Zeit sind in Perugia die historischen Protagonisten ohne Kontext dargestellt und stehen stellvertretend für die gesamte Handlung.135 Die nahezu handlungslosen Einzelfiguren repräsentieren den Ereigniszusammenhang, in dem sich ihre fortitudo beweist. Die Darstellung der exempla virtutis entspricht damit der Form der commemoratio, bei der durch die bloße Nennung des Protagonisten das gesamte Exempel aufgerufen wird. Wie besonders in der antiken lateinischen Literatur ganze Beispielreihen zu einem Sachverhalt zitiert werden, sind auch auf dem Fresko die Exempel als Reihe dargestellt. Eine Besonderheit der Uomini famosi von Perugino ist, dass für jede Tugend immer auch ein griechisches Exempel ausgewählt wurde.136

133 )

Vgl. Guerrini, Massimo, S. 68–81. Vgl. Val. Max. 3.2.1 (Horatius Cocles); 3.2.24 (L. Siccius Dentatus); es handelt sich um das erste und das letzte der römischen Exempel zur fortitudo. 135 ) Vgl. Guerrini, Massimo, S. 61–136, Taf. 3–28. 136 ) So sind z. B. auf den formal ähnlich aufgebauten Fresken der Viri illustri der Anticappella im Palazzo Pubblico in Siena von Taddeo di Bartolo (1413/14) nur römische Exempel dargestellt; vgl. Roettgen, Wandmalerei, S. 259 Abb. 92. 134 )

122

3. Die Schlacht an den Thermopylen in Rom

Das Distichon neben der Fortitudo weist darauf hin, dass diese drei Männer Beispiele dafür seien, dass die Fortitudo immer siegreich sei. Als Verteidigerin des Vaterlandes fürchte sie sich vor nichts, auch nicht vor dem Tod.137 Leonidas wird somit zusammen mit den beiden römischen Exempeln auf eine sehr allgemeine Weise mit der Verteidigung des Vaterlandes unter dem Einsatz des eigenen Lebens in Verbindung gebracht. Mit dem Vaterland war, wie sich aus dem Gesamtprogramm der Ausmalung schließen lässt, Perugia gemeint. Die historischen Exempel der Fortitudo sind nur ein kleiner Ausschnitt des moralisch-didaktischen Bildprogramms der Sala di Udienza im Collegio del Cambio, das insgesamt die Botschaft vermittelt, dass die Sorge um das Allgemeinwohl über die persönliche Vorteilsnahme zu stellen sei. An diesem Thema muss einer Zunft von Geldwechslern besonders gelegen gewesen sein. Die Zunft der Geldwechsler in Perugia kontrollierte nicht nur die im Umlauf befindlichen Münzen und garantierte den Wert der gebräuchlichen Währungen, sondern stellte auch einen der zehn Prioren der Stadtregierung. Das Collegio befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Priorenpalasts, und diese Nähe zur politischen Macht spiegelt das sehr gelehrte und anspruchsvolle Bildprogramm des Hauptgeschäftsraumes wider, für das gemeinsam mit dem Maler der Peruginer Humanist Francesco Maturanzio verantwortlich war.138 Das Bildprogramm kann an dieser Stelle nicht im Einzelnen betrachtet werden, ist aber allgemein dadurch charakterisiert, dass es nur durch die erläuternden Beitexte vollständig aufzuschlüsseln ist und folglich gebildete, lateinkundige Betrachter erfordert. Da seine Aussage, wie für die Exempel der Fortitudo gezeigt, nicht allein aus der bildlichen Darstellung erschlossen werden kann, ist das bildende Kunstwerk als solches nicht autonom. Für die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen ist festzuhalten, dass auf dem Fresko des Collegio del Cambio in Perugia die antike, römische Konzeption des exemplum virtutis bildkünstlerisch umgesetzt ist. Leonidas als Beispiel der fortitudo repräsentiert als Einzelfigur die gesamte Schlacht. Um im Bild die historische Identität sowie die exemplarische Bedeutung des Leonidas herzustellen, bediente sich Perugino nicht nur ästhetischer Strategien, sondern auch erklärender Beitexte. Somit konnte das Historische des Exempels dargestellt werden, ohne dass die Szenerie, die Kleidung und die Waffen eindeutig auf eine bestimmte historische Zeit verweisen. Die authentische Darstellung war keine Voraussetzung, um historische Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Die Figur des Leonidas ist zwar als ,antik‘ gekennzeichnet, aber dennoch ist die zeitliche Differenz 137 ) CEDERE CVNCTA MEIS PVLSA / ET DISIECTA LACERTIS / MAGNA SATIS FVERINT / TRES DOCVUMENTA VIRI / NIL EGO PRO PATRIA TIMEO / CHARISQVE PROPINQVIS. / QVAEQVE ALIOS TERRET / MORS MIHI GRATA VENIT . – Zit. nach

Roettgen, Wandmalerei, S. 461. 138 ) Er lebte von 1443 bis 1518 und war Lehrer für Rhetorik und Poetik in Ferrara, Vicenza und Perugia. Neben den Uomini famosi an der Südwand sind an der Westwand die Geburt und Verklärung Christi dargestellt, die Nordwand zeigt jeweils sechs Propheten und Sibyllen unter Gott Vater sowie eine Justitia-Statue zwischen dem Greifen-Emblem der Zunft. Die Gewölbe der Decke ziert ein Planetenzyklus, bei dem jedem Planeten zwei Tierkreiszeichen zugeordnet sind. Über der Lünette, auf der Fortitudo und Temperantia dargestellt sind, befindet sich die Darstellung des Mars.

3.3. Zwischen römischer Kaiserzeit und Neuzeit

123

hier kein Thema der bildkünstlerischen Darstellung historischer Tatsachen. Das historisch Spezifische des Leonidas ist auf dem Fresko dem Ahistorischen, Allgemeingültigen deutlich untergeordnet, ohne dass die historische Faktizität angezweifelt wird. Festzuhalten ist weiterhin, dass auf dem Wandgemälde Leonidas als ein historisches Exempel unter mehreren dargestellt ist und sich das Interesse folglich nicht speziell auf die Schlacht an den Thermopylen richtete. Sie bot noch keine Identifikationsmöglichkeiten, die nur sie und keine andere antike Schlacht eröffnen konnte. Dies änderte sich erst im 18. Jahrhundert grundlegend, als in den europäischen Gesellschaften das Verhältnis von Gemeinschaft und Individuum sowie Staatsformen und politische Grundbegriffe neu diskutiert wurden. Erst in diesen Kontexten wurde die Schlacht an den Thermopylen verstärkt mit Bedeutung aufgeladen und mit der aktuellen politischen Semantik verknüpft. Sie bot nunmehr ein ganzes Bündel von Anknüpfungspunkten von der topographischen Situation bis zum Grabepigramm der Spartiaten, was damit einherging, dass die spezifischen Merkmale der Schlacht und damit deren Historizität aufgewertet wurden.

II. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen Revolution und Restauration (1789–1830) 1. Zum Sterben schön. Jacques-Louis Davids Le´onidas aux Thermopyles 1.1. Die Restitution des Exemplarischen im Bild Von Oktober bis Dezember 1814 stellte Jacques-Louis David sein kurz zuvor vollendetes Gemälde Le´onidas aux Thermopyles (s. Abb. 2) in seinem Atelier an der Place de la Sorbonne in Paris aus. Es war zusammen mit Les Sabines von 1799 zu besichtigen, als dessen Pendant es von David konzipiert worden war.1 Zeitgleich lief im Louvre die Salonausstellung der aktuellen französischen Kunst, die erste, die nach der Abdankung Napoleons am 6. April 1814 wieder unter bourbonischer Ägide stattfand. Das Fernbleiben Davids vom Salon sicherte Le´onidas aux Thermopyles große Aufmerksamkeit in Paris,2 da sein Leben wie bei keinem anderen Künstler der Zeit mit der jüngeren Vergangenheit Frankreichs aufs engste verwoben war.3 Seine Gemälde aus den 1780er Jahren Le Serment des Horaces und Les Licteurs rapportent a` Brutus les corps de ses fils waren zu Ikonen der Revolution geworden; er hatte ab Herbst 1789 gegen die verkrusteten Strukturen der Akademie gekämpft, den Auftrag erhalten, den Schwur des Dritten Standes im Ballspielhaus zu malen, war dem Jakobinerclub beigetreten und 1792 Abgeordneter des Nationalkonvents geworden. Als Mitglied des Comite´ d’Instruction Publique war er für die Inszenierung der republikanischen Feste verantwortlich. David hatte für den Tod des Königs gestimmt, seinen in der Badewanne ermordeten Freund Marat gemalt und wurde im September 1793 Mitglied des Sicherheitsausschusses. Den Sturz Robespierres am 9. Thermidor (27. 7. 1794) hatte er nur durch Zufall überlebt, saß im Gefängnis und wurde in der großen Amnestie des Directoire im Oktober 1795 begnadigt. Als premier peintre de l’Empereur malte er das offizielle Krönungsbild Napoleons und dominierte zusammen mit seinen zahlreichen Schülern die Kunstszene des Empire. Jules David, Enkel des Malers, behauptete, die Ausstellung von Le´onidas aux Thermopyles sei insbesondere von den Anhängern der Revolution und des Empire als Gelegenheit genutzt worden, ihre Gesinnung zu demonstrieren. Sie hätten das Gemälde zu Davids bestem Werk erklärt, eine Ansicht, die der Künstler selbst durchaus teilte.4 Dagegen betonte der 1)

Vgl. Ausst. Kat. David, S. 338f. Nr. 146. Vgl. M***, Journal ge´ne´ral de France Nr. 89 vom 19. 11. 1814, S. 1– 4, auch als Sonderdruck erschienen; Boutard, Journal des De´bats vom 11. 12. 1814, S. 1– 4; Lenoir-Laroche, Re´flexions (1814); Latouche, Lettre (1819), S. 241–253; Dreuille, Notice (1845), S. 166–184. 3 ) David lebte von 1748–1825; vgl. Ausst. Kat. David, S. 559–637; Schnapper, David. 4 ) Vgl. David, Peintre, S. 513f.; Wildenstein Nr. 1701, 1703. 2)

1.1. Die Restitution des Exemplarischen im Bild

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Kunstkritiker Pierre-Alexandre Coupin in seinem Nachruf auf David von 1827, die Begeisterung für das Gemälde erkläre sich nur aus dem dargestellten Thema und den politischen Umständen seiner Ausstellung, werde aber von den wahren Kennern nicht bestätigt.5 Ob der Vorwurf in der Sache gerechtfertigt ist oder nicht, Coupin gibt sich mit dieser Meinung zu einer Zeit, als sich die politische Stimmung durch die restaurative Politik unter Charles X . verschärft hatte, als Konservativer zu erkennen. In der Kunstkritik zu Le´onidas aux Thermopyles mischen sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ästhetische und politische Wertungen in unterschiedlichem Maße,6 was das Gemälde zu einem interessanten Rezeptionszeugnis der Schlacht an den Thermopylen macht. Zum einen erregte das in der bildenden Kunst selten dargestellte Thema Emotionen, da es mit der politischen Semantik der Zeit verknüpft war (s. Kap. II.2). Zum anderen wagte David eine sehr eigene ästhetische Lösung, das historische Ereignis bildkünstlerisch umzusetzen, die bei den Zeitgenossen Irritationen hervorrief. Diese Verwirrung hält bis heute in der kunsthistorischen Forschung an, die das Bild ästhetisch für den Zeitpunkt seiner Vollendung als eher überholt ansieht7 und es politisch meistens als Distanzierung oder Kritik an Napoleon und dem Empire deutet.8 Dies ist bemerkenswerterweise auch die unterschwellige Intention der David-Biographie von dessen Schülers E´tienne-Jean Dele´cluze, die die Hauptquelle für die Entstehungsgeschichte des Gemäldes ist,9 während die positiven Reaktionen auf das Bild von der Forschung weniger beachtet werden. Gerade aber die verhältnismäßig zahlreichen Äußerungen zu Le´onidas aux Thermopyles ermöglichen, die Rezeption differenziert zu beschreiben und nicht nur die Intention den Künstlers zu rekonstruieren, sondern auch, wie das Gemälde betrachtet und verstanden wurde (s. Kap. II.1.2). Der erste Eindruck, den Le´onidas aux Thermopyles hinterlässt, ist verwirrend (s. Abb. 2): Bei den letzten Vorbereitungen der Spartiaten vor der Schlacht herrscht in der Felsschlucht ein ziemliches Gedränge. Die Komposition wirkt durch die vielen, stark bewegten Figuren auf engem Raum unruhig und kleinteilig. Bereits die zeitgenössischen Kunstkritiken monierten, dass keine einheitliche Handlung oder zumindest keine Haupthandlung zu erkennen sei.10 Befremdend erscheinen heute auch die Körperinszenierungen der sich im Engpass tummelnden nackten Männer mit teilweise ephebenhaften, fast femininen Körpern.11 Der 5)

Vgl. Coupin, Essai, S. 39. Vgl. Kohle, Tod, S. 127–153. 7 ) Vgl. z. B. Gaehtgens, Leonidas, S. 244–251. 8 ) Vgl. Rubin, Painting, S. 547–568; Levin, David, S. 5–12; dies., Definition, S. 40–67; Jonker, Leonidas, S. 49–63; Stemmrich, Leonidas, S. 64–80; Michel, David, S. 121–123. Anders urteilen Kemp, David, S. 178–183; Nash, Evolution, S. 101–112; Gaehtgens, Leonidas, S. 211–251, und Schnapper, Le´onidas, S. 486– 497, die das Gemälde eher allgemein mit dem Patriotismus der Revolutions- und Empirezeit in Verbindung bringen. 9 ) Vgl. Dele ´ cluze, David, S. 217–245, 328–361. Dele´cluze (1781–1863) war von 1796 bis ca. 1801 Mitglied im Atelier Davids. Für diese Zeit ist sein Quellenwert gut, seine NapoleonAnekdoten sind allerdings zur Abfassungszeit der Biographie bereits feststehende Topoi (s. u.). 10 ) Vgl. Boutard, Journal des De ´ bats vom 11. 12. 1814, S. 1–2; M***, Journal ge´ne´ral de France Nr. 89 vom 19. 11. 1814, S. 4; Latouche, Lettre, S. 243–245; Coupin, Essai, S. 40. 11 ) Vgl. z. B. Hattendorf, Malerei, S. 16. 6)

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1. Jacques-Louis Davids Le´onidas aux Thermopyles

tänzelnde Gestus der Spartiaten scheint überhaupt nicht zum Ernst ihrer Lage zu passen. Das Gemälde ist weder auf einen Blick zu erfassen noch für jemanden, der nichts über die Schlacht an den Thermopylen weiß, zu entschlüsseln. Als Sozialrevolutionär lehnte Pierre Joseph Proudhon es aus eben diesem Grund ab, obwohl es ihm persönlich sehr gefiel.12 In der Atelierausstellung diente eine kurze Explication du tableau des Thermopyles, die Alexandre Lenoir, Initiator des Muse´e des Monuments Franc¸ais und Freund Davids, verfasst hatte, zur Information der Besucher.13 Die zeitgenössischen Betrachter erfahren, dass der Augenblick dargestellt ist, in dem die Trompeter die Spartiaten zu den Waffen rufen, um gegen das Heer des Xerxes anzutreten. Sie bereiten sich ein letztes Mal auf den Kampf vor. Im Zentrum des Bildes sitzt Leonidas, als Einziger den Betrachtern vollständig zugewandt, auf einem Felsen. Sein Blick geht in die Höhe, „(il) me´dite, avec une sorte d’attendrissement, sur la mort prochaine et ine´vitable de ses amis“.14 Rechts zu seinen Füßen sitzt sein Schwager Agis, bereit, seinen Helm aufzusetzen und die Befehle seines Feldherrn zu empfangen. Zwei junge Spartiaten am rechten Bildrand beeilen sich, ihre im Baum aufgehängten – allerdings schlecht erkennbaren – Waffen herabzunehmen. Rechts im Hintergrund stellt ein militärischer Führer, der einen blauen Umhang und in seiner rechten Hand einen Bogen trägt, das Heer auf. Er wird aufgrund seiner Kleidung und Bewaffnung als Angehöriger des Herakles-Kultes bezeichnet.15 Der Alte mit Blütenkranz direkt hinter ihm, der mit dem Finger zum Himmel weist, ruft als hoher Priester Herakles um den Erfolg der Waffen an. Er wird an anderer Stelle mit Megistias identifiziert.16 Im Mittelgrund formiert sich die Phalanx, um den Persern entgegenzutreten, die in der Ferne, jenseits der Mauer, die den Engpass abschließt, undeutlich zu erkennen sind. Zwei junge Spartiaten, der eine bindet sich die Sandale, der andere umarmt seinen alten Vater, hatte der König unter dem Vorwand einer geheimen Botschaft nach Sparta senden wollen, um sie auf diese Weise zu retten. Die beiden weigerten sich mit den Worten: „Nous ne sommes pas ici pour porter des ordres, mais pour combattre“.17 Am linken Bildrand ist ein Krieger den Felsen hinaufgestiegen und schlägt mit dem Griff seines Schwertes das Epigramm in die Felswand, in der 12 )

Vgl. Proudhon, Principe, S. 108–113. Die Explication du tableau des Thermopyles existiert unter dem Namen Lenoirs, dem Dele´cluzes, sowie anonym. Die anonyme Version schreibt Schnapper, David, S. 486, dem Maler zu. Da aber in den anschließenden Erläuterungen der Sabines angemerkt wird, der Text sei vom selben Autor und bereits 1810 einmal erschienen, kommt nur Alexandre Lenoir als Autor der Explication in Frage, denn er verfasste die Schrift Lenoir, Concours (1810). 14 ) Lenoir, Explication, S. 5. 15 ) Die Figur hatte, wie auf einer Vorstudie erkennbar ist, ursprünglich eine Keule in der erhobenen Hand und war damit als Herakles gekennzeichnet; vgl. Pougetoux, E´tude, S. 44 Abb. 1; Bothmer, Le´onidas, S. 330–332. Mit einer Heraklesfigur hätte David sowohl an die Heraklesbezüge des Leonidas und der Spartiaten als auch an eines der wichtigsten Symbole der Revolution angeschlossen, nämlich an die Verkörperung des französischen Volkes. Er selbst brachte Ende 1793 den Plan in den Konvent ein, eine kolossale Herkules-Statue als Revolutionsdenkmal am Pont Neuf zu errichten, die auf der zerschmetterten Despotie – den Statuen der Königsgalerie von Notre Dame – stehen sollte; vgl. Hunt, Symbole, S. 191ff. 16 ) Vgl. David, Peintre, S. 648. 17 ) Lenoir, Explication, S. 7. 13 )

1.1. Die Restitution des Exemplarischen im Bild

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Absicht „transmettre a` la poste´rite´ le souvenir de cette terrible et glorieuse journe´e“. Nach dem Zitat der griechischen Version des Epigramms, die Herodot wiedergibt, folgt eine Übersetzung: E´tranger, va dire aux Lace´de´moniens que nous sommes morts ici, en obe´issant a` leurs ordres.18

Auf dem Gemälde steht die griechische Fassung nach Herodot auf der Felswand: O XSHN ALLELLEIN LAKEDAIMONIOIS HOTI TAIDE KEIMEUA TOIS (vom Schwert überdeckt) REMASI PEIUOMENOI 19

David hat teilweise lateinische Buchstaben benutzt, was dafür spricht, dass er kein Griechisch konnte. Da dies auch keiner von den Kunstkritikern bemerkte, obwohl sie sonst keine Gelegenheit ausließen, David historische Ungenauigkeit nachzuweisen, scheint die Inschrift auf dem dunklen Felsen damals vom Betrachterstandpunkt aus genauso wenig lesbar gewesen zu sein wie heute. Die Explication erläutert weiterhin, dass die vier jungen Spartiaten, die sich umarmen, dem Epigramm ihre Blütenkränze offerieren und schwören „de re´aliser par une mort glorieuse l’obligation que ces mots leur imposent“. Abweichend davon deutet der Kritiker des Journal ge´ne´ral diese Figurengruppe als Darstellung der berühmten spartanischen Männerfreundschaft, die durch den Schwur am Altar Aphrodites, der eine griechische Inschrift trägt, bis in den Tod besiegelt werden soll.20 Am linken Bildrand lässt sich ein Blinder von seinem Sklaven herbeiführen, um mit den anderen zu sterben. Er wird allgemein mit Eurytos identifiziert. Auf einem Pfad entlang der rechten Felswand bringen Sklaven auf bepackten Maultieren Gepäck und Opfergerät nach Sparta zurück; die Spartiaten „vont souper chez Pluton“. Die Explication schließt mit einer Bewertung der Schlacht: Ce de´vouement de Le´onidas et de ses compagnons produisit plus d’effet que la victoire la plus brillante: il apprit aux Grecs le secret de leur forces, aux Perses celui de leur faiblesse.21

Die Anzahl der Spartaner sei 300, die der Perser 600 000 gewesen. Von der Explication nicht erwähnt, aber in den Kritiken als wichtige Elemente der Komposition wahrgenommen werden der Altar mit der lateinischen Aufschrift „Herakleos“, der noch mit Opfergegenständen bedeckt ist, und der Tempel auf dem Bergvorsprung im mittleren Hintergrund, der mit dem Heiligtum der Amphiktyonen identifiziert wird.22 Nach der Ausstellung im Herbst 1814 blieb das Gemälde im Pariser Atelier, als David nach der erneuten Inthronisation Louis XVIII . 1815 als ,Königsmörder‘ ins Exil musste und im Winter 1816 nach Brüssel ging. Der König erwarb im Winter 1819/20 die Sabines und den Le´onidas, die in dieser Zeit ins Muse´e Royal du 18 )

Lenoir, Explication, S. 7. Vgl. Dossier David, Le´onidas aux Thermopyles, Louvre Documentation; Abschrift mit Abweichungen auch bei Kemp, David, S. 179. 20 ) Vgl. M***, Journal ge ´ ne´ral de France Nr. 89 vom 19. 11. 1814, S. 2–3. 21 ) Lenoir, Explication, 8. 22 ) Vgl. M***, Journal ge ´ ne´ral de France Nr. 89 vom 19. 11. 1814, S. 2, der die Figur neben dem Tempel als Epialtes deutet; Boutard, Journal des De´bats vom 11. 12. 1814, S. 2. 19 )

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1. Jacques-Louis Davids Le´onidas aux Thermopyles

Luxembourg gebracht wurden.23 Ab März 1826 waren die beiden Gemälde im Louvre ausgestellt. Le´onidas aux Thermopyles hat eine lange und komplizierte Entstehungsgeschichte, die aufgrund der Quellenlage nicht mehr in allen Einzelheiten nachzuvollziehen ist. Begonnen hat David das Gemälde zu der Zeit, als er Les Sabines vollendete, also 1799. Er arbeitete bis 1803/4 an dem Bild und unterbrach dann seine Tätigkeit bis zum Sommer 1813.24 Der Grund für die Unterbrechung ist unklar: In der Regel wird hier die Anekdote angeführt, in der Napoleon mit seinem Bruder Lucien nach dem Sieg von Marengo, im Sommer 1800, David in seinem Atelier besuchte. Der Erste Konsul tat die Entwürfe zum Le´onidas mit der Bemerkung ab, David langweile mit der Darstellung von Besiegten.25 Da der Künstler aber noch drei Jahre an dem Gemälde weiterarbeitete, kann dies kaum der Anlass für die Pause gewesen sein. Wahrscheinlicher ist, dass David wegen der großen Auftragsarbeiten für Napoleon keine Kapazitäten mehr frei hatte, zumal die Unterbrechung des Le´onidas in etwa mit seiner Ernennung zum Hofmaler 1804 zusammenfällt.26 Warum David gerade die Schlacht an den Thermopylen für ein großformatiges Gemälde auswählte, das er ohne Auftrag malte, wird in den Quellen nicht thematisiert. Diese Themenwahl ist insofern bemerkenswert, als der Künstler bei diesem Thema, anders als bei anderen antiken, historischen Sujets z. B. aus der römischen Republik, auf keine bildkünstlerische Tradition zurückgreifen konnte.27 Auch wenn in Frankreich um 1800 Perugino als Lehrer des allgemein verehrten Raffael geschätzt wurde, ist es eher unwahrscheinlich, dass David durch dessen David erhielt für jedes Gemälde 50 000 FF ; vgl. Wildenstein Nr. 1857, 1861, 1863, 1867; vgl. Moniteur universel Nr. 350 vom 15. 12. 1819, S. 1518, und Nr. 351 vom 16. 12. 1819, S. 1585. 24 ) De ´ lecluze, David, S. 218–234, gibt das Anfangsdatum zwar mit 1800 an, verbindet aber in der Darstellung den Arbeitsbeginn mit Ereignissen von 1799. 1802 melden das Journal des De´bats vom 20. 11. 1802, S. 2, und das Journal des Paris Nr. 61 vom 22. 11. 1802, S. 377, dass David am Le´onidas arbeite. Von Ende 1803 sind Briefe über das Gemälde erhalten, vgl. Wildenstein Nr. 1414, 1415. 1812 schreibt Davids Schüler Pierre-The´odore Suau an seinen Vater, David wolle das Gemälde nicht vollenden, vgl. Wildenstein Nr. 1656; ab dem 13. Juni 1813 berichtet dieser bis zum 6. Oktober des Jahres regelmäßig über die Arbeit an dem Bild, vgl. Wildenstein Nr. 1673, 1674, 1677, 1678, 1679, 1681. Darüber hinaus gibt es ein Skizzenbuch (Muse´e du Louvre, de´partement des arts graphiques Inv. Nr. RF 6071) mit Entwürfen zum Le´onidas und zur Distribution des Aigles, die 1804–1811 entstanden sind. Skizzenbücher bieten durch die Praxis der Wiederverwendung allerdings keine sichere Chronologie. Vgl. Nash, Evolution, S. 104–112. 25 ) Die Episode taucht erstmals 1824 auf bei Anonym, Notice, S. 57f.; vgl. auch Th***, Vie, S. 109f.; Coupin, Essai, S. 35; Dreuille, Notice, S. 169; Dele´cluze, David, S. 230f.; David, Peintre, S. 405f. 26 ) 1804 erhielt David den Auftrag für vier monumentale Gemälde zur Krönung Napoleons, der Ankunft des Kaisers im Hoˆtel de Ville, seiner Einsetzung und der Verteilung der Adler. Ausgeführt wurden Le Couronnement de l’Empereur et de l’Impe´ratrice (1805–1807), Louvre, Abb. Ausst. Kat. David S. 419 Nr. 169 und Les Serment de l’arme´e fait a` l’Empereur apre`s la distribution des Aigles au Champ-de-Mars le 5 de´cembre 1804 (1811), Versailles, Abb. Ausst. Kat. David S. 455 Nr. 187. 27 ) Vgl. Sprigath, Republik. 23 )

1.1. Die Restitution des Exemplarischen im Bild

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Fresko im Collegio del Cambio angeregt wurde (s. Abb. 1). Es ist versucht worden, die Entscheidung für das Thema mit den Dramen und anderen Formen literarischer Rezeption der Schlacht an den Thermopylen aus der Revolutionszeit in Verbindung zu bringen.28 Durch keine dieser Quellen lassen sich allerdings alle Spezifika des Gemäldes erklären, so dass eine direkte Bezugnahme wenig plausibel erscheint. Generell greift die Vorstellung zu kurz, das Gemälde ließe sich auf einen, wie auch immer gearteten ,Ursprung‘ zurückführen, der gleichermaßen die Deutung wie die kulturelle Verankerung der Schlacht an den Thermopylen in Frankreich um 1800 mitliefert. Vielmehr lag das Thema ,in der Luft‘, weil es mit neuen kollektiven Erfahrungswerten, gesellschaftlichen Deutungsmustern und Symbolen verbunden worden war. Die kunsthistorische Forschung ist sich im Großen und Ganzen darüber einig, dass der Bericht Herodots die Textvorlage für Davids Komposition war.29 Tatsächlich spricht eine Reihe der dargestellten Details dafür: die Form des Epigramms, der Herakles-Altar, der Tempel der Amphiktyonen, die Phoker-Mauer und der blinde Eurytos. Allerdings sind weder die Blütenkränze noch die beiden Spartiaten, die ihre Mission nach Sparta verweigern, noch das Apophthegma „souper chez Pluton“ durch den Herodot-Text erklärbar.30 Für diese Details hätte David zumindest Plutarchs Apophthegmata Laconica und seine Lykurg-Biographie hinzuziehen müssen.31 Allerdings stammt der einzige direkte Hinweis auf eine Textquelle, das handschriftliche Zitat Davids auf einer frühen Entwurfszeichnung der Figur des Leonidas (s. Abb. 14), aus der Voyage du jeune Anacharsis en Gre`ce des Abbe´ Jean-Jacques Barthe´lemy, die dieser 1788 verfasste.32 Alle Informationen, die auf Herodot oder Plutarch zu verweisen scheinen, finden sich in der Schilderung der Schlacht an den Thermopylen in diesem seinerzeit sehr populären siebenbändigen Bildungsroman.33 Die Antwort der beiden jungen Männer, die 28 ) Vgl. Levin, David, S. 5–12, und dies., Definition, S. 40–67, mit Louis de Fontanes Epos La Gre`ce sauve´e (1795/6); zu Davids Verbindung zum Theater allgemein: Carroll, Representations, S. 189–261. 29 ) Vgl. Kemp, David, S. 178; Gaehtgens, Leonidas, S. 215; vorsichtiger ist Schnapper, Le ´ onidas, S. 488, 490. Ne´ret, David, S. 104, glaubt, der Gegner der Schlacht sei Dareios, und Rubin, Painting, nimmt an, die Schlacht ginge gegen Pyrrhus, womit seine These, das Gemälde sei eine Reminiszenz an Davids von Napoleon hingerichteten Schüler Topino-Lebrun, der ein Bild Die Belagerung Lakedaimons durch Pyrrhus geplant hatte, hinfällig ist. 30 ) Kemp, David, S. 179 f., bringt die Blütenkränze mit Xen. Lak. Pol. 13.8–9 in Verbindung und hält das Apophthegma von der Mahlzeit im Hades für eine Erfindung Davids. Seine falsche Kapitelangabe findet sich auch bei Schnapper, Le´onidas, S. 488f. 31 ) Vgl. Plut. Apophth. Lac. 225 D Nr. 13; 225 E Nr. 15; Plut. mal. Her. 32 [866 C]; s. Kap. I.3.2. Für die Bekränzung vor der Schlacht vgl. Plut. Lyk. 22. Es ist wahrscheinlicher, dass David Plutarch rezipierte, s. Kap. II.2.1, als die weniger prominente Schrift von Xenophon. 32 ) „Les principales armes du fantassin / spartiate sont la pique et le / bouclier; je ne comte pas / l’epe´e qui n’est qu’une / espe`ce de poignard qu’il / porte a` sa ceinture. C’est / sur la pique qu’il fonde / ses espe´rances, il ne la / quitte presque pas tant / qu’il est a` l’arme´e – Anacharsis page 245“. David benutzte Band 3 der Ausg. 1789; vgl. Ausst. Kat. David, S. 500 Nr. 217; Nash, Evolution, S. 102 Anm. 3. Barthe´lemy (1716–1795) war Altertumsforscher und Numismatiker, leitete ab 1753 das königliche Medaillenkabinett in Paris und studierte für den Anacharsis dreißig Jahre lang die antiken Quellen zur griechischen Geschichte. Das Werk hatte bis 1893 41 Auflagen; vgl. Dimakis, Antike, S. 38f.

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1. Jacques-Louis Davids Le´onidas aux Thermopyles

Leonidas unter dem Vorwand der Geheimbotschaft wegschicken wollte, wie die abschließende Bewertung der Schlacht sind wörtlich in die Explication übernommen.34 Daher ist sehr wahrscheinlich, dass der Anacharsis die schriftliche Quelle für das Gemälde und die Explication war. Dennoch erscheinen auch Bezugnahmen auf andere literarische Bearbeitungen der Schlacht an den Thermopylen möglich: So findet sich ein Schwager des Leonidas namens Agis nur in Richard Glovers Epos von 1738,35 während Eichen auch in Louis de Fontanes Epos von 1795/6 und in Loaisels Drama Combat des Thermopyles von 1794 zur Ausstattung des Engpasses gehören; bei letzterem wird die Eiche von den Spartiaten mit Trophäen persischer Waffen geschmückt.36 Zudem sind das Apophthegma „souper chez Pluton“ sowie das Spartiaten-Epigramm nicht aus dem Anacharsis zitiert, was zeigt, dass beide, wie auch schon in der Antike, unabhängig von ihrem Kontext rezipiert wurden.37 Das „souper chez Pluton“ entspricht der Übersetzung der Apophthegmata Laconica, die im Jahr II (1793/4) in einer Auswahl erschienen war.38 Beim Epigramm ergibt sich das interessante Phänomen, dass zwar alle Kritiker des Gemäldes es als „ce´le`bre“, „me´morable“ und „immortel“ anführen, kein einziger allerdings die sehr genaue Übersetzung der herodoteischen Version aus der Explication übernimmt. Dies kann nur bedeuten, dass die Kritiker die Inschrift aus dem Kopf zitierten. Am häufigsten sind dabei die an Cicero orientierte Fassung „Passant, va dire a` Sparte que nous sommes morts ici pour obe´ir a` ses saintes lois“ bzw. „a` ses lois“ und kleinere Abweichungen davon.39 Diese Form des Epigramms stammt weder aus der einschlägigen Übersetzung der Tusculanen noch der seinerzeit aktuellen Herodot-Ausgabe.40 Mit großer Wahrscheinlichkeit war die Encyclope´die von Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert die Quelle dieser Übersetzung des Epigramms, das sich dort in den Artikeln Sparte und Thermopyles findet.41 Der kritische Einwand im Journal des De´bats zur Ausstellung 33 ) Vgl. Barthe ´ lemy, Anacharsis 1, S. 225–241, der die Darstellungen der Schlacht von Herodot, Diodor und Plutarch geschickt vereint. Für die Blütenkränze beim Opfer vor der Schlacht vgl. ebda. 4, S. 253f. 34 ) Vgl. Barthe ´ lemy, Anacharsis 1, S. 236, 240. 35 ) Vgl. Glover, Leonidas. S. Kap. II.2.1. 36 ) Vgl. Fontanes, Gre ` ce, S. 327; Loaisel, Combat, S. 46f.; s. Kap. II.2.1. 37 ) Bei Barthe ´ lemy, Anacharsis 1, S. 236 heißt es: „Nous en prendrons bientoˆt un autre chez Pluton“. Und ebda. 3, S. 346: „Passant, vas dire a` Lace´de´mone que nous reposons ici pour avoir obe´i a` ses saintes lois“, wobei Ciceros Version mit eingeflossen ist. 38 ) Vgl. Plutarque, Apophthegmes, S. 87. 39 ) „Saintes lois“ bei Boutard, Journal des De ´ bats vom 11. 12. 1814, S. 3; Rabbe, Courrier franc¸ais vom 19. 8. 1824, S. 4; Coupin, Essai, S. 40; „Lois“ bei M***, Journal ge´ne´ral de France Nr. 89 vom 19. 11. 1814, S. 2; Lenoir, David, S. 12; Dreuille, Notice, S. 176, 178; Proudhon, Principe, S. 109; Abweichungen bei Lenoir-Laroche, Re´flexions, S. 38: „Etranger, va dire a` Sparte que nous sommes morts ici pour obe´ir a` ses saintes lois“; und Latouche, Lettre, S. 248: „Etranger, va dire aux Lace´de´moniens que nous sommes morts ici pour obe´ir a` leur saintes lois“. 40 ) Vgl. Cicero Tusc. Ausg. Bouhier/Olivet 1 (1732), S. 163 (unverändert in Ausg. 1766, 1776, 1812): „Passant, qui nous voit ici, va dire a` Sparte que nous y / sommes morts en obe´issant aux lois saintes de la Patrie“. Vgl. Herodot Ausg. Larcher 5 (1786), S. 156 (unverändert in 2. Aufl. An XI [1802]): „Passant, va dire aux Lace´de´moniens que nous reposons, pour avoir obe´i a` leurs lois“. 41 ) Vgl. Jaucourt/Diderot, Sparte, S. 434; Jaucourt, Thermopyles, S. 273.

1.1. Die Restitution des Exemplarischen im Bild

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des Gemäldes 1814, man könne es überhaupt nur aufgrund des Epigramms als Darstellung der Schlacht an den Thermopylen entschlüsseln, lässt sich vor diesem Hintergrund ganz anders lesen:42 Das kunstliebende Publikum musste weder die griechische Inschrift auf dem Bild entziffern können noch brauchte es eine Übersetzung, um das Bildmotiv einer Inschrift mit einer allgemein bekannten Version des Spartiaten-Epigramm in Verbindung zu bringen und das gemalte Geschehen mit der spartanischen Niederlage zu identifizieren. Eine Einzelstudie Davids zur Figur des Spartiaten, der die Inschrift in den Fels schlägt (s. Abb. 15), wie auch der Gesamtentwurf von 1813 zeigen, dass er den Anfang des Epigramms als „Passans allez dire a` Sparte . . .“ im Kopf hatte. Auf dem Gesamtentwurf geht das Epigrammzitat mit „que trois . . .“ weiter, und Dele´cluze legt David „que ses enfants sont morts pour elle“ in den Mund.43 Dies lässt erkennen, dass um 1800 das aus dem Kontext gerissene Epigramm nicht nur für die gesamte Schlacht stand, sondern auch ungenau und fragmentarisch erinnert wurde. Folgt man den Zeitgenossen bei der Beurteilung von Le´onidas aux Thermopyles, so kreist die Kritik immer wieder um vier Punkte, aus denen sich die konzeptionellen Besonderheiten der Komposition ableiten lassen. Das Gemälde aufgrund der malerischen Schwächen als Alterswerk zu beurteilen, ist erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschend.44 Hauptkritikpunkt gerade bei den beiden Rezensenten der Ausstellung von 1814 ist, dass die dargestellte Handlung in einzelne Episoden zerstückelt sei, die für die Aussage des Gemäldes lediglich zweitrangige Bedeutung hätten. Die fehlende kompositionelle Ausrichtung der Figuren auf eine Hauptgruppe spalte die Aufmerksamkeit der Betrachter und mache das Bild unübersichtlich und schwer entschlüsselbar.45 Auch der, allerdings seltener geäußerte, Vorwurf, das Gemälde zeige nicht die eigentliche Tat, sondern verweise nur auf sie, stellt die gesamte Komposition in Frage.46 Die Nacktheit der Spartiaten ist ein weiterer Reibungspunkt, der direkt nur in der Form historischantiquarischer Kritik, dass die Spartiaten nicht nackt gekämpft hätten, angesprochen wird. Der 80jährige Kunstliebhaber, der in den Lettres a` David sur le Salon de 1819 eine Grundsatzdiskussion vor dem in der Galerie du Luxembourg ausgestellten Gemälde mit einem Schüler Davids führt, behauptet, die einheitlichen roten Gewänder der Spartiaten machten das Bild langweilig, wodurch sich herausstellt, dass er blind ist.47 Ironisiert wird die Nacktheit in zwei Zeitungsnotizen, die unabhängig von den Ausstellungskritiken im Herbst 1814 erschienen: So erklärt das Journal des arts, David sei dem Salon ferngeblieben, da er trotz seines Talentes 42 )

Vgl. Boutard, Journal des De´bats vom 11. 12. 1814, S. 3. Dele´cluze, David, S. 225. Abb. Ausst.-Kat. David, S. 506 Nr. 220. 44 ) Vgl. Chesneau, David (1861), S. 33; David, Peintre, S. 510; Raymond Bouyer spricht 1913 in seinem Louvre-Führer von seniler Dekadenz, zit. bei Verbraeken, David, S. 186. 45 ) Vgl. M***, Journal ge ´ ne´ral de France Nr. 89 vom 19. 11. 1814, S. 4; Boutard, Journal des De´bats vom 11. 12. 1814, S. 2; Latouche, Lettre, S. 243 f.; Coupin, Essai, S. 39f.; gegen diesen Vorwurf wenden sich explizit Latouche, ebda.; Dreuille, Notice, S. 175 und indirekt Anonym, Notice, S. 59. 46 ) Vgl. Boutard, Journal des De ´ bats vom 11. 12. 1814, S. 3; Latouche, Lettre, S. 247, 249. 47 ) Vgl. Latouche, Lettre, S. 250; vgl. Jonker, Leonidas, S. 53–56. 43 )

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die Gewänder vernachlässigt habe, und das Journal ge´ne´ral witzelt, dass sich mehrere junge Leute spontan entschlossen hätten, die beeindruckende Kostümierung nachzuahmen.48 Obgleich das zeitgenössische französische Kunstpublikum an lebensgroße männliche Aktdarstellungen bei antiken mythologischen, aber auch historischen Themen gewöhnt war, läuft unterschwellig die Angst vor einer sexualisierten und zwar homosexualisierten Deutung des Gemäldes mit. So fragt der 80jährige Kunstliebhaber, ob die Spartiaten in ihrer Nacktheit nicht eher Sybariten seien, Comtesse Lenoir-Laroche verteidigt die Freundschaft der Spartiaten als frei von nicht näher genannten Lastern, und Dele´cluze betont, die Nacktheit in der bildenden Kunst sei keine Libertinage künstlerischer Vorstellungskraft, „d’exciter les passions les plus grossie`res“.49 Der vierte Kritikpunkt zielt auf die Authentizität einzelner Details des Gemäldes, so, dass in der Antike die Altäre keine Inschriften des Gottes, dem sie geweiht waren, getragen hätten und dass das Einmeißeln des Epigramms vor der Schlacht anachronistisch sei.50 Auch wenn die David wohlgesonnenen Publizisten versuchten, die kritischen Stimmen als Pedanten zu delegitimieren,51 so benennen diese doch treffend die Eigenheiten des Le´onidas und zeigen, dass David besonders mit der fehlenden Handlungseinheit an die Grenze der Darstellungskonventionen in der etablierten Historienmalerei gegangen war. Jede Darlegung der konzeptionellen Planungsschritte Davids zu Le´onidas aux Thermopyles ist von der Biographie Dele´cluzes abhängig, der während der ersten Arbeitsphase Schüler im Atelier Davids war. Dele´cluze stellt die Sabines und den Le´onidas in den Kontext einer in diesen Jahren von David zusammen mit einer Schülergruppe, genannt les penseurs, in Angriff genommenen programmatischen Reform der Malerei, deren Kern die Ausrichtung der Malweise „aux principes de l’art grec“ war.52 Diese Prinzipien seien erstens die Nacktheit der dargestellten Personen, so dass antike Betrachter auf dem Gemälde nichts Fremdes in der Kleidung finden könnten, zweitens das Kompositionssystem und drittens – was ausschließlich für den Le´onidas gilt – der Moment, der für die Darstellung ausgewählt wird. Hieraus wird ersichtlich, dass die Programmpunkte der Neuerung den Reibungspunkten der zeitgenössischen Rezipienten entsprechen. Davids Ziel war es, seine künstlerische Methode durch Nachahmung ästhetischer Prinzipien der Antike seinen Sujets möglichst weitgehend anzunähern: Er historisierte seine Malweise. Als direktes ikonographisches Vorbild für die Figur des Leonidas, die David gegenüber den ersten Entwürfen (s. Abb. 14) nochmals entscheidend änderte, erwähnen die Quellen eine antike Gemme, die eine Ajaxdarstellung zeigt.53 Sie ist in 48 ) Vgl. Journal des arts, des sciences et de la litte ´ rature Nr. 326 vom 20. 10. 1814, S. 92; Journal ge´ne´ral de France vom 4. 12. 1814 = Wildenstein Nr. 1704. 49 ) Dele ´ cluze, David, S. 217; vgl. Latouche, Lettre, S. 252; Lenoir-Laroche, Re´flexions, S. 39f. 50 ) Vgl. Latouche, Lettre, S. 245 f., 249. 51 ) Vgl. Journal des arts, des sciences et de la litte ´ rature Nr. 337 vom 15. 12. 1814, S. 354; Le Nain jaune Nr. 337 vom 15. 12. 1814, S. XVII : „Quand M. Boutard parle des arts, on croit entendre le grammairien Domergue essayer de prouver que Voltaire ne savait pas le franc¸ais“. 52 ) Dele ´ cluze, David, S. 218, 226. 53 ) Vgl. M***, Journal ge ´ ne´ral de France Nr. 89 vom 19. 11. 1814, S. 3; Dele´cluze, David, S. 226, 229; vgl. Gaehtgens, Leonidas, S. 220.

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den Monumenti antichi inediti (1767) von Johann Joachim Winckelmann abgebildet (s. Abb. 16). Wie Thomas W. Gaehtgens nachgewiesen hat, rekurrieren nahezu alle wichtigen Figuren des Bildes auf antiken Statuen, die David einzeln kopiert hat, um sie anschließend in einen gemeinsamen Bildraum zu montieren.54 Diese Methode, die Hauptfiguren isoliert zu entwickeln und sie danach zusammenzuschließen, hatte David bereits bei den Sabines verwendet; so formuliert Friedrich Johann Lorenz Meyer 1801 seine Enttäuschung über dieses Bild: Die einzelnen Figuren und Gruppen [...] sind trefflich gedacht, gezeichnet, ausgeführt, aber es sind [. . .] vereinzelte Figuren, isolierte Gruppen. Es fehlt die Zusammenwirkung, die Harmonie in dem Ganzen und zu einem Ganzen. Es scheinen gleichsam zusammengestellte Fragmente zu seyn, wovon jedes für sich sein relativ hohes Verdienst, sein gesondertes Interesse hat.55

Auch die Nacktheit der Personen ergibt sich konsequenterweise aus dem Kopieren von antiken Originalen. Hinter diesem Verfahren steht Winckelmanns Diktum der Nachahmung antiker Kunst, insbesondere antiker Statuen.56 Nach Winckelmann resultiert die Schönheit griechischer Kunstwerke daraus, dass im antiken Griechenland die Freiheit als oberstes Prinzip der gesellschaftlichen Ordnung ein Höchstmaß an menschlicher Autonomie und Entfaltung ermöglicht hatte. Durch die staatlichen Institutionen, die Identifikation jedes Einzelnen mit dem Gemeinwesen und seinem Einsatz für dieses sowie durch die günstigen klimatischen Bedingungen hätten die Menschen und ihre Bildnisse in Griechenland einen Grad der Vervollkommnung erlangt, wie er in der Geschichte seitdem nie wieder erreicht worden sei. Die empirischen Vorbilder für die antiken Bildhauer sah Winckelmann in den Spartanern.57 Sein gesellschaftlicher Erklärungsansatz von Kunst war in Frankreich schnell vom Kreis der Enzyklopädisten übernommen worden und in der Kunstkritik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts virulent, die eine ästhetische und moralische Erneuerung der Historienmalerei forderte.58 Mit den Ereignissen der Revolution bekamen die Thesen Winckelmanns politische Brisanz, da mit ihrer Hilfe das Verhältnis von Gesellschaft und Kunst neu definiert und letzterer eine formative Rolle bei der angestrebten re´ge´ne´ration eingeräumt wurde. Eine neue, differenziertere Phase der französischen Winckelmann-Rezeption begann nach dem Thermidor, als die ausführlich kommentierte Übersetzung der Geschichte der Kunst des Altertums von Henri Jansen erschien.59 54 ) Vgl. Gaehtgens, Leonidas, S. 240f. Der sog. Agis hat sein Vorbild im Ruhenden Merkur in Neapel, 1758 in Herculaneum gefunden, der Sandalenbinder im sog. Cincinnatus im Louvre, der Anführer mit Bogen im Apoll vom Belvedere im Vatikan, die Rückenfigur desjenigen, der die Waffen vom Baum nimmt, in der manieristischen Merkur-Statue von Giovanni da Bologna in Florenz. Für die Anordnung der Figuren im Bildraum beschäftigte sich David mit italienischen Malern der frühen Renaissance; vgl. Dele´cluze, David, S. 219f. Allerdings zeichnete David seine Akte niemals direkt nach Statuen, sondern ließ die Haltungen von Modellen nachstellen; vgl. Schnapper, David, S. 199. 55 ) Meyer, Briefe, S. 95f. Vgl. Cleve, Kunst, S. 103–108. 56 ) Erstmals formuliert in Winckelmann, Gedanken (1755); und vollständig entwickelt in ders., Geschichte (1764), S. 114–122. 57 ) Vgl. Winckelmann, Gedanken, S. 3. 58 ) Vgl. Pommier, Winckelmann, S. 9–20. 59 ) Vgl. Winckelmann, Histoire (1793/4).

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Neben dieser neuerlichen Auseinandersetzung mit den Werken Winckelmanns beschäftigte sich David für den Le´onidas mit einer weiteren für die Kunst des Neoklassizismus programmatischen Schrift: mit Gotthold Ephraim Lessings Laokoon oder über die Grenzen der Malerei (1766). Diese Arbeit lag 1802 in französischer Übersetzung vor.60 Wie Dele´cluze berichtet, interessierte David an der Gemme, die das Vorbild seiner Leonidas-Figur wurde, besonders der Moment der Darstellung. Gezeigt wird Ajax, wie er ruhig über seinen nun vergangenen Wahnsinnsanfall sinniert, in dem er eine Schafherde niedergemetzelt hatte. David bezieht sich in seiner Interpretation der Gemme auf Lessing, der einen ,rasenden Ajax‘ des griechischen Malers Timomachos als Beleg dafür anführt, dass die Künstler der Antike für die Darstellung einer Person immer den Augenblick der Ruhe vor bzw. nach einer – mit Davids Worten – „grande crise“ gewählt hätten.61 Diese Abwesenheit von Bewegung und von expressivem Ausdruck definiert auch in der Theorie Winckelmanns das ,Sublime‘. In den idealisierten Männerkörpern der Spartiaten bemühte sich David um die Vervollkommnung des „beau visible“,62 das als normativer Wert sowohl den Betrachtern den Zugang zur antiken Wertewelt öffnen als auch die Gesellschaftsutopie des antiken Griechenland in die Gegenwart vermitteln sollte. Nach Dele´cluze hatte David seinen Schülern das Thema der Schlacht an den Thermopylen als Kompositionsaufgabe gestellt. Die Kritik an Dele´cluzes eigenen Entwurf veranlasste David, über die adäquate Darstellung des Themas zu reflektieren: Moi, je veux donner a` cette sce`ne quelque chose de plus grave, de plus re´fle´chi, de plus religieux. Je veux peindre un ge´ne´ral et ses soldats se pre´parant au combat comme de ve´ritables Lace´de´moniens, sachant bien qu’ils n’en e´chapperont pas; [...] je veux caracte´riser ce sentiment profond, grand et religieux qu’inspire l’amour de la patrie. Par conse´quent, je dois en bannir toutes les passions qui non-seulement y sont e´trange`res, mais qui en alte´reraient encore la saintete´.63

Das eigentliche Interesse Davids lag folglich darin, das erhabene, religiöse Gefühl der Vaterlandsliebe bzw. die männliche Haltung, die sich aus ihm ergibt, darzustellen, das er in der Episode an den Thermopylen exemplarisch verwirklicht sah. Diese „ide´e premie`re“ 64 versucht er über ideal empfundene Körperformen zu transportieren, die in ihrer Schönheit als zeitlos konzipiert sind. Das Zentrum dieses Programms bildet die sinnende Figur des Leonidas, die als „tableau a` lui seul“ 65 ikonenhaft vom narrativen Hintergrund abgehoben ist. Sein frontal zur Schau gestellter nackter Modellkörper befindet sich in einem Moment des Verharrens, dem die Bewegung des Schwertaufnehmens vorausgegangen ist. Dieser Augenblick konzentrierter Ruhe und Insichgekehrtheit sowie die Information der Explication, Leonidas meditiere über seinen Tod, verweisen auf das spätere Geschehen und gleichzeitig auf dessen emotionale Dimension. Der in die Höhe 60 )

Vgl. Gaehtgens, Leonidas, S. 231–234. Dele´cluze, David, S. 226. Vgl. Lessing, Laokoon, S. 21. 62 ) Dele ´ cluze, David, S. 218. 63 ) Dele ´ cluze, David, S. 225f. Vgl. auch Meyer, Briefe, S. 99. 64 ) Dele ´ cluze, David, S. 228. 65 ) Rabbe, Courrier franc ¸ ais vom 19. 8. 1824, S. 4. 61 )

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gerichtete Blick des Leonidas sowie der Tempel, der in der Mitte des Bildes über seinem Kopf platziert ist, deuten auf die religiöse Beschaffenheit des Gefühls der Vaterlandsliebe hin. Auch die Utensilien der gerade abgeschlossenen Opfer für die Götter unterstützen die feierliche, sakrale Stimmung beim Aufbruch in die Schlacht. Der Altar für Aphrodite, der im Gegensatz zum Altar für den Stammvater der spartanischen Königshäuser nicht in den antiken Berichten über die Schlacht zu finden ist, fügt sich in die religiöse Überhöhung der Vaterlandsliebe ein.66 Die Liebe zum Vaterland, die alles Handeln bis hin zum Opfertod bestimmt, erscheint quasi als religiöse Hingabe. Die Ruhe des Leonidas ist mit den Aktivitäten der Spartiaten kontrastiert, die allesamt eine heitere Gelassenheit ausstrahlen. David war bestrebt, alle Passionen aus den Gesichtern und Bewegungen der Dargestellten herauszuhalten, um sie bereits vor der Schlacht als unsterblich erscheinen zu lassen.67 Sowohl im denkmalhaften Charakter der Idealkörper als auch im Einmeißeln des Epigramms bereits vor der Schlacht wird die Unsterblichkeit des Leonidas und seiner Spartiaten als sicher zu erwartendes Ergebnis thematisiert. Nicht das Ereignis der Schlacht, sondern ihre Memoria ist verbildlicht. Zwischen den auf dem Bild gezeigten Vorbereitungen und den Hinweisen auf die Erinnerung an die Schlacht klafft eine Lücke an der Stelle der eigentlichen Haupthandlung: des Kämpfens und Sterbens der Spartiaten. Die im Le´onidas dargestellten Handlungen sind im Hinblick auf den Nachruhm der Schlacht zweitrangig; denn deren Bedeutung bestand nicht darin, dass sich die Spartiaten die Schuhe banden und die Waffen ergriffen, sondern dass sie in aussichtsloser Lage kämpften und starben. Die komplexe Bildrealität des Le´onidas sowie seine kompositionellen Besonderheiten stehen im Zusammenhang mit der grundlegenden Veränderung in der bildlichen Darstellung von historischen Ereignissen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die nur kurz skizziert werden soll.68 Die Krise der Repräsentation von historischen Ereignissen auf Bildern geht damit einher, dass sich die Auffassung von ,Geschichte‘ im Verlauf des 18. Jahrhunderts europaweit fundamental änderte. Mit der Erkenntnis, dass jedes Ereignis das Ergebnis einer spezifischen, unwiederholbaren Konstellation einer bestimmten Zeit war, wurde ,die Geschichte‘ als zeitlicher Prozess verstanden. Europaweit war es durch die sich überstürzenden Ereignisse der Französischen Revolution zur allgemeinen Erfahrung geworden, dass sich aus vergangenen Ereignissen keine Prognosen für die Zukunft erschließen ließen und dass überdies ,Geschichte‘ grundsätzlich veränderbar war. Die jahrhundertealte Funktion der historia als magistra vitae, als ein unerschöpflicher Fundus menschlicher Verhaltensweisen, war damit in Frage gestellt. Die Historienmalerei, die seit dem 15. Jahrhundert gerade wegen des moralisch-didaktischen Gehalts ihres Gegenstandes als die vornehmste der Bildgattungen galt, befand sich in einem Dilemma, weil sich die Gesamtheit eines historischen Prozesses 66 ) Vgl. Jaucourt/Diderot, Sparte, S. 433; Jaucourt, Lace ´ de´mone, S. 158, die beide einen Kult der „Aphrodite arme´e“ in Sparta erwähnen; vgl. auch Paus. 3.15.10–11. 67 ) Vgl. Dele ´ cluze, David, S. 226. 68 ) Vgl. im Folgenden: Germer, Spot, S. 17–36; Gaehtgens, Historienmalerei, S. 31–57; Hofmann, Jahrhundert, S. 4– 47, 213–335, Busch, Bild, S. 237f.; Koselleck, Historia, S. 38– 66; ders., Geschichte, S. 647–717.

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der Darstellung auf einzelnen Bildern entzieht. Gleichzeitig gefährdete die Infragestellung der exemplarischen Funktion von ,Geschichte‘ den erzieherischen Auftrag der Historienmalerei, der in Frankreich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts sowohl durch die königliche Akademie offiziell gefordert als auch in der sich nun professionalisierenden Kunstkritik mit dem pädagogischen Anspruch der Aufklärung verbunden wurde.69 In der Folge versuchten die europäischen und nordamerikanischen Historienmaler der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch ästhetische Strategien die überzeitlichen Werte eines historischen Ereignisses, die es durch seine Verzeitlichung verloren hatte, zu restituieren. Stefan Germer charakterisiert diese Strategien als Pathetisierung, Partikularisierung und Emotionalisierung.70 Für ein Historiengemälde zur Schlacht an den Thermopylen bedeutete dies, dass weder, wie auf dem Fresko Peruginos, Leonidas allein noch, wie in der illustrierten griechischen Geschichte von Bartolomeo Pinelli, nur die Kampfhandlung für das Exempel stehen kann (s. Abb. 17). In diesem 1821 erschienenen Werk wird die exemplarische Bedeutung der antiken Niederlage nicht durch das Bild, sondern durch den Beitext konstituiert.71 Im Zentrum des ästhetischen Konzeptes von Le´onidas aux Thermopyles steht der nackte, männliche Idealkörper, durch den David dem Transitorischen des historischen Ereignisses bzw. des patriotischen Gefühls Dauerhaftigkeit zu verleihen sucht. In ihrer normativen Schönheit sind Leonidas und die Spartiaten erhaben über Leiden, Verletzungen und Tod. Diese Enthobenheit von Menschlichkeit und Zeit verleiht ihnen zusammen mit den religiösen Konnotationen des Bildes eine transzendente Qualität. Demgegenüber steht eine konsequente Historisierung, die die Requisiten, die griechische Schrift, die historische Genauigkeit und sogar die künstlerische Konzeption umfasst. David bemühte sich, die Waffen, Rüstungen und das Opfergerät nach der aktuellen antiquarischen Forschung korrekt wiederzugeben.72 Die Ausgrabungen von Herculaneum und Pompeji hatten die Kenntnis über antike Alltagsgegenstände erheblich vergrößert, wie auch Publikationen italienischer Antikensammlungen und die auf Napoleons Italienfeldzug aquirierten Antiken, die im Sommer 1798 in Paris eintrafen, den Bekanntheitsgrad antiker Kunstwerke förderten.73 Hierdurch wuchs, um den bisher vernachlässigten Kritikpunkt mangelnder Authentizität aufzunehmen, auch das kunsthistorische Bewusstsein bei den Kunstrezipienten, die eine historisch möglichst exakte Wiedergabe des dargestellten historischen Ereignisses einforderten. Durch dieses Bemühen um Authentizität, das David bei Le´onidas aux Thermopyles besonders weit trieb, wird das Ereignis in seiner Historizität 69 )

Vgl. Sprigath, Republik, S. 49–185; Gaehtgens, Historienmalerei, S. 40– 45. Dazu kommt noch die Spektakulisierung, die für den Le´onidas weniger gilt; vgl. Germer, Spot, S. 17–36. 71 ) Vgl. Pinelli, Raccolta, S. 23 f.: „Ils y pe ´ rirent presque tous, et Le´onidas lui-meˆme resta sur le champ-de-bataille couvert d’une gloire immortelle par sa fermete´ et sa mort he´roı¨que. La me´moire de ces trois cents he´ros dura pendant long-temps, et n’est pas encore oublie´e aujourd’hui“. Der Text ist auch in Italienisch wiedergegeben. 72 ) Vgl. z. B. Wildenstein Nr. 1414, 1415. 73 ) Unter den Antiken war der Apoll vom Belvedere; vgl. Dele ´ cluze, David, S. 207; Schnapper, David, S. 193; Pommier, Winckelmann, S. 17; Cleve, Kunst, S. 117–119. 70 )

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aufgewertet, die zu dieser Zeit bereits unerlässlich für die Glaubwürdigkeit der gesamten Darstellung war. Im Hinblick auf die Zeitstruktur befindet sich Davids Le´onidas in einem Zwischenzustand, der sich sowohl im Ganzen, in der allgemeinen Aufbruchssituation, als auch im Einzelnen, in Leonidas’ Haltung zwischen An- und Entspannung, manifestiert. Dieser Übergangscharakter wird dadurch unterstützt, dass keine spektakulären Handlungen gezeigt werden, die das Ereignis an sich erschlössen. Die Komposition verweist stark über seine gegenwärtige Präsenz in die Vergangenheit und Zukunft hinaus; beide Zeiträume werden von David durch die einzelnen Figuren und Figurengruppen in einer Vielzahl von Narrationen eingebunden. Wie ein Bewunderer dieses Gemäldes bemerkte, ist in ihm die wichtigste Aufgabe der Historienmalerei, die Imagination der Betrachter über die doppelte Zeitgrenze hinwegzutragen und sie neue Räume jenseits des Bildraums entdecken zu lassen, besonders gut verwirklicht.74 Die Komposition trägt mit der Ausdehnung von Zeit- und Raumstruktur über ihre Bildgrenzen hinaus der Prozessualisierung von Geschichte Rechnung. Die konzeptuelle Isolierung der Figuren, die zur bemängelten Auflösung der Handlungseinheit führt, soll bewirken, dass sich die Aufmerksamkeit auf die ideelle Verbindung zwischen den Figuren richtet. So stellten einige Rezensenten fest, dass der Patriotismus bzw. das gemeinsame Ziel, fürs Vaterland zu sterben, die Verbindung zwischen den Figuren und die Einheitlichkeit der Handlungen herstelle.75 Nimmt man hinzu, dass es Davids eigentliches Anliegen war, das Gefühl der Vaterlandsliebe zu verbildlichen, so ist zweierlei daraus abzuleiten: Zum einen wird das Movens für das Handeln der Spartiaten mit einer affektiven Bindung an das eigene Vaterland erklärt, die gleichzeitig sakral überhöht ist. Die Tapferkeit, bei Perugino noch Signifikat des Exempels, spielt eine untergeordnete Rolle. Zum anderen wird deutlich, dass David die Darstellung der Episode an den Thermopylen von ihrer Deutung her, und zwar der Deutung als Exempel, konzipierte. Die Vaterlandsliebe, die Fühlen, Denken und Handeln bestimmt, ist das zeitlose, wiederholbare Moment, auf dem der Akzent des Analogieschlusses zur Gegenwart liegt. Bei der ästhetischen Restitution des Exempels im Gemälde Davids sind seine beiden Erscheinungsformen miteinander kombiniert: Die Figur des Leonidas ist eher der commemoratio, dem Aufrufen des Exempels über den Namen des Hauptprotagonisten, die Spartaner sind eher der narratio, der Erzählung, zuzurechnen. Das visuelle Exempel zieht seine Legitimität aus der konsequenten Historisierung, die selbst die normative Idealschönheit als historisch auszugeben versucht und ihm einen augenscheinlichen Wahrheitsgehalt verleiht. 74 )

Vgl. Rabbe, Courrier franc¸ais vom 29. 8. 1824, S. 4. Vgl. Lenoir-Laroche, Re´flexions, S. 24; Latouche, Lettre, S. 244; Rabbe, Courrier franc¸ais vom 29. 8. 1824, S. 4; Coupin, Essai, S. 40; Dreuille, Notice, S. 175; Dele´cluze, David, S. 220f. In der Auflösung der Handlungseinheit, mit der David gegen eines der Grundprinzipien Diderots verstieß, liegt in künstlerischer Hinsicht das innovative Moment; vgl. Jonker, Leonidas, S. 49–63. Nicht zufällig bewunderten die beiden führenden Maler der romantischen Schule, Euge`ne Delacroix und The´odore Ge´ricault, von Davids Gemälden die Sabines und den Le´onidas am meisten; vgl. Verbraeken, David, S. 112f. 75 )

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1.2. Visuelles Exempel und Betrachter Während der Hundert Tage, am 6. April 1815, besuchte Napoleon seinen wiederernannten premier peintre in dessen Atelier, um den Le´onidas zu besichtigen. Der Moniteur universel berichtet tags darauf, der Kaiser habe reges Interesse an dem Gemälde gezeigt und geäußert, dass ce tableau d’une composition si savante et si noble, est de nature a` produire sur les jeunes militaires toute l’impression que pourrait faire la harangue la plus e´loquente.76

Nach der üblicherweise zitierten Version dieser Begegnung teilte Napoleon seine Hoffnung mit, dass Kopien dieses Gemäldes in den Militärschulen des Landes aufgehängt würden, um die Schüler an die staatsbürgerlichen Tugenden zu erinnern.77 Wie dem auch sei – in beiden Fällen geht Napoleon völlig selbstverständlich davon aus, dass das Bild unmittelbar auf den militärischen Nachwuchs einwirkt und seine moralische Botschaft, die opferbereite Liebe fürs Vaterland, überzeugend übermittelt, was einer mündlichen Ermahnung nicht im gleichen Maß zugetraut wird. Das Gemälde wird im wahrsten Sinne des Wortes zum Vorbild, und die Betrachter sollen sich mit seiner Botschaft identifizieren, ihre eigene Haltung an ihr überprüfen, bestätigt finden oder korrigieren und ihr Handeln danach ausrichten. Dies bedeutet, in einer Schlacht notfalls bis zum Tod auszuhalten. Napoleon war offenbar der Ansicht, dass die Schlacht an den Thermopylen wie ihre aktuelle Bedeutung von den jungen Militärs problemlos verstanden werden könne. Dies überrascht umso mehr, als, wie gesehen, selbst versierte Kunstbetrachter Schwierigkeiten hatten, Davids Konzeption nachzuvollziehen. Im Folgenden sollen daher die zeitgenössischen Betrachter und die Art und Weise, wie sie den Zugang zu Komposition und Inhalt beschreiben, beleuchtet werden, um sich der Frage nach der Wirkung anzunähern.78 Zuvor sei angemerkt, dass Le´onidas aux Thermopyles der um die Mitte des 18. Jahrhunderts formulierten und in der Folge allgemein umgesetzten Direktive folgt, nach der die dargestellten Figuren nicht durch Gesten oder Blicke dem Betrachter zugewendet sein dürfen, sondern vollständig in ihrem eigenen Tun aufgehen sollen. Das Kunstwerk ist auf seine innere Vollkommenheit hin angelegt und folgt der Fiktion eines nichtexistenten Betrachters.79 Aufschlussreich für die Möglichkeiten, das Gemälde zu rezipieren, sind in erster Linie die Schrift La Gre`ce et la France ou Re´flexions sur le tableau de Le´onidas de M. David von Comtesse Lenoir-Laroche, die während der Hundert Tage 76 )

Moniteur universel Nr. 97 vom 7. 4. 1815, S. 592. Erstmals erwähnt 1824 in Anonym, Notice, S. 60; Th***, David, S. 134; Bare`re, Me´moires, S. 174; Dreuille, Notice, S. 183; Dele´cluze, David, S. 355f.; David, Peintre, S. 515. 78 ) Kemp, Kunstwissenschaft, S. 7–27, trennt scharf zwischen dem impliziten Betrachter seiner an Wolfgang Iser entwickelten Rezeptionsästhetik und den ,realen‘, d. h. historischen Betrachtern, was gerade für Epochen, aus denen Äußerungen von Betrachtern erhalten sind, problematisch erscheint. Nur eine konsequente Historisierung der Wahrnehmung schützt vor hermeneutischen Zirkelschlüssen und durchbricht die Vorstellung einer überzeitlichen Menschlichkeit, die der idealistischen Ästhetik zugrunde liegt; vgl. Bourdieu, Regeln, S. 427– 480; 490–501. 79 ) Vgl. Kemp, Kunstwissenschaft, S. 12–17; Fried, Malerei, S. 208–236. 77 )

1.2. Visuelles Exempel und Betrachter

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erschien, und Dreuilles Notice sur le tableau du Passage des Thermopyles von 1845.80 Die temperamentvolle Schrift der Comtesse ist den französischen Soldaten von 1815 gewidmet und stellt den Bezug zwischen der Schlacht an den Thermopylen und der aktuellen politischen Situation Frankreichs her, nämlich der drohenden Invasion der alliierten europäischen Mächte; sie sucht ein breiteres Publikum zu erreichen als der in einem Kunstjahrbuch erschienene Aufsatz Dreuilles. Die Comtesse trennt zwei Betrachtergruppen, die über unterschiedliche Möglichkeiten verfügen, das Gemälde zu rezipieren. Nach ihrer Auffassung haben nur die französischen Soldaten den unmittelbaren Zugang zu den dargestellten Werten der antiken Spartiaten, da bei ihnen der dem Gemälde zugrunde liegende „pense´e patriotique“ unverändert sei. Alle anderen könnten über die visuelle Aufnahme der „principes du beau“ die Gefühlswelt der Antike, der sich David durch die Nachahmung angenähert habe, rezipieren. Den Einstieg in das Gemälde finden die Betrachter über die Figur des Leonidas: „(Il) semble vivre et sortir en relief hors de la toile“.81 Seine Schönheit wird, wie die Autorin bei zahlreichen Besuchen in Davids Atelier beobachtet zu haben vorgibt, von allen Betrachtern instinktiv wahrgenommen. Nach Ausrufen wie „Ah! que ce Le´onidas est beau!“ 82 verharren sie in Bewunderung der anwesenden Schönheit. Dreuille beschreibt diesen ersten Kontakt als eine Begegnung, die vergessen lasse, dass auch noch andere Figuren auf dem Bild seien. Dieser Andachtsmoment entspricht den Rezeptionsvorgaben des Gemäldes, der kompositionellen Isolierung des Leonidas. In seiner Figur, besonders aber in seinem oft als „sublime“ bezeichneten Kopf, finden die Betrachtenden alle Elemente der „ide´e grande, ge´ne´reuse, patriotique“ 83 dieses Gemäldes vereint: die Männlichkeit, den Mut, die Liebe zum Vaterland, die moralische Stärke, die daraus resultierende Gelassenheit und die Freude, für die Freiheit zu sterben. Die Rezeption erfolgt nach dem Prinzip des Sich-Versenkens, das gleichzeitig mit der Abkehr von der nach außen gerichteten Theatralität in der Malerei etabliert worden ist und in dem fortschreitenden Autonomisierungsprozess der Kunstwerke ein in einem hohen Maß selbstständig räsonierendes Betrachtersubjekt voraussetzt.84 Nach diesem ersten Moment der Versunkenheit geraten männliche Betrachter mitunter in emotionalen Aufruhr: So beschreibt Dreuille in dritter Person und daher mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit sein Herzklopfen vor Aufregung und seinen Wunsch, Gefahr und Ruhm mit Leonidas und seinen Spartiaten zu teilen; Proudhon behauptet, dass ihm bei jedem Besuch des Gemäldes die Tränen in die Augen stiegen.85 In den Figuren der übrigen Spartiaten, so die allgemeine Auffassung, seien dieselben Werte, dasselbe Gefühl fürs Vaterland nach Altersstufen und Temperamenten variiert. Die Beschreibungen der einzelnen Figuren und 80 )

Vgl. Lenoir-Laroche, Re´flexions, S. 1– 42; Dreuille, Notice, S. 166–184. Lenoir-Laroche, Re´flexions, S. 30. 82 ) Lenoir-Laroche, Re ´ flexions, S. 31. Bei Latouche, Lettre, S. 241: „Qu’il est beau ce Le´onidas!“ 83 ) Dreuille, Notice, S. 179. 84 ) Vgl. Kemp, Kunstwissenschaft, S. 12–17; Fried, Malerei, S. 208–236. 85 ) Vgl. Dreuille, Notice, S. 180; Proudhon, Principe, S. 108; Lenoir-Laroche, Re ´ flexions, S. 41 schreibt, das Gemälde ließe einen „vraiment frissoner“. 81 )

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Gruppen, besonders der Umarmung von Vater und Sohn, sind in der Regel sehr gefühlsbetont. Diese Art des affektiven Zugangs zu den Einzelfiguren wird durch den polyfokalen Aufbau des Bildes, der zur sukzessiven Betrachtung zwingt, entscheidend begünstigt. Der Erfolg eines Historienbildes und damit auch seines didaktischen Potentials hing, wie allgemein die Kunstkritiken der Zeit zeigen, auch davon ab, inwieweit die Betrachter ihre eigenen Empfindungen in den dargestellten Personen gespiegelt sahen und mit ihnen ,mitfühlen‘ konnten.86 Das allmähliche Erfassen hat außerdem den Effekt, dass die Betrachtungszeit deutlich länger ist als die Zeit des Bildes, auf dem eigentlich alles gleichzeitig geschieht. Für geduldige Betrachter wird dadurch erfahrbar, dass ein Ereigniszusammenhang sich im Zeitablauf entwickelt.87 Die nackten, männlichen Idealkörper sind also das Medium, durch das die Betrachter die Wertvorstellungen einer völlig anderen Zeit in die eigene Gegenwart übernehmen können. Als wichtiges Element wird dafür die Suggestivkraft des Bildes angesehen, durch die die Betrachter sich in die Antike versetzt glauben können. Kern dieses Konzeptes ist die zugleich physisch wie moralisch aufgefasste Schönheit, die als zeitlose und normative Kategorie von allen Menschen zu jeder Zeit verstanden werden soll. Jeder, so Dreuille, könne das Gemälde ohne jede Kenntnis des Themas entschlüsseln und selbst das Opfer auf dem Altar des Vaterlandes vollbringen.88 Es wird deutlich, dass diese Art und Weise der Rezeption genau Davids Intention und den Rezeptionsvorgaben im Gemälde entspricht. Comtesse Lenoir-Laroche und Dreuille sind Vertreter desjenigen gebildeten Publikums, für das David den Le´onidas wie die Sabines gemalt hat. Für beide Gemälde hatte er keinen Auftrag und war kommerziell von ihrem Ausstellungserfolg abhängig. Zwar war im Verlauf der Revolution eine neue, sozial breitere Kunstöffentlichkeit entstanden,89 aber dennoch zeigt sich beim Leo´nidas, dass nur eine exklusive Gruppe von Kunstkennern bestimmte, wie das Gemälde ,richtig‘ zu verstehen sei. Obwohl diese beanspruchten, dass jeder Betrachter das Gemälde unmittelbar verstehen könne, brauchte es dazu eine geschulte Wahrnehmung, die keineswegs naturgegeben ist. Durch die Kunstkritik wurde im Einklang mit der Intention des Malers eine bestimmte Form der Betrachtung des Le´onidas festgelegt und damit implizit als die einzig legitime ausgegeben. Selbst die Kritiker des Bildes blieben in den für die Kunstbetrachtung festgelegten Kategorien von Form, Stil und Manier. Witze über die ostentative Nacktheit der Spartiaten finden sich nur in kleinen Pressenotizen, d. h. außerhalb der Kunstkritik. Von einer Vielzahl vorstellbarer Rezeptionsmöglichkeiten des Gemäldes, die umso mehr von der Alltagswahrnehmung geprägt sind, je weiter unten ein Betrachter oder eine Betrachterin im Sozialgefüge der Gesellschaft steht, lassen sich lediglich zwei Aneignungsformen, die von der als legitim postulierten Rezeption abweichen, 86 )

Vgl. Germer, Spot, S. 20–22. Die Überdehnung der Betrachterzeit wurde in den großen, allerdings dem Realismus verpflichteten Schlachtenpanoramen des 19. Jahrhunderts weitergetrieben; vgl. Germer, Spot, S. 28–33. 88 ) Vgl. Dreuille, Notice, S. 178f. 89 ) Vgl. Cleve, Kunst, S. 102–131. 87 )

1.2. Visuelles Exempel und Betrachter

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ansatzweise rekonstruieren: das Begehren und die Persiflage. Beide setzen am Konzept des männlichen, nackten Idealkörpers an. Die erotische Dimension der männlichen Akte wird in der Kunstkritik nicht offen thematisiert, weshalb das Begehren als eine ,illegitime‘ Rezeptionsform bezeichnet werden kann, obwohl es in der abstrakten Ästhetik des beau ide´al durchaus enthalten war.90 So wird besonders aus Winckelmanns berühmten Beschreibungen antiker Statuen in seiner Geschichte der Kunst im Altertum, z. B. des Apoll vom Belvedere, ersichtlich, wie sich ästhetische und homoerotische Formulierungen überlagerten.91 Die lebensgroßen männlichen Akte des Le´onidas sind zwar kunsttheoretisch von jeder erotischen Konnotation gereinigt, aber als Medien für die eigentliche Bedeutung des Gemäldes den Aneignungen der Betrachter ausgesetzt. Wie gesehen, akzeptierte das männliche und weibliche Publikum sie als schöne, bewundernswerte Männerbilder, wobei von den Betrachterinnen behauptet wurde, dass sie als Geschöpfe der Schönheit die Verbindung von äußerer Form und inneren Gefühlen besser verstünden.92 Während die Betrachterinnen anhand der Aussage des Gemäldes – der männlichen Opferbereitschaft – ihre eigene Rolle definieren sollten, wie es die Comtesse Lenoir-Laroche als bewundernde Zuschauerin tut, sollten die Betrachter den Gefühlsgehalt – die Liebe zum Vaterland – und die daraus folgende Handlungsdirektive übernehmen. Wenn Dreuille seinen Wunsch nach geteiltem Schicksal und Ruhm äußert, so zeigt sich ein Teil jener Begehrensstrukturen, die dem gesamten Rezeptionsvorgang zugrunde liegen. Indem von den Betrachtern die Männerakte als ideal und schön akzeptiert werden, werden sie auch zu begehrenswerten Objekten, zu denen sie sich agonal in Beziehung setzen. Die andere Form der nonkonformen Aneignung ist die Persiflage der Figuren Davids. Sie setzt voraus, dass die Komposition des Gemäldes verstanden worden ist. Die heroische Nacktheit des Leonidas karikierte Honore´ Daumier in seiner Lithographie La veille des Thermopyles (s. Abb. 18), die am 25. Februar 1842 in der Zeitung Le Charivari erschien.93 Sie gehört zur Serie Histoire ancienne, einer Folge von 50 Karikaturen zu Themen aus der griechischen und römischen Antike, die als befreiend von der neoklassizistischen Doktrin, aber auch als blasphemisch verstanden wurden.94 Auf dem Bild schleicht eine Fünfergruppe in die Jahre gekommener Spartiaten unter der Führung des nackten Leonidas durch die Nacht, um die Vorposten des persischen Heeres zu treffen, wobei Daumier an die Episode des nächtlichen Überfalls auf das persische Lager gedacht haben könnte. Der Bezug zum David-Gemälde wird eindeutig durch den Schwertgurt mit Schwertscheide hergestellt, die das Geschlecht des Leonidas verdeckt. Dessen Figur ist untersetzt, die Haut faltig, und er wendet sich halb seinen Begleitern zu, um sie 90 )

Vgl. Potts, Winckelmann, S. 649–669; Solomon-Godeau, Male trouble, S. 286–312. Vgl. Potts, Winckelmann, S. 655–659; Pommier, Winckelmann, S. 10f. 92 ) So Latouche, Lettre, S. 242. 93 ) Die Bildunterschrift lautet: Profitant des ombres de la nuit, Le ´ onidas s’avanc¸a pour reconnaıˆtre les avant-postes de Xerxe`s. Quatre bouillans [sic] guerriers l’accompagnaient dans cette he´roı¨que expe´dition. 94 ) Vgl. Baudelaire, E ´ cole paı¨enne (1857), S. 46 f. 91 )

142

1. Jacques-Louis Davids Le´onidas aux Thermopyles

zur Vorsicht zu mahnen. Von diesen als „bouillans“ bezeichneten Kriegern ist der eine nackt, mager und macht ein ängstliches Gesicht, der andere ist bekleidet, feist und hat den Helm schief auf dem Kopf. Die „he´roı¨que expe´dition“ erscheint als ein Altherrenausflug einiger vergnügter Nudisten. Daumier konterkariert die jugendlich-männliche Idealschönheit wie die erhabene Pose des David-Gemäldes durch übertrieben naturalistische Nacktheit. Er durchkreuzt die Vorstellung, dass zwischen nacktem, männlichem Idealkörper und heroischer Tat eine feste Verbindung besteht. Durch den Bruch mit diesem Wahrnehmungsmuster verliert die Schlacht an den Thermopylen bei ihm gleichzeitig ihre exemplarische Funktion. Die anderen Beispiele sind Fälle bewusst falsch verstandener imitatio. So wollten die bereits erwähnten jungen Leute, von denen das Journal ge´ne´ral 1814 berichtete, die ,Kostüme‘ des Gemäldes nachahmen, nicht etwa die moralische Haltung, und Heinrich Heine beschrieb 1839 in Ludwig Börne. Eine Denkschrift einen Traum, in dem er eines Abends auf einem Eckstein der Rue Lafitte in Paris saß, als eine vorbeifahrende Kutsche Kot auf sein rosa Trikot spritzte: Ja, zu meiner eigenen Verwunderung, bin ich ganz in rosarothen Trikot gekleidet, in ein sogenanntes fleischfarbiges Gewand, da die vorgerückte Jahrzeit und auch das Clima keine völlige Nacktheit erlaubt wie in Griechenland, bey den Thermopylen, wo der König Leonidas mit seinen dreyhundert Spartanern, am Vorabend der Schlacht, ganz nackt tanzte, ganz nackt, das Haupt mit Blumen bekränzt ... Eben wie Leonidas auf dem Gemälde von David bin ich kostumiert [...]95

Heine spiegelt hier seine Situation als im Exil lebender deutscher Schriftsteller. Seine Erwartung „den anderen Morgen ginge es zur Schlacht, zum heiligen Todessieg für das Vaterland“, durch den eine entscheidende politische Veränderung in Deutschland eingeleitet würde, ist enttäuscht worden. Im Traum welkt der Blumenkranz auf seinem Kopf, und beim Warten auf dem Eckstein sind ihm die Haare grau geworden. Die Tragik dieser Heldenkonstruktion wird durch die absurde Kostümierung relativiert. Die ideale Nacktheit des Davidschen Helden ist ein rosa Trikot, das mit Winckelmanns These, die körperliche Schönheit der antiken Griechen sei unter anderem durch das mediterrane Klima bedingt, gerechtfertigt wird. Die imitatio wird zur Maskerade, zu einem spielerischen Rollenwechsel, durch den die heroische Tat herbeigeführt werden soll. Dies gelingt nicht, wodurch Heine nicht nur den Zusammenhang von klassischem Akt und heroischer Tat, sondern gleichzeitig die performative Aneignung, ,wie Leonidas‘ zu sein, hintertreibt. Während Heines Rezeption eine sehr individuelle Form darstellt, wurde die Persiflage von Le´onidas aux Thermopyles auch als komischer Effekt für ein breiteres und weniger elitäres Publikum genutzt. Im Vaudeville Un Pharmacien aux Thermopyles von Henri Chivot und Alfred Duru, uraufgeführt im The´aˆtre des Bouffes-Parisiens am 1. August 1867, spielt die verwickelte Beziehungskomödie um den jungen Apothekergehilfen Sidoine Rigodon in einem Maleratelier, in dem 95 ) Heine, Ludwig Börne (1839), S. 117. In Heine, Geständnisse (1854), S. 28, benutzt er das David-Gemälde als Vergleich für Victor Bohain, dem Herausgeber der Europe litte´raire, der am Abend vor dem Konkurs seiner Zeitung mit seinen 300 Aktionären getanzt habe wie Leonidas und die Spartiaten: „ganz ebenso wie der todesmuthige König des Davidischen Bildes stand er auf einem Beine; es war dieselbe classische Stellung.“

1.2. Visuelles Exempel und Betrachter

143

eine angefangene Leinwand zum Thema „le passage des Thermopyles“ auf der Staffelei steht.96 Sidoine befindet sich in bedrängter Lage, da er einerseits vom notorisch eifersüchtigen Historienmaler Dugourdin verdächtigt wird, der Liebhaber seiner Frau zu sein, andererseits vom Vater der Handschuhmacherin Flora verfolgt wird, der glaubt, er habe seine Tochter verführt und wolle sie nun nicht heiraten. In einer Schlüsselszene wird der Historienmaler von seiner Frau überzeugt, Sidoine sei das erwartete Aktmodell für die Figur des Leonidas; so soll seine Anwesenheit in der Wohnung erklärt werden. Der Apothekergehilfe posiert nun leicht bekleidet mit Helm und Besenstiel vor dem Maler. Aus dem folgenden Dialog ergibt sich, dass das Gemälde Davids als Wahrnehmungsfolie dient, denn Leonidas soll in der Mitte seiner Spartiaten dargestellt werden und steht zudem auf einem Bein. Die Szene erhält ihre Komik dadurch, dass Sidoine, wie mehrmals betont wird, keineswegs die erforderlichen Körperformen hat und seine mühsamen Versuche, die befohlene Pose einzunehmen, laufend kommentiert: Dugourdin: Sidoine: Dugourdin: Sidoine: Dugourdin: Sidoine:

[. . .] De´veloppez le torse ... (Sidoine gonfle sa poitrine) [...] C’est tre`s fatigant, cet e´tat-la`! Maintenant de la noblesse dans le port ... Ah! de la noblesse ... Comme c¸a? ... Mais, non, vous louchez . . . Qu’est-ce que c¸a fait, si je louche noblement? ... 97

Die erzwungene imitatio scheitert an dem Fehlen des Idealkörpers und bei dem Versuch, die unnatürliche Pose und den erhabenen Ausdruck einzunehmen. Von seinen Verfolgern in die Enge getrieben, stürzt sich am Ende des Stückes Sidoine im Leonidas-Kostüm aus dem Fenster. Nach allgemeiner Betroffenheit stellt sich heraus, dass „ce Le´onidas inanime´“, der auf dem Hof liegt, eine Modellpuppe im Leonidas-Kostüm ist, die Sidoine aus dem Fenster geschubst hat, um die anderen zur Besinnung zu bringen. Der Apothekergehilfe scheint damit die Rolle des Leonidas, in die er wider Willen geraten ist, durchaus in ihrer spezifischen Logik weiterzuspielen, durchbricht sie in Wirklichkeit aber, indem er das Selbstopfer nur vortäuscht. Daraus wird ersichtlich, dass das Exempel der Schlacht an den Thermopylen für die Lösung eines Beziehungskonflikts nicht taugt. Das Alltagshandeln der auf der Bühne versammelten Kleinbürger, deren sozialer Stand höchstwahrscheinlich dem des Publikums entsprach, wird hier als überlegen dargestellt.98 Die karikierenden Aneignungsformen von Davids Le´onidas aux Thermopyles stellen alle die Verbindung von klassizistischen Männerakten und heroischem Ideal und damit auch diese Art, exemplarisches Heldentum zu inszenieren, infrage. Für das Gemälde erwies sich gerade die Konstruktion des Zeitlosen, Ahistorischen, Exemplarischen durch die antikischen, nackten Idealkörper als zeitgebunden. So konstatiert Ernest Chesneau in seiner David-Biographie von 1861, die dargestellten Helden seien keine Männer mehr, da der Maler die energischen Merkmale der Männlichkeit durch fade, charakterlose Schönheit ersetzt Vgl. Chivot/ Duru, Pharmacien. Chivot/Duru, Pharmacien, S. 22f. 98 ) Das Vaudeville war die neue Theatergattung der Revolution und seit seinem Entstehen bewusst volkstümlich; vgl. Nies, Gattungssystem, S. 23–27. 96 )

97 )

144

1. Jacques-Louis Davids Le´onidas aux Thermopyles

habe.99 Diese gewandelte Vorstellung, wie heroische Männlichkeit im Bild zu repräsentieren sei, hängt zum Teil mit den spezifischen Entwicklungen des künstlerischen Feldes zusammen, in dem im Verlauf des 19. Jahrhunderts in Frankreich die akademische, der neoklassizistischen Tradition verpflichtete Malerei stetig an Einfluss verlor, während die künstlerischen Innovationen aus der romantischen Schule kamen.100 Antike Themen wurden ab etwa 1830 seltener in bildender Kunst und Literatur aufgegriffen. Dies bedeutete aber nicht, dass das Deutungsmuster des opferbereiten Helden verschwand. Es verlagerte sich nur: In den Revolutions- und napoleonischen Kriegen hatten alle beteiligten Nationen genügend nationale Helden produziert (s. Kap. II.3). Die verschiedenen Formen karikierender Aneignung zeigen die prinzipielle Offenheit des Exempels. Dennoch kann nur eine komische Wirkung erzielt werden, wenn mit einem bekannten und anerkannten Deutungsmuster gespielt wird. Indirekt weisen die Persiflagen also darauf hin, wie sehr die exemplarische Bedeutung von Davids Le´onidas im Paris des 19. Jahrhunderts noch verankert war. Der Sieg des Kleinbürgertums über das antike Heldenexempel im Vaudeville ist insofern unvollkommen, als das Exempel zuvor als solches adaptiert worden sein musste.

99 )

100 )

Vgl. Cesneau, David, S. 31f. Vgl. Kohle, Tod, S. 142–145.

Abb. 1: Perugino, d. i. Pietro di Christoforo Vannucci, Fortitudo mit Lucius Sicinius, Leonidas und Horatius Cocles, 1496–1500, Fresko in Perugia, Collegio del Cambio, Sala di Udienze, Südwand (Detail)

Abb. 2: Jacques-Louis David, Léonidas aux Thermopyles, 1814, Öl auf Leinwand, 395 × 531 cm

Abb. 3: Alexandre-Évariste Fragonard, Léonidas, [nach 1821], Öl auf Leinwand, 56 × 47 cm

Abb. 4: Oskar Kokoschka, Thermopylen-Triptychon. Abschied des Leonidas, 1954, Tempera auf Leinwand, 225 × 250 cm

Abb. 5: Oskar Kokoschka, Thermopylen-Triptychon. Der Kampf, 1954, Tempera auf Leinwand, 225 × 300 cm Abb. 6: Oskar Kokoschka, Thermopylen-Triptychon. Die Barbaren, 1954, Tempera auf Leinwand, 225 × 250 cm

Abb. 7: Thermopylai

Abb. 8: Thermopylen

Abb. 9: Thermopylen

Abb. 10: Die Thermopylen, [19. Jh.], Stahlstich, 10 × 15,1 cm Abb. 11: Carl Freiherr Haller von Hallerstein, Entwurf zu einem Denkmal für die bei den Thermopylen gefallenen Spartaner, [ca. 1817], Bleistift, 12,2 × 12,4 cm

Abb. 12: Wilhelm Kreis, Ehrenmal an den Thermopylen, 25. 11. 1941, Bleistift, 30 × 24,5 cm (Detail)

Abb. 13: Thermopiles (modernes Denkmal), 1955

Abb. 14: Jacques-Louis David, Guerrier nu, assis de trois quarts vers la gauche, undatiert, Bleistift, 15 × 12 cm

Abb. 15: Jacques-Louis David, [Figur des InschriftEinschlägers], undatiert, Bleistift, 17 × 11 cm

Abb. 16: Radierung einer Gemme mit Ajaxdarstellung aus J. J. Winckelmanns Monumenti antichi inediti von 1767

Abb. 17: Fulvia Bertocchi, Li trecento Spartani, al passo delle Thermopile, contra Serse re de Persiani, 1821, Radierung

Abb. 18: Honoré Daumier, La veille de Thermopyles, 25. 02. 1842, kolorierte Lithographie, 25 × 18,5 cm

Abb. 19: Étienne-Louis Boullée, [Tombeau des Spartiates], [vor 1793], Tuschzeichnung laviert und weiß erhöht, 57 × 38 cm

Abb. 20: Étienne-Louis Boullée, Entrée de ville, [vor 1793], Tuschzeichnung laviert und weiß erhöht, 91,9 × 58,3 cm

Abb. 21:

Le Général Cambronne à Waterloo, [1815], Radierung

Abb. 22: Cambronne à Waterloo, [1815], Radierung

Abb. 23: Kampf der heiligen Schaar für Griechenlands Befreyung, [ca. 1821], kolorierte Radierung, 21,8 × 14,8 cm Abb. 24: Die Schlacht bei Thermopylae, [ca. 1821], kolorierte Radierung, 21,2 × 13,9 cm

Abb. 25:

Holbein, Leonidas im Engpaß bei Thermopylä, [1836], Stahlstich, 15,8 × 9,4 cm

Abb. 26: Louis Gouget, Almanach des Grecs pour l’année 1823, Lithographie, 32 × 40 cm

Abb. 27: Ange-René Ravault, Réveil de la Grèce, 1822, Lithographie, 41,1 × 37,5 cm

Abb. 28: Pierre Maleuvre und Th. François, Costume de Talma rˆole de Léonidas, dans la pièce de ce nom, [ca. 1825]. Lithographie

Abb. 29:

Mlle Formentin, Quˆete pour les Grecs, 31. 05. 1826, Lithographie

Abb. 30: Moisan, Bric-A-Brac Détaxé, 1981, aus Le Canard enchaˆıné

Abb. 31: Denkmal des Sammelgrabes auf dem deutschen Soldatenfriedhof 1914–1918 in Montdidier, Frankreich, Anlage des VDK von 1929

Abb. 32: Denkmal des Sammelgrabes auf dem deutschen Soldatenfriedhof 1914–1918 Montaigu II, Frankreich, Anlage des VDK in den 30er Jahren

Abb. 33: Denkmal des Sammelgrabes auf dem deutschen Soldatenfriedhof 1914–1918 in Hohrod-Bärenstall, Frankreich, Anlage des VDK von 1929

Abb. 34: Gedenkplatte auf dem deutschen Soldatenfriedhof 1914–1918 in Pont-à-Vendin, Frankreich, Anlage während des Ersten Weltkrieges

Abb. 35: Wilhelm Ehmer, Der Schild vor Europa, Seite aus Signal von 1943

Abb. 36: Kurt Karl Eberlein, Das Opfer, Seite aus der Illustrierten Zeitung von 1943

Abb. 37: E. H. Shepard, After Thermopylae, 30. 04. 1941, aus dem Punch

Abb. 38: Hans Kossatz, Gebirgsjäger Huber auf klassischem Boden, aus der Berliner Illustrierten Zeitung von 1941

Abb. 39: Sog. Leonidas, Statue aus dem 5. Jh. v. Chr., 1925 in Sparta gefunden

Abb. 40: Max Bernuth, Die Spartaner bei Thermopylä, 1914, 15 × 10,5 cm

Abb. 41: Frank Miller und Lynn Varley, 300, 1999

Abb. 42: Cy Twombly, Thermopylae, 1991, Gips auf Weidengeflecht mit Tuch, Holzstöcken und Kunstblumen, 137 × 89 × 66 cm

Abb. 43: Verrat am Thermopylen-Pass, 1997

2.1. Spartarezeption im Frankreich des 18. Jahrhunderts

145

2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

2.1. Zwischen Tugendrepublik und Freiheitskampf: Spartarezeption und die Schlacht an den Thermopylen im Frankreich des 18. Jahrhunderts Die Schlacht an den Thermopylen war ein neues Thema im Europa des 18. Jahrhunderts. Innerhalb der Rezeption der griechisch-römischen Antike in der Philosophie, Rhetorik, Literatur und Kunst nahmen im Gegensatz zu den früheren Jahrhunderten die selbstständigen Schriften zur spartanischen Niederlage deutlich zu.1 Der zeitliche Schwerpunkt der Rezeption liegt eindeutig in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, der räumliche in Frankreich und England, aber auch in den Territorien den deutschen Reiches, den nordamerikanischen Staaten, den Niederlanden und in der Schweiz stieg das Interesse an der Schlacht. Häufig wurde die Schlacht an den Thermopylen in Dramen aufgegriffen; darüber hinaus gab es eine breit streuende Verwendung der Niederlage als Exempel in der Publizistik und in politischen Reden.2 Den Hintergrund für diese Neuentdeckung der Schlacht an den Thermopylen bildeten mehrere allgemeine Entwicklungen. Erstens richtete sich im 18. Jahrhundert die Aufmerksamkeit der kulturellen Eliten Europas erstmals verstärkt auf das antike Griechenland, das als Bezugsmodell in der Philosophie, der bildenden Kunst und der Literatur aufgewertet wurde. In diesem Zusammenhang wurde zweitens die spartanische Staatsordnung in den staatstheoretischen Diskussionen der aufklärerischen Philosophie und in den Verfassungsdebatten am Ende des Jahrhunderts zum Reflexionsgegenstand. Sparta war das Modell, an dem das Verhältnis von Gemeinschaft und Individuum, die Beziehung von Freiheit und Gesetz, Republik und Tugend sowie die Erziehung zur Tugend verhandelt wurden. Der Schwerpunkt dieser Spartarezeption lag eindeutig in Frankreich und fand seinen Ausdruck im Kult um den Gesetzgeber Lykurg.3 Drittens stützte sich diese Spartarezeption zwar weiterhin in erster Linie auf Plutarchs Lykurg-Biographie, aber ab der Jahrhundertmitte verbreiterte sich insgesamt die Quellenbasis zur griechischen Geschichte, was sich an der Zahl der Übersetzungen oder Neuauflagen alter Übersetzungen von griechischen Autoren ablesen lässt.4 Für die Darstellungen der Schlacht an den Thermopylen in Frankreich zeichnet sich die Wende weg von Plutarch hin zu Herodot und Diodor im letzten Drittel des Jahrhunderts ab. 1)

Vgl. Draghi, Leonidas (1670). Ansonsten wurde eher Xerxes rezipiert: Van Hogendorp, Xerxes (1617); Cavalli, Xerxes (1660). 2 ) Vgl. Estaing, Thermopyles (1791); Loaisel, Combat (1794); Pixe ´ re´court, Le´onidas (1799); Simpson, Patriot (1785); Roberdeau, Thermopylae (1792); Van Steenwyk, Leonidas (1788). Vgl. zu England: Macgregor Morris, Leonidas; zu Nordamerika: Richard, Founders. 3 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 220–300; Losemann, Sparta, S. 156–158. 4 ) Vgl. Rommel, Frankreich, S. 40.

146

2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

Dieses neue Interesse an Sparta und die verstärkte Rezeption der Schlacht an den Thermopylen im 18. Jahrhundert gehören zwar zusammen, lassen sich aber nicht vollständig voneinander ableiten. In Frankreich wurde die spartanische Niederlage erst deutlich zeitversetzt vermehrt aufgegriffen und kann insofern als ein neues Thema der Revolutionszeit gelten, als ihre exemplarische Verwendung in diesem Zeitraum in Quantität, Qualität und sozialer Reichweite zunahm. Die Schlacht gewann als Orientierungs- und Handlungsmodell im Vorfeld der Revolutionskriege an Relevanz. Dieser Zusammenhang zwischen Revolution, militärischer Auseinandersetzung und Thermopylen-Rezeption lässt sich grundsätzlich auch für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg beobachten, wenn auch die Antikenrezeption und speziell die Spartarezeption ihre länderspezifischen Ausprägungen hatten.5 Bei der Frage, warum die Schlacht an den Thermopylen im Frankreich der Revolutionszeit diese Aktualität erlangte, muss sich der Blick folglich auf die Veränderungen im militärischen Bereich richten. Zum einen wurde die antike Schlacht dazu eingesetzt, den bürgerlichen Soldatentod, der in den Revolutionsund napoleonischen Kriegen zu einer neuen kollektiven Erfahrung wurde, zu reflektieren und kulturell abzusichern. Mit der Entstehung des neuzeitlichen politischen Totenkultes erlangte die Schlacht, für die mit dem Grabepigramm auf die Spartiaten ein Element des antiken politischen Totenkultes überliefert ist, eine neue pragmatische Relevanz (s. Kap. II.2.3). Zum anderen wurde in diesen Kriegen ein neues militärisches Heldenideal geprägt, an dem auch die antiken Heldenfiguren wie Leonidas und seine Spartiaten einen Anteil hatten (s. Kap. II.3). Allerdings setzte die verdichtete Thermopylen-Rezeption deutlich vor dem Beginn der Revolutionskriege ein, weshalb sie sich nicht alleine dadurch erklären lässt, dass mit ihr die neue Erfahrung des bürgerlichen Soldatentodes verarbeitet wurde. Daher ist zu fragen, worin das aktuelle Konnotations- und Sinnpotential bei der Beschreibung und Deutung der antiken Schlacht lag. Bei jeder sprachlichen Darstellung der Schlacht an den Thermopylen kehren, was in der Natur der Sache liegt, bestimmte Begriffe wieder. Für den Zeitraum der Französischen Revolution fällt auf, dass diese sich zum Teil mit zentralen Schlagworten der politisch-sozialen Sprache Frankreichs decken. Das aktuelle politische sowie emotionale Potential dieser Semantik wird in einer kürzeren diachronen Perspektive vom Beginn der Revolution bis zum Ende des Empire herausgearbeitet (s. Kap. II.2.2). In einem längeren diachronen Schnitt lassen sich darüber hinaus für den Verlauf des 18. Jahrhunderts inhaltliche Verschiebungen bei der Darstellung der Schlacht an den Thermopylen beobachten, die auf das zeitgebundene Interesse an diesem Stoff schließen lassen. Um das gesamte Bedeutungsgefüge der Schlacht sowie ihren Stellenwert im Umgang mit ,Antike‘ aufzuzeigen, muss sie zunächst innerhalb der Antiken- und insbesondere der Spartarezeption des 18. Jahrhunderts in Frankreich verortet werden.6 5)

6)

Vgl. Richard, Founders, S. 73 f., 207, 210; Buschendorf, United States, S. 841. Vgl. Rawson, Tradition, S. 220–300; Rommel, Frankreich, S. 27–54; Mosse´, Antiquite´,

2.1. Spartarezeption im Frankreich des 18. Jahrhunderts

147

Die Französische Revolution wird in der Forschung unstrittig als eine Hochphase der Antikenrezeption angesehen. Dennoch erweist es sich als nahezu unmöglich, die Bedeutung und Funktion von ,Antike‘ zu bestimmen. So steht in der Forschung die Meinung, die antiken Republiken Rom, Sparta und Athen seien als egalitäre Gesellschaften das konsensstiftende Kulturmodell gewesen,7 unverbunden neben der Warnung, den politischen Einfluss der antiken Republiken und die Wirkung des antiken Heldenideals nicht überzubewerten.8 Paradoxerweise sind beide Ansichten zutreffend, je nachdem, durch welches Objektiv das revolutionäre Frankreich betrachtet oder welcher Bereich der Gesellschaft fokussiert wird. Generell ist festzuhalten, dass die Antikenrezeption im Frankreich des 18. Jahrhunderts keiner kontinuierlichen Entwicklung unterlag, die in die Revolution münden musste, sondern Bestandteil verschiedener Diskurse, z. B. des philosophischen, und Praktiken, z. B. der Kunstkritik, war, die nebeneinander existierten und sich bisweilen auch widersprachen, aber in toto zu den kulturellen Voraussetzungen der Revolution gehören.9 Der Impuls für einen neuen Umgang mit der griechisch-römischen Antike in Frankreich lag bereits im 17. Jahrhundert. Nachdem infolge der Querelles des anciennes et modernes, die 1687 von Charles Perrault ausgelöst worden waren, die moderne Geschichte gegenüber der antiken aufgewertet worden war, wurden im Gegenzug auch antike Themen stärker auf die Gegenwart bezogen. Vereinzelte Mitglieder des Hochadels, wie Fe´nelon, nutzten die griechisch-römische Antike, um moralische Kritik an den Auswüchsen monarchischer Herrschaft zu üben. In seinen Dialogues des morts, compose´s pour l’e´ducation d’un Prince, die Fe´nelon während seiner Zeit als Erzieher eines Enkels von Louis XIV . schrieb und die 1712 erstmals anonym und ohne seine Einwilligung veröffentlicht wurden, treffen im 11. Dialog Leonidas und Xerxes in der Unterwelt aufeinander.10 Der spartanische König ist zur Überraschung des Xerxes nicht bereit, sich in seine Entourage einordnen zu lassen, sondern geht mit dem Großkönig hart ins Gericht: Seine Monarchie sei eine Tyrannis, da Schmeichler und schlechte Ratgeber ihn zu einem verblendeten Herrscher und schwachen Menschen gemacht hätten. Er, Leonidas, führe dagegen wie seine Untertanen ein arbeitsames Leben ohne Luxus und garantiere die Gesetze von „notre re´publique“. Die Schlacht an den Thermopylen wird in dem Dialog zum Kristallisationspunkt, an dem sich die Stärke der spartanischen Monarchie und die Schwäche der persischen offenbaren. Die Charaktereigenschaften des Monarchen und die Einbindung seiner Person in das politische Gemeinwesen wirken sich direkt auf die Kampfkraft seiner Soldaten aus, die bei den Spartiaten wie im Bericht Herodots als sehr viel höher angesehen wurde. S. 39–65; Parker, Cult, S. 8–36; Papenheim, Helden, S. 241–244; ders., Revolution, S. 741– 748; Hafner, Revolution, S. 748–759; Losemann, Sparta, S. 156–158. 7 ) Vgl. Parker, Cult; Baxmann, Feste, S. 18–22. 8 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 268; Mosse ´ , Antiquite´, S. 156; Papenheim, Helden, S. 244. 9 ) Vgl. Chartier, Ursprünge, S. 13–17. 10 ) Fe ´ nelon, Dialogues, S. 311–314. Fe´nelon (1651–1715) schrieb das Werk 1692–1695; erstmals unter seinem Namen veröffentlicht wurde es 1718. Der Dialog basiert v. a. auf Herodot.

148

2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

Im Allgemeinen wurden aber in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts antike Sujets nicht unter dem Aspekt der moralischen Vorbildhaftigkeit behandelt, sondern als galante Geschichten mit teilweise pikanter Erotik. Dies galt auch für die spartanischen Themen.11 Ein gegenläufiger Trend, der im weiteren 18. Jahrhundert zum dominierenden wurde, setzte um die Jahrhundertmitte mit Montesquieus Esprit des lois (1748) ein. Die antiken Republiken, in erster Linie die römische, aber auch Sparta und Athen, dienten nunmehr als Hintergrund, vor dem die verschiedenen Gesellschaftsmodelle und ihre Organisationsformen reflektiert wurden. Das spezielle Interesse an Sparta galt dem Zusammenhang zwischen staatsbürgerlicher Tugend, die alleine den Bestand einer Republik garantiere, und dem staatlichen Erziehungssystem, das jene Tugend hervorbringe und festige.12 Um diese Trias aus zivilgesellschaftlichen Tugenden, der Republik und ihren Institutionen sowie der Erziehung zum Staatsbürger kreiste bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die philosophisch-politische Spartarezeption in Frankreich. Diese hing, wie bereits erwähnt, in erster Linie von Plutarchs Lykurg-Biographie ab. Plutarch war faktisch der einzige Autor, der an den französischen Colle`ges des 18. Jahrhunderts zur griechischen Geschichte gelesen wurde, und zwar in Übersetzung.13 Auf Plutarch stützte sich auch das bis zum Ende des Jahrhunderts wichtigste Geschichtslehrbuch für die höhere Schulbildung, die Histoire ancienne (1731–1738) von Charles Rollin. Aus dieser für Frankreich spezifischen Spartarezeption fällt das wohl erfolgreichste Werk zur Schlacht an den Thermopylen im 18. Jahrhundert heraus: Richard Glovers Leonidas von 1737.14 Das englische Epos in neun Büchern erreichte noch im Erscheinungsjahr zwei weitere Auflagen und wurde ins Französische, Deutsche und Dänische übersetzt15 und diente als Vorlage für zwei dramatische Bearbeitungen.16 Glover weitete 1770 sein Epos von neun auf zwölf Bücher aus; diese Version war weniger erfolgreich und wurde nur noch ins Deutsche übertragen.17 Bemerkenswert an Glovers Leonidas ist, dass nicht nur alle wichtigen antiken Quellen zur Schlacht an den Thermopylen verwendet werden, sondern dass der Autor zudem in seinem Vorwort, das auch alle Übersetzer wiedergeben, die Wahl seines Themas allein durch seine Historizität rechtfertigt. Um zu zeigen, „that such disinterested public virtue did once exist“,18 referiert er die Vorgeschichte der Schlacht anhand der Darstellung Herodots, wobei er dessen Version vom Endkampf durch die von Diodor wiedergegebene Episode vom Überfall auf das Perserlager ergänzt. Letztere wird auch im Epos mit dem Bericht Herodots 11 )

Vgl. Caste´ra, Aventures (1722); Scude´ry, Bains (1732); Meusnier, Soupers (1740). Vgl. Rawson, Tradition, S. 228–230; Rommel, Frankreich, S. 48. 13 ) Vgl. Quantin, Traduire, S. 243f.; Mosse ´ , Antiquite´, S. 61. Vgl. zum Bildungswesen: Rommel, Frankreich, S. 44– 47; Julia, L’enseignement, S. 28– 45. 14 ) Richard Glover (1712–1785) war Kaufmann und Dichter und saß für die Stadt Weymouth im englischen Unterhaus; vgl. Macgregor Morris, Thermopylae, S. 211–214; Losemann, Sparta, S. 159. 15 ) Vgl. Glover, Leonidas; Ausg. Gene ` ve (1738); Ausg. Bertrand (1739); Ausg. Füeßli (1766). 16 ) Vgl. Simpson, Patriot (1785); Roberdeau, Thermopylae (1792). Es war außerdem Gegenstand einer gattungstheoretischen Schrift: Pemberton, Observations (1739). 17 ) Glover, Leonidas, Ausg. Ebert (1778). Zur kritischen Aufnahme ebda. S. 93–99. 18 ) Glover, Leonidas, S. V ; im Folgenden S. V–XXII . 12 )

2.1. Spartarezeption im Frankreich des 18. Jahrhunderts

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verschmolzen, so dass die Spartiaten, nachdem sie nachts im Lager der Feinde gehaust haben, wieder in den Engpass zurückkehren, um dort in der Umzingelung zu fallen. Trotz der Betonung der historischen Wahrheit hat Glover durchaus Szenen, besonders für die Perser, neu erfunden.19 Inhaltlich steht die Person des Spartanerkönigs ganz im Mittelpunkt. Seine Taten und sein Tod werden in der Musenanrufung am Anfang evoziert und er stirbt entgegen dem Bericht Herodots als letzter. Leonidas gibt den entscheidenden Anstoß, sich Xerxes entgegenzustellen, er hält die griechischen Verbündeten zusammen, motiviert sie und ist in der persönlichen Tapferkeit ein Vorbild. Das ideale Königtum ist hier vor allem durch den selbstlosen Einsatz für das Wohl und die Freiheit des eigenen Landes gekennzeichnet, der unabhängig von persönlicher Vorteilsnahme erbracht wird. Glover hat sein Werk Lord Cobham gewidmet, der gegen den Premierminister Robert Walpole (reg. 1722–1742) und seine Clique adeliger Whigs opponierte.20 Diese stützten ihr lange Zeit unanfechtbares Machtmonopol unter anderem auf ein Netz persönlicher Abhängigkeiten. Ein Gedicht zu Glovers Leonidas von Lord George Lyttelton, ebenfalls ein oppositioneller Tory, kontrastiert deswegen die gerechte Ordnung Spartas, in der sich die politischen Führer für das öffentliche Wohl einsetzten, mit dem korrupten England, dessen Politiker nur nach dem eigenen Nutzen und dem ihrer Klientel handelten.21 Das Epos bekommt vor diesem Hintergrund insofern einen politischen Akzent, als der als ideal entworfene Leonidas aus einer Mischung von Verantwortungsbewusstsein und persönlichem Charisma politisch agiert, was dem traditionalistisch-paternalistischen Weltbild der Tories entsprach.22 Während die Intention der deutschen Übersetzung diffus bleibt und eher allgemein auf Herrschaftstugenden abzielt, bezeichnet der Schweizer Herausgeber den Leonidas als ein Werk für Republikaner, zieht einen Vergleich zur Abwehr der Invasion Leopolds I . von Österreich durch die Eidgenossen bei Morgarten 1315 und schließt mit einem Appell an die Schweizer Jugend: Leide keine Monarchen! Leide keine Verengerung der Regierungsart! Sey frey o Jüngling, und durch deine Tugend würdig es zu seyn!23

Hieraus wird ersichtlich, dass sich das Stück, obwohl der König eine so exponierte Stellung einnimmt, auch als Darstellung lesen ließ, in der die Bürger eines republikanischen Staatswesens ihre Freiheit verteidigten. In Frankreich wurde das Werk sowohl als Aussage gegen die Tyrannis verstanden und begeistert gefeiert24 als auch wegen seines moralisch-patriotischen Gestus als langweilig abgetan. So vermerkte der Abbe´ Leblanc in einem Brief an den Duc de Nivernais: 19 ) So das Rührstück von der Liebe zwischen dem Perser Teribazus, der in der Schlacht fällt, und Ariana, der Schwester des Xerxes, das noch im 19. Jh. gesondert übersetzt wird; vgl. Klausen, Teribazus (1841). 20 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 345f. mit Anm. 1. Die politische Bedeutung wird bestritten von Macgregor Morris, Thermopylae, S. 212. 21 ) Vgl. Lyttelton, Glover, S. 87–89. 22 ) Vgl. Wende, Großbritannien, S. 139. 23 ) Glover, Leonidas, Ausg. Füeßli, S. XVIII . 24 ) Vgl. R. W., Ode (1742).

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

Le´onidas cause plus d’ennui a` ses lecteurs, qu’il ne leur inspire d’amour pour la liberte´.25

In den 1760er Jahren wurde in Frankreich nicht nur die griechische Geschichte allgemein wichtiger, sondern auch die Spartarezeption bekam einen Schub der Politisierung. An dieser Stelle ist insbesondere Jean-Jacques Rousseau zu nennen, der als großer Bewunderer Spartas in seinen Werken weitere Elemente des spartanischen Gemeinwesens mit seinem Gesellschaftsentwurf verband. So hob er die politische und ökonomische Gleichheit der Spartiaten hervor – wobei er die restlichen Bevölkerungsgruppen Spartas übersah – und verknüpfte den politischen Freiheitsbegriff, dass der Staat die Sicherheit seiner Bürger garantiere, mit der Rolle des Bürgerheeres. Außerdem war Rousseau von den symbolischen und rituellen Formen politischer Öffentlichkeit in Sparta fasziniert, die er als zentral für die Stärkung des Patriotismus und für den Zusammenhalt unter den Bürgern eines Gemeinwesens erachtete. Als wichtig sah er zudem die Erziehung der Frauen zu Patriotinnen an.26 Außer durch Rousseau gewann das spartanische Gemeinwesen durch die Werke von Helve´tius und Mably als Kontrastfolie zum herrschenden Gesellschaftssystem und zur politischen Realität in diesem Jahrzehnt weiter an Autorität.27 Diese dezidiert gesellschaftskritische bzw. bisweilen gesellschaftsutopische Funktion des antiken Spartas findet sich auch in der Encyclope´die (1751–1765) wieder, die die verstreuten Äußerungen der Philosophen zu diesem Thema bündelte und zu ihrer Verbreitung beitrug. So basiert der Artikel Lace´de´mone, re´publique de von Chevalier de Jaucourt in weiten Teilen auf Bemerkungen von Montesquieu, Rousseau, Helve´tius und Montaigne und setzt Sparta in Bezug zur Gegenwart: Quelle socie´te´ offrit jamais a` la raison un spectacle plus e´clatant & plus sublime! [. . .] Quels hommes aussi estimables que les Spartiates, donne`rent jamais des exemples aussi grands, aussi continuels, de mode´ration, de patience, de courage, de tempe´rance, de justice & d’amour de la patrie? En lisant leur histoire notre aˆme s’e´leve, & semble franchir les limites e´troites dans lesquelles la corruption de notre sie`cle retient nos foibles vertus.28

Andererseits werden auch in Artikeln zu den aktuellen politischen Grundbegriffen, wie z. B. Patrie, exzessiv antike Exempel angeführt.29 Daran wird deutlich, dass die Antike argumentativ nicht nur als Autoritäts- und Legitimationsinstanz für politisch-gesellschaftliche Forderungen eingesetzt wurde, sondern mit der Tendenz, staatsbürgerliches Ethos und Verhalten zu normieren. Dabei zielte die Antikenrezeption als Verhaltensmaxime primär auf das vergemeinschaftete Individuum, ohne dass allerdings konkretisiert wurde, wie die Gesamtgesellschaft auszusehen habe. Speziell die Schlacht an den Thermopylen steht im Artikel Lace´de´mone im Kontext der spartanischen Kampfkraft, die sich aus „discipline“ und 25 ) Zit. bei Glover, Leonidas, Ausg. Ebert (1778), S. 48. Louis-Jules Baron Mancini-Mazarin Duc de Nivernais (1716–1798) verfasste selbst galante Lyrik. 26 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 231–241. 27 ) Bei Claude-Adrien Helve ´ tius sind hierfür De l’esprit (1758) und das posthum erschienene De l’homme (1772) zu nennen; bei Gabriel Bonnot de Mably Entretiens de Phocion (1763) und die Observations sur l’histoire de la Gre`ce (1776); vgl. Rawson, Tradition, S. 242–248; Papenheim, Helden, S. 242. 28 ) Jaucourt, Lace ´ de´mone, S. 160. 29 ) Vgl. Jaucourt, Patrie, S. 178–180.

2.1. Spartarezeption im Frankreich des 18. Jahrhunderts

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„vaillance“ zusammensetzt, während im Beitrag Thermopyles vor allem die Topographie dargestellt wird.30 Es fällt auf, dass der eigentliche Verlauf der Schlacht an keiner Stelle wiedergegeben ist und dass die antiken Quellenangaben ausschließlich Würdigungen des Geschehens sind. Denn Jaucourt zitiert für die Niederlage Guillet de Saint-Georges spartanische Geschichte von 1676, die sich in diesem Passus auf Plutarchs De malignitate Herodoti stützt.31 Damit steht Leonidas im Mittelpunkt, ohne dass im Artikel sein Königtum in irgendeiner Form in die allgemeinen Überlegungen zur Gesellschaftsorganisation eingebunden wird. Obwohl das Exempel der Schlacht an den Thermopylen locker mit dem Beziehungsgeflecht von spartanischen Gesetzen, Disziplin, Tugend und Patriotismus verbunden ist, bleibt es zu unkonkret, um als Verhaltensmodell dienen zu können. In den 1770er und 80er Jahren steigerte sich die Begeisterung für die griechisch-römische Antike in der öffentlichen Meinung, z. B. bei dem Publikum, das sich durch Kunst- und Literaturkritik konstituierte. Einen Höhepunkt markiert der große Erfolg von Barthe´lemys Roman Anacharsis 1788.32 Gerade im künstlerischen Feld wurde von der Kunstkritik seit der Jahrhundertmitte ununterbrochen gefordert, Wahl und Darstellungsweise der antiken Sujets auf eine moralisch erziehende Ästhetik auszurichten. Ab 1777 wurde dieses Anliegen durch die königlichen Aufträge, mit denen alle zwei Jahre zur Salonausstellung etwa ein Dutzend Historiengemälde für den Hof bestellt wurden, systematisch gefördert. In diesen Jahrzehnten entstanden auch einige Kunstwerke zu Lykurg,33 spartanischen Frauen34 und verschiedenen spartanischen Königen35. Während die Episoden zum Leben des Gesetzgebers und die patriotischen Spartanerinnen in einer Beziehung zu der aufklärerisch-philosophischen Spartarezeption gesehen werden können, sind die Tugenddarstellungen diverser spartanischer Könige mit ihr nur locker verbunden. So bestellte der König für den Salon 1787 ein Gemälde zum Thema Le´onidas Roy de Lace´de´mone, das von Gabriel Lemonnier als Amour conjugal. Cleombrotus, Le´onidas et Chilonis ausgeführt wurde.36 Keineswegs war also eine heroische Szene gemeint, sondern ein tragisch-individueller Konflikt einer Frau, die zwischen ihrem Ehemann Kleombrotos und ihrem Vater, dem König Leonidas II ., steht.37 Die 30 )

Vgl. Jaucourt, Lace´de´mone, S. 158; Jaucourt, Thermopyles, S. 273. Vgl. Jaucourt, Lace´de´mone, S. 158; Guillet, Lace´de´mone, S. 351f. 32 ) Vgl. Chartier, Ursprünge, S. 32 passim. Zu Barthe ´ lemy s. Kap. II.1.1. 33 ) Charles Nicolas Cochin le Jeune Lycurgue blesse ´ dans une se´dition (Salon 1761), Zeichnung; Jacques Augustin Pajou Lycurgue pre´sente aux Lace´de´moniens l’he´ritier du troˆne (Salon 1763), Zeichnung; Franc¸ois-Andre´ Vincent Lycurge blesse´ dans une se´dition. 1771–1775. 34 ) Louis Jean Lagrene ´ e l’Aine´ La Lace´de´monienne (Rapporte ce bouclier ou que ce bouclier te rapporte) (Salon 1771); vgl. Rawson, Tradition, S. 264, Pl. 4; Jacques-Louis David La me`re spartiate (1779), Zeichnung; Jean Jacques Lebarbier l’Aine´ Le courage des femmes de Sparte (Salon 1787); Jean Charles Perrin Les Femmes spartiates portant les secours ne´cessaires a` leurs epoux, dans le combat que Pyrrhus donna aux pieds des mureilles de leur ville (Salon 1787), Zeichnung. 35 ) Pierre Andre ´ Halle´ Age´silaos jouant avec ses enfants (Salon 1779); Nicolas Andre´ Monsiau Mort d’Agis (Salon 1789). 36 ) Vgl. Sprigath, Republik, S. 159f. 37 ) Vgl. Plut. Agis 11ff. und 16ff. Vgl. auch Augustin Fe ´ lix Fortin Le´onidas et Cleombrotus (Salon 1789), Skulptur; Stefano Torelli [Leonidas mit Pendants der Chilionis und des Kleom31 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

tugendhaften spartanischen Könige verschwanden mit der Revolution von den Bildern, während Lykurg38 und die Spartanerinnen blieben39 und Erziehung und Sport neu hinzukamen.40 Die relative Autonomie des Feldes der bildenden Kunst bei der Spartarezeption zeigt sich auch darin, dass zur gleichen Zeit in den philosophischen Debatten die Sparta-Kritiker überwogen, zu denen vor allem Voltaire und d’Holbach zu rechnen sind.41 Es gab, was sich in den Debatten von Legislative und Konvent der Revolutionszeit wiederholte, drei Ansatzpunkte, Sparta zu kritisieren, die alle drei eine Form historischer Kritik darstellten: Erstens wurde die historische Glaubwürdigkeit von Plutarchs Lykurg-Biographie angezweifelt. Zweitens konnte jede Beschwörung der Gleichheit der Spartiaten als Vorbild für die Egalität der französischen Bürger mit dem Verweis auf die Heloten zunichte gemacht werden. Drittens wurde die Vergleichbarkeit zwischen der antiken Republik und Frankreich in Frage gestellt, da letzteres an Fläche und Bevölkerung viel größer sei und andere Formen politischer Partizipation brauche. Dieser Punkt wurde auch von den Sparta-Enthusiasten unter den Philosophen als problematisch erkannt. Die revolutionären Ereignisse von 1789 führten auch im Hinblick auf die Antikenrezeption zu einem qualitativen wie quantitativen Sprung. Bezüge auf die griechisch-römische Antike fanden Eingang in politische Rhetorik und Symbolwelten, in öffentliche Räume, in Kleidung, Geschmack und Eigennamen. Antike war jenseits aller politischen Unterschiede das kulturelle Konsensmodell für die soziale Schicht, die die Revolution trug und von ihr profitierte. Weil eine Vielzahl inhaltlicher Bezugnahmen auf die griechisch-römische Geschichte mit verschiedenen Bedeutungsebenen möglich war, die sich in unterschiedlichen kulturellen Praktiken manifestierten, erscheint die Antikenrezeption in der Revolutionszeit zugleich politisch und unpolitisch, sozialutopisch und als Mittel sozialer Distinktion, theoretisch und praktisch. Dieses Phänomen genauer zu analysieren, gestaltet sich allerdings durchaus kompliziert: In der Forschung wird die Antikenrezeption in der Regel parallel zu den politischen Phasen der Revolution periodisiert.42 Im brotos] (1740), Deckenfresko im Audienzzimmer des Markgrafen in der Eremitage in Bayreuth; fälschlicherweise Leonidas I . zugeschlagen von Moormann/Uitterhoeve, Lexikon, S. 418. 38 ) Vgl. Jean Jacques Lebarbier l’Aine ´ Lycurge pre´sente son neveu aux Spartiates en leur disant: Seigneurs Spartiates! Voici votre Roi qui vient de naıˆtre (Salon 1791); Jacques-Louis David Lycurgue montrant aux anciens de Sparte leur roi, Zeichnung; Abel de Pujol Lycurgue pre´sente aux Lace´de´moniens l’he´ritier du troˆne (1811). 39 ) Vgl. Jean Charles Perrin Une assemble ´ e spartiate de´libe´rant si l’on ferait sortir la ville de Sparte les femmes et les enfans, a` l’attaque de la ville par Pyrrhus. Une femme entre au milieu de l’assemble´e, et parlant au nom de ces compagnes, offre leurs services dans le combat pour la Re´publique (Salon 1793); Alexandre Naigeon Une Lace´de´monienne voyant, au sie`ge d’une ville, son fils aıˆne´, qu’on avait place´ dans un poste, tomber mort a` ses pieds, qu’on appelle son fre`re pour le remplacer, s’e´crit-t-elle. Le sujet est l’instant ou` le fre`re arrive (Salon 1793). 40 ) Vgl. Jean Pierre de Saint-Ours L’examen des enfans a ` Sparte (Salon 1791); LouisAndre´-Gabriel Bouchet Un Spartiate donnant des armes a` son fils, lui fait jurer, devant ses Dieux pe´nates, de de´fendre sa patrie (1800); Pierre-Claude Coqueret Jeu Olympique de javelot a` Sparte (Salon 1798). 41 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 256–262. 42 ) Vgl. Parker, Cult; Bouineau, Toges; Mosse ´ , Antiquite´; dagegen ist Rawson, Tradition, S. 268–291, mit einer Periodisierung sehr vorsichtig.

2.1. Spartarezeption im Frankreich des 18. Jahrhunderts

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Zentrum dieser Arbeiten stehen die Reden und Schriften der tonangebenden Politiker der Jahre 1789 bis 1799. Dabei werden für die Phase der Constituante die Antikenreminiszenzen als punktuell und eher beiläufig charakterisiert, für die Legislative im Zuge der verschärften patriotischen Rhetorik als gehäuft, während der Höhepunkt der Antikenbezüge mit dem Sturm auf die Tuilerien und der Inhaftierung des Königs am 10. August bzw. mit der Einführung der Republik am 22. September 1792 beginnt. In den ersten drei Jahren der Republik wurden die antiken Republiken grundsätzlich verteidigt und zur Absicherung des eigenen Unternehmens herangezogen. Antike Formen fanden Eingang in die politische Symbolik, z. B. der revolutionären Feste,43 in den Städten überall in Frankreich wurden neugeborene Kinder „Brutus“, „Scaevola“ oder „Corne´lie“ genannt44 und Städte gaben sich oder ihren Straßen antike Orts- und Eigennamen.45 Die Zeit der Jakobinerherrschaft wird in der Regel mit einer gesteigerten Spartarezeption in Verbindung gebracht, was allerdings nicht dem Selbstbild der Jakobiner entsprach, sondern eine Zuschreibung von konservativer Seite war.46 Das Directoire wird parallel zur Revolutionsgeschichtsschreibung als eine Phase des Verfalls beschrieben, in der die antiken Exempel zwar in der politischen Rhetorik verblieben, aber weniger oder nichts mehr bedeuteten.47 Vorsichtiger formuliert, befanden sich zumindest die republikanischen Tugendexempel, in denen das Allgemeinwohl über das individuelle Glück gestellt wurde, wie bei Brutus, aber auch bei Lykurg, im Wandel. Diese Periodisierung ist aus mehreren Gründen problematisch: Generell ist infrage zu stellen, ob ein kulturelles Phänomen wie die Antikenrezeption vollständig mit politischen Ereignissen parallelisierbar ist. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Antikenrezeption sich nach dem Thermidor bzw. nach 1799 so stark verändert haben soll, dass hier ein Schnitt gesetzt werden kann. So relativiert Claude Mosse´ ihre eigene Periodisierung, indem sie aufzeigt, dass die Spartarezeption besonders im Comite´ d’instruction publique präsent war, und zwar deutlich über den Thermidor hinaus.48 Auch die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen lässt sich nicht sinnvoll in dieses zeitliche Raster einordnen. Die politischen Bezugnahmen auf die Antike werden auch für den Zeitraum bis zum Thermidor von der Forschung als eher oberflächlich charakterisiert, da für die Verfassungen und die Einrichtung der politischen Institutionen Frankreichs die politischen Systeme der antiken Republiken keine Rolle spielten.49 Hinter diesem Urteil scheint die Erwartung zu stehen, Antikenrezeption müsse sich – quasi als praktizierter Montesquieu – im engeren Sinn institutionell auswirken. Dagegen ist 43 )

Vgl. Hunt, Symbole, S. 34, 43– 48, 68–80; Ozouf, Feˆte, S. 456– 467; Baxmann, Feste, S. 18–30. 44 ) Vgl. Bouineau, Toges, S. 51–54; Bordes, Brutus, S. 69. 45 ) Vgl. Bouineau, Toges, S. 54–57, 479– 483. 46 ) Die Verbindung der Jakobiner mit Sparta findet sich ausdrücklich erstmals bei Chateaubriand in seinem von Edmund Burke beeinflussten Essai sur les re´volutions von 1797; vgl. Mosse´, Antiquite´, S. 142–148. 47 ) Vgl. Parker, Cult, S. 178 f.; Mosse ´ , Antiquite´, S. 141–152; Hafner, Revolution, S. 750. 48 ) Vgl. Mosse ´ , Antiquite´, S. 103–111. 49 ) Vgl. Mosse ´ , Antiquite´, S. 67–77, 156.

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

die Antikenrezeption in der politischen Rhetorik der Französischen Revolution in erster Linie als Gebrauch antiker Exempel zu charakterisieren, die je nach Intention des Redners und situativem Verwendungskontext unterschiedliche Funktionen und Sinnangebote aufweisen konnten. Die Generation der Politiker, die ab September 1791 das Geschehen bestimmte, war in den Colle`ges des Ancien Re´gimes ausgebildet worden und hatte durch die rhetorische Schulung auch gelernt, sich mit Hilfe von historischen Exempeln zu verständigen.50 Allgemein kann man sagen, dass antike Exempel als Muster der Selbstinterpretation dem revolutionären Wollen und Tun eine historische Dimension verliehen, der Legitimation des Bruches dienten und eine Möglichkeit boten, auch konkrete politische Konflikte zu übersetzen und verhandelbar zu machen. Aber nicht nur bereits eingetretene Neuerungen und aktuelle Erfahrungen wurden zur Selbstvergewisserung mit der griechisch-römischen Antike abgeglichen, sondern diese wurde auch als ein Sortiment des Möglichen und Machbaren rezipiert. Hierin liegt die besondere Dynamik der Antikenrezeption in der Revolutionszeit. Die Referenzen kreisten mit unterschiedlicher Intensität und einem Höhepunkt in den ersten drei Jahren der Republik um die Begriffstrias Republik – Tugend – Erziehung, wobei auch an die einzelnen, frei diffundierenden Elemente der philosophischen Spartarezeption angeschlossen wurde. Dabei konnten die Bezugnahmen durchaus gegensätzlich sein: So forderte der etwas wirre Prospekt des An II für eine neue Zeitung Le Spartiate, von der keine weitere Nummer erschienen ist, endlich die Gleichheit durchzusetzen, während in der im gleichen Jahr erschienenen Apophthegmen-Übersetzung die im spartanischen Staat herrschende Ungleichheit hervorgehoben wurde.51 Zentral war für die gesamte Revolutionszeit die Funktion der antiken Exempel als Verhaltensmodelle, als die sie phasenweise mit einer solchen Intensität aufgebaut und permanent bestätigt wurden, dass insbesondere Brutus, der Gründer der römischen Republik, zu einer Institution avancierte.52 Die Phase der verdichteten Thermopylen-Rezeption eröffnete 1791 die nie aufgeführte Tragödie Les Thermopyles von Charles-Hector Comte d’Estaing.53 Es folgte das „fait historique“ Le Combat des Thermopyles von Joseph Marie Loaisel de Tre´ogate, das am 15. Thermidor An II (3. 8. 1794) im Theater Cite´ Varie´te´s uraufgeführt und dort im März 1798 wieder aufgenommen wurde.54 Die Oper Les Thermopyles von Charles-Albert Demoustier wurde im Sommer 1795 trotz ihres Erfolges aufgrund von Intrigen, wie der Künstler behauptete, nur kurz gespielt.55 Auch das „tableau lyrique“ von Charles Guilbert de Pixe´re´court Le´onidas, ou le 50 )

Vgl. Scheerer, Peuple, S. 174–189. Vgl. Anonym, Spartiate, S. 1–8. Aus dem Inhalt geht hervor, dass die Schrift nach der Hinrichtung Brissots (am 31. 10. 1793) und vor dem Thermidor erschienen sein muss, also An II . Plut. Apophth. Lac. Ausg. Levesque, S. 1–26. Danglus, Re´flexions, nach dem Thermidor erschienen, liefert einen Beitrag zur Verfassungsdiskussion. 52 ) Vgl. Bordes, Brutus, S. 61–68; Parker, Cult, S. 140; Papenheim, Helden, S. 243; Soboul, Revolution, S. 312. 53 ) Der Comte d’Estaing (1729–1794) hatte Karriere in der königlichen Marine gemacht, betätigte sich als Gelegenheitsschriftsteller und war in der Revolution der Kommandant der Garde nationale in Versailles. Seine Treue zum Königshaus kostete ihm 1794 das Leben. 54 ) Der Aufführungstermin wird korrigiert von Aulard, Paris, S. 581 Anm. 1. 55 ) Vgl. Dossier David, Le ´ onidas aux Thermopyles, Louvre Documentation. 51 )

2.1. Spartarezeption im Frankreich des 18. Jahrhunderts

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de´part des Spartiates erlebte 1799 nur drei Aufführungen, nachdem die Oper es 1795 bereits einmal abgelehnt hatte und obwohl von offizieller Seite wegen seines „ardent patriotisme“ ein „effet salutaire“ erwartet wurde.56 Das Epos La Gre`ce sauve´e, aus dem Louis de Fontanes im Juli 1796 und im Januar 1797 bei öffentlichen Sitzungen des Institut national des sciences et arts vortrug, blieb unvollendet. Beim zweiten Termin las er seinen dritten Gesang über die Schlacht an den Thermopylen.57 Neben dieser Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in Gattungen der Hochkultur, die, bis auf das Theaterstück von 1794, als eine Reihe von Misserfolgen bezeichnet werden kann, wurde ab Herbst 1791 vermehrt in politischen Reden und in der Publizistik auf die spartanische Niederlage Bezug genommen.58 Die Exempel der spartanischen Niederlage sowie der Perserkriege insgesamt zogen sich durch die Debatten der Assemble´e le´gislative um die Notwendigkeit eines Krieges gegen Österreich, Preußen und die in Koblenz versammelten adeligen Emigranten, wobei sie in den Reden der Kriegsbefürworter zu finden sind, so bei Pierre Victorien Vergniaud, Abgeordneter des Departement Gironde.59 Diese Gruppe der später so genannten Girondisten wünschte im Gegensatz zu Robespierre und seinen Anhängern einen Krieg, um die Nation zu einigen und die Revolution nach innen und außen abzusichern. Wie weit die Reminiszenzen an die Schlacht an den Thermopylen in der Revolutionszeit streuten und dass sie sich durchaus auch in der Provinz und außerhalb des militärischen Bereichs konkretisierten, zeigt das Beispiel der 3000-Einwohner-Gemeinde St.-Marcellin (Ise`re), die sich im Zuge der Entchristianisierung von Ortsnamen in Thermopyles umbenannte. In der Sitzung vom 3. Februar 1794 beschloss der Conseil de la commune die Namensänderung „pour la conformite´ de sa conduite avec celle des ge´ne´raux spartiates qui s’immole`rent pour arreˆter l’arme´e de Xerxe`s“.60 Der Ort in den Alpen war zu diesem Zeitpunkt keineswegs militärisch bedroht; vielmehr griffen die Stadtoberen auf eine Ortsbezeichnung zurück, die mit einer als ,republikanisch‘ verstandenen Tat verbunden wurde.61 Nach dem Thermidor kehrte St.-Marcellin zu seinem alten Namen zurück. Die Tragödie Les Thermopyles des Comte d’Estaing ist vor der Verabschiedung der Verfassung im September 1791 verfasst und atmet noch die Hoffnung, in einer 56 ) Vgl. Pixe ´ re´court, Le´onidas. Pixe´re´court (1773–1844) tat sich v. a. in der Gattung des Me´lodrame hervor. Zit. aus Welschinger, The´aˆtre, S. 130 f. 57 ) Vgl. Fontanes, Gre ` ce, S. 267–374. Vgl. für die Lesungen: Mercure de France 23 (1796) Nr. 40 vom 3. 8., S. 217–226, 279; und Mercure de France 26 (1797) Nr. 12 vom 4. 1., S. 345–353. Fontanes (1757–1821), Besitzer des Mercure de France 1800–1807, Royalist, machte sowohl im Empire als auch in der Restauration literarisch und politisch Karriere; vgl. Levin, David, S. 5–12. 58 ) Auswertung der Archives parlementaires durch Parker, Cult, S. 181 Anm 7. 59 ) Vgl. Vergniaud am 25 10.1791, AP 34, S. 401; am 18. 1. 1792, AP 37, S. 490; am 3. 7. 1792, AP 46, S. 83. Vgl. Furet, Girondins, S. 189–205; Bredin, Vergniaud, S. 367–387; Blanning, Wars, S. 96–130; Kruse, Vivre, S. 165–169. 60 ) Zit. bei Beaup/Biron/ Boissieux, L’Ise ` re, S. 106. Vgl. Bonnat, Saint-Marcellin, S. 167f. 61 ) Auch St.-Etienne-de-Baı¨gorry (Pyre ´ ne´es Basses) wurde Thermopile, was dafür spricht, dass die Lage im Gebirge mit der Namenswahl zu tun haben könnte. Vgl. Bouineau, Toges, S. 55f.; Mosse´, Antiquite´, S. 133–135; Parker, Cult, S. 141f.; Rawson, Tradition, S. 285.

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

konstitutionellen Monarchie die Revolution zu beenden. Der Autor, der das Stück auf eigene Kosten drucken ließ, legt im Vor- und Nachwort sowie im Prolog des Dione´ce`s ausführlich sein aktuelles Interesse an dem Thema und dessen Wert für den „citoyen patriote“ dar. Die Schlacht an den Thermopylen als patriotischer Freiheitskampf wird zur Simulation des Ernstfalls: La simple ve´rite´ de l’histoire des Thermopyles prouve [...] a` la guerre, l’exemple d’un Roi constitutionnel. Si la me´fiance, fruit amer d’une re´volution, a pu faire craindre de voir un jour notre premier chef national guider lui-meˆme les troupes; la constitution termine´e, l’esprit publique sera plus fort que tous les triomphateurs du monde.62

Leonidas erscheint in diesem Drama als konstitutioneller Monarch, der die Gesetze, die Rechte, die Gleichheit und Freiheit seines Volkes garantiert. In mehreren Situationen wird seine Position einerseits von verschiedenen Spielarten des Despotismus abgegrenzt, für die Xerxes, Alexander von Makedonien und Gelon von Syrakus stehen, andererseits von der Demokratie, die mit Anarchie gleichgesetzt wird. Diese Verfassungsform vertreten die Phoker, deren Befehlshaber Ne´ocle`s in einer Mischung aus persönlichem Ehrgeiz und Bewunderung für die von Lykurg eingerichtete Staatsform selbst König werden will und sich mit dem intriganten persischen Gesandten Bagoas zusammentut. Dieser benutzt ihn und die Rachegelüste des Epialtes, der hier als Helot auftritt, um den Persern die Umgehung der griechischen Stellung zu ermöglichen, und Estaing bekundet mehrfach seinen Stolz, dem persischen Eunuchen den Satz des englischen Revolutionskritikers Edmund Burke „Ce peuple est e´fface´ du rang des Nations“ in den Mund gelegt zu haben.63 Im Ernstfall hängt, so die Quintessenz des Stückes, die Bereitschaft der Bürger, sich für ihr Land zu opfern, vom Gesetzesgehorsam ihres Königs ab.64 Der eklatanteste Unterschied zu Loaisel de Tre´ogates Le Combat des Thermopyles, der drei Jahre später, kurz nach dem Sturz Robespierres und seiner Anhänger, aufgeführt wurde, ist, dass Leonidas hier an keiner Stelle als König bezeichnet wird. Nach der Hinrichtung von Louis XVI . im Januar 1793 wurde auch die Rolle des Spartanerkönigs neu definiert, der zwar als Befehlshaber herausgehoben wird, aber „comme soldat“ kämpft.65 Das Drama von Loaisel fällt unter den literarischen Bearbeitungen des Stoffes während der Revolution nicht nur deshalb aus der Reihe, weil es einen gewissen Erfolg hatte, sondern auch, weil es als fait historique nicht zu den ,hohen‘ Gattungen Tragödie, Oper und Epos zählt, die im Allgemeinen für antike Themen verwendet wurden.66 Zudem gehörte der Spielort, das The´aˆtre de la Cite´, zu den Theaterneugründungen und lag auf der Ile in einer kleinbürgerlichen Gegend von Paris.67 Die faits historiques waren eine neue Dra62 )

Estaing, Thermopyles, S. 142. Vgl. Estaing, Thermopyles, S. 18f., 37, 134. 64 ) Vgl. Estaing, Thermopyles, S. 102. 65 ) Vgl. Loaisel, Combat, S. 51. 66 ) Vgl. Nies, Gattungssystem, S. 20f. Ähnlich verhält es sich mit Bearbeitungen anderer Themen aus den Perserkriegen: Gue´roult, Marathon (1793); Guillard / Lemoyne, Miltiade (1793); Beffroy de Reigny/ Lemoyne; Gre`ce (1793/4); Larnac, The´mistocle (1798); vgl. Bouineau, Toges, S. 61–64. 67 ) Vgl. Ducoudray, Paris, S. 30f., 82. 63 )

2.1. Spartarezeption im Frankreich des 18. Jahrhunderts

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menform der Revolution, in der in erster Linie zeithistorische Ereignisse mit bisweilen tagespolitischer Aktualität dargestellt wurden, die mit zu dem Bewusstsein beitrug, aktiv Geschichte zu machen. Der Schlacht an den Thermopylen wurde bei Loaisel somit bereits durch die Gattungswahl eine besondere Aktualität zugesprochen, deren Zielrichtung der Titelzusatz „ou l’E´cole des guerriers“ spezifiziert. Die Handlung ist auf zwei Oppositionen konzentriert: Zum einen werden Leonidas und die Spartiaten, deren Freiheit, Vaterlandsliebe und Handeln naturgesetzlich begründet sind,68 gegen Despotismus, Verbrechen und Sklavenmentalität, für die als einziger Perser im Stück Hydarnes steht, abgesetzt. Zum anderen wird Leontiades, der Befehlshaber der Thebaner, zum Verräter im Inneren an „la cause sacre´e de la liberte´“.69 Auffällig ist, dass Loaisel keine Figuren wie Demaratos oder die Xerxesschwester Me´gabise bei Estaing verwendet, die diese starren Dichotomien aufbrechen. Eine Klammer zur revolutionären Gegenwart stellt Loaisel im ersten Streitgespräch zwischen Leonidas und Hydarnes her. Der Spartanerkönig erklärt, dass die Menschheit fortschreiten werde bis zu „cette e´poque ine´vitable ou` les cent mille teˆtes de l’hydre de despotisme tomberont abattues par cent mille glaives leve´es a` la fois“, und in der „la terre re´ge´ne´re´e et respirant aux premiers rayons de la liberte´“ 70 seine Tat anerkennen wird. Die Quintessenz des Stückes aber ist, dass der Opfertod fürs Vaterland zum Erfolg im Krieg führt, denn die Perser fliehen am Ende, so dass die Schlacht an den Thermopylen nicht nur moralisch, sondern auch militärisch zum Sieg wird. Im Gegensatz zu Brutus, dem Gründer der römischen Republik, dessen große Zeit nach dem Thermidor vorbei war, wurde die Schlacht an den Thermopylen weiter rezipiert. Neben den aus welchen Gründen auch immer erfolglosen Opern von 1795 bzw. 1799 ist hier das Epos-Fragment von 1796/97 von Louis de Fontanes zu nennen, das erst 1839 veröffentlicht wurde. Seine Darstellung der antiken Niederlage ist dadurch gekennzeichnet, dass, ganz anders als in Loaisels Drama, das Handeln der Protagonisten restlos vom Wirken der Götter bestimmt wird, die an einigen Stellen durch ihr Auftauchen direkt in das Geschehen eingreifen.71 Bei der zweiten Lesung im Institut national soll das Publikum beim Refrain der Totenhymne des Megistias „Mourons amis, mourons pour naıˆtre immortels“ jedes Mal begeistert applaudiert haben, was darauf hinweist, dass hier ein besonders affektives Moment lag.72 Eine Stichprobe für das Frühjahr 1796 zeigt, dass in der Presse die Schlacht an den Thermopylen im Kontext des Italienfeldzuges weiterhin rezipiert wurde.73 68 )

Vgl. Loaisel, Combat, S. 17, 28, 32, 37, 47. Loaisel, Combat, S. 44. Epialtes, von dem nur gesagt wird, er habe den Pfad verraten, spielt keine weitere Rolle. 70 ) Loaisel, Combat, S. 26. Das Bild der Hydra für den Despotismus gibt es auch in der Druckgraphik; vgl. Thamer, Freiheit, S. 84. 71 ) Vgl. Fontanes, Gre ` ce, S. 322–324. Das Epos ist von Barthe´lemys Anacharsis inspiriert, 1794 begonnen und wahrscheinlich durch das Exil des Autors 1797 unterbrochen worden; vgl. Wilson, Fontanes, S. 293–297. 72 ) Vgl. Fontanes, Gre ` ce, S. 324–327; vgl. Wilson, Fontanes, S. 300f. 73 ) Vgl. Le Re ´ dacteur Nr. 138 vom 1. 5. 1796, S. 2– 4; Nr. 157 vom 20. 5. 1796, S. 2– 4; Nr. 69 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

Dies deutet darauf hin, dass das Exempel der antiken Schlacht im Kontext von Armee und militärischen Ereignissen präsent blieb. Dem entspricht, dass die Armee den republikanischen Werten verbunden blieb. Nicht nur, dass verfolgte Revolutionäre nach dem Thermidor in der Armee Zuflucht fanden; da sich Ausrüstung und Besoldung durch die Reprivatisierung der Kriegswirtschaft und die Assignateninflation dramatisch verschlechterten, entstand eine Distanz zur neuen Regierung, die in ein republikanisch-diszipliniertes Selbstbild als Gegenentwurf zur zivilen Dekadenz überführt wurde. Zudem dienten die Soldaten des Massenaufgebots von 1793 unbegrenzt weiter, da erst 1798 wieder Wehrpflichtige einberufen wurden, und obgleich die Offizierswahl wieder abgeschafft worden war, blieben die Aufstiegsmöglichkeiten durch Bewährung im Feld.74 In der Armee war in der Zeit des Directoire die republikanische Tradition daher stärker als in anderen Teilen der Gesellschaft, und im direkten Zusammenhang mit dem Militär wurde die Schlacht an den Thermopylen in Kontinuität zu den Debatten um den Kriegsausbruch 1792 weiter rezipiert. Im kulturellen Bereich begann nicht nur David 1799 mit den Vorstudien für seinen Le´onidas, sondern auch das Theaterstück von Loaisel, das in seinem antimonarchischen und naturrechtlichen Duktus seine Entstehung zur Zeit der Jakobinerherrschaft nicht verleugnet, wurde im Frühjahr 1798 nochmals aufgenommen. Die Polizei berichtete dem Direktorium von der gezielten Störung einer Aufführung: La moindre moralite´ civique e´tait aussitoˆt parodie´e a` voix haute par des individus a` cadenottes, qui accompagnaient leur ironie de propos obsce`nes. Un exemple suffira: ,Volons a` la victoire‘, dit Le´onidas a` ses troupes, et ,volons‘ est le mot que ces individus ont re´pe´te´ dans un sens tout a` fait de´gradant. Si des amis de l’ordre et de la Re´publique re´clamaient silence et respect, leur voix e´tait couverte par des cris d’ ,a` bas! a` la porte!‘75

Diese Szene zeigt, dass die Störung des Stückes als Angriff auf die Republik verstanden wurde und somit die Schlacht an den Thermopylen als ein republikanisches Thema galt, ohne dass mit ihr die Konventszeit oder die Jakobinerherrschaft verbunden wurde. Zwei der Provokateure wurden verhaftet. Worin diese Deutungsspielräume bei der antiken Niederlage sowie die Unvereinbarkeit bestimmter Positionen lagen, soll im Folgenden analysiert werden.

165 vom 28. 5. 1796, S. 2–3. Die Quellen wurden mir dankenswerterweise von Herrn Prof. Thomas W. Gaehtgens zur Verfügung gestellt. 74 ) Vgl. Soboul, Revolution, S. 430f., 496 f.; Krumeich, Entwicklung, S. 135–137; Kruse, Vivre, S. 181–185. 75 ) Le Tellier, Rapport du Bureau Central du 1er Germinal. In: Aulard, Paris, S. 581.

2.2. Die Semantik der Revolution

159

2.2. Vivre libre ou mourir! Die Semantik der Revolution Das hauptsächliche Aktualisierungspotential der Schlacht an den Thermopylen liegt in den Begriffen de´vouement / mourir pour la patrie und amour de la patrie / patriotisme in Verbindung mit den Schlagworten liberte´, loi, re´publique, mœurs sowie fraternite´. Hier zeigt sich ein ganzes Begriffsfeld der politisch-sozialen Sprache Frankreichs, in der im Verlauf des 18. Jahrhunderts für eine Reihe von Grundbegriffen neue Sinnzusammenhänge ausgebildet worden waren, die ab 1789 zu Katalysatoren politischer Ereignisse und gesellschaftlicher Veränderungen wurden.76 Wie sehr in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts diese zentralen Begriffe noch politisch kontaminiert waren, lässt sich an der Thermopylen-Rezeption während des Griechischen Unabhängigkeitskrieges sehen (s. Kap. II.4.2). Für die ersten Jahre der Französischen Revolution stand die Deutung der Schlacht an den Thermopylen, wie der Perserkriege insgesamt, als Freiheitskampf absolut im Vordergrund.77 Diese antike Deutungstradition erhielt insofern eine völlig neue Qualität, als liberte´ eines der zentralen, im revolutionären Diskurs und in der Symbolpolitik allgegenwärtigen Schlagworte war, mit dem diverse politische und soziale Hoffnungen genauso verbunden waren wie die mit der Menschenrechtserklärung und der Verfassung von 1791 bereits erlangten politischen Rechte.78 In Estaings Tragödie von 1791 erscheint die liberte´, für die die spartanischen citoyens kämpfen und sterben, durch Gesetze gesichert, die eine politische Partizipation garantieren und die wiederum vom konstitutionellen Monarchen geschützt werden.79 In Loaisels Stück drei Jahre später ist ebenfalls der militärische Einsatz für die Freiheit mit der Gesetzesbindung der politischen Macht und einer unspezifischen bürgerlichen Mitbestimmung verbunden.80 Über die Gesetze, die beide Autoren als diejenigen Lykurgs ansprechen, war es möglich, die Schlacht mit der philosophisch-politischen Lykurg-Rezeption zu verbinden, was wohl auch geschah, aber nicht zwingend sein musste. Denn Loaisels Drama konnte nach dem Thermidor nur dann als ein staatstragendes Werk gelten, wenn die Gesetze Lykurgs nicht automatisch mit der jakobinischen Tugendideologie verknüpft wurden. Die Verteidigung der liberte´ an den Thermopylen gegen einen von außen kommenden Feind gleichermaßen als Ergebnis der lois wie zu ihrem Schutz stellt die beiden Begriffe nicht nur in ein Sinnverhältnis, sondern in einen logischen, historisch verbürgten Handlungszusammenhang. Im Dezember 1791, mitten in der 76 )

Vgl. Reichardt, Einleitung, S. 26– 40; ders., Mentalitäten, S. 185–215. Vgl. Estaing, Thermopyles; Loaisel, Combat; Vergniaud am 25. 10. 1791, AP 34, S. 401; Pastoret am 25. 10. 1791, AP 34, S. 405; Sissous am 28. 10. 1791, AP 34, S. 483; Vergniaud am 18. 1. 1792, AP 37, S. 490; Debry am 30. 3. 1792, AP 40, S. 705; Citoyens libres de Tarbes am 22. 5. 1792, AP 43, S. 670; Vergniaud am 3. 7. 1792, AP 46, S. 83; Re´volutions de Paris Nr. 156 vom 30.6.–7. 7. 1792, S. 17–19; Fontanes, Gre`ce, S. 278; Le Re´dacteur Nr. 157 vom 20. 5. 1796, S. 3. 78 ) Vgl. Heuvel, Liberte ´ , S. 96–118; Re´tat, Citoyen, S. 90–100. 79 ) Vgl. Estaing, Thermopyles, S. 23, 46, 82, 102. 80 ) Vgl. Loaisel, Combat, S. 36f. 77 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

Kriegsdebatte, die vom Gefühl der Bedrohung durch die europäischen Monarchien und die adelige Emigration in Verbindung mit Revolutionsgegnern im Inneren geprägt war, richtete eine Abordnung der Pariser Sektion Lombards eine Adresse an die Abgeordneten der Legislative, die „Constitution jure´e“ vor den kleinsten Änderungen zu bewahren: Nous, [....] pour le maintien de nos saintes lois, nous volerons aux Thermopyles; mais nous y serons plus de 300.81

Unter tosendem Beifall und Zustimmungsrufen verkündete der Redner mit dem antiken Exempel die Bereitschaft, die Verfassung zu verteidigen. Hinter dem Thermopylen-Exempel steht die Ausschlusslogik des „vivre libre ou mourir“, das ursprünglich als Motto der Nationalgarden diente, bezogen auf die Konterrevolution im Inneren im Sommer 1791, dann aber durch die sich bildenden Freiwilligenbataillone aus den Reihen der Nationalgarden auf die gesamte Landesverteidigung übertragen worden war.82 Der Zusatz, sie seien mehr als 300, neutralisiert die Niederlage von 480 v. Chr. und ruft gleichzeitig den Topos der Überlegenheit republikanischer Heere auf. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen wird eingesetzt, um einen präventiven Defensivkrieg zu fordern und um – der Gebrauch des Futurs zeigt es an – eine zukünftige Handlung zu forcieren. Der König spielt dabei keine Rolle. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Freiheit keineswegs nur ein „bien imaginaire“ war, wie Estaing den Perser Bagoas sagen lässt,83 sondern hier ganz konkret mit der Verfassung von 1791 verbunden wurde. Damit standen die „saintes lois“ des Spartiaten-Epigramms im Gegensatz zur antiken Bedeutung für einen Korpus schriftlich fixierter, genau bestimmbarer Verfassungsregeln. Dass die antike Schlacht in Frankreich seit dieser Zeit mit der Vorstellung einer positiv-rechtlichen Ordnung verbunden war, bestätigt der Schlussappell der Comtesse LenoirLaroche in ihrem Traktat zu Davids Le´onidas: Les guerriers devant ce tableau viendront apprendre a` mourir pour la patrie et la loi! Et les le´gislateurs a` faire des lois pour que les guerriers veuillent mourir!84

Die Autorin fordert hier Gesetze, für die sich der Einsatz des Lebens lohnt, was vor dem zeitpolitischen Hintergrund der Hundert Tage nur den Anspruch auf politische Partizipation und Freiheitsrechte bedeuten kann. Nachdem Napoleon die 1814 erlassene Charte von Louis XVIII ., die mehr politische Freiheitsrechte garantierte als die Verfassung des Empire, nach seiner Rückkehr von Elba wieder außer Kraft gesetzt hatte, sah er sich so starkem Druck der bürgerlich-politischen Öffentlichkeit ausgesetzt, dass er Benjamin Constant mit einer Acte additionel aux Constitutions de l’Empire beauftragte, die im Mai verabschiedet wurde.85 Während 1791 das Exempel der Schlacht an den Thermopylen dazu eingesetzt wird, 81 )

Louvet am 13. 12. 1791, AP 36, S. 88. Vgl. auch Loaisel, Combat, S. 14. Vgl. Kruse, Vivre, S. 180; Bertaud/ Reichel, L’arme´e, S. 16. 83 ) Estaing, Thermopyles, S. 39. 84 ) Lenoir-Laroche, Re ´ flexions, S. 42. Konsequenterweise wird in Plut. Apophth. Lac. Ausg. Levesque, S. 3, das Fehlen der geschriebenen Gesetze im antiken Sparta für einen Zustand der Barbarei gehalten. 85 ) Vgl. Heuvel, Liberte ´ , S. 115–118; Schmale, Constitution, S. 45–63; David gehörte zu denjenigen, die die Acte signierten; vgl. Wildenstein Nr. 1711. 82 )

2.2. Die Semantik der Revolution

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zur Verteidigung der Verfassung einen Krieg zu fordern, dient es 1815 dazu, aus dem Einsatz der Soldaten bei der Landesverteidigung den Anspruch auf Rechtsgarantien abzuleiten. Festzuhalten ist, dass diese Bedeutungsdimension der Schlacht an den Thermopylen in Frankreich an eine Verfassungspraxis gebunden ist, was bei der zeitgleichen Rezeption der antiken Niederlage in Deutschland nicht der Fall war (s. Kap. II.2.3). Der neben liberte´ wichtigste Begriff im Zusammenhang mit der Schlacht an den Thermopylen war patrie. Insbesondere in Loaisels Drama von 1794 charakterisieren sich beide Begriffe gegenseitig, während sich bei den Kritiken zu Davids Le´onidas der Bedeutungsschwerpunkt zu patrie verschoben hat, worin sich eine zunehmende Nationalisierung des Krieges niederschlägt.86 Dieser patriotische Freiheitsbegriff bzw. an freiheitliche Prinzipien gebundene Patriotismus, der in der Schlacht an den Thermopylen seinen Ausdruck findet, ist gekennzeichnet durch eine inkludierende Funktion nach innen und eine exkludierende nach außen. Dies wird zunächst daraus ersichtlich, dass das Exempel der antiken Schlacht in der Revolutions- und Empirezeit primär im Kontext von militärischen Konflikten mit einem äußeren Gegner argumentativ eingesetzt wurde. Obwohl die Feststellung, dass die Schlacht an den Thermopylen in der politischen Rhetorik in einen außenpolitischen Verwendungs- und Sinnstiftungszusammenhang gehörte, nahezu banal erscheint, wird von der Forschung eine solche typologische Unterscheidung der antiken Exempel in der Regel nicht vollzogen, weshalb bestimmte Kontinuitäten und Brüche beim Gebrauch einzelner Exempel nicht erklärt werden können.87 In Kombinationen taucht die Schlacht an den Thermopylen, wie bereits in der Antike, vorzugsweise zusammen mit anderen Perserkriegsschlachten oder mit den Decii auf,88 nicht aber mit Brutus, den Horatiern oder Aristides, deren Opferlogik, die das Allgemeinwohl über das individuelle Glück stellt, auf einen primär innenpolitischen Bereich übertragen wurde. Zum Antonym von liberte´ war seit den 1770er Jahren und dem Scheitern der physiokratischen Reformversuche der französischen Monarchie der de´spotisme geworden, weshalb die Schlacht an den Thermopylen in den Parametern der Verteidigung des Vaterlandes gegen einen auswärtigen Monarchen, konkret den österreichischen, verstanden wurde.89 Nicht nur, dass mit liberte´ und de´spotisme bereits vor 1789 moralische Wertungen verbunden waren, was bei letzterem die Vgl. Loaisel, Combat, S. 4ff.; der Freiheitsbegriff wurde im Empire zum Teil von gloire abgelöst; vgl. Heuvel, Liberte´, S. 115f.; Fehrenbach, Nation, S. 104f. 87 ) Bouineau, Toges, S. 101–107, klassifiziert die antiken Personen nach Typen, wobei er die Argumentationskontexte missachtet, weshalb sich Leonidas mit Aristophanes, Herodot u. a. in der Gruppe der vertueux wiederfindet; Mosse´, Antiquite´, S. 83f., hält den Exempelgebrauch für völlig beliebig; Papenheim, Helden, S. 243f., vergleicht die im Verwendungskontext zusammengehörigen Heldenkonstruktionen von Brutus und den Revolutionsmärtyrern und beansprucht für das Ergebnis auch Gültigkeit für die Kriegshelden. 88 ) Vgl. Deputation der Gardes nationales volontaires des Departements Corre ` ze am 2. 1. 1792, AP 37, S. 3; Debry am 30. 3. 1792, AP 40, S. 705; Citoyens libres de Tarbes am 22. 5. 1792, AP 43, S. 670; Re´volutions de Paris Nr. 156 vom 30.6.–7. 7. 1792, S. 17–19. 89 ) Vgl. Debry am 30. 3. 1792, AP 40, S. 707; Brival am 30. 4. 1792, AP 42, S. 572; Re ´volutions de Paris Nr. 156 vom 30.6.–7. 7. 1792, S. 17–19; vgl. Heuvel, Liberte´, S. 96. 86 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

Verbindung mit de´sordre zeigt,90 sondern im Falle eines Krieges war die Verteidigung des Vaterlandes gleichbedeutend mit der Verteidigung der revolutionären Errungenschaften, was keineswegs nur dem Bedrohungsgefühl der Abgeordneten von 1791/92 entsprang.91 Durch die Schlacht an den Thermopylen und die Perserkriege wurde nicht nur die prinzipielle Verteidigungsbereitschaft der griechischen hommes libres, sondern auch ihre militärische Überlegenheit gegenüber der „ramas immense d’esclaves“ 92 beschworen, wobei Frankreich wegen seiner im Vergleich zum antiken Griechenland größeren Ressourcen noch bessere Erfolgsaussichten prophezeit wurden. Mit der Grunddisposition, die die Stärke freiwillig kämpfender, freier Bürger und ihren Vorteil selbst in Unterzahl gegen die Schwäche der gezwungenermaßen eingesetzten Untertanen stellt, wurde ein bereits bei Herodot zentraler Topos der Schlacht an den Thermopylen aufgegriffen und als historischer Beweis angeführt. Praktische Bestätigung schien diese aus den Perserkriegen abgeleitete Annahme in den militärischen Erfolgen Frankreichs im Herbst 1792 zu finden, zu deren Initial im 19. Jahrhundert die Kanonade von Valmy am 20. September 1792 stilisiert wurde, bei der die französischen Armeen von Dumouriez und Kellermann zur großen Überraschung ihrer preußischen Gegner nicht flohen.93 Auch Valmy wurde im Vorhinein mit der Schlacht an den Thermopylen verglichen, allerdings nicht das Artilleriegefecht selbst, das sich eher zufällig ergab, sondern die Besetzung der Pässe im Argonnerwald. Der Vergleichspunkt war dessen strategisch-militärische Bedeutung als letzter natürlicher Riegel vor Paris, wobei die Bedeutung der antiken Schlacht als Freiheitskampf im Hintergrund stand.94 Die emotionale Dimension der zentralen Identifikationsbegriffe liberte´ und patrie lässt sich aus den Reminiszenzen an die Schlacht an den Thermopylen direkter erschließen als aus den Quellen, die in der Regel für die Begriffsgeschichte ausgewertet werden.95 Die Emotionen gehören zur persönlichen Motivation des 90 )

Vgl. Estaing, Thermopyles, S. 46; Fontanes, Gre`ce, S. 309, 325; vgl. Scotti-Rosin, Ordre, De´sordre, S. 74, 87f., 95 f. 91 ) Vgl. Lüsebrink, Genese, S. 120–126; Kruse, Vivre, S. 166–169. 92 ) Loaisel, Combat, S. 21 und S. 9, 24, 39, 55; vgl. Vergniaud am 25. 10. 1791, AP 34, S. 401; Sissous am 28. 10. 1791, AP 34, S. 483; Brissot am 29. 12. 1791, AP 36, S. 607; Vergniaud am 18. 1. 1792, AP 37; S. 490; Re´volutions de Paris Nr. 156 vom 30.6.–7. 7. 1792, S. 11, 19; vgl. Kruse, Vivre, S. 167 f. 93 ) Entgegen der Behauptung, Valmy sei der Sieg der Freiwilligen von 1792 gewesen, bestanden beide Armeen v. a. aus Linienregimentern und den Freiwilligenbataillonen von 1791; vgl. Dufraisse, Valmy, S. 95–99, 105–111. 94 ) Vgl. Re ´ volutions de Paris Nr. 165 vom 1.–8. 9. 1792, S. 434; wahrscheinlich unabhängig davon vgl. Dumouriez, Vie, S. 77, der bei einem Kriegsrat Ende August gesagt haben will (wobei er von sich in der 3. Person redet): „Alors lui montrant sur la carte la foreˆt d’Argonne; voila`, lui dit-il, les Thermopyles de la France; si j’ai le bonheur d’y arriver avant les Prussiens, tout est sauve´“. Und an den Kriegsminister Servan schrieb er, ebda. S. 91: „Verdun est pris; [. . .] Le camp de Grandprey et celui des Islettes sont les Thermopyles, mais je serai plus heureux que Le´onidas.“ Dumouriez, eine schillernde Gestalt, ging nach der Niederlage in Löwen Anfang April 1793 zu den Österreichern über. 95 ) Vgl. zum Problem der emotionalen Bedeutung Lüsebrink/ Heuvel, Diskussion, S. 232– 236.

2.2. Die Semantik der Revolution

163

Leonidas und der Spartiaten bzw. der soldats-citoyens, für ihr Land und dessen Freiheit zu sterben. Es ist die bei Davids Gemälde so wichtige l’amour de la patrie bzw. l’amour de la liberte´.96 Stellt man die letzten Sätze der beiden Dramen von 1791 und 1794 einander gegenüber, so wird die emotionale Intensivierung des Freiheits- und Vaterlandsbegriffs deutlich: Im ersten sagt die von einem verirrten Pfeil getroffene Perserin Me´gabise „Bonheur, force et pouvoir sont dans la liberte´“,97 während im zweiten der sterbende Leonidas verlauten lässt: Liberte´! ton image est la`; je te vois brillante de tout l’e´clat de l’immortalite´ [. . .] Amour de mon pays, c’est ton feu sacre´ qui dispute mon cœur aux glaces du tre´pas! . . . Tu m’embraˆses encore ... O Sparte! oˆ ma patrie! je t’emporte dans mon sein. (Il retombe, et meurt la teˆte appuye´e sur son bouclier)98

Leonidas’ letzte Gedanken gelten also der Freiheit und dem Vaterland, die ihm in wahrnehmbarer Gestalt vor Augen stehen; seine Worte erinnern an das Ende einer Liebesbeziehung. Die vermeintlich abstrakten Begriffe liberte´ und patrie lassen hier ihre lebensnahe, emotional dichte Bildhaftigkeit erkennen, die in der revolutionären Bildproduktion ihre Äquivalente hat.99 Loaisel führt mit Leonidas’ völliger Hingabe für Freiheit und Vaterland seinem Publikum einen idealen Tod des soldat-citoyen vor, den es realiter wohl selten in dieser Form miterlebte. Das emotionale Gefälle zwischen den Dramenschlüssen deutet darauf hin, dass die beiden aus militärischen Notsituationen geborenen Massenaufgebote der Sommer 1792 und 1793 einschließlich der la patrie est en danger-Rhetorik zu einer gefühlsmäßigen Aufladung der Schlagworte im militärischen Kontext geführt hatten. Allerdings verlangte bereits im Januar 1792 eine Abordnung des Bataillons der Gardes nationales volontaires aus dem Departement Corre`ze von der Abgeordnetenversammlung, an die Grenzen verlegt zu werden, da man im Kampf gegen den Despotismus nur soldats-citoyens gefährliche Posten anvertrauen könne: Voudrait-on leur interdire les e´lans ge´ne´reux de cette vertu qui pre´cipita les De´cius au milieu des rangs ennemis, qui arre´ta les Spartiates au pieds des Thermopyles.100

Auf der Vergleichsbasis einer als spezifisch bürgerlich angesehenen Opferbereitschaft unterstrich dieser Freiwilligenverband mit den beiden antiken Exempeln seine Forderung, wie die Linientruppen zur Landesverteidigung eingesetzt zu werden. Die Schlacht an den Thermopylen erscheint hier als ganz konkretes Verhaltensvorbild für diejenigen soldats-citoyens, die für Frankreich kämpfen und gegebenenfalls auch sterben wollten. Dieser Verwendungskontext zeigt eine selten greifbare Dimension des Exempels, in der sein Verhaltensmodell in eine zwingende Handlungsforderung überführt wird. Auch nach dem Thermidor lebte die Überzeugung fort, dass Monarchien keine Thermopylen hätten, denn: 96 )

Vgl. Estaing, Thermopyles, S. 19, 34; Plut. Apophth. Lac. Ausg. Levesque, S. 1. Estaing, Thermopyles, S. 120. 98 ) Loaisel, Combat, S. 58. 99 ) Vgl. Herding/Reichardt, Bildpublizistik; Vovelle, Re ´ volution; Thamer, Freiheit, S. 75–91. 100 ) Deputation der Gardes nationales volontaires des Departements Corre ` ze am 2. 1. 1792, AP 37, S. 3. 97 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

Ce de´vouement est le fruit de l’amour de la patrie, que la jouissance de la liberte´ inspire.101

Dieses Beispiel von 1796 stellt zudem ausdrücklich einen Bezug zum Partizipationsgedanken her, der, wie sich aufgrund der Quellenlage nur vermuten lässt, auch in der napoleonischen Zeit nie ganz verschwand.102 Die kontinuierliche Rezeption der Schlacht an den Thermopylen über die politischen Umbrüche von Thermidor und Brumaire hinweg hängt mit ihrer Verwendung im Kontext der außenpolitischen, militärischen Konflikte zusammen. Über die Notwendigkeit der nationalen Verteidigung, bzw. ab Mitte der 1790er Jahre der französischen Expansion, herrschte bis gegen Ende des Empire bei den militärisch und politisch Verantwortlichen weitestgehend Konsens. Der patriotische Freiheitsbegriff und die affektive Motivation der soldats-citoyens, die in das Exempel der antiken Niederlage eingeschmolzen waren, hatten eine inkludierende Funktion nach innen. Dabei war, je nachdem, welches Element der Schlacht an den Thermopylen stärker hervorgehoben und an bestimmte Diskurse angeschlossen wurde, eine relativ große Varianzbreite politischer Konnotationen möglich: so die einer konstitutionellen Monarchie, einer egalitären Demokratie oder einer nicht näher definierten, aber realiter eingeschränkten Partizipation im Herbst 1791 sowie im Directoire. Das emanzipatorische Element konnte auch ganz hinter dem Patriotismus zurücktreten, dennoch schwang es mit. Die Tatsache, dass die Störung von Loaisels Combat des Thermopyles 1798 als Angriff auf die Republik verstanden wurde, markiert eine Grenze zwischen denjenigen, die die politischen Errungenschaften der Revolution in irgendeiner Form bewahren wollten, was grob gesagt ein politisches Spektrum von konstitutionellen Monarchisten bis Babouvisten abdeckt, und denjenigen, die sich in die Zeit vor 1789 zurückwünschten, d. h. den Ultraroyalisten. Die weitere Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen in Frankreich ab 1820, als die Ultras zunehmend Einfluss auf die Politik gewannen, zeigt, dass die antike Niederlage aufgrund des mit ihr verbundenen Freiheitsbegriffs und vielleicht mehr noch wegen ihrer Verwendung in der Revolution und im napoleonischen Kaiserreich als ein im weitesten Sinne republikanisches Exempel galt (vgl. Kap. II.4.2).103 Neben dieser kontinuierlichen Rezeptionslinie der Schlacht an den Thermopylen gab es zwischenzeitlich einen Anknüpfungspunkt, der nach dem Thermidor an Bedeutung verlor: Es ist der Verräter in den eigenen Reihen. Auffälligerweise thematisieren eine Reihe der Reden von 1791/92, die die antike Schlacht argumentativ einsetzen, die drohende äußere Gefahr zusammen mit einer Bedrohung der Revolution im eigenen Land durch die konspirativen Netzwerke der Emigranten, die 101 )

Le Re´dacteur Nr. 157 vom 20. 5. 1796, S. 3. Vgl. Le Re´dacteur Nr. 157 vom 20. 5. 1796, S. 3; Foulon, Histoire, S. 241. 103 ) Dele ´ cluze, David, S. 230, 245 behauptet, David habe mit dem Le´onidas „vieilles ide´es re´publicaines“ verfolgt, wobei er nicht ausführt, was diese konkret beinhalteten. Mit dem inkludierenden Freiheitsbegriff wird deutlicher, warum David das Thema der Schlacht an den Thermopylen als Pendant zu den Sabines wählte, die, da sich Hersilia zwischen ihren Mann und ihren Vater wirft, als innenpolitisches Versöhnungsbild des Directoire gedeutet werden können. Auch in der Verteidigung nach außen sowie im Gedenken an die Gefallenen ließen sich die Gemeinsamkeiten jenseits der innenpolitischen Konflikte zeigen. 102 )

2.2. Die Semantik der Revolution

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eidverweigernden Priester, den König und seine Militärs.104 Anfang Juli 1792 wurde Louis-Marie Prudhomme in der jakobinischen Zeitung Les Re´volutions de Paris konkret: Ungeachtet des späteren griechischen Erfolges habe allein der Verrat des Epialtes zum Tod des Leonidas und der Spartiaten geführt. Die Franzosen aber hätten mehr als einen Verräter in ihren Armeen, weshalb es dringend erforderlich sei, in einer zweiten Revolution König und adlige Armeeführung zu beseitigen. Denn si Le´onidas euˆt e´te´ un Louis XVI , si The´mistocle euˆt e´te´ un Lafayette, la nation greque euˆt disparu toute entie`re de la surface du globe.105

Zu diesem Zeitpunkt waren Paris und ganz Frankreich durch die militärischen Niederlagen, die Inaktivität der adeligen Generäle, die Entlassung der girondistischen Minister durch den König, dessen Veto gegen kriegswichtige Beschlüsse und La Fayettes Versuch, mit Truppen der Nationalgarde nach Paris zu marschieren, um die Jakobiner zu entmachten, in großem Aufruhr. Die Logik, dass der Kampf gegen äußere Feinde grundsätzlich durch innere Feinde gefährdet sei, schien sich zu bestätigen und auch hierfür wurde die Schlacht an den Thermopylen als historischer Beweis eingesetzt. In dieser Rhetorik, die offen zum Sturz der Monarchie aufrief, zu dem es am 10. August durch Föderierte und Pariser Volksmassen dann auch kam, wurden die Akteure der Perserkriege als Positivfolie und der Verrat an den Thermopylen als abschreckendes Beispiel so geschickt eingesetzt, dass die radikalen Forderungen den Anschein einer sich aus der Geschichte ergebenden Notwendigkeit erhielten.106 Bisher wurde gezeigt, wie in die Sprache, mit der die Schlacht an den Thermopylen beschrieben wurde, zeitgenössische Sinndimensionen eingelagert waren, aber umgekehrt wurden auch aktuelle Symbole in das antike Exempel integriert. Als während des Italienfeldzuges im April 1796 ein französisches Lager beim Monte Negino, das nur mit 1500 Mann besetzt war, von den Österreichern angegriffen wurde, ließ der Kommandant Rampon die Soldaten schwören, eher zu sterben als das Lager aufzugeben: Les Lace´de´moniens prononce`rent le meˆme Serment au De´troit des Thermopyles; fide`les a` leurs vœux, ils moururent a` leur poste.107

Die Franzosen dagegen konnten den Angriff abwehren. Bemerkenswert ist der Vergleichspunkt des Schwures, der für das Geschehen an den Thermopylen durch 104 )

Vgl. Louvet am 13. 12. 1792, AP 36, S. 87f.; Deputation der Gardes nationales volontaires des Departements Corre`ze am 2. 1. 1792, AP 37, S. 2f.; Debry am 30. 3. 1792, AP 40, S. 705; Vergniaud am 3. 7. 1792, AP 46, S. 83. 105 ) Re ´ volutions de Paris Nr. 156 vom 30.6.–7. 7. 1792, S. 29. 106 ) Hier wird die Forschungsdiskussion berührt, ob Krieg und Terreur sich gegenseitig bedingt hätten, was von Ozouf, Guerre, S. 133–172, in Abgrenzung zur marxistischen Historiographie bestritten wird. Ihre These, dass Krieg und Terreur im revolutionären Diskurs unverbunden gewesen seien, versucht Thamer, Freiheit, S. 79–91, für die Bildpublizistik zu bestätigen, ohne dies an genügend Beispielen belegen zu können. Anders Fehrenbach, Ideologisierung, S. 57–66, und Kruse, Vivre, S. 171–188, die zeigen, wie sehr 1791–1794 die äußere und die innere Bedrohung im revolutionären Diskurs verzahnt waren, der, verstanden als strukturierender Bestandteil politischer Praxis, die Handlungslogik mitbestimmte. 107 ) Ternisien, Fastes, o. Nr. Vgl. Bertaud/ Reichel, L’arme ´ e, S. 61; Gaehtgens, Leonidas, S. 244–249, Abb. 20–24.

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

keine antike Quelle überliefert ist. Dennoch finden sich Schwüre auch im Drama Estaings und auf dem Gemälde Davids.108 Der Schwur gehörte zum festen Bestandteil der revolutionären politischen Praxis, angefangen beim Schwur des Dritten Standes im Ballhaus im Juni 1789 über den Bürgereid zum ersten Jahrestag des Bastille-Sturms bis hin zu dem „Vivre libre ou mourir“ bzw. „Vaincre ou mourir“ der Nationalgarden, das auf den Fahnen stand109 und in spontanen Situationen immer wieder geschworen wurde.110 In diesen Symbolakten wurden sowohl größere Identifikations- als auch situative Handlungsgemeinschaften hergestellt, die den Einzelnen jenseits seiner persönlichen Interessen in einen verbindlichen Zusammenhang stellten.111 Gerade im militärischen Bereich bekam dadurch die Ausschließlichkeit der Forderung, für sein Land gegebenenfalls bis zum Tod einzutreten, eine verpflichtende Qualität, die auch in die antiken Vorgänge an den Thermopylen hineinprojiziert wurde. Das Spezifische der Thermopylen-Rezeption im Frankreich der Revolutionszeit ist, dass in den Darstellungen der Schlacht zentrale Schlagworte der aktuellen politischen Sprache sowie politische Symbole verwendet wurden. Während die antike Schlacht als Freiheitskampf, als Einsatz von Bürgern für ihr Vaterland, an dessen Staatsordnung sie politisch partizipieren, seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in vielen nationalen Freiheitsbewegungen Aktualität erhielt,112 wurde sie nur in Frankreich so eng mit der revolutionären Semantik verschmolzen. Wie die meisten antiken Exempel wurde die spartanische Niederlage in der politischen Rede als republikanisches Exempel festgelegt. Die Schlacht an den Thermopylen gehörte nicht zu den prominentesten antiken Exempeln. Da sie aber in erster Linie im außenpolitischen und militärischen Kontext verwendet wurde und nie von einer politischen Richtung monopolisiert worden war, konnte sie mit kleineren Bedeutungsverschiebungen über die politischen Umbrüche hinweg rezipiert werden. Das von der Schlacht vermittelte Handlungsmodell blieb vom Kriegsausbruch 1792 bis zum Ende des Empire virulent, und in den mit der Niederlage verhandelten Wertbegriffen konnten sich Anhänger der konstitutionellen Monarchie, Republikaner und später auch Bonapartisten wiederfinden. Eine politische Grenze wurde mit dem Exempel nur zu den Ultraroyalisten gezogen. Durch die Verbindung mit zentralen Begriffen der politischen Sprache kennzeichnet die französische Rezeption antiker Exempel in der Revolutionszeit eine besondere Dynamik. In den antiken Exempeln standen die Schlagworte in einem historisch verbürgten, idealen Sinn- und vor allem Handlungszusammenhang.113 Vgl. Estaing, Thermopyles, S. 26f. Auf einem Gesamtentwurf für den Le´onidas schwören die vier Jünglinge noch mit Schwertern in der Hand; vgl. Ausst. Kat. David, S. 504 Nr. 219. 109 ) Vgl. Fehrenbach, Nation, S. 98f.; Contamine, Mourir, S. 35. 110 ) Vgl. Kruse, Vivre, S. 166f. Vgl. Sissous am 28. 10. 1791, AP 34, S. 483. 111 ) Vgl. Papenheim, Erinnerung, S. 259. 112 ) Vgl. z. B. für Irland Thomas Davis (1814–1845): „For Greece and Rome who bravely stood / Three Hundred Men and Three Men: / And I prayed I yet might see / Our fetters rent in twain, / And Ireland, long a province, be / A Nation Once Again!“ Gemeint sind neben den 300 Spartiaten die drei Horatier; zit. bei Clarke, Spartan Ate, S. 64. 113 ) Die historisch veränderliche Vernetzung der politischen Semantik zu analysieren ist

108 )

2.3. Der Beginn des neuzeitlichen politischen Totenkultes

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Mit dem Exempel der Schlacht an den Thermopylen wurde in den Parlamentsdebatten zum Kriegsausbruch nicht nur der grundsätzliche Konnex zwischen lois, liberte´, soldats-citoyens und de´fense de la patrie historisch abgesichert und damit politisches Handeln gerechtfertigt, sondern auch konkret der zukünftige Einsatz für Frankreich gefordert. Während in ihrer Rezeptionsgeschichte die antike Schlacht in der Regel dazu verwendet wurde, allgemein bzw. von anderen zu verlangen, für das Vaterland zu sterben, finden sich in Frankreich zur Zeit der Kriegserklärung auch Fälle, in denen Gruppen mit dem antiken Exempel ihren eigenen Kriegseinsatz einforderten. Eine weitere Besonderheit der französischen Thermopylen-Rezeption ist, dass die lois des Grabepigramms der Spartiaten nicht nur wie in der lateinischen Version Ciceros als die Gesetze Lykurgs verstanden wurden, sondern mit der Verfassung von 1791 und damit überhaupt mit schriftlich fixierten Gesetzen in Verbindung gebracht wurden. Gekennzeichnet ist die französische Rezeption der Schlacht in der Revolutionszeit weiterhin dadurch, dass einerseits der Stoff häufig literarisch oder auch bildkünstlerisch bearbeitet wurde, womit durch ästhetische Strategien die überzeitliche Gültigkeit des historischen Ereignisses hergestellt wurde. Andererseits kehrte die spartanische Niederlage als historisches Exempel wieder in die politische Rede und die Publizistik zurück. In den parlamentarischen Debatten um den Kriegsausbruch erhielt das Exempel wieder die Funktion, ein grundsätzlich skeptisches Publikum durch Vergangenheit zu überzeugen.114 In einer Zeit, in der die sich überstürzenden Ereignisse den unumkehrbaren Prozess der ,Geschichte‘ erfahrbar machten, wurden die historischen Exempel der griechisch-römischen Antike wieder zu konkreten Modellen für zukünftiges Handeln.

2.3. Säkulare Unsterblichkeit. Der Beginn des neuzeitlichen politischen Totenkultes Seit der Kriegserklärung am 20. April 1792 führte das revolutionäre Frankreich fast permanent Krieg, der nahtlos in die napoleonischen Expansionskriege überging. Nachdem die französische Armee in den Sommern 1791 und 1792 sowie im Frühjahr 1793 durch sich aus Nationalgarden formierende Freiwilligenbataillone Zuwachs bekommen hatte, stieg die Zahl der Soldaten im Feld nach dem Dekret über die leve´e en masse im August 1793 auf über 700 000 und hatte sich damit gegenüber dem Beginn der Revolution ungefähr verfünffacht.115 In den letzten nach wie vor ein Problem in der begriffsgeschichtlichen Forschung; vgl. Reichardt, Mentalitäten, S. 175–215, mit Diskussion S. 225–240. Da die wichtigen Bedeutungsverschiebungen in der politischen Semantik und in der Antikenrezeption im Frankreich des 18. Jhs. parallel verlaufen, könnten die beiden Forschungsrichtungen voneinander profitieren; vgl. auch Re´tat, Citoyen, S. 89, 97. 114 ) Vgl. Klein, Exemplum, S. 68f.; Klein, Beispiel, S. 1433f. 115 ) Die Zahlen sind ein Problem, besonders für August 1793; die Zahl der Bataillone ist

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

beiden Jahren des Empire zählte die Grande Arme´e mehr als eine Millionen Soldaten. Der Krieg und der Soldatentod wurden zur Massenerfahrung. Nicht mehr nur ein eigener Stand, der sich aus sozialen Unterschichten rekrutierte und für den der Tod quasi zum Berufsrisiko gehörte, war betroffen, sondern alle männlichen Staatsbürger, sofern sie ledig und zwischen 20 und 25 Jahre alt waren. Obwohl selten alle Wehrpflichtigen einer Altersklasse aufgerufen wurden, wandelte sich mit den Revolutionskriegen der Umgang mit den Kriegstoten grundsätzlich. Das Gedenken an die im Krieg gefallenen Bürger wurde wieder zum identitätsstiftenden Bestandteil der politischen Kultur.116 Die Schlacht an den Thermopylen wurde im Kontext des neuen politischen Totenkultes in Frankreich rezipiert. Eine Tuschzeichnung des als ,Revolutionsarchitekt‘ in die Kunstgeschichte eingegangenen E´tienne-Louis Boulle´e, die zu den Illustrationen seines Traktats Architecture. Essai sur l’art gehört, zeigt einen monumentalen, einem antiken, römischen Sarkophag ähnlichen Bau auf einem flachen Sockel (s. Abb. 19).117 Die leeren, glatten Wandflächen sind lediglich im unteren Drittel durch applizierte Amphoren und direkt unter dem Dach durch einen umlaufenden Kriegerfries strukturiert. Die stereotypen, überlebensgroßen Männerfiguren mit Schilden sind in Schrittstellung dargestellt, tragen ein kurzes antikisierendes Gewand und eine ägyptisierende Kopfbedeckung oder lange Haare. Die Zeichnung ist im Essai der Bauaufgabe der Grabbauten zuzuordnen, wird aber im Text nicht eigens erwähnt. Allerdings überliefert ein anonymer Biograph Boule´es die Anekdote, dass dieser ihm den ersten Entwurf des Grabbaus gezeigt habe, „e´rige´ en commun a` un certain nombre de guerriers“. Er habe auf Boule´es Frage, was das sei, geantwortet „Passant va dire a` Sparte que nous sommes tous morts ici pour le maintien de ses saintes lois“, was der Architekt sofort begeistert in die Zeichnung geschrieben habe.118 Über der Eingangstür an der Stirnseite des Baus steht tatsächlich eine Inschrift, die aber nicht zu entziffern ist. Die Plausibilität dieser Episode wird dadurch erhöht, dass Boulle´e sich zu den Stadttoren, den einzigen Bauten seines Traktats, an denen ebenfalls Kriegerfriese vorkommen, im Begleittext folgendermaßen äußert (s. Abb. 20): Sur le stylobate qui sert a` la de´coration de ces murs, est place´e une file de guerriers que l’on a lieu de croire invincibles. J’ai cherche´ par la repre´sentation de ces guerriers a` rappeler l’heroı¨sme du courage de ces Lace´de´moniens qui, en voyant une ville de´fendue par des murs, se demandoient quels e´toient, les hommes assez pusillanimes pour employer de tels moyens de bekannt, diese konnten aber 400–800 Mann umfassen; vgl. Bertaud/ Reichel, L’arme´e, S. 10– 20; ähnlich Krumeich, Entwicklung, S. 136–138; Soboul, Re´volution, S. 293–295. 116 ) Vgl. Koselleck, Kriegerdenkmale; S. 255–276; Lurz, Befreiungskriege, S. 8–64; Contamine, Mourir, S. 31–36; Latzel, Sterben, S. 32– 46; Mosse, Gefallen, S. 20–25; Koselleck, Einleitung, S. 255–268; Jeisman/Westheider, Totenkult, S. 23–50; Papenheim, Erinnerung, S. 194–200, 203–301; Koselleck, Ikonologie, S. 5–27. 117 ) Die Editionen des erst 1933 wiederentdeckten Traktats Architecture. Essai sur l’art sind: Rosenau, Boulle´e; Wyss, Boulle´e. Boulle´e (1728–1799) baute v. a. Adelspalais und bekam trotz seiner Karriere in der Acade´mie nur wenige öffentliche Bauaufträge; ab den 1780ern widmete er sich fast nur noch seiner Lehrtätigkeit, in der auch sein Haupteinfluss gesehen wird. 118 ) Notice anonyme et manuscrite sur Boule ´ e zit. bei Pe´rouse, Boule´e, S. 205. Aufgrund dieser Episode wird der Grabbau Tombeau des Spartiates genannt.

2.3. Der Beginn des neuzeitlichen politischen Totenkultes

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de´fense. En plac¸ant, sur les murs de la ville, tous les guerriers arme´s pour la de´ffense, j’ai cru que cet emble`me diroit aux spectateurs. Ces murs ne sont rien; Redoutez le courage des habitans.119

Boulle´e bezieht sich hier für das Bild der Stärke, das er über die reine Ingenieursleistung der Befestigung hinaus erzeugen will, auf Plutarch, dessen Werke sich, wie auch Herodots Historien, in seinem Besitz befanden.120 Die Entwürfe von Grabbau und Stadttoren, die jeweils mit Einzelepisoden des antiken Sparta in Zusammenhang gebracht wurden, ergeben zusammen eine präzise, in idealtypische Architektur übersetzte Formulierung des politischen Totenkultes. Die Phalanx der widerstandsbereiten Bürger am Stadteingang hat ihre Entsprechung im Memorialbau für eine bei der Verteidigung der Stadt gefallene Gruppe von Bürgern. Das ,Opfer‘ der bei der Verteidigung des politischen Gemeinwesens gefallenen Bürger ist das Unterpfand für das Überleben der gesamten politischen Handlungseinheit. Diese verpflichtet sich im Gegenzug, (idealerweise) alle Kriegstoten in Erinnerung zu behalten, und findet darin einen Konsens jenseits von politischen oder sozialen Unterschieden. Für die Memoria der politischen Handlungseinheit an ihre gefallenen Mitglieder entwickelte Boulle´e einen Bau, der das Andenken derjenigen, denen er gewidmet ist, vor der „ravage des temps“ sichern soll.121 Boulle´es Idealentwürfe sind allgemein durch Monumentalität, Reduktion des Baukörpers auf stereometrische Grundformen und sparsamen Einsatz von Bauornamentik gekennzeichnet, und in seiner schlichten Form und materiellen Präsenz soll der Grabbau die Erinnerung innerweltlich bewahren. Die christliche Hoffnung, dass jede Seele im Jenseits erlöst werde, ist in dieser Zeichnung vollständig auf das Diesseits übergegangen. Mit der Schlacht an den Thermopylen wurde der Bau der Anekdote zufolge erst im Nachhinein in Verbindung gebracht, und die Konnotation mit der antiken Schlacht läuft ausschließlich über deren Grundstruktur, dass eine Gruppe von Bürgern bei der Verteidigung ihres Landes starb und ihrer von den Überlebenden gedacht wurde, wofür als griffige Ausdrucksform das Epigramm steht. Die strukturelle Nähe zwischen antikem und neuzeitlichem politischen Totenkult begünstigt die Verwendung der antiken Schlacht als säkulares Erklärungsmodell. Dabei scheint die Schlacht an den Thermopylen durch ihre lange Überlieferungsgeschichte selbst zu bezeugen, dass die Toten einer militärischen Auseinandersetzung tatsächlich im Gedächtnis der Menschheitsgeschichte bleiben, sogar im Fall einer Niederlage. Bemerkenswert an Boulle´es so genanntem Tombeau des Spartiates ist nicht nur, dass der Architekt aus dem Prinzip des politischen Totenkultes, das er teils aus dem antiken Sparta abgeleitet, teils in ihm wiedergefunden zu haben scheint, eine Bauaufgabe entwickelte, sondern auch, dass er dies zu einem frühen Zeitpunkt tat. Im November 1793 übergab Boulle´e das Manuskript des Essai mit den Boulle´e, Architecture, S. 129v; zit. nach Rosenau, Boulle´e, S. 137. Vgl. Plut. Lyk. 19; Apophth. Lac. 210 E/F Nr. 29, 30. Vgl. Pe´rouse, Boule´e, S. 254. Drei Entwürfe für Stadteingänge zeigen Kriegerfriese; vgl. Rosenau, Boulle´e, Abb. 76 f. 121 ) Boulle ´ e, Architecture, S. 123v; zit. nach Rosenau, Boulle´e, S. 135. 119 )

120 )

170

2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

dazugehörigen Zeichnungen der Bibliothe`que nationale; die ersten Zeichnungen stammen von 1781. Es ist also gut möglich, dass der Grabbauentwurf vor 1789 entstanden ist. Michael Papenheim hat in seiner Untersuchung zum Totenkult im Frankreich des 18. Jahrhunderts gezeigt, dass sich in den 80er Jahren konkrete Forderungen nach Denkmälern für im Krieg gefallene Soldaten häuften.122 Der dynastische Totenkult brauchte die Kriegstoten nicht, um die Fortdauer des Fürstenstaates zu legitimieren, weshalb es vor der Französischen Revolution auch keine neuzeitlichen Kriegerdenkmäler gab. Denkmalswürdig waren nur die Ruhmestaten von Herrschern und Heerführern; erst ab der Jahrhundertmitte wurden, häufig unter Berufung auf die griechische Antike, zunächst für gefallene Offiziere, dann für alle Kriegstoten öffentliche Ehrungen unabhängig vom Ausgang des Krieges gefordert. Während sich hier vor allem die Demokratisierungstendenz von öffentlicher Erinnerung zeigte, speiste sich der säkulare Unsterblichkeitsgedanke auch aus dem ,Kult der großen Männer‘, wie er Ende der 1750er Jahre im Umkreis der Acade´mie, z. B. durch die Praxis der Elogenwettbewerbe, gepflegt wurde. Mit ihnen wurde unabhängig vom Stand eine Elite an Geistesgrößen für ihre oft zu Lebzeiten nicht gewürdigten Verdienste um das Allgemeinwohl geehrt.123 Die neuartige Praxis, dass der toten Soldaten des Krieges öffentlich gedacht wurde, fällt in den ersten Revolutionsjahren im Vergleich zu den Begräbnisspektakeln der Revolutionsmärtyrer der Jahre I und II kaum auf. Dennoch war die Ehrung der Kriegstoten ab 1792 integraler Bestandteil der revolutionären Feste, so beim Föderationsfest am 14. Juli 1792, als eine temporäre Pyramide errichtet wurde, oder beim Feˆte de l’unite´ et de l’indivisibilite´ de la Re´publique Anfang August 1793, bei dem ein Pavillon zu Ehren der Kriegstoten auf dem Marsfeld gebaut und eine Urne mit Asche von Gefallenen im Festzug mitgeführt wurde. In der Provinz entstanden spätestens ab 1794 Kriegerdenkmäler, in Paris gab es allerdings kein zentrales Denkmal für einen nationalen Totenkult.124 Noch 1814 forderte die Comtesse Lenoir-Laroche ein solches Monument für die französischen Armeen, in dem der Le´onidas Davids hängen sollte.125 Interessant ist im Kontext des politischen Totenkultes wiederum Loaisels Drama Combat des Thermopyles, zu dessen Entstehungszeitpunkt im Sommer 1794 der Tod von Bürgern im Feld bereits aktuell war. Im 1. Akt von Loaisels Drama werden mehrere Memorialformen und -praktiken sowie die inhaltlichen Implikationen des politischen Totenkultes auf der Bühne gezeigt: So lagern die Spartiaten zu Beginn des Stückes um einen Hügel, auf dem ein Marmorgrabmal von drei 122 )

Vgl. Papenheim, Erinnerung, S. 149–163, 180–202, 213–238, 284–310. Auch die meisten Grabbauten Boulle´es wurden für ,große Männer‘ entworfen, so das berühmte Kenotaph für Newton; vgl. Boulle´e, Architecture, S. 123r –128v, bei Rosenau, Boulle´e, S. 135–137, Abb. S. 64–73. 124 ) Zeitweise wurde der Pavilion von 1793 weitergenutzt. Mit dem Ausbau der Madelaine zum temple de la gloire für die Grande Arme´e nach dem Sieg über Preußen brach Napoleon insofern mit dem revolutionären Totenkult, als er die hierarchische Gliederung der Armee auf die Memorialformen übertrug. Nur Marschälle sollten Statuen, Oberste Reliefs, alle anderen Inschriften erhalten; vgl. Koselleck, Ikonologie, S. 20–22. Der Bau wurde nie zu diesem Zweck genutzt. 125 ) Vgl. Lenoir-Laroche, Re ´ flexions, S. 42. 123 )

2.3. Der Beginn des neuzeitlichen politischen Totenkultes

171

gefallenen Lokrern steht. Die Spartiaten wohnen dem jährlichen Gedenkfest der Lokrer bei, das aus einem Festzug mit Musik und einem „discours fune`bre“ besteht. Ein alter Lokrer erinnert daran, dass sie dank des Einsatzes ihrer drei Mitbürger in Freiheit auf ihren Höfen weiterleben könnten. Danach ergreift Leonidas das Wort und prophezeit, wie das Gedenken an die 300 Spartiaten aussehen werde: Hundert verschiedene Völker werden sie ehren, Krieger werden von ihrem Grab zum siegreichen Kampf eilen, Eltern werden sie ihren Kindern als Vorbild empfehlen, die Künstler werden ihre Memoria verewigen: cette tombe [...] devenue pour les races futures un monument de religion, et dites, je vous le demande, soldats de Sparte, dites, s’il est doux a` ce prix, de se de´vouer et mourir pour sa patrie?126

In dieser Szene zeigt Loaisel sowohl die spezifische Logik als auch die Praxis des politischen Totenkultes und setzt an den Anfang, was nach dem Ende der Schlacht folgen wird. Mit der Projektion der lokrischen Gedenkveranstaltung auf den zukünftigen Ausgang des Kampfes an den Thermopylen wird die Handlungsanweisung, in die hier das dulce et decorum est pro patria mori eingearbeitet ist, mit einer Garantie für die innerweltliche Unsterblichkeit versehen. Deutlich wird, dass das Opfer von Bürgern für den Bestand ihrer Gemeinschaft nicht nur diese zum Gedenken verpflichtet, sondern auch zukünftige Generationen dazu, ebenfalls ihr Leben einzusetzen. Hier wird erkennbar, was Papenheim als einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Totenkult der Aufklärungsund dem der Revolutionszeit herausgearbeitet hat: Nach 1789 wurden aus dem Gedenken mehr oder weniger ausdrücklich Handlungsanweisungen für jedermann abgeleitet.127 Darüber hinaus weist die Szene eine religiöse Metaphorik und rituelle Handlungen auf, die auf den Vorgang des gewaltsamen Todes und auf sein Andenken übertragen werden.128 Im Sinne einer religion civile ,opfern‘ sich Leonidas und die Spartiaten in dem Drama für das Vaterland, dessen Fortbestand durch dieses ,Opfer‘, da die Schlacht an den Thermopylen bei Loaisel für die Griechen siegreich endet, unmittelbar gewährleistet ist. Im Unterschied z. B. zur römischen Vorstellung vom Opfertod für das Vaterland braucht die neuzeitliche Konstruktion im Grunde keine Götter bzw. keinen Gott. Zentral für die Verwendung der Schlacht an den Thermopylen im Kontext des entstehenden politischen Totenkultes ist, dass sie für eine vernichtende Niederlage steht, bei der es besonders schwierig ist, den Tod von Staatsbürgern zu rechtfertigen. Da der Xerxesfeldzug für die Griechen siegreich geendet hatte und die Niederlage an den Thermopylen vor diesem Hintergrund bereits in der antiken Tradition zu einem moralischen Sieg aufgewertet worden war, konnte sie im Sinne von ,das Opfer war nicht umsonst‘ eingesetzt werden und in Inversionslogik dennoch die Möglichkeit einer Identifikation mit dem Vaterland aufzeigen. Individuell gewendet bedeutet die revolutionäre Vorstellung vom Opfertod fürs Vaterland, dass die Unsterblichkeit der Seele im Totenkult der Zeit nicht sehr 126 )

Loaisel, Combat, S. 15. Vgl. Papenheim, Erinnerung, S. 309f. 128 ) Vgl. Guibert-Sledziewski, Patrie, S. 199–208; Willaime, Zivilreligion, S. 152–155.

127 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

wichtig war.129 Ein erklärter Feind dieser Ausprägung des jakobinischen Atheismus war allerdings Robespierre selbst, der in seiner Rede am 18. Flore´al des Jahres II (14. 5. 1794), in der er die Einrichtung eines Kultes für das Eˆtre supreˆme forderte, eine Reihe von Beispielen aus der antiken Geschichte anführte, um zu belegen, dass nur der Glaube an die Existenz eines Jenseits und an die Unsterblichkeit der Seele Tugend und große Taten ermögliche: Le´onidas aux Thermopyles [. . .] au moment d’e´xe´cuter le dessin le plus he´roı¨que que la vertu humaine ait jamais conc¸u, les invite pour le lendemain a` un autre banquet dans une vie nouvelle. Il y a loin de Socrate a` Chaumette, et de Le´onidas au Pe`re Duchesne.130

Das abgeänderte Apophthegma wird zum Beleg für eine wie auch immer geartete menschliche Weiterexistenz nach dem Tod. Was hier Robespierre in Auseinandersetzung mit dem materialistischen Atheismus der He´rbertisten ausspricht, läuft bei der neuzeitlichen Rezeption der Schlacht an den Thermopylen ab Mitte des 18. Jahrhunderts immer unterschwellig mit: Die zentralen Werte ,Tod‘, ,Unsterblichkeit‘ und besonders ,Opfer‘ sind in unterschiedlicher Intensität mit christlichen Vorstellungen verbunden.131 Die antike Schlacht dient zwar vordergründig als rein säkulares Erklärungsmodell des bürgerlichen Soldatentodes und dessen innerweltlicher Memoria, dennoch ist die Vorstellung vom Opfertod für das Vaterland implizit mit dem Opfertod in der Nachfolge Christi verwoben.132 Der Opfergedanke, der durch das Orakel im Bericht Herodots mit der Schlacht verbunden ist, erscheint nunmehr in einen christlich überhöhten Patriotismus transformiert. Diese Verflechtung vom Opfertod für das Vaterland, religiöser Metaphorik und dem Exempel der Schlacht an den Thermopylen zeigt auch ein deutsches Beispiel: Gottfried August Bürgers Gedicht Die Tode, das 1793 im Göttinger Musenalmanach veröffentlicht wurde, steht, da der Autor ein Anhänger der Französischen Revolution war, zwischen der französischen und der deutschen Rezeption der Schlacht an den Thermopylen im politischen Totenkult.133 Obwohl auch in Deutschland das Interesse an der antiken Schlacht grundsätzlich mit dem entstehenden politischen Totenkult in den deutschen Territorien verbunden ist, gibt es deutliche Differenzen zur französischen Thermopylen-Rezeption. Bürger unterscheidet in seinem Gedicht verschiedene Formen, als Soldat im Krieg zu sterben. Zum einen gibt es den durch seine Ziele gerechtfertigten, moralisch hochwertigen Heldentod (Strophe 1– 4), zum anderen den schlechten, schändlichen Soldatentod im Krieg (Strophe 5/6). Das Gedicht beginnt mit dem höchsten Ideal des Heldentodes: 129 )

Vgl. Papenheim, Erinnerung, S. 309. Robespierre, Rapports, S. 453f. Pierre-Gaspard Chaumette war He´bertist und der Pe`re Duchesne die auch in der Armee vielgelesene Zeitung Jacques Rene´ He´berts. Dieser war mit seinen Anhängern am 24. 3. 1794 hingerichtet worden. 131 ) Vgl. Cancik-Lindemaier, Opfer, S. 109–120. 132 ) Koselleck, Ikonologie, S. 7, warnt davor, von einer Säkularisierung des politischen Totenkultes zu sprechen, da die Typologien heidnischer Heroen und christlicher Märtyrer in unterschiedlicher Zusammensetzung immer wieder auftauchen. Vgl. für Preußen: Hagemann, Muth, S. 340–350. 133 ) Bürger (1747–1794) gilt als Vertreter des ,literarischen Jakobinismus‘; vgl. Grab, Bürger, S. 9–23; Kaim-Kloock, Bürger, S. 259–295. Vgl. Bürger, Tode, S. 385f. 130 )

2.3. Der Beginn des neuzeitlichen politischen Totenkultes

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Für Tugend, Menschenrecht und Menschenfreiheit sterben Ist höchst erhabner Mut, ist Welt-Erlösertod: Denn nur die göttlichsten der Heldenmenschen färben Dafür den Panzerrock mit ihrem Herzblut rot. Am höchsten ragt an ihm die große Todesweihe Für sein verwandtes Volk, sein Vaterland hinan. Dreihundert Sparter ziehn in dieser Heldenreihe Durchs Tor der Ewigkeit den übrigen voran.134

Als absolutes Ideal wird der Tod für die zentralen Werte der Französischen Revolution sowie für Volk und Vaterland herausgestellt, der sowohl mit religiöser Metaphorik aufgeladen als auch mit dem historischen Exempel der Spartiaten verbunden wird. Die Dreihundert stehen exemplarisch für diejenigen, die diesen Heldentod bereits gestorben sind, und konkretisieren gleichzeitig das abstrakte Modell vom Sterben fürs Vaterland im Historisch-Realen. Ihre Vorbildlichkeit wird bildhaft kenntlich, indem sie vorneweg in die – christlich assoziierte – Ewigkeit einziehen. Die religiöse Metaphorik und die Entzeitlichungslogik des historischen Exempels generieren zusammen eine höhere, quasi metaphysische Gültigkeit für den Tod fürs Vaterland. Diese abstrakte Formulierung vom moralisch hochwertigen Heldentod wird in den folgenden Strophen näher bestimmt. Zum guten Heldentod zählt „auch der Tod für einen guten Fürsten“ sowie der Tod zur Verteidigung der eigenen Familie.135 Dagegen ist es verwerflich für „blanke Majestät“ zu „verbluten“: „Denn das ist Hundemut, der eingepeitscht mit Ruten / Und eingefuttert mit des Hofmahls Brocken wird“ 136. Am schlechtesten ist allerdings, für „Tyrannen“ in den Krieg zu ziehen und zu sterben. Deutlich wird, dass Bürger den Tod fürs Vaterland danach moralisch kategorisiert, für welche Staatsform, für welche Ideale und in welcher Militärorganisation gestorben wurde. Moralisch falsch ist der Tod von gedrillten stehenden Heeren und Söldnern für absolute Herrscher und gesetzlose Tyrannen, womit sich ein assoziativer Raum zur Realität in den deutschen Territorien öffnet. Richtig ist dahingegen der freiwillige Soldatentod von Bürgern für einen aufgeklärten Herrscher, da nur ein nach Rechtsprinzipien geordneter Staat gleichzeitig auch Vaterland sein kann. Dieses Modell gehörte für Deutschland 1793 in den Bereich des Utopischen, für Frankreich nach der Hinrichtung des Königs allerdings zur Vergangenheit. Das „auch“, mit dem der Kriegstod für den guten Fürsten eingeführt wird, lässt vermuten, dass in der Formulierung des Ideals vom Tod fürs Vaterland in den ersten beiden Strophen eine weitere Staatsordnung mitgedacht ist. Die dreihundert Spartiaten standen im französischen Rezeptionskontext, in den sie durch die Wertebegriffe der Revolution gestellt sind, für Bürgersoldaten, die die Freiheit ihres Staates verteidigten, weil sie an diesem politisch partizipierten. Die ersten beiden Strophen lassen sich somit auch als der freiwillige Tod von Bürgern für ihre Republik lesen. Insgesamt basieren im Gedicht die Konzepte vom richtigen Tod fürs Vaterland auf der Idee der Freiwilligkeit und nicht derjenigen der allgemeinen Wehrpflicht. 134 )

Bürger, Tode, S. 385. Bürger, Tode, S. 385. 136 ) Bürger, Tode, S. 386. 135 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

Bürgers Gedicht Die Tode wurde in das Liedgut der ,Befreiungskriege‘ aufgenommen137 und findet sich ebenfalls in der Anthologie Reminiscere, die der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Anleitung für die Gestaltung von Volkstrauertagen 1930 herausgab.138 Dort werden nur die ersten beiden Strophen zitiert, ohne dass die Kürzung kenntlich gemacht ist. Damit fällt weg, dass Bürger den moralisch hochwertigen, ,sinnvollen‘ Tod fürs Vaterland davon abhängig macht, welche Staatsform das Vaterland hat. „Volk und Vaterland“ bleiben so diffuse, unpolitisch-affirmative Größen, für die zu sterben an sich einen Wert darstellt, was die Aussage Bürgers zwar genau ins Gegenteil verkehrt, aber gut in den politischen Totenkult der späten Weimarer Republik passt (s. Kap. III.2.2). Bürgers Verwendung der dreihundert Spartiaten für den Heldentod fürs Vaterland ist auch insofern eher ungewöhnlich, als in dieser Zeit in Deutschland die Schlacht an den Thermopylen vor allem durch das Grabepigramm auf die Spartiaten rezipiert wurde. Es gibt auffallend zahlreiche verschiedene deutsche Übersetzungen des Spartiaten-Epigramms, die größtenteils aus den 80er und 90er Jahren des 18. Jahrhunderts stammen.139 In der Regel gehören diese Epigramm-Übersetzungen in rein literarische Kontexte, zumal das Epigramm eine bevorzugte Gattung der Literaten der Aufklärungszeit war, dennoch wurden sie teilweise auch in Bezug zum beginnenden politischen Totenkult gesetzt. Außerdem ist Schillers Nachdichtung des Epigramms, das im politischen Totenkult in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allgegenwärtig war, in diesem Kontext entstanden. Zunächst hat das Interesse am Epigramm von Seiten der deutschen Literaten bzw. Philosophen, insbesondere bei Herder und Schiller, neben der historischen auch eine gattungs- und sprachtheoretische Prägung, die es zu dieser Zeit in Frankreich nicht in diesem Maße gab.140 Herder thematisierte innerhalb seines zivilisationstheoretischen Ansatzes den Zusammenhang zwischen der Gattung des Epigramms und einem bürgerlichen Toten- bzw. Denkmalskult und verweist darauf, 137 )

In das Liederbuch der Hanseatischen Legion; vgl. Kaim-Kloock, Bürger, S. 279. Vgl. Reminiscere, S. 115. 139 ) Von Stolberg, Gedichte (1782), S. 284: „Wandrer sag’ es in Sparta: Wir sind im Streite gefallen, / Haben gehorsam erfüllt unsers Landes Gesetz“; Georg Christoph Tobler, Schweizerisches Museum (1785), S. 788: „Fremdling, gehe nach Sparta und sage, du hast uns gesehen, / Hier begraben, weil wir seinen Gesetzen gehorcht“ zit. nach Baumbach, Wanderer, S. 20 Anm. 58; Herder, Zerstreute Blätter (1786), S. 350, 356: „Geh o Wandrer, und sag’s den Lacedämoniern, daß ihren Gesetzen gehorchend wir hier liegen“ und „Wanderer, sag’s zu Sparta, daß, seinen Gesetzen gehorchend, / wir erschlagen hier liegen“; ders., Ideen (1787), S. 121: „Wanderer, sag’s zu Sparta, daß seinen Gesetzen gehorsam / Wir erschlagen hier liegen“; Schiller, Gesetzgebung (1790), S. 423: „Erzähle Wandrer, wenn du nach Sparta kommst, daß wir seinen Gesetzen gehorsam, hier gefallen sind“; ders. Elegie (1795), S. 101f.: „Wanderer, kommst du nach Sparta, gib Kunde dorten, du habest / Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl“; Wieland, Gespräch (1798), S. 340: „Wandrer, sage den Spartanern, daß wir hier gestorben sind, / um ihren Gesetzen zu gehorchen“; Geibel, Classisches Liederbuch, S. 133: „Wanderer, meld’ es daheim Lakedämons Bürgern: erschlagen / Liegen wir hier, noch im Tod ihrem Gebote getreu“. Weitere Epigramm-Übersetzungen finden sich in den deutschen Schulbüchern der Kaiserzeit; s. Kap. III.1.1. 140 ) Generell gibt es viel weniger französische und englische Epigramm-Übersetzungen als deutsche; vgl. Oppermann, Thermopyleninschrift, S. 122–125. 138 )

2.3. Der Beginn des neuzeitlichen politischen Totenkultes

175

dass im Deutschland seiner Zeit das Entstehen solcher Inschriften unmöglich sei. Die Auseinandersetzung mit dem Epigramm bewegte sich im Kreis der Weimarer Klassik zwischen konsequenter Historisierung, die Herder zu einer scharfen Kritik an Ciceros Übersetzung „sanctis patriae legibus“ veranlasste, und einer ebenso gezielten Enthistorisierung, die Schiller in seinem Gedicht Elegie bzw. Der Spaziergang vornahm.141 Herder, Schiller und andere deutsche Übersetzer bezogen seine/ ihre Gesetze auf die Gesetze Lykurgs. Beide würdigten das Epigramm als „das erhabenste Denkmal politischer Tugend“ 142 und beide lehnten, wie auch Wilhelm von Humboldt und Georg Wilhelm Friedrich Hegel, den spartanischen Staat grundsätzlich ab, weil er seine Bürger nicht zu – individuell verstandener – Freiheit und Sittlichkeit erziehe. Der spartanische Staat wurde allgemein in Deutschland trotz der ausgeprägten Graecophilie der deutschen Intellektuellen nicht im gleichen Maße rezipiert wie in Frankreich.143 Innerhalb der kulturphilosophischen Meditation von Schillers Elegie bzw. Der Spaziergang steht das als Zitat gekennzeichnete Epigramm („Wanderer, kommst Du nach Sparta, verkündige dorten, Du habest / Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl“) an zentraler Stelle in der Mitte des Gedichts und dient als Grabinschrift für die gefallenen Verteidiger einer namenlosen antiken Zivilisation.144 Die Namenlosigkeit der antiken Stadt hat Programm, denn keinesfalls ist das antike Sparta gemeint, und der geschilderte Kampf vor den Stadttoren erinnert eher an Szenen des trojanischen Krieges als an den Engpass in Mittelgriechenland. Das Epigramm, das hier den Untergang einer alten und das Entstehen einer neuen Kultur markiert, ist nicht in einen anderen historischen, sondern in einen symbolisch-allgemeingültigen Zusammenhang übertragen. Was „das Gesetz“ ist, bleibt offen. Mit „wie das Gesetz es befahl“ machte Schiller den Plural der rhe´mata zum Singular und verschob den Akzent von den Akteuren, die gehorchten, zu der Institution, die befahl. Die Rezeption von Schillers Nachdichtung im 19. und 20. Jahrhundert wird zeigen, dass „das Gesetz“ in der Regel als moralisches Gesetz, als oberste Maxime im Sinne von Kants kategorischem Imperativ verstanden wurde. Dem Spartiaten-Epigramm wie dem Exempel der Schlacht an den Thermopylen fehlen in der deutschen Rezeption sowohl der politische Charakter durch die Praxisfelder von parlamentarischer Debatte und publizistischer Agitation als auch die inhaltliche Anbindung an eine schriftlich fixierte Verfassung. Diese Differenz zur französischen Thermopylen-Rezeption beobachteten auch die Zeitgenossen wie Christoph Martin Wieland, der den Demokratiekritiker Willibald dem Franzosen Heribert sagen lässt:

141 ) Vgl. Baumbach, Wanderer, S. 12–17; Herder, Zerstreute Blätter, S. 350–356; Schillers Elegie erschien 1795 im 10. Stück des 1. Jahrgangs der Horen, die grundlegend überarbeitete Fassung Der Spaziergang im Gedichtband von 1800. 142 ) Schiller, Gesetzgebung, S. 423. Vgl. auch Herder, Ideen, S. 121. 143 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 306–318; Rebenich, Thermopylae, S. 324f.; zur Antikenrezeption des 18. Jhs. in Deutschland: Fornaro, Deutschland, S. 792–805. 144 ) Vgl. Gelzer, Wanderer, S. 422– 428; Baumbach, Wanderer, S. 17–20.

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

[. . .] Leonidas und sein edles Häufchen starb um dem Gesetz zu gehorchen; Sie und ihre Mitbürger gehorchten dem Gesetz um zu leben. Aber der große Unterschied liegt in der Beschaffenheit des Gesetzes selbst. Jenen muthete ihr Vaterland nichts zu, als was, im Nothfall, die Pflicht eines jeden guten Bürgers in jedem Staat ist, – für die Rettung des Staats sein eigenes Leben in die Schanze zu schlagen. Ihnen hingegen muthet – nicht ihr Vaterland – sondern eine unter republikanischen Formen despotisierende Regierung zu, entweder etwas ganz vernunftwidriges, d. i. etwas mit den Rechten und Pflichten der Menschheit unverträgliches zu thun, oder allem zu entsagen, was den Werth des Lebens ausmacht.145

Wie generell im Deutschland des 18. Jahrhunderts das Reden vom Vaterland territorial und verfassungsmäßig widersprüchlich war,146 konnte auch das Spartiaten-Epigramm sowohl auf einzelne Territorialstaaten und ständische Gesellschaftsordnungen als auch auf imaginierte bzw. erhoffte Staatsgebilde und geforderte Verfassungsstaatlichkeit bezogen werden. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen in Deutschland war am Ende des 18. Jahrhunderts in seinem Bedeutungszusammenhang offener als in Frankreich. Situativ konnte das Exempel der antiken Schlacht dennoch für politische Konfrontationen benutzt werden. So gab es z. B. in Sachsen um 1800 eine publizistische Debatte um Das Grabmal des Leonidas, so der Obertitel des 1798 in Dresden erschienenen politischen Traktats von Friedrich L. von Wurmb.147 Dieser reagierte damit auf eine im Jahr zuvor anonym publizierte Schrift von Christian August Arndt, in der konstatiert wird, dass ein Enthusiasmus, wie ihn Leonidas und die Spartiaten an den Thermopylen gezeigt hätten, nur in Freistaaten möglich sei und daher in den deutschen Ländern nicht nachgeahmt werden könne.148 Arndt verbindet diese geläufige Argumentation mit einer Reihe von Reformforderungen für Sachsen.149 Zentral für Wurmbs Gegendarstellung ist das Spartiaten-Epigramm, an dem er seine Argumentation aufzieht. Es hat für ihn die Bedeutung einer Kurzformel für den patriotischen Einsatz für das Vaterland schlechthin.150 Er leitet jeden inhaltlichen Abschnitt mit dem Zitat „Gehorsam gegen die heiligen Gesetze des Vaterlandes“ ein und widerlegt Arndts Thesen, wobei er den bestehenden landesherrlichen Ständestaat als wohlgeordnet deklariert und in einer verschlungenen Beweisführung darlegt, warum der sächsische Ritterstand überhaupt nicht privilegiert sei, obwohl er keine Steuern zahle. Wurmb betont hiermit, ganz im Einklang mit einem Teil des deutschen Vaterlandsdiskurses des 18. Jahrhunderts, die Pflichten der Bürger, denen kaum Rechte gegenüberstehen.151 Für seine 145 )

Wieland, Gespräch, S. 340f. Vgl. Blitz, Vaterland, S. 399– 408. 147 ) Vgl. Wurmb, Grabmal; darauf reagierten Anonym, Freimüthige Bemerkung (1799), und Anonym, Beurtheilung (1805); in letzterer wird auch die Verwendung des ThermopylenExempels kritisiert: „Vermutlich war es auch eine ihm eigene Laune welche ihm zu einem, dem gemeinen Manne ganz unverständlichen Titel seines Werks vermochte“, ebda., S. 2. 148 ) Vgl. Arndt, Beförderung, S. 2f. 149 ) Die Forderungen richten sich v. a. auf eine Verfassung, ein unabhängiges Rechtswesen, Pressefreiheit, eine Besteuerung des Adels und die Besetzung der Staatsämter nach dem Leistungsprinzip; vgl. Arndt, Beförderung, S. 15ff. 150 ) Vgl. Wurmb, Grabmal, S. 8: „Verkündige, Wanderer, zu Sparta, / dass wir hier liegen, aus Gehor-/sam gegen die heiligen Gesetze des Vaterlandes“; dem Buch ist das Zitat der Version Ciceros vorangestellt. Im Folgenden: ebda., S. 13–209. 151 ) Vgl. Blitz, Vaterland, S. 403f. 146 )

2.3. Der Beginn des neuzeitlichen politischen Totenkultes

177

monarchische Ausdeutung des Thermopylen-Exempels ist bezeichnend, dass im Titel des Traktats das Epigramm als Grabmal des spartanischen Königs und nicht etwa der Spartiaten fungiert und dass die Ciceronische Version gewählt wurde, die es ermöglicht, die ,Heiligkeit‘ der Gesetze mit der göttlich sanktionierten landesherrlichen und ständischen Ordnung Sachsens in Verbindung zu bringen. Für das Exempel der Schlacht an den Thermopylen zeigt sich hier, dass es für völlig gegensätzliche politische Positionen argumentativ eingesetzt wurde. In Deutschland bewegt sich der Bedeutungsspielraum der antiken Schlacht bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen den Polen liberaler bzw. demokratischer Reformforderungen und monarchisch-obrigkeitsstaatlichen Beharrungswillens. Trotz seiner monarchisch-reformfeindlichen Einstellung ist Wurmb allerdings der Meinung, die für Sachsen gefallenen Landeskinder hätten wie die Spartiaten an den Thermopylen ein Denkmal verdient.152 So forderte auch, wie bereits erwähnt, Comtesse Lenoir-Laroche ein Denkmal für die Grande Arme´e und Theodor Körner eines für die toten Österreicher der Schlacht von Aspern 1809 gegen Napoleon: Doch umsonst such’ ich die Pyramide, Die der Denkstein ihrer Größe sei. [. . .] In dem blut’gen Thal der Thermopylen Wo der Griechen freie Schaaren fielen, Grub in Marmor ihrer Brüder Dank: ,Wandrer! sag’s den kinderlosen Aeltern, Daß für’s Vaterland auf diesen Feldern Sparta’s kühne Heldenjugend sank!‘153

Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen sowie das – hier sehr eigenwillig nachgedichtete – Epigramm wurden in Deutschland wie in Frankreich um 1800 als Pathosformel des beginnenden politischen Totenkultes benutzt und sind als solche, ähnlich wie die Ikonographie der Kriegerdenkmäler, international, auch wenn ein europäisch beeinflusster Kulturkontext die Internationalität begrenzt. Der Sinnstiftungszusammenhang dagegen ist ausschließlich national bzw. in Deutschland territorial und bedeutet eine scharfe Abgrenzung nach außen. Dass gerade die Schlacht an den Thermopylen dazu verwendet wurde, das Verhältnis von bürgerlichem Soldatentod und garantierter innerweltlicher Memoria zu reflektieren, hängt damit zusammen, dass mit dem Epigramm, den Inschriften und dem Enkomion Elemente des antiken politischen Totenkults überliefert sind. Das Exempel der Schlacht anzuführen oder das Epigramm zu zitierten schien dabei auch immer zu beweisen, dass die Toten eines Krieges niemals vergessen werden. Gekennzeichnet ist diese Rezeption der antiken Niederlage im frühen politischen Totenkult dadurch, dass sie vorwiegend in der Literatur, auf Bildern oder in der politischen Publizistik stattfand, in Medien also, die nicht nur von der Realität des Kriegstodes, sondern auch von der Praxis des Gefallenengedenkens deutlich 152 )

Vgl. Wurmb, Grabmal, S. 23–25. Körner, Aspern, S. 4. Die Schlacht am 21./22. 5. 1809 ging für Erzherzog Karl siegreich aus und war die erste französische Niederlage auf dem Territorium des ehemaligen Reiches. Ein Kriegerdenkmal in Form eines Löwen wurde erst 1858 in der Kirche von Aspern errichtet; vgl. Matsche-von Wicht, Kriegerdenkmal, S. 51–90. 153 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen in der Französischen Revolution

entfernt waren. Im Gegensatz zum politischen Totenkult in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Epigramm nicht auf Kriegerdenkmälern verwendet,154 sondern blieb auf der Ebene ästhetisierender Theorie. Die französischen und deutschen Beispiele weisen darauf hin, dass die Schlacht an den Thermopylen bereits in Bezug auf den bürgerlichen Soldatentod rezipiert wurde, bevor dieser Realität und das Kriegergedenken politische Praxis wurden. Die antike Schlacht erlangte damit kurzfristig Modellcharakter. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1793 in Frankreich und 1813 in Preußen hat die Etablierung des politischen Totenkultes begünstigt und somit auch zur Verbreitung der antiken Schlacht als Pathosformel in diesem Kontext beigetragen, war aber, wie die deutschen Beispiele zeigen, keineswegs eine Voraussetzung dafür. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen erhielt eine neue pragmatische Relevanz im politischen Totenkult um 1800. Ein zwar späteres Beispiel, das aber dennoch die Rezeption der Schlacht im Gefallenengedenken einer entstehenden Nation zeigt, ist die Inschrift auf dem 1843 errichteten Kriegerdenkmal in Alamo, Texas: „Thermopylae had her Messenger of Defeat; the Alamo had none“.155 Der kollektive Untergang von 180 Texanern im Fort Alamo gegen die Mexikaner im Jahr 1836 wurde wenige Tage später bereits mit der antiken Niederlage verglichen und nach dem Sieg der Texaner zum Gründungsmythos der texanischen Republik stilisiert.156 In einem rhetorischen Schluss a minore ad maius wird Alamo durch den Vergleich mit der Schlacht an den Thermopylen in seiner historischen Bedeutung aufgewertet und gleichzeitig als noch heroischer herausgestellt. Unklar bleibt, wer der „Messenger“ gewesen sein soll, der die Niederlage an den Thermopylen meldete; vermutlich ist der Bote von Marathon inkorporiert, vielleicht auch der Wanderer des Epigramms wörtlich genommen worden.157 Wie dem auch sei – in der Inschrift von Alamo ist das Exempel der Schlacht an den Thermopylen dauerhaft in der Praxis des Gefallenengedenkens eines Staates verankert worden.

154 )

Vgl. Lurz, Befreiungskriege, S. 108–113. Zit. nach Jenkins, Thermopylae, S. 298. 156 ) Vgl. Jenkins, Thermopylae, S. 298–304. 157 ) Jenkins, Thermopylae, S. 298 Anm. 1, ist der Meinung, die Niederlage im Engpass sei von griechischen Truppen, die nicht am letzten Kampf beteiligt gewesen seien, gemeldet worden, was zwar möglich, aber bar jeder Quellengrundlage ist. 155 )

3.1. Leonidas und Cambronne in Waterloo

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3. Comme Le´onidas? Antikes und zeitgenössisches Heldentum um 1800 3.1. Auf dem Feld der Ehre. Leonidas und Cambronne in Waterloo Napoleons Besichtigung von Le´onidas aux Thermopyles im Atelier Davids nach seiner Rückkehr von der Insel Elba am 1. März 1815 erhält im Hinblick auf seine endgültige Niederlage gegen die alliierten europäischen Mächte am 18. Juni beim belgischen Dorf Waterloo einen nahezu visionären Charakter, dem sich bis heute nicht alle historischen Darstellungen entziehen können.1 Auch der Zeitpunkt der Ausstellung des Gemäldes im Herbst 1814 wurde vor dem Hintergrund des untergegangenen Empires gedeutet, wobei Spartiaten und französische Soldaten miteinander verschmolzen: Tous les Spartiates avaient e´te´ extermine´s dans la campagne de Russie et dans la guerre de l’invasion.2

Die Suggestivität solcher Bezüge muss insofern näher beleuchtet werden, als der in den Revolutions- und napoleonischen Kriegen in Europa entstandene neue Typus des nationalen, militärischen Opferhelden durchaus in Konkurrenz zu den antiken Heldenexempeln stand.3 So soll Napoleon bei jenem Besuch im Atelier Davids nach der Schlacht von Marengo angesichts der Skizzen zum Le´onidas gesagt haben: „N’importe, le seul nom de Le´onidas est venu jusqu’a` nous, tout le reste est perdu pour l’histoire.“ Worauf Lucien seinen Bruder bei dem aufgebrachten Maler mit den Worten entschuldigte: „Il n’aime [...] que les sujets nationaux [...]“.4 Auch wenn der Hauptzweck dieser Szene ist, David die Relevanz des von ihm gewählten Themas darlegen zu lassen, so spiegelt sie doch die Meinung wider, dass die eigene Vergangenheit als Vorbild besser geeignet sei als die Antike. Im folgenden Kapitel sollen aus verschiedenen Blickwinkeln Vergleichssituationen und -punkte nationaler Helden mit Leonidas und seinen Spartiaten betrachtet Vgl. Villepin, Cent-Jours, S. 226f. Bare`re, Me´moires, S. 174; vgl. Th***, Vie, S. 132; Delavigne, De´vastation, S. 25, der in Anbetracht des Gemäldes dichtete: „Je vois Le´onidas. O courage! O patrie! / Trois cents he´ros sont morts dans ce de´troit fameux; / Trois cents! quel souvenir! . . . je pleure et je m’e´crie: / Dix-huit mille Franc¸ais ont expire´ comme eux!“ 3 ) Die historische und kunsthistorische Forschung tendiert zu der Auffassung, dass die Repräsentationen nationaler militärischer Heldenexempel die antiken abgelöst habe; vgl. Papenheim, Helden, S. 241–244; Busch, Bild, S. 24–180; Schilling, Kriegshelden, S. 43–125, der zur Kontrastierung des von ihm untersuchten Typus’ des militärischen Opferhelden Alexander den Großen anführt, der typologisch nicht dazu passt. Die aktuellen Arbeiten zur Entstehung der nationalen Heldenexempel in Deutschland kommen ganz ohne Antikenbezüge aus; vgl. Frevert, Soldaten, S. 69–87; dies., Militär, S. 147–154; Hagemann, Nation, S. 562–591; dies., Muth, S. 271–350; Schilling, Konstruktion, S. 121–144. Anders: Vovelle, Heldenverehrung, S. 108–115; Monnier, Vertu, S. 113–125. 4 ) Anonym, Notice, S. 57f.; vgl. Th***, Vie, S. 109f.; Coupin, Essai, S. 35; Dreuille, Notice, S. 169; Dele´cluze, David, S. 230f.; David, Peintre, S. 405 f. 1)

2)

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3. Antikes und zeitgenössisches Heldentum um 1800

werden, um das Verhältnis von nationalen und antiken Heldenkonstruktionen auszuloten. Zunächst wird an einem konkreten Beispiel, dem französischen General Pierre-Jacques-Etienne Cambronne in der Schlacht von Waterloo, gezeigt, wie das antike Exempel als Vergleich eingesetzt wurde. Damit verbunden sind eine Reihe von anderen Diskursen: der Konflikt um die Erinnerung an die napoleonische Vergangenheit in der französischen Öffentlichkeit im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts, die Veränderung des Deutungsmusters des militärischen Opferhelden und die Frage nach der Reichweite und Grenze des Thermopylen-Exempels bzw. seiner Handlungsdirektive. Hatte der „esprit de sacrifice“ 5 der Hundert Tage eine antike Komponente, wie z. B. die Comtesse Lenoir-Laroche in ihrer Schrift zu Le´onidas aux Thermopyles glauben machen will? 6 Ihrer Argumentation liegt die Vorstellung zugrunde, dass es übergeordnete, zeitlose, gleichsam anthropologische Werte und Verhaltensweisen für Militärs in bestimmten Situationen gibt, die jenseits aller historischen und kulturellen Diskontinuitäten existieren. In einem weiteren Schritt wird deshalb der Anteil des Exempels der Schlacht an den Thermopylen an der Konstituierung von militärischer Ehre beleuchtet. Auf dem Schlachtfeld südlich des belgischen Dorfes Waterloo bewahrheitete sich unverhofft der Vergleich Lenoir-Laroches mit der antiken Niederlage. Die Nachricht vom militärischen Debakel und der anschließenden Auflösung der französischen Armee am Abend des 18. Juni 1815 erreichte Paris mit einiger Verzögerung. Am 24. Juni berichteten das Journal ge´ne´ral de France und Le Patriote de 89 vom „de´vouement sublime“ der kaiserlichen Garde am Mont-Saint-Jean.7 Diese sei, während die französischen Truppen an der ganzen Front zurückwichen, unbeeindruckt von dem schweren englischen Beschuss herbeigeeilt. Die Aufforderung der englischen Generäle, sich zu ergeben, habe der kommandierende General Cambronne mit den Worten „La Garde meurt et ne se rend pas“ zurückgewiesen. Garde und General existierten nicht mehr. Die Gazette de France behauptete einen Tag später, dass die antike wie die moderne Geschichte nichts Schöneres böten.8 Die Zeitung Le Patriote de 89 brachte am 1. Juli eine E´loge du Ge´ne´ral Cambrone [sic], die damit beginnt, dass die Franzosen in Cambronne nun einen Leonidas bzw. einen Decius hätten und somit Lakedaimon und Rom nicht mehr um den Tod ihrer Krieger zu beneiden bräuchten.9 Der Vergleich Cambronnes mit den beiden antiken Helden wird auf der individuellen Ebene vollzogen, wobei der Akzent auf dem als ruhmvoll gedeuteten Ergebnis einer herausragenden Tat, dem Tod, liegt. Die Namen von Leonidas und Decius in der Eloge rufen als commemoratio ad hoc das gesamte Bedeutungssystem der beiden Exempel auf. Neben dem üblichen Zusammenhang von Einsatz für das Vaterland und anschließender Memoria wird hier zentral auf die individuelle Dimension der Tat und damit auf Cambronnes persönliche Kampfmotivation abgezielt. Sein Handeln in der Schlacht wird mit dem von Leonidas und 5)

So der Untertitel von Villepin, Cent-Jours. Vgl. Lenoir-Laroche, Re´flexions, s. Kap. II.1.2. 7 ) Vgl. Journal ge ´ ne´ral de France Nr. 297 vom 24. 6. 1815, S. 1; Le Patriote de 89 Nr. 55 vom 24. 6. 1815, S. 2. 8 ) Vgl. Gazette de France Nr. 176 vom 25. 6. 1815, S. 1f. 9 ) Vgl. Le Patriote de 89 Nr. 62 vom 1. 7. 1815, S. 1f. 6)

3.1. Leonidas und Cambronne in Waterloo

181

Decius kurzgeschlossen, die, da ihre Taten der E´loge zufolge von der ganzen Welt einhellig bewundert werden, als Beweis dafür stehen, dass entsprechende neue Taten als herausragend erkannt und gewürdigt werden können. Das Bestreben, Cambronnes Tat eine überzeitliche Gültigkeit zuzusprechen, verrät zudem deutlich die Absicht, eine Norm für ehrenhaftes Verhalten in der Schlacht zu bestätigen. Paradoxerweise ist in der Zeitung direkt im Anschluss an die E´loge ein offener Brief mit dem Titel Un citoyen Franc¸ais a` ses Repre´sentants abgedruckt.10 In ihm appelliert der anonyme Autor an die politischen Repräsentanten Frankreichs, ihre Situation weder mit der Invasion von Brennus und dem Opfertod der Senatoren zu vergleichen, da es im Moment weder einen Camillus noch ein Capitol gebe, noch nach dem Grundsatz „on vous a dit de mourir au poste qu’elle vous a confie´“ (vgl. Hdt. 7.220.1) zu handeln. Die Pflichterfüllung der Spartaner an den Thermopylen, so der Autor, habe zwar zur Seeschlacht von Salamis und zur Befreiung Griechenlands geführt, die Pflicht der Repräsentanten sei es aber nicht, sich zu opfern, sondern mit den Siegern über Frieden zu verhandeln, da die militärische Niederlage bereits sicher sei. Zu dem Zeitpunkt, als dieser Artikel erschien, hatten die beiden Kammern bereits den Belagerungszustand für Paris ausgerufen. Zwar war der Angriff der Preußen auf die Befestigungen im Norden am Tag zuvor, dem 30. Juni, erfolglos geblieben, aber im Anschluss war die Stadt umzingelt worden. Die erwartete große Schlacht blieb allerdings aus, da am 3. Juli der Waffenstillstand unterzeichnet wurde.11 Der anonyme Autor dieser Schrift betont, dass die zufällige Analogie einer historischen Situation kein Garant für eine erfolgreiche Realpolitik ist, und lehnt das Verhalten der Spartiaten an den Thermopylen als Handlungsoption für die politischen Repräsentanten ab. Während die E´loge intentional das Thermopylen-Exempel als Verhaltensnorm für eine allgemeine französische Mobilmachung aufbaut, trennt der Autor des offenen Briefes die durch das Exempel vermittelten Werte der Vaterlands- und Freiheitsliebe sowie der Gesetzestreue, die er auch für den zivilen Bereich als gültig erklärt, von dem Anspruch auf Handlungsrelevanz, der für ihn nur in den militärischen Bereich gehört. Zurück zu Cambronne: Der Brigade-General des 1. Regiments der Chasseurs a` pied der kaiserlichen Garde war keineswegs tot, sondern befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in englischer Gefangenschaft.12 Er war am Abend des 18. Juni mit einer Kopfverletzung ohnmächtig auf dem Schlachtfeld verblieben und hinter die englischen Linien gebracht worden, wobei seine Uniform samt seinem Vermögen in Form von Diamanten verschwand. Der Angriff der kaiserlichen Garderegimenter auf die Westflanke der englischen Stellung bei Waterloo fiel in die letzte Phase der Schlacht gegen 20 Uhr, als bereits die Umzingelung durch die Preußen drohte.13 Zwar gelang den vier 10 )

Vgl. Le Patriote de 89 Nr. 62 vom 1. 7. 1815, S. 2. Vgl. Wenzlik, Waterloo, S. 247–252. 12 ) Cambronne (1770–1842) stammte aus Nantes und hatte eine für diese Zeit typische Militärkarriere hinter sich, angefangen bei den Volontaires de la Loire-infe´rieure 1791 über sämtliche Feldzüge Napoleons. Er folgte als Major der Leibgarde Napoleon nach Elba und führte beim Rückmarsch durch Frankreich die Vorhut; vgl. Le Boterf, Cambronne, S. 9–172. 13 ) Vgl. Keegan, Antlitz, S. 147, 195–201; Wenzlik, Waterloo, S. 215–224. 11 )

182

3. Antikes und zeitgenössisches Heldentum um 1800

Garderegimentern unter der persönlichen Führung von Marschall Ney der Aufstieg auf das Plateau Mont-Saint-Jean, zum erhofften Durchbruch durch die englische Linie kam es allerdings nicht. Das englische Artillerie- und Infanteriefeuer führte zu schweren Verlusten bei den Mannschaften der Garden und ihren Offizieren. Der schwere Beschuss auf die in Kolonne marschierenden Garden, der Angriff der 52. Leichten Infanterie auf die Westflanke des 4. Chasseurs-Regiments, die ersten Auflösungserscheinungen des Korps D’Erlon, das den Hauptangriff auf das englische Zentrum durchführte, dies alles mögen Gründe dafür gewesen sein, weshalb die Garden zurückwichen. „La Garde recule“ wurde zum Fanal einer nun an allen Frontstellungen einsetzenden Rückzugsbewegung der französischen Armee. Napoleon schickte drei weitere Bataillone der Alten Garde, darunter auch das von Cambronne geführte 2. Bataillon des 1. Chasseurs-Regiments, den sich zurückziehenden Garden entgegen. Zusammen mit dem 2. Bataillon des 3. Grenadier-Regiments, das bereits vor dem Hauptangriff der Garden auf einem Hügel positioniert worden war und dort immer noch stand, kämpften diese vier Karrees standhaft in einer Phase der allgemeinen Auflösung der französischen Armee und der beginnenden Schlussoffensive Wellingtons. Grund für den Einsatz der vier Garde-Bataillone war wahrscheinlich die Rückzugsdeckung der in Unordnung flüchtenden französischen Truppen. In seiner Wirkung war er allerdings die Ehrenrettung der kaiserlichen Garde und damit der napoleonischen Armee. Ob das von Cambronne kommandierte Bataillon der Chasseurs tatsächlich der „dernier carre´“ war, das standhielt, wie Victor Hugo es in Les Mise´rables feiert, ist nicht mehr zu rekonstruieren.14 Das Zurückweichen eines Großteils der Garderegimenter wie das Aushalten weniger Bataillone hatten vielleicht schon für die Augenzeugen, sicher aber für alle späteren Deutungen eine große Symbolkraft. Die kaiserliche Garde war als Eliteeinheit der napoleonischen Armee nicht nur der Garant napoleonischer Herrschaft, sondern in ihrer egalitären Struktur, ihrer anti-bourbonischen und antiklerikalen Haltung auch ein Relikt der Revolution.15 Die Gardisten waren altgediente Veteranen der napoleonischen Feldzüge und verkörperten einen besonderen Soldatentypus, der Haudegentum mit großer persönlicher Tapferkeit und unverbrüchlicher Treue zu Napoleon verband. Die grognards blieben in Frankreich weiterhin, ungeachtet der wechselnden Popularität Napoleons, Gegenstand einer breiten Verehrung.16 In Les Mise´rables entwirft Hugo für den letzten Angriff der Garden ein bedeutungsgeladenes Naturschauspiel: Für kurze Zeit reißt der regenverhangene Himmel auf, und das unheilvolle Abendrot der untergehenden Sonne wird sichtbar, ebenjener Sonne, die die Garden in Austerlitz hatten aufgehen sehen. Auf dem Mont-Saint-Jean ging eine Ära zu Ende; im letzten Kampf der Alten Garden „(mouraient) Ulm, Wagram, Ie´na, Friedland, [. . .] en eux“.17 Hugos Darstellung der Vorgänge auf dem Schlachtfeld in den Waterloo-Kapiteln von Les Mise´rables zeigt, dass auch 1862 das Standhalten einiger Garden in Vgl. Hugo, Mise´rables Ausg. 1966, S. 411 f. Vgl. Keegan, Antlitz, S. 206f. 16 ) Besonders auch bei Victor Hugo, so in seinem Gedicht L’expiation. 17 ) Hugo, Mise ´ rables Ausg. 1966, S. 411. 14 )

15 )

3.1. Leonidas und Cambronne in Waterloo

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der allgemeinen Auflösung der napoleonischen Armee das zentrale Moment der französischen Erinnerung an die Schlacht war. Vor diesem Hintergrund ist die verbreitete und anhaltende Popularität Cambronnes und des Satzes „La Garde meurt et ne se rend pas“ zu sehen, den gesagt zu haben Cambronne zeit seines Lebens bestritten hat.18 Im Zusammenhang mit einem Zensurstreit im Dezember 181819 beschuldigte das royalistische Journal des De´bats das Journal ge´ne´ral de France, dass einer von dessen Journalisten den Satz „La Garde meurt et ne se rend pas“ nach der Schlacht von Waterloo erfunden habe.20 Das Journal ge´ne´ral reagierte prompt und erklärte, der Satz sei vielleicht nicht im Wortlaut korrekt, aber in der Sache, und stehe in nichts den Worten nach „que l’antiquite´ nous a transmis“.21 Hieraus wird ersichtlich, dass das zeitlich wie räumlich entfernte Geschehen am Mont-Saint-Jean in den Junitagen von 1815 von Pariser Journalisten durch die Folie antiker Heldenexempel angeeignet worden war. Das auf diese Weise generierte Exempel eines zeitgenössischen Helden wurde wiederum mit antiken Heldenexempeln verglichen. Neben den Konkretisierungen wie Leonidas oder Decius wird bei Cambronne häufiger allgemein auf die „plus grands hommes de l’antiquite´“,22 die „he´ros de l’antiquite´“ oder auch auf „un Roman“,23 „un Spartiate arme´“24 verwiesen. Diesen anscheinend beliebigen Formulierungen liegt, wie wiederum die konkreten Beispiele zeigen, die Vorstellung vom Typus des militärischen Opferhelden zugrunde. Gleichzeitig evoziert dieser allgemein gehaltene Wortlaut, dass alle Römer und Spartiaten in der Antike zu diesem Typus gehört hätten. Cambronne kehrte Ende des Jahres 1815 nach Frankreich zurück und wurde sofort verhaftet, um, wie viele Generäle und Offiziere Napoleons, wegen Hochverrats angeklagt zu werden. Er überstand den Prozess dank geschickter Verteidigung, wurde sogar für kurze Zeit wieder mit einem militärischen Kommando in Lille betraut und lebte nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst bis zu seinem Tod 1842 in seiner Geburtsstadt Nantes. Cambronne hielt sich aus den Diskussionen um die Authentizität seines vermeintlichen Ausspruches heraus, die ab 1818 verstärkt zwischen Journalisten, Literaten und Veteranen der napoleonischen Armee ausgetragen wurden. Bei dem Kampf um die Deutung verlief die Frontstellung in der ersten Phase entlang der politischen Konfliktlinie zwischen Royalisten und Liberalen. Bezeichnend dafür ist auch, dass der Name des Vgl. Le Boterf, Cambronne, S. 182, 200. Die Zensur hatte im Stück Be´lisaire von Etienne de Jouy die Verse „Un denier cri de gloire annonce leur tre´pas / Ils meurent les Gaulois, ils ne se rendent pas“ gestrichen, was darauf hinweist, dass die Popularität Cambronnes ein Problem für die Regierung war; vgl. Le Boterf, Cambronne, S. 183–186. In dem Stück spielte der populärste Schauspieler der Revolutionszeit, Talma, die Hauptrolle, und das Bühnenbild war nach dem Gemälde Davids Be´lisaire (1781) gestaltet, weshalb das ganze Stück ein Affront für die Ultraroyalisten gewesen sein dürfte; s. Kap. II.4.2. 20 ) Vgl. Journal des De ´ bats vom 16. 12. 1818, S. 2 f. 21 ) Journal ge ´ ne´ral de France Nr. 1555 vom 17. 12. 1818, S. 2. 22 ) Anonym, Cambronne, S. 69f. 23 ) Bonichon-Beaugrand, Hommage, S. 6. 24 ) Beaufort d’Auberval, France, S. 7. 18 )

19 )

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Journalisten, der „La Garde meurt et ne se rend pas“ erfunden haben soll, in der Encyclope´die catholique, d. h. von royalistischer Seite, enthüllt wurde. Der beschuldigte Journalist, Balisson de Rougemont, war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben, konnte sich also nicht wehren und ist so als Erfinder des Satzes in die Literatur zu Cambronne eingegangen.25 Jede Kritik an Cambronne wurde von liberaler Seite als ein Angriff auf die Ehre der napoleonischen Armee und damit auf die Ehre Frankreichs angesehen.26 Auch das Exempel der Schlacht an den Thermopylen gehörte in der Restaurationszeit zum Repertoire der liberalen Opposition (s. Kap. II.4.2). Eine andere Wendung bekam die Auseinandersetzung nach Cambronnes Tod, als die Söhne des bei Waterloo gefallenen Baron Michel gegen die Planung eines Denkmals für Cambronne in Nantes protestierten, da sie die Urheberschaft des Ausspruchs „La Garde meurt et ne se rend pas“ für ihren Vater beanspruchten. Ihr Gesuch beim Staatsrat führte zu einer Untersuchung, bei der von beiden Seiten die Referenzen für den Ursprung des Satzes zusammengestellt wurden. Die Söhne von Baron Michel konnten sich nicht durchsetzen und das Denkmal wurde 1848 mit dem Satz auf dem Sockel eingeweiht.27 Eine völlig neue Dimension bekam der Streit um die Authentizität des Ausspruchs mit der Veröffentlichung von Hugos Les Mise´rables 1862. In den Waterloo-Kapiteln am Anfang des zweiten Teiles seines Romans feiert Hugo Cambronne als den einzigen Sieger der Schlacht. Von den Engländern umzingelt, habe er der Aufforderung, sich zu ergeben, „merde“ entgegnet. Damit sei Leonidas durch Rabelais vervollständigt worden.28 Die Empörung war groß. In Lille meldete sich ein ehemaliger Gardist, der behauptete, bei Waterloo im Bataillon Cambronnes gekämpft zu haben, und zu Protokoll gab, er habe Cambronne „La Garde meurt et ne se rend pas“ sagen hören. Bei dieser Anhörung war auch Marschall MacMahon, damals Oberbefehlshaber des in Lille stationierten 2. Armee-Korps, anwesend, was die politische Tragweite des umkämpften Satzes verdeutlicht.29 Doch weder dieser Einsatz der ranghöchsten Militärs Frankreichs noch die Weissagungen des Nostradamus30 noch die Literaturkritik an Vgl. Durozoir, Cambronne, S. 159. Vgl. Brunschvicg, Cambronne, S. 120–135; Le Boterf, Cambronne, S. 183, 189–209. In der Lyrik wurde Cambronne als Retter der französischen Ehre gefeiert, so von Delavigne, Waterloo (1818), und Lefe`vre, Le dernier cri de la Garde impe´riale (1818). Auch in Deutschland wurde der Satz rezipiert, z. B. von Christian Dietrich Grabbe, Napoleon oder die Hundert Tage (1829/30), oder in der fachinternen Diskussion über die militärische Notwendigkeit von Garderegimentern; vgl. Militärische Blätter 1 (1820) Juni, S. 439– 443; weitere Beispiele bei Fried, Wissenschaft, S. 291f. Anm. 1. 27 ) Vgl. Labot, Au Roi; in den Archives municipales de Nantes gibt es zu dieser Untersuchung eine Akte; vgl. Brunschvicg, Cambronne, S. 136–138, dort Auszüge. Zur Denkmalseinweihung vgl. Priou, Cambronne. 28 ) Hugo, Mise ´ rables Ausg. 1966, S. 413. 29 ) Dokumente bei Brunschvicg, Cambronne, S. 139–142. Der Gardist, Antoine Deleau, hatte, wie sich später herausstellte, ca. 2 km von Cambronne entfernt gekämpft; vgl. Le Boterf, Cambronne, S. 193–195. 30 ) Vgl. Le Pelletier, Oracles, der die Centurie II , S. 70, auf Cambronne deutet. 25 )

26 )

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Hugos Werk31 konnten verhindern, dass sich die Version Hugos langfristig durchsetzte.32 Die häretische Version Hugos wäre nicht auf Dauer so erfolgreich gewesen, hätte sie nicht den Ton der Zeit getroffen.33 Die Kontrastierung der heroischen Tat mit dem „dernier des mots“ 34 verfremdet das Pathos der Situation. Der ,klassische‘ Heldentypus, für den Leonidas steht, wird nach der Art des Renaissance-Dichters Franc¸ois Rabelais gebrochen, der in seinem Romanzyklus Gargantua et Pantagruel Stilmittel hoher und volkstümlicher Literatur miteinander mischte. Zum einen wird deutlich, dass es eine Tradition gab, Cambronne mit Leonidas in Verbindung zu bringen, zum anderen, dass Hugo diesen Heldentypus für ergänzungsbedürftig hielt. Er passte mit seiner fatalistischeren Version Cambronne an das Deutungsmuster militärischen Heldentums seiner Zeit an, genauer gesagt, an das Bild, das sich seine Gegenwart von den grognards des Ersten Empires machte. Wie eng die Deutungsmuster des nationalen und des antiken Helden miteinander verwoben waren, wird an der Kritik von Charles-Augustin de Sainte-Beuve zu Les Mise´rables ersichtlich: „Le´onidas a-t-il meˆle´ un juron de son temps a` la parole sublime qui a traverse´ les sie`cles?“ 35 Das Beispiel Cambronnes scheint die Verwandtschaft zwischen den französischen Soldaten der napoleonischen Armee und Leonidas und seinen Spartiaten an den Thermopylen zu bestätigen, zumindest nach der Deutung einiger Pariser Journalisten im Juni 1815. Sie gestalteten aus den zu diesem Zeitpunkt noch unklaren Vorgängen am Mont-Saint-Jean und aus der Person Cambronnes nach dem Muster von antiken Heldenexempeln einen neuen, nationalen Helden, der von ihnen wiederum mit antiken Heldenfiguren verglichen und damit als zeitlos gültig bestätigt wurde. Der nationale Held Cambronne ist also aus antiken Heldenexempeln generiert, deren Auswahl und Verständnis allerdings gleichermaßen vom neuen Typus des nationalen, militärischen Opferhelden geleitet war. Diese Vergleichspraxis gab es bereits für die gefallenen Generäle der Directoire- und Konsulatszeit.36 Die kulturellen Deutungsmuster von antikem und nationalem Heldentum erscheinen insgesamt so eng verflochten, dass in den diskursiven Strukturen eine Gemengelage der sich permanent gegenseitig bestätigenden Deutungssysteme entstand, die ihrerseits völlige Zeitlosigkeit suggerierte. 31 ) Z. B. durch Alphonse-Marie Lamartine, der seine vernichtende Kritik mit den Worten „Mieux valait mourir en silence!“ beendete; zit. nach Hugo, Mise´rables Ausg. 1966, S. 412 Anm. 1. 32 ) Vgl. z. B. die Frontzeitung Cambronne (1940), die ganz der Tradition von „le mot de Cambronne“ folgt; den Film Le mot de Cambronne (1937) von Sacha Guitry; Villepin, Cent-Jours, S. 446, der beide Versionen zu „Merde, la Garde meurt et ne se rend pas“ verschmilzt; die Reaktion der französischen Umweltministerin Roselyne Bachelot auf Donald Rumsfelds Titulierung Frankreichs und Deutschlands als ,altes Europa‘, SZ vom 24. 1. 2003, S. 2; und Fried, Wissenschaft, S. 291f., der die aufklärerische Geschichtsforschung im Fall Cambronnes in einem einzigen unaussprechlichen Wort münden sieht. 33 ) Es scheint auch vorher bereits eine Tradition existiert zu haben, nach der Cambronne irgendeinen Kraftausdruck benutzt hat; die entsprechenden Dokumente wurden aber alle erst nach Les Mise´rables veröffentlicht; vgl. Le Boterf, Cambronne, S. 210–216. 34 ) Hugo, Mise ´ rables Ausg. 1966, S. 413. 35 ) Zit. nach Hugo, Mise ´ rables Ausg. 1969, S. 281 Anm. 1. 36 ) Vgl. Monnier, Vertu, S. 113–125.

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Diese Synchronisierungseffekte zwischen antikem und nationalem Heldentum auf der Deutungsebene gewinnen weiter an Konturen, wenn man die Handlungsebene betrachtet. Denn in den Vergleichen von Cambronne mit Leonidas wird unterstellt, der General habe so gehandelt und gesprochen wie der antike Held. John Keegan hat für Waterloo die Kampfmotivation von Mannschaften und Offizieren der englischen Armee untersucht, und seine Ergebnisse lassen sich im Wesentlichen auch auf die französische Armee übertragen, auch wenn sich das englische Offizierskorps im Gegensatz zum französischen überwiegend aus Adligen zusammensetzte, die ihre Offizierspatente gekauft hatten.37 Die Kampfmotivation der Soldaten, jene Antriebskraft also, die sie trotz der Todesangst, dem ohrenbetäubenden Geschützlärm und dem dichten Pulvernebel in einer Kampfsituation in der Formation aushalten ließ, hing nach Keegan von vier Faktoren ab: Neben der Angst, sich vor den Kameraden zu blamieren, Alkohol und der Aussicht auf Plünderungsgut war in erster Linie der vorbildhafte Einsatz des kommandierenden Offiziers entscheidend für das Durchhaltevermögen der Mannschaften. Von seinem Agieren im Gefecht und seinem Standhalten in kritischen Situationen hing die Kampfbereitschaft der Soldaten ab. Die Offiziere der napoleonischen Kriege waren mit Säbeln bewaffnet, woraus bereits ersichtlich wird, dass die Vorbildhaftigkeit des Offiziers nicht darin lag, aktiv zu kämpfen und seine Gegner zu töten, sondern in gefährlichen Situationen auszuharren und dabei den Tod billigend in Kauf zu nehmen. Die zahlreichen populären Druckgraphiken zu Cambronne zeigen ihn folglich mit erhobenem Säbel oder verwundet unter einem Baum liegend, nie aber kämpfend (s. Abb. 21; 22). Als Beweise und sichtbare Ehrenzeichen für diese Art persönlichen Mutes galten die Narben der erlittenen Kriegsverletzungen, von denen Cambronne, wie akribisch überliefert ist, zahlreiche zu bieten hatte.38 In dem Ideal, nicht selbst zu töten, sondern standzuhalten, unterscheidet sich der Offizierstypus der napoleonischen Kriege deutlich von Leonidas, wie er von Herodot dargestellt wird, dessen arete´ darin liegt, dass er bis zu seinem Tod aktiv kämpft. Obwohl in den Vergleichen Cambronnes mit Leonidas ein vollständig paralleles Denken, Fühlen und Handeln suggeriert wird, ist der eigentliche Punkt des Vergleiches die prinzipielle Bereitschaft, für das Vaterland zu sterben. Damit gewinnt für das antike Heldenexempel die Relation von Deutungs- und Handlungsebene an Schärfe: Zentral für die Kampfmotivation der Soldaten im Kampf war das ,richtige‘ Verhalten ihrer Offiziere. Dabei ist hervorzuheben, dass zu dieser Zeit kaum persönliche Beziehungen oder soziale Verantwortung zwischen den Offizieren und den Mannschaften bestanden, da die Offiziere mit wechselnden Kommandos betraut wurden. Dass der Satz „La Garde meurt et ne se rend pas“ nach seiner Enthüllung als Erfindung der Presse dennoch präsent blieb, weist darauf hin, dass er zumindest teilweise die Haltung des napoleonischen Offizierskorps angemessen charakterisierte. So soll Cambronne während seiner Zeit in Lille geäußert haben, „que cette noble pense´e existait bien dans la volonte´ e´nergique de 37 )

38 )

Vgl. Keegan, Antlitz, S. 209–225. Vgl. Le Boterf, Cambronne, S. 317–319; Poitrineau, Fonctionnarisme, S. 217.

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ses braves fre`res d’armes“.39 Er beschreibt hier einen verinnerlichten Wert, der Bestandteil der militärischen Berufsehre war und, wie der ganze verwickelte Fall um seine Person zeigt, von einer publizistisch-literarischen Öffentlichkeit außerhalb des militärischen Feldes begleitet, bewertet und eingefordert wurde. Mit der Erfindung des Satzes honorierte ebenjene Öffentlichkeit das fälschlicherweise angenommene Ergebnis von Cambronnes militärischem Handeln, da es ihren normativen Erwartungen entsprach.40 Dass darüber hinaus der Satz von den Söhnen des gefallenen General Michel eingeklagt wurde, offenbart das Sozialprestige, das aus dem napoleonischen Erbe gewonnen werden konnte und von dem sich die Nachkommen wohl eine wie auch immer geartete Dividende erhofften. Das öffentliche Interesse gerade an dieser Berufsehre erklärt sich zum einen aus dem hohen Ansehen des Offiziersberufs in der Gesellschaft des Empire und zum anderen aus der engen Verbindung der militärischen mit der nationalen Ehre, die im Entstehungsprozess der europäischen Nationen Selbstglorifizierung wie Einigungselement der verschiedenen Gesellschaften war.41 Die Funktion der antiken Heldenexempel wie Leonidas lässt sich in diesem Kontext dahingehend konkretisieren, dass mit ihnen bestimmte Verhaltensweisen von Militärs in kriegerischen Situationen als ehrenhaft honoriert wurden und sie damit zur Normierung und Substanzialisierung des militärischen Ehrbegriffs beitrugen. Obgleich das Thermopylen-Exempel für alle Soldaten gelten soll, kann sein sozialer Gebrauch weiter spezifiziert werden: Im Fall Cambronnes sind es die Journalisten und Literaten, die mit bildenden Künstlern, Politikern und Freiwilligen bereits in der Revolutionszeit die Rezipienten der Schlacht an den Thermopylen waren. Allerdings rezipieren sie im Fall Cambronnes die antike Schlacht im Hinblick auf einen besonders praxisnahen Beruf, den des Offiziers, zu dessen Wertehorizont sie damit beitrugen. Die soziale Zusammensetzung des französischen Offizierskorps hatte sich seit 1789, als neun von zehn Offiziere adelig waren, durch die Emigration, altersbedingtes Ausscheiden und neue Auswahlverfahren kontinuierlich verändert, so dass in der napoleonischen Armee Bürgerliche, die von der Herkunft aus den freien Berufen stammten, d. h. deren Väter z. B. Juristen oder Ärzte waren, die Mehrheit der Offiziere stellten.42 Bürgerliche mit einem kaufmännischen Hintergrund machten seltener eine militärische Karriere – wobei Cambronne, dessen Vater mit Salpeter und Holz handelte, zu dieser Gruppe zu rechnen ist –, während Handwerker und einige wenige Bauern in der napoleonischen Armee die Unteroffiziere stellten. Die soziale Schicht, in der das Exempel der Schlacht an den Thermopylen – wenn auch mit universellem Anspruch – in Frankreich rezipiert wurde, ist trotz unterschiedlicher Berufsgruppen auffällig homogen: Es sind grob umrissen die städtischen Ober- und Mittelschichten mit bürgerlichem Hintergrund, eher aus freien als aus kaufmännischen Berufen. War die 39 )

Zit. nach Le Boterf, Cambronne, S. 200. Vgl. Vogt/Zingerle, Einleitung, S. 12–23. 41 ) Vgl. Poitrineau, Fonctionnarisme, S. 211–213; Bertaud, Officier, S. 222; allgemein: Dörner, Ehre, S. 78–95. 42 ) Vgl. Bertaud/ Reichel, L’arme ´ e, S. 22–31. 40 )

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3. Antikes und zeitgenössisches Heldentum um 1800

Antikenrezeption im Frankreich der letzten drei Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts ein Distinktionsmittel zur adelig-höfischen Gesellschaft und implizit auch zu den sozialen Unterschichten (s. Kap. II.2.1), scheint mit der Ausbildung der Notablenschicht im Empire die Grenze nach oben zu verwischen. In diesem Zusammenhang ist ein Artikel von 1818 im Militär-Wochenblatt, Organ des königlich preußischen Offizierskorps, von Interesse, der eine Episode des österreichisch-französischen Krieges 1809 zum Gegenstand hat, welche bereits kurze Zeit später und bis heute immer wieder mit der Schlacht an den Thermopylen verglichen wurde.43 Es handelt sich um die Verteidigung zweier österreichischer Forts an den Alpenpässen von Malborghetto und Predil gegen die Franzosen, bei der am 17. bzw. 18. Mai die Hauptleute Friedrich Hensel und Johann Herrmann von Herrmannsdorf zusammen mit nahezu ihren gesamten Besatzungen fielen. Der Vormarsch der Franzosen wurde dadurch um vier Tage aufgehalten, was den ungefährdeten Rückzug der österreichischen Südarmee ermöglichte. In jenem Artikel nimmt der Autor, der kgl. preußische Offizier Georg Freiherr von Fircks, eine Buchbesprechung zum Anlass, für die beiden gefallenen Hauptleute eine öffentliche Huldigung durch die preußischen Offiziere zu fordern. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen hat hier die Funktion, den Taten von Hensel und Herrmann eine historische Dimension zu geben und sie dadurch als ,ehrenvoll‘ zu kategorisieren.44 Daraus leitet Fircks, mit dem zusätzlichen Appell an die nationale – und in diesem Fall großdeutsche – Ehre, die Forderung nach einem Anerkennungsakt durch die Berufskollegen ab. Dadurch soll eine herausragende militärische Tat unabhängig von der militärischen Hierarchie und vom sozialen Stand eines der Protagonisten honoriert werden, denn Hensel war nicht adelig und zudem Angehöriger des Geniekorps, d. h. einer Einheit, die in der Regel nicht kämpfte und im militärischen Ansehen hinter der Kavallerie und der Linie zurückstand. Dies zeigt, dass Fircks hier eine professionelle Ehre jenseits des Standes gewürdigt haben möchte. Insofern wird mit dem historischen Exempel etwas gefordert, was in dieser Zeit keineswegs selbstverständlich war. In Österreich, wo Hensel und Herrmann auch außerhalb des militärischen Bereichs als nationale Helden rezipiert wurden, dauerte es bis 1850, bis ihnen auf Drängen der Presse Denkmäler errichtet wurden.45 Darüber hinaus fällt in dem Artikel auf, dass der 43 ) Vgl. Fircks, Muth, S. 485– 489. Zuerst findet sich m. W. der Vergleich bei Riedler, J. W.: Die Thermopylen in den karnischen Alpen. In: Carinthia 2 (1811) und im Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst 2 (1811), Nr. 51; weiterhin Riedler, Malborghetto, S. 82–91; sowie Veltze´, Thermopylen; Zillich, Hensel, S. 8 Anm. o. Nr. mit weiterer Literatur. 44 ) Neben den Decii werden Karl XII . bei Bender gegen die Türken, der Marschall von Sachsen gegen die Polen, Zrini bei Sygeth, der ,ungarische Leonidas‘, über den Körner ein Drama schrieb, General Richards Verteidigung von Schloss Alikante u. a. angeführt. Fircks unterscheidet zwischen denjenigen, die strategisch wichtige Orte verteidigten, und denen, die dabei oder überhaupt auf dem Schlachtfeld starben, wie Epaminondas, Assas, General Wolfe bei Quebeck und Gustav Adolf bei Lützen; vgl. Fircks, Muth, S. 485f., 488. Herrmann soll mit seiner Mannschaft geschworen haben, das Vaterland bis zum Tod zu verteidigen, was Fircks mit Rampon vergleicht (s. Kap. II.2.2), um hinzuzufügen, dass dieser überlebt habe. 45 ) Die beiden Denkmäler sind von der Form her gleich: Am Fuß einer Pyramide, die die Inschrift trägt, liegt ein bronzener sterbender Löwe, der die französischen Embleme, Likto-

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Vergleich der Niederlage an den Thermopylen mit derjenigen an den beiden Alpenpässen in vielen Punkten relativ stimmig ist: In beiden Fällen ging es um Riegelstellungen an militärstrategisch wichtigen Punkten gegen eine feindliche Invasion, beide Male handelte es sich in der Interpretation der Zeitgenossen um Rückzugsdeckungen, beide Male um Niederlagen. Nicht nur die prinzipielle Bereitschaft, für das Vaterland zu sterben, ist hier der Vergleichspunkt, sondern deren Verbindung mit fachlichem Können und militärischer Notwendigkeit.46 Damit setzt sich diese Konstruktion exemplarischen Heldentums von dem vor allem durch die Person Theodor Körners repräsentierten dezidiert bürgerlichen Typus des militärischen Opferhelden ab, für dessen Rezeption Rene´ Schilling die verschiedenen gesellschaftspolitischen Positionen im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts aufgefächert hat.47 Körner, dichtender Freiwilliger des Lützowschen Freikorps, war am 26. August 1813 nahe Gadebusch bei einem Scharmützel mit einem französischen Nachschubtransport gefallen. Nach den beiden gängigen Versionen hatte er entweder einen Befehl Lützows ignoriert oder war von einem gefangenen französischen Offizier erschossen worden, weil er diesen verspottet hatte. Die Rezeption seines ,Heldentodes‘ setzte in der bürgerlichen Presse unmittelbar danach ein; für die Berufsmilitärs waren dessen Umstände eine weitere Bestätigung dafür, dass eine Wehrpflichtigenarmee zur professionellen Kriegsführung nicht taugte.48 Schilling hat anhand von Körner die Etablierung des von ihm so genannten Deutungsmusters des patriotisch-wehrhaften Bürgerhelden im Kontext der allgemeinen Wehrpflicht in Preußen ab 1813 und der damit verbundenen bürgerlichen Hoffnungen auf politische Partizipation und auf wie auch immer zu konkretisierende nationale Einheit herausgearbeitet. Dieses Deutungsmuster gehörte bis zur Reichsgründung 1871 zu einer oppositionellen Haltung gegenüber Militärführungen und konservativen Obrigkeitsstaaten. In diesem Kontext wurde das Exempel der Schlacht an den Thermopylen auch mit der Forderung nach einer Heeresverfassung in Form einer Landwehr verbunden, wie sie quer durch die verschiedenen politischen Lager des Bürgertums artikuliert wurde.49 So stehen die Spartiaten an den Thermopylen in der breit rezipierten Schrift des badischen liberalen Politikers und Historikers Karl von Rotteck Ueber stehende Heere und renbündel und römischen Schild, unter sich begraben hat; vgl. Matsche-von Wicht, Kriegerdenkmal, S. 74f.; Abb. bei Zillich, Hensel. Ob die Entscheidung für Löwendenkmäler in diesem Fall einen Bezug zu dem von Hdt. 7.225.2 erwähnten Löwendenkmal für Leonidas hatte, ist unklar. Generell gehören Löwen als Symbol für Tapferkeit zur Ikonographie von Kriegerdenkmälern; vgl. Lurz, Befreiungskriege, S. 187–189. 46 ) Vgl. auch Decker, Tapferkeit, S. 1995ff. im Militär-Wochenblatt. 47 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 58–125; Hagemann, Muth, S. 304–340, differenziert für Preußen die patriotisch-wehrhaften Männlichkeitsentwürfe noch weiter: So gab es eigene Leitbilder für die Soldaten des stehenden Heeres, für die Mittel- und Unterschichten in der Landwehr, für die Bürger in der Landwehr und für die Freiwilligen, zu denen Körner zu rechnen ist. 48 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 104–116. 49 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 95–104, der bei der Körner-Rezeption zwei bürgerliche Positionen ausmachen kann, von der die elitär-liberale auf Besitz und Bildung setzte und einen Konsens mit den Herrschenden erhoffte, während die demokratische eine konstitutionelle Monarchie anstrebte.

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Nationalmiliz von 1816 als Beleg für die Leistung, die diejenigen Nationalheere erbringen können, deren Soldaten dem Gesetz und damit allgemein der Gesellschaft zu Gehorsam verpflichtet sind und nicht einem Kriegsherrn.50 Die Schlacht an den Thermopylen wurde folglich im Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts für gegensätzliche Konzepte zeitgenössischen militärischen Heldentums benutzt. Im adeligen preußischen Offizierskorps, d. h. im Feld der Berufsmilitärs, konnte das Exempel zur Bewertung und Anerkennung einer militärisch herausragenden Tat dienen, wobei es eher zu einem berufs- als zu einem standesspezifischen Ehrbegriff beitrug.51 In den deutschen militärischen Fachorganen finden sich vermehrte Bezüge auf die Schlacht an den Thermopylen wie auf andere antike Themen bis ca. 1830.52 Im Kontext der bürgerlichen Forderung nach einer Nationalmiliz stand die Schlacht an den Thermopylen dagegen als Modell für den Einsatz von Bürgersoldaten mit allen gesamtgesellschaftlichen Implikationen, die den Gebrauch der antiken Schlacht in der Französischen Revolution charakterisieren. Das Vaterland, für das die Soldaten in den napoleonischen Kriegen gestorben waren, waren in der Deutung des preußischen Offiziers von Fircks die bestehenden Staaten, in der des badischen Liberalen von Rotteck aber ging es um eine Zukunftshoffnung, die nach den Karlsbader Beschlüssen von 1819 eine solche blieb. Mit der Schlacht an den Thermopylen bezogen sich beide auf das gemeinsame kulturelle Referenzsystem der griechischen Antike, die, gerade in ihrer flexiblen Auslegbarkeit, als ein kulturelles Konsensmodell zwischen den Staatsspitzen und den politisch nicht beteiligten Ober- und Mittelschichten der deutschen Länder bezeichnet werden kann. In Frankreich, den deutschen Ländern und – wie zumindest zu vermuten ist – anderen europäischen Ländern sowie in Nordamerika wurden in der Zeit der Revolutions- und napoleonischen Kriege antike Heldenexempel, wie Leonidas an den Thermopylen, als Maßstab für die Erkennung und Anerkennung zeitgenössischer militärischer Taten genutzt. Verallgemeinernd lässt sich festhalten, dass die neuen Deutungsmuster nationaler militärischer Opferhelden um 1800 eine antike Komponente hatten, wobei die antiken Helden ihrerseits zu Nationalkriegern geworden waren. Leonidas diente zur Absicherung und Stabilisierung des Deutungsmusters des Militärs, der in kritischer Situation für sein Vaterland stirbt. Diese 50 )

Vgl. Rotteck, Heere, S. 64, 69. Ein weiteres Beispiel ist die Würdigung der Verteidigung eines Forts in Mexiko durch wenige mexikanische Rebellen gegen die Spanier 1818 durch den Vergleich mit Leonidas im Militär-Wochenblatt 7 (1822) Nr. 307, S 2245–2247. Die Anerkennung galt, unabhängig von der Nationalität, der militärischen Leistung. 52 ) Vgl. neben o. g. Allgemeine Militär-Zeitung 3 (1828) Nr. 79f., S. 625ff.; Decker, Gedanken, S. 614. Vgl. auch Löhr, Taktik (1825), S. 1ff.; Kausler, Wörterbuch (1825), S. 195– 200; Ciriacy, Geschichte (1828), S. 12ff. Einen anderen Charakter hat die Rezeption großer antiker Feldherren wie Alexander, Hannibal, Caesar für die zeitgenössischen Feldherren und die Beschäftigung mit antiker militärischer Fachliteratur wie Frontinus, Askleipiodotos, Aelian, Arrian und Vegetius bzw. historischen Kriegsschilderungen von Xenophon, Polybios, Caesar, Livius und Sueton; vgl. Röck, Schlachtordnungen, S. 165–186. Die Frage „Soll der gebildete Officier auch mit dem classischen Alterthum vertraut sein?“ (In: Militärische Blätter 2 (1821), S. 458f.) wurde in den Fachorganen eindeutig bejaht. 51 )

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Vergleichsverfahren wurden außerhalb und innerhalb des militärischen Feldes angewandt, so dass die Schlacht an den Thermopylen, indem mit ihr ein bestimmtes Verhalten für Offiziere als ,ehrenhaft‘ normiert wurde, durchaus Handlungsrelevanz für diese Berufsgruppe gewann. Der soziale Gebrauch des antiken Exempels war in den deutschen Ländern heterogener als in Frankreich, da es auf konkurrierende Modelle des militärischen Opfertodes bezogen wurde. Gleichzeitig ist die Referenz auf die antike Schlacht so universell, dass sie jenseits von politischen und nationalen Grenzen zumindest in den Oberschichten verstanden und akzeptiert wurde. Innerhalb des Deutungsmusters des nationalen militärischen Opferhelden lässt sich das Verhältnis der zeitgenössischen zu den antiken Exempeln folgendermaßen charakterisieren: In den akteursbezogenen Vergleichen wird das Verhalten bzw. das Handeln parallelisiert, und die aktuelle militärische Tat erhält durch die antike eine historische, autoritative Tiefendimension. Indem beim Vergleich einer zeitgenössischen mit einer antiken militärischen Tat gleichzeitig eine andere historische Zeit aufgerufen und die Differenz negiert wird, wird das menschliche Handeln seiner situativen, militärischen, politischen und kulturellen Spezifika entkleidet und implizit der ,Natur‘ des Mannes zugerechnet. Die aktuelle militärische Tat wird zu einem Fall des Allgemeinen, und die vom Exempel der Schlacht an den Thermopylen vermittelten Werte und Verhaltensmuster erscheinen als ,natürlich‘, als anthropologische Konstante. Diese ist ausschließlich auf die Männer beschränkt. Die Verbindung zwischen dem Thermopylen-Exempel und einem speziell männlichen, wehrhaften Verhalten karikiert Annette von Droste-Hülshoff in einer Szene aus dem westfälischen Landleben, in der der Protagonist auf einem Spaziergang einen angriffslustigen Stier mit seinem Bambusstöckchen pariert und dabei aussieht wie „Leonidas bei Thermopilae“.53 Allgemein lässt sich festhalten, dass im frühen 19. Jahrhundert, als in Europa die Beschleunigung der Zeit überall massiv wahrgenommen wurde54 und die moderne Geschichtswissenschaft entstand,55 zeitgleich durch den Gebrauch antiker Exempel die Ungleichheit von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont zumindest für bestimmte Bereiche der Gesellschaften schlichtweg geleugnet wurde. Beim Opfertod fürs Vaterland funktionierte diese Entzeitlichungsstrategie wohl auch deshalb so reibungslos, weil der Tod eine absolute Grenze im Erwartungshorizont der Menschen darstellt. Für wie mächtig die habitualisierte Handlungsdirektive der Schlacht an den Thermopylen erachtet wurde, zeigt der Umstand, dass der Autor von „Un citoyen Franc¸ais a` ses Repre´sentants“ es für notwendig hielt, darauf hinzuweisen, dass das Exempel der Schlacht an den Thermopylen nicht für alle Situationen als Verhaltensmuster taugte.56 Aus diesem Beispiel wird auch ersichtlich, wie flexibel in 53 )

Droste-Hülshoff, Lande, S. 144f. Vgl. Koselleck, Erfahrungsraum, S. 349–375; Dipper, Grundbegriffe, S. 298–304; Leonhard, Liberalismus, S. 20–61. 55 ) Die erste quellenkritische Geschichte Spartas erschien 1800–1809, verfasst vom Breslauer Gymnasialprofessor Johann Friedrich Manso; vgl. Christ, Spartaforschung, S. 17f. 56 ) Vgl. Le Patriote de 89 Nr. 62 vom 1. 7. 1815, S. 2; s. o. Bei einer aus dem amerikanischen Bürgerkrieg überlieferten Episode soll der Brigadegeneral der bereits unterlegenen 54 )

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dieser Zeit sowohl mit der ahistorischen, exemplarischen als auch mit der historischen, einmaligen Komponente des Ereignisses argumentiert wurde, wodurch der Verpflichtungscharakter des Exempels immer auch bedroht war. So erklärte Napoleon sich in einem Brief vom 13. Juli 1815 bereit, sich den Engländern auszuliefern: „Je viens comme The´mistocle m’asseoir au foyer du peuple britannique“.57 Leider erwies sich die englische Regierung als ignorant gegenüber der historia als magistra vitae und verschiffte Napoleon ins Exil nach St. Helena.

3.2. Antike und zeitgenössische Heldenkörper Nachdem gezeigt wurde, wie die Deutungsmuster von nationalem und antikem Heldentum Anfang des 19. Jahrhunderts auf sprachlicher Ebene sowie in den Wahrnehmungs- und Verhaltensformen vielfältig miteinander verwoben waren, soll im Folgenden danach gefragt werden, wie sich ihr Verhältnis in den bildlichen Repräsentationen gestaltete. Zentral für eine bildliche Darstellung von Helden sind die Körperkonzepte: Wie beim Le´onidas von David gesehen (s. Abb. 2), wird über den antikischen, nackten Idealkörper ein ganzes Bündel von Ideen transportiert sowie die Exemplarität des historischen Ereignisses hergestellt (s. Kap. II.1.1). In welcher Relation standen dazu die Darstellungen zeitgenössischer, nationaler Helden, bei denen es die Forderungen nach historisch ,wahrer‘ Wiedergabe und die Schicklichkeit verboten, sie in idealer Nacktheit zu zeigen? Die kunsthistorische Forschung zu Körper- und Männlichkeitskonzepten in der Kunst um 1800 befindet sich gegenwärtig noch stark in Bewegung, so dass es schwierig ist, generalisierende Aussagen zu treffen.58 Parallel zu den politischen, sozialen und wirtschaftlichen ,Revolutionen‘ in Europa im Zeitraum von ca. 1750 bis 1850 veränderte sich das Feld der bildenden Kunst tiefgreifend und brachte, da das ganze System der bildkünstlerischen Repräsentationen durcheinander geriet, besonders viele neue Bildlösungen hervor. Auch wenn in der europäischen Kunst der Zeit allgemeine Trends, wie z. B. die Historisierung, festzustellen sind, so gibt es in den einzelnen Ausprägungen doch erhebliche Unterschiede zwischen den europäischen Ländern. So werden auf englischen Schlachtengemälden die sterbenden, zeitgenössischen Militärs blass, zart und fast körperlos dargestellt, während die französischen Kollegen ungleich muskulöser sind. In den Territorien des Reichs dagegen, wo die Gemäldeproduktion an die einzelnen Höfe gebunden war und ein Kunstmarkt noch kaum existierte, gab es diesen Bildtypus des für die Südstaaten-Armee, Thomas Lanier Clingman, vorgeschlagen haben, sich Grant und Sherman entgegenzustellen „show to the world how far we can surpass the Thermopylae of the Greeks“. Joseph E. Johnston soll daraufhin mit den Worten „I’m not in the Thermopylae business“ die Kapitulation eingeleitet haben; zit. nach Jeffrey, Clingman, S. 182. 57 ) Zit. nach Cronin, Napole ´ on, S. 450. 58 ) Vgl. z. B. Busch, Bild, S. 138–161; Solomon-Godeau, Male trouble, S. 286–312; Juncja, Körper, S. 35–57; Kaulbach, Abschied, S. 208–231; Kaulbach, Ideale, S. 127–145; Schilling, Körper, S. 119–140; Paret, Battles.

3.2. Antike und zeitgenössische Heldenkörper

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Nation sterbenden Helden nicht. Betont werden muss, dass es auch innerhalb eines Landes weder das Körperkonzept für zeitgenössische Helden noch den klassischen Idealkörper gegeben hat, zumal für die verschiedenen Kunstgattungen jeweils andere Regeln galten. Die Untersuchung zu den Bildlösungen der Schlacht an den Thermopylen sowie zu Darstellungen nationaler Helden, die mit Leonidas verglichen werden, kann folglich nicht der Schlüssel für die ganze Thematik der Körperinszenierungen von Helden bzw. Heldentoden sein, sondern soll lediglich die bisherigen Ergebnisse zur Praxis der Vergleiche der antiken Niederlage um die visuelle Dimension erweitern. Der Schwerpunkt liegt wiederum auf Frankreich. Die populäre französische Druckgraphik zu Cambronne folgt ganz dem Reportagecharakter der Gattung. In der Regel kurz nach der Schlacht bei Waterloo entstanden, zeigen die Radierungen dramatische Szenen des Kampfes am MontSaint-Jean. Dafür haben sich hauptsächlich drei Darstellungstypen herausgebildet, Cambronne liegend, Cambronne stehend mit erhobenem und mit gesenktem Säbel, die ihrerseits auf eine längere Darstellungstradition zurückgehen können, wie es in der französischen Druckgraphik sehr häufig der Fall ist.59 Auf zwei Radierungen wird im Text unter dem Bild Cambronne mit Leonidas verglichen: Auf der einen ist der General getroffen in die Arme eines Gardisten gesunken, während um ihn herum noch der Kampf tobt (s. Abb. 21). Die Bildunterschrift erklärt, dass er wie Leonidas an den Thermopylen lieber den Tod als die Kapitulation gewählt habe. Auf der anderen hat Cambronne die Fahne gepackt und den Säbel erhoben, um sich als „nouveau Le´onidas“ mit den wenigen übrig geblieben Gardisten auf die Engländer zu stürzen (s. Abb. 22). Die Waffen und Uniformen sind zeitgenössisch und verleihen den dargestellten Szenen Realitätsnähe; die Körper Cambronnes und der Gardisten sind – soweit die Qualität der Blätter ein solches Urteil zulässt – muskulös, aber nicht besonders idealisiert. Bestätigt wird dieses Verhältnis von Bild und Bildunterschrift durch zwei Radierungen aus einer Folge zu Ereignissen des Griechischen Unabhängigkeitskrieges (1821–1830), verlegt bei Friedrich Campe in Nürnberg (s. Abb. 23; 24). Bei beiden wird ebenfalls in der Bildunterschrift der Vergleich mit der Schlacht an den Thermopylen angestellt, die Körper der griechischen Freiheitskämpfer sind dagegen ohne besondere Idealisierung wiedergegeben. Zieht man zum Vergleich Druckgraphik hinzu, die die Schlacht an den Thermopylen zeigt, wie die Illustrationen zu Pinellis Istoria Greca von 1821 und zu Becker’s Weltgeschichte von 1836, so lässt sich Folgendes beobachten (s. Abb. 17; 25): Beide Blätter zeigen den letzten, entscheidenden Kampf der Spartiaten, die sich verzweifelt verteidigen und dabei auf den Leichen ihrer eigenen Leute stehen. Spartiaten wie Perser tragen Rüstungen, die, zum Teil etwas phantasievoll, doch als antik zu erkennen sind. Bei Pinelli sind die Körper der dargestellten Figuren sehr athletisch und muskulös, auf dem deutschen Stahlstich dagegen erscheinen die Muskelpartien geglättet, fast summarisch. Auf diesem Blatt haben die Leichen 59 )

Zur Druckgraphik zu Cambronne vgl. Paris, Bibliothe`que nationale de France, de´partement des Estampes et de la Photographie QB 1 1815 (18 juin suite). Vgl. auch Siegfried, History, S. 246f.

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größtenteils nackte Oberkörper, obwohl es merkwürdig anmutet, warum sie im Tod ihre Brustpanzer ausgezogen haben sollen. Die dargestellten Szenen der Schlacht an den Thermopylen sind ebenso Momentaufnahmen eines historischen Ereignisses wie die Radierungen zu Cambronne und zum Griechischen Unabhängigkeitskrieg. Die exemplarische Bedeutung der Schlacht wird vom Text herausgestellt. Den Bildern ist das Spezifische, Einmalige, den Texten das Exemplarische, Allgemeingültige des dargestellten historischen Ereignisses zugeordnet. Allerdings wird das Exemplarische teilweise auch über Bildstrategien hergestellt: Denn obwohl die idealisierten Körperformen der Spartiaten bei Pinelli und in Becker’s Weltgeschichte mit zur historischen Ausstattung der Szene gehören, stehen sie in einer assoziativen Verbindung zum normativen Konzept des nackten Idealkörpers in der Historienmalerei. Während sprachlich die Deutungsmuster von antikem und zeitgenössischem Heldentum verflochten wurden, blieben ihre visuellen Repräsentationen sowie deren Körperkonzepte getrennt. In den beiden Vignetten des Almanach des Grecs pour 1823 sind auf der linken Seite Leonidas an den Thermopylen auf der rechten Seite ein Kampf des Marcos Botzaris gegen die Türken am selben Ort dargestellt (s. Abb. 26).60 Leonidas und die Spartiaten sind nackt dargestellt, während die modernen Griechen und ihre türkischen Gegner zeitgenössische Kleidung tragen. Die Vignette zur antiken Schlacht rezipiert in einer Reihe von Aspekten das Gemälde Davids.61 Die Gattung der Druckgraphik ist bei der Wiedergabe von Ereignissen durch ihre Funktion als eine Form von Bildjournalismus mehr dem Realismus verpflichtet als die Historienmalerei, doch auch dort gehört das Konzept des nackten Idealkörpers in erster Linie zu den antiken Themen. Obgleich der Gefühlsgehalt auf Davids Gemälde sehr zeitspezifisch ist und das Dargestellte von Betrachtern und Betrachterinnen, wie gesehen, immer wieder mit aktuellen Ereignissen in Zusammenhang gebracht wurde, war es in dieser Zeit unmöglich, Personen aus unterschiedlichen historischen Zeiten mit ihren menschlichen Körpern gemeinsam in einem Bildraum wiederzugeben. So zeigt das Gemälde von Alexandre-E´variste Fragonard (s. Abb. 3),62 das in der Zeit des Griechischen Unabhängigkeitskrieges entstanden ist, einen Steinblock in dramatisch beleuchteter Berglandschaft, auf dem ein schlafender Säugling abgelegt ist und an dessen Sockel ein Mann in neugriechischer Tracht seine Waffen schärft. Auf dem Denkmal kann man LEONYDA[S] lesen, wobei das Ende des Wortes von dem roten Tuch verdeckt ist, in 60 ) Diese Lithographie von Louis Gouget war wohl ein solcher Erfolg, dass sie mit denselben Bildern nochmals für 1824 erschien. Über jedem Monatsnamen steht der Name eines antiken oder modernen Helden und unter jedem Monat ist eine kleine Szene aus einer antiken oder modernen Schlacht dargestellt; vgl. Ausst. Kat. Gre`ce, S. 220f. 61 ) So haben die zwei vorwärtsstürmenden Männer links ihre Vorbilder in den Spartiaten, die die Waffen vom Baum holen; rechts hinter Leonidas erkennt man die Gruppe von Vater und Sohn; weiter rechts wird ein Blinder von einem Mann mit Turban herangeführt und außerdem hängt Leonidas auch hier die Schwertscheide zwischen den Beinen. 62 ) Fragonard (1780–1850), Historienmaler, war Sohn des berühmten Honore ´ Fragonard und Schüler Davids und ist nach wie vor schlecht erforscht; vgl. Ausst. Kat. Gre`ce, S. 146f.

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das der Säugling gehüllt wird. Der Spartanerkönig erscheint hier als Denkmal, d. h. in der künstlerischen Form, die seine Erinnerung bewahren soll. Er wird in dieser Komposition zum Ahnherrn, an dessen Memoria jetzt die Waffen für den Befreiungskampf gegen das Osmanische Reich gewetzt werden und dem die zukünftige Generation geweiht ist. Zu den allgemeinen Problemen der Historienmalerei ab ca. 1750, verzeitlichte Geschichte auf Bildern zu repräsentieren, kam ein Trend, der als ,Druck des Zeitgenössischen‘ bezeichnet werden kann.63 In Frankreich wurde um die Jahrhundertwende unter dem Eindruck, auf den Schlachtfeldern Europas ,Geschichte zu machen‘, die Darstellung der aktuellen Schlachten eine wichtige Aufgabe für die Künstler, die durch die napoleonische Auftragspolitik entscheidend befördert wurde. Für die Schlachtenmalerei versuchten die Künstler in der Folge durchaus innovativ, das Problem zu lösen, wie man ein Ereignis darstellen sollte, dessen Augenzeugen noch lebten und von dem man noch nicht so genau wusste, ob es jemals eine herausragende Bedeutung in der Geschichte einnehmen werde. Verallgemeinernd gesagt führten diese Neuerungen zum einen zu einem dokumentarischeren Charakter der Gemälde, womit sich auch die Gattungsgrenze zur Druckgraphik immer mehr auflöste, und zum anderen zu Themen, in denen sich die Erfahrungen der neuartigen Kriegsführung niederschlugen, wie z. B. dem des ,leidenschaftlichen Soldaten‘.64 Gerade von dieser Repräsentation des in patriotischer Leidenschaft entfesselten Kämpfers, der sich wildentschlossen in irgendwelche Aktionen stürzt, wollte sich David mit seinem Le´onidas absetzen.65 Für ihn äußert sich die Hingabe fürs Vaterland in Ruhe und Gelassenheit. Diese unterscheidet Elmar Stolpe wiederum von der Selbstbeherrschung der Feldherren und Offiziere auf den französischen Gemälden zeitgenössischer Schlachten; den Stoizismus von Davids Le´onidas hält er für den Zeitpunkt, als das Gemälde erstmals ausgestellt wurde, für veraltet.66 Es ist in Anbetracht der überwiegend positiven zeitgenössischen Rezeption von Davids Le´onidas problematisch, mit Kategorien wie ,veraltet‘ zu operieren und generell die Gemälde von antiken und zeitgenössischen Schlachten als zeitlich aufeinanderfolgende, sich gegenseitig ausschließende Repräsentationen zu betrachten. Ohne die großen Unterschiede, gerade in den Darstellungsabsichten und Bildstrategien minimieren zu wollen, ist festzustellen, dass nicht nur in der Aneignung durch die Betrachter, sondern auch in den Bildern selbst sich die Darstellungen von antikem und zeitgenössischem Heldentum an einem Punkt überschneiden, und zwar bei den Toten der Schlacht. Wie bereits erwähnt sind auf dem Stahlstich zu Becker’s Weltgeschichte (s. Abb. 25) die gefallenen Spartiaten mit nackten Oberkörpern dargestellt, während die kämpfenden Brustpanzer tragen. In der napoleonischen Schlachtenmalerei sind die Toten der Schlacht ebenfalls häufig mit nackten Oberkörpern oder 63 )

Vgl. Germer, Spot, S. 17–36; Busch, Bild, S. 66–68; Kirchner, Paradigma, S. 107–124. Vgl. Paret, Darstellung, S. 97–106; Siegfried, History, S. 235–258; Kirchner, Paradigma, S. 107–124; Stolpe, Krieg, S. 173–191. 65 ) Vgl. Meyer, Briefe, S. 99; Latouche, Lettre, S. 242; Dele ´ cluze, David, S. 226. 66 ) Vgl. Stolpe, Krieg, S. 180f. 64 )

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3. Antikes und zeitgenössisches Heldentum um 1800

ganz nackt wiedergegeben.67 Die Körper der Toten erscheinen gerade nicht verletzt oder zerstört, sondern sind zu nackten Idealkörpern vervollkommnet. In ihrer Unverletztheit und Schönheit sind sie damit der Zeit genauso enthoben wie Leonidas und die Spartiaten auf dem Gemälde Davids. Die Verwendung des Idealkörperkonzeptes bei der Darstellung zeitgenössischer Schlachten ist folglich eine Strategie, den Tod für das Vaterland in einer dauerhaften, da ästhetisch normativen Form zu konservieren. Diese Art und Weise, den Kriegstod zu ästhetisieren, suggeriert die Gewissheit, dass das Opfer für das Vaterland nicht umsonst war. Allerdings gibt es Leichen in heroischer Nacktheit nur auf französischen Schlachtengemälden; auf englischen wurden den sterbenden Helden christliche Motive unterlegt. Die Verwendung nackter Idealkörper für tote Kriegshelden war allerdings auch in Frankreich nicht unumstritten: Als 1810 in Paris eine monumentale Bronzestatue für Louis Desaix, gefallen in der Schlacht bei Marengo, errichtet wurde, die den General in heroischer Nacktheit zeigte, waren die öffentlichen Reaktionen pikiert. Die Statue wanderte noch vor dem Ende des Empires ins Depot.68 Die Akzeptanz idealer Nacktheit hing sowohl von den künstlerischen Gattungen und der öffentlichen Zugänglichkeit des Kunstwerkes als auch davon ab, ob es sich um identifizierbare Personen oder um anonyme Tote handelte. Für die französischen Historiengemälde lässt sich über diese Schnittstelle des Idealkörperkonzeptes das Verhältnis von Leonidas an den Thermopylen zu aktuellen Helden näher bestimmen: Der antike Held erscheint zeitloser, weniger lebendig, aber auch weniger sterblich und vertritt den prinzipiellen Wert der Opferbereitschaft und das sublimierte, nicht leidenschaftlich ausgelebte Gefühl der Vaterlandsliebe. Das Deutungsmuster antiken Heldentums liegt am Anfang des 19. Jahrhunderts für die bildlichen Repräsentationen eine Abstraktionsebene über dem des nationalen Heldentums, was zentral von der Restitution des Exemplarischen durch das Konzept des klassischen Idealkörpers abhängt. Dieses aber ist, um es nochmals zu betonen, ebenso zeitgebunden wie die bildlichen Entwürfe nationalen Heldentums. Eine wichtige Darstellungsform von Leonidas bzw. der Schlacht an den Thermopylen vor allem in der Druckgraphik aus der Zeit des Griechischen Unabhängigkeitskrieges ist, wie auf dem Gemälde Fragonards, die Inschrift (s. Abb. 3): Die Allegorie Griechenlands auf der Lithographie Re´veil de la Gre`ce von AngeRene´ Ravault, die ihre Ketten zerreißt, hat einen Fuß auf einen Stein mit der Inschrift UERMOPYLAI gesetzt (s. Abb. 27).69 Auf dem Schild der Athenastatue links neben ihr führt LEVNIDAS eine Liste griechischer Feldherren an. Vor dieser 67 )

So z. B. auf dem Gemälde Mort du Ge´ne´ral Desaix von Jean Broc aus dem Jahre 1806; vgl. Cantarel-Besson, Napole´on, S. 148 Abb. 142. Auf Charles Meyniers Napoleon auf dem Schlachtfeld von Eylau von 1807 sind die Leichen im Vordergrund vollständig nackt; vgl. Paret, Darstellung, S. 98 f. mit Abb. 1. 68 ) Vgl. Hargrove, Statues, S. 246f. 69 ) „Re ´ veil de la Gre`ce. La Gre`ce inspire´e par le ge´nie de la liberte´ se le`ve, brise ses fers, et ses oppresseurs sont foudroye´s“; vgl. Ausst. Kat. Gre`ce, S. 226f. Vgl. auch Choiseul-Gouffier, Voyage.

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Konzentration vergangener militärischer und kultureller Größe ist ein Soldat des Osmanischen Reiches, gekennzeichnet durch Halbmond-Flagge und Krummsäbel, zusammengebrochen, während links im Hintergrund türkische Reiter von Blitzen zerschmettert werden. Griechenland wird vom Genius der Freiheit begleitet, der eine Fahne mit der Aufforderung „Levez vous nobles fils de he´ros“ trägt. Die Ruinen und Trümmer dieser Bildfindung gemahnen an die ferne, versunkene Zeit der griechischen Antike, an ihre Architektur, Kunst und Kultur. In deren Überreste sind die Namen der Akteure, die durch ihre Taten und Werke zu dieser Hochkultur beitrugen, unauslöschlich eingeschrieben. Sie erscheinen hier als Denkmäler und ohne menschlichen Körper. Wenn man von Körpern militärischer Helden zur Zeit der napoleonischen Kriege spricht, gelangt man zu einer weiteren wichtigen körperbezogenen Praktik, nämlich der Disziplin. Die Produktion von militärischem Gehorsam veränderte sich in dem Maße, wie die Lineartaktik des 18. Jahrhunderts durch die flexiblere Tirailleurtaktik des napoleonischen Zeitalters abgelöst wurde.70 War es in den stehenden Heeren des 18. Jahrhunderts das Ziel gewesen, die Soldaten durch intensives Exerzieren zu leidenschaftslosem, mechanischem Funktionieren zu erziehen, so sollten die Soldaten der napoleonischen Kriege mit nationaler Leidenschaft kämpfen. Dem Typus des ,leidenschaftlichen Soldaten‘ in der französischen Druckgraphik und Schlachtenmalerei entsprach die patriotische Rhetorik in ganz Europa, die den begeisterten Kämpfer propagierte. Die Mobilisierung der patriotischen Leidenschaften war zwar der dominierende Diskurs, aber keineswegs konfliktfrei, da die Armeen weiterhin nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam funktionierten. Auch wenn die Tendenz bereits dahin ging, militärischen Gehorsam aus der inneren Einsicht und Überzeugung der Soldaten herstellen zu wollen, zeugen die hohen Desertionszahlen in der französischen und der preußischen Armee sowie die Proteste aus dem preußischen Bürgertum bei der Einführung der Wehrpflicht davon, dass die Bereitschaft, aus patriotischer Begeisterung das Leben zu lassen, ihre Grenzen hatte.71 Die Schlacht an den Thermopylen wurde auf unterschiedliche Weise mit militärischer Disziplin in Verbindung gebracht. Die Bezüge sind eher punktuell und disparat, während im 20. Jahrhundert besonders in Deutschland die antike Niederlage fest mit dem Begriff der Pflichterfüllung verknüpft ist (s. Kap. III.2.2). „C’est la discipline lace´de´monienne qui produisit les he´ros des Thermopyles“, heißt es 1796 in der Zeitung Le Re´dacteur.72 Gemeint ist an dieser Stelle, dass das Militär den zivilen Gesetzen des Landes unterworfen sein muss, da nur so Opferbereitschaft entstehen könne. Damit ist ein spezifisches Problem der Directoirezeit angesprochen, in der die Armee dazu neigte, eine eigenständige Macht im Staat zu bilden. Die Schlacht an den Thermopylen wurde in der Französischen Revolution auch deshalb wieder aktuell, weil sie zu dem neuen Typus des patriotischen Soldaten passte, der in einer militärischen Auseinandersetzung bis zum Tod kämpft. Dieser 70 )

Vgl. Bröckling, Disziplin, S. 57–129, 329–331. Vgl. Krumeich, Entwicklung, S. 136–138; Frevert, Modell, S. 19–30. 72 ) Le Re ´ dacteur Nr. 138 vom 1. 5. 1796, S. 4. 71 )

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3. Antikes und zeitgenössisches Heldentum um 1800

Gesichtspunkt steht implizit hinter der Aneignung der Schlacht an den Thermopylen als Kampf für die liberte´ (s. Kap. II.2.2). Trotz dieser grundsätzlichen, aber eher nicht artikulierten Verbindung der Schlacht an den Thermopylen mit dem ,leidenschaftlichen Kämpfer‘ wurde mit der antiken Schlacht am häufigsten ein völlig anderer Aspekt militärischer Disziplin betont: Ganz in der Tradition von Herodots Darstellung werden die disziplinierten, geordnet und mit großer Effizienz kämpfenden Spartiaten den chaotisch, undiszipliniert und mit Raserei fechtenden Persern gegenübergestellt. So lässt Fontanes in seinem Epos von 1795/6 einen Spartaner sagen: Une aveugle fureur les excite au hasard Chez nous on obe´it, on commande avec art.73

Diese Kontrastierung von Disziplin und Disziplinlosigkeit zeigt auch die Druckgraphik Kampf der heiligen Schaar für Griechenlands Befreyung (s. Abb. 23), auf der die mit den Spartiaten verglichenen Griechen, die „Heilige Schar“ von Alexander Ypsilanti, einheitlich uniformiert und geordnet, die Türken aber als bunt gekleideter, wilder Haufen dargestellt sind. Während die Spartiaten an den Thermopylen ab und an, wie hier und im Fall Cambronnes, als Vergleich für Elitetruppen bzw. Garden dienen, werden die Perser gerne mit Metaphern von Naturkatastrophen beschrieben.74 Indem in Text und Bild für die Spartiaten die Ordnung, die Einheitlichkeit des Agierens sowie der Befehlsgehorsam herausgestellt werden, werden die eher technischen Momente militärischer Disziplin, das Prinzip von Befehl und Gehorsam, das vereinheitlichte Verhalten, die normierte Haltung und Bewegung betont. So taucht in den Kreisen deutscher Militärs die Schlacht an den Thermopylen bzw. Sparta auch in Überlegungen darüber auf, wie die körperliche Leistungskraft der Truppen durch Gymnastik verbessert und Disziplin durch Erziehung hergestellt werden kann.75 Die moralische Kraft der patriotischen Leidenschaft ließ sich dennoch im Exempel der Schlacht an den Thermopylen mit diesen Aspekten militärischer Disziplin verbinden.

73 )

Fontanes, Gre`ce, S. 308. Vgl. Decker, Tapferkeit, S. 1995: „Millionen von Barbaren waren es, welche zu jener Zeit die schönen Gefilde Griechenlands überschwemmten, das Land und die Städte – fast den heutigen Türken gleich – verheerten und verwüsteten [...]“. 75 ) Vgl. Allgemeine Militär-Zeitung 3 (1828) Nr. 79, S. 625; die Diskussion um die Einführung von Gymnastik für Infanteristen beginnt in Deutschland ca. 1826 und setzt sich bis ca. 1850 fort. 74 )

4.1. Philhellenen auf Heldensuche im modernen Griechenland

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4. Europa betrachtet Leonidas’ Erben. Die Schlacht an den Thermopylen im griechischen Unabhängigkeitskrieg (1821–1830) 4.1. Philhellenen auf Heldensuche im modernen Griechenland In seinen Reiseerinnerungen Itine´raire de Paris a` Je´rusalem beschreibt Franc¸oisRene´ de Chateaubriand seinen Besuch des antiken Sparta im Jahre 1806, dessen Trümmer in einer menschenleeren, glutheißen Ödnis liegen: Un me´lange d’admiration et de douleur arreˆtait mes pas et ma pense´e; le silence e´tait profond autour de moi: je voulus du moins faire parler l’echo dans ces lieux ou` la voix humaine ne se faisait plus entendre, et je criai de toute ma force: Le´onidas! Aucune ruine ne re´pe´ta ce grand nom, et Sparte meˆme sembla l’avoir oublie´.1

Etwas mehr als ein Jahrzehnt später hatten sich die Überreste der antiken Polis wiederbelebt: Je suis sur les ruines de Sparte, et je combats pour leur liberte´! Je me repre´sentai alors cette foule de braves dont le cœur palpite a` la gloire de leurs anceˆtres; [. . .] s’efforc¸ant de marcher sur leur traces; et je m’e´criai: J’en jure par ces ruines, la Gre`ce aura encore ses Le´onidas!2

Der französische Philhellene Olivier Voutier, der als Freiwilliger im griechischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte, sah in den aufständischen Griechen den Geist des Spartanerkönigs fortleben. Die Schlacht an den Thermopylen war in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. Griechenland war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch Reisen zunehmend wieder in den europäischen Wahrnehmungshorizont gelangt. Bildungsreisende, Wissenschaftler und Kunstagenten durchzogen vor allem Attika und die Peloponnes, suchten nach Überresten der von ihnen geschätzten antiken griechischen Kultur oder nach gewinnträchtigen antiken Kunstobjekten.3 Nicht alle waren wie Chateaubriand enttäuscht von der Vergessenheit der antiken Zivilisation und von den in Kleidung und Sitten weitgehend orientalisierten modernen Griechen; viele faszinierten die Bazare und Moscheen, die Farbenpracht und ,Andersartigkeit‘ Griechenlands. Auf der europäischen Orientalismuswelle des frühen 19. Jahrhunderts schwappte ein Großteil der Sympathiebekundungen für den griechischen Aufstand mit, auch wenn im Folgenden dieser Aspekt nicht weiter ausgeführt wird.4 Als im Frühjahr 1821 gleichzeitig in den rumänischen Donaufürstentümern Moldau und Walachei und auf der Peloponnes die griechische Revolte gegen die 1 ) Chateaubriand, Itine ´ raire, S. 822. Bereits die Stellung Chateaubriands (1768–1848) in der Literaturszene des Empire sicherte dem Werk Aufmerksamkeit; direkte Reminiszenzen an die zitierte Stelle finden sich bei Girodet, Le Peintre, S. 140; Delavigne, Ruines, S. 77. 2 ) Voutier, Me ´ moires, S. 154. 3 ) Vgl. Macgregor Morris, Thermopylae, S. 214–220; Weithmann, Griechenland, S. 131– 134; Tsigakou, Image, S. 35–38. 1801 ,erwarb‘ der Earl of Elgin die 92 Metopen des Parthenon, 1812 Kronprinz Ludwig von Bayern die sog. Ägineten und 1820 erhielt Frankreich den Zuschlag für die auf Melos gefundene Venusstatue. 4 ) Vgl. Athanassoglou, Images, S. 11ff.

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4. Europa betrachtet Leonidas’ Erben

türkische Oberhoheit begann, war den Aufständischen die Aufmerksamkeit der ,klassisch‘ Gebildeten Europas sicher.5 Die Anführer, allen voran Alexander Ypsilanti, hatten auf die wohlwollende Anteilnahme ebenjener Gebildeten und mit ihnen der europäischen Großmächte spekuliert, wie seine Reminiszenzen an Leonidas und andere Helden der antiken Geschichte bei seiner Proklamation des ,Freiheitskrieges‘ oder die Benennung seiner Truppe nach der thebanischen „Heiligen Schar“ zeigen. Die Erhebung war von dem Freundschaftsbund Hetaira Philikon in Odessa vorbereitet worden, in dem in erster Linie Griechen organisiert waren, die in Russland studiert hatten und hohe Ämter im Zarenreich besetzten. Ypsilanti selbst war Adjutant von Zar Alexander I . Überall in Europa sowie in den USA begleiteten ,Griechenfreunde‘ den über weite Strecken völlig aussichtslos erscheinenden Krieg der Griechen gegen das Osmanische Reich mit Sympathieund Solidaritätsbekundungen. In vielen westeuropäischen Ländern und den Vereinigten Staaten gründeten die Philhellenen Vereine, um materielle Hilfe für die Griechen zu organisieren.6 Sie sammelten Geld, versandten Waffen und Medikamente, regelten den Transport der Kriegsfreiwilligen nach Griechenland, vermittelten Anleihen, versorgten griechische Flüchtlinge und kümmerten sich um die Ausbildung griechischer Kinder an europäischen Schulen. Die Mitglieder der Philhellenenvereine kamen aus dem gehobenen Bürgertum und dem Adel und gehörten, außer in den USA , politisch zu den oppositionellen Kräften ihrer Länder.7 Sie waren zwar in der Regel gemäßigt liberal, standen aber bei den konservativen Regierungen tendenziell unter dem Verdacht, revolutionäre Umstürze zu planen. In den besonders konservativen Staaten wie Russland und Österreich wurden philhellenische Aktivitäten von Anfang an durch Zensur und Polizeimaßnahmen unterdrückt; in Preußen und Bayern begannen die philhellenischen Aktionen erst mit Verzögerung. Die dominierenden Zentren philhellenischer Vereinstätigkeit waren zunächst Zürich und Stuttgart, dann London und ab 1825 Paris und Genf. Darüber hinaus publizierten die Philhellenen unentwegt und produzierten über 2000 Schriften, darunter historische Darstellungen, Dramen, Lyrik, Romane und Druckgraphik (s. Abb. 23; 24; 26). Den größten Anteil haben dabei die französischen Werke. Die Philhellenen unterhielten eigene Mitteilungsblätter und Zeitschriften, schrieben für die Tagespresse, malten, wie Euge`ne Delacroix seine beiden großen Gemälde Sce`nes des massacres de Scio 1824 und La Gre`ce sur les ruines de Missolonghi 1826, und komponierten, wie Gioacchino Rossini seine Oper Le Sie`ge de Corinth 1826.8 Der europäisch-nordamerikanische Philhellenismus war sowohl eine politisch-philanthropische als auch eine breite kulturelle Bewegung. Beide Ausprägungen lassen sich nicht vollständig auseinander ableiten; während die Vereinsbildung zu dem Phänomen der entstehenden bürgerlichen Organisation im politischen Bereich gehörte, war der literarisch-künstlerische Zum Philhellenismus: Quack-Eustathiades, Philhellenismus; Klein, Vereinsbewegung, mit der neuesten Literatur; Ausst. Kat. Gre`ce; Ausst. Kat. Hellas. Zur Antikenrezeption des Philhellenismus: Konstantinou, Rezeption; Löbker, Topoi. 6 ) Vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 29–163; Grimm, Griechenbegeisterung, S. 21–29. 7 ) Vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 168–237. 8 ) Vgl. Athanassoglou, Images, S. 29–37.

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4.1. Philhellenen auf Heldensuche im modernen Griechenland

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Philhellenismus allgemein mit den künstlerischen Strömungen von Klassizismus und Romantik verflochten.9 Der Philhellenismus war eine europaweite, aber keine europäische oder gar internationale Erscheinung, da er die Spezifika der einzelnen Länder trug und die Vernetzung der Vereine untereinander nur über zufällige persönliche Kontakte erfolgte.10 In den philhellenischen Erzeugnissen wird exzessiv auf Ereignisse und Personen aus der griechischen Antike Bezug genommen, und da sich für die Konstellation Griechen gegen Osmanisches Reich die Perserkriege des 5. Jahrhunderts v. Chr. besonders als historischer Vergleich anboten, war die Schlacht an den Thermopylen eines der bevorzugten Themen.11 Zur Zeit des griechischen Unabhängigkeitskrieges erreichte die Thermopylen-Rezeption in Frankreich ihren quantitativen Höhepunkt12 und auch in den Ländern des Deutschen Bundes ist erstmals eine vermehrte Bezugnahme auf die antike Niederlage zu erkennen.13 Über England, die Heimat des berühmtesten Philhellenen, Lord Byron, lassen sich wiederum kaum Aussagen machen; es scheint hier keine besonders ausgeprägte Thermopylen-Rezeption gegeben zu haben.14 Die Reminiszenzen an die antike Schlacht konzentrieren sich parallel zur Periodisierung der philhellenischen Literatur in den ersten beiden Kriegsjahren und dann nochmals 1825/26, als die militärische Lage der Aufständischen besonders verzweifelt war. Das Neue an der philhellenischen Thermopylen-Rezeption während des griechischen Unabhängigkeitskrieges waren nicht die damit verbundenen Themen oder Funktionen des Exempels, sondern die Grundkonstellation des exemplarischen Vergleichs: Die antike Niederlage und ihre Protagonisten wurden nicht wie bisher vorzugsweise auf die eigene Gesellschaft übertragen, sondern auf die zeitgenössischen Griechen. Der durchgängige Diskurs bei dieser Vergleichspraxis war, wie es z. B. das Gemälde Fragonards zeigt (s. Abb. 3), dass die heutigen Griechen als Erben und Nachfolger ihrer berühmten antiken Ahnen deren Taten wiederholten bzw. wiederholen sollten.15 Da 9 ) Klein, Vereinsbewegung, S. 180f., 238, 308, 343, leugnet die Bedeutung der Antikenverehrung als Beweggrund für die philhellenische Vereinsbildung und betont statt dessen die philanthropischen, karitativen und sozialreformerischen Motive. Damit relativiert sie zu Recht den von der Philhellenismus-Forschung teilweise maßlos überschätzten Einfluss der Antike. Dennoch ist der Trennstrich, den sie zieht, unnötig undurchlässig, denn z. B. bei der Erklärung, warum für die Griechen, nicht aber für die aufständischen Polen, Serben und Südeuropäer über viele Jahre Hilfe organisiert wurde, muss sie doch wieder auf den ,Zeitgeist‘ zurückgreifen. 10 ) Vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 259–306; Funke, Lieux, S. 8. 11 ) Andere waren: Marathon, der Trojanische Krieg und als Einzelpersonen Theseus, Timoleon und Epameinondas; vgl. Löbker, Topoi, S. 37–156. 12 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 291–295; Athanassoglou, Leonidas, S. 633–649; dies., Images, S. 38–107; Ausst. Kat. Gre`ce, S. 146, 220, 226. 13 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 321; Löbker, Topoi, S. 122–156; Ausst. Kat., Hellas, S. 227, 249. 14 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 358 f.; Macgregor Morris, Thermopylae, S. 222–228. Es sind bibliographisch keine selbstständigen Schriften zur Schlacht fassbar. Byron rezipiert die Schlacht an den Thermopylen in Don Juan Canto III , S. 190, und Venice, S. 206. 15 ) Vgl. Barbey, He ´ ros, S. 7–9; Gouverne, Le´onidas, S. 3–8; S***, E´pıˆtre, S. 541; Müller, Thermopylä, S. 73–76; ders., Lied vor der Schlacht, S. 90–93; Toussaint, Leonidas, S. IV ; Auffenberg, Spartaner, Vorrede.

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die Philhellenen ihre Parteinahme für die Griechen unter anderem als „kleinen Beitrag jener grossen Schuld für die von Hellas erhaltene Bildung“ 16 begründeten, war ihre Wahrnehmung und Deutung des griechischen Aufstandes stark durch ebenjene Bildung geprägt. Ein zeitgenössischer Skeptiker formulierte es so: Allerdings aber erwartete man, daß im Verlauf einiger Monate der unterdrückte Funke zur Flamme müsse emporgelodert sein, daß man nun nicht allein Leonidasse zu Dutzenden, Thermopylen, Untergang von Perserheeren, Durchstechungen des Athos usw. finden werde, sondern auch die ganze hohe, seelenreine, allenfalls empfindsame Griechenheit, wie sie dürfte gewesen sein, oder wie auch nur Schiller, der idealste Dichter, sie in seinen Balladen gemalt hatte.17

Im Folgenden soll die philhellenische Vergleichspraxis für die Schlacht an den Thermopylen zusammengefasst und an einigen Punkten gezeigt werden, was durch dieses Raster der Wirklichkeitserfassung fiel und nicht wahrgenommen wurde. Die Kontrastierung muss relativ grob bleiben, weil im Gegensatz zum Phänomen des Philhellenismus die griechische Gesellschaft zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges nicht gut erforscht ist, was auch mit der Quellenlage zusammenhängt.18 Um die Asymmetrie der philhellenischen Thermopylen-Vergleiche zu verdeutlichen, muss zunächst ein übergeordneter Punkt erörtert werden: In den Versuchen der europäischen Philhellenen, den aufständischen Griechen eine ,antike‘ Identität zuzuschreiben, tangiert die philhellenische Antikenrezeption das Thema der Nationsbildung im 19. Jahrhundert.19 Auch wenn heute die griechische Antike insgesamt, und einige ihrer Höhepunkte insbesondere, zentrale Elemente der nationalen griechischen Identifikation darstellen, so ist Friedgar Löbkers These, die philhellenische Antikenrezeption habe bei der Neukonstituierung Griechenlands zu einem „fest umrissenen nationalen und kulturellen Selbstverständnis“ 20 beigetragen, sehr zu bezweifeln, obwohl sie in ähnlicher Form häufiger in der Forschung zum Philhellenismus geäußert wird.21 Zunächst war die Bildung eines griechischen Nationalstaates 1830 das eher zufällige Ergebnis der konkurrierenden Großmachtsinteressen von Großbritannien und Russland, bei dem die Philhellenen nicht beteiligt waren.22 Der Zeitpunkt für den Beginn des Aufstandes war 16 ) So der Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voss, zit. bei Löbker, Topoi, S. 23; vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 37– 40. In England gab es das Argument der Dankesschuld nicht; vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 180. 17 ) Literarisches Conversationsblatt Nr. 293 vom 21. 12. 1822, S. 1169, zit. bei QuackEustathiades, Philhellenismus, S. 36f. 18 ) Vgl. den Forschungsbericht von Kitroeff, Continuity, S. 143–172; Yannoulopoulos, Society, S. 18. Für diese Zeit sind Aussagen über die griechische Gesellschaft zu einem wesentlichen Teil von europäischen Reiseberichten abhängig, besonders von Franc¸ois-Charles Hughes Laurent Pouquevilles Historie de la Re´ge´ne´ration de la Gre`ce in 5 Bänden von 1824. Der Autor hatte lange im Land gelebt, beherrschte die Sprache und kann als ein hervorragender Kenner Griechenlands gelten. Dennoch ist seine Darstellung teilweise bis in die Wortwahl von französischen Wahrnehmungsmustern geprägt; vgl. Castellan, Influence, S. 17–26. 19 ) Vgl. Hobsbawm, Nationen, S. 93 f., 101; Magaritis, Griechenland, S. 152–173; Veremis, National State, S. 9–22. 20 ) Löbker, Topoi, S. 14, vgl. auch S. 307. 21 ) Vgl. Konstantinou, Geleitwort, S. 14; Patsourakou, Aspekte, S. 209–219; Clogg, Rediscovery, S. 27–35; ders. Classics, 25– 46; Macgregor Morris, Thermopylae, S. 222–228.

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nämlich denkbar ungünstig gewählt, da in der europäischen Außenpolitik der Quadrupelallianz Großbritannien, Österreich, Preußen und Russland revolutionäre Volksbewegungen grundsätzlich für illegitim gehalten wurden, weshalb der Kongress in Verona 1822 den griechischen Aufstand zu einer internen Angelegenheit des Osmanischen Reiches erklärte.23 Zwar intervenierten die Großmächte schließlich doch, wobei sie – aus Versehen – im Oktober 1827 bei Navarino an der Westküste der Peloponnes die gesamte Flotte der mit dem Sultan verbündeten Ägypter vernichteten, aber noch 1829 war vorgesehen, dass Griechenland mit relativer Autonomie unter der Oberhoheit des Osmanischen Reiches bleiben sollte. Da Zar Nikolaus I . innerhalb eines Jahres seinen Einfluss an der Hohen Pforte ausgedehnt hatte und als Protektor der orthodoxen Christen im Osmanischen Reich Griechenland ohnehin zu seinem potenziellen Machtbereich rechnete, England aber aus ökonomischen Interessen Russland aus der Levante heraushalten wollte, einigte man sich 1830 auf einen unabhängigen Staat, bestehend aus der Peloponnes, Mittelgriechenland bis nördlich der Thermopylen und den Kykladen, d. h. den Kerngebieten des antiken Griechenlands.24 Obgleich zu keinem Zeitpunkt des Krieges bei den verschiedenen griechischen Parteiungen Einigkeit darüber geherrscht hatte, wie das Griechenland, für dessen Unabhängigkeit sie kämpften, aussehen sollte, waren sie sich in der Ablehnung dieser territorialen Gestalt einig. Bis zur vernichtenden Niederlage gegen Mustafa Kemal Atatürk 1922 galt als außenpolitisches Leitbild die „Megali Idea“, die Orientierung am christlich-byzantinischen Reich mit einer Hauptstadt Konstantinopel, Sitz des ökumenischen Patriarchen. Die territoriale Orientierung am antiken Griechenland dagegen wurde als westliches Hirngespinst angesehen.25 Byzanz und die griechisch-orthodoxe Kirche, die „Romaiosyne“, waren diejenige Vergangenheit, die in Griechenland von der sehr heterogenen Oberschicht bemüht wurde, und generell lässt sich sagen, dass der griechisch-orthodoxen Kirche die zentrale Rolle bei der Definition dessen zukam, was und wer ,griechisch‘ war. Die griechische Orthodoxie war im Osmanischen Reich immer eine geduldete Glaubensgemeinschaft gewesen, und der Aufruhr 1821 auf der Peloponnes kam erst dadurch richtig in Schwung, dass sich die örtlichen Geistlichen mit ihm solidarisierten und der Sultan Mahmud II . am Ostersonntag den ökumenischen Patriarchen Grigorios V . mit mehreren Bischöfen in Istanbul hinrichten ließ, obwohl der Patriarch den Aufstand ausdrücklich verurteilt hatte.26 Die europäischen Philhellenen hatten Byzanz bei der Lektüre von Edward Gibbons The Fall and Decline of Roman Empire (1788) als eine Aneinanderreihung 22 ) Vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 161f. In Russland gab es keine philhellenische Bewegung und in England hatte sie nach einem Korruptionsskandal an Bedeutung verloren. Einzig für Frankreich wird ein möglicher Einfluss der Philhellenen diskutiert, allerdings ging es der französischen Regierung in erster Linie darum, auf der internationalen Bühne wieder mitzuspielen. 23 ) Vgl. im Folgenden: Weithmann, Griechenland, S. 161–180; Hösch, Griechenland, S. 33– 41. 24 ) 1881 kam Thessalien zu Griechenland, 1913 erhielt es seine heutige Gestalt. 25 ) Vgl. Magaritis, Griechenland, S. 165–168. 26 ) Noch heute ist der 25. März, an dem Erzbischof Germanos im Kloster Hagia Lawra verkündet haben soll, Gott habe diesen Tag für den Aufstand gewählt, nationaler Feiertag.

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von Palastrevolten, Intrigen und religiösen Abnormitäten kennengelernt und das oströmische Reich spielte in der Philhellenenliteratur überhaupt keine Rolle.27 Der Kampf von Christen gegen den Islam war allerdings ein wichtiges Thema in den philhellenischen Schriften und Bildern, in denen plötzlich die Gemeinsamkeit aller Christen entdeckt wurde, obwohl die Kenntnisse über die Ostkirche äußerst rudimentär waren.28 Besonders nach den schweren antigriechischen Ausschreitungen auf der Insel Chios 1822 setzten die europäischen Philhellenen Christentum und Islam mit dem Antagonismus Zivilisation / Barbarei gleich, der nun zum Strukturmerkmal philhellenischer Wirklichkeitswahrnehmung wurde und es teilweise bis heute geblieben ist.29 Eric J. Hobsbawm konstatiert für den griechischen Fall das gleichzeitige Auftreten eines Protonationalismus im Land, dessen Hauptelemente die griechische Orthodoxie und die Orientierung an Byzanz waren, und eines Nationalismus westlicher Prägung, dessen Träger diejenigen Griechen waren, die im Ausland lebten.30 Ca. drei Millionen Griechen, häufig wohlhabende Kaufleute, lebten am Anfang des 19. Jahrhunderts in der Diaspora. Von ihnen hatten einige an europäischen Universitäten studiert, standen wie Ypsilanti in Diensten eines europäischen Herrscherhauses, waren in westlichen Gesellschaften habitualisiert und kannten deren Staatstheorien und Verfassungspraktiken, ihre Nationalismen, ihre aufklärerischen Ideen und humanistischen Bildungsideale.31 Zu ihnen gehörten auch die ersten Präsidenten Griechenlands, Alexander Maurokordatos (reg. 1821–1825) und Ioannes Kapodistrias (reg. 1828–1831).32 Mit dieser Intellektuellenschicht gelangte westeuropäisches Bildungsgut und damit auch ein Bewusstsein für die Antike nach Griechenland. Inwieweit dieses aber außerhalb dieses Personenzirkels Verbreitung fand, ist völlig unklar.33 Es gab in Griechenland zu dieser Zeit eine diffuse Antikenrezeption in der Namensgebung, in Volkserzählungen und -liedern.34 Ob, wann und wie die hochkulturelle Antikenrezeption an die volkstümliche anschließen konnte, müsste im Einzelnen bewiesen werden. Ein politischer Einfluss der westlich orientierten Auslandsgriechen lässt sich verstärkt nur in den ersten beiden Kriegsjahren ausmachen. Er zeigt sich vor allem in der im Januar 1822 27 )

Vgl. Irmscher, Antikebild, S. 121–124. Vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 293–296; Athanassoglou, Images, S. 15–37; QuackEustathiades, Philhellenismus, S. 41f., 234–249. 29 ) Vgl. Konstantinou, Geleitwort, S. 15: „Dieses Land, das Europa seinen Namen und seine Kultur geschenkt hat, bildet seit den Perserkriegen die Flankendeckung Europas vor dem asiatischen Ansturm“. Vgl. zum Leitbegriff der ,Zivilisation‘ Klein, Vereinsbewegung, S. 296–306. 30 ) Vgl. Hobsbawm, Nationen, S. 93 f. 31 ) Vgl. Clogg, Rediscovery, S. 27–35; Droulia, Influence, S. 27f. 32 ) Maurokordatos (1791–1865) war Fanariot, entstammte also einer politisch privilegierten griechischen Schicht und hatte in Italien studiert. Kapodistrias (1776–1831) stammte aus Korfu, hatte ebenfalls in Italien studiert und begann seine politische Karriere als Staatssekretär im russischen Außenministerium; vgl. Weithmann, Griechenland, S. 267, 269. 33 ) Clogg, Redicovery, S. 34, spricht dieser „Greek intelligentsia“ und ihrem Bewusstsein von der griechischen Antike die entscheidende Rolle beim Aufstand zu, wobei völlig unklar bleibt, inwiefern „the sense of Hellenic ancestry“ die Revolte getragen haben soll. 34 ) Vgl. Clogg, Rediscovery, S. 28; Pfligersdorffer, Volksgesang, S. 221–246. 28 )

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nach der Unabhängigkeitserklärung von der griechischen Nationalversammlung in Piada bei Epidauros verkündeten vorläufigen Verfassung, die an der französischen Verfassung von 1793 orientiert war, d. h. an einer für eine westliche Gesellschaft konzipierten Konstitution mit Gewaltenteilung auf demokratischer Basis, die nie über einen längeren Zeitraum in Kraft gewesen war. Diese Verfassung sowie die ihr folgenden waren in keiner Weise umsetzbar, denn die Peloponnes und Mittelgriechenland sowie einige Kykladeninseln, d. h. die Gebiete, in denen sich die Aufständischen erfolgreich behaupten konnten, hatten nicht die strukturellen Voraussetzungen zur Durchsetzung einer Demokratie; so fehlte z. B. eine administrative Durchdringung des Landes. Die unzugänglichen Gebirgsgegenden von Makedonien, Epiros und der Peloponnes hatten die Türken nie völlig ihrer Herrschaft unterwerfen können; hier regierten mächtige Clans, wie die Manioten auf dem mittleren Finger der Peloponnes und die Sulioten in Epiros, von denen der Pascha in Tripolitsa nur symbolisch Tribut erhob; hier lebten nomadische und halbnomadische Hirtenstämme unterschiedlichster Ethnien sowie Räuberbanden, die Klephten und Armatolen. Erstere waren ursprünglich auf Grund von materieller Not ins Gebirge geflüchtete Leibeigene, die dort mit der Zeit Clans gebildet hatten, innerhalb derer die Häuptlingsstelle erblich geworden waren. Gegen sie hatten die vermögenden Grundbesitzer die irreguläre Truppe der Armatolen eingerichtet, die sich aus ehemaligen Klephten rekrutierte. Zur Zeit des Krieges kontrollierten beide Gruppen bereits ganze Landstriche.35 Die für eine demokratische politische Ordnung unerlässliche Vorstellung von ,Gemeinwohl‘ kann für Peloponnes und Mittelgriechenland, wo große soziale Gegensätze herrschten und viele Menschen in Clans sowie als ,outlaws‘ lebten, nicht vorausgesetzt werden. Den besitz- und rechtlosen Untertanen (Rayah, „die Herde“) stand eine vermögende Grundbesitzerschicht gegenüber, die sich aus Türken und aus griechischen Adeligen zusammensetzte. Neben dieser griechischen Landelite gab es eine Wirtschaftselite aus Reeder- und Handelsfamilien auf den Inseln, die wiederum das Bindeglied zum griechischen Handelsbürgertum der Diaspora bildete. Bereits aus dieser Skizze des Bevölkerungsprofils wird ersichtlich, dass die lediglich von einem Teil der Elite getragene Idee von ,Nation‘, möglichst mit einer Identitätsstiftung aus der antiken Vergangenheit, ihre Grenzen haben musste, zumal alle am Aufstand beteiligten Bevölkerungsgruppen auch oder gar ausschließlich eigene Interessen verfolgten. Die Landelite, gleichzeitig auch die alte politische Führungsschicht, schloss sich nur teilweise dem Aufstand an, weil sie um ihre Privilegien fürchtete; Sulioten und Manioten wollten ihre Sonderstellung verteidigen, die sie im Osmanischen Reich innehatten, und die Klephten- bzw. Amatolen-Kapitanoi, die die Stellen der militärischen Befehlshaber besetzten, neigten dazu, die von ihnen ,befreiten‘ Gebiete als ihre Herrschaftsbereiche zu betrachten. Betont werden muss, dass es für die Zeit des Unabhängigkeitskrieges nicht so einfach zu definieren ist, wer ,griechisch‘ war, obwohl die Philhellenen, die sich artikulierende griechische Elite und in ihrem Gefolge auch die Forschung immer von ,den Griechen‘ sprechen. Nimmt man den griechisch-orthodoxen Glauben, die 35 )

Vgl. Weithmann, Griechenland, S. 102–120; Koliopoulos, Brigandage, S. 67–102.

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Sprache und eine kulturelle Stammeszugehörigkeit als Kriterien, so ergibt sich folgendes Bild: Die ländliche Oligarchie war in Kleidung und Sitten weitgehend orientalisiert und teilweise auch zum Islam konvertiert, die Bevölkerung von Attika bestand zu einem erheblichen Anteil aus griechisch-orthodoxen Albanern, ebenso waren die Sulioten ein albanischer Stamm, die Wanderhirtenstämme der Aromunen waren rumänischsprachig und auf der Peloponnes lebten zahlreiche arnautische, d. h. albanisch-islamische Stämme.36 Die Philhellenen Europas betrachteten, ausgenommen die Freiwilligen, die in Griechenland kämpften, aus sicherer Entfernung die verschiedenen Akteure und verwickelten Vorgänge des griechischen Aufstandes und versuchten, in ihnen Personen, Verhaltensmuster und Ereignisse der von ihnen so hochgeschätzten antiken Geschichte wiederzuerkennen. Die Grundvoraussetzung war die von den Philhellenen als analog gedeutete historisch-politische Situation mit einem aus dem Osten kommenden, d. h. orientalischen, despotischen, barbarischen Angreifer bzw. Unterdrücker und einem westlichen, d. h. freiheitsliebenden, zivilisierten Verteidiger. Nach der seit den Revolutions- und napoleonischen Kriegen in Frankreich und Deutschland bewährten Praxis wurden militärische Taten von Einzelpersonen durch den Vergleich mit Leonidas gewürdigt, so Alexander Ypsilanti und vor allem der Sulioten-Kapitanos Marcos Botzaris. Mit der gesamten Schlacht parallelisiert wurde der katastrophale kollektive Untergang der ätolischen Stadt Missolonghi am Golf von Patras, die 1826 nach fast einjähriger Belagerung von türkischen Truppen gestürmt wurde. Des Weiteren wurde die antike Niederlage allgemein dafür verwendet, die üblichen Werte, Prinzipien und Verhaltensnormen aufzustellen und einzufordern, also Tapferkeit, Opferbereitschaft, Freiheitskampf und die Ausschlusslogik von ,Sieg oder Untergang‘. Einen neuen Akzent erhielt der Vergleichspunkt der Topographie, der sich nun wieder auf den ,Originalschauplatz‘ beziehen konnte. Immer wieder wurde der Ort, durch die Anschwemmungen des Spercheios inzwischen kein Engpass mehr, zum Kriegsschauplatz erklärt: So berichtete ein deutscher Philhellene im Herbst 1822 von einem Sieg an den Thermopylen.37 Besagte Schlacht – die einzige offene Feldschlacht des Krieges – fand in Wirklichkeit im Juli bei Peta in Epiros statt und war eine Niederlage für die Griechen, bei der sechzig philhellenische Freiwillige starben, weil die zu ihrer Flankendeckung eingeteilten Griechen desertiert waren.38 Auch die Ruinen des antiken Sparta waren, wie die Eingangszitate zeigen, ein beliebter Ort, um die Geister des Leonidas und seiner Spartiaten zu beschwören.39 36 )

Vgl. Weithmann, Griechenland, S. 32–57, 102–120. Vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 51. 38 ) Vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 82; Löbker, Topoi, S. 128–130. Der Armatolenführer Odysseus Androustos siegte im Frühherbst 1821 an den Thermopylen; die Vignette des Almanachs (s. Abb. 26) zeigt Marcos Botzaris in den Thermopylen. Vgl. weiterhin Müller, Thermopylä, S. 73–76; und Die Schlacht von Thermopylae (s. Abb. 24), bei der ein genaues Datum fehlt. 39 ) Vgl. Löbker, Topoi, S. 148–150; vgl. auch Müller, Lied, S. 90–93; Auffenberg, Spartaner, Vorrede. 37 )

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Bei Alexander Ypsilanti wurde die endgültige Niederlage seiner Hetäristen im Juni 1822 gegen die türkischen Heere bei Dragaschani und Skullen nahe der Grenze zum österreichischen Siebenbürgen mit der Schlacht an den Thermopylen verglichen. Sie seien, heißt es in der Bildunterschrift unter der Radierung von Campe, „im heiligen Kampfe für das Edelste des Menschen, für Freiheit und Vaterland, gleich Leonidas und seiner unsterblichen Schaar gefallen“ (s. Abb. 23). Dies entsprach wohl auch der Selbstdeutung der befehlshabenden Hetäristen wie Georg Cantacuzeno und Ypsilanti.40 Dennoch hatten beide die Flucht über die österreichische Grenze dem Heldentod vorgezogen. Ypsilanti war in Munkacs, dem späteren Theresienstadt, inhaftiert worden und der Dichter Wilhelm Müller, genannt ,Griechen-Müller‘, legte ihm den Satz „Läg’ ich doch in deiner Erde, mein geliebtes Vaterland“ in den Mund, worauf prompt der Geist des Leonidas bei ihm im Gefängnis erschien.41 Bemerkenswert ist, dass in diesen Vergleichen Ypsilantis und der Hetäristen mit Leonidas und den Spartiaten die rumänischen Donaufürstentümer Moldau und Walachei zum ,Vaterland‘ der Hetäristen wurden. Denn dort war nur die Oberschicht griechisch, da die Hohe Pforte die Statthalterstelle traditionell an Fanariotenfamilien vergab, innerhalb derer sie im 18. Jahrhundert erblich geworden war.42 Ypsilanti kam wie die meisten Mitglieder der Hetaira Philikon in Odessa aus einer Fanariotenfamilie, und es zeugt von politischer Kurzsichtigkeit, dass sie glaubten, die verschiedenen Balkanvölker im Aufstand gegen das Osmanische Reich mitreißen zu können. Für die rumänischen Bauern, die sich 1821 in der Walachei unter Tudor Vladimirescu gegen ihre Grundherren erhoben hatten, waren alle Griechen als Vertreter der obersten Spitze des Ausbeutungssystems zunächst einmal Gegner. Tatsächlich gelang es den Hetäristen nicht, sich die soziale Revolte zu Nutze zu machen, was innerhalb weniger Monate zum Scheitern ihres Aufstandes führte. Im Wahrnehmungsmuster des ThermopylenExempels war es die zahlenmäßige Überlegenheit der türkischen Truppen, die die Hetäristen untergehen ließ; die soziale Dimension des Konfliktes war damit nicht zu erfassen. Generell wurde von den Philhellenen weder die Ursache des griechischen Aufstandes noch die der schnellen Niederlage Ypsilantis analysiert, da in ihren Augen das ,Türkenjoch‘ den Widerstand der ,zivilisierten‘ Völker bereits in sich trug und jede Erhebung mit der puren Masse der türkischen Heere niedergewalzt wurde. Der Grund, warum der Sultan den Aufstand auf der Peloponnes und in Mittelgriechenland nicht in den Griff bekam, lag vor allem darin, dass es sich um Gebiete mit einer schwachen herrschaftlichen Durchdringung handelte. In Nordgriechenland hatte sich bereits der Statthalter Ali Pascha verselbstständigt und einen eigenen Staat gegründet. Gegen ihn befanden sich die auf der Peloponnes stationierten türkischen Truppen im Einsatz, als dort die Revolte losbrach. 40 )

Vgl. Löbker, Topoi, S. 151f. Müller, Ypsilanti, S. 34–36; vgl. auch ders., Schaar, S. 16f. Ypsilanti lebte 1792 bis 1828. 42 ) Die Fanarioten hießen nach dem Istanbuler Stadtteil Fanar, in dem die griechischen Familien lebten, die ehemals die Eliten des Byzantinischen Reiches gebildet hatten. Im Osmanischen Reich waren die Fanarioten eine qualifizierte Führungskaste, die mit den höchsten Staatsämtern betraut wurde; vgl. Weithmann, Griechenland, S. 108. 41 )

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Sehr viel häufiger wurde, vor allem von den französischen Philhellenen, Marcos Botzaris mit Leonidas parallelisiert.43 Botzaris erfüllte auch besser die Voraussetzungen dafür, denn er war bei einem nächtlichen Überfall auf das türkische Feldlager von Djelaleddin Bey in der Nähe des Tals von Karpenissi am 21./22. August 1823 tödlich verwundet worden. Er führte diese Aktion „digne de celle de Le´onidas“ mit einem Trupp von 240 Sulioten aus, wobei laut Constitutionnel 3000 Türken verwundet oder getötet wurden.44 Dem Vergleich liegt die von Diodor überlieferte Version des Überfalls auf das persische Lager zugrunde. Botzaris, der auf dem Almanachblatt (s. Abb. 26) bereits vor seinem Tod mit Leonidas in Verbindung gebracht worden war, wurde in den philhellenischen Schriften nun zum „second Le´onidas“ 45, zum „Le´onidas chre´tien“.46 In der Histoire de la re´ge´ne´ration de la Gre`ce von Franc¸ois Charles Pouqueville gleicht Botzaris’ Tod in der Erzählstruktur Barthe´lemys Darstellung vom Ende des Leonidas,47 während der britische Philhellene Edward Blaquie`res in seiner Geschichte des Unabhängigkeitskrieges die Zahl der Sulioten auf 300 erhöhte.48 In dem von der Akademie Lausanne preisgekrönten Gedicht Marcos Botzaris au Mont Aracynthe von J. Olivier wird der Spartanerkönig gar zum Vorbild für den jungen Sulioten: O Liberte´, donne-moi ta bannie`re! Toujours a` te servir j’ai de´voue´ mon bras. Bien jeune encore en essayant mes armes, ,Que je pe´risse un jour comme Le´onidas!‘ Disais-je, en re´pandant de ge´ne´reuses larmes.49

Die Griechenfreunde glaubten in der Aktion von Botzaris ein Verhaltensmuster wiederzuerkennen, das ihnen durch die Schlacht an den Thermopylen vertraut war und von ihnen aufgrund der Zuweisung exemplarischer Bedeutung geschätzt wurde. Die Vergleiche von Botzaris mit Leonidas folgen dem Schema, bei dem Protagonisten einer mehr oder weniger sinnvollen militärischen Tat mit tödlichem Ausgang durch das antike Exempel anerkannt und honoriert werden. Die damit dem toten Griechen zugedachte Ehre war allerdings dem westeuropäischen Wertesystem verhaftet, denn sie wurde von den Philhellenen für die ,Opferbereitschaft‘ für Freiheit und Vaterland gezollt. Dass es eine solche Opferbereitschaft unter den modernen Griechen gebe, wurde aber ausgerechnet von denjenigen bestritten, die nach Griechenland gegangen waren, um als Freiwillige mit für die Unabhängigkeit zu kämpfen. Von den Freiwilligen, die 1821/22 an den Kämpfen teilnahmen und der Malaria entkamen, hat eine ganze Reihe nach ihrer Rückkehr Memoiren 43 )

Vgl. Athanassoglou, Images, S. 41–65; Löbker, Topoi, S. 123 f. Vgl. Constitutionnel vom 6. 1. 1824, S. 1. 45 ) Pouqueville, Histoire, S. 423, der in Anm. 1 auch ein neugriechisches Epitaph auf Botzaris zitiert, in dem dieser als Leonidas angesprochen wird. 46 ) Guiraud, Missolonghi, S. 1; vgl. auch Boudu, E ´ pıˆtre (1823), S. 9; Müller, Bozzari (1823), S. 77f.; Pichat, Le´onidas (1825), S. 9; Paganel, Tombeau (1826), S. 7. 47 ) Vgl. Pouqueville, Histoire, S. 401– 423; Nachweis bei Athanassoglou, Images, S. 52. 48 ) Vgl. Blaquie ` res, Histoire, S. 297; vgl. Athanassoglou, Images, S. 53; auch von den deutschen Historikern des Krieges wird die Zahl mitunter aufgerundet; vgl. Löbker, Topoi, S. 124 Anm. 315. 49 ) Olivier, Botzaris, S. 12. 44 )

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verfasst, auch um das idealistische Bild, das die Philhellenen von Griechenland produzierten, zu korrigieren.50 Die Eindrücke der deutschen Freiwilligen von den Bewohnern Griechenlands waren durchweg sehr negativ: Sie flöhen bei den ersten Schüssen, seien feige, faul, träge, ohne jeden Patriotismus und außerdem undankbar.51 Der Arzt Christian Müller beschreibt die Moreaten, d. h. die Bevölkerung der Peloponnes folgendermaßen: Das sind die Nachkommen der alten Spartaner, das sind die Moreaten, welche unter allen Griechen die aufgeblasensten aber auch die feigsten sind. Wohin ist die feste, lautlose dorische Kraft und Lebensverachtung der Vordern? Wo sind die hin, denen Lebensgüter wie Körperschmerz gleichgültig waren? Das Geschlecht ist gestorben, um nie wiederzukehren, [. . .] am wenigsten in diesen Enkeln.52

Auch die Manioten, die seit der mittelalterlichen Überlieferung als die direkten Nachfahren der antiken Spartaner galten, welche sich unter dem Druck der slawischen Eroberer auf die Landzunge von Kap Matapan zurückgezogen und dort ihre Freiheit über Jahrhunderte bewahrt hätten,53 stellten sich als gefährliche Räuber heraus, vor denen selbst andere Griechen die Fremden warnten.54 Entscheidend ist nicht, ob die Griechen wirklich so feige und unkriegerisch waren, sondern dass sie den Freiwilligen so vorkamen und deren kollektiven Vorstellungen von ,Tapferkeit‘ und ,Kriegertum‘ nicht entsprachen. Dies hing mit zwei völlig unterschiedlichen Formen der Kriegsführung zusammen: Für die westeuropäischen Freiwilligen, die zum Teil arbeitslose Militärs der napoleonischen Kriege waren, und die Philhellenen zu Hause war das Kernstück eines Krieges die offene Feldschlacht. Für den Kampf in Formation war das Idealziel, auf das militärischer Ehrbegriff, Männlichkeits- und Heldenkonstruktionen ausgerichtet waren, das Ausharren unter Beschuss. Die Schlacht an den Thermopylen gehörte, wie gezeigt, seit den Revolutionskriegen zu den Exempeln, die diese Durchhaltelogik unterstützten (s. Kap. II.2.2; 3.1). In den Bergen Griechenlands wurde jedoch in erster Linie ein Guerillakrieg geführt, zumal die Kriegsführung in den Händen der Klephten- und Armatolen-Kapitanoi sowie der Clanchefs lag, die die Praxis des Raubüberfalls auf den Krieg übertrugen. Dabei wurde der Feind eher aus dem Hinterhalt angegriffen und das eigene Leben möglichst geschont. Während also den Philhellenen in der Heimat der Überfall von Botzaris auf das türkische Lager als besonders tollkühn erschien, weil er von ihrer Vorstellung eines ,regulären‘ Krieges abwich, war die Aktion für den Verlauf des griechischen Unabhängigkeitskrieges sehr typisch. Diese Unternehmung wurde im übrigen Europa 50 )

Vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 55–89. Vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 65–69; 71–73; 84f.; Löbker, Topoi, S. 205– 213. Trotz der überzeugenden Darstellung von Quack-Eustathiades tut sich ein Teil der Forschung zum Philhellenismus bis heute schwer, das negative Bild der Freiwilligen zu akzeptieren; vgl. Dimakis, Antike, S. 45; Patsourakou, Antike-Rezeption, S. 209, 219. 52 ) Christian Müller: Reise durch Griechenland und die ionischen Inseln in den Monaten Junius, Julius und August 1821. Leipzig 1822, S. 52f.; zit. bei Löbker, Topoi, S. 207; vgl. auch Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 90–95. 53 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 118f., 292f., 321, 358; Clogg, Movement, S. 23–27. 54 ) Ebenjener Christian Müller wäre durch einen maniotischen Überfall beinahe ums Leben gekommen; vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 69, 76. 51 )

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4. Europa betrachtet Leonidas’ Erben

deshalb so gewürdigt, weil dabei, was selten geschah, ein befehlshabender Militär umgekommen war, wozu es ein passendes Wahrnehmungsmuster aus der antiken griechischen Geschichte gab. Da der Tod im Feld für die Freiwilligen und die Philhellenen zu Hause das non plus ultra militärisch-männlicher Ehre war und diese, um es nochmals zu betonen, auch durch antike Exempel wie die Schlacht an den Thermopylen abgesichert wurde, konnten sie die andersartigen Wertbegriffe der aufständischen Griechen nicht erfassen. Dennoch hatten die Griechen nicht etwa keine, sondern eine andere Ehre: Gerade in den patrilinearen Clangesellschaften der Manioten, Sulioten, Klephten und Armatolen war die männliche Ehre ein zentrales Organisationsprinzip des Zusammenlebens.55 Zur männlichen Ehre gehörten das permanente Waffentragen und – bei den Manioten – die Blutrache. Der erste Versuch, nach der Unabhängigkeitserklärung eine staatliche Struktur aufzubauen, scheiterte daran, dass die Interessenskonflikte der am Aufstand beteiligten Parteiungen gleichzeitig auch Ehrenhändel unter konkurrierenden Clans waren. Jeder Versuch, die separatistischen Clans zu entmachten, konnte tödlich enden; so wurde der Präsident Kapodistrias 1831 bei einem Attentat des maniotischen Mavromichali-Clans getötet. 1823 und 1824 versank Griechenland in einem Bürgerkrieg, was für die europäischen Beobachter völlig unbegreiflich war und zum Abflauen der philhellenischen Aktivitäten führte. Wie stark bei den Gebildeten Westeuropas die aus der antiken Geschichte Griechenlands generierten Wahrnehmungsmuster waren, gerade wenn sie sich mit Wertbegriffen der eigenen Gesellschaft verbanden, wird auch daran deutlich, dass z. B. in Deutschland die Memoiren der zurückgekehrten Kriegsfreiwilligen in den philhellenischen Organen weitestgehend ignoriert wurden.56 Die Reiseeindrücke wurden entweder gar nicht rezensiert oder verrissen; in Deutschland kursierte zudem eine Fälschung, in der ein Freiwilliger die griechischen Militärs klassisch gebildet und äußerst tapfer erlebt haben wollte.57 Die Griechenfreunde beharrten auf dem positiven Bild, das sie von den modernen Griechen entwickelt hatten. Das dritte Ereignis, das häufig mit der Schlacht an den Thermopylen in Zusammenhang gebracht wurde, war der Fall der lange belagerten Stadt Missolonghi am 23. April 1826.58 Die Stürmung der Stadt durch türkische Truppen und das darauf folgende Massaker an den griechischen Bewohnern waren das zentrale Ereignis während der zweiten Phase der philhellenischen Aktivitäten, in der die humanitäre Hilfe im Vordergrund stand.59 Missolonghi kam deshalb eine so hohe Bedeutung zu, weil es der letzte Ort war, den die Aufständischen nach der Invasion 55 ) Vgl. Koliopoulos, Brigandage, S. 68; Lineau, Mani, S. 201–204; Weithmann, Griechenland, S. 170–173. 56 ) Vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 88ff. 57 ) Es handelt sich um: Gustav Feldham’s Kreuz-und Querzüge oder Abenteuer eines Freiwilligen, der mit dem General Normann nach Griechenland zog. Leipzig 1822. Feldham war im Juli 1822 bei Peta gefallen; vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 95–103. 58 ) Vgl. Athanassoglou, Images, S. 67–107. 59 ) Vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 91–150. Für die gefallenen Griechen wurde später in Missolonghi ein ,Garten der Heroen‘ eingerichtet, mit einem Tumulusgrab und Inschriften, die an die Thermopylen-Inschriften erinnern; vgl. Magaritis, Griechenland, S. 162–164.

4.1. Philhellenen auf Heldensuche im modernen Griechenland

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der mit dem Sultan verbündeten ägyptischen Truppen unter Ibrahim Pascha auf dem westlichen Festland hielten, und weil dort Lord Byron 1824 am Sumpffieber gestorben war. Die ausgehungerten Belagerten beschlossen, einen Ausbruchsversuch zu wagen, der dramatisch misslang. Vor allem in der französischen Presse wurde der kollektive Untergang der „he´ros-matyrs“ mit der Schlacht an den Thermopylen verglichen, wobei der Akzent pauschal auf dem Ergebnis lag.60 Die antike Niederlage fungiert hier als Pathosformel, durch die das elende Sterben der Griechen einen heroischen Glanz bekommt. Missolonghi sei, schreibt der Constitutionnel, d’autres Thermopyles, et tous, meˆme les me`res et leurs enfants, qu’elles tenaient embrasse´s, tous sont morts comme Le´onidas.61

Bemerkenswerterweise wird hier das militärisch-männliche Opfer, für das Leonidas steht, auf Frauen und Kinder ausgedehnt, wodurch, was in der Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen sehr selten ist, alle Kriegsopfer durch das antike Exempel gewürdigt werden. Das gedankliche Pendant zum heroischen Untergang der Griechen in Missolonghi ist die Grausamkeit der Türken, die seit den Anfängen des Osmanischen Reiches ein Topos in Westeuropa war, den die Griechenfreunde im Unabhängigkeitskrieg vielfach bestätigt sahen. Was aus diesem Schema ,griechische Opfer und türkische Grausamkeit‘ herausfiel, ist, dass auch die Griechen mit ihren Gegnern nicht zimperlich umgingen und Massaker an der türkischen Bevölkerung griechischer Städte, Ermordung bereits Unterlegener und Leichenschändung häufig vorkamen.62 Für die Freiwilligen war die Brutalität, mit der die Griechen den Krieg führten, die schockierendste Erfahrung in Griechenland, die sie sich damit zu erklären versuchten, dass die Griechen die türkische Grausamkeit übernommen hätten. Über die Praxis der philhellenischen Antikenrezeption lässt sich allgemein festhalten, dass mit ihr für ein vermeintlich bekanntes, aber letztlich völlig fremdes Volk eine Identität konstruiert wurde, die auf einer genealogischen Spekulation beruhte. Die Bedeutung der griechischen Antike in Griechenland selbst als eines historisch-kulturellen oder gar politischen Bezugspunkts war während des Krieges gering, und es ist aus den diffusen Reminiszenzen an die eigene antike Geschichte nicht ersichtlich, ob sie auch nur für Teile der heterogenen griechischen Gesellschaft auf eine imagined community schließen lassen.63 Zumindest hat die Wertschätzung der griechischen Antike durch die Bildungseliten der westeuropäischen Länder den aufständischen Griechen zeitweise zu einer Aufmerksamkeit und Akzeptanz verholfen, die die zeitgleichen Volkserhebungen auf der Iberischen Halbinsel, in Piemont-Sardinien und Lombardo-Venetien nicht hatten. Ein breiterer 60 ) Constitutionnel Nr. 135/6 vom 15./16. 5. 1826, S. 1; vgl. Gaspard de Pons; Missolonghi, S. 381f.; Guiraud, Missolonghi, S. 1; Rez. zu Rossinis Oper Le Sie`ge de Corinthe im Constitutionnel Nr. 284 vom 11. 10. 1826, S. 3f. 61 ) Constitutionnel Nr. 135/6 vom 15./16. 5. 1826, S. 1. 62 ) Vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 77f. 63 ) Problematisch ist z. B., dass bei der Ausstellung Mythen der Nationen 1998 für Griechenland bis auf wenige Ausnahmen nur Bilder aus dem westeuropäischen, philhellenischen Kontext gezeigt wurden, auch wenn Magaritis in seinem Katalogbeitrag auf diese Asymmetrie hinweist; vgl. ders., Griechenland, S. 152–178.

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4. Europa betrachtet Leonidas’ Erben

Einfluss des europäischen Philhellenismus in Griechenland kann aber erst für die Zeit der Bavariokratie (1832–1867), der Regierung Ottos, des jüngeren Sohnes von König Ludwig von Bayern, festgestellt werden.64 In bestimmten Protagonisten und Ereignissen des griechischen Unabhängigkeitskrieges erkannten die Philhellenen Leonidas und die Schlacht an den Thermopylen wieder und sahen die Taten der Ahnen durch ihre Nachfahren wiederholt. Mit dieser Vergleichspraxis übersetzten sie im Grunde die ihnen fremde Gesellschaft in ihre eigene. Die verwirrenden Verhältnisse des Krieges erhielten durch den Vergleich mit der Schlacht an den Thermopylen und anderen antiken Exempeln eine Struktur, die gleichzeitig eine Verengung der Wahrnehmung bedeutete. Eine Reihe von Aspekten fiel dadurch aus der Wirklichkeitserfassung der Philhellenen heraus: die enormen sozialen Konflikte und unterschiedlichen Interessen innerhalb der Aufständischen, die Form der Kriegsführung und vor allem die differierenden Wertbegriffe. Zumindest für eine der am Krieg beteiligten Gruppen hatte die von der Antike gelenkte Wahrnehmung unangenehme Konsequenzen: Von den Freiwilligen verlor fast die Hälfte in Griechenland ihr Leben.65

4.2. Die Schlacht zwischen Liberalen und Ultraroyalisten im Frankreich der Restauration Auch wenn die Philhellenen Europas auf den Kriegsverlauf in Griechenland nur geringen Einfluss hatten, wird von der Forschung ihre innenpolitische Bedeutung betont.66 Natalie Klein hat nachgewiesen, dass die Gründung der Philhellenenvereine keineswegs nur im Deutschen Bund und der Schweiz ein Ausdruck des politischen Partizipationsbedürfnisses des Bürgertums war. Auch in England und Frankreich hatten die Philhellenenvereine einen politischen Charakter, denn ihre Mitglieder standen der jeweiligen Opposition nahe und wurden von den Anhängern der Regierungen beargwöhnt. Versucht man im Kontext der innenpolitischen Bedeutung des Philhellenismus die Funktion der philhellenischen Antikenrezeption zu bestimmen, so stößt man auf konträre Ansichten in der Forschung: Klein hält die Bedeutung der Antikenverehrung für den politischen Philhellenismus in Frankreich und den anderen von ihr untersuchten Ländern generell für vernachlässigbar, während Löbker pauschal behauptet, dass die Antikenrezeption der deutschen Philhellenen auf die restaurative Situation im Deutschen Bund bezogen sei und „stimulierende Impulse zur Reformierung bestehender politischer Verhältnisse“ gegeben habe.67 Für die philhellenische Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in Frankreich und Deutschland lassen sich diese beiden Forschungsmeinungen umkehren: Während 64 )

Vgl. Ausst. Kat. Hellas. Vgl. Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 55. 66 ) Vgl. Athanassoglou, Images, S. 38f.; dies., Leonidas S. 633–649; Klein, Vereinsbewegung, S. 165–244; Quack-Eustathiades, Philhellenismus, S. 266f.; Löbker, Topoi, S. 306–309. 67 ) Löbker, Topoi, S. 309; vgl. ebda. S. 285–302. 65 )

4.2. Liberale und Ultraroyalisten im Frankreich der Restauration

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in Paris innerhalb der politischen Konflikte zwischen der ultraroyalistischen Regierung Ville`le und der liberalen Opposition in der Zeit des griechischen Unabhängigkeitskrieges mit der antiken Schlacht politischer Protest artikuliert werden konnte, da diese durch ihre Rezeption in Revolution und Empire politisch aufgeladen war, blieb ihre Aneignung in Deutschland politisch diffus. In den napoleonischen Kriegen wurde die Schlacht an den Thermopylen als Befreiung von einem fremden Tyrannen verstanden,68 wie überhaupt die Perserkriege und die Schwierigkeiten der griechischen Poleis, eine gemeinsame Abwehr gegen Xerxes zu organisieren, auf die deutsche Situation bezogen wurden.69 Der innenpolitische Tenor der deutschen Thermopylen-Rezeption zu dieser Zeit war eher landespatriotisch und nicht auf eine Veränderung der Territorialstaaten gerichtet,70 und es ist nicht ersichtlich, dass sich dies in der Restaurationszeit grundsätzlich änderte.71 Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die Schlacht an den Thermopylen zu dieser Zeit auch im Kontext des demokratischen Republikanismus rezipiert wurde, wie in den 1840er Jahren vom Lyriker Georg Herwegh. In den beiden Bänden seiner politisch-engagierten Gedichte eines Lebendigen (1841–1843) bezieht er sich mehrmals auf die antike Schlacht, die bei ihm die Bedeutung der revolutionären Tat, des Opfertodes für eine demokratische Ordnung erhält.72 In Frankreich ist dagegen um die erfolgreiche Uraufführung von Michel Pichats Tragödie Le´onidas im The´atre Franc¸ais am 26. November 1825 eine verdichtete Rezeption der Schlacht an den Thermopylen innerhalb diverser philhellenischer Aktivitäten zu beobachten, die einen ausgesprochen politischen Charakter hatte.73 Im Folgenden soll auf der Basis der Thermopylen-Rezeption in Revolution und Empire gezeigt werden, wie dabei an die Semantiken, Bilder und auch an mit dem Thema verbundene Personen wie David angeschlossen und ein dichtes Bedeutungsgefüge produziert wurde, das sich sowohl auf die aktuelle Lage im 68 ) Vgl. Kosegarten, Hingebung (1812); Holbein, Leonidas (1812); Blumenhagen, Thermopylä (1814). 69 ) Besonders in der Wissenschaft wurden damit die Perserkriege als Nationalkrieg verstanden; vgl. Walser, Perserkriege, S. 219f.; vgl. Funke, Griechenland, S. 18f. 70 ) Kosegarten, Hingebung, S. 47f., widmet seine Rede dem schwedischen König Karl XIII . als Landesherrn von Schwedisch-Pommern, und Blumenhagen, Thermopylä, S. III–VIII , ehrt Friedrich Wilhelm III . und die Preußen als neues „Spartervolk“. 71 ) In den Vorworten der Tragödien von Auffenberg, Spartaner, und von Toussaint, Leonidas, S. III–VI , wird lediglich ein Bezug zum griechischen Unabhängigkeitskrieg hergestellt; für eine preußisch-konservative Deutung der Schlacht vgl. Decker, Tapferkeit, S. 1994f., bei dem sich die 300 Spartiaten aus Liebe zu Vaterland und König dem Tode weihen. 72 ) Vgl. Herwegh, Vive le Roi!, S. 38: „Als drauf der Leoniden Ruf ertönt! / O heil’ger Ruf, der noch in unsern Tagen / So prächtig klingt wie bei Thermopylä! / Auch unsre Fahne soll als Wahlspruch tragen: / Vive la liberte´!“; vgl. auch ders., Zuruf, S. 64f. und Festgruß zum Basler Schützenfest, S. 143. Von Herweg (1817–1875), der sich 1848 aktiv am badischen Aufstand beteiligte, stammt auch eine originelle Aneignung des Apophthegma des Dienekes (Hdt. 7.226): In seinem Gedicht Wiegenlied, S. 123, kritisiert er Deutschlands politische Stagnation, indem er Goethes Nachtgesang parodiert: „Es fechten dreihundert Blätter / Im Schatten, ein Sparterheer; / Und täglich erfährst du das Wetter: / Schlafe, was willst du mehr?“. 73 ) Vgl. Pichat, Le ´ onidas (1825); vgl. Athanassoglou, Images, S. 38–66; dies., Leonidas, S. 633–649. Von dem Stück gibt es auch eine als solche nicht kenntlich gemachte Übertragung ins Italienische: Moreno, Leonida (1827).

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griechischen Unabhängigkeitskrieg als auch auf die politische Situation im eigenen Land beziehen ließ. Die politische Brisanz, die der antiken Schlacht zukam, muss vor dem Hintergrund der politischen Grundkonflikte im Frankreich der Restauration gesehen werden.74 Der Zeitraum von der Wiedereinsetzung der Bourbonen bis 1830, als die politischen, ökonomischen und sozialen Konflikte sich in einer Revolution entluden, war geprägt von der permanenten Auseinandersetzung um zwei ,Streitobjekte‘: Das eine war die Charte constitutionelle, die Verfassungsakte der wiederhergestellten Monarchie, das andere die eigene Vergangenheit der Revolutionsund Empirezeit. Die beiden großen politischen Lager definierten sich über das Prinzip der Ablehnung bzw. Anerkennung. Ultraroyalist war, wer die Charte abschaffen oder einschränken, die Trennung von Staat und Kirche aufheben und die Nationalgüterverkäufe rückgängig machen wollte. Liberal war, wer die Prinzipien und die praktischen Ergebnisse der Revolution akzeptierte und der Idee eines Staatsbürgertums anhing. Konkret gingen die Konflikte immer wieder um die Pressefreiheit, um den sehr hoch angesetzten Zensus für das Wahlrecht, um die Nationalgüter und um den zunehmenden Einfluss der Kirche, vor allem auf die Bildung. Frankreich war eine repräsentative, keine parlamentarische Monarchie; die Regierung und die Mitglieder der Pairskammer wurden vom König ernannt und nur die Deputiertenkammer gewählt. Das Wahldebakel der Liberalen von 1824 hatte daher zur Folge, dass diese in den Regierungsinstitutionen fast nicht mehr vertreten waren. Dieser Zustand wurde dadurch konserviert, dass das Gesetz, nach dem jedes Jahr ein Fünftel der Deputierten ausgetauscht werden sollte, durch eine siebenjährige Legislaturperiode ersetzt wurde. Liberale Politik fand daher bis zu den vorgezogenen Wahlen im November 1827, bei denen die Liberalen gewannen, außerhalb der politischen Institutionen statt, z. B. im Comite´ Grec, dem Vorstand der Socie´te´ Philanthropique en faveur des Grecs, das im Frühjahr 1825 in Paris zusammentrat.75 Das Comite´ Grec bestand aus zwanzig Mitgliedern, von denen sechs in der Pairskammer und zwei in der Deputiertenkammer saßen. Auch wenn das Comite´ nach außen politisch neutral auftrat, waren die meisten seiner Mitglieder der liberalen Opposition zuzurechnen. Unter ihnen waren mehr Adlige als Bürgerliche, alle ausgesprochen wohlhabend. So wird an der Zusammensetzung des Comite´ Grec auch sichtbar, dass in Frankreich die politische Trennlinie innerhalb der politisch-gesellschaftlichen Elite nicht entlang ständischer oder ökonomischer Grenzen verlief, sondern allein durch die Stellung zum Monarchen und den Umgang mit dem revolutionären Erbe bestimmt wurde. Um die Bedeutung des gesamten kulturellen Bereichs und seiner Produkte für das politische Leben einschätzen zu können, muss betont werden, dass weder Ultraroyalisten noch Liberale parlamentarische Parteien im heutigen Sinne waren. Besonders die Gruppierungen, die von ihren Gegnern mit dem Adjektiv libe´ral belegt wurden, wobei zahlreiche negative Konnotationen mitschwangen, waren 74 ) Vgl. im Folgenden: Haupt, Revolution, S. 283–295; Langewiesche, Europa, S. 45– 48, 130–137; ders., Liberalismus, S. 360–394; Tulard, Frankreich, S. 315–343. 75 ) Vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 75–78.

4.2. Liberale und Ultraroyalisten im Frankreich der Restauration

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sehr heterogen und politisch nicht klar abzugrenzen: Unter ihnen befanden sich Anhänger der konstitutionellen Monarchie, des Herzogs von Orle´ans, Bonapartisten sowie Republikaner.76 Einigkeit herrschte vor allem in der Ablehnung des Ancien re´gime. Ansonsten waren die liberalen Leitbilder, in deren Zentrum die Begriffe von Staatsbürgertum und Freiheit standen, vielgestaltig, flexibel und von großer Spannweite. Wie sie sich dennoch situativ fokussierten, zeigt der Abend der ersten Aufführung von Pichats Le´onidas, an den sich Alexandre Dumas später erinnerte: Ceux-la` seuls qui furent pre´sents a` la premie`re re´presentation, – et, je l’ai dit, j’en e´tais [...] – peuvent avoir une ide´e de l’enthousiasme exite´ par cette splendide page arrache´e toute vivante aux annales de l’antiquite´.77

Die Uraufführung der Tragödie am 26. November 1825 wurde in der Pariser Tagespresse viel besprochen, weshalb es möglich ist, die Wahrnehmung des Stückes und seines Erfolges nachzuvollziehen.78 Das Stück erlebte bis zum Jahresende siebzehn Aufführungen und wurde auch in der Provinz inszeniert. Pichat hatte seinen Le´onidas bereits 1822 vollendet und am The´aˆtre Franc¸ais eingereicht;79 doch wie der Mercure boshaft bemerkte, war die Zensur ein „de´file´ presqu’aussi dangereux que celui des Thermopyles“.80 Erst Baron Taylor, der 1825 die Leitung des The´aˆtre Franc¸ais übernahm, brachte das Stück mit Unterstützung seines berühmtesten Schauspielers, Franc¸ois-Joseph Talma, der die Rolle des Leonidas spielte, durch die Zensur. Der Rezensent des Mercure vermutete, die Historiker unter den Zensoren hätten sich an den Erfolg von Glovers Epos Leonidas erinnert, in dem zur Zeit der despotischen und korrupten Regierung von Robert Walpole „le de´sinte´ressement et l’amour de la patrie“ ins Zentrum gestellt worden seien (s. Kap. II.2.1).81 Diese bemerkenswerte Querverbindung lässt sich auch auf die Regierung des Comte de Ville`le beziehen, der im Frühjahr 1825 die ultraroyalistische Mehrheit der beiden Kammern dazu genutzt hatte, das Gesetz zur Entschädigung der in der Revolution enteigneten Emigranten durchzubringen. Vgl. Leonhard, Liberalismus, S. 252, 258–282. Dumas, Souvenirs, S. 158. 78 ) Vgl. Quotidienne Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 1–3; Drapeau blanc Nr. 322 vom 28. 11. 1825, S. 4; Etoile Nr. 322 vom 28. 11. 1825, S. 3– 4; Journal des de´bats vom 28. 11. 1825, S. 1– 4; Journal des de´bats vom 7. 12. 1825, S. 1– 4; Gazette de France Nr. 331 vom 27. 11. 1825, S. 1; Gazette de France Nr. 333 vom 29. 11. 1825, S. 1–3; Constitutionnel Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 4; Courrier franc¸ais Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 3– 4; Courrier franc¸ais Nr. 334 vom 30. 11. 1825, S. 3; Moniteur universel Nr. 331 vom 27. 11. 1825, S. 1582; Moniteur universel Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 1588; Journal du Commerce vom 28. 11. 1825, S. 2; Journal du Commerce vom 30. 11. 1825, S. 2; Journal de Paris Nr. 331 vom 27. 11. 1825, S. 2–3; Journal de Paris Nr. 334 vom 30. 11. 1825, S. 1–3; Corsaire Nr. 860 vom 27. 11. 1825, S. 2; Globe vom 29. 11. 1825, S. 990–992; Mercure du dix-neuvie`me sie`cle 11 (1825), S. 427– 432; Revue encyclope´dique 28 (1825), Nr. 83, S. 648–653. 79 ) Michel Pichat (1793–1829), oder Pichald, wie er sich nach mittelalterlicher Manier nannte, stammte aus Vienne (Ise`re) und gehörte zu den Autoren des Pariser Ce´nacle romantique. 1824 debütierte er mit seiner Tragödie Turnus, sein Guillaume Tell blieb unvollendet. Zur Biographie vgl. Dumas, Souvenirs, S. 127–178. 80 ) Mercure du dix-neuvie ` me sie`cle 11 (1825), S. 427. 81 ) Mercure du dix-neuvie ` me sie`cle 11 (1825), S. 428. 76 )

77 )

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4. Europa betrachtet Leonidas’ Erben

Dem Le´onidas wurde in der Presse allgemein ein „succe`s d’enthousiasme“ bescheinigt, unabhängig davon, welchem politischen Lager die Zeitungen zuzurechnen sind.82 Unterschiedlich bewerteten die Rezensenten, in welchem Maß die Ereignisse des griechischen Unabhängigkeitskrieges – Missolonghi wurde bereits belagert – die begeisterte Aufnahme der Tragödie verursacht oder zumindest entscheidend befördert hätten, was aber positiv beurteilt wurde, da jede Popularisierung der griechischen Sache ein Werk der „charite´“ sei.83 Der Globe, die wichtigste liberale Kulturzeitschrift dieser Zeit, von deren Redakteuren einige auch Mitglieder im Griechenverein waren, lobte Pichat, da er mit dem Le´onidas die „sentiments de la nation“ getroffen habe.84 Die Gefühlslage der Nation bzw. desjenigen Teils, der an diesem Abend im The´aˆtre Franc¸ais versammelt war, muss tatsächlich ausschlaggebend für die Begeisterung gewesen sein, denn die dramatische Qualität des Stückes konnte dazu kaum beigetragen haben. Der ultraroyalistische Drapeau blanc, der die „sentiments de la nation“ nicht teilte, betonte: „il est difficile de trouver une pie`ce plus faible que Le´onidas“.85 Auch wenn die Kritiker der anderen Zeitungen die eleganten Verse, den Stil, die Schönheit der Details und die Erhabenheit von Gefühlen und Gedanken lobten, waren sie sich darin einig, dass die Episode der Schlacht an den Thermopylen selbst keinen guten Stoff für eine Tragödie darstellte. Was sie an Kritikpunkten anführten, erklärt, warum keine der zahlreichen dramatischen Bearbeitungen der Schlacht an den Thermopylen eine länger andauernde Bekanntheit erlangt hat:86 Die antike Überlieferung biete kaum Handlung für fünf Akte; in der Handlung gebe es keine tragischen Konflikte, Peripetien, Entwicklungen der Charaktere und differenzierte Gefühle. Nur der Globe bezog die Position, die Schlacht an den Thermopylen sei sehr wohl tragödientauglich, denn der „enthousiasme naı¨f et vrai pendant la repre´sentation“ 87 habe gezeigt, dass der Fortgang der Handlung selbst das Publikumsinteresse aufrecht erhalte. Als Hauptorgan der neuen, ,romantischen Schule‘ argumentiert er damit gegen ein normatives, an Aristoteles und der französischen Klassik orientiertes Konzept der Tragödie, das, wie die anderen Rezensionen zeigen, noch dominierend 82 ) Corsaire Nr. 860 vom 27. 11. 1825, S. 2; Revue encyclope ´ dique 28 (1825), Nr. 83, S. 653. Die liberalen Zeitungen waren u. a.: Constitutionnel, Courrier de France, Journal ge´ne´ral de France, Journal du Commerce, Moniteur universel, Globe und Mercure du dix-neuvie`me sie`cle. Die ultraroyalistischen: Drapeau blanc, Etoile, Quotidienne, und weniger eindeutig: Gazette de France, Journal des de´bats; vgl. Bellanger, Presse 2, S. 3–110; vgl. auch Kohle, Tod, S. 129–136. 83 ) Corsaire Nr. 860 vom 27. 11. 1825, S. 2; vgl. auch Quotidienne Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 3; Journal de Paris Nr. 334 vom 30. 11. 1825, S. 2f. 84 ) Globe Nr. 190 vom 29. 11. 1825, S. 990f.; ähnlich auch Mercure du dix-neuvie ` me sie`cle 11 (1825), S. 428. 85 ) Drapeau blanc Nr. 322 vom 28. 11. 1825, S. 4. 86 ) Die Dramen sind: Auffenberg, Spartaner (1822); Blumenhagen, Thermopylä (1814); Bornis, Thermopyles (1938); Estaing, Thermopyles (1791); Estenberg, Leonidas (1860); Holbein, Leonidas (1812); Houben, Thermopylä (1907); Kasper, Leonidas (1834); Loaisel, Combat (1794); Loots, Leonidas (1804); Moreno, Leonida (1827); Roberdeau, Thermopylae (1792); Simpson, Patriot (1785); Toussaint, Leonidas (1822); Van Steenwyk, Leonidas (1788); Villiers, Passage (1822). 87 ) Globe Nr. 190 vom 29. 11. 1825, S. 991.

4.2. Liberale und Ultraroyalisten im Frankreich der Restauration

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war. Bemerkenswerterweise verteidigt der Globe mit dem Le´onidas ein Stück, das mit dem Thema aus der klassischen Antike, aber auch mit den fünf Akten und der gebundenen Form eher zur klassischen Tragödientradition zu rechnen ist, und er entschuldigt sich dafür bei seinen Lesern. Was Hubertus Kohle für die französische Kunstkritik der Restaurationszeit herausgefunden hat, zeigt sich auch hier: Die verfestigte ästhetische Frontstellung zwischen Romantikern und Klassizisten, die einer politischen Lagerbildung von Modernisierern bzw. Liberalen gegen Konservative bzw. Ultraroyalisten entsprach, konnte sich situativ umkehren, so dass plötzlich die Progressiven für den Klassizismus fochten.88 Im Fall von Pichats Le´onidas lag dies am Thema. Die Schlacht an den Thermopylen wird selbst in den Verrissen allgemein bewundert, und auch die Übertragung auf den griechischen Unabhängigkeitskrieg ist nicht per se in einer bestimmten Richtung politisch. Die politische Dimension des Themas ist in die Semantik der Tragödie eingelagert. So kritisiert der ultraroyalistische Etoile, der dem Stück eigentlich wohlwollend gegenüber steht, Pichat habe unnötigerweise einer „certaine partie du public“ schmeicheln wollen par des pense´es que le libe´ralisme lui-meˆme commence a` repudier, telle, par exemple, que l’office de Roi, et certaines autres expressions qui nous ont paru un peu trop lace´de´moniennes.89

Auch der Kommentar des Globe „Sparte est dans nos souvenirs comme M. Pichald l’a repre´sente´e“ 90 deutet an, was unausgesprochen im Hintergrund steht: die französische Spartarezeption der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit ihrer Akzentuierung der Republik, der konstitutionellen Einbindung des Monarchen, der patriotischen Tugend. Der liberale Courrier franc¸ais spricht in Bezug auf Leonidas vom „heroı¨sme re´publicaine“ und vom „grand citoyen“,91 wie in den Kritiken der liberalen Presse überhaupt die patriotische Rhetorik von „l’amour de la patrie“ bis „l’ambition de la gloire“ ausgebreitet wird.92 Die patriotischen Schlagworte finden sich selbstverständlich auch in gehäuftem Maß in der Tragödie selbst, so dass der ultraroyalistische Drapeau blanc behauptet: [...] le verbe mourir, conjuge´ dans tous ses modes, fait presque tous les mots du discours; [...] les sce`nes ne sont plus remplies que de de´clamations pompeuses, et d’amplifications, dont la patrie, la gloire et la mort sont le texte e´ternel.93

Gerade in diesem „texte e´ternel“ lag für den Großteil des Publikums die affektive Dimension von Pichats Le´onidas: die Erinnerung an das Glorreiche von Revolution und Empire, an die militärischen Erfolge der Grande Nation, an den Kampf zur Verteidigung von Freiheit und politischen Rechten, an die citoyens-soldats, ihren Einsatz, ihren Tod. Über die Schlacht an den Thermopylen konnte aufgrund 88 )

Vgl. Kohle, Tod, S. 127–153; ders., Kunstkritik, S. 171–186. Etoile Nr. 322 vom 28. 11. 1825, S. 4. 90 ) Globe Nr. 190 vom 29. 11. 1825, S. 992. 91 ) Courrier franc ¸ ais Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 4. 92 ) Vgl. Courrier franc ¸ ais Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 4; Moniteur universel Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 1588; Globe Nr. 190 vom 29. 11. 1825, S. 990–992; Revue encyclope´dique 28 (1825), Nr. 83, S. 648; und im ansonsten eher regierungsfreundlichen Journal des de´bats vom 28. 11. 1825, S. 1, 4. 93 ) Drapeau blanc Nr. 322 vom 28. 11. 1825, S. 4. 89 )

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ihrer Verwendung in Revolution und Empire die eigene Vergangenheit rezipiert werden, wobei die Spannbreite, welches Element der Vergangenheit konkret gemeint war, relativ groß ist. Auch wenn die Bedeutungszuschreibungen bei der Schlacht an den Thermopylen um die citoyens-soldats und ihr de´vouement aus l’amour de la patrie kreisten, konnte die konkrete Staatsform als konstitutionelle Monarchie, als bonapartistisches Empire oder als Republik gedacht werden.94 Ein Anschlusspunkt auf anderer Ebene war das Gemälde Davids, nach dem in Pichats Le´onidas das Bühnenbild des 2., 3. und 4. Aktes gestaltet war: [. . .] le tableau de David, reconnu par tous les spectateurs, a excite´ des cris d’admiration. Voila` les rochers qu’il faut garnir, le passage qu’il faut de´fendre; voila` l’autel de Mars; voila` pre`s de cet autel Le´onidas renferme´ dans son he´roı¨que me´ditation, et Talma lui pre`tant des traits qu’il semble avoir dispose´s s’apre`s le dessin du maıˆtre; voila` son fre`re Cle´ome`ne et ses braves compagnons attendant le signal.95

Die Rezensenten lobten in seltener Einstimmigkeit diesen Wiedererkennungseffekt. Vor dem Hintergrund des Bühnenbildes von Pierre-Luc-Charles Cice´ri sahen die Zuschauer „le tableau [. . .] en action“ 96: In der letzten Szene des 3. Aktes opfern die Spartiaten am Altar, der in der Regieanweisung ein Altar des Vaterlandes ist, den Musen, wobei sie Blütenkränze tragen; in der 3. Szene des 4. Aktes weist Leonidas einen Spartiaten an, mit seinem Schwert das Epigramm („Passant, va dire a` Sparte nos exploits, / Et ses guerriers, ici, morts pour ses saintes lois“) in den Fels zu schlagen;97 und Talma wurde aufgrund von Mimik und Gestik, von Frisur, Bart und Helm als Verlebendigung von Davids Leonidas angesehen (s. Abb. 28).98 Er sei wie eine antike Statue und vollständig „surhuman“ gewesen.99 Das zentrale Element von Davids Komposition, die ideale Nacktheit von Leonidas und seinen Spartiaten, war auf der Bühne natürlich nicht darstellbar. Pichat partizipiert mit dem Zitat zentraler Motive nicht nur am Bekanntheitsgrad des Gemäldes, das seit dem Ankauf durch Louis XVIII . 1819 im Muse´e Royale du Luxembourg und ab März 1826 im Louvre ausgestellt war, sondern auch an den Einfällen Davids zur Restitution der Überzeitlichkeit der antiken Schlacht im Bild. Mit dem Zitat von Davids Le´onidas in Pichats Tragödie verdichten sich auch die politischen Sinnbezüge, freilich in verdeckter Form. Die allgemeine Begeisterung der Rezensenten unabhängig von der politischen Ausrichtung ihrer Zeitungen angesichts der Verwendung des Bildes sowie für die Schauspielkunst Talmas 94 ) Für die Schlacht an den Thermopylen sind zwar die revolutionäre und napoleonische Tradition kaum zu trennen, aber im Anknüpfen an spezifische Motive konnte der Bezug konkret werden: So bei Barbey, He´ros, der an die republikanische Rezeption anknüpft; oder bei den Vergleichen mit Waterloo; vgl. Bare`re, Me´moires, S. 174; Delavigne, De´vastation, S. 25. 95 ) Moniteur universel Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 1588. 96 ) Globe Nr. 190 vom 29. 11. 1825, S. 992. 97 ) Vgl. Pichat, Le ´ onidas, S. 45f., 52. 98 ) Vgl. Courrier franc ¸ ais Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 4; Gazette de France Nr. 333 vom 29. 11. 1825, S. 3; Journal des de´bats vom 7. 12. 1825, S. 4; Moniteur universel Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 1588; Pichat, Le´onidas, Vorwort, S. 10; in der Erstausgabe findet sich eine weitere Darstellung von Talma in der Rolle des Leonidas; vgl. Athanassoglou, Images, S. 58 Abb. 26. 99 ) Dumas, Souvenirs, S. 158.

4.2. Liberale und Ultraroyalisten im Frankreich der Restauration

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zeigt, wie sehr die klassizistische bildende bzw. darstellende Kunst, die ihre entscheidende Ausprägung in der Revolutionszeit erhalten hatte, als Hochkultur akzeptiert war. David und Talma waren keine unbeschriebenen Blätter. Talma, der zur Zeit der Aufführung von Pichats Le´onidas bereits 63 Jahre alt war, galt als Erneuerer der Schauspielkunst: Er hatte während der Revolution historisch exakte Kostüme und die Natürlichkeit des Ausdrucks popularisiert, für die bürgerliche Anerkennung der Schauspieler gekämpft, war Napoleons Lieblingsschauspieler gewesen und mit David seit langer Zeit befreundet.100 Im November 1825, d. h. kurz vor der Aufführung des Le´onidas, hatte er David in dessen Brüsseler Exil besucht und den Maler todkrank vorgefunden.101 David starb am 29. Dezember 1825 – Talma zehn Monate später –, und der Streit, den die Pariser Presse im Frühjahr 1826 ausfocht, nachdem die Regierung Ville`le der Familie Davids untersagt hatte, die Leiche nach Frankreich zu überführen, verdeutlicht, wie problematisch die Erinnerung an seine Person war.102 David war nicht nur der unumstrittene Erneuerer der französischen Kunst, sondern auch re´gicide, Königsmörder, und als solcher exiliert worden, wie die royalistische Presse dem Empörungssturm der liberalen Zeitungen entgegenhielt. Eine Demonstration von Kunststudenten im Muse´e du Luxembourg, bei der sie Gemälde Davids, d. h. wahrscheinlich auch den Le´onidas, bekränzten, wurde von der Polizei aufgelöst.103 Auch der Nachlassverkauf Mitte April, bei dem die beiden Skandalbilder des toten Marat und des toten Lepeletier zum Verkauf standen, war von Polizeiaktionen begleitet. Während, um auf Pichats Le´onidas zurückzukommen, durchaus Konsens über die Bedeutung Davids für die französische Malerei herrschte, war seine politische Biographie höchst umstritten. Dies bedeutet, dass das Zitat von Davids Le´onidas in der Tragödie politisch gedeutet werden konnte und aller Wahrscheinlichkeit nach auch so gedeutet wurde. Die Person Davids stand dabei für die Akzeptanz der gesamten Revolutions- und Empirezeit, einschließlich des Konvents. Wie Nina Athanassoglou gezeigt hat, blieben die Schlacht an den Thermopylen allgemein104 und Le´onidas aux Thermopyles speziell 1826 in der öffentlichen Aufmerksamkeit, weil just im Frühjahr der großformatige Stich des Gemäldes von Jean-Nicolas Laugier fertig wurde.105 Als der Verkauf der Druckgraphik begann, kolportierte der Constitutionnel, David habe wenige Tage vor seinem Tod einen Probeabzug korrigiert, und suggerierte somit, der Maler sei im Angesicht seines Le´onidas verstorben.106 Laugier 100 ) Franc ¸ ois-Joseph Talma (1763–1826); vgl. Bare`re, Me´moires, S. 457; Carroll, Representations, S. 200ff. 101 ) Vgl. Wildenstein Nr. 2001. 102 ) Vgl. Kohle, Tod, S. 127–153; Athanassoglou, Images, S. 39–57; Gersmann, Schatten, S. 41–60. 103 ) Vgl. Wildenstein Nr. 2019, 2020, 2042bis, 2046, 2048. 104 ) Vgl. Athanassoglou, Images, S. 38–66. Z. B. Guiraud, Aux Grecs (1824), S. 189f.; Gaspard de Pons, Othryades (1825), S. 3–21; ders., Insurrection (1825), S. 113–119; Debay, Ombre (1829), S. 3–8. Im August 1825 führte Euge`ne Courtray de Pradel die Improvisation über le Spartiate, seul des 300 compagnons de Le´onidas, e´chappe´ du massacre des Thermopyles auf; vgl. Revue encyclope´dique 27 (1825) Nr. 80, S. 616f. Am 9. Oktober 1826 folgte die Aufführung von Rossinis Le Sie`ge de Corinthe. 105 ) Vgl. Athanassoglou, Leonidas, S. 633–635; dies., Images, S. 60 Abb. 27.

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widmete sein Blatt „aux Helle`nes“, wie die Anzeigen kundtaten, zumal der Verkaufsbeginn auch mit der Einnahme von Missolonghi zusammenfiel; er schenkte ein Exemplar Pichat und eines dem Comite´ Grec, in dessen Büro es gerahmt an der Wand hing (s. Abb. 29).107 Am 17. Mai eröffnete die Galerie Lebrun eine Kunstausstellung „en faveur des Grecs“, die bis zum Oktober etwa 29 000 Besucher anzog,108 und am selben Tag wurde aus Anlass des Falls von Missolonghi auch Pichats Le´onidas wieder aufgenommen.109 Bereits bei der Aufführung des Le´onidas im November 1825 sah vor allem die liberale Presse das Interesse an dem Thema durch den griechischen Unabhängigkeitskrieg begründet: les beaux vers, les sentimens he´roı¨ques [...] suffisaient pour e´lectriser tous les cœurs, mais il se trouvait meˆme quelque chose [. . .] qui a redouble´ la vivacite´ des transports de la foule qu’avait attire´e la repre´sentation.110

Es handelte sich um die Söhne von Admiral Andreas Miaulis und Konstantin Kanaris, die auf Kosten des Comite´ Grec in Frankreich erzogen wurden und der zweiten Aufführung des Le´onidas in der Loge des Herzogs von Orle´ans beiwohnten, wobei sie vom Publikum mit stürmischem Applaus und „Vive la Gre`ce!“-Rufen begrüßt wurden.111 Mit Rücksicht auf die Ereignisse in Griechenland lehnten es die kleineren Pariser Theater ab, eine Persiflage auf den Le´onidas zu spielen, die blitzschnell entstanden sein muss.112 Überhaupt waren die ersten beiden Aufführungen des Le´onidas von starken emotionalen Reaktionen des Publikums begleitet, die vor allem von den Rezensenten der liberalen Zeitungen beschrieben wurden. Während des ganzen Stückes gab es Akklamationen und Zwischenapplaus, und Leonidas starb inmitten von Beifallsstürmen und Tränen.113 Nach den letzten Worten, so berichtet der regierungsnahe Etoile, brach ein unvorstellbarer Begeisterungssturm los, und „il e´tait evident que ce n’e´tait pas seulement les vers qu’on applaudissait“.114 106 ) Vgl. Constitutionnel Nr. 142 vom 22. 5. 1826, S. 2f.; diese Episode fand Eingang in die David-Biographik: vgl. Coupin, Essai, S. 43; Lenoir, David, S. 11; Dele´cluze, David, S. 376. 107 ) Vgl. Journal des de ´ bats 17. 5. 1826, S. 2; Constitutionnel Nr. 142 vom 22. 5. 1826, S. 2f.; Dumas, Souvenirs, S. 166. 108 ) Auf dieser Ausstellung wurden die Hauptvertreter der modernen französischen Kunst gezeigt und seit 1815 erstmals wieder die großen napoleonischen Gemälde; vgl. Athanassoglou, Images, S. 40f., 156–165; Bajou, Expositions, S. 53–58, 267–282. 109 ) Vgl. Courrier franc ¸ ais Nr. 149 vom 20. 5. 1826, S. 3. 110 ) Mercure du dix-neuvie ` me sie`cle 11 (1825), S. 430. 111 ) Vgl. Mercure du dix-neuvie ` me sie`cle 11 (1825), S. 430; Courrier franc¸ais Nr. 334 vom 30. 11. 1825, S. 3; Journal du Commerce vom 30. 11. 1825, S. 2; Pichat, Le´onidas, Vorwort, S. 9f. Insgesamt wurden auf Kosten des Comite´ grec acht Söhne von griechischen ,Helden‘ in Frankreich erzogen. Diese waren allerdings nicht besonders daran interessiert, ihre Söhne nach Frankreich zu schicken; vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 83. 112 ) Vgl. Journal de Paris Nr. 339 vom 5. 12. 1825, S. 1. 113 ) Vgl. Courrier franc ¸ ais Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 4; Quotidienne Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 1; Revue encyclope´dique 28 (1825), Nr. 83, S. 651. Vgl. auch Journal du Commerce vom 28. 11. 1825, S. 2; Globe Nr. 190 vom 29. 11. 1825, S. 990; Moniteur universel Nr. 332 vom 28. 11. 1825, S. 1588. 114 ) Etoile Nr. 322 vom 28. 11. 1825, S. 4.

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Die Aufführung von Pichats Le´onidas war, wie die Zensur befürchtet hatte, zu einer Manifestation regierungskritischen, ,liberalen‘ Denkens und Fühlens geworden. Dies lag zum einen am Stoff der Tragödie: Die Schlacht an den Thermopylen war seit ihrem Gebrauch in Revolution und Empire mit bestimmten Bedeutungen verbunden: Sie war ein republikanisches Exempel. Mit der antiken Niederlage ist in Pichats Tragödie ein ganzes Netz an Bedeutungen verknüpft: Als Freiheitskampf wird sie typologisch sowohl mit dem griechischen Unabhängigkeitskrieg als auch mit den Kriegen der Grande Nation verbunden; semantisch mit den affektiv dichten Schlagworten der revolutionären und napoleonischen Vergangenheit; visuell mit der Bilderwelt Davids. Aus dem Stück und seinen Besprechungen sind keine trennscharfen ,liberalen‘ Konzepte herauszupräparieren, vielmehr lagen die Identifikationsmomente gerade in der diffusen Gemengelage aus Begriffen, politischen Ideen und Vergangenheitsbezügen. Bemerkenswert an Pichats Le´onidas ist, dass die Aufführungen ein emotional ergreifendes Gemeinschaftserlebnis waren, in dem sich ,Liberalismus‘ jenseits aller politischen Gruppierungen praktisch manifestierte. Die Aufführungen samt ihrer Distribuierung durch die liberale Presse waren eine Form der politischen Protestäußerung. Es gab zwischen 1824 und 1827 eine ganze Reihe ungewöhnlicher außerparlamentarischer Protestformen der liberalen Opposition. Ein prominentes Beispiel ist die Spendensammlung für die Witwe des Generals Foy, eines der wenigen liberalen Politiker in der Deputiertenkammer. Sein plötzlicher Tod sprach sich während der zweiten Aufführung des Le´onidas herum, und die Trauer um den Politker „pour lequel la tribune nationale fut un autre de´file´ des Thermopyles ou` il combattit jusqu’au dernier soupir“ war groß.115 Die Organisatoren des Spendenaufrufs waren allesamt auch Mitglieder im Comite´ Grec.116 Die Begeisterung über Pichats Le´onidas ist eine Protestform auf höchstem gesellschaftlichem und kulturellem Niveau, deshalb soll im Folgenden kurz auf die Exklusivität dieser Art von politischer Äußerung eingegangen werden. Für ihre Argumentation, dass die Schlacht an den Thermopylen nicht tragödientauglich sei, führen zwei Rezensenten die Misserfolge von Estaings Tragödie von 1791 und Pixe´re´rcourts Oper von 1799 an;117 das erfolgreichste Stück der Revolutionszeit, Loaisels Combat des Thermopyles von 1794, wird dagegen nie genannt, was darauf hindeutet, dass die Jakobinerzeit nicht als Erbe akzeptiert wurde. Ebenfalls unerwähnt bleibt eine dramatische Bearbeitung jüngeren Datums, und nur in einem völlig anderen Zusammenhang erfährt man aus dem Journal de Paris, dass die Herren Franconi vom Cirque Olympique wegen des Erfolgs von Pichats Tragödie ihren Le´onidas wieder aufnehmen würden.118 Es handelt sich dabei um das Mimodrame Le Passage des Thermopyles von Pierre A. Villiers, das am 26. Dezember 1822 uraufgeführt und den gesamten Vgl. Mercure du dix-neuvie`me sie`cle 11 (1825), S. 431f.; vgl. auch Tulard, Frankreich, S. 336. Vgl. Klein, Vereinsbewegung, S. 194f. Der gesammelte Betrag von fast einer Million Francs überstieg das Spendenaufkommen für die Griechen. 117 ) Vgl. Journal de Paris Nr. 331 vom 27. 11. 1825, S. 2; Gazette de France Nr. 331 vom 27. 11. 1825, S. 1. 118 ) Vgl. Journal de Paris Nr. 339 vom 5. 12. 1825, S. 2. Lange kann das Stück nicht gespielt worden sein, denn das Theater brannte im März 1826 ab. 115 )

116 )

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Winter hindurch mit Erfolg gespielt worden war.119 Villiers Stück besteht aus zwei Akten, von denen der erste in Sparta spielt und quasi als lange Exposition in die historisch-politische Situation vor der Schlacht einführt. Der zweite Akt spielt im Engpass der Thermopylen und besteht im Wesentlichen aus Kampfszenen, an deren Ende die Spartiaten tot sind und Xerxes mit seinem Heer flieht. Außer dieser Umdeutung der Schlacht an den Thermopylen in einen Sieg, die auch schon in Loaisels Drama vorkommt, ist Villiers Mimodrame nicht weniger wahrheitsgetreu als alle anderen einschlägigen Dramen auch.120 Die Passage des Thermopyles wurde als eines von mehreren kurzen Stücken gezeigt; am Tag der Uraufführung folgten Le Soldat fermier, Grandes manœuvres und Cheveaux dresse´s.121 Die größte Gemeinsamkeit mit Pichats Le´onidas ist, dass auch bei Villiers im zweiten Akt Davids Gemälde „en action“ 122 gesetzt wird. Franconi junior saß als Leonidas auf einem Baumstamm und meditierte, beim Opfer trugen die Spartiaten Kränze, als Inschrift wurde „Ici ont pe´ri 300 Spartiartes [sic]“ in den Fels eingeschlagen, und der Priester wurde von einem Mann im Herakleskostüm begleitet.123 Daran wird deutlich, wie dominant Davids Bildfindung für jede Visualisierung der Schlacht an den Thermopylen in dieser Zeit war. In der Presse wurde bereits bei Villiers, wenn auch in weit geringerem Umfang als bei Pichats Le´onidas, das aktuelle Interesse an dem Thema sowohl mit dem griechischen Unabhängigkeitskrieg als auch innenpolitisch begründet. So erklärte der Miroir mit einer gewissen Boshaftigkeit, die Theaterautoren müssten auf die Antike zurückgreifen, da sie der modernen Geschichte keinen darstellungswürdigen Stoff mehr entnehmen könnten, und berichtet: Le peuple a vivement applaudi tous les sentiments he´roı¨ques de cette poigne´e de braves, qui re´pe´taient en succombant sous le nombre: Les Spartiates meurent et ne se rendent pas!124

Der letzte Satz steht nicht im gedruckten Text des Stückes, was allerdings nicht ausschließt, dass die Schauspieler ihn bei der Aufführung gesagt haben. Auf alle Fälle stellt der Miroir, dessen Herausgeber Augustin Jal Bonapartist war, damit eine Verbindung zu Cambronne und der napoleonischen Vergangenheit her. Gegen die Aneignung der Schlacht an den Thermopylen von liberaler Seite wehrt sich die royalistische Quotidienne: 119 ) Vgl. Villiers, Passage. Rezensionen: Miroir Nr. 702 vom 28. 12. 1822, S. 2; Journal de Paris Nr. 359/360 vom 26./27. 12. 1822, S. 1f.; Courrier franc¸ais Nr. 365 vom 30. 12. 1822, S. 4; Constitutionnel vom 2. 1. 1823, S. 4; Gazette de France Nr. 364 vom 30. 12. 1822, S. 2f.; Quotidienne Nr. 365 vom 31. 12. 1822, S. 1f.. 120 ) Als seine Quelle gibt er Barthe ´ lemy an; vgl. Villiers, Passage, S. 6. 121 ) Vgl. Miroir Nr. 700 vom 26. 12. 1822, S. 1. 122 ) Journal de Paris Nr. 359/360 vom 26./27. 12. 1822, S. 2. 123 ) Vgl. Villiers, Passage, S. 19, 20, 21. Das Journal de Paris Nr. 359/360 vom 26./27. 12. 1822, S. 2, zitiert allerdings das Epigramm in der gebräuchlichen Form, s. Kap. II .1.1. 124 ) Miroir Nr. 702 vom 28. 12. 1822, S. 2. Im Januar 1823 kündigte der Miroir eine (nicht mehr auffindbare) Lithographie Le´onidas aux Thermopyles an, die das Apophthegma Rendsmoi les armes! – Viens les prendre! darstellte. Auch hier betont der Miroir, dass der Künstler durch die Zensur und die Bedeutungslosigkeit der Gegenwart auf die antike Geschichte zurückgeworfen sei; vgl. Miroir Nr. 724 vom 19. 1. 1823, S. 3f.

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Libe´raux pour libe´raux, j’aime encore mieux ceux de Sparte que les noˆtres; ils avaient du moins un grand respect pour leur roi, et les mots de patrie et de liberte´ n’e´taient pas pour eux un jargon insignifiant; ils ne voulaient de liberte´ que celle qu’accordaient les lois [...].125

Obgleich allen Rezensenten nicht nur das Thema, sondern auch die Inszenierung als temporeiches visuelles Spektakel gefällt, kann man ihre Distanz zum Publikum des Cirque Olympique erkennen. Am deutlichsten artikuliert der Kritiker der Gazette de France diesen Abstand, indem er die Verwunderung eines „homme raisonnable“ beschreibt, die Schlacht an den Thermopylen in einem Theater aufgeführt zu finden, dessen Hauptattraktion die Pferdedressur ist.126 Die kulturelle Grenze wird auch daran sichtbar, dass Franconi junior als Leonidas neben einem schönen Körperbau auch unerwartete schauspielerische Qualitäten attestiert werden127 und dass die Rezensenten von Pichats Le´onidas – um zum Ausgangspunkt zurückzukommen – Villiers Mimodrame gar nicht als dramatische Bearbeitung der antiken Schlacht wahrnahmen. Das Publikum, das in den Cirque Olympique ging, der in der Faubourg du Temple lag, gehörte einer anderen Gesellschaftsschicht an als die kulturellen Eliten von Paris, einschließlich der Journalisten. So erklären die Rezensenten den Erfolg von Villiers Stück bei Zuschauern, die nur geringe Kenntnis von antiker Geschichte hatten, damit, dass sie durch kurze Reden und viel Aktion gefesselt gewesen seien und aufgrund des Themas zwischen Bewunderung und Schrecken geschwankt hätten. Vergleicht man diese Aussagen mit der Beschreibung der Publikumsreaktion auf Pichats Tragödie, so zeigt sich die Diskrepanz im Verhalten der Rezipienten: Eine direkte emotionale Reaktion auf die Handlung steht einem verfeinerten Kunstgenuss und der empfindsamen Offenheit für ,sublime‘ Gedanken gegenüber. Bei der ersten Aufführung von Villiers Passage des Thermopyles gab es auch einige Pfiffe, die der Miroir als gezielt gegen die Worte patrie und liberte´ gerichtet deutet, die Gazette de France aber darauf zurückführt, dass das Thema vielleicht doch „un peu trop se´ve`re“ sei.128 Es bleibt also unklar, ob die Pfiffe von Royalisten kamen, wie der Miroir suggeriert, oder ob die Missfallensäußerungen sich auf etwas anderes bezogen. Aber selbst wenn damit ein politischer Protest ausgedrückt wurde, richteten sich die Pfiffe gegen bestimmte Reizwörter, und nicht die Schlacht selbst wurde zum Fokus des Protestes. Villiers Mimodrame zeigt, wie die Schlacht an den Thermopylen als Thema sowie das Gemälde Davids aus der Hochkultur in kleinbürgerliche Kreise diffundierten.129 Gleichzeitig wird an den Zeitungsrezensionen eine kulturelle und damit auch soziale Grenze bei der Rezeption der Schlacht sichtbar. Als eine Form der politischen Protestäußerung wurde sie in der Restaurationszeit nur von der Gesellschaftsschicht benutzt, die politische Rechte hatte. Da diese an einen Zensus gebunden waren, handelte es sich zugleich um die ökonomische Oberschicht. 125 )

Quotidienne Nr. 365 vom 31. 12. 1822, S. 1. Vgl. Gazette de France Nr. 364 vom 30. 12. 1822, S. 2. 127 ) Vgl. Quotidienne Nr. 365 vom 31. 12. 1822, S. 2; Miroir Nr. 702 vom 28. 12. 1822, S. 2. 128 ) Vgl. Miroir Nr. 702 vom 28. 12. 1822, S. 2; Gazette de France Nr. 364 vom 30. 12. 1822, S. 3. 129 ) Vgl. Chivot/Duru, Pharmacien, s. Kap. II.1.2. 126 )

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4. Europa betrachtet Leonidas’ Erben

In der Restaurationszeit waren für die Schlacht an den Thermopylen die Bedeutungszuschreibungen so verfestigt, dass mit der antiken Niederlage öffentlich politischer Protest artikuliert werden konnte. Nur in diesem Zeitraum war die Schlacht über eine Sprach- und eine Bildebene in der Hauptstadtkultur als republikanisches Exempel etabliert. Doch selbst in der politischen Fokussierung ließ das Exempel einen Bedeutungsspielraum zu, weshalb Pichats Le´onidas überhaupt zu einem Gemeinschaftserlebnis der heterogenen liberalen Opposition werden konnte. Darüber hinaus war die politische Verwendung des Exempels sozial exkludierend. Bei der Übertragung auf die Verhältnisse des restaurativen Frankreichs oder auch des griechischen Unabhängigkeitskrieges konnte mit der Schlacht an den Thermopylen eine politische, nicht aber eine soziale Wirklichkeit fokussiert werden. Dies muss deshalb betont werden, weil das Exempel der antiken Schlacht immer mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit rezipiert wurde. Die Aufführung von Pichats Le´onidas kann als Endpunkt der französischen Thermopylen-Rezeption gelten, die im Vorfeld der Revolution begann und in den Revolutions- und napoleonischen Kriegen ihre spezifische Ausprägung erhielt. Nach 1830 wandten sich die künstlerischen Felder endgültig von der klassizistischen Tradition ab130 und in der Öffentlichkeit wurden die antiken Heldenexempel von neuen oder wiederentdeckten nationalen Heldenfiguren verdrängt, so von Vertingetorix oder Jeanne d’Arc, über die in der Dritten Republik die Auseinandersetzung zwischen Republikanern und Royalisten ausgetragen wurde.131 Auch das Deutungsmuster des nationalen, militärischen Helden veränderte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts, wie der Fall Cambronnes zeigt. Leonidas war samt dem klassizistischen Idealkörperkonzept der Persiflage freigegeben (s. Kap. II.1.2). Weiterhin trug grundsätzlich die Institutionalisierung der Geschichtswissenschaft dazu bei, dass die zeitlose Exemplarität der Schlacht an den Thermopylen angezweifelt wurde. Dieser Vorgang wird ausführlich für Deutschland analysiert (s. Kap. III.1). Für Frankreich bedeutete die Professionalisierung des Faches das Ende der philosophisch-literarischen Spartarezeption des 18. Jahrhunderts, die noch bei Pichats Le´onidas diffus im Hintergrund steht. Die wissenschaftliche Erforschung der spartanischen Polis hatte in Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert keine markanten Ausprägungen, die der deutschen Spartaforschung der 1920er und 30er Jahre vergleichbar wären.132 Trotz des Bedeutungsverlustes blieb die Schlacht an den Thermopylen in Frankreich im weiteren 19. und 20. Jahrhundert nicht nur vereinzelt präsent,133 sondern sie blieb auch, soweit zu überblicken, ein republikanisches Exempel,134 das auch links der Mitte zu finden ist.135 Diese dauerhafte Festlegung der spartanischen Niederlage 130 )

Vgl. Schmitz, Frankreich, S. 1257–1267. Vgl. Krumeich, Jeanne d’Arc. 132 ) Vgl. Rawson, Tradition, S. 297–300; Christ, Spartaforschung, S. 22–55; Losemann, Sparta, S. 160–163. 133 ) Vgl. La Tour, Thermopyles (1905); Darget, Thermopyles (1946); Lenormand-Bacot, Thermopyles (1989). 134 ) Vgl. Dictionnaire, Le ´ onidas, S. 375; vgl. auch Hugo, Les Trois Cents; das Epos von 1873 ist unvollendet und die Schlacht selbst fehlt. Zu 1870/71: E´loi Sorbets, Thermopyles (1870). 131 )

4.2. Liberale und Ultraroyalisten im Frankreich der Restauration

225

auf das Opfer für eine Republik liegt nicht nur daran, dass in Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert die Phasen überwiegen, in denen das Land eine republikanische Verfassung hatte, sondern auch am Gemälde Davids. Durch das Gemälde blieb das Exempel der Schlacht zum einen materiell präsent, zum anderen mit der Revolutions- und Empirezeit verbunden. Noch 1873, zu einer Zeit, in der der akademische Klassizismus völlig aus der Mode war, bezeichnete das Grand Dictionnaire universel du XIX e sie`cle im Artikel Le´onidas David und Leonidas als „fre`res jumeaux“.136 Im 20. Jahrhundert wird die Thermopylen-Rezeption tendenziell weiter auf Davids Gemälde verengt. Während das Gemälde im Lexikon von 1873 noch zusammen mit Glovers Epos, Pixe´re´courts Oper und Pichats Tragödie als künstlerische Bearbeitung der Schlacht an den Thermopylen genannt wird, ist es im Larousse du XX e sie`cle von 1930 alleine aufgeführt.137 Wie dominant zudem Davids Bildfindungen sind, zeigt sich im historischen Abriss dieses Lexikonartikels, in dem es heißt, das Epigramm sei in den Fels geschlagen worden.138 Auch Le Canard enchaıˆne´ kann 1981 problemlos auf Davids Figur des Leonidas zurückgreifen, um den damaligen französischen Verteidigungsminister zu verspotten (s. Abb. 30). Dagegen hat das Spartiaten-Epigramm für die weitere französische Rezeption der Schlacht an den Thermopylen nicht dieselbe Bedeutung, die es in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlangt (s. Kap. III.1; 2.).

135 )

Vgl. Be´rard, Thermopyles (1898), der die Verteidigungsbemühungen der Bauern von Ain gegen die Invasion der Österreicher beschreibt und große Sympathien für die Jakobinerzeit, aber keine für Napoleon hegt. Vgl. Sorel, Gewalt (1906), S. 107, der das Sterben der Thermopylenkämpfer für die ,gute Sache‘ auf die syndikalistischen Revolutionäre projiziert. Vgl. Te´ry, Thermopyles (1948), die als Journalistin im Oktober 1947 im Auftrag der kommunistischen Partei Frankreichs nach Griechenland reiste, um General Marcos zu interviewen. 136 ) Vgl. Dictionnaire, S. 375. 137 ) Vgl. Larousse, S. 405. 138 ) Vgl. Larousse, S. 405.

III. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen Reichsgründung und Zweitem Weltkrieg (1870/71–1945) 1. Kanonisierung als Bildungswissen. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen Schule, Wissenschaft und Militär 1.1. Von der Schule bis zum Grab. Die deutschen Schulbücher 1870–1950 Im Jahr 1916 schrieb der Gymnasialdirektor Dr. Seiler-Wittstock an Das humanistische Gymnasium, Organ des deutschen Gymnasialvereins, sein Sohn habe ihm ein wurmstichiges, angefaultes Holzstück mit einer griechischen Aufschrift geschickt, das er im vordersten Beobachtungsposten der Front bei Soissons von einer Wand gerissen habe. Auf dem Brett stehe in Tinte geschrieben, mit einigen Fehlern, das Grabepigramm auf die Spartiaten in der Version Herodots: Offenbar ist einem unserer Offiziere oder Soldaten angesichts des drohenden Todes unmittelbar vor dem Feind der halbvergessene griechische Heldenvers, den er auf dem Gymnasium gelernt hatte, aus der Tiefe der Erinnerung emporgetaucht. Er hat ihn [. . .] unter dem Pfeifen der feindlichen Geschosse auf das Holz geschrieben. Der Gedanke war ihm tröstlich, daß, wenn er sein Leben lassen müsse, er es dahingeben werde, getreu der Pflicht des Gehorsams gegen das Vaterland. Wieder ein Beispiel für die erhebende Wirkung antiker Größe auf unsere empfängliche Jugend!1

Der unbekannte Soldat hat demnach seine Todesangst durch das griechische Epigramm kommuniziert und gleichzeitig überwunden. So zumindest die Projektion von Dr. Seiler-Wittstock, der das Aufschreiben des Epigramms sofort auf die Formel der nationalen Pflichterfüllung bringt und damit den direkten Nutzen humanistischer Bildung bestätigt sieht. Sein Brief erschien in der Rubrik, in der die Zeitschrift während des ganzen Ersten Weltkrieges Feldpostbriefe ehemaliger Schüler an ihre Lehrer abdruckte, die sich dadurch selbst bescheinigten, dass sie nicht „junge Griechen und Römer“ ausbildeten, wie Wilhelm II . ihnen auf der preußischen Schulkonferenz 1890 vorgeworfen hatte,2 sondern tapfere deutsche Soldaten. Zumindest lässt sich sagen, dass der ehemalige Gymnasiast im Schützengraben den Akt der antiken Inschriftensetzung nachahmte und damit an der Unsterblichkeit der Thermopylenkämpfer zu partizipieren suchte. Sein persönliches Schicksal konnte er so zum Allgemeingültigen erheben. Das Exempel der antiken Schlacht erscheint hier als ein in die Praxis umgesetztes Orientierungsmodell, durch das die subjektiven Erfahrungen im Schützengraben formelhaft kommuniziert werden konnten. 1)

2)

Gymnasium 27 (1916), S. 192. Vgl. Verhandlungen 1890, S. 72.

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

227

Diese Episode erhellt schlaglichtartig, dass die antike Niederlage in der Schule der Kaiserzeit als Exempel, als konkretes Orientierungsmodell mit Handlungsrelevanz für den Kriegsfall gelehrt und gelernt wurde. Diese enge Verbindung zwischen der antiken Niederlage und der Schule einerseits und der Realität des Krieges andererseits findet sich auch literarisch verarbeitet in Werken deutscher Nachkriegsschriftsteller, die in der NS -Zeit zur Schule gegangen sind: Stets über das Epigramm in der Version Schillers aufgerufen, wird die antike Schlacht als ein Teil derjenigen Schulbildung dargestellt, die mit dem Alltag der Protagonisten überhaupt nichts zu tun hat. Am systematischsten destruiert Heinrich Böll in seiner Kurzgeschichte Wanderer, kommst du nach Spa ... von 1950 den Sinnstiftungszusammenhang zwischen der Schlacht an den Thermopylen als Schulwissen und der Kriegserfahrung eines Gymnasiasten.3 Vorerst festzuhalten ist, dass in Deutschland zwischen Kaiserreich und Zweitem Weltkrieg die antike Schlacht erstens zur Schulbildung gehörte, zweitens in militärischen Kontexten rezipiert wurde und dass drittens der Träger und gleichsam die Deutungsformel dieser Bezugnahmen das SpartiatenEpigramm war. Diese Kombination kennzeichnet eine spezifisch deutsche Rezeption der Schlacht an den Thermopylen, die mit der gesellschaftlichen Bedeutung und Ausstrahlung des humanistischen Gymnasiums und den zwei verlorenen Weltkriegen zusammenhängt. Um dieser Sinnstiftung auf den Grund zu gehen, mit dem junge Männer ihren potenziellen Kriegstod rechtfertigen sollten, wird zunächst der Bildungsgegenstand ,Schlacht an den Thermopylen‘ in den Blick genommen: Von wem wurde die Schlacht wann und mit welchen Deutungsangeboten in der Schule gelernt? Grundlage der Analyse sind deutsche Schulgeschichtsbücher aus dem Kernzeitraum von 1870/71 bis 1950.4 Schulgeschichtsbücher als Quelle für historische Bildung sind mit einer Reihe sehr spezifischer Probleme verbunden: Das in ihnen versammelte Wissen gründet auf einem gesellschaftlichen Konsens über das, was wissenswert ist und an die nächste Generation weitergegeben werden soll; als Instrumente von institutionell gesteuerten Lernprozessen sind sie normativ. Schulbücher haben in der Regel lange, 30– 40jährige, im Extremfall über 100jährige Laufzeiten, und auch das Jahr der letzten Auflage sagt nichts darüber aus, wie lange das betreffende Buch tatsächlich im Unterricht eingesetzt wurde.5 Die Schulbücher der Kaiserzeit wurden auf Vgl. Böll, Wanderer, S. 194–202; s. Kap. III .4. Der Analyse liegt ein Quellenkorpus von 173 Schulgeschichtsbüchern der antiken Geschichte aus dem Bestand des Georg-Eckert-Instituts für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig zugrunde. Es besteht aus Unterstufen-, Mittelstufen- und Oberstufenbüchern von den verschiedenen höheren Schultypen, Mittel- und, soweit existent, Volksschulen sowie Lehrerhandbüchern. Bei den Zitaten kennzeichnen US , MS und OS die Stufen; die Mädchen-, Mittel-, Volksschul- und Lehrerhandbücher werden spezifiziert, während die Bücher für die höheren Knabenschulen bzw. ab der Weimarer Republik für die höheren Schulen allgemein, die den Großteil des Korpus einnehmen, nicht weiter gekennzeichnet werden. Danach folgt die Auflage und Jahreszahl, da Deutungsverschiebungen zwischen zwei Auflagen besonders aufschlussreich sind. Das Gros der ausgewerteten Schulbücher stammt aus Preußen, ein Teil aus Bayern bzw. aus anderen süddeutschen Ländern. 5 ) Eine Ausnahme hierbei sind die nationalsozialistischen Geschichtsbücher, die 1939 3)

4)

228

1. Kanonisierung als Bildungswissen

Drängen des Verbandes deutscher Geschichtslehrer und der Schulbuchverlage 1919 widerstrebend vom preußischen Kultusministerium zur Weiterverwendung freigegeben. Die Geschichtsbücher der Weimarer Republik blieben mit ,braunen‘ Ergänzungsbögen bis 1939 im Einsatz und wurden nach 1945 teilweise wieder zugelassen.6 Zum schwer zu bestimmenden Benutzungszeitraum kommt hinzu, dass die Zulassung von Schulbüchern erst ab den 1870er Jahren sukzessive reguliert und den Schulbehörden der Länder bzw. dem zuständigen Minister unterstellt wurde.7 Allgemeinere Aussagen lassen sich überhaupt erst ab dieser Zeit machen, aber auch dann können Bedeutungsverschiebungen meist nur als Tendenz oder Trendwende beschrieben werden. Unterschiede zwischen Schulbüchern der einzelnen Länder des Deutschen Reiches gibt es in der Darstellung der antiken Geschichte nicht. Die historische Forschung zur Schulgeschichte ist für das 19. und den Beginn des 20. Jahrhunderts insgesamt sehr stark auf Preußen fixiert, das als größtes und bevölkerungsreichstes Land in der Schulpolitik, mit Ausnahme der Mädchenbildung, eine Vorreiterrolle einnahm.8 Die Normativität von Schulgeschichtsbüchern bei der Vermittlung von Geschichte ist insofern nur eingeschränkt zu bestimmen, als sich durch sie die Unterrichtspraxis nicht restlos erschließen lässt. Für den Geschichtsunterricht wurden in den Lehrplänen ab dem Ende des 19. Jahrhunderts ausdrücklich der freie Vortrag des Lehrers und eine freie Behandlung des Stoffes gefordert.9 Besonders im Nationalsozialismus wurden die reine Faktenvermittlung ab- und die Person des Lehrers als Ausbilder und ,Führer‘ der ,richtigen‘ Gesinnung aufgewertet.10 Zudem forderten das Wissenschaftsministerium, diverse Parteistellen, der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB ) und andere Interessenvertreter, den Geschichtsunterricht an den Ideologemen des Nationalsozialismus auszurichten; die neuen Richtlinien wurden aber erst 1939 bzw. 1940 erlassen. Außerdem wurde griechische und römische Geschichte nicht nur im Geschichtsunterricht vermittelt, sondern an den Gymnasien vor allem im altsprachlichen Unterricht. In den Gymnasien der Kaiserzeit entfielen ab der Sexta zwischen sechs und zehn Wochenstunden auf den Lateinunterricht, ab der Untertertia reichsweit eingeführt und 1946 vom Alliierten Kontrollrat verboten wurden. Obwohl NS -Geschichtsbücher immer gerne als Kronzeugen eines spezifisch nationalsozialistischen Geschichtsbewusstseins angegeben werden, vgl. Wiesehöfer, Bild, S. 10f.; Welzbacher, Bezirke, S. 503, waren sie nur kurze Zeit im Unterricht eingesetzt. 6 ) Vgl. Gies, Geschichtsunterricht, S. 49, 59; Riemenschneider, Geschichtslehrbuch, S. 296– 302. 7 ) Vgl. Sauer, Negativkontrolle, S. 144–156; vgl. auch Horn, Verzeichnis, S. 71–80. Nur im NS lag nach der Gleichschaltung der Länder die Schulbuchzulassung beim Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, ab 1937 bei der ,Reichsstelle für das deutsche Schul- und Unterrichtsschrifttum‘, die dem Reichsleiter Philipp Bouhler unterstellt war, der gleichzeitig die ,Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des NS -Schrifttums‘ leitete; vgl. Gies, Geschichtsunterricht, S. 30, 64. 8 ) Vgl. Kuhlemann, Niedere Schulen, S. 179–227; Albisetti/Lundgreen, Höhere Knabenschulen, S. 228–278; Kraul, Höhere Mädchenschulen, S. 279–303. 9 ) Vgl. Zentralblatt (1892), S. 242; Zentralblatt (1901), S. 517; Zentralblatt (1923), S. 64f. 10 ) Vgl. Gies, Geschichtsunterricht, S. 16, 59, 66.

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

229

zudem sechs Wochenstunden auf den Griechischunterricht, während Geschichte in den ersten beiden Jahren einstündig, ab der Quarta zweistündig unterrichtet wurde.11 Auch der Deutschunterricht wurde für Nacherzählungen historischer Stoffe genutzt.12 Ein Gymnasiast um 1900 hatte bei seinem Abitur die Schlacht an den Thermopylen bereits im Geschichtsunterricht dreimal durchgenommen und in der Obersekunda zudem die Darstellung Herodots im Griechischunterricht gelesen.13 Vielleicht hatte er seine erste lateinische Grammatik auch an einer lateinischen Herodot-Ausgabe geübt, in der Unterprima das erste Buch von Ciceros Tusculanae disputationes übersetzt und im Deutschunterricht Schillers Spaziergang durchgenommen.14 Allerdings schlossen in dieser Zeit weniger als 2 % eines Altersjahrgangs das Gymnasium mit dem Abitur ab.15 Nur über den Geschichtsunterricht, der weniger sozial und geschlechtsspezifisch selektierend ist als die alten Sprachen, kann die Vermittlung der Schlacht an den Thermopylen an allen höheren Schulen, einschließlich der höheren Mädchenschulen, sowie an Mittel- und Volksschulen verglichen werden. Die Stundenzahl des Geschichtsunterrichts differiert bei den verschiedenen Typen höherer Knabenschulen und den höheren Mädchenschulen kaum und wird auch während des Zeitraums von 1870 bis 1950 weniger stark reduziert als der Anteil des altsprachlichen Unterrichts.16 Drastisch gekürzt wurden Latein und Griechisch zugunsten von Deutsch, Biologie und Sport mit den Lehrplänen von 1938. Auch machten die humanistischen Gymnasien nur noch 1/10 statt wie in der Weimarer Republik 1/4 der höheren Schulen aus.17 Die Vermittlung der Schlacht an den Thermopylen war nicht an das humanistische Gymnasium gebunden, auch wenn sie dort ungleich intensiver war. Wer wann wie die Schlacht an den Thermopylen im Geschichtsunterricht lernte, wurde von einer ganzen Reihe Faktoren bestimmt, die teilweise die Darstellung im Schulbuch bis in die Wortwahl beeinflussten: zum einen von der Schulpolitik im engeren Sinne mit Richtlinien und Lehrplänen, die ihrerseits von zeitspezifischen Vorstellungen von Bildung und Erziehung geprägt sind, zum anderen von allgemeineren politisch-gesellschaftlichen oder ideologischen Deutungsmustern einer Zeit und zuletzt – in unterschiedlichem Maße – von den Ansichten der 11 ) Vgl. Zentralblatt (1859), S. 164; Zentralblatt (1882), S. 244; Zentralblatt (1892), S. 203; Zentralblatt (1901), S. 473; in der Oberstufe entfielen auf den Geschichts- und Geographieunterricht zusammen 3 Stunden. 12 ) Ab 1892 wurden die beiden Wochenstunden Geschichte in der Sexta und Quinta offiziell dem Deutschunterricht zugeschlagen; vgl. Zentralblatt (1892), S. 203–205; ab 1901 gab es keine neuen Geschichtsbücher für die Quinta mehr; vgl. Zentralblatt (1901), S. 517. 13 ) Mit den Lehrplänen von 1892 gehörte Herodot fest zum Lektürekanon der Obersekunda, während er zuvor bis in die 1840er nicht überall gelesen worden war und bis in die 1860er eher in der Prima. Während bis zu dieser Zeit in erster Linie die Novellen aus den ersten beiden Büchern gelesen wurden, gewannen die Perserkriegsbücher in den 1870ern an Gewicht. Um 1900 nahmen die Bücher 6–9 fast 80% der Herodot-Lektüre ein, das 7. Buch davon den größten Teil; vgl. Kipf, Herodot, S. 57–168. 14 ) Vgl. Kipf, Herodot, S. 126; zum Lateinunterricht allgemein: Apel/Bittner, Schulbildung, S. 117–139. 15 ) Vgl. Albisetti/ Lundgreen, Höhere Knabenschulen, S. 247. 16 ) Vgl. Bittner, Althistorischer Unterricht, S. 286. 17 ) Vgl. Kraul, Gymnasium, S. 170.

230

1. Kanonisierung als Bildungswissen

universitären Geschichtswissenschaft. Alle diese Faktoren änderten sich zusammen mit den politischen Rahmenbedingungen von der Reichsgründung bis zur frühen Bundesrepublik erheblich. Dennoch, um das am wenigsten überraschende Ergebnis vorwegzunehmen, findet sich die Schlacht an den Thermopylen in diesem Zeitraum mit großer Konstanz in den Geschichtsbüchern für die höheren und mittleren Schulen. Die Präsentation von Geschichte im Schulbuch ist zunächst an den Unterricht und damit an sich wandelnde institutionelle Strukturen gebunden: Die Entwicklungen des deutschen Schulsystems im 19. und 20. Jahrhundert können insgesamt als ein Prozess charakterisiert werden, bei dem lokal, regional, konfessionell und funktional spezifische Schulen in ein hierarchisch strukturiertes System überführt wurden.18 Die wichtigste Erfindung auf dem Schulsektor zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das humanistische Gymnasium. Von Preußen ausgehend wandelten bis zur Jahrhundertmitte alle Länder des Deutschen Bundes ihre alten Gelehrtenschulen in Gymnasien um. Hinter diesem neuen Schultyp stand ein Erziehungskonzept, das sich aus verschiedenen pädagogischen Reformansätzen, philosophischen Menschheits- und Gesellschaftsentwürfen und der deutschen Antikenrezeption um 1800 speiste. Das Ziel war die Erziehung zum Menschen schlechthin, der sich durch Freiheit und Mündigkeit auszeichnet, und das Griechentum, verstanden als Kindheit der Menschheit, wurde zum Referenzmodell für dieses Erziehungsprojekt. Die Ausbildung in den alten Sprachen sollte zum einen formal den Verstand schulen, zum anderen zur Erkenntnis moralischer Werte befähigen. Unterstützt werden sollte das Streben nach Vervollkommnung der Menschheit auch durch den Unterricht in Geschichte, die ab 1815 ein eigenständiges Fach und damit vor der universitären Geschichtswissenschaft institutionalisiert war. Die konkrete Umsetzung des Unterrichts divergierte erheblich zwischen den Territorien, aber auch regional und konfessionell, so dass weder Geschichtsdeutungen verallgemeinert werden können noch bis in die 1850er Jahre schulübergreifend geregelt war, wann antike Geschichte gelehrt wurde.19 Die Idee des Gymnasiums trug in der Anfangszeit einen durchaus egalitärsozialutopischen Charakter, der aber nach mehreren Transformationen in der Kaiserzeit in Bildungselitarismus überging. Die realitätsferne Idee vom Gymnasium als einer Einheitsschule, in die alle Knaben unabhängig von ihrem Stand und ihrem späteren Beruf gehen sollten, wurde nie ernsthaft umgesetzt und mit der Einführung des Abiturs als einziger Eingangsvoraussetzung zum Universitätsstudium 1812 ohnehin hinfällig. Im Schatten des Gymnasiums existierte eine Vielzahl von Lehranstalten, die eher an ,realer‘ Bildung ausgerichtet waren und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt darauf drangen, die Berechtigung zum Studium an der Universität erteilen zu dürfen. Erst 1901 erhielten zwei weitere 18 ) Vgl. Zymek, Schulen, S. 155; im Folgenden: Apel, Unterricht, S. 114f.; Jäger, Lehrplan, S. 191–204; Albisetti/Lundgreen, Höhere Knabenschulen, S. 228–278; Kraul, Gymnasium, S. 28–156. 19 ) Vgl. Jeismann, Knabenschulwesen, S. 165f.; Jäger, Lehrplan, S. 197f.; Antike wurde meistens in der Quarta und Tertia, manchmal in der Quinta und in der Sekunda bzw. Prima gelehrt; vgl. Kraul, Gymnasium Vormärz, S. 69–73.

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

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neunjährige höhere Schulen die volle Gleichberechtigung: das Realgymnasium mit der Sprachfolge Latein, Französisch, Englisch und die Oberrealschule mit zwei modernen Fremdsprachen und naturwissenschaftlichem Schwerpunkt. Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen höheren Schulen hatte im Jahrzehnt zuvor dazu geführt, dass das Gymnasium sowohl die alten Sprachen reduzierte als auch den Anteil der alten Geschichte am Geschichtsunterricht um ein Jahr verkürzte.20 Seit den Lehrplänen von 1892 wurde in allen drei Schultypen die griechisch-römische Antike im propädeutischen Unterricht in der Quinta sowie in zwei Durchgängen in der Quarta und in der Obersekunda gelehrt. Die Geschichte anderer antiker Hochkulturen wurde aus dem Lehrplan gestrichen. Die griechischrömische Geschichte nahm ein Drittel der gesamten Geschichtsstunden ein, die vaterländisch-nationale den Rest. Wilhelm II . hatte bereits auf der Schulkonferenz von 1890 dafür plädiert den historischen Stoff bis zu seinem eigenen Regierungsantritt fortzuführen, da er die jüngste nationale Geschichte als ein Mittel ansah, den wachsenden Einfluss der Sozialdemokratie zu bekämpfen.21 Diese Forderung wurde zwar im Geschichtsunterricht an den Volks-, Mittel- und höheren Mädchenschulen durchgesetzt, nicht aber an den höheren Knabenschulen.22 Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges und in der Absicht, diesen für die ,Heimatfront‘ propagandistisch aufzubereiten, wurde 1915 für den Geschichtsunterricht erlassen, dass die vaterländischen Heldenbilder in der Sexta mit der Geschichte des Deutschen Reiches in der Quinta fortgesetzt werden sollten. Diese Reduktion der antiken Geschichte zugunsten der nationalen wurde in der Weimarer Republik an allen höheren Knabenschulen beibehalten und schlug sich auch zu diesem Zeitpunkt in den Schulgeschichtsbüchern nieder, wobei die Unterstufenbücher für alte Geschichte abgeschafft wurden. Alte Geschichte stand nach den Richtlinien von 1925 in der Quarta, im zweiten Halbjahr der Untersekunda und im ersten Halbjahr der Obersekunda auf dem Lehrplan.23 Bereits im März 1933 wurde durch Erlass des Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust gefordert, die deutsche Vor- und Frühgeschichte in den Gymnasien aufzuwerten. Dieser Vorstoß schlug sich auch in den Reichslehrplänen von 1938/39 nieder, in denen die griechisch-römische Geschichte auf das erste Halbjahr der 6. Klasse (aufsteigend gezählt, heute die 10. Klasse) beschränkt wurde.24 Nach 1945 wurden mit den neunjährigen höheren Schulen auch die beiden Durchgänge durch die Geschichte wieder eingeführt. Neben den Schulbüchern zur alten Geschichte für Unter-, Mittel- und Oberstufe gab es teilweise differierende Ausgaben für die verschiedenen höheren Schulen, 20 ) Nach dem preußischen Musterlehrplan 1856 wurden bis 1892 orientalische und griechische Geschichte in der Untersekunda und römische Geschichte in der Obersekunda durchgenommen; vgl. Zentralblatt (1882), S. 254f., 265f.. 21 ) Vgl. Herrmann, Bildung, S. 346–368; Goebel, Geschichtsunterricht, S. 709–717. 22 ) Vgl. Allerhöchster Erlaß vom 13. Oktober, betreffend die weitere Ausgestaltung des Schulwesens in Preußen; zit. bei Gernert, Schulvorschriften, S. 88–94. 23 ) Vgl. Zentralblatt (1925) Beilage 8, S. 58–60. Obwohl der zweite Durchgang in der griechischen Geschichte damit noch in die Mittelstufe fällt, werden die Schulbücher mit OS gekennzeichnet, um sie von den Büchern für die Quarta unterscheiden zu können. 24 ) Vgl. Zentralblatt (1933), S. 87; Selmeier, Geschichtsbild, S. 50f.

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

wobei die Unterscheidung entweder zwischen lateintreibend und lateinlos oder zwischen Gymnasien und den anderen Schulen vorgenommen wurde. Die Gymnasialausgaben der Kaiserzeit sind daran zu erkennen, dass das Grabepigramm für die Spartiaten im Oberstufenband griechisch zitiert ist. Allerdings wird mit der neuen Schulbuchgeneration der Weimarer Republik auch in den Ausgaben für das Gymnasium das Epigramm nicht mehr in der Version Herodots, sondern in der Regel in der Nachdichtung Schillers wiedergegeben.25 In den Gymnasialausgaben der Obersekundabücher ist die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen in der Regel kürzer, mitunter auf einen Satz konzentriert, da eine ausführliche Wiederholung wohl nicht mehr nötig war und gleichzeitig im Griechischunterricht der Herodot-Text gelesen wurde. Separate Ausgaben von Schulgeschichtsbüchern gab es in der Kaiserzeit auch für die höheren Mädchenschulen.26 Diese Differenzierung wurde mit der neuen Schulbuchgeneration der Weimarer Republik aufgegeben, was als ein Zeichen für die institutionelle Angleichung der höheren Mädchen- und Knabenschulen gesehen werden kann.27 1908 wurden Frauen an preußischen Universitäten zugelassen und die höheren Mädchenschulen den höheren Knabenschulen in einem Zuge gleichgestellt.28 Damit waren die Normierungsbemühungen im Mädchenschulwesen seit den 1870ern zu einem gewissen Abschluss gelangt. Dennoch blieb das zehnjährige Lyzeum bis 1923 ein Zwitter zwischen dem niederen und dem höheren Schulwesen. Mit den Volks- und Mittelschulen hatte es gemeinsam, dass der Elementarunterricht integriert war und der reguläre Übergang auf eine weiterführende Bildungsanstalt nach der zehnten Klasse auf die Frauenschule oder das Lehrerinnenseminar erfolgte. Diese weiterführenden Schulen stellten ein Pendant zu den Präparandenanstalten für die Ausbildung von Volksschullehrern dar, die an die mehrklassigen Volksschulen anschloss. Einige Geschichtsbücher für höhere Mädchenschulen waren gleichzeitig für Mittelschulen bestimmt.29 Durch die Möglichkeit, das Lyzeum nach sieben oder acht Jahren zu verlassen, um auf der Studienanstalt in einem gymnasialen, realgymnasialen oder oberrealen Zweig das Abitur zu erwerben, war die höhere Mädchenschule der höheren Knabenschule ähnlich. Mit der Einführung der allgemeinen vierjährigen Grundschulpflicht in der Weimarer Republik wurde das Lyzeum auf sechs Jahre verkürzt. Daneben wurden 25 ) Ausnahmen sind das Mittelstufenbuch aus der Weimarer Zeit Reimann, Geschichtswerk (MS ) 1.1925, S. 58, und das NS -Schulbuch Klagges, Volk 1.1940, S. 77, die beide Schiller und Herodot zitieren. 26 ) Die wichtigsten sind: Andrä, Lehrbuch (MS / Mädchen) 5.1901; Christensen, Lehrbuch (MS / Mädchen) 2.1911; Neubauer, Lehrbuch (MS / Mädchen) 5.1909; Schenk, Lehrbuch (MS / Mädchen) 1.1901; Keller, Lehrbuch (MS / Mädchen) 5.1912; Dahmen, Leitfaden (MS / Mädchen) 2.1900. 27 ) Vgl. im Folgenden Kraul, Höhere Mädchenschulen, S. 279–303; Kraul, Gymnasium, S. 145–151. 28 ) Vgl. Zentralblatt (1908), S. 691–717. Preußen hinkte der Entwicklung hinterher: 1900 hatte Baden, 1903 Bayern, 1904 Württemberg und 1906 Sachsen Frauen zum Universitätsstudium zugelassen. 29 ) Vgl. Polack, Geschichtsbilder B (MS /Mädchen) 17.1899; Lorenz, Lehrbuch (MS /Mädchen) 7.1916; Kraffzick, Lehrbuch (MS /Mädchen) 4.1925.

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

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als neunjährige, grundständige höhere Mädchenschulen übereinstimmend mit den Jungenschultypen das reformrealgymnasiale und oberreale Oberlyzeum und – ohne Parallele – das Oberlyzeum mit zwei lebenden Fremdsprachen, aber ohne naturwissenschaftlichen Schwerpunkt eingerichtet. Die durch die Geschlechtscharakterideologie begründete Bildungsbegrenzung für Mädchen wurde durch die formale Gleichberechtigung mit den Knabenschulen abgemildert, bis in der NS -Zeit, gerechtfertigt durch die Mutterideologie, die Chancen der Mädchen auf eine höhere Schulbildung nochmals deutlich eingeschränkt wurden. Der Geschichtsunterricht folgte, wie die gesamte Mädchenbildung in der Kaiserzeit, der polaren Geschlechterideologie, die Frauen Emotionalität, Häuslichkeit und Passivität zuschrieb. Ziel des Geschichtsunterrichts war in erster Linie „die Stärkung und Vertiefung der Liebe zu Vaterland, Heimath und Herrscherhaus“;30 vermittelt werden sollte weniger Politik- und Schlachtengeschichte als ein Verständnis für die deutsche Kultur. Antike Geschichte wurde in der regulären Schulzeit lediglich einmal unterrichtet, und zwar nach den ersten preußischen Lehrplänen für die höhere Mädchenschule von 1894 in der dritten von (absteigend gezählt) neun Klassen, ab 1908 in der fünften Klasse, die der Alterstufe nach in etwa der Quarta entsprach. Beim Übergang auf die Studienanstalt oder das Lehrerinnenseminar erfolgte ein zweiter Durchgang, teilweise mit demselben Buch.31 Nach der Gleichstellung mit den Knabenschulen gab es auch von Heinrich Christensen ein Buch für den propädeutischen Unterricht in alter Geschichte an höheren Mädchenschulen, so dass die Stoffverteilung in Geschichte den Jungenschulen ab 1908 nahezu angeglichen war.32 Parallel zu den höheren Knabenschulen fiel der Unterstufenunterricht in antiker Geschichte im Ersten Weltkrieg weg. Obwohl von den Lehrplänen 1894 ausdrücklich weniger Schlachtengeschichte für die Mädchen gefordert wurde, findet sich die Schlacht an den Thermopylen in allen Ausgaben für Mädchenschulen behandelt und zwar in der Regel textgleich mit den entsprechenden Büchern für die Jungenschulen.33 Lediglich zwei Schulbücher gehen darüber hinaus auf die Spartanerinnen ein, wobei sie ihre Stellung entweder als besonders unterdrückt oder als besonders geachtet bewerten.34 Die Schlacht an den Thermopylen gehörte folglich zum antiken Bildungswissen für Mädchen. Dennoch ist die Kenntnis der griechisch-römischen Antike eines der Unterscheidungsmerkmale zwischen höherer Mädchen- und höherer Knabenschulbildung. Denn da von Mädchen der gymnasiale Zweig zum Abitur am seltensten gewählt wurde und auch Latein in den verschiedenen Schultypen zwischen 30 )

Zentralblatt (1894), S. 473. Kombinierte Ausgaben für höhere Mädchenschulen und Lehrerinnenseminare sind: Christensen, Lehrbuch (MS /Mädchen) 2.1898; Dahmen, Leitfaden (MS /Mädchen) 2.1900; Andrä, Lehrbuch (MS //Mädchen) 5.1901. 32 ) Vgl. Christensen, Lehrbuch (US /Mädchen) 2.1911. 33 ) Vgl. Neubauer, Lehrbuch (MS / Mädchen) 5.1909 und Neubauer, Lehrbuch (MS ) 4.1903; Keller, Lehrbuch (MS /Mädchen) 5.1912 und Keller, Lehrbuch (US ) 2.1895; Christensen, Lehrbuch (MS /Mädchen) 2.1911 und Christensen, Grundriß (MS ) 4.1901; Polack, Geschichtsbilder (MS / Mädchen) 17.1899 und Polack, Geschichtsbilder A (US ) 15.1895. 34 ) Vgl. Schenk, Lehrbuch (MS / Mädchen) 1.1901, S. 10; Polack, Geschichtsbilder (MS / Mädchen) 17.1899, S. 37. 31 )

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

Kaiserzeit und NS -Zeit nie in der Sexta begann, war die Vermittlung von griechisch-römischer Geschichte hauptsächlich auf den Geschichtsunterricht beschränkt. Ebenso gilt für die Mittelschulen, dass die Antike in der Regel nur im Geschichtsunterricht behandelt wurde, obwohl es in der breiten Palette an Mittelschulen in der Kaiserzeit durchaus einige gab, auf denen Latein unterrichtet wurde, um den Übergang auf eine höhere Schule zu ermöglichen.35 Mit der Institutionalisierung der neunjährigen Mittelschule 1910 in Preußen hatte sich das dreigliedrige Schulsystem herausgebildet, das sich weiter verfestigte, als 1927 in Preußen, 1931 reichsweit die nun auf die Grundschule aufbauenden, sechsjährigen Mittelschulen mit der Mittleren Reife einen eigenen Schulabschluss erhielten. Antike Geschichte wurde in der Kaiserzeit in den Mittelschulen und auch in mehrklassigen, d. h. städtischen Volkschulen unterrichtet,36 nach 1910 in der vierten der (absteigend gezählten) neun Klassen, ab 1925 in der fünften von sechs Klassen, die altersmäßig etwa der Quinta der höheren Knabenschule entsprach. Die Schulbücher für alte Geschichte an Mittelschulen sind teilweise identisch mit den Unterstufenbüchern für höhere Schulen, teilweise kombinierte Volksschul-/ Mittelschulausgaben und teilweise eigenständige Mittelschulbücher. Eine neue Generation begann mit der Neuordnung des Mittelschulwesens 1910, eine weitere in der Weimarer Republik. 1940 entfiel die griechisch-römische Geschichte für die Mittelschulen, erhielt aber wieder ihren Anteil im Geschichtsunterricht in dem nach dem Zweiten Weltkrieg restituierten Mittelschulsystem. Da die Vermittlung von Kenntnissen in griechisch-römischer Geschichte auf die höheren und mittleren Schulen sowie die mehrklassigen Volksschulen beschränkt war, hatten in der Kaiserzeit ca. 90 % der Schüler und über 90% der Schülerinnen in ihrer Schulzeit nie von der Schlacht an den Thermopylen gehört. Zwar verringerte sich in der Weimarer Republik als Folge neuer Ansätze zu einer Demokratisierung der Bildung der Anteil der Volksschüler um ca. 10 %, doch ein verstärkter Anstieg der höheren Schulbildung setzte erst zu Beginn der 1960er Jahre ein.37 Die Chancen, im ländlichen Raum in der Schule etwas über die Antike zu lernen, waren vor allem in der Kaiserzeit sehr gering; ausgeschlossen von der höheren Schulbildung waren faktisch die gesamte Landbevölkerung, die gesamte Arbeiterschaft und Teile des Kleinbürgertums. Die Weimarer Republik steuerte mit der Gründung der Aufbauschulen 1922, die den Übergang von der Volksschule auf einen höheren Schultyp ermöglichten, gegen diese Benachteiligung auf dem Land an. Das Gymnasium, das mit seiner Konzeption von ,Menschenbildung‘ jenseits von Geburt und Stand Karrierechancen durchaus an das Leistungsprinzip band, 35 )

Vgl. Kuhlemann, Niedere Schulen, S. 179–227; Gernert, Schulvorschriften, S. XXIII–

XLI ; Zymek, Schulen, S. 158–171.

36 ) Vgl. Luz, Grundstufe (Volk) 2.1873; Lahrssen, Weltgeschichte (Volk) 2.1875; Krüger, Geschichtsbilder (Volk) 16.1889; kombinierte Bücher für mittlere und Volksschulen bzw. höhere, mittlere und Volksschulen sind: Kahnmeyer, Realienbuch (US / Mittel) 11.1892; Andrä, Erzählungen (US ) 6.1876; Grube, Charakterbilder (US ) 22.1880. 37 ) Vgl. im Folgenden: Friedrich, Niederes Schulwesen, S. 123f.; Lundgreen, Schulsystem, S. 304–313; Albisetti/Lundgreen, Höhere Knabenschulen, S. 247–251; Kraul, Gymnasium, S. 127–220; Zymek, Schulen, S. 177–181.

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

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bot während des gesamten 19. Jahrhunderts gerade dem Kleinbürgertum Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg. Andererseits war es derjenige Schultyp, durch den das Bildungs- und das Besitzbürgertum ihren sozialen Status sicherten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde über die Erhöhung des Schulgeldes und die Reduktion der Freiplätze versucht, die aufstrebenden sozialen Schichten vom Gymnasium fernzuhalten, und mit der Gleichstellung von Realgymnasium und Oberrealschule verstärkte sich tendenziell die interne Segmentierung des höheren Schulwesens. Dabei neigte das Bildungsbürgertum eher zum Gymnasium, das Wirtschaftsbürgertum und der Mittelstand eher zu den anderen höheren Schultypen. Allerdings existierten in den wenigsten Städten alle drei Formen nebeneinander, was die Wahlmöglichkeiten einschränkte. In der Weimarer Republik verstärkte sich dieser Trend zur schichtenspezifischen Differenzierung innerhalb der verschiedenen höheren Schultypen, und als im Nationalsozialismus die formalen Bildungsabschlüsse abgewertet wurden, stammten die Studienanfänger zu einem größeren Prozentsatz aus der Oberschicht als je zuvor. Antikes Bildungswissen, das im Geschichtsunterricht vermittelt wurde, diffundierte folglich seit dem 19. Jahrhundert bis in kleinbürgerliche Kreise. Eine gründliche Kenntnis der Antike aber, die die alten Sprachen einschloss, war immer – und immer ausschließlicher – ein Zeichen der bürgerlichen Oberschicht. Für diejenigen Jugendlichen, die zwischen Kaiserzeit und früher Bundesrepublik die Schlacht an den Thermopylen in der Schule durchnahmen, bewegte sich deren Darstellung in ihren Geschichtsbüchern in einem vergleichsweise engen Rahmen von einer Seite bis zu wenigen Zeilen, der die Informationen notwendigerweise auf wenige Basisfakten reduzierte. Tendenziell gilt: je jünger der Schüler bzw. je niedriger der Schultyp in der Hierarchie, desto anschaulicher und ausführlicher die Darstellung. Außerdem verkürzte sich die Schilderung der Schlacht von den Geschichtsbüchern der Kaiserzeit zu denen der Weimarer Republik im Durchschnitt um etwa ein Drittel. Der Raum für Deutungen war folglich begrenzt. In der Kaiserzeit existierten zwei verschiedene Formen, Geschichte darzustellen: Die Bücher für den Unterstufenunterricht in den höheren Knabenschulen, die zum Teil auch für die Mittelschulen und gehobenen Volksschulen vorgesehen waren, strukturieren den Stoff biographisch.38 So sollten, wie es im Lehrplan von 1892 für die höheren Schulen heißt, „die großen Heldengestalten der [...] Vergangenheit dem Herzen und der Phantasie des Knaben“ 39 nahe gebracht werden. Die Mittel- und Oberstufenbücher dagegen sind chronologisch aufgebaut und stellen die Schlacht an den Thermopylen in den historischen Kontext der Perserkriege. Sie folgten damit dem Lehrziel, „das Verständnis für den pragmatischen Zusammenhang der Ereignisse und für ein höheres Walten in der Geschichte“ 40 zu wecken. Seit 1925 gab es, auch für den Unterstufenunterricht in den Mittelschulen, nur noch eine chronologisch-historische Anordnung des Stoffes. 38 )

Vgl. Keller, Lehrbuch (US ) 2.1895; Vogel, Geschichtsleitfaden (US ) 2.1906; Spiess, Weltgeschichte (US ) 7.1872; Grube, Charakterbilder (US ) 22.1880; Christensen, Lehrbuch (US /Mädchen) 2.1911; Lahrssen, Weltgeschichte (Volk) 2.1875. 39 ) Zentralblatt (1892), S. 241f.; vgl. auch Zentralblatt (1901), S. 517. 40 ) Zentralblatt (1892), S. 242; vgl. auch Zentralblatt (1901), S. 517.

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

In beiden Präsentationsformen von Geschichte im Schulbuch spiegelt sich nicht nur eine pädagogische Absicht wider. Auf einer formalen Ebene zeigen sich auch zwei Denkfiguren von Vergangenheit, die sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts teils ablösten, teils gegenseitig durchdrangen. Die biographischen ,Charakterbilder‘ stehen in einer Traditionslinie zu den Geschichtsbüchern des 18. Jahrhunderts, die sich an Plutarchs Parallelbiographien orientieren; die Mittel- und Oberstufenbücher vermitteln eine relativistische und empirische Historie. Diese zum einen exemplarische, zum anderen historische Auffassung von Geschichte zeigt sich nicht nur in der Form, sondern auch in den Texten der Schulbücher: Bei Johann Matthias Schröckhs Allgemeiner Weltgeschichte für Kinder von 1779–1784 sind die einzelnen Geschichten und Taten der Helden noch verhältnismäßig direkt an moralische Lehren gebunden. Über die Schlacht an den Thermopylen erfährt man nicht viel mehr, als dass die „großmüthigen“ Spartaner ihr Leben gelassen haben.41 Seit Beginn des 19. Jahrhunderts verschmolz in den Schulgeschichtsbüchern unter dem Einfluss der Geschichtsphilosophie und seit der Jahrhundertmitte auch der Geschichtswissenschaft das exemplarische mit dem historischen Geschichtsdenken, das die gesamte Vergangenheit der Menschheit in einen geschichts- und weltimmanenten Erklärungszusammenhang stellt. In nahezu allen Schulbüchern des Untersuchungszeitraums mischen sich für die Schlacht an den Thermopylen die empirischen Fakten des Ereignisses mit beispielhaften, allgemeingültigen Elementen in unterschiedlichem Maße. Der einmalige historische Vorgang und die zeitlose Vorbildhaftigkeit der antiken Schlacht befinden sich in einer ständigen Wechselbeziehung, die sowohl dem Ereignis als solchem ein ,Mehr‘ an Bedeutung verleiht als auch das Exempel durch quellenkritisch abgesicherte ,Wahrheit‘ aufwertet. Für die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen in den Schulbüchern lässt sich eine Art Idealtypus generieren: Leonidas besetzt mit seinen 300 Spartiaten und mehreren Tausend Bundesgenossen anderer Poleis den Engpass, um das zahlenmäßig weit überlegene Heer des Xerxes aufzuhalten. Nach hartem Kampf wird die griechische Abwehrstellung von einem persischen Kontingent umgangen. Die Bundesgenossen ziehen ab, und der Spartanerkönig bleibt mit seinen Männern, den 700 Thespiern und 400 Thebanern im Engpass zurück. Im letzten Kampf ergeben sich die Thebaner; alle anderen sterben den ,Heldentod‘. Hinter diesem Faktengerippe steht klar erkennbar der Bericht Herodots. Die von Diodor ausgehende Tradition vom nächtlichen Überfall auf das Perserlager sowie das Apophthegma vom Abendessen im Hades finden sich nur vereinzelt in Mittel- und Volksschulbüchern der Kaiserzeit.42 Bedenkt man, wie präsent die Diodor-Version in der Thermopylen-Rezeption des 18. Jahrhunderts ist, so zeigt sich 41 ) Schröckh, Weltgeschichte, S. 277. Das Epigramm ist nach der Version Ciceros übersetzt: „O Wanderer, melde es zu Sparta, daß wir hier liegen, weil wir den Gesetzen unseres Vaterlandes gehorcht haben“. 42 ) Vgl. Luz, Grundstufe (Volk) 2.1873, S. 9; Lahrssen, Weltgeschichte (Volk) 2.1875, S. 62–65; nur das Apophthegma findet sich bei Kahnmeyer, Realienbuch (US /Mittel) 11.1892, S. XV ; Kahnmeyer, Geschichte (US /Mittel) 1.1911, S. 18 f.; eine Ausnahme ist das Buch für die höhere Schule von Doner, Werden (MS ) 1.1928, S. 42f.

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

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in den Schulgeschichtsbüchern, insbesondere für die höheren Schulen, der Anspruch der historischen Quellenkritik. In den Unter- und Mittelstufenbüchern aller Schultypen ist häufig der Spruch des Dienekes von den Pfeilen, die die Sonne verdunkeln, eingefügt. Zusätzlich oder auch für sich allein findet sich das Apophthegma von der persischen Aufforderung, die Waffen zu übergeben, auf die Leonidas „Komm und hol sie!“ geantwortet haben soll.43 Diese veranschaulichenden Elemente nehmen in den Büchern der Weimarer Zeit parallel zur Textlänge ab, finden sich in den NS -Büchern gar nicht und tauchen vereinzelt in den ersten Nachkriegsbüchern wieder auf. Das Grabepigramm auf die Spartiaten wird in den Schulbüchern der Kaiserzeit sehr häufig und ab der Weimarer Zeit fast immer zitiert. Daraus wird ersichtlich, dass es sukzessive zu einem festen Element in der Darstellung der Schlacht wurde. In den Geschichtsbüchern der Kaiserzeit findet sich neben dem herodoteischen Original, öfters kombiniert mit der Übersetzung Ciceros für die Gymnasialausgaben, am häufigsten die Version Schillers, aber auch diejenige Herders44 sowie andere Varianten.45 Seit den 1880ern, verstärkt um die Jahrhundertwende, wechselten eine Reihe von Schulbüchern zwischen verschiedenen Auflagen von einer abweichenden Epigramm-Version zum Zitat von Schillers Nachdichtung.46 In der Schulbuchgeneration der Weimarer Republik wird bis auf eine Ausnahme nur noch Schillers Epigramm-Version zitiert,47 die in den NS -Schulbüchern sowie in den 43 )

Vgl. Plut. Apophth. Lak. 225 C/D Nr. 11. Vgl. Herder, Ideen, S. 121: „Wanderer, sag’s zu Sparta, daß seinen Gesetzen gehorsam, wir erschlagen hier liegen“ bei Welter, Lehrbuch (MS ) 30.1872, S. 179; Spiess, Weltgeschichte (US ) 7.1872, S. 25 Anm. 1; Krüger, Geschichtsbilder (Volk) 16.1889, S. 17; Krüger, Geschichte (US /Mittel) 1.1911, S. 24. 45 ) Andere Versionen sind: „Wanderer, melde von uns Lacedämons Bürgern die Botschaft, / Folgsam ihrem Gesetz ruhen im Grabe wir hier“ bei Sommer, Leitfaden (US ) 13.1893, S. 14; Sevin, Quellenbuch 1.1895, S. 64. „Wanderer, melde nach Sparta: / Hier ruhen die Söhne des Landes, / Ihrer Obern Gebot / Bis zum Tode getreu“ bei Koch, Lehrbuch (MS ) 1.1911, S. 36. „Wanderer, kommst du nach Sparta, verkünde den Bürgern, / Du habest uns hier liegen gesehn, ihren Gesetzen getreu“ bei Christensen, Lehrbuch (US / Mädchen) 2.1911, S. 7. „Fremdling, melde dem Volk Lakedämons, daß wir hier liegen, / Weil in Gehorsam wir seine Gesetze befolgt“ bei Hoffmeyer, Erzählungen A (US /Mittel) 1.1884, S. 20; Hoffmeyer, Erzählungen B (US /Mittel) 1.1890, S. 35. „Wanderer, sage dem Volke Lakedämoniens, daß wir, seinen Gesetzen getreu, hier erschlagen liegen!“ bei Polack, Geschichtsbilder (US / Mittel) 9.1883, S. 35; Polack, Geschichtsbilder A (US ) 15.1895, S. 43; Polack, Geschichtsbilder B (MS / Mädchen) 17.1899, S. 41; Polack, Geschichts-Leitfaden (US / Mittel) 12.1892, S. 31. „Sags, Wanderer, in unserm Vaterland; hier starben wir der Pflicht getreu! Oder: Fremdling, bringe von uns Lacedämons Bürgern die Botschaft: Folgsam ihrem Befehl fielen und ruhen wir hier“ bei Luz, Grundstufe (Volk) 2.1873, S. 9. „Wanderer, gehe nach Sparta und melde den Lakedämoniern, daß wir, treu dem Gesetz, uns dem Tode geweiht“ bei Lahrssen, Weltgeschichte (Volk) 2.1875, S. 65. 46 ) Da nicht alle Auflagen im Georg-Eckert-Institut vorhanden sind, lassen sich nur Zeiträume für den Wechsel angeben: Welter, Lehrbuch (MS ) 30.1872 und 37.1885; Neubauer, Lehrbuch (MS ) 1.1899 und 4.1903; Andrä, Abriß (MS / Mädchen) 1.1891 und Lehrbuch (MS /Mädchen) 6.1905; Koch, Lehrbuch (MS ) 1.1911 und 4.1926; Spiess, Weltgeschichte (US ) 7.1872 und 16.1901; Hoffmeyer, Erzählungen A (US /Mittel) 1.1884 und 10.1906; Heinze, Geschichte (Lehrer) 2.1902 und 3.1905. 47 ) Vgl. Bonwetsch, Grundriß A (OS ) 5.1926, S. 42; Bonwetsch, Grundriß C (OS ) 1.1927, 44 )

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

frühen Nachkriegsbüchern die einzige deutsche Übersetzung ist. In einer Phase um 1900 setzt sich Schillers Nachdichtung des Spartiaten-Epigramms also in den Schulbüchern durch und ist spätestens 1925 zu der deutschen EpigrammVersion geworden.48 Die Gründe für diese Homogenisierung lassen sich nicht leicht benennen und sollen im Folgenden weiter eingekreist werden. Ein äußerer Grund mag in der Kanonisierung Schillers als Nationaldichter in der Kaiserzeit liegen, der mit dem Nationalisierungsschub der 1890er in den Schulen viel gelesen wurde.49 Jenseits des Faktengerüstes der Schlacht an den Thermopylen bieten die Schulbücher Deutungen, die in unterschiedlichem Maß zeitspezifisch sind. Am stärksten deuten die NS -Schulbücher, die die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen auf die nationalsozialistischen Ideologeme Rasse und Führertum ausrichten. Aber auch in der Schulbuchgeneration der Weimarer Republik wird mehr interpretiert als in Geschichtsbüchern der Kaiserzeit, obwohl der Text im Durchschnitt kürzer geworden ist. Dies liegt zum Teil an den neuen Anforderungen an den Geschichtsunterricht, wie sie nach 1918 von den preußischen Bildungspolitikern in Publikationen, in der Anweisung zur Lehrbuchgestaltung und den Richtlinien von 1924/25 gestellt wurden.50 Der Lehrplan für die höheren Knabenschulen von 1892 forderte, dass der Geschichtsunterricht „zum Begreifen der Gegenwart aus der Vergangenheit“ befähigen solle.51 Der Fluchtpunkt, auf den alles „Walten der Geschichte“ hinauslief, war das deutsche Kaiserreich, das somit als das zwangsläufige Produkt des geschichtlichen Fortschritts erschien. In der Weimarer Republik bekam der Gegenwartsbezug des Geschichtsunterrichts einen neuen Fokus und eine neue Qualität: Im Zentrum stand die vom preußischen Ministerialrat Hans Richert, dem spiritus rector der Lehrplanreform, propagierte Idee von der deutschen Kulturnation, in der das von Kriegsniederlage und weltanschaulichen Kämpfen gebeutelte Deutschland geeint werden sollte. Fluchtpunkte des Geschichtsunterrichts waren jetzt das Deutschtum, der deutsche Kulturmensch und seine Bedeutung für die gesamte Menschheit, nicht der Staat und schon gar nicht die Republik. Die Antike wurde zu einem der ,Quellbezirke‘ für das deutsche ,Wesen‘. Dahinter steht eine organizistische Vorstellung, die zeitspezifischen Wertvorstellungen und -begriffen eine ahistorische Naturwüchsigkeit zu verleihen sucht. Für die Interpretationen der Schulbücher sind zunächst die Antworten auf die Frage interessant, warum Leonidas nach dem Abzug der Bundesgenossen mit den Spartiaten, Thespiern und Thebanern im Engpass blieb. In allen Schulbüchern des S. 22; Bonwetsch, Grundriß D (OS ), 1.1932, S. 22: „Fremder Wandrer, geh’ und bringe Spartas Bürgern diese Botschaft: So wie jene wollten, liegen hier wir, bis zum Tod getreu“. 48 ) 1925 nehmen Kumsteller, Geschichtsbuch (MS ) 12.1925 und Pinnow, Geschichtsbuch (MS ) 5.1925 das Schiller-Zitat neu auf. 49 ) Vgl. Dann, Schiller, S. 171–186; Gerhard, Schiller, S. 758–772; Albert, Schiller, S. 773– 794. 50 ) Vgl. Zentralblatt (1923), S. 64f.; vgl. im Folgenden Kraul, Gymnasium, S. 127–137; Zymek, Schulen, S. 171–176; Apel/ Bittner, Schulbildung, S. 170–181. 51 ) Zentralblatt (1892), S. 242.

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

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Untersuchungszeitraumes und sogar in den Quelleneditionen für den Geschichtsunterricht fehlt das Orakel, das den Tod des Königs für die Errettung Spartas fordert. Dieser quellenkritische Eingriff hat zur Folge, dass der ,höhere‘ Grund für den Verbleib im Engpass wegfällt und die Vorgänge vordergründig rational erscheinen. Als Begründung gibt das Gros der Schulbücher des gesamten Zeitraumes an, Leonidas habe den Rückzug der Bundesgenossen gedeckt, eine Erklärung, die auch von der Forschung immer wieder plausibel gemacht wird (s. Kap. I.1.2). In den Unter- und Mittelstufenbüchern aller Schultypen der Kaiserzeit wird der Verbleib im Engpass häufig gar nicht begründet. Damit tritt an die Stelle einer Erklärung die Deutung als „Heldentod“. Zu diesen Büchern gehören die in der Kaiserzeit sehr weit verbreiteten Lehrwerke von Jakob Carl Andrä und Friedrich Neubauer, die es in Ausgaben für die verschiedenen Alterstufen und Schultypen gab. Sätze wie „er selbst aber mit seinen Spartanern wählte den Heldentod für’s Vaterland“ 52 oder er sei „entschlossen, für das Vaterland den Tod zu erleiden“ 53 machen die Vorgänge an den Thermopylen zu einem individuellen, voluntaristischen Akt. Da gerade in den Büchern für die jungen Schüler und Schülerinnen eine Begründung der Vorgänge in den Thermopylen häufig fehlt, sollten sie erst einmal den Heldentod als solchen akzeptieren. Für Volks- und Mittelschüler, für Schülerinnen und Schüler höherer Schulen, die nach der Untersekunda zum ,Einjährigen‘ abgingen, blieb es, je nach Buch, bei dieser Erklärung. In fast allen Geschichtsbüchern der Kaiserzeit wird der Tod des Leonidas, seiner Spartiaten und der Thespier als „Heldentod“, seltener als „Tod für das Vaterland“ bezeichnet. In der Verbindung mit dem Erklärungsansatz der Rückzugsdeckung ist er als Tod weniger für viele definiert. Die Sinnstiftung erfolgt auf einer doppelten zeitlichen Ebene: Zum einen ist der „Heldentod“ das Ergebnis der spezifischen Ereigniskonstellation von 480 v. Chr. und somit historisch-einmalig. In diesem Fall ist das „Vaterland“ die Symmachie griechischer Poleis bzw. Sparta. Auch die in der Kaiserzeit noch präsenten anderen deutschen Epigramm-Versionen, die „seinen Gesetzen gehorsam“, „ihren Gesetzen getreu“ oder „Ihrer Obern Gebot [...] getreu“ übersetzen, binden die „Gesetze“ oder „Befehle“, die die Spartiaten bis zum Tod befolgt haben, an die Polis Sparta. Zum anderen hat bereits der Begriff „Heldentod“ eine Bedeutungsdimension, die normatives Handeln, den absoluten Verhaltenskodex und den immergleichen, ewig gültigen Vorgang transportiert, dass Männer sich für die Verteidigung ihres Vaterlandes zu opfern haben. Direkt ersichtlich wird diese ahistorisch-überzeitliche Komponente durch das sakrale Vokabular, das einige Unterstufenbücher verwenden. Sätze wie „Dem Tod fürs Vaterland sich weihend“ 54 entheben den Kriegstod dem Leid, der Brutalität und der Zeitlichkeit. Im Unterstufenbuch von Ernst Keller und der textgleichen Ausgabe für höhere Mädchenschulen ist vom „seligen 52 ) Andrä, Erzählungen (US ) 6.1876, S. 115. Nur bei den Mädchenbuchausgaben wird als Grund Rückzugsdeckung angegeben; vgl. Andrä, Lehrbuch (MS /Mädchen) 5.1901, S. 44; Andrä, Lehrgang (MS / Mädchen) 1.1896, S. 44; Andrä, Abriß (MS /Mädchen) 1.1891, S. 45; Andrä, Lehrbuch (MS /Mädchen) 6.1905, S. 45. 53 ) Neubauer, Lehrbuch (MS ) 1.1899, S. 29. 54 ) Winter, Lehrbuch (US ) 1.1897, S. 101.

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

Mannestod“ die Rede,55 womit der Kriegstod als der ideale Tod für den Mann, nicht nur für den Mann als Soldaten, angepriesen wird. Selten wird die Schlacht an den Thermopylen in den Schulbüchern der Kaiserzeit unmittelbar als Vorbild empfohlen,56 dennoch sollten die Jungen und Mädchen sie gleichzeitig als historisches Ereignis und als normatives männliches Verhaltensmodell akzeptieren. Während die Jungen das Modell idealerweise im Kriegsfall in Handeln umsetzen sollten, reichte es für die Mädchen, wenn sie es als sinnvoll anerkannten. Inwieweit die Schlacht an den Thermopylen als normatives Verhaltensmodell von den Schülern und Schülerinnen übernommen wurde, ist schwer zu beurteilen, da Bildungsprozesse hinsichtlich ihrer Ergebnisse kontingent sind. Allerdings hatten sie kaum eine Chance, die Richtigkeit des Modells vom ,Tod fürs Vaterland‘ durch ihr Schulwissen in Frage zu stellen. Die Schlacht an den Thermopylen war nur ein Fall von militärischem Heldentum, der im Geschichtsunterricht gelehrt wurde. Mit jedem neuen Heldentod in der griechischen, römischen und vaterländischen Geschichte bestätigte sich das überzeitliche Prinzip vom männlichen Einsatz für das Vaterland. Wichtig, wenn auch noch schwieriger zu fassen, ist dabei, dass die Helden des Geschichtsunterrichts insbesondere von den Jungen auch emotional und spielerisch rezipiert wurden. So behauptete ein Lehrer: Das, was ihn [den Schüler] an der Geschichte interessiert und was seine Begeisterung weckt, das sind die Kämpfe und Heldentaten, die Beweise von Kraft und Mut, von Klugheit und Kühnheit. Jene Helden packen ihn, er will es ihnen gleichtun, ja er fühlt sich selbst als Leonidas oder Alexander, und die Schlacht an den Thermopylen oder bei Marathon, die Kämpfe um Syrakus, von denen am Morgen der Unterricht sprach, werden am Nachmittage auf dem Turnplatz oder beim Schulausflug von begeisterten Quartanern noch einmal gekämpft.57

Aus den Jungenspielen konnten, wie die eingangs zitierte Quelle zeigt, im Kriegsfall auch sehr ernste ,Spiele‘ werden. Das Wahrnehmungsmuster für das Reden vom Heldentod war in der Kaiserzeit die Nation. In den Schulbüchern tauchen allerdings die Begriffe „Nation“ und „national“ im Zusammenhang mit den Perserkriegen erst um 1900 und eher vereinzelt auf und verschwinden mit der Generation der Weimarer Geschichtsbücher wieder. Bisweilen stellen die Schulbuchautoren eine Analogie zwischen der Uneinigkeit der griechischen Poleis bei der Abwehr der persischen Invasion und der deutschen Kleinstaaterei bzw. der verfehlten Nationsbildung 1813/14 her.58 Ein Teil des humanistischen Erziehungskonzeptes, das die Bildungsreformer der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts propagierten, beruhte auf der Idee der Kulturnation, die sowohl die antiken Griechen als auch die Deutschen jenseits eines gemeinsamen Staates verband.59 Mit der Reichseinigung 1870/71 wurden die 55 )

Keller, Lehrbuch (US ) 2.1895, S. 31; Keller, Lehrbuch (MS /Mädchen) 5.1912, S. 15. Vgl. Vogel, Geschichtsleitfaden (US ) 2.1906, S. 45. 57 ) Zit. bei Apel/ Bittner, Schulbildung, S. 82. 58 ) Vgl. Keller, Lehrbuch (US ) 2.1895, Vorwort; Neubauer, Lehrbuch (OS ), 3.1902, S. 36; Richter, Hauptdaten (Lehrer) 13.1907, S. 7; Andrä, Geschichtsbilder (US ) 8.1911, S. 37; Kumsteller, Geschichtsbuch (OS ) 1.1925, S. 26. 59 ) Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 325–327; Walser, Perserkriege, S. 219–221; Christ, Hellas, S. 81–125; Funke, Griechenland, S. 17–32. 56 )

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

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Griechen der Perserkriegszeit zum abschreckenden Beispiel einer gescheiterten Nation. Die Begriffe „Nation“ und „national“ fanden im Zusammenhang mit den Perserkriegen zu einem Zeitpunkt Eingang in die Schulbücher, als die althistorische Forschung das Paradigma der Nation, das seit den 1860ern bei der Darstellung der griechischen Geschichte vorgeherrscht hatte, zu problematisieren begann. Allerdings wurde auch in der Schule der Kaiserzeit nicht anhand der Perserkriege definiert, wer oder was ,national‘ sei, sondern über die vaterländische Geschichte sowie die Schulfeiern zu den diversen nationalen Gedenktagen.60 Die Perserkriege und mit ihnen die Schlacht an den Thermopylen wurden um 1900 lediglich explizit an die nationale Geschichte angeschlossen, vor deren Hintergrund sie im 19. Jahrhundert immer interpretiert worden waren. Zur gleichen Zeit, als die griechische Abwehr ausdrücklich zum Nationalkrieg erhoben wurde, beginnt eine neue Beurteilung der Perserkriege in den Schulgeschichtsbüchern zu dominieren: der Kampf Europas gegen Asien. Das auflagenstarke Lehrbuch der Weltgeschichte von Theodor Bernhard Welter etwa nahm für seine 41. Auflage 1897 folgenden Satz neu auf: Wenige Kriege sind für alle Zeiten und bei allen Völkern so berühmt geworden wie die Kämpfe, in denen das kleine Volk den ungeheuren Heeresmassen der Perser heldenmütig widerstanden und Europa vor asiatischer Knechtschaft gerettet hat.61

Ein Urteil, das in der Auflage von 1908 noch vertieft wird, wenn die Perserkriege zum Archetypus aller Auseinandersetzungen zwischen Asien und Europa stilisiert werden: Die Perserkriege bezeichnen den ersten und zugleich den gefährlichsten Einbruch ungeheurer Kriegsscharen des Morgenlandes in das Abendland, das auch noch in späteren Jahrhunderten wiederholt und von anderen eroberungssüchtigen Kriegshorden des fernen Ostens schwer heimgesucht worden ist.62

In diesen zwei Sätzen finden sich fast alle Stereotype, mit denen die Perserkriege seit 1900 in Schulbüchern belegt werden. Vor dieser Zeit charakterisieren die Schulbücher die griechische Abwehr in der Regel als „Freiheitskampf“, ohne dass der militärische Gegner zum Vertreter eines ganzen Kontinents wird, eine Deutung, die nicht über den herodoteischen Bericht hinausgeht. In der Unterrichtspraxis mag indes auch der „Freiheitskampf“ mit allerlei Konnotationen verbunden worden sein: sei es durch Gleichsetzung mit der deutschen antinapoleonischen Erhebung oder durch die Interpretation als Ausdruck eines grundsätzlichen OstWest-Antagonismus, der mit der griechischen Erhebung gegen das Osmanische Reich politisiert worden war (s. Kap. II.4.1). Die achämenidischen Großkönige und ihre Vielvölkerheere werden um 1900 in den Geschichtsbüchern – mehr für die höheren als für die mittleren Schulen – zu Exponenten von ,Asien‘, dem ,Orient‘ oder dem ,Morgenland‘, die als synonyme Kollektivbegriffe das Gegenprinzip zu ,Europa‘ bzw. dem ,Abendland‘ zum Ausdruck bringen sollen.63 Die 60 )

Vgl. Herrmann, Bildung, S. 349–368. Welter, Lehrbuch (MS ) 41.1897, S. 143. 62 ) Welter, Lehrbuch (MS ) 44.1908, S. 145. 63 ) Vgl. im Folgenden Osterhammel, Entzauberung, S. 54–57, 242–245, 247ff., 380ff.; ders., Kolonialismus, S. 113–116. 61 )

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

,asiatische‘ Gesellschaftsform ist die Despotie, die ausschließlich auf dem Gewaltprinzip beruht, weshalb Eroberungskriege automatisch die Unterjochung und Knechtung der besiegten Völker nach sich ziehen. Das „asiatische Barbarentum“ kenne weder „Volksfreiheit“, noch „Bürgersinn“, noch „Vaterlandsliebe“, keinen „Heldenmut“ und keine „Mannestugend“,64 d. h. nichts von dem, was die Griechen als Vertreter des Abendlandes besonders auszeichnet. Strukturmerkmal von Asien und Orient ist die Masse, sowohl an Ländern als auch an Menschen, und die historische Aktionsform ist die ,Überflutung‘ des Westens. Diese Einzelelemente werden beliebig variiert, und obwohl die Stereotypen und Barbarenklischees zum Teil sehr alt sind und, wie der sklavische Charakter und die Masse des Vielvölkerheeres, schon in Herodots Darstellung der Perserkriege vorkommen, finden sie sich sehr konzentriert. Da seit den 1890ern in der Schule die orientalische Geschichte der Antike nicht mehr gelehrt wurde, blieben die Stereotypen ohne weitere Differenzierung; die Überlegenheit Europas erschien als Axiom. In der Phase von 1880 bis 1914 befand sich das deutsche Kaiserreich auf dem Höhepunkt seines imperialen Machtstrebens, das, wie auch in den anderen europäischen Ländern, mit einem exklusiven Europazentrismus gepaart war. Der Glaube an die eigene Überlegenheit und die inferiore Andersartigkeit der anderen Kontinente kulminierte in diesen Jahrzehnten in einem übersteigerten kolonialen Sendungsbewusstsein, und es ist wahrscheinlich, dass die Neubeurteilung der Perserkriege in den Schulbüchern gerade in dieser Zeit mit dem imperialistischen Höhenflug des deutschen Kaiserreiches in einem Zusammenhang steht. Auffällig an der neuen Beurteilung des Perserreichs in den Schulbüchern ist, dass dieses sehr häufig mit dem gesamten Kontinent identifiziert wird. Der wirtschaftliche, militärische, technologische und kulturelle Triumph Europas über Asien im 19. Jahrhundert wurde besonders gefeiert, da Asien nicht wie Amerika, Afrika und Australien ein Kontinent der ,Wilden‘ war, sondern einer der altehrwürdigen Hochkulturen und Weltreligionen.65 In den 1890ern tauchte in der europäisch-nordamerikanischen Außenpolitik das Schlagwort von der ,Gelben Gefahr‘ auf, und insbesondere der deutsche Kaiser sprach vor westlichen Diplomaten gerne vom nahenden Endkampf zwischen der weißen und der gelben ,Rasse‘.66 Darüber hinaus ist für die Konzeption und Präsentation von Geschichte, auch in Schulbüchern, wichtig, dass die Teleologisierung der Geschichte in Folge der Geschichtsphilosophie Hegels und seiner Schüler zu einer Fixierung auf Europa beigetragen hatte.67 Da dieses Geschichtsdenken Fortschritt und Wandel privilegiert, fiel den asiatischen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts der Stagnations- und Degenerationsdiskurs zu. Das „Walten der Geschichte“ vollzog sich auf dem europäischen Kontinent, Asien 64 )

Mayer, Leitfaden (US /Mittel) 8.1902, S. 42; Martens, Leitfaden (OS ) 4.1903, S. 100. Vgl. Osterhammel, Entzauberung, S. 15f. 66 ) Vgl. Mehnert, Gelbe Gefahr, S. 10–27. Das Schlagwort wurde durch den Boxeraufstand 1900 und den Sieg Japans über Russland 1905 unterfüttert, existierte aber schon vorher. 67 ) Vgl. Hegel, Vorlesungen, S. 335 f. Seine Deutung der Schlacht an den Thermopylen zeigt bereits den späteren Antagonismus, obwohl er diesen, im Gegensatz zu seinen meisten Rezipienten, in seinen Werken immer wieder relativiert; vgl. Osterhammel, Entzauberung, S. 387–393. 65 )

1.1. Die deutschen Schulbücher 1870–1950

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wurde zunehmend geschichtslos. Auch die althistorische Forschung trug seit dem Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder zur Europa-Asien-Antithese bei, die sie qua wissenschaftlicher Autorität fundamentierte.68 Die Beurteilung der Perserkriege als Kampf Europas gegen Asien bzw. den Orient findet sich in den in der Weimarer Republik neu aufgelegten kaiserzeitlichen Schulbüchern sowie in der neuen Generation an Geschichtsbüchern für die höheren Schulen fast überall. Obwohl die Phase des Hochimperialismus für Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg vorbei war, wurde der Europa-AsienAntagonismus in einige Schulbücher jetzt überhaupt erst aufgenommen. Zum Deutungshorizont für die ,asiatische Barbarei‘ wurde nach 1917 der ,Bolschewismus‘. Die Bedrohung des Abendlandes durch die ,Bolschewisten‘ aus dem Osten gehörte zum Aktualisierungspotential für die Schlacht an den Thermopylen rund um Stalingrad 1943 (s. Kap. III.3.1) und im Kalten Krieg (s. Kap. III.4). Die ersten Schulgeschichtsbücher der Bundesrepublik hielten sich in der Regel mit der Kommentierung der Perserkriege zurück: Die Neuauflage von Teubners Geschichtlichem Unterrichtswerk strich allerdings nur das „asiatische“ vor der „Knechtschaft“ und Wege der Völker stellte das neue Ideal des demokratischen Menschen im freien Staat dem „orientalischen Despotismus“ gegenüber.69 In der deutschen Althistorie beurteilte Hermann Bengtson in seiner 1950 erstmals erschienenen Griechischen Geschichte die griechische Abwehr des „Ansturms aus dem Osten“ als Geburtsstunde Europas, in der die „auch heute noch [...] höchsten Werte im Leben der abendländischen Menschheit“ verteidigt wurden.70 Die Vorstellung, dass der Sieg über die Perser die Griechen vor Degeneration und Entartung bewahrt habe, da sie nicht wie die kleinasiatischen Griechen und die Perser selbst in der orientalisch-semitischen Kultur aufgegangen seien, findet sich bereits vereinzelt in Geschichtsbüchern der Kaiserzeit und der Weimarer Republik.71 Die biologische Erklärung der europäischen Überlegenheit wurde in der Generation der NS -Geschichtsbücher die alles dominierende. Der axiomatische Primat der arischen Rasse brachte die Schulbuchautoren aber insofern in Erklärungsnotstand, als Griechen und Perser Arier waren, was in der Verteilung der Sympathien den Europa-Asien-Antagonismus durchbrach. Die meisten Bücher lösten dieses Problem damit, dass das „Fremdblut“ zur „Entnordung“ der Perser geführt habe.72 Nur zwei Schulbücher sprechen konsequent vom indogermanischen Vgl. Wiesehöfer, Perserkriege, S. 217–223. Wichtig für einen breiteren Rezipientenkreis war Ranke, Weltgeschichte, S. 112–138; und für die Schulbücher Pöhlmann, Grundriss, S. 116– 118. Paradoxerweise entfalteten genau in jenen Jahrzehnten um 1900 die deutsche Orientalistik und die vorderorientalische Archäologie ihre größte wissenschaftliche Ausstrahlung. 69 ) Vgl. Pinnow-Steudel, Unterrichtswerk (MS ) 1.1951, S. 63; Arbeitsgemeinschaft, Wege (MS ) 1.1948, S. 84. 70 ) Vgl. Bengtson, Griech. Geschichte, S. 181. Vgl. auch Schachermeyr, Griech. Geschichte, S. 141–153, der 1960 noch von der „dämonischen Hybris“ und „billigen Unterwürfigkeit“ der Orientalen redet. 71 ) Vgl. Lorenz, Lehrbuch (MS / Mittel) 1.1911, S. 65; Schenk, Lehrbuch (Lehrer) 3.1919, S. 38, 43; Koch, Lehrbuch (OS ) 6.1927, S. 44, 47; Bonwetsch, Grundriß A/B/C/D (OS ) 5.1926, S. 43. 72 ) Vgl. Kumsteller, Geschichtsbuch (US /Mittel) 1.1937, S. 23; Kumsteller, Geschichtsbuch 68 )

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

„Bruderkampf“, bei dem wertvolles Blut umsonst geflossen sei:73 eine Deutung der Perserkriege, die sich auch in der NS -Zeit in keiner Weise gegen die Abendland-Morgenland-Dichotomie durchgesetzt hat. Zurück zur Schlacht an den Thermopylen. In der Schulbuchgeneration, die in der Weimarer Republik nach den Richtlinien von 1924/25 entstand, blieb die Verbindung zwischen der militärisch-strategischen Begründung als Rückzugsdeckung und der Bezeichnung als ,Heldentod‘ grundsätzlich erhalten. Allerdings findet sich jetzt in den Lehrwerken von Walter Gehl und der Neuauflage von Heinrich Christensens Mittelschulbuch die Deutung, dass die Besetzung des Engpasses von vornherein als Opfer geplant gewesen sei.74 Diese bereits in der Darstellung Diodors greifbare Interpretation gibt in der Kaiserzeit nur ein Schulbuch wieder.75 Im Geschichtsbuch für die deutsche Jugend von Bernhard Kumsteller heißt es, Leonidas habe „dem Befehl gemäß“ bis zum letzten Mann ausgeharrt.76 Beide Deutungen werden von der althistorischen Forschung entweder mit einer eigennützigen Politik Spartas oder mit innenpolitischen Konflikten in Sparta begründet; in den Schulbüchern fehlt jedoch jede weitere Erklärung, weshalb der Eindruck entsteht, der Tod des Leonidas, der Spartiaten und der Thespier sei ein Opfer ohne einen militärischen oder politischen Grund gewesen. Erstmals taucht in den Geschichtsbüchern der Weimarer Zeit im Zusammenhang mit der Schlacht an den Thermopylen statt ,Heldentod‘ der Begriff des ,Opfertodes‘ auf, obwohl die sakrale Metaphorik allgemein verschwindet.77 Diese Tendenz, dass der Kriegstod an für sich als sinn- und ehrenvoll erscheint, wird dadurch verstärkt, dass in den Weimarer Geschichtsbüchern bis auf die erwähnte Ausnahme nur noch Schillers Version des Grabepigramms zitiert wird. Das „wie das Gesetz es befahl“ kann zwar auf die Gesetze bzw. den Ehrenkodex des antiken Sparta bezogen werden,78 aber auch auf ein immergültiges, formales Prinzip von männlichem Opferethos. Letzteres Sinnangebot wurde durch den Begriff der ,Pflichterfüllung‘ befördert, der ab 1926 neu in den Schulbüchern erschien. So änderte Welters Lehrbuch der Weltgeschichte zur 47. Auflage von 1926 den Text und kommentierte: Kein Sieg hat je solchen Ruhm geerntet, wie diese Niederlage, wie dieses Beispiel höchster Pflichterfüllung.79

1.1940, S. 76; Maier, Lehrbuch (OS ) 10.1937, S. 53; Gehl, Geschichte 1.1940, S. 44, 48; Schmitthenner, Führer 1.1940, S. 77; Hohmann, Volk 1.1941, S. 51; Edelmann, Volkswerden 1.1940, S. 66. Zu den Persern im NS vgl. Wiesehöfer, Bild, S. 6–14. 73 ) Vgl. Klagges, Volk 1.1940, S. 76, 79; Gutmann, Geschichte 1.1938, S. 111. 74 ) Vgl. Gehl, Geschichte (MS ) 1.1925, S. 15; Gehl, Geschichte (US /Mittel) 1.1926, S. 25; Christensen, Geschichte (US /Mittel) 9.1926, S. 49. 75 ) Vgl. Martens, Leitfaden (OS ) 4.1903, S. 109. 76 ) Vgl. Kumsteller, Geschichtsbuch (MS ) 2.1923, S. 11; Kumsteller, Geschichtsbuch (US / Mittel) 1.1926, S. 15. 77 ) Vgl. Bonwetsch, Grundriß B/C/D (OS ) 5.1926, S. 22. 78 ) Vgl. Wehrhan, Geschichte (US /Mittel) 2.1924, S. 38; Neubauer, Grundzüge (MS ) 1.1923, S. 17. 79 ) Welter, Lehrbuch (MS ) 47.1926, S. 66.

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Und das von Arnold Reimann, dem Vorsitzenden des deutschen Geschichtslehrerverbandes in der Weimarer Zeit, herausgegebene Geschichtswerk für höhere Schulen beurteilte die Schlacht an den Thermopylen folgendermaßen: Hell durch die Jahrhunderte wird dieses Beispiel äußerster Pflichterfüllung erstrahlen!80

Die antike Schlacht ist hier und in anderen Weimarer Geschichtsbüchern explizit als Beispiel, als Exempel „für alle Zeiten“ 81 angesprochen. An dieser Stelle wird die meist verdeckte Dialektik zwischen Zeitgebundenheit und Überzeitlichkeit bei der Darstellung der Schlacht sichtbar: Aus den einmaligen und mit historischem Wahrheitsanspruch erzählten Vorgängen von 480 v. Chr. werden Werte abgeleitet, die als absolut, ewig-gültig und durch eigenes Handeln jederzeit wiederholbar präsentiert werden. Umgekehrt erscheint die Schlacht an den Thermopylen hier als eine praktische und besonders gelungene Verwirklichung der überzeitlichen Prinzipien Pflichterfüllung und Vaterlandsliebe. Die Historizität der antiken Schlacht und ihre Ausdeutung als Beispiel von Pflichterfüllung und Vaterlandsliebe liefern sich gegenseitig Argumente für eine absolute Geltung des dahinter stehenden Handlungsmodells, das für sich genommen nie einen derartigen Grad an Gültigkeit besitzen kann. Betont werden muss, dass der Geltungsgrad des Exempels zwar durch die textliche Logik in den Schulbüchern erzeugt wird, aber der Anspruch von Geschichtsbüchern, eine Form von historischer Wirklichkeit wiederzugeben, ebenfalls dazu beiträgt. Hinter den Schulbuchtexten stehen zudem die Produzenten von historischer Wahrheit, die Geschichtslehrer und Berufshistoriker, und es ist kein Zufall, dass Ulrich Wilcken den Passus über die Schlacht an den Thermopylen in seiner Griechischen Geschichte, die 1924 zunächst als Handbuch zum eben zitierten Geschichtswerk von Reimann erschien, mit folgenden Worten schließt: Es gibt auch moralische Siege, wie dieses Beispiel höchster Pflichterfüllung, und gerade sie leuchten hell durch die Jahrtausende. Mögen unserer Jugend Leonidas und seine Getreuen immer ein Gegenstand der Verehrung bleiben!82

In diesem Fall ist die Geschichtswissenschaft in direkter Verbindung mit den Schulgeschichtsbüchern Produktionsstätte auch des Exempels, dem so die Autorität der Wissenschaftlichkeit zuteil wird. Die Möglichkeit der Lehrer und erst recht der Schüler und Schülerinnen, die Fakten von den Interpretationen zu trennen, ist damit relativ gering. Bemerkenswerterweise wird hier von den Fachleuten die Schlacht an den Thermopylen sehr direkt als Erfahrungsmodell für die Jugend angeboten, obwohl ihnen klar gewesen sein dürfte, dass die implizite Prämisse des exemplarischen Vergleiches – nämlich dass eine Wiederholung des Ereignisses durch genügend ähnliche strukturelle Bedingungen überhaupt möglich ist – nicht 80 )

Reimann, Geschichtswerk (MS ) 1.1925, S. 57; sehr ähnlich vgl. Reimann, Geschichtswerk (MS ) 4.1931, S. 57; Reimann, Geschichtswerk B (OS ) 1.1930, S. 83; Reimann, Geschichtswerk (US / Mittel) 1.1927, S. 100. 81 ) Ebner, Geschichte (MS ) 18.1935, S. 47; Doner, Werden (OS ) 1.1929, S. 50; Gutmann, Geschichte 1.1938, S. 114. 82 ) Wilcken, Griech. Geschichte, S. 102. Diese Sätze finden sich auch noch in der Auflage von 1973. Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 329; Christ, Hellas, S. 176–184.

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wirklich gegeben war. Geschichte wird weder von den Schulbuchautoren noch von Wilcken zyklisch gedacht. Die Exemplarität der antiken Schlacht wird in den Schulbüchern auf dem Umweg über universelle und essenzielle Werte hergestellt, die sich in der Geschichte vollziehen. Die Vorbildlichkeit der Schlacht an den Thermopylen verdankt sich nicht nur ihrer andauernden Tradition als Exempel, sondern ist hier auch ein Nebenprodukt der konsequenten Ausrichtung der Geschichte auf die essenziell gedachte Deutungsgröße des ,Wesens‘. Dass der Begriff der Pflichterfüllung im Zusammenhang mit der Schlacht an den Thermopylen in der Weimarer Schulbuchgeneration neu erscheint, hängt mit dem nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg partiell veränderten Deutungsmuster von Heldentum und Heldentod zusammen, das noch ausführlich thematisiert wird (s. Kap. II.2.2). Als Antonym zu Pflichterfüllung ist die Pflichtvergessenheit zu denken, da Ende der 1920er Jahre in einigen Schulbüchern Epialtes, der Verräter aus den Reihen der Griechen, besonders herausgestellt wird.83 Im Hintergrund der Darstellung der Schlacht an den Thermopylen in den Schulbüchern der Weimarer Republik schwebten die nicht akzeptierte Niederlage im Ersten Weltkrieg, die fast zwei Millionen deutschen Kriegstoten und die Legende vom Dolchstoß. Der nationalkonservative und teilweise völkische Grundtenor der Weimarer Schulgeschichtsbücher machte es möglich, sie auch nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ 1933 weiterzuverwenden, und auch zentrale Deutungskategorien der Schlacht an den Thermopylen wie Heldentod, Pflichterfüllung und männliches Opferethos ließen sich an die ideologische Neuausrichtung anschließen. Das Heldentum des Leonidas und seiner Spartiaten wurde nun ,nordisch‘ bzw. dorisch: Von zwei Seiten angegriffen, fielen alle, das Gesetz dorischer Mannheit erfüllend.84

Neu nuanciert auch das Geschichtsbuch für die deutsche Jugend von Kumsteller den letzten Kampf: Sie kämpften nun nicht mehr darum, die Stellung zu halten, auch nicht mehr um ihr Leben; sie kämpften für die Waffenehre ihres Volkes.85

Ein militärischer Grund für den Kampf bis zum Tod wird hier zugunsten eines internalisierten, auf das Volk, nicht auf den Staat bezogenen Ehrenkodex abgelehnt. Indem die Vorgänge im Engpass mit den Kategorien Rasse, Stamm und Volk in Verbindung gebracht werden, zeigt sich in der Beschreibung der Schlacht an den Thermopylen der Einfluss der nationalsozialistischen Rassenideologie, die allerdings in den Schulbüchern umfassender und in erster Linie bei der Darstellung des spartanischen Staates entfaltet wird. Die Geschichtsbücher der Kaiserzeit bewerten das spartanische Staatswesen meist überhaupt nicht. Andrä hob in seinem Grundriss der Geschichte zwar positiv hervor, dass das gesamte Leben der Spartaner dem Vaterland geweiht gewesen sei, bemängelte aber, dass die Spartiaten nicht gearbeitet hätten und die 83 ) Jeweils neu in die Auflagen aufgenommen bei Stein, Lehrbuch (MS ) 24.1928, S. 29; Gehl, Geschichte (MS ) 5.1929, S. 18; Gehl, Geschichte (US / Mittel) 3.1932, S. 23. 84 ) Gehl, Geschichte 1.1940, S. 46. 85 ) Kumsteller, Geschichtsbuch 1.1940, S. 82.

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Familie wenig geachtet gewesen sei, was beides nicht dem protestantisch-paternalistischen Leitbild der Kaiserzeit entsprach. Der Oberstufenband führt unter den Nachteilen des spartanischen Staates auch noch sein sozialistisches Gepräge auf.86 Die Beurteilung Spartas als familienzerstörender, aristokratischer Staatssozialismus findet sich auch in den Weimarer Schulbüchern; dort tauchen allerdings auch neu die Spartiaten als „stahlhartes Geschlecht stolzer Krieger“ bzw. „stahlharte Edelleute“ auf.87 Die Neuinterpretation des spartanischen Staates in den Ergänzungsbögen für die Weimarer Geschichtsbücher und in den NS -Schulbüchern enthält alle Elemente des nationalsozialistischen Spartabildes, das im Dunstkreis von Politik, universitärer Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik produziert worden war.88 Sparta wurde im Schulbuch gemäß der Auffassung Adolf Hitlers zum „völkischen Rassenstaat“.89 Nur in Sparta sei die nordische Rasse rein gehalten worden; hier sei durch „Auslese“ und „Rassenpflege“, d. h. durch die Aussetzung der schwächlichen Kinder, durch „Rassezucht“ und „Erberinnern“, wozu die Heiratspflicht gezählt wird, das Blut unvermischt geblieben.90 So seien die Männer Spartas aus Erz, die Frauen gesund und blond gewesen, und die Wesensmerkmale der nordischen Rasse, wie Wehrhaftigkeit und Führertum, „heldischer Sinn“ und das Prinzip „alles für Volk und Staat“, hätten sich in der spartanischen Geschichte in Reinform gezeigt.91 Auch der „Erbhof“, Kernelement von Richard Walter Darre´s Deutung der Spartaner als nordischer „Bauernrasse“, findet sich in den Schulbüchern.92 Die Bedeutung des antiken Sparta für eine spezifisch nationalsozialistische Geschichtsbildung zeigt sich unter anderem darin, dass 1940 als erstes Arbeitsheft für die Adolf-Hitler-Schulen das von dem Vor- und Frühgeschichtler Wilhelm Otto von Vacano herausgegebene Sparta. Lebenskampf einer nordischen Herrenschicht erschien.93 Das Buch will die Geschichte Spartas speziell für eine nationalsozialistische Elitenbildung nutzbar machen, da die Adolf-Hitler-Schulen als erste Stufe der „Führerauslese“ fungieren sollten, die 86 )

Vgl. Andrä, Grundriss (MS ) 24.1902, S. 18; Andrä, Grundriss (OS ) 24.1903, S. 37. Pinnow-Steudel, Geschichtsbuch A (MS ) 1.1927, S. 11; Reimann, Geschichtswerk (US / Mittel) 1.1927, S. 72; Formulierung auch bei Wilcken, Griech. Geschichte (1973), S. 103. 88 ) Vgl. Reichsministerialblatt (1938), S. 74; s. Kap. III.2.1. 89 ) Goebbels, Tagebücher (1940), S. 69. 90 ) In der Reihenfolge der Zitate: Gutmann, Geschichte 1.1938, S. 104; Kumsteller, Geschichtsbuch 1.1940, S. 65; Ergänzungsbogen Bonwetsch (OS ) ca. 1934, S. 8. 91 ) Vgl. Kumsteller, Geschichtsbuch (US /Mittel) 1.1937, S. 14–16; Ergänzungsbogen Pinnow-Bux (MS ) ca. 1935, S. 1f.; Ergänzungsbogen Pinnow-Steudel (MS ) ca. 1934, S. 1f. 92 ) Vgl. Ergänzungsbogen Pinnow-Steudel (MS ) ca. 1934, S. 2; Schmitthenner, Führer 1.1940, S. 49. Dargelegt in: Darre´, Richard W.: Das Bauerntum als Lebensquell der Nordischen Rasse (1929); ders.: Neuadel aus Blut und Boden (1930); vgl. Kroll, Utopie, S. 158f., 173; Losemann, Sparta, S. 164–167; Christ, Spartaforschung, S. 44 Anm. 191. 93 ) Vgl. Vacano, Sparta 1.1940; zu Vacano vgl. Losemann, Antike, S. 139–173, S. 250 Anm. 110. Das Arbeitsheft enthält größtenteils thematisch angeordnete Textauszüge von Herodot, Thukydides, Xenophon und Plutarch in Übersetzung, Teile der Tyrtaios-Übersetzung von Richard Harder, Auszüge aus Helmut Berves Spartabuch, Karl Otfried Müllers Die Dorier und dem Spartabuch von Hans Lüdemann. Hinzu kommen die eigens für das Buch verfassten Texte von Vacano zum „Lebenskampf“ sowie zur bildenden Kunst und von Berve zur Kriegsführung der Spartaner. 87 )

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sich über die Ordensburgen zur Hohen Schule der Partei fortsetzte. Dem Arbeitsheft ist in roten Lettern das Spartiaten-Epigramm in der Version Schillers leitmotivisch vorangestellt. Die Schlacht an den Thermopylen ist mit sieben Seiten sehr ausführlich wiedergegeben und folgt dem Bericht Herodots, der allerdings – ohne Kennzeichnung – gekürzt ist. So fehlt bei der Beratung der Griechen über den Verbleib im Engpass die erste Version, nach der die Bundesgenossen einfach abzogen, und von der zweiten das Orakel. Übrig bleibt, dass Leonidas mit seinen Spartiaten den Posten nicht verließ, „zu dessen Behauptung sie befohlen waren“.94 Im Gegensatz zu den anderen Schulgeschichtsbüchern bleibt hier die Darstellung der Schlacht frei von rassischen Kategorien. Da es allerdings reichsweit nur 12 Adolf-Hitler-Schulen gab, dürfte die Breitenwirkung von Vacanos Arbeitsheft nicht allzu groß gewesen sein. Für den Griechisch- und Geschichtsunterricht erschienen neue Lektürehefte mit ausgewählten Quellen zur spartanischen Erziehung und zur Schlacht an den Thermopylen.95 Die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen in den Geschichtsbüchern war insofern von der Neudeutung Spartas unter dem Rasseparadigma betroffen, als das Handeln des Leonidas und seiner Spartiaten nunmehr als biologisch determiniert gedacht wurde. Am deutlichsten zeigt sich dieser Enthistorisierungsschub im Ergänzungsbogen zum Oberstufenband von Teubners Geschichtlichem Unterrichtswerk: Unsterblich aber bleibt der Mythos des Nordens, die Saga vom Spartanervolk. Ihm war Heroismus nicht Aufgabe, sondern Selbstverständlichkeit, der Kampf ein Fest, der Tod fürs Vaterland die Erfüllung – weil das Gesetz es befahl.96

Die Historie ist wieder zum Mythos geworden, der Tod für das Vaterland biologisch vorgegeben und Schillers Nachdichtung des Spartiaten-Epigramms zum Fragment verstümmelt. Das „Gesetz“ meint hier, ähnlich dem oben zitierten „Gesetz dorischer Mannheit“, ein der Rasse bzw. dem Stamm immanentes Gesetz, das bestimmte Werte erzeugt und nach dem alle männlichen Mitglieder aufgrund ihrer biologischen Veranlagung handeln müssen. Über die Rassenideologie wurde zudem der Gegenwartsbezug der antiken Geschichte neu konstruiert. Die These von der gemeinsamen ,nordischen‘ Herkunft von Griechen und Germanen, die z. B. Alfred Rosenberg in seinem ideologischen Hauptwerk Der Mythus des 20. Jahrhunderts pseudowissenschaftlich herleitete, bewahrte die griechische, aber auch die römische Geschichte vor der vollständigen Streichung aus dem Geschichtsunterricht.97 Im Ergänzungsbogen zum Mittelstufenband von Teubners Geschichtlichem Unterrichtswerk wird die neue Qualität der alten ,Wahlverwandtschaft‘ zwischen Deutschen und antiken Griechen wie folgt beschrieben: Wir sind uns heute der Verwandtschaft der führenden Völker des Altertums mit unserem deutschen Volke viel lebhafter als bisher bewußt geworden. Sie sind Fleisch von unserm Fleische, Blut von unserm Blute, Glieder der nordischen Rasse wie wir!98 94 )

Vacano, Sparta 1.1940, S. 65. Vgl. Eichenberg, Erziehung (1934); Schröter, Leonidas (1937). 96 ) Ergänzungsbogen Bonwetsch (OS ) ca. 1934, S. 10. 97 ) Vgl. Gies, Geschichtsunterricht, S. 20. Vgl. Rosenberg, Mythus, S. 278–281. 98 ) Ergänzungsbogen Pinnow-Steudel (MS ) ca. 1934, S. 1. 95 )

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Obwohl einzelne Sätze aus der Bibel im deutschen Sprachgebrauch in sprichwörtlicher Prägung zu finden sind, wirkt es einigermaßen absurd, dass hier gerade die Verwandtschaftsformel aus dem Alten Testament benutzt wird, um die nordische Rassengemeinschaft zwischen antiken Griechen und Deutschen zu beschwören.99 Nach dem Zusammenbruch und der Kapitulation des Deutschen Reiches 1945 blieb insofern eine Kontinuität bei der Geschichtsvermittlung in der Schule gewahrt, als die Geschichtsbücher der Weimarer Republik, wie z. B. Teubners Geschichtliches Unterrichtswerk, teilweise wieder zugelassen wurden oder in überarbeiteter Form neu erschienen.100 In welchem Ausmaß die Schlacht an den Thermopylen als Exempel für eine militärische Opferethik während des Zweiten Weltkrieges bemüht worden war, lässt sich anhand des ersten neuen Geschichtsbuchs für höhere Schulen der Nachkriegszeit Wege der Völker von 1948 erahnen. Es bestätigt auch die eingangs erwähnten Eindrücke deutscher Nachkriegsschriftsteller. Die Schulbuchautoren fühlten sich bemüßigt, nach der Darstellung der antiken Schlacht eine ausführliche Interpretation anzufügen: Die Tat des Leonidas entsprach der strengen spartanischen Staatsgesinnung. Sie ist immer als Beispiel für Heldenmut und Aufopferung gepriesen worden. In jedem Kriege kommt es zu der Notwendigkeit, daß einzelne oder ganze Abteilungen ihr Leben hingeben müssen, um eine größere Abteilung zu retten. Wir werden solche Männer immer verehren, aber zugleich erfüllt es uns mit Wehmut, daß die Menschheit auf diese Weise so wertvoller Mitglieder beraubt wird. Es muß daher das Ziel aller Völker sein, ihr Zusammenleben so zu gestalten, daß die Kräfte der Besten dem Frieden erhalten bleiben und dem Fortschritt dienstbar gemacht, statt in Kriegen vergeudet werden! Denn auch im Frieden gibt es genug Gelegenheiten, wirklichen Mannesmut zu zeigen. Als einen mutigen Menschen dieser Art rühmten die Griechen den Solon. Wie er in seinen Gedichten selber beklagt, zog er sich die Feindschaft aller Parteien zu. Er tat es jedoch, um den Staat zu retten.101

Dieser zivile Umwidmungsversuch entfällt in der Auflage von 1950 sowie in der Mittelschulausgabe von 1953. Auch das Spartiaten-Epigramm in der Version Schillers, das in der ersten Auflage fehlt, wird nun wieder zitiert.102 Generell vermeiden die Geschichtsbücher der frühen 1950er Jahre Wörter wie ,Heldentod‘ oder ,Heldentum‘. Ein eigentlicher Bruch fand aber erst in der neuen Schulgeschichtsbuchgeneration Anfang der 1970er Jahre statt, mit der die Schlacht an den Thermopylen aus dem Kanon des Bildungswissens fiel.103

99 )

Vgl. z. B. Gen 29.14, und in übertragener Bedeutung im Schöpfungsbericht Gen 2.23. Vgl. Stolze, Lehrbuch Stein (MS ) 1.1945; Pinnow-Steudel, Unterrichtswerk (MS ) 1.1951. 101 ) Arbeitsgemeinschaft, Wege (MS ) 1.1948, S. 82. 102 ) Vgl. Arbeitsgemeinschaft, Wege B (MS ) 1.1950, S. 25; Arbeitsgemeinschaft, Wege C (US ) 1.1950, S. 13f.; Arbeitsgemeinschaft, Wege (US / Mittel) 1.1953, S. 39. 103 ) Vgl. z. B. Hug, Weltkunde (US ) 1.1974; vgl. Riemenschneider, Geschichtslehrbuch, S. 304f. 100 )

250

1. Kanonisierung als Bildungswissen

1.2. Wer orientiert sich an wem? Die Schlacht zwischen Wissenschaft, Schule und Militär in der Kaiserzeit Die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen in den Geschichtsbüchern für die höhere und mittlere Schule bewegt sich im Zeitraum von hundert Jahren in einem relativ engen Rahmen. Obwohl eine Reihe von Deutungsvarianten zu beobachten sind, wird das dem antiken Ereignis zugrunde liegende Handlungsmuster, das Aushalten bis zum Tod in einer militärisch aussichtslosen Lage, durchweg und unhinterfragt als positiv und richtig präsentiert. Selbst Wege der Völker, das in der Ausgabe von 1948 die überstrapazierte Verwendung der Schlacht an den Thermopylen für den militärischen Bereich problematisiert und mit einem pazifistischen Appell verbindet, versucht doch in gewisser Weise, das Modell des idealistischen, bedingungslosen Einsatzes für einen zivilen Gebrauch zu retten. Die Schlacht an den Thermopylen, die für den historischen Ablauf der Perserkriege keineswegs die wichtigste Schlacht ist, gehörte bis zu ihrem Verschwinden aus den Schulbüchern in den 1970ern zum Bildungswissen, jener Form von Wertorientierung, mit der sich soziale Gruppen, hier in erster Linie das so genannte Bildungsbürgertum, selbstverständigen. Die Kenntnis des griechisch-römischen Altertums, von dem die Schlacht an den Thermopylen natürlich nur einen sehr kleinen Teil darstellt, war ein soziales und auch geschlechtsspezifisches Abgrenzungskriterium, da sie am umfassendsten auf dem humanistischen Gymnasium vermittelt wurde, das wiederum bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts die Hauptrekrutierungsinstanz für die Staatseliten war. Als Teil der Bildung war die antike Schlacht samt der mit ihr verbundenen Werte in den Schulbüchern intentional zur symbolischen Orientierung bestimmt und wurde in der Generation der Weimarer Geschichtsbücher partiell ausdrücklich zum Orientierungsmodell für die Jugend erhoben. Im Folgenden soll die Produktion und Distribuierung der antiken Schlacht als Orientierungsmodell für Jugendliche in der Dreieckskonstellation Schule – Wissenschaft – Militär genauer betrachtet werden. Zum einen werden auf der diskursiven Ebene bestimmte Deutungen und Erklärungsansätze, die zwischen den drei Institutionen zirkulieren, nachgezeichnet bzw. systematisiert. Zum anderen soll auf der institutionellen Ebene skizziert werden, in welchen Teilen der Gesellschaft das Orientierungsmodell zu verorten ist, an welche kulturellen Leitbilder es anschloss bzw. zu welchen es beitrug und somit Relevanz für das Denken, Urteilen und Verhalten erlangte. Der zeitliche Schwerpunkt liegt in der Kaiserzeit, kombiniert mit einigen diachronen Ausblicken. Dass die Schlacht an den Thermopylen für Jugendliche als interessant und relevant angesehen wurde, zeigt eine ganze Reihe von Jugendbüchern.104 In diesen 104 ) Ohne systematische Aussagen treffen zu können, sind verschiedene Typen zu erkennen: Charlotte M. Youngs: A Book of Golden Deeds of all Times and all Lands. London 1864, beschreibt Leonidas als Exempel der Tapferkeit; vgl. Stephan-Kühn, Antike, S. 454f. Historisch anspruchsvoll sind z. T. die Jugendbücher der Kaiserzeit: Vgl. Hertzberg, Perserkriege (1877), S. 161–183; Jäger, Geschichte (1877), S. 162–165; Körner, Kämpfe (1890), S. 31– 40, der Duncker, Geschichte, abdruckt; Mohr, Miltiades, S. 7–13. Mehr oder weniger Nacherzählungen von Herodot bieten: Diederich, Weltkrieg (1914); Roderick, Sparte (1966, engl.

1.2. Die Schlacht zwischen Wissenschaft, Schule und Militär

251

Texten steht weder die Faktenvermittlung noch die explizite Wertorientierung im Vordergrund, sondern die Ausgestaltung einer spannenden Geschichte in der ihr eigenen Dramatik, die sie in der Darstellung Herodots bereits besitzt. Dennoch vermitteln natürlich auch die Jugendbücher ein uneingeschränkt positives Bild vom Heldentum der Spartiaten. Zunächst zur Schlacht an den Thermopylen zwischen Schule und Wissenschaft: Die wissenschaftsgeschichtliche Forschung zur griechischen Geschichte interessiert sich nur am Rande für Schulbücher, impliziert aber manchmal die Annahme, dass sich das an den Universitäten produzierte Wissen unmittelbar in den Schulbüchern oder gar im Geschichtsbewusstsein niederschlägt.105 Unbestreitbar gab es immer vielfältige Formen der Zusammenarbeit zwischen Universitätshistorikern und Geschichtslehrern, die in der Regel die Schulbücher verfassen, dennoch folgen Schulbücher ihrer eigenen Produktionslogik, und die langen Laufzeiten verleihen einmal aufgenommenen Deutungen eine gewisse Beharrungskraft. Für die Schlacht an den Thermopylen, für die es nie eine in der Forschung allgemein akzeptierte Rekonstruktion gab, finden sich in den Schulbüchern sowohl der militärisch-strategische wie der innerspartanische Erklärungsansatz für den Verbleib von Leonidas im Engpass, die mit differierenden Begründungen in der Wissenschaft periodisch immer wieder vorgebracht werden. Da für Einzelargumentationen in den Schulbüchern kein Platz ist, kann unmöglich genau festgestellt werden, welche althistorische Forschung zu welchem Zeitpunkt die Darstellung in den Schulbüchern beeinflusste. Unter den Literaturempfehlungen, die einige wenige Oberstufenbücher geben, finden sich Eduard Meyers Geschichte des Altertums und Robert von Pöhlmanns Grundriss der Griechischen Geschichte von 1898 sowie das Lesestück des Gymnasialdirektors Oskar Jäger Der Kampf an den Thermopylen und Benno Diederichs Jugendbuch Ein Weltkrieg im Altertum von 1914.106 Auffällig ist, dass diejenigen Historiker, die wie Karl Julius Beloch und Hans Delbrück – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – die Niederlage an den Thermopylen einem strategischen Fehler geschuldet sehen, keinen Eingang in die Schulbuchtexte fanden.107 Trotz eines gewissen Deutungspluralismus in der Wissenschaft in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende, den Stefan Rebenich für die Schlacht an den Thermopylen herausgearbeitet hat, reproduzierten die Orig. 1962), S. 21–69, S. 235–243; Renault, Löwe (1966, engl. Orig. 1964), S. 61–76. Eine eigene Erzählung bietet: Cotton, Callimaque (1944). Als Vergleich zu Episoden aus dem griechischen Unabhängigkeitskrieg und der belgischen Geschichte dient Leonidas bei: Cecyl, Le´onidas (1895), S. 4–14; Maeterlinck, Le´onidas (1915), S. 26. 105 ) Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 328, 331f.; Christ, Spartabild, S. 43– 45; Funke, Griechenland, S. 19; dagegen zeigt Kipf, Herodot, S. 246–250, wie erst nach 1945 die HerodotForschung der 30er Jahre die Curricula erreichte. 106 ) Vgl. Schenk, Lehrbuch (Lehrer) 3.1919; Ebner, Geschichte (MS ) 18.1935. 107 ) Vgl. Beloch, Griech. Geschichte, S. 104; Delbrück, Perserkriege, S. 86, 89; ders., Kriegskunst, S. 79; dennoch bewundert Delbrück im Gegensatz zu Beloch Leonidas; vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 326f. Nur das zu Koch, Lehrbuch (MS /OS ) 1.1911, gehörende Lehrerhandbuch Groebe, Handbuch (Lehrer) 1.1913, S. 166, empfiehlt zur Schlacht an den Thermopylen neben Munro, Observations, S. 294–332, und John B. Bury: History of Greece to the death of Alexander the Great. London 1900, auch Beloch.

252

1. Kanonisierung als Bildungswissen

Geschichtsbücher ausnahmslos ein positives Leonidasbild, das an nationalkonservative Deutungsmuster anschlussfähig war und das überdies in der deutschen altertumswissenschaftlichen Forschung bis einschließlich Bengtsons Griechischer Geschichte vorherrschte.108 Einen direkten Einfluss übte Wilckens Griechische Geschichte auf Reimanns Geschichtswerk von 1925 aus, wobei in diesem Fall auch die exemplarische, überzeitliche Bedeutung der Schlacht an den Thermopylen mitgeliefert wurde (s. Kap. III.1.1). Betrachtet man die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts expandierende altertumswissenschaftliche Forschung, so führte diese im Großen und Ganzen zu einer quellenkritischen, differenzierten und nüchternen Einschätzung der Vorgänge von 480 v. Chr.109 Zum Teil reflektierte sie sehr bewusst die Tradition der Schlacht an den Thermopylen als Exempel; so z. B. Hermann Köchly und Friedrich Wilhelm Rüstow in ihrer 1852 erschienenen Geschichte des griechischen Kriegswesens: Es ist Sitte, das letzte Gefecht von Thermopylä in einem äußerst romantischen Lichte zu sehen [...]. Von seinem Ruhme nehmen wir dem Leonidas sicher nichts, wenn wir ihn aus der Reihe der wüsten Romantiker ausstreichen und ihm seine Stelle unter den Tapferen anweisen, die zur Durchführung eines verständig angelegten Plans wacker ihr eigenes Leben einsetzten, gute Generale und Helden zugleich.110

Dieser Versuch einer abwägenden Würdigung bindet das als heldenhaft apostrophierte Handeln des Leonidas an militärische Notwendigkeit, fachliches Können und persönliche Tapferkeit. Damit entspricht er dem Konzept von Heldentum, das in Deutschland in erster Linie im 19. Jahrhundert unter den Berufsmilitärs zirkulierte (s. Kap. II.3.1). Für Soldaten, Philologen und Historiker gedacht, markiert die Geschichte des griechischen Kriegswesens des Züricher Altphilologen Köchly und des ehemaligen preußischen Genieoffiziers Rüstow auch eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Militär. Nichtsdestotrotz konnte der geschichtswissenschaftliche Positivismus des 19. Jahrhundert, wie bereits Jacob Burkhardt feststellte, die Denkwürdigkeiten nicht unter den Fakten begraben.111 Leopold von Ranke sah im Ausharren der Spartaner aufgrund ihres Gesetzesgehorsams „das 108 )

Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 325–327, 334–336. Maßgeblich für Deutschland waren die vor der Jahrhundertmitte entstandenen englischen Werke zur griechischen Geschichte, wie Gillies, John: History of Ancient Greece, its Colonies and Conquests. London 1786 (dt. 1787–1779); Mitford, William: The History of Greece. London 1784ff. (dt. 1800–1802); Thirlwall, Connop: A History of Greece. London 1835–1838 (dt. 1839); und v. a. Grote, George: A History of Greece. London 1849–1855 (dt. 1850–1859); die ersten deutschen Gesamtdarstellungen erschienen ab 1850, so Duncker, Max: Geschichte des Alterthums. Leipzig 1852–1857; Kortüm, Friedrich: Geschichte Griechenlands von der Urzeit bis zum Untergang des Achäischen Bundes. Heidelberg 1854; Curtius, Ernst: Griechische Geschichte. Berlin 1857–1867; und dann in der Kaiserzeit in dichter Reihenfolge Meyer, Eduard: Geschichte des Altertums. Stuttgart 1884–1902; Busolt, Georg: Griechische Geschichte. Gotha 1885–1888; Holm, Adolf: Griechische Geschichte. Berlin 1886–1894; Pöhlmann, Robert von: Grundriss der griechischen Geschichte. München 1889; Beloch, Karl Julius: Griechische Geschichte. Straßburg 1893–1904; Burckhardt, Jacob: Griechische Kulturgeschichte. Basel 1898–1902; vgl. Christ, Hellas, S. 23–150, 427f.; ders., Spartaforschung, S. 22f.; ders., Curtius, S. 246–248; Funke, Griechenland, S. 23. 110 ) Köchly/ Rüstow, Kriegswesen, S. 61. 111 ) Vgl. Moos, Topik, S. XVII . 109 )

1.2. Die Schlacht zwischen Wissenschaft, Schule und Militär

253

Muster für alle folgenden Jahrhunderte“, und auch Ernst Curtius, Eduard Meyer und Hans Delbrück sparen nicht mit anerkennenden Worten, um die Tat des Leonidas und seiner Leute zu würdigen.112 In der 1877 erschienenen Geschichte der Griechen des Vorsitzenden des Gymnasialvereins, Oskar Jäger, die aufgrund ihrer Nähe zur Schule den Stoff didaktischer präsentiert, folgt der abschließenden Würdigung der Schlacht an den Thermopylen die Postulierung ihrer zeitlosen Vorbildlichkeit für eine idealistische, männliche Opferbereitschaft: So seien die gefallenen Thermopylenkämpfer [. . .] allen Späteren ein Zeichen, daß es hohe sittliche Güter gibt, für welche ein Mann ohne anderen Dank und Lohn, als das Bewußtsein, seine Pflicht gethan zu haben, zu sterben bereit sein muß.113

Der Schritt von der Würdigung der Tat bis zur Explizierung ihrer überzeitlichen Gültigkeit ist klein, und das kritische Potential, das Wissenschaft per se hat, fand für die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen keinen Niederschlag in den Schulbüchern. Die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen zwischen Schule und Militär in der Kaiserzeit ist lediglich schlaglichtartig zu beleuchten. In den militärischen Fachzeitschriften ist in der Kaiserzeit antike Militärgeschichte allgemein viel weniger präsent als bis 1830, und bei den historischen Reminiszenzen stehen Friedrich der Große und die napoleonischen Kriege im Vordergrund.114 Eine für die deutsche Strategie im Ersten Weltkrieg fatale Ausnahme war die Rezeption der Schlacht von Cannae durch den Generalstabschef Alfred Graf von Schlieffen, der aus dem karthagischen Sieg über die Römer 216 v. Chr. das strategische Leitbild der Umfassungsschlacht ableitete.115 Die Umsetzung gelang einzig in der Schlacht von Tannenberg Ende August 1914, und der kommandierende Feldmarschall Paul von Hindenburg wurde fortan als neuer Hannibal gefeiert. Für die Aktualisierung der militärstrategisch wenig interessanten Schlacht an den Thermopylen, Modell einer katastrophalen Niederlage, gab es im Kaiserreich bis zum Ersten Weltkrieg keinen direkten militärischen Anlass. Nichtsdestotrotz beendete auf der preußischen Schulkonferenz 1890 der Vertreter des Kriegsministeriums, Major Fleck, der die Interessen des Militärs an einer Reform des höheren Schulwesens vertrat, seine Rede mit den Worten: Wir gebrauchen [. . .] Männer, die durchglüht sind von den höchsten Idealen und die nicht vergessen, daß über den Schlachtfeldern von Vionville und Gravelotte derselbe große Gedanke schwebt, der die Felsenwände der Thermopylen umwittert.116 112 ) Ranke, Weltgeschichte, S. 124. Vgl. Curtius, Griech. Geschichte, S. 66; Meyer, Geschichte, S. 361; Delbrück, Kriegskunst, S. 79f. 113 ) Jäger, Geschichte, S. 165. Die erste Auflage ist von 1866. 114 ) Im Militär-Wochenblatt, der Allgemeinen Militärzeitung, den Militärischen Blättern, der Militärischen Zeitung und der Österreichischen militärischen Zeitschrift finden sich vereinzelte Aufsätze über Einzelaspekte des römischen Heerwesens bzw. der Kriegsgeschichte des Altertums. Eine Ausnahme ist Schliemann, Kampfplatz, S. 157f. 115 ) Vgl. Sguaitamatti, Schlachtorte, S. 1077f. 116 ) Verhandlungen 1890, S. 229. Vgl. auch Stübig, Einfluß, S. 517–519. Vionville am 16. August und Gravelotte am 18. August 1870 gehörten zu den Kämpfen vor der Festung Metz.

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

Dann zitierte er das Epigramm auf Griechisch, was die Konferenz mit Bravorufen goutierte. Major Fleck signalisierte damit den Vertretern des humanistischen Gymnasiums nicht nur, dass er antikes Bildungswissen für den Offiziersberuf für relevant hielt, sondern gab sich auch als einer der ihren zu erkennen. Allerdings unterstützte er sämtliche Reformvorschläge für das Gymnasium, die auf eine drastische Reduzierung der alten Sprachen hinausliefen, und lag damit ganz auf der Linie des Kaisers. Er bekundete durch den Vergleich zweier Schlachten, die zur Gründung des Kaiserreiches beigetragen hatten, mit der antiken Niederlage das grundsätzliche Interesse des Militärs an Gymnasiasten und daran, das gehobene Bürgertum für das Offizierskorps zu rekrutieren. Im März desselben Jahres hatte Wilhelm II . in einer Kabinettsordre bestimmt, dass fortan nicht nur der ,Adel von Geburt‘, sondern auch der ,Adel der Gesinnung‘ für den Offiziersberuf ausschlaggebend sei.117 In seiner Schlussansprache zu dieser Schulkonferenz schmeichelte auch Wilhelm II ., dessen Reformforderungen erfüllt worden waren, der gebeutelten Lobby des humanistischen Gymnasiums, indem er den Weg der Jugend, der bisher „von den Thermopylen über Cannae nach Roßbach und Vionville“ geführt habe, nun selbst „von Sedan und Gravelotte über Leuthen und Roßbach zurück nach Mantinea und nach den Thermopylen“ leitete.118 Der Kaiser und der Vertreter des Kriegministeriums bekräftigten beide mit der Schlacht an den Thermopylen, dass sie diese als Bestandteil des antiken Bildungswissens als besonders relevant für die Jugend ansahen. Die Schlacht an den Thermopylen als Argument für bzw. gegen die praktische Relevanz von humanistischer Bildung im militärischen Ernstfall findet sich in zwei Debatten, die im Frühjahr 1915 Pädagogen in zwei Tageszeitungen austrugen und die in der Zeitschrift des Gymnasialvereins abgedruckt sind.119 Der Konflikt zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Gymnasiums über den Nutzen und Wert humanistischer Bildung hatte im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg an Schärfe gewonnen, als sich die Gegner in Vereinen wie den „Deutschen Erziehern“ neu formierten und vehement eine völkisch-nationale Ausrichtung der höheren Schulbildung forderten.120 Der Streit, bei dem es neben den ,Bildungswerten‘ auch um die Verteidigung materieller Ressourcen ging, verstummte auch während des Krieges nicht, und auf den Vorwurf in der München-Augsburger Abendzeitung 1915, dass dem höheren Schulwesen immer noch die „nationale Basis“ fehle, wies ein Gymnasiallehrer gereizt darauf hin, dass sich im August 1914 Tausende aus den oberen Klassen aller höheren Schultypen freiwillig zu den Waffen gemeldet hätten und sich seither hervorragend bewährten.121 Generell betonen die Verteidiger der humanistischen Bildung die direkte Relation des antiken Bildungswissens zur Gegenwart des Krieges: 117 )

Vgl. Förster, Militär, S. 59. Verhandlungen 1890, S. 772. 119 ) Vgl. Gymnasium 26 (1915), S. 143–149. Es handelt sich um die München-Augsburger Abendzeitung und die Kölnische Zeitung. 120 ) Vgl. Apel/ Bittner, Schulbildung, S. 59–65. 121 ) Vgl. Gymnasium 26 (1915), S. 143–146. 118 )

1.2. Die Schlacht zwischen Wissenschaft, Schule und Militär

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Ist’s nicht anzunehmen, daß unsere jungen ,Griechen‘ und ,Römer‘, wenn’s heißt, mit Todesverachtung eine wichtige Stellung zu behaupten, sich des Leonidas und seiner 300 Spartaner erinnern, und daß diese Erinnerung begeisternd auf sie einwirkt?122

Ein Kritiker dagegen hebt die Andersartigkeit des aktuellen Kampfes hervor und relativiert damit die Übertragbarkeit antiker Heldenexempel: Eine ganz andere Tapferkeit gehört doch dazu, das Brüllen unzähliger Mordmaschinen, von deren Grausigkeit das Altertum keine Ahnung hatte, todesmutig zu ertragen als das Schwertund Schildgerassel in der Thermopylenschlacht, die in dem gigantischen Ringen dieses Weltkrieges nur eine winzige Episode darstellen würde.123

Während der Kritiker aus der neuartigen Kriegswirklichkeit neue Werte für die Soldaten ableitet, argumentiert der Befürworter der Gymnasialbildung auf der Basis der Vorannahme, dass das männliche Verhalten in ähnlichen militärischen Situationen seit der Antike gleichgeblieben sei. Die Wirkungsvermutung, die er für die in der Schule gelernte Schlacht an den Thermopylen ausspricht, scheinen auch die ausgewählten Feldpostbriefe ehemaliger Gymnasiasten zu bestätigen, die dieselbe Zeitschrift ab 1914 abdruckte. Zwar kann nur darüber spekuliert werden, ob und inwieweit sich die ehemaligen höheren Schüler im Feld tatsächlich am Verhaltensmodell der Schlacht an den Thermopylen orientierten, aber sie griffen in ihren Briefen zum Teil Elemente antiken Bildungswissens zur Sinnstiftung ihrer persönlichen Kriegserlebnisse auf.124 Die Tatsache, dass die Vertreter des Gymnasiums die praktische Relevanz der Schlacht an den Thermopylen postulierten, ist nicht ganz frei von der Instrumentalisierung der Kriegserfahrung ihrer Schüler, um die Wichtigkeit der humanistischen Bildung für die Gesellschaft zu bekräftigen. Überdies bedeutet der Praxisbezug der Schlacht an den Thermopylen konsequent umgesetzt, den Tod ihrer ehemaligen Schüler. Nimmt man die von den Vertretern der Gymnasien gleichfalls bediente Rhetorik über den Wert humanistischer Bildung beim Wort, die zur Erkenntnis des Wahren, Guten und Schönen befähige, erscheint dieser vermeintliche Unterrichtserfolg von zweifelhafter Qualität. Eine weitere publizistische Debatte in der von Friedrich Naumann herausgegebenen Wochenzeitung Die Hilfe 1918 führt einen Schritt weg von den unmittelbar mit Schule und Militär verbundenen Akteuren in eine weitere Öffentlichkeit, die politisch dem Nationalliberalismus nahe stand.125 In seinem Artikel, der das deutsche Volk und seine Bewährung im Krieg feiert, vergleicht Naumann die Haltung der Feldgrauen mit den 300 Spartanern: Der „spießbürgerliche Nachsatz“ des Epigramms „wie es das Gesetz befiehlt“ zeige, wie überlegen die deutschen Soldaten seien, die nicht sterben würden, „weil es gesetzlich befohlen“ sei, sondern weil sie das Vaterland freiwillig höher schätzten als ihr Leben.126 Zwei Hefte 122 )

Gymnasium 26 (1915), S. 146. Gymnasium 26 (1915), S. 147. 124 ) Z. B. in Gymnasium 26 (1915), S. 167; vgl. auch die Feldpostbriefsammlung Badischer Schüler von 1914 von Häußner, Weltkrieg. 125 ) Vgl. Naumann, Volk, S. 288f.; Jastrow, Hellenen, S. 319f.; Fittbogen, Gesetz, S. 370f. Die Hilfe. Nationalsoziales Volksblatt war 1893 von Naumann gegründet worden und hatte z. Z. des Ersten Weltkrieges eine Auflage von 15 000; vgl. Kohfink, Freiheit, S. 66f. 126 ) Naumann, Volk, S. 288. 123 )

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

später setzte der Berliner Professor für Staatswissenschaften Ignaz Jastrow als Mitglied der Freunde des humanistischen Gymnasiums zur Ehrenrettung der Spartaner an und erklärte die Wortbedeutung des griechischen Originals: Die von Schiller als „Gesetz“ wiedergegebenen rhe´mata bezögen sich auf die Satzungen Lykurgs, die die Lebensordnung der Spartiaten bestimmten. Das Epigramm stelle ein gemeinsames Band zwischen den Toten und den Lebenden her, was Jastrow mit der Gesinnung des deutschen Volkes und seiner Feldgrauen gleichsetzt. Wenige Nummern später meldete sich mit Gottfried Fittbogen ein Feldgrauer zu Wort und verteidigte wiederum Schillers Nachdichtung: Schiller, ganz der Kantianer, habe nicht die historischen spartanischen Satzungen, sondern „das moralische Gesetz schlechthin“ gemeint. Nach diesem gingen die Spartiaten „in schlichter Pflichterfüllung, genauso wie so viele Tausende unserer Feldgrauen [...] in den Tod“.127 Spießbürgerlich wäre es nur gewesen, wenn der Verbleib im Engpass durch eine papierne Satzung und nicht durch „jenes hohe kategorische Gesetz“ motiviert worden wäre. Das antike Ereignis ist wiederum als in der Schule erworbenes Wissen gekennzeichnet, das als Vergleich zum aktuellen Krieg herangezogen wird, wobei der Akzent auf der Handlungsmotivation liegt. Während Naumann durch den Vergleich die Gesinnung des deutschen Heeres herausstellen wollte, ebnete Jastrow, der hier die Lobby des humanistischen Gymnasiums vertritt, die Differenz ein. Fittbogen stellte die Parallelisierung von Spartiaten und deutschen Soldaten auf einer philosophisch-metaphysischen Ebene her. Seine Interpretation von „wie das Gesetz es befahl“ ist ein seltener expliziter Bezug auf Kants kategorischen Imperativ. Naumanns Vorwurf der Spießbürgerlichkeit für das Handeln der Spartiaten überrascht zunächst, zumal er im selben Artikel Bürgerrechte, gemeint ist vor allem das freie und gleiche Wahlrecht, für das gesamte Volk fordert. In ihrer Rezeptionsgeschichte seit dem Ende des 18. Jahrhunderts stand die Schlacht an den Thermopylen in Frankreich, vereinzelt aber auch in Deutschland, gerade für ein – häufig antizipatorisch-visionäres – Modell, das den Tod von Bürgern für ihr Vaterland mit einer rechtlichen Ordnung verband (s. Kap. II.2). Noch Ernst Curtius benutzte in seiner Griechischen Geschichte von 1861 für die Beurteilung der Thermopylenkämpfer die Begriffe „Bürgerpflicht“ und „Bürgertugend“, die als Relikte eines Griechenlandbildes gelten können, das auf liberalen, freiheitlichkonstitutionellen Ideen basiert und seine Hochphase im Vormärz hatte.128 Daran, dass Naumann das aus internalisierten, wesensgemäßen Werten agierende deutsche Volk mit den ,nur‘ gesetzeskonform handelnden Spartiaten konfrontiert, wird zweierlei ersichtlich: Zum einen operiert er mit dem verhältnismäßig neuen, zeittypischen Volksbegriff, der das Volk als Totalität der Handlungsgemeinschaft auffasst, die nicht definiert, sondern nur erlebt werden kann,129 zum anderen zeigt 127 )

Fittbogen, Gesetz, S. 370. Curtius, Griech. Geschichte, S. 66. Curtius (1814–1896) kam aus Lübeck, wurde 1844– 1850 Prinzenerzieher am preußischen Königshof und wahrte zeitlebens Loyalität zum Herrscherhaus, das ihm die Ausgrabungen in Olympia (1875–1881) ermöglichte; vgl. Christ, Curtius, S. 223–240. 129 ) Vgl. Koselleck, Volk, S. 388–398. 128 )

1.2. Die Schlacht zwischen Wissenschaft, Schule und Militär

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sich, dass die Schlacht an den Thermopylen als Ausdruck von konstitutionell gebundenem, staatsbürgerlichem Handeln für einen der wichtigsten Exponenten des politischen Nationalliberalismus nicht mehr attraktiv ist. Eine Lösung, wie doch eine Gemeinsamkeit zwischen der antiken Schlacht und dem deutschen Volk im Ersten Weltkrieg hergestellt werden kann, bietet Fittbogen an: Indem „das Gesetz“ nicht mit den historischen Satzungen Spartas, sondern mit einer metaphysischen Größe identifiziert wird, kann das Epigramm und mit ihm das Exempel der Schlacht an den Thermopylen seine Gültigkeit auf einer ,höheren‘ Ebene entfalten. Diese Form der Übertragung ist zweifelsohne in Schillers EpigrammNachdichtung angelegt; eine neue Qualität erhält sie jedoch dadurch, dass sie mit einem Volksbegriff verbunden wird, dem die Vorstellung einer naturgegebenen Wesenhaftigkeit zugrunde liegt. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen erscheint 1918 in der nationalliberalen Diskussion um die Bedeutung des Epigramms ,entliberalisiert‘. Zwar ist seine Verwendung weiterhin ein Zeichen bürgerlicher Bildung, aber die mit ihm bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts verbundenen staatsbürgerlich-liberalen Wertvorstellungen haben sich verändert. In diesem Zusammenhang ist auch die bei der Analyse der Schulbücher festgestellte sukzessive Durchsetzung von Schillers Epigramm-Version zu sehen, die um 1900 begann und um 1925 abgeschlossen war. Abgelöst wurden diejenigen Übersetzungen, die die Gesetze auf das historische Sparta bezogen. Die Unbestimmtheit von „wie das Gesetz es befahl“, dessen kategorischer Imperativ mitunter etwas degenerierte, machte das Exempel der Schlacht an den Thermopylen in den folgenden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kompatibel mit völkisch-nationalistischen Weltbildern.130 Die ,Entliberalisierung‘ oder ,Entbürgerlichung‘ des deutschen Bürgertums nach der Reichsgründung 1870/71 ist eines der großen Themen in der Forschung zum wilhelminischen Kaiserreich.131 Dieser Prozess lässt sich bei den an der Bildungsproduktion beteiligten sozialen Gruppen wie Professoren und Lehrern genauso beobachten wie an der bürgerlichen Deutungskultur von politischen Mythen und anderen Vergangenheitskonstruktionen, so z. B. an Hermann dem Cherusker und an Theodor Körner.132 Bei beiden historischen Figuren, in denen bis in die 1860er Jahre Hoffnungen auf eine geeinte Nation mit Vorstellungen liberaler Verfassungsstaatlichkeit zusammenflossen, näherten sich nach der Reichseinigung bürgerlich-liberale und adlig-konservative Deutungen endgültig einander an, da der neue Nationalstaat von Bürgertum wie Adel überwiegend akzeptiert wurde.133 Körner, der als Freiwilliger der napoleonischen Kriege von den Berufsmilitärs immer beargwöhnt worden war, wurde nun anerkannt und avancierte zum offiziellen Helden des Reiches.134 Obwohl die Deutungen bei Hermann und Körner, die auch 130 ) Ein Beispiel dafür ist der Freikorpskämpferroman von Buschbecker, Gesetz (1936); s. Kap. III.2.1. 131 ) Vgl. z. B. Becker, Bilder, S. 483–512. 132 ) Vgl. Jarausch, Universität, S. 327f., 336; Dörner, Mythos, S. 200–294; Schilling, Kriegshelden, S. 169–251. 133 ) Vgl. Ziemann, Sozialmilitarismus, S. 148–164. 134 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 210–235.

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1. Kanonisierung als Bildungswissen

in nichtbürgerlichen Schichten rezipiert wurden, immer bis zu einem gewissen Grad kontingent blieben, dominierte die nationalliberal-konservative Sinngebung.135 Für die Schlacht an den Thermopylen gab es in der deutschen Rezeption auch schon um 1800 eine konservative Deutung, die das Vaterland, für das gestorben wurde, mit den bestehenden deutschen Ländern gleichsetzte (s. Kap. II.2.3). In der Kaiserzeit lassen sich kaum Darstellungen der Schlacht ausmachen, die der hegemonialen nationalkonservativen Deutungskultur zuwiderlaufen; und es ist wohl kein Zufall, dass der Häretiker unter den Althistorikern, Karl Julius Beloch, sich Zeit seines Lebens offen zum Republikanismus bekannte.136 Die Vorherrschaft der nationalkonservativen Deutungskultur im Großen und die der positiven, intentional wert- und handlungsnormierenden Darstellung der Schlacht an den Thermopylen im Kleinen hängen damit zusammen, dass die Institutionen höhere Schule – Universität – Militär, über die sich die gesellschaftlichen Eliten reproduzierten, in der Kaiserzeit auf spezifische Weise miteinander verflochten waren. Evident ist die Verbindung von höherer Schule, humanistischer Bildung und Universität: Trotz der Zulassung der Absolventen anderer Schultypen zum Studium kamen vor dem Ersten Weltkrieg noch 70% der Studenten vom humanistischen Gymnasium, d. h. aus vornehmlich bürgerlichen Elternhäusern. Die Professoren stammten in etwa zur Hälfte aus Akademikerfamilien, was zusammen mit dem erheblichen finanziellen Aufwand, der bis zur Erlangung einer Ordentlichen Professur notwendig war, einen bildungsaristokratischen Habitus förderte. Politisch gehörten sie zur bürgerlichen Mitte und zur Rechten.137 Das Interesse, das Major Fleck auf der Schulkonferenz 1890 an den Gymnasiasten signalisierte, kam nicht von ungefähr. Mit den Schülern der Gymnasien, die wegen ihrer sozialen Herkunft für politisch zuverlässig erachtet wurden, deckte das Militär seinen seit den 1880ern gestiegenen Offiziersbedarf. Der Anteil der Bürger unter den Offizieren der preußischen Armee stieg in der Kaiserzeit kontinuierlich und erreichte im Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 70 %, auch wenn sie in der obersten Generalität verhältnismäßig unterrepräsentiert blieben.138 Hauptsächlich waren allerdings die gebildeten bürgerlichen Schichten durch das Privileg des einjährig-freiwilligen Militärdienstes, der an die Obersekunda-Reife geknüpft war, fest mit dem Militär verbunden. Denn dieses Privileg ermöglichte die Ausbildung zum Reserveoffizier, dem militärischen Rang, der einer beruflichen Karriere gerade im Staatsdienst sehr förderlich war und von dem ein ungeheures Sozialprestige ausging. 135 )

Vgl. Dörner, Mythos, S. 293; Schilling, Kriegshelden, S. 235. Vgl. Christ, Hellas, S. 82f. 137 ) Vgl. Jarausch, Universität, S. 327–330. Hinlänglich bekannt ist die Rolle, die Wilamowitz und Meyer bei der ,geistigen Mobilmachung‘ im Ersten Weltkrieg spielten: Beide initiierten die sog. Erklärung der 93 Wissenschaftler vom 3. 10. 1914 mit, die u. a. die deutschen Übergriffe auf die belgische Zivilbevölkerung rechtfertigte, und beide gehörten zu den Scharfmachern, die ab dem Frühjahr 1915 den Ausschluss der französischen Mitglieder aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften forderten; vgl. Mommsen, Wissenschaft, S. 217–224; Momigliano, Vorbemerkungen, S. 269–272. 138 ) Vgl. Stübig, Einfluß, S. 519–523; Frevert, Ehrenmänner, S. 120 f.; Förster, Militär, S. 59. 136 )

1.2. Die Schlacht zwischen Wissenschaft, Schule und Militär

259

Ein Effekt dieser institutionellen Verflechtung von Schulbildung und Militär war, dass sich insbesondere das Bildungsbürgertum zunehmend an den Wertvorstellungen und den sozialen Praktiken des aktiven Offizierskorps orientierte, wofür das Duellwesen mit seinem spezifischen Ehrenkodex ein signifikanter Ausdruck ist.139 Über die Universitäten, in denen die schlagenden studentischen Korporationen die Analogie des studentischen und des militärischen Ehrbegriffes unablässig betonten, hielt das Duell Einzug in das bürgerliche Leben. So wie der Anteil von Gymnasiasten in den schlagenden Verbindungen besonders hoch war, stellten die Gymnasiallehrer und Universitätsprofessoren zusammen mit den Rechtsanwälten und Ärzten neben den Offizieren und Studenten die größte Duellantengruppe. Ein Studium und die Mitgliedschaft in einem Corps oder einer Burschenschaft erhöhten wiederum die Chancen, zum Reserveoffizier gewählt zu werden; ein Weg, der gerade von Lehrern höherer Schulen oft gewählt wurde. Es waren keineswegs nur die Anfechtungen der Befürworter einer nationalen Ausrichtung der Bildung, die die Gymnasiallehrer zum national-patriotischen Engagement veranlassten, wie Hans-Jürgen Apel und Stefan Bittner glauben machen wollen.140 Ihre Sozialisierung im wilhelminischen Kaiserreich, in dem das Militärische bis weit ins zivile Leben ausstrahlte, und der militärische Ehrbegriff, der den bürgerlichen, an Familie und Beruf orientierten überformt hatte, ließen wenig Spielraum, speziell die Schlacht an den Thermopylen nicht in den Kategorien Nation und männliche Ehre zu interpretieren. Strukturelle Ähnlichkeiten zwischen der Schlacht mitsamt ihrem Werthorizont und dem Ehrbegriff, der sich in der Duellpraxis manifestiert, sind problemlos abzuleiten: Mut, Entschlusskraft, Geradlinigkeit und Todesverachtung, die sich durch Gelassenheit und Kaltblütigkeit auszeichnet und den Spartanern in ihren Apophthegmata bereits in der Antike in besonderem Maß zugestanden wurde. Nicht zuletzt konnte man auch die spezifische Logik des Duells, die das Sich-Stellen, die Haltung und nicht das Ergebnis als solches honorierte, in der Entscheidung, im Engpass zu bleiben, wiedererkennen.141 Die Schlacht an den Thermopylen war an den männlichen Ehrbegriff der ,satisfaktionsfähigen‘ bürgerlich-adligen Elite des wilhelminischen Deutschlands außerordentlich anschlussfähig. Sie konnte den Werten der männlichen Ehre eine historische Tiefendimension oder eine geschichtsphilosophisch abgesicherte metaphysische Gesetzmäßigkeit geben, oder Gebildete konnten im exemplarischen Vergleich gleichzeitig ein bestimmtes männliches Verhalten als ,ehrenvoll‘ honorieren und ihre Bildung demonstrieren. Die Antwort auf die Frage, wer die kulturellen Leitbilder in der Kaiserzeit definierte, zu denen die Schlacht an den Thermopylen gehörte und zu deren Formation sie ihrerseits beitrug, lautet: das militäraffizierte Bürgertum. 139 )

Vgl. Frevert, Ehrenmänner, S. 89–232. Vgl. Apel/ Bittner, Schulbildung, S. 33f. 141 ) Vgl. Frevert, Ehrenmänner, S. 178–232. Nipperdey, Geschichte, S. 818, charakterisiert den Hang der wilhelminischen Gesellschaft zum „Vulgäridealismus“ wie folgt: „Daraus entsprang z. B. die Verehrung der großen Männer, der Helden [...], die Neigung zu heroischen Mythen, zu Monumentalität und Pathos, zum Spartanischen und Kriegerischen, gegebenenfalls Unbürgerlichen, Unzivilen“. 140 )

260

1. Kanonisierung als Bildungswissen

Trotz alledem wurde die Schlacht an den Thermopylen während des Ersten Weltkrieges außerhalb der schulischen und universitären Kontexte verhältnismäßig wenig rezipiert. Zum einen dominierten in der Öffentlichkeit die nationalen Helden, die eine größere soziale Reichweite hatten, wie generell die aktualisierenden Bezüge zur eigenen, nationalen Geschichte vorherrschten. Zum anderen gab es, wie z. B. die Diskussion unter den Pädagogen 1915 zeigt, die Meinung, dass der Weltkrieg historisch unvergleichbar sei, womit eine Neuproduktion von Heldenfiguren, besonders für die erstmals eingesetzte Waffengattung der Luftwaffe und für das U-Boot, einherging.142 Allgemein veränderte sich mit den Materialschlachten die Vorstellung von Heldentum. Mit der deutschen Niederlage 1918 änderten sich die Koordinaten für die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen. Das Militär mit seinem drastisch reduzierten Offizierskorps verlor seine gesellschaftliche Ausstrahlung und damit seinen Anteil an der Produktion des Exempels. Dafür fand die antike Schlacht verstärkt Eingang in einen außerschulischen und -wissenschaftlichen Bereich: den des politischen Totenkultes in der Weimarer Republik (s. Kap. III.2.2).

142 )

Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 37– 42; 252–288; s. Kap. III .3.2.

2.1. Spartarezeption im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jhs.

261

2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen 2.1. Zwischen Zucht und Männerbund: Spartarezeption und die Schlacht an den Thermopylen im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Um die Wende zum 20. Jahrhundert begann in vielen europäischen Ländern und in Nordamerika eine neue Phase des Klassizismus, innerhalb derer auch das antike Sparta wieder an Aktualität gewann. Bis ungefähr zur Jahrhundertmitte wurde in Literatur, bildender Kunst und Architektur verstärkt und in programmatischer Absicht auf Themen, Motive und Formen antiker Hochkulturen zurückgegriffen.1 In Deutschland fand dieser künstlerische Klassizismus in den 1920er Jahren auch eine Entsprechung in einer neuhumanistischen Ausrichtung der Altertumswissenschaften, dem so genannten Dritten Humanismus.2 Trotz der sehr unterschiedlichen Bezugnahmen auf Phänomene der griechisch-römischen Antike in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft teilten in Deutschland die ,Neuerer‘ eine gemeinsame Rhetorik, die die spezifische Qualität ihrer Antikenrezeption charakterisieren sollte: Der ,neue‘ Zugang zur Antike sei ,lebendig‘, ,unmittelbar‘, ,tief‘ und ,wesensmäßig‘, ganz im Gegensatz zum ,blutarmen‘, ,abstrakt-theoretischen‘ Klassizismus um 1800, der durch die Institutionalisierung im Gymnasium verflacht und zu einer rein enzyklopädischen Wissensanhäufung geworden sei.3 Diese diskursive Vitalisierung der Antike war mit einer kulturpessimistischen Logik verbunden, die die eigene Gegenwart als defizitär auffasste. Dem Reden von der Degeneration und vom Ende der Kultur stand der Wunsch nach einer ,Erneuerung‘ der Menschheit durch die Antike gegenüber, als deren Medium häufig die programmatisch reautonomisierte Kunst fungierte.4 Teilweise kennzeichnet diesen neuen Klassizismus auch wieder ein starker Bildungs- bzw. Erziehungsimpetus, auch wenn dieser deutlich politischer, antiindividualistischer und elitärer akzentuiert ist als derjenige Humboldtscher Prägung.5 Dieser kulturpessimistische Tenor der Antikenrezeption änderte sich grundlegend erst mit der nationalsozialistischen Diktatur 1933, die sowohl von den Trägern der ,neuen‘ klassizistischen Strömungen – Intellektuellen, Künstlern und Wissenschaftlern – als auch von den traditionellen Vermittlern antiken Bildungswissens, den Gymnasiallehrern, zunächst als Erneuerung im Zeichen antiker Kultur begrüßt wurde.6 Zur Selbstdefinition der 1)

Vgl. z. B. Seidensticker/ Vöhler, Urgeschichten; Baumbach, Tradita, S. 459ff.; Biddiss/ Wyke, Uses, S. 125ff. 2 ) Vgl. Flashar, Altertumswissenschaft; Ulf, Ideologie, S. 305–343. Näf, Paideia, S. 125– 146; Eichler, Humanismus, S. 269–289. 3 ) Vgl. Seidensticker/Vöhler, Vorwort, S. VIII . 4 ) Vgl. z. B. Benn, Dorische Welt, S. 303–309; oder der Ästhetizismus des George-Kreis; vgl. Mattenklott, Griechen, S. 234f.; Groppe, Macht, S. 109–116. 5 ) Vgl. Näf, Paideia, S. 125–146; Losemann, Standortbestimmung, S. 311f. 6 ) Vgl. z. B. Bucherer, Bildung, S. 193–201; die Gegenwartsbedeutung des Gymnasiums

262

2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

,neuen‘ Zugänge zur Antike gehörte auch der Rekurs auf Friedrich Nietzsche als Gründungsheros. Sein philosophisches Werk war facettenreich und deutungsoffen genug, dass sich nicht nur die diversen Aktualisierungen der Antike auf ihn zurückführten, sondern nahezu alle künstlerischen, gesellschaftlichen, bildungs- oder gesundheitspolitischen Reformbewegungen und politischen Extrempositionen jeglicher politischer Couleur seit den letzten Jahrzehnten des Kaiserreichs.7 Diese ausgeprägte Distinktionsrhetorik, die die Künder des ,neuen‘ Klassizismus gegenüber dem Klassizismus um 1800 pflegten, führt dazu, dass die Forschung ihrerseits auch das ,Neue‘ dieser Antikenrezeption herausarbeitet und die Ähnlichkeiten, die Bezugnahmen und die Kontinuitäten wenig beachtet.8 So kaprizierte sich der ,neue‘ Klassizismus auch wieder in erster Linie auf das antike Griechenland, womit automatisch Sparta ins Blickfeld geriet. Mit neuer Intensität wurde abermals die Verwandtschaft zwischen griechischem und deutschem Wesen beschworen, die in den 1920er Jahren sukzessive in eine Rassegemeinschaft verwandelt wurde.9 Auch führte die Ablehnung der gymnasialen Schulbildung als äußerlich und wertezersetzend z. B. durch den George-Kreis zu einer paradoxen Situation. Denn die Kunst, die den Zugang zur Antike ,unmittelbar‘ öffnen und von all dem Zivilisationselend erlösen sollte, konnte nur auf der Basis des im Gymnasium vermittelten Bildungswissens rezipiert werden. Ebenso gerierte sich zwar die Literatur des Fin de sie`cle als Bürgerschreck, indem sie antike Themen zum Anlass nahm, in sexuellen Exzessen, Grausamkeiten und anderen, gegen die bürgerliche Moral gerichteten Tabubrüchen zu schwelgen.10 Dennoch war das gebildete Bürgertum der Adressat dieser Literatur. Jede sich noch so antibürgerlich inszenierende Antikenrezeption war eine Form von „Klassenethnozentrismus“,11 wie es das Konzept von der neuhumanistischen Menschenbildung durch die Antike in der Nachfolge Winckelmanns auch gewesen war. Antibürgerlich war diese Antikenrezeption nur im Hinblick auf die Moralvorstellung, nicht auf ihre Träger. Sie blieb eine Distinktionsstrategie gegen die unterbürgerlichen Schichten.12 wird u. a. in der „unnachsichtigen geistigen Auslese“ gesehen; Gegenwartsbedeutung des deutschen Gymnasiums, S. 211. Zum George-Kreis 1933 vgl. Groppe, Macht, S. 651–676; zu den Altertumswissenschaftlern vgl. Losemann, Antike; ders., Programme, S. 35–105. 7 ) Vgl. Aschheim, Nietzsche, S. 7–16. 8 ) Vgl. Seidensticker/Vöhler, Urgeschichten. 9 ) Vgl. z. B. die Verbindung von Griechentum, Deutschtum und Jugendkult beim Georgeaner Friedrich Gundolf: „Nur der Grieche und der Deutsche haben das Menschtum als Jünglinge erfüllt, auf der Stufe des vollendeten Blühens, des erwachenden Geistes und des schönen Leibes.“ Zit. bei Groppe, Macht, S. 440. Eine rassische Verwandtschaft z. B. bei Rosenberg, Mythus, S. 278–281; Lagergren, Hellenen, S. 327; Eten, Gymnasium, S. 127; Herzog, Schlachtfelder, S. 1– 4; Müller, Heldenideal, S. 1–21. Die Althistorie hatte in den 1920ern zunächst die Andersartigkeit der Griechen betont; vgl. Schaefer, Ehrenberg, S. 390. Durch die Bindung historischer Prozesse an Entitäten wurde der Abstand wieder kleiner; vgl. z. B. Berve, Helmut: Was ist von der griechischen Geschichte lebendig? In: Süddeutsche Monatshefte 33 (1935/36), S. 720–727. 10 ) Vgl. Sprengel, Wiener Moderne, S. 217–233; Mattenklott, Griechen, S. 234–248. 11 ) Bourdieu, Elemente, S. 163. 12 ) Vgl. Groppe, Macht, S. 109–116. ,Antibürgerlich‘ missverständlich gebraucht bei Seidensticker/Vöhler, Einleitung, S. VII f.; Most, Archaik, S. 20–39; Cancik, Jugendbewegung, S. 114–135; Sprengel, Wiener Moderne, S. 217–233; Mattenklott, Griechen, S. 234–248.

2.1. Spartarezeption im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jhs.

263

Versucht man dennoch die Antikenrezeption in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegenüber dem Klassizismus um 1800 grob abzugrenzen, so ist der Unterschied weniger substanziell als über die gesellschaftliche Reichweite zu bestimmen. Die griechisch-römische Antike war um 1900 auch innerhalb der Oberschicht kein kulturelles Bezugsmodell mehr, über dessen Wert und prinzipielle Vorbildlichkeit Konsens herrschte. Antikenrezeption konkurrierte mit einer Vielzahl weiterer Deutungsangebote in einem zunehmend marktförmig organisierten Kulturbetrieb. Dies gilt gleichermaßen für alle Länder. In Deutschland rivalisierten die klassizistischen Strömungen mit den künstlerischen Avantgarden, dem Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit, dem Bauhaus, mit anderen historischen Bezugsgrößen wie Germanentum und Mittelalter und vor allem auch mit der entstehenden Massenkultur einer sich pluralisierenden Kulturproduktion. Die Antike wurde zwar außerhalb der Fachdiskurse von Wissenschaft und höherer Schule wichtiger, war aber in den kulturellen Selbstdeutungen der Bildungseliten nicht unumstritten. Dieses prinzipielle Konkurrenzverhältnis von Sinnstiftungsangeboten schränkte die Ausstrahlung der Klassizismen ein und generierte für die verschiedenen Felder jeweils eigene Logiken der Rezeption, die beachtet werden müssen, will man nicht auf ,Zeitgeisteffekte‘ zurückgreifen.13 Ein weiteres allgemeines Charakteristikum der ,neuen‘ Klassizismen, das die Forschung herausgearbeitet hat, betrifft die historischen Bezugsepochen. Generell richtete sich die Aufmerksamkeit mehr auf die Frühzeit der griechisch-römischen Antike sowie auf die frühen Hochkulturen Ägypten, Babylon und Assyrien.14 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Archäologie die Archaik zur eigenständigen Kunstepoche erhoben, und auch Althistorie und Altphilologie interessierten sich stärker für das vorklassische Griechenland, was für Sparta ein besonders quellenarmer Abschnitt seiner Geschichte ist. Diese anfänglich innerfachlichen Entwicklungen wurden in der Nachfolge Nietzsches mit dem Diskurs über die ,ursprüngliche‘ Antike kurzgeschlossen und mit den Hoffnungen auf kulturelle Erneuerung belastet.15 Mit der ,Entdeckung‘ der archaischen und frühklassischen Skulptur änderten sich auch die mit den Griechen assoziierten Köperbilder grundlegend, die sich zuvor in der Tradition Winckelmanns an hochklassischen bzw. hellenistischen Statuen orientiert hatten (s. Kap. III.3.3). Worin lag innerhalb dieser allgemeinen Entwicklung das spezifische Konnotations- und Sinnpotential des antiken Sparta und der Schlacht an den Thermopylen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts? Richtet man den Blick auf die Wissenschaft, begann für Deutschland in den 1920er Jahren die große Zeit der Spezialforschung zu Sparta, die mit den Althistorikern Victor Ehrenberg und Helmut Berve verbunden ist.16 Diese beiden konkurrierten auf diesem Gebiet miteinander, 13 ) Ein Beispiel dafür, wie jegliche Antikenrezeption in allen möglichen Bereichen zusammen behandelt wird, wobei herauskommt, dass alle immer irgendwie Antike rezipieren, ist Demandt, Klassik, S. 281–313, bzw. fast textgleich Demandt, Hitler, S. 136–157. 14 ) Dies ist das Hauptergebnis des Sammelbandes von Seidensticker/Vöhler, Urgeschichten. 15 ) Vgl. Most, Archaik, S. 20–39. 16 ) Vgl. Ehrenberg (1891–1976), Neugründer (1925); ders., Sparta (1929); Berve (1906– 1979), Sparta (1931); ders., Sparta (1937); vgl. Christ, Spartaforschung, S. 40– 48, 56f.; ders.,

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

bis Ehrenberg 1939 in die Emigration nach England gehen musste. Der Höhepunkt einer aktualisierenden Spartarezeption in der Wissenschaft war die Zeit des Nationalsozialismus.17 Viel beachtet worden ist in der Forschung zur Wissenschaftsgeschichte Berves – in Momiglianos Worten – „schändliches Buch über Sparta“ von 1937, das sich an ein breiteres, gebildetes Publikum richtete.18 Der hierin sichtbare Anspruch der Fachhistorie, mit ihren Werken zur kulturellen Orientierung beizutragen, wurde gegen andere Formen historischer Sinndeutung formuliert.19 Nicht zufällig datiert der erste historische Roman zur Schlacht an den Thermopylen von 1940.20 In diesem Zeitraum trieb das Interesse an Sparta besonders absonderliche Blüten; so benannte der Naturheilkundler Siegfried Möller 1939 die dritte Auflage seiner Schrift Über Ernährungsbehandlung chronischer Krankheiten im Rahmen der gesamten biologischen Therapie in Über Spartanische Methoden in der Medizin um.21 Als spartanisch galten ihm völlig unspezifisch körperliche Zucht, Beschränkung der materiellen Dinge, Anwendung von Hunger und Durst, weswegen er sich vom neuen Titel einen Verkaufserfolg erhofft zu haben scheint. Eine nochmals gesonderte aktualisierende Sparta- und Perserkriegsrezeption gab es während der deutschen Besetzung Griechenlands 1941–1944. Es bestand eine enge institutionelle und personelle Verflechtung von Altertumswissenschaften und Wehrmacht, die den Altertumswissenschaftlern Chancen für eigene Forschungen sowie für eine Popularisierung des Fachwissens eröffnete.22 Andere Phasen gesteigerter Spartarezeption lassen sich für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht isolieren; dennoch können bei der verstreuten außerwissenschaftlichen Spartarezeption Schwerpunktsetzungen und spezifische Motive beobachtet werden, die auch in Verbindung zur Wissenschaft stehen. Diese Spartarezeption stellt den Rahmen dar, in dem auch die Schlacht an den Thermopylen neu verortet wird. Der allgemeine Trend ist, wie die Schulbuchanalyse zeigt und Stefan Rebenich für die wissenschaftliche Spartaforschung herausgearbeitet hat, dass der Kontext Sparta für die Schlacht an den Thermopylen in der Weimarer Republik wichtiger und in der NS -Zeit dominant Hellas, S. 195–221; Rebenich, Berve, S. 467– 469, 472; ders., Thermopylae, S. 329–331; Losemann, Antike, S. 41f.; ders., Sparta, S. 163–168; Vogt, Ehrenberg, S. 423– 426; Schaefer, Ehrenberg, S. 387– 408. 17 ) Vgl. Berve, Sparta (1937); Altertumskundliche Fachabteilung Königsberg, Lebensordnung (1937); Lüdemann, Sparta (1939); John, Werden (1939); Meier, Wesen (1939); Kirsten, Landnahme (1940); Miltner, Sparta (1943), S. 1–29. 18 ) Momigliano, Rezension, S. 352; Vgl. Berve, Sparta (1937), eine 2. Auflage erschien 1944, ein Wiederabdruck 1966; vgl. Christ, Spartaforschung, S. 45– 48; Rebenich, Berve, S. 472; Rebenich, Thermopylae, S. 330 f.; Losemann, Sparta, S. 166. 19 ) Vgl. Raphael, Neue Geschichte, S. 72f.; Näf, Deutungen, S. 282–289. 20 ) Vgl. Uhlenbusch, Sieger; mit dem Motto: „Nicht Geschichte will ich hier schreiben, sondern ein Heldentum feiern.“ 21 ) Vgl. Möller, Spartanische Methoden. 22 ) Vgl. Hiller von Gaertringen, Griechenland, S. 129–167; dies., Unternehmungen, S. 461– 490; s. Kap. III .3.2. So boten sich Möglichkeiten für Grabungen, z. B. von Wilhelm Otto von Vacano in Sparta, und auch Ernst Kirsten, der über Sparta habilitierte, war als Mitglied des Referates Kunstschutz in Griechenland stationiert. In der Frontzeitung Adler von Hellas schrieben Walter Marg und Franz Miltner.

2.1. Spartarezeption im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jhs.

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wird.23 So scheint in den Arbeiten von Berve und Miltner, aber auch in Ehrenbergs Radioansprache Ein totalitärer Staat von 1934 die gesamte spartanische Staatsbildung bzw. Geschichte in der Schlacht an den Thermopylen zu kulminieren.24 In dieser engen Verbindung zur Spartarezeption erhält die Schlacht ebenfalls die spezifischen neuen Deutungsdimensionen des spartanischen Staatswesens. Allerdings geht die Rezeption der Schlacht nicht vollständig in der Neudeutung Spartas auf. Zum einen ist sie häufig nur assoziativ mit einzelnen Aspekten der Spartarezeption verbunden, zum anderen wird sie auch völlig unabhängig von dieser verwendet, so im politischen Totenkult nach dem Ersten Weltkrieg (s. Kap. III.2.2). In diesem Bereich wird das antike Ereignis in großem Umfang als Exempel rezipiert und erhält die für den deutschen Kontext spezifischen Deutungsfestlegungen. Auch bei den Vergleichen militärischer Ereignisse des Zweiten Weltkrieg mit der antiken Schlacht trat der spartanische Kontext in den Hintergrund (s. Kap. III.3). Die Spartarezeption schloss sich an die politischen und kulturellen Grundsatzdebatten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an, und es überrascht nicht, dass sich vor allem die Gegner der westlichen Demokratien, Künder eines neuen Elitarismus und Antimaterialisten von der antiken Polis und ihrer außergewöhnlichen Staatsordnung fasziniert zeigten. Das Interesse konzentrierte sich dabei zum einen auf die staatliche ,Auslese‘ und ,Zucht‘, die Kindsaussetzung, die Heiratspflicht, die körperliche Ausbildung von Männern und Frauen. Im Hintergrund standen die rassehygienischen Diskurse der Zeit, die mit der Hypothese von der kulturellen Degeneration kurzgeschlossen wurden.25 Zum anderen richtete sich die Aufmerksamkeit auf die politische Ordnung Spartas, das Verhältnis von Individuum und Staat, das staatliche Erziehungssystem und auf den Menschentyp, den dieses System hervorbrachte: den soldatischen, harten, bedingungslosen Mann. Die Verbindung von Sparta mit rassischen Kategorien oder Züchtungsphantasien nach 1900 ist kein rein deutsches Phänomen.26 Maurice Barre`s, Propagator eines militanten, aktivistischen und rassistischen Militarismus in der Dritten Republik, veröffentlichte 1906 seine Reiseerinnerungen aus Griechenland unter dem Titel Le Voyage de Sparte.27 Während Griechenland ihn ansonsten wenig interessiert, reißen ihn die Landschaft von Sparta, die Eurotasebene und die Gebirgszüge des Taygetos zu Begeisterungsstürmen hin. Diese Natur in ihrer „magnanimite´“ 23 )

Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 328–231; s. Kap. III.1.1. Vgl. Berve, Sparta (1931), S. 216. Vgl. Miltner, Sparta, S. 1f.; Ehrenberg, Staat, S. 223, 227f. 25 ) Vgl. Breuer, Grundpositionen, S. 44–57. 26 ) Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 333; zum Rassismus in den anglo-amerikanischen Altertumswissenschaften allgemein vgl. Calder, Racism, S. 165–179. 27 ) Vgl. Barre ` s, Voyage, S. 147–328; Barre`s (1862–1923) begann seine schriftstellerische Karriere als kosmopolitischer Ästhet und vollzog unter Einfluss des Boulangismus die Wende zum nationalistischen Revanchepolitiker, dessen Leitideen denen der späteren faschistischen Bewegungen sehr nahestanden; vgl. Schivelbusch, Niederlage, S. 187–191; Sternhell, Barre`s, S. 362–372; Losemann, Sparta, S. 164. Barre`s wurde in Deutschland rezipiert, z. B. von Curtius, Ernst Robert: Maurice Barre`s und die geistigen Grundlagen des französischen Nationalismus. Bonn 1921, und es bleibt zu erforschen, inwieweit Frankreich ein politisches Laboratorium für die Konservative Revolution war; vgl. Weißmann, Revolution, S. 136 f. 24 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

und „virilite´“ habe das historische Sparta erzeugt, das, in der Weltgeschichte einzigartig, die Reproduktion seiner Bürger geleitet habe, um eine „race chef“, eine „humanite´ supe´rieure“ zu schaffen.28 Die gesamte historische Entwicklung wird aus der Landschaft, dem Boden, abgeleitet und auf die Züchtung einer Herrenrasse reduziert. Der Reisebericht zeigt sehr deutlich das gespaltene Verhältnis von Barre`s zum französischen Neoklassizismus um 1800. Einerseits sucht er wie Chateaubriand 1806 nach dem Grab von Leonidas, andererseits beginnt er die Beschreibung seines unmittelbaren, tiefen Landschaftserlebnisses mit einem Distinktionsakt: „Le´onidas, ce matin, n’est pas de l’e´cole de David. Il a perdu son allure emphatique [. . .]“.29 Leonidas steht nicht nur für das Bildungswissen, von dem sich Barre`s befreien zu müssen glaubt, um einen ,neuen‘ Zugang zur Antike zu bekommen, sondern auch für das Erbe von Revolution und Empire, das die von ihm verhasste Dritte Republik als ihres anerkannt hatte. In Deutschland ist das Interesse an Sparta unter rassischen Gesichtspunkten erst Ende der 1920er Jahre greifbar, dann allerdings bereits in der Form, die auch die nationalsozialistische Spartainterpretation bestimmt. Während Barre`s seine Vision von der spartanischen Übermenschenzüchtung ohne weiterführendes Rassenmodell entwickelt, waren in Deutschland Ende der 20er Jahre die antiken Griechen auf populärwissenschaftlicher Ebene bereits systematisch mit dem ,Nordischen Gedanken‘ verbunden. Das Konstrukt, dass Griechen und Germanen der nordischen Rasse angehörten, die der Träger aller großen Kulturleistungen der Menschheit sei, wurde z. B. von Richard Walter Darre´, dem späteren Blut-und-BodenTheoretiker der NSDAP , und Hans F. K. Günther propagiert.30 Gegen diesen Diskurs vom Primat der nordischen Rasse richtet sich Hermann Funke mit dem Artikel Rasse, Leistung und Schicksal in Sparta, der 1929 in Der Morgen. Monatsschrift der Juden in Deutschland erschien.31 Allein die Tatsache, dass der spartanische Staat dazu verwendet wird, die Idee des Rassestaates zu kritisieren, zeigt, wie axiomatisch Sparta bereits mit dem Rassegedanken verbunden war. Es geht nicht mehr darum, zu hinterfragen, ob die Dorer überhaupt zur nordischen Rasse gehören bzw. Sparta ein Rassestaat war. Funke argumentiert mit der spartanischen Geschichte. Sparta habe, da es von einer abgeschlossenen, reinrassigen Herrenschicht regiert worden sei, ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. keinerlei Kulturleistungen hervorgebracht und außenpolitisch nach den Perserkriegen keine Macht entfalten können. Was von Sparta lebendig geblieben ist, ist der Geist des Leonidas. Um so tragischer ist es, daß das Heldische, das in Sparta ganz rein verkörpert war, ohne geschichtsbildende Kraft blieb.32 28 )

Barre`s, Voyage, S. 264, 273, 275f. Barre`s, Voyage, S. 269. 30 ) Vgl. Darre ´ , Richard W.: Das Bauerntum als Lebensquell der Nordischen Rasse (1929); Lagergren (= Darre´), Hellenen (1929), S. 316–328; Günther, Hans F. K.: Rassegeschichte des hellenischen und römischen Volkes. München 1929. Rezension von Ulrich Kahrstedt, Gnomon 5 (1929), S. 291–296; vgl. Christ, Hellas, S. 191f., 245f.; Losemann, Sparta S. 164f. 31 ) Vgl. Funke, Rasse, S. 56–64. 32 ) Funke, Rasse, S. 63. 29 )

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Der Autor stellt das Exempel der Schlacht an den Thermopylen trotz seines kritischen Ansatzes nicht in Frage. Er relativiert dessen Wirkung in der antiken Vergangenheit nur insofern, als er betont, dass es für reines Heldentum die falschen Kontexte geben kann. Der Artikel zeigt insgesamt seine Nähe zur politischen Diskussion auch dadurch, dass er Begriffe der aktuellen politischen Auseinandersetzungen benutzt. Als Gegenkonzept zur Idee des reinrassigen Staates setzt er die nicht rassisch definierte Volksgemeinschaft ein. Sehr deutlich hat der Autor des Artikels erkannt, dass das Reden von der Reinhaltung der nordischen Rasse implizierte, diejenigen von den bürgerlichen Rechten auszuschließen, die innerhalb eines Staates nicht zu ihr gehörten. Dieser Diskurs über Sparta als Rassestaat, wie er 1929 zu Tage tritt, enthält drei zentrale Momente, die auch die Spartarezeption im nationalsozialistischen Deutschland kennzeichnen. Erstens ist generell für die Antikenrezeption im NS -Staat die Hypothese vom gemeinsamen rassischen Ursprung von Griechen, Römern und Germanen entscheidend, die von den führenden nationalsozialistischen Politikern geteilt wurde, sofern diese eine eigene Geschichtsauffassung hatten.33 Diese Hypothese hob auf der Ebene der offiziellen Ideologie die Dichotomie zwischen der griechisch-römischen Antike einerseits und germanischer Frühzeit bzw. dem deutschen Mittelalter andererseits als historischen Referenzepochen auf. Der NS -Staat präsentierte sich je nach Anlass, Zweck und persönlichen Vorlieben des jeweiligen Entscheidungsträgers in klassizistischem oder völkisch-mittelalterlichem Gewand. Besonders für Hitler, der die Germanenbegeisterung von Himmler, Rosenberg und Darre´ nicht teilte, war die griechisch-römische Antike das konstitutive Element seines ästhetischen Geschmacks sowie zumindest ein Bestandteil seines politischen Denkens, was soweit gehen konnte, dass er sich im privaten Gespräch plötzlich für die humanistische Gymnasialbildung aussprach.34 Die prinzipielle Vereinbarkeit von verschiedenen historischen Bezugsepochen in der offiziellen Staatsrepräsentation bedeutete auf der Ebene der Bildungsinstitutionen de facto eine Aufwertung der Fächer, die die völkische Vergangenheit vermittelten oder erforschten. Das humanistische Gymnasium wurde endgültig zu einem randständigen Schultyp, und die Altertumswissenschaften kämpften wie die archäologischen Museen mit der Vor- und Frühgeschichtsforschung um materielle Ressourcen.35 Zweitens bezog sich, wie sich Ende der 1920er Jahre in den Schriften von Darre´ und Rosenberg ankündigt, das spezifische Interesse der nationalsozialistischen Politiker an Sparta auf die „planmäßige Rasseerhaltung“ 36 der antiken Polis. Die Ideen von der Reinhaltung der nordischen Rasse in Sparta durch Auslese und Zucht diffundierten, ausgehend vor allem von Darre´s Schriften, in die Schulbücher; 33 )

Vgl. Kroll, Utopie, S. 32–240. Vgl. Goebbels, Tagebücher (1940), S. 68f. Vgl. Lorenz, Hitler, S. 407– 431; Demandt, Klassik, S. 281–313; Kroll, Utopie, S. 32–77. 35 ) Vgl. Bittner, Althistorischer Unterricht, S. 285–303; Losemann, Antike, S. 46–86, 117– 173; Losemann, Standortbestimmung, S. 310 f.; Hebben, Museum, S. 93–138. 36 ) Hitler, Zweites Buch, S. 56 f.; vgl. auch Hitler, Tischgespräche, S. 106; Nolte, Faschismus, S. 500; Goebbels, Tagebücher (1940), S. 69. 34 )

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seine Ansichten von den Spartiaten als nordischer ,Bauernrasse‘ fanden Eingang in Darstellungen mit wissenschaftlichem Anspruch37 und regten Quellensammlungen an.38 Auch die wissenschaftliche Spartaforschung machte die Wende zum Rasseparadigma mit.39 Allerdings wehrte sich Berve in einer Rezension gegen die vereinfachenden Ansätze der Blut-und-Boden-Theoretiker, zum einen weil sie seinen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügten, zum anderen weil er selbst die Deutungshoheit über das Thema in einer breiteren Öffentlichkeit beanspruchte, wie seine Vortragstätigkeit in Kreisen des Militärs zeigt.40 Berves omnipotente Erklärungsgröße ist das ,dorische Wesen‘, auch wenn er die einwandernden Dorer als eine „vorwiegend nordische Rasse“ sieht.41 Seine Konstruktion der Spartiaten als adlige Herrenmenschen ließ sich so sowohl vor der Folie elitärer Konzepte vom ,neuen‘ Adel lesen, wie sie seit der Weimarer Zeit in konservativen Kreisen zirkulierten, als auch vor dem Hintergrund des Primats der nordischen Rasse.42 Innerhalb des wissenschaftlichen Feldes widerlegte Pierre Roussel in seinem Spartabuch von 1939, das das exakte Gegenbuch zu Berves Werk von 1937 ist, die adlige und die nordische Abkunft der Spartiaten, worauf ihm Berve in einer Rezension vorwarf, ihm fehle als Franzosen „die tiefe innere Anteilnahme an Lakedämon, seiner Art und seinem Geschicke“.43 Drittens ist in dem Artikel der jüdischen Wochenzeitung bereits die Argumentationsfigur entwickelt, mit der sich in den folgenden zwei Jahrzehnten jede aktualisierende Aneignung der antiken Polis potenziell konterkarieren ließ. Denn obwohl Sparta bei seinen Bewunderern in Politik, Literatur und Wissenschaft als ein vorbildhafter Rassestaat mit nahezu perfekter Staatsordnung galt, war es im 4. Jahrhundert v. Chr. in politische Bedeutungslosigkeit versunken und schließlich untergegangen. Alle, die im nationalsozialistischen Deutschland in der antiken Polis in irgendeiner Hinsicht ein Vorbild sahen, schrieben damit zugleich gegen den Untergang Spartas an.44 Die Möglichkeit der aktualisierenden Übertragung 37 ) Vgl. Lüdemann, Sparta; ders., Leibeszucht, S. 260ff. Lüdemann war auch Mitautor des Schulbuchs von Edelmann, Volkswerden 1.1940; Bullemer, Erbhöfe, S. 264–281. 38 ) Vgl. Willing, Geist (1935); Brake, Staatserziehung (1939). Der Einfluss von Darre ´s Spartavorstellungen wird von Christ, Spartaforschung, S. 44 Anm. 191, und Rebenich, Thermopylae, S. 330, unterschätzt. Anders: Losemann, Sparta, S. 166f. 39 ) Vgl. von Berve, Sparta (1931), S. 195–216, zu Berve, Sparta (1937), S. 9ff.; deutlicher ausgeprägt ist das Rasseparadigma bei Miltner, Sparta, S. 1–29, und v. a. bei Schachermeyr, Lebensgesetzlichkeit, S. 180–196. 40 ) Vgl. Berve, Rezension, S. 1–11. Die Vorträge sind im Einzelnen aufgeführt bei Rebenich, Berve, S. 482f. Für den 2. 5. 1945 war noch ein Sparta-Vortrag in München angekündigt; vgl. Christ, Spartaforschung, S. 44. 41 ) Berve, Sparta (1937), S. 9. Eine gewisse Zurückhaltung Berves gegenüber der Rasse als historischer Kategorie sehen Christ, Spartaforschung, S. 46f. und Losemann, Antike, S. 112, während Rebenich, Berve, S. 471f., aufgrund der unveröffentlichten Vorträge neuerdings zum gegenteiligen Schluss kommt. 42 ) Der Übergang von den neoaristokratischen Konzepten zum ,Nordischen Gedanken‘ war zwar fließend, doch ließen sich erstere nur schwer mit der Idee der ,Volksgemeinschaft‘ vereinbaren; vgl. Breuer, Grundpositionen, S. 75–80, 156–172. 43 ) Berve, Rezension, S. 11; vgl. Roussel, Sparte, S. 17–21. Zur englischen Kritik an Sparta vgl. Rawson, Tradition, S. 365.

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blieb begrenzt, da hinter dem Nationalsozialismus der utopische Anspruch stand, er werde die Menschheitsgeschichte auf eine neue Stufe heben und damit den weltgeschichtlichen Entwicklungsprozess abschließen, weshalb das neue Reich vorsorglich gleich auf tausend Jahre angelegt worden war.45 Die Konstruktion der Spartiaten als „aristocrates par nature“, wie sie Roussel Berve vorwirft,46 gehört über die rassistische Deutung hinaus zum weitergefassten Diskurs über die Staatsordnung der antiken Polis. Der überwiegende Teil der deutschen Bildungseliten in der Weimarer Republik zeigte sich fasziniert von autoritären politischen Ordnungsentwürfen, die einen Ausweg aus den Miseren der Gegenwart, den innenpolitischen Krisen der Republik, dem ,Parteienhader‘, den Veränderungsdynamiken in der Gesellschaft zu bieten schienen. Das spezifische Interesse an antiken Staaten und Staatstheorien ging dabei in der Regel mit einem konservativen Neoaristokratismus einher, dem das Sozialrevolutionäre der faschistischen Bewegungen fehlte, was dem kulturellen Kapital und der gesellschaftlichen Position seiner Vertreter entsprach.47 Die Charakteristika der deutschen wissenschaftlich-literarischen Rezeption des spartanischen Staatswesens in den 1930er Jahren treten im Vergleich zur französischen philosophisch-literarischen Spartarezeption der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hervor (s. Kap. II.2.1). Für die französische Spartarezeption, die sich für die politische und ökonomische Gleichheit der Vollbürger interessierte, stellte die Sklaverei in Sparta ein ernsthaftes Problem dar, da sie der naturrechtlichen Begründung der Gleichheit aller Menschen zuwider lief. Die deutschen Bewunderer des spartanischen Staatswesens setzten dagegen die natürliche Ungleichheit der Menschen als gegeben voraus.48 Den „Siegern“ standen die „Besiegten“, dem „Adel“ der Spartiaten die Heloten gegenüber.49 Aus der von Natur aus gegebenen Bestimmung zur Herrschaft, die dem dorischen Wesen – wahlweise dem Stamm, dem Volk oder auch der nordischen Rasse – zugeschrieben wird, generierten sich von selbst der spartanische Staat und seine Institutionen, die der Organisation und Sicherung der natürlichen Herrschaft dienten.50 Hinter dieser 44 ) Vgl. Miltner, Sparta, S. 1–20; Berve, Sparta (1937), S. 162–206; Brake, Staatserziehung, S. 8; Uxkull-Gyllenband, Untergang, S. 47–56; Englert, Gymnastik, S. 328–231; auch Hitler, Tischgespräche, S. 106, machte sich Gedanken über Spartas Untergang. 45 ) Vgl. Kroll, Utopie, S. 309–311. 46 ) Roussel, Sparte, S. 21. 47 ) Vgl. Breuer, Grundpositionen, S. 50–57, 75–80, 132–138; Oexle, Baal, S. 6–19. Die Speerspitze des intellektuellen Elitarismus, Antidemokratismus und Antiindividualismus war Platon, der nach 1918 von der Philosophie und den Altertumswissenschaften vermehrt ,neu‘ entdeckt wurde. 48 ) Vgl. Benn, Dorische Welt, S. 130–135; Uhlenbusch, Sieger, S. 9–11; Kästner, Griechenland, S. 234–246; Berve, Sparta (1937), S. 18 ff.; Bürgener, Spartanische Jugend, S. 2; vgl. auch Kogon, SS -Staat, S. 20, wo ein SS -Führer die antiken Stadtstaaten mit aristokratisch gelenkten Demokratien und breiter Helotenbasis zum Vorbild für den NS -Staat erklärt. 49 ) Berve, Sparta (1937), S. 18f. 50 ) Vgl. Berve, Sparta (1931), S. 195–213; ders., Sparta (1937), S. 20ff. Diese Konzeption von Geschichte prägt auch seine Griechische Geschichte (1931, 1933); vgl. Rebenich, Berve, S. 467; Ulf, Ideologie, S. 315–319; Christ, Hellas, S. 206–221; dabei knüpft Berve an Karl

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Interpretation stehen ein organizistisches Entwicklungsmodell und die Denkfigur der ,Gestalt‘, die aus dem Ganzen alle Einzelerscheinungen ableitet bzw. im Einzelfall das Typische enthalten sieht.51 Anders als die französische Rezeption, deren Interesse an Sparta verfassungstheoretisch ist und um die Person Lykurgs als Gesetzgeber kreist, betont die deutsche Rezeption das Gewachsene des Staates. Da die Übertragung moderner Vorstellungen von Staatlichkeit auf die antike Polis abgelehnt wird, richtet sich die Aufmerksamkeit auf das soziale Organisationsprinzip, die Gemeinschaft der Männer, die von den Verehrern Spartas zu einer Art höherer Ordnung hypostasiert wird. In dieser geht der Einzelne völlig im Staat auf, da er sich bedingungslos dem no´mos unterwirft. Befehl und Gehorsam werden als das einzige Kommunikationsprinzip des Staatswesens angesehen, das in der Agoge´ von Jugend an internalisiert wird und einen soldatischen, heldischen, bedingungslosen, ,höheren‘ Mannestyp hervorbringt. Die spartanische Staatserziehung wurde im nationalsozialistischen Deutschland im Umkreis der traditionellen Bildungsinstitutionen der höheren Schulen,52 in den NS -Schulen,53 in der HJ 54 und in der ,Leibeserziehung‘ rezipiert.55 Im Gegensatz zum französischen Interesse am spartanischen Erziehungssystem in der Nachfolge Rousseaus, das sich um die Erziehung von Untertanen zu Bürgern mit Rechten und Pflichten bewegte, sahen die deutschen Spartabewunderer die Vorbildhaftigkeit ausschließlich im „restlosen Einsatz der Einzelperson für den Staat und das Volkstum“.56 Wie nah der antiken Polis die weltanschaulichen Konflikte um Materialismus und Idealismus, um Kapitalismus und Demokratie in Deutschland waren, verdeutlicht der Umschlagtext von Berves Spartabuch von 1937, den Roussel 1939 in seinem Buch in der Absicht übersetzt, die deutsche Ideologisierung des Themas aufzuzeigen: l’opiniaˆtrete´ avec laquelle une aristocratie pleine de sa dignite´, se ferme, pour le salut de son haut ide´al, a` un monde livre´ a` un prestige exte´rieur, commercialise´, de´mocratise´, est profonde´ment e´mouvante.57 Otfried Müller, Die Dorier (1824) an; vgl. Christ, Spartaforschung, S. 19f., 42; Losemann, Dorier, S. 131–348. 51 ) Beides gehört zu den neuen Ansätzen historischer Interpretation ab der Jahrhundertwende, die sich in Deutschland in den 1920ern durchsetzen; vgl. Raphael, Neue Geschichte, S. 62–71. Mit denselben Figuren argumentiert Benn, Dorische Welt, S. 124–153. 52 ) Der Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust, selbst Klassischer Philologe, verkündete bei der Eröffnung der Hochschule für Lehrerbildung in Lauenburg/ Pommern am 24. 6. 1933 das Erziehungsziel, „eine Art Spartiatentum“ großzuziehen; zit. nach Christ, Spartaforschung, S. 44 Anm. 192. In der gymnasialen Oberstufe wurde das Aufsatzthema „Weshalb zieht uns der Spartanische Staat heute mehr an als früher?“ gestellt; vgl. Gies, Geschichtsunterricht, S. 93. Vgl. Eichenberg, Erziehung; Schröter, Leonidas; Bucherer, Bildung, S. 199; Eten, Gymnasium, S. 127; Knauth, Knabenerziehung, S. 151–185; s. Kap. III 1.1. 53 ) Vgl. Vacano, Sparta; in einem Elternbrief der Adolf-Hitler-Schule Weimar 1938 war von „Spartanischen Pimpfen“ die Rede; zit. bei Weiler, Rezeption, S. 283. 54 ) Vgl. Bürgener, Spartanische Jugend, S. 2–5; Mutschmann, Jugend, S. 22f.; parteinah auch Brake, Staatserziehung. 55 ) Vgl. Englert, Gymnastik, S. 218–236; Folkerts, Leibesübungen, S. 33; Laude /Bausch, Diem, S. 90–93; 172–188; Wildmann, Körper, S. 112–116. 56 ) Bürgener, Spartanische Jugend, S. 4. 57 ) Roussel, Sparte, S. 160.

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Bei einer Perspektivierung des spartanischen Staatswesens auf das MilitärischMännliche, das Ideale, das Unbedingte wurde die Schlacht an den Thermopylen in ihrer Opferlogik automatisch zum Kulminationspunkt der gesamten spartanischen Geschichte. Der ekstatische Taumel, mit dem Berve die Niederlage beschreibt, mündet in dem Satz, der die Deutung des Todes in der Schlacht als Wert an sich auf die Spitze treibt: Wie die Größe, so lag auch die Wirkung der Tat gerade in ihrer Nutzlosigkeit.58

Die Deutung des spartanischen Staatswesens als elitärer, militärischer Männerbund reicht zeitlich bis zur Jahrhundertwende zurück und gehört in mehrere, teilweise widersprüchliche Diskurse. Sparta und die Schlacht an den Thermopylen tauchen in der Kaiserzeit im Zusammenhang mit rein männlichen Gesellschaftsformen auf, so als Vergleich zu preußischen Kadetten59 und in Chorälen für Männergesangsvereine.60 Die musikalischen Bearbeitungen der Schlacht an den Thermopylen für Männerchöre gehören in die nationalkonservative Deutungstradition der Niederlage als Tod fürs Vaterland, die völlig unabhängig von Sparta und seiner Staatsordnung existiert. Die aussichtslose Lage nach der Umzingelung, der Aufbruch zum Kampf und die Entscheidung, fürs Vaterland zu sterben, werden zum gesungenen Gemeinschaftserlebnis.61 In Leonidas von Max Bruch und Heinrich Bulthaupt fürchten die Spartiaten zunächst, ruhmlos „zerstampft von der Übermacht“ „wie Thiere des Waldes“ zu fallen – ein nahezu einmaliger Fall in der Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen –, werden dann aber von Leonidas ermutigt: „bis zu meeresfernen Grenzen werden eure Thaten glänzen“. Geschlossen „wallen“ sie „Hand in Hand“ dem Schlachtentod entgegen.62 Es ist anzunehmen, dass die Werte des Exempels der Schlacht an den Thermopylen von den Männern der Männergesangsvereine geteilt wurden. Die Schlacht an den Thermopylen ist hier Bestandteil einer sehr bürgerlichen Praxis männlicher Vergemeinschaftung.63 Um 1900 wandelte sich, zeitgleich zu den Chorbearbeitungen, die Verbindung zwischen Sparta bzw. der Schlacht an den Thermopylen und dem Männerbund an 58 )

Berve, Sparta (1937), S. 107; vgl. auch Miltner, Sparta, S. 1f.; Uhlenbusch, Sieger, S. 140– 144. Vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 329–331. 59 ) Vgl. Szczepa ´ nski, Spartanerjünglinge (1901). Das Buch wurde ins Englische übersetzt: Loewe, W. D.: Inner life of the Prussian Cadet. London 1915. 60 ) Vgl. Bruch, Thermopylae (1890) für den Universitäts-Sängerverein zu St. Pauli in Leipzig; Bruch/Bulthaupt, Leonidas (1893) für den Wiener Männergesangsverein; Hartmann/ Schlierbach, Thermopylen (1900) für den Singverein Nürnberg; Pembaur/ Souchay, Thermopylae (o. J.) für den Sängerchor des Lehrervereins in Frankfurt a.M. 61 ) Bei Bruch/Bulthaupt, Leonidas, und Pembaur/Souchay, Thermopylae, wird der Männerchor zum Chor der Spartaner und der Solist zu Leonidas. Bei Hartmann/Schlierbach, Thermopylen, singt der Chor aus der Perspektive des Berichterstatters; bei Bruch, Thermopylae, ist der Text das Enkomion des Simonides in der Übersetzung von Emanuel Geibel, d. h. der Chor übernimmt das Totengedächtnis. 62 ) Bruch/Bulthaupt, Leonidas. Die Partitur hat keine Seitenzählung. 63 ) Männergesangsvereine haben einige männerbündische Merkmale, aber ihnen fehlt das aggressive Moment; vgl. Blazek, Männerbünde, S. 18–20; vgl. Sombart, Männerbund, S. 136–155.

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den Rändern der bürgerlichen Gesellschaft. In der ethnologischen, medizinischen und psychoanalytischen Forschung wurde der Männerbund als soziale Formation entdeckt und in Konkurrenz zur Familie als Träger höherer gesellschaftlicher Entwicklung deklariert.64 Der Zusammenhalt eines Männerbundes wurde durch die mann-männliche Erotik erklärt, für die die antiken Griechen als Kronzeugen dienten.65 Männlichkeit wurde in diesen wissenschaftlichen Diskursen, aber auch im Umkreis der Wandervogelbewegung und in der Kunst, so im Dichterkreis um Stefan George, neu interpretiert: Der zuvor als deviant und effeminiert angesehene homosexuelle Mann galt nun als besonders männlicher Mann.66 In diese Zeit fällt auch der erste wissenschaftliche Aufsatz über die Päderastie in Sparta.67 Für Sparta interessierten sich nun auch die künstlerischen Zirkel und Reformbewegungen, die sich in Fragen der Sexualmoral antibürgerlich gerierten.68 So erscheint Sparta im gleichnamigen Buch von Theodor Däubler 1923 als ein Männerbund mit ausgeprägter Homoerotik, ein Modellstaat des ,ursprünglich‘ Männlichen, der sich als eigentlicher Kulturträger Griechenlands in den Perserkriegen „dem asiatischen, erhobnen Weib“ entgegenstellte.69 Bei den Thermopylen fielen bloß Freundespaare, überhaupt kämpften meistens dorische Lakedämonier nur in Liebesgemeinschaft.70

Die bekannteste Schlacht der Spartiaten wird in die Idee des homoerotischen Männerbundes eingefügt. Diesen Zusammenhang zwischen Männerbund, Erotik und Staatsbildung führt Hans Blüher in Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft 1919/20 in extenso aus. Blüher kam aus der Wandervogelbewegung, die um die Jahrhundertwende ausgehend von Berliner Gymnasien entstand, hatte also Erfahrung mit rein männlichen, antibürgerlichen Gemeinschaften und publizierte als selbsternannter Privatgelehrter für Sexualprobleme am laufenden Band.71 In dem Buch legt er in einer wilden Mischung aus psychoanalytischen, soziologischen und historischen Beobachtungen dar, dass der Mann nach seiner Ablösung von der Mutter sich nach einem 64 ) So vom Ethnologen Heinrich Schurtz, Altersklassen und Männerbünde. Berlin 1902; vgl. Blazek, Männerbünde, S. 24f. Zu den Erforschern von Männerbünden gehörten, alle am Rande ihres akademischen Feldes, der Mediziner Gustav Jaeger, der Zoologe Benedict Friedländer und der Sexualwissenschaftler und Psychoanalytiker Hans Blüher; vgl. Bruns, (Homo-) Sexualität, S. 90–107. 65 ) Vgl. z. B. Blüher, Erotik 1 (1919), S. 218–225; 2 (1920), S. 174–177. 66 ) Vgl. Bruns, (Homo-)Sexualität, S. 87–108. Der Homosexualitätsverdacht wurde vom George-Kreis immer zurückgewiesen; vgl. Groppe, Macht, S. 421– 423. 67 ) Vgl. Bethe, Knabenliebe, S. 438– 475; vgl. Christ, Spartaforschung, S. 38f.; Armstrong, Männerliebe, S. 19–54. 68 ) Zur Spartarezeption im George-Kreis vgl. Mattenklott, Griechen, S. 244; Varthalitis, Antike, S. 193–198, der allerdings eher frei zu Georges Dichtung assoziiert. Oscar Wilde nannte nicht von ungefähr den homosexuellen Protagonisten seines 1891 erschienen Romans Dorian Gray; vgl. Cartledge, Reflections, S. 185–190. 69 ) Däubler, Sparta, S. 15; Däubler (1876–1934) gehörte zu den Dichtern und Theoretikern des Expressionismus, führte ein Wanderleben und hielt sich 1921–1926 in Griechenland auf. Vgl. auch Blazek, Männerbünde, S. 46–52; 173–179. 70 ) Däubler, Sparta, S. 13; im nächsten Satz erwähnt er die Heilige Schar der Thebaner. 71 ) Vgl. Bruns, (Homo-)Sexualität, S. 97f. Anm. 37; Cancik, Jugendbewegung, S. 127–129.

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,Helden‘ ausrichte und dieses Heldenbild sein Leben hindurch bestimmend sei. Als gesellschaftlich wirksam erkennt Blüher dieses Helden-Leitbild nur in Männerbünden an, die er nach der unterschiedlich intensiv ausgelebten Homoerotik klassifiziert: Im Staatsleben der Spartaner feierte die männliche Gesellschaft zweifellos ihren bisher stärksten Triumph der Anerkennung, den sie in der uns bekannten Menschheitsgeschichte erlebt hat: die Päderastie wird eine von der Religion geheiligte öffentliche Einrichtung.72

Die wichtigste These des Buches ist, dass allein männliche Gesellschaften geistige Schöpferkraft besitzen, was für die Kunst ebenso gilt wie für die Staatsbildung. Damit sind alle von der Kultur und der Macht ausgeschlossen, die keine Männerbünde bilden können: Frauen und Juden.73 Mit der kulturpessimistischen Logik der Zeit verbunden ist der Kulturverfall folglich weiblich-jüdisch, die Kulturblüte dagegen männlich konnotiert. Den Männerbund belegt Blüher mit der ganzen Palette an Wertvorstellungen, die auch in den wissenschaftlich-literarischen Charakterisierungen der spartanischen Männergemeinschaft in den folgenden Jahrzehnten immer wiederkehrt: Treue, Härte, Zucht, Idealismus, Skepsis gegen Veränderungen, Ablehnung von Nützlichkeitsdenken und natürlicher Adel.74 In der Weimarer Republik gehörte Blüher in den Umkreis der Nationalisten um Arthur Moeller van den Bruck; seine provokanten Thesen zur Homoerotik verhinderten allerdings, dass er reguläres Mitglied des Juniklubs und seiner Nachfolgeorganisationen wurde.75 Die Elemente, die Blüher zu einem einigermaßen kohärenten Gedankengebäude zusammengefügt hatte, fluktuierten in der Folgezeit frei in der Spartarezeption. So schrieb Benn 1934 in seinem Essay Dorische Welt: Dorisch ist jede Art von Antifeminismus. Dorisch ist die Knabenliebe, damit der Held beim Mann bleibt, die Liebe der Kriegszüge, solche Paare standen wie ein Wall und fielen.76

Die Dorer sind bei Benn wie bei Däubler und z. B. auch bei Berve die eigentlichen Kulturträger Griechenlands, deren schöpferischer Genius einen perfekten Machtstaat entwarf, der – so Benn – den Menschen erst „kunstfähig“ gemacht habe.77 Diese Argumentationsfigur verkehrt eine alte Deutungstradition Spartas in Deutschland, die von Schiller bis zu Jacob Burckhardt reicht, ins genaue Gegenteil. Nach dieser galt es als Makel, dass der Kriegerstaat am Eurotas zwar gute Soldaten, aber im Vergleich zu Athen keine nennenswerte Kunst, Literatur und Philosophie hervorgebracht hatte.78 Dieses Faktum wurde wiederum von den Kritikern Spartas in den 1920er und 30er Jahren besonders hervorgehoben.79 Blüher, Erotik 2, S. 175f. Blüher bezieht sich im Teil über Sparta auf Bethe, Knabenliebe. Vgl. Blüher, Erotik 2, S. 170f.; vgl. Bruns, (Homo-)Sexualität, S. 97–108. 74 ) Vgl. Blüher, Erotik 2, S. 217–224. 75 ) Vgl. Breuer, Grundpositionen, S. 132–134. 76 ) Benn, Dorische Welt, S. 137. Benn (1886–1956), im Ersten Weltkrieg Militärarzt, lebte als Schriftsteller und Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Berlin, bis er sich 1935 nach Repressalien durch die Nationalsozialisten wieder zum Militärdienst meldete. 77 ) Vgl. Benn, Dorische Welt, S. 141–153; Berve, Sparta (1931), S. 215f. 78 ) Benn dreht z. B. Jacob Burckhardts Deutung von Sparta als kulturlosem Machtstaat in dessen Griechischer Kulturgeschichte, die er benutzt, vollständig um. Vgl. Christ, Spartaforschung, S. 30–36. 79 ) Vgl. Funke, Rasse, S. 60–64; Ehrenberg, Staat, S. 226–228; Roussel, Sparte, S. 157–161. 72 )

73 )

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Während die Deutung Spartas als Männerbund sich allgemein durchsetzte, blieb die Päderastie als Organisationsprinzip des Männerbundes problematisch, insbesondere im nationalsozialistischen Deutschland. Lüdemann sah es in seinem Sparta-Aufsatz in Deutsche Leibeszucht als nötig an, sich explizit von der Knabenliebe als „grauenhafter Verirrung“ zu distanzieren.80 Im Organ eines Freikörperkulturvereins mussten wohl angesichts der zahlreichen Abbildungen von nackten Männern und Frauen in freier Natur die Devianz der griechischen Homosexualität und implizit die sexuelle Normalität der Nacktkultur hervorgehoben werden. Der spartanische Männerbund korrelierte mit anderen, öffentlich sehr dominanten Deutungsmustern der Weimarer Republik, so mit der ,Frontgemeinschaft‘, die für Männer derjenigen Generation, die am Ersten Weltkrieg aktiv teilgenommen hatte, in hohem Maße affektiv besetzt war. Zum Straßenbild der Republik gehörten außerdem junge, gewaltbereite, paramilitärisch organisierte Männer in Freikorps und Kampfbünden.81 Direkt in diesem Kontext ist der Roman ...wie unser Gesetz es befahl von Karl Matthias Buschbecker aus dem Jahr 1936 angesiedelt, der die Karriere eines Freikorpskämpfers in der Weimarer Republik durch diverse rechtsradikale Kampfbünde bis in die NSDAP schildert.82 Das „unser“ im Titel zeigt bereits, dass mit dem Gesetz nicht das geltende Recht der Republik gemeint ist, sondern dasjenige einer spezifischen Gruppe. Das Spartiaten-Epigramm kennzeichnet das Movens einer aktionistischen, rechtsradikalen politischen Karriere. Gleichzeitig steht es für die bürgerliche Variante der Biographie eines ,Alten Kämpfers‘, der zwar Abitur, aber wegen seines Einsatzes im Ersten Weltkrieg keine weitere Ausbildung hat. In einem völlig anderen intellektuellen Kontext benutzte bereits Benn in seinem Radiobeitrag Der neue Staat und die Intellektuellen am 24. April 1933 das Exempel der Schlacht an den Thermopylen als Symbol für den gewalttätigen Aktionismus der jungen Generation: Und so erhob sich diese Jugend von den gepflegten Abgründen und den Fetischen einer defaitistisch gewordenen Intelligenz [. . .] und rüstete sich [. . .] und opferte sich, wie das innere Gesetz es befahl, und wenn das historische Symbol der liberalen Ära ein Schloß mit Nippessachen war, die Tuilerien, und ein Ballspielhaus, das sie stürmten, für diese wurde es ein Paß: Thermopylae.83

Benn fordert in dieser Rede von den Intellektuellen, die Unterlegenheit ihrer liberalen Ideen gegenüber dem neuen Staat anzuerkennen und sich diesem zu unterwerfen. Die zwei Generationen, die dem Liberalismus verpflichteten Intellektuellen und die Jugend des neuen Staates, ordnet er jeweils als signifikant gedeuteten Orten bzw. Ereignissen der Vergangenheit zu, in denen sich die Leitwerte, der „Stil“ beider Generationen manifestierten.84 Die Schlacht an den Thermopylen 80 )

Lüdemann, Leibeszucht, S. 321f. Vgl. Mommsen, Militär, S. 265–276. 82 ) Vgl. Buschbecker, Gesetz. Als der Protagonist wegen Untergrundaktivitäten im besetzten Ruhrgebiet verhaftet wird, kommt er in eine Gefängniszelle, in der jemand das Spartiaten-Epigramm in der Version von Schiller bis zum ,wie‘ an die Wand geschrieben hat. Er vollendet das Epigramm, ebda. S. 180. 83 ) Benn, Staat, S. 20. Die Rede erschien am folgenden Tag in der Berliner Börsen-Zeitung. 81 )

2.1. Spartarezeption im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jhs.

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kennzeichnet den Stil der jungen Generation, die nach eigener Gesetzlichkeit handelt, kompromisslos, jederzeit opferbereit, total und darin unkorrumpiert und glaubwürdig. Die antike Schlacht steht für das „anthropologisch Tiefere“, das die Geschichte, von Benn als eine unberechenbare, ja terroristische, metaphysische Größe gedacht, wieder aktiviert hat.85 Das Neue, das aus dieser schöpferischen Wiederbelebung entsteht, ist der nationalsozialistische Staat. Sowohl an Benns perfider geschichtsphilosophischer Demontage von Liberalismus und Intellektualismus als auch an dem Freikorpskämpferroman wird ersichtlich, dass die Schlacht an den Thermopylen und das Spartiaten-Epigramm eine Umdeutung erfahren haben, die in erster Linie durch ihr Aktualisierung im politischen Totenkult der Weimarer Republik verursacht worden ist. Das „Gesetz“ steht in keinerlei Verbindung mehr zur politischen Ordnung der Gemeinschaft, für die gestorben wird. Unabhängig von den Neudeutungen Spartas ist auch ein Beispiel für ein weiteres autoritäres Ordnungskonzept, das nicht männerbündisch, aber dennoch typisch für die späten 1920er Jahre ist: Leonidas als Führer der Massen. Der Roman Kuddelmuddel, Leonidas und Zopf von Nathanael Jünger alias Johann Rump aus dem Jahr 1929 zeigt die Rezeption der antiken Schlacht in der populären Unterhaltungsliteratur. Zwischen Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum angesiedelt, zielt die Entwicklungsgeschichte dreier Brüder, die am Ende drei Schwestern heiraten, auf eine bürgerliche Leserschaft ohne besonderen literarischen Anspruch, dafür mit sehr konservativen Ansichten zum Geschlechterverhältnis, zur Arbeiterfrage und zur Kunst.86 Der mittlere der Brüder, der Ingenieur Klaus von Korff, trägt den Spitznamen Leonidas, weil er einst einen besonders gelungenen Schulaufsatz über die Schlacht an den Thermopylen geschrieben hat und: Im Ernstfall [. . .] ihm die Massen folgen und sich von ihm für die als heilig anerkannte Sache in den Tod führen lassen (würden), wie jene Spartiaten und Thespier unter Leonidas vor fast zweieinhalb Jahrtausenden.87

Der Ernstfall tritt in Form eines Arbeitskampfes um die Einführung der Leistungsbesoldung im Werk Lehnhoff ein, dessen Leitung Klaus übernommen hat. Nach harten Auseinandersetzungen geben die Arbeiter nach und folgen ihm, „der über die Massen zu herrschen verstand“.88 Barbara, die mittlere der Lehnhoff-Schwestern, zeigt sich davon so beeindruckt, dass sie sich gleich mit unterwirft: „Held Leonidas, führe mich, Dein seliges Weib!“ 89 Das historische Exempel der Schlacht 84 ) „Immer prägte die Geschichte den Stil, immer war dieser Stil die Verwirklichung eines neuen historischen Seins.“ Benn, Staat, S. 17. 85 ) Benn, Staat, S. 12. Vgl. zu Benns Geschichtsdenken der in seinen Schlussfolgerungen allerdings höchst problematische Aufsatz von Bienefeld, Klassenkampf, S. 427– 442. 86 ) Die drei Brüder von Korff (Maler, Ingenieur, Lehrer) zeichnen sich durch kulturelles Kapital aus, die drei Schwestern Lehnhoff (keine berufstätig, zwei höhere Mädchenschule, eine Frauenschule) verfügen als Erbinnen der Lehnhoffschen Fabrik über ökonomisches Kapital. Während die drei Männer alle eine Entwicklung durchmachen und etwas im Beruf leisten, warten die drei Frauen darauf, geheiratet zu werden. 87 ) Jünger, Kuddelmuddel, S. 37 f. 88 ) Jünger, Kuddelmuddel, S. 270. 89 ) Jünger, Kuddelmuddel, S. 209.

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

an den Thermopylen erscheint mit dem Prinzip von Führer und Gefolgschaft verbunden und markiert den Extremfall, die Gefolgschaft bis in den Tod. Das Charisma, das die Romanfigur im Verlauf der Erzählung durch die Unterwerfungsakte der Masse und der Frau zugeschrieben bekommt, wird durch die Gleichsetzung mit der historischen Figur ad hoc konstituiert. In der Übertragung des Namens Leonidas auf Klaus tritt der in den personellen Vergleichen zu beobachtende Naturalisierungseffekt ein: Beide sind ,Führernaturen‘.90 Die Aktualisierungen der Schlacht an den Thermopylen und vor allem Spartas, die in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg verstärkt einsetzten, gehörten inhaltlich sowie in den Rezeptionskontexten ins rechte politische Spektrum, das von bürgerlich-konservativen, demokratiefeindlichen bis zu männerbündischen, rechtsradikal-rassistischen Positionen reichte. Die Übergänge waren fließend, da alle möglichen Zucht-, Ordnungs- und Männlichkeitsphantasien in Sparta ein historisches Vorbild sahen, in dem das Widersprüchliche der einzelnen Ideen vermittelt oder gar aufgehoben werden konnte. Sparta mit seinem außergewöhnlichen Staatswesen eignete sich zur Selbstmobilisierung von Angehörigen der Bildungselite für – und vereinzelt auch gegen – den NS -Staat. 1934 wandte sich Victor Ehrenberg, Ordinarius für Alte Geschichte an der Deutschen Universität Prag, mit der Rede Ein totalitärer Staat im Prager Rundfunk an die mediale deutschsprachige Öffentlichkeit.91 Er benutzt das kritische Potential der Wissenschaft, um anhand der Charakteristika des spartanischen Staatswesens die Wahrnehmung für den NS -Staat zu schärfen. Dazu führt er einen normativen Wert ein, der in der deutschen Spartarezeption in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ansonsten vollständig fehlt: die Freiheit des Individuums. Gemessen an dieser Norm konstatiert Ehrenberg für Sparta in klassisch liberaler Argumentation die totale Auslieferung des Individuums an den Staat und warnt vor den Konsequenzen.92 Interessant ist sein Umgang mit der Schlacht an den Thermopylen, die, wie gezeigt, für die aktualisierenden Neudeutungen des spartanischen Staatswesens zum historischen Kulminationspunkt geworden war, an dem sich das ,Wesen‘ des Staates offenbarte. Diese interpretatorische Verzahnung wird bei Ehrenberg daran ersichtlich, dass er nicht nur den spartanischen Staat kritisiert, sondern gesondert auch die Exemplarität der Schlacht an den Thermopylen in zweifacher Hinsicht relativiert: Zum einen beruhe das Heldentum der Dreihundert nicht auf einem freien Entschluss, sondern auf Gehorsam, Tradition und Furcht, womit er den Verbleib im Engpass gleichfalls auf das Erziehungssystem zurückführt, aber gegensätzlich deutet als sonst üblich. Zum anderen gebe es großartigere Beispiele 90 ) Diese Deutung zeigt auch die Quellensammlung von Schröter, Leonidas (1937), in der Reihe Führergestalten des Altertums. 91 ) Vgl. Ehrenberg, Staat, S. 217–228. Veröffentlicht als: A Totalitarian State. In: Ehrenberg, Victor: Aspects of Ancient World. Oxford 1946, S. 94–104. 92 ) Vgl. Ehrenberg, Staat, S. 217f., 225, 228. Ehrenberg benutzt den Begriff „totalitär“ in der etatistischen Definition Carl Schmitts, vgl. Kershaw, NS -Staat, S. 43f., allerdings in entgegengesetzter Absicht. Schaefer, Ehrenberg, S. 394, bemängelt, dass „totalitär“ der Eigenart des spartanischen Staates nicht entspreche, was zwar stimmt, aber den Diskussionskontext, in dem sich Ehrenberg damit sehr mutig positioniert, völlig ignoriert.

2.2. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult

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heroischer Aufopferung in der Geschichte der Völker. Durch diesen kritischen Blick, mit dem Ehrenberg die Exemplarität der Schlacht vollständig in Frage stellt, gelangte er zu einem historischen Relativismus, den er selbst in den 1920er Jahren noch bekämpft hatte.93

2.2. Pflichterfüllung. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult Auf einer Radtour zu den deutschen Kriegerfriedhöfen in Lothringen, an der Somme und in Flandern besuchte eine Jungengruppe protestantischer Pfadfinder in den Ostertagen 1933 den Friedhof Montdidier im Departement Somme, der 33 km südöstlich von Amiens liegt: Wir pflückten Blumen und [...] legten sie mit einer Schleife unseres Bundes auf dem Sammelgrab nieder, das ein schönes Denkmal trägt mit drei Kreuzen und der Aufschrift der alten Griechen, in unsere Zeit sinngemäß übertragen.94

So berichtete der Leiter der Gruppe in der Zeitschrift Kriegsgräberfürsorge, dem Verbandsorgan des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK ). Auf dem glatten, schlichten, hochrechteckigen Sandsteinblock stand in großen Lettern (s. Abb. 31): WANDERER / VERWEILE / IN ANDACHT / UND KÜNDE / ZU HAUSE / WIE WIR ALS / MÄNNER / GEFALLEN / IN TREUE / ZUR HEIMAT

Die Pfadfinder erkannten in dieser Inschrift das Grabepigramm auf die an den Thermopylen gefallenen Spartiaten wieder, das hier in sehr modifizierter Form zum Denkmal für eine Gruppe im Krieg getöteter Soldaten wird: Im Sammelgrab von Montdidier liegen 3700 deutsche Soldaten, gestorben bei der letzten Offensive 1918.95 Das abgewandelte Spartiaten-Epigramm findet sich in der oben zitierten Form auch auf dem Sammelgrab des Kriegerfriedhofes Hohrod-Bärenstall in den Vogesen (s. Abb. 33), das wie Montdidier 1929 vom VDK erbaut worden war; ebenso auf dem Denkmal des Friedhofes Montaigu II (s. Abb. 32).96 Fast wörtlich zitiert wird Schillers Übertragung des Epigramms auf der Gedenkplatte des Vgl. Ulf, Ideologie, S. 334–340. Hotz, Jugend, S. 99f. 95 ) Vgl. VDK , Schicksal, S. 139; von den 3700 sind 777 nachträglich identifiziert worden; vgl. VDK , Akte Montdidier, ohne Paginierung. Das Denkmal wurde 1973 wegen Baufälligkeit abgerissen. Während des Ersten Weltkrieges setzte sich das Einzelgrab für die getöteten Soldaten endgültig durch, weshalb die Massengräber eine besondere Gestaltung benötigten; vgl. Fischer, Tod, S. 69f.; Zilien, Volksbund, S. 449f.; Lurz, Erster Weltkrieg, S. 30. 96 ) Im Dep. Aisne, erbaut vom VDK in den frühen 1930ern. Der Friedhof hat 633 Einzelgräber und kein Sammelgrab; vgl. VDK , Akte Montaigu II ; Kriegsgräberfürsorge 17 (1937), Nr. 12, S. 163. Bei der Inschrift fehlt das „zu Hause“, wohl deshalb, weil sie so die obersten drei Steinquader des Pfeilers ausfüllt. Auf der Rückseite befindet sich die Übersetzung: „PELERIN / ARRETE / TOI AVEC / RECUEILLE / MENT ET / DECLARE QUE / NOUS SOMMES / TOMBES / FIDELES A / LA PATRIE “. Hier fehlt „als Männer“, was die Aussage der Inschrift abschwächt. Die Baudaten der Denkmäler sind nicht exakt zu ermitteln, da das Archiv der alten Bauverwaltung des VDK in München seit dem Zweiten Weltkrieg verloren ist. Vgl. auch Brandt, Kriegsschauplatz, S. 131f. Anm. 17; Zilien, Volksbund, S. 445 Anm. 1. 93 )

94 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

Friedhofes in Pont-a`-Vendin bei Lille, der während des Krieges angelegt wurde, d. h. auf die Initiative der dortigen Etappeninspektion zurückgeht (s. Abb. 34): WANDERER KEHRST DU ZUR HEIMAT / VERKÜNDIGE DORTEN / DU HABEST UNS HIER LIEGEN GESEHN / WIE DAS GESETZ ES BEFAHL 97

Die Tatsache, dass das antike Epigramm – in mehr oder weniger veränderter Form – auf Kriegerdenkmäler gemeißelt wurde und somit eine materielle Existenz erhielt, verleiht seiner Rezeption im politischen Totenkult Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg eine eigene Qualität. Nach über zweitausend Jahren wurde es wieder in die Gedenkpraxis einer Nation an ihre toten Soldaten aufgenommen. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen bzw. das Grabepigramm auf die Spartiaten war in der Frühzeit des modernen politischen Totenkultes, der im Zuge der Revolutions- und napoleonischen Kriege entstand, als säkulares Erklärungsmodell von bürgerlichem Soldatentod und innerweltlicher Memoria verwendet worden (s. Kap. II.2.3) und tauchte nach langer Absenz im und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg im Gefallenengedenken Deutschlands wieder auf.98 Die antike Schlacht war im politischen Totenkult der Weimarer Republik sehr präsent und wurde in erster Linie über das Epigramm in der Nachdichtung Schillers rezipiert.99 Sowohl die Häufigkeit als auch die spezifischen Deutungen des Exempels der Schlacht an den Thermopylen in Deutschland nach 1918 hängen zum einen mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg zusammen. Dabei findet die Aktualisierung vor dem Hintergrund der Tatsache statt, dass mit militärischen Niederlagen dem Sterben der Bürger für ihr Vaterland zunächst der Sinn entzogen ist, was einen besonderen Rechtfertigungsdruck erzeugt, wenn nicht die Sinnlosigkeit des Kriegstodes akzeptiert werden soll.100 Zum anderen ist entscheidend, dass die Schlacht und mit Schillers Epigramm-Nachdichtung eine sehr deutungsoffene Epigramm-Version zum Bildungswissen gehörten. Das Spartiaten-Epigramm war ein kleiner Bestandteil des großen, heterogenen Sinnstiftungsprogramms, das in der Weimarer Republik von verschiedenen Verbänden und Institutionen mit unterschiedlichen Strategien verfolgt wurde. Diese hatten es sich zur Aufgabe gemacht, konsistente Deutungsmuster für die Erinnerung an den Krieg und die toten Soldaten zu produzieren.101 So finden sich Reminiszenzen an die Schlacht an den Thermopylen auf den oben genannten Denkmälern und in Publikationen des VDK , der als privater Verein ab 1920 zunächst in Ergänzung zum staatlichen Zentralnachweisamt arbeitete, ab 1926 allerdings die Betreuung der Kriegerfriedhöfe in Frankreich übernahm,102 ebenso 97 ) Im Dep. Pas de Calais, 799 Einzelgräber, kein Sammelgrab. Der Friedhof wurde ca. 1929 vom VDK übernommen; vgl. VDK , Akte Pont-a`-Vendin. 98 ) Während des Ersten Weltkrieges: vgl. Kaufmann, Fürsorge, S. 49; Liebe, Soldat, S. 175; Naumann, Volk, S. 288f.; Jastrow, Hellenen, S. 319 f.; Fittbogen, Gesetz, S. 370f.; s. Kap. III.1.2. 99 ) Dies ist seit Lurz, Weimarer Republik, S. 303f., 310 bekannt, wird aber von Baumbach, Wanderer, S. 1–20, nicht wahrgenommen. Oppermann, Thermopyleninschrift, S. 121–126, kennt wahrscheinlich diese Rezeption, da er Heinrich Lerschs Wanderer, steh! von 1918 zitiert. 100 ) Vgl. Koselleck, Kriegerdenkmale, S. 263. 101 ) Vgl. Lurz, Weimarer Republik, S. 343– 439; Ziemann, Kriegsveteranen, S. 101–108.

2.2. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult

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bei Veteranenverbänden und in Städten, die das Gefallenengedenken im Reichsgebiet organisierten.103 So schrieb der Magistrat der Stadt Bielefeld 1924 in der Ausschreibung für den Bau eines Kriegerdenkmals: Kein Siegesmahl kann es sein [...]. Aber ein Glaubensmahl kann es werden [...]. Und den Toten wird es sagen: Schlaft ruhig! Ihr starbt nicht vergebens; dennoch nicht! Ihr starbt, wie das Gesetz es befahl, wir leben wofür ihr starbt.104

Auch bei der Forderung nach einem nationalen Denkmal der Reichswehr für die getöteten Soldaten aller Waffengattungen aus dem Jahr 1929 wird das Epigramm rezipiert: Wie hätte das Mal auszusehen? Schlicht und packend. D. h. ein riesiger Granit- oder Sandsteinobelisk, an dessen Fuß vielleicht die Worte einzulassen wären: ,Sie starben als Soldaten in Erfüllung ihrer Pflicht, wie das Gesetz es befahl!‘105

Beide Beispiele illustrieren die Karriere des Epigrammfragments „wie das Gesetz es befahl“, das zu einer universellen Formel für militärische Pflichterfüllung wurde, von der in der Folge noch die Rede sein wird. Vor allem aber zeigen sie einige Spezifika des politischen Totenkultes in der Weimarer Republik. Beide Äußerungen verfolgen die Absicht, dem Tod der Soldaten einen Sinn geben zu wollen, und gehören damit in der Regel ins rechte politische Lager.106 Das Massensterben in den Schützengräben konnte grundsätzlich auch für sinnlos erklärt und mit pazifistischen Positionen verbunden werden, wie es z. B. der republikanische Veteranenverband des sozialistischen Arbeitermilieus, das Reichsbanner Schwarz-RotGold tat.107 In beiden zitierten Quellen gehen die Sinnstiftungsbemühungen weit über die Artikulation von Trauer und Verlust hinaus, die es gerade in der ersten Hälfte der 1920er Jahre auf deutschen Kriegerdenkmälern durchaus gab, wenn Der VDK wurde Ende 1919 auf Initiative von ehem. Mitarbeitern des Zentralnachweisbüros und Gräberoffizieren gegründet und kümmerte sich zunächst vorwiegend um die Auskünfte an Angehörige über die Umbettungen v. a. an der ehem. Westfront. Diese wurden von Frankreich vorgenommen, um die Zahl der Friedhöfe zu reduzieren, deren Pflege in den Artikeln 225 und 226 des Versailler Vertrages garantiert worden war. Ab 1926 begann der VDK mit der Gestaltung von Friedhöfen in Frankreich, das nach der Beendigung des Ruhrkampfes eine ergänzende Pflege zugestanden hatte, während das Zentralnachweisamt die anderen Länder übernahm. In den frühen 1930er Jahren baute der Verein in Jugoslawien, Rumänien, Palästina und Italien die ersten ,Totenburgen‘. Die Zeitschrift Kriegsgräberfürsorge wurde 1921 gegründet und hatte 1930 50 000 Bezieher. Darüber hinaus war der VDK über Publikationen, Ausstellungen und bei der Gestaltung von Volkstrauertagen präsent; vgl. Brandt, Kriegsschauplatz, S. 129–147; Zilien, Volksbund, S. 445– 478; Lurz, Weimarer Republik, S. 103–106; 358–361, 414– 422; Brands, Kreis, S. 131–135. 103 ) Vgl. Mitteilungen Reserve-Inf.-Reg. (1928) Nr. 3; Ehrenbuch Hagen, S. 121; Kruse/ Kruse, Kriegerdenkmäler, S. 108. Zu den Institutionen, die das Gefallenengedenken gestalteten, gehören an zentraler Stelle auch die Kirchen, die natürlich eine primär christliche Sinnstiftung vornahmen. 104 ) Kruse/Kruse, Kriegerdenkmäler, S. 108. 105 ) Militär-Wochenblatt 114 (1929), S. 483. 106 ) In Bielefeld hatte es bei den Stadtverordnetenwahlen 1924 einen Rechtsrutsch gegeben, weshalb der bereits angenommene Entwurf für ein Kriegerdenkmal, der eine überlebensgroße trauernde Frau darstellte, wieder verworfen wurde; vgl. Kruse/Kruse, Kriegerdenkmäler, S. 107f. 107 ) Vgl. Ziemann, Kriegserinnerungen, S. 388f. 102 )

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auch nie so dominant wie auf den französischen Kriegerdenkmälern des Ersten Weltkrieges.108 Insbesondere der Ausschreibungstext für ein Denkmal in Bielefeld verdeutlicht das Bestreben, dem Tod im Krieg völlig unabhängig von der militärischen Niederlage einen Sinn zu verleihen, indem dieselben Werte, für die angeblich gestorben worden war, für die Überlebenden als weiterhin gültig erklärt wurden. Unentwegt beschworen Teile der am Gefallenengedenken beteiligten Gruppen sowie die radikale politische Rechte das ,Vermächtnis‘ der toten deutschen Soldaten, womit auf der Ebene der Wertvorstellungen der Krieg in die Friedenzeit verlängert wurde.109 Für diesen Diskurs war irrelevant, dass Kriegserfahrungen in hohem Maße kontingent sind und dass die brutale Realität des Grabenkrieges auch zur Verweigerungshaltung, zu Kriegspsychosen und schließlich Massendesertion und Revolution geführt hatte.110 Der Diskurs vom ,Vermächtnis der toten Helden‘ war in der Weimarer Republik Kernbestandteil der männlichen Jugendkultur, die sich um die Leitbilder Krieg, Nation und Führertum gruppierte und ab 1929 ein Massenphänomen war.111 Auch die eingangs erwähnte Besuchstour der protestantischen Pfadfinder zu deutschen Kriegerfriedhöfen in Frankreich und Belgien gehört in diesen Kontext. Ihr Auftreten in Marschformation und das Singen martialischer Lieder ließen in Frankreich die Wellen der Empörung bis in die Hauptstadtpresse schlagen, weshalb das Innenministerium die Gruppe von Montdidier bis zur belgischen Grenze unter Polizeibewachung stellte.112 Gepaart mit politischem Aktionismus, wie ihn in der Weimarer Republik am rechten Rand die NSDAP entfaltete, entwickelte der Vermächtnisdiskurs politische Sprengkraft, da mit ihm politische Militanz und die Revision der Versailler Friedensordnung gerechtfertigt wurden. Die NSDAP berief sich darauf, das zu Ende führen zu wollen, wofür zwei Millionen deutsche Männer bereits gestorben waren: eine imperiale deutsche Nation. In Mein Kampf folgt Hitler 1925 bereits dem Erzählmuster, nach dem sein Entschluss, Politiker zu werden, die logische Konsequenz seiner eigenen Kriegsteilnahme wie der entehrenden Behandlung der toten Soldaten nach Kriegsende war.113 Seine Vorstellung von einer angemessenen Ehrung der Gefallenen formuliert er folgendermaßen: Wahrlich, auch diese Helden verdienten einen Stein: ,Wanderer, der du nach Deutschland kommst, melde der Heimat, daß wir hier liegen, treu dem Vaterlande und gehorsam der Pflicht.‘114

Wiederum wird das Epigramm, dieses Mal durch den leicht veränderten Anfang vertreten, dazu benutzt, zumindest rhetorisch ein zentrales Kriegerdenkmal zu fordern. Hitlers Zitat des Epigramms führten Vertreter des Gymnasiums nach 1933 108 ) Vgl. Lurz, Weimarer Republik, S. 186–191, 326–342; Brandt, Trauer, S. 243–260; Becker, Präsenz, S. 39–50; Winter, Sites, S. 78–116. 109 ) Vgl. Krumeich, Einleitung, S. 7–17. 110 ) Vgl. Latzel, Sterben, S. 59–67; Bröckling, Diziplin, S. 200–220; Lipp, Friedensehnsucht, S. 279–292. 111 ) Vgl. Rusinek, Kultur, S. 171–197. 112 ) Vgl. Hotz, Jugend, S. 98–100; Le Figaro vom 16. 4. 1933, S. 2; L’Eclaireur de l’Est vom 17. 4. 1933, S. 1. 113 ) Vgl. Hitler, Kampf, S. 205–225. 114 ) Hitler, Kampf, S. 224.

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gerne als Beweis für die Relevanz humanistischer Schulbildung im nationalsozialistischen Staat an.115 Die Forderung der Reichswehr nach einem nationalen Gefallenendenkmal und die Äußerung Hitlers verweisen auf ein spezifisches Merkmal des politischen Totenkultes der Weimarer Republik, der es nicht gelang, in einem nationalen Totengedenken ein Instrument politischer und sozialer Integration zu installieren und die Formen des Gedenkens eindeutig republikanisch zu besetzen.116 Als 1931 nach anhaltenden Debatten die Neue Wache in Berlin als Reichsehrenmal eingeweiht wurde, boykottierten sowohl der Stahlhelm samt den ehemaligen Weltkriegsgenerälen als auch die kommunistische Linke die Veranstaltung, die ihnen zu wenig bzw. zu sehr nationalistisch war, und auch einige sozialdemokratische Abgeordnete äußerten ihre Bedenken gegen den ästhetisierenden Denkmalsentwurf von Heinrich Tessenow.117 Die neuere Forschung hat darauf hingewiesen, dass die Parteien der Weimarer Koalition den Totenkult auf nationaler und kommunaler Ebene keineswegs der antirepublikanischen Rechten als Aktionsfeld überließen, sondern dass es faktisch unmöglich war, eine Form der Sinnstiftung des Kriegstodes zu finden, die Republikaner und Antirepublikaner, Pazifisten, die internationale Linke und die nationalistische Rechte teilen konnten.118 Zwar hatten alle sozialen Klassen in Deutschland Tote zu betrauern, aber es ließ sich kein politischer Grundkonsens über sie herstellen. Gerade ab Ende der 1920er Jahre, als ein Boom an Weltkriegserinnerungen einsetzte, wurde auch der Totenkult ein Austragungsort verschärfter politischer Auseinandersetzungen um die Legitimität der Republik.119 Ein weiteres Problem für eine republikanische Repräsentation des Kriegstodes bestand darin, dass diejenigen Parteien, die die Weimarer Republik trugen, bei der Gestaltung von Denkmälern nicht auf künstlerische Formen zurückgreifen konnten, die eindeutig republikanisch konnotiert waren.120 Klassizistische Formen einschließlich des politischen Totenkultes der antiken griechischen Poleis ließen sich in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich, England und den USA nicht für eine republikanische Sinnstiftung nutzen. Da die künstlerischen Klassizismen dem Geschmack und Bildungshorizont der alten bürgerlich-adligen Elite des wilhelminischen Kaiserreichs entsprachen, die sich nur partiell mit der neuen, 115 )

Vgl. Bucherer, Bildung, S. 193; Müller-Giersleben, Leonidas, S. 649. Vgl. Lurz, Weimarer Republik, S. 47–100; Mosse, Gefallen, S. 132f.; Jeismann/ Westheider, Totenkult, S. 36– 42; Koselleck, Ikonologie, S. 38 f.; Ziemann, Kriegserinnerungen, S. 383–389; Kruse, Wache, S. 422– 427. Überdies scheiterten alle Versuche, einen national einheitlichen Termin für das Gefallenengedenken zu finden. Erst 1934 wurde der Sonntag Reminiscere endgültig zum nationalen ,Heldengedenktag‘; vgl. Lurz, Weimarer Republik, S. 413– 426; Brandt, Kriegsschauplatz, S. 147–152. 117 ) Vgl. Kruse, Wache, S. 423– 425. 118 ) Vgl. Kruse, Wache, S. 422f.; Ziemann, Kriegserinnerung, S. 383–398. Dies bestätigt z. T. auch der politische Totenkult in Italien, durch den zwar ein Konsens über den Weltkrieg hergestellt wurde, der während des Krieges nicht existiert hatte, in dem aber die sozialistische und kommunistische Linke nicht integriert war; vgl. Janz, Trauer, S. 61–75. 119 ) Vgl. Brandt, Trauer, S. 260. 120 ) Vgl. Ziemann, Kriegserinnerung, S. 384. Die noch nicht mit politischer Bedeutung besetzte künstlerische Moderne war in den meisten Fällen nicht konsensfähig. 116 )

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sozialdemokratisch geprägten Republik identifizierte, standen die Klassizismen in der Weimarer Republik in erster Linie für konservative bis nationalistische Denkmalsaussagen. So finden sich besonders häufig klassizistische Denkmäler mit offen revanchistischen Inschriften in Universitäten, die, was die politische Einstellung von Studenten wie Hochschullehrern betrifft, Bastionen des Antirepublikanismus waren.121 In der Forderung nach einem zentralen Denkmal für die Reichswehr flankiert das fragmentarische Spartiaten-Epigramm den Vorschlag für eine „schlichte“ Gestaltung. Auch das Denkmal mit der Epigramm-Variante in Montdidier wird als „in seiner Schlichtheit groß und erhebend“ beschrieben.122 ,Schlichtheit‘ war das zentrale Gestaltungsprinzip der deutschen Kriegerdenkmäler des Ersten Weltkrieges, das von Seiten der künstlerischen Berater und Auftraggeber immer wieder eingefordert wurde und sich bereits während des Krieges bei der Ausgestaltung der Denkmäler tendenziell durchsetzte.123 Die Kriegerdenkmäler folgten damit dem künstlerischen Trend, den die großen Denkmalsprojekte nach 1900, die Bismarcktürme und das Völkerschlachtdenkmal, gesetzt hatten: die Betonung einer klaren Tektonik, die Reduzierung der Skulptur und die Verbindung der Denkmalsarchitektur mit einer möglichst eindrucksvollen Landschaftskulisse.124 Auch das Formenrepertoire der Kriegerdenkmäler, das auf antikisierende oder germanisierende, seltener auf realistische Motive rekurrierte, war in der Denkmalskunst ab 1900 angelegt. Die Umsetzung dieser Prinzipien fiel für die Kriegerdenkmäler und -friedhöfe des Ersten Weltkrieges bis zu den ersten monumentalen Anlagen in den späten 1920er Jahren recht bescheiden aus, was an ökonomischen und – an der ehemaligen Westfront – auch an politischen Zwängen lag, da alle Ausgestaltungspläne deutscher Friedhöfe vom französischen Pensionsministerium genehmigt werden mussten.125 Die Friedhöfe von Montdidier und Hohrod-Bärenstall sind Beispiele dafür, wie diese gestalterischen Grundsätze in reduzierter Form vom VDK umgesetzt wurden. Zunächst sind Form und Inschrift des Denkmals unabhängig voneinander gestaltet. Denn während die Inschrift der beiden Denkmäler 121 ) Vgl. Rusinek, Kultur, S. 182–190. Z. B. war das Kriegerdenkmal der Universität München ein Bronzeguss des Doryphoros von Polyklet mit der griechisch-deutschen Inschrift nach Plut. Lyk. 21: „Wir waren einst als Jünglinge voll Heldenkraft! Wir aber werden einstens noch viel stärker sein!“ Bei dem Zitat des Chores, der laut Plutarch in Sparta von Greisen, Männern und Knaben gesungen wurde, fehlt die Zeile der Männer „Wir sind es jetzt; versuch es, wenn du willst!“, womit die Verpflichtung zum Heldentum auf dem Denkmal nicht von Generation zu Generation weitergegeben wird, sondern von den gefallenen an die lebenden Studenten. Bei der Einweihungsfeier 1922 war Münchens rechte Prominenz anwesend, u. a. Ludendorff, Epp und v. Kahr; vgl. Hoffmann-Curtius, Doryphoros, S. 74–91, 93–97. 122 ) Vgl. Kriegsgräberfürsorge 9 (1929) Nr. 12, S. 179. Vgl. auch Kardel, Westfront-Führer, S. 157–159. 123 ) Vgl. Fischer, Tod, S. 71–74; Lurz, Erster Weltkrieg, S. 133. 124 ) Vgl. Brands, Kreis, S. 127–129; Lurz, Weimarer Republik, S. 122–250. 125 ) Vgl. Kriegsgräberfürsorge 8 (1928) Nr. 1, S. 15. Vgl. Zilien, Volksbund, S. 476. Die Kriegerfriedhöfe in Frankreich unterstehen erst seit 1966 der Verwaltung des VDK . Das erste verwirklichte Großprojekt war das Tannenberg-Denkmal 1927, das nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion gesprengt wurde; vgl. Brands, Kreis, S. 133.

2.2. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult

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mehr oder weniger deutlich auf das antike Epigramm bezogen ist, wird in der Form nicht auf antike Vorbilder zurückgegriffen. Das Denkmal von Montdidier war ein glatter, reduktionistischer Steinblock, der hinter seiner Funktion als Träger der Inschrift zurücktritt und damit durchaus einem Gestaltungsprinzip der künstlerischen Moderne folgt (s. Abb. 31). Dagegen wird das Sammelgrab in HohrodBärenstall von einer Mauer aus grob behauenem Naturstein, der in der Gegend ansteht, eingefasst, die an den beiden talseitigen Ecken von großen Pfeilern, an denen die Inschriften angebracht sind, abgeschlossen wird (s. Abb. 33).126 Diese Eckpfeiler „wirken in ihrer schlichten Form, als seien sie der Erde entwachsen“, so der erste stellvertretende Präsident des VDK , und in jedem Bericht von einem Besuch des elsässischen Kriegerfriedhofs, den die Kriegsgräberfürsorge druckte, wird die Naturwüchsigkeit dieses Denkmals erwähnt.127 Bemerkenswerterweise wird der Kriegerfriedhof von Hohrod-Bärenstall, der zusammen mit Montdidier ein frühes Prestigeprojekt des VDK war, nach 1933 viel häufiger abgebildet als der Friedhof an der Somme.128 Die Naturwüchsigkeits-Ästhetik scheint den Gestaltungsprinzipien des VDK in der NS -Zeit besser entsprochen zu haben als das reduktionistische Denkmal in Montdidier. Eine Besonderheit der Rezeption des Spartiaten-Epigramms auf den Denkmälern sowie generell im politischen Totenkult der Weimarer Republik ist, dass es fast nur in abgewandelter Form auftaucht. Entweder wird, wie in Hohrod-Bärenstall und Montdidier, nur der Anfang, oder, wie oben gezeigt, nur das Ende von Schillers Nachdichtung zitiert. Durch diese Abänderungen wurde das Epigramm auch ohne das Exempel der Schlacht an den Thermopylen lesbar, was die soziale Reichweite vergrößerte. Überdies konnte das fragmentierte Epigramm besser aktualisiert und in die Gegenwart „sinngemäß übertragen“ werden, wie die Pfadfinder in Montdidier feststellten. Obgleich bei jedem exemplarischen Vergleich das Grabepigramm auf die Spartiaten seiner historischen Spezifik entkleidet wird, verliert es im politischen Totenkult nach dem Ersten Weltkrieg zusätzlich seine sprachliche Eigenständigkeit. Epigrammanfang und -ende wurden in der Folgezeit für noch mehr Kontexte frei verfügbar. Die Inschriften der Denkmäler von Montdidier und Hohrod-Bärenstall funktionieren auch ohne Bezug auf die Schlacht an den Thermopylen. Wenn allerdings, wie von den Pfadfindern in Montdidier, der Analogieschluss zur Schlacht 126 ) Auf dem rechten Pfeiler steht die oben zitierte Inschrift, auf dem linken: „Wir liegen zusammen in Reih und Glied / Wir standen zusammen im Leben, / Drum gleiches Kreuz und gleicher Schmuck / Ward uns aufs Grab gegeben / Nun ruhen wir aus vom heißen Streit / und harren getrost der Ewigkeit“. 127 ) Kriegsgräberfürsorge 9 (1929), Nr. 12, S. 178. Vgl. Kriegsgräberfürsorge 8 (1928) Nr. 12, S. 189f.; 11 (1931) Nr. 1, S. 6; 13 (1933) Nr. 7, S. 105f.; 15 (1935) Nr. 5, S. 74; 15 (1935) Nr. 10, S. 156; 20 (1940) Nr. 10, S. 142. 128 ) Vgl. für Hohrod-Bärenstall Kriegsgräberfürsorge 13 (1933) Nr. 3, S. 40; Nr. 12, Titel, S. 121; 14 (1934), Nr. 10, S. 157; 15 (1935) Nr. 6, S. 87; 16 (1936), Nr. 10, S. 151; 20 (1940) Nr. 10, o. S.; 12 (1942) Nr. 6/7, o. S.; 14 (1944) Nr. 4/5, o. S.; Nr. 9/10, Titel. Montdidier wird dagegen nicht mehr abgebildet. Mehr besucht wurde der elsässische Kriegerfriedhof wohl auch deshalb, weil in der Nähe die Schlachtfelder des Col de Ligne liegen, auf denen noch die Unterstände zu besichtigen waren.

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

vollzogen wurde, entstand eine suggestive Kontinuität von den 300 Spartiaten zu den unbekannten Soldaten des Sammelgrabes. Der Kriegstod der Deutschen erhält durch den Kriegstod der Spartiaten eine historische Tiefendimension. Gleichzeitig wird die andere historische Zeit aufgerufen und ihre grundsätzliche Alterität geleugnet, wodurch der Kriegstod zu einem in der Geschichte stets präsenten, ,natürlichen‘ Prinzip wird. Im Vergleich wird also Selbstverständlichkeit produziert. Ausgeblendet wird damit, wie sehr sich der Tod in einem Phalanxkampf qualitativ und quantitativ von dem in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges unterschied. Neben den Bedingungen wird – wie meistens auf Kriegerdenkmälern – auch der Vorgang des Sterbens ausgespart.129 Darüber hinaus setzen diese Denkmäler sowie zahlreiche Gedenkredner das Epigramm als Beweis dafür ein, dass das Gedenken an die Toten eines Krieges tatsächlich die Jahrhunderte und alle politischen Systemwechsel überdauert.130 Die Gefallenen des Ersten Weltkrieges mit der Schlacht an den Thermopylen zu vergleichen impliziert grundsätzlich, die Realität qua historischer Vergangenheit zu entzeitlichen und zu naturalisieren. Diesen Vorgang unterstützt der Wortlaut der Inschrift von Hohrod-Bärenstall und Montdidier. Zunächst intendiert diese wie das Spartiaten-Epigramm, dass die Vorübergehenden die Nachricht, die ihnen die Toten aus dem Grab mitteilen, immer und immer wieder in Deutschland verkünden sollen.131 Mit ihrem Rezeptionsauftrag eignet sich diese Inschrift besonders für Kriegerdenkmäler außerhalb des deutschen Reichsgebietes. Der Akzent der imaginären Meldung hat sich gegenüber der Epigramm-Version Schillers vom Ergebnis der Tat („liegen“) auf die Tat selber („gefallen“) verschoben, wobei mit dieser das Mann-Sein – und nicht nur das Soldatendasein – erfüllt wurde. Als Movens der Tat ist „wie das Gesetz es befahl“ durch das gefühlsbetontere „in Treue zur Heimat“ ersetzt. Die Begriffe Treue und vor allem Pflicht und Pflichterfüllung erscheinen in der Weimarer Republik im Zusammenhang mit der Schlacht an den Thermopylen in einer nie da gewesenen Dichte. Zwar sind die Begriffe als Deutung für den 129 )

Vgl. Koselleck, Kriegerdenkmale, S. 266. Vgl. Kaufmann, Fürsorge, S. 49; Hitler, Kampf, S. 224; Arendt, Gesetz, S. 126, 129; Heß, Rede, S. 94f.; Lutzau, Volksbund, S. 2; Blocker, Heldengräber, S. 3; Scholz, Toten, S. 40; Berve bei Hausmann, Geisteswissenschaft, S. 131. 131 ) In diesem Appell unterscheidet sich diese Inschrift von anderen, die den „Wanderer“ zum Gedenken auffordern: z. B. „Wanderer, der du fürbaß ziehst die Straße, laß dir melden: Steh still! Hut ab zum Gebet! Hier ruhen deutsche Helden!“ auf dem Kriegerdenkmal des Waldfriedhofs an der Straße Jurzec Maly – Jedwabno; vgl. Lurz, Erster Weltkrieg, S. 134; „Wanderer, blicke gegen Welten, hinauf zu den Bergen in Ehrfurcht, Helden dort fielen für dich! Wanderer, bete für sie!“ auf einem Feldkreuz auf dem Weg zum Hartmannsweilerkopf; vgl. Kriegsgräberfürsorge 6 (1926) Nr. 4, S. 52; „Wanderer, entblöße Dein Haupt, / Du stehst an heiligem Orte. / Kreuze, von Lorbeer umlaubt, / Künden gewaltige Worte; / Helden gefallen im Ringen / Deutschlands um Ehre und Sein, / Nie wird ihr Name verklingen, / Geheiligt soll er uns sein“ auf dem Kriegerdenkmal in Wicres, Nordfrankreich; vgl. Kriegsgräberfürsorge 8 (1928) Nr. 7, S. 111f.; vgl. auch Lurz, Erster Weltkrieg, S. 89. Weitere Beispiele bei Lurz, Weimarer Republik, S. 304, der alle diese Inschriften als moderne Varianten des Spartiaten-Epigramms bezeichnet, was wenig sinnvoll ist. Gleiches gilt für Lerschs Wanderer steh, vgl. Oppermann, Thermopyleninschrift, S. 125f. 130 )

2.2. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult

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Untergang des Leonidas und seiner Spartiaten nicht neu, und das Epigramm wurde bereits im 19. Jahrhundert in der allgegenwärtigen „Sprache der nationalen Verpflichtung“ 132 aktualisiert, doch diese Deutungskonvention erhält jetzt gleichwohl eine neue Qualität. Denn nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Begriffe Pflicht und Pflichterfüllung verstärkt explizit in die Darstellungen der Schlacht an den Thermopylen eingebunden. Dies betrifft sowohl die Schulbücher als auch insbesondere die Reminiszenzen an die antike Schlacht im politischen Totenkult, wie die bereits zitierten Quellen zeigen.133 Die Motivation der Spartiaten und derjenigen, die mit ihnen verglichen werden, bis zum Tod zu kämpfen, wird auf die Erfüllung der Pflicht konzentriert. Die Sekundärtugend der Pflichterfüllung verdrängte die ehedem zumindest gleichberechtigten Werte, für die gestorben wurde, wie die Freiheit und die politische Partizipation. Diese Reduktion des Exemplarischen der antiken Schlacht auf die Pflichterfüllung fügt sich in den allgemeinen Trend, in dem bereits während des Ersten Weltkrieges im deutschen Gefallenengedenken militärische Wertbegriffe an die Stelle von Kriegszielen traten.134 Die Betonung von Pflichterfüllung und Gehorsam auf den Kriegerdenkmälern stellt dabei ein Pendant zur propagandistischen Mobilisierung der nationalen Leidenschaft dar, wie sie vor und während des Weltkrieges ununterbrochen vorgenommen wurde. Es sind die zentralen Begriffe der militärischen Disziplin, die von jedem einzelnen Soldaten verinnerlicht werden sollten, damit sein Verhalten im Kampf steuerbar wird. Diese durch patriotische Indoktrination internalisierte Disziplin war unter den extremen Kampfbedingungen des Grabenkrieges vielerorts zusammengebrochen.135 Sie wurde in der gleichförmigen Ordnung der Soldatenfriedhöfe, auf denen alle Gräber gleich gestaltet und einheitlich ausgerichtet sind, und teilweise auch in den Inschriften der Denkmäler wiederhergestellt. Die Soldaten der deutschen Wehrpflichtigenarmee blieben über ihren Tod hinaus Soldaten.136 Die Niederlage verstärkte in Deutschland diese allgemeine Tendenz, den Tod im Krieg zu einem Wert an sich zu erklären. Das vollständige Scheitern aller Ziele, für die gekämpft und gestorben worden war, wurde dadurch ausgeklammert. Die im politischen Totenkult der Weimarer Zeit omnipräsente Rhetorik von der mit dem Kriegstod erfüllten Pflicht schließt von vornherein die Fragen nach dem Wofür oder gar dem Warum und damit nach Sinn und Legitimität von Krieg und Kriegszielen aus. Pflichterfüllung wird daher auch nie explizit inhaltlich definiert, sondern lediglich als Maxime kommuniziert, die jederzeit und uneingeschränkt für 132 )

Geyer, Kriegsgeschichte, S. 149; s. auch Kap. III .1.2. Vgl. auch Kaufmann, Fürsorge, S. 49; Liebe, Soldat, S. 175; Heß, Rede, S. 129; Bangert, Totenburg, S. 133; Berve bei Hausmann, Geisteswissenschaft, S. 131. Eines der frappantestes Beispiele stammt bereits aus dem Zweiten Weltkrieg: „Wanderer, kommst Du nach Deutschland, so verkündige dorten, Du habest uns hier liegen sehen, wie das Gesetz und unsere Pflicht es uns befahlen!“ Blocker, Heldengräber, S. 3. 134 ) Vgl. Lurz, Erster Weltkrieg, S. 30, 150–152; Lurz, Weimarer Republik, S. 315–325. 135 ) Vgl. Bröckling, Disziplin, S. 200–220. 136 ) Vgl. Lurz, Weimarer Republik, S. 123–129; Ziemann, Kriegserinnerungen, S. 383; Brandt, Kriegsschauplatz, S. 153. 133 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

männliches Handeln Geltung hat, und zwar auch im zivilen Leben.137 Die Inschrift auf den Denkmälern von Hohrod-Bärenstall und Montdidier verbindet den Soldatentod mit Treue und Männlichkeit, wodurch erstens das Mann-Sein durch die Erfüllung der Pflicht bestimmt und im Tod vollendet ist, zweitens die Pflichterfüllung zur männlichen ,Natur‘ wird und drittens die Verantwortlichkeit für den Tod im Krieg bei jedem einzelnen Mann liegt. Die kausale Dreiecksbeziehung von Kriegstod, Pflichterfüllung und Mann-Sein produziert eine Form absoluter Gültigkeit, die allein deshalb ,wahr‘ ist, weil in den Sammelgräbern wirklich tote Soldaten liegen. Diese durch die Logik der Inschrift und die Wirklichkeit des Ortes erzeugte ,Wahrheit‘ bestätigen die Besucher des Friedhofs durch Affirmation insofern, als sich die Aussage der Inschrift angesichts der Toten, unter denen sich vielleicht einer ihrer Angehörigen befindet, kaum in Frage stellen lässt. Mit der Akzeptanz der Inschrift wird das von den toten Soldaten erfüllte Männlichkeitsideal für die männlichen Rezipienten zur Norm.138 Bezeichnenderweise findet sich in der Akte des VDK zu Montdidier eine Äußerung von 1958, dass das „jedem alten Volksbund-Angehörigen bekannte Ehrenmal, das hinter dem KameradenGrab stand“, die Inschrift trage: „Wanderer verkünde der Heimat, daß wir als Männer gefallen“.139 Die offenkundig auswendig zitierte Inschrift erscheint auf die wesentliche Aussage verkürzt. Allgemein wird im Totenkult der Weimarer Republik aus der von den toten Soldaten bereits erfüllten Pflicht sowohl die Verpflichtung zum Gedenken eingefordert, die für beide Geschlechter gleichermaßen gilt, als auch die Pflicht speziell für die jungen Männer abgeleitet, den Kriegstod als Männlichkeitsideal anzuerkennen.140 Der Begriff der Pflicht steht, wie die Quellenbeispiele zeigen, in einer besonders engen Beziehung zu dem „wie das Gesetz es befahl“ der Epigramm-Nachdichtung Schillers. Diese wurde, wie die Schulbuchanalyse gezeigt hat, erst in den Geschichtsbüchern der Weimarer Zeit endgültig zu der deutschen EpigrammVersion und zur Deutungsformel für die gesamte Schlacht. Auch wenn „wie das Gesetz es befahl“ im Sinne des kategorischen Imperativs von einem Soldaten des Ersten Weltkrieges als „das moralische Gesetz schlechthin“ 141 gedeutet wurde, war es in seiner Verwendung nach dem Krieg in der Regel gleichbedeutend mit einem männlich-militärischen Ehrenkodex, der die Moralität der Handlungsziele und damit die Legitimität des militärischen Handelns aussparte. Das Spartiaten-Epigramm bzw. das Fragment „wie das Gesetz es befahl“ wurde im politischen Totenkult der Weimarer Zeit zu einer Formel, mit der vordergründig die Moralität 137 )

Vgl. Keppler, Leben, S. 125; Reminiscere, S. 134. Zur Verschränkung von Mann-Sein und Mann-Sein-Sollen vgl. Bourdieu, Herrschaft, S. 188f. 139 ) VDK , Akte Montdidier, ohne Paginierung. 140 ) Vgl. z. B. Heß, Rede, S. 126–133, vor katholischen Jünglingen: „Aber lieber wünsche ich euch Krieg und Heldentod, als daß weitere Hunderttausende und Millionen unserer deutschen Jungens faulen und verfaulen in Verweichlichung und Nichtstun, in Vergnügungssucht und jeglicher Zuchtlosigkeit, in der Sünde gegen Gott und Vaterland und gegen unsere Helden.“ ebda. S. 132. 141 ) Fittbogen, Gesetz, S. 370. 138 )

2.2. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult

287

militärischen Handelns schlechthin kommuniziert wurde. Von dieser Verwendung des Epigramms im politischen Totenkult nach dem Ersten Weltkrieg führt eine direkte Linie zu Hermann Görings Vergleich zwischen Stalingrad und der Schlacht an den Thermopylen (s. Kap. III.3.1). Generell veränderte sich die Rezeption des antiken Ereignisses im Gefallenengedenken während des Zweiten Weltkrieges nicht grundsätzlich.142 Mit der Begrifflichkeit der Pflichterfüllung, die mit dem Spartiaten-Epigramm verbunden ist, korrespondiert unmittelbar der vielleicht wirkmächtigste Diskurs der revisionistischen Rechten in der Weimarer Republik, die Legende vom ,Dolchstoß‘ in den Rücken des ,im Feld unbesiegten‘ deutschen Heeres.143 Die im Soldatentod erfüllte Pflicht und der Verrat der Heimat definieren sich gegenseitig, und auch für diesen Verrat in den eigenen Reihen gab es bei der Schlacht an den Thermopylen eine Figur: Epialtes. Insbesondere Hitler pflegte mitunter die parlamentarischen Vertreter der Sozialdemokratie als „Ephialtesse“ zu bezeichnen.144 Aber auch im Gefallenengedenken wurden die Opferbereitschaft der Soldaten einerseits und der heimtückische ,Dolchstoß‘ andererseits mit der Schlacht an den Thermopylen verbunden: Hörten wir ehemals als lernende Schüler vom Waffengang in den Thermopylen, wo sich Perser und Spartaner schlugen, und wo Leonidas seinem Nachfolger das Beispiel unbedingter Hingabe zeigte, – immer trieb uns die Botschaft hellen Zorn ins Gesicht, daß es damals auch einen Ephialtes gab, der den Leonidas um gierigen Herostratenlohn verriet. Und wir meinten im Hochgefühl jungen, reinen, noch von keiner sophistischen Trübung umwölkten Denkens, daß im eigenen Volk die Wiederkehr hingebungsbereiter Naturen immer wieder möglich sein werde; doch einen Ephialtes, nein, einen Ephialtes könne es nimmer geben in alle Ewigkeit, nachdem der eine, der erste in den Thermopylen, sich unsterblich machte im Abscheu einer ihn verachtenden Welt. Wir hatten uns ein wenig getäuscht. Denn was, um vom großen Weltkrieg zu reden, wohl zwei Millionen Söhne und Brüder durch ihr Blutopfer erfüllten, das haben geringe Feiglinge im Rücken der Hingegebenen zu verderben gewußt.145

Diese Quelle aus der Kriegsgräberfürsorge zeigt, wie eng das Gedenken an die toten Soldaten mit den politischen Auseinandersetzungen verflochten ist. Allerdings stammt sie erst aus dem Zweiten Weltkrieg, und solange die Weimarer Republik existierte, hielt sich der VDK , der auf eine Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen angewiesen war, mit offen antirepublikanischen Äußerungen zurück.146 Diese Verbindung zur Dolchstoß-Legende hatte direkte Auswirkungen auf die Deutung des Epigramms, selbst wenn Epialtes nicht erwähnt wurde. Deutlich wird dies in Hitlers Mein Kampf, wo er mit dem Zitat des abgewandelten Epigramms fordert, die toten Soldaten, die nach entbehrungsreichen Jahren in Trommelfeuer 142 ) Vgl. Berve bei Hausmann, Geisteswissenschaft, S. 131; Blocker, Heldengräber, S. 3; Scholz, Toten, S. 40; Bangert, Totenburg, S. 132. Das Fragment „wie das Gesetz es befahl“ konnte als Titel von Anthologien von Weltkriegsdichtern oder von Gedichte dienen, die nichts mit der Schlacht an den Thermopylen zu tun haben: Wie das Gesetz es befahl (1940); Jünemann, Wie das Gesetz es befahl (1941), S. 296f. 143 ) Vgl. Ziemann, Kriegsveteranen, S. 110–118. 144 ) Vgl. Hitler, Kampf, S. 707; weitere Stellen bei Lorenz, Hitler, S. 424 mit Anm. 116. 145 ) Steguweit, Tod, S. 36. 146 ) Vgl. Zilien, Volksbund, S. 465– 469.

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

und Gas verraten worden seien, angemessen zu ehren (s. o.). Da für ihn die Verräter identisch mit der Weimarer Koalition und daher mit der Republik sind, wird die imaginäre Meldung des Epigramms zur Verkündigung der Schmach, zur Anklage der Weimarer Republik, durch deren Verrat die Soldaten auf verlorenem Posten gestorben seien. Voraussetzung für diese Deutung ist, dass die im politischen Totenkult allgegenwärtigen affirmativen Bezugsgrößen ,Heimat‘ und ,Vaterland‘, die auch in den Epigramm-Abwandlungen auftauchen, nicht das politische System meinten, und zwar weder die Monarchie noch die Republik.147 Das Epigramm, das in seiner Grundbedeutung dafür steht, ein herrschendes politisches System zu bestätigen, wurde im Gefallenengedenken der Weimarer Republik von revisionistischen Kreisen dazu eingesetzt, den bestehenden Staat zu delegitimieren. Wie stark die Schlacht an den Thermopylen in den revisionistischen Kreisen der Weimarer Republik präsent war, zeigt auch die Tatsache, dass man sich darüber lustig machte. Das kurze Theaterstück von Konrad Bernhard Müller Ede und Ajax vor den Thermopylen von 1927, das vermutlich als Kabarettnummer gedacht war, ist eine der seltenen Persiflagen auf die Schlacht an den Thermopylen. In der ersten Szene trifft der Berliner Ede unvermittelt auf Ajax, einen spartanischen Soldaten, der in freier Natur die Thermopylen gegen die Perser bewacht. Nach anfänglichen Verständigungsproblemen entspannt sich zwischen dem Berliner und dem Spartiaten ein grotesker Dialog, der assoziativ um die Themen Krieg, Soldatentod und militärische Ehre kreist. Das Wort führt Ede, und zwar in breitestem Berliner Dialekt, der laut Regieanweisung in anderen Gegenden der jeweiligen Mundart angepasst werden soll.148 Der Dialekt verfremdet das bildungsbürgerliche antike Sujet, verhindert von vornherein jegliches Pathos und ermöglicht Wortspiele wie „Kriechervereine un Kriecherdenkmäler“ und „kriecherische Kriecher aus Jriechenland“.149 Am Ende der Szene eilt Ajax zur Verteidigung der Thermopylen. In der zweiten, sehr viel kürzeren Szene trifft endlich der Polizist ein, den Ede zu Beginn gerufen hat, als er feststellte, dass Ajax im Kostüm eines spartanischen Kriegers keine Hosen anhat, was ihm sehr sittenwidrig vorkommt. Der Polizist will stattdessen Ede wegen Staatsbeleidigung verhaften. Das fast handlungslose Stück beginnt und endet offen mit von Ede vorgetragenen Liedparodien. Zu den Melodien „O alte Burschenherrlichkeit“ und „Morgenrot, Morgenrot“ singt er neue, militärkritische Texte.150 Edes Spott trifft alle Diskurse, Begriffe und Symbole des Militärischen. Das Stück reflektiert die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen, lässt sich also als Rezeption der Rezeption bezeichnen, und kommentiert die Praxis des exemplarischen Vergleichs 147 )

Vgl. Lurz, Weimarer Republik, S. 315–324; Zilien, Volksbund, S. 463f. Vgl. Müller, Ede, S. 2. 149 ) Beide Zitate: Müller, Ede, S. 4. 150 ) Aus dem ersten wird „Du olle Militär-Drillzeit“; vgl. Müller, Ede, S. 3; auf das zweite dichtet er in der zweiten Strophe „Morjenrot, Morjenrot! / Nee, ick jeh nich in den Tod! Denn ick lasse leben jeden, / Heißt es doch: du sollst nich töten, / Weil wir alle Brüder sind!“; Müller, Ede, S. 8. Diese Praxis, bekannte Lieder militärkritisch umzudichten, war in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges eine verbreitete Form, sich von der patriotischen Indoktrination zu distanzieren; vgl. Latzel, Sterben, S. 63–65. 148 )

2.2. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult

289

samt seinen Effekten in ironischer Brechung. So übersetzt Ede konsequent alles in seine Berliner Gegenwart: Die Thermopylen werden zum „jriechischen Müggeljebürge“, Sparta zum „kleenen obskuren Vorort an der Spree“, die Perser zu Franzosen, Engländern, Russen, Italienern und Amerikanern und Leonidas zu „ooch so eener von Jottes Jnaden“.151 Die antike Vergangenheit wird zur provinziellen Gegenwart. In diesen Vergleichen ist das übliche Verfahren des historischen Exempels, nämlich das aktuelle Ereignis durch den Verweis auf die Schlacht an den Thermopylen aufzuwerten, umgedreht, um die exemplarische Dimension der Schlacht zu zerstören. Der antiken Niederlage ist damit als Vorbild für normative Verhaltens- oder Handlungsmuster der Boden entzogen. Wie generell bei den Persiflagen der Schlacht an den Thermopylen setzt auch dieses Stück nicht nur voraus, dass die antike Schlacht den Rezipienten bekannt, sondern auch dass sie auf eine bestimmte Deutung bzw. einen Verwendungskontext festgelegt ist. Nur vor der Folie, dass mit dem historischen Exempel normalerweise ein spezifisch männlichmilitärisches Heldentum definiert, normiert und legitimiert wird, kann das Stück seine Komik entfalten. In Ajax, der zum Kostüm des spartanischen Kriegers ein Monokel trägt, steht nicht nur die spartanische, sondern auch die wilhelminische Vergangenheit auf der Bühne. Im Laufe des Stückes identifiziert ihn Ede als „Jroßjrundbesitzer, Jroßagrarier“.152 Ajax verkörpert damit den spartanischen Krieger und adligen, wilhelminischen Offizier in einer Person und repräsentiert darüber hinaus auch den Bildungsgegenstand ,Schlacht an den Thermopylen‘. Als Element antiken Bildungswissens war die Schlacht gerade während des Ersten Weltkrieges häufiger verwendet worden, um die praktische Relevanz humanistischer Bildung herauszustellen, durch die sich das Bildungsbürgertum der Kaiserzeit definierte (s. Kap. III .1.2). Ede argumentiert dagegen mit dem Erfahrungswissen eines Berliner Kleinbürgers, mit dem er jegliche nationalistisch-patriotische Logik unterläuft. So entgegnet er der Auffassung von Ajax, für das Vaterland zu sterben sei für Hof, Weib und Kind zu sterben: Aber für meine Laube lasse ick mir nich dotschießen un für die drei Kohlköppe un fünf Jurken aus meinem Jarten ooch nich [. . .].153

Diese Alltagslogik lässt die kulturelle Absicherung von militärischem Heldentum durch das antike Exempel zusammenbrechen. Die Männlichkeit, die mit dem militärischen Heldentum verknüpft ist, wird gesondert destruiert. So bezeichnet Ede den spartanischen Krieger im roten Chiton mehrfach als „Transvestite im roten Rock“,154 d. h. als ,anomalen‘ Mann. Diese Form von Männlichkeit zeichnet sich durch eine sichtbare Nähe zur Weiblichkeit aus und wird gleichzeitig – zeittypisch – jüdisch konnotiert.155 Das männlich-militärische Heldentum wird somit auf allen Ebenen lächerlich gemacht. 151 )

Zitate der Reihe nach Müller, Ede, S. 6; 4; 5; 6. Müller, Ede, S. 5. 153 ) Müller, Ede, S. 5. 154 ) Vgl. Müller, Ede, S. 6, 7. 155 ) Vgl. Müller, Ede, S. 3: „Männecken, ick sollte dir doch mal irjendwo bei so’ner Maskerade jesehen haben, so im Scheunenviertel rum, oder beim Trödler in der Aujuststraße.“ Im 152 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

Obwohl Ajax als eine unzeitgemäße, lächerliche Gestalt aus vergangenen Zeiten erscheint, wird seine Präsenz im Stück dennoch als gefährlich charakterisiert, wenn Ede sagt „Du siehst mir janz nach Rechtsputsch aus!“ und ihn als „Rechtsspartakiste“ und „Faschißte“ 156 beschimpft. Dadurch wird Ajax, der Inbegriff der militaristischen Werthaltungen der alten wilhelminischen Elite, mit den umstürzlerischen, nationalistisch-sozialrevolutionären Bewegungen verbunden. Diese Ineinanderblendung vereint die gesamte antirepublikanische Rechte der Weimarer Republik in der Figur des Spartiaten und macht ersichtlich, dass wichtige Gemeinsamkeiten dieser zwei rechten Gruppen, die sich nach sozialer Zusammensetzung und politischer Weltanschauung deutlich unterschieden, Militär- und Kriegsverherrlichung sowie ein spezifisches Konzept männlich-militärischen Heldentums waren. Das Stück lässt damit einerseits darauf schließen, in welchen politischen Kreisen die antike Schlacht vorwiegend rezipiert wurde, was ihrer Verwendung im politischen Totenkult entspricht. Andererseits weist das Stück darauf hin, dass sich die ,Gebildeten‘ der alten wilhelminischen Eliten mit den nationalistisch-sozialrevolutionären Bewegungen über bestimmte Deutungsmuster und kulturelle Referenzmodelle wie die Schlacht an den Thermopylen grundsätzlich verständigen konnten. Die Tatsache, dass es überhaupt eine Persiflage der Schlacht an den Thermopylen aus den 1920ern gibt, zeigt, dass zumindest in der Großstadtkultur Berlins Kritik an der Verwendungspraxis der antiken Schlacht und den mit ihr verbundenen Deutungsmustern geübt wurde. Obwohl ab der Mitte der 1920er Jahre im politischen Totenkult Deutschlands militaristische Sinnstiftungen dominierten, zu denen auch die Schlacht an den Thermopylen verwendet wurde, waren diese nicht unangefochten. Die Deutungskultur des Ersten Weltkrieges war grundsätzlich pluralistisch allerdings wurden die pazifistischen Deutungsmuster Anfang der 1930er Jahre an den Rand gedrängt.157 Die starke Präsenz der Schlacht an den Thermopylen im politischen Totenkult nach dem Ersten Weltkrieg ist in mehrfacher Hinsicht für die Rezeptionsgeschichte der Schlacht im Deutschland des 20. Jahrhunderts von Bedeutung. Zunächst wurde das antike Ereignis außerhalb von Schule und Universität rezipiert und erhielt damit in einem Bereich jenseits der Bildungsinstitutionen Relevanz. Damit vergrößerte sich seine Breitenwirkung. Zentral ist, dass die antike Schlacht in der Praxis des Gefallenengedenkens als Exempel verwendet und somit in einem Teilbereich der Gesellschaft zum überzeitlichen Verhaltens- und Orientierungsmodell wurde. Da die Absicht, das Gedenken an tote Soldaten zu verewigen, immer ein Ausblenden von Spezifik impliziert, bedeutete die Rezeption im politischen Totenkult für das antike Ereignis einen enormen Enthistorisierungsschub. Dieser betraf vor allem auch das Grabepigramm auf die Spartiaten. Während Schillers Nachdichtung in den 1920er Jahren endgültig zu der deutschen Epigramm-Version Scheunenviertel und in der Augustusstraße wohnten vor allem die aus Osteuropa eingewanderten Juden. Vgl. auch Ziemann, Kriegsveteranen, S. 112–114. 156 ) Zitate der Reihe nach Müller, Ede, S. 6, 8. 157 ) Vgl. Brandt, Kriegsschauplatz, S. 190.

2.2. Das Spartiaten-Epigramm im politischen Totenkult

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wurde, verlor diese zeitgleich durch die Aktualisierungen im politischen Totenkult de facto ihre sprachliche Einheit und historische Spezifik. Im Kontext des Gefallenengedenkens wurde das Epigramm erstmals in großem Umfang in die zwei Teile „Wanderer, kommst Du nach Sparta“ und „wie das Gesetz es befahl“ zerlegt, was die Literarisierung und Trivialisierung des Epigramms beförderte.158 Die Rezeption des Exempels der Schlacht an den Thermopylen im politischen Totenkult braucht den Kontext des antiken Sparta nicht und ist daher von der zeitgleichen wissenschaftlich-literarischen Spartarezeption unabhängig.159 Wohl aber bewegt sich die mit dem Exempel verfolgte Sinnstiftung im gleichen politischen Spektrum wie die Neudeutungen des spartanischen Staates. Zudem wirft die Aktualisierung der antiken Schlacht im Gefallenengedenken ein neues Licht auf den Befund, dass sowohl in den Schulbüchern als auch in den wissenschaftlichen Werken seit der Mitte der 1920er Jahre die Exemplarität der Schlacht auffällig betont wurde, häufig sogar durch eine explizite Würdigung. Dieses Phänomen erklärt sich zum Teil aus einem allgemeinen Trend in der Geschichtswissenschaft dieser Zeit, die Gegenwartsrelevanz ihrer Untersuchungsgegenstände zu betonen und die Forschungsergebnisse in populärer Form darzustellen. Doch gibt es einen Hinweis darauf, dass die außerwissenschaftliche Thermopylen-Rezeption im politischen Totenkult und die Betonung ihrer Exemplarität in den wissenschaftlichen Werken miteinander zusammenhängen. So gedachte Berve auf der Frühjahrstagung der altertumswissenschaftlichen Sektion des Großforschungsunternehmens Geisteswissenschaft im Kriegseinsatz 1941 der gefallenen Kollegen mit folgenden Worten: Sie erfüllten als echte deutsche Männer die Pflicht, die einst schon Hellenen und Römern als die heiligste galt. Auch von ihnen, denen gleich, die bei Thermopylai fielen, töne ewig das Lied, ein Altar sei uns ihr Grab und zum Ruhmessang werde die Klage um sie.160

Berve ahmt hier die Zeile „ihr Grab ein Altar, statt Trauerklage ewiges Gedenken“ des Enkomions von Simonides nach, das Diodor überliefert (s. Kap. I.2.2). Außerdem greift er die Formulierung „derer, die bei Thermopylae sanken, tönet ewig das Lied“ auf, mit der er seinen Spartaaufsatz von 1931 schließt.161 Daran wird ersichtlich, wie nah für Berve die exemplarische Bedeutung der Schlacht, in der für ihn das gesamte bewunderte spartanische Staatswesen kulminiert, und eine aktualisierende Übertragung auf die Gefallenen eines gegenwärtigen Krieges beieinander lagen. Die Exemplarität, die in den Schulbüchern und wissenschaftlichen Werken seit Mitte der 1920er Jahre dem antiken Ereignis zugeschrieben wurde, lässt sich folglich auch dadurch erklären, dass sie zeitgleich zur Deutung und kulturellen Absicherung der eigenen Kriegstoten verwendet wurde. Daher waren es weniger die persönlichen Kriegserfahrungen, die das besondere Interesse der deutschen Altertumswissenschaftler an der Schlacht an den Thermopylen bzw. an Sparta begründeten, sondern die gesellschaftlichen Deutungsmuster, in denen Krieg und Gegen Baumbach, Epigramm, S. 20–22. Anders Rebenich, Thermopylae, S. 324. 160 ) Zit. nach Hausmann, Geisteswissenschaft, S. 131. 161 ) Berve, Sparta (1931), S. 216. 158 )

159 )

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2. Die Schlacht an den Thermopylen zwischen den Weltkriegen

Massentod erinnert wurde.162 Die unmittelbare Relevanz des antiken Ereignisses wurde eher in der Praxis des Gefallenengedenkens hergestellt als von der Wissenschaft. Indem von den wissenschaftlichen Werken und den Schulgeschichtsbüchern die Aktualität der antiken Schlacht betont wurde, gaben somit die Bildungsinstitutionen ihre Definitionsmacht über das Ereignis teilweise auf. Die Verwendung der Schlacht an den Thermopylen im politischen Totenkult führte dazu, dass bestimmte Deutungen, wie die ,Pflichterfüllung‘, die bereits existierten, neu betont wurden und dabei ältere verdrängten. So diente die Schlacht an den Thermopylen, anders als in der Frühzeit des politischen Totenkultes, nun nicht mehr als Modell für einen spezifisch bürgerlichen Soldatentod in einer Freiwilligen- oder Wehrpflichtigenarmee, bei dem die Pflicht, für das Vaterland im Notfall sein Leben zu lassen, mit den Rechten politischer Partizipation, persönlicher Freiheit, Besitz und Rechtssicherheit verbunden war. Übrig blieben nur die militärischen Pflichten. Die ,Entbürgerlichung‘ der Schlacht an den Thermopylen in der wilhelminischen Kaiserzeit machte es unmöglich, sie im politischen Totenkult der Weimarer Republik für eine republikanische Sinnstiftung zu nutzen. Der Zusammenhang zwischen dem Thermopylen-Exempel und der Existenz einer Wehrpflichtigenarmee blieb allerdings bestehen, weshalb die Niederlage auch ungebrochen für die gefallenen Wehrpflichtigen der NS -Diktatur benutzt werden konnte.

162 ) Anders Rebenich, Thermopylae, S. 328; Christ, Spartaforschung, S. 41. Zum Einfluss der Fronterfahrung auf das historische Arbeiten vgl. Cornelißen, Frontgeneration, S. 311– 337; allgemein vgl. Koselleck, Einfluß, S. 324–343.

3.1. Die Thermopylen in Stalingrad

293

3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg 3.1. Die Thermopylen in Stalingrad. Hermann Görings Rede zum zehnten Jahrestag der ,Machtergreifung‘ am 30. 1. 1943 Der zehnte Jahrestag der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler Ende Januar 1943 stand ganz im Zeichen der in Stalingrad durch sowjetische Verbände eingeschlossenen und bereits fast vernichteten 6. Armee. Es gab keine Festakte, keine Beflaggung, kein Schulfrei und keine Führerrede. Niemals zuvor im nationalsozialistischen Deutschland war die Stimmung der deutschen Bevölkerung so angespannt gewesen.1 In einer Mischung aus groben militärstrategischen Fehlentscheidungen, halsstarrigen Kapitulationsverweigerungen Hitlers und Vertuschungspolitik gegenüber der eigenen Bevölkerung hatte sich das NS -Regime in eine prekäre Situation laviert.2 Während die seit Ende November in der Wolgametropole eingeschlossenen 22 Divisionen verhungerten, erfroren und seit Mitte Januar von der sowjetischen Offensive überrannt wurden, wusste die deutsche Bevölkerung von offizieller Seite nicht viel mehr, als dass die Kämpfe nicht planmäßig verliefen.3 Am 30. Januar stand die endgültige Niederlage unmittelbar bevor: Am Tag darauf kapitulierte der Oberbefehlshaber Friedrich Paulus im südlichen Kessel; am 2. Februar stellte der Nordkessel den Kampf ein. Von den ungefähr 290 000 eingeschlossenen Mann gingen noch etwa 91 000 in russische Kriegsgefangenschaft; rund 25 000 Verwundete und Spezialkräfte wurden aus dem Kessel ausgeflogen.4 Die genauen Verlustzahlen der Wehrmacht sind bis heute nicht zu ermitteln, was auf die chaotischen Zustände im Kessel verweist. Dem Reichsmarschall und Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring fiel die Aufgabe zu, im Ehrensaal des Reichsluftfahrtsministeriums vor ausgesuchten Vertretern der Wehrmacht zu Stalingrad Stellung zu nehmen. Die Rede wurde auf allen deutschen Rundfunksendern ausgestrahlt und in ,Gemeinschaftsempfang‘ in allen Schulen, Lazaretten und Saalgaststätten, privat wie auch überall an der Front gehört.5 Göring versuchte in seiner Rede den Spagat, einerseits des Jahrestags gebührend zu gedenken und andererseits die grundsätzlichen wie akuten Probleme des Russlandfeldzugs zu vermitteln. Von der Rede gibt es zwei 1)

Vgl. Boberach, Stimmungsumschwung, S. 61–66. Vgl. im Folgenden: Beevor, Stalingrad, S. 381– 426; Förster, Legenden, S. 325–337; Ueberschär, Stalingrad, S. 20– 42; Ulrich, Stalingrad (2005), S. 37–112; Wette, Massensterben, S. 43–60. 3 ) Vgl. OKW -Berichte vom 22. 1. 1943, S. 427, und vom 25. 1. 1943, S. 429. 4 ) Vgl. Beevor, Stalingrad, S. 449, 453; 465; ausführliche Diskussion S. 498f. Ingesamt etwas höhere Zahlen bei Ueberschär, Stalingrad, S. 19; vgl. auch Ulrich, Stalingrad (2002), S. 342; Förster, Legenden, S. 335. Ingesamt dürften sich die Verluste der Deutschen und ihrer Verbündeten für die gesamte Belagerung Stalingrads auf 500 000 Mann belaufen haben, was in etwa den Verlusten der Roten Armee entspricht. 5 ) Vgl. Wette, Massensterben, S. 52. 2)

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

verschiedene Fassungen; zum einen die am 30. Januar vom Radio übertragene,6 zum anderen die vom Propagandaministerium überarbeitete Version, die für die Printmedien bestimmt war.7 Die Eingriffe sind immerhin so deutlich, dass die BBC am 5. Februar im deutschen Programm die Sendung Censored Reichsmarschall ausstrahlte, in der die beiden Versionen einander gegenüber gestellt wurden, um die propagandistische Lenkung der deutschen Medien offen zu legen.8 Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass neben einer Vielzahl kleinerer stilistischer Veränderungen konsequent „Russland“ und „Russen“ durch „Sowjetunion“ bzw. „Bolschewisten“ ersetzt wurden, was den weltanschaulichen Charakter des Krieges hervorhob. Des Weiteren wurden alle Stellen weggelassen, die in irgendeiner Form Kritik thematisieren,9 wie auch ein Abschnitt, dessen „soldatisch harte Worte [. . .] von der Selbstverständlichkeit des Soldatentodes“ laut Bericht des Sicherheitsdienstes (SD ) besonders bei den Frauen, die Angehörige in Stalingrad wussten, „tiefe Erschütterung“ ausgelöst hatte.10 Auch die Stelle über die Schlacht an den Thermopylen wurde für die Presse-Version verändert. Göring beginnt seine Rede mit einem Rückblick auf die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und endet mit einem wortreichen Glaubensbekenntnis an den von der Vorsehung gesandten Führer und den zu erwartenden deutschen Endsieg. Zum Hauptthema der Rede, dem Russlandfeldzug, leitet Göring mit einer typisch nationalsozialistischen Argumentation über, nämlich, dass dieselben Feinde, die Hitler gerade im eigenen Land besiegt hatte, Deutschland einen Krieg aufgedrängt hätten. Diese Feinde seien Plutokratie und Bolschewismus, hinter denen letztlich das Judentum stehe. Mit Blick auf den Krieg gegen die Sowjetunion hebt Göring dessen weltanschaulichen Charakter hervor, weswegen Russland ein besonders gefährlicher und zäher Gegner sei. Um den militärischen Gegner zu beschreiben greift der Reichsmarschall zum Stereotyp des Zivilisationsvernichters aus dem Osten. Grausamkeit und Unmenschlichkeit kennzeichneten ,den Bolschewisten‘ ebenso wie sein Auftreten in „Horden“ und „gewaltigen Massen“.11 Das Leitmotiv, das die Ausführungen zum Russlandfeldzug und zu Stalingrad durchzieht, ist, dass Deutschland im Osten Europa vor der „bolschewistischen Blutwelle“ rette.12 In 6 ) Von dieser Fassung existiert die Transkription einer Tonbandaufnahme von Krüger, Etzels Halle, S. 170–187. Im Folgenden: Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle. Vgl. allgemein zur Rede auch Wette, Massensterben, S. 51–53; Krüger, Etzels Halle, S. 154–160. 7 ) Vgl. Völkischer Beobachter Nr. 33 vom 2. 2. 1943, S. 3 f.; Die Front Nr. 496, o. S. Es existiert keine kritische Edition. Die umfassendste Edition der Presse-Version ist: Göring, Appell, S. 92–99, in der der Text allerdings um ca. die Hälfte gekürzt ist, und die Auslassungszeichen recht willkürlich gesetzt sind. Ein kleiner Auszug der Rede auch bei Wieder, Stalingrad, S. 327 f. 8 ) Vgl. Bramsted, Goebbels, S. 403 mit Anm. 43. 9 ) Vgl. Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 177, 182. 10 ) Meldungen aus dem Reich 1. 2. 1943, S. 4732. Vgl. Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 184, von „Für’n Soldaten ist zunächst mal [...]“ bis „[...] wenn er ein Mannsbild ist.“ 11 ) Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 175, 179. 12 ) Göring, Appell, S. 94. In der Rede-Version heißt es: „Solange dieses [Deutschland] steht, ist Europa für den Bolschewismus die größte Gefahr, der Felsen, an dem sich seine Blutwelle brechen wird.“ Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 176.

3.1. Die Thermopylen in Stalingrad

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Russland verteidige Deutschland das Abendland „mit seiner ganzen Vergangenheit, seiner Kultur, seiner Größe, den unerhörten Werten“.13 In dieser Argumentationsfigur wird in der Rede auch die Niederlage in Stalingrad präsentiert und impliziert, dass für den deutschen Russlandfeldzug Angriff und Verteidigung ins Gegenteil verkehrt sind. Im Abschnitt über Stalingrad, der die katastrophale Niederlage weder annähernd realistisch darstellt noch in irgendeiner Hinsicht sachlich erklärt, wird auf mehreren Ebenen ,Sinn‘ produziert. Zum einen werden eher beiläufig und recht unpräzise die militärstrategischen Gründe genannt, nach denen in Stalingrad „diese sechzig, siebzig, achtzig russische Divisionen“ – in der Presse-Version sind es nur noch „sechzig oder siebzig“ – gebunden gewesen seien, mit denen ansonsten der Gegner sein Ziel, Europa zu vernichten, hätte erreichen können.14 Weiterhin hätten sich die Soldaten in Stalingrad geopfert, „damit wir alles ordnen“ konnten,15 Begründungen, die sich häufig in Äußerungen zu Stalingrad finden.16 Obwohl diese recht unzulänglichen Angaben unter der bombastischen Heldenrhetorik der Rede fast untergehen, klammerte sich, wie der SD berichtete, die Bevölkerung besonders an sie, um sich das Massensterben in Stalingrad zu erklären.17 Zum anderen wird Stalingrad ein ,Sinn‘ gegeben, indem das ,Opfer‘ an sich als wertvoll deklariert und in eine weltgeschichtliche Dimension gestellt wird. So werden die zum Zeitpunkt der Rede noch andauernden Kämpfe aller Faktizität und Gegenwärtigkeit enthoben. Stalingrad sei „der größte Heroenkampf“ der deutschen Geschichte, ein „gewaltiges Monument“, an das sich jeder Deutsche „noch in tausend Jahren“ mit „heiligem Schauer“ erinnern werde.18 Nicht die Vorgänge selbst werden thematisiert, sondern bereits die gegenwärtige wie zukünftige Erinnerung an sie. Stalingrad hat hier bereits die Eigenschaften eines historischen Exempels, über dessen Dynamik – das dialektische Verhältnis von Zeitlichkeit und Überzeitlichkeit – das keineswegs abgeschlossene ,Opfer‘ aus sich heraus sinnvoll wird. Konsequent wird auch die persuasive Grundfunktion des Exempels umgesetzt. Stalingrad wird den jungen Soldaten, die Göring direkt anspricht, als Vorbild für Soldatentum, Pflichterfüllung und Opferbereitschaft empfohlen und der Wehrmacht insgesamt die Verpflichtung auferlegt, sich dieses ,Opfers‘ würdig zu erweisen.19 Auch die Mobilisierung der gesamten Bevölkerung, die in Goebbels SportpalastRede Wollt ihr den totalen Krieg? am 18. Februar ihren Höhepunkt fand, wurde aus der Verpflichtung gegenüber dem ,Opfer‘ der Stalingradkämpfer abgeleitet.20 13 )

Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 177. Vgl. auch ebda. S. 173, 175f., 180. Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181; Göring, Appell, S. 96. 15 ) Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 184. 16 ) Vgl. Ehmer, Schild, S. 1; Luftflotte West Nr. 3 vom 5. 2. 1943, S. 9; Günther, Unsterbliche, o. S. Diese militärstrategischen Erklärungen sind falsch, denn die Russen hatten in der letzten Woche der Belagerung bereits Divisionen abgezogen; vgl. Seydlitz, Stalingrad, S. 244. 17 ) Vgl. Meldungen aus dem Reich 1. 2. 1943, S. 4732. 18 ) Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 180; vgl. Göring, Appell, S. 95. 19 ) Vgl. Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181, 186; Völkischer Beobachter Nr. 33 vom 2. 2. 1943, S. 4. 20 ) Vgl. Wegner, Hitler, S. 506f.; Rusinek, Volk, S. 33–36. 14 )

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

Zur Entzeitlichung der Kämpfe um Stalingrad tragen in der Rede auch Vergleiche mit vernichtenden militärischen Untergängen aus der Geschichte bzw. Sage bei. Neben der Schlacht an den Thermopylen, die den größten Raum einnimmt, erwähnt Göring den Kampf der Nibelungen, die in der brennenden Halle Etzels ihr eigenes Blut tranken, um ihren Durst zu löschen. In der Presse-Version ist noch der Kampf der letzten Ostgoten gegen die Byzantiner in der Nähe des Vesuvs hinzugefügt, so dass das antike Exempel von zwei völkischen umrahmt ist.21 Die Schlacht an den Thermopylen wird von Göring als ein in der Tat „ähnliches Beispiel der großen, gewaltigen Geschichte Europas“ eingeführt, von dem „die meisten“ schon einmal gehört hätten.22 Er referiert, dass vor Jahrtausenden Leonidas mit 300 Spartiaten gegen eine überwältigende Übermacht einen Engpass verteidigte, und kommentiert: „Auch damals war es ein Ansturm aus dem asiatischen Osten, der sich hier am nordischen Menschen brach“.23 Die Spartiaten kämpften diesen aussichtslosen Kampf, der, obwohl es nur 300 Männer gewesen seien, noch heute als „Beispiel höchsten Soldatentums“ gelte.24 Göring zitiert das Grabepigramm in der Nachdichtung von Schiller und führt weiterhin aus:25 [. . .] und es wird auch einmal heißen: kommst du nach Deutschland, so berichte, du habest uns in Stalingrad liegen sehen, wie das Gesetz, das heißt, das Gesetz der Sicherheit unseres Volkes, es befohlen hat. Und dieses Gesetz trägt jeder von euch in seiner Brust, das Gesetz, für Deutschland zu sterben, denn das Leben Deutschlands ist die Hoffnung aller Gesetze. Aber nicht nur ihr, nicht die jungen Soldaten in ihrem heroischen Einsatz, ihr Opfer ist verpflichtend26 für das ganze deutsche Volk, nicht daß es jetzt meckert, daran herumkrittelt, ob dies und jenes notwendig war, ob die Kämpfer bei Stalingrad stehen mußten oder nicht – sie mußten stehen, das Gesetz befahl es so, das Gesetz der Ehre, aber auch vor allen Dingen das Gesetz der Kriegsführung, und dieses Gesetz der Kriegsführung gilt ja nichts anderm wie der Rettung unseres Volkes.27

Für die Veröffentlichung wurde dieser Abschnitt folgendermaßen verändert: Und es wird noch einmal in der Geschichte unserer Tage heißen: Kommst Du nach Deutschland, so berichte, du habest uns in Stalingrad kämpfen sehen, wie das Gesetz, das Gesetz für die Sicherheit unseres Volkes es befohlen hat. Und dieses Gesetz trägt jeder von euch in seiner Brust. Das Gesetz, für Deutschland zu sterben, wenn das Leben Deutschlands diese Forderung an euch stellt. Das ist aber nicht nur Verpflichtung für uns Soldaten. Dieses Heldentum, dieses Opfer ist verpflichtend für das ganze Volk. Die Kämpfer von Stalingrad mußten stehen, das Gesetz befahl es so, das Gesetz der Ehre und

21 )

Vgl. Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 182, und Göring, Appell, S. 97. Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181. 23 ) Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181. In der Presse-Fassung heißt es: „Auch damals war es ein Ansturm von Horden [...]“; Göring, Appell, S. 96. In dem Passus, in dem die Schlacht referiert wird, finden sich mehrere kleine stilistische Änderungen. 24 ) Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181. 25 ) Statt „verkündige“ steht „berichte“, vgl. Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181, bzw. „so berichte“, Göring, Appell, S. 96. 26 ) Die Transkription des Satzes ist unsicher, da der gesamte Abschnitt von starken Nebengeräuschen überdeckt ist; vgl. Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181 f. mit Anm. 37 f. 27 ) Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181f. 22 )

3.1. Die Thermopylen in Stalingrad

297

der Kriegsführung.28 Dieses Gesetz der Kriegsführung gilt ja allein der Rettung unseres Volkes.29

Neben der inhaltlichen Zuspitzung des kryptischen „das Leben Deutschlands ist die Hoffnung aller Gesetze“ fehlt der Satz, der darauf eingeht, dass die deutsche Bevölkerung vielleicht den Sinn des Massentodes in Stalingrad in Frage stellen und die Vorgehensweise von Militär- und Parteiführung kritisieren könnte. Die Quintessenz des Vergleichs zwischen der Schlacht an den Thermopylen und Stalingrad liegt darin, dass die Bereitschaft, für sein Volk im Krieg zu sterben, die selbstverständliche Pflicht eines jeden Soldaten ist, die die Stalingradkämpfer erfüllt haben. Die Selbstverständlichkeit wird einerseits durch die Entzeitlichungslogik des historischen Vergleichs generiert, die suggeriert, dass Soldaten immer schon in aussichtlosen Situationen bis zum letzten Mann kämpften, und andererseits durch die wortreichen Ausführungen zu „wie das Gesetz es befahl“. Das ,Gesetz‘ erscheint in der üblichen Bedeutung als die Maxime militärischen Handelns schlechthin, die Ehre mit der militärischen Logik verbindet, nach der jeder einzelne Soldat bereit sein muss, zu sterben, wenn die Sicherheit oder gar Existenz seines Volkes von einem äußeren Feind bedroht ist. Diese Handlungsmaxime scheint durch die Soldaten in Stalingrad abermals in ihrer Gültigkeit bestätigt worden zu sein. Dadurch erhält Stalingrad eine historisch bedeutungsvolle Dimension, und die lebenden Soldaten sowie das ganze deutsche Volk können auf dieses Handlungsmodell verpflichtet werden. Mit der Umdichtung des SpartiatenEpigramms auf die Stalingradkämpfer wird die Unsterblichkeit der Erinnerung an diese bereits vor dem Ende der Kämpfe zelebriert. Ein Offizier in Stalingrad sprach von „unserer eigenen Leichenrede“, und obwohl dieser Satz wie die meisten bekannten Reaktionen auf die Rede im Kessel aus der Memoiren-Literatur zu Stalingrad nach dem Zweiten Weltkrieges stammt, ist er zutreffend.30 In der Presse-Version, die gedruckt wurde, als auch der Nordkessel den Kampf eingestellt hatte, ist die Adaption des Epigramms als verfrühte Grabinschrift entschärft, indem das „liegen sehen“ durch „kämpfen sehen“ ersetzt wird. Göring greift mit der Schlacht an den Thermopylen auf ein altes und in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg wieder sehr präsentes Modell für den ,Opfertod fürs Vaterland‘ zurück (s. Kap. III.2.2). Einzig in der Definition der Handlungsgemeinschaft, für deren Überleben gestorben wurde und werden soll, scheint die nationalsozialistische Ideologie durch. Das ,Volk‘ ist durch die Verbindung mit den „nordischen“ Spartiaten und in der Presse-Version auch mit den Goten, denen „das Gesetz befahl [...] zu sterben, damit die Rasse weiter siegen und leben konnte“,31 durch das 28 ) Dieser Satz fehlt bei Göring, Appell, S. 96, und ist auch nicht als Auslassung gekennzeichnet, er steht allerdings bei Wieder, Stalingrad, S. 328, und in Völkischer Beobachter Nr. 33 vom 2. 2. 1943, S. 4. 29 ) Göring, Appell, S. 96. 30 ) Zit. bei Adam, Wilhelm: Der schwere Entschluß. Berlin-Ost 1965, S. 341. Auch Wieder, Stalingrad, S. 100, 102, redet von der eigenen „Leichenrede“. Angeblich gab es auch einen Funkspruch vom 31. Januar aus dem Nordkessel: „Vorzeitige Leichenreden unerwünscht“; zit. bei Schröter, Stalingrad, S. 224. 31 ) Göring, Appell, S. 97.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

Kriterium der Rassezugehörigkeit bestimmt. Da allerdings die Kategorie der Rasse gerade im Passus über Stalingrad eher am Rande vorkommt, ließ sich das ,Volk‘ auch in der Bedeutung einer vorpolitischen, sprachlich-kulturellen Einheit verstehen, die am Anfang des 20. Jahrhunderts die Vorstellung vom Staatsvolk abgelöst hatte.32 Auch der Topos von der Verteidigung des Abendlandes, das in der Rede ausschließlich kulturell und nicht rassisch definiert wird, befördert die Lesart von ,Volk‘ als Kulturvolk. Im Mittelpunkt des Vergleichs mit der Schlacht an den Thermopylen steht das Epigramm, das als Formel für militärische Pflichterfüllung und soldatisch-männliches Opferethos aufgerufen wird. In dieser Form war das Epigramm im politischen Totenkult nach dem Ersten Weltkrieg häufig verwendet worden, gerade auch um der Massen anonymer Toter zu gedenken. Göring schließt an diese Rezeption des Epigramms an. Mit der Deutung des Kriegstodes als erfüllter Pflicht, wie Göring sie aus dem ,Gesetz‘ des Epigramms ableitet, fällt der ,Opfertod‘ vollständig in die Eigenverantwortlichkeit eines jeden Soldaten. Der Soldatentod erscheint allein dem ,Gesetz‘ von militärischer Pflicht und Ehre geschuldet. Ein zentraler Effekt des Vergleichs von Stalingrad mit der Schlacht an den Thermopylen ist somit, dass der katastrophalen Niederlage ein ,Sinn‘ gestiftet wird, ohne dass der Führer oder andere militärische Befehlsgeber überhaupt nur in den Blick geraten. In dieser Deutung hat das Epigramm ein hohes exkulpierendes Potential, das nach dem Zweiten Weltkrieg z. B. Generalfeldmarschall Erich von Manstein 1955 in seinen Memoiren nutzte.33 Vor allem Joachim Wieder, ehemaliger Ordonnanzoffizier und ein Überlebender von Stalingrad, erkannte diese Funktion des Epigramm-Zitats klar und wehrte sich in seinen Schriften dagegen, damit implizit die Verantwortung für Stalingrad auf die Soldaten zu übertragen.34 Die Sinnstiftung, die durch den Vergleich von Stalingrad mit der antiken Schlacht vorgenommen wird, blendet weiterhin die Dimension des Sterbens aus. Denn sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht stellt die antike Schlacht „zur Tat als solcher“ überhaupt kein „ähnliches Beispiel“ dar.35 Es besteht durchaus ein Unterschied zwischen dem Untergang eines auch für antike Verhältnisse kleinen Aufgebots und dem Massenexitus einer modernen Armee, und es ist auch etwas anderes, ob Soldaten im – wenngleich aussichtslosen – Kampf sich bis zuletzt wehren können, oder ob sie durch militärstrategische Fehlentscheidungen verhungern und erfrieren. Die Schlacht an den Thermopylen transportiert das Deutungsmuster eines aktiven Heldentums, eines freiwilligen Selbstopfers, bei dem es bis zuletzt Handlungsspielräume gab. Durch die Vergleiche mit den Nibelungen und der antiken Schlacht wird bereits in der Rede Görings Stalingrad als aktiv erbrachtes ,Opfer‘ interpretiert, was sich weiter durch die propagandistische Aufbereitung der Schlacht zieht.36 Erst nach dem Zweiten 32 )

Vgl. Koselleck, Volk, S. 409– 415. Vgl. Manstein, Verlorene Siege, S. 319–321. 34 ) Vgl. Wieder, Gesetz (1956), S. 307–327; ders., Stalingrad (1963), das eine Neuauflage von ders: Die Tragödie von Stalingrad. Erinnerungen eines Überlebenden (1955) ist. 35 ) Görings Rede zit. bei Krüger, Etzels Halle, S. 181. 36 ) Vgl. Ehmer, Schild, S. 2– 4, 6, 8; Eberlein, Opfer, S. 123–125; Franck, Leonidas, S. 11f.; 33 )

3.1. Die Thermopylen in Stalingrad

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Weltkrieg verschob sich der die Vorstellung eines aktiven Opfers zum passiven ,Geopfertwerden‘.37 Wenn in der Folge der Vergleich von Stalingrad mit der Schlacht an den Thermopylen als unangemessen kritisiert wurde, steht in der Regel die Tatsache im Hintergrund, dass die Grenzen der Übertragbarkeit bei weitem überschritten sind.38 Des Weiteren erzeugt der Vergleich die Gewissheit, dass die deutsche Armee in Stalingrad wie die Spartiaten an den Thermopylen ihr durch eine feindliche Invasion bedrohtes Vaterland verteidigte. Diese Deutung wird durch die Rhetorik von der Verteidigung des Abendlandes unterstützt, für die eines der historischen Beispiele wiederum die Perserkriege waren.39 Aus dem Blick gerät dadurch, dass die deutschen Soldaten in Stalingrad nicht Deutschland oder gar das Abendland verteidigten, sondern eine Stadt eines anderen Landes besetzt hielten, das sie widerrechtlich überfallen hatten und in dem sie einen Vernichtungskrieg führten. Mit der Stilisierung der 6. Armee zum ,heroischen Opfer‘ bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg zur ,verratenen Armee‘ wird unterdrückt, dass diese Armee auf ihrem Weg nach Stalingrad an zahlreichen Morden und Terroraktionen gegen die ukrainische und russische Zivilbevölkerung beteiligt war, aktiv die Ermordung von Juden unterstützte, Stalingrad in eine Trümmerwüste verwandelte, in der Zehntausende Zivilisten starben, und die sowjetischen Kriegsgefangenen verhungern ließ.40 Im Ganzen betrachtet steht die Schlacht an den Thermopylen auch dafür, dass trotz einer vernichtenden Niederlage der Krieg gegen Xerxes letztlich gewonnen wurde. Im Gegensatz zu den Nibelungen, mit denen es nach dem Gemetzel in Etzels Halle vorbei war, kann mit der antiken Niederlage grundsätzlich ein zukünftiger Sieg suggeriert werden.41 Die Reaktionen auf Görings Rede in der deutschen Bevölkerung können, soweit sie überhaupt zu fassen sind, nach der Nähe zum Geschehen unterschieden werden. Für die Aufnahme der Rede in Stalingrad selbst berichten verschiedene Stalingradveteranen von Abscheu, Ekel und Zorn über die allzu deutliche Absicht, mit der Schlacht an den Thermopylen „die grauenhafte Wirklichkeit mit einem Mäntelchen der nationalen Ehre zu umkleiden.“ 42 Häufiger wird eine Szene im Kaufmann, Tapferkeit, S. 1–5; Günther, Unsterbliche, o. S.; Aus der Truppe für die Truppe (Hammer-Division) Nr. 2 vom 7. 2. 1943, S. 1, und Nr. 3 vom 14. 2. 1943, S. 1. 37 ) Vgl. Eschebach, Opfer, S. 37– 41; Münker/Fischer, Nothing, S. 346f. 38 ) Vgl. z. B. Wieder, Stalingrad, S. 100–104; Erich Mende zit. bei Kempowski, Echolot 2, S. 602f.; Fritz Lehmann zit. bei Kempowski, Echolot 2, S. 653–655; Zank, Stalingrad, S. 69; Kurowski, Stalingrad, S. 186f. 39 ) Die nationalsozialistische Genealogie aller Verteidiger des Abendlandes lässt sich gut an Hitlers Kriegserklärung an die USA am 11. 12. 1941 erkennen; vgl. Domarus, Hitler, S. 1796f.: „Und als die Griechen den Einbruch der persischen Eroberer abwehrten, da verteidigten sie nicht ihre engere Heimat, die Griechenland war, sondern jenen Begriff, der heute Europa ist.“ Vgl. auch Lorenz, Hitler, S. 407. 40 ) Vgl. Boll/Safrian, Stalingrad, S. 260–296; Ebert, Opfer, S. 678–681; Ulrich, Stalingrad (2002), S. 336f.; Beevor, Stalingrad, S. 133, 401, 463f. 41 ) Vgl. Krüger, Etzels Halle, S. 160f. 42 ) Wieder, Gesetz, S. 326. Vgl. auch Plievier, Stalingrad, S. 382–387; Schröter, Stalingrad, S. 224; Gottfried von Bismarck zit. bei Beevor, Stalingrad, S. 433.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

Keller unter dem Theater im Südkessel der Wolgametropole erzählt, die wohl als erster Theodor Plievier in seinem 1945 erstmals erschienenen Roman Stalingrad, der auf Augenzeugenberichten und Feldpostbriefen beruht, geschildert hat.43 Die dicht zusammengedrängten, ausgemergelten, verwundeten und sterbenden Männer im Keller hören den „fetten Tenor“ des Reichsmarschalls aus dem Radio und schreien abwechselnd „Abstellen!“ und „Anhören!“ 44 Auf das Zitat des umformulierten Epigramms folgen die Rufe: „Nekrolog!“ und „Mein Gott, nun denken sie zu Hause, daß wir schon tot sind!“ 45 Danach breitet sich im Keller Lethargie aus. Kurz nach dieser Szene stellt Plievier die vermeintlich höhere Moralität des „wie das Gesetz es befahl“ in Frage, indem er einen Pfarrer, der die Sterbenden segnet, im inneren Monolog sagen lässt: „[...] wenn nicht DU , wer dann, und wer hätte uns in Stalingrad liegen sehen, und wer sollte offenbar machen, daß es nicht DEIN Gesetz war, das es befahl!“ 46 Es wird deutlich, dass Plievier die höhere Gültigkeit, die der exemplarische Vergleich erzeugt, nochmals explizit zerstört, obwohl die von ihm dargestellten Reaktionen der Männer dessen persuasive Intention bereits außer Kraft setzen. Obwohl es auch anderswo an der Front und in der Heimat Stimmen gab, die den Vergleich von Stalingrad mit den Thermopylen „geradezu als Hohn“ 47 empfanden und für „denkbar unangebracht“ hielten, da durch ihn der Tod der Männer in „gängige Münze“ 48 umgewandelt werde, meldete der SD , dass der Vergleich des Kampfes in Stalingrad mit dem Kampf der Nibelungen im Saale Etzels oder mit dem Kampf um die Thermopylen [. . .] durchweg angenommen worden (sei).49

Mehr noch: Der Vergleich zwischen Stalingrad und den Thermopylen verdichtete die Ahnung zur Gewißheit, daß ein Entsatz nicht mehr möglich war.50

Damit wird in aller Schärfe deutlich, dass die zentrale Information zu Stalingrad, nämlich die völlige Niederlage und die Aufgabe der eingeschlossenen Verbände, von Göring in der Rede überhaupt nur durch den Vergleich mit der Niederlage an den Thermopylen und mit dem Untergang der Nibelungen gegeben 43 ) Vgl. Plievier, Stalingrad, S. 380–387; Plievier hatte im Moskauer Exil die Möglichkeit, zu recherchieren und die deutschen Kriegsgefangenen zu interviewen; vgl. Ueberschär, Historiographie, S. 192–204. Die Szene zeigt auch der Film Hunde, wollt ihr ewig leben? (1958), der auf dem gleichnamigen Roman von Fritz Wöss beruht; sie wird auch erzählt von Hubert Haidinger in: Bund ehemaliger Stalingradkämpfer, Weihnachtsbrief 1992, S. 9, bei Beevor, Stalingrad, S. 434. 44 ) Plievier, Stalingrad, S. 384; 382 passim. Die Passagen aus der Göring-Rede, die Plievier zitiert, entsprechen der Rede-Fassung. 45 ) Plievier, Stalingrad, S. 385. 46 ) Plievier, Stalingrad, S. 387. 47 ) Erich Mende am 30.1. in Rshew, zit. bei Kempowski, Echolot 2, S. 602. 48 ) Fritz Lehmann am 31.1. in Königsberg, zit. bei Kempowski, Echolot 2, S. 653–655. Vgl. auch Rudolf Tjaden am 30.1., zit. ebda. S. 603. 49 ) Meldungen aus dem Reich 1. 2. 1943, S. 4734. Vgl. auch Paul Quack am 31.1., zit. nach Kempowski, Echolot 2, S. 648f.; Johann Dietrich Meyer am 2.2., zit. bei Kempowski, Echolot 3, S. 84. 50 ) Meldungen aus dem Reich 1. 2. 1943, S. 4732.

3.1. Die Thermopylen in Stalingrad

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wird. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen informiert, legitimiert und überhöht in einem. In der Forschung zu Stalingrad herrscht Uneinigkeit darüber, ob das militärische Debakel und seine propagandistische Aufbereitung zu einer eklatanten Vertrauenskrise der Bevölkerung führten oder ob die Glaubwürdigkeit des NS -Regimes lediglich in geringem Maß litt.51 Offener Widerstand regte sich in dieser Zeit in Deutschland nur an der Münchener Universität durch die Aktivitäten der ,Weißen Rose‘; für die Gegner des Regimes war die Niederlage ein Hoffnungsschimmer.52 Diese abweichenden Urteile hängen damit zusammen, welcher Symbolwert Stalingrad zugerechnet und wie die Wirkung der NS -Propaganda eingeschätzt wird. Dabei neigen die Positionen, die in Stalingrad in irgendeiner Hinsicht einen Wendepunkt sehen, dazu, die Stalingrad-Propaganda und die exemplarischen Vergleiche der Göring-Rede pauschal als unsinnig abzuqualifizieren. Das zwiespältige – und teilweise eben auch positive – Echo auf die Rede Görings steht im Widerspruch zu der Ansicht, die NS -Propaganda habe geglaubt „der Vernichtung der 6. Armee nur mit Lügen und mit dem Rückgriff auf historisch widersinnige Heldenepen“ 53 beikommen zu können. Ohne Frage sind die für die Niederlage in Stalingrad angeführten historischen Vergleiche aus der Sicht eines Historikers falsch. Doch ein derartiges Urteil verkennt die Logik des exemplarischen Vergleichs, bei dem die historische Stimmigkeit der Festlegung auf eine bestimmte Deutung untergeordnet ist. Deutlicher noch wird dies in der Behauptung Sabine Behrenbecks, die „mythischen Vorbilder“ transportierten keine militärstrategischen Notwendigkeiten für einen totalen Untergang, da sich die Spartaner „auch hätten gefangen geben können“.54 Abgesehen davon, dass diese Deutung für die historischen Vorgänge im Engpass sehr zu bezweifeln ist, lässt sich ein historisches Exempel nicht schlicht durch Spekulation einer mangelnden Logik überführen. Trennt man die Frage nach der Plausibilität und Akzeptierbarkeit der exemplarischen Vergleiche für Stalingrad von der Frage, ob die Stalingrad-Propaganda in dem Sinn gewirkt hat, dass die angesprochenen Soldaten tatsächlich das intendierte ,Vermächtnis‘ der toten Stalingradkämpfer annahmen, lässt sich feststellen, dass insbesondere das Thermopylen-Exempel geschickt gewählt war. Denn der Vergleich von Stalingrad mit der Schlacht an den Thermopylen existierte, sei es in legitimatorischer, sei es in kritischer Intention, weit über das Kriegsende hinaus und besteht teilweise bis heute.55 So erscheint die Schlacht an den Thermopylen 51 ) Vgl. Förster, Stalingrad, S. 335f.; Rusinek, Volk, S. 30–36; Behrenbeck, Kult, S. 558– 564; dagegen Wette, Massensterben, S. 48, 60. 52 ) Vgl. Beevor, Stalingrad, S. 458f.; Graml, Widerstand, S. 317. Victor Klemperer berichtet anlässlich Stalingrads von einer gehobenen Stimmung unter Juden; vgl. Ulrich, Stalingrad (2005), S. 117; und auch im besetzten Paris stand mit Kreide „Stalingrad“ an den Wänden geschrieben; vgl. Rusinek, Volk, S. 32. 53 ) Ulrich, Stalingrad (2002), S. 346. 54 ) Behrenbeck, Kult, S. 554. 55 ) Auch weil die Rede Görings immer mit der Nibelungen- und Thermopylen-Stelle zitiert wird; so z. B. bei Wieder, Stalingrad, S. 327f.; Rabe, Heimkehrer, o. S.; oder auf den Langspielplatte: Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Originalaufnahmen 1939–1945. Ausgewählt und kommentiert von Horst Siebecke (1959); oder in: TAZ vom 30. 1. 2003, S. 15.

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als Moment positiver Sinnstiftung immer wieder in den Veröffentlichungen der Bünde ehemaliger Stalingradkämpfer, die allen Grund hätten, den Vergleich als platte Sinngebung abzulehnen, und auch in einer der zahlreichen Sendungen, die das deutsche Fernsehen im Januar 2003 anlässlich des sechzigsten Jahrestages der Niederlage ausstrahlte.56 Gefragt, welche Eindrücke er aus Wolgograd in Deutschland berichten wolle, zitiert ein Stalingradveteran am Fuße des russischen Ehrenmales: „Wanderer, kommst Du nach Sparta, berichte, Du habest uns liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl“. Gerade wenn man diese Szene nicht als einen späten Erfolg der NS -Propaganda werten möchte, zeigt sich, dass mit dem SpartiatenEpigramm immer noch ,spontan‘ das Andenken an die Toten gerade dieser Niederlage kommuniziert wird. In den Monaten nach der Kapitulation der 6. Armee am 31. Januar bzw. am 2. Februar hatte die antike Schlacht überdies in Publizistik und Wissenschaft Konjunktur.57 Diese Rezeptionszeugnisse verweisen zum Teil nicht explizit auf die Rede Görings, sondern stellen eigenständig einen Zusammenhang zwischen dem antiken Ereignis und dem Untergang der 6. Armee her. So wird die Schlacht an den Thermopylen in den illustrierten Front- und Publikumszeitungen der Wehrmacht rezipiert, die sich mit kulturellen Themen in aufwändigem Layout an einen anspruchsvollen Adressatenkreis richteten.58 Das militärische Pressewesen unterlag allein der Verantwortlichkeit der Wehrmacht, weshalb das Propagandaministerium keinen direkten Einfluss auf die Inhalte hatte. Im Märzheft 1943 von Signal erschien der Artikel Der Schild vor Europa von Major Dr. Wilhelm Ehmer, der auf der ersten Seite in den Text eingerückt die Statue des so genannten Leonidas abbildet, die 1925 in Sparta gefunden worden war (s. Abb. 35). Unter dem Bild befindet sich ein Kästchen, in dem das Spartiaten-Epigramm in der Version Schillers zitiert wird. Die Deutung der Katastrophe von Stalingrad findet sich bereits in der Überschrift des Artikels, und korrespondierend erläutert die Bildunterschrift, die Schlacht an den Thermopylen sei das „Gleichnis in der Geschichte“. Das „Opfer“ der Spartiaten sei „fruchtbar“ geworden, indem es die „Geburtsstunde der europäischen Kultur“ eingeleitet habe.59 Auch in der Illustrierten Zeitung beschwor zum ,Heldengedenktag‘ im März ein weiterer Akademiker die Kultur Europas, die die Stalingradkämpfer vermeintlich verteidigt hatten, durch historische 56 )

Vgl. Vogel, Stalingradbünde, S. 248; Spiegel TV Special Stalingrad am 25. 1. 2003 um 22.05 auf Vox. 57 ) Vgl. Franck, Leonidas, S. 11f.; Günther, Unsterbliche, o. S.; Eberlein, Opfer, S. 123–125; Ehmer, Schild, S. 2– 4, 6, 8; Kaufmann, Tapferkeit, S. 1–5; außerdem das dramatische Gedicht von Diettrich, Thermopylae, S. 34–38, 1966 unter Dittrich nochmals veröffentlicht; in der Wissenschaft: vgl. Milter, Sparta, S. 1–29, und auch Berve, Sparta (1937) wurde 1944 neuaufgelegt. 58 ) Vgl. Eckhardt, Frontzeitungen, S. 1–13. Die Publikumszeitungen wurden für einen größeren Interessentenkreis hergestellt, die Frontzeitungen nur für die Wehrmacht. Die deutschen Frontzeitungen des Zweiten Weltkriegs sind wegen ihrer unsystematischen Überlieferung eine schwer zu erfassende Quellengattung. 59 ) Ehmer, Schild, S. 2. Vgl. Watt. Wanderer, S. 875f. Signal war ein Derivat der Berliner Illustrierten Zeitung und wurde für das besetzte europäische Ausland produziert; die Verbindung zum OKW wurde über Verbindungsoffiziere hergestellt.

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Exempel heroischer Untergänge sowie durch die Abbildung von Kunstwerken (s. Abb. 36). Die erste Seite zeigt Arno Brekers Skulptur Der Verwundete und im dazugehörigen Text wird die Schlacht an den Thermopylen lediglich genannt, was bedeutet, dass sie bei den Lesern der Zeitung als bekannt vorausgesetzt wurde.60 Die Beispiele präsentieren in Text und Bild eine kulturelle Einordnung und Deutung der Katastrophe von Stalingrad. Die antike Schlacht steht nicht nur für eine berühmte vernichtende Niederlage, einen heroischen Opfertod und die Verteidigung des Abendlandes, sondern als Bildungsgegenstand für die Kultur Europas an sich, die Deutschland angeblich im Augenblick gegen den Bolschewismus verteidigte. In diesen Entwürfen kultureller, europäischer Identität bleibt das NS -System selbst außen vor, so wie natürlich völlig ausgeklammert wird, dass Deutschland das übrige Europa unrechtmäßig überfallen hatte, besetzt hielt und mit Terror überzog. Für ein gebildetes Publikum bot die Schlacht an den Thermopylen auch jenseits der direkt vom Propagandaministerium gesteuerten Presse einen adäquaten Vergleich für Stalingrad; und es sind die gebildeten Schichten des Landes, an die sich Göring mit dem antiken Heldenexempel wendete. Wer von den nationalsozialistischen Politikern die Idee hatte, Stalingrad mit der Schlacht an den Thermopylen zu vergleichen, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Gerade weil die Schlacht an den Thermopylen kein genuin nationalsozialistisches Heldenexempel darstellte, sondern im politischen Totenkult nach dem Ersten Weltkrieg zum gemeinsamen Sinnstiftungsprogramm der bürgerlich-konservativen und rechtsradikalen Kreise gehörte, wurde sie in der Stunde des Erklärungsnotstandes aufgegriffen. Auch die Kombination der Schlacht an den Thermopylen mit den Nibelungen in Etzels Halle findet sich häufiger in völlig verschiedenen Kontexten.61 Die Auswahl und Zusammenstellung der Exempel für Stalingrad war daher trotz eines gewissen Spielraumes nicht beliebig. Die Rede Görings hat mit der Wahl dieser beiden bzw. drei Exempel und mit der Rhetorik von der Verteidigung der westlichen Kultur einen ausgesprochen bildungsbürgerlichen Charakter. In der gesamten propagandistischen Aufbereitung Stalingrads wird mit keinem Wort das Programm von der Eroberung von ,Lebensraum im Osten‘ erwähnt. Die Verbindung des Exempels der Schlacht an den Thermopylen mit der Errettung des Abendlandes setzte sich in der Aktualisierung der antiken Niederlage in der frühen Bundesrepublik vor dem Hintergrund des Kalten Krieges fort (s. Kap. III.4). Der bildungsbürgerliche Charakter von Görings Rede wird zwar dadurch abgeschwächt, dass Göring zunächst kurz die Ereignisse an den Thermopylen wiedergibt und das Epigramm zitiert, 60 ) Vgl. Eberlein, Opfer, S. 123–125. Ein weiteres Beispiel ist die Erzählung Ein preußischer Leonidas von Hans Franck in der Luftflotte West über eine Episode aus dem Zweiten Schlesischen Krieg, in der das antike Exempel mit der Geschichte von Preußens militärischem Aufstieg verbunden wird. 61 ) So z. B. bei Schröter, Leonidas, S. 3; Müller, Heldenideal, S. 4; Schreyvogl, Nibelungen, S. 83, in dem Hagen sagt: „Wann waren die Griechen groß? Als sie die Thermopylen hielten, dem Tode geweiht.“ Vgl. dazu Krüger, Etzels Halle, S. 165–167. Vgl. auch Goebbels, Tagebücher 23. 1. 1943, S. 175: „Ein Bild von wahrhaft antiker Größe. [...] In Stalingrad selbst hilft man sich mit dem Vergleich, daß das Nibelungenlied in den Schatten gestellt sei.“

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bevor er es auf die aktuelle Situation überträgt. Dennoch waren die Adressaten der Rede die Eliten des Deutschen Reiches und insbesondere der Generalstab der Wehrmacht. In ihm sah die Parteispitze das größte Gefahrenpotential für die Destabilisierung des Systems.62 Die Tendenz zur Popularisierung der Schlacht an den Thermopylen außerhalb einer bürgerlichen, gebildeten Elite bestätigt die Divisionszeitung Aus der Truppe für die Truppe der im Osten stehenden Hammer-Division. Divisionszeitungen entstanden in der Regel in Eigenregie, wenn die offiziellen Frontzeitungs-Lieferungen nicht nachkamen,63 und auch diese Zeitung ist mit Schreibmaschine auf Matrize geschrieben. Es ist anzunehmen, dass sie den Bedürfnissen und dem Rezeptionshorizont der an der Front stehenden Einheit angepasst und damit recht nah an der militärischen Praxis war. Unter den Überschriften Das Gesetz unserer Pflicht und Wie das Gesetz es befahl! Das Vermächtnis der Helden von Stalingrad sind Teile der Rede Görings paraphrasiert.64 Die Schlacht an den Thermopylen wird zunächst relativ ausführlich wiedergegeben, bevor sie auf Stalingrad übertragen wird. Noch stärker als in der Rede wird die Verpflichtung für die Soldaten hervorgehoben, es den Stalingradkämpfern gleichzutun; denn der Sieg werde dem gehören, der „hart gegen sich selbst so kämpfen kann, wie die Helden von Stalingrad, wie das Gesetz es befiehlt!“ 65 Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen wird hier als Orientierungs- und Handlungsmodell für alle Soldaten vermittelt. Diese Popularisierung des Themas in den Frontzeitungen ist umso bemerkenswerter, als im Geschichtsunterricht antike Geschichte bereits reduziert worden war und nur noch an höheren Schulen gelehrt wurde (s. Kap. III.1.1). Die Verbreitung der Schlacht an den Thermopylen in der Propaganda zu Stalingrad auch für nichtbürgerliche Adressaten war möglich, weil es im nationalsozialistischen Deutschland zahlreiche andere populäre Heldenexempel gab, die in ihren Verhaltensnormen und Handlungsdirektiven untereinander auf spezifische Weise kompatibel waren (s. Kap. III.3.2). Inwieweit die Verhaltensmuster, die von Heldenexempeln wie der Schlacht an den Thermopylen vermittelt und normiert wurden, für die einfachen Soldaten in der Praxis zum Tragen kamen, bleibt im Bereich des Spekulativen. Zwar gab es auch in Stalingrad bis zum Schluss fanatisierte Soldaten, die trotz völlig aussichtsloser Lage noch kämpften, die Direktive vom totalen Untergang ernst nahmen und in ihren letzten Briefen das Ideologem von der Rettung Europas vor dem Bolschewismus wiederholten.66 Zudem kam es kaum zu Desertionen.67 Diese Durchhaltebereitschaft, die sich bis in die letzten Kriegsmonate fortsetzte, lässt sich nur mit einer komplexen Gemengelage aus sozialer Kohäsion der Primärgruppen, Kameradschaftsideologie, Repressionen, nationalistischer Grunddispositionen und 62 )

Vgl. Goebbels, Tagebücher 28. 1. 1943, S. 211; vgl. auch Beevor, Stalingrad, S. 456f. Vgl. Eckhardt, Frontzeitungen, S. 2 Anm. 1. 64 ) Aus der Truppe für die Truppe (Hammer-Division) Nr. 2 vom 7. 2. 1943, S. 1, und Nr. 3 vom 14. 2. 1943, S. 1. 65 ) Aus der Truppe für die Truppe (Hammer-Division) Nr. 3 vom 14. 2. 1943, S. 1. 66 ) Vgl. Beevor, Stalingrad, S. 399, 416; Behrenbeck, Kult, S. 568. 67 ) Vgl. Wette, Stimmung, S. 90–101; Wette, Massensterben, S. 45. 63 )

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Feindbildstereotypen der NS -Ideologie erklären.68 Welche Rolle dabei speziell das von den Heldenexempeln vermittelte Deutungsmuster des ,Opferheldentums‘ spielte, ist nicht pauschal feststellbar. Von der Forschung zum Heldentum wird Stalingrad als Wendepunkt gesehen, von dem an das Deutungsmuster des ,Opferheldentums‘ keine Möglichkeit zur kognitiven und affirmativen Verarbeitung der Kriegserfahrungen mehr bot. Unklar bleibt, warum diese Wende ausgerechnet mit Stalingrad eintrat.69 Schematisch ist nur anzunehmen, dass die Glaubwürdigkeit der von Elend, Leid und Widerlichkeit gereinigten Heldenexempel vor der Realität des Tötens und Getötetwerdens irgendwann zusammenbrach.70 Tendenziell gilt: je weiter die Rezipienten vom Kampfgeschehen entfernt waren, desto eher behielten die Heldenexempel ihre Ausstrahlung; am meisten für die männliche, noch nicht kriegspflichtige Jugend.71 Anders als für die Mannschaften kann für die Offiziere der Wehrmacht davon ausgegangen werden, dass Heldenexempel wie die Schlacht an den Thermopylen samt der mit ihnen verbundenen Werte von nationaler Pflichterfüllung, Opfergeist und militärischer Ehre nicht nur ihrem Bildungsniveau, sondern im Großen und Ganzen auch ihren persönlichen Wertvorstellungen entsprachen. Es sind in der Regel ehemalige Offiziere, die nach Kriegsende das Thermopylen-Exempel in militärischen Kontexten rezipieren, ihre Handlungsmotivation mit dem Epigramm zu erklären versuchen oder aber mit diesem die Direktive des reinen Befehlsgehorsams kritisch reflektieren.72 In Stalingrad gab es neben der privaten Sprache der Feldpostbriefe, die vor den existentiellen Erfahrungen kapitulierte, die offizielle Sprache der letzten Funksprüche, die jene Begriffe und Verhaltensmuster wiedergaben, die auch das Thermopylen-Exempel vermittelt.73 Diese offizielle Sprachregelung konturierte immerhin den Wertehorizont, vor dem auf oberster militärischer Ebene die Vorgänge in Stalingrad verhandelt wurden, und zumindest Hitler erwartete von seinen Offizieren, dass sie dementsprechend handelten und sich nicht ergaben, um in russische Kriegsgefangenschaft zu gehen, sondern sich umbrachten. Am 30. Januar hatte er Paulus noch in der Absicht zum Generalfeldmarschall befördert, ihm mit dem höheren Rang den Selbstmord zu erleichtern, weil in diesem Fall seine Witwe eine höhere Pension bekommen werde.74 Als Hitler erfuhr, dass Paulus in Kriegsgefangenschaft gegangen war, wütete er bei 68 )

Vgl. Kühne, Gruppenkohäsion, S. 534–549. Vgl. Schilling, Wehrmacht, S. 571; ders., Kriegshelden, S. 372–374; Behrenbeck, Kult, S. 549; die dem ,nationalsozialistischen Heldenmythos‘ eigentlich die Loyalität der Deutschen gegenüber dem NS -Regime, die Brutalisierung des Krieges und die Ermöglichung der Verbrechen zurechnet; ebda. S. 596–600. 70 ) Vgl. Keegan, Antlitz, S. 320–333; Ulrich, Offizier, S. 18. 71 ) Vgl. Schilling, Wehrmacht, S. 569f.; ders. Kriegshelden, S. 369f. 72 ) Vgl. Stahlberg, Pflicht, S. 255; Schenk, Notlazarett, S. 102f.; Bamm, Flagge, S. 271f.; Meyer, Kopf, S. 92f.; sowie Gaiser, Jagd, S. 171f.: „Du kannst dir nicht deinen Platz anweisen lassen und auf ihm sterben, und stirbst Du auf ihm, so heißt es: ,Wanderer, kommst du nach Sparta, und so weiter, und du hast das Deine getan.‘“ 73 ) Vgl. Wette, Stimmung, S. 91–101; Ueberschär, Stalingrad, S. 36–38; Beevor, Stalingrad, S. 436– 448. 74 ) Vgl. Beevor, Stalingrad, S. 434. Mit einer Gefangennahme erlosch der Pensionsanspruch. 69 )

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der Lagebesprechung im Führerhauptquartier, ein Feldmarschall habe sich wie Varus umzubringen, wenn der Kampf verloren sei.75 In dieser Logik der totalen Vernichtung choreographierte die Staatsführung auch das endgültige Ende der 6. Armee, indem sie am 3. Februar die OKW -Sondermeldung lancierte: Generale, Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften fochten Schulter an Schulter bis zur letzten Patrone.76

Diese unablässig wiederholte Behauptung, dass wirklich niemand in Stalingrad überlebt habe, war fast grotesk, denn unter den Angehörigen der Stalingradkämpfer hatte sich sofort verbreitet, dass es Kriegsgefangene gab.77 Obgleich mit Stalingrad das Vertrauen der Wehrmachtführung in Hitler als Oberbefehlshaber schwand, dauerte es bis zum Attentatsversuch am 20. Juli 1944 noch anderthalb Jahre.78 Von den Offizieren allerdings, die in Stalingrad in Kriegsgefangenschaft gegangen waren, engagierten sich viele im ,Nationalkomitee Freies Deutschland‘ und im ,Bund deutscher Offiziere‘, die zum Sturz von Hitler aufriefen.79 Dennoch ist das in der Nachkriegszeit geprägte Bild zu einheitlich, dass spätestens mit Stalingrad allen hohen Militärs die Skrupellosigkeit und Amoralität von Hitlers Kriegsführung offensichtlich gewesen sei. Es gab durchaus Offiziere in Stalingrad, die Selbstmord begingen, und Paulus kam Hitlers Erwartungen zumindest soweit entgegen, dass er niemals eine offizielle Kapitulationsurkunde unterzeichnete.80 Auch im Zweiten Weltkrieg blieb für das deutsche Offizierskorps über alle Brüche und Transformationen hinweg, in denen seit dem 19. Jahrhundert der Offiziersberuf funktional definiert und sozial geöffnet worden war, zumindest ansatzweise das Konzept von ,Charakter und Bildung‘ erhalten.81 Insbesondere für Offiziere aus alten Offiziersfamilien spielte antikes Bildungswissen bei der Ausbildung ihres Berufsethos immer noch eine Rolle.82 Das Spartiaten-Epigramm als Formel nationaler Pflichterfüllung benutzten gerade auch solche Offiziere als Erklärung ihres Handelns, die dem NS -Regime gegenüber kritisch eingestellt waren. So berichtet Alexander Stahlberg, der Ordonnanzoffizier im Stab von Erich von Manstein war, aber dennoch dem Widerstand des 20. Juli nahe stand, in seinen Memoiren Die verdammte Pflicht, dass Gottfried von Bismarck sich Anfang Januar noch in den Kessel von Stalingrad habe zurückfliegen lassen, weil sein Urlaub vorbei war und er den Rückmeldebefehl ausführte, „wie es das Gesetz so 75 )

76 )

77 )

Vgl. Protokoll der Lagebesprechung 1. 2. 1943, S. 102.

OKW -Bericht vom 3. 2. 1943, S. 436. Vgl. allgemein Wegner, Hitler, S. 493–518.

Vgl. Wette, Massensterben, S. 59f.; Beevor, Stalingrad, S. 455. Vgl. Ueberschär, Stalingrad, S. 39; Graml, Widerstand, S. 318f. 79 ) Vgl. Beevor, Stalingrad, S. 463– 491; Ueberschär, Stalingrad, S. 39 f. 80 ) Zur Rolle von Paulus zwischen Anpassung und Widerstand vgl. Steinkamp, Paulus, S. 161–168; Kosthorst, Geburt, S. 37– 49. 81 ) Vgl. Funck, Tod, S. 277–256; Ulrich, Offizier, S. 13–18; Keegan, Antlitz, S. 324, 394; Frevert, Ehrenmänner, S. 233–242. Ein Beispiel, dass eine humanistische Schulbildung prinzipiell für militärische Führung für wichtig gehalten wurde, ist Eten, Gymnasium, S. 123–127. 82 ) Bekannt ist dies für Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der als junger Mann zusammen mit seinen Brüdern zum George-Kreis gehörte und dort seine ethischen Prinzipien sowie die Idee eines ,Neuen Reiches‘ unter einer geistigen Führungselite ausbildete; vgl. Wildt, Ethos, S. 134–152. 78 )

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befahl“.83 Stahlberg will die persönliche Motivation für ein – besonders im Nachhinein – unverständlich erscheinendes Verhalten erklären und setzt dafür das Epigramm-Ende an die Stelle einer längeren Erläuterung. Da er auf die Rede Görings nicht ausführlicher eingeht, ist das Zitat nicht auf diese bezogen. Das Epigramm erscheint als eine wie selbstverständlich verwendete Formel, um den Zwangscharakter des militärischen Pflichtenkodex für von Bismarck zu formulieren, der wie Stahlberg selbst aus einer alten preußischen Offiziersfamilie stammte. Das „wie das Gesetz es befahl“ gehörte als Beschreibung von Handlungszwängen zu einer gemeinsamen Sprache militärischer Entscheidungsträger des Zweiten Weltkrieges, unabhängig von ihrer persönlichen Einstellung zum NS -Regime. Nach Kriegsende wurde Stalingrad endgültig zu einem Symbol für die Wende des Krieges und die skrupellose Kriegsführung Hitlers, aber auch die Verantwortlichkeit der militärischen Führung wurde immer wieder im Zusammenhang mit dem Massensterben an der Wolga diskutiert.84 In den vielbeachteten Memoiren von Generalfeldmarschall von Manstein, die er 1955 unter dem bezeichnenden Titel Verlorene Siege veröffentlichte, ist das Spartiaten-Epigramm dem Stalingrad-Kapitel vorangestellt und leitet die Würdigung des Leidens und Sterbens der Stalingradkämpfer ein, die die ansonsten rein strategischen Ausführungen zum Verlauf der Kämpfe umrahmt.85 Von Manstein war im November 1942 von Hitler zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe ,Don‘ ernannt worden und damit der direkte Vorgesetzte von Paulus in Stalingrad. In seiner Darstellung gibt er allein Hitler und Paulus die Schuld an der Niederlage, was nicht der Rolle entspricht, die er selbst bei der Entscheidung für den totalen Untergang der 6. Armee spielte.86 Von Interesse ist hier zum einen die Tatsache, dass von Manstein überhaupt das Spartiaten-Epigramm verwendet, um das ,Heldentum‘ der in Stalingrad gestorbenen deutschen Soldaten zu honorieren, und damit, wie Joachim Wieder 1956 in den Frankfurter Heften formulierte, den Versuch unternahm „auf den Gräbern der Toten das Monument weiterzubauen, mit dem die geschäftigen Nazis ja schon begonnen hatten“.87 Zum anderen setzt von Manstein das Epigramm dazu ein, die „Pflichterfüllung“ der toten Soldaten als „ethischen Wert der Gesinnung“ 88 zu bestätigen, der auch ohne Hitler und den NS -Staat bestehen bleibe. Obwohl von Manstein sich aufrichtig darum bemüht, des Massentodes an der Wolga in angemessenen Worten zu gedenken, benutzt er das Epigramm doch wieder dazu, militärische Pflichterfüllung als Wert an sich anzuerkennen und den soldatischen Verhaltenskodex vollständig von den übergeordneten Kriegszielen und vom politischen 83 ) Vgl. Stahlberg, Pflicht, S. 255; vgl. auch Beevor, Stalingrad, S. 391, 490. Von Bismarck überlebte und kehrte 1955 in die BRD zurück. 84 ) Vgl. Ueberschär, Historiographie, S. 192–204; Kehrig, Memoiren, S. 205–213; Vogel, Stalingradbünde, S. 247–253. 85 ) Vgl. Manstein, Verlorene Siege, S. 319–396. 86 ) Von Manstein war u. a. deshalb ernannt worden, weil er im Gegensatz zu seinem Vorgänger von Weichs das Aushalten bis zum Entsatz befürwortete; vgl. Ueberschär, Stalingrad, S. 23f., 33, 35, 39f.; ders. Historiographie, S. 195; Beevor, Stalingrad, S. 396; Kehrig, Memoiren, S. 209–211. 87 ) Wieder, Gesetz, S. 326. 88 ) Manstein, Verlorene Siege, S. 320.

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System zu trennen. Nicht zu Unrecht spricht Wieder in seiner Entgegnung von einem „völlig verfehlten, unerträglichen Vergleich“,89 wobei er keineswegs das Modell vom ,Opfertod für das Vaterland‘ und die mit der Schlacht an den Thermopylen verbundenen Werte ablehnt, sondern die vom Vergleich – teilweise implizit – generierten Bedeutungen. So beanstandet er, dass der Vergleich eine höhere Gültigkeit der militärischen Werte und der Handlungsdirektiven erzeuge, die selbstreferenziell und politisch beziehungslos sei. Nachdem in Deutschland fast ein halbes Jahrhundert lang die Schlacht an den Thermopylen dazu eingesetzt worden waren, ein formalisiertes Prinzip des soldatisch-männlichen Opferethos und einen rein militärischen Pflichtenkodex zu vermitteln und kulturell abzusichern, bringt Wieder die Kritik daran auf den Punkt: Eine eigene soldatische Welt mit besonderen Pflicht- und Ehrbegriffen außerhalb der staatsbürgerlichen und rein menschlichen ist ein Unding.90

3.2. Heldentypen. Antikes und zeitgenössisches Heldentum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Die beiden Kriege, mit denen Deutschland im 20. Jahrhundert die Welt überzog, brachten in allen beteiligten Staaten neue nationale Kriegshelden hervor; Männer und – sehr viel seltener – Frauen, deren meist tödlich endender Einsatz im Krieg als vorbildhaft gedeutet wurde. In Deutschland existierte in der Zeit zwischen den Weltkriegen eine große Zahl dieser nationalen ,Opferhelden‘, die zum Teil in weiten Kreisen der Bevölkerung sehr populär waren. Dazu gehörten unter vielen anderen die 1914 bei Langemarck gefallene, das Deutschlandlied singende ,Jugend‘, der 1915 mit dem U-Boot gesunkene Otto Weddigen, der 1918 abgeschossene Jagdflieger, der ,Rote Baron‘ Manfred von Richthofen, das 1941 mit voller Mannschaft untergegangene Schlachtschiff Bismarck sowie der 1923 wegen eines Sabotageaktes im besetzten Rheinland hingerichtete Albert Leo Schlageter oder die im selben Jahr beim Münchner Putsch getöteten ,Blutzeugen‘ der nationalsozialistischen Bewegung.91 Innerhalb dieser ,Topographie‘ deutscher Helden ist von der Forschung auch die Bedeutung verschiedener nationaler Heldenfiguren vergangener Zeiten herausgearbeitet worden, von denen die wichtigsten die Helden der Befreiungskriege, vor allem Theodor Körner, und Hermann der Cherusker sind.92 Antike Helden, die nicht von vornherein national definiert sind, wie Leonidas und seine Spartiaten, gab es, folgt man der Forschung, in der ersten Hälfte 89 )

Wieder, Gesetz, S. 325. Wieder, Gesetz, S. 327. 91 ) Vgl. Hüppauf, Schlachtenmythen, S. 43–84; Krumeich, Langemarck, S. 292–309; Ketelsen, Langemarck, S. 68–96; Schilling, Kriegshelden, S. 252–374; ders., Wehrmacht, S. 550–572; Afflerbach, Fahne, S. 595–612; Ulrich, Offizier, S. 11–14; Baird, Die, S. 13–72; Behrenbeck, Kult, S. 77–606. 92 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 252–374; Dörner, Mythos, S. 295–361. 90 )

3.2. Heldentum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

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des 20. Jahrhunderts nicht.93 Wie auch schon für die Zeit um 1800, als das Deutungsmuster des modernen nationalen Kriegshelden, der sich für sein Vaterland opfert, entstand, richten die historischen Arbeiten ihren Untersuchungsgegenstand auf die Nation und nationale Identität aus und bevorzugen aus diesem Grund die jeweils aktuellen zeitgenössischen Helden (s. Kap. II.3.1). Beides hat seine Berechtigung, handelt es sich bei diesen Helden doch um diejenigen mit dem größten Bekanntheitsgrad, die in vielen verschiedenen Text- und Bildmedien vermittelt und derer in jährlichen Gedenkveranstaltungen zu Todestagen rituell gedacht wurde, was ein gemeinschaftliches, affektives ,Erleben‘ ermöglichte.94 Das Deutungsmuster des ,Opferheldentums‘ in Deutschland lässt sich mit all seinen Veränderungen anhand der Schlacht an den Thermopylen zwar nicht systematisch untersuchen. Aber dennoch war die antike Schlacht immerhin so präsent, dass das NS -Regime auf sie zurückgriff, um die Niederlage in Stalingrad historisch abzusichern. Man nimmt dem Deutungsmuster ,Heldentum‘ seine Komplexität, schränkt man es auf seine populären, nationalen Vertreter des 19. und 20. Jahrhunderts ein. Denn die Überzeugungskraft und die ,Wahrhaftigkeit‘ von Heldentum lag, wie bereits wiederholt gezeigt, unter anderem darin, dass es über verschiedene historische Vergangenheitsbezüge eine anthropologisch anmutende Tiefendimension erhielt. Um das Exempel der Schlacht an den Thermopylen zwischen den zeitgenössischen deutschen Helden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verorten und ansatzweise zu zeigen, wo und in Kombination mit welchen aktuellen militärischen Ereignissen es verwendet wird, muss zunächst auf Basis der Forschungsliteratur die ,Topographie‘ der deutschen Helden und die mit ihnen verbundenen Deutungsangebote grob umrissen werden. Vor diesem Hintergrund kann versucht werden, die Frage zu beantworten, warum neben den nationalen auch antike Helden ihre Berechtigung und spezifische Funktion hatten.95 In der Regel untersucht die historische Forschung die Entstehung und Rezeption der diversen ,Heldenmythen‘ an Einzelbeispielen oder an ausgewählten Fällen, da sich nur so präzise Aussagen über Konjunkturen, Deutungsdimensionen und -veränderungen, Konstruktionen von Männlichkeit, Trägerschichten oder -gruppen und die soziale Praxis der Rezeption gewinnen lassen.96 Obgleich sich zahlreiche Ergebnisse gegenseitig bestätigen, stehen einige der generalisierenden Thesen im Widerspruch bzw. in offener Konkurrenz zueinander, was sich zum Teil aus der zwangsläufigen Konzentration auf einzelne Heldenfiguren erklären lässt. So herrscht zwar Konsens, dass die nationalsozialistische Diktatur ein besonders 93 ) Ausgenommen in der Literatur zu Stalingrad, in dessen Kontext die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen nicht zu übersehen ist, s. o. 94 ) Vgl. z. B. Schilling, Kriegshelden, S. 126–168, 295–314; Dörner, Mythos, S. 222–267. 95 ) Diese Skizze der deutschen Heldenlandschaft wird von vornherein auf den Typus des ,Opferhelden‘ eingeschränkt; zivile ,Helden‘ und ,Heldinnen‘, aber auch der Typus des ,heldenhaften Feldherrn‘, der sich von Hindenburg bis Rommel gleichfalls wandelte, bleiben außen vor, da für sie das Exempel der Schlacht an den Thermopylen nicht relevant ist; vgl. für die Typen Schilling, Kriegshelden, S. 25–27. 96 ) Methodisch in dieser Hinsicht am ausgefeiltesten: Schilling, Kriegshelden; vgl. dazu Rez. Kühne.

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,heroisches‘ Zeitalter war, weil ,Opferhelden‘ unterschiedlicher Provenienz auf vielfältige Weise in die Staatsrepräsentation und das öffentliche Leben integriert wurden, aber über die zeitliche Abfolge und das Verhältnis der verschiedenen Heldentypen besteht Uneinigkeit. Für eine Periodisierung dieser Heldenkonjunktur in der NS -Zeit hat Sabine Behrenbeck ein klassisches Aufstieg-und-VerfallModell vorgeschlagen, nach dem auf die Wachstumsphase in der ,Kampfzeit‘ die „Ausformung des reifen Mythos“ in den 1930er Jahren, der Bruch mit Stalingrad und der unaufhaltsame Verfall in den zwei letzten Kriegsjahren folgten.97 Da Behrenbeck sich auf die ,Opferhelden‘ der Partei konzentriert, die an die nationalsozialistische Bewegung gebunden sind, zeichnet sie mit dieser Einteilung lediglich vergröbernd die übliche Periodisierung des NS -Regimes nach. Diese Periodisierung verdeckt, dass die Kriegshelden des Zweiten Weltkrieges gegenüber denen des Ersten nichts genuin Neues und deswegen auch nicht zwangsläufig an die NSDAP gebunden waren, und dass gerade in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges von Propaganda und Funktionsträgern umfassend Helden, und insbesondere auch historische Helden, aktiviert wurden.98 Außerdem bleibt unsichtbar, dass die Hochphase für ,Opferhelden‘ bereits in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre einsetzte und es in dieser Phase insofern zu entscheidenden Veränderungen kam, als die Deutung von ,Opferheldentum‘ in den Deutungskämpfen um den Ersten Weltkrieg von der nationalistischen bis radikalen Rechten monopolisiert wurde.99 Dies gilt gerade auch für die vorwiegend in der bildungsbürgerlichen Hochkultur verankerten antiken Heldenfiguren wie Leonidas und seine Spartiaten, die nunmehr gezielt für die Delegitimierung der Republik eingesetzt wurden (s. Kap. III.2.2). Interessanterweise konstatiert gerade Rene´ Schilling, der die umfassendsten Studien zum Heldentum im 19. und 20. Jahrhundert vorgelegt hat, für die von ihm untersuchten Befreiungskriegshelden Theodor Körner und Friedrich Friesen sowie die Weltkriegshelden Manfred von Richthofen und Otto Weddigen während der Weimarer Republik eine „sinkende Popularitätskurve“ gegenüber der Kaiserzeit und der NS -Zeit.100 Dies liegt zum einen daran, dass auf nationaler Ebene die Republik, die bei der symbolischen Repräsentation ihres Gewaltmonopols ohnehin zurückhaltend war, kaum Heldenfiguren für sich nutzbar machen konnte, die durch ihre jüngere Rezeptionsgeschichte eindeutig monarchisch besetzt waren. Die Veränderungen bei der Deutung von Heldentum fanden in Teilkulturen der Gesellschaft statt, so wie das Exempel der Schlacht an den Thermopylen nach dem Ersten Weltkrieg vor allem im politischen Totenkult präsent war. Zum anderen liegt der von Schilling festgestellte relative Niedergang auch bereits an der Auswahl seiner Heldenfiguren selbst, denn der Zenit des Einzelkämpfers war mit dem Ersten Weltkrieg überschritten.101 Bezeichnenderweise findet sich der Typus 97 )

Vgl. Behrenbeck, Kult, S. 595–599, Zit. S. 595. Vgl. Schilling, Wehrmacht, S. 550–572; Rez. Kühne; vgl. Laude/ Bausch, Diem, S. 184. 99 ) Vgl. Hüppauf, Schlachtenmythen, S. 43–84; Krumeich, Langemarck, S. 305–309; Schilling, Kriegshelden, S. 293f.; Mosse, Gefallen, S. 155–191; Ziemann, Kriegsveteranen, S. 101–109; Rusinek, Kultur, S. 171–197. 100 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 289–315; Zit. S. 289f. 101 ) Vgl. Rez. Kühne. 98 )

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des einzelnen Mannes, der für sein Vaterland stirbt, im Ersten Weltkrieg nur in den neuen Waffengattungen Luftwaffe und U-Boot und vielleicht noch in der Marine, nicht aber in der Infanterie und Artillerie, die den Krieg hauptsächlich trugen.102 Der Soldatentod in den Materialschlachten nahm zuvor unbekannte Ausmaße an und Tod in der Schlacht hieß nun bis zur Unkenntlichkeit zerfetzte Leichen.103 Diese Massen teilweise anonymisierter toter Soldaten erforderten neue Erinnerungsfiguren und Deutungsmuster, da sie in der patriotisch-nationalistischen Denkfigur zwar alle ihr Leben für ihr Vaterland geopfert hatten, darin aber nicht mehr die Vollendung eines selbstbestimmten, männlichen Individuums gesehen werden konnte. Es ist kein Zufall, dass die vier ,Opferhelden‘, die Schilling untersucht, entweder Freiwillige oder Berufssoldaten waren, nicht aber Wehrpflichtige. Bei ihnen gingen individuelle Entscheidungen für das Militär und den Krieg dem ,Heldentod‘ voraus. Qualitativ betrachtet, sind die Toten des Landheeres im Ersten Weltkrieg als Kollektiv somit etwas Anderes als ein potenzierter Theodor Körner.104 Eben diese ,kollektiven Opferhelden‘ standen im politischen Totenkult und in der Deutungskultur des Weltkrieges während der Weimarer Republik im Vordergrund.105 Allerdings gab es nur einen ausgeformten, an ein konkretes, zeitlich begrenztes Ereignis gebundenen ,Mythos‘, der ,kollektives Opferheldentum‘ vermittelte, nämlich den Untergang der ,jungen‘ Regimenter bei Langemarck.106 Es ist symptomatisch für den Charakter der Schlachten des Ersten Weltkrieges, dass die für Deutschland äußerst verlustreichen Kämpfe in Verdun und an der Somme in ihrer späteren Deutung austauschbar sind. Die exemplarische Dimension dieser Kämpfe ist nur noch mit sehr großräumigen Schauplätzen und nicht mehr mit konkreten Akteuren, deren singulären Taten und einem überschaubaren zeitlichen Rahmen verbunden, sondern wird sehr viel abstrakter formuliert.107 Indem Schilling die Kollektivversion des ,Opferheldentums‘ ausblendet, kann er zeigen, dass der aus seinen vier Heldenfiguren entwickelte Idealtypus des charismatisch-kriegerischen Volkshelden, wie er in der späten Kaiserzeit am völkischnationalistischen Rand entworfen worden war, bereits während des Ersten Weltkrieges dominant wurde, sich in der Weimarer Republik durchsetzte und sich in 102 ) Der Einzelkämpfer ist natürlich auch für die neuen Waffengattungen Fiktion, da die Flieger im Geschwader kämpften und die U-Boote Mannschaften hatten, die mit ihnen untergingen; vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 255. Die Marine ist insofern eine Mischung aus Einzelheldentum und kollektivem Untergang, als beim Untergang neben dem Kommandanten immer auch eine erhebliche Zahl an Besatzungsmitgliedern starb. Dennoch wurde eher der Kommandant allein als Vorbild verehrt; vgl. Afflerbach, Fahne, S. 604–608. Eine Ausnahme ist Walter Flex, der als dichtender Kriegsfreiwilliger ein typologisches Pendant zu Körner darstellt. Er starb 1917 bei einer ähnlich absurden Aktion wie Körner, als er auf der Insel Ösel bereits geschlagenen, flüchtenden russischen Soldaten auf einem erbeuteten Pferd nachsetzte und von ihnen erschossen wurde; vgl. Medicus, Jugend, S. 94f. 103 ) Vgl. Krumeich, Verdun, S. 295, 305. 104 ) Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 252f., 286 f. 105 ) Vgl. Brandt, Kriegsschauplatz, S. 127–225. 106 ) Vgl. Krumeich, Langemarck, S. 292–309; Hüppauf, Schlachtenmythen, S. 43–59. 107 ) Vgl. Hüppauf, Schlachtenmythen, S. 59–84, der zunächst betont, Verdun sei kein ausgeformter ,Mythos‘, dann allerdings immer vom ,Verdun-Mythos‘ spricht.

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der NS -Zeit voll entfaltete. Mit diesem Idealtypus sind die Qualitäten gekennzeichnet, in denen die Vorbildhaftigkeit des Helden gesehen wurde. Das Volk löste als Bezugsgröße, für die gestorben wurde, die Nation ab, was sich für die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen gleichfalls beobachten lässt; Charisma und hartes, soldatisch-kriegerisches Auftreten wurden den Helden zugeschrieben und verwiesen schon vor 1933 auf das Konzept der Führernatur. Obgleich die Konzentration auf den Einzelhelden für die beiden Weltkriege nur bedingt trägt, eröffnet sie doch neue Perspektiven. Zum einen zeigen die Heldenfiguren des Zweiten Weltkrieges, wie z. B. der U-Boot-Kommandant Günther Prien, dass das Bild vom Mann mit seiner Maschine nichts an Faszinationskraft eingebüßt hatte. Zum anderen wendet sich Schilling mit der These von der Kontinuität eines Idealtypus gegen all die ,neuen Helden‘, die die Forschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckt hat. In der Ausschließlichkeit falsch, aber durchaus mit Erkenntnisgewinn negiert er mit seiner These den überbetonten ,neuen Heroismus‘ oder gar ,neuen Menschen‘, der aus den Materialschlachten der Jahre seit 1916 hervorgegangen sein soll, eine Ansicht, die meist mit einer exzessiven ErnstJünger-Exegese verbunden ist und immer auf direktem Weg beim Nationalsozialismus landet.108 Jüngers Schriften hatten Einfluss im Umkreis der Konservativen Revolution und in elitären, radikalen Zirkeln der studentischen Jugend,109 aber letztlich ist er nur ein, wenn auch besonders wortgewaltiger Exponent des Phänomens, das man als eine abstrakte Konstruktion von Heldentum beschreiben könnte und das z. B. durch eine eigene Ästhetik flankiert wurde, in deren Zentrum der 1916 eingeführte Stahlhelm stand.110 Diese abstrakte Formulierung von Heldentum und Heldentod nach dem Ersten Weltkrieg steht in Verbindung sowohl zum Massentod im Grabenkrieg als auch zum Deutungsmuster des unbekannten ,Frontsoldaten‘ und ist daher durchaus etwas Neues, aber sie stellt eben nur ein Element in der Landschaft deutscher Helden in der Zwischenkriegszeit dar. Des Weiteren verdeutlicht Schilling durch die Betonung der Kontinuität, dass der Heldenboom in der NS -Zeit zwar in seiner Dichte und ästhetischen Gestaltung, nicht aber in seiner Struktur eine grundsätzliche Neuerung darstellte.111 Auch an der Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen lässt sich zeigen, dass 108 ) Vgl. Hüppauf, Schlachtenmythen, S. 59–84, der zunächst sehr überzeugend die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des ,Langemarck-Mythos‘ und des ,Verdun-Mythos‘ herausarbeitet, um dann zu der in ihrer Eindimensionalität äußerst problematischen These zu gelangen, dass im Grabenkrieg ab 1916 eine neue mentale Disposition entstand, die um die Zerstörbarkeit und Züchtbarkeit des Menschen kreiste und letztlich den Holocaust ermöglichte. Auch Franzosen und Engländer machten die Extremerfahrung des Grabenkrieges durch, weshalb der Entwurf des ,Neuen Menschen‘ nicht an den Erfahrungen, sondern nur an der Deutung dieser Erfahrungen hängen kann. Vgl. zu Jünger und dem ,neuen Heroismus‘ auch Weisbrod, Gewalt, S. 544–560; Blazek, Männerbünde, S. 41– 45; Wegner, Hitler, S. 515f.; Wette, Massensterben, S. 53. 109 ) Vgl. Weisbrod, Gewalt, S. 559f.; Breuer, Grundpositionen, S. 105–117; Rusinek, Kultur, S. 191–195. 110 ) Vgl. Hüppauf, Schlachtenmythen, S. 65–72; Artinger, Radziwill, S. 4–19, Abb. 3–6, 9, 12–19, 24–32. 111 ) Vgl. Schilling, Wehrmacht, S. 550–572, gegen Baird, Die; Behrenbeck, Kult.

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bereits in der Weimarer Republik Nationalkonservative wie Mitglieder der NSDAP das Exempel benutzten und es mit einigen Umdeutungen nach 1933 ins Pantheon derjenigen Heldenexempel aufgenommen werden konnte, die von der NS -Führung öffentlich verwendet wurden. Einen einzigen „nationalsozialistischen Heldenmythos“ 112 gab es nicht. Einige dieser aufgezeigten Widersprüche lassen sich dadurch lösen, dass man alle Heldenfiguren oder ,-mythen‘ als Exempel begreift, die bis zu einem gewissen Grad frei, aber nicht beliebig kombinierbar sind. Damit werden zunächst die mit dem Begriff des Mythos aufgerufenen Dimensionen des Höheren, Numinosen, Kultischen, aber auch der Popularitätsgrad deprivilegiert. Dafür lassen sich aber für die verschiedenen ,Helden‘ Ungleichzeitigkeiten in ihren Rezeptionskonjunkturen und ihre spezifischen Rezeptionslogiken besser beschreiben. Um die Heldenexempel systematisieren zu können, ist es sinnvoll, den Grundtyp des ,militärischen Opferheldentums‘ in weitere Subtypen zu spezifizieren.113 Wie der Blick auf die Forschungskontroversen gezeigt hat, erscheint es sinnvoll, zunächst die ,Einzelhelden‘ von den ,Kollektivhelden‘ zu unterscheiden und die ,Kriegshelden‘ von den ,Helden einer Bewegung‘, die es jeweils in Einzel- und Kollektivversion gibt. Die ,Kriegshelden‘ lassen sich dadurch definieren, dass sie im Krieg gegen einen äußeren Gegner für die gesamte Nation starben, die ,Helden einer Bewegung‘ hingegen ließen ihr Leben für eine politische, oft revolutionäre Bewegung. Sie verlagern die Unterscheidung zwischen Freund und Feind in die Gesellschaft selbst. Sie sind an die politische Bewegung gebunden und haben für diese einen starken Verpflichtungscharakter. Die Exempel für die ,Helden einer Bewegung‘ sind daher in der Regel zeitgenössisch, während die Exempel für die ,Kriegshelden‘ aus unterschiedlichen Epochen stammen können. Innerhalb dieser Typologie lässt sich festhalten, dass die ,Einzelhelden‘ nach dem Ersten Weltkrieg insgesamt an Bedeutung verloren, die sie nach 1933 wieder gewannen, während die ,Kollektivhelden‘ im gleichen Zeitraum in der Deutungskultur des Krieges wichtiger wurden. Außerdem sind die ,Helden einer Bewegung‘ als eigenständiger Typus zu verstehen, der allerdings über den ,Opfertod‘ mit den ,Kriegshelden‘ verbunden werden kann.114 Der spielerische Charakter und die relative Offenheit der Kombinationen von Heldenexempeln, die zu einem Grundtypus gehören, zeigt ein extremes Beispiel: Der Artikel Das Opfer von Kurt Karl Eberlein in der Illustrierten Zeitung zur 112 )

Behrenbeck, Kult, S. 595. Dieser Versuch der Typeneinteilung baut auf Schilling, Kriegshelden, S. 22–27, auf, setzt aber beim Konzept des historischen Exempels an, das m. E. eine größere Flexibilität zulässt und z. B. die Vorstellung, es gäbe einen „Archetypus“ des Opferheldentums, ebda. S. 287, verhindert. Dennoch lässt sich der Versuch, das System der Heldenexempel für einen bestimmten Zeitraum zu beschreiben, nur auf der Grundlage empirischer Einzelstudien durchführen. 114 ) In der fiktiven Welt des Romans findet sich in Buschbeckers ... wie unser Gesetz es befahl von 1936 eine Verbindung des Thermopylen-Exempels mit der Biographie eines ,Alten Kämpfers‘ der NSDAP . Die Verbindung nationaler Heldenexempel mit den NSDAP Helden konnte durchaus zu ernsten Konflikten führen, so z. B. am Körnergrab in Wöbbelin; vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 360–364. 113 )

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Niederlage in Stalingrad 1943.115 Nach der Einleitung „Der Opfertod lebt auch in der Weltgeschichte in leuchtenden Namen fort“ 116 folgen in dichter Reihe historische Heldenexempel: Angeführt von den ägyptischen Königen, die sich in Dürrezeiten selbst opferten, über – unter anderen – Harmodios und Aristogeiton, die Spartaner an den Thermopylen, Alexander, Cocles, Scaevola, Christus, Arminius, Roland, Barbarossa, Hutten, Egmont, Johanna von Orleans und Charlotte Corday wird die Reihe fortgesetzt von Schill, Hofer, Semmelweis, Richthofen, Graf Spee, Wessel, Schlageter, den Toten des Hitler-Putsches und reicht bis zu den Helden von Narvik, der Bismarck und von Stalingrad. Vollendet wird diese Genealogie durch den „namenlosen, unbekannten Soldaten, der sich selbst hingibt und opfert für Volksgemeinschaft, für Freiheit und Recht“ 117 und eine elegante Überleitung zu Opfergeist und Größe des ,unbekannten Soldaten‘ Adolf Hitler bietet. Bereits der Eingangssatz verdeutlicht die typische dialektische Argumentationsfigur, in der der „Opfertod“ als höheres Prinzip menschlichen Handelns erscheint, das sich in der Weltgeschichte manifestiert, die ihrerseits die empirischen Beweise dafür liefert, dass dieses Prinzip in der Realität gültig ist, und zwar zu allen Zeiten und überall. Diese Gültigkeit wird im Text durch die Anhäufung der Exempel hergestellt, die hier einzig nach dem Typus des ,Opferheldentums‘ zusammengestellt sind und Einzel- wie Kollektivhelden, Kriegshelden und ,Helden der Bewegung‘, selbst zivile ,Helden‘, Männer und Frauen sowie Gottes Sohn umfassen. Auch berühmte Figuren wie Alexander, Arminius oder Barbarossa, deren Tod als ,Opfertod‘ zu deuten einiger interpretatorischer Spitzfindigkeit bedarf, werden vereinnahmt. Durch diese Ansammlung von Heldenexempeln der Vergangenheit entwirft der Autor einen Raum des Heroischen, der durch die reine Anzahl, die Varianz und die Prominenz der Exempel annähernd ins Totale gesteigert erscheint. Auffällig ist, dass seit den napoleonischen Kriegen nur mehr nationale Heldenexempel angeführt werden. Während der Raum des Heroischen in seiner historischen Tiefendimension sehr vielgestaltig strukturiert ist, verengt er sich zur Gegenwart hin immer mehr. Die Absicht, die mit diesem Aufgebot an Heldenexempeln aus der Vergangenheit verfolgt wird, ist, dem jüngsten Fall – Stalingrad – die heroische Dimension zu verleihen, die ihm angemessen erscheint. Gleichzeitig wird auch die NSDAP in diesen Raum eingeordnet, und weil auch sie ,Opfer‘ gebracht hat, die auf der gleichen Ebene wie alle anderen Heldenexempel der Vergangenheit stehen, erscheint die Partei durch das heroische Strukturprinzip der Weltgeschichte legitimiert. Allerdings zeugt das große Heldenaufgebot aus der Vergangenheit unbeabsichtigt auch davon, wie sehr das NS -Regime und seine Anhänger nach Stalingrad unter Rechtfertigungsdruck standen. Bei diesem Beispiel werden die Subtypen im allgemeinen Opferheldentum nivelliert. Wenn dies nicht der Fall ist, dann ist das Exempel der Schlacht an den Thermopylen eindeutig den ,Kriegshelden‘ und eher den ,Kollektiv-‘ als den ,Einzelhelden‘ zuzuordnen. Theoretisch können sowohl Leonidas mit einzelnen 115 )

Vgl. Eberlein, Opfer, S. 123–125; s. Abb. 36. Eberlein, Opfer, S. 123. 117 ) Eberlein, Opfer, S. 124.

116 )

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Militärs als auch die Spartaner mit einem Kollektiv von Soldaten verglichen werden. Die Vergleichspraxis in der Frühzeit der modernen militärischen ,Opferhelden‘ in den Revolutions- und napoleonischen Kriegen zeigt, dass in der Regel Leonidas allein dazu angeführt wird, um Offizieren ehrenhaftes Verhalten im Feld zu attestieren. Die Präferenz in der Vergleichspraxis verschiebt sich mit dem Ersten Weltkrieg aber eindeutig auf die 300 Spartiaten. So schrieb das MilitärWochenblatt 1928 über die letzten Kämpfe an der Westfront 1918: Hier weht uns neben vielem Häßlichen ein Hauch von unsterblicher Heldengröße entgegen, hier starben ohne die belebende Hoffnung auf Sieg die letzten Helden des alten Deutschland in stummer Pflichterfüllung wie jene Spartaner bei Thermopylä. Weil das Gesetz es befahl.118

Das ,Heldentum der reinen Pflichterfüllung‘, das durch das Exempel der Schlacht an den Thermopylen seit dem Ersten Weltkrieg transportiert wird, gehört zu den Deutungsmustern für den Massentod der zum überwiegenden Teil Wehrpflichtigen des Landheeres. Vereinzelt wird, insbesondere im Zweiten Weltkrieg, auch Leonidas allein als Vergleich für zeitgenössische Militärs angeführt, die der Marine oder der Luftwaffe angehören.119 Die Analogiebildung bezieht sich dabei einzig auf das ,Selbstopfer‘. Deutlich wird, dass unterhalb der verschiedenen Typen militärischen ,Opferheldentums‘ noch weitere Differenzierungen notwendig sind, um zu erklären, mit welchen zeitgenössischen Helden die Schlacht an den Thermopylen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verglichen wurde und mit welchen nicht. Da sich die tatsächliche Praxis des Vergleichs, wie in den vorhergehenden Kapiteln gezeigt wurde, nur aus den konkreten Kontexten erklären lässt und dabei zahlreiche Faktoren wichtig sind, können durch die Typologie die Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichs nur generell beschrieben werden. Interessanter sind hierbei die Grenzen, da an ihnen sichtbar wird, wo das Exempel trotz grundsätzlicher Analogien nicht übertragen werden kann. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen transportiert ein Modell für einen militärischen Untergang in aussichtsloser Lage, für einen ehrenvollen Kampf bis zum Tod und für eine vernichtende Niederlage. Über diese Grundstruktur wird es auf die letzte Offensive an der Westfront 1918, auf Stalingrad oder auch auf die letzten Kämpfe in Berlin im Frühjahr 1945 übertragen.120 Allerdings findet sich das Exempel der antiken Niederlage kaum und erst nach 1933 als Vergleich für die Jugend von Langemarck121 und Militär-Wochenblatt 113 (1928) Nr. 22 vom 11. 12. 1928, S. 863. Z. B. wird Leonidas mit Luetjens, dem Admiral der Bismarck, verglichen bei Herzog, Schlachtfelder, S. 4; und es gab Planungen für eine den Kamikaze-Fliegern nachempfundene deutsche Selbstmord-Fliegerstaffel, die nach einer Äußerung von Hanna Reitsch in einem BBC -Interview 1976 „Leonidas-Staffel“ heißen sollte; vgl. Watt, Wanderer, S. 876. Vgl. auch Weir, Luftwaffe, S. 13. 120 ) Vgl. Völkischer Beobachter vom 18. 4. 1945; Schenk, Notlazarett, S. 102f.; Laude / Bausch, Diem, S. 184; Anonyma, Frau, S. 29f. Hitler soll in den letzten Kriegswochen geäußert haben: „Ein verzweifelter Kampf behält seinen Wert als Beispiel. Man denke an Leonidas und seine 300 Spartaner“; zit. nach Fest, Hitler, S. 989 und Anm. 64. 121 ) 1936 lautete ein Abituraufsatzthema: „Von Thermopylä nach Langemarck. Völkischer Wehrwille und vaterländische Einsatzbereitschaft in alter und neuer Zeit“; vgl. Gies, Geschichtsunterricht, S. 77. Lüdemann, Sparta (1939), S. 145, behauptet, dass auf dem Denkmal 118 )

119 )

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ebenfalls sehr selten für die dramatischen Untergänge von Schlachtschiffen in beiden Weltkriegen.122 Das eine mag auf den ersten Blick überraschen, das andere plausibel erscheinen. Gerade weil der ,Opfergang‘ der ,jungen‘ Regimenter im Milieu von Jugendbewegung und Universität verankert war, derjenigen bürgerlichen, akademisch gebildeten Schicht also, die über antikes Bildungswissen verfügte, wären Parallelisierungen mit der Schlacht an den Thermopylen naheliegend. Diese fehlenden Vergleiche sind nicht einfach zu erklären; es scheint, dass das Exempel der Jugend von Langemarck ab den 1920er Jahren sehr eigenständig war und keiner weiteren Absicherung aus der Vergangenheit bedurfte, und dass das Exempel der Schlacht an den Thermopylen eher zu der anderen, abstrakteren Formulierung von Heldentum gehörte, die sich an die Materialschlachten anschloss. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die antike Schlacht mit einer bestimmten Körpervorstellung, nämlich dem antikischen, männlichen Idealkörper verbunden war, der sich gleichzeitig in der Ästhetik wiederfindet, die zu dieser abstrakteren Form des Heldentums gehörte, was weiter unten noch näher betrachtet wird (s. Kap. III.3.3). Die Forschung zu Langemarck hat herausgearbeitet, wie das Exempel nach der ,Machtergreifung‘ umgeformt und nun zum Identifikationsobjekt für die gesamte Jugend gemacht wurde.123 Im Zuge dieser Neukontextualisierung war die Schlacht an den Thermopylen als Parallele eher naheliegend. Warum die Schlacht an den Thermopylen nicht mit Untergängen von Schlachtschiffen verglichen wird, erscheint offensichtlich, da es sich um eine Landschlacht handelte. Tatsächlich wird die Grenze des Vergleichs allein dadurch bestimmt, denn es finden sich einige Punkte, die eine Analogiebildung zu Schiffsuntergängen plausibel machen würden. Es ist kein Zufall, dass Holger Afflerbach in seiner Untersuchung zur Kapitulationsverweigerung in der deutschen Marine in der Einleitung die Schlacht an den Thermopylen erwähnt.124 Die Schiffsuntergänge waren in den beiden Weltkriegen häufig ,total‘, da die Mannschaften fast keine Möglichkeit hatten, rechtzeitig an Deck zu gelangen, und weil der spezifische Ehrenkodex der Marineoffiziere selbst in aussichtsloser Situation verbot ,die Flagge zu streichen‘.125 Während es auf dem Land für Offiziere zu allen Zeiten möglich war zu kapitulieren, ohne die Ehre zu verlieren, auch wenn dort das Ideal galt, bis zum Tod zu kämpfen, war dies für einen Marineoffizier faktisch ausgeschlossen. Dieser in der Marine herrschende Ehrenkodex ist der Grund, warum Hitler 1945 den Großadmiral Karl Dönitz mit der Verteidigung Berlins und der Fortführung der Kämpfe nach seinem Tod beauftragte. Der Arzt Ernst Günter Schenck berichtet in seinen Memoiren vom Einsatz junger Marineoffiziere im Kampf um Berlin:

für Langemarck „der gleiche Spruch mit dem heiligen Worte ,Deutschland‘“ stehe. Er meint wohl das Epigramm; die Wand des Ehrenhofes des vom VDK 1932 gestalteten Kriegerfriedhofes in Langemarck zierte allerdings Heinrich Lerschs „Deutschland muß leben, auch wenn wir sterben müssen“; vgl. Brand, Kriegsschauplatz, S. 199, 202. 122 ) Vgl. Herzog, Schlachtfelder, S. 4. 123 ) Vgl. Hüppauf, Schlachtenmythen, S. 43–84; Krumeich, Langemarck, S. 292–309. 124 ) Vgl. Afflerbach, Fahne, S. 597. 125 ) Vgl. Afflerbach, Fahne, S. 595–612.

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Wahrscheinlich hatten Großadmiral und Seekriegsleitung an Leonidas und seine Dreihundert in den Thermopylen gedacht, als sie Hitler zusagten, auch die Marine werde sich am Kampf um Berlin beteiligen. Gedanken dieser Art waren damals in vielen lebendig.126

Wenn die Marine auf dem Land kämpfte, war der Vergleich mit der Schlacht an den Thermopylen möglich. Ein weiteres Beispiel für die Grenzen des Exempels ist der Kampf an den Thermopylen während des Griechenlandfeldzuges 1941.127 Die Unmöglichkeit, die antike Schlacht auf die deutsche Wehrmacht zu übertragen, liegt hier nicht wie bei den Schiffsuntergängen in den historischen Fakten der Schlacht begründet, sondern in ihrer Deutungsfestlegung. Da das antike Ereignis anlässlich der neuerlichen militärischen Auseinandersetzung an den Thermopylen in der deutschen Presse und Militärpresse breit rezipiert wurde, lassen sich hier verschiedene Formen aufzeigen, wie mit dem Dilemma umgegangen wurde, dass einerseits die historische Bedeutung des Ortes gebührend hervorgehoben werden sollte, andererseits ein direkter Vergleich nicht möglich war. Nebenbei bemerkt war damit die antike Schlacht im Frühjahr 1941 schon einmal in der deutschen Öffentlichkeit präsent, so dass Görings Rezeption der Schlacht in seiner Stalingrad-Rede nicht völlig singulär dasteht. Im Frühjahr 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht von Bulgarien aus Griechenland, das bereits im Oktober des Vorjahres von Mussolini attackiert worden war. Den Griechen standen englische Expeditionstruppen, vor allem das Australian-New Zealand Army Corps (ANZAC ) zur Seite. Dennoch durchbrach die Wehrmacht Anfang April innerhalb weniger Tage die Metaxas-Linie, die Hauptdefensivstellung an der Struma. Die zweite Verteidigungslinie lag an den Thermopylen; die Passstraße über das Gebirge war gesprengt, die Straße an der Küste von englischen Nachhuten gesperrt. Damit sollte der englischen Armee die geregelte Räumung Griechenlands ermöglicht werden. Vom 22. bis zum 25. April kämpften sich deutsche Panzer- und Gebirgsjägerdivisionen, unterstützt von der Luftwaffe, den Weg frei. Zwei Tage später besetzte die Wehrmacht Athen, Anfang Mai war ganz Griechenland unter deutscher Kontrolle. Für die griechische und englische Seite war es problemlos möglich, die antike Niederlage auf die eigene Situation zu beziehen.128 Der Punch veröffentlichte Ende April die Druckgraphik After Thermopylae, die entgegen der Ausrichtung der Zeitung keine Karikatur ist (s. Abb. 37). Das Bild zeigt in gebirgiger Umgebung einen griechischen Hopliten, der durch die Aufschrift „LACEDAEMONIA “ auf seinem Schild als Spartiat gekennzeichnet ist und etwas erhöht hinter zwei zeitgenössischen Soldaten, einem Griechen und einem Mitglied des ANZAC , steht. Bei diesem einzelnen Hopliten ist anzunehmen, dass Leonidas gemeint ist. Beschützend greift er dem ANZAC -Soldaten an die Schulter, während sein Schild den Rücken des Griechen deckt. Ikonographisch ist eine Schutzengeldarstellung aufgerufen. Leonidas befindet sich trotz seiner Herkunft aus einer anderen 126 )

Schenck, Notlazarett, S. 102f. Vgl. Hiller von Gaertringen, Griechenland, S. 73–85, 129–167, 499–503; Szemler/ Cherf, Nochmals, S. 345–365. 128 ) Vgl. Herzog, Schlachtfelder, S. 2f. Vgl. das Gedicht von Hjalmar Gullberg Död amazon (1941) bei Rebenich, Thermopylae, S. 332f. 127 )

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historischen Zeit mit den beiden zeitgenössischen Soldaten zusammen im selben Bildraum, der allein dadurch logisch zusammengehalten wird, dass es sich um den gleichen Ort handelt, an dem jeweils die Abwehr einer feindlichen Invasion misslang. Der Held aus der Vergangenheit weist in diesem Bildraum über den gegenwärtigen Moment hinaus: Er verleiht den beiden resignierten Soldaten ein Stück seiner Unsterblichkeit und die Hoffnung, dass nach der ersten Niederlage der Krieg dennoch siegreich beendet werden wird. Für die Deutschen als Angreifer und Gewinner des Gefechtes an den Thermopylen 1941 war ein stimmiger historischer Vergleich nur mit den Persern möglich. Die Rezeption der antiken Schlacht in den Frühjahrsmonaten macht aber deutlich, dass eine Analogiebildung zu den Persern völlig außerhalb des Sagbaren lag. So parallelisierte in der Frontzeitung Wacht im Südosten der Hauptschriftleiter Otto Brües die deutschen Gebirgsjäger zwar durch die Formulierung, dass sie „wie einst in den Tagen des Altertums de[n] Pass umgangen“ 129 hätten, mit dem persischen Elitekorps der Unsterblichen, spricht dies aber nicht explizit aus. Da er zudem bei seiner kurzen Wiedergabe der Vorgänge von 480 v. Chr. verschweigt, dass der Pass durch die persische Umgehung erobert wurde, lässt er den Vergleich absichtlich unverständlich. Eine direkte Identifikation mit den Persern war für die deutsche Seite 1941 nicht möglich, obwohl nach der rassenbiologischen Einteilung der Weltgeschichte in Gut und Böse gemäß der nationalsozialistischen Ideologie die Perser als Arier zu den Guten gehörten. In den Geschichtsbüchern, die im Jahr zuvor für die höheren Schulen neu eingeführt worden waren, wurde die Schlacht an den Thermopylen daher als Auseinandersetzung innerhalb der arischen Rasse charakterisiert (s. Kap. III.1.1). Die Aktualisierungen der antiken Schlacht 1941 zeigen somit sehr präzise die Grenzen einer rassenbiologischen Neudeutung der Geschichte, und zwar auch in der offiziellen NS -Propaganda.130 Nur wenige Berichte vom deutschen Erfolg an den Thermopylen verzichteten allerdings völlig darauf, die historische Bedeutung des Ortes hervorzuheben.131 Die meisten versahen immerhin die Ortsbezeichnung mit dem Epitheton „historisch“ oder „klassisch“.132 Die kulturelle Signifikanz des Ortes wurde somit gekennzeichnet, ohne dass eine Vergleichsebene entstand. Einzig der Ort wurde mit einer Aura des Bedeutsamen umgeben, oder wie Signal es formulierte: „Über den Gebeinen von Leonidas und seiner Schar tobte der Kampf mit den britischen Nachhuten“.133 Brües, Leistung, S. 2. Vgl. Völkischer Beobachter Nr. 114 vom 24. 4. 1941, S. 8; ebda. Nr. 120 vom 30. 4. 1941, S. 1f. 131 ) Vgl. Wacht im Südosten Nr. 447 vom 26. 4. 1941, S. 1; Militärwissenschaftliche Rundschau 6 (1941) S. 332–337; Signal 2 (1941) Nr. 11, o. S.; Gebirgsjäger in Griechenland und Kreta, S. 62 f.; und das Gedicht von Hans-Ulrich Plath Nacht in den Thermopylen in: Wacht im Südosten Nr. 498 vom 22./23. 6. 1941, S. 5 und in: Von Serbien bis Kreta, S. 105. 132 ) Vgl. Militär-Wochenblatt 125 (1941) Nr. 44 vom 2. 5., S. 1759–1764; Feldzeitung von der Maas bis an die Memel Nr. 112 vom 11. 5. 1941, S. 2; Deutsche Wehr 45 (1941) vom 16. 5., S. 334–336; Die Wehrmacht 5 (1941) Nr. 11 vom 21. 5., o. S.; Berliner Illustrierte Zeitung 50 (1941) vom 26. 6., S. 692–695; Von Serbien bis Kreta, S. 106; Gebirgsjäger in Griechenland und Kreta, S. 60f. Vgl. auch Falliner, Leonidas, S. 7 passim. 133 ) Signal 2 (1941) Nr. 12, S. 16, 27. 129 )

130 )

3.2. Heldentum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

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Dass diese Zurückhaltung aus der Not geboren wurde, verdeutlicht ein Artikel der in Königsberg erscheinenden Preußischen Zeitung, den die Feldzeitung von der Maas bis an die Memel übernahm. Zunächst werden als „historische Parallele“ die Vorgänge im Engpass von 480 v. Chr. kurz wiedergegeben, um sie dann als Vergleichsgröße abzulehnen: Wahrscheinlich haben wir mit diesen vergleichenden Geschichtsbetrachtungen der englischen Propaganda einen Gefallen getan. Läßt man nämlich eine Parallele zwischen den damaligen und den heutigen Thermopylenkämpfern überhaupt zu, so bietet sich [...] wie von selbst ein Griff in den klassischen Zitatenschatz.134

Die englische Propaganda werde behaupten, die Freiheit gegen einen „barbarischen Despoten“ verteidigt zu haben, ihrer Gefallenen mit „wie das Gesetz es befahl“ gedenken, dazu die Stuka-Angriffe effektvoll mit dem Apophthegma von den Pfeilen, die die Sonne verdunkeln, verbinden und schließlich die Leibgarde von Xerxes mit der ,Leibstandarte Adolf Hitler‘ vergleichen. Zum Glück für die Engländer seien die Deutschen aber keine Nachfahren des persischen Großkönigs und würden daher auch nicht die Leichname der gefallenen Engländer verstümmeln. Nach dieser prophylaktischen Abwehr des exemplarischen Vergleichs versucht der Artikel ein neues historisches Exempel für die deutsche Eroberung Griechenlands einzuführen: Alarich, den ersten germanischen Eroberer der Akropolis um 400. Es ist der hilflose Versuch, ein deutungskulturell verankertes historisches Exempel durch ein weitgehend unbekanntes Exempel zu ersetzen. Einzig in dichterischer Freiheit konnte das Exempel der antiken Schlacht mit dem deutschen Sieg an den Thermopylen verbunden werden. So reimte Dr. W. Lange in der Wacht im Südosten: [. . .] Wo Leonidas einst stritt, Starb, wie’s das Gesetz befahl, Wandrer, hemme deinen Schritt! Acht’ auch deutsches Ruhmesmal! Hier wo die Dreihundert fielen Einst für Hellas’ Freiheitsdrang, Schallt nun bei den Thermopylen Deutscher Krieger Heldensang [. . .].135

Die antiken und die zeitgenössischen Helden erscheinen allein durch den Ort verknüpft, an dem assoziativ ein deutsches Denkmal neben das Epigramm gesetzt wird. Der Ort des antiken Untergangs und Schlachtentodes wird mit dem deutschen Sieg neu besetzt. Dieser suggestiv an die antike Schlacht angebundenen Neubesetzung des Ortes entspricht auf visueller Ebene Wilhelm Kreis’ Entwurf für ein Ehrenmal an den Thermopylen (s. Abb. 12; s. Kap. I.1.3). Obwohl die Zeichnung zu der Serie der ,Totenburgen‘ gehört, steht nicht das Gefallenengedenken sondern die Funktion im Vordergrund, einen historisch bedeutsamen Ort architektonisch zu besetzen. Mit dem Bau auf der Höhe des Oita wird der historische Ort weithin sichtbar markiert und durch die klassizistische Formensprache 134 ) Feldzeitung von der Maas bis an die Memel Nr. 101 vom 27. 4. 1941, S. 2. Alle Zitate sind von dieser Seite. 135 ) Lange, Gruss, S. 3.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

bzw. die Hoplitenfigur eine assoziative Verbindung zur Antike und zur antiken Schlacht hergestellt. Wie floskelhaft und beliebig die Architektursprache ist, verdeutlicht der Entwurf für das Denkmal am Olymp, das – soweit am Bau für die Thermopylen erkennbar – faktisch identisch gestaltet ist.136 Generell konnten auch während des Griechenlandfeldzugs die toten deutschen Soldaten mit Leonidas und den Spartiaten parallelisiert werden.137 Dabei liegt der Aspekt des Vergleichs wie so oft allein auf dem Tod im Kampf; alle anderen zentralen Merkmale des Exempels wie die Verteidigung gegen eine Invasion und ihr Scheitern werden ausgeklammert. Deutlich wird, dass es zwar grundsätzlich möglich ist, verschiedene Heldenexempel, die zu einem Typus gehören, in einer bestimmten Zeit, in der sie aktuell sind, flexibel miteinander zu kombinieren. Aber es gibt Grenzen, die durch die historischen Fakten, aus denen das Exemplarische abgeleitet ist, und durch die deutungskulturelle Verankerung in einer Gesellschaft bestimmt werden. Dabei können im Fall der Schlacht an den Thermopylen die historischen Fakten, je nachdem, wo der Schwerpunkt der Analogiebildung liegt, eher negiert werden als die deutungskulturelle Festlegung, wie die Rezeption des Exempels in Deutschland während des Griechenlandfeldzuges 1941 zeigt. Das historische Exempel ist daher nur bis zu einem gewissen Grad deutungsoffen. Tendenziell gilt, dass der exemplarische Vergleich umso glaubwürdiger wird, je mehr Analogien gefunden werden können. Damit wird die seit der Zeit um 1800 so wichtige historische Dimension in den exemplarischen Vergleich importiert.

3.3. Alter und Körper. Das Spezifische der antiken Heldenexempel In einem weiteren Schritt ist zu fragen, was das Spezifische des Heldenexempels aus der griechischen Antike gegenüber den aktuellen und anderen nationalen ,Opferhelden‘ ist. Da das System der Heldenexempel eines Grundtypus offen, aber nicht beliebig zu denken ist, die Schlacht an den Thermopylen also immer auch z. B. durch heroische Untergänge aus der nationalen Vergangenheit ersetzt werden könnte, müssen die Kriterien ausgemacht werden, die das antike Heldenexempel von den zeitgenössischen bzw. nationalen unterscheiden. Dafür werden auf der Basis der bisherigen Analysen die zentralen Punkte nochmals zusammengefasst und ein weiterer in den Blick genommen: die mit dem antiken Exempel verbundenen Körpervorstellungen. Wie in der Frühzeit der nationalen Kriegshelden um 1800 finden sich auch im 20. Jahrhundert Äußerungen, die die antiken Helden in Konkurrenz zu den zeitgenössischen sehen. So in einem Beispiel aus dem von 136 )

Bei Troost, Bauen, S. 17, von 1943 ist das Ehrenmal am Olymp als Ehrenmal an den Thermopylen abgebildet. Dies kann natürlich einfach ein Irrtum sein, aber es könnte auch die Absicht dahinter stehen, den besser ausgearbeiteten Entwurf mit dem nach Stalingrad sinnträchtigeren Ort zu kombinieren. 137 ) Vgl. Blocker, Heldengräber, S. 3; Gebirgsjäger in Griechenland und Kreta, S. 60.

3.3. Das Spezifische der antiken Heldenexempel

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Deutschland im Ersten Weltkrieg überfallenen Belgien, das gleichzeitig illustriert, dass die antike Schlacht nicht nur in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg zur kulturellen Deutung der Niederlage diente: Le´onidas et ses trois cents Spartiates de´fendaient leurs foyers, leurs femmes, leurs enfants, toutes les re´alite´s qu’ils venaient de quitter. Le roi Albert et ses Belges, au contraire, n’ignoraient point qu’en barrant la route a` l’envahisseur, ils sacrifiaient ine´vitablement leurs foyers, leurs femmes et leurs enfants. Loin d’avoir, comme les he´ros de Sparte, un inte´reˆt impe´rieux et vital a` combattre, ils avaient tout a` gagner a` ne combattre point, et rien a` perdre, sauf l’honneur.138

Während die Spartaner ihren materiellen Besitz verteidigten, kämpften die Belgier einzig und allein um der Ehre willen und übertrafen somit die antiken Helden. Deutlich wird, dass die Konkurrenz lediglich vorgeblich ist, denn in der Parallelisierung wird die aktuelle militärische Tat zunächst überhaupt als ,heldenhaft‘ herausgestellt, um sie dann durch die Überbietung des antiken Exempels aufzuwerten. Im Gegensatz zur Zeit um 1800, als in Europa das Deutungsmuster des nationalen Kriegshelden neu geformt wurde, stellen die antiken Helden im 20. Jahrhundert keine Konkurrenz mehr für die dominanten nationalen Heldenkonstruktionen dar. Betrachtet man die Praxis des Vergleichs, so betrifft der Hauptunterschied zwischen den antiken und den anderen Heldenexempeln in erster Linie das Alter, man könnte auch sagen die ,Altehrwürdigkeit‘. Im Vergleich der Schlacht an den Thermopylen mit ,Opferhelden‘ des 20. Jahrhunderts ist dabei immer auch impliziert, dass man sich der toten Spartiaten tatsächlich noch erinnert. Im Moment der Rezeption wird ein seit dem Jahr 480 v. Chr. ununterbrochenes Erinnern suggeriert, wobei alle Brüche, Diskontinuitäten und Veränderungen in der Rezeptionsgeschichte sowie die kulturellen und sozialen Grenzen der Rezeption unterschlagen werden. Indem auf das kontinuierliche Erinnern verwiesen und dies als Ergebnis des Kampfes bis zum Tod gewertet wird, enthält der exemplarische Vergleich das Versprechen von ruhmvoller Unsterblichkeit. Die Vergleiche mit der antiken Vergangenheit überwinden eine größere zeitliche Differenz als die zeitgenössischen Exempel, weshalb der Naturalisierungseffekt stärker ausgeprägt ist. Über die Analogie zur Schlacht an den Thermopylen soll in der Regel ausgesagt werden, dass es ,immer schon‘ Männer gab, die bereitwillig für ihr Vaterland starben. Das ,Opferheldentum‘ wird zur ,Natur‘ des Mannes. Abgesehen von dieser Tendenz zur Anthropologisierung eines bestimmten militärischen Handelns im historischen Vergleich, gründet sich das Exemplarische des Leonidas und seiner Spartiaten darauf, dass ihr Verhalten als außergewöhnlich betrachtet wird und sie dazu eingesetzt werden, zeitgenössischen, meist toten Soldaten ebenfalls vorbildliches Handeln zu attestieren. Allen Heldenexempeln liegt eine als herausragend apostrophierte Tat zugrunde; bei den Einzelhelden des 19. und 20. Jahrhunderts ist es häufig die gesamte Biographie, die als exemplarisch angesehen wird und ihnen die Aura des 138 ) Maeterlinck, Le ´ onidas, S. 26. Es handelt sich um einen Auszug aus einer Rede des Schriftstellers, die mit weiteren Episoden aus dem Kampf Belgiens gegen die deutsche Invasion 1915 in einer französischen Jugendbuchreihe erschien.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

Einmaligen und Vorbildhaften verleiht. Die Idealität der antiken Helden wird dagegen anders konstruiert. Für die Schlacht an den Thermopylen wird Vorbildlichkeit durch ihre lange Überlieferungsgeschichte und die damit suggerierte Erinnerungskontinuität, durch ihre Kanonisierung als Bildungswissen in der Hochkultur sowie durch die imaginäre Verbindung mit Idealkörpern der griechischen Skulptur hergestellt. Ein weiterer Unterschied zwischen den antiken und vor allem den nationalen zeitgenössischen Heldenexempeln liegt im hauptsächlichen Ort bzw. Medium der Rezeption begründet. In den exemplarischen Vergleichen wird die Schlacht an den Thermopylen auffällig häufig ausdrücklich als Schulwissen bezeichnet.139 Dies wäre z. B. für Richthofen oder Horst Wessel völlig undenkbar, obwohl sie mit den nationalsozialistischen Geschichtsbüchern ebenfalls als Schulwissen kanonisiert wurden.140 Dennoch lag der Schwerpunkt für die Rezeption der nationalen Heldenexempel, insbesondere derjenigen des Ersten Weltkriegs, außerhalb der Schule. Die Schlacht an den Thermopylen war zwar nach dem Ersten Weltkrieg im Bereich des politischen Totenkultes auch außerhalb der Bildungsinstitutionen präsent, ihre Vermittlung blieb aber in erster Linie an die Schule gebunden. Mit der Kennzeichnung der antiken Schlacht als Schulwissen wird nicht nur der Rezeptionsort, der Geschichtsunterricht, bzw. das Rezeptionsmedium, das Schulbuch, markiert, sondern der antiken Schlacht auch eine eigene Qualität verliehen, die zwischen ,wertvoll‘ und ,ziemlich tot‘ changiert. Einerseits hatte die Schlacht an den Thermopylen als Bestandteil antiken Bildungswissens auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch einen Wert an sich, wenn auch nicht mehr so unangefochten wie im Jahrhundert zuvor. Andererseits hat die antike Schlacht im Vergleich zu den neueren Heldenexempeln, weil man über ihre Protagonisten verhältnismäßig wenig weiß, weniger identifikatorische Momente, ist weiter vom lebensweltlichen Horizont der Schüler entfernt und weniger affirmativ und emotional zu rezipieren. Diesen etwas abstrakten, theoretischen Charakter, den die Schlacht an den Thermopylen als Schulwissen hat, bringt eine Karikatur zum Griechenlandfeldzug 1941 in der Berliner Illustrierten Zeitung zum Ausdruck (s. Abb. 38). Gebirgsjäger Huber betrachtet die Landschaft an den Thermopylen und sagt: Dös san also die Thermopylen – zwegen denen ich in der Schul’ an Vierer und jetzt das Eiserne Kreuz bekommen hab’!

Der antiken Schlacht als Schulbildung fällt der persönliche Misserfolg, der Wiederholung des Kampfes in der Praxis der Erfolg zu. Zudem konterkariert der Dialekt das Pathos des Bildungsgegenstandes aus der Hochkultur. 139 ) Vgl. Gymnasium 26 (1915), S. 143–146; Naumann, Volk, S. 288f.; Jastrow, Hellenen, S. 319f.; Fittbogen, Gesetz, S. 370f.; Mutschmann, Jugend, S. 23; Steguweit, Tod, S. 36; Brües, Leistung, S. 1f.; Hurtmanns, Thermopylen, S. 2; Kaufmann, Tapferkeit, S. 1; Anonyma, Frau, S. 29f. 140 ) Vgl. z. B. Klagges, Dietrich: Volk und Führer. Deutsche Geschichte für Schulen. Ausgabe für Deutsche Oberschulen und Gymnasien. Klasse 1. Erzählungen zur deutschen Geschichte. Bearb. von Paul Adam und Fritz Stoll. Frankfurt a.M. 1941. Vgl. auch Schilling, Kriegshelden, S. 317f.

3.3. Das Spezifische der antiken Heldenexempel

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Bei den Berufsgruppen, die antikes Bildungswissen vermitteln, den Gymnasiallehrern und Altertumswissenschaftlern, bedeutet die Kennzeichnung der Schlacht an den Thermopylen als Schulwissen freilich etwas anderes. Ihnen geht es bei Vergleichen der antiken Schlacht mit aktuellen ,Heldentaten‘ in der Regel darum, zu beweisen, dass sich das antike Bildungswissen als relevant erwiesen hat.141 Die antike Schlacht wurde Argument in ganz anders gelagerten Konflikten, bei denen es sich um die pragmatischen Interessen eines Standes handelte, der im 20. Jahrhundert sukzessive an Einfluss verlor. In der ,Topographie‘ der ,Opferhelden‘ in Deutschland zwischen den Weltkriegen sind Leonidas und seine Spartiaten folglich ein bisschen toter als die anderen. Durch die Bindung an die höhere Schulbildung, das Alter und die Konzentration des Exemplarischen auf die Tat selbst wird mit dem Exempel der Schlacht an den Thermopylen trotz aller Konkretheit eine allgemeinere Form von ,Opferheldentum‘ formuliert. Diese Tendenz zum Abstrakten wird unter anderem auch dadurch unterstützt, dass an der Stelle der nicht überlieferten Heldenbiographien das Spartiatentum an sich steht. Obwohl das, was Spartiatentum ausmacht, der – in dieser Frage keineswegs neutralen – antiken Überlieferung entnommen ist, betonen die diversen Rezipienten Spartas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und vor allem in der NS -Zeit in erster Linie dessen exemplarische Dimension. In der Vergleichspraxis bildet das Spartiatentum als eine männlich-harte, körperlich durchtrainierte, soldatische, durch und durch ideale Seinsform den Hintergrund für das Bild von Leonidas und seinen Spartiaten (s. Kap. III.2.1). Die größere Abstraktheit des antiken Exempels rührt weiterhin daher, dass der Schwerpunkt der Vergleichspraxis im Gefallenengedenken liegt, in dem die Entzeitlichungseffekte des Exempels sowohl genutzt als auch verstärkt werden. Deutlich wird, dass es speziell die Qualitäten des antiken Heldenexempels sind, die dazu führen, dass die Schlacht an den Thermopylen als Vergleich für die ,kollektiven Opferhelden‘ seit dem Ersten Weltkrieg eingesetzt wird. Unter den verschiedenen Formen, mit denen für den Massentod in den Materialschlachten ,Heldentum‘ konstruiert wird, nimmt die antike Niederlage nur einen kleinen Platz ein. Anders formuliert, haben damit aber gerade die ,neuen Helden‘ des 20. Jahrhunderts unter anderen auch antike Ahnen. Die Zuordnung zum Schulwissen verweist auf einen weiteren Aspekt, in dem sich das Exempel der antiken Schlacht von den nationalen Heldenexempeln unterscheidet, nämlich auf die soziale Reichweite. Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen ist eindeutiger einer höheren Schulbildung zugeordnet und damit elitärer als die nationalen Heldenfiguren. Allerdings hat Schilling nachgewiesen, dass die Gestaltung, Wertung und Umdeutung der von ihm untersuchten Kriegshelden über den ganzen Untersuchungszeitraum hinweg in der Hand von bürgerlichen, in der Regel akademisch gebildeten Autoren lag.142 Somit unterscheiden sich die Träger der antiken und der nationalen Heldenexempel hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft nicht. Lediglich für die ,Helden einer Bewegung‘ dürfte die 141 )

142 )

S. Kap. III.1.2; vgl. Herzog, Schlachtfelder, S. 1– 4. Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 43ff.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

bildungsbürgerliche Deutungshoheit weniger ausgeprägt gewesen sein.143 Bereits im 19. Jahrhundert diffundierte auch das Exempel der Schlacht an den Thermopylen in kleinbürgerliche Kreise; eine Tendenz, die sich im 20. Jahrhundert fortsetzte, wofür Hitlers Zitat des Epigramms in Mein Kampf zeugt. Bereits im politischen Totenkult der Weimarer Republik verließ das antike Heldenexempel die exklusive Sphäre der höheren Bildungsinstitutionen und während des Zweiten Weltkrieges setzte sich der Popularisierungstrend im praxisnahen Bereich des Militärs fort. Neben Artikeln in der Wehrmachtspresse sind hier z. B. auch die kulturpolitischen Aktivitäten der Wehrmacht in Griechenland zu nennen.144 So gab das Referat Kunstschutz unter der Ägide des Archäologen Wilhelm Kraiker Merkblätter für den deutschen Soldaten an den geschichtlichen Stätten Griechenlands heraus, durch die den in Griechenland stationierten Soldaten eine zeitgemäße Deutung des Kampfes im Engpass „als leuchtendes Beispiel von Mannesmut, der nicht ans eigene Leben denkt, sondern an die Erfüllung von Pflicht“ anempfohlen wurde.145 Mehr noch als Helmut Berve, der seine Vortragstätigkeit zu Sparta auf die militärische Elite beschränkte, war der Sportfunktionär Carl Diem, Organisator der Olympiade 1936, ein eifriger Künder der ewigen Werte des antiken Kriegerstaates und seiner berühmtesten Schlacht, die er in seinen zahlreichen Vorträgen im Rahmen der Truppenbetreuung immer wieder hervorhob.146 Zentral für den Popularisierungsschub des antiken Heldenexempels in der NS -Zeit war allerdings, dass das Deutungsmuster des ,militärischen Opferheldentums‘ durch die Konjunktur vieler Heldenexempel insgesamt sehr präsent war. Die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen im Zusammenhang mit Stalingrad zeigt, dass das antike Ereignis mit ausführlicheren Erläuterungen daran angeschlossen werden konnte. Der letzte entscheidende Unterschied zwischen antiken und anderen Heldenexempeln liegt in den mit ihnen verbundenen Körperkonzepten. Leonidas und seine Spartiaten sind mit antikischen, männlichen, häufig nackten Idealkörpern assoziiert, in die über die normative Konstruktion von ,Schönheit‘ eine zeitlose Dimension eingelagert ist. Nichtsdestotrotz sind auch Idealkörper durchaus zeitgebunden und Geschmacksveränderungen unterworfen, wie ein Blick auf Jacques-Louis Davids Le´onidas aux Thermopyles verdeutlicht (s. Abb. 2; Kap. II.1). Es gestaltet sich schwierig, die Veränderungen, die die Konzeption des Idealkörpers in Bezug auf die Schlacht an den Thermopylen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allgemein durchmachte, detailliert nachzuvollziehen, weil bildliche Repräsentationen verhältnismäßig rar sind. Dieser Befund verweist bereits auf eine Veränderung, 143 ) Dies gilt insbesondere für die Heldenexempel der Arbeiterbewegung und vermutlich auch für die NS -Helden; allerdings ist bei Behrenbeck, Kult, nur pauschal von „der Bevölkerung“ die Rede. 144 ) So druckte z. B. die Wacht im Südosten Nr. 456 vom 5. 5. 1941, S. 2, stark gekürzt Herodots Darstellung der Schlacht an den Thermopylen. Vgl. Hiller von Gaertringen, Griechenland, S. 129–167. 145 ) Referat Kunstschutz, Merkblätter Nr. 9, S. 5 f. Vgl. Hiller von Gaertringen, Griechenland, S. 130–137; dies., Unternehmungen, 465– 475. Das Vorbild blieb durch die immer wieder neu aufgelegte Griechenlandkunde von Kirsten und Kraiker auch für heutige Griechenlandreisende konserviert. 146 ) Vgl. Laude/ Bausch, Diem, S. 172–188.

3.3. Das Spezifische der antiken Heldenexempel

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denn antikische, männliche, nackte Idealkörper gibt es besonders in der Skulptur der ersten vier Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts reichlich, aber nicht als Verkörperung historischer Personen aus der Antike, sondern als Personifikationen, Götter oder Allegorien.147 War bei Davids Gemälde das Konzept des nackten Idealkörpers eine Strategie, das Überzeitliche des historischen Ereignisses visuell zu restituieren, so fehlt im Klassizismus Anfang des 20. Jahrhunderts dieser direkte Zusammenhang zwischen Körperkonzepten und antiker Historie. Die wichtigste Veränderung im 20. Jahrhundert gegenüber den ephebenhafttänzelnden Spartiaten des David-Gemäldes ist, dass die mit den Spartiaten verbundenen Körper muskulöser, viriler, im Muskeltonus kantiger und härter werden. Dieser Wandel lässt sich auch als Historisierung beschreiben, denn den Thermopylen-Kämpfern wurden nunmehr die Körperbilder derjenigen griechischen Skulpturen zugeordnet, die die archäologische Forschung auf die Zeit um 480 v. Chr. datierte.148 1925 wurde bei den Grabungen der British School at Athens in Sparta Kopf und Rumpf einer Hoplitenstatue im so genannten Strengen Stil gefunden, die ungefähr aus der Perserkriegszeit stammt, weswegen sie von den Ausgräbern Leonidas benannt wurde (s. Abb. 39).149 Als sogenannter Leonidas wurde die Statue in den folgenden Jahrzehnten in wissenschaftlichen Arbeiten und anderen Texten über die Schlacht an den Thermopylen abgebildet.150 Die kantigen Formen der Figur und die harte Umrisslinie des stark ergänzten Helmes wurden dadurch mit der Vorstellung von spartanischem Heldentum verbunden und dessen zentrale Werte umgekehrt auf die Statue projeziert. Diese sei, so Miltner, der „lebendige Ausdruck verhaltener Angriffskraft und harten Kampfeswillens ebenso wie zielbeherrschten Mannesmuts und pflichtbestimmter Lebenskraft“.151 Die Statue stand außerdem Pate für die nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Denkmäler an den Thermopylen und in Sparta (s. Abb. 13).152 Die Verbindung des Leonidas und seiner Spartiaten mit einem muskulösen, archaisierenden Körperideal bestand allerdings bereits, bevor die Statue entdeckt wurde, wie die Illustration im Jugendbuch Ein Weltkrieg im Altertum von 1914 zeigt (s. Abb. 40). Die Härte der Körpermodulation wird hier durch die Imitation von Holzschnitttechnik unterstützt. Dass dieses Körperideal für die Schlacht an den Thermopylen am Ende des 20. Jahrhunderts in der Gebrauchsgraphik immer noch gültig ist, lässt sich an dem Comic 300 von Frank Miller und Lynn Varley beobachten.153 In seiner düsteren, gewalttätigen und in Splatter-Kampfszenen schwelgenden Ästhetik wird die ideale Körperlichkeit der Spartiaten extrem hervorgehoben. So tragen diese, obwohl die Hoplitenrüstung bis zum Lambda auf dem Schild antiquarisch sehr genau ist, weder Chiton noch Brustpanzer, sondern lediglich eine knappe schwarze Hose unter dem Umhang (s. Abb. 41). Vgl. Wolbert, Nackten. Vgl. Most, Archaik, S. 20–39. 149 ) Vgl. Woodward, Sparta, S. 253–266, Taf. XVIII–XX . 150 ) Vgl. Berve, Griech. Geschichte, S. 1, Taf. 7; Roussel, Sparte, S. 92 Abb. o. Nr.; Miltner, Sparta, S. 1; Schober, Leonidas, S. 215 Abb. 68; Ehmer, Schild, S. 2, s. Abb. 35. 151 ) Miltner, Sparta, S. 2 f. 152 ) Außerdem für eine Statue in Sparta/ Wisconsin; vgl. Cartledge, Spartans, S. 225f. 153 ) Vgl. Miller/Varley, 300. Vgl. Walter, Leonidas, S. 4f. 147 )

148 )

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

Die Frage nach dem Verhältnis der bildlichen Repräsentation von antikem Heldentum zu derjenigen von nationalen Helden in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist für die Schlacht an den Thermopylen nur hypothetisch zu beantworten.154 Einzig die Druckgraphik zum Griechenlandfeldzug 1941 aus dem Punch zieht einen visuellen Vergleich (s. Abb. 37). Der Held aus der Vergangenheit ist mit den Soldaten der Gegenwart in einem gemeinsamen Bildraum dargestellt, eine Konzeption, die in der Druckgraphik um 1800 nicht möglich war (s. Kap. II.3.2). Die historische Alterität der Helden markiert, vorsichtig formuliert, keine Grenze mehr zwischen dem, was darstellbar, und dem, was nicht darstellbar ist. Ersichtlich wird außerdem, dass im 20. Jahrhundert die Gebrauchsgraphik trotz realistischen Stils den Reportagecharakter verloren hat, der auf die Medien Fotografie und Film übergegangen ist. Im Vergleich zum Beginn des 19. Jahrhunderts hat die Bildproduktion außerhalb des künstlerischen Feldes zugenommen, und die Hierarchien der Bildgattungen sind komplexer geworden. Eine Schnittstelle zwischen einem antikischen Körperideal und zeitgenössischen Heldenexempeln bleibt die Darstellung des toten Helden, und in einer nie dagewesenen Dichte entstanden nach dem Ersten Weltkrieg Kriegerdenkmäler mit Skulpturen nackter Männer mit klassizistischen Körpern.155 Bereits ab 1900 gab es vereinzelt Kriegerdenkmäler mit antikischen Idealkörpern, so dass diese Gestaltungsform als Ausdruck des neuen künstlerischen Klassizismus gelten kann, der nach dem Weltkrieg an Bedeutung gewann. In der Regel stehen die Weltkriegsdenkmäler mit klassizistischen Männerkörpern im Reichsgebiet, mit einer gewissen Konzentration in Hochschulen und in Betrieben.156 Die Spannweite für die Gestaltung der nackten Männerkörper ist groß: An einem Pol stehen die trauernden, in ihrer Nacktheit aufs Existentielle zurückgeworfenen Jünglinge Wilhelm Lehmbrucks,157 am anderen Männerfiguren von ostentativer Nacktheit und mitunter offener Aggressivität, deren starker, muskulöser Körper panzerartig erscheint.158 Von diesen Männerfiguren führt eine direkte Linie zur Skulptur der nationalsozialistischen Staatsrepräsentation.159 In der Regel tragen sie einen Stahlhelm, manchmal ein Schwert. Die Kombination von klassizistischen Körperformen und dem modernen, aber als archaisch-zeitlos empfundenen Stahlhelm ist etwas Neues, ansonsten transportiert der ,schöne‘, ästhetisch normativ konzipierte und durch eine lange künstlerische Tradition abgesicherte Körper Unvergänglichkeit. Eine neue Qualität hat allerdings auch das Ausmaß der Zerstörung der echten Körper, die in den nackten, unverletzten und unverletzbaren Idealkörpern der Skulptur 154 ) Auch die Körper der deutschen Kriegshelden des 19. und 20. Jhs. sind wenig erforscht; vgl. Schilling, Körper, S. 129–139, der allerdings ausschließlich mit Texten arbeitet. 155 ) Vgl. Seeger, Denkmal, S. 165–169, 172f., 175–177, 180–184, 190, 195, 197, 206. Vgl. auch Wolbert, Nackten, S. 202 f. 156 ) Vgl. Seeger, Denkmal, S. 165f., 173, 175, 177, 183, 190. 157 ) Z. B. auf dem Ehrenfriedhof in Duisburg; vgl. Seeger, Denkmal, S. 182. 158 ) Z. B. bei den Kriegerdenkmäler in Mittweida, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche/ Berlin, in den Borsig-Werken, in Neustadt a. d. Weinstraße oder in Freudenstadt; vgl. Seeger, Denkmal, S. 165, 169, 175, 195, 206. 159 ) Vgl. Wolbert, Nackten, S. 201–204 und passim; vgl. außerdem zur NS -Skulptur: Brands, Island, S. 103–136; Mittig, Antikenbezüge, S. 245–265.

3.3. Das Spezifische der antiken Heldenexempel

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wiederhergestellt werden.160 Die martialischen Exemplare unter den klassizistischen Männerskulpturen der Kriegerdenkmäler gehören zu den ästhetischen Entwürfen eines abstrakten Heldentums nach dem Ersten Weltkrieg, die in zahlreichen Variationen die ,Verschmelzung von Fleisch und Stahl‘, die ,Geburt‘ eines neuen ,Titanengeschlechts‘ im ,Stahlbad‘ des Krieges feierten. Gegen diese antiindividualistischen, kontrollierten Körperbilder war die Bildwelt der ,Jugend‘ von Langemarck zumindest bis zur Neudefinition im Nationalsozialismus durch jugendlich-weiche Körper und lockere Körperhaltungen gekennzeichnet, wie sie dem naturverbundenen, nonkonformistischen Umgang mit Körpern in der frühen Jugendbewegung entsprachen.161 Das Exempel der Schlacht an den Thermopylen steht über seine Verwendung im politischen Totenkult in einem assoziativen Verhältnis zu den klassizistischen, nackten Männerkörpern der Kriegerdenkmäler. Die künstlerischen Versuche, den Kriegstod im normativen Körper aufzuheben, arbeiten mit dem Glauben an die zeit- und ideologielose Schönheit des nackten Menschenkörpers. Dieser Glaube verdeckt, dass die von antiken griechischen Skulpturen abgeleiteten Körperbilder nicht per se einen ,humanistischen‘ Gehalt haben, sondern mit Bedeutung aufgeladen werden. Seit Winckelmanns Zeiten hatte sich der Gehalt klassizistischer Körperdarstellungen grundlegend verändert.162 Die Neuaufladung des klassizistischen, männlichen Idealkörpers geschah im Zuge des neuerlichen Interesses an der griechischen Antike um 1900, denn Nietzsches ,Übermensch‘ hat auch – man könnte sagen: vor allem – einen Körper. Unter den Schlagworten von ,neuer Natürlichkeit‘ und einer ,neuen Ganzheit‘ von Körper, Geist und Seele formierten sich in der späten Kaiserzeit sehr unterschiedliche Kunstströmungen, aber auch Reformbewegungen, die den ,echten‘ Körper nach antikem Schönheitsideal neu gestalten wollten: die Freikörperkultur, der Kraftsport oder auch die Jugendbewegung.163 Vor dem Hintergrund des Kulturverfalls- und Degenerationsdiskurses der Jahrhundertwende richteten sich die Erneuerungshoffnungen und Reformbestrebungen auch auf die Körper. Das qualitativ Neue bei der Rezeption des antiken griechischen Körperideals um 1900 gegenüber dem Klassizismus hundert Jahre zuvor war, dass es jetzt für die Körperpraxis, für die Gymnastik und den Sport, wichtig wurde. In diesem Zusammenhang wurde nicht nur den griechischen Skulpturen, sondern auch allgemein dem griechischen Sport neue Aufmerksamkeit gewidmet.164 160 ) Einen Kontrapunkt zur Ästhetisierung des Kriegstodes in nackten Idealkörpern stellt in der Weimarer Republik die Praxis der zahlreichen Kriegsinvaliden dar, durch Massenauftritte und Bilddokumentationen ihre beschädigten Körper für materielle und gesellschaftliche Anerkennung einzusetzen; vgl. Kienitz, Helden, S. 199–214. 161 ) Vgl. Hüppauf, Schlachtenmythen, S. 64f. 162 ) Dennoch blieb der Klassizismus um 1800 als eine Art Gütesiegel bzw. als eine Sinnschicht präsent; vgl. Wolbert, Nackten, S. 13. 163 ) Vgl. Hau, Körperbildung, S. 126–134; Groppe, Körperkultur, S. 1052f.; Walther, Garten, S. 143–173. 164 ) Vgl. Weiler, Rezeption, S. 267–284, wo allerdings der Zusammenhang zwischen dem wissenschaftlichen Interesse am griechischen Sport und dem praktischen Sport unklar bleibt.

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3. Die Schlacht an den Thermopylen im Krieg

Die „neuverleibung“ 165 des nackten, männlichen Idealkörpers, die auch Substrat der Kriegerdenkmäler ist, nahm Abschied von der Idee der ästhetischen Erziehung des Menschen als Individuum, die von der natürlichen Gleichheit aller Menschen ausging, und propagierte das elitäre Menschenbild vom ,Adel‘ des Körpers und des Geistes. Dabei war der Körper dem Geist übergeordnet. Das Konzept vom ,Adel‘ des Körpers und dem Menschen in seinen höchsten Exemplaren war für die Idee der Zucht weit offen. Der Männerkörper wurde in der männerbündischen Logik zum Träger der Kultur schlechthin.166 Es überrascht nicht, wenn Benn 1934 innerhalb dieses Deutungshorizontes in Dorische Welt den männlichen Körper feiert: Dorisch, das ist die Haut, aber die bewegte, die über Muskeln, männliches Fleisch, der Körper. [...] Der Körper zum Krieg, der Körper zum Fest, der Körper zum Laster und der Körper endlich dann zur Kunst, das war die dorische Saat [...].167

Mit der antiken Polis konnte ein ganzes Bedeutungsgefüge zwischen Körper, Zucht, Sport, Schönheit, Kunst und Krieg aufgerufen werden, und so zelebrierte nicht nur der Roman zur Schlacht an den Thermopylen von 1940 unablässig die männlichen Körper der Spartiaten, sondern auch die Theoretiker der nationalsozialistischen ,Leibeserziehung‘ begeisterten sich für das körperzentrierte Erziehungssystem des spartanischen Staates.168 Alle diese Beispiele stammen allerdings erst aus der NS -Zeit, und mit Ausnahme von Benn besteht allenfalls ein vager Zusammenhang mit dem elitären Idealkörperkonzept der Jahrhundertwende.169 Außerdem feiern alle diese Beispiele den spartanischen Körper in Texten, denen der erstaunliche Mangel an bildlichen Repräsentationen gegenübersteht. Die fehlenden Glieder in der Kette sind, was sich aufgrund der Forschungslage nur hypothetisch formulieren lässt, in der Praxis des Sports zu suchen. Direkt nach dem Ersten Weltkrieg gründete der Künstler Sascha Schneider das Kraft-Kunst-Institut in Dresden, in der Absicht, die antike Körperkultur wiederzubeleben, da er keine Modelle fand, die dem griechischen Schönheitsideal entsprachen.170 Dieses Projekt zwischen Kunst und Kraftsport bildete ,echte‘ Idealkörper aus, die in Performances einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurden, so 1921 im Dresdener Theater. In der Kulisse einer griechischen Palaistra rangen junge nackte Schüler des Instituts in „gesunder Männlichkeit“ miteinander.171 Das Institut regte auch 1925 den UFA -Film Wege zu Kraft und Schönheit an, der unter anderem nackte junge Männer beim Ringkampf und bei Leichtathletik in antiker Szenerie zeigte.172 Das Kraft-Kunst-Institut ist ein extremes Beispiel für die 165 ) So die Wortschöpfung des Georgekreises; vgl. Mattenklott, Neue, S. 27–29; Wolbert, Nackten, S. 151–187. 166 ) Vgl. Groppe, Körperkultur, S. 1053. 167 ) Benn, Dorische Welt, S. 137 f. 168 ) Vgl. Uhlenbusch, Sieger, S. 8, 13, 17f., 46; im Schulbuch: Klagges, Volk 1940, S. 67; für die ,Leibeserziehung‘: Englert, Gymnastik, S. 218–236; Folkerts, Leibesübungen, S. 33; für die Freikörperkultur: Lüdemann, Leibeszucht, S. 297ff. 169 ) Weiler, Rezeption, S. 277, stellt für den griechischen Sport eine sehr gewagte Genealogie vom Georgekreis über den Dritten Humanismus zum NS -Schrifttum auf. 170 ) Vgl. Röder, Kraft-Kunst-Institut, S. 22–30; Walther, Garten, S. 163–165. 171 ) Zit. bei Röder, Kraft-Kunst-Institut, S. 26. 172 ) Vgl. Röder, Kraft-Kunst-Institut, S. 26; Wildmann, Körper, S. 76; Mosse, Gefallen, S. 185.

3.3. Das Spezifische der antiken Heldenexempel

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Rezeption antiker Körperideale in der sportlichen Praxis. Wann allerdings speziell Sparta als Modell für eine harte Sportausbildung in Hinblick auf einen Kriegseinsatz in der sportlichen Praxis auftauchte, lässt sich bisher nur vermuten. Plausibel wäre die Phase der Sport-Militarisierung ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre, als Millionen Jugendliche Wehrsport trieben.173 Die Begeisterung, die Diem als eine zentrale Figur des Sports für die Antike und insbesondere für Sparta hegte, wie auch eine Randbemerkung, die die Deutsche Turnschule im Grunewald völlig selbstverständlich als „Festung der Spartaner“ bezeichnet, sind Hinweise, dass die Spartarezeption in den Bereich des Sportes diffundierte.174 Sie war dabei nicht von vornherein auf eine gebildete Elite beschränkt. Diem verklammerte mit der Rezeption der antiken Polis Jugend und Sport mit Krieg und Opfertod. Am publikumswirksamsten tat er dies in dem von ihm verfassten Olympischen Festspiel, mit dem sich 1936 die Sportjugend präsentierte und das viermal vor insgesamt über 300 000 Zuschauern aufgeführt wurde.175 Als Höhepunkt der verschiedenen Stationen des Lebens wurden von den Jungen und Mädchen ,Heldenkampf und Totenklage‘ dargestellt, und zwar in dieser Rollenverteilung, während der Sprecher Tyrtaios zitierte.176 Eine Ästhetisierung von Heldentum und Heldenkampf durch die antike Vergangenheit fand also auch außerhalb von politischem Totenkult und Weltkriegserinnerungen statt. Während mit dem klassizistischen Körperideal im Gefallenengedenken eine gewollt abstrakte Form von ,Opferheldentum‘ formuliert wurde, band die Rezeption Spartas im Sport die dort geltenden Sport- und Körperideale, die ihrerseits an griechischen Körperidealen orientiert waren, an konkrete Verhaltens- und Handlungsnormen im Krieg. Auf dieser Ebene verliert die Verbindung von antikem Heldentum und klassizistischem Körperideal ihre Abstraktheit und stets eher rückwärtsgewandte Stoßrichtung, nämlich bereits toten Soldaten in irgendeiner Form Bedeutung zu verleihen. In diesem Zusammenhang konnte mit dem antiken Heldenexempel der Schlacht an den Thermopylen direkt zukünftiges Heldentum gefordert werden: Am 18. März 1945 sprach Diem auf dem Reichssportfeld in Berlin vor den dort stationierten Volkssturm- und HJ -Einheiten. Er hob den „spartanischen Gedanken“ hervor, der die Olympischen Spiele mit dem Einsatz des Volkssturms an gleicher Stelle verband, und redete über die vorbildhafte Opferbereitschaft des Leonidas und seiner Spartiaten an den Thermopylen.177 In dieser Rede, die die Jungen zu einem letzten, völlig sinnlosen Einsatz ihres Lebens mobilisieren sollte, laufen auch die verschiedenen Stränge der deutschen Thermopylen- und Spartarezeption sowie die Rezeption griechischer Körperideale in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nochmals zusammen. 173 )

Vgl. Rusinek, Kultur, S. 177, 182f. Vgl. Laude/ Bausch, Diem, S. 90–93; 172–188. Die Notiz stammt aus der Deutschen Turnerzeitung, die das Nationalblatt Trier zitiert (Staatsarchiv Darmstadt R 12 K Nr. 10/28). 175 ) Vgl. Laude/Bausch, Diem, S. 90–93. Die Musik stammte von Carl Orff und Werner Egk. 176 ) Und zwar Tyrt. Frg. 6, 7 [=West 10], vgl. Laude /Bausch, Diem, S. 92. 177 ) Laude/Bausch, Diem, S. 183f. Ausgehend von dieser Rede, von der ein Stichwortmanuskript erhalten ist, wurde die Person Carl Diems, dessen Karriere in der BRD ungebrochen weiterging, in den letzten Jahren kritisch beleuchtet. 174 )

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4. Ausblick

4. Ausblick. Zwischen Rettung des Abendlandes und Vergessen: Die Schlacht an den Thermopylen nach dem Zweiten Weltkrieg Mit dem Zusammenbruch und der Kapitulation des Deutschen Reiches war die große Zeit der militärischen Opferhelden in Deutschland vorbei.1 Die Alliierten ließen keinen Zweifel daran, dass sie Deutschland entnazifizieren und entmilitarisieren würden. Aber auch die deutsche Bevölkerung hatte angesichts der Zerstörung und der eigenen Toten mehrheitlich genug von der Rhetorik vom Heldentod. Die Ablehnung gegenüber allem Militärischen zeigt sich noch in den ersten Umfragen zur Wiederbewaffnung.2 Nicht nur die Parteihelden der NSDAP , sondern auch die nationalen Kriegshelden verschwanden zunächst vollständig aus der Öffentlichkeit. Seit Anfang der 1950er Jahre wurden die Helden der Weltkriege, aber auch Theodor Körner teilweise wieder in ihren Heimatstädten geehrt, ihre öffentliche Präsenz blieb aber weitgehend auf die kommunale Ebene beschränkt. Zudem fanden die nationalen Kriegshelden einen Platz in der Bundeswehr, die bis in die 1980er Jahre um ihre Traditionsfindung rang,3 außerdem in Soldaten- und Traditionsverbänden sowie in militärbegeisterten, meist politisch rechten Kreisen. Dagegen ist der Bruch nach 1945 für die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in der Bundesrepublik weniger deutlich ausgeprägt. Die antike Schlacht, die schon immer elitärer und vermeintlich unpolitischer als die populären nationalen Heldenfiguren war, gehörte weiterhin zum Bildungskanon der höheren und mittleren Schulen (s. Kap. III.1.1) und blieb in der Literatur, in Kriegserinnerungen und in der bildenden Kunst präsent. Allerdings war sie erstmals in ihrer Rezeptionsgeschichte in Deutschland auch vielfach ein Gegenstand kritischer Auseinandersetzung. Die entscheidende Zäsur für die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in der Bundesrepublik liegt zu Beginn der 1970er Jahre, als das Ereignis in den Schulgeschichtsbüchern wegfiel.4 Seither befindet sich die Schlacht nicht mehr sicher im Kanon einer höheren und mittleren Schulbildung, auch wenn sie im Latein- und Griechischunterricht und je nach den Vorlieben des Geschichtslehrers auch im Geschichtsunterricht noch vermittelt wird. Eine Besonderheit der Thermopylen-Rezeption in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik ist, dass sie indirekt auf die enorme Instrumentalisierung der antiken Schlacht als Beispiel für den heroischen Opfertod in der NS -Zeit schließen lässt. Dies zeigt sich sowohl in den ersten neuen Schulgeschichtsbüchern als auch in der Nachkriegsliteratur einer jüngeren Generation von Schriftstellern, die am Ende der Weimarer Republik und in der NS -Zeit zur Schule gegangen waren.5 Die Schulbuchautoren brachen nunmehr mit der Tradition, das antike Ereignis als ein 1)

Vgl. Schilling, Kriegshelden, S. 382–395. Vgl. Kutz, Militär, S. 281. 3 ) Vgl. Kutz, Militär, S. 300–307; Abenheim, Bundeswehr, S. 214–220. 4 ) In der DDR wurde die Schlacht überhaupt nicht mehr in die neuen Schulbücher der 1950er Jahre aufgenommen. 5 ) Vgl. Watt, Wanderer, S. 371–383. 2)

4. Ausblick

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unhinterfragtes, zeitloses Modell für den Tod fürs Vaterland darzustellen, die es seit der Kaiserzeit ununterbrochen gegeben hatte. Allerdings wurden die Perserkriege weiterhin als Kampf des – nunmehr demokratischen – Europas gegen den despotischen Osten gedeutet. In der durch die apokalyptische Rhetorik des Kalten Krieges neu aufgeladenen Antithese von europäischem Abendland und barbarischem Osten lag für die Schlacht an den Thermopylen in den 1950er und 60er Jahren das wichtigste Aktualisierungspotential, das nicht nur in Westdeutschland genutzt wurde.6 Die Schlacht an den Thermopylen taucht als Teil einer Schulbildung, die nur wenig mit der Realität des Krieges und der Erfahrungen der Schüler zu tun hat, in einigen Werken deutscher Schriftsteller auf.7 Am umfassendsten kritisiert Heinrich Böll 1950 in Wanderer kommst du nach Spa ... die vermeintlich zeitlosen Werte humanistischer Schulbildung.8 Seine Kurzgeschichte, die ihrerseits zur Schullektüre im Gymnasium geworden ist, ist heute das wohl bekannteste Rezeptionszeugnis zur Schlacht an den Thermopylen in Deutschland. Der verwundete Ich-Erzähler wird auf einer Trage durch ein Gebäude transportiert und sieht dabei immer wieder Kopien und Fotografien von Kunstwerken, angefangen von einer Medea von Anselm Feuerbach bis zu einem Abguss des Parthenonfrieses. Dieses Defilee bildungsbürgerlichen Kunstgeschmacks erinnert ihn entfernt an sein humanistisches Gymnasium. Aber es erscheint ihm unwahrscheinlich, an den Ort zurückgekehrt zu sein, den er vor drei Monaten verlassen hat. Erst als er auf dem provisorischen OP -Tisch im Zeichensaal liegt und auf der Schultafel die Worte „Wanderer kommst du nach Spa . . .“ in seiner Handschrift liest, begreift er, dass er tatsächlich in seiner alten Schule sein muss. Der Spruch ist verstümmelt, weil er sich den Platz falsch aufgeteilt hatte, und der Zeichenlehrer hatte die Worte in verschiedenen Schrifttypen sechsmal wiederholt. Plötzlich bemerkt der Protagonist, dass ihm beide Arme und ein Bein fehlen. Jene missglückte Zeichenaufgabe wird zu seinem eigenen Grabepigramm. Das Epigramm erscheint als ein in kunstvoller Stereotypie wiederholtes Fragment der humanistischen Schulbildung, das mit den Kriegserfahrungen des Schülers nichts zu tun hat. Dieser erkennt seine Handschrift, sieht aber keinen Sinn in den Worten, die er geschrieben hat. Durch die kunstvollen Wiederholungen ist das Epigrammfragment zu einer ästhetisch ansprechenden, aber inhaltlich leeren und deshalb korrumpierbaren Formel geworden. Böll betont in der Kurzgeschichte durchgängig die große Distanz zwischen dem verwundeten Schüler und der Welt des Gymnasiums mit seinen zur 6 ) Vgl. Kokoschka, Triptychon Thermopylae (1954) (s. Abb. 4–6); Rabe, Heimkehrer (1957); Mate´, Film The 300 Spartans (1962); Golding, Gates (1965); Bradford, Battle (1980). Gleichzeitig wurde Sparta im Kalten Krieg auch mit der Sowjetunion verglichen, vgl. Losemann, Sparta, S. 168, und zwar bis 1989, vgl. Bernstein, Soviet. 7 ) Vgl. Böll, Wanderer (1950), S. 194–202; Hauschild, plus (1952), S. 172; Grass, Katz (1961), S. 51f. Vgl. auch Zink, Sternen, S. 31f; seine Rolle als Lehrer bei der Vermittlung des Thermopylen-Exempels reflektiert Rabe, Heimkehrer, o. S. 8 ) Vgl. Böll, Wanderer, S. 194–202. Die Kurzgeschichte erschien zuerst in den Frankfurter Heften 5 (1950), S. 1176–1181; in Bölls Nachlass gibt es ein Drama „ ... wie es das Gesetz befahl“ von 1949; vgl. Watt, Wanderer, S. 878; Baumbach, Wanderer, S. 1–6.

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4. Ausblick

Schau gestellten, ästhetisch und moralisch vermeintlich zeitlosen Werten. Er kritisiert, dass die humanistische Schulbildung dem Nationalsozialismus nichts entgegenzusetzen und unter dem Deckmantel ewiger Bildungswerte kein humanistisches Ideal, sondern eine inhumane Ideologie gerechtfertigt hatte. Menschlichkeit und Hoffnung gehen in dieser Kurzgeschichte, wie häufig bei Böll, einzig vom Christentum aus. Die Kritik daran, dass die Schlacht an den Thermopylen Schülern als zeitloses Modell für ein militärisches Opferethos vermittelt worden war, wird in den Werken der Nachkriegsliteratur immer über das Epigramm in der Version Schillers angebracht. Es muss noch nicht einmal vollständig zitiert werden, um die Bedeutung des Exempels für den Opfertod aus militärischer Pflichterfüllung aufzurufen. Daraus lässt sich schließen, dass in der Bundesrepublik der 1950er und 60er Jahre das Epigramm nicht nur weiterhin sehr bekannt war, sondern auch noch automatisch mit der Deutung verbunden wurde, die es nach dem Ersten Weltkrieg erhalten hatte. Vor dem Hintergrund dieser fortdauernden stabilen Bedeutungsverbindung für das Epigramm ist bereits die Tatsache bemerkenswert, dass Oskar Kokoschka 1954 die Schlacht an den Thermopylen als Thema für ein großformatiges Triptychon für die Universität Hamburg wählte (s. Abb. 4–6). Kokoschka war eine Generation älter als Böll und konnte nach seinem Exil, in das ihn die Nationalsozialisten als ,entarteten‘ Künstler gezwungen hatten, in der frühen Bundesrepublik an seine Erfolge der Vorkriegszeit anknüpfen.9 Bei der Verleihung des Lichtwark-Preises 1952, dessen erster Träger er war, verkündete er, der Universität Hamburg ein großes Wandgemälde schenken zu wollen.10 Diese Idee war bei privaten Treffen mit dem Altphilologen Bruno Snell, damals Rektor der Universität, entstanden, und auch die Wahl des Themas scheint in gemeinsamen Gesprächen über den europäischen Freiheitsbegriff getroffen worden zu sein. Kokoschka malte die drei Bilder in der ersten Jahreshälfte 1954. Danach folgten jahrelang Querelen um die Finanzierung, da der Künstler seine Schenkung rückgängig machte, und um den Ausstellungsort, bis die Bilder 1963 an der Seitenwand des Hörsaals D im so genannten ,Philosophenturm‘ angebracht wurden. Die Form des Triptychons ermöglicht Kokoschka, mehrere Szenen des historischen Ereignisses zu zeigen, und er tut dies in einer verwirrenden Farb- und Formvielfalt. Die unterschiedlich großen Figuren, die sich auflösenden Formen und die vielen Farben, die durch das beigemischte Weiß matt wirken, hinterlassen einen ersten Eindruck von Unruhe und Unübersichtlichkeit. Stilistisch bleibt Kokoschka seiner in der Zwischenkriegszeit entwickelten expressionistischen Malweise treu. Damit folgt er trotz des antiken Themas keinem klassizistischen Körper- und Schönheitsideal. Das Triptychon Thermopylae ist auch für einen Betrachter, der die Schlacht an den Thermopylen kennt, kaum zu entschlüsseln. Es braucht, wie auch Davids 9)

Vgl. Kokoschka, Leben, S. 273–302. Vgl. im Folgenden Weidinger, Thermopylen, S. 29–35; Thermopylen-Triptychon, S. 38– 41; Snell in Heise, Thermopylä, S. 30–32. 10 )

4. Ausblick

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Le´onidas aux Thermopyles, einen erläuternden Text. Neben zwei kleinen Büchern11 liefert heute vor Ort eine Tafel Erklärungen. Allerdings lässt sich auch mit deren Hilfe Kokoschkas Triptychon, im Gegensatz zu Davids Gemälde, nicht eindeutig verstehen, da zum einen einzelne Figuren mit verschiedenen historischen Personen identifiziert werden und zum anderen Kokoschkas Interpretation der antiken Schlacht sehr eigen ist. Die Funktion des Gemäldes, den Studenten ein Vorbild zu geben, die der Künstler durchaus beabsichtigte,12 ist dadurch bereits eingeschränkt. Das linke Bild des Triptychons zeigt den Abschied des Leonidas von seiner Frau (s. Abb. 4). Die beiden umgibt eine häusliche Szene in einer sonnigen, friedlichen Landschaft. Es ist der Zustand des Friedens und Glücks, der nun durch den Krieg bedroht wird. Kokoschka verbindet ihn mit der Familie, die im historischen Sparta eine eher untergeordnete Rolle spielte, und benutzt mit dem Abschied des Kriegers von seiner Frau ein bürgerliches Bildmotiv, das seit seiner Ausprägung um 1800 unendlich oft wiederholt worden war.13 Das mittlere Bild stellt die Schlacht selbst dar (s. Abb. 5). Im Zentrum steht eine große Kriegerfigur, die Kokoschka den „Zauderer“ nennt,14 die Tafel aber den „Zweifler, dessen unentschlossene Haltung den Sieg gefährdet“.15 Diese Gestalt ist eine Erfindung Kokoschkas und seine Neuinterpretation der Schlacht. Links zu den Füßen des „Zauderers“ lauert rot und gnomenhaft der Verräter Epialtes. Den Kopf wendet der Zweifelnde in die Richtung einer nackten, von Licht umgebenen Figur, die als göttliche Lichtgestalt, als Apollon oder als Vision des möglichen Erfolges bezeichnet wird.16 Links sitzt im Vordergrund die übergroße Gestalt des Geschichtsschreibers, des Sehers Megistias bzw. des Alten, der die Philosophie versteht.17 Wer immer diese Figur sei – sie symbolisiert die schriftliche Tradierung und damit überhaupt die historische Bedeutung der Schlacht. Auf der rechten Bildhälfte tobt der Kampf. Im Vordergrund stirbt ein Mann im blauen Gewand, hinter ihm wird ein Verwundeter von einem Reiter abtransportiert. Im Hintergrund kämpfen Fußsoldaten und Reiter. Auf dem rechten Gemälde sind die ,Barbaren‘ in Athen eingefallen, haben die Stadt in Trümmer gelegt und Babys aufgespießt (s. Abb. 6). Gehetzt von Hunden flieht eine nackte Frau aus den Trümmern. Sie wird als Athena bzw. als Symbol für Sitte und Kultur angesehen.18 Im Hintergrund sind Schiffe versammelt, und das helle Licht, das sie umgibt, lässt den Seesieg bei Salamis erahnen. 11 )

Vgl. Kokoschka, Thermopylae (1955); Heise, Thermopylä (1961). Vgl. Kokoschka, Briefe 19. 3. 1958, S. 78. 13 ) Dieses Motiv malte für die Schlacht an den Thermopylen 1824 bereits Auguste Couder Le´onidas. Apre`s avoir assemble´ les trois cents Spartiates qui doivent l’accompagner aux Thermopyles, ce he´ros dit un e´ternal adieu a` sa famille. Das Gemälde ist verschollen. Die Umrissgravur bei Gersmann/ Kohle, Frankreich, Abb. 29. 14 ) Kokoschka zit. in Thermopylen-Triptychon, S. 36. 15 ) Vgl. Heise, Thermopylä, S. 6. 16 ) Vgl. Tafel; Weidinger, Thermopylen, S. 33; Heise, Thermopylä, S. 7. 17 ) Vgl. Tafel; Heise, Thermopylä, S. 7; Kokoschka zit. in Thermopylen-Triptychon, S. 36. 18 ) Vgl. Heise, Thermopylä, S. 8; Tafel. 12 )

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4. Ausblick

Kokoschka verschmilzt verschiedene Realitätsebenen: Historische Personen aus unterschiedlichen Zeiten, frei erfundene Figuren, Götter sowie allegorische Gestalten befinden sich in denselben Bildräumen. Authentizität und historische Korrektheit sind für Kokoschka keine Kriterien, nach denen er ein historisches Ereignis darstellt. Auch dadurch, dass die Figuren mehrfach zu benennen sind, tendiert die Gestaltung der Schlacht auf Kosten der historischen Faktizität zum Allgemein-Symbolischen. Der Konzeption des Triptychons liegt der alte und in diesem Fall besonders plakativ verwendete Topos zugrunde, dass Griechenland in den Perserkriegen Freiheit und Zivilisation gegen die ,Barbaren‘ verteidigt habe. Die zentrale Figur des „Zauderers“ schwankt zwischen der Entscheidung, die Freiheit zu verteidigen und dafür ihr Leben zu lassen oder sich kampflos zu unterwerfen. Dadurch ist sie in ihrem Handeln gelähmt. Soweit aus Kokoschkas verstreuten Äußerungen zu schließen ist, will er mit dem „Zauderer“ zeigen, dass sich jeder Einzelne immer wieder aufs Neue für die Freiheit entscheiden muss.19 Der Einbruch von ,Barbaren‘ und die Zerstörung der Zivilisation können nur verhindert werden, wenn jeder sich persönlich für die Freiheit einer Gesellschaft verantwortlich fühlt und dementsprechend handelt. Der Künstler bietet für die Interpretation seines Triptychons zwei Deutungen an, die teilweise ineinander übergehen. Zum einen will er den Antagonismus Griechen-Perser bzw. Zivilisation-Barbarei allgemein verstanden wissen. Wenn er in einem Brief über das Gemälde schreibt: „Europäer sein heißt immer wieder den Barbaren in sich selber zu bekämpfen“,20 dann meint er, dass das ,Barbarentum‘ unter der Decke einer jeden zivilisierten Gesellschaft lauert. Damit impliziert er auch Deutschlands nationalsozialistische Vergangenheit. In der Deutung, dass das Nicht-Handeln den Nationalsozialismus ermöglicht habe, gewinnt das Triptychon in den Räumen einer deutschen Universität durchaus kritisches Potential. Zum anderen identifizierte Kokoschka die ,Barbaren‘ seines Gemäldes aber auch mit der Sowjetunion und schrieb in einem Brief: ,Die Verteidigung des Thermopylenpasses durch Leonidas und seine 400 [sic] Spartaner‘. Denke an die Russen in Europa, und Du wirst die Aktualität verstehen und warum es nach Hamburg bestimmt ist, wo einige Kilometer weiter weg die Tataren ihre Pferde tränken.21

In dieser Deutung steht Kokoschkas Triptychon, das vollständig Thermopylae oder Der Kampf um die Errettung des Abendlandes heißt, in direkter Kontinuität zur Rezeption der antiken Schlacht nach der Niederlage von Stalingrad, die dadurch zum Kampf für die Errettung des Abendlandes vor dem Bolschewismus stilisiert worden war (s. Kap. III.3.1). Problematisch an Kokoschkas künstlerischer Aneignung der Schlacht an den Thermopylen ist zudem, dass sein humanistischer und demokratischer Appell sowohl von den historischen Fakten als auch von der Tradition der Schlacht als 19 ) Vgl. Kokoschka, Briefe 19. 3. 1958, S. 78; Kokoschka zit. in Thermopylen-Triptychon, S. 36. Vgl. Schefbeck, Europa, S. 27. 20 ) Kokoschka, Briefe 19. 3. 1958, S. 78; vgl. auch Kokoschka zit. in Thermopylen-Triptychon, S. 36. 21 ) Kokoschka, Briefe 15. 2. 1954, S. 20.

4. Ausblick

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Exempel unterlaufen wird. Unklar bleibt nämlich, wie der „Zauderer“ durch seine Unentschlossenheit einen Sieg gefährdet haben soll, der bereits von vornherein oder spätestens nach dem Verrat des Umgehungspfades unmöglich war. Obwohl der Bericht Herodots verschiedene Deutungen zulässt, wie der Untergang des Leonidas und seiner Männer zustande kam, kann dieser in keinem Fall auf mangelnde Handlungsbereitschaft zurückgeführt werden. Die Figur des „Zauderers“ impliziert als Verhaltensmodell, das nicht nachgeahmt werden soll, ein positives Gegenmodell. Dieses ist das bereitwillige Opfer des eigenen Lebens,22 jene Form von Heldentum also, für die Leonidas und seine Spartiaten seit der Antike stehen. Dennoch konnte ihr entschiedenes Handeln den Weg der Perser nach Athen nicht aufhalten. Neben diesen inhaltlichen Ungereimtheiten tendiert die Logik des militärischen Opfertodes dazu, sich in der Interpretation des Triptychons zu verselbstständigen. So lässt Carl Georg Heise 1961 seine Deutung des „Zauderers“ in dem Satz gipfeln: „Ein Volk, das nicht mehr mit ungebrochener Kraft an seine Bestimmung glaubt, hat den Sieg verwirkt.“ 23 Diese Aussage zeugt nicht von Sensibilität angesichts der Tatsache, dass ausgerechnet die Schlacht an den Thermopylen im Nationalsozialismus als Beispiel einer bedingungslosen Opferbereitschaft überstrapaziert worden war. Gleichzeitig gab es wohlgemerkt in der Bundesrepublik eine kritische Auseinandersetzung mit genau dieser Rezeption in der Literatur, aber auch im Bereich des Militärs und des Gefallenengedenkens. Kokoschkas Triptychon zeigt sowohl die Grenzen einer Neuinterpretation der Schlacht an den Thermopylen als auch die begrenzte Aussagekraft eines Historienbildes, bei dem der Künstler nur seiner eigenen Inspiration folgt. Kokoschka konstruiert das Vorbildliche der Schlacht in einer fiktiven Figur, deren Überzeugungskraft nur vorgeblich auf der Historizität des Ereignisses beruht, in Wirklichkeit aber allein durch die künstlerische Autorität hergestellt wird. Seine individualistische Deutung der antiken Schlacht geht nur so lange auf, wie man die historischen Fakten weitgehend ignoriert. Die zu dieser Zeit noch sehr präsente Tradition der Schlacht als Exempel für rein militärische Pflichterfüllung, das gerade nicht wie Kokoschka nach übergeordneten Werten und Zielen fragt, lässt sich mit einer Fiktionalisierung des historischen Ereignisses nicht in Frage stellen. Abgesehen von dem Problem, ob ausgerechnet diese antike Schlacht in den 1950er Jahren ein adäquates Thema war, von dem man sich eine geistige Erneuerung der deutschen Bildungselite erhoffen konnte,24 scheitert die humanistische Aussage des Gemäldes an der künstlerischen Konzeption, die dem Prinzip der autonomen Kunst folgt. Die restaurative Grundtendenz der deutschen Altertumswissenschaften nach 1945 ist bekannt,25 weshalb es nicht überrascht, dass die Schlacht an den Thermopylen auch 1950 noch als „ein leuchtendes Beispiel erfüllter Pflicht“ 26 gelten 22 )

Vgl. Kokoschka zit. in Thermopylen-Triptychon, S. 36. Heise, Thermopylä, S. 6. 24 ) Vgl. Lachnit, Macht, S. 43; Weidinger, Thermopylen, S. 35. 25 ) Vgl. Rebenich, Berve, S. 484– 493; Losemann, Standortbestimmung, S. 313–323. 26 ) Bengtson, Griech. Geschichte, S. 173. Auch Kirsten/Kraiker, Griechenlandkunde (1954), S. 231, und die Neuauflagen von Wilcken, Griech. Geschichte, und Berve, Sparta (1966), bewahren diese Deutung; vgl. Rebenich, Thermopylae, S. 335. 23 )

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4. Ausblick

konnte. Dennoch trat bereits ein Jahr nach Kriegsende Hans Schaefer dieser verbreiteten Aufladung des antiken Ereignisses mit Exemplarität gezielt entgegen.27 Er relativiert die historische Bedeutung der Schlacht und reflektiert erstmals die verschiedenen Stufen der antiken Legendenbildung. Da sein Aufsatz in der von Dolf Sternberger herausgegebenen Kulturzeitschrift Die Wandlung erschien, richtet er sich an einen gebildeten, nicht fachinternen Leserkreis. Auch die neuen Handbücher hielten sich mit der Deutung der Schlacht zurück. Insgesamt verlagerte sich der Schwerpunkt der Spartaforschung sowie der Spezialforschung zur Schlacht an den Thermopylen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den anglo-amerikanischen und französischen Raum.28 Die enge Verbindung zwischen Wissenschaft, Schule und außerwissenschaftlichen Bereichen, die für die Deutung der Schlacht als Exempel der militärischen Pflichterfüllung nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland existierte, löste sich nun auf. Die deutsche Altertumswissenschaft nahm die Kritik an der nationalsozialistischen Funktionalisierung des antiken Ereignisses in den 1950er und 60er Jahren nicht als Impuls für eine eigene kritische Revision auf. Im Bereich des politischen Totenkultes, in dem nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland die für die Deutungsfestlegung der antiken Schlacht wichtigste Aktualisierung stattgefunden hatte, brach nach dem Zweiten Weltkrieg die Rezeption im Großen und Ganzen ab.29 Dass das Epigramm und die ihm zugrunde liegende antike Vorstellung vom Tod für das ,Vaterland‘ nicht auf den Massentod in den beiden Weltkriegen zu übertragen sei, führte der Mediävist Hermann Heimpel in einer Rede zum Volkstrauertag 1955 aus.30 Er nutzt das kritische Potential der Historisierung, um aufzuzeigen, dass das „Beispiel erfüllter Pflicht“ nicht zeitlos gültig ist. Mit dem Bruch der Rezeption der antiken Schlacht im Gefallenengedenken verliert vor allem das Spartiaten-Epigramm seinen praktischen Anwendungsbereich, der seine Deutung als Formel der Pflichterfüllung geprägt und die in der Schule vermittelte Deutung bestätigt hatte. Eine wichtige Textgattung, in der das Exempel der Schlacht an den Thermopylen und das Epigramm bis heute in Deutschland rezipiert werden, sind die autobiographischen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, wobei die StalingradMemoiren verständlicherweise anteilsmäßig besonders stark vertreten sind. Die Art und Weise, wie die antike Schlacht verwendet wird, reicht von reiner Affirmation und Exkulpation31 bis zur kritischen Reflexion und völligen Infragestellung.32 Dabei lässt sich keine Entwicklung beobachten; vielmehr gab es in der 27 )

Vgl. Schaefer, Thermopylen (1946); s. Kap. I.1.2. Vgl. Christ, Spartaforschung, S. 49–55, 219–221; Losemann, Sparta, S. 170. 29 ) In Kriegsgräberfürsorge 27 (1951), S. 94, wird das Epigramm nur als Beleg dafür eingesetzt, dass seit der Antike Gefallenen eine würdige Bestattung zustehe. Dennoch gibt es auch Ausnahmen, die weiterhin mit dem Epigramm eine rein militärische Pflichterfüllung formulieren, so das Ehrenbuch der deutschen Wehrmacht, S. XIII . 30 ) Vgl. Heimpel, Tod, S. 40. 31 ) Vgl. Manstein, Siege (1955), S. 320; Falliner, Leonidas (1991), S. 7 passim; Schenk, Notlazarett (2000), S. 102f.; vgl. auch Herbert, Words (1998), S. 40. 32 ) Vgl. Gaiser, Jagd (1953), S. 171f., 277; Wieder, Gesetz (1956), S. 307–327; Hindorf, 28 )

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Bundesrepublik immer sowohl eine unkritische als auch eine kritische Rezeption der antiken Schlacht in den Memoiren. Kriegserinnerungen sind kein randständiger Bereich der deutschen Literaturszene, und einige Bücher, in denen die Schlacht an den Thermopylen in einem längeren Abschnitt behandelt wird, waren Bestseller, so Peter Bamms autobiographischer Roman Die unsichtbare Flagge von 1952 oder das Tagebuch der Anonyma Eine Frau in Berlin, das 2003 erschien.33 Die Kriegsmemoiren tradieren in Deutschland weiterhin die Schlacht an den Thermopylen als Exempel für einen Opfertod aus militärischer Pflichterfüllung, gleichgültig, ob sie sich positiv oder negativ dazu verhalten. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass die Schlacht in einer bestimmten Deutung weiter aufgerufen wird, obwohl seit etwa drei Jahrzehnten nicht mehr sicher vorausgesetzt werden kann, dass das antike Ereignis überhaupt noch bekannt ist. Neben dieser noch andauernden Verbindung zwischen der Schlacht an den Thermopylen und der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg taucht das Ereignis in den 1950er und 60er Jahren auch im Umkreis der 1955 gegründeten Bundeswehr auf.34 Die antike Schlacht rückt damit wieder in die Nähe der militärischen Praxis sowie der militärinternen und öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen um die Tradition zur Wehrmacht. Die Befürchtung der Politik, dass die Bundeswehr durch die starken personellen Kontinuitäten zur Wehrmacht die junge Demokratie gefährden könnte, hatte bereits beim Aufbau der Armee dazu geführt, dass eine Unterabteilung ,Innere Führung‘ eingerichtet wurde.35 Das von Wolf Graf von Baudissin entwickelte Konzept sah vor, das neue Leitbild vom ,Staatsbürger in Uniform‘ auf den rechtlichen Rahmen und die Binnenstruktur der Bundeswehr zu übertragen. Der Einfluss Baudissins auf die Ausbildung und die interne Organisation der Armee blieb jedoch begrenzt, und in den 1960er Jahren entschieden die Traditionalisten den permanenten Konflikt für sich. Die Schlacht an den Thermopylen erwähnt Gerhard Ritter 1957 in einem Aufsatz über die Männer des 20. Juli 1944 in dem von der Abteilung ,Innere Führung‘ im Bundesministerium für Verteidigung herausgegebenen Handbuch Schicksalsfragen der Gegenwart.36 Der militärische Widerstand gegen Hitler war eines der heißesten Eisen im Offizierskorps der jungen Bundeswehr. Die Meinung, dass die Attentäter gegen die soldatische Tugend des Gehorsams und damit gegen die Würde des Offiziers verstoßen hätten, kam durchaus nicht nur vereinzelt vor, und zur kulturellen Absicherung dieser Tugend gehörte auch das „wie das Gesetz es befahl“ von Schillers Epigramm-Version.37 Ritter führt aus, dass bereits im Altertum der unbedingte Wanderer (1989), S. 5–10; Meyer, Kopf (1998), S. 92 f.; vgl. auch Konkret Heft 8 (2004), S. 73, die Todesanzeige für General der Artillerie Erich Marcks, erschienen zum Jahrestag der Normandie-Invasion in der FAZ . 33 ) Vgl. Bamm, Flagge, S. 264–273; Anonyma, Frau, S. 29f. 34 ) Vgl. Ritter, Juli (1957), S. 351; Karst, Bild (1964), S. 319; Manecke, Vorbilder (1967), S. 436. 35 ) Vgl. Kutz, Militär, S. 277–313; Scholten, Offiziere, S. 131–177; Abenheim, Bundeswehr, S. 5–109. In der NVA gab es nur wenige ehemalige Wehrmachtsoffiziere. 36 ) Vgl. Ritter, Juli, S. 349–381. 37 ) Vgl. z. B. Stahlberg, Pflicht, S. 225.

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Gehorsam gegenüber der ordentlichen Staatsgewalt die höchste soldatische Tugend gewesen sei, und zitiert als Beleg das Epigramm, allerdings nicht in der Nachdichtung Schillers: „Melde, o Fremdling, dem Volke von Lakedämon, / daß wir hier liegen gehorsam ihrem Gesetz“.38 Obwohl Ritter also zu bestätigen scheint, dass das Prinzip des unbedingten militärischen Gehorsams ,immer schon‘ gegolten habe, distanziert er sich von der Rezeption der Schlacht als Opfertod aus reiner Pflichterfüllung, indem er das Ende des Epigramms „gehorsam ihrem Gesetz“ auf das spartanische Gemeinwesen bezieht. In den weiteren Ausführungen erläutert er, dass Soldaten in dem Moment ihrer Gehorsamspflicht entbunden seien, in dem der Staat seine Rechtsgrundlage und moralische Fundierung verlässt. Ritter verbindet somit die Schlacht an den Thermopylen wieder mit der Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit, die dem antiken Ereignis im Frankreich der Revolution, aber auch im Deutschland des Vormärz überhaupt eine gesteigerte Aufmerksamkeit verschafft hatte. Interessanterweise klingen bei den Gegnern der ,Inneren Führung‘ Äußerungen über die Schlacht an den Thermopylen recht ähnlich. So schrieb Heinz Karst, der schärfste Kritiker an Baudissins Konzept, in Das Bild des Soldaten 1964 im Kapitel über die Autorität des Offiziers: Mit aller Energie anzustreben sind: die Hinwendung zum Gesetz, die Treue für die aufgegebenen Pflichten, die Identifizierung mit der freiheitlichen, von Sinn und Inhalt bestimmten Grundordnung der Demokratie. Insofern waren die Spartiaten des Leonidas rechte Staatsbürger. Auf der Gedenktafel auf dem Weg nach Sparta stand nicht: ,Du habest uns hier liegen gesehn, wie Leonidas es befahl‘, sondern ,wie das Gesetz es befahl‘.39

Karst argumentiert für eine strikte Aufrechterhaltung des Prinzips von Befehl und Gehorsam, indem er betont, dass die Soldaten nicht nur der Person des Offiziers gehorchten, sondern dem Amt des Offiziers, das der Staat geschaffen habe, um seine demokratische Grundordnung zu verteidigen. Im Streit um den Führungsstil, bei dem Baudissin kooperativere Formen vorgeschwebt hatten, die auf Verantwortungsbewusstsein statt auf blindem Gehorsam basieren sollten, rechtfertigt Karst mit dem Epigramm in der Version Schillers die traditionelle Auffassung von Befehl und Gehorsam. Dennoch deutet er die Schlacht als ein Modell, in dem Staatsbürger einen demokratischen Staat verteidigen. Da über diese Deutung in beiden Lagern Einigkeit herrschte, konnten mit dem Thermopylen-Exempel die enormen Differenzen zwischen den jeweiligen Vorstellungen über militärischen Gehorsam nicht erhellt werden. Für die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen in Deutschland nach 1945 ist festzuhalten, dass in der frühen Bundeswehr, aber auch andernorts in der Gesellschaft bewusst oder unbewusst die Deutung von den militärischen Sekundärtugenden wieder auf übergeordnete Werte wie die Verteidigung der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit verschoben wurde. Allerdings gelang es nicht, die Schlacht an den Thermopylen dauerhaft als Exempel des ,Staatsbürgers in Uniform‘ zu etablieren. Dies lag erstens daran, dass die Bundeswehr kaum Prestige 38 )

39 )

Ritter, Juli, S. 351. Karst, Bild, S. 319.

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besaß und daher auch das Geschichtsverständnis in der Öffentlichkeit nicht bestimmen konnte und dass zudem mit der sozialen Öffnung der Offiziersränge seit den 60er Jahren das antike Bildungswissen der Offiziere zurückging. Zweitens existierte eine enge Verbindung zwischen der antiken Schlacht und dem Zweiten Weltkrieg, die weiterhin präsent blieb und die Deutung der rein militärischen Pflichterfüllung fortdauernd bewahrte. Besonders durch das Epigramm in der Version Schillers blieb dabei die Grenze zwischen der Interpretation, die das Handeln der Thermopylenkämpfer auf rein soldatische Tugenden zurückführte, und derjenigen, die in ihnen verantwortungsbewusste Staatsbürger sah, fließend. Drittens fiel in den 1970er Jahren das antike Ereignis aus dem Bildungskanon der höheren und mittleren Schulen. Damit schwand die Möglichkeit, die Schlacht an den Thermopylen in Deutschland dauerhaft auf eine demokratisch-staatsbürgerliche Deutung festzulegen. Seit dem Wegfall der Schlacht aus dem Bildungswissen fehlt die Grundlage für exemplarische Vergleiche. Selbst im gehobenen Bildungsmilieu, wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung repräsentiert, misslingt heutzutage mitunter der historische Vergleich mit der antiken Schlacht. Die 1998 im Zuge der Kontroversen um das Holocaust-Denkmal in Berlin erschienene Kolumne Der Engpaß setzt einerseits voraus, dass die Leser die Schlacht an den Thermopylen anhand weniger Merkmale – dem Engpass, dem ,verlorenen Posten‘ und den Worten „Wanderer, kommst Du“ – identifizieren können.40 Andererseits wimmelt der Artikel von Erfindungen und sachlichen Fehlern, so dass jeder, der die antike Schlacht tatsächlich kennt, die Aussage, sie sei aufgrund ihres schlichten Gedenkspruchs „noch nach Tausenden von Jahren jedermann geläufig“, nur für Selbstironie halten kann. Wie fern inzwischen die Tradition der Schlacht als Modell eines Opfertodes aus Pflichterfüllung gerückt ist, verdeutlicht die historisch abstruse und wenig geschmackvolle Gleichsetzung des „Opfergangs“ der Spartiaten mit der Ermordung der europäischen Juden im Nationalsozialismus. Deutlich wird an diesem Artikel, dass in Deutschland die Kenntnis der historischen Fakten und ihrer Deutung nicht mehr vorausgesetzt und somit die Schlacht an den Thermopylen nicht mehr als Argument für einen ganz anderen Sachverhalt eingesetzt werden kann. Dass die Schlacht an den Thermopylen in Deutschland aus dem Kanon der höheren Schulbildung fiel, hängt mit dem rapiden Bedeutungsverlust zusammen, den die griechisch-römische Antike in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlitt. Die europäischen Eliten definierten sich endgültig nicht mehr über antikes Bildungswissen, mit Ausnahme vielleicht von Griechenland und Italien, wo die Antike zu einer nationalen kulturellen Identitätsfindung herangezogen wird. Seit der Bildungsexpansion der 1960er Jahre ist die griechisch-römische Antike als Bestandteil von Bildung fortwährend marginalisiert worden. Hinzu kommt, dass das Heldentum, das Leonidas und seine Spartiaten verkörpern, nach dem Zweiten Weltkrieg zusehends unzeitgemäß wurde, wie Gottfried Benn mit Bedauern bemerkte.41 Speziell in Deutschland kann der Bedeutungsverlust 40 )

41 )

Vgl. FAZ vom 28. 3. 1998, S. 33. Vgl. Benn, Kulturspiegel, S. 391.

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der militärischen Opferhelden damit erklärt werden, dass sie im Nationalsozialismus exzessiv rezipiert worden waren, aber dem Phänomen liegt auch eine andere, internationale Entwicklung zugrunde, die sich stärker und längerfristig ausgewirkt hat. In der internationalen und wertepluralistischen Massenkultur vervielfältigten sich die Heldentypen enorm. Nicht nur die militärischen Opferhelden, sondern überhaupt die historischen Heldenexempel bilden nur noch einen kleinen Teil des Marktes der massenkulturell verbreiteten Heldenfiguren. Besonders die mächtige internationale Jugendkultur erschuf bereits in den 1950ern den neuen Heldentyp live fast die young, der seither in der Musik- und Filmindustrie immer neue Auflagen erfährt.42 An diesen Heldentypus, der die Individualität feiert, sind Leonidas und seine Spartiaten nicht anzupassen. Schon aufgrund der historischen Fakten kann mit den Thermopylenkämpfern nur der Einsatz von Individuen für die Gemeinschaft verhandelt werden. Damit bleibt die Schlacht an den Thermopylen mit dem moralischen Vokabular von Rechten und Pflichten, Verantwortung und Opferbereitschaft verbunden, das kaum in die Sprache des Individualismus zu übersetzen ist. Obwohl die Schlacht an den Thermopylen nicht mehr zur höheren Bildung in der westlichen Welt gehört und kaum noch ohne Weiteres als Exempel aufgerufen werden kann, wird sie weiterhin in der Elitenkultur rezipiert. Diese Rezeption der antiken Schlacht in der schöngeistigen Literatur, die sich nur indirekt an aktuelle Deutungsmuster anschließt und daher nicht länderspezifisch ist, existiert parallel zu allen Konjunkturen seit dem 18. Jahrhundert. Bei ihr überwiegt das Interesse am Thema mit seiner immanenten Dramatik die Absicht, die antike Schlacht direkt als Orientierungsmodell für die Gegenwart zu empfehlen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tritt nunmehr neben diese elitäre Thermopylen-Rezeption eine populärkulturelle, was auch auf die Rezeption der Schlacht in der Hochkultur Auswirkungen hat. Charakteristisch für die hochkulturelle Rezeption in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist, dass sie den Wegfall des antiken Ereignisses aus dem Bildungswissen ignoriert. In der Regel werden nämlich die Schlacht oder Leonidas nur genannt, was voraussetzt, dass sie den Rezipienten bekannt sind.43 Allerdings wird damit das antike Ereignis nicht als Exempel aufgerufen, das den Rezipienten in irgendeiner Hinsicht zur Orientierung dienen soll. Vielmehr stellen die Anspielungen individuelle Aneignungen der Künstler dar und sind gerade nicht eindeutig zu entschlüsseln. Ein Beispiel für diese esoterische hochkulturelle Rezeption der antiken Schlacht ist Cy Twomblys Skulptur Thermopylae von 1991 (s. Abb. 42).44 Es handelt sich um einen steilen Kegel mit unregelmäßiger Oberflächenstruktur, aus dessen Kuppe vier gerade, staksige Äste ragen, an deren Enden jeweils eine Tulpe mit Draht befestigt ist. Am Fuß des Kegels steht mit Bleistift geschrieben „Thermopylae“. Der Titel ist damit Teil des Kunstwerkes. Zudem hat Twombly in der für 42 )

Vgl. Hobsbawm, Zeitalter, S. 414– 431. Vgl. Savinio, Tragödie (1945); Jandl, thermopylen (1957), S. 673; Branner, Thermopylae (1958); Mayröcker, Round-up (1966), S. 38f.; Weyrauch, Orpheus (1983), S. 28–32; Clampitt, Thermopylae (1987); Lenormand-Bacot, Thermopyles (1989). 44 ) Es existieren drei weitere Fassungen in Bronze. 43 )

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ihn typischen, fahrigen Bleistiftschrift den Anfang des Gedichtes UermopyÂlew von Konstantinos Kavafis in englischer Übersetzung geschrieben: „Honor to those who in the life / they lead define and guard / a Thermopylae / (Cavafi)“.45 In der kunsthistorischen Literatur zu Twombly gibt es mehrere Interpretationen des Werkes, das die Assoziationen eines antiken Helmes, eines felsigen Berges oder eines Grabhügels erweckt.46 Diese verschiedenen Deutungszuschreibungen erhellen, dass die Deutungen allein von den Betrachtern auf die Skulptur projiziert werden. Zwar lenkt die Aufschrift Thermopylae die Assoziationen in einen gewissen Rahmen, aber das Objekt verweigert sich einer eindeutigen Aussage. Auch der Verweis auf das Gedicht von Kavafis hilft nicht, die Skulptur zu entschlüsseln, sondern eröffnet für den belesenen Betrachter lediglich einen weiteren Assoziationsraum. Kavafis, der aus einer griechischen Kaufmannsfamilie stammte, in Alexandria lebte und als Angestellter des Amtes für Bewässerungswesen dichtete, schrieb 1903 das Gedicht zur Schlacht an den Thermopylen, das nicht nur für diese Zeit, sondern überhaupt eine der ungewöhnlichsten Neudeutungen der antiken Schlacht ist.47 Als literarische Vorlage diente das Enkomion von Simonides auf die Thermopylenkämpfer. Ruhm denen, die in ihrem Leben Thermopylen bestimmt haben und bewachen, Die nie von ihrer Pflicht weichen; Gerecht und ehrlich in all ihren Taten, Stets nachsichtig und mitleidend; Großmütig, wenn sie reich sind, und wenn arm, Freigebig nach ihren Möglichkeiten Und so hilfsbereit wie möglich. Stets sagen sie die Wahrheit, Doch ohne Haß auf jene, die lügen. Und noch mehr Ruhm verdienen sie, Wenn sie voraussehen (und viele sehen voraus), Daß am Ende Ephialtes erscheinen wird Und die Meder schließlich doch triumphieren.48

Kavafis löst das Exemplarische der Schlacht vom militärischen Kontext und verwandelt das Modell für ein vorbildhaftes Sterben in ein Modell für ein Leben nach Idealen. Diese ethische Haltung zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihr Scheitern mit einbezieht, aber dennoch an ihren Grundsätzen festhält. Twombly, der amerikanische Künstler, der in Rom lebt, bezieht sich in seinen Gemälden und Skulpturen häufig auf literarische Werke. Immer setzt er seine eigenen Eindrücke und Empfindungen in seine sehr individuelle Bildsprache um. Er durchkreuzt Wahrnehmungskonventionen, indem er in seinen Skulpturen eindeutig identifizierbare Einzelelemente in einen neuen Zusammenhang fügt, der ambivalent 45 )

Zit. nach Del Roscio, Twombly, S. 240. Vgl. Del Roscio, Twombly, S. 22; Schmitt, Twombly, S. 116; Klemm, Material, S. 170; Whitfield, Twombly, S. 464. 47 ) Kavafis lebte 1863–1933, in Griechenland wurde er erst nach 1960 anerkannt; vgl. Müller, Verwandlung, S. 131–149; Macgregor Morris, Thermopylae, S. 228. 48 ) Kavafis, Thermopylen, S. 67. 46 )

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und rätselhaft bleibt. Die Skulptur Thermopylae ruft über den Titel die antike Schlacht als Exempel auf und konterkariert dieses gleichzeitig, weil es sich nicht auf eine Bedeutung festlegen lässt. Mit dem Kavafis-Zitat stellt Twombly seine Skulptur zudem in eine Tradition der künstlerischen Auseinandersetzung mit der antiken Schlacht. Aber gerade im Vergleich zu Kavafis’ Gedicht, das die Schlacht idiosynkratisch, aber für die Leser nachvollziehbar umdeutet, wird ersichtlich, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Rezeption der Schlacht in den klassischen Gattungen der Hochkultur deutlich esoterischer geworden ist. Twombly erhebt mit Thermopylae keinen Anspruch auf eine allgemeingültige Aussage, mit der er an die Betrachter appelliert. Die Skulptur ist nicht Medium für eine Botschaft, sondern in erster Linie ein autonomes Kunstwerk. Durch ihre materielle Präsenz erscheint Thermopylae als Relikt aus der Vergangenheit, die zwar bedeutungsvoll ist, an die aber nur mehr eine vage Erinnerung besteht. Auf dieser Ebene lässt sich die Skulptur lesen als die Unmöglichkeit, die vergangenen Zeiten vollständig zu durchdringen, als die Bedrohung der menschlichen Geschichte durch das Vergessen. Die Rätselhaftigkeit von Thermopylae lässt sich auch als Differenzerfahrung interpretieren: Das antike Ereignis bleibt fremd und unzugänglich und kann nicht so einfach in die Gegenwart übersetzt werden. Die populärkulturelle Rezeption der Schlacht an den Thermopylen hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollständig die narrativen Darstellungen übernommen, die es zuvor mit den Dramen und Epen auch in der elitären Rezeption gab. Charakteristisch für die populärkulturelle Rezeption der antiken Schlacht ist, dass sie kaum oder keine historische Vorbildung erfordert und ein großes, internationales Publikum erreicht. Auch die Schlacht an den Thermopylen macht die Revolutionierung der Künste durch die Technologie mit.49 So wurde die Schlacht in den 1930/40er Jahren zweimal als Radiohörspiel bearbeitet.50 Generell verlagerte sich mit dem endgültigen Siegeszug der mit dem Massenmarkt verbundenen Unterhaltungsindustrie nach 1945 die kulturelle Produktion weg von den traditionellen Zentren der Elitenkultur in Europa. So stammen auch der bisher einzige Film zur Schlacht an den Thermopylen, The 300 Spartans von Rudolf Mate´ aus dem Jahr 1962,51 Steven Pressfields weltweit erfolgreicher historische Roman The Gates of Fire von 199852 sowie der mehrfach übersetzte Comic 300 von Frank Miller und Lynn Varley von 1999 aus den USA . Zu dieser Rezeption der Schlacht an den Thermopylen sind auch die populären Geschichtsdarstellungen zu zählen wie die des ehemaligen britischen Offiziers Ernle Bradford The year of Thermopylae von 1980, die in der amerikanischen Ausgabe bezeichnenderweise The battle for the West und in der deutschen Leonidas. Held 49 )

Vgl. im Folgenden Hobsbawm, Zeitalter, S. 618–644. Vgl. Bosshard, Thermopylen (1938); Darget, Thermopyles (1946). 51 ) Produzent und Regisseur ist Rudolf Mate ´ , das Drehbuch stammt von George St. George. Mit Richard Egan als Leonidas, Ralph Richardson als Themistokles, David Farrar als Xerxes; vgl. Solomon, Cinema, S. 39 f.; Altekamp, Klassik, S. 752f.. Die deutsche Fassung heißt Der Löwe von Sparta. 52 ) Pressfield ist Jahrgang 1943. Das Buch soll verfilmt werden und war 2003 Book of the year in Griechenland; die deutsche Übersetzung heißt Sparta. Vgl. Losemann, Sparta, S. 169. 50 )

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der Thermopylen heißt, oder das Jugendbuch von Mary Renault.53 Überdies wird das Fernsehen für die Vermittlung historischer Fakten genutzt, wie der für das englische Fernsehen produzierte Dreiteiler The Spartans von 2002 verdeutlicht, an dem auch Berufshistoriker beteiligt waren.54 Eine eigene Form der populärkulturellen Thermopylen-Rezeption stellt der Massentourismus nach Griechenland dar, für den der authentische Ort als Gedenkstätte ausgebaut wurde (s. Kap. I.1.3). Dennoch ist die Schlacht an den Thermopylen in den Massenmedien im Vergleich zu anderen antiken Themen wie dem Trojanischen Krieg, Alexander, Kleopatra und den römischen Kaisern wenig präsent. Daher ist kaum abzuschätzen, ob der Rezipientenkreis größer ist als früher und andere Gesellschaftsschichten umfasst als die Eliten, die gleichfalls an der Populärkultur partizipieren. Auf alle Fälle aber hat sich die Rezeption der antiken Schlacht durch die populärkulturellen Rezeptionszeugnisse stärker internationalisiert, so dass es schwieriger wird, das Ereignis in einem nationalen Kontext – außer vielleicht in Griechenland – politisch zu funktionalisieren. Einige weitere Merkmale dieser populärkulturellen, weit streuenden Thermopylen-Rezeption sollen noch erwähnt werden, ohne dass damit Vollständigkeit angestrebt oder gar etwas über die Wirkung ausgesagt werden kann. Erstens bleibt deutlicher als in der elitären Rezeption die Identifikation mit den Griechen bzw. den Spartanern und daher auch der West-Ost-Antagonismus bestehen. Während der Hollywood-Film von 1962 in den Parametern des Kalten Krieges gelesen werden kann, illustriert der Comic von Miller und Varley von 1999, dass die Perser nicht mehr mit einem realen Gegner assoziiert werden. Nach dem Ende der Sowjetunion wird in den 1990ern auch an den Thermopylen nicht mehr das Abendland verteidigt. Allerdings werden die Thermopylenkämpfer vielleicht in nächster Zeit gerade als Verteidiger westlicher Werte wieder attraktiv werden. Zweitens ist nicht nur die narrative Darstellung der antiken Schlacht, sondern auch die visuelle Verknüpfung der Thermopylenkämpfer mit klassischen Idealkörpern von der hoch- auf die populärkulturelle Rezeption übergegangen. Weder Kokoschka noch Twombly verbinden das Thema mit einem der Antike entlehnten Körperideal, während Film und Comic in klassisch geformten Männerkörpern schwelgen (s. Abb. 41; 43). Die Idealkörper implizieren neben dem Anschein von Historizität weiterhin eine normative Ästhetik. Da sich allerdings die Bereiche, in denen klassische Idealkörper verwendet werden, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vervielfacht haben und noch weiter trivialisiert worden sind, können die Körper nicht mehr ohne Weiteres mit einer politischen Aussage verbunden werden. Drittens wird das Kampfgeschehen an den Thermopylen brutaler dargestellt. Vergleicht man die Erzählung von Hugo Paul Uhlenbusch, die in der Ästhetisierung des Todes ihre Entstehung in der NS -Zeit nicht verleugnet, mit Pressfields eindrucksvoller Beschreibung des mörderischen Kampfes in der Phalanx, so kann man von einem Gewinn an Realismus sprechen. Im Comic von Miller und Varley 53 )

54 )

Vgl. Renault, Lion (1964); dt. 1966 und 1972. Zu den Jugendbüchern s. Kap. III.1.2. Vgl. Cartledge, Spartans. In Deutschland lief er 2003 in ZDF -History.

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haben dagegen die Kampfszenen eine ganz eigene Gewaltästhetik, die für die meist für Jugendliche gemachten Antiken-Comics eher untypisch ist und an die Actionhelden-Comics anschließt, die sich an ein erwachsenes Publikum richten. Viertens leidet durch die Gattungen Film, Comic und historischer Roman die Historizität der antiken Schlacht, d. h. die Tatsache, dass Leonidas und seine Männer im Engpass wirklich bis zum Tod gekämpft haben. Obwohl der Ablauf der Schlacht in diesen drei Gattungen im Großen und Ganzen historisch korrekter dargestellt ist als z. B. auf Kokoschkas Triptychon, werden in diesen Gattungen, ebenso wie im Computerspiel, mehrheitlich fiktionale und vor allem auch fiktionale historische Heldenfiguren massenkulturell verbreitet. Film, Comic und Computerspiel bauen darauf, dass ihre Rezipienten die Heldenfiguren bewundern und sich temporär mit ihnen identifizieren, aber ihre Handlungsmodelle nicht in die Realität übernehmen. Die Autorität der Schlacht an den Thermopylen als Orientierungs- und Handlungsmodell beruht auf der Beweiskraft des Faktischen. Nur wenn der Untergang der Thermopylenkämpfer als historische Tatsache akzeptiert wird, kann im exemplarischen Vergleich suggeriert werden, dass Männer ,immer schon‘ auf diese Weise gehandelt haben. Diese Gewissheit des historisch Faktischen wird von den Produkten der Unterhaltungsindustrie untergraben, weshalb die antike Schlacht durch sie nicht als historisches Exempel Handlungsrelevanz gewinnen kann. Das exemplarische Heldentum der Thermopylenkämpfer braucht, um als Handlungsmodell Relevanz zu erlangen, antikes Bildungswissen, die Autorität des historisch Faktischen und ein bestimmtes Deutungsmuster von Heldentum, das durch andere, aktuellere Heldenexempel gestützt und überdies mit Sozialprestige verbunden sein muss. Die Voraussetzungen dafür sind gegenwärtig – und in Anbetracht der Rezeptionsgeschichte könnte man sagen, zum Glück – schlecht. Dennoch wird die Schlacht an den Thermopylen als eine Geschichte vom aussichtslosen Kampf weniger gegen viele, von Verrat und Treue, von Opferbereitschaft und dem aufrechten Gang in den Tod immer ihre Faszinationskraft behalten und die (männliche) Phantasie anregen. Dafür hat bereits Herodot gesorgt.

Zusammenfassung Die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in der Antike ist, soweit sie sich noch rekonstruieren lässt, zwischen Historiographie und Redepraxis angesiedelt, die in einer vielfältigen Beziehung zueinander stehen. Die Ebene der sozialen Praxis, das rituelle Gedenken an die Schlacht, lässt sich dagegen nur bruchstückhaft erfassen. An den Thermopylen selbst gab es eine Gedenkstätte, zu der das Löwendenkmal für Leonidas und Stelen mit Inschriften, darunter das Grabepigramm auf die Spartiaten, gehörten. Sehr wahrscheinlich wurde der Toten der Schlacht auch in den jeweiligen Poleis gedacht, insbesondere in Sparta, das über 600 Jahre nach dem Ereignis noch jährliche Feiern zu Ehren des Leonidas veranstaltete. Ob daraus auf eine ununterbrochene Kontinuität geschlossen werden darf, ist allerdings fraglich, da Sparta zu diesem Zeitpunkt längst seine große Vergangenheit musealisiert hatte. Für die Schlacht an den Thermopylen, die bald zum Inbegriff einer spezifisch spartanischen Schlacht wurde, scheinen in den Quellen nur selten die Spuren einer spartanischen Deutung durch. Anders als bei vielen anderen Schlachten und Heldenfiguren kann die Spezifik der Rezeptionsgeschichte dieses Ereignisses nicht mit den aufeinander bezogenen Kategorien ,Mythos‘ und ,Identität‘ erklärt werden. Den Rahmen für die spätere Rezeption steckt Herodot mit seinem Bericht der Vorgänge an den Thermopylen ab. Obwohl er ein auffällig klares Bild des Ereignisablaufs im Engpass vermittelt, bleibt seine Darstellung an zwei zentralen Punkten widersprüchlich, an denen sich die Forschung seit nunmehr 150 Jahren abarbeitet. Der erste Punkt betrifft die Frage, ob die Niederlage ,nur‘ durch den Verrat des Umgehungspfades verursacht wurde, oder ob die Stellung von vornherein ein ,verlorener Posten‘ war. Der zweite Punkt sind die vielfältigen Motive, die Herodot für Leonidas anführt, im Engpass zu bleiben, als ein Abzug noch möglich war. Wenn man nicht versucht, diese Widersprüche aufzulösen, wird zweierlei deutlich: Zum einen vereinigt Herodot mehrere Erzählungen, die zwar nicht mehr auf ihre konkreten lebensweltlichen Kontexte zurückzuführen sind, aber durchweg die Katastrophe an den Thermopylen erklären und ihr vor allem einen ,Sinn‘ geben wollen. Daher suggeriert der Begriff des ,Thermopylen-Mythos‘, den die neuere Spartaforschung gerne benutzt, eine Kohärenz, die Herodots Bericht gerade nicht hat. Zum anderen setzen die Deutungsspielräume in der weiteren Rezeption kreative Energie frei, da in der Folgezeit versucht wird, eine bestimmte Deutung festzulegen und die Lücken mit eigenen Erklärungen zu füllen. Allerdings ist dies kein Prozess, in dem sich die Deutungsspielräume unumkehrbar immer mehr verjüngen. Vor allem in der neuzeitlichen Rezeption wird je nach Interesse auf verschiedene Elemente des Herodot-Berichts zurückgegriffen. So präferiert die antike Rezeption die Deutung, die Stellung im Pass sei ein ,verlorener Posten‘ gewesen, und schmückt den Auszug der Spartiaten zu den Thermopylen dahingehend aus. In der Neuzeit erregt dagegen der Verrat besondere Aufmerksamkeit, wenn innenpolitische Verschwörungstheorien Konjunktur haben, wie in Frankreich im Sommer 1792 oder im Deutschland der Weimarer Republik.

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Herodots Darstellung der Motive des Leonidas, im Engpass auszuhalten, zu der auch das von ihm zitierte Grabepigramm auf die Spartiaten zu rechnen ist, konzentriert das Schlachtgeschehen bereits auf die Spartaner. Vor allem für die Thespier, die das größte Kontingent beim letzten Kampf stellten, nennt Herodot keine genaueren Handlungsmotive, weshalb sie in der späteren Rezeption immer mehr zu Nicht-Handelnden werden. Die drei Gründe, die Herodot für den Entschluss des Leonidas anführt, im Engpass zu bleiben, lassen sich drei Bereichen zuordnen, die in der Folgezeit mit unterschiedlicher Akzentsetzung immer wieder Bedeutung erlangen. Der erste Grund, Leonidas und die Spartiaten dürften den Posten nicht verlassen, verweist gemeinsam mit dem Epigramm auf den Bereich der militärischen Ehre bzw. eines spezifisch spartanischen militärischen Ehrenkodex’. Die Aussage, dass Spartiaten ihren Posten nicht verlassen dürfen und auf diesem bis zum Tod kämpfen, ist eines der tragenden Elemente bei der Konstruktion spartanischen Heldentums. Für die Schlacht an den Thermopylen ist diese Aussage schon deshalb außerhalb der Wissenschaft nie in Frage gestellt worden, weil die Spartiaten tatsächlich geblieben und untergegangen sind. Allerdings gibt es eine Reihe von Beispielen, in denen sich das spartanische Heer sehr wohl zurückzog, so dass nicht sicher gesagt werden kann, inwieweit in dieser Frage der spartanische Ehrenkodex von den Projektionen anderer Griechen überlagert ist. Besser bezeugt ist allerdings, dass die Flucht aus der Phalanx während der Schlacht in Sparta sanktioniert wurde und Feiglinge der sozialen Ächtung anheim fielen. Da die Effektivität der Phalanxtechnik davon abhing, dass die Schlachtreihe standhielt, war das Aushalten im Kampf mit Ehre und das Versagen mit Schande belegt. Damit korrespondiert das Leitbild, dass entweder alle siegen oder alle untergehen. Dies bezeichnet Herodot als no´mos, dem die Spartiaten stets gehorchten, und bietet damit auch eine Interpretation des Grabepigramms an. Insbesondere in der deutschsprachigen Forschung gibt es eine Tradition, rhe´mata als „Befehle“ zu übersetzen und den Tod des Leonidas und der Spartiaten auf ihren Befehlsgehorsam zurückzuführen. Ansonsten werden die rhe´mata in der Rezeptionsgeschichte, angefangen mit Herodot, immer als „Gesetze“ verstanden, deren Bedeutung allerdings breit fluktuiert. Als zweiten Grund für Leonidas’ Entscheidung, im Engpass auszuharren, nennt Herodot ein Orakel, das für die Rettung Spartas den Tod eines Königs fordert. Der Tod des Königs ist damit deutlich vom Tod der Spartiaten abgehoben. Obwohl das Orakel vermutlich nach der Schlacht von Sparta lanciert wurde, ist das Motiv des königlichen Selbstopfers keineswegs spezifisch spartanisch. Für die weitere Rezeption ist das Orakel einer der neuralgischen Punkte. Bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. wird es durch vordergründig ,rationale‘ Handlungsmotive ersetzt, wobei der Opfergedanke allerdings in transformierter Form erhalten bleibt. So tritt in der Folgezeit an die Stelle des Orakels häufig die quasireligiöse Vaterlandsliebe als Motiv. Zudem wird die Vorstellung des Selbstopfers auf alle Spartiaten ausgedehnt und Leonidas in deren kollektives Heldentum eingebunden. In Herodots Schlachtbericht lässt sich grundsätzlich das mit der Phalanxtechnik korrespondierende Leitbild kollektiven Heldentums von der Darstellung

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militärischer Heldentaten Einzelner unterscheiden. Beide Formen von Heldentum aber charakterisiert der Kampf Mann gegen Mann, der ein aktives Handeln bis zum Tod erlaubt. Der dritte Grund, der Leonidas nach Herodot zum Aushalten veranlasste, ist das Streben nach Ruhm, in dem das alte aristokratische Ideal durchscheint. Ruhm und innerweltliche Memoria werden in Herodots Darstellung der Schlacht auf mehreren Ebenen thematisiert. Zum einen kann Leonidas in der Gewissheit seines Nachruhms handeln, weil Herodot selbst der Bewahrer des Ruhms ist. Zum anderen verweist die Sicherheit des Spartanerkönigs auf den politischen Totenkult, der ein Strukturmerkmal der klassischen griechischen Polis ist. Mit dem Grabepigramm der Spartiaten ist für die Schlacht an den Thermopylen eine der prägnantesten Formulierungen des politischen Totenkultes erhalten. Dieser Bereich von Ruhm, Unsterblichkeit und politischem Totenkult ist der Grund, warum ausgerechnet diese Schlacht im Zeitalter der Nationalkriege und Wehrpflichtigenarmeen gesteigerte Aufmerksamkeit fand. Obwohl sich in Herodots Darstellung eine Konzentration der Schlacht auf die Spartaner bereits abzeichnet, ist sie doch auf sehr vielen verschiedenen Ebenen als Teil einer gemeinsamen griechischen Vergangenheit konzipiert. Ein für die weitere Rezeption zentrales Grundmuster, das gleichermaßen für alle Perserkriegsschlachten gilt, ist der Antagonismus von Griechentum und ,Barbarentum‘. Das Jahrhundert, das aufs Ganze gesehen die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen am meisten prägte, ist das 4. Jahrhundert v. Chr., genauer gesagt, die athenische Thermopylen-Rezeption dieses Jahrhunderts. Ihr Einfluss lässt sich an drei Punkten festmachen: Erstens wurde die Schlacht als historisches Exempel in Reden verwendet. Damit ist erstmals greifbar, dass ihr außerhalb der Historiographie praktische Relevanz als Orientierungswissen zugesprochen wurde. Zweitens wird die Deutung vereinheitlicht. Der Untergang des Leonidas und seiner Spartiaten wird zum Opfer für die Freiheit Griechenlands. Da diese Deutung Herodots widersprüchliche Angaben klärt und durchaus plausibel erscheint, erweist sie sich für die weitere Rezeptionsgeschichte als nahezu irreversibel. Drittens verdrängt die Tradition des 4. Jahrhunderts v. Chr. in der römischen Universalgeschichtsschreibung vollständig den Bericht Herodots. Mit mehreren Brechungen überdauerte sie das lateinische Mittelalter und die frühe Neuzeit, bis sie schließlich im späten 18. Jahrhundert wieder zugunsten des Herodot-Berichts entwertet wurde. Zwischen der Deutung, auf deren Grundlage die Schlacht an den Thermopylen von athenischen Rednern des 4. Jahrhunderts v. Chr. als historisches Exempel benutzt wird, und derjenigen in der Weltgeschichte Diodors, der sich auf Ephoros stützt, besteht kein wesentlicher Unterschied. Diese Deutung variiert das gesamte Jahrhundert kaum. Allerdings wird das Exempel in sehr unterschiedlichen Redekontexten verwendet und damit für verschiedene Darstellungs- und Argumentationsziele eingesetzt. Die Schlacht an den Thermopylen wird sowohl in ihrem historischen Kontext der Perserkriege, als auch innerhalb von Argumentationen rezipiert, die nicht die historische Vergangenheit zum Thema haben, wie z. B. in Lykurgs Anklage Gegen Leokrates. In dieser Rede vertritt das Epigramm erstmals in seiner

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Rezeptionsgeschichte die gesamte Schlacht. Die Darstellung der Perserkriege folgt in den Reden einer athen-zentrierten Perspektive und war zudem eng mit der innen- wie außenpolitisch eingesetzten Freiheitstopik und dem politischen Programm des Panhellenismus verbunden. Durch die politische Vereinnahmung wurde für die Perserkriege auch die Antithese von Griechentum und ,Barbarentum‘ gegenüber Herodots Historien deutlich verschärft. Bemerkenswerterweise wird die Niederlage an den Thermopylen von den athenischen Rednern immer uneingeschränkt positiv beurteilt, spartanische Siege dagegen erregen generell den Verdacht illegitimen Machtstrebens. Zugespitzt lässt sich sagen, dass die Schlacht an den Thermopylen im Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr. zur ,spartanischsten‘ aller spartanischen Schlachten wurde. Überdies war die positive Beurteilung dieser Schlacht unabhängig von dem zwischen Bewunderung und Verachtung schwankenden allgemeinen Bild des spartanischen Staates. Die ausführlichste Darstellung der Schlacht an den Thermopylen nach Herodot findet sich bei Diodor, der den Bogen vom Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr. zum spätrepublikanischen Rom schlägt. Von dieser Tradition hängen mehr oder weniger direkt auch Pompeius Trogus und Plutarch mit ihren Darstellungen der Schlacht ab. Die auffälligste Abweichung vom Schlachtbericht Herodots ist eine andere Version vom letzten Kampf, nach der Leonidas mit seinen Soldaten das Lager der Perser überfallen und dort große Verwüstung anrichten, bevor sie allesamt sterben. An den zentralen Punkten sind bei Diodor die Inkonsequenzen von Herodots Bericht weitgehend aufgelöst. So erscheint die griechische Verteidigungsstellung von vornherein als ,verlorener Posten‘ und das Orakel sowie alle spezifisch spartanischen Verhaltensmuster fallen als Gründe für das Aushalten im Engpass weg. Die einzige Handlungsmotivation aller an der Verteidigung beteiligten Akteure ist jetzt die ,allgemeine Freiheit‘. Damit ist der Bezugsrahmen des Handelns der Thermopylenkämpfer ganz Griechenland, was die spätere Übertragung der Schlacht auf größere politische Handlungsgemeinschaften wie die Nation erleichtert. Auf den allgemeinen griechischen Kontext ausgerichtet wird im 4. Jahrhundert v. Chr. auch das Epigramm, indem die rhe´mata durch no´moi ersetzt werden. Die Bedeutung der „Gesetze“ changiert zwischen einer Verhaltensmaxime und staatlichen Gesetzen. Auf alle Fälle bleiben aber die „Gesetze“ an die Polis gebunden. Der Gesetzesgehorsam der Spartiaten lässt sich daher nicht fugenlos in die panhellenische Handlungsmotivation einfügen. Die Niederlage wird auf verschiedenen Ebenen zum Sieg umgedeutet und erhält dadurch, dass sie die Griechen zu den späteren Siegen erst angespornt haben soll, eine weitreichende militärische Wirkung zugesprochen. Die Verwendung der Schlacht an den Thermopylen als historisches Exempel in athenischen Reden des 4. Jahrhunderts v. Chr. ist ein wichtiger Schritt in der Rezeptionsgeschichte, obwohl die Reden selbst für die weitere Rezeption der Schlacht keine Bedeutung haben. Als Exempel erhält die Schlacht eine spezifische Qualität zwischen Historizität und Ahistorizität, zwischen Zeitlichkeit und Überzeitlichkeit. Um das Exempel außerhalb des ursprünglichen Kontextes verwenden zu können, muss das Ereignis als bekannt vorausgesetzt und auf eine Deutung

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festgelegt sein. So wie die Geschichtsschreibung, die die Vergangenheit im Hinblick auf den moralischen Nutzen schildert, dieses Wissen für die Redepraxis bereitstellt, beeinflusst umgekehrt der Umgang mit Vergangenheit in der Redepraxis die Historiographie. Zentral für die weitere Rezeptionsgeschichte ist, dass die Schlacht an den Thermopylen in der römischen Republik nicht nur innerhalb der Universalgeschichtsschreibung, sondern auch als Exempel rezipiert wurde. Als Exempel wurde der Schlacht im römischen Kulturkontext weiterhin eine praktische Relevanz zugesprochen, und diese erste gelungene Anpassung bestätigte wiederum ihre überzeitliche Gültigkeit. Die Verwendung einer griechischen Schlacht als Orientierungs- und Handlungsmodell in der römischen Republik ist nicht selbstverständlich, da in der historischen Traditionsbildung Roms exempla einen eigenen Stellenwert hatten. Die exempla der römischen Vergangenheit bildeten das kohäsive Moment der politischen Führungsschicht der Nobilität, die aus dem Einsatz ihrer Vorfahren für die res publica ihr Standesethos ableitete und ihre politische Privilegierung rechtfertigte. Insbesondere für den Opfertod fürs Vaterland brauchte die römische Republik keine Beispiele aus der griechischen Vergangenheit. Dass Cicero in den Tusculanen dennoch für die militärische Opferbereitschaft auf die Schlacht an den Thermopylen zurückgreift, liegt am zeitpolitischen Kontext. In diesem philosophische Spätwerk, das Cicero in der zweiten Jahreshälfte 45 v. Chr. schrieb und M. Iunius Brutus, dem späteren Mörder Caesars, widmete, bilden die historischen Exempel einen Subtext zur philosophischen Gedankenführung, der teilweise sehr konkret politisch ist. Cicero sagt mit dem Thermopylen-Exempel aus, dass die außergewöhnliche militärische Opferbereitschaft der Spartiaten an der politischen Ordnung ihres Staates hing und daher nur so lange bestand, wie die Gesetze Lykurgs galten. Für die durch die Alleinherrschaft Caesars bedrohte res publica wird Sparta zum warnenden Beispiel. Umgekehrt wird die Schlacht an den Thermopylen bei Cicero zum republikanischen Exempel, zum Vorbild römischer Vaterlandsliebe. Auch bei Cicero steht das Epigramm für die gesamte Schlacht und auf seiner Übersetzung ins Lateinische beruhen die meisten späteren volkssprachlichen Übertragungen. Zudem versteht er die „Gesetze“ des Epigramms als die staatlichen Gesetze Spartas und legt sich damit auf eine Deutungsdimension der griechischen Versionen fest. Im Anschluss daran werden in der neuzeitlichen Rezeption vorwiegend in Frankreich die „Gesetze“ des Epigramms im Sinne einer Verfassung interpretiert. Die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen in der römischen Kaiserzeit lässt sich insgesamt als eine zunehmende Literarisierung und Enthistorisierung charakterisieren. Damit geht ein Verlust an verbindlicher Orientierung und pragmatischer Relevanz einher. Der Zusammenhang zwischen Bürger und Staat, Gesetzesgehorsam, Opferbereitschaft und innerweltlicher Memoria verliert in der Kaiserzeit an Bedeutung. Als Zeichen dafür kann gelten, dass – mit einer Ausnahme – keine Rezeption des Epigramms aus der Kaiserzeit überliefert ist. Allerdings sichern zwei kaiserzeitliche Autoren durch ihre kontinuierliche Prominenz das Wissen über die Schlacht an den Thermopylen im lateinischen Mittelalter: Valerius Maximus, der im 1. Jahrhundert n. Chr. eine Exempelsammlung

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verfasste, und Orosius, der am Anfang des 5. Jahrhunderts die Weltgeschichte einer christlichen Neudeutung unterzog. Beide Autoren stehen mit ihren Werken wiederum für die zwei Bereiche, zwischen denen sich die Rezeption der Schlacht in der Antike bewegt. In der Gattung der Exempelsammlung erhält das Exempel der Schlacht eine neue Qualität, da es hier selbst zum literarisch gestalteten Sammelgegenstand wird. Der selbstreferenzielle Charakter der Rhetorik im Umgang mit historischen Ereignissen führt für die Schlacht an den Thermopylen zu einem verstärkten Enthistorisierungsschub. Die Kenntnis dessen, was an den Thermopylen geschah, ist in der Kaiserzeit nicht mehr sicher vorhanden. Damit kann die Schlacht nicht mehr ohne Weiteres für einen exemplarischen Vergleich verwendet werden. Im Bereich der Historiographie setzt sich am Anfang des 2. Jahrhunderts Plutarch nochmals direkt mit Herodots Schlachtbericht auseinander. Zwar rehabilitiert er mit Argumenten der historischen Plausibilität die Thebaner, von denen Herodot behauptet, Leonidas habe sie als Geiseln vor dem letzten Kampf zurückgehalten, aber er kann oder will das Dickicht exemplarischen Heldentums, das Leonidas und die Spartiaten umgibt, nicht durchdringen. Die Idealisierung, die die Schlacht im 4. Jahrhundert v. Chr. erfuhr, erweist sich hier als unumkehrbar. Der Einfluss von Plutarchs Darstellung reicht bis in die Encyclope´die, und die Sprüche aus der unter seinem Namen überlieferten Sammlung an Apophthegmata Laconica finden sich weit verstreut in der Rezeptionsgeschichte. Plutarchs Werke prägten nicht nur maßgeblich die Spartarezeption der frühen Neuzeit, seine Kritik an Herodot beeinflusste auch lange die Beurteilung von dessen Werk. Im Mittelalter führte die Schlacht an den Thermopylen in West- und Mitteleuropa ein Schattendasein, das auch nicht aufhörte, als in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit den Werken von Herodot, Diodor und Plutarch die ausführlichsten Darstellungen wieder zur Verfügung standen. Es gab weiterhin kein spezifisches Interesse an der Schlacht. Dies änderte sich erst grundlegend, als in Europa und Nordamerika im 18. Jahrhundert das Verhältnis von Gemeinschaft und Individuum, von Freiheit und Gesetzen sowie von politischer Partizipation und allgemeiner Wehrpflicht neu diskutiert wurde. Die erste Phase, in der der Schlacht an den Thermopylen in der Neuzeit eine gesteigerte Aufmerksamkeit zuteil wurde, beginnt im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts und reicht bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts. Innerhalb dieses Zeitraums gibt es zwei Höhepunkte: Der eine fällt in die Zeit der Französischen Revolution und des Empire, der andere in die Zeit des griechischen Unabhängigkeitskrieges. Im Gegensatz zu der zweiten Phase einer verdichteten ThermopylenRezeption in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in der ein deutlicher Schwerpunkt in Deutschland liegt, ist die Rezeption in der ersten Zeitspanne nicht so ausgeprägt auf ein Land konzentriert. Das liegt zum einen daran, dass ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die griechisch-römische Antike für die Eliten ganz Europas und Nordamerikas zu einem maßgeblichen kulturellen Bezugsmodell wurde. Dabei richtete sich das Interesse erstmals in nachantiken Zeiten verstärkt auf das antike Griechenland. Zum anderen gewann speziell die Schlacht an den Thermopylen in Kontexten an Bedeutung, die den Nationsbildungsprozess flankierten, wie den ,Freiheitskriegen‘, dem entstehenden neuzeitlichen politischen

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Totenkult und dem Deutungsmuster des nationalen Kriegshelden, der sich für sein Vaterland opfert. Die Grundparadoxie bei der Rezeption dieser antiken Schlacht ist, dass sie einerseits zur international benutzten kulturellen Sprache der Gebildeten gehörte, andererseits aber in Zusammenhängen verwendet wurde, in denen die Nation sich formierte. Trotz dieser allgemeinen Thermopylen-Rezeption, die von Sachsen bis Texas reicht, ist die Schlacht in den einzelnen Gesellschaften mit jeweils unterschiedlichen politischen Ideen, Schlagworten und Symbolen verbunden, die ihr aktuelles Konnotations- und Sinnpotential ausmachen. Diese länderspezifische Thermopylen-Rezeption wird besonders dann interessant, wenn die antike Schlacht mit einem Konglomerat an Deutungen so fest verknüpft ist, dass sie in völlig verschiedenen Argumentationen eingesetzt und zur politischen Agitation benutzt werden kann. Für Frankreich lässt sich eine solche Phase verdichteter Rezeption von der Revolution bis zur Restaurationszeit ausmachen. Die Schlacht an den Thermopylen wurde als Orientierungs- und Handlungsmodell wiederentdeckt in einer Zeit, die durch die umfassende Historisierung des europäischen Selbstverständnisses gekennzeichnet ist. Zur grundlegenden Dimension des Wirklichen wurde nunmehr im Horizont der Geschichtsphilosophie ,die Geschichte‘, die als ,moderne‘ Denkfigur von Vergangenheit Veränderung, Prozess und Entwicklung gegenüber den ,vormodernen‘ zyklischen Modellen, Vergangenheit zu strukturieren, privilegierte. Obwohl damit dem Exempel auf dieser theoretischen Ebene der Boden entzogen ist, erweist sich das Exempel der Schlacht an den Thermopylen in konkreten Kontexten als erstaunlich vital. Die erste Hochphase der neuzeitlichen Rezeption ist daher dadurch gekennzeichnet, dass die Schlacht einerseits in ihrer Exemplarität unangefochten bleibt, andererseits jedoch unter den Druck der Verzeitlichung gerät, noch ehe ,die Geschichte‘ in der Geschichtswissenschaft ihr institutionelles Rückgrat erhalten hatte. Diese Spannung zwischen Historisierung und Produktion von Überzeitlichkeit weist Davids Gemälde Le´onidas aux Thermopyles auf. David treibt die Historisierung seiner Darstellung besonders weit. Von der Gesamtkomposition über die Personen bis zur kleinsten Vase lassen sich fast alle Elemente seines Bildes auf antike Quellen oder archäologische Zeugnisse zurückführen. Allerdings benutzt David für die dargestellten Figuren den Anacharsis von Barthe´lemy als Quelle und nicht Herodot und übernimmt die ästhetischen Prinzipien der griechischen Kunst aus den Schriften Lessings und Winckelmanns. Auf diese Weise gibt er selbst die Strategie als historisch aus, mit der er die Überzeitlichkeit des Ereignisses restituiert, nämlich den nackten Idealkörper. Historische Genauigkeit ist in dieser Zeit die unerlässliche Bedingung für eine glaubwürdige bildliche Umsetzung eines historischen Ereignisses. Überdies bedarf die Darstellung von Exemplarität gesonderter ästhetischer Strategien. Die Verschränkung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der dargestellten Szene sowie der Balanceakt zwischen Historisierung und Enthistorisierung führen zu einer komplexen Bildrealität, die bereits die zeitgenössische Kunstkritik verwirrte. Konzeptioneller Kern des Gemäldes sind die antikischen Idealkörper des Leonidas und der Spartiaten. In ihrer normativen Schönheit versucht David das Exemplarische der Schlacht zu

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konservieren. Gleichzeitig impliziert das Idealkörperkonzept das Rezeptionsmodell der idealistischen Ästhetik, nach dem jeder Mensch Schönheit unmittelbar wahrnehmen kann. Die Kunstkritiker bestätigen sich daher gegenseitig, dass lebensgroße Männerakte auf Gemälden etwas völlig Selbstverständliches sind, während die Angst vor einer homoerotischen Lesart untergründig mitschwingt. Nur außerhalb der Kunstkritik wird das Idealkörperkonzept des Gemäldes persifliert. In der Folgezeit erweist sich gerade die Strategie der Entzeitlichung als besonders zeitgebunden. Für die Schlacht an den Thermopylen gibt es keine eigene bildkünstlerische Tradition, weshalb Davids Wahl des Themas nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Thermopylen-Rezeption in der Revolutionszeit zu erklären ist. Die antike Schlacht war bereits politisch besetzt und wurde dadurch, dass ausgerechnet David sie malte, zu einem Politikum. Durch Davids Gemälde bleibt die Schlacht an den Thermopylen in der weiteren Rezeptionsgeschichte in Frankreich dauerhaft und sichtbar mit der Revolutions- und Empirezeit verbunden. In seinem Stellenwert für die Rezeption der Schlacht innerhalb eines Landes ist das Gemälde mit Schillers Nachdichtung des Epigramms zu vergleichen. Die Rezeption der Schlacht an den Thermopylen im Frankreich der Revolutionszeit lässt sich auf drei Ebenen beschreiben. Erstens gab es in Frankreich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, mit einer Steigerung in der Revolutionszeit, ein spezifisch politisch-moralisches Interesse an der griechisch-römischen Antike, das sich auch auf die antike Schlacht richtete. Antikenrezeption war ein Distinktionsmittel der bürgerlichen, städtischen Ober- und Mittelschichten gegen die adlighöfische Gesellschaft. Zweitens wurde die Schlacht mit zentralen Schlagworten der politisch-sozialen Sprache verbunden, drittens diente sie zur kulturellen Absicherung des entstehenden politischen Totenkultes. Während die ersten beiden Punkte generell die französische Antikenrezeption dieser Zeit charakterisieren, ist der Kontext des politischen Totenkultes speziell für die Schlacht an den Thermopylen typisch. Die verdichtete Rezeption der Schlacht an den Thermopylen setzte 1791 ein und war von den politischen Umbrüchen des Thermidor und Brumaire nicht betroffen. Das aktuelle Interesse galt der antiken Schlacht als einem Modell für den Kriegstod von Bürgern, die als Soldaten den Staat verteidigen, an dem sie politisch partizipieren. Die Freiheit des Staates wurde mit der durch Gesetze gesicherten politischen Freiheit gleichgesetzt. Die Perserkriege insgesamt galten als Beweis für die überlegene Kampfkraft republikanischer Heere. Was genau bei der Schlacht an den Thermopylen unter Partizipation und „Gesetzen“ verstanden wurde, variierte: 1791 figurierte Leonidas im Drama als konstitutioneller Monarch, während er drei Jahre später nur noch Feldherr, aber kein König mehr war. In den Debatten der Assemble´e le´gislative um die Notwendigkeit eines Krieges meinen die „Gesetze“ des Epigramms die Menschenrechtserklärung sowie die Verfassung von 1791, nach der Rückkehr Napoleons von Elba die Ergänzungsakte zur Verfassung des Empire. Die Schlacht an den Thermopylen war daher in Frankreich im Gegensatz zu der zeitgleichen Rezeption in Deutschland an eine Verfassungspraxis gebunden. Allerdings wurde die antike Schlacht nie von einer bestimmten

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politischen Richtung monopolisiert, sondern konnte von Anhängern der konstitutionellen Monarchie oder Napoleons genauso benutzt werden wie von Radikaldemokraten. Nicht zu verknüpfen war sie nur mit Positionen, die die Revolution grundsätzlich in Frage stellten. Die Rezeption der Schlacht ist mit der staatstheoretischen Diskussion der aufklärerischen Philosophie verbunden, die dem spartanischen Staatswesen besondere Aufmerksamkeit widmete, lässt sich allerdings nicht aus ihr ableiten. Erstens wird die Schlacht an den Thermopylen zeitverzögert rezipiert und, wie auch die anderen Perserkriegsschlachten, primär in einem außenpolitisch-militärischen Kontext verwendet. Die ,Tugendrepublik‘ Sparta samt ihrem Gesetzgeber Lykurg gehörte hingegen in erster Linie in innenpolitische Argumentationen und war daher von den politischen Umbrüchen der Revolutionszeit stärker betroffen. Zweitens findet die Rezeption der Schlacht schwerpunktmäßig innerhalb anderer kultureller Praktiken und Kommunikationszusammenhänge statt. Während die allgemeine Spartarezeption in den philosophischen Diskurs gehört, der durch theoretische Durchdringung und Geschlossenheit gekennzeichnet ist, wird die Schlacht im Drama, vor allem aber in der politischen Rede und Publizistik verwendet, wo die Pragmatik im Vordergrund steht. Für das Handlungsmodell der Schlacht ist allein von Bedeutung, dass Sparta ,irgendwie‘ als Republik verstanden wurde. Allgemein lässt sich sagen, dass die Antikenrezeption der Revolutionszeit weder, wie in der Forschung üblich, nach den politischen Ereignissen zu periodisieren ist noch der Logik historischer Kontextbildung folgt. Die aktualisierende Verwendung eines bestimmten antiken Ereignisses ist grundsätzlich flexibel und wird allein durch das Ereignis selbst sowie die mit ihm verbundenen Deutungsmuster festgelegt. Eine Besonderheit der französischen Rezeption der Schlacht an den Thermopylen ist, dass sie mit zentralen Begriffen der politisch-sozialen Sprache wie liberte´, patrie, loi und soldat-citoyen verbunden ist, die in der politischen Kultur der Revolution symbolisch und emotional dicht besetzt sind. Mit der antiken Schlacht werden diese immanent politischen Begriffe in einem historisch verbürgten Handlungszusammenhang gezeigt. In den politischen Debatten vor der Kriegserklärung wird sichtbar, wie direkt man daher mit der antiken Schlacht über das gegenwärtige Frankreich reden konnte. Die Schlacht diente dabei nicht allein der nachträglichen Legitimation revolutionären Handelns, sondern auch der Selbstmobilisierung. Eine Modellfunktion erhält die Schlacht an den Thermopylen auch im Bereich des neuzeitlichen politischen Totenkultes, in dem sie genutzt wurde, um das Verhältnis von bürgerlichem Soldatentod und innerweltlicher Memoria zu reflektieren, bevor das Gedenken an gefallene Soldaten Praxis wurde. Im Zentrum dieser Rezeption steht das Grabepigramm der Spartiaten, das zu einer universellen Pathosformel des Kriegergedenkens wurde. Es scheint zu beweisen, dass toter Soldaten, selbst im Falle einer Niederlage, in der Geschichte dauerhaft gedacht wird. Durch den Vergleich mit der antiken Schlacht wird Zeitlosigkeit erzeugt. Umgekehrt wird im Gefallenengedenken besonders das Ahistorische, Überzeitliche der antiken Schlacht betont. Daher hat das Exempel der Schlacht an den Thermopylen im neuzeitlichen politischen Totenkult seine mächtigste Basis.

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Im Bereich des politischen Totenkultes lässt sich ein Unterschied zwischen der französischen und der deutschen Thermopylen-Rezeption ausmachen. Einerseits wurde in Deutschland wie in Frankreich mit der antiken Schlacht der Zusammenhang zwischen bürgerlicher Opferbereitschaft und politischer Partizipation verhandelt. Im Gegensatz zu Frankreich war diese Deutung der Schlacht aber mit Reformforderungen verbunden. Andererseits wurde das Thermopylen-Exempel auch dazu eingesetzt, die bestehende Ordnung der Territorialstaaten zu bestätigen. Die antike Schlacht wurde somit in Deutschland von entgegengesetzten politischen Positionen rezipiert. Diesem Befund entspricht, dass in Deutschland in der Zeit der napoleonischen Kriege auch zwei gegensätzliche Konzepte von militärischem Heldentum mit Leonidas und seinen Spartiaten verbunden wurden. Zum einen findet sich die Schlacht an den Thermopylen im Horizont des neuen, dezidiert bürgerlichen Heldentypus des Mannes, der sich freiwillig für die Nation opfert, mit dem wiederum liberaldemokratische Hoffnungen artikuliert wurden. Zum anderen verwendeten Berufsmilitärs das Exempel von Leonidas dazu, eine herausragende Tat anderer Militärs anzuerkennen, ohne dass damit an den bestehenden Staatsordnungen gerührt wurde. In Deutschland war die griechisch-römische Antike in dieser Zeit ein kulturelles Referenzsystem, auf das sich die Staatsspitzen wie die bürgerliche Oberschicht trotz politischer Unterschiede gleichermaßen bezogen. Entgegen dem Eindruck, den die Forschung zu nationalen Heldenkonstruktionen vermittelt, spielten antike Heldenexempel bei der Konstitution des neuen Typus des nationalen, militärischen Opferhelden durchaus eine Rolle. Das Verhalten des französischen Generals Cambronne in der Schlacht von Waterloo wurde vor der Folie des Leonidas wahrgenommen. Die nationale Heldenfigur Cambronne erhielt eine antike Komponente, wie umgekehrt Leonidas zum Nationalkrieger wurde. Das antike Heldenexempel wurde dazu eingesetzt, ein bestimmtes Verhalten von Offizieren im Feld, nämlich das Aushalten bis zum Tod, zu honorieren. Bei den exemplarischen Vergleichen, die auf das Handeln bzw. die Handlungsmotivation abzielen, tritt, indem die historische Differenz ausgeklammert wird, der Effekt ein, dass das militärische Handeln zu allen Zeiten gleich erscheint. Dadurch wird eine bestimmte Verhaltensweise, die eigentlich zeit- und situationsbedingt ist, der ,Natur‘ des Militärs zugeschrieben. Der Vergleich mit der Schlacht an den Thermopylen gehörte zu den gesellschaftlichen Praktiken, Ehre für Offiziere zu normieren und kulturell abzusichern, wodurch das antike Exempel indirekt für diese Berufsgruppe Handlungsrelevanz erlangte. Bei den bildlichen Repräsentationen stehen antikes und nationales Heldentum in einem anderen Verhältnis zueinander. Antikes Heldentum ist mit dem Konzept des antikischen, häufig nackten Idealkörpers verbunden, während nationales Heldentum mehr oder weniger realistisch dargestellt wird. In den Bildern zeichnet sich der Historisierungsschub viel deutlicher ab als in den Textgattungen. Ihnen ist in der Regel das Historisch-Spezifische des Ereignisses zugeordnet, während das Exemplarische vom Text hergestellt wird. Wie sehr die Schlacht an den Thermopylen in dieser Zeit mit einer westlichen Definition von Heldentum verbunden war, verdeutlicht die Rezeption während des

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griechischen Unabhängigkeitskrieges. Da die griechische Revolte gegen das Osmanische Reich als West-Ost-Konflikt bzw. als Antithese von Zivilisation und ,Barbarei‘ wahrgenommen wurde, waren die antiken Perserkriegsschlachten ein beliebtes Thema der Philhellenen Europas. Die Philhellenen betrachteten die Griechen als legitime Erben des Leonidas und seiner Spartiaten und versuchten, in den unübersichtlichen Vorgängen des Aufstandes antike Personen, Ereignisse und Verhaltensmuster wiederzuerkennen. Die Vergleiche, die sie zwischen einigen Akteuren und Ereignissen des Krieges und der antiken Schlacht anstellten, zeichnen sich durch eine besondere Asymmetrie aus, da mit ihnen militärische Verhaltensnormen und Wertvorstellungen auf die griechische Gesellschaft übertragen wurden, die dieser nicht entsprachen. Obwohl die Philhellenen davon überzeugt waren, dass die aufständischen Griechen ihre Identität aus der klassischen griechischen Antike bezogen, muss die Ansicht eines Teils der Philhellenismus-Forschung bezweifelt werden, die Antikenrezeption habe den griechischen Nationsbildungsprozess entscheidend beeinflusst. Die außenpolitische Wirkung der Philhellenen war gering, und in Griechenland selbst orientierte sich nur eine kleine, westlich gebildete Schicht tatsächlich an der klassischen Antike. In ihren eigenen Ländern hatten die Philhellenen aber durchaus politische Bedeutung, da die Unterstützung des griechischen Aufstandes in der Regel mit oppositioneller Politik zusammenfiel. Innenpolitisch konnte daher in der Restaurationszeit auch die Antikenrezeption politische Brisanz entfalten. In Frankreich nutzte die liberale Opposition das Exempel der Schlacht, um außerhalb des Parlaments gegen die ultraroyalistische Regierung zu protestieren. Hier zeigt sich der in der Rezeptionsgeschichte seltene Fall, dass das vordergründig unpolitische Thema so fest mit bestimmten, politisch besetzten Begriffen, Ideen und Deutungsmustern verbunden war, dass es zur politischen Agitation benutzt werden konnte. In der Verwendung der Schlacht in der französischen Restaurationszeit laufen die verschiedenen Stränge der revolutionären und napoleonischen ThermopylenRezeption nochmals zusammen. Für diese Zeit lässt sich in Frankreich auch beobachten, dass die in der Hochkultur verankerte antike Schlacht in kleinbürgerliche Kreise diffundierte. In dem Zeitraum zwischen ca. 1830 und der Jahrhundertwende dominierten in der Öffentlichkeit der europäischen Länder die nationalen Vergangenheitsbezüge. Um 1900 begann aber eine neue Phase des Klassizismus, in der in vielen Bereichen der Kultur wieder verstärkt und in programmatischer Absicht auf die antiken Hochkulturen zurückgegriffen wurde. Allerdings war der Klassizismus jetzt, anders als ein Jahrhundert zuvor, auch in den Ober- und Mittelschichten kein hegemoniales Kulturmodell mehr. Gerade bei den Heldenkonstruktionen herrschten die nationalen Heldenfiguren in solchem Maße vor, dass auch während des Ersten Weltkriegs die Schlacht an den Thermopylen, anders als im Zweiten Weltkrieg, verhältnismäßig wenig rezipiert wurde. Paradoxerweise fällt damit das geringe öffentliche Interesse an der antiken Schlacht in eine Zeit, in der insbesondere in Deutschland das humanistische Gymnasium und die Altertumswissenschaften im Zenit ihrer gesellschaftlichen

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Ausstrahlung standen. Mit der universitären Geschichtswissenschaft war nunmehr die Institution entstanden, die hauptamtlich über die historische Wahrheit wachte, und die Professionalisierung der Historiker sowie die Verwissenschaftlichung wirkten sich auch auf den schulischen Geschichtsunterricht aus. Die historische Quellenkritik führte im Großen und Ganzen zu einer nüchternen, in Einzelfällen sogar kritischen Einschätzung der Vorgänge an den Thermopylen in der Wissenschaft, und im Schulbuch verdrängte der Schlachtbericht Herodots die anderen antiken Traditionen. Allerdings zeigt sich im Fall der Schlacht an den Thermopylen, dass in der Wissenschaft phasenweise, in den Schulgeschichtsbüchern fast ständig der einmalige historische Vorgang und die zeitlose Vorbildlichkeit des Heldentums im Wechselverhältnis standen. Die Bildungsinstitutionen wurden damit auch zu Produktionsstätten des Exempels, das durch ihre Autorität einen höheren Grad an Gültigkeit erhielt. Die antike Schlacht gehört vom 19. Jahrhundert bis ins letzte Drittel des 20. Jahrhunderts zum Wissen einer höheren und – mit Einschränkungen – mittleren Schulbildung. Die Schulbildung stellt die entscheidende Basis dar, auf der die Schlacht aktualisiert werden kann, während die nationalen Heldenfiguren auf vielfältigere Weise Verbreitung finden. Somit bedeutet der Wegfall aus dem Bildungskanon eine Zäsur in der Rezeptionsgeschichte der Schlacht. Von diesem Wissensverlust auszunehmen ist allerdings Griechenland, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die klassische Antike endgültig als die eigene Vergangenheit angenommen hat. Außerhalb der Bildungsinstitutionen bleibt im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Exemplarität der antiken Schlacht weiterhin bemerkenswert unangefochten. Dabei verläuft die Entwicklung vom 19. zum 20. Jahrhundert tendenziell in Richtung einer zunehmenden Enthistorisierung des Ereignisses. In Deutschland erlebte das Exempel in den 1920er bis 1940er Jahren einen Höhepunkt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich ein Literarisierungsund Fiktionalisierungsschub beobachten. Jenseits der Fachdiskurse gibt es im 19. und 20. Jahrhundert kontinuierlich eine weitstreuende hochkulturelle Rezeption der Schlacht, die weder in die zeitspezifischen Kontexte des Nationsbildungsprozesses gehört noch ländertypische Ausprägungen zeigt. In dieser Rezeption werden die für die Schlacht an den Thermopylen charakteristischen Themen wie Opferheldentum und heroischer Untergang verhandelt, aber sie trägt keine oder nur geringe Spuren einer bestimmten Zeit. Die Aktualisierungen finden in der Regel vor dem Hintergrund des nationalen oder abendländischen Deutungsmusters statt. Zwar wird die Schlacht als exemplarisch angesehen, aber aus ihr wird nicht, oder zumindest nicht direkt, eine Handlungsaufforderung abgeleitet. Zudem ist diese Rezeption zu verstreut und häufig künstlerisch zu individuell, als dass sie politische Prägnanz ausbilden könnte. Eine Zäsur in dieser ,unspezifischen‘ Linie der Thermopylen-Rezeption stellt der Siegeszug der populärkulturellen Medien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Während Film, Comic und historischer Roman die narrative Darstellung und das Idealkörperkonzept übernehmen, wird die hochkulturelle Rezeption zunehmend esoterischer. Allerdings beweist gerade diese Rezeption jenseits der

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Bildungsinstitutionen die ungebrochene Faszinationskraft der Schlacht und ihres Modells von Heldentum. Eine Phase verdichteter Rezeption der Schlacht mit einer länderspezifischen Ausprägung fällt in Deutschland in die Zeit vom Ende des Ersten Weltkriegs bis 1950/60er Jahre. Die Besonderheit dieser Thermopylen-Rezeption lässt sich unter anderem daran erkennen, dass nur in Deutschland nach 1945 die antike Schlacht auch kritisch reflektiert wird, und zwar auch – um nicht zu sagen: vor allem – außerhalb der Wissenschaft. Diese spezifisch deutsche Rezeption bewegt sich zwischen Schulbildung und militärischen Kontexten, ihr Kernelement ist das Epigramm in der Nachdichtung von Schiller. Die Grundlage für die Aktualisierungen der Schlacht ist deren Kanonisierung als Schulwissen, die in Deutschland von der gesellschaftlichen Bedeutung des humanistischen Gymnasiums geprägt ist. Die Rezeption der Schlacht in Schulgeschichtsbüchern zeigt die Deutungsverschiebungen im Zeitraum von der Reichsgründung bis zur frühen BRD . Bis zum Ende der NS -Zeit wurde die Schlacht mit großer Kontinuität als konkretes Orientierungsmodell insbesondere für Jungen vermittelt. Veränderungen sind um die Jahrhundertwende, in der Schulbuchgeneration der Weimarer Republik, und in den NS -Geschichtsbüchern festzustellen. Antikes Bildungswissen wurde am umfangreichsten auf dem humanistischen Gymnasium vermittelt und auch die Kenntnis der griechisch-römischen Geschichte war stärker sozial und geschlechtsspezifisch selektierend als die nationale Geschichtsbildung. Besonders elitär war das Wissen über die griechisch-römische Antike in der NS -Zeit, während die Schlacht gleichzeitig außerhalb der Bildungsinstitutionen ihre größte Popularisierung erfuhr. Die Nachdrücklichkeit, mit der der Untergang des Leonidas und seiner Spartiaten den Schülern als ,Heldentod‘ empfohlen wurde, variiert. Während die Schulbücher der Kaiserzeit die überzeitliche Gültigkeit der Schlacht eher implizit herstellen, wird sie in den Geschichtsbüchern der Weimarer Republik explizit zum Exempel erhoben. Dabei besteht eine direkte Verbindung zur Geschichtswissenschaft, womit auch dem Exempel die Autorität von Wissenschaftlichkeit zuteil wird. In den Büchern der Weimarer Zeit gelangt weiterhin eine Entwicklung zum Abschluss, die um 1900 einsetzte: Schillers Nachdichtung verdrängt die anderen deutschen Übersetzungen des Epigramms und wird nunmehr zu der deutschen Epigramm-Version. Diese verzögerte Karriere der Schiller-Variante hängt damit zusammen, dass in dieser Zeit die Schlacht an den Thermopylen außerhalb von Schule und Wissenschaft von der Idee des Staatsbürgertums gelöst wurde und damit die Epigramm-Übersetzungen, die die „Gesetze“ auf den spartanischen Staat bezogen, an Attraktivität verloren. Mit Schillers Nachdichtung und dem als kategorischer Imperativ verstandenen „wie das Gesetz es befahl“ stand eine Epigramm-Version zur Verfügung, mit der auf einer ,höheren‘ Ebene militärische Handlungsmaximen kommuniziert werden konnten. Im Gefallenengedenken im und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Deutung von Schillers Epigramm-Version als Formel für eine rein militärische Pflichterfüllung hegemonial. Um 1900 veränderte sich in den Schulbüchern zudem die Interpretation der Perserkriege, die zum Kampf Europas gegen Asien zugespitzt wurden. Diese in der

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Phase des Hochimperialismus eingeführte Deutung vollzieht mehrere Wendungen und überlebt im Gegensatz zur Interpretation der Schlacht als ,Heldentod‘ auch das Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Ost-West-Antagonismus liegt bis in die 1960er Jahre ein wesentliches Aktualisierungspotential für die antike Schlacht. Dagegen betreffen die Hauptveränderungen der NS -Schulbücher den spartanischen Staat, der nunmehr als ,Rassestaat‘ den Hintergrund für das Handeln des Leonidas bildet. An der Kanonisierung der antiken Schlacht als Bildungswissen in der Kaiserzeit nahmen nicht nur die Schule und die Altertumswissenschaften teil, sondern indirekt auch das Militär. So waren die Institutionen höhere Schule, Universität und Militär auf spezifische Weise miteinander verflochten, und die antike Schlacht erhielt innerhalb dieses Dreiecksverhältnisses den symbolischen Sinn, bürgerliche Bildung mit militärischem Nutzen zu verbinden. Als Element des antiken Bildungswissens gehörte die Schlacht zu dem Symbolsystem, das jenseits aller Fraktionierungen der Ober- und Mittelschicht ,Bürgerlichkeit‘ ausmachte. Gleichzeitig ließ sich die antike Schlacht als Modell für den ,Opfertod fürs Vaterland‘ für die nationale Verteidigung verwenden. In den Kämpfen, die seit 1890 um die privilegierte Stellung des humanistischen Gymnasiums tobten, wurde daher das antike Exempel makabererweise gerne als Beweis für die Praxisrelevanz humanistischer Schulbildung eingesetzt. In der Phase der ,Entliberalisierung‘ in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende unterscheidet sich die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen nicht von den nationalen Heldenexempeln. Allerdings konnten sich Bürgertum und Militär ohnehin problemlos über die antike Schlacht verständigen, da es für sie auch eine konservative Deutungstradition gab. Diese liberal-konservative Liaison bei der Deutung der antiken Schlacht wurde in der Weimarer Republik ins äußere rechte Spektrum erweitert. Die Popularisierung in dieser Zeit betrifft damit nicht nur die Präsenz der Schlacht jenseits der Bildungsinstitutionen, sondern auch den sozialen Gebrauch. Das gesteigerte Interesse an der Schlacht nach dem Ersten Weltkrieg lässt sich auf zwei Ebenen fassen: Zum einen war die Rezeption der Schlacht eng mit einer sehr ausgeprägten neuen Spartarezeption verbunden. Zum anderen wurde das Exempel unabhängig davon im Bereich des politischen Totenkultes verwendet. Die um 1900 neu einsetzende Begeisterung für die antiken Hochkulturen war von der kulturpessimistischen Grundstimmung der Zeit geprägt, weshalb auch das antike Sparta mit der Hoffnung auf gesellschaftliche und kulturelle Erneuerung belastet wurde. Die Aufmerksamkeit richtete sich einerseits auf die ,Eugenik‘ des spartanischen Staatswesens, andererseits, wie im 18. Jahrhundert, auf das Verhältnis von Individuum und Staat, wobei sich der Akzent deutlich zu letzterem verschob. Neu entdeckt wurde um 1900 der Männerbund, der als Keimzelle staatlicher Ordnung in Konkurrenz zur Familie gesetzt wurde. Diese Züchtungs-, Ordnungs- und Männlichkeitsphantasien der vorwiegend literarischen und pseudowissenschaftlichen, später auch wissenschaftlichen Spartarezeption sind kein ausschließlich deutsches Phänomen. Aber in der Weimarer Republik liefen im Horizont der politischen und kulturellen Grundsatzdebatten die verschiedenen Stränge dieser Spartarezeption zusammen und verdichteten sich derart, dass sich um die antike

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Polis alle Antidemokraten, Antiindividualisten und Antimaterialisten scharen konnten. Der ,Rassestaat‘ wurde mit dem ,nordischen Gedanken‘ kurzgeschlossen, die Spartiaten wurden zum ,neuen Adel‘ und der Männerbund zur Frontgemeinschaft. Diese einzelnen Aspekte der Aktualisierung sind durchaus widersprüchlich, was besonders in der NS -Zeit, dem absoluten Höhepunkt der deutschen Spartarezeption, deutlich wird. Während die nationalsozialistischen Politiker in erster Linie an den ,Rassestaat‘, das Erziehungssystem und den von Homoerotik gereinigten Männerbund anknüpften, war die neoaristokratische Deutung nicht mit dem Leitbild der Volksgemeinschaft zu verbinden. Diese Unschärfe ermöglichte es den verschiedenen politisch rechten Positionen, mit der antiken Polis einen Werte- und Bildungskonsens zu kommunizieren. Während Sparta für die Bildungselite ein beliebtes Modell der Selbstmobilisierung war, gaben sich die nationalsozialistischen Politiker damit den Anstrich von Bildung und historischer Legitimität. Charakteristisch für Deutschland ist zudem das enge Verhältnis zwischen der wissenschaftlichen Spartaforschung, die sich in den 1930er Jahren ausdifferenzierte, und den außerwissenschaftlichen Spartadeutungen. In diesen wissenschaftlichen Arbeiten kulminieren Staatsbildung und Geschichte Spartas in der Schlacht an den Thermopylen. Das Ereignis der Schlacht und das spartanische Staatswesen gehen vollständig ineinander auf, eine Tatsache, die durch das zeittypische Gestaltdenken bzw. das Argumentieren mit ahistorischen Entitäten bewirkt wird. Jenseits der Wissenschaft wird die Schlacht zwar vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Neudeutungen rezipiert, ist aber viel unsystematischer mit ihnen verbunden. Für die nationalsozialistische Thermopylen-Rezeption war zwar eine Grundvoraussetzung, dass die Spartiaten zur ,nordischen‘ Rasse gehörten, was aber völlig hinter der Betonung bedingungsloser militärischer Opferbereitschaft zurücktreten konnte. Unabhängig von dieser Spartarezeption wurde die Schlacht an den Thermopylen während der Weimarer Republik verstärkt im politischen Totenkult rezipiert. Dabei stand Schillers Epigramm-Version absolut im Vordergrund, die nunmehr in die zwei Teile zerlegt wurde, in denen sie in trivialisierter Form noch heute in Deutschland durch die Öffentlichkeit geistert. Im politischen Totenkult der Weimarer Republik erhielt das Epigramm seine entscheidende Bedeutungszuschreibung, die die Thermopylen-Rezeption in Deutschland bis in die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik bestimmt und in den Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg bis heute bewahrt wird. Das Epigramm wurde zur Formel, mit der die rein militärische Pflichterfüllung kommuniziert und als ehrenhaft bestätigt wurde. Ausgeklammert blieben die für das Exempel ehemals so zentralen übergeordneten Handlungsziele, die Freiheit und die politische Partizipation, und damit die Frage nach der Legitimität des Krieges, nach Angemessenheit und Schuld. Die Verantwortung für den Kriegstod fiel in der Formel „wie das Gesetz es befahl“ dem einzelnen Soldaten selbst zu. Das Epigramm wurde in neuem Umfang in die Sprache der internalisierten militärischen Disziplin einer Wehrpflichtigenarmee aufgenommen. Politisch bewegt sich die Thermopylen-Rezeption im politischen Totenkult im selben Spektrum wie die literarisch-wissenschaftliche Spartarezeption. Die nationalkonservativen alten Eliten des Kaiserreichs und die radikale, revisionistische

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Rechte konnten sich über das antike Exempel verständigen. Allgemein kennzeichnet die Verwendung des Thermopylen-Exempels in Phasen einer verdichteten Rezeption also eine gewisse politische Unschärfe, durch die ein Konsens über bestimmte Werte und Handlungsmodelle hergestellt werden kann. Dass die antike Schlacht zu einer gemeinsamen Sprache von Konservativen und Nationalsozialisten gehörte, ist die Voraussetzung für den wohl spektakulärsten Thermopylen-Vergleich in der Rezeptionsgeschichte, den Vergleich mit Stalingrad. Durch Görings Rede erlebte die antike Schlacht ihre bisher größte Popularisierung; in den Stalingrad-Memoiren ist sie bis heute in der deutschen Öffentlichkeit präsent. In der Rede dient das antike Exempel nicht nur dazu, das Massensterben zu überhöhen, sondern auch dazu, die endgültige Niederlage überhaupt erstmals öffentlich zuzugeben. Überdies generiert der Vergleich vier weitere Deutungsdimensionen: Erstens wird das Epigramm wie im politischen Totenkult der Weimarer Republik als Formel der militärischen Pflichterfüllung verwendet, womit die Frage nach der Verantwortung des Führers und der Wehrmachtsgeneralität ausgeblendet wird. Dieses exkulpierende Potential des Epigramms wurde auch nach dem Krieg noch von Wehrmachtsoffizieren genutzt. Zweitens transportieren Leonidas und die Spartiaten die Vorstellung von einem aktiven Heldentum, die davon ablenkt, dass die 6. Armee verhungert und erfroren war. Drittens impliziert der Vergleich, dass Deutschland sich an der Wolga gegen eine feindliche Invasion verteidige, was von der NS -Propaganda zur Rettung des Abendlandes vor dem Bolschewismus stilisiert wird. Dieses Deutungsmuster blieb für die Schlacht an den Thermopylen in der Zeit des Kalten Krieges weiterhin attraktiv. Viertens verheißt die Niederlage einen späteren Sieg. Die Reaktionen der deutschen Bevölkerung auf diesen Vergleich lassen sich nach der Nähe zum Geschehen differenzieren. Die eigentlichen Adressaten des antiken Exempels waren aber eindeutig die Eliten des Landes, insbesondere die Offiziere der Wehrmacht. Zwar hat ein Teil der Stalingrad-Forschung den Vergleich als historisch widersinnig entlarvt und als Zeichen der Hilflosigkeit des NS -Regimes gedeutet, aber er war im Gegenteil im Hinblick auf die Offiziere durchaus geschickt ausgewählt. Wie sehr die antike Schlacht nicht nur der Bildung, sondern auch dem Pflichten- und Ehrenkodex der Offiziere entsprach, wird daran deutlich, dass diese mit dem Epigramm ihre persönliche Handlungsmotivation erklärten, gerade auch wenn sie dem NS -Regime kritisch gegenüberstanden. Das antike Exempel erlangte somit im Zweiten Weltkrieg wiederum in gewissem Umfang Handlungsrelevanz für Offiziere. Gegenüber der Zeit der napoleonischen Kriege verschiebt sich allerdings der Akzent von der Normierung eines bestimmten Kampfverhaltens durch Vergleiche mit Leonidas zur Artikulation einer grundsätzlichen Einstellung zur militärischen Pflicht durch das Epigramm. Obwohl die Zielgruppe des antiken Exempels die Elite war, ließ es sich popularisieren, da es mit den zahlreichen anderen Heldenexempeln dieser Zeit auf spezifische Weise kompatibel war. Beschränkt man das Deutungsmuster des militärischen Opferheldentums, wie es die Forschung tut, auf die nationalen oder gar nur auf die NS -Helden, nimmt man ihm seine anthropologisch anmutende Tiefendimension, die es durch die verschiedenen Vergangenheitsbezüge erhält. Wenn

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man das Phänomen des Heldentums nicht als ,Mythos‘ konzipiert, der die Vielgestaltigkeit in einer numinosen Totalität aufhebt, sondern als ein System historischer Heldenexempel versteht, so lassen sich nicht nur die antiken Helden einordnen, sondern auch die Logiken der Vergleichspraxis aufschlüsseln. Innerhalb bestimmter Grundtypen können die verschiedenen Heldenexempel frei, aber nicht beliebig kombiniert werden und bestätigen sich gegenseitig in ihrer Gültigkeit. Die Schlacht an den Thermopylen gehört zum Typus der Kriegshelden, die von den ,Helden einer Bewegung‘ getrennt werden müssen, und kann sowohl als Vergleich für Einzelpersonen als auch für Kollektive dienen, wobei sich im 20. Jahrhundert der Akzent eindeutig auf die 300 Spartiaten verschiebt. Durch die historischen Fakten ist die antike Schlacht als Vergleich für den Landkrieg festgelegt und in der Deutung als ,Heldentum aus Pflichterfüllung‘ wird sie mit dem Massentod von Wehrpflichtigen parallelisiert. Damit ist das antike Exempel zu dem im Ersten Weltkrieg neu entstandenen Typus kollektiven Heldentums zu rechnen, wofür auch die mit der Schlacht assoziierte Körperästhetik spricht. Für die Vergleichspraxis können die historischen Fakten eher negiert werden als die mit der Schlacht verbundenen Deutungsmuster; insbesondere für tote Soldaten ist eine Parallelisierung immer möglich, unabhängig davon, ob sie bei einer Niederlage oder bei einem Sieg gestorben sind. Das Thermopylen-Exempel unterscheidet sich in drei Punkten von vergleichbaren nationalen Heldenexempeln: Erstens ist es älter und kann sich immer auf eine exemplarische Wertschätzung bereits in der Antike stützen. Beim exemplarischen Vergleich wird eine größere zeitliche Differenz überwunden, weshalb die Naturalisierungseffekte stärker sind. Das Heldentum des Leonidas und seiner Spartiaten ist abstrakter und vermeintlich unpolitischer. Zweitens ist das antike Exempel im sozialen Gebrauch elitärer und dient immer auch dazu, Bildung zu thematisieren. Drittens sind die Spartiaten, anders als die nationalen Heldenfiguren, mit antikischen Idealkörpern verbunden, in denen wiederum Normativität und Überzeitlichkeit eingelagert sind. Die mit der Schlacht assoziierten Körperbilder werden am Anfang des 20. Jahrhunderts maskuliner und archaisierender sowie mit einem neuen Konglomerat an Deutungen und Praktiken, darunter auch der Sport, verknüpft. Dieser Vorgang kann teilweise auch als Historisierung bezeichnet werden, da sich die Köperbilder an die griechische Skulptur aus der Zeit um 480 v. Chr. anlehnen. Allerdings wird diese Tendenz zur archäologischen Exaktheit dadurch aufgehoben, dass vor allem in den klassischen Gattungen der bildenden Kunst das Historische als Darstellungsprinzip deutlich abgewertet wird, weshalb die Grenze der bildlichen Repräsentationen von antikem und zeitgenössischem Heldentum verschwimmt. Die Verbindung mit dem archaisierenden Körperideal bleibt in transformierter und entpolitisierter Form im gesamten 20. Jahrhundert bestehen. Die Thermopylen-Rezeption in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik verdeutlicht die enorme Instrumentalisierung, die die Schlacht in der NS -Zeit erfahren hat. Obwohl einige Deutungsstränge weitergehen, löst sich der Zusammenhang von Bildungsinstitutionen und außerwissenschaftlichen Bereichen bei der Deutungsfestlegung der Schlacht auf, womit die Phase der spezifisch deutschen

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Thermopylen-Rezeption zu Ende ist. Der rapide internationale Bedeutungsverlust, den die griechisch-römische Antike in den 1960/70er Jahren für die Bildung der Eliten erlitt, verhinderte, dass sich in Deutschland nachhaltig eine demokratische Deutung der Schlacht (wieder) etablieren konnte, während die Interpretation als Beispiel einer rein militärischen Pflichterfüllung in den Weltkriegserinnerungen weiterlebt. Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen ist nicht nur eine Geschichte vom immer wieder neuen, spezifisch-kontextgebundenen, mehr oder weniger pragmatischen Interesse an einem historischen Ereignis, sondern auch ein Lehrstück für die Überlebensfähigkeit einer ,vormodernen‘ Denkfigur von Vergangenheit. Die Schlacht ist insofern ein extremer Fall, als die Konstruktion von Heldentum Strategien der Verewigung benötigt und gleichzeitig der Heldentod Entzeitlichungslogiken generiert. Das antike Ereignis trägt im exemplarischen Vergleich implizit dazu bei, ,Gesetzmäßigkeit‘, ,Natur‘ bzw. allgemein einen Raum des Essentiellen zu konstruieren. Das Exempel liefert damit ,Argumente‘ eines höchsten Geltungsgrades für ein militärisches Ereignis, das für sich genommen einen derartigen Grad an Gewissheit nie besitzen könnte. Die dialektische Dynamik von Zeitlichkeit und Überzeitlichkeit bzw. Historizität und Ahistorizität, die die Rezeption der Schlacht bestimmt, gerät im veränderten epistemischen Milieu der neuzeitlichen ,Geschichte‘ erst richtig in Schwung. Neben der faktischen Kontinuität des Exempels wird die Überzeitlichkeit durch verschiedene Strategien, Mechanismen und Kontexte immer wieder neu hergestellt. Daran wird zum einen deutlich, dass ,die Geschichte‘ nicht in allen Bereichen einer Gesellschaft gleichermaßen gilt. Zum anderen ist grundsätzlich zu fragen, ob nicht die neuzeitliche Konstruktion von ,Geschichte‘ eine – vermeintlich nur – ,vormoderne‘ Dimension besitzt, die in verschiedenen Formen Überzeitlichkeit produziert und mal mehr, mal weniger deutlich zu Tage tritt.

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Quellen

Bd. 1: Geschichte des Altertums von Ernst Neustadt u. Georg Röhm, (Teubners Geschichtliches Unterrichtswerk für höhere Lehranstalten) Leipzig-Berlin 51926. Bonwetsch, Gerhard / Kania, Hans / Neustadt, Ernst / Röhm, Georg / Schnabel, Franz, Grundriß der Geschichte für die Oberstufe. Ausgabe B, für Oberrealschulen, deutsche Oberschulen und Aufbauschulen sowie Studienanstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums von Ernst Neustadt u. Georg Röhm, (Teubners Geschichtliches Unterrichtswerk für höhere Lehranstalten) Leipzig-Berlin 51926. Bonwetsch, Gerhard / Kania, Hans / Neustadt, Ernst / Röhm, Georg / Schnabel, Franz, Grundriß der Geschichte für die Oberstufe. Ausgabe C, in darstellender Form. Bd. 1: Geschichte des Altertums von Ernst Neustadt u. Georg Röhm, (Teubners Geschichtliches Unterrichtswerk für höhere Lehranstalten) Leipzig-Berlin 1927. Bonwetsch, Gerhard / Kania, Hans / Neustadt, Ernst / Röhm, Georg / Schnabel, Franz, Grundriß der Geschichte für die Oberstufe. Ausgabe D, Einheitsausgabe. Bd. 1: Geschichte des europäischen Altertums und des germanischen Mittelalters bis zum Ausgang der Stauferzeit von Gerhard Bonwetsch, Ernst Neustadt u. Georg Röhm, (Teubners Geschichtliches Unterrichtswerk für höhere Lehranstalten) Leipzig-Berlin 1932. Christensen, Heinrich, Geschichte für Mittelschulen und verwandte Anstalten. Neubearb. von W. Suhr und P. Treiber, Leipzig 91926. Christensen, Heinrich, Grundriß der Geschichte. Teil 1, Das Altertum, Leipzig 41901. Christensen, Heinrich, Kleines Lehrbuch der Geschichte für die Oberstufe höherer Mädchenschulen und für Lehrerinnenseminare. Bd. 1: Das Altertum, Leipzig 21898. Christensen, Heinrich, Lehrbuch der Geschichte für höhere Mädchenschulen. Ausgabe B, für gemischt konfessionelle Schulen. Vorstufe Teil 2, Lebensbilder aus der Geschichte des Altertums – Lebensbilder aus der Deutschen Geschichte, Leipzig 21911. Christensen, Heinrich, Lehrbuch der Geschichte für höhere Mädchenschulen. Bd. 1: Griechische und römische Geschichte, Leipzig 21911. Christensen, Heinrich / Suhr, W., Geschichte für Mittelschulen und verwandte Anstalten. Bd. 1: Das Altertum, Leipzig 41917. Dahmen, Joseph, Leitfaden der Geschichte für höhere Mädchenschulen und Lehrerinnenseminare. Bd. 1: Die Völker des Altertums. Römer und Germanen bis zu Karl dem Großen, Leipzig 21900. Dahmen, Joseph / Lindner, Jakob / Hübsch, Toni, Geschichte für Mittelschulen und verwandte Anstalten. Bd. 1: Bilder aus der griechischen und römischen Sage und Geschichte. Römer und Germanen, Leipzig 21915. Donat, Friedrich, Lehrbuch der Geschichte für preußische Mittelschulen, Leipzig 21913. Doner, Friedrich / Hoffmann, Kurt / Lankes, Otto / Muggenthaler, Hans / Stoll, Max, Deutsches Werden. Geschichtsunterricht für die höheren Unterrichtsanstalten (Knabenund Mädchenschulen). Bd. 1: Altertum von Otto Lankes u. Kurt Hoffmann, Bamberg 1928. Doner, Friedrich / Hoffmann, Kurt / Lankes, Otto / Muggenthaler, Hans / Stoll, Max, Deutsches Werden. Geschichtsunterricht für die höheren Unterrichtsanstalten (Knabenund Mädchenschulen). Bd. 1: Altertum und Germanische Zeit von August Uhl u. Hans Ruider, Bamberg 1929. Ebner, Eduard, Geschichte des Altertums. Für lateinlose Schulen, Nürnberg 21910. Ebner, Eduard, Geschichte des Altertums. Für lateinlose Schulen. Neubearb. von Josef Habisreutinger, Nürnberg 181935. Edelmann, Moritz / Gruenberg, Leo, Volkswerden der Deutschen. Geschichtsbuch für höhere Schulen. Klasse 6: Von der Vorgeschichte bis zum Ende der Stauferzeit von Hans Bartels, Karl Klotsch u. Hans Lüdemann, Frankfurt a. M. 1940. Eichenberg, Karl August, Spartanische Erziehung. Auswahl aus Xenophon, Plutarch, Lukian und Tyrtaios, (Eclogae Graecolatinae 71) Leipzig-Berlin 1934. Engelhaaf, Gottlob, Grundzüge der Geschichte. Bd. 1: Das Altertum, Heilbronn 1885. Ergänzungsbogen zu den Bänden 1A und 1B des Geschichtsbuches von Pinnow-SteudelWillmanns, [ca. 1934]. Ergänzungsbogen zu Band 1 des Lehrbuchs der Geschichte von Pinnow-Bux, [ca. 1935].

3. Schulbücher

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Ergänzungsbogen zum Grundriß der Geschichte für die Oberstufe [Bonwetsch]. Von den Anfängen bis 1250 (A, B, C), [ca. 1934]. Foulon, N., Histoire e´le´mentaire philosophique et politique de l’ancienne Gre`ce depuis l’e´tablissement des Colonies jusqu’a` la reduction de la Gre`ce en Province Romaine [. . .] Paris An IX (1800/01). Froning, R. / Klarmann, G. / Wewer, J., Geschichte für Mittelschulen. Bd. 2: Bilder aus der griechischen und römischen Sage und Geschichte, Leipzig-Frankfurt a.M. 1911. Furth, P. / Hayn, Fr. / Kurzleb, H., Lebendige Vergangenheit. Geschichtsbuch für Realund Mittelschulen. Bd. 2: Von der Urzeit bis zur Völkerwanderungszeit von Hermann Schmidt, Stuttgart 1953. Gehl, Walter, Geschichte der Antike in Stichworten, Breslau 1938. Gehl, Walter, Geschichte für höhere Schulen, Mittelstufe. Ein Hilfsbuch zu geschichtlicher Anschauung. Bd. 1: Altertum, Breslau 1925. Gehl, Walter, Geschichte für höhere Schulen, Oberstufe. Ein Hilfsbuch zu geschichtlichem Denken und Sehen. Bd. 1: Altertum, Breslau 1926. Gehl, Walter, Geschichte für höhere Schulen, Mittelstufe. Ein Hilfsbuch zu geschichtlicher Anschauung. Bd. 1: Altertum, Breslau 51929. Gehl, Walter, Geschichte. Für Oberschulen, Gymnasien u. Oberschulen in Aufbauform. Klasse 6: Von der Urzeit bis zum Ende der Hohenstaufen, Breslau 1940. Gehl, Walter, in Verb. mit Max Worbs, Geschichte für Mittelschulen. Bd. 1: Geschichte der Griechen, Römer und Germanen, Breslau 1926. Gehl, Walter, in Verb. mit Max Worbs, Geschichte für Mittelschulen. Bd. 1: Geschichte der Griechen, Römer und Germanen, Breslau 31932. Groebe, Paul / Lenschau, Thomas / Pape, P., Handbuch für den Geschichtsunterricht, Leipzig 1913. Grube, August W., Charakterbilder aus der Geschichte und Sage für einen propädeutischen Geschichtsunterricht (Für die unteren Klassen an Gymnasien, Realschulen und gehobenen Volksschulen) Leipzig 221880. Grundzüge der Geschichte. Einheitsausgabe für die mittleren Klassen. Bd. 1: Frühgeschichte. Altertum Völkerwanderungszeit von Rudolf Weirich, Frankfurt a.M. 1952. Gutmann, Karl / Stoll, Max / Schill, Wilhelm F., Deutsche Geschichte. Bd. 5: Von der Vorgeschichte bis zum Ende der Stauferzeit, Bamberg [u. a.] 1938. Heinze, Wilhelm, Die Geschichte für Lehrerbildungsanstalten. Bd. 1: Die alte Geschichte, Hannover-Berlin 21902. Heinze, Wilhelm, Die Geschichte für Lehrerbildungsanstalten. Bd. 1: Die alte Geschichte, Hannover-Berlin 31905. Hoffmeyer, Ludwig / Hering, Wilhelm, Erzählungen aus der Weltgeschichte. Für den Gebrauch in Mittelschulen. Ausgabe A, Hannover 1884. Hoffmeyer, Ludwig / Hering, Wilhelm, Erzählungen aus der Weltgeschichte. Für den Gebrauch in Mittelschulen. Ausgabe B, Hannover 1890. Hoffmeyer, Ludwig / Hering, Wilhelm, Erzählungen aus der Weltgeschichte. Für den Gebrauch in Mittelschulen. Ausgabe A, Hannover 101906. Hoffmeyer, Ludwig / Hering, Wilhelm / Diekmann, Hermann, Geschichte für Mittelschulen. Zwölfte Auflage der „Erzählungen aus der Weltgeschichte von Hoffmeyer und Hering“. Neubearb. n. d. Best. vom 3. 2. 1910. Bd. 1,2, Breslau 1911. Hohmann, Walter / Lehr, Kuno / Reppich, Hans / Schiefer, Wilhelm, Volk und Reich der Deutschen. Geschichtsbuch für Oberschulen. Klasse 6: Von der Vorgeschichte bis zum Ende der Stauferzeit von Walter Hohmann und Wilhelm Schiefer, Frankfurt a.M. 1941. Hug, Walter / Busley, Heja / Bahl, Franz, Geschichtliche Weltkunde. Bd. 1: Von der frühen Zeit der Menschen bis zum Beginn der Neuzeit. Frankfurt a.M. u. a. 1974. Huther, Alfons, Geschichtswerk für höhere Unterrichtsanstalten, Mittelklassen. Bd. 1: Das Altertum von Alfons Huther u. Georg Rummel, München-Berlin 1926. Huther, Alfons, Geschichtswerk für höhere Unterrichtsanstalten, Oberklassen. Bd. 1: Altertum und frühes Mittelalter von Alfons Huther u. Karl Hunger, München-Berlin 1926.

380

Quellen

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3. Schulbücher

381

Realschulen. Bd. 2: Im Altertum von Richard Freyh u. Joachim Volkmer, Stuttgart 1965. Luz, Georg, Grundstufe der Weltgeschichte für Volksschüler (Oberklassen). A: Geschichte des Alterthums, Kempten 21873. Maier, Albert / Schirmeyer, Ludwig, Lehrbuch der Geschichte für höhere Schulen, Mittelstufe. Bd. 1: Von der griechischen Frühzeit bis zum Untergang des weströmischen Reiches von Wilhelm Hack, Frankfurt a.M. 31928. Maier, Albert / Schirmeyer, Ludwig, Lehrbuch der Geschichte für höhere Schulen, Oberstufe. Ausgabe A, Für Gymnasien. Bd. 1: Das Altertum von Wilhelm Hack, Geschichte des Frühmittelalters von Reiner Kempen, Frankfurt a.M. 41929. Maier, Albert / Schirmeyer, Ludwig, Lehrbuch der Geschichte für höhere Schulen, Oberstufe. Ausgabe A, Für Gymnasien. Bd. 1: Deutsche Geschichte von den Uranfängen bis zum Hochmittelalter (Griechen und Römer von Wilhelm Hack), Frankfurt a.M. 71935. Maier, Albert / Schirmeyer, Ludwig, Lehrbuch der Geschichte für höhere Schulen, Oberstufe. Ausgabe A, Für Gymnasien. Bd. 1: Deutsche Geschichte von den Uranfängen bis zum Hochmittelalter (Griechen und Römer von Wilhelm Hack), Frankfurt a.M. 101937. Maier, Albert / Schirmeyer, Ludwig, Lehrbuch der Geschichte für höhere Schulen, Mittelstufe. Bd. 1: Von der griechischen Frühzeit bis zum Untergang des weströmischen Reiches von Wilhelm Hack, Frankfurt a.M. 121937. Martens, Wilhelm, Leitfaden der Geschichte für die mittleren Klassen höherer Lehranstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums, Hannover 1896. Martens, Wilhelm, Leitfaden der Geschichte für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums, Hannover 41903. Mayer, Christian, Leitfaden für den geschichtlichen Unterricht an Mittelschulen. Bd. 1: Die alte Zeit, München 81902. Mertens, Martin, Hilfsbuch für den Unterricht in der Alten Geschichte. Ausgabe A, für höhere Lehranstalten. Hrsg. von Franz Bender, Freiburg i.Br. 19/201918. Müller, Otto Heinrich, Lebendige Vergangenheit. Bd. 1: Griechenland und das Römerreich, Oberursel 1949. Neubauer, Friedrich, Geschichtliches Lehrbuch für höhere Mädchenschulen. Ausgabe B. Bd. 2: Griechische und römische Geschichte für die 5. Klasse, Halle 51909. Neubauer, Friedrich, Grundzüge der Geschichte für höhere Lehranstalten. Bd. 2: Geschichte des Altertums und des frühen Mittelalters. Für die Mittelstufe, Halle 1923. Neubauer, Friedrich, Grundzüge der Geschichte für höhere Lehranstalten. Bd. 2: Geschichte des Altertums und des frühen Mittelalters. Für die Oberstufe, Halle 1923. Neubauer, Friedrich, Lehrbuch der Geschichte für höhere Lehranstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums für die Quarta, Halle 1899. Neubauer, Friedrich, Lehrbuch der Geschichte für höhere Lehranstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums für die Obersekunda, Halle 31902. Neubauer, Friedrich, Lehrbuch der Geschichte für höhere Lehranstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums für die Quarta, Halle 41903. Pfeiffer, Wilhelm, Lehrbuch für den Geschichtsunterricht für höhere Lehranstalten. Bd. 1: Griechische Geschichte bis zum Tode Alexanders des Großen. Römische Geschichte bis zum Tode des Augustus, Breslau 1904. Pfeiffer, Wilhelm, Lehrbuch für den Geschichtsunterricht für höhere Lehranstalten. Bd. 4: Die Hauptereignisse der griechischen Geschichte bis zum Tode Alexanders des Großen und der römischen Geschichte bis Augustus, Breslau 1904. Pinnow, Hermann, Geschichtsbuch für die Mittelklassen höherer Lehranstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums von Hermann Pinnow in Verb. mit Ernst Bux, Leipzig-Berlin 1924. Pinnow, Hermann, Geschichtsbuch für die Mittelklassen höherer Lehranstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums von Hermann Pinnow in Verb. mit Ernst Bux, Leipzig-Berlin 5 1925. Pinnow, Hermann, in Verb. mit Theodor Steudel und Ernst Wilmanns, Geschichtsbuch für die Mittelstufe. Ausgabe A, Vorwiegend für Preußen. Bd. 1: Geschichte der Griechen und

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Quellen

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3. Schulbücher

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Schröter, Wilhelm, Leonidas, (Führergestalten des Altertums 3) Bielefeld [1937]. Sevin, Ludwig (Hg.), Geschichtliches Quellenbuch. Eine Sammlung von Quellenschriften für den Schulgebrauch. Bd. 1: Die Völker des Morgenlandes und die Hellenen bis zum Ende der Perserkriege, Leipzig 1895. Sommer, O., Leitfaden der Weltgeschichte, Bd. 1, Braunschweig 131893. Spiess, Moritz / Berlet, Bruno, Weltgeschichte in Biographien. Bd. 1, Hildburghausen 71872. Spiess, Moritz / Berlet, Bruno, Weltgeschichte in Biographien. Bd. 1, Hildburghausen 161901. Stein, Heinrich Konrad, Lehrbuch der Geschichte für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. Bd. 1: Das Altertum, Paderborn 81900. Stein, Heinrich Konrad, H. K. Steins Lehrbuch der Geschichte für die mittleren Klassen höherer Lehranstalten. Bd. 1: Das Altertum, Paderborn 81912. Stein, Heinrich Konrad, Lehrbuch der Geschichte für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. Neubearb. von Hans Kolligs. Bd. 1: Das Altertum bis zur römischen Kaiserzeit, Paderborn 161918. Stein, Heinrich Konrad, Steins Lehrbuch der Geschichte für höhere Lehranstalten. Neubearb. von Hans Kolligs, Friedrich Leonhard, Rudolf Schulze. Bd. 2: Oberklassen, Paderborn 191925. Stein, Heinrich Konrad, H. K. Steins Lehrbuch der Geschichte für höhere Lehranstalten. Neubearb. von Hans Kolligs, Friedrich Leonhard, Rudolf Schulze. Bd. 1: Mittelklassen, Paderborn 21/221926. Stein, Heinrich Konrad, H. K. Steins Lehrbuch der Geschichte für höhere Lehranstalten. Neubearb. von Josef Brüggemann, Friedrich Leonhard, Rudolf Schulze. Bd. 1: Mittelklassen, Paderborn 241928. Stich, Hans / Döberl, Michael, Lehrbuch der Geschichte für die oberen Klassen der Gymnasien. Bd. 1: Das Altertum von Hans Stich, Bamberg 41905. Stich, Hans / Döberl, Michael, Lehrbuch der Geschichte für die oberen Klassen der Gymnasien. Neubearb. von Rudolf Herbst u. Alfred Klotz. Bd. 1: Das Altertum von Hans Stich, Bamberg 111926. Stöckel, Hermann, Lehrbuch der Geschichte für Mittelschulen. Ausgabe A, Für sechsklassige Anstalten. Bd. 1: Geschichte des Altertums, München-Leipzig 71906. Stolze, Maria, Lehrbuch der Geschichte I. Notausgabe von Steins Lehrbuch der Geschichte. Bearb. von Hans Kolligs, Friedrich Leonard, Rudolf Schulze. In unveränderter Form veröffentlicht i. A. des Obersten Befehlshabers der Alliierten Streitkräfte. Bd. 1: Altertum, o. O. 1945. Vacano, Otto-Wilhelm von, Sparta. Der Lebenskampf einer nordischen Herrenschicht, (Arbeitsheft für die Adolf-Hitler-Schulen 1) Kempten 1940. Vogel, Friedrich, Geschichtsleitfaden für die Sexta. Im Anschluß an das Döbelner Lesebuch I . Erzählungen aus der Sage und Geschichte Griechenlands, Leipzig-Berlin 21906. Vogel, Friedrich, Lehrbuch für den ersten Unterricht in der Geschichte. Bd. 1: Lehrbuch für den ersten Unterricht in der griechischen und römischen Geschichte, MünchenBamberg 21894. Vogelpohl, Wilhelm, Beihefte zu „Heimat und Vaterland“. Heft 1: Bilder aus der griechischen und römischen Sage und Geschichte, Leipzig-Berlin 1925. Wehrhan, Karl, Geschichte. Bd. 2: Bilder aus der griechischen und römischen Sage und Geschichte nebst einigen Bildern aus der Geschichte der Völker des Morgenlandes, Frankfurt a.M. 21924. Wehrhan, Karl, Geschichte. Für die Klasse 5 der sechsstufigen Mittelschulen (nach d. Best. v. 1925). Ausgabe A, Für bekenntnismäßig gemischte Schulen. Bd. 1: Bilder aus der griechischen und römischen Sage und Geschichte. Römer und Germanen, Frankfurt a.M. 61926. Wehrhan, Karl, in Verb. mit Hans Wittelsbach, Lehrbuch der Geschichte für Mittelschulen. Bd. 1 von Karl Grunwald u. Otto Lukas, Frankfurt a.M. 20/211939. Welter, Theodor Bernhard, Lehrbuch der Weltgeschichte für Gymnasien und höhere Bürgerschulen. Bd. 1: Die Alte Geschichte, Münster 301872. Welter, Theodor Bernhard, Lehrbuch der Weltgeschichte für höhere Lehranstalten. Bd. 1: Die Alte Geschichte, Münster 371885.

384

Quellen

Welter, Theodor Bernhard, Lehrbuch der Weltgeschichte für höhere Lehranstalten. Bd. 1: Die Alte Geschichte, Münster 411897. Welter, Theodor Bernhard, Lehrbuch der Weltgeschichte für höhere Lehranstalten. Bd. 1: Die Alte Geschichte, Münster 441908. Welter, Theodor Bernhard, Lehrbuch der Weltgeschichte. Neubearb. von Ludwig Humborg, Josef Sondermann, Paul Rudnitzki. Bd. 1: Das Altertum, Münster 471926. Willing, Karl, Der Geist Spartas. Geschichte, Verfassung und Sitten der Spartaner nach Schilderung griechischer Schriftsteller, Berlin 1935. Winter, H., Lehrbuch der Alten Geschichte. Mit Einschluß der Sagen und Kulturgeschichte für höhere Lehranstalten, München 1897.

4. Zeitungen und Zeitschriften Adler von Hellas. Wochenblatt eines deutschen Fliegerkorps (BA-MA RLD 19/2). Allgemeine Militär-Zeitung. Hrsg. von einer Gesellschaft Deutscher Offiziere und Militärbeamter. Aus der Truppe für die Truppe (Hammer-Division) (BA-MA RHD 62/8). Berliner Illustrierte Zeitung. Cambronne. Revue philosophique, satirique, e´clectique et toujours pratique. Le Constitutionnel. Journal du commerce, politique et litte´raire. Le Corsaire. Journal des spectacles, de la litte´rature, des arts, des mœurs et des modes. Le Courrier franc¸ais. Les Dernie`res Nouvelles de Strasbourg. Deutsche Wehr. Deutsches Offiziersblatt. Le Drapeau blanc. L’Eclaireur de l’Est. L’Etoile. Feldzeitung von der Maas bis an die Memel (BA-MA 69/15). Le Figaro. Die Front. Feldzeitung einer Armee. Hrsg. vom AOK der 18. Armee (BA-MA RHD 53/54). Gazette de France. Journal politique. Le Globe. Journal philosophique et litte´raire. Das humanistische Gymnasium. Organ des Gymnasialvereins. Illustrierte Zeitung. Kriegsbilder. Journal de Paris et des de´partemens, politique, commercial et litte´raire. Journal des arts, des sciences et de la litte´rature. Journal des de´bats politiques et litte´raires. Journal du Commerce. Journal ge´ne´ral de France. Kriegsgräberfürsorge. Mitteilungen und Berichte vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Luftflotte West. Hrsg. von der Luftflotte 3. Mercure de France. Le Mercure du dix-neuvie`me sie`cle. Militärische Blätter. Militärische Zeitung. Militärwissenschaftliche Rundschau. Hrsg. vom Oberkommando der Wehrmacht. Militär-Wochenblatt. Le Miroir des spectacles, des lettres, des mœurs et des arts. Mitteilungen des Gemeinnützigen Vereins ehemaliger Angehöriger des Reserve-Inf.-Regt. 203 e.V. Berlin (Charlottenburg). Le Moniteur universel.

4. Zeitungen und Zeitschriften

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Le Nain jaune ou Journal des arts, des sciences et de la litte´rature. Neue militärische Zeitschrift. Österreichische militärische Zeitschrift. La Quotidienne. Le Patriote de 89. Le Re´dacteur. Re´volutions de Paris, de´die´es a` la nation et au district des Petits Augustins. Revue encyclope´dique ou Analyse raisonne´e des productions les plus remarquables dans la politique, les sciences, l’industrie et les beaux-arts. Signal (Sonderausgabe der Berliner Illustrierten Zeitung). Soldatenblätter für Feier und Freizeit. Hrsg. vom OKW Abteilung Inland in der Reihe Tornisterschriften. Soldatentum. Zeitschrift für Wehrpsychologie, Wehrerziehung, Führerauslese. Volk und Reich. Politische Monatshefte. Hrsg. von Friedrich Heiß. Völkischer Beobachter. Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands / Berliner Ausgabe. Wacht im Südosten. Deutsche Soldatenzeitung (BA-MA RHD 69/24). Die Wehrmacht. Hrsg. vom Oberkommando der Wehrmacht. Zeitschrift für Kriegswissenschaft. Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen. Hrsg. in dem Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten. 1859–1918. Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen. Hrsg. vom Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. 1918–1945.

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Bildnachweis Abb. 1: Roettgen, Steffi, Wandmalerei der Frührenaissance in Italien, Abb. 138 Abb. 2: RMN , Muse´e du Louvre, Foto: Rene´-Gabriel Oje´da, Vertrieb: bpk Berlin Abb. 3: Cl. Muse´es de Sens (France), J.-P. Elie Abb. 4, 5, 6: Oskar Kokoschka  VG Bild-Kunst, Bonn 2005; Universität Hamburg Abb. 7: Cherf, William J., Thermopylai. Myth and Reality in 480 BC, Taf. 48 a-d Abb. 8: Oliver Schneider (Grundlage: Lazenby, John F., The Defence of Greece, S. 133) Abb. 9: Oliver Schneider (Grundlage: Müller, Dietram, Topographischer Bildkommentar, S. 379) Abb. 10: Privatbesitz Abb. 11: Bankel, Hansgeorg (Hg.), Carl Haller von Hallerstein in Griechenland 1810–1817, S. 44 Abb. 14 Abb. 12: Mappe Ehrenmäler Nr. 15, Kölner Stadtarchiv; Foto: Anuschka Albertz Abb. 13: Postkarte, Foto: K. Stathogiannis, Privatbesitz Abb. 14: Montpellier, Muse´e Fabre Abb. 15: RMN , Muse´e du Louvre, Fotograf unbekannt, Vertrieb: bpk Berlin Abb. 16: Gaehtgens, Thomas W., Jacques-Louis David „Leonidas bei den Thermopylen“, S. 221 Abb. 9 Abb. 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29: Bibliothe`que nationale de France, de´partement des Estampes et de la Photographie Abb. 30: Paul-Henri Moisan  VG Bild-Kunst, Bonn 2005 Abb. 31, 32, 33, 34: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Abb. 35: Signal 4 (1943), Nr. 6, S. 2 Abb. 36: Illustrierte Zeitung 100 (1943), Nr. 5022, S. 123 Abb. 37: Punch 200 (1941), Nr. 5224, S. 324 Abb. 38: Berliner Illustrierte Zeitung 50 (1941), Nr. 21 vom 22. 5., S. 576 Abb. 39: Berve, Helmut, Griechische Geschichte, Bd. 1, Taf. 7 Abb. 40: Diederich, Benno, Ein Weltkrieg im Altertum, der Jugend erzählt, S. 97 Abb. 41: Frank Miller / Lynn Varley, 300, München 1999 Abb. 42:  Cy Twombly; Schmidt, Katharina (Hg.), Cy Twombly. Die Skulptur – The Sculpture, Abb. 53 Abb. 43: Verrat am Thermopylen-Pass. Der Heldenkampf der 300 Spartaner, 1997